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Combs bei seinem weltweiten Kreuzzug für den Schutz des Sex.» Frauen müssen sich vorher waschen und Männer maniküren lassen, falls sie teilnehmen wollen. Ein paar Meter weiter versuchen zwei Teenies, eine Ansage in eine Fernsehkamera zu sprechen. Sie sind damit nicht besonders erfolgreich und kichern auf eine merkwürdige Art immer wieder los. Langsam dämmert uns, dass die beiden Tatu sein müssen, die neue lesbische Pop-Sensation aus Russland, die gerade in Europa gebypt wird. Rob lacht über ihr Gelächter, woraufhin sie noch mehr lachen. Auf dem Weg zum Fahrstuhl läuft er Marilyn Manson über den Weg, der fragt, ob er Rob malen dürfe. «Mit meinem Schwanz draußen?», fragt Rob. «Wir stehen auf die gleiche Sorte Mädchen», meint Marilyn Manson. Etwas weiter entfernt sitzt Sophie Ellis Bextor mit dem Rücken zu ihm. Keiner beachtet den anderen.
Robs Liste von Leuten, die ihn seiner Meinung nach schlecht behandelt haben, ist nicht besonders lang, aber ein paar Namen sind unauslöschlich. Sophie Ellis Bextor gehört dazu. Vielleicht hätte er ihr das erste Mal gar nicht so übel genommen, wenn die Sache nicht weitergegangen wäre. Sie war damals Sängerin von The Audience, einer Independent-Band. Rob fand ihre Single «If You Can't Do it When You're Young When Can You Do It?» ganz gut, und ihm gefiel vor allem, dass sie auf der B-Seite «There Are Worse Things I Could Do» aus Grease sang. Also lud er sie ein, als Vorgruppe bei
seiner ersten Solo-Tournee aufzutreten. Die Band hätte das gerne gemacht, Bextor war dagegen. «Sie bezeichnete mich als <Mist> – das war, glaube ich, das Wort, das sie benutzt hat», sagt Rob. 1998 starb Robs Großmutter, die sein Leben lang eine wichtige Rolle für ihn gespielt hatte. In der Nacht vor der Beerdigung lag er in seinem alten Zimmer in Stoke – «sowieso schon völlig aufgelöst» – und sah fern. Er zappte sich in Jo Whileys Musik-Diskussionssendung, in der Robs «Millennium»-Video gezeigt wurde. Anschließend diskutierten Whiley, Neil Hannon, James Lavelle und Sophie Ellis Bextor darüber, ob das Ding etwas tauge. Der Einzige, der Rob verteidigte, war Lavelle. Er sagte, er hätte keine Ahnung gehabt, was Rob alles durchgemacht hat, aber dass er ihn dafür bewundere, es überhaupt versucht zu haben. Neil Hannon, mit dem Rob vor kurzem auf seiner Single «No Regrets» gesungen hatte, erklärte, er hätte das nur seinen Nichten zuliebe gemacht. (Das hatte Folgen. Hannons Gruppe, The Divine Comedy, sollte im Vorprogramm von Robbie Williams auftreten. Nach dieser Sendung warf Rob ihn raus. Als Hannon anrief, um sich zu entschuldigen, und hoffte, damit wäre die Sache erledigt, erklärte ihm Rob, dass er fast geheult hätte, als Hannon sich gegen ihn gestellt hatte.) Sophie Ellis Bextor machte allerdings die negativsten Bemerkungen. «Die hat mich härter angegriffen als je ein Journalist», sagt er. «Ich glaube, sie nannte mich <den unehelichen Sohn von Jimmy Tarbuck>.» Pause. «Das ist eine Beleidigung für mich und für Jimmy Tarbuck.» Während der Beerdigung am nächsten Tag, als gerade der Sarg in die Erde gelassen wurde, machte ein lokaler Paparazzi ein paar Fotos aus acht Meter Entfernung. «Der hatte nicht einmal den Anstand, sich in den Büschen zu verstecken», erinnert sich Rob. «Stand einfach da.» Eine üble Zeit, mit der Sophie Ellis Bextors Gehässigkeit für immer verbunden bleibt. Etwas später begegnete er ihr bei der Capital Awards Radio Show. Wenn er besonders wütend ist, ringt er sich häufig zu einer versöhnlichen Geste durch. Er tippte ihr auf die Schulter und meinte: «Findest du mich immer noch zum Kotzen?» Er weiß noch, dass sie fast sprachlos war, dann aber nein, fände sie nicht, meinte. «Es ist
nämlich so», sagte er zu ihr, «was du damals gesagt hast, hat mich wirklich verletzt. Egal, viel Glück mit allem.» Kurz danach bekam er von ihr einen Brief. Kein richtiger Entschuldigungsbrief, aber der Tenor war, sie verstünde nun, nachdem sie eine Weile im Business sei, dass Künstler zusammenhalten sollten. Am gleichen Morgen, einem Samstag, sah er sie in einer Kindersendung, wo sie schon wieder über ihn herzog. «Ich glaube, die ist eine Giftnatter», sagt er. «Ich glaube, sie ist wirklich böse.» Pause. «Und ich finde, sie sollte sich mal einer Hüftoperation unterziehen.»
Den ganzen Tag hat Rob erzählt, er würde nicht zu der anschließenden MTV-Party gehen, aber im letzten Moment entschließt er sich doch, mal kurz vorbeizuschauen. Sie findet in Gaudis «Casa Bello» statt, «einem der schönsten Gebäude der Welt», verkündet er, als wir vorfahren. Drinnen läuft er direkt Jon Bon Jovi in die Arme, der «Feel» lobt – «es ist wirklich ganz was anderes» –, während jemand von Vanity Fair erfolglos versucht, Rob zu einem Foto zu überreden. «Ich habe kein Make-up aufgelegt», meint er. «Ich bin hier nur auf ein Würstchen vorbeigekommen.» Er stellt sich wieder zu Chris Martin – und Anastacia. «Weißt du, dass du wie meine Ex-Freundin aussiehst?», fragt er sie. «Klar», kontert sie. «Heißt das, du willst mit mir ins Bett?» Jemand bietet ihm an, ihm den Privatbereich des Hauses zu zeigen, und so machen wir eine private Führung durch das Gaudi-Haus mit Moby und Tico Torres von Bon Jovi. Rob erzählt Moby, dass Guy und er, als sie «Feel» schrieben, das Stück immer «den Moby-Song» nannten. Später, auf der Party, gibt Jon Bon Jovi Rob Ratschläge für seinen Durchbruch in Amerika. «Du bist so ein phantastischer Performer», meint er, «du musst einfach nur raus. Und wenn es im Vorprogramm eines noch größeren Performers ist.» Jon Bon Jovi erzählt, dass sie früher bei jeder Tournee 250 Auftritte gemacht haben und 60 bei ihrer kürzesten Tour. Rob, der in seinem ganzen Leben noch keine 250 Auftritte gemacht hat, guckt entsetzt. «60 Auftritte?», fragt er. «Ich mache fünf in der Woche.» Bon Jovi sagt, dass sie direkt nach der MTV-Show in die USA fliegen, weil sie am
nächsten Morgen in Miami bei einem Radiosender auftreten müssen. «Das würde ich niemals tun», denkt sich Rob, als er das hört. Jon Bon Jovi wird einer Frau mit den Worten vorgestellt: «Sie erinnern sich, Sie haben sich schon mal im Weißen Haus gesehen», und das ist für Rob der Moment, sich zu verabschieden. Wir schleichen aus einem Seitenausgang, bevor das gesetzte Essen und die Reden anfangen. Er war keine 30 Minuten hier.
In der Hotellobby spielen wir wieder Backgammon. Etwas später kommt Chris Martin von der Party zurück. Rob fragt ihn, ob er Lust auf ein Spiel hätte. «Wahnsinnig gern, ehrlich gesagt.» Auf der Stelle unterbricht Rob unser Spiel und baut ein neues auf. «Worum spielen wir?», will er wissen. «Erst mal nur zum Spaß», sagt Chris. Er würfelt sechs und zwei. Lange Zeit starrt er einfach nur auf das Brett. Rob, der überhaupt keine Geduld hat, guckt ganz perplex. «Ich spiele gern langsam», erklärt Chris. Rob nickt. «Du bist der Steve Davis des Backgammon.» Plötzlich bittet er uns, unsere Köpfe einzuziehen und so zu tun, als wären wir in ein intensives Gespräch vertieft: Er sagt, er habe gerade Nellee Hooper gesehen. Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch. Er würde die Geschichte ein andermal erzählen, meint er. Er hat das Spiel praktisch schon gewonnen. «Ist dies das erste von vielen?», will Chris wissen. «Na klar. Nächstes Mal spielen wir um Geld.» Pause. «Oder nur um die Ehre. Nennen wir das hier unser Aufwärmspiel?» «Nennen wir es unseren Sieg», sagt Chris. Spiel zwei beginnt. «Wieso würfele ich die ganze Zeit sechs und drei?», wundert sich Chris. «Der Teufel spricht zu dir durch die Würfel», sagt Rob.«Das nützt auch nichts.» Der Kellner kommt. Wir bestellen Kaffee, Chris Martin bittet um ein Wasser. Ein paar Würfe später betrachtet er das Brett. «Das ist Mist», seufzt er.
«Ich höre deinen Song so laut in meinem Kopf, es ist wirklich unglaublich», sagt Rob. «Passiert dir das manchmal, wenn du Leute kennen lernst?» Chris wirft ihm einen Blick zu, der wohl besagt, dass das bei ihm nie so ist, starrt auf das Backgammonbrett und sagt: «Ich hab verloren.» Er blickt hoch. Um den Tisch sitzen Rob, Pompey, ein weiterer Bodyguard und ich. «Ich kann das nicht. Ihr sitzt alle da und seht mich an.» Er lacht. «Das ist ungefähr so, als würde man mit dem Paten spielen. Mich setzt das unter Druck. So kann ich nicht gewinnen. Ich bin Scheiße. Ich bin es gewohnt, selber Pate zu sein.» Er sagt, er muss gehen. Die Getränke sind noch nicht einmal gekommen. Er geht zum Fahrstuhl und kommt nochmal den ganzen Weg zurück. «Tut mir Leid wegen des Wassers», sagt er. «Schon gut», erwidert Rob. Sobald Chris Martin außer Hörweite ist, fügt er hinzu: «Der höflichste Mann der Welt.» Er lacht. «Dies», verkündet er, «war ein gewaltiger Sieg von mir als Vertreter der Massen gegen die intellektuelle Gruppe der unabhängigen Musiker.»
Zwei Mädchen versuchen, ihn zu überreden, mit ihnen in einen Club zu gehen. «Ich bin kein großer Disco-Gänger», sagt er. «Ich bin ein großer Minibars leer machender, fernsehguckender Ins-Bett-Geher.» Sie geben auf. «Weißt du was, ich glaube, ich bin aus meinen BumsStiefeln rausgewachsen», sagt er. Wenn das stimmt, hat das mehrere Konsequenzen. «Wenn es nicht mehr um Sex und nicht mehr ums Geld geht, dann muss es wohl um Musik gehen.» Bei den Fahrstühlen läuft er beinahe Enrique Iglesias in die Arme. «Schön, dich endlich kennen zu lernen», sagt Enrique. Einige Mitglieder von Coldplay wollen ins Casino im Keller gehen, um ein bisschen zu spielen. Wir werden jedoch nicht hineingelassen, weil wir unsere Ausweise nicht dabeihaben. Rob sagt den ColdplayMusikern, dass er seinen holen will, aber stattdessen kehren wir in die Lobby zurück. Pharrell Williams taucht auf. Rob zeigt ihm seine Tätowierung auf der Innenseite seines linken Handgelenks. Farrell. Pharrell Williams reagiert sehr amüsiert, aber auch arrogant, beinahe so, als bilde er sich ein, Rob hätte sich seinen Namen
eintätowieren lassen, aber leider den Namen falsch geschrieben. «Das war vielleicht unangenehm», murmelt Rob hinterher. Chris Martin ruft ihn von seinem Zimmer aus an — Rob wollte eigentlich oben weiter mit ihm Backgammon spielen, verließ aber den Raum, weil Chris ein langes Privatgespräch am Telefon führte —, während gleichzeitig Kylie Minogue auf ihn zukommt. «Eine Sekunde, ich rufe dich gleich zurück», sagt er zu Martin, dann zu Kylie: «Du siehst sehr schön aus», und geht mit ihr auf den Balkon, um dort ungestörter ein bisschen mit ihr zu reden. (Inzwischen lässt er also zwei verschiedene Teile von Coldplay auf sich warten.) Etwas später geht Rob hinauf zu Chris Martins Zimmer. Er fährt zufällig mit Kylie und Pharrell Williams im Fahrstuhl nach oben. Pharrell hört der Unterhaltung zwischen Rob und Kylie zu, ohne sich einzumischen. «Was gibst du mir denn morgen Abend?», will Rob wissen. «Top Secret», sagt Kylie. «Einen Preis für das Beste Jahr Unterbrechung?» Sie schweigen ein paar Stockwerke lang. «Du hast eine gelbe Schleife auf deiner Unterhose», bemerkt er. «Oh!», sagt Kylie. «Guck da nicht hin.» Der Aufzug hält, und Pharrell steigt mit einem genuschelten «Nacht» aus. «Was machst du jetzt?», will Kylie von Rob wissen. «Backgammon. Ich werde ein bisschen Geld machen.» Und so ist es auch: Als er später Chris Martins Zimmer verlässt, hat er 100 Euro verdient. Anhand der Fragen, die Chris Martin ihm beim Spielen gestellt hat, scheint es, als würde Martin sich Sorgen machen, ob Rob genügend echte Freunde hat. Rob erzählt ihm von Jonny, aber Chris scheint ihm den nicht so ganz als besten Freund abzunehmen. Er mochte es, wie Chris Martin ihm die Hälfte seines Thunfischsandwiches übrig ließ. Er mochte auch das Sandwich.
5 Am Tag der MTV-Awards spielen Rob und ich in der Lounge mal wieder Backgammon. Von hier aus haben wir die beste Sicht auf die Lobby. Rob summt «The Majesty Of Rock» von Spinal Tap, während er sich auf das Spiel konzentriert. Plötzlich kommt Dominic Mohan auf ihn zu, der Pop-Kolumnist der Sun. «Gutes Album», sagt Dominic Mohan. «<Me And My Monkey>. Super Song. Wovon handelt er?» (Die kurzen Sätze, die er in seinem Blatt schreiben muss, haben offenbar auch sein Sprachzentrum beeinflusst.) «Weiß ich selber nicht», meint Rob. Wir spielen weiter. «Amüsierst du dich?», fragt Dominic. «Ja.» «Keine Wiederholung von Stockholm?» Dort hatten die letzten MTV-Awards stattgefunden, die Rob noch als Trinker mitgemacht hatte. Es war keine angenehme Veranstaltung für ihn gewesen. Rob meint, er würde diesmal auf keine Party gehen. «Ich werde meine Vergangenheit besiegen und wieder nach Hause fahren», sagt er. «Hoffentlich sehen wir uns bald mal, damit wir das Interview machen können, über das wir gesprochen haben», sagt Dominic. «Für eine der Singles vielleicht», meint Rob. Sie geben sich die Hand. Dominic Mahon erzählt, dass er «Me And My Monkey» in seiner Virgin-Radio-Show gespielt hat, und geht. Es stellt sich heraus, dass Dominic Mahon kein Interview mehr braucht, weil er gerade eines geführt hat. Die Geschichte erscheint in der morgigen Ausgabe der Sun: «ROBBIE: ICH WERDE HIER MEINE DÄMONEN BESIEGEN. Robbie Williams gab mir gegenüber gestern Abend zu, dass er wild entschlossen sei, die Dämonen zu verbannen, die seinen letzten Auftritt bei den MTV Europe-Awards ruiniert haben. In einem exklusiven Interview, das in seinem Hotel in Barcelona stattfand, gestand Robbie, dass ihn die Schuldgefühle über seine alkoholisierte Darbietung in Stockholm im Jahr 2000 nicht mehr loslassen würden. Er schwor, den Versuchungen des Alkohols bei den diesjährigen Verleihungen zu widerstehen, indem er direkt nach seinem Auftritt nach Hause fliegen
würde, noch vor dem Ende der Veranstaltung. Ein geläuterter Robbie sagte zu mir:
Auf dem Weg zum Toilette spricht ihn ein Mann mit der Frage an: «Bekomme ich ein Zitat für den NME?» «Ja», sagt Rob. «Fuck off.» Das Zitat wird wahrheitsgetreu auf der Website des NME wiedergegeben.
Im Bus, der ihn zur Show fährt, erwähnt er, dass er sich nicht gut fühlt. «Wisst ihr noch, wie ihr immer gesagt habt: <Es wird schon alles werden>?», murmelt er zu sich selbst. Er starrt aus dem Fenster. «Ich habe noch nie gesehen, wie ein Kran abgebaut wird», meint er. «Wie kriegt man die wieder weg?» Auf dem Weg in den Backstage-Bereich begrüßt er Jade Jagger und Patrick Kluivert. Chris Martin kommt in seine Garderobe, den Mittelfinger erhoben, mit dem er einen 100-Euro-Schein hält. Eminem schlurft mit gesenktem Kopf den Flur hinunter, umgeben von riesigen Männern. Rob geht auf die Toilette und trifft auf dem Rückweg Mel C. Er sagt ihr, wie gut sie aussieht, und will wissen, ob der Mann da drüben ihr Freund sei. «Ja», sagt sie, «ich habe endlich einen gefunden, der kein Wichser ist.» Marilyn Manson gesellt sich zu ihnen. «Melanie», sagt er. Manson erzählt von der Party gestern Abend – «Es gab Parmesan-Eis, ich habe extra die Menükarte aufgehoben» – und erzählt, dass er Puff Daddy getroffen hat. «Hattest du Angst?», fragt Rob.
«Nein, ich habe mich mit ihm fotografieren lassen», meint Manson und behauptet dann: «Ich habe ihm einen runtergeholt.» Es ist beruhigend, zu wissen, dass Manson sich immer dann danebenbenimmt, wenn er dabei ist, zu vergessen, was seine Rolle ist. Zurück in seiner Garderobe sagt Rob, dass er die Situation mit Manson und Mel C peinlich fand. Nicht wegen dem, was gesagt wurde, sondern weil er die ganze Zeit die Hand vor seinen Schritt halten musste: «Ich habe auf dem Klo ein bisschen auf meine Hose gepinkelt», erklärt er.
In seiner Garderobe verbindet er seinen Computer mit der Musikanlage und hört mit donnernder Lautstärke seine Lieblingsstücke: Erst mal Eazy E's «Nobody Move». Er seift sich ein, rasiert sich mit nacktem Oberkörper vor dem Spiegel, bittet Josie um einen Kaffee und spielt Jay Z's «Ain't No Love». Die Garderoben sind in Wirklichkeit nur provisorische kleine Schachteln, die Wände ungefähr viereinhalb Meter hoch und darüber zwanzig Meter offener Raum bis zur Decke. Würde man alle Wände hochziehen, könnte man die größten Stars der Welt in unterschiedlichen Bekleidungsstadien und Stimmungen erleben, zusammengepfercht in einer riesigen Lagerhalle. Robs Musik beschallt die ganze Halle. Irgendjemand steckt den Kopf durch die Tür und nickt. «Puff will wissen, wer das ist», sagt er. Rob spielt noch mehr Jay Z, danach «Diddly» von P Diddy. Zwei Tänzer von Christina Aguilera kommen vorbei und wollen auch wissen, woher die Musik kommt. Er spielt irgendwas von Eil Rob, Ian Browns «Dolphins Are Monkeys», «Pump Up The Volume». P Diddy taucht in der Tür auf und lässt sich mit Rob fotografieren, der gleich darauf Ronan Keating begrüßt. Als er zurückkommt, spielt er «Waterfall» von The Stone Roses, ein bisschen ZZ Top, «Maggie May» und «No One Knows» von Queens Of The Stone Age. Chris Martin stürmt herein. «Komm, schnell noch ein Spiel», meint er und setzt sich an das Backgammonbrett. Er erkundigt sich bei Rob, wann er seinen Walk-in machen soll. Die Künstler sollen später
wieder nach draußen gehen und für die Fernsehkameras am roten Teppich so tun, als wären sie gerade angekommen. Rob sieht ihn an, als wäre er nicht ganz bei Trost. «Machst du da nicht mit?», fragt Chris Martin. «Du sollst den Walk-in machen?», fragt Rob völlig erstaunt. Chris Martin nickt. (Ich habe das deutliche Gefühl, dass hier ein kleiner Konkurrenzkampf stattfindet: Wer ist denn jetzt der Popstar?) Ein paar Minuten später wird Chris Martin von einem Sicherheitsmann abgeholt, damit er seine Pflichten auf dem roten Teppich erledigt. Jenson Button kommt auf einen Plausch herein und hält ein Red Bull in der Hand. «Kann ich dich auf einen Slimfast-Drink einladen?», fragt Rob. «Reizend», sagt Jenson etwas erstaunt, lehnt aber ab. Rob spielt «Paradise City» von Guns N' Roses. «Miss Pink», ruft er, als sie im Flur auf ihn zukommt. «Guter Song», erwidert sie. «Schön, dich kennen zu lernen.» Ich bleibe ihm auf den Fersen, während er nervös und ungeduldig hin und her flitzt. Er geht zurück in seine Garderobe und schmeißt mit ziemlicher Gewalt einen Stuhl an den Schrank. Dann macht er es nochmal. Und nochmal. Nur so. Spielt «It's So Easy» von Guns N' Roses und geht in den Flur, um mit Rupert Everett zu reden. Marilyn Manson taucht wieder auf. «Kannst du den Scheiß mal leiser machen?», fragt er freundlich. Taylor Hawkins, Schlagzeuger der Foo Fighters, trommelt mit seinen Schlagstöcken auf die offene Tür zu Robs Garderobe. «Queen hätten dich gern als Sänger», sagt er. (Da ist sogar etwas Wahres dran. Nachdem Rob mit zwei Mitgliedern von Queen «We Are The Champions» als Titelsong für den Film «A Knight's Tale» gesungen hatte, fragten sie ihn, ob er nicht als Frontmann mit ihnen auf Amerika-Tournee gehen wolle. Er hatte ganz ernsthaft darüber nachgedacht.) «Die haben aber angefangen, Duette mit Boybands und so'n Zeug zu machen», sagt er zu Taylor. Der nickt. «Die müssen mal ein bisschen zur Ruhe kommen.» In der Arena hat die Show inzwischen begonnen. Wir sehen die Bilder auf dem Monitor im Flur, genau vor Marilyn Mansons Garderobe. Rob trifft Pierce Brosnan. Marilyn Manson kommt zurück und gibt die Unterhaltung wieder, die er gerade mit Kylie hatte. «Sie sag-
te:
Plattenvertrag abgeschlossen, über 80 Millionen Pfund — wie viel ist das in Dollar? Kann ich davon was abhaben, Baby Boy? Damit gehörst du jetzt zum P Diddy-Club und kannst das wahre Leben leben, Baby. Applaus für meinen Freund ... Robbie Williams!» Rob hat kein Problem mehr mit dem Text. «Come on hold my hand ... I want to contact the living ... » Das ist der traurige und ernste Anfang eines traurigen und ernsten Songs. Rob erklärt selten, was dahinter steckt, dass die Worte nämlich aus einer alten Komödianten-Nummer stammen, der, als er auf der Bühne stirbt, sagt: «Kommt schon, alle zusammen! Lasst uns an den Händen halten und mal sehen, ob wir Kontakt zu den Lebenden bekommen!» Typisch für Robbie Williams, sich so einer Quelle auf diese spezielle Weise zu bedienen. Sein vierminütiger Auftritt geht gut, auch wenn Rob sich selbst nicht richtig hören kann und seine Einsätze deshalb nicht ganz präzise sind. Als er den hohen Ton singt, macht die Kamera ein Close-up von seinem angewiderten Gesichtsausdruck. Gegen Ende hebt er mit majestätischer Geste, die er sich von Perry Farrell abgeguckt hat, die Hand über den Kopf. Als er die Bühne verlässt, nehmen die satanistischen Las Ketchup seinen Platz vor den Kameras ein.
Auf dem Weg zurück in seine Garderobe klopft er an Ms. Dynamites Tür, die er immer noch unbedingt sprechen möchte, bevor er abreist, aber sie ist nicht da. Erst als sein Make-up entfernt wird, hört er sie den Flur herunterkommen, und rennt hinaus. «Hast du meinen Brief bekommen?» «Nein», antwortet sie. «Ich habe ihn an dein Büro geschickt», sagt er, «weil ich wollte, dass du Bescheid weißt.» Er erklärt kurz, was er ihr sagen wollte. «Außerdem wollte ich sagen, dass du verdammt toll aussiehst.» «Danke», antwortet sie. Die beiden sind nicht gerade die dicksten Freunde, und sie wirkt vielleicht ein bisschen zurückhaltend und misstrauisch, aber nichts deutet auf das hin, was bald darauf passieren wird.
Im Augenblick hat er keine Zeit mehr, sein Privatflugzeug wartet. Er zieht sich schnell in seiner Garderobe um und stellt in allerletzter Minute fest, dass er dringend pinkeln muss. Er könnte den Flur hinunter zur Toilette gehen, stattdessen pinkelt er in den Papierkorb in der Ecke. «Oh, du Tier!», schimpft Gina. Im Bus auf dem Weg zum Flugzeug meint er: «Ich fühle mich immer grauenhaft bei diesen Veranstaltungen.» Gegen drei Uhr morgens ist er schon zu Hause.
Am nächsten Tag erscheint ein Artikel über seine Spanienreise im Evening Standard. ROBBIE WIRD VON MS. DYNAMITE VERNICHTET lautet die Schlagzeile. «Hochmut kommt vor dem Fall – dieser Spruch wurde gestern Abend nur zu wahr für Robbie Williams ... Er forderte sein Glück mit Ms. Dynamite bei den MTV Europe Awards in Barcelona wirklich heraus ... und wurde prompt von ihr fertig gemacht ... Am heutigen Tag dankt er sicher dem lieben Gott dafür, dass ihn niemand bei seinem peinlichen Auftritt vor der Londoner Rap-Sensation beobachtet hat außer vielleicht einer Hand voll anderer Stars.» In dem Artikel heißt es weiter, dass er von der Bühne kam und direkt zu ihrer Garderobe lief, an ihre Tür hämmerte und, als er merkte, dass sie leer war, verzweifelt rief: «Gott – sie ist weg! Ich glaube es nicht! Wo bist du, Ms. Dynamite? Ich muss dich finden!» Anschließend habe er 20 Minuten lang sämtliche Garderoben nach ihr durchsucht, bis er sie endlich fand. Dann rannte er mit den Worten zu ihr: «Gott sei Dank habe ich dich gefunden! Ich warte schon seit Monaten darauf, mit dir zu reden!» In dem Artikel steht, sie hätte das Gesicht verzogen, als er sie umarmte. Anschließend hätte er wissen wollen, warum sie seine Briefe nicht beantwortet habe. «
Garderobe zurückging, sich einen Rennfahreroverall überzog und auch nicht bei der Aftershow-Party auftauchte.» Nur zur Information ist hier der exakte Wortlaut des Briefes, den Rob an Ms. Dynamite geschrieben hat. Es gab nur einen einzigen, auch wenn der Standard offenbar der Meinung ist, es wäre einer von mehreren schmachtenden Liebesbriefen gewesen. Rob hatte ihn mit der Hand in Großbuchstaben auf ein Stück Papier geschrieben, und er wurde einige Zeit vor den MTV-Awards verschickt. «Liebe Miss D., zuerst möchte ich dir zu deinen vielen Awards gratulieren. Ich bin erst seit ein paar Wochen wieder im Land, und du bist ständig im Fernsehen ... Das Video ist toll, du siehst wunderbar aus, und die Songs sind klasse ... Gratuliere, gratuliere, gratuliere. Ich möchte kurz erklären, was mit deinen weisen Worten in meinem Song
Rob ist bei Radio Two, wo er Alice Cooper im Flur begegnet. Der lädt ihn ein, mit ihm in Arizona Golf zu spielen. Dann hat er ein seltsames Aufeinandertreffen mit Steve Wright, der ihn bittet, doch mal in seine Sendung zu kommen, und ihm dann vier Kaugummis in die Hand drückt. Und er gibt Jonathan Ross ein Interview, in dem er gefragt wird: «Was ist eigentlich mit dem Schwulen, mit dem du zusammenlebst? Vermisst der dich nicht, wenn du weg bist?»
Rob beschließt, das Spiel mitzumachen. (Falls das nicht klar sein sollte: Jonathan Ross spricht von Jonny.) «Ich kann es ja ruhig zugeben: Alle Beziehungen, die wir sonst haben, sind nur gefaked», sagt er. «Alles nur Bluff. Das wird morgen Schlagzeilen geben. Das weißt du, oder? Es wird heißen: Robbie gibt endlich zu, schwul zu sein.» Tatsächlich erscheint nichts dergleichen in den Zeitungen. Wahrscheinlich hört man in den Boulevard-Redaktionen einfach nicht Radio Two, oder man tummelt sich dort lieber auf dem Gebiet der Spekulationen und Geheimnisse. Vielleicht sind sie auch einfach faul und wollen lieber ihre drei oder vier Lieblingsgeschichten wiederholen (er ist mit Rachel Hunter zusammen; er schläft mit allen, die nicht bei zwei auf dem Baum sind; er ist traurig und einsam und ungeliebt; er ist in Wirklichkeit schwul), ohne sich im Geringsten darüber Gedanken zu machen, dass sich diese Geschichten widersprechen. Wenigstens können sie dann, falls sich eine dieser Geschichten endlich mal bestätigen würde, sofort schreien: «Haben wir doch gleich gewusst!»
Die meisten Tage von Robbie Williams fangen im Augenblick spät an, mit einer Schüssel Müsli und der Post. Heute hat ein seltsamer Brief den Weg auf seinen Frühstückstisch gefunden. Es ist ein beidseitig beschriebenes Blatt aus einem Memo-Block mit einem Foto eines neu-gierig guckenden Löwenbabys am oberen Rand. Oben steht: «Dieser Memo-Block gehört ... », aber der Name wurde mit schwarzem Kugelschreiber übermalt, und der Brief ist weder unterschrieben, noch steht ein Absender darauf. (Wenn man ihn allerdings gegen das Licht hält, kann man den Namen noch gut lesen.) Der Brief ist in exzentrischer, dürrer Handschrift verfasst, mit wackeligen, wilden Großbuchstaben. Das wirklich Seltsame an diesem Brief ist weniger sein Inhalt – die Leute denken eben solche Sachen –, sondern dass sich jemand die Mühe macht, das alles aufzuschreiben und abzuschicken: «Wir sind ein älteres Paar, waren lange auf, und da gab's eine Sendung über dich! Du hast nur über dich geredet, 1 1/2 Stunden! Mädchen, die sich für dich interessieren, müssen so schlimm sein wie du, kein Wunder, dass sie bald nichts mehr von dir wissen wollen, arro-
gant, schlimme Sprache, du kannst überhaupt nicht singen, die wissen wohl nicht, was richtiges Singen ist, als du gesagt hast:
6 An dem Tag, an dem Escapology erscheint, fliegt er in einem Privatflugzeug zu einer Pressekonferenz nach Berlin, um dort die Tournee für den kommenden Sommer anzukündigen. «Anscheinend bin ich gerade damit beschäftigt, mich mit Eminem zu befreunden und von Ms. Dynamite fertig gemacht zu werden», sagt er, als er während des Fluges kurz die Schlagzeilen überfliegt. (Normalerweise sucht er sich die Boulevardzeitungen nicht extra heraus. Er vermeidet es, sie im Haus zu haben, und guckt sie sich oft tagelang nicht an. Wenn allerdings eine in der Nähe ist — auf einem Tisch liegt, in einem Auto oder Flugzeug —, schnappt er sie sich sofort.) «Ich werde mir für mein nächstes Album eine sehr tiefe Stimme zulegen», erklärt er plötzlich, «und viele Texte rezitieren.» Dann liest er die Rezension seines Albums in Q. «Wichser», meint er, als er fertig ist, «der rezensiert das Album ja gar nicht.» Da fällt ihm ein, dass er sein eigenes Album auch schon lange nicht mehr gehört hat. Er fragt David, ob er eine CD dabei hat, und verbringt den Rest der Reise damit, sich selbst zuzuhören. Nach ein paar Songs erklärt er: «Die Platte scheißt sich um gar nichts. Das ist meine Rezension.» Er zuckt mit den Schultern. «Ich glaube, diese Stücke werden erst in fünf Jahren richtig anerkannt werden. Ich meine, es ist so schwer, nicht dauernd von dem Medien-
Image von Robbie Williams runtergezogen zu werden. Manchmal komme ich da selber nicht dran vorbei.» «Hot Fudge» ist das nächste Stück. «I'm moving to LA!LA!LA! ... », singt er. Ich spreche ihn auf etwas an, worauf sich die meisten Rezensenten geeinigt zu haben scheinen: dass das Album dafür konzipiert wurde, den Durchbruch in Amerika zu schaffen. Es wird so getan, als hätte Rob das ganz klar und offen gesagt. Hat er aber nicht. Und es macht auch überhaupt keinen Sinn, wenn man sich die Platte einmal anhört, vor allem musikalisch. Wenn man die Absicht hätte, Amerika zu erobern, würde man sich auf eine bestimmte Musikrichtung konzentrieren, was dort als Zeichen besonderer Authentizität und Ernsthaftigkeit des Künstlers gewertet wird, und würde nicht eine stilistisch so uneinheitliche Platte wie Escapology herausbringen. Aber das ist noch nicht einmal der unsinnigste Aspekt dieser Diskussion. Fast jeder Kritiker hat die Songs zitiert, in denen tatsächlich Los Angeles oder Amerika vorkommen, wie «Hot Fudge» oder «Song 3», als wären sie der beste Beweis für seine Absicht, sich in Amerika einzuschmeicheln. Doch wer glaubt wirklich daran, dass sich Amerikaner von irgendeinem englischen Typ etwas über ihr eigenes Land vorsingen lassen? Wir reden lange darüber, während das Album läuft, bis Rob sich zu David dreht. «Hast du was von Guy gehört?» «Keinen Ton», antwortet David.
Mag sein, dass Privatjets etwas an sich haben, was Erinnerungen auslöst. Während wir Deutschland anfliegen, erzählt Rob von seinen Begegnungen mit Bono. Die erste ist eine seiner Lieblingsgeschichten aus seinen damaligen Drogenzeiten. Er war zu einer Party bei Bono in Dublin geflogen, wo er sich den Kopf mit Pilzen zudröhnte. Bono fand ihn, wie er an die Wand starrte. «Bono», sagte er, «das ist ein unglaubliches Gemälde ... » «Robbie», antwortete Bono sanft, «das ist ein Fenster.» Robbie wohnte im Gästehaus. Er sollte sich, wie alle anderen Gäste vor ihm, ins Gästebuch eintragen. Vor der Abfahrt stand er lange
davor und grübelte darüber, was Salman Rushdie, Kofi Annan und andere geschrieben hatten. Eingeschüchtert von so viel Weisheit und Poesie versuchte er, sich etwas Passendes auszudenken. Endlich setzte er den Füller auf das Papier. «Für Bono», schrieb er, «alles Liebe, Robbie.» Er ist besessen von Bono und U2. Ihr Konzert im April 2001 in Anaheim, Kalifornien, war einer der Hauptgründe, warum er als Solo-Künstler aufhören und stattdessen eine Band gründen wollte. Danach betete er lange Zeit: «Lieber Gott, kannst du machen, dass ich so jemanden wie The Edge finde? Und kannst du mir helfen, wirklich anspruchsvolle Texte zu schreiben, die meine Seele so berühren wie die von Bono?» Nach dem Konzert in Anaheim ging er hinter die Bühne und sagte zu Bono: «Wenn ich groß bin, möchte ich so werden wie du.» Bono machte nicht den Eindruck, als sei er davon besonders begeistert. Bei den verschiedenen Begegnungen mit Bono gibt es eine, die er wirklich bereut. Bono hat so eine Art, einen manchmal zu packen, in die Augen zu sehen und dabei auf einen einzureden. Rob hatte immer gehofft, Bono würde mit ihm auch mal so reden, hatte aber gleichzeitig entsetzliche Angst davor. Eines Nachts, gleich am Anfang von Robs Solo-Karriere, trafen sie sich und Bono sagte: «Wenn du willst, kannst du wirklich ein Großer werden.» Und Rob erwiderte: «Ja, ich werde der größte Star aller Zeiten.» «In der Sekunde, in der ich das sagte, wusste ich schon, dass das falsch war», sagt Rob. «Er sah mich an, als hätte ich eines seiner Kinder entführt. Und er sagte nein, nein, nein ... Und ich sagte nein, nein, nein ...»
Josie bespricht mit ihm, was ihn auf der Pressekonferenz in der britischen Botschaft erwartet: 269 Journalisten, eine Einführung des Botschafters, Meetings mit den Tournee-Sponsoren Xbox und Smart. Rob tritt auf und steht vor einem riesigen Foto, das ihn bei einem Luftsprung zeigt. «Danke, dass wir hier Ihre Hütte benutzen dürfen», sagt er zum Botschafter, setzt sich auf einen Hocker mit dem Mikrophon in der Hand und sieht aus wie ein Variete-Künstler aus den Siebzigern. Er erklärt den 269 Journalisten, dass er Grippe und nur
zwei Stunden geschlafen hat und außerdem ein bisschen eingeschüchtert ist. «Okay, irgendwelche Fragen?» Die Art, wie er auf die harmlose Frage antwortet, warum er Open Air-Konzerte macht, zeigt gleich, in welcher Stimmung er ist. Weil es immer große Konzerte sind, beginnt er und fügt ungefragt hinzu: «Und ich glaube wirklich, man sollte sich meine Konzerte jetzt ansehen, weil es nach dieser Tournee und diesem Album eigentlich nur noch schlechter werden kann. Ich befinde mich jetzt auf dem Höhepunkt meiner Karriere, und das sollte keiner verpassen. Später, so in fünf Jahren, gibt's dann nur noch die Ferienshows in englischen Sommercamps. Mit Oasis.» Er wird zu Amerika befragt, und ein Teil unseres Gespräches im Flugzeug blubbert aus ihm heraus. «Ich habe eine ganze Menge interessantes Zeug dazu gelesen, gerade jetzt mit dem Erscheinen des neuen Albums. Ich habe gehört, dass diese Platte direkt auf das amerikanische Publikum zugeschnitten sein soll. Und der Grund, warum ich so viel Zeit da drüben verbringe, ist, dass ich verzweifelt entschlossen bin, dort meinen Durchbruch zu schaffen ... Die volle Wahrheit ist: Es ist mir völlig wurscht. Ich habe wirklich sehr hart gearbeitet, erst bei Take That, seit ich 16 bin, dann an meiner SoloKarriere ... Die Wahrheit ist, mich interessiert der Durchbruch in Amerika nicht besonders. Es wäre ein wahnsinnig harter Job, ich bin dort ein neuer Künstler, ich scheiß drauf. Der Aufwand ist einfach zu groß. Ich habe mein Geld, vielen Dank. Also, ganz offiziell: Ich bin nicht interessiert. Wirklich. Ich habe ein sagenhaftes Publikum hier drüben und in Asien und sonst wo, das sich meine Alben anhört. Ich muss da nicht hin.» Einfach so. Diese Worte sollen später angeblich an den sinkenden Aktienkursen von EMI schuld sein. Er plappert weiter, stellt einige Dinge klar – die Geschichte mit Ms. Dynamite, den Exklusiv-Deal mit Guy Chambers – und spricht über seinen Penis. Das Übliche eben. «Thomas von Bravo», stellt sich ein Journalist vor, «was haben Sie mit dem ganzen Geld von EMI vor?» «Ich will ein Zimmer voller Süßigkeiten», antwortet Rob. «Und dann werde ich mich rausfressen.»
Vereinzeltes Gelächter, aber vor allem Befremden über diese Antwort. «Ich hab keine Ahnung», fährt er fort. «Ich bin ein Star. Wir haben ja viele Scheidungen. Eine Menge davon wird an zukünftige Ex-Frauen gehen, da bin ich sicher. Es gibt schon Pläne für eine Tournee in etwa 15 Jahren, wenn ich es wirklich nötig haben werde, weil zwei meiner Frauen die ganze Kohle abgeräumt haben.» In einem Nebenzimmer gibt er zwei Journalisten vom Spiegel ein Interview Sie finden, dass er auf den Fotos im CD -Booklet von Escapology ein bisschen aussieht wie Jesus. Auf dem Cover hängt er kopfüber von dem höchsten Gebäude in Los Angeles, die Arme ausgebreitet, wie ein lebendes Kruzifix. Innen ist ein anderes Foto, auf dem er von Kopf bis Fuß von Ringen aus Licht umgeben ist, wobei der Ring am Kopf wie ein Heiligenschein wirkt. Diese Interpretationen hört er zum ersten Mal und lehnt sie beide ab. Sie wollen wissen, wie der Titel des Albums zustande gekommen ist, und er erzählt von seinem Plan, sich der Figur Robbie Williams zu entledigen, und wie er seine Meinung dann doch wieder geändert hat. «Es war die Flucht vor dem Entfliehen, mit dem ich mich erledigen wollte», sagt er. «Ich habe es wirklich geschafft, zu dem Punkt zurückzukommen, an dem ich es genieße, ich zu sein.» «Flucht im Sinne von Weglaufen kann auch etwas Negatives sein», meint einer der Journalisten ernsthaft. «Kommt darauf an, wie man es betrachtet», sagt er. «Man könnte sagen, es wäre eine Flucht vor den Dingen, die wirklich wichtig sind, eine Flucht vor Verantwortung. Aber man könnte es auch als Flucht vor dem Selbstmord sehen, und ich glaube, das ist die wahre Bedeutung.» Sie fragen nach seinen Eltern, und er spricht zuerst über seine Mutter. «Sie sagt immer, dass sie sehr stolz darauf ist, was ich alles erreicht und wieder hinbekommen habe. Und das ist für mich das Wichtigste», erklärt er. «Das bedeutet mir mehr als ein 80-MillionenPlattenvertrag.» Er grinst breit und etwas dämlich. «Nur kann man das nicht ausgeben.» «Gibt Ihr Vater Ihnen Ratschläge für Ihre Auftritte?», wollen sie wissen.
«Meinem Vater zuzusehen ist an sich schon sehr lehrreich. Seine Körperhaltung, seine Manierismen. Aber ich habe eigentlich bei jedem Entertainer geklaut – bei Freddie Mercury ... Axl Rose, Tina Turner, Mick Jagger, David Bowie, Dean Martin, Sammy Davis Jr., Frank Sinatra, meinem Vater, anderen Komödianten, die ich kenne, Steve Coogan, Eddie Izzard ... Ich habe mir einfach von jedem etwas abgeschaut und in meinen Auftritt eingebaut.» Was er an einem typischen Tag in Los Angeles so macht, fragen sie. «Nichts», sagt er. «Absolut gar nichts. Das kann ich sehr, sehr gut. Manchmal kaufe ich mir ein paar Klamotten. Aber häufig sitze ich den ganzen Tag herum und tue überhaupt nichts, spiele ein bisschen Gitarre, gehe vielleicht mit den Hunden spazieren. Ich habe so viel gemacht, seit ich 16 war, also ist es für mich ein Geschenk, einfach herumzusitzen und nichts zu tun. Ich habe daraus eine hohe Kunst gemacht. Ich bin ein Mann, der den ganzen Tag Nichtstun übt.» Er erklärt, dass das ein wichtiger Teil seiner Entwicklung ist, um glücklich und ruhig zu werden. «Manche Leute lieben es, berühmt zu sein, und können damit sehr gut umgehen. Ich kann das nicht.» «Sie können sich nicht daran gewöhnen, berühmt zu sein?» «Nein», antwortet er. «Ich glaube, es ist so: Am Anfang tut man alles, um ein Star zu werden, und den Rest seiner Karriere verbringt man damit, als Star zu überleben.»
Im Auto erzählt David von der Unterhaltung, die er gerade mit dem Gastgeber geführt hat. «Der Botschafter meinte, das sei jetzt der Höhepunkt seiner Karriere ... », sagt er. «Dass ich da bin?», fragt Rob ernst. «Das ist aber nett.» «Nein», meint David. «Botschafter in Berlin zu sein.» Großes Gelächter.
Zu Hause hat Rob Lust, Blackjack zu spielen, aber wir haben keine Chips. Er will welche bei Hamleys kaufen, aber die haben geschlossen. Wir sitzen herum und versuchen, Chips aus Papier auszuschneiden, aber das klappt nicht, und schließlich geben wir auf. Rob fällt
ein, dass sie einmal, als sie in Amerika auch keine Chips hatten, stattdessen Tabletten genommen haben. «Vitamintabletten und Antidepressiva», erzählt er. «Vitamine zählten fünf, Antidepressiva 50.»
7 Während des Frühstücks singt Rob leise Songs von Coldplay und studiert das Escapology-Booklet. Pompey überlegt, was er heute anziehen soll. «Für einen Pullover ist es zu warm», findet er. «Weißt du was?», rät Rob. «Kälte in Stoke.» Wir fliegen vom Battersea-Heliport aus Richtung Norden. Es ist ganz anders als in einem Flugzeug, man fühlt sich, als würde die Landschaft direkt unter einem ausgebreitet. Nach 40 Minuten haben wir die Rennbahn von Utoxeter erreicht, wo wir landen, um die Reise möglichst geheim zu halten. Seinen Besuch in Stoke soll niemand mitbekommen. «Was für eine verdammt angenehmer Flug!», findet Rob. «Merke: Immer schön reich bleiben ... »
Wenn es um das Engagement für wohltätige Zwecke geht, werden Stars grundsätzlich kritisiert, egal, was sie tun. Wenn sie nichts tun, gelten sie als egoistisch und geizig. Wenn sie etwas tun, fangen die Probleme erst richtig an. Vielleicht gab es mal eine Zeit, in der karitatives Engagement ohne Hintergedanken möglich war: Jemand wurde reich und berühmt und wollte der Gesellschaft aus Dankbarkeit, gemischt mit Schuldgefühlen, etwas zurückgeben. Er tat anderen etwas Gutes und fühlte sich daraufhin selbst ein bisschen besser. Das Ganze galt als Zeichen von Selbstlosigkeit und moralischer Größe. Heute ist das völlig anders. Es gibt kaum noch eine Trennung zwischen Wohltätigkeit und schamloser Selbstbeweihräucherung. Wenn jemand das Wort «Wohltätigkeit» im Zusammenhang mit Entertainment hört, stellt er sofort die Motive des Spenders in Frage. Wohltätigkeit verkommt immer mehr zu einer anderen Art der PR. Die Welt der Charities, Premieren, Partys, Spendenaktionen und Foto-Gele-
genheiten bietet Prominenten einerseits neue Aufstiegschancen, andererseits kann sie das Abstiegstempo bremsen. Die wöchentlichen Star-Magazine wie Hello und OK! drucken seitenlang Fotos solcher Events, auf denen sich niemand mehr darüber Gedanken zu machen scheint, wer die Selbstsüchtigen und wer die Selbstlosen sind. Stattdessen existiert ein stillschweigendes Abkommen zwischen Stars und Wohltätigkeitsorganisationen, sich gegenseitig dabei zu helfen, die Aufmerksamkeit zu bekommen, die beide Seiten brauchen. Für denjenigen, der gern etwas tun würde, ohne zwangsläufig in den PR-Strudel zu geraten, ergibt sich ein Dilemma. Am einfachsten, man äußert sich einfach nicht über die wohltätigen Zwecke, für die man sich engagiert. Das ist die Strategie, die Rob verfolgt. In den vergangenen Jahren hat er einige Millionen Pfund gespendet, aber ich habe es nur ganz selten erlebt, dass er dazu etwas gesagt hat (abgesehen von ein paar Wutanfällen im engsten Kreis, wenn Leute ihm unterstellen, er würde sich für keine wohltätigen Zwecke engagieren, nur, weil er das nicht herumposaunt). Und wenn, dann ging es um die Gewinne, die er mit verschiedenen Projekten gemacht und anschließend wieder gespendet hat. Ein Teil des Geldes geht an Unicef, für die er sich schon lange engagiert, aber das meiste Geld fließt an seine eigene Organisation, Give It Sum, die er im Jahr 2000 gegründet hat. Deren Arbeit ist ausschließlich auf die Umgebung von Stoke begrenzt, wo er aufgewachsen ist. Sein heutiger Besuch in Stoke hat den Zweck, einige Projekte zu besuchen, für die sich Give It Sum engagiert. Er informiert sich, was in letzter Zeit alles passiert ist, kann seine Unterstützung demonstrieren und sich für Fotos zur Verfügung stellen, mit denen später für seine Projekte geworben wird. Sein Besuch wurde unter größter Geheimhaltung arrangiert, damit weder die lokale Presse noch irgendein Fotograf davon Wind bekommt. Damit wäre nicht nur der ganze Tag ruiniert, es könnte auch der Eindruck entstehen, Rob benutze die Reise nur als Vorwand und wolle in Wahrheit Werbung für sein gerade erschienenes Album machen. Das wäre genau das, was er nicht will: Wohltätigkeit als abgeschmackte PR-Idee. Auf der Rennbahn ist aber niemand zu sehen, bis auf den Chauffeur und ein paar Frauen, die hier arbeiten.
Wir fahren zum Haus seiner Mutter Jan und gehen in die Küche. (Jan sitzt im Ausschuss von Give It Sum und hat mit der Verteilung der Gelder zu tun.) Rob durchsucht das CD-Regal und spielt einen Mantronix-Mix von «Millennium» (der aus technischen Gründen nie erschienen ist). Er greift in eine Schüssel mit Wahrsagerkarten, die auf dem Esstisch seiner Mutter steht. Die erste Karte, die er zieht, ist leer. Auf der zweiten steht «Vergebung».
Zuerst besucht er eine Klinik des Donna Louise Trust, in der Kinder behandelt werden, die voraussichtlich kaum das Teenageralter überleben werden. Noch ist sie eine Baustelle, aber beinahe fertig. Rob werden die oberen Stockwerke gezeigt, die Mitarbeiter erzählen von ihrer Arbeit und zeigen ihm Zeitungsausschnitte aus den lokalen Zeitungen von früher, als sein Engagement bekannt wurde. «Unser Patron, der heilige Robbie, will uns helfen, das Geld heranzukarren.» Er sieht sich die halbfertigen Schlafräume an, stellt leise, interessierte Fragen und scheint erleichtert, als er dem Hund eines Bauarbeiters begegnet, mit dem er sich ein bisschen beschäftigen kann. Als er in einen anderen Raum geht, trifft er einen Maler, den er noch von früher, als er Teenager war, kennt. Draußen vor der Tür stellt er sich für ein Foto mit den Mitarbeitern auf. «Kinn tief, Augen auf», sagt er. Eine Frau meint, sie hasse es, fotografiert zu werden. «Das wird auch mit Übung nicht besser», antwortet er verständnisvoll. Im Bus unterhält er sich mit Jan über den schwulen Bürgermeister von Stoke. Sie richtet Rob seinen Dank dafür aus, dass er seinen Kopf riskiert und 1000 Pfund für das örtliche Schwulenforum gespendet hat. «Ich habe ihm gesagt, dass du überhaupt nichts riskiert hast. Das sei ganz normal gewesen», meint sie. Zwischen zwei Terminen reicht ihm Josie ein paar Listen mit Fakten, damit er weiß, worum es gleich geht. Sie fahren zum Old BlurtonGemeindezentrum. Als Rob hereinkommt, ist ein kollektives Luftschnappen zu hören. «Ein echter Popstar!», ruft eine Frau. «Ich fasse es nicht!»
«Ich auch nicht», meint Rob. Sie bringen ihm einen Becher Kaffee und erzählen, was sich hier so abspielt und wie sie es geschafft haben, mit Hilfe des Gemeindezentrums die Gegend wieder lebenswerter zu machen. «Es war hier unten wie in Beirut», sagt einer. «Man ist vor Angst nicht vor die Haustür gegangen», sagt ein anderer. «Es ist schön, wenn man weiß, dass man wieder in einer sicheren Gegend lebt.» «Ich sage das jetzt nicht nur so», sagt Nina, eine ältere Dame, die hier arbeitet und unglaubliche Lebensfreude und Entschlossenheit ausstrahlt, «aber ohne Sie hätten wir die beiden letzten Jahre nicht überstanden. Wir hätten schließen müssen.» Rob sagt, seine Mutter hätte ihm das alles schon erzählt: «Meine Mutter weinte am Telefon, und dann musste ich auch weinen.» Sie zeigen ihm den Spielplatz gegenüber. Hier wollte die Stadtverwaltung einen riesigen Parkplatz bauen, aber die Anwohner haben sich erfolgreich gewehrt. Sie schildern ihre Pläne für ein Gemeindezentrum und einen Sportplatz. Nina meint, sie müssten über 100 000 Pfund aufbringen. «Aber das schaffen wir schon», sagt sie mit fester Stimme. «Ganz sicher», stimmt Rob ihr zu. «Ich finde es toll, was Sie machen ... Und ich werde mich um das Geld kümmern.» Er bemerkt das so beiläufig, dass es einen Moment dauert, bis allen klar wird, was er eben gesagt hat. «Ernsthaft?», hakt Nina etwas nervös nach. Sie fürchtet, ihn im Falle eines Missverständnisses vielleicht zu beleidigen, andererseits etwas Wichtiges zu übergehen, wenn sie nicht nachfragt. «Ernsthaft», sagt er. Und sie fängt an zu weinen, und bald ist sie damit nicht allein. «Ich muss jetzt erst mal eine rauchen», sagt sie schließlich. «Ich auch», meint Rob, und Arm in Arm wandern sie davon, um zu rauchen und zu reden. Als sie zurückkommen, weint sie wieder ein bisschen, und er sagt: «Jetzt geh mal nicht zu weit, sonst fange ich auch noch an und höre den ganzen Tag nicht mehr auf.» Drinnen zeigt sie ihm die Pläne für den Grundriss. Er will wissen, was in den ganzen Räumen passieren soll, und sie erzählt von Yoga,
Kampfsport, lauter Praktischem — und Hoffnung. Die Neuigkeit spricht sich herum, und immer mehr Menschen strömen zusammen. Die Reaktion hier ist anders als in Großstädten, in denen es normaler ist, mal einen Star zu treffen. Dort sind die Leute zwar auch beeindruckt, aber sie erwarten auch immer irgendetwas. Hier sind sie einfach nur erstaunt. Zwei Teenager kommen angerast, stehen neben ihm und starren ihn an. «Nett, euch kennen zu lernen», sagt Rob zu ihnen. Sie suchen vergeblich nach Worten und starren ihn weiter an. Rob hebt einen Daumen und grinst. «Irre», sagt er. Eine der älteren Damen kommt näher. «Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?», fragt sie. «Klar.» «Wie alt sind Sie?» «Achtundzwanzig», antwortet er. «Das ist aber nicht sehr persönlich! Sie können ruhig intimer werden.» Ihm wird ein sechs Monate altes Baby gezeigt, das Robbie heißt. Eine Frau mittleren Alters, die ihren Job riskiert, weil sie das Café, in dem sie arbeitet, einfach geschlossen hat, um ihn zu sehen, fragt: «Darf ich Sie einmal umarmen? Ich weiß, ich rieche nach Speck und Eiern.» «Ich wünschte, ich würde auch nach Speck und Eiern riechen», antwortet Rob, während er sie in den Arm nimmt. Er verabschiedet sich, und wieder fließen Tränen. «In der Sekunde, in der ich reinkam, habe ich Liebe gespürt», sagt er. Aus dem Autofenster ruft er: «Zeigt's ihnen, Mädels!», dann fahren wir los. «Sind sie nicht phänomenal? Ich sag euch was, es ist viel besser, etwas für solche Leute zu tun, als einen Spieler für Port Vale zu kaufen.»
Das nächste Ziel ist der Sutton Trust, ein Gemeindezentrum, das zu den Sozialwohnungen von Abbey Hulton gehört. «Hier ist das größte Sozialwohnungsgebiet in ganz Europa», erklärt Rob. «Und auch entsprechend derb.» «Weißt du, dass du für jedes dieser Häuser einen Feuermelder finanziert hast?», fragt Jan ihren Sohn. «Habe ich das?»
«Es hat ein Pfund und noch was pro Haus gekostet», sagt sie. «Es waren ungefähr zehntausend. Jeden Monat war irgendwo ein Feuer, und die Stadtverwaltung wollte nichts tun.» Beim Sutton Trust wird ihm das Computercentrum im ersten Stock gezeigt, dessen gesamte Ausrüstung Give It Sum bezahlt hat. Auf einem Zeitungsausschnitt steht: «Rock-Megastar Robbie unterstützt Cyber Center». Er unterhält sich mit allen und will wissen, ob es hier in der Gegend eigentlich besser wird. «Abbey hilft sich selbst», sagt eine Frau stolz. «Könnte ich ein Autogramm für meine Tochter bekommen?», fragt eine andere. «Natürlich.» Er muss jetzt eine Dankesrede für eine Preisverleihung aufzeichnen, bei der er als «Person, die sich am meisten für Stoke eingesetzt hat», geehrt wird. Ich habe noch nie erlebt, dass er sich auf eine Veranstaltung dieser Art vorbereitet. Offenbar denkt er gar nicht darüber nach, bevor er sich vor eine Kamera setzt. «Hello everybody», sagt er. «Ich bin Robbie Williams und möchte mich sehr für diese Auszeichnung heute Abend bedanken. Ich sitze gerade in der Sutton Trust Community Group in Abbey Hulton und bin schon ziemlich lange nicht mehr in Stoke gewesen, weil ich in anderen Ländern zu tun hatte. Schon als Kind wurde mir beigebracht, dass die Menschen in Stoke-on-Trent die besten sind – mit dem größten Herz, großzügig, liebevoll, in der Lage, schwere Zeiten zu überstehen. Und, das muss ich sagen: Ich bin um die ganze Welt gereist, und es stimmt – jedes Wort. Wir sind die Besten. Ich habe das nur deshalb gemerkt, weil ich viel Zeit außerhalb von Stoke-onTrent verbracht habe, und wenn man zurückkommt – und ich war heute an allen möglichen Orten und habe hallo gesagt –, spürt man nur Liebe, Wärme und diesen wundervollen Sinn für Humor ...Ich bin sehr stolz, aus Burslem zu stammen, und sehr stolz, aus Tunstall zu kommen. Ich werde meine Wurzeln mein Leben lang nicht vergessen. Sie sind größtenteils verantwortlich dafür, wer ich bin und was ich bin. Ich bin sehr stolz, dass ich die Möglichkeiten habe, Werbung für meine Stadt zu machen, und werde mich weiterhin bemühen. Ich möchte in und um Stoke-on-Trent herum noch viel aktiver werden – der Ort, den ich liebe, der Ort, aus dem ich komme, und der Ort, an den ich irgendwann zurückkehren werde ... Ich danke
Ihnen wirklich sehr. Ich liebe den Ort, aus dem ich komme. Vielen Dank.» Er steht auf und geht aus dem Bild.
Er wird gefragt, ob er eine Margaret kennt. «Rachels Mama», hilft die Person. «Oh», sagt Rob, «Rachel.» Er nickt. Kurz darauf dreht er sich zu mir um und sagt: «Sie war meine erste große Liebe.» «Ist Rachel noch zu haben, Mama?», will er später von seiner Mutter im Auto wissen. «Sie ist immer noch mit diesem jungen Mann zusammen», sagt Jan.
An Rachel Gilson hat er von allen Mädchen aus Stoke die angenehmsten Erinnerungen. «Sie war die Erste, für die ich gesagt habe:
«Ja», sagt er. «Sie liebt ihn aber nicht so sehr wie mich.» Wir fahren an der Abzweigung nach Fenton College vorbei, wo er sich als Student eingeschrieben hatte, aber nie aufgetaucht ist. Popstar werden kam dazwischen. Alle paar Meter gibt es eine andere Erinnerung. Er schreit, als wir an dem Pub vorbeikommen, wo er bei einem Talentwettbewerb «Mack The Knife» gesungen hat. Der abschließende Besuch gilt einem Jugendprojekt, dem 7Cs in Hanley Park, wo er nähen lernt, jungen DJs bei Arbeit zusieht, beobachtet, wie man skipt und es bei einem Versuch selbst nicht hinbekommt. Es war ein guter Tag, erfolgreich in jeder Hinsicht. (Die Medien haben nichts mitbekommen, und das bleibt auch so.) Und es war ein inspirierender Tag mit Menschen, die versuchen, auf echte, sensible und unaufdringliche Weise das Leben ein bisschen besser zu machen. «Das macht mich ausgeglichener», murmelt er. Zu Hause in London kommt er gerade rechtzeitig, um mit Chris Sharrock und seinem Vater, der gerade zu Besuch ist, Top Of The Pops zu sehen. Kylie Minogue tritt zusammen mit Fischerspooner auf, und dieser Kontrast zum restlichen Tag ist wahrscheinlich mehr, als man ertragen kann. «Das da», ruft er, «ist konzeptioneller Dreck.»
8 Er geht nach draußen, in den runden Innenhof der BBC, um eine Zigarette zu rauchen. Heute Abend tritt er bei Later ... With Jools Holland auf, nicht, um sich selbst zu promoten, sondern um bei dem Song «My Culture» von i Giant Leap mitzuwirken. Das Publikum, das für die Fernsehshow Schlange steht, kümmert sich nicht um ihn. «Merkst du, wie die Platten kaufende Öffentlichkeit, die wegen Coldplay und den Datsuns hier ist, sich nicht für mein Autogramm interessiert?», meint er. Chris Martin kommt mit dem Handy am Ohr vorbei. Als er Rob sieht, sagt er irgendetwas zu der Person am anderen Ende und reicht ihm wortlos das Telefon. Rob entfernt sich ein Stück mit dem Handy, und das Letzte, was er sagt, bevor er es Chris Martin zurückgibt, ist «Danke, dass du mich nicht hasst». Es ist offensichtlich, mit wem er gesprochen hat. Sie hat ihm gesagt, dass sie
ihn beide mögen. Hinterher ist er sich nicht sicher, ob das nicht etwas von oben herab war. Chris Martin geht hinein, und ein Typ kommt auf Rob zu und begrüßt ihn erfreut. «Gefällt dir das Hemd?», fragt Rob. Er trägt sein TRex-T-Shirt mit Marc Bolans Gesicht darauf. Der Typ ist Mark Bolans Sohn Rolan. «Meine Bums-Stiefel», seufzt er, als er in der Garderobe wartet. «Es war sehr, sehr schwer letzte Nacht, aber ich bin stark geblieben. Da war ein Mädchen ... Aber ich hab's gelassen.» Niemand fragt nach, was er meint, und er gibt auch keine weitere Erklärung. Er tritt zusammen mit i Giant Leap, Baaba Maal, den Mahotella Queens und Maxi Jazz auf, und als er gerade gehen will, erinnert ihn Josie daran, dass er heute Abend bei Kevin Spacey im Sanderson Hotel eingeladen ist. «Hab keine Zeit», sagt er erfreut. Das wurde Kevin Spacey bereits mitgeteilt, als er Rob eingeladen hat. Er ist deshalb so erfreut, weil sein Song «I Will Talk, And Hollywood Will Listen», sein einziger «eigener» Song auf dem Swing-Album, langsam Wirklichkeit wird. «I wouldn't be so alone If they knew my name in every home Kevin Spacey would call on the phone But I'd be too busy Come back to the old five and dime Cameron Diaz give me a sign I'd make you smile all the time Your conversation would complement mine» Ich frage ihn, was er stattdessen heute Abend vor hat. «Mein Dad ist zu Hause», meint er, «und es gibt Fußball im Fernsehen.»
Die meisten Tickets für Robs Europa-Tournee im kommenden Sommer sind schon verkauft: Nach den ersten paar Tagen sind 750 000 Stück weg. Das Konzept der Tournee ist dagegen noch völlig unklar. An Robs Küchentisch findet ein Meeting statt, bei dem die wichtigsten Mitwirkenden ihre Ideen präsentieren sollen. Die meiste Zeit re-
det Lee Lodge, der Creative Director. Er präsentiert eine Flut von Ideen, Bildern, Themen, redet von «der dunkleren, böseren Seite der Musik, um die man sich in letzter Zeit weniger gekümmert hat ... übersetze die Energie von Escapology ... klare Bilder ... Oper ... eine Verbindung zwischen Konfrontation und Unstimmigkeit, sowohl emotional als auch physisch ... mehr auf die Punk-Mentalität zurückgehen ... eine Reise ins Wachstum ... die Leute, die so was wie
«Die Konzerte sind ausverkauft», meint Jason, «also könnten wir eine Kampagne starten: DU WIRST NICHT AUF DIESES KONZERT GEHEN. Es funktioniert für die, die nicht hingehen, und für die, die hingehen. Die denken sich:
Anfang Dezember fliegt er wieder im Helikopter nach Stoke. Im Haus seiner Schwester findet ein vorgezogenes Weihnachtsessen statt, an dem auch seine Mutter und sein Vater teilnehmen. Es ist das erste Mal seit 25 Jahren, dass die ganze Familie zusammensitzt.
Manchmal stellt er sich vor, dass die Familie wieder zusammen wäre. Er hatte mal ein Testament entworfen — «das war zu der Zeit, als ich mich von allen zurückzog, weil sie mich daran hätten hindern können, weiter zu koksen» —, in dem es eine Klausel gab, nach der seine Eltern eine Woche lang zusammen in einem arktischen Zelt leben mussten, bevor sie sein Geld erben würden. «Ich glaube, ich habe zu viele Kinofilme gesehen», meint er heute. «Ich dachte, es wäre komisch, aber meine Mutter fand es überhaupt nicht zum Lachen.» Während des Weihnachtsessens hörte die Familie im Hintergrund Swing When You're Winning. «Es war toll», findet Rob hinterher. «Ich hatte die Platte noch nicht gehört.»
Während wir in der Lounge am Flughafen Northolt auf das Flugzeug warten, um auf eine zehntägige Promotiontour quer durch Europa zu gehen, beschreibt Rob seinen neuesten Plan, um Noel Gallagher zu ärgern. Er hat einen Brief verfasst, den er am ersten Abend der Oasis-Tour in Cardiff hinter die Bühne bringen lassen möchte, zusammen mit Tanzschuhen und ein paar Kuchen, direkt bevor Gallagher auf die Bühne geht. Lieber Mr. N Gallagher, Sie sagten, zwei Abende in Knebworth würden ins Geschichtsbuch eingehen. Mit drei Abenden gilt man wohl als gierig. Ich dachte, Sie könnten diese Schuhe hier gebrauchen. Schritt, Schritt, Wechselschritt. Ich vermisse unsere kleinen Unterhaltungen. Hochachtungsvoll, Rob PS: Gar nicht so leicht, eine passende Vorgruppe für die KnebworthKonzerte zu finden. Was machen Sie am Ersten und Zweiten? Oh, und dem Dritten? «Nur, weil er mich den
Im Flugzeug starrt er aus dem Fenster und beobachtet, wie Holland unter uns auftaucht. «Zurückerobertes Gebiet», ruft er aus. «Schön, es wiederzusehen.» Er dreht sich zu Josie. «Keine Eierkuchen. Nur Fleisch und Kartoffeln.» Er erzählt, dass er gestern Abend The Entertainers gesehen hat, eine Fernsehshow, in der die Karrieren ehemaliger Stars verfolgt werden: Leo Sayer, Bernie Clifton, Bernard Manning ... «Ich bin jedes Mal total deprimiert, wenn ich mir das ansehe», sagt er. Warum? «Keine Ahnung.» «Du leidest mit denen mit», meint Josie. «Die sind alle so einsam», sagt er dann, «und machen immer noch dasselbe.» Gestern Abend ertappte er sich dabei, wie er sich düstere Gedanken über seine eigene Zukunft machte. «Ich musste mir richtig Mut machen und laut vorsagen: Keiner von denen hat Stadienkonzerte gegeben ... » Rob starrt vor sich hin. «Sie sind alle so einsam.»
Er liest die Zeitung von heute. In einer steht, dass sich die Gruppe One True Voice aus der TV-Sendung Pop Rivals weigert, als Boy Band bezeichnet zu werden. Sie seien eine «vocal harmony group». «Ich bin ganz allein eine komplette Boy Band», meint Rob. «Alles da: der Niedliche, der Freche, der Nachdenkliche, der Gutaussehende. Wenn ich auf der Bühne stehe, mache ich alles gleichzeitig.» Ich gebe zu bedenken, dass es für eine komplette Boy Band auch immer noch denjenigen geben muss, dessen Poster sich nicht verkaufen. Rob nickt. «Das bin ich in Amerika», meint er. Gestern Nacht hat er Amerika wieder abgesagt. Anderthalb Stunden später – er hatte noch niemanden angerufen, aber in seinem Kopf war die Entscheidung gefallen – hat er seine Meinung wieder geändert. «Ich dachte mir: Wer bin ich denn, wenn ich es nicht mache? Ich glaube wirklich, ich wäre viel glücklicher, wenn ich Amerika knacken würde. Außerdem gönne ich dem NME nicht die Schlagzeile:
Die erste Station ist Amsterdam, wo er vor ein paar hundert Fans ein kleines Konzert gibt. Amsterdam ist einer der Orte, die den drogenfreien, trockenen Rob ein bisschen verunsichern. Als er noch bei Take That war, gaben sie ein Radio-Interview, bei dem sie alle völlig stoned waren: «Wir konnten nicht mehr stehen, also lagen wir alle auf dem Boden und reichten uns gegenseitig das Mikrophon.» Ein anderes Mal bekam er fürchterliche Angst, weil er dachte, das Hotel würde schwimmen. Im Hotel holt er eine CD heraus, auf der die Stücke sind, die er in den Townhouse Studios aufgenommen hat, und spielt einen Song, der «Do Me Now» heißt. «Prosecute Gandhi, persecute God, elevate Bono, eliminate Rod, I don't care ... World War 4, the Beatles touring, Chernobyl fallout, Global warming, I don't care ... oh, my head, I´m moving to the Med, those cats known to boogie, this pill's done nothing to me ... I've got to catch a plane, you'd better do me now ... », singt seine Stimme aus dem Lautsprecher. Nach einer Weile macht er die Musik aus und fängt an, an der Gitarre etwas Neues zu schreiben. Dazu murmelt er leise ein paar Worte, halb Unsinn, halb bedeutungsvoll: «It's time ... everyone knows ... love you ... you get the feeling you're invisible ... radiation ... coming round ... listen to the radio ... all of the time...» «Wenn ich einen neuen Song anfange, kommt normalerweise immer das Wort
laufen den Kanal vor dem Hotel entlang, aber nach fünf Minuten hat er genug. Er hat einfach nicht das Gefühl, diese Stadt sei gut für ihn. Selbst als er ganz jung war, mochte er sie nicht. Er ging hin und sah sich die Prostituierten in den Schaufenstern an, weil man das eben so macht, aber sie taten ihm Leid. Heute Abend scheint jeder, dem wir auf der Straße begegnen, ausschließlich daran interessiert zu sein, sich die Birne voll zu dröhnen. «Weißt du was», sagt er und geht wieder in Richtung Hotel, «ich glaube, dass es aus vielen Gründen nicht gut für mich ist, hier weiter herumzulaufen.» Er geht in die Hotelbar und bestellt sich ein Wasser, aber dort fühlt er sich auch nicht wohl. Also gehen wir nach oben, um uns Die Planeten anzusehen, eine BBC-Dokumentation, die er sich vor ein paar Tagen auf D V D gekauft hat. «Wisst ihr, dass Jupiter größer ist als alle anderen Planeten zusammen?», fragt Pompey. «Wirklich?», meint Rob. «Scheiße. Stell dir mal vor, dort müsstest du auf Promotion-Tour gehen.»
In Amsterdam wacht er zu der Nachricht auf, dass Mark Owen die Prominenten-Ausgabe von Big Brother gewonnen hat. «Das bedeutet, dass er nochmal eine Chance bekommt», meint Rob. «Das ist toll.» Rob wird seinen Tag heute in Schweden beschließen, aber vorher muss er noch nach Italien. Das wurde absichtlich als Kurztrip geplant, weil er die Italienreisen nicht besonders schätzt. Ihm sind die Fans zu verrückt und unangenehm. Die meisten Leute, die in London vor seinem Haus auf der Lauer liegen, sind Italiener. Als wir einfliegen, erzählt er einen Witz von seinem Vater: «Italien, mein zweitliebster Platz auf der Erde. Gleich nach jedem anderen.» Aus dem Flugzeug nimmt er eine Ausgabe der Zeitschrift New Woman mit, um sein Gesicht vor den Paparazzi zu schützen. Im Wagen blättert er sie flüchtig durch und stößt auf ein Interview mit Tess Daly, der Co-Moderatorin von CD: UK. Er war vor ein paar Wochen in ihrer Show und hatte sich ganz nett mit ihr unterhalten. In dem Interview sagt sie über Rob: «Er hat eine Freundin von mir um meine Nummer gebeten – er ist wirklich sehr nett, aber nicht mein Typ.» Rob ist beleidigt. «Ich wusste nicht einmal, wer sie war, bevor Jonny
vor ein paar Wochen in ihrer Sendung war», schnaubt er genervt. «Ich war die ganze Zeit in Amerika, seit sie bekannt geworden ist. Ich habe sie nie nach ihrer Nummer gefragt, weil ich überhaupt nicht wusste, dass sie existierte.» Dinge dieser Art sind in letzter Zeit häufiger passiert – es ist offenbar eine beliebte Methode, sich einigermaßen wichtig zu machen, indem man behauptet, jemand Berühmtes habe sich für einen interessiert, man hätte ihn aber abgewiesen. «Ich fange jetzt auch mal an und erzähle den Leuten davon, wer bei mir alles abgeblitzt ist», regt er sich auf. «J Lo zum Beispiel. Oder Cameron Diaz, das wurde so schlimm, dass ich eine einstweilige Verfügung erlassen musste.» Er seufzt. «Josie, warum machen Leute so was? Wie Ms. Dynamite.» Er überlegt, ob es vielleicht mehr die Presseleute und Manager sind, die auf diese Ideen kommen. «Ich werde zu diesen ganzen Mädchen gehen, die behaupten, sie hätten mich abblitzen lassen, wenn sie sich von ihren Freunden getrennt haben», meint er, «und dann werde ich mit ihnen ausgehen. Drei Tage lang.» Als wir nach Rom hineinfahren, nervt ihn der Tess Daly-Kommentar immer mehr, und er beschließt, etwas zu unternehmen. Er ruft Jonny an, der mit ihr zusammen die Sendung moderiert hatte, und erklärt ihm die Situation. Er bittet Jonny, ein paar Nachforschungen anzustellen. «Natürlich bin ich ihr Typ», erklärt er mit gespielter Angeberei, «ich bin der verdammte Typ von allen.» Ein paar Minuten später ruft Jonny zurück. Robs Körpersprache verändert sich deutlich, während er zuhört. «Ja ... », sagt er. «Aha ... ja ... oh ... das hat sie gesagt? ... oh ... das Mädchen ...» Grundsätzlich mag Rob mit dem, was er eben erzählt hat, Recht haben, aber es stellt sich heraus, dass gerade diese Geschichte kein gutes Beispiel dafür ist. Er muss zugeben, dass er die Szene ansatzweise erinnert, die ihm gerade beschrieben wurde: Vor ein paar Jahren traf er Mariella Frostrup, ihre Schwester und noch ein drittes Mädchen in einem Restaurant, und er fragte nach der Nummer dieses Mädchens. Tess Daly.
«Es gab eine Zeit lang einen Witz», erzählt er später im Flugzeug, «so 93 oder 94. – Wie spricht Robbie Williams ein Mädchen an?
«Seit ich 20 war, versuche ich mich daran zu erinnern, wie ich mich eigentlich mit 20 gefühlt habe», sagt er. «Ich kann kategorisch sagen: Seit ich 20 war, habe ich mich immer beschissen gefühlt, wenn ich getrunken habe.» Bis auf wenige Ausnahmen. «Aber Alkohol hat mir geholfen», meint er. «Deswegen konnte ich mit Oasis rumhängen, obwohl ich mich wie der fette Tänzer von Take That fühlte. Deshalb konnte ich mit Adeligen zusammen sein oder den Reichen und Schönen in Südfrankreich. Weil ich ohne Alkohol gesellschaftlich völlig unbrauchbar war.» Er erzählt von der Spirale, als ihn Depressionen und Drogen in den Abgrund zogen. «Und dann», grinst er, «entwickelt man so ein widerliches Zucken.» Ihm ging es jedenfalls so: Jedes Mal, wenn er kokste, fing er an, auf unerklärliche Weise zu zucken, sodass jeder sofort wusste, was mit ihm los war. Das hielt ihn aber auch nicht davon ab. Seine Trinkgewohnheiten waren extrem. Manchmal soff er eine ganze Flasche Sambuca in zehn Minuten aus, um danach triumphierend festzustellen: «Ich bin voll besoffen.» Als er noch bei Take That war, begannen er und der Fußballer Neil Ruddock den Abend um sechs Uhr mit je einer Flasche Pfirsichschnaps, die sie in einem Zug austranken. «Einmal habe ich 25 Guinness hintereinander getrunken», erzählt er. «Da war ich wirklich in Bestform. Ich hatte einen Trick, bei dem ich fünf Guinness in einer Reihe aufstellte und sie auf einmal austrinken konnte. Danach habe ich in die Vorhänge von Liam Gallagher in New York voll gekotzt. Das fand er nicht so lustig.» Er erzählt diese Geschichten meist mit einer Art jugendlichem Stolz, aber es dauert nie lange, bis sich die anderen,
echten Gefühle melden. «Das war eine traurige Zeit», sagt er dann. Er hatte nie ein besonderes Talent darin, seine Schwierigkeiten wegzusaufen. Es war ein jahrelanger Kampf zwischen aufhören, anfangen, wieder aufhören. «Ich verstehe selbst nicht, wie leicht man immer wieder vergisst, wie dreckig es einem hinterher geht», sagt er. «Am Anfang des Abends fühlt sich noch alles toll an, und kurz darauf geht man schon durch die Hölle. Wie viele Pferde waren in der Apocalypse? Vier? Als ich abstürzte, waren es mindestens 50. Und das Runterkommen dauerte viel länger als das Obensein. Ich weiß nicht, warum man das immer vergisst. Der Körper kann sich offenbar nicht an Schmerz erinnern.»
Der Abend endet in Schweden. Rob wird in die größte Suite des Hotels gebracht, mit mehreren Zimmern und vielen Statuen. Er bekommt das Video mit den englischen Fußballspielen von heute, um das er gebeten hatte. Er bestellt ein paar Austern und Hummersuppe aufs Zimmer – er mag Austern eigentlich nicht besonders, aber irgendwie scheint es hier zu passen – und macht es sich mit Chris Sharrock vor dem Videogerät bequem, um sich Manchester United gegen Liverpool anzusehen. «Es ist wie in dem verdammten Brewsters Millionen, findest du nicht?», fragt er. Bevor wir schlafen gehen, reden wir ein bisschen über seine Vergangenheit. «Ich habe mir einmal die FHM-Liste der 100 Top-Frauen angesehen», gibt er zu, «und ich hatte 15 von ihnen.» Welche Gefühle hattest du dabei? «Damals fand ich es fürchterlich. Jetzt ist es einfach komisch. Das war für mich wie Pokemon-Bilder sammeln: Ich musste sie alle haben.»
Am nächsten Morgen nimmt er drei Songs für das schwedische Fernsehen auf. Bevor er mit «Come Undone» beginnt, fällt ihm etwas ein. «Darf ich fluchen?», will er wissen. Es gibt zwei Sätze in diesem
Stück – so self-aware, so full of shit und so need your love, so fuck you all–, die üblicherweise im Fernsehen zensiert werden. «Solange du nicht auf Schwedisch singst», meint der Regisseur. «Bist du sicher?», fragt Rob. «Nur nichts über den Teufel», sagt der Regisseur. «Nein», meint Rob, «nichts über den Teufel.» Dem Regisseur fällt noch eine Bedingung ein. «Und nichts über das mmmm-hmmmm», bittet er. «Okay», sagt Rob, «und vor allem nichts über Teufel, die mmmmhmmmm machen.» Der Regisseur nickt. Nachdem dies geklärt ist, ist Rob zur besten schwedischen Sendezeit ein «shit» und ein «fuck» später fertig.
9 «Ist das die Stelle, an der du gelandet bist?», fragt Rob Pompey. «Ja», antwortet der. Wir sind am Flughafen von Oslo. Als er noch bei den Marines war und in Norwegen lebte, sprang er aus 3500 Meter Höhe aus einem Flugzeug. Sein Fallschirm öffnete sich nicht. Er fiel in einen tiefen Schneehaufen auf diesem Flugplatz und überlebte. «Du bist ja eine Katze mit neun Leben», sagt David, dem anscheinend nicht ganz klar ist, wie ernst dieser Vorfall war. «Hat dich ganz schön umgehauen, was?» «Kann man wohl sagen», meint Pompey ohne weitere Erklärung. «Er hat sich dabei den Rücken gebrochen», erklärt Rob. «Er war 14 Monate lang im Krankenhaus. Pompey war mal so groß wie ich, kein Scheiß.» «Ich war mal über 1,82», bestätigt Pompey. «Nach meiner letzten OP war ich nur noch 1,55.» «Wie bist du gelandet?», fragt David. «Mit den Füßen zuerst.» «Was wäre besser?», will Rob wissen. «Angeblich soll man aufrecht bleiben und die Beine kreuzen ... » fängt Pompey an. Wir hören alle genau zu, wie man es eben tut, wenn man Worte der Weisheit und Erfahrung aus einer fremden Welt erzählt bekommt. « ... das macht es leichter, einen aus dem Asphalt herauszuschrauben.» Er erzählt, dass es einen Club der
«Tödlichen Geschwindigkeit» für diejenigen gibt, die solche Stürze überlebt haben. «Ich war die ganze Zeit bei Bewusstsein», sagt er. «Ich bin dann rüber zu den Flugzeughallen, und da bin ich dann zusammengebrochen. Aber ich wollte wieder aufstehen.» Unser Bus fährt in Richtung Flugzeughallen. «Da sollten sie ein Denkmal hinsetzen», sagt Josie. «Für die, die gefallen sind», meint Rob, «und wieder aufstanden.»
Wir haben gerade die Liam Gallagher-Geschichte gehört: eine Schlägerei zwischen Besoffenen in einer Münchner Bar, ausgeschlagene Zähne, abgesagte Konzerte. (Rob wird die Idee mit Noels Kuchen, Tanzschuhen und Brief wahrscheinlich nicht weiterverfolgen; es kommt ihm jetzt nicht mehr so lustig vor.) «Zu kämpfen ist immer sein allererster Instinkt», sagt Rob. «Auf eine Reaktion reagieren.» Er macht sich seine Gedanken über das Wunder Oasis. «Noel ist ein grauenvoller Texter», urteilt er. «Aber die Emotionen, die eine brillante Melodie auslösen, können das wettmachen.» Er denkt an die Exzesse, die er mit Oasis erlebt hat. Wie er Noel «Ego A Go-Go» vorsang und der ihm riet: «Das bringst du besser in einem Song unter, bevor ich es dir klaue.» Dazu fraßen sie eine ganze Tüte mit Ecstasy. «Und dann stiegen wir hinten in einen Umzugslaster ein, um zurück zum Hotel zu kommen», erzählt Rob. «Auf dem ganzen Weg dahin sang ich die Titelmelodie von Tales Of The Unexpected und tanzte herum wie die nackte Dame, die ein bisschen wie Lady Diana aussah. Wir lachten die ganze Zeit. Aber da war immer, immer, immer das deutliche Gefühl, nicht dazuzugehören. In der Nacht schlief ich mit einem Mädchen und löste Feueralarm aus. Daraufhin musste das ganze Hotel evakuiert werden. Ich weiß noch, wie ich rauskam und da standen The Prodigy, Elastica, Noel, einfach alle, die gerade tourten.» «Hast du zugegeben, dass der Alarm deine Schuld war?», fragt Josie. «Nein. Ich habe nur zu The Prodigy gesagt, dass ich gerade dabei war, Jobfinders im Fernsehen zu sehen, weil ich Take That verlassen hatte. Alle haben gelacht.» Wie hast du den Feueralarm ausgelöst?
«Ach, durch eine Menge Rauch.» Er weiß noch, wie er mit Liam und Sean Ryder auf dem Klo der Brixton Academy war und zusammen mit Ryder Drogen nahm. «Ich dachte, wenn man zusammen mit Sean Ryder Drogen nimmt, hat man es geschafft», sagt er. Rob hatte das Happy Mondays-Konzert im Fernsehen aufgenommen und sah es sich immer wieder an. Einmal, als er noch bei Take That war, hatte er Sean Ryder dazu gekriegt, auf einem Bahnhof sein Tashini-Jackett zu signieren. «Für Rob, gute Besserung, Sean», hatte der geschrieben. Rob erzählt immer mehr Geschichten. «Habe ich dir schon erzählt, wie ich dieses Mädchen mit in den Zug geschleppt hatte auf dem Rückweg von dem Oasis-Konzert?», fragt er. «George Michael hatte einen Bus organisiert, mit dem wir alle zu dem Oasis-Konzert fuhren. Ich hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen und muss unsäglich gestunken haben. Ich sah mir das Konzert an, ging zurück ins Hotel, dröhnte mich komplett zu und ging wieder nicht schlafen, sondern setzte mich in den Zug nach London. Oasis wollten sich in einem Hotel treffen, aber ich hatte morgens mit Liam gesprochen und wusste, dass er keinen Bock hatte und nicht kommen würde. Also schleppte ich diese Journalistin in den Zug, und ich wusste, dass Liam zu der Zeit das Pseudonym
Rob steht auf dem Balkon seiner Suite im Hotel George V, betrachtet die Lichter von Paris und isst einen Apfel. «Es ist schon ein bisschen komisch, dass ich im Fahrstuhl angefangen habe zu weinen», sagt er. «Ich war hier schon einmal. Ich bin mir sicher, dass ich mal Franzose war, ich war ganz bestimmt Ire und ganz sicher Ägypter.» Wir spielen Backgammon und sehen dabei MTV. Es läuft «Die Another Day» von Madonna. «Ich glaube, mit der würde ich gern mal schlafen», murmelt er. Warum? «Weiß ich auch nicht», sagt er und lacht. Hast du sie kennen gelernt? «Nein. Ich meine, ich war ein paar Mal in ihrer Nähe. Einmal in Italien um halb zehn Uhr morgens, als ich die ganze Nacht aufgewesen und total high war, kam ich gleichzeitig mit ihr beim Fahrstuhl an und winkte ihr, sie solle ihn nehmen, und blieb draußen. Das andere Mal war ich im Kraftraum und hörte, wie sie sich gerade zu ihrem Freund umdrehte und sagte: <Mein Gott, das ist Robbie Williams!>» Rob geht zum Klo, und als er zurückkommt, meint er: «Nein, ich nehme das zurück.» Er will doch nicht mit ihr schlafen. «Ich wäre mehr daran interessiert, zwischen den Cicciones ein paar Konflikte zu säen. Ich hatte allerdings mal eine Phase, so 95, 96, da schlief ich mit lauter Stars aus den Achtzigern ... » Er führt das nicht weiter aus. Etwas später sagt er zu mir: «Wir sollten das Buch, das du über mich schreibst,
«Wenn ein schlechtes Stück kommt, gehen wir schlafen», sagt er. Irgendwann kommt Britney Spears mit «Boys», aber wir gehen nicht ins Bett, weil sie uns so fasziniert — weniger für das, was sie hat, als für das, was sie nicht hat. Bei allem «Britney-Sein» merkt man ihr keinerlei Persönlichkeit an. «Sie sieht so aus, als hätte sie einfach noch nicht genug Sex gehabt», meint Rob. «Weißt du, was ich meine?» Als Nächstes kommt ein schreckliches mitteleuropäisches Rap-trifftTechno-Video. «Schlafenszeit», sagt er.
Gegen 3:45 Uhr, vielleicht eine halbe Stunde nachdem ich ins Bett gegangen bin, ruft Rob in meinem Zimmer an. Anstatt einzuschlafen hat er ein bisschen an einem Song geschrieben und will ihn jetzt auf meinem Kassettenrecorder aufnehmen. Er sitzt mit nacktem Oberkörper am Tisch, spielt Gitarre und singt: «What eise can I say ... about your daughter.» Er ist ganz aufgeregt. «Ich glaube nicht, dass da noch viel mehr kommen muss. Das ist wie ein Lou Reed-Stück.» Ich überlasse ihm den Kassettenrecorder, für alle Fälle.
Am nächsten Nachmittag rollt er sich aus dem Bett, um japanischen Journalisten in seinem Hotelzimmer ein Interview zu geben. Manchmal ist er dann am besten, weil er vor Müdigkeit nur das sagt, was er auch wirklich meint. «Ich bin schon Robbie Williams, aber hundertfach vergrößert», erklärt er. «Ich denke mir viele Sachen aus, weil ich gern übertreibe. Ich fühle mich dann besser. In meinen Songs schreibe ich über mich, aber eben übertrieben. Das bin nicht ich selbst. Aber es kommt von mir.
die Tickets und kommen auch beim nächsten Mal wieder. Also, ja, ich werde immer missverstanden, und das ist großartig.» Japanische Interviews unterscheiden sich sehr von anderen. Erstens sind japanische Journalisten die ganze Zeit wahnsinnig höflich, und zweitens sprechen sie meistens nicht gut genug Englisch, um ein ganzes Interview führen zu können. Deshalb ist in der Regel ein Dolmetscher dabei. Manchmal diskutieren die Interviewer stundenlang mit dem Dolmetscher darüber, was eine Antwort wohl wortwörtlich auf Japanisch bedeuten könnte, während der Popstar daneben sitzt und wartet, bis er wieder mitreden darf. Manchmal, wie zum Beispiel heute, werden nur die Fragen für Rob übersetzt. Der Journalist wird irgendwann später herausfinden, was er geantwortet hat. «Auf dem Album geht es sehr viel um die Suche nach Liebe», übersetzt der Dolmetscher. «Was bedeutet Liebe für Sie?» «Ich glaube an eine ganz romantische Version von Liebe», sagt er. «Ich glaube, was ich in Wirklichkeit in allen meinen Stücken über Liebe sage, ist: Kann bitte jemand kommen und mich heilen. Der romantische Teil in mir glaubt, dass Liebe das Ende des Spiels ist, der Sieg. Ich weiß auch nicht – ich würde gern jemanden finden, zu dem ich nach Hause kommen kann. Ich möchte jemanden finden, der mein Zuhause ist — wo auch immer sie ist, wo immer wir zusammen sind, da sind wir zu Hause. Ich renne schon so lange allein herum, seit ich 16 war. Ich dachte immer, es wäre ein Kurzstreckenlauf, aber ich glaube, es ist ein Marathon. Dafür braucht man eine Begleitung. Wissen Sie, ich würde lieber gehen als weiterrennen. Es kostet so viel Kraft.» Er wird gefragt, warum es seiner Meinung nach keine Entertainer mehr gibt, wie er sie auf Swing When You're Winning verkörpert. «Verglichen mit Presley, Sinatra, Dean Martin oder Freddie Mercury wissen die Leute heute genau, was sie tun, und haben Angst, irgendetwas zu machen, was lächerlich wirken könnte», sagt er. «Ich glaube, aus diesem Grund gibt es nicht mehr viele Entertainer. Große Showmänner. Ich habe auch Angst, dass ich albern wirken könnte, aber ich mache es dann doch im Namen der leichten Unterhaltung ...» Er lacht. «Es gibt keine Elvisse mehr. Keine Frank Sinatras ... Es gibt mich, der von allen gestohlen hat. Wissen Sie, ich habe versucht, bei allen zu klauen: Freddie Mercury, Tom Jones, Elvis Presley,
Dean Martin, Sammy Davis Jr., Frank Sinatra, John Lydon, Liam Gallagher, David Bowie. Ich habe viele Leute beobachtet und mir dann gesagt: Das nehme ich.» Es gibt noch einen anderen Aspekt. «Im Entertainment hört man seit ungefähr zehn Jahren immer denselben, wichtigen Satz
Im Auto auf dem Weg in ein Pariser Fernsehstudio erzählt David Rob, dass Pat Leonard, Madonnas Produzent und Co-Autor aus der Like A Prayer-Zeit, gerne mit ihm arbeiten möchte. Seit bekannt wurde, dass sich Rob von Guy Chambers getrennt hat, gibt es ständig Angebote dieser Art. «Nein», sagt Rob bestimmt. «Das sind nicht die richtigen Leute. Ich möchte Sachen machen wie Primal Scream zu ihrer besten Zeit oder U2 oder Massive Attack oder The Prodigy.» David nickt. «Ich will jemanden, der genau zu meinen Ideen passt, der ein bisschen kantiger ist als Guy. Ich will nichts Seltsames. Ich will nur etwas wirklich Wundervolles machen. Ich will wirklich große Popsongs schreiben und möchte, dass sie den Leuten eine Menge bedeuten. Vielen Leuten.» Im Studio wird er von dem Produzenten mehr oder weniger gezwungen, Johnny Hallyday kennen zu lernen – «Ich hatte keine Wahl, oder?», sagt er, nachdem sie einander vorgestellt worden sind –, und David erzählt ihm, dass Charles Aznavour mit ihm auf seinem Duett-Album singen möchte. Rob weiß nicht genau, was er davon halten soll. Er ist geschmeichelt, kennt aber Aznavours Stücke gar nicht wirklich und fürchtet, es wäre nicht das Richtige für ihn. «Wenn er
Als Rob in seiner Garderobe wartet und irgendjemand zufällig den Namen Jimmy Somerville erwähnt, löst das wieder eine Menge Erinnerungen aus. Irgendwann in den frühen Tagen von Take That war er auf der Toilette des Schwulenclubs La Cage in Manchester, als er eine Stimme aus einer der Kabinen hörte: «Ich kann nicht raus! Ich kann nicht raus!» Es war Jimmy Somerville, gefangen im Klo. «Ich habe ihn herausgelassen», meint Rob. «Dafür war ich eine Zeit lang berühmt.» Ihm fallen die ersten zwei Jahre mit Take That ein, als die Schwulenclubs ihr Zuhause waren. «Für mich war es faszinierend, mit 16 in diese La Cage-Welt zu kommen oder das New York New York nebenan oder einmal im Monat die Mittwochabende in der Hacienda», erinnert er sich. «Wenn man in Stoke-on-Trent einen trinken ging, musste man immer damit rechnen, verprügelt zu werden. Und hier war ich plötzlich in einer Erwachsenen-Welt, wo man keine Angst haben musste und alle gute Laune hatten. Es war wirklich ein tolle Zeit – abgesehen davon, dass ich dauernd mit dieser Person zu tun haben musste, die ich für die Saat des Teufels halte: Nigel Martin-Smith. Nur um das nochmal deutlich zu sagen.» «Hat der dich je angemacht?», will David wissen. «Nein, nie. Aber er war sich absolut sicher, dass ich schwul sei. Auf jeden Fall.» Wie kam er auf die Idee? «Wahrscheinlich, weil ich mich mit den Leuten in den Schwulenclubs so gut verstanden habe. Weil ich keine Angst vor Homosexualität hatte. Das stand gar nicht zur Debatte. Das war so wie mit den Japanern heute — die kamen und machten ein sehr nettes Interview, also gab ich ihnen etwas zurück, was von Herzen kam. Dasselbe mit den Gay-Clubs: Die Typen waren immer alle sehr nett zu mir und haben sich unterhalten. In den zwei Jahren wurde ich nie angemacht. Diese große heterosexuelle Angst,
«Ich glaube, ja. Gary wäre der Einzige gewesen, von dem man vielleicht erwartet hätte, dass er damit Probleme haben würde — Gary, der kein ausländisches Essen isst, der nicht mehr als einen Zwanziger für Klamotten ausgeben will, der nicht rülpste oder furzte oder Drogen nahm —, aber er hatte auch kein Problem. Wir haben uns einfach sehr amüsiert.» Er kann sich nicht erinnern, zu dieser Zeit mehr als 140 Pfund mit Take That verdient zu haben, und das, obwohl sie drei Nächte lang fünfmal pro Nacht in Schottland aufgetreten sind. «In den ersten zwei Jahren haben wir rund 400 Pfund verdient, ich übertreibe nicht», meint er. «Meine Mutter musste immer die 8,50 Pfund für die Zugfahrkarte zu den Proben zahlen. Und als wir unser erstes Video drehten,
Er tanzte zu einem Jason Donovan-Stück vor und gab sich nicht mehr Mühe als unbedingt notwendig. Im Grunde fing er bei Take That so an, wie es dann weiterging: «Ich weiß noch, dass ich mich wahnsinnig vor Nigel fürchtete», sagt er. «Und außerdem fand ich das Ganze ein bisschen peinlich.»
Immer, wenn er durch die Hotellobby geht, wartet dort ein blondes Mädchen auf ihn. Solange sie das Gefühl hat, er würde sie entfernt wiedererkennen, scheint sie völlig zufrieden. Bis zum nächsten Mal. Das Mädchen wartet nicht zufällig da. «Ich habe mal mit ihr geschlafen», erzählt Rob. Es passierte während der Tour, die in dem Film Somebody Someday dokumentiert wird. Sie kommt in der Szene vor, als Rob wenig gesprächig nach einer Nacht mit ihr sagt: «Ich geh jetzt mal.» Und sie antwortet: «Aber Robbie, was wird aus uns?» In Robs Umfeld ist sie seitdem als das «Was wird aus uns?»Mädchen bekannt. Monat für Monat taucht sie auf und mailt seinem Büro, an welchen Tagen sie zu seinem Haus gehen wird, um ihn zu treffen. Es scheint sie nicht weiter zu stören, dass Rob sie ignoriert. Sie scheint immer zu wissen, in welchen Hotels er wohnt. Tagsüber sitzt sie in der Nähe der Rezeption, abends an der Bar. Ihr scheint es zu reichen, einfach in seiner Nähe zu sein. Manchmal spricht er mit ihr, in der Hoffnung, sie würde ihre Illusionen aufgeben, aber sie lässt sich nicht beirren. Sie scheint wirklich der Meinung zu sein, dass sie eine Beziehung haben, und wenn sie im Augenblick nicht viel Zeit miteinander verbringen, dann liegt es daran, dass er so viel zu tun hat. Das versteht sie. Sie kann warten.
Abends gehen wir einen Kaffee trinken. Im Virgin Megastore an den Champs-Elysees kauft sich Rob auf dem Rückweg CDs von Scott Walker, U2, Alison Moyet, Ronan Keating, Elton John, Jay Z und Kelly Osbourne. Er entdeckt eine Hörsäule mit Escapology, setzt sich die großen Kopfhörer auf und tanzt zu «Something Beautiful». Robbie Williams ist in Frankreich kein großer Star, deshalb bemerkt ihn, vielleicht zum Glück, niemand.
Zurück im Hotel hört er in seine neuen CDs hinein. Dann spielt er Elton Johns «Tiny Dancer», um zu beweisen, dass der Refrain mit absurder Verspätung einsetzt. Er tanzt zu «Rocket Man». «Früher hat mich der Song zum Heulen gebracht», sagt er. «I miss the earth so much, I miss my wife», singt Elton John. «Ja», nickt Rob. «Geht mir genauso.» «... it's lonely out in space ... » «War ich auch», sagt er leise. «... I'm not the man they think I am ... ». «Allerdings», nickt er. Er geht auf Toilette, Elton singt weiter. «Mars ain't the kind of place to raise the kids .» «Auch das», ruft er von der Toilette. «Meine komische romantische Vorstellung, alles sein zu lassen und lieber eine Familie zu haben.» Der Mars als fremde Welt, in der er nun mal sein Leben leben muss. Er holt seine Gitarre und fängt an, an einem neuen Song zu arbeiten. Er kann sich nicht entscheiden, wovon der Text handeln soll, bis er sich auf das Bild über dem Sofa in seiner Suite konzentriert. Darauf ist ein junger Mann auf einem Pferd zu sehen, der angehalten hat, um mit einem älteren Mann und einer jungen Frau zu reden. Es heißt«Grenze der Liebe». In den nächsten paar Stunden schreibt er einfach auf, was er auf dem Bild sieht: Der Mann auf dem Pferd befindet sich auf dem Weg in den Krieg, bittet den Vater des Mädchens vorher um ihre Hand und beschwört dabei ihre Liebe. Als Rob fertig ist, spielt er den Song zweimal, erklärt, er sei mit sich zufrieden, und geht ins Bett.
10 «Glaubst du, Gott ist wütend?», will Rob wissen. Wir sind auf dem Weg zu den Proben einer weiteren französischen Fernsehshow. «Wieso?», fragt David etwas verwirrt. «Meinst du, Gott kann wütend werden?», beharrt Rob. Eine ernsthafte Auseinandersetzung beginnt, bei der es um Krieg, Hunger, Versteppung und die wahre Natur des Menschen geht. Nach einer Weile nickt Rob zufrieden. «Ich werde jetzt öfter Themen
ansprechen, die Diskussionen auslösen», kündigt er an. «Mir gefällt das.» Ich frage ihn, ob er denn glaubt, dass Gott wütend sei. «Ob ich das glaube?», fragt er, als wäre es ein Unding, jemandem eine so persönliche Frage zu stellen. Er meint, er habe keine Ahnung, aber er würde viel über solche Dinge nachdenken. Und über den Tod. «Ich habe ja geplant, für immer zu leben», teilt er mit. «So weit, so gut.» Sobald wir im Fernsehstudio angekommen sind, fragt er Gina: «Ist Gott wütend?» «Worüber?», fragt sie zurück. «Nicht auf mich. Was ist denn mit dir los?»
Heute Morgen wachte er auf, hörte Dr. Hooks Greatest Hits und spielte Gitarre. Nachdem er die Saiten mit dem Plastikverschluss einer französischen Wasserflasche bearbeitet hat, glaubt er, ein neues, bahn-brechendes Plektrum-Prinzip entdeckt zu haben. Er ruft Gary Nuttall in seine Garderobe, den leise sprechenden Gitarristen, der ihn schon seit Beginn seiner Solo-Karriere begleitet, und macht es ihm vor. Gary fürchtet, das neue Flaschen-Plektrum könnte ein bisschen schwer und sperrig sein. Rob bleibt unbeeindruckt. «Ich werde es patentieren lassen und reich werden.» Gary betrachtet ihn erstaunt: «Du bist doch schon reich.» Rob hält einen Moment lang inne, nickt dann und lacht. «Dann lass ich es vielleicht doch.» Auf dem Weg zurück ins Hotel erörtern wir ganz im Sinne von Robs neuer Diskutierfreude den Streik der englischen Feuerwehrmänner. Dabei stellt sich heraus, dass Rob früher an Demonstrationen teilgenommen hat. «Als ich klein war, bin ich zu diesen <Maggie! Maggie! Maggie! Raus! Raus! Raus!> -Märschen in London gegangen», erzählt er. «Mit meiner Tante Jo, meinem Onkel Don und Tante Claire.» Auf seinem Zimmer spielt er CDs, während im Hintergrund CNN über den Fernsehschirm flimmert. «Das ist der Grund, warum Promotionreisen manchmal ein bisschen deprimierend sind», erklärt er. «Weil das Einzige, was man im Fernsehen auf Englisch
empfangen kann, die Nachrichten sind, und die sind meistens deprimierend.» Er sieht sich einen Bericht über die Sonnenfinsternis in Südafrika an, erkundigt sich, was das Wort «landfall» — Landung — bedeutet, und wendet sich an Pompey: «Hast du das gewusst?» «Ja», antwortet der. Rob guckt finster. «Weil du bei den Marines warst», meint er. «Ich war bei Take That.» Manchmal macht er sich wirklich Sorgen über solche Sachen. «Verhinderte Entwicklung», meint er zu mir. «Wenn du die meiste Zeit damit verbringst, die elementarsten Dinge des Lebens zu bewältigen, hast du keine Zeit, etwas zu lernen. Verstehst du, was ich meine? Mir ist jetzt erst wieder klar geworden, dass ich viele Dinge nie gelernt habe.»
Falls es eine Zeit in seinem Leben gibt, die er romantisch verklärt, dann sind es seine letzten Schuljahre, kurz bevor Take That anfing und er in dem ganzen Strudel versank. Das war die Zeit, als er noch unbeschwert, lustig und nur einer von vielen in einer Clique war. «Es war das letzte Mal, dass ich richtig glücklich war», erzählt er mir an diesem Abend. «Als ich Depressionen hatte, machte es mich noch depressiver, an meine Schulzeit zu denken. Das hat mich fast umgebracht, weil ich damals so viele Freunde hatte, so viel Spaß und echt so viel gelacht habe, bis mir der Bauch wehtat. Ich wünsche mir manchmal, ich könnte nochmal in die Schule gehen.» Vor kurzem hat er über die Internetseite «Friends United» wieder Kontakt zu ein paar Leuten von früher aufgenommen. Seine beiden besten Freunde waren Linno und Lee Hancock. «Linno war sehr komisch», meint er. «Er war ein Einzelgänger, und ich wollte ihn immer zum besten Freund haben. Wir haben Thunderbird und Blue Nun getrunken, sind zum Curry-Essen ins El Sheeks gegangen und kamen uns wahnsinnig erwachsen vor. Er wohnte oben am Hang. Ich musste mit meinem BMX-Rad zu ihm rauffahren, und dann hingen wir einfach bei ihm zu Hause rum.» Rob hat ihm vor kurzem eine E-Mail geschickt. Weil die Computer von beiden nicht richtig funktionierten, wollte Linno, dass Rob ihn anriefe. Der wollte aber lieber, dass Linno ihm schrieb. «Ich wollte
gern einen Brief von ihm haben», erklärt er. «Ich schrieb ihm, woran ich mich bei ihm erinnerte, und wollte, dass er mit mir das Gleiche tut.» Lee Hancock und Rob verkauften zusammen nebenbei doppelverglaste Plastikfenster, und Lee war es auch, mit dem er an dem Tag zusammen war, als er bei Take That angenommen wurde. Er hat die Geschichte immer wieder erzählt, und sie ist wahr. Sie hatten beide gerade ihre Zeugnisse bekommen, die furchtbar waren. («Keine Note besser als ein D», gibt er zu. «Sogar ein D in Englisch, glaube ich.») «Wir wussten, dass wir den größten Ärger unseres Lebens bekommen würden.» Also machten sie das, was jeder vernünftige 16-Jährige an ihrer Stelle getan hätte: Sie kauften sich jeder sechs Dosen Bier, statt nach Hause zu gehen. «Wir saßen auf dem Bowling-Rasen im Tunstall Park», erzählt er, «bis wir uns genügend Mut angetrunken hatten, um nach Hause zu gehen.» Als Rob durch die Tür kam, überraschte ihn seine Mutter mit der Nachricht, dass er – vier Wochen nach dem Casting – bei Take That angenommen worden sei. Er ist sich sicher, dass er ihr nie seine Noten gebeichtet hat. Nachdem er die Schule verlassen hatte, versuchte er mit Lee Hancock in Kontakt zu bleiben. «Ich glaube, zum Schluss hat uns vor allem der Alkohol verbunden», sagt er. «Wir hatten uns eine Menge zu sagen, wenn wir zusammen tranken. Und nicht so viel, wenn wir nüchtern waren.» Er hatte ihn vielleicht zwei Jahre lang nicht gesprochen, als er Lee eines Tages anrief und sagte, er würde jetzt vorbeikommen. «Die Art, wie er reagierte, fand ich irgendwie traurig:
Schulkorridor standen und sich gerade ihre Blazer anzogen, um nach Hause zu gehen. Sie wetteten, wer von ihnen als Erster berühmt werden würde. Rob sagte: «Ich wette mit dir um alles Geld, das ich in der Tasche habe.» Es waren ungefähr 1,70 Pfund. Er erinnert sich, dass er sich fast in die Hose machte, als er dachte: «Was, wenn er gewinnt?» Neulich schickte er ihm eine Mail, in der er fragte: «Wo sind meine 1,70 Pfund?» Er hat sich auch mit einem anderen Typ geschrieben, Clinton Cope, der eine Klasse über ihm war. Diese E-Mails liegen auf Pompeys Computer. Rob öffnet sie und liest laut vor: «Lieber Clinton, ich bin die letzten acht Jahre gegen meinen Willen von einer großen Londoner Plattenfirma festgehalten worden. Nachdem du das Lösegeld nicht bezahlt hast, war ich zur Flucht gezwungen und arbeite nun als Söldner. Du bist der Einzige, der meine wahre Identität kennt, und deshalb musst du sterben. Falls das nicht klappt, wie geht's dir, altes Haus?» Er stellte noch ein paar Fragen über die anderen aus den alten Zeiten und machte einen Witz über Clintons tauben Hund, damit er sieht, dass die Mail wirklich von Rob ist. «Hallo da draußen, Mr. Rockstar. Wie zum Teufel geht es dir?», beginnt die Antwort und geht dann weiter mit viel Lob über Robs letzte Fernsehauftritte. «Wie ist Mr. Diddy denn so?», will er wissen. In den folgenden Mails unterhalten sie sich über Computerspiele und Tätowierungen, bis sich Rob nach Lisa Parkes, seiner Jugendliebe, erkundigt. Clinton erzählt ihm, dass er in einem Geschäft gerade einen Anschlag gesehen hat, auf dem von «Lisa Parkes' Kinderaufsichts-Service» die Rede war. «Es war irgendwie ziemlich seltsam, diese E-Mails aus meinem Haus in L. A. zu senden», überlegt er. «Man denkt darüber nach, wo man eigentlich herkommt, und jetzt sitzt man in einer bewachten Wohngegend in den Hügeln von Los Angeles. Ich wollte eigentlich dauernd sagen: <Stell dir mal vor: Tom Jones wohnt nebenan!> Als ich die E-Mail schrieb, hat mich das ein bisschen erschreckt. Ich merkte, wie weit es schon mit mir gekommen ist.»
Er weiß natürlich, dass sich in jedem Fall alles verändert hätte, selbst wenn es Take That nicht gegeben hätte. «Ja, komisch, wie sich so eine kleine Gruppe zersplittert, sobald sich die Schultüren hinter einem schließen», meint er. «Man denkt immer, das könne einem nicht passieren, aber das tut es eben doch. Und dann siehst du zu, wie deine besten Freunde, mit denen du dich so totgelacht hast, in nur wenigen Jahren erwachsen werden. Und jetzt haben sie Babys und können keine Arbeit finden oder haben etwas gestohlen, sind im Gefängnis oder haben ein Drogenproblem. Oder sind Robbie Williams geworden. Wirklich traurig.»
Er blättert durch die neueste Ausgabe von Heat. Rob wird an sechs verschiedenen Stellen des Heftes erwähnt: in einem Interview mit Mark Owen, in einem Text über Rachel Hunter, in der Hitliste, in einem kleinen Artikel über eine Feuchtigkeitscreme von Clarins, die er angeblich benutzt, in einer CD-Kritik von Escapology («frech und pointiert», fünf von fünf Sternen) und in einem Zitat auf der letzten Seite, das etwas verdreht aus der Berliner Pressekonferenz stammt: «Ich bin ein Star. Und Scheidungen sind teuer. Das meiste Geld wird wahrscheinlich an meine Ex-Frauen gehen.» Um Mitternacht kommt David ins Zimmer. Rob ist jetzt seit zwei Jahren clean. David schenkt ihm Oh, The Places You Will Go von Dr. Seuss. Rob sitzt am Esstisch und liest aus dem Buch vor – eine Geschichte, in der es erst besser wird, dann schlechter und dann wieder besser, aber nicht ganz und gar. Einige Teile, die für die meisten Leser nur eine Metapher wären, sprechen ihn ganz deutlich an. «... du wirst so berühmt werden, wie man nur sein kann, und die ganze Welt wird dir im Fernsehen beim Gewinnen zusehen», liest er. «Nur dann nicht, wenn sie gerade nicht zusieht, weil das manchmal so ist ... Ich fürchte, manchmal wirst du sehr einsame Spiele spielen, Spiele, die du nicht gewinnen kannst, weil du gegen dich selber spielst ... » «Verdammt ... Ja», sagt er, als er fertig ist. Seine Augen sind feucht. Er sagt, er müsse mal eben ins Schlafzimmer und eine Trainingshose suchen.
Er wacht morgens in seinem Hotel in Paris auf und sagt sich die ganze Zeit das Wort «Mogadischu» vor, auch noch, als er beim ersten Backgammon-Spiel des Tages sitzt. Er weiß nicht, warum. Vielleicht ist er bei laufendem Fernseher eingeschlafen. Er erinnert sich dunkel an eine Geschichte, dass nur wenige Amerikaner überhaupt wissen, wo die verschiedenen Bundesstaaten der USA liegen, geschweige denn andere Länder. Wir tun beide so, als seien wir entsetzt, bis ich zugebe, dass ich wahrscheinlich auch Schwierigkeiten hätte, Wiltshire auf einer Landkarte zu finden. «Wo Wiltshire liegt, weiß ich», sagt er. «Da war ich auf Entzug.»
Im Bus zum Konzert in Paris spielt er auf dem CD-Spieler drei Stücke aus den Jacques Brel-Interpretationen von Scott Walker, «Jackie», «Mathilde» und «Next», und dann sein eigenes «One Fine Day». «It'd break my heart to make things right», zitiert er ein bisschen falsch (in «Jackie» singt Scott Walker «and broke my heart to make things right»). «Ich wünschte, ich hätte das geschrieben», sagt er. Backstage hebt er dauernd sein Hemd hoch und reibt sich den Bauch, während er ihn im Spiegel begutachtet. Dazwischen macht er jede Minute etwas anderes: spielt eine CD von Supergrass, isst ein bisschen Melone, spielt in der Luft Schlagzeug (betrachtet nochmal seinen Bauch), spielt eine CD mit seinem Stück «Peace, Man», fragt nach einem Plektrum, bekommt eine Gitarre, spielt das Stück «Mr. James», das er neulich nachts geschrieben hat, lässt sich von Chris Sharrock das Who-Stück «I Can't Explain» beibringen und geht endlich auf die Bühne. Nach dem Konzert lässt er sich backstage zur Show gratulieren. «Cool», meint er, «Job erledigt.» Man kann das Publikum bis in die Garderobe hören. «Robbie! Robbie! Robbie!» «Ich! Ich! Ich!», schreit er. «Ich bin er! Das bin ich! Ich bin er!» Sie können ihn natürlich nicht hören, und er geht nicht nochmal raus.
11 Wenn man berühmt ist, kann jeden Tag etwas Unvorhergesehenes passieren. Nach dem Konzert in Paris erhält er im Hotel eine merkwürdige Nachricht, die eine Frau, die er vor kurzem in London kennen gelernt hat, auf der Mailbox eines seiner Bodyguards hinterlassen hat. «Sie behauptet, sie würde von der Presse wegen einer bestimmten Geschichte bedrängt», sagt Pompey. «Was für eine Geschichte?», will Rob wissen. Sie sagt, die Presse wolle genau wissen, was zwischen Rob und ihr vorgefallen sei, und droht damit, irgendetwas zu drucken, egal, ob sie rede oder nicht. Ob er helfen könne? Er ist irritiert. «Es ist doch gar nichts passiert», sagt er. «Ich habe mir ihre Telefonnummer geben lassen. Der einzige Kontakt, der zwischen uns stattfand, war ein Foto, das von uns gemacht wurde. Ich hatte meinen Arm um sie gelegt, das ist alles.» Klingt trotzdem ein bisschen komisch. Er bittet Pompey, Josie zu holen. Man sollte dieses Mädchen zurückrufen. Da ist aber noch was. Rob hat einen Gesichtsausdruck, als hätte er etwas besonders Scheußliches gegessen. Ein paar Tage nachdem er dieses Mädchen kennen gelernt hatte, rief er sie abends an, um sie zu fragen, ob sie nicht vorbeikommen wolle. Während sie zu ihm unterwegs war, überlegte er es sich anders. Er hatte sich gesagt, sie würden sich nur ein bisschen unterhalten, bis ihm klar wurde, dass er sich etwas vormachte: Er wusste ganz genau, wie dieser Abend enden würde, und das wollte er nicht. Also rief er sie noch einmal an und bat sie, doch nicht zu kommen. (Das war die «Beinahe»-Verabredung, von der er in der Garderobe bei «Later ... With Jools Holland» gesprochen hatte.) Josie kommt, und er erklärt ihr, was los ist. «Jemand muss mit ihr reden und mit denen, die die Geschichte drucken wollen», sagt er. «Das darf nicht passieren. Es ist überhaupt nichts vorgefallen.» Josie ruft das Mädchen an. «Ich wollte nur mal hören, ob ich dir irgendwie helfen kann», sagt sie. «Anscheinend hast du irgendwelche Probleme mit der Presse ... woher haben die deine Nummer? ... und wieso rufen die dich an? ... wie seltsam ... weißt du,
wieso die aus-gerechnet dich angerufen haben? ... Aha ... wer ist dein Agent? ... und woher wussten die von dir? ... » «Sag ihr, dass wir die verklagen», flüstert Rob. «... nein, ganz bestimmt, und ich entschuldige mich wirklich dafür, dass du ...», fährt Josie fort. «... wenn die wirklich irgendetwas drucken, was nicht stimmt, verklagen wir sie ... ruf mich an, wenn die sich nochmal bei dir melden ... » An dieser Stelle wird die Sache absurd. Im Laufe des Gesprächs, bei dem nicht wirklich klar wird, worum es eigentlich geht, erzählt das Mädchen ein neues Detail: Ein anderes Mädchen habe ihr die Nachricht hinterlassen, dass Rob sie vergewaltigt habe. Rob schüttelt den Kopf über die Unwirklichkeit des Ganzen. «Mit der Geschichte kann ich ein Vermögen machen», meint Rob im Hinblick auf die Schadensersatzforderungen, sollte wirklich jemand diese Geschichte drucken. Er sagt das ohne Vorfreude, nur um deutlich zumachen, wie unsäglich das alles ist. «Ich habe überhaupt nichts zu befürchten, weil ich niemanden vergewaltigt habe. Es gibt keine Geschichte ... » Langsam dämmert ihm allerdings, wie schrecklich es wäre, falsch beschuldigt zu werden. «Am liebsten würde ich diesen Arschlöchern Millionen abnehmen.» Im Hintergrund läuft die ganze Zeit Jackass auf MTV. Sie brauchen mehr Informationen. Josie ruft das Mädchen erneut an. «Ich gehe die Geschichte gerade mit Robs Anwalt durch», sagt sie. «... die Sache ist sehr merkwürdig ... hat sie eine Nummer hinterlassen? ... weißt du noch, was sie genau gesagt hat, weil das ja eine ziemlich seltsame Nachricht ist ... völlig absurd ... okay, vielen Dank ... » Das Mädchen sagt, dass das andere Mädchen ihr eine Nachricht mit der genannten Behauptung hinterließ und dann hinzufügte: «Meine Geschichte ist viel spektakulärer als deine.» Sie meint, die andere wollte sie wohl nervös machen. Dann fügt sie hinzu, dass direkt danach eine Boulevardzeitung anrief, um sie zu fragen, ob sie jetzt vielleicht bereit sei, ihre Geschichte zu verkaufen. «Das wird ja immer besser», meint Rob. Pompey sagt, dass die Suppe jetzt da sei, die Rob bestellt hatte. «Ich kann jetzt nichts essen», sagt Rob.
Er möchte mit Tim sprechen. Josie ruft ihn an und bittet ihn, nach oben zu kommen: «Rob hatte ein paar sehr bizarre Anrufe.» Tim ist schon im Bett und möchte mit Rob am Telefon sprechen. «Ich rede darüber nicht am Telefon», sagt der. Sie warten darauf, dass Tim hochkommt. Man muss sich einmal vorstellen, wie sich das anfühlt. Vor 20 Minuten entspannt man sich noch nach einem erfolgreichen Konzert in seiner Hotelsuite, und das Leben sieht insgesamt ziemlich gut aus. Und dann passiert so etwas. Wenn man bei etwas erwischt wird, das man wirklich begangen hat, dann ist das zwar hart, aber gerecht. Aber man kann sich nicht gegen die Wucht falscher Unterstellungen schützen. Rob wird etwas sentimental. «Solche Sachen passieren eben», seufzt er. «Und dann muss man sich ernsthaft fragen, ob sich das alles lohnt.» Die Antwort gibt er sich gleich selbst. «Nein, das tut es nicht. Warum soll ich meinen Namen mit dem Vorwurf beschmutzen, ich sei ein beschissener Vergewaltiger? Ernsthaft: Wenn du betroffen wärest?» «Das wird nie im Leben gedruckt», sagt Josie. «Jaja», sagt er, «aber böse Zungen ...» «Komm, davon kannst du nicht ausgehen», sagt sie. «Doch», meint er. «Ich mache mir nicht wirklich Sorgen über den Scheiß, aber wenn die Geschichte weitergeht, höre ich auf. Wenn nicht, mache ich weiter. Aber ich bin sowieso so beschissen paranoid. Die meiste Zeit habe ich Angst. Ich würde noch meine Alben machen, aber man würde mich in keinem Video und auf keinem Foto mehr zu sehen bekommen.» Tim erscheint in Hausschuhen. «Na, Rob, was ist passiert?» Rob erzählt ihm die Geschichte, und Tim versichert ihm, dass man solche Sachen jederzeit in den Griff bekommt. «Da draußen gibt es eine Menge seltsamer Leute», meint er tröstend. Josie telefoniert mit dem Londoner Presseagenten und schildert die Situation: «Wir sitzen hier und überlegen uns, ob sie diese Anrufe wirklich bekommen oder sich das alles nur ausgedacht hat. Rob wird mit dem Rest schon fertig, aber diese Vorwürfe sind absurd.» Rob geht mit Tim in sein Schlafzimmer, um allein mit ihm zu sprechen.
«Ich hasse so etwas», sagt Josie. «Weil man nichts tun kann, damit er sich wieder besser fühlt.» Tim geht wieder ins Bett; Jonny ruft an. «Soll ich dir mal was erzählen, was du nicht fassen wirst?», fragt Rob und erzählt ihm, was sich hier abgespielt hat. «Nein, ich bin nicht nervös ... Mir geht es nur komisch ... Das ist völlig grotesk ... Ich bin wirklich okay, aber ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll ... ich kann nur zur Kenntnis nehmen, dass es unfair ist und ich mit solchen Sachen eben leben muss.» Wir spielen Backgammon, aber ohne die übliche Konkurrenzsituation. Mehr kann man heute Nacht nicht mehr tun.
Bei Tageslicht sieht die Sache schon ganz anders aus. Das Boulevardblatt, von dem das Mädchen gesprochen hat, streitet ab, an einem Artikel über Rob zu arbeiten, was bedeutet, dass entweder das Mädchen die Geschichte erfunden hat, irgendein Betrüger am Werk ist oder die Zeitung sich ganz schnell von der Geschichte verabschiedet hat. Es gehört zu den frustrierenden Momenten, dass Geschichten wie diese nie richtig geklärt werden können. Sie verschwinden im Nebel der Zeit, bis man sich fragt, ob sie wirklich passiert sind. Rob hat schon beschlossen, die ganze Sache zu vergessen. «Alles Schwachsinn», erklärt er. «Ich kann jetzt wieder mit dem Glücklichsein weitermachen.» Er nimmt die Schachtel mit seinen Antidepressiva vom Tisch und tut so, als würde er sie als überdimensionales Plektrum beim Gitarrespielen benutzen. «Ich denke mal, die haben wirklich versucht, einen Artikel zu inszenieren.» «Es könnte auch ein verzweifelter Versuch dieses Mädchens gewesen sein, mit dir in Kontakt zu kommen», meint Josie. «Wie die, die seit Tagen unten in der Lobby sitzt. Sie hockt da und ist ganz zufrieden, wenn du ihr nur mal die Hand schüttelst.» Rob nickt. «Es kann aber auch sein, dass sie hinterher sagt: <Er wollte mich sehen, aber sie haben ihn nicht gelassen.> Wie bei den Songs, bei denen sie absolut überzeugt sind, dass sie von ihnen handeln.»
Im Flugzeug auf dem Weg nach Österreich liest er in verschiedenen Zeitungen, dass er in dem Theaterstück One Night Only auftritt («Blödsinn», sagt er), dass er «noch nie ein Geheimnis aus seinem Wunsch zu schauspielern» gemacht hat («Blödsinn»), dass er an der Lee Strasberg-Schule Schauspielunterricht genommen hat («Blödsinn») und dass er kürzlich gesehen wurde, wie er mit seinem Vater die M1 entlangfuhr («Blödsinn»). «Ich muss dir mal die Elton JohnEntführungsgeschichte erzählen», sagt er. «Ich habe noch nie jemanden erlebt, der sich so gefreut hat, mich zu sehen», sagt David. «Ich hatte neulich richtige Schuldgefühle», sagt Rob. «Elton hat wirklich eine Menge für mich getan, und ich habe mich dafür nicht genug bedankt.» Pause. «Aber was er da gemacht hat, war wirklich merkwürdig.»
Um die Entführungsgeschichte von Elton John verstehen zu können, muss man zunächst eine andere Geschichte erzählen. Take That waren im Jahr zuvor auseinander gegangen, und Rob hatte sich gerade von seiner damaligen Freundin, Jacqui Hamilton Smith, getrennt. Sein erster Solo-Hit war erschienen, «Freedom», aber er hatte bisher weder Guy noch Tim oder David kennen gelernt und hatte keinerlei Richtung oder Stabilität in seinem Leben. «Ich war in einer fürchterlichen Situation», erinnert er sich. «Außerdem hatte ich gerade das schlimmste Drogenjahr überhaupt hinter mir. 1995, 96. Ich bin eines Nachmittags aufgewacht, nachdem ich die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war, und wusste, dass ich im Arsch war. Mein Schlafzimmer war ein Schweinestall, es standen Schüsseln mit eingetrockneten Cornflakes und alten Kippen herum, und ungefähr so fühlte sich auch mein Kopf an. Irgendein Instinkt meldete sich bei mir, um mich zu retten, und ich sah mir mein Filofax an und dachte mir: okay... » Er blätterte die Seiten durch und fand Eltons Nummer. Sie hatten sich kennen gelernt, als er noch bei Take That war. Rob hatte ein paarmal mit Gary Barlow bei ihm gewohnt. «Elton war sehr nett und ein großzügiger Gastgeber und hat uns fabelhaft unterstützt», sagt Rob. Diese Besuche führten dazu, dass Rob das Gefühl hatte, Elton
sei der Richtige, den man anrufen könne, wenn man sich in einer beschissenen Lage befand. «Ich rief ihn an und sagte nur:
«Acht, neun Monate später ging es weiter», fährt Rob fort. «Ich hatte inzwischen Guy getroffen, wir hatten das erste Album geschrieben, ich bin im Studio, und mir geht es wirklich dreckig. Ich war eigentlich mit Elton verabredet, um ihm an einem Nachmittag vorzuspie-
len, was wir gemacht haben. Das war in der Woche, bevor ich auf Entzug ging. Ich glaube, ich hatte noch eine Woche Zeit, um die restlichen Gesangsaufnahmen zu machen, darunter
Kater, aber jetzt muss ich los und noch ein paar Dinge erledigen, bevor ich in die Entzugsklinik gehe. Ich legte mich ins Bett und dachte noch, dass ich mich am nächsten Morgen wahnsinnig bedanken muss. Auf einmal höre ich
hinauf. Mein Zimmer hatte Gitter vor dem Fenster, und vor dem Fenster war eine Mauer. Ich saß auf meinem Bett, das mit einer Plastikplane bespannt war, falls man reinpisste. In Wirklichkeit hatte ich nur einen gigantischen Kater. Ich musste nicht entgiftet werden, ich musste auch keine Tabletten nehmen, ich musste ja nicht von irgendetwas runter, ich hatte nur ein Alkoholproblem. Ich saß da und hatte schlicht viel zu viel getrunken. Eine Frau kam rein und behandelte mich, als wäre ich ein schlimmer Junge. Es gab kein Verständnis, keine Freundlichkeit oder
las er einen Text über sich, in dem die komplette Liste aller Drogen abgedruckt war, die er im Churchill Center aufgeschrieben hatte. «Ich kann nur sagen: Da draußen laufen eine Menge Scharlatane rum, die krank im Hirn sind. Und solche Leute arbeiten mit wirklich Kranken, die sich große Mühe geben, wieder gesund zu werden. Da könnte ich ausflippen», fasst Rob zusammen. «Ich bin mir sicher, dass so etwas auch anderen Leuten passiert, und die gehen dabei drauf.» «Die laufen weg und gehen dann drauf», meint David. «Elton meinte es nur gut und tat das, was er für richtig hielt. Aber mir kam das Ganze unglaublich unprofessionell vor, auch wenn Elton das alles aus Liebe machte.» Elton und er haben seitdem nicht wirklich mehr miteinander geredet. Etwa ein Jahr später fragte Elton an, ob er mit ihm ein Duett auf einem Album singen wolle, auf dem auch die Backstreet Boys und LeAnn Rimes waren, aber Rob lehnte ab. «Ich wollte nicht mehr mit irgendwelchen Boybands in Verbindung gebracht werden», erklärt er, «es hat lange genug gedauert, davon wegzukommen. Ich glaube, er war wirklich enttäuscht.»
Als wir im Hotel in Wien ankommen, geht er auf Toilette – «die haben hier Blütenblätter in der Kloschüssel, das ist vielleicht merkwürdig» – und legt sich dann aufs Bett. «Gwyneth Paltrow hat neulich in einem Interview etwas Interessantes gesagt», meint er. «Leute bleiben immer so alt, wie sie waren, als sie berühmt wurden. Was ungefähr das war, was ich gestern Abend meinte.» Das heißt, du bleibst immer 16? «Ja. <Es sei denn, es stößt einem irgendein Unglück zu>, hat sie gesagt. Also ich bin jetzt ungefähr 18.» Es gibt so viele seltsame Dinge in der Welt. Er erzählt, dass ihn kürzlich die Herzogin von York angerufen hat, weil sie wollte, dass Rob ihre kranke Tochter Beatrice anrufen sollte. «Verrückt, oder?», fragt er. «Ich habe nicht angerufen. Hatte deshalb auch ein schlechtes Gewissen.» Im Fernsehen läuft eine Anti-Raucher-Werbung. «Seid cool», sagt Sophie Ellis Bexter. «Raucht nicht.»
«Fuck off», sagt Rob. Etwas später wendet er sich an Pompey: «Ist mein Essen schon gekommen?» «Hast du welches bestellt?», fragt der. Rob sieht Josie an. «Du hast mich nicht darum gebeten», sagt sie. Rob sieht verärgert aus, weil es kein Essen gibt und niemanden, dem er das in die Schuhe schieben kann. Stattdessen gehen wir alle ins Hotelrestaurant, wo er ein Steak isst und sich anschließend zu Boden fallen lässt. «Ich bin müde», sagt er. «Du bist wie ein kleines Kind, das man ins Restaurant mitgenommen hat», entgegnet Josie. Er setzt sich wieder hin und schläft an Davids Schulter ein.
Gleich nach dem Aufwachen muss er einem deutschen Radiosender ein Interview geben. Er liegt auf dem Bett der Suite, die für seine Promotion-Tour gebucht wurde, der Interviewer hockt mit dem Mikrophon auf dem Boden. Rob redet über seine Karriere, seinen Körper («Ich wünschte, ich hätte sechs Kilo weniger»), Oasis («Noel hasst mich ...»), bis der Interviewer fragt, ob nicht die meisten Popstars das Gefühl hätten, etwas Besseres als «normale» Menschen zu sein. «Ich weiß nicht, ob das stimmt», meint Rob. «Ich halte das für Medienpropaganda. Viele Leute wollen einfach glauben, dass Popstars, Schauspieler oder Models sich für etwas Besseres halten oder unangenehm sind. Es steigert das Selbstwertgefühl der Menschen, wenn sie der Meinung sind, mit dem Star stimme was nicht. Ich finde das traurig.» Der Interviewer will wissen, ob Rob etwas dafür tun würde, damit er mit beiden Beinen auf dem Boden bleibt, und er antwortet: «Nein. Ich glaube auch nicht, dass ich auf dem Boden geblieben bin. Ich komme aus dem Arbeitermilieu und fliege heute in Privatjets durch die Gegend, wohne in wirklich schönen Hotels, lerne Mitglieder der Königsfamilie und der Regierung kennen. Das ist alles schon ziemlich verrückt und hinterlässt Spuren. Genauso wie die öffentliche Meinung über dich, bis einem klar wird, dass das überhaupt nichts zu bedeuten hat. Ich glaube aber nicht, dass ich mit
beiden Beinen fest auf dem Boden stehe. Mein Kopf steckt in den Wolken.» Zum Schluss will der Interviewer wissen, ob Rob irgendetwas bereut, und Rob ist schon nicht mehr bei der Sache, während er vom Bett aufsteht. «Nein, nein, ich bereue nichts wirklich ... abgesehen von ein paar Leuten, mit denen ich geschlafen habe. Manche waren wirklich ... Hör mal, ich muss jetzt gehen.» Dieses Interview erscheint zwei Wochen später über zwei volle Seiten in der Sun. «ROBBIE GANZ OFFEN» lautet die Schlagzeile. Angeblich war es ein «exklusives Interview» von Dominic Mohan mit Rob. Rob habe mit ihm «gesprochen, bevor er mit Kumpel Jonathan Wilkes über Weihnachten nach Los Angeles» geflogen sei. Auf einem Foto sind Rob und Jonny am Flughafen zu sehen, wie sie in die Kamera grinsen, wodurch die Lüge, das Gespräch habe vor dem Abflug stattgefunden, noch untermauert wird. Robs Worte werden ziemlich präzise wiedergegeben, dennoch sind sie aus dem Zusammenhang gerissen, und Wien wird kein einziges Mal erwähnt. In dem Artikel kommt dreimal «sagte er zu mir» vor, wodurch der Eindruck entstehen soll, die Unterhaltung hätte tatsächlich zwischen Rob und Dominic Mahon stattgefunden. Dabei haben sich die beiden das letzte Mal in Barcelona getroffen, als er ihn ganz bestimmt nicht interviewt hat.
12 Hinter der Bühne bei Wetten, dass ... ?, Rob spielt stundenlang auf seinem Notebook D J mit Hilfe von iTunes, eines Musikverwaltungsprogramms: ein Stück von Gary Nuttall, «Maybe I'm Amazed» von Paul McCartney, «A Boy Named Sue» von Johnny Cash, The Smiths' «Heaven Knows I'm Miserable Now», «All Over Again», ein Folk-Song von The Lilac Time – «Super-Text», sagt er und singt mit: «No one came so no one noticed, I shared a beer with the support band roadies ... tomorrow I'll be dropped by BMG ... girlfriends telephoned she said <don't come home>, I know your muse is on some motel mattress, misery will always be your mistress ... » — «Get Off» von Prince, «Nightswimming» von R.E.M, dann
ein paar von seinen eigenen: «Phoenix From The Flames», «Heaven From Here», «lt's Only Us», «Karma Killer». «Ich habe wirklich ein paar komische Songs gemacht, was?», sagt er. «Das waren eigentlich nie so richtig typische Pop-Songs. Kann mir keiner vorwerfen ... » Er spielt noch mehr Songs: «Pissing In The Wind» von Badly Drawn Boy, «In The Ghetto» von Elvis, Joy Divisions «Love Will Tear Us Apart», «Don't Tell Me» von Madonna, zwei Stücke von Divine Comedy, «Something For The Weekend» und «Frog Princess», zwei seiner unveröffentlichten Stücke, «Blasphemy» und «Chemical Devotion», dann «It's Only Natural» von Crowded House, Robs «Peace, Man» und «Summertime», Dr. Dres «California Love», «Kelly Watch The Stars» von Air, «God Only Knows» von den Beach Boys, «Narcolepsy» und «Army» von The Ben Folds Five. Dann fängt er mit seinen B-Seiten an. «Hast du schon <John's Gay> gehört?», will er wissen und singt seinen eigenen Song mit. «Martin grew out of his A-team vest, and nicked the paddles of my BMX, and he says that he's had sex with a girl for effect, I lost my virginity, the year above us had discovered E, and I said it weren't for me, 12,50 Pound, ... and we've written on the wall: John's gay. He's gay ... what'll we grow up to be? ... will you still be friends with me? ... 14 ... 15 ... 16... I know too much now to feel young.» Es ist wirklich so, wie er gestern Abend im Interview sagte: Seine Songs waren schon immer sehr persönlich. Wenn Journalisten wirklich etwas über ihn erfahren wollen, müssten sie nicht stundenlang in Hecken hocken, sondern einfach seine B-Seiten anhören. In diesem Song ist zum Beispiel jedes Wort wahr (der Schulfreund hieß allerdings nicht John, und vielleicht ist er auch nicht schwul, weil Rob auf der Internet-Seite von «Friends United» gelesen hat, dass er inzwischen verheiratet ist). «Ich habe hier nur auszudrücken versucht, worüber wir neulich nachts geredet haben», sagt er. «Wie traurig es ist, dass es damals so schön war, wie magisch alles war und wie die Verantwortung zunimmt, wenn man erwachsen wird.» Wir spielen Backgammon, und er findet noch andere Stücke, auch unveröffentlichte, die ich noch nie gehört habe. Es gibt eine sehr schöne, prächtige Ballade, «Snowblind», die er im vergangenen Jahr auf Tournee durch Australien und Asien geschrieben hat. «While the
world was looking at you», singt er, «you came and wrapped yourself around me.» Er spielt ein anderes Stück, das «If She Exists» heißt. «I know it will come in your own sweet time Lord and I don't like to ask but I'm lonely now. I don't want to make demands, but time and tide is in your hands, I never meant to ask for this, but God, send her now, if she exists.» «Daran siehst du, dass Guy brillant ist», sagt er, als er fertig ist. «Und ein dummes Arschloch.» Rob würfelt und setzt seine Steine. «Ich vermisse ihn.» Er spielt einen sarkastischen, unveröffentlichen Songs mit dem Titel «Big Beef», den er ganz alleine geschrieben hat. «I couldn't give a flying toss about the relatives you lost; I think it's better that your bloodline Stops from here on in ... », kräht er, munter und voller Hass. « You got under my radar ... you became my new best friends for a while. I should have guessed you were a psychopath ... » «Im Text geht es um jemand in L. A., der mich verraten hat», sagt er. Er spielt noch ein paar B-Seiten: «Come Take Me Over» («wahrscheinlich das erste Stück, für das ich je die Musik geschrieben habe. Guy hat das Ende geschrieben, aber das ist alles nicht besonders»), «Happy Song» («sehr stoned» ), «Talk To Me» («total zugedröhnt, als ich das geschrieben habe») und dann noch ein unveröffentlicher Song, «My Favourite American». «Die Zeile muss ich nochmal verwenden», murmelt er. «Use my empty head, it's advertising space ... » Er sagt zu Josie, dass er kein Exemplar mehr von Life Thru A Lens hat, seinem ersten Album, und bittet sie, ihm eines von der Plattenfirma zu besorgen. Er hat seine eigenen CDs nie zur Hand. Als er mal vergeblich Life Thru A Lens suchte, holte er sich einfach die Gold-CD, die gerahmt an der Wand hing, von der Wand. Dann stellte er allerdings fest, dass darauf gar nicht seine Musik, sondern die von irgendjemand anderem zu hören war.
Wenige Minuten vor seinem Auftritt bei Wetten, dass ... ? stellt er fest, dass seine Hosenbeine zu lang sind. Er steht an der Bühnenseite, direkt neben der Kamera, und zu seinen Füßen knien vier Menschen, die verzweifelt damit beschäftigt sind, seine Hosenbeine zu kürzen.
«... Robbie Williams mit
Am nächsten Tag endet seine europäische Promotion-Tour. Im Flugzeug nach London sinkt er in seinen Sessel. «Hat Spielberg schon angerufen?», fragt er. (Steven Spielberg ist die dritte berühmte Person, die in seinem Song «I Will Talk, And Hollywood Will Listen» vorkommt: «Mr. Spielberg, look just what you're missing».) «Wäre doch schade um mein Charisma, und die Amerikaner wissen nichts davon, oder?» Er isst einen Teller mit Huhn und Gemüse. Dabei blickt er auf meine Pasta, als ob er in ein anderes Universum sehen würde. «Ich habe seit Jahren keine Nudeln mehr gegessen», sagt er. Als wir Backgammon spielen, fällt ihm plötzlich ein: «Ich habe in Geschichte zwei Sachen gelernt: Die Renaissance begann in Florenz. Und es gab jemanden, der Isambard Kingdom Brunel hieß, einen Webstuhl, den man <Spinning Jenny> nannte, es gab den
Ludditismus und die Drei-Felder-Wirtschaft während der industriellen Revolution. Das war's.» Was hast du noch in der Schule gelernt? «Es gab da ein ziemliches Luder, das mich entjungfert hat. Sie hat mir gleich gesagt, dass sie mit mir Sex haben würde, wenn sie aus Liverpool nach Stoke-on-Trent auf meine Schule käme. Sie ließ keine Sekunde einen Zweifel daran, dass sie mich vögeln würde, wie sie es ausdrückte.» Wie alt warst du damals? «Fünfzehn.» Und was hast du gedacht? «Dass ich nichts dagegen habe.» Hattest du bei deinen Verabredungen damals im Kopf gehabt ... «... meine Jungfräulichkeit zu verlieren? Meine Bindungsunfähigkeit hat schon ziemlich früh angefangen. Wenn ich eine Freundin hatte, dann dauerte das nicht länger zwei Wochen.» Und was geschah in dieser großen Nacht? «Es war am Tag. Sie sagte:
Ecke, in der man seine Pinsel waschen konnte. Da haben wir uns rein-geschlichen und rumgeknutscht. Geknutscht und gefummelt.» Wann warst du das erste Mal verliebt? «Ich war noch nie verliebt. Nie.» Hast du schon mal gedacht, du wärst es? «Nein.» Hast du schon mal behauptet, du wärst verliebt? «Ja klar, weil ich es mir so dringend gewünscht habe.» Hast du Zweifel daran, dich überhaupt verlieben zu können? «Als ich noch in meiner Selbstmitleids-Phase war, dachte ich so was. Aber jetzt nicht mehr.» Das heißt, die Liebe wird schon irgendwann kommen? «Ja. Ich habe das Gefühl, dass Gott im Moment eben andere Pläne mit mir hat. Ich habe keine Angst davor, mich zu verlieben ... Ich weiß nicht, ob ich im traditionellen Sinn einer Beziehung treu sein kann. Also, entweder gehe ich durch meine Zwanziger und mache eine echt kinetische Veränderung durch, oder ich habe mit irgendjemandem eine wirklich starke Beziehung. Davor habe ich ein bisschen Angst, weil ich wirklich gerne so sein möchte.» Er sitzt einen Moment lang still da. «Vielleicht sollte ich meinem nächsten Album einen richtig ernsten Titel geben.» Pause. «Something Really Serious ist allerdings ein Scheißtitel.» Dann nennt er den anderen, der ihm noch eingefallen ist: I´d Break My Heart To Make Things Right.
Rob fliegt über Weihnachten nach Los Angeles. Bei der Einreise wird er am Flughafen von einem Immigrations-Beamten befragt. «Was machen Sie beruflich?» «Ich bin Musiker», antwortet er. Einmal, als er die gleiche Antwort gab, wurde er gefragt, wo denn seine Instrumente seien. Der Beamte mustert ihn und seinen Pass sehr gründlich. «Sie müssen sehr gefragt sein», sagt er dann. «Das hier ist ein hervorragendes Visum. Der Letzte, der so ein Visum hatte, war Rod Stewart.»
Bis Weihnachten habe ich meinen Terminkalender so weit leergefegt, dass ich praktisch ausschließlich an diesem Buch arbeiten kann. Ich bin fast die ganze Zeit dabei gewesen, wenn Rob gearbeitet hat, aufgetreten ist, in Meetings war, Interviews gegeben, Songs geschrieben oder seine Zukunft geplant hat. Und auch die übrige Zeit habe ich mit ihm verbracht. Mit manchen Leuten kann das unangenehm sein, egal, wie gut man sich versteht, weil sie es anders als Rob gewohnt sind, viel mehr Zeit allein zu verbringen. So unwohl er sich in vielen Situationen fühlt, so gerne hat er es, wenn die Leute, die er mag, um ihn herum sind. Nachdem wir beschlossen hatten, zusammen ein Buch zu machen, besprachen wir bei ihm zu Hause in London einmal kurz die Grundstrukturen — nur um sicherzugehen, dass wir beide ungefähr das Gleiche vorhatten. Aber wir haben nie über die tieferen Gründe oder den Zweck des Ganzen gesprochen, und später spielt das Buch in unseren Unterhaltungen auch keine Rolle mehr. Nicht, dass wir es vergessen haben: Ich bin ja häufig da — von dem Moment, in dem er die Augen aufschlägt, bis zu dem Zeitpunkt, wenn er einschläft. Ich mache mir Notizen oder stelle den Kassettenrecorder in seiner Nähe auf. Aber es muss einfach nichts zu dem Buch gesagt werden. Manchmal zieht er mich in eine Unterhaltung oder Situation hinein, weil er denkt, dass es für unser Projekt wichtig sein könnte. Aber das sind die einzigen Momente, in denen das Buch eine Rolle zu spielen scheint. Noch seltener bittet er mich, ihn alleine zu lassen. Normalerweise nur, wenn jemand Drittes dabei ist, dessen Privatsphäre er schützen möchte. Bin ich Journalist? Oder eher ein Freund? Und kann daraus ein Konflikt entstehen? Weder Rob noch ich sehen darin ein Problem. Er fragt mich nie, was ich schreibe. Vielleicht weiß er es oder will es nicht wissen oder hat kein Interesse daran oder ist zufrieden damit, es rechtzeitig zu erfahren. Wir haben nie darüber gesprochen, aber es ist klar, dass im Buch nichts als die ungeschminkte Wahrheit stehen soll. Das Leben, wie es passiert, die Worte, wie sie fallen. Für viele mag das ungewohnt sein, vor allem wenn es um Stars geht, und ich möchte den Leser bitten, diese Tatsache in Betracht zu ziehen: Bei jedem unbeherrschten Ausbruch oder jeder flüchtig geäußerten Meinung überlegen Sie sich bitte kurz, wie Ihr eigenes Leben wirken
würde, wenn es auf diese Weise dokumentiert würde: Wenn jemand Sie auf Schritt und Tritt begleiten würde, Tag für Tag, während sie mit Menschen zu tun haben, die sie lieben, und anderen, die sie tolerieren, und wieder anderen, die Sie nicht leiden können, und solchen, die Sie fürchten, in guten und in schlechten Zeiten, in Momenten, in denen Sie schüchtern, und anderen, in denen Sie achtlos und überschwänglich sind, wenn Sie schläfrig oder hellwach sind, wenn Sie nachdenklich sind, und in den Momenten, wenn Ihnen wirklich alles egal ist.
Teil zwei
1 Über Weihnachten verkauft sich Escapology über drei Millionen Mal, Steven Spielberg schickt Rob ein Drehbuch für einen Kinofilm, und je näher 2003 rückt, desto mehr Zeit verbringt Rob im Schlafzimmer seines Hauses in Los Angeles, wo er auf einer riesigen Leinwand ein Tiger Woods-Computerspiel spielt. Sie hängt von der Decke vor der Balkontür und trennt ihn von der Außenwelt. Er hasst Weihnachten mit der gespielten Fröhlichkeit und den großen Erwartungen – und dieses Jahr erst recht. Bei einigen Freundschaften hat sich herausgestellt, dass sie doch nicht so eng sind, wie er gehofft hatte. Er ist deprimiert und hat Angst, in Los Angeles zu vereinsamen. Er macht sich Sorgen, dass seine Popularität sein ganzes Leben ruinieren könnte. Manchmal kommt es ihm so vor, als würden seinetwegen alle Leute früher oder später etwas seltsam. «Meine Popularität scheint die schlechten Eigenschaften anderer Menschen zutage zu fördern», sagt er. «Wie Tolkiens Ring.» Die amerikanischen Paparazzi gehen ihm mehr auf die Nerven als sonst. «Vielleicht könnte ich mit ihnen besser leben, wenn ich mit mir selbst zufriedener wäre», sagt er. Silvester geht er kurz auf die Party der Osbournes, wo er viel zu schnell zu viele Espressos trinkt und Justin Timberlake trifft. Noch vor Mitternacht kehrt er nach Hause zurück, um sich einen Film anzusehen. (Er kannte die Osbournes schon vor ihrem momentanen Erfolg. Er hatte sich ein paar Mal mit Ozzy im Sunset Marquis unterhalten. Eines Tages erhielt er einen Anruf. Am Apparat war Sharon Osbourne, die sich offensichtlich verwählt hatte. Jedenfalls fragte sie als Erstes: «Bist du nackt?» – «Ja», antwortete Rob, weil es stimmte. «Dann komme ich jetzt nach oben», kündigte sie an. «Sharon», sagte er, «hier ist Robbie Williams.» Anschließend hatten sie eine reizende Unterhaltung.)
Ein paar Tage später unterhält er sich mit Justin am Telefon. Rob hatte vorgeschlagen, dass sie bei den Brit Awards ein Duett singen sollten. Inzwischen ist alles organisiert worden, nur Robs Vorschlag, welchen Song sie singen sollen, wurde nicht akzeptiert. «Er war unglaublich verkatert», sagt Rob. «Ich glaube nicht, dass er schon mal von
verwandelt und wieder zurück in ein Mädchen. «Nicht, dass jemand auf die Idee kommen könnte, ich sei schwul», feixt er. Er hat sich außerdem ein biblisches Gleichnis als Rahmenhandlung ausgedacht: «Ich will auf eine Party», beschreibt er, «und während ich die Straße entlanggehe, bemerke ich, dass alle Türen mit Blut verschmiert sind. Blut von Lämmern. Ich bin etwas beunruhigt, wie es wohl jeder wäre, und als ich bei der richtigen Haustür ankomme, hinter der man die Party hören kann, klopfe ich, aber es macht niemand auf. Auch diese Tür ist mit Lämmerblut verschmiert, und ich fange an, es abzuwischen, und bekomme ein bisschen davon an mein Hemd. Ich mache die Tür auf, und dahinter ist Sodom und Gomorrha. Die wildeste Party, die du je gesehen hast, und dann passieren merkwürdige Sachen. Ich will mir etwas zu essen holen, und plötzlich sind es Läuse, und ich mache mit dem Mädchen herum, und eine Riesenschlange kommt unter ihrem Rock hervor. Das ist die grundsätzliche Idee.»
Marvin Jarrett, ein Freund eines Freundes, der für die Zeitschrift Nylon arbeitet, kommt vorbei. Rob erklärt ihm seinen halbherzigen Plan, den Durchbruch in Amerika zu schaffen – «Ich will ihn deshalb, weil ich mal in irgendeinen Club nicht reingekommen bin, aber eigentlich finde ich, dass das als Grund nicht wichtig genug ist» –, und wir fahren zu Starbucks. Er würfelt darum, welches Getränk er wählen soll, und bekommt eine Haselnussmilch. Eine gute Wahl. «Ich sollte häufiger die Würfel entscheiden lassen», beschließt er. Er spricht über Verabredungen und seinen Wunsch, eine Frau zu finden. «Ich glaube ja nicht, dass Mrs. Williams eine Schauspielerin sein wird», sagt er. «Schauspielerinnen, Models und Musikerinnen haben einen Knall. Schauspielerinnen gehören zu der Staffelmannschaft, die die Idioten-Fackel ins Stadion der Wahnsinnigen trägt.» Er seufzt tief. «Ich werde bestimmt eine heiraten, ich bin mir sicher.» Sie reden über Strip-Bars, aber Rob hat keine besondere Lust. «Das Titten-Monster setzt sich mir in den Nacken», sagt er. «Dann muss ich sie mit nach Hause nehmen und vögeln. Und wenn ich dann mit ihr rede, tut mir ihre Situation Leid.»
Da fällt ihm eine Geschichte ein. Als er vor ungefähr fünf Jahren das erste Mal seit der Trennung von Take That nach Los Angeles kam, wohnte er im Hotel Shutters-on-the-Beach in Santa Monica. Ihm wurde klar, dass er seit Ewigkeiten endlich mal irgendwo war, wo ihn niemand erkannte. Er beschloss, sich eine Nutte zu bestellen, und rief einen Escort-Service aus dem Branchenbuch an. «Was wünschen Sie?» «Eine Frau ins Shutter-on-the-Beach, bitte.» «Möchten Sie wissen, wie sie aussieht?» «Oh, okay.» «Sie hat die Figur von Marilyn Monroe.» «Okay.» Sie war vielleicht nicht die attraktivste Frau, der er je begegnet ist, aber sie schien sehr nett zu sein. Damals war er nicht in Bestform, er wog zehn Kilo mehr bei einer strengen Diät aus Wodka und Zigaretten. Sie fragte ihn, was er in der Stadt zu tun hätte. Er nannte einen falschen Namen und behauptete, Fußballspieler aus Liverpool zu sein. Sein Wechsel nach Barcelona sei gerade an Knieproblemen gescheitert und er sei hier, um sich operieren zu lassen. «Sie zieht sich aus, und ich bin kein bisschen erregt», erinnert er sich. «Wir lagen da und unterhielten uns, und da wurde gerade das Video von <Millennium> im Fernsehen gespielt ...» Er dachte, sie könnte es vielleicht bemerken, und machte den Fernseher aus. Es passierte nichts von dem, was passieren sollte, also zahlte er ihr 300 Dollar, und sie ging wieder. Wahrscheinlich wäre es schlauer gewesen, die Angelegenheit dabei bewenden zu lassen, aber er hatte 300 Dollar ausgegeben und war noch immer nicht auf seine Kosten gekommen. Am nächsten Abend suchte er sich ein Mädchen aus einer Zeitschrift aus – diesmal mit Bild – und rief sie an. Das Mädchen erschien zusammen mit einer Freundin. «Sie ist neu, sie möchte zusehen», erklärte das Mädchen. Rob gab ihr wie verabredet 400 Dollar, und das erste Mädchen legte sich auf ihn drauf, wobei sie erklärte, diese 400 Dollar wären für ihre Agentur, und wenn er wolle, dass sie ein braves Mädchen sei, müsse er ihr noch etwas Geld für sie selbst geben. Er hatte aber nichts mehr dabei. Gleichzeitig konnte er das andere Mädchen im Bad hören und war sich plötzlich ganz sicher, dass er ein Klicken hörte – ein Ge-
räusch, das er aus Tausenden von Filmen kannte: Das Entsichern einer Pistole. «Ich sah das Mädchen, das auf mir lag, an und dachte: Jetzt werde ich sterben», erzählt er. Aber es passierte nichts, weder mit der Pistole noch mit dem Mädchen. Als sie begriffen, dass er wirklich nicht mehr Geld hatte, gingen die beiden wieder. «Das sind also meine Erfahrungen mit Nutten», sagt er. «Ich dachte mir: Gott will dir etwas sagen, also hörte ich zu.»
In der amerikanischen Zeitschrift Details erscheint ein Artikel, in dem behauptet wird, EMI habe nur deshalb 80 Millionen Pfund in Rob investiert, weil sie davon ausgehen, dass er den Durchbruch in den USA schafft. In diesem Tenor berichten viele Zeitschriften. Für sie ist es nicht vorstellbar, dass ein Künstler aufgrund der Umsätze, die er außerhalb der USA gemacht hat, so viel Geld wert sein kann. Anfang Januar gibt er ein paar Interviews, um das Erscheinen des Albums am 1. April vorzubereiten. Darunter für eine Titelgeschichte des größten amerikanischen Schwulen-und-Lesben-Magazins, The Advocate. Amerikanische Künstler gehen nur selten spielerisch mit dem Thema Sexualität um. Wenn sie es doch mal wagen, wird es meist als diskrete Anspielung dessen interpretiert, was sie nicht direkt aussprechen möchten. Es wäre gut zu verstehen, wenn ein Magazin wie The Advocate es nicht komisch fände, dass sich jemand über sexuelle Themen lustig macht – aber stattdessen machen sie mit. Obwohl sie seine Antworten auf ihre sehr offenen Fragen wörtlich abdrucken: «Also frage ich Sie direkt: Sind sie schon >bekehrt> worden?» – Rob lacht und sagt: «Bisher nicht. Es wäre sicher eine interessante Möglichkeit, aber ich denke nicht wirklich darüber nach» – amüsieren sie sich über seine Schlagfertigkeit. Mag sein, dass sie einfach jemanden interessant finden, der keine Angst davor hat, wie seine Sexualität aufgefasst werden könnte. Aber mir kommt es so vor, als würden sie immer noch denken, er sei vielleicht doch schwul. ROBBIE WILLIAMS HÄLT UNS ZUM NARREN: IST ER'S, ODER IST ER'S NICHT? steht schließlich auf dem Cover. Sicher, er hält einen zum Narren, bietet aber im selben Moment die Lösung an: dass er bisher hetero war und, soweit sich das für die Zukunft
voraussagen lässt, das wohl auch bleiben wird. Das hält ihn aber nicht davon ab, über den Vorzeigeschwulen Rupert Everett zu diskutieren oder über den Wrestler The Rock zu verkünden: «Ich hätte nichts dagegen, mich von ihm ein bisschen herumwerfen zu lassen.» Natürlich meint er das nicht ernst, sondern macht Witze. In einer Folge von Cribs auf MTV gibt es noch mehr zu diesem Thema. Cribs führt die Inneneinrichtung und den Lifestyle der Berühmten vor. Es gab bereits eine Folge über Rob, bei der er allerdings geschummelt hat: Er tat so, als wäre das Haus, in dem er und seine Band damals übten, tatsächlich sein Zuhause. In Wirklichkeit hatte er es von der Schauspielerin Jane Seymour gemietet, die einen Wutanfall bekam, als sie sah, wie Robs Keyboarderin Claire so tat, als hätte sie Sex in Seymours Hochzeitskleid (das ihr immerhin von deren Haushälterin angeboten worden war). Dieses Mal führt Rob durch sein eigenes Haus, wobei er sich die ganze Zeit lustig macht. Als er die Kameras in sein Fernsehzimmer führt, sitzen dort einige Freunde und sehen The Sound Of Music. Er zeigt MTV seinen riesigen Esstisch und behauptet, dass er hier Weihnachten mutterseelenallein sitzen musste, weil er keine Freunde hat. Draußen im Pool hockt sein Vater in einem Ruderboot.
2 Rob arbeitet sicherlich nicht so hart wie andere Entertainer. Er hat festgestellt, dass das, was er zu leisten bereit ist, auf ein bestimmtes Maß beschränkt bleiben muss, sonst hat er gleich wieder das Gefühl, alles aufgeben zu wollen. Um international erfolgreich zu sein, muss ein Album normalerweise über viele Monate intensiv promotet werden; er macht nur das Allernötigste. Wenn er arbeitet, weigert er sich, von morgens bis nachts für Interviews und Fernsehsendungen zur Verfügung zu stehen, wie es von anderen Künstlern erwartet wird. Hat er drei oder vier Wochen lang gearbeitet, besteht er darauf, anschließend eine ebenso lange Pause zu machen. Mitte Januar muss er zurück nach London. Den Frühling über soll er Escapology in Europa promoten und dann drei Länder in Angriff nehmen, in denen er bisher keine Chance hatte: USA, Japan und
Frankreich. In der Lounge des Flughafens von Los Angeles klingelt das Handy, und Pompey unterhält sich begeistert mit einem Mann, den er noch nie zuvor gesprochen hat. Die Nummer hat der von einem Autohändler bekommen, den sie beide kennen. «Hier ist John Lydon», stellt er sich vor, «oder Johnny Rotten. Ich weiß nicht, ob du schon mal von mir gehört hast.» «Ich dachte mir, so von einem großen Briten zum andern ...», sagt Lydon zu Rob, und spielt damit auf die Fernsehsendung Die 100 größten Briten an, zu denen beide gehörten. Sie wollen sich mal treffen, wenn Rob zurückkommt. Während Rob mit Lydon telefoniert, kommt Andrew Lloyd Webber auf ihn zu. Rob beendet das Gespräch. Er erzählt Webber, dass er ein Musical schreiben möchte, und Andrew Lloyd Webber erzählt Rob, dass er unbedingt den Durchbruch in Amerika schaffen muss, weil dort das meiste Geld zu holen ist. Sie tauschen sich gerade über Privatjets aus, als Trudi Styler, die Frau von Sting, in die Lounge kommt.
Bald darauf fährt er für die NRJ Award Show nach Schweden. Es gibt mittlerweile so viele Award-Shows, dass erfolgreiche Künstler Monate damit verbringen können, von einer Show zur nächsten zu reisen, und manche machen das auch. Mittlerweile sind diese Shows zu einem willkommen Promotioninstrument geworden. Sie haben hohe Einschaltquoten, geben dem Künstler die Möglichkeit, sich beim Publikum zu bedanken, und lockern das Geschäftsklima zwischen Künstler und Radio- oder Fernsehsendung auf. Rob spielt in seiner Garderobe ein bisschen Gitarre. «Ich habe seit einem Monat keinen Ton mehr gesungen», sagt er und erzählt anschließend Gina, dass er um zwei Uhr morgens aufgestanden sei und vier «Daim» gegessen habe. «Wo hattest du vier her?», fragt sie verwundert. «Ich habe drei Zimmer», meint er. Er sieht in den Spiegel und versucht, sich auf seinen Auftritt vorzubereiten. «Für diejenigen, die jetzt gleich platzen werden: Ich grüße euch!», sagt er.
Während er hinter der Bühne wartet, wird Mariah Carey von einem Mann durch die Menge geführt. Einen Arm hat er um sie gelegt, mit dem anderen stößt er das Publikum zur Seite. Rob beschließt, bei der Verleihung des Preises als «Bester Internationaler Männlicher Künstler» so zu tun, als sei er Eminem. Ohne eine weitere Erklärung abzugeben, dankt er seinem «kleinen Baby Hailie», rät dem Publikum, sich seinen Film 8 Mile anzusehen und auf seinen «neuen Rapper auf Shady Records, 50 Cent» zu achten, «der bald ein großer Star sein wird». Auf dem Flug nach Frankreich blättert er durch die Zeitschrift Heat und ist beleidigt, als er feststellt, dass Will Young zum zweitbestaussehenden Mann gewählt worden ist. «Ich bin bloß Dritter», sagt er. Ich frage, wer Erster geworden ist. «David Beckham natürlich», sagt er. «In einem Jet! Über Frankreich! Don't be fooled by the rocks that I rock. I'm still Robbie from the block», schreit er mit seiner Alan Partridge-Stimme herum. Nachdem er sich wieder etwas beruhigt hat, teilt er mir mit, dass er sich wirklich darüber ärgere, nie in einem Privatjet gekokst zu haben. Im Hotel in Paris findet ein Meeting zwischen David, Josie und ihm statt. Er findet, dass sie seine Weigerung, das neue Album in USA zu promoten, nicht ernst genug nehmen. «Warum machen wir uns das Leben nicht einfach leicht und lassen es?», fragt er. «Der Vorteil, Amerika zu erobern, besteht darin, dass man hinterher sagen kann, man habe Amerika erobert. Das ist alles. Ich brauche das Geld nicht. Ich habe musikalisch in meiner Karriere schon jetzt mehr erreicht als fast jeder andere auf diesem Planeten. Wir schaffen in Amerika nur die gleiche Situation, die mich schon in England krank gemacht hat. Ich mache mir in die Hosen, wenn ich daran denke, ein Star zu werden, und ich mache mir genauso in die Hosen, ganz klein zu sein. Ihr sagt, wir können nur gewinnen, ich sage, ich kann nur verlieren.» «Du solltest bedenken, dass dir ein Durchbruch in den USA noch ganz andere Türen öffnen kann», meint David. «Falls du irgendwelche Hollywood-Pläne haben solltest, wäre es sicher leichter ... » «Habe ich nicht», fällt Rob ihm ins Wort. «Interessiert mich überhaupt nicht.» «Wir werden dich zu nichts zwingen», sagt David.
«Ich bin total kindisch, was meine Plattenverkäufe betrifft», gibt Rob zu. «Das ist wie ein großes Spiel. Ich will noch ein paar mehr Nullen dahinter sehen. Ich weiß nicht ... doch ... das geht mir ein bisschen unter die Haut, muss ich zugeben. Aber trotzdem: Wenn ich in Amerika zum Star werde, gibt es keinen Ort mehr, an dem ich mich noch verstecken kann. Nirgendwo.» «Ich kann dir darauf keine Antwort geben», sagt David. «Ich stecke nicht in deiner Haut. Ich habe keine Ahnung ... Ich habe ja gesehen, was da los ist, und dass es für dich sehr schwer ist ... » «Ach, um ehrlich zu sein, ich habe einfach ein bisschen Angst vor
«Guten Morgen, Maestro», sagt David, als er in Robs Schlafzimmer kommt. «Wie spät ist es?», will Rob wissen. «Zehn nach zwei. Wir müssen in ungefähr 25 Minuten los. Möchtest du dein Frühstück hier?» Rob liegt auf dem Bauch, sein Gesicht ins Kissen gedrückt, ein halb geöffnetes Auge ist zu sehen. Er scheint über die Informationen nachzudenken, die ihm dieser neue Tag beschert. «Geh weg», sagt er. Schließlich schafft er es, aus seinem Bett hochzukommen. Als das Frühstück gebracht wird, starrt er es misstrauisch an und schiebt es zur Seite. Er verlangt nach seiner Sonnenbrille und äußert weitere Wünsche, die er verschlafen in der Melodie von «The Twelve Days Of Christmas» singt. «Sind wir so weit?», fragt David Josie. «Taschen? Ja», sagt sie. «Sicherheitsleute? Ja. Ein Popstar unter dem Einfluss von Arzneimitteln? Ja.» An diesem Tag behaupten die englischen Zeitungen, Rob würde beim Superbowl in Amerika singen. Reine Fiktion. Gleichzeitig kommt das «Comic Relief»-Thema auf ihn zu. Auf dem Weg ins Fernsehstudio wird Rob ausgerichtet, dass er da etwas falsch verstanden hat – Rick Gervais sei ein Riesenfan und habe einen Song für sie beide geschrieben.
«Nein», sagt Rob mit entschlossener Stimme. «Er wurde im Radio gefragt, was er von Robbie Williams hält. Und er hat geantwortet:
Gegen Abend ist er in Cannes und zappt gelangweilt durch die Fernsehkanäle. Er bleibt bei einem lesbischen Pornofilm hängen, in dem drei Mädchen und ein großer rosa Dildo mitspielen, aber nur für einen Moment – bis Josie hereinkommt und erzählt, Dior habe ungefragt einen Anzug geschickt in der Hoffnung, dass er ihn bei der Preisverleihung tragen wird. Er sagt, sie sollten erst mal ein Baby aus Plastik besorgen, damit er es morgen aus dem Hotelfenster hängen kann – als Tribut an Michael Jacksons neueste Idiotie. Seine Band sitzt beim Essen in der Bar De Celebrity. «Gehen heute alle aus?», fragt er. «Ja», meint Chris, «zur Probe.» «Ist es live?», wundert sich Rob und meint die französische NRJPreisverleihung. Bei den meisten Award-Shows singt er live, während die Band zum Playback spielt. «Playback», sagt Franksy. «Eine Playback-Probe?», sagt Rob und schüttelt den Kopf, als würde er sich über den Wahnsinn der Welt wundern und gleichzeitig begreifen, wie viele Absurditäten und Mühen ihm normalerweise erspart bleiben.
In einem Club ganz in der Nähe treten Atomic Kitten auf, und Rob möchte sie sehen. Wir kommen während eines hirnrissigen Tanzwettbewerbs zu der Musik von Craig Davids «What's Your Flava?» an. Rob begrüßt Atomic Kitten in ihrem abgetrennten Separee, bleibt ein bisschen dort und setzt sich dann an einen Tisch, der mit Jack Daniel's- und Champagnerflaschen und Petits Fours voll gestellt ist. Neben ihm sitzt ein Typ, der sich mit «Jason» vorstellt. Er biedert
sich an und behauptet, mit Rob auf verschiedene Weise verbunden zu sein. Als ihm nach einer Weile klar wird, dass Rob keine Ahnung hat, wer er ist, nennt er seinen vollen Namen: Jason Fraser. Das hilft Rob auch nicht weiter. Hinterher sagt er: «Ich denke nicht darüber nach, wie Paparazzi heißen.» Jason Fraser ist vielleicht der Berühmteste einer Gattung, die sich auf Fotos von halb nackten Prominenten am Strand, Mitgliedern der Königshäuser beim Skifahren und solche Fotos spezialisiert hat, die wie Schnappschüsse aussehen sollen, in Wirklichkeit aber unter Mitwirkung der Stars gemacht werden. Man könnte es auch einen Verkauf nennen, der als Überfall getarnt wird. Stolz gibt sich Fraser als der zu erkennen, der damals die Fotos von Rob mit Geri Halliwell in Südfrankreich gemacht hat. Er verschweigt auch nicht, dass er mit einer der Klatschjournalistinnen vom Daily Mirror zusammen ist. «Du kannst die nicht besonders leiden, was?», fragt er. Rob antwortet mit zusammengebissenen Zähnen, dass sie auch nur ihren Job mache. Das Bezeichnende an dieser Unterhaltung ist nicht die Tatsache, dass Jason Fraser die Nerven hat, Rob überhaupt anzusprechen, sondern dass er auch noch glaubt, es sei für Rob okay. Es ist ein weiteres Indiz dafür, wie weit er und große Teile der modernen Entertainmentindustrie ein Wertesystem verinnerlicht haben, in dem alle Mitwirkenden – vor allem die Künstler, Boulevardblätter und Paparazzi – zusammengehören, weil sie trotz gelegentlicher Differenzen das gleiche Interesse haben. Eine Weltanschauung, in der der Satz gilt: Wir stehen das gemeinsam durch, und: Ist doch alles nur ein Spiel, oder? Eine Welt des Glanzes und der Verzweiflung, in der es einzig um Ruhm und Geld geht. In dieser neuen Popwelt sind Boulevardblätter und Paparazzi keine lästigen Nebenerscheinungen mehr, die man mit dem Erfolg in Kauf nehmen muss, sondern Kollegen der Celebrity-Zunft, und als solche möchten sie auch geachtet werden. Ich fürchte, dass diese Leute die Feindseligkeit, die Rob ihnen entgegenbringt, und die Verletzungen, die sie auslösen, nicht einmal ernst nehmen. Es scheint völlig außerhalb ihrer Vorstellung zu liegen, dass es etwas geben könnte, das Rob zu schützen versucht – sich selbst als Künstler, aber auch als Privatperson. Und selbst, wenn sie es täten,
würden sie diese Einstellung für exzentrisch, unrealistisch und altmodisch halten. Vielleicht ist es das, was auch Jason Fraser denkt, als Rob ihre Unterhaltung beendet. «Ehrlich gesagt», sagt er ganz ruhig zu Fraser, «läuft es mir kalt den Rücken runter, dass ich hier mit dir sitze. Mir wird wirklich schlecht.» Rob sucht seine Band, die sich langsam, aber sicher in einem anderen Teil des Clubs betrinkt. «Ich finde, ich bin mit der Situation hervorragend umgegangen», sagt er. Erst viel später beschreibt er sei-ne genauen Gefühle: «Ich hätte ihm gerne die Augen ausgestochen. Dann hätte ich ihm mit Rasierklingen die Füße aufgeschnitten und Tabasco draufgeschüttet. Ich hätte ihn gezwungen, Acid zu schlucken, hätte einen Helikopter gemietet, ihm die Augen verbunden und ihm erzählt, er wäre mindestens 2000 Meter über der Erde, obwohl er in Wirklichkeit nur einen Meter über dem Boden fliegen würde. Dann hätte ich ihn rausgestoßen und zugesehen, wie er sich vor Angst in die Hosen scheißt.» Er nickt. «Das hätte mir gefallen.»
«Weißt du überhaupt, wie viel Glück du hast?», fragt Josie. Sie versucht, ihn am nächsten Nachmittag in seinem Schlafzimmer zu wecken. «Nein», sagt er schlaftrunken. «Was denn für Glück?» «Dass du im Showbusiness bist», sagt sie. «Ach so», seufzt er. «Ich dachte, du würdest mir sagen, dass ich noch länger schlafen kann. Wie spät ist es?» «Zwei. Und in einer halben Stunde hast du eine Pressekonferenz.» «Du machst Scherze», sagt er. «Wofür?» «Medien weltweit.» «Du machst Scherze», wiederholt er. «Und dann werden Fotos gemacht.» «Nein», murmelt er schwach, während er unter den Laken seinen ersten Furz des Tages lässt. Josie hebt die Kleider auf, die am Bettende herumliegen.
«Weißt du noch, dass wir den Durchbruch in Frankreich schaffen wollen?», erinnert sie ihn. Er gibt keine Antwort. Er sagt, dass er gegen halb sechs Uhr früh eine halbe Schlaftablette genommen hat. Und die andere Hälfte um sieben. «Und eine kleine Hand voll von denen?», fragt Josie und deutet auf die Gummibärchen, die auf einem Tisch am Fenster verstreut sind.
Er blättert den Mirror durch. Darin steht eine kleine Meldung über ihn: «Armer Robbie Williams. Der Sänger stieg gestern in den Privatjet, der ihn nach Nizza bringen sollte, musste das Flugzeug aber schon Minuten später wieder verlassen: Technische Probleme ... » usw. Die Meldung ist so harmlos und nebensächlich, dass kein Leser auf die Idee kommen würde, sie könne nicht stimmen. In Wirklichkeit ist sie komplett erfunden. Er schlurft zur Tür. «Das wird ja eine interessante Pressekonferenz», sagt er. «Ich schlafe noch.» Er redet, als würde er sich an die Damen und Herren der Weltpresse wenden: «Tut mir Leid, ich muss leider meine Sonnenbrille aufsetzen ... » Vor der Pressekonferenz muss er noch dem französischen Fernsehen ein Interview geben. Sie fragen das, was man von ihnen erwartet, und Rob antwortet, was ihm gerade einfällt. Er sagt, dass er Escapology auf Crack, Kokain und Heroin aufgenommen und dass der Titel viele verschiedene Bedeutungen hat, er aber fünf davon weder weiß noch versteht. An der wachsenden Verzweiflung der Journalistin merkt er, dass sie hofft, er würde doch noch etwas Ernsthaftes und Substanzielles sagen. Sie fragt, was er mit dem Album ausdrücken wollte. «Keine Ahnung», sagt er. «Ich wollte mal zeigen, was sich so in meinem Kopf abspielt, und hoffte, die Leute würden zuhören und verstehen, was ich meine. Oder auch nicht. Ich weiß eigentlich nicht, was ich damit sagen wollte. Ich bin einfach manchmal traurig und manchmal fröhlich, manchmal ist mir alles egal, und manchmal bin ich verwirrt und verstehe viele Sachen nicht. So wie alle anderen auch. Und das ist gut so. Wenn ich nämlich Probleme hätte, die außer mir niemand versteht, könnte ich keine Platten verkaufen.
meinem Haus sind Marsmenschen gelandet, die mich zwingen, hawaiianische Tänze zu tanzen.> Können Sie sich vorstellen, dass das eines meiner Probleme wäre?» Sie hat es nicht leicht. Mit ihrer nächsten Frage möchte sie in gebrochenem Englisch wissen, warum er «´aare wie ein Punk» habe. Er nickt. «Ich bin Arar wie ein Punk.» Während des Großteils des Interviews hat er seine Augen hinter der dunklen Sonnenbrille geschlossen. Er wird nach Amerika gefragt und erklärt, der einzige Grund, warum er dort Erfolg haben will, ist, dass er umsonst in Clubs hineingelassen wird. «Und weil Cameron Diaz nicht weiß, wer ich bin.» Pause. «Obwohl, mittlerweile weiß sie es. Seit der einstweiligen Verfügung.» «Sind Sie nach L. A. gegangen, um ihrem europäischen Star-Status zu entkommen?» Er nickt. «Darum», sagt er, «und wegen der Donuts.»
«Das dauert jetzt 25 Minuten», verspricht ihm Josie im Fahrstuhl auf dem Weg zur Pressekonferenz. «Wir holen dich da raus, wenn es sein muss.» «Oh», sagt Rob, und tut völlig entspannt, «gib ihnen doch eine halbe Stunde.» Rob sitzt vor den Journalisten auf einem Hocker. Er entschuldigt sich für seine Sonnenbrille, erklärt, dass er wenig geschlafen habe, und wartet auf Fragen. Es kommen keine. «Ziemlich schräg. Wassermann ... 29 Jahre alt ... » Noch immer keine Fragen. «Oder wir starren einander einfach 25 Minuten lang an», sagt er. Nervöses Lachen. «Ich würde gewinnen», nuschelt er. Endlich werden ein paar Fragen gestellt, wo er lebt und ob er in Amerika schon zur Ruhe gekommen ist. («Ich bin Robbie Williams», kontert er. «Ich komme nie zur Ruhe.») Dann wird er zu seiner Meinung über Piraterie gefragt. «Piraterie?», wiederholt er. «Ich besitze kein Boot.» Er schüttelt den Kopf. «Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen.» Der Frager erklärt, dass er von Internet-Piraterie spricht. «Ach, Zeug herunterladen?», sagt er. «Ich finde das super.» Alle lachen. «Doch, wirklich», meint er. Was er als Nächstes sagt, geht im allgemeinen
Gelächter unter. Er redet nicht über illegale Fälschung im großen Stil, sondern ausschließlich über Privatmenschen, die sich illegal Musik aus dem Internet herunterladen. «Man kann nichts dagegen machen», sagt er. «Ich weiß nicht, ob Sie darüber gelesen haben, aber ich habe vergangenes Jahr einen neuen Plattenvertrag unterschrieben und mich in der Zeit mit den Geschäftsführern sämtlicher Plattenfirmen unterhalten. Jeder Einzelne von ihnen erwähnte Piraterie und die Downloads und das alles, und ich fragte nur mal so, aus reinem Interesse: Was wollen Sie dagegen tun? Da gab's aber eine Menge heißer Luft ... » – er wechselt in einen amerikanischen Akzent – «... <Wir werden uns hinsetzen und ein Referendum abhalten, und alle werden hier in diesem Raum sein, und wir werden uns überlegen, was man tun kann, und blablablabla.> Und ich sagte:
«Würde es ein Chaos auslösen?», fragte er. Er ist in der Stimmung, irgendetwas Verrücktes zu tun. «Es wäre furchtbar», sagt sie. «Schrecklich», stimmt Gina zu. Er lässt sich nur widerwillig umstimmen.
Josie erklärt, die Franzosen bitten darum, dass er entgegen seiner Abneigung bei den heutigen Awards den roten Teppich hinuntergehen möchte. Er hasst dieses Ritual, aber dieses Mal lässt er sich dazu überreden. Er sieht fern, während er sich umzieht, und schaut genauer hin, als er eine Frau mit einem Glas Orangensaft in der Hand sieht, die Werbung für eine Bank macht. «Ich glaube, mit der habe ich mal geschlafen», meint er. Sein Buchhalter kommt aus England mit einem Formular für Steuerrückzahlungen, das er unterschreiben soll, und Josie erzählt, was der vor Glück überwältigte Boss der französischen Plattenfirma sagte, als er erfuhr, dass Rob über den roten Teppich gehen wird: «Das ist phantastisch! Wir werden jetzt eine halbe Million Platten verkaufen.» Nachdem Rob den roten Teppich erfolgreich bewältigt hat, sieht er backstage, wie Mariah Carey den überfüllten Flur entlangkommt, gefolgt von einem Kamerateam. Er hat keine Lust auf dieses Spektakel und verzieht sich in seine Garderobe. Gegenüber entdeckt er Jason Fraser und überlegt, was wohl passieren würde, wenn er ihm auf die Fresse hauen würde. Stattdessen unterhält er sich kurz mit ihm, weil es da etwas gibt, was er schon immer wissen wollte. Es hat ihn immer geärgert, dass behauptet wurde, sein Foto mit Geri Halliwell in Südfrankreich sei aus PR-Gründen inszeniert worden. Er will von Fraser wissen, ob Geri damit etwas zu tun hatte. «Indirekt», antwortet er. Rob glaubt ihm und ist wütend. «... un star authentique ... », wird er vorgestellt, während sich die Plattform, auf der er steht, langsam auf die Bühne senkt. «L'inimitable Robbie Williams!» Während er singt, spaziert er durchs Publikum. Als er den Arm um ein Mädchen legt, kommt etwas Bewegung in das steife Publikum. Er geht einen Gang hinauf, weg von der Bühne, setzt sich auf den Schoß eines Mannes und zwinkert in die Kamera. Jetzt ist die Menge
– soweit er nicht gerade auf ihr sitzt – auf den Beinen. Ein großer Triumph. «Je m'appelle Robbie Williams», sagt er und verbeugt sich. «Merci beaucoup. Bonsoir.» Zwei Stunden später ist er schon wieder in London.
The Guardian, 20. Januar 2003: «Der umstrittene Kultusminister Kim Howells beschuldigte den Sänger Robbie Williams, internationale Verbrecherbanden zu unterstützen, indem er die Herstellung von illegalen CD-Kopien als
die neue Technologie so bedroht –, dass Downloads schwer zu berechnen und die Konsumenten kaum zu erfassen sind.) Rob wurde plötzlich von einem Minister als Verteidiger internationaler Verbrecher-, Drogen- und Prostituiertenringe kritisiert, weil er sich weigert, Millionen von Musikfans zu verurteilen, die nichts anders tun, als in ihren eigenen vier Wänden ein juristisches und technologisches Vakuum zu nutzen. Rob kennt diesen Unsinn schon und nimmt ihn gar nicht mehr zur Kenntnis. «Irre», sagt er. «Das alles habe ich gestern gemacht? Obwohl ich nur ferngesehen habe?»
Cannes sorgt noch für weitere Schlagzeilen. Ein paar Tage später schreibt The Sun: «Mariah Carey hatte einen bösen Streit mit Robbie Williams bei einer Musikpreisverleihung. Während einer Auseinandersetzung hinter der Bühne beschimpfte ein tobender Robbie die Diva und sagte, sie solle sich verpissen, bis Sicherheitsleute ihn festhielten.» Das Merkwürdige ist, dass sich niemand von uns daran erinnern kann.
3 Rob sitzt in der Abflug-Lounge von Heathrow und wartet auf seinen Flug nach Singapur, wo er bei den MTV-Asia Awards auftreten und einen Preis entgegennehmen soll. Er telefoniert mit Justin Timberlake, um sich bei ihm zu entschuldigen, dass er ihn mit dem Duett bei den Brit Awards hängen gelassen hat, und zeigt mir seine Post von diesem Morgen: Eine Frau aus Worcester, die ihm sehr freundlich von ihrem Erfolg erzählt, seit einem Jahr trocken zu sein, und hofft, dass er mit ihr feiert; ein dänischer Fan, der ihm eine 5Pfund-Note an seinen Autogrammwunsch geklemmt hat («für Unkosten ... falls du das Geld nicht nötig hast, kannst du deinen Hunden davon ein paar Knochen kaufen»); und ein Treatment für ein Drehbuch über die britische Comedian-Legende Norman Wisdom. «Wenn der Film jemals gemacht wird», meint der Schreiber, «dann
wäre es wirklich ein hartes Drama — traurig/komisch, abgründig und sehr real ...» Dieser Vorschlag löst bei Rob unangenehme Gefühle aus; er weiß selbst, dass er manchmal ein bisschen wie Norman Wisdom wirkt, und das ist nicht der Teil seines Entertainment-Repertoires, auf den er besonders stolz ist. «Das brauch ich wie ein Loch im Kopf für mein Selbstvertrauen», meint er. «Das habe ich wirklich nicht gern gelesen. In meinem Hinterkopf geht es sowieso die ganze Zeit: Du bist Norman Wisdom du bist Norman Wisdom du bist Norman Wisdom, und ich sage dann immer: Nein, bin ich nicht!» Er verbessert sich. «Totaler Schwachsinn. Nicht, dass Norman Wisdom Schwachsinn wäre, ist er nicht – ich finde ihn fabelhaft, aber ich weiß nicht, ob man im Jahr 2003 unbedingt den Ehrgeiz entwickeln sollte, wie Norman Wisdom zu sein.»
«Falls Missy Elliot meine Suite bekommen hat ... », sorgt er sich, und ist jetzt schon wütend über diese Möglichkeit, die ihm gerade eingefallen ist. Wir fahren vom Flughafen in Singapur ins Hotel, und er freut sich auf sein Zimmer mit eigenem Pool in einer Suite, in der er schon früher einmal gewohnt hat. Josie fragt, was er tun würde, wenn er sie nicht haben kann. «Was ich tun würde?», wiederholt er, als sei die Frage völlig absurd. «Nach Hause fahren.» Josie erklärt ihm, dass er sich keine Sorgen machen muss – die anderen Künstler wohnen alle im Fullerton Hotel. Als er in der Bougainvillea-Suite ankommt, nimmt er sich einen Apfel aus der Obstschale, zieht sich bis auf die Unterhose aus und klettert, während er in den Apfel beißt, direkt in den Pool. Als er wie-der herauskommt, sucht er im Fernsehen nach dem Sportkanal. Zu-fällig sieht er das alte «Angie»-Video von den Rolling Stones mit einem zappelnden Mick Jagger. «Also, wenn ich Norman Wisdom bin», meint Rob, «dann ist er Charles Hawtrey.» «Summertime» von Will Smith wird gespielt, und wir reden darüber, wie genial das Video ist: dass man ganz sentimental wird in Erinnerung an die Sommer in der «Hood», die man nie hatte, nie haben konnte und sich wahrscheinlich auch nicht wünschen sollte. «Es ist
wie bei den Pet Shop Boys», meint er. «Die haben es auch fertig gebracht, dass Heteros wie ich gesungen haben ... Ich wusste natürlich, dass es um einen ganz anderen Jungen ging, aber es ist ein wunderschöner Song.» Ein Song, der seine eigene imaginäre Vergangenheit beschwört. «Genauso wäre es, wenn ich schwul gewesen wäre.» Das erinnert ihn an jemand anderen, der der Meinung war, Rob sei schwul. Während er auf dem Sofa seiner Suite in Singapur herumliegt, erzählt er mir von seiner ersten, unerfreulichen ManagementBeziehung nach Take That. Der Mann hieß Kevin Kinsella und wurde ihm von seiner Mutter vorgestellt. Er weiß noch, wie er in Südfrankreich an einem Pool mit Nellee Hooper, Lisa M., Michael Hutchence und Paula Yates saß. («Eine echte A-Promi-Party», meint er. «Elle McPherson und Kate Moss waren auch da – die saßen nicht am Pool, aber wir hingen zusammen rum. Und Dodi al-Fayed, den ich den ganzen Abend Scheich Myhandy nannte.») Seine Mutter rief ihn an und meinte, er solle sofort zurück nach Manchester kommen. «Mein Rücken tat weh, ich hatte kein Serotonin im Hirn, ein riesiges Alkohol-Problem, und jetzt traf ich auf diesen Riesenbär von einem Mann.» Kinsella meinte zu Rob, er solle ihm alles erzählen. Er wohnte drei oder vier Wochen lang im Haus von Kinsellas Frau, wo eine Menge geschlafen, Wodka getrunken und geweint wurde. Rob stellte schnell fest, dass er mit Kinsella nicht arbeiten wollte. In der Zwischenzeit rief Kinsellas Frau bei Robs Mutter an und verabredete sich mit ihr, um über ihren Sohn zu reden. «Sie kommt und sagt: <Sie wissen, dass Rob schwul ist, oder?>, und meine Mutter:
Das war nicht das einzige Mal. In einem Schwulenclub ist einmal ein Typ auf ihn zugekommen und sagte, er habe schon mal mit ihm geschlafen. «Das ist ja nett», sagt Rob. «War es gut? Hoffentlich hattest du Spaß...» Ihn amüsiert das alles. «Wie soll man beweisen, dass man nicht schwul ist?», fragt er. Er hat natürlich Recht – wenn es darum geht, dass er noch nie ein homosexuelles Erlebnis hatte, wird die Beweisführung eher zu einem wissenschaftlichen und logischen als zu einem sexuellen Problem. Er zuckt mit den Schultern. «Weißt du, scheiß drauf. Ich sage es nochmal: Bisher fand ich keinen Mann sexy genug, um es zu tun ... Und ich sage das nicht, um PC zu sein. Es ist die Wahrheit.» Wir reden darüber, woran es liegen könnte, dass immer wieder mit diesem Thema angefangen wird. «Ich bin Entertainer», sagt er. «Varieté-Künstler. Das hat was sehr Schwules. Aus traditioneller Sicht sind alle Unterhalter schwul. Sieh dir Mick Jagger an: Total tuntig. Jarvis Cocker: Tuntig. Wenn Mick Jagger heute auf die Welt käme, würden sich eine ganze Menge Leute fragen, ob er nicht schwul ist.» Vom Restaurant blickt man auf das Südchinesische Meer, überall dümpeln Tanker und Dschunken. Rob erwähnt, wie schön er es hier findet und wie unglaublich deprimiert er das letzte Mal hier war, und wie schwer es für ihn ist, diese negativen Gefühle wieder loszuwerden. Über unseren Köpfen dudelt der Soundtrack von Vangelis' Chariots Of Fire. Er beobachtet zwei alte Leute, die sich im hinteren Raum gegenübersitzen und kein einziges Wort wechseln. «Die haben sich schon alles gesagt, meinst du nicht?», sagt er. «Sie denkt sich gerade:
Guy geschimpft. Ich bin alles in allem doch sehr anständig gewesen.» «Ich glaube, der Teufel waren wir», sagt David und meint damit sich und Tim. «Es war alles unsere Schuld.» «Hatte wahrscheinlich überhaupt nichts mit mir zu tun», meint Rob. «Überhaupt nichts», stimmt David ihm zu. «Wir haben dein Hirn vergiftet.» «Nie bekomme ich irgendwelche Anerkennung», sagt Rob beleidigt. «Nie darf ich irgendwelche Entscheidungen treffen.» Manchmal hat Rob wirklich das Gefühl, als ob seine Rolle beim Songschreiben von fast allen — vielleicht selbst von Guy — unterschätzt wurde. Und jetzt kommt es ihm so vor, als ob Guy sogar bei der Auflösung der Partnerschaft nicht anerkennen würde, was Rob damit zu tun hatte. «Es ist wahrscheinlich leichter für ihn, sich das so zurechtzulegen», meint David. «Wenn wir die Schuld haben, dann muss er nicht darüber nachdenken, ob er sich dir gegenüber falsch verhalten hat.» «Ja», meint Rob. Andy Franks kommt herüber und erzählt, dass der Promoter angekündigt hat, am nächsten Tag mit ein paar Mädchen vorbeizukommen. Rob nickt. «Wasserspielchen im Pool», meint Josie. «Und dann ein paar Spielchen im Dunkeln», sagt David.
Als er am nächsten Tag aufwacht, erzählt ihm Josie, dass Matthew Vaughn angerufen und Rob eine Filmrolle angeboten hat. Er soll einen 30-jährigen Drogendealer spielen, der alles hinter sich lässt und sich in den Tropen zur Ruhe setzt. Rob meint, er würde sich das demnächst mal durchlesen, zeigt aber kein echtes Interesse. Es gibt noch ein paar Sachen, die er unterschreiben soll. In seiner Suite in Singapur unterzeichnet er sein Testament. Josie und ich sind die Zeugen. Das Telefon klingelt. «Hier sind ein paar Mädchen für dich im Foyer, von Michael», sagt Gary. «Das ist doch seltsam, oder?», fragt Rob, obwohl er die Idee am Tag zuvor noch halbherzig unterstützt hat.
«Du kannst doch mal hingehen und sie dir ansehen», meint David. «Okay», meint Rob, «ich sehe sie mir mal an.» Er zieht sein «Momentary Lack of Reason»-T-Shirt von Pink Floyd an und nimmt seine Gitarre mit. Er plaudert am Pool mit den Mädchen. Sie sind beide Models. (Sie scheinen tatsächlich richtige Models zu sein, ganz ohne Zweideutigkeit; als er später eine von ihnen halbherzig einlädt, mit ihm einen kleinen Mittagsschlaf zu machen, lehnt sie höflich ab.) Die eine ist Kroatin und zeigt ihm ein Foto ihrer Familie, während sie erzählt, dass ihre Schwester ganz dick ist. Sie unterhalten sich darüber, wie sehr das Gewicht das Leben von Teenagern beeinflussen kann. «Ich war ein ziemlicher Fettklops, als ich jünger war», gibt Rob zu. Er erzählt Pompey, dass er gestern Nacht ein Kit-Kat und eine Toblerone aus seinem Kühlschrank gegessen und sich anschließend noch über Pompeys Toblerone hergemacht hat. Er ist heute Abend zu zwei Konzerten eingeladen. Bei Avril Lavigne kommen wir gerade noch rechtzeitig zu den Zugaben. Sie spielt «Complicated» für ihr sehr, sehr junges Publikum. Er gibt sich einer Art entspannter Pop-Hysterie hin. «Wenn ihr der Erfolg bei den Kids mal nicht zu Kopf steigt», meint Rob. Nach einer Weile sagt er: «Wenn ich 13 wäre, würde ich mich in sie verlieben. Statt sie als 29-jähriger Perverser anzuglotzen.» Hinterher verschwindet er kurz in ihrer Garderobe, um mit ihr zu reden. «Sie hat auf spröde gemacht», teilt er uns später mit, «weil sie wusste, dass sie in der Nähe vom Schwanz der Gerechtigkeit war.» (Das sagt er natürlich nur zu unserer Belustigung. Man kann darauf wetten, dass er ihr gegenüber sehr viel respektvoller und weniger geil war.) Wir fahren quer durch die Stadt und kommen 15 Minuten später beim Konzert des zweiten Superstars 2003 an, Norah Jones. Die Stimmung ist wie bei einem Schulkonzert: Jones und ihre Band haben sich in der Mitte eines schlauchartigen Raums aufgebaut, das Publikum sitzt in Stuhlreihen direkt vor ihr. In der ersten Reihe sind vier Stühle für uns reserviert worden. Pompey muss mich mehrfach mit dem Ellenbogen anstoßen, damit ich nicht durch die Mischung aus beruhigendem Jazz und Jetlag sanft entschlummere.
Nachdem Norah Jones sehr schüchtern in ihrer Garderobe verschwunden ist, unterhält sich Rob mit ihrem Manager und erwähnt, dass er gerne mit Norah und Diana Krall auf seinem nächsten SwingAlbum arbeiten würde. Schließlich wird er in ihre Garderobe eingeladen. «Ich habe immer das Gefühl, dass Leute wie Avril Lavigne und Norah Jones gar nicht wissen, wer ich bin», sagt er hinterher. Begebenheiten wie diese verunsichern ihn meistens, weshalb er sie normalerweise meidet. Er ist froh, sogar stolz, wie dieser Abend für ihn gelaufen ist. «Ich habe die wirklich komplett eingewickelt mit allem Charme, den ich zur Verfügung hatte», sagt er. «Mein Jetlag hat dafür gesorgt, dass ich statt schüchtern und unbeholfen jetzt witzig und charmant bin.» Am nächsten Morgen erfährt er, dass Escapology in Frankreich nach seinem Auftritt bei den NRJ-Awards auf Platz zwei der Charts geklettert ist. «Da sieht man mal wieder, was man ausrichten kann, wenn man in der Menge badet», sagt er und meint seinen Spaziergang durchs Publikum. Er säubert seine Zähne mit Zahnseide beim Backgammonspielen und gibt zu, dass es ihm gefällt, wie sich die Dinge im Moment entwickeln. «Das ist etwas ganz Neues für mich: positive Anspannung.»
Rob erinnert sich an den Auftritt von Take That bei Spitting Image, dessen Pointe war, dass sie alle in hysterisches Hurra ausbrachen, als sie von ihrem Manager 50 Pence bekamen. Er erzählt, dass Spitting Image eigens eine Gary Barlow-Puppe anfertigen ließ, während sie für alle anderen einfach Masken über bereits existierende Puppen stülpten. «Und du fragst mich, wieso ich Probleme habe ... », sagt er.
Heute Abend findet die MTV Award Show statt. Die Organisatoren dieser Events machen einen Fehler, wenn sie darauf bestehen, dass Rob möglichst früh anwesend sein soll. Dann muss er lange warten und langweilt sich schnell. Er sitzt kurz in seiner Garderobe, guckt dann in die Garderobe von Blue (leer), geht wieder in seine eigene, wirft eine Apfelsine gegen die Trennwand, geht wieder spazieren,
trifft Atomic Kitten und sagt kurz «Hallo», geht wieder in seine Garderobe, wirft Obststücke über die Trennwand in der Hoffnung, dass sie in der Garderobe von Blue landen, die allerdings mehrere Garderoben weiter weg sind (er möchte jedes Mal, wenn er in eine Garderobe kommt, sofort mit Obst um sich werfen – eine Unsitte, die wahrscheinlich noch aus der Zeit stammt, als Gary Barlow damals in Italien den Rest von Take That mit den Worten beschimpfte: «Kommt schon, Jungs, das ist doch nicht richtig, seht euch mal an, was ihr für eine Unordnung gemacht habt ... Was sollen die Leute denn für einen Eindruck von uns bekommen ...»), geht auf den Balkon, von wo aus man die Bühne sehen kann, verkündet nach acht Sekunden: «Okay, jetzt bin ich aber lange genug hier draußen gewesen», kehrt in seine Garderobe zurück, nuschelt überflüssigerweise, dass er «echt unruhig» ist, überlegt, dass er womöglich «etwas sagen oder tun wird, was ich bereue — du weißt schon, wenn man dann verhaftet wird?», wirft mit noch mehr Obst in seiner Garderobe herum, bewertet seinen momentanen Zustand neu, indem er ihn als «zu Tode gelangweilt» bezeichnet, spaziert erneut über den Flur, kommt zurück in die Garderobe und klampft auf seiner Gitarre herum, zieht seine Hosen hoch über den Bauch und wird dann böse, als David versucht, diesen Anblick fotografisch festzuhalten, zieht andere Hosen an, verlässt seine Garderobe und findet endlich Blue ... «Ich habe ziemlich viel Obst in eure Garderobe gefeuert», erklärt er. «Ja», meint Lee, «die Melone ... » «Bist du der, der das gesagt hat ...?», fragt Rob und meint damit Lee, der nach dem Bekanntwerden von Robs Plattenvertrag gesagt hat, er solle mit dem Geld etwas Gutes machen, zum Beispiel für wohltätige Zwecke spenden. Rob hatte Josie gebeten, ihm in aller Stille ein Schreiben über Give It Sum zu senden und gleichzeitig zu fragen, ob er vielleicht nicht selbst eine kleine Spende machen wolle. «Ja», gibt Lee zu. Vielleicht denkt er an die Spenden-Aktion, vielleicht auch an andere bedeutungsvolle Dinge, die er gesagt hat. «Hast du meinen Brief bekommen?», will Rob wissen. «Nein.» Robs Briefe scheinen nie anzukommen.
«Der schämt sich nicht einmal», meint Rob. «Ich meine, das ist der Typ, der gesagt hat,
Rob geht häufiger auf Toilette als jeder andere Mensch, den ich kenne. Er sagt, dass läge an der großen Menge Wasser, die er trinkt, und an seiner körperlichen Veranlagung. Ich werfe ein, dass dieses ständige Hin und Her zu seinen Drogenzeiten ja ziemlich verdächtig ausgesehen haben muss. «Ja», sagt er. «Aber meistens habe ich die Zeit auf dem Klo auch für eine Line genutzt.»
Nachdem er mehrfach erklärt hat, dass er nicht kommen würde, weil er erstens zu müde sei und zweitens seine «Bums-Stiefel» nicht dabeihabe, entschließt er sich doch, zur After-Show-Party zu gehen, eine schillernde, überfüllte Angelegenheit direkt am Wasser. In dem Moment, als er zur Tür hereinkommt, wird er von einem Patsy Kensit-Verschnitt aus «Absolutely Fabulous» angesprochen, die sich praktisch auf ihn wirft, mit ihm flirtet und ihn nicht zu Wort kommen lässt. Sie ist auf diese traurige Weise betrunken, die Leute an sich haben, wenn sie ein paar Jahre zu lange auf der Party geblieben sind. Mehrfach betont sie, dass sie kein Fan von ihm sei, als würde das ihre Aufrichtigkeit beweisen und nicht ihre Unhöflichkeit. Rob versucht, sie mit Charme abzuwehren, aber es klappt nicht. Daraufhin versucht er, sie zu ignorieren, was sie nur zusätzlich anstachelt. Irgendwann gibt er auf. Er ist viel geduldiger, als er sein müsste, aber als es ihm reicht, reicht es ihm richtig.
«Du bist total Scheiße», erklärt er ihr. «Du erniedrigst dich. Du hast keinen Charme. Hau ab.» Als Reaktion lallt sie ein paar unverständliche Worte. Er nickt. «Verpiss dich jetzt», sagt er. Sie bleibt, wo sie ist. «Pompey, kannst du die da wegräumen?», fragt er. 20 Sekunden später wird er dem Prinz von Brunei vorgestellt. Der Prinz scheint bescheiden und ganz nett, und Rob unterhält sich kurz, aber mit großer Herzlichkeit mit ihm. (Die freundliche Art, mit der alle westlichen Künstler die Königsfamilie von Brunei behandeln, hat wahrscheinlich mit der ungeheuren Großzügigkeit dieser Familie zu tun, wenn sie Künstler für Privatauftritte bei sich zu Hause bucht.) Wir gehen nach oben, auf einen Balkon mit Blick über den Fluss, wo es ruhiger ist. Alles ist gut. «Ich habe früher sehr viel Geld ausgegeben, um mich so zu fühlen wie jetzt gerade», meint Rob. «Um mich einfach in meinem Körper okay zu fühlen.» Pompey reicht ihm das Handy. Am Apparat ist David, der vom Hotel aus anruft, wo er aus dem Schlaf gerissen wurde. Es gibt ein Problem.
«David, das werden zwei Seiten in der Sonntagszeitung», sagt Rob ganz ruhig, «lass es einfach laufen ... Tschüs.» Er schaltet das Handy aus und erklärt: «News Of The World wollen einen Artikel veröffentlichen, dass ich spielsüchtig bin und im letzten Jahr angeblich mehr als eine Million verzockt habe.» Er hat viele Süchte, aber Spielsucht gehört nicht dazu. David ist stinkwütend und möchte die Geschichte verhindern. Rob regt sich gar nicht auf. Sein Ärger darüber, dass jemand etwas Unwahres drucken will, ist längst abgestumpft durch die Inflation an kleinen Lügen. Eigentlich ist er sogar ein bisschen erleichtert: News Of The World haben offenbar keine wahre Geschichte gefunden, aus der sie einen zweiseitigen Artikel machen können. Eigentlich scheint es ein unwichtiges Thema für ein Blatt wie News Of The World zu sein, andererseits haben sie gerade zum allgemeinen Erstaunen enthüllt, dass Fußballstar Michael Owen um hohe Einsätze bei Fußballwetten spielt. Die Zeitungen druckten ganze
Wettlisten, und vielleicht wittern sie bei Rob eine ähnliche Geschichte. Er sagt, dass er im vergangenen Jahr ein einziges Mal in einem Spielkasino war: Als er nämlich ein paar Freunde einlud, sich Jane's Addiction in Las Vegas anzusehen. Beim Blackjack-Spielen in seinem Haus betrug der Einsatz vielleicht ein paar hundert Dollar, und nach Dutzenden Backgammonspielen haben wir vielleicht 50 oder 100 Dollar zwischen uns aufgeteilt. «Ich habe in einem Kasino einmal 2000 Pfund in einer Nacht verloren», erzählt er. «Ich war die ganze Zeit im Plus und verlor dann in anderthalb Stunden 2000. Da hat sich mir wirklich der Magen umgedreht, und seitdem spiele ich nicht mehr in Kasinos.» Heute spielt er am liebsten Bank. Das hat er schon als Jugendlicher gemacht. «In der Schule war ich der Buchmacher», erinnert er sich. «Port Vale gegen Tottenham, da habe ich alle nass gemacht. Ich habe damals wahrscheinlich 17, 18 Pfund gewonnen. Es war sehr komisch, weil ich weder addieren noch subtrahieren konnte und keine Ahnung hatte, wie man Wettchancen verteilte. Vor allem hat mich gewundert, dass die anderen wirklich glaubten, ich würde sie auszahlen, falls sie gewinnen sollten.» Als Rob den Fluss entlang zum Bus geht, trifft er Shaggy, der gerade von der MTV-Show kommt. Er bittet seine weibliche Begleitung, ein Foto von ihm mit Rob zu machen. «Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich mit dem verdammten Robbie gemeinsam auf einem Foto bin», sagt Shaggy ganz erstaunt, als hätte er sich mit den meisten zeitgenössischen Popstars schon Dutzende Male fotografieren lassen. Was vielleicht sogar stimmt. So funktioniert das heute. Die Dame, die uns begleitet, warnt uns, dass Rob in dieser Richtung wahrscheinlich Leute auf dem Weg zum Bus treffen wird. «Das ist okay», tröstet Rob sie. «Ich habe schon mal Leute getroffen.»
4 Er raucht seine erste Zigarette noch im Bett und erzählt, dass er von Pamela Anderson geträumt hat. («Gott beschütze uns, falls sie hier je auftauchen sollte», murmelt Josie.) Pamela und er haben sich bei ihm zu Hause das Superbowl-Endspiel angesehen, ich war auch dabei,
und das Haus war so groß, dass ich in einem Zimmer wohnte, das Rob noch nie zuvor gesehen hatte. Ich ging weg, um ein Mitglied einer Gang zu interviewen, und dann fand Rob sich in Stoke in einer Straße wieder, in deren Nähe er gewohnt hat. Der Wind blies so stark, dass er auf einen Baum geweht wurde, und er versuchte noch, sich an einem Zaun festzuhalten, aber der Wind war einfach zu stark. Er geht aufs Klo und ruft, wir sollten mal kommen — Pompey, David, Josie und ich. Mitten auf dem Fußboden liegt eine riesige Kakerlake auf dem Rücken. Sie lebt noch und zappelt mit den Beinen, ist aber nicht in der Lage, sich umzudrehen, während sie schon von Ameisen-Armeen angeknabbert wird. David macht dem Leiden ein Ende. Jetzt fällt Rob noch etwas zu seinem Traum ein. Gary Barlow war auch da und sah genauso aus wie in den frühen Take That-Videos. «Wir haben uns umarmt», sagt Rob. «Ich fühlte mich wie ein Pharisäer.»
Nach Singapur kommt Japan. Auf dem Flughafen von Narita wird Rob von etwa 30 hysterischen Mädchen und Frauen empfangen, alle in totaler Panik und kurz vor dem Hyperventilieren. Viele drücken ihm Geschenke und Päckchen in die Arme. Es ist seine erste Reise nach Japan seit Life Thru A Lens. Damals waren alle überzeugt, das Album würde an den Erfolg von Take That in Japan einfach anknüpfen, aber dem war nicht so. Seitdem wurde das Land einfach ignoriert. Für die späteren Alben gab es ohnehin keine koordinierte Promotionarbeit mehr. Auf der langen Fahrt nach Tokio erinnert er sich daran, wie die Interviews für Sing When You're Winning im Fiasko endeten. Rob erschien zwar zu dem Pressetermin in einem Londoner Hotel, aber ungefähr da endete seine Kooperation auch schon. Er flirtete ausgiebig und unverschämt mit einer Journalistin, einer anderen beantwortete er alle Fragen so, als wäre er Darsteller in einem ganz anderen Film. «Ich weiß noch, wie ich ihr erzählte, dass ich in einer großen Familie aufgewachsen bin und eine Nonne sich um uns gekümmert hat. Eine Nonne, die uns allen das Singen beibrachte, und dann machten wir eine große Aufführung für die Nazis, und ich
redete und redete mindestens zehn Minuten lang, und dann sagte ich plötzlich, ach, das ist <Sound of Music>, oder? Ich verwechsel immer mein Leben mit Kino, tut mir sehr Leid. Daraufhin stellte sie mir eine andere Frage, und ich sagte, in dem Sommer gab es eine ganze Reihe von Hai-Attacken ... Und dann war da noch E. T.» Die Journalistin ging heulend nach Hause. Nachdem der halbe Tag vorüber war, beschloss das Management, es sei wohl besser, den Rest der Pressetermine abzusagen. Jetzt, sagt er, ist alles anders. «Ich bin ein Mann auf Mission. Bei Sing ... konnte ich die Platte nicht leiden; damals war ich ein Mann auf Zerstörungsmission.»
In seiner Suite im Four Seasons geht Rob direkt ins Schlafzimmer, nimmt das Telefon und redet los. «Ich komme dann gleich runter», sagt er. Niemand weiß, mit wem er spricht. «Wer zum Teufel war das?», fragt Pompey. «Das», grinst Rob, «ist meine Bettaffäre, wenn ich in Tokio bin.» Er hat sie noch nie irgendjemandem gegenüber erwähnt, weder in der Vergangenheit noch bei der Vorbereitung auf diese Reise. Er hatte auch keinerlei Kontakt mit ihr, bevor er nach Japan kam, aber sie war zum Flughafen gekommen – was er offenbar auch erwartet hatte — und hatte ihm in dem ganzen Trubel einen Zettel mit ihrer Telefonnummer zugesteckt. Wir gehen nach unten, um mit ihr und ihren beiden Freundinnen etwas zu trinken. Die anderen Mädchen kennt er auch schon aus Take That-Zeiten. «Wie war ich damals?», fragt er. «Sehr jung», sagt eine kichernd. «War ich nett?» Er will es wirklich wissen. «Ihr könnt ruhig die Wahrheit sagen.» «Sehr nett», antwortet sie. «Du hast dich an meinen Namen erinnert.» Sie holt ihr Tagebuch aus der Tasche und zeigt ihm Fotos von Rob und ihr im Laufe der Jahre: in einem Flugzeug, bei Konzerten, im Schlafzimmer. Die Take That-Phase mit längeren Haaren, dann die
späte Rebellen-Phase mit rasiertem Schädel, die kurzen Haare und die Tattoos aus den Anfängen seiner Solo-Karriere.
Es hat einige Gespräche zwischen Robs Management, seinen Anwälten und News Of The World gegeben. In der Flughafen-Lounge auf dem Weg nach Japan hatte David ihn gebeten, sich daran zu erinnern, wie viel Geld er höchstens verspielt hat. «In den letzten zwei Jahren vielleicht 10 000», meinte Rob. Als er in Japan aufwacht, teilt David Rob mit, dass News Of The World beschlossen habe, den Artikel nicht zu drucken. Er geht Turnschuhe kaufen und anschließend zu einem Radiointerview bei InterFM, wo er von einer Frau, die sich DJ Snoopy nennt, gefragt wird, ob er versuche, seine sensible Seite zu verstecken. «Nein, ich versuche nicht, sie zu verstecken», schüttelt er den Kopf. «Man sieht das ja an einer ganzen Menge meiner Songs. Aber als Künstler bin ich auch ein Showman, und ich glaube, wenn mein echtes Ich da jeden Abend auf der Bühne seine Show abziehen würde, wäre das ziemlich langweilig. Meine Kunst, wenn man so will, besteht darin, mich hundertfach größer zu machen, als ich bin, und die Leute dazu zu bringen, mir das abzunehmen. Glücklicherweise tun sie das auch. Aber ja, eigentlich bin ich viel zu sensibel. Wirklich. Ich verbeule ganz leicht.» Ich verbeule ganz leicht. Präziser wird er es nie wieder ausdrücken. DJ Snoopy nickt. Sie will jetzt in die Tiefenpsychologie einsteigen. Sie fragt ihn, ob es auf der Welt einen Ort gibt, an dem er sich am wohlsten fühlt. «Starbucks», antwortet er. Gegen Ende des Interviews soll er eine akustische Version von «Feel» singen, nur mit seinen beiden Gitarristen Gary Nuttal und Neil Taylor als Begleitung. Das Arrangement ist radikal anders, aber wunderschön. Das Erstaunlichste daran ist – ein weiteres Beispiel für Robs extremes Selbstvertrauen trotz aller Unsicherheiten –, dass er die neue Version, zu der er singt, jetzt selbst zum ersten Mal hört, live im japanischen Radio.
Beim Radiosender J-Wave stellt sich Sasha, der DJ, in perfektem Englisch vor. Sein deutscher Vater und seine japanische Mutter haben ihn englischsprachig erzogen. «Ist Japan für dich die letzte große Chinesische Mauer?», will er ohne erkennbare Ironie wissen. Dann fragt er, ob Rob anderen Leuten einen Tipp geben könnte, wie man erfolgreich wird, und Rob referiert seine Theorie, die er sich Ende vergangenen Jahres in Paris überlegt hat. «Es ist eigentlich ganz einfach: Entweder Gott möchte, dass du Erfolg hast oder nicht. Das ist alles. Das lässt sich nicht aufhalten. Ich glaube, man muss nur den richtigen Zeitpunkt erkennen können, an dem man aufgeben und nicht mehr seinen Träumen folgen sollte.» «Nicht seinen Träumen folgen?», fragt Sasha ungläubig nach. Vielleicht hat er sich ja verhört. «Ja. Nicht seinen Träumen folgen. Folge stattdessen den Träumen eines anderen», sagt Rob. «Immer aufgeben und sich nicht selbst treu bleiben — dann wird's was. Das ist genau das, was ich getan habe: Ich bin meinen eigenen Träumen nicht gefolgt, ich bin mir nicht treu geblieben, und ich habe schon immer sehr leicht aufgegeben. Und das ist der Grund, warum ich jetzt ganz oben bin. Wer etwas anderes behauptet, redet dummes Zeug.» Sasha übersetzt. Rob unterbricht ihn. «Und das ist die Wahrheit. Das ist mein Lebensmotto: Niemals mir selbst treu zu bleiben.» Er lacht. «Nein, bloß nicht deinen Träumen folgen, Mann. Ich wollte immer Buchhalter werden. Echt. Das hier war der Traum eines anderen.» «Was ist denn jetzt im Moment dein Traum?», fragt Sasha. «Ich habe im Augenblick keinen. Ich bleibe mir untreu. Ich will, dass es unrealistisch bleibt.» «Wirklich?», fragt Sasha. «Ja. Dieser ganze Quatsch:
wird nicht ständig beobachtet und sofort beurteilt. In Japan muss er keine Angst haben, dass alles, was er sagt, am nächsten Tag als Schlagzeile erscheint. Er wird gefragt, warum er weltweit so erfolgreich ist. «Weiß ich auch nicht», meint Rob. «Offenbar kann ich irgendwie die Phantasie anderer Leute anregen. Vielleicht liegt es auch daran, dass die meisten Leute Angst haben, sich lächerlich zu machen, weil die Welt so irre cool ist im Moment. Und wenn ich andere Leute damit amüsieren kann, den Idioten zu spielen, mache ich das gerne. Entertainer sind eine vom Aussterben bedrohte Art, weil niemand mehr albern sein will. Niemand führt mehr seine Stücke heutzutage auf. Damit bin ich wahrscheinlich hoffnungslos altmodisch.» Sinn und Zweck, auf der Bühne zu stehen, sei für ihn, jemand anderes zu sein, erklärt er. «Mein Job ist es, die Leute anzulügen und dafür zu sorgen, dass sie mir glauben.» Dann fügt er hinzu: «Ich habe gerade erst angefangen, das alles zu genießen und an mich zu glauben. Ich musste fünf Alben machen, bevor das alles für mich angefangen hat — und ich freue mich endlich wirklich über die Welt und meinen Job. Ich wusste, dass das irgendwann kommen würde, aber es brauchte eben seine Zeit. Als Nächstes möchte ich eines der besten Alben herausbringen, das je geschrieben wurde.»
Im Bus hatte er verkündet: «Das ist ein richtiger Sonntag, was? So, als hätte ich Mittag gegessen und gerade Fußball geguckt, und Bullseye läuft gleich, und Cousin Tony ist eingeschlafen und Tante Claire hat das Essen aufgesetzt und macht mir Lammkoteletts. Ein sehr angenehmer Zustand.» Er setzt dieses Thema mit Sasha fort, indem er ihm erklärt, wie schön er es findet, dass dieser Sonntag sich wie ein richtiger Sonntag anfühlt. «Die Woche hat für mich in dem Moment an Bedeutung verloren, in dem ich die Schule verließ und Popstar wurde», sagt er. «Popstars kennen weder Wochen noch Wochenenden. Normale Leute betrinken sich samstags oder sonntags, Popstars betrinken sich immer. Egal wann. <Es ist Dienstagmorgen — komm, wir betrinken uns.> Und, um ganz ehrlich zu sein, meistens weiß ich nicht mal, welcher Tag gerade ist, weil das für mich gar keine Rolle spielt. Ich
werde abgeholt und irgendwohin gebracht und in ein Flugzeug gesetzt, und dann tauche ich irgendwo auf — ich wusste nicht einmal, dass ich nach Japan fliege.» Pause. «Aber ich habe mich sehr gefreut, als ich hier ankam.» «Wir haben es hier mit einem echten Superstar zu tun», sagt Sasha beeindruckt. Rob erzählt, wie sehr ihn Sonntage früher deprimiert haben, weil am nächsten Tag wieder Schule war. «Aber weißt du was? Ich habe morgen keine Schule mehr! Dummköpfe! Und ich bin echt reich. Ha! Damit können Sie sich Ihre Pfeife stopfen, Mr. Bannon.» Mr. Bannon war sein letzter Schuldirektor. Sasha übersetzt; Rob erzählt weiter. «Ich freue mich an manchen Sonntagen immer noch darüber, dass ich morgen nicht in die Schule muss. Wirklich wahr. Und manchmal bleibe ich absichtlich richtig lange auf. So erwachsen bin ich. Und wenn im Kühlschrank ein Kuchen steht, kann ich ihn bis zum letzten Krümel aufessen — das darf ich. Ha! Du hast keine Kontrolle mehr über mich, Mama...» Sasha übersetzt. «Und ich kenne Mädchen ... und die wollen mich küssen ... und ich küsse sie zurück. Ha. Und wir bleiben alle ganz lange auf. Meine Mutter lebt in England und ich in L. A., ich kann machen, was ich will ...» Sasha will ihn etwas anderes fragen, aber Rob unterbricht ihn. «Manchmal putze ich mir nicht meine Zähne», sagt er. Pause. «Oder wische mir nicht den Hintern ab.» Pause. «Entschuldigung. Ich gehe immer gerne zu weit. Tut mir Leid.» Sasha bittet ihn, ein paar Sätze für den Radiosender aufzunehmen. Mittendrin flüstert Rob leise, aber doch deutlich hörbar: «Ein Mädchen hat meinen Pimmel angefasst...»
Josie erzählt, dass Kevin Spacey erneut im Büro angerufen hat. Er möchte, dass Rob zusammen mit Elton John bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung auftritt, die er nächsten Monat im Old Vic gibt. Sie weiß schon, was Rob sagen wird. «Ich bin busy», sagt Rob. «Sag ihm, ich habe zu tun.»
Noch ein Interview, weitere Philosophien, die er mit dem japanischen Volk teilt: «Frauen mögen dich», wird ihm gesagt. «Gibt es ein besonderes Geheimnis, wie man sexy wird?» «Klar», meint er. «Werde reich und berühmt. Sobald man reich und berühmt ist, sieht man auch gleich viel besser aus. Man weiß ja auch, dass Rock 'n' Roll hässlichen Leuten dazu verhilft, Sex zu haben. Lang lebe Rock 'n' Roll. Ich meine, seht euch doch mal Linkin' Park an ... » Er hält gerade noch rechtzeitig inne. «Nein, ich mache Witze. Linkin' Park sind gut aussehende Männer, mir fiel nur gerade keine Band ein.» Auf dem Rest der Reise feilt er an dieser Antwort, damit sie in Zukunft noch raffinierter klingt. «50 Prozent von dem, was man wirklich hat, und 50 Prozent von dem, was Leute denken, was man hat, machen einen sexy ... Ja, ich bin reich. Das macht mich sexy. Sex liegt ja auch immer im Auge des Betrachters. Ich finde mich ja nicht so toll. Aber andere denken, ich wäre ziemlich wild, und ich glaube, manchen Leuten gefällt die Vorstellung, sie könnten mich zähmen. Und ich habe das ganz gern, wenn Leute versuchen, mich zu zähmen — macht Spaß. Zu einem Abend mit einer anständigen Zähmung würde ich nie nein sagen ...»
Am zweiten Interview-Tag in Japan, als er in einer Show auftritt, die Space Shower TV heißt und von einem Kameramann gefilmt wird, auf dessen T-Shirt zu Robs Entzücken «Overjoyed by the News» steht und nach einer Nacht, in der er von Heidi Klum geträumt hat, fällt ihm plötzlich auf, dass das Wort Escapology wiederum das Wort «Apology» — «Entschuldigung» — enthält. Es freut und verunsichert ihn gleichermaßen. «Das bin doch ich, durch und durch: Entschuldigung. Ich entschuldige mich für meine Flucht.» Von jetzt an wird das ein regulärer Teil seiner Erklärung. «Das ist ein großes Thema in meinem Leben», wird er sagen.
Er wird gefragt, was für ihn die ideale Show wäre. Gemeint ist ein Konzert. «Im Schlafzimmer Cameron Diaz beeindrucken», antwortet er. «Was für eine wunderbare Antwort», sagt die Interviewerin. «Das ist die Wahrheit», meint Rob. «Die glaubt langsam wahrscheinlich wirklich, dass du sie verfolgst», lacht Josie. «Wird sie wohl», gibt Rob zu. «Mir egal. Sie ist eigentlich nur eine Phantasie-Figur. Sie kann ohnehin niemals erfüllen, was ich mir vorstelle.»
Während der dritten Nacht in Japan träumt er von Gwyneth Paltrow. «In meinen Träumen findet ja eine echte Promi-Party statt», überlegt er. Um von seinem Traum wieder herunterzukommen, macht er sich Gedanken über das neue, verruchte Christina Aguilera-Image. «Sie sieht aus wie eine Mischung aus einer Pornomieze und einer, die Bäume schützen will», meint er. «Wie ein Rock-Öko-Krieger. Eine Kreuzung aus Swampy und den Village People.» Sein Arbeitstag beginnt. Er wird in einer Limousine von einem japanischen Popstar interviewt, Fay Ray. Nachdem sie ein paar Fragen gestellt hat und die beiden ein bisschen geflirtet haben, meint er: «Jetzt möchte ich einmal etwas fragen. Ich habe von diesen Automaten gehört, aus denen man Mädchenunterhosen ziehen kann ...» «Das stimmt», sagt sie. Als er beim Radiosender ankommt, sagt der weibliche DJ zu ihm: «Ich kann nur zur Hälfte glauben, dass du wirklich hier bist.» «Na, hier ist die andere Hälfte», sagt er. Er erzählt ihr, dass er sich diesen Erfolg nie erträumt hat. «Ich glaube, das Wort <überrascht> wäre noch untertrieben», meint er. Er zählt seine Schwächen auf. «Ich kann einfach nichts anderes. Ich bin ganz unsportlich. Ich kann überhaupt nicht rechnen. Ich kann weder addieren noch subtrahieren, ich kann nicht sehr gut schreiben, und ich bin nicht besonders talentiert mit meinen Händen. Ich habe mich ziemlich darauf verlassen, dass ich irgendwie als Angeber durchs Leben segeln müsste. Bisher lief das ganz gut.»
Den letzten Morgen hat man ihm freigegeben, damit er shoppen gehen kann. Im Bus erzählt er von den Partys, auf die er früher gegangen ist. Als er 17 oder 18 war, gab es eine Absolutely FabulousParty, auf der er Ade Edmonson mit dem Satz beleidigte: «Ich dachte, diese Serie wäre dazu da, sich über genau das hier lustig zu machen», und wo er völlig versagte, als Naomi Campbell zu ihm kam und sagte, Christy Turlington wolle gerne mit ihm tanzen und er steif und fest behauptete, dass wäre leider unmöglich, weil er sein Bein gebrochen habe. Ein andermal kam er nach London, um sich mit einem berühmten Model zu treffen — «keine Verabredung oder so, ich war nur eingeladen worden, zum Essen mitzukommen» —, und zufällig war Liam Gallagher im Zug und hing aus dem Fenster, als der in Stoke einfuhr. «Wir haben uns absolut zugeschüttet im Zug, und das ging den ganzen Abend so weiter. Und dann kam das Model mit einem von The Clash an. Die eine Gruppe nahm Heroin, die andere kokste», erinnert er sich. «Und ich saß in der Mitte und sang die ganze Zeit Lieder aus den Konzerten. When you see a guy, reach for stars in the sky, you can bet he's doing it for some doll ... » Er macht vor, wie die eine Seite bestens gelaunt war und völlig überdreht mitsang, während die andere Seite langsam einschlief. Nach einer Weile machte er sich davon.
Nachdem im Flieger die Zeichen für die Sicherheitsgurte erloschen sind, kommt Rob zu mir. «Ich habe meine Schlaftablette genommen und versuche jetzt, trotzdem wach zu bleiben. Ich will mal sehen, wie das ist.» Tatsächlich hat er zweieinhalb Ambien genommen. Er scheint jetzt schon ziemlich weggetreten zu sein. «Mit meinen Augen passieren komische Sachen», sagt er und meint dann, er werde versuchen, sich absolut normal zu verhalten. «Sehe ich normal aus?», fragt er, aber seine Augen sind ganz weit weg und seine Stimme auch. Es ist erschreckend, ihn so weggetreten zu sehen. Ich frage ihn, auf was er sich in Los Angeles freut. «Hunde ... Pool ... nix ... »
Plötzlich bricht er über mir zusammen, seine Muskeln völlig starr. Er liegt halb auf mir, halb auf dem leeren Sitz neben mir und ist besinnungslos. Ich brauche meine ganze Kraft, um ihn hochzuhieven und ihn auf den anderen Sitz zu rollen. Ein paar Sekunden später wacht er auf und sieht sich verwirrt um. Ich erkläre ihm, dass er gerade eingeschlafen ist. Er sieht so aus, als brauche er eine Weile, um das zu begreifen. «Ich gehe nach unten», sagt er. Er findet seinen Platz und schläft für den Rest des Fluges.
5 Während einer freien Woche in Los Angeles wird Martin Bashirs Sendung über Michael Jackson im Fernsehen gezeigt. Bashir fragt an, ob Rob mit ihm eine Sendung machen würde. Rob denkt nicht mal darüber nach. Stattdessen entspannt er und langweilt sich, sagt zwei Auftritte in großen amerikanischen Fernsehshows ab (Alias und Charmed) und geht für zehn Minuten auf Justin Timberlakes Geburtstagsparty. Eines nachmittags kommt Linda Perry vorbei. Sie gilt momentan als coole Songschreiberin, weil sie mit Pink und Christina Aguilera gearbeitet hat, zum Beispiel bei dem Aguilera-Hit «Beautiful». Rob hätte am liebsten auf der Stelle mit ihr einen Song geschrieben, stattdessen unterhalten sie sich zwei Stunden lang. «Völlig gaga», sagt er hinterher anerkennend. «Harter Schädel. Ich glaube, sie hat eine gute Einstellung. Sie wusste überhaupt nichts über mich. Die denkt, ich sei der
«Hast du Lust ...?», fragt er. Er beendet den Satz nicht, weil er sowieso Lust hat. «Ich weiß, es geht um michmichmich, aber was soll's, lass uns meine Websites angucken ... » Aus lauter Langeweile und Selbstverliebtheit hat er das Internet nach sich selbst durchsucht. «Ich habe
Business hat etwas ziemlich Deprimierendes: Sie sind von vorneherein völlig überflüssig, und dann wird auch noch die Gutgläubigkeit der Leute ausgenutzt, indem ihnen komplett sinnlose oder gefälschte Fetische angedreht werden.
Er hat eine Kostümprobe für das «Come Undone»-Video. Im Schlafzimmer hängen die ganzen Klamotten auf langen Kleiderstangen. Er probiert ein verdrecktes Smoking-Jackett an und tut so, als würde er an einem Morgen nach einer hemmungslosen Party betrunken durch die Gegend schwanken. «Wirkt das echt?», will er wissen. «Mach nicht auf besoffen», bittet ihn Josie. «Ich hasse das.» B, der Stylist, möchte über die Bettszene sprechen und wissen, ob Rob dabei Unterwäsche tragen will. Rob sagt, dass er keine Angst vor solchen Szenen hat. «Die meisten Leute erzählen nach Sexszenen immer,
Es ist später Samstagnachmittag in Los Angeles, was in England bereits nach Mitternacht ist. Rob ist oben und macht einen Mittagsschlaf, ich bin in seinem Büro. Seit ich angefangen habe, an diesem Buch zu arbeiten, habe ich mir angewöhnt, jeden Tag die englischen Schlagzeilen zu lesen. Während Rob schläft, klicke ich auf die Website von News Of The World und lese die Schlagzeile auf der Titelseite: ROBBIES 2-MILLIONEN-PFUNDSPIELSUCHT.
Mit einwöchiger Verspätung haben sie den Artikel jetzt also doch noch gedruckt. Unter der Überschrift steht: «Bei einer einzigen Runde Poker verliert er 50 000 Pfund» und «Robbie hat Drogen, Alkohol und schmutzigen Sex besiegt ... jetzt kämpft er mit Spielsucht». Ich muss Rob nicht erst wecken, um zu wissen, dass die meisten Angaben völlig absurd sind. Zum Beispiel steht da: «Verließ die MTV Awards in Barcelona in größter Eile, um 10 000 Pfund in einem Kasino zu setzen.» An dem Abend waren wir die ganze Zeit zusammen, es war der, an dem er kurz Ms. Dynamite traf und wir direkt nach der Verleihung zum Flughafen fuhren.
Nach dem Aufwachen fährt Rob nach Hollywood, um sich mit Jonas Ackerlund zu einem abschließenden Meeting für das «Come Undone»-Video zu treffen. Im Foyer des Hotels Chateau Marmont erzählt ihm David kurz von News Of The World, aber er muss sich jetzt zunächst auf andere Dinge konzentrieren. Jonas, der die Rolling Stones-Zunge als Anhänger trägt und eine Gürtelschnalle, auf der «Flick you» steht, nimmt ihn mit in einen Raum im vierten Stock, in dem überall Film-Equipment herumsteht und ein Storyboard an der Wand hängt. Er fasst seine Ideen zusammen. «Das Video soll eine Haltung rüberbringen», sagt er. «Ich möchte, dass es gleichzeitig sehr schön, sehr merkwürdig und total abgefuckt ist.» Er zeigt Rob Polaroids von dem Haus, in dem sie drehen wollen – «Ich bin so glücklich damit; der Besitzer wollte es uns zunächst nicht geben, aber jetzt hat er zugesagt» – und von ein paar Mädchen. «Die hier hat keine Angst vor Schlangen», erklärt er, «und die ekelt sich nicht vor Käfern. Und mit der kannst du rummachen. Es sind sowieso alles richtige Porno-Mädchen. Sie sind bereit so weit zu gehen, wie es eben muss, vor allem in der Bettszene zum Schluss.» «Irre», meint Rob. Jonas zeigt ihm noch ein Polaroid. «Die da ist übrig», sagt er. «Unser Back-Up.» «Ein Porno-back-up?», fragt Rob. Jonas nickt. Er zeigt ihm die beiden Männer. «Sind die schwul?», will Rob wissen.
«Ich glaube nicht», meint Jonas, «aber für die ist das kein Problem. Ich meine, müssen sie ja auch. Ist ihr Job.» Jonas möchte noch weitere Details wie Close-ups für die Second Unit und Playback besprechen, aber Rob unterbricht ihn. Er muss jetzt unten einen Kaffee trinken. «Ich bin echt fertig», erklärt er. Im Foyer entdeckt er B mit ein paar Leuten und setzt sich zu ihnen. Rob unterhält sich kurz mit einem gut aussehenden Mann und fragt ihn, ob er einer der Models für das Video ist. Der Mann guckt irritiert. Er ist der Schauspieler Oliver Martinez. Jetzt erst erkundigt er sich bei David, ob der News Of The WorldArtikel auf der ersten Seite steht. «Allerdings», sagt David. «Irre», meint Rob. «Sehen wir mal, ob das Album nächste Woche nach oben geht. Falls ja, werde ich von jetzt an jede Woche ein Spiel-Problem haben. Dann komme ich aus einem Club und tue so, als wäre ich voll. Und bedrohe einen Paparazzi, der in Wirklichkeit Schauspieler ist.»
Das Ganze ist nur so lange lustig, wie er es sich als große, unwahre Schlagzeile vorstellt. Sobald er nach Hause kommt und liest, was tatsächlich über ihn geschrieben wurde, ändert sich seine Laune. Verwirrt und fassungslos liest er ein paar Passagen laut. «Robbie Williams stand in Jeans und Turnschuhen unter glitzernden Kronleuchtern auf dem goldenen Teppich eines Kasinos in Las Vegas und sehnte sich nach seiner neuesten Sucht – Kartenspiele ... Robbie, 28, hatte in seinem Leben schon einiges mitgemacht – Kokain, zwanghafte One-Night-Stands, quälende Beziehungen mit berühmten Superhasen wie Geri Halliwell ... endlose Alkohol- und Essensgelage, aber seine neueste Leidenschaft kostet ihn 100 000 pro Nacht. Seine Freunde sind zutiefst besorgt.» Seine «heimliche, seit drei Jahren bestehende Spiel-Sucht» hat angeblich angefangen, als er mit Freunden von den «Anonymen Alkoholikern» Karten spielte. In einem «wahnsinnigen, dreitägigen Spielrausch in Monte Carlo» habe er 60 000 Pfund verspielt (er sagt, er wäre ein einziges Mal mit Jonny und Geri Halliwell im Kasino gewesen und verlor vielleicht 500 Pfund), verlor 30 000 Pfund bei
einer Wette auf eine einzige Karte im Sahara-Kasino (reine Erfindung), verzockte 5000 Pfund in zwei Stunden beim Black-Jack im Victoria Kasino in London («nie da gewesen»), bettelte seine «Show-Biz-Freunde» Tom Jones und Kelly Jones an, bei ihm zu Hause in L. A. «um hohen Einsatz Poker zu spielen», lieh sich von Nicole Kidman Geld, nachdem ihm die 100-Pfund-Chips ausgegangen waren («das ist wirklich passiert», sagt er, «aber es waren keine 100-Pfund-Chips. Ich habe nur gesagt, hast du 100 Pfund?»), und dann, dass er eben 10 000 Pfund nach den MTVAwards verspielt habe. In dem Artikel beschreibt ein ungenannter «Freund» einen Abend im Mandalay Hotel in Vegas. Es heißt weiter, dass er innerhalb einer Nacht 100 000 Pfund verspielt habe und seitdem jeden Tag spielen würde. «Innerhalb von drei Wochen verliert er gut und gerne mal eine Million», sagt der Freund. Dann kommt die Stelle, die Rob wahrscheinlich am meisten trifft: «Sein Freund erklärt, dass Spielen für ehemalige Alkoholiker häufig die Art ist, sich zu entspannen. Er sagte: <Man wettet einfach um alles ... Robbie amüsierte sich großartig darüber, dass ein paar der Typen gewettet hatten, wer als Erster wieder rückfällig werden würde.> Für jemanden, der seine Sucht so ernst nimmt wie Rob, ist das eine obszöne Idee. Das ist noch nicht alles: «... er geht ins Kasino, wie andere ins Pub gehen. Innerhalb von zwei Jahren hat er mindestens zwei Millionen Pfund verspielt.» Schlicht gelogen. «Die Musikbosse gaben Robbie ein monatliches Taschengeld von 60 000 Pfund, um seine Ausgaben unter Kontrolle zu halten.» Gelogen. «Er scheint immer noch gerne einen Drink zu nehmen und war Donnerstagnacht in keinem guten Zustand, nachdem er mit Freunden in der Whiskey-Bar in L. A. getrunken hatte.» Gelogen. «Das ist widerlich», sagt Rob, als er mit Lesen fertig ist. Das Ganze ist ein besonders ekelhafter Angriff auf seine Person. Er ist halb amüsiert, halb wütend. Er erzählt, dass er in London eine Zeit lang ins Aspinalls gegangen ist, damit aber aufhörte, als die Mindestwetten auf 25 Pfund erhöht wurden. Er fand das zu hoch und nicht mehr lustig. Er sieht sich die Fotos genau an, die News Of The
World für den Artikel verwendet hat. Auf einem körnigen Bild sieht man ihn und ein paar Spielkumpels an einem Tisch, alle mit Karten in der Hand. Das Bild sieht aus wie ein Schnappschuss aus einer dunklen Spielhölle. Tatsächlich sind es Josie, Chris Sharrock, David, Filmregisseur Brian Hill und Rob. «Robbie, in Grün, und Arbeitskollegen, auf DVD», steht in der winzigen Bildunterschrift. Es wird aber nicht deutlich gesagt, dass es sich um ein Standfoto aus seinem Film Nobody Someday handelt. Damals spielten sie Uno, ein Kartenspiel für Kinder. Es ging nur um den Spaß am Gewinnen, manchmal spielten sie auch um einen Fünfer. Er selbst weiß das alles. Er weiß aber auch, dass morgen Abend mehrere Millionen Menschen in England glauben werden, was sie gelesen haben. Er ruft David an, um zu besprechen, wie sie reagieren sollen. Er ist überzeugt, eine Klage zu gewinnen, aber sie würde auch Nachteile bringen. Sollte es zu einem Prozess kommen, kann man sicher sein, dass News Of The World alles, was er jemals gemacht hat, gegen ihn verwenden wird. Aber soll er diese Geschichte deshalb einfach durchgehen lassen? Wenn er sie nicht dementiert, wird daraus Wahrheit. «Es geht ums Prinzip», sagt er. «Wenn sie damit durchkommen, was wird dann das Nächste sein?» «Ich finde, wir sollten sie verklagen», sagt Rob. «Und wenn wir gewinnen, setzen wir alles auf Schwarz.»
6 «Ach herrje», sagt Rob. «So fängt es also an.» Er begrüßt ein hübsches, knapp bekleidetes Mädchen, das in Kruzifix-Pose in einer Ecke des Schlafzimmers hängt, in dem ein Großteil des neuen Videos gedreht wird. Im Pool schwimmt eine aufblasbare Puppe mit dem Gesicht nach unten. Er sieht sich im Haus um. Der Hausbesitzer ist Erbe des Dole-Ananas-Vermögens. Auf einem Foto sieht man ihn zusammen mit seinem Vater. Sie lächeln. Zwischen ihnen steht George W. Bush. Er begrüßt alle Mitwirkenden – «Hallo, ich bin Rob, ich singe heute» – und geht dann den Hügel hinauf zu seinem Wohnwagen.
«Habe das Gefühl, als würden wir etwas Böses machen, findest du nicht?», fragt er. «Eine schwarze Frau an einem Kreuz.» David kommt in den Wohnwagen und erzählt, dass «Feel» irgendeinen merkwürdigen, zehn Jahre alten Rekord als «meistgewünschter Anrufer-Hit» in Holland gebrochen hat. «Ich verstehe nicht, was das heißen soll», sagt Rob. «Ich auch nicht», kichert David, versucht aber trotzdem, weiter darauf einzugehen. «Niemand hat bisher mehr als 7,5 erreicht, aber du hast 7,9 geschafft.» «Cool», sagt Rob erstaunt, und dann lachen beide über diese ziemlich unverständlichen Neuigkeiten.
Die erste Szene, die heute gedreht wird, ist der Morgen nach der Party. Rob wacht mit zwei Mädchen im Bett auf. Er legt sich zwischen sie, lehnt sich gegen das Kopfende, das mit Alligator-Leder bezogen ist, und plaudert mit ihnen. Die eine der beiden Darstellerinnen ist ein Porno-Star, die andere wird ihren ersten Porno am kommenden Wochenende drehen. Er fragt sie, was ihre Eltern davon halten. «Die reden nicht mit mir», sagt sie. Er spielt eine Szene vor der Kamera: Er wacht auf, betrachtet sich im Spiegel und wankt betrunken nach draußen. David beobachtet ihn auf dem Monitor und findet, dass Rob beim Schauspielern übertreibt. Er spricht leise mit ihm. Dies wird sich den ganzen Tag wieder-holen. «Viel zu betrunken und viel zu voll gekokst», meint auch Josie nach einer besonders übertriebenen Szene. Die Art, wie er heute spielt, ist eine Mischung aus Erinnerungen an die eigene Vergangenheit und dem Versuch, wie Hollywood-Star Colin Farrell zu wirken. («Ich hatte mich nicht mehr im Griff», entschuldigt er sich, als er wirklich total übertreibt, obwohl er eine gute Entschuldigung hat: «Ich habe mich zehn Jahre auf diese Rolle vorbereitet.») Zwischen den einzelnen Szenen macht Hamish Brown, der ihn immer bei solchen Gelegenheiten fotografiert, ein paar Aufnahmen von Rob mit den beiden Mädchen auf dem Bett. Sie kuscheln sich an ihn. «Wie sieht aus diesem Winkel mein Kinn aus?», will er von Hamish wissen. Der beruhigt ihn.
Während Hamish fotografiert, berührt Rob mit seiner Zunge die Zungenspitze der Blondine, und dann, schon aus Gerechtigkeitsgründen, macht er dasselbe mit dem schwarzhaarigen Mädchen. Beide haben ihre Hände locker auf seinem Schritt liegen. «Ich spiele hier nur meine Phantasien aus», sagt er und steckt seine Zunge in die Ohren der Dunkelhaarigen. Er lacht. «Das ist ja wie in einem deutschen Porno aus den Siebzigern, was? Jaaaa! Das ist gut, wir machen einen Dreier.» Die Mädchen lachen, und er sagt: «Warum komme ich mir auf einmal wie Ron Jeremy vor?» Dann erlaubt er den Mädchen, an seinen Brustwarzen zu ziehen. Jede an einer. «Ach, das mag er», stellt die Dunkelhaarige fest. «Nein, überhaupt nicht», sagt er und verfällt dann in seine PartridgeStimme: «Das ist nur für die Kunst.» Und dann küsst er die Blonde mit allem Drum und Dran, nur so. «Hamish», sagt er, «sag mir doch, dass ich beide küssen soll.» Hamish braucht einen Moment, bis er die Anspielung verstanden hat. «Was wolltest du, Hamish?», fragt Rob. «Einen Zungen-Dreier», schlägt Hamish vor, und die drei gehorchen artig. «Kommt, let's go crazy», meint die Blonde, und es wird geküsst und brustgekrault und niemand achtet mehr besonders auf die Fotos. «In diese Richtung», bittet Hamish, der immer noch versucht, seinen Job einigermaßen professionell zu erledigen. «Nee», meint Rob, der gerade zu tun hat. Hamish fotografiert noch ein bisschen und sagt dann «cool», was bedeutet, dass er jetzt fertig ist. Er weiß, dass Rob bei Fotosessions wenig Geduld hat. «Nee», bittet Rob, «noch einen Film.» Endlich sind sie fertig. «Danke, Mädels», sagt Rob. Sie hüpfen aus dem Bett, um ihr Make-up erneuern zu lassen. Er bleibt liegen. «Ich muss jetzt noch eine Weile im Bett bleiben», erklärt er. Ich frage, wie die beiden Mädchen eigentlich heißen. Er denkt kurz nach. «Keine Ahnung», sagt er und lacht.
Robs Leute befürchten, dass Jonas Ackerlund bei dem Video einen Aspekt über Bord geworfen hat, der Rob ursprünglich am
wichtigsten war – die religiösen Gleichnisse, das Blut auf den Türen. Ich bekomme eine Diskussion mit, ob man Rob noch darauf ansprechen solle: «Solange Rob zufrieden ist.» «Er hat ja seine Käfer.» «Das Problem ist, dass Rob den Sex entdeckt hat, und das war's. Damit sind alle Bibelideen hinfällig.»
Als er am Abend des ersten Drehtags nach Hause kommt, liest er über eine Sendung, in der versucht werden soll, Prinzessin Diana im Jenseits zu kontaktieren. Sie wird demnächst im amerikanischen Kabelfernsehen gezeigt. Rob findet die Idee ziemlich krank, ist aber gleichzeitig fasziniert. Er hat Lady Diana einmal kennen gelernt, als Take That im Kensington Palace eingeladen war. Sie schien besonders nett. «Eine sehr freundliche, warmherzige Frau», erinnert er sich. Einmal sagte er in einem Internetchat etwas gedankenlos, dass die Umstände ihres Todes doch wirklich merkwürdig seien. «Am nächsten Tag erhielt ich einen Brief von Mohammed al-Fayed: <Würde mich sehr gerne mit Ihnen unterhalten ... vielleicht könnten wir zusammen Tee trinken?>» Rob antwortete nicht.
Am nächsten Morgen steht Rob um 7.30 Uhr auf, bereit für seinen großen Tag. «Heute werde ich Sex haben», verkündet er, während wir durch den Nieselregen von Los Angeles fahren. «Ich denke mal, es wird ein bisschen abartig, Josie.» In dem Haus, in dem gedreht wird, sitzt er in Unterhose, Bademantel und rosa Socken auf dem Bett und bespricht mit David und Josie, wie sie juristisch gegen News Of The World vorgehen wollen. Sie gehen die Angelegenheit Punkt für Punkt durch. Josie erklärt, dass sie von ihm ein Statement zu dem Vorwurf brauchen, er leide unter «massiver Spielsucht». «Das Problem habe ich ganz sicher nicht», sagt er. «Ich liebe die gelegentliche Aufregung?», schlägt David vor. «Klar», stimmt er zu. «Wie jeder andere auch. Bei niedrigem Einsatz.»
Die nächste Unterstellung: «Robbies Verluste belaufen sich auf zwei Millionen Pfund.» «Kompletter Blödsinn», sagt er. «Angeblich hat er bei einem einzigen Pokerspiel 50 000 Pfund verloren ... >», zitiert David die Zeitung. «Ich habe nicht mal ansatzweise um solche Summen gespielt», sagt Rob. «<Es wird behauptet, dass Robbie bereits früher von Kokain, Alkohol und Sex abhängig war ... >», sagt David und beantwortet diesen Punkt gleich selbst. «Stimmt, bis auf Sex.» «Genau», meint Rob. «Was soll ich dazu sagen?» «Sag einfach, dass du das nie verheimlicht hast und alles längst bekannt ist», meint Josie. Auf diese Art gehen sie den ganzen Artikel durch. Rob kommentiert die kleinen, erfundenen Geschichten, widerlegt andere Behauptungen und vor allem den Teil der Geschichte, in dem unterstellt wird, Rob würde darauf wetten, ob und wie schnell andere Abhängige rückfällig würden. «
Aus irgendeinem Grunde stehe ich mit David im Flur dieses Hauses und rede mit ihm über den Fluch, in zu viel Geld hineingeboren zu werden. «Das wäre eine Aufgabe für deine Kinder», meint David zu Rob. «Deshalb werde ich auch versuchen, bis dahin ganz arm zu sein», sagt Rob trotzig. Als Alternative schlägt er vor: «Ich werde mir eine Insel kaufen und dort in meiner eigenen Welt leben. Alle müssen so tun, als wüssten sie nicht, wer ich bin. Ich werde einfach ignoriert und das Gleiche würde dann auch meinen Kindern passieren.»
Zwischen zwei Einstellungen steht er gelangweilt in der Küche und guckt in den Regen. CNN sendet gerade die erste Botschaft seit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Afghanistan, die angeblich von Osama Bin Laden stammt. «Wenn ich frech wäre und ein paar freie Tage haben wollte», sagt Rob zu Josie, «würde ich jetzt sagen,
Die Frage liegt in der Luft, ob Rob wirklich Sex vor laufender Kamera haben möchte, und niemand hat ihn bis jetzt direkt darauf angesprochen. Bisher war nur klar, dass am Set ein paar Darsteller sein müssen, die im Falle eines Falles bereit sind, alles mitzumachen. Beim Mittagessen in seinem Wohnwagen macht er sich erst jetzt Gedanken darüber, wie weit er gehen sollte. «David», meint er, «ich glaube, bei dem Sex-Kram sollte auch ein bisschen richtiger Sex-Kram dabei sein.» «Geschlechtsverkehr?», fragt David entspannt. «Ich dachte eher an Oralsex», meint Rob. «Und ihr ... » – er lässt seinen Blick über die versammelte Entourage im Wohnwagen schweifen – «dürft nicht zugucken.» Ich frage ihn, warum er echten Sex haben will. Er zuckt mit den Schultern. «Ich würde Geschmacksgrenzen überschreiten», meint er. «Und es könnte grauenvoll schief gehen. Wie bei dem Swing-Album. Soweit ich mich erinnern kann, hat das noch niemand gemacht.»
Gibt es irgendetwas, was du nicht machen würdest? «Richtigen Verkehr, wahrscheinlich.
Ich erkläre ihm, dass ich nicht aufschreibe, was er gesagt hat, sondern dass er mir gesagt hat, ich solle es aufschreiben. «Oh», meint er.
«Rob, brauchst du irgendetwas?», will Josie wissen. «Die Liebe einer guten Frau», antwortet er. «Ich glaube, das kann ich arrangieren», meint sie. «Nein, eine gute Frau», sagt er. «In der Zwischenzeit vielleicht einen Kaffee?», schlägt sie vor. «Ja.»
Das blonde Mädchen erklärt Rob, ihr Agent habe ihr davon abgeraten, Sex mit ihm vor der Kamera zu haben. «Okay», sagt er. Er versucht nicht, sie zu überreden. Wie in anderen Situationen auch genügt manchmal eine Kleinigkeit, und er verliert das Interesse. Wahrscheinlich ist es ohnehin das Beste. «Dir wäre es lieber, wenn ich das nicht machen würde, oder, Josie?», fragt er. «Na ja, ich glaube kaum, dass wir das Material verwenden könnten», antwortet sie diplomatisch. «Mist», murmelt er und ist jetzt doch genervt. Ihm fällt ein, warum er überhaupt auf die Idee kam. «Kontroverse.» Sagt er. «Kontroverse, Kontroverse, Kontroverse ... » Die meisten Entertainer protestieren, wenn man ihnen unterstellt, provozieren zu wollen. Alles muss wie ein ernst gemeinter künstlerischer Impuls wirken, Robbie Williams dagegen will ganz absichtlich Kontroversen auslösen – als Teil seiner Strategie, hinter dem Spiel mit Oberflächlichkeiten etwas Ernstes und Ehrliches zu kommunizieren. Vielleicht ist es wirklich nicht nötig, dass er Sex hat. «Es kommen Ungeziefer vor, aufgeschnittene Pulsadern, Drogen und eine Sex-Szene», zählt Josie auf. «Das wird bestimmt nicht im Kinderfernsehen gezeigt.» Wie auch immer: Rob weiß, dass Jonas seinen Co-Star notfalls zwingen würde, sich an die getroffene Verabredung zu halten, aber inzwischen gefällt ihm die ganze Idee nicht mehr. «Ist mir, ehrlich gesagt,
wurscht», sagt er. «Lass uns jetzt fertig werden und nach Hause gehen.» Er geht in den Garten und steht an der perfekt geschnittenen Rasenkante. Er streckt seine Arme aus und beugt sie nach hinten. «Ich berühre Robbie Williams' Hintern», sagt er. Die Bettszene wird erst ganz zum Schluss gedreht. Rob bittet um etwas Deo und ein Pfefferminz. «Ich gehe jetzt», sagt er. Während er bei den Mädchen ist, sitze ich eine Tür weiter im Badezimmer mit Daniel, Robs Friseur, mit dem er auch befreundet ist, und den zwei Typen, die auf ihre Bettszene mit Rob warten. Sie scheinen schwer betrunken zu sein. Aus dem Schlafzimmer kann man Jonas hören, der Anweisungen und Ermunterungen brüllt, und jede Menge Gelächter. Die Zeit wird knapp. Die Vorgaben, bis wann gedreht werden darf und wann das Haus geräumt sein muss, sind streng. Die beiden Typen werden ins Zimmer gerufen. Noch mehr Gelächter dringt durch die Wand. «Hoch!», ruft Jonas. «Ich kann kein Gesicht sehen! Und wieder runter. Auf die Knie! Geh hoch auf die Knie!» Ich höre Robs Stimme. «Alle versuchen hier zu dominieren», sagt er. Ich bin nicht sicher, ob das eine Beschwerde ist, ein Kommentar oder ein Ausdruck des Jubels.
Er verabschiedet sich flüchtig und verlässt den Raum. Erst im Dunkel des Busses erzählt er, wie es war. «Muffige Muschi», sagt er und lässt das erst mal so stehen. Er erzählt zuerst von den Männern. «Der mit den weißen Haaren war absolut volltrunken», erzählt er. «Der wollte nur vögeln. Und ich so:
täuscht wurde. Aber vielleicht sollte das einmal deutlich gesagt werden.) «Die beiden Mädchen sind absolut übergeschnappt», erzählt er. «Die haben mich völlig irre gemacht, aber es war cool, und wir wälzten uns so herum, bis die Jungs dazu kamen und der eine Besoffene mich wirklich vögeln wollte. Aber es war wirklich sehr komisch, und jeder wollte dominieren.» Ich frage, ob es Spaß gemacht hat. «Ich glaube schon. Die waren total albern und sehr jung und haben sich über Sachen kaputtgelacht, die überhaupt nicht lustig waren. Und ich habe einfach nur versucht, meine Rolle zu spielen. Nichts versucht oder so, nur die nackten Brüste angefasst, die beiden haben sich geküsst, dann haben wir uns alle drei geküsst. Und dann die Jungs.» Hast du deine Hosen anbehalten? «Ich schon, ja. Die anderen nicht. Aber das war auch nicht weiter schwierig. Es war auch nicht erotisch oder sexy. Sagen wir mal so: Erigiert bei den Mädels und verdammt winzig bei den Jungs. Ich würde es euch erzählen, wenn ich es sexy gefunden hätte.» Er kommt nochmal auf die seiner Meinung nach höchst unprofessionellen weiblichen Gerüche zurück. «Ich meine, man sollte seine Muschi doch für so was in Ordnung halten, oder?», fragt er. «Das ist so, als würde ein Klempner ohne seine Schraubenschlüssel auftauchen», meint Lee.
Wir gehen schnell noch etwas im Standard am Sunset Strip essen. Rob behauptet vor dem Kellner, er sei seit fast 24 Stunden auf den Beinen, und Josie meint, er solle mal nicht übertreiben. «Der weiß das doch nicht», sagt Rob. «Er hält mich jetzt für unheimlich cool.» Pause. «Er weiß nicht, dass ich bei Take That war.» Pause. «Der ist jetzt da drin und sagt: <Wer ist bloß dieser unheimlich coole Typ? Der ist ein bisschen wie Liam, aber auch ein bisschen wie Norman Wisdom.>» Während dieser Unterhaltung stellt sich heraus, dass Daniel, Robs Friseur, nur eine vage Vorstellung davon hat, wer Take That
eigentlich war, obwohl er Engländer ist und früher in London gelebt hat. Er hat auch sonst keine Ahnung, was in der Popkultur der letzten 15 Jahre los war. Rob nennt ihm ein paar Meilensteine: «New Kids on the Block. Pause. Grunge-Musik und Techno und Take That. Pause. N'Sync, Backstreet Boys.» (Die kennt Daniel, weil er Howies Haar damals abgeschnitten hat.) «Kennst du das noch?», fragt Rob und fängt mitten im Lokal an, «Pray» zu singen. «Was für ein bewegender Moment zwischen zwei Männern, nicht wahr?», sagt Lee. «Vier Wochen lang die Nummer eins», sagt Rob. «Sing noch ein anderes», bittet Daniel. Rob singt «Everything Changes». «Ja, das kenne ich», meint Daniel erleichtert, woraufhin Rob ihm noch «Gould It Be Magic?» und «Back For Good» vorsingt. Dabei fällt Daniel ein, dass er als Ordner gejobbt hat, als Take That in Wembley auftrat. Aber er stand damals mehr auf House-Music. «Ich bin nicht gekränkt, dass du nicht weißt, wer Take That war», meint Rob. «Ich bin nur fassungslos.» Daniel hat nie mit Rob über dessen Vergangenheit gesprochen, scheint jetzt aber plötzlich interessiert. «Und dann hast du einfach aufgehört?», fragt er. «Ja», meint Rob. «Das wurde einfach alles zu heftig, die Sache lief aus dem Ruder. In Deutschland beispielsweise mussten viele Fans psychologisch betreut werden. Ein Mädchen hat sich sogar umgebracht.» «Wie viele Fans hattest du?», will Daniel wissen. «Sagen wir mal so: Zum Valentinstag habe ich 80 000 Karten bekommen», meint Rob. Ich möchte wissen, wie viele er in dem Jahr verschickt hat. «Keine einzige», antwortet er.
Daniel will immer mehr wissen. Die Unterhaltung geht in Robs Haus weiter. Irgendwie ist es süß und interessant zu beobachten, wie Rob
versucht, jemandem seine Vergangenheit zu erklären, der nicht die geringste Ahnung hat, was damals los war. «Ich meine, es kannte doch nicht jeder Take That, oder?», fragt Daniel. «Nein», gibt Rob zu. «Du nicht und ein paar alte Leute auch nicht.» «Wie lang war die Band denn zusammen?» «Fünf Jahre.» «Habt ihr von Anfang an Erfolg gehabt?» «Ich glaube, wir waren dreieinhalb Jahre lang wirklich groß.» «War das toll, als ihr endlich bekannt wurdet?» «Manches war aufregend, ja. Wir mussten nur so wahnsinnig viel arbeiten, dass wir einfach zu müde waren, um es zu genießen.» «Wie waren denn die anderen in der Band?», fragt Daniel. «Super, Mann», antwortet Rob. «Arschgeigen?», fragt Daniel. «Nein, keine Arschgeigen. Sie waren sehr jung. Und unser Manager war der Teufel. Er hat versucht, uns gegeneinander auszuspielen.» Rob lacht. «Das ist die offizielle Version. Ehrlich gesagt war Barlow eine kleine Arschgeige.» «Hast du dann gleich deinen eigenen Kram gemacht, nachdem du aus der Band ausgestiegen bist?» «Nein, ich habe erst mal ... Ich habe damals schwer getrunken und massenhaft Drogen genommen und war ziemlich am Ende ... » «War das der Höhepunkt?» «Na ja, so gegen Ende ... Ich meine, ich war während der ganzen Zeit immer gut dabei, aber zum Schluss war ich einfach jeden Tag komplett dicht. Dann habe ich die Band verlassen und ein Jahr mit Drogen herumexperimentiert, sonst gar nichts. Dann verlor ich mein ganzes Geld bei Prozessen und unterschrieb einen neuen Plattenvertrag und hing mit dem ganzen Star-Klüngel in London herum. Ich suchte Freunde, ich wollte cool sein und so weiter. Und nach ungefähr einem Jahr sagte die Plattenfirma: <Wissen Sie was, wir müssen jetzt mal einen Song von Ihnen rausbringen.> Na gut, dachte ich. Die Plattenfirma wollte, dass ich
«Echt?» «Ja.» «Wie lief das?» «Es wurde immerhin Nummer zwei der Charts, aber irgendwie ist das in der Geschichtsschreibung verloren gegangen. War ja auch ein Witz: Ich wollte unbedingt etwas
«Ja. Ich war fett. Weil ich so viel ... Kokain funktioniert bei mir andersherum: anstatt dünner zu werden, quoll ich auf. Außerdem habe ich phänomenale Mengen an Kuchen verdrückt.» «Wow. Und was passierte dann?» «Das Album kam heraus und ich merkte, dass ich ein Vollidiot war und einen Entzug machen musste. So, wie ich aussah, konnte ich unmöglich die Platte promoten. Außerdem wusste ich, dass ich nicht selbst in der Lage war, mit dem Trinken aufzuhören. Aber in Wirklichkeit machte ich den Entzug nur aus Eitelkeit, nicht, um wirklich mit dem Trinken aufzuhören. Ich wollte ein bisschen abnehmen und wieder besser aussehen und dann losgehen, um das Album zu promoten. Die Platte wurde gemischt, während ich auf Entzug war. Dann ließen sie mich einen Tag raus, um das Video zu drehen.» «Und du wurdest trocken? Das war's?» «Für eine Weile, ja.» «Und seitdem hast du nie wieder getrunken?» «Oh Gott, nein. Ich war für höchstens zwei Monate trocken.» «Oh.» «Aber ich ging in der Klinik zwischen 20 und 25 Kilometer am Tag spazieren und aß überhaupt nichts und nahm reichlich ab und sah wieder ganz schön gut aus, als ich rauskam. Dann erschien die Platte und verkaufte 23 000 Stück in drei Monaten.» «Ist das gut oder schlecht?» «Richtig schlecht. Aber dann brachten wir
Auch die Daily Mail schreibt jetzt über die Spielgeschichte: ROBBIES 2-MILLIONEN-GEWOHNHEIT. Aber am nächsten Tag gibt es größere Probleme. Gegen fünf Uhr nachmittags – ein Uhr morgens Londoner Zeit – können wir im Internet die Titelseite der Sun vom nächsten Tag lesen: RACHEL LÄSST ROBBIE FALLEN. Es ist ein böser Artikel, in dem behauptet wird, sie habe die Beziehung zu Robbie beendet, «weil sie nicht mehr mit seiner <Paranoia> umgehen kann». Weiter steht da: «Model/Schauspielerin Rachel Hunter, 33, erklärte dem megareichen Sänger gestern Abend, dass ihre Romanze beendet sei – am Vorabend seines 29. Geburtstages.» Das einzig Wahre daran ist, dass sie sich wirklich nicht mehr viel sehen, aber die Gründe haben nichts mit dem zu tun, worüber die Sun schreibt. Er schüttelt den Kopf. «Die Geschichte ist von vorne bis hinten ausgedacht», sagt er. «Ich mache mir etwas Sorgen, wie das auf die zukünftige Mrs. Williams wirken mag, verstehst du?» Er glaubt, dass die Zeitungen seine Depressionen, mit denen er offen und ehrlich umgegangen ist, als Erklärung für alles verwenden, wie es ihnen gerade passt. An der ganzen Sache ist noch etwas phänomenal Falsches: The Sun schreibt über «gestern Abend». Als wir die Geschichte lesen, ist es an dem Tag, von dem die Rede ist, gerade mal 17 Uhr. Abgesehen von allen anderen Lügen setzt die Zeitung die fundamentalen Gesetze des Universums außer Kraft: Sie beschreibt die Ereignisse eines Abends, der noch gar nicht stattgefunden hat.
7 Rob ist in New York, um Interviews zu geben und Ende der Woche beim «Rock The Vote»-Konzert teilzunehmen. Er fühlt sich hier nicht sehr wohl und ist einsam. Er sitzt in der Lobby des MercerHotels bei einem Cappuccino und fängt an, mit einem Mädchen zu reden. Während er mit ihr spricht, kommt ihr Freund herüber und legt schweigend den Arm um sie. Es ist so, als würde man sich einen Naturfilm ansehen. Kurz nach 21 Uhr erklärt Rob den Tag für beendet und geht ins Bett. Ich rede unten noch ein bisschen mit Pompey, als dessen Handy
klingelt. Es ist Rob. Er braucht Hilfe. Er kann die Fernbedienung des Fernsehers nicht finden. Am nächsten Morgen sitzen wir im Bus und fahren die Prince Street hinunter, als wir neben uns auf dem schneebedeckten Bürgersteig ein kleines Durcheinander bemerken: Kate Winslet geht die Straße entlang und wird dabei von Paparazzi verfolgt und fotografiert. «Kate!», schreit Rob und klopft an die Fensterscheibe des Busses, damit sie sich umdreht. Sie ignoriert ihn, weil sie offenbar davon ausgeht, dass wieder nur irgendjemand etwas von ihr will. «Ich bin's, Robbie!», brüllt er. Sie bleibt stehen und kommt ans Fenster, das nur ein paar Zentimeter aufgeht, also müssen sie sich durch einen schmalen Spalt unterhalten. «Hello, Darling», sagt er. «Wohin des Weges?» «Nach Hause», sagt sie. «Ich bin hier für vier Monate, ich drehe einen Film.» Er lädt sie ein, ihn jederzeit im Mercer zum Tee zu besuchen, und nennt ihr sein Pseudonym. «Sag ihnen, sie sollen machen, dass sie wegkommen», rät er ihr mit Blick auf die Paparazzi. Sie nickt. «Ich wünschte, die würden sich verpissen.» Wir fahren weiter. Rob schlürft seinen Kaffee und lächelt. «Wir Stars haben es doch wirklich gut, was?», sagt er. «Ooooh, she's made my tizzer go foo.» «Sie ist wirklich süß, oder?», meint Josie. «Ja», antwortet er. «Tizzer. Foo.» «Hat allerdings eine ernste Beziehung», erinnert ihn Josie. «Sam Mendes.» «Oh», sagt er und macht ein langes Gesicht. «Na, toll.» Wir plaudern eine Weile über andere Dinge, bis er, ungefähr 20 Häuserblocks weiter, plötzlich sagt: «Sam fucking Mendes.»
«Ich finde, ich sollte in einer Zwangsjacke auf die Bühne kommen», verkündet Rob. In seinem Zimmer findet ein Meeting statt, bei dem der Stand der Vorbereitungen für die Sommer-Tournee besprochen wird. Lee findet, sie müssten jetzt eine Entscheidung treffen, auf wel-
che Weise Rob auf die Bühne kommen soll. So, wie Rob die Idee mit der Zwangsjacke präsentiert, ist klar, dass er für bessere Vorschläge zu haben ist. «Wie wäre es, wenn ich als Astronaut auftrete?», schlägt er vor. Niemand reagiert. Er schüttelt den Kopf. «Der Helm würde meine Frisur ruinieren», meint er. «Ich glaube, die Zwangsjacke ist gut.» Lee nickt: «Ich finde auch, der Astronaut wäre zu kompliziert.» «Es könnte ganz lustig sein», sagt Rob, «wenn ich einen Haken hinten an der Zwangsjacke hätte und an einem Kran hängen würde, die Arme auf dem Rücken gefesselt.» Er macht die Pose vor. «Also beim Intro von
«Klar», sagt er. «Das ist so ein guter Anfang, findest du nicht?» «Du wirst das nicht länger als fünf Minuten aushalten», sagt David. «Fünf Minuten maximum.» Sie diskutieren, ob er wirklich mit einer Winde hochgezogen werden muss oder ob er sich, kurz bevor der Vorhang hochgeht, von der Treppe in die Luft schwingen kann. Aber die Grundidee ist bereits akzeptiert und Rob schon beim nächsten Thema. «Gibt es Songs, die du auf keinen Fall, und welche, die du unbedingt singen möchtest?», fragt Lee. «Ich will alle Singles außer <Eternity>», meint Rob. «<Eternity> wer-de ich nie wieder singen. Es sei denn, ich kann damit jemandem, den ich wirklich liebe, das Leben retten. Oder irgendein Scheich bietet mir eine Million.» Er rattert die Liste der Songs herunter, die er singen möchte. «Und <She's The One>?», fragt David. «Nein, verpiss dich», schimpft Rob. Er singt «She's The One» nur noch ungern, seit der Komponist, Karl Wallinger von World Party, seine Version kritisiert hat. «Ach ja: In Deutschland möchte ich <99 Luftballons> covern», erklärt er. In der vergangenen Woche traf er Nena bei einer Preisverleihung in Deutschland und fragte sie, ob sie nicht mit ihm zusammen in diesem Sommer in Gelsenkirchen ihren großen Hit singen wolle. Er windet sich ein bisschen. «Ich sollte wahrscheinlich <She's the One> spielen», meint er. «Es war so ein gewaltiger Erfolg.» Er hat eine Idee, wie er das Stück singen kann, damit er es aushält. «Ich sollte es mal mit etwas Gefühl probieren.»
Nach einer Weile verliert er das Interesse an der Tournee-Besprechung, liegt auf dem Bauch auf seinem Bett und liest im Internet über sich selbst. Ich habe den Fehler gemacht, ihm zu zeigen, dass er bei Google nur «Robbie Williams» eingeben muss, um praktisch jeden englischsprachigen Artikel über sich zu finden. Im Moment liest er gerade einen australischen Artikel, in dem steht, dass Rachel die Unterhosen eines fremden Mädchens in seinem Bett gefunden hat. «Können wir sie dafür verklagen?», fragt er.
Er findet seinen Namen noch in einem anderen Zusammenhang: Auf einer Wettseite steht es 4:5, dass er zum besten männlichen Künstler bei den Brit Awards gewählt wird. Dann findet er einen Hinweis, er sei bei einer Leserumfrage des NME zum «Bösewicht des Jahres» gewählt worden. Osama Bin Laden liegt auf Platz zwei. «Ich habe diesen Preis bereits einmal gewonnen», sagt er mit einer Stimme, als wäre er bei einer Preisverleihung, «deswegen bin ich schon etwas ein-gebildet. Beim ersten Mal war ich außer mir vor Glück.» Ich erwähne, dass diesmal die Konkurrenz viel härter war, jetzt, wo Osama mitmacht. «Ja», stimmt er zu, «wenn allerdings Talente wie ich dabei sind, wenn es Böses wie mich gibt, dann bleibe ich konkurrenzlos.» Pause. «Außerdem hat Osama den großen Fehler gemacht, keine Ballade herauszubringen.» Er scheint auch keine Videos mehr zu machen, füge ich hinzu. «Ja», sagt Rob. «Der hält sich wohl für George Michael.»
Rob gibt der amerikanischen Musikzeitschrift Spin ein Interview. Er wird misstrauisch, als ihn Chuck Klosterman, der Interviewer, fragt, ob es nicht komisch sei, dass sich alle Interviews seit Unterzeichnung seines Plattenvertrages um Geld drehen. Das sei sicherlich auch für Spin einer der Gründe, sich für ein Interview mit ihm zu interessieren. Rob antwortet wahrheitsgemäß, dass er bis auf ein paar Mal bei Pressekonferenzen eigentlich kaum dazu befragt worden ist. «Tatsächlich?», fragt der Interviewer skeptisch. Die beiden scheinen nicht nur aus verschiedenen kulturellen Welten zu kommen, sie scheinen auch unterschiedlicher Auffassung darüber zu sein, wer die Figur Robbie Williams eigentlich ist. Die Gesprächssituation wird immer angespannter. Schließlich unterhalten sie sich darüber, ob er ein ernst zu nehmender Künstler sei — ein Aspekt, der vielleicht bestimmte Teile der amerikanischen Kulturindustrie interessieren mag, Rob aber völlig egal ist. «Es ist doch so», erklärt Rob schließlich mit wachsender Frustration, «ich nehme auch das <Weiße Album> der Beatles nicht ernst. Ich finde es phänomenal, aber was soll ich daran ernst nehmen? Mich berühren die Gefühle auf der Platte, und die Texte sind großartig. Wenn man mir dagegen sagen würde, Osama Bin Laden sei gerade in einem
Flugzeug auf dem Weg nach New York, um noch ein Gebäude zu zerstören – das würde ich ernst nehmen. Das <Weiße Album> höre ich mir an, und wenn ich damit fertig bin, gehe ich wahrscheinlich pinkeln. Oder ich esse etwas Gutes. Verstehst du, was ich meine?» Rob ist sich nicht sicher, ob ihn der Interviewer versteht. Nachdem er seinen leicht aggressiven Monolog beendet hat, wird er nach seinen Erfolgsaussichten in den USA gefragt. Nichts von dem, was er bisher erzählt hat, wird im Artikel als Zitat erscheinen, der Großteil der folgenden Antwort dagegen schon. Das Echo ist gewaltig. «Ich glaube nicht, dass ich den Durchbruch in Amerika schaffen werde», antwortet er. Ehrliche Antworten wie diese wirken schon in englischen Interviews etwas exzentrisch und gewagt; in den USA allerdings, wo Skepsis gegenüber Erfolg für Skepsis sorgt, wirkt so eine Antwort nicht nur kontraproduktiv, sondern beinahe beleidigend, weil sie zur Frage einlädt: Warum sollen wir in deinen Traum investieren, wenn du nicht einmal an dich selber glaubst? Rob scheint die Reaktion zu ahnen, als er weiterredet. «Ich weiß selbst nicht genau, wie ich dazu stehe», sagt er. «Ich will nicht den bedingungslosen Erfolg in Amerika. Warum gebe ich also ein Interview? Keine Ahnung. Die Termine werden für mich gemacht, und ich gehe da hin und mache die Interviews, aber innerhalb der letzten acht Monate habe ich meine Meinung darüber ständig geändert. Mein Ego sagt ... » – er flüstert wie zu sich selbst – «
Rob versucht ihm zu erklären, dass es darum nicht geht: «Sehen wir uns die Statistik an: Wenn EMI mir so viel Geld geben würde, weil sie mit meinem Durchbruch in Amerika rechnen, dann wären sie ziemlich bescheuert, weil die Statistik zeigt, dass es nicht passieren wird. Die Statistik zeigt auch, dass es bisher kein einziger britischer Künstler geschafft hat. Warum zum Teufel sollten sie es dann also machen?» Ein bisschen einfache Mathematik ist an dieser Stelle vielleicht hilfreich. Man kann davon ausgehen, dass eine Plattenfirma vier bis fünf Pfund netto an jeder verkauften CD verdient. (Das heißt, noch bevor irgendwelche Tantiemen ausgezahlt werden, was ohnehin erst fällig wird, wenn der Vorschuss wieder drin ist. Bereits berücksichtigt sind dabei einerseits die Marketing-Kosten und andererseits die Einkünfte, die sie voraussichtlich mit ihren Anteilen an Produktion und Vertrieb machen.) Wenn Rob also tatsächlich 80 Millionen Pfund bekommt, müsste EMI nicht mal 20 Millionen Stück von allen zukünftigen Alben verkaufen, um die Gewinnzone zu erreichen. Escapology hat sich außerhalb Amerikas bereits über sechs Millionen Mal verkauft, ebenso wie Swing When You're Winning, das Album, das vor dem Vertrag herauskam. Falls die Umsatzzahlen nicht dramatisch einbrechen – das einzige Risiko, das EMI wirklich eingeht –, scheint es ein sehr guter Deal zu sein, ohne dass auch nur eine einzige Platte in Amerika verkauft werden müsste. (Diese sehr grobe Rechnung klammert die EMI-Anteile an seinen sonstigen Erträgen aus, die beträchtlich sind, wenn man nur die diesjährige Tournee betrachtet.) Gegen Ende des Interviews wiederholt Rob, der mittlerweile einigermaßen verzweifelt ist, ob irgendetwas von dem, was er gesagt hat, verstanden wird, einfach seine Ausführungen. «Mit ein bisschen Glück kann ich in Amerika vielleicht 500 000 Alben verkaufen. Aber ich glaube nicht, dass es dazu kommt, weil ich dafür nicht hart genug arbeite. Ich bin nicht heiß genug drauf.»
«Das wird kein guter Artikel, David», sagt Rob hinterher und erzählt, dass sich alle Fragen nur um Geld drehten und darum, ob er nun ernst zu nehmen sei oder nicht. Er erwähnt nicht, dass ihm sein
Scheitern in Amerika prophezeit wurde. Unten bei der Band-Probe murmelt er leise zu mir: «Ich bin kurz davor, alles sein zu lassen.» Was sein zu lassen? frage ich. «Amerika.»
Er lädt ein Model ein, das er gestern Abend im Foyer kennen gelernt hat, mit ihm zusammen die neueste Michael Jackson-Dokumentation anzusehen. Anschließend gehen wir alle zu einem Auftritt von Fil Eisler, seinem früheren Gitarristen. Im Taxi entsteht zwischen Rob, dem Model und mir eine merkwürdige Unterhaltung über die Bedeutung des Wortes «demure» – was man mit bescheiden oder spröde übersetzen kann –, und ob es für Rob zutreffend ist. Der Club The Living Room ist unangenehm voll. Anfangs spielt noch eine Band, deren Sänger ein T-Shirt mit der Aufschrift «I'm In A Promising Local Band» trägt, dann kommt Fil. Gegen Ende ruft Rob dazwischen und Fil antwortet von der Bühne, und Rob singt lautstark bei den Stücken mit, die er kennt wie «My Fuck You To You». Hinterher gibt es größere Umarmungen. «Ich bin von manchen Stücken ganz gerührt», meint Rob hinterher draußen. «Vier davon würde ich gerne covern.» Auf dem Weg zurück vergleichen das Model und er ihre Fingernägel. «Meine sind Scheiße», sagt Rob. Die Nacht ist schön. Was er am besten an dem Model findet ist, dass sie Steven Wright zitiert: «Kennst du das Gefühl, wenn du mit deinem Stuhl kippelst und gleich umkippst – so fühle ich mich die ganze Zeit.» Als er am nächsten Morgen in die Lobby kommt, wird ihm von den Brit Awards erzählt. Höhepunkt muss das Duett mit anschließendem Dirty Dancing zwischen Justin Timberlake und Kylie Minogue, dem Ersatz für Rob, gewesen sein. The Sun zeigt einen Cartoon, in dem Justin Kylie in den Hintern kneift. In ihrer Wortblase steht: «Ich wünschte, es wäre Robbie», und in seiner: «Ja, ich auch.» Seinem Vater, der für eine Woche hier ist, erzählt Rob, dass er im Spiegel viele graue Haare bei sich entdeckt habe. «Erinnerst du Dich noch über die Dauerwelle, die ich hatte, als ich nach Scarborough kam?», fragt er.
«Ja», lacht Pete. «Die saß bombenfest.» «Und ich habe sie nie gewaschen. Ich muss unglaublich gestunken haben», meint Rob. «Wie alt warst du da?», fragt Josie. «14», antwortet er. «Ich habe mir die Dauerwelle am ersten Tag der Sommerferien machen lassen, und am Anfang des nächsten Schuljahres war ich der Erste, der ins Büro des Direktors gerufen und anschließend nach Hause geschickt wurde.» «Warst du die ganzen Sommerferien weg?», will Josie wissen. «Mmmm», nickt Rob. «War das nicht toll?», meint Pete. «Vier oder fünf Wochen.» «Great Yarmouth war das Beste», erinnert sich Rob. «Erinnerst du dich noch an die Nacht, als ich wegen dieses Mädchens nicht aus der Garderobe kommen wollte? Sie war böse auf mich, weil ich mit einer anderen herumgemacht hatte. Und dann gab sie mir eine Ohrfeige. Eine Ohrfeige! Ich kam mir vor wie James Bond.»
8 Diese Woche findet in New York die Grammy-Verleihung statt. Die Grammys sind das musikalische Gegenstück zur Oscar-Verleihung. «Rock The Vote» ist eine der vielen Veranstaltungen, die rund um die Grammys stattfinden. An diesem Morgen wird Rob zum Madison Square Garden gebracht, wo auf beiden Seiten des Laufstegs vor der Bühne Tische stehen. Am Kopfende jedes Tisches sitzt jeweils ein DJ der wichtigsten Radiosender Amerikas, nur wenige Schritte von einander entfernt. Dutzende Künstler werden heute von Tisch zu Tisch geschleppt, ein endloses Pop- und Promotion-Geplapper. Robs erster Radiosender ist Kiss 95 aus Charlotte, und die erste Frage dreht sich um seinen Durchbruch in Amerika. «Ich halte mich eigentlich für einen Scharlatan und denke immer, bald merken das alle anderen auch», erklärt er. «Vielleicht wissen das die Menschen in Amerika schon.» Die Interviews dauern vielleicht vier Minuten, dann wird er schnell zum nächsten gescheucht. «Jetzt kommt San Francisco!», wird ihm gesagt, als ob er tatsächlich auf dem Weg in diese Stadt sei. Er arbeitet sich im Zickzack durch den Raum, vorbei an Art Garfunkel
oder George Clinton, die ihrerseits wie Riesen in Sieben-MeilenStiefeln quer durch die USA gezerrt werden. In San Francisco wird Rob aufgefordert, die Hörer «mit einem Schwank aus seinem Leben zu beeindrucken». «Mein Penis ist nicht besonders lang, hat aber einen unglaublichen Durchmesser», sagt er. «Robbie Williams!», ruft der DJ. «Bestückt wie ein Baumstumpf!» «Wie der Arm eines Kleinkindes», verbessert Rob. Auf dem Highway-Teppich zwischen den einzelnen Städten läuft er John Mayer in die Arme und sagt ihm, er würde furchtbar gerne mit ihm zusammenarbeiten. John Mayer scheint sehr interessiert. «Ich werde meine Leute bitten, sich mit deinen Leuten in Verbindung zu setzen», verspricht Rob. Während er herumgeht, bekommt er lauter gute Ratschläge, die ihm Mut machen sollen, aber eigentlich nur unterstreichen, wie schwierig es sein kann, die amerikanischen Radiosender zu erobern. Die DJ´s erzählen ihm beispielsweise, dass sie «Feel» lieben und wirklich hoffen, ihr Sender wäre bald in der Lage, das Stück auch zu spielen – als wäre das ein mysteriöser, schwer zu berechnender Vorgang.
Es ist nicht einfach, die Dinge, die Rob sagt, in schriftlicher Form wiederzugeben, weil er genau wie auf der Bühne sehr oft zwischen Sarkasmus und Ernsthaftigkeit hin und her wechselt. Häufig imitiert er die Stimmen anderer Leute. Wenn er irgendetwas besonders Aufgeblasenes oder Idiotisches oder Prätentiöses von sich gibt, benutzt er seine Alan Partridge-Stimme. Er hat aber auch andere Stimmen im Repertoire. Er macht das vor allem in Gesprächen mit jungen Engländern, bei denen er davon ausgehen kann, dass sie ungefähr wissen, worauf er sich bezieht, aber auch — und genauso ohne Erklärung — mitten in einem japanischen Interview. Ich glaube, er versucht auf diese Weise, Ironie von ernst Gemeintem zu unterscheiden. Manchmal will er damit wohl auch andeuten, dass er sowieso nicht glaubt, verstanden zu werden. Manchmal macht er es auch nur, um selbst ein bisschen Spaß zu haben. Er kann sich nicht sehr lange konzentrieren, und ich glaube, manchmal findet er es einfach zu langweilig, einen
vollständigen Satz zu sagen, ohne ihn ein bisschen herumzudrehen und zu verfälschen und dadurch irgendwie zu einer anderen Perspektive zu gelangen. Sich mit Rob zu unterhalten ist ungefähr so, als würde man einen Film sehen und gleichzeitig den Kommentar des Regisseurs hören.
Im Roseland Ballroom macht Rob mit seiner Band den Soundcheck und singt eine etwas schlampige Version von «Get A Linie High». («Get A Little High» wurde zusammen mit «One Fine Day» der amerikanischen Ausgabe von Escapology hinzugefügt und wird als potenzielle Single-Auskopplung gehandelt. Dagegen fehlen «Song 3», «Hot Fudge» und «I Tried Love» — obwohl die englischen Kritiker der Meinung waren, gerade die beiden letzteren Songs könnten die Amerikaner beeindrucken.) In der Mitte einer Strophe klettert er auf einmal von der Bühne, um jemanden zu begrüßen, der ihm vom hinteren Teil des Saales aus zugesehen hat. «Ich habe in meinen Teenager-Zeiten ständig eure Musik gehört», sagt Rob. «Echt. Ich dachte, ich sage mal hallo.» «Ist mir ein Vergnügen», sagt Professor Griff von Public Enemy. «Nein», meint Rob und versucht irgendwie deutlich zu machen, dass es ihm nicht um irgendwelche Schmeicheleien zwischen Stars geht, sondern dass die Gruppe wirklich wichtig für ihn war. «Es ist mir ein echtes Vergnügen», betont er und sagt, dass Public Enemy eine fast mythische Bedeutung für ihn hatte. Dann fügt er noch hinzu, wie gut er Professor Griffs Solo-Album, Pawn In The Garne, fand, aber er hat den Eindruck, dass der alles, was Rob sagt, etwas merkwüdig findet. Er springt zurück auf die Bühne und geht sein Set durch. Bei der Rap-Kakophonie am Ende von «Millennium» geht Professor Griff mit dem Kopf mit und macht dann auf dem Boden Liegestütze. Ich habe den leisen Verdacht, dass es ein Stück gibt, das Rob nur ungern vor Public Enemy singen möchte. Wahrscheinlich habe ich Recht, denn als die Band mit «Rock DJ» beginnt, springt Rob von der Bühne und geht nach draußen zu dem wartenden Bus. Im Hotel sieht er im Fernsehen einem Stand-up-Comedian zu. «Sie sollten mich erst einmal live sehen», sagt der Comedian zum Publikum. «Ich bin wirklich hervorragend.»
Ein paar Stunden vor seinem Auftritt fährt er im gleichen Bus wieder zum Roseland Ballroom zurück. Auf dem Weg dorthin erklärt ihm Shelby, seine amerikanische Pressefrau, dass ihm auf dem roten Teppich vielleicht ein paar politische Fragen gestellt werden, und erzählt ihm, worum es bei «Rock the Vote» geht. «Sie sammeln Geld, um die Kids dazu zu bringen, wählen zu gehen», erklärt sie. «Die Teenager sollen lernen, dass sie politische Verantwortung haben und auch ihre Stimme zählt.» «Okay», sagt Rob. «Findest du es wichtig, dass jeder wählen geht?» «Allerdings», sagt Shelby. «Klar», murmelt Jason vom Beifahrersitz herüber. «Wählt Arschloch Nummer eins oder Arschloch Nummer zwei.» Jason ist einer der drei ständigen Bodyguards und ein kanadischer Ex-KickboxChampion. «Es zählt doch jede Stimme», argumentiert Shelby. «Na ja», sagt Rob, «ist mir eigentlich egal. Ich habe noch nie gewählt.» Shelby lacht nervös. Offensichtlich hat sie nicht mit dieser Debatte gerechnet, schon gar nicht fünf Minuten vor dem Veranstaltungsort. Rob überlegt einen Moment. «Ich könnte natürlich auch lügen», schlägt er vor. Ihm gefällt, was Jason gesagt hat. «Das ist es doch», meint er. «Das ist doch echt wichtig: Wähle Arschloch Nummer eins oder Arschloch Nummer zwei. Aber wenigstens ist es dein Arschloch. Na bitte. Das ist die Antwort. Ich denke tatsächlich, ich sollte auch mal wählen gehen. Werde ich auch. Wenn ich ein Arschloch gefunden habe, das ich mag.» «Ein sympathisches Arschloch», schlägt sein Vater vor. «Ein sauberes Arschloch», sagt Rob.
Der erste unangenehme Moment des Abends passiert, während wir noch im Bus sitzen. Als wir versuchen, vor dem Roseland Ballroom zu halten, winkt ein Polizist den Bus weiter, um unseren Parkplatz freizuhalten. Unser Fahrer versucht ihm etwas zu erklären, aber der Polizist schreit ihn an und verlangt immer wieder, er solle gefälligst weiterfahren. Als der Fahrer einfach nicht reagiert, verlangt der Polizist seine Papiere und kündigt an, ihn zu verhaften. Nur mit
Pompeys Hilfe gelingt es, die Situation zu entschärfen. Rob geht den roten Teppich entlang und gibt ein paar Kurzinterviews. «Das ist eine dieser Situationen, in der ich die Leute für mich gewinnen muss», sagt er in eine Kamera. «Hier sind lauter Leute, die nicht wissen, wer ich bin, und das beängstigt mich etwas.» Am Ende der Schlange steht Liquid News. «Robbie, komm her und sag hallo zu
«Ähm, ich weiß nicht, was passieren wird, um ehrlich zu sein. Ich mache mir nur große Sorgen ... alles scheint so unsicher. Amerika und England und Bush sagen, <Ja ja ja ja>, und alle anderen sagen,
Zurück in der Garderobe, bringt ihm Josie sein Abendessen. «Josie, ich kann nichts essen», sagt er. «Ich finde es furchtbar hier. Wirklich.» Er sagt, er sei nervös und finde die Vorstellung unerträglich, vor einem Publikum aufzutreten, das seine Songs nicht kenne. Er wird zu einem Gruppenfoto gebeten. Peter Gabriel begrüßt ihn mit großer Herzlichkeit. Er schüttelt Lou Reed die Hand und sagt: «Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen.» («Er hat mich angeguckt, als wolle er sagen: <Wer bist du denn?> Vielleicht auch: <Was bist du denn?>») Alanis Morissette guckt leicht amüsiert und nimmt seine Hand in
beide Hände. Dann lernt er Chuck D. kennen. «Robbie», sagt er. «Ich bin dir auf den Fersen, Mann. Ich lese überall über dich.» «Ich benehme mich immer schlecht», antwortet Rob. Sie stellen sich in Pose, von links nach rechts: Lou Reed, Rob, Alanis Morissette, Peter Gabriel. «Ich glaube, der NME wird bei einem Foto von Lou Reed und mir seinen Spaß haben», sagt er, als er wieder in seiner Garderobe ist. Er denkt über die Reaktion von Alanis Morissette nach. «Sie hat mich so angeguckt, als wolle sie sagen:
angekündigt. Das Publikum scheint ausschließlich aus Leuten der Plattenindustrie zu bestehen — grundsätzlich eine undankbare Klientel —, und außerdem ist der Ballroom halb leer. «Ich habe Angst», wiederholt Rob ganz nüchtern. Im Flur geht er an Vanessa Carlton vorbei, die gerade von der Bühne kommt. «Wie ist das Publikum?», fragt er sie. «Die haben einfach weitergeredet», meint sie. «Na, toll.» «Aber dir werden sie zuhören», spricht sie ihm Mut zu, «ich bin ja nur ein Mädchen am Klavier.» Hinter der Bühne kommt Wayne Coyne auf ihn zu. Er hält einen gefüllten Teller in der Hand. Rob sagt irgendwas Freundliches über die Flaming Lips, die er vom ersten Rang aus mitbekommen hat. «Wir werfen Luftballons ins Publikum», sagt Wayne. «Ich weiß», meint Rob. «Man darf nie etwas werfen, was sie zurückwerfen können», rät Wayne ihm. «Ein Ballon kommt zwar auch zurück, aber das macht nichts.» «Ich habe immer mit Beleidigungen um mich geworfen», sagt Rob. «Und die sind trotzdem zurückgekommen ... » Am Ende der Unterhaltung hält ihm Wayne die Hand hin, während er mit der anderen seinen Teller balanciert. «Nett, dich kennen gelernt zu haben. Ich bin Wayne von den Flaming Lips.»
Als Rob auf die Bühne kommt, entsteht in den ersten Reihen in bescheidenem Maße eine gewisse Aufregung. Im hinteren Teil des Saales, wo ich stehe, wirkt das Ganze wie die Filmszene eines HighSchool-Abschlussballs, wenn alle außer den ganz Einsamen längst gegangen sind. An der Seite ist ein erhöhter Bereich, wo auch Peter Gabriel sitzt, der Rob ermutigend zunickt, während das Publikum auf den Rängen so etwas ausstrahlt wie: «Okay, englischer Angeber, wer immer du bist, versuch mal, mich zu beeindrucken.» Mir gegenüber steht ein Catering-Wagen, wo dicke, krümelige Kekse in Servietten verteilt werden, als wäre das hier ein Dorffest.
Rob tobt während «Let Me Entertain You» über die Bühne, bleibt im Instrumental-Teil plötzlich stocksteif stehen, verschränkt die Arme und blickt herausfordernd in den Raum. Dann springt er wieder über die Bühne, besprüht die ersten Reihen mit Wasser und fängt nach dem Ende des Songs wie verrückt an zu reden. «Vielen Dank», sagt er, «es ist wirklich wichtig, dass ich mich ab und zu meinem Fan in Amerika zeige.» Er brabbelt mit einer Mischung aus «Ich-will-euchkriegen», ein bisschen Feindseligkeit und einer Menge «Ichwünschte-ich-wärewoanders» vor sich hin. Vor dem Refrain seines zweiten Songs, «Let Luve Be Your Energy», kopuliert er mit dem Mikrophon-Ständer. Vor dem dritten Stück, «Monsoon», sagt er: «Dieser Song stammt aus meinem neuen Album, Escapology. Und witzigerweise kann man das ab dem 1. April käuflich erwerben. Wenn das nichts ist.» Das vierte Stück, «Millennium», kommentiert er so: «Der nächste Song war ein weiterer großer Flop hier in Amerika.» Als er bei «Come Undone» zu der Textstelle «... so corporate suit ... » und «... so damn ugly ... » kommt, zeigt er nach oben auf die Ränge. Er lässt «Get A Little High» aus. Sein letztes Stück ist «Angels». Auf den Rängen schwenken inzwischen ungefähr fünf Leute Kerzen im Takt. Der Beifall ist bei jedem Stück etwas lauter geworden, und die meisten Leute hier sind wohl der Meinung, dass sein Auftritt ein mittlerer Erfolg sei. Während Rob singt, gibt er zwischendurch Kommentare ab wie «... Sie sollten mich mal live sehen – ich bin wirklich hervorragend...» Backstage entschuldigen sich Tim und David bei ihm. «Harte Arbeit», murmelt er. «Ich bin nicht besonders gut, solange die Leute nicht mitspielen. Und das war halt ein Auftritt vor der Industrie und ein eisiges Publikum, aber es war okay. Ich habe versucht, das Beste draus zu machen.» «Ich bin fast gestorben», sagt Tim. «Nie wieder», meint David. Rob geht schnell in den Bus. «Na, Rob, das tat doch nicht weh», meint sein Vater. «Doch, tat es», antwortet er.
Am Abend des nächsten Tages sieht er sich die Grammy-Verleihung im Fernsehen an, ohne sich wirklich zu konzentrieren. Er hatte eine Einladung erhalten, kam aber gar nicht auf die Idee zuzusagen. In einer Werbepause sagt er: «Wäre doch toll, wenn wir eine DVD von Knebworth herausbringen und sie
«Ich war nicht bei dem Event», sagt er. «Das hier ist für mich der Event.» «Und später?» «Werde ich wahrscheinlich wichsen.» Sie stellen ihm keine weiteren Fragen. Die Party ist brechend voll. Kellner laufen herum und bieten Sushi und gefärbtes Mineralwasser an. Rob hält es 25 Minuten aus und fährt zurück ins Hotel. Im Foyer wimmelt es vor Prominenten, aber die Atmosphäre ist merkwürdig ruhig und entspannt. Die Stimmung wird ja immer erst dann überdreht, wenn Stars von Menschen umringt werden, die ihnen unbedingt näher kommen wollen. Hier, wo sowieso die meisten berühmt sind und alle einen langen Abend hinter sich haben, wirken sie ganz gelöst. Rob unterhält sich mit Lucy Liu von Charlies Engeln und trifft dann auf Linda Perry. Er fragt sie, ob sie denn nun zusammenarbeiten wollen, und sie antwortet, er müsse das entscheiden. «Du musst mich wollen», sagt sie. «Na gut», antwortet er, «ich will dich, verdammt nochmal.» «Du musst mich anrufen», erklärt sie ihm, «und mir sagen, wie toll du mich findest und dass du mit mir zusammenarbeiten willst.» Er nickt. «Ich werde dich anrufen und dir das sagen.» Er lässt sich ihre Nummer geben und redet dann kurz mit Mike Myers. Kylie kommt herüber, um sich zu verabschieden. «Ich bin heute fertig», sagt er zu ihr. «Heute ist schon vorbei», korrigiert Kylie ihn. «Es ist bereits Morgen.» «Von morgen habe ich auch schon genug», sagt er. «Was wirklich blöd ist, weil ich darin noch aufwachen muss.» Justin Timberlake sagt kurz hallo, bevor er verschwindet, und Rob plaudert mit Drew Barrymore und Fabrizio von The Strokes und dann mit einer Frau, die er gestern Abend schon mal gesehen hat. «Ich habe einen schlechten Geschmack im Mund», sagt er. Sie versteht ihn nicht richtig. «Karma?», fragt sie. «Geschmack», sagt er. «Oh. Ich dachte, du hättest <schlechtes Karma> gesagt.» Er seufzt. «Das auch.»
Kurz vor ein Uhr mittags am nächsten Mittag taucht Rob wieder im Foyer auf und bestellt sich sein Frühstück: Vollkorn-Cornflakes und Müsli. Ein paar Minuten später kommt Cameron Diaz vorbei. «Danke für die DVD», sagt sie und meint die DVD mit dem Royal Albert Hall-Konzert, auf der «I Will Talk, And Hollywood Will Listen» drauf ist. Er hat sie ihr vor einem Jahr geschickt. «Sie liegt in dem Stapel neben meinem Bett. Du weißt schon – der Stapel.» Er nickt. «In dem Stapel liegen bei mir alle meine Selbsthilfe-Bücher», sagt er. Cameron streckt ihren Bauch unter ihrem kurzen Top heraus und tut so, als sähe sie fett aus. Sie erzählt, dass sie gerade auf dem Weg zu einem FHM-Fotoshooting ist, wo sie zusammen mit den beiden anderen Charlie's Angels fotografiert werden soll. «Welche Posen würdest du gern sehen?», fragt sie. «Je offenherziger, desto besser», sagt Rob trocken. «Findest du Schamlippen wirklich sexy?», fragt sie. Ohne eine Antwort abzuwarten geht sie vor ihrem Fototermin auf eine kleine Shopping-Tour. Rob ist sehr zufrieden mit sich. «Ich war wirklich witzig», sagt er. Er grüßt Gwen Stefani und sinkt dann zurück aufs Sofa. «War Cameron nicht niedlich?» «Welche war das?», fragt Pete. «Das Mädchen eben», meint Rob. «Das war Cameron Diaz.» «Und wer ist das?» «Sie bekommt 20 Millionen Dollar pro Film», erklärt Rob. «
Mike Myers zuckt theatralisch mit den Schultern und spielt das Spiel weiter. «Ich mache einfach, was mir die Immobilien-Tante sagt», meint er. Nachdem Myers gegangen ist, will Robs Vater wissen, wer das war. «Mike Myers. Austin Powers», erklärt Rob. «Schon mal gehört», sagt Pete unsicher. «Mike Myers!», ruft Rob, obwohl er es gleichzeitig offensichtlich genießt, dass seinem Vater das alles ganz egal ist. «Er ist der erfolgreichste Komödiant der Welt!» «Wow», sagt Pete, «schön für ihn.» Und fügt dann hinzu: «Ich war der erfolgreichste Komödiant, den Stoke-on-Trent je hervorgebracht hat.» Tim kommt vorbei und erzählt, dass News Of The World Schmerzensgeld angeboten hat für den Schaden, der durch die Spiel-Story entstanden ist. Der Betrag ist lächerlich und wurde abgelehnt, aber immerhin ist es ein Anfang. In einem ruhigen Moment erkundige ich mich bei Rob, wie ihm sein großes amerikanisches Abenteuer gefällt. «Ich fand die letzten Tage ein bisschen anstrengend», sagt er. «Ich habe mich beim Arbeiten noch nie so unwohl gefühlt. Ich frage mich, warum ich das eigentlich alles mache. Auf der anderen Seite bin ich froh, dass ich nicht gesagt habe:
Ein paar Tage später steht auf der ersten Seite des Wirtschaftsteils der New York Times folgender Artikel: «Schlingernde EMI setzt alle Hoffnungen auf britischen Sänger.» Der Artikel schreibt über die Absicht des amerikanischen EMI-Geschäftsführers, David Munn, vier Millionen Robbie Williams-CDs in die Geschäfte zu schaufeln. Würde die Geschichte stimmen, wäre das wirklich außergewöhnlich für einen Künstler, dessen bestverkauftes US-Album, The Ego Has Landed (eine Compilation seiner beiden ersten Alben), gerade mal eine halbe Million Mal verkauft wurde. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass David Munn diese Zahl genannt hat. Nur sehr wenige Superstars haben es in den USA jemals geschafft, mehr als
zwei Millionen Exemplare eines Albums innerhalb eines Monats zu verkaufen, ganz zu schweigen von jemandem, der hierzulande nicht etabliert ist. CDs lassen sich schnell produzieren, es gibt also keinen Grund, gleich vier Millionen Stück herzustellen. Der Artikel hinterlässt zumindest bei Leuten, die sich im Plattenbusiness auskennen, das ungute Gefühl, dass die meisten Robbie WilliamsCDs in den Kaufhäusern verstauben werden. Die New York Times druckt hinterher sogar eine Gegendarstellung, aber es ist bereits zu spät: Der Artikel wird immer wieder als Tatsache zitiert.
Rob sieht sich auf BBC World ein Interview mit Daniel Day-Lewis an. «Der gefällt mir», sagt Rob. «Wie alt war er, als er sich zu diesem Fünf-Jahres-Plan entschlossen hat?» Er meint Day-Lewis' stillen Rückzug für fünf Jahre aus dem Schauspiel-Geschäft, der mit einer Rolle in Gangs Of New York von Scorsese endete.
9 An einem Freitag im März gehen Rob, Max, Jonny und dessen Verlobte, Nikki Wheeler, nach Mitternacht ins Shamrock TattooStudio, um sich tätowieren zu lassen. Rob lässt sich drei Tattoos machen. Zunächst sagt er dem Tätowierer, er wolle als Erinnerung an seine Großmutter «Bertha» auf der Hand haben. Während der Tätowierer noch Entwürfe zeichnet, fällt Rob ein, dass sie ihren Namen nie leiden konnte. Er kann sie geradezu hören, wie sie zu ihm sagt: «Also, wenn es unbedingt sein muss, dann lass wenigstens
«Jedem das Seine» – ausgesucht. Der Tätowierer meint, das seien zu viele Buchstaben für seinen Hals, also lässt Rob sich das Ganze in einem Bogen auf die Brust schreiben. Das «C» tut ziemlich weh, aber danach geht es. Nach der Hälfte, beim «á», macht er eine Zigarettenpause. Er überlegt noch, ob er sich ein viertes machen lassen soll – den Satz «It's your birthday» oberhalb seines Penis, aber er entscheidet sich dagegen.
Vor einer ganzen Weile hatte er zugesagt, seine Version von «Beyond The Sea» – ein Stück aus dem Swing-Album – als Titelsong für den Trickfilm Findet Nemo freizugeben. Er hat seitdem nicht mehr darüber nachgedacht, aber heute Abend ist er eingeladen, um sich den Rohschnitt des Films anzusehen. Zu acht nehmen wir an dem Screening teil, das eigens für ihn auf dem Disney-Gelände stattfindet. Am Eingang erklärt Rob, warum wir hier sind. «Kann ich Ihren Ausweis sehen?», fragt der Wächter. «Habe ich nicht dabei», meint Rob. «Oh», meint der Wächter. Er überlegt. «Na ja, nachdem Sie ja offenbar Bescheid wissen, sind Sie wohl der, der Sie zu sein behaupten», sagt er. Der Vorführraum ist gleich hinter einem Holzschild, auf dem «Puhund Ferkel-Ecke» steht. Wir sind alle fasziniert von dem Film, auch wenn noch niemand den Riesenerfolg ahnt. «Trickfilme sind einfach die besten Filme», sagt Rob, nachdem das Licht wieder angegangen ist. «Ich musste weinen», sagt eine Frau von Disney. «Ihr auch?» «Ja», meint Rob, «aber ich nehme Medikamente, also macht mir so was heutzutage nichts mehr aus.»
Er hat eine Tour durch amerikanische Radiosender vor sich. Auch wenn niemand genau weiß, wie ein Hit in Amerika entsteht, gilt es als sicher, dass man die lokalen Radiosender auf seiner Seite haben muss.
Um die Strapazen so gering wie möglich zu halten, hat ihm die Plattenfirma ein Privatflugzeug zur Verfügung gestellt, damit er während der ersten paar Tage immer wieder nach Los Angeles zurückfliegen kann. Er muss trotzdem jeden Morgen um sechs Uhr aufstehen und ist entsprechend müde. Im Bus zum Rollfeld verkündet er, dass er eine Idee für die SommerTournee hat. «Nichts Besonderes», sagt er. «Ist es ja nie.» Er hat sich überlegt, wie er das mühsame «She's The One» singen könnte. «Ich gehe eine Weile von der Bühne und sage dann von hinten:
«Aggy, sei ehrlich», sagt er zu der Moderatorin, «ist das Dekolleté extra für mich?» Sie hält kurz inne. «Nicht wirklich, Schätzchen», sagt sie dann. «Ich ziehe mich immer wie ein Flittchen an.» Während der Sendung dürfen sie und ihr männlicher Co-Moderator ihm eine Haarsträhne für ein Gewinnspiel abschneiden. Dann fragen sie ihn, wann er das letzte Mal Sex hatte. «Vor zwei Wochen», sagt er. «Und mit dir selbst?» «Vorgestern Nacht.» Sie fragen ihn nach seinen Tätowierungen, und er zieht das Hemd aus und gibt ihnen eine kleine Führung. Die Moderatoren fragen, ob sie für das Gewinnspiel noch etwas von seinem Brusthaar haben dürfen. «Ein paar von den Haaren um die Brustwarzen», schlägt er vor. «Die Achselhaare sehen auch nicht schlecht aus», meint die Moderatorin und klappert mit der Schere. «Bedien dich», sagt er. «Du riechst nach Karamell», stellt sie fest. Der Moderator plaudert weiter und erwähnt, dass Rob in Amerika bisher nicht ganz so erfolgreich ist wie auf der restlichen Welt. «Du brauchst nicht so diplomatisch zu sein», sagt Rob. «Hier weiß kein Mensch, wer ich bin. Das ist okay. Deshalb dürft ihr mir auch Haare abschneiden, und ich erzähle euch von meinen intimen Problemen ...» Eine Tür weiter singt er vier Songs zu akustischer Begleitung. Der Kontrast zwischen dem Quatsch, den er eben von sich gegeben hat, und der Intensität seiner Songs kommt einem völlig absurd vor, auch wenn es ein paar Momente gibt, in denen beides zusammenkommt. Statt des «Angels»-Refrains «I'm loving Angels instead» singt er «this should have been a huge hit», und während des InstrumentalTeils vor dem finalen Crescendo sagt er plötzlich: «Jawohl, Ladies und Gentlemen,
nicht, warum das hier kein Hit wurde ... Okay, lasst uns den Refrain singen und nach Hause gehen ... » Hinterher geht er direkt in sein Hotel und schläft ein paar Stunden, bevor uns das Flugzeug nach Sacramento bringt. Er nimmt ein paar Sender-IDs auf und wird anschließend gebeten, eine lebensgroße Pappfigur der Schauspielerin Sarah Michelle Gellar zu signieren. Er soll ein paar Songs singen, die nicht einmal gesendet werden, sondern nur die Sieger irgendeines Gewinnspiels erfreuen, und ein bisschen gute Laune verbreiten. Die Radiosender Amerikas zu umwerben kann ganz schön anstrengend sein. Die Bühne ist in einer Art Lagerhalle untergebracht. Die Bäume auf jeder Seite sind der verzweifelte Versuch, so etwas wie intime Atmosphäre herzustellen. Das Ambiente erinnert an die Warenannahme eines Supermarkts. Im Raum verteilt sich das Publikum aus etwa 50 Leuten, von denen die meisten, wenn man es wohlwollend ausdrücken möchte, begrenztes Interesse zeigen. An der Seite ist ein Buffet aufgebaut, und in regelmäßigen Abständen schlendern sie hinüber, um sich eine kleine Zwischenmahlzeit zu gönnen. (Es gehört zu den bitteren Wahrheiten, dass Robbie Williams in manchen Teilen Amerikas dem Publikum nur mit Hilfe zusätzlicher Gratismahlzeiten schmackhaft gemacht werden kann.) Vielleicht liegt es an seiner wilden Entschlossenheit, dieses Publikum für sich zu gewinnen oder an der Absurdität der Situation – auf jeden Fall gibt er sein Bestes. Er ist lustig, charmant, freundlich und singt wie ein Traum. Wenn er Monat für Monat so weitermachen würde – und ich bin ziemlich sicher, dass die Plattenfirma genau das erwartet –, kann man sich nur schwer vorstellen, dass Amerika ihm widerstehen könnte. Aber er hat keine Lust dazu. Gut möglich, dass es in Amerika genügend Leute gibt, die von ihm verführt werden möchten, aber der Weg ist unendlich mühsam und lang.
Nach einem 28-minütigen Flug am nächsten Morgen ist San Diego dran. Als wir auf den Parkplatz des Senders Star 100.7 FM einbiegen, fahren wir an vier Mädchen vorbei, die Schilder hochhalten und um Karten für seinen Auftritt im Studio des Senders
betteln. Er nimmt sie mit in den winzigen Warteraum, in dem eine Obstplatte und Sandwiches bereitstehen. «Möchtet ihr etwas Käse?», fragt er. Sie antworten nicht. «Habt ihr Angst?» Nachdem sie immer noch nicht antworten, muss man davon wohl ausgehen. Langsam tauen sie auf. «Ist das hier ein guter Sender?», fragt er. «Nö», sagt die eine überzeugt. «Die haben dich hier voll fertig gemacht», sagt die andere. (Sie hat einen englischen Akzent; später stellt sich heraus, dass sie hier in San Diego den English Shop leitet und Baked Beans und Yorkie Bars an Briten mit Heimweh verkauft.) «Erzähl weiter», drängt er. «ich habe eine dicke Haut.» Die drei legen los. «Na, deine Sexualität, du bist fett, du bist gar nicht so niedlich, du singst gerade mal okay ...» «Und dann hast du eine der Moderatorinnen im Haus von Ozzy Osbourne total ignoriert. Jen hat gesagt, du hättest einfach durch sie hindurchgesehen.» «... der Typ sagte, <Er isst gerne Speck. Das kann man ihm nicht vorwerfen, er ist eben ein Mastschwein.>» «... und dann hat er gesagt: <Er ist ein bisschen teigig, oder?>» Robs Augen leuchten. Die Beleidigungen machen ihm nichts aus. Jetzt weiß er wenigstens Bescheid und hat ein paar Informationen, die er zum Schluss verwenden kann. «Ich muss mir das alles aufschreiben», sagt er. «Jen hat was gesagt ...?» «Jen hat gesagt, du hättest ihn einfach voll übersehen bei der Ozzy Osbourne-Party. Sie kam zu dir herüber, um dich zu begrüßen, und du hast einfach durch sie hindurchgesehen, obwohl du ganz allein mit John Lovitz warst ... » «Bei Party übersehen», wiederholt er beim Schreiben. «Okay. Ich bin ein <Mastschwein> – wer hat das gesagt?» «Jen.» «Und sie haben gesagt: <Er ist ja schließlich nicht Robin Williams.>» «Teigig – das hat Greg gesagt.»
«Der fette Typ?», fragt Rob, der die Moderatoren kurz kennen gelernt hat. Er lacht. «Okay. Was noch?» «Sie haben gesagt, du könntest gar nicht richtig singen.» Er nickt. «
Gleich zu Anfang des Interviews zieht er sein Hemd hoch, und Jen sagt, «Hi, fox!» Es gibt drei Moderatoren, Jen, Greg und Sarah. Rob kommt gleich zur Sache. «Wie toll, dass du hier bist», sagt Jen. «Ja. Wisst ihr was, ich habe da ein paar Sachen gehört, die mich ziemlich irritiert haben.» «Was denn?», fragt Jen. «Jen – ich habe dich bei Ozzy Osbournes Party übersehen. War es das? Außerdem bin ich ein Mastschwein. Ist ja auch nicht so, als
wäre ich Robin Williams. Greg – ich bin ein bisschen teigig und kann nicht richtig singen, und wirklich niedlich bin ich auch nicht.» Es entsteht ein Durcheinander aus Dementis und Rechtfertigungen. Jen sagt, dass sie bei der Osbourne-Party ziemlich fertig war. «Baby, du musst das mal so sehen», sagt er, «ich bekomme Panikattacken in Gesellschaft ... das ist die Wahrheit ... Ich bin auf Medikamenten ... und zwar nicht zu knapp. Und wenn ich dann auf einer Party bin und mich fürchte, und irgendjemand kommt auf mich zu und will mit mir reden, bin ich: Hmmm, hallo, ich muss jetzt gehen ... Weißt du, Jen, manchmal geht es einfach nicht um dich.» «Das versucht mir mein Therapeut auch klar zu machen», gibt sie zu. «Verbring hier mal eine halbe Stunde mit dem Liebesdoktor, und dann wird das alles schon wieder», sagt Rob. Greg will wissen, wie man auf einer Party mit ihm ins Gespräch kommen kann. «Man könnte wahrscheinlich sagen:
«Ja», sagt Rob. «Gott gebe uns die innere Ruhe, die Dinge, die wir nicht verändern können, zu akzeptieren ... » «Du hast gehört, dass sie gut küssen kann, ja?», fragt Sarah, die andere Moderatorin. «Allerdings», meint er. «Wenn du es gerne selber ausprobieren möchtest ...», provoziert Sarah. «Na, Jen, ich habe gerade Kaffee getrunken und geraucht, stört dich das?», fragt er. Sie schüttelt den Kopf. «Sollen wir uns richtig küssen?», fragt er. Sie erzählt, dass Johnny Rzeznik sogar Zigaretten ohne Filter geraucht hat. «Das kommt davon, weil er Rock 'n' Roll ist, Mann», sagt Rob. «Aber was ich wissen möchte: Hat er dich live im Radio geküsst?» «Nein», lacht Jen. Sie kann sich immer noch nicht vorstellen, dass er sie gleich küssen wird. «Mit Zunge?» «Nein!», sagt sie und lacht noch immer. «Darf ich dir live im Radio einen Zungenkuss geben?», fragt er. Und genau das tut er. Kein kleiner Filmkuss, sondern ein echter, intensiver, tiefer Zungenkuss. Die anderen Moderatoren sind völlig platt und quietschen vor Vergnügen, die Zuhörer sehen durch die Glastür zu. Während des Verkehrsfunks schiebt Rob Jen ein Kaugummi zu, sie bedankt sich. «War mir auch ein Vergnügen, Baby», sagt er. «So viel Action hatte ich schon lange nicht mehr.» Jemand vom Sender schlägt vor, sie sollten den Kuss nochmal für ein Foto nachstellen, was sie auch tun. Rob betrachtet das Digitalfoto. «Das ist ja widerlich», sagt er. «Wir müssen das nochmal machen.» Was sie auch tun. «Der weiß wirklich, wie man eine Platte unters Volk bringt», sagt der Mann von seiner amerikanischen Plattenfirma. «Wenn noch jemand eine Kamera hat ... », sagt Jen. «Also wirklich», meint Rob, «ich habe schon einen Steifen.» «Ich auch», erwidert sie, «und dabei habe ich nicht einmal einen Schwanz.»
Sie sind immer noch nicht wieder auf Sendung, und die Moderatoren wollen wissen, woher er die ganzen Informationen hatte. «Das waren diese Landstreicher mit den Schildern, die du an der Ecke aufgegabelt hast», sagt Sarah. Die Zuhörer, inklusive der drei Mädchen, die im nächsten Raum warten, werden hereingebeten, um Rob beim Singen zuzusehen. Auf den drei Fernsehschirmen an der Wand ist der Krieg zu sehen, ohne Ton.
Im Bus auf dem Weg zum Flughafen singt Rob vor sich hin: «... lieft from the Station, with a haversack and some trepidation.» «Wäre doch echt schade, wenn ich diese Tour nicht gemacht hätte», sagt er im Flugzeug. «Es macht total Spaß. Ob das jetzt was bringt oder nicht.» Als wir über das Tal von Los Angeles fliegen, sieht er nach unten. «Da unten ist ein Verkehrsübungsplatz», stellt er fest, «und ein Golf-Club.» Als Teenager hat er Golf gespielt, und er redet immer so, als würde er gerne wieder damit anfangen. Josie erzählt, dass sich Matrix, das neue angesagte SongschreiberTeam, die auch Avril Lavignes größte Hits geschrieben haben, mit ihr in Verbindung gesetzt haben, um mit ihm zusammenzuarbeiten. Er schüttelt den Kopf. «Ich will eigentlich nicht mit denen zusammenarbeiten», sagt er. Er hat auch von der Idee, mit Linda Perry zu arbeiten, Abstand genommen. Sie hat ihm einen Vertragsentwurf geschickt, der vorsieht, dass sie sämtliche Songs produziert, auch die, die Rob alleine geschrieben hat. Ich glaube, es geht gar nicht darum, dass ihm die Bedingung nicht gefällt. Ihm passt nicht, dass jemand, mit dem er zusammenarbeiten will, bereits irgendwelche geschäftlichen Vereinbarungen treffen möchte, bevor der erste Song geschrieben ist. Josie erzählt außerdem, dass es ein Problem mit der Single «Come Undone» gibt, die gerade in England erschienen ist. Das Video wird von keinem Sender gezeigt, was fast zu erwarten war, aber auch Radio Two spielt den Song nicht, womit man nicht rechnen konnte. Es liegt offenbar nicht nur an den vielen «fucks» und «shits», die für die Radioversion ohnehin schon verfremdet wurden, sondern auch an der Zeile «such a samt, such a whore». Das Wort «whore» — «Hure» —
ist im eigentlichen Sinne ja gar nicht gemeint, sondern bezeichnet nur den Sänger selbst in einem weiteren Versuch der Selbstzerfleischung. Chris Briggs sitzt im Studio in London und versucht, die beanstandeten Passagen zu verfremden. «Fuck» und «shit» sind relativ einfach zu ändern, aber es scheint schwierig zu sein, die «Hure» zu eliminieren, ohne dass man merkt, welches Wort ursprünglich gemeint war. David erwähnt, dass Radio One eines der Knebworth-Konzerte im Sommer live übertragen werde. «Ich weiß noch, wie ich das Knebworth-Konzert von Oasis im Radio gehört habe», sagt Rob. «Damals fuhr ich gerade von Stoke-on-Trent nach London.» «Hast du dir damals gedacht:
Das amerikanische Experiment dauert noch einen Tag. Als sie von Los Angeles nach Salt Lake City östlich über die Rocky Mountains fliegen, werden im Flugzeug Rühreier serviert. David bewundert die schneebedeckten Berggipfel unter sich. «Das habe ich mir früher durch die Nase gezogen», bemerkt Rob. Beim ersten Radiosender von Salt Lake City, 107.5 The End, stellt sich ein Mann, auf dessen T-Shirt «Disco Instructor» steht, als «Chunga der DJ» vor. «Mein richtiger Name lautet Brett Smith, aber wen interessiert das», fügt er hinzu. Rob geht auf eine Zigarette nach draußen, und wir stehen im Regen an der Hintertür neben einer großen Satellitenschüssel am Ufer eines schmalen, rechteckigen Sees unter einer Autobahn-Überführung. In einem Baum hängen lauter CDs. «Wir hatten einen CD-Wurf-Wettbewerb», erklärt Chunga der DJ, «aber dann kamen die Naturschützer und haben es verboten.» Er fragt Rob nach seinen Tätowierungen, und Rob antwortet: «Es wird mal so werden:
halb im Scherz hinzu: «Ich mochte mich selber nicht ... innen tat alles so weh.» Chunga sieht, wie ich mir Notizen mache, und will wissen, wer ich bin. «Er ist mein Bewährungshelfer», sagt Rob. Selbst im Verhältnis zu allem anderen, was wir in dieser Woche erlebt haben, ist der Rahmen des heutigen Auftritts erstaunlich. Rob wird im kommenden Sommer dieselben Songs in Knebworth vor jeweils 375 000 Menschen an drei aufeinander folgenden Abenden singen, und jeder Abend ist komplett ausverkauft. An diesem Morgen singt er in einem winzigen Zimmer ohne Fenster vor einem Publikum aus 14 Fans auf Klappstühlen. Er begrüßt jeden einzelnen Zuschauer und bietet ihnen Krispy Kreme-Donuts an. Während er «Feel» singt, geht er auf die Knie und tut so, als würde er zwischen den Brüsten einer Frau in der ersten Reihe einschlafen. Als er bei «Angels» angekommen ist, hat der Sender die Übertragung bereits eingestellt, obwohl er besser singt, als ich das Stück je gehört habe – rührselig, aber erhebend, nur für diese 14 Leute und sich selbst und den Spaß. Im Instrumental-Teil tritt er nach vorne und schüttelt allen die Hand, bevor er sich in den Refrain wirft. Er rauscht zum nächsten Sender in Salt Lake City, Star 102.7, grüßt und schüttelt alle möglichen Hände. Beim Weggehen höre ich, wie der Moderator einem Mann mittleren Alters erklärt, wer Rob ist. Der Mann wirkt ganz bestürzt: «Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich ihn netter begrüßt.»
Im Flugzeug auf dem Weg nach Hause verkneift er sich, den Korb mit Süßigkeiten anzurühren. So weit, so gut. «Meine Großmutter war immer zu Hause, wenn ich aus der Schule kam – jeden Abend, ohne Ausnahme –, und hatte immer zwei Packungen Maryland-Kekse, ein Twix und zwei Donuts für mich», erzählt er. «Jeden Abend. Und dann noch meine Sandwiches und so was.» Er erzählt, dass er immer nur gegessen und gegessen habe. «Um die Ecke gab es einen kleinen Laden, bei dem man anschreiben lassen konnte, Schokolade, SchokoBons und so 'n Zeug.» Die anderen Kinder beeindruckte er mit dem Trick, kein Geld dabeizuhaben und trotzdem mit haufenweise Scho-
kolade aus dem Laden zu kommen. Seine Lieblingssüßigkeiten waren kleine Lollis, «Drumsticks» genannt. David möchte wissen, von welchem Pudding er am häufigsten geträumt hat, und nennt ihm seine eigenen drei Lieblingssorten: Schokoladen-Grießbrei und Milchreis mit Marmelade, Vanillepudding mit Haut und Pannacotta mit Beeren. «Ich glaube, auf die Liste gehört Sirup-Pudding», überlegt Rob. «Und Brotpudding mit Eis oder Vanillesoße.» Er redet begeistert über den Thunfisch-Toast, den seine Mutter immer machte. «Sie nahm Thunfisch aus der Dose und hat ihn mit Salz, Pfeffer, Ketchup und Mayonnaise gemischt. Dann hat sie das Toastbrot auf beiden Seiten mit Butter beschmiert und das Ganze in den Ofen getan. Das hat gerockt.» Er hat seit zehn Jahren keinen Thunfisch-Toast mehr gegessen. «Ich muss meine Mutter bitten, mir mal wieder einen zu machen.» Er erzählt, dass er in der Schule jeden Tag das Gleiche gegessen hat:«Pommes frites, Bohnen, Braten- und Tomatensoße.» Morgens gab es Weetabix gemischt mit Cornflakes, zu Hause immer Gemüse und viel Obst. Seine Mutter hat jeden Abend etwas wirklich Gesundes gekocht. Er erinnert sich, wie frustriert er manchmal über seine Großmutter war, wenn er aus der Schule kam. «Sie hat mich wahnsinnig gemacht, weil sie so alt war», erzählt er. «
Wenn man das Leben eines Menschen nacherzählt, trifft man zwangsläufig eine Auswahl, was man erzählt und was man weglässt. Viele Dinge, die unerwähnt bleiben, haben mit den ganzen banalen, unwichtigen Momenten des Lebens zu tun. Manches wird aus anderen Gründen weggelassen: Es ist beispielsweise nicht notwendig, in diesem Buch genau wiederzugeben, wie häufig Rob einen fahren lässt. In seiner Kindheit war seine Mutter so freundlich, ihn in dem Glauben zu lassen, dass seine Geschenke an die Welt nach Rosen dufteten, und offenbar glaubt er das immer noch. Diese Angewohnheit wird meistens stillschweigend hingenommen, aber manchmal, wie gerade jetzt, auch angesprochen. «Ich frage mich, ob ich so viel furze, weil ich so viel Wasser trinke», sagt Rob. «Ich glaube, es hat eher etwas mit dem unglaublichen Tempo zu tun, mit dem du isst», sagt David. Vielleicht hat es einfach damit zu tun, dass du dir keine Mühe gibst, es zu lassen, werfe ich ein. Er lächelt. «Wahrscheinlich.» «Ich glaube, Bryan Ferry hat in seinem ganzen Leben noch nie gefurzt», meint David.
Rob sagt zu mir, er würde versuchen, nichts mehr über sich im Internet zu lesen. In den letzten Wochen war er davon fast besessen. «Ich glaube, das hat mich wirklich etwas irre gemacht», sagt er. «Manches davon interessiert mich wirklich. Bei manchen Sachen will ich einfach sehen, ob es mich verletzt. Unterbewusst. Ich glaube, Leute wie ich suchen eigentlich immer nach irgendetwas, was ihnen den Tag versaut. Oder was ihre schlimmsten Ängste über sich selbst bestätigt.» Eines Tages, als er gerade auf dem Laufband trainierte, stellte er sich vor, wie er mit einem Stück Hühnerdraht hinter jemandem stand, der einen Artikel über ihn schrieb, und da wusste er, dass er aufhören musste. Er spricht über Ideen für das nächste Robbie Williams-Album. «Air trifft
Er singt vor sich hin. «When I see you with your new man, something stirs inside of me. lt's not that I want you back, it's how ugly love can be ... How did I make sound sincere, when you were just a one-night-stand that lasted a year?» Der Song stammt von ihm und heißt «Ugly Love». Es erinnert ihn an Leute, mit denen er früher zu tun hatte, Leute, mit denen er zusammen Drogen genommen hat. Er er-wähnt eine Gruppe von Musikern und fragt sich, wie es den Einzelnen wohl gehen mag. «Das war ehrlich gesagt ziemlich scheußlich», überlegt er. «Ich hatte damals ein bisschen mit Heroin zu tun.» Wie hat es sich angefühlt? «So, als wäre man in Watte gepackt. Oder als hätte man verdorbene Krabben geraucht. Jedenfalls muss man sich ständig übergeben.» Warum hast du das überhaupt gemacht? «Weil uns das Koks ausgegangen war», sagt er. «So passiert das normalerweise, glaube ich. Ich habe meine Mutter angerufen, um ihr zu sagen, dass ich heute Abend nicht nach Hause käme, und gleichzeitig dachte ich die ganze Zeit:
An einem warmen Frühlingsabend, zurück in seinem Haus in Los Angeles, hat Rob die Idee, dass wir uns alle unter die Sterne auf das Trampolin im hinteren Teil des Gartens legen sollen. Er holt ein paar
Daunendecken und Kissen, und wir legen uns zu sechst – Rob, Max, seine Freundin Milica, Chris Sharrock, Jason und ich — im Halbkreis auf den Rücken, die Köpfe an der Kante, die Füße alle in der Mitte. Sid springt hoch und legt sich dazu. Es ist wundervoll hier draußen. Wir reden stundenlang nur dummes Zeug über die Vergangenheit und Gegenwart, und dann stellt Max uns Assoziationsfragen, einer nach dem anderen im Kreis herum. Robs Antworten sind Joint («wie nennst du Kraut»), Trampolin («das erste Wort, das dir einfällt»), «Tie Your Kangaroo Down» («erster Song, der dir einfällt»), Halle Berry («Frau, die du jetzt sofort vögeln willst»), Chips («Essen»), Milch («Getränk»), Smith («Leute, die John heißen»), Duchovny («Leute, die David heißen»), Neptun («Planet»), Australien («Land»), «Dog Day Afternoon» («Film»), Eddie Murphy («Komödiant»), Manchester United («Fußballteam»), Magaluf («Ferien»), Zeder («Baum»), Hund («Tier»), Apfelsine («Obst»), Stealer's Wheel («Band»), Rosen («Blume»), Elvis Costello («Solo-Sänger»). «Sollen wir ganz lange hier draußen bleiben?», fragt er. Chris Sharrock zeigt auf ein paar Bäume, die im Wind ihre Form verändern. «Sieht aus wie Jimi Hendrix mit Afro-Frisur», sagt er. «Ich komme mir vor, als wären wir in Tahiti, 1958, und drehen die <Meuterei auf der Bounty>», sagt Max. «Kann ich Brando sein?», fragt Milica. «Nein», sagt Max eingeschnappt. «Ich bin Brando.» Dann liegen wir da, ohne zu reden. «Ich habe gerade den Sinn des Lebens begriffen», meint Rob. «Der da wäre?», fragt Max. Lange Pause. «Take That zu verlassen», sagt Rob. Langes Schweigen. «Ich würde gerne ein UFO sehen», sagt er.
Es ist noch zu früh, um zu beurteilen, ob sich Robs teure, schnelle Promotion-Offensive wirklich gelohnt hat. Falls sie funktioniert, tut sie es jedenfalls sehr langsam. Der Erfolg bei amerikanischen Radiosendern wird an der Zahl der Sender gemessen, die eine neue Single
in ihre Playlists aufnehmen. Singles, die zu Hits werden, entwickeln eine gewisse Eigendynamik. In der Regel haben sie zunächst nur regionalen Erfolg. Richtig ins Rollen kommt das Ding, wenn der Song bei einem wachsenden Publikum und mehreren Radiosendern immer beliebter wird (es werden ständig Marktforschungen betrieben), die Programm-Direktoren miteinander reden und die Fachpresse beschreibt, wie sich der Song entwickelt. «Feel» steht auf wenigen Playlists. Robs Radiobesuche scheinen zwar alte Fans bei der Stange zu halten, aber es kommen nur wenig neue dazu. «Feel» ist jedenfalls noch weit davon entfernt, ein Hit zu werden. In England darf «Come Undone» inzwischen auf Radio Two gespielt werden – wenn auch in einer Version, die nie erscheinen wird. Aus «so self aware so full of shit» wurde «so seif aware so fall of it», aus «so need your love so fuck you all» wurde «so need your love good luck you all» und aus «such a saint, such a whore» ist «such a saint, such a bore»geworden. Rob hatte keine Zeit, die geänderten Passagen neu aufzunehmen, und die einzelnen Wörter konnten auch nicht aus bereits existierenden Songs herausgeschnitten werden. Es gibt allerdings einen hervorragenden Robbie Williams-Imitator, den Studiosänger Paul Caitlin Birch. Er nahm kurzerhand die neuen Worte auf, und Radio One war zufrieden.
10 Rob hat sich entschlossen, nach einem neuen Haus zu suchen. Eigentlich mag er sein altes – es ist groß, luxuriös und hat genügend Schlafzimmer für den ständigen Strom an Gästen. Gleichzeitig ist es gemütlich und kompakt genug, um sich darin sicher zu fühlen. Er möchte aber einen größeren Garten für seine Hunde. Vielleicht gefällt ihm auch die Idee, in einem größeren, teureren Haus zu wohnen, weil er anderen Leuten damit imponieren kann; er kann es sich schließlich leisten, und er hat etwas zu tun. Heute will er sich ein paar Häuser in den schicksten Gegenden der Hollywood Hills ansehen. «Wir machen unseren Weg nach oben, Kinder», sagt er, als wir durch die Tore fahren.
Hier ist alles makellos, jeder Baum, jede Hecke oder Weg – irgendwie schön und irgendwie grässlich. «Viel besser instand gehalten, oder?», fragt David. «Schon», meint Rob, «aber es macht einen ziemlich sterilen Eindruck, findet ihr nicht? Ich komme mir hier etwas minderwertig vor.» «Ich würde sogar in den Laternenpfahl dort einziehen», sagt Max. «Wunderschön.» Wir halten vor dem ersten Haus. «Hier kommt die Arbeiterklasse!», verkündet Max. Das Grundstück hat 3600 Quadratmeter und gehört einem bekannten Filmproduzenten. Wir werden von einem Makler herumgeführt, der Rob wenig Hoffnung macht, hier ein zurückgezogenes Leben führen zu können. Vom Balkon aus zeigt er auf die Häuser der benachbarten Stars: «Das ist das Haus von Sylvester Stallone ... da ist Denzel Washington ... Rod Stewart ... » Während wir durch das Haus gehen, weist er auf die Besonderheiten hin, die Rob beeindrucken sollen. «Im Esszimmer können 30 bis 34 Gäste sitzen», sagt er. «Ich habe aber nur zwei Freunde», meint Rob. Das nächste Haus, das einem anderen berühmten Filmemacher gehört, ist für 14 Millionen Dollar auf dem Markt. Es liegt eingebettet in die Hügel und bietet keinerlei Blick auf irgendetwas, kann aber von verschiedenen Häusern eingesehen werden. Es gibt einen extra Kinderflügel mit Hunderten von Spielsachen. An der Wand hängt ein gerahmter Brief von Präsident Clinton an die Kinder. «War toll, so aufzuwachsen, oder?», meint Rob grinsend zu Max. «Bei uns gab es ein Buch pro Jahr», antworte Max. Ein paar Tage später sieht Rob sich ein paar andere Häuser an. Das eindrucksvollste Haus ist wahnwitzig gepflegt und gehört einem Motorrad-Champion. «Die Gartenarbeit», erklärt der Mann ernst, der Rob herumführt, «wird von einem Botaniker mit Nagelschere ausgeführt.» Der Mann deutet im Vorbeigehen auf jede Besonderheit hin — «das hier ist alles venezianischer Verputz», «der Kronleuchter ist Louis XV». Im Endeffekt besteht das Haus aus einer Ansammlung der besten Innendekorations-Ideen aus den vergangenen 1000 Jahren, umgesetzt auf Los Angeles-Art. Im Schlafzimmer kann man einen Gobelin
aus dem 15. Jahrhundert elektronisch verschwinden lassen, um den dahinter liegenden Dream Vision Plasma-Fernsehbildschirm freizulegen. Genau so hatten sich die Weber des Wandteppichs das damals wahrscheinlich vorgestellt. Botaniker mit Nagelschere. Rob lernt auf diesen Ausflügen etwas sehr Wertvolles: Wie sehr er das Haus schätzt, in dem er bereits wohnt.
Auf dem Flug nach Toronto — diesmal ein Linienflug — sitzt Rob neben mir. Ich lese die Zeitung, in der von einer mysteriösen Krankheit namens SARS die Rede ist, die man gerade entdeckt hat. In Toronto habe es ein paar Fälle gegeben, aber die seien unter Kontrolle und es gebe keinen Grund zur Besorgnis. Ich erwähne lieber nichts davon. Rob macht den Männlichkeitstest der Zeitschrift FHM. Hier ein paar seiner Antworten: Anzahl der Frauen, mit denen er geschlafen hat: 21+ (die höchste Zahl, die angeboten wird). Jemals einen Dreier gehabt: Ja. Jemals analen Sex gehabt: Ja. Die Anzahl von Frauen, mit denen er gleichzeitig etwas hatte, ohne dass sie voneinander wussten: zwei. («Das war noch, bevor ich berühmt wurde», sagt er.) Anzahl der unterschiedlichen Nationalitäten, mit denen er geschlafen hat: Er hakt die Kategorie «so ziemlich alle inklusive der Inuiten» an. (Aber keine richtigen Eskimos? «Nein. Aber dafür bekomme ich zehn Punkte.») Einer Frau multiple Orgasmen verschafft: Ja. Von einem Mädchen wegen schlechten Benehmens jemals eine gescheuert bekommen: Ja. Gibt es in seiner Vergangenheit Frauen, die sofort wieder mit ihm zusammen wären, wenn er es wollte? Ja. Hat er je ein Mädchen davon überzeugen können, Folgendes für ihn zu tun: Einen erotischen Tanz im Wohnzimmer zu veranstalten (ja), in einem privaten Pornofilm mitzumachen (no), mit ihm Sex an einem öffentlichen Ort zu haben («das fülle ich nicht aus»), sich für ihn in seinem Phantasie-Kostüm zu verkleiden (ja; er will das aber nicht weiter ausführen), seinen Anus zu lecken (ja). Er hat BungeeJumping gemacht, ist gesurft und hat geschossen, aber er ist noch nie mit einem Fallschirm gesprungen und hat kein Rafting gemacht. Er hat sich «etwas Kleineres gebrochen» (Nase, Finger, Rippe) und
einen Knöchel («Fußball»). Extremstes Experiment mit Gesichtsbehaarung: Er kreuzt «gewaltige Backenkoteletten» an. Anzahl der Freunde, die er als «echte Kumpel» bezeichnen würde: zwei bis fünf. Schlägereien in seinem Leben: sechs bis zehn. Davon gewonnen: «Mehr als die Hälfte». Anzahl der Verhaftungen: null. Was er verdient: 40 001 Pfund +. Warum er gekündigt hat: Er hakt «freigestellt», «abgeworben», «mehr Geld im neuen Job» und «schiere Langeweile» an, aber nicht «gefeuert» oder «umgezogen». Sonderzulagen seines Jobs: Er macht seine Kreuze bei «Firmenwagen», «regelmäßige Reisen in fremde Länder», «wenig Arbeit» und «attraktive Kolleginnen». Negativster Aspekt seiner Arbeit: «Stress» und «eigentlich nichts». Mit wie vielen seiner Kolleginnen hat er geschlafen? Er kreuzt die Option «fast alle» an. Wie lange wird er seinen momentanen Job machen? «Bis ich etwas Besseres finde». FHM meint, die durchschnittliche Punktzahl sollte bei 95 liegen, aber das überhitzte Leben eines Popstars ist so voller Versuchungen und Verpflichtungen, dass sich Robs Gesamtpunktzahl auf 199 beläuft.
Er gibt dem kanadischen Fernsehen ein Interview. Die Journalistin ist genau die richtige Mischung aus mütterlich, intelligent und mitfühlend, damit er sich ihr öffnet. «Sind Sie der Meinung, dass Sie sich Ihre Beziehungen unnötig schwer machen?», möchte sie wissen. «Nein, ich glaube nur, dass ich mir immer solche Frauen aussuche, die ich wieder verlassen kann. Aber ich bessere mich.» «Was ist für Sie leichter: zu lieben oder geliebt zu werden?» «Zu lieben. Eindeutig. Aber immer mit dem Fluchtweg im Hinterkopf. So ein bisschen wie: Wir sind im Flugzeug, es gibt nur einen Fallschirm, und den habe ich .... Aber das wird hoffentlich besser, je älter ich werde.» Gegen Ende des Interviews fragt sie, ob es irgendetwas bei ihm gibt, worüber sich die Leute falsche Vorstellungen machen. «Nein», sagt er. «Es gibt keine falschen Vorstellungen über mich. Ich bin 100 Prozent von dem, was die Leute glauben. Und ich bin zehn Prozent von dem, was die Leute glauben. Da gibt es keine falschen Vorstellungen.»
Später, nachdem er ein paar Episoden der «Sopranos» gesehen hat (HBO hat ihm freundlicherweise die Videos der kompletten vierten Staffel zur Verfügung gestellt), höre ich, wie er am Telefon mit jemandem redet, der gerade in großen Schwierigkeiten steckt. Manchmal ist es wirklich erstaunlich, wie erwachsen er sein kann, wenn er will: Seine Ratschläge sind geduldig, unterstützend und sensibel. Genau so einen Freund wünscht man sich in diesem Moment. Dann sieht er sich die letzte «Soprano»-Folge an. «Ich habe das Gefühl, ich sollte jetzt das Tischgebet sprechen», sagt er, als er die Kassette in das Videogerät schiebt. «Gibt es irgendetwas, das ich noch wissen müsste?», fragt David, der die letzten Episoden verpasst hat. Der Vorspann läuft. «Nein», meint Rob. Dann überlegt er. «Höchstens, dass ich plane, mich in zwei Jahren auf dem Musikgeschäft zurückzuziehen.»
Am Schluss sitzen wir alle schweigend da. «Die hätten Pussy nicht umbringen sollen», sagt Rob. Er, Pompey und ich gehen hinunter an die Bar. «Na, was kann man hier so machen, um sich in Toronto richtig toll zu amüsieren?», fragt er die Frau hinterm Tresen. «Ich persönlich gehe gerne in Discotheken», sagt sie. «Das ist ja richtig sadomasochistisch», sagt er, als brächte ihn das ganz aus der Fassung. Am Bartresen werden die unterschiedlichsten Geschichten erzählt, bis Rob sagt: «Das wäre ein gutes Buch – die falschen Vorstellungen, die man sich von Sex macht, bevor man weiß, worum es dabei wirklich geht.» Er denkt an die Zeit, als er sieben Jahre alt war. Damals hat er im Schultheater mitgespielt. «Das Stück hieß <Sean, der Narr, der Teufel und die Katzen>», erinnert er sich. «Ich war der Teufel. Ich habe nie meinen Text gelernt und habe mir drei Abende lang immer ausgedacht, was ich als Nächstes sagen musste. Dabei hatte ich einen ganz langen Monolog. Aber ich wollte mich nie hinsetzen und was lernen. Will ich bis heute nicht.»
Warum hast du gedacht, dass du damit durchkommen würdest? «Ich dachte gar nichts. Es war einfach so.» Es war dir völlig egal? «Nein, ich habe mich zu Tode gefürchtet, weil ich meinen Text nicht konnte. Und außerdem dachte Mr. Collis, ich hätte den Hut vom Teufel gestohlen. Der war schwarz mit zwei roten Hörnern. Ich hatte ihn aber nicht. Er tauchte dann ein paar Monate später irgendwo in der Schule wieder auf» (Er regt sich mindestens so sehr über Mr. Collis' falsche Beschuldigung auf wie über das Durcheinander bei «Rock The Vote». Er überlegt, ob er aus Rache in England eine Plakat-Kampagne starten soll. «Macht Mr. Collis fertig», ruft er. Dann überlegt er. «Ach nein, wir machen ihn doch nicht fertig. Schreib das ins Buch.») «Außerdem hat er mich gezwungen, Raupen zu essen», sagt er. Pompey und ich sehen ihn schockiert an. «Das mit den Raupen habe ich erfunden», lacht er. Ich wette, du hast trotzdem welche gegessen, sage ich. «Hab ich nicht», protestiert Rob. «Ich habe immer nur Fliegen gegessen.» «Du bist doch ein Kind des Teufels», lacht Pompey. «Das war eine Wette mit Adrian Tams. Die waren in Senf getunkt. Ich habe bloß geschluckt. Wie ein braver katholischer Junge.» Ihm fällt noch etwas ein. «Ich bin aus dem Chor geflogen», sagt er. Ich frage nach dem Grund. «Weiß ich nicht mehr», sagt er. «Wenn ich so darüber nachdenke – das war meine erste schlechte Kritik.» Später am Abend liegt er in seinem Hotelzimmer ohne Hemd auf dem Sofa und denkt darüber nach, welche Musik er nachahmen und welches Album er als Nächstes machen möchte. «Weißt du was?», sagt er auf einmal, als wäre ihm gerade eine Erleuchtung gekommen: «Ich vermisse Guy überhaupt nicht.»
Zurück in London ruft er mich eines Morgens an. «Ich habe Neuigkeiten», sagt er aufgeregt. «Auf Platz 43 in Amerika. 24 000 verkauft.»
Seine Anstrengungen scheinen endlich Früchte zu tragen. Die englische Presse hat so getan, als müsse es möglich sein, seinen Erfolg in die USA zu importieren, aber er selbst weiß nur zu gut, wie schwer es ist, Amerika für sich zu gewinnen. Dies ist ein ermutigender Anfang. Ein guter Tag.
Die Paparazzi machen ihn wieder wahnsinnig. Eine halbe Stunde, nachdem er in London angekommen ist, lauern sie wie immer vor seiner Haustür und folgen ihm auf Schritt und Tritt. Als einer von ihnen in einem Stau aus seinem Auto springt und anfängt, Rob durch das geschlossene Fenster zu fotografieren, schreit Rob ihn an: «Hoffentlich stirbst du!» «Ich dachte: Ich sollte so etwas nicht sagen», meint er. «Ich tue es aber.» Es sind nicht nur die Paparazzi. Innerhalb weniger Tage findet hier wieder der ganze Zirkus statt. Die Türklingel geht mehrmals am Abend – Besoffene auf dem Rückweg vom Pub finden es lustig, ihren ortsansässigen Popstar zu nerven. Einmal, nach Mitternacht, kommt Pompey und fragt, ob Rob ein Mädchen namens Becky kenne. Sie steht auf der Straße, klingelt Sturm und besteht darauf, hereingelassen zu werden. Rob guckt sie sich durch die Kamera an. Er hat sie noch nie gesehen. «Ich bin's, Becky», sagt das Mädchen durch die Sprechanlage. «Kannst du mich hereinlassen, ich muss dringend pinkeln?» Hinter ihr steht ein Mann, von dem sie behauptet, er sei Taxifahrer, aber Rob und Pompey wittern sofort einen Trick. Rob antwortet, dass es nicht möglich sei, sie hereinzulassen, dies sei ein Privathaus, und sie möge bitte gehen. «Warum lässt du ein Mädchen nicht zum Pinkeln rein?», fragt sie und klingelt weiter. Nach einer Weile geht er wieder an die Sprechanlage und fragt: «Wer ist der Mann hinter dir?» «Mein Taxifahrer – lass mich doch zum Pinkeln rein», wiederholt sie und setzt sich dann hin. Schließlich sagen sie ihr, dass sie die Polizei angerufen haben, und raten ihr, zu verschwinden, bevor sie eintrifft.
«Glaube ich nicht», sagt sie merkwürdigerweise. «Ich arbeite doch für die Polizei.» «Okay, dann versuche ich es jetzt mal so», meint Rob, mittlerweile ziemlich wütend über sie und Situationen wie diese, die sich ständig wiederholen. «Hau ab, du hässliche Scheißkuh. Du musst dich wohl selber voll pissen.» Sie bleibt, wo sie ist, bis die Polizei kommt. Auf der anderen Straßenseite taucht ein weiterer Mann auf, also war es offenbar tatsächlich ein Trick. «So was hat früher vielleicht funktioniert», meint Rob. «Aber nicht mit dem neuen Robbie.»
In seinem Haus findet ein Meeting wegen des Cole Porter-Films Just One Of Those Things statt, in dem Rob einen kurzen Auftritt haben soll. Die Verantwortlichen sitzen um seinen Küchentisch herum: Produzent Rob Cowan, Regisseur Irwin Winkler (besser bekannt als legendärer Hollywood-Produzent von Filmen wie Rocky, Raging Bull, Goodfellas oder They Shoot Horses, Don't They?), und der MusikKoordinator Peter Asher (der in den Sechzigern als Teil des Duos Peter & Gordon berühmt war und in den Siebzigern Robs geliebte James Taylor-Platten produziert hat). «Ich muss mich dafür entschuldigen, wie es hier aussieht», sagt Rob, obwohl es gar nicht besonders unordentlich ist. Das einzig Ungewöhnliche ist das Medikament Effexor, das in der Mitte des Tisches steht, wo es auch während des ganzen Meetings bleibt. Die etwas steife Gesprächssituation entspannt sich, indem alle ein bisschen über Immobilien in Malibu und Beverly Hills plaudern. «Wie viel Zeit verbringst du in L. A.?», fragt Irwin Winkler. «So viel ich kann», meint Rob. «Niemand kennt mich dort.» «Na ja», sagt Winkler, «dass könnte sich mit unserem Film ändern.» Rob nickt. «Ja, wenn wir uns wirklich Mühe geben, können wir vielleicht gemeinsam mein Leben ruinieren.» Nach weiterem Smalltalk kommt Rob zur Sache: «Also, worum geht's?» «Wir möchten gerne, dass du bei diesem Film mitmachst», sagt Irwin Winkler. Er erzählt Rob die Geschichte, und schon seine Schilderung
ist so bewegend, dass Rob sagt: «Wenn ich ein Herz hätte, würde ich jetzt weinen.» Er dreht sich zu Tim. «Hast du auch schon Tränen in den Augen? Ich wünschte, ich könnte meine Songs auch so gut verkaufen.» Er sagt, dass er Lust habe, in dem Film mitzuspielen. Nachdem sie gegangen sind, leihen wir uns Donnie Darko aus der Videothek. Als er in dem Film die Worte «They Made Me Do It» liest, sagt er zu sich selbst: «Albumtitel: They Made Me Do It.» Er macht sich Sorgen, ob der Film ein gutes Ende nimmt. Es ist eine typische Rob-Sorge: Er fürchtet sich, weil er sich so gut amüsiert, und weiß, dass er furchtbar enttäuscht sein wird, wenn ihm das Ende nicht gefällt.
Der bescheidene amerikanische Erfolg, den Rob verbuchen kann, wird von den britischen Medien ganz anders beurteilt. Die Wochenendausgaben der Tageszeitungen schreiben über «Robbie Williams' amerikanische Katastrophe». Dieselben Statistiken, die ihn Anfang der Woche noch begeistert haben, werden jetzt als desaströs beschrieben. ROBBIES NEUESTES DESASTER schreibt The People und behauptet, Teil des Problems sei, dass er dauernd mit Robin Williams verwechselt werde. GIB AUF, ROBBIE, DU WIRST DIE USA NIE KNACKEN lautet die Schlagzeile des Sunday Mirror. «Zu Hause Superstar, in den Staaten Superflop ... Wieder einmal flog der freche Kerl aus Stoke bei den Yankees auf die Nase, als er versuchte, seinen 80-Millionen-Pfund-Deal zu rechtfertigen», schreibt das Blatt. Neben dem Artikel steht eine Kolumne von Louis Walsh mit der Überschrift ER IST NICHT GUT GENUG, UM ES IN AMERIKA ZU SCHAFFEN. Walsh meint: «Ich war noch nie ein Fan von ihm. Ich finde nicht, dass er besonders talentiert ist. Er ist kein großer Sänger und kein besonders brillanter Songschreiber. Der einzige Song, den ich je mochte, war
Eine andere Mediengeschichte hat sich in der Zwischenzeit wieder beruhigt. News Of The World hat einen ziemlich großen Betrag an sei-ne Wohltätigkeitsorganisation gespendet und sich für die Story über seine Spielsucht entschuldigt. Rob erfuhr von der Entschuldigung erst aus der Zeitung, wo immerhin deutlich stand, dass er nicht spielsüchtig ist, höchstens um kleine Beträge spielt und in den vergangenen zwei Jahren weder Alkohol noch Drogen zu sich genommen hat. Alle anderen Zeitungen, die auch über die Geschichte geschrieben haben, entschuldigen sich ebenfalls und zahlen Schadensersatz. The Observer berichtet, dass der News Of The World-Journalist, der die Geschichte ursprünglich geschrieben hat, in das Ressort für Nachrufe versetzt worden ist. Ihm wird geraten, gut aufzupassen, keine Toten zu verleumden.
11 Jahrelang hat Rob alles, was er aus den Take That-Jahren aufgehoben hat, auf dem Dachboden seiner Mutter verwahrt. Vor kurzem hat er beschlossen, die ganzen Sachen mal wieder hervorzuholen. Er bat seine Mutter, das ganze Zeug nach London zu schicken. Eines Tages, als ich auch gerade da bin, fängt er an, wahllos Sachen aus den Kartons herauszuziehen und sie mir zu zeigen. Ein Foto von ihm, als er noch ganz jung ist, mit Bruno Brookes. Ein Foto einer Freundin, Natasha: «Erste erwachsene Freundin», sagt er. Ein Foto vom Ende einer Take That-Tournee. Ein Foto, auf dem er mit Nigel Martin-Smith auf einem Sofa sitzt, den einen Arm um ihn gelegt. Auf der anderen Seite sitzt Gary Barlow. «Ich war völlig besoffen. Ich wollte unbedingt, dass er mich mag.» «Wer — Gary oder Nigel?», fragt Josie und beugt sich vor, um besser sehen zu können. «Nigel», sagt Rob. «Ich brauchte unbedingt seine Anerkennung. Und bekam sie nie.» Ich sage ihm, dass schon seine Haltung ausdrückt: «Ehrlich gesagt werde ich nicht für immer in einer Boyband singen. Ich sehe mich längst in einem anderen Universum.» «Genau», sagt er. «Ich werde aber viele, viele Drogen mit diesem Mann zusammen nehmen.» Er zeigt uns ein Foto von einem alten
Freund. «Wir haben unglaubliche Mengen konsumiert. Ich glaube, es gab keinen einzigen Tag, an dem ich mich nicht voll geknallt habe ... Wenn es kein Speed war, dann eben Koks, Ecstasy oder Diät-Pillen. Irgendetwas hatte ich immer im System.» Die Kuckucksuhr, die er von seiner Schwester bekommen hat, geht los. «Habe ich dir von der Peter Cunnah-Sache erzählt, die passierte, als ich im Bett war mit ... ?», fragt er. Nein, sage ich. «In diesem Brief steht irgendetwas darüber», sagt er und gibt mir einen Umschlag mit ein paar beschriebenen Seiten. «Ich gebe ihn dir nur, wenn ich ihn auch wieder bekomme.» Er nimmt mich mit nach oben und zeigt mir das Gary Barlow-Video, dass er vor einer Weile gefunden hat. Der Teil, der ihn am meisten beschäftigt, ist die Stelle, als sie in New York ankommen. Ein Teenager-Rob sieht am Flughafen in die Kamera, macht Unsinn und sagt: «Ich bin noch nicht erschossen worden, wirklich deprimierend.» Etwas später sieht man Nigel, wie er Rob mit ungeheurer Wut ansieht und seinen Kopf verächtlich schüttelt. «Ein Blick des Donners», sagt Rob. Ich frage ihn, was er glaubt, was Nigel Martin-Smith in diesem Moment gedacht hat. «Wie sehr er mich hasst», meint Rob. «Er konnte es nicht ertragen, wenn ich im Mittelpunkt stand.» Das Video läuft weiter und wir sehen Gary Barlow, wie er durch sein Haus führt und dann seine Kerzenhalter heranzoomt. «Wie ein 80Jähriger», sagt Rob. Mit den Kartons im Haus denkt Rob viel mehr über die Vergangenheit nach als normalerweise. Er fragt sich, wie viel Take That wohl verdient haben. «Ich weiß noch, dass ich mal einen Scheck über 500 Riesen bekam», erinnert er sich. «Damit habe ich Kokain geschnupft.»
Peter Cunnah war der schwule Sänger von Dream, eine Tanz-Popgruppe, an die man sich heute nur noch wegen ihres Stückes «Things Can Only Get Better» erinnert. Die Labour-Party hat es 1997 für ih-
ren Wahlkampf verwendet. Ein erschöpfter Rob war gerade nach London zurückgekehrt und lag mit Natasha im Bett. «Sie hat mir einen geblasen», erzählt er, «und ich dämmerte dabei weg, weil wir neun Konzerte hintereinander gegeben hatten. Ich träumte von Peter Cunnah, mit dem wir gerade auf Tournee gewesen waren. Im Traum habe ich mich mit ihm unterhalten, ob das heute Abend ein gutes Publikum war und ob wir gut angekommen seien, und ich sagte laut im Schlaf: Oh Peter ... » Diese Geschichte schreibt Natasha in einem der Briefe. Sie zeichnen die bekannten Phasen einer jungen Liebe nach, dann einer jungen Liebe, die kompliziert wird, und schließlich einer jungen Liebe, die nicht mehr funktioniert. Es gibt auch einen Brief, den Rob ihr in besseren Zeiten geschrieben hat, fünf handgeschriebene Seiten in Türkis, offenbar im Flugzeug; es ist nicht klar, ob sie diesen Brief jemals bekommen hat. Er sagt, dass ihm immer wieder eine Szene einfällt, in der sie ihn anruft und mit gedrückter Stimme erklärt, dass sie mit ihm Schluss machen muss, um eine Beziehung zu finden, auf die sie sich mehr verlassen kann. «Jesus!», schreibt er. «Ich glaube, das hier ist ein Flug mit Paranoid-Airlines!» Er schreibt noch über eine Menge anderer Ängste – «meine Paranoia ist wirklich mein Ruin» –, und dazwischen immer wieder, wie viel ihm Natasha bedeutet. «Es hat etwas Reinigendes für mich, dass ich diesen Brief schreibe. Ich hoffe, du verstehst das, weil ich es nämlich nicht tue.»
Vor seinem Haus wird Rob von einem Paparazzi fotografiert, wie er in sein Auto steigt. Er hat schlechte Laune. «Guter Job», sagt er sarkastisch. «Ich hasse das genauso wie du», erwidert der Paparazzi. «Ich wünschte, es gäbe keine Promis mehr auf der Welt, dann könnte ich einen richtigen Job machen.» Wir fahren weg. «Sehr seltsame Antwort», murmelt Rob.
«Wenn ich noch eine Woche hier sein müsste, würde ich verrückt werden», sagt er nach fünf Tagen in London. «Absolut durchgedreht. Ich sehe das so: Mein eigenes Haus ist ein Hotel, und das hier ist Arbeit, und ich habe gerade eine Single rausgebracht.» Heute fliegt er ohnehin nach Schweden. Noch eine Fernsehsendung. Als wir landen, erzählt Josie, dass sie gerade eine SMS von Mark Owen bekommen hat. Er habe gehört, dass Rob in London sei und würde sich sehr gerne mit ihm zum Tee treffen. Es ist sehr lange her, seit sie das letzte Mal miteinander gesprochen haben. Rob ruft sofort zurück und hinterlässt eine Nachricht, um Mark einzuladen. Vier Stunden später sitzt Rob wieder im Flugzeug und erkundigt sich bei David, wie das eigentlich damals war, als er immer mal wieder für 48 Stunden verschwunden ist. «Nicht sehr angenehm», sagt David, und sie erinnern sich an schlechtere Zeiten. «Es kommt mir so vor, als hätte ich drei Leben gelebt: Schule, Take That, totale Hemmungslosigkeit», meint Rob. «Jetzt bin ich im vierten: wieder trocken werden. Dann kommt das fünfte: trocken bleiben. Und dann folgen noch vier.» Welche? «Greatest Hits, Heiraten, Kinder, Scheidung ... » «Du planst deine Scheidung schon seit fünf Jahren, du Wahnsinniger», sagt Josie. «Mag sein, dass kommt eben davon, wenn man aus einer kaputten Familie stammt», sagt Rob. «Wahrscheinlich verändert sich mein Blickwinkel, wenn ich erst mal verliebt und mit dem richtigen Menschen zusammen bin. Aber im Moment ruiniere ich jede Beziehung.» «Muss ja nicht an dir liegen», sagt David. «Wenn man mit dem richtigen Menschen zusammen ist, merkt man das einfach», überlegt Rob. «Bisher gab es einfach niemanden, mit dem ich alle Schwierigkeiten überwinden wollte. Ich habe wirklich Zweifel, dass ich mich irgendwann mal verlieben werde.» «Dabei ist das ein sehr angenehmer Zustand», sagt David. «Irgendwas packt dich im Nacken, wenn du es überhaupt nicht erwartest.» «Ich bereite mich darauf vor», sagt Rob. «Und ich bereite mich auch darauf vor, dass mir das vielleicht nie passiert.»
Zu Hause beschließt er, sich die restlichen Take That-Kartons anzusehen. Er zieht seine Sammlung der «Smash Hits»-Preise von 1994 hervor: Beste LP (Take That And Party), Beste Gruppe der Welt, Beste Englische Gruppe, Beste Single («A Million Love Songs»), Bestes Video («I Found Heaven») und Beste Frisur (Robbie Williams). «Die Kids haben gesprochen», sagt er. Dann gräbt er seinen Beste-Frisur-Award vom Jahr davor aus. Er findet ein schwarzes «My Drug Shame»-T Shirt («das hatte ich gegen Ende von Take That immer an»; als er das nicht mehr tragen dufte, hatte er stattdessen ein T-Shirt, auf dem «My Booze Hell» stand), ein T-Shirt mit dem Schriftzug «True Fucking Star», das er von einem Fan bekommen und nie getragen hat und ein Versace-Hemd, das zu einem kompletten Outfit gehörte und ihm geschenkt wurde, als sie viel bei Gianni Versace waren. «Soll ich mal sehen, ob es noch passt?», fragt er. Er zieht es an und stolziert in seinem Teen-Pop-Hemd herum. Er gräbt tiefer. Er findet ein T-Shirt mit einem Take That-Foto ohne Rob, das er getragen hat, nachdem er die Gruppe verlassen hatte. Dann kramt er eine karierte Perversen-Mütze und eine Lederweste hervor. Eine Take That-Puppe («Keine Ahnung, warum ich die habe.»). Ein Take That-Kalender. Er betrachtet ihr erstes PromotionFoto und lacht: «Da waren wir erst ein kleines bisschen schwul.» Er trägt eine Lederjacke, offen bis zur Taille, Stiefel und Radfahrershorts. «Ich sehe so verdammt jung aus. Und sogar auf diesem Foto sauge ich meine Wangen ein.» «Hier ist es», sagt er, als er einen Artikel mit der offiziellen Take That-Biographie findet, und liest laut vor. «In der Zwischenzeit arbeitete ein junger Schulabgänger namens Mark Owen in einer kleinen Bank. Ihm gefiel die Arbeit, aber er entschloss sich, einen Abendjob zu machen, bei dem er in einem Plattenstudio Tee kochen konnte. Dort lernte er Gary kennen. Zwischen dampfenden Teetassen entstand eine Freundschaft. Auf der anderen Seite der Stadt tanzten zwei hoch gewachsene, gelenkige Jungs in rivalisierenden Breakdance-Gruppen. Howard Donald sah Jason Orange oft beim Tanzen zu und wäre eigentlich gerne zu ihm gegangen, um ihm zu sagen, wie gut er ihn fände. Jason erinnert sich noch gut an ihr erstes
Treffen:
«Ja.» Kleiner Freud'scher Versprecher? «Mmmm», sagt er. Er findet ein paar Zeitungsausschnitte aus dem Jahr, als seine SoloKarriere begann. Daily Express, 30. August 1995: TAKE THAT'S ROBBIE WEINT BEI WIEDERSEHEN. «Ich fühle mich ganz komisch», liest Rob vor, «aber ich weiß, dass ich ein neues Leben an-fangen muss. Es ist einfach schwer, die anderen wiederzusehen. Wir haben heute Abend nicht miteinander gesprochen, uns nur ein paar Handzeichen gegeben. Aber ich glaube, auf diese Weise haben wir schon immer miteinander kommuniziert.» «Tja», meint er. Das war bei den National Television Awards, und er war wirklich am Heulen. «Hinter mir stand Leslie Gantham», sagt er, «und legte mir die Hand auf die Schulter und meinte:
In jener Nacht in Madrid probierte er Ecstasy aus. Take That waren zum ersten Mal in einer Fernsehsendung außerhalb Englands aufgetreten und sangen «Promises». Hinterher gingen sie in einen Club, und er bekam von jemandem ein rosa E. «Es war phänomenal», erinnert er diesen Abend in Spanien. «Wirklich phänomenal. Ich vermisste nur eines: Frauen. Wir waren in einem Schwulenclub. Aber ich fand es super. Das erste Mal, als ich gekokst habe ... » — das ist das echte «erste Mal», das andere Mal, von dem er mir erzählt hatte, kurz bevor er mit Take That auf die Bühne ging, war in Wirklichkeit schon das zweite Mal — «... war
in einem Nachtclub. Der Türsteher meinte: <Möchtest du einen kleinen Kick?> Ich wusste, was er meinte, und antwortete
Er sieht sich zum letzten Mal den Stapel mit seiner Vergangenheit an. «Ich bin froh, dass ich nicht mehr er bin», sagt er und geht ins Bett.
12 Eines Abends kommt Mark Owen vorbei und spielt Rob ein paar seiner neuen Songs vor. Rob ist beeindruckt. «Es hat mehr mit Ryan Adams und Radiohead als mit mir und Avril Lavigne zu tun», urteilt er. Er schlägt Mark vor, dass sie zum Spaß und um der alten Zeiten willen zusammen «Back For Good» an einem Abend in Knebworth singen könnten. Sie sehen sich das Gary Barlow-Video an und quatschen stundenlang. «Er sagt über niemanden auch nur ein schlechtes Wort», bewundert ihn Rob am nächsten Tag. «Und ich versuchte es dauernd. Wir haben über irgendjemanden geredet, und ich sagte, ach, den mag ich nicht, und er meinte:
Ressentiment und Rachlust zu begegnen. Es wird bald als «Tao des Owen» bekannt.
In einem Flugzeug nach Dänemark gibt Claire ihm Stephen Duffys neues Album, auf dem sie mitspielt und singt. Rob hört es sich über Kopfhörer an. «Genau, was ich mag», sagt er nach vier Stücken. «Er ist wieder depressiv.» Dann wendet er sich an David. «Ich möchte gerne eine Fotosession machen, in der ich Mickymaus bin», verkündet er. «Wir sollten dauernd interessante Fotosessions machen.» David nickt. «Und dann sollten wir schlafen gehen», fügt Rob hinzu. Er bittet Gary Nuttall, seine Gitarre zu stimmen, und spielt dann leise, während er sich einen Song ausdenkt. «Wäre das nicht toll, wenn ich ein Stück mit Stephen Duffy schreiben würde», sagt er plötzlich, «und der würde nur den Text machen?» Nachdem wir gelandet sind, bringt uns ein Van in die Stadt. Rob dreht heute einen Werbespot für den neuen Smart. Smart ist einer der Sponsoren der Sommer-Tournee. Rob sieht interessiert aus dem Fenster. «Das ist Dänemark», sagt er. «Irgendwie habe ich Holland erwartet.» Wir fahren an einem Fahrradfahrer vorbei, der auf dem Boden liegt. Offenbar ist er frontal gegen einen Pfosten geprallt. Der Spot wird in einer gesperrten Strasse im Zentrum von Kopenhagen gedreht. Ein junger Mann steht neben einem Smart und singt «Feel», um etwas Geld für die Parkuhr zu verdienen. Er beherrscht aber nicht den Text. Rob kommt zufällig vorbei, spricht ihm die richtige Textzeile vor und bemerkt nebenbei: «Nice car, mate.» An beiden Enden der Straße bildet sich eine Menschenmenge. Ein Mädchen starrt Rob die ganze Zeit an und versucht, irgendwie seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er überlegt die ganze Zeit, ob er vielleicht mit ihr geschlafen hat. Paparazzi stehen an den Absperrungen und versuchen, Fotos zu machen. In dem Moment, in dem der Regisseur «Cut!» ruft, werden große schwarze Pappen hochgehalten, um Paparazzi-Bilder zu verhindern. Es geht allerdings nicht um Rob. Für ihn interessiert sich kaum jemand. Es geht um das Auto: Sein
neues Design ist bisher geheim, der Markt für Fotos der neuesten Modelle gewaltig. Dieses Modell, das man später in der Werbung sehen wird, ist ein handgebauter Prototyp, der etwa eine Million Pfund kostet und vor allem aus Holz besteht. Nachdem Rob fertig ist, muss er noch in eine dänische Fernsehsendung. In der Garderobe spielt er «One Fine Day» auf der Gitarre. «Don't rewrite my history ... », singt er, hört dann auf, um zu erklären, dass er diese Zeile schrieb, nachdem er sich bei «Friends United» im Internet eingeloggt hatte und feststellte, dass sich ungefähr vier oder fünf Leute als Robbie Williams ausgeben. Sie sagten Sachen wie «Ich bin's, Robbie – ihr wisst ja, was ich alles gemacht habe in letzter Zeit.» «Es hat mich wahnsinnig genervt», sagt er. «Und das ist
Als er nach seinem Auftritt zurück in seine Garderobe geht, wartet dort eine Frau mit einem Geschenk auf ihn. «Hallo, Darling», sagt er. «Hallo», erwidert sie. «Wie geht's?» «Mir geht es gut», sagt sie. «Wie heißt du?» «Pia.» «Pia? Du bist sehr schön, Pia.» Er sagt zu Josie, sie solle es gut sein lassen. «Nicht die Schönen rausschmeißen», murmelt er ganz leise. «Danke. Darf ich dir etwas geben?» «Ja, natürlich. Nett, dich kennen zu lernen, Pia. Sehr schön. Wirklich, sehr sehr schön. Schade, dass du nicht vorne an der Bühne gesessen hast, sonst hätte ich dich heute angesungen. Ich sehe mir das Geschenk später an», sagt er. «Bis dann.» Sie geht und hinterlässt ein Polaroid von sich und ihre Nummer, und eine «Soulmate»-Engelskarte, und zwei ineinander geflochtene Ringe in einer Schmuckschatulle. «Meine Güte», sagt David. Sie war das Mädchen, das ihn während der Dreharbeiten zum SmartSpot die ganze Zeit angestarrt hatte. «Sie ist wunderschön – wirklich unglaublich schön ... Aber sogar manche von den Schönen sind völlig gaga», meint Rob und öffnet ihren Brief. «Bitte lies diesen Brief mit offenem Herzen und Geist. Ich habe dir geschrieben, weil mein Herz die Einsamkeit nicht mehr ertragen kann. Ich bin dein verloren gegangener Engel, der, über den du immer singst. Ich weiß, dass wir uns einfach nur kennen lernen müssen, und dies ist mein Weg, dir näher zu kommen. Ich verfolge schon lange deinen Weg, dein Leben und deine Melancholie – vieles davon kenne ich selber sehr gut, weil du in meinem Leben, Geist und Universum fehlst. Viele Menschen werden sich wahrscheinlich lustig über mich machen, weil ich dies schreibe, aber dieses Risiko ist es mir wert ... Mein Name ist Pia, ich bin Dänin und 24 Jahre alt. Ich arbeite im Krankenhaus in der Notaufnahme ...
Let love be our energy ... Der Engel» Als wir gehen, sagt Rob mit einem gewissen Stolz zu Gary Nuttall: «Ich habe meinen ersten Stalker-Fan, der wirklich wunderschön ist. Normalerweise sind das ja Kröten.» Im Auto betrachtet David das Foto. «Die ist wirklich plemplem», sagt er. «Wenn ich hier über Nacht bliebe, hätte ich meine Bums-Stiefel herausgeholt.» Er meint, dass die Briefe in letzter Zeit immer merkwürdiger werden. Er erwähnt einen total hasserfüllten Brief von einem italienischen Fan, den er vor ein paar Tagen bekommen hat und von dem er mir später erzählen will. Es ist erstaunlich, wie viele dieser Briefe ihn tatsächlich erreichen. Kaum jemand kann seine Anschrift kennen, aber die englische Post gibt sich dennoch unglaubliche Mühe, die Post zuzustellen. Manchmal steht auf den Umschlägen nur: «Robbie Williams, England». Oder noch besser: «Robbie Williams, Pop Star». Seit sein neuer Plattenvertrag bekannt ist, bekommt er immer mehr Bittbriefe. Er schätzt, dass er pro Monat um rund eine halbe Million Pfund angebettelt wird. «Ich bin Maler und brauche ...», «Ich bin gerade mit der Schule fertig und brauche ... », «Ich habe mein Konto überzogen und brauche ...», «Ich, wie du, habe ... », «Komm schon, du musst doch noch wissen, wie das war, als du angefangen hast ...» und so weiter. Gestern kam ein Brief von einem Schuldirektor: «Vielleicht können Sie uns von der Rückseite Ihres Hauses sehen ... Manche dieser Kinder waren noch nie auf dem Land ... Könnten Sie nicht ein bisschen Geld für einen Ausflug spenden, damit diese Kinder mal ein paar Kühe sehen können?» Hast du schon mal Briefe bekommen, auf die du gerne reagiert hättest? «Neulich war ich kurz davor. Eine Mutter hat mir einen Brief mit allen Vorlieben ihrer Tochter geschrieben, was sie hasst, welche Musik sie mag, wie alt sie ist, und dann schickte sie mir jede einzelne Note und ihre Zeugnisse mit, eine ganze Akte. Sie schrieb: <Sie ist nicht nur meine Tochter, sondern auch meine beste Freundin ... >»
«Sie meinte, sie hätte nicht das Geld für die Ausbildung ihrer Tochter und wolle ihr das nicht erzählen, damit sie sich nicht zu große Sorgen machen würde», sagt Josie. Und dann bittet man mal eben einen Popstar um Hilfe, was sonst. «Ich habe versucht, mich in ihre Situation zu versetzen», sagt Rob. «Aber irgendwie führte das immer nur zum gleichen Ergebnis: Ich bin doch nicht verrückt. Wie der Brief schon angefangen hat:
Er arbeitet weiter an dem Song, mit dem er im Flugzeug begonnen hat. Nachdem er den Tag gelangweilt in einem Rotterdamer Hotelzimmer verbracht hat, weiß er am Nachmittag schließlich, worum es in dem Stück gehen soll: um ihn selbst und die Teile seiner Vergangenheit, mit denen er sich auseinander setzen muss. Rohtext und Refrain sind jetzt fertig: When I was a kid, I didn't want to be an astronaut I wanted to live in Compton, because I heard on the records that I bought I feil into a boyband, they weren't big on rapping And I discovered that I could dance a little bit, so I stayed around to see what would happen Oh we were a phenomenon I was the cheeky one Sent to fill the void Now that the New Kids had gone
And when you´ve seen one screaming face you've seen them all All the promises they make well they break them all You said you´d love me forever Now you dig the Strokes and you dress in leather And you´ve forgotten all the words to our songs Your world moved on My work here is done Backstage bei den TMF-Awards liest er ein bisschen Fan-Post und gibt ein Interview, in dem er gefragt wird, ob er glaubt, dass er heute Abend in der Kategorie «Bester männlicher Sänger» gewinnen wird. «Also, ich weiß das genau», sagt er, «weil man mir das schon gesagt hat.» Die Interviewer sehen wirklich schockiert aus, als ob sie allen Ernstes glauben, dass in irgendeinem Raum um die Ecke noch mit Spannung die letzten Stimmzettel ausgezählt werden. Zwischen der ersten und der zweiten Preisverleihung arbeitet er in der Garderobe seiner Band an der zweiten Strophe. «... They set up helplines ... when I left the band ... teenagers in crisis ... they wouldn't understand ... without the cheeky one ... no phenomenon ... » Im Bus zum Flugzeug schreibt er weiter: «No more best haircut, now that Judas had gone ... when you've seen one screaming face, you 've seen them all ... well the promises they made I broke them all ... » Der nächste Teil fällt ihm im Flugzeug ein, und dann geht er direkt zur Band, um es ihr vorzuspielen. « We were never the Beatles, and I'm not Wings, but I've moved on to bigger better things ... and I've forgotten all the words to our songs ... » Er diktiert Josie den Text, bevor wir landen, und überlegt, ob er den Song in Knebworth spielen soll. Für ein oder zwei Wochen ist dies sein Lieblingssong, den er bei jeder Gelegenheit auf der Gitarre spielt. (Er schreibt auch noch einen Mittelteil, in dem verschiedene Take That-Texte vorkommen.) Aber wie schon zuvor bei anderen Songs, die er in den letzten Monaten geschrieben hat, verlässt ihn nach einer Weile der Mut. Er lässt sie zurück wie flüchtige Beziehungen, als würde ihm plötzlich klar, dass sie sind, was sie sind und nicht das, was er von ihnen erwartet. Wenn man rückblickend
einen dieser Songs lobt, guckt er einen entnervt an. Es wird immer deutlicher, dass er in Wirklichkeit nach etwas ganz anderem sucht. Ich glaube, er weiß selbst nicht wonach, er weiß nur, dass es irgendwo sein muss. In ihm oder außerhalb, jedenfalls hat er es bisher nicht gefunden.
13 «Rate mal, wer mich angerufen hat?», fragt er. Er ist erst seit ein paar Tagen wieder in Los Angeles. «Rate mal, wer sich entschuldigen will?» Guy hat ihn aus dem Beverly Hills Hotel angerufen. Nachdem er den ursprünglichen Anruf nicht angenommen hatte, weil er gerade weggehen wollte und sich außerdem erst einmal sammeln musste, rief Rob ihn schließlich zurück. Er spielt mir ihre Unterhaltung vor.
«Hallo», antwortet Guy. «Hi.» «Hi, Kumpel, wie geht's?» «Gut, ja, also ... » «Wie steht's?» «Also, ich wollte nur mal anrufen und mal hi sagen, weißt du ... und mich echt entschuldigen.» «Oh, das finde ich sehr mutig von dir. Ich bewundere dich.» «Na, einer von uns musste das ja tun ... und weißt du, mein großes Maul bringt mich immer in Schwierigkeiten und ich wollte mich echt entschuldigen, weil ich denke, wir waren beide ein bisschen albern.» «... beide ein bisschen albern?», wiederholt Rob und hört die Stille am anderen Ende der Leitung. «Wann war ich denn albern?» «Äh, oh ... da hast du mich aber erwischt – ich wollte das eigentlich von Angesicht zu Angesicht mit dir besprechen.» «Ehrlich gesagt möchte ich die Situation vermeiden, mich aufregen zu müssen. Deshalb wäre es mir ganz lieb, wenn du mir jetzt sagen könntest, wieso ich albern war. Damit ich es weiß.»
«Äh, hm ... » Lange Pause. «Mir fällt offen gestanden nichts ein.» Guy stottert herum, dass ihre mangelnde Kommunikation ein Problem war, sie hätten gegen Ende des Albums doch eine super Unterhaltung gehabt und dann wurde alles Scheiße, als sie nach Hause kamen. Er entschuldigt sich für «Come Undone» und sagt, dass er überhaupt nicht mehr verstehen kann, warum er ein Problem damit hatte. «Ich habe dich wahnsinnig gern, Guy», sagt Rob, «und bitte grüße Emma sehr von mir, weil ich sie sehr vermisse. Das alles kommt jetzt ein bisschen plötzlich, also gib mir ein paar Tage, darüber nachzudenken, und dann werde ich sehen, ob ich dich treffen möchte oder nicht.» Er denkt immer noch nach. «Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin, mich mit ihm wieder zu vertragen», sagt er. «Auf der anderen Seite denke ich sofort, weil ich ein zynischer Bastard bin: Knebworth steht vor der Tür.» Außerdem ist er sich nicht sicher, ob er mit Guy wieder etwas zu tun haben will, weil der in letzter Zeit mit so vielen verschiedenen Leuten zusammengearbeitet hat. «Der schreibt jetzt wirklich mit jedem», mault Rob. «Ich habe keine Lust, mich da einzureihen.» Er hatte zu Guy gesagt, dass er sich gar nicht mehr erinnern könnte, warum sie sich eigentlich zerstritten hätten, aber nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, fiel es ihm langsam wieder ein. «Das Einzige, was mich interessiert, ist eine hundertprozentige Entschuldigung», sagt er. «Ich mache mir keine Gedanken mehr über meine Rolle in dem ganzen Schlamassel. Ich habe mir nicht wirklich etwas vorzuwerfen, abgesehen von den paar Malen, in denen ich ein echtes Arschloch war. Aber das war vor lauter Frust, weil er sich einfach beschissen benommen hat.» Ihm fällt noch etwas anderes ein. «Ich habe das Gefühl, er will, dass ich mich auch entschuldige. Aber das kann ich nicht.» Er will damit nicht sagen, dass er dazu nicht in der Lage ist, sondern dass er keinen Grund dafür sieht. Bei genauerem Nachdenken ist er sich nicht sicher, ob er Guy sehen will. «So wie es früher eine Erleichterung war, ihn dabeizuhaben», meint er, «so ist es jetzt eine Erleichterung, ihn nicht dabeizuhaben ... »
Seit er wieder in Los Angeles ist, hat er viel Sport gemacht, ist mit den Hunden spazieren gegangen und hat sich entspannt. Er fängt an, ein Drehbuch zu lesen, das Steven Spielbergs Leute ihm geschickt haben, The Disassociate, aber er kommt nur bis Seite 60. Es handelt von einem Mann, der einen langweiligen Job hat und dem Gott eine Post-karte schickt und ihn beauftragt, die universelle Sprache zu verbreiten, die er sich im College ausgedacht hat. Rob ist an der Rolle nicht interessiert. Um die Mittagszeit gehen wir hinunter ins Restaurant an der Ecke. Rod Stewart sitzt mit seiner Familie auf der Terrasse beim Mittagessen. Rob und Rod umarmen sich — ein Foto, das die Boulevardblätter sicher gerne drucken würden, wenn sie es hätten — und diskutieren kurz die englischen Fußballergebnisse und die Frage, ob West Ham es wohl schaffen wird, oben zu bleiben. Drinnen sitzt Rob unter einem Foto von Arbeitern, die ihre MittagsSandwiches auf einem Stahlträger im New Yorker Himmel essen — eine der Vorlagen für das Escapology-Cover. An einem Tisch in der Ecke sitzt die Baldwin-Familie. Als wir gerade gehen, kommt eine Frau auf uns zu und sagt, sie sei ein Riesenfan und eine enge Freundin von Brian Wilsons Frau und fragt, ob er nicht auf Brian Wilsons neuer Duett-Platte singen wolle. Später fahren Rob, Pompey, Daniel und ich zum Sunset, um bei Coffee Bean einen Kaffee zu trinken. Ein Choreograph kommt auf Rob zu und erzählt ihm, dass er gerade mit Michael Jackson und Ricky Martin gearbeitet habe, außerdem an der deutschen Version von «Pop Idol». «Es wäre mir eine Ehre, wenn ich dir mal meine Arbeit zeigen dürfte», sagt er. Rob unterhält sich mit einer blonden Frau, deren Freundin um die Ecke verschwindet, um mit jemandem rumzuknutschen, den sie gerade erst kennen gelernt hat. Sie reden über «Wunschschachteln»: Man schreibt abends sein Problem auf einen Zettel, steckt es in die Schachtel und überlässt das Ganze dem lieben Gott. «Ich habe stattdessen eine Wunschliste», sagt sie. Sie zieht sie aus der Tasche, und er fragt, ob er das mal lesen dürfe. Erster Punkt auf der Liste: eine erfüllte Liebesbeziehung. «Das steht bei mir auch ganz oben auf der Liste», sagt Rob. «Du bist der einzige Mensch auf der Welt, der diese Liste je gese-
hen hat», sagt sie. «Na, vielleicht bin ich ja auch der Einzige, der je gefragt hat, ob er sie mal lesen darf», erwidert Rob. Sie unterhalten sich weiter. «Ich liebe Autos», sagt sie. «Was für welche?» «Aston Martins.» «Ich habe einen», sagt Rob. Die küssende Freundin kommt zurück. Ihre Locken hängen etwas formlos in der Gegend herum. Daniel fragt, ob er das in Ordnung bringen soll. Als sie sein Angebot annimmt, geht er zum Auto, holt eine Schere und einen weißen Umhang und fängt an, ihre Haare auf dem Bürgersteig des Sunset Boulevard zu schneiden. «Ich arbeite mit Kindern, mach es also nicht zu verrückt», sagt sie. Die erste Frau erwähnt, dass sie gerade im Hustler-Sex-Superstore war, um ein bisschen zu recherchieren. Sie würde gerne Feuchtigkeitstücher auf den Markt bringen, die vor und nach dem Orgasmus benutzt werden. «Sinnliche Papiertücher», erklärt sie. «Sinnliche Papiertücher», wiederholt Rob. Eine Frau ruft aus einem vorbeifahrenden Jeep: «Robbie, ich liebe dich!» «Danke», sagt er. Der Haarschnitt ist fertig. «Na bitte», sagt Rob. «Du bist als Chewbacca gekommen und gehst als Audrey Hepburn.» Im Hotel Chateau Marmont treffen wir Max. Außerdem ist da eine einigermaßen bekannte Schauspielerin, die angeblich ein bisschen in Rob verknallt ist. Vergangene Woche hatte sie ihren Lebenslauf an sein Büro geschickt und angeboten, bei einem seiner Videos mitzumachen. Nachdem er fünf Minuten mit ihr gesprochen hat, sagt er zu ihr: «Du siehst sehr nach erster Frau aus.» «Erster Frau?», fragt sie irritiert. «Meine erste Frau», klärt er sie auf. Sie macht das Spiel mit. «Für wen ist das schmerzhafter — für dich oder für mich?», fragt sie im Scherz. «Oh, für mich», meint er. «Ich falle viel zu tief.»
Wir müssen auf eine Party, aber er fand dieses kleine Treffen sehr nett. «Sie sieht super aus», sagt er im Auto. «Aber sie ist Schauspielerin, also muss sie einen Knall haben.» Er hinterlässt ihr trotzdem eine Nachricht und schlägt vor, sich morgen Abend zu treffen. Wir gehen auf eine Maxim-Party, auf der Rob tanzt und der DJ Barry Whites «Ecstasy» spielt, was dann in «Rock DJ» übergeht. Bei «Emotional Rescue» von den Rolling Stones stolziert er wie Mick Jagger über die Tanzfläche. Bei «Everything She Wants» von Wham! gibt er Pompey seinen Comme des Garcons-Mantel, damit er sich besser bewegen kann. Als der DJ kurz die Musik unterbricht, hört man Rob laut «and now you tell me that you´re having my baby!», singen. Dann tanzt er zu «Let's Dance», «Into The Groove», «Kiss» und «Groove Is The Heart». «Ich habe
In ein paar Tagen soll Rob erneut in New York auftreten, dieses Mal zusammen mit Norah Jones, The Roots und Jewel anlässlich des Tribeca Film Festivals bei einem Gratis-Konzert im Battery Park. Vergangenes Wochenende rief er Tim und David an, um ihnen zu sagen, dass er nicht singen will. Er erklärt ihnen, dass er so kurz vor der Sommer-Tournee keine Lust habe, ein erneutes Debakel wie bei «Rock The Vote» zu erleben und sein mühsam erarbeitetes Selbstvertrauen zu zerstören. «Ich habe gesagt, meine größte Stärke ist gleichzeitig meine größte Schwäche, und das ist meine Unsicherheit.
nachten 2003 herausbringen, doch Rob möchte noch ein Jahr warten. Zwei neue Singles müssen mindestens drauf sein, und er glaubt nicht daran, dass er sie bereits hat. Jetzt muss er sich auf die bevorstehende Sommer-Tournee konzentrieren, und anschließend ist die Zeit zu knapp, zwei neue Singles zu schreiben und aufzunehmen. Rob hat mittlerweile beschlossen, das große, gut gelegene Grundstück am Ende seines Gartens zu kaufen und darauf ein Haus zu bauen. Wir gehen zusammen mit einem Grundstücksmakler hinunter, um es uns anzusehen. Wir sehen ein kleines Rohr, das durch das Grundstück läuft, und Rob will von dem Makler wissen, was das sein könnte, aber der weiß es auch nicht. «Auf diesem Weg geht der ganze Klatsch aus meinem Haus direkt zu E! News>, sagt Rob. Er stapft über das grasbewachsene Grundstück und zeigt auf imaginäre Gebäude. «An dieser Stelle hätte ich gern ein Baumhaus», sagt er. «Und Josie, ich möchte einen Spielplatz haben. Und Affen. Gibt es noch welche von den Culkin-Brüdern?» Hinterher findet in seiner Küche eine Tourneebesprechung statt. David reicht ihm eine E-Mail seines neuen musikalischen Leiters, Mark Plati, der einen Vorschlag macht, wie man «Mr. Bojangles» arrangieren könnte: Er möchte, dass sich die Instrumentalbegleitung wie eine alte Platte anhört. Deshalb will er den Song aufnehmen, als Vinyl-Platte pressen lassen und sie anschließend so lange spielen, bis sie ordentlich zerkratzt klingt. Rob ist einverstanden. Sie sprechen über die Bühnenkostüme und Rob erklärt, er möchte als kleinen Gag am Rande zusammen mit Max in Vogel-Strauß-Kostümen den Sunset Boulevard entlanglaufen. (Max äußert sich dazu zurückhaltend. «Jonny würde das tun», stichelt Rob.) Rob schlägt vor, bei «Rock DJ» mit Barry Whites «Ecstasy» anzufangen. Später am Abend geht er ins Les Deux, eine angenehme Bar mit großer Terrasse. Dort unterhält er sich mit einem walisischen Schauspieler, den er flüchtig kennt, und erklärt ihm, warum seine Verabredung gestern Abend mit der Schauspielerin nicht geklappt hat. «Ich habe mir vorgestellt, wie sie sich bei meiner Beerdigung gegenüber anderen Leuten benehmen würde», sagt er. «Und ich fand, das machte sie nicht besonders gut, also lasse ich es lieber gleich.»
Nach etwa einer Stunde kommt der walisische Schauspieler nochmal zu ihm. «Ich habe darüber nachgedacht, was du gesagt hast», sagt er. «Vielleicht solltest du dir mal überlegen, wie du dich bei ihrer Beerdigung benehmen würdest.» «Danke für deine Mühe, mich darauf hinzuweisen, dass ich egoistisch bin», sagt Rob. «Das weiß ich ...» Auf dem Parkplatz kommt Tatum O'Neal auf ihn zu, die sich den ganzen Abend mit Vincent Gallo unterhalten hat, und meint zu Rob: «Ich möchte nur wissen, ob die Gerüchte stimmen.» Rob verschwindet ohne Bodyguard mit einer Frau, die er vorhin kennen gelernt hat, und kommt erst am nächsten Mittag wieder nach Hause. Er hatte seinen Spaß und hörte zum ersten Mal «Broken English» von Marianne Faithfull, aber es gab auch eine sehr merkwürdige Situation. Bevor sie einschliefen, wurde er plötzlich von der Frau gefragt, ob er mit einem Gewehr umgehen könne. Ja, antwortete er, wieso? «Neben dem Bett auf deiner Seite liegt ein geladenes Gewehr», sagt sie. «Die erste Kammer ist leer, die zweite geladen. Falls also jemand einbrechen sollte, musst du zweimal abdrücken.» «L. A. ist doch wirklich super, oder?», seufzt er, als er diese Geschichte erzählt. Er vergleicht seinen Abend mit Pompeys, der auch einen komischen Abend verbracht hat, und stellt fest, dass ihre Probleme genau entgegengesetzt sind. «Du kannst mit Frauen reden, wenn du nur mit ihnen ausgehst, aber nicht, wenn du mit ihnen ins Bett willst», fasst er zusammen. «Bei mir ist es genau umgekehrt.»
Eines Nachmittags sind alle ganz entspannt bei ihm zu Hause, als Rob zur versammelten Mannschaft sagt: «Wollt ihr einen Kaffee?» Pompey geht los und holt die Autoschlüssel. Er geht davon aus, dass wir alle gleich zu Starbucks fahren. «Nein», sagt Rob. «Ich werde selber einen kochen.» Sehr ungewöhnlich. «Wirklich?», fragt Pompey.
«Ja», sagt Rob und macht sich auf den Weg in die Küche. «Ich komme mit», sagt Pompey, «falls du ein Trauma erlebst.» Etwas später verteilt Rob Tassen mit sehr gutem Kaffee. «In ein paar Jahren mache ich euch wieder einen», verspricht er.Auf dem Weg nach New York muss er noch ein paar Radiosender besuchen. Er steht sehr früh auf und isst in Unterhose sein Müsli am Küchentisch, als ihm ein Gedanke kommt. «Josie», fragt er, «wenn die wollen, dass ich schon dieses Jahr die Greatest Hits rausbringe, was bedeutet das in Wirklichkeit für die Amerika-Planung?» Es ist wohl das Beste, heute darüber nicht zu viel nachzudenken. Stattdessen erzählt er gegen Mittag den Menschen in Denver, dass man besser aussieht, wenn man prominent ist. «Ich meine, sehen Sie sich doch mal Mick Jagger an», sagt er. «Verstehen Sie, was ich meine? Durch Berühmtsein kommt man an Sex. Rock 'n' Roll – der beste Weg für hässliche Menschen seit 1950, Sex zu haben.» Im Bus hört er sich auf seinem Handy eine Nachricht der Schauspielerin an. Er hatte sie angerufen, um ihr zu erklären, dass er im Moment zu einer Beziehung nicht in der Lage sei, obwohl er trotzdem an sie denken muss. «Was für eine furchtbar nette Nachricht», sagt er. «Wirklich ein schöner Gedanke.» «Ist sie nett?», fragt David. «Ich weiß es nicht», sagt Rob. «Sie ist Schauspielerin. Ich würde die Wahrheit frühestens in acht Monaten herausfinden.» Im Flugzeug sagt er: «Neulich hatte ich ein paar Songideen, die tatsächlich auf den Erfahrungen anderer Leute basieren.» Als er sie ausprobierte, machte er eine Entdeckung: «Sie klangen trotzdem, als seien es meine eigenen Erfahrungen.» Vielleicht gibt es also noch andere Möglichkeiten: «Beim nächsten Album werde ich über mich selber schreiben, aber behaupten, dass ich nichts damit zu tun habe.» Spät in der Nacht geraten wir kurz vor New York in einen Sturm, und der Flug wird unruhig. Rob schlägt vor, alle Lampen auszumachen. Wir landen im Dunkeln. 14 Er beschließt, Klamotten und Kunst einkaufen zu gehen. Im Foyer des Mercer-Hotels trifft er Mike Myers, der ihm erzählt, dass sie nächste Woche zusammen in der Tonight Show, Amerikas größter
Talkshow, auftreten werden. Draußen vor dem Haupteingang warten ein paar Fans. Einer schenkt ihm ein Elvis-Monopoly, ein anderer zeigt Fotos von Rob und fragt ihn, ob er davon welche haben möchte. «Schon gut», meint Rob, «ich weiß, wie ich aussehe. Aber vielen Dank.» In der Pop International Gallery bewundert er eine kleine Chicken Rice Box von Warhol, kauft aber nichts. Bei Ralph Lauren sieht er eine alte Lederjacke, die wohl aus den Vierzigern stammt. «Ein Stück aus Mr. Laurens Sammlung», wird ihm erklärt. Sie kostet 1295 Dollar. «Ich glaube, ich werde sie sehr viel tragen», meint er und kauft sie. Jetzt wird er jedes Mal, wenn er nicht sicher ist, was er tragen soll, nach dieser Jacke greifen. Zurück auf seinem Zimmer legt er sich auf sein Bett, um per Telefon das Vorgespräch für die Tonight Show zu machen. Vorgespräche werden von Redakteuren der Sendung geführt und dienen dazu, Informationen über den Gast für den Moderator zu sammeln. So kann es in solchen Sendungen zu so erstaunlichen Bemerkungen kommen wie: «Soviel ich weiß, sammelt Ihre Mutter Heißwasserkessel.» Rob guckt an die Decke und plappert ins Telefon: «... Ich bin gerade Mike Myers in die Arme gelaufen ... nein, ich bin kein Fan von der Art, wie englische Zähne vorgeführt werden ... Meine sind okay ... Ich habe einen Jaguar E-Type ... aber ich fahre nicht selbst, habe ich nie gelernt ... ich bin nicht aus der Schule geflogen, nein ... in England ist man mit 16 mit der Schule fertig, und nur ein geringer Prozentsatz macht dann auf dem College weiter ... eine Boyband ... wir haben dafür gesorgt, dass N'Sync wie Led Zeppelin aussah ...habe ich fünf Jahre lang mitgemacht ... nein, schreckliche Zeit ... mein Vater ist Komödiant und Sänger, und ich wuchs mit unglaublich schlechten Kabarett-Stücken auf ... und ein paar ganz guten ... mein Dad ist ein guter ... warum ich hierher gezogen bin? ... Das Wetter ist sehr schön ... Ich bin auf der Suche nach Mrs. Williams ... klar kann ich Mrs. One Night finden, aber offenbar nicht Mrs. Forever ...Ich habe einen Wolf ... Pets of Bel Air ... ja ... nein, ehrlich ... Es hätte Ihnen jetzt besser gefallen, wenn ich erzählt hätte, ich wäre in den kanadischen Wäldern gewesen und hätte dort ein Rudel Wölfe mit ihrer Mutter gerettet ... Ich könnte das erzählen und dann sagen, ehrlich gesagt, nein, ich habe ihn von Pets of Bel
Air ... nein, das ist nur ein Trick, um von meiner Homosexualität abzulenken ... nein, bleiben Sie bei Klatsch und Tratsch, fragen Sie mich bloß nicht nach Musik ... » Er hat ihnen gegeben, was sie brauchen. Er war schon mal in der Tonight Show, mit durchwachsenem Ergebnis. Er sang «Have You Met Miss Jones?» und plauderte mit Jay Leno, dem Moderator. Der Song gelang ihm phänomenal — «ich sang ihnen diesen Swing-Song in ihrem Hintergarten vor, mit großen Augen und echtem Charisma, das Publikum lag mir zu Füßen» —, und dann ging er hinüber, setzte sich auf das Sofa und hört plötzlich eine innere Stimme sagen: Hier und jetzt könnte alles zu Ende sein. Eine Weile sah es auch so aus. «Leno fragte, >Wie war die Zusammenarbeit mit Queen?>, und ich antwortete:
Am Morgen des Battery Park-Konzertes ist David Beckham auf der Titelseite von USA Today. Die Schlagzeile lautet: «Er ist der berühmteste Athlet der Welt (außer in Amerika)».
«Er hat Williams-itis», diagnostiziert Rob. Er geht ein bisschen shoppen und legt sich anschließend wieder schlafen, damit er nicht so viel an das morgige Konzert denken muss. Als er aufwacht, sagt er sich leise den Text von «Millennium» vor und stellt fest, dass er ihn nicht mehr weiß. Pompey findet den Text auf einer Fanseite im Internet, und Rob liest ihn sich schnell durch. «Run around in circles», wiederholt er und nickt. «Wenn die wüssten», meint Pompey. Wir fahren Richtung Downtown. Überall hängen gelbe Poster, auf denen ROBBIE WILLIAMS FREE CONCERT steht – seine Plattenfirma tut einfach so, als sei das Battery Park-Konzert sein eigenes. Er wandert nervös im Backstage-Bereich auf und ab. Ich höre, wie zwei New Yorker über ihn reden, als er an ihnen vorbeigeht. «Wer ist das denn?», fragt der eine. «Ich weiß nur, dass er mal mit Ginger Spice zusammen war», meint der andere achselzuckend. Die Frau von Liquid News ist hier und fragt ihn nach der «Strategie, wie das Amerika-Ding anzugehen ist», und er erklärt zum wiederholten Mal, dass der Erfolg in den USA nicht zu seinen Prioritäten zählt. «Aber komisch, wie England mit meinem angeblichen Angriff auf Amerika umgegangen ist:
ihr bitte trotzdem so nett sein und das tun? Ruft eure verdammten Radiosender an und verlangt diesen Song! Er heißt
Rob, Daniel und ich sitzen auf einer Bank vor dem Mercer Hotel, weil Rob drinnen nicht rauchen darf. Die Schauspielerin Rachel Weisz fährt mit einem Freund, den sie gegenüber David schon mal erwähnt hatte, in einem Taxi vor. Daniel begrüßt sie. «Ich hatte gedacht, du wärst eine Frau», sagt Daniel zu dem Freund. «Bin ich auch», sagt die kurzhaarige Person. Um die etwas peinliche Situation zu beenden, gehen wir alle zusammen nach drinnen. «Ist es hier heute Abend völlig irre oder bin ich das nur?», erkundigt sich Rob bei der Freundin. Sie ist Künstlerin. «Das bist du», meint sie. Sie fragt nach dem Konzert. Rob beschreibt die Wandlung des Publikums von Apathie zu Engagement. «Hat es Spaß gemacht?», fragt sie. «Sozusagen. Ich war unglaublich nervös, weil hier niemand meine Sachen kennt. Ich mache das schon, seit ich 16 bin. Ich will mit 30 niemanden mehr überzeugen müssen.» Die beiden Frauen gehen auf eine Party, und wir sitzen auf einem Sofa in der Lobby, trinken Kaffee und beobachten, wie sich das
Foyer leert und füllt und leert. Wir reden über die Wege, die man im Leben gegangen ist und die anderen, die man verpasst hat. «Ich bin nicht der Typ, der sich hinsetzt, zuhört und Informationen speichert», sagt er. «Ich kann nur das behalten, was mich wirklich interessiert. Und das ist eigentlich nur Fußball. Ich weiß ganz genau, dass ich es in der Schule nie zu etwas gebracht hätte. Damals hatte ich ja schon angefangen, mit Speed und Acid und dem ganzen Scheiß zu experimentieren und gab mich mit üblen Leuten ab. Ich bin mir sicher – und ich danke Gott wirklich aus tiefstem Herzen für die Rettung –, dass ich ohne Take That im Gefängnis gelandet wäre. Ich romantisiere da wirklich nichts. Hey, ich war drogenabhängig und ein verdammter Alkoholiker. Ich wäre wahrscheinlich Drogendealer geworden. Aber das ist ja zum Glück nicht passiert, Gott sei Dank.» Hat deine Mutter geglaubt, du würdest da nochmal rauskommen, oder hatte sie Angst, dass ...? «Es ging schon so früh los, dass es eigentlich keine wirkliche Wahl gab, ob ich da gut oder schlecht herauskomme. Ich weiß, dass sie sich große Sorgen machte, als ich mit 17 oder 18 anfing zu trinken. Einmal tauchte sie im Pub auf, als ich gerade auf Ecstasy war. Da war ich 18.» Und dann habt ihr zusammen im Pub gesessen? «Allerdings. Ich war so stoned.» Ahnte sie etwas? «Ja.» Kein gutes Gefühl. «Kann man wohl sagen. Im Nachhinein klingt es lustig, aber in dem Moment war es schrecklich. Einmal ging sie abends aus, und ich hatte das ganze verdammte Haus auseinander genommen – aber das machen doch alle Teenies mal, oder? Sie kam rein, und ich war gerade ohnmächtig geworden, der Tisch war umgekippt, ihre Blumen überall verstreut, überall Dreck im Haus, ein Mädchen in meinem Bett ... » War sie sauer? «Kann man wohl sagen. Sie kann zum Fürchten sein. Heute ist das natürlich anders, aber wenn sie will, würde ich immer noch zusammenbrechen ... und wie.»
Am Abend des folgenden Tages kommt er in seine Küche in Los Angeles, wo er seine beiden Eltern antrifft. «Es ist unglaublich anstrengend, Amerika erobern zu wollen», sagt er.
15 Rob ist schon ein paar Tage wieder zurück in Los Angeles, als seinem Vater plötzlich einfällt, dass während seiner Abwesenheit jemand vorbeigekommen ist und beim Pförtner einen Brief abgegeben hat. «Er sagte, er wohne gleich um die Ecke», meint Pete unbestimmt. «Lieber Robbie», beginnt der Brief. «Irgendwie ist es vielleicht verrückt, Mann, aber eine Freundin meiner Frau hat mir erzählt, dass sie dich bei Starbucks angesprochen und gefragt hat, ob du vielleicht Lust hättest, auf meiner neuen CD zu singen. Ich mag deine Stimme, und ich finde sie wie geschaffen für einen Song, den ich geschrieben habe. Er heißt
Gegen Ende seines Besuchs erwähnt Pete eines Tages im Van, dass er ein Interview über die Entstehung und Blütezeit der britischen Cabaret Clubs mit Radio Wales vor sich hat, wenn er wieder zu Hause ist. Er beschreibt die kleinen Clubs, die nicht mehr als 150 Plätze fassten und in vielen britischen Städten vertreten waren. Dort traten ein Sänger und er als Hauptattraktionen auf, jeweils für eine Woche, von Sonntag bis Samstag. «Cabaret Clubs starben Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre aus», erklärt er. «Und die Alternative Comedy tauchte 82, 83 auf, stimmt's?» «Ein bisschen später.» «Das war also nicht der Grund für das Aussterben der Cabaret Clubs?»
Pete schüttelt den Kopf. «Die Einstellung zum Entertainment veränderte sich. Discos und Nightclubs kamen auf.» Für ihn aber ging was verloren. «Die meisten neuen Performer wissen nicht mal, wie man die Bühne betritt oder verlässt», sagt er. «Und außerdem hört ihnen sowieso keiner zu.» Rob fragt ihn nach den alten Clubs in der Umgebung von Stoke: dem Place, dem Torch. Zwar drehen sich viele Gespräche zwischen Vater und Sohn um die immer gleichen Familiengeschichten oder Anekdoten, als verstärkten Wiederholung und Vertrautheit ihre innere Verbundenheit, doch über die praktischen Details aus Petes Welt des Entertainments scheinen sie sich so noch nie unterhalten zu haben. «Northern Soul kam ins Torch», sagt Pete. Es klingt, als wäre Northern Soul eine schreckliche Virusinfektion gewesen. «Mochtest du Northern Soul nicht?» «Das Place war mir lieber.» «Was spielten sie denn im Place?» «Es hatte ein breiteres Spektrum.» Pete erzählt, wie einmal sein Freund in den frühen Sechzigern die Rolling Stones nicht reinließ, weil sie Jeans trugen. Die Stones waren gerade im Gaumont in Hanley aufgetreten. Damals war er noch Polizist gewesen. «Ich hatte an dem Abend Dienst auf der Wache», erinnert er sich. «Wir fuhren sie im Bus hin und brachten sie direkt auf die Bühne. Ich gehörte zur Security im Backstage-Bereich. Erinnerst du dich an Dave Berry? Bei ihm war ich auch für die Security verantwortlich und bei Dusty Springfield und den Troggs.» «Mochtest du Dusty Springfield?» «0 ja. Sie war damals mit Madeleine Bell zusammen. Ich hab sie ohne Perücke gesehen, mit kurz geschorenem Kopf. Die Perücken hingen auf Ständern.» «Als du noch Polizist warst, stimmt's?» «Wie kam es eigentlich, dass du vom Polizisten zum Entertainer wurdest?», fragt Josie. «Ich hatte schon immer davon geträumt», erzählt Pete. «Ich hing damals mit einem Komiker herum, Tony Braddock, mit dem ich dick befreundet war, und der wanderte nach Australien aus ... » «War er aus Stoke?», fragt Rob.
«Ja. Ich beobachtete ihn immer und dachte, das kann ich bestimmt auch – ich weiß, dass ich es kann. Irgendwie hatte ich eine Ahnung, dass ich es könnte. Wie auch immer, Tony wanderte nach Australien aus, und ich kannte seine Performance in- und auswendig. Eines Abends saß ich in einem Pub, wo ein Talentwettbewerb stattfand, und alle sangen
«Mein Dad hatte Visitenkarten», erklärt Rob uns übrigen Zuhörern. «
Draußen vor der Rückseite des Gebäudes, wo die Tonight Show produziert wird, läuft Rob Simon Cowell über den Weg, einem der anderen Gäste. Sie stehen in der Sonne und unterhalten sich über den kalifornischen Immobilienmarkt, Popmusik, Erfolg. Cowell erzählt von seiner Theorie, dass jede amerikanische TV-Show einen britischen Ganoven zeigt und er selbst eine Nische gefunden hat, indem er sich diese Tradition zunutze machte. «Ich hol jetzt all den Spaß nach, den ich als 17- oder 18-Jähriger verpasst habe», erklärt Rob. «Ich konnte erst vor einem Jahr anfangen, das alles zu genießen, und jetzt finde ich es super.» «Gut für dich», meint Cowell. «Ja, aber jetzt muss ich los und mich frisieren lassen ... » Im Gang begegnet er Katie Couric, der Moderatorin der heutigen Show. Die Tonight Show wird normalerweise von Jay Leno moderiert, aber diese Woche ist «Sweeps Week». In einem verblüffend altmodischen System werden im amerikanischen Fernsehen zwei Wochen im Jahr zu so genannten «Sweeps Weeks» erklärt. Die Zuschauerquoten, die ein Sender in diesen zwei Wochen
erreicht, bestimmen über die Werbeeinnahmen, die er für den Rest des Jahres verlangen kann. Infolgedessen erfindet man alle möglichen Werbegags, um die Quoten in dieser Zeit zu pushen. (Wenn zum Beispiel in einer amerikanischen Sitcom ein sehr bekannter Filmstar auftritt, wird diese Episode normalerweise zuerst während der «Sweeps Weeks» ausgestrahlt.) Einer von NBCs Werbegags in diesem Frühling besteht darin, ihre bekanntesten Moderatoren für einen Tag die Plätze tauschen zu lassen. An diesem Morgen hat Jay Leno statt Katie Couric die Nachrichtensendung der Today Show komoderiert; heute Abend wird sie dafür auf seinem Platz sitzen. «Ist das zu gewagt?», fragt sie ihre Entourage, als sie auf Rob zugeht. Sie trägt ein schwarzes Abendkleid, das weiter ausgeschnitten ist als die üblichen Powerfrau-Kostüme, die man sonst von ihr kennt. Ihre Begleiter beruhigen sie. Sie sagt Rob guten Tag und erzählt ihm, wie aufgeregt sie ist. «Keine Glanztat, ohne dass man sich in die Hose scheißt.» «Schweißt oder beißt?», fragt sie verwirrt nach, als ob sie nicht richtig versteht. «Scheißt», wiederholt er. «Oh», meint sie und grinst. «Die Farbe von Adrenalin ist braun, stimmt's?» Das Zitat aus seinem früheren Auftritt in der Show, der Witz, der daneben ging. Als Rob dann «Feel» vorträgt, sitzen Simon Cowell und Mike Myers bereits in ihren Sesseln neben Katies Tisch. Die Bühne befindet sich etwas weiter weg auf der linken Seite, wo Publikum und Kameras einen guten Blick haben. Vor dem Refrain bewegt sich Rob zur ersten Zuschauerreihe und wenig später zu den Gästen und der Moderatorin und umgarnt mit seinem Song als Erstes Katie Couric. Dann geht er weiter zu Simon Cowell, dreht sich um und liefert einen Lap-Dance, bei dem er seinen Hintern nur Zentimeter von Cowells Schritt entfernt rotieren lässt. Cowell wirkt verlegen und amüsiert zugleich. Mike Myers wird klar, dass er der Nächste sein wird; er springt auf und verzieht sich hinter den Sessel, um Rob aus dem Weg zu gehen, der sich aber nicht beirren lässt und ihm folgt.
Vielleicht glauben die Zuschauer zu Hause, dass auch das ein Teil der «Sweeps»-Taktik ist und vorher abgesprochen wurde, was jedoch nicht stimmt. Falls Rob irgendwas davon geplant hatte, so hat er jedenfalls mit keinem darüber gesprochen – abgesehen von einer Bemerkung während der Probe, als er dem Regisseur erklärte, dass er möglicherweise während des Auftritts auf Katie zugehen würde. Wahrscheinlich wollte er sicher sein, dass er damit nicht das ganze Konzept durcheinander brachte.
Am nächsten Tag wird er erfahren, dass diese Episode in der Tonight Show die höchsten Einschaltquoten in der Montagsausgabe seit fünf Jahren hatte. Sein Album, das drei Wochen zuvor aus den Top 200 der «Billboard Album Charts» herausgefallen ist, taucht auf dem 125. Platz wieder auf, und in sämtlichen amerikanischen Medien wird sein Auf-tritt wohlwollend kommentiert. In den nächsten fünf Wochen sprechen ihn immer wieder Leute in Geschäften, auf Parkplätzen oder bei Starbucks an und gratulieren ihm zu der Show. Das allein reicht nicht, um aus dem Album einen Hit zu machen, aber es zeigt, dass das amerikanische Publikum genauso wie alle anderen auf der Welt reagiert, wenn es die Möglichkeit hat, ihn zu sehen und zu hören. Auch in England nimmt man Notiz von dem Auftritt. Falls Rob Recht hat und seine öffentliche Person in Großbritannien eine Figur aus der Seifenoper ist, dann interpretiert man den aktuellen Handlungsverlauf so, dass Robbie Williams sich gerade erniedrigt, indem er sich einem Amerika an den Hals wirft, das ihn gar nicht haben will. Nichts kann die Briten von dieser Überzeugung abbringen. «Robbie Williams' zäher Versuch, den amerikanischen Markt zu erobern, geht weiter», schreibt der Daily Mirror. «Wie tief wird Robbie noch sinken?», fragt das OK-Magazin und behauptet weiter, er habe sich «bis auf die Knochen blamiert ...indem er die Gastmoderatorin Katie Couric in Verlegenheit brachte ... die unübersehbar peinlich berührt sein Gesicht wegschob.» Ich nehme an, alles hängt davon ab, was man sehen will. Aber das Schlimmste kommt erst noch.
Eines Tages werden ein paar große, schwere Pappkartons vor seinem Haus in Los Angeles angeliefert. Sie kommen aus Österreich. Einen Monat zuvor hatte Rob in einem Fitness-Studio in Chelsea eine neue Entdeckung namens Vacunaut gemacht, die wie für ihn geschaffen schien. Jetzt hat er eine gekauft – für den Preis eines Mittelklassewagens. Es ist eine Art Vakuumanzug mit mehreren Druckkammern um die Bauchmitte, die an eine Pumpe angeschlossen sind. Die Theorie dahinter besagt, dass es besonders schwierig ist, Fettgewebe in der Körpermitte abzubauen, weil die Durchblutung dort besonders schwach ist und der Körper daher weniger bereit ist, Fett umzuwandeln und abzutransportieren. Der Vacunaut soll dieses Problem bekämpfen. Rob schwört darauf. Jetzt läuft er die meiste Zeit in diesem Anzug herum wie ein exzentrischer Astronaut und bittet jeden, der ihm über den Weg läuft, den Reißverschluss auf- oder zuzumachen.
Beim Abendessen im Koi wird Max von Rob bezichtigt, die Kerze auf dem Tisch so platziert zu haben, dass sie ihn ins schmeichelhafteste Licht rückt. Max leugnet es entschieden, aber nicht überzeugend. Keiner von beiden bestreitet, dass man so was tun könnte. «Ich habe es neulich selbst mal irgendwo gemacht», gesteht Rob. Plötzlich tauchen zwei schwer beeindruckte, kichernde Frauen auf und fragen, ob er mit ihnen für ein Foto posieren würde. Eine von ihnen erklärt fasziniert, wie toll sie es finden, dass er so ungehobelt ist. «Was sagst du immer?» «<Scheiße> sagst du immer», kommt die andere ihm zuvor. «Ihr beide habt echt süße Foo Foo Flappers», meint Rob, als sie sich für das Foto an ihn schmiegen. «Wir lieben deine Arbeit», behauptet die eine. «Rat mal, wo meine Freundin wohnt?», sagt die andere. «In Guernsey!» Es dauert eine Weile, bis man versteht, was hier abgeht, vor allem, weil ihre Verwirrung so umfassend ist. (Sie glauben tatsächlich, dass Guernsey etwas mit Irland zu tun hat.)
Rob steigt allmählich dahinter. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als mitzuspielen. «Du bist heute wirklich sehr schick», sagt die Erste zu ihm. «Danke, Colin», meint die andere. Grinsend und kichernd verabschieden sie sich in dem Glauben, dass sie gerade eine höchst befriedigende intime Begegnung mit Colin Farrell hatten.
Rob schlendert in die Küche. Sein Vater muss zum Flughafen. «Ich hasse es, abzureisen», erklärt Pete. «Ich mag keine Abschiede.» «Du magst keine Abschiede?», wiederholt Jane. «Das habe ich gemerkt.
Rob macht sich Gedanken über das Sterben und hält diese Sorge für ein gutes Omen. «Sterben», sagt er. «Das ist vermutlich das Letzte, worüber man sich Sorgen machen muss. Dem Komitee im Kopf bleibt es als ultimative Waffe aus dem Schützengraben, wenn man schon alles andere aus dem Weg geräumt hat.»
Er fährt los, um ein paar neue Queues und Kugeln zu kaufen. Im Wagen hört er sich das Demo an, das Brian Wilson seinem Brief beigelegt hatte, einen Song mit dem Titel «Getting In Over My Head». «Wirklich hübsch», sagt er. «Klingt genau wie die Beach Boys, nicht?» Bei der dritten Strophe schaltet er ab. «Zu lang.» Denkst du ernsthaft daran, den Song aufzunehmen? «Heute nicht», sagt er. «Heute will ich gar nichts tun.» Unterwegs ruft er eine Freundin an und bespricht mit ihr irgendwelche romantischen Angelegenheiten. «Sie ist echt süß, aber sterbenslangweilig.» Er hat mich gefragt, wie man sich Musik aus dem Internet runterladen kann — zwar könnte man ihn fix und fertig machen,
wenn es an die Öffentlichkeit käme, aber bisher hat er es noch nie versucht. Als wir wieder zu Hause sind, die neuen Billardkugeln ausprobiert und zugesehen haben, wie die Lakers ihr letztes Play-offSpiel verloren, zeige ich ihm, wie man Limewire benutzt. Wir liegen auf seinem Bett, die beiden Computer zwischen uns, laden Songs herunter und spielen sie uns gegenseitig vor. Seine erste illegale Musiksuche betrifft ein Stück von Boogie Down Productions; sein erster erfolgreicher Download ist Dr. Hooks «Cover Of The Rolling Stone». Heute Abend findet im White Lotus, einem schicken Club, der gerade in ist, eine Party für die Zeitschrift Nylon statt, auf der jede Menge schöner Frauen erwartet werden. «Wir fahren zu Willi Wonkas Schokoladenfabrik», freut sich Max, «lauter Kids, die auf Schokolade stehen ... » «Ich habe Diabetes», murmelt Rob. Max meint, dass es nach den beiden TV-Auftritten in dieser Woche auf der Party mächtigen Wirbel um Rob geben wird. «Obendrein trage ich dieselben Klamotten», betont Rob. «Ja, das machen Schauspieler immer so», nickt Max. Zur gleichen Zeit wie wir trifft auch Hugh Hefner ein, flankiert von einer Hand voll Sicherheitspersonal. (Rob, der ihn nie persönlich kennen gelernt hat, sagt später über ihn: «Hef ist so herrlich aufrecht und grandios falsch zugleich.») Im Verlauf der Party wird er zum zweiten Mal in dieser Woche vom Us-Magazin interviewt. Die Journalistin fragt ihn nach der Inspiration für sein neues Album. «Irgendwas muss ich doch mit meiner Zeit anfangen», sagt er, aber er ist nicht mit dem Herzen dabei. «Ich mache mir nicht mal mehr die Mühe, lustig oder respektlos zu sein», seufzt er, nachdem sie weggegangen ist. «Das ist reine Zeitverschwendung hier. Jedenfalls habe ich dieses Gefühl, dass ich meine Zeit verschwende.» Er setzt sich an einen Tisch mit ein paar unauffälligen Engländerinnen, die für Nintendo arbeiten und wegen der Computerspielkonferenz in der Stadt sind. Sie wollten irgendwo zu Abend essen und sind irgendwie auf der Party gelandet. Er überredet sie, ihm einen Kaffee zu spendieren. Sie wollen wissen, wie es in Amerika so läuft. Dann kommt zufällig Max vorbei.
«Kennt ihr schon Max Beesley aus dem Film Glitter?», fragt Rob die Frauen. «Scheiße nochmal», sagt Max. «Mach das ja nicht auf der Tournee.» Man kann förmlich sehen, wie die Rädchen in Robs Kopf rotieren. Marvin Jarrett, der Herausgeber von Nylon, lädt Rob ein, rüberzukommen und L´il Kim, die offizielle Gastgeberin der Party, zu begrüßen. Am Ende willigt er ein, bereut es aber sofort. Als man ihn an ihren Tisch führt, muss er eine Ewigkeit warten, während sie sich um jemand anders kümmert. Nachdem sie gemeinsam für die Fotografen posiert haben, sagt Marvin zu ihm: «Gute Publicity in Amerika», was ihn wahnsinnig ärgert. Während der kurzen, angenehmen und bedeutungslosen Begegnung zwischen Rob und L´il Kim baut sich ein betrunkener Engländer vor Pompey auf und lässt einen Monolog über Robs beste Eigenschaften ab. «... Er hat so einen brutalen Sinn für Humor», plappert der Mann. «Die beste Antwort, die er je gegeben hat, war, als er all dieses Geld bekam und man ihn im Fernsehen fragte, wie er sich fühlte, und er sagte:
Aber es kommt noch schlimmer. Später, als er schon zu Bett gegangen ist, höre ich Rob aus seinem Zimmer rufen. Meins liegt auf der anderen Seite des Treppenabsatzes. Er sitzt im Bett, den Computer neben sich, und auf dem Monitor flimmert ein grässlicher
Artikel aus dem Daily Mirror von morgen mit dem Titel: ROBBIE LANGWEILT AMERIKA ZU TODE. Er liest mir Teile daraus vor. «Als er den fettesten Plattenvertrag in der britischen Geschichte des Pop unterschrieb, war der unbändige Robbie Williams um 80 Millionen Pfund reicher, und das ganze Königreich lag ihm zu Füßen ... Doch als er diese Woche bei einem verzweifelten Auftritt in der amerikanischen Tonight Show buchstäblich auf Simon Cowells Schoß saß, hatte er mehr von einem Möchtegern-Superstar als einem, der dabei ist, die Welt zu erobern. Dieser katastrophale Auftritt ... markierte ein neues Tief in Robbies scheinbar vergeblichem Versuch, den lukrativen amerikanischen Markt zu erobern. Seine Kampagne macht ihm auf die harte Tour klar, dass man amerikanische Fans niemals mit Arroganz und Raffgier gewinnen kann ...» Nach einer Reihe von Irrtümern – der Reporter nimmt Daryl Hannahs trockenen Witz, sie sei davon ausgegangen, mit Robin Williams am Video für «Feel» zu arbeiten, wörtlich oder tut zumindest so – und einer Analyse, die Robs «Scheitern» in Amerika mit seiner mangelnden Bescheidenheit in Zusammenhang bringt, kommt er zu dem Schluss, dass es mit Robs britischer Karriere jetzt ebenfalls abwärts gehen könnte. Das Ende lautet: «Wie der Westlife-Manager Louis Walsh erklärt:
Ich liebe es, wie du immer Beispiele findest, die dich einerseits loben und gleichzeitig niedermachen. «Okay. Warte, vielleicht fällt mir noch eins ein ... » Er denkt einen Augenblick nach. «Nun, die Einzigen, an die man sich erinnert, sind die mit betrunkenen Menschen oder scheißenden Tieren. Oder Freddie Starr in der Des O'Connor Show, ein echt geiles Fernsehprogramm. Aber was ich sagen will, ist Folgendes: Ich bin ein echter Star, verdammt, ich hatte das Gefühl, und ich habe es wirklich genossen, ein echter Star zu sein. Scheiße nochmal. Und alles, was ich tat, war voller Selbstvertrauen und Zuversicht – ich war laut, selbstbewusst und im Recht. Statt mir nur einzubilden, ich wäre laut, selbstbewusst und im Recht, verstehst du? Ich mache es ein bisschen anders als die meisten anderen Leute, und das kommt an. Ich weiß, was ich wert bin. Aber kapierst du, das ist ein klassischer Fall von – ich sollte dieses Zeug wirklich nicht lesen. Weil es sowieso keine Rolle spielt. Ich glaube, was ich allmählich begreife, ist, dass es eine Reihe von Leuten gibt, die meine Platten nicht kaufen, und eine Mehrheit von Journalisten in England, die jetzt alles angreifen und verurteilen, was ich mache. Für diese Ärsche wird es immer so aussehen, als wäre ich auf dem absteigenden Ast, aber dann gibt es auch noch Unmengen von Leuten, und das hat sich bei allen fünf Alben gezeigt, die ich gemacht habe, die meine Platten tatsächlich kaufen und wo der Funke überspringt. Du weißt schon, Chris, Leute, die meine Texte auf sämtlichen Ebenen verstehen. Man muss nämlich wissen, dass ich jedes beschissene Wort ernst meine, das ich schreibe.» Wir reden weiter, bis er vor meinen Augen einschläft.
Diese beiden letzten ruhigen Wochen in Los Angeles, während die Tour immer näher rückt, vergehen wie im Flug. Er trainiert im Fitnessstudio und auf dem Basketballplatz oder wandert mit seinen Hunden über die abschüssigsten Wege rund um den Runyon Canyon. Hin und wieder passiert etwas Unvorhergesehenes. An einem Samstag stürzt eine alte Militärmaschine aus dem Jahr 1956 in eine Schlucht in der Nähe des Hauses. Der Pilot kommt ums Leben, und aus der Küche kann Rob die Helikopter sehen, die über der
Unglücksstelle schweben. Er schreibt an Brian Wilson und entschuldigt sich höflich. Aus Termingründen müsse er auf die Ehre verzichten, an seinem Album mitzuwirken. Dann bedankt er sich für alles, was Brian Wilson für ihn getan hat, ohne es zu wissen. (Es könnte sein, dass nicht mal Rob selbst alles weiß, was Brian Wilson für ihn getan hat. Als sie an Escapology arbeiteten, erwähnte Steve Power, dass alle Leute glaubten, man hätte die Schlittenglocken auf «Angels» verwendet, weil es als Weihnachtsplatte geplant war, aber in Wirklichkeit war es ganz anders: «Sie sind bloß da, weil Guy und ich auf Brian Wilson stehen.») Rob trifft sich auch mit ein paar Songwritern. Chris Briggs hat ihm vorgeschlagen, sich eine CD mit Songs von Dan Wilson anzuhören, ehemals bei Semisonic, und Rob gefallen sie so gut, dass er ihn zu sich einlädt. Aber es kommt nicht viel dabei heraus. Sie hören sich Platten an, und gelegentlich spielt Dan Wilson ein paar Akkorde auf dem Keyboard. Rob sitzt auf seinem Bett und raucht. «Es ist verrückt», sagt er. «Er war ein echt netter Kerl, aber wir saßen hier nur drei Stunden rum und er rückte mit nichts raus.» Dann verbringt er ein paar Stunden mit dem Sänger und Songwriter Robin Thicke, aber der soll am nächsten Tag seinen eigenen Video-Clip drehen und ist am Abend zuvor zu spät ins Bett gekommen. «Er war nicht richtig bei der Sache», erzählt Rob. «Also saßen wir nur ein bisschen zusammen. Genauso komisch wie das Treffen mit Dan Wilson.» Er spielt mit dem Gedanken, die Pet Shop Boys anzurufen, um rauszukriegen, ob man beim Songschreiben zusammenarbeiten könnte, kommt aber nicht dazu. Und dann ist da noch Guy. Gerade als Rob die Möglichkeit erwägt, wieder mit ihm zu arbeiten – er überrascht alle mit dem Vorschlag, wenn er in diesem Jahr weitere neue Singles abliefern müsste, könnte er sie mit Guy machen: «Wir müssten nur ins Studio gehen und eine Woche arbeiten, dann hätten wir drei neue Singles. Es würde gehen. Und ich fände es ziemlich aufregend, das zu machen und zu sehen, was dabei herauskäme» –, hört er, dass Guy David beim Lunch bei Ivor Novello hat abblitzen lassen. Das war's mal wieder. Rob lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Vielleicht braucht er ja nicht mal jemanden, mit dem er Songs schreiben kann. Eines Tages schreibt er einen neuen, der ihn begeistert, und bringt Max dazu, ihn
auf dem Keyboard im Keller zu spielen, während er singt. Wenn er wirklich jemanden finden soll, wird es schon rechtzeitig von selbst passieren. Als er nach London zurückkehrt, so gut wie nur möglich auf die nächsten Wochen vorbereitet, lässt er sich neue Tätowierungen von Pompeys Freund Glen aus Devon machen: zwei Schwalben auf dem Unterbauch und ein Herz auf jeder Innenseite des Handgelenks. Auf den Herzen bildet sich eine grässliche Kruste, so dick und unregelmäßig, dass man kaum erkennen kann, was die Tätowierung darunter sein soll. Er glaubt, dass er die falsche Lotion benutzt hat. Aber er geht nicht zum Arzt; wenn herzförmige Narben zurückbleiben, dann soll es eben so sein. Seine Sorgen spart er sich für andere, undefinierbarere Dinge auf.
Teil drei
1 Er ist stolz darauf, dass er auf der Bühne allen was vormachen kann — dem Publikum sowieso, aber auch seinen besten Freunden und Kollegen. Er liefert den Beweis, dass er ein selbstbewusster, aber emotionaler Kerl ist, einer, der Hochleistungen bringt und trotzdem einen Riesenspaß hat, und er macht das so gut, dass selbst die Zweifler ihm glauben, Leute, die nach Rissen in der Fassade suchen, die Absätze wie diesen gelesen haben und schwören, dass sie jedes Theater durchschauen würden. Die Wahrheit ist, dass er es hasst, auf Tour zu gehen. «Ich kann es nicht ausstehen», erklärt er. «Deshalb sind meine Tourneen so kurz. Ich bin nicht wie U2 oder die Rolling Stones. Ich hasse es. Ich bin anders als sie. Mir ist das Fernsehen tausendmal lieber. Die Verantwortung ist zu groß. Ich brauche zwei oder drei Monate, um mich von einer Tour zu erholen. So sieht es für mich aus, kurz und knapp.» Vor dem Publikum packt ihn schlichtweg die Angst, und viele seiner extravaganten oder extrovertierten Mätzchen dienen einfach dazu, diese Angst zu überspielen. Deshalb türmt sich die Sommer-Tournee schon das ganze Jahr vor ihm auf wie ein Hindernis, das er überwinden muss, und deshalb war er so wild entschlossen, sich dafür in Form zu bringen. Er muss sich wieder einmal beweisen — diesmal spielt er öfter und an größeren Veranstaltungsorten als je zuvor —, vor allem aber erscheint es ihm als etwas, das er erst mal überleben muss. Seine Tour-Vergangenheit war nicht gerade glücklich. Einige Tourneen wurden kurz vor dem Start abgesagt, die meisten anderen hat er einfach nur irgendwie durchgestanden. Dabei kam es immer wieder zu albtraumartigen Erlebnissen.
Ende Oktober und Anfang November 2000 trat Rob sechs Abende hintereinander in der Londoner Docklands Arena auf. Am Nachmittag des letzten Tages erklärte er, dass er die Vorstellung nicht mehr durchstehen würde. «Ich hatte einfach genug», sagt er. «Ich war erledigt. Durchgedreht. Ich war unglücklich. Ich schaffte es nicht, weil ich solche Angst hatte. Ich war wie gelähmt von der Vorstellung, dass ich auf die Bühne kommen und aussehen könnte, als hätte ich Angst, also so, wie ich mich tatsächlich fühlte. Ich redete mir ein, dass dies der Abend war, an dem ich es einfach nicht schaffen würde.» Der Promoter wurde informiert, und die gesamte Stornierungsmaschinerie lief an. David fuhr zu Rob nach Hause, setzte sich auf sein Bett und erklärte ihm alles noch einmal von vorn. Er sagte, es wäre allein Robs Entscheidung, und sie würden ihn auf jeden Fall unterstützen, aber es könnte ihn 400 000 Pfund kosten. («Ich habe die Summe verdoppelt», räumt David ein.) Rob hatte den ganzen Tag herumgeschrien, damit ihm der Arzt später bescheinigte, dass seine Stimmbänder hin waren. «Trotzdem passierte nichts», erinnerte er sich. «Meine beschissene Stimme wollte einfach nicht aussetzen.» Schließlich willigte Rob doch ein, zu spielen, und David musste alles wieder rückgängig machen. «Aber jetzt habe ich stundenlang geschrien», sagte er. «Scheiße!» Er schaffte es. Dann, im Juli 2001, trat er zum zweiten Mal hintereinander in der Milton Keynes Bowl auf. Am selben Morgen hatte er beschlossen, neue Antidepressiva auszuprobieren. (Rob experimentierte während seiner Alkoholzeit immer wieder mit Antidepressiva, bis zu der Katastrophe an diesem Wochenende.) «Wenn man draufkommt, wenn die Wirkung der Tabletten einsetzt, wird einem total übel, und es ist, als wäre man auf Ecstasy», erklärt er. «Man wird also irgendwie nervös. Und die Angst, vor diesem Riesenpublikum in Milton Keynes zu spielen, gepaart mit der Unruhe von den Tabletten, machte mich einfach fertig. Als wir mit dem Tourbus ankamen und ich aus dem Fenster die Menge sah, dachte ich, nee, ich geh da nicht raus.» Er meinte es ernst. Diesmal würde es ihn eine Million Pfund kosten, hieß es. «Na schön, dann versuche ich es.» Wieder stimmte er erst im allerletzten Augenblick zu. «Ich ging raus und lieferte eine der besten
Shows ab, die ich je gebracht habe», erinnert er sich. «Manchmal wird es so unheimlich, dass es wie eine Fahrt in einem Themenpark ist, die du unbedingt machen willst. Es gibt keine Sicherheitsgurte, aber du hast gehört, dass die Zentrifugalkraft dich festhalten wird. Es ist verrückt, aber manchmal kann die Wirkung genau das Gegenteil von dem sein, was man empfindet.» («Er hat ziemlich übertrieben», erzählt David. «Er tat so, als würde er die Treppe runterfallen, und ich dachte wirklich, er wäre ziemlich hinüber, aber nach der ersten Hälfte kam er zu mir und gab mir einen Kuss, und ich dachte, du Arsch!») So schmerzhaft Docklands und Milton Keynes auch waren, heute wirkt Rob eher amüsiert, wenn die Sprache darauf kommt, und auch eine Spur verlegen, weil es sich im Nachhinein so melodramatisch anhört. Doch es gibt noch eine andere, frühere Episode, über die er weniger gern spricht und die er auch überhaupt nicht komisch findet. Kaum etwas kann einen so finsteren Ausdruck auf sein Gesicht zaubern wie die Erinnerung an Hull, und wenn jemand davon anfängt, wird er gewöhnlich aufgefordert, das Thema zu wechseln. Monatelang weicht Rob meiner Frage danach aus, was in jener Nacht tatsächlich passiert ist, und als er schließlich einwilligt, darüber zu sprechen, ist nicht zu übersehen, wie nahe es ihm geht. «Ich muss das so schnell wie möglich hinter mich bringen», sagt er, als er zu dem Teil kommt, der am schwierigsten ist, und rast dann hindurch, als müsste er mit angehaltenem Atem durch einen Unterwassertunnel um sein Leben schwimmen. So also hat er es für mich beschrieben. Es war 1999. «Okay, ich hatte am Abend zuvor drei Brit Awards bekommen. Und gleichzeitig machte ich diese Tour, für die ich mich auf schreckliche Art verantwortlich fühlte. Das Publikum kam, um Robbie Williams zu sehen, und ich hatte kaum Selbstvertrauen, obwohl die Menschenmenge, die jeden Abend auftauchte, um mich zu sehen, mir eigentlich hätte beweisen müssen, dass sich irgendwas daran lohnte. Auch die Presse war auf meiner Seite. Aber im Grunde meines Herzens glaubte ich selbst nicht an mich. Ich fand mich Scheiße, verstehst du? Und der Druck der Tour schaffte mich allmählich – den Leuten was bieten zu müssen für das Geld, das sie bezahlt hatten. Schließlich flogen wir eines Abends nach dem Auftritt nach London,
ich probte für die Preisverleihung, flog zurück, brachte die nächste Show hinter mich, flog am folgenden Tag wieder nach London, zog die Preisverleihung durch, besoff mich bis zum Umfallen, bekam drei Auszeichnungen und fand den ganzen Abend zum Kotzen. Was irgendwie komisch ist. Ich war ein Jahr in der Reha gewesen, und da hat man häufig eigentlich gar nichts zu tun. Damals hatte ich in der Klinik die Dankesrede für den Brit Award geübt. Er war für das Album Life Thru A Lens. Und ein paar Jahre später kriegte ich drei auf einmal und fand es zum Kotzen.» Zu dieser Zeit hatte er sich gerade von Nicole Appleton getrennt, die mit Huey von den Fun Lovin' Criminals an der Preisverleihung teilnahm, was Robs Laune nicht gerade verbesserte. Bei der Eröffnung der Show seilte er sich auf die Bühne ab, um «Let Me Entertain You» zu singen, und schlug sich dabei den Kopf auf. Später versuchte er sternhagelvoll, Cher anzubaggern, die er die ganze Zeit als «Chair» titulierte. «Komm doch mit», sagte er zu ihr. «Ich finde dich super. Echt cool für so eine alte Schachtel.» Sie sagte nichts. (Er meinte es aber wirklich ernst und hätte sie gern abgeschleppt. «Keine Frage. Klar», beharrt er und lacht. «Ich habe einen sehr vielfältigen Geschmack.») Am nächsten Abend sollte er in Hull auftreten. Es hätte eine triumphale Feier aus Anlass der drei Brit Awards werden können. «Ich komme im Hotel an und sehe diesen Kerl. Ich hatte ihn schon vorher in Hull gesehen. Er sagt, er hat Stoff, und gibt ihn mir. Ich gehe rauf in mein Zimmer und denke, okay, nur eine Linie, um mich ein bisschen zu pushen, bevor ich auf die Bühne gehe. Ich war ziemlich geschafft. Okay, ich zog also eine Linie hoch. Dann noch eine. Und noch eine. Dann fing ich an zu zappeln. Jonny klopfte an die Tür, um zu sagen, dass wir los mussten. Und ich machte ihm nicht auf.» Am Ende machte er ihm doch auf. Jonny fragte, ob alles in Ordnung sei. Rob zuckte. Sein berühmtes Koks-Zucken. «Du machst doch nur Quatsch, oder?», fragte Jonny. «Nein. Es geht gleich vorbei. In zehn Minuten bin ich wieder okay – ich bringe das in Ordnung», versprach Rob. Aber das tat er nicht. «Als ich zu dem Gig fuhr, zuckte ich immer noch. Ich konnte unmöglich auf die Bühne. Tim sagte, es käme zu Tumulten, wenn ich
nicht rausginge. Ich hatte mich in eine üble, echt üble Lage gebracht. Ich würde rausgehen und vor 7000 Leuten rumzappeln. Wie auch immer. Backstage war die Hölle los. Das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Es war einfach so, dass ich jetzt nicht nur den Druck des Gigs spürte – den hatte ich sowieso immer –, jetzt war ich noch völlig durchgeknallt.» Andy Franks fuhr zurück zum Hotel und sammelte sämtliches Gepäck ein, damit sie Hull noch in der Nacht verlassen konnten, falls es wirklich zu Tumulten kommen sollte. «Wie auch immer, ich habe vierzig Minuten durchgehalten. Rannte raus auf die Bühne und wieder zurück, so ging es die ganze Zeit», sagt er. Die Art, wie seine private Misere dem professionellen Stolz als Performer in die Quere kam und das Ganze obendrein vor dem Publikum ausgelebt werden musste, findet er unerträglich. Seine Augen füllen sich mit Tränen. «Gott, es tut weh», sagt er. «Das ist das Schlimmste.»
Die Band probt schon seit ein paar Wochen im Music Bank Studio im Südosten von London, als Rob Mitte Juni das erste Mal dazustößt. Eines späten Vormittags schlendert er herein, greift sich eine Gitarre, bittet Josie um einen Kaffee, und ohne das geringste Wort der Anerkennung, dass sie hier sind, um seine Sommertour vorzubereiten, spielt er ihnen den Song vor, den Max und er im Keller seines Hauses in Los Angeles als Demo aufgezeichnet hatten. Während das Arrangement langsam Gestalt annimmt, übt Robs Vater seinen Abschlag auf dem blaugrauen Teppich, ohne das, was um ihn herum passiert, wahrzunehmen. Schließlich schneiden sie eine Rough-Version des neuen Songs zur späteren Verwendung mit, und jemand schlägt vor, dass Rob mit einem Probelauf durch den Eröffnungsteil der Show beginnt. Der hat keine Lust. Obwohl er gerade den neuen Song mehrmals zum Besten gegeben hat, erklärt er jetzt, dass er nicht singen dürfte, weil er erkältet ist. Stattdessen hört er den anderen zu. Nachdem er zwei Instrumentalversionen der ersten beiden Songs, «Let Me Entertain You» und «Let Love Be Your Energy», gehört hat, klatscht er Beifall und sagt: «Das ist super, Leute – jetzt kriege ich beinahe Lust auf diese
Tour.» Dann erzählt er von einem schnellen, hochgepeitschten Bootleg-Remix von «Supreme», den er im Internet gefunden hat. Könnte man die Live-Version mehr in diese Richtung trimmen? «Ungefähr das, worauf die Kids heutzutage abfahren, mit ihren Poppers und ihrem Schnüffelzeug.» Und mit diesem Gedanken endet Robs erste Probe für die Tour 2003. Am nächsten Tag kommt er wieder, und auch diesmal beschäftigt er sich mehr mit der Arbeit an dem neuen Stück — am Abend zuvor hat er den Mittelteil verworfen und umgeschrieben — als mit der bevorstehenden Tour. Am späten Nachmittag ist er schließlich bereit, ein paar von den Songs zu singen, mit denen er in diesem Sommer auftritt. Bei «Something Beautiful» bricht er ab. Er will es nicht dabei haben. Weder jetzt noch in Zukunft. «Es wird die nächste Single sein, aber wen juckt das, verdammt? Scheißen wir einfach drauf. Und wenn die Leute nach Hause gehen, werden sie sich fragen, he, wieso hat er das gar nicht gespielt? Aber da bin ich schon wieder im Hotel. Denn um ehrlich zu sein, es sind hier jeden Abend Songs dabei, mit denen ich nicht besonders glücklich bin. Ein paar halte ich aus. Aber <Something Beautiful> ist zu viel.» Er studiert die Trackliste, streicht «Something Beautiful» und obendrein «Sexed Up» einfach durch und fügt dafür «Kids» wieder ein. In diesem kurzen Augenblick hat er alles, wozu man ihn in monatelangen TourSitzungen überredet hat, wieder zunichte gemacht. Er bittet um Vorschläge für eine gute Coverversion, die sie spielen könnten. Mitten in der Debatte sagt Pompey, dass David am Telefon ist und ihn sprechen möchte. «Ich habe gerade zu tun — kannst du ihn bitten, dir eine Nachricht zu hinterlassen?», und Pompey kehrt ans Telefon zurück. Da geht Rob etwas auf. «So was habe ich noch nie gesagt», staunt er und grinst. «Aber ich hatte auch nie was zu tun.»
Da, wo früher Guy seinen Platz hatte, ist in den Augen professioneller Songschreiber in der Welt des Pop nun eine attraktive Lücke entstanden, obendrein eine, die ziemlich lukrativ für denjenigen wäre, der sie ausfüllen kann. Fast jede Woche kommen Angebote von potenziellen Mitarbeitern, und normalerweise tut Rob sie kurzerhand
ab, besonders wenn es sich um Songschreiber handelt, von denen sich andere Leute eine Zusammenarbeit mit ihm vorstellen können. Der heutige Anruf von David hat ebenfalls mit einem solchen Vorschlag zu tun, aber er ist interessanter als die anderen. Brian Eno, der David aus dessen Zeit als Manager für Roxy Music Anfang der 70er Jahre kennt, hat ihn angesprochen. Er hat einen Song, für den er sich Rob als Texter wünscht. Das klingt viel versprechend. Die CD wird Rob in seine neue Wohnung gebracht, zusammen mit einer sehr netten Notiz, die Eno David dazugelegt hat, um den Song zu erklären: «Er heißt schlicht
Das Leben in Robs alter Wohnung am Holland Park war unerträglich geworden, daher hat er in Vorbereitung auf den Sommer etwas unternommen und mittlerweile ein neues Apartment in London bezogen. Es bietet nicht nur einen spektakulären Blick über die City und den Fluss, sondern ist obendrein so günstig gelegen, dass es keinen öffentlichen Zugang gibt und er völlig unbemerkt kommen und gehen kann. Eines Abends kommt Chris Briggs vorbei, um sich die Wohnung anzusehen und Robs neue Songs zu hören. Nach einer Weile gehen wir auf einen Kaffee in ein Hotel um die Ecke: Rob, Chris Briggs, Pompey, der zweite britische Leibwächter Gary Marshall und ich. Die Jungs von Westlife sind gerade hier abgestiegen. Gestern Abend hat Rob hier schon mal einen Kaffee getrunken. Westlife tauchten nicht auf, daher nahm er zwei von ihren Groupies mit nach oben und schlief mit ihnen. «Gleichzeitig?», will Chris wissen. «Yeah.» Ich frage, ob es schön war. «Ja, war es», meint er. «Nur hatte die eine ihre Periode, deshalb hat sie sich nur halb ausgezogen und ist dann wieder verschwunden. Außerdem konnte sie nicht küssen. Und die andere kriegte sofort hinterher Schuldgefühle — <Sonst mache ich so was nie.> Sie fühlte
sich schuldig.
wissenschaftlich umstrittene Medizin interessiert, die er selbst bevorzugt. Er fragt den Mann, ob er Kalzium nimmt. Der nickt begeistert. «O ja, ich liebe dieses Zeug. Aber Sie müssen Korallenkalzium nehmen, Okinowa», sagt er. «Ich kann Ihnen alles darüber erzählen ... » Dann berichtet er von einer Theorie, warum die Menschen im Himalaja besonders lange leben und dass die Einwohner von Okinowa es auf ihr Essen streuen und deshalb eine so niedrige Krebsrate haben. Rob und er stürzen sich in ein langes, leidenschaftliches Gespräch über diverse Vitaminpräparate und andere Aufbaustoffe. Rob bittet mich, einige Namen aufzuschreiben, und schon eine Woche später nimmt er sie regelmäßig. In der Bar hängen ein paar Jungs von Westlife ab. «Keine Frage, sie sind nicht schlecht», sagt Rob. «Aber ich glaube, ein bisschen faul.» Er meint die Art ihres Auftritts und dass sie scheinbar kein bisschen stolz auf ihre potenzielle Bedeutung als Popstars sind. Chris Briggs nickt. «Sie machen sich nicht mal die Mühe, ihre eigenen Fans zu bumsen.»
Plötzlich verdüstert sich Robs Gesicht. Er hat noch jemanden entdeckt, drinnen, an der Bar. Es ist Louis Walsh, Westlifes Manager. Der Mann, der sich im Lauf der letzten paar Monate einen Sport daraus gemacht hat, Robs Namen in den Dreck zu ziehen. «Ich glaube, den knöpfe ich mir mal vor», sagt Rob. Er rührt in seinem Cappuccino. Es ist nicht so, als würden sie sich nicht kennen. Sie haben sich oft zusammen betrunken, als Rob in Irland war. Walsh winkt Rob durch die Scheibe zu, und Rob macht ihm ein Zeichen, rauszukommen. Grinsend kommt er anstolziert. «Der Robster», johlt er. «Was ist denn in dich gefahren?», fragt Rob mit leiser Stimme. «Ist das die große Take That-Wiedervereinigung?», fragt Walsh, ohne darauf zu achten, was Rob gesagt hat. «Nein», gibt Rob zurück. «Sag mir lieber, was in dich gefahren ist!» «Wann?» «Die Sun hat ein paar Sachen abgedruckt, die ... » Ich glaube, Louis Walsh hat genau wie der Paparazzi Jason Fraser den Fehler gemacht, zu glauben, dass sich alle Welt in der neuen,
seichten, verblödeten, postmodernen Entertainmentwelt eingerichtet hat, wo alle ihren Spaß haben und nichts wichtig genug ist, um wirklich ernst genommen zu werden, abgesehen von der Notwendigkeit, sein Foto in allen möglichen Zeitungen und Zeitschriften unterzubringen. Louis Walsh wurde groß in einem Land, wo man einfach losplappert und alles nur Theater ist, ohne jegliche Konsequenzen. Jetzt gibt Rob ihm die Gelegenheit, zu entdecken, dass es auch eine andere Welt gibt, wo Dinge eine Bedeutung haben und man Menschen verletzen kann. Walsh windet sich ein wenig. Er grinst immer noch, aber seine Stimme wird einen Tick schriller. «Du sagst auch manchmal Dinge, das machst du auch.» «Es war nicht besonders nett», antwortet Rob ruhig. «Wird nicht wieder vorkommen. Manchmal stellen die Leute zu viele Fragen.» «Es war wirklich widerlich, ekelhaft. Und du bist Manager. So was dürfte dir einfach nicht rausrutschen. Überlass das lieber deinen Jungs.» «Warum?», fragt Walsh nervös. «Weil es unfair ist. Ich habe nie was Schlechtes über dich gesagt.» «Und du bist auch nie falsch zitiert worden?» Er hat es mit Ausreden probiert, mit einer indirekten Entschuldigung, und er hat versucht, es auf die leichte Schulter zu nehmen – und nachdem all diese Taktiken nichts fruchten, scheint er jetzt, reichlich spät, alle Schuld leugnen zu wollen. «Tja, weißt du, die drei Sachen, die ich gelesen habe, können ja nicht alle falsch zitiert sein», meint Rob. Walsh sagt gar nichts. Rob zitiert ihm seine eigenen Aussagen. «Dickkopf», «nichts ohne Guy Chambers» und «nutzloser Karaoke-Sänger». An Louis Walshs Gesicht kann man ablesen, dass ihm die freundliche Plauderei mit seinem alten Pop-Kumpel Robster jetzt keinen großen Spaß mehr macht. «Das habe ich gelesen», sagt Rob, «und mich gefragt, was bloß in dich gefahren ist.» «Nichts. Gar nichts», nuschelt Walsh. «Die Leute stellen mir einfach Fragen.»
Während der ganzen Unterhaltung ist Walsh stehen geblieben – ein paar Schritte vom Tisch entfernt, weil er es nicht geschafft hat, näher zu kommen –, während Rob nach wie vor auf seinem Stuhl sitzt. Vielleicht fragt Walsh sich gerade, wie er in diese Falle tappen konnte: Er steht wie ein Schüler im Büro des Direktors und muss sich von einem 29-Jährigen den Kopf waschen lassen. «Tja, weißt du», fährt Rob fort, «vielleicht solltest du ein bisschen vorsichtiger sein mit dem, was du über andere Leute sagst, weil sie Gefühle haben ... » Plötzlich entdeckt Walsh meinen Kassettenrekorder auf dem Tisch. «Schneidet hier jemand ...», fängt er an zu stottern, «schneidet hier etwa jemand mit?» «Yeah», sagt Rob, ohne seinen Redefluss zu unterbrechen. «Menschen haben Gefühle, und Menschen haben Respekt vor anderen Menschen. Ich habe Respekt vor dir, und wenn ich solche Dinge in der Zeitung lese, frage ich mich, was geht hier eigentlich ab?» Walsh schaut von Rob auf den Kassettenrekorder, und mir schießt durch den Kopf, dass er das alles vielleicht für einen Trick hält, einen Hinterhalt. Vielleicht wäre es etwas, das er tun würde. Tatsache aber ist, dass der Rekorder seit mindestens anderthalb Stunden auf dem Tisch liegt und unsere eigenen Gespräche aufgezeichnet hat — lange, bevor wir ihn entdeckt haben. «... Also pass auf, was du über andere Leute sagst — denn die anderen Leute könnten sauer werden. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe.» «Okay.» «Na gut, Mann. Dann noch einen schönen Abend.» «Cool. Cool. Bis dann», sagt Walsh und verzieht sich hastig nach drinnen. Rob empfindet keinen Triumph, eher so was wie Trauer oder Niedergeschlagenheit. Er steht auf und lässt seinen Blick über die Hotelbar schweifen, bevor er sich abwendet. «Na gut, machen wir Schluss für heute», schlägt er vor. «Ich glaube, ich habe die Hübschesten schon gebumst.»
2 Es ist die unglückliche Kombination aus seiner plötzlichen Berühmtheit und seiner in der Öffentlichkeit praktizierten Zugänglichkeit, die sein Leben in England so schwierig für ihn macht. Ich meine nicht die dreisten, geradezu grotesken Invasionen der Paparazzi oder einzelne Vertreter der Gesellschaft, die Robs Auftritte in der Öffentlichkeit zum Anlass für Gehässigkeiten nehmen, so problematisch sich das für ihn auch darstellt. Sie bieten ihm wenigstens eine leichte Zielscheibe für seine Wut. Ich spreche mehr von der allgemeinen, freundlichen Neugier, die sehr berühmten Stars entgegenschlägt, sobald sie ihre eigene Welt verlassen. Es scheint nicht viel, gemessen an all den Vorteilen, die der Ruhm einem gewährt, doch man muss sich das einmal richtig klar machen. Stellen Sie sich vor, dass jemand einen kleinen leichten Schaumstoffball nach Ihnen wirft, während Sie die Straße entlanggehen – nicht hart genug, um ihnen weh zu tun, denn Sie spüren den Schlag fast gar nicht. Wer könnte sich darüber beklagen? Aber jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie versuchen, Ihr Leben zu leben, und jeder, der Ihnen begegnet, bewirft Sie mit einem dieser Schaumstoffbälle. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn sie von allen Seiten auf Sie einprasselten, sobald Sie einen Schritt aus Ihrem Haus tun. Was der einzelne Ballwerfer tut, ist sicher nicht schlimm (es sei denn, Sie erwarten, dass er sich in Ihre Lage versetzt und nicht nur seine eigene Rolle sieht), doch alle zusammen, der unablässige weiche Beschuss, kann unerträglich werden. Und wenn manche Leute das Temperament und die Konstitution haben, ihn zu ignorieren, heißt das nicht, dass andere das auch schaffen. Aber vielleicht trifft das den Nagel noch nicht ganz auf den Kopf. Stellen Sie sich vor, nicht jeder, dem Sie begegnen, wirft einen Schaumstoffball, sondern Sie sehen einen in jeder Hand, aber nur jeder Fünfte wirft ihn tatsächlich. Und Sie wüssten nie, wer es sein wird. Schlimmer noch als der Hagel von Bällen selbst wäre, dass Sie ständig auf der Hut vor einem Geschoss sein müssten, das manchmal gar nicht kommt. Dass Sie den Kopf einziehen, obwohl gar nichts da ist, und umgekehrt nicht rechtzeitig in Deckung gehen, wenn tatsächlich etwas kommt. Wie Sie ständig versuchen, nicht voreilig
zu sein und denjenigen, die nicht werfen, die Schuld für diejenigen zu geben, die es tun. Sich immerzu einzureden, dass nichts davon wirklich ist, während jeder neue Treffer Sie daran erinnert, dass es immer so bleibt. Vielleicht ist es ein kleines bisschen so.
Rob ist nicht zufrieden mit dieser Beschreibung. «Ich finde, sie bringt das Nervige daran nicht rüber. Es ist schwierig zu erklären. Es ist ungefähr so, als versuchten alle, einen Augenblick deiner Zeit zu stehlen. Und jedes Mal, wenn sie das tun, nehmen sie ein Stück von mir mit. Am Ende des Tages habe ich nichts mehr, das ich geben könnte. Das klingt echt blöd und wird vermutlich in den Luvvies von
«... Ich hoffe sehr, dass du deine Probleme inzwischen überwunden hast. Es scheint so, denn seit Escapology wirkst du verändert. Du hast jetzt immer ein Lächeln im Gesicht, und das gefällt mir sehr (ich er-innere mich an ganz andere Zeiten, vor Jahren). Weißt du, irgendwie hab ich dich sogar gehasst, weil, ich konnte nicht verstehen, wieso ein Junge wie du sich so wegwerfen kann. Aber es war nicht nur
Als er den Brief liest, der ihm zugesteckt wurde, während er in Mailand durch den Terminal für Privatmaschinen ging, wechselt sein Ausdruck zwischen Verwirrung, Traurigkeit und Verzweiflung. «Sie sieht mein wirkliches Ich!» Das tun sie alle. Er ist auf einem allerletzten eintägigen Promotiontrip in Italien, bevor er sich ganz auf die Tour konzentrieren will. Wir kommen an einem Plakat mit dem Konterfei von Sting vorbei. «Ich habe das Gefühl, dass dieses Sting-Ding, das er durchzieht in der festen Überzeugung, dass er uns allen einen Gefallen damit tut, echt ist», bemerkt Rob. «Ich dagegen bin in der Nähe einer Kamera immer bloß arrogant und egoistisch.» Er sagt, dass er wieder an den Tod gedacht hat. «Ich genieße das Leben einfach», sagt er. «Ich möchte nicht, dass es schon vorbei ist.» Er hat seine Effexor-Dosis erhöht, was die Intensität seiner Träume verstärkt. Er träumt, dass seine Zehen verfaulen und abfallen oder dass Zigeuner seine Hunde entführt haben und sie zu Hackfleisch machen wollen. Als er auf den Lift des Mailänder Principe-Hotels zusteuert, entdeckt er vier italienische Fans, die in der Lobby sitzen. Sie stehen nicht auf, um ihn zu begrüßen oder um ein Autogramm zu bitten, aber er weiß, dass sie seinetwegen hier sind. Er kennt sie. «Warte mal kurz», sagt er, dreht um und marschiert in die Lobby zurück, wo er einer von ihnen eine Standpauke hält, weil sie ihm vor ein paar Monaten in London einen ganz schrecklichen Brief geschrieben hat. Es war der, den er in Dänemark erwähnte. Er ging so: «Warum musst du uns so behandeln? Du bist grausam ... Du glaubst, weil du ein Star bist, kannst du die Leute so behandeln, aber das kannst du nicht, weil du gar nicht weißt, was Freundschaft, Liebe und Vertrauen bedeuten. Wir versuchen dir zu helfen und alles was du kannst ist ... nun, ich hoffe, du bist glücklich ... Du wirst niemanden haben ... Jonny ist kein Freund; bald wird er erwachsen sein und dich verlassen, und dann hast du keinen mehr ... » «Vielen Dank für deinen Brief», sagt Rob. Anfänglich ist der Sarkasmus kaum zu bemerken, aber wenig später triefen die Sätze nur so davon. «Ich habe es endlich, endlich kapiert, und jetzt weiß ich wenigstens, was für ein Arschloch ich bin. Ich danke dir aus tiefstem
Herzen. Echt. Ich habe alles gelesen, von A bis Z, und mich sehr darüber gefreut, was du mir zu sagen hattest. Deshalb möchte ich dir erklären, dass es mir Leid tut. Vielen Dank.» Nachdem er das losgeworden ist, macht er auf dem Absatz kehrt. Seine Geschichte mit den italienischen Fans, diesen und anderen, ist lang. «Eine habe ich Wieso-Robbie getauft», erzählt er. «Wieso Robbie? Wieso hasst du uns so?> Weil ihr vor meinem Haus rumlungert. Weil du als Au-Pair-Mädchen nach Notting Hill gezogen bist und weil du 40 Freundinnen mitgebracht hast, die jetzt alle in Notting Hill wohnen.» Zu Beginn seiner Solo-Karriere gab es jeden Tag einen Fan-Auflauf vor seinem Haus in West London. Immer wieder hat er sie aufgefordert, zu verschwinden, aber vergeblich. Sie wollten ihm unbedingt aus nächster Nähe ihren Frust und ihre Verachtung demonstrieren, weil er ihre Hingabe nicht zu schätzen wusste. Eines Abends überraschten etwa drei Dutzend Fans Nicole Appleton und ihn, als sie aus dem 192 Restaurant in Notting Hill Gate kamen. Es war ihre Rache und ihr Protest, weil er sie angeblich schlecht behandelt hatte. Nicole hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt, und als sie um eine Ecke bogen, wurden sie von einem Blitzlichtgewitter der Fans begrüßt. In diesem Augenblick fiel ihm etwas auf, das er seitdem immer wieder beobachtet hat. «Je wütender ich auf sie wurde, umso zufriedener waren sie. Hauptsache, sie kriegten irgendeine Reaktion – egal, ob positiv oder negativ.» Als er seine aus Zimmer 907 und 908 gebildete Suite betritt, erkennt er sie sofort wieder. «Hier habe ich schon jede Menge Drogen genommen», sagt er. «Genau hier. Liam und ich. Und hier hörten wir stundenlang
3 Auf dem Weg zum Air Studio im Norden von London hört Robbie sich zum ersten Mal den Song an, den er heute für den Cole PorterFilm De-lovely aufnehmen soll. Es ist ein langes, kompliziertes und schwieriges Stück, an das er sich zwar verschwommen aus seiner Kindheit erinnert, das er aber eigentlich überhaupt nicht kennt, und der Verkehr ist nicht zäh genug, um ihm viel Zeit zum Lernen zu lassen. Außerdem ist er heiser. Kein Wunder, dass er bei der ersten Aufnahme hin und her rennt, einige Worte verschluckt, andere falsch ausspricht und mit der Melodie nicht zurechtkommt. Aber er ist in seiner Karriere nicht deswegen immer wieder auf die Füße gefallen, weil er so schwer von Begriff ist. Während der zweiten Aufnahme nicken sich Aufnahmeleiter und Produzent zu; jetzt hört man, dass es hinhauen wird. Es ist geplant, zunächst ein paar Rough-Versionen aufzunehmen, mit denen sie dann den Tag über arbeiten können, bis er am Abend wiederkommt, um dem Ganzen den letzten Schliff zu geben. Bevor er das Gebäude verlässt, fällt ihm ein, dass Stephen Duffy ein kleines Studio im Dachgeschoss von Air hat. Er kennt Stephen oberflächlich über Claire, seine Keyboardspielerin, die gelegentlich auch bei The Lilac Time einspringt. Rob und Stephen Duffy haben schon mehrmals darüber gesprochen, eines Tages etwas zusammen zu machen, aber bisher ist nie was draus geworden. Rob hat sich immer vorgestellt, dass mindestens ein guter, ungewöhnlicher Song dabei rauskommen müsste, wenn sie beide sich eines Tages zusammensetzten. Also geht er auf einen Sprung vorbei, um guten Tag zu sagen. Sie unterhalten sich etwa zehn Minuten; Stephen verspricht, ein paarmusikalische Ideen rauszusuchen. «Was für ein netter Kerl», sagt Rob, als wir die Treppe wieder runtergehen. Als er am Abend ins Studio zurückkommt, wartet bereits eine CD mit zwei Stücken und eine Nachricht auf ihn. («Rob. 2. Instrumentalstücke. Das 2. möglicherweise zu abgefahren ... Cheers, Stephen»). Er singt den Song von Cole Porter ohne Probleme und fügt das Intro hinzu. Er hat eine ganz eigene Art, Stücke wie dieses zu interpre-
tieren, das voller antiquierter Wortspiele steckt – <... this verse I've started seems to me, the Tin-Pan-tithesis of melody, so to spare you all the pain, I'll skip the darn thing and sing the refrain > –, so als wären sie weder altmodisch noch absurd. Als er fertig ist, plaudert er noch eine Weile mit dem Produzenten Rob Cowan. Im Moment soll der Film Just One Of Those Things heißen, vorher hieß er aber auch schon mal De-lovely, und Rob ist dafür, bei dem Titel zu bleiben. Cowan antwortet, wenn sie das täten, würde die Last auf seinen Schultern noch größer. «Wenn der Film De-lovely heißt, werde ich ihn für euch promoten», verspricht Rob. «Dann bin ich euer kleiner Gurkha.» Damit ist sein Tagewerk noch nicht beendet. Auf dem Weg zurück zum Apartment fährt er bei dem Studio vorbei, wo Max mit seinem musikalischen Partner Jerry Meehan arbeitet, und verbringt dort die nächsten fünf Stunden. Max hat ihm vor mehreren Jahren mal einen Song vorgespielt, den Rob aufnehmen wollte, falls Max ihm erlaubt hätte, den Text zu ändern. Damals hatte Max abgelehnt, doch inzwischen hat er seine Meinung geändert. Im Lauf des Abends verwandelt er sich in ein Stück mit dem Titel «The Appliance of Science». «Don't believe in clever people, clever people dropped the bomb», singt Rob an einer Stelle. Als Max und er ein paar Wochen zuvor im Coffee Bean in Los Angeles saßen, kam ein Mann zu ihnen an den Tisch und verwickelte sie in ein Gespräch. «Einer von diesen obdachlosen Propheten», erzählt er. Er hatte einen guten Rat für sie: «Glaubt den smarten Leuten kein Wort. Smart hat die Bombe erfunden. Und Clever hat sie abgeworfen.»
Am nächsten Tag hört er sich die beiden Musikideen von Stephen Duffy an; sie gefallen ihm. Die erste ist ein elektronisches Stück, ein bisschen monoton, doch Rob ahnt bereits etwas, was er darüber legen könnte, und fängt an, mitzusingen, während es läuft. Das zweite Stück entspricht mehr dem, was man von dem Mann hinter The Lilac Time und ihrem herbstlichem Geklimper erwarten kann: Es ist fein, süß, einen Tick sentimental und akustisch. Rob ertappt sich dabei, wie er auch hier mitsingt. Er hinterlässt Stephen seine Telefon-
nummern und sagt, dass er versuchen wird, nächste Woche irgendwann im Studio vorbeizukommen. Danach legt er sich aufs Sofa und sieht sich eine DVD mit dem Titel Out Of The Blue über UFOs an, völlig versunken. «Das ist eine der besten Sachen, an die man als Phantast oder Verschwörungstheoretiker glauben kann», sagt er. «Weil einem niemand das Gegenteil beweisen kann.» Nach einem dreiviertelstündigen Nickerchen bittet er mich, den Reißverschluss an seinem Vacunaut hochzuziehen. Bei Sonnenuntergang sitzt er mit einer Gruppe von Leuten auf der Terrasse des Hotels, darunter Max, David, Davids Frau Maren und ihre Enkelin Mia. Ein leicht angetrunkenes junges Pärchen kommt vorbei und fragt, ob es ein Foto mit ihm machen darf. «Nein, lieber nicht», antwortet er höflich. «Ich möchte einfach hier mit meinen Freunden sitzen und nicht Robbie Williams sein.»
Seit Tagen probt die Band im Music Bank Studio, ohne den Sänger zu Gesicht zu bekommen. Dabei ist er derjenige, um den sich alles dreht. Es ist ihm klar, dass er bisher nicht mal die Texte seiner alten Stücke auswendig kann, doch er hat es nicht eilig. Take That probten einen Monat für ihre Tour und tüftelten den ganzen Tag nur an ihren Tanzschritten, Woche für Woche. Oft wohnten sie in dieser Zeit auf einem Bauernhof, und im Garten stand ein Zelt zum Proben. Damals mussten sie jeden Morgen um acht aufstehen, was Rob die Probezeiten ein für alle Mal verleidete. Einmal als sie mit der Band in einem Gebäude probten, wo es Räume für mehrere Bands gleichzeitig gab, tauchten Status Quo auf, um sich auf ihre bevorstehende Tour vorzubereiten. «Sie haben ihren Set bloß ein einziges Mal durchgespielt», erinnert er sich. «Das war alles. Ich weiß noch, wie ich dachte: So will ich das auch haben, wenn ich älter bin.»
Robs Filmkarriere beginnt an Cole Porters 112. Geburtstag. Die Szenen mit ihm sollen in zwei Tagen auf einem Landgut namens Luton Hoo außerhalb von Luton gedreht werden. Als wir die M1 entlangfahren, schaltet er das Radio ein und hört, wie Sara Cox über
seine 1023-Tätowierung spekuliert. Sie kommt auf die richtige Erklärung, allerdings zwischen allen möglichen anderen. Er ruft Jonny an. «Halt bloß den Mund», ermahnt er ihn. «Sie sollen es nie rauskriegen.» Im Schminkwagen hört er sich «De-lovely» an. Er spielt den Sänger auf Cole Porters Hochzeit und wird ihn heute zu dem bereits fertigen Song darstellen. Er singt mit, die Hälfte falsch, obwohl die aufgenommene Version als Gedächtnisstütze dient. «Jetzt kann ich es wieder», verkündet er. «Du kannst es?», hakt Josie nach. «Na ja, nicht so richtig.» Er lacht. Die Schauspielerin hat ihm eine Nachricht hinterlassen, um ihm zu erzählen, dass sie nach London kommt. Seit ihrem Date hat er sie nicht mehr gesehen. Er ruft sie zurück; sie filmt an irgendeinem europäischen Drehort. «Ich sitze übrigens auch gerade am Set», erwähnt er beiläufig. «Ich spiele in einem Film mit. Da siehst du mal!» Er lässt sich schminken. «Ich weiß, es ist eine bescheuerte Frage», beginnt die Maskenbildnerin, «aber ... » «Nein, ich bin nicht schwul!», fällt er ihr ins Wort. «Lieber Himmel!» Am Sonntag war in der Presse ein Ausschnitt aus einer nicht autorisierten Biographie erschienen, in dem es hieß, er habe «mit seiner Sexualität zu kämpfen». Am gleichen Nachmittag spielte er Fußball mit ein paar Freunden, darunter auch Ant und Dec. Plötzlich erklärte er: «Ooops, ich kämpfe gerade mit meiner Sexualität» und forderte, dass ihm 30 Sekunden lang keiner den Ball zuspielte, bis er fertig war. In Wirklichkeit wollte die Maskenbildnerin ihm bloß sagen, dass die beiden Hauptdarsteller, Ashley Judd und Kevin Kline, jeden Montagmorgen eine Maniküre am Set haben – sie stellt sie Rob vor –, und fragt, ob er sie auch in Anspruch nehmen will ... «Da gibt es nichts zu maniküren», sagt er und zeigt ihr seine abgeknabberten Fingernägel und die Schwielen auf den Fingerkuppen. «Das kriegen wir schon hin», antwortet sie. Josie überredet ihn schließlich zu seiner ersten Maniküre. Dann kommt Ashley Judd rein und sagt ihm guten Tag.
«Ich fühle mich gerade ein bisschen unmännlich», begrüßt er sie. Sie fragt, was er von seiner ersten Maniküre hält. «Es ist ein komisches Gefühl. Ungefähr so wie eine Darmspülung. Irgendwie komisch, ich glaube nicht, dass ich es nochmal mache. Ich verstehe jetzt, warum J-Lo durchdrehte mit all den Blumen, der Maniküre und so weiter.» Außerdem hat er Angst, dass er die für Gitarrenspieler typische Hornhaut auf den Fingerkuppen der linken Hand verlieren könnte. «Ich meine, jede Wette, dass der Boss so was nicht machen würde.» Im Gegenteil, versichert die Maniküre. Sie selbst hätte Springsteens Finger eingeweicht und gepflegt. «Aber erst am Ende?» «Ja.» «Dann machen Sie weiter», erklärt er. «Wenn es gut genug für den Boss ist ... » «Wir haben versucht, ihn vom Film fern zu halten», seufzt Josie. «Jetzt ist er erst einen Tag dabei und hat schon die Allüren einer Diva.» Ashley Judd bemerkt, dass heute besonders viele Presseleute da sind, vermutlich seinetwegen. Er informiert sie über sein aktuelles Medienprofil. «Ich kämpfe mit meiner Sexualität», erklärt er, «und in Amerika habe ich nichts zu melden. Egal, wo ich bin – immer habe ich zwei Elefanten im Schlepptau. Einer heißt Kampf und der andere Nichts-zu-melden-in-Amerika.» Nachdem er mehrere Stunden warten musste, wird er endlich zum Set gerufen. Das Haus selbst fällt auseinander, aber einer der Räume wurde für das riesige Hochzeitsbankett von vor 85 Jahren hergerichtet. Der Dreh beginnt. Es ist sofort klar, dass Rob den Text nicht draufhat; damit ist sein gesamter Auftritt hin. Er ist es gewohnt, zu bluffen oder sich mit seinem Charme durch Situationen wie diese zu schummeln, aber hier hat er keine Chance. Er kann nicht so tun, als sänge er lippensynchron. Er ist nun mal nicht der Star der Show, für den alles so geschnitten und bearbeitet werden würde, dass es nicht auffällt. Obwohl man ihn nur von hinten aufnimmt, reicht es nicht. Der Produzent macht ein finsteres Gesicht und spricht bereits ein ernstes Wort mit David und Josie.
Die Filmleute packen schnell ein, nicht weil sie haben, was sie brauchen, sondern weil sie wissen, dass sie es nicht bekommen werden. Die anderen Szenen können sie auch nicht drehen: Dafür werden Kevin Kline und Ashley Judd gebraucht, und die kann man unmöglich bitten, ihr Bestes zu geben, nur um dann festzustellen, dass der Sänger im Hintergrund den Text seines Songs vergessen hat und das Material nicht zu gebrauchen ist. Das Ganze hat keine halbe Stunde gedauert. Rob weiß, was das bedeutet. Er verabschiedet sich locker und fröhlich: «Okay, Leute, vielen Dank an euch alle», sagt dann aber leise an Irwin Winkler gewandt: «Bis morgen kann ich den Text.» «Nein», sagt er im Wagen, als er seine erste Erfahrung mit dem Filmemachen zusammenfasst. «Ich hatte Recht. Es gefällt mir nicht.» «Rob, das Einzige, was auffiel, war ... », sagt David. «... dass ich den Text nicht kann?», unterbricht ihn Rob. «Hmmm. Hmmm.» Pause. «Aber als ich ihn konnte? Hä? Die Stellen, wo ich ihn konnte?» «Morgen kommt sie von vorn», sagt David und meint die Kamera. «Yeah», antwortet Rob. «Aber sie haben doch schon heute gekriegt, was sie brauchen, oder?» Auf dem Weg nach London telefoniert er mit Stephen Duffy. «Ich hab den Cole Porter-Song für diesen Cole Porter-Film aufgenommen ... Wir kommen gerade vom Set ... Ich konnte den Songtext nicht ... zum Glück wurde alles von hinten gedreht ... heute Nacht muss ich den Text lernen ... es war interessant, aber die Schauspielerei ist nichts für mich ... ich dachte an Mittwoch Abend, wenn es dir recht ist ... im Air? ... Ja, denn ich hätte nichts dagegen, einen Groove zu haben, auf den man was drauflegen kann, besser als nur Gitarren ... ja, ein super Platz ... weißt du, ich möchte wirklich was Elektronisches machen ... ich habe keine Lust auf Wiederholungen ... Du könntest uns dabei helfen, verstehst du ... Ja, nein, das habe ich schon mal ... ich hab es bis zum Umfallen gemacht, und ich hätte nichts gegen was mit mehr Substanz ... das soll nicht heißen, dass sie keine hatten, aber ich hätte nichts dagegen, weiter zu gehen ... Genau, das war das, und jetzt fängt ein neuer Abschnitt an, und so ungefähr wird es klingen ... ich kann dich kaum noch hören, nur noch eine Sekunde ... ja, ja, ja, nochmal hin ... sprich weiter ... ich hätte
nichts dagegen, jemand anders zu haben ... oder überhaupt was anderes ... na ja, weißt du, ich will immer noch den großen Hit, nur anders als bisher ... okay ... cool ...» Er steckt das Telefon ein. «Wir kommen jetzt schon klar.»
An diesem Abend bleibt er zu Hause und versucht, den Text zu lernen, schläft aber gegen zehn ein. Am nächsten Morgen geht er ihn wieder und wieder durch. Er ist alles andere als perfekt vorbereitet. Als er in den Wagen steigt, sagt er: «Gestern hatte ich zum ersten Mal seit einer Ewigkeit wieder das Gefühl, um einen Tag betrogen zu werden.» Vielleicht meint er damit nur, dass er zu früh im Bett war, vielleicht meint er, dass er sich am Set blamiert hat, vielleicht aber auch, dass er keine Lust hat, einen Tag in einer Welt zu vergeuden, wo man ihm weder einen Platz im Mittelpunkt des Geschehens zugewiesen noch erlaubt hat, sich abzusetzen. «Es war wirklich komisch gestern, als die Band loslegte und die Aufmerksamkeit sich nicht auf mich konzentrierte», meint er. «So was habe ich noch nie gemacht. Und dann haben sie mich einfach im Dunkeln tappen lassen. Das bin ich nicht gewöhnt. Es war wirklich unheimlich.» Er zögert. «Ich meine, ich war sauer. Ich weiß auch nicht. Es ist ein bisschen so wie Kryptonite – wenn man mich nicht ansieht, kann ich es nicht.» Er sitzt auf dem Beifahrersitz mit dem Laptop auf den Knien und singt zu «De-lovely». «lt's de-bollocks, I'm de bitch», improvisiert er, als ihm nicht die richtigen Worte einfallen. Es bleibt jetzt nicht mehr viel Zeit zum Lernen. Er spult zurück, um die Stelle zu finden. «It's de-re-gal it's de-royal... » Dann beschließt er, Radio 1 zu hören, um sich zu entspannen. Als er einschaltet, läuft gerade «Rock DJ», was er als gutes Omen wertet. An diesem Morgen sitzt eine ganze Reihe von Schauspielern im Wagen vor den Spiegeln, um sich schminken zu lassen, und alle reden durcheinander. Sie fragen Robbie, wie ihm die Welt der Schauspielerei gefällt. «Solange ich hier sitze, finde ich es super. Alle kommen und sagen sich guten Tag. Das gefällt mir. Vielleicht sollte ich einfach kommen
und mich an irgendwelchen Sets schminken lassen und dann wieder gehen. Diesen Teil finde ich klasse. <Möchte nicht spielen, aber lässt sich gern schminken und guten Tag sagen.>» Einer der Schauspieler fragt, ob es diese Art der Kameradschaft in Robs Business nicht auch gibt. «Doch, aber da geht es nur um mich. Ich bin nicht Teil eines Ensembles.» Er hört zu, wie zwei Maskenbildnerinnen darüber streiten, ob die eine Anspruch auf die Erfindung einer Methode zum Überschminken von Tätowierungen erheben kann, mit der sie das B hinter seinem linken Ohr hat verschwinden lassen. «Nein, das gab es schon», muss sie schließlich zugeben. «Dann erfinden Sie es neu!», mischt Robbie sich ein. «So mache ich es mit meinen Songs auch.» Heute gibt es neue Fotos in der Presse. Als wir vergangenen Freitag aus dem Nobu kamen, hatten Max und er die dämlichsten Gesichter aufgesetzt, in die Kameras gegrinst und gelacht. Komischerweise wirken die Fotos ziemlich normal. Die neue Pop-Kolumnistin der Sun, Victoria Newton, druckte einige davon ab und schrieb dazu: «Memo an Robbie — mach weiter so, du siehst viel besser aus, wenn du lächelst ... » Als Rob das sieht, sagt er spontan: «Memo an Victoria .» und lässt dann eine Tirade los, in der «Verpiss dich ... » noch das Harmloseste ist. Selbst auf der dreiminütigen Fahrt vom Schminkwagen zum Set nutzt Rob die Zeit, um sich den Song noch einmal auf dem Laptop anzuhören. «Na gut», sagt er beim Aussteigen. «Ich kann ihn nicht, und so ist es jetzt einfach.» Trotzdem kann man schon bei der ersten Klappe sehen, wie sich die gesamte Filmcrew im Raum erleichterte Blicke zuwirft. Er beherrscht den Text jetzt sogar so gut, dass es befreiend ist, endlich das zu tun, was er am besten kann, und als er fertig ist, wird er mit einer Runde Applaus belohnt. «Er ist ziemlich locker», grinst Irwin Winkler trocken. «Er sollte Filmstar werden.» Es gibt einige Gerüchte – sogar hier am Set –, dass Hollywood daran denkt, einen aus ihm zu machen, und das gegen seinen Willen. Die Geschichten, die seit zwei Wochen durch die Presse geistern – dass es Probeaufnahmen für einen neuen Superman-Streifen gegeben habe
und eine Gage von drei Millionen vereinbart worden sei oder dass er die Rechte für die Geschichte der Village People gekauft habe und einen Film daraus machen wolle, mit sich selbst in einer der schwulen Hauptrollen –, sind frei erfunden, doch hier am Set heißt es, dass man bei MGM, die «De-lovely» produzieren, mit dem Gedanken spielt, ihm die Rolle des Schurken in der Filmserie mit Halle Berry als Jinx anzubieten. Kein Mensch glaubt, dass ihm das wirklich egal ist und er tatsächlich keine Lust dazu hat; niemand in Hollywood scheint sich ernsthaft vorstellen zu können, dass man eine solche Chance ablehnen könnte, wenn sie einem geboten wird. Nach ein paar Durchläufen geht Rob eine Zigarette rauchen, während sie die Kameras neu aufbauen. «Ist es heute besser?», fragt Josie. «Ja. Diesmal geht es nur um mich, deshalb gefällt es mir. Gestern nicht.»
Um die Mittagszeit verkündet er: «Allmählich wird es mir zu langweilig.» Er fährt zurück zum Schminkwagen. Selbst da ist es jetzt anders. «Es macht nicht mehr so viel Spaß wie gestern, als wir uns alle begrüßten», beschwert er sich. «Eigentlich würde ich jetzt am liebsten gehen.» Als er sich mit Ashley Judd unterhält, erzählt sie, dass es immer wieder diese besonderen Augenblicke vor der Kamera sind, wenn man wirklich machen kann, was man am liebsten tut, für die sich die ganze Anstrengung lohnt. Darauf denkt er, dass er sich bloß für eine Fernsehshow buchen lassen muss, wenn er Aufregung und Erleichterung braucht oder das Gefühl hat, sich ausdrücken zu müssen. Viel schneller und viel weniger anstrengend. Er kehrt für ein paar weitere Aufnahmen zum Set zurück, alles Variationen derselben Szene. Rob singt, während Kevin Kline und Ashley Judd vor ihm auf die Tanzfläche treten. Am Nachmittag ist die Einstellung größer, und es gibt mehr Komparsen. «Alle bitte auf die Plätze», ruft der erste Regieassistent. «Ventilatoren aus.» Wenig später sind alle Szenen im Kasten. Am Abend trifft er sich mit der Schauspielerin. Am nächsten Morgen hat er einen Knutschfleck am Hals. «Das soll bedeuten: Diese Woche
ist er nicht mehr zu haben.» Er grinst. Einmal, als er noch bei Take That war, kam er mit einem riesigen Knutschfleck von einem Seitensprung zurück und hatte am gleichen Tag eine Verabredung mit seiner Freundin Natasha. Deshalb rief er sie vorher an, spielte den romantischen Liebhaber und bat sie, mit ausgeschalteter Lampe im Bett auf ihn zu warten. Dann brachte er sie dazu, ihn im Dunkeln auf den Hals zu küssen, damit sie nicht merkte, dass der Knutschfleck von einer anderen Frau stammte. Damit kam er tatsächlich durch.
Er sagt die erste Verabredung mit Stephen Duffy ab, weil er vergessen hat, dass an diesem Abend die englische Nationalmannschaft spielt. Jetzt hat er Zeit, an den Proben teilzunehmen. Wieder präsentiert er der Band einen neuen Song, singt mehr vom Programm als bisher, hört sich die neue, schnelle Version von «Supreme» an – die ihm jetzt zu schnell ist, sodass man sie wieder etwas verlangsamen muss – und macht einen Durchlauf von «99 Red Balloons». Er fährt echt drauf ab, hüpft während des Refrains auf der Bühne auf und ab, und dann am Ende, bei der Auflösung ... «If I could find a souvenir, just to prove the world was here, and here it is, a red balloon, I think of you and let it go» ... lässt er einen unsichtbaren Luftballon steigen – ein herzzerreißender Anblick, obwohl es unübersehbar eine Verarschung ist – und schaut ihm nach, als er davonschwebt, als nähme er alle Träume und Hoffnungen mit. Die Band findet den Song zum Kotzen. «Bin ich etwa pervers, weil er mir gefällt?» Sie finden ja. Max setzt sich an den Flügel, und sie probieren eine Version von «One For My Baby», das nur von Rob und Max gespielt wird. Der Text verselbständigt sich auf unerwartete Art. «And I've got a little film», singt Rob mit schmachtender Stimme. «I want you to see ... I think it went straight to DVD ... with Mariah Carey and Max Beesley ... it's Glitter you see ... look now at the box Office, and zip on DVD ... »
«Lass
Die Schauspielerin hat eine Nachricht hinterlassen, doch er ruft nicht zurück. «Sie weiß schon, was das heißt», sagt er und meint, dass er diese Beziehung schon einmal im Keim erstickt hat und sich nicht wiederholen muss. «Es kümmert mich einen Dreck.»
4 Am Nachmittag des 12. Juni fährt er schließlich zum Air Studio, um mit Stephen Duffy zu arbeiten. Stephen spielt ihm in seinem winzigen Studio unter dem Dach etwas auf der akustischen Gitarre vor, doch Rob findet, dass es zu sehr den Erwartungen der Leute entsprechen würde. Er schlägt vor, stattdessen mit einem Rhythmus aus der Drum Machine anzufangen, und Stephen programmiert eine einfache 4/4-Kickdrum und eine ebenfalls einfache, pulsierende Sechzehntel-Bass-Sequenz.
Rob singt dazu. «Don't let your eyes tell the brain ... you should feel ashamed ... everyone needs it, babe ... I know you feel the same ... I didn't quite catch your name ... hush hush hush don't say a thing ... let's see what the night will bring ... it might be everything ... » Er singt anders als auf jeder Platte, die es von ihm gibt; so hat man ihn noch nie gehört. Nach einer Weile fahren sie zu Stephens Lieblingsjapaner, doch es ist kein Tisch frei. Rob wartet draußen, erregt aber zu viel Aufmerksamkeit und verzieht sich in ein nahe gelegenes chinesisches Restaurant. Schließlich wird beschlossen, dort zu essen. Es ist zwar erst ein halber Song geschafft, doch Rob skizziert bereits eine ganz neue Zukunft. Nach einer Weile taucht ein chinesischer Elvis-Imitator auf, um die Gäste zu unterhalten. Als sie aufbrechen, wetteifert Rob mit ihm, wer der bessere Elvis ist. Euphorisch angesichts der Leistungen des Tages geht er schlafen, doch beim Aufwachen merkt er, dass ihm nicht der neue Song im Kopf herumgeht, sondern die Musik von Take That, unterbrochen von dem einen oder anderen Robbie Williams-Fetzen. Komischer Traum, denkt er, doch als er sich zwingt, endgültig aufzuwachen, wird die Musik lauter statt leiser. Er kann zwei Stimmen unterscheiden, die die Songs singen. Keine davon ist in seinem Kopf, und keine davon ist er. Er versucht dahinter zu steigen; soweit er weiß, ist außer ihm nur Gary Marshall in der Wohnung. Warum um alles in der Welt sollte Gary Take That-Songs singen? «... a million love songs later... », hört er. Und dann wird ihm klar, dass der Song nicht aus dem Apartment kommt, sondern von draußen durch das Schlafzimmerfenster hereindringt. Was noch verrückter ist, denn sein Schlafzimmer befindet sich hoch über London. Er zieht die Jalousie auf. Einer der Fensterputzer entdeckt ihn und versucht hastig, die Plattform, auf der sie arbeiten, ein Stockwerk tiefer zu fahren, doch der andere hat nichts bemerkt und singt weiter. (In diesem Augenblick grinst Rob noch, später aber vergeht ihm das Lachen, als Chris Sharrock, der in einem anderen Zimmer auf der Rückseite des
Gebäudes schläft, ihm erzählt, wie einer der beiden dem anderen zurief: «Ich bin reicher als in meinen wildesten Träumen!») Während Rob sie noch anstarrt, merkt der zweite Fensterputzer, dass sein Partner verstummt ist. Als er aufschaut, weiß er, warum. Sein Gesicht wird aschfahl. «Hört mal zu, Leute», sagt Rob. «Wenn ihr schon unbedingt singen müsst, dann bitte keine Barlow-Songs. Außerdem habt ihr mich geweckt!»
Im Music Bank Studio sitzt er draußen auf dem Dach, raucht und schmiedet große Pläne. «Der Song, den wir geschrieben haben, klingt nicht nach mir. Ich möchte nichts so machen, wie Robbie Williams es machen würde. Ich denke also darüber nach, ob ich eine Figur erfinden soll, mit falscher Nase, Perücke und so weiter. Ich könnte das beste Album machen, das ich je produziert habe. Und wenn die Greatest Hits erscheinen, veröffentliche ich es unter einem anderen Namen. Ich mache den Sänger zum Alkoholiker. Zum Alkoholiker und zum Amerikaner. So eine Art Neil Diamond-Typ. Ich glaube, er stammt aus Orange County, zog dann nach West Hollywood und hatte nicht viel Glück im Leben — ich kenne seine Geschichte noch nicht, aber ich denke ernsthaft darüber nach, ob ich mich nicht eine Weile so anziehen sollte wie er, essen wie er und leben wie er. Im Augenblick heißt er Pure Francis und seine Platte
ich es gar nicht will, b) es eine Menge Arbeit bedeuten würde und c) ich es wirklich gar nicht will, verstehst du. Damit stehe ich da und muss mir überlegen, was ich als Nächstes machen will. Denn ein neues Robbie Williams-Album würde mich zu Tode langweilen. Ich möchte was wirklich Aufregendes machen. Wir wissen, dass wir einer ganz heißen Sache auf der Spur sind. Es klingt ein bisschen so wie
An diesem Abend hat er ein Abendessen im Nobu arrangiert, genau wie vor einer Woche, diesmal mit einer größeren Gruppe, darunter auch Ant, Dec, Jonny mit ihren jeweiligen Partnern, Max und Jerry. Da sie wissen, dass ein Haufen Paparazzi auf sie wartet, beschließen Rob und Max vor dem Aufbruch, die Lachnummer vom vergangenen Freitag zu wiederholen. Beim Rauskommen bleiben sie vor dem Ein-
gang stehen, zeigen mit dem Finger aufeinander und erfinden im Licht des Blitzlichtgewitters ein ganzes Repertoire völlig absurder Grimassen. Es endet damit, dass Rob sich fallen lässt und auf dem Rücken liegen bleibt, während er sich halb totkichert, weil alles so verrückt ist. Dummerweise verspäten sich die Wagen, die aus der Garage gerufen wurden, um sie abzuholen, und als die Jungs so lange gelacht haben, wie sie nur können, sind sie immer noch nicht aufgetaucht. Rob und Max stehen da wie zwei auf der Bühne gestrandete Schauspieler, nachdem die Lichter schon wieder angegangen sind. Also tun sie das einzig Vernünftige und ziehen sich in die Lobby des Restaurants zurück. Diesmal warten sie, bis die Wagen vorfahren, und machen dann den zweiten, weniger überschwänglichen Abgang. Die Fotos werden überall abgedruckt, begleitet von Artikeln, die das Lachen nur als Beweis für die Ausgelassenheit einiger prominenter Persönlichkeiten werten, die sich beim Ausgehen amüsieren. Auf dem Weg nach Hause kauft Rob vier Flaschen Weißwein für seine Gäste, und dann spielen alle Killer am Billardtisch. Rob gewinnt. Er lässt ein paar Songs von seinem Computer laufen und meint, jetzt sei es Zeit, das Obst aus dem Fenster in den Fluss zu werfen. Er fängt mit Pflaumen an, und als die alle sind, folgen Äpfel und Birnen. Als Jonny einen vor Anker liegenden Lastkahn trifft, wird die Aktion beendet.
Seit Monaten ist das Ereignis an diesem Samstag in Robs Terminkalender rot angestrichen: der North London College Ball. Es existiert überhaupt kein North London College Ball, aber jeder der Beteiligten hat seine Gründe, warum die Wahrheit nicht ans Licht kommen soll. Robbie Williams wird als Überraschungsstar für 10 000 Angestellte der alljährlichen Vodaphone-Party auftreten. Die Verantwortlichen bei Vodaphone wollen nicht, dass irgendwer davon erfährt, weil es eine Überraschung sein soll. Außerdem könnte es eine zweischneidige Sache für sie werden, falls es allzu sehr auffällt, wie verschwenderisch sie die Leute verwöhnen, die für sie arbeiten. Auf Robs Seite will niemand, dass es rauskommt, weil er den Auftritt als Warm-up für die Tour benutzt, abseits von Presse und öffentlicher
Aufmerksamkeit, aber auch, weil solche Konzern-Events mit einem Stigma behaftet sind. Häufig gelten sie als Zeichen dafür, dass ein Künstler seine Prinzipien verrät und nur abkassieren will. Das Argument, dass Entertainer im 21. Jahrhundert ihre reguläre künstlerische Arbeit in harter Opposition zu den Kräften des Marktes oder dem multinationalen Kapitalismus erledigen müssen, ist in den meisten Fällen absurd und falsch, aber trotzdem, sollte die Presse Wind davon kriegen, würde sie wahrscheinlich unangenehme Fragen stellen, Robs Motive in Zweifel ziehen und sich wundern, warum jemand, der so reich ist, den Hals einfach nicht voll kriegen kann. Tatsächlich hätte er eine sehr gute Antwort darauf, doch die will er lieber nicht preisgeben müssen. Es ist mehr als zwei Jahre her, dass er seine Songs das letzte Mal auf einem Konzert in England präsentiert hat, und deshalb ist er ziemlich still und nervös. Er verlässt die Wohnung kurz nach 21 Uhr, setzt sich mit Jonny auf den Rücksitz des Busses und blättert in einer Zeitung. «Schon wieder nicht in der Honor's List», seufzt er. «Das ist ja allmählich ein Witz.» Er möchte Eddie Murphys Comedy-CD hören, doch Jonny beschwert sich über die Lautstärke. «Warum setzt du dich nicht zur Ruhe und tust so, als wärst du schon 70?», zieht Rob ihn auf. «Dann könntest du jeden Tag Golf spielen.» «Eines Tages werde ich tatsächlich 70 sein!» «Das bist du jetzt schon!» «Dann wohnen wir in zwei Häusern nebeneinander ... », sagt Jonny und ignoriert ihn. «Du wirst einen von diesen Flügeln haben, die kein Mensch spielt», prophezeit Rob, «und einen Zweisitzer für Nikki und dich. Ein Pseudo-Tudorhaus.» «Ich mag Pseudo-Tudorhäuser», meint Jonny. «Die Kinder werden sagen:
«Weil es das schon gab.» «Stimmt nicht.» «Du bist kein Schotte.» «Ein bisschen schon.» Pause. «Jedenfalls war ich schon mal da.» Die beiden sind Meister im Austragen alberner Diskussionen. Manchmal scheint es, als sei ein Streit überwunden, und dann flammt er wieder auf, wie ein Feuer, das erloschen war und dann noch einmal aufflackert. Jonny findet, dass Rob sich Captain Sid Rudy Duke nennen soll, nach seinen drei Hunden. (Nach mehreren Hundeproblemen in Los Angeles – einmal hatte er vier auf einen Schlag – wurde Sammys Platz von einer männlichen Dogge namens Duke eingenommen.) «William Wallace ist dämlich», fängt Jonny wieder an. «Warum ist William Wallace dämlich?» «Darum.» «Warum?» «Niemand kann Braveheart sein», sagt Jonny. «Es gibt nur einen Braveheart. Und das war Mel Gibson.» «Du musst wohl unbedingt einen beschissenen Schützengraben ausheben, was?» «Nein. Aber es kann trotzdem nur einen William Wallace geben.» «Ich bilde mir nicht ein, William Wallace zu sein, Jonny», sagt Rob mittlerweile angestachelt. «Es gibt einem nur den nötigen Mumm, um auf die Bühne zu gehen. Wenn man das beschissene Gefühl hat, dass man es nicht schafft. Verstehst du, was ich meine? Er hat es ohne jede fremde Hilfe mit den englischen Wichsern aufgenommen. Entweder das oder Rob Roy. Oder Michael Collins. Es geht nur um den inneren Mut, auf die Bühne zu gehen. Wenn man Captain Sid Rudy Duke ist, könnte man genauso gut der beschissene Hong Kong Phooey sein. Dann könnte man auch jede Nacht auf die Bühne gehen und <Jigabow Jigabow> machen ... » Jonny weist darauf hin, dass Rob früher den Namen Trixie Farrell benutzt hat (ein Hund aus seiner Kindheit und der Mädchenname seiner Mutter). «Ich war auch schon mal A. Gabriel, der Erzengel Gabriel. Oder Jack Farrell — der große Jack, der Riesentöter, mein Großvater. Und jetzt bin ich eben William Wallace», sagt Rob.
«Genauso gut könntest du dich Jason Orange nennen», stichelt Jonny weiter. «Ich könnte genauso gut der beschissene Jason mitsamt den Argonauten sein», antwortet Rob. Jonny führt ein weiteres Argument für Captain Sid Rudy Duke an, und Rob meint genervt, dass Jonny der Einzige ist, der diesen dämlichen Namen für eine gute Idee hält. Jonny sieht sich nach Unterstützung um. «Es klingt ein bisschen nach Carry On», meint Josie. «Wir sind aber nicht mehr Carry On. Das ist eine ernsthafte Angelegenheit. Es geht darum, Entertainment zu liefern.» Jonny fragt Pompey nach seinem Tour-Pseudonym. «Willie Recover», antwortet der. «Findest du das etwa ernsthaft?», höhnt Jonny. «Er muss nicht auf die Bühne», erklärt Rob. «Und außerdem hat er bereits Charakterstärke. Im Gegensatz zu mir.» Um des lieben Friedens willen verspricht er schließlich, sich an den Off-Days Captain Sid Rudy Duke nennen zu lassen, obwohl wir alle wissen, dass es dazu nicht kommen wird. Die Frotzelei hat ihren Hauptzweck erfüllt, nämlich Rob von dem bevorstehenden Auftritt abzulenken. Wir erreichen das Gelände, ein riesiges Zelt in der Nähe von Highclere Castle, über Landstraßen und ein dunkles Feld. Lulu, Liberty X und Bryan Adams haben ihren Auftritt bereits hinter sich, alle waren nicht angekündigt. Rob ist im Programmablauf als «Hot Legs» aufgeführt. Bevor sie auf die Bühne gehen, schart Rob die Band auf der Wiese um sich. «Also ... neulich dachte ich, dass es nirgendwo eine Band gibt, die es so macht wie wir, nirgendwo. Keine beschissene Band auf der Welt macht es so wie wir. Justin Timberlake, Beyonce, Christina Aguilera, wer auch immer, es gibt keinen, der es so bringt, wie wir es auf dieser beschissenen Tour bringen werden, und die Show heute Abend hat eine Million Pfund für wohltätige Zwecke eingebracht, deshalb gehen wir jetzt da raus und zeigen es ihnen, nehmen das Geld und stellen damit was Gutes auf die Beine. Aber ich wollte euch auch noch sagen, dass all meine anderen Touren immer damit angefangen haben, dass ich eigentlich nicht wollte. Dafür kriege ich es dann ziemlich super hin ... » — die Band applaudiert — «ja, echt. Ich
muss nämlich immer was beweisen, ich und wir alle zusammen, und deshalb gehen wir jetzt da raus und sind die Besten, die es derzeit auf der ganzen Welt gibt, denn wir können es.» Die Band geht auseinander, um ihre Plätze auf der Bühne einzunehmen. «Deine Gigs», meint Jonny, «ich liebe sie einfach.» Rob sagt nichts. Er scheint sich innerlich vorzubereiten. «Es ist immer so ... », fährt Jonny fort. «Wenn Rob versucht sich zu konzentrieren, und Josie und ich nicht wissen, was wir sagen sollen ...» Rob sagt immer noch nichts. «Es ist komisch», meint Jonny. «Ich bin genauso nervös wie er. Quatsche dummes Zeug. Weil ich denke, wenn ich irgendwas quatsche, ist es gut, es lenkt ihn ab. Deshalb mach ich es.» «Es nervt», sagt Rob todernst. «Ich fand es schon immer nervig.» Anderthalb Songs nach dem ekstatischen Gebrüll, mit dem die betrunkene Menge sein Erscheinen durch eine Falltür vorn auf der Bühne begrüßt hat, lässt er die Hose runter. Er muss den Aufzug wechseln, und das vor allen Leuten. «Eine Nacht, nur eine einzige, und ihr kriegt nicht mal alles zu sehen», sagt er. «Ich wette, das hatte der verdammte Bryan Adams nicht zu bieten. Oder Liberty X.» Viele in der Menge halten, wie nicht anders zu erwarten, ihre Handys in die Höhe und übertragen den Auftritt an ihre Freunde woanders. Rob scheint von Anfang an einen Riesenspaß zu haben – jedenfalls erzählt er das dem Publikum immer wieder. «Es ist ein wahnsinnig geiles Gefühl», sagt er etwa nach der Hälfte, gleich vor «Hot Fudge». «Ja, echt. Und ich wette, ihr denkt: <Jede Wette, das sagt er immer>.» Pause. «Tja, aber ich hab es nicht im verdammten Island gesagt, ich fand es grässlich da. Island ... und Schweden. Beschissen. Aber hier ist es super.» Bei «One For My Baby» erwähnt er Glitter nicht mehr, sondern schmachtet stattdessen schamlos: «One for my baby ... and ten for Vodaphone ... » «Supreme» wird zum ersten Mal in der manischen, hochtourigen Version gespielt, obwohl Rob später entscheidet, dass er es nicht wirklich gut findet, und so bleibt es die einzige öffentliche Vorstellung. Vor «Kids» tut er so, als kündigte er Kylie an. «Meine Damen und Herren, Miss Kylie Minogue! ... », lässt dann den Beifall
verhallen und sagt: «Nee, sie kommt nicht ... Kennt jemand den Text zu
5 Am Sonntagnachmittag haben sich alle zum Fußballspielen auf einem Platz in der Nähe von Jonnys Wohnung verabredet. Ein Mann, den keiner kennt, steht hinter einem der Tore. Zuerst sieht er eine Weile einfach nur zu, doch dann fängt er an zu fotografieren, als wäre es die natürlichste und normalste Sache der Welt. Trotz entsprechender Aufforderung hört er nicht damit auf. In der Halbzeit platzt Rob der Kragen.
«Verdammt nochmal, schießen Sie endlich Ihre Fotos und machen Sie, dass Sie wegkommen!» Der Mann rechtfertigt sich gegen jede Logik damit, dass er kein Paparazzi sei, weil er für die Daily Mail arbeite. Er reicht Rob seine Visitenkarte. «Sie wollen die Fotos also der Daily Mail geben?» «Ja», nickt der Mann und wirkt beinahe erleichtert, dass Rob endlich verstanden hat. «Dann sind Sie doch ein beschissener Paparazzi, Sie Arschloch.» «Die Mail hat mich angerufen», verteidigt sich der Mann. «Wenn Sie was dagegen haben, dann lass ich es.» «Was wollen Sie dann noch hier?», tobt Rob. «Ich wollte nochmal fragen.» «Und ich sage nochmal nein.» Der Mann entgegnet, er hätte sich alle Mühe gegeben, Robs Freunde nicht auf die Fotos zu bekommen, weil er glaubte, gerade das hätte Rob gestört, als er sich das erste Mal wegen der Kamera beschwerte. Er kapiert es einfach nicht. (Und offensichtlich denkt er auch, dass Rob es nicht kapiert. Sie sind meilenweit voneinander entfernt. Er lebt in einer Welt, in der sein Verhalten vermutlich als Gipfel rücksichtsvoller Höflichkeit gilt.) «Hören Sie, Kumpel», sagt Rob schließlich, «Sie können sich Ihre verdammte Sichtweise sonst wohin stecken und obendrein den Arsch damit abwischen.» «Gehen Sie einfach», drängt Gary. «Drehen Sie sich um und verschwinden Sie. Bitte.» «Das ist unerhört, Freunde, echt.» «Sie sind unerhört», erklärt ihm Rob. «Sie verderben allen hier den Spaß.» «Ich habe Ihnen meine Karte gegeben», protestiert der Fotograf schwach, als hätte er damit sowohl seine Ehre als auch seine Legitimität bewiesen. «Ist mir scheißegal», sagt Rob und tut so, als würde er sie lesen. «Saddam Hussein – bitte sehr!»
An diesem Wochenende bringt News Of The World einen weiteren Vorabdruck aus der inoffiziellen Biographie. Wieder jede Menge Schwachsinn, verzapft von immer den gleichen Typen – hauptsächlich verbitterten Ex-Managern und gelegentlichen Mitarbeitern, die in all diesen Berichten auftauchen. An diesem Wochenende erleben wir die Wiederkehr von Raymond Heffernan, dem Mann, der behauptet, Co-Autor von «Angels» zu sein. («Der Text war von mir», wird er zitiert. «Es tut weh, dass Robbie mich nicht mal erwähnt. Ich war daran beteiligt.») Die wahre Geschichte von Raymond Heffernans kurzer Bekanntschaft mit Rob ist zumindest interessant, noch so ein unglaubliches Abenteuer auf den verschlungenen Pfaden, die ihn hierher gebracht hat. Es ist Weihnachten 1995, das erste nach seinem Ausstieg bei Take That. In dieser Zeit lässt Rob jede Menge freche und selbstbewusste Äußerungen über seine Zukunft los, was aber nicht viel mehr beweist, als dass er entschlossen ist, diesen Plan aus den Augen zu verlieren. Er nimmt eine Fähre nach Dublin, wo er die Weihnachtsferien verbringen will. Bei ihm sind seine Mutter, deren damaliger Freund und seine Schwester. Als sie am späten Nachmittag in dem Haus ankommen, das sie im Zentrum von Dublin gemietet haben, setzt Rob nicht mal einen Fuß hinein. Er überlässt das Auspacken den anderen und steuert direkt das nächste Pub an, allein, um sich zu betrinken. Ein Typ mit abstehendem ingwerfarbenem Haar fällt ihm auf, sie kommen ins Gespräch. Es ist Raymond Heffernan. Sie reden den ganzen Abend. Bald sind sie dicke Freunde und verbringen jede Minute zusammen. Rob schluckt eine Ecstasy nach der anderen und trinkt Unmengen Guinness. Manchmal übernachten sie in dem Haus, das Rob gemietet hat, und manchmal stolpern sie raus aus der Stadt zum Haus von Raymonds Eltern in einer Siedlung mit Sozialwohnungen und schlafen unterm Dach auf einer Matratze am Boden. Wenn sie dann mit einem gewaltigen Kater aufwachen, bietet Raymonds Mutter ihnen immer eine Tasse Tee an, und wenn Rob ablehnt, macht sie ihm trotzdem welchen. Für ihn fühlt es sich an, als sei er in einer liebevollen, warmherzigen irischen Familie gelandet, mit der er lieber zusammen ist als mit seiner eigenen. Hier gibt es keine Mutter, die ihn — mit
Recht — für einen Säufer hält, einen widerspenstigen Sohn, der sein Leben zum Fenster hinauswirft und sich vor ihren Augen zugrunde richtet. Außerdem ist ihm klar, dass seine Mutter in Raymond nicht denjenigen sieht, für den Rob ihn hält, aber er hat keinen Bock, sich das anzuhören. «Ich brauche jemand, der so ist wie ich. Ich will einfach, dass
sehen und kommt mit Schnitt-wunden im Gesicht, einem blauen Auge und einem zerrissenen Hemd zurück. «Meine Freunde haben mich verprügelt», sagt er. «Jetzt habe ich niemanden mehr, nur dich, Robbie.» Und Rob macht im Geist zum ersten Mal einen Schritt zurück und denkt: Egal, ob es stimmt oder nicht, ich weiß nicht, ob ich das wirklich will. Als der Tag seiner Abreise näher rückt, klammert sich Raymond immer mehr an ihn und nervt ihn damit, ob er ihn wiedersehen werde. Rob schenkt ihm seine warme StüssyJacke, um ihn zu beruhigen — eine Jacke, die er liebt. Er gibt ihm nicht seine Adresse, doch zwei Wochen später steht Raymond in Stoke auf der Matte. «Her», sagt er, als Rob aufmacht. «Was willst du?», fragt Rob und sieht, wie Raymond in sich zusammensackt, als er merkt, dass es nicht so läuft, wie er sich erhofft hat. Rob lässt ihn reinkommen und macht ihm klar, dass er nicht bleiben kann. Er gibt ihm Geld für ein billiges Hotel und die Fähre zu-rück nach Dublin und ruft ein Taxi. Sie unterhalten sich noch, bis das Taxi kommt, dann verabschieden sie sich. Seitdem hat Rob ihn nie wieder gesehen. Ein paar Monate später, am zweiten Tag der Zusammenarbeit mit Guy, singt er ihm die Melodie und den Text vor, die er schon eine Weile für einen Teil des Songs hatte. Guy komponiert eine neue Musik dazu, und wenig später haben sie auch den Rest fertig. Sofort ist klar, dass es etwas Besonderes ist, doch Guy fühlt sich nicht wohl und legt sich gleich anschließend ins Bett. Draußen schneit es. Rob muss eine Ewigkeit zu Fuß gehen, bis er ein Taxi findet. Er bittet den Fahrer, die Kassette zu spielen, die er in der Tasche hat, und dieser Taxifahrer ist der dritte Mensch auf der Welt, der «Angels» zu hören bekommt. Anschließend erklärt er Rob, dass es ein Hit werden wird. Ein paar Monate später versuchte Raymond Heffernan, als Co-Autor von «Angels» anerkannt zu werden. Rob hat den Anspruch stets zurückgewiesen, trotzdem zahlte er Heffernan eine bescheidene einmalige Geldsumme. Seitdem taucht dieser immer mal wieder in der Presse oder in Büchern auf, um seine Version unters Volk zu bringen.
Die Proben für die endgültige Tour-Produktion finden auf einer Fernsehbühne im Elstree Studio statt, etwa 30 Meter von dem Gelände entfernt, von wo die neueste Big Brother-Staffel live übertragen wird. Man hat in den letzten 14 Tagen viel darüber geredet, ob man die Tür des Proberaums aufmachen und Rob seine neue Single einfach am Stück singen lassen soll, sehr laut, damit man sie in der 24-stündigen Live-Übertragung von Big Brother hört, aber dazu kommt es nicht. Zum einen ist die neue Single inzwischen nicht mehr im Programm. Zum anderen ist Rob nicht der Mann, der ununterbrochen dasselbe machen könnte. Am ersten Tag seiner Anwesenheit setzt er sich ans Mischpult und beobachtet etwa die Hälfte der Show, ohne sich selbst zu beteiligen. Nur einmal erhebt er Einspruch gegen einen Film, der einen schwarzen, muskelbepackten männlichen Körper zeigt und zu «Strong» auf eine Leinwand hinter der Bühne projiziert werden soll. Eigentlich will Rob heute nur ausprobieren, ob er sich zu Beginn der Show kopfüber auf die Bühne abseilen kann. Dazu legt er sich auf eine Matte in der Mitte der Bühne und lässt sich die Fußknöchel aneinander schnallen. «Was man nicht alles macht, um eine Tour zu verkaufen», bemerkt Chris Sharrock. «Was man nicht alles macht, um der King zu bleiben», korrigiert ihn Rob. Dann wird er hochgezogen. «Wie fühlt sich das an?», fragt Josie. «Super.» Man lässt ihn wieder runter. «Ja, echt gut so», sagt er noch einmal. Dann erklärt er Josie, dass er jetzt gehen und ins Air Studio fahren will, um sich mit Stephen Duffy zu treffen. «Ich muss unbedingt was schreiben», erklärt er. «Das ist wie eine fixe Idee.» Er hat immer noch nicht die ganze Show in einem Durchlauf verfolgt und kaum auf die Teile reagiert, die er heute gesehen hat. Wahrscheinlich muss es für ihn so sein — dass er sich ganz allmählich einklinkt, ohne sich allzu viele Gedanken darüber zu machen. So, wie er es sieht, ist es seine Show, seine Verantwortung und seine Belastung. Doch für die Leute, die seit Wochen wie verrückt schuften, um all das zu etwas Besonderem zu machen, nicht nur, weil sie stolz auf ihre
Professionalität sind, sondern auch, weil sie ihm gefallen wollen, ist dieser Mangel an Engagement und Feedback frustrierend. Auf dem Weg in die Stadt überholt uns auf einer Landstraße ein Sportwagen mit einer hübschen jungen Frau am Steuer. Rob bittet Gary, Gas zu geben. Zuerst glaubt er, es sei Jordan, aber sie ist es nicht. «Hallo!», ruft er. «Warte mal .. wo fährst du hin?» Sie lächelt, als sie ihn erkennt, und zeigt auf eine Abzweigung, um anzudeuten, dass sie hier abbiegen muss, vielleicht auch, dass er folgen soll. Er tut es nicht. Heute muss er Songs schreiben.
Stephens Studio unter dem Dach ist ein winziger, voll gestopfter Raum, den man nur durch ein Büro erreicht. Mehr als vier Leute passen nicht hinein, aber selbst dann kann höchstens einer auf einmal aufstehen. An allen Wänden hängen Musikinstrumente und dazwischen Fotos, Postkarten und Zeitungsartikel. Jack Kerouac auf dem Cover des französischen Musikmagazins Les Inrockuptibles, ein Standfoto aus Easy Rider, ein Artikel über Patti Smith, ein Lilac Time-Plakat, ein Bild der Rolling Stones aus den 60er Jahren auf dem Cover von Uncut. Auf dem Schreibtisch steht ein Exemplar von Joni Mitchells The Hissing Of The Summer Lawns mit kommentierten Zeichnungen der Ansicht vom Central Park aus nach Süden. Mitchell selbst hat sie gemacht, als sie vor kurzem unten im Studio arbeitete, um Stephen die Bedeutung diverser Wahrzeichen zu erläutern. Die Twin Towers ganz hinten hat sie durchgestrichen und daneben gekritzelt: GONE. Rob möchte an dem Song arbeiten, den sie beim letzten Mal begonnen haben. Er glaubt, er heißt «Today». «Er heißt <Everyone Needs It>», sagt Stephen zu Andy Strange, der die Computer steuert und alles aufnimmt. Doch ehe sie anfangen, muss Rob noch die letzten aufregenden Ideen über Pure Francis loswerden und dass er vorhat, seine Frisur, seine Nase und die Augenfarbe dafür zu verändern. «Wie Neil Diamond, aber mit Kraftwerk – oder Depeche Mode ohne Angst vor einem eingängigen Refrain. Was hältst du davon?» «Super», sagt Stephen. «Das machen wir.»
Rob singt den Song mehrere Male und improvisiert jedes Mal neue Textteile und Melodien. Er sitzt neben dem Keyboard und benutzt ein Handmikrophon. Stephen schlägt vor, erst den Text zu schreiben und von da aus weiterzumachen, doch das wird einfach ignoriert. Stephen fragt, ob er schon weiß, was Pure Francis für eine Geschichte hat, denn das wird vermutlich zur Klärung dessen beitragen, wovon die Songs handeln sollen. «Nichts von der Komik des Albums», antworte Rob. «Die Leute sollen gefühlsmäßig auf die Songs reagieren.» «Tja», meint Stephen. «Für Komik bin ich ja auch nicht gerade bekannt.» Eher für seine Düsterkeit. In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Mojo steht er an 13. Stelle einer Liste der unglücklichsten Menschen im Rock-Business. «Das ist die beste Presse, die ich seit Jahren hatte.» Rob erzählt ein bisschen über die Figur Pure Francis, so wie er sie im Augenblick sieht. «Er war Session-Sänger für die verschiedensten Leute. Keine Ahnung, wir er es von Amerika nach England und da ins Fernsehen und Radio geschafft hat, aber das kommt noch. Auf alle Fälle geht es ihm miserabel. Es ist sozusagen <der letzte Versuch>, etwas in der Art.» «Glaubst du, da ist Platz für einen Song über das Imperial War Museum?», fragt Stephen hoffnungsvoll. «Es klingt so hübsch.» Diese verrückte Idee stößt auf eine erstaunlich positive Resonanz. «Neil Tennant hat immer gesagt, das war unsere imperiale Phase», erklärt Rob. «Und ich mache gerade meine imperiale Phase durch.» Er nickt. «So könnte das Imperial War Museum ... zu einer Art Ruhmeshalle des Rock werden.» «Hast du Neil Diamond schon gehört?», fragt Stephen. Sie hatten vereinbart, sich The Jazz Singer anzuhören, als Recherche für Pure Francis. «Nein, ich hab die CD gekauft, aber noch keine Zeit gehabt, reinzuhören.» «Vielleicht sollten wir drauf verzichten. Es läuft doch ganz gut.» «Ja, stimmt, du hast Recht.» Rob will auch nicht, dass Stephen sich «Get The Message» von Electronic anhört. Stephen meint, Scott Walker könnte nützlich sein. «Wegen seiner Denkweise?»
«Yeah, weil Scott eine interessante ... die Art, wie er verschwand ... und dann als Avantgarde-Künstler wieder auftauchte. Und kein Mensch wusste, was er machte. Die Leute sagten, er malt, aber keiner wusste etwas Genaues.» «Wir sollten eine Platte machen, die sich für jemand, der nicht weiß, was Avantgarde ist, so anhört, als wäre es Avantgarde. Du verstehst, was ich meine?»
Sie gehen zu einem neuen Song über. Stephen programmiert ein paar Drums, und Rob fängt sofort an zu singen. « Caught the last train to Paddington station, made my escape in the rain, still got your mascara in my bag ... » Doch schon wenige Sekunden, nachdem dieser Song das Licht der Welt erblickt hat, wird er wieder fallen gelassen. Rob meint, der Rhythmus würde ihn zu sehr an «Girl From Ipanema» erinnern. Stattdessen fängt er an, auf dem Synthesizer herumzuklimpern. Nach einer Weile fragt er, ob sie noch andere Beats haben. «Was brauchst du denn?», fragt Andy. «Das weiß ich erst, wenn ich es höre», sagt er. «Hast du vielleicht was richtig Fetziges?» Stephen greift in ein CD-Regal, das neben dem einzigen kleinen Fenster an der Wand aufgehängt ist und zieht ein Rolling StonesBootleg heraus, Taxile On Main Street. «Vielleicht klappt es mit einem Schuss Charlie Watts.» Andy findet auf einer Version von «Tumbling Dice» eine Stelle, die frei von Nebengeräuschen ist und loopt sie. Inzwischen erzählt Rob Stephen, dass er seinem Management noch nichts von Pure Francis erzählt hat. (Josie weiß natürlich, dass er hier ist, aber er rückt nicht richtig damit raus, woran sie arbeiten.) Wenn er es erzählt, wissen sie vielleicht nicht, ob sie ihm glauben sollen. Einmal hat er ihnen gesagt, dass er wüsste, wie man den amerikanischen Markt erobern könnte: als Ringer im WWF. «Ich meinte zu ihnen, dass ich jemand kenne, der Anabolika vertickt – es würde überhaupt kein Problem sein. Und wir würden sie kriegen, indem die Eingangsmusik immer eine von meinen Platten wäre. Sie lachten, aber ich machte ein todernstes Gesicht, da kriegten sie echt Angst.»
Rob erwähnt noch andere Leute, die Einfluss auf Pure Francis nehmen könnten. «Ich hab gerade die Smiths entdeckt.» «Na, das wird ja echt gefährlich», sagt Stephen. «Wahrscheinlich wird EMI versuchen, mich umzubringen.» «Ja, darüber denke ich ja die ganze Zeit nach. Wie kriegen wir eine Platte auf den Markt, während die Greatest Hits laufen? Man muss einfach jemand anders werden.» Stephen und Rob stimmen ihre Pläne für den Rest des Jahres ab: Wird es nach der Sommertour noch eine amerikanische Tour geben? «Ich glaube nicht, dass ich durch Amerika touren will. Aber ich muss es wohl bald mal jemand verklickern.» «Ich kann Tony Wadsworth für dich ausrichten, dass wir <Scott Walker goes electro> machen», schlägt Stephen vor, «und dass es viel wichtiger ist als den amerikanischen Markt zu erobern». Andy spielt ihnen den Drum-Loop vor – «Yeah!», ruft Rob begeistert —, aber genau in diesem Augenblick kommt Josie rein und er-innert Rob daran, dass es Zeit für das Interview mit dem australischen Fernsehteam ist. Charlie Watts muss warten.
«Josie», sagte Rob, als er für das Interview geschminkt wird. «Du weißt doch, dass ich Amerika sausen lasse, nicht?» «Ja. Wir touren nicht.» Der letzte Stand ist, dass sie statt auf Tour zu gehen im Oktober die Rundfunkanstalten abklappern, so wie vergangenen Monat. «Ich mache auch keine Radiosendung», sagt er. «Okay», antwortet sie und enttäuscht ihn, indem sie zustimmt. «Wie du willst.» «Ich will mehr Geld», sagt er schmollend, fest entschlossen, irgendwo auf Widerstand zu stoßen. «Mehr Geld kannst du unmöglich kriegen. Du hast schon alles. Mehr Geld gibt es auf der ganzen Welt nicht.» Der amerikanische Reporter macht Smalltalk, bevor es losgeht, und erzählt, dass er als Kind mit Nicole Kidman aufgewachsen ist. Sie wohnte nebenan. «Es war nur eine Gartenmauer zwischen uns.» «Mit Efeu?»
Der Interviewer drückt mächtig auf die Tränendrüse, doch Rob hält sich wacker. «Gefällt Ihnen der Ruhm eigentlich?», fragt der Reporter an einer Stelle. «Oder der ganze Rummel, der damit verbunden ist? Könnten Sie auch wieder zurück und ein glückliches Leben im industriellen Norden von England führen?» «Berühmt zu sein ist wie ein Baby zu kriegen», antwortet Rob. «Es ist wirklich toll und echt klasse, und dann macht es die ersten Schritte, und man ist dabei und verdrückt ein paar Tränen, und dann fängt es an zu tanzen, und man ist wieder dabei und weint wieder ein bisschen ... und dann scheißt es in die Hose, spuckt überall hin, macht dieses schreckliche Trotzalter durch, reißt ständig was runter, verbrennt sich und so weiter, und man will einfach nur noch weg.
Oben hat Stephen unterdessen Charlie Watts auf 130 Takte pro Minute beschleunigt und eine blubbernde Kraftwerk-Passage drübergelegt. Rob fuhrwerkt ein paar Minuten am Keyboard herum und fängt dann an zu singen. «... fall fall fall into these arms, make me feel again, I can breathe again ...» Das wiederholt er ein paar Mal und kommt dabei auf immer neue Melodien und Textfetzen. Das Spektrum reicht von komplett unverständlich bis halbwegs logisch.
«... love is a bastard, love is the kind, love is the soul and driving me blind ... feel feel feel, feel free again, lost in the me again, taking over your heart ... love is a temple, love is a guide, love makes it thought to the other side, it's like a passenger falling free from your heart and soul ... I love you like angels, I love you like strangers, I love you in parts ... I feel like a freak, feel like a freak, only don't speak, it tears me apart ... » Stephen hat Angst, dass der Song zu rockig für Pure Francis werden könnte. Rob zuckt die Schultern. «Ach, mach dir darüber keine Gedanken.» Möglicherweise von dieser Antwort beflügelt, spielt Stephen ein paar kratzige, hymnisch angehauchte Akkorde auf der elektrischen Gitarre. «Find a place to crash ... » Stephen fragt ihn, ob er einen Refrain für den Song schreiben oder es lieber auf morgen verschieben und was Neues anfangen will. «Was Neues anfangen.» Stephen programmiert den nächsten Groove und schlägt Rob vor, das Stück auf dem Keyboard zu beginnen. Nach ein bisschen Rumgeklimper kommt er ziemlich schnell auf einen aus drei fallenden Noten bestehenden Riff. Andy nimmt ihn auf und loopt ihn, während Rob nach dem Mikro greift. Es ist nicht der geringste Vorsatz erkennbar. Welche Prozesse hier auch einfließen, welche Kalkulationen oder Erwägungen ihm im Kopf herumschwirren mögen, sie sind nicht ersichtlich, nicht mal, wenn man im gleichen Raum sitzt. Er tut es einfach. Trotzdem werden in den ersten Worten bereits Titel und Zentrum des Stücks deutlich: «You see the trouble with me ... Is that I love the song ... The trouble with me is, it's bound to go wrong ... the trouble with you, it passes you by ... the trouble with you is you love me, you love me ... » Rob bricht ab. «Ich habe noch nie wirklich ein Liebeslied geschrieben. Eigentlich habe ich überhaupt keine Liebeslieder geschrieben.» Dann korrigiert er sich. «Eins. Aber das ist noch nicht erschienen. <Snowblind>.» «Tja, ich dagegen habe nur Liebeslieder geschrieben, glaube ich», sagt Stephen.
«You see the trouble with me ... the other team is going to score ... the trouble with us ... you're in love with me ... » «Sollen wir noch am Refrain basteln?», drängt Stephen. «Yeah.» «Ich spiele Gitarre, und du fummelst so lange rum, bis du was gefunden hast», schlägt Stephen vor. «Ich bewundere deine Zuversicht, Stephen.» «Ich habe mit Nick Rhodes gearbeitet; ich weiß, wie es geht.» Und er hat Recht. Rob entwickelt am Synthesizer einen Bass, der für den neuen Teil bestimmt ist. «Ich glaube, das nennt man <experimentieren>, wie?», meint Rob mit affektierter Northern-Stimme. «Ich bin gerade dabei, mich neu zu erfinden.» Er singt ein paar Ideen, und dann nehmen sie den neuen Durchlauf auf. «You see the trouble with me, is I'm afraid to be bold, I'm afraid of getting old, and I'm afraid to be loved, loved, loved ... so she makes her last mistake ... woah oah yeah...» «Sehr gut», meint Stephen. «... Sollen wir damit für heute Schluss machen?» Sie haben ungefähr eine Dreiviertelstunde für den Song gebraucht. Er grinst. «Wenn das so weitergeht, haben wir Ende der Woche zehn Songs zusammen.» «Das ist das Schöne an Pure Francis.» Als wir die Treppe runtergehen, meint Rob aufgeregt: «Wir sind auf der richtigen Spur.» «Heißt das, dass ich jetzt meine Gary Numan-Platten spielen kann?», fragt Pompey.
6 Er hat zwar erklärt, nicht vor Ende der Woche zu den Proben zu erscheinen, lässt sich dann aber doch früher dazu überreden. Abgesehen von allem anderen muss er schon aus versicherungstechnischen Gründen üben, wie man kopfüber durch die Luft schwebt. Heute soll er es am Beginn einer Probe in voller Besetzung versuchen. Er liegt mit aneinander geschnallten Füßen hinter den Kulissen auf einer Matte am Boden, die Beine von dem Seil, das ihn gleich hochziehen wird, ein wenig angehoben. Dann geht es los. Er hat die verantwortlichen Mitglieder der Crew gebeten, bei dieser Probe unter ihm stehen zu bleiben, nur für alle Fälle – Owen Hart,
ein Ringer, der zu Tode stürzte, als er angeblich von der Decke herabgelassen werden sollte, spukt ihm noch durch den Kopf –, doch als er jetzt nach unten schaut, sind sie schon wieder mit was anderem beschäftigt. («Ich dachte, wenn das jetzt reißt, bin ich erledigt», sagt er später. «Und dann: Ehhhh, das ist Rodney, der traut sich was.») Nach dem Abseilen stürzt er sich gleich ins Programm. Er singt die ersten paar Stücke und spricht zu der beinahe leeren Halle so, als stünde er vor der Menschenmenge in Knebworth. (Das imaginäre Publikum ist ausdrücklich das von Knebworth, weil er es mehrmals beim Namen nennt. Zwar wird er vorher vor einer halben Million anderer Menschen auftreten, doch innerlich bereitet er sich schon jetzt auf Knebworth vor.) Nach ein paar Songs wirkt er lockerer. Am Ende von «Hot Fudge» erklärt er voller Überzeugung und Leidenschaft, dass Queen sich nicht trennen werden und die Presse ihn am Arsch lecken kann. Diese Rede macht hier allerdings weniger Sinn als auf der Queen Live At Wembley-DVD, die Lee ihm vor kurzem mitgebracht hat. Vor der Swing-Einlage sagt er: «Also, ich weiß, dass einige von euch wahrscheinlich meine Show in der Albert Hall gesehen haben.» Seufzer. «Das war ein großes Wagnis, echt. Eine Menge Leute haben es versucht und nicht geschafft.» Pause. «Ich nenne keine Namen.» Noch eine Pause. «Diana Ross ... » Pause. «... Robert Palmer ... » Pause. «... Rod Stewart ... » Pause. «... Sheena Easton ... » Pause. «... Harry Connick Jun. ...» Pause. «Aber ich nenne keine Namen.» Er hält immer noch nicht bis zum Ende des Programms durch. Mitten in «She's The One» verlässt er die Bühne, und als die Band«No Regrets» anstimmt, sitzt er bereits im Wagen auf dem Weg zurück nach London. Unterwegs sinniert er über Dates, Vögeln und Liebe. Er hat in letzter Zeit ein paar Dates gehabt, eine neue Erfahrung für ihn, und jetzt denkt er darüber nach, welche Erwartungen wohl jede Seite dabei mitbringt. «Ich bin sensibel und zurückhaltend ... aber der kleine Robbie übernimmt doch ziemlich oft die Kontrolle. Vermutlich denken das sowieso alle. Die Leute glauben, ich würde viel mehr rumvögeln, als ich es tatsächlich tue. So oft ist es gar nicht. Verstehst du, was ich meine?» Kommt drauf an, was man unter oft versteht.
«Nun ja, sie denken, ich kann jede Frau haben, die ich will, jede Frau bumsen, und dass ich das die ganze Zeit mache. Aber es passiert mir immer wieder, dass die interessanten oder netten Frauen gar nicht wollen. In meiner Jugend habe ich immer mit den Uninteressanten geschlafen. Deshalb glaube ich, dass man, wenn man etwas reifer wird, wenn man ein großer Junge ist, eigentlich nicht mehr so viel Lust dazu hat.» Er lacht und weiß, dass es doch höchstens ein Drittel der Wahrheit ist, egal wie ehrlich das klingen mag. «Und dann wieder doch.» Er kommt auf den Gedanken zurück, dass es wie ein beschissener Bonbonladen ist, während man selbst an Diabetes leidet. Seit wann er Diabetiker sei, will ich wissen. «Nun ja, es bekommt mir nicht.» Als ich einwende, dass seine Ernüchterung über das, was er haben kann, auch daher rühren könnte, dass er in einen Bonbonladen geht, nachdem er gerade eine riesige Mahlzeit verdrückt hat, lacht er nur.
Im Air Studio spielt Stephen ihm die rockigere Nummer vor, an denen sie vor zwei Tagen gearbeitet haben. Rob fängt spontan an zu singen. «I'm on a mission ... to abuse my position.» «Die ganze Richtung, die Francis Pure einschlägt, gefällt mir sehr», meint Stephen. Sie arbeiten am Mittelteil. Rob versucht es mit Pfeifen oder Summen, doch beides gefällt ihm nicht. Andy lässt den Groove noch einmal laufen, und plötzlich singt Rob: «
tolles Beispiel für den Fall, dass man nicht in der ersten Person schreiben will.» Dann drückt er ihm auch The Hissing Of Summer Lawns und Nilsson Sings Newman von Harry Nilsson in die Hand. Rob schaut sich das Cover an – es ist eine Platte mit Randy Newman-Songs – und sagt, dass er ein paar davon kennt. «Es ist vor allem die Art, wie er von einer Sache zur nächsten kommt», meint Stephen. «Ich liebe
«Eins, das sonst keiner machen würde, weil niemand bereit wäre, so einen Unsinn zu singen.» In der Pause lassen sie ein paar Sushis kommen, sitzen im Büro vor dem Studio und reden über Elton John. «Er hat mich mal entführt», erinnert sich Rob. «Er hat mich nach Windsor mitgenommen. Eigentlich ist er ein echt netter Kerl. Hat das Herz auf dem rechten Fleck, nur eben manchmal Aussetzer.»
Am nächsten Tag fährt er wieder nach Elstree und unterhält sich im Kantinenzelt mit Chris Briggs. «Denkst du über einen neuen Song nach?», fragt Chris. «Mehrere», antwortet Rob, ohne zu verraten, dass sie schon Gestalt angenommen haben. Gary Marshall kommt dazu. «Geht es heute wieder zu Stephen Duffy?», fragt er und verrät dabei beinahe ein Geheimnis. Chris soll eigentlich nichts davon erfahren. «Stephen <Tintin> Duffy?», hakt er nach. «Yeah.» «Der früher The Lilac Time gemacht hat?» «Es gibt sie immer noch.» «Guter Songschreiber», blufft Chris. «Ach ja?», meint Rob beiläufig. Als Chris wegguckt, grinst er mir zu. Geheimnisse, die einen nicht umbringen, machen einen stärker. Schließlich geht er in die Halle, wo die Bühne aufgebaut ist. Rob tut immer noch so, als sei die Tour das Projekt von jemand anders, bei dem er ein unbeteiligter Investor ist, der hin und wieder vorbeischaut, um sich zu überzeugen, dass es vorangeht und das Geld gut angelegt ist. Heute muss Josie ihn zweimal in die Halle zurücklotsen, damit er die Tanzchoreographie für «Hot Fudge» begutachtet und absegnet. Bei der Swing-Einlage steigt er sogar eine Weile ein, wenn auch nur, um Max zu ärgern. «In diesem Sommer kommen sechs Filme mit ihm raus. So hat Boots wenigstens was zu tun.» Als er über ihren gemeinsamen Liebeskummer in der Weihnachtszeit spricht, sagt er: «Wir gehen nur mit Stars aus – habt ihr das bemerkt? Komisch. Aber im Knast vögelt man eben die Insassen.»
Er bleibt bis «Kids», und selbst das singt er auf einem Stuhl im hinteren Teil der Halle sitzend. «Bis später», sagt er zu David. «Bist du weg?» «Yeah. Hab noch was vor.» «Ah! Ein Date?» «Ja, Dave. Ein Date. Mit dem Schicksal.»
Im Studio komponiert Rob einen neuen Riff am Keyboard, ein monotones Motiv, das auf zwei Akkorden basiert. Stephen begleitet ihn auf der Gitarre und entwickelt eine fallende Akkordreihe, die aus den ersten beiden vier macht. Rob singt dazu. «Ganz gut, was? Wenn du mein Pete Waterman bist, bin ich deine Sonia.» Sie reden über Leute, die sie in früheren, wilderen Zeiten gekannt haben: den Schauspieler zum Beispiel, der nach einem Herzinfarkt einfach so weitermachte wie vorher. «Mich hätte es auch nicht abgehalten», sinniert Rob. «Tatsache ist, es hat mich nicht abgehalten. Ich hatte zwar keinen Herzinfarkt, aber ich war sehr krank. Nach den ersten MTV-Awards. Da kam mir schwarze Galle hoch. Es war irgend eine Geschlechtskrankheit. Ich rief meine Freundin an und sagte, dass ich eine Weile weg müsste. Am Ende landete ich bei Damien Hirst und sniefte Speed mit den Hell's Angels.» Er seufzt. «Verdammte Scheiße. Es gab ein Jahr, da konnte ich einfach nicht aufhören zu trinken. Jeden Tag, von morgens bis abends.» «Welches Jahr war das?» «95. Einmal wurde ich für die Sechs-Uhr-Nachrichten interviewt. Ich konnte mich nicht mal dran erinnern, dass ich da gewesen war.» «Worum ging's denn?» «Keine Ahnung. Wäre bestimmt interessant, es nochmal anzugucken ... » Er unterbricht sich. «Nein, wäre es nicht. Es wäre entsetzlich.» Er schüttelt den Kopf. «Ich fing an zu koksen, als ich merkte, wie die Wirkung von Ecstasy nachließ. Wenn man schon sieben intus hat, bringt es nicht viel, auch noch das achte einzuwerfen, und drei Gramm Koks brachten einen durch den Tag. Am nächsten Tag ist man völlig hinüber, und die folgenden zwei sind so schrecklich, wie
du es noch nie erlebt hast. Bei Koks dagegen bist du nur am nächsten Tag hinüber und am zweiten einfach nicht besonders gut drauf» Dazu kam die Paranoia. «Entweder sollte ich von einer Gang vergewaltigt werden, oder ich hatte mich mit Gangstern oder dem Geheimdienst angelegt. Sie kamen durch die Katzentür rein. Und die Mistkerle waren so schlau, dass sie sich im Sofa versteckten. Sie hatten es aufgemacht und wieder zugenäht. Und ich hatte das ganze Haus durchsucht, aber dann ging mir auf – o nein, sie sind im Sofa!» Stephen erzählt, wie er sich mal an heißem Kakao verschluckt hat und Angst hatte, er würde den schlimmsten Tod eines Rockstars aller Zeiten sterben. «0 Mann, da kommen nur jede Menge beschissener Gefühle hoch.» Sie machen mit dem Songschreiben weiter. Zeit für was Neues. Rob singt zu einem Groove, und nach einer Weile scheint der Text irgendein Eigenleben zu entwickeln: «Inside it's aching to be misunderstood ... be misunderstood ... that can only be good ... because while they're understanding things ... we find in many places ... » Er hält inne. «Ein Stück darüber, wie super es ist, missverstanden zu werden. Hauptsache, man redet über dich, dann ist alles gut.» Er singt zu fetten Orgelakkorden. « You´re misunderstood for ages ... bless for all eternity ... you needed me ... » Stephen nimmt eine akustische Gitarre von der Wand, sucht den entsprechenden Akkord, und der Song nimmt mehr und mehr Gestalt an. «<... She said I'm dreadfully misunderstood ... I said, well that's good ... > Was für ein Glück, wenn man missverstanden wird», sagte er und macht weiter. «I hear you're a mean keepyupper ... but at least you've got your supper ... your Tupperware affair ... up your derriere ... by the beautiful and good, dear ... we're not all Robin Hoods here ... please don't look so austere when they try to shake your hand ... they try to understand ... when they try to shake your hand ...» Die Idee ist im Raum, und er hält sich an den Satz: «Please don't understand.» Es geht weiter. Erst viel später erzählt er, dass eine der Vorstellungen, die er dabei hat, von der Beziehung zwischen Woody Allen und seiner Adoptivtochter Soon Yi handelt. «When you try to shake my hand ... please don't understand ... I'm trying to be misunderstood here ... silent faces form your hands ... foreign faces understand ...
isn't it funny how they don't speak the language of love? ... Love the way they smiled at me ... held that face for eternity ... let them all fly out ... » Plötzlich klingt es wirklich schön, obwohl beide mit der Struktur des Songs beziehungsweise der fehlenden Struktur noch nicht zurechtkommen. Zum ersten Mal endet der Abend anders als sonst. Stephen bleibt noch und arbeitet weiter, während Rob schwungvoll die Treppe hinunterrennt. «Es eröffnet mir ein ganz neues Ventil für die Texte. Es hält mich davon ab, darüber nachzugrübeln, was die anderen denken, verstehst du, was ich meine?»
Am nächsten Nachmittag kommt er mit neuen praktischen Schuhen wieder – gleiche Marke, andere Farbe –, nachdem er den ganzen Tag mit Finanzbesprechungen und beim Friseur verbracht hat, wo er sich das Haar blauschwarz hat färben lassen. «Ich hoffe, du hast im September ein paar Wochen Zeit», begrüßt er Stephen. «Ich habe gerade Amerika abgesagt.» Er hat sich alles genau ausgedacht – sie können in seinem Haus in Los Angeles aufnehmen und das Schlagzeug ins Badezimmer stellen. Er hat sich endlich gegen eine Tour in Amerika entschieden, nachdem man ihn gestern Abend, als er ausging, noch mehr als üblich genervt hat. «Ich muss das nicht überall auf der Welt erleben, nein danke.» «Ist es in Amerika schlimmer?», fragt Andy. «Nein. England hat mittlerweile mit Italien gleichgezogen. Keine Frage. Aber hier geht es erheblich aggressiver zu.» «Die Engländer mögen die Leute nicht», meint Stephen. «Es ist wie der Mann, der in einem großen Haus auf dem Berg wohnt. Die Amerikaner sehen ihn und sagen: <Eines Tages wohne ich in diesem Haus.> Und die Engländer sehen ihn und sagen: <Eines Tages ist dieses Arschloch fällig.>»
«Jetzt muss ich nur noch die Fans vor den Kopf stoßen.» Er grinst und hebt zwei Daumen in die Luft, um anzudeuten, dass er bloß Quatsch macht, aber vielleicht ist es ihm auch tatsächlich ernst.
Stephen spielt ihm vor, was er mit «Misunderstood» gemacht hat. Er hat Teile von Robs Stimme geloopt und in eine neue Übergangsstelle eingesetzt, die Stephen singt. Rob wirkt verwirrt. «Ich kapiere es immer noch nicht», sagt er. «Was ist Refrain und was Strophe?» Er singt ein paar neue Worte, aber der Song ist ihm immer noch nicht klar. Schließlich begreift er, dass es ganz richtig ist, wenn er es nicht kapiert. «Na ja, Hauptsache, du verstehst es», meint er zu Stephen. «Ich komme auch noch dahinter.» Er singt weiter. «Hört sich an wie ein Klassiker», sagt er trotzdem konfus. «Wie viele Songs haben wir jetzt zusammen?» «Sechs», sagt Stephen. «Gar nicht schlecht.» «Es wäre schön, zehn zu haben, was meinst du?» Sie kehren zurück zu «The Trouble With Me» und versuchen rauszukriegen, was dahin passen könnte, wo normalerweise der Mittelteil ist. «Ob ein Cembalo es ruinieren würde?», überlegt Rob. «Keine Ahnung. Wir können es versuchen.» Abgesehen von dem unübersehbaren Fortschritt, den sie beim Songschreiben machen, ist es wohl dieser Austausch, den Rob am meisten genießt. Die Möglichkeit, eine solche Frage zu stellen, ohne dass einer lacht oder sofort versucht, es ihm auszureden, sondern einfach nur überlegt, wie genau ein Cembalo sich an dieser Stelle anhören und ob es zu dem, was sie gerade machen, passen würde. Es spielt überhaupt keine Rolle, dass von dem Cembalo bald keine Rede mehr ist, weil Rob sich mittlerweile auf irgendwelche Geräusche wie am Ende von U2s «Discotheque» oder ein fast manisches Keyboard wie in dem verrückten mittleren Teil von A-has «Take On Me» kapriziert hat. (Stephen muss zugeben, dass er sich mit der Musik von A-ha nicht besonders gut auskennt.) Dann versucht Rob ein paar tiefe, furzende Keyboardgeräusche zu produzieren. Sie lachen, als sie sich vorstellen, was seine Musiker sagen würden, wenn sie das je nachspielen müssten, aber auch dieser Einfall wird bald wieder verworfen. Rob bittet Andy, den Groove einfach pur laufen zu lassen, und greift nach dem Mikrophon. Er singt mit abgehackter Stimme, halb flüsternd, halb bellend: «- work – with – computers – in angels – for sing – more than – the angels – for being – unclean ... » Im Anschluss legt er eine höher gesprochene Stimme darüber, an
einige, aber nicht alle Worte angepasst. Es folgt der nächste Durchgang, diesmal erheblich schneller. Ein vierter, ein fünfter, beide schnell. Woher er weiß, was dabei herauskommen wird, ist ein Rätsel, und es hat auch nur ein paar Minuten gedauert, doch als es dann abgespielt wird, hört man einen faszinierenden Schwall von Geplapper, der an- und abschwillt. Rob spielt ein paar einfache Gitarrenakkorde. «Gut», meint Stephen. «Ist das was?» Rob schüttelt den Kopf. Stephen schnappt sich eine akustische Gitarre und begleitet Rob. Plötzlich schält sich etwas Neues heraus. Stephen spielt dieselben Akkorde weiter, und Rob entwickelt einen bestechenden Bass-Riff am Keyboard, ist aber frustriert, weil er ihn nicht fehlerfrei hinkriegt. Am Ende singt er ihn Stephen vor, damit er ihn spielt und sie ihn aufnehmen können. Jetzt sprudeln auch die Worte ohne jede Form aus ihm heraus: «lt Shows in my attic, it's all asiatic ... it lives in my basement ... I can feel the rodents ... it's in my confusion ... it's always on my brain ... he falls on my Oscars ... it makes all my engines go up uh! Uh! ... it loves in the ages ... and falling awake on the mismim line ... and do it for you ... do it for you heh heh ... it's like the fault in my reason ... summer's in the radio ... tune into the songs you know ... make it effervescent here ... and you can bring the song from here ... » Stephen applaudiert. «Vielleicht noch einen Akkord», schlägt er vor. «Das Ganze muss noch eine andere Richtung kriegen», meint Rob. Sie hören es sich noch einmal an, und dann singt Rob eine hohe Gegenmelodie: «Love's got the radio ... it falls in the things you know ... it moves me all the time ... tune into the darkness, it's the only way to find ... Sie loopen einen Großteil der Stimme – den Oscars-Teil – als Strophe, Robs Anweisungen folgend, und dann singt Rob eine Oktave tiefer: «fall and jump and shout at something ... », und wechselt zu einem Stück, das erst später kommt, «tune it to the radio and listen to the songs you know — make it effervescent here and you may have a job, my dear». Es hat eine Seele, die den fehlenden Sinn transzendiert. «Das gefällt mir.» Er singt es noch einmal und verändert es ein wenig, aber jetzt hat er genug. Er sieht aus, als wäre
er schon halb eingeschlafen. Er geht aufs Klo, kommt wieder und sagt: «Ich bin geschafft, Steve.» Stephen nickt. «Aber das hier ist gut.» In den nächsten Tagen bearbeitet er das Ganze, loopt die Stimme, fügt noch ein paar Teile hinzu und nennt es, als er es Rob schließlich auf einer CD schickt, «Radio».
Kurz vor dem Einschlafen telefoniert Rob nochmal mit Josie. «Dann bis morgen», sagt sie. «Wieso?» «Morgen fängt deine Tour an.» «Lieber Himmel», sagt er. «Das hatte ich glatt vergessen.»
Es ist nicht das volle Programm, das an diesem Wochenende in Paris startet, nur so was wie ein Vorlauf Veranstaltungsort ist das Olympia-Theater mit 2500 Plätzen, während ansonsten kaum eine Veranstaltung der geplanten Tour vor weniger als 40 000 Zuschauern stattfindet. In Paris wird auch noch nicht alles verraten – was vielleicht nicht schlecht ist, da Rob selbst noch nicht alles gesehen hat. Er ist zwar echt glücklich mit den Ergebnissen, die aus der Zusammenarbeit mit Stephen Duffy entstanden sind, doch die größte Anziehungskraft der Dachkammer im Air Studio während der letzten Tage bestand darin, dass sie eine Zuflucht bildete, um sich vor der Sommertour zurückzuziehen. Das Studio war eine alternative Realität, in der die Tour keine Rolle spielte. Die paar Mal, die er sie in letzter Zeit direkt erwähnte, hatten damit zu tun, ob er das Ganze diesmal genauso unerträglich finden würde wie zuvor oder ob die Tatsache, dass er jetzt allgemein besser drauf ist als früher, den Überschwang ebenso abmildert wie die Depression. «Die Euphorie, die man manchmal empfindet ... ich frage mich, ob ich sie überhaupt erleben werde.» Wenn im Innern weniger auf der Kippe steht, kann man vielleicht auch weniger gewinnen. «Aber ehrlich gesagt würde ich auf die Euphorie verzichten, wenn ich damit alles einigermaßen heil überstehe und mich nicht wieder gleich umbringen will.»
Das Flugzeug hebt in Luton ab, und wir fliegen über Luton Hoo hinweg, wo die De-lovely-Filmcrew deutlich zu sehen ist. Schauspieler und Filmleute scharen sich um die Kantinentische, die vor dem Haupteingang des Hauses aufgestellt sind. Es ist der Tag, an dem die Boulevardpresse zum ersten Mal berichtet, dass Cameron Diaz und Justin Timberlake beim Knutschen beobachtet wurden. Eminem ist mit seiner Tour diese Woche in Schottland. Sämtliche Zeitungen berichten darüber, wie er so tat, als ließe er ein Baby aus seinem Hotelfenster baumeln. Die Presse erfüllt mit gespielter, beinahe feierlicher Empörung brav ihre Rolle in diesem Spektakel. Im Flugzeug spielt Rob David zum ersten Mal einen Pure FrancisTitel vor, «The Trouble With Me», den einzigen, den er als RoughMix auf seinem Computer hat. «Er soll avantgardistisch klingen für Leute, die nicht wissen, was Avantgarde ist», erklärt er. «Avantgarde für die Massen.» Im Übrigen stellt er sich Pure Francis mit Hörnern und Reißzähnen vor. «Du hast dir schon immer verdammte Reißzähne gewünscht», seufzt Josie. «Ich glaube, ich lasse mir die Haare wachsen.» «Nein», meint Josie. «Kleine Hörner und kurzes Haar.» «Skinhead», schlägt er vor. «Voll fit und mit glatt rasiertem Schädel. Unschlagbar. Erwachsenenschuhe, Hörner. Keine Tanzerei, minimale Bewegungen, vielleicht den ganzen Gig im Sitzen.» «Nein, das bringst du nicht fertig», sagt David. «Du könntest nicht einen ganzen Gig über sitzen bleiben.» «Ich würde nicht für die Kameras auftreten. Und auch nicht fürs Publikum. Nichts von alledem. Eine Sache, die ich am Touren nicht ausstehen kann, ist, dass ich die ganze Zeit rumrennen muss wie ein Verrückter.» Er überlegt, ob oder wie Pure Francis Interviews geben oder auch nur normal kommunizieren könnte. Ich schlage vor, dass er sich vor die Journalisten setzen, ihnen zuhören und dann erklären soll, dass er all ihre Fragen auf dem nächsten Album beantworten wird.
Die Vorstellung ist verhalten, aber erfolgreich. Trotzdem regt sich Rob vor der Zugabe auf, weil ihn während der Swing-Einlage
anscheinend jemand beschimpft hat. «Hat da nicht einer Schwanzkopf gerufen, bevor wir mit
Im Flugzeug versucht Max Rob dazu zu überreden, mit ihm Golf zu spielen, wenn sie nächste Woche in Schottland sind. Rob ist nicht scharf drauf. Er spielte Golf, als er noch ein Teenager war. Mit 15 war er Junior Captain in seinem Club. Sein bester Schläger war Eisen Fünf, und er fand es zum Kotzen, wie die älteren Golf-Damen die Jungen immer anmachten, weil sie mit ihren Golfschlägern den Rasen aufrissen. Manchmal spielte er sogar noch, als er bei Take That war, und bekiffte sich, während er mit seinen Freunden die Runde machte. Doch in den letzten Jahren kam es nur noch selten dazu. «Ich kann es nicht leiden, wenn ich schlecht spiele. Es macht mich fertig.» «Das sagt aber mehr über dich aus als über das Spiel.» «Ganz recht, Max», sagt Rob offensichtlich gelangweilt. Wozu sich die Mühe machen, etwas so Offensichtliches auszusprechen?
Im Queens Theatre auf der Shaftesbury Avenue läuft Jonny im Bademantel durch den Backstage-Bereich. Er trägt bereits sein Transvestiten-Make-up; Korsett, Netzstrümpfe und hochhackige Schuhe fehlen noch. Es ist seine Premiere im West End als Star der Rocky Horror Picture Show. «Ihr guckt mich alle so an, dass ihr mich ganz nervös macht», jammert Jonny. «Es sieht ein bisschen unheimlich aus», sagt Rob. Er hat schon immer gesagt, dass er es verwirrend findet, Jonny in dieser Aufmachung zu sehen. Ziemlich zu Anfang der Vorstellung, als Jonny seinen Sklaven herumzeigt und fragt: «Was meint ihr?», ruft jemand im Publikum: «Er ist kein Robbie Williams!» In der zweiten Hälfte, als Jonny so tun
muss, als schnupfe er Kokain, zuckt sein Gesicht zwei Mal heftig. Kleiner Privatscherz. Robs Kokszucken.
7 Drei Tage vor seinem ersten richtigen Auftritt fliegt Rob im Privatjet nach Edinburgh. Er ist müde und sagt, er hätte gestern vergessen, seine Tabletten zu nehmen, deshalb wäre er nicht gut drauf und hätte einen verkrampften Rücken. Vom Flughafen aus fährt er direkt zum Murrayfield-Stadion, wo die Band probt, während um sie herum an den letzten Details der Bühnenausstattung gefeilt wird. Rob steigt bei ein paar Songs ein, weigert sich aber, die Abseilnummer zu proben. Das Hotel liegt ein paar Meilen vom Stadion entfernt, mitten in der schottischen Landschaft. «Guck mal, wie die Bäume sich biegen», sagt er unterwegs. «Und die Kühe setzen sich tatsächlich hin.» Im Hotelzimmer schaltet er den Fernseher ein und sieht sich ein Interview an, das Cleo Rocca führt. «Einmal bin ich vor meinem Apartment eingeschlafen, und sie hat mich ins Bett gebracht», murmelt er. Es ist schon nach Mitternacht, als er die Hoteldirektion fragt, ob wir die Drivingrange benutzen dürfen und sie nur für ihn geöffnet wird. Dort schlagen wir bis zwei Uhr morgens Golfbälle in die Dunkelheit. Gegen fünf, als er immer noch nicht schlafen kann, macht er einen Spaziergang. Die Tür fällt hinter ihm zu. Da er keinen Schlüssel hat, muss er Jason wecken, damit er ihn reinlässt.
Um sich abzulenken, hat er sich die neue, vierte Auflage des Computerspiels Championship Manager gekauft. Beim letzten Mal war er wochenlang süchtig danach. Man sucht sich eins der echten Teams des englischen Fußballs aus und trifft sämtliche Entscheidungen, die ein Trainer sonst fällt: Taktik, Mannschaftsaufstellung, Training und so weiter, bis ins kleinste Detail, und dann sieht man zu, wie sich das Spiel am Computer entwickelt – 22 Punkte, die auf dem Bildschirm hin und her flitzen. Rob hat sich für Cardiff entschieden, weil er glaubt, dass sie eine Menge Potenzial und gute Aufstiegschancen haben. Er hat am Abend zuvor angefangen zu spielen und scheint
sich jetzt schon mehr darauf zu konzentrieren als auf die bevorstehende Tour. Wahrscheinlich ist genau das der Punkt. Außerdem lässt er seine Matratze auswechseln. Normalerweise ist er bei solchen Sachen nicht pingelig, aber sein Bett war wohl unglaublich hart und unbequem, wie jeder bestätigte, den er probieren ließ. Die neue Matratze ist nicht viel besser als die alte, doch er bringt es nicht fertig, erneut zu reklamieren. Er prophezeit, dass die Presse ohnehin Wind davon kriegen und ihm Primadonna- oder Popstar-Allüren anhängen wird. «Dabei geht es nur darum, dass ich wirklich gut schlafe, sonst ist die Show im Arsch.» «Ich glaube, das ist die dekadenteste Beschwerde, die wir je hatten», meint Josie. Noch zwei Tage. Heute soll wieder geprobt werden, also fahren wir in die Stadt. An den Mauern in der Nähe des Stadions wird für die neue inoffizielle Biographie geworben. «Kannst du dir vorstellen, ich wäre tatsächlich der Typ, der in dem Buch beschrieben wird? Oder der, über den die Boulevardpresse herzieht? Für die bin schon ein halber Hitler.» Josie kommt in die Garderobe, als er seine Dehnübungen absolviert. «Ich hab den Typ im Fitnesscenter gefragt, ob er mir beibringen kann, wie man einen Spagat macht. Er fragte, wie flexibel ich wäre, und ich sagte, also Samstag kann ich nicht ... » Er liegt auf dem Boden und spielt eine Partie Snooker auf seiner XBox. Er fühlt sich ausgepowert, sagt er. «Sobald es um Verantwortung geht, macht mein Körper einfach ...» Er demonstriert, wie sein Körper in sich zusammensackt, als würde ihn jeder Funke von Willen oder Kampfbereitschaft verlassen. Er hat sogar eine Theorie dazu. «Es ist meine DNA, die sich wehrt.» Er glaubt, dass die Urahnen seiner Eltern im Clinch mit ihm liegen. «Väterlicherseits gab es jahrhundertelang Männer, die keine Lust hatten. In vielen Familien ist das eine gute Eigenschaft. Mütterlicherseits gibt es eindeutig Männer und Frauen, die viel zu viel Lust hatten. Ebenfalls eine gute Eigenschaft. Aber wenn man beide in sich hat und sie gegeneinander kämpfen ... » Das gehört natürlich zu der Faszination, die Robbie Williams ausstrahlt: Lust und Unlust, der große innere Urkampf, der als
öffentliches Spektakel Melodrama.
ausgetragen
wird,
Entertainment
und
Auf der Bühne. «Wenn ich <eve> sage, antwortet ihr
Die Probe geht weiter. Max setzt sich an den Flügel. Rob stellt «One For My Baby» vor. Er erklärt, dass sie diesen Song zum ersten Mal um Weihnachten gesungen haben, als sie beide einsame Herzen mit Liebeskummer waren. Nach dem Song ruft er: «Max Beesley! Er und ich können uns ein fast perfektes Spice Girl-Puzzle teilen ... es ist vollständig bis auf ein einziges Steinchen. 0 ja. Ich sagte, ein Steinchen fehlt noch. Ihr erledigt die Rechenaufgabe. Ihr kennt drei, aber es gibt noch ein viertes. Das wusstet ihr nicht.» Max verdreht die Augen. Rob stimmt «She's The One» an, mit lispelnder Stimme wie Mark Owen – jetzt ist er weniger Performer vor einer imaginären Menge als Entertainer für die wenigen Anwesenden, die ihm zusehen. Hin und wieder streut er eine Zeile aus dem Take That-Song «Babe» ein. «Ach, Scheiße», sagt er nach einer Weile und verlässt die Bühne. Er fragt Josie, wie spät es ist, und sagt den Song erneut an, als sie durch sind: «<She's The One.> Ein ansonsten unbekannter Popsong, <She's The One> ... geschrieben von Karl Wallinger, der mit World Party berühmt wurde. Robbie Williams nimmt den Song auf und macht ihn überall bekannt. Karl Wallinger – ist er glücklich? Ist er sauer? Er ist ein undankbarer Wichser – ein undankbarer fetter Wichser, was sonst? Ich wette, er war verdammt happy, als der Scheck für die Tantiemen bei ihm eintrudelte. Heute denke ich jedes beschissene Mal, wenn ich den Song singe, an dieses Arschloch. Stellt euch diesen beschissenen Wichser vor ...
Einen Großteil der 48 Stunden vor seiner ersten Show verbringt er mit Championship Manager 4. Zurück im Hotel sucht er im Internet nach Tipps, hält Ausschau nach guten Spielern, die er billig einkaufen könnte und ruft Ant an, um sich bei ihm Rat zu holen. Ein anderer Zeitvertreib beim Warten auf das erste Konzert ist, sich immer wieder die halb fertigen Pure Francis-Songs anzuhören, seine zukünftige Rettung von alledem. Stephen hat ihm die Rough-Mixe von fünf Songs mitgegeben. (Alle anderen Songs, die er in den letzten neun Monaten geschrieben hat, sind jetzt vergessen und durch die neuen ersetzt.) Noch ein Tag. Auf dem Weg zur Generalprobe ruft er Stephen an, um zu hören, wann er die anderen Mixe bekommen kann. «Ein super Typ», sagt er anschließend. «Ich glaube zwar nicht, dass er eines Tages durchdreht, aber wenn, dann bestimmt mit mehr Stil ...» Dann zeigt er uns die neueste Verletzung, die ihm der VacunautAnzug zugefügt hat. Vielleicht will er was loswerden, vielleicht will er uns aber auch bloß schockieren oder unterhalten. «Meine linke Arschbacke ist geschwollen. Guckt euch das an.» Sie ist unnatürlich groß, wie er behauptet, und obendrein beunruhigend violett gefärbt. «Es gibt kaum was Hässlicheres als den Hintern eines Mannes, was?» Im Murrayfield-Stadion wartet er den Soundcheck von «Let Me Entertain You» ab, und das war's. Er hat immer noch nicht richtig geprobt, nicht mal gesehen, was bei den letzten paar Songs des Programms oder den Zugaben passiert, und so wird es bleiben, bis es vor 65000 Zuschauern morgen Abend um ihn herum so weit ist. Er sitzt im Umkleideraum und denkt an Pure Francis. «Vermutlich wird er so, wie ich gern wäre. Statt dass ich mich darüber auslassen muss, für wen man mich hält und wer ich tatsächlich bin.
Ist Pure Francis verletzt? «Und ob! Aber statt zu behaupten, dass er nichts fühlt, weil er weiß, dass klügere Burschen nie so weit gekommen wären, sagt er, ich fühle alles und ich weiß, dass weniger kluge Burschen viel weiter gekommen sind als ich. Ich glaube, man wird ganz gut sehen können, wie man Leute aus der Gosse verachtet.»
Weißt du eigentlich schon, wie deine Show endet? «Nein», grinst er. Ist das nicht komisch? «Nicht wirklich. Ich werd's im selben Augenblick erfahren wie die Zuschauer.»
Der Tag, an dem Robbie Williams seinen ersten Auftritt hat, ist, wie nicht anders zu erwarten, auch ein großer Robbie Williams-Tag in der Presse. Manches von dem, was geschrieben wird, ist banaler, harmloser Schwachsinn: THE B E D BOY OF POP tönt die Sun, und das einzige Körnchen Wahrheit darin, dass er seine Matratze hat auswechseln lassen, wird zu einer Riesenstory aufgebauscht, wie Robbie das Personal in seinem Hotel in Edinburgh nervte, als er eine Four Seasons-Matratze verlangte. Ärgerlicher ist ein zweiseitiger Artikel in der Daily Mail von der stellvertretenden Klatschkolumnistin Nicole Lampbert. Unter der Schlagzeile ROBBIES ANGEL erscheint unter anderem ein Foto von Jonny, aufgemacht als Frank N. Furter, der einen Arm um Robs Schultern gelegt hat. «Sie leben zusammen, reisen zusammen und sind einander so nahe wie ein Ehepaar», heißt es in der Bildunterschrift. «Was also ist die Wahrheit über Robbie Williams und seinen ständigen Begleiter Jonathan?» Obwohl Lampbert geschickt versucht, sich zu schützen, indem sie ganz am Ende einen gespielten Rückzieher macht, ist der Artikel ein Meisterwerk an indirekten, schleimigen Unterstellungen. Die Botschaft, die er verbreiten soll, ist völlig klar: Jeder weiß es, es ist ganz offensichtlich – wie lange wird dieses schwule Pärchen sein Geheimnis noch wahren können?
In Wirklichkeit ist das Verrückteste an der Beziehung zwischen Rob und Jonny ihre offensichtliche Unkompliziertheit, ihre Klarheit, Konstanz und Tiefe. Dass sie, obwohl der eine älter und berühmter ist, verschiedene Tiefpunkte ihres Lebens gemeinsam durchgestanden haben und sich eine Freundschaft gebildet hat, in der beide gleichberechtigt sind und die von keinem der beiden in Frage gestellt wird. So sieht die Daily Mail es natürlich nicht. Selten nutzt ein Artikel dieser Art so viele verschiedene Angriffspunkte, und vielleicht lohnt es sich, einmal im Detail zu analysieren, was er bewirkt.
Es beginnt mit einer Szene vom Anfang der Woche, als Rob bei der Premiere der Rocky Horror Picture Show im Parkett saß und Jonny Beifall klatschte. Der Artikel geht auf die ähnlichen Tattoos der beiden ein und erwähnt dann, dass Jonny sich nie so offen über seine «Verlobte mit der Engelsgeduld» auslässt wie über seine Freundschaft mit Rob. «Zwei Jahre nach der Verlobung wartet sie immer noch darauf, zum Altar geführt zu werden.» Dann werden die Anspielungen immer deutlicher, und der Tenor verändert sich ziemlich abrupt. Die Autorin benutzt eine Reihe von Robs eigenen Witzeleien so, als existierten sie nur, um das Thema zu verschleiern. Sie zitiert das Geplänkel, als Jonny und er «Me And My Shadow» in der Royal Albert Hall aufführten, bringt erneut die Anspielungen auf The Rock in der Zeitschrift Advocate und beschreibt die Szene der drei Männer in einem Bett aus dem Videoclip zu «Come Undone». (Eins der männlichen Modelle wird mit den Worten zitiert: «Robbie ist voll drauf abgefahren.») Dann beschäftigt sie sich mit Quellen aus der Vergangenheit. Sie zitiert Kevin Kinsella – wobei sie fälschlicherweise schreibt, dass er eng mit Take That zusammenarbeitete – mit den Worten: «Die Verwirrung über seine sexuellen Gefühle hat ihm sehr zu schaffen gemacht:
liefen mitten in der Nacht in Dublin herum und redeten nur über seine Probleme. Die Sexualität gehörte eindeutig dazu. Er äußerte sich sehr freimütig darüber. Es machte ihm sehr zu schaffen, herauszufinden, was er eigentlich war.>» Aber da ist noch einer. «Und ein Popmanager, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, erzählt, wie er einmal mit Robbie in einem Hotel in Los Angeles übernachtet hat. Es war etwa die Zeit, als er sich von Take That trennte. <Wir haben nur ein bisschen rumgeknutscht. Es ging ihm sehr schlecht, er hatte zu viele Drogen genommen und brauchte einfach nur Trost. Ich würde sagen, er steht auf Männer und Frauen. Er kann sich nicht entscheiden und glaubt, dass er es müsste. Er ist ein Northern Boy und versteht nicht, wieso er Männer anziehend findet. Deshalb ist er meiner Meinung nach so unglücklich.>» Wer würde an dem Inhalt dessen, was er da erfährt, noch zweifeln, nachdem er einen Absatz nach dem anderen gelesen hat? Dann beschäftigt sich der Artikel mit Robs Beziehungen zu Frauen. Vorsichtig stellt er fest, dass Rob «Frauen wirklich mag», zeichnet dann jedoch ein provokantes Bild, das diese Feststellung gleich wieder abschwächt, erinnert kurz an Jacqui Hamilton Smith, Mel C., Nicole Appleton und Tania Strecker, als wären sie ein einziger kumulativer Beweis für seine Unfähigkeit, eine dauerhafte Beziehung mit einer Frau einzugehen. Anschließend kommt Lampbert auf Robs neueste Affären zu sprechen und lässt durchblicken, dass sie von einer anderen Art waren. Sie markieren – so soll dem Leser suggeriert werden – den Beginn einer Ära von Täuschung und Tarnung. Die Geschichte mit Geri Halliwell «wurde als Werbegag für die Öffentlichkeit angesehen, die Beziehung mit Nicole Kidman fiel glücklicherweise mit dem Erscheinungstermin ihres gemeinsamen Songs <Something Stupid> zusammen», und was Rachel Hunter angeht, so «waren sie so scharf darauf, die Welt von der Echtheit ihrer Romanze zu überzeugen, dass sie völlig nackt für ein paar widerliche Fotos posierten. Diese wurden anschließend so bearbeitet, dass sie wie Paparazzi-Fotos aussahen. <Sehen wir der Sache ins Auge – Robbie wird alles tun, um normal zu erscheinen>, erklärte Boy George bitter.» Auch hier liegt die unterschwellige Botschaft auf der Hand.
Am Ende kehrt der Artikel noch einmal zu Rob und Jonny zurück. Im allerletzten Moment, wie bei solchen mit Andeutungen gespickten Reportagen üblich, macht auch Lampbert einen Rückzieher, um sich nicht der Gefahr einer Verleumdungsklage auszusetzen. Nachdem man den Leser zuerst mit Macht darauf stößt, was er denken soll, zieht man sich anschließend aus der Affäre, indem man genau das Gegenteil behauptet. Lampbert zufolge behaupteten ihre Quellen, dass Rob und Jonny nicht auf diese Art zusammen wären, weil «Robbie zwar verwirrt», letzten Endes aber heterosexuell ist. Es ist das brillante, zynische Tüpfelchen auf dem i, das zum einen die fehlenden Beweise der Autorin zu rechtfertigen sucht und zugleich die Schuld dafür auf ihr Opfer abwälzt. «In einem derart konfusen Ambiente ist nichts normal – außer dass niemand, vielleicht nicht mal Robbie Williams selbst, die wahre Natur seiner Sexualität kennt.»
Rob, der vernünftig genug ist, sich nicht mit der Lektüre des Artikels zu belasten, geht seine Bedeutung erst allmählich auf, als ihm im Lauf des Nachmittags immer neue Teile daraus zitiert werden. In seiner Reaktion zeigt sich eine gewisse Erschöpfung – er ist es gewohnt, dass man alle möglichen Lügen über ihn verbreitet –, aber auch Verzweiflung. Als David Boy Georges Bemerkung zitiert, dass Robbie alles tun wird, um normal zu erscheinen, gibt er müde zurück: «Was? Indem ich ausschließlich heterosexuell bin? Mich in keinster Weise für Jungs interessiere?» Er sieht auch wenig Sinn in dem Versuch, herauszukriegen, ob Kevin Kinsella und Ray Heffernan, die beide erheblich mehr Zeit damit verbracht haben, über ihn zu reden als ihn tatsächlich zu kennen, wirklich glauben, dass er Probleme mit seiner Sexualität hatte oder hat. Haben sie etwas missverstanden, was er im besoffenen Zustand oder aus reinem Übermut gesagt haben könnte? Haben sie sich eingebildet, was sie sagen, weil es auf etwas basiert, was sie nachträglich für die Wahrheit hielten? Wurden sie falsch zitiert? Oder haben sie einfach gelogen, aus Effekthascherei, dem Bedürfnis nach Anerkennung oder Profitgier? Er weiß nur, dass es zwar einige
Verwirrungen in seinem Leben gegeben hat, doch Sex gehörte nicht dazu. Die dritte Geschichte über den schwulen Manager ist anders, und es dauert eine Weile, bis ihm klar wird, was da gedruckt wurde: Ein Mann behauptet allen Ernstes, eine Nacht mit ihm in Los Angeles verbracht, mit ihm geknutscht zu haben. Wäre seine Story wahr, müsste man eigentlich annehmen, dass sie nicht an derart versteckter Stelle auftauchen würde. Es ist darüber hinaus eine Behauptung, die Rob völlig entgeistert. Er hat keine Ahnung, wer sich so was ausdenken könnte. «Vor I've Been Expecting You bin ich nicht mal in Los Angeles gewesen. Ein solcher Schwachsinn müsste verboten werden. Wir haben also
ist er dermaßen in das Spiel versunken, dass er sich die Zähne vor dem Computer putzt und gleichzeitig neue Spieler sucht, die er unter Vertrag nehmen könnte. In der Stadt machen sich jetzt Tausende von Menschen auf den Weg ins Murrayfield-Stadion und denken an Robbie Williams. In seinem Hotelzimmer im Dalmahoy Hotel & Country Club hingegen grübelt Robbie Williams darüber, ob Cardiff Matty Warner von den Wycombe Wanderers verpflichten soll.
Eine Polizeieskorte begleitet ihn vom Hotel zum Stadion. Auf dem Weg zur Stadt sehen wir immer mehr Menschen. Einige stehen vor den Pubs auf der Straße, doch die meisten haben das gleiche Ziel wie wir. Als sie den Kleinbus und die motorisierten Polizisten sehen, halten viele an, winken und applaudieren. Rob entdeckt Edinburgh Castle in der Skyline der Stadt und erinnert sich daran, wie er es zum ersten Mal sah. «Die ersten Gigs von Take That fanden in Edinburgh und Glasgow statt. Wir spielten jeden Abend in fünf verschiedenen Clubs, manchmal mussten wir von Edinburgh nach Glasgow und wieder zurück nach Edinburgh. Damals bekamen wir 175 Pfund für die ganze Tour.» Als er vor dem Backstage-Bereich aus dem Bus steigt, winkt er einigen Fans zu, die ihn durch den Zaun entdeckt haben, und hält dann seiner Mutter den Arm unter die Nase. «Guck mal, wie mir die Haare zu Berge stehen, Mum. Toll, was? Ich würde sogar heulen.» Pause. «Wenn ich ein Herz hätte.» Dann lässt er den Blick über die Rückseite des Stadions schweifen. «Mich laust der Affe! Seht euch das an!» Chris Briggs kommt hinzu, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. «Hast du deinen Spaß?» «Halt dich lieber zurück», warnt Rob. «Ich bin kurz davor, Spaß zu haben. Das ist besser, als wäre ich kurz davor, durchzudrehen und alles hinzuschmeißen ... » Ein Hauch von Nervosität hat alle um ihn herum erfasst, ironischerweise ausgelöst durch die Ruhe, die Rob selbst ausstrahlt. Die anderen sind nervös, weil es nicht immer so war. Tatsächlich war es nur selten so.
Er marschiert im Gang vor der Künstlergarderobe auf und ab. «Ich hätte Lust, ein paar Leuten zu beweisen, dass sie Recht haben, und einer Menge anderen, dass sie auf dem Holzweg sind.» Er zeigt Josie den Ringfinger seiner rechten Hand. Er ist entzündet und geschwollen und sieht furchtbar aus. Er bittet sie, jemanden zu finden, der ihn sich ansehen kann. «Frag mal, ob man was gegen die Schmerzen tun kann.» Während er wartet, liest er die getippten Anweisungen, die Lee ihm hingelegt hat. Darin beschreibt er den Programmablauf, ermuntert ihn, Teile seiner Performance aus den wenigen Proben zu wiederholen, an denen er teilgenommen hat, und erinnert ihn an diverse andere Aspekte der Inszenierung. Nachdem Rob ein paar Minuten darin geblättert hat, legt er sie wieder weg und lacht. «Nach
Rob, wehrt dann aber alle besorgten Fragen ab. In Stressmomenten hat er dieses Gefühl immer. Es ist so weit. Er steht mit der Band zusammen hinter den Kulissen, die ihn vor dem Publikum abschirmen, marschiert mit strengem Gesicht herum, drückt Hände. Dann legt er sich auf den Rücken und lässt sich an das Drahtseil anschließen, das ihn nach oben ziehen wird. So bleibt er eine Weile liegen, die Knöchel wenige Zentimeter über dem Boden, bis es losgeht. Während er nach oben gezogen wird, krümmt er sich, damit er nicht anfängt, sich um die eigene Achse zu drehen. Die Leinwand taucht vor ihm auf. Das Grölen des Publikums wird lauter und bleibt laut.
Im Publikum merkt es niemand, keine Kritik wird es am nächsten Tag erwähnen, aber die Katastrophe ist da: Während der ersten beiden Stücke herrscht absolute Panik, weil die Monitore und In-EarSysteme, die den Sound an die Musiker übertragen, komplett ausfallen. Sie kriegen kaum mit, was sie spielen, und Rob kann kaum hören, was er singt. Er schwimmt und kommt ganz schön ins Trudeln. Er behauptet immer, je mehr Angst er hat, umso selbstsicherer wirkt er, und wenn man diese Messlatte anlegt, muss der Schreck ganz schön tief sitzen. Nach etwa einer Stunde fängt er an auf der Bühne herumzurennen und ruft: «Ich habe keine Angst mehr. Ich habe keine Angst mehr! Ich hab nur zehn Songs gebraucht, um die Angst zu verlieren!» Vielleicht versucht er etwas Ehrliches über seine Gefühle da oben auszudrücken, aber ich bin sicher, dass die meisten Zuschauer ziemlich verwirrt sind, weil sie diese Information nicht mit der wunderbar großspurigen und selbstsicheren Performance in Zusammenhang bringen können, die sie gerade erlebt haben. Am Ende der Show springt er von der Bühne direkt in einen wartenden Wagen und wischt sich den Schweiß von der Stirn, als der Fahrer Gas gibt. So ist er raus aus dem Stadion, noch ehe die Scheinwerfer vor den Augen der Zuschauer erlöschen. Jetzt sitzt er da, verschwitzt, leicht keuchend. «Hat's Spaß gemacht?», fragt Josie.
«Es ging. Es ging.» Er beharrt darauf, dass er bis zum Ende nicht sicher war, ob das Publikum mitging. «Ich dachte, jetzt ist der Punkt in meinem Leben gekommen, wo alles anfängt, schief zu laufen.» Er kriegte Panik, als er zu Beginn von «Me And My Monkey» Leute zur Toilette gehen sah und wusste, dass der Song noch sieben Minuten dauern würde. «Oft frage ich mich auf der Bühne einfach, was den Leuten wohl so gefällt. Ich meine, ich stelle mir die Frage: Was ist Entertainment? Warum starren sie mich so an? Es ist nicht deprimierend oder so was, ich beobachte mich bloß und denke, was mache ich denn eigentlich? Ich kapier's nicht.» Wenn die Leute, die Murrayfield jetzt verlassen, wüssten, was Robbie Williams gerade im Kopf herumgeistert, wären sie bestimmt überrascht. Er bittet den Fahrer, das hintere Fenster zu öffnen und frische Luft hereinzulassen. Dann erzählt er, dass ihm auf der Bühne noch etwas klar wurde. Er wusste, dass alle Journalisten da waren und ihn beurteilten, und plötzlich hatte er keine Angst mehr. «Ich dachte, bitte sehr, ich kann auf dieser Tour jeden Scheiß machen, den ich will, weil ich weiß, dass Pure Francis schon auf dem Weg ist. Ich kann sein, wer ich will, so wie es mir gerade in den Sinn kommt, und brauche mir nicht die geringsten Sorgen deswegen zu machen.»
Im Hotel warten ein Buffet und eine diskrete Party in einer der privaten Lounges, inklusive Billardtisch, der speziell für die Tour-Mitglieder bereitgestellt wurde. Rob sitzt auf einem Sofa und schaut sich im Fernsehen ein paar Minuten Radiohead in Glaston an, bleibt aber nicht lange. Einen Augenblick packt ihn die Traurigkeit, dass er keine Freundin hat, aber Championship Manager winkt. Vielleicht wird er später noch einmal in der Bar vorbeischauen und in Begleitung wieder nach oben stolpern. Die Daily Mail könnte darin einen weiteren verzweifelten Versuch entdecken, seine Heterosexualität zu beweisen. (In seinem Hotelzimmer erzählt er seiner neuen vorübergehenden Begleitung beiläufig: Ich habe ständig ein Klingeln im Ohr. Wer ist denn dran?, fragt sie.)
Schließlich, als selbst Frauen, imaginäre Fußballmannschaften und eine Matratze, die immer noch zu hart ist, ihn nicht mehr daran hindern können, schläft er ein. Und fängt an zu träumen. Jonny, seine Mutter und er selbst schauen zum nächtlichen Himmel auf. Und dann – ist es plötzlich da! Genau das, was er immer sehen wollte – ein UFO! Und noch eins. Zwei riesige, umwerfende UFOs. Im Traum dreht er sich zu seiner Mutter um und sagt, leicht enttäuscht: «Oh ... das ist nur ein Traum, was?» «Nein», sagt sie. «Nein», sagt auch Jonny. Und er ist glücklich. Es war echt. Aber ... Aber ... Er fragt noch einmal, nur um ganz sicher zu sein. «Es ist ein Traum, nicht? Sag mir die Wahrheit.» «Ja», gibt sie zu.
9 Jonny erscheint am folgenden Nachmittag. Rob ist gerade erst aufgestanden. Er sitzt nackt, nur mit einem Handtuch bekleidet, in seinem Zimmer und kümmert sich um Cardiff, die gerade 3:0 gegen Liverpool gewinnen. Er starrt angestrengt auf den Bildschirm. «Wieder eine gute Kritik», sagt Jonny. «Es geht um Sex.» Eine Frau, die Rob vor ein paar Wochen in seine neue Wohnung abschleppte, hat ihre Geschichte an News Of The World verkauft. Es ist das übliche hechelnde Geschwätz: «Er starrte auf ihren Tanga. <Was hast du für einen süßen Pfirsicharsch> — <Er machte auf mich ganz sicher nicht den Eindruck, aus der Übung zu sein> — <Sie können mir glauben, Robbie ist zu hundert Prozent ein Mann. Und auf keinen Fall schwul ... >» Rob, der sich kaum dafür zu interessieren scheint, erzählt, dass sie ihn gefragt hatte, was er von Frauen hält, die ihre Geschichten verkaufen. «Ich finde, es sind Nutten – für Geld mit jemand zu schlafen bedeutet nichts anderes als Prostitution.» Er hatte ihr auch gesagt, dass es ihn traurig macht. «Dass Menschen sich über deine Genita-
lien, dein Kommen und Gehen unterhalten und dass alle Welt es lesen kann — das ist ekelhaft.» «Oh», hatte sie geantwortet.
In der Vergangenheit war er sicher gewesen, dass einzelne Boulevardblätter ihm Mädchen geschickt hatten, die mit ihm schlafen und dann ihre Geschichten verkaufen sollten. «Unglaublich, wie viele Mädchen sich für so was hergeben. Es kam beinahe jeden Sonntag vor. Einmal tauchten zwei auf einmal auf, Stripperinnen, und wenn sie nicht geschickt worden waren, spielten sie auf alle Fälle ein Spiel, bei dem es darum ging, den dicksten Fisch an Land zu ziehen, wo das meiste rauszuholen ist.» Es war Ende 2001. Sie klopften eines Nachts an seine Tür, und er ging runter, um ihnen aufzumachen. Sie hielten mit ihren Absichten keineswegs hinterm Berg. «Sie zeigten mir schon draußen, durch das Geländer, ihre Titten. Dann griffen sie nach meinem Schwanz.» Er sagte, sie sollten lieber reinkommen. Sie blieben etwas mehr als eine Stunde. Ich frage, was passiert war, und er sagt ganz nüchtern: «Ich habe mit ihnen geschlafen ... Nun, es war kalt. Es war Winter. Es war komisch, denn meine Co-Abhängigkeit ... weil ich mir Gedanken über diejenige machte, die nicht so gut aussah, verbrachte ich mehr Zeit mit ihr, und hob mir das Beste für den Schluss mit der anderen auf, der Gutaussehenden.» Während der Sache selbst fühlte er sich ganz toll, doch gleich als sie weg waren, fand er alles zum Kotzen. Am nächsten Wochenende konnte man in der Zeitung lesen, was sich abgespielt hatte. Er rief die Gutaussehende an und erklärte, was sie gemacht hätten, wäre Prostitution und beschimpfte sie als Flittchen. Sie saß neben ihrem Vater im Auto und versuchte sich irgendwie zu rechtfertigen. Zum Schluss erklärte er ihr, es wäre eine Schande, denn er hätte sie wirklich gemocht und sie eigentlich wiedersehen wollen, was auch tatsächlich stimmte. Wenn er heute von einer solchen Story in der Zeitung erfährt, fragt er nur, ob die betreffende Frau ihm ein gutes Zeugnis ausgestellt hat. «Ansonsten lässt es mich kalt.»
Das ist wirklich das Einzige, was dir wichtig ist?«Nun, ja.» Und wenn du schlechte Noten kriegst? Er zuckt die Achseln. «Du bist immer nur so gut wie deine letzte Single.»
In seiner Künstlergarderobe legt er sich hin und schaut sich bei Sky Sports die Fußballnachrichten an. Damit kann er Stunden verbringen, obgleich die meisten Nachrichten immer nur wiederholt werden und selten wirklich interessant sind. Er findet die Wiederholung beruhigend. Er behauptet, es ist dasselbe, als würde man einzelne Episoden aus The Simpsons nochmal ansehen: Jedes Mal entdeckt man was Neues. «Beim ersten Mal passe ich auf, was sie sagen, eine halbe Stunde später achte ich darauf, was sie anhaben und dann, was im Hintergrund abgeht – wie lange kann er den Ball in der Luft halten?» Er weiß, wie eintönig und banal andere das finden können, und manchmal stellt er sich vor, dass nur ganz wenige Leute zusehen – er selbst, Jonny, Ant, Dec und ein paar andere Gleichgesinnte. Doch dieser Kanal ist eine große Hilfe für ihn – nicht nur jetzt, es fing an, als seine Depression am größten war. «Ohne Fußball wäre es sehr schwer gewesen, diese Zeit durchzustehen», sagt er. «Fußball hat mir das Leben gerettet.» Er deutet auf die Gesichter auf dem Bildschirm, die über einen unbedeutenden Transfer spekulieren. «Die Leute, die hier die Nachrichten sprachen, habe ich geliebt. Sie haben mich durch meine schlimmste Zeit gebracht. Eine Weile waren sie meine Familie.»
«Habt ihr die Kritiken von heute gelesen?», fragte er sein Publikum im Murrayfield-Stadion. «Ich auch nicht, aber ich gehe davon aus, dass sie super waren ... » Von Anfang an findet die zweite Show in Murrayfield auf einem völlig anderen Niveau statt. Gestern konnte man häufig die Anstrengung hinter dem Entertainment bemerken, doch heute Abend läuft alles wie am Schnürchen. Rob ist fast so geschwätzig und indiskret, als ob er zu einem Publikum spricht, das gar nicht da ist. «Weihnachten war eine sehr schwierige Zeit für Max und mich, weil
wir beide von berühmten Stars verlassen wurden», erzählt er. «Und ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber ich habe die Nase voll von Stars.» (Die Zuschauer antworten mit riesigem Gebrüll. Manche vielleicht, weil sie jetzt hoffen, eine Chance bei ihm zu haben. Andere, weil es in diesen konfusen Zeiten vielleicht gut tut, wenn man hört, wie einer über Stars herzieht, selbst wenn man sich den Hals verrenken muss, um nur ja kein Wort zu verpassen, weil der da oben selbst ein Star ist.) «Offen gestanden finde ich sie dämlich. Und sowieso haben wir sie alle klein gekriegt... Doch Spaß beiseite, wir sind Menschen, und wir haben Gefühle. Wir saßen beide an Weihnachten herum wie zwei verlassene Möpse ... » Er bricht mitten in diesem Gedanken ab, um mit einer Frau in der ersten Reihe zu flirten. «Hör mal, junge Dame, ja, du da in der ersten Reihe – deinen Möpsen ist so was bestimmt noch nie passiert, oder?» Er seufzt. «Wenn Maxie dabei ist, fällt es mir echt schwer, keine Witze über die Spice Girls zu machen, ja, echt. Aber ich sage euch – wir müssen nur noch eins rumkriegen, dann haben wir beide alle vier vernascht ... Ja, so ist es, Leute! Ich sagte, nur noch eins. Diese Rechenaufgabe überlasse ich euch ... Jetzt habe ich aber die Katze echt aus dem Sack gelassen, oder?» Hätte er so etwas in einem anderen Kontext gesagt, hätte es am nächsten Tag in sämtlichen Zeitungen gestanden. Doch alle Journalisten waren schon gestern da, und die übrigen 65 000 Zuschauer hier, von denen viele vielleicht bei der Zeitung angerufen hätten, wenn sie zufällig einen Fetzen davon im Café mitgehört hätten, gehen davon aus, dass es ein alter Hut sein muss, wenn er es vor so vielen Leuten erzählt. «So make it one or Rachel Hunter», singt er am Ende der ersten Strophe, «and five for Scary Spice.» Bizarrerweise ist die sicherste Gelegenheit für einen Star, seine Geheimnisse auszuplaudern, ohne irgendwelchen Folgen befürchten zu müssen, die zweite Vorstellung in derselben Stadt. Jemand wie Rob gibt sehr wenige Interviews (außer wenn er gelegentlich in Ländern wie Amerika oder Japan seinen Charme spielen lassen muss, und dort werden, weil er nach wie vor um ein Publikum kämpft, diese Interviews weniger beachtet), doch auf der Bühne redet er eine ganze Menge. Es gibt kein Skript, nicht mal in seinem Kopf, aber ein paar Geschichten und Witze tauchen bei den meisten Vor-
stellungen wieder auf, andere verschwinden eine Woche und sind dann plötzlich wieder da. Manches fließt in die tägliche Routine ein, doch vieles entsteht erst in dem Moment, in dem er es sagt, und sprudelt einfach aus ihm heraus. Angesichts dieser Angewohnheit und der Tatsache, dass die Boulevardpresse mehrmals in der Woche über ihn berichtet, oft auf den fadenscheinigsten Grundlagen, und angesichts der ungeheuren Anstrengungen, die sie und diejenigen, die sie verkaufen, auf sich nehmen, erstaunt es mich immer wieder, dass die Presse sich nicht einmal die Mühe macht, jemanden mit einem Notizblock zu diesen Vorstellungen zu schicken. Aber das tut sie nicht. Abends macht Rob sich Sorgen darüber, was die heutigen Indiskretionen wieder für neue Gerüchte hervorbringen werden. Wie wird man ihm diesmal das Wort im Mund verdrehen? Wird man ihm unterstellen, dass er Rachel Hunter als dämlich bezeichnet hat? Oder dass Max und er eine vollständige Spice-Girl-Kollektion anstreben? Doch nichts davon passiert. Bevor er an diesem Abend «Feel» singt, weist er auf einen Umstand hin, den er mir gegenüber noch nie ausgesprochen hat und den er auch nie wieder erwähnen wird. «Diesen Song möchte ich meinem Neffen widmen», sagt er. «Er ist heute Abend hier, er heißt Freddie Robert und schläft vermutlich schon. Aber er ist zwei Jahre und neun Monate alt. Seinetwegen habe ich aufgehört zu trinken. Ich wollte nicht, dass er einen Trottel als Onkel hat. Hier kommt
Als er in den Wagen gequetscht wird, meint er: «Das beste Konzert in meinem ganzen Leben.» «Wieso hast du noch eine Zugabe gegeben?», fragt Jonny. Nach «Angels» war Rob noch einmal auf die Bühne gekommen und hatte das nie geprobte «Back For Good» gesungen. «Weil es Spaß machte», antwortet er, als wäre das eine absolut ungewöhnliche und überraschende Wende. Er hatte sich wieder nicht hören können, aber diesmal lag es daran, dass die Menge so laut war. «Es war wie bei einem Take That-Konzert, aber eher ein dumpfes Brüllen als das hohe Kreischen.» Er will wissen, wie lange er auf der Bühne war. «Zwei Stunden und zehn Minuten», sagt Josie. «Er verwandelt sich in Ken Dodd», meint Jonny. «Bruce Springsteen», korrigiert Rob. «Du hättest noch eine Stunde dranhängen können.» «Immer langsam. Ich glaube, so ein euphorisches Gefühl hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht. Es war wie Ecstasy. Wie Elvis zu sein.» Pause. «Aber ein schlanker Elvis.»
Nach dem Konzert wartet der Jet auf der Rollbahn, um uns nach London zu bringen. «Besser als das kann es gar nicht werden», sagt Jonny, als wir zum Start rollen, und fügt dann hinzu, als hätte er lange darüber nachgedacht: «Um das zu toppen, fehlt nur noch Spiderman an Bord.» Nach dem Start sieht sich Jonny in der Kabine um und meint dann, sie erinnere ihn an einen Wohnwagen. Rob versteht nicht. «Ich hatte schließlich schon immer einen Privatjet.» Dann verbringen sie den größten Teil des Flugs damit, sich an gemeinsame Schulferien zu erinnern. «Weißt du noch, wie wir mit dem Wohnwagen unterwegs waren?», fragt Jonny. «Wo war das noch?» «Rhyl.» «Wie alt warst du da?», fragt Jonny. «Damals hast du mich ziemlich übel schikaniert.
donnern und blitzen zu lassen. Er hatte Glück, und das Gewitter kam tatsächlich, als er es bestellte. Jonny bekam Panik. «Wir rannten weg», erinnert er sich. «Du warst viel schneller als ich, und ich habe losgeheult, weil ich dich nicht mehr sehen konnte. Ich hab oft geheult, was?» Sie unterhalten sich über andere Ferien. Wie Rob mit seiner Tante Mary nach Wales fuhr, als er elf war und zum ersten Mal Dr. Hook und «Ode To Billie Joe» hörte. Die Ferien, als die Erwachsenen sich wegen Rounders in die Wolle kriegten («Ich fand das damals schrecklich kindisch und albern», sagt Rob, «und heute sehe ich, dass es mir selbst passieren kann.») oder Tarts 'n Vicar-Partys veranstalteten. Wie sie in die Brennnesseln gefallen waren. Wie Rob immer irgendwelche Leute imitieren sollte («... Frank Spencer, Ronald Reagan, Margaret Thatcher, Norman Wisdom, Sean Connery ... na, du weißt schon, Greatest Hits eben.») Jonny erzählt, wie er in Robs Zimmer ging und all die geklauten Leitkegel und Autoabzeichen bewunderte. Im Garten stand ein gestohlenes Bushalteschild. Rob fragt sich, ob Freddie Robert sich später an das Konzert erinnern wird. «Nee», meint Jonny. «Mit zweieinhalb erinnerst du dich an gar nichts.» «Ich weiß noch, dass ich einen Topf vom Herd gezogen und mich verbrüht habe», erzählt Rob. Seine Mutter kochte gerade Eier. «Ich zog dran, weil ich nachsehen wollte, ob sie schon fertig waren. Ich kann mich noch erinnern, dass es eine völlig logische Erklärung hatte.» Jonny erzählt, wie er vor kurzem jemand getroffen hat, der einen von ihnen beiden gehassten Regisseur kannte. Er arbeitete am Theater von Stoke. Rob spielte unter seiner Regie den Artful Dodger. «Ich habe allen die Show gestohlen. Bei der Premiere, das weiß ich noch genau, dachte ich: Au Mann, so was will ich später als Beruf machen. Ich kam pfeifend auf die Bühne, und schon lachten die Leute.» Derselbe Regisseur hatte Jonny eine Standpauke gehalten, als er mit sechs in einem Stück von Hans Christian Andersen über die Bühne gerannt war und sein Nachthemd hochgehoben hatte. «Es war deine
Schuld», erinnert er Rob, der zugibt, Jonny dazu überredet zu haben. «Wenn du damals zu mir gesagt hättest, spring von diesem verdammten Felsen, hätte ich es getan», grinst Jonny. «Nein, du hast das mit dem Nachthemd gemacht, weil du wolltest, dass wir dich mögen.» Rob lacht. «Und das bewundere ich. Es hat funktioniert.» Nach Oliver sprach Rob für «The Sound Of Music» vor und wurde abgelehnt. «Ich war total verzweifelt. Sieben Kids durften mitmachen, und ich war nicht dabei.» Er grinst. Es ist natürlich albern, nach so langer Zeit abrechnen zu wollen, aber er versucht gar nicht erst so zu tun, als sei er darüber erhaben. «Hallo! Privatjet! Ich nehme an, du verstehst, was ich meine.»
«Ich schlafe nicht gern», sagt Rob zu Jonny, als der Jet zur Landung in Luton ansetzt. «Du?» «Yeah.» «Wirklich? Ich nicht. Deswegen habe ich auch gekokst. Wenn ich die ganze Zeit wach bleiben könnte, würde ich es machen, glaube ich.» Als er heute Abend nach Hause kommt, ist an Schlaf nicht zu denken. Er hat noch viel zu tun. Um 6 Uhr morgens gewinnt Cardiff die Meisterschaft der zweiten Liga. Er entdeckt, dass das Spiel noch eine ganz neue Ebene hat, wo man Anmerkungen zu einzelnen Spielern findet und seine Taktik dementsprechend abstimmen kann. («Damit hat der Wahnsinn ein Ende», sage ich, als er mir davon erzählt, doch er schüttelt nur den Kopf. «Damit fängt der Wahnsinn erst an.») Als er am Nachmittag aufwacht, macht Paula, seine portugiesische Putzfrau, ihm Vorwürfe wegen der Unordnung im Schlafzimmer. In dem aufrichtigen Versuch, ihm zu einer aufgeräumten Wohnung zu gratulieren, hat sie ihm einmal einen Zettel mit folgender Nachricht hinterlassen: «Ich will Ihnen nur sagen, was für eine FREUDE es war, Sie diesmal hier bei sich zu Hause zu haben.» Oder sie hat Pompey erklärt: «Bitte richten Sie dem Junior aus, dass er die Waschmaschine nicht benutzen soll, weil sie undicht ist und weil er
ausrutschen und sich was brechen könnte, und dann wären wir alle am Arsch.»
Wer heutzutage jung und reich ist, kommt nicht daran vorbei, irgendeine Art von Personal einzustellen. Das kann eigentlich nicht schwer sein. Ich finde auch nicht, dass Rob besonders penibel ist oder zu viel von seinen Angestellten verlangt. Die einzigen Eigenschaften, die man bei einem solchen Job braucht, sind Kompetenz, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und eine gesunde Psyche. Paula ist eine echte Perle – sie folgt ihm seit sechs Jahren von einer Wohnung in die nächste –, während viele andere an dem einen oder anderen Hindernis scheiterten. Da war zum Beispiel der Koch, der Rob – seinem Arbeitgeber – eine SMS schrieb, um zu erklären, er könne nicht kommen, weil «ich einen klaren Kopf kriegen muss», und fragte: «Könnten Sie für mich einspringen?» Da war die Haushälterin, die fragte, ob sie ihren Sohn mit zur Arbeit bringen könne. Wie sich herausstellte, war der Sohn 27. (Sie war auch diejenige, die eine Unterhaltung über Klamotten mit den Worten unterbrach: «Wenn Sie etwas wegwerfen, nimmt es mein Sohn», oder einem von Robs Leibwächtern erklärte, er könne ihr ruhig mal zur Hand gehen, «schließlich sind Sie kein Ölgemälde».) Eine Köchin in Los Angeles machte mit Vorliebe rassistische Witze und erklärte, dass sie sich früher auch hätte herumchauffieren lassen. Sie war überzeugt, dass es einer von Robs Gästen war und nicht ein Hund, der ein Häufchen auf dem Teppich hinterlassen hatte («Kommt in den besten Familien vor»). Dann gab es eine Köchin, die als Beste beim Einstellungsgespräch abschnitt und dann starb. Eine andere wurde nackt bis auf den Slip in der Küche erwischt, während alle anderen im Pool herumplanschten – «Sorry, ich hätte wirklich das Badezimmer benutzen sollen, um mich umzuziehen», sagte sie als Entschuldigung. Oder die Putzfrau, die Sachen zerbrochen und Wäsche gebleicht hatte, die nicht gebleicht werden durfte – nicht besonders schlimm –, doch dann versteckte sie das Beweismaterial monatelang im Kofferraum von Robs Jaguar.
10 Er verbringt den einzigen freien Tag mit Stephen Duffy im Studio. Noch zwei Songs. Am folgenden Morgen beginnt der Hauptteil der Tour – fast ein Monat quer durch Europa ohne eine einzige Nacht zu Hause. In den nächsten Wochen wird die ganze Band, inklusive Tänzerinnen und Entourage, in einem größeren privaten Tourjet fliegen. Rob hat keine Ahnung von dem riesigen RW-Logo am Heck, bis er den Privatflughafen von Luton erreicht. Er sagt nichts. Einen Augenblick lang fragt selbst er sich, ob das nicht ein bisschen übertrieben ist. Im Warteraum scherzt er mit den Tänzerinnen, und prompt geht was schief. Als er mit Suzanne Mole am Kaffeeautomaten steht, fragt er, ob sie den Artikel in der heutigen Sun gesehen hätte, der von ihrer gemeinsamen Sexaffäre berichtet. Zufälligerweise war in der heutigen Ausgabe der Sun tatsächlich eine kleine Meldung über sie, was sie aber noch gar nicht weiß und vermutlich der Auslöser für Robs Witz war. Es ist nur eine ganz neutrale Meldung, die die Frage aufwirft, was ihr Freund Gareth Gates wohl davon hält, dass sie mit Robbie tanzt. «Das ist doch nicht dein Ernst, oder?», fragt sie. «Doch», meint er lässig. «Du hast gesagt, ich wäre super im Bett.» Was dann passiert, kommt völlig unerwartet. Sie bricht in Tränen aus. Rob ist verständlicherweise zerknirscht. «Es tut mir Leid», sagt er. «Es tut mir schrecklich Leid.» Sie fängt an zu lachen, kann aber trotzdem nicht aufhören zu weinen. «David Brent», murmelt einer aus der Gruppe. Als sie rausgeht, um Gareth von ihrem Handy aus anzurufen, kommt Djeneba, eine andere Tänzerin, zu Rob. Sie möchte sich bei ihm entschuldigen. Sie haben sich nicht mehr gesehen, seit sie in Edinburgh zusammen auf der Bühne waren, und sie hat Angst, dass eine ihrer improvisierten Tanzbewegungen zu weit ging. «Es tut mir echt Leid», sagt sie und erklärt, dass sie auf der Bühne und vor einem Publikum immer so abfährt, dass sie einfach alles vergisst. «Djeneba, lieber Himmel, ich bin's.» Sie hatte Angst, er würde sie feuern.
«Was? Weil du meinen Pimmel angefasst hast? Djeneba, ich bin's. Wenn es um meinen Penis geht, kannst du eigentlich nicht viel tun, was mich abstoßen würde.»
Wir landen auf dem Flughafen Le Bourget außerhalb von Paris. Rob greift nach seiner Gitarre und will sie aus dem Flugzeug tragen. Das verstößt gegen seine übliche Reiseroutine. Er hat zwar nicht ausgesprochen was dagegen, aber im Normalfall trägt er seine Sachen nicht selbst. «Schaffst du das?», fragt Andy Franks. «Na klar. Ich hab immerhin schon ein paar Songs geschrieben.» Wir fahren durch einen abgelegenen Bereich des Flughafens, wo eine eingemottete Concorde traurig auf der Rollbahn steht. Wir reden darüber, wie praktisch es wäre, eine zu kaufen und in den Garten zu stellen. Rob erzählt, dass er mal bei Vic Reeve zu Hause war, der seinen Morris Minor im Garten beerdigt hatte, sodass nur der Kotflügel aus dem Boden ragte. Josie erzählt, dass Teddy Sheringham angerufen und um Karten für die Show am nächsten Tag gebeten hat. Rob beschließt ihn in den Backstage-Bereich einzuladen, um hallo zu sagen. Er ruft die Nummer an, die Sheringham hinterlassen hat, und führt ein konfuses Gespräch, was er darauf zurückführt, dass Sheringham offenbar glaubte, jemand erlaubte sich einen Witz und gäbe sich als Robbie Williams aus. Als er noch einmal anruft, nimmt keiner mehr ab, daher hinterlässt er eine Nachricht. Wenig später ruft Sheringham zurück, und sie plaudern eine Weile. «Die Band ist in Form, ich bin in Form, und wir sind alle glücklich», sagt er. (Josie und David wechseln einen Blick und grinsen erleichtert; so was haben sie auf früheren Touren nicht oft gehört.) Rob lauscht, als Sheringham, der gerade von Tottenham nach Portsmouth gezogen ist, erzählt, was es bei ihm Neues gibt. «Meine Güte, er redet wie ein Wasserfall», meint er anschließend. Rob erzählt von den Jahren, in denen er mit den Fußballern herumgezogen ist. Einmal wurde er von British Airways um ein Haar rausgeworfen, als er mit der Truppe aus Liverpool unterwegs war. «Nur Halligalli, echt. Wir wollten nach Spanien. Robbie Fowler hatte
einer Stewardess ein Kondom an die Rückseite ihrer Schürze geheftet.» Er weiß noch, wie er mal mitkriegte, als sich zwei sehr bekannte Fußballer sturzbetrunken stritten. «Die Unterhaltung ging so: Der eine sagte, sechs und sieben sind zwölf. Quatsch, du Vollidiot, gab der andere zurück, sechs und sieben sind vierzehn.» «Als ich noch Fußballer war ...», seufzt Rob. Es ist eine von vielen Rollen, in die er mit Begeisterung geschlüpft ist und die er dann wieder aufgegeben hat. «Ich war Fußballer. Drogendealer. Student. Ohne zu spielen, zu dealen oder in die Uni zu gehen. Ich war Student, als ich zwischen 17 und 19 bei Take That war. Ich ging einfach hin und hab mich die ganze Zeit mit den anderen bekifft. Sie waren super Typen. Wir trafen uns immer an der Autobahnraststätte. Sie mieteten einen weißen Bus für die Veranstaltung. Als Erstes warfen wir ein paar Ecstasypillen ein ...» Er unterbricht sich. «Nein, halt, zuerst kam ein Gramm Speed. Dann gingen wir zu Miss Moneypenny und nahmen Ecstasy ... » Er war dick befreundet mit dem Studentenanführer, bis eines Tages irgendwas schief lief: «Wahrscheinlich hatte er was gegen mich, das kam irgendwie nach einer Weile raus. Er behauptete, ich wäre plötzlich so eingebildet und spielte mich auf. Und ich weiß genau, dass ich kein bisschen anders war als vorher. Er kam einfach nicht damit klar.»
Am nächsten Morgen meldet sich Teddy Sheringham bei Josie und erklärt, dass er es nun doch nicht schafft zu kommen, aber ein Freund von ihm mit Prostatakrebs wäre zufällig in der Stadt und würde die Karte übernehmen. Außerdem würde er Rob gerne kennen lernen. Der Groschen fällt. Vor einer Weile ist Josie mal von jemand, der behauptete, Sadie Frost und Jude Law zu vertreten, reingelegt worden. Weil sie keine Lust hat, sich erneut verschaukeln zu lassen, besorgt sie sich über einige Fußballkontakte Teddy Sheringhams richtige Handynummer und lässt sich bestätigen, dass unserer ein Hochstapler ist. Zwischendurch fragt sie sich, ob es die Mühe wert ist, ihn rauszuschmeißen, falls er tatsächlich kommt. Unterdessen spielt Rob Championship Manager in seiner üblichen Suite im Pariser George V Hotel. Er experimentiert mit einer
Fünferkette. Währenddessen gibt es unten Probleme mit den Autos. Die Hoteldirektion möchte, dass Robbies wartende Wagen die Einfahrt verlassen, damit Hilary Clinton vorfahren kann.
Backstage läuft er Kelly Osbourne über den Weg. Sie tritt den ganzen Sommer als seine Vorgruppe auf. Er zeigt ihr seine Tätowierungen, und sie zeigt ihm das tätowierte Herz am Finger. «Ich muss es wieder wegmachen lassen», sagt sie. Ihr früherer Freund. Es endete tragisch. Im Moment versucht er, sie zu verklagen, und sie fängt allmählich an, ihn zu hassen. «Wie gehst du damit um?», fragt Rob. «Ach, es geht mir ganz gut.» «Nein, ich meine, wie kommst du damit klar? Soll ich ihn mir vorknöpfen?» Bei Kelly verfällt er ganz schnell in die Rolle des großen Bruders. «Das mach ich schon selbst.» «Anthrax ist gut», schlägt er vor, als er zu seiner Garderobe weitergeht. «Und Kacke.»
Bei der heutigen Show, die seinen Durchbruch in Frankreich untermauert, obwohl das Publikum wirklich schwer rumzukriegen ist und er einen Song am Ende auslässt, erkennt er eine Frau im vorderen Teil der Menge, kann sie aber irgendwie nicht einordnen. Er bittet Jason, ihre Nummer zu besorgen. Im Bus versucht er immer noch, dahinter zu kommen. «Vielleicht habe ich sie mal in den Ferien getroffen, als ich 14 oder 15 war.» Nach einigem Hin- und Hertelefonieren erscheint sie tatsächlich beim Buffet. Rob war 16. «Carmarthen Bay Holiday Centre, 1989», sagt er. «1990», verbessert sie. «Mein Dad war Conferencier», erinnert er sich. «Die besten Ferien, die ich je hatte. Keine Drogen, jede Menge Bier, Spaß und billige Chips.»
Max mischt sich ein und sagt, Rob und er sollten bald mal schöne Ferien machen. Auf einem Boot. «Tiefseetauchen bei Nacht», meint er. «Mauritius.» «Siehst du?», sagt Rob an seine alte Flamme gewandt und tut so, als wäre es ein Witz. «Heute ist alles ganz anders.» Sie unterhalten sich über die Songs, zu denen sie tanzten. «The <900> Number», «Tonight» von New Kids On The Block. Irgendwann sagt sie zu ihm, dass er sich überhaupt nicht verändert hat, seit er 16 war, und es gibt kaum etwas, das er lieber hören würde. Im Hotel stoßen sie auf ein Programm über Kylie Minogue im Fernsehen – perfekt. Es dauert eine Weile, bis man entdeckt, wie weit zwei Menschen voneinander entfernt sind, wenn der eine auf die Zukunft hofft und der andere nur versucht, einen kurzen, glücklichen Augenblick der Vergangenheit wiederzuerleben.
In dieser Nacht träumt er, dass er mit Anthony Hopkins ein Treffen der Anonymen Alkoholiker besucht. Anthony Hopkins ist wirklich nett, allerdings etwas angesäuert, weil das Treffen anderthalb Stunden dauern soll. Er wollte in einer Stunde wieder draußen sein.
Wien. Die Show verändert sich. Am Ende der Tour wird es so aussehen, als wäre die Art, wie ein oder zwei Minuten «We Will Rock You» von Queen zu «Monsoon» überleiten, sorgfältig geplant und in wochenlangen Proben ausgetüftelt worden, tatsächlich aber kam es Rob an diesem Abend in Wien ganz plötzlich in den Sinn. Nach dem zweiten Stück fängt er an, mit dem Fuß zu stampfen, Chris Sharrock nimmt den Takt an der Basstrommel auf und der Text von Queen — besser gesagt, eine vage Annäherung an den Text — sprudelt aus ihm heraus: «Johnny you're a man you're a poor boy sitting in a place gonna be a man some day blood on your face big disgrace wiping your banner all over the place ... », und die Menge singt mit. So entsteht ein neuer Teil der Show und so wird er von jetzt an wiederholt, allerdings weniger spontan.
Am Ende kommt er noch einmal auf die Bühne und singt «Feel» a capella, nur er und die Menge, voller Gefühl und ohne jedes Tamtam. Das hat er noch nie gemacht. «Ich habe geheult», erzählt er euphorisch, als der Wagen-Konvoi vorfährt. «Es war einfach großartig.» Wir fahren los. «Wisst ihr, was komisch ist? Jeden Abend denke ich ans Sterben. Immer gegen Ende der Vorstellung.» «Vielleicht heulst du, weil es
Er findet es super, dass es auf der Bühne so schwer ist, Augenblicke tiefen Gefühls von denen, die nur Show sind, zu unterscheiden. Seine größten Werte als Entertainer hat er einem Vorbild zu verdanken, das ihm in Prä-Rock 'n' Roll-Zeiten eingeflößt wurde – den Rat-PackPlatten, die er zu Hause hörte, dem altmodisch-publikumswirksamen Auftreten seines Vaters und dessen Kollegen. Als Performer hat er also ein Verhältnis zu Aufrichtigkeit, das für das heutige Empfinden möglicherweise verwirrend ist. Er begreift intuitiv, dass das, was
Rocksnobs als «die Wahrheit» verkaufen – ihre künstlichen, abgedroschenen Methoden, authentisch und ehrlich zu wirken – nur Rituale eines bigotten und trügerischen Zeitgeists sind. Möglich, dass sie sich selbst für Rebellen halten, die ausziehen, um für eine zweifelhafte Freiheit zu kämpfen. Er hingegen sieht, wie sie sich in Lügen oder dumpfen Gewohnheiten verstricken und von allen möglichen Regeln einschränken lassen, bis ihre Scheuklappen so groß sind, dass sie die Freude und das Wunder in dem Kanon, für den sie eintreten, gar nicht mehr sehen. In der modernen Tradition der Rockmusik wird Scheitern häufig als Beweis für die Authentizität eines Werkes gewertet – der Aufschrei war so wahrhaftig und radikal, dass die Welt noch nicht reif für ihn war. Aber es gibt noch eine andere Tradition, die unter Scheitern nichts weiter versteht als etwas, das keinen Erfolg hatte. Hier sind Aufrichtigkeit und tiefe Gefühle nicht so weit wie möglich entfernt von Flair, Melodrama, Falschheit, schlechten Reimen und kitschiger Musik, sondern stecken mittendrin. Tatsächlich scheint sie sagen zu wollen, dass «mittendrin» der einzig ehrliche Ort für die echten und wichtigen Dinge ist, denn genau da sind sie auch in der Wirklichkeit: mitten im hektischen alltäglichen Gewusel des Lebens. Obendrein ist es ein idealer Ort, um zu leugnen, dass man sein Herz öffnet, und jeder, der aufrichtig vorhat, die Hosen runterzulassen, braucht diese Option – zur Sicherheit. Rob wird behaupten, er mache leichtes Entertainment. Er wird grinsen, herumkaspern, dich veräppeln und sich selbst gleich mit, und während er all das tut, erzählt er dir seine ganze raue, zerbrechliche, ehrliche Geschichte, direkt vor deiner Nase versteckt.
11 Als Josie ihn am nächsten Nachmittag anruft, um zu fragen, ob er frühstücken will, ist er so müde, dass er sich in seinem Wiener Hotelzimmer umsieht und versucht herauszukriegen, wo die Stimme bloß herkommt. Er merkt gar nicht, dass er telefoniert. Ich frage, was er gestern Abend noch gemacht hat. «Ich hatte Sex.»
«Wie es sich für einen Popstar gehört», stellt Josie fest. «Noch 40 Minuten bis zum Aufbruch.» «In dieser sterblichen Hülle?», fragt er. «Ich gehe wieder ins Bett.» «Nein, das tust du nicht», sagt sie in einem Ton, der keine Widerrede zulässt. Im Bus ist er immer noch nicht richtig wach. David erzählt von den Vorverkäufen für den Herbstteil der Tour. «Ich bin so froh, dass ich so eine große Nummer bin», antwortet er. «Sonst wäre ich echt frustriert. Es ist einfach klasse. Man hat das Gefühl, es hätte eine Bedeutung. Das war früher nicht so.» Er lacht und stellt sich dann die Frage, die auf der Hand liegt. «Aber was bedeutet es? Es bedeutet nur, dass es klasse ist.» Durch seine dunkle Brille sieht er Wien vorbeihuschen. «Da ist schon wieder einer mit echt großen Füßen.» Er sagt, dass er aufhören muss zu rauchen. «Das Gefühl wird immer stärker. Ich glaube, an meinem 30. Geburtstag ist es so weit.» Er erzählt, wie er einmal mit Take That irgendwo in Europa auf dem Weg zum Flughafen war und völlig bekifft und hilflos mit ansehen musste, wie ein Wagen mit Fans auf der Böschung neben der Autobahn an ihnen vorbeiraste. Der Fahrer war am Steuer zusammengebrochen – sein Herzschrittmacher hatte schlappgemacht. «Die Mädchen schrien», erinnert er sich. Der Wagen raste auf eine Brücke zu, wo die Böschung endete. Es sah aus, als würde er dort einfach runterstürzen, aber aus irgendeinem Grund blieb er auf der Böschung und kam dann wieder zurück auf die Autobahn, wo er, ohne einen Wagen zu rammen, sämtliche Fahrspuren kreuzte, gegen die Leitplanke krachte, sich dreimal um die eigene Achse drehte und dann stehen blieb. Der Bus von Take That fuhr rechts ran. Wie durch ein Wunder war niemandem was passiert. Andere Take That-Fans, die ihnen folgten, hielten ebenfalls an. Manche nutzten die Gelegenheit, um Rob um ein Autogramm zu bitten.
Pompey erklärt, dass er im Münchner Hotel glücklicher ist als in Wien, weil sein Zimmer durch eine Tür mit dem von Rob verbunden ist. In Wien wohnte er mehrere Feuertüren entfernt auf der anderen Seite eines Gangs, denn Robs Suite war der einzige Raum in diesem
Flügel des Hotels gewesen – so weit entfernt, dass Pompey kein Auge zutat. Rob ist erstaunt, als er das hört. In Wien hatte er die ganze Zeit gedacht, dass Pompey das Zimmer rechts von ihm hätte. «Was war denn das für eine Tür in meinem Zimmer?» «Das war der Schrank.» «Ah! Deshalb hat keiner aufgemacht, als ich anklopfte.»
In München schafft es Cardiff nach Mitternacht mit Ach und Krach, sich auf dem sechsten Rang für die Ausscheidungsspiele zu qualifizieren, obwohl sie am letzten Spieltag der Saison 2:1 gegen Bradford verlieren. Rob liegt in einer Ecke seines Zimmers auf dem Boden und bereitet sich auf das Halbfinale der Ausscheidungsspiele gegen West Brom vor. Das Hinspiel endet 1:1. Im Auswärtsspiel ist zur Halbzeit noch kein Tor gefallen. Wenn es so bleibt, wird West Brom aufgrund des besseren Torverhältnisses gewinnen. Er versucht während der gesamten zweiten Halbzeit, irgendwas zu drehen, doch die Uhr tickt, und Cardiff bringt einfach kein Tor zustande. Sie müssen unbedingt in der ersten Liga bleiben. Das ist wichtiger als alles andere, egal, ob per se oder als Symbol für ein größeres Anliegen. Als ich ins Bett gehe, liegt er immer noch bäuchlings auf dem Teppich, und ich erkenne jenen nonchalant verzweifelten Blick, hinter dem sich ein Augenblick tiefer Depression verbirgt. Nachdem ich gegen drei Uhr morgens gegangen bin, fängt er an, den sommerlichen Transfer-Markt zu sondieren. Manchester United hat mysteriöserweise einen neuen Manager bekommen, der sich schlicht «f» nennt und unerwartet mehrere großzügige Angebote für unbedeutende Cardiff City-Spieler auf den Tisch legt. Rob fürchtet in seiner Paranoia, das Spiel könnte ihm plötzlich sagen, dass er schummelt, aber nichts passiert. Schließlich startet er die nächste Saison, gewinnt drei Spiele und verliert eins. Er dreht immer mehr auf. Als das Morgengrauen durchs Fenster sickert, stellt er das Sofa hochkant davor, um das Tageslicht auszusperren. Er geht ins Bett, entscheidet dann, dass er das Sofa noch besser hinstellen kann, und springt wieder auf. Als um acht die Glocken läuten, kauft er immer noch neue Spieler.
Er ist drauf und dran, David zu wecken und ihn zu bitten, an seinem Bett sitzen zu bleiben, bis er einschläft, nickt dann aber plötzlich doch von selbst ein. Seine Träume bringen keine Erleichterung. Er hat jemanden umgebracht, die Polizei ist hinter ihm her, und irgendwer hat mit seiner Freundin geschlafen, aber er ist ein Mörder und wird in Paris zu einem DNA-Test erwartet, die Polizei kommt immer näher und ... Am nächsten Nachmittag liegt er rauchend in seinem zerwühlten Bett. Das Sofa steht immer noch vor dem Fenster. «Ich hab den Überblick verloren. Bin ein bisschen ausgerastet. Ich muss aufhören zu spielen, sonst dreh ich wirklich durch.» Die heutige Show findet im Olympiastadion statt, wo Deutschland 1:5 gegen England verloren hat. «Heute singe ich <She's The Hun>, meint er. «<We Have Ways of Entertaining You>.» (Aber dann verzichtet er doch.) Kurz vor dem Auftritt muss er pinkeln. Diesmal stellt er sich einfach in eine abgelegene Ecke hinter der Bühne und fängt an zu urinieren. Die Pisse rinnt durch die Fugen im Boden und verschwindet. «Ist irgendwas da drunter?», fragt Josie. «Nur die Stromversorgung», antwortet Wob. «Nein, jetzt mal im Ernst ...» «Das ist Ernst. Da unten befindet sich die Stromversorgung.» Während der Vorstellung spaziere ich bis zum Ende des Stadions. Auf den Hügeln im Park dahinter sitzen Tausende deutscher Fans in der Abenddämmerung und hören Robbie Williams zu. «So berühmt war ich noch nie», sagt er, als er von der Bühne kommt.
Heute Abend ist er entschlossen, den Computer nicht anzurühren, deshalb sitzen wir nach dem Konzert nur in seinem Zimmer und reden. Er erzählt, dass es ein völlig anderes Gefühl ist, seine Songs zu singen, ohne sie zu hassen. «Ich fand es jedes Mal zum Kotzen, auf Tour zu gehen. Du würdest nicht glauben, dass ich heute derselbe bin wie damals.» Auch auf der letzten Tour? «Yeah. Und ob. Du kannst fragen, wen du willst. Ich habe es gehasst. Einfach gehasst. Ich war den ganzen Tag nervös, völlig kirre vor
Angst und Depression. Ich ging auf die Bühne und sang Stücke, die banal waren und nichts bedeuteten, die einfach Scheiße waren. Es war ein Zustand, der widerspiegelte, was ich von mir hielt. Oft war ich auch auf der Bühne und hatte keinen Funken Respekt vor meinen Zuhörern. Ich riss mir den Arsch auf, denn das ist ein natürlicher Instinkt bei mir, ich muss immer so tun, als hinge mein Leben davon ab, aber im Kopf war es ein bisschen so, dass ich dachte, was habt ihr bloß, warum kommt ihr her, um dieses Arschloch zu sehen? Ich hatte überhaupt keine Achtung vor mir selbst.» «Nicht mal die Tatsache, dass 60 000 Leute da waren, um dich zu sehen, konnte dich überzeugen?», fragt Gary Marshall belustigt. Rob schüttelt den Kopf. «Ich kann mich noch an den Abend erinnern, wo es losging. Ich fing mit kleinen Club-Gigs an, die wirklich anstrengend waren, echt laut und so, ich versuchte, mich als SoloPerformer durchzuschlagen und hatte irgendwie Spaß. Ich fand es klasse, wie die Leute reagierten, und alles nur für mich. Ich hatte das Gefühl, es war irgendwie unfertig, Rock 'n' Rollmäßig. Und dann war ich backstage beim Roskilde-Festival. Wir machten eine Art Testlauf für eine Tour durch große Stadien, glaube ich, und ich rutschte aus, als wir backstage Fußball spielten. Zum ersten Mal im Leben war es mir echt peinlich, dass ich vor anderen Leuten auf die Schnauze fiel. Es ist so, wie wenn man als Kind eine Tasse zerdeppert und weiß, dass man was zu hören kriegt. So ungefähr.» Dass man Angst hat, erwischt zu werden, und sich trotzdem wünscht, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen – ist es das? «Ja, genau. Und das war ein Gefühl, das ich nicht mehr gehabt hatte, seit ich ein Kind war. Von da an änderte sich was. Ich glaube nicht, dass es dieser Moment war, der es auslöste, ich glaube, es musste ganz einfach so kommen. Von da an habe ich jede Tour gehasst.» Aber nimm die Tour, wie sie in dem Dokumentarfilm Nobody Someday festgehalten ist. Der Film spannt einen Bogen: Am Anfang hasst du es, und am Ende findest du angeblich alles toll. Ist das alles Quatsch? «Yeah. Ziemlich. Ich fühlte mich wirklich sehr gut, als ich an diesem Abend von der Bühne kam. Aber wenn man in Prozenten ausdrücken wollte, wie häufig das der Fall war, würde ich sagen, fünf Prozent.» Und heute?
«100 Prozent. Na ja, sagen wir 95.» Aber wie groß ist die Chance, dass du in zwei Jahren zurückblickst und sagst, ja, damals habe ich das gesagt, aber im Nachhinein stelle ich fest, dass ich eigentlich gar nicht so glücklich war? «Auf keinen Fall. Auf gar keinen Fall.» Kannst du den Punkt bestimmen, ab wann diese Veränderung einsetzte? «Im Studio. Escapology. Alles, was ich für dieses Album tun musste, war eine echte Freude.» Pause. «Abgesehen von
«Bitte, Robbie», bettelt ein Mann mit quengelnder Stimme. «Ich habe es schon so oft versucht.» Auf dem Weg durch den Flughafen von München muss Robbie mit einem aggressiven, schleimigen Autogrammjäger fertig werden, der ihn schon seit ein paar Tagen verfolgt. «Du bist echt verrückt, Mann», murmelt Rob. «Ich bin mehr als 1000 Kilometer gefahren.» Das ist natürlich genau die Basis vieler Auseinandersetzungen zwischen Prominenten und denjenigen, die ihnen ungebeten auf Schritt und Tritt folgen. Die Verfolger bringen Opfer, um die sie niemand gebeten hat und schieben dann die Schuld auf ihre Stars, als schuldeten die ihnen etwas für ihre Mühen. «Du machst mich wahnsinnig», sagt Rob.
«Bitte, Robbie. Warum bist du immer so unfreundlich?» Dann setzt er vorwurfsvoll hinzu: «Zu den Jungs?» Rob marschiert durch die Sicherheitskontrolle. «Es ist wirklich nur für mich selbst!», ruft der Autogrammjäger, als müsste er auf eine Beschuldigung reagieren, die gar nicht ausgesprochen wurde. Als er begreift, dass Robbie nicht stehen bleiben wird, rastet er einfach aus. «Das ist unglaublich!», kreischt er. «Das ist einfach nicht richtig!» Mittlerweile macht er uns alle wahnsinnig. «Wir kaufen dein Zeug, und du bist dermaßen unfreundlich ... » «Yeah, dann lass es doch einfach bleiben ... », meint Rob. «Du brauchst überhaupt nichts zu kaufen!», faucht David ihn etwas lauter an. «Aber ich liebe die Musik!», gibt der Mann hysterisch zurück. «Ich liebe die Konzerte. Sie sind großartig.» Dann fällt ihm noch ein letztes, verzweifeltes, vergebliches Argument ein. «Schließlich geben wir dir unser Geld!» Im Flugzeug liest Rob von dem 20-jährigen Fallschirmspringer Stephen Hilder, der offenbar absichtlich die Gurte seines Haupt- und Reservefallschirms gekappt hat und 4000 Meter tief in einem Kornfeld zu Tode gestürzt ist. Wenig später sind wir in Berlin.
Heute Abend ist frei, und jemand hat uns in einer Berliner GokartHalle eine Bahn für ein Wettrennen gebucht. Auf meinem Hotelzimmer erwartet mich eine Nachricht von Cameron Diaz, die ich von anderen Eskapaden her kenne. Die deutsche Premiere des neuen Charlies Engel-Streifens findet morgen in Berlin statt. Sie ist gerade aus Florida angekommen und wohnt im gleichen Hotel wie wir. Die übrigen Engel sitzen wegen eines kaputten Triebwerks auf einer italienischen Startbahn fest, daher schlage ich vor, dass Cameron uns zum Gokart-Rennen begleitet. Wir brechen im Konvoi zu der Bahn auf: Rob und Max in einem der beiden Busse, Cameron, ihre Assistentin Jessie und ich auf dem Rücksitz ihres Wagens, wobei die beiden immer wieder einen Song aus Ferris Bueller's Day Off schmettern. Die Paparazzi sind uns auf den Fersen. Vor einer roten Ampel parkt einer seinen Jeep schräg vor
uns, springt raus und versucht, Rob durch die Windschutzscheibe des Busses zu fotografieren. Cameron sagt, wenn er das noch einmal macht, würde sie aussteigen und seinen Autoschlüssel wegwerfen. Als wir ankommen, sprinten wir aus dem Chaos um uns herum direkt in die Halle. «Ruhm», meint Rob mit übertriebenem Achselzucken und grinst seinen Gästen zu, «was ist das?» «Eine Seifenblase», antwortet Cameron und spielt mit. Sie bewundert sein rosafarbenes Adidas-Top. «Hast du das umsonst bekommen?» (Er war heute im Adidas-Shop und kam mit acht Tüten Merchandise-Artikeln wieder raus.) Sie zeigt auf ihr rot und schwarz gestreiftes Top. «Das habe ich bei H&M für 20 Euro gekauft», sagt sie. Wir teilen uns in acht Gruppen zu je drei Leuten auf. Rob nimmt sofort Max in sein Team und als Dritten Adam Birch, den Gitarrentechniker, weil er weiß, dass er gut ist. Cameron kommt zu Jessie und mir und ist eindeutig die beste Fahrerin von uns dreien. Wir wechseln uns ab. Einmal sehe ich, wie Rob hinter Cameron herjagt, Runde um Runde, bis sein Wagen den Geist aufgibt, kurz bevor er sie eingeholt hatte. Er tobt, während ein neuer für ihn gestartet wird. Offensichtlich hatte er sich auf den Moment gefreut, was immer er sich davon erhofft hatte. Doch die meiste Zeit wirkt er eher gedämpft. Egal, ob seine Gefühle für sie noch da sind oder nicht, jedenfalls unternimmt er nichts, um darauf anzuspielen oder sich entsprechend zu verhalten. Robs Mannschaft gewinnt; er hält eine kurze Rede und nimmt eine Trophäe entgegen, die er später im Hotelzimmer zurücklässt. Als wir die Gokart-Bahn verlassen, erwartet uns eine völlig verrückte Meute von Paparazzi. Der erste Plan ist, dass wir alle mit Sturzhelmen auf dem Kopf rausgehen, sodass man Cameron und Rob nicht erkennen kann, doch die Logistik ist heikel. Stattdessen rauscht Camerons Wagen zuerst ab, während Rob und Max die Klamotten tauschen, sodass Max jetzt Robs neues rosafarbenes Adidas-Hemd trägt. Außerdem streifen sie und zwei andere sich Kapuzenmützen über den Kopf. Max geht raus, umringt von Robs Security, und die Kameras spielen verrückt. «Er ist der in Rosa!», schreien sie. «Der in Rosa!»
Als sie in den Bus steigen, lässt Max die Hose runter und streckt ihnen seinen nackten Hintern entgegen. Am nächsten Tag bilden mehrere deutsche Zeitungen ihn als den von Robbie Williams ab. Unterdessen schlendert Rob als Letzter raus und steigt unbemerkt in den Bus. «Es war echt komisch», sagt er später. «Ich war ganz allein. Und es fühlte sich an wie ... Ich gehe ... ich gehe ... » Frei von allen Fesseln? «Yeah.»
In der Lobby sehe ich am nächsten Tag um die Mittagszeit zu, wie Charlies Engel vor 200 Menschen einen Fototermin absolvieren, im Gang einen Wettbewerbsgewinner treffen und dann Platz nehmen, um weitere Interviewfragen zu beantworten. Sie arbeiten seit acht Uhr morgens und sind, abgesehen von einer Unterbrechung an diesem Wochenende, ständig in Europa unterwegs. Das machen sie Tag für Tag. Es ist ein Leben, für das Rob weder den Willen noch die Neigung oder Konstitution hätte; ein Triumph seiner Karriere ist es, dass er so viel Erfolg hat, ohne all diesen Rummel mitzumachen. Heute wacht er gegen drei Uhr auf und telefoniert mit Jonny. «Sie sieht ein bisschen aus wie Zippy», sagt er. «Die Verknalltheit ist weg. So kann ich mich wenigstens wieder dem Rest meines Lebens zuwenden.» Er spricht auch mit seinem Vater. «Cameron und ich gestern Abend, Gokart ... yeah, aber weißt du, das wird nicht passieren ... nein, sie ist echt süß, wirklich, sie ist toll, aber ich bin nicht mehr verrückt nach ihr ... eine tolle Frau ... sieht ein bisschen aus wie Zippy ... » Im Bus erzählt Josie, dass Guy angerufen hat und nach Stockholm kommen will, um sich das Konzert anzusehen. Vielleicht hat er im Gegensatz zu Rob dessen letztes Q -Interview gelesen und macht sich Hoffnungen, weil Rob gesagt hat, dass sie sicher wieder miteinander arbeiten werden. («Wir kommen bestimmt wieder zusammen, aber es wird anders sein als vorher.») Guy kann nicht wissen, dass dieses Gefühl inzwischen schon überholt ist. Zum einen existierte Pure Francis noch nicht, als Rob dieses Interview gab. Zum anderen hat er sich inzwischen erneut über Guy geärgert. «Ich finde
nicht, dass er kommen sollte», sagt er zu Josie. «Ich bin wirklich sauer auf ihn.» Weil er David beim Ivor Novello Award hat abblitzen lassen und wegen seines Anrufs. «Und das alles nur, weil er so ein Idiot ist. Er hat keinerlei Rechtfertigung für das, was er gesagt und getan hat. Also ich würde ihn jedenfalls lieber nicht sehen. Natürlich kann er kommen, nur zu, aber ich möchte ihn nicht in meiner Nähe haben. Oder in meinem Blickfeld, wenn ich auf der Bühne stehe.»
In Berlin gibt es im Moment kein brauchbares Stadion, deshalb hat Ian Huffam, Robs Booker, für diesen Besuch eine andere Strategie gewählt. Rob ist offenbar der erste Künstler, der an zwei aufeinander folgenden Abenden große Konzerte im ehemaligen Westteil und im früheren Ostberlin gibt. Heute Abend ist der Osten dran. Rob ist nicht in richtiger Konzertstimmung. Bevor es losgeht, erklärt er: «Hierfür werde ich bezahlt.» Wie immer ist es schwierig zu sagen, was in ihm vorgeht, aber es gibt auch ein paar merkwürdige Augenblicke. Mitten in der Show landet ein dickes Manuskript auf der Bühne. Er wirft nur einen kurzen Blick darauf. «Glaubt ihr wirklich, ich würde das auf der Bühne lesen?», fragt er. «Meine Güte! Ihr müsst ja verrückt sein.» Ich nehme es an mich. Es ist eine Dissertation von einer gewissen Anne Schumann am Institut für Musikgeschichte, philosophische Fakultät an der Uni Dresden. «I Did lt My Way – Zur De- und Rekonstruktion des Images von Robbie Williams bei seinem Konzert <Swing When You're Winning>». Es sind etwa 100 Seiten Text (auf Deutsch) mit Tabellen, Graphiken, Fußnoten, Anhängen und einer Bibliographie, wahrscheinlich der einzigen auf der Welt, in der «Morgan, Piers:
Im Bus erzählt er, dass er während des Swing-Teils eine Panikattacke hatte. Er legte die Hand auf die Brust und hörte sein Herz schlagen: bum bum bum. Dann erzählt er uns von dem besten Ratschlag, den man ihm je gegeben hat, um ein kritisches Konzert zu überstehen. Er
stammt von einem älteren britischen Schauspieler namens Dudley Sutton, den er kurz vor der ersten Stadion-Tour in Dublin angerufen hatte. Er erzählte ihm, dass er sich beschissen fühlte und am liebsten alles absagen würde. Sutton antwortete zwei Dinge, die Rob sich selbst und anderen seitdem immer wieder in Erinnerung gerufen hat. «Du bist nicht derjenige, der unterhalten wird», hatte er ihm eingeschärft. «Es wäre keine Glanztat, wenn man sich nicht vor Angst in die Hose scheißen würde.» Das hat ihm in heiklen Situationen später oft geholfen. Aber Sutton gab ihm noch etwas mit auf den Weg, dessen Wert er erst mit der Zeit erkennen konnte. «Lerne dein Publikum zu lieben», hatte er gesagt. «Was für ein Schwachsinn, dachte ich damals.» Doch im Lauf der Zeit ging ihm auf, was für ein solider, weiser und praktischer Ratschlag es war. «Allmählich begreife ich, was er sagen wollte. Ich meine, heute Abend konnte ich seine Ratschläge wirklich gebrauchen.» Er seufzt. «Oh, ich will wirklich nicht sterben.» «Du wirst auch nicht sterben, Baby», sagt Josie. «Cool», gibt er zurück. «Danke, Josie. Kannst du mir das schriftlich geben?»
Auf einer Party in einer Kellerdisco tanzt er eine Weile zu RaveKlassikern, kehrt dann ins Hotelzimmer zurück und redet mit Stephen und mir über Gott und die Welt. Als im Fernsehen eine Werbung für eine Chatline auftaucht, fällt ihm ein, wie er in seiner Alkoholikerzeit vom Hotel aus mal bei so einer Nummer angerufen und eine sinnlose Stunde lang ein Mädchen zu überzeugen versucht hatte, dass er Robbie Williams ist. Es war nicht mal sexy. «Nur schwachsinniges Gerede. Ich war völlig zugeknallt und echt einsam.» Obwohl das Mädchen genauso wie er in England war, wurde das Gespräch über Neuseeland geleitet. Die Hotelrechnung betrug 900 Pfund. Er geht nochmal zurück in die Bar, wo der Promoter Jack Utsick abhängt, in der Hoffnung, seine Geschäftsbeziehung mit Rob vertie-
fen zu können. Utsick schenkt ihm eine gerahmte Eintrittskarte für ein Konzert, das Elvis Presley am 17. August 1977 im Cumberland County Civic Centre in Portland hätte geben sollen. Leider ist er einen Tag vorher gestorben. «Für Robbie Williams. Elvis hat das Gebäude verlassen. Von Jack Utsick», steht auf der Plakette. Aber das ist noch nicht das Verrückteste, was in dieser Nacht passieren soll.
Zuerst — es ist jetzt der folgende Nachmittag — erzählt Rob seinen Traum. Er ist ungewöhnlich intensiv und brutal, selbst für seine Verhältnisse. Er ging in einem Club auf die Toilette. Dort hatte sich eine Gang versammelt. Er stand mit dem Rücken zu ihr und versuchte rauszukriegen, was sie vorhatte. Die Typen wussten, dass es Robbie Williams war, der da pinkelte, und er war nicht sicher, ob ihnen das gefiel oder sie ihn einfach hassten. Während er noch pinkelte, merkte er, was los war. Als er sich umdrehte, zwang einer aus der Gang ihn, stehen zu bleiben, stellte ihm ein paar Fragen und zerschmetterte ihm dann die Hand mit einer Brechstange. Irgendwie bekam er die Brechstange in die Hand, stieß sie dem Mann durch die Schulter und riss sie wieder heraus, sodass er eine klaffende Wunde behielt. Und während all das geschah, dachte er: Wir sind alle am Arsch — hier werde ich also sterben. Dann wandte er sich zu seiner Gang um – jetzt erst realisierte er, dass er seine eigene Gang hatte – und sagte: «Los, wir müssen sie alle umlegen.» Vielleicht tun sie es, vielleicht aber auch nicht, auf jeden Fall sind plötzlich seine Männer alle verschwunden, um eine Bank auszurauben ... und eine Stimme in seinem Kopf sagt: «Das macht keinen Sinn.» Nur die Sache mit dem Bankraub. «Ich habe gerade eine Tour hinter mir und jede Menge Geld verdient, ich brauche keine Bank auszurauben.» Er versucht, einen Schritt zurückzutreten und einzuschätzen, was passiert ist. Er will rauskriegen, ob er den Punkt schon erreicht hat, von dem es keine Wiederkehr gibt, oder ob es doch noch nicht zu spät ist, umzukehren. Denn wenn er schon was getan hat, was ihn ins Gefängnis bringen könnte, kann er genauso gut weitermachen.
Unterdessen gehen die Vorbereitungen für den Bankraub weiter. Aus irgendeinem Grund gehört dazu, dass sie jede Menge Bäume ausreißen müssen. Und überall tauchen Babys auf. Seine Babys. Er wartet, bis Josie das Zimmer verlassen hat, bevor er Jason, Gary und mir – und als David reinkommt, auch ihm – erzählt, was passiert ist, bevor er eingeschlafen ist und die Träume begannen. Offenbar findet er es so amüsant, erstaunlich, ärgerlich und verräterisch, dass er es uns bis ins kleinste Detail vorführen muss. Es ist ein Schnappschuss aus einer x-beliebigen Nacht im Sexualleben eines Stars. Dieser Teil war kein Traum. Eine weiß gekleidete Frau kommt in Begleitung einer anderen verheirateten Frau, die er nur flüchtig kennt und die bald wieder verschwindet, in sein Zimmer. Sie setzt sich zu ihm aufs Sofa. (Er demonstriert uns, wie sie beim Rauchen oder Reden starr vor sich hin guckt, statt ihn anzusehen, imitiert ihren kalten deutschen Akzent, die abgehackte Redeweise und gibt dann beide Seiten ihres Gesprächs wieder.) «Es ist verrückt, aber unten sind so viele Leute, und ich bin kein Groupie. Außerdem weiß ich, dass du müde bist, ich sollte lieber gehen, ja, ich muss jetzt wirklich gehen.» «Nein, nein, ist schon in Ordnung.» «Ja, aber meine Mutter ist Model und mein Vater Schauspieler, also weiß ich, wovon ich rede. Und verstehst du, ich bin kein ... falls du scharf drauf bist zu bumsen ... das geht nicht.» «Das ist schade. Wenn wir schon so offen darüber sprechen. Wirklich schade. Ich finde dich sehr attraktiv und ... » «Aber wir können reden. Oder fernsehen.» «Oh, na gut. Möchtest du Wasser?» «Ja. Ich trinke aus der Flasche.» (Er zeigt uns, wie sie nervös auf ihrem Platz hin und her rutscht.) «Ich hab keine Drogen genommen.» «Was? Bist du etwa immer so zappelig?» «Ja. Ich muss jetzt gehen. Du brauchst deinen Schlaf.» «Ich habe dich gebeten, raufzukommen...» «Ja, aber ich muss jetzt gehen, weil ich weiß, dass du müde bist ... » (Er macht sie nach, als sie den kurzen Rock so weit wie möglich nach unten und das Top so weit wie möglich nach oben zupft,
während er sie einfach nur ansieht.) «Ich werde nicht mit dir ins Bett gehen, verstehst du.» Pause. «Darf ich dich mal küssen?» Er sagt «Na gut» und beschreibt uns, wie sie ihn eine Weile küsst und dann sagt: «Halt! Halt! ... Ich habe eine Mutter! Sie ist Model! ... Du wirst mich nicht bumsen! ... Und ich muss gehen, du bist müde ...» Da klopft es an der Tür. Es ist die verheiratete Frau, und bei ihr ist ein anderes Mädchen. Die Frau im weißen Kleid sitzt immer noch auf dem Sofa. Wenn er die Neue reinbittet, wird die andere verschwinden, und das würde alles verderben. Also geht er ins Bad, um darüber nachzudenken, und als er zurückkommt, ist die Weißgekleidete in seinem Schlafzimmer. «Möchtest du, dass ich bleibe?», schnurrt sie. «Ich weiß nicht.» «Aber du kannst mich nicht bumsen.» «Tja, dann ist es wohl besser, wenn du gehst.» Das tut sie. Die verheiratete Frau und das andere Mädchen, wunderschön, halb Schweizerin, halb Israelin, sitzen mittlerweile im Salon. Die verheiratete Frau entschuldigt sich nach kurzer Zeit mit den Worten, dass ihr Mann was dagegen hätte, dass sie hier ist. Die zweite Frau sitzt mittlerweile genau da, wo die erste gesessen hatte. Sie ist mit Diamanten und Schmuck behängt, hat die Beine übereinander geschlagen, die Arme über der Brust verschränkt und eine Zigarette im Mundwinkel. Ihre ganze Körpersprache suggeriert, dass sie entschlossen ist, ihn zu ignorieren. Sie behauptet, Sängerin zu sein. «Du bist wirklich schön», meint er. «Das sagst du bestimmt allen Frauen.» (Hier prusten wir los, und einer ruft: «Erwischt!» Als er erklärt, er hätte geantwortet: «Aber es stimmt wirklich», lachen wir ihn weiter aus, bis er sich verteidigt: «Es ist genauso, als ob ich sage:
«Gibt es da, wo du bist, keine Männer, die dir gefallen?» Sie schüttelt den Kopf. «Nur zum Vögeln.» «Darf ich dich küssen?», fragt er. Sie nickt, nicht besonders interessiert, und sie fangen an. Er hat den Eindruck, dass in ihr ungefähr so viel sexuelle Leidenschaft schlummert wie in einem Tischbein. Irgendwann unterbricht sie kurz und bemerkt ohne jedes Gefühl: «Oh. Ich küsse Robbie Williams.» Dann macht sie weiter. Gerade als er denkt, so, das war's für diese Nacht, steht sie einfach auf und streift mit einer einzigen Bewegung ihr Kleid ab. Er nimmt sie in die Arme und trägt sie zum Schlafzimmer. Beim Sex kommt er sich vor wie auf einem Operationstisch. Als würde ihm jemand in einer automatisierten Prozedur Samen entnehmen. Es ist schrecklich. Als sie fertig sind, sagt sie: «Warum lügst du? Was ist dein Problem?» «Was?» «Warum lügst du?», wiederholt sie laut. Er hat keine Ahnung, was sie meint. «Ich habe nicht gelogen, seit du hier bist.» Sie steht auf und zieht sich wieder an. «Es ist nur ein Fick», sagt sie und geht ins Bad. «Ich möchte ein Foto.» «Hast du eine Kamera?» «Nein.» Er nimmt seine Kamera, schießt ein Foto von ihnen beiden und bittet sie, ihm ihre Adresse aufzuschreiben, damit er ihr einen Abzug schicken kann. Er hat es sich überlegt. Er wird es ihr schicken. Warum nicht? Egal, wenn sie damit zu einer Zeitung rennt — was soll's. «Warum lügst du?», fragt sie erneut. «Ich habe nicht gelogen», antwortet er, aber jetzt wird sie zickig. Bevor sie geht, erklärt sie, dass sie noch heute wiederkommen und ein Foto machen wird. Vor dem Einschlafen blättert er in einem Buch über Numerologie, das ihm jemand unten in der Bar geschenkt hat: The Life You Were Born To Live: A Guide To Finding Your Life Purpose von Dan Miliman. Darin wird behauptet, dass man seine Persönlichkeit auf der Basis einer Zahl analysieren kann, die man aus seinem Geburtsdatum errechnet. Da der Sinn seines Lebens nicht darin bestehen
kann, was er gerade getan hat, erhofft er sich Hinweise von diesem Buch. Darin steht, dass man als wichtigste Lektion lernen muss, sich selbst zu vertrauen, dass Menschen wie er suchtanfällig sind und erkennen müssen, dass sie nur deshalb Drogen nehmen, um fühlen zu können, was sie längst besitzen. Weiter heißt es, dass sie die eigene und auch fremde Meinungen nicht zu ernst nehmen sollen und dazu neigen, in die Irre zu gehen, wenn sie spirituellen Überzeugungen und Glaubenssystemen anderer Menschen folgen. Und während er in den Bandenkrieg seiner Träume plumpste, ging ihm auf, was für ein seltsam widersprüchlicher Rat das doch im Kontext eines solchen Buchs ist.
Ein Problem, worüber er in den letzten paar Tagen gegrübelt hat, ist Nena. Robs Vorschlag, während seiner Deutschland-Konzerte zusammen «99 Luftballons» zu singen, war als Spaß gemeint, auf den er sich wirklich gefreut hatte. (Er hat zu mir gesagt, es würde ihn daran erinnern, wie es ist, jung zu sein. «Dieses Lied singen und alle Mädchen von Bananarama vögeln», erklärte er seltsamerweise.) Doch dieser Plan zog eine Reihe von Forderungen und Vorschlägen aus Nenas Management nach sich, die immer unrealistischer wurden. Sie muss mindestens drei Songs singen, weil ihre Fans sonst ausrasten. Die Zusammenarbeit muss gefilmt, aufgezeichnet und auf ihrem Album und seinem Album erscheinen. All diese Forderungen wurden bereits abgelehnt, doch jetzt stellt ihr Management neue, völlig überzogene Bedingungen. Nena braucht Erste-KlasseFlugtickets für mindestens acht Mitglieder ihrer Entourage, Hotelzimmer für alle, einen eigenen Bus, eine eigene Limousine, einen eigenen Soundtechniker, eigene Security, ihren eigenen Friseur und Maskenbildner, ihren Manager, ihren Tour-Manager und ihre Assistentin. Und das alles für einen gemeinsamen unbeschwerten Kurzauftritt. David erzählt Rob von den Forderungen und schlägt vor, eine E-Mail zu schicken: Wenn das Duett wie ursprünglich geplant über die Bühne gehen kann, soll sie kommen. Dabei müsste David eigentlich wissen, dass Rob die Sache jetzt auf keinen Fall mehr durchziehen will. Seine Begeisterung für alles Mögliche – musikalische Ideen,
Zusammenarbeit, Freundschaften, Liebesaffären – kann grenzenlos sein, doch wenn man ihm einmal den Spaß genommen hat, verliert er die Lust und verschwendet keinen Gedanken mehr daran. So ist es auch jetzt. «Bye-bye, Nena», sagte er. «Scheiß drauf. Scheiß auf sie. Auch ich habe mal wieder eine Lektion gelernt, und ich würde lieber etwas Konstruktiveres im Leben machen.» Pause. «Zum Beispiel mir einen runterholen.» Er schüttelt den Kopf. Es ist vorbei. «Scheiß auf sie. Klasse, Mann. Das ist eine gute Nachricht. Eine Sache weniger, über die man sich den Kopf zerbrechen muss.» David beschließt, Nenas Leuten zu erklären, dass das Duett aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich ist. Rob lässt sich massieren und hört sich zusammen mit Stephen Duffy die Pure Francis-Songs an. Stephen macht ein paar Vorschläge für das Arrangement und erklärt zu Robs Verwunderung, dass Pure Francis einen zweiten Vornamen bekommen sollte: Albert. «Ich glaube, mein Karma ist heute nicht besonders», meint er. Warum nicht? «Weiß ich auch nicht. Nach dem Sex fühlt man sich ein bisschen ... nicht besonders Pure Francis-mäßig.»
Das heutige Konzert findet in der Berliner Waldbühne statt. Die Arena liegt in einer natürlichen Mulde im Wald und wurde berühmt, weil Hitler sie für seine Hetzreden vor den Anhängern des Nationalsozialismus benutzte. «Habt ihr den Tunnel gesehen?», fragt Pompey. Hitlers Tunnel. Um vom Backstage-Bereich zur Bühne zu gelangen, geht man am schnellsten durch einen langen Tunnel. Er ist kurvig, damit kein Attentäter aus größerer Entfernung auf Hitler schießen konnte. In der Nähe der Bühne gibt es eine verschlossene Tür. Hier, so versichert man uns, befand sich Hitlers Privatklo. Durch diesen Tunnel führt Rob jetzt seine Band und die Tänzerinnen, wobei er den alten Song «If You're Happy And You Know It, Clap Your Hands» anstimmt, und als sie die ersten Lichter sehen, singen sie alle zusammen das Thema aus Gesprengte Ketten — Die Rache der Gefangenen.
In der Hotelbar sitzt Rob mit ein paar Musikerfreunden von Max. Einer von ihnen, Dominic, erzählt Rob, dass er über seine Exfrau Robs alte Musiklehrerin, Miss Legge, kennen gelernt hat. «Vor der hattest du Angst, was?», fragt er. «Sie war gruselig», meint Rob. «Und ich war nicht besonders gut, weil ich keinen Bock auf den Unterricht hatte. Ich glaube, sie hat mir mal meinen Recorder weggenommen.» Die beiden stellen eine einfache, direkte Frage nach der anderen, Fragen, die den meisten Leute nicht einfallen würden. Und weil es sich nicht so anhört, als steckte irgendeine böse Absicht dahinter, antwortet Rob offen. «Wie sah die Zusammenarbeit mit Guy aus?» «Meistens so: Er sitzt da, ich singe.» «Sprichst du noch mit ihm?» «Nicht wirklich, nein.» «Trotzdem, gute Partnerschaft.» «Verdammt gut. Eine absolut klasse Partnerschaft.» «Auf welchen Song bist du am meisten stolz? Sorry, hört sich wie lauter verdammte Journalistenfragen an, was?» «Nein, nein, nein, es ist cool.
zur Polizeiwache, dann verpisste er sich.» Pause. «Am nächsten Abend hat er jemanden umgebracht.»
Er freut sich auf einen ruhigen Abend, an dem er früh schlafen will. Als er auf den Lift zugeht, spricht ihn eine Frau an, die offenbar etwas verwirrt ist. Sie besteht darauf, dass er eine Partie Backgammon mit ihr spielt, es scheint das Einzige zu sein, was sie im Kopf hat. Als Rob in den Lift geht, ohne auf ihre Einladung zu reagieren, wird sie hysterisch. Kurz bevor sich die Türen schließen, gibt sie sich auch mit weniger zufrieden. «Ich will ihn nur mal anfassen!», bettelt sie jetzt. «Sorry», sagt Jason. «Er geht jetzt schlafen.» «Robbie, gibst du mir einen Kuss? Ich habe meine ganzen Pläne für zwei Tage geändert, nur deinetwegen.» Das Übliche. Um die Sache möglichst schnell zu beenden, kommt er nochmal aus dem Fahrstuhl, lässt sich umarmen und einen Kuss auf die Wange geben. Dummerweise kommt sie dadurch wieder auf die ursprüngliche Idee. «Eine Partie Backgammon!», faucht sie. «Nein, Darling», sagt er müde. «Zimmer 103!», ruft sie verzweifelt. «Eine Sekunde! Haltet den Lift an. Ich rühre ihn nicht an. Ich bleibe hier stehen.» «Ich bin wirklich müde, Darling. Ich gehe jetzt schlafen.» «Tu mir das nicht an», fleht sie, bereits geknickt, blockiert aber nach wie vor den Lift. Es macht keinen Spaß zu sehen, wie Menschen sich derart erniedrigen und ihre Haltung verlieren. «Nein, Darling, bitte. Geh aus dem Weg. Bitte. Ich muss ins Bett.» Gary und Jason lösen vorsichtig ihre Hände von der Tür und schieben sie aus dem Lift. Als die Türen sich schließen, schluchzt sie leise. Wir fahren nach oben. «Sie hätte ein paar Punkte wettmachen können», seufzt er. Wenn sie die Umarmung nur mit etwas mehr Anstand akzeptiert hätte. Stattdessen ist sie nur eine von vielen, die verbittern, weil ihre unerbetene Hingabe nicht so belohnt wird, wie sie es sich wünschen. Rob geht schlafen, ohne von dem größten Paradox des Abends zu erfahren: Mit umwerfendem Charme und
bestechender Logik hatte sie Gary ihren Wunsch nach einer Begegnung mit Rob vorgetragen. «Darf ich mit ihm sprechen?», hatte sie gefragt. «Ich bin kein Groupie, ich mag noch nicht mal seine Musik.»
In dieser Nacht begegnet er im Traum Simon le Bon. Der ist sehr höflich und freundlich, viel mehr passiert nicht, und das ist eine echte Erleichterung.
Irgendwo in Deutschland sitzen Rob und Max mit den Tänzerinnen in einem Bus, und einer nach dem anderen erzählt von seinem ersten Kuss. «Es gab eine Reihe von Doktorspielen, als ich fünf oder sechs war – zuerst zog ich mich aus, und dann zogen sie sich aus», erzählt Rob. «Ein Mädchen wohnte bei mir um die Ecke. Als wir etwa sieben waren, zog sie mich mal ins Gebüsch, am Ende des kleinen Gartens, und zog ihr Höschen runter, dann machte sie dasselbe bei mir und sagte, steck ihn hier rein.» «Nein!», kreischen die Tänzerinnen. «Ich schwöre! Gott ist mein Zeuge.» «Was hast du gemacht – ein bisschen gerieben?», fragt Max. «Ich hatte keine Ahnung», sagt er. «Ich wusste gar nicht, dass das was mit Sex zu tun hatte. Und außerdem ... », hier dämpft er die Stimme, «... sie hatte Schlittschuhe. Ich wollte Fußball spielen.» «Richtig, die Jungfräulichkeit!», bekräftigt Max. «Wo und mit wem und wie passierte das? Erzählt!» Die Mädchen geben mehr oder weniger detailliert Auskunft. Rob erzählt die Geschichte seines ersten Mals, und als er auf den Geruch zu sprechen kommt, quietschen die Mädchen vor Mitgefühl und Ekel. «Was hast du gemacht?», fragt eine. «Ich hab ihn reingesteckt.» Manche lachen, andere stöhnen. «Mit Gummi?», fragt Max. «Nein, ohne alles!» Rob spricht mit seiner gespielt ironischen Partridge-Stimme. «Aids war noch nicht erfunden. Es dauerte sowieso
nicht länger als eine halbe Minute, und kaum war ich fertig – damals dachte ich, es wäre cool, ich wäre unheimlich cool –, sagte ich: (Kannst jederzeit wieder kommen)» – alles lacht –, «... und ich dachte, das war echt James Bond-mäßig von mir. Und dann ging ich raus auf die Treppe und machte...» Er demonstriert, wie er den Arm anwinkelte und die Faust ballte. Damit drückte er den ganzen Stolz darüber aus, was er gerade gelernt hatte. Aber noch mehr den Mumm, den er brauchte, um zu verschleiern, was er noch nicht wusste.
Im nächsten Hotel, in einer Kleinstadt außerhalb von Köln, haben alle ein paar Tage frei. Rob hat gemischte Gefühle, was Off-Tage während einer Tour angeht. Er muss sich nicht dem Stress aussetzen, der mit dem Konzert verbunden ist, andererseits ist er mehr oder weniger im Hotel gefangen. In diesem Fall handelt es sich um einen 300 Jahre alten barocken Palast, der als Jagdschloss diente. In den Prospekten, die in den Zimmern ausliegen, wird seine lange Geschichte erzählt. «Heute gehört das Grandhotel Schloss Bensberg als exklusives Fünf-Sterne-Hotel zur Althoff-Gruppe und verwöhnt anspruchsvolle Reisende in großem Stil.» Er versinkt noch tiefer im Championship Manager 4. Kaum ist er in seinem Zimmer, schaltet er den Computer an und konzentriert sich ausschließlich auf Cardiff. Er spielt bis morgens um halb sechs, und als er am nächsten Nachmittag aufwacht, geht es sofort weiter. Er steht nicht mal auf. Erst als es Abend wird, verlässt er das Zimmer und auch das Hotelgelände. Er geht ein paar hundert Meter bis zur Stadt, um sich ein Eis und ein paar Süßigkeiten zu kaufen. Der Paparazzo, der den ganzen Tag gewartet hat, schießt ein paar Fotos, als er zurückkommt. Er kehrt ins Zimmer zurück, springt auf sein Bett und klappt den Computer auf. «Ich war draußen», sagt er. «Es ist grausam.» Cardiff steht auf dem 16. Platz in der Ersten Liga. Als er am nächsten Nachmittag aufwacht, wirkt er ziemlich mitgenommen. Aber er hat eine Entscheidung getroffen. Er kommt im
Bademantel auf mich zu und hebt die Hände mit der Championship Manager 4-Diskette. Sie zerbricht nicht, aber er biegt sie so lange hin und her, bis sie nicht mehr zu gebrauchen ist und er sicher sein kann, dass er von jetzt an Ruhe hat. Dann wirft er sie auf eins der vielen Tischchen in seiner Suite. «Ich möchte nicht darüber reden», sagt er. «Kids sollten lieber Bücher lesen.»
Jason wirft einen Blick auf die Schlagzeile der Sonntagsausgabe des Express. Welches bedeutungsvolle Ereignis beherrscht die Nachrichten des Tages? «20.45 Uhr, mitten in der Bensberger City». In fetten Lettern. «Da hast du's», sagt er zu Rob. «Das Aufregendste, was dieses Land gestern erlebt hat, war, dass du um Viertel vor neun ein Eis gegessen hast.» Diese umwerfende Nachricht wird illustriert von einem Foto, das Rob mit einem Schokoeis in der Hand zeigt. Offenbar hat er gerade ein Stück abgebissen; man sieht den offenen Mund und die geschlossenen Augen. Eine andere deutsche Zeitung schreibt über die Absage des Duetts zwischen Rob und Nena. Nena und ihre Leute sind an die Öffentlichkeit gegangen. Sie ist eingeschnappt, weil Rob Zeit hatte, mit Cameron Diaz Gokart zu fahren, aber nicht mal den Anstand hatte, ihr die Absage persönlich mitzuteilen. Es werden kleine, gemeine Dinge diskutiert, mit denen man sich revanchieren könnte, zum Beispiel, dass Tessa Niles, eine seiner Begleitsängerinnen, das Duett mit einer Nena-Perücke singt. Doch Rob lehnt alles ab. Er hat kein Interesse mehr an der Geschichte. In seiner Garderobe schaltet er Eurosport an und sieht sich ein paar Taucher an. «Die Diskette kaputtzumachen ist ungefähr dasselbe, als würde man Koks ins Klo werfen», sagt er. «Das erste Mal habe ich drei große Tütchen Koks, super Qualität, in den Ferien durchs Klo gespült. Es war zehn Uhr morgens – aber ich hatte noch drei in Reserve.»
Max kommt rein. «Wann fahren wir endlich in Urlaub?» «Ich fahre überhaupt nicht in Urlaub, Mann. Erst nächstes Jahr.» «Wo willst du denn hin?» «Ski fahren.» «Nein, das kannst du mit mehreren Leuten machen. Lass uns lieber auf die Malediven fliegen.» «Und was soll ich da den ganzen Tag machen? In der Sonne braten?» «Er würde durchdrehen», mischt sich Josie ein. «Ich bin wie ein kleines Kind», erinnert Rob ihn. «Ich muss die ganze Zeit unterhalten werden.» «Ich kenne ein paar Tricks.» «Die hab ich alle schon gesehen.» «Ich wünsche mir nichts sehnlicher als die verdammte Leere des Bewusstseins», sagt Max. «Und ich, von ein paar hohen Bergen zu springen», antwortet Rob.
Nach dem Konzert fahren wir eine Stunde zurück zum Hotel. Rob erklärt, dass er eine Liste mit Leuten machen will, die ihm etwas bedeuten oder ihn beeinflusst haben. Dann wird er Fotos von ihnen besorgen und sie in den Flur seines Hauses in Los Angeles aufhängen. Während wir über die Autobahn fahren, sitzt er im Dunkeln und macht seine Liste. Hier ist sie. «Mork ...The Fonz ... Homer ... Starsky and Hutch ... Norman Whiteside aus dem 85er FA-Pokalendspiel, weil es das erste FAPokalendspiel und das erste richtige Fußballspiel war, das ich gesehen habe, nicht auf dem Platz, aber immerhin ... Terry Butcher blutüberströmt ... ich hab Muhammad Ali ... Port Vale 1988 ... John Travolta, Grease ... Wonderwoman ... und Batman, da, wo er vertikal die Mauern hochkraxelt ... Spike Milligan ... Dr. Hook ... Pet Shop Boys ... Public Enemy ... N WA ... und einer von Eazy E ...De LaSoul ... Dr. Dre ... Eminem kann auch mit rein, yeah ... Jay Z ... Dusty Springfield ... Bono ... Bowie, Hunky Dory ... egal was von Bowie ... Elvis ... und Tom Jones ... nicht zusammen ... Freddie
Mercury ... ein Foto von Stephen Duffy gehört dazu ... Fred Astaire, Frank Sinatra, Gene Kelly, Norman Wisdom, George Formby ... Grace Kelly ... Lauren Bacall ... Humphrey Bogart ... Dean, Sammy und Frank ... Brigitte Bardot ... Raquel Welch ... Sean Connery und Roger Moore ... Chewbacca, Han Solo, Boba Fett, weil er immer so gemein aussieht, der Millennium-Falke ... Michael Jordan ... David Beckham ... Kobe Bryant und Shaq ... Zidane ... Bop Hope ... und Bing ... von Bing hab ich schon ein klasse Foto ... die Krays ... Peter O'Toole ... Richard Harris ... Oliver Reed ... Keith Moon ... Paul Gascoigne ... die Besetzung von Auf Wiedersehen, Pet, dem Original ... Alan Partridge ... James Taylor ... Ian Botham ... Sid Vicious ... Johnny Rotten ... tja, die Pistols ... Barry Mc Guigan ... de la Hoya ... Roy Jones jun.... DaleyThompson ... Vic und Bob ... der Blackpool Tower ... Bridlington ... Big Ron Atkinson, 1985 ... Brian Clough ... und wer trug noch diesen Filzhut? Er sah verdammt gut aus. Malcolm Allison ... Michael Caine in Get Carter — Die Wahrheit tut weh ... Daniel Day Lewis als Bill the Butcher ... Elton gehört auch hierher ... von Ringo habe ich eigentlich kein wirklich gutes Foto, aber das von George Harrison hänge ich auf ... David Niven, dieses großartige Bild, wo er mit Pfeil und Bogen in einen Swimmingpool springt ... meine Omi ... Tupac und Snoop ... Dave Allen ... Dan Akroyd und Eddie Murphy in Die Glücksritter ... de Niro und Al Pacino lasse ich lieber weg, die hat ja jeder ... Man United für den Dreifach-Triumph ... Wayne Rooney ... Jenson Button ... Goldie Hawn in Schütze Benjamin ... Kris Kristofferson in Convoy ... ich mag Ron Wood, er sieht cool aus Moonlighting, alle beide ... Woody in Cheers ... Barry Sheen ... Kevin Keegan mit Dauerwelle, yeah ... Ozzy ... Slash ... die Banana Splits ... Showaddywaddy, das war der erste Gig, den ich je gese-hen habe ... Scott Walker und Morrissey ... Oasis muss da hängen Wembley, die Twin Towers ... JFK ... Lee Harvey Oswald ... Jacqueline Bisset im Aufzug ... dazu hab ich schon mehr als einmal gewichst ... Kermit, Miss Piggy ... Peter Sellers, Clouseau ... der Artful Dodger, Jack Wild ... Monkey ... Kirk Douglas als Spartakus Sid James ... Das reicht erst mal ... »
Rob rennt einmal durch die Hotelbar, sieht sich um, kehrt in sein Zimmer zurück und schickt dann einen seiner Leibwächter wieder nach unten. Er wird der betreffenden Frau erklären, dass sie Rob aufgefallen ist, es aber schwierig für ihn ist, sich in der Bar zu unterhalten und er sich deswegen freuen würde, wenn sie Lust hätte, auf sein Zimmer zu kommen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Normalerweise hat sie Lust. Aber anschließend verlaufen die Dinge nicht unbedingt so, wie man erwarten würde. Auf dieser Tour beobachtet er immer häufiger das Phänomen, dass sich jede Frau von den anderen Frauen, die ihm nachrennen, unterscheiden will. Einer seiner Leibwächter musste sich neulich abends eine langen Vortrag über den Unterschied zwischen Anhängern («Gute», so wie die Frau selbst, zum Beispiel) und Fans («Böse») anhören. Anhänger lassen den Star in Ruhe. (Und das sagt eine Frau, die es geschafft hat, im gleichen Hotel wie der Künstler abzusteigen und dann in der Hotelbar herumhängt.) «Ich habe es so verstanden», sagt Rob, «dass Anhänger wirklich verdammt verrückt sind und einen umbringen können. Fans dagegen lassen einen in Ruhe, kaufen die Platten und hören sie sich zu Hause an. Ich glaube, ich wäre lieber ein Fan. Lieber Himmel, ist das alles unheimlich. Und jede von ihnen hat eine Beziehung mit mir. Von der ich nichts weiß.» Wenn sie sein Zimmer betreten, verstärkt sich diese Denkweise noch, was irgendwie frustrierend für ihn ist. Rob ist immer mehr überzeugt, dass viele Mädchen gar nicht mit ihm ins Bett wollen, sondern dass es ihnen schon reicht, in seiner Nähe zu sein, indem sie mit den Crew- oder Bandmitgliedern schlafen. Jede von ihnen will anders sein als die Mädchen, die so etwas tun. Die lungern in den aufreizendsten Klamotten tagelang in seiner Umgebung herum und warten nur drauf, einen Augenblick mit ihm allein zu sein. Und wenn sie mit dem Objekt ihrer Obsession im Bett liegen, können sie endlich die magischen Worte aussprechen, die sie um jeden Preis loswerden wollten: «Ich bin kein Groupie.» Heute will niemand mehr ein Groupie sein. Es fällt ihm auf, dass er diesen Satz immer wieder hört. Sie sind überzeugt, dass er eine Gleichgesinnte sucht; er dagegen ist ziemlich
sicher, dass er nur eine Nummer schieben will. Das macht ihn innerlich verrückt.
Am Nachmittag des zweiten Konzerts «auf Schalke», an dem Tag, als der Daily Mirror ihn auf Platz 37 der am wenigsten einflussreichen Personen in Großbritannien aufführt, erklärt er: «Heute Abend brauche ich ein wirklich süßes Mädchen zum Flachlegen.» Mehr verrät er nicht, aber während der Show, gleich nach «Monsoon», zeigt er auf ein Mädchen in der Menge fast am Ende der langen, in die Zuschauer hineinragenden Vorbühne und lässt sie hochheben. Er umarmt sie lange, und dann setzen sie sich gemeinsam auf die Bühne. «Come Undone» beginnt; er sagt ihr, dass sie wunderschön ist, streckt sich dann ganz aus und hält sie in den Armen, während er singt. Beim ersten Refrain springt er wieder auf, tanzt langsam mit ihr und macht ihr Komplimente zu ihrem süßen Mund und den Brüsten. Beiläufig fragt er, ob sie gestern auch schon da war und dieselben Klamotten anhatte. Schließlich verlässt sie die Bühne. Das gab es noch nie, aber es ist der Anfang von etwas Neuem.
«Sie hat gestunken», erklärt er im Bus. (Offenbar ein ständiges Problem.) Doch abgesehen davon — und von seiner Müdigkeit — war die Vorstellung ein Triumph. Das Publikum war noch wilder und begeisterter als am Abend zuvor. Während der Show versuchte ein Mädchen, einen besseren Platz zu ergattern, und kletterte von den Sitzen auf das Dach eines mobilen Klos, das unter ihr zusammenbrach. Sie fiel in die Scheiße und brach sich ein Bein. «Das Großartige an einem solchen Publikum ist, dass es dir treu bleibt bis zum ... » David bricht den Satz ab, als er merkt, dass er sich in eine Sackgasse manövriert hat. Eigentlich gibt es keine Möglichkeit, ihn unverfänglich zu beenden. Rob kommt ihm trotzdem zu Hilfe. «Bis zu dem Tag, an dem ich sage, was ich wirklich denke?»
Mittlerweile wird in den USA die Medienwelt vom Skandal um Jayson Blair erschüttert: Der Reporter der New York Times wird überführt, systematisch und über einen langen Zeitraum hinweg Storys erfunden zu haben. Während der anschließenden Ermittlungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen, die den Chefredakteuren der New York Times schließlich den Kopf kosten, stehen plötzlich auch andere Journalisten im Rampenlicht. Während unseres Aufenthalts im Palast von Bensberg richtet sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gerade auf die Medienreporterin Lynette Holloway. Eins der wichtigsten Beispiele, das zum Beweis ihrer schlampigen Arbeit herangezogen wird, ist der Artikel, in dem sie behauptet, dass vier Millionen Exemplare von Escapology in die USA geliefert würden. Diese «Tatsache» wurde wiederholt als Beweis für Robs Scheitern in den USA zitiert: vier Millionen ausgeliefert, 100 000 verkauft. Die Geschichte war von Anfang an nicht wahr und hätte auch gar nicht wahr sein können. Nachdem herauskam, dass ihr häufiger Fehler dieser Art unterlaufen sind, hat sie relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit ihren Job quittiert. Es ist eine gewisse Befriedigung, aber natürlich zu spät, als dass es noch eine Rolle spielen könnte — der Schaden ist da und zieht immer noch Kreise.
12 Während des Flugs nach Amsterdam steht er auf und geht mit nacktem Hintern den Mittelgang entlang. Auf dem letzten Flug waren es die Eier. Offenbar legt er es auf weitere Eskalationen an. Der Aufzug im Amstel Intercontinental ist holzgetäfelt und mit Lampen und Bildern geschmückt. Auf der Stelle beschließt Rob, den Lift in seinem Haus in Los Angeles genauso zu dekorieren. «Ich möchte den Lachenden Kavalier und Constables Haywain haben», verkündet er. «Und Turners Fighting Temeraire», schlägt Pompey vor. «Nein. Nur das, was meine Oma in ihrem Haus hängen hatte. The Fighting Temeraire war nicht dabei.»
Als wir in der Penthouse-Suite ankommen, die auf den Kanal hinausgeht, setzt er sich hin und sagt: «Josie, darf ich morgen Golf spielen?» «Wann soll es denn losgehen?» Er denkt einen Augenblick nach. «Eigentlich will ich gar nicht», sagt er. «Hör endlich auf, mich ständig zu was zu drängen, Josie.»
An diesem Abend läuft im Fernsehen eine Sendung über Jeff Buckley, bis Rob es nicht mehr aushält: «Ich meine, alles was recht ist, aber für mich hört sich das wie ein einziges Gejammer an.» Anschließend sehen wir ein Video des kürzlich erschienenen Dokumentarfilms The Importance Of Being Morrissey. Rob staunt über den Wahnsinn von Noel Gallagher, ist außer sich, als er Runyon Canyon hinter dem sprechenden Morrissey entdeckt, und entzückt, als eine Australierin, die vor zehn Jahren bei einem Wettbewerb ein Treffen mit Morrissey gewonnen hat, jetzt endlich die Gelegenheit bekommt. «Du hast viele Leute sehr glücklich gemacht», sagt sie. «Das war nicht meine Absicht», antwortet Morrissey, aber sehr charmant. «Er ist wirklich erstaunlich», sagt Rob später. «Ich bin so froh, dass wir Pure Francis haben, denn jetzt kann ich ein bisschen von Morrissey reinpacken und sehen, ob ich tatsächlich was zu sagen habe, verstehst du? Bei mir sind die Gefühle immer ganz einfach, A – B – C, und hin und wieder kommt ein Schuss Ironie dazu, aber abgedroschene Ironie. Bei ihm dagegen geht es von A nach F, zurück zu A, dann von S nach N, verstehst du? Ich hörte auf den Text und dachte, ich wünschte wirklich, ich hätte ihn schon gekannt, als ich so deprimiert war. Scheiße, hier hätte ich wirklich einen Seelenverwandten gehabt.» In mancher Hinsicht sind sie sich sehr ähnlich, fällt mir auf. Zum Beispiel gehen sie an den gleichen Stellen mit ihren Hunden spazieren und führen das gleiche Leben in Los Angeles. Andererseits sind sie aber auch sehr unterschiedlich. «Yeah. Er ist gern allein, ich nicht. Und wo ich mir den Arsch aufreißen würde, nur um mir den Schwachsinn von irgendwem anzuhö-
ren, würde er einfach abwinken.
Am nächsten Morgen finde ich eine E-Mail in meinem Computer, die mir der Rolling Stone in Amerika weitergeleitet hat. (Seit ein paar Monaten berichtet die Presse darüber, dass ich eine Art Buch über Rob schreibe; wahrscheinlich ist das der Grund, warum die Absenderin auf die Idee kam, die Nachricht an mich zu schicken.) Zuerst halte ich das Ganze für Schwachsinn und bin drauf und dran, es einfach zu ignorieren, doch dann sage ich mir, Schwachsinn hin, Schwachsinn her, es ist eine spezifische Warnung, die man ernst nehmen muss. (Im Übrigen ist es eine Warnung vor der Tat eines Verrückten, wie kann ich daher annehmen, dass es nur verrückte Nachrichten und nicht auch verrückte Taten gibt?) Die Nachricht lautete folgendermaßen (... falls es tatsächlich, wie angedeutet, schon eine vorangegangene Mail gegeben haben sollte, so habe ich sie nie erhalten): CHRIS HEATH: ERNEUTE AKUTE GEFAHR FÜR ROBBIE WILLIAMS Sehr geehrter Mr. Heath!
Ich habe keine Antwort von Ihnen erhalten, nachdem ich Ihnen mitteilte, dass Mr. Williams am 11. Juni in großer Gefahr schwebt. Es war mein Fehler, denn im Deutschen sind Juni und Juli fast dieselben Worte. Es passierte also am 11. Juli, aber nicht in London, sondern gestern Abend in Mannheim. Doch jemand, der in London geboren wurde, ist dafür verantwortlich. Vielleicht ein Typ aus der RoadieMannschaft, noch keine 30 Jahre alt. Mit rasiertem Glatzkopf. Nicht die Leute, die für den Aufbau verantwortlich sind, hatten Schuld an dem kaputten Scheinwerfer, es war dieser Schwule. Ich hatte Informationen, dass man auf ihn schießen würde. Aber es war in Deutsch das Wort SPOT für den Scheinwerfer, der auf Robbie hätte fallen sollen. Ich kann mich nicht auf diese Sache konzentrieren, denn ich habe drei Kinder, die mich stören, und eine Menge Probleme, deshalb kennen sie mich und ich bekomme eine Menge negativer Energie von all seinen Feinden, denn die Welt der Wissenschaft schläft nicht, wenn Sie wissen, was ich meine. Er hatte riesiges Glück; sein Schutzengel wachte über ihn. «And through it all she offers me protection, a lot of love ... » Er singt immer Songs über Bilder, die er vorausgesehen hat. Er hat ebenfalls das zweite Gesicht. Doch jetzt ist es tatsächlich Ihre Aufgabe, die Verantwortung für seine Gesundheit und sein Leben zu übernehmen, denn das nächste Problem dürfte am 22. in Antwerpen auftreten. Jemand wird das Drahtseil manipulieren. Wirklich gefährlich. Eine spezielle Wache oder ein Detektiv sollte es im Auge behalten und die Verbrecher in flagranti schnappen. Wenn Sie diese Nachricht nicht an Robbie Williams weitergeben, werde ich sie an die BILDZEITUNG, CNN, MTV oder Radio 7 schicken, und man wird Sie als Journalisten, der sich nur dafür interessiert, Geld mit der Biographie eines toten STARS zu machen, bezeichnen. Jetzt sind Sie dran. GOTT segne euch alle! Die Absenderin gibt ihren Namen und eine E-Mail-Adresse in Deutschland an. Ich leite den Brief an Josie weiter, die mit Pompey darüber spricht. Es wird beschlossen, in Antwerpen für zusätzliche Sicherheit zu sorgen. Natürlich sagt man sich bei klarem Verstand, dass es nichts als eingebildeter Unfug ist — und hasserfüllter Unfug
obendrein, wenn man an die Aufregung und Sorgen denkt, die solche Wahnvorstellungen auslösen können —, andererseits ermuntert Rob seine Umgebung durchaus, Omen, Prophezeiungen und Vorhersagen ernst zu nehmen. Wie könnte man also guten Gewissens eine solche Warnung einfach abtun?
Die Frau, die ihn in Wien auf dem Hotelzimmer besuchte, hat ihre Geschichte verkauft. Er hört sich eine Zusammenfassung ihrer Schilderung an. «Sie sagt also nicht: Ich ging in sein Zimmer, und weil ich nicht besonders gut Englisch spreche, zog ich mich einfach aus, lutschte ihm einen, zog mich wieder an und verschwand. Das hat sie nicht gesagt, richtig?» «Nein», antwortet Josie. In dem Artikel steht, dass Rob sich als schottischer Fußballmanager ausgab, als hätte er tatsächlich versucht, zu verschleiern, dass er der Popstar Robbie Williams ist (... und als hätte sie ihn nicht als solchen angesprochen. Dabei hatte sie ihn in der Hotelbar dermaßen angebaggert, dass er sie zuerst für eine Prostituierte hielt). In Wirklichkeit hatte er ihr nur erklärt, wie man Championship Manager spielt. (Offensichtlich verwechselte sie Wales mit Schottland.) Von den üblichen sexuellen Enthüllungen ist nicht mehr die Rede. Stattdessen wird der Eindruck vermittelt, Rob reise in Europa herum und gebe sich als Manager von Falkirk aus.
Ständig wird irgendwas für Rob abgegeben: Geschenke, Nachrichten, Einladungen. Für manches ist man dankbar, für anderes weniger. Heute bekam er ein Arsenal-Hemd vom letzten FAPokalendspiel, persönlich im Hotel abgegeben von Dennis Bergkamp, und ein Päckchen mit einer handgeschriebenen Nachricht von Tommy Hilfiger. In der Konzerthalle überreicht ihm Skin, die in den letzten paar Tagen als Vorgruppe auftritt, schüchtern eine Ledertasche von Yohji Yamamato. Josie erzählt, sie habe gerade einen Anruf mit einer Einladung für Rob zu Billy Connolly nach Hause bekommen. Und das war nur heute.
Vor Beginn der Show spielt er in der Garderobe eine Weile auf der Gitarre, «Better Man» und «Nan's Song», und hört sich anschließend ein paar U2-Platten an. Die Zeile, die er am lautesten singt, stammt aus «Who's Gonna Ride Your Wild Horses» und lautet: «You're an accident, waiting to happen». (Das erinnert mich an die unheimliche Mail. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, aber das behalte ich für mich.) «Heute Abend mache ich mir echt in die Hose, warum, weiß ich auch nicht», erzählt er der Band, bevor sich alle um ihn versammeln. «Ich hab doppelt so viel Schiss wie sonst. 60 000 Leute ... ich will ins Bett.» Auf der Bühne ist davon weniger zu spüren denn je. Bei «Monsoon» hilft er einem neuen Mädchen auf die Bühne, und diesmal geht es sofort richtig zur Sache, sind die Küsse lang und echt. Diese Nummer mit dem Mädchen auf der Bühne hat er sich von Bono abgeguckt, doch wenn Bono sich mit einem Mädchen auf die Bühne legt, ist alles ganz sittsam, als wäre es ganz selbstverständlich, dass ein gewisser Anstand gewahrt bleibt. Bei Rob scheint man – nicht ohne Grund — anzunehmen, dass er zu allem bereit ist. Heute Abend schnappt sich das Mädchen am Ende des Songs sein Mikrophon, erklärt, sie heiße Sabine und sei die zukünftige Mrs. Williams. Rob wirft ihr den merkwürdigen Blick zu, den eine solche Bemerkung verdient, macht der Band aber trotzdem ein Zeichen, mit «Come Undone» zu beginnen. Dann legt er sich mit ihr hin und küsst sie in den Nacken. Sie schiebt ihm hinten das Hemd hoch und streichelt seinen Rücken, setzt sich dann auf ihn drauf und schiebt nun auch vorn sein Hemd hoch. In null Komma nichts wissen backstage alle Bescheid, und schon versammeln sich die Tänzerinnen auf beiden Seiten der Bühne und schauen zu. Als das Mädchen sich auf ihm sitzend aufrichtet, greift er ihr ins Haar – teilweise wohl, um wieder die Kontrolle über die Situation zu übernehmen –, doch sie lässt unbeirrt ihre Hüften kreisen. Bei der zweiten Strophe schafft er es, sie zum Aufstehen zu bewegen und tanzt mit ihr. Sie trägt ein selbst gemachtes Chacun á son GoutT-Shirt – was man einerseits süß und anhänglich, aber auch ein bisschen schleimig und aufdringlich finden kann. Beim Tanzen fährt ihre Hand seinen Bauch auf und ab, tiefer und tiefer.
Ich laufe David über den Weg. Keiner von uns kann sagen, ob Rob die Sache tatsächlich genießt oder nicht. Kurz vor dem Ende des Konzerts lässt er sich seine akustische Gitarre bringen. «Hier ist noch etwas, was ich normalerweise nicht mache», erklärt er und spielt ganz allein zwei von den Songs, die er zuvor in der Garderobe geprobt hatte. Ab jetzt macht er das fast jeden Abend. Dann folgt «Feel» mit einer herzergreifenden Version der Ankündigung, die sich im Lauf der letzten paar Konzerte entwickelt hat. «Das ist ein Stück, das ich geschrieben habe, als ich ein bisschen deprimiert war. Ich hatte das Gefühl, dass ich es nicht verdiene, da zu sein, wo ich jetzt bin. Dass ich es nicht verdiene, vor euch allen zu spielen. Oder das Leben zu führen, das ich jetzt habe. Ich fühlte mich beschissen. Damals schrieb ich diesen Song. Aber im Augenblick bin ich, wie gesagt, der glücklichste Mensch auf der Welt und möchte mich bei euch bedanken. Danke.» Ich sehe ihn backstage, als er sich für die Zugabe umzieht. «Was für eine irre Nacht», strahlt er. Das Einzige, was ihn in Panik versetzte, war der Moment, als er die Kontrolle über seine Kusspartnerin verlor. «Sie rieb sich an meinem Schwanz. Ich griff zu der alten Man Partridge-Routine:
Sara Cox, die in Amsterdam ist, um ihn für Radio One zu interviewen, kommt am nächsten Nachmittag mit ihrem Produzenten und Soundtechniker ins Hotel. (Er hat ihr gestern Abend «Angels» gewidmet, aber sie war schon gegangen und wollte ihm nicht glauben, als er ihr beim Buffet im Hotel davon erzählte.) Er ist in seinem Zimmer und sieht sich eine Golfübertragung an. Kurz bevor sie kommt, geht er ins Bad, um zu pinkeln, und betrachtet seine Tätowierungen. Einen Augenblick lang fragt er sich, was es für ein Gefühl wäre, wieder einen normalen Körper zu haben, und der Gedanke stimmt ihn traurig: All die Schmerzen, die er durchmachen müsste, um seinen Körper wieder so hinzukriegen, wie er ihn liebt. Sie liegen auf einem Bett in seiner Suite und führen das Interview Tatsächlich ist es Pompeys Bett, nicht seins, und es sind noch sechs andere Leute anwesend. Sie zupft immer wieder ihren kurzen Rock
zurecht. «Warum nimmst du dir nicht ein Kissen», sagt er und reicht ihr eins. «Dann brauchst du nicht ständig Angst zu haben, dass man deinen Slip sehen könnte.» Er macht sich ein bisschen über ihre erstaunlich kräftigen Füße lustig. «Wann hast du Auenland nochmal verlassen?», fragt er. «Bilbo Beutlins macht ein Interview mit mir.» Ehe das Aufnahmegerät läuft, plaudern sie über Liebe und Verliebtheit. Sie sagt, sie würde sich Moulin Rouge nicht zusammen mit ihrem Mann ansehen, weil Kylie Minogue mitspielt. «Ich habe schon lange keine Freundin mehr gehabt», erzählt er. «Und im Moment bin ich auch in niemand verknallt. Anwesende ausgenommen ... » Rob erwähnt, wie er früher gegen Ende einer Beziehung seine Freundin manchmal selbst auf jemand anders aufmerksam gemacht hat, um das schlechte Gewissen zu überspielen. «Ich versuchte, sie buchstäblich zu verkuppeln. Irgendwer erschien auf dem Bildschirm, und ich sagte, guck mal, der ist echt cool und sieht klasse aus, findest du nicht? Er soll auch sehr lustig sein ... Ich glaube, es ist so, wenn sie wirklich gehen muss, dann soll sie lieber mit dem ausgehen als mit jemand, auf den ich eifersüchtig wäre.» «Yeah», nickt sie. «Wenn man jemanden liebt, lässt man ihn gehen, aber nicht mit jemandem ... » «Wenn man jemanden liebt, lässt man ihn ziehen. Aber nicht zu Liam Gallagher.» Alle lachen. «Diddly did dee dee», sagt er. Sie ist genau zur rechten Zeit aufgetaucht. Trotz aller Albernheiten und des kleinen Flirts hat er Lust dazu, sich ernsthaft zu unterhalten. Sie sprechen ausgiebig über Abhängigkeit, wie es ist, auf Tour zu sein oder Mädchen auf der Bühne zu küssen. «Darf ich dich übrigens mal nach den happy pills fragen, wie du sie nennst? Nimmst du sie immer noch oder ist das ...» «Nun, ja, ja. Sie scheinen jetzt überall aufzutauchen, und ich glaube, das liegt daran, dass niemand im alltäglichen Leben in Großbritannien davon spricht oder auch sonst wo. Ich glaube, es ist einfach ehrlich, darüber zu reden, und jedes Mal, wenn einer davon anfängt, krümmen sich meine Zehen ein bisschen ... aber ja, ich nehme dieses Zeug, weil es mir das Gefühl nimmt, lieber nicht auf der Welt zu sein, verstehst du.»
«Sorry, ich hoffe, ich habe dich nicht verletzt.» «Nein, überhaupt nicht, aber du hast da was gesagt, was irgendwie, es ist so, ich habe das Gefühl, uh, dass ich darüber reden sollte. Und weißt du, ich rede darüber, weil es vermutlich eine Menge Leute da draußen gibt, die dasselbe Gefühl gehabt haben oder es jetzt noch haben und nicht wissen, was sie damit oder dagegen machen sollen. Und oft denke ich, also verstehst du, ich werde nicht für den Rest meines Lebens einer von ihnen sein oder so, aber ich denke schon, dass es ein Fall von – stell dir vor, ein Kind wird vor seiner Schule überfahren und sie stellen diese Bodenschwellen auf. Ich stelle die Bodenschwellen lieber auf, bevor ein Kind überfahren wird, das ist alles.» «Das ist wunderbar ausgedrückt.» «Ich glaube, man hat so ein Stigma:
noch gar kein Ecstasy genommen.» Die Verbindung könnte darin bestehen, dass Ecstasy sich als Ausweg aus der Depression tarnt, in Wirklichkeit aber die natürlichen Ressourcen, die man hat, um damit umzugehen, weiter abbaut. Es ist ein bisschen so, als würde man unter seiner Armut leiden und sich gleichzeitig einbilden, die Lösung für alle Probleme wäre ein echt fetter Überziehungskredit.
Wenig später ist das Interview vorbei, Sara Cox verschwindet, und der Rest des Tages wartet. Es macht ihm immer mehr zu schaffen, dass ihn der Rummel um seine Person Tag für Tag zwingt, im Hotelzimmer herumzuhängen. Er langweilt sich. Kurz vor Anbruch der Dämmerung beschließt er dennoch, einen Spaziergang zu machen. Etwa ein Dutzend Fans umringt ihn, als er die Treppe herunterkommt. Es war klar, dass es so kommen würde. «Mädels, ich möchte einen Spaziergang machen, bitte lasst mich durch. Ich langweile mich und muss mich bewegen.» Aber natürlich werden sie ihm folgen. Wie üblich. Er geht die Straße hinunter, weg vom Kanal, und wir sind noch keine hundert Meter weit gekommen, als ihm etwas Merkwürdiges auffällt. Etwas, das auf wundervolle Art fehlt. Ich glaube, er nimmt das Theater auf sich und bittet sie jedes Mal, ihn in Ruhe zu lassen, obwohl er genau weiß, dass sie sich nicht daran halten werden, weil der Ausdruck einer derart vernünftigen Erwartung ihn menschlich bleiben lässt, selbst wenn sie immer wieder enttäuscht wird. Er geht nicht wirklich davon aus, dass seine Wünsche zur Kenntnis genommen oder gar erfüllt werden. Doch an diesem Abend gehen wir die Straße entlang, und nicht ein einziger Fan folgt uns. Um zu verstehen, was diese kleine Geste der Höflichkeit für ihn bedeutet und wie sehr es ihm den Tag verschönert, muss man sich nur die unzähligen Male vorstellen, bei denen sein Wohlbefinden durch das Gezerre an seiner Person beeinträchtigt wird. Und genau deshalb ist sein nächster Schritt logisch — obwohl es so scheint, als kehrte hier jemand, der endlich frei ist, geradewegs in sein Gefängnis zurück. «Scheiß drauf>, sagt er und geht zurück zu der Ecke, wo die Fans herumlungern.
«Es ist das erste Mal, dass sich Menschen, die ich gebeten habe, mir nicht zu folgen, sich tatsächlich daran gehalten haben. Deshalb möchte ich euch alle zu einem Drink einladen.» Es sind 13. Er führt sie zu dem Café auf der anderen Seite des Hotels, und wir sitzen alle an den Tischen draußen, zu denen er gestern runtergebrüllt hat. Sie stellen ihm Fragen, zuerst ein wenig zögernd. Sie wollen etwas über das Mädchen auf der Bühne wissen. Er bestellt ihnen Drinks und ein paar Snacks. Sie fragen, was er den ganzen Tag gemacht hat. «Nichts. Ich habe mir eine Partie Golf angeguckt und dann ein Interview für eine englische Radiostation gegeben.» «Gibt es einen Swimmingpool im Hotel?», fragt ein Mädchen. «Yeah», antwortet er verblüfft. «Aber da war ich noch nicht.» «Wie war die Fotosession?» «Es gab keine Fotosession.» «Aber wir haben ein Blitzlicht gesehen.» «Das war eine Hochzeit.» Sie haben das getan, was alle Fans tun: den ganzen Tag vor dem Hotel gesessen, die wenigen Ereignisse, die sie mitbekommen haben, aufgegriffen und sie mit dem verflochten, was sie sich unter dem Leben eines Popstars vorstellen. In ihrer Phantasie findet ein sehr viel glamouröseres Leben statt als in der Realität. Wie sollen sie sich die Langeweile, das Rumhängen, die unzähligen Kaffees vorstellen, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, dass das Objekt ihrer Aufmerksamkeit zufrieden auf dem Hotelbett liegt und Kabel-TV guckt? Sie fragen nach Los Angeles, den Hunden, Justin Timberlake, Take That, erinnern sich, dass er «Mackie Messer» hier einmal als Karaoke gesungen hat und wie er sich mit 18 in Amsterdam zum ersten Mal tätowieren ließ. Einmal entdeckt er auf der anderen Straßenseite jemanden, der aussieht wie ein Paparazzo, springt auf und geht zwischen den Knien seiner Fans in Deckung. Als er sich wieder hinsetzt, fragen sie, warum Kelly Osbourne im Vorprogramm auftritt. Keiner von ihnen scheint das zu verstehen. «Sie ist ein interessanter Popstar. Nennt mir einen interessanten weiblichen Popstar. Christina Aguilera ist nicht interessant.» Einer schlägt Jewel vor. «Sie ist musikalisch, sie ist super und sehr schön,
aber sie ist nicht interessant. Kelly Osbourne ist extrem interessant. Und wir brauchen Leute wie sie, die sich nichts sagen lassen.» «Britney Spears?» «Ich mag Britney Spears auch, aber sie ist nicht interessant.» «Björk», sagt ein Mädchen entschieden. «Björk ist interessant», räumt er ein. «Aber sie ist kein Popstar. Sie ist ein Fremdling. Das meine ich als Kompliment.» Dann erklärt er, dass er jetzt nach oben gehen und sein Buch lesen will. (Es ist eins, das ich ihm geschenkt habe, Jon Ronson: Them: Adventures With Extremists.) «Verschwörungstheorien, UFOs, Zeug, von dem man paranoid werden kann», erklärt er ihnen. «Als hätte ich nicht genug davon.» Als er in sein Zimmer kommt, sieht er, dass sie immer noch draußen vor dem Café sitzen, und winkt ihnen zu, bevor er die Vorhänge für die Nacht zuzieht. Er liest bis um sechs Uhr morgens und kommt zu dem Schluss, dass die gruseligste Figur in dem Buch, das ansonsten von islamistischen Extremisten, Ku-Klux-Klan-Mitgliedern und Leuten bevölkert ist, die an die Weltherrschaft einer geheimen Echsensekte glauben, Reverend Ian Paisley ist. Kurz nach eins am nächsten Mittag versucht Josie, ihn sanft zu wecken. «Was für ein matter Krieger», neckt sie ihn. «Yeah», grunzt er schwach. Er stolpert in den Salon, starrt auf die Schale mit Müsli, die auf dem Tisch steht, nimmt sich ein paar Stücke Papaya und lässt sie auf eine Zeitung fallen. «Ich kann den Traum nicht abschütteln», sagt er. «Es ging um Kinder in einer Art Schwebezustand. Sie schaffen es nicht auf die andere Seite.» Stockend erzählt er mehr. «Ich war in meinem alten Haus in Tunstall. Sie wussten nicht, dass sie nicht richtig da waren. Sie fingen an, Dinge zu bewegen. Sie schliefen in meinem Bett. Max war da und Chris Sharrock und dann noch diese bei-den Geister in meinem Bett. Ich musste eine Möglichkeit finden, sie nach Hause zu bringen ... » Ich frage, ob er den Geistern gesagt hat, dass sie gar nicht da sind. «Na ja», meint er. «Als ich es erwähnte, wurden sie richtig verlegen.»
Sara Cox sitzt mit im Flugzeug, um den letzten Teil des Interviews zu machen. Aber vorher wirft Rob einen Blick in die britischen Zeitungen. Es gibt einen traurigen Bericht über Paul Gascoignes anhaltende Alkoholprobleme. «Ich hoffe, er schafft es. Früher hat er mich immer angerufen. Damals spielte ich sonntagmorgens in einer Mannschaft, und er rief um halb zehn an, stocksauer, kurz vor dem Anpfiff.» Kurz nach dem Start verschwindet er in der Toilette. Auf seine Bitte hin war Josie für ihn einkaufen. Sara Cox spricht in ihr Mikrophon. Sie beschreibt den Zuhörern die Szene und wie es ist, wenn man mit Robbie Williams im Flugzeug unterwegs ist. «Keine Duty-Free-Gaunereien ... kein Verkehr mit dem Abschaum ... kein Firlefanz am Zoll ... » Rob erscheint im Gang. Er trägt eine lockige schwarze Perücke, einen spitzenbesetzten schwarzen BH, eine Netzstrumpfhose, die hinten offen ist und den Arsch frei lässt, und einen glänzenden roten Sackhalter, in den er seine Männlichkeit gestopft hat. So stolziert er durchs Flugzeug. «Macht Robbie so was öfter?», fragt Sara Cox die Stewardess. «Normalerweise zeigt er nur den Hintern», erklärt sie hilfsbereit. Rob kommt zurück und setzt sich. «Sollen wir mit dem Interview anfangen?» «Gefällt es dir?», fragt Max lachend. Rob tut so, als sei er schockiert über diese Unterstellung. Es ist Entertainment, kein Vergnügen. «Keine Spur», antwortet er. «Es ist ziemlich seltsam. Ich habe Netzstrümpfe an.» Er bittet Josie, ihm seine richtigen Klamotten aus der Toilette zu holen. «Ich habe einen BH an.» «Nicht mal ein kleines bisschen?», drängt Max. «Nein, ganz und gar nicht», antwortete er entrüstet. «Es war schon auf der Toilette ein ziemlich komisches Gefühl, aber ich dachte, ich muss da durch.» Er streift die schwarze Hose über und zerreißt die Schnur des Sackhalters, sodass er ihn dezent entfernen kann. Sara Cox fragt, ob er die Netzstrumpfhose an die Zuhörer von Radio One verlosen will. «Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre.»
Er träumt von Hunden, und dass er in Italien vor Gericht erscheinen muss. Das Ganze ist ein einziges Durcheinander, und Josie und er können sich nicht entscheiden, was er zu seinem Auftritt vor dem italienischen Gericht tragen soll. «Es geht nur ums Image», sagt er zu ihr. Er meinte, er sollte den Anzug wechseln, damit man die Tätowierungen nicht sieht. «Ich ziehe mich schnell um», sagt er. «Wie viel Zeit haben wir noch?» «Wir hatten zwei Minuten», antwortet Josie in seinem Traum, «vor zwei Minuten.»
13 Die Menschen in Robs Umgebung passen ihr Leben seinen wechselnden Rhythmen an. Je länger die Tour dauert, umso später wacht er auf, bis er genau dieselbe Routine hat, die er am Ende der letzten Asientour so gehasst hat. Aufstehen am späten Nachmittag, Vorbereitung auf das Konzert, Auftritt und anschließend die Suche nach Unterhaltung, Liebe oder Ablenkung bis in die Morgenstunden. Je mehr Zeit vergeht, umso unglücklicher scheint er mit dem zu sein, was er macht, bis man den Eindruck hat, dass er nur noch die Zähne zusammenbeißt und durchhält, von einem Tag zum nächsten. Man spürt, welche Mühe sich alle um ihn herum geben, um ihn zu unterstützen oder ihm zu helfen, sich erfolgreich die Zeit zu vertreiben – weniger aus pragmatischen Gründen (weil es ohne ihn gar keine Tour gäbe) oder professionellen (weil er ihr Arbeitgeber ist), sondern weil sie spüren, dass sich die Tour für ihn mehr und mehr zu einer Folter in Zeitlupe entwickelt. Er hat etwas an sich, was den Menschen in seiner Nähe das Gefühl gibt, sie müssten sich um ihn kümmern und ihm das Leben erleichtern. Die Zeiten nach dem Aufwachen und nach der Show verbringt er großteils zwischen seinem Hotelzimmer und den öffentlichen Bereichen eines Hotels – der Bar, dem Restaurant, der Lobby – in der Hoffnung, sich etwas ablenken zu können. Er pendelt nach einer eigentümlichen, individuellen Methode zwischen diesen Orten hin und her, auf eine Art, die jedem, der noch nicht daran gewöhnt ist, merkwürdig erscheinen muss. Zum Beispiel verlässt er einen Raum grundsätzlich in dem Augenblick, wenn es ihm passt, egal, was um
ihn herum passiert. Vielleicht ist diese Angewohnheit eine Folge des Bedürfnisses, sich den Ritualen einer höflichen Verabschiedung zu entziehen. (Für berühmte Menschen kann ein Abschied ziemlich anstrengend sein: Statt sich mit einem schlichten «Bis dann» aus dem Staub machen zu können, muss man sich mit Leuten abgeben, die ihre letzte und meist einzige Chance nutzen wollen, ein wichtiges Anliegen mit ihrem prominenten Gegenüber zu besprechen.) Vielleicht ist es auch nur ein Luxus, an den er sich gewöhnt hat, so wie die Tatsache, dass fast jeder Zigaretten zur Hand hat, wenn er eine rauchen will. Wie auch immer, wenn er aufbrechen will, geht er einfach, gewöhnlich ohne auch nur ein Kopfnicken und in einem ziemlichen Tempo. Wie viele charismatische Entertainer weiß er, wie man einen Raum so betritt, dass jeder es mitkriegt. Aber er hat auch die möglicherweise schwierigere Kunst erlernt, einen Raum zu verlassen, ohne dass jemand es merkt. Wenn man ihm folgen will, muss man bereit sein, jede seiner Bewegungen im Auge zu behalten und jede andere Unterhaltung auf der Stelle abzubrechen. Zu Beginn war mir nicht klar, was das zu bedeuten hat: Heißt die Tatsache, dass er den Raum verlassen hat, ohne mich zum Mitkommen aufzufordern, dass ich nicht erwünscht bin? Oder muss ich es als Unhöflichkeit, gar Anmaßung empfinden? Nein, sein Verhalten ist alles andere als respektlos gemeint: Außer bei seinen Leibwächtern geht er garantiert nicht davon aus, dass jeder ihm folgt, sich seinem Tempo unterordnet oder gar nach seiner Pfeife tanzt. Seine Haltung bedeutet eher: Ich gehe, weil ich jetzt Lust dazu habe, und du kannst bleiben oder mitkommen, wie du willst, ich aber ... bin schon weg. Besonders unterwegs und an Orten wie Hotelbars ist der unangenehmste und gelegentlich auch peinliche Aspekt daran, dass man häufig nicht zwischen seinem endgültigen Aufbruch und einem seiner ständigen Toilettenbesuche unterscheiden kann. Will man bei ihm bleiben, hetzt man ihm häufig nach, nur um dann mit Pompey, Gary oder Jason vor der Klotür herumzustehen und ihn Sekunden später zurück in die Bar zu begleiten.
In Antwerpen sitzt er im Backstage-Bereich und sieht sich Queen auf VH1 an. Dann spielt er Nancy Sinatras «These Boots Are Made For Walking» und erzählt, dass Britney Spears dieses Stück mit ihm auf Swing When You're Winning singen wollte. Es kam nicht dazu, weil ihm stattdessen das düstere «Some Velvet Morning» vorschwebte, wozu wiederum Britney keine Lust hatte. (Primal Scream setzte es dann mit Kate Moss um.) Bevor er auf die Bühne geht, heizt er seiner Band ein. Sie seien dem Publikum einfach eine gute Show schuldig. «Das ist mein voller Ernst – sie leben in Antwerpen, sie langweilen sich zu Tode. Wahrscheinlich sind es die gelangweiltesten Leute der Welt. Ja, bestimmt. Also gehen wir jetzt raus und bieten ihnen die ganze beschissene Palette: Spaß, Aufregung, Unterhaltung, Lachen und Weinen. Und vielleicht sogar einen nackten Arsch.» Obwohl mir die Abseilnummer zur Eröffnung seit der E-MailWarnung grässliche Sorgen macht, vergesse ich sie komischerweise ausgerechnet an dem Abend, für den die Warnung bestimmt war. Gott sei Dank, denn die Eröffnung grenzt auch schon so an ein Fiasko. Es gibt an diesem Ort nicht genügend Platz für die üblichen Leinwände am Bühnenrand, daher wird Rob zwischen zwei riesigen Laken hochgezogen, die anschließend eigentlich herunterfallen sollen, was sie aber nicht tun. Ein paar Sekunden lang ziehen die Mitarbeiter der Crew verzweifelt und immer stärker an ihnen, bis der am Seil baumelnde Rob in einer dreieckigen Öffnung zumindest teilweise sichtbar wird. Das Programm wurde in den vergangenen Tagen immer exzentrischer, je mehr sich seine Langeweile und Frustration steigerten, doch heute erreicht es einen vorläufigen Höhepunkt. Es gibt viele Fetzen fremder Songs, eine Schimpfkanonade gegen Zuschauer, die unbedingt sitzen wollen, eine Belehrung, dies sei kein Sting-Konzert und die Aufforderung: «Hoch das gute Bein! Hoch das böse Bein! Hoch das Bein dazwischen!» Am Ende des Abends, nach «Rock DJ», hält er die wahrscheinlich irrste Rede der ganzen Tour. Sie beginnt mit einer spontanen Interpretation von Nellys «Hot In Here». «Das ist der letzte Song. Yeah. Ich weiß. Ich weiß. Ich habe gesagt, ich würde mehr spielen, und sie sagten ... nein. Scheiß auf sie. Scheiß auf alle. Die Mächte, die uns alle kontrollieren. Ah. Geheime Mächte. Vier
Meter lange Echsen!» Pause. «Kleine Menschen mit Schnurrbärten.» Längere Pause. «Mittelgroße Frauen mit großen Brüsten. Die kontrollieren mich. Ich weiß nicht, wie es mit euch ist. Jedenfalls, ohne den nächsten Song wäre ich nirgends. Und ihr würdet auf eine leere Bühne gucken. Und ich wäre ... irgendwo anders, vermutlich.» Pause. «Uh, heute Abend habe ich scheinbar den Verstand verloren, in Antwerpen, tja. Also echt. Und er kommt wohl auch nicht wieder!» Er dagegen schon. Er singt «Back For Good». Es ist normal, dass er den Text durcheinander bringt, aus lauter Übermut und Respektlosigkeit, aber niemals so wie heute. «Singt es für Barlow!», ruft er. «I got lipstick marks a dingy dingy-bingy plinky plonky plinky plonk plinky-plonk I got a fist of pure emotion, I've got a head of battered beans ... » Die letzten Worte, die er den alles andere als gelangweilten, aber deutlich verblüfften Bewohnern von Antwerpen vorträgt, lauten folgendermaßen: «I want you back! I want you back! I want you back! I want you back-a! I want you-back-a! I want Chewbacca! I want Chewbacca! And R2D2!» Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Bewohner von Antwerpen daran irgendwas merkwürdig finden. Robs Talent besteht unter anderem darin, mindestens zwei Arten von Popmusik zu beherrschen, die sich eigentlich widersprechen: Musik voller Eleganz («Feel» und «Angels» zum Beispiel – das Zeug, das mir instinktiv am besten gefällt) und Musik, der auf glorreiche, grandiose Art jede Eleganz fehlt («Rock DJ» oder «Monsoon»). Genauso ist er in der Lage, innerhalb von Sekunden Frauen dazu zu bringen, ihre Titten zu zeigen oder ein Publikum zu Tränen zu rühren. Wie Religion und Wissenschaft existieren diese widersprüchlichen Kräfte, die sich eigentlich aneinander reiben müssten und nach irgendeiner Art von Lösung oder Kompromiss verlangen, nebeneinander und durcheinander. Die Zuschauer haben die Wahl, was und wie viel sie davon mitnehmen wollen.
Beim Buffet im Hotel zündet er sich eine Zigarette an. Seine Silk Cut-Packungen sind mit den neuen, sicheren und abwegigen Gesundheitshinweisen versehen, die Andy Franks im Internet entdeckt hat. «Nikotin schützt vor AIDS.» – «Tödliche Langeweile kann zum Rauchen führen.» – «Raucher sehen hart und cool aus.» – «Jesus raucht.» – «Zigaretten verhindern internationalen Terrorismus.» Rob hält eine Packung hoch: «
Am nächsten Morgen entdeckt Josie einen olivgrünen BH auf einem Stuhl im Salon von Robs Suite, der sich im Verlauf eines nicht näher erläuterten Ereignisses dorthin verirrt hat. Sie hebt ihn auf und wirft Rob einen fragenden Blick zu. Er zuckt die Achseln. «Manchmal trage ich eben gern BH s!»
«Das war ein grausamer Witz gestern Abend», sagt Max im Flugzeug zu Rob. «Du hast wirklich gut geschauspielert. Das hat gesessen. Es hätte mich wirklich traurig gemacht, wenn du