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IN JEDES HAUS GEHORT DIESES WERK das ist das überzeugende Urteil von Presse und Rundfunk über die g r o ß e , spannend geschriebene Weltgeschichte „ B i l d der Jahrh u n d e r t e " des Münchner Historikers O t t o Zierer. Von ungeheurer Dramatik sind die Bände dieses n e u a r t i g e n , erregenden Geschichtswerkes erfüllt. Hier sind nicht, w i e in Lehrbüchern alter A r t , die historischen Ereignisse mit trockener Sachlichkeit a n e i n a n d e r g e r e i h t : d i e Vergangenheit w i r d vor dem A u g e des Lesers in kulturgeschichtlichen Bildern zu neuem Leben erweckt. Menschen w i e Du und ich schreiten über die wechselnde Bühne der Geschichte und lassen den A b l a u f der Jahrhunderte, das Schauspiel vom Schicksal der Menschheit, ergriffen m i t e r l e b e n . Zierers „ B i l d der Jahrhunderte" ist ein W e r k für die Menschen unserer Zeit, für die Erwachsenen wie für d i e Jugend. DER
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H E I N R I C H DITTMAR
Aus der Werkstatt des Bildhauers
2006 digitalisiert von Manni Hesse
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SEBASTIAN
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D i e siebenmal größere Kunst „Ich behaupte, daß unter den bildenden Künsten die Bildhauerei die siebenmal größere sei: denn die vom Bildhauer geschaffene Statue muß acht Ansichten haben, und alle müssen gleich gut sein." Der dies schrieb, war Benvenuto Cellini, Freund Michelangelos, einer, der sozusagen in allen Künsten zu Hause war und deshalb die einzelnen Kunstarten aus eigener Werkstatterfahrung aufs beste vergleichen konnte. Cellini hat viel über das Wesen der Kunst nachgedacht, und was er über die Bildhauerei ermittelte, legte er in seiner berühmten „Abhandlung über die Skulptur" in folgenden Gedanken nieder: „Der Maler stellt nur eine der acht vornehmsten Ansichten dar, die der Bildhauer sämtlich bewältigen muß. Wenn dieser daher eine Figur arbeiten will, nimmt er Ton oder Wachs und stellt die Teile auf, indem er mit der Vorderansicht beginnt. Ist er mit der vorderen Ansicht zufrieden und betrachtet er die Figur auch von der Seite, so findet er oft, daß sie weniger gefällig erscheint, weswegen er die erste feststehende Ansicht wieder ummodeln muß, um sie mit der zweiten in Übereinstimmung zu bringen. Und häufig kommt es vor, daß ihm jede Seite neue Schwierigkeiten entgegensetzt. Ja, man kann sagen, daß es nicht nur acht, sondern vierzig Ansichten gibt." Ein anderer Renaissancekünstler und Kunsthistoriker, Leon Battista Alberti, hat sich ebenfalls mit einer Theorie der plastischen Künste beschäftigt, er schreibt: „Die einen, welche in Wachs und Ton arbeiten, bringen das angestrebte Werk ebensowohl durch Hinzufügen wie durch Wegnehmen zustande; 2
diese werden von den Griechen „plastiker" genannt. Andere bringen es nur durch Wegnahme zustande, z. B. die, welche durch Abschlagen des Überflüssigen die gesuchte, in einem Marmorblock vorhandene und verborgene menschliche Gestalt an das Licht fördern. Diese nennen wir Bildhauer." Die Unterscheidung von „Plastik" und „Bildhauerei" (Skulptur) ist sehr aufschlußreich. P l a s t i k (von griech. plassein = bilden, formen) bezeichnet eigentlich nur das Formen von Figuren aus weichen Stoffen, wie Ton, Gips, Wachs, während das Wort S k u l p t u r (lat. sculptura = Schnitz-, Meißelarbeit) den Vorgang des Hauens und Schneidens von Figuren aus hartem Werkstoff, Stein, Holz oder Elfenbein, bezeichnet. — Gewiß werden beide Tätigkeiten meist vom gleichen Künstler ausgeübt, aber es sind doch zwei Arbeitsweisen ganz verschiedener Technik. Was die Plastik und die Skulptur kennzeichnet, ist ihre Körperlichkeit. Werke dieser Kunstarten können „erfaßt" und „ertastet" werden; beide stehen auch in unmittelbarer Beziehung zum Raum. Während ein Gemälde vom Betrachter die Stellung vor der Bildfläche verlangt, fordert echte Plastik und Skulptur den Beschauer zum Betrachten von verschiedenen Seiten auf; etwa im umbauten Raum der romanischen und gotischen Dome, im Freiraum eines italienischen Marktplatzes oder inmitten der Landschaft eines barocken Parks. Heute hat sich die Unterscheidung von Plastik und Skulptur meist verwischt. Das Wort Plastik ist zu dem weiteren Begriff für alle Bildhauerkunst geworden und schließt in sich die Bildnerei von Figuren in Ton, Wachs, Gips, in Erz, Holz und Stein. D i e Tonplastik Das Modellieren in Ton ist eine der ältesten Tätigkeiten des Menschen, es wurde bei vielen Völkern zum Symbol der Menschwerdung, des göttlichen Schöpfungsaktes selber: „Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden." Der Tonbildner verwendet heute eine Reihe von Werkzeugen: Modellierböcke mit Drehscheiben, Proportionszirkel zum Übertragen der Größenverhältnisse vom kleinen Modell auf die große Plastik, Modellierhölzer, Drahtschlingen. Wie vor Jahrtausenden bleiben aber die Hände das wichtigste „Werkzeug". In Ton geformte Bildwerke dienten zunächst als 3
Zwischenarbeiten; der griechische Bildhauer und Holzschnitzer formte aus Ton die Modelle für seine Figuren in Stein und Holz. Eines jener frühen Vasenbilder der Antike zeigt den Gott beim Bilden eines Tonmodells für eine Bildnissäule (s. Abb.). Antike Modellrechnungen sind erhalten und zeigen, wie sorgfältig die griechischen Bildhauer ihre Skulpturen in solchen Tonmodellen vorzubereiten pflegten. Ein Bildhauer namens Timotheus erhielt im 4. Jahrhundert v. Chr. 900 Drachmen für Modelle, die er für die Giebelgruppe des Erechtheiontempels auf der Athener Akropolis angefertigt hatte. Diese Summe entspricht fast der Arbeitsleistung von zwei Jahren. Mit ähnlicher Sorgfalt arbeiteten fast alle griechischen Künstler. Aber auch ein so stürmisch schaff ender Meister wie Michelangelo verzichtete oft nicht auf das Ton- oder Wachsmodell für seine Skulpturen. Viele seiner Modelle sind uns erhalten geblieben und stehen als aufschlußreiche Zeugnisse für seine Arbeitsweise in unseren Museen. Auch die Barockzeit hat reiche skizzenhafte Modellentwürfe hinterlassen, die man in jener Zeit Bozzetti, Musterstücke, nannte. Der Bildhauer machte sich an diesen Entwürfen in Ton oder auch in Wachs und Gips meist nur die Größenverhältnisse klar und verzichtete darauf, Einzelheiten auszuformen, um dem eigentlichen Schöpfungsprozeß nicht vorzugreifen. Genaueste Tonmodelle brauchte jedoch von jeher der Erzgießer; ein durchgeformtes Modell in der Größe der Statue, gehörte zu den notwendigen Vorarbeiten bei einem Kunstguß. Wie der Erzgießer arbeitet, wird in einem eigenen Kapitel geschildert. Tonplastiken können aber auch selbständige Kunstwerke sein. Ton, eine chemische Verbindung von Kiesel- und Alaunerde, ist durch seinen Wassergehalt bildsam. Er trocknet und erstarrt an der Luft, jedes Neuhinzutreten von Wasser kann seine Gestalt aber wieder verändern. Deshalb werden Tonplastiken, die als selbständige Werke erhalten bleiben sollen, in keramischen Öfen bei 600 bis 800 Grad gebrannt, dadurch verlieren sie ihre Bildsamkeit für immer. Eine solche Plastik nannten die Italiener und nennen wir heute Terrakotta = „gekochte Erde". Eine Tonplastik, die zu einer Terrakotta gebrannt werden soll, muß 14 bis 30 Tage lang austrocknen; dabei „schwindet" sie, d. h. sie verkleinert sich um etwa 9 bis 10 Prozent ihrer 4
Längenmaße. Das Trocknen ist wichtig, weil schon der geringste Feuchtigkeitsgehalt genügt, beim Brennen das Tongebilde zu zerreißen. Auch die inneren Partien müssen austrocknen, deshalb, wird die Tonplastik hohl gearbeitet oder später ausgehöhlt. Von einem halbtrockenen Bildniskopf kann man zum Beispiel den oberen Teil, die „Kappe", abschneiden, und Kopf und Kappe dann aushöhlen. Mit dünnem Tonbrei, dem „Schlicker", werden die Stücke nach dem Austrocknen wieder zusammengesetzt. Der Kopf kann aber auch aus Kammern wabenförmig gebildet und von außen „zugewölbt" werden. Terrakotten waren schon den Ägyptern und Griechen bekannt. Man weihte sie den Göttern und gab sie den Toten mit ins Grab. Hohlmodellierter Tonkopf: Der griechische Tonbildner, der A Unterbau, B Stützeisen, Koroplastes, fertigte sie mit Hilfe C Kern, D Tonmantel, E Toneines sorgsam ausgeführten Hohlkopf, F Waben, G Verbindungslöcher, H Tonstege modells serienmäßig an. Kopf und Körper der Figur drückte er getrennt in die überarbeiteten und gebrannten Negativformen. Aus diesen Formen ließen sich beliebig viele Abdrücke herstellen, Kopf und Körper wurden mit Schlämmton verkittet, kleine Teile aus freier Hand anmodelliert, die fertige Plastik gebrannt. Solche Idole (von griech.: Eidolon = Bildchen) sind in großer Zahl erhalten. Sie dienten farbig getönt auch als Dach- und Giebelschmuck und zur Verzierung von Möbeln. Nach ihrem Fundort Tanagra, an der Grenze von Böotien nach Attika, erhielten diese tönernen Statuetten aus dem 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. den Namen Tanagra-Terrakotten. Es sind wertvolle Sammelstücke geworden. Eine ähnliche Blütezeit erlebte die Tonplastik in der italienischen Frührenaissance. Der Florentiner Luca della Robbia 5
(1399—1482) griff die alte Technik des Glasierens auf und übertrug sie auf die wundersam farbigen Figuren, die er für die Halbrundfenster (Lünetten) über den Kirchentüren und Kirchenfenstern, für Altäre und als Wanddekorationen in Ton gestaltete. Die glasierten Tonlünetten des Luca della Robbia entstanden zwischen 1443 und 1460, sie sind wetterfest und schmücken heute noch die Außenfassaden vieler italienischer Kirchen. Das malerisch empfindende, verspielte, farbenfrohe Rokoko freute sich an einer anderen Art von Tonplastiken, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts am Dresdener Hofe aufgekommen waren. Johann Friedrich Böttger und E. v. Tschirnhaus waren in den Jahren 1708 und 1709 hinter das'Geheimnis der chinesischen Porzellanherstellung gekommen, und schon bald hatten sich berühmte Meister die neue Technik zu eigen gemacht. Porzellan — eine Mischung aus Kaolin (einem unschmelzbaren, im Feuer weiß brennenden Ton), aus Feldspat und Quarzsand •— kann nicht mit der Hand modelliert werden. Der Plastiker formt daher zunächst ein Tonmodell, danach fertigt er Gipsformen an, die in einzelne Teile zerlegt werden; so benötigte z. B. der berühmte Nymphenburger Meister Franz Bustelli (gest. 1763) fünf bis fünfzehn Hohlformen für eine Figur oder Figurengruppe. Der Porzellanformer drückt die Porzellanmasse in die Hohlformen, setzt die Plastik aus den einzelnen Stücken zusammen, verputzt die Nähte und „garniert" sie mit Blumen, Schleifen und Schmuck. Im ersten Brand bei 1000 Grad wird die Plastik „vorgeglüht" und ist nun fest genug, ins Glasurbad getaucht zu werden, wodurch sie eine farblose Glanzhaut erhält. In feuerfester Schamottekapsel wird sie nun in den 1400 Grad heißen „Glutbrand" geschoben, aus dem sie schneeweiß wieder hervorkommt. Der Porzellanmaler vollendet die Arbeit mit Farben, Gold und Silber, die im „Muffel", einer Kapsel aus feuerfestem Ton, bei 850 Grad in die Glasur eingebrannt werden. Johann Joachim Kandier (1706-1775) ist der genialste Schöpfer der europäischen Porzellanplastik. Er hat als einziger versucht, Porzellan für Monumentalplastiken zu verwenden. Sein kühnstes Vorhaben, ein überlebensgroßes Reiterdenkmal für König August III. in Dresden, kam jedoch nie zur Ausführung. Es ist nicht an technischen Schwierigkeiten gescheitert. Der Ausbruch des Siebenjährigen Krieges ließ die Gelder für das groß gedachte Werk allzu schnell zerrinnen. fi
Die Porzellan-Manufakturen, die in Meißen, Berlin, Fulda, Ludwigsburg und Nymphenburg eingerichtet wurden, stellten nur Kleinplastiken her, Schäfergruppen, Volkstypen, Kavaliere und Damen, die in fürstlichen Gemächern und in reichen Bürgerstuben als Raum- und Tafelschmuck dienten. Das spielerische Figurenwerk der frühen Porzellanerzeugung war nicht nach jedermanns Geschmack, und selbst ein so kunsterfahrener Mann wie Winckelmann hatte nur Spott für das zierliche Puppenvolk. „Das mehrste Porzellan ist in lächerliche Puppen geformt", meinte er. Wir schätzen heute die Rokokofigürchen wieder, aber wir wissen auch, daß der Porzellantechnik im großen Grenzen gesetzt sind. Auch ein Künstler wie Ernst Barlach hat nur kleinformatige Porzellanplastiken geschaffen, obwohl er in größeren Maßstäben zu arbeiten liebte; bei anderen Aufträgen bevorzugte er deshalb vor allem das Holz als Material für seine ausdrucksstarken Bildwerke.
D i e Arbeit des Erzgiefiers Wieder greifen wir weit in die Menschheitsgeschichte zurück, wenn wir den Anfängen des Erzgusses nachspüren. Im allgemeinen wurde Bronze, eine Legierung aus 43 bis 9 Teilen Kupfer und 1 Teil Zinn, verwendet (heute /s Kupfer und Vs Zinn). Nur in seltenen Fällen wurden andere Metalle, Messing bei den norddeutschen Grabtafeln, der Spätgotik oder Eisen bei den figurenreichen Ofenplatten der frühen Neuzeit, bevorzugt. Durch Firnisse, Farben und Säuren gab man schon in alter Zeit den fertigen Stücken eine künstliche Patina. Das Wachsausschmelzverfahren ist die älteste Kunst-Gießtechnik in Erz. Um ein Wachsmodell wurde ein Mantel aus feuerbeständiger Erde gelegt und der Mantel mit Ausflußlöchern durchbohrt. Wurde die Wachsschicht herausgeschmolzen, so konnte der entstehende Hohlraum mit flüssigem Metall gefüllt werden. Er nahm dabei die Form der Wachsplastik an. War das Metall erkaltet, so wurde die Form zerschlagen, sie ging verloren, und man sprach deshalb von „Verlorener Form". Dieses Verfahren war als Vollguß schon den Ägyptern im Alten Reich (ab 2500 v. Chr.) und als Hohlguß wenigstens seit der 19. Dynastie (ab 1600 v. Chr.) bekannt. Noch heute sind aus altägyptischer Zeit kleine Wachsplastiken vorhanden, die 7
für den Vollguß bestimmt waren; besonders fein durchgebildet sind eine „schreitende Frau" und zahlreiche Tiermodelle im Londoner Museum. Der Hohlguß war von jeher das technisch schwierigere Verfahren; denn nun wurde nicht mehr die ganze Figur aus Metall gegossen, sondern nur ihre dünnwandige Oberfläche. Solche Figuren waren leichter, und es wurde viel des kostbaren Metalls gespart. Das Wachs mußte wie eine Hülle um den festen Kern gelegt werden; der Kern blieb nach dem Ausschmelzen des Wachses stehen und verhinderte das Eindringen des flüssigen Metalls in die inneren Hohlräume. Er war nicht leicht herzustellen, er mußte feuerfest sein und kräftig, da er die Formen der Plastik zu tragen hatte. Die Erzgießer der verschiedenen Zeiten haben diese Schwierigkeit auf mannigfaltige Weise zu meistern gewußt. Der ägyptische Künstler z. B., der den Kopf eines Herrschers oder das Haupt eines Vogelgottes in Bronze gießen wollte, stellte zunächst ein Tonmodell des Kopfes her. Um diesen Tonkopf legte er die „Form", eine feuchte Packung aus Ton und Gips, die er in alle Züge, Furchen und Öffnungen des Modellkopfes fügte. Diese Ton-Gips-Form um den Kopf herum ließ man austrocknen, klappte sie dann auf und nahm den Modellkopf heraus. Innen in der Form zeigte sich das Antlitz des Herrschers oder Gottes als vollendete negative Prägung. In die Prägung strich man fingerdick Wachs ein, klappte die Form wieder zusammen und füllte den restlichen Hohlraum, der von der Wachsschicht nicht eingenommen wurde, mit einem Brei von zermahlenem Ton (Schamotte) und Gips aus. Die Masse erstarrte zu einem feuer- und schmelzfesten Kern. Das Ganze wurde erhitzt, das Wachs schmolz heraus: Statt des Wachses wurde vom Sockel her Bronze eingegossen, nach ihrem Erkalten der Formmantel beseitigt, und vor dem Künstler stand das plastische Königsoder Gottbild. Auch spätere Zeiten haben sich dieser oder ähnlicher Methoden für die Herstellung von gegossenen Metallfiguren bedient. Über die Technik der Renaissancegießer berichtet Cellini, man habe zuerst ein Tonmodell hergestellt, dieses sei gebrannt worden und habe dann — mit einer Wachshaut umhüllt, über die eine Tonpackung gelegt wurde — als Kern gedient. Eine weitere Methode sei gewesen, das Tonmodell in Gips abzuformen, die Gipsform mit einer Wachshaut auszudrücken und dann den Tonkern herzustellen, auf den die Wachshaut gelegt wurde. Dabei mußte man „immer Kern und Form gegeneinander probieren". Bei dem heute 8
2 TEILE
GIPSKAPPE
GIPS
I PLASTISCHE SCHICHT AUS TON
TONMODELL
3-6-»WACHS EINGEFÜGT
LUFTKANÄLE
J
WACHS AUSGESCHMOLZEN Schematische Darstellung eines Bronze-Hohlgusses im Wachs ausschmelz verfahren (Verlorene Form). 1. Um das Tonmodell liegt die aufklappbare Form aus Ton und Gips. 2. Der Modellkopf wird herausgenommen, eine Wachsschicht in die Form gestrichen und Gips eingefüllt. 3. Das Wachs schmilzt aus, die Bronze tritt an seine Stelle (4), die Luft entweicht durch Röhren.
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üblichen Wachsausschmelzverfahren wird das Tonmodell in einer zweiteiligen Gipsform abgebildet, in die ein Gipskern hineingefüllt wird. Wie die Ägypter waren auch die Hellenen Meister des Bronzegusses und schufen in dieser Technik die großartigsten. Plastiken der europäischen Kunst. Polykleitos (geb. 470 v. Chr.) und sein Zeitgenosse Myron haben Großfiguren von vollkommener Schönheit geformt, von denen die meisten im Original nicht mehr vorhanden sind; die griechischen Bronzewerke wurden ihres Erzwertes wegen zumeist zerstört, aber viele sind uns durch römische Marmorkopien doch gut bekannt. Man pflegte im Altertum Draht und Blechteile an die gegossene Statue anzulöten, wenn abstehende Gewandteile, Haare, Bänder oder Gewandteile angefügt werden sollten, die nur schwer gegossen werden konnten. Man goß Einzelteile, Kopf, Rumpf, Gliedmaßen auch getrennt. Um die Lötstellen zu verdecken, wurde die ganze Figur mit der Feile überarbeitet. Gesichter und Hände oxydierte man künstlich mit Hilfe von Säuren, Augen wurden mit Steinen ausgelegt, Gewänder mit Kupfer und Silber verziert. Zu welch bewundernswerter Leistung auch die Römer fähig waren, zeigt das Reiterstandbild des Kaisers Marc Aurel, das heute die Mitte des Kapitolplatzes einnimmt, jenes festlichen Platzraumes, den Michelangelo für den Kapitolshügel in Rom entworfen und gestaltet hat. Reiter und Pferd sind getrennt gegossen und zusammengesetzt. Erst der Florentiner Bildhauer Donatello (1386—1466), der Hauptmeister der italienischen Frührenaissance, hat mit dem Reiterstandbild des Gattamelata (1444) gleiches technisches Können im Hohlguß bewiesen. Die Bronzewerke des Mittelalters entstanden in den Gießhütten der Mönche, am Karlshof in Aachen und in den Domwerkstätten. Sie sind oft von hohem Rang. Bischof Bernward von Hildesheim gründete in Niedersachsen eine Gießstätte, deren Arbeiten die Kunst der Metallgießer des 11. und 12. Jahrhunderts befruchteten. 1015 erhielt der Dom von Hildesheim durch Bernward seine prächtig gegossenen Bronzetüren mit Figurendarstellungen aus dem Alten und Neuen Testament. Die 43A Meter hohen Türflügel sind im Vollguß aus einem Stück hergestellt. Das älteste bekannte Bronzekruzifix in Werden an der Ruhr (zwischen 1065 und 1080) ist dagegen aus 10
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fünf Stücken zusammengesetzt. In Hildesheim steht auch die 3,79 m hohe und 0,58 m starke Christussäule Bernwards, die nach dem Vorbild der antiken marmornen Trajanssäul'e in spiralförmiger Anordnung Szenen aus dem Leben Jesu in herrlichen Bronzebildern darstellt. Magdeburger Gießhütten lieferten im 12. Jahrhundert ihre Erzeugnise bis nach Gnesen; in Braunschweig entstand 1166 der berühmte Guß des „Braunschweiger Löwen", des Wappentieres Heinrichs des Löwen. Dieser Gußlöwe ist die erste bronzene Rundplastik des Mittelalters. Mit dem Heraufkommen der Gotik wurde die Plastik die „dienende Magd" der Architektur; aber die Bauplastik der großen Dome konnte nur in Stein ihr gemäßes Material finden. Die Bronze dient nur noch vereinzelt zum Guß von Grabdenkmälern. Eines der schönsten des Mittelalters ist das des Bischofs Wolfhart von Rot (gest. 1302). „Otto me cera fecit, Cunratque per era" steht auf der Bronzeplatte, d. h.: Otto hat mich in Wachs gebildet und Konrad mich in Metall gegossen. Diese Inschrift belehrt uns, daß damals Bildner und Gießer verschiedene Personen waren. Erst in der Renaissance, als die Figuren sich von den Pfeilern, aus den Nischen, von den Portalen lösten und mitten in den Raum strebten — wie die Menschen selber, die sich aus der mittelalterlichen Gebundenheit frei machten und das menschliche Ich in den Mittelpunkt des Universums stellten —•, als der Adel und das Bürgertum persönliche Kunstwerke zu besitzen begehrten, wuchsen der Erzgießerei neue Aufgaben zu, wurden bronzene Standbilder und Kleinplastiken und prunkende Schauportaltüren in Kunstguß geschaffen. Erzgegossene Bildwerke schienen dieser Zeit stärkster fürstlicher Machtentfaltung am meisten gemäß. Die Ausschreibung des Wettbewerbs für eine Bronzetür, für das Portal des Baptisteriums, der Taufkirche von Florenz im Jahre 1401 gilt sogar vielen als der eigentliche Beginn der Renaissance. Der Florentiner Lorenzo Ghiberti (1378—1455) gewann den Wettkampf vor seinem Landsmann Filippo Brunellesco (1379—1446) und anderen Mitbewerbern. Diesem Werk höchster Bewunderung folgte sein zweites Portal, die sog. „Paradiespforte", die nicht minder hoch gepriesen wurde. Michelangelo sagte von ihr, in der Tat sei sie würdig, Pforte des Paradieses zu sein. Der Bronze-David von Donatello (1386—1466), einem anderen Florentiner Bildhauer, 11
bewies, wie sehr gerade die Bronze geeignet war, den unverhüllten Körper wirksam widerzuspiegeln, die Glätte der Haut, das Spiel von Licht und Schatten, das die naturfrohen Künstler der Renaissance liebten. Der Erzgießer Andrea del Verrocchio (1436—1488) modellierte und goß das zweite berühmte Reiterstandbild des Quattrocento, das Erzbildnis des venezianischen Söldnerführers Colleoni, das heute noch vor der Kirche San Giovanni e Paolo in Venedig steht. In Deutschland blüht in dieser Zeit ein Jahrhundert lang die Gießhütte der Nürnberger Familie des Hermann Vischer und seiner Nachfahren. In Hüttengemeinschaft entstand hier das flgurenreichste Bronzebildwerk dieser Zeit, das Sebaldusgrab in Nürnberg, das im Jahre 1507 von Peter Vischer (1460—1529) begonnen war. Dieser Größte in der Viseher-Fämilie hat uns sein Bild am Grabe der Sebalduskirche selbst überliefert. In Erz gegossen tritt der Meister uns hier entgegen; bärtig, in der Langschürze des Gießers, die Gestalt eines zünftigen Handwerksmannes. Nürnberger Bronzewerk ging nach Eichstätt, Würzburg, Bamberg, Magdeburg, Berlin, Posen und Krakau. Auch in Augsburg blühte das Rotgießerhandwerk, wie man in Deutschland die Erzgießerei gern benannte. Alle Gießhütten sollten aber übertroffen werden durch die Meisterwerkstatt, der das Grab für Kaiser Maximilian I. in der Hofkirche zu Innsbruck in Auftrag gegeben worden war. 40 Ahnenbilder, 100 Heiligenfiguren, 34 Kaiserbüsten waren für diese gewaltige Grabplanung entworfen. Nur 28 Großund 23 Kleinfiguren kamen zur Ausführung. Der Dreißigjährige Krieg unterbrach die kraftvoll entwickelte Kunst der Bronzeplastik, dann aber in der Barockzeit wird vor allem in Frankreich unter dem Sonnenkönig wieder viel in Bronze gegossen. Die Gießtechnik gelangt erneut zu blühender Entfaltung. Was Leonardo da Vinci für sein Sforzamonument in Mailand geplant, aber nicht hatte bewältigen können, der Guß eines bäumenden Pferdes mit Reiter, gelingt jetzt dem Franzosen Etienne Maurice Falconet (1716—1791) mit seinem Reitermonument Peters des Großen in Petersburg, das er auf einen riesigen Findlingsblock stellt. Unter dem Einfluß der Franzosen wird auch die Berliner Gießhütte rege. Andreas Schlüter (1664—1714) schafft hier mit seinem Großen Kurfürsten, der einst die Berliner Lange Brücke beherrschte, vielleicht das ausgeglichenste Barock12
monument in Erz, dessen Guß der in Paris geschulte Johann Jacobi im Jahre 1700 besorgte. Eine ähnliche Bedeutung erlangte die Bronze für die Realisten und Impressionisten des vorigen Jahrhunderts. Antoine Louis Barey's (1796—1875) leidenschaftlich naturwahre Tierbronzen, Tiger, Jaguare, Schlangen, waren nur in Bronze möglich, sie wirkten erfrischend und lebensvoll nach den Zeiten klassizistischer Mäßigung und haben erst in den Tierplastiken des Hessen August Gaul (1869—1921) Ebenbürtiges zur Seite bekommen. Einer der größten Bronzebildner der jüngsten Vergangenheit war Auguste Rodin (1840—1917), dessen „Ehernes Zeitalter" (1879) den Zeitgenossen derart „naturwahr" erschien, daß sie ihn verdächtigten, er habe den Abguß eines lebenden Mannes in Bronze gegossen. Rodins monumentale „Bürger von Calais" (1889) stellen das einzige großartige Gruppenstandbild dar, das in jüngster Zeit geschaffen wurde, während die Massenproduktion an Bronzedenkmälern des ausgehenden 19. Jahrhunderts oft nichts mehr als eine Häufung von Einzelstatuen war, im Ganzen und in den Einzelheiten ohne die Kraft und Lebensfülle der großen Meistergießer der Vergangenheit.
Der Holzschnitzer Der Erzgießer als echter Plastiker setzte im Grunde nur die künstlerischen Möglichkeiten der Tonplastik mit anderen Mitteln fort. Sein Genius bewährte sich in erster Linie in der künstlerischen Durchgestaltung des Tonmodells, dem gegenüber der technische Vorgang des Gießens wohl bedeutsam, aber doch untergeordnet blieb; die Arbeit des Gießens konnte oft erfahrenen Mitarbeitern, die selber nicht Künstler zu sein brauchten, überlassen werden. Den Zeitgenossen von einst erschien jedoch der Vorgang des Gießens als die großartigere Leistung, und so finden wir in Urkunden oder auf den Bronzestücken selbst häufiger den Namen des Gießers genannt als den Namen des Bildhauers, der das Bildwerk zum Guß entworfen und modelliert, also die eigentliche schöpferische Leistung vollbracht hatte. Im Holzschnitzer begegnet uns erstmals ein echter Vertreter der Skulptur, der Bildnerei aus dem festgefügten Stoff. Nicht eine knetbare „plastische" Masse ist Werkstoff des Holzbild13
hauers, sondern der massive, starre Holzblock, wie er aus dem gewachsenen Stamme gewonnen-ist. Daraus ergibt sich notwendig eine Begrenzung der Formen, sofern der Künstler nicht dazu übergeht, ausladende Figurenteile mit Dübeln oder mit Leim anzustücken. Das wichtigste Werkzeug des Holzbildhauers sind seine Schnitzeisen, von denen oft bis zu 50 Speziaistücke bereitliegen, meist aber kaum mehr als ein Dutzend verwendet werden. Er benutzt Gerade-, Schräg-, Hohl-, Gekröpfte Eisen in verschiedenen Stärken und Breiten; zum Aushauen größerer Teile, besonders bei Hartholz, dient ihm der „Knüppel" als Schlegel. Werkstoff für die kleineren Skulpturen sind die harten Holzarten, wie Birnbaum-, Apfel-, Buchs-, Ahorn-, Mahagoni- und Ebenholz, für die größeren wählt er lieber die weichen Hölzer Linde, Erle, Nußbaum, Pappel, aber auch das festere Eichenholz. Auch die Waldarten der Landschaften, in denen der Holzbildhauer arbeitet, sind für die Wahl des Materials bestimmend. Deshalb findet man in Oberund Mitteldeutschland hauptsächlich Lindenholzarbeiten oder Figuren aus der Zirbelkiefer der Alpen, während in Niederdeutschland, in Frankreich, Flandern, am Niederrhein und in den Küstengebieten Eiche üblicher ist. Das Holz muß gelagert und ausgetrocknet und beim Schlage schon alt sein, sonst wirft es sich und die Figuren reißen von unten bis oben auf. Einige Holzschnitzer verwendeten deshalb gern das Holz abgewrackter Schiffe. Ist kein geeigneter Stamm vorhanden, so können 10 bis 12 cm starke Bohlen zusammengeleimt werden. Da die mittelalterlichen Altarfiguren nur für die Vorderansicht berechnet waren, wurden sie meist aus einem halbierten Stamm herausgechlagen und von hinten ausgehöhlt, um ein besseres Trocknen zu ermöglichen; das geschah vor allem bei den Weichholzarten. Handelte es sich um Rundplastiken, die sich den Blicken von allen Seiten darboten, so nahm man wohl auf der Rückseite eine Holzschicht weg, höhlte das Figureninnere aus und leimte die Teile wieder zusammen. Auf die Vorderseite des Holzblockes wird der Umriß gezeichnet, dann werden, von vorn nach hinten gehend, die Hauptmassen herausgehauen, ohne Einzelheiten zu berücksichtigen. Erst wenn die großen Umrisse und Verhältnisse stimmen, kann sich der Bildhauer mit Einzelheiten beschäftigen. Zu allen Zeiten ist in Holz geschnitzt worden. Holzarbeit ist nicht so langwierig wie Steinbildhauerei, deshalb sind 14
Holzskulpturen meist billiger als Arbeiten in Marmor oder Granit, sie fallen aber auch leichter der Zerstörung durch das Alter, durch Wetter und Feuer anheim. Aus diesem Grunde haben die Ägypter kostbares und dauerhaftes Material ihren Pharaonen und den hohen Hofbeamten vorbehalten, während das Holz dem übrigen Volk zur Verfügung stand. Ein unermeßliches Heer von Holzstatuen ist uns aus dem altägyptischen Kulturkreis erhalten, aus seinen Gräbern, seinem Sand und Schlamm. Als eine der schönsten ägyptischen Holzskulpturen wird der „Dorfschulze" aus Sakkara gerühmt. Von griechischen Holzstatuen ist wenig übriggeblieben. Was sich bis in das 1. Jahrtausend n. Chr. gerettet hatte, fiel zumeist den Bilderstürmern Ostroms zum Opfer. Mehrmals erhob sich die nachrömische Kunst der Holzskulptur zu gewaltiger Höhe: Während der romanischen Zeit in starken, hoheitsvollen und durchgeistigten Figuren, während des hochgotischen Jahrhunderts in liebevollen, in sich versenkten Bildwerken. Alle vorangegangenen Epochen aber übertrifft an Fülle der Holzbildwerke der „Herbst des Mittelalters", die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, die gekennzeichnet war durch den Ausdruck von Erschöpfung und Lebenslust, von Askese und Sinnenrausch, Todesahnung und dem Suchen nach neuen Formen. Als das ergreifendste Zeugnis aus dieser Epoche der Spätgotik haben Riemenschneiders Werke die Zeit überdauert. Was erhalten ist von spätgotischen Figuren, Einzel- und Gruppenbildern und kostbaren Altarschnitzereien, ist viel. Aber vieles ging auch verloren, als in den religiösen Wirren des 16. Jahrhunderts Eiferer wider den Bilderkult in die Kirchen und Kapellen eindrangen und in einer mißverstandenen Auslegung des Schriftwortes „Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen" zahllose Kunstwerke vernichteten. 1528 werden im Berner Münster 25 Altäre verbrannt, 1531 im Ulmer Münster 60 Altäre geschleift. Einer Zeit überreicher Holzschnitzerei folgt weiterhin die Zerstörung, aber es ist noch genug verschont geblieben, denn die Schaffenskraft in den Werkstätten war ungeheuer. „Des jars (1440)" — so berichtet die Chronik aus der reichen Bürgerstadt Nürnberg — „bis in das 1491 jar ward hie gemacht 23 Altartafel, neu schön geschnitzt, auch vergult." Auch in Brüssel und Antwerpen arbeiteten große Schnitzerwerkstätten, die ihre farbenprächtigen Madonnenfiguren bis ins Ostseegebiet hinauf lieferten. Allein im Stockholmer Nationalmuseum befinden sich 20 Schnitzaltäre 15
Unvollendete Monumentalfigur aus dem 6. Jahrh. v. Chr. Aufgj
niederländischer Herkunft. Die Danziger Marienkirche besaß 46, die Stralsunder 44 Altäre. Die Altarkunst war in jener Zeit das fruchtbarste Feld der Holzbildnerei. Hatten im 13. und 14. Jahrhundert Provinzialsynoden noch die Zahl der Altäre in Pf arr-, d. h. Laienkirchen auf drei beschränkt, waren noch im 13. Jahrhundert in einigen Landschaften gemalte und gemeißelte Bilder für die Hauptaltäre ausdrücklich verboten, so lockerte sich dieses Verbot in der Folge sehr bald. Nicht nur die Aufbauten der Hochaltäre, sondern auch die Nebenaltäre werden kunstvoll mit Figuren geschmückt; denn eine bürgerliche Zeit ist angebrochen, in der auch der Laie persönlich zu seinem Heiligen beten will. So stellt sich die Familie unter den Schutz eines Patrons, und die Wohlhabenden stiften ihm einen Altar. Wandel der Frömmigkeit und soziale Umschichtung waren also Voraussetzung für die Entstehung und großartige Entfaltung 16
funden in einem Steinbruch der Insel Naxos.
(Siehe Text Seite 22)
der Altarkunst. Holz wurde bevorzugt, weil es billig war und jene weichen Formen, jene Licht- und Schattenwirkungen ermöglichte, die man liebte. Der Flügelaltar entstand. Sein Schrein war an Werktagen durch Flügel verschlossen, an Feiertagen aber wurde er geöffnet und bot das reichgeschnitzte Altarinnere den Blicken dar. Ursprünglich stehen die Statuen der Heiligen in Reihen nebeneinander. Der Hamburger Altar des Meister Bertram (gest. um 1415) von 1379 enthält außer der Kreuzigungsgruppe in der Mitte 44 Einzelfiguren, während die Schreine im 15. und 16. Jahrhundert jiur noch drei bis fünf Skulpturen bergen und die Flügel —• vor allem in Oberdeutschland — meist nur noch bemalt sind. Aber auch die wenigen Figuren sind sorgfältig durchgearbeitet und treten zu dramatischen Gruppen zusammen, die eine biblische Handlung darstellen. Damit greift die 17
Flügelaltar des Meisters H. L., eines Schülers von Veit Stoß, im Breisacher Münster, ein Gipfelwerk der deutschen Holzplastik, entst. 1526
Holzbildhauerei das Thema der Gruppenbildung auf. Sie war von den Steinmetzen der großen Kathedralen nur im Relief versucht worden. Ihre Vollplastiken dagegen waren nur Einzelgestalten, die beigeordnet nebeneinanderstanden, auch wenn sie — wie Maria und Magdalena — zu einer echten Gruppe hätten komponiert werden können. Im Krakauer Marienaltar des Veit Stoß (1450—1533) und in Michael Pachers (gest. 1498) Altar in St. Wolfgang (Österreich) sind die Schreinfiguren zu echten Gruppen kombiniert. Die Flügelaltäre sind oft von beachtlicher Größe. Der Wismarer St.-Jürgen-Altar ist bei geöffneten Flügeln 10,67 m breit, der von der deutschen Kolonie gestiftete, 1486 vollendete Krakauer Altar hat einen 3,57 m breiten Mittelschrein, seine Flügel sind 6,95 m hoch, und von der Unterkante bis zur Spitze des „Gesprenges" (des Zieraufsatzes) mißt er 13 m Höhe. 18
Neben den Altären entstehen andere Holzbildwerke, die ebenfalls oft zu Gruppen zusammengefaßt werden. Das Vesperbild zeigt die schmerzensreiche Gottesmutter mit dem Leichnam des Gekreuzigten im Schoß. Es ist wohl nach dem szenischen Vorbild der Passionsspiele genannt, die zur Vesperzeit des ersten Spieltages mit dieser Szene abschlössen.. Von Deutschland aus wurde dieses Motiv später in Italien bekannt, wo es den heute üblichen Namen Pietä (Frömmigkeit, Barmherzigkeit, Mitleid) erhielt. Eine andere spätgotische Figurengruppe bildeten Jesus und Johannes: Der Lieblingsjünger ruht an der Brust des Herrn, ein Bild, das frommer Künstlersinn immer von neuem in Holz komponierte. Die meisten Figuren waren bunt bemalt, „gefaßt". Sie fügten sich mit den Tafelbildern der Altäre in den farbigen Gesamtklang des Kircheninneren und wirkten weit in den Raum. Die Malarbeit führte nicht der Bildhauer selbst, sondern der „Fassmaler" oder „Stafflerer" aus, den der Bildhauer bezahlte. Das Holz wurde zunächst mit Leimwasser getränkt und mit Schlämmkreide überzogen, bevor man die Farbe auftrug. Wie schon die Steinmetzen des Naumburger Domes bei ihren Stifterfiguren, so strebten auch die Fassmaler nicht eine naturalistische, sondern eine reine Schmuckwirkung an. Man bemühte sich, Skulptur und Ausmalung in harmonische Übereinstimmung zu bringen, beide sollten zum Gesamtkunstwerk verschmelzen. Tilman Riemenschneider, der große Würzburger Meister, war der erste, der auf die „Fassung" seiner Skulpturen verzichtete und allein die Naturfarbe des Holzes wirken ließ. Die Licht- und Schattenpartien seiner Schnitzwerke mischen sich zu HellDunkel-Gruppen, die nicht weniger lebensvoll erscheinen als die farbfrohesten Werke der übrigen. Riemenschneiders Marienaltar zu Creglingen (ca. 1505—1510) stellte den Höhepunkt der Flügelaltarkunst der späten. Gotik dar. Die Holzbildhauerei hatte in dieser Zeit nördlich der Alpen weithin die Steinbildhauerei zurückgedrängt. Nennenswerte Kirchenbauten wurden kaum noch geplant. Man ging daran, das Kircheninnere fast bis zur Überfülle auszustatten. Mußten bisher die Laien — wie es heute noch in der Ostkirche und in den meisten Kirchen Italiens üblich ist — während des Gottesdienstes stehen, so knien sie nun in kostbar geschnitzten Bänken. Beichtstühle, Kanzeln und die Orgeln erhalten dekorative Verkleidungen, draußen an den Straßen und Weg19
kreuzungen errichtet das Volk Bildstöcke und Kapellchen itu! Heiligenbildern. Überall findet der Holzschnitzer Arbeit. Wie die Steinmetzen in Bauhütten zusammengeschlossen waren, so vereinigten sich die Holzbildhauer zu Zünften. Die Hütten stellten nur noch die Architekturteile her, während plastischer Schmuck vom Schnitzer bezogen wurde. Die Holzschnitzkunst war so sehr die Kunst dieser Epoche geworden, daß man sogar die Fassade des Ulmer Münsters mit hölzernen Figuren belebte. Aber damit wurde das Material des Holzes zu Aufgaben herangezogen, für die es sich am wenigsten eignete. Schnell verwitterten die Figuren aus Holz an den Freiwänden der hochstrebenden Türme, die schutzlos von Wind und Wetter getroffen wurden. Auch in der Geschichte der Holzbildhauerei waren die Jahrzehnte des 30jährigen Krieges wenig fruchtbar. Im anschließenden Barock aber blühte die Bildschnitzerkunst um so großartiger von neuem auf, vor allem in Süddeutschland und in den Niederlanden. Holz war das geeignete Material, um Figuren zu schaffen, die mit bewegten, leidenschaftlichen Gebärden über sich selbst hinausgriffen. Wo Gewandteile, Körperglieder über den Raum des Holzblockes hinaussprangen, konnten sie angesetzt werden. Das wurde mit viel Geschick getan. Die Spanier vervollkommneten das „Fassen" zur Estofadotechnik. Die Bemalung wurde auf Hochglanz poliert, so daß die Figuren farbigen Edelsteinen oder buntstrahlendem Marmor glichen. In jüngster Zeit haben die Expressionisten Holzskulpturen wieder bevorzugt. Ernst Ludwig Kirchner (1880—1938) und die Künstler der „Brücke" sind von den Schnitzereien der Eingeborenenvölker zu eigener Arbeit angeregt worden. Ernst Barlach (1870—1938) hat in seinen Holzbildwerken, die zum Bedeutendsten gehören, was moderne Bildhauer geschaffen haben, Sehnsucht und Erdenschwere vereint. Sein „Fries der Lauschenden" straft alle Lügen, die von Entartung und Verfall predigen. Er hat — wie die meisten modernen Künstler — darauf verzichtet, seine Skulpturen zu „fassen", und dem Holz seine natürliche Farbe belassen. Nur eine Bearbeitung mit warmem Leinöl oder in Terpentin gelöstem Wachs (Linde, Eiche) schützt die Arbeiten vor Schmutz und gibt den Skulpturen den geheimnisvollen Reiz und die Wärme organischen Stoffes, wie sie nur dem Holz eigen sind. 20
D e r Steinbildhauer Dem Holzschnitzer billigt man das Hinzufügen von Teilen an einer Schnitzfigur zu, weil die Natur Holz nicht immer in den erforderlichen Maßen bereithält. Auch sind die Stämme, aus denen der Bildschnitzer seine Figuren schlägt, oft mit A s t knoten durchsetzt oder auch von Rissen durchzogen. Beim Steinbildhauer ist das nicht der Fall. Er kann sich sein Material fast in beliebiger Größe aus den Steinbrüchen beschaffen und nur, wo der Transport der gewichtigen Steinblöcke zu schwierig ist, wo ein vorhandener Block nicht ausreicht oder wo besondere Verhältnisse vorliegen, wird er Großfiguren aus Teilen zusammensetzen. So sind bei den Jungfrauen des Akropolis-Museums in Athen die rechtwinklig gebogenen Arme aus einem besonderen Stück gearbeitet und in den Körper eingefügt, so ist das herrliche Bildwerk des „Bamberger Reiters" aus sieben Steinblöcken gefügt, so ließ Urban VIII. Netzzeichnung eines ägypt. für die Marmorgestalt der „GerechBildhauers auf einen Steintigkeit" am Grabmal Pauls III. von block (nach einem Papyrus) Bernini ein Bronzegewand gießen, das weiß gestrichen wurde, •— doch sind solche Zusammensetzungen und „Hinzufügungen" selten. Der Steinbildhauer soll nur „wegnehmen". Dabei kann jedoch ein unbedachter Schlag die Arbeit vieler Monate gefährden, ein Fehler im Stein kann bei fortschreitender Arbeit zutage treten und den Künstler um die Frucht langer Mühen betrügen. Steinbildhauerei erfordert Ausdauer und Körperkraft, aber ebensosehr die gebändigte Beherrschung aller Werkzeuge. Es gibt verschiedene Methoden, die Figur aus dem Steinblock herauszuschlagen, zahlreiche Hilfsmittel wurden ersonnen, die Proportionen festzulegen und jeden Hammerschlag vorausberechnen zu können; aber technische und künstlerische Vollkommenheit gehen nicht immer Hand in Hand. Oft sind Statuen, die mit einfachsten Werkzeugen hergestellt werden, 21
von künstlerischer Vollkommenheit, während die raffinierte Meißeltechnik vielfach nur Werke minderen Kunstwertes hervorbringt. Das älteste Werkzeug der Bildhauer war der Spitzmeißel, der anfänglich aus Bronze, später aus Eisen hergestellt wurde. Mit ihm schlugen die Ägypter ihre Skulpturen aus den härtesten Steinen, die es gibt, aus Basalt, Diorit, Porphyr; dabei ist die Zahl der altägyptischen Bildwerke, die mit diesem einfachen Werkzeug gemeißelt wurden, fast unübersehbar. Die Bildhauerkunst wahr lehrbar, und die Werkverfahren wurden von Generation zu Generation weitervererbt. Aus vielen Lehrstücken, aus Papyrusbildern (s. Abb.) und im Beispiel unvollendet gebliebener Plastiken, die zum Teil noch in den Felsen sitzen, aus denen man sie herausarbeitete, kennen wir die Technik des ägyptischen Steinmetzen genau. Er brauchte keine Tonmodelle, nach denen er arbeitete. Den Steinblock schlug er genau rechtwinklig zu. Dann trug er mit roter Farbe auf alle Steinflächen des Quaders, ein Netz gleichgroßer Quadrate auf, und zeichnete die Umrisse der Figur so hinein, „wie er sie dahinter gleichsam im Block sitzen sah". Sehr sorgfältig arbeitete der Künstler sich dann mit dem Meißel in die Steinmasse vor. So entstanden lebensgroße Bildnisse, wie der „sitzende Schreiber" oder die basaltene Ramsesstatue, die herrlichen Tierleiber und die kolossalen Steinklötze von AbuSimbal oder die beiden geheimnisvollen, 16 m hohen Memnonsäulen, von denen man sagt, sie begännen jeden Morgen bei Sonnenaufgang zu singen. Diese Steinriesen sind freilich nicht aus einem einzigen Steinblock geschlagen, sie sind aus Quadern aufeinandergetürmt, die zum Teil an völlig verschiedenen Orten fertiggestellt und am Bestimmungsplatz nur noch zusammengefügt zu werden brauchten. Eine solche Gemeinschaftsarbeit war nur möglich, weil die Ägypter ein klares Proportionssystem des menschlichen Körpers festgelegt hatten, so daß jedem einzelnen Arbeiter genaue Maße angegeben werden konnten. Granit- und Basaltfiguren wurden zumeist poliert. Andere Gesteinsarten versah man gern mit einem Farbüberzug und setzte den Figuren Augen aus Halbedelsteinen ein, so daß die toten Gebilde fast zum Leben erwachten. Auch die Hellenen haben schon in früher Zeit — offenbar unter ägyptischem Einfluß — riesenhafte Steinbildwerke errichtet. Im Steinbruch auf der griechischen Insel Naxos liegt heute noch die 11 m lange unvollendete Kolossalstatue eines Mannes, die aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. stammt (siehe Abb. 22
S. 16/17). Sie und eine unweit davon gefundene 5,55 m hohe Jünglingsstatue gestatten uns Einblicke in die Werkstatt des frühgriechischen Bildhauers. Auch er benutzte den bronzenen Spitzmeißel, der senkrecht zum Marmor eingeschlagen wurde, da er wegen seiner geringen Härte bei schrägem Ansetzen umgebogen wäre. Durch dieses senkrechte Anschlagen wurden die Marmorkristalle bis zu einer Tiefe von 2 cm zerdrückt, der Marmor wurde „geprellt", dadurch verlor er seinen Glanz, wurde lichtundurchlässig, körnig und gelblich und ähnelte dem Kalkstein. Auch die Statuen der klassischen Zeit Griechenlands sind noch so gearbeitet, erst in hellenistischer Zeit wurden die letzten Schichten des Steins mit schräg angesetztem Flachmeißel heruntergezogen. Den griechischen Statuen fehlte also das, was wir heute am Marmor bewundern: Die Glätte, das Durchsichtige, „Marmorhafte". Da die Figuren aber bemalt waren und die Farbe auf der rauhen, geprellten Oberfläche gut haftete, beeinträchtigte diese Technik die Gesamtwirkung nicht. Fälschern griechischer Plastiken in der Zeit der Renaissance und in neuerer Zeit war diese Tatsache lange unbekannt, so konnte mancher „Antike Fund" durch die Prüfung der Marmoroberfläche als wertloser Schwindel abgetan werden. War schon die Herstellung der l i m langen Statue von Naxos nicht ohne Zuhilfenahme von Maßangaben nach ägyptischem Vorbild möglich, da die Steinmetzen keinen Überblick über die liegende Figur haben konnten, so wurden am Anfang des 5. Jahrhunderts Proportionsvermessungen deshalb unentbehrlich, weil die Strenge, die den frühgriechischen Figuren eigen war, gelockert wurde und man bestrebt war, alle Haltungen und Stellungen des menschlichen Körpers natürlich wiederzugeben. Nun, wurden auch Wachs- und Tonmodelle notwendig, von denen schon in dem Abschnitt über die Tonplastik die Rede war; oft stellte man Stuck- oder Gipsabgüsse der Modellfiguren her, die man probeweise an die Tempelgiebel oder Friese brachte, um den Architekten und Bildhauern einen Eindruck der fertigen Arbeit und ihrer Wirkung im Bauganzen zu vermitteln. Dann erst wurde der Marmorblock behauen. Um die Proportionen beliebig vergrößern oder übertragen zu können, entwickelte man mit Hilfe des Lotes ein Verfahren, das fortlaufend verbessert wurde. Da ein geometrisches Gesetz lautet, daß drei Punkte immer in einer Ebene liegen müssen und von dieser aus jeder außen gelegene Punkt 23
genau zu bestimmen ist, ließ man an dem Steinblock drei Festpunkte unbehauen vorstehen, verband sie mit Schnüren, so daß mühelos alle weiteren Punkte des Modells genau vermessen und auf den Steinblock übertragen werden konnten. Die Spitzmeißelarbeit war mühsam, das läßt sich aus den erhaltenen Abrechnungen ersehen. Für die nur 58 cm hohe Gruppe eines schreitenden Jünglings und stehenden Mannes vom Erechtheionfries der Athener Akropolis (420 v. Chr.) erhielt der Bildhauer 120 Drachmen. Da damals eine Drachme Höchsttageslohn war, muß man für diese einzelne Figur wenigstens mit einer Arbeitsdauer von vier Monaten rechnen. Im 5. J a h r hundert (480—30) lebte Griechenlands berühmtester Bildhauer Phidias (500—438). 451 wurde er nach Elis berufen, um dort die Großfigur des Olympischen Zeus mit Gold und Elfenbein als Umkleidung zu meißeln. F ü r Phidias und seine Schüler hatte man in der Nähe von Olympia eine Werkstatt errichtet, die auch noch nach des Meisters Tod gezeigt wurde. In Anerkennung für seine Leistung gestattete man ihm, seinen Namen unter die Zeusstatue zu setzen, eine ganz außergewöhnliche Auszeichnung. Das Bildwerk gehörte zu den sieben Weltwundern der Antike. Wahrscheinlich ist es im Jahre 408 n. Chr. durch Brand zerstört worden. Für die Akropolis entstand aus der Hand des Phidias die 12 m hohe Athena Parthenos, ebenfalls mit Gold und Elfenbein überdeckt. Im Jahre 438 vollzog Athen die Weihe des Standbildes, das die Antike als das Höchste pries, was je ein Bildhauer geschaffen. Im gleichen Jahr ist eben dieses Bild der Athena dem großen Meister zum Verhängnis geworden. Heimlich hatte er in den Zierat auf dem Schild der Göttin sein eigenes Bildnis und das seines Freundes, des großen Staatsmannes Perikles, hineingearbeitet. Deswegen der Gotteslästerung angeklagt, starb er im Jahre seines höchsten Triumphes im Gefängnis zu Athen. Eine Generation später führten die Meister Praxiteles, Skopias und Lysippos die Kunst der griechischen Klassik noch einmal zu ungeheuren Leistungen. Die großen Museen der Kulturwelt zeugen heute noch von der Genialität dieser schöpferischen Epoche. In der römischen Kaiserzeit arbeiteten die Bildhauer nach einer neuen Technik. Über Modell und Steinblock wurde je ein quadratisches Holzgestell gehängt; an dessen Außenseiten 24
Griechisches Meßverfahren mit drei durch Schnüre (2) verbundenen Festpunkten A, B, C. Bei 1. die Bohrlöcher, die von der Schnur aus gemessen werden.
Römisches Meßverfahren: Über Modell und Steinblock sind Meßbretter angebracht. Das herabhängende Lot dient zur Ermittlung der „Punktierpunkte" (1).
waren Marken eingekerbt, an denen ein Lot befestigt werden konnte. Jeder Punkt am kleinen Modell konnte im rechten Winkel zur Lotleine angemessen und dieses Maß in entsprechender Vergrößerung auf den Steinblock übertragen werden. Wollte man wissen, wie tief man im Steinblock zu gehen hatte, um z. B. das vorstehende Knie eines angewinkelten Beines zu erreichen, so brauchte man nur das entsprechende Maß am Modell abzunehmen, zu vergrößern und mit dem Bohrer in der gemessenen Tiefe ein Loch in den Stein zu bohren, den Stein zu „punktieren". Nun konnte man die gesamte Stein-
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masse wegschlagen, bis man am Grund des Bohrloches angekommen war. Von hier aus mußte man dann vorsichtig der Form nachgehen. Die römische Arbeitsweise unterschied sich dadurch von der griechischen, daß sie nicht mehr — wie diese — den Stein schichtenweise von allen Seiten gleichzeitig anging, sondern jede Seite einzeln bearbeitete und große Steinstücke absprengte. Die Arbeit ging schneller vonstatten, war aber nicht mehr in jeder Phase so vom Künstler bestimmt und beseelt, wie das bei der Spitzmeißelarbeit der Fall war, und artete schließlich bei den zahlreichen Kopisten zu reinem j Nachschaffen aus. Diese Technik wurde jedoch in der Haupt- : sache nur in den Werkstätten der großen Städte gelehrt, in den römischen Provinzen wurde das komplizierte Punktieren j kaum erlernt oder bald schon vergessen. Im 6. Jahrhundert n. Chr. verlöschte der antike großplastische Stil endgültig, malerische Reliefs und Kleinplastiken wurden bevorzugt. Das war die Zeit, als die Germanen das Erbe der antiken Kultur übernahmen und auch die Steinbildhauerei erlernten. Ihr eigenes künstlerisches Wollen strebte nicht das klassische Schönheitsideal, sondern den starken Ausdruck ihrer inneren Vorstellungswelt an. So bedurfte das frühe Mittelalter auch nicht der antiken Meßverfahren, sondern setzte eher die Tradition der römischen Provinzkunst fort: Der Spitzmeißel wurde wieder wichtigstes Werkzeug. Auf den Baurissen der alten Kathedralen, die uns zum Teil erhalten sind, finden sich häufig genaue Angaben und Einzelzeichnungen für die Ausführung des Figurenschmuckes an den Portalen, Gesimsen und Pfeilern. Sie sind mit der Feder auf das Pergament gezeichnet und manchmal in der Größe der geplanten Figuren mit allen Einzelheiten des Faltenwurfs, der Ge- j sichtszüge und der Körperhaltung entworfen. Zwar hielten sich die Domsteinmetzen nicht immer an diese Vorlagen, und oft mußten sie durch Geldstrafen gezwungen werden, die vertraglich festgelegten Formen einzuhalten. Vor Beginn der Meißelarbeit wurden die Umrisse am Steinblock selber, auf eine Wand, einen Portalbogen mit Kohle oder Kreide aufgetragen. Manchmal führte nicht der Steinmetz selber, sondern ein Maler diese zeichnerischen Vorarbeiten aus. Auch plastische Modelle kannte man in der Bauhütte des mittelalterlichen Bildhäuers. Am Modell entschied der Bauherr, der Bischof oder 26
das Domkapitel, oft über Annahme oder Ablehnung eines Werkstücks. Die bildhauerische Produktion, die in der romanischen Zeit zwar von hohem Wert, aber an Umfang noch gering war — die Kirchen waren zumeist mit Mosaiken oder Wandmalereien geschmückt —, schwillt in der Gotik nahezu ins Ungemessene. Oft mußten bei großen Bauten Nischen leer bleiben, weil nicht genug Steinmetzen vorhanden waren, um die erforderliche Arbeit zu leisten. Allein am Straßburger Münster sind während der Französischen Revolution 235 Sandsteinstatuen zerschlagen worden. In den Bauhütten arbeiteten Architekten und Steinmetzen gemeinsam. Da Bauhüttengesetze das Anstücken von Steinen bei Strafe verboten, viele Statuen aber unmittelbar während des Bauvorgangs (vor allen Dingen an den Portalen) eingefügt werden mußten, war es oft notwendig, die Skulptur am endgültigen Standort zu vollenden. Die meisten gotischen Steinflguren sind ohne das dazugehörige Bauwerk nicht zu denken, so sehr sind sie Teil der Architektur. Wir können uns heute nur ein unvollkommenes Bild von der Wirkung des damaligen Kircheninneren machen, da heute die meisten Statuen die natürliche graue Steinfarbe des Bauganzen zeigen, während sie einst polychrom, d. h. farbig gefaßt waren, wie es der mittelalterlichen Freude an der Farbsymbolik entsprach. Vergoldung war besonders beliebt, verdankt doch dieser Tatsache die Goldene Pforte am gotischen Freiburger Münster ihren Namen. An den Naumburger Stifterfiguren erkennt man noch, wie Augen, Gewandsäume, Schildwappen und Schmuck durch Lasurfarben betont waren, an den Figuren des Straßburger Münsters sind ebenfalls noch Farbspuren erhalten; allem Anschein nach trat aber noch im Laufe des 13. Jahrhunderts die Polychromierung der Steinfiguren mehr und mehr zurück. Während in Deutschland mit dem Ende des Mittelalters die großen Dombauten vollendet oder auch als Fragmente behelfsmäßig abgeschlossen wurden und so die Steinskulptur ihres belebenden Impulses beraubt war und die Holzskulptur ihre Stelle einnahm, erfreute sich die Steinbildhauerei im Süden auch weiterhin besonderer Pflege. Wie schon in der römischen Antike war hier der Marmor immer noch wichtigster Werkstoff, und in der Gegenwart ist es nicht anders. Wie vor Jahrtausenden zogen damals und ziehen heute stattliche, langgehörnte toskanische Rinder in langer Reihe die niedrigen, mit 27
Unvollendete Figur (Gefangener) Michelangelos für das Julius-Denkmal. Sie offenbart die Meißeltechnik des Meisters.
Marmorblöcken beladenen Karren aus den Steinbrüchen von Carrara talwärts. In dieser Landschaft und im marmornen Rom arbeitete an der Schwelle der Neuzeit und weit in sie hineinragend der genialste Steinbildhauer aller Zeiten: Michelangelo Buonarroti (geboren 6. III. 1475 in Caprese im Casentio, gestorben 18. II. 1564 in Rom). Augenzeugen, die ihn bei der Steinarbeit haben beobachten können, berichten, es sei erschreckend gewesen, mit welchem Ungestüm der Meister dem Stein zu Leibe gegangen sei, sein wütendes Hämmern habe befürchten lassen, der ganze Stein werde unter jedem Schlage in Stücke springen; und trotzdem übte er eine wohldurchdachte, von allen bewunderte und später nachgeahmte Technik. „Alle jene Figuren sind gut, von denen die Mühe ab28
gemeißelt ist und die mit solcher Meisterschaft gebildet wurden, daß sie wie Natur, nicht aber als Kunstwerke erscheinen." Das sagte Michelangelo, und nach diesem Grundsatz hat er gearbeitet. Wenn auch das einzelne Werk gleichsam in leidenschaftlichem Sturm entstand, so ist es doch stets sorgfältig vorbereitet worden; „Das Geld", so sagte er, „das man für Entwürfe verschwendet, macht sich hundertfach bezahlt." Michelangelo scheute auch die Anfertigung von Modellfiguren nicht. Wie hat Michelangelo gearbeitet? — „Die beste Methode, die bisher im Gebrauch gesehen wurde", so schreibt Benvenuto Cellini (1500-1571) in einer Abhandlung über die Bildhauerkunst, „.... ist die von Michelangelo gefundene. Sie besteht darin, daß man, nachdem die Hauptansicht der Figur aufgezeichnet wurde, von dieser Seite mit dem Meißel freizulegen beginnt, und zwar in derselben Weise, wie ein Künstler tun würde, der ein Relief zu meißeln hat. Und so kam auf diese Weise jener wunderbare Künstler ganz allmählich dazu, die Figuren aus den Blöcken herauszuholen." Viele Arbeiten des Meisters blieben zwar aus äußeren Gründen unvollendet. Aber diese unvollendeten Figuren sprechen den modernen Menschen oft stärker an, als die bis in letzte Feinheiten durchgefeilten Werke, weil der heutige Betrachter das Fragmentarische liebt. Zudem offenbaren sie uns, wie Michelangelo den Steinblock für seine Skulptur als die ideale Raumeinheit erfaßte, die sich unsichtbar gleichsam um die Statue hüllte. „Der Bildhauer", so sagte er, „hat nichts anderes zu tun, als die Gestalt aus dem Stein herauszulösen, die schon anfänglich in ihm verborgen ist." In einem seiner Sonette hat er diesen Gedanken ausgesprochen: „Nichts wird die Kunst des Meisters je ersinnen, was nicht verborgen schon im Marmor lebte, und eine Hand, die nicht der Geist belebte, erfaßt nie, was verschlossen liegt tief innen." Im Barockzeitalter herrschte ein anderes plastisches Empfinden vor (vgl. S. 20 im Kapitel über Holzschnitzerei). Nicht mehr der Marmorblock war für bildhauerische Arbeit bestimmend, die Skulpturen strebten nun leidenschaftlich über die Umgrenzung der Steinquadern hinaus. Körperlose Erscheinungen, wie Wolkenballungen und Lichtstrahlen, werden nun in die Bildwerke einbezogen. Die Bewegungen werden ausladend, gelöst, flatternd, dramatisch. Giovanni Berninis (1598—1680) „Longinus"-Statue breitet die Arme weit von sich, was bei 29
Michelangelo unmöglich gewesen wäre. Weit entfernt hatte man sich von jener klassischen Auffassung des plastischen Bildwerks, die wohl am handgreiflichsten in folgendem Satz eines Bildhauers wiedergegeben ist: „Eine gut komponierte Gruppe muß so beschaffen sein, daß man sie getrost einen Berg hinabrollen könne, ohne sie zu beschädigen, sie muß also im Block abgerundet sein." Doch war die plastische Kunst des Hochbarock insgesamt echter Ausdruck des Zeitempfindens und spricht uns deshalb auch heute noch im Innersten an. Aber sie verlor sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts in reines Formenspiel, das nur Äußerliches, Effektvolles, Theatralisches darstellte. — Im 19. Jahrhundert ist die Plastik weithin nur Nachahmung von Stilformen der Vergangenheit. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts besinnen sich ein Franzose und ein Deutscher wieder auf das echte Wesen der Plastik: Auguste Rodin und Adolf Hildebrand (1874—1921). Man hat Rodin als den Impressionisten unter den Bildhauern bezeichnet. Sein Werk ist jedoch so persönlich geprägt, daß mit dieser Bezeichnung zu wenig gesagt wäre. Er arbeitet wohl mit Licht- und Schatteneffekten, läßt die polierte Marmorfläche eines Frauenbildnisses reizvoll vor dem unbehauenen Block aufglänzen, aber er hat doch das Wesen der Skulptur sehr genau getroffen, wenn er sagt: „Ich stelle mir die Modellierung vor als die höchste Spitze einer von innen aus der Materie, aus dem Körper oder aus dem Stein nach außen drängenden Wellenbewegung." Für die junge Generation der Steinbildhauer wurde aber vor allem Adolf Hildebrand richtungweisend. Er bearbeitete den Steinblock wieder im Sinne Michelangelos. Nach der technischen Seite hin sind im Verlauf der neueren Kunstentwicklung die Hilfsmittel des Bildhauers fast bis zur völligen Mechanisierung vervollkommnet worden. Es ist heute möglich, mit Hilfe von Punktiermaschinen die Maße eines Modells genauestens auf den Stein zu übertragen. Diese Arbeiten werden von Gehilfen ausgeführt, die oft wochenund monatelang nur messen und bohren, bevor sie die überflüssigen Steinmassen wegschlagen und zum Formen übergehen. Der „Meister" entwirft indessen neue Tonmodelle oder korrigiert die letzte Schicht des vorgearbeiteten Bildwerkes. Bei einem Porträtkopf kann man 300 bis 400 Punkte anbohren, so daß der Stein zum Schluß wie ein Schwamm aussieht. Dieses Verfahren garantiert selbstverständlich völlige Über30
einstimmung mit dem Modell, aber wie leicht erlischt dabei der letzte künstlerische Funke in der Skulptur. Verantwortungsbewußte moderne Künstler verzichten deshalb nach Möglichkeit auf jedes technische Hilfsmittel und tragen den Stein mit Hammer und Meißel schichtenweise ab, wie es einst die Ägypter und Griechen taten. Sie verzichten auch auf die Naturnachahmung und gehen gern auf die Urformen aller Körperlichkeit, wie Kugel, Kegel und wenig gegliederte Massen, zurück. Deshalb studiert man wieder die altägyptischen, altgriechischen Werke, und deshalb wendet man sich wieder härterem Gestein zu, das sich nur widerwillig behauen läßt, das die volle Hingabe fordert und zu jenen Urformen zwingt, die der moderne Mensch liebt. „Stein", sagt der englische Bildhauer Henry Moore (geb. 1898), „ist hart und dicht und sollte nicht dadurch verfälscht werden, daß man mit ihm die Wirkungen von zartem Fleisch anstrebt; er sollte nicht weicher erscheinen, als es seiner Struktur angemessen ist. Er soll seine harte, dichte, steinige Beschaffenheit behalten." Für den modernen Künstler besteht das Wesen der Steinbildhauerei (und der Kunst überhaupt) nicht in Naturnachahmung, sondern in der Darstellung von erregenden Beziehungen der einzelnen Massen zueinander. Aber Moores eigenes Werk und das seiner Kollegen zeigt, daß die moderne Bildhauerkunst sich oft noch im Stadium des Experimentierens befindet: Der menschliche Körper ist nicht aus primitiven Urformen zusammengeschachtelt, er ist der höchste Organismus unter allen Lebewesen. Wer ihn zum Thema seiner Kunst macht, muß sich seinen Gesetzen beugen, sonst vergewaltigt er den Menschen selbst. So wirken unter allen modernen Skulpturen die Tierplastiken am überzeugendsten, im Bereich der Menschendarstellung und Menschendeutung aber wartet noch weites Neuland. Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Foto der ersten Umschlagseite: Glätten eines Tonmodells für einen Bronzeguß (Goethe-Statuette) Holzschnitt auf der Rückseite: „Der Bildhauer" von Jost Amann
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In fesselnder D a r s t e l l u n g b r i n g t diese Weltgeschichte in s p a n n e n d e n , in sich abgeschlossenen Einzelheften Z e i t b i l d e r u n d S z e n e n a u s d e m g r o ß e n A b e n t e u e r d e r Menschheitsgeschichte. Menschen, V ö l k e r , h i s t o r i s c h e Schauplätze u n d Landschaften a u s allen Z e i t a l t e r n der V e r g a n g e n h e i t ers t e h e n in b u n t e r Folge v o r d e m A u g e des L e s e r s . Geschichte w i r d zur l e b e n d i g e n G e g e n w a r t . J e d e s Heft v e r m i t t e l t ein a b g e r u n d e t e s Bild d e s d a r g e s t e l l t e n Z e i t r a u m e s . Die R e i h e fesselt d e n E r w a c h s e n e n w i e d e n J u g e n d l i c h e n , d e r von der A n s c h a u u n g zur E r k e n n t n i s der Z u s a m m e n h ä n g e i n der Geschichte g e l a n g e n will. A u s m a ß g e b e n d e n E r z i e h e r k r e i s e n liegen höchst a n e r k e n n e n d e U r t e i l e ü b e r die H I S T O R I S C H E R E I H E v o r . Die Hefte e n t s p r e c h e n d e r F o r d e r u n g d e r Schule n a c h fesselnder, zuverlässiger Lek* t ü r e als E r g ä n z u n g u n d z u r U n t e r s t ü t z u n g des Geschichtsu n t e r r i c h t e s . D e m J u g e n d l i c h e n b i e t e t die R e i h e eine L e k t ü r e , die i h n e b e n s o u n t e r h ä l t wie I n s e i n e r A l l g e m e i n bildung vorwärtsbringt. Die Titel der e r s t e n zwölf H e f t e : 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Sphinx am Strom Priester und Magier Götter und Helden Die Griechen Die Perserkriege Die Tempel Athens
7. 8. 9. 10. 11. 12.
Alexanderzug Phyrrhus - der Abenteurer Hannibal Untergang Karthagos Marius und Sulla Kaiser ohne Krone
I n j e d e m M o n a t folgt e i n w e i t e r e s Heft J e d e s Heft m i t f a r b i g e m Umschlag, I l l u s t r a t i o n e n , L a n d k a r ten, A n m e r k u n g e n u n d Zeittafeln. B i t t e P r o s p e k t a n f o r d e r n !
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D e r k l e i n e T a u s e n d k ü n s t l e r Tom klebt alles nur mit
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