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Über dieses Buch ›Festung 10‹, eigentlich eine Kurzgeschichtensammlung, kann aufgrund des nahtlosen Ineinanderpassens der Stories ohne weiteres als Roman angesehen werden, als Chronik einer zukünftigen Welt. Wie nahezu alle Werke Bunchs trägt auch ›Festung 10‹, sein Hauptwerk bisher, antiutopischen Charakter. Bunch schildert, durch die »ersetzten« Augen von ›Festung 10‹ gesehen, nicht ohne Seitenhiebe auf die Realität, eine »wunderschöne« Welt der Zukunft, wo der Mensch seines lästigen Fleisches entledigt, endlich den Tod besiegt hat und sich nun den »Freuden« des Alltags hemmungslos hingeben kann. Eine Plastikwelt mit Festungen, deren Festungsherren, wenn sie nicht gerade über »allumfassende schwere Probleme« nachdenken, Kriege gegeneinander fuhren, um der Langeweile zu trotzen. Das ist die Welt von ›Festung 10‹, dem ruhmreichsten aller Festungsherren in Moderan, und die wäre für ihn in Ordnung, wenn keine Zwischenfälle einträten und er nicht seltsamen Besuch bekäme, der seine »moderne« Weltanschauung auf eine harte Probe stellt … Der Autor David R. Bunch ist ein wenig bekannter, dafür aber um so talentierterer amerikanischer SF-Autor. Die einzige Information über ihn war im Magazin of Fantasy and Science Fiction zu lesen und besagte, daß er Angestellter des ›Aeronautical Chart and Information Center‹ in St. Louis sei und hauptsächlich für kleinere Magazine schreibe. Bunch ist ausschließlich auf dem Kurzgeschichtensektor tätig. Er veröffentlichte eine stattliche Anzahl Stories in Amazing und Fantastic, die aber alle
nur eine durchschnittliche Länge von ca. 5 Seiten aufwiesen. Das mag ein Grund dafür sein, warum er solch geringe Popularität genießt. Nur einmal kam eine Diskussion über Bunch in Gang, als ein Leserbrief in o. e. Magazin ihn in Grund und Boden verdammte. Dieser Brief löste eine Flut von üblen Schmähreden auf seinen Autor aus, doch nach einigen Ausgaben versiegte der Strom und man stritt sich wieder mit alter Leidenschaft darüber, ob Otis Adelbert Kline besser Zweikämpfe schildern könne als Edgar Rice Burroughs oder umgekehrt. (Peter Ripota in MRU 100)
David R. Bunch
FESTUNG 10 Moderan Science Fiction Roman
Fischer Taschenbuch Verlag
Deutsche Erstausgabe Fischer Taschenbuch Verlag Juli 1974 Umschlagillustration: Eddie Jones Umschlagtypographie: Jan Buchholz/Reni Hinsch Titel der amerikanischen Originalausgabe ›Moderan‹ Erschienen bei Avon Books, New York Aus dem Amerikanischen übertragen von Gerd Hallenberger Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main © Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1974 © by Avon Books Gesamtherstellung: Hanseatische Druckanstalt GmbH, Hamburg Printed in Germany Scan by Brrazo 07/2011 ISBN 3 436 01922 4
Inhalt Vorwort ...................................................................... 11 Teil 1: DIE ANFÄNGE ............................................. 29 Blick zurück (Unser Gott ist ein hilfreicher Gott!).... 29 Keine Risse oder Dellen............................................. 36 Die Schmetterlinge waren so groß wie Adler ............ 52 Über neue Könige macht man keine Witze ............... 61 Es kam ein roter Teppich … ...................................... 72 Die gewonnene Schlacht............................................ 81 Ich hoffe, ich habe mich klar und unmißverständlich ausgedrückt ................................. 88 Die Neumetallgeliebte................................................ 93 Das Tal der Weißen Hexen ........................................ 99 Die blasenförmigen Heime ...................................... 115 Ein falscher Schritt................................................... 122 Das Überlebensprogramm ....................................... 131 Neumetall ................................................................. 140 Die Festung .............................................................. 150 Ungefähr im Jahre 2064........................................... 152 Tag der Buße in Moderan ........................................ 161 Eine seltsame Gestalt kam in die Festung................ 168 Wieder auf dem rechten Weg .................................. 178 Der Mann, dem alles egal war ................................. 190 Teil 2: DAS ALLTAGSLEBEN IN MODERAN ... 199 Der Ewigkeit trotzen ................................................ 199 Im innersten Raum der Macht.................................. 202 Das Problem............................................................. 206 Die Spielgefährtin .................................................... 211 Der vollkommene Vater........................................... 223
War sie nicht schrecklich? ....................................... 232 Ein flüchtiger Blick auf die Vergangenheit ............. 240 Wenn die schwarzen Katzen kommen..................... 253 Manchmal werde ich so glücklich ........................... 259 Erinnerungen............................................................ 265 Weihnachtsfest eines kleinen Mädchens in Moderan .271 Teil 3: DAS ENDE ZEICHNET SICH AB ............. 289 Der Mann aus Moderan-Camelot............................. 289 Das Wiedersehen...................................................... 299 Die Warnung ............................................................ 307 Hat irgendjemand diesen Reiter gesehen? ............... 315 Unterbrechung des Gemetzels ................................. 322 Das Blumenwunder.................................................. 336 Ein Vorfall................................................................ 351 Der Letzte Entschluß................................................ 359 Entscheidungsunfähig und wartend ......................... 373 Wie man sich an einem Jüngsten Tag der Seele zum Zwecke eines Nicht-Beginns annahm.............. 375 Wie es endete ........................................................... 383
Vorwort Wunderlich waren sie, diese Aufzeichnungen, seltsam und uralt. Sie wurden an die Küste gespült, als die moderanischen Meere endlich schmolzen. Wir, die Strahlenmenschen, die Menschen des Traums des Geistesreiches, spielten sie auf die altmodische maschinelle Art und Weise ab und erkannten mühelos, daß sie von einer sehr ungewöhnlichen Welt berichteten, von einer Welt des Übergangs, wenn Sie so wollen, zwischen dem, was wir heute sind und dem Tod und den Niederlagen, die diese Menschen zu überwinden hofften. Neumetallmenschen! Das Wort hat einen guten Klang. MODERAN! Es schien wirklich ein ziemlich großartiger Plan zu sein, dessen bin ich mir sicher, und, wer weiß, vielleicht hatte er sogar gute Chancen zu gelingen. Aber alle Gesellschaften, alle Zivilisationen, alle Bestrebungen müssen scheitern am unablässigen Zerren der Zeit, die über alles ein Leichentuch breitet, so scheint es. Was übrig bleibt, sind einige kleine Knochen, Fossilien, ein zu Stein gewordener Schuh vielleicht, ein knöcherner Knopf im Meer möglicherweise, ein juwelengeschmücktes Andenken an eine alte Liebe. In diesem Fall waren Bandaufzeichnungen übriggeblieben, auf denen ein großer »König« seine Lebensgeschichte der Hoffnungen, Ängste und Kriege – jawohl, KRIEGE! festgehalten hatte. Vielleicht war dieser »König« ein recht fähiger Schriftsteller, eine Art verlorener König Jakob. Seine Prosa verrät wirklich eine natürliche Begabung, obwohl sie manchmal ermüdend wird; manchmal verwendet er viel Mühe auf offensichtliche Dinge und wird unklar, wo es ausführlicher Erläuterungen bedurft hätte; manchmal redet er viel, wo er besser weniger gesagt hätte, manchmal re11
det er wenig, wo er besser mehr gesagt hätte. Zumindest scheint es mir so zu sein. Aber andererseits repräsentiere ich als Mensch des Geistes die wahre Leistungsfähigkeit von Maschinen, meine Fertigkeiten gegen seine menschlichen Fehler – das ist recht unfair! Ja, wir sind die Menschen des Geistes, wir sind hoch hinaufgekommen von der Welt, von der diese Bandaufzeichnungen berichteten. Wir haben wirklich die Unsterblichkeit erlangt, von der diese Schurken nur träumen konnten. UNREIF! O ja, sie waren grob und unreif, und doch hatten sie sicherlich einen gewissen Schwung und Begeisterung, was diese von einem »König« gemachten Aufzeichnungen klar beweisen. Er ist sicherlich ein clownhafter »König« gewesen, aber trotzdem war er immer ernst. Er war egozentrisch – wer könnte das bestreiten? Die meiste Zeit war er erschreckt, er erschreckte vor sich selbst, er erschreckte vor der Zeit, er erschreckte vor seinen Feinden, allen anderen Menschen, er erschreckte vor der Weißen Hexe – erschreckte erschreckte. Und doch gibt es auch die Sache, wie wir zugeben müssen, daß das sehr menschliche in dieser Hülle eines Mannes wieder Anmut gewinnt; der, obwohl er so schrecklich behindert war, seine Prahlereien bis zum äußersten treiben konnte und fadenscheinig durch die Welt gehen konnte und jubelte: »Ich bin der Größte! Ich bin Der Größte! ICH BIN DER GRÖSSTE – und ich werde es beweisen!« Und als ich diese Bänder »abhörte« und diese Geschichten für Sie aufzeichnete, bin ich mehr als doppelt überzeugt worden, daß dieser Mann, dieser »König«, diese Festung Nr. 10, wenn Sie so wollen, irgendwie Gedanken von eigenständigem Wert hatte, die seinem Arsenal von Ängsten zumindest gleichkamen und sie besiegte. Und das müßten wirklich bedeutsame Vorstellungen und ein bedeutsamer Sieg sein, denn seine Ängste waren wirklich groß. 12
Ich habe Ihnen nicht alle Bänder vorgelegt, denn, wie die meisten Menschen vor uns neigte er dazu, sich zu wiederholen, als er versuchte, seine Ängste, seine Bestrebungen, sein Versagen und das, was er vollbracht hatte, eindeutig klarzulegen. Um ganz ehrlich mit Ihnen über das zu sein, was ich getan habe, ich habe die Bänder herausgesucht, die, während sie seine Geschichte ohne Auslassung wiedergeben, den größten Eindruck auf mich gemacht haben. – Das ist ziemlich menschlich, nicht wahr? Und, haben Sie daran keinen Zweifel, ich bin menschlich. Ich werde Ihnen kurz etwas mehr über mich erzählen und dann werden wir zu dieser MODERAN-Geschichte kommen. Ich bin, wie ich schon sagte, ein Mensch-des-Geistes, wie es fast alle von uns heute sind, mit Ausnahme der Bewohner jenes landumschlossenen, vom Meere ausgehungerten kleinen Landes, das sich JA! immer noch Älteran nennt. Ich stamme von den großen Maschinen. Ich brauche nicht zu sterben. Ich und meine Art sind wirklich, wenn Sie so wollen, die Erben des MODERANISCHEN Traumes, wie er sich in diesen Geschichten manifestiert, die ich Ihnen gleich von den Bändern vorstellen werde (ich habe sie im wesentlichen unverändert gelassen, obwohl ich sie sicherlich verbessern könnte, denn ich stamme von den Maschinen! Ich bin leistungsfähig). Um es kurz zu machen, sie wurde für uns entdeckt, nein! nicht entdeckt, entwickelt, eine Methode, den Menschen vor der tiefen Erde und der ewigen Dunkelheit zu bewahren. Eine wirkliche Methode, ihn zu retten, nicht irgendein Unsinn wie Träume, Religionen oder eine andere mythische Schwindelei – nein, nicht einmal die MODERANISCHE Methode, die das Spiel fast gewonnen hätte. Diese Methode, die wir haben, ist wirklich und vollkommen, solange die großen Maschi13
nen im Norden arbeiten, um unsere Strahlen aufrechtzuerhalten. Und natürlich WERDEN sie es immer machen. Wir haben Maschinen, die andere Maschinen bewachen und unterhalten. Wir haben eine ganze Hierarchie von Spionen und Gegenspionen der Maschinen und den vollkommensten Maschinen-Maschinen-Reparaturdienst, den jemals ein menschliches Wesen, egal ob sterblich oder unsterblich, erfunden hat. Sie werden fortdauern. ICH WEISS, DASS SIE ES WERDEN! (Sie müssen es einfach.) Als sie und ich, mein liebster Liebestraum des Augenblicks (wir wurden von gelochten Richtstrahlen vereinigt!) diesen Strahlenausflug machten, transportiert von jenen großen Sendern im Norden, wer hätte da gedacht, daß wir einen der seltenen literarischen Funde unserer oder irgendeiner Generation entdecken würden? Es sollte eigentlich nur einer jener alltäglichen Liebesausflüge der Menschen-des-Geistes werden, ja, nur ein kleiner Flug zu einem traumhaften Liebesplatz, der vom Liebesdiktator des Geistesreiches ausgewählt worden war, und ein Seinsmoment Zeit um die Monotonie zu durchbrechen, einige Liebkosungen der Sexstrahlen, vielleicht, viel strahliges Geplauder, sicherlich, sicherlich, und, in wenigen Worten, ein Liebespicknick in den strahligen Geisteszeiten. Und dann schaute ich zu meinen strahligen Füßen hinab und da war es! Angespült von dem geschmolzenen, einst maschinengefrorenen moderanischen Meer, die Bänder dieses Buches. Ich schrie auf, ich verstreute meine Geliebte und ihre Strahlen im Seewasser, als ich sie schnell fallen ließ, um mir dieses einzigartige Ding anzuschauen. Als Sportsmann, der sie war und ist, trocknete sie ihre Strahlen und stimmte mir zu, daß dieses Ding möglicherweise wichtiger als Liebe sein 14
könnte. Wir gaben das Zeichen, um wieder nach Hause gestrahlt zu werden, der Liebesdiktator gab sein Einverständnis und so blieben wir die ganze strahlige Nacht in ihrer Wohnung, spielten mit diesem Buch, versuchten, die Bänder zu verstehen, bestaunten seine literarischen Feinheiten. Und dazu aus einem so groben Zeitalter! Nun, man kann nie wissen, nicht wahr? Eines der frühen Bänder, »Keine Risse oder Dellen«, ist ein ziemlich langes und gemächliches Ding, aber es behandelt eine ganze Menge! Es ist eine schelmische Erzählung, ich habe mich in sie verliebt – (Jene Drückerammen, die ihre erhabene Aufgabe so absurd durchführen!) – und ich glaube, sie ist ein Schlüssel und ein entscheidendes Kapital, das den Weg für Ihre ersten, guten Vorstellungen und ein wachsendes Verständnis des Mächtigen Traumes bereitet, an dem die moderanischen Menschen arbeiteten. Die ganze feste Erdoberfläche mit Plastik zu überziehen – man stelle sich vor! Alle Meere festzufrieren – Hui! Irgendwo und überall alle weichen Stellen im Boden festzuklopfen … Und ich ziehe meinen strahligen Hut vor ihnen, sie schafften es! In ihrer Welt, einer der großen großen Welten in der langen langen Menschheitsgeschichte, gab es für einige Zeit wirklich »Keine Risse oder Dellen« . Nach »Keine Risse oder Dellen« kamen einige Bänder, die von den »Ersetzungs« -Operationen handeln, die diesen Mann »fest auf den Weg zum moderanischen. Traum« brachten. Aber dieser Mann hing im allgemeinen während dieses Lebensabschnittes so sehr an seinem eigenen Leiden und seinen eigenen Besorgnissen, daß diese Geschichten im allgemeinen tatsächlich von einem dürftigen Geschmack zeugen. Es gab keinen Fingernagel, der ihm ausgezogen wurde, keinen Knochen, der zerteilt wurde, kein Neumetallteil, das ihm eingesetzt wurde, mit dem dieser Mann sich nicht 15
intensiv beschäftigte. Doch er war kein Feigling. O nein, nicht dieser Mann, der letzten Endes die große Festung Nr. 10 werden sollte, »einer der größten Kommandanten im ganzen, weiten Moderan«. Ich glaube, er war mit ebensoviel Unerschrockenheit und Entschlossenheit ausgerüstet wie überhaupt ein Mann, der jemals gelebt hat. Nach diesen düsteren neun Monaten im Krankenhaus, in denen er wiederholt zersägt, zerhackt und »ersetzt« wurde, was er mehr oder weniger in der scheußlichen Geschichte »Die Schmetterlinge waren groß wie Adler« zusammenfaßt (im Namen der Empfindsamkeit habe ich sie stark geschnitten und zensiert), sehen wir ihn auf dem Weg nach oben in der im großen und ganzen recht vielversprechenden Geschichte »Über neue Könige macht man keine Witze« und wie er seine Festung beansprucht in »Es kam ein roter Teppich …«. In diesen Geschichten, verstehen Sie, ist er bereits ein Mensch von Moderan geworden. »Er war jetzt zum größten Teil ein Neumetallmensch, die Fleischstreifen gering an Zahl und unbedeutend, seine Organe ewig arbeitende Maschinen, sein Gehirn sinnreich erdachte grüne Flüssigkeiten, die in Gefäßen schwappten.« Er hatte den neun Monate dauernden Alptraum der Operationen kaum hinter sich gelassen und hatte sich in der Festung niedergelassen, als er, der wahre Lüstling, sich aufmachte, es zu holen. Was ich meine ist, daß das Problem der Frauenplage gelöst werden mußte, für ihn wie für alle anderen Festungsherren von Moderan, und so holte er sich seine Neumetallpuppe, seine »Blechbüchsengeliebte«, seinen »Zuverlässigen Zeitvertreib«, wenn Sie so wollen. Sie stand ihm zu und war keineswegs so ungehörig wie es irgendwie scheinen mag. Er war wirklich kein schlechter Mensch oder immer ein Schmutzfink, wenn man ihn an den Maßstä16
ben seiner Zeit mißt. Und wir fanden auf den Bändern Andeutungen dafür, daß er auf dem »Schlachtfeld der Liebe« einige Niederlagen erlitten hatte, lange bevor er zu einem Neumetallmenschen geworden war. Deshalb bin ich für meinen Teil recht glücklich, das heißt, ich freue mich in meinen Strahlen, daß er eine Blechbüchsenpuppe (eine Neumetallgeliebte heißt das) so lieben konnte, und daß er ihr seine ganze Große Freudenzeit widmen konnte, ohne daß er ihrer überdrüssig wurde. Und falls er ihrer doch einmal überdrüssig werden sollte, gab es keine großen Erklärungen. Der AUS-Schalter würde einfach die Nacht über das süße zahnradgetriebene Gehirn seiner süßen metallenen Puppe hereinbrechen lassen und er könnte sich dann männlicheren Dingen zuwenden, eines Nachbarn Schutzwall vernichten beispielsweise oder einen ganzen Kontinent ausradieren. SEHR PASSEND! Deshalb auch für Sie »Die Neumetallgeliebte« . Aber damit Sie nicht den falschen Eindruck gewinnen, daß es in Moderan allgemein nur Wonnen mit den Neumetallgeliebten gegeben hätte und keinerlei SexProbleme, lassen Sie mich der Gerechtigkeit halber schnell ergänzen, daß es nicht immer so war. Es scheint, daß unser Mann, da er ein Mensch war, als lebender Fußabtreter für vielerlei Probleme diente. Wie sehr er sich auch bemühen mochte, wo immer er ging, zu wieviel Prozent Stahl er auch gelangen mochte (außer 100%, so vermute ich, diesen erhabenen Zustand erreichte er niemals vollständig), er würde früher oder später jene kalte Hand seine Schulter umklammern fühlen und jene strenge Stimme befehlen hören »Mensch, komm mit, ich habe hier einiges Unglück vom menschlichen Typ, gegen das DU kämpfen sollst«. Und so geschah es mit einer Neumetallgeliebten, in die er sich törichterweise mehr als nur ein biß17
chen verliebt hatte. Ja, in »Erinnerungen« sehen wir ihn ebensosehr in der Zwickmühle der Liebespein, wie es irgendeinem rein fleischernen Menschen hätte passieren können. Seine Neumetallgeliebte des Augenblicks ist fortgelaufen. Mit einem Blechmann? Mit einem anderen Festungsherren? Mit einem Rivalen? Mit einem Fremden? Wem? wem? Was? was? Wie? wie? Es ist wirklich eine verdrehte kleine Geschichte. Meiner Meinung nach ist es wirklich ein starkes Stück, wenn man sich vorstellt, daß ein mächtiger Herr einer Festung von einer Blechbüchsenfrau so bezaubert werden könnte, daß er nach ihrem Treuebruch lange untätige Monate damit verbringen würde, sich Strafen für sie auszudenken. Je mehr ich über diese kleine Skizze und bestimmte andere ausgesprochene oder implizierte Einstellungen nachdenke, die in den anderen Bändern auftauchen, von denen ich Ihnen einige vorlege und von denen ich einige aus dem einen oder anderen Grunde zurückgehalten habe (meistens aufgrund von persönlichen Vorlieben und Abneigungen, weil ich noch so menschlich bin), desto mehr bin ich davon ÜBERZEUGT, daß dieser Mann auf dem »Schlachtfeld der Liebe« früher wirklich große Niederlagen erlitten hatte. Ich glaube, daß seine Landser der Liebe verraten, getäuscht worden waren, daß sie umzingelt und unwürdig gefangengenommen worden waren, zu wilder panischer Flucht getrieben worden waren, daß sie mit entsetzlichen Verlusten gekämpft hatten, daß sie zum Halten gebracht worden waren – sie waren in fast jede unglückliche Lage geraten, in die eine anstürmende Armee überhaupt geraten kann, dessen bin ich sicher. Und es war ihm wahrscheinlich fast unmöglich geworden, in den von Fleisch befleckten Gefilden so etwas wie Selbstvertrauen oder Zutrauen zu entwickeln. Und 18
dann als Neumetallmann genau das zu finden, was er sich gewünscht hatte, etwas das genau nach seinen Vorstellungen hergestellt worden war, das er wirklich genießen konnte und auf das er sich verlassen konnte (so glaubte er!) und dieses Ding dann weglaufen sehen, es gestohlen oder gemein weggelockt zu bekommen – das brachte sein Gehirn zum Kochen. Das erstaunt mich nicht im geringsten. Und deshalb auch für Sie »Erinnerungen« … Aber lassen Sie es mich nicht vernachlässigen zu betonen, daß diese ganzen Stunden mit den Neumetallgeliebten nur möglich waren, weil die mächtigen Herren der Festungen sehr früh in der Entwicklung Moderans für sich die Frage der fleischernen Frauen gelöst hatten, oder, um genauer zu sein, das Hindernis der Frauenplage beseitigt hatten. Und dafür ehre ich sie, das heißt, ich ziehe meinen strahligen Hut vor ihnen, denn ihre Lösung war wirklich eine! Wir haben natürlich keine solchen Probleme in den Zeiten des Geistes. Wenn ich die Strahlen der Frau, mit der ich gerade zusammen bin, nicht mag, oder wenn ich die Strahlen der Frau, mit der ich gerade zusammen bin, zu sehr mag und sie meine Gefühle nicht erwidert, dann teile ich dem Büro des Liebesdiktators meine Unzufriedenheit mit und er beauftragt einen seiner Mechanikergehilfen damit, die alten Strahlen heimzuschicken und dann schickt mir der Liebesdiktator persönlich eine neue Sendung. Dieses System funktioniert wirklich gut! Aber erinnern Sie sich daran, daß es damals rauhe Zeiten mit rauhen Menschen waren. Sie müssen wirklich wissen, daß sie es waren. Aber das Tal der Weißen Hexen war ein Schritt in die richtige Richtung, wie Moderan überhaupt ein Schritt in die richtige Richtung war. Deshalb auch für Sie »Das Tal der Weißen Hexen« . 19
Es gab eine Vielzahl von Bändern, die sich mit dem Alltagsleben des großen Haufens der kleinen Leute von Moderan beschäftigten, von denen viele nicht das Glück hatten, in vollständiger Ehetrennung zu leben. Um ehrlich zu sein, muß ich gestehen, daß ich sehr überrascht war, als ich erfuhr, daß Moderan nicht einmal am Gipfelpunkt seiner Entwicklung von der Last des Pöbels, der fleischernen Menschen, gänzlich befreit war. Unser Mann von Festung 10 bedauerte dies, wie Sie sehen werden, und doch könnte er nicht die Kraft aufgebracht haben, so scheint es, es alles anders zu machen, wenn er das letzte Wort besessen hätte. Dies scheint mir irgendwie das Versagen sowohl des fleischernen Menschen vor ihm als auch des Neumetallmenschen, den wir hier vor uns haben, zusammenzufassen. Keiner von beiden konnte es schließlich schaffen, sich von dem ewigen Krieg, der in ihm tobte, zu befreien, dem alten alten Aufruhr und Kampf zwischen dem, was er von Natur aus tun wollte (was ihm deshalb als »richtig« erschien) und dem was ihm von seinem Gewissen glauben gemacht wurde, von dieser widerlich unnatürlichen und total unmöglichen erfundenen Vorstellung. Es hielt den Menschen, sogar den Neumetallmenschen, in einem ununterbrochenen, zittrigen Zustand des Disputs und der Enttäuschung über das »kann nicht – will aber«, der ihn schließlich zu einem durchnäßten, befleckten Haufen von Kompromissen und selbsterfundenen Schanden machte. Oh, es war nicht so deutlich sichtbar in den Neumetallzeiten, aber es war trotzdem da. So lange wie auch nur ein einziger stinkender, weicher Fleischstreifen da war, würde auch dieser schreckliche, lähmende Makel des Gut-sein-wollens, wie es das Gewissen befiehlt, vorhanden sein. Gut!? Und was ist gut? Hmmmppppff … Es ist nichts anderes als der falsche Versuch, das fal20
scheste Ziel, das jemals einem Menschen eingefallen ist, zu erreichen. Wenn er ganz am Anfang diesen Gedanken unerbittlich von sich gewiesen, ihn zu Boden geschmettert und ihn zu einem zerbrochenen Tode gebracht hätte oder ihn in einer Explosion stinkenden Gases von sich geprügelt und in Phantomballons in den Himmel gejagt hätte, wo er vermutlich eines GROSSEN TAGES vollständig versammelt gewesen wäre – was könnte dies alles für den natürlichen Menschen geändert haben! Aber er konnte es offensichtlich nicht machen. So mußten wir, die Menschen-desGeistes, es schließlich tun. Aber, haben Sie daran keinen Zweifel, es gab auch in den großen Entwicklungsstadien, die zu uns, den Strahlenmenschen, geführt haben, Trottel. Sie führten Gründe für Gewissensstrahlen und eine moralische Verwirrung an und damit für die Verewigung des widerlichen selbstzerstörerischen Disputs zwischen dem natürlichen und dem erfundenen Menschen. Aber der natürliche Mensch siegte zum Schluß und wir haben schließlich das wahre Ich des Menschen in Form unserer Geistesstrahlen herausdestilliert, wenn Sie so wollen. HOCH! Mensch-desGeistes, der natürliche Strahlenmensch, der gänzlich wahre Mensch möge ewig leben! Aber ich bin vom Thema abgekommen! Bitte vergeben Sie mir meine Abschweifungen. Ich fing gerade an, Ihnen die Einrichtungen für das gemeine Volk von Moderan zu erläutern. Und deshalb wählte ich »Die blasenförmigen Heime« für Ihre Information aus, außerdem glaubten wir auch, daß diese Geschichte recht unterhaltsam zu lesen sei. Außerdem wählte ich auch einige andere Bänder aus den vielen aus, die sich mit dem Alltagsleben in Moderan beschäftigen, von denen einige enthüllen, daß dieser »König« in seinem Schmerz, weit entfernt von der normalen Pose des 21
normalen Festungsherren, die hauptsächlich Haß und Krieg und Krieg und Haß bedeutete, ab und zu unterbrochen von Zeiten der Waffenruhe und des Vergnügens und Zeiten des Allumfassenden Scharfsinnigen Denkens – auch weit davon entfernt war, seine Gefühle als menschliche bloßzustellen, was er sonst oft gemacht hätte. Und wer kann sich zum Beispiel einer Art kalten rationalen Mitleids enthalten, wenn er eine so seltsame kleine Geschichte wie »War sie nicht schrecklich?« liest? (So stark er auch war, so erschreckt und damit auch so schwach war er – und sie erwischte ihn mit einer Puppe im Herzen seines Komplexes!). Aber meistens beschrieb er das Alltagsleben in Moderan in knappen, kleinen Klassikern, die in der dritten Person abgefaßt sind. Diese Geschichten enthüllen nicht nur das gewöhnliche Leben des »gewöhnlichen« Moderaners, sie enthüllen auch seine beträchtlichen schriftstellerischen Fähigkeiten. Die Geschichten »Schicksal eines Ehemannes«, »Wenn die schwarzen Katzen kommen« und »Weihnachtsfest eines kleinen Mädchens in Moderan« hielt ich beispielsweise für drei so fein geschliffene literarische Juwele, daß ich sie Wort für Wort, Komma für Komma so beließ, wie er sie zu Band gebracht hatte! »Das Ende zeichnet sich ab« in den großartigen Geschichten, die dann folgten. Durch diese Geschichten ziehen sich scheinbar Zeichen des Suchens und der Traurigkeit, ein »Lauschen«, wenn Sie so wollen, eine Art stilles Weinen und eine Traurigkeit, die größer als Moderan ist, größer als die ganze Welt. Man sieht irgendwie einen Mann, der ein Opfer und ein Gewinner seiner Zeit ist, der leidet und der belohnt wird und der schließlich fragt WARUM? Und LOHNT ES SICH? Und WOZU ÜBERHAUPT? Dann gibt es auch noch 22
Anzeichen für eine neidische Bewunderung in vielen dieser letzten Geschichten, Bewunderung für den »Mann aus der Vergangenheit«, der seinen Weg gehen wird. Ich konnte diese Zeichen stark in Geschichten wie »Der Mann aus Moderan-Camelot«, »Das Wiedersehen« und »Hat irgend jemand diesen Reiter gesehen?« spüren. Aber die großen GROSSEN Geschichten dieser Gruppe sind, wenn nicht »Das Wiedersehen« und »Wie es endete«, dann »Eine Kampfpause« und »Das Blumenwunder«. In »Unterbrechung des Gemetzels« sehen wir unseren Mann das erste Mal direkt im Kampf gegen den Tod aus natürlichen Ursachen, und hier wird ihm zum ersten Mal mit Entsetzen klar, daß er – trotz des ganzen Großen Traums – auch einen Moderaner erwischen kann. Ich bin Manns genug zuzugeben, daß ich ein wenig in meinen Strahlen weinte, als ich sah, wie er sich so verbissen bemühte, diesen Tod in einen anderen umzuwandeln, wie er es so nötig hatte, den Tod zu beseitigen und es doch nicht schaffte. Als er schließlich in der Klemme saß und erstaunlich nahe einem totalen Chaos in seinem Kopfe war, machte er seinen Ausgleich, schloß seinen Handel mit der Wirklichkeit ab, trat wieder in den gegenwärtigen allgemeinen Krieg ein, gewann einen weiteren Zweikampf gegen die Welt und half mit, wieder einmal die großen Toten der Schlacht auszuplündern (Hoch Neumetallmensch! Hoch Moderan!). In »Das Blumenwunder« sehen wir, wie er bereit ist – jedenfalls ein bißchen – an etwas Feinsinnigeres und vielleicht etwas Lohnenderes als Festungen und Kanonen zu glauben. Aber die Welt außerhalb der Festungen und Kanonen ist eine Welt des Schwindels, und unser Mann wird beschwindelt von einem Künstler im Beschwindeln, dem Mann mit der Blumenhand! 23
Es ist wirklich kein Wunder, wenn man berücksichtigt, was unser Mann alles durchgemacht hatte, daß er schließlich zu einem »Letzten Entschluß« kam. Und was könnte er alles für sich getan haben, wenn er den »Letzten Entschluß« durchgeführt hätte! Was hätte er für die Welt tun können! Gestehen wir es ein. Wir sind zwar seit den kämpfenden Affen (die unsere wirklichen Vorfahren waren, davon bin ich überzeugt) ein ganzes Stück nach oben gekommen, bis zu den Strahlen des Geistesreiches, aber wir kennen immer noch nicht die Lösung dieses Rätsels, das er für uns gelöst haben könnte. (Wir kennen sie immer noch nicht! Und ich bin Manns genug es zuzugeben). Und weil wir es immer noch nicht wissen, sinke ich öfter auf meine strahligen Knie, als Sie es jemals annehmen würden. O ja! Stille Gebete, Strahlengebete, Gebete, die das ganze Universum mit meinen stillen Ängsten und meinem Staunen erfüllen – sie bitten vor allem darum, daß diese großen Maschinen im Norden auch weiterhin zünden. So daß ich hier bleiben kann, bleiben kann mit einem Leben, das ich kenne. Und nicht dieses andere riskiere, oder KEIN anderes oder was auch immer, o riskantes Risiko! Aber manchmal an strahlig windigen Tagen, wenn die Erde im stürmischen Wetter aufgewühlt wird, oder an Tagen, an denen der Wind und die Stille mit Unterbrechungen zusammen spielen, dann wird es mich an der Kehle meiner Strahlen packen, dieses Ding. Dann erfaßt mich eine Wut auf diesen Mann, dieses menschliche Wesen von Moderan, dieses Individuum aus Speckstreifen und Panzerplatten, das vor langer langer Zeit lebte, diesen Menschen, der die Chance hatte, hinauszugehen und für uns alle zu WISSEN und es nicht machte. Ich kann ihm keinen wirklichen Vorwurf machen, aber es KANN mir leid tun, daß er nicht ging. Es scheint so zu sein, daß eine her24
vorragende Chance vergangen ist, entwischt ist, dahingezogen in jenes riesige unwiederbringlich-dunkle Ödland der von Menschen verpaßten Chancen; und ich muß gestehen, daß sogar wir hier im Geistesreich der Strahlen bisher noch keinen Plan haben, der seinem gleichkommt. Manchmal denke ich, daß wir im wesentlichen auf unseren Strahlen herumreisen und die Zeit vertrödeln (NEIN! Das ist nicht wahr). Aber wir müssen planen, es besser zu machen. Morgen. MORGEN! … Aber he! Lassen Sie es mich nicht vergessen zu betonen, daß dieser Mann haßte. Der Haß zieht sich durch alle Geschichten wie ein kalter kalter Wind, wie eine heiße, allesversengende Flamme und wie eine undichte Säurekugel, die alle menschlichen Bemühungen und Bestrebungen der beißenden Schärfe von Galle aussetzt. In der Tat scheint es so zu sein, daß er manchmal von seinem Haß fast verzehrt oder zumindest völlig von ihm aufgesaugt wurde. Er ließ seinem Haß freie Bahn und behandelte ihn fast als eine Art Tugend. Wenn er sich in seinem Kriegsraum zurücklehnte, seine Festung auf Dauerfeuer eingestellt, seine Wumm-Kanonen auf Ziele in der ganzen Welt gerichtet, seine Puppenbomben unerbittlich auf dem Wege zu ihrem einprogrammierten Ziel, seine Weiße-HexeRaketen feuernd, »die Hohen, unheimlich gellenden Zertrümmer-Trümmer waren automatisch auf dem Weg zum Töten«, so scheint es mir, als ich in meinen Strahlen zurückdachte, daß es in der ganzen langen Geschichte des kriegführenden Menschen niemals ein menschliches Wesen gab, das so erfolgreich geschossen hatte. Oder aber auch so zwecklos, denn die Kriege dieses Mannes waren stetige Kriege, wie diese Dokumente berichten. Die Kriege wurden nur von kurzen 25
Waffenruhen unterbrochen, die, Sie haben es erraten, damit verbracht wurden, neue Kriege vorzubereiten. Irgendwie fasziniert mich diese Idee und doch muß ich sie als nicht ganz richtig betrachten, nicht ganz. Waren sie in Moderan nur ganz sie selbst, so schlecht wie sie wirklich waren? Nun, es gibt Behauptungen auf den Bändern, die diese Denkweise rechtfertigen, nach der der Krieg ihr »liebstes Spiel« und Haß ihre »oberste Tugend« war. Und doch muß daran etwas falsch sein, alles oder im wesentlichen alles zu bekämpfen und das immer. Und ich meine nicht moralisch, gewissensmäßig falsch. Pah pfuuuiii bah bah und pah pfuuuiii buh buh – das meine ich natürlich nicht. Ich meine irgendwie falsch in der Betonung unnötiger Aggressivität und Gewalttätigkeit, die die Anpassungsfähigkeit des Menschen im Universum unterhöhlte und ihn als lächerlich grob und außer Harmonie mit dem Weltplan befindlich erscheinen ließ. (Schauen Sie uns nur an! Geschmeidige Strahlen, die heute über die ganze Welt gleiten und das Universum in arglosem Glanz durchstreifen, von jenen großen Maschinen im Erdnorden bis zu allen Häfen aller Orte und dem Weltraum und der zeitlosen Zeit …) Aber unser Mann wurde von seinem allesverzehrenden Haß, der manchmal erhaben, oft aber billig war, direkt dahin getrieben, »Wie es endete«. Er lernte niemals etwas dazu … Es geschah zwischen »Der Letzte Entschluß« und dem Entziffern von »Wie es endete«, daß wir von dem Buch etwas müde wurden, nicht gelangweilt, verstehen Sie, sondern ein bißchen träge und verträumt nach soviel Arbeit, und plötzlich erinnerte ich mich daran, daß meine Gefährtin wunderschöne Strahlen hatte. Oder, wenn man alles zusammennimmt, wäre es nicht falsch zu sagen 26
»Sie war und ist ein wunderschöner Strahl!«. Man hatte mir gesagt, daß ihr Name im Alten Leben, bevor sie hinuntergegangen war, um sich ihr Wesen von den »Kopier« -Maschinen kopieren zu lassen, damit es ewig von den »großen Sendern im Norden« ausgestrahlt werden könnte, Beatrice gewesen war. Obwohl wir unter der direkten Aufsicht des Liebesdiktators standen, weil wir »Visa« für einen Liebesausflug zur Küste beantragt und auch erhalten hatten (und später die Erlaubnis, die ganze Nacht mit einem Buch aufzubleiben), dachte ich doch, daß es möglich wäre, klammheimlich ein bißchen aufregend-romantisch zu werden. Ich glaube, der Mensch wird niemals so hoch entwickelt sein, daß er nicht mehr nach Wegen sucht, »das System zu schlagen«. Es ist ein Teil und ein Bündel, das zum Menschsein einfach dazugehört. In diesem Fall hatten einige von uns herausgefunden, daß durch ein leichtes Beugen und Verzerren unserer Strahlen, die unser Geist sind, ein direkter Austausch von Wünschen und anderen Informationen möglich ist, ohne daß das spezielle diensthabende Überwachungsbüro alarmiert würde. In diesem Moment würde das Überwachungsbüro natürlich eine der vielen Stationen des Liebesdiktators sein. In diesem Falle plante ich, durch das Beugen und Verzerren meiner Strahlen Beatrice mitzuteilen, daß wahrscheinlich durch ihre gemütliche Wohnung und unsere gute Zusammenarbeit in der ganzen Nacht etwas über mich gekommen war, daß ich nach der langen Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, und nach den gemeinsamen Bemühungen jetzt auf etwas mehr als nur eine Unterhaltung und Kameradschaft hoffte! Ihre Strahlen waren für den Empfang verzerrt und gebeugt, ebenso wie meine zum Senden verzerrt und gebeugt waren. Sie bekam die Nachricht! Was ich 27
dann vorhatte, wenn sie »JA!« sagte, war alles andere als ein durchdachter Plan. Ist es das überhaupt je!? Ich erinnerte mich beispielsweise nicht daran, daß eine der großen Abhörwände in einer der vielen Stationen des Liebesdiktators unsere Handlungen anpeilen würde. Wir würden uns bloßstellen »wie ein nackter Mann vor dem Hauptbahnhof«, um einen alten Ausdruck zu gebrauchen, wenn wir uns liebten und damit alle normalen Tabellen über den Haufen werfen und die Schaubilder vor große Aufgaben stellen würden. Ich stellte mir nur vor, wie SCHÖN! es SEIN! würde, in Beatrices STRAHLEN! EINGEHÜLLT! zu werden. Das ist alles. WIRKLICH! Und Beatrice? Nun, ich weiß nicht so recht. Ich weiß überhaupt nicht, was sie dachte oder was sie wirklich wollte. Ich weiß nur, daß sie mit ihrer Verzerrung meiner Verzerrung einen schrecklichen Schlag verpaßte und sagte: »Du billiger Lüstling! Für was hältst Du mich? Für einen dieser scharfen Freudenstrahlen? NEIN!« So gingen wir wieder an die Arbeit, um dieses Buch fertigzustellen. Und wir sahen bald, daß es mit »Wie es endete« wirklich endete!
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Teil 1: DIE ANFÄNGE Blick zurück (Unser Gott ist ein hilfreicher Gott!) Das Fleisch schien in jenem Jahr verdammt gewesen zu sein, die Harpyien des Todes stürzten sich auf die Erde. Die ehemals wunderschöne, süße und lebenserhaltende Luft war jetzt von Gift durchdrungen, und der Mensch trank auf eigene Gefahr aus den Gewässern, die einmal rein gewesen waren. Er betete zu einem Gott, der in jeder Hinsicht gut, treu und schön, aber vor allem Strenge und Güte, Gerechtigkeit und liebende Fürsorge an einem fernen, milchweißen Ort »hoch droben« verkörpern sollte. Und jene Gebete wurden, falls überhaupt, dann sehr unredlich beantwortet. Denn der Giftgehalt der Luft nahm dadurch weiter zu, daß der Fleisch-Mensch sich darin erging, mit todbringenden Dingen herumzupfuschen, wenn er nicht betete, und das Wasser wurde mit jeder neuen Explosion, die auf die von Bomben erregte Luft einschlug, immer gefährlicher. Man sprach von Dem Ende; große Diskussionen wurden in großen Sälen im ganzen Land durchgeführt. Verträge wurden von Staatsmännern unterzeichnet, die helfen sollten, die Luft zu verbessern, die den Gewässern Gelegenheit geben sollten, sich zu regenerieren und wieder rein zu fließen. Aber sogar als fleischerne Hände in einigen Ländern zu Füllhaltern griffen, um Zeichen des Vertrauens zu kritzeln, peitschte die Angst die Hauptstädte anderer Länder. Waffenarsenale wurden aufs neue getestet. Einmal geschehene Dinge wurden wieder rückgängig gemacht. Die Luft wurde schlechter, die Flüsse waren nicht rein sondern eine reine Gefahr. Es schien keine Chance für 29
den fleischernen Menschen mehr zu geben und sein Gott, wo immer er auch war, wo immer sein weißer Thron auch war, schwieg. Die HOFFNUNGSLOSZeichen waren überall zu sehen. Kleine Kinder baten darum, daß man ihnen erlaubte, schnell zu sterben, damit sie nicht verkrüppelt und mit Schmerzen aufzuwachsen brauchten. Erwachsene in dem, was eigentlich die volle Blüte der stattlichen Männlichkeit und der lieblichen Weiblichkeit sein sollte, zitterten, blickten gen Himmel, um einige hoffnungsvolle Zeichen zu sehen und, da sie keine fanden, warfen sie sich zu Boden und weinten bitterlich. Die Alten, die wackelig auf den Beinen waren und wimmerten, beschlossen endlich, daß sie, jawohl, wirklich überaus glücklich seien, schon so alt zu sein. Das Fleisch der Milliarden, um das sie sich am Hof des Todes so eifrig bemüht hatten, hatte sich nun gegen sie gewandt. Und die Massenvermählung von Tod und Zerstörung schien fast sichergestellt zu sein. Und dann – und dann diese Chance! Allen angeboten. Zuerst zeigte sie sich als eine kleine Hoffnung, als das Gerücht von einer kleinen Hoffnung, ein schwacher schwacher Hauch einer Chance, der durch die schmutzig-fleischernen Metropolen sickerte. Und dann wurde sie als leuchtende Tatsache bestätigt, als in jenem Jahr die Tour durch das ganze Land gemacht wurde, in jenem Jahr der Größten Finsternis. Und doch – und doch spotteten sie in Milliarden über diesen Mann, der seine Scharniere und Bügel bewegte, sie wollten nicht glauben, daß sein Herz ein ewig arbeitendes war, sie glaubten nicht so leicht an seine wunderbaren neuen Lungen, die ihm für ein ewiges Leben Atem schöpfen würden – und das sogar in von Bomben verpesteter Luft. Als sie sahen, daß seine Hände aus Stahl waren, schrien sie: Roboter! Roboter! Als sie 30
sahen, daß seine Augen eine große Sichtweite hatten und von einem Mechanismus unterstützt wurden, daß er einen Schtimmodulat-Knopf an seinem Sprechgerät hatte, den er von Zeit zu Zeit drückte, um seiner Sprache mehr Ausdruck zu verleihen, dann lachten und johlten sie … Irgendwo in den weiten, blauen Himmelsräumen gibt es heute noch milliardenfaches Gelächter, milliardenfaches rohes Gewiehere, das die Erde umkreist, jedes einzelne gejagt von einem gebrüllten Aufschrei, einem Kreischen, das das dazugehörige Lachen niemals ganz einholt. Jenes seltsame Lachen und Schreien bildet vorsichtig kreisende Kegel, die für immer ein kurioses, sich bewegendes Denkmal für alle Ungläubigen abgeben müssen, die nur lachen konnten, als ihnen der große Traum einleuchtend vorgeführt wurde und die über eine verpaßte Chance schrien, als die schnellen Lastwagen des Todes mit dem Tode eigenen persönlichen tuchbedeckten Kisten kamen. Aber einige von uns SAHEN! Wir GLAUBTEN! Wir gingen hinüber in das Neue Land. Wir legten unsere Körper vor, um uns helfen zu lassen. Wir wurden nicht enttäuscht. Denken Sie an die Träume, die wir hier in den Neuen Methoden eingefangen haben, denken Sie an die Ängste, die wir jetzt im Neuen Land zurückgewiesen haben; erheben Sie sich und neigen Sie den Kopf vor Moderan. Und nehmen Sie zur Kenntnis, daß es unsere Ansichten völlig geändert hat, die früher von zitternder O-Gott-hilf-uns-Angst bestimmt wurden und heute von massiver und unerschütterlicher Nicht-Angst. Jetzt haben wir Zeit! Wir können die Zeit in unseren festen, sicheren Händen halten und sie als die hellste hellste Kerze betrachten, als eine Kerze, die niemals abbrennen wird. Wir haben die Zeit ergriffen und gefesselt, wir haben sie in unseren »Ersatz« -Teilen eingesperrt. 31
Obwohl sie mit Lichtgeschwindigkeit millionenmal vorüberrast, obwohl sie unbeschreiblich schnell vergeht, ist es so, als ob sie eigentlich hier bei uns bleiben würde. Eine Million Jahre können an unseren ewigfunktionierenden Scharnieren vorbeihuschen, und wir nicken, winken, sitzen tief in unseren Schmiegesesseln und danken. Unserem Gott. Denn JA! als wir die Zeit einfingen, brachten wir sie im Brustkasten eines jeden Menschen unter und hielten sie in jedes Menschen ruhig schlagendem Herzen fest. Und sollte ein Herz im Brustkorb irgendeines Menschen versagen, dann braucht man deshalb keinen besorgten Gedanken zu verschwenden. Wir haben uns nur zu einem Großen Ersatzteillager zu begeben, wo zusammen mit anderen Ersatzteilen, reihenweise schimmernde Herzen liegen, tausende von Quadratmetern voll aufgewärmter und nicht benutzter schlagender Herzen, die bereit sind, einem Menschen das Leben zu erhalten, wobei für jeden Menschen jederzeit mindestens zehn voll betriebsbereite Ersatzherzen bereitstehen. JA, wir, Die Gläubigen, beabsichtigen zu behalten, was wir haben, wir werden es niemals loslassen! Wir haben die Zeit, einstmals der Erzfeind von allen, zu einem Baby im Korb gemacht – sie zur Ruhe gebracht. Wir haben einem alten Mann seine Sense entrissen, wir haben seinen langen, dreckigen Bart geschoren. Er steht immer noch da und ist mit seinem düsteren Anzug, der an seinem dürren Körper schlottert, schauerlich anzusehen; er grinst sardonisch und wünscht sich eine Möglichkeit, uns Schaden zuzufügen. Aber seine Sanduhr ist jetzt an beiden Seiten ausgelaufen, und für uns fließen endlos endlose Sandmengen. Unser Gott? JA! Laßt uns von unserem Gott sprechen. Einmal, vor langer, fast schon vergessener Zeit, gab es diesen Waffenstillstand der Zwölf Tage der Fe32
stungsleute, als wir alle die Pilgerfahrt machten. Zu Fuß, im Tunnelwagen oder auf Rollwegen kamen wir alle zur großen Plastikebene des Verwirklichten Traums, und zu einem vorher festgelegten Zeitsignal, das uns von unseren sorgfältig synchronisierten Ewikoms mitgeteilt wurde, bewegten wir alle in einer eindrucksvollen Bewegung unsere Knieschalter zu der mit »Niederknien« bezeichneten Einstellung. Und mit einem Krachen und Geklingel, das durch den roten Gasschirm jenes glücklichen Septembertages donnerte, wurden wir zu Boden gekniet. Einige dachten, daß er an jenem Tage allen seinen Kindern einen Segen widmete. Einige sagten, daß er winkte und nickte, und wieder andere behaupteten, daß er lächelte. Und es gab einige, die während des ganzen Rests ihrer Leben, ihrer ewigen Leben, beschwören würden, daß es JAWOHL! dieses Wunder gegeben hatte, als die Stummen donnernd ihre Stimmen erhoben, als die Blinden durch die glänzende und dichte blaßrote Luft Blitzstrahlen erblickten. Aber ich hörte an jenem Tage nur die Stille über der weiten, schimmernden Fläche voll funkelnder, strahlender Leute, die auf dem Boden niederknieten, ich erblickte nur einen scharfen Schein wie von Silber, als die Sonne etwas durchbrach, weil eine kleine Störung an einem fernen Ort aufgetreten war, wo viele große Antriebsräder und Antriebswellen die Energie für unseren Gasschirm lieferten. So sehen wir, was wir sehen müssen, hören wir, was unsere Bedürfnisse uns hören machen. Ein Etwas tief in den Fleischstreifen von einigen von uns benötigte eine Vision, das Lächeln eines menschenähnlichen Dings, das sie beruhigte, und so »sahen« sie ein Lächeln. Einige benötigten ein Nicken, ein väterliches Winken mit der Hand, und einige brauchten Worte von einem im wesentlichen schweigsamen Gott. Aber für 33
mich war es genug zu sehen – still, unerbittlich, wunderbar – die ruhige Stärke des bewegungslosen, stummen Schimmers, um beruhigt zu werden. Ja, er war unser stiller, großer Gott auf der weiten Plastikebene des Verwirklichten Traums, eine massive Mahnung, die geehrt wurde, und unser Leitstern seit der Zeit, in der das Land der Neuen Methoden noch sehr neu war. Und wenn Sie an all das denken, wovon wir durch seine wunderbare Brauchbarkeit und Hilfe erlöst worden sind, dann werden Sie nicht über jene glänzende Erscheinung, jenes schimmernde, strahlende Wunder grinsen, das das eigentliche Wesen der Erlösung ist, wie es groß und rein dasteht. Denn ein großer Gott steht in unserem Land, um uns immer an die größte Erlösung von der Angst zu erinnern, die man jemals in der ganzen Welt ersonnen hat. Sehen Sie einen Menschen der Neuen Methoden in seiner ganzen unerschütterlichen Makellosigkeit so ruhig wie eine kalte Schale voll Öl tief in seinem Schmiegesessel sitzen. Wissen Sie, daß sein Herz auf »kühl-ruhend« eingestellt ist, und wissen Sie, daß seine Flexiflex-Lungen der Neuen Methoden ihm gerade genug von der Totenkopf-und-Knochen-Luft atmen, um ihn ruhig und kühl aber munter zu halten. Wissen Sie außerdem, daß er zu seinem Vergnügen zu Zeiten des Waffenstillstandes matt und glücklich an einem Allumfassenden Schweren Problem arbeitet, bis das Große Schießen von neuem beginnt und er glücklich seine erhebende Festung einmal mehr in den Kampf schicken kann, er ist total mit dem totalen Krieg beschäftigt. Und seien Sie außerdem fest versichert, daß der Mensch der Neuen Methoden sich keine Sorgen darüber macht, daß er sich seine Denkbänder zermartert, daß er keine Angst wegen der vorbeigehenden Zeit hat, daß er keine Überraschungen im Kriege befürch34
tet, daß er keine Ängste im blaßgrünen »Blut« seiner Gehirngefäße hat – überhaupt keine. Und dann der fleischerne Mensch – o betrachten Sie. BETRACHTEN Sie ihn – die wenigen Kranken, die übriggeblieben sind. Bitte tun Sie es. Dann sehen Sie vielleicht, warum wir in unserer neu strahlenden Pracht, die Fleischstreifen gering an Zahl und unbedeutend, einen massiven Stab aus Neumetall verehren, den wir als unseren Leitstern aufstellten, als das Land der Neuen Methoden, unser großes Moderan, neu war!
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Keine Risse oder Dellen Manchmal bewegen wir uns vom Rande unserer großen Errungenschaften im Geiste zurück, um uns an Dinge von scheinbar geringer Bedeutung zu erinnern, die sich in den Zeiten, die wir uns ins Gedächtnis zurückrufen, besonders drohend auftürmen. An dem Tag, an dem ich überwechselte, an dem Tag, an dem ich nach Moderan ging, waren auf den gewalzten und eingeebneten Flächen, soweit das Auge sehen konnte, diese langbeinigen Stampfmaschinen. Sie bestanden im wesentlichen aus großen, schwarzen Walzen, die kreiselnd zwischen gigantischen metallenen Schenkeln und Waden aufgehängt waren. Diese seltsamen, schwarzen Monstren zeigten ein sehr nachlässiges Gebaren, als sie auf ihren hochschenkligen Beinen umherliefen und ihre Walzen mit einer manchmal perfekt erreichten, übertriebenen und ausdruckslosen Gleichgültigkeit herumwirbelten. Dann plötzlich, auf kein Zeichen, das ich wahrnehmen konnte, auf keine Veranlassung, von der ich etwas erfuhr, stürzte sich die eine oder andere Maschine auf eine Stelle am Boden und – nachdem sie sich scheinbar ein wenig in der Hüfte vorgebeugt hatte – entfesselte sie die volle Wucht ihrer Walze gegen die frische Erde unter ihr, was sie offenbar mit großer Freude und voller Konzentration machte. Die zweibeinige Maschine schlug wirklich jenes Stück Erde mit dem Vorderende ihrer Walze für mehr als – sagen wir – dreißig Minuten oder sogar eine Dreiviertelstunde, nachdem sie einmal begonnen hatte, wobei die schlagende Bewegung im Laufe der Zeit immer heftiger wurde. Dann erhob sie sich aus ihrer gebückten Haltung, offensichtlich ohne jedes Raten wissend, wann es reichlich genug sei, zog ein dreckverklumptes Walze36
nende aus dem Boden und schloß sich wieder den anderen umherbummelnden, wartenden Maschinen an, als ob nichts von Bedeutung passiert wäre. Falls sich einmal zwei Maschinen zur gleichen Stelle der Erde aufmachten, war es ein herrliches Schauspiel, zu beobachten, wie sich beide zur gleichen Zeit in die Schlagposition krümmten, auf die gleiche Stelle zielten und die Walze der jeweils anderen Maschine mit der gleichen Intensität schlugen, mit der sie den Boden stampften. Ein Aufseher der Stampfmaschinen betrachtete diesen absurden Schlagwettbewerb eine Weile, bevor er hinüberging und jeder Maschine gerade genug auf ihr Hinterteil trommelte, um den Rhythmus ihres fehlgeleiteten Dschab-dschab-dschab zu unterbrechen und sie dazu zu veranlassen, daß sie sich mit rotierenden Walzen davonmachten, als ob sie sie ohnehin niemals benutzen wollten. Der Auftrag wurde einer dritten Maschine verliehen, einer Entstörreserve, die sich schon bald in Position krümmte und sich ans Stoßen dieser Stelle machte, als ob die ganze Welt für sie gänzlich neu und vergnügt wäre und oh! nanu! ramm-ramm, Ferien, Ferien, ran, Ran, RAN! »Was läuft hier eigentlich?« fragte ich den Aufseher der Stampfmaschinen, meine Stimme war dabei voll Staunen, wie die eines Kindes; meine Augen traten sicherlich vor wie die eines Frosches in den Alten Zeiten. »Die Zeit vergeht, das Leben bleibt, ho ho es weht, hi hi es schneit« rezitierte er. Und dann sagte er: »Was bist du eigentlich, eine Art Witzbold oder was? Was meinst du mit ›was läuft hier eigentlich‹?« »Was läuft hier eigentlich? Erklären Sie mir diese unbarmherzigen, grotesken und überaus lustigen Vorgänge. Ich möchte gerne unterrichtet werden. Ich möchte verstehen. Ich sehe hierin nichts anderes als eine Posse. Ist das alles?« 37
»Ist das alles!? Mensch, ist das alles!!« Dann schaute er mich genauer an. »Ach! Du kommst von Da Draußen! Aus den Alten Zeiten!« stieß er hervor. »Vielleicht verstehst du wirklich nichts. Vielleicht meinst du wirklich ›Was läuft hier eigentlich‹?« »Ich meine WAS LÄUFT HIER EIGENTLICH!« Meine Fäuste waren inzwischen geballt und ich sah, daß ich sicherlich leicht in jene Stimmung kommen konnte, in der man erst zuschlägt und dann Fragen stellt. »Weit gereist?« »Ich komme von weit genug. In Kilometern. In der Zeit. In zerschlagenen Hoffnungen und verdorrten Träumen. Ich kam in Tränen. In Sorge. JA, ich bin weit genug gekommen. Und jetzt muß ich dicht bei meinem berechtigten Ziel, falls ich auf dem richtigen Wege kam und auf den Karten, die sie mir gaben, die richtigen Linien einzeichnete, eine Art altmodischer Klapsmühle vorfinden. Wo große, zweibeinige Maschinen, die im wesentlichen, wie ich das sehe, nur Haltevorrichtungen für jene großen, spitzen Rammen sind, unter völlig zufälligen Umständen und zu keinerlei praktischem Zweck versuchen, einen Geschlechtsverkehr mit dem Boden durchzuführen.« »Du bist ein ganz schöner Schwätzer. Warum kannst du dir keinen kürzeren Weg suchen? Direkt zu deiner Behauptung kommen und das, was du sagen willst, zurechtstampfen? Mehr wie diese Maschinen sein? Du kannst sehen, daß sie nicht wie die Katze um den heißen Brei herumgehen, wenn sie jenes Signal bekommen. Sie gehen schnurstracks rüber und dann gibts nur noch Phuu Phuu Phuu, Ramm Ramm Ramm, Bamm Bamm Bamm, bis die Arbeit erledigt ist.« »WELCHE ARBEIT? WAS IST ERLEDIGT?« »Wir hauen auf den Putz im Kampf gegen den 38
Schmutz. Die Antwort auf deine Frage ist: Der Kampf gegen die Plage. Ha Ha Ha.« Ich ging ganz dicht neben ihn und war bereit, ihn niederzuschlagen. Dann sah ich, daß er einen merkwürdigen Blick hatte. Er starrte mit seinen schimmernden, strahlenden, sonderbaren Augen hinter mich, und sein Benehmen hatte etwas an sich, das nicht zu einem Menschen, sondern eher zu einem Maschinenmenschen paßt. »Dies ist Moderan«, sagte er. »Wir bauen hier das Neue Land. Wenn diese Herren eine weiche Stelle in unserem Boden entdecken, dann stürzen sie sich gleich drauf und stampfen sie zur Ergebenheit. Sie sehen ziellos und gleichgültig aus, ich weiß. Aber sie sind es wirklich nicht. Wenn sie nur herumzustehen scheinen, nehmen sie vielleicht Proben von ihrem Weg. Weißt du, sie besitzen sehr empfindliche Füße. Es ist eingebaut. Wenn es eine weiche Stelle in ihrem Entdeckungsbereich gibt, dann erfahren sie es durch die Sensoren in ihren Füßen. Wenn sie da draußen auf eine falsche Stelle treten, dann bekommen sie dadurch eine Schwingung. Sie sind darauf programmiert, falsche Stellen zu hassen. Sie stürzen sich gleich drauf und stecken ihre tolle Drückerammwalze rein, sobald sie Wind von einer falschen Stelle bekommen. Mit falscher Stelle meine ich ein Stück der Erdoberfläche, das nicht so hart ist, wie es sein sollte.« »O ja! Und das ist wichtig!?« »SEHR.« Dann schaute er mich kalt an. »Vielleicht solltest du besser mit mir kommen. Ich kann diese Maschinen für eine Weile alleinlassen. Diese Drückerammen sind so programmiert, daß alles, was ich zu tun habe, ist, meine Zeit rumzubringen. Und mich ungewöhnlicher Ereignisse anzunehmen; beispielsweise, wenn sich zwei Zeichen im Verbindungspunkt der Entdeckungsbereiche kreuzen. Das passiert nur selten, 39
aber wenn es passiert, huuuiii! Vorsicht! Wir haben, wie du sahst, die seltsame, erheiternde und völlig unbrauchbare Erscheinung, daß zwei Drückerammen auf das gleiche Loch zugehen. (Mit Loch meine ich ein Stück der Oberfläche, das nicht so fest ist, wie es sein sollte.) Sehr schlecht für die tollen Drückerammen, und es hilft auch nicht, daß das Loch besser gestampft wird. Und wenn man für die Ewigkeit baut, dann ist das eines der Dinge, die man wirklich wünscht und haben muß – ein gut gestampftes Loch.« Er machte keine Witze. Ich merkte, daß er keine Witze machte. Wir stiegen in seinen Flop-Hop-Flugflitzer, den er benutzte, um Pläne nachzukontrollieren, und stiegen auf. Und soweit das Auge reichte, sah ich die Ebenen. Dicht gesprenkelt mit Drückeramm-Monstren war ungefähr dreiviertel dieses So-weit-ich-sehen-konnteGebiets der Ebenen, braun-schwarz abgekratzte Erde getüpfelt mit den dunkleren, umherwandernden, gleichgültigen Punkten, welche Maschinen waren, die – wie mir soeben mitgeteilt wurde – ein sehr wirkungsvolles und wichtiges Stück Entdeckungsarbeit leisteten und die Vollendung der Durchführung am Loch unternahmen. Dann sah ich weit unten – nahe dem Horizont und an der Ecke der Punkte, die Drückerammen waren – wie sich das bräunliche Schwarz zu einem verwischten Fleck, der grau oder gräulich-weiß war, änderte. Er gab mir einen Weitreicher und ich justierte ihn auf den Flecken. »Die neue Eiszeit!« »Nicht im geringsten!« entgegnete er. »Oder vielleicht sogar ganz genau, wenn du es so sehen willst. Aber diese Eiszeit, wenn du so willst – nur zu, nenn es so! – ist für die Menschheit, nicht gegen sie. Du wirst diese Eiszeit niemals Findlinge heranrollen oder mit Mammutknochen in ihren Zähnen entlangkriechen sehen. Diese Eiszeit verdeckt den Dreck ganz und ordnet 40
ihn nicht nur neu an. Das ist Plastik, was du da betrachtest, Mensch. Ich bin hier draußen als eine Vorhut des Plastiks. Es ist ein freundliches, im höchsten Maße konkurrierend durchgeführtes Macht-dem-Plastik-dieHölle-heiß, Der-Teufel-hole-den-Letzten-Rennen zwischen meinen Drückerammen und mir auf der einen Seite, und jenem kriechenden, grauen Rand auf der anderen. Und wir gewinnen!« Er grinste voller Befriedigung. Und wenn ich nicht schon vorher entschieden hätte, daß er einer der Großen sei, dann hätte ich jetzt vermutet, daß er nur eine Art kleiner idiotischer Aufseher war, der eine dünne Befriedigung daraus zieht, daß er seine winzig-winzige Aufgabe bewältigt. Sicherlich war dies ein Planer, ein Beweger, ein Schüttler und ein Neugestalter des Weltplans. Zumindest ein Beweger, ein Schüttler und ein Neuordner der Erdoberfläche. »Warum – Was –?« blubberte ich. Ja! Ich war in jenem Moment wie eingeschneit, so tief in der Dunkelheit wie ich es niemals sein möchte. Er schaute mich heiß aus kleinen Glühbirnen an. Er bohrte wirklich tief in mich hinein. Er schien eine überaus schwierige Entscheidung darüber zu treffen, ob ich in Wirklichkeit existierte oder nicht. »Sag mal, du bist doch für dies hier kontrolliert worden«, sagte er schließlich. »Nicht wahr?« Ich erinnerte mich an einige Tore und einige Wächter, die ich vor vielen Tagen und vielen vielen Kilometern passiert hatte. Weit unten am Rande des Ortes, wo alle Dinge alt und zerstört waren. Ich erinnerte mich an jene harten Kreuzverhöre und die Lügendetektoren und die gründlichen Untersuchungen, die Untersuchungen des – »Ich glaube, ich bin kontrolliert«, antwortete ich. »Wäre ich sonst so weit gekommen, wenn ich es nicht wäre? Etwas Ähnliches wie Blechadler haben auf dem ganzen langen Weg über mir gehangen, kreisten, krei41
sten sozusagen, wie ich langsam auf den müden Stuten meiner Beine herkam … Ich nehme an, daß ihr Leute hier keinerlei Risiken mit dem, was ihr hier habt, eingeht.« »Wir gehen keine Risiken ein. Zeig mir, ob du sie hast!« Ich rollte meine Ärmel hoch und zeigte ihm die beiden leuchtend-orangenen M’s, die auf meinen Unterarm bei den weit zurückliegenden Kontrolltoren gestempelt worden waren. Ich glaubte, daß es dies war, was er sehen wollte, und es war es. »Du bist kontrolliert! Und du bist eine ganze Menge mehr als nur das!« Er starrte genauer auf die M’s. Seine Stimme hatte einen Unterton der Bewunderung, von dem ich nicht glauben konnte, daß er falsch war, Ja, er meinte es ernst. »Du weißt wahrscheinlich nicht genau, was jene da bedeuten«, sinnierte er, »aber ich weiß es. Ich weiß es wirklich«. Dann schüttelte er seinen Kopf mit einem Ausdruck, den ich als Traurigkeit entziffern mußte und schien in seinem Gedächtnis einen langen Weg zurückzureisen. »Zu alt«, murmelte er, »zu alt und zu viele Brücken sind krachend in die Fluten, die Flammen und die immeranwesende Zerstörung der Tage gestürzt, bevor diese Sache für mich kam. Aber du – du bist gerade richtig! Du bist jung und hast offensichtlich deine Tests mit fliegenden Fahnen bestanden, die im Winde wirklich knattern. Ich wette, du bist unter deinen Kleidern – am ganzen Körper! – vollgestempelt.« »Ja, sie haben mich ganz schön vollgestempelt. Dann sagten sie mir, ich sollte mich auf den Weg machen. Deuteten auf eine Straße, gaben mir Karten und Tabellen und sagten ›Gehen Sie da rauf. Sie sind beim Aufbauen, und Sie werden sicherlich rechtzeitig ankommen‹. Ist es dies hier, was sie meinten?« 42
»NEEEIIIN. Nicht für dich. Für dies hier war ich tauglich. Ich war ein Früh-Früh-Moderaner. Aber ich war zu alt, von der Zeit verwüstet und von den Ereignissen geschädigt, bevor diese goldene Chance für mich kam. Aber du, du bist jung und richtig und auf der Höhe. Ich kann es dir jetzt verraten, du wirst der Herr einer Festung sein, einer von der Eliten-Elite, falls du jene Operationen aushalten kannst. Und ich sehe keinen Grund, warum du es nicht solltest. Ich hielt diejenigen, die man mir erlaubte, in guter Verfassung aus. Und dir wird man das Maximum erlauben. Ich kann es den kleinen Markierungen unter deinen M’s entnehmen. HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!« Impulsiv ließ er die Kontrollen des Flop-Hops los und ergriff meine rechte Hand mit seinen beiden Händen. An jenem Tag bekam ich wirklich einen stählernen Händedruck! Nach einer Weile landeten wir wieder an der Stelle, von der wir gestartet waren, und dort waren wieder zwei Drückerammen, die sich um das gleiche Loch bemühten, so war es also völlig zum Guten, daß wir zu diesem Zeitpunkt an der Station wieder angekommen waren. Er lief sofort zu den beiden und klärte die Lage, indem er den beiden dummen Rammen mit einem bestimmten Schlagrhythmus auf die Hinterteile klopfte, den ich bei ihm in dem anderen Falle bemerkt hatte. »Eine sehr schlechte Stelle, diese hier«, verkündete er, als er zurückkam. »Etwas an dem Entdeckungsbereich an genau dieser Stelle, die – wie du bemerken wirst – im ganzen eine kleine Senkung darstellt, verursacht, daß sich die Spiralen verwickeln. Ist wirklich nicht der Fehler der Maschinen, nicht im geringsten, denn sie tun ja nur, wozu sie programmiert sind, und das ist alles.« »Sie wissen wirklich wie man’s macht!« rief ich 43
aus, denn etwas sagte mir jetzt intuitiv, daß ich hier einen kleinen, dienenden Menschen vor mir hatte, ein Opfer, das etwas Lob wirklich brauchte. Er schwoll ein gutes Stück vor Stolz an und seine Brust hob sich um eine Stufe. »Hör mal, ich habe diese Technik selbst entwickelt – ihnen in einem bestimmten Rhythmus auf das Hinterteil zu klopfen. Unterbricht ihren Rhythmus, rüttelt an ihren Verbindungen. Sie wandern einfach für eine Weile davon, weil sie nicht wissen, was zum Teufel sie sonst tun sollten. Doch nach kurzer Zeit setzen sie ihr gewöhnliches Leben wieder fort, der Rhythmus ihrer Programmierung ist wiederhergestellt und sie sind wieder gute, nützliche Drückerammen.« »Ich denke jedenfalls, daß das ganz schön schlau ist, diesen großen Erdbumsern so aufs Hinterteil zu klopfen, daß ihre dreckigen Walzen in der Luft wirbeln, und sie völlig verwirrt und verdutzt sind. Zeigt irgendwie die Überlegenheit des Menschen. Doch – hm?« »JA! Hab’s selber ausgedacht, durch eine Art Zufall, um genau zu sein. Sah, daß es klappte, als mein Fuß einmal ausrutschte und ich gegen eine fiel. Ich drosch mit meinen Händen auf sie los, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Habe mir die Methode angeeignet. Alles natürlich gegen die legalen Verfahren. Paß mal auf! Du solltest mal sehen, was ich wirklich tun sollte, wenn so etwas passiert. Ungefähr fünfundzwanzig bis dreißig Formulare müssen ausgefüllt werden, die haargenau Zeit und Ort und meine Überlegungen enthalten müssen, warum es zu dieser Sauerei kommen konnte. Ich fülle wie wild die Formulare aus, verstehst du, nachdem ich augenblicklich und sofort die Nachricht ins Hauptquartier schickte, daß zwei Drückerammen am gleichen Loch sind. KOMMEN SIE SO44
FORT! Ungefähr sechzehn hohe Tiere hüpfen in höchster Eile im Hauptquartier von ihren Neumetallgeliebten, ihren Sekretärinnen – du verstehst schon – springen in ihre Flop-Hop-Düsenflugflitzer und rasen los, als ob die Hölle selbst hervorbrechen würde. Während der ganzen Zeit prügeln sich die beiden armen Drückerammen – deren Signale sich gekreuzt haben – die Seele aus dem Leib und machen auf der eingeebneten Oberfläche eine größere, verunstaltete, weiche Fläche, als dort vorher eine gewesen war und treiben zusammen die Sinnlosigkeit auf die Spitze. Aber die hohen Tiere sind schnell da. In – sagen wir – zwei bis fünf Minuten. – Eines muß man ihnen lassen, sie sind schnell – sie stürzen aus ihren DonnerschlagFlugflitzern und haben ihre großen Zigarren angebrannt und räuspern sich und stellen Betrachtungen über die Lage an, bevor die beiden verwickelten Drückerammen kaum mit einem Drittel ihres programmierten Arbeitsganges des Erdrammens fertig sind. Was es wirklich schwieriger macht, denn da sie natürlich große Männer der Tat sind, die Kameraden vom Hauptquartier (du weißt doch: tu etwas, auch wenn es falsch sein sollte), lassen sie sofort die TrennungsKampfverbände kommen, die nach zehn weiteren Minuten mit den schweren Transportern einfliegen, und diese Trenntruppen werfen große Kettenringe um die intensiv arbeitenden Drückerammen und schleifen sie vom Loch weg, wobei die Drückerammen natürlich immer noch kämpfen, um ihren Arbeitsgang zu beenden. Hast du jemals versucht, eine Drückeramme gewaltsam vom Loch wegzuzerren, bevor sie ihren Arbeitsgang beendet hat?« »Nein. Habe ich niemals gemacht.« »Nein«, lachte er, »natürlich nicht. Aber es kann mit genügend Pferdestärken und genügend starken Ketten 45
geschafft werden. Zerreißt aber doch die Drückerammen, weswegen sie viele Kilometer weit zu einer Reparaturstation weggeschickt werden müssen. Dann fülle ich nur noch die Formulare zu Ende aus und der offizielle Weg ist eingehalten worden und alles ist ungezwungen, glücklich und zufrieden mit den Jungs vom Hauptquartier.« Ich lachte. Er lachte. »Ja, wenn ich mich in jeder Beziehung an das vorgeschriebene Verfahren klammern würde, hätte mich der lange Eisrand des Plastiks schon fast völlig bedeckt. Zusammen mit meinen Drückerammen im Handumdrehen. Ich schmeiße den Laden hier, die großen Männer vom Hauptquartier können mehr Zeit auf ihre Neumetall-Sekretärinnen verbuchen, ich bleibe dem Plastik voraus – und wem sollte es etwas ausmachen, wenn ich einige Teile der »offiziellen Vorschriften« zerreiße?« »Niemandem sollte das etwas ausmachen«, stimmte ich zu. Er schaute mich an und ein halbes Lächeln spielte um die Mundwinkel dieses stolzen, eitlen, unwesentlichen kleinen Mannes. »Weißt du, was passieren würde, wenn sie herausfinden würden, wenn sie jemals herausfinden würden, wie ich jenen Drückerammen in einem bestimmten Rhythmus auf die Hinterteile klopfe, um das Verfahren abzukürzen? Nun, ich würde in wenigen Minuten in Ketten hier herausgefahren werden, das würde passieren. Ja, Verfahren sind der Gott im Neuen Land. Es muß natürlich so sein – aber dennoch denke ich mir manchmal, daß gesunder Menschenverstand das beste ist. Ich gebe jenen Drückerammen meistens etwas zusätzliches Öl oder poliere und verhätschele sie mit der Bring-sie-auf-HochglanzAusrüstung, um sie wieder auf den rechten Weg zu bringen und sie ihre Erniedrigung vergessen zu lassen. Und das klappt.« Und plötzlich kam mir eine verblüf46
fende Einsicht. Dieser Mann war wirklich ziemlich normal! Die offiziellen Verfahren waren für jeden außer ihm da. Auf einmal fand ich, daß ich seine schlaue kleine Verletzung der Vorschriften durch das Auf-dasHinterteil-klopfen nicht so sehr bewunderte, wie ich es eigentlich erwartete. Aber andererseits enttäuschten mich alle Menschen früher oder später, wie ich in der Vergangenheit heraus gefunden habe. Sie sehen einfach nicht die Grenzen. »Was ist jetzt mit jenem Plastik? Und was ist in dem Zusammenhang mit den Drückerammen?« schrie ich. »Sie haben mich über weite Flächen abgekratzter und eingeebneter Erde geflogen, auf denen es vor schlagenden, herumwandernden, die Erde bumsenden Drückerammen nur so wimmelte. Sie haben mich auch über weite Gebiete weißlich-grauen Plastiks geflogen, die – von meinem Standpunkt aus – so glatt und kalt wie Eis aussahen. Gibt es einen Grund für das alles? Sie scheinen zu denken, daß es wichtig sei. Ist es, abgesehen davon, daß es ihre Arbeit ist, wichtig?« Seine Augen wurden hart und hell. In dem Moment war er kein freundlicher Mann. Aber bald entspannte er sich, nachdem, wie ich vermute, etwas in seinem Verstand geklickt hatte. »Sicher«, antwortete er, »es ist von großer Bedeutung. Aber da du erst vor so kurzer Zeit aus dem Alten Land gekommen bist und einen weiten Weg von da gehabt hast, wo alles zerstört und verbrannt ist, wie man mir sagte, vermute ich, daß du es nicht weißt. Verzeihe mir. Ich wurde in dem Augenblick ein bißchen wütend auf dich. Ich dachte, du wolltest mich verspotten. Aber ich weiß jetzt, da ich mich an deine Vergangenheit erinnere, daß es nur Unwissenheit war. Und Unwissenheit kann bewundernswert sein, falls die betreffende Person sie ehrlich erworben hat. Freche, schmutzige, halbfertige Besser47
wisserei ist so ziemlich die schlimmste Sache, die es in der Welt gibt, verglichen mit ehrlicher Unwissenheit.« »Danke«, sagte ich. »Vielen Dank.« »Nun, um deine Frage über das abgekratzte, plattgewalzte Land, die Drückerammen und das Plastik zu beantworten: Weißt du, wir bewegen uns da hinunter, wo du hergekommen bist. Wir werden alles rechtzeitig erledigen. Du weißt sicherlich, daß die Erde vergiftet ist. Von dem, was ich gehört habe, ist die Gegend, aus der du kommst nicht nur vergiftet sondern auch zertrümmert und verbrannt. Wir hier oben hielten kurz vor jener Vernichtung an: Deshalb gibt es diesen Ort, zu dem ihr aus dem Alten Land kommen sollt. Aber unser Land war durch den wissenschaftlichen Fortschritt‹ genauso vernichtet wie eures. Deshalb bedecken wir alles mit sterilem Plastik, bedecken wir alles Land der Erde mit einer großen, weiten, weißlich-grauen Hülle aus dickem, festem, sterilem Plastik. Das ist unser Ziel. Es ist eine riesige Aufgabe, aber für riesige Aufgaben hat der Mensch herkulische Maschinen. Die Berge gehen in die Täler, die Ufer kommen in die Flüsse, die Grabenränder kommen in die Gräben, die Golfplätze werden geglättet, die Bergwerksabfälle werden zerschmettert – und alles wird überzogen. An den notwenigen Stellen richten wir Wasserspeicher für den Abfluß ein und frieren sie fest. Mit den Meeren werden wir uns befassen, wann es uns paßt, wann es uns paßt und nicht zu wenig. Es gibt mehrere Pläne. Einer besagt, daß wir unsere wissenschaftlichen Fertigkeiten dazu einsetzen sollten, die Meere festzufrieren. Ein anderer besagt, daß wir alle Meere in Kapseln in den Weltraum schießen sollten, und damit mit all dem überschüssigen Wasser für immer fertig wären. Der Neumetallmensch, der ich bis zu einem gewissen Grade bin und der du zu einem wesentlich höheren Grade 48
werden wirst, wird sehr wenig Wasser brauchen … Aber im Moment bearbeiten wir das Land. Das Wasser ist eine spätere Aufgabe. Aber wenn wir mit allem fertig sind, stelle ich mir eine Erde vor, die so voller Ruhe und voller Frieden in der Natur ist, daß sie das wahre Wunder aller Zeiten darstellt. Die Oberfläche unseres Planeten wird eine glatte, feste, gräulichweiße Haut sein. Wenn unsere Wasserpläne vollendet sein werden, wird es keine Regenfälle mehr geben. Der Mensch wird nirgendwo in der Welt mehr vor Überschwemmung flüchten. In wolkenlosen Himmeln werden die Winde in unseren gleichmäßigen Temperaturen gestorben sein, der Mensch wird nie mehr von Tornados hochgewirbelt werden. Die Luft wird als stille Hülle über einer im wesentlichen glatten, grauen Kugel hängen, wobei die Glätte nur von den Festungen und den blasenförmigen Häusern unterbrochen wird. Bäume, falls wir sie haben wollen, werden auf einen leichten Hieb auf einen Schalter aus den Löchern in den Grundstücken hervorspringen. Die Blumen werden gerade richtig und pünktlich in wunderbarem Blütenmetall blühen. Tiere – es wird keine Tiere mehr geben, es sei denn, daß wir einige Tiger, Löwen und Ähnliches, alle mechanisch natürlich, für eine inszenierte Dschungeljagd haben wollen. Ja! Es wird ein Land für alle Zeiten sein, ordentlich und steril. Das ist der Traum!« »Aber Sie haben immer noch nicht erklärt, warum jene Drückerammen den Boden auf so eine absurde Art und Weise rammen!« Ja, ich konnte mir den größten Plan im ganzen Universum anhören und trotzdem die Knochen einer schroffen, schartigen unbequemen Frage in meinem nonkonformistischen Hals bohren fühlen. Und ich fühlte sowieso, daß er mir eine Antwort in etwas weniger großartigen Ausdrücken schuldig war. Jeder könnte eine große Seifenblase von einem Traum 49
darüber haben, wie die Erde in einen so ordentlichen Ort verwandelt werden könnte, der fast die Vorstellungskraft aus der Fassung bringt. Aber würde es jemals geschehen? Nun, ich zumindest würde es für mehr als nur ein kleines kosmisches Wunder halten, wenn der Mensch, ein Lebensfunke, der sich selbst langwierig aus den toten, kalten Elementen entwickelt hat, seine Kräfte so systematisch einsetzen würde, daß er jene Elemente so anordnete, daß er schließlich wieder einen im wesentlichen toten, kalten Planeten hätte, bevor er dahinschied. Es würde mir sicher als ein trauriges und mehr als nur leicht bedrückendes Schließen des Kreises erscheinen. »Erzählen Sie mir etwas über die Drückerammen!« rief ich. »Nun, wie du schon vor einiger Zeit erraten haben solltest, sind die Drückerammen nur gewandte und verfeinerte Maschinen. Wunder der Technik könntest du sie nennen, die sicherstellen sollen, daß die Oberfläche, die wir überziehen, überall zusammengepreßt und fest ist. Wir wollen keine Risse oder Dellen im Plastik haben. Die riesigen Planiermaschinen und Walzen machen die grobe Glättungs- und Preß-Arbeit, und sie sind schon viele Kilometer weiter dahinten. Und Kilometer zurück in der anderen Richtung, wie wir es bei unserem Flug im Flop-Hop-Flugflitzer gesehen haben, ist die Eiskante des Plastiks, um das sich das Ganze hier dreht. Und meine Drückerammen und ich sind dazwischen die eigentliche künstlerische Leistung. Wir sind diejenigen, die sich sorgen, die sich darum kümmern, daß aus der ganzen Sache deshalb nichts wird, weil einige weiche Stellen nicht behandelt wurden und eine ungeeignete Unterlage für das Plastik abgeben. JA! Wir sind der entscheidende Punkt des Ganzen!« Ich konnte sehen, daß dies eine stolze Bezeichnung war. 50
Ich schaute mich um. Weit und breit schlenderten auf der geglätteten und gewalzten Erde die hohen walzentragenden Monstren, und groß war die Zahl der Drückerammen, die sich in Position gekrümmt hatten und es mit dem Dschag-dschag-dschag, Phuu-phuuphuu, Bamm-bamm-bamm probierten, das ihre Hauptaufgabe war. »Wie lange werde ich in dem Krankenhaus bleiben«, fragte ich plötzlich, als ich nun an meine Zukunft und viele Dinge dachte. »Neun Monate«, antwortete er sofort, wobei er einer nahestehenden Drückeramme, die sich einer weichen Stelle in der harten Haut der Erde annahm, liebevoll auf das Hinterteil klopfte. »Das ist die volle Umwandlung, und du bist für sie vorgesehen, wie ich den Markierungen unter den orangenen M’s entnehmen kann.« Er streckte eine Hand aus und ich schüttelte sie, fühlte ihren kalten Stahl. »Viel Glück mit den Operationen, mein Junge. Wenn wir uns wiedersehen, falls wir uns wiedersehen, wirst du der Herr einer Festung sein, einer aus der Eliten-Elite. Der Jugend wird geholfen werden. Ich verpaßte meine Chance. Meine Jagd scheiterte. Ich schickte meine grauen Bataillone zu spät auf die unmöglichen Schlachtfelder und verlor – Nicht daß es mein Fehler war – Es war das Alter – und Schicksal.« Er wandte sich ab, und ich wußte, daß er eine Schlacht schlug. Ich ging weiter zu dem Ort hinauf, wo die Operationen neun Monate dauerten, wo – Gerüchten zufolge – eiserne Schwestern, steril und tüchtig, auf Schienen zu den Bettkanten fuhren, wo ein Mann – sofern er zu den AUSERWÄHLTEN gehörte – genügend Teilstahl bekommen konnte, um ein König seiner Zeiten zu werden.
51
Die Schmetterlinge waren so groß wie Adler Ich ging durch ein Tor aus leuchtend-orangenen M’s und stieg zu einem Mann hinauf, der wie ein Wächter dastand, wachsam und steif. Er trug die Kleidung eines Metzgers, oder war es der Kittel eines Wissenschaftlers, der etwas lose an der Chef-Pose eines Wächters hing? »Sie können mich aufschneiden! Ich will mich anschließen! Wenn Sie der Metzger sind –« Er beäugte mich aus zwei kalten und bewegungslosen Kugeln, die ungefähr zwanzig Zentimeter auf Stielen aus seinem Gesicht vorsprangen und wie Stahlblechdosen glänzten. Aber als er sie zu sich zurückzog, bemerkte ich, daß sie in Wirklichkeit nur ganz schön normale, eisblaue Stahlaugäpfel waren. »Lassen wir das Gedankenlesen.« Er sagte es sehr ruhig, gleichmäßig; die Stimme hatte einen maschinenhaften Klang. »Auch das wilde Raten. Ich bin gekleidet wie ein Metzger, ja, das ist eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen. Und auch wie ein Wissenschaftler, wie Sie sicher zugeben müssen. Aber ich mache keine Schnitte, auch führe ich keine Experimente durch. Ich bin ein Wächter und ein Symbol. Ich stehe hauptsächlich hier, knapp hinter dem Tor der M’s, um Sie zu begrüßen, wie Sie aus dem Alten Land hereingestolpert kommen. Ich höre mir Ihre beste persönliche Geschichte von Not und Leid an, falls Sie sie mir erzählen wollen. Und ich kontrolliere Ihre M’s, die Sie von dem anderen, weit zurückliegenden Tor haben müssen, falls Sie hier bleiben wollen.« »ICH HABE SIE! Ich habe wirklich die M’s!« Und ich schickte mich an, mich bis auf die Haut auszuziehen, damit er sehen konnte, wie sehr ich wirklich abge-M’t war. Er sah komisch aus. Seine eiswür52
felblauen Augen sprangen ungefähr fünfundzwanzig Zentimeter vor, jedes wieder auf seinem eigenen Stiel, und nickten, aber nicht im Gleichklang. Immer eins nach dem anderen, wie ein verrücktes, abwechselndes Blinzeln. »OOHH! OOHH! OOHH!« sagte er schließlich, »HUUII! JUUII! Und WAP! WAP! Sie haben sie wirklich. Und ich bin dafür programmiert, Ihnen oohh! oohh! oohh! huuii! juuii! wap! wap! mitzuteilen, wenn ich so etwas sehe. Es ist nicht zu ungewöhnlich, es ist aber auch nicht alltäglich. Was ich meine ist, daß Sie der Herr einer Festung werden, der steil nach oben gehen wird, wenn es überhaupt einer macht. Vorausgesetzt, daß Sie die Operationen ertragen können. Jedes M ist ein größerer, schrecklicher Schnitt, falls Sie es wissen sollten oder nicht.« »Ich habe die M’s«, sagte ich einfach, so bescheiden wie ich konnte. »Ich werde versuchen, sie in jeder Weise zu ehren, in der Mut, Standhaftigkeit, Tapferkeit, einfache, wahre Charakterfestigkeit, Vaterlandsliebe und Ehrfurcht vor meinen Vorfahren eine Sache ehren können. Und falls das nicht genug sein sollte, werfe ich noch einige großzügige Portionen Elan und viel Korpsgeist dazu! ICH WERDE NIEMALS AUFGEBEN.« Sicher, ich war fast halb zu Tode erschrocken, aber ich war nicht gewillt, irgend jemanden außer mir auch nur die geringste Kleinigkeit darüber wissen zu lassen. Ganz besonders würde ich nicht vor dieser sprechenden Blechbüchse die weiße Fahne hissen, die herausgeputzt wie ein Metzger-Wissenschaftler-Wächter war und mit ihren verrückten schauerlichen Augenkugeln aus blauem Glas und ihrem Rein-Raus-Hokuspokus nach mir stieß. Und außerdem, Pose und so weiter, Ängste und so weiter, Prahlerei und Bluff auf Eis gelegt – hatte ich es alles einmal eingesetzt auf meinem Weg zum diensthabenden Dienstherrn der Bumms, im Alten Leben. 53
Nicht gerade ein Niemand … Ich konnte es schaffen! Während ich dastand, erschrocken und fest entschlossen, es nicht merken zu lassen, tatsächlich sogar dazu verpflichtet, mutig zu sein, drückte der Wächter einfach einen Knopf – und die Stelle, an der wir standen, verwandelte sich sofort in einen Rollweg. Wir bewegten uns schnell an Häusern, die wie Blasen geformt waren, an blasenförmigen Heimen vorbei und auf ein großes Gebäude zu, das etwas weiter innen gelegen war. Während der kurzen Fahrt half er mir pflichtbewußt wieder in meine Kleider. Dabei entbot er mir wieder das oohh! oohh! oohh! huuii! juuii! wap! wap!, wonach ich mich wieder besser fühlte. Nahe dem Eingang des großen Gebäudes gab er mir meine Bescheinigung, deren Formulare, wie ich vermute, er bereits mit großen Stapeln von Kopien erstellt hatte, die er in einem geheimen Raum direkt hinter der Tür zu seiner Brustplatte trug. Ich bemerkte, daß die Bescheinigung eine sehr einfache, orange Karte war, die auf der einen Seite in unbeholfenen, mitternachtsschwarzen Buchstaben den Code o! o! o! h! j! w! w! trug (für den ich keinerlei Grund sah, ihn übersetzen zu wollen) und auf der anderen Seite die einfache, getippte Notiz »Berechtigt für das volle Programm«. »Ich hoffe, daß auch das letzte M ein großer GROSSER Erfolg wird und jeder schreckliche Schnitt der Mühe wert ist.« Er sagte es gerade mit seiner seltsamen, maschinenähnlichen Stimme, die sicherlich vorprogrammiert war, als ich auf die Türen des großen weißen Gebäudes zuging, und er kehrte den Rollweg um, um wieder zu den Toren der M’s zurückzufahren. Ich sah ihn nie wieder. Sehen Sie gerne Blut? Sehen Sie gerne Ihr eigenes Blut? Sehen Sie gerne irgendwelches Blut hervorschießen, gurgeln, strömen und in sehr durchsichtige, saubere Glasbehälter fallen, wobei es manchmal auch 54
daneben und auf den Fußboden fällt, überall hinfließt, bis alles diese lustige, schäumende rote Farbe hat, alle Ihre Handtücher, Matten, Kleider und Schwämme durchtränkt sind und der Duft …? Wirklich? Sehen Sie gerne, wie Fleisch zerschnippelt, in Scheiben geschnitten, zerlegt, in Fetzen zerrissen und umgearbeitet wird? Wirklich? Sehen Sie gerne, wie Ihr eigenes Fleisch … … …? Wie steht’s mit Knochen? Sehen Sie gerne, wie Knochen zersägt werden? Ich meine, wie das Metzger in Metzgereien machen? Sehen Sie gerne live, aus nächster Nähe, wie man mit großen Äxten auf Knochen losgeht? Sehen Sie es gerne, wie die eigenen Knochen aus Fleisch und Haut gleiten? (Oh, sie sehen seltsam aus, so heimatlos, feucht und glitschig!) Ich meine, mögen Sie es, wenn man Ihnen selbst die Knochen herausnimmt? Mögen Sie … … … … … … … … … …………………………………………… … …? Zwei Ärzte, stahlverstärkt, groß und kalt, keinen Unsinn im Sinn habend, erwischten mich sofort. Ich will nicht sagen, daß ich lief, aber ich beabsichtigte, ganz langsam und gemächlich auf das weiße Gebäude zuzugehen, auszukundschaften, mir Zeit zu nehmen, mich neugierig etwas umzusehen, die Waschräume, Einrichtung, eisernen Bettmulden und das stählerne Schwesternkorps zu erkunden. Aber die Ärzte führten mich bald davon, einer von ihnen schnappte begierig nach der Karte für das »volle Programm«. Wir gingen da hinein, wo die Lichter blau und kalt waren. Ich ging mit meinem ganzen fleischernen Ich, das an jenem Tage zum letzten Mal in Betrieb war. Ich hatte meinen Geist so fest um mich herum verschlossen, wie ich es konnte, er war kalt und dicht versperrt, mein Körper war ganz klein zusammengeschrumpft, um in den Ab55
soluten Schrecken und die Hölle des Blauen Unbekannten hineinzugehen. Was ist es doch für ein übles Bild, dieser Anblick des großen, derben Kämpfers, wie er hoch aufgerichtet in seine Gefahr schreitet, seine Brust ist außer Atem, seine Schultern sind angeschlagen, in seinem Brustkasten dröhnt es im Schlachtrhythmus, tom-tomt es, wenn Sie so wollen, von der stürmischen Herausforderung des reinen Trotzes. Ein schönes Gemälde, dieses da! Aber unterwerfen Sie einen Mann einigen äußersten Prüfungen, und sehen Sie, wie es ihm ergeht. Er kauert sich ganz klein zusammen, ist zusammengeschrumpft, er packt und umklammert seine Andenken in den Taschen und im Geiste, seine verstört sich umschauenden Augen versuchen alle Richtungen zugleich zu überblicken. Und er spricht zu sich selbst, flucht, betet, murmelt, weint und hofft mit aller Hoffnung, die er besitzt, daß er eines von zwei Dingen macht – einigermaßen ehrenvoll durchkommt und einen neuen Tag erlebt, oder mutig und ohne zu große Schande in der Absoluten Nacht stirbt. Ich packte meine Gedanken an jenem Tage in alle Fäuste, die ich jemals in der gefährlichen Welt der Menschen und Ereignisse besessen hatte. Ich sandte meinen Nerven blitzschnell die Nachricht, daß sie nur für die zehn Minuten der Untersuchung in der Absoluten Zeit jetzt so fest wie Zementrohre sein sollten, wenn sie es überhaupt könnten. Aber was lohnt es? Warum sollte ich mich so anstrengen? Was könnte es jemals angesichts der Absoluten Dunkelheit ausmachen, ob oder ob nicht ein weiterer kleiner, fleischerner Faulpelz, der vorgab, flott zu sein, sein Lebensschiff gegen die Wand flog? Ja, ich dachte, daß ich betrogen worden sei und man mir eine Reise direkt in den großen Himmel des Todes angedreht hatte, und ich war entschlossen, so tapfer dort hinzugehen, wie es über56
haupt ein Mensch tun kann. Ich wußte einfach nicht … was man wirklich … auf Lager hatte. Wie gefällt Ihnen Druckknopfchirurgie? Wie gefällt es ihnen, Druckknopfchirurgie zuzusehen? Wie betrachten Sie es, wenn man auf Ihnen Pläne für Schnitte und zum Herausnehmen der Knochen absteckt, mehr Pläne, als man jemals in den Alten Zeiten an der Uferseite von Angus angefertigt hatte? Wie kommen Sie mit der Idee von Besprechungen über die orangen M’s zurecht, von kurzen, unordentlichen Treffen mit den Ärzten – Schlachtplanung der Schmerzen – bevor sie Sie jeden Tag mit über Ihrem Kopf zurechtgemachten Messern angreifen? Denn, wissen Sie, wir machten es M für schmerzhaftes M, blutenden Schnitt für blutenden Schnitt, neun Monate lang, beginnend Anfang November, ich und die stahlverstärkten Medicos. (Ohne den Schatten eines Zweifels waren sie Chirurgen von höchster Fertigkeit). Ich betrachtete jeden Schnitt im Fleisch, jeden Einschnitt in die Knochen, jedes Herausnehmen eines Gliedes, jedes Einsetzen eines Implantates, denn das war Teil des Plans. Die Ärzte machten keine Bewegung, kratzten nicht einmal an der Grenze eines M’s, wenn ich nicht bei vollem Bewußtsein und ausreichend unterrichtet war. Wieder geboren zu werden! Und zu fühlen und zu sehen, wie Sie wieder geboren wurden. JA! Denn irgendeinmal, irgendeinmal später in Moderan, wenn Sie hochaufgerichtet an Kriegsknöpfen stehen, Ihre Festung auf Dauerfeuer eingestellt, und alle Festungen beschießen Sie und sich untereinander, dann würde es sich für Sie nicht als gut erweisen, wenn Sie überempfindlich wären. Der Herr einer Festung zu sein, war eine Aufgabe und eine Verpflichtung, ganz zu schweigen von den kolossalen Möglichkeiten, die diese Stellung bot. Und man könnte schon gut im Bett des Einschaltens herausfinden, ob 57
ein Kandidat den Mumm dafür hatte oder nicht. So verliefen die Gedanken der Planer von Moderan. O sicher, es gab abstumpfende Mittel, aber niemals genügend. Immer war der Schmerz gerade an der Grenze, wo man ihn noch verkraften konnte, so lag man festgeschnürt auf einem starren, weißen Bett in einem kalten, blauen Raum und blickte aus einem Glaskasten, der den Kopf von dem Rest trennte, wobei der Glaskasten sehr klar war, damit man durch ihn gut sehen konnte, und einen entsprechend großen Schlitz für den Hals hatte, der recht bequem paßte und wodurch der Kopf in eine ruhige ruhige eigene Welt gesetzt wurde. Um Schmerz zu betrachten! Mögen Sie es gerne, Schmerz zu betrachten, die chirurgischen Raffinessen, die über Ihnen auf Schienen an der Decke schweben und die nicht ganz menschlichen Ärzte, die Knöpfe bedienen und schmunzeln, und Sie fragen sich dabei, wo es herunterfällt, O Gott, wo es als nächstes herunterfällt? Und es fällt herunter und bringt Blut hervor, immer das Blut, und ein Teil von Ihnen, und hält dieses Teil von Ihnen die viel zu lange Zeit, die gerade richtig ist, damit Sie es aus dem Glaskasten betrachten können … das Blut tropft, immer das Blut … und als die Zeit kam, den Schritt zum Kopf zu machen, dann machten sie diesen Schritt, planten alle möglichen Angleichungen, änderten den Verlauf der Schienen, stellten die Einrichtungen so 200%ig exakt genau ein, daß die schimmernden Messer fallen könnten … und so machten sie den Schritt dort hinauf, um MEINEN Kopf zu erledigen! Um im Gesicht Fleischstreifen, im Gehirn Überlaufgefäße und die grünen Gehirnflüssigkeiten einzuarbeiten, die Messer fielen und schnellten vor und schnitten wie kalter, silberner Regen in dem Gebiet, in dem früher die Stille eines Heiligtums geherrscht hatte, wo der Glaskasten gewesen war … Sah ich es? SAH 58
ICH ES? Sie projizierten alles auf einen Wandschirm, es war fast wirklicher als die Wirklichkeit, und der einzige Teil, den ich nicht vollständig bei der Arbeit sehen konnte, war die Arbeit an den Augen, als sie mir jenes wunderbare moderanische Weitsicht-Sehvermögen gaben. Aber ich hörte alles auf dem bereitgestellten Schirm: »Messer in die linke Augenhöhle; Messer in die rechte Augenhöhle; jetzt den linken Augapfel entfernen; jetzt den rechten Augapfel entfernen; und Leute, da ist Blut! glaubt ja nicht, daß kein Blut heraufund herauskommt, wenn man Augäpfel entfernt; immer das Blut … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … ..« Und sicherlich spielten sie mir später alles vor, in leuchtenden Farben, auf dem größten Wandschirm, den sie hatten … Die Knochen wurden spezial-spezial auf das Allerniedrigste verletzt, als ob man tausend Dutzend Zähne auf einmal bohrt, vielleicht, und alle Bohrer berühren Nerven – AAAHHUUUU … AAA HHUUUU … AAAHHUUUU … OOOHHH … OOOH HH … OOOHHH … Es war beim Herausnehmen der Knochen, als ich entdeckte, daß mir das Krankenhaus besondere Substanzen ins Essen tat, damit ich mehr Schmerz pro Sekunde erfahren konnte, ohne das Bewußtsein zu verlieren – AAAHHUUUU … AAAHHUUUU … AAAHHUUUU … OOOHHH … OOOHHH … OOOHHH … als es mir sonst möglich gewesen wäre … (Es ist wohl bekannt, daß der gewöhnliche, alltägliche Durchschnittsmensch in den Alten Zeiten durch sein ganzes Hans-Müller- oder Eva-Schulze-Leben ging, ohne sogar die Oberfläche der handfesten Erfahrung von physischem Schmerz anzukratzen, dessen der menschliche Körper fähig gemacht werden kann. Und das war natürlich in gewisser Weise der Verlust einer absoluten Erfahrung.) Ich will 59
beiläufig sagen (und ich will zugeben, daß mich das am Anfang beunruhigt hatte), daß sie ein kleines Wunder von hervorragender Arbeit mit meinem Penis und anderen Geschlechtsteilen vollbrachten – das ganze komplizierte System blieb kraftvoll und empfindlich und doch sind alle Teile des Komplexes für eine ewige Dauer beschaffen. BRAVO! … während die sterilen stählernen hart arbeitenden Schwestern tüchtig und gefühllos auf Schienen zu den Bettkanten fuhren … Endlich war sie vorbei, die ganze schmerzerfüllte Umbau-Sache, VORBEI! Ich glaube, ich stand sie ganz gut durch, wirklich, wenn ich zurückblicke. Ich stand sie durch! Und was die Hauptsache war, ich war den orangen M’s treugeblieben. Ich wurde ein Mensch von Moderan! Meine Fleischstreifen waren jetzt gering an Zahl und unbedeutend, und die »Ersatz« -Teile aus einer Neumetallegierung bildeten den Hauptteil meiner körperlichen Pracht. Und egal zu welchen hohen ehrenvollen oder machtvollen Stellen ich in der Welt, die ich jetzt in der Hosentasche hatte, auch gelangen werde, ich werde mich immer mit besonderer Innigkeit und einem kecken Stolz an den Tag erinnern, an dem ich überwechselte, an den Tag, an dem ich durch die Tore der moderanischen M’s ging, an den Tag, an dem die Schmetterlinge des Vorstellungsvermögens und der Entschlossenheit in meinem Magen und meinem Geist so groß wie Adler waren.
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Über neue Könige macht man keine Witze Heraus aus dem Krankenhaus, heraus aus der neunmonatigen Verstümmelung, heraus aus der neunmonatigen Zauberei, auf freiem Fuß und allein. Die stahlverstärkten Arzte wußten, daß sie ein Monster geschaffen hatten. Sie waren stolz auf mich, ihr Monster, wie Ärzte immer stolz auf Erfolge auf ihrem Gebiet sein müssen; aber sie wußten, daß ich jetzt eine Art König war und sie waren nur Ärzte. Ihre Arroganz war jetzt kleinstädtische Aufspielerei, so wie die Dinge standen, hatte ihre Aufspielerei ausgespielt. Egal wie geboren oder gemacht, ein König WIRD ein König sein. Sie wurden mich los. Sie luden mich aus. Sie setzten mich schnell in die brodelnde, unruhige Welt; und das fast ohne Abschiedsfeierlichkeiten. Und mit dem äußersten Minimum an Instruktionen und Ausrüstung (was genügend viel Belastung war), das mir bei meiner kurzen Reise helfen sollte. Aber irgendwie muß ein König ein König sein, er muß wissen, wie man sich als ein Kommandant seiner Zeiten benimmt und wie er seine gefährlichen Situationen auch bei ungünstigsten Chancen zähmt. Mit meinem tragbaren Fleischstreifen-Fütterer, meinem Lehrbuch für die Kontrolle von Neumetallgliedern, meinen mechanischen Plastiktränenbeuteln (denn auch ein König muß manchmal weinen, wie Sie erlauben werden) und all dem anderen Zubehör, das mir einen Start verschaffen oder mich zumindest versorgen sollte, bis ich mein Festungsheiligtum erreichte, schwebte ich von den Stufen zum Krankenhaus, wobei mich die arroganten Ärzte beobachteten. Ich glaube, ich war so etwas Ähnliches wie eine kleine eiserne Fregatte aus den Alten Zeiten, beladen bis zum Schanzdeck und aufrecht hervorstehend. 61
Das Gehen war leicht, wirklich. Plop-plip-plap-plop – ein Fuß vor den anderen, heb-sie-hoch-und-schmeißsie-runter, knebele deine Scharniere und Bügel fest, schwinge den Arm beim Gehen, um das Gleichgewicht zu halten, dresche mit jenen Schaufeln in die Luft, wenn du nah dran bist, zu Boden zu stürzen – beschließe, beschließe, BESCHLIESSE! Beschließe, daß du dich weiterbewegen wirst. Greife nach den Tränenbeuteln, wenn die Dinge zu unsicher werden, halte an – denke – weine (o ja, ein König kann weinen), fluche, wenn du möchtest und hasse, hasse, hasse. Aber gehe weiter, laß die stahlverstärkten Ärzte nicht merken, laß niemanden merken, wie es ist. GOTT! Ein Neumetallmensch zu sein, würde nicht leicht werden. Lassen Sie mich hier und jetzt mitteilen, daß man einigen Schwung brauchte, um ein Neumetallmensch zu sein. ABER ICH WÜRDE ES SCHAFFEN. Laut dem Päckchen voll Spezialkarten und Instruktionen, das mir die Stahlverstärkten bei unserer Trennung um den Hals geschlungen hatten, sollte ich Festung 10 werden. Ich betrachtete diese Zahl und zuerst bedeutete sie nichts. Überhaupt nichts. Dann dachte ich mehr, die neuen grünen Säfte in den frisch gebauten Gehirngefäßen schwappten und dampften, und ich dachte FESTUNG 10! HOCH FESTUNG 10 FÜR ALLE ZEITEN! Festung 10 darf Moderan niemals entehren. Festung 10 muß Erfolge erzielen. Festung 10 muß Ehren gewinnen. Festung 10 muß heroisch sein. Festung 10 muß mutig sein. Festung 10 muß die stärkste, härteste, gemeinste, am meisten haßerfüllte, arroganteste, großmäuligste, schlachtenhungrigste, höllenherzigste Festung in der ganzen weiten weiten Welt sein. JA! Aber zuerst, jetzt gerade, unverzüglich DER NÄCHSTE PUNKT DER GESCHÄFTSORDNUNG! 62
Festung 10 muß seine Festung finden. Nachdem ich fünf Stunden angestrengt marschiert war und vielleicht dürftige zwei Kilometer zurückgelegt hatte, davon einiges in Kreisen, stand ich verirrt in einem kleinen Plastiktal und war recht bestürzt. Der Gasschirm war scharlachroter August in jenem glühend heißen Monat, die Blechblumen waren heraus in allen PlastikPflanzlöchern, auf den rollenden Ersatz-Weiden kräuselte sich der Glanz und Prunk der Blüten. Ein Schein war in der Luft, ein Schimmern, und eine Million Teufel des Hitzschlags gingen aus und hüllten mich fest in meiner Schale ein. Und ich hatte mich verirrt am siebenten Tag des heißen Augusts. Ich werde mich immer an ihn erinnern, wie er dahermarschiert kam, ein großer Mann, dessen Rumpf eingeschrumpft, dessen Wirbelsäule gebeugt, dessen Gesicht völlig verbrannt und runzelig war, so überaus schrecklich schwarzbraun, wie Fleisch, das zu lange am Knochen gekocht worden war. Er war sicherlich einer maximalen Vernichtung zum Opfer gefallen, Feuer vielleicht, vielleicht Feuer und Sturm zusammen, vielleicht auch noch Überschwemmungen, gewürzt durch Ärger mit seiner Frau und Ähnliches möglicherweise, fast sicher einem Krieg, unter Umständen allen normalen Katastrophen, die dem Menschen bekannt sind, und einigen nicht so normalen. Er sah so schlimm aus. Ja, wirklich. DER KRIEG zum größten Teil – wahrscheinlich. Und als er sprach, wußte ich, daß ihn ein Problem sicherlich noch über das hinaus, was zu sehen war, zugrunde gerichtet hatte. Vielleicht hatte er einige Teile verloren, die einmal wirklich zählten. Jedenfalls war seine Stimme jetzt ein sehr frauliches Piepsen, als er sagte »Verirrt, mein Herr?« Ich drehte mich um, um ihn mir von oben bis unten zu betrachten, wobei ich übte, meinen Blick mit der 63
neuen weitreichenden moderanischen Sehkraft zu einem harten Anstarren übergehen zu lassen, und ich blätterte mein Buch durch auf der Suche nach der Seite, die sich mit dem Sprechen befaßte. (Oh, erinnern Sie sich daran, daß ich aus neuem Neumetall bestand und daß das Krankenhaus mich nicht für viele Probeläufe dabehalten hatte. In keiner Phase, vom Sprechen ganz zu schweigen.) Aber es war wirklich nicht so schwierig. NEIN! natürlich nicht. Alles, was man machen mußte, um sich selbst zu betreiben, war, ein mechanisches Genie zu sein, ein Sprachsendespezialist, um zu sprechen, und einige andere Dinge, um in der Lage zu sein, als Neumetallmensch ohne Schwierigkeiten und mit Elan zu funktionieren. In der jetzigen Situation mußte man größtenteils alle Feinheiten vergessen und erst einmal die richtigen Knöpfe finden. Als ich den Schtimmodulat-Knopf drückte, schrie er, ich meine, schrie ich: »JA, ZUM TEUFEL«, – und er sprang ungefähr fünf Fuß in die Luft. Ich konnte erraten, daß er nicht an das Schreien mit einem SchtimmKnopf gewöhnt war, und ich konnte auch annehmen, daß er eine Lippenbewegung erwartete (das lernte ich später) und vielleicht auch eine bessere Tonmodulation (was ich auch später lernte). Ich versuchte es noch einmal und sagte leidlich gut, wie ich hoffte, mit etwas sanfterer Schtimmodulat-Stimme: »Ich suche Festung 10. Ich BIN Festung 10. Wenn ich dort bin.« Dann versuchte ich ein kleines Schtimm-Knopf-Lachen, nur so zum Spaß, und es wurde ein »Ha! Har!« »OH!«, sagte er, wobei feuchte Tropfen zu Boden tropften, die knorpelige fleischerne Zunge einen Tanz aufführte, die Luft in der Luftröhre pfiff, GOTT! was für eine altmodische Methode, um nur ein paar mündliche Grüße zu übermitteln. Hatten wir auf dem Gebiet nicht für recht lange Zeit einen Fortschritt gebraucht? 64
»Ich glaube, ich weiß es«, endete er mit piepsiger Stimme und so weiter und war immer noch verschreckt, »aber Sie sehen so lustig aus. Wie eine Art aufpolierter Schrotthaufen. Und die ganze Ladung!« Seine wie gebraten aussehenden Wangen bliesen sich dann auf und wurden für eine Weile für ein dünnes, piepsiges, aus dem Bauch kommendes Lachen in Anspruch genommen. »Hören Sie mal, ich bin nicht lustig«, fauchte ich wütend und arbeitete an meinen Knöpfen, »überhaupt nicht lustig. Ich werde ein König sein. ICH BIN EIN KÖNIG! Wenn ich nur herausfinden kann, wo. Und dieses Zeug ist alles Zeug, das ich brauche, um zu beginnen, lassen Sie sich das gesagt sein.« »Ich glaube, ich weiß es«, fing er an zu piepsen, nachdem er das Lachen abrupt gestoppt hatte. »Ich meine, Sie sagten Festung 10. Nun, da oben gibt’s einen großen Haufen Zeug. Will sagen, es ist ein Schloß, wirklich. DONNERWETTER! Ich meine, ’s ist wie nichts, das ich jemals gesehen habe!« Und er stand verzückt da, dachte an das was er gesehen hatte, so mußte ich annehmen. »AHH! es trägt eine große 10, die Tag und Nacht leuchtet. Die 10 muß aus Juwelen sein. Oder vielleicht nur irgendeine Art von Farbe. Aber ’s ist zuviel für mich. Ich bin manchmal daran vorbeigegangen, nur um mir die 10 anzuschauen. Und meistens passierte etwas. Oder ich sollte sagen, daß hier in letzter Zeit IMMER etwas passierte. Ich nehme an, sie haben das ganze WUMM! – Zeug jetzt vervollkommnet und eingeschaltet. Und die ganzen Wälle und Türme!« »JAA?« schtimmodulate ich. »Wirklich?« »Ja! Als ich ’s letzte Mal da war – gestern war es, spät, meine ich – mußten sie ALLE Systeme auf EIN gehabt haben. Wenn ich nah ’rangehe, aktiviere ich 65
etwas. Das hab’ ich herausgefunden, vor Monaten herausgefunden, und ich fopp’ sie auch schon seit Monaten. Aber ich glaube, ’s macht ihnen nichts aus, weil ’s ihnen eine Chance zum Testen gab. Und Übung. Und gestern, HUUII! ich muß glauben, daß alles fertig war. So ein Tollhaus, so eine warnende Schau, so eine Reaktion auf einen armen, verlorenen menschlichen Schrotthaufen wie ich einer bin, den’s erwischt hat, den’s wirklich erwischt hat. Will sagen ich bin am Ende. DER KRIEG, verstehen Sie. Und so weiter.« »Tut mir leid«, druckknopfte ich so gut ich konnte. »Tut mir wirklich leid. Aber erzählen Sie weiter, was geschah. Die Reaktion meine ich.« »Die Reaktion? – JA! Nun, wenn Sie in DEM KRIEG waren, dann haben wir ein Thema für die Unterhaltung. Waren Sie in DEM KRIEG?« »Ja, SEHR!« »Sagen Sie, waren Sie bei der Vergeltung auf Landry dabei, oder bei der Einebnung durch einen Druck auf einen Knopf von Whay? Passierte ja alles bloß in ein paar Sekunden. Da erwischte es mich, erwischte es mich wirklich und böse – in Landry, und da verlor ich die Teile, die, da sie weg sind, mich dazu bringen, daß ich gerade jetzt bei meinen Gesprächen so piepse. Verstehen Sie, was ich meine?« »Verstehe was Sie meinen. Und ja, ich war bei der Sache, die Sie erwähnten, dabei. Ich war in der Tat der junge Bummdaddo, der Kommandaddo, der diensthabende Dienstherr der Bumms, der auf die Knöpfe für Whay drückte. Es war ja mein Job, ich tat nur meine Arbeit.« Lieber Gott, vielleicht war ich derjenige, der ihn zerrissen hatte. Er schaute mich scharf und direkt an und eine Sonne kam aus jedem Auge in jenem Moment, die mit Millionen von warmen, kleinen bewundernden Klapsen 66
auf mich schien. »SIE SIND ES!« schrie er mit seiner Pieps-Stimme. Und ich glaubte, ich wußte, was er meinte. Ja, ich war sehr GROSS bei der Vergeltung auf Landry und der Einebnung durch Knopfdruck von Whay gewesen. Ich war der Erste Bummdaddo, der KOMMANDAD-DO gewesen. »Und jetzt hat man beschlossen, daß Sie hier einer der GROSSEN werden sollen! Das paßt zusammen.« »Ich bin glücklich. Und es tut mir leid, daß es Sie so erwischt hat, daß Sie so zusammengeschossen worden sind. Wirklich leid. Zum Schluß gewann ja niemand. NIEMAND. Vielleicht kann man Sie wieder in Ordnung bringen.« »Nee. Wenn es einmal so vorbei ist, dann ist es vorbei VORBEI. Für mich geht’s nur noch abwärts zum Knochenhügel. Aber ich bleibe, so lange ich kann!« Und ich mußte ihn für das letzte Singen der Entschlossenheit der zusammengebissenen Zähne bewundern. »Nur um zu sehen, wie es Euch Leuten, die es schafften, ergeht«, endete er. »Aber«, fragte ich, »würden Sie jetzt so freundlich sein, mich zu meinem Schloß zu führen? Damit ich anfangen kann zu tun, was auch immer man von mir erwartet, daß ich es tue. Ich werde Ihnen ewig dankbar sein.« »Ich werde es tun, und zwar freudig. Und wenn Sie bis jetzt noch nicht wissen, warum FREUDIG, dann werden Sie es vermutlich niemals wissen.« Er schaute mich an; nicht mit einem bittenden Blick, nur mit einem fragenden Blick aus Augen, die jetzt nicht zitterten, und ich vermutete, daß es in diesem Schrotthaufen einmal ein sehr stolzes menschliches Wesen gegeben hatte. Etwas an dieser Haltung, der Satz Schultern eines Ex-Champions, der Kopf etwas weiter gesenkt mit Augen, die neugierig daraus hervorleuchten, die Fäuste 67
bereit, die Welt in kleinste Trümmer zu schlagen – und ein Licht blitzte auf, ganz hinten in großer Weite – »MORGBAWN!« schrie ich und schlug auf alle Schtimmodulat-Knöpfe, die ich hatte. Plötzlich umklammerten wir uns, während die Zeit stillzustehen schien. »O Gott, was geschah GESCHAH?« Ich erinnerte mich an ihn, wie er vor noch nicht allzulanger Zeit gewesen war, ein Mann, der unter anderen Männern hervorstach, groß und scheinbar gigantisch in seiner sauberen Uniform der BUMMS, kurz vor Landry, wo alles für ihn und mich schiefging. Ich hatte ihn verloren, meinen großen Zweiten Kommandaddo, in der Hölle und den Flammen und dem Lärm von Landry, wo ich glaubte, daß er in die Himmel und sämtliche Winde geblasen worden wäre. Ich war selber nur ganz knapp mit der kleinsten Chance eines Wunders entkommen, um die Wiedergutmachung für alles auf Whay zu versuchen. Es gab in jenem Krieg keine Wiedergutmachung für überhaupt etwas, und schon gar nicht in Whay. JA! Ich hatte es mit den Raketenwerfern und den großen Zack-Sprengern eingeebnet, aber die andere Seite nahm mich fast genauso schlimm aus. Und direkt danach schien sich die ganze Welt in eine Flamme zu verwandeln, als jeder mitschoß. »Wieder anfangen«, sagte ich zu Morgbawn. »Vielleicht können wir beide wieder anfangen.« »Nein«, antwortete er mit der leisesten aller piepsenden Stimmen, recht unheimlich, »Ich bin jetzt nichts anderes als Staub. Im wesentlichen. Es dauert nur noch eine sehr kurze kurze Weile bis alles, was war, liegen und liegen und liegen muß, umhüllt von einem Grab. Für mich können die Schlachten nie wieder aufgenommen werden.« Dann ergriff mich eine Idee, eine große, kochende, dampfende Art von Gedanken jener Art, die mir – als 68
ich noch ganz aus Fleisch bestand – in den Alten Zeiten Denkerfalten verschaffen konnte. Jetzt knatterte und dröhnte und runzelte sich meine Neumetallhülle, als meine Fleischstreifen und mein neues grünes Blut reagierten, während die Gehirngefäße dampften. »Komm und werde mein Waffenadjutant«, rief ich mit meinem Knopf-Rufen, »und wir werden die Welt einebnen! Wie wir es einmal tun zu können hofften, als wir frisch und tödlich in unseren neuen Uniformen der BUMMS waren. Es ist eine Chance, wieder zu kämpfen und vielleicht alles zu gewinnen, vielleicht unsere Verluste auszugleichen. – Jeder Herr einer Festung, wie ich das verstehe, hat einen Waffenadjutanten. Du wirst meine Führung sein!« Der Blick aus diesem wilden getöteten Gesicht von gebratenem Fleisch war matt und trübe durch Stürme der Düsternis. Und doch glaubte ich auch den winzigen Funken einer sehnsüchtigen Hoffnung zu entdecken, der ganz weit zurück hinter seinem starren Blick kämpfte. Aber er sagte: »Ach nein, ich bin lange genug hiergewesen, um zu wissen, was ein Waffenadjutant in Moderan ist. Er ist ein sich bewegendes Teil des ganzen mechanischen Diener-Unsinns und bedeutet nichts, überhaupt nichts. Ich glaube, ich liege lieber ausgestreckt in meinem Grab, als daß ich mich den Schlachten so wieder anschließe. Nicht einmal ein Fleischstreifen!« »Ich werde dafür sorgen, daß Du einen bekommst. Ich schwöre es. Einen von mir!« »Ach, nein, was könnte es schon bedeuten? Ein Fleischstreifen. HA ha. Ein menschliches Wesen muß doch ein ganzes Geflecht haben, durch das das Blut jagt, um überhaupt etwas zu sein. Sonst bedeutet es nichts. Du mußt zugeben, daß Gott immer noch die besten Menschen machte. Ein Fleischstreifen! HA! 69
Nun, ich müßte ein eingebautes Einmachglas haben, um ihn am Leben zu erhalten.« »Wir werden es machen. Ein eingebautes Einmachglas!« »Ach, nein.« Aber es gab immer noch diesen schwachen Hoffnungsfunken und ich glaubte zu entdecken, daß er stärker geworden war. JA! Ich begann mich zu fragen, ob es Morgbawn nicht für eine um Welten bessere Idee hielt, am Leben und aktiv zu bleiben, sei es auch mit nur einem Fleischstreifen in einem Einmachglas, als völlig still da draußen zu liegen. Wobei die Schlachten für ihn endgültig und für immer vollständig aufgegeben wären. »Wie steht’s damit?« »Vielleicht!« sagte er. »Ich weiß nicht. Komm und such mich, wo ich zu Boden falle. Wir werden in Verbindung bleiben, vielleicht. Es sollte jetzt nicht mehr lange dauern. Wenn ich merke, daß ich endlich sterbe, dann werde ich sofort auf deine Festung lossteuern, wo immer ich auch sein mag. Ich werde mich so nahe herankämpfen, wie ich es kann. Komm und suche mich – .« Sein Gesicht zog sich zurück und dann begann es mit ihm zu Ende zu gehen, er schickte sich an wegzugehen, und ich denke, daß ich in jenem bekümmerten Moment etwas besser verstand als ich jemals zuvor verstanden hatte, wie es sein würde, am Rande der Ewigen Absoluten Dunkelheit zu stehen, wie es Morgbawn sicherlich tat. Er war tief unten in dem kleinen Plastiktal, das herzzerreißende Wrack meines ehemals großen zweiten Kommandaddos, bevor ich wieder in die Gegenwart und zurückkam und mich daran erinnerte, daß er mir geholfen haben könnte, meinen Weg nach Hause zu finden. O ja, sie war nah. Er hatte es gesagt. Und vielleicht würde – nachdem die Nacht hereingebrochen war – jene leuchtende 10, von der er mir 70
erzählt hatte, nach draußen greifen und mich hineinstrahlen. Ich drehte alle Einstellungen auf SCHWACH, stellte den Wecker auf eine Zeit zum Wecken ein und sank, umgeben von meiner Ausrüstung und meinen Instruktionen, auf der Stelle auf dem Plastik an jenem sehr heißen Sommerabend in den Schlaf, um im Lichte einer leuchtenden 10 zu erwachen, wie ich hoffte.
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Es kam ein roter Teppich … Ich erwachte durch das Licht einer leuchtenden 10. Die scharfen Strahlen der großen Zahl traten mir fest ins Gesicht und prügelten mich dort zu Bewußtsein, wo ich auf dem Boden lag, umgeben von meiner Ausrüstung und mehreren Karten und Instruktionen. Die glänzenden Nachtsicht-Zeiger auf dem kleinen Zifferblatt meines am Handgelenk verankerten Ewikoms verkündeten, daß es noch nicht Mitternacht war. So war es immer noch der siebente Tag des großen Augusts, mein Tag aller Tage, in meinem Monat aller Monate, die Zeit, in der ich die Schlacht begann. Und jetzt in eine neue Phase zu gehen, gekleidet in Stahl und bereit BEREIT … Das Tollhaus sauste und kreischte, als ich mich nahe heranbewegte, Plop-plip-plap-plop auf der heimatlosen Piste. War jemals ein König schändlicher eingezogen? An seinem Geburtstag!? War ein König jemals an einem Tage entschlossener eingezogen oder mit einer besseren Rüstung, um ihn in den langen Gefechten bestehen zu lassen? Die Rüstung war ich in diesem Fall, Neumetall der Hauptteil meiner körperlichen Pracht, die Fleischstreifen gering an Zahl und unbedeutend. Das Tollhaus waren die Warngeräte, die kreischten und schrien, daß sich ein unidentifiziertes Objekt auf den äußersten Wall von Festung 10 zubewegte. Und dieses Objekt wäre besser nicht schlechter als neutral, wenn es die »Warnung der Linie« erreichte, oder es würde in kürzerer Zeit als notwendig ist (um mit dem schnellsten Neumetallgehirn daran zu denken) weniger als NICHTS sein. Ich war um EINIGES besser als neutral! Ich war der Besitzer von Festung 10. ICH WAR FESTUNG 10! – 72
in einer bestimmten Denkweise nach dem moderanischen Plan. Aber wie könnte ich es ihnen sagen? LIEBER GOTT, lasse uns nicht diese Schlacht verlieren, bevor man sich überhaupt auf einen Streit eingelassen hatte. LIEBER GOTT, lasse uns nicht vor dem Schloß niedergestreckt werden, meine Hülle durch Granaten geknackt und erschossen, lieber Gott, zum absoluten NICHTS durchsiebt für nichts; lasse uns nicht hoch in den Himmel und in alle Winde geblasen werden, bevor wir unseren Thron gesehen haben. Meine Gedanken begannen, die Chancen zu berechnen; mein Gehirn begann, intensiv zu schwappen. Warum hatten mir die Ärzte das nicht gesagt? Hatte ich einige Instruktionen überhört? War es ein Trick? War es ein schreckliches Bündnis zwischen dem Schicksal und einem unglücklichen Zufall, dazu bestimmt, mich zu beseitigen, bevor ich ein König sein sollte? Ich sah mich für einen kurzen Moment tot, ein toter, kalter Schrotthaufen, der vor Der Verheißung lag, ein dahingestreckter Reisender, dem Unrecht angetan wurde, der unschuldig getötet und verkannt wurde. Es war verlockend. JA! Es war verlockend, sie es tun zu lassen. Das Selbstmitleid war hart am Arbeiten. Oh, manchmal gibt es etwas in uns, in jedem von uns, das uns WÜNSCHEN macht, zerfetzt vor dem Feind zu fallen, nur dazuliegen, um die ganze gerechte Welt kommen zu lassen und über das Unrecht, das schreckliche Unrecht weinen zu lassen. Der weißeste Ritter von allen liegt darnieder auf seinem Schwert und Schild, die Wesen des Schattens lachen, und die ganze anständige Welt weint ihre Tränen – wie befriedigend! Daran für kurze Zeit zu denken. Dann kam mein wahres, felsiges Ich wieder zurück, die Granitkliffs schlossen ihre Reihen, alle Vorsprünge, Klippen, Findlinge und die großen, säbelzähnigen Ränder erhoben 73
sich donnernd, um in die Welt hervorzutreten, und Schatten wurden geworfen und Drohungen, so groß und düster wie nur möglich, wurden ausgestoßen, während ich per Druckknopf brüllte HÖLLE UND VERDAMMNIS! Und HÖLLE UND VERDAMMNIS! In diesem Fall würde es nichts geben, worüber man weinen könnte, nichts Greifbares vor den Kanonen, nachdem das schreckliche Schießen vorbeigewesen wäre. Und selbst wenn es etwas geben würde, würden sie mich nur in einen Abfalleimer für Schrottmetall schaufeln, um die Fleischstreifen abzukochen. Aufrecht bleiben und weitergehen, niemals zu Boden fallen, niemals ein Zeichen der Schwäche erkennen lassen – das ist der einzige Weg, mit dieser wirklichen Welt des Bösen, der Gefahr und der äußersten Feindschaft fertigzuwerden. Ich wurde wieder das Ich, das sie die ganze lange Zeit geblufft hatte, das sie sich auf all den Kilometern nach Landry und darüber hinaus in ihrer Feigheit vom Leibe gehalten hatte. Ich füllte meine Luftbeutel mit soviel scharlachroter Luft des Gasschirms, wie sie fassen konnten, bewegte meine Bügel und Scharniere der Beine, um so hoch hochaufgerichtet zu sein wie möglich, schwächte die weitreichende moderanische Sehkraft abwechselnd zu messerscharfem, düsterem Blick und dem arroganten Blick des wage-es-bloß ab, beugte meine Neumetall-Dreschflegel mit größter Lässigkeit (wie der Chefkater des Blocks in den Alten Zeiten, der träge blinzelte und seine Krallen aus ihren Scheiden hervor- und wieder zurückschießen ließ), spielte ein wenig an meiner Brustplattentür herum, womit ich andeuten wollte, daß dort gräßliche, zerstörerische Dinge gelagert sein könnten und bewegte mich hinunter zur »Warnung der Linie«, wobei mir völlig klar war, daß ich jetzt den Zenit meiner Karriere erreicht hatte und 74
die Sonne sehr schnell untergehen und meine Zukunft in die Dunkelheit legen konnte … Hörte ich irgendwo ein Kichern von lachenden Neumetallrobotern? Die »Warnung der Linie« kam näher KAM NÄHER – JETZT. Ich hatte genug über Moderan gelesen, um zu wissen, was das bedeutete. Es bedeutete die letzte Chance umzukehren, falls Sie allein und verwundbar waren. Wenn Sie große Macht hinter sich hatten, irgendwo am Wege, erwartend, gut versteckt, auf der Rückseite eines Hügels, war es jetzt an der Zeit, ihnen das geheime Signal und die genauen Koordinaten zuzustrahlen, um den Feind zu vermöbeln, und zur Seite zu treten, während Ihre Sprenger die Arroganz entfernten, die es gewagt hatte, Ihnen mit einer »Warnung der Linie« die Stirn zu bieten. Falls Sie allein und verwundbar waren, könnten Sie jetzt anhalten und sich für eine Weile mit großen Augen umsehen, von einer sicheren Entfernung aus, ihnen eine kleinere obszöne Geste zeigen, die wahrscheinlich nicht ausreichte, um sie dazu zu veranlassen, Sie wegzuwischen, dann könnten Sie vielleicht einen Spottballon platzen lassen, den Sie aus dem Gepäckfach direkt unter Ihrer Brustplattentür geholt hatten und sie wissen lassen, daß Sie später mit den Sprenger-Bataillonen und zwei Handfeuerwaffen wiederkommen würden, zu einem späteren Zeitpunkt – KRIECHER, ABSCHAUM, FEIGLINGE! JAWOHL! Aber ich hatte ein »anderes« Problem. Ich hatte ein Problem, das wirklich eher zum Lachen war, außer daß es zu der Kategorie gehörte, die jemanden pulverisieren lassen konnte, und das ohne jegliche nochmalige Überlegungen. Da ich merkte, daß die zahlreichen Kanonendeckel gehoben, die Raketenwerfer bereits ausbalanciert waren und alle Wälle munter von schrillem Jammern, das drohte und warnte, beschloß ich, nicht 75
zu lachen. Aber da ich ein Mensch war, der sich der Komödie, die die Grundlage aller Dinge in dieser absurden Welt bildete, bewußt war, konnte ich mir ein gepreßtes kleines Lächeln nicht verkneifen, als ich daran dachte, wie die Dinge standen. Hier war ich, Festung 10 selbst, in einer gewissen Denkweise, laut dem moderanischen Plan, wesentlicher Teil der Bedrohung, die mich in einem gewissen Abstand hielt, die sich näher auf mich zubewegte und die ich mir vom Leibe hielt, vielleicht um von diesem Ich zu NICHTS zerblasen zu werden, falls ich mit meinem trotzigen Marsch nach vorn zu mir selbst hin weiter fortfuhr. Ein Mann, der von seinem eigenen Ich getötet wurde, bevor er sich erreichen konnte, stand in einem gewissen Abstand und wurde bedroht von der glorreichen Vereinigung der Ichs. Nun, das ist geschehen, und sogar oft, nehme ich an. Aber dies schien mir, wenigstens möglicherweise, eine etwas andere Art der Tötung des eigenen Ichs zu sein. Und doch, konnte ich jetzt vor mir selbst zurückweichen und mich jemals wieder irgendwo in einem Spiegel betrachten? Lassen wir es einmal bei den großen Vorräten an Gelegenheiten zum Weglaufen in den langen Jahren, die kommen werden, darauf ankommen, nehmen wir an, das Wasser ist ruhig und friedlich, erstarrt zu Spiegeln, was würde ich machen? Schreiend davonlaufen? Meinen Kopf abwenden? Meine Augen auf dunkel schalten? Oh, wenn man sich nicht mehr im Spiegel betrachten kann, was ist dann von einem Menschen noch übriggeblieben? So ging ich weiter, bewegte mich näher auf mich zu, ging hinunter zu Festung 10, ging unerbittlich Schritt für Schritt auf die »Warnung der Linie« zu. Das Tollhaus verstärkte sich, als ich näher kam, die hohen lauten Alarmsignale nahmen an Zahl zu, bis sie sich ver76
banden und ein seltsames, durchdringendes Summen waren. O schauerliches, unirdisches hohes Brummen, gleich keinem Klang, den ich jemals gehört hatte. Was für eine Musik zum Sterben! Sie verbesserte meine Stimmung und hob meine Entschlossenheit, bis ich meinen Tod akzeptierte und leidenschaftslos über seine Verwendbarkeit nachdachte. Ein Mann, der sich zu sich selbst herunterbewegt, der allen Warnungen zurückzuweichen, zurückzugehen trotzt – etwas daran bewegte mich in meiner Bewegung, straffte meine Lippen zu dem wilden und letzten Lächeln und trieb mich voran, oh, so glücklich, in das warnende Jammern und die Kanonen hinein. JA! Wir bewegten uns weiter auf die »Warnung der Linie« zu, im Geist aufgeräumt und ganz Entschlossenheit zu sterben. Es könnte lange und ermüdende ermüdende Jahre dauern – wildes Weinen, viel Beten, hohes Schreien in der Nacht und die nervenzerfetzenden Ängste, die die Stunden packen – bevor wir wieder zu einem solchen Bereitsein gelangen würden. Deshalb beschleunigte ich das Tempo meines Gangs, stellte meine Scharniere und Bügel auf MAX ein und bewegte mich weiter, um DEN AUGENBLICK auf der »Linie« des Todes zu fassen. O GOTT … Ich war bereit zu WISSEN … mochten Zack-Sprenger kommen, mochten gehende Puppenbomben kommen, mochten hohe unheimlich gellende Zertrümmer-Trümmer kommen, mochte der Tod kommen … mochte der TOD kommen … Und wissen Sie, was sie taten? Gerade, als mein bleierner Fuß in das Gebiet der »Linie« taumelte, gerade den orangen Vorpostenstreifen berührte, mein Geist darauf eingestellt war, die Endlichkeit bis zur Neige zu trinken, ich meine Arme etwas ausgebreitet hatte, um jetzt den letzten GROSSEN BESUCHER und seine 77
Umarmung zu empfangen, Augen und Gesicht einer alten Veranlagung zufolge gen Himmel gerichtet waren, da füllten SIE die Luft mit weichen Adlern, leuchtenden Gummikugeln, kleinen Singvögeln mit glänzenden Federn und Blumen, Blumen überall, die Kanonendeckel spien Blumen aus, Blumen stürzten aus den Werferschlingen hervor, Blumen regneten von den Brüstungen. Keine Blechblumen, o nein, Blumen, die aus Samt hergestellt worden waren, Blumen aus gefülltem Satin, Blumen, die aus allen weichen und wertvollen Stoffen hergestellt worden waren, wie ich später erfuhr. BLUMEN! BLUMEN! Ballons! Vögel! Blumen! Nun! Was macht man jetzt? Ich stand nur da, direkt an der Kante der »Linie«, auf meinem Gesicht war immer noch jenes kleine Lächeln, das ich für den Tod bestimmt hatte, meine Haltung war so königlich, wie ich sie machen konnte, als die Blumen fielen und fielen, Samt-Blumen, SeidenSatin-Blumen, andere Blumen, bis die Blumen beinahe einen Stahlmann bedeckt hatten. Inmitten des weichen weichen Herabregnens der Blüten wurde ich schließlich gewahr, daß der Lärm der Warnungen aufgehört hatte und daß fast völlige Stille herrschte, als ich dastand und meine Blumen-Huldigung entgegennahm, während die glänzenden Gasbeutel zum Himmel aufstiegen, bis sie bei einer gewissen Höhe anhielten und jeder seine Farbe und Masse zu einem Ballon-WolkenBaldachin voll hellster Farben hinzufügte, unter dem weiche Adler flogen über flatternden und flatternden kleinen Singvögeln. ÜBERALL! Schließlich sagte ein Lautsprecher, dessen verstärkte Stimme weit durch eine allgemeine Stille knackte, indem er ein Band mit einer düsteren Stimme, die durch Musiktöne hindurch sprach, mit ungeheuerer Lautstärke abspielte: WILLKOMMEN, FESTUNG 10, IN FE78
STUNG 10, IHNEN SELBST, HÖCHST WILLKOMMEN IN SICH SELBST, UM SICH SELBST IN BESITZ ZU NEHMEN, UNSER HERRLICHER UND VERHERRLICHTER FÜHRER, MANN-UNDFESTUNG, MANN EINER FESTUNG, EIN-MANNFESTUNG, DER GLEICHE UND UNTRENNBAR FÜR IMMER UND IMMER, UM ZU HERRSCHEN DURCH DIE GNADE UNSERES GOTTES, DEM SCHÖPFER, JENEM MASSIVEN STAB VON NEUMETALL, AUF DER GROSSEN PLASTIKEBENE DES VERWIRKLICHTEN TRAUMS, ERRICHTET, ALS MO-DERAN NEU WAR … Das nächste, was ich wahrnahm, war ein tiefroter Faden, der sich zu meiner Stellung hin ergoß. Genau vom Rand von Festung 10, so schien es, ergoß sich und fiel eine rote Weichheit, rollte herunter, purzelte herunter, flutete den Abhang des massiven Hügels hinunter, an dessen Fuß ich stand. Es gab einen plötzlichen Knall, und die purzelnde rote Invasion glättete sich, bis ihre Kante meinen Fuß berührte, den ich bis zur Vorpostenecke der »Warnung der Linie« ausgestreckt hatte. Solche Präzision! Natürlich war es großartig, aber der mechanische rote Teppich war geschickt worden, um mich zu holen, und bald rollte er mich nach Hause. (Später mußte ich erfahren, daß die stahlverstärkten Ärzte den Blechmännern in meiner Festung die Nachricht zugestrahlt hatten, daß ich fertiggestellt und auf dem Wege war. In anderen Worten: Seid auf der Hut vor einem metallenen König, gemacht aus gehendem Stahl, der versucht, sich der Herrlichkeit seiner Herrschaft auszuliefern. Das Tollhaus und die Drohung der Verletzung waren Teil eines kleinen Streiches, der üblicherweise dem Herren einer Festung gespielt wird, der er sich zum ersten Mal seiner Festung näherte. 79
Wenn er die »Linie« erreichte, ergoß sich das WILLKOMMEN, unbehindert und sorgfältig vorgeplant, vorprogrammiert auf den Bändern, und brachte ihn heim zu dem ihm Zustehenden.) JA!
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Die gewonnene Schlacht Als ich den großen orangen Schalter auf EIN umlegte und Energie unseren Komplex erfaßte, war es ein Tag, um stolz zu sein. Hoch aufgerichtet. Das Licht ging an in unserem Flaggenturm, als unser Wimpel seinen Raum hoch über Festung 10 eroberte, und wir waren auf unserem Weg, festgelegt. Und angekündigt. Durch die eisernen Bürsten an ihren Füßen zogen die Waffenmänner Energie von der Energiestation, wo sie auch gehen oder stehen mochten, mein eigenes Metall begann zu summen und zu brodeln, meine Fleischstreifen wurden mit einem anregenden RAN-Elixier gefüttert. Diesen besonderen Augenblick, in dem er zum König wird, kann es nur einmal im Leben eines Mannes der Festungen geben; Zeit, sie wird niemals wieder mit einem solchen Augenblick anhalten. Ich lebte diesen Augenblick bis zum äußersten aus. Auf Zehenspitzen stand ich, voll des Gefühls meiner Mission und des Gefühls meines Stolzes. Im Hause des Mächtigen zu stehen, ein KÖNIG zu sein! Es war eine Zeit, um an alte Niederlagen zu denken; es war eine Zeit, um sich an alle alte Schmach zu erinnern; es war eine Zeit um zu wissen, wie alle Schulden bezahlt werden sollten. Mit Kugeln, Granaten, Zerstörung und Entsetzen. Mit allem guten Geschmack. Abgeschrieben. JA! Für immer ein Neumetallmensch zu sein! Mit nur einigen wenigen Fleischstreifen, die mein hartes Ich entwerten! Der TOD lag besiegt am Boden! Die ZEIT war gezüchtigt worden, gepeitscht von den Festungen. ANGST war ein erschossenes Ding. Ich würde Äonen und Äonen und Äonen haben, in denen ich die schuldige Welt für ihre Gier, für die verursachten Ängste, für alle Formen des Zweifels erschüttern könn81
te. Ich würde unbegrenzt Zeit haben, in der ich meine Wut, genauer gesagt meine Rache, auslassen könnte. Und ich könnte sie benötigen, es könnte so lange dauern. Betrachten Sie das Ding, das der Mensch seit dem von fleischerner Angst erfüllten Tag seiner Geburt war. BETRACHTEN SIE. Nicht eine Sekunde verging, kein Atom bewegte sich, keine Handlung verdunstete im Raum – IRGENDWO! die nicht vollständig eine grobe Bedrohung für den Menschen gewesen war. Wie er durch die klauenbewehrte Welt kroch, unter riesigen, gefährlichen Krallen, matschig, völlig verwundbar – und ängstlich. Er konnte keine Bewegung machen, konnte für keinen Preis kämpfen, ohne daß die Hunde der Angst heulten, die Zurückziehschakale einschritten, um zu sagen ZIEH DICH ZURÜCK! NICHT FÜR DICH! Und je mehr er versuchte zu gewinnen und je stärker er sich bemühte, zu einem wirkungsvollen Angriff zu kommen, desto schneller bewegte er sich tiefer in die totale Niederlage seines Grabes hinein. Es gab keinen Sieg! In jenen Tagen beneidete ich die Felsen; ich beneidete steinerne Säulen; ich beneidete alte Knochen; ich beneidete selbst die Luft. Ich beneidete sogar Tiere, weil sie nicht wußten, so dachte ich, wie total ihre Niederlage auf dem Knochenhaufen des Todes sein würde. Nur der Mensch wußte es. ER WUSSTE! Und doch warf er sich wieder und wieder und wieder gegen die eisernen Tore der unvermeidbaren Katastrophe. Bewunderungswürdig? Überhaupt nicht. Dumm? JA! Unbegreiflich. Unnötig. Warum sollte man es machen? Ich hatte keine Antwort in meinen matschigen Tagen. Ich hatte nur Ängste. Lange Ängste. Kurze Ängste. Mittlere Ängste. Teile von Ängsten. Totale Ängste. Bruchstücke von Ängsten. Eingebildete Ängste. Nicht 82
durchdachte Ängste. Unvernünftige Ängste. Alle Arten aller Ängste. Und doch – und doch hatte ich eine Art Mut in jenen Tagen. O ja. Eine Art gespielter Tapferkeit. Sagen Sie mir nicht, daß ich keine besaß. Um nachts Schlafen zu gehen, benötigte ich manchmal allen Mut, den ich in meinem ganzen Bündel finden konnte. Jener Dunkelheit gegenüberzutreten, ohne zu wissen, still und schlafend, ohne daß meine üblichen sensorischen Wächter aufpaßten, noch verwundbarer, wenn das überhaupt möglich war, als meine ganze wachende völlige Verwundbarkeit – o totales TOTALES Risiko. Und doch ging ich fast jede Nacht in der einen oder anderen Stunde schlafen. So stand ich jede Nacht dem Tod gegenüber. In der Nacht, in jeder Nacht, meinem kleinen Tod gegenüberzustehen. Sagen Sie MIR nicht, daß ich in jenen Tagen keine Probleme gehabt hätte. Und dann zu erwachen. Oh, was für eine Erleichterung, für nur einen Moment, dann festzustellen, daß ich nicht gestorben war. Sagen Sie MIR nicht, daß ich in jenen Tagen keine Siege gehabt hätte! Aber dann brachen augenblicklich die Niederlagen in rascher Folge herein, alle alt und traurig und schwarz, angehäufte Niederlagen, um mich zurück zum Nicht-Sieg zu schmettern. Lassen Sie einmal zehn Pulsschläge in dem gebrechlichen Haus des Blutes des Menschen ausbleiben und beobachten Sie, was als nächstes auftaucht. Ein schwarzer geschliffener Sarg in dem ein Mensch die Hauptattraktion an einem Sargtag ist. Welcher monströse Gott des Zufalls baute diese stotternde Vorrichtung zusammen, die dazu angelegt ist, zu versagen und zu versagen und zu versagen und uns vor Angst bebend durch die klauenbewehrten Tage und die doppelt klauenbewehrten Nächte zu bringen? Wo lacht er jetzt und warum? 83
WO LACHT ER JETZT UND WARUM? Jetzt lacht er nicht, nicht über mich! Und ich werde sagen warum. Ich bin der Herr einer Festung, GROSS, hinter den Panzerplatten völliger Unverwundbarkeit. Meine Munition liegt in Haufen um mich herum, und ich kann JEDEN Krieg gewinnen. Meine Sprenger stehen nervös auf der RAN-Abschußrampe, bereit um mit der Geschwindigkeit eines metallenen Gedankens zum TOTALEN SCHLAG zu starten. Wenn die Welt im Raum wirbelt, steht unser Planet jetzt kühn und sicherlich unzerstörbar hervor, umhüllt, weil wir sie mit Plastik umhüllt haben, mit nichts, das sich in der dicken Mitte abschleifen könnte und nichts, das an den fernen Kappen verschleißen könnte. Und ich muß jetzt keine Steine beneiden, auch keine steinernen Säulen. Und auch keine Tiere. Ich bin jetzt härter, als es die Steine waren und mehr auf den Geist gerichtet als die Tiere. DIE WISSENSCHAFT HAT EINEN MENSCHEN GESCHAFFEN! DEN NEUMETALLMENSCHEN! Die Wissenschaft hat den schmutzigen ERDball gereinigt und überzogen, damit er auf ihr stehen und sich auf sie verlassen kann. JAA! Guter Plan der Wissenschaft, zeige deinen alten, weißen Kopf und lasse mich deine Hand ergreifen. Du hast mich aus dem Abgrund emporgehoben. Du hast mich vor der zähflüssigen Dunkelheit, der Feuchtigkeit des Bodens und den Würmern gerettet. Es ist jetzt eine Auszeichnung, ein MENSCH zu sein, ein Neumetall-MENSCH. Dagegen war es einmal eine Schande, Mensch zu sein, verspottet, ausgelacht, hereingelegt von einem Gott oder Göttern, die sich die Vorstellung lachend zu Ende ansahen und irgendwo in einem mystischen mysteriösen Himmel oder hoch auf dunstigen Bergspitzen thronten und mich flüchtig in 84
Hauptbüchern aus grellem Licht notierten. Die Bilanz sollte gegen mich verwendet werden, wenn ich zum Jüngsten Gericht kroch. Und ich glaubte das alles einmal!? Und lassen Sie es für immer gesagt sein, daß es dem Menschen zur völligen Ehre gereichte, daß er, obwohl er an diese primitiven und verrückten Dinge glaubte und die hoffnungslose Übermacht zählte, sich kämpfend zeigte, immer! Wirklich etwas Unzerstörbares muß den Menschen für diesen vollkommenen Sieg, den ich jetzt kenne, bewahrt haben, den Triumph des Neumetalls, die Göttlichkeit der wenigen Auserwählten, die totale, ewige Sicherheit der »Ersatz« -TeilKönige! (Zu verschreckt um zu gehen, zu verschreckt um zu bleiben, ertappt auf nicht tragfähigem Grund, verschlang er den Schlachtengeruch in den speienden Mäulern des Todes, steckte seinen Mut in alle Fäuste, die er hatte, und betete für ein Ende, das nicht unerträglich sein würde. Und manchmal gewann er überraschenderweise ein Vorpostengefecht, sogar in der schwärzesten Nacht seiner Verzweiflung. Manchmal hatte er Erfolg mit fliegenden Fahnen und Trompetenstößen, die den sicheren Sieger verkündeten. Und manchmal hielt er Reden, um zu sagen, daß alles möglich und der Mühe wert sei. Aber meistens war es nicht möglich und niemals der Mühe wert. Und ihr fleischernen Trottel da draußen wißt, was ich meine. Alle eure Siege müssen hart erkämpft und von kurzer Dauer sein, kaum wert das Papier, auf dem sie festgehalten werden. Denn von tief unten scheint die größte, die am wenigsten gewinnbare, die endgültigste Schlacht aller Schlachten durch. Jeder Sieg, der hier behauptet wird, MUSS beschränkt und eine rauchige Laterne inmitten des schwärzesten Schwarz der Dunkelheit sein. VERGESST ES, ihr fleischernen Trottel. IHR werdet dort nicht gewinnen, und ihr wißt es. Im innersten Mark 85
eurer zitternden, vor Angst ganz kranken Knochen wißt ihr, daß ihr die Schlacht gegen den Tod nicht gewinnen werdet – nicht einmal wenn Sie der Papst sein sollten.) Aber wir müssen die Schlacht gegen den Tod nicht gewinnen. Diese Schlacht wird für uns niemals geführt werden – NIEMALS, denn wir haben Den Gegner vor der Schlacht, die er plante, überwältigt. JA! Wir sind der sich bewegende, funktionierende Kern des moderanischen Traumes. Vor langer Zeit sahen unsere Wissenschaftler, diese klarsehenden Könige der Laboratorien, in denen Theorien der Prüfung in Retorten unterzogen wurden, daß fleischernes Leben und pflanzliches Leben im wesentlichen unerträglich, unglaubwürdig und unwahrscheinlich war und wahrscheinlich unmöglich auf unserer heimatlichen Erdkugel. Wenn sich diese kühlen, klarsehenden Männer nicht zusammen mit den Pfuschern und mythischen Zauberern, die unser anderer vermeintlicher Fortschritt waren, entwickelt hätten, dann wüßte ich nicht, offen gestanden, was wir jemals schließlich getan hätten. Hier auf dieser Kugel, die unser bedrohtes, unwahrscheinliches, nicht vorauszubestimmendes und fast unmögliches Heim war. Aber jetzt sind wir im Licht, dank der Wissenschaft, unsere ehemals dreckige Erdkugel ist jetzt sauber, überzogen mit Plastik, unsere kaum benutzte Luft ist jetzt vor allem eine Verzierung, die jeden Monat in einem anderen wunderschönen Farbton gefärbt ist (o lieblicher Gasschirm!), unsere ehemals von Abfall zerstörten Meere sind festgefroren und jegliche Überschüsse wurden schon vor langer Zeit in den Weltraum transportiert, unsere Temperaturen sind durch die Jahreszeiten-Kontrolle in der Zentrale so ruhig und beständig, wie wir sie immer haben wollten. Und die Vögel! Die Vögel sind heute aus farbigem Blech! Und die 86
Tiere sind alle motorgetrieben. Während die ErsatzBäume durch vorgeplante Erdlöcher emporschießen und uns »wirkliche« Blätter blühen, die die ganze Periode lang standhalten. OH, MODE-RAN! Du Land, wo keine Blätter fallen; du Land des plastikbedeckten Landes – liebliche liebliche, meine scherbenharte Heimat.
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Ich hoffe, ich habe mich klar und unmißverständlich ausgedrückt Damals wußte ich nicht, daß sich die Festung selber in Gang halten würde, alles dazu notwendige war in den Bändern für die »automatische Verwaltung« festgehalten, und daß es meine Hauptaufgabe sein würde, Kriege mit benachbarten Festungen zu führen, manchmal auf die ganze Welt zu schießen (wenn verlangt), mich der normalen Freuden der herrschenden Klasse der Neumetallmenschen zu erfreuen und mich mit Bruchstücken anderer Zerstreuungen zu beschäftigen, die ich mir zum Spaß von Zeit zu Zeit selbst auszudenken wünschen mochte. Oh, nein, ich war ein neuer König und ein neuer König WIRD ein König sein. Ich rief sie heraus, sobald ich »zu Hause« war, um ihnen verbal den Kopf zu waschen, damit sie von Anfang an wußten, daß es einen König und nur EINEN König in Festung 10 gab. JA! »Männer«, sagte ich zu meiner versammelten Mannschaft, wobei der Schtimmodulat-Knopf auf STRENG stand, wenn ich auch noch etwas emotional war, »Ihr arbeitet mit mir zusammen und ich arbeite mit euch zusammen. Eine Hand wäscht die andere.« (GOTT! Wie kann ein König nur so etwas sagen.) Ich pochte auf die Bänder. »Nur ein alter Ausdruck«, entschuldigte ich mich und lachte. »Ha Har! Beachtet ihn gar nicht und laßt mich noch einmal neu anfangen. MÄNNER! Arbeitet nicht mit mir zusammen und ich werde euch die Köpfe waschen.« (GOTT! So sollte dies einer JENER Tage werden.) »MÄNNER! Kooperiert und alles WIRD gut sein. Tut was ich sage, und wir werden hier ein gutes Leben und vielleicht sogar ein bißchen Spaß haben. GEHORSAM ist von oberster Bedeutung. Ach88
tung des Gesetzes ist DAS ERSTE Gesetz. Und euer König, ich, ist DAS GESETZ!« Hörte ich einen metallenen Roboter lachen? Oder hörte ich eine lange Stille von meiner versammelten Mannschaft, die sich auf den Lorbeeren ihrer kalten, stillen Schalter ausruhte? Auf jeden Fall war ich nicht nur ein wenig verwirrt und unsicher, der Klang des Metalls in meinen mechanisierten Ohren war mir noch neu und deshalb schweifte ich weiter vom Thema ab, sagte die Dinge, die ein neuer Kommandant meiner Meinung nach sagen sollte, um die Truppen wissen zu lassen, daß die neue Herrschaft HIER war und daß es jetzt vorwärts! KEIN UNSINN mehr und nur noch RAN! RAN!! RAN!!! hieß. »Wenn ich einen Mann finde, der sich nicht tüchtig ins Zeug legt«, sagte ich, »wenn ich einen Mann finde, der sich nicht mindestens zu hundertfünfundzwanzig Prozent anstrengt, dann habe ich einen Feind gefunden. Wenn dieser Mann WENN DIESER MANN, DIESE RATTE nicht zu mir kommen kann und mir gesunde Gründe zeigen kann, aus denen er zurückhängt, dann gnade ihm Gott bis zu seinem Grab. Er würde sich besser wünschen, daß sein Vater und seine Mutter, nein, zweitausendfünfhundert Vorfahren weiter zurück, niemals geboren worden wären, er noch viel weniger. Ich werde ihn für seine Ahnen bis zurück zu Adam schinden, wenn es sein müßte!« (Lieber Gott, dies waren nur kleine Metalleute, aber ich war jetzt gestartet und nicht mehr aufzuhalten.) »Ich werde von meinen Ingenieurkorps verlangen, daß sie eines der raffiniertesten Schnüffelgeräte in der Geschichte der Menschheit installieren. Ich werde sie Signale und Schaubilder und alle Arten von Meßgeräten einbauen lassen. Und laßt mich als faire, kleine Warnung an euch sagen, und versteht es ja nicht falsch, daß ich mich niemals in meinem ganzen Leben in mei89
ner persönlichen Einschätzung eines Individuums getäuscht habe, von seiner Leistungsfähigkeit, seinem Benehmen, seiner gesamten Nutzung, von sich. Nicht daß ich es brauchen werde, aber ich sage euch schon vorzeitig, was ich einsetzen werde, um das zu bestätigen, was ich alles ohnehin schon weiß. Er wird der ›Piiep-zur-Mahnung‹-Plan heißen. Wenn irgendein Mann IRGENDEIN MANN auf irgendeine der vielen Arten träge ist, auf die ein Mann träge sein kann, dann wird in dieser ganzen, großen, neuen Festung ein lautes PIEP erschallen, das jeden alarmiert. Dann wird der Name dieses Mannes – ihr habt Namen, glaube ich, oder Nummern – egal, die Bezeichnung dieses Mannes durch die ganze riesige Festung gebrüllt; seine Bezeichnung wird von Wall zu Wall, von Halle zu Halle, von Decke zu Boden widerhallen, ÜBERALL, und so verkünden, daß er ein Schurke ist. Wenn jetzt jeder Mann JEDER MANN bitte einen stillen Schwur machen könnte, daß er seine persönliche Rolle im ›Piiepzur-Mahnung‹-Plan zu einer stillen machen wird. Dann weiß er, daß er das tut, was er ohnehin machen sollte, auch ohne die Drohung. Das ist alles. Nur was er ohnehin tun sollte. Er kann keine Belohnungen für sein stilles PIIEP erwarten. Es bedeutet nur, daß er angemessen funktioniert. Ist das verstanden worden? Belohnungen? Nun, ich habe GROSSE Pläne dafür, die wir zu einem späteren, besseren Zeitpunkt behandeln werden. Aber in diesem Augenblick möchte ich viel lieber, daß ihr völlig begreift, daß dies hier kein Ort ist, wo Unsinn getrieben werden kann; wir meinen es ernst in dieser Festung. Ich bin hier der König und ihr seid meine Untergebenen. Ich beabsichtige, der größte König in Moderan zu sein, das wird bedeuten, daß ihr die größten Untergebenen in Moderan sein werdet. Laßt uns hart arbeiten. Unsere Ziele sind ein90
fach. Die erste Erste ERSTE zu sein, das sind unsere Pläne. Laßt keinen Mann sich drücken. Der Himmel HIMMEL möge ihm helfen, wenn er es tut. Will ich eine glückliche Festung haben? Ha pfui! Glückliche Festungen sind etwas für alte Weiber. Ich will eine von Stahl getriebene Festung haben. Ich will eine kalte Festung haben. Ich wünsche eine Festung, die so beschaffen ist, daß, wenn stählerne Vögel in unsere Luft eindringen, sie sogar einen kalten Schauer in ihren Flügeln verspüren, mit denen sie flattern, um unserem Raum zu entkommen. Ich wünsche keine Muttersöhnchen. Und ich werde nicht die Kinderschwester eines Muttersöhnchens sein. Ich werde Köpfe abreißen; ich werde Leute niederschmelzen. Es kann sehr wohl sein, daß sich der gehorsamste Mann in der ganzen Festung eines rauhen Tages unerklärlicherweise im Loch wiederfindet. Er wird nicht wissen warum; ich werde nicht wissen warum, außer, daß solche Dinge eben passieren können. Stärke antwortet der Stärke. Laßt niemanden sich sicher fühlen. Doch laßt jeden Mann mit dieser besonderen Geschwindigkeit arbeiten, die keinen Raum zur Beschleunigung läßt. Was ich meine ist, daß ihr immer und überall auf MAX sein werdet. Wenn ihr verschleißt, dann werde ich euch ohne irgendeinen Gedanken an das, was ihr einmal gewesen seid, ersetzen. Das ZIEL der gesamten Anstrengung ist ALLES, was zählt. Die kleinen Teilglieder bedeuten nichts NICHTS, außer daß sie ihren Teil beitragen. Und dann ist ihre Bedeutung nur in der Zeit, in der sie funktionieren, gegeben. ICH HOFFE, ICH HABE MICH KLAR UND UNMISSVERSTÄNDLICH AUSGEDRÜCKT.« Meine Fleischstreifen waren recht erschöpft und meine Lenden müde, als ich den Schtimmodulat auf SCHWEIGEND stellte. Hatte ich mich zu sehr be91
müht? Kann eine Rede, die aus dem Herzen kommt, jemals »zu sehr bemüht« bedeuten? Waren die Truppen angefeuert worden? Hatte ich sie beeindruckt? Eine Stille grüßte mich in einer stillstehenden Festung, eine völlige Ruhe die IRGEND ETWAS, ALLES oder NICHTS bedeuten konnte. Ich ging hinüber und berührte einen von ihnen und sogar durch meine stählerne Hand wurde eine solche Kälte übermittelt, daß ich frohlockte und an eine Million Quadratmeter Eis dachte. Ich berührte einen anderen, und es war genau das gleiche.
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Die Neumetallgeliebte Jeder Herr einer Festung hatte eine. Es war Teil des Spiels im Lande der »ersetzten« Menschen, wo die Teile im wesentlichen aus Neumetall bestanden, die Fleischstreifen gering an Zahl und unbedeutend. In den Tagen, in denen ich ein Neuling unter den Herren der Festungen war, ein brandneues Mitglied der ElitenElite, das gerade die neunmonatige Reihe in jenem Krankenhaus hinter sich hatte, das Menschen größtenteils mit Neustahl umbaute, kam meine Zeit. So ging ich hinaus, um sie zu bekommen. Da ich immer noch ein Idealist war, wie immer, glaubte ich, daß es die Zeit sein könnte, in der der Traum verbessert würde. Für uns alle. Aber als ich sie dort sah, die rotznäsigen jungen Burschen, die an ihren moderanischen für-den-starken-Biß-(länger! stärker!)Marihuana-Kippen sogen und lüstern in die Gegend schielten, da dachte ich an kleine, picklige Rotznasen, die in dunklen Hintergäßchen einige Zigarettenzüge erhaschten und ›Sex‹ auf verschmierte Lattenzäune und zerkratzte Steinmauern kritzelten. In den Alten Zeiten. Und dreckige Witze erzählten. Kann man sie überhaupt ändern, selbst wenn man sie zu Stahl ändert? Ich zog meine Gedanken und Hoffnungen und hoffnungsvollen Träume zurück über alte Gebiete der Enttäuschungen und in das Feld der Traurigkeit. (Waren dies DIE AUSERWÄHLTEN – sie sollten die schlachttüchtigen und kraftvollen berühmten gefürchteten Herren der Festung Moderan werden!?) Ich ging zurück nach Hause in großem Elend. Fast. Nur für eine kleine kleine Weile. Dann raffte ich mich wieder auf aus der Dunkelheit der Verzweiflung, gezogen von einem Licht wie dem unseres wundervol93
len Sternes, der Sonne – vorwärtsgetrieben von einem Gedanken, hielt ich fest an meinem Punkt, erfüllt von einer nützlichen Freude, die wie der Frühling war, der zu den Schneefeldern der langen Nacht kam. Ich hatte meinen Traum MEINEN TRAUM! Laß andere sich an ihre Niedrigkeit klammern und Könige auf dem Feld der Schande sein. Ich würde mit MEINEM TRAUM an das Licht gehen. MEIN TRAUM war die Frau auf dem Sockel, teilweise erdacht, teilweise wirklich, die immer fortging. Aber jetzt war meine Chance gekommen! DEN TRAUM zu haben! Aus alten Erinnerungen, lang getragen und dicht festgehalten, hatte ich meine Bauanweisungen angefertigt und an den NeumetallgeliebtenLaden eingeschickt, zusammen mit den Photos, die ich mit größter Anstrengung und langwierigen Mühen während all der Gefahr und Verzweiflung sicher aufbewahrt hatte – während Herzzerschmetterung, Geistesvernichtung, sogar bis zur Zerstörung der Welt, der Feuersbrunst des Krieges. Und jetzt für meinen Hafen der Festung den Traum in einem Paket zu haben, das ich nach Hause tragen konnte! Hat der Mensch jemals mehr gehabt? Zwischen den Rotznasen hindurch, die bei der Mauer herumlungerten (das waren Herren von Festungen!?) und begierig auf Erprobungen und einen Galatag der Auswahl in dem Neumetallgeliebten-Laden warteten, bewegte ich mich auf das Fenster des Lagerhauses zu. Ich reichte meine Karte ein, und der wie ein Büroangestellter aussehende Neumetall-Lagerhausarbeiter blickte mich an, als ob er weit draußen auf dem Meere wäre, etwas eingenebelt, ein winziges bißchen VERWIRRT. »Sie meinen, Sie wollen es einfach wagen!? Sie möchten keine Erprobungen und Auswahl wie die anderen!? Sie meinen wirklich, daß ich einfach nach hinten zu 94
dem Haufen gehen soll und zufällig ein Paket herausgreifen!? Nun, Sie könnten a-a-a-uh, einen Rotschopf bekommen. Ha ha. Oder eine gebleichte Platinblonde. Sogar eine Perückenträgerin! Hu!« »Lesen Sie die Instruktionen; schauen Sie auf die Karte«, sagte ich so kühl, wie ich konnte. Er blickte. Sein Gesicht klappte zitternd auf und entsetzt blickte er durch lange Kilometer der Verwirrung und Gebiete der Überraschung. Als er sich ein wenig erholt hatte, sagte er »Oh, ja, mein Herr! Ich sollte nachgesehen haben, mein Herr. Diese Formulare sehen alle so gleich aus, mein Herr. Ich nahm nur an –« »Nehmen Sie nichts an, raten Sie nichts, kontrollieren Sie alles«, deklamierte ich, um etwas Salz und Säure zu seiner kleinen offenen Aufwallung der Verwirrung hinzuzufügen. So nahmen wir sie in dem Lastwagen nach Hause, der in Wirklichkeit der moderanische Neumetallgeliebten-Lieferwagen war, gefahren von einem sehr zurückhaltenden Neumetallkameraden, der Gerüchten zufolge völlig ohne Einstellungen sein sollte, die ihn dazu verführen könnten, für eine Weile anzuhalten und die Waren einzuschalten, sollte er einmal auf einer einsamen Strecke ausliefern. Ich vermute, man könnte ihn einen Neumetalleunuchen nennen. Ja, ich vermute, man könnte es. Als wir endlich allein waren, fing ich sofort an, sie auszupacken. In meiner Eile verhedderte ich die Schnüre; ich zog lose Knoten fester; ich machte Knoten, wo vorher keine gewesen waren. JA! Wenn ein Mann zum allerersten Mal den Schlüssel zum Himmel besitzt, dann ist er nicht geneigt, still zu sein. Mein Herz hämmerte, obwohl alle Einstellungen unverändert blieben, fest arretiert auf VERFÜHRERISCH, wie ein großer Holzhammer, der in den Alten Zeiten auf einen 95
pfundschweren Sack voll Marshmallows einschlug. Einen schrecklichen schwindeligen Augenblick der Krankheit lang dachte ich, daß ich das Bewußtsein völlig verlieren könnte. Aber ich rief alle Kräfte der Entschlossenheit in den Fleischstreifen, die ich immer noch besaß, zusammen und hing verbissen da und kämpfte mit den Knoten in den Schnüren … Jetzt, da meine Neumetallgeliebte endlich ausgepackt war und zum allerersten Male ganz mir gehörte … glaube ich, daß es notwendig und passend ist, Ihnen zu sagen, daß wir eine schöne Zeit zusammen verbrachten … das erste Mal … und absolut jedes Mal danach verbrachten wir eine schöne Zeit. Der Rest ist persönlich, privat, nicht unbedingt überhaupt zur Veröffentlichung bestimmt. Und doch, und doch – quält mich irgendwie etwas, das lose in den Fleischstreifen sitzt, die ich immer noch besitze, stößt mich an, bittet mich, diese Erhabenheit aufzuzeichnen, zu erzählen, wie es war … zu teilen … sogar ein bißchen mit der Wahrheit zu prahlen … fair mit den weniger Glücklichen zu sein … nichts vorzuenthalten … die Welt mit einem Bericht über einen großen GROSSEN Augenblick der Liebe zu bereichern. OH! JA! JA, ICH WERDE ES TUN!! Die Schnüre lagen jetzt alle verstreut in Knäueln und kleinen, runden verschlungenen Häufchen … das Packpapier war hastig, ungestüm zerfetzt worden und lag jetzt auf eigenen, wilden Haufen herum … das Zimmer sah aus wie ein Schlachtfeld, aber DER TRAUM stand kühl da … die blonde Puppe war vollständig eingeschaltet, das wirkliche und naturgetreu kopierte Ebenbild eines alten Traumes in meinem Geiste … da wartete es in dem Körper, den die Wissenschaft geschaffen hatte, der kleine Bogen eines Mundes, feucht und rosarot, die blauen Augen, so blau wie 96
blaue Glühbirnen, wie kleine Glaskugeln, die sorgfältig aus jenem Himmel geschnitten waren, als der Juni völlig klar und hell war … und die mich jetzt hier anschauen sollten wie zwei liebliche Königinnen aus dem Paradies, Licht und Sprache und Liebe bezeugende Liebe von dieser Kaiserin, die zum Besuch aus dem Himmel gekommen war … nicht mehr als eine Körperlänge entfernt … SO BEWEGTE ICH MICH IN JENEN AUGENBLICK HINEIN … riß weg, was von ihren Kleidern weggerissen werden mußte … mein Herz jetzt gänzlich auf MAX, ihres auf LIEBE MICH KÜHL … wie es in der Fabrik eingestellt worden war … Oh, Gott! segelte ich einen Drachen in ein Nadelöhr, ritt ich auf einem Frühlingsmond durch einen Sommersturm, der ganz aus Schnee bestand; kratzte ich meine Ohrläppchen mit meinen zweiten Zehengliedern? OOHH! und OOHH!! Waren alle unmöglichen Dinge jetzt möglich? … Dschag-dschag-dschag, Phu-phuphu, Bam-bam-bam, Dschag-dschag-dschag, Gaarugaaru-gaaru, Phu-phu-phu, Gaaru-gaaru-gaaru – jetzt möglich …? Alle diese Leute, die noch und noch über diesen Gegenstand geschrieben hatten – in den Alten Zeiten – der gute, alte Mailer und Hemingway beispielsweise – hatten sie die ganze Zeit recht gehabt? Jetzt glaubte ich, daß sie recht gehabt hatten (für den winzigsten Augenblick in der Weltgeschichte, wie ich glaubte) Garu-garu-garu, Wum-wum-wum-bum-abum-wum-WHUU-MMM-A-BHUUMMMWHUUMMM-OOOh-OOOh-OOOOOhhhhhOOOOOOOHHHHH-uh … Dann ausschalten – nachdem wir fertig waren, war wieder ein Augenblick der Wahrheit völlig in den unwiederbringlichen leeren Räumen der Zeit verschwunden. Aber dieses Mal war es ein großer, ein wirklich GROSSER Augenblick der Wahrheit gewesen, einer 97
der sicherlich jetzt zu einem Petitions-Einlaß gelangt war, irgendwo zu einem Großen Tor, wo ein Buch in einem Schloß aus Reinem Licht geführt wird, und jenes Schloß hat nur die Aufgabe, die Aufzeichnungen über jene Augenblicke sicher zu verwahren, die die Große Geschichte erzählen und niemals sterben. JA! So war es! An dem Tag, an dem ich meine Neumetallgeliebte aus dem Neumetallgeliebten-Laden im Land der Neuen Zeit erhielt.
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Das Tal der Weißen Hexen Als Moderan noch ganz Anfänger-neu war und die Pläne noch nicht fest geformt, wurde es ins Auge gefaßt, daß einige wenige hervorragende, sehr besondere Frauen »ersetzt« werden könnten und man ihnen erlauben würde, das ewige Leben in den Festungen mit ihren Festungsherren-Ehemännern zu teilen. Aber es gab auf wissenschaftlicher Ebene lange und verbittert geführte Debatten darüber, ob irgendein weibliches Exemplar der Gattung stark genug sein würde, um das neunmonatige Kreuzfeuer der »Ersatz« -Operationen zu überstehen. Schließlich sagte, in einem Geiste wohlwollender, gespielter Tapferkeit und Was-zumTeufel-Mildtätigkeit und -Auswahl, die Jury, alles Männer, alles große Neumetall-Wissenschaftler, geschult in jedem Aspekt der Chirurgie und der Fleischstreifenpflege, und alle zufälligerweise Junggesellen, »Probieren wir’s! Was-zum-Teufel! Was können wir verlieren?« WAS KÖNNEN WIR VERLIEREN!!?? He!! Jetzt aber!!! Aus dem Durcheinander des Dahinten kam sie, wie das gehende, niedergekommene Verhängnis, den ganzen langen Weg aus der Vernichtung, der Bombenbesudelung, dem radioaktiven Niederschlag überall und weit, durch die völlig zerstörten Landschaften, eine entschlossene kleine Frau, die bei ihrem langen Marsch sicherlich von dem rhythmischen Schwur angetrieben worden war: »Er wird mir niemals entkommen; ICH WERDE IHN FINDEN; er wird niemals vor MIR entfliehen.« Es geschah viele Monate später nachdem ich (man hatte mir voll bescheinigt, daß ich Material für einen Festungsherren wäre), das Krankenhaus verlassen hatte 99
und bequem in meiner Festung verschanzt war. Ich hatte bereits gelernt, wie man sich leidlich als einer aus der Eliten-Elite der Neumetallherren benimmt, ich hatte mich durch einige Triple-Erprobungs-MAX-Schüsse geschossen, um einige schöne, glänzende Ehren zu erringen, ich war dazu gekommen, die normalen Freuden des herrschenden Neumetallmannes zu genießen, ich hatte sogar meine Neumetallgeliebten-Puppe ausgewählt und zugeschickt bekommen, dieses Wunder der Wissenschaft und der Liebe nach »einem alten Traum im Gedächtnis«. DANN PASSIERTE ES! Wie Fliegerbomben. Wie eine Strafe. Wie, in den Alten Zeiten, rotglühende Messer, die Zehen und Finger und Ohren und die Nase und das Kinn und die Hoden abschnitten und Winden, die die Eingeweide herauszogen, um sie zu zermahlen, während die Augäpfel in das versengte und geschwärzte Gehirn fielen und dort brieten und das Blut verwandelte sich in eine heiße, kochende Masse auf einem von Laserstrahlen betriebenen Herd. GOTT! Wie wenn man seine Einberufung zu einem Großen Krieg in den Zurückliegenden Zeiten erfuhr. Wie die Bestätigung, daß man Krebs hatte und weniger als ein Jahr zu leben. Wie, OH, JA, endgültig – herzliche Glückwünsche, ihr zwei! Kuckuck! – ein POSITIVER Bericht über jene uneheliche Schwangerschaft vor langer Zeit. Wie OH, CHRISTUS! Wie OH, GOTT!! Wie OH, GOTT-GOTTVERDAMMT!!! »HERZLICHE GRÜSSE«, sagte es. Es wurde von der Transpost zugestellt, etwas Ähnliches wie ein bei Nacht beförderter Brief, wie aus den Alten Zeiten, projiziert auf meinen Sichtschirm in der Mitte eines vollendeten Tages. Ich hatte gerade als Freizeit-Erregungund-Freude-Zerstreuung das Neumetallkätzchen gegen das diamantenzähnige Tigerjunge kämpfen lassen, nur aus Grausamkeit und Spaß. Ich hatte gerade durch eine 100
offizielle Ankündigung durch meine Kriegsraumlautsprecherwand erfahren, daß der Allgemeine Krieg in ganz Moderan am kommenden Dienstag wieder aufgenommen werden würde und daß ich ausgewählt worden war DABEIzusein. (Das ist eine berauschende Ehrung für einen Neumetall-Festungsherren – nach nur zwei Triple-Erprobungs-MAX-Schüssen und einer Inspektion in der dienstfreien Zeit zur Einstufung ausgewählt zu werden, im Krieg DABEIzusein!) Oh, sah das LEBEN in MEINEM GARTEN nicht aus, als ob es zur Blüte herangereift war!? Dann »HERZLICHE GRÜSSE«! Gerade als ich, zu Ehren all der anderen guten Dinge, die mir an diesem Tag widerfahren waren, beschlossen hatte, ihn mit Neumetallgeliebten-Freuden zu krönen, ertönte es. Diese ›piiepl‹ und ›poopl‹ Warnung für häusliche Angelegenheiten und Nörgeleien ›piiepl-pooplte‹ durch die ganze Festung. O widerlicher, zerreißender, plumper, unzivilisierter Klang, der – so ungleich den großen, robusten BOONK ZOONK BOONK Alarmsignalen von meiner Kriegsraumlautsprecherwand, meistens einige kleinere nörgelnde Ansagen oder Weisungen von dem Nadelgebäude und seiner Versammlung der Höchsten Männer ankündigte. Sie träumten dort sicherlich Tag und Nacht davon, wie sie uns Bürger durch Nörgeleien in kleinen Raten zum Wahnsinn treiben könnten. »HERZLICHE GRÜSSE: FESTUNG 10«, sagte es, ich unterbrach SEHR WIDERWILLIG meine Einstellungen für Leidenschaft-und-Liebe mit meiner Neumetallgeliebten-Puppe und schaltete auf Langeweile-undGähnen in der Erwartung von einer Routineanweisung eines Mannes von der Versammlung, die Festung zu streichen und zu reparieren, sie auf Hochglanz zu bringen, oder vielleicht einem freundlichen Wink, in fetten 101
Buchstaben, daß ich im nächsten Gasschirm etwas stärker und mit festerer Begeisterung für den Wohlfahrtsfonds der Versammlung spenden sollte. Dann verengte sich meine moderanische Weitsicht, damit ich die Nachricht, die durch die Wand hereinkam, einsaugen konnte. Und die Berge zerfielen wieder und rutschten in die Meere! Der Himmel stürzte ein wie ein Ei, auf das ein Vorschlaghammer gefallen war! Meine Neumetallhülle schrumpfte zusammen, bis ich zerdrückt war, eine Scherbe in einer metallenen Welt. Ich starb … IHRE FRAU … KAM GESTERN ABEND AN … DIE OPERATIONEN VERLAUFEN OHNE SCHWIERIGKEITEN … IHR WERDET BALD WIEDER EIN TEAM … SEIN … BESTE WÜNSCHE … War da ein Grinsen in den BESTEN WÜNSCHEN, ein höhnisches Kichern, das von einem Höchsten Mann der Versammlung angedeutet wurde, der sich an gewaltige Probleme und schmerzlichstes Gekeife erinnerte, das er vor langer langer Zeit ertragen mußte? Lachte da irgendjemand und sagte »Besser du als ich, alter Dummkopf, ha HA!« über meine Misere? Was auch immer oder wie auch immer, lassen Sie es sich gesagt sein, daß ich von der Zeit dieser schicksalshaften ›piiepl‹-und-›poopl‹-Botschaft an neun Monate lang wie ein Toter lebte, ich war wie gelähmt, ich hatte keine Ideen oder Schwung, ich genoß nichts, ich war ein Neumetallzombie, der kalt und kalt und kalt seine Routinetätigkeiten durchführte, ein wirklicher Fall von einem lebenden Toten, der immer weiter stirbt, immer kälter wird, der zunehmend weniger auf das Hallo des Lebens reagiert. Und als sie ankam – und o Gott, sie kam an, diese harte starke kleine Frau mit den eisblauen Augen des Schreckens, die diese sehr ernsten und umfassenden Operationen neun Monate lang wie eine 102
Sommerbrise an der Küste überstanden hatte – sie kam an, um die Festung zu LEITEN! Oh, ja, die volle Übernahme. Da gab es keine Partnerschaft. Hatte es jemals eine gegeben? Ha! … Mein Fall war nicht einzigartig. In ganz Moderan kamen sie in jenem Frühling angelaufen, als wir Anfänger-neu waren und die Pläne noch nicht fest geformt, mühten sich ab, fielen zu Boden, standen wieder auf, um weiterzukommen, die meisten von ihnen hatten ein Ziel im Auge – diese verschwundene, überlebende Ratte von einem Ehemann nicht mit irgend etwas entkommen zu lassen. ICH BIN DEINE FRAU schien ihrer Meinung nach alles zu sagen und keinerlei Fragen irgendwelcher Art offenzulassen. Das Verhängnis war endgültig; das Verhängnis war ein besiegeltes Verhängnis. Dieses graue Schreckensleben im Halbdunkel von Ehefrau-Ehemann und EhemannEhefrau (AAAHHUUUU JEEAAHUUU OOHH OHH) darf niemals geändert werden, nicht einmal durch das Ende einer Welt. Nun, wir Kameraden in Moderan hielten diesen Unsinn nicht aus. Wir hatten andere Ideen. Moderan war ein Land der Männer, mit männlichen Zielen und männlichen Anschauungen. Als es sonnenklar wurde, daß das ewige Leben nicht mit einer Fleischstreifen tragenden Gefährtin aus weiblichem Stahl, die nicht ein- und ausgeschaltet werden konnte, möglich war, trieben wir sie hinaus. Es war so einfach. Wir gründeten einen Ausschuß für die Umsiedlung alter Neumetallxanthippen. Wir brachten sie an einen Ort, der besonders für sie vorbereitet war, die mit Mauern umgebene Provinz des Tals der Weißen Hexen. Die Mauern sind dort hoch; es ist ein Gefängnis, riesig groß und mit maximalen Sicherheitsvorkehrungen; die Wächter, so hoffen wir, werden dort niemals schlafen oder sich 103
bei ihren Runden auf den Mauern ausruhen. Gott möge uns allen beistehen, wenn es jemals einen Gefangenenausbruch aus der mit Mauern umgebenen Provinz des Tals der Weißen Hexen geben sollte!
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Der Herr der Vögel von Moderan Es war sehr früh in meiner Herrschaft über die Festung, nachdem ich mir einige Welt-MAX-Abschüsse gewonnen und mich als gegenwärtig Größter Mann erwiesen hatte, daß ich begann, wieder über andere Dinge nachzudenken. Ich begann, an … Perspektiven … Sinn … Schönheit … Gemeinschaftsleben … zu denken. So ging ich hinunter, um ihn an jenem apfelgrünen, würzigen Tag zu sehen, fuhr mit den Rollwegen wie irgendein kleiner Mann, wie ein Bürger in den Alten Zeiten, glitt durch Moderans festgelegten und automatischen Frühling. Alles war auf den Beinen; die Zentralen Jahreszeiten hatten jenen großen eisernen Schalter auf EIN umgelegt, um den alten Winter wieder einmal zum Weichen zu bringen. Die Schneetücher aus Plastik hatten sich um- und hinuntergedreht, als die Räder tief in der Erde herumwirbelten, und die Grundstückstücher des Frühlings hatten sich auf den Trommeln umund heraufgedreht in jenem schönen und gleichmäßigen Wechsel, der das Umschalten der Jahreszeiten zu keinem Problem in unserem großen Moderan macht. Wie die Natur früher kämpfte, um jene armseligen Blüten zum Blühen zu bringen! Alles befand sich im Streit, kämpfte um einen Fußbreit Boden, besiegte das Zwicken des Frostes oder wurde besiegt … ein kleinlicher Kampf … für nichts … und so völlig unnötig. Jetzt haben wir es alles auf riesigen Trommeln mit Bändern für jedes Grundstück, die in vier Teile eingeteilt sind – Winterteil, Frühlingsteil, Sommerteil und Herbst – und eine Jahreszeit in Plastik umzuwenden ist heute nur ein Spiel, wo früher die gute, alte Natur kämpfte … hart. 105
Ich stieg an der Stelle aus, die mit GESPERRTES LUFTGEBIET, VOGELFELD bezeichnet war, ich trat einfach von dem Rollweg hinunter und bewegte meine Scharniere und Bügel dahin, wo ES war. Wie jeder gewöhnliche Mann. Besichtigend. Gaffend. Ein Bürger, der an einer Phase interessiert war. Die Vogelwächter versuchten berechtigterweise, mich draußen auf den Plastikebenen anzuhalten, sie lasen mir aus ihren Sicherheitsvorschriften vor, erzählten mir über ihre Arbeit, begannen, ihre Lähmwaffen hervorzuziehen. Dann ließ ich das adlergeschmückte Siegel von Nr. 10 aufblitzen, betrachtete sie, wie ein König Ratten betrachtet und ging weiter, befriedigt darüber, wie ihre Blicke erstarrten, als ihnen der furchtbare Gedanke zu Bewußtsein kam, und fragte mich, ob sie nicht noch in vielen Jahren stählernen Wächterkindern Tonbänder geben würden, die berichteten, wie an einem schrecklichen Tag im Mai ihr Ahne gestümpert hatte, wie er bei einer seiner hitzigen kleinen Pflichtrunden einen König herausgefordert hatte … und überlebte. Selbst so stiegen die Warnungen aus dem Komplex der Vögel auf und es gab überall eine kleine Unruhe darüber, daß der größte Schlachtenkämpfer im ganzen weiten Moderan sich zu ihnen herunterbegeben hatte. Um Vögel zu sehen! Normalerweise kam für sie ein Ersatz, für die großen, stählernen Festungsführer, sie schickten einen Adjutanten, der diese undankbare Aufgabe übernehmen sollte, scheinbar an den Vögeln, der Verbesserung des Gemeinwesens, den Blumen, dem Farbwechsel des Gasschirms und anderen solchen einfachen Vorgängen innerhalb des Geflechts des Plans interessiert zu sein. Sie machten es nur, um Punkte zu bekommen, die meisten dieser Bauernlümmel von den Festungen, da sie wußten, daß die Schnüffelwagen der Bewerter immer in der Luft und am Arbeiten waren, 106
um zu kontrollieren, was ein Mann für das Gemeinschaftsleben tat, wenn die Kanonen verklungen waren und schwiegen und die vom Waffenstillstand gestoppten Kriegsladungen locker und lässig in den Werferschlingen baumelten, IN DEN FERIEN! Aber ich ging hin, weil ich es wollte. Und Sie können es mir glauben oder nicht – ich suche immer etwas. Ich suche es Tag und Nacht. Sogar wenn die Himmel vom Feuer der Waffen lodern, denke ich weiter. Nicht daß ich ein weicher Mann oder ein Anwärter zum Blütenmann wäre. Auch bin ich kein erschreckter Mann. Oder sogar der König der Guten Wünsche. Im wesentlichen bin ich ein Mann des Zweifels, immer suchend und sich umblickend. Und außer im Krieg, wenn alles wunderschön und Töten ist, sich Stärke und Zorn in handfeste Handlung verwandelt haben, alles auf erkennbare Ziele hingelenkt ist, bin ich immer gereizt. Ich stampfte hinein, Stahl auf Stahl. Meine Stimme toste durch den Lautsprecherkegel an der Willkommenswand. »FESTUNG 10 IST HIER, UM EINEN START ZU SEHEN. Und vielleicht etwas mehr von der Welt zu verstehen. Ich verstehe den Kriegsteil von ihr. Und gut, wie ich vermute!« Ich fühlte, wie die Fleischstreifen an meinem Kopf, Hals und im Gesicht erröteten, bescheiden wurden. »Dies ist Festung 10«, stolperte ich weiter, »die größte Festung im ganzen weiten Moderan. Gewinner der Kriegsplakette für Zerstörung und des Symbols der gekreuzten Bomben für vorzügliche Leistungen. ICH HABE SIE ALLE GESCHLAGEN! Manchmal finde ich, daß ich den Frieden nur schwer verkraften kann. Könnten wir nicht im Frieden, wenn die Vögel in der Luft sind, und die Blumen blühen und die Bäume wieder aufschießen, aus den Bodenlöchern emporkommen, eine Art globaler Friedenskrieg haben? Ich meine, wie ihr, euer Teil 107
daran, wäre es damit nicht mehr in Einklang, wenn ihr alle Vögel in einer Art Kampfstationen-der-Schönheit abschießen würdet? Sie einfach piepen und fiepen und flattern zu lassen, um ein bißchen Farbe in der ohnehin schon bunten Luft treiben zu lassen, was soll das? Mensch, ihr könntet einen großen Vogelkampf in jedem Distrikt von Moderan veranstalten, jeder Vogel könnte sein kämpfendes Bestes geben, um sich gegen alle anderen Vögel zu behaupten, und der Vogel, der zuletzt noch in der Luft ist, würde der Stärkste, der Standhafteste und damit der Schönste sein. Uh? Ich wette, ein Adler oder ein Kondor würde gewinnen, Huh? Ich bin selbst wie ein Kondor gebaut, mit gekreuzten Klauen versehen durch die Adler – groß, stark, zäh – so gemein wie die kämpfende Hölle. Aber ich glaube, ihr wißt das, da ihr seht, daß ich Festung 10 bin, der gegenwärtig Größte Mann der Welt.« Dann beruhigte ich mich wieder auf dem Schtimmodulat, weil ich wirklich zuviel geredet hatte und ich es vielleicht bedauern könnte. Und außerdem war ich als Besucher hier, nicht um prahlerische Vorschläge zu machen. Ich bin sicher, daß es nicht meine Aufgabe war, Moderan im Frieden zu verbessern, nur weil ich zufälligerweise der gegenwärtig Größte Mann im Kriege war. Für welch einen arroganten Kommandanten ich gehalten werden könnte, ein Herr einer Festung, der hier einfach hereinplatzte, um die Vogelschüsse zu sehen, alleine, sogar ohne entsprechenden Sicherheitsabstand, und der keine Zeit verlor, um sofort seine eigenen Verbesserungsvorschläge zu machen. »Es tut mir leid«, sagte ich. »Zeigt mir einfach den Start einiger Sänger, Tyrannvögel oder anderer, und ich werde zurück zu meinen Kanonen gehen.« Ich fühlte mich unbehaglich – wie immer – bei einer friedlichen Mission, um die Wahrheit zu sagen. 108
Ich bin besser beim Zorn und an den Sprengern. Viel besser. War es schon immer. Und doch wünschte ich immer etwas, etwas anderes, und das treibt mich voran, hinunter zu den Anfängen, in die Ecken der Suche. Sogar jetzt war ich erregt von der Hoffnung darauf, meine Fleischstreifen krümmten und erinnerten sich, meine stählernen Teile knirschten, brodelten, verzogen sich und riefen, so verwirrt waren sie von den zuckenden Fleischteilen. JA! Ich war ein geleeartiger Haufen, während ich wartete, ich, der gegenwärtig größte Kommandant im ganzen weiten Moderan (Gewinner der für den ersten Platz verliehenen Plaketten der Zerstörung und der gekreuzten Bomben für vorzügliche Leistungen beim jüngsten Niederschießen der ganzen Welt), zitterte wie eine tatterige alte Dame aus den Alten Zeiten, die eine tatterige Erregung erwartete. Ich erwartete eine Erregung, ganz recht, die Erregung der Entdeckung eines kleinen Teils des Geheimnisses der Zarten Schönheit in der Welt. Und verstört war ich, daß es mich zu stark erschüttern könnte, daß es sich für mich als zuviel herausstellen könnte, diesen Mann zu sehen, diesen Kommandanten der Vögel, diesen flammenden Prinzen mit einer Mission des Friedens, ein Apostel der Zarten Schönheit und sicherlich einer, der gegen Kanonen in der Welt war. Ganz plötzlich fühlte ich mich unbeholfen; meine Plaketten daheim schienen ganz plötzlich nichts zu sein; ich fühlte, daß ich fast meine ganze Festung gegen einen kurzen Blick auf das wahre Geheimnis der Vögel und die zarte Schönheit des Universums eintauschen würde. JA! Ich würde barfuß in Metall durch die vor Sorgen kochende Welt gehen, ein klirrender, rasselnder Messias, völlig unbewaffnet, ohne Kanonen, um ihnen Vorträge zu halten – inmitten von Kugeln und Granaten ein Evangelist von Kom109
mandant, der Das Licht sieht und hoch wie ein Baum aufragt, der Gefahr entblößt ausgeliefert, und ruft »NEIN! NEIN! DAS IST NICHT DER WEG!« Ich hätte mir keine Sorgen machen brauchen. Er kam an in dreckigem Stahl, ein kleiner Stummel von einem Mann, kriecherisch, nur Distriktkommandant der Vögel, in Wirklichkeit ein zurückgestufter Herr einer Festung und einer (so nahm ich an), der Pläne schmiedete, um wieder eine Festung zu bekommen. Er schaute sich verwirrt um, bis schließlich seine weitreichenden mechanischen moderanischen Augen mich entdeckten. Als sie sich auf meine Masse richteten, verengten sie sich, um mich abzuschätzen, und er sah aus (so dachte ich), wie eine stämmige Eisengans, die schnell ihren Kopf schwenkte, als er auf einen Knopf drückte, der keifte »Willkommen, Festung 9, Willkommen bei der Vogelstartanlage«. Als ich zu winken und meinen Protest zu schreien begann, verengte er seine Augen noch weiter und versuchte es noch einmal; und da er dieses Mal auf den richtigen Knopf schlug, kam es heraus »Willkommen, Festung 10, Willkommen bei der Vogelstartanlage, und entschuldigen Sie bitte. Und entschuldigen Sie bitte, Festung 9, wenn Sie mithören«. Dann glitt einer seiner Vollmetallhilfen auf die Energiestation hinauf und drängte MICH! als ob ich irgendjemand wäre! ohne weiteres Zeremoniell in einen eisernen Zylinder am Vorderende des Raumes. Es war der VogelstartBeobachtungszylinder, und ich sah bald, daß ich einen sehr guten Blick auf ein weites Gebiet des Gasschirms hatte, in dem keinerlei die Sicht versperrende Gegenstände herumlagen. Vielleicht würde dort bald die Schönheit auftauchen und Laute würden mir erklären, wie. Ich wartete völlig zerknittert und unfertig. Daß sich die Schönheit zeigen würde. 110
Bald erschien ein Schauer von dunklen, sich schnell bewegenden Punkten in dem Gasschirmbereich meiner Sichtweite. »Start der Sänger«, sagte eine metallene Stimme überaus mechanisch, »Start der Sänger für den zwölften Distrikt. Warten Sie auf das Zeichen für die Sperlinge, Tyrannvögel als nächste.« Und so ging es weiter bei allen Starts der vielen Arten mechanischer, metallener Vögel. Mein Sichtfeld füllte sich immer mit dunklen Punkten, die sich pfeilschnell bewegten, und bald danach sagte immer eine mechanische Stimme, welcher Ehrfurcht gebietende Start durchgeführt worden war. Wir gingen auf diese Weise alles durch, von den Sängern, Sperlingen, Tyrannvögeln bis zu den Adlern, und waren gerade bereit für die Kondore, als tief in mir etwas einem leidenschaftlichen Ausbruch zum Durchbruch verhalf. »Hölle und Verdammnis«, schrie ich und polterte gegen die Wände des Sichtzylinders, »laßt mich hier raus. Ich kam hier herunter in gutem Glauben, und alles, was ich zu sehen bekomme, sind Punkte vor meinen Augen. Hölle und Verdammnis!« »Holt Festung 12 heraus«, sagte die Ansagestimme – »Entschuldigung, holt Festung 5 heraus, Entschuldigung, holt – holt Festung? – die Festung, die gerade beobachtet – holt sie heraus, holt sie heraus …« So nahmen sie mich aus dem metallenen Sichtzylinder heraus, und ich knöpfte mir den kriecherischen Mann vor. Ich stand wirklich in Flammen und war bereit; meine Widerstandsfähigkeit gegen Explosionen, die noch nie besonders tief gelegen hatte, war aufgebraucht, und ich war bereit loszuschlagen. Ich stellte den Knopf auf SCHREIEN und wütete los: »Hier bin ich, der gegenwärtig Größte Mann in Moderan, nehme mir die Zeit von meinen Pflichten – Teufel, ich könnte zu Hause sein und das Schmelzen für die nächsten 111
Weltschüsse überwachen – um hier herunterzukommen und Interesse am Gemeinschaftsleben zu zeigen und vielleicht ein paar Punkte zu sammeln, ebenso wie einige Tips, die mir helfen könnten. Und was passiert? Teufel! Ihre metallenen Schwachköpfe stopfen mich in die Sichtröhre, und Sie stellen sich an, als ob es eine große Sache wäre. Und, zum Teufel, Sie erinnern sich nicht mal in der Hälfte der Zeit, wer ich eigentlich bin. Und was sehe ich? Punkte! ›Start der Sänger‹. Punkte! ›Start der Sperlinge‹. Punkte! ›Start der Tyrannvögel‹. Punkte! Und so weiter bis zu den Adlern. TEUFEL! Ich könnte zu Hause geblieben sein und Punkte auf ein Blatt Papier gemalt haben. Und das vor meinen Augen geschwenkt haben. Hölle und Verdammnis! Mist! Verdammt! Und HIMMELDONNERWETTER!« »Na, na, seien Sie nicht so überempfindlich hart. Wir haben alle unsere kleinen Probleme. Ihres scheint ein Mißverständnis zu sein. Sie kamen hier herunter und erwarteten, die Schönheit beim Start zu sehen. Für den zehnten Distrikt. Wo Sie hingegangen sein sollten, um die Schönheit beim Start für den zehnten Distrikt zu sehen, ist der zwölfte Distrikt. WO WIR SIE HINSCHIESSEN, da ist die Schönheit. Nicht wo sie herkommen. Verstehen Sie? Nun, wenn Sie jetzt gleich die Beine in die Hand nehmen und von hier verschwinden, dann könnten Sie gerade rechtzeitig drüben ankommen, um die Kondore heranfliegen zu sehen. In der Tat, wenn Sie einen Blitzwagen nehmen und fahren wie der Teufel, dann werde ich eine Ausnahme machen und den Start der Kondore für ein paar Seks aufhalten. Nur für Sie! Ich werde einen kleinen Fehler nach den Adlern vortäuschen, in Ordnung?« »Nein, es ist nicht in Ordnung. Ich glaube, mir reichts. Irgendjemand sagte mir, daß ich zu den Vögeln gehen müßte, wenn ich Schönheit suche. Aber ich 112
glaube, ich habe etwas mißverstanden. Ich war freilich ziemlich stark mit dem Krieg beschäftigt.« »Sicherlich waren Sie es. Und da Sie ein Mann des Krieges sind, müßte es Sie ganz schön ergreifen, was wir hier mit den Vögeln machen. Ich meine, es sollte Ihrem Sinn für die Richtigkeit aller Dinge gefallen. Die Bürger wissen es im allgemeinen nicht, aber im großen und ganzen schicken wir die Vögel nicht umsonst hoch. Nicht wegen der Schönheit, das ist sicher. In Wirklichkeit machen sie eine kleine Übung zum Training, jedesmal wenn wir sie starten. Nehmen Sie einfach an, daß wir die Vogelköpfe einmal gegen Sprengköpfe austauschen müßten, huh?« Und seine Glühbirnenaugen leuchteten, als er mich tückisch ansah, und er gab mir durch die Luft einen Rippenstoß, wie ein Verschwörer. »OH, NEIN«, sagte ich unfreiwillig, wobei der Schtimmodulat schon fast außerhalb der Skala für LAUT war, »das ist was für die Männer der Festungen, nicht für Vögel. Den Kampf führen wir!« »Aber nehmen Sie einfach an«, fuhr er fort, »daß durch eine einfache falsche Berechnung oder eine sehr komplexe, völlig richtige Berechnung, HA, HA! ihr Festungsherren euch alle in genau dem gleichen Augenblick gegenseitig niederschießt, euch auf den mit grundstücksgroßen Plastikblättern bedeckten Boden schickt. Ich meine, ihr macht euch wirklich fertig. Schlagt euch sozusagen kurz und klein! Nichts bleibt übrig! In genau dem gleichen Augenblick in der Geschichte kommen dann die Truppenschalen der Raumhüpfer angeschossen, unterstützt von ihren KanonenUntertassen, die von Da Draußen kommen, bereit, der guten, alten Erde alles bis auf ihre Unterwäsche wegzureißen, ha ha. Wäre es dann nicht gut zu wissen, daß wir die Fähigkeit haben, sie dann ein wenig mit Vogel113
schüssen zu bombardieren, nur um euch Kameraden von den Kanonen etwas Zeit zu geben, damit ihr eure Gerätschaften wieder zusammenbauen und die arroganten Eindringlinge mit euren Sprengern abwehren könnt? Aber wenn Sie noch rechtzeitig für die Kondore im Zwölften sein wollen, dann nehmen Sie jetzt besser schleunigst die Beine in die Hand, Mann! Ich meine JETZT! Ich meine Tempo! Ich kann sie nicht zu lange aufhalten. Wir befinden uns in Wirklichkeit, wie ich schon angedeutet habe, in einem sehr komplizierten Manöver, jedesmal wenn wir starten.« »Haltet die Kondore keinen weiteren MikroAugenblick auf!« schrie ich. Und ich verließ sie, ging zurück zu meinen Kanonen, und ich war mir nicht sicher, ob ich mich jemals wieder damit abgeben würde, irgendeine andere Art von Schönheit aufzuhalten zu versuchen.
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Die blasenförmigen Heime Die blasenförmigen Heime, die Lebe-alleinHauskugeln, waren ebenso Teil der moderanischen Landschaft wie – sagen wir – Festungen. Oder Fleischstreifen. Oder Rollwege. Die blasenförmigen Heime waren für die Unterprivilegierten Gebiete, wo sie lebten bis sie starben, die Millionen und Abermillionen, die nicht für das Gebiet der Festungen tauglich waren. Wie schon vorher gesagt worden war, stieg nur die Eliten-Elite in die wirklich wichtige Landschaft auf, wo Verteidigungskomplexe elf Wälle dick waren, wo alle möglichen Arten von Vernichtungs-Vernichtung locker und griffbereit unter den Kanonendeckeln pendelten und die Kugel-Kegel, die sich den ganzen Tag, die ganze Nacht in dem Gasschirm über den Festungen drehten und die Luft auf Gefahr, auf Krieg hin prüften! NEIN, nicht jeder war für diese Landschaft tauglich. Nur die jungen Männer, meistens die besten der Rasse, erhielten diese Chance. Die alten Damen, die mittleren Damen, die jungen Mädchen, die verkrüppelten Männer, alle möglichen Arten von schwachen und erschöpften Männern – sie alle lebten in der Mittelmäßigkeit, jeder oder jede in seiner oder ihrer eigenen Lebe-allein-Hauskugel, sie beobachteten, wie die Tage vergingen, sahen ein Leben verebben, wußten, daß das Ende ihres Lebensweges die Kollision mit dem Schrecklichen Zeitpunkt sein würde. Denn nicht einer aus diesem Pöbel war für ausreichend viele der Operationen befähigt gewesen, um aus und für die Ewigkeit zu sein. Es war eine Verschwendung. Alles Unterstützen der Schwäche war eine Verschwendung. Was für ein Land könnten wir in Moderan gehabt haben, welche Größe und welche Freude, 115
wenn es nur die Eliten-Elite im Land der Festungen gegeben hätte, die jene großen Kanonen aufeinander feuerte, die hohe Heiterkeit des Krieges, der nur von kleinen Waffenstillständen und großen Freuden unterbrochen wurde. Aber die Zentrale war schwach. Die rücksichtslose Zentrale war hier schwach – einmal. Jene neun alten Hüllen, deren Prozente an Fleischstreifen denen jedes Herren einer Festung gleichkommen oder übertreffen konnten (in der Tat waren alle vor ihrer Beförderung Herren von Festungen gewesen; ich erwarte zu entsprechender Zeit befördert zu werden), waren schwach. Ich kann mir vorstellen, wie sie lange und lange an ihren Rauchsträngen hoch oben in den F-Türmen des Nadelgebäudes an jenem Tage kauten, wie sie da oben den ganzen Tag in die mit goldenen Streifen versehenen, juwelengeschmückten kegelförmigen Spucknäpfe spuckten, wie sie diskutierten und in ihrer Frustration fast zu kämpfen begannen. Neun alte Männer, neun alte Hüllen – konfrontiert mit einer Schlacht, die sie nicht gewinnen konnten. Natürlich sagten die Fleischstreifen der Menschlichkeit diesen neun hohen, herrschenden Richtern, daß sie die Leute retten sollten, sie leben lassen, ihnen Heime bauen, ihnen die Operationen bis zur äußersten Grenze ihrer Fähigkeit geben, diese Operationen zu absorbieren und zu überleben. Aber das Charisma des Neumetallstahls dieser so hoch gestellten Führer muß für den gesunden Verstand argumentiert haben. Und der gesunde Weg hatte zu sein, diese Leute sterben zu lassen. Sofort! Sie könnten sich niemals auszeichnen, sie hatten nicht einmal, nicht einer von ihnen, die kleinste, hauchdünnste Chance, jemals genügend Operationen zu absorbieren, um zu der Eliten-Elite zu zählen. Sie konnten nur den moderanischen Traum durcheinander116
bringen. Mit einer wichtigen Ausnahme. Den kleinen Jungen! JA! Sie würden, einige von ihnen, sicherlich aufwachsen, um uns herauszufordern, wenn sie an der Reihe waren. Und das könnte die hauptsächliche Überlegung gewesen sein, die kleinen Jungen, die, als Moderan ein sehr junges Land war, diese neun alten Hüllen dazu veranlaßt hatte, jene hart diskutierte fünf-zuvier Entscheidung zu treffen: LASST DAS GEWÖHNLICHE VOLK LEBEN. Es war eine miese Entscheidung! Das war zu jener Zeit meine unqualifzierte, gesunde Meinung, und ich glaube, es mußte die unqualifzierte, gesunde Meinung von jedem sein, der bereits an der Spitze war, ein Herr einer Festung. Wer brauchte mehr Leute? Wir nicht, und das war sicher. Wir waren bereits gefestigt in unseren Haßbünden, wir hatten gerade genug für andauernde vortreffliche Kriege mit der Ausnahme der kurzen Auszeiten für Waffenstillstände und Freuden, und wir waren für die Ewigkeit bestimmt. Das schien ein fester und endgültiger, guter Satz von Bedingungen zu sein, was mich betrifft. Aber die Entscheidung war getroffen worden; wir mußten mit ihr leben. Oh, es gab Gerede über einen Marsch zum Nadelgebäude, über Beschießungen der F-Türme, und eine ganze Menge anderes wilde, unverantwortliche Dampfablassen wurde in Form von Gerede gemacht. Aber schließlich führte es alles zu nichts. Der moderanische Traum blieb unabänderlich mit diesen rheumatischen alten Damen, diesen schmarotzenden alten Männern und dem ganzen Rest des unterdurchschnittlichen Pöbels der Menschheit belastet. Bis sie sterben sollten. Was sie schließlich tun würden, weil sie physisch nicht genügend stark waren, um jene Reihe von Operationen zu überstehen, die sie in das Land des ewigen Traums heben würden. Aber diese 117
neun alten menschlichen Hüllen hatten in einem fünfzu-vier weiteren unwürdigen Entschluß der Menschlichkeit entschieden, daß es allen diesen Leuten nicht nur erlaubt werden sollte, ihre natürliche Lebensspanne zu Ende zu leben, sondern daß sie auch berechtigt werden sollten, die moderanischen Operationen bis zu den physischen Grenzen ihrer Fähigkeit, sie zu erhalten und absorbieren, zu erhalten. WHUUFF! Und damit den Makel auf dem moderanischen Traum für Zeitalter um Zeitalter zu erschweren und zu verlängern. Oh, so leicht könnte man sich all diesem sofort angenommen haben. Um ihre altmodischen Gefühle der Menschlichkeit zu beschwichtigen, könnten diese neun alten verrückten Hüllen, nachdem sie durch Abstimmung ein realistischeres Urteil gefällt hätten, diese Anweisung der Versammlung hinzugefügt haben: LASST SIE SANFT DAHINSCHEIDEN. Im Handumdrehen könnten diese Leute dann verschieden sein. Oh, es hätte nur eines Minimums an Planung bedurft. WUNDERSCHÖN! Die Zentrale könnte einen obligatorischen Freudentag für alle unterprivilegierten Leute im Lande verfügt haben. Dann wären in ganz Moderan riesige Freudenstadien zusammengeworfen worden, eiligst und aus den dünnsten aller Baumaterialien erstellt. Für einmaligen Gebrauch. Am Freudentag wären sie dann zu Tausenden in das Freudenstadion ihrer Wahl gekommen, meistens natürlich in das nächstgelegene. Nicht einer von den unterprivilegierten Leuten wäre von der Teilnahme bei dieser eindrucksvollen Feier am Freudentag entschuldigt worden. Die gewöhnlichen Leute – Männer, Frauen und Kinder, die gesund genug waren, um aufstehen zu können, die Bettlägerigen, die Rollstuhlfahrer, die Hinkenden, die Blinden, alle, sogar die Verbrecher aus ihren Gefängniszellen – alle würden sie zur Freude herantranspor118
tiert werden. In einem vereinbarten Augenblick, auf ein Zeichen von einer hoch fliegenden Wächterkugel vielleicht, würde ein stählerner Finger in der Zentrale einen lustig gefärbten, orangen Knopf berühren, der mit SCHEIDET SANFT bezeichnet ist. Jedes Freudenstadion mit seinen Tausenden von Feiernden würde dann in einem Augenblick einfach ein POUUFF! ein BLITZ! und dann ein kleiner, schwarzer Schmutzfleck auf dem Plastik sein. Selbiger Schmutzfleck könnte einfach und leicht von einem stählernen, herumstreifenden Wächter der Landoberflächen-Instandhaltungstruppen weggewischt werden. WUNDERSCHÖN! JA! Wir haben das technologische Wissen für solche Lösungen. Dann, und auch, haben wir neun alte, verrückte Köpfe, die sehr zögernd, dessen bin ich mir sicher, ein fleischstreifenkleines Kribbeln des Gewissens wegkratzen. So schossen als Folge im ganzen strengen und mächtigen Moderan, dessen Mittelpunkt die Festungen bilden, Millionen und Abermillionen von blasenförmigen Heimen empor, die Lebe-allein-Hauskugeln, Obdach für die mittelmäßigen Millionen. Sie wurden in beinahe jedem Punkt errichtet, der nicht direkt mit dem Rand der Feuerreichweite einer Festung in Konflikt geriet. JA! Was für eine Verschwendung! Die ganze Zeit, die ganze Energie, die ganzen Ausgaben – oh, denken Sie nur, was sie im Hinblick auf die Verbesserung von unserem Leben bedeutet haben könnten, für den Fortschritt des moderanischen Traumes, wenn alles richtig eingesetzt worden wäre! Eine bessere Verteidigung, vielleicht, schneller feuernde Festungen, fast mit Sicherheit, oder vielleicht Experimentieren und Forschen für einen wissenschaftlichen Durchbruch, der mehr Stahl im Neumetallmenschen der Eliten-Elite gebracht 119
hätte und weniger Fleischstreifen – was immer Kern und Zentrum des moderanischen Traumes war. Eine ganze Menge Zeit, Energie, Ausgaben und Fertigkeit gingen in jene blasenförmigen Heime, denken Sie ja nicht einmal etwas anderes! Und doch – und doch veranlaßt mich alle Ehrlichkeit, selbst hier hinter meinem Wall aus Stahl, etwas zu gestehen. In manchen Nächten, in einer Zeit der Ruhe, wenn die hohen Kugel-Kegel meines Warnsystems herum- und herumwirbeln und nichts sagen, wenn jeder Schlachtenwimpel kraftlos an seiner Fahnenstange hängt, wenn die Waffenmänner, da sie keinerlei Pflichten auszuführen haben, nicht das kleinste Kratz-KratzGeräusch von Metall, das sich auf Metall bewegt, in meinen Mauern machen, denke ich heftige Gedanken. Ich denke an Leute in ihren Lebe-allein-Hauskugeln, die die Dienste von Gerarbs genießen, die von Automaten bedient werden und von denen jeder seine persönliche, nicht zu gewinnende Schlacht gegen die Zeit kämpft. Ich denke an meinen Vater und meine Mutter und meine fünf Schwestern, die irgendwo DA DRAUSSEN sind, jeder in seinem persönlichen blasenförmigen Heim. Ich denke an zwei kleine Kinder, Kleiner Bruder und Kleine Schwester. Und äußerster äußerster stechender Gedanke – Jene Frau! im Tal der Weißen Hexen. Dann gehe ich in der Nacht meine Kilometer ab – ich stampfe, klirre, rassele über die stillen Festungsmauern, Runde um Runde auf dem Beobachtungsgang auf dem höchsten Dach meiner Festung. Und manchmal stelle ich mir in der vom Mond beschienenen Szenerie – kalt und schauerlich und voll zerstreuter Eroberungen, jenes matte, eisige Licht verblaßt durch den Gasschirm – DIE FRAGE. Und manchmal hebe ich eher einen Waffenstillstand vorzeitig auf und schieße aus einem großen MaxHaß heraus 120
auf alle Festungen ein, als daß ich DIE FRAGE beantworte. Aber manchmal beantworte ich DIE FRAGE, und die Antwort stimmt mich traurig. Nein, antworte ich sehr sanft, nein und nein. Sehr sanft. Dann schlage ich meine Fleischstreifen, kratze meine weichen Prozente, sehne mich nach mehr Stahl! Aber es heißt immer noch NEIN. Nein, ich würde oben im F-Turm nicht mit der Minderheit gestimmt haben. Ich würde schließlich auch dafür gestimmt haben, den gewöhnlichen Leuten mehr Zeit zu geben, um nachzudenken und um zu versuchen, sich vorzubereiten auf den persönlichen Schrecklichen Zeitpunkt jedes einzelnen. Und daher kommt das Versagen von allem und wird der Traum sogar von mir herabgewürdigt, bis ich mehr Stahl bekommen kann – MEHR STAHL!
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Ein falscher Schritt Den ganzen Winter über arbeiteten sie in jenen ausgedehnten, mit mechanischen Vorrichtungen erfüllten Gängen unter dem Land, vier Knollen-Landstreicher in jedem Distrikt, die den Frühling reparierten. Sie schufteten da unten in der Dunkelheit und Kälte in ihren Raumstiefeln, sie reparierten die zerbrochenen Blätter, gaben neue Anreger zu den Wurzelablegern und überarbeiteten die eisernen Blumenblätter, so daß alles in ihrem Sektor für eine perfekte, automatische Jahreszeit bereit sein würde, die auf ein Nicken der Zentralen Schönheitskommission hin aus den Löchern hervorspringen würde. Sie haßten die unmännliche Arbeit, und sie liebten sich nicht. Aber sie verabscheuten sich mit einer Ausdauer, die einen Austausch ihrer Pein ermöglichte. Alle vier waren von etwas gefallen, und er war tiefer gefallen als irgendein anderer. Heute fühlte er, vielleicht das zwanzigste Mal in diesem Winter, daß er mit seiner Geschichte herausrücken mußte, denn manchmal ist das Leben nach dem Fall eine Sache, die nicht still ertragen werden kann. Sie machten eine Pause bei einem Blatt, das sie ausbesserten, und die anderen erwiesen ihm Achtung, denn sie spürten immer noch den Rest dessen, was er einmal über der Oberfläche gewesen war, außerdem war er hier Hauptmann. »Zum Blattausbesserer gefallen zu sein«, sagte er, »zu Knollendiensten und zur Stielreparatur gestürzt zu sein! O MAC, MAC!« Er schrie es in Pein, und MAC war die drei Buchstaben umfassende Gottheit, deren Ursprung in geheimnisvoller Dunkelheit, im Altertum und in tausend einander widersprechenden Legenden lag, aber vielleicht war es nur eine Kurzform von Ma122
schine. »Wie ihr wißt, war ich einmal einer der stolzen Bevölkerungsordner«, rühmte er sich, während er ein wenig seine Fassung wiedererlangte. Er ließ die leuchtenden Knöpfe seiner Raumjacke sich strafen, als sich seine Brust aufs Äußerste hob und er nahm in seinen glitzernden, patentierten Raumstiefeln mit hohen Aufschlägen jene besondere, entspannte Haltung des Gardisten ein. »Mein Dienst, genannt die ZermahlerKontrolle oder häufiger einfach die Mahler, war von höchster Schönheit, da gibt es keinen Zweifel. Nun, laßt uns bei diesem Blatt hier, das ausgebessert werden muß, eine Pause machen und meinen Fall wiederholen.« Sie konnten nichts anderes tun, als sich zu fügen, da er ein Hauptmann bei der Frühlingsausbesserung war, in anderen Worten der bedeutungslose Chef von diesem verwahrlosten Detail. Die anderen drei, in ihren weniger gut geschnittenen Raumjacken und ihren kürzeren Stiefeln des Falls von geringeren Aufgaben, standen da wie störrische Hunde. War er dazu gekommen, sich an diesen Schultern auszuweinen? O ja! »Es war im Herbst«, begann er. »Eine Zeit, um zu fallen? JA! Ich hatte mich durch die Beförderungen hochgearbeitet bis ich jetzt eine große Mahl-5 befehligte, die größten und besten Maschinen zur Bevölkerungskontrolle, wie Ihr wißt. Ich hatte hart gearbeitet, und während ich in Würden war, dachte ich, gegen Versuchungen ›gefeit‹ zu sein. Aber vielleicht gab mir die Muße des Kommandierens zuviel Zeit.« Er schaute an den Blätterreihen hinunter; er betrachtete die metallenen Kelche. Er kam zurück zu den stillen dreien, aber er wußte, daß sie es genossen, nicht zu arbeiten. »Irgendwo wurde ich weich!« schrie er in wahrster Pein. »Es war im Herbst, wie ich gesagt habe, aber an einem sonnigen Tag. Es war einer der schönsten automatischen Herbsttage, die wir jemals in diesem Land ge123
habt hatten, dank einer starken Verwaltung in der Zentralen Jahreszeitenkontrolle in jenem Jahr. Die metallenen Gänse flogen nach Süden, gerade richtig, mit jenem besonderen Schrei der Wildgänse auf ihren Bändern; die Blätter waren alle angestrichen. Ein schriller Laut war in der Luft, und einmal, wenn ich mir eine entfernte Erinnerung zurückrufe, glaubte ich, ich röche gekühlte Äpfel an einem Baum, und ich bin sicher, falls mir meine Sinne keinen Streich spielten, daß wir dabei zwischen zwei Feldern metallener Kürbisse hindurchrollten. Entweder träumte ich, oder die Herbstkommissionen waren völlig durchgedreht. Aber wie dem auch war, ich bin sicher, daß meine Sinne irgendwie falsche Reize empfingen, und ich wurde weich.« Die drei standen unterwürfig und still da, betrachteten immernoch ein zerbrochenes Blatt, und einen Augenblick lang verdächtigte er sie sogar, daß sie schliefen. Er wollte sie hetzen und schlagen, bis ihre Gesichter auseinanderbrächen. Er wollte ihre Augen ein paar zusätzliche Zentimeter hervorziehen, ihre Ohren zu Megaphonen formen, und alle drei auf metallene Blumen setzen, damit sie ihm zuhörten. Er wollte schreien »Achtung! Ihr Ohren und Augen und Hirne von Holzköpfen, die aus dem Nichts gefallen sind, habt Achtung und Ehrfurcht vor einem Riesen, der gestürzt ist, um unter euch zu ›sterben‹!« Aber sie nickten nach einer Weile, so leicht wie nur möglich, alle drei, um ihm zu zeigen, daß sie ihm immer noch zuhörten, und er beließ es dabei. »Wir kamen in Rückstand! Sie nahmen so schnell zu! Vielleicht waren wir von unseren Pflichten überanstrengt.« Und er erinnerte sich an jenen schwarzen, sonnigen Tag. »Wir hatten einen Befehl erhalten, einen Distrikt zu ›ordnen‹, der im südlichen Westen pflichtvergessen geworden war, einen Distrikt, der so überbevölkert 124
war, daß die überzähligen Menschen begannen, dem Betrieb der Maschinen im Weg zu sein. Meine Mannschaft wurde ausgesucht, weil wir die besten Aufzeichnungen hatten, gemessen in der einzigen Art und Weise, in der solche Aufzeichnungen gemessen werden können, in Pfunden, die der Fleischzentrale abgeliefert wurden. Unser Mahl-5 rollte an jenem Tage auf diesen großen Ballonrädern hinaus, so ruhig wie eine Gummikatze, die leise durch Gummiblätter trottet. Wir steuerten automatisch auf den pflichtvergessenen Distrikt zu, unsere ganze Sechs-Mann-Mannschaft, und ich war der Hauptmann. Die Entscheidungen waren meine!« Sein flacher Bauch eines Raumgardisten zog sich vor Schmerz aufs neue zusammen, und frischerinnerte Reue über die ganze verlorene Möglichkeit, das ganze gefallene Ansehen galt ihm, das mit all dem gegangen war, was jene letzten vier Worte enthielten: »Die Entscheidungen waren meine.« In dem straffällig gewordenen Distrikt waren, wie er berichtete, die Vorarbeiten bereits getan worden (wie üblich) und die Anwärter auf den Mahl waren vorausgewählt, mit freundlicher Genehmigung der örtlichen Verwaltung. Die Opfer wurden festgehalten in einem grauen Gebäude aus nackten Plastikwänden, die durch tückische, stachelige Stahlruten verstärkt wurden, ein Lichtschimmer war überall innerhalb des Gefängnisraumes, das Gefangene gut von den Wänden fernhielt, man sagte ihnen, wo engmaschig angebrachte Messerklingen wie Reihen von Ventilatoren wirbelten. Kein beruhigender Ort, an dem man angeklagt wurde! NEIN! Die Menschen, die ausgesucht worden waren zu sterben, waren vermutlich die, die den geringeren Beitrag zum Leben in einem überbevölkerten Land geleistet hatten. Sie waren die Straffälligen, die, nach der Meinung des örtlichen Beamtenstandes, nicht für 125
ihren Lebensraum durch die Erfindung genügender Zeitsparer-Vorrichtungen bezahlt hatten. Es erübrigt sich zu sagen, daß Zeitsparer-Vorrichtungen die wichtigste fixe Idee waren, da die Leute ihre WeltraumKleider und Weltraum-Pläne zur Schau trugen und von Dem Sieg träumten. Verwirrt und immer noch zurückgewiesen sehnten sie sich nach dem großen Sieg im Weltraum und fuhren damit fort, einen kleinen, überbevölkerten Planeten mit unwichtigen Gerarbs zu füllen. »Aber mein Weg war unkompliziert an jenem Tage im südlichen westlichen Distrikt; ich war der Hauptmann und die Pflicht war Routine. Alles, was ich zu tun hatte, war, in meinen schwarzen Gardistenstiefeln und meiner nachtfarbenen Raumjacke herunterzuspringen, wobei alle meine Medaillen für Leistung und zusätzliche Pfunde wie Sterne schimmerten, und die örtlichen Würdenträger mit der gebotenen Menge an Schwung und übertriebener Genauigkeit zu begrüßen. Dann würden meine Männer wissen, was zu tun sei; sie würden alles aufbauen, um die Leute, die angeklagt waren, nicht genügend Vorrichtungen erfunden zu haben, zu Wurst zu verarbeiten. Ich würde nicht einmal die Befehle zu murmeln haben.« Er blickte auf die drei nicht-zuhörenden Hunde, um ein Zeichen der Anteilnahme zu sehen und fand keines. Aber jetzt war es ihm egal. »Der Rest ist Geschichte. Ihr alle wißt, habt gelesen, wie Blonks Mahl-5 drei volle Tage lang untätig in einem straffällig gewordenen südlichen westlichen Distrikt herumstand. Während ein Teil des besten Exekutionspotentials aller Zeiten – meine Mannschaft – wie Frauen arbeitete, in Papieren und Aufzeichnungen forschte. Bevor ein einziger Mensch zermahlt wurde! Und wie die Pfundzahl bei jenem Auftrag anomal war und wie die Quote in allen anderen Distrikten revidiert 126
werden mußte und wie einige Männer zum Mahl gehen müßten, die von der ÖRTLICHEN ENTSCHEIDUNG nicht aufgeführt worden waren. Und natürlich wißt ihr, habt ihr gelesen, habt ihr gehört, wie ich entfernt wurde! – Blonk, ehemals der furchteinflößendste aller Hauptleute, auf dessen Brust der Rekord an Pfunden schimmerte – hinausgeworfen! Wegen – wie sie es nannten – ›ungehörigem Wankelmut und Unentschlossenheit‹. Oh, wegen einem mit Seele geschlagenen Augenblick alles zu verlieren. Was geschah? MAC, MAC! Was geschah?« Er eilte zu den drei schlafenden Schurken hinüber, die von geringeren Posten heruntergefallen waren, und schüttelte sie wach. Als sie dort in der Dunkelheit blinzelten und gähnten, dort zwischen den Wurzelablegern, den metallenen Blättern und den Knospen der automatischen Jahreszeit, die sie reparierten, sagte einer von ihnen das Stichwort, stellte die Frage, und durch eine große Willensanstrengung konnte er sich davon zurückhalten, sie mit seinem grün und rot gestreiften Stock, der mit Blei gefüllt war, zu schlagen. »Was taten Sie?« Wieder lebte er jenen Augenblick durch, jenen sonnigen schwarzen Tag in der Herbstjahreszeit und dem Herbst – nein! dem Winter, wie es sich herausstellte – seines Ruhmes. »Die große Mahl-5 war nahe den Toren des Verbundes vorgefahren – schimmernd poliert, wie es sich für die Maschine des Mahl-Asses schickte, für ihn, der die äußersten Tore des hellen Glanzes des Ruhmes mit seinen guten Ergebnissen gestürmt hatte. Meine Männer trugen ihre besondere blaue Uniform der Mannschaft, die das As am Mahl war, wobei die Angabe der Einheit in der Form eines alarmierenden roten Edelsteins erfolgte, der – geformt wie ein fallender Blutstropfen – an ihre Waffenröcke geheftet war. 127
Und ich trug meine hohen Stiefel und die nachtschwarzen Kleider des Hauptmannes, der Tüchtigkeitsrekord schimmerte in Gold. Was tat ich? Ich schritt langsam von der Hauptmannskanzel herab an jenem Tage, stand eine Weile in der Tür, um das Herbstwetter zu beobachten, richtete mich zu meiner vollen Höhe auf, meine Schultern waren damals in der Zeit meines Glanzes so breit in meiner Uniform, mein Brustkasten war so voll und die Haut über den Rippen so angespannt, daß es schon fast irreal zu sein schien. Ich stand da und betrachtete die örtlichen Würdenträger und wußte, daß sie einen Gott sahen. Dann –« Seinem Verstand wurde es sicher schwindelig und er taumelte fast ins Nichts, als er sich erinnerte, was er getan hatte. Obwohl es deutlich geschrieben stand, daß jeder Hauptmann einer Mannschaft Kraft seines Amtes das Recht hatte, war es doch etwas, das man nicht machen sollte. »Nachdem ich eine Weile wie ein Gott vor ihnen gestanden und das Herbstmetall besichtigt hatte, schlug ich in einem Augenblick ungehörigen Nachdenkens meine nachtschwarzen Handschuhe zusammen, ging gemächlich die Rampe hinunter, grüßte in einer Art berechnetem Zynismus und dann – und dann gab ich den seltsamen, schrecklichen Befehl!« Er schaute sie an und sah, daß sie jetzt völlig wach und ihre Augen vor Angst weit geöffnet waren, denn nach zwanzig Erzählungen wußten sie, wann die Geschichte endete. Er eilte zu ihnen, und er begann, sie mit seinem rot und grün gestreiften, mit Blei gefüllten Offiziersstock zu schlagen, wie sie es von ihm erwarteten, wie er es immer in seinem Zorn kurz vor dem Ende der Geschichte machte. Als er sie verprügelte, fuhren sie fort, ihn pflichtbewußt zu fragen und hofften dabei auf leichtere Schläge: »Was taten Sie – was war der seltsame, schreckliche Befehl?« 128
Aber er antwortete nicht sofort; er genoß viel zu sehr die Knüppelschläge, die er auf diese zusammenzuckenden und zitternden Männer niederprasseln ließ. Nach einer Weile lag jeder von ihnen in einer dünnen Blutlache, keuchte und fühlte sich jämmerlich am Fuße irgendeiner metallenen Pflanze. Und durch die Speichelblasen auf den bebenden Lippen eines jeden Mannes hindurch war es klar ersichtlich, daß sie immer noch die richtige und pflichtgemäße Frage formten, wie sie wußten, daß sie es tun sollten, wie er es von ihnen verlangte, »Was taten Sie – was war der seltsame, schreckliche Befehl?« Dann gab er in der eisigruhigen Stille, die immer auf seine furchteinflößende Zurschaustellung des Zorns folgte, jedem gedemütigten und blutdurchtränkten Mann den stahlkalten Befehl, wieder auf die Beine zu kommen und sofort seine Stiel-und-Knospen-Pflichten wieder aufzunehmen. Und als er zu einem Tisch ging, um die erforderlichen und richtigen Formulare auszufüllen, damit jeder von ihnen nach den Dienststunden bei der Peitschenzentrale erschien, um die ihm gebührende Bestrafung zu empfangen (»für Blutflecken auf der Uniform«), beantwortete er ihre Frage, wiederholte er wie eine Litanei den Umfang und die schreckliche Tiefe seines Falls: »Ich stellte einmal die Unparteilichkeit der ÖRTLICHEN ENTSCHEIDUNG in Frage; ich gab einmal den Befehl nach GERECHTIGKEIT heraus; ich zauderte einmal vor mahlenden Männern.« Und als er, in Gedanken versunken, mit Muße, auf das richtige Formular eines jeden Mannes den Grund für die Bestrafung bei der Peitschenzentrale schrieb und zweimal fest unterstrich – »Verantwortungsloses und übertriebenes Bluten auf der Uniform ohne entsprechenden Grund« – wußte Blonk plötzlich, daß er geheilt war. Er hatte es wieder herausbekommen! Beim großen Gott 129
MAC, wenn er nur sie da oben dazu bringen könnte, ihm zu glauben! Er war wieder obenauf und bereit für die erhabene Welt der MÄNNER!
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Das Überlebensprogramm Noch niemals zuvor hatte sich eine Art, die von der Ausrottung bedroht war, so sorgfältig auf das Überleben vorbereitet. In der ganzen Welt kamen sie in jenem Frühling hoch, brachen durch unsere Plastikgrundstücke, verbreiteten Verwirrung um unsere Großen Wälle herum, brachen sogar im inneren unserer Festungen hervor, falls sie dort zufälligerweise gepflanzt worden waren. Unsere Warner draußen auf der Frühlinie waren hilflos. Sie kamen aus dem Boden hervor! Wir mußten uns bei der Warnung auf die »Ohren« unserer Festungen verlassen und das bedeutete, daß die Schachtelköpfe beim ersten Alarm manchmal nur wenige Meter entfernt waren. Die »Ohren« meiner Festung sind große samtene Kugel-Kegel, in deren Kegel Millionen von winzigen Reaktoren untergebracht sind. Diese schweben auf einer Kreisbahn – einige Dutzend – ständig über meiner Festung, und sie horchen Tag und Nacht sogar nach der geringsten Veränderung in den normalen Brummgeräuschen. Wenn alles normal ist, geht ein ruhiges Summen von den sanft arbeitenden Mechanismen der Automatik aus, die mir dient, und die KugelKegel schweben in ihrer glitzernden Erhabenheit wie große, wirbelnde, silberne Augen umher, die immer alles auf meine Sicherheit hin prüfen. Der Warnraum schläft dann ruhig, die großen Schirme sind leer, und die Megaphone gähnen still. Dann ist alles in Ordnung. Aber der Tag, an dem jener knirschende, berstende Ton von unten kam! Einer der Kugel-Kegel erstarrte auf seiner Bahn, hing da und sandte das schreckenerregende Signal der Invasion durch die Lautsprecher in den Warnraum. Ich hetzte sofort alle meine verfügba131
ren Waffenmänner zu der angegebenen Stelle, und ich brachte in großer Eile die laufenden Geschosse hinunter. Ich rollte die Weiße-Hexe-Raketen herein und machte sie gefechtsbereit, und ich stieß die Türen auf, hinter denen die Handbomben waren, wie ich es alles oft bei meinen Kriegsspielen geübt hatte. Darüber hinaus öffnete ich die Sprechverbindungsröhre zur Sprengkiste im Berg des Gefechts der Letzten Hoffnung. In anderen Worten, wenn die allerletzte Möglichkeit eintrifft und alles sonst in voller Länge nichts anderes als wirklich verloren scheint, dann werde ich Das Wort in die Sprechverbindung flüstern, und das wird das Signal für die Sprengkiste, die weit entfernt im Berg des Gefechts der Letzten Hoffnung ist, sein. Dann wird meine Festung in die Luft fliegen – ich, mein Feind, alles. Wissen Sie, ich beabsichtige nicht, alleine zu verlieren. Das Ding kam durch, während wir die Stelle unter dem warnenden Kugel-Kegel zwischen meinem Zehnten und Elften Wall beobachteten. Mit einem Krach, der an zusammenfallende Häuserwände erinnerte, hob sich der Boden meiner Festung zwischen den zwei Wällen, und als der Boden brach, kam ein würfelförmiger metallener Kopf, gefolgt von schweren Schultern und Armen aus Stahlröhren, wie es schien, durch ein Loch im Boden. Es schien nicht kriegerisch zu sein, aber wer könnte wissen, welche Tricks, welche furchtbare Verschlagenheit und welche schrecklichen Absichten in dem schachtelförmigen Kopf arbeiteten? Es kauerte neben dem Loch nieder und senkte seine Hände hinein. Die Hände, die aus sehr großen, mit Scharnieren versehenen Stahlruten hergestellt worden waren, ergriffen etwas, und die Röhrenarme und Schultern hoben angestrengt, bis eine Kapsel durch das Loch kam. Die Kapsel hatte ungefähr die Größe eines 132
Einmann-Raumbootes, und ihre Form war davon nicht sehr verschieden, sie hatte die zylindrische Form und die schönen Linien einer Sonnenrakete. Meine Waffenmänner waren nervös. Alle meine Metallteile klirrten und zischten, und aus meinen Fleischstreifen, die mich zusammenhielten, ergossen sich Fluten von kaltem Schweiß. Obwohl meine ganze Festung alarmiert war und auf ein Nicken von mir hin, das fühlte ich, dieser Besucher und seine Kapsel zerschmettert werden könnte, war ich erschreckt. Ich wollte das Zeichen, ihn sofort zu vernichten, geben, doch etwas hielt mich zurück. Vielleicht war es die Art und Weise, in der er arbeitete, dieser Schachtelkopf, so sicher, scheinbar so vorgeplant, so unvermeidlich. Es gibt etwas Niederdrückendes, etwas besonders Fesselndes an jedem Benehmen, das ohne Abweichung durchgeführt wird, völlig unberührt von der Umgebung und als ob es Teil eines Schicksals wäre. Als er die volle lange Länge der Kapsel aus dem Loch heraus hatte, legte er den gewichtigen Gegenstand behutsam auf einer ebenen Plastikfläche nieder. Dann ging er zurück zu dem Loch, spähte hinein und schien ein Zeichen zu geben. Ich griff nach zwei Waffenmännern, die mich halten sollten, als das Entsetzen auf mich einschlug. Und dann stieg der zweite durch das Loch, eine exakte Kopie des ersten Schachtelkopfes. Sie tauschten kein Wort oder keine Begrüßung aus, die ich bemerkte, und wandten sich sofort der Kapsel zu. Nach einer kurzen Weile, in der sie den Mittelpunkt herausfanden, ging jeder der beiden zu einem Ende, und indem sie sie in entgegengesetzte Richtungen drehten, öffneten sie sanft die Kapsel in zwei Teile. Aus dem Vorderende der halbierten Kapsel zogen sie einen Zylinder aus einer klaren, wachsähnlichen Substanz hervor, die etwas enthielt, das wie eine häßliche fleischfarbene Kugel 133
mit zusammengeschrumpften fleischfarbenen Anhängseln aussah. Die beiden Schachtelköpfe arbeiteten ohne Unterbrechung weiter mit ihren eigentümlichen stockend-ruckartigen Bewegungen und fanden in der unteren Hälfte der Kapsel Werkzeuge, mit denen sie das Wachs wegschnitten und den seltsamen, schrumpeligen Gegenstand von seinem wächsernen Bett befreiten. Als sie den unförmigen Ball und seine Anhängsel wie eine kleine, unheimliche Vogelscheuche aus den Alten Zeiten in voller Länge auf dem Plastik liegen hatten, kehrten sie zur unteren Hälfte der Kapsel zurück, und sie zogen stockend-ruckartig, unvermeidbar, scheinbar unaufhaltsam viele kleinere Gegenstände heraus. Mit Dingen aus diesen kleineren Gegenständen – Flüssigkeiten, Pumpen und Gasen – arbeiteten sie daran, die Gestalt der Vogelscheuche aufzublähen. Ich beobachtete sie geduldig. Ich ließ sie allein. Jetzt war ich nicht erschreckt. Etwas Altes in meinem Verstand erinnerte sich an ein längst vergangenes Jahr, als der Mensch die Zeit des Jüngsten Gerichts akzeptiert hatte. Damals war ich jung, nur ein Kind, das gerade begann, von der Vernichtung geformt zu werden, als die »Dinge« eingepflanzt wurden. Aber ich erinnerte mich. JA! Als die Schachtelköpfe fertig waren, gab ich ihnen ein Zeichen, die Kapsel zu begraben, die Plastikflächen – so gut sie konnten – instand zu setzen und zu gehen. Ich ließ sie durch das Elfte Tor hinaus in die Leere unserer Welt der Plastikflächen, und tief in meinen Fleischstreifen fühlte ich fast, wie sich Tränen in Regen verwandelten, als drei Dinge wegwanderten, zwei Schachtelköpfe und zwischen ihnen eine unheimliche, plumpe Vogelscheuche, verwirrt, blinkend, und – wie ich vermutete – äußerst furchtsam. Und dies ging weiter in der ganzen Welt in jenem Frühling, in jeder Gegend unserer Plastikkugel. Die 134
Schachtelköpfe kamen durch wie Blumen, könnte man sagen, wie Frühlingsblumen, die früher die vulgäre Erde durchbrachen. Natürlich bringen wir jetzt, dank der Knollen-Landstreicher, Blumen auf ein Zeichen von der Zentralen Schönheitskommission hin durch die mit Deckeln versehenen Löcher in den Grundstücken zum Blühen, bringen sie durch einen Knopfdruck hoch, wenn es an der Zeit ist, und sie wiegen sich auf Federmetall-Stielen in den Plastikfeldern des Sommers, bis es Herbst ist. Aber diese – oh, soviel schrecklicher als Blumen – waren die Hoffnung des Menschen in der Stunde des Jüngsten Gerichts, sie wurden in die Zeitkapseln eingepflanzt und schwangen zwischen zwei kraftvollen Robotern, sie wurden tief in die Erde versenkt, und in den Bändern der Roboter wurde es festgelegt, daß sie nach einem hundertjährigen Schlaf nach oben kommen sollten. Alle Länder der Erde hatten dies getan, das heißt, alle Länder, die eine genügend entwickelte Wissenschaft hatten, um die Roboter, die Zeitfixierung auf den Bändern und die Zeitkapseln bauen zu können. Diejenigen, die nicht entwickelt genug waren, fuhren fort, auf kleinen Inseln in der Sonne zu liegen, vielleicht, oder werkelten unter Umständen im Schnee in weit nördlich gelegenen Orten herum, oder schliefen auf Bäumen im Dschungel, ohne zu wissen oder ohne daß es sie kümmerte, wie unentwickelt sie waren, wie sehr sie aus dem Rennen waren, wie schrecklich leer ihre Nullen beim großen Fortschritt der Menschheit waren. Währenddessen machten die entwickelten, die fortgeschrittenen, nachdem sie die Kapseln eingepflanzt hatten, in letzter Minute eine Kontrolle ihrer Sprenger, schoben durch einen Daumendruck die Deckel ihrer Raketensilos zur Seite, gaben ihre Ultimaten heraus und ließen die Vögel des Krieges aufstei135
gen, schreiend, SCHREIEND!! Für die Großen Fünf Minuten des Krieges. Aber mancherorts und vielerorts gab es Schnitzer. Raketen wichen ab und steuerten nicht automatisch auf ihre Städte zu. Gehirne versagten in der kritischen Sekunde-des-STARTS-Null. Kapitäne glitten in ihren Schiffen mit ihren Raketen unter die Meeresoberfläche und sammelten schreckliche Möglichkeiten, und einige zauderten. Bemannte Kriegsvögel fanden sich irgendwie zu spät an den richtigen Abwurfstellen und zu früh an den falschen. Und kommandierende Männer in Schlüsselpositionen in der ganzen Welt zerbrachen nur ein wenig unter dem furchteinflößenden Gewicht des Ganzen. Kurz, die schöne Präzision, die nach Plan die Welt in sauberen fünf Minuten der Vernichtung zerstören sollte, wurde verpatzt. Der Mensch war bei seinem eigenen Begräbnis zu spät und unsicher und ungenau und unzuverlässig wie immer. Die Großen Fünf Minuten wurden verpatzt, in Fünf Schrecklichen Jahren dahingeschleppt, fünf Jahre, die die Welt mit Zerstörung schüttelten. Und der Mensch änderte sich in jenen fünf Jahren. Und die Welt änderte sich. Man kann sogar sagen, daß es Fortschritt gab. Aber – nun …? Sagen wir einfach, die Dinge bewegten sich … weiter. Fleisch und Blut wurden fast Güter der unmöglichen Vergangenheit, teilweise bedingt durch die ganze Verschmutzung der Luft, der Meere und des Bodens. Wir »ersetzten« den menschlichen Körper nach den Großen Fünf Jahren, als wir Fleisch vorfanden, das durch Explosionen geeignet vorbereitet worden war. Sogar lebenswichtige Organe konnten ersetzt werden, wie wir lernten, bis auf eine minimale Anzahl an Fleischstreifen, oder sie konnten abgestützt und mit Neumetall dauerhaft gemacht werden. Wir ernährten uns intravenös und es funktionierte! Unsere kleinen, harten Her136
zen wurden Maschinen, die dünnes, grünes Blut durch Kilometer von Röhren in dünne Fleischstreifen trieben. Gefühle waren bald völlig von uns gegangen, und unsere Seelen, falls wir sie jemals besessen hatten, existierten jetzt sicher nicht mehr. Aber wir behielten Ängste – sie waren bei uns, groß und klein und GROSS. JA! Wir behielten normale Ängste und anormale Ängste und normale Wünsche und anormale Wünsche. Wir wünschten zu leben; wir hatten Angst zu sterben. Wir wünschten zu töten; wir hatten Angst zu sterben. Wir verteidigten uns. Wir lebten! Nach den Großen Fünf Jahren konnten natürlich nur die weiterleben, die überarbeitet worden waren. Und unser Planet – wir konnten uns von vielem an ihm jetzt trennen. Da wir Geschöpfe mit nur wenig Fleisch und Blut waren, hatten wir wenig Verwendung für die Meere und sogar noch weniger Verwendung für die Luft. Wir signalisierten den Marsianern durch den Weltraum, daß wir bereit wären, uns jederzeit vom größten Teil unserer Atmosphäre zu trennen, wenn sie einen Weg fänden, sie durch den Weltraum auf ihren Planeten zu befördern. Und der größte Teil der Meere wäre für die Bagger gewesen, außer, daß wir sie für bestimmte Minerale und um uns im Gleichgewicht im System zu halten, wie wir es sein sollten, brauchen könnten. Den verschmutzten Boden bedeckten wir natürlich – Hügel und Täler und Ebenen – mit kühlem, weißem Plastik. JA! Unsere Heimat ist jetzt eine saubere, abgesehen von der verunreinigten, purpurähnlichen Luft und den vergifteten grün-schwarzen Meeren, die wir einfrieren. Die plumpen Vogelscheuchen zwischen den Zwillingsrobotern auf der ganzen Welt in jenem Jahr? Kinder! ÜBERLEBENSKINDER! Wir alle erinnerten uns an sie, als sie in jenem Frühling hervorbrachen, erinner137
ten uns daran, wie einige wenige auserwählte Millionen, deren Blut ausgetrocknet, deren Leben in Schlaf versetzt, in das Wachs eingepflanzt worden war, wie seltsames Saatgut, in jener so lange vergangenen Zeit, als der Mensch die Stunde des Jüngsten Gerichts akzeptiert hatte. Aber wir hatten sie in den folgenden Jahren unserer Ängste und unserer dauernden Wachsamkeit vergessen. Sie waren Kinder, seltsam, aus einem anderen Jahrhundert. Wir versuchten es, aber wir fanden heraus, daß wir ihnen nicht helfen konnten. Ihr Fleisch war nicht genügend durch die Explosionen angepaßt worden. Sie paßten nicht in unser Programm. Mit ihren Robotern wanderten sie heimatlos über unser weißes Land, seltsame Kinder, zweimal in einer schrecklichen Welt geboren, verwirrt und ein Jahrhundert von ihrer Zeit entfernt, bis sie der Tod überkam. Und jetzt wandern nur noch die Roboter, in seltsamen Paaren, auf und ab; und manchmal, getreu etwas, das vor langer Zeit in ein metallenes Gehirn gelocht worden war, werden Sie Zwillingsroboter sehen, die die vollständigen Knochen eines Kindes zwischen sich tragen, umherirren – in riesigen Gebieten umherirren. Und sie sind verwirrt. Es wird vergehen. Das Metall, das in ihrem Gehirn gelocht wurde, muß früher oder später nachgeben. Es war Metall aus dem vorigen Jahrhundert. Dann werden noch nicht einmal die Roboter umherirren. Und uns werden nur unsere eigenen Ängste und nur unser eigenes Scharfsinniges Denken bleiben, jedem in seinen eigenen Festungswällen, jeder beobachtet wachsam jeden anderen, erwartet halb einen verhängnisvollen, heimtückischen Angriff von einer Nachbarfestung zu jeder Zeit, jeder »weiß« aber, daß trotz alledem ein massiver, alles zerschmetternder Angriff aus dem Weltraum, aus einer fernen Galaxis, unser end138
gültiges Verderben sein kann. Aber jetzt leben wir! LEBEN! Und widmen uns dem Überleben des Menschen um jeden Preis.
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Neumetall Wir nannten es Neumetall und manchmal Neumetallstahl. War es der Wirklichkeit gewordene Traum eines Zauberers? Reine Magie, die wahr und wahrhaftig geworden war? Oder war es voll und ganz Wissenschaft? Ich glaube, es war etwas von allen Dreien, aber zum größten Teil (und vor allem!) ganz und gar Wissenschaft. Es war unser Gott. Es war wirklich die Substanz des moderanischen Traums, es und Plastik. Aber Plastik war keine Magie. Plastik war weltlich. Plastik war nur unser Arbeitspferd, die alltägliche Basis, die unserer Erdkugel ihre harte, graue, gekörnte Haut von sterilisierter Schönheit gab, auf der wir umherschritten. Aber Neumetallstahl waren wir, war so sehr der Hauptteil von uns – die sich bewegende, lebende Substanz des Traums – vor dem sich die Zeit zurückziehen mußte, die Zeit, deren Sensenblatt gebrochen war. Die Zeit hißte ihre weiße Fahne, hing mit dem Kopf nach unten, war auf dem Stillen Feld der Kapitulation zu Tode geschlagen worden. Pfui! Neumetallmensch, gebe der alten Zeit einen Tritt! Neumetall würde niemals wie lebendiges Fleisch sein (OH, NEIN!), und das war gut so, denn unsere Stärke und unsere Dauerhaftigkeit waren im Wesentlichen durch unseren Mangel an Fleisch und unseren Überfluß an »Ersatz« -Teilen begründet. Neumetallstahl hatte vor allem diese wunderbare wunderbare Eigenschaft. Hoch in den großen Maschinenteilen von uns, wo die mächtigen Hilfsmittel unserer Existenz untergebracht waren – die Lungen, das Herz, die großen und kleinen Eingeweide, die Leber, die Nieren und der ganze Rest – konnte sich Neumetall mit dem Fleisch vermischen und uns bis auf ein Minimum an Fleischstreifen »ersetzen«, die unsere 140
Gestalt formten und unsere Verbindung mit dem Menschlichen hielten. Die mächtigen Maschinenteile unserer Existenz, untergebracht in dieser Fleischstreifen- und Neumetall-Unterkunft, waren einfach, in der Sprache dieser Tage: Implantate. Sie waren ewig arbeitende Neumetallmaschinen – die FlexiflexNeumetallungen, das Wumm-Bumm-Herz mit den Umschaltern, die Nieren mit dem Dampf-Abfluß und der ganze Rest. Die Beine und Arme, die Füße und Hände waren auch Neumetall, aber mit einem anderen Anteil an Neustahl. Wenn wir klirrend gingen, wobei sich unsere Arme wie Windmühlenflügel drehten, sich unsere stählernen Stiefel an unseren stählernen Füßen über das Plastik bewegten, Ta-rap Ta-rump Ta-rump Tump Tumpa Tump, stellte nichts und niemand Fragen über unsere Fortbewegung. Hoch! Neumetallmensch, die sich bewegende, lebende Substanz des wahrgewordenen Traums. Oh, wir könnten alle Waffenmänner gewesen sein, und das mit Leichtigkeit, jene bedeutungslosen, mechanischen Apparate, die aussahen und gingen und sprachen wie Menschen, aber nicht mehr als metallene Monster waren, obwohl notwendig und höchst nützlich in unserem Plan. In einer Weise waren sie überaus wunderbar, tüchtig und mutig bei der Invasion, hartnäckig und äußerst unerbittlich bei einer Belagerung und nicht im geringsten dazu geneigt aufzugeben und wegzulaufen oder die Hoffnung aufzugeben, wenn sie einer Übermacht gegenüberstanden und von weit draußen beschossen wurden; oder beim Nahkampf, wenn sie umzingelt und zerschlagen worden waren, verteidigten sie ihren Boden gut genug. Hoch! Neumetallmonster, unsere wunderbaren Waffenmänner. Aber wir waren MENSCHEN! Und ein Abgrund von kosmischen Ausmaßen lag zwischen und war der 141
Unterschied zwischen einem Neumetallmonster und einem Neumetallmenschen. Als unsere schönen Kriegspläne in der Welt lebendig wurden und in der Höhe als greifbare Realität donnerten – die WeißeHexe-Raketen feuerten, die Oh-Bomben fielen großartig, die Zertrümmer-Trümmer waren auf ihrer Bahn, weit und breit waren Geschosse automatisch auf ihrem Wege und die ganzen anderen Metallwaren unserer Freude-beim-Krieg funktionierten wunderschön – da wußten wir, was wir taten. Wir lebten, wir fühlten, wir reagierten auf die Gefühle von allem. Aber nicht der Waffenmann. Er war einfach ein kalter Klumpen beim gewöhnlichen Töten, ein gefühlloser Brocken beim allgemeinen Gemetzel, und was die Zerstörung und Einebnung von Festungen betrifft, so brachte er diesem Spiel überhaupt keine der warmen, menschlichen Gefühle entgegen. Bah! Neumetallmonster, du Waffenmann, du hast überhaupt keine Seele! Obwohl wir alle so und mit Leichtigkeit – durch unsere Wissenschaften – mechanische Menschen geworden sein könnten, mit Maschinen in uns, die für uns gesprochen und gelächelt und geflucht hätten, die alle menschlichen Gebärden weit und breit für uns gemacht hätten und die in der Lage gewesen wären, sich selbst zu reparieren und ihre Art für uns selbst zu bauen, was würde das alles bewiesen haben? Es würde bewiesen haben, daß der Mensch in der Tat eine Menge sehr kluge und fortgeschrittene wissenschaftliche Fertigkeiten entwickelt hätte. Und das ganz gewiß! Aber wir wollten es nicht so haben. Fäuste wurden gegen den Himmel geschüttelt, Augen waren wild geöffnet und Hämmer zerstampften die Erde unseres Bodens und unsere Abhängigkeit, wir wollten es nicht so haben. Bei Gott, wir würden Gott mit unseren Anstrengungen und unserer Geschicklichkeit als Men142
schen in Gewahrsam nehmen. Wir würden Ihn sich verneigen sehen, Ihn ausrufen hören »Meine Kinder haben mich übertroffen! Während ich die ganze Zeit schlief, hat jedes von ihnen eine eigene Göttlichkeit erreicht, alle leben ewig und sind zeitlos! Meine Arbeit ist getan.«
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Von Hämmern und Menschen Ich trug immer einen; ich hatte sie in jeder Größe. Ich hatte die besondere Alltags-Kriegs-Größe, einen von dem ich immer zwei gleichzeitig trug, einen auf jeder Seite, tiefhängend umgeschlungen und bequemgriffbereit, wie alte Geschütze eines Geschützträgers, die gerade die Spitzen meiner stählernen Finger berührten, wo sie baumelten, wenn ich, Plop-plip-plapplop, über das heimlose Plastik ging. Dann hatte ich sie in der kleinen, freundlichen Größe, in der Größe, mit der man sich an Sonntagen herausputzte, wie man – glaube ich – in den Alten Tagen gesagt hätte, ein kompaktes, etwas unauffälliges Ding, von dem ich eines in meinem stählernen Sonntagsgürtel trug und das, falls notwendig – und richtig geschwungen – ein kleines Stück eines Menschen abschneiden würde, ein Stück von ungefähr der Größe eines halben Gesichts eines gewöhnlichen Menschen. Es würde nicht, wie Sie sehen können, für gewichtigere Meinungsverschiedenheiten ausreichen. Aber für einen Sonntagsspaziergang war es, so dachte ich, gerade richtig. Dann hatte ich, und wir müssen unvermeidlich dazu kommen, meinen Kriegshammer, das besondere Angriffs-VerteidigungsWerkzeug, ein Gerät, das auseinandergenommen werden konnte, Ersatzteile hatte und dem jeweiligen Anlaß entsprechend ausgerüstet und angepaßt werden konnte. Ich trug eine Wagenladung von diesen in einem Gefährt mit besonderer Spurweite, das nach den Waffenträgern der Alten Tage der Hammerträger genannt wurde und für das zehn Waffenmänner verantwortlich waren, wenn wir durch schweres Gebiet kamen. Während eines Waffenstillstandes! 144
JA! Lassen Sie es gesagt sein, daß sie Dem Hammer einen großen Aktionsraum gaben. Sogar an Sonntagen winkten sie (»meine Freunde«) normalerweise nur von Hügeln oder aus anderen und weiten, vielfältigen Entfernungen, und das üblicherweise bis zu dem Punkt, wo sie einfach weggingen. GERADE SO, WIE ES SEIN SOLLTE. KÖNNTE NICHT BESSER GEWESEN SEIN. HOCH, DER HAMMER! Und manchmal machte ich in einer Art Feier einen Haufen aus allen meinen Hämmern, die Festung wurde geleert, jede Ecke wurde nach ihnen abgesucht und meine Waffenmänner trugen Hämmer heran, um jenen lieblichen Hügel mit Tausenden von ihnen orange zu färben. Und während die Großer-Schlag-Raketen leicht und langsam in ihren Startschlingen baumelten und all die anderen schrecklichen Geräte meiner Herrschaft und Gefahr für den Waffenstillstand untätig blieben, tanzte ich um meine Hämmer, den trippelnden, aber notwendigerweise schweren Tanz des wunderbaren Neumetallmenschen. Wozu die Hämmer? Wozu die Feier? Zwei Gründe und vielleicht mehr. Ein Grund und vielleicht der vergnüglichste – wenn ich alle meine schreiend-orangen Hämmer draußen hatte, aufgetürmt zur Schaustellung, und ich um sie herumtanzte, wobei alle meine Waffenmänner poliert und zur Parade aufgezogen waren, dann ging zweifellos ein Schaudern durch alle benachbarten Festungen, die dies als Symbol und eine Vorbereitung sahen, da ein großer amerikanischer Indianerhäuptling aus den Alten Tagen mit bemaltem Gesicht einen Kriegstanz abgehalten hätte, kurz bevor er die Skalpernte begann. JA! Ein anderer Grund. Für mich versinnbildlichen mit Klingen versehene Hämmer recht gut einen beachtlichen Betrag des ganzen großen Fortschrittes des 145
Menschen bis zu seinem GROSSEN PLATZ AN DER SPITZE, den er heute einnimmt. Nehmen sie das Schlagen und Stoßen, das in den symbolischen schlagenden Hämmern enthalten ist, meinen eigenen, besonderen Symbol weg und sehen Sie, wieviel ohne sie für immer weggegeben wäre. Ausgelassen! Haben wir unsere Wege zur Spitze nicht geschlagen und gestoßen (und passend gemacht)? HOCH! Schläger, Stoßer und Anpasser, gebt der alten Niederlage einen Tritt. Ihr habt das Spiel gewonnen! Und was passiert an der SPITZE? Wir sitzen hier und treten mit unseren stählernen Absätzen nach der ganzen Welt. Auf Der SPITZE knurren wir. Sollen sie nur wagen, zu kommen um uns zu holen. Wir machen Pläne, um sie zu holen. Es ist alles ein Kampf. Die Lebenszeit eines Menschen ist ein Kampf und im wesentlichen nichts anderes. Sogar durch das kleinste Winden in das rudimentärste »Werden« des Lebens hat die Substanz, die sich windet, dem Universum die größte Herausforderung von allen ausgesprochen. Diese sich windende Substanz hat sich vorgenommen, fähig zu sein, sich zu erheben und sich durch die sie umgebende Zeit und Raum zu bewegen, alles gegen die beabsichtigte Stabilität-Instabilität der ihr als Heim dienenden Umwelt. Sogar ein Baum und sogar die kleinste kleinste Pflanze gehören dazu. In anderen Worten war eine neue und SEHR SELTSAME Kraft in das Schäumen und Krümmen und Winden und Verändern der toten Dinge im Kosmos eingetreten, die sich auf ihren eigenen, gesetzmäßigen Bahnen bewegten. Das Leben ist wirklich der Gesetzlose, der kosmische Außenseiter, und da es so ist, muß seine Zeit immer ein Entfliehen vor den schrecklichen Sheriffs der Gesetze der toten Stoffe sein, jenen Schutzleuten der toten, gesetzmäßigen Ordnung-Unordnung des Universums, das diesen 146
SEHR SELTSAMEN Zufall nicht vorhergesehen haben konnte. Deshalb haben wir (SIE, unsere wunderbaren Männer der Wissenschaft) den SEHR SELTSAMEN Zufall (das Leben) in seiner höchsten Entwicklungsform (der Mensch) herausgegriffen und ihn zu äußerster Haltbarkeit verwandelt, die die ewige Haltbarkeit des Neumetallmenschen ist. JA! Wir (SIE) schafften es gerade rechtzeitig, jene Männer der Wissenschaft. Wie glücklich waren wir, in jener großen Zeit der Geschichte diese überlegenen Giganten zu haben, die in ihren Laboren warteten, um den SEHR SELTSAMEN Zufall (das Leben) in seiner äußersten fleischernen, bedürftigen Entwicklungsform (der Mensch) herauszugreifen und ihn für alle Zeiten einzufrieren. HOCH, guter Plan der Wissenschaft, nimm die dir geltenden Verbeugungen entgegen, ihr guten, alten Erlöser, ihr habt das Spiel ganz und gar gewonnen. Nun, um für kurze Zeit weitschweifig zu werden, folgendes geschah. Der fleischerne Mensch hatte sich auf seiner Zufallsheimat, der Erdkugel, bis zu jenem Punkt entwickelt, wo es nur noch das schnelle Gleiten hinunter in die Vergessenheit gab. Alle Zeichen waren zu sehen, alle Fahnen wehten für eine Veränderung des Menschen und anstatt START hieß es ABWÄRTS. Zum ENDE. Der fleischerne Mensch war an der Spitze, so weit wie er als fleischerner Mensch klettern konnte und von da an mußte er sicherlich hinunterstürzen. Aber er hatte das Glück, diese mutigen guten weißmähnigen Männer in den Arbeitskitteln zu haben, die Giganten des Labors, die Schultern und mächtigen Schenkel unseres Fortschritts (was macht es WIRKLICH schon aus, wenn sie manchmal verwelkte, von Untersuchungen beschmutzte, cholerische, intrigierende, kleine Männer waren – sogar meistens?!), die Ur147
heber von so großen Teilen der Entwicklung und des Aufstiegs des Menschen zu jenem Punkt, wo er einfach sterben mußte, untergehen, sich selbst und seine Heimat zerstören. Diese großen guten Laborgiganten froren dann den Menschen und seine Heimat, die Erdkugel, auf dieser großartigen Entwicklungsstufe ein, um den Neumetallmenschen zu schaffen und ihn in die Festungen auf eine plastiküberzogene Erde zu setzen, die einmal die zufällige und unzulängliche Heimat des Menschen gewesen war. Neumetall ersetzte das Fleisch (bis auf die wenigen Fleischstreifen und jene mögen bald, so hoffen wir, verschwunden sein), die Knochen wurden herausgenommen und Neumetallstäbe, Scharniere und Platten wurden eingesetzt (es war leicht!) und die Organe wurden alle Maschinen und für immer wunderbare Behälter von wissenschaftlich kontrollierter funktionaler Tüchtigkeit. HOCH! Verstehen Sie es nicht? Unsere Wissenschaftler machten aus dem Menschen des Lebens (dem SEHR SELTSAMEN Menschen des Zufalls) einen im wesentlichen aus toten Elementen bestehenden Menschen, einen, der es mit der Ewigkeit aufnehmen konnte, aber er war sicherlich kein toter Mensch. AH! Himmel nein! Er war lebendig! Mit all der wunderbaren Wissenschaft der Erdzeitalter und gerade so zweckmäßig, wie man es sich nur wünschen konnte. HOCH! Wissenschaft, nimm jetzt deinen Beifall entgegen! Du hast gezeigt, für was der SEHR-SELTSAME-Zufallsmensch von Anfang an bestimmt war. Aber ich stelle mir vor, wie Gott verblüfft vor deinen Erfolgen, deiner Gewandtheit, ganz zu schweigen von deiner Kühnheit, steht. Und falls Gott einmal zu erschreckt und zu unzufrieden sein sollte, dann stelle ich mir weiter vor, daß du ihn einfach entlassen könntest, ihn aus dem Himmel abschreiben, sozusagen seine 148
Stecker herausziehen. Dann könntest du deinen eigenen, sehr persönlichen Gott machen, aus Stangen und Platten und diesen Wundern an chemischen Veränderungen, wie beispielsweise den Gehirnschalen des Menschen. Aber wer braucht einen anderen Gott als »unseren Gott«, jenen massiven Stab aus Neumetall, der, als Moderan sehr neu war, auf der großen Plastikebene des Verwirklichten Traums aufgestellt wurde? Wir sind jetzt alle Götter oder Teile von – Neumetallgöttern! Ich stehe jetzt in deinem Optimismus auf Zehenspitzen und ich berühre alle Sterne. Wir haben es jetzt geschafft, ihr guten alten niedergebeugten Hunde, ihr unbarmherzigen Wettläufer nach wissenschaftlichen Kenntnissen, ihr feinen, messerscharfen Gehirne des elementaren Denkens, ihr starken Könige, ihr Labortechniker! Ich danke euch für den Tod meines »Lebens« (meiner armen Schwächen des Fleisches) und ich vertraue mich euch an für die Auferstehung meines Wesens in Stahl. Ihr habt das hauptsächliche Wesen des Menschen beibehalten – den Menschen als Kämpfer – und jetzt werden wir diese gute harte Tugend bis in alle Ewigkeit beweisen. WIR WERDEN KÄMPFEN! Wir werden gegeneinander kämpfen. Wir werden grausame Monster schaffen, sie freilassen und solche Monster durch unseren ganzen Raum bekämpfen. Wir werden uns mit Maschinen und intensiven, programmierten Gedanken bewegen. Wir werden uns Schwierigkeiten in Form aller Arten von Drachen schaffen und wir werden sie überwinden. Denn wir programmieren die Siege etwas sorgfältiger, als wir die Bedrohungen einfüttern. Aber meistens werden wir einfach gegeneinander kämpfen – gegeneinander und gegen uns selbst, den wirklich ruhelosen Feind. OH, WISSENSCHAFT! OH, MENSCH! OH, EWIGER KAMPF, Leben unseres Lebens. In Moderan … 149
Die Festung Die Festung – unter ihrem stählernen Dach hängt alles, für das wir bestimmt sind. Es ist ein Ort, der den Verstand abschließt, den Neumetallverstand. An manchen Tagen wandere ich durch meine Festung und das ist alles, was ich mache, ich weide mich nur an der Macht, die ich besitze, und an der unzerstörbaren Wucht, die aus ihr und mir besteht. Von der Spitze abwärts ist sie ein Wunder, festgehalten in Stahl – Beton und Neumetallstahl. Sie ist Schutz. Sie ist Bedrohung. Sie bedeutet »trete nicht auf mich« aber »ich werde BESTIMMT auf Dich treten!« Man kann einer Festung nicht vertrauen, falls man nicht in ihr ist und sie einem gehört. Dann kann man einer Festung vertrauen. Dann werden die Wanderungen genußreich sein, von der Spitze nach unten, vom untersten Geschoß nach oben. Wie Sie vielleicht nicht wissen, besteht meine Festung aus Zylindern, die von Wällen umgeben und mit Kegeln bedeckt sind, deren Spitzen weit weit dort hinaufragen, wo der Himmel nicht ist oder jemals war, obwohl man einmal glaubte, ja, fest glaubte, daß er dort wäre. Oben auf den Spitzen sind meine Flaggen wie Herausforderungen angesammelt, wie hervorgestreckte Kinne, wie Drohungen, wie Prahlereien, wie Leistungen. Sie sind all das. Und mehr. Sie sind kohlenschwarze Wimpel, verziert mit der leuchtendenglitzernden-schimmernden Nummer 10. Und manchmal, wenn sie in einem maschinell erzeugten Wind fliegen und flattern, dann bieten sie einen herrlichen Anblick! Abgesehen von der leuchtenden-glitzerdenschimmernden Nummer 10 gibt es auf den Wimpeln eine Verzierung und nur eine. Einen grausamen, mit 150
einer großen Klinge versehenen Kriegshammer in grellem Orange. Es ist ein Werkzeug, um die Welt zu zerschmettern und sie beim Zerschmettern in Scheiben zu schneiden.
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Ungefähr im Jahre 2064 Er war nur ein großer Punkt, der sich langsam aus den Unteren Provinzen bewegte, als mein Warn ihn zum erstenmal erfaßte. Aber er ging beharrlich und unerbittlich weiter, bis er streng und scheinbar erschöpft vor meinen gepanzerten Toren stand und über sie die Stirn runzelte. Die Mittagssonne eines strahlenden Sonnentages schimmerte auf seinem verhüllten Gesicht. Ich ließ ihn nach und nach durch meine Tore, wenn mein Waffenbericht und die Entgifter anzeigten, daß er sauber war, und ich sah, daß sein Herz bloßgelegt war, ebenso wie das Getriebe, das die Atembeutel aktivierte. Es gab Fleischfetzen und eingerissenes Metall auf der Hälfte seiner oberen Hülle. Es war, als ob eine riesige Klaue in einem zufälligen schnellen Gefecht ihm die Brust aufgeschlitzt hätte, dachte ich. Oder es erinnerte mehr daran, dachte ich, wie ein Verrückter vorgehen würde und sich nach einer langen Zeit der Enttäuschung selbst aufschlitzen würde. »Sie sind verletzt!« sagte ich impulsiv, ein seltsames Mitgefühl jagte durch mich, als ich in seine verrosteten klagenden Augen starrte. »NEIN!« sagte er und legte die kleine Staffelei, die er trug, auf den Boden, »nicht in der Art, wie Sie glauben, daß ich verletzt wäre. Das Herz arbeitet immer noch gut, und daß die Bedeckung über dem Getriebe der Brust abgegangen ist, verlangsamt es um keinen Deut. Aber ich bin verletzt, schwer verwundet, werde täglich getötet von den langen unbelohnten Jahren des Suchens ohne zu finden.« Er ließ seinen Kopf nach vorne fallen, und seine Schultern waren gebeugt, und ich wußte genug über Lasten, um zu wissen, daß er 152
eine trug. »Jeder von uns sucht nach seiner persönlichen Sicht des Traumes«, fuhr er fort, »jeder auf seine begrenzte Art und Weise, jeder sucht bis zu seinem eigenen Grad der Zeit-die-beim-Suchen-verbracht-wird nach seinem Letzten. Meins hat fast unüberwindbare Schwierigkeiten geboten, und die Jahre scheinen jetzt spät zu werden, meine und die der Welt. Deshalb beschleunigte ich, als Sie mich sahen, wenn man es auch vielleicht nicht merkte. Ich bewegte meine Bügel und Scharniere fast mit dem äußersten Maximum, oh, ich war wieder dem Traum auf der Spur, heiß. Kommen Sie hier herunter.« »Aber warum«, stammelte ich, »warum sind Sie, ein Künstler, zu diesem Ort gekommen, der sich offensichtlich mit Gewalt beschäftigt, zu einer Zitadelle wirklicher Entschlossenheit? Ich nehme an, Sie sind unterwegs?« »NEIN!« Sein Kopf schnellte hoch, die alten Schultern strafften sich, und die weißen metallenen Sprungfedern in seinem Bart zitterten. Sein Kopf schüttelte sich auf den Sprungfederstreifen seines Halses. »Nein, ich bin nicht unterwegs, außer in dem größeren Sinne, daß wir immer unterwegs sind, wie wir hier umherwandern und hier schauen. Aber ich hoffe, ich bin jetzt Hier, am Ziel angelangt. Ich hoffe, ich habe gefunden – um nach diesem Hier nicht mehr auf der Langen Suche umherzuwandern.« »Ich – Ich verstehe nicht.« In meiner allgemeinen Unsicherheit und Überraschung zitterte ich mehr, als ich es wollte. Instinktiv blickte ich auf die bessere Stellung der Waffenmänner und schob mich etwas näher an eine stählerne Wache heran, die unweit von mir stand. »Hier ist keine Künstlerkolonie«, stieß ich unbeherrscht hervor, »auch keine Ruhestätte für alte Maler. Dies ist eine funktionierende Festung, und wir ver153
anstalten keine Tänze für verkrüppelte Traumsucher. Ich hoffe, daß ich nicht böse werden muß.« Er ignorierte meine Worte fast völlig. »In den Unteren Provinzen«, fuhr er fort, »verbreitete sich die Nachricht von einem höchst wunderbaren bewaffneten Ort bei dem Plastikland der stählernen Hunde, unweit dem Tal der Hexe. Ein Mann soll dort – umlaufenden Gerüchten zufolge – in einer Zitadelle sein, ein Mann der Neuen Methoden aus dem Land der Neuen Methoden, ersetzt, durch Metall gestützt, von Fleisch bis auf ein äußerstes Minimum, das für den sterblichen Menschen zulässig ist, entblößt. Dieser Mann soll dasitzen und ruhig leben, tagein, tagaus, jahrelang, jahrzehntelang, niemals durch Familie oder Freund oder Feind beeinflußt, und sein großes Ich in den Tagen seines Lebens vervollkommnen, wirklich ein Leben leben. Umgeben von so vielen Sicherheitsvorrichtungen und Wällen und all den Wunderbaren Anwendungen der Wissenschaften, die der Menschheit dienen und sie ernähren in diesem Jahr Unserer Entdeckungen, 2064, soll er wie eine prachtvolle Nuß faulenzen, wie ein riesiger Samen in einer großen Hülle, der Tag um Tag zu neuen Bedeutungen heranreifen soll. Nachdem ich ein Leben lang ungestüm durch die von Angst geschüttelte Welt gewandert bin und nichts gefunden habe – nun, um eine solche wunderschöne Ruhe sehen zu können – und einen Sinn des Lebens – muß ich es tun, bevor ich sterbe! Ja, ich habe zu den Wanderern gehört«, redete er weiter, »den verirrten und suchenden Wanderern, die manchmal niemals etwas finden, weil wir uns zum Suchen einen Traum herausgreifen, der zu strahlend ist, um jemals existieren zu können.« Er zupfte ein kleines, loses Metallteil aus seiner verformbaren Nase. »Ja, sie ersetzten mich, versahen mich mit Metallegierungen, gaben mir dort zuletzt ein zum größ154
ten Teil mechanisches metallenes Herz, eines, das vielleicht so fehlerlos und so gleichmäßig wie das Ihre oder das Ihres großen Herren arbeitet. Aber ich war niemals damit zufrieden, hinter einige Waffen und einen Wall zu gehen, um dort mit den Wunderbaren Geräten zu leben. Kurz, ich konnte niemals ganz meinen Platz in der Unveränderlichkeit der Gesellschaft der Neuen Methoden finden. Etwas krümmte sich immer unbefriedigt. Es scheint, als ob ich immer ungestüm den Wind in die Ecken der bodenlosen Höhlen der Verzweiflung jagte, während Leute wie Ihr, Großer Herr, mit einem zweifellos sichereren Verständnis Der Werte mit müheloser schöner Ruhe in den Sessel Des Traums glitten. Ich habe mich danach gesehnt, ein bleibendes Denkmal zu schaffen; ich habe nach dem Großen Gemälde gehungert: immer von Fragen gequält, habe in einer langen Zeit des Versagens versucht, den Sinn des Lebens auszudrücken, das Wesen von IHNEN und MIR. Und nun ändere ich meine Richtung ein wenig und bin gekommen, um es als ein einzelnes Portrait zu machen, eines von Ihrem Großen Starken Meister, wie er ruhig in seinem Sessel sitzt! Direkt hier in dieser Festung!« Mehr als nur ein wenig beunruhigt, blickte ich jetzt auf seine Hagerkeit, wo er zitternd stand, wobei sein verrostetes Metall kleine Schreie aussandte und quietschte. Und ich bemerkte, wie seine Fleischstreifen mit den Jahren völlig runzlig und verdorrt geworden waren. Ihn umgab ein Gestank von altem Schmierfett in den Gelenken, und er brauchte sicherlich ein Ölbad, um seine Metallhülle aufzuhellen. Was für armselige Exemplare sich zu unseren größten Träumen und Fragen bekannten, überlegte ich. Dieser stinkende Landstreicher, dachte ich mit größter Verachtung, dieses Bauer155
Roboter-Ding, hat wahrscheinlich nicht einmal einen Wall oder einen Waffenmann unter seinem Kommando und doch torkelt er watschel-watschel mit Staffelei und Pinsel durch die Landschaft, redet über sein Letztes, redet über Sinn. Als ob Leute wie er irgendein Recht hätten, Fragen zu stellen und Vermutungen zu äußern! Aber als seine rostenden Augen mit all ihrem tief bewegenden Kummer wieder in meine schauten, da fühlte ich, wie ein sonderbares wäßriges Gefühl, das nicht Angst war, durch meine Fleischstreifen strömte. »Vielleicht haben Sie noch nicht ihre intravenöse Nahrung gehabt«, sagte ich, »vielleicht haben Sie EssensHunger.« Ich ging, um eine Nadel und eine Tasse der Spezialflüssigkeit zu holen, die dazu dient, unsere Fleischstreifen zu ernähren, jenen kleinen Teil der Sterblichkeit, den unsere Umbauer zwischen Metall und Metall lassen mußten, sogar hier in Moderan. Als ich zurückkam, lag er auf dem Boden und sah aus wie der kleine Anfang eines interessanten Schrotthaufens. Seine Hände waren über seinem Gesicht, die Finger gespreizt, und wenn seine Augen nicht wie zwei braune Feuer durch seine Finger geschimmert hätten, dann hätte ich gedacht, daß er »mit allem fertig« gewesen wäre. Mit dem Krachen einer rostigen Feder kam er in eine sitzende Haltung. »Ich wünsche nicht zu speisen«, sagte er. »Ich fühle mich recht wohl und stark, wirklich. Es ist nur so, daß man so kurz vor dem Finden des Traumes, dem Ende des Pfades, der endgültigen Verwirklichung in dem Traumbeutel etwas verwirrt, in der Denkschachtel etwas verkrampft wird, o Gott! O Gott! Eine Art Verkrampfung um die Gehirnschalen herum ist es; ein großes Hämmern des Herzens, das so lange gewartet hat, beginnt. Und ein Pochen schlägt dicht unter das Getriebe der Augen, um einen die Flügel eines Phantoms sehen zu machen. 156
Man fühlt sich plötzlich so müde und so nahe dem Tode, am Rande des Großen Frohlockens. Deshalb liege ich auf dem Boden.« Er stand aufgerichtet, entfaltete sich einfach mit einem Krachen aller seiner Glieder vom Boden. In gewisser Hinsicht erinnerte es mich an die Art und Weise, in der man, wenn auf dem Großen Kalender der Frühling wiederkehrt, bei der Jahreszeitenkontrolle den Schalter auf Grüne Dinge umlegt. »Bringen Sie mich zu ihm«, rief er, »denn es wird spät, spät in meinen Jahren ebenso, wie die Jahre der automatischen Bäume, die aus der Erdhülle aus Plastik hervorkommen, der Welt, alt werden. Verschwenden wir keine Zeit mehr. Bringen Sie mich zu Ihrem Großen Herrn, jenem Mann, der wie eine große feste Nuß lebt, wie ein prachtvoller Samen, wie die beste Frucht der Erde, der in der Hülle seiner Wälle, Leibwachen und Kanonen heranreift. Seine Ziele würde ich aufzeichnen; solch eine Anpassung, solch eine furchtlose Ruhe angesichts des ewig lauernden Verderbens ist sicherlich die Schönheit, die ich gesucht habe.« Unglücklicherweise hatte ich in jenem Augenblick eine meiner Panik-Perioden. Bestimmte Räder hatten sich im Kreise gedreht, die Schlitze hatten sich verbreitert und in meinem Gemüt war es jetzt Zeit für meine Feigheit. Während er dastand und darauf wartete, zu dem Großen Ruhigen Gesicht geführt zu werden, bewegte ich mich völlig in das Zitternde Land der Angst, meine eigene Nation der Furcht. Während er dastand, beobachtend, staunend, rutschte ich vollständig in meinen Kreislauf des Schmerzes, und ich konnte daran nichts ändern. Ich zitterte heftig; Metallteile zischten und klirrten und rasselten; mein Gesichtsstahl wurde so dünn und verzog sich so sehr, daß metallenes Klagen zu einem hohen Kreischen-und-Wimmern wurde. Ich 157
begann verwirrt an alle Geschehnisse zu denken, die mir und meiner Festung widerfahren könnten. Obwohl die Brummtöne jetzt gleichmäßig waren, was bedeutete, daß alles in den Wunderbaren Geräten in Ordnung war, die mir oft so gut dienten, wie lange würde es so sein? Wenn ein Rad in tausend Kilometer Entfernung versagt, wenn eine Achse bricht, wo eine Milliarde Phantomeimer unzählbare Milliarden Energietröpfchen über einer Klinge, über tausend Klingen ausschütten würden, dann würden die Lichter blinken, das wunderbare Brummen würde kratzig klingen und meine Festung würde Husten und nach Luft schnappend sich abquälen wie ein niedergebeugter, kranker alter Mann. Und die Sonne! Was ist mit der Sonne, der Spenderin von allem? Die Sonne verbrennt völlig! Die Sonne fällt aus dem Himmel! Eine größere Sonne kommt aus dem Großen Drüben flammend angeflogen und rülpst, und meine Sonne wird weggetrieben, oder sie frißt meine Sonne, öffnet sich wie das Maul einer großen Boa und verschlingt ein kleines flammendes Ei. Ängste, Ängste, ÄNGSTE! In meinem persönlichen Kreislauf, weit im Königreich des Schreckens, denke ich an alle Ängste, begründete Ängste, unbegründete Ängste, alte Ängste, neue Ängste, Ängste, die vielleicht noch nie zuvor von einem Menschen erdacht worden waren. Ein Angriff! Ein Raketenstart vom weit entfernten gefährlichen alten Mars! Eine seltsame Metallfäule arbeitet völlig unvermutet und ohne, daß ich davon weiß, seit einigen Jahren an meinen Scharnieren! Ich falle ins Chaos und zerfalle in Teile. Plötzlich. Was gibt es überhaupt außer Ängsten für jeden vernünftigen Menschen? Was? WAS? Als ich zurück zu einem ruhigeren Ort kam und irgendwie die kleine starke Festung des Halts in meinem tastenden Verstand fand, sah ich, wie er wartete und 158
starrte. Ein Schlagen wie von Hämmern auf großen Stahlröhren füllte dann meine Ohren; Welle um Welle der Schande wurde von meinen sterblichen Streifen weggespült. Ich hielt mich an zwei Metallmännern fest und versteifte angestrengt meine Füße auf einer Eisensäule, die zwischen Marmorfliesen eingepaßt war. Indem ich schwer kämpfte, konnte ich der Intensität seines Starrens standhalten. »Hier ist niemand außer mir – ich schwöre«, sagte ich schließlich, »daß ich hier der Herr bin. Ich bin derjenige, den Sie malen wollten! Sollen wir zu meinem Ruhesessel gehen?« Einen Moment lang, der zu intensiv war, um im langen Vorwärtsschleudern der Zeit gemessen werden zu können, schienen die braunen Kugeln seiner Augen in seinem arg mitgenommenen Kopf verschwunden zu sein. Sein Gesichtsstahl kreischte und runzelte sich, die weißen Fäden seines Bartes zitterten, als ob ein scharfer Wind durch sie hindurchgegangen wäre. Ich sah Den Traum endgültig im eisernen Gesicht eines Mannes sterben, und da ich war, was ich war, konnte ich nichts tun. »Es tut mir leid«, hörte ich ihn wie aus einer unmeßbar großen Entfernung sagen, und ich fühlte etwas davon, wie leid wir alle ihm wirklich taten. Nach einer Weile ging er, umklammerte seine leere unbenutzte Staffelei in einer Art größerer Verzweiflung, wie es schien – hinaus durch alle die Werfer und die Wälle, die Waffen bezeichneten seinen Weg, und wie ich ihn Gehen sah, fühlte ich, daß ich einen Traum am äußersten Ende seines Weges sah. Er taumelte in Richtung des Plastiktals der stählernen Hunde, und ich ging tiefer in meinen Komplex hinein, um ein Ruhebad zu nehmen, und später beabsichtigte ich, mit neuen Nervenstreifen-Strahlen zu versuchen, das Zittern einzudämmen, das wieder in meiner ganzen Fleisch-undStahl-Hülle begonnen hatte. Später hörte ich, wie er am 159
Rande des Tals von einem verkleideten kleinen Neumetallhund getroffen wurde, der den schäbigsten aller Plastikknochen trug, der mit DIES IST FÜR DIE SUCHER NACH DEM SINN bezeichnet war. Natürlich war es ein weitverbreiteter Scherz, der aus dem Palast der Hexe hochgeschickt worden war, und deshalb wimmelte die Luft über dem Weißen Tal plötzlich von clowngesichtigen Ballons und schossen die langen Lachkanonen einen vollen Ho-Ho-Salut ab. Der verkleidete Hund zog sich, da seine Getriebe und die Lochkarten in seinem Kopf perfekt funktionierten, sorgfältig zurück, während der Künstler seinen Knochen untersuchte. Da er ihn auf eine andere als die vorgeschriebene Art und Weise anfaßte, veranlaßte der Künstler natürlich die Explosion des verminten Knochens, und sein Herz und Farben und Leere Staffelei, ebenso wie die Metallhülle und die wenigen Fleischstreifen, die er besaß, gesellten sich für einen Augenblick zu dem Ho-Ho-Salut und dem großen Clownballon-Karneval hoch über dem Tal der Weißen Hexe. Wenn ich seine hohe Ernsthaftigkeit, ebenso wie die Intensität seines Versuches berücksichtigte, dann schien es sogar mir, daß er auf eine höchst unbefriedigende Art und Weise gestorben war.
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Tag der Buße in Moderan So ging die Bekanntmachung durch ein Flugblatt der Zentrale an jenem Tag in der Frühsaison hinaus: JÄHRLICHE BUSSGOTTESDIENSTE – BITTE TRÄNEN MITBRINGEN. Der April kam gerade, als wir uns aus unseren Festungswällen hinaus und auf die Paradeplätze aus grünem Plastik bewegten – alle die großen Festungsherren zu einer feierlichen, prozessionsähnlichen Zusammenkunft. Der Gasschirm war weiß an jenem Tage, mit dünnen roten Streifen, die durch den Himmel gezogen waren. Die Streifen waren, wie man uns erinnerte, von der altertümlichen Farbe des Blutes. Und einige von uns konnten sich erinnern, obwohl unser Blut jetzt von blaßgrüner Farbe ist, das durch unsere ewig arbeitenden Herzen getrieben wird, es wird nicht nur durch unsere Fleischstreifen gejagt, um sie zu ernähren, sondern auch, um unsere »Ersatz« -Teile aus Neumetalllegierungen und die Gelenke zu schmieren, die Fleisch an Stahl hängen. Wir waren an jenem Tage eine seltsame Gruppe unter einem seltsamen Gasschirm, die aus der Zentrale hochgeschossenen Blechvögel füllten den Ersatzhimmel, und die Bäume sprangen aus den Löchern hervor und Blechblätter von leuchtend grüner Farbe brachen hervor, als wir vorübergingen. Wir hoppelten gen Osten, Plop-plip-plap-plop über das glänzende Plastik, manchmal in unordentlichen Zweierreihen, denn wir sollten eine Prozession bilden, aber öfter in wirren Haufen und Klumpen und Trauben von großen Herren, die ungeschickt nach Osten tappten, als wir auf rauhen Boden trafen, denn wir waren nicht gut beim Laufen. Manchmal fragte ich mich, ob dies die Zentrale nicht 161
jedes Jahr nur machte, um uns zu demütigen und auch um unser Vertrauen zu unseren Festungen zu erneuern, denn außerhalb unserer Festungen sind wir, die Großen, nichts. Da ich Festung 10 war, ging ich neben Festung 9, wenn ich in der richtigen Prozessionsordnung war. Festung 9 ist der mir am nächsten gelegene Feind, dessen Gebiet am meisten meines berührt, und es war seltsam, so freundschaftlich neben ihm zu gehen, Stahlellbogen an Stahlellbogen, wobei an unseren Neumetallhänden unsere Tränen in kleinen Plastikbeuteln baumelten, schlenkerten, hüpften. Er war größer als ich, aber nicht so wuchtig, und einen fleischstreifenkribbelnden Augenblick reinsten Hasses lang fühlte ich, daß ich ihn mit Sicherheit mit bloßen Händen auseinandernehmen könnte, wenn es zu einem ehrlichen Faustkampf zwischen uns kommen sollte. Aber das war natürlich albern, denn auf diese Weise führen wir keine Kriege in Moderan. Es handelt sich immer einfach nur darum, daß wir uns an unseren Schalttafeln zurücklehnen und die Raketenwerfer starten lassen, beobachten, wie die laufenden Puppenbomben dahinziehen, lauschen, wie die Ehrlichen Jakobs vorbeikreischen und die hohen, unheimlich gellenden Zertrümmer-Trümmer auf ihren automatischen Weg zum Töten bringen. Deshalb sagte ich, als der Augenblick vorüber war und ich ihn nicht so eingehend haßte oder ihn mit meinen beiden bloßen Händen auseinandernehmen wollte: »Grüße, Festung 9. Im Krieg der nächsten Woche habe ich einige Überraschungen für Sie. Mein Experimentierkorps, Sie verstehen –« Ich ließ es baumeln, und er wandte mir ein verdrießliches Gesicht zu, das durch eine Nase aus Fleischstreifen noch scheußlicher gemacht wurde, ein riesiges Ding und sicherlich ein Kennzei162
chen seiner Familie, das er zu behalten auserwählt hatte. Die meisten von uns hatten sich vor langer Zeit entschlossen, die Ganzmetall-Nase aus einer Neulegierung zu nehmen, denn sie war normalerweise besser geformt, nebenbei leistungsfähiger und verhütete Reinigungsprobleme. Seine kleinen Neumetallaugen hefteten sich mit unverhülltem Haß auf mich. »So, deshalb haben Sie so einen kleinen Tränenbeutel für den Tag der Buße«, schloß er mit auf Spott eingestellter Stimme. »In der Woche der Sühne bereiteten sie einen Sprenger vor, anstatt Tränen zu machen!« »Mein Tränenbeutel ist hinreichend«, sagte ich. »Ich bin in allen Belangen hinreichend, wie Sie wissen. Und erheblich besser als hinreichend in den Dingen, nach denen wir bewertet werden.« Er wandte sich ab und kochte, schäumte vor Wut, wie ich wußte, denn ich hatte ihm die Wahrheit gesagt. Ich war der anerkannte Meister der Niedertracht in unserer Provinz, meiner Festung wurden im Kriegsbuch mehr größere Kriege bescheinigt als irgendeiner anderen Festung in unserem Sektor. Jedes Jahr erhielt ich die Kriegsmedaille mit der Nummer meiner Festung darauf und der eingravierten Jahreszahl. Ich schlenkerte nachlässig mit der letzten, während wir gingen. »Nächste Woche«, sagte ich, als ob ich über nichts Bestimmtes reden würde, »nächste Woche!« Dann waren wir ein Durcheinander von Herren, als wir wieder auf rauhen Boden stießen, wir strengten uns bis zum äußersten mit unseren Scharnieren an, um mit metallischer Präzision zu gehen, fanden es aber sehr schwierig, überhaupt in unseren Fleischstreifen und Stahlteilen zu gehen, denn wir waren wirklich nicht zum Gehen, sondern vielmehr dazu bestimmt, in den Kriegsräumen unserer Festungen zu sitzen und auf die Knöpfe für die Raketenwerfer zu drücken. Als wir uns ent163
flochten, ging ich neben Festung 2. Festung 2 war für moderanische Verhältnisse ein sehr junger Herr. Sein Fleischstreifen-Anteil war nicht festgelegt, und seine Festung war ihm vor nicht mehr als zehn Jahren verliehen worden. Aber wir hatten in dieser Zeit einige erstklassige Kriege gehabt, er und ich, und es war ihm im Buch bescheinigt worden, daß er ein kommender Mann war. Er hatte ungefähr meine Größe und meine Statur, und ich mochte den offenen Blick in seinem Gesicht und die Art, in der seine weiteingestellten Neumetallaugen alle Dinge mit einem starren Blick, der verläßlichen Haß ausdrückte, betrachtete. Ein Mann, auf den man sich verlassen konnte. Aber obwohl ich ihn mit nicht mehr als dem guten sauberen notwendigen Haß unserer Zeiten haßte, beschloß ich, ihn ein wenig zu reizen, nur so zum Spaß. »Grüße, Festung 2«, sagte ich. »Ich erwarte, daß ich nächste Woche meinen neuen Sprenger für die Serienproduktion fertig haben werde. Es ist wirklich ein neuer Durchbruch bei der Pulverisierung. Mein Experimentierkorps, Sie verstehen–« Ich ließ es für eine Weile baumeln, während er ging und an seinen Gedanken brütete. »Lassen Sie mich nachdenken«, sagte ich nach kurzer Zeit und gab vor nachzusinnen. »Ich glaube – ja, ich bin sicher – man hat uns, Sie und mich, für einen Versuch vorgesehen. Nächste Woche.« Er wandte mir diese weiteingestellten guten Augen zu und sagte mit gleichmäßiger Stimme: »Wir kämpfen, ich weiß – nächste Woche.« »Ja, wir kämpfen.« Dann stieß ich freundschaftlich die Spitze meines stählernen Ellbogens gegen seinen Brustfleischstreifen und sagte: »Sie haben nicht viel zu verlieren. Sie sind eine junge Festung und haben keine lange Tradition. Man hat Sie wahrscheinlich mir und meinem neuen Sprenger zugeteilt, weil man gerne Ihr 164
Grundstück für ein geplantes Baummuseum eingeebnet sehen will.« »Wenn man in das Grundstück, auf dem meine Festung steht, Löcher für Bäume bohrt, wird man sich an Ihre Wälle nicht einmal als Staub erinnern.« Dann blickte er mich voll und fest mit seinen Neumetallaugen an. »Ich dachte, wir könnten miteinander auskommen«, fuhr er fort, »könnten hübsche Kriege haben und so weiter. Ich sehe, daß ich getäuscht wurde. Aber ich glaube, dieses neue Invasionsprinzip, das ich ausgearbeitet habe –« Und er beließ es damit, ließ es hängen. Wir hoppelten still weiter. Ich mochte diesen Kerl. Als wir am Ort der Feierlichkeit ankamen, bemerkte ich, daß ich an der Seite von Festung 20 war, einem uralten Mann, der nicht mehr als leidliche Ergebnisse im Kriege vorweisen konnte, und ich, indem ich mich beeilte, hatte gerade genügend Zeit, um ihn gut-undreichlich mit meinem neuen Sprenger zu bedrohen. Dann begann die Feierlichkeit, und es war eine höchst demütigende Angelegenheit, wie immer. Ein kleiner spitzgesichtiger Mann in einer schwarzen Robe, dem man nachsagte, daß er imstande sei, mit zehn Prozent weniger Fleischstreifen zu leben als jeder Herr einer Festung, stand auf und erzählte uns die lange düstere langweilige Geschichte des Grundes, warum an diesem Tage der Himmel rote Streifen hatte, was Blut war, wie glücklich wir wären, es nicht zu besitzen, und die ganzen langweiligen ermüdenden Einzelheiten davon, wie wir sicher durch eine Zeit gekommen waren, in der die Liebe und ihre ganze Unzuverlässigkeit versucht hatte, das Denken des Menschen zu beherrschen. Dann mußten wir uns nur Haßmusik auf Schallplatten anhören, scheinbar stundenlang, und zwischen dem Plattenwechseln mußten wir dem kleinen Kerl in der schwar165
zen Robe zuhören, der pathetisch über unsere Pflicht redete, die Frühjahrssaison, den wirklichen Beginn des Jahres, mit einigen wirklich bedeutsamen Vernichtungen zu beginnen. Als der letzte schneidend schrille Ton der Haßmusik in dem rotgestreiften Gasschirm verklungen war und sich die peinliche Stille in dem gewaltigen Amphitheater breitgemacht hatte, war es Zeit für den ernstesten Akt unserer Demütigung. Wir mußten, einer nach dem anderen, zu dem in der Mitte gelegenen Podium marschieren – wo ein großer schwarzer Behälter stand – und dort unsere Tränen abgeben. Wir gingen in der umgekehrten Reihenfolge unseres Ranges bei den Vernichtungen des letzten Jahres, was mich stolz bei unserer umfassenden Demütigung an die letzte Stelle brachte, denn ich allein besaß die Kriegsmedaille für meine Erhabenheit. Es war ein ehrfurchteinflößender und stolzer Augenblick, als ich allein mit all meinem in der Vergangenheit erlangten Ruhm auf der Plattform stand und meine Plastiktüte voll Tränen ausgoß, die ein Symbol dafür waren, daß sogar ich nicht vollkommen gewesen war, wie es der Mensch niemals sein kann. Die zeremoniellen Tränen, hergestellt nach genauen Anweisungen in unseren Festungen als eine Tat der tiefsten Demut, waren eine Art Buße für die Dinge, die wir nicht getan hatten, für Sprenger, die wir nicht erfunden hatten, für Invasionen, die wir nicht durchgeführt hatten. Als die letzte meiner Tränen in das Gefäß getropft war, drückte der spitzgesichtige Mann, der jetzt völlig hingerissen bei einem Kontrollkasten an einer entfernten Wand stand, auf einen Knopf, wodurch eine dunkle Gestalt mit wahrhaft prächtigen Zügen der Verläßlichkeit und des Hasses veranlaßt wurde, langsam aus dem schwarzen Behälter aufzusteigen, als ob sie vorher in 166
schrecklicher Erniedrigung auf unseren Bußtränen getrieben wäre. Dann wurde ein zweiter Knopf gedrückt, um sie als Symbol für unsere gestiegenen Hoffnungen und unsere Hingabe an die Arbeit, bessere Hasser zu sein, himmelhoch in den weißen, rotgestreiften Gasschirm zu jagen. Es war, wie immer, der feierliche hohe Augenblick unserer Demütigung und Buße, der mit einem Ton der Hoffnung auf unsere Sühne und unsere größeren Verdienste im Kriege endete. Jetzt hatten wir von den Ereignissen des Tages nur den langwierigen und ärgerlichen schweren Weg nach Hause vor uns, den wir, da die Feierlichkeit vorüber war, in loser Ordnung antreten konnten. Ich plante auf dem Rückweg für eine Weile mit den meisten der Festungsherren zu gehen, mit denen ich nicht auf dem Hinweg gegangen war. Ich schlenkerte lässig meine Kriegsmedaille und erzählte ihnen beiläufig über meinen neuen Sprenger (den ich in Wirklichkeit überhaupt nicht hatte) und sprach über die guten Kriege, die wir bald führen würden. Einige erzitterten merklich in ihren Fleischstreifen und ihren »Ersatz« Teilen, während die anderen versuchten, mich auszubluffen, und mir von neuen Sprengern erzählten, die sie bald herausbringen würden, von neuen Invasionstheorien und neuen Theorien über das Breschenschlagen in Wälle. Ich war davon überzeugt, daß wir alle blufften, aber es war eine gute Idee, und es verletzte nicht im geringsten, an diesem Tag Drohungen auszutauschen, und obendrein fühlte ich, daß dies eine wirklich erfolgreiche Wallfahrt und ein wahrhaft guter Anstoß für die große Frühjahrssaison der Kriege gewesen war.
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Eine seltsame Gestalt kam in die Festung Es sollte einer der üblichen geschäftigen-geschäftigen Tage in der Festung werden, dachte ich, als ich mich vor mein Schaltpult setzte und einen kurzen Blick auf den ersten Teil meines Tageslaufes warf, der an der Wand graphisch dargestellt war und raste. Ich hatte einige der »Jungs« hinunter in die Unteren Bezirke geschickt, damit sie Besonderen Kummer weghackten, andere waren für »Ersetzungen« vorgesehen und mußten für Operationen, für das Heraussägen von Fleisch und das Einsetzen von »Ersatz« -Teilen aus Neumetalllegierungen eingetragen werden, wieder andere, die den Zyklus ihrer »Ersetzungen« beendet und lange genug auf Besonderem Kummer herumgehackt hatten, um klar denken zu können, mußten kleine Geh-JetztBündel für die Abreise ins Mittlere Moderan packen. Aus keinem Pflichtgefühl heraus und für das Vergnügen, daß es bringt, benütze ich – falls Sie sich wundern sollten – meine Festung jetzt als Trainings- und »Ersetzungs« -Sammellager für glückliche Flüchtlinge aus dem Alten Leben Weit Draußen. Wenn sie dem Moralischen Wissen entfliehen und mit voller FleischBlut-Begierde nach ihrer Glückseligkeit und dem ewigen Leben der Automatiken hereinplatzen, dann stelle ich ihnen ohne Umschweife ihr Programm zusammen; ich dulde keinen Unfug und lasse sie direkt wissen, daß sie bis auf ein Minimum an Fleischstreifen, die ihre Gestalt halten, durch Neumetallegierungen »ersetzt« werden. (Der ganze Plan unseres Verhaltens und unserer Dauerhaftigkeit in Moderan, so scheint es mir, ist nur durch unser großes »Ersetzungs« -Programm durchführbar. Ich kann mir keinen anderen Weg vorstellen.) Sollten sie Neigungen in Richtung eines Ge168
wissens zeigen oder mit einem vollständigen moralischen Sinn, geistigen Hemmblock ankommen, der sie verfolgt wie ein schwarzer Anker, der Sand aus dem alten Leben hinter sich herschleift, dann bereite ich einen Besonderen-Kummer- und Wahlspruch-Kurs für sie vor, um sie klar denken zu machen. Mit anderen Worten, ich verwandele diese fleischern-holperigen, moralisch-wortverdreherischen Banausen von Weit Draußen in stramme saubere Bürger, die ein Geh-JetztBündel packen und ins Mittlere Moderan schlüpfen können, um Teil des Programms zu werden. In der Mitte des Vormittags faulenzte ich sehr entspannt vor meinem Instrumentenbrett und beobachtete, wie der tägliche Zyklus meines Arbeitsplans immer noch an der Wand raste. Ich sog etwas Luft in meine Flexiflex-Neumetallungen und hob die Brust in äußerster Befriedigung zu einem kleinen Seufzer. Harte Arbeit, dachte ich, diese Banausen in stramme, saubere Bürger für das Programm zu verwandeln, aber der Mühe wert. Was für eine Freude ist es, in Moderan zu sein, weg von dem geistigen Wirrwarr des moralischen Wissens und dem schweren, im Sand schleifenden Anker des Gewissens. Und was für eine zusätzliche Freude ist es, etwas zu dem Programm beitragen zu können und meine strammen Jünger in die Mitte des Freudenlandes zu schicken, und dabei zu wissen, daß sie, vom Gewissen befreit und der Moral gereinigt, einen Wall sprengen oder den Kopf eines Nachbarn flach hämmern können und es darin mit den Besten aufnehmen. Aber es darf nicht alles Arbeit für den Meister sein. Nein! Er muß auch jeden Tag seine Freude haben, oder er kann nicht ordentlich von Moral gesäubert bleiben, um Gewissen zu schneiden und Blöcke zu sprengen. Als der dünne Keil meines Tageskreises den mit Entspannung Periode für Besondere Freuden bezeichneten 169
Teil färbte, ließ ich flink einen Metalldaumen über meine Auswahlmöglichkeiten laufen. Ich könnte unter anderem wieder in einem Kampfspiel das Neumetallkätzchen und das diamantenzähnige Tigerjunge miteinander kämpfen lassen, um mich bei meiner Entspannung zu vergnügen. Was für eine Auseinandersetzung war das normalerweise! Ich könnte vielleicht ein Stück von einem Wall eines neuen Nachbarn zerstören, ihn von meinem Pult aus bekämpfen, bis alle Knöpfe für »begrenzte« Zerstörung, die meine Festung besaß, EINgeschaltet waren und die ganze Luft voll häßlich gellender Verwüstung war und die laufenden Raketen auf seine Gräben zurasten. Was für eine Freude! Oder ich könnte die Statuenfrau unter dem Bett hervorholen – die blonde und blauäugige Frau Statue unter dem Bett hervorholen!!! Gerade als ich mich für das letztere als die erste Wahl für meine Freuden entschlossen hatte, das blaßgrüne Blut in meinen Fleischstreifen begann, sich zu verdicken und zu summen, wie es das immer tut, wenn ich zu intensiv an die Kurven und Scharniere der blauäugigen blonden Frau Statue denke, die meine Neumetallgeliebte ist, stellte ich – mit der instinktiven Vorsicht des erfolgreichen, vor langer Zeit entkommenen Flüchtlings vor der Zerstörung – meinen Sichtschirm ein. Denn wenn ich einmal bei meiner blau starrenden Dame bin und ihren Lebensschalter auf EIN gedrückt habe, dann gibt es kein zurück mehr für mich. Nicht einmal um meine Festung zu retten, bin ich sicher, daß ich anhalten könnte, nachdem sich einmal mein blaßgrünes Blut verdickt hat und sie mich ansieht – blaue Augen, liebe blaue metallene Augen! Aber Fluch; oh, äußerste Große Trümmer verärgernder freudentötender Fluch! Ein letzter Blick über den Sichtschirm, bevor ich mich den Freuden zuwen170
den konnte, erwischte eine Annäherung. Die Ebenen des Weit Draußen waren unbewegt und sicher, o richtig; das ganze Tal der Weißen Hexe lag ruhig schlafend da und nicht die geringste Bewegung unterbrach die Funkenmuster, die sich beständig himmelwärts von jenem Ort aus Eisen und Plastik ergossen. Aber die Korridore des Närrischen Menschen! Von dort erstrahlte eine Gestalt! Sie kam an, als ich Frau Statue völlig aus meinen Gedanken verbannte und mich dem harten Geschäft des Überlebens zuwandte. Ich drückte alle Waffen auf Alarm-Bereit, stellte meine Waffenmänner auf Habt-Acht. Und ich stand zitternd da; inmitten meiner elf Wälle starb ich den Tod der kleinen Ängste, wie ich es immer tue, wenn etwas kommt, um mich zu erwischen. Es war eine undeutliche Gestalt. Sie ging auf dem Schirm; sie tanzte auf dem Schirm. Manchmal kämpfte sie, so schien es, um überhaupt eine Gestalt zu sein. Ich arbeitete an der Abstimmeinrichtung; ich versuchte, sie schärfer hereinzubekommen; ich versuchte, die Ausmaße herauszubekommen. Sie kam an, tanzend, verschwindend, erscheinend, aber sie kam immer näher durch den dichten Korridor zwischen dem Tal der Weißen Hexe und den blauen nebeligen Ebenen des Weit Draußen. Von meinen Fleischstreifen regnete kalter Schweiß, mein Warner war ein und aus, meine Waffenmänner vibrierten, wo sie standen, vor Zweifel, und ich klirrte und rasselte, wenn ich irgend etwas berührte. Mein Blut war jetzt vor Besorgnis so dünnwässerig, und ich hatte mich so sehr darauf konzentriert, um jeden Preis zu überleben, daß ich mir sicher war, daß ich so kalt wie ein Grab geblieben wäre, wenn Frau Blauäugig irgendwie unter dem Bett hervorgekommen wäre und ihren Lebensschalter voll auf EIN gestellt und mich geküßt hätte. Aber meine Festung 171
stand, alle ihre elf Wälle, hochaufgerichtet und undurchdringlich dick, wie ein großes Waffenlager aus Eisen und Stein inmitten der wogenden Bedrohungen. Ich verlor sie völlig. Ich suchte die äußerste Umgrenzungslinie ab; ich peilte wieder und wieder durch meinen ganzen Ortungsbereich; ich schickte meine Äußerste-Möglichkeit-Antennen an ihren Ballons himmelhoch. Ich versuchte alles; sie war nicht da. Und schließlich tat ich alles, was ich zu tun wußte. Meine »Jungs« waren da draußen, einige von ihnen, mit ihren kleinen Geh-Jetzt-Bündeln und gingen zu ihrem Ort im Mittleren Moderan. Das wußte ich. Aber schließlich tat ich alles, was ich zu tun wußte. Und wenn ich mein wirkliches wahres Ich bin, normal und anständig denkend, dann würde ich diese Sache um einer Gefahr für mich vorzubeugen sogar tun, wenn mein blonder blauäugiger Liebling Frau Statue da draußen wäre, ihr ganzer Charme verwirrend blendete, ihr Lebensschalter voll auf EIN wäre, vor meiner ersten vernichtenden Kanone. Bei mir kommt erst das Überleben und dann die Freuden. Ich eilte in jenen kleinen Raum aus dickwandigem Stahl und Blei, und dort, inmitten der Gummikissen und den an den Wänden aufgereihten Kork-und-SamtDecken, legte ich den großen orangen Schalter auf EIN um. Das war natürlich das Ende von allem – von meinen »Jungs« da draußen, Vögeln, Pflanzen, umherstreifenden Mutanten, die über das keine Heimat gewährende Plastik wanderten, »wilden« Blumen aus Federmetall, die von der Jahreszeitenkontrolle zum Blühen gebracht worden waren, um das kahle Land des Waffenstillstandes aufzulockern – alles im Umkreis von hundertfünfzig Kilometern (und mehr) war von der Oberfläche weggewischt worden, zerstört, falls es nicht hinter dem Schutz einer Festung oder im Tal der Wei172
ßen Hexe gewesen war. Als ich mich von der Korkund-Samt-Couch erhob, auf die ich mich nur dem Gesicht nach unten – und stählernen Fingern in meinen Ohren – geworfen hatte, um die Erschütterungen durch die Waffen zu vermindern, und in den Wohnbereich kam, fühlte ich eine große Erheiterung. Ich fühlte mich immer nach Maximalem Feuer gestärkt. Es scheint mir die äußerste größte Leistung des Menschen zu sein, dieses Freisetzen der großen Kräfte, die er zu seinem Schutz zu kontrollieren gelernt hat, um sich vor seinen Feinden, allen anderen Menschen, zu beschützen. Was sonst hat der Mensch –? Und dann sah ich ihn! Er überwachte das Kontrollmanual eines meiner Kleinen Zertrümmer, einer leichten Rakete mit begrenzter Reichweite aber fast unbegrenzter Zerstörungskraft (ich benutze sie bei Kriegsspielen mit meinen härtesten nahegelegenen Nachbarn), aber er schaute auf keine der Skalen. Er schaute – nun – sind Sie jemals im Alten Leben nach einer langen Zeit Besonderen Unglücks einen langen engen Korridor voller Spiegel entlanggegangen? Falls Sie es gemacht haben, werden Sie es wissen. Er schaute mich an! Mit seltsamen Augäpfeln, abschätzend, starrend, schien er anzuklagen. Ich blickte zurück, direkt in seinen Blick, und wußte plötzlich, wie man weiß, bei welchen Anzeichen ein Fleischstreifen stirbt, daß nichts irgendwie helfen würde. Ich dachte an den Großen Lärm, wenn ich Knöpfe drücke und ein Höllenlärm in meiner ganzen Festung losbricht; ich dachte an Süßen Gesang, wenn ich leicht auf Schalter schlage und es für eine Weile scheint, daß es einmal wirklich die Engel gewesen sein müssen und daß dies ihre liebliche eingefangene Sprache sein muß; Ich dachte an den Letzten Start, wenn ich zu den verborgenen Öffnungen in der Decke, dem Boden und den Wänden des innersten 173
Raumes meiner Festung das geheime Wort sagen werde, und das wird das Signal für die Sprengkiste im Berg des Gefechts der Letzten Hoffnung sein, und meine Festung wird in die LUFT!! fliegen!!! Ich verwarf all diese Ideen. »Hallo!?« Er sagte nichts. Er kam näher heran, schaute immer noch, starrte. »Du bist das flatternde kleine Ding«, kreischte ich, denn plötzlich wußte ich. »Du bist aus dem Korridor des Närrischen Menschen!« Ich glaube, er lächelte ein wenig. Er sagte nichts, dessen bin ich mir sicher. Aber er bewegte sich, kam näher, bis er mich fast berührte. »Wie bist du durch das ganze Feuer hereingekommen? Durch die Wälle? Meine Wachen und Geräte?« Inzwischen brüllte ich nicht nur, zu Tode erschrocken, ich war so neugierig, wie ich nur sein konnte. Ich glaubte, ich hörte ein klirrendes blubberndes Lachen. Oder vielleicht war es nur mein Metall, das aus großer Furcht rasselte. »WER BIST DU?« schrie ich. Als er mir zur Antwort nur ein Lächeln gab und mich mit seinen harten Kein-Pardon-Augen anstarrte, erbebte ich plötzlich so mit meinen Fleischstreifen, daß ich die Kontrolle über mein Gehirn verlor und zu Boden stürzte. Ich sah, daß er auf meiner Brust saß und mit den Kolbenschlägen meines Herzens auf und nieder hüpfte, als ich wieder etwas Kontrolle über meinen Geist erlangte und mich umschaute. Und ich schien aus der Ferne mehrere Stimmen zirpen zu hören, wie sich winzige Neumetallkäfer anhören, und dann näher: »Ich bin dein Gewissen, DEIN Gewissen, DEIN GEWISSEN. Du ließest mich zurück, du glaubtest, daß du mich im Närrischen Menschen zurückgelassen hättest, AUF DEM WEGE NACH MODERAN.« Stimmen 174
wie diese erschreckten mich so sehr, daß ich auf die Füße sprang und die nebelhaft verschwommene Gestalt gegen eine Wand stürzen ließ. Er landete auf den Beinen und starrte mich geradeaus an. Er starrte weiter … »Hör zu«, sagte ich, weil mein Gehirn um seine Fleischstreifen herum so weh tat (und an den Wurzeln der Gelenke), daß ich wußte, daß es so nicht weitergehen konnte. »Wir machen ein Geschäft. Du sagst, du wärest mein Gewissen. In Ordnung. Ich glaube höchstens halb, daß du in diesem späten Jahr hier in Moderan bist. Aber in Ordnung. Und ich WEISS, daß ich alles töten kann, was ich nicht mag. Ich WEISS –« Er stand da und grinste. »In Ordnung«, beeilte ich mich zu sagen, »ich lasse dich bleiben, wenn du versprichst, daß du dich von mir verschnüren und unter das Bett legen läßt. Ich werde dich dann benutzen, wann immer ich es brauche. Wie ich es mit der Frau Statue tue. Und ich werde dich nicht brauchen«, murmelte ich vor mich hin. »Ich werde es nicht, ich werde es nicht.« Ich dachte, er stimmte mir zu. Ich erinnere mich daran, wie ich etwas mit Ketten und einem großen Draht zusammenband. Und dann muß ich zusammengebrochen sein und mehrere Tage dagelegen haben, während die Festung auf Automatik lief, wie sie es tut, wenn ich schlafe … wie sie es tut … Manchmal, wenn ich über alles nachdenke, könnte ich fast zu dem Schluß kommen, daß überhaupt nichts geschehen war. Zu anderen Zeiten fühlte ich mich fast sicher, daß Irgend Jemand da gewesen war, der mich beobachtete, mich abschätzte. Und dann würde ich jenes unheimliche, verrückte Gefühl haben, als ob ich nicht einmal einen Wall eines meiner Nachbarn vernichten oder die Schmerzen des Neumetallkätzchens und des diamantenzahnigen Tigerkindes genießen wollte. Und seitdem 175
ich jene Abmachung darüber getroffen hatte, ihn unter das Bett zu legen, hatte ich Frau Blaue Augen streng allein gelassen, obwohl ich verrückt nach ihr gewesen war. Aber die einfache Wahrheit war, daß wir nicht verheiratet waren. Dann kam der Tag, an dem ich meine Augen schloß, klar nachdachte und »wußte«, daß alles nur ein seltsamer Traum gewesen war. Er konnte nicht durch das Max-Feuer und an all meinen Wachen und Geräten vorbeigekommen sein. Mit der Erleichterung, daß ich wieder wußte, daß die Wege von Moderan sicher und richtig waren, fühlte ich, wie mein Blut seine Dünne verlor, und ich dachte wieder an meine Arbeit – und meine Freuden! Ich raste zu dem Bett, unter dem mein Liebling lag, und ich breitete mich auf meinen Scharnieren aus, und die Ungeduld, die durch meine Fleischstreifen flutete, ließ mich in allen meinen Neumetallteilen klirren. Aber als ich sie zu mir zog und wie toll an ihrem Lebensschalter herumfummelte, stieß mich etwas, stieß mich in nackter verwirrender Realität. Meine Frau Statue, meine Blonden Blauen Augen, mein Liebling hatte sich irgendwie zusammengeschnürt … mit Ketten und einem großen Draht … Und zwischen mir und einigen Kleinen Zertrümmern flimmerte etwas und lächelte und sprang auf und sprach, wie Neumetallkäfer, wie Stimmen aus der Ferne … »Ich bin dein Gewissen, DEIN GEWISSEN …« Nun, es ist Letzter Start, ich könnte es Ihnen ebensogut sagen. Äußerste Möglichkeit und Letztes Feuer. Bis etwas getan werden kann. Etwas Seltsames ist in dieser Festung, und ich kann damit so nicht weitermachen. Bevor ich mit einem Gewissen lebe, sage ich das geheime Wort! Ich werde der Sprengkiste im Berg des Gefechts der Letzten Hoffnung das Zeichen geben. Ich werde meine Festung, mich, ihn in die Luft jagen, Al176
les, in die unzählbaren Himmel, in alle Ewigkeiten – ich, der ich gehofft hatte, für immer mit meiner Festung und meinen Freuden zu leben.
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Wieder auf dem rechten Weg Schande! Eine Festung in Schande! Ich erwachte an jenem Morgen im grauen Schirm mit dem Geschmack von altem grünem Kupfer in meiner Kehle und den schweren Kolbenschlägen meines Herzens, als ich auf meinem harten Bett lag und mich erinnerte. Und lassen Sie mich hier sagen, daß ich nicht besonders anziehend aussehe, wenn ich auf meinem Bett mit Hebeln liege, die den Mechanismus in Gang setzen, der mich hochhebt; wenn ich ungezwungen daliege, sehe ich nicht wie ein Gott aus. Ich sehe wohl mehr aus, wie eine alte Rüstung ausgesehen hätte, wenn sie in den uralten Zeiten in einige dicke Speckscheiben gerollt worden wäre und dann auf einem Brückenträger zu Bett gegangen wäre. Ja, wir sehen aus wie gehende Stahlhüllen mit dekorativem Fleischbesatz, in Moderan, und wir denken an Kriege und gute Zertrümmerungen. Für immer zu leben, unsere wahren schlechten Ichs zu sein – das sind unsere zwei Bestimmungen. Und jetzt der Höchsten Versammlung gegenüberzutreten und mein schändliches Verhalten, meine Abweichungen erklären – das mußte ich tun. Oh, ich könnte sie mir für eine Weile, vielleicht für immer, vom Leibe halten, wenn sie das Spiel anständig in Form eines Frontalangriffs spielen würden. Ich könnte mich hinter meinen elf stählernen Wällen in meiner Festung zurücklehnen, die Festung auf Dauerfeuer einstellen, die Raketen dahinziehen lassen, die gehenden Puppenbomben laufen lassen, die Ehrlichen Jakobs und die Hohen, unheimlich gellenden Zertrümmer-Trümmer starten und mir vielleicht die Hölle und die Versammlung vom Leibe halten, bis die Zeit selbst alt werden würde. Aber sie würden nicht anständig angreifen; das 178
wußte ich. In der Tat würden sie überhaupt nicht angreifen, was man einen Angriff nennen könnte. Und das war die ärgerliche Sache. Ich würde mit meinem ganzen bereithängenden Tötungspotential daliegen, bereit, zum Drücken des großen orangen Schalters in meinen Kriegsraum zu gehen. Und was würden die Männer der Versammlung, die Männer aus den Hallen, tun? Sie würden Anspielungen machen. Sie würden in den F-Türmen hoch oben in ihren Wichtigkeit verheißenden Büros an ihren Schreibtischen bei den BesteAussicht-Fenstern im Nadelgebäude herumfaulenzen, das so groß ist und so hohe Spitzen hat, daß die Flaggenmasten den Gasschirm durchdringen. Sie würden die Berichte verhandeln, an den großen Rauchsträngen kauen, in die mit Diamanten gesprenkelten goldenen Spucknäpfe spucken, mit ihren Zähnen aus Neulegierung lächeln und vielleicht meine Bäume abstellen. Oder, wenn sie den Bäumen gestatten würden stehenzubleiben, könnten sie die Blechvögel nicht herunterkommen lassen, um in ihnen zu singen. Oder nehmen wir an, sie würden meine Bäume und Vögel in Ruhe lassen, was ist dann mit den Blumen? Vielleicht würden sie ihren Einfluß dafür einsetzen, die Leute in der Zentrale dazu zu bringen, meine Blumen auszuschalten. Und wie würde ich dastehen? Ich würde mit der einzigen Festung im Umkreis von vielen Kilometern dasitzen, die vor schwerer Munition strotzt, und das in Haufen, um die herum aber keine hübschen Blumen auf Sprungfederstielen blühen, um den Schrecken zu mildern. Wie würde ich dastehen? Wie würde ich mich fühlen? Oder vielleicht würden sie ihre Phhluugblattwerfer mit den Andeutungs-Extraausgaben herüberschicken, jenen subtilen Flugblättern, auf denen ungefähr Folgendes stehen würde FESTUNG 10 IN DIESEM GASSCHIRM WIEDER NICHT IM ZUSTAND 179
EINES ANNEHMBAREN BÜRGERS. FESTUNG 10 SEIT 5 GASSCHIRMEN IM RÜCKSTAND. FESTUNG 10 WIRD DRINGEND GEBETEN, NORMAL ZU WERDEN. Nur das. Nun, ich weiß, wer Festung 10 ist, Festung 10 bin ich. Und ich weiß, was ein Gasschirm ist, auch wenn ich es einmal nicht gewußt haben sollte. Ein Gasschirm ist ein Monat. Jeder Monat ist in Moderan ein anderer Gasschirm, und ich habe daran nichts auszusetzen. Der Mai ist grün, der Oktober ist ein leuchtendes Orange, nur zur Verdeutlichung. Der graue, in dem ich jetzt bin, ist März, sehr traurig und voll von Bedrohungsmöglichkeiten, müssen Sie wissen. Nehmen wir also an, man veranstaltet einen Flugblattüberfall auf mich. Und wenn sie einmal mit Flugblättern anfangen, dann wird man normalerweise nicht nur mit einem Flugblatt überschüttet. Du lieber Gott, es sind normalerweise sowieso ein Dutzend. Eines Morgens liege ich also auf meinem Hebelbett, spiele an den Hebe- und Schlingvorrichtungen, um mich hochzuheben, und plötzlich stehen zehn meiner Blechmänner um mich herum, jeder von ihnen mit einem Flugblatt. Und sie bewegen sich feierlich, sehen aber überaus glücklich und erfreut darüber aus, daß der Chef sich selbst in eine Patsche gesetzt hat. Ich nehme also die andeutenden Blätter, die sie mir reichen und knülle besagte Blätter zu einer Zwölf-Blatt-zerknüllteFlugblätter-Papierkugel zusammen, und ich schleudere diese Zerknüllte-Flugblätter Zwölf-Seiten-Andeutungen-Kugel verächtlich hinüber zu einigen Kleinen Zertrümmern auf der Raketen-Abschußlinie. Habe ich irgendjemand getäuscht? Nein. Diese Blechmänner wissen, wann sich der Chef nicht richtig benommen hat. Sie wissen, wann Festung 10 flieht. So denke ich – an jenem grauen Märzmorgen der 180
Erkenntnis auf meinem Hebelbett – ich glaube, ich bin es mir selbst und meinen Männern schuldig, normal zu werden. Ich war es sicher nicht der Zentrale oder jenen Gaunern schuldig, die hoch in den F-Türmen des Nadelgebäudes die Aussicht bewunderten, an den großen Rauchsträngen kauten, ein Zielschießen auf die diamantengesprenkelten goldenen Spucknäpfe veranstalteten und sich wie Teile von Gott benahmen. So erhob ich mich viel später von meinem Hebelbett an jenem Grauen Märzmorgen und ging hoch zu dem Nadelgebäude. Ich nahm niemanden mit mir, denn lassen Sie mich hier sagen, daß ich allein Festung 10 bin, was das Verhandeln mit der Außenwelt betrifft; ich bin der vollkommene Herr in Festung 10; ich bin der einzige mit einem Fleischstreifen und dem, was man als vernünftiges Gehirn bezeichnen könnte. Sogar meine blonde Blauäugige, mein wirklicher Liebling, meine vollendete Geliebte, mein Schatz – Ursache aller meiner gegenwärtigen Verlegenheiten und meiner zweifelhaften Zukunft – hatte nicht einen Fleischstreifen. Sie war ganz liebender Stahl, wie man sagen könnte, sogar wenn ihr Lebensschalter voll auf EIN gedrückt war und wir uns liebkosten. Aber ich gebe zu, daß sie mich einmal so in Fahrt gebracht, so sehr verwirrt hatte, daß ich im Sinne hatte, allen bestehenden Mächten zu trotzen und ihr einen Teil eines meiner geringeren Fleischstreifen zu geben (ich schwöre, daß ich beabsichtigte, dies zu tun), ihren Lebensschalter voll auf EIN zu lassen und sie für immer zur Königin meiner Festung zu machen, zu meiner Frau! Daraufhin hätte man mich aus der Gemeinschaft der Festungsherren ausgestoßen, daran habe ich keinen Zweifel, und es hätte vielleicht zum Krieg, zu einem schrecklichen und endlosen, zwischen mir und der Verwaltung geführt. Nun, es geschah nicht. Ich beabsichtigte, es zu tun, 181
aber ich wartete zu lange. Ich zögerte, als sie mich anflehte; ich zauderte, als sie bettelte. Und jetzt ist es zu spät; sie ist gegangen. Wohin weiß ich nicht. In einer gedankenlosen Zeit im braunen Gasschirm ließ ich unvorsichtigerweise ihren Lebensschalter auf EIN, als wir mit dem Lieben fertig waren, und sie ging – irgendwie über die elf Stahlwälle – vielleicht mit der Hilfe der Blechmänner. Aber ich schweife ab; sie ist gegangen. Vielleicht ist es besser so. Die grau-grüne Wolke all dieser kranken Ereignisse, die sie hervorgerufen hatte, überwältigt mich sogar heute noch, und ich muß die Dinge in Ordnung bringen. Deshalb, wie ich bereits sagte, ging ich hinauf zum Nadelgebäude, allein. Ich sagte meinem obersten Waffenmann, Slag Morgbawn, der nominell der zweite Kommandant ist und Kommandant der Festung, wenn ich nicht da bin, daß er einen vollen Tag und eine Nacht warten und mich dann holen sollte, falls ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht zurückgekommen sein sollte. Man kann nie wissen, was man dort draußen auf dem mit Mutanten erfüllten Plastik alles antrifft. Meistens nichts, denn es wird kürzlich von dem Feuer von Maximalen Waffen leergefegt worden sein. (So gehe ich ein Risiko mit dem Waffenmann ein, sagen Sie? Aber ein nicht so großes, wie Sie annehmen würden. Er würde meine Fleischstreifen benötigen, bevor er ein König sein könnte, um für die Gemeinschaft der Festungsherren annehmbar zu sein. Meine Fleischstreifen sind seine Hoffnung. Ja, er würde mich abholen, tot oder lebendig. Dessen war ich mir sicher.) Die elf Tore rollten zurück, und ich verließ meine Festung; ich tappte über das keine Heimat gewährende Plastik, plop-plip-plap-plop, ein Mann der Festung außerhalb seiner Festung, angestrengt aber langsam in seinen Scharnieren gehend, fast so hilflos und schutz182
los wie ein neugeborener Vogel aus den alten Tagen, der außerhalb seiner Schale war. Sie würden annehmen, daß ich mit einer eisernen Hülle aus Geschossen gehen sollte; Sie würden annehmen, daß ich eine stählerne Eskorte haben sollte und Drohungen in Form von Sprengstoffen, die dicht an meiner Seite gingen. Aber das läßt auf ein vollständiges, fast hoffnungsloses Mißverständnis von Moderan und der Art und Weise schließen, in der wir uns hier draußen im größten aller modernen Reiche vergnügen. Wissen Sie, außerhalb meiner Festung bin ich nicht länger eine Macht; meine Nachbarn beachten mich nicht. Wenn ich außerhalb meiner Festung bin, begleitet mich die Aura meines Rangs nur insofern, wenn ich hinausgehen muß, um mit außergewöhnlichen Mächten, wie zum Beispiel der Versammlung und den Männern der Hallen, zu verhandeln. Für die anderen ist Festung 10 immer derjenige, der im Augenblick die elf Stahlwälle besetzt und die schrecklichen Waffen dirigiert. Ich hatte meinen Adjutanten, den obersten Waffenmann angewiesen, keinen gedankenlosen Krieg oder keinen Krieg nur zur Unterhaltung vom Zaune zu brechen, während ich über das heimatlose Plastik ging. Und ich wußte, daß er keinen Krieg im Rahmen einer Verschwörung beginnen würde, denn ein Schuß mit den Werfern würde mich völlig säuberlich zerreißen und kein Fleischstreifen würde mehr zum Vorzeigen übrigbleiben, und meine Fleischstreifen waren, wie ich bereits sagte, seine eine und einzige Hoffnung dafür, daß er jemals mehr als ein Waffenmann sein könnte. Vergebliche, sinnlose, leere Hoffnung natürlich. Aber Sie sehen, wie sich die Kräfte ausgleichen, Ehrgeiz setzt manchmal Verrat matt, und manche Dinge sind sogar in Moderan bedrückend normal. So erreichte ich den Deckel und wurde nicht von ei183
nem Kreuzfeuer erfaßt, was meine einzige wirkliche Sorge war, daß zwei periphere Festungen einen Krieg zur Würze ihres Alltags beginnen könnten, oder einen Krieg im Rahmen einer Verschwörung und mich, das unschuldige Opfer, erwischen könnten. Die Deckel bezeichneten die Stellen, wo man die kleinen Tunnelwagen zum Kapitol erreichen konnte, diese Deckel waren im ganzen Reich zu finden. Ich trat auf den Schalter, der Deckel hob sich langsam, und ich ging erleichtert einige Stufen zu dem kleinen schwarzen Wagen in der Druckröhre hinunter. Als ich den Hauptschalter auf Kapitol, den Genauer-BestimmungsortSchalter auf NB 125 gestellt hatte, wurde ich mit unglaublicher Geschwindigkeit durch tausend schwarze Kilometer bewegt. Ich wurde sanft bei der Landehülse vor Raum NB 125 abgesetzt, himmelhoch im Nadelgebäude. Die Tür schwang leise auf, und ein prüfender kleiner Mann schaute mich an. Er war ein Dienstleistungsmechanismus und erledigte diese kleine, fast sinnlose Arbeit der Prüfung für die Männer aus den Hallen, die Rauchstränge kauten und lässig, entspannt und Gott spielend, auf diamantengesprenkelte goldene Spucknäpfe zielten. Ich sage, daß dies eine fast sinnlose Prüfung war, weil wir das Spiel nicht auf diese Weise spielten, keinen Sprenger mitnahmen, wenn wir die Männer im Nadelgebäude besuchen wollten. Wir kamen unterwürfig und in Furcht. Wenn sie sagten, daß wir keine guten Bürger wären und seit einer gewissen Zahl von Gasschirmen keine gewesen waren, dann war es eben so. Alles, was wir tun konnten, war, auf Bewährung zu hoffen. Wie sie eine als Nadelgebäude bekannte Gruppe wurden, ist zu kompliziert, als daß ich es Ihnen hier erzählen könnte. Nadelgebäude FIP Z-U war das große Stück Gottes 184
mit traurigen Augen, das dazu eingeteilt worden war, sich mit meinen Versäumnissen zu beschäftigen. Durch Perforierungen in der Neumetallegierung seiner Gesichts-»Ersatz« -Teile ließ er sich einen richtigen Schnurrbart wachsen, der sehr dicht und von einem traurigen Braun war; seine neugierig hervorlinsenden Neumetallaugäpfel waren wolkig-blau. Lassen Sie mich hier sagen, daß von Nadelgebäude FIP Z-U angeschaut zu werden ungefähr damit verglichen werden kann, daß man von zwei kleinen Kugeln voll gebrauchtem Badewasser, die über einer Schrubberbürste angebracht waren, in den alten Tagen angeschaut wurde. Dünne gezähnte Teile von Schleim aus Metallsaiten schienen in jenen klagenden kalten Augen zu treiben, um ihre Drohung und ihre wirkliche Tödlichkeit hervorzuheben. »Festung 10«, sagte er plötzlich wie die Stimme Gottes und des Verhängnisses. »Ja, MEIN HERR«, sagte ich und haßte mein Herz wegen seinem schrecklichen rasenden Pochen, haßte meine Fleischstreifen wegen ihrem kalten ranzigen Schweiß. »Festung 10, Ihre Kriegsliste ist in einem traurigen, mißbrauchten Zustand. Sie zeigt Vernachlässigung. Nun, es gibt ganze Wochen, in denen Sie nicht ein einziges Mal gegen einen Nachbarn Krieg geführt haben. Und im Inneren, unseren täglichen Inspektionen zufolge, die mit der neue Spion-Strahlen-Methode durchgeführt wurden, an deren Richtigkeit ich nicht den geringsten Grund zum Zweifeln habe, haben Sie auch nicht irgendein annehmbares Niveau erreicht.« Er schaute mich an und ließ dabei die wolkenblauen kalten Punkte nicht schwanken. Er ließ seine metallene Kehle in einer Art und Weise ticken, die in den alten Tagen zehnmal die große Würde eines Ausschußvorsitzenden geehrt hätte. »Was haben Sie als ein Mann 185
aus einer höheren Kultur«, krächzte er, »der im Zeitalter der Wahrheit lebt, in dem der Krieg der Maßstab und Zerstörung die Leistung ist, nach der wir Preise verleihen, zum Zwecke der Erklärung oder vielleicht – der Buße über Ihr nachlässiges Betragen zu sagen?« Ich schluckte. Ich versuchte mein Herz so einzustellen, daß es ruhig war. Ich ließ eine große Erklärung darüber vom Stapel, wie ich meine Liste in Ordnung bringen und den Normalzustand erreichen wollte. Ich erzählte ihm von Kriegen, die ich im Planungsstadium hatte, von denen ich einige, falls es sein mußte, schon morgen beginnen könnte. Ich wurde immer leidenschaftlicher als ich über dieses Thema sprach und erläuterte einen ausgeklügelten Plan den ich hatte und der beinhaltete, daß ich gedachte, zehn benachbarte Festungen in einen großartigen Kampf gegen mich zu ziehen, erläuterte, wie mein zentraler Standort eine solche Handlungsweise möglich machen würde. Und in der Folge könnten viele von ihnen für sich selbst Anspruch auf Kampfverdienste erheben, indem sie gegeneinander Krieg führten, während sie auf mich einschossen, und damit würden sie insgesamt größeren Schlachtenruhm in unseren Sektor bringen. Ich war nicht nur dabei, meine während der letzten sechs Monate aufgetretenen Unregelmäßigkeiten auszugleichen, ich war auch dabei, Sonderleistungen zu erbringen. Sogar durch ihre trübe tote Farbe sah ich, daß seine traurigen Augen ein wenig schimmerten. Und dann fühlte ich, daß sein Herz eines war, das sich nur wirklich an einem Mann erfreuen konnte, der sich völlig seinem Haß und seinem Zerstörungspotential widmete. »Ich gebe Ihnen also mehr Zeit, das Äußere in Ordnung zu bringen«, sagte er, seine Worte kamen schlank und rank wie Kämpfer, die oben oder unten, edel oder 186
gemein zuschlagen konnten, »wie steht es mit dem Inneren?« Ich hatte gehofft, daß er bald diese Frage stellen würde, denn es war das Innere, womit ich früher wirklich glänzte. In der Tat war ich vor meinem Rückschritt im Inneren auf dem Weg zum besten GemeinheitenRegister irgendeiner Festung in unserem Sektor schon weit vorangekommen. Ich war erfinderisch. Ich konnte mir Methoden ausdenken. Und dann kam der entsetzliche Rückschritt. Mein Herz war jetzt ruhig; ich atmete mit meinen Neumetallungen ein regelmäßiges Flexflex; ich wußte, was er hören wollte, und ich war darauf vorbereitet, es bald zu sagen, »MEIN HERR«, sagte ich, »im Inneren hoffe ich, das Große Gemeinheitsspiel der Festung 10 unverzüglich wieder aufnehmen zu können. Sie wissen doch, die Methode, die sich in der Vergangenheit als ein so großer Erfolg erwiesen hat.« Er nickte, und ich fuhr fort. »Bei diesem Projekt, wie Sie sich vielleicht erinnern werden, ist jeder Tag ein Wettkampf. Meine ›Leute‹ sind von früh bis spät, bis tief in die Abendstunden gemein zueinander. Die Person mit den meisten Gemeinheits-Punkten, und ich habe ein fast unfehlbares Bewertungssystem ausgearbeitet, darf nicht nur die ganze Nacht in der Festung wach bleiben und selbständig gemein sein, sie wird auch der Meister der Gemeinheit sein, bis jemand anderes mehr Punkte erzielt. Wie ich herausgefunden habe, MEIN HERR, ist es eine verblüffend wirksame Methode, die ausgezeichnet hilft, wirklich gemein zueinander zu sein. Sie haben nicht nur den fundamentalen Antrieb, der in ihrer Natur enthalten ist, sie haben diesen zusätzlichen Anreiz, Preise zu gewinnen. Natürlich verleihen wir Bänder … Außerdem werde ich selber gemein sein, im Inneren.« 187
Seine Augen zeigten seine Glücklichkeit und seine Freude; die gezähnten Metallteilchen sausten wie toll in der, wie es schien, wässerigen Leere umher. »Festung 10«, sagte er, »wir setzten einmal große Hoffnungen in Sie. Und jetzt haben Sie alle diese Hoffnungen mit Ihren schrecklichen und schlauen Plänen fast völlig wiederbelebt. Aber könnten Sie mir erzählen, was geschah, um Ihre großen Leistungen zu verderben, bevor ich eine Entscheidung treffe? Ich glaube ich weiß es, aber ich möchte gerne wissen, ob Sie es wissen.« »MEIN HERR«, sagte ich, »sie ist inzwischen gegangen und mit ihr ihr elendes törichtes Geschwätz von Liebe –« Und er nickte; es war ein überaus winziges Nicken, aber es hatte jenes feste besondere allesentscheidende schnelle kleine Hüpfen der Halsstreifen, das mir verriet, daß dieses Teil Gottes, dieser FIP Z-U wirklich verstand und wieder auf meiner Seite war. »Wir lassen Sie gehen«, sagte er, »und viel Glück. Ich wollte Ihnen wirklich nicht Ihre Festung abnehmen und Ihre Fleischstreifen einem anderen zuerkennen, da Sie früher so gute Leistungen zeigten und jetzt – ich kann das beurteilen – solch ein wirklich großartiger Sadismus in Ihnen ist.« Er nickte wieder, dieses kleine Halsruck-Nicken, und ich wußte, daß es eine Bekräftigung war. So verließ ich das Teil Gottes und ließ einen Tunnelwagen kommen. Ich sauste in einem Augenblick mehr als tausend stählerne Kilometer nach Osten, zurück zu dem Deckel. Ich ruhte mich eine Weile in dem Ruheraum der kleinen Station aus. Ich war entspannter und mehr mit meinen Zeiten versöhnt, als ich es seit vielen Gasschirmen gewesen war. Nach einer Weile fütterte ich mich intravenös mit meinem tragbaren 188
Fleischstreifen-Fütterer. Es war mitten in der Nacht, als ich durch den Deckel hinausging. Da der Gasschirm in jenen Stunden zurückgezogen wurde, schienen mir die kalten Sterne in einem erstarrten mondlosen Himmel von unbegrenzten Möglichkeiten, grausam und ein wirklich guter Festungsherr in Moderan zu sein, wenn ich nur mein Herz und meinen Verstand ganz daraufrichtete, zu erzählen. Ich schwor, daß ich versuchen würde, den Hoffnungen von FIP Z-U würdig zu sein. Ich würde es niemals wieder zulassen, daß die Teile Gottes im Kapitol so enttäuscht über mich sein würden, daß sie daran denken könnten, meine Fleischstreifen einem anderen zuzusprechen. Laßt tausend Verführerinnen in Form von tausend Neumetallgeliebten kommen – laßt sogar sie zurückkommen und von Liebe reden – ich würde nicht abweichen. Für mich heißt es jetzt vorwärts in Niederträchtigkeit und Grausamkeit.
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Der Mann, dem alles egal war Seit dem ich mich mit den Männern der Versammlung und besonders mit FIP Z-U geeinigt hatte, tanzten die Tage für mich, spielten sie Musik für mich, sie vergingen wie Träume der Niedertracht … Ich erinnere mich, daß ich mich an einem Tag besonders wohl fühlte; die Sorgen waren alle klein geworden, ein Glanz war in der Luft, ein Schimmer, als die Sonne durch den dünnen weißen Gasschirm des Augusts stieß und unsere Plastikplatten traf. Ich fragte mich, welche Zerstreuungen, welche Freuden, welchen Sommersport ich auswählen sollte, um sie in meinen Plan zu programmieren, das große Gehirn, das mich bediente, zwitschernd und schimmernd und flackernd. Aber wer weiß, nur weil der Tag freundlich anbricht, die Sorgen in einen schlafenden Zustand zurückgegangen sind, die Sonne einen zarten Glanz verbreitet und die Blechvögel in den Silberbäumen eingeschaltet sind – Wer weiß? Es gibt Wolken, die die Welt durchwandern; es gibt Stürme, die im Land einherschreiten; es gibt verärgerte Männer, die sogar dem Gesicht des allmächtigen Gottes einen Hammerschlag versetzen würden, wenn es ihnen bei ihrer Reise in den Weg kommen würde. Er war einer von ihnen. Ich wußte, daß sich eine Menge Neumetall auf den Wegen entlangbewegte; mein Warner ließ fast ständig jenes Gewimmer erschallen. Es gab sehr wenige darin auffallende Piepser, jene leiseren, weicheren Geräusche, die an dem metallenen Brummen der Gefahr nagten und Fleischstreifen anzeigten. Ich beneidete ihn in einer Beziehung, denn vielleicht bestand er aus mehr Metall als ich; ich denke, ich fürchtete ihn nicht, denn 190
alle Kanonen der Festung warteten nur auf ein Zeichen von mir und anderes großes Tötungspotential stand unter meinem Kommando. Aber ich gewährte ihm eine Ehre, die man normalerweise aus Furcht gewährt, eine Ehre, die im allgemeinen für Armeen reserviert ist, oder für neue Invasionsprinzipien, die meine Feinde einschicken, um mich zu erwischen, oder für Männer, von denen ich weiß, daß sie wahnsinnig sind. Ich ließ alles für eine Untersuchung von ihm aufbauen, ließ ihn auf dem Eingehenden Blick erscheinen. Und in gewisser Weise machte ich ihn, indem ich so verfuhr, furchteinflößend und schrecklich, während er noch weit entfernt war. Aber es war kein Fehler; er war furchteinflößend und schrecklich, während er noch weit entfernt war. JA! Wirklich. Sein Kopf war mehr wie der Kopf eines Hammers als der Kopf eines Menschen geformt, und er schien auf die Strecke zu klopfen und zu hacken und zu schlagen, als er gleichmäßig näherkam, eine große in der Sonne schimmernde Gestalt, die sich nicht beeilte, nicht bummelte, sondern einfach mit einem verbissenen Pick, Pick, Pick herankam. Gradlinig und allmählich kam er, überhaupt nicht zur Seite blickend, unbeirrbar auf der Spur. Und ich begann mich zu fragen, ob er mich besuchen wollte oder ob ich und mein großer Waffenkomplex zufälligerweise quer auf dem Wege lagen, den er sich zum Pick, Pick, Pick ausgesucht hatte. Aber bald würde es Zeit sein, es zu wissen, denn bald würde es Zeit sein, ihn aufzuhalten und entweder die Tore zu öffnen oder sie nicht zu öffnen. Er könnte Gottes Auserwählter sein oder die rechte Hand des Teufels, eines von beiden, und er konnte nicht so dicht an mich und meine Festung herankommen, ohne beurteilt zu werden. Der Zeitpunkt, an dem er sich noch hätte abwenden können, als die orangen Leucht191
kugeln aufstiegen und die warnenden Flugblätter auf ihn prasselten, war seit einer guten Weile vorbei. Es war die allgemein verstandene Warnung der Linie, die wir im Land der Festungen benutzten. Und wenn sie jemals nicht beachtet worden war, dann von dieser hammerköpfigen Gestalt. Ein Mensch? Nun –? Wer könnte das entscheiden? Die ganzen Warnungsformalitäten waren an ihm vorübergegangen, als ob es sie niemals gegeben hätte; die Begrüßung, falls sie gehört worden war, wurde schamlos unbeantwortet gelassen. Er kam heran, drückte sich gegen die Tore, was ich ihm zu tun gestattete, da ich ihn sorgfältig beim Eingehenden Blick kontrolliert hatte und ihm die Waffen und Entgiftungsberichte klar Schiff gegeben hatten. Aber sogar vor den verschlossenen Toren hielt er nicht an; er fuhr mit seiner hartnäckigen Beinarbeit und dem Pick, Pick, Pick seines Kopfes fort. VERRÜCKT! Nun, ich nehme es an. Ich öffnete locker und sanft die Tore, die ÖFFNENKraft war auf LANGSAM eingestellt, und er überquerte den leeren Platz. Als er dicht an den Punkt herankam, an dem ich stand, wobei ich halb aus meinem stählernen Guckkasten heraus war, zur Sicherheit aber einen Fuß immer noch in der Tür hatte, schien er meine Anwesenheit zu spüren, und er schwenkte seinen Kopf um einige wenige Grade aus dem geradeaus heraus, das seine Wahl zu sein schien. »Besitzer?« Die Stimme war ein kratzendes Brummen; er bewegte sich immer noch. »Ja. Und halt!« Überraschenderweise hielt er an, hörte mit dem Picken auf seiner Spur völlig auf, dann drehte er sich hoch, bis er mir ins Gesicht blickte. »Nur auf der Durchreise. Wo ich gehe, verletze ich nichts. Ich respektiere die Lebensrechte anderer. Aber im allgemei192
nen weiche ich nicht ab. Mein Auftrag? Wenn ich einen habe – nun, es ist schwer, das zu wissen.« »Ich bin der Herr von Festung 10«, sagte ich, »der Festung mit den besten Kriegsergebnissen in diesem ganzen weiten Land. Daß Sie nach den Leuchtkugeln und dem Abwerfen der Flugblätter noch weitergekommen sind, war meine Wahl; daß Ihnen erlaubt wurde, an die Tore zu hacken, war meine Wahl; daß Sie überhaupt unzerstört jenseits der Warnung der Linie gekommen sind, war ebenfalls meine Wahl. Ich hoffe, daß kein Mißverständ–« »Wenn ich Gott gefunden habe, dann ist dies das Ende meines Weges!« Er griff nach einem Blechgürtel, der unten an seiner massiven Taille zu hängen schien und schneller, als ich folgen konnte, hielt er locker einen großen schwarzen Hammer in jeder Hand. Mein Gesicht konnte fast fühlen, wie sie Metall und Fleischstreifen und Knochen zermalmten. Dann lachte er seltsamerweise, ein rauhes unglaubliches Geräusch, das kaum irgendeine Heiterkeit verriet, und er steckte die Hämmer in den Blechgürtel zurück, wo sie wie zwei schwarze Fragen hingen, wie ich nicht umhin kam zu denken. »Ich hätte es fast aufgegeben, Gott zu finden.« Dann lachte er wieder. »Aber allen Scherz und Satire beiseite, sprechen wir nicht über Gott. Er ist der Grund dafür, daß ich für den Rest der Langen Reise in Metall übergegangen bin.« »Sind Sie ein Prediger?« fragte ich. »Setzen Sie sich manchmal für einen alten Glauben ein? Verkünden Sie die Erlösung einer Welt?« Ich treffe sie alle hier auf der Spur, auf der die Große Reise an meiner Festung vorbeiführt, und ich bin bereit, mit ihnen nachsichtig zu verfahren. Aber ich glaubte, daß ich mit ihm zu weit gegangen war, als ich sah, daß sich diese langen stählernen Hände in im Sturzflug befindliche Jagdvögel 193
verwandelten und dann, während sie herabfielen, Schlangenköpfe wurden. Er ließ sie locker auf den herabhängenden Hämmern ruhen. »Mein Herr«, sagte er, »ich bin nicht aus freier Entscheidung in Ihrer Festung, sicherlich nicht als Gast. Und doch möchte ich auch nicht verspottet werden. Sie öffneten die Tore. Ich bat nicht darum. Wenn Sie sie verschlossen gelassen hätten, würde ich immer noch auf sie einhacken, mit gehenden Füßen. Ich würde die Hämmer nach einer Weile benutzen. Einmal wurde ich ein Jahr lang von einer kleinen Bergwand aufgehalten, in der unteren Provinz, ein ganzes hackendes Jahr lang. Nach einer so langen Zeit begann die Wand zu zerbröckeln, und ich ging durch. Mir macht es absolut nichts aus – hier gegen eine Festung zu hacken, in der unteren Provinz eine Bergwand zu zerschmettern oder unbehindert in der freien Luft des Gasschirms weiterzugehen. Ich verbrauche die Zeit, bis ich der Zeit müde bin, und dann drehe ich einfach die Knöpfe aus, durch die ich mich bewege. Ich habe absolut keinen Glauben, keinen bekannten Daseinszweck, und wenn ich Gottes Gesicht oder ein Teil jenes Gesichts finde, dann bin ich dafür programmiert, mit beiden Hämmern darauf einzuschlagen, so schnell ich schlagen kann und so fest. Für all dies gibt es Gründe, die ich ungefähr einmal in fünfundzwanzig Jahren vollständig darlege.« Er blickte auf ein kompliziertes Zeitgerät, das an seinem Neumetallhals baumelte, und ich wußte, daß dort Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden – alles, bis auf das letzte Sekundenticken, in einem Wirrwarr von Kalendern und roten wirbelnden Zifferblättern vermischt waren. Wenn Metall grinsen kann – nun, er grinste, eine Art offenes Schmunzeln. »Sie haben den großen Vortrag gerade um ein Jahr, ungefähr sechs Wochen, fünf Tage und einen gewissen gemischten Betrag aus tickenden 194
Sekunden, runden Minuten und langweiligen wirren Stunden verpaßt«, sagte er. »Vielleicht könnten Sie hier lagern, bis die Zeit zum Reden kommt, und dann könnte ich Ihre Geschichte hören«, sagte ich, weil ich meinen Humor ebenso bei mir hatte wie einen meiner Füße in Sicherheit, in der Tür des stählernen Guckkastens. »Sagen Sie einfach, daß ich Die Antworten gefunden hätte«, sagte er. »Sagen Sie einfach, daß Sie den gehenden-sprechenden Mir-ist-alles-egal-Mann gesehen hätten, ein Lebewesen, das Den Klauen entkommen ist. Es war nicht leicht, benötigte eine lange Zeit, und Planung, aber ich glaube, daß ich sie endlich erreicht habe, die allerletzte Lösung jener eingebauten Pein, dem Leben-Tod-Dilemma des Menschen.« Das war eine große Behauptung, die er gerade zum Schluß abgeladen hatte. »JA! der gehende-sprechende Mir-ist-alles-egalMann ruht gut in der Nacht. Er lehnt sich einfach irgendwo gegen einen Pfosten, eine Flußböschung, einen Baum, eine alte Raketenabschußrampe, irgend etwas – dreht die Schalter aus und läßt sie so programmiert, daß er zu einer angemessenen Morgenstunde wieder eingeschaltet wird. Und immer ist in ihm die Versicherung der wunderbaren Möglichkeiten; zu jeder Zeit, in der sich der gehende-sprechende Mir-egal dazu entschließt, kann er, wenn er nachts die Schalter stilllegt, das Programm für sein Erwachen vernachlässigen, und es wird alles vorbei sein – VORBEI!« »Moment mal!« konnte ich nicht unterlassen anzudeuten, »hat nicht jede Art von Mensch in jedem Zeitpunkt der Geschichte praktisch jene Möglichkeit gehabt, am Morgen nicht aufzuwachen? Der Selbstmord ist nur ein klein wenig jünger als das Leben. Oder habe ich etwas nicht begriffen?« 195
»JA!« brüllte er voll Spott, »Sie haben fast nichts begriffen. Der gehende-sprechende Mir-egal-Mann ist ungleich anderen, weil ihm alles so gleich ist. Ich habe Gott durch ein langes und langsames Manöver überlistet. Ich habe mich auf hundert Dutzend Operationstischen zurückgelassen, bin durch Feuer, durch die Zeit gegangen. Das Fleisch, das ich war, und die Seele, die ich eigentlich gehabt haben sollte, sind in hundert Dutzend Mülleimern von Krankenhäusern verschwunden und wurden daher in vielen vielen großen Flüssen und vielen vielen Müllverbrennungsfeuern verstreut. Und jetzt bestehe ich nur aus »Ersatzteilen« – Herz, Gehirn, Blut, Nerven, alles – alles ist jetzt Metall, alles automatisch, alles programmiert – wunderbar! Und wissen Sie was? Nachts träume ich nie. Wie könnte ich nachts träumen? Ich bin völlig ausgestellt, wenn sich der Schlaf einstellt. HA!« Dieser Kamerad hatte ein Ziel. Ich begann, seinen Plan zu erkennen. Der Rest von uns Neumetalleuten, deren Fleischstreifen gering an Zahl und unbedeutend waren, hatte geplant, das Dilemma des Menschen, die Pein seiner Vergänglichkeit und seiner langen Todesängste in der Welt dadurch zu besiegen, daß wir einfach für immer lebten. Wir würden das große Rätsel dadurch bezwingen, daß wir ihm niemals ins Auge schauen. JA! Aber ich begann wirklich zu sehen, wie das ermüdend werden könnte. Und jetzt brachte dieser, der sich als der Mir-egal-Mann bezeichnete, einen neuen und glänzenden Plan vor, der unseren deutlich schlug. Der Mensch verwandelte sich langsam in Metall, all seine Gedanken, Handlungen, Bedürfnisse wurden programmiert! Nun, das würde sicherlich scheinbar das Große Geheimnis und die Große Furcht in einer wissenschaftlich logischen Art und Weise lösen. Der fleischerne Körper und die Seele waren so 196
Stück für Stück verschwunden, daß keins von beiden jetzt irgendwo oder irgendwie existierte, keins von beiden könnte zur Rechenschaft gezogen werden und keins von beiden müßte für die Erlösung bereit sein. Und wer könnte sagen, daß er gesündigt hätte? Hatte er sich selbst getötet? Ho! Er hatte sich nur umgewandelt. Und wenn er die Schalter zum letzten Mal abstellte und, da er alles leid geworden war, keinen neuen Tag programmierte, könnte man sagen, daß er sich dann selbst getötet hätte? Ich glaube nicht, daß man vernünftigerweise Metall des Selbstmords anklagen könnte, nicht logischerweise. Dann ergriff mich eine Frage, als er so gütig und selbstbewußt dastand und seine zwei schlangenköpfigen Hände locker auf den Hämmern baumelten. »Warum, da Er Ihnen ja erlaubt hat, es zu lösen, Das Problem, würden Sie mit jenen zwei Hämmern in Sein Gesicht schlagen wollen, wenn Sie dieses Gesicht jemals teilweise oder ganz träfen?« Für eine Weile starrte er mich nur an, und, wenn Metall hassen kann, dann würde ich sagen, daß er haßte. Er riß die beiden schwarzen Hämmer hervor und stand da, jeder der beiden zeigte eine drohende Haltung. Trotz all seiner metallenen prahlerischen Drohung und dem absolut trotzigen Starren schien die Stimme alt zu sein, als er sprach: »Die Intelligenz wurde nicht vergessen, als sie meinen Kopf wieder zusammenbauten. Meine Gedanken sind jetzt metallene, aber sie funktionieren. Weiß ich nicht, wer mich überhaupt erst in Das Dilemma brachte? Weiß ich es nicht!? Und die Tatsache, daß Er mir gestatte, mich umzuwandeln, warnt mich, daß Er mich wahrscheinlich zurückverwandeln könnte. Und bei Gott, ich werde kämpfend untergehen, ich werde schlagen, bis diese Hämmer völlig verschlissen und meine Arme nur noch Metallkrümel sind, ehe Er mich 197
in einen Menschen zurückverwandeln wird!« Dann verließ er mich, pickte durch den Hinausgeh-Teil des Festungsplatzes. Als er die andere Seite erreichte, drückte ich die Tore zurück, damit er weggehen konnte. Er ging hinaus, pickte immer noch, ging, ging – auf sein Ende zu. Wer – was weiß wohin?
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Teil 2: DAS ALLTAGSLEBEN IN MODERAN Der Ewigkeit trotzen Ich glaube, die meisten von uns wußten, daß wir eine Menge Tricks brauchten, um der Ewigkeit zu ihren Bedingungen zu trotzen, oder einen GROSSEN Trick, damit wir es durchstehen würden. Das ist eine ganze Menge Zeit da draußen – für immer! Natürlich hatten wir unsere Neumetallgeliebten, die diamantenzähnigen Tigerjungen und die Neumetallkätzchen, die sie bekämpften, die kleinen Geflechte der Bäume, die durch die Löcher in den Platten kamen und gegeneinander um die Vorherrschaft kämpften, die stählernen Vögel von Moderan (mit Sprengköpfen, die die Vogelköpfe ersetzen konnten), die verschiedenfarbigen Gasschirme und ein Nest voll anderer ablenkender Erscheinungen, die unseren Geist erfassen und uns eine Vielfalt von Freuden bringen sollten. Aber wir brauchten wirklich einige handfeste Zerstreuungen, die uns während des langen Zuges entspannten, etwas, das wir immer wieder und immer wieder und immer wieder tun oder beobachten oder zählen oder erreichen oder lieben könnten und das immer noch neu und lohnend erscheinen würde. Neumetallgeliebte sind ausgezeichnet. Sie sind einfach ein großartiger kleiner Zeitvertreib, und sie bringen etwas Freude und Kerzenschimmerromantik sogar in die kältesten und metallischsten aller Situationen. Ihre Einstellungen sind vielfältig und können so eingerichtet und umgerichtet werden, daß sie dem Geschmack jedes Mannes entsprechen und auch wechselndem Geschmack, was die Größe, die Oberweite, die Haarfarbe, das allgemeine Verhalten und die gesamte Liebestech199
nik betrifft. Und wenn Sie die Super-Luxus-spezialangefertigte-Neumetallgeliebten-Ausstattung betrachten – OOOOHH OOOOHH HUUII HUUII HUUII JUUUIII!!!!!!! DENNOCH glaube ich nicht, daß es allein ausreicht, mit einer Blechbüchse zu schlafen, egal wie großartig und gewandt und munter die Blechbüchse ist, damit ein Mann den langen Zug der Ewigkeit durchsteht. Die einzige Sache, stellten wir schließlich fest, die sie uns durchstehen lassen würde, war der Krieg, der totale und ununterbrochene Krieg. Die völlige Zerstörung des anderen zu planen und Gegenmaßnahmen zu erfinden, die um jeden Preis die eigene Metallhaut schützen sollen, das sind die Arten von menschlichen Unternehmungen, die das menschliche Tier bis dicht vor die Göttlichkeit emporbringen. Götter, wie jeder weiß, sind sowohl zerstörerisch als auch schöpferisch. Auf dem Gebiet der Zerstörung haben wir uns immer ausgezeichnet qualifiziert. Und die einzigen Arten von Wesen, die es wirklich zu irgendwie behaglichen und selbstbewußten Bedingungen mit der Ewigkeit aufnehmen können, sind Götter. Deshalb müssen wir als Götter zerstören und schaffen. JA! jeder von uns lebte als Gott in einer großen Stahl-und-Beton Redoute. Wir schleuderten die Blitze und nahmen mit großem Vergnügen die Aufgabe auf uns, zu versuchen, alles außer uns selbst zu zerstören. Es gab keine Mühen, die wir gescheut hätten, wenn wir glaubten, daß wir selbst um den Wert eines Neumetallflohs näher an die Zerstörung eines Mannes aus der Nachbarschaft und an die Errichtung unserer Vormachtstellung herankommen würden. Selbst obwohl unsere eigene Festung bei dem Vorgang ernstlich beschädigt werden könnte. Dann würden wir alle in einer Zeit des Waffenstillstandes, um schöpferisch zu sein, 200
anfangen, den Betreffenden zu unterstützen und wiederaufzubauen. Eigentlich waren wir als stählerne Menschen im wesentlichen nur Erweiterungen dessen, was der Mensch immer gewesen ist. Ich versuche zu sagen, daß das Wesentliche des Menschen erweitert worden war. Das innerste Wesen des normalen Menschen war und ist und wird immer sein das Gefühl des »ICH BIN das größte und wertvollste Ding im Universum, und ich sollte Vorzug haben, wo auch immer ich gehe«. Dies trifft sowohl auf die Gruppe als auch auf den einzelnen zu. Der normale Mensch war niemals so tief unten, daß er nicht, wenn ihm die kleinste kleinste Chance, sich zu erheben, gegeben wurde, begonnen hätte, sich als den sicheren Sieger zu betrachten. Das Reich seiner Sehnsüchte wird KEINE Decke und KEINE Wände haben. Das ganze Universum wird sein Obstgarten sein, seiner und nur seiner. Er ist in vieler Hinsicht eine gräßliche, schleimige, ungöttliche Erfindung. Aber er hat, seien wir ehrlich, eine rettende Eigenschaft. Man kann sich bis zum Ende auf sein gräßliches, stinkendes, schleimiges, schlechtes wirkliches Ich verlassen. Er ist darin verläßlich, sagen wir, daß seine totale Schlechtigkeit unzweifelhaft ist. Und darin ist er göttlich.
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Im innersten Raum der Macht Er war ein kugelrundes Wunder aus Neustahl, das tief im genauen mathematischen Mittelpunkt meines Komplexes aufgehängt war. Und der Schwerpunkt meines Schmiegesessels, dem Thron der Macht und der guten Ruhe, war im genauen mathematischen Mittelpunkt dieses kugelrunden Ortes lokalisiert. Die Wände waren die Schale einer Raumkugel, einer glänzenden Neumetallkugelhülse, deren kugelförmige Vollkommenheit so vollkommen war, daß ich mich an der Zahl der vollkommenen Kreise zu weiden pflegte, die auf diese Weise eingeschlossen waren – nein, nicht nur eingeschlossen, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Raumkugel waren. Manchmal saß ich tagelang da, fast hypnotisiert, dachte aber nach, »zählte« die vollkommenen Kreise, die auf diese Weise eingeschlossen und wesentlicher Bestandteil dieser großen stählernen Zwiebel sein müssen. Es erschütterte das Gehirn, sogar das Gehirn eines Mannes von Moderan, das mit der Präzision einer Milliarde Computer aus den Alten Tagen arbeitete, wobei jeder der Milliarde Computer die anderen ergänzte und somit jedem gewöhnlichen Geist die Kraft völlig unbegreiflich machte, durch die das Gehirn eines Mannes von Moderan den Computer aus den Alten Tagen weit übertraf. Und doch konnte ich die vollkommenen Kreise nicht »zählen«, die dort in der Raumkugel enthalten sein mußten. Manchmal dachte ich, daß dies sicherlich jene höchste Sache sein muß, für die der Mensch hergestellt worden war, schließlich völlig unverwundbar, als ein Mensch der Ewigkeit, im innersten Teil der Zwiebel seiner Welt zu sitzen, einer hohlen Kugel in einer Fe202
stung, und angestrengt an der letzten Zählung der Schichten seines Zwiebelheimes in einem innersten Raum der Meditation und der Macht des Ichs zu arbeiten. Denn jeder Kreis in diesem schimmernden kugelförmigen Raum muß eine Art letztes Abschließen unserer Sicherheit sein, versinnbildlicht unseren Sieg, unseren totalen Erfolg über die Unvollkommenheit, die WIR einmal waren, durch den Großen Plan der Wissenschaft. J A! Und doch waren die Häute keine unendliche Menge, obwohl sie nahe, sehr nahe daran waren. Setzt man das richtige Instrument oder die Instrumente voraus, die mein Gehirn von einer Milliarde Computer vergrößert, dann könnten diese Kreise sicherlich gezählt werden, egal wie sie sich kreuzten und spiralig wanden und sich verflochten und jeder Teil von vielen anderen in der Raumkugel war. Denn dies war seine Sache mit Grenzen, ich könnte sie mit der Hilfe von Leitern (oder von Blechmännern, die mich hielten, die manchmal große Pyramiden von Blechmännern bildeten mit mir an der Spitze, damit ich an die hohen Teile gelangen konnte) berühren, die ganze Innenseite nach Herzenslust abtasten. Und dann könnte ich mit angespannten Scharnieren und Bügeln nach draußen »stürzen« und, wobei sich diese Innenseite in meinen stählernen Händen und meinem stählernen Geist noch warm anfühlt, Blechmänner nehmen oder Ausziehleitern und Blechmänner und den ganzen Raum auf der Außenseite abtasten – mit notwendigerweise etwas angestrengtem Klettern. So hatte ich es eingedämmt! Es gab eine Innenseite und es gab eine Außenseite. In einem Wort, es war ein Ding in meinen Händen. Deshalb müssen die Kreise also zählbar sein. Obwohl es fast MEIN Gehirn erschüttert, wenn ich an die wirkliche Schwierigkeit der Aufgabe des Zählens denke. 203
Die großen Kreise dieser kreisrunden Wände sind recht groß an Zahl, wenn man sie wirklich mit einem verständigen Gehirn betrachtet. Und dann ist jeder stoffliche Kreis mit jenen verteufelten Atomen gefüllt, die selbst nicht das Ende sind (es ist zweifellos vorstellbar – zumindest für mich – daß in jedem dieser verteufelten Atome eine bevölkerte Festung sein kann, komplett mit »kleinen« Blechmännern, gänzlich auf Krieg und Kämpfen ausgerichtet, wie wir in Festung 10 auf Krieg und Kämpfen ausgerichtet sind; es verblüfft den Geist, sogar den Geist eines Festungsherren, ja wirklich, aber ich kann es mir vorstellen – manchmal) und jedes von all diesen würde eine beträchtliche Anzahl von eigenen Kreisen haben. Und wenn wir all dies getan hätten – OHHOHHH-WEEHHOOOH! – dann denken Sie an die nicht erledigten Aufgaben. Es würde immer noch den hohlen Raum um mich herum und unter meinem Schmiegethron in diesem Innersten Raum der Macht geben, der, o weh, nicht ganz leerer-hohler Raum war, sondern mit der gewöhnlichen Luft geschmückt war, einem Gas, das zählbare Größen enthielt. Deshalb müßte jeder vollkommene Kreis in den Gasteilchen gemessen werden, nachdem die größeren Kreise im Raum und der Luft an diesem nicht-ganz-hohlen Ort alle in Tabellen zusammengestellt worden waren. Aber es kann von einem entschlossenen Mann geschafft werden, und ich bin ein entschlossener Mann, ein Neumetallmann! Dies ist nicht irgendeine Art von Unendlichkeit, denn, wie ich Ihnen gerade gesagt habe, ich kann die Wände auf der Innenseite »fühlen«. Und ich kann die Wände auf der Außenseite »fühlen«. Alles, was ich auf diese Weise umfassen kann, muß so beschaffen sein, daß ich es messen kann, völlig in Zahlen erfassen und im Geiste in einer Liste zusammenstellen. 204
Wundern Sie sich also, daß ich in meinem Schmiegethron im Innersten Raum der Macht sitze, manchmal tagelang, dabei so ruhig wie eine kalte Ölschale bin, mein Herz auf RUHE, mein Gehirn auf MAX und über Allumfassende Schwere Probleme nachdenke? Ich habe so viele Probleme! Wir haben so viele Probleme, verschlungene Probleme, verflochtene Probleme, verwobene Probleme. Und wie man diese Kreise löst, ist wirklich noch nicht einmal ein Anfang DES PROBLEMS.
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Das Problem DAS PROBLEM ist wirklich dieses: Können wir für immer bestehen? Das ist unser Traum in Moderan. Das ist der ganze Große Moderanische Traum, der Ewigdauernde Traum. Werden die Scharniere halten? Oh, ja, die Scharniere werden halten. Der ganze Neumetallkomplex wird halten. Die ewig arbeitenden Lungen werden weiter und weiter funktionieren, und das Herz wird diesen beständigen Lebens-Schlag durch die Jahrhunderte pochen, durch die Jahrtausende – FÜR IMMER. Denn diese Teile sind aus der und für die Ewigkeit, obwohl sie alle ersetzbar sind. Ja, sollte sich erweisen, daß ein Teil nicht aus der und für die Ewigkeit ist (wissen Sie, es gibt immer die Möglichkeit eines Fehlers, deshalb setzen Sie die Chance nicht als zu gering an), dann halten eine Vielzahl und eine Fülle von großen Lagerhäusern Ersatzteile für absolut jeden Neumetallmenschen bereit. Sollte ein Herz in einem moderanischen Mann der Ewigkeit beispielsweise versagen, dann muß man nur einen Pumpenwechsel beantragen, und der Umherwandernde Problemwächter für den betreffenden Distrikt kann bald die neue Einheit einsetzen, das Gehäuse verschließen, darauf das offizielle Siegel setzen und seine große Rechnung an die Gesundheitszentrale schicken. Sogar die Fleischstreifen, glaube ich, können durch Neumetalllegierungen unterstützt werden und für eine ewige Haltbarkeit hergerichtet werden. Zumindest müssen wir glauben, daß man es machen kann, denn sie sind in gewisser Beziehung alles, was wir haben. Und diese können der eine kleine, nicht-zu-behebende Fehler sein, der uns schließlich erledigt und zurück in die nüchterne Realität bringt. Aber wir müssen glau206
ben, daß sie es nicht sind. Manchmal schaue ich auf meine Fleischstreifen, wenn ich allein bin, und ich bin meistens allein, denn ich bin ein König (dank der »Splendid Isolation«, die das große Recht eines Königs ist), und ich kann nicht glauben ICH KANN NICHT GLAUBEN, daß alles, was dort in den Fleischstreifen enthalten ist, alles, was sie zum Inhalt haben, in den Alten Tagen in jener schwabbeligen Masse geschehen sein soll, all das, so sagt man, sickert sogar jetzt durch. Es ist ein WUNDER, es ist MAGIE, es ist Hexerei! Und daran zu denken, daß ich einmal als all dieses lebte – als gehendes Wunder, sprechende Magie und als Hexerei, die in mir in jedem Teil jeder Sekunde jeden Tages geschah. Aaaahhuuuu! AaaHu UuuuU!! AAAHHUUUU!!! Es ist ein Wunder, daß ich mich bis zum Mittag des ersten Tages hielt. Es ist ein Wunder … Wir müssen weiter daran arbeiten, die intravenöse Ernährung zu verbessern, die einzige Fleischstreifenspeise, die ihren Zweck erfüllt. Wir müssen weiter experimentieren, um Wege zu entdecken, unsere Fleischstreifen zu vermindern. (Die Fleischstreifen sind in gewisser Beziehung unsere Göttlichkeit, und doch müssen wir daran arbeiten, unsere Göttlichkeit zu verringern, um göttlicher zu werden. Es scheint ein Paradoxon zu sein. Aber ein Mann von Moderan mit seinem Großen Plan der Wissenschaft versteht es. J A! Und es ist kein Paradoxon. NEIN!) Wir müssen Tag und Nacht weiterhin nach besseren Wegen Ausschau halten, um die Fleischstreifen, die wir besitzen, zu versorgen. Die Gesundheitslehre der Fleischstreifen muß eine Hauptwissenschaft werden. Hypochondrie muß eine ehrerbietig behandelte Sache werden. Wir dürfen nicht länger mit dem Finger der Verachtung auf jemanden deuten und sagen: »HAH, Hypochonder!« Das 207
Sorgen um die Gesundheit muß die zweitwichtigste nationale Beschäftigung werden (unsere wichtigste Beschäftigung ist der Krieg), und zwar für jeden Mann, nicht die Hauptbeschäftigung der wenigen nervenkranken Spinner, für die es heute gehalten wird. Denn nur durch ein vollständiges und hingebungsvolles inbrünstiges Sorgen um unsere Gesundheit können wir sicher sein, daß wir in allen unseren Wachstunden uns voll bewußt sind und uns entsprechend Sorgen machen über die Gefahren, die unsere Fleischstreifen bedrängen. Es darf nicht nur ein zimperliches oberflächliches Sorgen-in-Gedanken sein; es muß ein unerschrockenes und direktes physisches Sorgen sein, bis zu dem Grade, daß wir Eingeweide-Erreger-Knöpfe für die unsichere Welt einschalten und uns ernstlich sehnen werden. Wir werden unsere Fleischstreifen abtasten, sie zu jeder Tages- und Nachtzeit schlagen und kneifen, um zu sehen, ob alles noch in Ordnung ist. Oder funktioniert etwas nicht richtig!? Und vielleicht rufen wir Nachbarn herbei, um unsere Ängste und Ansprüche zu erhärten. Wir werden jeder die Fleischstreifen des anderen kontrollieren, zu jeder Stunde des Tages oder Nacht, in der eine Gesundheitskontrolle eine Chance zu bieten scheint, daß ein Fehler zutage gefördert wird. Das muß ein Ruf sein, der immer beantwortet werden muß. Wir müssen Gesetze verabschieden, die es zu einem hohen Verbrechen machen, nicht die Fleischstreifen eines Nachbarn zu überprüfen, wann immer er nach unserer Einschätzung seiner Lage verlangt. (Oder zu Zeiten, wenn keiner ruft, müssen wir hinübergehen und sowieso freiwillig eine Kontrolle anbieten; sie als gutnachbarlichen Dienst unaufgefordert einschätzen.) Sogar im unbarmherzigsten großartigsten Krieg, wenn die Zertrümmer-Trümmer draußen sind und automatisch auf dem Weg zum Töten, wenn die Weiße-Hexe-Raketen 208
auf der Rampe liegen und starten, wenn die Puppenbomben unerschütterlich jenen geradlinigen-undgleichförmigen Spaziergang in Richtung ihres Zieles machen, darf es für einen benachbarten Festungskommandanten nicht ungewöhnlich sein, kurz für eine Tastkontrolle der Fleischstreifen hinüberzugehen. Wozu wir uns bekennen müssen ist, daß wir hier alle zusammen drinstecken, zusammen in einem solchen Ausmaß, daß uns nichts NICHTS daran hindern darf, daß jeder des anderen Fleischstreifen auf eine logische medizinisch-wissenschaftliche und nachbarliche Art und Weise beschützt. Daß wir eine EINE WELT von Gesundheitssorgern werden müssen, heißt in der Tat, es sehr gelinde auszudrücken. Wir müssen mehr werden als nur Sorger. Wir müssen Schwarzseher werden, was unsere Fleischstreifen betrifft. Wir müssen jeder Laune nachgehen, die eine Chance in sich bergen könnte, daß eine Schwäche in einem Fleischstreifen zutage gefördert wird. Nur durch solche extremen Mittel können wir dieses kostbarste und, wie ich bedauere, sagen zu müssen, verletzbarste unserer Besitztümer schützen und pflegen. Ah, ja! Für einen, der nicht aus Moderan ist, könnte es höchst ungewöhnlich erscheinen, über die Situation nachzudenken: wir sind, sagen wir, mit voller Kraft in einem unbarmherzigen, das ganze Universum umspannenden, Bis-auf-den-letzten-Tod Krieg. Das ganze Spreng-und-Krach-Zeug versucht zu zerstören. Aber wir warten nicht bis zu irgendeinem Waffenstillstand, bevor wir jeder des anderen göttliche Teile einer Kontrolle unterziehen. Vielleicht werde ich in einer heißen Volle-Pulle Waffen-raus-Zeit sehen, wie die gute alte Nachbarfestung zu meiner Linken von seinem elften, äußersten Wall wegflitzt. Ich werde sehen, wie er »eiligst« zu mir läuft, langsam, so langsam wie wir mit 209
angespannten Scharnieren und Bügeln gehen. Ich werde nicht einen Augenblick lang von der Beschießung seiner Festung ablassen. Ich werde nicht eine laufende Puppenbombe, die auf seine Festung zuläuft, um ihn und seine Wälle in die Luft zu jagen, zurückrufen. Und er wird von mir nicht erwarten, daß ich es tue. Sollte ich es tun, würde er zweifellos außergewöhnlich, sogar äußerst bestürzt sein. Denn der Krieg muß mit seiner ganzen grausamen Unvermeidlichkeit weitergehen. Aber wir müssen uns auch um längeres Leben bemühen. Und das kann den unbedeutenderen Völkern als ein Paradoxon erscheinen. Aber nicht einem Mann aus Moderan. OH, NEIN! Es ist so logisch wie der Fortschritt selbst. Und sollte an einem schönen Tag während eines Waffenstillstandes, sagen wir, die gute alte östliche Nachbarfestung eine Mitteilung herüberstrahlen, die besagt, daß er gesund ist und sich wohl fühlt, dann lasse ich ihn nicht so einfach davonkommen. Ich werde ihm sofort die Frage zurückstrahlen: Wie können Sie so sicher sein, Mann!? Daran anschließend werde ich ihm per Strahl eine ganze Menge Zustände nahelegen, Dinge, auf die er selbst wahrscheinlich niemals kommen würde, vielleicht Dinge, an die seine medizinischen Stahlmänner für ihn noch nicht einmal gedacht haben, aber Dinge, die ganz oder teilweise dazu führen können, ihn zu überzeugen, daß er höchstwahrscheinlich nicht so gesund ist, wie er sich fühlt und vielleicht sogar überhaupt nicht gesund.
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Die Spielgefährtin Es geschah an einem Montag im Juli, daß Kleine Schwester sehr früh, mit einer großen Schachtel in ihren Armen, unter seinem Fenster war. Die Gashülle war an jenem Tag rosa, wie sie es in der Tat im ganzen Juli sein würde, wie sie von der Zentralen Gasschirmkontrolle und den Gaslichtersparnis-Leuten eingestellt worden war. Die Temperatur war drinnen und draußen auf angenehme 21 Grad reguliert, und er arbeitete, wie üblich, an einer Formel. »Meine kleine Spielgefährtin ist gekommen«, rief sie, »meine kleine Schwester! Komm und seh sie Dir an.« Er erhob sich mit seinen Plastikbeinen und den XEisen-»Ersatz« -Teilen aus seinem Schmiegesessel und ging zum Rand seiner Tür. »Was soll der Unsinn?« fragte er metallvernebelt und brummig. »Warum schläfst Du nicht? Oder beschäftigst Dich mit Mox?« Mox war ihr Eisenmann, der sich wie eine Mutter um ihre Bedürfnisse kümmerte, während sie von anderen Menschen getrennt in der roten Plastikhütte lebte und das Alter für ihre »Ersetzungen« erwartete. »Sie ist mein kleiner Kamerad!« schrie Kleine Schwester schrill. »Ich ließ sie kommen. Sie kam heute, mit der Post.« Er rieb seine Augen mit den Rücken seiner Goldsiegel-Hände. Er versuchte, durch die metallenen Flächen hindurch zu denken. Als ein Mann aus den Fortgeschrittenen Zeiten hatte er sich vielen X-Eisen- und einigen Goldsiegel-»Ersetzungen« unterzogen, seit er mit einem Marsch in Richtung Dauerhaftigkeit, mit einem Marsch, der die Unsterblichkeit für das körperliche Ich erobern sollte, aus Älteran heraufgekommen 211
war. Aber manchmal beherrschte dieses metallene Ich, das rasch sein Haupt-Ich wurde, die Fleischstreifen in einem solchen Maße, daß er es schwierig fand, seine Gedanken in die unwichtigen Bahnen des Alltäglichen zu zwingen. In den unwegsamen Gefilden der hohen Dimensionen war er ein leidenschaftlicher, ungeduldiger Jagdhund, der einer Formel auf der Spur war. Mit dem, was von seiner Familie übriggeblieben war, Kleine Schwester, hielt er es manchmal sogar für eine schwierige Angelegenheit, sich in einer einfachen Sprache zu unterhalten. »Erzähle mir langsam«, bat er inständig. Sie holte tief Luft. Ihr guter voller Brustkasten schwoll in einem Triumph von Fleisch und Knochen an. Ihre braunen Augen funkelten hell, als sie sagte, »Ich darf nicht alleine aufwachsen, selbst wenn ich das letzte kleine Mädchen bin. Während ich das Alter meiner »Ersetzungen« erwarte, muß ich eine Kameradin haben, welchselbige gerade mit der Post kam, Pappi. Und du wirst sie zusammensetzen, Pappi, damit wir spielen können. Ich habe ihr bereits einen Namen gegeben – Kleine Ritze.« Ritze war eine Schachtel voll geschlitztem Metall, einigen Drähten, ein paar Energiekapseln, vielen Bändern, einem Kopf, verschiedenen gerundeten, weißen Plastikstücken, bestimmten Teilen, die fast Fleisch waren, und einem Blatt mit gedruckten Anweisungen. Ritze war ein Haufen Gerümpel und ein Kopfzerbrechen, das einem Mann gegenübertrat, der sich der Einsamkeit, Ewigkeit und Ruhe widmete, dem kameradenlosen Nachdenken über allumfassende schwere Probleme. Ritze hatte so, wie sie war, nicht zusammengebaut, eine Million Mark in bar gekostet – in Form eines Geschenkzertifikates der Organisation für die Unterhaltung von Kleinen Fleischernen Menschen. 212
Es gab ein klirrendes Geräusch in seinen Gelenken, von Metall, das an Metall kratzte, und vom Zusammenzucken der Fleischstreifen, als er sich dort auf den grauen nackten Platten auf ein Knie kniete und die Schachtel hochhob, die Ritze enthielt. Er öffnete die Schachtel und sah, wie ein wachswarmes Gesicht zu ihm hochgrinste, ein zweideutiges Gesicht, das das Gesicht eines neun Jahre alten Mädchens gewesen sein könnte oder das Gesicht eines wesentlich älteren Mädchens, ein aus Plastik hergestelltes und mit echtem Haar umkränztes Gesicht. Der mechanische Mund klappte auf, und wunderschön geformte Zähne schimmerten zwischen den gummiartigen Lippen hervor. »Ich werde deine großen Füße abbeißen, wenn du nicht lieb zu mir bist«, drohte der wunderschöne kokettierende Kopf sofort genügend mechanisch und freundlich. Dann begann ein Getöse »Wechseln Sie das Band, wechseln Sie das Band …« Er sprang auf, als ob gerade ein Eimer voll Sonne hochgradigkochend über all jene Kilometer hinweg, durch den ganzen rosa Gasschirm gekommen wäre, um ein bißchen davon auf sein Fleisch auszugießen. Als er aufsprang, wurden Teile von Ritze und der Schachtel, in der sie verschickt worden war, fächerartig auf dem grauen Hof verstreut. Aber der Kopf, der lächelnd inmitten der verstreuten Teile saß, hatte ein Band für die Situation. »Tolpatschiger alter kalter Witwer und ein schwachköpfiges idiotisches Mädchen«, tönte es aus ihm hervor. Dann verbrachte er ungefähr fünf Minuten damit, auf den Plastikplatten auf und ab zu hüpfen und zu kreischen »Schande, Schande … widerlich, widerlich … rette mich, rette mich!« Danach rollte der Kopf sehr geschäftsmäßig umher, las seine Teile auf und setzte alles zusammen, bis ein angenehm großes und schlankes blondes Mädchen aus Metall und weißem 213
Plastik lächelnd in dem kühlen rosenartigen Leuchten des rosa Gasschirms des Juli stand. »Nun, und wo sind die Juggs?« Sie bückte sich geschickt, um die Nyloweb-Auskleidung der Schachtel herauszureißen, in der sie versandt worden war. Sie wickelte das lange Stück schneeweißen Stoffes auf eine solche Weise um sich, daß er an einigen Stellen interessant voll und locker war und angespannt an anderen Stellen, um ihre schönen Plastikkurven zu betonen. »Lohnt sich immer, den Juggs zu gefallen.« »Den Juggs?« sagte Kleine Schwester, die verwirrt und von der Aufführung, die sie gerade gesehen hatte, immer noch etwas betäubt war. »Was meinst du, Juggs?« »Das aggere Gerecht. Wie die Mänger für die Fraugen … Verdammt! ein schadhaftes Band.« Sie machte ein mürrisches Gesicht. Dann sagte sie mit einer kehligen Stimme und einem neuen verständlichen Band: »Ich meine, wo sind die Jungs? Das andere Geschlecht. Wie die Männer für die Frauen. Ich bin ein Mädchen!« Sie lächelte. »Du sollst meine kleine Spielgefährtin sein, bis ich für die Ersetzungen bereit bin«, sagte Kleine Schwester einfach und mit einem Herz voller Liebe für das Ding aus warmem Plastik und Metall, das turmhoch über ihr aufragte. »Ich hab ja soo viele Kartweb Ausschneidepuppis. Du kannst eine haben. Und zwei Kleider zum Wechseln für sie. Heute!« Das Gesicht von Kleine Schwester strahlte glückselig über die wunderschöne Geste und die aufrichtige Bemühung, die in dieser schwerwiegenden Schenkung steckte. »Und ich werde dich ein bißchen mit meinem Strahlenspray färben lassen, wenn Du versprichst, Hand aufs Herz, nichts kaputtzumachen.« Ritze beäugte Kleine Schwester kühl, Abscheu und 214
Langeweile und mitleidige Belustigung war in jedem ihrer Blicke. »Komm, werde du erst mal erwachsen!« Ihre Stimme war fest durch das Band für diesen Anlaß. »Ich bin hier, um mit deinem Pappi zu spielen. Glaube ich.« Kleine Schwester war den Tränen nahe. Aber Vater, so eifrig wie immer, gedachte die dumme Ablenkung zu einem Ende zu bringen, Kleine Schwester zurück in ihre Wohnung und sich selbst in seinen Schmiegesessel, um weiter über Formeln nachdenken zu können, hatte auf wissenschaftlicher Grundlage und zielbewußt die Anweisungen gelesen, nachdem er sich von dem anfänglichen Schock, Ritze sprechen zu hören und sie sich zusammenbauen zu sehen, erholt hatte. Er erinnerte sich daran, daß die erste dieser Puppen jetzt mindestens zehn Jahre alt war und daß die Idee für sie viel viel älter war, und all dies half ihm, sein Vertrauen in die Richtigkeit aller Dinge zurückzugewinnen. Als er zu dem VORSICHT-Teil der Instruktionen kam, überflog er sie nur kurz, packte Ritze fest an einem Arm, nahm die langen Teile aus ihren Beinen heraus und fuhr damit fort, ihren Bereichswechsel auf die auf SPIELGEFÄHR-TIN-KAMERADIN-EINESKLEINEN-MÄDCHENS geeichte Stelle sicherzustellen. »Wir transportierten sie von unserer Fabrik für GROSSE-MÄDCHEN-LIEBESGEFÄHRTINNENZERSTREUUNG«, erklärten die Anweisungen, »die Eichung ist von weitestmöglicher Vielseitigkeit und entspricht der größten Nachfrage. Aber sie funktionieren recht gut auf SPIELGEFÄHRTIN-KAMERADINEINES-KLEINEN-MÄDCHENS, wenn sie sicher entsprechend umgerüstet werden, nachdem zuerst die langen Teile der Beine abgenommen worden sind.« Und Ritze, die jetzt nur noch die Größe von Kleine Schwester hatte, war eifrig dabei, ihr Kleid neu zu wickeln, um sich für ihren neuen Größenzustand zurechtzuma215
chen. Dann sagte sie, scheinbar etwas unlustig, mit dem Band für diesen Augenblick: »Laß uns Ausschneiden spielen. Und ich würde wirklich zu gern dein Strahlenspray Färbungs-Dings benutzen, wenn ich darf.« So gingen Kleine Schwester und Kleine Ritze Arm in Arm weg, über die grauen Plastikplatten auf die rote Hütte von Kleine Schwester zu und Vater, der sich die langen Beinteile fest unter einen Arm geklemmt hatte, eilte so schnell er konnte zurück zu seinem Schmiegesessel und seinem großen Schreibtisch, um zu denken. Aber gerade so, wie er fürchtete, daß es der Fall sein könnte, stellte er fest, daß er jetzt nicht sauber über allumfassende schwere Probleme nachdachte. JA! er hatte jetzt dieses andere Problem, das gelöst sein müßte, bevor er sein Herz aus dem Rucken und Zucken heraus und zurück zum kühlen Betrieb universeller Ausgeglichenheit bringen könnte. Oh, warum mußten diese Dinge geschehen. Warum konnte Kleine Schwester sich nicht einfach mit Mox, ihrem Eisenmann, beschäftigt haben, anstatt diese dumme SpielgefährtenPuppe zu bestellen? Aber Vater, wie der zähe Kämpfer, der er immer gewesen war, wich der Frage nicht aus; er fing gleich damit an, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, selbst wenn sein Herz im Moment noch nicht so ausgeglichen und verläßlich war, wie es sein sollte. Dann mußte er außerdem mit einem Geist arbeiten, der in einschlägigen Fragen vom fleischernen Typ wirklich nicht gut war, aber er würde eine Entscheidung treffen. JA! Sollte er eine eigene Puppe bestellen oder einfach an dieser die Beine wieder und wieder umwechseln, wenn Kleine Schwester schlief?
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Schicksal eines Ehemannes Es geschah im hoffnungsvollen April, daß er sich rührte. Der Gasschirm war für diesen wunderschönen und regnerischen Monat abgestellt worden, und wenn die Sonne strahlend auf Moderan schien, gab es einen Hauch von Himmel an jenem Ort aus Eisen und Plastik. Ein paar richtige Blumen, rot und gelb und purpurn, linsten verstohlen an den Ecken von Plastikplatten hervor; ein paar Grashalme stießen wie Lanzen durch Risse in der grauen Oberflächenbedeckung der Grundstücke und Flächen, die an Verbindungsstellen und besonders abgenutzten Stellen entstanden waren. Wie viele andere kleine Samen und Blumenzwiebeln und Grashalme müssen sich ihre Köpfe an der stahlgrauen Kruste von Moderan zerbrochen haben, indem sie versuchten, an die Sonne zu kommen! Wie ein junger Mann, der von seiner Geliebten träumte, wie ein Mann von früher, der auf Teppichen aus Pfauenfedern und nach rosa Rosen duftender Luft ging, kam er in seiner Phantasie über das schiefergraue Grundstück. Aber in Wirklichkeit war es ein Plunk plunt tap ta-rap tunk tunka tap, mit dem seine eisernen Füße auf dem Plastik gingen, und seine versilberten Gelenke reagierten auf ihre eigene Weise auf die Dringlichkeit seines Bedürfnisses. Er war bei Sonnenaufgang an diesem strahlenden Ostersonntag losgegangen, hatte die drei hohen Töne gepfiffen, die die Tür seines Hauses öffneten und hatte sich Schritt für Schritt munter wegbewegt, wobei er sich an ein Weihnachten gegebenes Versprechen erinnerte. Mittags war er durch sein angestrengtes Gehen schon fast halb bei ihr. Er ging in den Stunden des Nachmittags das Grundstück hinab, war sorglos in sei217
nem Geist und so hoffnungsvoll wie Vogelgesänge, aber in seiner Bewegung durch das Metall, das ihn »ersetzt« hatte, war er an ein schrittweises Vorwärtskommen gefesselt. »Vielleicht kann ich Ostern nicht gehen«, erinnerte er sich, zu Weihnachten gesagt zu haben. Und sie, seine Frau, hatte dann versprochen, ihn zu empfangen. Bei ihr zu Hause. Um Ostern ein bißchen zu reden. Wenn Jon rechtzeitig fertig würde. Jon? Jon war ihr Plastikmann. Schweiß strömte hervor, aus seinem großen Bedürfnis heraus, durch die Dringlichkeit, durch die schreckliche Anstrengung, auf die Oberfläche der Fleischstreifen seines Gesichts. Erschöpfung stieg in ihm auf, bemächtigte sich seines ganzen Fleisches, wie eine riesige bleierne Hand, die ihn langsam zurück und zu Boden zog. Aber seine scharfen »ersetzten« Augen und das wissenschaftlich objektive Gehirn bemerkten deutlich, daß er vorwärtskam. Unerbittlich, Schritt für Schritt, passierte er die Fugen in seinem Grundstück, oder besser, er überschritt sie bei seinem kühnen Kampf. Wenn sie jemals wieder nach mir verlangen sollte, dachte er, wenn sie regelmäßig wieder nach mir verlangt, dachte er, dann werde ich einen Rollweg in das Grundstück einbauen lassen müssen. Er wischte die Fleischstreifen seines Gesichtes ab. Ich frage mich, ob sie jetzt gehen kann, grübelte er und dann verbannte er den Gedanken. Es waren Jahre vergangen, seit er sie in irgendeiner anderen Pose als auf ihrem weißen Plastikbett liegend oder sitzend gesehen hatte. Er erinnerte sich, wie sie sich zurücklehnte. Er erinnerte sich an die schwere Pracht der Nyloweb-Kleider, die sie trug, an ihren tanzenden, beständig wechselnden Glanz. Er dachte an ihre Beine – gerade genug und an den Stellen »ersetzt«, um sie auf Die-schönsten-Beine-derWelt-Niveau zu bringen. Er erinnerte sich an sie in den 218
prächtigen Sonnen-Nylonstrümpfen, und wie sie manchmal dasaß, kokette Beine baumelten von der Bettkante, ihre kleinen Füße waren mit Pantoffeln aus milchigem Glas geschmückt, deren hohe, stielförmige Hacken meistens durchsichtig waren, glühten und vor Diamanten schrien. Eine winzige Kugel aus rosa oder roten Federn, die kostspielig aus dem Gefieder eines exotischen Vogels geflochten war, der aus den Alten Tagen behalten worden war, machte manchmal jeden Pantoffel noch wertvoller. Wenn sie mit Bändern versehen waren, bestanden diese aus Neugoldmaschen, entweder waren sie weiß oder gelb oder grüngolden. Er kämpfte sich das Grundstück hinunter, bis er, sehr spät am Nachmittag, zu einer Stelle unterhalb ihres Schlafzimmerfensters kam. Er drängte den kalten und klebrigen metallenen Wunsch in ihm zurück, der ihn sich danach sehnen ließ, über das Grundstück zu fliehen, den Weg zurück, den er gekommen war, zurück zu seinem Schmiegesessel und zu seiner Denkarbeit, den Formeln, der angenehmen verwirrenden Präzision der Allumfassenden Schweren Probleme. Die heißen Wünsche des Fleisches, das immer noch ihm gehörte, meisterten den metallenen Wunsch, der rasch seine wahre kühle erste Wahl wurde, und er zwang seine sehr genauen »ersetzten« Augen dazu, vom Betrachten des grauen Grundstücks nach oben zu wandern und in ihr Fenster zu spähen. Die gelbe Angst, der bittere Geschmack des Goldes (sein Kehlkopf war daraus gearbeitet, um ihn gegen Krebs zu schützen) in seiner Kehle war widerlich, als Fragen sein Fleisch zu Fetzen der Befürchtung und des Zweifels zerrissen. War Jon fertig geworden? Würde sie sprechen? Hatte sie sich erinnert? Dann sah er sie! Seine sehr genauen Augen fanden sie. Er hielt sich mit seinen stählernen Händen an den 219
Wänden des Hauses fest. Sie lag auf einer weißen, mit Spitzen besetzten Decke auf ihrem weißen Bett. Der weite, faltenreiche Rock ihres weißen Kleides war fächerförmig ausgebreitet, so angeordnet, daß er einen vollkommenen, halbmondartigen Bogen bildete, der gerade die Mittelpunkte ihrer Knie durchschnitt, die in den dunklen Nylonstrümpfen fabelhaft aussahen, wobei die Spitzen des Halbmondes exakt auf die beiden Bettkanten ausgerichtet waren. Sie war vollständig bekleidet, sogar bis auf die sehr hochhackigen Glaspantoffeln, an denen viele Diamanten funkelten, und einen kleinen Hut aus grüngoldenen Schuppen und Ketten, die entzückend auf ein blaues Auge zuliefen. Ihre Brüste waren zwei kleine Hügel, die beerenförmige Gipfel hatten, und das steile dazwischenliegende Tal verengte und verbreiterte sich, verengte und verbreiterte sich auf eine Weise, die Wahnsinn herbeiführte. »Marmona!« schrie er, »oh, Marmona!« Sie reckte sich langsam wie eine träge Neumetallkatze. Sie wandte ihren Kopf, als sie fertig war, und starrte aus der oberen Fensterhälfte heraus, und auf ihrem Gesicht erschien ein majestätischer und hochmütig gelangweilter Blick. Und Verwirrung. Er rief wieder. »Ich bin hier, Jon«, sagte sie, »Wo bist du, Jon? O beeile dich Jon. Es tut mehr weh als vorher.« Seine Hände rutschten von der Wand ab; er fiel beinahe. Alle Geräusche von Metall waren in seinen Ohren, und alle Geschmäcke von Metall erstickten in seinem Hals. Die ganze Luft schien flammend zu explodieren und hatte einen beißenden Geruch. Er sah Jon. Der große Plastik-Jon kam durch ihre Schlafzimmertür, und er hatte ein Stück eines gläsernen Besenstiels in seinen Händen. Er war angewärmt und parfümiert und mit vielen Edelsteinen besetzt. Auf seine durch die Scharniere stockende Art und Weise stolzierte der aus Plastik be220
stehende für eine Weile durch das Zimmer, rieb und liebkoste das Stück eines gläsernen Besenstiels und trug eine warme Flüssigkeit auf ihn auf. Dann war er vorsichtig über ihr. Er fummelte an Verschlüssen herum. Er arbeitete eine lange Zeit mit, wie es schien, brennender Eile an Verschlüssen. Und am Ende des ganzen Vorgangs hatte Jon ihre Glaspantoffeln ausgezogen. Dann begann er, ihre Fußsohlen leidenschaftlich mit dem Glasstab zu reiben. Nach einer Weile erhob er sich, während sie vor Zufriedenheit stöhnte, und eilte in einen anderen Raum. Als er zurückkam, trug er acht kleine Glasstöckchen, die er unverzüglich zwischen alle ihre Zehen steckte und dann mit sanften, sägenden Bewegungen hin und her schwang. »So ist es viel besser, Jon«, murmelte sie. »Tut mir so gut, Jon. Ist so gut für mich, Jon. Ich werde wahrscheinlich gleich etwas schlafen.« »MARMONA!« schrie er dann, all die Enttäuschungen der vielen Monate und die augenblickliche Eifersucht auf den Plastikmann stiegen in ihm auf, um diesen großen Aufschrei hervorzubringen. Sie wandte ihren Kopf ein wenig, um aus der unteren Fensterhälfte herauszuschauen, und Jon setzte die sanfte Bewegung an ihren Zehen fort. Sie sah ihn, ihren Ehemann, sich an die Wand klammern, und es gab nirgendwo in ihrem Gesicht einen Ausdruck, der zeigte, daß ihr dieses Wesen dort das eine oder das andere bedeutete. »Jon ist noch nicht fertig«, sagte sie. »Er wird meine Zehen noch eine ganze Weile anregen. Da du mich nun zu Ostern gesehen hast, warum versuchst Du es nicht wieder einmal? An Allerheiligen?« Er rutschte ab und fiel hinunter auf den Plastikboden. Er kroch um ihr Haus herum, und an dessen Rückseite, wo sie ihn nicht sehen konnte, kam er mühsam wieder auf seine Beine. Dann, plunk plunt tap ta221
rap tunk tunka tap, machte er sich wieder über das stahlgraue Plastik des Grundstücks auf den Weg nach Hause, eine bemitleidenswerte Gestalt aus ein wenig Fleisch und vielen der »Ersatz« -Teile aus Neumetall und Neulegierungen, die dazu bestimmt war, wenn die Hoffnungen und Versprechen von Moderan wahr waren, ewig zu leben. Ungefähr um Mitternacht drückte ein Blechmann in den Jahreszeiten den Generalknopf für Regen, um die Lage noch jämmerlicher zu machen. Fröstelnd und naß und vor Enttäuschung zitternd erreichte er sehr früh am Montagmorgen sein Heim. Er ging unverzüglich zu seinem Schmiegesessel, wo ihn seine Arbeit erwartete, die Formeln und die angenehme verwirrende Präzision der Allumfassenden Schweren Probleme. Irgendwie, oh, irgendwie muß er sich beschäftigen und seine Fleischstreifen sie vergessen lassen. Zumindest bis Allerheiligen.
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Der vollkommene Vater Er sah sie weit über die eisig leuchtenden Flächen aus Plastik hinweg. Sie war eine auf und ab hüpfende Gestalt, die herangewatschelt kam, um ihm ihre Neumetallhände zu zeigen. Und tief in seinen Fleischstreifen fühlte er, wie eine Träne der Liebe versuchte, an die Oberfläche zu kommen, aber natürlich schaffte sie es nicht, denn er hatte Neumetallaugäpfel. »Mein kleines Mädchen! Wächst heran!« sagte er. »Da du mein Vater bist«, sagte sie, »und es mein erstes Mal ist, sagte Mutter, daß ich kommen sollte um sie dir zu zeigen.« Viereinhalb war sie. Er schaute sie an. Viereinhalb. »Sie wächst heran«, sagte er. »Mein letztes kleines Mädchen!« Ja, sie hatten sie vor viereinhalb Jahren von dem Ort, an dem sie die lebenden GebärmutterHüllen aufbewahrten, zu ihnen gebracht. Ihre Mutter und er hatten sich an einem Tage per Fernbesprechung über ihre Multi-Sichtschirme geeinigt – sie in ihrem blasenförmigen Heim, er fünf Felder entfernt in seiner eigenen denkenden Festung – daß es vielleicht ganz in Ordnung wäre, ein letztes Kind zu haben. Die zehn anderen hatten sich alle prächtig entwickelt – fünf kräftige Burschen und Mädchen waren sie, die jetzt kurz davor waren, »ersetzt« zu werden, alle jetzt in ihren eigenen Kugeln und über Allumfassende Schwere Probleme nachdenkend. Ein Ja für ein letztes Kind, bevor sie ihn da unten »ersetzten« und bevor die Gebärmutter-Hülle aus der Reihe der aktiven herausgenommen und zerstört werden sollte, oder als Erinnerung an seine Frau zurückgegeben werden würde, falls sie es wünschte. Es war im strahlenden sonnigen Mai, erinnerte er sich, als er mit seinem letzten Päckchen zu der 223
langen gläsernen Halle hinunterging, wo der Ausbrütungsbevollmächtigte die Samen annahm. Seine Frau war ihm die ganze Zeit auf dem Multi-Sichtschirm gefolgt, damit er sich nicht allein fühlte. Als der Ausbrüter sagte »Was?« und der angehende Vater sagte »Mädchen« und sie ein wenig scherzten, denn es war kein Geheimnis, daß es das elfte sein sollte, schien es fast, daß die Frau auch da gewesen wäre, so sehr lächelte ihr Bild. »Sie sind ein Rohling, der bestraft werden soll«, sagte der Mann, und der hoffnungsvolle Vater sagte »Ja!« obwohl er etwas später bemerkte »Es gibt nichts Besseres, um die Familie am Leben zu erhalten, als Kinder!« Der Ausbrüter stimmte zu, und die Frau lächelte breit. Als er zu dem Ort hinunterkam, an dem sie es in die Gebärmutter gaben, war sie auch bald dabei, sie kam auf ihren Strahlen herangewirbelt, um ihr Bild an seine Seite zu stellen. In dem kühlen, sauberen, nahezu luftlosen Gebärmutter-Raum schien es, daß er fast ihre Hände halten konnte, so gut waren ihre Strahlen an jenem Tage, und er fühlte sich nicht einsam, während die wundersame Handlung vollbracht wurde. In der Tat, wer würde nicht sagen, daß es die beste Art der Empfängnis gewesen wäre – er, das deutliche, lächelnde Bild seiner Frau, die Gebärmutter seiner Frau, das Samenpäckchen und der tüchtige, fast ganz aus Plastik bestehende Angestellte, der die Dinge ausführte und die richtigen Einstellungen vornahm? Aber das war vor mehr als fünf Jahren gewesen. Wie die Zeit vergeht und Raketen vorbeifliegen! Und hier war Kleine Schwester. »Hallo, Kleine Schwester.« Als sie wie eine Viereinhalbjährige zur Begrüßung schluckte, dachte er daran, wie es gewesen war, wie sie alle über die weißen Flächen zwischen ihm und der Wohnung ihrer Mutter gekommen waren, um ihre 224
Neumetallteile vorzuzeigen. Und wie sie alle naturgemäß so stolz auf ihre ersten »Ersatz« -Teile gewesen waren. »Er wächst heran! Mein kleiner Junge!« Oder »Meine kleinen Mädchen!« Er hatte es zu jedem gesagt, wenn es an der Reihe gewesen war. Und dann hatten sie ein wenig über die neuesten Raumschiffe oder über ein Allumfassendes Schweres Problem geplaudert, wobei er wußte, daß das Kind nichts verstand, aber es war alles, über das er sprechen konnte, und er wollte zweifellos sein Interesse zeigen und ein vollkommener Vater sein. Und dann, nachdem die Dinge langweilig geworden waren – nach, sagen wir, ungefähr fünf Minuten – wenn sie seiner müde waren und sie ihn anwiderten, dann würde es heißen, zurück über das Grundstück zu Mutters Wohnung zu gehen; sie tappten unbeholfen, gingen aber immer stolz, freuten sich über die neuen Dinge, die sie bekommen hatten. Und dann würde ungefähr ein Jahr vergehen, bevor sie wieder da wären, um ihn zu belästigen. Der Anlaß dazu würde eine größere »Ersetzung« durch die Umbauer sein – und dazwischen wäre er die ganze Zeit von ihnen befreit, um in seinem Schmiegesessel zu sitzen und zu denken. Ja, er saß in einem Schloß aus Gedanken, während weit entfernt, jenseits von fünf Feldern, ihre Mutter sie drüben in der Kinderkuppel durch Automatiken aufzog, wo sie die Tu-was-Knöpfe drückte. Sie schaute zu ihm auf, ihre blauen Augen blickten aufmerksam aus einem Gesicht, das aus wunderschönem Fleisch bestand. Und wieder versuchte eine Träne, an seine Oberfläche zu kommen, während er mit flinken Gedanken über neue Raumschiffe nachdachte und sich danach sehnte, daß die Tränen ihre nutzlosen Versuche aufgaben. Was für eine sonderbare ärgerliche kleine Unan225
nehmlichkeit es war. »Kleine Schwester«, sagte er, »wenn Du nicht aufhören kannst, mich so anzuschauen, dann mußt du deine Maschinen anwerfen und abzischen.« »Papi! Mutter sagt, daß ich ungefähr ein Jahr lang nicht zurückkommen kann, um dich zu sehen. Nicht bevor die Umbauer meine Füße auswechseln. Und da du mein wirklicher Papi bist, glaubst du nicht, daß das eine zu lange Zeit ist? Ich möchte dich ansehen!« »Nein«, antwortete er, ohne zu denken, »ungefähr ein Jahr. Das kommt ungefähr hin. So ist wahrscheinlich dein ›Ersetzungs‹-Programm aufgestellt worden. Es ist das Übliche.« »Aber Papis sollen Papis sein«, brach es auf einmal aus ihr hervor. »Ich habe in den Programmen gehört …« KRACH! Sein Schmiegesessel stieß seine beiden anderen Füße von dort zu Boden, wo er sie hingeneigt hatte, um besser denken zu können, und augenblicklich war er auf seinen Füßen, klirrte und rasselte und schwitzte. »DU HAST IN DEN PROGRAMMEN GEHÖRT?!« Dann wußte er, wie die Frau ihn betrogen hatte. Als ihre letzte, endgültige Chance, ihn zu treffen, versuchte sie, ihn mit der Erziehung des kleinen Mädchens zu überlisten, drückte sie die alten Tuwas-Knöpfe, ließ sie das Mädchen einiges von dem alten Schund über Liebe, Zusammensein und den familiären Ärger hören. »Kleine Schwester«, keuchte er, und er wußte, daß er heute nicht viel über Raumschiffe, die Probleme der Roten Galaxis oder das Rennen nach Marsoplan sprechen würde. »Kleine Schwester, du mußt mir zuhören. Und erinnere dich an das, was ich gesagt habe. Klammere deinen jungen Geist an diese Dinge, denn deine Zukunft könnte durchaus von ihnen allen abhängen. 226
Einmal, vor langer Zeit, in einem Zeitalter des Entsetzens, waren die Lebensbedingungen so, wie es dich deine Mutter in den alten Tu-was-Röhren in dem verlassenen Kindergarten hat hören lassen. Die Leute lebten in Trauben von Zimmern zusammen, ganze Familien ballten sich nicht nur in Gedanken zusammen, sie konnten sich ebenso sehen und riechen wie auch fühlen. Ihre Persönlichkeiten waren falsch; ihre Charaktere entfalteten sich entstellt; sie waren lebende Alpträume von Widersprüchen, weil sie sich gegenseitig durch ihre Nähe verdarben. Sie aßen sogar zusammen, und zwar eine Nahrung, die ihr, dank all der Kräfte des Denkens, niemals gesehen habt – Speisen, die oftmals in großen Klumpen gereicht wurden, die sie mit dem Mund aufnahmen und sogar mit ihrer eigenen Kraft kauen und schlucken mußten. Nun, wer würde für so etwas heute Zeit haben, wenn wir das Bedürfnis nach Energie-Mentalik haben und die alles zur Seite drängende Notwendigkeit besteht, alle unsere Fähigkeiten für Allumfassendes Scharfsinniges Denken zu benutzen? Und erinnere Dich daran. SIE GINGEN IHR GANZES LEBEN IN DER SCHWÄCHE IHRES FLEISCHES!« Kleine Schwester tupfte ihre Augen mit ihren stählernen Fingern ab, und aus einem unerklärlichen und überaus ekelhaften Grunde fühlte er, wie die Träne der Liebe tief in ihm wieder versuchte, ihn aus der Fassung zu bringen. »Es hörte sich so wunderbar an«, sagte sie. »Vatis liebten ihre kleinen Mädchen. Und manchmal an Weihnachten … Was ist Liebe? Was bedeutet es?« BUMM BUMM WUMM!!! Er drückte den Knopf für Großes GROSSES Getöse als Entgegnung auf dieses zweite ES, das eine kleinere »äußerste Möglichkeit« war, und in seiner ganzen Plastikfestung schlugen Gegenstände zusammen und machten sicherlich 227
ein schlimmeres Geräusch als Donner und Küstenbatterien und feuernde Feldgeschütze in den Alten Tagen, bevor wir unsere Atmosphäre, deren größter Teil, hinaus nach Marsoplan transportierten. Als das Große GROSSE Getöse vorüber war und er die Alleserledigt-Knöpfe gedrückt hatte, stand sie einfach da, ein erschrecktes kleines Mädchen, das sich seine stählernen Finger in die Ohren gestopft hatte. »Liebe!!« sagte er in einem stillen Ausruf, und seine Stimme war mit Entsetzen angefüllt, damit er die vollständige Wirkung erzielte, »laß uns nie wieder etwas über dieses Wort hören, niemals, dieses ekelhafte, unmögliche Wort, für das dir, wenn du es jemals hier wieder in den Mund nimmst, der Mund mit reinem kochendem Blei ausgespült wird. Nun, fahren wir fort. Einige der Schrecken der Vergangenheit habe ich angedeutet, wie zum Beispiel das Zusammenleben, wirklich gräßliches, klumpiges Essen kauen zu müssen und immer in Fleisch herumlaufen zu müssen, ohne Hoffnung, oder sehr wenig Hoffnung auf – Metall!« Um einen entscheidenden Punkt seine Wirkung tun zu lassen, sprang er plötzlich zu ihr hinüber, bis seine stählernen Füße dicht neben ihren standen, und er zwickte kräftig ihr Gesicht mit einer Stahlhand, während er einen stählernen Fingernagel der anderen zwischen ihre Rippen grub, er verletzte sie nicht, machte es aber schmerzhaft genug, daß sie es spürte. Während sie aufschrie und kreischte, um den Schmerz zu überwinden, sprach er sachlich weiter. »Weißt du, Kleine Schwester, in den alten Tagen hatten sie keine Hoffnung. Fleisch die ganze Zeit und keine Chance, aus ihm herauszukommen, und das schreckliche Kneifen und Mit-den-Fingernägeln-Stoßen, daß sie sich gegenseitig die ganze Zeit zugefügt haben müssen! Wie das Blut geflossen sein muß! Und die Schreie. Oh, 228
Schrecken! Aber du, Kleine Schwester, hast die schöne Hoffnung, eines Tages fast ganz aus Neumetallegierungen zu bestehen, mit dem äußersten Minimum an Fleischstreifen, die dich zusammenhalten, und diese können geschickt überzogen und getarnt werden, bis fast niemand mehr weiß, wo er dich kneifen und stoßen kann. Und außerdem könntest du eines Tages, wer weiß, wenn sich die Frauenrechte weiterentwickeln, eine Festung haben, die fast so gut wäre wie meine, mit all den Waffenmännern und Warnern, die dir helfen können, und dann wirst du vor all den Kneifern und Stoßern fast in Sicherheit sein, denn du kannst sie in die Luft jagen, während sie noch ein gutes Stück entfernt sind. Und wer macht in diesen vollkommenen, spaßerfüllten Tagen der Automatiken, in denen fast jeder in seinem Schmiegesessel sitzt, von Gerarbs fachmännisch bedient wird, und im allgemeinen über Allumfassende Schwere Probleme nachdenkt, überhaupt noch Besuche? Außer kleinen Mädchen vielleicht, die eine sehr kurze Zeit lang ihren Vatis alles zeigen, was sie an Neuem bekommen haben.« Er dachte, daß sie den Hinweis verstehen könnte, aufhören würde zu schreien, ihm nochmals ihre neuen Hände zeigen und dann zu dem blasenförmigen Heim ihrer Mutter abzischen würde. Aber nicht Kleine Schwester! Sie hörte zu schreien auf, stieß nach einem Paar wässerig blauer Augen und heftete ihre Augen mit einem stumpfen Starren auf ihn. »Ich kam, um mich gut und lang mit dir zu unterhalten«, sagte sie, »Papi. Und dann wirst du mich einfach nach Hause begleiten müssen, denn zu der Zeit wird es Nacht sein, und ich würde mich davor FÜRCHTEN, alleine über das ganze Plastik in der Dunkelheit zu gehen. Und außerdem mußt du ohnehin herüberkommen, um zu helfen, einige der Knöpfe zu drücken. Mutter sagt, 229
daß sie die Nase davon voll hat, alle die Tu-was selber zu erledigen.« Oh, Entsetzen! Elend! Sorge! Verdammung! Kummer! Was für eine Plage kleine Mädchen doch sind, dachte er. »ICH KANN KEINES VON DEN TU-WAS MACHEN«, sagte er laut schreiend. »Außerdem besagte die Übereinkunft, daß deine Mutter die Tu-was übernehmen und dich aufziehen würde, wenn ich die Samen für dich hinunter zum Ausbrüter bringen würde. Und abgesehen davon gab es kürzlich Ärger in der Roten Galaxis und das Rennen nach Marsoplan weicht gegenwärtig seltsam vom Normalen ab und verlangt, daß wir alle klar denken. Tut mir leid, aber ich habe hier Arbeit, die mich zurückhält. Du darfst dich einfach nicht von der Dunkelheit umfangen lassen, und deine Mutter wird die Tu-was selber erledigen müssen. Denn das Große Denken des Universums kann nicht durch ein Kind aufgehalten werden.« Sie begann einen der Ausbrüche, die er bei allen anderen Kindern so haßte. Sie warf sich auf den Boden. Sie ließ sich auf die Knie fallen und sprang wieder hoch. Sie klatschte in einem bestimmten Rhythmus ihre Neustahlhände gegeneinander. Sie begann, ihre Kleider auszuziehen. Und dabei kreischte sie die ganze Zeit »Ich will Papi! Ich will Papi!« So ein ekelhaftes, niederträchtiges fleischernes Geschöpf, das diese ganzen peinlichen Gefühle zeigte. Aber das Ergebnis war, daß er bald draußen auf den eisig leuchtenden Plastikplatten war, gekleidet in einen alten WegwerfSchmiegeraumanzug, und auf Mutters Wohnung zuging, und Kleine Schwester hüpfte neben ihm auf und ab und frohlockte: »Vati wird ein Tu-was machen, Vati wird ein Tu-was machen.« Und hoch droben, irgendwo draußen im dunklen Blau der zunehmenden Dunkelheit, vernachlässigte er die Probleme der Roten Gala230
xis, wie er wußte, und das Rennen nach Marsoplan benötigte seine beste geistige Zeit. Als er an alle ihre Schweren Probleme dachte und beobachtete, wie Kleine Schwester so glücklich unwissend, vom Fleisch besessen neben ihm ging, fühlte er, wie eine Träne von irgendwo tief unten in einem fast schon vergessenen Fleischstreifen aufstieg, und, indem sie dann durch mannigfaltige Linsen brach, bildete sie einen recht großen Klecks, einen Schandfleck, der die wunderbare Präzision seiner weite Strecken absuchenden mechanischen Augäpfel in beträchtlichem Ausmaße einschränkte. Da er jetzt nicht fähig war, klar zu sehen – in der Tat sah er eine gewisse Zeit fast überhaupt nichts – umklammerte er die stählerne Hand von Kleine Schwester, und sie schritten kräftig aus, und er bewegte sich weiter mit ihr über das glatte Grundstück, blind vor Tränen, der herankommenden Dunkelheit entgegen.
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War sie nicht schrecklich? Ich entdeckte sie auf meiner Frühwarnlinie, als sie noch ein gutes Stück entfernt war – nur ein Fleck auf dem letzten meiner Plastikhügel, auf denen ich nach Feinden Ausschau hielt. Ich geleitete sie den ganzen Weg herein, den ganzen langen Weg, als sie näherkam, planlos wie ein kleines Mädchen gehend, etwas in ihren kleinen Armen wiegend. Einen Augenblick lang taumelte mein Geist zurück, und ich dachte, »Es ist nur Kleine Schwester, die den Kleinsten Aller Engel zu meiner Tür trägt.« Dann sprangen meine Gedanken zum JETZT zurück, als sie an das Tor pochte, und ich hieb auf die Waffenknöpfe, bis alle Werfer auf meinen äußersten Wall gerichtet waren. »Die Parole! Schnell!« rief ich, und ich hoffte wirklich, daß sie die richtige geben konnte. Anderenfalls müßte ich die Werfer starten. Und möglicherweise war es nicht eines der in Bodennähe kriechenden Geschosse, die, wie ich gehört hatte, die Hexe in den großen Laboratorien ihres Plastiktals entwickelt hatte. Vielleicht war es nicht eine getarnte laufende Puppenbombe, die dazu bestimmt war, mich in die hohen Himmel und alle Winde zu jagen. Es könnte wirklich Kleine Schwester sein, die wahrhaftig die geheime Parole vergessen hatte. »Pracht-des-Morgens-fein-und-herrlich«, lispelte sie so scharf wie eine kleine Reißzwecke, und ich bemerkte, daß ihre großen-großen Augen echt waren, und, wie ich glaubte, Liebe ausstrahlten. Es war ein kleines Mädchen! »Gehen Sie vor zu Tor 10 und lassen Sie sich erkennen!« Erleichtert hieb ich auf den Schalter, der das elfte, äußerste Tor öffnete. Sie kam durch die Wälle 232
heran, als ich die Tore zurückdrückte. »Halten Sie sich zur Entgiftung bereit«, wies ich sie an, wobei ich die ganze Große Ansprache rezitierte, als sie vor dem vorvorletzten Tor stand; sie war fett und rund in ihrem Spielzeug-Raumanzug. Sie hopste kleinmädchenhaft freudig, sie würde ihren Papi sehen. Aber ich mußte aufpassen. Es könnte ein Trick und eine dumme Falle sein. Ich lenkte alle meine Prüfer und Entgifter auf sie, als ich sie durch das vorletzte Tor ließ, ich verfolgte sie sorgfältig mit meinen Waffen. Als sie vor dem letzten Tor stand, fragte ich sie: »Hast du einen Paß, um hier zu sein? Hat dir die Hexe ein Papier ausgeschrieben?« »Ich bin der Hexe entwischt und sprang auf einen Rollweg«, sagte sie und kicherte. Das gefiel mir. Hexe war die Frau, die ein Dutzend Plastikhügel von mir entfernt mit, wie man mir von Zeit zu Zeit berichtet hatte, mehr als einem Dutzend verschiedener Plastikmänner lebte. Aber ich hatte die ganzen Werfer und die Sehende Wand nicht nur für die Hexe. Hexe war nur ein Teil meines Kummers, im Moment sogar fast der winzigste Teil, da die Dinge in der Welt so sind, wie sie sind; sie lebte mit ihren Plastikmännern im Tal der Weißen Hexe, und wir sahen uns wirklich höchst unregelmäßig. Manchmal tauschten wir zu Weihnachten frostige Grüße – »Fröhliche Weihnachten da drüben!« – über unsere Multi-Sichtschirme aus; manchmal schickte ich ihr zu Nikolaus alte Besenstiele als Zeichen meiner Liebe. Und einmal fanden wir uns beide an einem nicht lange zurückliegenden Ostern – ich konnte es mir niemals erklären – außerhalb unserer Wälle, wie wir mit unseren Schnüffeloskop-Sehern gegenseitig die Festung des anderen in Augenschein nahmen, als sich die rosa Sonne gerade über die eisähnlichen Plastikhügel schob. Als ich mit meinem Glas direkt in ihr Glas blickte und die schauerliche blaue 233
Kugel sah, die ihr neuestes Auge war und ich einfach dachte, an den ganzen eisigen Menschenhaß in der Welt dachte, alterte ich um zehn Jahre. Und wer konnte sich daher wundern, daß hinter den Wällen dort draußen die Bunker zwei Meter fünfzig dick sind und die Stahlmänner warten? Es ist nicht merkwürdig, daß ich die kriechenden Geschosse, die laufenden Puppenbomben und das Aufblitzen der Raketen der Weißen Hexe fürchte, wenn man sich darüber im klaren ist, daß alles, was ich dagegensetzen kann, beständige Wachsamkeit und alle Waffen, die ich bekommen kann, sind. Aber sie hatte meine Kinder – meinen kleinen Jungen und mein kleines Mädchen – vor langer Zeit in jener anderen Welt. Er ist jetzt auf die Seite der Plastikmänner gegangen und arbeitet meistens mit seinem Weltraumspielzeug … und sieht kaum jemals seinen Vati. Er ist damit zufrieden, von mir, seinem Vati, weg zu sein. Aber wie ich sagte, war die Hexe jetzt nicht die einzige Drohung. Ich betrachtete sie im Moment noch nicht einmal als die größere Bedrohung. Sie war ein Störenfried. Die unerbittlichen Feinde waren irgendwo jenseits der weiter entfernten Hügel, und dann war da noch die Zeit … Die Zeit, die versuchte, durch meine Fleischstreifen zu kommen, bevor ich bis zum Letzten durchdringen konnte. »Hallo, Kleine Schwester.« Die Entgifter hatten ihr einen sauberen Schein ausgestellt; der Waffenbericht hatte angegeben, daß sie in Ordnung war – ZUVERLÄSSLICH was ihre Person betraf und ein verschwommenes EINGESCHRÄNKT wurde für das angegeben, was sie trug. Ich sah, daß sie den Kleinsten Engel trug und deshalb hielt ich es für ein annehmbares Risiko – ein kleines Mädchen und seine Weltraumpuppi. Ich ließ sie durch. Und jetzt stand sie vor mir, 234
ein winziger dreijähriger Engel, ganz aus Fleisch und Knochen und Blut, bis jetzt, außer ihren Zähnen, die aus Stahl waren. Und so weit hatten sie die Umbauer von Moderan bis jetzt ersetzt, aus Achtung vor ihrem Alter. Im Alter von zwölf, wenn sie noch lebte, würden alle ihre Glieder aus Metall sein, und vielleicht würden in diesem Alter einige ihrer Organe mit Metall überzogen sein. (Ich bestehe selbst zu zweiundneunzigeinhalb Prozent aus Metallegierungen, die dazu bestimmt sind, ewig zu funktionieren!) »Wie geht es dir, Kleine Schwester?« Sie lispelte, hopste vor Freude, »Ich bin gekommen, um mit dir zu leben, Vati. Ich bin der Hexe weggelaufen. Du brauchst Liebe!« »Oh, Nein!« Ich war bestürzt und völlig niedergeschmettert. Ich erhob mich aus meinem Schmiegesessel und stand zitternd da, aus allen meinen Fleischstreifen ergoß sich kalter Schweiß. Alle meine Metallteile, wo sie mich umgebaut hatten, klirrten und zischten. Ein kleines Mädchen, das mit mir lebte! Was würde es meinem Denken antun? Meiner Arbeit? Würde sie nicht versuchen, mir in den Stimmungsraum des Primitiven zu folgen, wo die Wände Steine waren und leuchtend blutfarben …? Würde sie nicht wissen wollen, wie es in dem Weißen Raum der Unschuldigen war, wenn sich die zwei Tonnen schweren schwarzen Metallkugeln auf den Ketten bewegten …? Würde sie nicht peinlicherweise wünschen, als Hilfe mitbeteiligt zu werden, wenn ich daranging, meine Fleischstreifen mit den komplizierten Flüssigkeiten intravenös zu füttern? Und was würde sein, wenn sie eines launischen Tages, ohne daß ich es wüßte, alleine in die Schrecken der Röhre der Million Spiegel wanderte, wo ich, inmitten der aufblitzenden Einsamkeit, nach meiner wahren Widerspiegelung suche? 235
»Kleine Schwester«, schrie ich, und ich hielt mich an allen Gegenständen fest, die ich erreichen konnte, und ich stützte meine Knie an zwei Waffenmännern, die neben mir standen, so daß ich jetzt kaum noch rasselte und zischte, »weißt du, was ich nur durch einen Fingerdruck mit dir machen könnte? Weißt du, daß dies ein bewaffneter Ort ebenso wie ein gepanzerter Ort ist, Kleine Schwester? Bist du dir darüber im klaren, daß, falls du mich festhalten oder mich zusammenschnüren solltest, ich immer noch einem meiner automatischen Waffenmänner ein Zeichen geben könnte, und er würde die richtigen Dinge unternehmen, um dich zu erwischen? Und falls die äußerste Möglichkeit eintritt, Kleine Schwester, wenn alles sonst nur noch völlig verloren schiene, könnte ich zu irgendeiner von all diesen Röhren in der Decke, all diesen Röhren in den Seitenwänden oder dem Boden einen gewissen Satz sagen, und das würde eine Kettenreaktion in einer Festung auslösen, die ich in einem Berg versteckt habe, der weit von diesen Wällen entfernt ist. Und all dies hier würde in die Luft fliegen! Du würdest nicht gewinnen, weißt du, sogar dann!« Ich zitterte gegen die in der Nähe stehenden Waffenmänner; wie sehr ich mich auch bemühte, es nicht zu tun, so verursachten meine Hände doch ein klirrendes Geräusch, wo ich mich an zwei Stahlpfosten festhielt. Und das kleine Monster stand einfach da, ein winziges Mädchen in einem SpielzeugRaumanzug lachte zu mir hoch, zwei spottende blaue Augen, wie es schien, und sie hielt immer noch das Ding, das, wie ich sehen konnte, der Kleinste Engel war. »Du würdest nicht gewinnen, Kleine Schwester!« Schweiß aus meinen Fleischstreifen fiel auf den Boden. »Du würdest mich nicht haben wollen?« 236
»Ich könnte dich nicht aufnehmen. Versuche nicht, mich zu zwingen. Es würde mit meinem scharfsinnigen Denken in Konflikt geraten. Ich würde eine völlig verschiedene Person sein, wenn du um mich herum wärest. Ich könnte mich nicht mehr bis zu Dem Letzten durchforschen!« Ich fand, daß ich fast kreischte. »Dann werde ich gehen. Ich glaubte, Du brauchtest Liebe.« »Liebe!!! Nein, ein Besuch ist in Ordnung. Zehn Minuten oder so, da du ein unmittelbares Familienmitglied bist, falls du nichts mitbringst, um mich zu verletzen. Aber Liebe – nun, es würde eine Plage sein – so unrealistisch. Und ich könnte vergessen, nach den Feinden Ausschau zu halten.« »Ich gehe jetzt!« Ihre aufgeworfene Unterlippe zeigte an, daß sie glaubte, daß ihre Gefühle verletzt worden waren. Oder was ihr Benehmen sonst besagen konnte. Bei kleinen Mädchen kann man das nur schwer sagen. »Ich bin froh, daß du kommen konntest«, sagte ich. Ich fürchte, ich sagte es ein wenig gezwungen. In solchen Augenblicken konnte ich mich niemals lockern. Aber da ich sehen konnte, daß das Ende des Besuchs in Griffweite gerückt war, bemerkte ich, daß ich nicht mehr klirrte. »Nun, wenn du gehen mußt –« sagte ich. »Hexe wird sich wahrscheinlich Sorgen machen, weißt du«, sagte ich. »Bei einem anderen Waffenstillstand, vielleicht – komm wieder –« Dann ging sie, hinaus durch alle Tore, wobei die Waffen sie verfolgten. Und ich bemerkte, daß sie fortgesetzt über ihre Schulter zurückblickte, aber es gab keine Tränen in ihren Augen, und ich fragte mich vage, warum ihre Stahlzähne zu einem, wie mir schien, teuflischen Grinsen eines kleinen Mädchens entblößt waren. Dann blickte ich auf den Boden, auf dem sie die aufgeblähte und knollenförmige Weltraumpuppe, Kleinster Engel, zurückgelassen hatte, und ich bückte 237
mich, um sie aufzuheben und ihr schnell zu bringen. Als ich den Kleinsten Engel berührte, wurden meine beiden Arme bis zu den Schultern abgesprengt. Und die Pranke eines Riesen schien mich hochzuheben und durch zehn Räume zu schleudern. Vermint! Aber ich war nicht ernstlich verletzt. Ich erholte mich rechtzeitig, um zu sehen, wie Kleine Schwester auf einem Rollweg den letzten meiner Plastikhügel hochfuhr. Als sie sich umwandte und gerade von der Spitze der letzten Steigung winkte, einfach einen fetten röhrenförmigen Arm in einem Spielzeug-Raumanzug wie einen Windmühlenflügel in meine Richtung schwenkte, bevor sie sich in das Tal der Hexe hinunterwandte, nehme ich an, daß ich sie mit den Werfern hätte vernichten sollen. Denn ich nehme an, daß sie dachte, dem Ort, an dem Sie ihren Vati gestorben glaubte, einen letzten Gruß zuwinken zu müssen. Aber meine Arme waren immer noch nicht wieder befestigt worden, damit ich die Knöpfe drücken könnte, und wer könnte sagen, daß Kleine Schwester wirklich dafür verantwortlich gemacht werden konnte, daß der Kleinste Engel vermint gewesen war? Vielleicht war es zum größten Teil Hexe, und das wäre der Grund, warum die lauten Kapellen spielten und ein Schauer von Flaggen und Siegesfeuerwerken in der Luft über ihrem Tal ausbrach, während ich auf den schwarzen Stummeln meiner Schultern lag und nach Luft rang. Und außerdem sehe ich mich anderen Feinden gegenüber, bösen unerbittlichen Feinden, deren Flügel durch die milchige Luft peitschen, die mich aus einer braunen Entfernung beobachten. Sie wetzen Hörner und Klauen und Zähne voller Gefahr, und sie schütteln ihre Reptilienschwänze für das wirbelnde Herabstoßen, das MIR ein Ende bereiten wird! Oh, ja! Morgen muß 238
ich noch dichter bei meinen Werfern stehen und nach einem Weg suchen, mit dem ich meine Wachsamkeit auf den Hügeln verdoppeln kann.
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Ein flüchtiger Blick auf die Vergangenheit Weil sie viel Freizeit im automatischen Land der Neuen Methoden hatten und auch weil die Rollwege, jene schnellen, teueren Förderstraßen des Königreiches, sicherlich für eine solche Pilgerfahrt unangemessen gewesen wären, gingen die Menschen zu Fuß. Unter dem rotbraunen Gasschirm des heißen Juli zogen sie in Gruppen über die Grundstücke und Flächen, wie Heuschrecken, die in den alten Tagen zu Weizenfeldern zogen. Tap-a-tap, tarrump-tarrump tap-a-tap kamen sie auf ihren metallenen Füßen heran, insgesamt sehr viele, bis das Geräusch von Metall, das auf Plastik schlägt, zu einem ununterbrochenen und drohenden Donnern geworden war. Die Nachricht hatte sich schnell an jenem Morgen in der Mitte des Juli verbreitet. In weniger als zwei Stunden wußte jeder von der Ankunft des wunderlichen Dinges und kurz danach bewegte sich fast jeder Hals über Kopf auf es zu. Auf die Bitte der Grünen Versammlung hin hatten es Flieger aus Älteran während der sehr frühen Morgenstunden durch einen die ganze Welt umspannenden Luftkorridor im Schutze der Dunkelheit bis zu den Toren des Gebäudes für Altertümliche Sitten eingeflogen. Sie hatten es sorgfältig in seinem gepolsterten Kasten aus dem kontrollierten Klima des Schiffes aus Älteran herausgetragen. Und sie stellten es auf seinem besonders vorbereiteten gläsernen Ständer auf einem Podium aus schwarzem Plastik in dem Gebäude für Altertümliche Sitten auf. Dann drückte die Grüne Versammlung feierlich auf die Knöpfe, die die Ausstellung auf allen Bildwänden des Landes ankündigte, und sie ehrten es, indem sie eine Woche zur Woche dieses komischen Dinges erklärten. 240
Über die Grundstücke und Flächen zogen die Horden der Neugierigen heran, mit dem eigenartigen Eisen-auf-Plastik-Donnern, auf die Türen des Gebäudes für Altertümliche Sitten zu. Und Gespräche wurden unter den mächtig mit Metall versehenen Leuten des Landes der Neuen Methoden gehört. Es wurde gehört, wie eine robuste Dame aus »Ersatz« -Teilen, die vorwiegend aus der ziemlich alten als X-Eisen bekannten Legierung waren, zu einem jüngeren Ding aus den neuen Goldsiegel-Legierungen bemerkte, daß überlieferten und nochmals überlieferten Geschichten zufolge der Vater ihres Urururgroßvaters von einem kleinen, monströsen Gerät besessen gewesen war, das dem sehr ähnlich war, das sie gleich sehen würden, und er hatte auch dauernden guten Gebrauch von ihm gemacht. »Vor so kurzer Zeit! Stellen Sie sich nur vor!« schrie und kreischte sie wie eine Wildgans aus ihrer Kehle, die vor langer Zeit in X-Eisen gearbeitet worden war, um sie vor Krebs zu schützen. Sie stellte jenes allumfassende gute Gefühl zur Schau, das überall allen Frauen gemein ist, wenn sie in der Lage sind, einer anderen Frau eine ziemlich schockierende Information zukommen zu lassen. »So weit zurück, wie wir uns die Mühe gemacht haben zu suchen«, entgegnete die andere ganz in überheblicher Kollegialität, »sind wir auf diesem Gebiet so sauber wie eine Flamme. Aber wie dem auch sei, ich möchte das Ding natürlich trotzdem sehen. Wissen Sie, einige meiner Vorfahren, vor langer langer Zeit, im Raumfahrtzeitalter wahrscheinlich, müssen diese Dinger gehabt haben, müssen von ihnen abhängig gewesen sein. Wie schrecklich!« »Nun, man sagt, daß seins meinem Vorfahr schrecklich gute Dienste leistete. Er nahm es mit, wo er auch 241
immer hingehen wollte und benutzte es die ganze Zeit«, bemerkte die X-Eisen-Dame mit einer Geste altertümlicher Familienloyalität. »Aber ich denke, daß er es wie jeder andere damals hätte ›ersetzen‹ lassen, wenn er nicht so oft außerhalb des Landes gewesen wäre, im Raumdienst, bei den Schlachten der Million Untertassen auf Mars und jenem schrecklichen purpurnen Ding auf der Venus. Sie wissen ja, damals, wo man unsere Jungs mit Wolken aus purpurnem Staub aufgehalten hat. Hatte einfach nie die Zeit zum Überwechseln, so schien es. Und man sagt, daß man gehört hat, wie er einmal bemerkte, daß er, weil er so viele Dinge bei Schlachten und an Orten gesehen hatte, denke ich – wahrscheinlich besonders jenes schreckliche purpurne Ding auf der Venus – sowieso nicht ewig leben wollte. Können Sie sich vorstellen, daß irgend jemand so etwas sagt?« Die andere konnte es sich nicht vorstellen und sagte es mit angemessenem Kreischen und Ticken und Glucksen aus ihrer Goldsiegel-Kehle. »Aber natürlich war das bevor die Leute Dinge hatten, wie wir sie hier im Land der Neuen Methoden machen«, fuhr die X-Eiserne fort, die immer noch darauf erpicht war, das Verhalten ihres Vorfahren zu rechtfertigen. »Stellen Sie sich vor, keine schönen und hygienischen Plastikplatten mit Farbwechseln zu haben und keine Lebe-allein-Hauskugeln, in denen jeder Mensch für sich leben kann. Denken Sie, wenn Sie können, zurück an eine Zeit, die vor der Zeit der allumfassenden Pracht lag, in der es nicht möglich war, einen ganzen metallenen Garten durch die Löcher in den Grundstücken einfach mit einem Hieb auf einen Knopf zum Blühen zu bringen. Mein Vorfahr sah wahrscheinlich noch nicht einmal eine der wunderschönen metallenen Blumen, wie wir sie heute als selbstverständlich 242
betrachten. Und er hatte nicht die blechernen Mandolinenspieler oder gar eines der großartigen Plastiktrios, das ich heute nacht auf eine Laune meiner Strahlen hin haben kann. Die Luft, die er atmete, war nicht aufbereitet, falls er sich nicht in einem Zimmer befand und selbst dann war sie in neun von zehn Fällen nicht gewürzt. Er kannte nicht die Pracht der Former mit ihren nächtlichen Panoramen, auch nicht die Farbwerfer, die wir so unterhaltend finden. Er hatte nicht den in jedem Monat verschiedenfarbigen Gasschirm, der bei uns für so eine hübsche Welt sorgt. Für ihn gab es immer nur blauen Himmel und jene schreckliche gelbe Sonne, falls er keine Wolken hatte, und dann war es grau. Hu! Er hatte nicht einmal eine Sexmaschine! Denken Sie nur, wieviel er von dem, was wir haben, nicht hatte, und dann werden Sie vielleicht verstehen.« »Oh, ja«, stimmte die andere zu, die ihre Begleiterin zu besänftigen wünschte, »und zu der Zeit, in der Ihr Vorfahr lebte, dachte sowieso niemand viel daran, ewig zu leben. Wahrscheinlich. Ich stelle mir vor, daß damals die ›Ersetzungen‹ gerade erst begonnen wurden. Nun, ich wette, daß es damals in der ganzen Welt niemanden gab, der behaupten konnte, zu mehr als fünfzig Prozent aus ›Ersatz‹-Teilen zu bestehen. Und wenn er es konnte, dann war es wahrscheinlich irgendein wiederhergestelltes Schlachtenopfer oder ein aufs Geratewohl wieder zusammengesetzter Fall aus einem Autounfall. Und nicht wissenschaftlich. Aber schauen Sie sich und mich an. Sie sind ungefähr auf neunzig, nicht wahr? Und wissenschaftlich!« »Einundneunzig«, log ihre Begleiterin. »Und mit diesen neuen, schnell versiegelten Legierungen, die sich so leicht mit dem Fleisch verbinden, könnte es mir sogar möglich sein, höher zu gehen. Aber sogar jetzt, da neun Prozent von mir aus Fleischstreifen und 243
menschlichem Blut bestehen, glaube ich nicht, daß die Wahrscheinlichkeit groß ist, daß ich sterben werde.« »Ich hoffe nicht«, stimmte die andere zu. »Natürlich bin ich selbst bei zweiundneunzigeinhalb, und ich beginne morgen mit neuen Behandlungen!« (Sie log ebenfalls!) Tap-a-tap tarrump-tarrump tap-a-tump gingen sie weiter, ohne mehr zu sprechen, auf das Gebäude für Altertümliche Sitten zu, als Teil einer Horde, die den ganzen Tag weiterzog, bis die Vorhut sehr spät am Nachmittag die äußeren Tore des Gebäudes erreichte. Funktionäre der Gesellschaft für das Bessere Verständnis Altertümlicher Sitten erlaubten ihnen, in Einerreihen durch ein Eingangstor zu gehen, das schwer mit Ersatzmoos und Blechefeu behängt war. Sie gingen weiter in einen Raum hinein, in dem eine kleine runde Hülle aus reinstem Glas auf einer uralten schwarzen Decke ruhte. Und jeder der neugierigen Leute aus dem Land der Neuen Methoden durfte einige Sekunden lang auf die Glaskugel und ihren sonderbaren Bewohner starren, der, in einem sorgfältig kontrollierten Klima, am Leben war und emsig an einer Aufgabe schuftete, die heute unwirklich, aber vielleicht vor mehr als hundert Jahren für ihn wirklich gewesen war. Ungefähr nächste Woche würde die Gesellschaft für das Bessere Verständnis Altertümlicher Sitten einen Brief des Dankes und der Würdigung für die Ausleihung des überholten Ausstellungsstückes schreiben. Und ein großzügiger Scheck für Älteran würde dazugelegt werden, für jenes kleine Berg-und-Meer-umschlossene-Land, dessen gottesfürchtig sonderbare Bevölkerung sich an Eigenheiten des Fleisches und die Vergangenheit klammerte. Als sie Seite an Seite standen und beobachteten, wie der wunderliche veraltete kleine Kämpfer zu ihrem 244
Vergnügen unerschütterlich herumhämmerte, hörte man die X-Eisen-Dame aus einer Broschüre vorlesen, die das einzigartige Ausstellungsstück beschrieb: »Heute, nachdem wir diese Monstrosität gesehen haben, müssen Sie und ich großes Mitleid mit all unseren alten Ahnen empfinden. Es war ihr Unglück, vor so langer Zeit geboren worden zu sein und eine Weit zu bewohnen, in der ein Ding wie dieses jedermanns alltägliche Gefahr war, nicht die erheiternde Ausnahme sondern die gewöhnliche ernste Regel. Kein Wunder, daß sie schwankend und unsicher waren, kraftlos und verletzbar, die meiste Zeit halb zu Tode erschreckt und dazu veranlagt, schwachsinnig zu werden. Laßt uns ihnen vergeben, den Schwachherzigen. Denken Sie an die auf der Lauer liegenden Schrecken, die Ängste, die Unsicherheiten, die Tode! die sie durchmachen mußten – wenn das kleine Monster beschloß, einen schlechten Tag zu haben.« »Ja!« keuchte ihre Goldsiegel-Begleiterin. Dann entschlossen sie sich in einem großen Ausbruch des guten Gefühls und der guten Kameradschaft, brennend der ihnen gemeinsamen Bande des Glücks bewußt, auf der Stelle am Spätnachmittag das Morgengelöbnis zu rezitieren, die Begrüßung des frühen Morgens, ein, Ding, das normalerweise für den Tagesbeginn reserviert war. Zusammen intonierten sie: »Von diesem Tag an und für immer danke ich aufrichtig jenem großen Abgott aus Plastik und Eisen, den wir nach unserem eigenen Bilde errichtet haben und so angebracht, daß er immer unsere Welt auf einem roten und gelben Satelliten umkreist – ich danke ihm aufrichtig für mein Eisen und Plastik – für mein ewig arbeitendes – Herz!«
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Aus erzieherischen Gründen Sie gingen über die Plastikflächen und Grundstücke von Moderan zu einem Vergnügungspark. In der Luft lag ein Hauch von Picknick und von einem Zirkus und alten Letzten-Schultagen, als sie ta rap ta rump tump tumpa tump in ihrer Metall-auf-Plastik-Weise gingen. Sie gingen zu dem unglaublichen neuen Einkaufsviertel, das in der nordwestlichsten Ecke einer moderanischen Provinz von dem Ausschuß für das Bessere Verständnis der Alten Zeit errichtet worden war. Nach einem mühsamen Marsch – sie hatten sich entschlossen, da dies ein Ausflug war, ein kurzer Vergnügungsaufenthalt, die verstopften Rollwege nicht noch weiter zu füllen – kamen sie zu einer kleinen Anhöhe im Plastikboden und deren Spitze, von dort blickten sie einen sanften Abhang hinunter auf eine Stadt aus Neon. Pfeile schossen unter dem tiefblauen Gasschirm des Juni dahin und dorthin, und in ganz Neonstadt tanzten Punkte, bewegten sich lange Linien hin und her, liefen kurze Linien bestimmte Strecken in der lebhaften Luft auf und ab; Quadrate und Diamanten und Kreise bildeten sich und verschwanden und bildeten sich wieder, Kaffeekannen erstrahlten vollständig verzinnt im Himmel, die Umrisse von Teebeuteln wurden rot und gelb und blau gezeichnet, Lebensversicherungen wurden dutzendweise in großer Blockschrift verkauft, die in den Himmel buchstabiert wurden, dann ausradiert und dann wieder in einer leuchtenderen Farbe buchstabiert, bis ein solcher Glanz erreicht war, daß das Auge um Linderung bat, und die kam in der Gestalt von tanzenden braunen Punkten und gewellten grauen Linien, die daher kamen, wo spritziges DiätCola wie toll angepriesen wurde, zusammen mit 246
grundsoliden Begräbnisgegenständen des Geschäfts eines in der Nähe gelegenen Leichenbestatters. Ganz zu schweigen von Bekleidungsartikeln aller Art, Rasenmähern, Wohnwagen, neuen Wagen, SpielzeugMaschinengewehren, Begräbnisanzeigern, Gesundheitsplänen, Übungsprogrammen und hundert Dutzend anderer Waren, die verkauft werden MÜSSEN. Die Teilnehmer an der Picknickpartie von Moderan, zwei große magere alte Damen mit vielen X-Eisen und einigen Goldsiegel-»Ersatz« -Teilen, standen wie erstarrt auf der Spitze des sanften Abhangs, der nach Neonstadt führte. Eine ganze Weile konnten sie nicht sprechen, sondern konnten nur schauen und staunen. Dann drückte die größte magerste, die zum größten Teil aus X-Eisen bestand, aber ein oder zwei Goldsiegel-»Ersatz« -Teile hatte, ihren Schtimmodulatknopf und sagte mit einer hohen unbeweglichen Schtimmodulat-Stimme: »Hast du deinen Führer dabei, Emm?« »Ja, Luu«, entgegnete die andere mit einer Stimmknopf-Stimme, die jetzt richtig hüpfte, »ist dies nicht einfach zuviel? AUFREGEND!« So tappten sie weiter hinunter in den neonfunkelnden Ort hinein und sie kamen mit niemanden in Berührung. »Du meinst, wir gehen einfach hinein?« fragten sie sich erstaunt. »Ich dachte, es würde einen Einlaß geben – und Ausschüsse«, dachten sie beide. Emm blätterte in ihrem Führer. »Das Buch sagt ›Wenn Sie sich in dem Einkaufsviertel befinden, sollen Sie sich so frei und entspannt fühlen, als ob Sie in Ihrer Lebeallein blasenförmigen Hauskugel wären und Ihr Ruhebad in einer Tröfte-Luft-Badewanne nehmen würden. Es gibt KEINERLEI Zwang oder Druck zum Kaufen und überhaupt kein Versuch wird unternommen werden, einen falschen absatzpolitischen Aspekt hervorzukehren.‹« Emm trug weiter vor, wobei die werbenden, 247
hübsche Kapriolen machenden Neonzeichen ihr Gesicht schnitten, es aufschlitzten und auf ihm tanzten. »›Machen Sie an der Bank halt und lassen Sie sich einen Geldbetrag in welcher Höhe auch immer bereitstellen, den Sie vernünftigerweise erwarten zu brauchen.‹« Am ersten Block der Ersten Straße in Neonstadt kamen sie zu einem altertümlichen Gebäude, einem kastenförmigen Gebilde mit dicken Wänden aus Beton und dem Stahl von früher. Blaue bleiche Neonröhren verkündeten, daß es die DEUTSCHE BANK war, und leuchtend rote Neonröhren ergaben tanzend einen Vermögensbetrag, der keinerlei vernünftigen Sinn mehr hatte. Luu und Emm atmeten schwer, als sie die tanzenden Zahlen sahen und gestanden per Schtimmodulat ein, daß die Guthaben der DEUTSCHEN sicherlich recht hoch waren. Sie gingen in die kühle Sterilität und eine Art sauberer Muffigkeit hinein, die in der Vergangenheit an Orten wie Deutschen Banken recht oft verspürt werden konnte, und sie sahen den gepflegten, tüchtigen, flüchtig lächelnden kleinen Nullmann, den von Älteran für die Ausstellung ausgeliehenen Bankangestellten. Emm, Luu ta-rumpte dicht hinter ihr, ging auf sein Fenster zu. Die völlige Null hinter dem Fenster wartete geduldig, lächelte still sein NullLächeln, spielte ein wenig an seinen Manschetten und trommelte mit seinen wohlgeformten Fingern ein wenig auf die Theke, war nervös, wie es Bankangestellte immer zu sein geneigt sind, wenn sie auf alte Damen warten, die zitternd den langen Spaziergang durch das Foyer machen. Aber sonst schien er ganz und gar wohl angepaßt zu sein und geduldig auf alte Einzahler und alte Abheber zu warten. Es gab kein Problem. Nach einer langen und anstrengenden Zeit des Tarumpens erreichten Emm und Luu das Fenster. »Wir 248
suchen finanziellen Rat«, trug Emm aus ihrem Führer vor. »Was würden Sie für unseren Einkaufsbummel in der Innenstadt als angemessen betrachten? Bedenken Sie, daß dies unser erster Zusammenstoß und unser erster Wettkampf mit Ihren Lichtern und Werbesprüchen ist.« An Nullmann zeigte sich jetzt kein Lächeln. Er befaßte sich mit finanziellen Ratschlägen, und er erinnerte sich bereits zweifellos an einen großen Vizepräsidenten der Bank, der zwei alte weibliche Wirtschaftskapitäne beriet. Er beäugte die zwei metallenen Damen, als ob sie so verabscheuenswert wären, wie es vielleicht Wanzen auf den im Foyer verstreuten Pflanzen in den Alten Tagen gewesen sein könnten. Nachdem er sie eine Weile lang kalt beäugt hatte und den Eindruck des tüchtigen Rechnens vermittelte, indem er einige bedeutungslose gerade parallele Linien und einige sehr anspruchsvolle Xe auf ein Blatt Papier malte, das er sorgfältig verdeckte, brachte er ein freudloses Lächeln hervor. »Was halten Sie davon, ein Darlehen zu beschaffen und ein Scheckkonto über eine Milliarde Mark für jede von Ihnen einzurichten?« sagte er. »Wir haben keine Sicherheiten«, trug Emm vor. »Wir sind nur zu einem erzieherischen Einkaufsbummel aus dem Höheren Moderan zu diesem Alten Ort gekommen, diesem umgepflanzten Stück von Älteran.« Der kleine Bankangestellte lächelte jetzt ein etwas echteres Lächeln, erleichtert darüber, daß seine Rolle in der Handlung vorüber war, reichte ihnen zwei Blankoscheckhefte und wünschte sich, daß er zu Hause in Älteran wäre, um eine gute Partie Lochgolf zu spielen. »Viel Glück. Kaufen Sie nicht zu viel!« rief er den Rücken der angestrengt ta-rumpenden Luu und Emm zu. Sie gingen durch die Straßen, und es war Mittag, und die fleischernen Bankangestellten, die fleischernen Angestellten der billigen Tante-Emma-Läden, die flei249
schernen kleinen Beamten, die Mordskerle der fleischernen Art und die vielen anderen Helden der Büros, die in Älteran verbreitet sind, stürzten sich auf die Würstchenbuden, stellten sich schlechtgelaunt vor den Cafeterias an und hofften, alles in großer Eile erledigen zu können, damit sie noch etwas Zeit zum Einkaufen in ihrer dreißigminütigen Mit-tags-»Stunde« hätten. Um sich so ein wenig für ihre täglichen Verdauungsstörungen und die großen Herzattacken, die später kommen würden, zu entschädigen! »Nun, das werde ich niemals begreifen!« sagte Luu zu Emm. »Was machen sie eigentlich?« Emm blätterte in ihrem Führer. »Wenn Sie zufälligerweise in das Mittags-Gedränge geraten sollten«, trug sie vor, »dann werden die fleischernen Menschen essen.« Und Luu und Emm schauten durch die dunstigen Fenster von »Kneipen« und sahen, wie die Leute ungestüm große dicke Hamburger herunterschlangen und behutsam kleine braune Stöckchen aus auf Untertassen aufgehäuften Pommes Frites herausfingerten. »Nun, das werde ich niemals begreifen!« seufzte Luu zu Emm. Dann, da die Mitte des Tages fast erreicht war, erinnerte sie sich, daß es Zeit für sie war, selbst etwas zu sich zu nehmen. Sie schauten sich verstört um und schauten sich verstört an. »Den Führer, den Führer«, keuchte Luu. »Natürlich«, erwiderte Emm, die jetzt gelassener war, »er wird es uns verraten … Nahe der Mitte des Tages«, las sie, »in dem normalen Zeitraum für Schmieröl und intravenöse Nahrung, sollten Sie eine der zahlreichen Ruhestellen aufsuchen, die auf die übliche moderanische Weise mit WE für die Benutzung durch Personen weiblicher Abstammung, mit MÄ für männliche Typen bezeichnet sind. Ein vollständiges Sortiment wird zu Ihrer Bequemlichkeit bereitstehen, falls Sie Ihren Totembeutel vergaßen.« 250
»Ich habe meinen mitgebracht«, meldete Luu sich freiwillig. »Ich weiß, daß er sauber ist.« »Ich mag die öffentlichen auch nie«, stimmte Emm zu und schwenkte ihren eigenen Totembeutel, als sie weiter-ta-rumpten, um einen mit WE bezeichneten Ort zu finden. Als sie erst einmal in der Ruhestelle waren, nahm jede ihre eigene kleine Schmierölflasche und ölte sorgfältig die metallenen Teile, wobei die Gelenkstellen eine besonders großzügige Behandlung erfuhren. »Wäre es nicht hübsch, wenn dies alles wäre, was wir zu tun hätten«, stöhnte Luu. Aber es war es nicht. Nun kam die kompliziertere Sache des Fütterns der Fleischstreifen, die die »Ersatz« -Teile zusammenhielten. Dies beinhaltete das Auflösen vieler Tabletten und viele Aufteilungen vieler Kapseln, viele Körner aus vielen großen und kleinen Kapseln und Tropfen aus Flaschen verschiedener Größe und Farbe und das sorgfältige Schütteln von all diesem, bevor die Röhren und die Nadeln und die Fütterkrüge zusammengesetzt wurden. Zuerst legte sich Luu auf den Fütterstreifen, eine schwarze Stahlplatte, die aus der Wand herausgezogen und völlig waagrecht befestigt wurde, und Emm »fütterte« sie, indem sie eine der Nahrungsnadeln in jeden ihrer Fleischstreifen steckte. Luu lag während des Füttervorganges wie tot, was die normale Stellung zur »Essenszeit« in Moderan war. Als Luus »Mahlzeit« beendet war, erhob sie sich kraftvoll und »fütterte« Emm. Nicht daß sich jede Dame nicht auch alleine »füttern« könnte, wenn es sein mußte, aber heute arbeiteten sie zusammen, um mehr Zeit zum Einkaufen zu sparen. Als sie aus der Ruhestelle herauskamen, fanden sie, daß die Straßen stiller waren. Die alltäglichen Leute von Alteran hatten ihre Hamburger und Pommes Frites heruntergeschlungen, hatten ihre Colas und ihren Kaffee 251
getrunken, hatten ihre wenigen Minuten zum Einkaufen von ihrer dreißigminütigen Mittags-»Stunde« hastig gegriffen (um etwas zu tun, um sogar nur ein winziges Etwas zu tun, indem sie kauften, um den durch all jene Zeichen verursachten Schmerz zu lindern), und dann hatten sie sich fröhlich zurück zu ihren herausfordernden anregenden Bemühungen gestürzt. JA! Luu und Emm machten Einkäufe in Neonstadt. Obwohl dort nichts verkauft wurde, das sie brauchten oder möglicherweise jemals benutzen konnten. Lassen Sie es sich gesagt sein, daß der Zwang der Werbung dort so raffiniert und so aggressiv und so überwältigend und so freundlich und so völlig vollständig wirkungsvoll war, daß diese beiden guten alten Neumetalldamen fast völlig von ihren KaufwiderstandVertäuungen losgerissen wurden. Sie kauften Rasenmäher und Mülleimer und Schlüpfer und Nylonstrümpfe und Lebensversicherungen und Osterhüte und Weihnachtskarten und Nikolausruten und Vögel in Käfigen und Herrenanzüge und die letzten Apparate und Hilfsmittel für die weibliche Hygiene, ganz zu schweigen von sagenhaften Nahrungsmitteln und Getränken und Pillen zur Geburtenkontrolle, die sie unmöglich jemals auf irgendeine Weise anzuwenden nötig haben könnten. Nach einem langen und überaus erzieherischen und vollständig anregenden Tag in Neonstadt ta-rumpten die erschöpften aber glücklichen Luu und Emm zurück zu ihren Heimen in Moderan, nachdem sie alle ihre Erwerbungen in einem Gebäude zurückgelassen hatten, das nur zu diesem Zweck nahe dem äußeren Tor bereitgestellt worden war. »Nun! Das werde ich niemals begreifen!« seufzte Luu zu Emm. »Ich könnte es auch niemals glauben, wenn ich es nicht gesehen hätte«, stimmte Emm zu. 252
Wenn die schwarzen Katzen kommen Es geschah bei dem Wetter, bei dem die schwarzen Katzen hervorkommen, und zu der Zeit, in der die Elmsfeuer leuchten, daß sie unter seinem Fenster stand, Hallo rief, wobei sie fünf lange schlanke Schachteln hielt, die auf ihre mit Schorf bedeckten Arme gestapelt waren. Ein undeutlicher eiserner Schatten drüben beim Zaun hielt einen Gegenstand, der ein wenig an ein Boot erinnerte. »Papi«, kreischte sie, »komm und seh dir an, was wir dir mitgebracht haben. Und da ist noch eine Menge mehr. Drüben in der Guten Langen Ruhe. Und denk nur, wie viele noch – alle drüben, in all den anderen. Und denk nur, wie viele noch … Komm und sieh’s dir an!« Natürlich wußte er, daß ihre fünf Schachteln in Wirklichkeit nichts enthielten, zumindest nichts, das man – nun, nichts. Und natürlich trug der eiserne Mox eines von den DINGEN, die aus der Guten Langen Ruhe stammten. Ganz und gar verboten … Er erhob sich aus seinem Kosesessel, der guten Faulenzer-Höhle, dem sanften Woger, in dem er jetzt meistens saß, ein Kind habend und ohne Frau, der Ruhige Warter, und über Allumfassende Schwere Fragen nachdachte, Probleme der Welt. Er kaute mit dem Reparierer an seiner Kehle, forschend und suchend, und versuchte einiges an der Stelle zu lockern, die gegen Krebs ganz in Gold gearbeitet war, und er sagte in seiner vorgeplanten Rede, bei der er angestrengt mit seinem Mund arbeitete, das ganze auf den Bändern verfolgend: »Daphalene! Du darfst den eisernen Mox nicht mehr zur Guten Langen Ruhe mitnehmen. Denn er nimmt die DINGE! Sogar obwohl ich ihn auf Stum253
mer Diener, Alternativprogramm, eingestellt habe, wechselt er dennoch irgendwie auf Menschliches Programm und holt die DINGE. Mir macht es nichts aus, wenn du jene langen Strumpfschachteln dort unten alleine nehmen möchtest, tagein und tagaus, dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr, die nächsten fünfundzwanzig Jahre lang, und wieder zurückbringst – nun, zurückbringst was auch immer du sagst, daß du es dort unten gefunden hättest. Aber nichts mehr von diesem Zeug von Mox und den großen dreckigen dumpfigen DINGEN. Verstanden? Und Mox!« Mox polterte auf seinen schwerfälligen kahnförmigen Füßen heran. Er hielt eine große Schachtel sanft in seinen ausgestreckten Händen, als enthielte sie etwas sehr Gesuchtes. Als sie nicht sofort abgenommen wurde, setzte er die Schachtel lautstark auf den Boden und schüttelte seine Arme in sich hinein, bis seine eisernen Hände wie ruhige Blätter von seinen Schulterbalken herabhingen, ein seltsames Achselzucken. Dann flatterte er mit seinen Händen und ließ mehrmals seine Glühbirnenaugen aufblitzen, was seine übliche Begrüßung war. »Laß die Schmeicheleien. Schalte schnell deinen Menschlich-Schalter aus, Mox, und gehe auf Stummer Diener, Alternativprogramm-Schalter. Und zwar JETZT!« Er kam dem nach. »Hebe das dreckige DING auf, daß du beinahe auf meine Füße hast fallen lassen.« Er tat es. »Zurück zur Guten Langen Ruhe! Und bringe es in Ordnung! Bringe es so in Ordnung, daß niemand merkt, daß du etwas durcheinandergebracht hast.« Sie verschwanden in der schwarzen Creme der Nacht, und da seine Kehle von dem Schreien müde geworden war und er kein Band hatte, das dafür bestimmt war, Daphalene zuzuschreien, daß sie zurückkommen solle, gingen sie beide weg, ein eiserner Ge254
dankenband-Denker und ein kleines Mädchen, die in die schattenlose dichte Dunkelheit unter einem mondlosen niedrigen Himmel und Wolken wateten, die kurz vor einem Regen im späten Oktober standen. Sie war Daphalene, seine Tochter Daphalene in den Monsterzeiten, in den Zeiten, in denen seltsame Maschinen und seltsame Mutanten über das keine Heimat bietende Plastik von Moderan streiften, die ihre Schalter und ihre Wut manipulierten. In einem Alter, in dem das Alter der Tugend, oder für einen Versuch in diese Richtung, schon vorbei war, ließ er sie als das kleinere vieler Übel mit diesem eisernen bandgefütterten Denker umherlaufen, in ihrem Frühling; ließ sie alle die Erfahrungen sammeln, die sie entgegen der Tendenz zur Hoffnungslosigkeit sammeln wollte, die in jenen Zeiten so weit und dicht und groß wie der gummiartige feuchte Himmel über ihnen war. Er versuchte, sie nichts zu lehren. Zu gegebener Zeit würde sie für die »Ersetzungen« heranwachsen und Teil um Teil ihres Fleisches würde in jenem neuen Operationssaal im Austausch gegen Metall und Plastik verschwinden und was verbleiben würde, würde intravenös gefüttert werden. Aber jetzt lasse sie gehen, mutterlos, mit ihren Strumpfschachteln in die tiefe Nacht gehen und dem Denker der auf Band aufgenommenen Gedanken folgen, und lasse sie so gut sie es könnte mit ihrer Einsamkeit und ihren erwachsenen Problemen fertigwerden, bis sie schließlich hart und fest und unerschütterlich »ersetzt« eine Frau sein würde, die überleben sollte! Die Gute Lange Ruhe war ein Friedhof. Wenn sie zurückkam, würde er vielleicht seinen Kosesessel lange genug verlassen, um zu ihr zu gehen. Vielleicht würde er, Interesse heuchelnd, eine ihrer Strumpfschachteln nehmen und hineinspähen. Und vielleicht 255
würden dort in der langen hohlen Dunkelheit der Strumpfschachtel einmal Glühwürmchen leuchten und flattern. Und dann könnte er mit dem väterlichen Band gegen den Goldblock für den Krebs sagen: »Ach, Daphalene, das ist aber nett! Du warst draußen, um die Leuchtkäfer in der großen Nacht dieser Friedhofswelt zu fangen, wie es ein normaler Kleines-Kind-Spieler machen sollte. Genau wie ich es dir gesagt habe. Im langen Dunkeln ein kleines Funkeln. Wie nett! Und du hast sie, in Schachteln, die auf deinen kleinen Armen brennen, sie wundreiben und die sich schließlich mit einer Kruste überziehen lassen, alle zu mir, deinem Vati, gebracht. Wie nett nett nett nett …« Er fand es am besten, in diesen Tagen seine Rede vorher festgelegt zu haben, das Band bandmäßig geplant, damit alles um den goldenen Block für den Krebs herum ohne Schwierigkeiten verlaufen würde. Manchmal, wenn das Gleichgewicht gestört war, wenn das Band falsch oder unfertig war und sich die Lage änderte, würden seine Worte als ein absurder Kommentar an einer Situation vorbeigehen und über alle Vorstellungen unheimlich wirken, denn die Lage, für die man nicht immer vorplanen kann, kann die Sprechnotwendigkeiten ändern. Die Verhältnisse sollten ihm das nicht antun, das fühlte er, aber sie taten es. Und obwohl er insgesamt behutsam und weniger und weniger in diesen Tagen reden sollte, fand er, daß er mit der Zeit laut und mehr und mehr redete, seine hoffnungsvollen Pläne machte und die Bemerkungen als eine Herausforderung der schwarzen Zustände seinen goldenen Luftkanal hinauffließen ließ – in Wirklichkeit waren sie Ausflüchte. Gegen den Lärm von eisernen Füßen in der Nacht und dem weichen Puff-Puff von sich bewegenden Schuhen eines kleinen Mädchens, ließ er seine mon256
ströse Kehle mit ihrem Probelauf beginnen. Seine Worte schlugen wie dreschende Tölpel in das goldene Ofenrohr, wo das geschmeidige Schaffen von Denkgeräuschen gewesen sein sollte. »HALLO«, rief es in die Dunkelheit. Und dann kamen Brocken in Sicht. Mox war ein großer quadratischer Buckel neben dem Plastikbirnbaum; sie war ein wesentlich kleinerer und schlankerer Tropfen in der Dunkelheit, etwas abseits von ihrem eisernen Freund. Er sprang auf seine Tochter zu, sein Mund arbeitete schwer an den Worten, die er vorgeplant hatte. »Ach Daphalene, das ist aber nett nett nett … Du bist –« Sie stieß eine Strumpfschachtel zu ihm hoch, und einen mit Eis erfüllten eisig starrenden Augenblick lang erforschten ihre Augen seine unter den Strahlen des Strahlo-Lichtes, das gerade dann von seiner Dachspitze vorbeistrich. Die Strahlos strichen auch von den anderen Dachspitzen aus über den Hof, sie liefen kreuz und quer in abwechselnden Stößen von Licht und dichter Dunkelheit über die Köpfe von ihm und ihr. Mox stand da und ließ seine Teleskoparme in seinen Schulterlöchern auf und ab flattern. Sie straffte sich so still wie ein Stein. Die Strumpfschachtel in seiner Hand war schwer. Nichts flatterte darin; keine Lichter vibrierten in ihrer umhüllten Dunkelheit. Er wartete auf das nächste Schwenken seines Dach-Strahlos und hielt die Schachtel an eine Stelle, an der seiner Meinung nach der Strahl vorbeikommen würde. Er schwenkte über etwas augenscheinlich Weißes und Kaltes und Totes, das in der Schachtel lag. Daphalene wartete mit ihren verdrehten-verhüllten krustigen Händen, sie war aufgerichtet wie eine Statue. Mox fuhr immer noch die volle Länge seines Arms aus und ein. Und seine Kehle fühlte seltsamerweise einen alten Schmerz, der nicht im ge257
ringsten von dem goldenen Teil einer Stimmrinne stammte. Er ließ den Strahlo wieder über das weiße Ding in der Schachtel ziehen, und inmitten eines Gefühls eines eisigen Nebels, das sich durch alle seine zitternden Fleischstreifen zog, erkannte er es plötzlich. Beim dritten Schwenk hielt er es ins Licht, bis er die zackigen Stellen sehen konnte, an denen Mox es von seinem Platz losgerissen hatte, an dem es fünf Jahre lang Blumen-und-Engel-belastet auf einem Grabstein in der Guten Langen Ruhe geruht hatte. Beim vierten Schwenk warf er es so fest er konnte auf die Eisenplatte, auf der er stand. Die herumwirbelnden Strahlos der vielen Dachspitzen fingen aufblitzende Bilder von zerbrechendem Weiß ein, und seine Kehle schmerzte so sehr von einem alten Schmerz, daß er seine vorgeplante Unterhaltung nicht beenden konnte. Und ein weißes Auge traf ihn mit einem glatten kreideweißen Stern der Kälte – kalt. Dann beugte sich der eiserne Mox, der die lächerliche Beschäftigung des Aus- und Einziehens seiner Arme plötzlich beendet hatte, nur durch die großen Gelenke in seinem Taillenring im rechten Winkel und hob ein DING vom Boden auf. »Sie ist es!« gellte Daphalene mit einem Triumphschrei. »Du hattest seinen Schalter auf Diener, so befahl ich ihm einfach, es zu tun. Er hat Mutter gefunden!« Als er still über dem weißen Staub eines Engels zusammenbrach, verschwanden der eiserne Mox und das erschreckte kleine Mädchen wieder in Richtung des Friedhofs, in der zähflüssigen Dunkelheit; sie vermuteten, daß sie ihn nicht erfreut hatten.
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Manchmal werde ich so glücklich Wenn ich an jene denke, die immer noch in der Misere familiärer Sorgen sind, mit ihren vielen fleischernen Bürden und Qualen, werde ich manchmal so glücklich über meinen stählernen Zustand – ich lache. Ich klatsche meine großen stählernen Hände zusammen, und ich poltere und stampfe meine schweren Neumetallfüße auf den Boden, bis ich schließlich ermüdet zu einer massiven Neumetallfeuerstelle in meinem Geist gehe und einen langen stählernen Scheit auf das Feuer werfe. Und dann sitze ich in meinem Schmiegesessel und lasse die bespielten Bänder der Zufriedenheit für das Glücksdenken ablaufen … Aber es ist nicht immer so leicht oder so schön gewesen. NEIN! Lassen Sie mich erzählen … Ich erinnere mich an eine strenge und unselige Zeit in Älteran, bevor ich »ersetzt« wurde. Die Umdrehungen und die Rotation waren einmal mehr gemäß Der Bahn verlaufen, die Umlaufbewegung war für alles so schön und so starr entworfen worden, wie man es sich überhaupt nur wünschen konnte, uns war einmal mehr alles blau und golden und grün in diesen Tagen – und Frühling. Ich ging spazieren, führte eine zahme, beige Bulldogge spazieren, in einen sanft dahinströmenden Wind hinein, der in der Luft Treibsamen, Blumenblätter, alte Hülsen von Blattkeimen und natürlich Parfüms verstreute. Und schrecklicherweise, ja, schrecklicherweise kam ich gerade zur rechten Zeit zu einem zufälligen Zusammentreffen. Eine Minute in einer von beiden Richtungen, EINE! und der Brunnen der Martern der Alten Erde wäre um zwei große Herzen voll leerer geblieben. Eine Minute aus den ganzen Ewigkeiten der Sekunden, sechzig von ihnen waren unser Bedarf. 259
Aber ein Witzeschmied von Liebesgott wies unser Bedürfnis zurück. Und so ging ich zu der zufälligen Begegnung an dem Straßenkreuz. Und Lebenskreuz. Und plötzlich fängt meine zahme, beige Bulldogge an zu knurren und zu brummen und den gewöhnlichen Boden in sehr großer Erregung zu zerkratzen. Ja, wir sind zu Dem Treffen gekommen, aber ich bin immer noch jenseits, denke wie üblich über Allumfassende Schwere Probleme nach, über Fragen der Welt. Ich habe alle meine schimmernden Schiffe hoch in den sanft dahinströmenden Wind und auf die Bahnen nach dem von Sternen gesäumten Marsoplan gebracht, und alle Weißen Galaxien des Himmels schließen sich einer Vereinigung der Sonnen an. Ich bemanne alle meine Schutzwälle des Lichts mit neuen Sonneninstrumenten für eine endgültige Vernichtung der Dunkelheit – ah, ich träume. Aber dort ist meine wirkliche und kräftige, obwohl jetzt unpraktische, alte, beige Bulldogge, die den Boden in einem hochfiebrigen Stadium einer sehr großen Erregung angrunzt und anknurrt und anwinselt. Nun, am bodenwärtigen Ende einer purpurnen, juwelengeschmückten Hundeleine ist dieser kleine französische Hund, dessen Haar zu einem Pudelschnitt gestutzt ist, dessen Hals völlig mit Bändern verziert ist, dessen ganzer Körper parfümiert ist, der so voll und ganz das Ziel des Grunzens und Knurrens meiner Bulldogge erklärt. Denn ja, ja sie ist ein hübsches Mädchen für einen Hund. JA! Am himmelwärts gerichteten Ende dieser purpurnen blitzenden Hundeleine, die sich zu so kleinen, bleichen und schönen Händen nach oben bog – die auf der Linken völlig unberingt waren – nun, was soll man sagen? Sagen wir einfach, daß dort, eine kleine französische Hündin an einer amethystbesetzten Leine haltend, die blau-goldene Göttin aller Träume 260
des großen Himmels stand, deren Gesicht auf den sanft dahinströmenden Wind und mich gerichtet war. Und da stand ich, betäubt und Träumen zugänglich, die schlaffe Leine einer großen alten Boston-Bulldogge haltend, die gerade in einer Art Sinnestaumel zusammengebrochen ist und die dann sogar auf dem Bürgersteig ausgestreckt liegt, schwer atmet, mit seiner Zunge herumleckt (man konnte fast sehen, wie das Hundegehirn arbeitete) und an jenen kleinen französischen Pudelhund denkt. Aber wie schnitt ich – vor so langer Zeit in Älteran, durch Fleisch belastet, mit Träumen beladen, mit einem verwirrten Gehirn und einem verworrenen Geist – bei dem himmelwärts gerichteten Ende des purpurnen, mit Juwelen geschmückten Hundebandes ab? Manchmal bin ich versucht, Ihnen zu sagen, wie es war, wie der Himmel an jenem Tag des tragischen, wunderschönen Augenblicks in großen blauen Diamantenscherben herunterfiel, wie ein Wirbelwind dort in der sanft dahinströmenden Luft mit den Treibsamen drei Anfälle durch den Geist blies und wie eine Million Stimmen von Sonnendurchbrüchen über die größte GRÖSSTE Freude sprachen. Zu anderen Zeiten bin ich versucht, meine Stahlkugel-Augäpfel schnell auf Sie zu werfen, auf meinen Neumetall-AllwetterKniegelenken auf und nieder zu steigen, mit meinen Neumetallhänden hundert Neumetall-Blasenkugeln auf einmal zu jonglieren, allen und jedem von Ihnen meine Plattenzunge herauszustrecken und den Schtimmodulatknopf auf meinem Sprecher zu drücken und ihn auf Sie, besonders auf Sie und Sie alle zu richten – BÄÄÄHHH!!! Aber sagen Sie einfach, daß es diesen blauäugigen Augenblick gab. Sagen Sie, daß es dort diesen aus jenem einen Augenblick gemachten Ort gab, und in ihm 261
war die Welt des Alles-was-wichtig-ist. Denn es war Frühling und da stand ich, jung und Träumen zugänglich. Und da stand sie, völlig unberingt auf der Linken, die blau und golden und weiß drängte, wobei sie sogar die Blumen mit ihren teuren Farbtönen und Düften übertraf. Sagen Sie einfach, daß danach alle Legionen übergeben waren, alle Schiffe segelten und alle Himmel mit Flugzeugen erfüllt waren. Wir hielten bei den schrecklichen Zusammenstößen, die unsere Liebe waren, nichts zurück, denn erinnern Sie sich daran, daß wir in jenem Jahr Fleisch waren, ganz von Träumen gequältes Fleisch; wir bewegten uns näher, um uns gegenseitig mit mehr als der üblichen Inbrunst zu zerstören, denn unsere Leidenschaft war groß und völlig einzigartig in Älteran in jener Jahreszeit. Oder so dachten wir uns es zumindest. Aber es gab keine Sieger. Gibt es sie jemals? Dann kam die Zeit, weit hinten in den Tagen der Pein unserer Versuchung durch die Liebe, in der ich krank geworden war. Die langen Monate der Verfolgung, das Herzklopfen, die Zweifel, die brennenden Hoffnungen, die Preise, die herausgestreckt wurden, um zu baumeln und dann wegen Kleinigkeiten verweigert zu werden – das ganze schreckliche Geschäft – hatten mich geschwächt. Wir sahen beide, wie es war. Sie heiratete aus Jammer einen Geschäftsmann, der fünf Fabriken besaß, eine Privatstraße, zehn Wagen und einen Eisenbahnzug. Und ich, da ich meine Chancen sah und spürte, auf welche Weise die Winde des Fortschritts zu wehen beliebten, setzte mit aller verbliebenen Energie und größtmöglicher Geschwindigkeit die Segel, um mich den Bumms anzuschließen, um in den Weltkriegen zu kämpfen, die sich damals gerade abzeichneten. Nach dem großen Verlust in Lahdry und 262
dem Ende der Welt, wie wir sie kannten, kam ich aus der Bombenbesudelung, den großen Verwüstungen überall heraus, um mich bis auf ein Minimum an Fleischstreifen, das mir meine Gestalt verlieh, überarbeiten zu lassen. Ich wurde nicht nur all das liebestrunkene Gewebe los, ich ging viel weiter und ließ mir gesundes Fleisch für »Ersatz« -Teile herausschneiden, bis ich schließlich wußte, als ich mich bei fast zweiundneunzigeinhalb Prozent guten Neumetallstahls prüfte, daß ich SOLIDE! war. Lassen Sie mich sagen, daß Sie und der Fabrikbesitzer seit vielen vielen Jahren tot sind. Sogar ihre fleischernen Arten und Weisen des Lebens sind jetzt größtenteils vom Fortschritt umgangen worden, und ihr Land ist von beständig wachsenden, massiven Übergriffen überfallen und umgestaltet worden, zum Großen Land der Neuen Methoden. Seine Fabriken sind in Lagerhäuser umgewandelt worden; sie speichern jetzt Teile für Männer. Ich, der ich im Erdgeschoß eingetragen bin, indem ich ein Früher der Neuen Methoden wurde, habe einen Berg der Größe bestiegen, von dem ich niemals glaubte, daß ich mich ihm nähern würde. Ich bin angesehen und mächtig. Meine Sprenger, die in Megatonnen mit dem Neuesten bewaffnet sind, sind bereit, in Zeiten des Krieges ihre Vulkane um die ganze Welt und alle anderen nahegelegenen Gestirne schnellen zu lassen. In Zeiten des Friedens kann ich in einem Schmiege-Faulenz-Strandsessel neben einem Bassin voll klarem farblosem Öl sitzen, dem Paddelund Wate-Sportplatz des Neumetallmenschen der Neuen Methoden, dessen Status hoch ist. Metz ist jetzt mein Neumetallhund. Manchmal aktiviere ich ihn, und dann ist er bereit, die ganze Welt in Stücke zu zerfetzen, die gerade für ihn eine angenehme Größe haben. Aber in den meisten Zeiten lasse ich ihn 263
einfach zusammengekrümmt an der Wand liegen, dann ist er so kalt und tot wie eine abgestellte Werferstellung, eine Erinnerung an die Vergangenheit. Und Liebe? Wir haben keinen Kummer mit der Liebe im Großen Land der Neuen Methoden und benutzen sie niemals außer als Ablenkung in Freudenzeiten. Und wenn eine Freude langweilig wird, wissen wir, was wir mit der Freude machen; wir übergeben sie den Flammen; wir drehen die Lebensschalter der schimmernden Mädchen der Neuen Methoden auf AUS, der eleganten und fähigen Geliebten mit den glänzenden Federmetallhaaren. Und wenn eine Figur uns immer noch verfolgt, wenn ein stählernes Lächeln immer noch süß und lästig und Material für weiterhin verletzende Träume ist, dann füllen wir die Luft mit Flammenwerfern; wir metzeln sie nieder wie Feinde, drücken auf unsere Schtimmodulatknöpfe, steigen auf unseren NeumetallAllwetter-Kniegelenken auf und nieder und lachen und lachen … während sie verbrennen. Und manchmal, wie ich bereits sagte, werde ich so glücklich … über meinen stählernen Zustand … JA!
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Erinnerungen So kam, nach einem Jahr des Kämpfens, schließlich der Herbst. Die Blechvögel kreischten unter dem orangen Gasschirm nach Süden, und ein gemachter Mond trieb erhaben über unser Land dahin. Die Bäume falteten sich zusammen und klappten in die Löcher in den Platten, und die großen Beutel wurden von der Zentrale in den Himmel geschickt, die großen braunen laubgefüllten Beutel trieben hoch in der Luft umher und waren bereit, uns auf einen Knopfdruck in den Jahreszeiten hin mit Ersatzherbst zu überschütten. Und jene braunen Beutel würden, nachdem sie sich geleert und zusammengefaltet hatten, zur Erde schweben und, da sie wie die größten aller gefallenen Blätter aussahen, vielleicht von Blechmännern oder Geh-Jetzt-Männern oder seltsamen dunklen mutierten Männern, die das keine Heimat bietende Plastik durchstreiften, gefunden werden. Und dann verging der Winter mit einem Gestöber von nachgemachtem Schnee und Kristallen, und die Männer in den Jahreszeiten, die hart arbeiteten und in diesem Falle die Grenzen des guten Geschmacks überschritten, wie ich dachte, gingen weit zurück und bescherten uns ein Weihnachten. Es war eine einfache Sache aber harte Arbeit und obendrein schlechter Geschmack, wie es mir vorkam, daß sie die normalen Bäume mit einem Mantel aus grünem Plastik bedeckten und sie mit einem seltsam strahlenden Stern im Dezember aus den Löchern hervorspringen ließen. Wen würde das interessieren? Oh, wen könnte das interessieren? Und dann war es wieder Frühling. Und ich wußte, wieviel ich verloren hatte. Während den Tagen, die das Schwanzende des Sommers bilden, während des Herb265
stes, während des pulvergefüllten Winters – meine Festung lief auf Automatisch, meine Bedürfnisse wurden fachmännisch von den selbsttätigen, immer bereiten Gerarbs befriedigt – hatte ich in meinem Schmiegesessel gesessen und beobachtet, wie die Monate vergingen, hatte ich die Possen der Zentrale beobachtet. Nicht einmal gelangweilt; nicht einmal amüsiert. Denn ich hatte mein Blut auf niedrig-niedrig und meine Fleischstreifen auf schlafend gestellt, und ich war die ganzen langen Tage hindurch fast ebenso ruhig in jedem Teil des Neumetalls, in allen meinen »Ersatz« Teilen geblieben. Aber der Frühling – etwas geschieht im Frühling. Die Welt gleitet in eine Unruhe hinein, und etwas Schlafendes schüttelt den kalten Wirrwarr ab, rutscht hoch und starrt Sie dumm mit runden und glänzenden Augen an. Oder tippte ein Blechmann ganz leicht an meinen Herzschalter, während ich schlief? Es ist eine Sache, die ich Ihnen nicht sagen kann, ehrlich. Während eines Monats sitze ich so ruhig wie eine kalte Bleikugel da, denke über Allumfassende Schwere Probleme nach, schlägt mein Herz in einem langsamen gleichmäßigen moderanischen Rhythmus, der dafür bestimmt ist, ewig anzuhalten, ist meine Welt ein flaches Meer der glatten Zeit, auf dem ich treiben kann. Während des nächsten bin ich inmitten krachender Wellen, arbeitet mein Herz mit donnerndem Schlag, kommt mein dünnes grünes Blut hoch, um die Röhren meines Halses anschwellen zu lassen und mich zu ersticken. Ich denke an sie! Und an den Sommertag, an dem sie mich verließ. Oder war es nachts? Ich habe mich nicht sonderlich wohl gefühlt, seit sie gegangen ist. Oder ist es Stolz? Wer kann in solchen Dingen entscheiden, was einem anderen irgend etwas bedeuten würde? 266
Manchmal denke ich, daß ich in diesem Land an die Macht kommen will. Warum nicht? Ich werde Wissenschaftler aus meinen Waffenmännern machen. Und den Blechmännern. Wir werden alles daransetzen, diese Festung in ein einziges großartiges ExperimentierLaboratorium zu verwandeln. Wir werden eine Äußerste-Möglichkeit-Waffe hervorbringen, die andere Äußerste-Möglichkeit-Waffen wie Flaum-Bomben aus einem Spielzeugland aussehen läßt. Wir werden solche Sprenger hervorbringen, mit denen ich ganze Landstriche einfach dadurch auslöschen kann, indem ich mich in die EIN-AUS-Stelle hineindenke. Und dann werde ich zur Zentrale sagen: »Zentrale«, werde ich sagen, »du hast mir zum letzten Mal schwere Zeiten beschert. Keinen Frühling mehr, verstehst du. Desgleichen auch keinen Sommer mehr, verstehst du. Nachgeprüft?« Und sie würden es besser nachprüfen, denn sonst … Oh, danach werde ich ein gütiger Herrscher sein. Wir werden in Herbst und Winter sitzen, alle. Denn Frühling und Sommer werden wirklich tot sein, verstehen Sie. Völlig verschwunden. Aber vielleicht drücke ich mich nicht klar aus. Wer kann sich vielleicht einem anderen gegenüber klar ausdrücken? Zu anderen Zeiten denke ich, daß ich Schlangen herstellen werde. Ich habe die Unterlagen dafür. Ich werde alle Kräfte daransetzen, meine Festung in eine einzige große Fabrik zu verwandeln, die grüne Plastikschlangen herstellt. Und lasse sie durch das ganze öde Land kriechen. Schlangen! Das ist das Symbol. Was könnte besser ausdrücken, was ich der Welt zu sagen habe? Und ich werde eine besondere so dressieren, daß sie zu ihr kriecht, auf das Dach, unter dem sie lebt. Mit ihm. Aber vielleicht wird Sie all dies veranlassen zu denken, daß ich gemein bin. Oder eifersüchtig. Das ist es 267
nicht – das ist es nicht im geringsten. Aber ich bin von ihrer Dummheit empört, und ich werde von etwas verletzt, das sich in den kalten Teilen meiner Herzkiste bewegt und windet, wenn der Frühling auf dem Rad der traurigen Reise der Welt erscheint. Ich glaube, daß es vor allem ihre Dummheit ist, die mich so empört. Sehen Sie, sie verließ mich wegen jemanden, der mir in allen Belangen weit unterlegen ist! Das müssen Sie mir glauben. Sie müssen, Sie müssen – . Es lag nicht daran, daß ich sie nicht gut behandelte. Sie war viele glückliche Monate lang meine Neumetallgeliebte. Und dann, wie so etwas eben passiert, nehme ich an, daß sie lernte, mich zu lieben. Und ich kann ihr deswegen keinen Vorwurf machen. Das gehörte sicherlich nicht zu ihrer Dummheit. Aber, wie das Frauen so wollen, verlangte sie nach mehr und mehr, mehr und mehr von der Zeit. Was ich sagen will, ist, daß sie mein Leben teilen wollte, daß sie mir sogar helfen wollte, die Festung zu leiten, oder vielleicht die Festung selbst leiten! wollte. Sie wollte, daß ich ihren Lebensschalter auf EIN ließ! Aber ich erklärte ihr geduldig, als ob ich einem Kind etwas beibringen wollte, daß es besser für sie war, wenn ihr Lebensschalter nur dann auf EIN war, während wir uns liebten. Und dann könnten wir ihn auf AUS schnellen lassen, wenn wir uns nicht liebten, und sie könnte unter dem Bett liegen und dort wie eine Stahlstange oder alte Plastikschuhe ruhen, bis ich mich wieder unsagbar nach ihr sehnte. Jede andere Übereinkunft, wie ich immer und immer wieder versuchte, ihr zu erklären, würde vielleicht zu einem Nachlassen meiner Geisteskraft beim Allumfassenden Scharfsinnigen Denken führen. Ich glaubte, daß sie es verstand. Und dann kam ein Tag – es war im Sommer, die schweren Blumen waren überall zu sehen, und die jun268
gen Ersatzrotkehlchen probierten ihre zarten Flügel aus und trällerten ungeschickt kleine neu gelernte Lieder – jener Tag, an dem ich unvorsichtig wurde. Ich vermute, ich ließ ihren Lebensschalter auf EIN, als wir fertig waren. Ich erinnere mich daran, daß es eine Zeit schwierigen Denkens war. Es gab wieder schreckliche Schwierigkeiten in der Außenwelt, beim Rennen nach Marsoplan, und die Rote Galaxis stellte wieder Probleme. Ich vermute, ich ließ ihren Lebensschalter auf EIN. Oder vielleicht kam einer der Blechmänner … Aber ich darf nicht zu mißtrauisch werden. Sogar jetzt scheint jedes Auge, in das ich blickte, irgendwie schuldig zu sein. Manchmal frage ich mich, ob sie sie nicht alle liebten, wenn mein Rücken im Denken, abgewandt war. Und wenn ich so denke, fängt das grüne Blut in meinen Fleischstreifen so zu kochen an, daß es alles ist, was ich machen kann, um nicht die Umgegend mit einem Feuer der Maximalen Waffen zu beschießen, nur um meine Gefühle abzureagieren. Aber zum Schluß verließ sie mich an jenem Tag, während ich in meinem Denkraum war, beschäftigt. Ich weiß, daß sie ihr geholfen haben müssen, über die elf stählernen Wälle meiner Festung zu kommen. Sie müssen es getan haben. Ich denke mir, sogar jetzt, immer noch Strafen für jene verräterischen Diener aus, und keine Strafe scheint groß genug, um ihnen angemessen zu sein. Wenn ich herausfinde, wer sie sind – Oh, meine Rachebedürfnisse wachsen und wachsen und überwältigen mich. Und wenn ich sie! finde, was ich auf jeden Fall werde! hoffe ich, meinen Racheplan bereitstehen zu haben. Meine »Jungs« sind sogar jetzt draußen und dringen in alle benachbarten Festungen ein, in denen die geringeren Herren sind, um herauszufinden, welcher geringere Herr die Ursache ihrer Dummheit war. Und wenn ich 269
sie finde!!! Aber wissen Sie, ich habe eine Hoffnung. Sogar in diesem Frühling des verletzten Herzens, dieser flachen Stelle in dem Rad der Reise der traurigen Welt habe ich eine Hoffnung. Daß sie zurückkommen wird? Ah, nein. Ich habe eine Hoffnung, daß sie außerhalb einer Festung gefunden wird. Vielleicht während sie auf dem keine Heimat gewährenden Plastik umherwandert und meinen Namen spricht. Oder vielleicht während sie in irgendeinem der für Bäume bestimmten Löcher in den Platten »lebt« und hofft, daß ich zu ihr kommen würde, um zu sagen: »Komm zurück!« Aber würde ich sie wieder aufnehmen? Könnte ich sie wieder aufnehmen? In jedem Auge, in das ich blicke, scheint eine Schuld zu sein. Ich werde von meinem grünen Blut gepackt. Ich denke an Schlangen und werde es weiterhin tun – bis ich es weiß. Und wer kann schon wissen? In solchen Dingen. Deshalb heißt es weiter vorwärts mit all meinen Bestrafungsplänen. Und wenn sie gefunden wird – und sie wird gefunden werden! – hoffe ich, daß sich meine Pläne nicht als unfertig erweisen werden. Ich werde jene neue Maschine eiligst fertigstellen lassen. Ich werde ihren Lebensschalter auf EIN lassen! Ich werde sie »leben« lassen, während diese neue Maschine ihr »Leben« zu flüssigen Atomen zerschlägt. Ganz besonders für Dummheit – nun, Dummheit ist eine höchst schreckliche Sache, wissen Sie – als sie MICH gegen einen anderen abwog – und verdient handfeste Prügel.
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Weihnachtsfest eines kleinen Mädchens in Moderan Es geschah bei O-Tannenbaum-Wetter, daß Kleine Schwester über das weiße Grundstück kam, der Schnee zwischen ihren Zehen war völlig grau und fest geworden und begann, stetig anwachsende Kugeln zu bilden, wie die Anfänge zweier Schneemänner. Sie trug keine Kleidung, ihr winziger hervorstehender Popo war durch die Kälte blau und rot geworden und ihre kleinen edelsteinartigen Knie waren fast so weiß wie Knochen. Sie streckte zehn steife Finger vor, und sie sprach: »Papi! Etwas ist in meiner Kugel kaputt! Komm und seh’s dir an!« Sie lispelte vielleicht ein wenig und sagte es alles nicht so präzise wie ein Erwachsener, denn sie war kaum mehr als vier Jahre alt. Er wandte sich um wie ein Mann, der im unteren Drittel eines schlechten Traums war; er richtete zwei gelangweilte Augen auf sie. Verdammtes Kind, dachte er. »Was zum Teufel für eine Sache hat uns Mox denn jetzt wieder beschert?« sagte er. Und er sang die kleine Melodie, die die Tür veranlaßte, sich zu öffnen. Dann sah er die Schneebälle an ihren Füßen, als sie auf ihn zuging. Sie schmolzen jetzt, bildeten dabei tiefe Rinnen in dem grünen Teppich, der den Boden seines geräumigen Denkzimmers bedeckte. Der hohe Flor, der entlang kleinen Kanälen, die von ihren Füßen ausgingen, wie überschwemmtes Gras aussah, war hier und da durch zusammengeknüllte Papierkügelchen gesprenkelt. Seine Versuchspläne und Formeln schauten wie Golfbälle hervor. Als er durch die eisernen Gefilde des Alptraums zurückkam, die immer zu solchen Zeiten emporstiegen, um ihm feindlich gegenüberzutreten, mühte er sich, dem gegenwärtigen, verwirrenden Augenblick einen Sinn abzugewinnen. Verdammtes Kind, dachte er, trat 271
sich nicht die Füße ab. Im Augenblick war sie noch ganz aus Fleisch – ihrem eigenen – und Knochen und Blut und trat sich nicht die Füße ab. Der Schnee schmilzt! Er winkte sie zu sich. »Kleine Schwester«, begann er mit jener müden teilnahmslos-blechernen Stimme, die jetzt seine war und sein mußte, denn sein Kehlkopf war gegen Krebs ganz in Gold gearbeitet, »erzähle mir langsam, Kleine Schwester. Warum hältst du dich nicht mehr in deiner Plastikwohnung auf? Warum benutzt du den eisernen Mox nicht häufiger? Warum belästigst du mich überhaupt? Erzähle es mir langsam.« »Papi!« schrie sie und begann aus einer ihrer Launen heraus, die er so haßte, auf und ab zu hüpfen, »komm rüber zu meiner Wohnung, Du alter Monotonling. Etwas muß repariert werden.« So gingen sie über das große weiße Grundstück zu ihrer Wohnung, an Mutters Wohnung vorbei, an der Wohnung von Kleinem Bruder vorbei. Sie war nackt und humpelte, da ihre Füße vom Schnee unterkühlt waren, und er schleppte sich schwerfällig mit steifen Gelenken dahin, trug aber wenigstens einen gut isolierenden feuerroten Schmiegeanzug mit guten hohen Weltraumstiefeln aus schwarzem Leder. Als sie bei ihrer Wohnung angekommen waren, pfiff er der Tür die drei hohen Töne zu. Die Tür bewegte sich in die Wand hinein, und Mox der Eiserne stand vor ihnen und schob die eisernen Segmente seiner Arme ineinander, bis nur noch seine Hände von den Schultern herabhingen. Es war seine Begrüßung. Er glotzte mit seinen Augen aus Glühbirnen und ließ seinen Begrüßungscode aufblitzen. »Was hättest du gemacht«, sagte ihr Vater, »wenn ich nicht mit dir gegangen wäre? Du hast keine Pfeife für die Tür mitgebracht.« Plötzlich hörte er, wie drei 272
hohe Töne aus den natürlichen Löchern ihres Kopfes erklangen, und die schwere Tür glitt sanft aus der Wand heraus, bis sie sie in dem bunt eingerichteten Raum, der von einem roten Teppich geschmückt war und in dem ein Weihnachtsbaum stand, einschloß – den Vater, das nackte kleine Mädchen und den eisernen Mox. Und sie hielt spitzbübisch die Pfeife zwischen ihren Zähnen und grinste zu ihm auf. »Ich hatte sie die ganze Zeit dabei«, sagte sie und ließ die Pfeife in das hohe rote Gras ihres Teppichs fallen. Sie entfernte die immer kleiner werdenden Schneebälle von ihren Füßen und schwenkte ihr eisigkaltes Hinterteil dorthin, wo die Schlitze angebracht waren, aus denen die Wärme durch die Wand drang, sanft und wohlriechend wie ein Sommer auf einer Insel. Ihre Knie wurden wieder kniefarben, und ihr Popo zeigte nicht mehr die vielen Farben der Kälte. Er wurde der hübscheste aller babyrosa Klein-Mädchen-Popos, und sie stand da wie eine kleine Dame, die die Meisterin aller Klassen der Gesundheit war, ganz aus Fleisch und Knochen und Blut – im Moment noch – und die in einem bestimmten Winkel gegen die Decke deutete. »Der Stern!« sagte sie. »Der Stern ist ’runtergefallen.« Und er bemerkte, daß sie auf den Baum deutete. Er setzte gerade an »Welcher Stern?« durch den Nebel hindurch zu sagen, der in diesen letzten Jahren immer wie Metall in seinem Geist roch, und dann dachte er: Oh, zum Teufel, sie meint den Weihnachtsstern. »Du bist über das ganze Grundstück gekommen«, fragte er ungläubig, »um mich mit so etwas zu belästigen, wenn Mox –?« »Mox macht es nicht«, warf sie ein. »Ich hab’ ihn gebeten und gebeten, aber er macht’s nicht. Er ist seit dem Fünfzehnten unten. Du weißt doch noch, als diese blöden Studenten in ihren Jets früh und schnell nach 273
Hause flogen und die Vorschriften brachen und die Häuser zum Zittern brachten. WUMM! und der Stern fiel ’runter. Einfach so. Nun, er stellte sich einfach blöd, wenn ich ihn fragte, wie du ihn gerade gesehen hast, schüttelte einfach seine Arme in seine Schultern hinein und glotzte. Ganz schön doof, wenn du mich fragst.« »Aber was ist mit deiner Mutter?« »Ich fragte sie, als ich drüben in ihrer Wohnung war, vor über einer Woche. Aber sie war zu beschäftigt und müde. Du weißt, wie Mama ist. Immer reibt der Plastikkerl Teile von ihr, die ihr wehtun, wie sie sagt. Und sie springt bei der kleinsten Kleinigkeit aufs Bett. Manchmal glaub ich, daß der Kerl Mama liebt. Was ist Liebe?« »Was?! Was ist Liebe? Sollte ich es dir sagen, wenn ich es wüßte? Liebe ist – ist nicht eine eiserne Decke auf einer Plastik … Aber – oh, kümmere dich nicht darum! Teufel! – Was ist mit ihrem Stern?« »Funkel, funkel kleiner Stern, ich wüßt’ was über dich so gern, du bist so weit von dieser Welt, wie eine Mutter am Himmelszelt. Hab’ das aus einem der Programme, die für Diamanten werben.« »Beantworte einfach meine Frage. Was ist mit ihrem Stern?« »Hing da und glänzte toll, als ich ihn ’s letzte Mal sah. Aber verflucht, Mama schaut den Stern wahrscheinlich niemals auch nur an, weil dieser Plastikkerl –« »Und der Stern von Kleiner Bruder?« »Hm, Kleiner Bruder! Hämmerte seinen Stern ungefähr eine Woche später auf, nachdem wir ihn ’raufgetan hatten. Sagte, daß es genau das richtige für das Heck seiner Weltraumröhre wäre. Du weißt doch, wie viel Kleiner Bruder vom Weltraum hält.« »Und so ist dein Stern der einzige, der herunterge274
fallen ist. Der von Mutter hängt immer noch, obwohl sie keine Zeit hat, um ihn sich anzusehen, wie du glaubst. Kleiner Bruder nahm seinen im Interesse des Weltraums herunter. Deiner fiel einfach herunter.« »Papi, wo ist Dein Stern, Papi?« Er schaute sie an, und er dachte. Verdammte kleine Mädchen. Immer so viel Gefühl. Und dazu immer so voller Pläne. Er sagte: »Ich ließ Tandal meinen Stern wegpacken. Er ist irgendwo mit dem Baum in einer Schachtel. Er beeinträchtigte mein scharfsinniges Denken. Ich muß für mein scharfsinniges Denken einen völlig leeren Raum haben, was Weihnachtsbäume betrifft, falls es dir nichts ausmacht.« Nur einen Augenblick lang dachte er, daß ihre Nase gleich laufen und sie zu weinen beginnen würde. Sie sah ihn mit feuchten Augen an; ihr Gesicht war bereit, sich mit Feuereifer zu einer tränenreichen Klage zu verzerren. Aber sie hielt sich zurück und starrte ihn strenger an, und er sagte: »Natürlich repariere ich den verdammten Stern für dich. Zieh’ mir einen Stuhl her. Und dann muß ich sofort zu meiner Wohnung zurückeilen.« (Gefährlich, dieses zu häufige Zusammensein. Und so altmodisch. Und außerdem war er gerade dabeigewesen, eine wirklich vielversprechende Formel zusammenzubrauen, als sie hereinplatzte.) So stand er auf dem Stuhl, den sie zu ihm zog, und er befestigte den Matto-glas-Stern an seinem Haken an der eisernen Decke und korrigierte die Stellung des Sterns bis man fast unmöglich sehen konnte, daß er nicht an dem grünen Plastikbaum befestigt war. Dann pfiff er der Tür zu. Gerade als er durch die Öffnung ging, sie verlassen wollte, fühlte er, wie etwas an einem Bein des feuerroten Anzugs zerrte. Verdammt! Sie war es schon wieder. »Was ist denn jetzt noch?« fragte er. 275
»Papi!« piepste sie, »weißt du was, Papi? Ich dachte, wie wäre es, wenn wir zu den Wohnungen von Mutter und Kleiner Bruder ’rübergehen würden, da es Weihnachten ist. Und du deinen roten Anzug anhast. Ist das nicht ein ganz besonderer Tag? Ich habe in den Programmen gehört –« . »Nein«, sagte er, »es ist kein ganz besonderer Tag. Aber wenn du willst – und du würdest wahrscheinlich einen Anfall deswegen bekommen, wenn du deinen Willen nicht durchsetzt – na, komm schon.« So gingen sie mühsam über das weiße Grundstück, nachdem sie einen grünen Schneeanzug angezogen hatte, ein seltsames Bild in alten Weihnachtsfarben, und sie hielten zuerst bei der Wohnung von Kleinem Bruder an, der kaum mehr als fünf Jahre alt war. Er trug einen Druckanzug und sah über alle Maßen kräftig aus, da er immer Gewichte hob und Vitamine einnahm und das Frühstück-der-Meister aß, und er wollte wissen, was zum Teufel der ganze Unsinn von einem Besuch so früh sollte. Und er ließ sie wissen, daß Tondof, sein Eisenmann, sich sehr gut um alles in seiner Wohnung kümmerte, vielen Dank. Dann stolzierte er umher und ließ sie seine Muskeln bewundern, die schon fast unsinnig kräftig waren, und er zeigte ihnen den neuen Teil seiner Jetröhre, den er aus dem Stern gehämmert hatte, und sie verließen ihn recht bald wieder, da er sich sehr mürrisch zeigte. Auf dem Weg zu Mutters Wohnung äußerte Kleine Schwester, daß Kleiner Bruder ihrer Meinung nach zuviel über Raketen und Düsen und den Weltraum nachdachte. Ob Vater nicht auch dieser Ansicht war? Vater stimmte teilnahmslos zu, daß er vielleicht des Guten zuviel tat, er wüßte es nicht, aber könnte man wirklich jemals zuviel über Raketen und Düsen und den Weltraum nachdenken? 276
Als sie über das Grundstück zu Mutters Wohnung weitergingen, wirbelte sie Schnee auf und frohlockte und lachte und erzählte zweideutige Witze – sie hatte sie in den Programmen gehört – fast wie man es von einem normalen kleinen Mädchen erwartete. Vater schlurfte mürrisch durch den gleichförmigen Schnee unter dem eintönigen grauen Himmel und dachte nur daran, wie dieses ganze unsinnige Gehen die Silberteile seiner Gelenke schmerzen ließ, und das noch bevor er seine morgendlichen Mixturen aufgetragen hatte. Ja, Vater bestand zum größten Teil nur in den Körperpartien aus Fleisch, für die man bis jetzt noch keine Wege gefunden hatte, sie sicher zu ersetzen. Er machte grimmig weiter, ging angestrengt, und wünschte, daß er zu Hause in seinem Schmiegedenksessel wäre, in dem er an Allumfassenden Schweren Problemen zu arbeiten pflegte. In Mutters Wohnung trafen sie sie dabei an, wie sie sich von dem Plastikmann eine ihrer Plasto-Massagen verabreichen ließ. Er benahm sich mit Mutter wirklich etwas komisch. Vermuten Sie, daß er in Wirklichkeit nicht ganz Maschine war sondern ein Mann, der Teil um Teil ersetzt worden war, bis es unmöglich war zu sagen, wo der Mann aufhörte und das Plastik des Roboters begann? Vater beunruhigte sich deswegen eine halbe Sekunde lang und ließ dann den Gedanken fallen. Und wenn er ein Mann wäre, na und? Was könnte er mit Mutter machen? Und wenn er es tat, was machte es schon aus? Mutter – Neulegierungen an fast allen Stellen. Kleine Schwester schrie mit der vollen Kraft ihrer guten fleischernen Lungen FRÖHLICHE WEIHNACHTEN!, und Mutter drehte sich nur in ihrer Taille, scheinbar nur auf einem Drehzapfen in jenem Teil, und Vater hustete trocken in dem Metall seiner Bestür277
zung, »’s war die Idee von Kleiner Schwester«, murmelte er undeutlich. »Tut mir so leid, Marmona. Ich vermute, daß Mox ihre Programme nicht richtig verfolgt hat, da sie in diesem Jahr auf Weihnachtsbäumen und dem ganzen Zeug besteht, und jetzt die Idee eines Besuchs unter den Familienmitgliedern. Tut mir leid, Marmona.« Er hustete wieder. »So überholt.« Mutters sehr klare blaue Augen, die jetzt fast völlig »ersetzt« waren, loderten ihm entgegen. Es war offensichtlich, daß sie ihre Massage mit dem Plastikmann so bald wie möglich fortsetzen wollte. »Nun?«, fragte sie gebieterisch. »Das ist alles«, murmelte er, »wenn Kleine Schwester fertig ist.« Dann sagte er aus einem dummen Grund – er konnte es später nur damit erklären, daß es daran lag, daß er im Moment noch nicht völlig »ersetzt« war – etwas Dummes, etwas, das ihn monatelang verfolgen würde. »Hättest du – ich meine, würdest du – ich meine, könnte ich«, stammelte er, »könnte ich dich ein paar Minuten lang sehen, vielleicht zu Ostern? Unsere Wohnungen sind nur durch das Grundstück voneinander getrennt, wie du weißt. Vielleicht wird es mir nicht mehr möglich sein zu gehen, wenn ich vollständig ›ersetzt‹ bin.« Er haßte sich dafür, daß er sie anflehte. Sie warf affektiert ihre linke Hand hoch und bewegte diese phantastischen »ersetzten« Plastikfinger und große Lichtstrahlen zitterten und strömten und schössen aus Ringen aus »Modern« -Diamant hervor. »Warum nicht?« sagte sie resignierend. »Was riskieren wir dabei? Wenn Jon rechtzeitig fertig wird –« Jon war ihr Plastikmann – »werden wir zu Ostern ein wenig reden.« Und so wurde es gemacht und war es vorbei, und bald waren sie wieder draußen auf den Platten. »Ich nehme an, daß ich dich nicht zurückbegleiten muß, 278
oder? Du hast doch deine Pfeife dabei, nicht wahr?« sagte er. »Nein«, sagte sie, »ich habe sie auf den roten Teppich fallen lassen. Ich erinnere mich gerade daran. Ich hab es gehört. Sie platschte ins Nasse. Während die Schneebälle schmolzen. Vielleicht könnte ich mit zu dir kommen!« Verdammte kleine Mädchen, dachte er. So raffiniert. Immer dabei, finstere Pläne zu schmieden. Er müßte so bald wie möglich nach Weihnachten anfangen, sie »ersetzen« zu lassen. »Bei mir gibt es nichts Interessantes zu sehen«, beeilte er sich zu sagen. »Nur meinen Schmiegesessel und meinen Denkbereich und Tandal.« Er sah keinen Sinn darin, ihr von Nörgel-Nörgel, der statuenhaften Frau, zu erzählen, die nicht ganz aus Metall bestand, die er unter dem Bett aufhob, bis er sie so dringend brauchte, daß er … Es gab einige Dinge, die man einer Tochter einfach nicht erzählte, nicht bevor sie erheblich älter oder auf der Straße, die zur völligen »Ersetzung« führte, schon weit vorangekommen war. »Ich sage dir, was wir machen werden«, sagte er. »Ich werde dich zu deiner Wohnung zurückbegleiten, und ich werde der Tür pfeifen, und du kannst zu Mox hineingehen. Dein Stern ist befestigt und alles ist in Ordnung. Du hast ein ganz schönes Weihnachten gehabt!« So gingen sie durch den Schnee, der so kalt wie Eisen war, zurück zu ihrer Wohnung, unter einem Himmel, der sich rasch verfinsterte, an einem Tag, der schwarz wurde. Und als ihre Tür aufglitt, fühlte er sich so erleichtert, daß er sich bückte und sie auf die Stirn küßte, und er versetzte ihr munter einen leichten Klaps auf ihren guten fleischernen Popo, als sie durch den Plastikeingang ging. Als sie gegangen war, stand er eine kleine Weile vor ihrem Haus und dachte nach. 279
Wie ein alter Mann, der im Anfangsdrittel eines angenehmen Traums war, stand er da und nickte, vielleicht durch Dinge aus einer Zeit dazu bewegt, die vor der Zeit der »Ersetzungen« lag, und er fragte sich vielleicht, ob er nicht einen unberechneten und ungeheuer großen Preis für seine eiserne Dauerhaftigkeit bezahlt hätte. Während er so dastand und in Gedanken versunken war, erschien plötzlich in sehr großer Höhe ein winziges Licht – es kam von Osten, aus der Richtung der Küstenflughäfen – und bewegte sich schnell den trüben Himmel herab und auf ihn zu, wobei es immer schneller wurde. Kurz darauf erbebte das ganze Land um ihn herum unter einem großen Knall, als die Mauer durchbrochen wurde. Er hörte, wie hinter ihm Kleine Schwester schrie und ihn anbettelte, daß er doch zurückkommen solle, und er wußte ohne nachzusehen, daß ihr Stern wieder von seinem eisernen Haken gefallen war. Wie ein erschrecktes Ungeheuer, das darauf erpicht war, schleunigst zu seinem Lager zurückzukehren, schritt er mit seinen metallenen Füßen weiter aus und polterte schwerfällig über das Grundstück zu seiner Wohnung, er war begierig danach, sich wieder in seinem Schmiegesessel auszuruhen, er sehnte sich danach, weiter über Allumfassende Schwere Probleme nachzudenken. Das winzige Licht sank unerschütterlich in großer Höhe den Himmel herab, wie ein fliehendes Stück eines Sterns, wie etwas, das in großer Eile nach einem anderen Ort hin unterwegs war.
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Der fleischerne Mann, der aus der Ferne kam Ich hatte gerade die Mäuse mühelos an ihren Schwänzen an das Kampfbrett genagelt, stellte Betrachtungen darüber an, wie glücklich glücklich ist, und war gerade an dem Punkt angelangt, um mich aus meinem Schmiegesessel zu erheben um die Neumetallkatze herauszuholen, als mein Warner einen Höllenlärm veranstaltete. Ich raste zu meiner Sichtwand, wo die Waffenknöpfe alle waren, stellte das Linsometer auf MaxReichweite und blickte hinaus, sah die blauen Plastikhügel in einem weiten Bereich. Und ich sah diesen Kerl, diese Gestalt, dieses zusammengekrümmte Ding, das nicht aus dem Tal der Weißen Hexe kam, das jetzt mein Hauptgefahrengebiet war, sondern aus den Ebenen des Weit Draußen, aus denen ich beinahe fünf Zeitalter lang keinen Besucher gehabt hatte. War er traurig, oh, wie war er traurig! Er kam heran, dieser kleine krötenähnlich gebeugte Mann, tap-tap, trippel-trippel, Schritt-für-Schritt, aber mit angespannter Behutsamkeit in seiner Langsamkeit, als ob er bei jedem trippelnd zurückgelegten Zentimeter auf einen Vogel treten könnte. Es machte mich schon kribbelig, ihn nur zu sehen und daran zu denken, wie es aussehen sollte zu gehen, große Schritte zu machen, weit auszugreifen, hochaufgerichtet mit stählernen Gegenständen, die an der Seite herabhingen und klirrten, und anderen lederumhüllten Waffen, die der Welt trotzen sollten. Und die eigenen Wagenkolonnen zögen voller Kriegsbeile und Keulen endlos vorbei. Obwohl ich nicht selber diesen Weg beschreite, um die Wahrheit zu sagen, denn ich bin aus Moderan, wo die Menschen »Ersatz« -Teile haben. Ich gehe mit einem schlimmeren Hinken als die meisten, mit einer zentimeterweisen 281
Art der Fortbewegung, klop-klip-klap-klop, über die Plastikplatten, wenn ich überhaupt einmal gehe, denn ich habe immer noch gelegentlich Störungen in meinen Gelenken. Ich war einer der Frühen, wie Sie wissen, einer der ersten Moderaner. Aber ich erinnere mich. Etwas in dem blaßgrünen Blut meiner Fleischstreifen erinnert sich daran, wie Gehen sein sollte – ein großes Ausschreiten mit Keulen, um die Köpfe der Feinde zu zermalmen, und am Boden müßte ein knirschender, blutiger Brei liegen, der aus Knochen und Flüssigkeiten von Dingen besteht, die sogar zu klein sind, als daß man unter dem eigenen eisenumhüllten Fuß auch nur einen Blick auf sie werfen könnte. Aber dieser Kerl! Hmmm. Er kam heran wie eine Lilie. Ja, eine weiße Lilie, deren glockenförmiger Kopf niedergebeugt ist. Ich fragte mich, warum sich mein Warner überhaupt mit ihm befaßte. Aber ja, ich wußte, warum sich mein Warner mit ihm befaßte. Mein Warner informierte mich über alle Bewegungen, die auf meine Festung gerichtet sind, und manchmal passiert es, daß die Lilien – »Halten Sie sich zur Entgiftung bereit!« Er war jetzt vor meinem Äußeren Wall, am Prüfungstor, deshalb wies ich meine Entgifter und Waffenprüfer an, mit ihm das übliche Tamtam zu veranstalten. Um ganz ehrlich zu sein, waren zwei große Metallhände aus dem Wall gesprungen, um ihn zu greifen und ihn direkt vor das Prüfungstor zu halten, deshalb war mein Ruf »Halten Sie sich zur Entgiftung bereit!« nur höfliches Geschwätz. Als sowohl der Entgiftungs- als auch der Waffenbericht ihm freie Fahrt gegeben hatten, drückte ich die Tore in allen meinen elf stählernen Wällen zurück und ließ den Lilienmann hindurchtrippeln. »Hallo, und Willkommen, seltsamer Reisender aus dem Weit Draußen.« 282
Er stand zitternd in seinen weichen Schuhen aus Lumpen da und schien sehr damit beschäftigt, sein Schritt-für-Schritt-Gehen jetzt abzustellen. »Vergeben Sie mir«, sagte er, »wenn ich nervös scheine.« Und er blickte mich aus der Bläue seiner Augen an, die fleischerne Augäpfel hatten, während er an einem kelchförmigen roten Bart zerrte. Und ich war über die »Ersetzungen« entsetzt, denen er nicht zugestimmt hatte, über die Teile von ihm, an die er sich geklammert hatte. Einen verwirrten, geblendeten Augenblick lang war ich fast bereit zu wetten, daß er sogar sein wirkliches Herz hatte. Aber dann dachte ich ach nein, nicht in dieser fortgeschrittenen Zeit und in Moderan. »Dieses Gehen«, fuhr er fort, »geht weiter. Sehen Sie, man braucht eine Weile, um zur Ruhe zu kommen. Wissen Sie, daß ich endlich hier angelangt bin! Ich kann nicht, nicht alle meine Teile, glauben, daß ich wirklich hier bin. Mein Verstand sagt ja! Meine armen Beine glauben weiterhin, daß noch gegangen werden muß. Aber ich bin hier!« »Sie sind hier«, echote ich, und ich fragte mich, was als nächstes kommen würde? Worum es eigentlich ging? Ich dachte an die Mäuse, die ich angenagelt hatte und die neue Katze, die wartete, und ich war ungeduldig, denn ich wollte mit meinen Freuden fortfahren. Aber andererseits ist ein Besucher ein Besucher, und ein Gastgeber ist höchstwahrscheinlich ein Opfer. »Haben Sie gegessen? Haben Sie Ihre intravenöse Nahrung gehabt?« »Ich habe gegessen.« Er beäugte mich mit seltsam aufgerissenen Augen. »Ich habe nichts Intravenöses gehabt.« Minute um Minute fühlte ich mich unbehaglicher. Er stand einfach da und zitterte leicht auf seinen dünnen Beinen, wobei jene Augen mit blauen fleischernen 283
Augäpfeln in meine Richtung blinzelten, und er schien auf eine Reaktion von mir zu warten. »Ich bin hier!« sagte er wieder. Und ich sagte »Ja!«, denn ich wußte nicht, was ich sonst sagen sollte. »Verspüren Sie vielleicht das Bedürfnis, mir von Ihrer Reise zu erzählen«, fragte ich, »von Ihren Versuchungen und Leiden?« Dann begann er seinen Bericht. Es war zum größten Teil ein trübseliges langes Lied über anstrengendes Marschieren, über fast unbegründete Hoffnungen, die das betrafen, was er zu finden hoffte, darüber, wie er beständig nähergekommen war, darüber, wie er in den Reum-Bergen fast aufgegeben hatte, darüber, wie etwas, das weit vor ihm auf seinem Weg gelegen hatte, ihn weiter versuchen ließ, etwas, das an einen Lichtschimmer erinnerte, der durch einen Riß in einer eisernen Mauer drang. »Gelange irgendwie über die Mauer«, sagte er, »und du hast es gewonnen, das ganze Licht. Über die Mauer!« Er schaute mich an, als ob es für mich jetzt aber wirklich an der Zeit sei zu reagieren. »Warum gaben Sie beinahe in den Reum-Bergen auf?« »Warum ich beinahe in den Reum-Bergen aufgab!? Haben Sie jemals versucht, durch die Reum-Berge zu kommen?« Ich mußte zugeben, daß ich es nicht versucht hatte. »Wenn Sie niemals versucht haben, durch die Reum-Berge zu kommen –« Er wurde von einem Anfall geschüttelt, der eine deutlichere Sprache sprach als viele Worte. »Wo sind all die anderen?« fragte er, als das Schütteln ein wenig nachgelassen hatte. »All die anderen? Worüber reden Sie?« »Oh, ja. Hier müssen doch große Gruppen sein. Es muß lange Listen von Wartenden geben.« Sein weißes kegelförmiges Gesicht hellte sich auf. »Oh, sie sind im Raum des Lächelns. Das ist es, nicht wahr?« 284
In diesem Augenblick juckte es mich in meinen großen stählernen Fingern, ihn zu zerquetschen, wie man einen kleinen Wurm zu Brei tritt. Etwas umgab ihn, etwas, das so zart, so vertrauensvoll, so bittend und so sehr gegen meine Vorstellungen von der eisernen Keule und dem großen armeschwingenden Gehen gerichtet war. »Es gibt hier keinen Raum des Lächelns«, stieß ich unbeherrscht hervor. »Und keine langen Listen von Wartenden.« Da er nicht gewillt war, sich zerschmettern zu lassen, lächelte er jenes kleine reine Lächeln. »Oh, es muß so eine wunderbare Maschine sein. Und so groß! Nach all den anderen Maschinen diese Eine, diese EINE – endlich!« Große springende Bleikugeln, die auf entblößten fleischernen Zehen hüpften! Was hatten wir hier eigentlich? Einen Irren? Oder hatte er sich nur verlaufen? »Mein Herr«, sagte ich, »ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen. Dies hier ist mein Heim. Es ist der Ort, hinter dessen Wällen ich mich vor Gefahren abschließe. Es ist der Ort, hinter dessen Mauern ich meinen Spaß habe. Meine Art von Spaß. Es ist eine Festung.« Beim Klang dieses letzten Wortes kippten seine blauen Augen in seinem kalkweißen Gesicht nach vorn und nach unten; sein Kopf fiel nach vorne, als ob er versuchte, den Augen dorthin zu folgen, wohin sie fielen. Und aus einer großen aber unsichtbaren Wolke heraus, die seinen vor Niedergeschlagenheit weit aufgerissenen Mund zu umhüllen schien. »Eine Festung! Ich habe diesen ganzen langen Weg zurückgelegt, und es ist eine Festung! In einer Festung gibt es keine Maschine der Glückseligkeit. Es könnte nicht sein. Oh, das war es, das mich antrieb weiterzugehen – die Hoffnung darauf. Man sagte es mir. In den dunstigen gefährlichen schauerlichen Reum-Bergen, als die 285
großen Geier der Finsternis mit feuchten Schwingen auf mich sprangen und mich mit ihren Schnäbeln zu Boden warfen, erhob ich mich und ging weiter. Und an einem sehr düsteren, vom Regen durchnäßten unseligen Morgen erwachte ich inmitten eines weißen Kreises von langzähnigen warzenhäutigen Verwahrgostgierern, und, oh, es wäre so viel leichter gewesen, so sehr weniger mühevoll, sich einfach schlafend zu stellen, während sie mich in Stücke rissen und mit dem Tod die Hülle meiner Seele öffneten. Aber nein! Ich stand auf, ich erinnerte mich an die Weissagung. Ich zog meinen Umhang um mich. Ich ging. Ich ging weiter. Ich verließ sie, als sie mich mit leeren Fängen anstarrten. Ich dachte an meinen Bestimmungsort. Und jetzt – war es ein Traum! Ich bin zum Narren gehalten worden! Bringen Sie mich zu Ihrer Maschine der Glückseligkeit!« Er wurde hysterisch. Er plapperte, als ob er zu einer Maschine gehen und in ihr sitzen wollte, die auf Schönheit und Wahrheit und Liebe geeicht war, und glücklich sein wollte. Er brach zusammen. Ich sah, daß ich ihn für einen weiteren Versuch aufrütteln mußte, um ihn hinter meine Mauern zu bringen. »Mein Herr«, sagte ich, »Sie haben zweifellos die großen Wolken gekannt und das Ausbleiben der Sonne und die vom Regen durchnäßte graue Dämmerung der Zeit ohne Hoffnung. Sie haben sich – das glaube ich – im Unglück und inmitten der singenden Messer der Not erhoben, und alles, was Sie zu Ihrer Unterstützung hatten, war das, was Sie mitgebracht hatten. Es gab keine Armeen, die sich für Sie auf anderen Schlachtfeldern sammelten, keine Onkel, die in fernen Ländern jenseits von Meeren Gelder beschafften; vielleicht gab es nicht einmal Kinder, die Vati in den Reum-Bergen abholten und im Tode nicht einmal eine Witwe, die den Körper 286
für sich beanspruchen und ihn zur Sonne weinen würde. Und doch trotzten Sie allem, entkamen irgendwie dem immer enger werdenden Ring des Unglücks und bewegten sich hier herunter. Ich bewundere Sie. Es tut mir wirklich leid, daß ich nicht das habe, was Sie wollen. Und obwohl Sie eine Art Narr sind, in meiner Denkweise, da Sie in Fleisch herumlaufen und nach einem reinen Etwas suchen, das vielleicht nicht existiert, wünsche ich Ihnen Glück, während ich die Tore zurückstoße und den Weg für Ihr Vorankommen freigebe. Sie finden vielleicht, irgendwo auf Ihrem Weg, jenseits vieler Berge und kahlem Land, diese Maschinen der Glückseligkeit, nach denen Sie rufen.« Er zitterte, als ich von Bergen sprach, aber er bewegte sich durch die Tore hinaus. Und obwohl ich sicher war, daß er auf die Art und Weise, in der er ging, nichts finden würde, war es mir nicht völlig möglich, ihn zu vergessen. Was veranlaßte eine solche Kreatur, obwohl sie für jede Errungenschaft schlecht ausgerüstet war, auf die letzte und unmöglich große Errungenschaft zu hoffen, auf Glückseligkeit? Und dazu war es eine so merkwürdige Art und Weise, in der er sie zu finden erwartete, Glückseligkeit, die von einer magischen Maschine verteilt wurde, welche auf Schönheit und Wahrheit und Liebe geeicht war. An einem strahlenden Ort am Ende einer langen Reise. Wenn man ihn reden hörte, nahm man an, daß Glückseligkeit auf Dingen beruhen könnte, die so schwach wie Lilien waren. Wie seltsam. Macht ist Freude, Stärke ist Vergnügen; setzen Sie Ihr Vertrauen nur in die dicke Mauer mit dem Sichtschirm und den Warner. Aber manchmal denke ich trotz meinem Wesen an diesen vom Fleisch gepeinigten kleinen Mann und frage mich, wo er wohl ist. 287
Und wenn ich mich wohlfühle, meine Fleischstreifen mit den komplizierten Flüssigkeiten intravenös füttere, wobei ich weiß, daß ich mit der Hilfe der Neumetallegierungen praktisch ewig leben kann, überkommt mich ein undeutliches Unwohlsein, und ich versuche, mein Leben kritisch einzuschätzen. Mit den mich bedienenden Maschinen, die alle unterhalb meiner Festung summen und gut funktionieren – ja, ich bin zufrieden, führe ein angenehmes Leben. Und wenn ich ein wenig mehr als nur stille Zufriedenheit will, dann kann ich mich nach draußen wagen und vielleicht einen Wall von einem meiner Nachbarn zerstören oder einen Teil seines Warners. Und dann werden wir uns eine kleine Weile lang lustvoll von unseren Festungen aus bekämpfen, mit einer Art erhabener Freude die Zerstörungsknöpfe drücken. Oder ich kann einfach zu Hause bleiben und ohne fremde Hilfe ein kleines sadistisches Vergnügen ausarbeiten. Und ich bin mir ziemlich sicher, daß es nirgendwo dort draußen zu den Bedingungen, die der fleischerne Mann forderte – Wahrheit, Schönheit, Liebe – eine Maschine der Glückseligkeit gibt. Ich bin mir fast sicher, daß es keine gibt.
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Teil 3: DAS ENDE ZEICHNET SICH AB Der Mann aus Moderan-Camelot Einer von ihnen kam! Ich hatte von ihnen gehört; ich hatte es noch nicht einmal halb geglaubt. Aber dort war er, auf einem großen Metallpferd, und ritt direkt auf meinen Warner zu – aus einer lange und weit zurückliegenden Zeit, eine seltsame mittelalterliche Gestalt. Das ganze Metall machte großen Lärm, als ich beobachtete, wie er ritt, langsam und wie bei einer Parade. Oder war es der Leichenzug der Traurigkeit? Wer konnte das entscheiden, als sich die langsamen Hufe hoben und senkten, klop-klip-klop, klop-klip-klop, und die Ohren meiner Festung von dem donnernden Geräusch des Näherkommens erschaudern ließen? Es könnte ein Streich sein; es könnten alle Arten von Tricks sein. Oder es könnte wirklich einer von ihnen sein. Ich alarmierte alles. Wir gingen auf Habt-Acht, alle Waffenmänner waren auf ihren Positionen und alle meine Werfer waren bewaffnet und einsatzbereit, für alle Fälle. Und falls die Prüftore ihm eine schlechte Note in Verseuchung oder Waffen erteilten, würden wir ihn natürlich, ohne auch nur Hallo zu sagen, in die Luft jagen. Aber er bestand die Tests ohne größere Schwierigkeiten; er war so sauber wie ein Neumetallzahn. Als er die Entfernung auf Null verkleinert hatte und jenes große metallene Roß durch die elf Wälle meiner Festung hindurch war und auf dem letzten Kreis angehalten hatte, an dem ich in meinem stählernen Guckkasten stand, sah ich, daß es wirklich das war, was ich vermutet hatte. Oder sagen wir, daß es mehr war, als ich vermutet hatte, denn ich hatte die 289
Geschichten gehört, ohne ihnen auch nur halb zu glauben. Ja, er gehörte zu den Lanzenträgern der Roten Rose und war aus jener seltsamen, an der Küste liegenden Kolonie Ebel, die, wie wir es manchmal spöttisch ausdrückten, im Staat Moderan-Camelot* lag. Aber warum hatte er dieses unbewegliche Starren aufgesetzt, lagen seine Augen tot in seinem Gesicht? Warum preßte er einen stählernen Panzerhandschuh gegen sein Herz und hatte einen Blick, der von einer großen Verwundung zeugte, die nicht blutete? Hatte er ein Turnier in Ibel verloren; hatte er sich in einem fernen Gebiet nicht ganz ritterlich angestellt? »Hallo«, sagte ich aus meinem Guckkasten heraus, »und willkommen, Reiter aus Ibel * . Wollen Sie sich hier ausrüsten, um gegen das Tal der Startknöpfe zu ziehen?« Ich wollte damit mehr als einen weit verbreiteten, derben Scherz machen, denn ich wußte, wie das nur ein Mann einer Festung von Moderan wissen kann, daß Ibel zu der Vergangenheit gehörte, daß Ibel, selbst wenn weniger als die Hälfte der Geschichten wahr waren, eine bemitleidenswerte kleine Provinz von wunderlichen Käuzen war, denen man gestattet hatte, in ihrem Leben ein romantisches Abenteuer fortzusetzen, weil – nun, solange sie vom Rest von uns getrennt lebten, konnten sie unserem Denken keinen wirklichen Schaden zufügen. Aber in einer Ritterrüstung gegen die Wirklichkeit des Tals der Startknöpfe zu reiten, ha. Stellen Sie sich, wenn Sie es können, vor, wie eine kleine Menge Fleischstreifen in jenen großen Sonnenkocher geworfen wird, den sie im Süden fertigstellen, *
Anm. d. Übers.: Camelot war in den Artussagen der Ort, an dem sich der Hof von König Artus befand und an dem sich die Ritter der Tafelrunde trafen (u. a. Lancelot, Parzifal, Tristan).
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in jenen gleichen Sonnenkocher, der bei einem einzigen Kochvorgang genügend Intraven destillieren kann, um die Fleischstreifen von ganz Moderan die nächsten zehn Zeitalter lang zu füttern. Wenn Sie sich das vorgestellt haben, können Sie sich vielleicht ein Bild davon machen, wie alle Reiter von Ibel in die Plastikhölle des Tals reiten, in dem jeder Quadratdezimeter von mehreren Quadratkilometern Waffenraum mit einem EIN-Schalter für einen Werfer besetzt ist. Was die Frage nach dem Ausrüsten für das Tal der Startknöpfe betraf, antwortete er mir nicht, mein seltsamer Kavallerist aus Ibel; er lächelte nicht einmal. Er saß einfach da; das Pferd stand. Zwei teilnahmslose glänzende Gestalten des Widerspruchs waren sie in meiner Festung, in jenem fortgeschrittenen Jahr der Größeren Wirklichkeit. Ich vermutete, daß ich sie geärgert hatte. »Es tut mir leid«, sagte ich. »Vergeben Sie mir meinen derben Scherz über das Anstürmen gegen das Tal der Startknöpfe. Sitzen Sie ab, steigen Sie ab oder herunter oder was es auch immer ist, daß Sie von jenen Dingern machen, und ich werde ihn von einem meiner ›Jungs‹ dort ölen lassen, wo er es nötig hat, und seine Hufe feilen lassen, falls sie zackig geworden sein sollten. Sie und ich können Intraven zu uns nehmen und uns ein wenig unterhalten.« Etwas surrte in ihm, seine Augen bewegten sich, und er setzte zum Reden an. »Ich komme nicht, um Worte zu verbreiten«, sagte er. »Ich komme nicht, um mein Pferd ölen oder seine Hufe abfeilen zu lassen. Ich komme sogar nicht einmal, um gegen das Tal der Startknöpfe in den Kampf zu ziehen, wenn alles gutgeht, obwohl ich sicher bin, daß es und fast alle Lande, durch die ich gezogen bin, den Stich meiner Lanze fühlen sollten! Aber das alles muß bis zu einer anderen 291
Zeit warten, denn einstweilen hat mich das Herz verlassen.« Das Surren hörte auf, er unterbrach seine Rede und hielt sein Herz hoch. »Es schmerzt im Inneren zu sehr«, sagte er, wobei das Surren ein wenig weiterging, »es ist zuviel, als daß man es aushalten könnte, im Inneren.« Was ein Mann alles ertragen muß! Was ein Mann alles anhören muß! Oh, der ersonnene Kummer der Welt! Ich kam aus meinem Guckkasten heraus, denn jetzt fürchtete ich mich nicht vor ihm. Was er brauchte, vermutete ich, konnte man durch die Größere Wirklichkeit erhalten. Er hatte vermutlich einen oder zwei Träume verloren, war in einem Turnier unterlegen gewesen oder in einem anderen unbedeutenden etwas, das sein Herz schmerzen ließ. Vielleicht hatte eine Dame, die ihm sehr gefiel, ihren EIN-Schalter auf AUS gedrückt und ihm einen START bei ihr verweigert. Aber sich darum zu kümmern – das konnte nur in Ibel vorkommen. »Beliebt es Ihnen vielleicht, mir zu berichten, was an Ihrer Glückseligkeit nagt, welche riesigen Drachen aus Flammen und Rauch Ihre rosa Mondstädte durchstreifen, welche Hexen schauerliche Stürme aus Nebel und Rauch auf Ihre strahlenden Zukunftsaussichten blasen?« Ich sammelte alle meine Kräfte und versuchte mich in der ritterlichen schönen Sprechweise, denn ich nahm an, daß es ihm gefallen würde. Aber ich glaube nicht, daß es das tat; ich glaube, ich verärgerte ihn. Ich erwartete halb die ganze Zeit, daß er jenes große metallene Pferd in Gang und mit einem Sprung über meine Mauern setzen lassen würde. Stattdessen spielte er mürrisch an der Fassung seines Herzens herum und versuchte, es in eine bequemere Lage zu bringen, wie ich vermutete, und er sah mich forschend mit seinen vom Tode gezeichneten, mich verachtenden Augen an. 292
»Wenn Sie über sie sprechen«, sagte er und surrte aufgebracht, »dann vermeiden Sie Worte wie nagen, Hexen und Wolken. Ich werde Ihnen dafür danken, daß Sie ehrfurchtsvoller mit mir sprechen, oder ich werde wieder mein Herz einsetzen, obwohl es schlimmer schmerzt als eine Million Höllenfeuer, und wir werden sehen, wem hier eine Festung gehört!« Ich war zu verblüfft, um zu reagieren. Ich lachte nicht einmal. So dachte er wirklich, daß er hier unten in diesem Land eine Chance hätte! Aber ich wurde nicht ärgerlich. Wer kann den Unverbesserlichen böse sein? »Dann handelt es sich also um Kummer mit Frauen? Ich meine, Ihre Dame – hat sie einen stärkeren Ritter erwählt?« Er senkte seinen Kopf, beugte sich in der Taille auf sein Pferd zu und blickte eine lange Zeit auf den Boden, als ob er dort nach einer JA lautenden Antwort suchte. Als er sich aufrichtete, dachte ich, daß er den ganzen schweren Himmel über ihm um ein paar Zentimeter hob, so jedenfalls sah es aus. »Wenn die Frau geht, dann ist der Mann in meinem Land tot. Es gibt kein Herz eines Mannes, ohne daß das Herz einer Frau in seinem Rhythmus mitschlägt, sonst kann er kein ganzer Mann sein. Oh, es gab eine Zeit, in der ich und meine Lanire die gleichen Herzeinstellungen hatten, um unsere Kräfte zu vervielfachen. Wenn ich zu Turnieren ausritt, fühlte ich immer, wie ihr Rhythmus in mich drang, fühlte ich, wie ihre Herzräder meine antrieben, wie sich ihre Ventile öffneten und schlossen, wenn es meine taten, bis es keinen Ritter mehr gab, der es mit dem goldenen Ritter aufnehmen konnte. Damals war sie blau und golden, deshalb trug ich eine goldene Rüstung und ihre blauen, spitzenbesetzten Schleifen, und Tronser war ein goldenes Pferd. Wir drei und Erhabenheit waren damals ein Ausdruck in Ibel – die goldene und blaue Lanire, ich und Tronser.« 293
Er hielt inne; das Surren ging in ein knirschendes Ächzen über und dann in nichts. Ich schaute ihn an, und ich konnte nicht entscheiden, ob ich lachen wollte oder ob jenes juckende brennende Gefühl eine Träne in meinen Fleischstreifen war, die versuchte, meine Augen zum Regnen zu bringen. Da mein Wesen das eines Moderaners war, gab es normalerweise keinen Kummer wegen Liebesaffären, und die Größere Wirklichkeit nahm meine beste Denkzeit in Anspruch. Und doch – und doch – dringt manchmal, in kleinen angsterfüllten Zeiten, ein nagendes Etwas in mein Neumetallgehirn ein und arbeitet dort, bis ich mir nicht mehr sicher bin, daß ich mit meinen »Ersetzungen« aus Neumetallegierungen ewig leben werde und bis ich mir nicht mehr sicher bin, ob die Größere Wirklichkeit wirklich Gültigkeit hat. Und zu solchen Zeiten werde ich zu Fragen verleitet, die für mich völlig ohne Interesse sein sollten. »Wer war der große Ritter, der den Goldenen Ritter schlug? Wie groß war die Schönheit seiner Dame? Und er muß mit einem prächtigen Pferd beritten gewesen sein – einem Hengst aus Stahl und Drachen, wenn er besser als Ihr Tronser gewesen ist!« »Er war kein großer Ritter«, antwortete er mir. »Er hatte keine schöne Dame. Und wenn Sie sagen, daß er ein großes schwarzes Pferd ritt – nun, das würde zum größten Teil reine Einbildung sein. Aber es gab kein Feld, auf dem er nicht gegen mich antrat. Wenn ich zum Lanzenstechen ritt, war er immer in meiner Reichweite oder dicht neben mir. Und sogar wenn ich vor den großen Gefechten in meinem Bett lag und fühlte, wie mein Herz stark und bereit war und aus ihrem Herzen Kraft schöpfte, war er direkt vor meinem Fenster und beobachtete mich wie ein eifersüchtiger Hund. Und dann gingen wir hinaus, um Tronser zu 294
satteln, und er, diese Kreatur, beobachtete uns immer; er beobachtete immer das Prüfen der Lanzen.« »Für einen Ritter«, murmelte ich, da ich von der Heftigkeit seiner Sprechweise völlig gefesselt wurde, »benahm er sich recht merkwürdig.« »Er war kein richtiger Ritter!« schrie er gellend. »Er war ein Schuft, ein Hund. Er war eine lange schwarze Ratte, die dem Tod nachschnüffelte, nachdem die Sonne untergegangen war. Er war am eifersüchtigsten, wenn wir ganz oben waren. Oh, dann zog er gegen uns, dann rannte er gegen uns an. Und schließlich bekam er meine Lanire, und jetzt muß er mich beseitigen.« Ich dachte an ein schreckliches Monstrum, das sich an einer Küste von Moderan an einer Dame verging, und ich sagte entsetzt: »Er hat Ihre Dame, und Sie, der Goldene Ritter, sind hier und plaudern mit mir!?« Er antwortete mir nicht sofort. Zeichen des Schmerzes waren in den Fleischstreifen zu erkennen, die sein Gesicht aufwies, und er ging den vollen Bereichswechsel seiner Herzeinstellungen durch. »Noch nicht«, sagte er sich immer wieder, »noch nicht. Ich nehme an, niemals. Es ist sinnlos.« Dann drehte er sich in meine Richtung, und ich sah, daß ihn eine Höhle erwischt hatte; ein Ort, der zu dunkel und zu tief für seine kranken Augen war, die an die eines toten Fisches erinnerten, zog sein Gehirn hinunter. »Sprechen Sie zu mir über große Ritter«, schrie er. »Sprechen Sie zu mir darüber, daß uns die Sonne mit Feuer und Schatten mißt. Sprechen Sie zu mir von jenem endlosen Sandsturm und dem Vergehen des Himmels. Haben Sie den Schnee gezählt? Vor kurzem? Lanire! Lanire! Lanire – haben Sie sie kürzlich gesehen? Ich habe es nicht! Ich fühle nur den großen Schmerz ihres Herzens.« Dann fiel er von seinem Pferd herunter, und ich 295
dachte, daß er vielleicht sterben würde, als er umherrollte. Aber er tat es nicht, und ich vergab ihm die Schmach seines Schmerzes, da ich fühlte, wie groß sein Verlangen war. Als er sich vom Umherrollen in meinem Hof erhob und wieder auf Tronser gelangt war, war er wieder der vollkommene Ritter. »Vergeben Sie mir«, sagte er, »wenn ich Ihren Sinn für geziemendes Benehmen verletzt habe. Ich möchte gerne das Gefühl haben, daß es nicht völlig unwürdig war, was ich gerade gemacht habe, obwohl ich recht unfertig ausgesehen haben muß, so gänzlich aus dem Sattel geworfen und so weiter. Aber für jemanden zu fallen und sich auf dem Boden zu rollen, den man so sehr liebt, ist das Fallen eines süßen Stolzes. Vielleicht ist es den so sehr erhöhten bestimmt, wenigstens dies zu tun, bevor sie sterben. Und jetzt werden wir nichts mehr über Unterwürfigkeit sagen.« Sein Mund schloß sich wie eine Falle, die die Luft gefangen hatte, und ich dachte, als ich der tödlichen Stille lauschte, daß er vielleicht nicht wieder Surren und Sprechen würde. Aber er tat es bald. Es war fast wohltuend, obwohl er es auf eine Weise tat, wie jemand, der die Einzelheiten einer vor über tausend Jahren verlorenen Schlacht besprach. »Sehen Sie, ein Teil ihres Herzens gab mit dem Fortgang der Zeit nach, und als sie Reparaturen vornahmen, änderte es die Einstellungen ihres Bereichswechsels, bis sie mit den meinen nicht mehr zusammenpaßten. Wir vervollständigen uns nicht mehr gegenseitig, und wenn wir versuchen, es zu erreichen, bringt es nur großen Schmerz. In meinem Land werden Herzen nur einmal angepaßt, und das wenn wir jung sind und unsere fleischernen Herzen durch Herzen mit langer Lebensdauer aus Neumetall ›ersetzt‹ werden, die in Moderan vorgeschrieben sind. Und wenn dann etwas geschieht, das ein oder beide 296
neue Herzen ändert, würde es ein sehr großes Wunder sein, wenn sie jemals wieder wirklich angepaßt sein würden. Ich hatte gedacht, daß ich und Lanire dieses Wunder sein könnten, aber – nun, ich vermute, daß es nicht so ist. Ich dachte, daß ich hier am Rande des Tals der Startknöpfe anhalten und warten würde, um dann noch einen einzigen Versuch zu unternehmen. Sehen Sie, heute sollten sie sie wieder einstellen – das letzte Mal. Die Stunden des Hämmerns des Herzensschmiedes sind vorbei, und ich bin gerade den vollen Bereich der Wechsel durchgegangen. Ich fühlte nur Schmerz.« Irgendwie erwartete ich fast, daß er wieder herunterfallen und sich auf dem Boden rollen würde. Aber er tat es nicht. Er hielt sich, starr und mutig wie eine Statue, die von der Demütigung durch Vögel bedroht war. Nach einer Weile knackten seine Mundgelenke wie die Schalter einiger Kleine-Trümmer-Geschosse, die auf EIN gelegt wurden, und er sagte surrend: »Ich wußte immer irgendwie, daß es ein Ende geben muß; alle Erhabenheit, alle Liebe, alle Dinge müssen fühlen, wie die sandige Küste entgleitet. Und da ist man, ist man in einem Bad, dem kalten Meer des Endes, das uns in Seestürmen badet, die größer sind, als die, für die wir vorbereitet und festgezurrt sind. Aber obwohl ich das Reiten und den Schmerz nicht mehr ertragen kann, werde ich weitersegeln, wird mein Pferd im Ende schwimmen … Aber mein Verstand stößt mich! Öffnen Sie Ihre Tore! Ich werde Sie nicht mehr belästigen. Und Lanire! Nie mehr Lanire! … Vorwärts heißt es!« So beobachtete ich, wie er mich verließ, mit gehobenem Kopf und gehobener Lanze und Tronser, der mit Volldampf dahinzog. Ich wußte, daß er tat, was Männer seiner Art tun mußten, und ich werde nicht sagen, daß ich keine Erregung von einem unerklärlichen tiefen Stolz verspürte, als ich beobachtete, wie er mit ein297
gelegter Lanze dahinfegte und oh, so völlig ohne Hoffnung gegen das Tal der Startknöpfe zog. Und ich wußte – für ihn – daß er gewonnen hatte, irgendwie gewonnen hatte, als ich jenes kleine Rauchwölkchen, das sich einen Augenblick lang zu einer erkennbaren Form verfestigte, hoch über dem Tal sah, ein Pferd und sein verzweifelter Reiter, der seine Lanze gegen den Himmel richtete.
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Das Wiedersehen Es war damals in den Zeiten, in denen mich die Stunden täglich erschossen, minutenweise, sekundenweise, daß ich ihn zuletzt gesehen hatte … vor langer langer Zeit. Wir bestanden damals beide aus Fleisch, und er war stärker als ich, hatte stärkeres Fleisch, hatte einen stärkeren Willen und war fester im Glauben und im Geist. Damals hatte er Träume darüber, wie er die Schlachten mit dem Fleisch gewinnen würde, wie er durch die Seele Eroberungen machen könnte, wie er zum Schluß zu Der Straße hinaufgehen würde, in der die runden Lächeln glückselig saßen, völlig in ihren Flügeln eingewickelt, und freudestrahlend Gold streichelten, denn die Harfen würden sicherlich aus Gold sein. Ja, er ging mit dem großen Schutzschild aus Papier, der Verheißung, die in Das Wort gekleidet war, und ich sagte NEIN! Und wir trennten uns, obwohl wir uns so nahegestanden hatten. Es schmerzte mich, mich von diesem Mann zu trennen, denn wir hatten uns in der Tat nahegestanden, wesentlich näher als Freunde, eher so nah wie die Schlachttruppen, die gemeinsam eine Bombenexplosion erlebt und irgendwie überlebt hatten. Ja, wir hatten unsere eigene Bombenexplosion erlebt und irgendwie überlebt, die schreckliche Bombenexplosion einer Kindheit voll Angst. Aber wir hatten sie mit verschiedenen Ergebnissen durchlebt. Er war stärker im Glauben geworden, zuversichtlicher und war sich den Verheißungen sicher, den Dingen, die nicht bewiesen werden konnten, aber vorhanden waren, sicherlich vorhanden waren – wie er sagte. Ich wurde einer, der Fragen stellte; völlig schwankend brauchte ich die Dinge, die ich berühren konnte. Beim kleinsten Anzeichen 299
einer Bedrohung griff ich nach dem stählernen Hammer, um das Unverschämte Gesicht der Ängste zu zerhämmern und sprach nicht über eine Wunderschöne Stunde. So waren wir verschieden, die wir einmal sehr ähnlich gewesen waren. Unsere Leben gingen in ihre verschiedenen Richtungen. Ich kam herüber in das Land der Neuen Methoden um zum größten Teil zu »Ersatz« -Teilen zu werden, und er blieb bei dem großen Schutzschild aus Papier, Dem Wort, und dem langen Kampf von der Kanzel um Seelen. Und ihn jetzt, nach der ganzen großen Zeitspanne, wiederzusehen – die Vergleiche! – es füllte mich mit einem gewissen Grauen. Aber es war kein Irrtum – es war kein fleischerner Mutant, es war kein laufendes Gemüse, es war keine Verkleidung. Es war, was es war. Schrecklich. Sobald er auf dem WarnSo nahm ich mit den heißen Strahlen und den kalten ein Ruhebad. Ich stellte die Kleinen Geräusche laut. Ich wählte die Gedichte über Tapferkeit aus der Festungswand und dachte an all die Verse, die mir jetzt irgendwie helfen könnten, all die erhabenen Worte über Seelenqualen und Mut waren auf VERSUCHE ES gerichtet. Denn ich hatte gewußt, daß er eines Tages dorthin kommen mußte, wo ich mich in der innersten Höhle meiner Festung verkroch, vielleicht sogar in den feigen-vorsichtigen Guckkasten aus Stahl. Sogar in den Tagen meiner erhabensten Triumphe, als manche Festung vor meinen Großen Kriegskanonen wankte und meine Festung siegte, hatte ich diesen Peitschenriemen des Grauens gehabt. Daß ich eines Tages besucht und von dem Blick der Ruhigen Augen abgeschätzt werden würde – ja, ich wußte es. Was könnte ich sagen, wenn er kommen würde? Wie das weitreichende mechanisierte Sehvermögen des Landes der Neuen Methoden einstellen, um einem 300
so ruhigen Blick standzuhalten? Welche Bänder würde ich benutzen, um seine Argumente auf dem mit Plastikplatten bedeckten Boden zu zerschmettern? Ich würde ihn dort draußen auf den offenen Flächen nicht in die Luft jagen, wenn er herankäme, bliiep und bliiep und bliiep, das sanfte fleischerne Geräusch auf dem Warner war wie ein Wasserhahn in den alten Tagen, der undicht war und durch den die Nachtstunden versickerten, wenn man nicht schlafen konnte – bliiep und bliiep und bliiep. Nein, ich würde ihn nicht in die Luft jagen. Obwohl ich es könnte, es mit Leichtigkeit könnte. Warum würde ich es nicht tun? Es wäre so leicht, ihn in die Luft zu jagen und mit einem einzigen Peitschenhieb des Grauens die Sache zu erledigen. Von den ganzen Peitschenhieben nur eine Annullierung, nur um ihm soviel mehr Zeit zu geben, damit er üben kann, für andere mutig zu sein. So einfach wie ein kleiner Kanonenschuß, ein leichter Hieb eines stählernen Daumens auf einen Knopf, und das bliiep und bliiep und bliiep muß aus meinem Warnerpotential verschwunden sein, aus meinem Gedächtnis verschwunden sein – VERSCHWUNDEN! Aber würde es wirklich verschwinden? NEIN. Es würde nicht aus meinem Gedächtnis verschwunden sein, falls ich GEDÄCHTNIS nicht herausreißen und und für immer hinauswerfen würde. Und das könnte ich nicht machen. NEIN! Zuviel hing davon ab – der ganze herrliche Ort und der große Gewinn, das ganze Land der Neuen Methoden war auf dem Gedächtnis aufgebaut. War es das nicht? JA! Die ganzen Neuen Methoden waren eine Flucht vor alten, erinnerten Dingen, und das Gedächtnis war in der Flucht selbst mitenthalten. Nein, ich konnte GEDÄCHTNIS nicht aus den in meinem Geist deponierten Bändern herauswerfen. Deshalb lebte ich mit dem Erinnern und den vielen Schrecken. 301
Und dieser hier, abgesehen vom Tod, war der schwärzeste Fürst aller Schrecken, derjenige, der mich tretend hinter sich herzog, mein Inneres zermalmte, so stählern hohl und stählern schwach wie ich war, wobei die Schrei-Bänder liefen, mitten in den Zeiten der Feigheit, aus allen Betten meiner Triumphe heraus. ZWEIFEL. Zweifel an meiner eigenen Würdigkeit, Zweifel an der Richtigkeit meiner Wahl des Abenteuers in Neumetallstahl, Zweifel daran, wie ich jetzt Vergleichen standhalten würde – Zweifel Zweifel ZWEIFEL! Warum hatte ich ihn nicht vor langer langer Zeit umgebracht – diesen Messer, diesen Maßstab? Ja, ich hatte einmal eine Chance. Ich glaubte, daß ich einmal eine Chance hatte. Wenn ich ihn sauber getötet hätte, als ich mich tötete, mein weiches, breiiges und von-Fleisch-nach-unten-gedrücktes Ich und in das Land der Neuen Methoden kam, um meine Stahlteile aufzunehmen – es könnte geklappt haben. Oder warum hatte ich ihn nicht mitgebracht? Nun, es gab Gründe dafür – GRÜNDE: Warum hebt man nicht, an einem Tage, an einem lustigen, voll blühenden, entscheidungsfreudigen Tag der Leistungen einen ausgewachsenen Berg hoch und wirft ihn ins Meer? GRÜNDE! Sicherlich halfen mir die Gedichte aus der Wand jetzt nicht allzusehr. Die ganzen erhabenen Worte über die Seele schafften es nicht, mich wieder zusammenzusetzen, als ich in meinen Ängsten zusammen- und auseinandergebrochen war. Mein Ruhebad aus den heißen Strahlen und den kalten hatte bei mir mit einem wesentlich größeren Versagen versagt, als es jemals zuvor bei mir versagt hatte. Ich schaute meine Handflächen an, denn in der Tat fühlten sie sich an, als ob sie schwitzten. Aber war das nicht töricht? Stählerne Handflächen, die nervös schwitzten!? Oder war es vielleicht doch nicht töricht? Dies hier war der äußerste 302
Schrecken, abgesehen von einem, abgesehen von EINEM – Wie fand er mich also? Ich drückte alle Knöpfe für Fahnen, ich hieb auf alle Knöpfe, die Lärm entstehen ließen, ich stellte die Tänzer an. Ich ließ einen Schwarm Ballons durch mein gepanzertes Dach aufsteigen, durch die Kanonendeckel aufsteigen. Ich füllte einen Himmel voll Vergnügungen mit weichen Adlern. Ich stellte die Luft des Regenbogens an und bereitete ihm ein Fest. Denn er war ein besonderer Mann. Zwischen der ganzen Lustbarkeit fand er mich als zwei verzweifelte Augenschlitze, die aus einem stählernen Guckkasten in die Ferne blickten. »Kummer zu Kummer!« Das sagte er, als er auf meine Augen zutrat – in den schimmernden Dunstschleiern meiner Ängste und meines zitternden Widerwillens, eine schöne, gehende fleischerne Gestalt und JA! er trug keine Kleider. Ich hatte die Haupttore offengelassen. Aber ich hatte nicht beabsichtigt, ihn so genau wissen zu lassen, wie sehr ich ihm nicht guten Gewissens ins Gesicht sehen konnte. Oh, manchmal schrumpfe ich in den Zeiten meiner Panik, in meiner eigenen persönlichen Nation des Schreckens zu weniger als einem Helden zusammen. »Kummer zu Kummer«, sagte er wieder, als er langsam herankam – traurig, wie es schien – auf die Augenschlitze zuging. Er war ein schöner Mann, und durch ein Wunder auf dem Gebiet der Zeitlosigkeit schien er nicht viel älter zu sein als an dem Zeitpunkt, an dem ich ihn verlassen hatte, vor langer langer Zeit. In der Tat schien er in mancher Beziehung nur ein Bild von mir zu sein, das gemacht wurde, bevor ich für Stahl überwechselte, und ja, unser Äußeres hatte sich einmal sehr stark geähnelt. War er nur eine Kopie von mir, die vor dem Abenteuer in Neumetallstahl angefertigt worden war? Wie mein 303
Kopf jetzt von den stählernen Trommeln schmerzte, die nicht zu schlagen aufhören wollten! Als ich mich hinausbewegte, um ihn dort draußen zu treffen, tönte ein rasendes hohles Geräusch in meinen beiden Neumetallohren, aber meine Augen klammerten sich an seinen festen Blick. »Kummer zu Kummer?« sagte ich, und er entgegnete: »Ja! Und Zweifel.« Dann gab es plötzlich, merkwürdigerweise, überhaupt keinen Abstand mehr zwischen uns, als wir dort standen und weinten und nichts sagten. Er schien echte Tränen aus Augen zu weinen, die düster und unermeßlich tief starrten, während ich die mechanischen Tränenbeutel bei meinem weitreichenden mechanisierten Sehvermögen benutzte, wie es in den Zeiten der Neuen Methoden üblich war. Aber mein Schmerz und meine große Pein waren sicherlich nicht geringer als seine, an diesem Tag unseres Wiedersehens, an dem ich ihn so sanft hielt, mit meinen Metallarmen vorsichtig war, daß ich manchmal nur die Luft festhielt. Und daß er mich festhielt, konnte ich durch die ausgeklügelte Dicke und das Gewicht meiner Neumetallhülle nicht spüren. Aber unser Gespräch wurde mit Tränen nicht weniger intensiv als vorher fortgesetzt, unter einem Himmel voll grellem Vergnügen, unter dem festtäglichen Lärm und den wilden Bewegungen von Tänzern, die ich in einem unaufrichtigen Versuch, ausgelassen zu sein, hatte umherwirbeln lassen. So war der Mann aus der Kanzel also gekommen! Der Seelensammler, der Rufer nach Dem Licht. War es richtig, daß er mir als Botschaft nur Tränen mitgebracht hatte? Ich hatte erwartet, daß er eine lange Predigt mitbringen würde, wenn er käme, und vielleicht einen strengen Verweis für die Wendung, die ich zu Stahl gemacht hatte. Und sicherlich würde es Worte über einen langen Weg zurück geben. Aber wir wein304
ten dort nur für eine Weile zusammen, wie zwei völlig verirrte Schiffskameraden, und absolut nichts wurde gesprochen. Dann bewegte er sich nach einer Weile hinaus, und am äußersten fernen Rand meiner Festung, kurz vor dem letzten, geöffneten Tor, wandte er sich um, und seine Lippen formten sich zu »Bruder!« ; obwohl ich meine Ohren auf SEHR INTENSIV hatte, schwöre ich, daß ich keinen Laut hörte. Aber ich bildete für ihn auch das gleiche Wort, und ganz plötzlich war er gegangen, eine wunderschöne fleischerne Gestalt, die nackt gehend, das keine Heimat bietende Plastik durchstreifte. Oder war es nur ein Spiegelbild, und befand er sich in Wirklichkeit verkehrt herum im Himmel? Ich schaltete einige weitere Tänzer ein, schickte neue Ballons durch das Dach und stellte den Großen Lärm auf LAUT-LAUT. Dann erinnerte ich mich in meinem persönlichen Bereich der Stille, inmitten des ganzen Lärms und des Tohuwabohus der stählernen Tänzer, daran, daß fast zweihundert Jahre, zweihundert durch Stahl vorwärtsgetriebene Jahre vergangen waren, seit ich meinen Zwillingsbruder zuletzt gesehen hatte, den Prediger, den Mann, der alles auf die Stärke des großen Schutzschildes aus Papier gesetzt hatte. Nun, wie war es ihm in dem Krieg ergangen? Warum ging er jetzt nackt über unseren mit Plastikplatten bedeckten Boden? Und warum brachte er, der Mann des Glaubens, ein Fürst in dem langen Krieg, der in den Wechselwinden auf den mit Zweifel überschwemmten Ebenen der verdorbenen Seelen ausgetragen wird, mir eine Botschaft, die nur aus Tränen bestand? Kummer zu Kummer? Sagte er mir, wie leid ihm mein Zustand tat, war jedes meiner Neumetallteile nur ein Wasserhahn für ihn, der seine Tränen anstellte? Oder versuchte er zu sagen, daß Kummer und Zweifel alles waren, das 305
man entweder auf seinem Weg oder auf meinem zum Schluß fand? Hatte mein Bruder nicht mehr gefunden, hatte er wirklich nicht mehr als einen Schatten im Schatten seines großen Schutzschildes aus Papier gefunden? Hatte er es eines Tages dort draußen bei einem großen Entscheidungskampf der Seelen gegen einen Stein gelehnt, als er eine Ruhepause machte, und hatte sich der gute alte Teufel das Schild geschnappt und war lachend damit fortgelaufen? Die Botschaft war unklar … Aber wie das so oft mit mir geschah, warf mich eine Härte aus dem Niederen Tal in die Luft, zogen meine Ängste wieder einmal ihre Schlachtbanner hervor und standen Zweifel mit gen Himmel gerichteten Speeren auf; weiche Knie, die sogar vor nur einem Augenblick nicht einmal in der Lage gewesen zu sein schienen, eine anständige Körperhaltung herbeizuführen, zogen mich nach vorn und waren tapfer. JA! wir beendeten das Fest und töteten mit einem Knopfdruck die ganzen stählernen Tänzer ab. Die Kanonendeckel schlossen ihre Lustbarkeit aus, und sogar die weichen Cellophanadler brachen in der regenbogenerfüllten Luft zusammen, als wir alles in Dunkelheit verwandelten. Da wir lebten, da wir existierten, würden wir handeln und wieder das Spiel spielen. JA! das taten wir. Fast ohne jegliche Warnung erklärten wir allen Festungen in der Umgebung den Krieg, und bald gab es inmitten der grausamen Vernichtung, den harten Anforderungen des Wettkampfes und den wirklichen Problemen des Gemetzels keine Zeit für entweder Zweifel, Geister oder Ängste.
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Die Warnung Sie waren da draußen, ganz recht. Obwohl wir uns in unseren innersten Räumen versteckten, unsere Köpfe unter Betten legten, unsere Gedanken aufschießenden Bäumen und singenden Blechrotkehlchen und dem aus den Löchern hervorkommenden Frühling zuwandten, waren sie da draußen, ganz recht. Vielleicht waren sie immer dort gewesen. In Zeiten, in denen wir in unseren Kriegen pausierten, sahen wir immer ihren fliegenden Prunk, sahen wir, wie sie ihre Drohungen abschossen, die verblüffenden göttlichen Kreuze, die geflügelten Heiligenscheine, und wußten, daß sie ihre Truppen zusammenzogen … unter Bannern … oh, das weiche Symbol der Banner … An einem Frühlingstag kam ein alter Mann aus dem Land der Drohungen zurück in das Land der Festungen. Langsam gehend kam er näher, plop-plip-plapplop über das keine Heimat gewährende Plastik, bewegte er seine Scharniere und Bügel, denn er war ein Mann aus Moderan. Auf den Fleischstreifen, die er in seinem Gesicht behalten hatte, war ihm ein langer grauer Bart gewachsen, und bei seinen sich ruckartig im Rhythmus seines stockenden Gangs bewegenden Armen dachte ich an einen Mann, der mit einer Sense mähte; ich dachte an Vater Zeit aus den Alten Tagen. Aber in Moderan gibt es keinen Vater Zeit. Wir sind zeitlos in Moderan, für die Ewigkeit bestimmt! Es geschah in einer Waffenstillstandsperiode, daß der Mann mit dem Bart zurückkam. Er ging in den April hinein, und keine Kanonen feuerten. Die laufenden Puppenbomben wiegten sich sanft in den Werferschlingen, die Geschosse ruhten auf ihren Abschußrampen, und die Weiße Hexe Raketen hingen, da nie307
mand in seinem Kriegsraum den großen orangen Schalter auf EIN umlegte, so still da wie der bemalte Tod. Nicht viele erinnerten sich an ihn. Er war einmal Herr einer Festung gewesen, vor langer Zeit, aber eine kleinere Meinungsverschiedenheit mit den Verwaltungsbehörden oder etwas Ähnliches waren der Grund dafür gewesen, daß seine Festung gesprengt und der Ort für Bäume gereinigt worden war, und ihm wurde die grausame Wahl zwischen Verbannung und dem gegeben, was, für ihn, notwendigerweise den Tod bedeutet hätte – die Vergabe seiner Fleischstreifen an einen anderen. Er, da er die Verbannung gewählt hatte, war in der Nacht unter dem Schutz eines kleinen Waffenstillstandes geflohen, und Moderan hatte ihn in der Zeit, die vergangen war, nahezu völlig vergessen. Wir beobachteten ihn jetzt, so lange die Tage unseres Frühlingswaffenstillstandes dauerten, sahen, wie er ging. Hinauf und hinab und über unsere Feuerlinien ging er, Tag und Nacht, hielt unsere Warner ständig am Lärmen, und es war eine unheimliche Angelegenheit, sogar für moderanische Verhältnisse. Manchmal informierte in der Mitte der Nacht ein kleines dumpfes Geräusch auf dem Plastik oder das scharfe Klirren eines sich bewegenden Gelenks einen Festungsmann, der noch spät auf war und sich vielleicht um eine bessere Position der Werfer kümmerte oder eine Puppenbombe bewaffnete, daß der Stille in der Nähe war, daß er sich durch den Warner bewegt hatte. Niemand bot ihm Intraven für den Hunger seiner Fleischstreifen an. Niemand schenkte ihm Beachtung. Denn einmal verbannt bedeutete für uns verbannt; er war nirgendwo. Dann wußten wir auch, daß er, wenn der Waffenstillstand aufgehoben und wir wieder fleißig und glücklich mit dem Krieg beschäftigt sein würden, bei dem ersten Start der Werfer vernichtet werden würde, ohne eine 308
Spur zurückzulassen. Weshalb sollten wir uns also Sorgen machen? Und doch, an einem erhabenen Tag, als der Gasschirm nicht zu dicht und er neben einer Festung war und spähte – etwas war an ihm! Teilweise war es natürlich die sentimentale Faszination des Sehens, wie die Toten zurückkommen, wie die Verbannten die Verbannung durchbrechen, wobei man wußte, daß eine seltsame tiefe Verwandtschaft zwischen den Toten und Verbannten bestand und doch nicht in der Lage oder bereit war, diese Verwandtschaft auch nur im entferntesten zuzugeben. Nicht in Moderan! Dann hörte ich an einem Tag, an einem purpurgasigen Tag, als der Frühlingswaffenstillstand bald aufgehoben werden sollte, mit zitternden Stahlhänden, wobei meine Fleischstreifen bebten und die Haßbedürfnisse nach der Fortsetzung des Krieges gut und reichhaltig in meiner Kehle emporstiegen, wie er in der Nähe klirrte. Mein Warner veranstaltete einen In-derNähe-Lärm, als er um Einlaß in meine Mauern nachsuchte. Er sah hager und gescheitert und verrostet aus, als er auf meinem Sichtschirm erschien – eine Kreatur ohne jegliche Bedeutung, verbannt und nirgendwo. Und doch – und doch – wer konnte nein sagen, wenn die Toten mit einer Botschaft, oder vielleicht sogar einem Blick zurückkamen? Ich wies die Entgiftung und die Waffensuche an, ihm die übliche Behandlung zukommen zu lassen, und als er sich als sauber erwies, drückte ich die Tore in elf stählernen Wällen zurück, damit er eintreten konnte. Er stand vor mir, sein Bart schlang sich um seine Taille. Seine Gesichtsteile verwandelten sich in ein Chaos, und endlich öffnete sich sein Mund zum Sprechen. »Ich bin zu Ihnen gekommen«, sagte er, »ohne auch nur die geringste Absicht zu haben, daraus einen 309
Gewinn zu ziehen. Ich bin wieder an der alten Stelle gewesen, wo einmal meine Festung war. Ich habe dort unter den Blechbäumen, die jetzt dort ›wachsen‹, in einem kleinen Park für Vögel und Plastikhunde gelegen. Wieviel besser wäre es, denke ich, wenn es immer noch eine blühende Festung wäre, und ich darin, um an den großen Frühlingskriegen teilzunehmen, die bald beginnen müssen. Aber das ist nur das, was ich denke, und völlig ohne Bedeutung. Einmal verbannt ist einmal verbannt, und wie Sie wissen, gibt es keinen Weg zurück.« Er senkte seinen Kopf ein wenig, und ich sagte: »So, so«, oder was man sonst auch immer sagt, wenn es wirklich nichts zu sagen gibt und jeder das weiß. Ich dachte daran, ihm intravenöse Nahrung für den Hunger seiner Fleischstreifen anzubieten. Ich dachte daran, ›tut mir leid, tut mir leid‹ zu sagen. In Wirklichkeit tat ich dann fast nichts, sagte fast nichts, und schließlich schwenkte sein Kopf hoch, und die Teile seines Gesichts verrieten wieder große Erregung. »Ich komme mit Händen, die keinen Vorteil suchen«, schrie er. »Zuerst wollte ich nur meine alten Lieblingsplätze wieder finden, bevor es zu spät ist, in der Zeit des Waffenstillstandes das Zerspringen meines Herzens genießen und dann langsam südwärts ziehen, nach Süden in das Land der Wanderer, weg von Eurem schweren Sperrfeuer. Aber als ich wieder dieses wohltuend graue Reich des so wohlgeordneten Haßes und des standhaft geplanten Krieges sah, wurde ich wieder von einer alten Treue ergriffen. Ich wählte Ihre Festung zum Bitten aus, da Sie mit die besten, wenn nicht überhaupt die besten Ergebnisse aller Festungen vorweisen können. Wenn ich Sie rechtzeitig warnen kann, können wir vielleicht gerade eine Erbschaft retten, um ein Beispiel zu geben.« Ich dankte ihm für die freundlichen Worte über mei310
ne Festung, sagte ihm bescheiden, daß andere Festungen vielleicht fast ebenso gut waren, und er fuhr fort, kreischte jetzt fast. »Haben Sie jene protzigen Schaustellungen im Norden, Süden, Osten, Westen nicht gesehen? Die Flügel, die tanzende, ekelhafte Finsternis ihrer Grinsenden, das tödliche Lächeln der Engel, die Männer des Sonnenscheins, über deren Heiligenscheinen niemals ein Gasschirm ist? Sind die Drohungen nicht offensichtlich, unverschämt offensichtlich?« »Gerüchte sind umgegangen«, sagte ich, »Meldungen sind verbreitet worden, Warnungen sind heruntergekommen, und wir haben sie verstanden. Und doch, was können wir tun? Wir leben unser Leben hier draußen, das Leben in den Festungen, beweisen die Brauchbarkeit von Haß und die Wirksamkeit von gutem sauberem Schießen, wenn jeder weiß, was er von einem Nachbarn und einem Freund zu erwarten hat – eine Rakete in den Rücken, wenn man nicht zuerst schießt oder auf der Hut ist. Und doch gibt es immer einige – einige Kräfte – die die Wirklichkeit hintergehen würden, das Bewährte umwandeln und etwas Traumhaftes und Vermutetes probieren würden. Sie würden eine Blume auf die sauberste klarste Wahrheit stellen, ein Kreuz, einen mit einem Halo umgebenen Stern – und sie Liebe nennen. Was auch immer das bedeuten könnte. Aber wir passen hier scharf auf, schießen immer gegenseitig auf uns, und wenn die große Notlage kommt, werden wir bereit sein, unser Wissen auf dem Gebiet des Tötens den eindringenden Horden entgegenzuwerfen.« »Mein Freund«, sagte er, »mein Freund, Sie wissen nicht, was sie tun können, wie weit sie gehen werden. Ekelhaft! Schrecklich! Ich habe unter ihnen gelebt, am Rande ihres Landes. Da ich nach meiner Verbannung kein Land mehr hatte, ging ich dort hinauf. 311
Ich habe gelernt!« Einen Augenblick lang sahen seine Augen furchtbar in einem Gesicht aus, das gräßlich dürr geworden war; die Flexilöcher öffneten sich weit und die stählernen Kugeln seines weitreichenden moderanischen Gesichtssinns schwirrten und klirrten. In den Alten Tagen wurde dieser Blick vielleicht annähernd im Gesicht eines Menschen erreicht, der gerade gesehen hatte, wie alle seine Kinder bei einem besonders dramatischen Verkehrsunfall umgekommen waren. »Sie werden vor nichts haltmachen!« schrie er. »Sie werden irgendwann während eines Waffenstillstandes mit ihren Schlagworten eindringen. Sie werden singend und springend durch ein Max-Feuer über die Hügel kommen. Sie werden in der Nacht herunterkommen oder um 12 Uhr an einem Gasschirmmittag, und zwar flink. Sie werden es selbst sehen. Sie werden eine tödliche, geplante Unordnung verbreiten, wenn sie kommen. Sie werden Euch in zahllose, sich dahinschleppende Mann-zu-Mann-Gefechte verwickeln und hinter Eurem Rücken ein Durcheinander und ablenkende Nebengefechte inszenieren. Sie werden mit einer Nadel nach Euch schlagen, wenn Ihr nicht aufpaßt und Euch mit Metall-Weichmachern beschießen. Und wo werden Sie dann angelangt sein? Ihr gutes Stahlherz, das sich seines Haßes so sicher ist, wird dann ein verweichlichter Debattierender sein. Da Sie nicht wissen werden, wo Sie stehen sollen, werden Sie nirgendwo stehen und doch überall; Sie werden von Stellung zu Stellung hüpfen und hopsen, Sie werden dann ein Zauderer sein, Sie Heuchler, der Sie dann sein werden!« Sein Gesicht wurde zu einer Maske des Entsetzens, sein Bart bebte, und etwas, das er dachte, war der Grund dafür, daß er von einem bösartigen Fall von offenem, krankhaftem Metallzittern gepackt wurde. Sein 312
guter Metallmund war eine graue Öffnung, in der abgenutzte Neumetall-Säbelzähne tanzten und aufleuchteten, als er kreischte: »Sie werden sich sogar dazu erniedrigen, Wahrheitsserum in das Intraven zu tun – ihrer Wahrheit. Dann geben Sie mir doch lieber den Gnadenschuß – einen ehrlichen, rechtschaffenen Schuß.« Er beruhigte sich, der wogende Bart lag ruhig auf seiner Brust, und irgendwie dachte ich, als ich in sein stilles Gesicht blickte – die Ruhe, die vor kurzem noch so bewegt gewesen war – an ein Meer, oder vielleicht einen Himmel, der in den Alten Tagen gerade alle seine Stürme herausgeschüttelt hatte. »Und jetzt gehe ich«, sagte er, »hier durch, auf meinem Weg nach Süden, nach Süden in das Land der Wanderer, weg von Eurem wunderbaren Sperrfeuer. Ein alter alter Mann bin ich, der, als ich jung war, vielleicht Euren großen Haßbünden nicht würdig war und deshalb verbannt wurde. Aber ich würde Moderan als einen Ort retten, zu dem man zurückkommen kann, an dem man verletzen kann, für das angenehme Zerspringen des Herzens, das es bereitet. Ich hoffe, daß ich nicht grundlos hoffe. Ich vertraue darauf, daß ich Sie gründlich und rechtzeitig gewarnt habe. Und jetzt denke ich, daß ich gehen werde. Irgendeine schießwütige Festung könnte den Waffenstillstand zu früh aufheben und mich mit einem Kreuzfeuer erwischen.« Einen Augenblick lang stand er da und blickte direkt in meine Augen, wobei sein Gesicht jetzt völlig von Stürmen gereinigt war, und einen Herzschlag lang war ich versucht, ihm einen Platz als einer meiner Waffenmänner anzubieten, ich dachte daran, daß wir vielleicht seine Fleischstreifen mit Platten bedecken könnten und ihn fast völlig zu Ganzmetall aus Neumetallegierung machen könnten, zumindest so sehr, daß er für die Be313
hörden bei der Kontrolle der Waffenmänner im nächsten Jahr annehmbar war. Aber ich nahm die Gelegenheit nicht wahr, und vielleicht war das auch gut. Er hätte es wahrscheinlich nicht angenommen. Kurz nachdem er gegangen war, durch die elf Stahlwälle meiner Festung hinaus und über das keine Heimat gewährende Plastik, plop-plip-plap-plop, seine Scharniere und Bügel langsam südwärts zu dem Land der Wanderer bewegte, hob eine schießwütige Festung den Waffenstillstand vorzeitig auf. Aber ich hoffte und glaubte, daß er es noch geschafft hatte. Die meisten von uns hielten sich im Interesse von in der letzten Minute zu treffenden Vorbereitungen und einer besseren Feuereröffnung! bis zum nächsten Tag zurück, an dem der Waffenstillstand offiziell aufgehoben wurde; und als der Beschuß intensiver war als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt, an den ich mich erinnern konnte, dachte ich, daß seine Befürchtungen vielleicht völlig unbegründet waren. Und wenn sie jenseits der Hügel Herzsymbole und Schaustücke des Zusammenseins und Bataillone des Lächelns zusammenzogen und einen großen Kreuzzug und einen Freundschaftsbund vorbereiteten, na und? Wir sitzen hier in Moderan ziemlich fest hinter unserem Haß. Wir wissen, wie man gut lebt. Und falls sie nicht etwas Furchteinflößenderes einzusetzen haben als ihre schwachbrüstigen Philosophien der Liebe und unschuldig grinsende Schlagworte, dann werden sie keine Chance haben, diese Hymnensänger und Kämpfer des Bundes des Lächelns. Wir werden sie an den Vorpostenlinien vernichten; wir werden ihre Eindringlinge zu dünnsten Fleischstreifenfetzen zerschneiden; wir werden ihre Spione hinrichten, ohne auch nur einen Gedanken deswegen zu verschwenden. Wir werden sie uns vom Leibe halten, also helfen Sie uns, bis die Zeit selbst alt wird! 314
Hat irgendjemand diesen Reiter gesehen? Einen Augenblick lang bin ich außerhalb des elften, äußersten Walls meiner Festung, sitze so ruhig wie eine kalte Bleikugel da, mein Herz ist auf schwachschwach gestellt, mein blaßgrünes Blut auf schlafend, es durchspült kaum die kilometerlangen Röhren, die meine Fleischstreifen durchziehen, mein weitreichender moderanischer Gesichtssinn ist auf gleichgültigen Rundblick gestellt und durchstreift das keine Heimat bietende Plastik und späht in den rotbraunen Gasschirm der die Mitte des Juli anzeigt. Ich denke an nichts; ich suche nichts; ich befinde mich zwischen zwei Kriegen, ruhe mich aus, bin aber angemessen wachsam wie immer, wie es sich für uns hier schickt … Mir wurde heiß-kalt und kalt-heiß, als ich sah, wie er heranritt. Mein Schmiegesessel schien seine beiden Vorderbeine explosionsartig auf den Plastikboden knallen zu lassen, dort, wo ich mich in ihm, während ich mich ausruhte, nach hinten gegen den elften Wall gekippt hatte. Sein Pferd füllte sicherlich einen Hügel aus, als ich ihn das erste Mal sah, wie er keck auf jener zehnten Erhebung zu meiner Linken stand. Falls ich Punsch-Intraven, die mit Alkohol versetzte Fleischstreifen-Nahrung, zu mir genommen hätte, hätte ich geglaubt, daß es eine durch meinen Rausch hervorgerufene Halluzination gewesen sei, eine Erscheinung, die durch meine benebelte Sicht entstanden und in dem rotbraunen Gasschirm als Fata Morgana geboren worden war. Aber ich war stocknüchtern, und der Gasschirm war der übliche und geplante für die Mitte des Juli. Mein Warner begann jetzt mit seinem Lärm, und die normale vernünftige Handlungsweise in Moderan ver315
langte, daß ich mich geordnet zurückzog. Ein Mann von Moderan, der Gefahr spürt, bewegt seine Scharniere und Bügel und zieht seinen Schmiegesessel zurück durch die Wälle auf die Werfer zu. Aber manchmal wird man von etwas angezogen, aufgehalten, ist verwirrt – sogar im streng geplanten Moderan. Eine Halluzination hielt mich fest und ein Reiter kam – im leichten Galopp – an einen Ort, an dem es überhaupt kein Pferd und keinen Reiter geben sollte. Der Reiter zog die Zügel an und hielt langsam und unsicher an, und ich sah sofort, daß das große braune Pferd nicht sehen konnte. Ja, es war sogar nicht nur blind – es hatte überhaupt keine Augen; es gab nur zwei runde rote Löcher und einen kleinen Streifen getrockneten oder trocknenden Blutes, der von dem untersten Bogen jedes Loches herabhingen. Ich bemerkte besonders, wie ein leichter Wind, der durch Moderan zog, die zarten Blutstreifen schüttelte und wie das Pferd, als es sich in der Brise anspannte, energisch schnaubte. Ich hatte das seltsame eisige Gefühl, daß hier das Pferd war, das direkt in Mauern laufen würde und, da es sie nicht sah, in einem gleichgültigen unerbittlichen Galopp durch sie hindurchsetzen würde. Es war natürlich nur ein Gefühl, aber es hielt hartnäckig an. Der Reiter war nicht aus Moderan. Das sah ich sofort. Es gab kein Zeichen von Fleischstreifenverbindungsstellen an ihm. Es gab keinen Stahl. Er war ebenso ein Ganzfleischwesen wie sein Pferd und, auf seine Weise, in diesen Zeiten ebenso sonderbar. Er hatte nicht das Aussehen eines Mutanten, obwohl sein Pferd es unter Umständen hatte. So weit ich das beurteilen konnte, als ich wie rasend an die Alten Tage zurückdachte, war dies hier ein fleischerner Mensch, der nicht »ersetzt« worden war; an ihm verbanden sich keine Fleischstreifen, auch hatte er keine Stahlarme oder die 316
Scharniere und Bügel zum Gehen, die die »ersetzten« Menschen hatten. Aber warum? Und warum hier? Plötzlich hatte er, ohne daß ich sah wie oder woher, zwei glitzernde funkelnde Kugeln in der Hand, die ungefähr die Größe von Tennisbällen aus den Alten Tagen hatten. »Wenn wir in jene Stadt kommen, wird er nicht blind sein«, sagte er und fuchtelte mit seinen Händen vor seinem Klepper herum. »Ich bewahre diese hier vorsorglich in Öl auf, falls einmal der Tag kommt, an dem mein Pferd eine Art Augen vorweisen muß.« Mein Mund klappte heftig auf und zu und kein Geräusch drang aus ihm hervor. Ich starrte und würgte. »Wir kamen durch die blinden Gebiete«, sagte er, »Kilometer um Kilometer auf dem sterilen, keine Heimat gewährenden Plastik. Und auf dem ganzen ermüdenden Weg hing irgendein seltsamer Metallvogel hoch oben über unserem Pfad. Ich dachte, daß es ein Blechbussard sein könnte. Ich bemerkte, daß er sich irgendwo im Land der Festungen zur Ruhe begab.« Er schaute mich streng an und verlangte nach einer Antwort. »Wir haben hier metallene Detektivvögel«, sagte ich. »Sind sie kriegerisch? Fressen sie Menschen?« »Alles neigt hier dazu, kriegerisch zu sein. Nein, sie fressen keine Menschen.« »Bin ich froh. Ich würde nicht gerne von einem Blechbussard gefressen werden. Ihre Aufklärungsarbeit geht mich nichts an.« »Ihre Aufklärungsarbeit ist gut für unsere Kriege«, sagte ich. »Sie gehören nicht zu uns, wie ich sehe, und Sie interessieren uns nicht. Wenn jedoch der Waffenstillstand aufgehoben wird, werden Sie und Ihr Pferd ver317
nichtet werden. Unsere Beschäftigung hier ist der Krieg, im Land der Festungen, und kleine schwache fleischig-flockige Menschen und große blinde viel Schlachtfleisch versprechende Pferde haben darin keinen Platz. Ich möchte nicht übertrieben barsch sein.« »Wenn Sie mir sagen, daß ich verschwinden soll, verschwenden Sie Worte. Und Zeit. Ich bin an dieses große Pferd gebunden. Seine Bewegungen sind nicht vorgeplant. Auch sind sie nicht aufhaltbar. Ich dachte, daß ich Ihnen dies sagen sollte. Denn auch ich möchte nicht barsch sein. Auch möchte ich nicht unfreundlich sein.« Ich schaute hin, und er war tatsächlich auf sein Pferd gebunden. Zwei schmutzige weit-gereistaussehende Stricke, die nicht miteinander verbunden waren, liefen unter dem Bauch des Pferdes durch und banden den Reiter auf es, wobei sie oberhalb der Knie mit einem Knoten befestigt waren. »Wer – wer hat sie so festgeschnürt?« »Nehmen wir einmal an, viele Dinge und die Tradition. Aber es waren meine eigenen entscheidenden Hände, die die Stricke an meine Knie knoteten. Jeder Strick ist das Gewissen, wenn Sie es so sehen wollen. Mein Pferd ist die Pflicht, wenn Sie Vergleiche mögen. Sonst denken Sie einfach von mir als einem Mann auf einem blinden Pferd, der durch die blinden Gebiete geritten ist, wie er es tun mußte. Und jetzt dieses Land der Festungen! Könnten Sie in diesem Land mit solchen Worten etwas anfangen?« »Wir haben nicht mehr so geredet, seit wir erwachsen geworden sind. Was Sie sagen, hört sich wie fleischernes Gerede und fleischernes Denken an. Wir sind ›ersetzt‹. Wir führen berufsmäßig Krieg und hassen; unsere Bedürfnisse werden von Ger-Arbs befriedigt. Wir sind in Moderan vollständig modernisiert worden. 318
Wir sind ›ersetzt‹ worden, um ewig leben zu können, und haben kein Bedürfnis dafür, den Himmel bei einem Gelegenheitskauf zu erwerben. Wir sind unsere eigene Ewigkeit. Mir scheint es so zu sein, daß all diese Dinge notwendigerweise Ihr Gerede über Gewissen und Pflicht sinnlos machen – da es sich zu sehr mit Gefühlen und Herzklopfen und Vermutungen beschäftigt, die wir hier unbedeutend gemacht haben.« Er ließ die zukünftigen Pferdeaugen in lange Lederbeutel zu beiden Seiten seines Sattels fallen, und er starrte mich mit einem kühnen und festen Blick an. Meine Stahlaugen trafen auf seine fleischernen, und es gab kein Nachgeben. »Ich könnte Ihnen erzählen, wie mager mein Gaul manchmal ist«, sagte er. »Ein paar Jahrhunderte lang hat er nur aus Knochen bestanden, wirklich. Aber jetzt ist er fett und bereit, und ich bin auf ihn gebunden. Ich stelle seine Augen dar, soweit er im Moment überhaupt Augen haben kann. Er stellt meine Beine dar. Ich fühle es in meinen Knochen, daß wir einer leuchtenden Enthüllung nahe sind. Ich muß gestehen, daß ich im Moment ein wenig im Dunklen reite, obwohl ich in allen Richtungen nach einem Zeichen suche. Da ich keines sehe, heißt es vorwärts. Das ist alles, was ich weiß. Aber im Vertrauen gesagt erwarte ich, daß mich ein Stern bald auf etwas hinweist.« »Es werden Sterngranaten draußen sein und große Raketen in der Luft und Puppenbomben werden laufen, ich warne Sie«, sagte ich. »Und ob Sie noch dort draußen sind oder nicht, ist für mich völlig ohne Bedeutung. Aber man würde Ihnen schon eine Wahl lassen, ebenso wie man mir, so vermute ich, eine Wahl lassen würde. Die wenigen Fleischstreifen, die ich besitze, zwingen mich dazu, dies zu sagen, obwohl ich nicht sicher bin, daß ich völlig glücklich darüber bin, daß es gesagt wurde. Und seit es zu einer Untersu319
chung gekommen ist, vermute ich, daß ich am glücklichsten bin, wenn ich völlig stählern bin. Ich vermute, ich bin am glücklichsten, wenn ich in meinem Kriegsraum sitze, den großen orangen Schalter auf EIN umlege und die Knöpfe der Werfer drücke. Oder, um es andersherum auszudrücken, ich bin dann nicht unglücklich oder beunruhigt oder stelle Fragen – und damit gebe ich mich zufrieden.« »Für einen Mann, der doppelt durch Gewissen auf dieses blinde Pferd der Pflicht gebunden ist, scheint das eine bequeme Lösung zu sein. Und ist dann Ihr Kampf nur ein Notbehelf – ziellos, etwas um die Zeit auszufüllen?« »Mein Kampf ist das, wofür ich bestimmt worden bin. Und wenn Sie mich reizen, werde ich Ihr Pferd selbst vernichten. Schon durch ein Kopfnicken kann es gemacht werden.« »Vernichten Sie ihn«, sagte er, und ein fleischernes Auge blickte mich so kalt wie Stahl an. Ein solcher Blick brachte mich aus der Fassung. Mein Kopf fiel aus Scham und weil ich gründlich nachdachte nach vorn, und ich glaubte zu hören, wie er fortfuhr: »Für jedes Stück, in das er zerrissen wird, wird ein neues und größeres Pferd aufwachsen und ein Reiter auf es gebunden werden.« Dann ließ ich meinen Kopf knackend hochzucken, um ihm zu antworten, und es gab niemand – nichts – nicht einmal einen Schatten, ein Blatt, einen Vogel oder eine vorbeiziehende Wolke zwischen mir und dem rotbraunen Gasschirm der Julimitte. Mein Warner lärmte, daß der Waffenstillstand aufgehoben wurde, meine Waffenmänner ließen jenes seltsame trockene Geräusch von Metall, das innerhalb der Wälle rennt, erschallen, als sie zu ihren Kampfstationen rasten, und augenblicklich hatte ich wirklichere Dinge, über die ich nachdenken mußte, als ein Pferd 320
und einen hoffnungslosen Reiter oder eine Fata Morgana, die über Gewissen und Pflicht sprach. Lassen Sie mich sagen, daß der folgende Krieg ein enormer Erfolg war; die Puppenbomben waren mit großer Eile auf ihrem automatischen Weg hinunter zum Töten, die Weiße-Hexe-Raketen blitzten überall über dem stahlbedeckten Moderan auf, und die Hohen schauerlich gellenden Zertrümmer-Trümmer waren nie besser gewesen. Aber beim nächsten Waffenstillstand konnte ich es kaum erwarten, eine Verbindung auf dem Sichtschirm-Sprechverkehr zu bekommen und alle Festungen in der Umgegend zu fragen, ob irgendeine dieses große blinde Pferd und seinen Reiter gesehen hatte. Die negativen Antworten, die ich erhielt, und die spöttischen, komischen Blicke mit hochgezogenen Augenbrauen auf dem Sichtschirm sagten mir, daß es vielleicht nicht die beste Idee sein würde, noch weitere Erkundigungen über dieses seltsame Pferd und seinen Reiter einzuziehen.
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Unterbrechung des Gemetzels Welch schwere Sache war schiefgegangen, welch gigantischer, vielleicht nicht wieder gutzumachender Fehler war vor unser aller Angesicht begangen worden? In Moderan. Welches Grundprinzip des Landes war verletzt worden – GESCHÄNDET! um den mächtigen Traum tief herabzusetzen? Gestern war er etwas, einer von uns – knurrend, grinsend, nach Freuden Ausschau haltend, sich in seinen Zeiten des Schreckens in seinem Guckkasten aus Stahl verbergend, seine Kriege in Szene setzend, gute Pläne machend, um uns zu überfallen, seine Tage mit einem wachen Auge für das ewig lauernde Unglück oder den immer möglichen Sieg verbringend, da er zu hundert Prozent ein Mann war, der in seiner Zeit am »rechten« Ort war. Aber heute! HEUTE!!!??? Es geschah gleich bei der ersten Salve, daß wir es bemerkten oder zumindest begannen, argwöhnisch zu werden. Bei der zweiten und dritten Salve stieg die Angst in uns, als wir kalt unsere Sichtschirme beäugten. Es gab eine Lücke bei dem ausgehenden Vernichtungsmaterial, eine stille Stelle in dem Feuerlärm, insgesamt eine Unausgeglichenheit. Und wir hatten so einen perfekten Krieg geplant! Die schwachen Festungen waren ausgeschlossen worden und die vollkommene, rechteckige Schlachtordnung wurde gebildet, wobei die großen Festungen in gerader Linie standen und die vier Superfestungen (von denen ich eine war) die vier Ecken bildeten und die stärkeren Sachen abfeuerten, eine symmetrische Ordnung für den massiven Mord. Die Zeit der halbwüchsigen Kriege war vorbei, die Zeit der erwachsenen Kriege war gekommen; und dies sollte ein fast 322
totaler Einsatz der Vernichtungspotenzen der Welt werden. Als Führungsfestung und Generalfeldmarschall bei unserem Gemetzel gebot ich Einhalt in unserer Schlacht und ging persönlich hinüber, um zu sehen, warum eine Lücke in unserem Feuer geblieben war. Die anderen Festungsherren kamen alle in ihren Strahlen herüber, einige schickten sogar ihre Bilder, denn dies war eine höchst ungewöhnliche Angelegenheit und wir wunderten uns alle. Indem sie nur ihre Strahlen und ihre Bilder zu der Unterredung schickten und selber geschäftig, kühn zu Hause in ihren Festungen blieben, verschafften sie sich die Möglichkeit, wie ich wußte, bestimmte Projekte für den späteren Fortgang der Schlacht zu unterstützen, wobei sie meine Lage natürlich ausnutzten, wünschten, mich zu stürzen, aber das ist eben das Kreuz der Führerschaft, und ich versuchte, es großmütig zu tragen und sicherlich ohne kleinlichen Groll, denn wenn man mir ihre Chance gegeben hätte, hätte ich fraglos das gleiche getan wie sie – ABSOLUT DAS GLEICHE! Was für ein Werk der Wissenschaft ist ein metallener Mensch – gestern. Heute … beide weitreichenden mechanisierten Augen starrten auf ein fernes-fernes Nichts oder auf etwas, das so nah wie jene eisernen Klappen war, die er früher vor seinen Kopföffnungen herunterlassen konnte, wenn er sich einigeln wollte, die eisernen Tore bis zu den Augäpfeln schließen und sagen wollte, daß er nicht zu Hause sei, für niemanden zu Hause sei … Aber meistens war er zu Hause, dieser Mann, daheim um zu leben, daheim für seine Freuden, daheim um zu hassen, ein unkomplizierter, offener Mann, der nicht verschlossen und gemein zu der Welt war – ein guter, ein verläßlicher hochgewachsener Mann, einer, der seine Festung beim geringsten Be323
dürfnis nach einem Gemetzel in die bereiteten Gefilde des totalen Krieges schicken würde – mit aller Macht! und mit Max-Anstrengung kämpfen, bis alle die Raketen, die Bomben, die laufenden Geschosse und die Verderben-Verderben-Feuerkugeln auf die Welt abgeschossen sein würden. Und jetzt – Heute füllt er Schrotthalden und Leichenschauhäuser für Fleischstreifen. Er lag direkt unter seinen Kanonendeckeln, halb lächelnd, ein kühles Grinsen-im-Tode war auf seinem eisernen Gesicht, eine seiner eisernen Hände umklammerte ein kleines Totem, das ein komisches Gesicht hatte, eine unbedeutend aussehende Voodoo-Puppe, wie es mir schien, die aber vielleicht ein Talisman für ihn gewesen war, der ihm totales Glück versprach, ein Glücks-Omen-Ding, das er in besseren Tagen gehabt hatte, als die Kriege für ihn gut, GUT verlaufen waren und er – wobei er seine Nachbarn völlig ausgenommen hatte – SIEGTE! Die andere Hand war sonderbar ungelenk ausgestreckt, vielsagend in die Richtung eines Kanonenrohres gekrümmt, was, wie ich glaubte, von einer unverhofften Überraschung zeugte, und alle eisernen Finger waren gespreizt und nach oben gerichtet, als ob sie nach einem Angebot greifen, oder es abwehren, oder sich nach ihm sehnen würden. Ich war erstaunt. Wer weiß schon über jenen Augenblick Bescheid – wer weiß? WER WEISS SCHON ÜBER JENEN AUGENBLICK BESCHEID, DER ZUM SCHLUSS KOMMT? Wie es immer in der fernen Vergangenheit geschah und vielleicht heute noch in jenen kleinen Nestern der Unterentwicklung geschieht, den einfachen mit Fleisch befleckten Ländern, umstanden wir ihn eine Weile und waren angesichts der total-schrecklichen Tatsache unentschlossen. Sie waren alle mit mir an dieser Endsta324
tion eines Führers, ungeachtet dessen, daß ich dort der einzige war, der in seiner wirklichen leiblichen Gestalt anwesend war. Aber ihre Strahlen und ihre Bilder waren so adäquat und scharf, daß alles hier entschieden werden konnte, und sie könnten zu Hause sein, wie sie es sein sollten, wie ich es höchstwahrscheinlich auch gewesen wäre, wenn man mir ihre Chance für die Vorbereitung einer größeren Schlacht für nachher gegeben hätte. Die Frage war, was man mit diesem Mann machen sollte, der, wie es schien, einen Tod durch natürliche Ursachen gestorben war (eine Sache, die in Moderan völlig unmodern geworden war) und damit uns alle bis auf den innersten Kern der Grundlage unseres Mächtigen Traumes zerstörte. JA! Hatten wir den Tod nicht besiegt, da unsere Fleischstreifen gering an Zahl und unbedeutend und wir im wesentlichen Neumetallmenschen waren? Nun, wir hatten sicherlich geträumt, daß es so wäre. Hatten wir jenen Tod nicht übervorteilt, obwohl wir ihn uns selbst und Millionen von Menschen bei einem großen Gemetzel für eine stolze oder eine lustige Sache zufügen könnten, jenen Tod, der so beständig! kam, wie Diebe in der Nacht, jenen zusammenbruchartigen Tod, der so langsam, wie ein Dieb im Dunkelen, durch die Hintertür eindrang und hinterlistig durch die Lebensröhren kroch, heimtückisch Jahr um Jahr weiter fortschritt, bis er schließlich auf dunkle Art und Weise das Kommando übernahm und die Nachricht explosionsartig aufblitzte: »DER TOD TRAT DURCH NATÜRLICHE URSACHEN EIN«? Jene altmodische, merkwürdige, schmachvolle, entwürdigende, unmännliche Art von Tod – OH, NEIN! »ICH WERDE IHN MIT NACH HAUSE NEHMEN!« sagte ich. Was für ein impulsiver Ausruf, was für ein schwierig zu befriedigender Impuls! »Vielleicht 325
kann ich ihn reparieren«, sagte ich, und direkt nachdem ich es gesagt hatte, fühlte ich, wie mich eine kalte graue Scham um die Öffnungen in meinem Neumetallkopf herum erröten ließ – die Gehörgänge, die Nasenlöcher, die Augenhöhlen – an all den Stellen, an denen die Fleischstreifen meines Kopfes reagierten. Was für ein komischer Ausruf über einen Mann, eine andere menschliche Seele: »Vielleicht kann ich ihn reparieren!« »Ich hoffe, ich kann ihn gesund machen«, stieß ich hervor. »Ich werde es versuchen.« War ich ein Arzt? Nein, ich war kein Arzt. War ich jemand, der in der Wartung von Neumetallmenschen, der Reparatur von Metallwunden oder der Beseitigung von Hunger der Fleischstreifen bewanderter war als andere? In der Tat war ich es nicht. War ich jemand, der fühlen sollte, wie die große Dunkelheit ihn packte, wenn einer von uns am Boden lag, am Boden lag, um nicht wieder aufzustehen, verworfen, ohne Wunden, an einem Faden aus Spucke im Ende hing, wobei der zusammengeballte Speichel des Todes kalt auf den eisernen Lippen lag und die beiden weitreichenden Augen der Neuen Methoden ihre blinden Blicke auf den Himmel, auf die Hölle, auf das NICHTS erbrachen? In der Tat war ich es. Ich war dieser jemand. So gaben sie mir zögernd eine Woche, als sie dort bei der Beratung mit ihren scharfen Strahlen und ihren Bildern abstimmten, eine Woche lang gab es eine völlige Unterbrechung in unserem Unternehmen, eine Ruhe, einen Waffenstillstand! obwohl einige, meistens die Jungen, natürlich ungeduldig waren. Mit dem Schießen, dem Starten, dem Feuern von allem vorwärts zu kommen, war ihr innigster Wunsch. Sobald ich zu Hause war, dachte ich daran, irgendeine Maschine in ihn einzusetzen, listigerweise … klammheimlich … tief in der Nacht, die ganzen neu326
gierig spähenden Strahlen auszuschließen, die Bleivorhänge überall zu schließen, so daß er und ich alleine tief in der Festung sind, in meinem innersten Korrekturraum – die Lebenden und die Toten stehen sich gegenüber. Es war verführerisch. Es könnte natürlich gemacht werden, oh, es könnte so leicht gemacht werden und so gut gemacht werden, daß er wieder laufen würde, seine Augen scheinbar wieder sehen würden und er, ja, zu uns sprechen könnte. Er könnte sich wieder seiner Festung anschließen und den Krieg fortsetzen! Aber dann würde er in Wirklichkeit nur ein Waffenmann sein, bar jeder menschlichen Eigenschaft, und ich würde es wissen. NEIN! Ich könnte nicht so unaufrichtig sein, nicht zu ihm, nicht zu ihnen, zu keinem von uns. Obwohl es das Beste für sie sein könnte, ihren mächtigen, den Tod verschleiernden Traum von Narren weiter zu träumen. Aber ihn wieder mit seinen eigenen dürftigen Flüssigkeiten zum Anspringen zu bringen – ihn wieder natürlich aufstehen zu lassen, ihn wieder dem Haß und all den anderen menschlichen Wünschen zu überlassen, dem Grinsen, dem Knurren, dem Murren, dem Ächzen, dem Geplauder der Lebenden, dem Vergnügen und Mißvergnügen, ihn völlig ungeachtet der Großen Dunkelheit, des Kalten Nichts wieder auf die Ebene des Menschlichen zu stellen – das war es, was ich tun wollte. Der Traum klappte hübsch hübsch – in meinem Geist. Die Gedanken liefen wie Gärten der Hoffnung, in denen alle Blumen entweder knospten oder blühten. Aber er lief – NICHT – Mein Kopf ging diesen Gedanken eine Weile nach – wieviele Stunden, wieviele Tage es waren, weiß ich nicht. Aber sie fanden mich, kurz vor dem Ende der Woche, die sie mir gegeben hatten, draußen auf dem keine Heimat bietenden Plastik. Ich hatte ihn in einen 327
kleinen Wagen mit eisernen Rädern geladen, irgendwie in einen kleinen Allzweckwagen mit eisernen Rädern, die Art von Wagen, die meine Waffenmänner manchmal benutzen, um WUMM-Geschosse über kurze Strecken hoch zu den Werferschlingen zu transportieren. Und sie fragten mich dort draußen mit ihren Strahlen und ihren Bildern – Wohin? wo geht es hin? »Geht – GEHT?« sagte ich und schaute sie mit millionenfachem Nichtbegreifen an. »GEHT!?« schrie ich. Und ich blickte auf die eiserne Farbe der Kuppel, die über uns war, der letztlich unentrinnbaren Schale der grenzenlosen Gefängnismauer des Himmels, die grau und grau und grau war, der unbegrenzten stickigen Dunkelheit der Zeit. »GEHT???!!!« gellte ich, und ich schaute so weit ich konnte in meine eigenen dunstigen Gedanken in Richtung eines möglichen Landeplatzes. »GEHT???!!!« Sie waren gütig. Ich möchte es gern sagen, sie waren gütig. Sie hatten mich erwischt, hatten mich endlich erwischt, und sie wußten es. Aber sie nützten es nicht aus, und dafür ehre ich sie. Vielleicht übten sie mit meiner Verwirrung Nachsicht, weil sie sicher waren, daß ich auch ihre Schlacht schlug, und insgeheim glaube ich, daß sie wußten, daß wir alles verloren hatten. Aber sie redeten mir etwas anderes ein, spielten sich tapfer mit ihren tanzenden Gesichtern und Strahlen auf und erzählten mir, daß es keinen Verlust gegeben hatte, einen schrecklichen kaum zu erklärenden Unfall vielleicht, aber keinen Verlust, und daß unsere Zahl nicht vermindert worden war. Ein wenig hilflos brachte ich ihn wieder zurück, transportierte ihn in einem gewöhnlichen Wagen mit eisernen Rädern, der Art von Wagen, die manchmal benutzt wird, um WUMM-Geschosse in Festungen über kurze Strecken zu transportieren, ich, der ich nur 328
noch die Reste von dem war, was einmal ein stolzer Festungsherr gewesen war, ein eiserner Hahn-imKorbe, ein Mann, der mit den allerletzten letzten Vervollkommnungen vervollkommnet worden war, ein Mann, der nicht für den Tod durch natürliche Ursachen gemacht worden war, ein Mann, der LEBEN! und einer ganzen Welt das prächtige Todesmonster des brodelnden grandiosen Krieges bringen sollte, wenn er es wollte. Er war ungeschickt in den Wagen gelegt worden, der ohnehin für ihn zu klein war, und seine Arme und Beine waren zusammengeklemmt worden, und einige dieser Dinge schleiften am Boden, wie sehr ich das auch bedauern mochte, und ich bewegte ungestüm meine Scharniere und Bügel in dem unbeholfenen EilGang der »ersetzten« Menschen aus Neumetall, plopplip-plap-plop ging ich über das heimatlose Plastik, zog diesen toten Brocken aus Metall und Fleischstreifen, der einmal ein Mensch gewesen war, zurück nach Hause, um dort zu einer Entscheidung zu kommen. Ihre Strahlen folgten uns, einige ihrer Abbilder geleiteten uns, und wir gaben dort ein recht merkwürdiges Bild ab, wie ich vermute. Später mußten wir entscheiden, was am besten getan werden sollte – es gab viele Fragen. Sollten wir diesem Mann, dem ganzen Mann, ein ordentliches altmodisches Begräbnis geben, mit Gebeten und allem anderen, was zu seinem altmodischen Tod paßte, oder sollten wir, wie es bei einem eindeutigen Fall von großemTod-in-der-Schlacht durchaus statthaft war, seine Fleischstreifen an einen anderen Festungsherren vergeben, damit er sie, wo sie einsetzbar waren, bei längerem Tragen im Krieg als Ersatzteile benutzen konnte. In diesem letzteren Falle würden wir für diesen abdankenden – nicht toten, nur abdankenden! – Festungsherrn in Abwesenheit die kurze, zweifellos ehrende 329
und lobende Zeremonie vom Typ der Verleihung von Auszeichnungen veranstalten, die BESTIMMT! ohne Gebete und die Verheißung des Himmels ablaufen würde. Und wir könnten sein Metall im Rahmen einer kleinen Feierlichkeit zusammenschmelzen und es zu jenem Ort auf der Großen Plastikebene des Verwirklichten Traums schicken, wo er mit seinem Gott vereinigt werden könnte – mit unserem Gott – einem massiven Stab aus Neumetall, der als unser Leitstern aufgestellt worden war, als Moderan neu war. Für mich schien es in diesem Augenblick, als ich auf diesen auf unzweideutige Weise ausgebreiteten Toten blickte, wirklich recht bedeutungslos zu sein, wie wir uns seiner entledigten. Wenn es auf die moderanische Weise verlief, könnte seine eingeschmolzene Metallhülle hingehen, um sich mit der Großen Säule zu vereinigen, jenem massiven Stab, der wächst und lebt und zu uns spricht, der eine Tatsache ist, auf die man sich verlassen kann, ein körperhaft vorhandener Gott, der hoch aufgerichtet auf der Großen Plastikebene steht. Oder, wenn wir es durch Abstimmung beschließen sollten, seine Metallhülle könnte weiterexistieren, um nicht mehr als ein Waffenmann zu werden, mit einer eingebauten Maschine, ein zweckmäßiges Stück freundlichen sich bewegenden Kleinkrams, der überhaupt nichts bedeutet, überhaupt nichts. Wenn es auf die sonderbare altmodische Weise der Verheißung des Himmels verlief, mit dem vollständigen Begräbnis, den Gebeten, dem Gerede über etwas, das sich erheben würde, etwas, das wesentlich leichter als Nebel oder Luft war, etwas, das so zerbrechlich war aber Ewig bestehen würde – nun, ich vermutete, daß er dann unten in seinem Grab schwer liegen würde, wobei seine blinden Augen ewig auf seine bewegungslosen Zehen blickten. 330
»WAS SOLL DAS ALLES ÜBERHAUPT?« schrie ich in einem schrecklichen Schrei der Raserei, ging dann wieder zurück zum wahnsinnserfüllten Rufen: »DIESER MANN IST SO TOT – TOTER GEHT ES GAR NICHT! Wie wir es zu gegebener Zeit ALLE sein werden. Trotz Glauben oder dem hinters Licht führenden Traum.« Aber sie diskutierten wieder mit mir, direkt dort draußen, wobei ihre Strahlen vor mir waren und sprachen und wobei einige ihre Bilder geschickt hatten und sie vor mir tanzen ließen, alle versuchten wirklich zu betonen, wie unziemlich es war, wenn ich, der Herr einer Superfestung, so zusammenbrechen und vom Tod durch natürliche Ursachen niedergestreckt werden würde. In Moderan. Wo es offiziell keinen Tod durch natürliche Ursachen gab. So ließ ich mich schließlich erweichen, gab dem Druck nach und wurde überzeugt. Was wirklich geschah, war, so vermute ich, daß ich begann, mich schuldig zu fühlen. Warum sollte ich, fragte ich mich, nur weil ich glaubte, daß ich so tief geschaut und so deutlich das klare NICHTS gesehen hatte, diese guten Leute mit eisernen Absichten aufhalten, die das Schießen, das Starten, das Abfeuern von allem fortsetzen wollten? Ich hatte kein Recht dazu! Sie waren kribbelig und bis zum Rande von vorläufigen Zielen erfüllt, sie waren alle völlig anständige Leute, die die Große Schlacht weiterbringen wollten, das Marathontöten, und gegenseitig Tag und Nacht den Kampfestod in dem großen, die ganze Welt umfassenden Tumult aufeinander schleudern wollten. Warum sollte ich mein Herz sauer werden lassen und ihnen sagen, daß es am Ende von all diesem nichts gab außer dem einen – den endgültigen nackten Tod? »Er wurde unvorsichtig«, rief ich, »wahrscheinlich, und hielt sich nicht an die Regeln und spielte das Spiel nicht ordent331
lich. Fütterte sich vielleicht nicht mit dem richtigen Intraven. Seine Fleischstreifen verhungerten wahrscheinlich. Oder vielleicht wurden sie einfach um die Verbindungsstellen von Metall und Fleischstreifen herum schimmelig und krank, weil er die moderanische Gesundheitspflege nicht ordentlich durchführte. Warum sollte es uns etwas ausmachen, wenn er rostete? Sollten wir es zulassen, daß ein unachtsames, unfähiges, gänzlich unwürdiges Mitglied unserer Gesellschaft einen zentralen Traum völlig torpediert? Oder unseren Wettkampf aufhält? WIR SOLLTEN ES NICHT ZULASSEN! Wir werden ihn einfach in einer alten Kapelle aus vergangenen Jahrhunderten lagern, ihn in eine Gruft stoßen, bis der Krieg vorbei ist. Dann werden wir entscheiden, was mit einem Nichtsnutz zu machen ist, der alles lädierte und nicht kämpfen wollte.« Und von den Strahlen und Bildern stiegen die Hochrufe auf und Beifallssalve um Beifallssalve. Aber gerade als die wilden Beifallssalven für mich schön in Gang kamen, trat ein junger und energischer kleiner Festungskommandant, der aus großer Entfernung beobachtet und zugehört hatte, näher heran, richtete seine Scharniere und Gelenke elegant gerade, bog seine Kniescheiben ungefähr zweimal und schickte seine Strahlen zusammen mit seinem Bild tanzend aus, von dem Feuerzungen aufzuckten, um dort eine Anklage und einen Vorschlag hervorzustoßen, der meine Anregungen um ein vielfaches schlug. Ich mußte es zugeben. »DIESER NICHTSNUTZ!« schrie er. »Nicht eine Wunde, nicht eine Schramme der Schlacht für seinen Totenschein! NICHTSNUTZ! NICHTSNUTZ!! NICHTSNUTZ!!! Wenn er einen Tod durch Beschädigungen durch die Schlacht gestorben wäre, seine Festung völlig eingestürzt wäre, die ganzen Kanonenrohre herabhängen würden und die Werfer zerquetscht 332
wären – wenn er die Oberfläche seiner Trümmer anfauchen und bereit sein würde, auf uns alle, auf alles! nur mit seinen beiden bloßen Metallhänden loszugehen – BRAVO!! Aber dieser sinnlose, arglose, feige, abscheuliche Tod dieses lächelnden Drückebergers, der einer Oma würdig gewesen wäre, dessen Haß verschwunden ist – pfui!« Dann erhoben die Strahlen des kleinen Kommandanten und sein Bild die Hände, um inständig zu bitten, daß wir genau zuhören sollten, und er fuhr fort, jetzt etwas weniger leidenschaftlich aber mit einer Stimme, die sagte, daß er mit seiner ganzen Materie und seinem ganzen Wesen hinter dem stand, was er sagte. »Da er sich nicht an die Regeln hielt und das Spiel nicht ordentlich spielte«, erklärte er, »dieser Dieb, dieser Versager, dieser unaussprechliche Schandfleck, der unseren Traum stehlen wollte und uns mit zu NICHTS verringerten Hoffnungen auf die schrecklichen Wellen der Zeit setzen wollte, damit wir sterben würden – ist keiner von uns, nicht wirklich, konnte niemals wirklich einer von uns gewesen sein. Deshalb laßt uns ihn aus dem Bund hinauswerfen. Wir werden ihn für alle Ewigkeiten ausschließen! Wir werden sein Bild verbrennen und seinen Namen vor den fernen Sternen heruntermachen. Das wird für ihn die richtige Behandlung sein. Dann werden wir, nur um ganz sicher zu gehen, ihn in jene große unterirdische Nullkorrekturmaschine werfen, ja, in die neue, die im Norden steht, diejenige, die ganze Festungen in weniger als genau fünf Sekunden zu einem Pulver zermahlen kann, das feiner als Staub ist. Alles, was wir dann noch tun müssen, ist, unseren Geist in die richtige Richtung zu lenken. An der Tatsache festhalten, daß es ihn niemals gab. So wird unser Traum, unser den Tod besiegender heiliger Traum, unser Plan, durch Fleisch333
streifen, Neumetall und Intraven ewig zu leben, wieder vollständig hergestellt sein, wie neu geflickt, so schön, wie er immer gewesen ist! Und dann können Sie jenen großartigen Krieg weiterführen, den ich, obwohl ich nicht würdig bin, daran teilzunehmen, beobachte und an dem ich jeden Tag lerne, und ich bin über jeden todgeladenen Schuß begeistert. Und eines Tages vielleicht, wenn die eisernen Einladungen verschickt werden und mächtige mechanisierte Trompeten ihren Ruf erschallen lassen, diese süßeste Musik der ganzen Welt, dann vielleicht –« Wild zustimmender Beifall brach dann für den kleinen Kommandanten los, Beifallssturm um Beifallssturm für ihn, dessen mit klarem Kopf gemachte und weise Vorschläge unsere Verlegenheit wegen des Todes durch natürliche Ursachen in Moderan beseitigt hatte. Ja, wir würden diesen Nichtsnutz beseitigen, der uns so sehr aus der Fassung gebracht hatte, ihn so beseitigen, daß es tatsächlich so aussehen würde, als ob es ihn niemals gegeben hätte. Wir würden ihn hinausstimmen. Wir würden sein Bild verbrennen und seinen Namen vor dem hohen Himmel des Universums heruntermachen. Dann würden wir, nur um ganz sicher zu gehen, ihn unterirdisch in unserem eigenen zuverlässigen Gerät zermahlen, das alle unerwünschten und unwürdigen Dinge zu pulverigem Staub zerkleinert. JA! jawohl, kleiner Hauptmann! So beförderten wir diesen weisen kleinen Hauptmann, der tatsächlich schon eine lange Zeit für einen höheren Rang geschossen hatte, strahlten ihm eine Nachricht, daß er sich für den Krieg vorbereiten sollte, er würde teilnehmen! an dem Kampf, der am nächsten Mittwoch wieder aufgenommen werden würde, am folgenden Tag. So brachte zum Schluß das BeinaheVerderben für unseren Mächtigen Traum einem Freu334
de, und wenn ich dies sage, obgleich etwas zögernd, muß man auch sehen, daß neues Blut in den Listen wahrscheinlich keinem von uns weh tat, und unser Krieg war ebenso erfolgreich, wie jeder andere, den ich gesehen hatte. Und nur um die Aufzeichnungen aus Achtung vor der Mächtigen Wahrheit, über allem und überall, in Ordnung zu bringen, muß ich notieren, daß ich mich wieder einmal gut erholte und stark zurückkam, um einem allgemeinen und wachsenden Verdacht zu widersprechen, daß ich in nicht allzu vielen Jahren selbst für die Nullmaschine, den Großen Berichtiger, reif sein würde. Inmitten der unbarmherzigen Vernichtung und dem allgemeinen wilden Durcheinander all unserer zerschmetterten Festungen stand ich einmal mehr als der Hochaufgerichtete auf, ging stolz gehoben zwischen den aufgehäuften großen Toten der Schlacht umher, nahm meine Preise so bescheiden, wie ich konnte, an – »tüchtigster Krieger von allen«, »mutigster Streiter beim Einsatz«, »weitaus bester strategischer Gesamtplaner«, und schließlich die entscheidende Ehrung für jemand der immer »unerschütterlich und ohne Fragen zu stellen alles für die unentwegte und unnachgiebige Massenvernichtung einsetzt, um die Welt durch die Schlacht unter seinen eigenen starken Willen zu zwingen« .
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Das Blumenwunder In jenem Jahr hatten wir einen altmodischen Monat März in Moderan; die Zentrale hatte ›Wetter‹ abgestellt und ließ die große Kugel nach ihren eigenen Gesetzen rollen. Ich saß während eines Waffenstillstandes außerhalb meiner Festung, genoß eine Zeit, in der die Stürme losbrachen, wie Windböen um meine stählernen Armbeugengelenke wirbelten, melodisch in meiner Neumetallnase klangen und obendrein an meinen Gehörgängen aus Blech ein recht angenehmes Frühlingslied heulten. Es kann sein, daß ich schlief, aber ich glaube nicht, daß ich schlief. Ich glaube, daß ich nicht aus dem Schlaf aufschreckte sondern von Wachsamkeit zu größerer Wachsamkeit. Und wenn man etwas sieht, das einer Windmühle stark ähnelt, die vor einem Wind davonläuft –! Er kam mit der Geschwindigkeit einer laufenden Windmühle heran, wenn Sie sich vorstellen können, wie sich eine alte Windmühle von ihrem Standort über einem alten Brunnen loslöst und am Wind entlangläuft. Als er näher kam, sah ich, daß es keineswegs eine Windmühle war, sondern nur ein hochgewachsener sonderbarer Mann, der seine langen Armschäfte aus Neumetall kreisen ließ und den schwierigen viereckigen Gang der »ersetzten« Fleischstreifenmenschen ging, plop-plip-plap-plop lief er über den heimatlosen Weg. An jenem Tag hatte ich ein wenig von meinem Mut bei mir, deshalb sprang ich nicht sofort erschreckt auf und rannte zu der Mauer meiner Festung. Ich saß da und beobachtete ihn, dachte daran, wie ungestüm er war, wie sehr das Schwingen seiner Arme an das von Dreschflegeln erinnerte, wie mühsam die Füße gingen, 336
um ihn bei seiner Reise vorwärts zu bringen. Bei der Kreuzung war er unschlüssig, er hopste auf seinen stählernen Ausschreitern hin und her, flatterte mit seinen Händen wie ein Paddler und traf meiner Meinung nach die Entscheidung. Die Entscheidung war, durch das Große Anwesen auf dem W zu gehen, durch mein Anwesen! die große stählerne Zitadelle, in der sich Finger in den hohen Himmel streckten, die nach Fingern von Suchstrahlen forschten, in der Scharniere orangefarbenen Hälften von Stahlhüllen ermöglichten, sich aufzutun, um die zahlreichen Startrampen zu enthüllen, und in der die Kanonendeckel, die leicht und locker auf den Kanonenrohren ruhten, immer bereit waren. Es war seltsam, daß er eine Melodie pfiff, als er den großen Plastikweg herunterkam, der zu meiner Festung führte. Nur am äußersten Rand meiner Kräfte, mit der auf Sehr Intensiv gestellten Hilfe, konnte ich diese Melodie wahrnehmen, es war eine Art Kirchenlied, aber keines von der kämpferischen Kirche, die schneidig und deren Motto ›schlagt sie tot für Gott‹ war, sondern eher eines von der flehenden Kirche, es war demütig, bettelte den Menschen um ein widernatürliches, absurdes, unmögliches, niemals-zu-erlangendes Zugeständnis an – in der Tat ein sehr störendes Stück. Aber wenn irgend jemand irgendeine Melodie pfiff, während er so dicht auf die Spitzen meiner Kanonen zuging, selbst bei einem Waffenstillstand, dann bedeutete das, daß er dem ganzen Gebäude meiner Logik eine Nase machte, und ich konnte es fast nicht glauben. Flüche und finstere Blicke und ein laufender Heulkasten wären eher das, was man erwartete. Aber er war ein Pfeifer, ein Lächler, und er trug einen kleinen Blumenstrauß! Ich bemerkte es, als ich ihn auf meinem X-MediumSchnüffeloskop-Sichtschirm studierte, während er 337
noch ein ganzes Stück entfernt war. Ein Mann im Land der Festungen, der einen kleinen Blumenstrauß trug?! Er sollte besser mit Lasergewehren kommen, die tief und locker von seiner Hüfte herabhingen, unfaire gemeine Tricks unter der Brustplatte haben, stahlzersetzende Säuren in geheimen Ausbuchtungen der Daumen, die er in die Augen von Fremden schießen lassen würde, und ein paar keilförmige Hämmer, mit denen er einen Mann in Stücke hauen würde, wenn er ihn jemals beleidigen sollte. Ein kleiner Blumenstrauß! Nun, dem würden wir auch nicht trauen! Als eine verspätete Geste der Vernunft bemächtigte sich mein besseres Gehirn meiner und ich brach zu der Mauer der Festung auf. Wir verfluchten uns für unsere Langsamkeit und begannen sofort mit der Kontrolluntersuchung, brachen die allerneuesten Sehröhren auf, stellten das neue Abtastgerät auf HaargenauDurchsuchen, schätzten seine gesamten Möglichkeiten ein, versetzten unseren ganzen riesigen Waffenkomplex in ständige Alarmbereitschaft, START-JETZT, nur für alle Fälle, und wir hoben die Ausgangsgenehmigung einiger Waffenmänner auf, die, wie ich zufälligerweise wußte, ohnehin viel zuviel von einigen weiblichen Robotern gesehen hatten, die bei der Stadtverwaltung beschäftigt waren. Zusätzlich raste ich, was ein großes Herumschwingen zu der Schattenseite des Mutes bedeutete, zu meinem stählernen Guckkasten. Wenn er kam, um mich mit einigen Tricks zu überwältigen, die in einen Satz Stahlnarzissen eingewickelt waren – nun, er würde mich dort draußen mit meinem langen grauen Haar nicht wie eine Oma antreffen, die den Mantel einer Puppenbombe strickt. NEIN! Aber nachdem er gebührend kontrolliert worden war, stellte er sich als sauber heraus, der Strauß war tatsächlich ein harmloser – kleine blaue Aus-dem338
Boden-Schießer des Frühlings aus Stahl und einige Blechrosenknospen, die natürlich der Jahreszeit nicht im geringsten angemessen waren, und ein paar ungleichmäßige Narzissen, die aus Neumetall waren und deren Farbe abgeblättert war, wie ich dachte, aber insgesamt betrachtet war es ein sehr vielseitiger und recht angenehmer Blumenstrauß. Mir hätte es nichts ausgemacht, ihn zu besitzen, nur aus einem Feingefühl heraus, aber ich konnte mir, als ich es versuchte, keinen Preis vorstellen, der mir in nächster Zeit bevorstand, und die Ausschüsse in der Stadt waren neidisch, deshalb würden sie mir keinerlei Achtungsbezeigungen schicken, weder in Form von Blumen noch in irgendeiner anderen. Vielleicht war er unterwegs zu einem Heiligtum und geweihten Kerzen, die weiter vor dem Wind lagen, und würde, bei seiner Gehweise, ungefähr Weihnachten dort sein. Aber warum sollte ein windmühlenförmiger Mann nicht den Großteil eines Jahres damit verbringen, zu einem vor dem Wind gelegenen Heiligtum und geweihten Kerzen zu gehen? Ungefähr am Weihnachtsabend könnte er das Randgebiet erreicht haben und dort kampieren, und genau beim zwölften Bamm von Mitternacht könnte er, bei genauer Zeitplanung, mit seiner metallenen Handvoll hineinschwanken und sie einem stammelnden verdutzten Hüter der Kerzen vor die Füße werfen, und vielleicht würde er das Bedürfnis verspüren, dem Hüter der Kerzen zuzuschreien: »FÜR DEN GEBURTSTAG!« was auch immer das bedeuten könnte? Jahre sind schon auf schlechtere Art und Weise verbracht worden. JA! Sie reichten mir den Bericht durch einen Schlitz in den Guckkasten aus Stahl, und, da die Auswertung völlig negativ war, was Gefahr betraf, gab ich die drei unterzeichneten Befehle aus, offiziell und ordnungsgemäß versiegelt, die Tore LANGSAM zu öffnen. Als 339
er genau neben dem Guckkasten, aber immer noch ein gutes Stück draußen auf dem weitläufigen Festungsplatz war, bat ich ihn höflich anzuhalten. Er drehte sich zu mir um, wirbelte seine Blumen in einem Kreis voll Regenbogenfarben und kam weiterhin näher, er lächelte und schlug die kalte Märzluft mit seinen schimmernden Windmühlenarmen und den Stahl-und-BlechBlüten. Ich wandte mich den Sicherheitsvorkehrungen meines Guckkastens zu, sah, daß das Dreifachschloß eingeschaltet war und ließ wieder die Dinge durch meinen Geist ziehen, die ich in einer Zeit maximaler Gefahr für MICH tun mußte. Äußerste Unsicherheit! Und der Blumenstrauß ging weiter! Für den Fall, daß er nicht anhalten sollte, saß ich bereits tief in jener persönlichen Verpflichtung, den Fallgruben-Boden auszulösen und ihn in sein Verderben stürzen zu lassen. Wieder einmal hieß es: er oder ich. Die alte Frage, und ich, ein großer Festungsherr, dachte noch nicht einmal an einen Fall, der es ermöglichen würde, daß ein Mann mit einem Stahl-und-Blech-Bukett meine Festung nehmen würde. Obwohl alle meine Sicherheitsvorrichtungen ihn getestet hatten, während er noch draußen gewesen war, wie konnte ich absolut sicher sein, daß er nicht irgendeine schreckliche Säure in jedem netten Blumenblatt und Staubgefäß und Stengel eines sehr üblen Blumenstraußes eingeschmuggelt hatte? Und er würde jene Säure in meine Augen stoßen, nur zu genau auf den Schlitz in dem Stahl des Guckkastens zielen. OH! … Aber gerade als ich fast schon fühlen konnte, wie jene üble explosive Säure in meine unschuldigen Augen schlug und die Augäpfel herausspringen ließ, hielt er an. Und nicht eine Sekunde zu früh! Eine stählerne Zehe berührte gerade die Linie, die letzte kleine Stelle, zu der er in seiner gegenwärtigen Richtung ohne eine 340
schreckliche Richtungsänderung um neunzig Grad – nach unten – gehen konnte, wo gewisse Geräte, die ich Ihnen aus Sicherheitsgründen nicht vollständig beschreiben kann, ihn in weniger als genau fünf Sekunden zu einem Pulver zermahlen würden, das feiner als Staub war. Ja, ich konnte den Boden unter ihm an jeder beliebigen Stelle des Festungsplatzes sich öffnen lassen. »Ich bringe Ihnen meine Blumen«, sagte er, als ich von der nahen Verpflichtung zu einer schrecklich gewaltsamen Tat in die Gegenwart zurückschwamm. Lassen Sie sich über mich gesagt sein, daß ich mich niemals ganz daran gewöhnte. Und manchmal denke ich, daß meine Bewertung als der stärkste und mutigste aller Festungsherren nur ein großer himmelschreiender Schwindel ist. Ein Mann mit dieser Bewertung sollte in der Lage sein, es mühelos zu tun, mit hinter ihm festgebundenem Verstand Nr. 1 sozusagen, und dem Minimum an Konzentration, fast so wie er frühstückt, wie er sein Orangen-Intraven hinunterstürzt. (Sie müssen verstehen, daß wir, die Neumetall-FleischstreifenMenschen, hier in Moderan alle unsere Nahrung in einer Flüssigkeit mit besonderen FleischstreifenNährstoffen zu uns nehmen müssen.) Eine Armee gewöhnlicher Menschen wird dann vor der Eiersuppe umgelegt und die Riesen bei der Toastflüssigkeit, und die Spione und die weiblichen Guerillakämpfer werden beim Intraven-Tee hinuntergeschickt – ich sollte ruhig dasitzen, Sie verstehen, einfach unbeteiligt auf die Knöpfe schlagen, meine Feinde zu dem Zermahler Zermahler Zermahler hinunterschicken. Oh, ich bin damit fertig geworden. Natürlich, ich mußte es. Ich habe ganze gefangengenommene Armeen durch meinen Boden geschickt, alle hinunter, sogar bis auf das letzte dumme der Truppe nachziehende Mädchen, hinunter zu meinen geheimen Zerhack- und Zermahlgerä341
ten, und ich habe den Staub in riesigen Versandtaschen zurückgeschickt, zurück zu ihren Ministern, und habe intelligente Anmerkungen wie: »Schicke Ihre Armee zurück; zerkleinert, um die Portokosten zu vermindern« dazugeschrieben. Aber meistens schickte ich sie nur mit einem einfachen »Menschenstaub – war nicht zu gebrauchen« zurück und kritzelte die Adresse des zuständigen Ministeriums auf die großen Versandbeutel. Und natürlich reichte ich später immer eine Rechnung über die Verpackungs- und Portokosten ein, die, was ich bedauere, sagen zu müssen, weil es so sehr viel über die menschlichen Unzulänglichkeiten sagt, sehr selten bezahlt wurden. Oh, solchermaßen sind die Manieren der verstimmten rückständigen Länder, wenn sie ihrer Ehre, fast ihrer ganzen Ehre, durch die Niederlage entkleidet sind. Aber, wie ich begann zu erklären, ich habe niemals irgendeine dieser Tötungen durchgeführt, ohne daß sich die schrecklichen Spannungen einstellten, ohne eine maximale Konzentration meiner Kräfte, um das Notwendige Richtige zu tun. Und manchmal dachte ich deswegen, daß ich vielleicht nicht für diesen hohen Rang bestimmt war. Aber ich habe mich unaufhörlich bemüht, und niemand kann ernsthaft behaupten, daß ich keine gute Figur gemacht hätte. »Ich bringe Ihnen meine Blumen.« Nein, seine Stimme war nicht kratzend und rauh, wie eine alte Windmühle, die ein Ölbad brauchte, vielleicht klänge, wie ich es erwartet hatte. Seine Stimme war ein sanftes, seidenes, inständiges Bitten, ein Bitten, doch Freunde zu sein. Aber was für eine Hinterlist kann auch darin verborgen sein, dachte ich. Ich war jetzt von dem schrecklichen Ort zurück, an dem meine schrecklichen Taten verübt werden. Ich war zurück an dem Tag und der Luft und bei dem Mann 342
vor mir, ich war vom Tod zurück. Denn – ja, ich sterbe immer ein winziges bißchen, wenn die grauenerregend-schwarzen Taten verübt werden. Aber jetzt war ich wieder zu Verschlagenheit, Schlauheit, Scharfsinn, Mißtrauen zurückgekommen – den menschlichen Beziehungen auf der Ebene des Alltäglichen. Ich würde meine Fühler nach ihm ausstrecken müssen. Ich drückte das Dreifachschloß auf, stieß die Tür meines Guckkastens einen kleinen Spalt auf und trat ihm auf diese offenere Weise entgegen. »Kommen Sie von einem Ausschuß aus der Stadt?« fragte ich. »Haben sie mich bewertet und beschlossen, daß ich ein besonderes Zeichen der Anerkennung für meine Taten erhalten sollte? Sind sie endlich aufgewacht?« Ein kleines Stirnrunzeln durcheilte seine Gesichtsplatten genau an den Stellen, wo die Fleischstreifen seines Gesichts sich mit seinem Neumetallkopf verbanden. Er breitete seine Neumetallarme in einer Geste aus, die mich in gewisser Beziehung wünschen ließ, daß er jene Zehe nur ein winziges bißchen über der Linie, der Zerstörungslinie, stehen gehabt hätte, damit ich ihn mit bestem Gewissen zu den Messern und den Mahlgeräten hinunterfallen lassen könnte, um jenen Blick und jenes verächtliche Armschwingen-voll-Hohn in den endgültigen Zustand von Staub versetzen zu können. Aber ich tat es natürlich nicht. Aus Neugier und einem starken Gefühl der Fairness ertrug ich ihn. »Eine Welt der ungestümen schneidigen Taten mit Kanonen wünscht Belohnungen«, sagte er. »Aber ich habe ein größeres Ziel. Wenn ich sage ›ich bringe Ihnen meine Blumen‹, dann meine ich, daß ich Ihnen das Wesen meiner Blumen bringe. Tatsächlich bringe ich Ihnen diesen Blumenstrauß nicht wirklich. Denn dieser Blumenstrauß ist eine meiner Hände, falls Sie es interessiert!« 343
Nun, das brachte mich ins Wanken. Irgendwie warf mich das öfter, härter hoch und schleuderte mich nieder, als wenn er mir plötzlich enthüllt hätte, daß er einen Neumetallarm hätte, der in einem eingebauten Messer oder einem Gewehr endete. Warum sollte sich ein Mann in dieser Welt, in der ein Individuum all die guten Stahlhände braucht, die es bekommen kann, sich absichtlich eine Hälfte wegschneiden? Oder war es doch keine Absicht? »Ist dies irgendeine Strafe?« fragte ich. »Begingen Sie einmal eine feige Tat, wegen der man Ihnen eine Ihrer Hände abschnitt und sie durch ein paar Blumen ersetzte, um Sie für immer in einer Welt des Mutes und der entschlossenen Taten zu isolieren? HA.« Der Blick, den er mir zukommen ließ, eine finstere Grimasse, die alle Fleischstreifen und allen Stahl seines Gesichts einbezog, veranlaßte meinen umsichtigen Mut, meine Gedanken zurück zu Auslösehebeln zu drängen, die ein Bodensegment rasch herabstürzen lassen würden. Aber ich ließ ihn natürlich nicht herabstürzen. Ich hörte zu, als er sagte, »Sie haben also Hände, um Hebel zu packen, Finger, die für die Knöpfe entworfen sind und Fingernägel, um vielleicht an einem stählernen Gewissen zu kratzen, das vielleicht überhaupt nicht existiert. Und doch glaube ich, daß Sie ein Gewissen haben, Mensch! Deshalb bin ich hier; deshalb gehe ich. Und ich werde weiter durch diese waffenstarrende Welt gehen, direkt in die Spitzen von Kanonen hinein, wenn ich kann, und natürlich kann ich es – ich muß! – bis Ihr Gewissen und alles, was ihm ähnlich ist, aus all diesen Kanonen einen riesigen Blumentopf macht. Sie glauben, daß ich Witze mache. Oh, daß ich in solch eine Welt kommen mußte, in der ein solches Ziel als ein Witz angesehen wird.« Bei den letzten Worten warf er sich völlig unerwartet für mich 344
flach auf den Boden, und er begann, mit seiner Blumenhand auf die Platten des Hofes zu schlagen. Das fahle Blau der Aus-dem-Boden-Schießer des Frühlings, das tiefe Rot der ganzen der Jahreszeit nicht angemessenen Rosenknospen und das Gelb der schäbigen Narzissen bildete aufblitzende leuchtende kleine Farbbogen, als er sie eins-zwei-drei, eins-zwei-drei auf den Boden schlug, in einem hypnotischen, zum Wahnsinn treibenden Rhythmus. Als er damit fertig war, lag er recht erschöpft da, mit dem Gesicht nach unten, seine schöne aber jetzt zerschmetterte Hand streckte sich so weit wie möglich in meine Richtung, sein Brustgebläse, das aus ewig arbeitenden Standardlungen der Neuen Methoden bestand, ging in recht flottem Tempo, um seine Erschöpfung auszugleichen, und er sah, wenn man alles berücksichtigte, im wesentlichen wie ein interessanter alter Abfallhaufen aus. Ich bemerkte beiläufig, daß, obwohl seine zerschmetterte Hand maximal in meine Richtung gestreckt war, nicht einmal ein Stückchen der am weitesten nach vorn zeigenden zerfetzten Narzisse diesseits der Gefahrenlinie lag. Ich entspannte mich, atmete ruhiger und konnte mir nicht verkneifen zu fragen: »Wieviele Blumensträuße verbrauchen Sie durchschnittlich pro Jahr, Mann?« Er kam vom Boden hoch wie eine alte, gestürzte, große, narbige Sonnenblume, die von einer magischen Sonne hochgehoben wurde, um wieder zu stehen. In ihm und um ihn herum war ein Glühen, und ich vermute wirklich, daß er Schalter anstellen konnte, um besondere Effekte hervorzurufen; er heftete seine Augen mit dem reinen gottesfürchtigen Starren eines gottesfürchtigen Mannes auf mich. »Ich verbrauche überhaupt keine. Gott nimmt sich meiner an, und bei all den Wundern, die Er zeigt, glaube ich nicht, daß es von 345
Ihnen zuviel verlangt ist, daß Sie akzeptieren sollen, daß meine Metallhand nach jeder Vorstellung wieder zurückwächst. Und wenn Sie jetzt dies hier lesen werden und manchmal mit jenem spielen – vielleicht während des nächsten Waffenstillstandes oder vielleicht sogar in diesem – werde ich vielleicht keine Veranlassung haben, Sie nochmals in diesem Jahr zu belästigen.« Dann reichte er mir aus irgendeinem unter seiner Brustplatte gelegenen Laderaum ungefähr die üblichen Standardwerke zum Lesen – Pamphlete, die sehr zweifelhafte Behauptungen aufstellten wie beispielsweise die geschmacklosen Aussagen, daß Blumen besser wären als Kanonen, daß Liebe besser wäre als Haß und daß das Verständnis der Menschen untereinander erstrebenswerter sei als eine Festung voller SchinderBomben. Außerdem enthielten sie die übliche Verheißung, daß Gott bald kommen würde, um uns zu fällen, weil wir so niederträchtig gewesen waren. Nun, sicher, ich hatte alles schon früher gesehen, aber ich dankte ihm, als ich die Pamphlete überflog, die er mir gereicht hatte. Und die kleinen Sachen, mit denen ich spielen sollte – sie waren auch nicht so sonderlich viel wert, dachte ich. Hauptsächlich waren sie Standardteile des Dogmas, ein dürrer, bärtiger Mann, der auf die übliche sie-wissen-nicht-was-sie-tun-Weise herabhing (und man fragte sich, warum er sie nicht als Preis, um dort hinauf zu fahren, bekämpft hatte, bis seine Muskeln alle blutig zerrissen waren, bis wenigstens einer dieser Augäpfel herausgerissen war und jenen Hügel hinabrollte und Eingeweide, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, um Lanzen und Bäume gewickelt waren) und Das Kind natürlich (und man kämpfte nicht für die Erkenntnis, daß man sicher zum Schluß an die Arme eines Kreuzes genagelt würde, wenn man sich genügend um die Welt sorgte und 346
der Welt genügend traute, um jemals ohne eine ausreichende Zahl von Hämmern an der Seite erwischt zu werden). Und es gab die üblichen schwarzen Perlen auf Schnüren, von denen er sagte, daß er hoffte, daß ich sie nicht zu leicht nehmen würde, sie waren nicht zu Zugketten bestimmt, sondern waren dazu bestimmt, umklammert und gestreichelt zu werden, jede Perle, wie ich an einen netten persönlichen Wunsch dachte, fromm natürlich. Ich dankte ihm für alles und sprach freundlich über diese Gegenstände, aus irgendeinem tief-verborgenen weit-zurückliegenden Drang, in diese Gegenstände Erwartungen zu setzen, heraus und weil etwas in seinem stählernen Starren nicht leicht genommen werden konnte. Aber über all dies hinaus sagte mir meine Vernunft, daß ich lachen, ihm die kleinen Puppen und ihre Perlen ins Gesicht schleudern, einen kleinen Schneesturm aus den Pamphleten machen und ihn dafür, daß er meine Zeit in Anspruch genommen hatte, hinunter zu den Steinen werfen sollte, wo die großen Mahlwerke ihn rasch genug die wahren Gesetze dieser Welt lehren würden. Aber statt dessen gab ich klein bei. Ich sagte ihm, daß seine Vorstellung interessant gewesen war. Ich hoffte, daß es ihm möglich sein würde, einen Metallarbeiter zu finden, der ihm seine Hand ohne zu große Schwierigkeiten wieder zusammensetzen würde, und ja, ich wünschte ihm Gute Geschwindigkeit hinunter zu dem nächsten Festungsplatz. Er wandte sich von mir ab und stand mit gesenktem Kopf einen langen Augenblick da, seine Schultern zitterten und zuckten, und ich fragte mich ob er wirklich irgendein schluchzendes Schulterzucken-Gebet dafür betete, daß all die Sünden von dem getilgt werden sollten, was seiner Meinung nach eine tragische und fast hoffnungslosen Welt der wirklichen tagtäglichen me347
tallenen Stärke sein mußte. (Diese Träumer, diese Pamphletschreiberlinge, diese Perlenschieber mögen normalerweise jene tagtägliche metallene Stärke nicht; sie reden lieber von Einem Tag.) Oder hatte ich seine Gefühle verletzt und bedeutete das Schulterzucken nur ein Schluchzen? Als er sich wieder drehte, langsam, sehr langsam, hob sich seine blumengeschmückte Hand, und – ja! JA! sie war – ganz! Sie war wieder repariert! Nicht zerschmettert, überhaupt nicht zerschmettert. NICHT ZERSCHMETTERT! Und er starrte mich mit dem geraden unverrückbaren Starren an, das, wie ich unwillkürlich dachte, das aufrichtigeaufrichtige Starren einer verliebten Neumetallschlange sein mußte, und er schob seine Zehen über die Linie, unerbittlich über die verbotene Niemals-NiemalsLinie. Während ich dastand und nichts tat; unter diesem Starren tat ich nichts. Meine Fleischstreifen waren erstarrt; meine Hände waren so schwer wie zwei riesige Hämmer, die ein Gigant niemals aufheben konnte. Und er kam weiterhin näher, war jetzt mehrere Zentimeter diesseits der Linie und bewegte sich immer noch, die Augen hielten mich fest und die Wunderblumen waren ungefähr in Augenhöhe und drehten sich langsam. Oh … OH … Es kann sein, daß schreckliche Schreie aus den untersten Säcken meines Atemraumes die Luft zerrissen; es kann sein, daß sie es nicht taten. Ich weiß nur, daß ich es nach einer Weile nicht aushalten konnte, und lange bevor er so nahe an den Guckkasten aus Stahl herankam, daß er ihn greifen konnte, stürzte ich von der Tür weg, und langsam, so langsam wie wir laufen, eilte ich zu ihm, mit dem langsamen Eilen der »ersetzten« Fleischstreifenmenschen, das aber das beste war, was wir leisten konnten. Und als wir uns trafen, nach all dem angestrengten Streben, die Lücke zu schließen, 348
umarmte ich die rauhen schönen Blumenblätter und immer wieder schrie ich: »Ein Wunder! Ein Wunder! EIN WUNDER!« Und er betrachtete mich weise mit dem liebenden Schlangenstarren und sagte nichts. Aber nach einer Weile, als es mir möglich war, die Blumen loszulassen, gab er mir etwas, das ich als seinen Segen ansah, und trat langsam zurück. Zurück über die Linie. Dort hielt er mir einen kleinen Vortrag, erklärte mir, wie froh er sei, mir diese Verzückung zu bringen, das wahre Sich-Zeigen von Gott selbst, und er hoffte, daß ich niemals ohne sie sein würde. Dann erklärte er, wie Gottes Arbeit in Seinem Sinne irgendwie getan wird, aber damit sie manchmal besser getan wird, wäre es besser, wenn derjenige, dem die Wohltat zuteil wurde, ein wenig helfen würde, um ihn von der Blumenhand zu dem nächsten gottesbedürftigen Ort hinunterzuschicken. Kurz, es kostete Geld, und ob er etwas haben könnte, nicht um ihn zu bezahlen – NIEMALS! sondern um ihm helfen zu helfen? Natürlich gab ich ihm ein großzügiges Geschenk aus meinem Schatz, und ich ordnete an, daß ein Waffenmann zusätzlich einen sehr besonderen und wertvollen blutroten Edelstein bringen sollte, den er, der Gottesfürchtige, wie ich hoffte, in seinen Blumenstrauß als ein ewiges Andenken an diesen, für mich, großen Tag einfügen konnte. »Oh, NEIN!« sagte er, aber er nahm ihn und steckte ihn, den wertvollen Edelstein, für schwere Zeiten (wie er sagte) zusammen mit den anderen Schätzen unter seine Brustplatte. Und dann bemerkte ich das erste Mal, ohne daß es mich wirklich besonders stark erschütterte, eine sonderbare Sache: die Hand, mit der er das Geld und den Edelstein wegsteckte, bestand noch fast ganz aus Fleisch, war eine schöngeformte feinnervige, vorwiegend fleischerne Hand, eine, bei der man sich vorstellen konnte, wie sie sich um ihren sanften Bruder in 349
sanftem Gebet faltete, immer im Gebet … BETENDE HAND! Dann war er über den Festungsplatz verschwunden, und als letzten Befehl, kurz bevor ich zusammenbrach und viele viele Tage lang in einem schönen himmlischen Traum lag, ordnete ich an, daß die Tore geöffnet werden sollten, damit dieser wunderbare wundersame Mann seinen wunderbaren wundersamen Weg weitergehen konnte. Natürlich traf es mich, in der ersten halben Stunde nachdem ich aus meinem langen träumerischen Schlaf erwacht war, ausgeruht und bereit, wieder zu der Welt zu gehören – traf es mich, wie es war! WIE ES GEWESEN SEIN MUSS! Zuerst war ich ganz versessen darauf, meiner Nachbarfestung die Warnung zuzustrahlen, denn der Mann mit der Blumenhand mußte wahrscheinlich bei seiner Gehweise in kurzer Zeit dort sein. Aber dann dachte ich NEIN, sollte es die gute alte Nachbarfestung auch mitmachen. Würde ihm wahrscheinlich guttun. Und stand es nicht uns allen bevor? Aber ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, wie lange es dauern würde, bis irgendjemand das Rätsel rechtzeitig und völlig selbständig lösen würde, das darin bestand, daß, wenn sich der gute alte WindmühlenBlumenhand-Mann sich für einen Augenblick drehte, um scheinbar andächtig zu beten, jenes krampfhafte schulterzuckende Beten für die Sünden der Welt, er in Wirklichkeit mit Hilfe des Vorrats, den er im Gepäckraum unter seiner Brustplatte trug, einfach die Hände auswechselte. JA!! jene geschickte Fleischhand hatte einen anderen Blumenstrauß aufgeschraubt!
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Ein Vorfall In Moderan befinden wir uns wirklich nicht oft zwischen Kriegen, aber dies war ein Waffenstillstand. Ein paar Festungen im Norden hatten versagt – sie hätten irgendeine Panne an ihren Munitionstransportbändern, glaube ich – und wir hatten alle dafür gestimmt, den Krieg für ungefähr einen Tag zu unterbrechen, um ihnen die Chance zu geben, beim Schießen wieder dabeizusein. Verstehen Sie mich nicht falsch – dies war keine lilienweiße blumenherzige fair-play-artige Angelegenheit oder eine Heuchelei im Sinne von LiebeDeine-Nachbarfestung, wie es sie in den Alten Tagen vielleicht gegeben hatte. Dies war ein stiernackiger nüchterner Kompromiß mit der Realität. Je größer und besser der Krieg ist, desto größer und besser ist die Chance, gewaltig hassen und Ehren gewinnen zu können. So einfach war das. Aber jedenfalls war es in der Zeit zwischen Kriegen, daß ich einige kleine Arbeiten, einige Schritte außerhalb der elften, äußersten Mauer meiner Festung verrichtete. Um ganz korrekt zu sein, saß ich meistens nur einfach dort draußen in meinem Schmiegesessel, genoß die trübe Sommersonne durch den rotbraunen Gasschirm des Juli und sagte meinem obersten Waffenmann, was er tun sollte. Er polierte zufälligerweise gerade eine Plakette, die auf Wall 11 verkündete, wie unsere Feste, Festung 10, DIE ERSTE IM KRIEGE, DIE ERSTE IM HASS UND DIE ERSTE IN DER FURCHT DES FEINDES war. Die Sache wurde allmählich fade. Ich meine, es wurde langsam langweilig, dieses Herumsitzen zwischen Kriegen, das Befehlen, daß Plaketten poliert wurden, und das Dösen in der gefilterten Sommerson351
ne. Aus reiner Langeweile für das Vergnügen, das es bereitete, so vermute ich, war ich gerade bereit, aufzustehen und anzufangen, meinen Waffenmann mit meinem bleigefüllten Neumetall-Offiziersstock zu schlagen. Nicht daß er keine ausgezeichnete Arbeit leistete, verstehen Sie, sondern nur um etwas zu tun zu haben. Mir wurde dieser recht dumme und vielleicht sinnlose, obwohl durchaus nicht unangenehme Notbehelf durch eine Bewegung auf dem neunten Hügel zu meiner Linken erspart. Rasch stellte ich mein weitreichendes moderanisches Sehvermögen auf Teleskopblick ein, hob mein Schnüffeloskop vor meine Augen und erfaßte eine Gestalt. Als es dort angelangt war, war es eine Gestalt, ganz recht! Ich sah sofort, daß es eines der sich bewegenden Dinge war – Mensch? Tier? laufendes Gemüse? – nun, was können wir für die meisten dieser Mutantenformen sagen, die das heimatlose Plastik in Moderan durchstreifen? Als er vor mir stand, fühlte ich mich beunruhigt. Seltsamerweise fühlte ich mich irgendwie schuldig und beschämt darüber, daß er so gebeugt war und gequält und kraftlos in seinem Fleisch aussah. Oh, warum können sie nicht alle hart und vor Metall glänzend sein und sauber, wie wir Festungsherren es sind, mit einem äußersten Minimum an Fleischstreifen, die ihnen ihre Form geben? Er verhilft uns zu so einem wohlgeordneten hassend-glücklichen Leben, der Zustand in dem wir Meister in Moderan sind, so glänzend und stahlähnlich in unserer Pracht, unsere Fleischstreifen gering an Zahl und unbedeutend und Neumetallegierung der Hauptteil unserer körperlichen Herrlichkeit. Aber ich vermute, daß es immer niedere Formen geben muß, Ungeziefer, auf das wir treten … Ich beschloß, etwas zu reden zu versuchen, da ich nicht einfach dasitzen und mich von ihm mit seinen fleischer352
nen Augäpfeln so anstarren lassen konnte. »Wir sind hier gerade zwischen Kriegen«, sagte ich in plauderndem Ton. »Zwei der mächtigen Festungen des Nordens hatten eine Panne, deshalb entschlossen wir uns zu einer Unterbrechung.« Er sagte nichts. Er betrachtete jetzt die Ehrenplakette an Wall 11 und den Waffenmann, der die stolzen Worte polierte. »Es ist nur eine Art die Zwischenzeit ausfüllende Beschäftigung«, sagte ich. »Außerdem gibt sie mir eine Möglichkeit, hier draußen in der gefilterten Sommersonne zu dösen, während der Waffenmann die Arbeit erledigt. Aber es wird langweilig. Bevor Sie kamen, war ich gerade im Begriff aufzustehen, um anzufangen, ihn mit meinem bleigefüllten NeumetallOffiziersstock zu schlagen, selbst wenn er GanzmetallNeumetallegierung ist und ausgezeichnete Arbeit leistet und wahrscheinlich die Schläge ohnehin nicht gespürt hätte. Aber nur um etwas zu tun zu haben, wissen Sie. Wie Sie vielleicht einsehen, darf ein Festungsherr keinerlei richtige Arbeit in Moderan verrichten. Es ist gegen den Kodex.« Ich lachte ein wenig, aber seltsamerweise fühlte ich mich in meinen Fleischstreifen nervös und undefinierbar entlang den Rändern meiner Verbindungsstellen. Warum schaute er mich so an? Davon abgesehen, warum sollte mich das Starren eines so unbedeutenden Stück Lebens überhaupt berühren? Konnte er sprechen? Er konnte es. Blaue weiche Lippen teilten sich und ein gelb-rosa Stück knorpeligen Fleisches hüpfte in feuchtem Matsch in seinem Mund auf und ab, der die Röte von rohem Fleisch hatte. Als diese ziemlich unanständige Vorführung von Fleisch und Luft beendet war, merkte ich, daß er gesagt hatte, »Wir hatten vor einer Weile ein kleines Begräbnis für Sohn. Wir hackten mit unseren armseligen Behelfsgrabwerkzeugen auf dem Plastik herum und brachten 353
ihn rechtzeitig unter die Kruste. Wir beeilten uns. Wir wußten, daß Sie keinen großen Waffenstillstand garantieren konnten. Ich bin gekommen, um Ihnen für das zu danken, was Sie taten.« Ich schwankte ein wenig nach dieser seltsamen Rede und Wendung, dann erholte ich mich schnell und schwenkte affektiert eine Stahlhand. »Sehen Sie mich als bedankt an. Wenn Sie gerne eine stählerne Blume zur Ausschmückung haben möchten, nehmen Sie sich eine.« Er erbebte in seinen ganzen losen Fleischteilen. »Ich bin gekommen, um Ihnen zu danken«, teilte er mir in einem Ton mit, der, wie ich vermute, in seinem Stamm als barsch gegolten haben muß, »nicht um verspottet zu werden.« In seinem Starren war jetzt ein verwunderter und zweifelnder Blick. Plötzlich fand ich, daß die ganze Sache recht absurd wurde. Hier war ich, ein Mann von Moderan, der sich zwischen Kriegen befand, kümmerte mich um meine Angelegenheiten, saß außerhalb des elften äußersten Walls meiner Festung, wartete darauf, daß der Krieg fortgesetzt würde, und irgendein seltsamer laufender Klumpen Sentimentalität, von dem ich nicht einmal wußte, daß er existierte, eilt von dem neunten Hügel zu meiner Linken zu mir, um mir für ein Begräbnis zu danken. »War es ein gutes Begräbnis?« fragte ich vermutend. Wild versuchte ich, mich an diese Dinge aus den Alten Tagen zu erinnern. »Die Trauernden zogen sich über einen Kilometer dahin? Musik – viel? Blumen – überall aufgereiht?« »Nur wir«, sagte er, »seine Mutter und ich. Und Sohn. Wir beeilten uns. Wir waren sicher, daß Sie uns von all der arbeitsreichen Zeit nicht viel Zeit geben konnten. Wir danken Ihnen für das, was Sie taten – für den Anstand.« 354
Anstand? Was war denn das jetzt für ein komisches Wort? Was könnte er mit Anstand meinen? »Anstand?« sagte ich. »Das Zeremoniell. Sie verstehen! Wir hatten Zeit für ein kleines Gebet. Wir baten, daß Sohn erlaubt werden sollte, ewig in einem glücklichen Heim zu leben.« »Hören Sie«, sagte ich, da ich all dies bereits ein wenig satt hatte, »ich erinnere mich an dies aus den Alten Tagen nicht einmal halb soviel wie nötig ist, um darüber zu sprechen. Aber Ihr armseligen fleischernen Mutanten begrabt Eure Toten und bittet dann, daß man ihnen erlauben soll, wieder aufzustehen und zu leben, und das in einem Zustand, der ungefähr fünfundzwanzig mal leichter als der einer Luftblase ist, der die Feuchtigkeit entzogen wurde. Ist es nicht ungefähr so? Aber bedeutet das nicht, daß Ihr ein recht großes Risiko eingeht? Warum werdet Ihr nicht einfach vernünftig und macht das, was wir Herren von Moderan tun? Unterzieht Euch einfach jener Operation, während Ihr jung und kraftvoll seid, werft alles Fleisch, was Ihr nicht braucht, weg, ›ersetzt‹ Euch mit Ganzmetall-›Ersatz‹Teilen aus Neumetallegierung und lebt ewig. Füttert Euch einfach mit diesem reinen Honig-von-IntravenExtrakt, den wir erfunden haben, und es ist ein Kinderspiel, Ihr habt es geschafft. Wir wissen, was wir besitzen; und wir wissen, wie man lebt … Und jetzt, wenn Sie mich bitte entschuldigen, scheinen jene Festungen, die den Krieg vermasselten, laut einem Bericht, der genau in diesem Augenblick über den Warner ankam, wieder repariert zu sein. Wir unterbrachen das Schießen wegen ihnen, deshalb müssen wir uns jetzt einfach an die Arbeit machen, um Haßzeit aufzuholen. Ich würde vermuten, daß das Feuer ein wenig schwerer sein könnte, als Sie es jemals gesehen haben.« 355
Während der letzten Teile meiner Rede beobachtete ich, wie etwas, das wie Verwirrung und Zweifel aussah, eigenartig in seinem von Fleisch belasteten Gesicht aufflackerte. »Sie unterbrachen den Krieg, weil – weil jene zwei Festungen im Norden versagten? Sie – Sie machten es in Wirklichkeit also nicht, damit wir Sohn beerdigen und das Schickliche tun konnten?!« Ein eisiger Gedanke mußte ihn umhüllt haben; auf der Stelle schien er dort auf dem Plastik zu schrumpfen und zu verwelken und etliche Zentimeter kleiner zu werden. Ich wunderte mich aufs neue über das große schwere Leben, das sich diese fleischernen Kreaturen mit ihren Gefühlen und ihrem Herzklopfen bescherten. Ich pochte in einer Art tiefen Nachsinnens an meine »ersetzte« Brust und dankte den glücklichen Eisensternen unseres prächtigen Neusatelliten-Himmels für meinen ruhig-kaltblütigen Zustand. »In einer kleinen Weile«, sagte ich, »werden wir das Feuer eröffnen. Im Moment machen wir die Linien für den ersten Countdown und eine allgemeine Wiederaufnahme klar. Sie sehen, wir versuchen, gleichmäßig anzufangen. Danach ist sich jede Festung selbst die nächste, wenn es darum geht, loszuschießen und den emsigsten Gebrauch von der Munition zu machen.« Er schaute mich eine lange Zeit an, um ein Anzeichen dafür zu entdecken, daß ich scherzte. Nach einer Weile sagte er in einem Ton, der, wie ich vermutete, bei den fleischernen Kreaturen große Traurigkeit und große Resignation ausdrückte: »Nein, ich vermute, daß Sie den Krieg wirklich nicht unterbrachen, damit wir Sohn beerdigen und das Schickliche tun konnten. Ich vermute, daß es tatsächlich an den versagenden Festungen im Norden lag. Ich erkenne jetzt, daß ich etwas Wahres und Schönes in den Vorgang hineinlas, und dieses Wahre und Schöne existierte überhaupt 356
nicht. Und so kam ich – kam ich herüber, um Ihnen für Ihren Anstand zu danken – für nichts –« Ich nickte wahrscheinlich ein winziges bißchen, oder vielleicht tat ich es auch nicht, denn ich hörte gerade Die Stimme, hörte, wie der Warner sagte, daß alles in Kürze für das Abfeuern der Großen Schüsse bereit war und auch dafür, daß die Meister wieder ihre Positionen an den Schaltpulten der Kriegsräume einnähmen. »So ist es recht!« sagte ich zu niemand und nichts Besonderem. »Jetzt wird es doppeltes Feuer geben, und die Sprengköpfe werden rund um die Uhr abgefeuert, bis wir unsere Zeit in Haßeinheiten nachgeholt haben.« Gerade als ich im Begriff war, mich abzuwenden und zu gehen, nachdem ich meinem Waffenmann befohlen hatte, daß er den Schmiegesessel nicht vergessen solle, in meinen Kriegsraum zu eilen und das Große Schießen wieder aufzunehmen, schoß ein eisiges Geräusch durch meinen Stahl. Was war das hohe Winseln auf dem Plastik? Dann sah ich es. Es war der kleine fleischerne Nichtsnutz. Er hatte die Kontrolle über seine Gefühle verloren, war auf den Boden gestürzt und schluchzte jetzt echte Tränen. »Es ist schon in Ordnung, fürchten Sie sich nicht«, rief ich ihm zu, als ich mich abwandte, um davonzueilen. »Halten Sie sich tief in den Tälern, vermeiden Sie es, Hügel auch nur halb zu besteigen, und laufen Sie schnell. Sie werden es schaffen. Wir feuern nur in Intervallen, gehen Sie erst.« Aber als ich durch den Wall ging und meinem Waffenmann befahl, alles zu sichern, bemerkte ich, daß der kleine fleischerne Kerl auf dem Plastik liegenblieb, weiterweinte. Er unternahm nicht die geringste Anstrengung, wegzulaufen und sich zu retten! Und plötzlich ließ die gute alte Nachbarfestung im Osten solch 357
eine heimtückische vorzeitige Explosion los, daß der kleine fleischerne Nichtsnutz so flach wie ein Pfannkuchen gedrückt wurde – tatsächlich war er sogar weitaus gründlicher vernichtet worden, als nur so flach wie ein Pfannkuchen gedrückt, da er von einer ZackBombe erwischt worden war, die sicherlich fähig wäre, ihn sogar bis zum Mittelpunkt der Erde zu pressen, als er in den hohen Himmel und alle Winde zerstäubt wurde, und ich war überaus froh, daß diese Bombe ein winziges Stück vor meinem Komplex niedergegangen war. Aber als ich einen Blick auf die rauchende Verwüstung und den Flecken warf, wo jetzt nichts und noch vor einem Augenblick die gute Erdumhüllung aus Plastik gewesen war, mußte ich einfach darüber frohlocken, daß der Krieg sicherlich wieder auf START war. Ich versuchte nicht einmal, für den fleischernen Nichtsnutz Tränen hervorzubringen, und nichts in meinem Verstand konnte mein Herz weinen lassen, als ich in den Kriegsraum hinaufraste, um meine Startknöpfe mit einem Fausthieb niederzudrücken.
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Der Letzte Entschluß Stahl kann man loswerden. Mühelos. Man legt ihn einfach beiseite. Metall ist eine feine Sache, um sie aufgeschichtet in Ecken oder in Straßengräben zurückzulassen. Oder um sie einzuschmelzen. Wenn man FERTIG ist. Unsere »Ersatz« -Teile aus Neumetalllegierung – was für ein feines Geschäft … ewig zu leben, ha!!! Ewig zu leben; unser wahres böses Ich zu sein. Wie gut es sich anhörte. Was für ein großartiger Plan! Haben Sie sich jemals an dem Schaltpult ihres Kriegsraumes zurückgelehnt, während ihre Feste wochenlang auf Dauerfeuer eingestellt war? Karuum karuum karuum. Wie langweilig es wird. Wie es ermüdet. Wie man beginnt, sich zu fragen, wofür ist das? zu welchem Zweck, he? Aber man zögert einmal – ruht sich nur ein wenig aus, bevor mit flatternden weißen Fahnen die Generalamnestie verkündet wird, und schon ist man tot, die eigenen Wälle eingeebnet, die eigene Festung zu Staub zermalmt. Was soll man also tun? Jahr um Jahr lehnt man sich in seiner Festung zurück und läßt sich von dem allgemeinen Plan dahintragen. Sie wollen Krieg haben, man führt Krieg. Sie entschließen sich für eine Weile für den Frieden, und man läßt zusammen mit dem vergnügten Rest seine weiße Fahne hochschießen. Und man zeigt den Jahreszeiten grinsend die Zähne und läßt die Zeit dahinziehen. Schließlich hat man eine Menge davon – Zeit. In Moderan. An einem Morgen, nehmen wir einmal an – es ist ein Mittwoch im Juni – daß der Gasschirm zur Erinnerung an jene alten blauen Himmel blau sei, feuern die Raketen arruump arruump arruump, rollen die laufenden Puppenbomben hinaus zu all den Feinden und sind die Ehrlichen Jakobs einfach ausgezeichnet auf ihrem 359
automatischen Weg zum Töten – in der Tat, es ist ein vollkommener Krieg. Was dann? Plötzlich fängt das Herz zu stoßen an und man verspürt den Wunsch, ein paar Gedichte zu verfassen, oder man grämt sich und will zu seinem Nachbarn hinübergehen, weil man ihn liebt, und ihm in einer oder zwei Oden sagen will wie. Oder man möchte zu seinem Nachbarn hinübergehen, weil man ihn liebt, und ihm sagen, wie falsch der Krieg ist. Kann man das in dieser Gesellschaft tun? In Moderan! Wagen Sie es bloß! Und wie dem auch sei, was ist eigentlich WAHRHEIT – die Gedichte oder der Krieg? Seinem Nachbarn zu sagen, daß es falsch sei oder die Zähne lächelnd zu entblößen, während sein armes grünes Blut das Plastik besudelt? Aber bevor ich Ihnen erzähle, was ich in bezug auf diese Große Frage der WAHRHEIT und des SINNS zu tun beschloß, lassen Sie mich sagen, daß ich die Freuden gekostet habe. Ich bin manchen Gasschirm lang der höchste Mann im Kriege gewesen. (Ein Gasschirm ist in Moderan ein Monat, falls Sie es noch nicht gehört haben sollten.) Ich habe sie alle in äußerste Bedrängnis gebracht, meine Raketen feuerten manch moderanisches Jahr lang wunderschön. Ich habe auch meine Pflichten als Bürger erfüllt. Ich habe der armen, sich abmühenden Festung gegen die tyrannisierende beigestanden. Ich habe mich mit anderen gegen die arroganten zusammengeschlossen, um sie niederzuschießen, damit an ihren Standorten Bäume wachsen können. (Ein schöner Metallpark »wächst« und leuchtet vor glänzenden Sträuchern jetzt dort, wo einmal manch eine tyrannische Festung stand, die unseren vernünftigen Gesetzen trotzte.) Ich habe sehr viele Jungs ausgebildet, Flüchtlinge aus dem Alten Leben Weit Draußen, sie in stramme saubere Bürger für das Programm verwandelt, sie von Gewissenswirrwarr und 360
Moralischem Wissen gereinigt, sie für Freuden bereitgemacht. Ich habe die Hymnen an Gers Sohntag gesungen, meine Gebete an das Nadelgebäude verrichtet, an die Männer der Versammlung, die Männer der Hallen, die weit und breit die Teile Gottes sind. Und jeder Bußtag hat mich ohne Ausnahme gesehen, wie ich mit meinem kleinen Plastikbeutel voll Bußtränen, die von einer Neumetallhand herabgebaumelt haben, mit meiner letzten Kriegsmedaille, die um meinen Hals gelegt worden war, zusammen mit meinen Schlachtgegnern marschiert bin – plop-plip-plap-plop über das heimatlose Plastik – zu den Feierlichkeiten gegangen bin, Buße getan habe, denn als Mensch war ich nicht vollkommen gewesen, wie es in der Tat kein Mensch gewesen ist. Ja, ich hatte alle meine Kriege gewonnen, aber – nun, wer gewinnt sie schon jemals so gut, wie er sie gewonnen haben könnte – wer hatte schon jemals so viele, wie er mit etwas mehr harter Anstrengung gehabt haben könnte? Und jetzt lassen Sie mich ein Geständnis versuchen. (Ich schäme mich nicht. Ich habe Die Wahrheit gesucht.) Lassen Sie mich gestehen, daß ich bei all diesen hohen Leistungen des Krieges auch ein Liebhaber gewesen bin. O ja, ich weiß, daß es ungewöhnlich ist. Ich weiß, daß ich Sie erschüttere, jedenfalls ein wenig. Aber ich greife nach der Wahrheit – der ganzen Wahrheit. Ich, der größte aller Festungsherren, dessen Kriegsmedaillen in Kisten gestapelt sind, gestehe hier am Rande einer ultimativen Entscheidung, daß ich in jenem unsinnigen, unverläßlichen Zustand »Liebe« gewesen bin, ihn gekannt habe, ihn gefühlt habe. Ich bin schuldig, aber mir tut es nicht leid; ich schäme mich nicht. Hier in diesem stahlgerippten Land, diesem mit Plastik überzogenen Ort aus Neumetall, Eisen und Beton, an dem wir Stärke üben und über Waffen nach361
sinnen, der dem hohen Prinzip geweiht ist, daß nur Haß verläßlich und letztlich wahr ist, bin ich ein Liebhaber gewesen! Ich scheine zu bluffen. Vielleicht bluffe ich wirklich. Es begann als Freuden. Die Freuden, lassen Sie mich das sagen, sind ausgezeichnet in Moderan. Freuden sind das, wofür wir leben, Freuden und Kriege, und Kriege sind natürlich in gewisser Beziehung die ultimativen Freuden. Aber wenn sich eine Freude in Liebe verwandelt, ist man auf gefährlichem Gebiet. Da man nicht mehr anständig denkt, kann man durcheinandergeworfen werden. Man hat vielleicht nicht die scharfe präzise Entschlossenheit, die man hatte, als man nicht zweifelte und wußte, daß Haß das einzig verläßliche Gefühl war. Vielleicht war meine Größe, in der abschließenden Betrachtungsweise, in Wahrheit mein vorübergehender Fall. Es begann beim großen Festtag der Ordensverleihung in jenem Jahr in Kriegfurt, in dem Jahr, in dem ich erstmals doppelte Auszeichnungen gewann, diejenige der gekreuzten Geschosse und den Orden der elf Stahlwälle. Der Orden der gekreuzten Geschosse wurde mir verliehen, weil ich in jenem Jahr der oberste Vernichter in Moderan war, der mehr ungehorsame Festungen eingeebnet hatte, damit sie aufgeräumt als Plätze für Bäume verwendet werden konnten, der mehr Plagegeschosse abgefeuert hatte, ohne den Festungen Totalschaden zuzufügen, die anständig-und-treu gemäß den Regeln des edlen Krieges gelebt hatten. Der Orden der elf Wälle wurde mir wegen meiner Erfindungsgabe angeheftet, die einen Plan hervorgebracht hatte, der es meinen Dienern ermöglicht hatte, niederträchtiger zueinander zu sein, das heißt, sie hatten mehr Haßpunkte pro Kopf angesammelt als die Diener jedes anderen Herren. Nun, da war ich, der Höchste außer Hause und 362
der Höchste zu Hause, der anerkannte Meister der Niedertracht aller Länder von Moderan. Es war eine berauschende Würde; es war ein Meisterstück, das den Brustkasten anschwellen und den Mann größer werden ließ. So ging ich also, um an jenem Tag in Kriegfurt meine Orden entgegenzunehmen. Bei dem prächtigen Ehrenbankett trat ich beherzt Schritt um Schritt vor, als mein Name aufgerufen wurde, plop-plip-plap-plop. Ich wankte auf das Podium zu, langsam, langsam wie wir laufen, indem wir unsere Scharniere und Bügel bewegen. Aber niemand lachte, denn sie waren auch stählerne Männer. Was für einen Preis hatten wir für unsere eiserne Dauerhaftigkeit bezahlt; was für ein Geschick ließen wir einem grausamen Gott der Realität zukommen, als wir den Pfad der »Ersetzungen« beschritten, die Neumetallteile annahmen und unsere Fleischstreifen unbedeutend machten. Wie ich mich an jenem leuchtenden Tag nach einem Stück guten Schreitens sehnte, nach einer Minute mit festem jungem Fleisch auf den Stahlstäben meiner Beine und wirklichen Füßen in meinen aufpolierten Kriegsstiefeln, die mich mit einem munteren Schritt vorwärts bringen würden. Inmitten der mit gebrochenem Herzen wartenden neidischen Festungsherren erreichte ich schließlich das Podium. Ich stand etwas spottend mit hin und her wackelnden Gelenken da, bog die »Ersatz« -Teile meiner Beine durch, damit sie mich zu höchster Höhe aufrichteten, füllte meine Neumetallungen bis zum Rande und starrte hinunter in die ehrenwerten hassenden Gesichter. Dann brach der Applaus los, Salve um ehrende Salve, von Stahlhänden herbeigeführt, die auf Stahlhände schlugen. Draußen in den Parks wurden die Ehrengeschosse abgefeuert. Ja, wie ich schon vorher sagte, ich habe die Freuden gekostet. 363
Auf dem Podium ereignete sich an jenem Tage die ungewöhnliche Sache für mich, den Gewinner der doppelten Auszeichnung. Und es war letzten Endes mein zeitweiliger Fall. Während ich mit stolzer Brust und hochaufgerichtet dastand, damit man mir die Auszeichnungen anheftete, schaltete jemand die Damen ein. Was ich sagen will ist, daß sich ein Dienertyp erhob, während der Zeremonienmeister meine Medaillen an mir befestigte, eine Person, die einem Bühnenarbeiter ähnlich war, und auf dem ganzen Podium herumging und die Lebensschalter aller Neumetalldamen auf EIN stellte, die den Teil des Raumes, der für unsere Feierlichkeit diente, ausschmückten. Normalerweise wäre das völlig bedeutungslos gewesen, denn unser Verlangen auf diesem Gebiet ist in Moderan meistens nicht mehr als schwach lauwarm, und wir haben andere Dinge zu erledigen, die von geheiligterer Natur sind. Eine Dame zur Abwechslung bei den Freuden vielleicht ein- oder zweimal im Jahr, aber alles andere als das – igitt! Aber in dieser Nacht änderte ich mich – und durch solch kleine Dinge werden unsere Leben verwirrt und gehemmt und vom richtigen Wege abgebracht und lohnend gemacht. Als meine Medaillen golden schimmerten, fiel mir eine bezaubernde Dame ins Auge. Ich war so betäubt, daß ich blau-golden und vom himmlischen Wahnsinn träumte, mein Herz klopfte wild, während ich starrte. Später bei der Veranstaltung, als sie mir in Lobreden alles gaben – die Welt für meine Größe, das ganze verbale Blahblah darüber, wie stolz ein Volk sein sollte, wieviel sie mir wirklich für mein Beispiel des Gewinns beider Auszeichnungen verdankten – sagte ich, angestrengt bemüht, ruhig zu sein, auf kühle Lässigkeit bedacht, während mein Herz hämmerte – auf sie deutend: »Laden Sie mal die kleine blauäugige Goldblonde ein. Ich habe einen Platz zwi364
schen meinen Plastiken für sie.« So beluden sie meine Kriegswagen mit Damen, als ich mich zur Heimfahrt bereitmachte. Ich schmolz sie alle schnell ein, außer der EINEN. Aber die EINE! Wie ich sie hier am Rande des Letzten Entscheidens, nach all den Zeitaltern, all den monotonen Jahren des Kostens der Freuden der Ehrungen sehe, wenn ich zurückdenke. Klein und golden und blau – wie sie sie modelliert hatten, wie die Gelenke so glatt eingesetzt waren! So hätte ich sie nach Hause genommen und hätte sie einmal lange und gründlich angesehen und hätte sie zwischen meinen Plastiken aufgestellt und hätte sie vergessen – alles würde immer noch in Ordnung gewesen sein. Oder ich könnte die Mechanik ausführlich oder kurz bewundert haben, die Nieten und Schweißnähte gründlich gestreichelt und sie dann mit meinen Flammen eingeschmolzen haben. Welchen Schaden könnte das bringen? Aber nein, ich konnte das Vernünftige nicht tun. Ich nicht! Aber damals war ich jung, für moderanische Verhältnisse. Vielleicht war mein Ich in jener Nacht nach dem protzigen Ereignis in Kriegfurt etwas aufgeblasen, nachdem ich die doppelten Auszeichnungen gewonnen hatte. Vielleicht hatten sie den Punsch-Intraven, den man an der Tafel der Helden serviert hatte, mit Alkohol versetzt, und da ich daran nicht gewöhnt war, konnte es sein, daß er sich lange in meinen Fleischstreifen aufhielt. Oder vielleicht war nur jene Zeit für etwas gekommen, das lange todähnlich in meinem Herzkasten geruht hatte, um zitternd wieder zu erwachen und mich zu verwirren. Aber auf jeden Fall nahm ich sie nicht nach Hause, schaute sie einmal lange und gründlich an und stellte sie dann zwischen meine Plastiken, die Kugelmänner, die Metallbänder-Jungfrauen und die anderen Monstrositäten der Kunst, an denen ich mich er365
freue. Ich streichelte nicht ihre Nieten und Schweißnähte sorgfältig und schmolz sie dann auch nicht zu einem Klumpen zusammen! O nein, nicht ich alter Holzkopf von Gewinner der doppelten Auszeichnungen. Ich schnippte ihren Lebensschalter auf EIN! Und da stand die goldblonde Jungfrau, mein Liebling, mein Schatz – meine EINZIGE! Ich wußte ganz plötzlich irgendwie, daß alle Dinge für mich nie wieder ganz die gleichen sein würden. Aber ich möchte Sie nicht mit der vollständigen rosengleichen Ballade unserer Liebe langweilen. Welches Vergnügen es mir bereiten würde, es Ihnen zu erzählen! Wie es Sie vielleicht ermüden würde, es zu lesen, denn es gibt keine Worte, die ihr gerecht werden würden, und wenn es Worte gibt – nun, wer ist schon ein Meister im Auswählen? Nehmen Sie das Ausmaß der Ereignisse sozusagen zwischen den Zeilen zur Kenntnis, wenn ich berichte, was meiner Festung zustieß. Man erwartete von Festung 10, meiner Festung, daß sie nach der großen Sache des Gewinns der doppelten Auszeichnungen aufblühen und gedeihen und der Schrecken von ganz Moderan werden würde. Niemand glaubte etwas anderes. Schließlich war ich damals jung (für moderanische Verhältnisse), und eine Welt des Krieges und des Hasses schien voller Verheißungen für einen jungen Mann und seine Festung zu sein. Letzten Endes erfüllten wir all die Hoffnungen unserer wohlwollenden Freunde, aber das war – nun, ganz am Ende. Direkt nach den Zeremonien in Kriegfurt, als ich mit meinem mit Damen vollgeladenen Wagen nach Hause fuhr und sie alle bis auf die EINE! einschmolz, glitt Festung 10 in fast völlige Finsternis. Schändlich? Sicher! Meine Raketen verschimmelten auf ihren Startrampen, die laufenden Puppenbomben liefen 366
nicht, die eisigen Winde fegten durch die Löcher, die feindliche Sprengköpfe in meine Schutzwälle geschlagen hatten. Aber es war in einem innersten Raum meiner Festung warm, warm!, in dem ich liebte. Der oberste Waffenmann rannte mir Tag und Nacht fast die Tür ein, um über durch die Schlacht verursachte Beschädigungen zu berichten, um von unseren Wällen zu erzählen, die gerade durchlöchert wurden. »Ich bitte Sie in Dreiteufelsnamen, Herr, sollen wir feuern?« kreischte er. »Feuer? Feuer!? Was für ein Feuer?« murmelte ich, warm und von Liebe betäubt, und dann war ich wieder an den Lippen meiner Neumetallgeliebten, bearbeiteten wir das Hebelbett in unserer großen Ekstase und beachteten den Waffenmann nicht weiter, der die Hände rang und jammerte, weil ich nie den Befehl zum Feuern gab. Wie konnte ich es auch? Ich sollte den Befehl geben, in einem Krieg zu feuern! Ich hatte meine eigene große Flamme dort im Bett, die große Freudenflamme der Liebe. Aber letzten Endes kam ich natürlich zur Besinnung. Alles wird nach einer Weile langweilig, sogar die Freuden einer Neumetallgeliebten, und man findet, daß man etwas anderes möchte, sogar wenn sie der EINZIGE Liebling, der einzige süße Schatz, das einzige Bäng-Bumm des Herzens ist. Ich wollte Ehren erringen. Die Art und Weise, auf die man in Moderan Ehren erlangt, war, die Puppenbomben laufen zu lassen, die Ehrlichen Jakobs aufkreischen zu lassen, die Hohen schauerlich gellenden Zertrümmer-Trümmer automatisch auf ferne und nahe Ziele lossteuern zu lassen. An dem Morgen, an dem ich ihren Lebensschalter schließlich auf AUS drehte, war ich ein Wahnsinniger; ich war überall zugleich, hier befahl ich, daß ein Wall abgestützt werden sollte, hier, daß eine Rakete abgefeuert werden sollte und dort, daß ei367
ne Puppenbombe mit einem größeren Sprengkopf bewaffnet werden sollte. Ich legte an jenem Tag in meiner Festung Kilometer zurück, in meinem kleinen Laufflitzer, und die Welt erbebte im Krieg. Ja, Festung 10 war wieder in den Listen, beteiligte sich wieder an der Schlacht. Sagen wir einfach, daß ich in jenem Jahr genügend Haßboden gutmachte, um die verbummelten Monate auszugleichen, und wieder nach Punkten den Orden der gekreuzten Geschosse gewann und unten in Kriegfurt bei dem kitschig aufgeputzten Bankett der Helden aufstand. Bei dem Orden der elf Stahlwälle, der für Niedertracht im Inneren verliehen wird, wurde ich in jenem Jahr nicht berücksichtigt und würde es auch bis zum Weggang der EINEN nicht werden. Aber später brachten wir auch das in Ordnung. Und jetzt werden Sie sich vielleicht wundern, warum ich hier am Rande eines Letzten Entschlusses stehe, wie ich bereits früher erwähnte, und warum ich diesen Entschluß treffe, ich der größte, am meisten geehrte Mann von ganz Moderan. Um nicht langatmig zu werden, sagen wir einfach, daß ich hier aufhöre, um größere Gefilde zu suchen. Vorübergehend, so hoffe ich, aber es könnte sehr wohl dauernd sein. Warum? Zufällig – nein, nicht zufällig – ganz bestimmt weiß ich nicht genau, warum ich gehe. Und sicherlich sollten die Vermutungen an genau dieser Stelle beendet werden. Aber etwas nagt an mir, ja es zwingt mich sogar, wie es den Menschen lange Zeit gezwungen hat, viel über das zu reden, von dem ich am wenigsten weiß. Es ist ein Drang, der nicht verleugnet werden darf, sicherlich eine Sache, die man einfach machen muß. Damit ich Sie nicht gleich am Anfang verwirre, wenn ich von aufhören spreche, dann meine ich AUFHÖREN. Ich meine STERBEN. Oh, schien es nicht hervorragend zu sein, als wir das erste Mal den Trick 368
der »Ersetzungen« entdeckten und wußten, daß wir, mit Neumetallegierung als Hauptbestandteil unserer körperlichen Pracht und mit nur wenigen und unbedeutenden Fleischstreifen, möglicherweise, endlos leben könnten? Wie sich die Welt in unseren Träumen wie ein wohlklingendes, Verzückung herbeiführendes Lied eröffnete, das ewig dauerte. Was für eine Chance, um Ehren zu erringen. Wieviel Zeit für das Schießen und für die Verbesserung unserer Schußtechniken. Nun, ich glaube in diesem Punkt hatten wir Erfolg. Wir haben die Schußtechniken verbessert. Und Ehren – viele Ehren wurden errungen. Aber obwohl wir weiterreden und mit einer Million Worten nagen, wie können wir zu dem Herz des Problems vorschießen? Was soll man sagen? Ich könnte sagen, daß ich müde sei. Ich bin nicht müde, nicht physisch müde. Neumetallegierung wird nicht müde. Ich könnte sagen, daß ich bis zum Rande mit Ehren gefüllt sei, vor Leistungen völlig aufgedunsen, und daß ich keine Welten mehr zu erobern hätte. Das liegt der Wahrheit schon etwas näher, ist sie aber noch nicht ganz – auf jeden Fall noch nicht der letzte Teil. Eine Welt ist noch zum Erobern geblieben, oder um sich von ihr erobern zu lassen, oder um still in sie hineinzuschlüpfen, wie eine Neumetallmaus, die in ihr Loch hinter einem Wall schlüpft. Es gibt eine Welt – Und jetzt stehe ich ihr gegenüber, durch meinen eigenen Entschluß. Ich kann es Ihnen genausogut auch sagen. Sollte der Größte in Moderan der erste sein, der zerbricht? Ironie! Ironie! Ironie! Aber die Jahre haben sich auf meinen Fleischstreifen aufgehäuft, die Ehrungen sind gekommen, sind gekommen, das Schießen ist weitergegangen und geht weiter, Jahr um Jahr, die Wahrheit des Hasses in unserem Land gedeiht prächtig, und doch kommt die letzte Sache einer Klärung nicht näher. Sinn? SINN! Das würde ich wissen. Muß ich wissen. 369
Durch meine eigene Hand – und dies ist MEIN Entschluß – werde ich mich zerlegen. Ich habe einen verläßlichen Diener. Keiner von Ihnen kennt ihn. Ich bewahre ihn in einer Kiste an einem höchst geheimen fernen Ort auf. Auf mein Zeichen hin wird er kommen, um Mitternacht von jenem fernen Ort kommen, durch einen geheimen Tunnel, eine uralte und vergessene Röhre entlang, hoch durch einen Deckel im Boden. Er wird mir bei den letzten Nieten helfen. Vielleicht werden wir ein wenig scherzen – wer weiß? – während wir meinen Körper auseinandernehmen. Vielleicht ein letzter intravenös gegessener Toast. Und dann werden wir – o Gott, nur er wird, der Gedanke regt mich auf, obwohl ich versuche, ihn zu unterdrücken – nur er wird meinen Körper an einer Wand aufschichten. Alles außer den Fleischstreifen. Diese wird er in jener Nacht still mit sich nehmen, in Konservierungsmitteln aufbewahrt, zurück durch das geheime Bodenloch und die kilometerlangen düsteren Tunnel entlang, um »mich« (mein Fleisch) zusammen mit ihm in der Kiste zu lagern, alles gemäß meinen Befehlen, die ich auf einem Band vorbereitet habe. Und ich werde gehen – wer, was weiß, WIE ich gehen werde? Irgendwie bei der Ablösung der letzten Fleischstreifen, der letzten Nervenfaser und der letzten Niete. Wer, was weiß, WOHIN ich gehen werde? Aber ich muß gehen. Um den SINN herauszufinden. Die Jahre haben mich schließlich zu diesem Entschluß gebracht. Meine Festung werde ich für die geplante Dauer meiner Abwesenheit auf ruhend stellen. Ich habe meine Waffenstillstandskredite sich ansammeln lassen, bis ich, in Einheiten, viele weiße Flaggen habe. Als erster Sprenger von Moderan, der im Krieg weit voraus ist, habe ich keine Schlachtverpflichtungen, die dringend sind. 370
Werde ich zurückkommen? Ich plane, es zu tun. Ich plane, zurückzukommen und Ihnen allen von meinen Reisen zu erzählen. Wenn ich nicht zurückkomme? Wenn ich dort draußen in einer Falle sitze, in irgendeiner leeren Stille festgehalten werde, irgendeiner schwebenden Unendlichkeit der Stimmen, unfaßbarem vom Raum umschlossenem Schweigens des Schweigens, o Gott? Nun, dafür sind Vorbereitungen getroffen worden, denn es ist wirklich eine Möglichkeit. Nach einer gewissen Zeit, alle Befehle dafür sind auf dem vorbereiteten Band, wird der kleine Diener aus der geheimen Kiste an dem fernen Ort zurückkehren. Ich vermute, daß ich dann zurück sein werde und darauf warte, ihm zu helfen, wenn er mich, meinen Körper, wieder zusammensetzt. Aber wenn ich dann nicht zurück bin, werde ich dann nicht zurück sein. (Oh, laßt uns hier ein wenig scherzen, sogar am Rande des Todes.) Meine Fleischstreifen werden dann an meinen obersten Waffenmann gehen, natürlich in einer anderen Anordnung, denn er kann nicht, darf nicht, ich sein, und Festung 10 wird weiterbestehen, fast so wie vorher, und in eine neue Ära des Schießens hineingehen. Sie sehen also, daß dieser Letzte Entschluß wirklich ein letzter Entschluß ist. Aber wenn die Risiken hoch sind, sind die Gewinne tatsächlich am höchsten. Ich gehe diesen Weg freiwillig hier auf der Grundlage der Würde meiner aufgehäuften Ehrungen. Ich habe die WAHRHEIT gesucht und habe gefunden, daß sie für mich nicht nur in dem schönen sauberen Haß der moderanischen Festungen existierte, sondern daß sie auch vor langer Zeit in der schönen heißen Liebe einer Neumetallgeliebten existierte, als ich sehr jung war. Ich suche jetzt eine erhabenere Sache – SINN. Da ich den SINN nicht vollkommen in dem Schießen, den Freuden, dem Lieben, dem Hassen, dem Leben von 371
Moderan entdeckt habe, werde ich ihn jenseits der Linie suchen. Möge das Schicksal gnädig auf mein Wagnis lächeln. O ja, für uns alle!
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Entscheidungsunfähig und wartend Ich ging niemals … Ich wartete, vor Angst unfähig, mich zu entschließen, mit der Durchführung meines Traums vom »Letzten Entschluß«. Alte Friedhöfe, schwarze Särge und weiße Grabsteine reihten sich in meinen Erinnerungen tausend Kilometer weit aneinander. Scheinbar. Generation auf Generation von normalen, den Tod fürchtenden Vorfahren sprach durch mein blaßgrünes Blut und sagte, gehe nicht! GEHE NICHT! Die Fleischstreifen krümmten und erinnerten sich, verzogen sich und schrumpften an allen Ecken meiner Neumetallhülle aus panischer Furcht zusammen und wollten sich einfach nicht mutig zeigen. JA! es war ein trauriger Anblick für die große Festung 10, dessen bin ich sicher, aber ich fürchte, daß es im Grunde das allerbeste war, was ich machen konnte. Nachdem ich den Mächtigen Widersacher mit meinen Fleischstreifen, Neumetall und dem Intraven geschlagen hatte, sollte ich jetzt von alleine zu ihm gehen und ihm die Chance geben, mich für immer und ewig zu behalten? All die großen Siege, all die schönen Ehrungen, die ganze gewichtige Tatsache meiner großen GROSSEN Liebe – alles war jetzt schließlich nichts, angesichts dieser letzten Stunde. Ich legte alles in den Staub, und es war Staub! Nichts konnte man behalten, überhaupt nichts konnte man behalten. Der Letzte Entschluß war ein ausgezeichneter Entschluß. Aber … Ich fand, als ich mich der höchst persönlichen persönlichen Tatsache gegenübersah, daß alles mir Mögliche unwiderruflich untergehen könnte, um niemals wiederzukommen, daß ich mich nach einem Letzten Krieg sehnte! Noch ein großer Kampf und ein die ganze Welt umspannendes Gemetzel um aufs neue meine 373
tatkräftige Stärke und Anwesenheit als sterblicher Mensch zu beweisen! Lassen wir alle meine Feinde, alle anderen Menschen in diesem Krieg in Schlachtenrauch aufgehen. Lassen wir Teile von Menschen, die himmelhoch in die Luft gejagt worden sind, einmal mehr die Luft erfüllen, und diesmal besser als je zuvor. Noch ein Krieg, noch einen weiteren, um meinen Letzten Sieg als Mensch der Erde zu vervollkommnen. Dann würde ich gehen, ohne daß auch nur ein Mensch hinter meinem Rücken zurückbleiben würde, um mich zu betrügen, dann würde ich gehen, um jene letzte Bedingung, den Sinn, jenseits der Linie zu suchen … OH, GOTT … Ich ging niemals … Ich zauderte Jahr um Jahr um Jahr, während die Jahreszeiten durch Moderans großartige Zentrale Jahreszeitenkontrolle, der Trommel der Änderungen, wechselten und wechselten und ineinander übergingen. Ich blieb Krieg um Krieg um Krieg als mächtiger Schlachtenstreiter in den Listen, ebenso wie meine Zeitgenossen, deren Leben im Rhythmus der Schlachten und Waffenstillstände in Moderan pulsierten. Den Sinn, ach, wir könnten ihn herausgefunden haben …
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Wie man sich an einem Jüngsten Tag der Seele zum Zwecke eines Nicht-Beginns annahm Der Abfall begann an einem schläfrigen Montag im Frühsommer. Einer der geringeren Metall-undMensch-Menschen von Moderan (ein Mentall) fand eine Seele. Oder vielmehr war es, um völlig korrekt zu sein, nur ein Stück einer Seele. Es war noch nicht einmal ein sehr gutes Stück einer Seele, eines, das vielleicht seit recht vielen langen Jahren in Moderan verloren gewesen war. Aber es war, was es war, und es veranlaßte die anderen zum Suchen. Sie schauten unter die Plastikplatten und unter die eisernen Birnbäume und in der Umgebung der Stellen, wo die Stahlstiefmütterchen durch die Gartenlöcher kamen. Und von Zeit zu Zeit stöberten sie tatsächlich, oder bildeten es sich zumindest ein, ein weiteres Seelenstück auf. Es war aufregend, diese Dinge zu finden, oder sogar sich nur vorzustellen, daß man es täte, weil sie so immateriell und ganz anders zwischen den Eisentürmen der Macht, den wirbelnden präzisen Ranrans und den schimmernden exakten Monstergetrieben waren, die die komplizierten Geräte dieses Landes antrieben. Sie spielten den ganzen Tag mit den Stücken, die sie von Seelen gefunden hatten. Sie warfen sie immer wieder hoch in die Luft und fingen sie auf und trugen sie für eine Weile auf ihren Ärmeln oder auch in ihren Knopflöchern als Aufbewahrungsort, und sie dachten über sie nach und staunten und staunten. Die Mentalle, die Seelenstücke gefunden hatten, taten dies. Andere Mentalle, die keine Seelenstücke gefunden hatten, kamen zu ihnen und blickten durch die funkelnde grüngefärbte Luft, deren genaue Feuchtigkeit und genaue Temperatur und genauer Duft von einem gigantischen 375
Klimasystem kontrolliert wurde. Und diese Mentalle konnten nichts Außergewöhnliches sehen, abgesehen davon, daß einige ihrer Kollegen auf die gesunde überwachte Luft einschlugen und Teile davon auf eine wirklich recht sonderbare Weise vor ihren blasenförmigen Heimen einfingen. Aber eine Seele, oder sogar ein Teil von einer, kann für den Finder eine sehr bewegende Sache sein. Als seelenlose Mentalle zu ihnen kamen, um zu fragen, was all dieses sinnlose Schlagen und ziellose Stoßen und lebhafte Hüpfen eigentlich bedeuten sollte und ihnen berichtet wurde, daß Seelenstücke gefunden worden waren, sagten diese Mentalle natürlich: »Häh? Was ist Seele? Und was ist, wenn man eine findet?« Und die Mentalle, die Seelenstücke gefunden hatten, wurden sofort Evangelisten und erzählten all den anderen über Seelen, wobei sie besonders laut und deutlich sprachen, wenn es um die Bedeutung des Vorgangs ging. Natürlich würden sich Neuigkeiten, die von so kurioser Natur waren, rasch verbreiten, und als sie das Nadelgebäude in der Blassen Weißen Hauptstadt erreichten, wo der Rat des Blassesten Grüns grübelnd saß, verursachten sie Bestürzung. Die Ratsmitglieder waren alle »ersetzte« Menschen – ausgebildete Festungsherren natürlich – die bis auf kleinere Fleischstreifen, die sie zusammenhielten und die übergroßen Gehirne ernährten, die in grünem Blut und metallenen Gehirn-Gefäßen aufgehängt waren, aus Metall bestanden. Weil ihre Fleischstreifen die kleinsten, ihr Blut das blasseste war und weil sie die längste Zeit mit Seelen nichts mehr zu tun gehabt hatten, waren sie natürlich überlegen. Aber sie wußten über Seelen Bescheid, durch alte Aufzeichnungen, und sie wußten, wie gefährlich solche interessanten immateriellen Dinge für 376
dieses präzise, mechanische und sehr automatische Land sein könnten, das dafür bestimmt war, ewig zu bestehen. So machten sie ihre Pläne; sie riefen nach Gegenmaßnahmen. Maximale Ablenkung! war die Losung. Der Rat drückte die Knöpfe. Und das waren die Knöpfe für den totalen Krieg gegen den Abfall. Die Maximale-Ablenkung-Vögel stiegen aus einer Million Vogel-»Schlägen« an der Peripherie dieses Landes auf, das Moderan genannt wurde. Mit Bombentaschen voll blauem Öl und Bombensäcken voll rosa Sand starteten die Vögel, um damit die Mentalle zu überschütten. Die Vögel kreischten und rote Flüssigkeiten tropften aus ihren wehklagenden Schnäbeln, und der Schimmer aller ihrer leuchtenden Flügel zusammen war ein ehrfurchteinflößender Anblick, als sie höher und höher in die Limetten-Vanille-Luft stiegen und in der dichten Formation der Prachtvögel dahinwirbelten. Tief unter diesem Schauspiel, in der klaren Luft, klimperten die Blechmandolinen-männer wie toll auf den Grundstücken. Blechern kreischten sie die Ran-ran-ran-Lieder und metallen summten sie die Versuchts-versuchtsversuchts-Melodien über einen starken Staat, der ewig besteht, in dem Blechroboter wie Bruder und Bruder zusammenarbeiteten. Die Duftmänner liefen durch alle Straßen und Gassen der blasenförmigen Heime, über alle Grundstücke und Felder von Moderan, und verbreiteten die berauschendsten aller Wohlgerüche, verbreiteten den herrlichsten aller Düfte, die jemals zusammengemischt worden waren. Die Formmänner beschossen den ganzen Himmel mit einer so abwechslungsreichen und herrlichen Bildfolge, daß etwas Ähnliches vielleicht nie wieder gesehen werden kann, sie bildeten einen Schleier von Formen über den Vögeln, die immer noch die Mentalle ungestüm mit Taschen 377
voll blauem Öl und Säcken voll rosa Sand bombardierten. Dann drückte irgendeine Hand im Blassen Rat mit einer Geste, die versuchte, Liebe vorzutäuschen, den mit BLUMEN markierten Knopf, und mit großem Getöse, mit einem mächtigen Whuusch schossen die Blechblumen durch die Löcher in den Plastikplatten und schwenkten protzige metallene Blumenblätter vor den Füßen der Blechmandolinenspieler, die immer noch von einem Staat der Blechkameraden kreischten, die wie Bruder und Bruder miteinander auskamen, ohne Seele. Und eine künstliche Sonne blinzelte wohltuende Tupfen durch die Arbeit der Formmänner, und die Prachtvögel hielten ihre Ordnung. Aber all dies nützte nichts. Die Mentalle hielten immer noch die Stücke, die sie von Seelen gefunden hatten, krampfhaft fest und weigerten sich, sich ablenken zu lassen. Und sie organisierten die Züge, zehn lange düsengetriebene Seelenbeweger. Hoch aus dem Süden kamen die großen Züge, von Düsen vorwärts getrieben, stromlinienförmige Flitzer, die aber eine seltsame Ladung hatten. Den ganzen Tag lang sausten sie pfeifend durch das Land, zehn große weiße Züge. Obwohl der Zentralrat des Blassesten Grüns ein dringliches Gesuch um einen weiteren Versuch, die Mentalle zu erfreuen, aussandte, um eine weitere Chance der Ablenkung, kamen die Wagen des Verderbens weiterhin näher. Und doch waren sie auch Wagen der Hoffnung. Stalog Blengue, Mentall erster Klasse, FleischRobot-Aufseher über einen Block Klimamaschinen für manches seelenverlorene Jahr, kletterte mühsam auf einen Zug. »Wie wir uns benutzt haben!« gellte er. »Wie man uns durch ›Entdeckungen‹ hereingelegt hat.« Er riß ein Stück seiner »Ersetzungen« ab und hielt es zwischen Blechfingern hoch. Das grüne Blut 378
sickerte aus dem Bogen, in dem das Metall des »Ersatz« -Teils sich mit Fleisch verbunden hatte. »Für immer lebenslänglich!« sagte Stalog Blengue. »So ungefähr denkt der Blasse Rat. Ha, Ha. Wenn das ein Leben sein soll, was ich diese vielen seelenlosen Jahre gelebt habe – für meine Arbeit, diese blechernen Luftverdauer beim Sieben der natürlichen Luft wegen Verunreinigungen zu beobachten; für mein Vergnügen, meine Metallgelenke zu ölen, damit ich nicht quietschte, wenn ich mit wachsamer Rohrzange zwischen den Luftsieben aus Blech umherschwebte; für meine Nahrung, die ich mir mit Intraven injiziere, wobei ich die komplizierten Flüssigkeiten an alle Stellen aus armem Fleisch bringe – wenn das ein Leben sein soll, was ich diese schrecklichen, unmenschlichen Jahre gelebt habe –« Dann begann er, in einer Art Anfall zu kreischen, als er sich selbst auseinanderriß. Dann fuhren die Mentalle, mit einem völlig abgeschälten Stalog Blengue, der in der Führungsmaschine kreischte, die Seelenzüge hinunter in die kalte weiße Hauptstadt. Sie ließen die Züge den ganzen Tag vor den Nadeltürmen des eisig starrenden Regierungspalastes der kalten weißen Hauptstadt des Blassesten Grüns stehen. Als sich der Tag seinem Ende näherte, die schwindende kälter werdende Sonne die letzte Strecke in der Limetten-Vanille-Luft über Moderan herabsank, bewegte Stalog Blengue seine Eisenschuhe auf die größte trübste Tür im Erdgeschoß des Kapitols zu. Die Metallteile, die er hatte, klirrten grausig; das grüne Blut seiner Fleischstreifen dröhnte drängend in den Blechteilen seiner Ohren. »Hallo, Hauptstadt«, rief er dem Schlitz in der größten Tür zu. »Hallo, Rat«, schrie er, und ein Geräusch, das an das Schlagen auf einen ausgehöhlten Amboß erinnerte, kroch eine lange Zeit in ihm hoch, aus ihm hinaus und durch die leeren 379
Räume der höchsten Spitzen des Kapitols hoch, denn die Stimme von Stalog Blengue war vor langer Zeit in Eisen gearbeitet worden, um ihn vor Krebs zu schützen, was eine der »Entdeckungen« war. Langsam öffnete sich die breite Tür, und der »Riese«, der dort stand, war so groß, daß er sich auf Zehenspitzen gestellt hatte, um zu versuchen, eine normale Größe zu erreichen. Hinter diesem Türsteher war der Rat des Blassesten Grüns in Spiegeln zu sehen. Die Ratsmitglieder saßen viele Stockwerke entfernt und sortierten ihre Gehirne in Gehirn-Gefäße aus Blech. »Ich will den Vorsitzenden sehen!« schrie Stalog Blengue. Als er sich von dem ausgezeichneten Platz an dem erhöhten Podium des Präsidiums erhob, schienen eine Zeitlang Splitter von mattgrünen Sternen von ihm abzufallen. Ein Schimmer von smaragdgrünen Blitzen umgab ihn schwach. Und dies war endlich der Allerblasseste der Blassesten Grünen! Er sagte kein einziges Wort, sondern stand nur mit einem dürftigen und klirrenden Metall gerade richtig für die Spiegel, damit sie sein Bild durch all jene Geschosse hinunter zu Stalog Blengue schickten. »Wir sind mit unseren früher einmal abgelegten Seelen gekommen«, erklärte Stalog Blengue. »Es ist unser innigster Wunsch, daß Sie sofort gehen sollen, damit wir unsere lange Arbeit beginnen und anfangen können, diese verwitterten Seelen und die Welt in Ordnung zu bringen. Falls Sie beschließen sollten zu bleiben, dann lassen Sie uns keine schwere Entscheidung; wir werden dann nur noch unsere Seelenzüge durch Ihre Gebäude fahren lassen können und Sie niederwalzen! Mit Seelenkraft! Wählen Sie also.« Der Blasseste der Blassesten Grünen sagte nichts, es gab in der Tat kein Anzeichen dafür, daß er zuhörte, 380
abgesehen davon, daß das Geräusch aufgenommen wurde, als eines der Gehirn-Gefäße aus Blech mit einem kaum wahrnehmbaren Klirren gegen ein anderes stieß, hoch oben und weit entfernt, und die Augen funkelten eine kleine Weile lang in den großen Spiegeln grün und kalt und durch und durch böse. Und Stalog Blengue wußte, daß die Botschaft empfangen worden war, wo die Gehirne in ihren Gehirnheimen aus Blech schwammen. »Wir werden nicht länger als bis Mitternacht dieses modrigen Tages darauf warten, daß Sie gehen«, sagte die Stimme-wie-von-einem-ausgehöhlten-Amboß und zog sich zurück. Stalog Blengue rasselte in seinen Eisenschuhen zurück zu den Zügen seiner seelenstarken Freunde. »Er hörte es«, sagte Stalog Blengue. »Der oberste blasseblasse Mann hörte es. Ich konnte daran wie seine Augen in den großen Spiegeln funkelten, eine kleine Weile lang grün und kalt und sehr böse, erkennen, daß er es hörte. Er wird es den anderen sagen, und ich glaube, wenn ich sehe, wie sich all die Arbeiter auf den Wällen bewegen, daß sie gehen werden. Sie alle MÜSSEN gehen!« Dann stieg großer Beifall von den seelenstarken Leuten in allen zehn Seelenzügen auf. Nach einer Weile hob Stalog Blengue eine verschwommene Hand hoch und bat um Ruhe. »Laßt uns«, sagte Stalog Blengue, »jetzt beginnen, wieder wir selbst zu sein, wir selbst mit guten Seelen. Laßt uns mit harter Anstrengung und hartem Beten für unsere Seelen gute Heime schaffen, sogar hier, wo wir in diesen stählernen Zeiten zur Schlacht gerüstet sind. Und vielleicht können wir und die Welt nach zehn Millionen Jahren ehrlichen Bemühens zu hoffen anfangen, daß man uns gestattet, zu jenem Ort zurückzukehren zu beginnen, den wir alle auf dem Weg unserer falschen ›Entdeckungen‹ verließen. Zumindest sind wir nicht ohne Hoffnung, denn 381
unsere Seelen sind wieder aufgenommen worden …« Und all die Züge jubelten wieder … Am nächsten Tag stiegen früh die Vögel wieder auf, die es diesmal ernst meinten – diesmal waren die Flügel mit so vielen Letzten Argumenten beladen, wie sie nur tragen konnten. Die Züge reisten einfach in Form des dünnsten vorstellbaren Gases himmelwärts ab – durch Volltreffer mit den Argumenten – genügend blasenförmige Heime wurden zu bloßen rauchenden Schmutzflecken auf dem Plastik eingeebnet, um ein Beispiel zu geben, und von diesem dummen beklagenswerten Gerede über Seelen wurde nie wieder etwas in Moderan gehört.
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Wie es endete Das Ende der Welt begann klein an jenem Tag. Zufällig, im grünlich-blauen Hochsommer … Ich erinnere mich gut daran, was ich in genau jenem Augenblick, als es begann, tat – sogar an das, was ich dachte. Es war in der Zeit des Sommerwaffenstillstandes. Wir hatten unsere großen Frühlingskriege in jenem Jahr spät vollendet, und wir waren alle irgendwie erschöpft, wenn auch herrlich glücklich. Viele Ehrungen waren errungen worden, viele Festungen zu Trümmerhaufen zerschmettert und so mancher Kanonendeckel hing herab, und an vielen Orten schrien die Festungswälle nach Ausbesserung. Aber wir waren eine zufriedene Gruppe in jenem letzten Sommer, wir, die wir überlebt hatten, aufs äußerste glücklich vor Haß, bereit für Freuden, und wir planten auf alle Fälle, in unseren eigenen Festungskomplexen Gemeinheitspunkte zu erringen. Jaaa! Sommerwaffenstillstand!! Dann schlug eine Rumms-Bombe hoch im Norden ein. Ich hörte es auf meinen Indikatoren, und es war ein sonderbares trockenes Geräusch. Ich wußte sofort, daß sie etwas getroffen hatte, das wahrscheinlich nicht ein Übungsziel einer Rumms-Bombe war. Und nach allen moderanischen Gesetzen sollte sie überhaupt nicht dort draußen gewesen sein, nicht während eines Waffenstillstandes. Und was waren jene seltsamen blips und bliieps, die auf die Platte meines Sichtschirms übermittelt wurden? Ich würde gedacht haben, daß sie von zerbrochenen Splittern und Bruchstücken von dünnem Neumetall stammten, aber das schien unwahrscheinlich zu sein. Niemand, der bei klarem moderanischem Verstand war, würde eine Rumms-Bombe auf ein winziges Ziel aus Metall einsetzen. Die Rumms 383
waren für maximalsten maximalsten Beschuß und schwerste Zerstörungswellen da. Sie waren für die Festungen und die tief unten liegenden Bunker aus Beton und neugemachtem Stahl bestimmt. Es gab viele Punkte, über die man Vermutungen anstellen konnte. Während ich hier draußen auf diesem letzten kleinen Berg aus Plastik überlege, diese Notizen auf den Permobändern in meinem Verstand als letzte Aufzeichnung zurücklasse, beobachte, wie die fleischern-mutierten Männer auch die letzten Reste unseres ehemals großen Landes dahin zurückreißen, wo es alles begann, kann ich nicht sicher sein. Ich kann nur die Vermutungen nochmals abspielen. Im stillen glaube ich, daß es ein Unfall gewesen sein könnte. Ich glaube, es könnte so gewesen sein, daß ein bombenwütiger Festungsherr nur mit einer übriggebliebenen Rumms einen Freudenschuß in die ferne Leere feuerte, um das schließlich gekommene Ende der langen Frühlingssaison des Krieges zu feiern; sie hatte sich bis in den Frühsommer erstreckt. Und diese Rumms könnte gerade jenen zu langen Augenblick in der Werferschlinge gehangen haben. (Es passiert schon einmal, aber es passiert normalerweise im Krieg, und wer könnte sich dann darum kümmern?) Anstatt daß sie sich dann auf jener wunderschönen weiten Flugbahn bewegte, die ein normales Abfeuern garantiert haben würde, fiel sie dann, verrückt außer Kurs, tatsächlich auf überhaupt keinem Kurs, in das Blechblumenbeet eines Nachbarn. Und in jenem Blumenbeet war eine Sache, die für ihn kostbarer war als Festungen … Deshalb gibt es nur Gerüchte und Vermutungen. Aber so oft in der ganzen Weltgeschichte hat sich ein Unfall als soviel richtiger erwiesen als alle sorgfältigen Pläne. Und ich glaube, daß es hier auch so war. Ich erinnere mich, und ich erinnere mich gut an all 384
das, was in jenen wenigen schnellen Augenblicken geschah, die das Schicksal von uns allen besiegelten – Ich erinnere mich an einen ungestümen verstümmelten Bericht auf meinem Warnerphon. Ich konnte nicht übersetzen, aber ich erinnere mich daran, daß ich dachte, daß er sich nicht so sehr wie eine haßerfüllte Warnung anhörte, wie er sich nach einer Entschuldigung oder einem Argument für Verständnis anhörte. »Verzeihen Sie mir, VERZEIHEN Sie mir, und laßt uns den Sommerwaffenstillstand genießen«, erinnere ich mich, in jenen ersten Sekunden gedacht zu haben, obwohl ich sehr beschäftigt war. Natürlich hatte ich damals keine Möglichkeit, auch nur eine Vermutung über die Ungeheuerlichkeit des Vergehens zu wissen, die es gegeben haben könnte, und mein einziger Hinweis waren jene seltsamen deplacierten blips und bliieeps auf der Platte meines Sichtschirms. Die Festung, die das Vergehen begangen hatte, antwortete natürlich. Nicht einmal in den angenehmsten Zeiten des Sommerwaffenstillstandes konnte man es zulassen, daß die gute alte Nachbarfestung zur Rechten oder zur Linken, vor oder hinter der eigenen, mit einer Rumms-Bombe angriff. Vergeltung, rasch und entschlossen, war in jeder Jahreszeit richtig. Vergeltung brachte mit tödlicher Sicherheit eine Antwort, aber selbst dann, in jenen ersten Momenten, hätten wir den Krieg eingedämmt haben können. Wir hätten uns an einer kleinen Vorstellung an den Expandern unserer Sichtschirme erfreuen können anstatt an zwei hitzigen grollenden Festungen, die aufeinander LOSgingen, während sie im tiefsten Waffenstillstand sein sollten. Aber wir handelten nicht, als zu handeln das Wichtigste war. Sagen wir einfach, daß die Staatskunst an jenem Tage bei uns allen in einem traurigen Zustand war. Wir ließen den Ball ungeschickt fallen. Wir spiel385
ten mit unseren Neumetallgeliebten; wir streichelten die Neumetallkätzchen, schichteten die Karten der Apathie auf und »tranken« Punsch-Intraven, während wir die Welt gerettet haben sollten. Verträge wurden respektiert und respektiert und respektiert. Oh, wie sie jene Verträge im Norden respektierten! Und der Krieg breitete sich rasch nach Süden aus. In fünf Minuten waren wir alle in ihn eingetreten, und Moderan erwachte mit dem schrecklichen Gefühl, daß das Wasser bereits bis zum Halse stand und weiter stieg. (Ich werde dies sagen, ich, der weit im Süden lag, beteiligte mich erst als Letzter an dem Schießen. Aber die Ehrlichkeit, überall und über allem, läßt mich eiligst bekennen, daß das nicht an meiner Staatskunst lag. Wo ist sie jetzt? Oh, was für ein Klumpen verbrannten Metalls an einem fernen verlorenen Ort ist sie jetzt, mit der ich in jenen entscheidenden verhängnisvollen Augenblicken spielte, während ich die Welt gerettet haben sollte? Aber ich möchte gern sagen, daß sie an jenem Tage, als ihr Lebensschalter voll auf EIN und ich unverrückbar auf ungestüm-Leidenschaft gestellt war, sehr gut war. Oh, alles für die Liebe und die Welt – nun?) Unsere Welt ging unter, UNTER, in jenem Krieg. Es war das ENDE. Von einem kleinen, unerwarteten, und ich sage zufälligen, Start einer Rumms-Bombe am falschen Ort an jenem Tag aus entwickelte er sich schnell in den wachsenden Augenblicken der Vernichtung. Wenn ich jetzt an ihn denke, weit entfernt in der letzten Ecke, in die man sich in unserer verlorenen Welt noch zurückziehen kann, kann ich einfach nicht sagen, warum er sich zu unserem so gewaltsamen Untergang entwickelte. Wir hatten in unserer ruhmreichen Vergangenheit viele viele Kriege geführt und hatten sie mit unseren großen Toten der Schlacht, Ehrungen und 386
Festungen überstanden, die nur teilweise zu Trümmern zerschmettert worden waren. Aber dieses Mal war Moderan in zehn Minuten gestorben. Die meisten von uns hatten recht früh, da wir schnell dachten und die richtige geplante Sache taten, sogar inmitten des unerbittlich vorwärtsgetriebenen letzten Krieges, ihre Familien befreit. Und das könnte wahrhaftig unser edelster Augenblick gewesen sein. Ich schickte sogar, nach eingehenden Selbstgesprächen, die Rumms los, die auf das Tal der Weißen Hexe justiert war, wo meine Frau mit dem letzten ihrer Plastikmänner lebte und finstere Pläne schmiedete. Die Gnadenschüsse waren bereits automatisch in das Land von Kleiner Bruder und Kleine Schwester gegangen und hatten sie in die hohen Himmel und alle Winde in jener Provinz zerstreut, wo sie die Stunden ihrer »Ersetzungen« erwarteten. Und nachdem die Barmherzigkeiten erledigt worden waren, widmeten wir uns dem Krieg. Es war maximalster maximalster Beschuß, mit maximalsten Metallwaren des Hasses, egal ob mit Flügeln versehen oder laufend. Was auch immer sonst gesagt werden kann, es ist wahr, daß wir die Welt nicht nur in Sachen Haßeinstellung zu einem erhabenen göttlichen Punkt der Entwicklung brachten, sondern auch in bezug auf die Schießeisen, die jene Einstellung zu soviel mehr machten als nur einem leeren Traum oder einer Geste. Und ich werde mich immer, sogar bis ich das letzte Intraven einnehme, bis zu jenem letzten letzten Moment kurz bevor die Fleischstreifen verhungern und ich zu ein paar geformten Metallteilen in irgendeinem staubigen Museum werde, mit dem ein Fleisch-Mutant prahlt, an jenen wunderschönen Augenblick erinnern. Einen Augenblick, wie ihn die Welt vielleicht nie wieder sehen wird, als die Luft über der ganzen Welt fast eine einzige feste Hülle aus Explosivstoffen war. Rake387
ten trafen ihre Bruderraketen auf die Flügel und brachten gewaltige Detonationen zustande. Die mächtigen Rumms, die so konstruiert waren, daß sie solche Luftzusammenstöße überstanden und immer noch automatisch auf dem Weg zu ihren festgelegten programmierten zu zerstörenden Zielen waren, stupsten sich gegenseitig heftig in der Luft. Die laufenden Puppenbomben, diese märchenhaften Schauerlichkeiten, denen es bestimmt war, den schmalen Pfad zu ihrem Rendezvous mit der Zerstörung zu nehmen, bekämpften sich gegenseitig auf dem Plastik. Einige gingen sicher und unversehrt weiter zu ihrer programmierten Bestimmung des Findens-und-Zerstörens; einige kämpften in der Dichte dieses Verkehrs so unerschütterlich um ihr Wegerecht, daß sich ihre Schrecken erschöpften und sie ihre Durchschlagskraft dort draußen im Kampf gegeneinander verloren. Irgendein mächtiger Schlachtengott, der weit entfernt im Gasschirm auf einer Wolke säße, die wie eine Beute aussähe, könnte an jenem Tag wahrscheinlich die Vorstellung seines Lebens bewundert haben. (Alle hochgelobten Meisterstücke der Feuerkraft und der Zerstörung in den Alten Tagen – sogar Dresden unter den Bombern, Tokio mit den Feuerbomben und Hiroschima und Little Boy – all diese zusammengepackt zu einem einzigen Aufflammen-undKrachen müssen nur wie der Tritt eines Vorderbeins eines schwachen Leuchtkäfers gewesen sein, wenn man es mit diesem hier verglich. JA! wir sprengten wirklich an jenem Tag!) Aber ich bin überzeugt, daß es an jenem Tag für uns nirgendwo einen Gott gab – nur der ungesunde grünlich-blaue Gasschirm des vergifteten August stand dort draußen in einem Himmel, der für uns plötzlich endlos und schrecklich geworden war, ein sich weit erstreckender und gleichgültiger Zeuge der Selbstzerstörung einer Welt. 388
Und als ich sah, daß das Spiel wirklich dem Entscheidungskampf gewichen war, wandte ich mich schließlich meinem GEWALTIGSTEN GEWALTIGSTEN MAXIMALSTEN zu. Es war der IRRE RUMMS, eine so schreckliche Waffe, daß ich mein Gehirn auf Umfassende-Kühle-Gedanken und Unbekümmert stellen mußte, um in der Lage zu sein, das Wissen zu ertragen, daß ich eine solche furchtbare Feuerkraft sozusagen in dem Teller meiner Neumetallhand hielt. Dieses Ding hatte mein Ingenieurkorps für die Endgültige Lösung von Problemen erst vor recht kurzer Zeit für mich entdeckt, und ich hatte es sorgfältig aufbewahrt, um es als ÜBERRASCHUNG aus der Tasche ziehen zu können oder für irgendein zukünftiges praktisches Bedürfnis. Oder vielleicht nur als ein Argument bei Eroberungen. Ich hatte diskutiert. Aber jetzt schien die Diskussion vorbei zu sein; der IRRE RUMMS wurde mir in die Hand gezwungen. Lebendig aus dem Kampf herauszukommen, in eine Welt, die meiner noch etwas ähnelt, war immer noch mein Ziel. Nur meine Festung würde übrigbleiben, und selbst die als ein heftig erschüttertes Ding, aber eines, das wir wieder aufbauen könnten. So schickte ich ihn durch einen Daumendruck von dort los, wo er auf seinem Startgerät tief in den Eingeweiden meiner Festung untergebracht war, den Irren Rumms, ein Ding, das gegenüber dem gewöhnlichen Rumms so sehr verbessert war, daß der Vergleich der zwischen einer Feder, die in den Alten Tagen auf einen gewöhnlichen Berg fiel, sein könnte, der ein anderer Berg gegenübergestellt wird, der auf den gleichen Berg fällt. Und so verstehen Sie, was ich meine? Um das Geheimnis des Irren Rumms gut zu hüten, hatte ich ihn – der, wie ich mir sicher war, der eineund-einzige seiner Art in der ganzen Welt war – tief in 389
der Mitte meines großen Verteidigungs-AngriffsKomplexes installiert. Natürlich war ich mir bewußt, daß sein Start Böden aufreißen und vielleicht das ganze Dach meiner Festung hochheben würde. Aber für vollkommene Geheimhaltung und um der einzige Besitzer solcher Macht zu sein, war ich bereit, den Preis zu zahlen. Ja! fast alles. Der Augenblick, in dem ich ihn durch Knopfdruck startete, MUSSTE ein berauschender Augenblick für mich sein; mein Neumetallherz, an dessen Einstellung ich durch meine Hand nichts verändert hatte, erhob solch ein mächtiges Wumm-undBumm-Schlagen, wie ich es nie zuvor gekannt hatte. UM DIE WELT ZU BESITZEN! dachten mein Verstand und mein Herz gemeinsam, als mein Daumen auf den Startknopf schlug. Was geschah? WAS GESCHAH? Die Welt zu besitzen und dann die Welt nicht zu besitzen. WAS GESCHAH!? Ich jammere nicht um Verständnis. Ich jammere nicht um Mitleid. Ich jammere nicht. O Gott, Gott oder Götter, ich mache es nicht. Aber ich muß es hier auf den Bändern hinterlassen – WAS GESCHAH? In der Sekunde, in der ich ihn durch einen Knopfdruck losschickte, wußte ich es. Oh, wie ich es wußte! als sich die Luft mit Dachteilen zu füllen begann. Ich habe keine Worte und Geräusche, um von dieser abscheulichen Tat abscheulich genug zu sprechen; diese Tat besiegt alle Sprache der Welt. Aber ich muß es versuchen – für die Bänder: langfingerige, Komplotte schmiedende, betrügerische, unehrliche, lügende, unzuverlässige, ehrlose, erbärmliche ERBÄRMLICHE, durch Fleisch belastete kleine abscheuliche Festungsherren aus Neumetall, die stehlen sollten, wie hatten sie es gemacht? O Gott oder Götter oder was auch immer, falls es überhaupt irgendwo irgendein Tribunal oder eine Agentur Höherer Gerichtsbarkeit geben soll390
te, dann richte sie, richte sie jetzt! Zermahle ihr Gedächtnis zwischen den schwersten Mühlsteinen der Gerechtigkeit; nehme jede beliebige gute Tat, die sie jemals verübt haben, wenn es überhaupt welche gibt, und betrachte dann jene charakterlosen Ereignisse als einen der verruchtesten ungeheuerlichsten Streiche, die es jemals gegeben hat. Oh, diese begrenzte Sprache! Da ihre stärksten Worte der Anklage viel zu schwach sind, kann ich diese Leute nicht einmal für den tausendsten Teil eines kleinen Bruchteils ihrer ›Verdienste‹ genügend erniedrigen. Aber bitten wir alle Agenturen der Gerechtigkeit, falls es irgendwelche geben sollte oder Hinweise auf irgendwelche, und lassen wir diese Agenturen die Fleischstreifengeister dieser jetzt verschiedenen abscheulichen Festungsherren jagen, durch alle Universen kommender Zeiten jagen, und lassen wir sie fragen, sie wie kalte Winde in eisigen Tälern zwischen schneebedeckten Bergen in frostigsten Gegenden fragen, wie das Gewissen in den Alten Tagen: »WIE STAHLEN SIE DAS GEHEIMNIS DES IRREN RUMMS von der ehrbaren Festung 10?« (Ich war Festung 10) Ja, beim Jenseits, das taten sie. Als mein Dach mit dem Irren dahinzog und ich fast im gleichen Augenblick sah, daß andere Dächer in den Himmel zu ziehen begannen, wußte ich es. Sie hatten nicht nur mein Geheimnis gestohlen, sondern abscheulich, abscheulich bis zum Letzten und ränkeschmiedend wie sie waren, hatten sie auch Detektivgeräte installiert, um den Augenblick meines Feuerns zu stehlen. Oh, wie nahe war ich damals dem Entschlafen gekommen. Was wäre gewesen, wenn sie zuerst gefeuert hätten? Das verschafft einem eine Pause, nicht wahr? Ungeheuerliche Menschen! Denn ich glaube wirklich, daß die Tatsache, daß ich um ein Augenblinzeln zuerst schoß, mich rettete. Ich 391
kann es mir nicht anders erklären, entweder war es das oder reinstes reinstes Glück und ein Wunder, und, wie Sie wissen sollten, glaube ich keines von beidem. Ich glaube zuerst an Schießeisen, reichliche Feuerkraft und den Schlag, der durch die Festung ging. Aber da ich nun gerettet bin, der letzte überlebende Festungsherr, was nützt es? Meine Welt ist untergegangen, völlig eingeebnet worden und liegt in Trümmern, sogar meine Festung, alles ist durch die verfeinertste Waffe zu Ende gegangen, die jemals gebaut wurde, den Irren Rumms. Von irgendwo kamen binnen Stunden die kleinen fleischernen Mutanten, schrien über die Trümmer. Wo waren sie gewesen? Ja, wir hatten gewußt, daß eine gewisse Anzahl von ihnen existierte. Sogar in den erhabensten und leuchtenden Zeiten des leuchtenden Moderans waren ein paar fleischerne Mutanten immer um uns, schwatzten über das Plastik, verbargen sich in tief versteckten Löchern, lebten in Rissen und Spalten unseres mit Plastikplatten bedeckten Landes. Einige von uns hatten sie von Zeit zu Zeit in ihren Festungen, zum Lachen, zur Zerstreuung; wir amüsierten uns, als sie ihren Unsinn aus zischenden Löchern redeten, anstatt daß sie sich mit unseren guten moderanischen Methoden mitteilten, mit mechanischen Stimmkästen und Schtimmodulat-Knöpfen in den Händen. Aber keiner von uns schenkte ihnen ernsthaft Beachtung, glaube ich, oder verschwendete auch nur einen Gedanken daran, wie sie lebten. Zumindest und mit Sicherheit tat ich es nicht. Ich, einer der leuchtenden Herren der Welt, eindrucksvoll in der hohen Prozentzahl meiner »Ersetzungen« aus Neumetallstahl mit nur wenigen und unbedeutenden Fleischstreifen – Ich hatte keine ernsthafte Zeit für solche schmutzigen, weichlichen, breiigen Kreaturen. 392
Und jetzt kamen die Mutanten von überall, rollten unaufhörlich heran, rissen alles ins NICHTS zurück. Nur weil sie existieren, tragen sie in einem heulenden Ansturm den Traum weit hinter Finsternisse zurück, die wir sogar bereits am ersten ganzen Tag des leuchtenden Moderans weit hinter uns gelassen hatten. Sie zu beobachten muß meine Bestrafung sein, vermute ich, während ich auf dem letzten Plastikberg warte (obwohl ich nicht weiß, warum ich eine Bestrafung empfangen sollte). Ich, der größte und letzte der großen GROSSEN Festungsherren (ich war einmal sehr standhaft in meinen »Ersatz« -Teilen aus Neumetallstahl), das am höchsten entwickelte Ding, das es jemals gegeben hatte … gehe in dieser Welle von bösem Fleisch unter, die kommt und immer noch kommt … Aber warten Sie! Bevor sie diese völlig ungeschützte kleine Festung erreichen, die mir geblieben ist, meinen kleinen Plastikberg, und sie mit ihrer heulenden tierischen Wucht zerreißen, die jetzt unaufhaltsam zu sein scheint, lassen Sie mich eine Sache in den Bändern klarstellen. Wenn es in der Welt Ehre gegeben hätte, unter meinen Nachbarn, wenn sie sich nicht zu dem abscheulichen Diebstahl meines Kriegsgeheimnisses erniedrigt hätten, vielleicht um ihr unwürdiges Ich zu retten, dann würde ich den Krieg gewonnen haben. Dann würde mir meine Festung verblieben sein, und diese breiigen Kreaturen hier draußen würden nichts bedeutet haben. Zu jeder Zeit, zu der es mir beliebte, könnte ich sie mit einem Feuern der maximalen Waffen zurück in ihre tief verborgenen Löcher und ihre Spalten gefegt haben. Dann würden sie als meine Clowns und als Ablenkung gedient haben, nicht als meine Henker. Oh, sie würden an ihren Plätzen geblieben sein, ganz recht. Sie sehen also, es ist die Verderbtheit in anderen, die das eigene Schicksal besie393
gelt, ganz besonders die eigenen diebischen Nachbarn, die Kriegsgeheimnisse stehlen. Und eine andere Sache, da mein Verstand hier endlich klar arbeitet und ich an alles denke; was war in jenem Blechgarten, als die Rumms-Bombe einschlug, was für ein Ding war es, das der Festungsherr sogar höher schätzte als Festungen? Lachen Sie nicht, lachen Sie nicht! Ich glaube, es war seine Neumetallgeliebte, die für einen kleinen Sommerspaziergang in den Blechblumenbeeten war, und vorher hatte er seine Freuden genossen. Und das erklärt die starken blips und bliieeps auf der Platte meines Sichtschirms. Kleine Stückchen Neumetall hätten sich auf diese Weise gezeigt; Blechstücke von Blechblumen wären überhaupt nicht registriert worden. So verlasse ich Sie jetzt, denn der Berg erbebt jetzt in seinem Fundament. Wenn diese Bänder überleben und wenn es irgendwo, in der Zukunft, ein Lebewesen gibt, das über eine Maschine verfügt, die genügend hoch entwickelt ist, um sie zum Leben zu erwecken, wird es sich vielleicht lohnen, Vermutungen darüber anzustellen, warum Moderan endete. Lag es an dem Bösen in der Welt und gewöhnlichem Diebstahl? Oder vielleicht werden Sie es eher ausschließlich als die Schuld einer Frau sehen, die ihre Funktion in den großen Betten ihres Herren erfüllt haben sollte, anstatt zwischen den Beeten von Blumen spazierenzugehen. Oder wenn Ihr Geist von einfacherer Gestalt ist, können Sie das Ende als ein Ereignis sehen, das früher oder später unvermeidlich war, ein natürliches Ergebnis der ganzen Feuerkraft. Aber ich sage dazu nein, NEIN! – nein, was das Ende betrifft – es wäre nicht gekommen, wenn meine Nachbarn sich anständig verhalten hätten. Mir wäre es dann in relativer Sicherheit aus dem Schutz meiner überlegenen, besonders ausge394
statteten Festung durch den IRREN RUMMS heraus möglich gewesen, sie in die hohen Himmel und alle Winde zu zerstreuen, auf welche Weise ich den Krieg für MICH entschieden und die GANZE Welt gerettet hätte!
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