POL-Leitsymptome
Gastrointestinaltrakt Leber, Pankreas und biliäres System
Berthold Block
134 Abbildungen 129 Tabell...
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POL-Leitsymptome
Gastrointestinaltrakt Leber, Pankreas und biliäres System
Berthold Block
134 Abbildungen 129 Tabellen
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Block, B.: POL-Leitsymptome Gastrointestinaltrakt (ISBN 978-313-142851-6) © Georg Thieme Verlag KG 2006
Dr. med. Berthold Block Fallersleber-Tor-Wall 5 D-38100 Braunschweig Zeichnungen: Roland Geyer, Weilerswist Layout: Summerer und Thiele, Stuttgart Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.
c 2006 Georg Thieme Verlag Rüdigerstraße 14 D-70469 Stuttgart Unsere Homepage: http://www.thieme.de Printed in Germany Satz: Hagedorn Kommunikation, Viernheim gesetzt auf 3B2 Druck: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe ISBN 3-13-142851-4 ISBN 978-3-13-142851-6
1 2 3 4 5 6
Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.
Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handele. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Block, B.: POL-Leitsymptome Gastrointestinaltrakt (ISBN 978-313-142851-6) © Georg Thieme Verlag KG 2006
Vorwort Trotz der rasanten Entwicklung diagnostischer Methoden in allen Bereichen der Medizin bilden die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung nach wie vor den ersten und wichtigsten Zugang zum Patienten und die Grundlage jeder weiteren Diagnostik. Die Inhalte der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung sind seit über hundert Jahren im Grundsatz unverändert geblieben. Geändert hat sich die Art und Weise, die Systematik dieser diagnostischen Methoden zu vermitteln. In der neuen Approbationsordnung werden detailliert die Rahmenbedingungen der ärztlichen Ausbildung festgelegt. Neu ist der Versuch, vorklinische und klinische Lerninhalte enger miteinander zu verzahnen. Neu ist auch der Versuch, ein problemorientiertes Vorgehen bei der Lösung klinischer Fragestellungen frühzeitig während des Studiums zu trainieren. Damit soll das Studium patientennah und praxisrelevant gestaltet werden. Dieses Buch soll einen Beitrag zu diesen Bemühungen leisten. Inhaltlich ist das Buch in drei Abschnitte unterteilt. Im ersten Teil finden Sie eine Einführung zum POL, Grundlagen zu Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung sowie eine Übersicht der Symptome bei Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes. Im zweiten Teil werden, ausgehend von einer klassischen klinischen Situation, dem Leitsymptom, zunächst die Probleme formuliert, die dieses Leitsymptom beinhaltet. Dann werden kurz die relevanten anatomischen und physiologischen Voraussetzungen rekapituliert und es wird eine orientierende Übersicht über mögliche, häufige und seltene Ursachen für die Beschwerden gegeben. Der umfangreichste Abschnitt gibt dann eine detaillierte und systematische Handlungsvorgabe für die Problemlösung aufgrund von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung. Hieran schließt sich eine orientierende Übersicht über die weitergehenden Untersuchungen und Therapieansätze an. Im dritten Teil des Buches wird schließlich ein zusätzlicher Zugang zur Anamneseerhebung vorgestellt: Bei bekannter Diagnose – dabei kann diese das Hauptproblem der Konsultation darstellen oder einen Nebenaspekt – wird eine auf diese spezielle Situation abgestimmte Anamneseerhebung skizziert. Thema des vorliegenden Buches ist das Verdauungssystem. Das dominierende Symptom bei Erkrankungen dieses Systems ist der Schmerz. Er ist der häufigste Grund für einen Patienten, ärztliche Hilfe zu suchen. Die Anamneseerhebung und die tastende Hand erlauben in einer großen Zahl der Fälle bereits eine sehr sichere differenzialdiagnostische Eingrenzung möglicher Ursachen. Neben dem Schmerz stehen die Beschwerden, die durch eine Funktionsstörung der abdominalen Organe entstehen, im Vordergrund: Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Ikterus. Der Autor und der Verlag hoffen, mit diesem Buch eine Handlungsanleitung zu geben, die zum einen den Leser in die Lage versetzt, die klassischen klinischen Situationen bei Erkrankungen des respiratorischen Systems kompetent anzugehen. Zum anderen wünschen wir uns, dass es gelingt, Freude an der Kunst der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung – und um eine Kunst handelt es sich – zu vermitteln. Mein Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Georg-Thieme-Verlages, die es mir ermöglicht haben, dieses Buch zu erstellen. Allen voran möchte ich hier Frau Dr. Bettina Hansen nennen, die das Projekt der POL-Reihe von der Planung bis zur Veröffentlichung mit Rat und Tat unterstützt hat. Besonders bedanken möchte ich mich bei Frau Dr. Christina Schöneborn und Frau Sigrun Ehlers-Rückert für die redaktionelle Bearbeitung des Textes. Für die Gestaltung des Layouts danke ich dem Graphischen Büro Summerer und Thiele sowie Frau Albrecht für die Betreuung der Herstellung.
V
Braunschweig, im März 2006
Berthold Block
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Inhalt
A VI
Grundlagen 1
Gebrauchsanleitung 1.1 POL – Problemorientiertes Lernen
4 4
2
Grundlagen der Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung 2.1 Aktuelle Beschwerden 2.2 Vorgeschichte der aktuellen Beschwerden 2.3 Systematische Anamneseerhebung 2.4 Körperliche Untersuchung
5 6 6 6 6
3
4
B
3
Grundlagen und Symptome 3.1 Grundlagen 3.2 Symptome bei Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts Die körperliche Untersuchung des Gastrointestinaltrakts 4.1 Allgemeiner Eindruck 4.2 Untersuchung der Mundhöhle 4.3 Untersuchung des Abdomens 4.4 Rektale Untersuchung 4.5 Weitere Untersuchungen
Leitsymptome 1
Bauchschmerzen 1.1 Begriffe 1.2 Problemstellung 1.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie
11 11 11 16 16 16 16 20 20
23
24 24 24 24
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1.4 1.5 1.6 1.7 2
Ursachen von Bauchschmerzen Problemlösung Weitergehende Diagnostik Diagnosesicherung
26 27 39 41
Durchfall 2.1 Begriffe 2.2 Problemstellung 2.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 2.4 Ursachen der Diarrhö 2.5 Problemlösung 2.6 Weitergehende Diagnostik 2.7 Diagnosesicherung
45 45 45 46 47 51 59 62
3
Erbrechen 3.1 Begriffe 3.2 Problemstellung 3.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 3.4 Ursachen von Erbrechen 3.5 Problemlösung 3.6 Weitergehende Diagnostik 3.7 Diagnosesicherung
64 64 64 64 66 67 72 74
4
Obere 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
76 76 76 76 77 79 83 85
5
Sodbrennen 5.1 Begriffe 5.2 Problemstellung 5.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 5.4 Ursachen von gastroösophagealem Reflux und Sodbrennen 5.5 Problemlösung
gastrointestinale Blutung Begriffe Problemstellung Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Ursachen der oberen gastrointestinalen Blutung Problemlösung Weitergehende Diagnostik Diagnosesicherung
VII
88 88 88 88 90 91
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5.6 5.7
Weitergehende Diagnostik Diagnosesicherung
94 96
6
Dysphagie 98 6.1 Begriffe 98 6.2 Problemstellung 98 6.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 98 6.4 Ursachen der Dysphagie 99 6.5 Problemlösung 100 6.6 Weitergehende Diagnostik 106 6.7 Diagnosesicherung 107
7
Obstipation 111 7.1 Begriffe 111 7.2 Problemstellung 111 7.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 111 7.4 Ursachen der Obstipation 112 7.5 Problemlösung 114 7.6 Weitergehende Diagnostik 117 7.7 Diagnosesicherung 118
8
Beschwerden am Darmausgang, Schmerzen bei der Defäkation 8.1 Begriffe 8.2 Problemstellung 8.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 8.4 Ursachen von Schmerzen am Darmausgang 8.5 Problemlösung 8.6 Weitergehende Diagnostik 8.7 Diagnosesicherung
VIII
9
120 120 120 120 121 123 128 128
Stuhlinkontinenz 131 9.1 Begriffe 131 9.2 Problemstellung 131 9.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 131 9.4 Ursachen der Inkontinenz 133 9.5 Problemlösung 134 9.6 Weitergehende Diagnostik 136 9.7 Diagnosesicherung 137
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10 Übergewicht, Adipositas 139 10.1 Begriffe 139 10.2 Problemstellung 139 10.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 140 10.4 Ursachen der Adipositas 141 10.5 Problemlösung 142 10.6 Weitergehende Diagnostik 148 10.7 Diagnosesicherung 149 11 Aszites 151 11.1 Begriffe 151 11.2 Problemstellung 151 11.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 151 11.4 Ursachen des Aszites 153 11.5 Problemlösung 154 11.6 Weitergehende Diagnostik 159 11.7 Diagnosesicherung 161
IX
12 Ikterus 163 12.1 Begriffe 163 12.2 Problemstellung 164 12.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 164 12.4 Ursachen des Ikterus 166 12.5 Problemlösung 167 12.6 Weitergehende Diagnostik 179 12.7 Diagnosesicherung 181 13 Meteorismus 184 13.1 Begriffe 184 13.2 Problemstellung 184 13.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie 184 13.4 Ursachen des Meteorismus 186 13.5 Problemlösung 187 13.6 Weitergehende Diagnostik 189 13.7 Diagnosesicherung 191 14 Ungewollter Gewichtsverlust 14.1 Begriffe 14.2 Problemstellung 14.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie
193 193 193 194
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14.4 14.5 14.6 14.7
X
C
Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 1
2
D
Ursachen des ungewollten Gewichtsverlusts Problemlösung Weitergehende Diagnostik Diagnosesicherung
205
Zusatzuntersuchungen bei Erkrankungen des Verdauungssystems 1.1 Laboruntersuchungen 1.2 Sonographie 1.3 Endoskopie 1.4 Laparoskopie 1.5 Radiologische Untersuchungen 1.6 Funktionsdiagnostik
206 206 207 210 211 211 212
Von der Diagnose zur systematischen Anamneseerhebung 2.1 Häufige Krankheiten
214 214
Anhang 1
194 196 199 201
Anhang 1.1 Laborwerte – Normalbereiche 1.2 Quellenverzeichnis Sachverzeichnis
227
228 228 234 237
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Grundlagen
A
1 Gebrauchsanleitung
4
2 Grundlagen der Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung
5
3 Grundlagen und Symptome
11
4 Die körperliche Untersuchung des Gastrointestinaltrakts
16
3
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Grundlagen tungszeit im Jahr 1969 in Hamilton, Ontario statt. Die weitere Anwendung des POL konzentrierte sich zunächst auf Nordamerika. In Europa war die Universität Maastricht ein Vorreiter im Anbieten von POL, es wurde dort 1974 eingeführt.
1.1.2 Methodik
1 Gebrauchsanleitung 1.1 POL – Problemorientiertes Lernen
4
Die neue Approbationsordnung hat zu vielfältigen Veränderungen im Lehrbetrieb an den Universitäten geführt. Neue Unterrichtsformen haben Einzug gehalten, POLKurse, Tutorien, Bedside-Teaching, und Fallbesprechungen gehören immer öfter zu den neuen Lehr- und Lernformen, die zu einem praxisnahen, fächerübergreifenden Verständnis der Medizin führen sollen. Für die Studenten stellt dieses Ziel eine große Herausforderung dar. Die neue Reihe POL-Leitsymptome geht deshalb auf die Bedürfnisse der Studenten ein, die mit diesen neuen Unterrichtsformen konfrontiert werden. Das Ziel ist es, den Studentinnen und Studenten mehr Praxisnähe zu vermitteln und die Entwicklung von Problemlösungsstrategien zu fördern.
1.1.1 Geschichte Die Wurzeln des POL lassen sich bis ins Jahr 1920 zurückverfolgen. Ein französischer Grundschullehrer war als Soldat im ersten Weltkrieg so stark verwundet worden, dass er für sich und seine Schüler eine Lehr- und Selbstlernmethode entwickelte, die ihn weniger anstrengte als der damals übliche Frontalunterricht. Die Schüler mussten dazu Eigenverantwortung für ihr Lernen übernehmen, ihren Lernerfolg selbst evaluieren und in Gruppen zusammenarbeiten. Dies sind Schlüsselfähigkeiten, die auch in POL-Kursen gefordert werden. Der erste POL-Kurs an einer medizinischen Fakultät fand nach dreijähriger Vorberei-
POL ist eine bewährte, praxisorientierte Methode, bei der es gilt, neben dem klassischen Wissenserwerb vor allem eigene Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Dabei werden in Kleingruppen Lernziele anhand bestimmter Fallbeispiele erarbeitet. Dabei folgt das POL einem schrittweisen Ablauf, den „7 Steps“ (Siebensprung), die bei der Erarbeitung der Lernziele helfen: Step 1 Begriffe klären Step 2 Definition des Problems bzw. von Teilproblemen Step 3 Sammlung von Ideen und Lösungsansätzen Step 4 Systematisches Zusammenfassen und Ordnen der Ideen Step 5 Lernziele formulieren Step 6 Eigenstudium Step 7 Wissen zusammentragen, Ausblick formulieren Die POL-Reihe behandelt Organsysteme anhand von Leitsymptomen. Die neue Reihe ist nach folgendem System aufgebaut, das sich an den 7 Steps orientiert: 1. Begriffe klären 2. Problem erkennen 3. Grundlagen rekapitulieren 4. Mögliche Ursachen kennen/ bedenken 5. Problem schrittweise lösen – Anamneseerhebung 6. Weitergehende Diagnostik 7. Diagnose sichern und Therapie einleiten. Jedes Leitsymptomkapitel wird durch komplexe Kasuistiken ergänzt, die die Inhalte vertiefen. So soll ausgehend von einem bestimmten Leitsymptom schrittweise der Weg zu Diagnose und Therapie erlernt werden.
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Grundlagen
2 Grundlagen der Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung Die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung bei einem Arztbesuch bedeuten für den Patienten eine Öffnung seiner Intimsphäre. Dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden im Auftreten, bei der Wahl des Ortes und bei der Wahl der Zeit. Einige Grundregeln sind bei der Anamneseerhebung und der körperlichen Untersuchung zu beachten (Tab. 2.1). Begrüßen Sie den Patienten mit Handschlag und stellen Sie sich mit Namen und Funktion vor. Wählen Sie für das Gespräch einen ruhigen Ort, an dem Sie mit dem Patienten ungestört unter vier Augen sprechen können. Ausreichend Zeit ist für die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung ebenfalls nötig. Bei jedem Patienten sollte, soweit es die Situation und die Zeit erlauben, eine
Tabelle 2.1 Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung Grundregeln Selbstvorstellung
Handschlag Vorstellung mit Namen Vorstellung der Funktion
Wahl des Ortes
unter vier Augen ungestört ruhig gleichberechtigt
Wahl der Zeit
ausreichend Zeit keine Unterbrechungen
komplette Anamneseerhebung und eine komplette Untersuchung erfolgen. Sie betreffen: das respiratorische System (RS) das kardiovaskuläre System (KVS) das Verdauungssytem (VS) den Stoffwechsel (SW) das hämatologische System (HS) das Urogenitalsystem (UGS) und das Nervensystem (ZNS, PNS). Außerdem: Familienanamnese und Sozialanamnese. Das Ausmaß der Familien- und Sozialanamnese hängt natürlich vom aktuellen Beschwerdebild ab. Als Basisprogramm sollten bei der Familienanamnese aber die folgenden Fragen immer geklärt werden: Gibt es Krankheitshäufungen in der Familie? Woran sind Mutter und Vater gestorben und in welchem Alter? Hat der Patient Geschwister und, wenn ja, sind sie gesund oder krank?
5
Die Sozialanamnese umfasst Fragen nach Familienstand, Kindern und Beruf. Bei der Erhebung der Sozialanamnese ergibt sich oft die Möglichkeit, sich ein umfassendes Bild vom Leben und der Person des Kranken zu machen. Angesichts der Vielzahl funktioneller Beschwerden sollte die Bedeutung der Sozialanamnese nicht unterschätzt werden. Sie ist außerdem oft sehr gut geeignet, einen persönlichen Zugang zum Patienten zu finden. Die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung erfolgen strukturiert. Zunächst wird nach den aktuellen Beschwerden gefragt, dann nach der Vorgeschichte der aktuellen Beschwerden. Schließlich erfolgen eine systematische Anamneseerhebung nach Organsystemen, die Erhebung der Familienanamnese und die Erhebung der Sozialanamnese. Anschließend wird die körperliche Untersuchung durchgeführt.
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LERNTIPP
Grundlagen Systematik von Anamneseerhebung und Untersuchung: 1. Aktuelle Beschwerden. 2. Vorgeschichte der aktuellen Beschwerden 3. Systematische Anamneseerhebung der Organsysteme, Familienanamnese, Sozialanamnese. 4. Körperliche Untersuchung.
2.1 Aktuelle Beschwerden
6
Der Beginn des Gesprächs sollte möglichst offen sein und dem Patienten die Möglichkeit geben, erst mal frei und unter Umständen auch ungeordnet über den Grund seines Arztbesuchs und seine Beschwerden zu berichten. Anschließend erfolgt die von Ihnen gestützte Präzisierung des Problems. Grund der Konsultation Fragen nach dem Leitsymptom: n Wo wird das Symptom gespürt? n Seit wann besteht es? n Frequenz des Auftretens? n Dauer bei Auftreten? n Verlauf n Welchen Charakter hat es? n Welche Intensität hat es? n Wodurch wird es ausgelöst? n Wodurch wird es modifiziert? n Welche Begleitsymptome bestehen? n Welche Therapie wird zurzeit durchgeführt?
2.2 Vorgeschichte der aktuellen Beschwerden Wenn die aktuellen Beschwerden besprochen sind, erfolgt die Befragung nach der Vorgeschichte des aktuellen Problems. Es liegt in der Natur der Sache, dass zwischen diesen beiden Anteilen der Anamneseerhebung nicht immer eine klare Trennung erfolgt. Wie lange bestehen überhaupt schon Beschwerden? Wie war der Verlauf? Welche Diagnosen wurden bisher gestellt? Welche diagnostischen Maßnahmen wurden durchgeführt? Welche therapeutischen Maßnahmen wurden mit welchem Erfolg durchgeführt? Welche Risikofaktoren bestehen?
2.3 Systematische Anamneseerhebung Mit der systematischen Anamneseerhebung verschaffen Sie sich einen orientierenden aber strukturierten und umfassenden Eindruck von der Krankheitsgeschichte, sowie von der familiären und sozialen Situation Ihres Patienten. Tab. 2.2 enthält einen Vorschlag, diese Informationen systematisch zu erfragen.
2.4 Körperliche Untersuchung Um eine gründliche körperliche Untersuchung durchführen zu können, sollten Sie sich einen geordneten und schematischen Ablauf angewöhnen. Die einzelnen Untersuchungsschritte sind in Tab. 2.3 aufgeführt.
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Grundlagen Tabelle 2.2 Systematische Anamneseerhebung der Organsysteme und allgemeine Fragen Organsystem respiratorisches System
Fragen n n
n n
kardiovaskuläres System
n n
n n
Verdauungssystem
n n n n n
Stoffwechsel
n
Urogenitalsystem
n
n n
Nervensystem
n
Ist bei Ihnen eine Lungenerkrankung bekannt? Hatten Sie einmal eine Lungenentzündung oder eine Tuberkulose? Rauchen Sie? Bestehen Husten, Auswurf, Luftnot? Ist bei Ihnen eine Herzerkrankung bekannt? Hatten Sie einmal einen Infarkt, Herzschmerzen, Herzrasen, unregelmäßigen Herzschlag? Hatten Sie einmal Wasser in den Beinen? Besteht ein Bluthochdruck? Wie sind Appetit, Stuhlgang, Gewicht? Bestehen Bauchschmerzen? Besteht Blutabgang? Hatten Sie einmal eine Gelbsucht (Ikterus)? Hatten Sie einmal eine Erkrankung der Leber, der Gallenblase oder der Bauchspeicheldrüse?
7
Besteht ein Diabetes mellitus oder eine Gicht? Hatten Sie einmal eine Erkrankung der Niere oder der ableitenden Harnwege? Haben Sie Probleme beim Wasserlassen? Liegen gynäkologische Erkrankungen vor? Hatten Sie einmal einen Krampfanfall, Ohnmachten, Stürze, Lähmungen?
Außerdem fragt man nach: n Kinderkrankheiten n Allergien n Operationen n Krankenhausaufenthalten n Medikamenteneinnahme n Auslandsaufenthalten n Nikotin n Alkoholkonsum Familienanamnese Sozialanamnese: n Beruf, berufliche Risiken n familiäre Situation n Kinder n Sport
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Grundlagen Tabelle 2.3 Schematischer Ablauf der körperlichen Untersuchung Untersuchung allgemeiner Eindruck
8
achten auf
n
Allgemeinzustand
n
n
Größe, Gewicht
n
n
Mimik
n
n
Sprache
n
n
Geruch
n
n
Haut und Schleimhäute
n
n
Sehschärfe
n
normal, geschwächt, schwer krank Adipositas, Anorexie Grimassieren, Tics, Maskengesicht Heiserkeit, Stottern, verwaschen Alkohol, Urämie Effloreszenzen, Turgor, Farbe (Ikterus, Anämie)
Kopf n
Augen
n
n
n
Nase und Nasennebenhöhlen
n
n
n
Ohren
n
n
n
n
Mund und Mundhöhle
n
Inspektion Lider, Bulbi, Konjunktiven, Skleren Pupillen und Pupillenreaktion Inspektion äußere Nase, Nasenschleimhaut Palpation Nervenaustrittspunkte Hörvermögen Inspektion äußeres Ohr, Gehörgang, Trommelfell Perkussion Mastoid Inspektion Lippen, Mundschleimhaut, Zunge
n
n
normal, vermindert, Sehhilfe Beweglichkeit, Entzündung, Rötung weit, eng, entrundet, Lichtreaktion
n
Septumdeviation, Sekret
n
Druck- oder Klopfschmerz
n
normal, Hörminderung
n
Entzündung, Zerumen
n
Klopfschmerz
n
Farbe, Rhagaden, Beläge
n
Tonsillen, Pharynx
n
n
Zähne und Zahnfleisch
n
Größe, Beläge, Schleim- oder Eiterstraßen Prothese, Karies, Entzündung
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Grundlagen Tabelle 2.3 Fortsetzung Untersuchung Hals
n
Beweglichkeit
n
Meningismus
n
Inspektion Halsvenen
n
obere Einflussstauung
n
Thorax
n
Lunge
Herz-Kreislauf
Mammae
Abdomen
n
Auskultation A. carotis
n
n
Inspektion
n
n
Perkussion
n
n
Auskultation
n
n
n
n
Inspektion und Palpation Schilddrüse, Lymphknoten
n
n
n
achten auf
Bronchophonie und Stimmfremitus Palpation Auskultation Frequenz und Rhythmus, Blutdruckmessung bds.
Thoraxform, Atemexkursionen, Atemfrequenz (hyper-)sonor, Dämpfung, Lungengrenzen Atemgeräusch abgeschwächt, verschärft, Nebengeräusche, Pleurareiben vorhanden/nicht vorhanden
n
Herzspitzenstoß, Schwirren
n
Auskultation Herztöne
n
n
Auskultation Herzgeräusche
n
n
Blutdruckmessung bds.
n
n
Inspektion und Palpation
n
n
Inspektion Bauchdecken
n
Palpation oberflächlich und tief
Stenosegeräusch
n
n
n
Struma, Lymphknotenvergrößerung
n
n
Perkussion
n
n
Auskultation
n
9
Sinusrhythmus, Extrasystolen, Arrhythmie Extratöne, Spaltung systolisch, diastolisch, Ort, Fortleitung art. Hypertonie, RR-Seitenunterschied Knoten, Schmerz, Einziehungen, Sekret, Lymphknoten Gefäßzeichnung, Narben, Einziehungen, Vorwölbungen Druckschmerz, Resistenzen, Leber, Milz Leber-, Milzgröße, Klopfschmerz Nierenlager Darmgeräusche, Gefäßgeräusche, Kratzauskultation (Lebergröße)
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Grundlagen Tabelle 2.3 Fortsetzung Untersuchung
achten auf
Extremitäten und Wirbelsäule n
n
n
Allgemein
Arme
Beine
n
Inspektion
n
n
Beweglichkeit
n
n
Inspektion Hände
n
n
Palpation periphere Pulse
n
n
Inspektion
n
n
Palpation periphere Pulse
n
n
Inspektion
n
Skoliose, Kyphose, Lordose
n
Palpation
n
Klopfschmerz Dornfortsätze
n
Beweglichkeit
n
n
Inspektion
n
10
n
Wirbelsäule
Neurologische Untersuchung
n
n
n
n
n
n
Rektum, Genitale
n
n
n
Bewusstsein, Orientierung, psychische Auffälligkeiten Untersuchung der Hirnnerven Überprüfung von Kraft und Muskeltonus Eigen- und Fremdreflexe Oberflächen- und Tiefensensibilität Koordinationsprüfung rektale Untersuchung (s. S. 127) Untersuchung äußeres Genitale Palpation Lymphknoten
n
n
n
n
Fehlstellungen, Umfangsdifferenzen Bewegungseinschränkung Uhrglasnägel, Trommelschlegelfinger, Palmarerythem, DupuytrenKontraktur tastbar ja/nein, Pulsdifferenzen Varizen, Ulzera, Ödeme, Fußdeformitäten tastbar ja/nein, Pulsdifferenzen, Strömungsgeräusche
Finger-Boden-Abstand, Schober-Zeichen Tremor, Tics, Atrophien Stimmung depressiv, manisch, aggressiv, Halluzinationen Ausfälle latente Paresen, Spastik, Rigor, Tremor gesteigert, abgeschwächt, pathologische Reflexe
n
Sensibilitätsstörung
n
Ataxie
n
Hämorrhoiden, Fissuren, Resistenzen, Prostata
n
Varikozele, Behaarung
n
vergrößert, druckdolent
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Grundlagen 3.2 Symptome bei Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts Die Symptome bei Erkrankungen des Verdauungssystems entstehen entweder direkt durch die Schädigung des Organs oder indirekt durch die Folgen des Funktionsausfalles eines Organs (Tab. 3.1).
3 Grundlagen und Symptome
Tabelle 3.1 Symptome bei Erkrankungen des Verdauungstraktes
3.1 Grundlagen Das Verdauungssystem umfasst die Organe, die der Nahrungsaufnahme, der Verdauung und Resorption der Nahrungsbestandteile sowie der Ausscheidung des Stuhles dienen. Es umfasst den Gastrointestinaltrakt von Mund bis Anus sowie die Anhangsorgane: Leber, Gallenblase, Pankreas (Abb. 3.1).
Mundhöhle Rachenraum
Entstehung
Symptom
direkt
Schmerzen (s. S. 24) Übelkeit/Erbrechen (s. S. 64) Blutung (s. S. 76) Aufstoßen (s. S. 188) Obstipation (s. S. 111) Sodbrennen (s. S. 88)
indirekt
11
Diarrhö (s. S. 45) Gewichtsverlust/ Mangelzustände (s. S. 193) Ikterus (s. S. 163) Exsikkose (s. S. 71) Flatulenz (s. S. 184) Juckreiz (s. S. 168)
Mundspeicheldrüsen
Ösophagus (Speiseröhre)
Leber Gallenblase
Magen Duodenum
Pankreas Jejunum Kolon
Dünndarm
Ileum Sigmoid Rektum Anus
Abb. 3.1 Übersicht über das Verdauungssystem
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Grundlagen Das häufigste direkte Symptom ist der Schmerz, die häufigsten indirekten Symptome sind Diarrhö (s. S. 45) und Gewichtsverlust (s. S. 193).
3.2.1 Symptome bei Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltraktes
12
Als oberer Gastrointestinaltrakt wird im Allgemeinen der Bereich von Mund bis Duodenum bezeichnet. In diesem Abschnitt stehen die Symptome im Vordergrund, die durch die direkte Schädigung der Organe entstehen. Der Verdauungsprozess beginnt in der Mundhöhle mit dem Kauen der Speisen, der Einspeichelung und der Vorverdauung durch die a-Amylase der Glandula parotidea. Durch den Schluckakt gelangt der Speisebrei über den Ösophagusmund in die Speiseröhre. Häufige Beschwerden im Bereich des Mundes sind: Brennen Mundtrockenheit (s. S. 98) Schmerzen (s. S. 24) und Dysphagie (s. S. 98). Der Ösophagus ist ein schlauchförmiges, muskuläres Hohlorgan (Abb. 3.2). Die propulsive Peristaltik bringt den Speisebrei zum unteren Ösophagus-Sphinkter, der sich reflektorisch öffnet und die Speise in den Magen lässt. Leitsymptome bei Erkrankungen des Ösophagus sind: Dysphagie (s. S. 98) Regurgitation Sodbrennen (s. S. 88) und Blutung (s. S. 76). Magen und Duodenum bilden eine funktionelle Einheit: Der Magen hat eine Reservoirfunktion. In ihm wird die Speise zerkleinert und durchmischt und in Gegenwart der Speichelamylase, des vom Magen gebildeten Pepsinogens und der Salzsäure angedaut. Voraussetzung für die optimale Verdauungsfunktion von Magen und Duodenum sind die Durchmischungsperistaltik und die ge-
Abb. 3.2 Histologisches Präparat des Ösophagus (HE-Färbung, Vergr. 5fach)
ordnete, portionsweise Abgabe von Chymus über den Pylorus an das Duodenum. Im Duodenum wird dem Speisebrei das Pankreassekret und die Gallenflüssigkeit zugesetzt. Das Pankreassekret enthält als Hauptbestandteil Bikarbonat (HCO3-), das die Magensäure neutralisiert, und Pankreasenzyme für die Verdauung. Für Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette gibt es jeweils mehrere Enzyme, die große Moleküle vorwiegend hydrolytisch in resorbierbare Bruchstücke zerlegen. Die Gallenflüssigkeit enthält Gallensäuren (Cholsäure, Chenodesoxycholsäure). Diese werden durch die Konjugation mit Glycin oder Taurin amphiphil, d. h. sie bestehen dann aus einem lipophilen und einem hydrophilen Anteil. Sie emulgieren die Nahrungsfette und bilden mit ihnen bzw. ihren Spaltprodukten Mizellen. So werden die Fette der Pankreaslipase zugänglich gemacht. Die Belegzellen der Magenschleimhaut produzieren außer der Salzsäure auch den Intrinsic factor, der für die Resorption von Vitamin B12 im terminalen Ileum nötig ist. Diese Funktion ist die einzig lebenswichtige Funktion des Magens. Leitsymptome bei Erkrankungen von Magen und Duodenum sind: Schmerzen (s. S. 24) Übelkeit Erbrechen (s. S. 64) Bluterbrechen (s. S. 76) Aufstoßen Inappetenz und Organgefühl.
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Grundlagen 3.2.2 Symptome bei Erkrankungen des Jejunums und des Ileums Im Jejunum und Ileum finden eine propulsive und eine Mischperistaltik statt. Die Verdauung wird fortgesetzt und die Nährstoffe werden resorbiert (Abb. 3.3): Kohlenhydrate, Aminosäuren, Fettsäuren, Vitamine, Mineralien (inklusive Eisen) und Spurenelemente. Über 90 % der Gallensäuren werden im terminalen Ileum rückresorbiert und gelangen über die Pforader zurück zur Leber. Sie unterliegen einem enterohepatischen Kreislauf. Des Weiteren ist der Dünndarm Ort intensiver immunologischer Auseinandersetzungen. Bei den Dünndarmerkrankungen dominieren neben dem Schmerz die Symptome,
die durch die krankheitsbedingte Funktionsstörung entstehen: Diarrhö (s. S. 45) Exsikkose (s. S. 71) Flatulenz (s. S. 184) Gewichtsverlust (s. S. 193) und Mangelzustände (Anämie, Osteoporose).
3.2.3 Symptome bei Erkrankungen des Kolons Im Kolon erfolgt durch Flüssigkeitsresorption die Eindickung des Stuhles. Leitsymptome von Kolonerkrankungen sind: Schmerz (s. S. 24) Diarrhö (s. S. 45) Blutung und Obstipation (s. S. 111).
13
Mundhöhle: Zerkleinerung Einspeichelung Kohlenhydratvorverdauung
Ösophagus: Transport
Leber: Produktion der Gallenflüssigkeit
Magen: Reservoir Vermischung Verdauung: HCl, Pepsinogen
Gallenblase: Speicherung der Gallenflüssigkeit Gallenwege: Transport der Gallenflüssigkeit
Duodenum
Pankreas: Enzyme für KH-, Protein-, Fettverdauung
Jejunum
Kolon: Resorption von Flüssigkeit, Elektrolyten
Abb. 3.3 Funktionen des Verdauungssystems
Resorption
Ileum
Anus: Kontinenz
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Grundlagen 3.2.4 Symptome bei Erkrankungen des Anorektums Im Rektum wird der eingedickte Stuhl gespeichert, der Anus mit seinem Sphinkterorgan gewährleistet die Kontinenz und die kontrollierte Defäkation. Leitsymptome bei Erkrankungen des Anorektums sind: Schmerz (s. S. 24) Blutung (s. S. 76) perianaler Juckreiz Veränderungen der Stuhlform und Inkontinenz (s. S. 131).
3.2.5 Symptome bei Erkrankungen der Leber 14
Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan für den Kohlenhydrat-, Proteinund Fettstoffwechsel. Sie gewährleistet die Glukosehomöostase, sie ist Syntheseort von Serum-Proteinen, insbesondere von Albumin und Gerinnungsfaktoren sowie zentrales Organ für den Ab- und Aufbau von Fettsäuren, Triglyceriden und Lipoproteinen. Weitere Aufgaben der Leber sind die Konjugation und Ausscheidung von Bilirubin (s. S. 164) und die Bildung der Gallensäuren. In ihr werden Hormone inaktiviert und ausgeschieden, außerdem werden endogene Gifte und Fremdstoffe eliminiert („ausgeschieden“).
Im Vordergrund stehen bei Lebererkrankungen Beschwerden, die durch den Ausfall der Leberfunktionen (Abb. 3.4) entstehen: Störungen des Bilirubinstoffwechsels mit Ikterus (s. S. 164) Störungen der Perfusion mit varikösen Umgehungskreisläufen (s. Abb. S. 78) Störungen der Proteinsynthese mit Ödemen, Kachexie (s. S. 173) und Gerinnungsstörungen Störungen der Entgiftungsfunktion mit zentralnervösen Beschwerden und hormonellen Störungen (s. S. 177). Daneben besteht häufig eine Reduzierung des Allgemeinbefindens mit Krankheitsgefühl und Leistungsminderung. Im Hintergrund stehen bei Lebererkrankungen direkte, krankheitsbedingte Beschwerden: Bei akuten Lebererkrankungen, die zu einer Größenzunahme führen (Virushepatitis, s. S. 170) kann eine Kapselspannung auftreten mit Druckgefühl und Schmerzen im Oberbauch.
3.2.6 Symptome bei Erkrankungen der Gallenblase In der Gallenblase wird die von der Leber gebildete Gallenflüssigkeit (600–700 ml täglich) gespeichert und auf 1/10 des Volumens eingedickt. Während der Verdauung und Passage des Speisebreis im Duodenum kommt es unter dem hormonellen Einfluss des Cholecystokinins zu einer Kontraktion der Gallenblase und Entleerung der Gallenflüssigkeit über den Gallengang und die Papilla duodeni major in das Duodenum. Bei Erkrankungen der Gallenblase und der extrahepatischen Gallenwege stehen zwei Symptome ganz im Vordergrund: Der Schmerz (s. S. 30) und der Ikterus (s. S. 163).
3.2.7 Symptome bei Erkrankungen des Pankreas Abb. 3.4 Gynäkomastie und Bauchglatze als Folge einer Leberzirrhose bei einem männlichen Patienten
Das Pankreas sezerniert als exokrine Drüse Flüssigkeit, Bikarbonat und Verdauungsenzyme für die Kohlenhydrat-, Eiweißund Fettverdauung. Wie die Gallenblase
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Grundlagen gibt es das Sekret unter dem hormonellen Einfluss des Cholecystokinins während der Speisebreipassage im Duodenum verstärkt ab. Die Leitsymptome von Pankreaserkrankungen sind der Schmerz (s. S. 24) und die Diarrhö (s. S. 45). Akute Pankreaserkrankungen können fulminant verlaufen mit einer dann das Beschwerdebild dominierenden Schocksymptomatik. Die Verdauungsinsuffizienz bei Ausfall oder gravierender Stö-
rung der Pankreasfunktion führt unbehandelt über kurz oder lang immer zu Gewichtsverlust (s. S. 193). Im Spätstadium kommen zusätzlich die Beschwerden von Seiten der endokrinen Funktionsstörung hinzu (Diabetes mellitus). Tab. 3.2 gibt eine Übersicht über die Organsysteme und Beschwerden, nach denen ein Patient mit einer Symptomatik oder Erkrankung im Bereich des Verdauungssystems gezielt gefragt werden sollte.
Tabelle 3.2 Symptome bei Erkrankungen des Verdauungstraktes System
Beschwerden
allgemein
Gewicht Gewichtsverlust (s. S. 193) Fieber
Mundhöhle
Mundtrockenheit (s. S. 98) Schluckstörungen (s. S. 98) Schmerzen (s. S. 24) lockere Zähne
Ösophagus
Dysphagie (s. S. 98) Odynophagie (s. S. 98) Sodbrennen (s. S. 88) Schmerzen (s. S. 24) Aufstoßen
Magen, Duodenum
Übelkeit (s. S. 64) Erbrechen (s. S. 64) Schmerzen (s. S. 24)
Dünndarm
Durchfall (s. S. 45) Gewichtsverlust (s. S. 193)
Dickdarm
Schmerzen (s. S. 24) Blutabgang (s. S. 125) Schleimabgang Diarrhö (s. S. 45)
Anus
Defäkationsschmerz (s. S. 120) Juckreiz (s. S. 125) Blutung (s. S. 125) Kontinenz (s. S. 131)
Leber
Ikterus (s. S. 163) Druckgefühl rechter Oberbauch (s. S. 37)
Gallenblase
Schmerzen (s. S. 30) Ikterus (s. S. 163)
Pankreas
Durchfall (s. S. 45) Schmerz (s. S. 24) Gewichtsverlust (s. S. 193)
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Grundlagen 4.2 Untersuchung der Mundhöhle
4 Die körperliche Untersuchung des Gastrointestinaltrakts Die körperliche Untersuchung des Verdauungstraktes besteht aus Inspektion, Auskultation, Perkussion und Palpation. Sie erstreckt sich von Mund bis Anus.
Das Ziel der Untersuchung der Mundhöhle ist die Beurteilung von Oberfläche, Konsistenz und Schmerzempfindlichkeit von perioraler Zone, Mundvorhof, Mundboden, Zungenunterfläche, Zunge, Tonsillen, Gaumen und Rachenhinterwand. Die Mundschleimhaut wird im Hinblick auf Aphthen und Beläge (Soor, Abb. 4.1) untersucht. Häufiges unspezifisches Zeichen bei Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes ist die belegte Zunge. Immer wird auch der Zahnstatus registriert. Die Palpation der Speicheldrüsen erfolgt bei Schmerzen in diesem Bereich.
16
4.1 Allgemeiner Eindruck Das weitaus häufigste Symptom, das bei Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes auftritt, ist der Schmerz. Dieser dominiert auch den ersten Eindruck: Bestehen Ruheschmerzen, Schmerzen beim Gehen, beim Entkleiden? Nimmt der Patient eine Schonhaltung ein: hat er die Beine angezogen, seinen Körper nach vorne gebeugt? Wie ist der Gesichtsausdruck? Besteht eine Schonatmung? Weiterhin werden folgende Punkte beurteilt: Wie ist der Bewusstseinszustand des Patienten? Besteht ein reduzierter Allgemeinzustand? Wie ist der Ernährungszustand? Besteht eine Exsikkose (s. S. 71)? Bestehen Zeichen einer Lebererkrankung: Ikterus (s. Abb. S. 163), Spidernävi, Palmarerythem (s. Abb. S. 157), Petechien, Gynäkomastie (s. Abb. S. 14), periphere Ödeme (s. Abb. S. 156), Bauchglatze (s. Abb. S. 178)?
Abb. 4.1 Mundsoor: Candiadainfektion mit weißlichen, abstreifbaren Belägen
4.3 Untersuchung des Abdomens Inspektion Das Abdomen wird unter mehreren Gesichtspunkten inspiziert (Tab. 4.1): Ist der Bauch gebläht, gespannt oder eingesunken? Ist die Peristaltik erkennbar? Hat der Patient Narben als Zeichen vorausgegangener Operationen oder Verletzungen? Gibt es Anzeichen einer Lebererkrankung mit portaler Hypertension bzw. verminderter Syntheseleistung, wie periumbilikale Varizen (Caput medusae, s. Abb. S. 83) bzw. eine verminderte Schambehaarung?
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Grundlagen Tabelle 4.1 Pathologische Befunde und mögliche Ursachen bei der Inspektion des Abdomens Befunde
denken an
veränderte Form: n
asymmetrische Form bzw. Vorwölbungen des Abdomens
n
n
n n n
vermehrte Gasansammlung im Darm (Meteorismus), Adipositas, Schwangerschaft, gefüllte Harnblase Raumforderungen, Tumoren, Konglomerattumoren (z. B. entzündlich verklebte Darmschlingen bei Morbus Crohn; v. a. im rechten Unterbauch) Entzündungen, Lebervergrößerung, Aszites Hernien, Zysten, Aortenaneurysma Rektusdiastase: Beim Anspannen der geraden Bauchmuskulatur – z. B. beim Aufrichten – weichen die beiden Anteile des Musculus rectus abdominis auseinander und Darm oder Mesenterium wölbt sich evtl. zwischen ihnen vor; Vorkommen v. a. bei älteren Menschen oder Multipara (= Mehrgebärenden)
Hautveränderungen: n
breite, streifige Hautveränderungen (= Striae distensae)
17 n n n n
Schwangerschaft Aszites Morbus Cushing Kortikosteroidtherapie
Verfärbungen: n
n
n
bläuliche Verfärbungen der Flanken (= GreyTurner-Zeichen) oder der Periumbilikalregion (= Cullen-Zeichen) rekanalisierte, bläulich-livide gefärbte Umbilikalvene (= Caput medusae) Hämatome der Bauchwand
n
n
n n n n
Pankreatitis (die Verfärbung wird verursacht durch blutige Aszitesflüssigkeit, prognostisch ungünstiges Zeichen)
Leberzirrhose (s. S. 83), bei ca. 1 % der Patienten
Gerinnungsstörungen posttraumatisch postoperativ bei Zustand nach subkutanen Injektionen
Auskultation Anschließend erfolgt die Auskultation der Darmgeräusche in den vier Quadranten : Sind sie normal, spärlich, klingend, plätschernd, spritzend? Fehlen sie?
Klingende, spritzende Darmgeräusche hört man bei mechanischer Obstruktion, infolge von Briden oder Tumoren. Fehlende Darmgeräusche sprechen für einen Ileus oder einen Subileus. Ein Gespür für die Qualität der Darmgeräusche erwirbt man sich nur durch Übung. Als nor-
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Grundlagen Tabelle 4.1 Fortsetzung Befunde
denken an
Narben verursacht durch Traumata oder vorangegangene Operationen; reizfrei? Die Lokalisation kann Hinweise geben auf das operierte Organ: n
n
Rippenbogenrandschnitt Schnitt im rechten Unterbauch
n
nach Cholezystektomie
n
nach Appendektomie
Änderung in der Behaarung:
18
n
n
Virilisierung (= Vermännlichung von Frauen mit vermehrter Behaarung) Bauchglatze (= verminderte Behaarung im Bauchbereich)
n
endokrine Erkrankungen
n
Leberzirrhose
sonstige Veränderungen: n
n
vorgewölbter Nabel oder Nabelhernie Pulsationen im Mittelbauch
n
n
n
erhöhter intraabdominaler Druck (z. B. bei lange bestehendem Aszites, s. S. 178) bei schlanken Patienten meistens durch die Aorta bedingt und nicht pathologisch können jedoch auch auf ein Aortenaneurysma hinweisen
MERKE
male Anzahl von Darmgeräuschen gelten 5–10/min.
Klingende, spritzende Dramgeräusche: Anfangsphase eines mechanischen Ileus (Briden, Tumore). Fehlende Darmgeräusche: paralytischer Ileus oder Subileus.
Über den Gefäßen können Pulsationen oder Strömungsgeräusche auskultierbar sein.
Palpation Wenn der Patient Schmerzen hat, fordert man ihn vor dem Beginn der Palpation auf, den Hauptschmerzpunkt zu zeigen. Dann wird zuerst vom Hauptschmerzpunkt entfernt palpiert. Die Palpation erfolgt orientierend, oberflächlich, vorsichtig. Dann arbeitet man sich in Richtung des Hauptschmerzpunktes vor. Auch dort wird zunächst oberflächlich und vorsichtig palpiert. Bei tiefer werdender Palpation wird auf eine lokalisierte Abwehrspan-
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Grundlagen
Pathologische Befunde bei der Palpation sind: Druckschmerz Resistenzen Abwehrspannung und Loslassschmerz.
Druckschmerz ist der führende Befund bei fast allen schmerzhaften Prozessen im Bereich des Abdomens. Resistenzen können bei vergrößerten Organen oder Tumoren palpiert werden. Stark schmerzhafte Prozesse führen schon bei leichter, federnder Palpation zu einer Abwehrspannung. In diesen Fällen kann man die flache Hand auflegen und, wie bei der Perkussion des Thorax, allerdings kräftiger, mit drei oder vier Fingern der anderen Hand darauf klopfen. Eine peritoneale Reizung führt dann zu einer Schmerzreaktion. Auch der Loslassschmerz, die abrupte Entlastung nach tiefer Palpation, ist typisch für die peritoneale Reizung. Dieser Erschütterungsschmerz kann auch ausgelöst werden durch Griff mit beiden Händen an die Beckenknochen und abruptes Schütteln des Abdomens. Kinder kann man auch bitten, einen kleinen Standsprung auszuführen. Wenn dies ohne starke Schmerzreaktion gelingt, ist eine akute Appendizitis eher unwahrscheinlich. Mit gewissen Einschränkungen lassen sich die Abschnitte des Gastrointestinaltraktes
Abb. 4.2 Histologisches Präparat der Gallenblasenwand (HE, 25fach)
gezielt palpieren : Der Magen im Epigastrium, die Appendix im rechten Unterbauch und das Sigma, als mobile komprimierbare Struktur, im linken Unterbauch (s. Abb. S. 29). Die Leber und die Gallenblase sind, in Grenzen, einer gezielten Palpation zugänglich. Die Bauchspeicheldrüse nicht. Die Leber wird entlang des rechten Rippenbogens ertastet. Der Unterrand wird von unten nach oben palpierend bestimmt. Beurteilt werden die Lebergröße, die Konsistenz und die Schmerzhaftigkeit bei Palpation. Eine schmerzhafte Lebervergrößerung sieht man bei rascher Größenzunahme der Leber, insbesondere im Rahmen einer Hepatitis oder bei einer rechtsventrikulären Stauung. Die Gallenblase wird am Leberunterrand im Bereich der Medioklavikularlinie (MCL) aufgesucht. Die gesunde Gallenblase (Abb. 4.2) ist schmerzfrei und nicht palpabel. Die Cholezystitis führt zu einer gut lokalisierten Schmerzhaftigkeit bei Palpation. Eine große, prall gefüllte Gallenblase sieht man bei peripherem Gallengangverschluss durch einen Tumor (Pankreaskopf, Papille, s. Abb. S. 178). Das Pankreas liegt retroperitoneal wurstoder hantelförmig vor der Wirbelsäule und den großen Gefäßen. Die Schmerzen bei der akuten Pankreatitis sind oft gürtelförmig, die Palpation des Oberbauches ist ubiquitär schmerzhaft. Als charakteristisch gilt der „Gummibauch“, der diffuse federnde Widerstand bei Palpation. Bei schweren Verläufen kann das Bild einer Peritonitis mit diffuser Abwehrspannung dominieren. Zur Untersuchung des Abdomens gehört auch die Untersuchung der inguinalen Bruchpforten rechts und links am Leistenband (Tab. 4.2).
Bei allen palpierten Resistenzen im Abdomen muss auf Lokalisation, Konsistenz, Größe, Oberflächenstruktur, eventuelle Pulsationen, Schmerzhaftigkeit und Verschieblichkeit durch Atembewegungen oder lokalen Druck geachtet werden.
19
MERKE
nung sowie auf zusätzliche Schmerzreaktionen geachtet: Gesichtsausdruck, Abwehrbewegungen mit der Hand, Anziehen der Beine.
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Grundlagen Die Perkussion, besonders wenn der Bauch gebläht oder gespannt ist, kann vor, bei oder nach der Palpation erfolgen. Sie dient der Feststellung der Lebergröße, des Luftgehalts der Darmschlingen („Tympanie“), eines Aszites (s. S. 151) und der Beurteilung unklarer Palpationsbefunde. Ein hypersonorer Klopfschall entsteht beim Meteorismus (s. S. 189), die Flankendämpfung (s. Abb. S. 157) ist fast pathognomonisch für den Aszites. In diesem Falle lässt sich in Bauchmitte meist die Luft in den schwimmenden Darmschlingen pekutieren.
20
4.4 Rektale Untersuchung Die rektale Untersuchung des Patienten erfolgt in Seitenlage. Das praktische Vorgehen besteht aus folgenden Schritten: Inspektion der Analregion: Inspektorisch lassen sich Marisken (s. Abb. S. 126) erkennen und Ekzeme (s. Abb. S. 124). Vorsichtiges Spreizen der Pobacken: Es werden Marisken (hypertrophe Hautfalten), Rötungen und Nässen bei Analekzem, Kondylomen (Abb. 4.3), Hämorrhoiden (s. Abb. S. 125), Fissuren (s. Abb. S. 123), Fisteln, Rektum- oder Analprolaps und Perianalthrombosen (s. Abb. S. 126) erkennbar.
Evtl. Prüfung des Analreflexes : Es wird beobachtet, ob sich der M. sphincter ani externus bei Berührung kontrahiert. Spreizen des Anus und Pressenlassen: So wird das mögliche Prolabieren eventuell vorliegender Hämorrhoiden oder ein Analprolaps provoziert. Zur digitalen Austastung den Zeigefinger bei 6 Uhr in Steinschnittlage (s. Abb. S. 127) bei leichtem Gegendruck des Patienten vorsichtig in den Anus einführen und bis in das Rektum vorschieben (Gleitmittel benutzen!). Dabei auf Sphinktertonus in Ruhe und bei Anspannung achten. Das Rektum unter Drehung links und rechts herum vollständig palpieren. Dies erfolgt im Hinblick auf Resistenzen, Tumore, Hämorrhoiden und lokalisierte Schmerzen, wie sie etwa bei Fissuren auftreten. Die Lokalisationsangabe analer und rektaler Prozesse erfolgt entsprechend der Steinschnittlage (s. S. 127). Beim Mann wird auch die Prostata mit untersucht, bei der Frau auch die Zervix und der retrovertierte Uterus. Nach dem Abschluss der rektalen Untersuchung sollte auf Blut, Eiter oder Teerstuhl am Fingerling geachtet werden. Mit dem Stuhl am Handschuh kann ein Hämocculttest durchgeführt werden.
Bei der digitalen Austastung des Analkanals und des distalen Rektums werden beurteilt: Sphinktertonus in Ruhe Sphinktertonus bei Anspannung Schmerzhaftigkeit Verengung und Raumforderung.
MERKE
Perkussion
4.5 Weitere Untersuchungen
Abb. 4.3 Condylomata acuminata in der Perianalregion
Schließlich kann zur erweiterten körperlichen Untersuchung auch die Inspektion von Stuhl und Erbrochenem gehören, insbesondere im Hinblick auf Blut.
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Grundlagen Tabelle 4.2 Untersuchung bei Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts Untersuchungstechnik Inspektion
achten auf
n n n n n n n
Auskultation
n n
Perkussion
n n
Palpation
n n n n n n
n n
rektale Untersuchung
n n
Allgemeinzustand Ernährungszustand Schonhaltung Ikterus Leberhautzeichen Mundhöhle: Zunge, Schleimhäute, Zahnstatus Abdomen: Form (gebläht, eingesunken, gespannt), erkennbare Peristaltik, Varizen, Bauchglatze Darmgeräusche in allen vier Quadranten Strömungsgeräusche (Nierenarterien, viszerale Arterien) Luft Aszites orientierend alle vier Quadranten Schmerzen: lokalisiert/diffus Loslassschmerz Abwehrspannung Resistenzen gezielte Palpation von: Leber, Gallenblase, Appendix, Magen, Sigma Organgrenzen Bruchpforten
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Inspektion: Marisken, Ekzem, Fissur, prolabierte Hämorrhoiden Palpation: Sphinktertonus, Tumor, Hämorrhoiden, Schmerzen
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Leitsymptome
B
1 Bauchschmerzen
24
2 Durchfall
45
3 Erbrechen
64
4 Obere gastrointestinale Blutung
76
5 Sodbrennen
88
6 Dysphagie
98
7 Obstipation
111
8 Beschwerden am Darmausgang, Schmerzen bei der Defäkation
120
9 Stuhlinkontinenz
131
10 Übergewicht, Adipositas
139
11 Aszites
151
12 Ikterus
163
13 Meteorismus
184
14 Ungewollter Gewichtsverlust
193
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Leitsymptome von Gallenblase, Pankreas oder Darm. Auch der Myokardinfarkt muss berücksichtigt werden. Insbesondere bei jüngeren Menschen sollte auch an funktionelle Beschwerden gedacht Weiter auf S. 28. werden.
1 Bauchschmerzen 1.1 Begriffe
24
Bauchschmerzen: Schmerzen, die in der Region zwischen Rippenbogen und Leistenband gespürt werden. Flankenschmerzen: Schmerzen, die in der Region des seitlichen Rumpfes zwischen Rippenbogen und Darmbeinkamm (Regio lateralis) gespürt werden. Akutes Abdomen: Schmerzsymptomatik im Bereich des Abdomens, die eine sofortige Diagnostik und Therapie erforderlich macht. Das akute Abdomen ist Ausdruck einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
1.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht der Patientin Die 52-jährige Hanna P. klagt über Bauchschmerzen, die seit mehreren Stunden bestehen. Die Schmerzen sind im Oberbauch lokalisiert und strahlen nach rechts und links aus. Sie sind ziemlich heftig und haben in den letzten Stunden zugenommen, weshalb die Patientin zu Ihnen in die Praxis kommt. Es besteht auch etwas Übelkeit, einmal musste sich Frau P. erbrechen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Das Spektrum möglicher Ursachen bei Oberbauchschmerzen ist sehr groß: Magenerkrankungen, Erkrankungen
Der Bauchschmerz ist das bei weitem häufigste Symptom, mit dem Patienten bei Beschwerden und Erkrankungen des Verdauungstraktes zum Arzt kommen. Die Liste möglicher Ursachen ist sehr lang, neben den Organen des Abdomens können auch die Organe des Thorax sowie Stoffwechselstörungen und seelische Einflüsse Auslöser sein. Auch das Spektrum des klinischen Gesamtbildes ist sehr vielfältig, es reicht vom milden, chronisch rezidivierenden oder sporadisch auftretenden Schmerz bei funktionellen Darmbeschwerden bis zum Bild des akuten Abdomens im Rahmen schwerer Krankheitsbilder (Perforation, Peritonitis, Ileus mit Schocksymptomatik).
1.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Die Vergegenwärtigung der anatomischen und physiologischen Grundlagen des Schmerzes erleichtert den Zugang zum Problem des Patienten. Schmerzen entstehen durch die Reizung von Schmerzrezeptoren. Auslösende Noxen können mechanischer, thermischer und chemischer Natur sein. Afferente Schmerzfasern ziehen dann über die Hinterwurzeln zu den Neuronen des Tractus spinothalamicus lateralis. Nach der Kreuzung zur kontralateralen Seite ziehen diese zum ZNS. Man unterscheidet den somatischen Schmerz (Oberflächenschmerz und Tiefenschmerz) vom viszeralen Schmerz.
1.3.1 Somatischer Schmerz Der somatische Schmerz entsteht an der Körperoberfläche, der Haut (Oberflächenschmerz) oder in der Tiefe, in Muskeln,
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1 Bauchschmerzen Bindegewebe, Gelenken, Knochen und im Peritoneum parietale (Tiefenschmerz). Dies ist beim Bauchschmerz von Bedeutung. Der somatische Schmerz hat einen scharfen Schmerzcharakter und ist gut lokalisiert.
Kortex
Hinterwurzel Thalamus
1.3.2 Viszeraler Schmerz Der viszerale Schmerz entsteht durch Dehnung und Entzündung im Bereich der viszeralen Hülle der Eingeweide und durch starke Kontraktionen der glatten Muskulatur. Er tritt beispielsweise als Dehnungsund Kapselschmerz von Leber und Milz sowie bei Entzündungen des Magendarmtrakts, der Gallenblase oder der Gallenwege auf. Der viszerale Schmerz ist charakteristischerweise eher dumpf.
afferenter Nerv aus der Haut
Tractus spinothalamicus lateralis viszeroafferenter Nerv
Abb. 1.1 Übertragener Schmerz: Konvergenz von Schmerzafferenzen aus inneren Organen und Haut auf dasselbe Neuron des Tractus spinothalamicus lateralis
25
1.3.3 Phänomene der Schmerzempfindung Bei der Interpretation abdominaler Schmerzen und Krankheitsbilder ist die Kenntnis zweier besonderer Phänomene der Schmerzempfindung notwendig, des übertragenen Schmerzes und der Projektion von Schmerz.
Zwerchfell Gallenblase Herz Speiseröhre Magen Leber Dünndarm Dickdarm
Übertragener Schmerz Beim übertragenen Schmerz wird ein Eingeweideschmerz, der in der Tiefe entsteht, auch oder nur an einer oberflächlichen, entfernten Struktur gespürt. Ursache ist die teilweise Konvergenz von Schmerzafferenzen aus inneren Organen und Haut auf dasselbe Neuron des Tractus spinothalamicus lateralis (Abb. 1.1). Die Hautareale, in denen der Schmerz empfunden wird, liegen in dem Dermatom des Rückenmarksegments, zu dem die viszeralen Afferenzen konvergieren. Die Areale werden als Head-Zonen (Abb. 1.2) bezeichnet. So kann es zu thorakalen Schmerzen bei Erkrankungen abdominaler Organe kommen, z. B. Schmerzen im Bereich des rechten Schulterblattes bei einer Gallenkolik. Es kann auch zu abdominalen Schmerzen bei extraabdominalen Erkrankungen kommen, wie bei den epi-
Harnblase Niere und Hoden
Abb. 1.2 Head Zonen
gastrischen Schmerzen beim Myokardinfarkt.
Projizierter Schmerz Auch beim projizierten Schmerz ist der Ort der Schmerzentstehung nicht identisch mit dem Ort der Schmerzempfindung. Projizierter Schmerz tritt bei der Reizung eines sensiblen Nervs in seinem Verlauf
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Leitsymptome
Reiz z.B. Tumorinfiltration
Schmerzformen: somatischer Oberflächenschmerz somatischer Tiefenschmerz viszeraler Schmerz übertragener Schmerz projizierter Schmerz
Thalamus Tractus spinothalamicus lateralis nozizeptiver Nerv
MERKE
deren Ursache im Abdomen selbst liegen, machen.
Kortex
1.4 Ursachen von Bauchschmerzen
26
Abb. 1.3 Projizierter Schmerz: Reizung eines sensiblen Nervs in seinem Verlauf
auf. Die Empfindung, die durch die Reizung der nozizeptiven Fasern entsteht, wird in das Versorgungsgebiet des gereizten Spinalnervs projiziert (Abb. 1.3). Dieses Phänomen kann Schwierigkeiten bei der Abgrenzung vertebragener abdominaler Schmerzen von Schmerzen,
Schmerzen entstehen durch Gewebeschädigung. Die Noxe kann physikalischer, thermischer oder, im weitesten Sinne, chemischer Natur sein. Ursachen (Beispiele jeweils in Klammern) sind, allgemein formuliert: Entzündungen (Ulcus ventriculi) Distensionen (Meteorismus, Briden) Tumor (Nerveninfiltration durch Tumor) Ischämie (Mesenterialinfarkt) Spasmus (Gallenkolik)
Wirbelsäule Haut (z.B. Herpes zoster) Herz Leber Milz Magen Pankreas Gallenblase Duodenum Niere ableitende Harnwege Dünndarm Dickdarm Peritoneum Bauchdecke (Hernie) Adnexe, Uterus Prostata
Abb. 1.4 Bauchschmerz: ursächlich betroffene Organe
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1 Bauchschmerzen Tabelle 1.1 Ursachen von Bauchschmerzen nach Häufigkeiten Vorkommen
Erkrankung
häufig
funktionell
Appendizitis
Gastritis
Adnexitis
Gallensteine
Ulcus ventriculi
Gallenkolik
Ulcus duodeni
Cholezystitis
Meteorismus
Gastroenteritis
Kolondivertikulitis
Pankreatitis
mechanischer Ileus
Hepatitis
paralytischer Ileus
Pyelonephritis
Myokardinfarkt
Prostatatis
arterielle Verschlusskrankheit der viszeralen Gefäße
Nierenstein
stielgedrehte Ovarialzyste
Magenkarzinom
Morbus Crohn
Kolonkarzinom
Colitis ulcerosa
Porphyrie
Pankreaskarzinom
Diabetes mellitus
Aortenaneurysma
weniger häufig
selten
metabolische Prozesse (Diabetes mellitus, Porphyrie) und psychische Faktoren (Reizdarmsyndrom). Die betroffenen Organe sind bei Bauchschmerz die Organe des Abdomens sowie u. U. das Herz oder die Wirbelsäule (Abb. 1.4). In Tab. 1.1 sind die Ursachen von Bauchschmerzen nach ihrer Häufigkeit geordnet.
1.5 Problemlösung Um das vielgestaltige Beschwerdebild Bauchschmerzen zu strukturieren, ist es aus klinischer Sicht sinnvoll, zwischen akuten und chronischen Bauchschmerzen zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist dabei etwas willkürlich.
27
Seit zwei Wochen bestehende leichte Bauchschmerzen werden nicht unbedingt als akut bezeichnet, chronisch sind sie auch noch nicht. Bauchschmerzen, die seit zwei Stunden bestehen, sind sicherlich als akut einzuordnen. Berichtet der Patient jedoch, so etwas habe er alle zwei Wochen seit Jahren, werden die Beschwerden unter chronisch, und zwar chronisch-rezidivierend, eingeordnet. Die wichtigsten Bestandteile im Gesamtspektrum der Untersuchungsmöglichkeiten sind die Anamneseerhebung bei chronischen Schmerzen und die Palpation des Abdomens bei akuten Schmerzen. Das prinzipielle Vorgehen ist aber bei akuten und chronischen Schmerzen identisch, ebenso wie bei leichten oder starken Schmerzen.
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Leitsymptome Die Schwere und Dynamik des Krankheitsbildes bestimmen die Ausführlichkeit von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung. So ist beim typischen Reizdarmpatienten eine zeitaufwendige Anamneseerhebung inklusive derjenigen seiner persönlichen Situation notwendig. Bei Patienten mit beginnendem oder manifestem Schock im Rahmen einer Ulkusblutung mit Hämatemesis, Schmerzen und Abwehrspannung steht die zirkulatorische Stabilisierung im Vordergrund mit Einleitung der therapeutischen Maßnahmen: Endoskopische Blutstillung oder Operation.
28
1.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Hanna P. berichtet, dass die Schmerzen akut begonnen haben. Gestern hatte noch völliges Wohlbefinden bestanden. Ähnliche Beschwerden waren vorher noch nie aufgetreten. Einen Auslöser kann die Patientin nicht benennen. Der Appetit war bis zu dem Ereignis gut, der Stuhlgang regelmäßig, das Gewicht konstant. Jetzt besteht neben der Übelkeit eine Inappetenz. Stuhlgang hatte die Patientin heute noch nicht. Vorerkrankungen: Vor zwei Jahren Hysterektomie wegen Uterusmyomen. Es besteht ein Diabetes mellitus, der jedoch diätetisch relativ gut eingestellt ist. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme, außer bei Bedarf Diclofenac wegen arthrotischer Beschwerden in den Knien. Kein Alkohol, kein Nikotin. Bei gezielter Nachfrage berichtet Frau P. von Gallensteinen, die aber keine Beschwerden machen. Sie wurden anlässlich einer Ultraschalluntersuchung festgestellt.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Weiterhin ist das Spektrum möglicher Differenzialdiagnosen sehr groß. Allerdings sollten drei Angaben der Patientin berücksichtigt werden: Die Unterleibsoperation, die Diclofenaceinnahme und die Gallensteine. Durch die Unterleibsoperation können Verwachsungen entstanden sein. Allerdings würde man in diesem Fall Beschwerden eher unterhalb des Bauchnabels vermuten. Die Diclofenac-Einnahme kann Ursache unspezifischer Oberbauchbeschwerden sein, ebenso aber auch von Gastritiden und Ulzerationen. Gallensteine können zu Entzündungen der Gallenblase und der Gallenwege führen und zur Verlegung der Gallenwege mit Gallenkoliken sowie der Papilla duodeni major (Papilla Vateri). Sie können dann auch Ursache einer Bauchspeicheldrüsenentzündung werden. Weiter auf S. 35. Die strukturierte Anamneseerhebung bei Bauchschmerzen muss folgende Fragen berücksichtigen: die Lokalisation des Schmerzes der zeitliche Verlauf der Schmerzcharakter Schmerzauslöser, Schmerzlinderung bestehende Begleitphänomene Risikofaktoren, Vorerkrankungen, bisherige Diagnosen und bisher durchgeführte Diagnostik.
Lokalisation Die wichtigste und erste Frage bei Abdominalschmerzen ist die nach der Lokalisation. Und zwar unter drei Aspekten: Wo spüren Sie den Schmerz jetzt (Abb. 1.5)? Da die Anamneseerhebung erfolgt, wenn der Patient noch bekleidet ist, fällt die Antwort manchmal unbefriedigend aus. Sie kann lauten: „Hier“ und dabei zeigt der Betreffende vage auf sein Hemd, irgendwo im Bereich des Oberbauchs. Oder die Lokalisa-
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1 Bauchschmerzen
Oberbauch
Mittelbauch
Unterbauch
Pleura Leber Gallenblase rechte Flexur Niere Kolon Ureter Zökum Appendix Ovar Ureter
Ösophagus Magen Duodenum Pankreas Aorta Dünndarm
Dünndarm Blase Prostata Rektum
Milz linke Flexur
Niere Kolon Ureter
29
Sigma Ovar Ureter
Abb. 1.5 Projektion der abdominalen Organe auf die Bauchoberfläche
tion erfolgt präzise, aber falsch: „Im Magen“ (der im Unterbauch vermutet, oder als Synonym für das gesamte Abdomen verwendet wird). Oder „in der Gallenblase“, die linksseitig liegen soll. Die Frage nach der Lokalisation muss darum stets bei der körperlichen Untersuchung wiederholt werden.
LERNTIPP
Wo hat der Schmerz begonnen?
Bei der Frage nach der Lokalisation muss auch berücksichtigt werden, dass das Punctum maximum sich im Verlauf eines Krankheitsgeschehens verlagern kann.
Der Schmerz bei der Appendizitis beginnt typischerweise im Mittelbauch, periumbi-
likal, als dumpfer, viszeraler Schmerz. Er verlagert sich in dem Maße, in dem die Entzündung das Peritoneum parietale erreicht, zum rechten Unterbauch, um hier dann als stechender, gut lokalisierbarer somatischer Tiefenschmerz zu imponieren (Abb. 1.6). Ein Nierenstein, der das Hohlsystem entlang wandert, führt zu einer Schmerzsymptomatik zunächst in der Flanke, dann im Unterbauch, später in der Leiste und im Genital. Wohin strahlt der Schmerz aus? Eine Schmerzausstrahlung (Abb. 1.7) in den Rücken oder die rechte Schulter ist typisch für die Gallenkolik (vgl. Abb. 1.2), wird aber auch bei Erkrankungen des Magens, des Duodenums und des Pankreas gesehen. Der typische Schmerz bei der
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Leitsymptome Wie lange dauern die akuten Schmerzen schon an? Hatten Sie solche Schmerzen schon einmal? Wie häufig treten die Beschwerden auf? Wie lange dauern die Beschwerden, wenn sie auftreten? Wie ist der zeitliche Verlauf der Schmerzwahrnehmung? Wie lange dauern die akuten Schmerzen schon an?
2 1
30
Abb. 1.6 Schmerzwanderung bei Appendizitis. Ein initialer Oberbauchschmerz wandert in den rechten Unterbauch. Lanz (1)- und McBurney (2)-Druckpunkte
Magen
Niere
Gallenblase
Harnleiter
Kurzzeitig bestehende Schmerzen können das gesamte Spektrum von Ursachen abdominaler Beschwerden umfassen, von funktionellen Beschwerden, über Briden (bindegewebige Verwachsungen) und entzündliche Prozesse bis hin zu Tumorerkrankungen. Allerdings sollte insbesondere an entzündliche Prozesse und Distensionen von Hohlorganen gedacht werden. Differenzialdiagnostisch kommen bei seit kurzem bestehenden abdominalen Schmerzen (Stunden bis Tage) vor allem die in Tab. 1.2 dargestellten Erkrankungen in Betracht: Hatten Sie solche Schmerzen schon einmal? Kurzzeitig bestehende Schmerzen, die sich in der Vergangenheit schon des öfteren wiederholt haben, sollten an funktionelle Störungen denken lassen. Symptomatische Gallensteine (Abb. 1.8) verursachen in variabler Frequenz im Abstand von Wochen oder Monaten Beschwerden, häufig abhängig von gut eruierbaren Auslösern (s. S. 33). Die Beschwerden halten Stunden bis Tage an.
Abb. 1.7 Schmerzausstrahlung
Pankreatitis wird oft als gürtelförmig beschrieben.
Zeitlicher Verlauf Der zweite Fragenkomplex betrifft den zeitlichen Verlauf der Schmerzwahrnehmung. Dabei sollten folgende Fragen gestellt werden:
Abb. 1.8 Gallensteine. Operationspräparat einer Gallenblase mit zahlreichen Gallensteinen
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1 Bauchschmerzen Tabelle 1.2 Ursachen kurzzeitig bestehender Bauchschmerzen Erkrankungen Ulcus ventriculi
Milzinfarkt
Gastroenteritis
Ulcus duodeni
Stauungsleber
Zystitis
Divertikulitis
Hepatitis
Adnexitis
Cholezystitis, Empyem, Steinverschluss
chronisch entzündliche Darmerkrankung
Ovarialzyste
mechanischer Ileus
inkarzerierte Hernie
Extrauteringravidität
akute Pankreatitis
Mesenterialinfarkt
Appendizitis
Nierenkolik
Aortenaneurysma
Wie häufig treten die Beschwerden auf? Bei wiederholt auftretenden Schmerzen sollte im Zweifelsfalle die Häufigkeit des Auftretens durch Nachfrage konkretisiert werden: Mehrfach pro Tag, mehrfach pro Woche, mehrfach pro Monat, sporadisch? Bei wiederholt auftretenden Schmerzen sollten folgende Differenzialdiagnosen bedacht werden: funktionell (Reizmagen, Reizdarm) Cholelithiasis chronische Pankreatitis Gastritis Ulcus ventriculi et duodeni Briden und Hernien.
Wie lange dauern die Beschwerden, wenn sie auftreten? Die Dauer der schmerzhaften Phasen sollte zeitlich eingegrenzt werden: Sekunden (stichartig), Minuten, Viertelstunden, Stunden, Tage.
Je kürzer die Dauer bei wiederholt auftretenden Schmerzen, desto wahrscheinlicher ist eine funktionelle Ursache.
31
MERKE
Beim inzwischen seltener gewordene Ulkusleiden liegen große Abstände zwischen den Schmerzattacken. Beim Ulcus duodeni kommt es zu einer typischen Häufung der Symptomatik in Frühjahr und Herbst. Die Beschwerden dauern zwischen Tagen und Wochen an, gefolgt von langen asymptomatischen Perioden. Die Bauchschmerzen bei Briden können völlig unberechenbar sein und sporadisch, selten oder häufig auftreten. Zu Beschwerden kommt es erstmals oft lange nach operativen Eingriffen. Häufig sind die Schmerzattacken kurz: Viertelstunden bis wenige Stunden.
Wie ist der zeitliche Verlauf der Schmerzwahrnehmung? Sind die Schmerzen gleich bleibend, kontinuierlich zunehmend oder kolikartig (kommen sie und gehen sie)? Die gleich bleibende Intensität ist typisch für funktionelle Beschwerden, kommt aber auch bei organischen Erkrankungen vor. Der gleich bleibende Schmerz ist vor allem typisch für: funktionelle Ursachen Ulcus duodeni et ventriculi Gastritis Zystitis Divertikulose chronisch entzündliche Darmerkrankungen Stauungsleber
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Leitsymptome Tabelle 1.3 Ursachen kontinuierlich zunehmender, akuter Schmerzen Erkrankungen Karzinom
Appendizitis
Aortenaneurysma
Ulcus ventriculi et duodeni
Divertikulitis
Adnexitis
Pankreatitis
chronisch entzündliche Darmerkrankung
stielgedrehte Ovarialzyste
Cholezystitis
Mesenterialinfarkt
Extrauteringravidität
Der kolikartige Schmerzcharakter ist typisch für die Distension eines Hohlorgans: Gallenkolik durch Gallenblasen- oder Gallenwegsstein, Wanderung eines Nierensteins (Abb. 1.9) entlang des Hohlsystems, mechanischer Ileus.
32
Schmerzcharakter
Hepatitis und Gastroenteritis.
Kontinuierlich zunehmende, akute Schmerzen müssen immer an entzündliche Prozesse denken lassen, bei längeren Zeiträumen an Karzinome. Eine ganze Reihe von Ursachen führt zu zunehmenden abdominalen Schmerzen, sie sind in Tab. 1.3 dargestellt. Der länger bestehende, kontinuierlich zunehmende Schmerz sollte an ein Karzinom denken lassen: Kolonkarzinom, Magenkarzinom, Pankreaskarzinom. Allerdings können auch funktionelle Beschwerden ein durchgehendes Schmerzbild verursachen. Ursachen von seit längerem bestehenden Schmerzen (Wochen bis Monate) sind: funktionell chronische Pankreatitis Karzinom (Magen, Darm, Pankreas) vertebragen chronisch entzündliche Darmerkrankung und Divertikulose.
Gut lokalisierbare, scharfe Schmerzen, insbesondere wenn sie wiederholt an der gleichen Stelle auftreten, haben meist ein organisches Korrelat.
LERNTIPP
Abb. 1.9 Nierenbeckenausgussstein rechts (o)
Der Schmerz wird häufig spontan vom Betroffenen charakterisiert. Im Zweifelsfalle sollte jedoch nachgefragt werden. Schmerzen werden als stechend, brennend, dumpf und ziehend beschrieben, sie können gut lokalisiert sein oder diffus. Oft werden die Angaben mimisch und gestisch begleitet. Nicht selten lässt die Schilderung gute Rückschlüsse auf die Ursache und das beteiligte Organ zu (Abb. 1.13). Der viszerale Eingeweideschmerz wird als dumpf, in der Tiefe beschrieben und mit der Handfläche lokalisiert: „Hier tut es weh“, dabei wird relativ großflächig über den Bauch gestrichen. Der diffuse, in seiner Lokalisierung wechselnde, ziehende oder dumpfe Schmerz ist oft funktionell. Demgegenüber wird der somatische Schmerz, wenn der entzündliche Prozess das Peritoneum parietale erreicht hat, gut lokalisiert und scharf beschrieben: „Hier, an dieser Stelle“, gezeigt mit dem Finger.
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1 Bauchschmerzen Der kolikartige Schmerz, der starke, scharfe Schmerzaufbau mit anschließendem Nachlassen und u. U. weitgehender Beschwerdefreiheit ist der typische Schmerz bei Distension eines Hohlorganes.
Schmerzauslöser, Schmerzlinderung Schließlich sollte immer nach Auslösern (Tab. 1.4) oder Linderungsversuchen gefragt werden. Besteht eine Verbindung zur Nahrungsaufnahme? Der Sofortschmerz nach Nahrungsaufnahme gilt als typisch für das Ulcus ventriculi, der Nüchternschmerz als typisch für das Ulcus duodeni. Funktionelle Beschwerden treten oft eine halbe Stunde oder später nach dem Essen auf. Die Gallenkolik bei Steinleiden tritt im Anschluss an opulente Mahlzeiten, Fettes oder Gebratenes auf. Beschwerden nach Süßem, Saurem, Kaffee oder Alkohol werden oft bei der Refluxkrankheit gesehen. Der akuten Pankreatitis geht oft ein opulentes Mahl mit Alkoholgenuss voraus. Stress ist
Tabelle 1.4 Auslöser und mögliche Ursachen von Bauchschmerzen Auslöser
Ursache
Nahrungsaufnahme
funktionelle Beschwerden, Ulcus ventriculi, Gastritis
Nüchternheit
Ulcus duodeni
fette, gebratene Speisen
Gallenkolik
blähende Speisen
Meteorismus
Milch
Laktoseintoleranz
Alkohol, Süßes, Saures, Koffein
Refluxerkrankung
Stress
funktionelle Beschwerden
der typische Auslöser funktioneller Beschwerden. Oft wird er spontan genannt, immer sollte danach gefragt werden. Schließlich wird gefragt: Welche Maßnahmen lindern die Beschwerden und welche medikamentösen Therapieversuche fanden bisher statt? In Tab. 1.4 sind die Auslöser und möglichen Ursachen von Bauchschmerzen dargestellt.
Begleitphänomene Immer sollte bei Bauchschmerzen nach Begleitphänomenen gefragt werden. Denken Sie dabei an die Folgenden: Inappetenz Übelkeit (s. S. 64) Erbrechen (s. S. 64) Durchfall (s. S. 45) Gewichtsverlust (s. S. 193) und Fieber.
33
Jeder starke Schmerz im Bauchraum kann, unabhängig von der Ursache, begleitet sein von Übelkeit (s. S. 64) und Erbrechen (s. S. 64). Typisch für Magenerkrankungen sind Inappetenz, Übelkeit, oft Erbrechen. Auch die Gallenkolik ist von Erbrechen begleitet. Begleitende Übelkeit und Durchfall (s. S. 45) sind typisch für die Gastroenteritis, unter Umständen bestehen auch subfebrile Temperaturen oder Fieber. Abdominale Schmerzen und Gewichtsverlust (s. S. 193) sprechen für eine gravierende
Abb. 1.10 Magenkarzinom (p): Aufnahme nach Kontrastmittelgabe
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Leitsymptome
Risikofaktoren, Vorerkrankungen, bisherige Diagnosen
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Risikofaktoren, die mit einem erhöhten Risiko für abdominale Schmerzen einhergehen, betreffen Lebensgewohnheiten, Ernährungsgewohnheiten, Medikamenteneinnahme, vorausgegangene Operationen und Krankheiten. Fragen Sie nach vorausgegangenen Erkrankungen von und Operationen an Ösophagus, Magen, Duodenum, Dünndarm, Dickdarm, Leber, Gallenblase, Pankreas und nach gynäkologischen Erkrankungen. Tab. 1.5 fasst Risikofaktoren und Erkrankungen zusammen, nach denen bei einem Patienten mit Bauchschmerzen immer gefragt werden muss.
Bisher durchgeführte Diagnostik Bei jedem Patienten mit Bauchschmerzen sollte explizit nach vorausgegangenen diagnostischen Maßnahmen gefragt werden: Laboruntersuchungen Sonographie Gastroskopie Koloskopie und gynäkologische Untersuchungen?
Es ist erstaunlich, wie oft relevante, unter Umständen vor kurzem durchgeführte Untersuchungen vom Patienten nicht spontan erwähnt werden.
LERNTIPP
Schmerzursache, besonders beim alten Menschen muss immer an ein Malignom (Abb. 1.10) gedacht werden. Einzelheiten sind in den entsprechenden Kapiteln ausführlicher behandelt.
Tabelle 1.5 Risikofaktoren und Vorerkrankungen, mögliche Schmerzursachen Risikofaktor
Ursache
Stress, beruflich, privat
funktionelle Beschwerden
Milchgenuss
Laktoseintoleranz
blähende Speisen, frisches Brot, Hülsenfrüche, Zwiebeln
Meteorismus
Alkoholabusus
Gastritis, Ulcus ventriculi, Pankreatitis, Fettleberhepatitis
Medikamente (v. a. Antirheumatika)
Gastritis, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni
Nikotin
Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni, Angina abdominalis
Tropenaufenthalte
Tropenkrankheiten (z. B. Malaria), Virushepatitis
Gravidität
graviditätsbedingte Erkrankungen (z. B. HELLP-Syndrom, s. S. 173)
Gallensteine
Gallenkolik, chologene Pankreatitis
Operationen
Briden, Rezidiv der Erkrankung, Ileus, Subileus
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1 Bauchschmerzen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Frau P. ist eine adipöse Patientin in reduziertem Allgemeinzustand, sie hat starke Schmerzen. Ihre Gesichtsfarbe ist rosig. Ein Ikterus liegt nicht vor. Es besteht kein Fieber. Im Bereich von Kopf, Hals und Thorax erheben Sie keine pathologischen Befunde. Das Abdomen erscheint etwas gebläht, die Darmgeräusche sind sehr spärlich. Bei der Perkussion und Palpation des Abdomens wehrt die Patientin zunächst mit den Händen ab. Der Bauch ist etwas elastisch gespannt und ubiquitär empfindlich. Der Hauptschmerz liegt oberhalb des Bauchnabels in Bauchmitte sowie rechts, etwas geringer auch links. Die Bauchdecken sind bei vorsichtiger Palpation relativ gut eindrückbar. Die rektale Untersuchung ist unauffällig. Der Blutdruck liegt bei 110/60 mmHg, die Herzfrequenz bei 105/min.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Weiterhin müssen mehrere Differenzialdiagnosen beachtet werden: Die spärlichen Darmgeräusche sprechen für einen deutlich entzündlichen Prozess oder eine drohende Perforation, ebenso die Abwehrbewegung der Patientin. Auf der anderen Seite besteht noch nicht der brettharte Bauch, wie er bei einer Perforation oder Peritonitis vorkommt. Die Lokalisation lässt an eine Erkrankung im Bereich des Magens und der Bauchspeicheldrüse denken. Die kurze Anamnese, die unauffällige Vorgeschichte und der abdominale Untersuchungsbefund schließen eine funktionelle Ursache praktisch aus. Die Tachykardie kann Ausdruck des Schmerzes sein, aber auch einer Hypovolämie in Folge einer Flüssigkeitsverlagerung in das Darmlumen hinein
bei einer möglicherweise beginnenden Ileussymptomatik. Hierfür könnte auch der relativ niedrige Blutdruck Weiter auf S. 39. sprechen. Die körperliche Untersuchung beim Patienten mit Bauchschmerzen erfolgt nach den allgemeinen Regeln (s. S. 16) der Untersuchung des Verdauungstraktes: Inspektion, Auskultation, Perkussion und Palpation. Berücksichtigt werden zunächst der allgemeine Eindruck, dann vorrangig der abdominale Untersuchungsbefund und schließlich, je nach Symptomatik und Zusatzbeschwerden, die erweiterte Untersuchung: Mundhöhle, Leberhautzeichen, rektale Untersuchung.
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Inspektion Am Abdomen werden Form, Umfang und Spannungszustand beachtet. Ein gespanntes Abdomen findet man bei Luftfüllung der Darmschlingen, bei Flüssigkeit in der Bauchhöhle (Aszites, s. S. 151) und bei einfacher Adipositas (s. S. 139). Weitere Aufschlüsse geben dann Auskultation, Perkussion und Palpation. Ein eingesunkenes Abdomen sieht man bei Flüssigkeitsverlust und Gewichtsabnahme (s. S. 193). Häufige Ursache von Flüssigkeitsverlusten sind Durchfallerkrankungen (s. S. 45), verminderte Flüssigkeitszufuhr bei Übelkeit und Erbrechen (s. S. 64), besonders beim alten Menschen, außerdem Zustände mit vermehrter Diurese (Diabetes mellitus, Diuretikaeinnahme) sowie Fieber.
Ungewollter Gewichtsverlust (s. S. 193) bei abdominalen Schmerzen muss immer an ein Karzinom denken lassen.
MERKE
1.5.2 Körperliche Untersuchung
Schließlich gibt die Inspektion Hinweise auf durchgemachte Operationen, die natürlich auch anamnestisch erfasst werden sollten. Breite, sekundär verheilte Narben sollten Anlass sein, gezielt nach post-
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Leitsymptome
Auskultation
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Auskultiert wird in den vier Quadranten. Beurteilt werden die Qualität und die Quantität der Darmgeräusche. Normale Darmgeräusche sind relativ leise, manchmal jedoch auch stark und laut, u. U. auch beim Gesunden ohne Stethoskop zu hören. Als normal gilt eine Frequenz von 5-10 pro Minute. Beim mechanischen Passagehindernis sind die Darmgeräusche zunächst spritzend, phasenweise laut und klingend. Später werden sie dann spärlicher, oft aber immer noch quietschend, spritzend, klingend. Ursache für Passagehindernisse sind: Inkarzerierte Hernien, Invaginationen, Volvulus, Tumore, entzündliche Stenosen, Fremdkörper, Verwachsungen. Fehlende Darmgeräusche, „Totenstille“, sind das Leitsymptom des paralytischen Ileus. Ursachen sind hochschmerzhafte abdominale Erkrankungen (Gallenkolik, Ulcus ventriculi, diese führen zum reflektorischen paralytischen Ileus), entzündliche Darmerkrankungen, metabolische Störungen (Hypoglykämie). Bei fehlenden Darmgeräuschen kann man unter Umständen durch federnde Palpation während der Auskultation Flüssigkeit plätschern lassen, evtl. kann auch eine geringe Peristaltik induziert werden. Achten Sie zusätzlich zu den Darmgeräuschen auch auf systolische Strömungsgeräusche, die unter Umständen bei Stenosen der Mesenterialgefäße auftreten (Angina abdominalis).
Perkussion Erst nach der Auskultation sollte das Abdomen perkutiert werden. Der Klang gasgefüllter Darmschlingen bei der Perkussion ist unverwechselbar. Auch die Flanken sollten zum Ausschluss von Flüssigkeit immer perkutiert werden. Beim liegenden Patienten können geblähte
Darmschlingen auf dem Aszites schwimmen. Gas kann sich im Magen, Dünndarm und Dickdarm sammeln. Gasbildung ist ein normaler Vorgang beim Verdauungsprozess. Es kann Anlass zu starken akuten und auch chronisch rezidivierenden Schmerzen sein. Beim paralytischen Ileus ist fast regelhaft eine vermehrte Gasansammlung zu finden, auch der mechanische Dickdarmileus führt zu Meteorismus (s. S. 184), während dieser beim hohen Dünndarmileus fehlt. Typisch für den Aszites (s. S. 151) ist die Flankendämpfung bei der Perkussion und der palpable Flüssigkeitsimpuls bei kräftiger Perkussion der Flanke.
Palpation Vor der Palpation wird nach der Schmerzlokalisation (Abb. 1.13) gefragt. Die Palpation beginnt entfernt davon, um dann zum Hauptschmerzpunkt zu führen. Sie erfolgt zunächst oberflächlich, dann tiefer (s. S. 18).
LERNTIPP
operativen Komplikationen zu fragen. In diesem Falle ist eher mit Verwachsungen zu rechnen.
Zunächst wird auf die allgemeine Reaktion während des Tastens geachtet. Äußert der Patient Schmerzen? Drückt er Schmerzen mit Mimik und Gestik aus, führt er Abwehrbewegungen durch? Zieht er die Beine an? Blickt er den Untersucher ängstlich erwartend an oder blickt er woanders hin? Für eine organische Schmerzursache typisch sind Abwehrbewegungen (s. S. 19), Augenkontakt und ängstliche Erwartung bei der Palpation, Reproduzierbarkeit an der stets gleichen Stelle und bei gleicher Palpationstiefe. Patienten mit funktionellen Beschwerden blicken eher am Untersucher vorbei, horchen eher in sich hinein, die Schmerzlokalisation ist oft schwer reproduzierbar.
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1 Bauchschmerzen Dann sollten Sie herausfinden, wo der Hauptschmerzpunkt (Abb. 1.13) liegt und wie sich die Bauchdecke anfühlt. Schmerzen können das gesamte Abdomen betreffen oder an mehreren Stellen im Abdomen bestehen oder während der Untersuchung an unterschiedlichen Orten angegeben werden oder auf eine gut umschriebene Lokalisierung beschränkt sein. Leichte Schmerzen im gesamten Abdomen findet man bei funktionellen Beschwerden und bei der Gastroenteritis. Der Bauch ist dann meistens weich, eine Abwehrspannung besteht nicht. Starker Schmerz, der den gesamten Bauch betrifft, ist typisch für die Peritonitis. Der Bauch ist hart, gespannt, minimaler Druck führt zur Abwehrspannung. Schmerzen, die an mehreren, sehr unterschiedlichen Stellen im Abdomen angegeben werden, ohne Zuordnung zu einer anatomischen oder funktionellen Einheit, sind oft funktioneller Natur. Gleiches gilt auch und besonders für Schmerzen, deren Lokalisation während der Untersuchung wandert. Auch lokale Schmerzen können funktioneller Art sein, häufig ist dies im linken Unterbauch der Fall. Generell sollte aber bei lokalisierten Schmerzen immer an ein organisches Korrelat gedacht werden. Druckschmerz im rechten Oberbauch ist typisch für Erkrankungen der Gallenblase. Während der Kolikschmerz häufig zum Rücken und zum rechten Schulterblatt ausstrahlt, ist die Druckschmerzhaftigkeit meist sehr gut im Bereich der Gallenblase lokalisiert. Man kann diesen Bereich auch imprimieren und den Patienten auffordern, tief Luft zu holen. Typisch bei Cholezystitis oder Gallenblasenhydrops ist das Innehalten während der Inspiration in dem Moment, in dem die Gallenblase an den palpierenden Finger stößt (MurphyZeichen, s. S. 178). Differenzialdiagnostisch muss bei Druckschmerz im rechten Oberbauch auch an Luft im Bereich der rechten Flexur (Meteorismus, s. S. 184) gedacht werden und an den Kapselspannungsschmerz bei einer Lebervergrößerung im Rahmen einer Hepatitis (s. S. 170) oder bei einer Stauungs-
leber. Der Druckschmerz beim Ulcus duodeni liegt etwas weiter medial. Der gut lokalisierte, epigastrische Druckschmerz ist typisch für Erkrankungen des Magens und des gastroösophagealen Überganges: Refluxerkrankung, Gastritis, Ulcus ventriculi. Der Schmerz ist punktuell, die Lokalisierung beschränkt sich auf wenige Quadratzentimeter. Der Schmerz bei akuter Pankreatitis liegt etwas tiefer und erstreckt sich nach rechts und links, u. U. gürtelförmig, und kann, mit Fortschreiten des Entzündungsprozesses, das gesamte Abdomen betreffen. Als typisch gilt der „Gummibauch“, der federnde Widerstand bei Palpation. Weniger häufig sind Druckschmerzen im linken Oberbauch. Häufige Ursache ist Luft an der linken Flexur (Meteorismus), aber auch das Reizdarmsyndrom. Druckschmerz im Mittelbauch, mittig, links oder rechts, besteht bei funktionellen Beschwerden, häufig verbunden mit Blähgefühl und spürbaren Darmbewegungen, aber auch bei Morbus Crohn sowie – rechtsseitig – bei der Appendizitis. Der klassische Befund bei der Appendizitis (Abb. 1.11) ist der gut lokalisierte Druckschmerz im rechten Unterbauch, häufig verbunden mit lokalisierter Abwehrspannung und Loslassschmerz. Typisch ist der Druckschmerz im Bereich des McBurney-Punktes oder des LanzPunktes (Abb. 1.6). McBurney-Punkt: Stellen Sie sich eine Linie zwischen rechter Spina iliaca anterior und Bauchnabel vor. Der Schmerzpunkt liegt etwa 5 cm von der Spina entfernt, etwa auf dem Drittelpunkt.
37
Abb. 1.11 Akute phlegmonöse Appendizitis. Links im Bild ist das Zäkum zu sehen. Die Appendix ist hochrot und gefäßinjiziert mit teilweise gangränöser Wand
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Leitsymptome
b
a
Abb. 1.12 a Stielgedrehte Ovarialzyste: Zyste (C) mit echofreiem Binnenecho neben der Harnblase (HB); der Stiel (ST) ist als echofreies Band erkennbar. b Intraligamentäre Paraovarialzyste
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Rippenbogen rechts
Hepatitis Cholezystitis Gallenkolik Meteorismus rechte Flexur Ulcus duodeni Appendizitis Kolonkarzinom Harnleiterstein
Rippenbogen links funktionelle Beschwerden Ulcus ventriculi Gastritis Reflux Karzinom Pankreatitis Pankreaskarzinom Appendizitis entzündliche Darmerkrankung
Meteorismus linke Flexur
Divertikulitis Kolonkarzinom Harnleitersteine
Nabel Mesenterialinfarkt funktionelle Beschwerden Adnexitis Appendizitis Kolonkarzinom
Zystitis Divertikulitis Prostatitis
Leistenband rechts
Adnexitis Divertikulitis Kolonkarzinom
Leistenband links
Abb. 1.13 Typische Schmerzlokalisation bei Erkrankungen im Bereich des Abdomens
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1 Bauchschmerzen
MERKE
Lanz-Punkt: Stellen Sie sich eine Linie zwischen beiden Spinae iliacae anteriores vor. Der Schmerzpunkt liegt auf dem Drittelpunkt rechts. Differenzialdiagnostisch kann die Abgrenzung von infektiösen Erkrankungen schwierig sein, insbesondere der PseudoAppendizitis bei einer Infektion mit Yersinia enterocolitica. Bei Frauen muss differenzialdiagnostisch an Erkrankungen des Ovars gedacht werden: Adnexitis, stielgedrehte Ovarialzyste (Abb. 1.12), Mittelschmerz beim Eisprung. Beim alten Menschen kann auch das Zäkumkarzinom zu Schmerz führen, der dann auch palpatorisch gut reproduziert werden kann. Druckschmerz in Unterbauchmitte, suprapubisch, ist typisch für die Zystitis, wird aber auch bei der Sigmadivertikulitis gesehen, der Prostatitis und gynäkologischen Erkrankungen. Häufig ist – besonders bei älteren Menschen – der linksseitige Unterbauchschmerz bei Divertikulitis und Divertikulose. Der Schmerzpunkt ist hier oft sehr gut lokalisiert. Bei jungen Frauen muss natürlich auch an eine Adnexitis gedacht werden, im höheren Lebensalter besonders an das Sigmakarzinom. Schmerzen, die in der Niere und den ableitenden Harnwegen entstehen (Steine, Pyelonephritis) werden oft am Ort ihres Entstehens gespürt und strahlen in die nächst tiefere Etage aus. Von der Flanke zum Unterbauch, zur Leiste, ins Genital (vgl. Abb. 1.7). Oft bestehen ein Klopfund Erschütterungsschmerz sowie ein Druckschmerz über der betroffenen Region.
Der Spontan- und Druckschmerz bei der Harnleiterkolik kann äußerst intensiv sein.
1.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Um die Diagnose von Frau P. zu sichern, führen Sie weitere Untersuchungen durch. In der Sonographie des Abdomens sehen Sie im Oberbauchlängsschnitt die bekannten, multiplen Gallensteine, die nicht sicher voneinander abzugrenzen sind (Abb. 1.14) und einen erweiterten Gallengang. Das Pankreas der Patientin ist in Abb. 1.15 zu sehen. Sie sehen im Oberbauchquerschnitt das Bild einer akuten Pankreatitis mit Schwellung und unregelmäßiger Konturauflockerung. Die Laborwerte, die bei Frau P. bestimmt werden, zeigt Tab. 1.6.
39
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Diagnose kann jetzt als gesichert angesehen werden. Es liegen Gallensteine vor und es besteht eine Erweiterung des Gallengangs sowie eine Amylaseerhöhung und eine Erhöhung des g-GT. Damit ist vom Vorliegen einer akuten chologenen Pankreatitis aus Weiter auf S. 41. zugehen.
Tabelle 1.6 Laborwerte Parameter
Patientin
Norm
Leukozyten
13200/ml
4000–10000/ml
Hb
12,8 g/dl
12–16 g/dl (4)
Thrombozyten
194 tsd/ml
150–350 tsd/ml
GOT
34 U/l
I 35 U/l (4)
GPT
35 U/l
I 35 U/l (4)
g-GT
66 U/l
bis 39 U/l (4)
CRP
64 mg/l
I 5 mg/l
a-Amylase
864 U/l
bis 100 U/l
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Leitsymptome L
Gb
S S Abb. 1.14 Gallenblase im Oberbauchlängsschnitt. Die einzelnen Steine (o) sind nicht sicher voneinander abzugrenzen. L = Leber, Gb = Gallenblase, S = Schallschatten
Abb. 1.15 Pankreas im Oberbauchquerschnitt. Akute Pankreatitis mit Schwellung und unregelmäßiger Konturauflockerung (q)
Tabelle 1.7 Weitergehende Diagnsotik bei Bauchschmerz
40
Untersuchung
Parameter
Interpretation
Labor
Blutbild
Entzündung, Anämie
CRP
Entzündung
BKS
Entzündung
GOT
Hepatitis
GPT
Hepatitis
g-GT
Fettleber, Stauung, toxischer Leberschaden
AP
Stauung insbesondere der Gallenwege
Amylase
Pankreatitis
Lipase
Pankreatitis
Leukozyten, Hämoglobin
Entzündung
Urindiagnostik Sonographie
Oberbauchorgane, Darmbild, Aszites, gynäkologische Organe
Ösophago-GastroDuodenoskopie
Ösophagusneoplasie, Ösophagitis, Gastritis, Ulcus ventriculi, Magenkarzinom, Ulcus duodeni, Duodenitis
hohe Koloskopie
Colitis ulcerosa, Divertikel, Karzinom
Abdomenübersichtsaufnahme
Subileus, Ileus, Harnleitersteine
Dünndarmdarstellung nach Sellink
Morbus Crohn
CT
raumfordernde Prozesse
MRT
raumfordernde Prozesse
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1 Bauchschmerzen Die weitergehende Diagnostik (Tab. 1.7) richtet sich nach den Hauptbeschwerden: Bei Verdacht auf Erkrankungen von Ösophagus, Magen und Duodenum ist der Goldstandard der Diagnostik die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, die in einem Arbeitsgang die makroskopische Beurteilung, die Probenentnahme und – wenn nötig - auch die Therapie (z. B. Stillung einer Ulkusblutung) erlaubt. Die Dünndarmdiagnostik ist sehr aufwendig. Der Dünndarm ist einer Spiegelung mittels Enteroskopie oder Kapselendoskopie nur unter Mühen und in Ausnahmefällen zugänglich. Die Kapselendoskopie stellt dabei keine Standardanwendung dar. Erste bildgebende Diagnostik ist meistens die radiologische Dünndarm-Kontrastmitteldarstellung nach Sellink. Hauptindikation ist der Verdacht auf Morbus Crohn. Die Sonographie ist hervorragend für die Beurteilung von Leber, Gallenblase, Gallenwegen und Bauchspeicheldrüse geeignet. Bei Verdacht auf Appendizitis sind die wichtigsten weitergehenden Untersuchungen das Blutbild mit der Bestimmung der Leukozyten, die CRP-Bestimmung und die Sonographie der Appendixregion. Beim Unterbauchschmerz älterer Menschen sollte die Indikation zur Koloskopie
wegen der Häufigkeit des Kolonkarzinomes großzügig gestellt werden. Bei linksseitigem Unterbauchschmerz und Verdacht auf eine Divertikulitis sollten zunächst Blutbild, BKS und CRP bestimmt und eine Sonographie dieser Region durchgeführt werden.
1.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnose von Hanna P. kann aufgrund des klinischen Bildes und der Amylaseerhöhung als gesichert angesehen werden. Weitere Untersuchungen dienen nun dem sicheren Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen: Insbesondere ein Ulcus ventriculi oder ein Ulcus duodeni, die durch eine Magenspiegelung ausgeschlossen werden.
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Die Darstellung der wegweisenden Symptome und Befunde, die bei Erkrankungen mit Bauchschmerzen zur Diagnosesicherung führen erfolgt in Tab. 1.8 :
Tabelle 1.8 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
funktionell
lange Anamnese, Stressabhängigkeit, diffuses Schmerzbild, fehlender Gewichtsverlust
Ausschlussdiagnose
Gastritis bei Ulcus ventriculi
epigastrischer Schmerz, NSAR-Einnahme, Ulkusanamnese, Sofortschmerz
Endoskopie
Ulcus duodeni
NSAR-Einnahme, Nüchternschmerz, Ulkusanamnese
Endoskopie
Magenkarzinom
Organgefühl, progredienter Schmerz, Gewichtsverlust
Endoskopie
Kolonkarzinom
progredienter Verlauf, älterer Patient
Endoskopie
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Leitsymptome Tabelle 1.8 Fortsetzung
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Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Kolondivertikulitis
bekannte Divertikel, typische Lokalisation, Loslassschmerz, älterer Patient
Sonographie, Labor, Kolonkontrasteinlauf, CT, Sonographie
Appendizitis
typische Lokalisation: periumbilikal, später rechter Unterbauch, akuter Verlauf, Druckschmerz: McBurney und Lanz, Loslassschmerz
Labor, Sonographie
mechanischer Ileus
Darmgeräusche (s. S. 17), Voroperationen
Abdomenübersicht
paralytischer Ileus
fehlende Darmgeräusche
Palpationsbefund, Abdomenübersicht
Gallenkolik
bekannte Steine, nach Mahlzeiten, Ausstrahlung rechte Schulter, gut lokalisiert
Sonographie
Steinverschluss
Schmerz, Ikterus
Sonographie
Cholezystitis
rechtsseitige Oberbauchschmerzen, Fieber, lokaler Druckschmerz
Sonographie
akute Pankreatitis
akuter Beginn, Lokalisation, Alkoholabusus, bekannte Gallensteine
Amylase in Serum und Urin, Sonographie
chronische Pankreatitis
Alkoholabusus, schubweiser Verlauf
Sonographie
Pankreaskarzinom
progrediente Schmerzen, Gewichtsverlust
Sonographie, CT, MRT
Hepatitis
Druckschmerz rechter Oberbauch
erhöhte Transaminasen: v. a. GPT, Serologie
Nierensteine
klinischer Befund
Sonographie
Pyelonephritis
klinischer Befund, Fieber
Sonographie, Urinsediment
Adnexitis
rechts- bzw. linksseitiger Unterbauchschmerz, Fieber
Sonographie, gynäkologische Untersuchung
stielgedrehte Ovarialzyste
plötzlicher Beginn, Kolik, peritoneale Reizung
Sonographie
Myokardinfarkt
akuter Beginn, kardiovaskuläre Risikofaktoren, vorausgegangener Infarkt, dran denken !
EKG, Troponin I und T, Herzenzyme
Aortenaneurysma
akuter Beginn, Flankenschmerz, bekannter Hypertonus
Sonographie, CT, Angiographie
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1 Bauchschmerzen 1.7.1 Therapieansätze Im Vordergrund steht die kausale Therapie der auslösenden Ursache. Wenn diese nicht möglich ist oder um die Zeit bis zur definitiven Therapie zu überbrücken, wird eine symptomatische Therapie eingeleitet.
Symptomatische Therapie von Bauchschmerzen Die symptomatische Therapie von Bauchschmerzen stützt sich auf die in Tab. 1.10 dargestellten Prinzipien. Zu den Behandlungsmöglichkeiten einzelner Erkrankungen, die Bauchschmerzen verursachen siehe Tab. 1.11.
Kausale Therapie von Bauchschmerzen Zur kausalen Therapie stehen die in Tab. 1.9 dargestellten Möglichkeiten zur Verfügung:
Tabelle 1.9 Kausale Therapie von Bauchschmerzen Prinzip
Beispiel
Säureblockade
Protonenpumpenhemmer
Entzündungshemmung
5-Aminosalicylsäure, Steroide, Azathioprin
Verzicht auf Noxen
Medikamente, Alkohol
Operation
Cholezystektomie, Appendektomie
Antibiose
Adnexitis, Helicobacter-pylori-Gastritis
Stenteinlage bei stenosierenden Prozessen
Gallengangsstenosen
43
Tabelle 1.10 Symptomatische Therapie von Bauchschmerzen Prinzip
Substanzen
peripher wirkende Analgetika
Paracetamol, Ibuprofen, Novaminsulfon
zentral wirkende Analgetika
Opioide, Opiate (Cave: Peristaltikhemmung, Sphinkterspasmus)
Spasmolytika
Butylscopolamin, Mebeverin
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Leitsymptome Tabelle 1.11 Behandlungsmöglichkeiten abdomineller Schmerzen Erkrankung
kausale Therapie
symptomatische Therapie
funktionell
Entspannungsübungen, Stressreduktion
Mebeverin
Ulcus ventriculi und duodeni Gastritis
Noxen ausschalten, Helicobacter pylori-Eradikation
Säureblockade, Novaminsulfon
Karzinome
Operation
Novaminsulfon, Opiate
Kolondivertikel, Divertikulitis
Nahrungskarenz, Drainage, Operation
Novaminsulfon, Opiate
Appendizitis
Operation
Ø
Ileus
Therapie der Ursache
Ø
Gallenkolik
endoskopische Steinextraktion, Cholezystektomie
Novaminsulfon, Opiate, Spasmolytika, Therapie der Begleitentzündung
Steinverschluss
endoskopische Steinextraktion
Cholezystitis
Antibiose, Operation
44
peripher wirkende Analgetika
akute Pankreatitis
peripher wirkende Analgetika, Opiate
chronische Pankreatitis
peripher wirkende Analgetika, Opiate
Pankreaskarzinom
Operation
peripher wirkende Analgetika, Opiate, Periduralkatheter
akute Hepatitis
keine
peripher wirkende Analgetika
Nierensteine
Steinextraktion
peripher wirkende Analgetika (Diclofenac), Opiate, Spasmolytika
Pyelonephritis
Antibiose
peripher wirkende Analgetika, Spasmolytika, Antibiotika
Adnexitis
Antibiose
peripher wirkende Analgetika, Antibiotika
stielgedrehte Ovarialzyste
Frühoperation innerhalb von 8 h
Myokardinfarkt
Revaskularisierung
Opiate
Aortenaneurysma
Operation
Opiate
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2 Durchfall 2.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht des Patienten
2 Durchfall 2.1 Begriffe
MERKE
Durchfall (synonym Diarrhö): Darunter versteht man eine erhöhte Stuhlfrequenz oder Stuhlmenge oder eine verminderte Stuhlkonsistenz. Als normal gelten eine Frequenz von 3-mal pro Woche bis zu 3-mal pro Tag, ein geformter Stuhl und ein Stuhlgewicht von weniger als 250 g pro Tag. Akute Diarrhö : Eine Diarrhö von weniger als 14 Tagen Dauer wird als akut bezeichnet. Chronische Diarrhö : Meistens wird eine Diarrhö von mehr als 14 Tagen Dauer als chronisch bezeichnet. Malabsorption: Störung der Nahrungsaufnahme aus dem Darm. Maldigestion : Störung der Nahrungsverdauung oder Emulgierung innerhalb des Darmlumens. Fettstuhl (synonym Steatorrhö): Die Fettausscheidung mit dem Stuhl ist auf mehr als 7 g/Tag erhöht. Stuhlinkontinenz: Unvermögen, den Stuhlabgang willkürlich zu kontrollieren.
Durchfall: Frequenz erhöht: i 3 x/d Menge erhöht: i 250 g/d Konsistenz erniedrigt: weich, wässrig
Zu Ihnen in die Praxis kommt der 22-jährige Thorsten B. und klagt über Durchfall. Er ist vor 3 Wochen aus einem Türkei-Urlaub zurückgekommen und seitdem wird er den Durchfall nicht mehr los.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Bei einem jungen Menschen muss bei Durchfall immer an eine infektiöse Ursache gedacht werden, insbesondere wenn eine Fernreise vorausgegangen ist, sowie an eine chronisch entzündliche Darmerkrankung und, als häufigstes, an eine funktionelle Ursache. Daneben muss ein großes Spektrum anderer, zum Teil seltener Ursachen in Erwägung gezogen werden: Dünndarmerkrankungen wie die Sprue, eine Laktoseintoleranz, eine Pankreasinsuffizienz, endokrinologische Ursachen. Weiter auf S. 51.
45
Durchfall ist ein häufiges Phänomen in der ärztlichen Praxis. Meistens ist er harmlos, er beeinflusst aber Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit erheblich. Selten führt er durch den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust zu gravierenden Komplikationen (Tab. 2.1). Sie betreffen vor allem alte Menschen, Multimorbide und Kinder. Zunächst ist zwischen akutem und chronischem Durchfall zu unterscheiden, die zwei völlig verschiedene Probleme darstellen. Akuter Durchfall hat meistens eine infektiöse Ursache, ist harmlos und selbst limitiert und erfordert keine weitere Diagnostik. Diese ist notwendig bei Diarrhöen mit Komplikationen, wie Fieber, Blutabgang, schwerem Krankheitsgefühl, protrahiertem Verlauf und epidemischem Auftreten, insbesondere bei sehr alten, multimorbi-
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Leitsymptome Tabelle 2.1 Diarrhöfolgen
46
Verlust von
Komplikationen
Flüssigkeit
Dehydratation
Elektrolyten
K-Mangel, z. B. Herzrhythmusstörung, Muskelkrämpfe
Blut
Anämie
Kalorien
Mangelernährung
Vitaminen
Vit. B12-Mangel, Rachitis bei Vit. D-Mangel
Gallensäure
GallensäureverlustSyndrom mit gehäufter Cholelithiasis
MERKE
den Menschen, Säuglingen und Immunsupprimierten. Chronischer Durchfall hat meist keine infektiöse Ursache. Häufig findet sich gar keine organische Ursache, sondern es handelt sich um eine funktionelle Störung (Reizdarmsyndrom).
Die definitive Diagnosestellung einer funktionellen Störung ist oft schwierig, auch wenn Anhaltspunkte für eine solche Ursache sprechen.
Die Diagnosestellung erfordert oft eine weitreichende Ausschlussdiagnostik. Die Kunst besteht darin, die Patienten zu identifizieren, bei denen eine intensivierte Diagnostik nötig ist, und dann das Ausmaß der Diagnostik zu bestimmen. Die wichtigste Maßnahme hierfür ist die sorgfältige Anamneseerhebung.
Verdauung sind die Organe des Gastrointestinaltraktes von Mund bis Rektum, das Pankreas, die Leber und die Gallenblase beteiligt. Die Verdauung beginnt im Mund mit der Zerkleinerung der Nahrung. Dann folgen Durchmischung und Einspeichelung. Der Speichel wird von den drei großen Speicheldrüsen, Glandula parotidea, Glandula sublingualis und Glandula submandibularis, sowie mehreren kleinen Speicheldrüsen produziert. Die Glandula parotidea sezerniert das für die Verdauung wichtige Enzym a-Amylase in den Speichel. Es hydrolysiert Polysaccharide zu Disacchariden. Im Magen werden die mechanische Durchmischung und Verdauung fortgesetzt. Dazu werden Salzsäure, Enzyme, Schleim und Intrinsic-Faktor dem Speisebrei (Chymus) zugegeben. Die Salzsäure denaturiert die aufgenommenen Proteine. Die Enzyme Pepsin A und C, von den Hauptzellen des Magens gebildet, hydrolysieren Proteine zu Polypeptiden. Das Pankreas liefert im Duodenum Enzyme für die Verdauung. Die PankreasAmylase ist für die Kohlenhydrat-, und die Pankreaslipase für die Fettverdauung zuständig (Abb. 2.1). Für die Proteinverdauung werden im Pankreas Vorläufer von Endo- und Carboxypeptidasen synthetisiert. Das wichtigste Enzym für die Proteinverdauung ist das Trypsin.
Produktion von Gallenflüssigkeit
2.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Zur Erinnerung und zum besseren Verständnis ist es sinnvoll die Grundlagen von Anatomie und Physiologie kurz zu wiederholen: An der Aufnahme von Nahrungsstoffen und Flüssigkeit und deren anschließender
Pankreaslipase Resorption im Emulgierung der Jejunum Fette durch Gallensalze und Verdauung durch Pankreaslipase Abb. 2.1 Fettverdauung
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2 Durchfall
Jejunum
Duodenum
Magen
2.4.1 Pathomechanismen
Eiweiß
Eisen
Folsäure Glucose Fett Vitamine A, D, E, K Phosphat
Ileum
Calcium Vitamin B12
Abb. 2.2 Resorption von Nahrungsstoffen, Vitaminen, Eisen
Der Dünndarm ist der Ort der weiteren Verdauung und der Resorption (Abb. 2.2). Resorbiert werden Wasser, Elektrolyte, Monosaccharide, Aminosäuren, Fettsäuren, Vitamine, Spurenelemente und Gallensäuren. Diese Aufgabe übernehmen spezifische Membranproteine. Im Dickdarm erfolgt die Eindickung des Stuhles auf etwa 100–200 g/Tag. Normaler Stuhl besteht zu Dreiviertel aus Wasser, zu einem Viertel aus festen Bestandteilen. Diese bestehen wiederum zu je einem Drittel aus Bakterien, Darmepithelien und Nahrungsresten. Diarrhöen können durch Funktionsstörungen im Bereich des proximalen oder distalen Dünndarms, des Dickdarmes und des Pankreas entstehen.
2.4 Ursachen der Diarrhö
MERKE
Ursachen der Diarrhö sind, allgemein formuliert, Entzündungen, Tumore, motorische Störungen, reduzierte Resorptionsfläche und fehlende Enzyme.
Allgemeine Ursachen von Durchfällen: Entzündung Motilitätsstörungen fehlende Resorptionsfläche Enzymmangel (z. B. Laktase, Lipase)
Nach den Pathomechanismen werden verschieden Diarrhöformen unterschieden. Diese können unabhängig voneinander zur Diarrhö führen, sind aber oft komplex miteinander verknüpft. Es gibt folgende vier Formen: die osmotische Diarrhö : gestört ist der osmotische Gradient zwischen Darmlumen und Darmwand, die sekretorische Diarrhö : mit einer vermehrten Wasser- und Elektrolytsekretion, die hypermotile Diarrhö: mit einer Hypermotilität (Steigerung der Muskelbewegungen) des Darms und die exsudative Diarrhö: sie entsteht durch Mukosaschäden bei infektiöser Ursache.
47
Osmotische Diarrhö Eine der häufigsten Ursachen einer osmotischen Diarrhö ist die Laktoseintoleranz (s. S. 212). Sie tritt in Deutschland bei etwa 10 % der Erwachsenen auf und entsteht durch den Verlust der Dünndarmlaktase im jungen Erwachsenenalter. Dadurch kann die mit der Nahrung aufgenommene Laktose nicht mehr in Glucose und Galaktose gespalten werden. Die Laktose gelangt ins Kolon und wird bakteriell gespalten. Es kommt zur osmotischen Diarrhö, weil Wasser, dem osmotischen Gradienten folgend, ins Lumen sezerniert wird. Zwei weitere Erkrankungen, die zu osmotischen Diarrhöen führen, sind die einheimische Sprue des Erwachsenen (s. S. 220) und die Zöliakie des Kindes (synonym glutensensitive Enteropathie). Die Erkrankungen sind klinisch und pathogenetisch gleich. Sie führen durch Gluten und Gliadin aus Getreide zu einer immunologisch bedingten Schädigung der Dünndarmschleimhaut (Abb. 2.3). Auch bei der Pankreasinsuffizienz und der Einnahme von Laktulose, Sorbit oder magnesiumhaltigen Antazida kommt es zu einer vorwiegend osmotischen Diarrhö.
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Leitsymptome
a
Abb. 2.4 Villöses Adenom. Der breitbasig aufsitzende Tumor wurde aus dem Rektum reserziert
entzündliche Zellprodukte, Gallensäuren (chologene Diarrhö), Fettsäuren (bei Pankreasinsuffizienz) und neurohormonelle Substanzen, die von hormonproduzierenden Tumoren sezerniert werden sowie sezernierende villöse Adenome (Abb. 2.4). Gemeinsames Merkmal der sekretorischen Diarrhöen ist das fehlende Ansprechen auf Nahrungskarenz.
48
Hypermotile Diarrhö b
MERKE
Abb. 2.3 Spruetypischer Umbau der Dünndarmschleimhaut: a Übersicht über ein endoskopisches Zangenbiopsat mit totaler Zottenatrophie und zellulärer Infiltration im Stroma (Vergr. 1:5); b Der Ausschnitt zeigt eine komplette Zottenatrophie, eine hyperregeneratorische Kryptenhyperplasie mit intraepithelialer Lymphozyteninfiltration und plasmazellulärem Stromainfiltrat (Vergr. 1:50)
Das gemeinsame Charakteristikum der osmotischen Diarrhöen ist die prompte Besserung bei Nahrungskarenz.
Sekretorische Diarrhö
Die hypermotile Diarrhö entsteht durch eine beschleunigte Darmpassage. Häufigste Ursache ist das Reizdarmsyndrom. Organische Ursachen sind Hyperthyreose, diabetische Polyneuropathie und Vagotomie. Bei der diabetischen Neuropathie des vegetativ-autonomen Nervensystems dominiert die Magenentleerungsstörung, häufig kommt es aber auch zu Motilitätsstörungen des Dünndarmes mit Diarrhöen und unter Umständen ungewolltem Stuhlabgang. Die Ursache der Diarrhö nach Vagotomie ist nicht geklärt. Eine Rolle spielt neben der gestörten Dünndarmmotorik auch die Störung der Gallenblasenentleerung. Am häufigsten kommt es nach trunkulärer Vagotomie und Pyloroplastik zu Diarrhöen. Die Hypermotilität spielt häufig eine zusätzliche Rolle bei den anderen Diarrhöformen.
Die sekretorische Diarrhö ist durch eine vermehrte Flüssigkeitssekretion bedingt. Ursachen hierfür sind bakterielle Toxine,
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2 Durchfall
a
b
Abb. 2.5 Colitis ulcerosa. a Keine entzündliche Aktivität: Akzentuierte Wand (DW = Darmwand; Distanzmarken); b Ausgeprägte geschichtete Darmwandverdickung, hochgradige lumeneinengende luminale Flüssigkeit
Tabelle 2.2 Pathomechanismen der Diarrhö und typische Ursachen Pathomechanismus
Erkrankung
osmotische Diarrhö
Laktoseintoleranz (s. S. 47)
49
Sprue (s. S. 47) Pankreasinsuffizienz Laktulose-/Sorbiteinnahme magnesiumhaltige Antazida sekretorische Diarrhö
bakterielle Toxine entzündliche Zellprodukte Gallensäuren (Gallensäureverlustsyndrom) Fettsäuren neurohormonelle Substanzen sezernierendes villöses Adenom
hypermotile Diarrhö
Reizdarmsyndrom Hyperthyreose Vagotonie diabetische Polyneuropathie Karzinoid
exsudative Diarrhö
bakterielle Infekte chronisch entzündliche Darmerkrankungen Kolonkarzinom
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Leitsymptome Exsudative Diarrhö
2.4.2 Häufigkeiten
Die exsudative Diarrhö ist bedingt durch eine vermehrte Exsudation von Schleim, Eiweiß und Blut. Ursachen sind Mucosaschädigungen durch Entzündungen und Ulzerationen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa (Abb. 2.5), Morbus Crohn), bakterielle Infektionen und das Kolonkarzinom. Eine Übersicht über die Pathomechanismen finden Sie in Tab. 2.2.
Für die Diagnosestellung ist es wichtig zu bedenken, welche Diarrhöursachen häufig, weniger häufig oder selten sind. Auch die Unterscheidung zwischen akuter und chronischer Diarrhö lässt einen Rückschluss auf unterschiedliche Ursachen zu. Die Ursachen akuter bzw. chronischer Diarrhöen sind in Tab. 2.3 aufgeführt.
Tabelle 2.3 Ursachen der Diarrhö nach Häufigkeiten Vorkommen
akute Diarrhö
chronische Diarrhö
häufig
bakterielle Infektion: Salmonellen (s. S. 52)
funktionell
virale Infektion: bei Kindern v. a. Rotaviren
Laktoseintoleranz (s. S. 47)
Antibiotikaeinnahme
Colitis ulcerosa
50
psychogen weniger häufig
Intoxikationen
Sprue (s. S. 47)
andere Medikamente (z. B. Digitalis, s. auch Tab. 2.6)
Medikamente: Laxanzienabusus Pankreasinsuffizienz Diabetes mellitus Morbus Crohn (s. S. 218) Hyperthyreose (s. S. 195) Kolonkarzinom (s. S. 218)
selten
Darmparasiten
HIV-Infektion Gallensäureverlustsyndrom Allergien gastrointestinales Lymphom Amyloidose Karzinoid-Syndrom Zollinger-Allison-Syndrom Polyposis-Syndrome kollagene Kolitis
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2 Durchfall 2.5 Problemlösung Die bisher erarbeiteten Grundlagen werden bei der Problemlösung von Nutzen sein. Das weitere strukturierte Vorgehen zur Diagnosestellung besteht aus: Anamneseerhebung und ersten differenzialdiagnostischen Überlegungen, körperlicher Untersuchung und weitergehender Diagnostik.
2.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Sie erfahren von Herrn B., dass die Frequenz der Durchfälle bei 5–6 pro Tag liegt, die Konsistenz ist weich, manchmal wässrig. Oft ist Schleim untergemischt und auch etwas Blut. Anfang des Jahres hatte er schon einmal eine Phase mit den gleichen Symptomen durchgemacht, diese dauerte 4–5 Wochen an. Er hatte damals auch etwas Stress. Jetzt hat er übrigens keinerlei Stress. Stärkere Schmerzen bestehen nicht, nur ein leichtes Ziehen im Unterbauch. Kein Fieber, keine Übelkeit, kein Erbrechen, kein Gewichtsverlust. Seine Freundin, die mit ihm zusammen in der Türkei war, ist gesund. Er trinkt keine Milch.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Wegen des Türkei-Urlaubs muss eine infektiöse Ursache berücksichtigt werden. Allerdings ist die Dauer von drei Wochen für eine der üblichen Durchfallerkrankungen fast etwas zu lang. Auch das insgesamt bestehende Wohlbefinden spricht eher gegen eine infektiöse Ursache. In jedem Fall muss an die Colitis ulcerosa als ernst zu nehmende Differenzialdiagnose gedacht werden. Hierzu passen das Alter, die Anzahl
der Durchfälle, das Blut, der Schleim. Eine funktionelle Ursache scheidet wegen der Blutauflagerungen ziemlich sicher aus. Vorstellbar wäre allenfalls eine sekundäre Reizung, möglicherweise vorhandener Hämorrhoiden oder eine Reizung des Analkanals wegen der vielen Stuhlgänge. Eine Laktoseintoleranz ist unwahrscheinlich, da die Durchfälle nicht im Zusammenhang mit Milchkonsum auftreten. Eine Sprue führt häufig zu Gewichtsverlust und nicht zu Blut im Stuhl. Auch die Pankreasinsuffizienz führt zu Gewichtsverlust, nicht jedoch zu Blut im Stuhl. Außerdem ist Thorsten B. nicht der für eine Pankreasinsuffizienz typische Patient, da er zu jung ist und kein Hinweis auf einen Alkoholabusus besteht. Weiter auf S. 59.
51
Die sorgfältige Anamneseerhebung ist die bei weitem wichtigste Maßnahme bei der Abklärung einer Diarrhö. Sammeln Sie vor allem folgende Basisinformationen: Liegt überhaupt eine Diarrhö vor (Häufigkeit, Konsistenz, Menge)? zeitlicher Aspekt: Dauer, Verlauf (akut/chronisch anhaltend/chronisch rezidivierend)? Wurden Stuhlbeimengungen beobachtet? Wurden Begleitphänomene beobachtet? Ist ein Auslöser erkennbar? Gibt es Vorereignisse? Oder Vorerkrankungen? Welche Medikamente werden eingenommen? Nach dem Sammeln der Basisinformationen sollte klar sein, ob die Diarrhö akut oder chronisch ist. Außerdem sollten Sie Hinweise erhalten, ob eine funktionelle oder organische Ursache besteht. Hat die Diarrhö eine organische Ursache, sollte eine Verdachtsdiagnose vorliegen und die möglichen Differenzialdiagnosen sollten überprüft werden. Die Anamneseerhebung wird dazu in Richtung der Verdachtsdiagnose und der Differenzialdiagnosen vertieft.
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Leitsymptome
MERKE
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Liegt eine Diarrhö vor?
Zeitlicher Verlauf
Die wichtigste Frage zu Beginn ist: Liegt überhaupt eine Diarrhö vor? Oft bestehen falsche Vorstellungen darüber, welche Stuhlfrequenz normal ist. „Ich muss zweimal am Tag zur Toilette“ beschreibt keinen Durchfall, sondern eine normale Stuhlfrequenz. Es ist auch wichtig zu wissen, dass der Begriff Diarrhö von den Patienten gelegentlich falsch verwendet wird. Vom eigentlichen Durchfall abzugrenzen sind Schwierigkeiten, den Stuhl zu halten, unwillkürlicher Stuhlabgang (Stuhlinkontinenz, s. S. 131) und unwillkürliche Stuhlbeimengung bei Windabgang.
Zum zeitlichen Verlauf sollten folgende Informationen erfragt werden: Ist der Stuhlgang zwischendurch auch normal geformt? Wie oft kommen die diarrhöischen Phasen vor? Welche Phasen überwiegen? Die normalen oder die mit Diarrhö? Tritt der Durchfall nur tagsüber auf oder Tag und Nacht? Überwiegend vormittags?
Unter Diarrhö versteht man eine erhöhte Stuhlfrequenz, eine verminderte Stuhlkonsistenz oder eine erhöhte Stuhlmenge.
Die drei ersten Fragen lauten also: Wie oft müssen Sie zur Toilette gehen? Wie ist die Konsistenz des Stuhles? Wie groß ist die Menge? Wenn sich der Patient bei der Angabe zur Häufigkeit nicht festlegen will, kann man auch fragen: Weniger als drei Mal? Mehr als fünf Mal? Mehr als zehn Mal? Bei der Frage nach der Konsistenz kann man auch nachhelfen: Ist der Stuhlgang weich? Wässrig? Explosionsartig?
Eine Diarrhö, die vor allem vormittags auftritt, kann auf eine funktionelle Diarrhö hinweisen (s. S. 57). Nach dem Essen?
Beimengungen Erkundigen Sie sich nach Beimengungen zum Stuhl: Sind Schleim, Blut oder Fett enthalten? Blutbeimengungen bei einer akuten Diarrhö kommen bei Infektionen mit enteroinvasiven E. coli (EIEC) und enterohämorrhagischen E. coli (EHEC) sowie Salmonellen (Abb. 2.6), Shigellen und Campylobacter jejuni vor. Auch andere Stuhlbeimengungen können Hinweise auf die mögliche Ursache der Diarrhö liefern (Tab. 2.4).
Tabelle 2.4 Beimengungen zum Stuhl Beimengung
mögliche Diagnose
Schleim
funktionell, Colitis ulcerosa, villöses Adenom, Karzinom, Infektion (E. coli, Gardia lamblia)
Blut
Colitis ulcerosa, Karzinom, Infektion (v. a. EHEC, EIEC, Salmonellen, Shigellen, Campylobacter jejuni), durchfallbedingte Fissur oder Hämorrhoidenblutung
Fett
Pankreasinsuffizienz
Dauer Die nächsten Fragen betreffen die Dauer der Diarrhö: Seit wann bestehen die Beschwerden? Tage? Wochen? Monate? Oder sogar noch länger?
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2 Durchfall
Abb. 2.6 Intrazelluläre Salmonellen. Nach der Phagozytose durch Makrophagen überleben die gramnegativen S. typhimurium (o) intrazellulär
Begleitphänomene Wichtig ist auch, ob Begleitphänomene bestehen: Schmerzen? Wenn ja, wo und wann? Fieber? Übelkeit? Erbrechen? Gelenkschmerzen? Gewichtsverlust? Blähungen? Starke Bauchschmerzen, unter Umständen mit dem Bild einer akuten Appendizitis, sieht man häufig bei Yersinien-Enteritis.
Abb. 2.7 Sägezahnartige Ausziehungen des Schleimhautreliefs (q) im Kolon bei ausgeprägtem Befund einer Colitis ulcerosa
53
Bauchschmerzen kommen als Begleitphänomen auch bei der funktionellen Diarrhö sowie bei der Colitis ulcerosa (Abb. 2.7) und beim Morbus Crohn vor. Übelkeit und Erbrechen lassen an eine Lebensmittelvergiftung z. B. durch Staphylococcus aureus-Toxin denken, aber auch an virale Erreger. Gelenkschmerzen lenken den Verdacht auf reaktive Arthritiden. Diese sind nicht sel-
Tabelle 2.5 Begleitphänomene bei Diarrhö Begleitphänomen
mögliche Diagnose
Schmerz
funktionell, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Yersinien-Infektion
Übelkeit (s. S. 64)
infektiös (Staphylococcus aureus-Toxin/bakteriell/viral), funktionell
Erbrechen (s. S. 64)
infektiös (Staphylococcus aureus-Toxin/bakteriell/viral)
Gelenkschmerz
reaktive Arthritis bei Infektion mit Campylobacter, Yersinien, Salmonellen, Shigellen
Fieber
infektiös, Morbus Crohn
Gewichtsverlust
Morbus Crohn, Sprue, Karzinom, Hyperthyreose, Pankreasinsuffizienz, AIDS, Lymphom
Blähungen (s. S. 184)
funktionell, Laktoseintoleranz, Colitis ulcerosa
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Leitsymptome
Auslöser Möglicherweise gibt es Hinweise auf Auslöser der Diarrhöen: Können Sie Auslöser erkennen, z. B. Stress oder bestimmte Nahrungsmittel, wie etwa Milch?
54
Vorereignisse Insbesondere bei akut aufgetretenen Durchfällen interessieren die Ereignisse unmittelbar vor Beginn der Beschwerden. Versuchen Sie zu klären, wo (Ort) und wie (Umstände) sich der Patient die Erkrankung möglicherweise zugezogen hat. Dabei sollte auch eine Umgebungsanamnese erhoben werden. Folgende Punkte
Tabelle 2.6 Medikamente, die Diarrhöen verursachen Substanzgruppe
Wirkstoff
Antibiotika
Ampicillin und viele andere
Laxanzien
Laktulose
Magnesiumhaltige Antazida
Magnesiumhydroxid
Herzglykoside
Digitoxin, Digoxin
Methylxanthine
Theophyllin
Schleifendiuretika
Furosemid
Schilddrüsenhormone
Thyroxin
Zytostatika
Cisplatin
und Fragen können bei der Klärung hilfreich sein: Reise und Familie Hat eine Reise stattgefunden? Ein Aufenthalt in den Tropen oder Subtropen? Oder waren Sie zu Hause? Sind andere betroffen, Mitreisende oder Familienmitglieder?
Wohnheim und Krankenhausaufenthalt Wo wohnt der Patient? (z. B. Altenheim) Wurde die Erkrankung im Krankenhaus erworben? Wissen Sie von anderen Betroffenen? Berufliche Exposition Besteht eine berufliche Exposition? (Kanalarbeiter) Verdächtiges Essen Besteht ein Verdacht im Hinblick auf eine bestimmte Mahlzeit? (z. B. Mayonnaise, Eierspeisen, Eiswürfel)? Medikamente Verschiedene Medikamente können Diarrhöen auslösen (Tab. 2.6). Deshalb lauten die nächsten Fragen: Ist eine antibiotische Behandlung durchgeführt worden? Eine andere medikamentöse Behandlung?
Vorerkrankungen Schließlich sollte geklärt werden, ob Vorerkrankungen, insbesondere im Bereich des Magen-Darm-Traktes, bestehen.
Vorerkrankungen können eine ursächliche Rolle spielen und die Prognose bestimmen.
MERKE
ten bei bakteriellen Erregern. Sie kommen bei Infektionen mit Campylobacter, Yersinien, Salmonellen und Shigellen vor. Auch die anderen Begleitphänomene ermöglichen Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Erkrankung (Tab. 2.5). Die diagnostische Aussagekraft der Begleitphänomene sollte jedoch nicht überbewertet werden.
Auf folgende Erkrankungen muss geachtet werden: Pankreaserkrankungen Operation an Magen und Darm Alkoholabusus Diabetes mellitus
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HIV-Infektion Immunsuppression Tumorleiden schwere Herz-, Nieren-, Lungenerkrankungen und hohes Alter mit Multimorbidität.
Gehen Sie bezüglich der Vorerkrankungen auch diesen Fragen nach: Wurde wegen der Beschwerden schon einmal eine Diagnostik durchgeführt? Liegen Laborwerte vor? Sonographiebefunde? Stuhluntersuchungen? Eine Koloskopie?
Nach dem Sammeln der Basisinformationen sollte klar sein, ob der Durchfall akut oder chronisch ist und bei Verdacht auf chronischen Durchfall sollte eine Vorstellung bestehen, ob er funktionell oder organisch bedingt ist (s. S. 58). Bei organisch bedingtem Durchfall sind Verdachtsdiagnose und Differenzialdiagnosen zu überprüfen.
LERNTIPP
2 Durchfall
2.5.2 Besonderheiten der Anamneseerhebung bei akutem Durchfall Die sichere Diagnose eines akuten Durchfalls (Tab. 2.7) kann erst durch den Verlauf gestellt werden. Jeder akute Durchfall kann der Beginn einer chronischen Durch-
55
Tabelle 2.7 Häufige Ursachen akuter Diarrhöen Erreger/Substanz Bakterien
Viren
Parasiten
Antibiotika
n
Salmonellen (Abb. 2.6)
n
n
Shigellen
n
n
Yersinien
n
n
Campylobacter
n
n
Staphylococcus aureus-Toxin
n
Clostridium difficile-Toxin
n
Norwalk
n
Adeno
n
Rota
n
Astro
n
Amöben (Entamöba histolytica)
n
Gardia lamblia
n
Cryptosporidium parvum
n
Clindamycin
n
Cefalosporine
n
Andere Medikamente
Ampicillin (häufig Überwucherung mit Clostridium difficile durch Schädigung der normalen Dickdarmflora)
Enterotoxinbildende E. coli (ETEC) Enteropathogene E. coli (EPEC) Enteroinvasive E. coli (EIEC) Enterohämorrhagische E. coli (EHEC)
andere
s. auch Tab. 2.6
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Leitsymptome
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MERKE
Die sichere Festlegung einer Ursache gelingt nur selten. Hinweise zur Ätiologie ergeben sich aus den gesammelten Basisinformationen. Die häufigste Ursache einer akuten Diarrhö ist ein bakterieller oder ein viraler Infekt.
Das klinische Bild erlaubt meist nur einen sehr begrenzten und unsicheren Rückschluss auf den Erreger.
Reisediarrhö Verursacher reisebedingter Diarrhöen sind: E. coli (Abb. 2.8), Shigellen, Campylobacter und Lamblien. Auch bei der Reisediarrhö liegt meistens eine selbst limitierende Erkrankung vor. Ergeben sich aus den Basisinformationen Hinweise auf eine Reisediarrhö, die nach Auslandsreisen häufig vorkommt, sollte man weitere Fragen stellen, die diesen Verdacht untermauern. Hilfreich sind Fragen nach den hygienischen Verhältnissen: Pauschalreise? Individualreise? Rucksackreise? Benutzung von Leitungswasser? Obstgenuss?
a
50 µm
b Abb. 2.8 Escherichia coli. a Plumpe, z. T. kokkoide, gramnegative Stäbchen, Gram-Färbung eines Präparates aus Urinsediment. Klinische Diagnose: akute Zystitis. b E. coli Kultur auf einer Agar-Platte
„Peel it, cook it, boil it – or forget it“– diese Empfehlungen sollten von allen (Tropen)Reisenden unbedingt berücksichtigt werden.
MERKE
fallerkrankung sein. Wenn die Anamnese nahe legt, dass ein akuter Durchfall besteht (z. B. weil der Patient auf einer Reise etwas Verdächtiges gegessen hat), muss geklärt werden, wie gravierend das Krankheitsbild ist, wie intensiv die weitere Diagnostik durchgeführt werden muss und ob der Patient ambulant geführt werden kann oder stationär aufgenommen werden muss. Die Schwere der Erkrankung lässt sich durch die Begleitphänomene und das klinische Bild abschätzen: Besteht ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl? Fieber? Wie groß ist das Ausmaß der Exsikkose (s. S. 71)? Liegt ein Gewichtsverlust von mehr als 10 % des Körpergewichts vor? Ist der Patient somnolent? Besteht Blutabgang?
Nosokomiale und Antibiotikaassoziierte-Diarrhö Häufige Formen der akuten Diarrhö sind die nosokomiale Diarrhö und die Diarrhö nach einer Antibiotikabehandlung. Zu den nosokomialen Diarrhöen zählen definitionsgemäß alle Diarrhöen, die während eines Krankenhausaufenthaltes nach dem 3. stationären Tag auftreten. Sie sind eine sehr häufige Komplikation und meistens durch ärztliche Maßnahmen (iatrogen) bedingt. Auslöser sind medikamentöse Therapien (Antibiotika u. a., s. Tab. 2.6), enterale Ernährung und die im Krankenhaus endemischen Erreger. Auch die Grunderkrankung des Patienten
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2 Durchfall Oft besteht eine Assoziation zur Nahrungsaufnahme: „Das Essen rutscht einfach so durch“. Ein Gewichtsverlust ist ausgesprochen selten. Oft am Montag. Fehlende Beschwerden in den Ferien. Oft eindeutige Stressassoziation : „Das war schon früher so, wenn ich eine Klassenarbeit hatte“.
Abb. 2.9 Endoskopischer Befund bei pseudomembranöser Kolitis: gelbe Beläge
(funktionelle Diarrhö, entzündliche Darmerkrankung, Tumor) kann eine nosokomiale Diarrhö verursachen. Die Pathogenese der Antibiotika-assoziierten-Diarrhö (AAD) ist noch nicht restlos geklärt. Eine entscheidende, ursächliche Rolle spielt die Störung der physiologischen Darmflora. Bei einem Teil der Patienten kommt es zusätzlich zu einer Überwucherung mit dem fakultativ pathogenen Keim Clostridium difficile, der zwei Toxine bildet, die die Mucosa schädigen. Es kann zu schweren Entzündungen mit dem Bild der pseudomembranösen Kolitis (Abb. 2.9) kommen. Bei der Anamneseerhebung muss berücksichtigt werden, dass die vorausgegangene antibiotische Behandlung bis zu 2 Monate zurückliegen kann.
2.5.3 Chronischer Durchfall Funktionelle Ursache Bei Hinweisen auf eine funktionelle Ursache von chronischen Durchfällen muss die Befragung des Patienten in diese Richtung ausgeweitet werden. Funktionelle Durchfälle sind durch folgende Merkmale charakterisiert: Sie treten rezidivierend oder anhaltend auf, meistens über längere Zeiträume. Sie treten häufig vormittags, oft innerhalb kurzer Zeit (wenige Stunden), selten nachts auf.
Zu klären ist, ob besondere Belastungen vorliegen. Im Zweifelsfalle sollte gezielt gefragt werden: Haben Sie Stress? Ärger? Kummer? Privat? Probleme mit dem Ehepartner oder den Kindern? Am Arbeitsplatz? Mit dem Chef oder den Kollegen? Besteht Zeitdruck? Ist der Arbeitsplatz gefährdet? Bestehen außergewöhnliche Belastungen?
57
Häufig werden die Patienten dann von Problemen berichten. Hilfreich ist, nach dem Ausmaß der Beeinträchtigungen durch den Durchfall zu fragen. Oft besteht ein Missverhältnis zwischen der objektiven Beeinträchtigung und dem subjektiven Leid. „Ich traue mich schon gar nicht mehr auszugehen“. Häufig besteht auch Angst vor längeren Reisen. Viele Betroffenen kennen alle öffentlichen Toiletten in ihrer Umgebung. Oft hört man: „Das kann doch so nicht weitergehen“. Häufig bestehen Schleimabgang oder diffuse abdominale Schmerzen, die durch den Stuhlgang gelindert werden. Oft berichten die Patienten über „Grummeln“, Blähungen, Windabgang oder Aufstoßen. Häufig wechselt die Diarrhö mit Obstipation oder vorübergehend normalem Stuhl. Ein Großteil der Patienten litt in der Vorgeschichte unter funktionellen Oberbauchbeschwerden, wie Magenschmerzen, Aufstoßen oder Sodbrennen. Bei einem Teil der Patienten findet sich eine Assoziation mit anderen psychosomatischen Krankheitsbildern. Teilweise fand bereits eine Psychotherapie statt.
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Die Diagnose der funktionellen Diarrhö ist eine Ausschlussdiagnose.
Organische Ursachen
58
Hinweise auf organisch bedingte chronische Durchfälle lassen sich aus folgenden Merkmalen ableiten: Es liegen Diarrhöen vor, die nicht mit Phasen von normalem Stuhl oder Obstipation abwechseln. Die Durchfälle treten auch nachts auf, am Wochenende, im Urlaub. Sie zeigen eine gleichmäßige Verteilung über 24 Stunden. Häufig treten die Diarrhöen im nüchternen Zustand auf, sie haben eine kürzere Vorgeschichte. Auslöser sind oft nicht eruierbar. Blutbeimengungen sprechen immer für eine organische Ursache, ebenso Gewichtsverlust und Krankheitsgefühl. Aus zwei Gründen sollte bei der Verdachtsdiagnose funktionelle Diarrhö ge-
zielt nach organischen Ursachen gefragt werden: Erstens sind funktionelle Beschwerden im Bereich des Magen-DarmTraktes häufig. Das heißt, das koinzidente Auftreten von funktioneller und organisch bedingter Diarrhöen dürfte keine Rarität sein. Zweitens ist die Diagnose einer funktionellen Diarrhö eine Ausschlussdiagnose. Die definitive Diagnose einer chronischen Diarrhö ergibt sich aus dem Mosaik klinischer Befunde und apparativer Untersuchungen.
Um die weitere Diagnostik frühzeitig in die richtige Richtung zu lenken und eine „Schrotschussdiagnostik“ zu vermeiden, sollte die Anamnese zumindest eine Verdachtsdiagnose erbringen.
LERNTIPP
MERKE
Leitsymptome
Die folgende Liste gibt eine Übersicht der relevanten Leitsymptome und der entsprechenden Differenzialdiagnosen bei chronischer Diarrhö (Tab. 2.8).
Tabelle 2.8 Chronische Diarrhö zusätzliche Symptome
mögliche Diagnose
Milchintoleranz, Blähungen
Laktasemangel, Laktoseintoleranz (s. S. 47)
Blut, Schleim, Fieber
Colitis ulcerosa (s. S. 219)
Schmerzen, wie Appendizitis, Fieber
Morbus Crohn (s. S. 218)
Gewichtsverlust (s. S. 193)
Sprue- dran denken! (s. S. 47)
akuter Beginn, Auslandsaufenthalt
Infektion (s. S. 56)
alte Menschen
Karzinom (s. S. 218)
Alkoholabusus, Gewichtsverlust, Fettstuhl
Pankreasinsuffizienz (s. S. 188)
Diabetes mellitus, Polyneuropathie (s. S. 48)
Motilitätsstörung
Gewichtsverlust, vermehrte Nahrungsaufnahme, Nervosität
Hyperthyreose (s. S. 195)
bekannte HIV-Infektion
großes Erregerspektrum
vorausgegangene Operation
OP-Folge, Vagotomie
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2 Durchfall 2.5.4 Körperliche Untersuchung
Tabelle 2.9 Diagnostik Körperliche Untersuchung bei Diarrhö
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Ihr Patient ist in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand, eine Exsikkose liegt nicht vor. Herzfrequenz und Blutdruck sind unauffällig. Das Abdomen ist weich, im Unterbauch etwas empfindlich, es bestehen jedoch kein umschriebener Druckschmerz, keine Abwehrspannung und keine Resistenzen. Bei der rektalen Untersuchung ist Blut am Handschuh.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die beiden wahrscheinlichsten Diagnosen sind die infektiöse Diarrhö und die Colitis ulcerosa. Ziel der körperlichen Untersuchung ist es in erster Linie, das Schwerebild der Erkrankung einzuschätzen. Im Hinblick auf die Ursachenabklärung hilft die körperliche Untersuchung bei der Diarrhö oft nicht viel weiter. Das Abdomen wird nach den üblichen Regeln untersucht (s. S. 16).
Auskultation und Palpation Im Vordergrund stehen die Auskultation und der Palpationsbefund. Bestehen regelrechte oder sehr lebhafte Darmgeräusche? Oder Stille? Bestehen Druckschmerz oder Abwehrspannung? Lokal oder diffus? Ist ein Tumor tastbar? Bei der rektalen Untersuchung wird auf die Stuhlkonsistenz geachtet, nach Tumoren getastet und sichtbares Blut oder okkultes Blut (Fingerling auf HaemoccultTest-Briefchen) gesucht. Schließlich wird das Ausmaß der Exsikkose eingeschätzt und der Hautturgor bestimmt (s. S. 71). Außerdem werden Herzfrequenz und Blutdruck geprüft.
Abdomen: n Palpation: lokaler Druckschmerz, lokale Abwehrspannung, Tumor n Auskultation: Darmgeräusche (s. S. 17) digitale rektakle Untersuchung (s. S. 127): Stuhlkonsistenz, sichtbares oder okkultes Blut, Tumor Hydratationszustand: Blutdruck, Herzfrequenz, Hautturgor, Gewicht
59
2.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Um die Diagnose weiter einkreisen zu können, veranlassen Sie bei Thorsten B. eine Endoskopie und eine Blutabnahme. Endoskopisch werden im Rektum, Sigma sowie im Colon descendens erythematöse Schleimhautveränderungen gesehen (Abb. 2.10). Die Blutabnahme liefert die in Tab. 2.10 dargestellten Werte.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Das endoskopische Bild ist typisch für eine Colitis ulcerosa. Die Entzündungsparameter (Leukozyten, BSG, CRP) sind erhöht, wie bei der Colitis ulcerosa möglich, eine infektiöse Ursache ist jedoch noch nicht ausgeschlossen. Weiter auf S. 62. Das Ausmaß der weitergehenden Diagnostik richtet sich nach der Dauer der Erkrankung, dem Beschwerdebild und den Begleiterkrankungen.
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Leitsymptome Tabelle 2.10 Laborwerte Parameter
Patient
Norm
Leukozyten
12300/ml
4000–10000/ml
Hb
13,8 g/dl
14,0–18,0 g/dl (5)
Thrombozyten
216 Tsd/ml
150–350 Tsd/ml
BSG nach Westergren
24/36 mm
3–10 mm/h (5)
C-reaktives Protein (CRP)
38 mg/l
I 5 mg/l
GOT
24 U/l
I 50 U/l (5)
GPT
43 U/l
I 50 U/l (5)
g-GT
35 U/l
I 66 U/l (5)
60
Abb. 2.10 Endoskopiebefund bei Colitis ulcerosa. Hochrote Schleimhaut mit einem Verlust des normalen Gefäßmusters
Abb. 2.11 Kolonkarzinom, das das Darmlumen partiell verlegt und durch Bauchschmerzen aufgefallen ist (p)
Eine unkomplizierte Diarrhö muss meistens nicht weiter abgeklärt werden. Man beobachtet den Spontanverlauf. Die chronische oder rezidivierende Diarrhö kann erhebliche diagnostische Probleme machen, weil die häufigste Ursache funktioneller Art ist. Es handelt sich also um eine Ausschlussdiagnose, auch wenn oft Hinweise für eine „funktionelle Diarrhö“ sprechen. Man wird eine Basisdiagnostik durchführen und diese gegebenenfalls erweitern. Gründe für eine intensivierte Diagnostik sind starke oder nächtliche Diarrhöen, Schmerzen, Gewichtsver-
lust, Blutabgang, Progredienz, eher kurze Anamnese, höheres Lebensalter und Komorbidität.
2.6.1 Basisdiagnostik Als Basisdiagnostik gilt: Laboruntersuchungen, insbesondere Entzündungs- und Schilddrüsenwerte, Pankreasfunktion, Elektrolyte und Blutbild. Die Stuhluntersuchungen erfolgen insbesondere im Hinblick auf eine Pankreasinsuffizienz (Tab. 2.11) und eine mikrobio-
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2 Durchfall logische Diagnostik. Ein positiver Haemoccult-Tests (Suchtest für okkultes Blut) kann auf einen Dickdarmtumor (Abb. 2.11) hinweisen. Allerdings fällt der Test auch bei vielen Patienten ohne Tumor positiv aus. Eine Sonographie hilft in der Regel nicht weiter, sollte aber, im Hinblick auf die Beurteilung des Pankreas, durchgeführt werden. Endoskopie (s. S. 210): Der Goldstandard ist die Untersuchung des oberen Gastrointestinaltraktes und des Kolons, inklusive Probenentnahme. Die Dünndarmdiagnos-
tik ist aufwendiger, das klassische, bildgebende Verfahren ist die röntgenologische Dünndarmdarstellung nach Sellink (s. S. 212).
2.6.2 Intensivierte Diagnostik Eine neuere Methode ist die Kapselendoskopie (s. S. 211). Hierbei schluckt der Patient eine Kapsel, die mit Lichtquelle, Batterien, Sender und Kamera ausgerüstet ist. Während der Darmpassage liefert die Minikamera alle zwei Sekunden ein Bild und liefert so Einblicke in
Tabelle 2.11 Weitergehende Diagnostik bei Diarrhö Untersuchung
Parameter
Interpretation
Labor
Blutbild
Blutverlust, Anämie, Leukozytose?
Elektrolyte
Hypokaliämie, Hyponatriämie?
CRP, BKS
entzündlicher Prozess?
Amylase
chronische Pankreatitis?
HIV-Test
HIV-assoziierte Diarrhö?
TSH
Hyperthyreose
Fettbestimmung
Pankreasinsuffizienz
Pankreaselastase
Pankreasinsuffizienz
pathogene Keime
infektiöse Darmerkrankung
Haemoccult-Test (Suchtest für okkultes Blut)
Dickdarmkarzinom
Sonographie
Pankreas
chronische Pankreatitis?
Endoskopie
obere Intestinoskopie, Koloskopie und Rektoskopie mit Probeentnahme
Zottenatrophie im Duodenum, chronisch-entzündliche Darmerkrankung? Adenome? Karzinom?
Röntgenuntersuchung nach Sellink
Dünndarmdarstellung
Morbus Crohn
Funktionstest
Laktosetoleranztest
Laktasemangel
H2-Atemtest
Laktasemangel
Schillingtest
Resorptionsstörung terminales Ileum
Pankreolauryltest
Pankreasinsuffizienz
Stuhluntersuchungen
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Leitsymptome Dünndarmabschnitte, die mit der Endoskopie nicht zu erreichen sind. Zur Funktionsdiagnostik gehören der Laktosetoleranztest, der H2-Atemtest, der Schillingtest und der Pankreolauryltest (s. S. 213).
In Tab. 2.12 sind die Erkrankungen, bei denen eine Diarrhö auftritt, mit ihren wegweisenden Symptomen und Befunden sowie den nötigen Informationen und Untersuchungen zur Diagnosesicherung aufgeführt.
2.7 Diagnosesicherung
2.7.1 Therapieansätze
Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung
62
Die Diagnose wird gesichert durch das endoskopische Bild, die histologische Untersuchung einer Probe und den Verlauf. Außerdem sollte eine Stuhluntersuchung auf pathogene Keime zum sicheren Ausschluss einer infektiösen Ursache erfolgen.
Wenn möglich wird bei einer Diarrhö die zugrunde liegende Erkrankung behandelt. Wenn dies nicht nötig oder möglich ist oder bis zum Erreichen des Therapieerfolges, kann symptomatisch behandelt werden sowie eine Substitution von Flüssigkeit, Elektrolyten und Kalorien erfolgen.
Symptomatische Therapie In Tab. 2.13 sind die Therapieprinzipien der symptomatischen Behandlung einer Diarrhö aufgeführt:
Tabelle 2.12 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
infektiöse Diarrhö (s. S. 55)
klinisches Bild, akuter Beginn
Keimnachweis, Serologie
antibiotikaassoziierte Diarrhö (s. S. 56)
Anamnese
Auslassversuch, Nachweis von Clostridium difficile-Toxin
funktionell (s. S. 57)
Anamnese
Ausschluss anderer Ursachen
Laktasemangel (s. S. 47)
Anamnese, Milchunverträglichkeit
Laktosetoleranztest Auslassversuch Reexposition
Colitis ulcerosa (s. S. 219)
klinisches Bild, Blut im Stuhl
Endoskopie, Histologie, Verlauf
Morbus Crohn (s. S. 218)
klinisches Bild
Endoskopie, Histologie, Verlauf
Sprue (s. S. 47)
klinisches Bild, dran denken!
Endoskopie, Histologie, Ansprechen auf glutenfreie Diät
Kolonkarzinom (s. S. 218)
Gewichtsverlust, Lebensalter
Endoskopie, Histologie
exokrine Pankreasinsuffizienz
Gewichtsverlust, Fettstühle, Anamnese
Pankreasenzym im Stuhl, Sonographie
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2 Durchfall Tabelle 2.12 Fortsetzung Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Diabetes mellitus (s. S. 48)
Anamnese
Ausschlussdiagnose
Hyperthyreose
Klinik, Nahrungsaufnahme gesteigert, aber Gewichtsverlust
TSH, T3, T4
HIV-Infektion
Anamnese
HIV-Test, Erregerdiagnostik
Operationsfolge
Anamnese
Ausschlussdiagnostik
Tabelle 2.13 Symptomatische Therapie der Diarrhö Mechanismus
Erkrankung
Therapie
funktionelle Diarrhö
Behandlung der Auslöser (Entspannungsübungen, Stressabbau, Mebeverin)
Laktasemangel (s. S. 47)
Milchkarenz, Laktase
Colitis ulcerosa (s. S. 219), Morbus Crohn (s. S. 218)
entzündungshemmende Medikamente: 5-Aminosalicylsäure, Kortikosteroide, Azathioprin
Sprue (s. S. 47)
glutenfreie Diät
Kolonkarzinom
OP
exokrine Pankreasinsuffizienz
Pankreasenzymsubstitution
Diabetes mellitus, diabetische Polyneuropathie
kausale Therapie nicht möglich, BZ-Einstellung
Hyperthyreose
Operation, thyreostatische Therapie, Carbimazol
HIV-Infektion
antiretrovirale Therapie, Behandlung von opportunistischen Infektionen
Operationsfolge Kurzdarmsyndrom (s. S. 217)
meist keine kausale Therapie möglich, Cholestyramin
chologene Diarrhö
Cholestyramin
Substanz
Hemmung der Darmmotilität
Loperamid, Tinctura opii
Adsorbenzien
Kohle, KoalinPectin, Cholestyramin
Mikroorganismen
Saccharomyces boulardii
antisekretorische Substanzen
Octreotid (synthetisches Somatostatinanalogon)
Substitution des Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Kalorienverlustes
Tabelle 2.14 Kausale Therapie der Diarrhö
WHO-Elektrolytlösung (Elotransr)
Kausale Therapie Zur kausalen Therapie der Erkrankungen, die eine Diarrhö verursachen können, siehe Tab. 2.14.
63
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Leitsymptome Differenzialdiagnostische Überlegungen
3 Erbrechen 3.1 Begriffe
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Erbrechen (synonym Emesis): Hochbringen und Herausbefördern von MagenDarm-Inhalt durch den Mund nach außen. Übelkeit (synonym Nausea) : Unangenehmes pharyngeales oder epigastrisches Gefühl des drohenden Erbrechens. Regurgitation: Hochbringen von Mageninhalt ohne Übelkeitsgefühl, nicht ausgelöst über das Brechzentrum. Rumination: Hochbringen von Mageninhalt mit anschließendem Wiederverschlucken. Hämatemesis: Erbrechen von Blut. Das Blut kann aus dem Ösophagus, dem Magen oder dem Duodenum stammen, jedoch auch aus dem Nasopharynx-Bereich. Miserere: Fäkulentes Erbrechen.
3.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht des Patienten Bei Ihnen stellt sich Hartmut M. vor, ein 38-jähriger Patient, der über Übelkeit und Erbrechen klagt, das seit zwei Tagen besteht. Er macht sich Sorgen, weil er beim Erbrochenen auch etwas Blut gesehen hat. Außerdem hat er Schmerzen im Oberbauch und er fühlt sich nicht gut.
Die häufigsten Ursachen von Erbrechen sind banale, selbst limitierte Erkrankungen des Magens: Magenschleimhautschädigungen durch bakterielle Noxen, Medikamente, Toxine. Berücksichtigt werden müssen aber auch potenziell komplikationsträchtige Ursachen: Ulcus ventriculi und Ulcus duodeni, hämorrhagische Gastritis. Weniger häufig sind Ursachen, die nicht primär im Bereich des Magen-DarmTraktes liegen: Schmerzen bei thorakalen oder abdominalen Prozessen, auch beim Myokardinfarkt, Störungen des Gleichgewichtsorgans, psychogene Ursachen, bei Frauen eine Schwangerschaft, insbesondere im ersten Drittel. Weiter auf S. 67. Erbrechen gehört zu den Schutzreflexen gegenüber exogenen und endogenen Noxen. Es ist häufig Folge banaler Erkrankungen des Magens, wie sie jeder kennt, kann jedoch auch Ausdruck gravierender Funktionsstörungen sein. Unabhängig von der Ursache kann das Erbrechen durch die mechanische Belastung des Magens und der Speiseröhre, die Aspiration von Erbrochenem und den Verlust von Flüssigkeiten und Elektrolyten ernste Folgen haben. Zu den Komplikationen des Erbrechens s. S. 72.
3.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Zum besseren Verständnis des Leitsymptoms ist es hilfreich, sich noch einmal den anatomischen und physiologischen Hintergrund des Erbrechens vor Augen zu führen: Der Brechvorgang ist Ausdruck eines komplexen Schutzreflexes. Die Steuerung erfolgt über das Brechzentrum in der Formatio reticularis der Medulla oblongata und die Nuclei tractus solitarii sowie die Area postrema. Sie erhalten Impulse von Magen-Darm-Trakt, Urogenitaltrakt, Peritoneum, Herz, Cortex und Sinnesorganen.
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3 Erbrechen Die Area postrema weist eine hohe Dichte an Serotonin(5-HT3)- und Dopaminrezeptoren (D2) auf, dies ist für die Therapie des Erbrechens wichtig (s. S. 75). Nervale Impulse wirken auf zwei Arten. Erstens über viszerale Afferenzen des Nervus vagus und der Nn. splanchnici. Zweitens über die Hirnnerven: N. opticus (Sehen), N. olfactorius (Riechen) sowie Chorda tympani aus dem N. facialis und N. glossopharyngeus (Schmecken). Humorale Impulse wirken über zirkulierende Substanzen im Blut: Harnpflichtige Substanzen (Harnstoff, Kreatinin) bei Urämie, Medikamente (Zytostatika), Hormone (Thyroxin).
Wenn der Brechreiz einmal ausgelöst ist, läuft das Erbrechen unabhängig vom Auslöser gleichförmig ab (Abb. 3.1): Es kommt zu einer Relaxation des Magenfundus, der Kardia und des unteren Ösophagus-Sphinkters, zu einem Verschluss des Pylorus und einer Kontraktion von Antrum, Diaphragma und Bauchdeckenmuskulatur. Die Epiglottis wird geschlossen und der Eingang zum Naso-Pharynx durch das Anheben des Gaumens abgedichtet. Der Mageninhalt wird forciert durch die Speiseröhre und den Mund nach außen befördert.
65
Entzündung
Magendehnung
optische Reize
Brechzentrum
Schwindel
Pons 4. Ventrikel
Formatio reticularis Gerüche
Medulla oblongata
Hirndruck
Schwangerschaft vermehrte Speichelsekretion
Schmerz Erbrechen
Medikamente Gifte
Epiglottis geschlossen Ösophagussphinkter, Fundus und Kardia relaxiert Diaphragma Kontraktion von
Antrum Bauchmuskulatur Pylorus geschlossen
Abb. 3.1 Der Brechreflex
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MERKE
Leitsymptome Prodromi des Erbrechens sind Hypersalivation, Übelkeit und Würgen.
Zu den Ursachen des Erbrechens siehe Tab. 3.1.
3.4 Ursachen von Erbrechen
66
Auslöser im Bereich des Gastrointestinaltraktes sind Entzündungen, Schmerzen, Passagehindernisse und postoperative Zustände. Auch starke Schmerzen außerhalb des Gastrointestinaltraktes können Brechreiz auslösen: Myokardinfarkt, Lungenembolie, Nierenkolik, Kopfschmerzen. Häufig ist die Ursache auch psychischer Natur : seelische Belastungen, Anorexia nervosa (s. S. 197), Bulimie (s. S. 144).
Auslöser im Bereich der Sinnesorgane sind das Glaukom, Ekel erregender Anblick, Geruch oder Geschmack, Innenohrschäden und Reizung des Gleichgewichtsorgans. Hormonelle Veränderungen in der Schwangerschaft und endokrinologische Erkrankungen (Hyperthyreose, Hyperkalzämie bei Hyperparathyreoidismus) können ebenfalls Erbrechen auslösen. Metabolische Ursachen sind die diabetische Ketoazidose und die Urämie. Zahlreiche Medikamente (s. S. 70) und Toxine können Brechreiz auslösen. Auch Fieber, Bestrahlungen und ZNS-Erkrankungen können ursächlich für Erbrechen sein.
Tabelle 3.1 Ursachen des Erbrechens nach Häufigkeiten Vorkommen
Gastrointestinaltrakt
andere
häufig
Gastroenteritis
Alkoholabusus (s. S. 172)
Gastritis
Hyperemesis gravidarum
Cholezystitis
Medikamente (s. S. 70)
Appendizitis
Migräne
chronisch entzündliche Darmerkrankungen (s. S. 218)
Morbus Menière
Gallenkolik
Neuritis vestibularis
Magenausgangsstenose
Nierenkolik
Ulcus ventriculi (s. S. 68)
Myokardinfarkt
Ulcus duodeni (s. S. 68)
psychogen
Stauungsgastritis
Glaukom
Ischämie
diabetische Gastroparese
maligne Stenose
Morbus Addison
weniger häufig
selten
Hyperthyreose ZNS-Tumor Urämie
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3 Erbrechen
3.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Bei gezielter Anamnese berichtet Herr M., dass er ähnliche Beschwerden schon früher gelegentlich hatte. Sie hielten damals ein paar Tage an und ließen dann wieder nach. Ansonsten fühlt sich der Patient gesund. Sein Appetit war bis vor 3 Tagen gut, das Gewicht konstant und zu hoch, der Stuhlgang regelmäßig. Schwindel oder Drehschwindel hat er nicht. Sie erfahren von Herrn M., dass nicht viel Blut im Erbrochenen war. Die Blutbeimengung trat heute Morgen erstmals auf. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme. Der Patient trinkt täglich Alkohol, überwiegend Bier, manchmal auch hochprozentige Alkoholika. Nikotin: 5–20 Zigaretten pro Tag.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Bei Ihrem Patienten sprechen die kurze Anamnese, das wiederholte Auftreten, der leichte Oberbauchschmerz, der fehlende Schwindel und die Risikofaktoren für eine Magenschleimhautschädigung, am ehesten eine akute Gastritis. Aller-
Wegweisend für die weitere Diagnostik ist die sorgfältige Anamneseerhebung, sie hilft meist mehr als die körperliche Untersuchung.
MERKE
Auf der Basis des bereits vorhandenen Wissens werden jetzt die Ideen zusammengefasst und geordnet. Überlegen Sie, welche Fragen und Untersuchungen bei der Eingrenzung der Diagnose weiterhelfen. Das weitere diagnostische Vorgehen beinhaltet: Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen, körperliche Untersuchung und weitergehende Diagnostik (z. B. Röntgenthorax, EKG).
dings lässt sich ein Ulkus nicht ausschließen. Die Blutung ist offenbar nicht massiv und erst gegen Ende des Erbrechens aufgetreten und damit wahrscheinlich eher Folge des Erbrechens und weniger Ausdruck einer primär blutenden Schleimhautläsion. Weiter auf S. 71.
Folgende Fragen müssen geklärt werden: Wie ist der zeitliche Ablauf? Was wird erbrochen? Begleitphänomene? Vorerkrankungen und Operationen? Medikamente? Vorereignisse: Reisen?
67
Zeitlicher Ablauf Die ersten Fragen betreffen den zeitlichen Verlauf : Seit wann besteht das Erbrechen? Ist es akut aufgetreten? Besteht es seit Stunden oder wenigen Tagen, oder besteht es schon länger, womöglich intermittierend? Beim intermittierenden Auftreten muss geklärt werden, wie lange das Erbrechen besteht, wenn es auftritt und natürlich, wie oft es zum Erbrechen kommt. Mehrfach pro Tag, mehrfach in der Woche, sporadisch?
Zeitlicher Verlauf: Seit wann? Wie lange? Wann? Wie oft?
MERKE
3.5 Problemlösung
Beim rezidivierenden oder über mehrere Tage bestehenden Erbrechen soll nach dem zeitlichen Auftreten gefragt werden:
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Leitsymptome Morgens nach dem Aufstehen?
MERKE
Das ist beim Alkoholabusus oder in der Schwangerschaft häufig, es kommt auch bei der Urämie vor.
Morgendliches rezidivierendes Erbrechen: Alkoholabusus Gravidität Urämie a
68
Besteht eine Beziehung zum Essen? Promptes Erbrechen nach dem Essen (synonym postprandial) ist häufig bei Motilitätsstörungen des Magens (Gastroparese bei Diabetes mellitus), Magenausgangsstenosen (benigne, maligne), Ulcus ventriculi und duodeni (Abb. 3.2), Gastritiden und psychogenem Erbrechen.
Was wird erbrochen? Die nächsten Fragen betreffen die Art des Erbrochenen: Wird unverdaute Nahrung erbrochen? Das Erbrechen von unverdauter Nahrung weist auf Divertikel (s. S. 117), Stenosen von Ösophagus und Magen (s. S. 104) oder eine Achalsie (s. S. 102) hin. Werden angedaute Speisen erbrochen? Angedaute Speisen sind das natürliche Produkt jedes postprandialen Erbrechens. Ist Galle dem Erbrochenen beigemischt? Bei leerem Magen wird oft gallig tingierter Magensaft erbrochen. Dabei ist der Pylorus erschlafft und der Tonus im Duodenum gesteigert. Galliges Erbrechen kann auf eine Stenose unterhalb der Papilla duodeni major (Papilla Vateri) hindeuten. Wird Blut erbrochen? Blut wirkt als Brechmittel. Das Erbrechen von Blut (Hämatemesis) kann viele Ursachen haben. Liegt eine frische Blutung vor, wird hellrotes Blut erbrochen. Die Blutungsquelle kann im Nasen-Rachen-Raum (Nasenbluten), Ösophagus (Ösophagusvarizen) oder Magen liegen.
b Abb. 3.2 Endoskopiebefunde bei Ulkuskrankheit. a Fibrinbelegtes Ulcus ventriculi im präpylorischen Magenanteil; b fibrinbelegtes Ulcus duodeni im Bulbus duodeni
Hämorrhagische Gastritis und Ulkuskrankheit können gleichzeitig Erbrechen und Blutungen verursachen. Erbrechen kann, unabhängig von der Ursache, zu Schleimhauteinrissen im gastro-ösophagealen Übergangsbereich und damit zu einer Blutung führen. Diese Form der Blutung wird Mallory-WeissSyndrom (s. S. 78) genannt. Eine Ruptur aller Ösophagusschichten findet sich beim Boerhaave-Syndrom. Um herauszufinden, ob ein Schleimhauteinriss stattgefunden haben kann, muss immer gefragt werden: Wurde gleich bei Beginn blutig erbrochen, oder kam die Blutbeimengung erst im Laufe des Erbrechens?
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3 Erbrechen Tabelle 3.2 Begleitphänomen Schmerz Organ
Mögliche DD
Abdomen
Gastritis Ulcus ventriculi, duodeni Gallenkolik mechanischer Ileus
Abb. 3.3 Kaffeesatz-Erbrechen bei oberer gastrointestinaler Blutung
Nierenstein Thorax
MERKE
Sieht das Erbrochene aus wie Kaffeesatz (Abb. 3.3)? Sobald Blut in Kontakt mit Magensäure kommt, bildet sich Hämatin. Das erbrochene Blut sieht kaffeesatzartig aus. Kaffeesatzartiges Erbrechen ist typisch für eine Blutungsquelle oberhalb des Pylorus: Ulcus ventriculi, hämorrhagische Gastritis. Koagel? Koagel sprechen für eine massive Blutung. Oder stuhlartiges Material (fäkulentes Erbrechen, Miserere)? Stuhlartiges Material wird beim Ileus (Darmstillstand, Abb. 3.7) erbrochen.
Was wird erbrochen? unverdaute Nahrung angedaute Speisereste Galle Blut, Kaffeesatz, Koagel fäkulent
Begleitphänomene Der dritte Komplex von Fragen betrifft die Begleitphänomene : Bestehen Schmerzen Übelkeit Durchfall Schwindel Fieber Gewichtsverlust Schwangerschaft gemeinsam mit dem Erbrechen?
Myokardinfarkt Lungenembolie
Kopf
Migräne
Augen
Glaukom
69 Erbrechen und abdominale Schmerzen (Tab. 3.2) lassen an ein großes Spektrum abdominaler Erkrankungen denken, von der banalen Gastritis bis zum mechanischen Ileus und zur Peritonitis. Beim Thorax- und beim Oberbauchschmerz mit Übelkeit muss differenzialdiagnostisch immer der Hinterwandinfarkt berücksichtigt werden. Seltene Ursachen können die Aortendissektion und die Lungenembolie sein. Kopfschmerzen, Lichtempfindlichkeit und Übelkeit sind typisch für die Migräne, insbesondere wenn sie rezidivierend auftreten. Augen- und Kopfschmerzen zusammen mit Übelkeit treten beim Glaukom auf. Übelkeit ist ein fast regelhaftes Begleitphänomen von Erbrechen. Fehlende Übelkeit sollte an psychogenes Erbrechen denken lassen. Selten kann auch eine Hirndrucksymptomatik, hervorgerufen durch ZNS-Erkrankungen und Tumore, die Ursache sein. Nach Eingriffen am Magen, insbesondere nach Billroth-II-Operation (Syndrom der zuführenden Schlinge, s. S. 217), können Patienten zu Erbrechen neigen, ohne gleichzeitig unter ausgeprägter Übelkeit zu leiden. Begleitender Durchfall ist typisch für die banale Gastroenteritis und chronisch
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Leitsymptome
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entzündliche Darmerkrankungen. Blutigschleimige Durchfälle sind typisch für die Colitis ulcerosa (s. S. 219). Sie können im akuten Schub eine Frequenz von 10–20 Durchfällen pro Tag haben. Unter Durchfällen (meist ohne Blut) und Abdominalschmerzen leiden Morbus Crohn-Patienten (s. S. 218), wenn das Kolon betroffen ist. Dies ist bei zwei Dritteln der Erkrankten der Fall. Schwindel ist ein typisches Begleitphänomen bei Affektionen des Gleichgewichtsorganes: Morbus Menière, Neuritis vestibularis. Ein deutlicher Gewichtsverlust (s. S. 193) ist immer ein ernst zu nehmendes Phänomen, das für eine gravierende organische Ursache des Erbrechens spricht. Bei Frauen im gebärfähigen Alter darf man nicht vergessen, nach einer Gravidität zu fragen, im Zweifelsfalle auch nach dem Zeitpunkt der letzten Regel. Die nicht bekannte Schwangerschaft ist zwar selten, wird aber immer wieder beobachtet. Den meisten schwangeren Frauen ist bekannt, dass die Frühschwangerschaft häufig mit Übelkeit verbunden ist.
Weitere Fragen nach Vorerkrankungen, Reisen und Medikamenten Schließlich gehören zur Anamneseerhebung Fragen nach Vorerkrankungen, Operationen, der Umgebung, nach Reisen und Medikamenteneinnahme. Folgende Vorerkrankungen sollten abgefragt werden: Ulkusleiden (Abb. 3.4) Gallensteine Diabetes mellitus Herzinsuffizienz psychische Vorerkrankung, Ess-Störung Auch nach Operationen, v. a. am Gastrointestinaltrakt muss gefragt werden. Fragen zu vorausgegangenen Untersuchungen sind wichtig: Wann war die letzte Laboruntersuchung? Die letzte Sonographie? Die letzte Gastroskopie?
Abb. 3.4 Ulcus ventriculi. Radiärförmige Verziehungen der Magenschleimhaut zum Ulkus (o)
Tabelle 3.3 Medikamente, die Übelkeit verursachen Substanzgruppe
Wirkstoff
Herzglykoside
Digoxin, Digitoxin
nicht steroidale Antiphlogistika
ASS, Diclofenac, Ibuprofen, u. a.
Chemotherapeutika
Cisplatin, Cyclophosphamid, u. a.
Antibiotika
Ampicillin, Tetracycline, u. a.
Virostatika
Ganciclovir, Amantadin
Antidepressiva
z. B. Imipramin
Benzodiazepine
z. B. Diazepam
Calciumantagonisten
z. B. Nifedipin
Methylxanthine
Theophyllin
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MERKE
3 Erbrechen Akuter Brechdurchfall, von dem mehrere Mitglieder einer Familie oder Gruppe betroffen sind, spricht für eine infektiöse Ursache.
Auslandsreisen erweitern das Spektrum möglicher Erreger beträchtlich. Am häufigsten wird eine Reisediarrhö (s. S. 56) von enterotoxinbildenden Escherichia coli (ETEC) verursacht. Zahlreiche Medikamente können Übelkeit und Erbrechen hervorrufen (Tab. 3.3), typischerweise – aber nicht notwendigerweise – zu Beginn der Behandlung.
3.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Hartmut M. ist ein adipöser, etwas ungepflegt wirkender Patient mit rosiger Gesichtsfarbe. Im Bereich von Kopf und Hals erheben Sie keinen pathologischen Befund, kein Nystagmus. Über den Lungen perkutieren Sie einen sonoren Klopfschall und auskultieren leichte bronchitische Rasselgeräusche. Die Herzfrequenz ist mit 84/min regelmäßig, keine pathologischen Geräusche auskultierbar, RR 152/98 mmHg. Abdomen adipös, leichter epigastrischer Druckschmerz. Übrige Bauchdecken adipös und weich, gut eindrückbar, keine umschriebene Schmerzhaftigkeit im übrigen Abdomen, keine Abwehrspannung.
Anhalt für eine schwere entzündliche intraabdominale Erkrankung, wie Perforation oder stärkere Blutung. Weiter auf S. 72.
Inspektion und Auskultation Die körperliche Untersuchung beginnt mit der Einschätzung des Allgemeinzustandes und des Ernährungszustandes. Wie krank ist der Patient? Ist er exsikkiert (Abb. 3.5)? Bewusstseinsgetrübt? Puls und Blutdruck geben neben dem Hautturgor Auskunft über das Ausmaß des möglichen Flüssigkeitsverlustes. Besteht Fieber? Besteht ein Ikterus (s. S. 163)?
71
Die Untersuchung des Abdomens beginnt mit der Inspektion und der Auskultation: Ist der Bauch gebläht? Wie sind die Darmgeräusche? (Normal? Ileus oder Subileus? s. S. 17)
Perkussion und Palpation Dann die Perkussion und die Palpation: Bestehen Druckschmerzen, Abwehrspannung oder Resistenzen? Lässt der Druckschmerz einen Rückschluss auf die Lokalisation zu (s. S. 38)? Gallenblase? Magen? Pankreas? Unterbauch? Nierenloge?
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die körperliche Untersuchung unterstützt die Annahme, dass bei Hartmut M. eine eher harmlose Magenschleimhautschädigung vorliegt. Die gut durchblutete Peripherie, keine bestehende Tachykardie und der etwas erhöhte Blutdruck ergeben keinen
Abb. 3.5 Prüfung des Hydratationszustands durch Anheben der Haut am Handrücken
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Leitsymptome Tabelle 3.4 Diagnostik Körperliche Untersuchung bei Erbrechen Ernährungszustand (EZ), Allgemeinzustand (AZ) Hydratationszustand (s. Abb. 3.5) Bewusstseinslage Puls, Blutdruck Temperatur (Fieber?) Ikterus (s. S. 163) Abdomen (Palpation?) neurologische Untersuchung
72
HNO-ärztliche Untersuchung (Nystagmus? Lagerungsversuch)
Bei Hinweisen auf eine neurologische Ursache des Erbrechens (z. B. Kopfschmerzen, Sehstörungen) sollte natürlich auch eine neurologische Untersuchung erfolgen. Eine HNO-ärztliche Untersuchung sollte beim Vorliegen eines Nystagmus durchgeführt werden (s. Tab. 3.4).
Komplikationen des Erbrechens Schließlich sollte nach möglichen Komplikationen des Erbrechens gefahndet werden: Aspiration: Pneumonitis, Asphyxie Schleimhauteinrisse: Mallory-WeissSyndrom, schwerste Form: BoerhaaveSyndrom (Ösophagusruptur) Exsikkose, Hypovolämie, akutes Nierenversagen Elektrolytverlust: n Hypokaliämie und Hyponatriämie können zu Herzrhythmusstörungen führen + n durch den Verlust von H -Ionen kommt es zur metabolischen Alkalose bei länger andauerndem Erbrechen: n Malnutrition n Gewichtsverlust
3.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie führen bei Ihrem Patienten eine Sonografie des Abdomens und Laboruntersuchungen durch. Abb. 3.6 zeigt die Leber und die rechte Niere des Patienten im Flankenlängsschnitt und in Tab. 3.5 sind die erhobenen Laborwerte dargestellt.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Das Bild, das Hartmut M. bietet, spricht unter Berücksichtigung des Alkoholund Nikotinabusus, der körperlichen Untersuchung, der sonographisch gesehenen Fettleber, der erhöhten g-GT und der leicht erhöhten Transaminasen, besonders der GOT, für eine alkoholbedingte Gastritis. Der erhöhte MCVWert und die milde Anämie sind durch den Alkoholkonsum erklärt. Weiter auf S. 74.
Das Ausmaß der weitergehenden Untersuchungen richtet sich nach dem Ergebnis von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung. Häufig erübrigen sich zunächst weitere Untersuchungen und man
Abb. 3.6 Fettleber. Das Echomuster der Leber (qq) ist gegenüber dem der Niere deutlich verdichtet. Außerdem ausgeprägtes perirenales Fett (n) bei Adipositas
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3 Erbrechen Tabelle 3.5 Laborwerte Parameter
Patient
Norm
Leukozyten
7800/ml
4000–10000/ml
Hb
13,1 g/dl
14–18 g/dl (5)
Thrombozyten
223 Tsd/ml
150–350 Tsd/ml
MCV
101 fl
85–98 fl
GOT
63 U/l
I 50 U/l (5)
GPT
52 U/l
I 50 U/l (5)
g-GT
92 U/l
I 66 U/l (5)
wartet den Spontanverlauf ab. Bei gravierendem Krankheitsbild sollten Laboruntersuchungen (Tab. 3.6), Ultraschall des Abdomens und Gastroskopie erfolgen. Die Gastroskopie ist die aussagekräftigste Methode bei Erbrechen und Oberbauchschmerzen. Obligatorisch ist die prompte Gastroskopie beim blutigen Erbrechen. Bei Verdacht auf einen Ileus oder Subileus sollte eine Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen erfolgen. Typisch sind die Spiegelbildungen in den Darmschlingen (Abb. 3.7). Bei geringstem Verdacht auf eine kardiale Ursache des Erbrechens müssen ein EKG und die entsprechenden laborchemischen Untersuchungen (Troponin, CK) durchgeführt werden.
73
Tabelle 3.6 Weitergehende Diagnostik bei Erbrechen Untersuchung
Parameter
Befund
Interpretation
Labor
Blutbild
Hb? Anämie?
Blutung
Elektrolyte
K+ q, Na+ q
Hypokaliämie, Hyponatriämie
Amylase
erhöht
Pankreatitis
Transaminasen
GOT o, GPT o
Hepatitis
Blutzucker
Glucose o, Glucose q
Diabetes mellitus, Hypoglykämie
Blutgasanalyse
HCO3- o, pH o
metabolische Azidose
CK
CK o
Myokardinfarkt
Troponin
Troponin o
Myokardinfarkt
D-Dimere
D-Dimere o
Lungenembolie
Abdomen-Sonografie
Leber? Gallenblase/-wege? Pankreas? Darm? Aszites?
Endoskopie
Gastritis ? Ulcus ventriculi/duodeni? Stenose? Karzinom?
EKG
Myokardinfarkt?
Röntgenthorax in 2 Ebenen
Aspiration?
Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen
Ileus?
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Leitsymptome 3.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Um die Diagnose von Herrn M. zu sichern und andere Differenzialdiagnosen auszuschließen, insbesondere Ulcus ventriculi und Magenkarzinom, erfolgt eine Endoskopie mit Probenentnahme. Die wegweisenden Befunde beim Erbrechen sind in Tab. 3.7 dargestellt.
74
Abb. 3.7 Ileus. Meteoristisch geblähte Dünndarmschlingen mit Spiegelbildung (p) in der Abdomenleeraufnahme
Tabelle 3.7 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Gastroenteritis
Anamnese
Anamnese, Verlauf
Ulcus ventriculi/duodeni
Schmerzcharakter, NSAR
Gastroskopie
Cholezystitis
Lokalisation, Tastbefund
Sonographie
Appendizitis
Klinik, Tastbefund
körperliche Untersuchung, Labor, Sonographie
Ileus
Auskultationsbefund
Abdomenübersichtsaufnahme im Stehen
Nierenkolik
Nierenlager schmerzhaft
Sonographie
Medikamentennebenwirkung
Anamnese
Anamnese, Auslassversuch
Urämie
bekannte Nierenerkrankung
Kreatinin, Harnstoff
Hinterwandinfarkt
Klinik, Risikofaktoren
EKG, Troponin, CK
Morbus Menière
Klinik, Drehschwindel
HNO-ärztliche Untersuchung
Glaukom
Klinik, Palpation des Bulbus
augenärztliche Untersuchung, erhöhter Augeninnendruck
Migräne
Anamnese
Anamnese, Ausschlussdiagnostik
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3 Erbrechen 3.7.1 Therapieansätze Kausale Therapie des Erbrechens Soweit möglich, wird eine Therapie der zugrunde liegenden Ursache durchgeführt. Bis diese möglich ist, oder wenn eine kausale Therapie nicht erfolgen kann, wird symptomatisch behandelt (Tab. 3.8).
Tabelle 3.8 Kausale Therapie des Erbrechens
Symptomatische Therapie des Erbrechens Für die symptomatische Therapie (Tab. 3.9) des Erbrechens stehen verschiedene Substanzklassen zur Verfügung: Dopaminantagonisten: Diese wirken als Dopamin-D2-Antagonisten. Hauptvertreter sind Metoclopramid und Domperidon. Antihistaminika: Diese wirken als H1-Rezeptorantagonisten. Klassischer Vertreter ist das Dimenhydrinat. Serotoninantagonisten: Diese wirken als 5-HT3-Rezeptorantagonisten. Ein Vertreter ist das Ondansetron.
Krankheit
Therapie
Gastritis, Ulkuskrankheit
Weglassen der Noxe (Medikamente, Alkohol) Protonenpumpenhemmer Helicobacter pylori-Eradikation
Tabelle 3.9 Symptomatische Therapie des Erbrechens Krankheit
Therapie
mechanischer Ileus Magenausgangsstenose Appendizitis
Operation
Magenschleimhautschädigung
Dopaminantagonisten
Motilitätsstörungen des Magens
Dopaminantagonisten
Behandlung der Grundkrankheit Schmerztherapie
vestibulär bedingtes Erbrechen
Antihistaminika
Cholezystitis Nierenkolik Myokardinfarkt
Migräne
Dopaminantagonisten
Glaukom
Senkung des Augeninnendruckes: medikamentös, operativ
zytostatikabedingtes Erbrechen
Serotoninantagonisten
Migräne
Rezidivprophylaxe mit Betablockern
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Leitsymptome portalen Hypertension, meistens bei Leberzirrhose. Beim blutenden Ulcus duodeni dominiert meistens der Teer Weiter auf S. 80. stuhl (Melaena).
4.1 Begriffe
76
Obere gastrointestinale Blutung: Blutung aus dem Bereich zwischen Ösophagusmund und Treitz-Band (Plica duodenojejunalis). Hämatemesis : Erbrechen von Blut. Das Blut kann aus dem Ösophagus, dem Magen oder dem Duodenum stammen, jedoch auch aus dem NasooropharynxBereich. Kaffeesatzerbrechen : Erbrechen von geronnenem Blut, das unter dem Einfluss der Magensäure schwarz gefärbt ist (s. S. 69). Melaena (synonym Teerstuhl): Absetzen von Blut mit dem Stuhl, das unter dem Einfluss von Magensäure schwarz gefärbt ist. Hämatochezie: Absetzen von rotem Blut mit dem Stuhl.
4.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht des Patienten Der 48-jährige Oliver A. wird in die Notaufnahme eingeliefert, nachdem er zu Hause schwallartig Blut erbrochen hat.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die häufigsten Ursachen einer massiven Hämatemesis bei gastrointestinaler Blutung sind das Ulcus ventriculi und Ösophagusvarizen auf dem Boden einer
Die Diagnose und Therapie einer Kreislaufinstabilität stehen vor der ätiologischen Abklärung.
MERKE
4 Obere gastrointestinale Blutung
Die obere gastrointestinale Blutung ist ein gravierendes Ereignis, das mit einer Gesamtletalität von etwa 10 % behaftet ist. Abhängig von der Blutungsursache, von Begleiterkrankungen und vom Lebensalter kann die Letalität deutlich höher liegen. Die obere gastrointestinale Blutung ist eine Notfallsituation, bei der unter Umständen vor jeder weitergehenden diagnostischen Maßnahme eine Therapie durch Volumenersatz zu erfolgen hat. Das Ausmaß der diagnostischen Maßnahmen, zunächst durch Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung, hängt von der klinischen Situation ab.
4.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Die Magenwand ist aus fünf Schichten (Abb. 4.1) aufgebaut. Vom Lumen nach außen sind dies: Tunica mucosa Tela submucosa Tunica muscularis Tela subserosa Tunica serosa. Die epithelialen Zellen (Lamina epithelialis mucosae) des Magens produzieren einen hochviskösen Schleim (Muzin), der sie als Mukusbarriere gegen eine Andauung durch das saure Magenmilieu schützt. Protektiv wirken zusätzlich folgende Faktoren: die Durchblutung der Magenschleimhaut rasche Epithelregeneration ausreichender Prostaglandingehalt und funktionierende Motilität.
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4 Obere gastrointestinale Blutung Areae gastricae
Foveolae gastricae Glandulae gastricae
Tunica muscularis
Lamina muscularis mucosae Tela submucosa Subserosa Serosa
Abb. 4.1 Aufbau der Magenwand
Mukosaaggressiv sind: eine Helicobacter pylori-Besiedlung Medikamente: Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Kotikosteroide Magensäure und Pepsin Reflux von gallensäurehaltigem Duodenalsekret Rauchen und Alkohol Stress sowie familiäre Vulnerabilität. Die Intaktheit der Magenschleimhaut ist bedingt durch das Gleichgewicht zwischen Aggression und Protektion. Ursachen sind Entzündungen, mechanische Einwirkung und Tumore. Die Symptome bei einer oberen gastrointestinalen Blutung sind bedingt durch das Blut im Magendarmtrakt, den Volumenmangel und den Mangel an Sauerstoffträgern. Blut im Magen wirkt als Emetikum (s. S. 69). Darum führen Blutungen im Ösophagus und Magen häufig zum Erbrechen, ebenso wie verschlucktes Blut bei Nasenbluten, während eine Blutung jenseits des Pylorus oft nicht zum Erbrechen führt. Allerdings fließt nicht selten Blut aus dem Bulbus zurück in den Magen. Die Salzsäure des Magens führt zu einer Schwarzfärbung des Blutes, das den typischen Teerstuhl verursacht. Das Auftreten von frischrotem Blut (Hämatochezie) bei
der oberen gastrointestinalen Blutung ist Ausdruck eines massiven Blutverlustes. Folge des Volumenmangels ist der Blutdruckabfall. Dieser kann bis zu einem gewissen Punkt durch eine Vasokonstriktion und eine Zunahme der Herzfrequenz kompensiert werden, erkennbar an den kühlen Akren und der Tachykardie. Auch ein zusätzlicher Einstrom von Gewebeflüssigkeit in die Zirkulation trägt zur Gegensteuerung bei. Da diese Kompensationsmechanismen erst mit einer gewissen Latenz erfolgen, sind Erythrozytenzahl, Hb-Gehalt und Hämatokritwert des Blutes zunächst noch normal. Sie fallen dann, mit zunehmendem Flüssigkeitseinstrom und der daraus resultierenden Verdünnung, ab. Durch Mangel an Sauerstoffträgern und den Blutdruckabfall kommt es zu Bewusstseinstrübung, Schwindel und ggf. pektanginösen Beschwerden.
77
4.4 Ursachen der oberen gastrointestinalen Blutung Ein Überwiegen der mukosaaggressiven Mechanismen schädigt die Schleimhaut. Allgemein formuliert kann die Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung Folge einer Gewebeschädigung oder einer Gefäßerkrankung im weitesten Sinne oder einer generalisierten Gerinnungsstörung sein. Auf eine Besiedlung der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori (Abb. 4.2) folgt nicht selten eine Erosion oder ein Ulkus in Magen oder Bulbus duodeni (s. S. 68). Eine Erosion ist ein Defekt der Magenschleimhaut, der die Lamina muscularis mucosae nicht überschreitet, während der Defekt beim Ulkus bis in die Tela submucosa hineinreicht. 99 % aller Patienten mit Ulcus duodeni sind Helicobacter positiv und 75 % der Patienten mit Ulcus ventriculi, gegenüber 50 % in einer gesunden Normalbevölkerung von über 50 Jahren. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) führen, mit oder ohne gleichzeitig bestehende Helicobacter-Besiedlung, zu einer Verminderung der protektiv wirkenden Prostaglandine in der Magenschleimhaut
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Leitsymptome
a
b
Abb. 4.2 Urease-Schnelltest auf Helicobacter pylori. a Negatives Testergebnis, kein Farbumschlag. b Positives Testergebnis, erkennbar an der Rotfärbung, die durch die pH-Verschiebung entsteht
Abb. 4.3 Endoskopiebefund der Kardiainsuffizienz (retrograde Ansicht), zu beachten ist der fehlende Kardiaschluss um das Endoskop (p)
und damit zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber der Salzsäure des Magens. Durch einen Reflux von aggressivem, HCLhaltigem Magensaft in die Speiseröhre kann es zu blutenden Erosionen und Ulzerationen im distalen Ösophagus kommen. Dies geschieht beim Versagen der protektiven Mechanismen: Kardiainsuffizienz (Abb. 4.3), Schwäche des unteren Ösophagussphinkters, Hiatushernie. Tumoren in Ösophagus und Magen können zwar auch fulminant bluten, dies ist aber insgesamt selten. Meistens bluten sie sickernd. Das Mallory-Weiss-Syndrom ist eine typische mechanische Schädigung des gastroösophagealen Übergangs. Durch Würgen und Erbrechen entsteht ein longitudinaler Schleimhauteinriss, häufig bei Alkoholikern. Die häufigste Blutung auf dem Boden einer Alteration von Blutgefäßen ist die Ösopha-
Allgemein kommt es zur Blutung durch: Gewebeschädigung: Ulkus, Tumor, Entzündung Gefäßerkrankung: Varizen, Angiodysplasie Gerinnungsstörung: Zirrhose, Phenprocoumon Die Folgen (und Komplikationen) sind: Blut im Gastrointestinaltrakt Mangel an Volumen (Schock) und Sauerstoffträgern (Anämie).
MERKE
78
gusvarizenblutung. Bei portaler Hypertension, meistens auf dem Boden einer Leberzirrhose (s. S. 173), kommt es zu Anastomosen zwischen Pfortader und Vena cava (portokavale Anastomosen). Ein Teil dieser Anastomosen verläuft über die Venae gastricae und die Venae oesophageales (am gastroösophagealen Übergang), weiter über den distalen Ösophagus zur Vena azygos und Vena hemiazygos zur Vena cava superior. Ein Teil verläuft über die Vena lienalis und die Vv. gastricae breves zum Magenfundus (Abb. 4.4). Selten führen primäre Gefäßmissbildungen (Angiodysplasien) zu massiven Blutungen. Jede schwere Gerinnungsstörung kann zu erheblichen Schleimhautblutungen führen. Häufige Ursachen sind die iatrogene Gerinnungshemmung durch Phenprocoumon (Marcumar) und die Gerinnungsstörungen bei Leberzirrhose.
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4 Obere gastrointestinale Blutung V. gastrica sinistra
Ösophagus V. azygos
V. hemiazygos Vv. gastricae breves
Vv. ösophageales Milz
Leber
Magen
V. portae
V. lienalis
V. mesenterica superior V. mesenterica inferior Abb. 4.4 Portokavale Anastomosen, die sich bei portaler Hypertension ausbilden
79
Tabelle 4.1 Ursachen der oberen gastrointestinalen Blutung nach Häufigkeiten Vorkommen
Erkrankung
häufig
Ulcus ventriculi (s. S. 68) Ulcus duodeni (s. S. 68) Ösophagusvarizen (s. S. 78)
weniger häufig
Refluxösophagitis (s. S. 89) Mallory-Weiss-Syndrom (s. S. 78)
selten
Magenkarzinom Ösophaguskarzinom Angiodysplasien: Morbus Osler-Weber-Rendu Hippel-Lindau-Syndrom mit Hämangiomen
4.5 Problemlösung Im Folgenden werden Anamnese und körperliche Untersuchung systematisch vorgestellt. Die Geschwindigkeit und Ausführlichkeit von Anamnese und Untersuchung hängen stark von der Stabilität des Patienten ab. Unter Umständen muss schon während Anamnese und Unter-
suchung für die notwendige Ersttherapie (Volumenersatz!) gesorgt werden, ebenso für die endoskopische Diagnostik und Behandlung, nötigenfalls auch die chirurgische Therapie. Ein standardisiertes Vorgehen kann hier nicht vorgegeben werden.
Im Vordergrund steht immer die Stabilität bzw. Stabilisierung der Zirkulation, nachgeordnet kommt die Diagnostik.
MERKE
Die Erkrankungen, die zu einer oberen gastrointestinalen Blutung führen können, sind in Tab. 4.1 dargestellt.
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Leitsymptome
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese
80
Bei Herrn A. handelt es sich um das erste Ereignis dieser Art. Bisher bestand Wohlbefinden, Teerstuhl war in den letzten Tagen nicht aufgetreten. Der Patient berichtet, dass er keine Schmerzen im Abdomen hat und bisher eigentlich immer gesund war. Er hat seit langem keinen Arzt mehr aufsuchen müssen. Keine Ulkusanamnese, keine regelmäßige Medikamenteneinnahme. Er trinkt nicht täglich Alkohol, nur am Wochenende Wein. Früher habe er etwas mehr getrunken. (Hier ist es wichtig, dass Sie unbedingt versuchen die Angaben Ihres Patienten zu verifizieren (s. S. 172)!) Eine Lebererkrankung ist nicht bekannt, kein Ikterus in der Vergangenheit. Keine größeren Operationen, keine Bluttransfusionen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Anamnese hat keine richtungsweisenden Angaben erbracht. Das Spektrum der Differenzialdiagnosen umfasst weiterhin viele mögliche Ursachen. Allerdings spricht das akute Auftreten ohne vorbestehende Beschwerden eher gegen ein Ulkus, schließt dieses aber nicht aus.
Bestand vorher Nasenbluten? Sind die Beschwerden schon einmal aufgetreten? Wie oft? Teerstuhl und Hämatemesis sprechen für eine Blutungsquelle im Bereich von Ösophagus und Magen, Teerstuhl ohne Hämatemesis spricht für eine Blutungsquelle jenseits des Pylorus.
Vorerkrankungen Im Hinblick auf die akute Gefährdung ist die Kenntnis relevanter Begleiterkrankungen notwendig. Deshalb sollten als nächstes relevante Vorerkrankungen erfragt werden: Hatten Sie schon einmal ein Geschwür, eine Entzündung der Magenschleimhaut oder der Speiseröhre? Sodbrennen? Haben Sie eine Lebererkrankung? Sind Ösophagusvarizen (Abb. 4.5) oder eine Gerinnungsstörung bekannt? Sind schwere Herz- oder Lungenerkrankungen bekannt? Haben Sie sonstige schwere Erkrankungen? Ist Ihr Magen operiert worden?
Alle Blutungsquellen im oberen Gastrointestialtrakt neigen zu Rezidiven – früher oder später.
LERNTIPP
4.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Leitsymptom Die ersten Fragen bei Verdacht auf eine obere gastrointestinale Blutung betreffen das Leitsymptom: Bestehen Hämatemesis, Melaena, blutiger Stuhl (Hämatochezie)? Seit wann bestehen die Beschwerden? Wie viel wurde erbrochen bzw. ausgeschieden?
Abb. 4.5 Spritzende Ösophagusvarizenblutung
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4 Obere gastrointestinale Blutung Auslöser Die nächsten Fragen betreffen mögliche Auslöser in der unmittelbaren Vorgeschichte. Werden Medikamente eingenommen? NSAR, Steroide, Phenprocoumon (Marcumar)? Die Einnahme von NSAR ist mit erheblichen Risiken für eine Ulkuskrankheit und Blutungen verbunden. Das Blutungsrisiko steigt deutlich an bei gleichzeitiger Einnahme von Kortikosteroiden und drastisch bei zusätzlicher Einnahme von Marcumar. Bei prädisponierten Personen tritt die Blutung unter NSAR schon frühzeitig auf, zu Behandlungsbeginn, unter Umständen schon bei niedrigen Dosen. Auch Erbrechen kann zu Schleimhauteinrissen im Bereich des gastroösophagealen Überganges führen (s. S. 78). Die Reihenfolge sollte genau eruiert werden: Trat die Blutung im Anschluss an eine Phase des Erbrechens auf? Dies würde für einen Schleimhauteinriss sprechen (Mallory-Weiss-Syndrom). Oder: Enthielt bereits das erste Erbrochene Blut? Blut wirkt emetisch (s. S. 69), in diesem Fällen ist das Blut die Ursache und nicht die Folge von Erbrechen. Schließlich sollte nach dem Alkoholkonsum gefragt werden (s. S. 172). Alkohol kann Erbrechen induzieren, MalloryWeiss-Läsionen treten gehäuft bei Alkoholikern auf, aber auch Gastritiden mit Erosionen und Ulzerationen werden gehäuft bei Alkoholabusus gesehen. Ebenso Ösophagusvarizen aufgrund einer Leberzirrhose (Abb. 4.5).
Vorausgegangene Untersuchungen Abschließend interessieren noch die vorausgegangenen Untersuchungen: Ist schon mal eine Sonographie des Abdomens oder eine Gastroskopie durchgeführt worden?
Welche Befunde haben die Untersuchungen erbracht?
4.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Oliver A. ist ein schlanker Patient in reduziertem Allgemeinzustand, blass und etwas kaltschweißig. Im Bereich von Kopf und Hals erheben Sie keinen pathologischen Befund. Lunge auskultatorisch unauffällig. Herzfrequenz 122/min, RR 108/64 mmHg. Abdomen weich, kein umschriebener Druckschmerz, keine Abwehrspannung. Einzig auffällig sind eine leichte Gynäkomastie und fehlende Brust- und Bauchbehaarung, kein Aszites nachweisbar.
81
Differenzialdiagnostische Überlegungen Blässe, Kaltschweißigkeit, Blutdruck und Herzfrequenz zeigen deutlich eine drohende Schocksymptomatik an. Offenbar liegt eine massive Blutung vor. Gynäkomastie und fehlende Brustund Bauchbehaarung (Bauchglatze) würden zu einer Leberzirrhose passen. Weiter auf S. 83. Je nach Beschwerden erfolgt die körperliche Untersuchung (Tab. 4.3) rasch und orientierend (unter Umständen schon während der Befragung des Patienten) oder systematisch. Die wichtigste Frage, die geklärt werden muss, ist: Droht ein hämorrhagischer Schock? Klinisch fassbare Zeichen hierfür sind Blutdruckabfall, Herzfrequenzanstieg, Zentralisation, Eintrübung. Die Symptomatik kann durch eine vorbestehende Behandlung mit Betablockern, eine Bradykardie sowie einen vorbestehenden Hypertonus maskiert werden.
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Leitsymptome
MERKE
82 Hinweise auf einen drohenden hämorrhagischen Schock sind: Herzfrequenz i 100 systolischer Blutdruck I 100 kühle Akren kalter Schweiß Eintrübung Angina pectoris
Wenn Zeit vorhanden ist, wird gründlich untersucht. Zunächst Herzfrequenz und Blutdruck, dann werden Allgemein- und Ernährungszustand eingeschätzt. Wie ist der Bewusstseinszustand? Ist der Patient abgemagert? Bestehen Leberhautzeichen (Bauchglatze) oder ein Ikterus (s. S. 163)? Das Abdomen wird untersucht im Hinblick auf Schmerzen, Lokalisation der Schmerzen (s. S. 38), Aszites (s. S. 151). Ist die Leber auffällig? Ist die Milz palpabel? Bestehen venöse Umgehungskreisläufe (Caput medusae, Abb. 4.6)?
Bei der körperlichen Untersuchung daran denken: die weitaus häufigste Blutungsquelle sind Ulzeration und Erosion im Magen und Bulbus duodeni sowie Ösophagusvarizen. Diese zusammen machen etwa 90 % der Ursachen einer oberen gastrointestinalen Blutung aus (Abb. 4.7).
LERNTIPP
Einen orientierenden Anhalt für das Ausmaß des Blutverlustes kann die Veränderung der Herzfrequenz im Stehen, Sitzen und Liegen geben. Ein Frequenzanstieg von mehr als 20/min im Stehen gegenüber der Frequenz im Liegen spricht für einen Blutverlust von mehr als 500 ml. Ein Frequenzanstieg von mehr als 20/min im Sitzen gegenüber der Frequenz im Liegen spricht für einen Blutverlust von mehr als 1000 ml. In der Praxis wird man diese Untersuchung dem Patienten aber kaum zumuten. Die beim Blutverlust auftretenden Schocksymptome zeigt Tab. 4.2. In diesem Fall steht nicht die körperliche Untersuchung im Vordergrund, sondern die Volumenersatztherapie und die rasche endoskopische bzw. operative Versorgung.
Tabelle 4.2 Beziehung zwischen Volumenverlust und klinischem Bild beim hypovolämischen Schock Klinische Zeichen des Schocks
Volumenverlust (ml)
Schweregrad des Schocks
0–500
n
kein Schock
n
500–1200
n
kompensierter Schock
n n n
1200–1800
n
mäßiger Schock
n n n n n
1800–2500
n
schwerer Schock
n n n n
n n
keine geringer Blutdruckabfall Herzfrequenzanstieg leichte periphere Vasokonstriktion fadenförmiger Puls Herzfrequenz 100–120/min systolischer Blutdruck Z 90 mmHg Schwitzen, Angst, Unruhe verminderte Urinausscheidung fadenförmiger Puls Herzfrequenz i120/min systolischer Blutdruck I 60 mmHg starke Vasokonstriktion und Schwitzen Verwirrtheit Anurie
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4 Obere gastrointestinale Blutung
25 %
Varizen 15 – 20 % Ösophagitis 5 – 10 % Mallory-Weiss-Syndrom 5 % selten: Neoplasie, Hämangiom
Ulkus 20 % Erosion 5 – 10 % andere < 10 %: Varizen Angiodysplasie Morbus Osler Neoplasie Exulceratio simplex (Dieulafoy) Hämangiom
50 % Ulkus > 20 % andere < 5 %
Abb. 4.6 Caput medusae: alkoholische Leberzirrhose portale Hypertension mit Aszites
Tabelle 4.3 Inspektion Körperliche Untersuchung bei der gastrointestinalen Blutung
25 %
Abb. 4.7 Lokalisation und Häufigkeit der oberen gastrointestinalen Blutung
83
Herzfrequenz Blutdruck Akren kühl? Bewusstseinszustand
4.6 Weitergehende Diagnostik
Leberhautzeichen Aszites Caput medusae Ikterus epigastrische Schmerzen?
Eine Tatsache muss man sich bei der Anamneseerhebung und körperlichen Untersuchung immer vor Augen halten. Eine sichere Diagnosestellung ist nur endoskopisch möglich. Auch ein Patient mit Leberzirrhose kann aus Ulzerationen bluten (und tut es sogar häufig). Außerdem liegen nicht selten zwei Blutungsquellen gleichzeitig vor.
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie führen bei ihrem Patienten unverzüglich eine Abdomensonographie und eine Blutabnahme durch. In Abb. 4.8 sehen Sie das Bild der Abdomensonographie im Flankenlängsschnitt mit einer Schrumpfung des rechten Leberlappens, wellig knotigem Leberrand, Aszites und Leberzirrhose. Die nächste Einstellung zeigt den Befund einer konvolutartigen Aufweitung der Pfortader mit kavernöser Transformation bei portaler Hypertension (Abb. 4.9). Weiterhin diagnostizieren Sie eine Splenomegalie. Die Blutabnahme ergibt die in Tab. 4.4 dargestellten Werte.
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Leitsymptome Tabelle 4.4 Laborwerte Parameter
Patient
Norm
Leukozyten
6500/ml
4000–10000/ml
Hb
11,1 g/dl
14,0–18,0 g/dl (5)
Thrombozyten
56 Tsd/ml
150–350 Tsd/ml
Thromboplastinzeit (Quickwert)
32 %
70–100 %
partielle Thromboplastinzeit (PTT)
37 Sek.
20–38 Sek.
GOT
64 U/l
I 50 U/l (5)
GPT
123 U/l
I 50 U/l (5)
g-GT
58 U/l
I 66 U/l (5)
84
Differenzialdiagnostische Überlegungen
Abb. 4.8 Flankenlängsschnitt mit Darstellung des Leberrandes und der rechten Niere. Schrumpfung des rechten Leberlappens, welliger knotiger Leberrand (o), Aszites, Leberzirrhose
Abb. 4.9 Subkostaler Schrägschnitt im Bereich der Pfortader. Konvolutartige Aufweitung der Pfortader, kavernöse Transformation bei portaler Hypertension
Das sonographische Bild zeigt eine zirrhotische Leber sowie einen Aszitessaum. Bei den Laborwerten dominieren die Thrombozytopenie und die Erniedrigung des Quickwertes. Außerdem zeigen die erhöhten Transaminasen eine entzündliche Aktivität an. Zusammengenommen liegt das Bild einer Leberzirrhose vor mit portaler Hypertension, hyperspleniebedingter Thrombopenie und einer Gerinnungsstörung auf dem Boden der Syntheseverminderung in der Leber. Es droht ein hämorrhagischer Schock. Der Hb-Wert ist noch nicht massiv abgefallen, da noch kein kompensatorischer Flüssigkeitseinstrom erfolgt ist. Ziel der weiterführenden Diagnostik (Tab. 4.5) ist die Lokalisation der Blutungsquelle, die Einschätzung der gegenwärtigen Lage, die Diagnose der Grundkrankheit und die Vorbereitung der Therapie. Da jeder Patient mit oberer gastrointestinaler Blutung einen großlumigen venösen Zugang bekommt, wird aus diesem gleich Blut entnommen für das Blutbild, die Gerinnungsuntersuchung (Thromboplastinzeit (Quickwert), partielle Thromoplastinzeit (PTT)), Kreatinin, Harnstoff, GOT, GPT, g-GT sowie für eine serologische Verträglichkeitsprobe („Kreuzprobe“), um
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4 Obere gastrointestinale Blutung
MERKE
Tabelle 4.5 Weitergehende Diagnostik Untersuchung
Parameter
Interpretation
Labor
Blutbild
Anämie, Thrombozytopenie
Gerinnungswerte
plasmatische Gerinnnungsstörung
Kreatinin, Harnstoff
Nierenfunktionseinschränkung
GOT, GPT, g-GT
Leberschädigung
Blutgruppe
bei Transfusionsbedarf
Endoskopie
Diagnose, Therapie
Sonographie
Diagnose
Erythrozytenkonzentrate bestellen zu können. Die Endoskopie ist bei Kreislaufstabilität der nächste Schritt. Eine orientierende Sonographie kann vorher, wenn ohne Zeitverzögerung durchführbar, erfolgen: Besteht eine Leberzirrhose mit portaler Hypertension? Frühzeitig sollte ein chirurgisches Konsil erfolgen, falls eine endoskopische Blutstillung nicht gelingt. Nach Stabilisierung und Blutstillung wird eine Thoraxübersichtsaufnahme zum Ausschluss einer Aspirationspneumonie angefertigt.
wird zum einen die Blutungsquelle gesichert, zweitens kann endoskopisch gegebenenfalls therapiert werden und drittens wird nach zusätzlichen Blutungsquellen, die nicht selten sind, gefahndet. Die ätiologische Abklärung erfolgt serologisch (Hepatitis B- und C-Serologie) sowie laborchemisch (andere Zirrhoseursachen). Des Weiteren muss bei der ätiologischen Abklärung der in der Vergangenheit bestehende Alkoholkonsum berücksichtigt werden. Im Falle des Patienten wurde der Alkohol als einziger Risikofaktor identifiziert.
Ziele der weitergehenden Diagnostik bei oberer gastrointestinaler Blutung: Lokalisation Einschätzung des Schweregrades (Tab. 4.2) Diagnostik der Grundkrankheit und Vorbereitung der Therapie.
Die Diagnosesicherung aller Erkrankungen, die zu einer oberen gastrointestinalen Blutung führen, erfolgt endoskopisch.
4.7 Diagnosesicherung
85
4.7.1 Therapieansätze Die Therapiemöglichkeiten bei der oberen gastrointestinalen Blutung bzw. Erkrankungen, die zur oberen gastrointestinalen Blutung führen können, bestehen aus:
Hämodynamische Stabilisierung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnosesicherung erfolgt bei Ihrem Patienten endoskopisch. Hierbei
Volumen (physiologische Kochsalzlösung, Ringerlaktat) Atemwege freihalten absaugen von Blut Sauerstoff per Nasensonde und wenn nötig: Intubation.
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Leitsymptome Substitution von Hämoglobin
Endoskopische Blutstillung
Da die Therapie mit Einzelbestandteilen des Blutes gezielter und risikoärmer ist, als Vollbluttransfusionen, werden in Deutschland heutzutage Erythrozytenkonzentrate zur Hämoglobinsubstitution verwendet. Vor der Gabe eines Erythrozytenkonzentrates muss eine serologische Verträglichkeitsprobe („Kreuzprobe“) zwischen Spendererythrozytenkonzentrat und Empfängerblut durchgeführt werden (Abb. 4.10).
Sklerosierung von Varizen Ligatur von Varizen (Abb. 4.11) unterspritzen blutender Läsionen und Hämoclip: Kompression der blutenden Läsion durch einen Metallclip.
Nichtendoskopische Blutstillung medikamentöse Senkung des portalvenösen Druckes (Terlipressin) Ballontamponade von blutenden Varizen und medikamentöse Säuresuppression: Protonenpumpenhemmer.
86
Abb. 4.11 Endoskopisch ligierte Ösophagusvarize
TIPS Transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent: Herstellung einer Verbindung zwischen Lebervene und intrahepatischem Pfortaderast. Hierfür wird zunächst über einen transjugulär gelegten Katheter eine Punktionsnadel zur rechten Lebervene geführt und intrahepatisch der Pfortaderast punktiert. Der Punktionskanal wird dilatiert und anschließend durch einen expandierten Stent stabilisiert.
a
Operation Operative Anlage einer portosystemischen Anastomose. Die Therapieansätze bei verschiedenen Erkrankungen, die zur oberen gastrointestinalen Blutung führen können, sind in Tab. 4.6 dargestellt.
b Abb. 4.10 Blutgruppentest. a AB0- und D-(Rhesus-)Identitätstest (A, Rh+). b Wiederholung des AB0-Identitätstests vor der Transfusion (Bedside-Test)
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4 Obere gastrointestinale Blutung Tabelle 4.6 Therapie der oberen gastrointestinalen Blutung Erkrankung
Therapie
Ösophagusvarizen, Fundusvarizen
Terlipressin (synthetisches Vasopressinanalogon, Senkung des portalvenösen Druckes), Ballontamponade, Sklerosierung, Gummibandligatur, transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent (TIPS), Operation
Ösophagitis
Protonenpumpenhemmer; bei Candidainfektion: antimykotisch, bei viraler Ursache: antiviral
Mallory-Weiss-Läsion
endoskopische Blutstillung, z. B. unterspritzen mit Adrenalin, notfalls operative Versorgung (selten nötig)
Ulcus ventriculi und duodeni
Protonenpumpenhemmer, Unterspritzen mit Adrenalin, Hämoclip, Operation
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Leitsymptome 5.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht des Patienten
5 Sodbrennen 5.1 Begriffe
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MERKE
Sodbrennen : Säuerliches, brennendes Gefühl epigastrisch und retrosternal.
Der Begriff des Sodbrennens ist nicht gut definiert. Verschiedene Patienten beschreiben verschiedene Phänomene unter dem Oberbegriff Sodbrennen.
Sodbrennen ist meistens Ausdruck einer gastroösophagealen Refluxerkrankung. Die Terminologie der Erkrankungen ist nicht ganz einfach: Gastroösophageale Refluxkrankheit (synonym GERD : gastroesophageal reflux disease): Reflux von Mageninhalt in die Speiseröhre mit klinischer Symptomatik oder endoskopischen oder histologischen Entzündungszeichen. Erosive Refluxkrankheit (synonym Refluxösophagitis, ERD : erosive reflux disease): Refluxerkrankung mit endoskopisch oder histologisch nachgewiesener Entzündung im Ösophagus. Nicht erosive Refluxkrankheit (synonym NERD : non-erosive reflux disease): Refluxkrankheit ohne endoskopischen oder histologischen Nachweis einer Entzündung.
Der 44-jährige Daniel M. berichtet Ihnen über Sodbrennen. Er leidet schon länger darunter, aber in der letzten Zeit haben die Beschwerden zugenommen und sind ziemlich unangenehm geworden.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die weitaus häufigste Ursache von Sodbrennen ist der Reflux von Magensaft in den distalen Ösophagus bei insuffizientem Verschluss des gastroösophagealen Übergangs und Versagen der ösophagealen Schutzmechanismen. Außerdem wird von Patienten, die unter funktionellen Oberbauchbeschwerden leiden, gelegentlich ein brennendes Gefühl im Epigastrium beschrieben. Deutlich seltener sind maligne Erkrankungen des gastroösophagealen Übergangs oder bakterielle, virale und mykotische Infektionen in diesem Bereich. Weiter auf S. 91. Sodbrennen ist ein sehr häufiges Phänomen. Das Beschwerdebild ist meistens harmlos, aber für den Betroffenen sehr lästig. Selten ist Sodbrennen Ausdruck einer schweren entzündlichen Erkrankung des distalen Ösophagus, die langfristig mit Komplikationen verbunden sein kann: Blutung, narbige Striktur, Karzinom. Bei Sodbrennen und epigastrischen Beschwerden muss besonders beim älteren Menschen an ein Karzinom gedacht werden.
5.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Der Magensaft enthält zahlreiche für die Ösophagusschleimhaut aggressive Substanzen (HCl, Pepsin und andere). Der Ösophagus verfügt daher über protektive
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5 Sodbrennen
Mukosaler Schutz im Ösophagus durch: Regenerationsfähigkeit des Epithels, Salivation und propulsive Peristaltik. Diaphragma
Ein gastroösophagealer Reflux führt dann zu Beschwerden, wenn diese Antirefluxmechanismen versagen.
Da es keinen eigentlichen Sphinktermuskel gibt, bezeichnen die Anatomen die Einengung zwischen Magen und Ösophagus als angiomuskulären Verschluss. In der Klinik wird der Begriff „unterer Ösophagussphinkter“ (UÖS) dagegen häufig verwendet.
Kurze Refluxepisoden von Säure in den distalen Ösophagus sind häufig. Sie werden meistens nicht gespürt. Allerdings gibt es wahrscheinlich prädisponierte Personen, bei denen bereits ein kurz anhaltender, geringer Reflux von Magensäure zu Beschwerden führt. Je länger und je öfter Magensaft auf das distale Ösophagusepithel einwirkt, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von Beschwerden. Meistens werden endoskopisch keine entzündlichen Veränderungen gesehen, obwohl die Patienten über Sodbrennen klagen. Man bezeichnet das Krankheitsbild dann als „endoskopisch negative Refluxkrankheit“ (NERD). Bei einem Teil der Betroffenen kommt es zu entzündlichen Schleimhautveränderungen bis hin zu ausgeprägten Ulzerationen, zur gastroösophagealen oder zur erosiven Refluxkrankheit (Abb. 5.2).
MERKE
Mechanismen (Abb. 5.1), um sich vor ihnen zu schützen. Dies sind: Die Einengung des Ösophagusausgangs durch den angiomuskulären Verschluss, der sich aus zwei Teilen zusammensetzt: n der ösophagealen Ringmuskulatur und n dem submukösen Venenpolster, das eine Längsfaltenbildung der ösophagealen Schleimhaut verursacht. Das Abknicken des Ösophagus nach links unterhalb des Zwerchfell-Durchtritts, Bildung des so genannten His-Winkels (Incisura cardiaca). Einbau des Ösophagus in den konstruktiv engen Durchtritt durch den muskulären Hiatus oesophageus (Zwerchfellzwinge) und Ummauerung des ösophagogastralen Übergangs durch Binde- und Fettgewebe. Die Regenerationsfähigkeit des Ösophagusepithels, die Salivation und die Clearance-Funktion der Ösophagusmotilität durch eine propulsive Peristaltik, die die Einwirkungsdauer des aggressiven Magensaftes mitbestimmt.
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Zwerchfellzwinge
angiomuskulärer Verschluss Cardia
His-Winkel (<80°) Incisura cardiaca
Abb. 5.1 Antirefluxmechanismen von Ösophagus und angiomuskulärem Verschluss
Abb. 5.2 Endoskopiebefund der gastroösophagealen Refluxkrankheit. Zu sehen sind zahlreiche längs gestellte Erosionen mit Fibrinbelägen im unteren Abschnitt des Ösophagus
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Leitsymptome Bei einem sehr kleinen Anteil von Patienten wird eine Umwandlung des Plattenepithels im distalen Ösophagus zu einem der Magenschleimhaut ähnlichen Zylinderepithel beobachtet (Metaplasie). Dieses Phänomen wird als Barrett-Ösophagus (Abb. 5.3) bezeichnet. Es ist mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten eines distalen Adenokarzinoms des Ösophagus ver-
90
Abb. 5.3 Endoskopiebefund des Barrett-Ösophagus. Das normalerweise blass erscheinende Plattenepithel im Ösophagus wurde weitgehend durch rötlich erscheinendes Zylinderepithel ersetzt
Abb. 5.4 Sklerodermie. Typische Fazies mit Mikrostomie, perioraler Fältelung und mimischer Starre
bunden. Die Häufigkeit des Karzinoms nimmt in der Bevölkerung deutlich zu. Sodbrennen tritt auch bei funktionellen abdominalen Beschwerden auf: Beim Reizmagensyndrom und unspezifischen abdominalen Schmerzen.
5.4 Ursachen von gastroösophagealem Reflux und Sodbrennen Der Reflux von Säure in den Ösophagus ist bis zu einem gewissen Grad normal und häufig. Gehäufte und verlängerte Phasen von Reflux bestehen bei der Kardiainsuffizienz. Dies ist ein Begriff aus der Endoskopie, der das Fehlen eines erkennbaren unteren Ösophagussphinkters bezeichnet. Bei Patienten mit einer Kardiainsuffizienz kann man bei der Endoskopie vom distalen Ösophagus ungehindert in den Magen blicken und nach Passage in den Magen in retrograder Sicht vom Magen in den distalen Ösophagus (s. S. 78). Auch bei Vorliegen einer axialen Gleithernie (Abb. 5.7), bei der Teile des Magens oberhalb des Zwerchfells positioniert sind, versagen die Antirefluxmechanismen und es kommt zu einem symptomatischen Reflux. Die Sklerodermie (Abb. 5.4) ist eine insgesamt seltene Ursache von Refluxbeschwerden, aber bei Vorliegen dieser Erkrankung sind Beschwerden im gastroösophagealen Übergang häufig (Tab. 5.1). Ebenfalls selten wird das Sodbrennen durch Infektionen ausgelöst (Abb. 5.5).
Abb. 5.5 Mäßig ausgeprägte CandidaÖsophagitis
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5 Sodbrennen Tabelle 5.1 Ursachen von gastroösophagealem Reflux und Sodbrennen nach Häufigkeiten Vorkommen
Erkrankung
häufig
Kardiainsuffizienz (anatomisch oder funktionell bedingte Insuffizienz des gastroösophagealen Übergangs, s. S. 90) Hiatushernie (s. S. 95)
weniger häufig
distales Ösophaguskarzinom (s. S. 103)
selten
Infektion des Ösophagus: Candida, Zytomegalievirus (s. S. 90) Sklerodermie (Abb. 5.4)
Schließlich werden Beschwerden im Rahmen funktioneller Störungen, besonders beim so genannten Reizmagensyndrom, als Sodbrennen beschrieben. Sie sprechen meistens, im Gegensatz zu säurebedingten Beschwerden, nicht auf säureblockierende Medikamente an.
5.5 Problemlösung Die Anamneseerhebung erlaubt oft schon eine ziemlich genaue Einordnung des Beschwerdebildes. Die körperliche Untersuchung hilft fast nicht weiter. Die einzige Untersuchung, mit der eine sichere Abklärung des Beschwerdebildes möglich ist, ist die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie. Sie sollte im Zweifelsfalle zumindest initial einmal durchgeführt werden.
5.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
schmerzhaften Charakter annimmt. In der Vergangenheit hatten die Beschwerden immer relativ gut auf Antazida angesprochen, in der letzten Zeit war das nicht mehr in ausreichendem Maße der Fall. Zwischendurch hat Herr M. Phasen mit kompletter Beschwerdefreiheit. Der Appetit des Patienten ist gut, das Gewicht konstant, Übelkeit und Erbrechen bestehen nicht. Nur sehr selten bemerkt der Patient ein kurzes Hochbringen von Mageninhalt.
91
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Beschwerden sind klassisch für eine Refluxerkrankung: Lange Anamnese mit intermittierenden Beschwerden, im Laufe der Zeit zunehmend, zwischendurch Wohlbefinden, keine zusätzlichen Beschwerden. Auslöser sind süße oder saure Speisen, oft auch Alkohol, Koffein und Nikotin. Auch das Ansprechen auf Antazida, zumindest vorübergehend, ist recht typisch. Weiter auf S. 94.
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Sie erfahren von Herrn M., dass seine Beschwerden in der letzten Zeit mehrfach pro Woche auftreten, besonders nachdem er Kuchen gegessen oder Fruchtsäfte getrunken hat. Er beschreibt ein säuerliches Gefühl hinter dem Brustbein, das teilweise auch
Sammeln Sie Informationen zu folgenden Aspekten: dem Beschwerdebild möglichen Auslösern vorausgegangenen Behandlungsversuchen dem Ausmaß des Refluxes dem zeitlichen Verlauf und evtl. bestehenden Komplikationen.
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Leitsymptome Die erste Information, die sie zum Beschwerdebild einholen: Beschreiben Sie einmal, was Sie spüren. Oft wird Sodbrennen dann, mit einer gleichzeitigen Handbewegung zum Epigastrium und unteren Sternum hin, als ein säuerliches Gefühl, Grummeln, Brennen beschrieben. „Das zieht hier so hoch“ ist eine typische Antwort.
Auslöser Die nächste Frage betrifft Auslöser, zunächst wird ganz allgemein gefragt: Gibt es Auslöser?
92
Oft berichten die Betroffenen dann: „Ja. Immer, wenn ich Rotwein trinke, treten die Beschwerden auf“. Im Zweifelsfall sollten mögliche Auslöser abgefragt werden: Alkohol? Nikotin? Kaffee? Süßes, saures, scharfes Essen? Medikamente? Treten die Beschwerden regelmäßig bei den entsprechenden Auslösern auf, sind sie gut reproduzierbar?
Vorausgegangene Behandlungsversuche
MERKE
Es lohnt sich aber immer, nach dem Ansprechen auf einen vorausgegangenen Behandlungsversuch zu fragen:
Generell soll man mit einer Diagnose ex juvantibus, d. h. basierend auf dem beschriebenen Behandlungsversuch, zurückhaltend sein. Bei der Refluxkrankheit ist die Methode jedoch sehr hilfreich.
Was machen Sie, wenn das Sodbrennen auftritt? Was hilft Ihnen? Bessern sich die Beschwerden im Stehen? Nehmen sie im Liegen zu?
Welche Medikamente haben Sie probiert? Nahrungsaufnahme allgemein neutralisiert die Säure, oft wird auch Milch getrunken, die vorübergehend Linderung schafft. Viele Betroffene berichten von Behandlungserfolgen mit Antazida, die als schwache Basen oder Salze von schwachen Säuren die Magensäure binden. Die Medikamente, wie Maaloxan und Riopan, sind frei erhältlich. Diagnostisch sehr aussagekräftig ist das Ansprechen auf einen Behandlungsversuch mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI). Diese hemmen die H+-K+-ATPase (Protonenpumpe) irreversibel. Wenn das Sodbrennen durch einen Reflux von HCl bedingt ist, führen die PPI nach 24 bis 48 Stunden zu einer deutlichen Wirkung. Die Präparate sollten namentlich abgefragt werden (Tab. 5.2), die Handelsnamen stehen in Klammern.
Typischerweise hört man eine von zwei möglichen Antworten: „Das Medikament hat phantastisch gewirkt“ oder: „Na ja, das Medikament hat die Beschwerden etwas gelindert, aber so richtig weg waren sie nicht.“
LERNTIPP
Beschwerdebild
Im ersten Fall liegt höchstwahrscheinlich ein säurebedingtes Beschwerdebild vor, im zweiten Fall nicht. PPI helfen entweder durchschlagend oder gar nicht. Im zweiten Fall dürfte die Wirkung nicht rein pharmakologisch erklärt sein. Bei funktionellen Oberbauchbeschwerden, die oft auch mit Sodbrennen einhergehen, ist in einem hohen Prozentsatz mit einer Plazebowirkung zu rechnen, unabhängig von einer pharmakologischen Wirkung.
Ausmaß des Refluxes Um das Ausmaß des Refluxes zu beurteilen, fragt man nach dem Hochbringen von Speisen oder Magensaft : Bringen Sie auch Mageninhalt hoch?
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5 Sodbrennen Tabelle 5.2 Linderung bei Sodbrennen Mechanismus
Beispiel
Nahrungsaufnahme
Speisen Milch Antazida: Mg2+-Verbindungen + Aluminiumhydroxid (Maaloxan, Riopan) Protonenpumpeninhibitoren: Omeprazol (Antra) Lansoprazol (Agopton) Pantoprazol (Pantozol, Rifun) Esomeprazol (Nexium)
Es ist erstaunlich, wie lange auch ausgeprägte Beschwerden, die sich langsam entwickelt haben, toleriert werden. „Ja, ich muss immer wieder Speisereste runterschlucken“. Dann sollte man auch fragen: Passiert das Hochbringen von Speisen oder Magensaft spontan oder beim Bücken, z. B. wenn Sie die Schuhe zubinden? Haben Sie morgens Magensaft auf dem Kopfkissen, läuft Ihnen Sekret aus dem Mund? Durch diese Frage lässt sich meistens relativ gut eruieren, ob ein massiver Reflux von Mageninhalt vorliegt oder nicht.
Zeitlicher Verlauf Dann sollte der zeitliche Verlauf erfragt werden: Wie lange bestehen die Beschwerden schon? Wochen, Monate, Jahre? Regelmäßig oder sporadisch? Sind die Beschwerden progredient? Die Frequenz der Beschwerden ist von Patient zu Patient sehr variabel. Wenn jemand aber erst einmal den Entschluss gefasst hat, einen Arzt aufzusuchen, ist meistens ein Progress der Beschwerden aufgetreten.
tionen sind Blutungen, narbige Stenosen, ein refluxbedingter trockener Reizhusten, Schmerzen und Heiserkeit. Durch die direkte Säureschädigung können die Zähne kariös werden (Abb. 5.6), im Respirationstrakt kann es zu Laryngitis sowie bronchopulmonalen und asthmatischen Beschwerden kommen. Diese Krankheitsbilder sollten dann gezielt abgefragt werden.
Mögliche Folgen des Refluxes von Magensäure: Sodbrennen Blutung Stenose Reizhusten Schmerzen Heiserkeit Karies (Abb. 5.6) Laryngitis bronchopulmonale Erkrankungen asthmatische Beschwerden.
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MERKE
Medikamente
Komplikationen Sodbrennen ist oft das erste Symptom einer Refluxkrankheit. Mögliche Komplika-
Abb. 5.6 Aktive Wurzelkaries
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Leitsymptome 5.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Im Bereich von Kopf, Hals und Thorax erheben Sie bei Herrn M. keinen pathologischen Befund. Epigastrisch besteht ein leichter Druckschmerz. Der Spontanschmerz beim Sodbrennen liegt ebenfalls epigastrisch und zieht hinter dem Brustbein hoch. Der übrige abdominale Untersuchungsbefund ist unauffällig.
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Differenzialdiagnostische Überlegungen Weiterhin wahrscheinlichste Diagnose ist die Refluxerkrankung. Häufig besteht bei den Patienten nicht einmal ein epigastrischer Druckschmerz bei der Untersuchung. Die körperliche Untersuchung hilft kaum weiter. Natürlich sollte am entkleideten Patienten noch einmal die genaue Lokalisation der Beschwerden erfragt werden. Auch die gründliche Untersuchung des Abdomens wird natürlich durchgeführt, sie liefert aber meist keine neuen Erkenntnisse.
passt jedoch gut zum Beschwerdebild. Bei der endoskopischen Untersuchung wird man in der Mehrzahl der Fälle keine makroskopisch oder histologisch erkennbaren Entzündungszeichen finden. Eine andere gravierende Erkrankung des distalen Ösophagus wird radiologisch jetzt nicht gesehen, sicherheitshalber wird zusätzlich eine endoskopische Untersuchung durchgeführt. Weiter auf S. 96. Goldstandard in der weitergehenden Diagnostik ist die Endoskopie (s. S. 210). Sie erlaubt die Beurteilung des gastroösophagealen Übergangsbereiches im Hinblick auf Funktion und Schädigung sowie eine Probenentnahme. Meistens ist der endoskopische Befund unauffällig. Man spricht dann, beim klinischen Bild der Refluxkrankheit und dem Fehlen endoskopischer Veränderungen von „NERD“: non erosive reflux disease. Liegen dagegen erosive entzündliche Veränderungen vor, können diese nach Savary und Miller graduiert werden (Tab. 5.3). Für den Nachweis einer Hernie (Abb. 5.8) und eines Refluxes ist die röntgenologische Kontrastmitteluntersuchung (Breischluck, s. S. 211), auch in Kopftieflage, empfindlicher.
5.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Der Ösophagusbreischluck in Kopftieflage begünstigt die Hernierung. Es zeigt sich folgendes Bild (Abb. 5.7).
Differenzialdiagnostische Überlegungen Der radiologische Befund zeigt eine axiale Gleithernie. Dies ist zwar nicht beweisend für eine Refluxerkrankung,
Abb. 5.7 Darstellung einer axialen Gleithernie im Breischluck, zu erkennen am vorgewölbten Magenschleimhautrelief (oo)
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5 Sodbrennen Tabelle 5.3 Grade der Ösophagitis Grad
Endoskopiebefund
I
eine oder mehrere nichtkonfluierende longitudinale Schleimhautläsion/en mit Rötung und Exsudat
II
konfluierende Läsionen, die jedoch nicht die gesamte Zirkumferenz des Ösophagus betreffen
III
die Läsionen betreffen die gesamte Zirkumferenz
IV
Ulkus, Striktur, BarrettÖsophagus (s. S. 90)
Abb. 5.8 Große Hiatushernie. Retrokardiale Verschattung mit Luft- und Flüssigkeitsspiegel (o)
95 Goldstandard für die Diagnose „Säurereflux“ sind die 24 Stunden pH-Metrie (s. S. 213) und die Manometrie (s. S. 213), die im Vergleich zur Röntgendiagnostik aber aufwendiger sind. In Zweifelsfällen, zur Diagnose von Motilitätsstörungen des Ösophagus, in komplizierten Situationen mit unter Umständen unbefriedigendem Ansprechen auf eine medikamentöse Therapie oder bei Planung
eines operativen Eingriffes können eine Manometrie mit Druckmessung im Bereich des unteren Ösophagussphinkters und eine pH-Metrie durchgeführt werden. Die Manometrie eignet sich zur Diagnose ösophagealer Motilitätsstörungen, die pHMetrie erlaubt die Dauer und Häufigkeit eines Säurerefluxes innerhalb von 24 Stunden abzuschätzen (Tab. 5.4).
Tabelle 5.4 Weitergehende Diagnostik bei Sodbrennen Untersuchung
Parameter
Interpretation
Endoskopie
gastroösophagealer Übergang
Kardiainsuffizienz, Hernie, Entzündung, Ulkus, Striktur, Barrett-Ösophagus, Karzinom
Röntgenbreischluck (evtl. in Kopftieflage)
gastroösophagealer Übergang
Suffizienz/ Insuffizienz
Manometrie
Druck am angiomuskulären Verschluss
suffizienter/ insuffizienter Druck
pH-Metrie
24 Stunden Säurerefluxmessung
Ausmaß und Dauer des Säurerefluxes in den Ösophagus
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Leitsymptome 5.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnose wird bei Herrn M. durch das klinische Bild und das prompte Ansprechen auf eine Säuresuppression mit Protonenpumpeninhibitoren gesichert. Eine pH-Metrie ist nur in Ausnahmefällen indiziert. In Tab. 5.5 sind die wegweisenden Symptome und Befunde bei Erkrankungen mit dem Symptom des Sodbrennens aufgeführt.
96
5.7.1 Therapieansätze Die Therapie von Sodbrennen richtet sich nach der Ausprägung und der Häufigkeit der Beschwerden sowie nach der Grundkrankheit (Tab. 5.6). Die einfachste Maßnahme ist das Meiden von Auslösern (Alkohol, Koffein, Süßes).
Bei Versagen der diätetischen Maßnahmen wird eine Säureblockade mit Protonenpumpeninhibitoren durchgeführt. Ultima ratio bei Versagen der konservativen Therapie ist die laparoskopische Fundoplicatio. Die Wirksamkeit endoskopischer interventioneller Maßnahmen ist noch nicht ausreichend belegt. Bei der Mehrzahl der Patienten mit Sodbrennen besteht eine nicht erosive Refluxerkrankung (NERD). Therapeutisch im Vordergrund stehen diätetische Maßnahmen und Protonenpumpeninhibitoren. Auch Antazida und H2-Rezeptorenblocker (Ranitidin) sind zumindest vorübergehend oft wirksam. Die erosive Refluxerkrankung wird mit Protonenpumpeninhibitoren behandelt. Sodbrennen bei Zwerchfellhernie wird symptomatisch mit Protonenpumpeninhibitoren behandelt, eine chirurgische Korrektur ist meistens nicht nötig. Infektionen werden antibiotisch, antiviral oder antimykotisch behandelt. Das distale Ösophaguskarzinom wird operiert.
Tabelle 5.5 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Kardiainsuffizienz
Sodbrennen
Endoskopie
Refluxerkrankung
Sodbrennen, retrosternale Schmerzen
Endoskopie
Hiatushernie
Sodbrennen
Endoskopie
Adenokarzinom
Sodbrennen, retrosternale Schmerzen
Endoskopie, Histologie
Infektionen
Sodbrennen, Schmerzen, Dysphagie
Endoskopie, Histologie
Sklerodermie
klinischer Aspekt, Sodbrennen
Endoskopie, Breischluck
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5 Sodbrennen Tabelle 5.6 Therapie des Sodbrennens Erkrankung
Therapie
nicht erosive Refluxerkrankung
n allgemein: diätetisch (Auslöser meiden) Gewichtsnormalisierung kleine, fettarme Mahlzeiten Verzicht auf Spätmahlzeiten n medikamentös: Antazida H2-Rezeptorenblocker PPI*
erosive Refluxerkrankung
PPI* (1. Wahl), H2-Rezeptorenblocker (2. Wahl) Ultima ratio: Fundoplicatio nach Nissen
Hiatushernie
axiale Hernie: Therapie bei Refluxkrankheit (siehe dort); paraösophageale Hernie: Operation wegen Komplikationsgefahr auch im asymptomatischen Stadium
Infektion
antimikrobielle Therapie
Ösophaguskarzinom
Operation
Sklerodermie
PPI*
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* Protonenpumpeninhibitoren
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Leitsymptome
6 Dysphagie 6.1 Begriffe
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Dysphagie (synonym Schluckstörung) : Störung des Schluckaktes oder der ösophagealen Passage oder des Übertrittes von Speisebrei in den Magen. Odynophagie: Schmerzen beim Schluckakt oder während der ösophagealen Passage. Globusgefühl: Intermittierend oder kontinuierlich auftretendes Gefühl einer im Rachen befindlichen Raumforderung. Xerostomie (synonym Mundtrockenheit): Trockenheit im Oropharynx.
6.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht des Patienten Der 65-jährige Karl P. klagt über Schmerzen beim Essen, die er hinter dem Brustbein spürt. Außerdem hat er das Gefühl, der „Speisebrocken geht nicht richtig runter“.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Wichtigste Differenzialdiagnose ist in diesem Alter und bei dieser Anamnese das Ösophaguskarzinom. Mögliche andere Ursachen sind eine vernarbende Refluxösophagitis, die Achalasie (= die fehlende schluckreflektorische Öffnung des gastroösophagealen Überganges) und Störungen der Ösophagusmotorik Weiter auf S. 100. (Spasmen).
Missempfindungen im Bereich des Oropharynx, des Kehlkopfes und der Speiseröhre sind häufig. Sie werden als Schluckstörung, Störung der Ösophaguspassage, Enge- oder Fremdkörpergefühl sowie Mundtrockenheit, unter Umständen schmerzhaft empfunden und beschrieben. Da all diesen Beschwerden gravierende Krankheitsbilder zugrunde liegen können, insbesondere das Karzinom im Oropharynx oder Ösophagus (Abb. 6.4, Abb. 6.7), müssen sie ernst genommen und abgeklärt werden. Die Anamnese und die körperliche Untersuchung können zwar sehr deutliche Hinweise auf die Ursache geben, die Diagnosestellung erfordert jedoch fast immer die weitergehende Diagnostik.
6.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Nach dem Kauen und Einspeicheln wird der Speisebrei zunächst willkürlich nach hinten gegen den weichen Gaumen gebracht. Der weitere Schluckakt erfolgt dann unwillkürlich (Schluckreflex): Der weiche Gaumen wird gehoben und schließt den Nasenraum ab. Die Luftröhre wird durch die Epiglottis verschlossen, die Stimmritze schließt sich, die Atmung wird angehalten. Zunge und Kehlkopf werden angehoben. Der Ösophagusmund erschlafft und die Zunge drückt den Speisebrei nach hinten, unten in die Speiseröhre. Die Ösophagusperistaltik drückt den Speisebrei nach unten, der untere Ösophagussphinkter erschlafft und erlaubt den Übertritt von Speisebrei in den Magen. Voraussetzungen eines ungestörten Schluckaktes sind die zentrale Steuerung, die intakte periphere Innervation, ein intakter muskulärer Apparat und ein offenes Ösophaguslumen.
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6 Dysphagie 6.4 Ursachen der Dysphagie Störungen des Schluckaktes können ihre Ursachen im Bereich des ZNS, des peripheren Nervensystems und der Schlund- bzw. Ösophagusmuskulatur haben. Außerdem kann das Lumen durch intraluminale Prozesse und Kompression von außen verlegt werden. Nach dem Schädigungsmechanismus werden neuromuskulär bedingte von
mechanisch-obstruktiv bedingten Dysphagien abgegrenzt (Tab. 6.1). Schluckstörungen im engeren Sinne werden nach ihrer Lokalisation in oropharyngeale und ösophageale Dysphagie unterschieden. Die oropharyngeale Dysphagie wird im Rachen gespürt, die ösophageale hinter dem Brustbein oder epigastrisch. Klassische Beispiele für die verschiedenen Dysphagieformen sind:
Tabelle 6.1 Ursachen der Dysphagie nach Häufigkeiten Lokalisation
Vorkommen
neuromuskulär
mechanisch-obstruktiv
oropharyngeal
häufig
Apoplex
Tonsillitis
Morbus Parkinson
Struma
Myasthenia gravis
Tumore
Tumore
Abszesse
weniger häufig
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MS selten
Muskeldystrophien
Tuberkulose
amyotrophe Lateralsklerose Botulismus ösophageal
häufig
–
Ösophaguskarzinom peptische Stenose
weniger häufig
Achalasie
postoperativ (Fundoplicatio)
rheumatische Erkrankung
Zenker-Divertikel benigne Tumore Ringbildung Fremdkörper Kardiakarzinom
selten
diffuser Ösophagospasmus
Mediastinaltumore
hyperkontraktiler Ösophagus
Aortenaneurysma Vergrößerung des linken Vorhofs
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Leitsymptome
100
oropharyngeale Dysphagie: n neuromuskulär bedingt: Schluckstörung nach Apoplex mit gestörter, zentralnervöser Steuerung des Schluckaktes n mechanisch-obstruktiv bedingt: Verlegung des Pharynx durch ein Karzinom ösophageale Dysphagie: n neuromuskulär bedingt: Achalasie (Abb. 6.1, Abb. 6.2), durch die Degeneration des Plexus myentericus kommt es zur fehlenden reflektorischen Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) und zur fehlenden propulsiven Peristaltik des Ösophagus nach dem Schluckakt, mit prästenotischer Dilatation. Es wird zwischen der primären Achalasie, bei der die Ursache unbekannt ist, und der sekundären Form, für die eine Ursache gefunden werden kann, unterschieden. Sekundäre Formen kommen etwa beim Kardiakazinom vor. n mechanisch-obstruktiv bedingt: Verlegung des Ösophaguslumens durch ein Ösophaguskarzinom.
6.5 Problemlösung 6.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Herr P. berichtet, dass die Beschwerden erstmals vor einigen Wochen intermittierend auftraten. Damals beschloss der Patient, erst mal abzuwarten. Weil die Beschwerden jetzt aber schlimmer geworden sind, kommt er zu Ihnen in die Praxis. Auch wenn er die Speisen gut zerkaut, treten Beschwerden auf. Lediglich Flüssigkeit kann er problemlos aufnehmen. Sein Appetit ist nicht schlecht, aber trotzdem hat er einen Gewichtsverlust von 4 oder 5 kg bemerkt. Keine Übelkeit, kein Erbrechen, Stuhlgang unauffällig. Sodbrennen besteht schon seit Jahren immer wieder, besonders nach Süßem, aber auch nach Rotwein. Regelmäßige Medikamenteneinnahme: Wegen eines Hypertonus nimmt Herr P. Enalapril ein, gelegentlich wegen Rückenschmerzen Schmerztabletten. In den letzten Monaten hat der Patient in Maßen Alkohol getrunken, früher häufiger Hochprozentiges. Bis vor 3 Jahren rauchte Herr P. ca. 15–20 Zigaretten am Tag.
prästenotische Dilatation
Differenzialdiagnostische Überlegungen unterer Ösophagussphinkter
Abb. 6.1 Achalasie. Fehlende reflektorische Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters mit prästenotischer Dilatation
Der progrediente Verlauf unterstützt die Anamnese eines Ösophaguskarzinoms. Hierzu passen die Beschwerden: Dysphagie für Festes, während Flüssigkeiten gut aufgenommen werden, der Gewichtsverlust, außerdem passen das Alter, der frühere Nikotin- und Alkoholkonsum. Eine Achalasie hätte wahrscheinlich schon früher Beschwerden verursacht und hätte zum Hochbringen von Speisen geführt. Spasmen im Ösophagus treten intermittierend bei
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6 Dysphagie
Beschwerden im Oropharynx, beim Schlucken und während der Passage der Speise im Ösophagus werden sehr variabel geschildert. Bei der Dysphagie geben die Patienten die Lokalisation ihrer Beschwerden häufig an: „Beim Schlucken habe ich hier Schmerzen“, wobei auf das Sternum gezeigt wird. Oder: „Mir bleibt manchmal das Essen hier stecken“, wobei auf den gastroösophagealen Übergang im Epigastrium gezeigt wird. Beim Globusgefühl wird oft gesagt: „Ich kann irgendwie nicht richtig schlucken, ich habe hier so einen Kloß.“ Oder bei der Xerostomie: „Das Essen geht nicht runter. Mein Mund ist so trocken.“ Als Erstes muss also immer geklärt werden: Was liegt überhaupt vor? Eine Dysphagie, ein Globusgefühl oder eine Xerostomie?
Dysphagie Die Dysphagie im engeren Sinne umfasst folgende Beschwerden: Schwierigkeiten, den Schluckakt zu beginnen, Verschlucken, Hochhusten von Speisen in den Nasopharynx, Aspiration im Zusammenhang mit dem Schluckakt, das Gefühl, dass etwas hinter dem Brustbein stecken bleibt oder schmerzt, das Gefühl, dass etwas am Mageneingang stecken bleibt und Hochbringen von Speisen nach dem Essen. Wenn anamnestisch eine Dysphagie vorliegt, sollte geklärt werden, auf welcher Ebene sie liegt: Im Oropharynx, im Ösophagus oder im gastroösophealen Übergangsbereich? Es lohnt sich immer, den Patienten direkt zu fragen, wo er die Schluckstörung
bemerkt, wenn er es nicht schon spontan gesagt hat. Die Lokalisationsangabe korreliert oft gut mit der tatsächlichen Lokalisation des Problems. Die oropharyngeale Dysphagie, also Beschwerden, die oberhalb der oberen Ösophagusenge (Ösophagusmund) entstehen, wird im Bereich oder oberhalb des Kehlkopfes angegeben. „Hier“, und dabei wird mit dem Finger gezeigt. Oft bestehen Schwierigkeiten, den Schluckakt zu beginnen, die Patienten verschlucken sich und husten Nahrung in den Nasenraum. Bei der ösophagealen Dysphagie wird häufig mit der Hand über das Brustbein gestrichen. Es werden Schmerzen beschrieben, Steckenbleiben von Speisen, Hochbringen zerkauter Speisen. Eine Passagestörung im gastroösophagealen Übergangsbereich wird oft mit dem Finger epigastrisch lokalisiert.
Aufgrund der Anamnese ist es in den meisten Fällen möglich, eine oropharyngeale oder eine ösophageale Dysphagie zu diagnostizieren.
101
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flüssiger und fester Nahrung auf und sind nicht progredient. Im Intervall bestehen keine Beschwerden. Die einzig verbliebene, ernst zu nehmende Differenzialdiagnose ist neben dem Karzinom nur die narbige Stenose auf dem Boden einer Refluxösophagitis. Weiter auf S. 105.
Oropharyngeale Dysphagie Schließlich wird die Ursache der Dysphagie abgeklärt: Auf oropharyngealer Ebene werden die meisten neuromuskulären Störungen beim Auftreten einer Dysphagie bekannt sein. Im Krankheitsverlauf können sie bei Apoplex, Morbus Parkinson, Multipler Sklerose, peripherer Neuropathie, amyotropher Lateralsklerose und Muskelerkrankungen wie Myasthenia gravis auftreten. Diese Vorerkrankungen müssen daher abgefragt werden. Allerdings kann eine Schluckstörung auch die Erstmanifestation einer dieser Erkrankungen sein, vor allem bei Multipler Sklerose und Myasthenia gravis. Im Vordergrund steht die Schwierigkeit, den Schluckakt zu beginnen, häufig kommt es zum Verschlucken und zur Aspiration. Eine mechanische Verlegung des Oropharynx wird in der Regel von Patienten als solche gespürt und als Schluckhindernis
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Leitsymptome beschrieben. Sie kann beim Oropharynxkarzinom und beim Lymphom entstehen.
Ösophageale Dysphagie Um bei der ösophagealen Dysphagie zwischen neuromuskulären Störungen und mechanisch-obstruktiven Ursachen zu unterscheiden, sollten Sie fragen: Bestehen die Beschwerden beim Essen und Trinken? Bei neuromuskulären Ursachen bestehen Schluckstörungen für Festes und Flüssiges. Dagegen deutet eine Schluckstörung überwiegend für Festes auf eine mechanischobstruktive Ursache hin.
102
Abb. 6.2 Megaösophagus bei Achalasie. Typische trichterförmige glattwandige Einengung des Lumens am gastroösophagealen Übergang (n). Reichlich Retention von bariumvermischter Nahrung (mit Spiegelbildung) und fehlender Peristaltik im gesamten Ösophagus
Ösophageale Dysphagien mit neuromuskulärer Ursache: Bei der Achalasie (Abb. 6.1, Abb. 6.2) bleibt durch die Degeneration des Plexus myentericus die reflektorische Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters (UÖS) aus. Es besteht eine Dysphagie für Festes und Flüssiges sowie die Unfähigkeit aufzustoßen. Anfangs kann zusätzliches Trinken, das den hydrostatischen Druck auf den UÖS erhöht, die Passage noch erzwingen. Die Patienten versuchen auch, durch mechanische Manöver wie Aufstehen und Sichstrecken, die Passage zu forcieren. Die Beschwerden sind oft über relativ lange Zeiträume langsam progredient. Häufig führt die Achalasie dann auch zu einem Gewichtsverlust. Mit zunehmender Dauer der Erkrankung kommt es zum Hochbringen von Speisen unmittelbar nach dem Essen, zu Aspiration und bronchopulmonalen Beschwerden sowie zum nächtlichen Auslaufen von Speiseresten aus dem Mund. Zur Erinnerung: Motilitätsstörungen des Ösophagus mit dysphagischen Beschwerden kommen auch im Rahmen bekannter Grundkrankheiten vor: rheumatische Erkrankungen: Sklerodermie, systemischer Lupus erythematodes Muskelerkrankungen : Muskeldystrophien, Myasthenia gravis Erkrankungen des peripheren Nervensystems : Guillain-Barré-Syndrom und beim Diabetes mellitus als autonome diabetische Neuropathie. Die sorgfältige Anamnese im Hinblick auf bekannte Vorerkrankungen ist daher obligat. Bei den Krankheitsbildern des diffusen Ösophagospasmus (Abb. 6.3) und des hyperkontraktilen Ösophagus kommt es zu schmerzhaften Spasmen der Ösophagusmuskulatur, unter Umständen spontan, manchmal auch im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme. Die reflektorische Relaxation des UÖS ist bei diesen Erkrankungen nicht gestört. Ösophageale Dysphagien mit meachanisch-obstruktiver Ursache:
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Naturgemäß führt eine mechanische Obstruktion eher zu Beschwerden bei Aufnahme fester Speisen, während Flüssigkeiten relativ gut aufgenommen werden können. Häufig berichtet der Patient: „Ich muss sehr gut kauen, wenn ich nicht aufpasse, bleibt die Nahrung hängen“. Bei einer derartigen Anamnese muss immer an ein Ösophaguskarzinom (Abb. 6.4) gedacht werden, allerdings können benigne, narbige Stenosen, insbesondere bei chronischer erosiver Refluxerkrankung (s. S. 104), ähnliche Beschwerden verursachen. Die Differenzierung gelingt manchmal durch die Frage nach dem zeitlichen Verlauf der Beschwerden: sie sind bei malignen Stenosen bei kurzer Anamnese progredient bei benignen Stenosen bei langer Anamnese oft gleichbleibend. Das Ösophaguskarzinom ist häufig mit einem Gewichtsverlust verbunden, Risikofaktoren sind Alkoholabusus, besonders hochprozentige Alkoholika, und Nikotinkonsum. Nach beidem sollte gefragt werden. Benignen Stenosen geht oft eine jahrelange Vorgeschichte von Sodbrennen bei einer Refluxösophagitis voraus (Abb. 6.5). Häufig wurde schon eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie durchgeführt, deren Befund die Patienten kennen: „Die Magenklappe schließt nicht richtig. Das ist hier immer entzündet“.
Ein Teil der Refluxpatienten entwickelt eine Schleimhautumwandlung im distalen Ösophagus (Metaplasie). Diese Erscheinung wird als Barrettösophagus bezeichnet. Er ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für das Entstehen eines Adenokarzinoms im distalen Ösophagus verbunden (s. S. 106). Beim Ösophaguskarzinom handelt es sich sonst meist um ein Plattenepithelkarzinom.
Eine Besonderheit stellen Patienten dar, bei denen eine Antirefluxoperation durchgeführt worden ist (Fundoplicatio). Als unerwünschte Folge dieses Eingriffes, bei dem der gastro-ösophageale Übergangsbereich verengt wird, entsteht unter Um-
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6 Dysphagie
103
a
b
Abb. 6.3 Endoskopiebefund beim diffusen Ösophagospasmus: simultane Kontraktionen
Abb. 6.4 Ösophaguskarzinom(Sterne); oben: Endosonographiebefund; unten: korrespondierendes Operationspräparat, der Tumor hat die Wandschichten bereits durchbrochen (Pfeile)
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Leitsymptome
104
Abb. 6.5 Entzündliche Stenose (n) nach langjähriger Refluxösophagitis bei großer gleitender Hiatushernie
Abb. 6.6 Großes Zenker-Divertikel (o) im Bereich des zervikalen Ösophagus
ständen eine symptomatische Stenose mit Dysphagie. Bei der Anamneseerhebung sollte nach einer solchen Operation gefragt werden. Gelegentlich kann auch ein großes ZenkerDivertikel (Abb. 6.6, Abb. 6.8) Ursache einer ösophagealen Dysphagie sein. Die Beschwerden werden relativ hoch im Hals angegeben, an der Stelle, an der das Divertikel unmittelbar unter der oberen Ösophagusenge sitzt. Es handelt sich bei diesen Divertikeln um eine Aussackung der Ösophaguswand nach dorsal. Wenn der Divertikelsack eine gewisse Größe erreicht, komprimiert er den Ösophagus von außen. In dem Maße, in dem sich
das Divertikel füllt, nehmen die Beschwerden während des Essens zu. Weitere seltene Ursachen für Kompressionen des Ösophagus von außen mit dysphagischen Beschwerden sind Lymphome, ein Aortenaneurysma, die Vergrößerung des linken Vorhofs und Mediastinaltumore. Eine Dysphagie nach Verschlucken eines Fremdkörpers ist meistens aufgrund der Anamnese evident. Auslöser können auch Medikamente sein, die – wenn sie im Ösophagus haften bleiben – Ulzerationen hervorrufen können.
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Stufenschema zur Abklärung der Dysphagie: 1. Was liegt vor? Dysphagie, Globusgefühl, Xerostomie 2. Lokalisation? Oropharyngeal, ösophageal, gastroösophagealer Übergang 3. Welches ist die Ursache? Neuromuskulär, mechanisch obstruktiv
6.5.2 Globusgefühl Wenn ein Enge- oder Kloßgefühl beschrieben wird, sollte gefragt werden, wann dieses Gefühl am stärksten ausgeprägt ist und wie sich Schlucken darauf auswirkt. Das Globusgefühl wird klassischerweise zwischen den Mahlzeiten gespürt und durch wiederholtes Schlucken gemindert. Als Globusgefühl im engeren Sinne wird ein Fremdkörpergefühl bezeichnet, dem kein organisches Korrelat zu Grunde liegt.
6.5.3 Xerostomie Bei Mundtrockenheit infolge einer verminderten Speichelproduktion ist die Einspeichelung des Speisebreis vermindert und das Schlucken erschwert. Durch gleichzeitiges Trinken wird das Schlucken von Festem erleichtert. Das Trinken selbst ist ungestört. Bei Verdacht auf eine Mundtrockenheit muss gefragt werden: Ist der Mund trocken? Hilft es, wenn Sie zum Essen trinken? Ist das Trinken ungestört? Wenn dem so ist, muss geklärt werden, warum die Mundtrockenheit besteht. Zum einen tritt sie oft im Alter auf, bei Frauen häufiger als bei Männern. Oft ist sie eine Medikamentennebenwirkung. Alle eingenommenen Medikamente müssen daraufhin abgeklärt werden. Und eine Mundtrockenheit tritt manchmal im Rahmen rheumatischer Erkrankungen auf, unter Umständen im Zusammenhang mit trockenen Augen, Gelenkbeschwer-
den, Myalgien. Gelegentlich besteht auch bei unauffälliger Mundschleimhaut ein subjektives Gefühl der Mundtrockenheit.
6.5.4 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung von Herrn P. besteht ein noch guter Allgemein- und ausreichender Ernährungszustand sowie ein unauffälliger Befund im Bereich von Kopf, Hals und Thorax. Auch der abdominale Tastbefund ist unauffällig. Lymphknotenvergrößerungen bestehen nicht.
105
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die körperliche Untersuchung hat nicht zur Klärung beigetragen. Die körperliche Untersuchung umfasst die Untersuchung von Mundhöhle, Rachen, Hals (Lymphknoten, Schilddrüse), Abdomen und Nervensystem. Entzündliche und tumoröse Prozesse sind unter Umständen der Inspektion zugänglich. Die Untersuchung des Abdomens ist allerdings auch bei epigastrischem Druckschmerz von geringer Bedeutung. Bei Verdacht auf eine neuromuskuläre Ursache der Beschwerden muss natürlich die sorgfältige neurologische Untersuchung durchgeführt werden.
Eine Schluckstörung als Erstmanifestation einer bis dahin unbekannten neuromuskulären Erkrankung ist möglich, wird aber eher die Ausnahme sein.
LERNTIPP
MERKE
6 Dysphagie
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Leitsymptome 6.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Bei der Endoskopie des Ösophagus sehen Sie im mittleren Ösophagus folgendes Bild (Abb. 6.7).
Differenzialdiagnostische Überlegungen
Die wichtigsten weitergehenden Untersuchungen sind: die HNO-ärztliche Untersuchung des Pharynx die röntgenologische Untersuchung des Schluckaktes mit Kontrastmittel und die Endoskopie.
Abb. 6.7 Endoskopiebefund bei einem Ösophaguskarzinom, deutlich ist die Lumeneinengung des Ösophagus zu erkennen
Trachea
ZenkerDivertikel Ösophagus
Abb. 6.8 Zenker-Divertikel
Die Röntgenuntersuchung ist besonders aussagekräftig bei Schluckstörungen im oropharyngealen Bereich und im oberen Ösophagus, besonders auch beim ZenkerDivertikel.
Das bekannte Zenker-Divertikel stellt wegen des erhöhten Perforationsrisikos eine relative Kontraindikation für eine endoskopische Untersuchung dar.
MERKE
106
Es liegt ein stenosierend wachsender Prozess im Ösophagus vor, am ehesten ist bei der Lokalisation im mittleren Drittel an ein Plattenepithelkarzinom zu denken. Selten verursacht ein Lymphom ein derartiges Bild. Bei distalem Sitz kann ein Adenokarzinom vorliegen. Weiter auf S. 107.
Bei Verdacht auf eine Achalasie sollte zur Beurteilung des Füllungszustandes der Speiseröhre zunächst eine Thoraxübersichtsaufnahme erfolgen. Die Endoskopie bei Füllung der Speiseröhre mit Flüssigkeit und Nahrungsresten beinhaltet ein beachtliches Aspirationsrisiko. Vor der Endoskopie mit Probenentnahme sollte daher versucht werden, die Flüssigkeit mit einer Sonde zu entfernen, in jedem Falle sollte ein Endoskop mit großlumigem Absaugkanal verwendet werden. Für die definitive Diagnosesicherung wird zusätzlich eine Manometrie durchgeführt. Den typischen Untersuchungsbefund zeigt Abb. 6.9.
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6 Dysphagie Tabelle 6.2 Weitergehende Diagnostik bei Dysphagie Untersuchung
Parameter
Interpretation
HNO-ärztliche Untersuchung
Raumforderung
Karzinom
Röntgenbreischluck
Peristaltik, Motorik, Relief
Motilitätsstörung, Stenose, Entzündung
Endoskopie
Schleimhautbefund
Entzündung, Tumor, Stenose
Histologie
Tumor, Entzündung
Manometrie
Ösophagus-, Sphinkterdruck
Motilitätsstörung
Computertomographie
intrathorakale Organe
Kompression von außen
Endosonographie
Ösophaguswand, paraösophageales Gewebe
Tumorausdehnung, Lymphknoten
107
Extramurale Prozesse werden mittels CT dargestellt, intramurale Prozesse mit Endosonographie (Abb. 6.4 und Tab. 6.2).
6.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Aufgrund des endoskopischen Bildes besteht kein Zweifel mehr an einem Malignom. Die endgültige Sicherung erfolgt dann durch die histologische Untersuchung.
In Tab. 6.3 sind die wegweisenden Symptome der Dysphagie-Diagnostik dargestellt. Abb. 6.9 Manometriebefund bei hypomotiler Achalsie. Hypotone simultane Kontraktionen (o) in der tubulären Speiseröhre. Fehlende Erschlaffung (oo) im unteren Ösophagussphinkter
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Leitsymptome Tabelle 6.3 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Apoplex
klinisches Bild
CT
Morbus Parkinson
klinisches Bild
klinisches Bild
Myasthenia gravis
Muskelschwäche
neurologische Untersuchung
Multiple Sklerose
klinisches Bild: meist schubförmiger Verlauf
neurologische Untersuchung, Lumbalpunktion, MRT
amyotrophe Lateralsklerose
progrediente Muskelschwäche
neurologische Untersuchung
Muskeldystrophien
klinisches Bild
neurologische Untersuchung
Botulismus
Übelkeit, Diarrhö, Doppelbilder
Botulinustoxin im Serum
Tonsillitis
Inspektion
Abstrich
Abszesse
Klinik, Inspektion
HNO-Untersuchung
Tuberkulose
Klinik, Inspektion
Kultur
Pharynxkarzinom
Inspektion
CT, Histologie
Ösophaguskarzinom
Gewichtsverlust, Schmerz
Endoskopie, Histologie
peptische Stenose
Sodbrennen, Steckenbleiben von Speisen
Endoskopie
Achalasie
Hochbringen von Unverdautem
Endoskopie, Manometrie
postoperativ
Anamnese
Endoskopie
diffuser Ösophagospasmus
nicht kardialer Thoraxschmerz
Manometrie
hyperkontraktiler Ösophagus
nicht kardialer Thoraxschmerz
Manometrie
rheumatische Erkrankungen
klinisches Bild
Autoantikörperdiagnostik
Zenker-Divertikel
Klinik, Regurgitation
Breischluck
Fremdkörper
Anamnese
Endoskopie
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6 Dysphagie Tabelle 6.3 Fortsetzung Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Kompression von außen (Struma, Mediastinaltumor, Aortenaneurysma, Vergrößerung des linken Vorhofs)
Klinik
CT
Ringbildung*
Steckenbleiben von Speisen
Endoskopie
* Schatzki-Ring: membranartiger Ring am Übergang zwischen Ösophagus- und Magenschleimhaut, kommt häufig bei Hiatushernien vor
Tabelle 6.4 Therapie der Dysphagie Erkrankung
Therapie
Apoplex
supportive Behandlung
Morbus Parkinson
L-Dopa, Anticholinergika, Dopaminagonisten, MAO-Hemmer
Myasthenia gravis
Cholinesterasehemmer
Multiple Sklerose
Glukokortikoide, b-Interferon
amyotrophe Lateralsklerose
supportive Therapie
Muskeldystrophien
supportive Therapie
Botulismus
Toxinelimination, Antitoxin
bakterielle Entzündungen
Antibiose
Tumore
endoskopisch interventionell, Operation
peptische Stenose
Bougierung
Achalasie
pneumatische Dilatation, Operation
postoperativ nach Fundoplicatio
Bougierung
diffuser Ösophagospasmus
Versuch mit Calciumantagonisten, Nitraten
hyperkontraktiler Ösophagus
Versuch mit Calciumantagonisten, Nitraten
rheumatische Erkrankungen
Versuch mit immunsuppressiver Behandlung
Zenker-Divertikel
Operation
Fremdkörper
Fremdkörperextraktion
Aortenaneurysma
Operation
Vergrößerung des linken Vorhofs
Behandlung der kardialen Grundkrankheit
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Leitsymptome 6.7.1 Therapieansätze Bei den neuromuskulär bedingten Dysphagien mit häufigen (Apoplex, Morbus Parkinson) und weniger häufigen (Myasthenia gravis, amyotrophe Lateralsklerose) Ursachen steht die Behandlung der Grundkrankheit im Vordergrund. Tumoröse oder stenosierende Prozesse werden endoskopisch-interventionell oder operativ behandelt.
Eigenständige Motilitätsstörungen des Ösophagus (Ösophagusspasmus, hyperkontraktiler Ösophagus) sind schwierig zu behandeln. Bei rheumatologischen Erkrankungen sowie Kompressionen des Ösophagus von außen steht ebenfalls die Grunderkrankung im Vordergrund (Tab. 6.4.)
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7 Obstipation Rolle: Morbus Parkinson, Zustand nach Weiter auf S. 114. Apoplex.
7 Obstipation 7.1 Begriffe Obstipation (synonym Verstopfung): Zu seltene oder erschwerte Stuhlentleerung. Als normal gilt eine Stuhlentleerung mindestens an jedem dritten Tag.
7.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht der Patientin Die 64-jährige Helga W. klagt über eine hartnäckige Obstipation. Die Patientin berichtet, dass die Beschwerden schon länger bestehen. Sie kann die Situation nicht genau beschreiben, aber in der letzten Zeit hat sie das Gefühl, dass sich irgendetwas geändert hat. Frau W. kann jetzt nur noch jeden 4. oder 5. Tag zur Toilette gehen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Über Obstipation berichten in der täglichen ärztlichen Praxis sehr viele Patienten. Meistens liegt der Obstipation keine gravierende Ursache zu Grunde. Allerdings muss eine ganze Reihe von Differenzialdiagnosen in Erwägung gezogen werden, die entweder dringend behandlungsbedürftig sind, wie das Kolonkarzinom, oder behandelbar, wie Medikamentennebenwirkungen, eine postentzündliche Stenosierung oder Hypothyreose. Im Alter spielen zusätzlich neurologische Erkrankungen eine
In der täglichen Praxis ist die Obstipation ein häufiges Phänomen. Fast immer ist sie Ausdruck einer harmlosen, habituellen Darmträgheit. Da sie für den Betroffenen oft sehr lästig ist, sollte sie ernst genommen werden. Gelegentlich ist die Obstipation auch Ausdruck einer behandelbaren und behandlungsbedürftigen Grunderkrankung.
7.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Die Passagedauer der aufgenommenen Nahrung von Mund bis Anus schwankt von Mensch zu Mensch erheblich. Bei jedem Menschen kommt es jedoch von proximal nach distal zu einer deutlichen Passageverlangsamung. Die vollständige Entleerung des Chymus (Speisebrei = Suspension aus zerkleinerten Nahrungsbestandteilen und Magensaft) aus dem Magen beträgt in der Regel 3 bis 6 Stunden. Die Duodenum- und Jejunumpassage erfolgen relativ rasch, im Ileum verringert sich die Geschwindigkeit. Die ersten Anteile des Speisebreis erreichen das Zökum bereits 2 bis 3 Stunden nach Nahrungsaufnahme, die letzten Teile ca. 6 bis 9 Stunden nach Nahrungsaufnahme. Die Menge des Speisebreis, die das Kolon täglich erreicht, liegt bei ca. 500 g. Im Kolon findet eine drastische Passageverlangsamung statt. Die Passagezeit von Zökum bis Sigma beträgt zwischen 12 und 24 (bis 48) Stunden. Die Passagezeit für die kurze Strecke vom Sigma bis zum Rektum ist ebenfalls sehr variabel, aber lang – 12 bis 48 Stunden (Abb. 7.1). Während der Kolonpassage wird der Stuhl auf etwa 100 bis 200 g eingedickt, davon sind 75 bis 80 % Wasser und 20 bis 25 % feste Bestandteile. Im Rektum löst der Stuhl den Defäkationsdrang aus, an den sich in der Regel die kontrollierte Entleerung anschließt, die dann reflexartig abläuft. Die Passage von Speisebrei durch den Magendarmtrakt ist abhängig von der
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Leitsymptome Entleerungszeiten ab Nahrungsaufnahme Mundspeicheldrüsen
Speiseröhre
10 s
Magen
1–3 h
Dünndarm
6–9 h
Dickdarm
25–30 h
Mastdarm
30–120 h
Leber Dünndarm (Duodenum) Gallenblase Pankreas Dickdarm (Kolon) Dünndarm (Ileum)
112
Dickdarm (Zäkum)
Abb. 7.1 Passagezeit durch den Gastrointestinaltrakt ab dem Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme
Nahrungszusammensetzung und den Lebensgewohnheiten, der zentral-nervösen Steuerung, dem peripheren Nervensystem, hormonellen Einflüssen, der Darmmuskulatur und einer unbehinderten und schmerzfreien Propulsion innerhalb des Darmlumens. Der Transport des Chymus erfolgt durch die propulsive Peristaltik. Die Durchmischung des Speisebreis durch die nichtpropulsive Peristaltik, Segmentationen und Pendelbewegungen.
eine verminderte Sensibilität des Rektums auf den physiologischen Dehnungsreiz. In diese Gruppe fallen die Patienten mit der so genannten habituellen Verstopfung. Die Ursachen für die verzögerte Kolonpassage und die verminderte Rektumsensibilität sind im Einzelnen unklar. Eine Rolle spielen unter Umständen die wiederholte willkürliche Unterdrückung des Defäkationsreizes, eine Ernährung mit ballaststoffarmer Kost und in geringerem Maße Bewegungsmangel und ungenügende Trinkmenge.
Die Verzögerung der Passage bei einer Obstipation erfolgt, mit Ausnahme im Fall des Ileus, fast immer zwischen Zäkum und Anus.
Verlangsamte Kolonpassage und verminderte Rektumsensibilität Die weitaus häufigsten Formen der Obstipation sind bedingt durch eine verlangsamte Kolonpassage („slow transit constipation“, verlängerte Kolontransitzeit) und
Die Ursachen für verlangsamte Kolonpassage und verminderte Rektumsensibilität sind im Einzelnen unbekannt, angenommen werden: willkürliche Unterdrückung des Defäkationsreizes ballaststoffarme Ernährung Bewegungsmangel und ungenügende Trinkmenge.
MERKE
7.4 Ursachen der Obstipation
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7 Obstipation Tabelle 7.1 Ursachen der verlangsamten Kolonpassage Ursache
Beispiele
neurogen
Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Apoplex, Polyneuropathie, Trauma, Tumor
endokrin
Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus, Gravidität, Conn-Syndrom
metabolisch
Hyperkalzämie, Hypokaliämie, Urämie
psychogen
Depression, Anorexia nervosa (s. S. 197), situativ (Reiseobstipation)
medikamentös
Analgetika, Antazida, Antiarrhythmika, Anticholinergika, Antidepressiva, Antihypertensiva, Antikonvulsiva, Anti-ParkinsonMedikamente, Diuretika, Gestagene, Neuroleptika, Opiate
weitere: unbekannt, Lebensgewohnheiten, Bewegungsmangel, Ernährung (?)
Von dieser habituellen Form der Obstipation lassen sich Formen mit erkennbarer organischer oder medikamentöser Ursache abgrenzen. Die Ursachen können neurologischer, endokrinologischer, metabolischer, psychogener und medikamentöser Natur sein. Eine Übersicht dazu gibt Tab. 7.1. Wesentlich seltener als eine verlängerte Kolontransitzeit findet man eine organisch fixierte oder funktionelle Obstruktion.
Funktionelle Passagestörungen
113
Funktionelle Passagestörungen sind nicht durch eine mechanische Verlegung oder Verengung des Darmlumens bedingt, sondern durch eine bei der Defäkation auftretende Funktionsstörung im rektosigmoidalen Übergang und im Rektum: Innerer Rektumprolaps und Rektozele. Beim inneren Rektumprolaps kommt es während
Mechanische Obstruktion
MERKE
Die klassischen mechanischen Obstruktionen mit einer Verlegung des Lumens sind natürlich Tumore und die entzündliche oder postentzündlich-narbige Stenose. Auch in der Schwangerschaft oder durch einen Volvulus (Stiel- oder Achsendrehung eines Organs) kann es zur mechanischen Obstruktion kommen.
Zur mechanischen Obstruktion können führen: Kolonkarzinom (s. S. 218) extraluminale Tumore entzündliche Stenose narbige Stenose Gravidität und Volvulus (Stiel- oder Achsendrehung des Darms).
Abb. 7.2 Rektozele mit Vorwölbung der hinteren Scheidenwand (n)
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Leitsymptome
MERKE
Funktionelle Störungen im Rektumbereich, die zur Obstipation führen: innerer Rektumprolaps und Rektozele (Abb. 7.2).
haltenden funktionellen Entleerungsstörung: Fissuren (s. S. 123), Analekzem (s. S. 124), Abszess, Perianalthrombose (s. S. 126).
Allgemeine Ursachen der Obstipation sind: verlangsamte Kolonpassage verminderte Rektumsensibilität Verlegung des Lumens funktionelle Obstruktion und Schmerzen.
MERKE
des Pressens zu einer Einstülpung des Rektums mit Verlegung des Lumens, bei der Rektozele (Abb. 7.2) besteht eine Aussackung der hinteren Scheidenwand, in die sich die Rektumvorderwand bruchartig einwölbt. Hierdurch kann beim Pressen während der Defäkation kein genügender Entleerungsdruck aufgebaut werden.
Die Ursachen der Obstipation sind in Tab. 7.2 nach ihren Häufigkeiten geordnet.
Schmerzen 114
Schließlich kann jeder schmerzhafte Prozess im Bereich von Rektum und Anus zu einem zunächst willkürlichen Unterdrücken der Defäkation führen und dann zu einer unter Umständen länger an-
7.5 Problemlösung 7.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Tabelle 7.2 Ursachen der Obstipation nach Häufigkeiten Vorkommen
Erkrankung
häufig
habituelle Obstipation
Fehlernährung Bettlägerigkeit Medikamentennebenwirkungen (Tab. 7.1) Depression Morbus Parkinson Hypothyreose (s. S. 142 und Abb. 7.3) Kolonkarzinom (s. S. 218) Hypokaliämie selten
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Reizdarmsyndrom
weniger häufig
Fallbeispiel
Hyperparathyreoidismus Multiple Sklerose
Bei Nachfrage berichtet Frau W., dass die Beschwerden mehr oder weniger stark schon seit Jahrzehnten bestehen. Sie hat deshalb schon viele Therapien ausprobiert, wie ballaststoffreiche Ernährung, Leinsamen und Laxanzien. Diese Therapieversuche haben für einige Zeit geholfen. Starke Abführmittel will die Patientin über längere Zeit nicht einnehmen. Zusätzlich bemerkt die Patientin seit etwa einem Jahr auch ziehende Schmerzen im linken Unterbauch, die gelegentlich auftreten. Diese haben aber an Häufigkeit und Dauer nicht zugenommen. Der Appetit ist gut, zu gut, wie die Patientin sagt, das Gewicht konstant hoch. Beim Stuhlgang hat sie keinen Blutabgang gesehen, aber gelegentlich etwas Schleim. Wegen eines Hypertonus nimmt Frau W. ein Diuretikum ein.
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7 Obstipation Differenzialdiagnostische Überlegungen Die lange Anamnese spricht für eine habituelle, harmlose Obstipation. Auch die beschriebenen Schmerzen im linken Unterbauch lassen nicht primär an eine maligne Ursache denken, da sie nicht zunehmen. Hier wäre die Obstipation selbst als Ursache in Erwägung zu ziehen, aber auch eine Divertikulose. Ein Kolonkarzinom ist allerdings noch nicht auszuschließen. Weiter auf S. 116. In der Mehrzahl der Fälle kann die Ursache einer Obstipation anamnestisch geklärt werden: Zunächst muss verifiziert werden, ob eine Obstipation vorliegt oder ob nur falsche Vorstellungen von normal und verstopft herrschen. Der erste Fragenkomplex bezieht sich deshalb auf Stuhlfrequenz und Stuhlbeschaffenheit: Wie oft haben Sie Stuhlgang? Wie ist die Konsistenz des Stuhls? Ist er hart? Müssen Sie stark pressen? Wie ist die Stuhlform? Im Zweifelsfalle sollte man sich Stuhlkonsistenz und Form beschreiben lassen. Bemerken Sie nach dem Stuhlgang ein Gefühl der unvollständigen Entleerung? Häufig besteht dieses Gefühl verbunden mit dem Bedürfnis, nach dem ersten Stuhlgang noch einmal zur Toilette gehen zu müssen, dann mit stärkerem und längerem Pressen. Der zweite Komplex von Fragen betrifft dann die Dauer der Beschwerden. Meistens besteht die Obstipation schon lange, Jahre oder Jahrzehnte. Oft nehmen die Beschwerden im Alter zu. Eine lange Anamnese spricht für eine funktionelle, habituelle Obstipation (Tab. 7.3). Nicht selten wird über eine längere Vorgeschichte mit einem Wechsel von Obstipation und Diarrhö berichtet. Die Phasen sind jeweils relativ kurz, wenige Tage. Die-
ses Muster ist typisch für funktionelle Beschwerden beim Reizdarmsyndrom. Eine kürzere Anamnese spricht eher für eine organische Ursache. Der dritte Komplex von Fragen betrifft die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten des Patienten: Essen Sie regelmäßig? Aus welchen Bestandteilen setzt sich ihre tägliche Kost zusammen? Sind in Ihrer täglichen Kost genügend Ballaststoffe enthalten? Trinken Sie ausreichend? Aus den Antworten können sich Hinweise auf eine verlängerte Kolontransitzeit (s. S. 112) als Ursache der Obstipation ergeben. Eine länger bestehende Obstipation ist unter Umständen auch Folge einer zunächst willkürlichen Unterdrückung der Defäkation. Man sollte deshalb fragen, ob im Tagesrhythmus des Patienten genügend Zeit für den Stuhlgang ist. Oder ob beispielsweise morgens große Eile herrscht. Fragen Sie auch, ob ihr Patient im Schichtbetrieb arbeitet. Der vierte Fragenkomplex bezieht sich auf mögliche Auslöser und Ursachen einer Obstipation.
115
Tabelle 7.3 Diagnostische Kriterien der funktionellen Obstipation („Rom-II-Kriterien“*) Während mindestens 12 Wochen der vorhergehenden 12 Monate, kontinuierlich oder wiederholt, mehr als 25 % der Zeit: starkes Pressen beim Stuhlgang klumpiger oder harter Stuhl Gefühl der inkompletten Entleerung Gefühl der anorektalen Obstruktion/ Blockierung manuelle Manöver zur Erleichterung der Defäkation (digitale Ausräumung, Stützen des Beckenbodens) weniger als 3 Defäkationen pro Woche
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Leitsymptome Ein Auslöser der Obstipation kann die gewohnheitsmäßige Anwendung von Laxanzien sein. Bei vielen Patienten, vor allem älteren, ist dies der Fall. Fragen Sie deshalb nach: Nehmen Sie Laxanzien ein? Wie lange schon? Bei jeder Obstipation sollte gefragt werden, welche therapeutischen Maßnahmen der Patient bisher unternommen hat. Natürliche Maßnahmen, Quellstoffe, Milchzucker, starke Abführmittel?
116
Bei kürzer bestehender Obstipation sollte nach möglichen erkennbaren Ursachen gefahndet werden. Haben Sie Ihre Ernährungsgewohnheiten geändert? Oder haben sich Ihre Lebensumstände geändert? Trat die Obstipation während einer Reise auf? Während einer Phase der Bettlägerigkeit?
Internistische und neurologische Grunderkrankungen können zu einer Obstipation führen. Sie sind in Tab. 7.4 aufgeführt und sollten abgefragt werden. Schließlich können viele Medikamente eine Obstipation verursachen (s. Tab. 7.1). Eigenständige Darmerkrankungen als Ursache einer Verstopfung sind eher die
Abb. 7.3 Myxödem bei Hypothyreose. Typisch ist die teigig geschwollene Haut an den Händen
Ausnahme. Natürlich muss, besonders bei alten Menschen, immer ein Kolonkarzinom berücksichtigt werden. Allerdings führt das Kolonkarzinom erst in einem fortgeschrittenen Stadium zu einer mechanischen Verlegung. Dann dominieren meistens andere Symptome und Befunde: Schmerzen, Gewichtsverlust, Blutabgang, Anämie. Schmerzhafte Enddarm- oder Analprozesse, wie Fissuren (s. S. 123) und Abszesse, können über eine willkürliche Unterdrückung des Defäkationsreizes zu einer Obstipation führen. Meistens stehen dann aber Beschwerden von dieser Seite im Vordergrund: Defäkationsschmerz, Blutung. Diese Beschwerden sollten ausdrücklich erfragt werden.
7.5.2 Körperliche Untersuchung
Tabelle 7.4 Grunderkrankungen, die zur Obstipation führen können Fachgebiet
Erkrankung
internistisch
Diabetes mellitus Kolonkarzinom (s. S. 218) Divertikulitis
endokrinologisch
Hypothyreose (s. S. 142 und Abb. 7.3) Hyperparathyreoidismus Conn-Syndrom
neurologisch
Lähmungen Multiple Sklerose Morbus Parkinson Depressionen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie eine adipöse Patientin in gutem Allgemeinzustand. Größe 162 cm, Gewicht 92 kg. Die Bauchdecken sind weich. Es bestehen kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung und keine Resistenzen. Die Darmgeräusche sind regelrecht. Die rektale Untersuchung ist unauffällig. Die neurologische Untersuchung zeigt keine Auffälligkeiten.
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7 Obstipation Differenzialdiagnostische Überlegungen Die körperliche Untersuchung hat nicht zur Klärung beigetragen. Ein tastbares Rektumkarzinom besteht nicht. Die körperliche Untersuchung hilft bei länger bestehender Verstopfung meistens nicht weiter. Dennoch muss neben der Untersuchung des Abdomens natürlich auch eine rektale Untersuchung (s. S. 127) erfolgen. Bei akuter Verstopfung auf dem Boden eines Darmprozesses steht meistens dessen Beschwerdebild, meistens mit Schmerzen, im Vordergrund.
Weiterführende Untersuchungen bringen meistens keinen Erkenntnisgewinn. Sie sollten im Zweifelsfall dennoch großzügig durchgeführt werden. Dies gilt besonders für die Koloskopie bei älteren Menschen. Auch sollte ein basales Laborprogramm vorliegen: Blutbild, Blutzucker, Kalium, Natrium, bei Verdacht auf eine Hypothyreose auch TSH. Weitergehende Untersuchungen sind besonderen Fällen und wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten: Intestinale Transitzeitbestimmung, anorektale Manometrie, Defäkographie.
Tabelle 7.5 Laborwerte
7.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie führen bei Frau W. zunächst eine Laboruntersuchung durch. Die erhobenen Parameter zeigt Tab. 7.5. Die Sonographie des Abdomens zeigt eine leichte Fettleber und einen Gallenstein, bei ansonsten unauffälligem Befund. Wegen des Alters der Patientin und der linksseitigen Unterbauchschmerzen ist anschließend eine Koloskopie obligatorisch durchzuführen. Sie erheben dabei zwei relevante Befunde: Abb. 7.4 und Abb. 7.5.
Parameter
Patientin
Norm
Leukozyten
6400/ml
4000–10000/ml
Hb
12,4 g/dl
12–16 g/dl (4)
MCV
86 fl
85–98 fl
MCH
32 pg
27–34 pg
Natrium
140 mmol/l
135–150 mmol/l
Kalium
4,3 mmol/l 3,5–5,0 mmol/l
Kreatinin
1,2 mg/dl
0,5–1,2 mg/dl
Harnsäure
5,7
2,6–6,4 mg/dl
TSH basal
2,7
0,3–4,0 mU/l
BKS nach Westergren
12/28 mm
6–20 mm pro Stunde (4)
117
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Untersuchungen sind im Hinblick auf die Fragestellung unauffällig. Es besteht kein Hinweis auf einen blutenden Prozess im Darm. Die BKS ist nicht erhöht. Kalium und Natrium liegen im Normbereich. Es gibt keinen Anhalt für eine Hypothyreose. Die wahrscheinlichste Diagnose ist die habituelle Obstipation. Die Koloskopie zeigt Divertikel und einen Kolonpolypen. Weiter auf S. 118.
Abb. 7.4 Sigma-Divertikel (q)
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Leitsymptome
Abb. 7.6 Bergung eines abgetragenen Polypen
7.7.1 Therapieansätze
Abb. 7.5 Breitbasiger Kolonpolyp
118
7.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnose einer habituellen Obstipation ist im strengen Sinne eine Ausschlussdiagnose. Bei der Patientin bestehen drei Krankheitsbilder: die habituelle Obstipation eine Divertikulose Ob diese mit der Obstipation in einem kausalen Zusammenhang steht, muss offen bleiben. Denkbar ist auch eine gemeinsame Ursache (Motilitätsstörung). Das koinzidente Auftreten von Divertikeln und einer Obstipation ist häufig. ein Kolonpolyp Dieser hat mit der Obstipation und den Divertikeln nichts zu tun. Er stellt jedoch eine Präkanzerose dar und wird deshalb endoskopisch abgetragen (Abb. 7.6). Auch Polypen sind relativ häufig.
In Tab. 7.6 sind die wegweisenden Symptome zur Diagnosesicherung der Obstipation aufgeführt.
Wenn möglich, wird eine Obstipation kausal behandelt: Behandlung einer Stenose, Behandlung schmerzhafter Prozesse am Darmausgang, Behandlung einer endokrinen Ursache, Absetzen obstipierender Medikamente (Tab. 7.1). In den meisten Fällen wird eine kausale Therapie nicht möglich sein. Dann wird symptomatisch behandelt.
Symptomatische Therapie Zunächst werden Allgemeinmaßnahmen empfohlen. Hierzu gehören ballaststoffreiche Kost, ausreichende Trinkmenge, körperliche Bewegung, regelmäßiger Toilettengang mit ausreichend Zeit. Der Wert dieser Maßnahmen ist allerdings nicht gesichert und es wird auch häufig kein ausreichender Erfolg erzielt. Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten umfassen: pflanzliche Ballaststoffe osmotisch wirksame Substanzen stimulierende Laxanzien Prokinetika und Stimulation des natürlichen Entleerungsdranges.
Pflanzliche Ballaststoffe Pflanzliche Ballaststoffe führen zu einem erhöhten Stuhlvolumen. Hauptvorteil ist ihre relativ gute Verträglichkeit, der Hauptnachteil ist die oft ungenügende Wirksamkeit bei langsamer Kolonpassage. Eingesetzt werden v. a.: Flohsamen und Leinsamen.
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7 Obstipation Tabelle 7.6 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
habituelle Obstipation
Anamnese lange Vorgeschichte
Ausschlussdiagnose
Medikamentennebenwirkung
Anamnese
Auslassversuch
Hypokaliämie
dran denken!
Kalium im Serum
Hypothyreose
klinisches Bild
TSH, fT3, fT4
Kolonkarzinom
Gewichtsabnahme, Schmerzen, Blutabgang
Endoskopie, Histologie
neurologische Grunderkrankungen
klinisches Bild
neurologische Diagnostik
119 Osmotisch wirksame Substanzen
Prokinetika
Osmotisch wirksame Substanzen binden Wasser aus dem Magendarmtrakt und führen so zu einem erhöhten Stuhlvolumen und zu einem weichen Stuhl. Sie sind oft gut wirksam, auch im Alter. Hauptnachteil bei Laktulose ist der nicht selten auftretende Meteorismus. Substanzen mit osmotischer Wirkung sind: Laktulose und Polyethylenglykol (Makrogol).
Prokinetika führen zu einer vermehrten Peristaltik und sollen damit die Obstipation günstig beeinflussen. Sie werden meistens gut vertragen, sind aber oft nicht gut wirksam. Prokinetische Wirkung hat: Domperidon.
Stimulierende Laxanzien Stimulierende Laxanzien wirken auf die Darmschleimhaut antiresorptiv-sekretorisch. Sie sind gut wirksam; Hauptnachteile sind der unter Umständen auftretende Kaliummangel, der die Obstipation verstärkt, und der Gewöhnungseffekt. Nach diesem Prinzip wirken: Bisacodyl und Sennoside (pflanzliche Abführmittel aus Sennesfrüchten).
Stimulation des natürlichen Entleerungsreizes Schließlich lässt sich ein Entleerungsdrang durch rektal applizierte Substanzen bewirken. Lecicarbon führt zu einer Gasbildung und damit Dehnung im Rektum, Klysmen bewirken eine Stimulation des Entleerungsdranges. Zur Anwendung kommen: Lezicarbon-Suppositorien und Klistiere, Einläufe.
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Leitsymptome
8 Beschwerden am Darmausgang, Schmerzen bei der Defäkation 8.1 Begriffe 120
Defäkationsschmerz : Schmerz, der im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Stuhlgang auftritt.
8.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht des Patienten Der 35-jährige Peter D. klagt über Schmerzen am Darmausgang, die seit etwa drei Tagen bestehen. Außerdem hat er am Anus einen „Knubbel“ bemerkt.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die häufigsten Ursachen für Schmerzen am Darmausgang sind eine Perianalthrombose oder eine Fissur. Weniger häufig führen Ekzeme zu Schmerzen. Andere Ursachen sind Kondylome und prolabierende Hämorrhoiden. Bei Herrn D. lassen die kurze Anamnese, die gute zeitliche Eingrenzung und der „Knubbel“, über den der Patient spontan berichtet, an eine Perianalthrom Weiter auf S. 123. bose denken. Die meisten schmerzhaften Prozesse im Bereich des Darmausganges werden durch den Stuhlgang ausgelöst oder aggraviert. Auch intermittierende Schmer-
Schmerzen am Darmausgang können außergewöhnlich intensiv sein, daher sollte jeder Patient prompt untersucht werden. Außerdem können gravierende Erkrankungen die Ursache sein und unter Umständen die Kontinenz (s. S. 131) gefährden.
MERKE
zen oder Dauerschmerzen werden von den Patienten beschrieben.
8.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Das Rektum ist insgesamt etwa 12–14 cm lang, davon entfallen ca. 3–4 cm auf den Canalis analis. Der obere Teil, die Ampulla recti bildet einen nach kaudal trichterförmig zu laufenden Hohlraum. Ist die Ampulle gefüllt, kommt es zum Gefühl des Stuhldrangs. Der Canalis analis bildet den letzten Abschnitt des Rektums, er endet als Öffnung des Darms nach außen (Anus). Innerhalb des Analkanals werden drei Zonen unterteilt, die je ca. 1 cm breit sind und untereinander durch zwei Grenzlinien getrennt werden. Diese Zonen sind die: Zona columnaris: Sie bildet den Übergang von der Ampulla recti in den Analkanal. Bei inneren Hämorrhoiden kommt es zur Aufweitung des hier befindlichen Gefäßplexus. Zona intermedia (Pecten analis): Erkennbar an der weißen Schleimhaut. Die Schleimhaut ist hier mit dem darunter liegenden Gewebe fest verwachsen und schmerzempfindlich (Nn. rectales inferiores). Bei der varikösen Erweiterung des hier liegenden Venengeflechts kommt es zum Bild der äußeren Hämorrhoiden. Zona cutanea : Sehr gute sensible Innervation durch die Äste der äußeren Hautnerven (z. B. Nn. perineales). Die perianale Haut ist sehr schmerzempfindlich. Das gilt auch für das Anoderm, die Haut, die sich in den Analkanal hineinzieht. Insbesondere in diesem Bereich
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8 Beschwerden am Darmausgang A. rectalis superior (aus: A. mesenterica inferior)
Vv. rectales superiores
Ampulla recti A. rectalis media (aus: A. iliaca interna) Zona columnaris hämorrhoidalis
Vv. rectales media et inferiores Canalis analis Linea anocutanea (= Linea alba)
Zona intermedia = Pecten analis Zona cutanea
121
A. rectalis inferior (aus: A. pudenda)
Abb. 8.1 Anatomische Verhältnisse des Rektums mit Ampulle und Analkanal
MERKE
werden Schmerzen durch die Dehnung des Anoderms bei der Defäkation drastisch erhöht. Die Rektumschleimhaut (Abb. 8.1) ist schmerzunempfindlich. Auf die Schleimhaut begrenzte Prozesse in diesem Bereich, z. B. Hämorrhoiden, tun deshalb nicht weh.
Die Schmerzen am Darmausgang können vom Darmlumen oder der Darmwand, von umgebenden Strukturen oder nerval verursacht werden.
8.4 Ursachen von Schmerzen am Darmausgang Häufige Ursachen von Schmerzen am Darmausgang (Abb. 8.2) sind: Trauma : harter Stuhl, Fremdkörper, Analverkehr Entzündung, Ekzem: Hämorrhoiden (s. Abb. 8.6), Marisken (s. Abb. 8.7), Proktitis, Abszess
Infektion: Herpes genitalis, Mykosen, Lues, Kondylome Distension (Dehnung): Stuhl, Fremdkörper, Perianalthrombose (s. Abb. 8.8) Tumor Spasmus : Fissur, Ekzem funktionell, psychisch: Proctalgia fugax. Je nach betroffener Struktur kommen folgende Ursachen bei Schmerzen am Darmausgang infrage: Anus : Perianalthrombose, Fissur, Abszess Rektum : Karzinom gynäkologische Ursachen: Erkrankungen von Vagina, Ovar, Uterus oder im Douglasraum, Endometriose urologische Ursache : Prostatitis. In Tab. 8.1 sind die Ursachen von Schmerzen am Darmausgang nach ihrer Häufigkeit aufgeteilt.
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Leitsymptome
Rektumkarzinom
Abszess Fistel Ekzem Analfissur
122
Perianalthrombose Mariske
Abb. 8.2 Schmerzhafte Prozesse im Bereich des Anorektums
Tabelle 8.1 Ursachen von Schmerzen am Darmausgang nach Häufigkeiten Vorkommen
Erkrankung
häufig
Analfissur (s. Abb. 8.3)
Reizdarm
Ekzem bei Hämorrhoiden
Perianalthrombose (s. Abb. 8.8)
Ekzem bei Marisken weniger häufig
unspezifische Proktitis
Proctalgia fugax
Proctitis ulcerosa
Prostatitis
Analabzess
gynäkologische Ursachen (Douglas-Endometriose, Descensus uteri, Bartholinitis)
Sphinkterspasmus selten
Rektumkarzinom
Condylome
Analkarzinom (s. Abb. 8.5)
Fisteln
Lues
Analprolaps
Gonorrhö
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8 Beschwerden am Darmausgang 8.5 Problemlösung
Lokalisation
8.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Die Schmerzen sind bei Herrn D. vor drei Tagen plötzlich aufgetreten. Die Schmerzen sind ständig da, sie nehmen beim Stuhlgang sogar noch kurzfristig zu. Eine Blutung ist nicht aufgetreten. Ähnliche Beschwerden hatte der Patient zuvor noch nie.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die gezielte Anamnese hilft bei der Diagnosefindung. Eine Fissur würde zu einem sehr starken Schmerz während des Stuhlganges führen, der dann innerhalb der nächsten 1/ 4 bis 1/ 2 Stunde meistens deutlich nachließe. Außerdem träten zum Teil relativ starke Blutungen auf, zumindest wäre Blut am Papier. Ekzeme und prolabierende Hämorrhoiden bestehen meistens schon länger mit zunehmender Symptomatik. Die wahrscheinlichste Diagnose bleibt die Perianalthrombose. Weiter auf S. 126.
Die ersten Fragen betreffen die Lokalisation: Wo spüren Sie die Schmerzen? Direkt am Darmausgang? Schmerzen direkt am Darmausgang sprechen für Fissuren (Abb. 8.3), Ekzeme, wunde Haut. Ist es ein oberflächlicher Schmerz oder spüren sie ihn eher in der Tiefe? In der Tiefe gelegene Schmerzen sind oft funktionell, wichtigste Differenzialdiagnose ist das Karzinom. Liegt der Schmerzpunkt in Richtung des Steißbeins, oder eher daneben, seitlich?
123
In der Mitte gelegene Schmerzen, die unter Umständen zum Steißbein ausstrahlen, kommen bei der Proktalgia fugax oder beim Rektumkarzinom vor. Seitlich treten Beschwerden auf bei Abszessen, aber auch bei anderen Erkrankungen. Möglicherweise können die Beschwerden aber auch nicht genau lokalisiert werden. Bei Patientinnen sollte dann an einen Tumor im gynäkologischen Bereich gedacht werden.
Die häufigsten Ursachen von Schmerzen am Darmausgang lassen sich anamnestisch und mit der körperlichen Untersuchung abklären. Fragen Sie bei der Anamneseerhebung nach folgenden Punkten: Lokalisation zeitlicher Aspekt Auslöser Begleitphänomene und vorausgegangene Ereignisse. Abb. 8.3 Chronische Analfissur, die bis an die Linea dentata (n) heranreicht
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Leitsymptome Zeitlicher Aspekt Die nächste Frage betrifft den zeitlichen Verlauf : Wann haben Sie Schmerzen? Diese Frage sollte präzise beantwortet werden. Bei der Konkretisierung können Sie weiterhelfen, indem Sie nachfragen, ob die Schmerzen ständig oder intermittierend bestehen. Die Assoziation zum Stuhlgang ist ebenfalls von Bedeutung: Haben Sie während des Stuhlganges, unmittelbar danach oder unabhängig davon Schmerzen?
124
Der akute Defäkationsschmerz ist typisch für Analfissur (s. Abb. 8.3) und Analabszess sowie die Perianalthrombose. Der Schmerzbeginn bei einer Perianalthrombose („thrombosierte äußere Hämorrhoiden“) (s. Abb. 8.8) kann oft auf die Stunde genau angegeben werden. Es handelt sich um einen Dauerschmerz, der durch Stuhlgang erheblich verstärkt wird. Die Patienten bleiben oft im Sprechzimmer stehen, „Herr Doktor, ich bleibe lieber stehen, ich habe da seit gestern einen Knubbel, der höllisch weh tut. Ich wage jetzt auch gar nicht mehr zur Toilette zu gehen“. Erkundigen Sie sich, ob der Schmerz regelmäßig beim Stuhlgang auftritt oder ob es auch schmerzfreie Stuhlgänge gibt. Letzteres spricht für funktionelle Beschwerden. Wie lange hält der Schmerz an: Sekunden, Minuten, Stunden?
Kurzfristig bestehende Schmerzen, die während und unmittelbar nach dem Stuhlgang auftreten, sprechen für Fissuren und Ekzeme (Abb. 8.4). Allerdings ist es erstaunlich, wie lange der akute oder akut intermittierende Schmerz bei der Analfissur manchmal toleriert wird, bevor der Arzt aufgesucht wird. Nehmen die Schmerzen zu? Der nicht seltene Analabszess führt innerhalb von Tagen, dann Stunden zu einer kontinuierlichen Schmerzzunahme. Es entsteht ein anhaltender, starker und schließlich stärkster Schmerz mit unter Umständen drastischer Zunahme beim Stuhlgang.
Abb. 8.4 Analekzem; die Perianalhaut ist flächig verdickt und von Erosionen durchsetzt
Ein typisches Schmerzbild zeigt die Proctalgia fugax, bei der es anfallsartig zu starken bis stärksten Schmerzen im anorektalen Bereich kommt. Die Schmerzen treten ohne erkennbaren Auslöser auf, häufig nachts, aber auch tagsüber. Sie dauern wenige Minuten bis etwa 15 Minuten an. Ein organischer Befund besteht nicht. Seit wann bestehen die Beschwerden? Ganz kurz, ein oder zwei Tage? Seit Wochen? Monaten? Wie würden Sie den Verlauf der Schmerzwahrnehmung beschreiben? Abb. 8.5 Analkarzinom (Plattenepithelkarzinom)
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8 Beschwerden am Darmausgang
Auslöser Die nächsten Fragen betreffen mögliche Auslöser : Zunächst wird nach dem Auslöser des akuten Schmerzes gefragt: Stuhlgang, sitzen, laufen? Dann nach möglichen Auslösern des Beschwerdebildes: Ging eine Durchfallepisode voraus? Dies kann ein Hinweis auf eine Proktitis oder eine Fissur sein, seltener auch auf eine Perianalthrombose oder ein Ekzem. Oder eine Verstopfung? Auch das kann ein Hinweis auf eine Fissur oder eine Perianalthrombose sein. Oder eine Entbindung? Die Perianalthrombose tritt nicht selten während der Entbindung auf.
a
Begleitphänomene Begleitphänomene werden von den Patienten oft spontan genannt, sie sollten aber in jedem Falle systematisch erfragt werden: Bestehen Blutabgang, Juckreiz, eine Schwellung? Frisch rotes Blut sieht man vor allem bei der akuten Fissur (s. Abb. 8.3) und bei Hämorrhoiden (Abb. 8.6). In diesem Fall ist unter Umständen die ganze Toilettenschüssel rot. Kleine Fissuren oder Ekzeme (s. Abb. 8.4) führen oft zu Blutspuren am Papier. Die Proktitis, im Rahmen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, führt häufig zu Blut- und Schleimabgang.
Immer muss Blut an ein Rektumkarzinom denken lassen, allerdings ist es insgesamt eine eher seltene Ursache des schmerzhaften Blutabganges.
125
MERKE
Demgegenüber sind die Beschwerden bei Marisken und Ekzemen auf dem Boden von Hämorrhoiden mäßig ausgeprägt, lange bestehend, Wochen, Monate, Jahre, oft intermittierend mit langen, beschwerdearmen Phasen. Beim Rektumkarzinom stehen Schmerzen nur selten im Vordergrund. Es kann asymptomatisch bemerkenswert groß werden. Meistens dominiert der Blutabgang. Das seltener vorkommende Analkarzinom (Abb. 8.5) wächst langsam und führt schleichend zu Schmerzen, Juckreiz und Blutung.
Juckreiz ist ein typisches Begleitphänomen beim Ekzem, meistens auf dem Boden von Hämorrhoiden und Marisken (Abb. 8.7). Juckreiz und ein brennendes, wundes, schmerzhaftes Gefühl am Darmausgang kann auch Ausdruck einer übertriebenen Analhygiene sein. Aufschlussreich ist oft
b
Abb. 8.6 Rektoskopiebefund bei Hämorrhoiden. a Hämorrhoiden I. Grades bei 3 und 7 Uhr mit vorgewölbter Schleimhaut; b Hämorrhoiden III. Grades , mit Vorfall der Analschleimhaut, vor und nach digitaler Reposition
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Leitsymptome Vorausgegangene Ereignisse Schließlich gehören zur Anamnese noch die Fragen nach vorausgegangenen Untersuchungen, Operationen und Therapien sowie Vorerkrankungen im Bereich des Enddarms und Anus. Befragen Sie ihren Patienten nach Koloskopien, Operationen und Hämorrhoidenbehandlungen (Verödung, Ligatur) sowie einer vorausgegangenen Perianalthrombose. Außerdem sollte nach einer familiären Dickdarmkarzinombelastung gefragt werden.
Abb. 8.7 Mittelgroße Mariske, die den Anus bedeckt
126
die Frage nach dem Toilettenpapierverbrauch. Es gibt Personen, die bis zu einer Rolle Papier pro Tag verbrauchen. Dies ist Ausdruck einer pathologischen Vorstellung von Analhygiene und kann den stabilsten Darmausgang ruinieren. Die häufigste Ursache einer schmerzhaften Schwellung ist die Perianalthrombose, seltener der Abszess.
8.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Bei der körperlichen Untersuchung sieht man das in Abb. 8.8 dargestellte Bild.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Damit ist die Diagnose gesichert: Beschwerden und Aspekt ergeben die Diagnose einer Perianalthrombose. Weiter auf S. 128.
Inspektion
Abb. 8.8 Perianalthrombose bei 4 bis 6 Uhr, ca. 3–4 Tage alt
Die körperliche Untersuchung beginnt mit der Inspektion des Anus in Seitenlage mit vorsichtiger Spreizung der Gesäßmuskulatur. Für die Lokalisationsangabe auffälliger Befunde wird die so genannte Steinschnittlage (SSL) als Grundlage benutzt. Die Steinschnittlage entspricht der Lage im gynäkologischen Stuhl: Der Anus wird dabei als Uhr gesehen: Oben zum Damm hin liegt 12 Uhr, unten – zum Steißbein hin – liegt 6 Uhr (Abb. 8.9). Achten Sie bei der Inspektion auf Hautveränderungen : sie kommen bei Ekzem (s. Abb. 8.4), Mykosen und Herpes genitalis vor Vorwölbungen: sie werden bei Marisken, Perianalthrombose, Condyloma acuminata, Analprolaps,
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8 Beschwerden am Darmausgang Tabelle 8.2 Gradeinteilung von Hämorrhoiden
12 Uhr 9 Uhr
3 Uhr
Grad
Befund
I
äußerlich nicht, nur proktoskopisch erkennbar
II
beim Pressen sichtbar, prolabierend, spontanes Zurückgleiten
III
nicht spontan zurückgleitend, aber digital reponierbar
IV
nicht reponierbarer Prolaps
6 Uhr
Abb. 8.9 Die Lokalisation von Prozessen am Darmausgang in Steinschnittlage (SSL)
Abszess, Fibrom und malignen Tumoren gesehen, sowie anale Läsionen : Rhagaden und Fissuren (Einrisse).
kann man höhergradige Hämorrhoiden austreten sehen. Zur Gradeinteilung der Hämorrhoiden siehe Tab. 8.2.
Der Analkanal wird vorsichtig gespreizt und inspiziert. Die Analfissur liegt häufig tief im Analkanal und ist nur bei vorsichtiger, aber konsequenter Spreizung erkennbar. Sie liegt fast immer bei 6 Uhr in SSL, seltener bei 12 Uhr. Beim Pressenlassen
127
Palpation Die Palpation muss vorsichtig und unter Verwendung eines Gleitmittels erfolgen. Beurteilt werden der Sphinktertonus bei der Untersuchung in Ruhe und bei will-
Tabelle 8.3 Pathologische Befunde und mögliche Ursachen bei der rektalen Untersuchung Befund n
reduzierter Sphinktertonus
denken an n n n n
n
n
n
n
Druckschmerz derber, höckriger Tumor mit wallartigem unscharfen Rand weiche Vorwölbungen weiche Vorwölbung, teilweise gestielt, verschieblich
n
altersbedingt Analprolaps Proktitis neurogene Störung peritoneale Reizung (z. B. Peritonitis, Adnexitis, Appendizitis)
n
Rektumkarzinom
n
Hämorrhoiden
n
Polypen
n
harte Kotballen = Skybala
n
Obstipation (s. S. 111)
n
Knoten im Bereich des Uterus
n
Myome des Uterus
n
Portioschiebeschmerz
n
Entzündung im Bereich der Parametrien
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Leitsymptome
128
MERKE
kürlicher Anspannung, Schmerzen, Verengungen und raumfordernde Prozesse. Bei pathologischen Prozessen sollte eine Lokalisationsangabe (anatomische Struktur, Lage in SSL) erfolgen (Tab. 8.3). Die stärksten Schmerzen haben Patienten mit einer Analfissur. Verengungen im Analkanal und im Rektum können nach Operationen auftreten sowie beim Rektumkarzinom und beim Analkarzinom (s. Abb. 8.5).
Bei der digitalen Austastung des Analkanales und des distalen Rektums werden beurteilt: Sphinktertonus in Ruhe Sphinktertonus bei Anspannung Schmerzhaftigkeit Verengung und Raumforderung.
Die wichtigsten weitergehenden Untersuchungen sind die Proktoskopie und die flexible Endoskopie. Beide Untersuchungen ergänzen sich. Mit dem starren, rohrförmigen Proktoskop lassen sich Prozesse im Analkanal sowie im distalen Rektum besser einsehen als mit dem flexiblen Endoskop. Malignomverdächtige Prozesse werden histologisch abgeklärt. Bei infektiösen Prozessen, besonders bei Mykosen, wird ein mikrobiologischer Erregernachweis angestrebt.
8.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnosesicherung erfolgte bei Ihrem Patienten klinisch.
8.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Wegweisende Symptome und Befunde auf dem Weg zur Diagnose bei Schmerzen am Darmausgang sind in Tab. 8.4 dargestellt.
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Bei Herrn D. sind keine weiteren Untersuchungen nötig, weil die Diagnose klinisch nach dem Befund der körperlichen Untersuchung gestellt werden konnte.
Therapieansätze Die Therapieansätze bei Schmerzen am Darmausgang sind in Tab. 8.5 dargestellt.
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8 Beschwerden am Darmausgang Tabelle 8.4 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Marisken
Juckreiz, Fremdkörpergefühl
Inspektion
perianales Ekzem
Juckreiz
Inspektion
Condyloma acuminata
Juckreiz, Fremdkörpergefühl
Inspektion
Perianalthrombose
Schmerz, Fremdkörpergefühl
Inspektion
Analfissur
Sofortschmerz
Inspektion
Hämorrhoiden
Blutung, Juckreiz
Inspektion, Palpation, Proktoskopie
Rektumkarzinom
Blutung
Endoskopie, Histologie
Analkarzinom
tastbarer Tumor
Histologie
Proktitis
Blutung
Histologie (z. B. Proktitis ulcerosa)
Mykosen
Juckreiz
Erregernachweis
Analabszess
progredienter Schmerz
Inspektion, Palpation
gynäkologische Ursachen
Inspektion, Palpation
Inspektion, Palpation, Endosonographie
Lues
Hautveränderungen (stadienabhängig)
Serologie
Gonorrhö
Ausfluss
Erregernachweis
Analprolaps
Austritt beim Pressen
Inspektion
129
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Leitsymptome Tabelle 8.5 Therapie bei Schmerzen am Darmausgang
130
Erkrankung
Therapie
Marisken
Operation, elektrochirurgische Abtragung
perianales Ekzem
Tannine, Zinksalbe, Behandlung der Grundkrankheit (Hämorrhoiden, Marisken)
Condylomata acuminata
lokale Anwendung von Podophyllotoxin und Ätzmitteln; Abtragung: Elektrokoagulation, CO2-Laser, Kürettage; Partnerbehandlung
Perianalthrombose
Spaltung des Hämatoms, Exzision der Hautränder, Abtragung des Hämatoms
Analfissur
akut: anästhesierende und antiphlogistische Salben und Suppositorien, Stuhlregulierung mit Laxanzien, evtl. Lokalanästhetika-Injektion; persistierend: Analdehnung, Operation: Sphinkterotomie
Hämorrhoiden
konservativ: Stuhlregulierung, lokal antiphlogistische Salben und Suppositorien; operativ: Gummibandligatur, Verödung (Sklerotherapie, Infrarotkoagulation, Kryohämorrhoidektomie), Operation: submuköse Hämorrhoidektomie
Rektumkarzinom
Operationsverfahren in Abhängigkeit von der Lokalisation, in Abhängigkeit vom Stadium Kombination mit neoadjuvanter oder adjuvanter Bestrahlung/Chemotherapie
Analkarzinom
kombinierte Radiochemotherapie, kleine Karzinome ohne Metastasierung evtl. primär chirurgisch, großer Tumor: Tumorverkleinerung und anschließende Radiochemotherapie
Proktitis
5-Aminosalicylsäure
Mykosen
antimykotische Therapie
Analabzess
Operation: ovaläre Exzision, ggf. Fistelspaltung; tägl. Wundpflege
gynäkologische Ursachen
Behandlung der Grundkrankheit
Lues
antibiotische Behandlung mit Penicillin
Gonorrhö
unkomplizierte Erkrankung: Ceftriaxon, Spectinomycin i. m., Gyrasehemmer p. o.; ausgedehnte Form: Cephalosporine
Analprolaps
Operation: Hämorrhoidektomie
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9 Stuhlinkontinenz schen, insbesondere im Pflegeheim, ist der Prozentsatz deutlich höher.
9.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie
9 Stuhlinkontinenz
Die anale Kontinenz wird im Wesentlichen gewährleistet durch (Abb. 9.1) den muskulären Sphinkterapparat die Beckenbodenmuskulatur und das Corpus cavernosum recti.
9.1 Begriffe
Muskulärer Sphinkterapparat
Stuhlinkontinenz (synonym fäkale Inkontinenz): Unfähigkeit, den Stuhlabgang willkürlich zu kontrollieren.
Die Ringmuskulatur des Rektums geht in den M. sphincter ani internus über. Dies ist ein glatter Muskel, der einer willkürlichen Beeinflussung nicht zugänglich ist. Er ist dauerkontrahiert und trägt den überwiegenden Teil der Sphinkterfunktion. Der quergestreifte M. sphincter ani externus umschlingt den inneren Sphinktermuskel ringförmig, auch er ist dauerkontrahiert und trägt zur Ruhekontinenz bei. Außerdem kann er zusätzlich willkürlich kontrahiert werden, allerdings nur für kurze Zeit.
9.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht der Patientin Die 77-jährige Katharina S., eine rüstige Patientin, kommt zu Ihnen in die Praxis. Sie klagt darüber, dass sie gelegentlich Schwierigkeiten hat, den Stuhl zu halten. Sie benutzt schon immer eine Vorlage, damit es, wie sie sagt, kein Malheur gibt.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Eine Stuhlinkontinenz ist im Alter nicht selten. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Meistens liegt eine Schwäche der Beckenboden-Muskulatur und des Analsphinkters vor. Daneben kann aber eine Inkontinenz auch Ausdruck einer anderen Grunderkrankung sein. Die gravierendste Differenzialdiagnose stellt das Rektumkarzinom dar. Weiter auf S. 134. Die Inkontinenz stellt für die Betroffenen eine gravierende Belastung im täglichen Leben dar. Sie ist häufig, betroffen sind 2–3 % der Bevölkerung. Bei alten Men-
131
Beckenbodenmuskulatur Der M. puborectalis ist Teil des Musculus levator ani und damit der Beckenbodenmuskulatur. Seine Fasern entspringen beidseits vom Schambein, umschlingen das Rektum und verbinden sich hinter dem Rektum mit den Fasern der Gegenseite zu einer Muskelschlinge. Diese zieht das Rektum nach vorn. Hierbei kommt es zu einer Abwinkelung des Analkanals gegenüber dem Anus, der Stuhl wird so zusätzlich aufgehalten.
Corpus cavernosum recti Das Corpus cavernosum recti, ein arteriell gefüllter Schwellkörper mit arterio-venösen Anastomosen, liegt submukosal direkt oberhalb der Linea dentata. Es sorgt für die wasser- und luftdichte Feinabdichtung des Analkanals. Knotige Erweiterungen des
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Leitsymptome
MERKE
Corpus cavernosum recti bezeichnet man als Hämorrhoiden (s. S. 125).
132
Anatomische Voraussetzungen für die anale Kontinenz: Muskulärer Sphinkterapparat: Musculus sphincter ani internus und Musculus sphincter ani externus Beckenbodenmuskulatur: Musculus levator ani, Musculus puborectalis Rektumverlauf Corpus cavernosum recti
Der innere und der äußere Schließmuskel sorgen zusammen mit dem Musculus puborectalis und dem Corpus cavernosum recti für einen kompletten und wirksamen Verschluss des Analkanals. Mit zunehmender Stuhlfüllung des Rektums steigt der
Druck auf die Darmwand. Wenn ein gewisser Druck erreicht wird, führt die Dehnung der Rektumwand zu einer kurzzeitigen reflektorischen Erschlaffung des inneren Sphinkters. Der Stuhl gelangt über die Linea dentata hinaus in den oberen Analkanal und bekommt Kontakt zum Anoderm. Dieser Kontakt erlaubt die Differenzierung zwischen Gas, Flüssigem und Festem. Die Kontinenz wird jetzt vom externen Sphinkter erhalten. Wenn eine Defäkation nicht erwünscht ist, kommt es bei weiterer Füllung des Rektums zu einer reflektorischen Tonuserhöhung des äußeren Schließmuskels und des M. puborectalis. Bei zusätzlicher, kurzzeitiger Druckerhöhung im Rektum kann vorübergehend die Kontinenzleistung durch eine vorübergehende willkürliche Kontraktion des äußeren Schließmuskels erhöht werden.
KohlrauschFalte
Corpus cavernosum recti M. sphincter ani internus M. sphincter ani externus Abb. 9.1 Anorektale Verschlussmechanismen
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9 Stuhlinkontinenz 9.4 Ursachen der Inkontinenz Störungen der Kontinenz können auf allen Ebenen der beteiligten Strukturen auftreten. Nicht selten, besonders im Alter, kommen mehrere Faktoren, die zu einer Inkontinenz führen, zusammen: Altersdemenz, muskuläre Schwäche, Diabetes mellitus. Eine Übersicht gibt Tab. 9.1.
Die Ursachen der Stuhlinkontinenz sind in Tab. 9.2 nach ihrer Häufigkeit geordnet. Die weitaus häufigste Ursache einer Inkontinenz ist die altersbedingte Schwäche des muskulären Kontinenzorgans. Weitere, nicht seltene Ursachen sind Operationsfolgen (Hämorrhoiden, s. S. 125, Karzinom, s. S. 124) und neurogene Störungen (Nervenschädigungen, Apoplex, Demenz).
Tabelle 9.1 Ursachen der Stuhlinkontinenz betroffene Funktion
Mechanismus
muskuläre Sphinkterfunktion n
Muskeln
Verletzung intraoperativ n subpartal Dermatomyositis/Polymyositis Beckenbodenschwäche
133
n
n
Innervation
idiopathisch Diabetes mellitus postpartale Pudendusschädigung
n
Karzinom
tiefsitzendes Rektumkarzinom Analkarzinom (s. S. 124)
n
Entzündung
Morbus Crohn (s. S. 218) Colitis ulcerosa (s. S. 219)
anorektale Sensorik
Diabetes mellitus Cauda-Syndrom Querschnittssymptomatik Hämorrhoiden-Operation
Reservoirfunktion
Rektumresektion mit koloanaler Anastomose Proktitis Colitis ulcerosa Morbus Crohn Zustand nach Radiatio
Dünn- und Dickdarmfunktion
Diarrhö
neurale Steuerung
Apoplex Multiple Sklerose funktionell, Reizdarmsyndrom
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Leitsymptome Tabelle 9.2 Ursachen der Stuhlinkontinenz nach Häufigkeiten Vorkommen
Erkrankung
häufig
altersbedingte Beckenbodenschwäche
Diabetes mellitus
Demenz
Diarrhö
funktionell, Reizdarm
Apoplex
Rektumkarzinom
Operationsfolge (Hämorrhoiden, Rektumresektion)
Multiple Sklerose
Morbus Crohn
Trauma
Dermatomyositis/Polymyositis
Proktitis
Zustand nach Radiatio
Colitis ulcerosa
Analkarzinom (s. S. 124)
weniger häufig
selten
134
9.5 Problemlösung Die Ursache einer Inkontinenz lässt sich meistens anamnestisch und mit der digitalen rektalen Untersuchung abklären.
9.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Frau S. berichtet, dass sie schon länger Schwierigkeiten hat, Winde zu halten. Das ist ihr sehr unangenehm. In den letzten Monaten ist es dabei auch immer mal wieder zum Abgang von etwas Stuhl gekommen. Es kann „einfach so passieren“, besonders aber beim Husten oder Niesen. Der Stuhlgang selbst ist unauffällig, normal geformt und regelmäßig. Kein Blutabgang, keine Schmerzen am Darmausgang. Die Patientin hat eine Hypertonie, die medikamentös behandelt wird. Außerdem wurde vor Jahren ein „Alterszucker“ festgestellt, der mit Tabletten relativ gut eingestellt ist. Abgesehen
von einer Cholezystektomie vor Jahren wurden keine Operationen durchgeführt, insbesondere nicht im Bereich des Darmes. Die Patientin hat zwei Kinder, die Entbindungen verliefen unkompliziert.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Das Auftreten im Alter, der langsam progrediente Verlauf mit Kontrollverlust zunächst über den Windabgang bis hin zum unwillkürlichen Stuhlabgang sprechen für eine idiopathische Inkontinenz. Ob eine diabetische Polyneuropathie eine zusätzliche Rolle spielt, bleibt offen. Ein Rektumkarzinom ist angesichts dieser Vorgeschichte und der fehlenden weiteren Symptomatik (Blutabgang, Schmerzen) eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Eine neurologische Grunderkrankung ist nicht eruierbar. Weiter auf S. 136.
Zunächst sollte man sich einen Eindruck vom Ausmaß der Inkontinenz verschaffen: Besteht die Inkontinenz nur für Wind, oder auch für Flüssigkeit und Stuhl?
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9 Stuhlinkontinenz
Erkundigen Sie sich danach, was der Patient spürt: Wird der Stuhlabgang bemerkt? Oder passiert er unbewusst? Können Sie zwischen Wind und Stuhl unterscheiden? Oder kommt es bei gewolltem und erlaubtem Windabgang zu gleichzeitigem Stuhlabgang?
LERNTIPP
Unbewusster Abgang von Wind und Stuhl spricht für eine Störung der rektoanalen Sensorik und des inneren Sphinktermuskels, ebenso wie der ungewollte Stuhlabgang bei Windabgang.
Bei sensorischen Störungen und Störungen des Musculus sphincter ani internus kommt es zum unbemerkten Stuhlabgang.
LERNTIPP
Imperativer Stuhldrang und die Unfähigkeit, durch willkürliche Kontraktionen den Stuhl lange genug zu halten, sprechen für eine Störung im Bereich des Musculus sphincter ani externus. Gelegentlich kann bei jungen Menschen das Reizdarmsyndrom mit imperativem Stuhldrang einhergehen und den Schwierigkeiten, Stuhl zu halten. Zu einem wirklich unwillkürlichen Stuhlabgang kommt es aber selten: „Ich schaffe es immer noch, in letzter Minute eine Toilette zu erreichen. Aber ein- oder zweimal ist es schon schief gegangen.“
Auch bei operierten Patienten, besonders nach Rektumresektion bei Karzinom mit einem verkleinerten Reservoir, besteht unter Umständen ein imperativer Stuhldrang, wenn eine gewisse Füllung erreicht ist. Bei schwachem Sphinktertonus kann eine Diarrhö zu passagerer Inkontinenz führen.
Ursachen des imperativen Stuhldrangs: Störung des M. sphincter ani externus Schädigung des N. pudendus funktionell, Reizdarmsyndrom verkleinertes Reservoir Durchfall
MERKE
Dann wird gefragt, wie oft das Problem auftritt: Täglich, mehrfach in der Woche, mehrfach im Monat, sporadisch, selten? Sind die Beschwerden progredient?
135 Immer sollte nach Vorerkrankungen gefragt werden, die zu einer Inkontinenz führen können: Leiden Sie an einer entzündlichen Darmerkrankung: Morbus Crohn (s. S. 218 und Abb. 9.2) oder Colitis ulcerosa (s. S. 219)? Sind Sie an Diabetes mellitus erkrankt? Haben Sie eine bekannte ZNS-Erkrankung: Zustand nach Apoplex, Multiple Sklerose, Demenz? Wurden Operationen durchgeführt? Besonders Rektumoperationen und Hämorrhoidenoperationen?
Bei Störungen des Musculus sphincter ani externus kommt es zu imperativem Stuhldrang und zur Unfähigkeit der willkürlichen Kontrolle. Abb. 9.2 Endoskopiebefund bei Morbus Crohn: Pflastersteinrelief der Schleimhaut
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Leitsymptome Fragen Sie, ob es in der Vorgeschichte ein Trauma gab, wie etwa eine traumatische Entbindung.
9.5.2 Körperliche Untersuchung
9.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung
136
Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie ein leichtes Perianalekzem und mäßig ausgeprägte Marisken. Bei der digitalen rektalen Untersuchung fällt ein sehr schwacher Ruhetonus des Sphinkters auf, auch bei willkürlicher Kontraktion kann kein großer Druck erreicht werden. Ein Tumor ist nicht tastbar.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die wahrscheinlichste Diagnose bleibt die Sphinkterschwäche des alten Menschen.
Inspektion und Palpation Die körperliche Untersuchung beginnt mit der Inspektion: Bestehen Narben, Fissuren (s. S. 123), Verletzungen oder ein Tumor (s. S. 124). Dann lässt man den Patienten den Anus zusammenkneifen und fordert ihn anschließend auf, wie beim Stuhlgang zu pressen. Die Sensorik kann mit einem Watteträger getestet werden. Wichtigster Teil der körperlichen Untersuchung ist die digitale Austastung (s. S. 127). Wie ist der Ruhetonus? Wie ist der Tonus bei willkürlicher Kontraktion? Sind Raumforderungen zu tasten?
Die wichtigste Untersuchung ist die Rekto-Sigmoidoskopie, möglichst im Rahmen einer hohen Koloskopie, zum definitiven Ausschluss eines Tumors. Die Koloskopie, die bei Katharina S. durchgeführt wird, zeigt Sigmadivertikel, davon abgesehen jedoch einen altersentsprechend unauffälligen Befund.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Anamnese, der klinische Untersuchungsbefund und die unauffällige Koloskopie belegen die Diagnose.
Immer sollten eine Proktoskopie (Abb. 9.3) und eine Rektosigmoidoskopie erfolgen, bei älteren Menschen am besten im Rahmen einer hohen Koloskopie zum Ausschluss eines Karzinoms. Insbesondere im Hinblick auf eine Therapieplanung (Sphinktertraining) sollte eine Manometrie durchgeführt werden. Muskuläre Defekte sieht man am besten in der Endosonographie. Die Defäkographie (Röntgendarstellung des Defäkationsaktes) bleibt Ausnahmefällen vorbehalten.
Abb. 9.3 Proktoskope
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MERKE
9 Stuhlinkontinenz Weitergehende Diagnostik bei Stuhlinkontinenz: Proktoskopie Rektosigmoidoskopie Koloskopie Manometrie Endosonographie und Defäkographie.
9.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnose kann durch Anamnese, körperliche Untersuchung und Koloskopie als gesichert angesehen werden. In Tab. 9.3 sind die wegweisenden Symptome und Befunde zur Diagnosesicherung der Erkrankungen, die zur Stuhlinkontinenz führen können, aufgelistet.
137
Tabelle 9.3 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Beckenbodenschwäche
fehlende willkürliche Kontrolle, Alter
Manometrie
Verletzung: intraoperativ, subpartal
OP-Anamnese, Entbindungsanamnese
Endosonographie
Dermatomyositis
proximale Muskelschwäche
Manometrie, bekannte Grunderkrankung
Diabetes mellitus
bekannte Grunderkrankung
Manometrie
Rektumkarzinom
imperativer Stuhldrang
Endoskopie, Histologie
Analkarzinom
spürbarer Tumor
Inspektion, Histologie
chronisch entzündliche Darmerkrankung
Diarrhö, Blutabgang
Endoskopie, Histologie
Cauda-Syndrom
schlaffe Parese der Beine
MRT
Querschnittsymptomatik
Traumaanamnese, bekannte Grunderkrankung
Klinik
Diarrhö (s. S. 45)
Klinik
Klinik
Apoplex
Klinik
Klinik
funktionell
imperativer Stuhldrang
Anamnese, Ausschlussdiagnose
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Leitsymptome 9.7.1 Therapieansätze Die therapeutischen Möglichkeiten sind bei der Stuhlinkontinenz meistens sehr beschränkt. Grundsätzlich lässt sich der Sphinkter in einem gewissen Maße trai-
nieren. Raumfordernde Prozesse werden operiert. Neurogene Formen der Inkontinenz sind kaum einer Behandlung zugänglich, ebenso Verletzungen des Sphinkterorgans (Tab. 9.4).
Tabelle 9.4 Therapie der Stuhlinkontinenz
138
Erkrankung
Therapie
Beckenbodenschwäche
Sphinktertraining, Biofeedback
Verletzung: intraoperativ, subpartal
in Ausnahmefällen operativ
Dermatomyositis
Behandlung der Grunderkrankung
Diabetes mellitus
Behandlung der Grunderkrankung, schlechte Behandelbarkeit
Rektumkarzinom
Operation
Analkarzinom
Operation
chronisch entzündliche Darmerkrankung
5-Aminosalicylsäure
Cauda-Syndrom
Behandlung der Grundkrankheit
Querschnittsymptomatik
schlecht behandelbar
Diarrhö
kausale Behandlung der Diarrhö
Apoplex
schlechte Behandelbarkeit
funktionell
Versuch mit Loperamid
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10 Übergewicht, Adipositas 10.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht der Patientin
10 Übergewicht, Adipositas 10.1 Begriffe Übergewicht und Adipositas : Vermehrung der Körperfettmasse über das normale Maß hinaus. Body-Mass-Index (BMI): Verhältniszahl zur Beurteilung des Körpergewichtes (Tab. 10.1). Der BMI gibt das Körpergewicht in Kilogramm im Verhältnis zum Quadrat der Körpergröße in Meter an: Körpergewicht (kg)/Körpergröße (m) zum Quadrat, s. S. 193. Obwohl der BMI nicht zwischen Muskelund Fettmasse unterscheidet, ist er dennoch ein guter Marker für die Fettmasse, denn eine Gewichtszunahme ist beim Erwachsenen meist durch eine Zunahme der Fettmasse bedingt (Ausnahme: Hochleistungssportler, Bodybuilder).
Tabelle 10.1 Body-Mass-Index Klassifizierung
BMI (kg/m2)
normal
18,5–24,9
Übergewicht
25–29,9
Adipositas Grad I
30–34,9
Adipositas Grad II
35–39,9
Adipositas Grad III
j 40
Zu Ihnen in die Praxis kommt die 32-jährige Anna W. Sie berichtet über eine Gewichtszunahme von 9 kg während der letzten 3 Monate. Sie hat auch bemerkt, dass sie im Gesicht zugenommen hat. Die Patientin schaut sich gar nicht mehr gerne im Spiegel an. Auch ihren Arbeitskollegen ist die Veränderung aufgefallen. Frau W. wurde schon angesprochen, warum sie so dick geworden sei.
Differenzialdiagnostische Überlegungen
139
Die weitaus häufigste Ursache einer Adipositas ist eine Überernährung bei häufig gleichzeitig bestehendem Bewegungsmangel auf dem Boden einer genetischen Prädisposition. Bei dieser Patientin ist allerdings die rasche Gewichtszunahme innerhalb kurzer Zeit auffällig. Dies muss an eine spezifische Ursache denken lassen. Weiter auf S. 143. Nicht selten kommen Patienten zum Arzt und klagen: „Herr Doktor, ich werde immer dicker.“ Meistens liegt dann eine primäre Adipositas vor. Gelegentlich ist die Äußerung des Patienten irreführend: „Mein Bauch wird immer dicker.“ Das kann Ausdruck einer Gewichtszunahme im Sinne der Adipositas sein, aber auch Ausdruck eines Meteorismus (s. S. 184), einer Erschlaffung der Bauchmuskulatur oder eines Aszites (s. S. 151). Der Fall einer nicht bewussten Gravidität ist heute sehr selten. Schließlich ist nicht jedes angenommene Übergewicht ein tatsächliches Übergewicht. Der Aussage: „Ich bin zu dick“ liegt meist ein Übergewicht zugrunde, unter Umständen besteht aber auch eine verzerrte Körperwahrnehmung, eine falsche Vorstellung von Norm- oder Ideal-
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Leitsymptome 10.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie
140 Abb. 10.1 Die gestörte Körperwahrnehmung
gewicht oder eine Unzufriedenheit mit der Fettverteilung am eigenen Körper (Abb. 10.1). Ursache der primären Adipositas ist meistens eine Kombination von Überernährung, Bewegungsmangel und genetischer Disposition. Ihre Bedeutung liegt in den medizinischen und psychologischen Folgen. Zum einen ist Übergewicht ein Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen, besonders für das metabolische Syndrom mit Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Hypertonie, Arteriosklerose und Gicht, aber auch für Tumorerkrankungen, wie das Ösophaguskarzinom (s. S. 106) sowie für Gallensteine (s. S. 33) und Arthrose. Zum anderen hat die Adipositas oft eine psychologische Bedeutung für die Betroffenen, da adipöse Menschen nicht dem gegenwärtigen Schönheitsideal entsprechen. Die sekundäre Adipositas ist Ausdruck einer Grundkrankheit, die abgeklärt und therapiert werden muss. Sie ist wesentlich seltener als die primäre Adipositas.
Zu einer Gewichtszunahme kommt es, wenn die Energiezufuhr den Energieverbrauch übersteigt. Die Regelung der Energiehomöostase erfolgt im Hypothalamus. Es gibt ein „Hungerzentrum“, den Nuclues paraventricularis im lateralen Hypothalamus, und ein „Sattheitszentrum“ im Nucleus ventromedialis. Ein komplexes neurohumorales System reguliert die Nahrungszufuhr und die Energiebilanz (Abb. 10.2). Afferente Signale erreichen die hypothalamischen Schaltzentren. Die Signale können sensorischer, neuroendokriner, humoraler, neuraler oder metabolischer Art sein. Als Ergebnis der zentralnervösen Informationsverarbeitung resultiert eine Reaktion bezüglich Energiezufuhr und Energieverbrauch. Diese efferenten Signale sind z. B. Hunger und Sättigungsverhalten. Bestimmte Neuropeptide steigern das Bedürfnis nach Nahrung, andere vermindern es. Die Menge der zugeführten Kalorien, die Art der Kalorienzufuhr und die Zusammensetzung der zugeführten Kalorien hängen von genetisch bedingten, anerzogenen und individuellen Verhaltensweisen ab, die eine große Variationsbreite haben. Der Energieverbrauch wird bestimmt durch den Grundumsatz und den Arbeitsumsatz. Insbesondere der Arbeitsumsatz ist sehr variabel, ebenfalls abhängig von angeborenen, anerzogenen und individuellen Verhaltensweisen.
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10 Übergewicht, Adipositas efferente Kontrolle Nahrungsaufnahme
exokrine Drüsen z.B. Speichel, Pankreas Nahrungssuche
Insulin
Magen-DarmMuskulatur
Glukokortikoide Prolaktin, Wachstumshormon
Sympathikus Parasympathikus motorisches Nervensystem
Modulation durch übergeordnete Zentren z.B. Wissen, Gewohnheiten
anorexigene und orexigene hypothalamische Peptide
Nebennierenrinde
Im Hypothalamus z.B. GABA, Serotonin
Modulation durch genetische Faktoren
141 afferente Kontrolle
Leptin
z.B. Somatostatin, Sekretin
Geruch, Geschmack, Aussehen
Fettgewebe Magendehnung
Rezeptoren im Gastrointestinaltrakt
Nährstoffe im Blut
Magen
Muskulatur (GlykogenSpeicher) Glukose, Aminosäuren, Fettsäuren
Pankreas
Insulin, Glukagon
Darm Abb. 10.2 Übersicht über die Kontrolle der Nahrungszufuhr (nach Biesalski, Grimm). GABA = Gammaaminobuttersäure
10.4 Ursachen der Adipositas
10.4.1 Primäre Adipositas
Die Ursachen der Adipositas sind vielfältig (Tab. 10.2). Allgemein wird zwischen der primären und der sekundären Adipositas unterschieden.
Am häufigsten besteht eine idiopatische (unabhängig von anderen Krankheiten entstandene), alimentäre (durch die Ernährung bedingte) Adipositas. Sie ist durch Überernährung und Bewegungsmangel gekennzeichnet. Oft wird in diesem Fall auch von anlagebedingter Adipositas gesprochen.
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Leitsymptome
142
10.4.2 Sekundäre Adipositas
Insulinom
Eine sekundäre Adipositas kann durch endokrine Erkrankungen oder Medikamente ausgelöst werden. Endokrinologische Ursachen sind: Hypothyreose, Morbus Cushing (Hyperkortisolismus), Insulinom, Syndrom der polyzystischen Ovarien, Hypophysenvorderlappen-Insuffizienz (HVLInsuffizienz).
Dieser meist gutartige Pankreastumor sezerniert unkontrolliert Insulin. Die symptomatischen Hypoglykämien bessern sich prompt durch Glucoseaufnahme. Häufig kommt es dann zu einer Gewichtszunahme. Das Krankheitsbild ist sehr selten.
Hypothyreose
Syndrom der polyzystischen Ovarien (PCO-Syndrom, Stein-Leventhal-Syndrom)
Eine Hypothyreose (s. Abb. 10.7) führt zu einer Verminderung des Grundumsatzes. Fast regelhaft kommt es dann zu einer Gewichtszunahme.
Beim PCO-Syndrom kommt es zu einer polyzystischen Vergrößerung der Ovarien mit konsekutiver Anovulation, Amenorrhö, Hirsutismus und Adipositas.
Cushing-Syndrom (Hyperkortisolismus)
HVL-Insuffizienz
Kortisol ist ein Hormon der Nebennierenrinde und hat zahlreiche Wirkungen im Organismus. Im Hinblick auf die Adipositas ist seine Wirkung auf den Kohlenhydrat- und Aminosäurestoffwechsel von Bedeutung. Kortisol führt zu einer Erhöhung der Blutglukose und zu einem Abbau von Proteinen.
Tabelle 10.2 Ursachen der Adipositas nach Häufigkeiten Vorkommen
Ursache
häufig
idiopatische, alimentär bedingte Adipositas, Medikamente
weniger häufig
ovarielle Unterfunktion, z. B. Stein-LeventhalSyndrom*
selten
Cushing-Syndrom, Insulinom, chronische Hypophysenvorderlappeninsuffizienz
Bei der HVL-Insuffizienz kann es zunächst auf dem Boden des Somatotropin-Mangels zu einer Zunahme der Fettmassen bei gleichzeitigem Muskelabbau kommen, später kann ein Gewichtsverlust als Folge des ACTH-Mangels auftreten. Auch zahlreiche Medikamente können zu einer sekundären Gewichtszunahme führen: Glukokortikoide, Östrogene, Gestagene, Antidepressiva und viele andere (s. Tab. 10.3).
10.5 Problemlösung Die Ursache der Adipositas lässt sich fast immer anamnestisch klären. Mit Ausnahme beim Morbus Cushing, dessen Habitus bei der Inspektion auffällt (s. Abb. 10.3), trägt die körperliche Untersuchung wenig zur Ursachenabklärung bei.
* Sonderform des polyzystischen Ovarialsyndroms
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10 Übergewicht, Adipositas
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Frau W. erzählt Ihnen, dass sie immer normalgewichtig war. Bei einer Größe von 169 cm hat sie immer etwa 70 kg gewogen. Jetzt sind es fast 80 kg. Ihr Appetit ist dabei normal. Ihre Lebensumstände haben sich nicht geändert, ihre Essgewohnheiten und ihre körperliche Belastungen sind unverändert. Gewichtsschwankungen hat es in der Vergangenheit praktisch nicht gegeben. Die Patientin war in der Vergangenheit eigentlich immer gesund. Im Kindesalter wurde eine Tonsillektomie durchgeführt und wegen starker Schmerzen in der Schulter hat sie in den letzten Monaten öfter Spritzen bekommen. Diese haben ihr gut geholfen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Auffällig ist die Gewichtszunahme innerhalb kurzer Zeit bei gleichbleibenden Lebensgewohnheiten. Diese Vorgeschichte wäre für eine idiopathische, alimentär bedingte Adipositas in diesem Alter sehr ungewöhnlich. Vorrangig muss geklärt werden, welche Substanz der Orthopäde der Patientin ge Weiter auf S. 145. spritzt hat.
Oder haben Sie kontinuierlich zugenommen? Wie viel haben Sie vor einem Jahr, vor zwei und fünf Jahren gewogen? Welches war Ihr höchstes Gewicht, welches Ihr niedrigstes? Ist die Gewichtszunahme nach einer Entbindung oder im Klimakterium aufgetreten? Haben Sie mit dem Rauchen aufgehört und im Anschluss daran zugenommen? Schließlich ist die familiäre Belastung bei Adipositas von Bedeutung: Sind Ihre Eltern oder Geschwister auch übergewichtig? Anschließend sollten Sie nach den Ernährungsgewohnheiten des Patienten fragen. Zunächst ganz einfach: Essen Sie zuviel? Wie ist der Appetit? Essen Sie gerne Süßes oder Fettes?
143
Antwortet der Patient „Ja, ich esse so furchtbar gern“ oder: „Meine Frau kocht so gut“ ist damit oft schon die Ursache geklärt und weitere Fragen erübrigen sich. Nehmen Sie Medikamente ein, die unter Umständen den Appetit steigern (Tab. 10.3)?
Die ersten Fragen betreffen natürlich Körpergröße und Körpergewicht: Wie groß sind Sie und wie viel wiegen Sie?
Manchmal ist die Problematik aber auch komplizierter. Viele Menschen haben falsche Vorstellungen, wie viel Nahrung eigentlich normal ist. Also muss im Zweifelsfalle sehr detailliert gefragt werden. Dazu ist es hilfreich, den Patienten beschreiben zu lassen, was er an einen normalen Tag alles isst. Geklärt werden muss: Wann wird gegessen, wie oft wird gegessen, was wird gegessen und wie viel davon? Wann wird die Hauptmahlzeit eingenommen?
Dann interessiert der zeitliche Verlauf der Gewichtszunahme: Waren Sie schon immer übergewichtig? Schon in der Kindheit? Gibt es starke Gewichtsschwankungen? Haben Sie schon einmal mehr oder weniger gewogen?
Viele Menschen machen sich nicht klar, dass Bier und Milch sehr viele Kalorien enthalten. Auch was zwischendurch genascht wird (Süßes, Salzgebäck), wird oft genug nicht korrekt wahrgenommen.
MERKE
10.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
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Leitsymptome Dann sollte gefragt werden, warum gegessen wird. Das klingt zwar banal, ist aber wichtig: Zwingt der Arbeitsrhythmus zu bestimmten Zeiten? Fehlt die Zeit und wird dann Süßes, z. B. in Form von Schokoriegeln gegessen? Wird aus Gewohnheit zu viel Fett gegessen? Wenn die Kalorienzufuhr geklärt ist, wird nach dem Kalorienverbrauch gefragt: Treiben Sie Sport? Haben Sie regelmäßig Bewegung? Fahren Sie Rad? Was machen Sie beruflich? Gibt es Gründe für eine reduzierte körperliche Betätigung? Schmerzen, Gelenkbeschwerden, andere Limitationen, wie etwa das Ausscheiden aus dem Berufsleben?
LERNTIPP
144
Meistens lässt sich aufgrund dieser Angaben dann schon die Diagnose einer idiopathischen Adipositas stellen bedingt durch Überernährung, falsche Ernährung, Bewegungsmangel, familiäre Disposition.
Da meistens die Adipositas schon länger besteht, wurden häufig auch schon Versuche zur Gewichtsreduktion unternommen. Hiernach sollte gefragt werden: Haben Sie schon einmal eine Diät durchgeführt? Welche Form von Diät? Wurden Medikamente zur Gewichtsreduktion genommen? Und wie war der Erfolg? Wann nahmen Sie wieder an Gewicht zu und warum? Die Adipositas ist nur ein Risikofaktor unter anderen für kardiovaskuläre Erkrankungen. Die Kenntnis der anderen Risikofaktoren ist im Hinblick auf die Einschätzung des Morbiditätsrisikos notwendig: Bestehen eine Fettstoffwechselstörung, ein erhöhter Blutdruck, ein Nikotinabusus?
Besteht in der Familie ein Diabetes mellitus? Wie viel Alkohol trinken Sie? Die möglichen, adipositasbedingten Folgeerkrankungen sollten ebenfalls erfragt werden: Gibt es Hinweise auf Herz-KreislaufErkrankungen? Bestehen eine KHK (koronare Herzkrankheit) bzw. deren Symptome? Haben Sie einen Myokardinfarkt durchgemacht? Ein erhöhter Blutdruck kann ein zusätzlicher Risikofaktor zu einer Adipositas sein, aber auch Folge der Adipositas. Bestehen Gallensteine? Ein Diabetes mellitus? Eine Hypertriglyceridämie? Schließlich sollte man den Patienten fragen, warum er Sie wegen des Übergewichtes aufsucht. Macht er sich Sorgen um seine Gesundheit? Oder möchte er sein Erscheinungsbild ändern? Oder haben Dritte (Partnerin bzw. Partner) den Patienten genötigt? Die seltenen sekundären Adipositasformen werden unter Umständen durch die Symptome der Grunderkrankung erkennbar: Im weitesten Sinne sekundär ist die Adipositas bei seelischen Problemen oder Erkrankungen, wobei die Grenzen zur idiopathischen Form fließend sind. Im Zweifelsfalle sollte immer geklärt werden, ob eine Depression oder eine Psychose besteht. Fragen Sie ob Ihr Patient Stress oder Kummer hat. Bejaht der Patient diese Frage, ist das eventuell ein Hinweis auf so genanntes „Frustessen“. Auch Essstörungen wie die Bulimie müssen berücksichtigt werden. Die Bulimie ist gekennzeichnet durch Heißhunger, Aufnahme großer Mengen von Nahrungsmitteln und Erbrechen. Betroffen sein
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10 Übergewicht, Adipositas können adipöse und normalgewichtige Patienten. Bei der Hypothyreose (s. Abb. 10.7) wird die Adipositas meist von anderen Symptomen wie Obstipation, Antriebsmangel, Verlangsamung und Kälteempfindlichkeit begleitet. Fragen Sie Ihren Patienten beim
Tabelle 10.3 Medikamente, die zur Adipositas führen können Substanzen Glukokortikoide Östrogene
Verdacht auf eine Hypothyreose gezielt nach diesen Symptomen. Jede Adipositas kann einen Hypertonus verstärken. Auf der anderen Seite sind Adipositas und Hypertonus auch Symptome des Cushing-Syndroms (Abb. 10.3), an das bei entsprechender Konstellation gedacht werden sollte. Heißhunger mit rezidivierenden Verwirrtheitszuständen ist typisch für das Insulinom, einer allerdings äußerst seltenen Ursache der Adipositas. Schließlich sollte man immer daran denken, dass auch Medikamente zu einer Appetitsteigerung und zu einer Gewichtszunahme führen können (Tab. 10.3). Die Medikamentenanamnese ist deshalb notwendig.
Gestagene Isoniazid
10.5.2 Körperliche Untersuchung
145
Antidepressiva Antiemetika
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Frau W. ist eine gesund wirkende Patientin mit einem rundlichen Gesicht und stammbetonter Adipositas. Dazu kontrastieren auffällig die relativ schlanken Extremitäten. Am Rücken besteht eine leichte Akne. Der Auskultationsbefund über dem Herzen und der Lunge ist unauffällig, der Blutdruck liegt bei 145/90 mmHg. Der abdominale Tastbefund ist unauffällig.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Der Fettverteilungstyp mit gesichtsund stammbetonter Adipositas bei schlanken Extremitäten spricht für ein Cushing-Syndrom. Angesichts der Vorgeschichte ist von einem iatrogenen Cushing-Syndrom auszugehen. Weiter auf S. 148.
Abb. 10.3 Cushing-Syndrom. 45-jährige Patientin mit Hyperkortisolismus infolge eines kortisolbildenden Nebennierentumors
Bei der körperlichen Untersuchung wird die Adipositas verifiziert oder ausgeschlossen. Man fahndet nach Komplikationen, Risikofaktoren und möglichen Ursachen der Adipositas.
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Leitsymptome
146
Die simpelsten Maßnahmen sind Messen und Wiegen, um zu klären, ob überhaupt ein Übergewicht besteht. Bei vielen Patienten besteht eine falsche Vorstellung über Normalgewicht und Übergewicht. Oft halten sich z. B. junge Frauen für zu dick, obwohl sie es nicht sind (s. Abb. 10.1). Die falschen Vorstellungen können das Körpergewicht betreffen, aber auch einzelne Regionen. „Ich bin zu dick“ kann sich auf die Hüften beziehen, das Gesäß, Oberschenkel und Oberarme, den Schultergürtel. Bei einem dicken Bauch kann die Fettschicht orientierend bestimmt werden, indem man eine Hautfalte zwischen Daumen und Zeigefinger nimmt. Auf diese Weise kann gut die Dicke der subkutanen Fettschicht abgeschätzt werden. Nicht selten erscheinen Menschen dick, bei denen tatsächlich nicht eine Vermehrung des Bauchfettes vorliegt, sondern nur eine Vorwölbung der Bauchwand auf dem Boden einer Bauchmuskelschwäche, unter Umständen im Zusammenhang mit Meteorismus (s. S. 184). Da der Hypertonus ein häufiges Begleitphänomen der Adipositas ist, gehört die Blutdruckmessung zur körperlichen Untersuchung.
a
b
Inspektion Da die Fettverteilung im Hinblick auf die kardiovaskuläre Morbidität relevant ist, sollte sie registriert werden: Stellen Sie fest, ob ein eher gynäkoider Habitus mit hüft- und glutäal betonter Adipositas (Abb. 10.4 a) oder eher ein androider Habitus mit abdominaler Adipositas besteht. Insbesondere der androide Habitus ist mit einer erhöhten kardiovaskulären Morbidität verbunden (Abb. 10.4 b). Der Fettverteilungstyp gibt unter Umständen auch Hinweise auf eine sekundäre Adipositas : Typisch ist der cushingoide Habitus beim Cushing-Syndrom (Abb. 10.5), bei dem ein Hyperkortisolismus besteht. Dieser kann medikamentös bedingt sein, Folge einer primären Nebennierenüberfunktion oder einer erhöhten Stimulation der Nebenniere durch ACTH.
Abb. 10.4 Typen der Adipositas. a Stammbetont, android, abdomial (Apfelform); b Hüftbetont, gynoid, glutäal-femoral (Birnenform)
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10 Übergewicht, Adipositas Diese Form der Adipositas ist charakterisiert durch: Stammbetonung mit dickem Bauch Striae distensae (Hautdehnungsstreifen) sowie Fettvermehrung im Nacken (Büffelnacken) und im Gesicht (Vollmondgesicht). Auffallend sind die dagegen schlanken Extremitäten aufgrund der begleitenden Muskelatrophie (s. Abb. 10.5). Zusätzliche Symptome sind oft ein Hirsutismus (Abb. 10.6) und ein arterieller Hypertonus. Auch die Hypothyreose kann eine Blickdiagnose sein (Abb. 10.7). An den Patienten fallen die vergröberten, stumpfen Gesichtszüge, die struppigen, glanzlosen Haare und die trocken, kühle Haut sowie das Übergewicht auf. Oft schildern die Patienten eine früher nicht gekannte Teilnahms- und Antriebslosigkeit. Meist ergibt die körperliche Untersuchung bei der Adipositas keine weiteren Auffälligkeiten. Adipöse Menschen sind bis zum Einsetzen von Folgeschäden oft relativ gesund.
Abb. 10.6 Hirsutismus als Begleitsymptom beim Cushing-Syndrom
147
Abb. 10.7 Hypothyreose: Blasse teigige Haut und Struma
Abb. 10.5 Typen der Adipositas. Cushingoider Habitus
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Leitsymptome 10.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Leukozytose mit relativer Lymphopenie passt gut zu einem Hypercortisolismus. Eine Hypothyreose liegt nicht vor.
Weitergehende Diagnostik Bei der Laboruntersuchung erheben Sie die in Tab. 10.4 dargestellten Befunde.
Tabelle 10.4 Laborwerte
148
Parameter
Patientin
Norm
Hämoglobin
14,5 g/dl
12–16 g/dl (4)
Leukozyten
11900/ml mit relativer Lymphopenie
4000–10000/ml
Thrombozyten
345 Tsd/ml
150–350 Tsd/ml
Natrium
145 mmol/l
135–150 mmol/l
Kalium
3,6 mmol/l
3,5–5,0 mmol/l
Cholesterin gesamt
242 mg/dl
120–250 mg/dl
Triglyceride
148 mg/dl
75–150 mg/dl
Glucose nüchtern
105 mg/dl
55–110 mg/dl
Kreatinin
0,9 mg/dl
0,5–1,2 mg/dl (4)
TSH basal
1,4 mU/l
0,3–4,0 mU/l
Tabelle 10.5 Weitergehende Diagnostik bei Adipositas Untersuchung
Parameter
Sonographie Labor
Interpretation Fettleber?
Blutzucker
Diabetes mellitus?
Gesamt-, LDL-, HDL-Cholesterin
Hypercholesterinämie
Triglyceride
Hypertriglyceridämie?
Kreatinin
Niereninsuffizienz?
Elektrolyte
Hypokaliämie, Cushing-Syndrom
ASAT, ALAT, g-GT
Fettleberhepatitis?
TSH
Hypothyreose?
Harnsäure
Hyperurikämie?
Cortisol
Hypercortisolismus?
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10 Übergewicht, Adipositas Die weitergehende Diagnostik dient im Wesentlichen dazu, Komplikationen oder Begleitphänomene der Adipositas zu erkennen und im Zweifel, wenn aufgrund der Anamnese oder der körperlichen Untersuchung die Ursache nicht festgestellt werden kann, nach einer spezifischen Ursache zu fahnden. Bei spezieller Fragestellung werden die in Tab. 10.5 aufgeführten Untersuchungen veranlasst.
10.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
gespritzt hat, ein hochdosiertes Kortikosteroid ist. Damit kann die Diagnose eines iatrogenen Cushing-Syndroms fast als gesichert angesehen werden. Wenn es nach dem Absetzen dieses Präparates nicht zu einer Rückbildung der Beschwerden kommt, muss nach anderen Formen eines Cushing-Syndroms gefahndet werden. Die wegweisenden Symptome zur Diagnosesicherung bei einer Adipositas sind in Tab. 10.6 aufgelistet.
Fortsetzung
Diagnosesicherung
149
Sie bringen in Erfahrung, dass das Präparat, das der Orthopäde der Patientin
Tabelle 10.6 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
idiopathisch, alimentäre Adipositas
Anamnese, Habitus
Anamnese
medikamentöse Adipositas
Anamnese
Anamnese
psychogene Adipositas
Anamnese
Anamnese
Hypothyreose
Habitus: blasse, trockene Haut, struppige Haare
TSH, T3, T4
Cushing-Syndrom
Habitus, Hypertonus, Striae distensae, kurze Anamnese
Dexamethason-Hemmtest, Kortisoltagesprofil, freies Kortisol im 24-h-Sammelurin
Insulinom
Anamnese: Heißhunger mit prompter Besserung auf Glucose
Fastentest, präoperative Lokalisationsdiagnostik: MRT, CT
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Leitsymptome 10.7.1 Therapieansätze Die therapeutischen Möglichkeiten bei Adipositas sind in Tab. 10.7 aufgeführt.
Tabelle 10.7 Therapie der Adipositas
150
Erkrankung
Therapie
idiopathische Adipositas
Ernährungsberatung: lebenslange Einhaltung einer kalorienreduzierten Vollkost, Reduktion von Alkohol, regelmäßige Bewegung
medikamentös bedingte Adipositas
Aufklärung über Kausalzusammenhänge, wenn möglich: Medikamente absetzen
psychogene Adipositas
Aufklärung, Psychotherapie
Hypothyreose
L-Thyroxin
Cushing-Syndrom
Behandlung der Ursache: Medikamente absetzen, Operation eines Nebennierenadenoms bzw. eines Hypophysenadenoms
Insulinom
Operation; Insulinome mit Sekretgranula: präoperativ und bei Inoperabilität Hemmung der Insulinsekretion (z. B. Diazoxid)
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11 Aszites krankungen. Zunächst muss abgeklärt werden, ob es sich um eine Luft-, Flüssigkeits- oder Fettvermehrung Weiter auf S. 154. handelt.
11 Aszites 11.1 Begriffe Aszites : Ansammlung von Flüssigkeit in der freien Bauchhöhle. Die Flüssigkeit kann entweder ein Exsudat oder ein Transsudat sein: Exsudat: Eiweißgehalt i 30 g/l, spezifisches Gewicht i 1,016 g/l. Transsudat : Eiweißgehalt I 30 g/l, spezifisches Gewicht I 1,016 g/l.
11.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht der Patientin In Ihrer Praxis stellt sich die 62-jährige Gisela G. vor. Sie berichtet, dass ihr Bauch in den letzten 2-3 Wochen zunehmend dicker geworden ist. In dieser Zeit hat sie 5 oder 6 kg an Gewicht zugenommen. Das kennt sie von sich gar nicht, sie war bisher immer sehr schlank. Außerdem fühlt sich die Patientin nicht gut.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Eine Bauchumfangsvermehrung wird von Patienten bei Meteorismus wahrgenommen, bei Aszites, bei Zunahme des Bauchfettes und bei Schwäche der Bauchmuskulatur. Differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden müssen daher zahlreiche unterschiedliche Er-
Wenn ein Aszites vorliegt, ist dies immer Ausdruck eines gravierenden pathologischen Prozesses, der abgeklärt werden muss. Für die Begegnung mit einem Aszites-Patienten sind zwei unterschiedliche Situationen denkbar. Meistens wird der Aszites im Rahmen einer bekannten Grundkrankheit des Patienten entstanden sein. Dabei ist der Aszites ein Symptom unter anderen, die unter Umständen im Vordergrund stehen. Seltener kommt es vor, dass der Aszites als Erstmanifestation einer Krankheit das Beschwerdebild des Patienten dominiert. Die Patienten mit Aszites beschreiben häufig eine Bauchumfangsvermehrung: „Mein Bauch wird immer dicker.“ Allerdings kann sich hinter dieser Äußerung auch eine Adipositas (s. S. 139) oder ein Meteorismus (s. S. 184) verbergen. Anamnestisch lassen sie sich nicht voneinander abgrenzen. Erst die Inspektion des entkleideten Bauches und der Tastbefund schaffen meistens Klarheit. Für die Besprechung des Aszites im Folgenden bedeutet das, dass abweichend von der sonstigen Reihenfolge, der Bauch bereits einmal orientierend untersucht wurde.
151
11.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Es gibt vier verschiedene Pathomechanismen, die für die Entstehung eines Aszites von Bedeutung sind: ein erhöhter portalvenöser Druck ein verminderter kolloid-osmotischer Druck eine erhöhte Gefäßpermeabilität und eine erhöhte Natrium- und Wasserretention. Bei den verschiedenen Aszitesformen sind sie von unterschiedlicher Wichtigkeit.
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Leitsymptome
152
Die entstehende Aszitesflüssigkeit ist ein eiweißarmes Transsudat.
Die Aszitesflüssigkeit bei der Leberzirrhose ist eiweißarm, es handelt sich um ein Transsudat.
MERKE
Die weitaus häufigste Ursache von Aszites sind die Leberzirrhose (s. S. 173) und die malignen Prozesse im Bauchraum (Tab. 11.1). Die Leberzirrhose ist charakterisiert durch einen narbigen Umbau des Leberparenchyms, meistens bedingt durch toxische (Alkohol, s. S. 172) oder virale Ursachen (Hepatitis B und C). Andere Ursachen wie die Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit, s. S. 174), der Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit, s. S. 174) oder das Budd-Chiari-Syndrom (Lebervenenthrombose) sind selten. Das gemeinsame Endstadium dieser Erkrankungen, die Zirrhose, zeigt ein gleichförmiges klinisches Bild: Es kommt zu einem Druckanstieg in den Lebersinusoiden als Folge eines erhöhten portalvenösen Drucks (portale Hypertension) einer sinkenden Syntheseleistung der Leber, die zu einer Hypalbuminämie mit Verminderung des kolloidosmotischen Druckes führt und einem sekundären Hyperaldosteronismus mit vermehrter Aldosteronsynthese und verminderter hepatischer
Aldosteron-Inaktivierung, was zu einer vermehrten Natrium- und Wasserresorption im proximalen Tubulus führt.
Bei malignen Prozessen, wie Peritonealkarzinose, ausgedehntem Magen- oder Kolonkarzinom, Pankreaskarzinom, hepatozellulärem Karzinom und gynäkologischen Tumoren (Abb. 11.1) kommt es zu einer erhöhten Gefäßpermeabilität. Die Aszitesflüssigkeit ist ein eiweißreiches Exsudat.
Die Aszitesflüssigkeit beim malignen Aszites ist eiweißreich. Es handelt sich um ein Exsudat.
MERKE
Im Folgenden werden die verschiedenen Aszitesursachen und ihre pathophysiologischen Hintergründe besprochen: Leberzirrhose maligne Prozesse im Bauchraum entzündlicher Aszites schwere Hypalbuminämie pankreatogener Aszites und kardialer Aszites.
Auch der entzündliche Aszites entsteht durch eine erhöhte Gefäßpermeabilität und ist damit eiweißreich, also ein Exsudat. Ursachen sind bakterielle Entzündungen, entzündliche Systemerkrankungen und die Pankreatitis. Schwere Hypalbuminämien führen über eine Verminderung des kolloid-osmotischen Druckes zu Aszites. Ursachen sind das nephrotische Syndrom, bei dem es zu einem renalen Albuminverlust kommt und die exsudative Enteropathie mit enteralem Albuminverlust. Selten ist der kardiale Aszites, wie er bei der Rechtsherzinsuffizienz entstehen kann. Bedingt durch eine Natrium- und Wasserretention sowie eine Drucksteigerung im zentralen Venensystem, die sich schließlich auch auf das Pfortadersystem ausdehnt, kommt es zu einem Transsudat.
Abb. 11.1 Durch Tumor aufgetriebenes Abdomen
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11 Aszites Tabelle 11.1 Aszitesursachen Ursache
Pathomechanismus
Eiweißgehalt
portal, 40 % der Fälle
Leberzirrhose
intravasale Drucksteigerung Hypalbuminämie sekundärer Hyperaldosteromismus
niedrig (Transsudat)
maligne, 40 % der Fälle
Magen-, Kolon-, Pankreas-, hepatozelluläres Karzinom, gynäkologische Karzinome, Peritonealkarzinose
erhöhte Gefäßpermeabilität
hoch (Exsudat)
bakteriellentzündlich
bakterielle Peritonitis
erhöhte Gefäßpermeabilität
hoch (Exsudat)
pankreatogen
akute Pankreatitis
erhöhte Gefäßpermeabilität
hoch (Exsudat)
153
hypalbuminämisch
nephrotisches Syndrom, exsudative Enteropathie Leberzirrhose
erniedrigter kolloidosmotischer Druck
niedrig (Transsudat)
kardial
Rechtsherzinsuffizienz
intravasale Drucksteigerung
niedrig (Transsudat)
11.4 Ursachen des Aszites Tab. 11.2 gibt eine Übersicht über häufige und auch seltene Aszitesursachen.
Tabelle 11.2 Ursachen des Aszites nach Häufigkeiten Vorkommen
Erkrankung
häufig
Leberzirrhose Peritonealkarzinose Kolonkarzinom Ovarialkarzinom
weniger häufig
Pankreaskarzinom Magenkarzinom Pankreatitis Perforation eines Hohlorganes
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Leitsymptome Tabelle 11.2 Fortsetzung Vorkommen
Erkrankung
selten
bakterielle Peritonitis Budd-Chiari-Syndrom nephrotisches Syndrom Herzinsuffizienz exsudative Enteropathie Perikarderguss Pericarditis exsudativa
154
11.5 Problemlösung 11.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Das Gewicht von Frau G. war seit Jahren völlig stabil. Die Gewichtszunahme ist zusammen mit der Bauchumfangsvermehrung in den letzten 2 bis 3 Wochen aufgetreten. Blähungen bestanden in der Vergangenheit öfter, in den letzten Monaten hat die Häufigkeit der Blähungen zugenommen. Jetzt hat die Patientin aber nicht das Gefühl, dass ihre Beschwerden durch Blähungen verursacht werden. Die Patientin berichtet, dass sie eigentlich kerngesund ist, aber in der Vergangenheit schon einige gesundheitliche Probleme hatte. Vor 8 Jahren wurde eine ausgedehnte Operation an der rechten Halsseite wegen eines Karzinoms im Halsbereich durchgeführt, eine Neck dissection. Außerdem wurde vor fünf Jahren eine Hysterektomie wegen Uterusmyomen vorgenommen. Frau G. hat beide Operationen sehr gut überstanden und
keine Beschwerden mehr. Eine Erkrankung des Herzens, der Lunge, des Magen-Darm-Traktes oder der ableitenden Harnwege ist bisher nicht bekannt. Die letzte gynäkologische Untersuchung war vor einem Jahr. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme, kein Nikotinabusus. Gisela G. gibt zunächst an, dass sie wenig Alkohol, meist Wein, trinkt. Dann korrigiert sie sich und erklärt, dass sie vielleicht in den letzten Monaten etwas mehr trinkt. Grund dafür ist der Beziehungsstress, den sie zurzeit hat. Denn vor einem Jahr hatte sie sich wieder verliebt und der Mann hatte sie ein halbes Jahr später wieder verlassen. Seitdem hat sie wahrscheinlich wirklich etwas zu viel getrunken, um sich zu trösten.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Wichtigste Differenzialdiagnose ist angesichts dieser Anamnese der Aszites. Eine plötzliche Gewichtszunahme durch einfache Überernährung (s. S. 139) ist in diesem Alter und bei gleich bleibender Ernährung unwahrscheinlich. Meteorismus wird von den Betroffenen meistens gut als solcher gespürt und beschrieben (s. S. 184). Weiter auf S. 156.
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11 Aszites
Vorerkrankungen Folgende Fragen helfen Ihnen, eine bestehende Grunderkrankung zu erkennen: Ist bei Ihnen eine Lebererkrankung bekannt (Abb. 11.2)? Trinken Sie Alkohol? Hatten Sie einmal eine (bösartige) Erkrankung des Gastrointestinaltraktes oder eine Operation am Gastrointestinaltrakt?
a
Häufig erhält man durch diese Angaben schon richtungweisende Hinweise, oft sogar die Diagnose. Der Patient antwortet etwa: „Ja, ich trinke zu viel. Früher war es noch schlimmer.“ Oder: „Vor zwei Jahren wurde eine Geschwulst im Dickdarm entfernt. Sie soll bösartig gewesen sein.“ Im Zweifel sollte gezielt gefragt werden: Haben Sie mal getrunken oder trinken Sie? Seit wann? Wie viel? Wie oft (s. S. 172)? Hatten Sie einmal eine Bluttransfusion? (Hepatitis C) Haben Sie früher intravenöse Drogen konsumiert? (Hepatitis B, C) Hatten Sie in der Vergangenheit eine Hepatitis (s. S. 170) oder eine Gelbsucht (Ikterus, s. S. 163)? Sind bei Ihnen schon einmal erhöhte Leberwerte aufgefallen? Bestehen eine Herz- oder Nierenerkrankung? Wann war die letzte gynäkologische Untersuchung?
Fragen Sie nach vorausgegangenen Ereignissen bei Aszites: Alkoholabusus Bluttransfusionen intravenöser Drogenabusus Hepatitis Gelbsucht (Ikterus) Herzerkrankungen Nierenerkrankungen und bösartige Erkrankungen.
155
MERKE
Der Aszites ist meistens Spätmanifestation einer länger bestehenden Erkrankung. Darum wird, abweichend vom üblichen Vorgehen, zuerst nach Vorerkrankungen gefragt. Erst im Anschluss daran erkundigt man sich nach dem Symptom selbst.
Leitsymptom
b Abb. 11.2 a Normalleber; b Fettleber
Erst wenn man versucht hat, anamnestisch der Ursache des Aszites auf die Spur zu kommen, befasst man sich mit dem Leitsymptom selbst: Seit wann bemerken Sie die Zunahme Ihres Bauchumfangs? Ist etwas Ähnliches in der Vergangenheit schon einmal aufgetreten? Bestand ein Gewichtsverlust? Wie ist der Gewichtsverlauf? Haben Sie den Eindruck, dass Ihre Arme und Beine dünner geworden sind?
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Leitsymptome LERNTIPP
11.5.2 Körperliche Untersuchung Ein Gewichtsverlust kann dem Aszites vorausgehen, unter Umständen wird ein Gewichtsverlust aber auch nicht gespürt, da der Schwund von Fett und Muskelmasse durch eine Gewichtszunahme in Form von Flüssigkeit ausgeglichen wird.
Erkundigen Sie sich nach der Dynamik des Befundes : Schätzen Sie ihre Beschwerden als konstant ein oder gab es eine (rasche) Zunahme? Haben Sie zusätzliche Beschwerden, wie Leistungsminderung, Luftnot, geschwollene Beine (periphere Ödeme, Abb. 11.3)? Leiden Sie unter Durchfall (s. S. 45), Meteorismus (s. S. 184), Inappetenz oder Bauchschmerzen (s. S. 24)?
MERKE
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Zusätzliche Beschwerden bei Aszites: Leistungsminderung Luftnot periphere Ödeme (s. Abb. 11.3) Durchfall (s. S. 45) Meteorismus (s. S. 184) Inappetenz und Bauchschmerzen (s. S. 24).
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Frau G. ist eine schlanke bis magere Patientin, die etwas vorgealtert wirkt, in reduziertem Allgemeinzustand. Größe 166 cm, übliches Gewicht 56 kg. Aktuell 62 kg beim Wiegen in der Praxis. Das Abdomen ist gespannt, der Bauchnabel verstrichen, es besteht eine deutliche Flankendämpfung. Einen sonoren Klopfschall perkutieren Sie nur in Bauchmitte. Die Hysterektomienarbe ist reizlos und gut verheilt. Im Bereich der rechten Halsseite sehen Sie die Vernarbung nach Neck dissection. Jetzt ist kein pathologischer Befund tastbar. Auch die Untersuchung der Mundhöhle zeigt keine frischen pathologischen Befunde. Über den Lungen sonorer Klopfschall und vesikuläres Atemgeräusch, keine Rasselgeräusche. Die Herzaktionen sind regelmäßig mit einer Frequenz von 96/min. Herztöne rein und leise. RR 105/65 mmHg. Die Extremitäten sind sehr schlank, mit nur gering ausgebildeter Muskulatur, keine Ödeme.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Der körperliche Untersuchungsbefund spricht für das Vorliegen eines Aszites. Ursächlich müssen Lebererkrankungen und maligne Tumoren in Betracht gezogen werden, insbesondere solche des Gastrointestinaltraktes, aber auch des Uterus und der Ovarien. Der Tumor, der vor 8 Jahren am Hals operiert wurde, ist als Ursache bei der Lokalisation der Beschwerden und nach dieser Zeit eher unwahrscheinlich. Weiter auf S. 159. Abb. 11.3 Ödeme am Fußrücken
Bei der körperlichen Untersuchung befasst man sich zunächst mit dem Leitsymptom des Patienten, dem dicken Bauch. Die Untersuchung des Patienten findet in Rückenlage statt.
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11 Aszites Zunächst wird bei der Inspektion auf ausladende Flanken, einen verstrichenen Nabel oder einen Nabelbruch geachtet. Diese Befunde sind typisch für den Aszites, im Gegensatz zum Bild bei Meteorismus (s. S. 184) oder Adipositas (s. S. 139). Bestehen Leberhautzeichen, wie etwa ein Palmarerythem (s. S. 177 und Abb. 11.4), ein Ikterus (s. S. 163) oder ein Caput medusae (s. S. 83) als mögliche Hinweise auf eine Leberzirrhose (s. S. 173)?
schwimmende Darmschlingen mit meteoristischem Perkussionsschall über dem Aszites Flankendämpfung mit Nachweis einer durchgehenden Flüssigkeitswelle beim Anschlagen und Motilität der Flüssigkeit bei Lageänderung.
Klinischer Nachweis von Aszites: schwimmende Darmschlingen Flankendämpfung durchgehende Flüssigkeitswelle und Motilität der Flüssigkeit bei Lageänderung.
MERKE
Inspektion
LERNTIPP
157 Klinisch nachweisbar ist ein Aszites ab etwa 1 bis 1,5 Liter.
Abb. 11.4 Palmarerythem
Palpation und Perkussion
Aszitesursachen und Begleitphänomene
Danach folgen die Palpation und die Perkussion. Beim Aszites findet man typischerweise (Abb. 11.5):
Es schließt sich die systematische Untersuchung (Tab. 11.3) im Hinblick auf die Aszitesursachen und Begleitphänomene
Markierung 1
Markierung 2
Gas (Tympanie)
Flüssigkeit (Dämpfung)
Übergangslinie
Gas (Tympanie)
Markierung 1 Flüssigkeit (Dämpfung)
Markierung 3
Flüssigkeit (Dämpfung)
Markierung 2 a
Rückenlage
b
Seitlage
Abb. 11.5 Typische Perkussionsbefunde bei Aszites. a In Rückenlage wird in Richtung der grünen Pfeile perkutiert. Seitlich am Abdomen werden zwei Übergangslinien vom tympanischen Schall in eine Dämpfung nachweisbar, die markiert werden (Markierung 1 und 2); b In Seitlage ist durch die Flüssigkeitsverschiebung nur noch eine Übergangslinie nachweisbar (Markierung 3). Die Lokalisation dieser Markierung unterscheidet sich von Markierung 1 und 2
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Leitsymptome an. Zunächst verschaffen Sie sich einen Eindruck über, Allgemein- und Ernährungszustand des Patienten ob Zeichen von Abmagerung, Kachexie oder Muskelatrophie bestehen und wie krank der Patient wirkt. Jede Leberzirrhose und jeder metastasierende Tumor kann zu einer Kachexie führen und tut es auch meistens. Auch eine terminale Herzinsuffizienz kann in eine Kachexie münden. Weiterhin ist es von Bedeutung, welche Begleitphänomene bei einem Patienten mit Aszites bestehen: Leiden Sie unter Luftnot (Dyspnoe)?
158
Diese kann bedingt sein durch den Aszites selbst, der zu einem Zwerchfellhochstand führt, kann aber auch Ausdruck eines Pleuraergusses sein oder einer begleitenden Linksherzinsuffizienz. Bestehen periphere Ödeme (s. Abb. 11.3)? Diese treten fast regelhaft bei der Leberzirrhose auf, ebenso aber auch bei der Herzinsuffizienz und bei Hypalbuminämie, sei sie renaler oder intestinaler Ursache. Besteht eine Stauung der Jugularvenen (s. Abb. 11.6)? (kardialer Aszites) Bestehen ein Ikterus oder Leberhautzeichen? (portaler Aszites) Die systematische Untersuchung des Abdomens berücksichtigt den Aszites selbst (s. S. 16). Dann wird nach weiteren Zeichen einer Lebererkrankung gesucht: Blutungszeichen, periumbilikale Venenerweiterung (Caput medusae, s. S. 83), Milzvergrößerung? Ist die Leber groß oder klein? Hart oder weich? Außerdem: Bestehen Narben, die auf Operationen hinweisen? Ist ein Tumor tastbar?
Abb. 11.6 Halsvenenstauung
Dann folgt die systematische Untersuchung: Bestehen pathologische Befunde im Bereich von Kopf und Hals? Sklerenikterus (s. S. 163), Kachexiezeichen (eingeschmolzener Wangenfettpfropf)? Bestehen Lidödeme als möglicher Ausdruck einer Nierenerkrankung? Sind die Halsvenen gestaut (Abb. 11.6)? (Rechtsherzinsuffizienz)? Bei der Untersuchung des Thorax stehen folgende Fragen im Vordergrund: Besteht ein Pleuraerguss? Anhalt für eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung mit Emphysem und evtl. Cor pulmonale? Wie sind Perkussionsschall (hypersonor) und Auskultationsbefund (leises Atemgeräusch)? Besteht ein Herzklappenfehler? Bei der Untersuchung der Extremitäten achten Sie auf Ödeme (s. Abb. 11.3), Muskelatrophie (Kachexie) und Leberhautzeichen (Palmarerythem, s. Abb. 11.4, Uhrglasnägel, Dupuytren-Kontraktur, s. S. 177). Nicht selten geben Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung schon entscheidende Hinweise. Oft ist aber, insbesondere wenn dem Aszites keine Lebererkrankung zugrunde liegt, auch eine Verdachtsdiagnose noch nicht möglich.
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11 Aszites Tabelle 11.3 Körperliche Untersuchung bei Aszites
11.6 Weitergehende Diagnostik
Bewertung allgemein
Allgemeinzustand (AZ), Ernährungszustand (EZ)
Begleitphänomene
Dyspnoe Ödeme (s. Abb. 11.3) Ikterus Leberhautzeichen
Abdomen
Aszites nachweisbar? Leberhautzeichen Leber (Zirrhose?) Milz Raumforderung
Kopf, Hals
Sklerenikterus (s. S. 163) Jugularvenenstauung (Abb. 11.6)
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Um die Diagnose Ihrer Patientin weiter einkreisen zu können, sind weitere diagnostische Maßnahmen nötig. Sie führen deshalb eine Sonographie des Abdomens durch und veranlassen eine Blutabnahme. In der Abdomensonographie erheben Sie die in Abb. 11.7 a und b dargestellten Befunde. Sie erkennen einen Aszites, eine kräftig ausgeprägte Pfortader und eine vergrößerte Milz sowie eine zirrhotische Leber. Raumforderungen in der Leber oder im Bereich der Unterbauchorgane kommen nicht zur Darstellung. Die Blutabnahme ergibt die in Tab. 11.4 dargestellten Ergebnisse.
159
Lidödeme Wangenfettpfropf Thorax
Lungenemphysem Vitium cordis Pleuraerguss
Extremitäten
a
Muskelatrophie Unterschenkelödeme (s. Abb. 11.3) Palmarerythem (s. Abb. 11.4) Uhrglasnägel Dupuytren-Kontraktur (s. S. 177)
b Abb. 11.7 Befunde bei dekompensierter Leberzirrhose. a Aszites: Glattes Peritoneum, frei schwimmende Dünndarmschlingen („Seeanemonen-Phänomen“); b Milz infolge des portalen Hochdrucks deutlich vergrößert
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Leitsymptome Differenzialdiagnostische Überlegungen
160
Sonographisch sehen Sie einen Aszites, eine kleine Leber mit welligem Rand und Zeichen der portalen Hypertension: Weite Pfortader und vergrößerte Milz. Laborchemisch besteht eine mäßige Transaminasenerhöhung und eine starke Erhöhung der g-GT, eine Erniedrigung der Cholinesterase und ein erniedrigter Quickwert. Es bestehen eine makrozytäre Anämie (MCH und MCV erhöht, Hb erniedrigt) und eine Thrombopenie. Das Bild passt zu einer Leberzirrhose mit Einschränkung der Syntheseleistung (s. S. 173), Zeichen des Leberzellschadens und der toxischen Leberschädigung sowie ein Hypersplenie-Syndrom mit
Thrombozytopenie. Der Nachweis von HCV-Antikörpern spricht für eine chronische Hepatitis C, der Alkoholabusus könnte den Verlauf ungünstig beeinflusst haben. Die drei wichtigsten Untersuchungen sind die Sonographie des Abdomens, die Bestimmung der Laborwerte und die Aszitespunktion.
Sonographie des Abdomens Die Sonographie des Abdomens erfolgt unter folgenden Gesichtpunkten: Sicherung des Aszites Beurteilung der Leber (Zirrhose, Raumforderungen)
Tabelle 11.4 Laborwerte Parameter
Patientin
Norm
Leukozyten
8500/ml
4000–10000/ml
Hämoglobin
10,5 g/dl
12–16 g/dl (4)
MCH
36 pg
27–34 pg
MCV
102 fl
85–98 fl
Thrombozyten
78 Tsd/ml
150–350 Tsd/ml
GOT
96 U/l
I 35 U/l (4)
GPT
111 U/l
I 35 U/l (4)
g-GT
256 U/l
I 39 U/l (4)
alkalische Posphatase
86 U/l
35–104 U/l (4)
Cholinesterase
2200 U/l
4260–11250 U/l (4)
Kreatinin
0,9 mg/dl
0,5–1,2 mg/dl
Natrium
144 mmol/l
135–150 mmol/l
Kalium
3,6 mmol/l
3,5–5,0 mmol/l
Thromboplastinzeit (Quickwert)
42 %
70–100 %
HBs-Antigen
negativ
Anti-HBs
negativ
HCV-Antikörper
positiv
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11 Aszites Beurteilung, ob eine portale Hypertension vorliegt Einschätzung der Milzgröße und Suche nach Raumforderungen (Primärtumor, Lebermetastasen) und nach Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz (Vena cava verbreitert).
zytologische (Erythrozyten, Leukozyten, Tumorzellen) Untersuchungen durchgeführt.
11.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Laboruntersuchungen bei Aszites Die Laboruntersuchungen bei Aszites beinhalten folgende Parameter: Leberwerte (GOT, GPT, g-GT, ChE, Bilirubin) Blutbild inklusive Thrombozyten Gerinnung (Quick, PTT) Elektrophorese und Gesamt-Eiweiß Triglyceride und Cholesterin (nephrotisches Syndrom?).
Aszitespunktion Bei der punktierten Aszitesflüssigkeit wird untersucht, ob ein Transsudat (Eiweiß, spezifisches Gewicht) oder ein Exsudat vorliegt (Eiweiß, spezifisches Gewicht, LDH) es werden bakteriologische und
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnosesicherung erfolgt nach Stabilisierung der Gerinnungsparameter durch eine Aszitespunktion mit Nachweis eines serösen Transsudates und Ausschluss eines tumorbedingten Exsudates sowie eine zytologische Untersuchung, die das Vorliegen von Tumorzellen ausschließt. Die Ursachendiagnostik wird durch den Nachweis der Hepatitis-C-RNA abgerundet. Goldstandard für die Einschätzung der Leberzirrhose ist die Leberpunktion.
161
Die wegweisenden Symptome zur Diagnosesicherung beim Aszites stellt Tab. 11.5 dar.
Tabelle 11.5 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Leberzirrhose
Anamnese, körperliche Untersuchung (Spider-Nävi, Ikterus, Palmareythem)
Abdomen-Sonographie, CT-Abdomen, Cholinesterase, Histologie
akutes Leberversagen
Toxineinwirkung (Medikamente, halogenierte Kohlenwasserstoffe, Knollenblätterpilz); Anamnese, Verlauf: ausgeprägte Transaminasenerhöhung und Abnahme der Lebersyntheseparameter
Nachweis der Toxinaufnahme bzw. einer Hepatitis, serologischer Nachweis
Pfortaderthrombose
thrombophile Diathese (meist myeloproliferatives Syndrom oder Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom); Ösophagusvarizen, Splenomegalie
Sonographie, farbkodierte Duplexsonographie (Nachweis einer Thrombose oder Tumorinfiltration)
intraabdomineller Tumor
Kachexie
Aszitespunktion mit Tumorzellnachweis in der Zytologie
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Leitsymptome Tabelle 11.5 Fortsetzung Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Rechtsherzinsuffizienz
Anamnese. Herzkrankheit, hochgradiges Cor pulmonale bei schwerer pulmonaler Grundkrankheit; Trikuspidalinsuffizienz; Zyanose und periphere Ödeme
Echokardiographie
nephrotisches Syndrom
Hypoproteinämie, Proteinurie i 3,5 g/d, fakultativ Hypercholesterinämie, periphere Ödeme, Lidödeme
Labor, Sonographie, Nierenbiopsie
exsudative Enteropathie
Diarrhö, Steatorrhö, Ödeme, Grundkrankheit
Anamnese, Endoskopie
162
11.7.1 Therapieansätze Die therapeutischen Möglichkeiten bei Aszites stellt Tab. 11.6 dar.
Tabelle 11.6 Therapie des Aszites Erkrankung
Therapie
Leberzirrhose
absolute Alkoholkarenz, Vermeiden hepatotoxischer Medikamente, wenn möglich Behandlung der Grundkrankheit: ggf. antivirale Therapie bei Hepatitis B, C, Ursodeoxycholsäure bei primärer biliärer Zirrhose symptomatische Therapie: Diuretika (Spironolacton, Furosemid), therapeutische Aszitespunktion, Stent-Anlage, Ultima Ratio: Lebertransplantation
akutes Leberversagen
supportive Therapie, Lebertransplantation
Pfortaderthrombose
Rekanalisation, bei zirrhotischem Patienten zusätzliche Anlage eines transjugulären intrahepatischen portosystemischen Stent-Shunts (TIPS), bei neuerer Thrombose und nichtzirrhotischem Patienten Antikoagulation alleine
intraabdominaler Tumor
Chemotherapie, Radiatio, OP meistens nicht mehr möglich
Rechtsherzinsuffizienz
Diuretika, ACE-Hemmer, b-Blocker
nephrotisches Syndrom
Therapie der Grundkrankheit bzw. Beseitigung toxischer Ursachen; symptomatisch allgemein: körperliche Schonung, eiweiß- und kochsalzarme Kost, diuretische Therapie
exsudative Enteropathie
kausale Therapie; symptomatische Therapie: Diät mit eiweiß- und natriumarmer Kost, Fettrestriktion, Austausch langkettiger gegen mittelkettige Triglyzeride
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12 Ikterus
12.1 Begriffe
MERKE
Ikterus: Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten und Skleren (Sklerenikterus, Abb. 12.1), die durch eine vermehrte Ablagerung von Bilirubin in den Geweben entsteht. Pseudo-Ikterus: Gelbfärbung, die durch Farbstoffe, z. B. bei Karottengenuss, entsteht. Prähepatischer Ikterus (synonym hämolytischer Ikterus): Ikterus, der durch einen vermehrten Bilirubinanfall entsteht. Hepatozellulärer Ikterus (synonym hepatischer Ikterus/Parenchymikterus): Ikterus, bei dem die Störung im Bereich der Leberzellen liegt. Er entsteht durch eine verminderte Bilirubinaufnahme in die Leberzellen, eine gestörte Glukuronidierung, oder eine verminderte Bilirubinexkretion.
Manche Autoren ordnen die Sekretionsstörung der Leberzelle in die Gruppe des hepatozellulären Ikterus, andere in die Gruppe des cholestatischen oder des posthepatischen Ikterus. Aus didaktischen Gründen wird im Folgenden zwischen prähepatischem, hepatischem (unter Einbeziehung der Sekretion) und posthepatischem Ikterus (durch Verlegung der großen Gallenwege) unterschieden.
Abb. 12.1 Sklerenikterus
Posthepatischer Ikterus (synonym extrahepatischer Ikterus/extrahepatische Cholestase/mechanischer Ikterus/Obstruktionsikterus/Verschlussikterus): Ikterus, der durch eine Verlegung der großen, extrahepatischen Gallenwege bedingt ist. Intrahepatische Cholestase : Störung der Gallesekretion bei einer Destruktion der intrahepatischen Gallenwege oder bei einer Störung der Gallesekretion durch die Leber. Cholestatischer Ikterus: Ikterus, der durch eine Störung des Galleabflusses zwischen Leberzelle und Papilla duodeni major (Papilla Vateri) bedingt ist. Unter dem Begriff cholestastischer Ikterus werden der Ikterus bei intrahepatischer Cholestase und der posthepatische Ikterus (= extrahepatische Cholestase, s. o.) zusammengefasst.
Ikterusformen Prähepatisch: vermehrter Bilirubinanfall Hepatisch: Störung im Bereich der Leberzelle Posthepatisch: Verlegung der (kleinen oder) großen Gallenwege
163
MERKE
12 Ikterus
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Leitsymptome
Fallbeispiel Bericht des Patienten Bei dem 58-jährigen Klaus J. besteht ein Ikterus, den er erstmals vor 4 oder 5 Tagen bemerkt hat. Seine Frau meint jedoch, dass die Gelbfärbung schon einige Tage länger besteht. Herr J. fühlt sich auch seit kurzem nicht sehr wohl, aber das hat seiner Meinung nach mit Überarbeitung zu tun. Er hat den Eindruck, dass seine Haut ein wenig juckt. Ansonsten gibt er an, dass es ihm gut geht.
164
Differenzialdiagnostische Überlegungen Differenzialdiagnostisch muss ein großes Spektrum von Ikterusursachen berücksichtigt werden: toxischer Leberschaden, infektiöse Hepatitis, Verschluss durch einen Gallenstein oder malignen Tumor. Eher unwahrscheinlich ist bei Herrn J. eine Hämolyse. Ein Morbus Meulengracht wäre wahrscheinlich schon früher einmal aufgefallen und der Ikterus hierbei ist sehr flüchtig und gering ausgeprägt. Weiter auf S. 167. Der Ikterus ist, außer beim Morbus Meulengracht (s. S. 173), immer Ausdruck einer gravierenden Erkrankung. Während für Bauchschmerzen und andere Leitsymptome in vielen Fällen keine organische Ursache gefunden werden kann, muss der Ikterus immer ursächlich abgeklärt werden. Durch die Anamneseerhebung und die körperliche Untersuchung sollte feststellbar sein, ob es sich um einen prähepatischen, hepatischen oder posthepatischen Ikterus handelt.
zu 15 % aus anderen Häm-haltigen Proteinen (Myoglobin, Enzyme). Gealterte Erythrozyten werden von den Makrophagen des retikulo-histiozytären Systems (RES) phagozytiert. Über die Zwischenstufe des Biliverdins wird aus Hämoglobin Bilirubin. Als unkonjugiertes Bilirubin ist es schlecht wasserlöslich, es wird darum nicht im Urin ausgeschieden. Reversibel an Albumin gekoppelt wird es zur Leber transportiert und in die Leberzelle aufgenommen. Im endoplasmatischen Retikulum wird es mit Glukuronsäure konjugiert (Glukuronidierung) und damit wasserlöslich (konjugiertes Bilirubin). In dieser Form wird es in die kleinen Gallengänge sezerniert (Abb. 12.2).
Die Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Bilirubin leitet sich vom unterschiedlichen Reaktionsverhalten (direkt/indirekt) in der Nachweisreaktion ab.
MERKE
12.2 Problemstellung
Die Gallenflüssigkeit und damit das Bilirubin fließen nach der Sekretion aus der Leberzelle über die kleinen und großen Albumin + Bilirubin
Glucuronyltransferase konjugiertes Bilirubin intrahepatischer Gallengang
extrahepatischer Gallengang
12.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Bilirubin ist das Abbauprodukt des Häm. Es entsteht zu 85 % aus Hämoglobin und
Abb. 12.2 Aufnahme, Konjugation und Exkretion von Bilirubin
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12 Ikterus intrahepatischen Gallenwege zum Ductus hepaticus dexter und sinister. Die extrahepatischen Gallenwege beginnen an der Leberpforte, wo sich beide zum Ductus hepaticus communis vereinigen. Nach wenigen Zentimetern mündet der Ductus cysticus in den Ductus hepaticus communis, ab der Einmündung heißt der Gallengang Ductus choledochus. Durch den Ductus cysticus fließt die Galle in das Reservoir der Gallenblase und – bei Nahrungsaufnahme – aus der Gallenblase wieder heraus. Der Ductus choledochus liegt im Ligamentum hepatoduodenale und zieht durch den Pankreaskopf zur Papilla duodeni major (Papilla Vateri). Dort mündet er zusammen mit dem Ductus pancreaticus ins Duodenum (Abb. 12.3).
Ductus hepaticus dexter sinister Ductus hepaticus communis Ductus Ductus choledochus cysticus Ductus pancreaticus
Gallenblase
Pankreas
Papilla duodeni major (Papilla Vateri) Abb. 12.3 Extrahepatische Gallenwege
165
90% des resorbierten Urobilinogens gelangen in die Leber
Ductus hepaticus Ductus choledochus Gallenblase 10% werden renal ausgeschieden
Papilla duodeni major
konjugiertes Bilirubin
Urobilinogen 20% des Urobilinogens werden resorbiert
80% des Urobilinogens gelangen in den Stuhl
Abb. 12.4 Ausscheidung und enterohepatischer Kreislauf von Bilirubin
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Leitsymptome Im Darm wird Bilirubin durch bakterielle Enzyme hydrolysiert und zu Urobilinogen reduziert. 80 % davon werden mit dem Stuhl ausgeschieden. 20 % werden zurückresorbiert. Von diesen gelangen 90 % wieder über den enterohepatischen Kreislauf in die Leber. 10 % des intestinal resorbierten Urobilinogens werden mit dem Urin ausgeschieden (Abb. 12.4).
12.4 Ursachen des Ikterus
166
Der Ikterus ist Ausdruck einer vermehrten Bilirubinablagerung in den Organen. Sichtbar wird er an Haut, Schleimhäuten und Skleren. Ursachen sind ein vermehrter Anfall von Bilirubin, eine verminderte Verarbeitung in der Leber oder eine verminderte Ausscheidung ins Duodenum. Je nach zu Grunde liegender Störung werden Farbauffälligkeiten von Urin und/oder Stuhl beobachtet.
12.4.1 Vermehrter Bilirubinanfall Ein vermehrter Anfall von Bilirubin tritt bei der Hämolyse auf. Als Hämolyse wird die Auflösung der Erythrozyten infolge der Zerstörung ihrer Zellmembran bezeichnet. Die Erythrozytenüberlebenszeit ist von normalerweise 120 Tagen auf wenige Tage bis Wochen verkürzt. Steigt die Menge des anfallenden, unkonjugierten Bilirubins auf das Dreifache der Norm an, wird die Kapazität der Leber zur Glukuronidierung überschritten. In der Folge steigt das unkonjugierte Bilirubin im Serum an. Da es nicht wasserlöslich ist, tritt es nicht in den Urin über, dieser bleibt hell. Die Glukuronidierung bleibt ungestört, ebenso der Galleabfluss, darum bleibt der Stuhl dunkel.
Tabelle 12.1 Ursachen des Ikterus Ikterusform
Auslöser
prähepatisch
Hämolyse (s. S. 170)
hepatisch
infektiös: Virushepatitis A, B, C, D, E, CMV, EBV (s. S. 170) Autoimmunhepatitis (s. S. 174) primär biliäre Zirrhose (s. S. 174) primär sklerosierende Cholangitis (s. S. 174) toxisch (Alkohol, Medikamente, andere Toxine; s. S. 172) graviditätsbedingt (s. S. 173) Morbus Wilson (s. S. 174) Hämochromatose (s. S. 174) Budd-Chiari-Syndrom Stauungsleber (s. S. 174)
posthepatisch
Gallengangssteine (s. S. 175) Gallengangsstriktur Gallengangskarzinom Pankreaskopfkarzinom (s. S. 178) Pankreatitis
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12 Ikterus 12.4.2 Gestörte Bilirubinverarbeitung Eine gestörte Verarbeitung von Bilirubin in der Leberzelle sieht man bei Leberparenchymschädigungen unterschiedlicher Ätiologie. Es kommt zu einem Anstieg des unkonjugierten und konjugierten Bilirubins in variablem Verhältnis. Dieses ist abhängig vom Ort der Schädigung innerhalb der Leberzelle und vom Mechanismus, mit der das schon konjugierte Bilirubin ins Blut gelangt. Im Blut kommt es zu einem Anstieg des konjugierten, wasserlöslichen Bilirubins, der Urin wird dunkel. Da der Galleabfluss oft ungestört ist, bleibt der Stuhl normal oder wird etwas heller.
12.4.3 Gestörter Bilirubinabfluss Einen gestörten Abfluss des Bilirubins mit der Galle sieht man bei Verlegung der intra- oder extrahepatischen Gallenwege. Da die Glukuronidierung durch die Leberzelle zunächst noch funktioniert, tritt glukuronidiertes, wasserlösliches Bilirubin ins Blut über und wird in der Folge renal ausgeschieden. Der Urin wird dunkel. Da die Galle nicht mehr in das Duodenum abfließt, wird der Stuhl heller (acholisch). Zu den wichtigsten Auslösern der verschiedenen Ikterusformen siehe Tab. 12.1.
12.5 Problemlösung Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Bei gezielter Nachfrage berichtet Ihr Patient über einen helleren Stuhl als sonst. Beim Urin ist ihm nichts aufgefallen. Klaus J. hat nie getrunken, was auch seine Frau glaubhaft versichert. Er ist Abteilungsleiter in einer großen Firma und keinen toxischen Substanzen ausgesetzt.
Der Patient nimmt Enalapril wegen eines Bluthochdruckes, der jetzt relativ gut eingestellt ist, und gelegentlich Diclofenac wegen Meniskusbeschwerden. Keine intravenösen Drogen in der Vergangenheit, keine größeren Reisen in der letzten Zeit, keine Bluttransfusionen, keine Gallensteine bekannt. Ähnliche Beschwerden waren bei ihm in der Vergangenheit nie aufgetreten. Bei Nachfrage etwas Inappetenz und vielleicht ein Gewichtsverlust von 1–2 kg, das weiß er nicht so genau. Aber er gibt an, dass er viel Stress hatte. Sonst bestehen eigentliche keine Beschwerden, vielleicht etwas Druck hier rechts (dabei zeigt er unter den rechten Rippenbogen).
167
Differenzialdiagnostische Überlegungen Das Spektrum der Ikterusursachen hat sich durch die Angaben, die Klaus J. macht, drastisch eingeschränkt. Die häufigste Ursache einer terminalen Leberinsuffizienz, der Alkoholabusus, scheidet aus. Risikofaktoren für eine Hepatitis A, B oder C bestehen jetzt nicht erkennbar, damit ist jedoch eine akute Virushepatitis nicht ausgeschlossen, ebenso wenig wie eine chronische, die bisher nicht bekannt war. Der Juckreiz wie auch die Stuhlentfärbung sprechen für einen Verschlussikterus. Ein Gallensteinleiden ist denkbar, aber der Patient hierfür nicht typisch. Die Verdachtsdiagnose ist besonders ein Malignom im Bereich des Pankreaskopfes und der Gallenwege. Weiter auf S. 177. Vorrangiges Ziel von Anamneseerhebung und körperlicher Untersuchung ist die Feststellung, ob ein prähepatischer, hepatischer oder posthepatischer Ikterus vorliegt. Die Beantwortung dieser Frage sollte so möglich sein. Erst nachgeordnet folgt die ätiologische Abklärung.
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Leitsymptome 12.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen Die ersten drei Fragen der Anamneseerhebung sind wichtig, um sich dem oben formulierten Ziel zu nähern. Sie lauten: Wie sehen Stuhl und Urin aus? Bestehen Schmerzen? Besteht Juckreiz?
Aussehen von Stuhl und Urin
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Die erste Frage betrifft die Farbe von Stuhl und Urin. Beim prähepatischen Ikterus durch Hämolyse steigt das unkonjugierte, wasserunlösliche Bilirubin an. Stuhl und Urin bleiben normal, also dunkel bzw. hell. Beim hepatischen Ikterus steigen das unkonjugierte und das konjugierte Bilirubin an, der Stuhl wird u. U. hell und der Urin wird dunkel. Beim posthepatischen Ikterus wird der Stuhl ebenfalls hell, u. U. fast weiß, der Urin wird dunkel, u. U. sehr dunkel (Tab. 12.2).
Schmerzen Die zweite Frage betrifft Schmerzen. Der prähepatische Ikterus verursacht keine Schmerzen im Bereich von Gallenblase oder Gallenwegen. Nur bei der Sphärozytose kommen abdominale Schmerzen auch während hämolytischer Krisen häufig vor. Der hepatische Ikterus ist meistens schmerzfrei. Es können jedoch, als Ausdruck einer Kapselspannung der Leber,
ein Druck- oder Organgefühl im rechten Oberbauch bestehen. Beim posthepatischen Ikterus kann die Gallenblase schmerzhaft vergrößert sein und es kann zu kolikartigen Schmerzen im Bereich der Gallenwege kommen (Tab. 12.2).
Juckreiz Die dritte Frage betrifft den Juckreiz. Er fehlt beim prähepatischen Ikterus, kann beim hepatischen Ikterus auftreten und ist typisch für den posthepatischen Ikterus mit Cholestase (Tab. 12.2). Die weitere Anamnese richtet sich dann nach dem dominierenden Verdacht.
Prähepatischer Ikterus Bei Verdacht auf einen prähepatischen Ikterus sollte nach bekannten Erkrankungen gefragt werden, die mit einer Hämolyse einhergehen können, insbesondere rheumatischen Erkrankungen, Kollagenosen, hämatologischen Erkrankungen und vorausgegangenen Virusinfekten. Außerdem ist nach Medikamenteneinnahme zu fragen: Folgende Fragen sollten deshalb beim Verdacht auf einen prähepatischen Ikterus gestellt werden: Bestehen Anämiesymptome, wie Schwindel, Kopfschmerzen, Leistungsminderung, Luftnot? Sind Sie früher schon mal gelb gewesen? Bestehen ähnliche Beschwerden in der Familie? Ist eine Erkrankung der roten Blutkörperchen bekannt?
Tabelle 12.2 Differenzialdiagnose des Ikterus prähepatisch
intrahepatisch
posthepatisch
Stuhl
normal
normal/hell
hell oder sehr hell
Urin
normal
dunkel
sehr dunkel
Schmerz
Ø
Ø/+
+/ ++
Juckreiz
Ø
Ø/+
++
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12 Ikterus plasmenpneumonie, eine infektiöse Mononukleose (Abb. 12.5) oder ein anderer Virusinfekt? Welche Medikamente werden eingenommen?
Ist ein Lymphom oder eine Leukämie bekannt? Ist eine Kollagenose bekannt? Bestehen Muskelschmerzen? Ist eine rheumatische Erkrankung oder ein systemischer Lupus erythematodes bekannt? Wurde eine Infektionskrankheit durchgemacht, wie etwa eine Myko-
Sehr selten wird man mit einem erwachsenen Patienten konfrontiert werden, der erstmals in seinem Leben einen hämolytischen Ikterus auf dem Boden einer bisher unbekannten Erkrankung entwickelt hat. Angeborene Formen hämolytischer Erkrankungen manifestieren sich meist in der Kindheit.
LERNTIPP
Abb. 12.5 Der Blutausstrich bei infektiöser Mononukleose zeigt die typische „PfeifferZelle“ (q)
Allerdings stehen beim prähepatischen hämolytischen Ikterus Anamnese und körperliche Untersuchung im Hinblick auf die Diagnosestellung und ätiologische Abklärung deutlich im Hintergrund.
169
Tabelle 12.3 Hämolytische Anämien Anämieform
Schädigungsmechanismus
korpuskulär
angeborene Membrandefekte (z. B. bei Sphärozytose, Abb. 12.6a) angeborene Enzymdefekte (z. B. bei Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel) angeborene Hämoglobin-Synthesestörungen (z. B. bei Thalassämie, Sichelzellanämie, Abb. 12.6b) erworbene Membrandefekte (paroxysmale nächtliche Hämoglobuinurie)
extrakorpuskulär
immunhämolytische Anämie (Allo-Antikörper): Fehltransfusion mit inkompatiblen Erythrozyten autoimmunhämolytische Anämie (Auto-Antikörper): n Wärme-Antikörper: idiopathisch oder sekundär bei Non-HodgkinLymphom, Morbus Hodgkin, Kollagenosen, Virusinfekte, Medikamente n Kälte-Antikörper: Virusinfekte, Lymphome Medikamente: Alpha-Methyldopa, Penicillin, Chinidin, Phenacetin, Sulfonamide, Isoniazid toxische Hämolyse mechanische Hämolyse: mechanische Herzklappen (Abb. 12.7) Parasiten: Plasmodien
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Leitsymptome Bei den hämolytischen Anämien werden korpuskuläre, meist angeborene, und extrakorpuskuläre, meist erworbene Formen, unterschieden. Zur Einteilung und den Auslösern siehe Tab. 12.3. Zur Symptomatik der chronischen Hämolyse gehören Anämiesymptome (Schwindel, Kopfschmerzen, Leistungsminderung, Dyspnoe) und die Splenomegalie. Akute hämolytische Krisen gehen mit Fieber, Schüttelfrost, Bauchschmerzen und Dunkelfärbung des Urins einher. Bei den erworbenen Formen stehen neben dem Ikterus die Symptome der Grundkrankheit im Vordergrund.
Schließlich treten Hämolysen bei mechanischer Schädigung der Erythrozyten durch mechanische Herzklappen auf (Abb. 12.7).
Hepatischer Ikterus Da die möglichen Ursachen eines hepatischen Ikterus außerordentlich zahlreich sind, ist die ätiologische Eingrenzung anamnestisch sehr schwierig oder häufig sogar unmöglich. Die erste Frage bei Verdacht auf hepatischen Ikterus betrifft den zeitlichen Verlauf : Ist der Ikterus akut aufgetreten? Tritt er rezidivierend auf oder besteht er seit längerem und nimmt zu?
Beachten Sie, dass die Selbstbeobachtung der Patienten sehr variabel ist. Unter Umständen wird ein milder Ikterus nicht erkannt, sei er rezidivierend oder schleichend aufgetreten.
LERNTIPP
170
a
b Abb. 12.6 Blutausstriche. a Sphärozytose: farbdichte Erythrozyten mit vermindertem Durchmesser (oo); b Sichelzellanämie: typisch sichelförmige Erythrozyten (*)
Abb. 12.7 Mechanische Herzklappe aus Kunststoff und Metall
Beim akut aufgetretenen, hepatischen Ikterus, der sich innerhalb weniger Tage entwickelt, sollte man primär an eine infektiöse Ursache denken, insbesondere an die Hepatitis A und B sowie an andere virale Hepatitiden, wie etwa die Zytomegalie(CMV) und Epstein-Barr-Virus-Infektion (EBV). Selten kann auch eine Hepatitis C eine akute Krankheit verursachen. Zu weiteren Erkrankungen, bei denen der zeitliche Verlauf einen anamnestischen Hinweis gibt, siehe Tab. 12.4. Besteht der Verdacht auf eine infektiöse Ursache, müssen mögliche Risiken für eine Virusübertragung abgeklärt werden. Dabei müssen Übertragungswege, Inkubationszeiten (Tab. 12.5) und das Beschwerdebild berücksichtigt werden. Die nächsten Fragen lauten also: Fühlen Sie sich krank? Welche Beschwerden bestehen? Seit wann? Sind Sie im Ausland gewesen? Wenn ja, wann und wo?
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12 Ikterus Tabelle 12.4 Hepatischer Ikterus zeitlicher Verlauf
Erkrankung
akut aufgetreten
akute Virushepatitis Fettleberhepatitis alkoholtoxische Hepatitis medikamenteninduzierte Hepatitis Gravidität Intoxikation
rezidivierend
Morbus Meulengracht
zunehmend
Leberzirrhose Stauungsleber
171
Autoimmunhepatitis seltenere Ursachen, wie z. B. Morbus Wilson
Tabelle 12.5 Virale Hepatitiden Hepatitis
Hauptübertragungswege
Inkubationszeit (Tage)
Chronifizierung
A
fäkal-oral
15–50
nein
B
sexuell, parenteral*, perinatal
40–200
ja
C
parenteral
15–155
ja, häufig
D
sexuell, parenteral; Simultanoder Superinfektion bei Hepatitis B
20—50
ja
E
fäkal-oral
20–55
nein
CMV
Schmier-, Tröpfcheninfektion, diaplazentar
20–60
nein
EBV
Speichel: „kissing-disease“
10—50
nein
* parenterale Übertragungswege: medizinische Instrumente, Transfusionen, intravenöse Drogen
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Leitsymptome
172
Man fragt nach diesem heiklen Thema natürlich etwas vorsichtig. Nicht: „Waren Sie im Bordell?“, sondern „Die Hepatitis B wird auch über Sexualkontakte übertragen. Gab es da irgendwelche Risiken?“.
Wurden oder werden intravenöse Drogen genommen? Gab es in der Vergangenheit Bluttransfusionen? Gibt es einen Partner mit chronischer Hepatitis? Das klinische Beschwerdebild bei der viralen Hepatitis ist sehr variabel. Dem Ikterus voraus geht eine unterschiedlich lange Prodromalphase mit Allgemeinsymptomen : Leistungsminderung subfebrile Temperaturen Myalgien Arthralgien Inappetenz Übelkeit Druckgefühl im rechten Oberbauch flüchtiges Exanthem.
Abb. 12.8 Alkoholzirrhose
Nach wenigen Tagen bis zu einer Woche setzt dann der Ikterus ein. Der Ikterus bei äthyltoxischer Leberzirrhose (Abb. 12.8) oder Hepatitis ist oft mit den typischen Zeichen des chronischen Alkoholkonsums verbunden. In diesem Fall wird als Erstes die Frage nach der Menge des konsumierten Alkohols gestellt: Wie viel, was, wie oft, seit wann trinken Sie? Allerdings kann man sich täuschen. Langjähriger, moderater Alkoholabusus kann die Leber zerstören, ohne Spuren im Gesicht des Betroffenen zu hinterlassen. Zu berücksichtigen ist bei der Frage nach dem Alkohol, dass in manchen Populationen Bier nicht als Alkohol gilt. Im Zweifelsfall muss explizit gefragt werden: Was trinken Sie? Bier, Wein, hochprozentige Alkoholika?
Die Angaben sollten genau sein. Nicht: „Hier und da mal ein Bierchen, manchmal auch etwas mehr“.
LERNTIPP
LERNTIPP
Wurden die üblichen Hygieneregeln bei der Nahrungszubereitung eingehalten? Bestanden Sexualkontakte?
Bei Patienten, die ihren Alkoholkonsum anscheinend zu niedrig angeben, lohnen die Fragen: Haben Sie schon einmal gedacht, dass Sie doch zu viel trinken? Was sagt Ihre Frau dazu? Haben Sie früher auch schon mal mehr getrunken? Weitere Beschwerden, nach denen gezielt gefragt werden muss, sind Inappetenz, Übelkeit, Gewichtsverlust und Oberbauchschmerzen. Hilfreich kann auch der CAGE-Test, ein anamnestischer Schnelltest zur Erkennung einer Alkoholproblematik, sein. Die vier Fragen des Tests lauten: C- cut down drinking: Hatten Sie jemals das Gefühl, Sie müssen Ihren Alkoholkonsum drosseln? A- annoyed: Waren Sie jemals über andere Menschen verärgert, weil diese Ihr Trinken kritisiert haben?
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12 Ikterus
Bereits bei zwei positiven Antworten besteht der dringende Verdacht auf eine Alkoholkrankheit. Auch zahlreiche Medikamente und Toxine können eine Leberschädigung mit Ikterus hervorrufen. Darum muss immer eine sorgfältige Anamneseerhebung erfolgen. Außerdem sollte explizit nach Pilzgenuss gefragt werden. Medikamente : Paracetamol, Testosteron, Thyreostatika, Isoniazid, Halothan, Tetrazyklin, Chlorpromazin, Ajmalin Toxine : Knollenblätterpilz, Alkohol, Tetrachlorkohlenstoff, Drogen (Ecstasy) Bei Frauen muss immer nach einer Schwangerschaft gefragt werden. Es gibt schwangerschaftsabhängige Lebererkrankungen, die mit einem Ikterus einhergehen (Tab. 12.6). Der rezidivierende, leichte Ikterus ist typisch für den Morbus Meulengracht. Es handelt sich um eine häufige (5 % der Bevölkerung), harmlose, autosomal-dominant vererbte Konjugationsstörung mit gestörter Bilirubinaufnahme in die Leberzelle. Die Betroffenen berichten über immer wieder auftretende Gelbfärbung der Augen. Die Familienanamnese ist oft positiv. Weitere Symptome sind manchmal un-
charakteristische abdominale Beschwerden, Müdigkeit und Depression. Ein hepatischer Ikterus, der sich schleichend einstellt und zunimmt, ist meistens Ausdruck einer chronischen Leberschädigung mit Übergang in die Zirrhose (Tab. 12.4). Häufig ist die Grundkrankheit bereits bekannt. Die erste Frage bei einem länger bestehenden, zunehmenden Ikterus lautet also: Ist eine chronische Lebererkrankung bekannt? In jedem Falle muss nach Infektionsrisiken für die Hepatitis B und C (s. S. 171) und nach einem Alkoholabusus gefragt werden (s. S. 172). Diese beiden Gruppen verursachen 90 % der Leberzirrhosen. Zur Chronifizierung viraler Hepatitiden siehe Tab. 12.5.
Häufigkeit der Auslöser chronischer Lebererkrankungen mit Zirrhose und Ikterus: Alkohol 60 % Chronische Virushepatitis 30 % Andere 10 %
173
MERKE
G- guilty: Hatten Sie jemals Schuldgefühle, wenn Sie an Ihren Alkoholkonsum denken? E- eye opener: Brauchten Sie je am Morgen „einen zum Ruhigwerden“?
Zusätzliche Beschwerden entstehen bei der Leberzirrhose durch den Ausfall weiterer Funktionen der Leber : allgemeine Symptome wie Leistungsminderung, Müdigkeit, Gewichtsverlust, Meteorismus und Übelkeit, hormonelle Störungen, Ge-
Tabelle 12.6 Ikterus in der Schwangerschaft Erkrankung schwangerschaftsunabhängig
Virushepatitis (häufigste Ursache)
schwangerschaftsabhängig
idiopathischer Schwangerschaftsikterus (zweithäufigste Ursache) HELLP-Syndrom (Sonderform der Präeklampsie mit hemolysis, elevated liver enzyms, low platelet count) Ikterus bei Hyperemesis gravidarum akute Schwangerschaftsfettleber (sehr selten)
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Leitsymptome Tabelle 12.7 Symptome bei chronischer Leberinsuffizienz und Leberzirrhose Störung
Symptom
allgemeine Symptome
Leistungsminderung Müdigkeit Gewichtsverlust Meteorismus Übelkeit
hormonelle Störungen
Libidoverlust Potenzstörungen Menstruationsstörungen sekundäre Amenorrhö
174
Gerinnungsstörung
Blutungsneigung
portale Hypertension
abdominelles Spannungsgefühl bei Aszites Ödeme
hepatische Enzephalopathie
Schläfrigkeit Verwirrung Konzentrationsstörungen
rinnungsstörungen, Beschwerden der portalen Hypertension, hepatische Enzephalopathie (Tab. 12.7). Diese Beschwerden sollten gezielt abgefragt werden, insbesondere: Hatten Sie schon mal eine Ösophagusvarizenblutung (s. S. 78) oder Wasser im Bauch, einen so genannten Aszites?
Andere Zirrhoseursachen sind selten (Tab. 12.8) und lassen sich auch nur bedingt anamnestisch erfassen: Die Autoimmunhepatitis betrifft überwiegend Frauen und ist häufig mit anderen Autoimmunerkrankungen, wie dem systemischen Lupus erythematodes, vergesellschaftet. Die primär biliäre Zirrhose betrifft ebenfalls fast nur Frauen. Bereits frühzeitig, evtl. vor dem Ikterus, tritt Juckreiz auf. Häufig bestehen Abgeschlagenheit und Leistungsminderung.
Die primär sklerosierende Cholangitis (Abb. 12.9) betrifft Männer häufiger als Frauen. In 80 % der Fälle besteht gleichzeitig eine Colitis ulcerosa. Bei der hereditären Hämochromatose kommt es zu einer Eisenablagerung in Leber, Pankreas, Haut, Herz, ZNS. Bei Auftreten des Ikterus besteht durch die Pankreasschädigung häufig bereits ein Diabetes mellitus, der wegen der dunklen Hautpigmentierung „Bronzediabetes“ genannt wird. Beim Morbus Wilson kommt es zu Kupferablagerung in den Organen. Auffällig ist der Kayser-Fleischer-Ring (Abb. 12.10), eine goldbraun-grüne Verfärbung des Kornealrandes. Neben der Zirrhose bestehen neurologischpsychiatrische Symptome. Die „Stauungszirrhose“, mit einer indurierten, atrophischen Stauungsleber, kann am Ende einer langjährigen Herzinsuffizienz stehen.
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12 Ikterus
Der posthepatische Ikterus entsteht durch eine extra- oder intraluminale Verlegung bzw. Kompression der großen, extrahepatischen Gallenwege (Tab. 12.9).
Abb. 12.9 Primär sklerosierende Cholangitis in der ERCP: Multiple extrahepatische Gallengangsstrikturen (sog. Perlschnurphänomen)
Der posthepatische Ikterus ist anamnestisch charakterisiert durch Stuhlentfärbung, dunklen Urin, Juckreiz und häufig durch Oberbauchschmerzen. Diese treten kolikartig als Schmerz der Gallenwege oder als Kapselspannungsschmerz der Leber auf. Die Anamnese ist kurz. Die häufigste Ursache sind Gallengangssteine und Tumore (intra- oder extraluminal). Die Abgrenzung von Stein- und Tumorverschluss gelingt oft anamnestisch. Die erste Frage lautet: Sind Steine bekannt?
MERKE
Posthepatischer Ikterus
175
Und dann: Wann wurde die letzte Ultraschalluntersuchung des Abdomens durchgeführt? Abb. 12.10 Kayser-Fleischer-Ring bei Morbus Wilson (o)
Tabelle 12.8 Seltene Zirrhoseformen mit Ikterus Erkrankung
Anamnese
Autoimmunhepatitis
Autoimmunerkrankungen bekannt
primär biliäre Zirrhose
Juckreiz
primär sklerosierende Cholangitis
Colitis ulcerosa
hereditäre Hämochromatose
Diabetes mellitus
Morbus Wilson
neurologisch-psychiatrische Symptome
Stauungszirrhose
Herzinsuffizienz
Notwendig zur Unterscheidung zwischen Gallengangssteinen (s. S. 30) und Tumoren als Auslöser des Ikterus ist weiterhin die Kenntnis des zeitlichen Verlaufs des
Tabelle 12.9 Posthepatischer Ikterus Lage
Auslöser
intraluminale Obstruktion
Choledochusstein Gallengangskarzinom Papillenkarzinom narbige Striktur Parasiten (Askariden)
extraluminale Kompression
Pankreaskopfkarzinom (s. S. 178) Pankreatitis
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Leitsymptome Steinverschluss
Tumorverschluss
bekannte Steine
keine Steine bekannt
rezidivierende Beschwerden
gleichmäßig progredienter Ikterus
rezidivierende acholische Stühle
anhaltende Stuhlentfärbung
kolikartige Schmerzen
Schmerz: über kurze Zeiträume (Tage) gleichmäßig über lange Zeiträume (Wochen) zunehmender
erst Schmerz, dann Ikterus
Gewichtsverlust
oft adipöse, kinderreiche Frauen
oft Männer
LERNTIPP
Liegen bei einer rezidivierenden Cholangitis die drei Symptome rechtsseitiger Oberbauchschmerz, Fieber und Ikterus vor, so wird dies als Charcot-Trias bezeichnet.
Ein erhöhtes Gallensteinrisiko haben Patienten, auf die die 5xF-Regel zutrifft: „Female (weiblich), fat (adipös), fair (hellhäutig), fourty, fertile (fruchtbar).” Demgegenüber führt der Tumorverschluss zu einem progredienten Ikterus mit anhaltender Stuhlentfärbung. Außerdem nimmt der Tumorschmerz kontinuierlich zu. Der Patient mit Pankreaskopfkarzinom ist überwiegend männlich, oft bestehen Inappetenz, Übelkeit und Gewichtsverlust.
Eine Gallengangskompression kann bereits bei sehr kleinen Tumoren auftreten, u. U. fehlt eine Allgemeinsymptomatik völlig.
Auch narbige Strikturen können zu einem Ikterus führen. Die Frage nach vorausgegangenen Operationen im Bereich von Gallenblase und Gallenwegen ist deshalb obligatorisch.
Anamneseerhebung beim posthepatischen Ikterus: Zeitlicher Verlauf von Ikterus, Stuhlentfärbung, Schmerzen Fieber, Schüttelfrost? Inappetenz, Übelkeit, Gewichtsverlust? Vorausgegangene Operationen? Bekannte Steine der Gallenblase oder der Gallenwege?
MERKE
Ikterus und des Schmerzcharakters (Tab. 12.10). Der schmerzhafte Steinverschluss ist kolikartig, mit scharfen Schmerzspitzen und geht dem Ikterus etwa 24 Stunden voraus. Der Verschluss ist meist inkomplett und intermittierend, der Ikterus damit wechselnd intensiv. Der Stuhl ist häufig nur kurzzeitig acholisch. Oft lässt sich eine Vorgeschichte ähnlicher Beschwerden anamnestisch erfassen.
176
MERKE
Tabelle 12.10 Unterschiede zwischen Stein- und Tumorverschluss
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12 Ikterus 12.5.2 Körperliche Untersuchung bei Ikterus
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Sie sehen einen ikterischen Patienten in leicht reduziertem Allgemeinzustand und gutem Ernährungszustand. Er wirkt nicht krank. Bei der körperlichen Untersuchung besteht ein Druckschmerz im rechten Oberbauch, die Bauchdecke ist etwas adipös, die Gallenblasenregion lässt sich palpatorisch schlecht beurteilen. Die übrige körperliche Untersuchung ist völlig unauffällig.
a
177
Differenzialdiagnostische Überlegungen Der Druckschmerz im Oberbauch unterstützt die Annahme eines Verschlussikterus. Die gesamte Situation: Geschlecht, Lebensalter, Vorgeschichte, Druckschmerz im Oberbauch, lässt bei Klaus J. eher einen malignen Tumor vermuten als einen Steinverschluss. Weiter auf S. 179.
Inspektion Die körperliche Untersuchung beginnt bei der Anamneseerhebung mit der Beurteilung des Gesichtes, v. a. der Skleren und des Gesamteindrucks. Wie sind Allgemein- und Ernährungszustand? Liegt eine Kachexie vor? Besteht der Verdacht auf Alkoholabusus? Bei genauer Analyse soll die Farbtönung des Ikterus Auskunft über die Ursache geben können: blass-zitronengelb (Flavinikterus) beim prähepatischen Ikterus, rötlich-gelb (Rubinikterus) beim hepatischen Ikterus und dunkelgelb-grünlich (Verdinikterus) beim posthepatischen Ikterus.
b Abb. 12.11 a Spider-Nävus; b DupuytrenKontraktur
Achten Sie auf bestehende Leberzeichen: Spider-Nävi (Teleangiektasien, Abb. 12.11a), Palmarerythem, Weißnägel oder Dupuytren-Kontraktur (Abb. 12.11b). Außerdem achten Sie auf Blutungen und Hämatome. Dies kann ein Hinweis auf Gerinnungsstörungen sein. Auch die Untersuchung des Abdomens beginnt mit der Inspektion: Ist der Bauch gebläht? Gespannt? Bestehen periumbilikale Venenerweiterungen (Abb. 12.12) oder eine Bauchglatze? Besteht eine Gynäkomastie (Abb. 12.12)? Diese Zeichen sind hinweisend auf portokavale Anastomosen (s. S. 78) bei portaler Hypertension bzw. Hormonstörungen.
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Leitsymptome Perkussion Beim Verdacht auf eine Lebererkrankung muss die Perkussion zunächst klären, ob Meteorismus (s. S. 184) oder Aszites (s. S. 151 und Abb. 12.12) bestehen. Bei der Leberzirrhose geht dem Aszites der Meteorismus oft voran. („Erst kommt der Wind, dann der Regen“.) Aszites ist nur bei weit fortgeschrittenen Lebererkrankungen vorhanden.
Palpation Palpatorisch wird dann die Organbeschaffenheit von Leber, Gallenblase und Milz untersucht sowie eine evtl. vorhandene Schmerzhaftigkeit.
178
rand ebenfalls abgerundet und weich. Bei der akuten Leberstauung besteht außerdem ein Druckschmerz.
Gallenblase Die gesunde Gallenblase ist nicht tastbar und bei Palpation schmerzfrei. Zwei wichtige pathologische Befunde bei der Palpation der Gallenblase sind das: Courvoisier’ law : die Gallenblase ist prall gefüllt tastbar und schmerzlos. Dies gilt als Zeichen für eine Gallenwegsobstruktion, die nicht durch einen Stein bedingt ist (Abb. 12.13). Und das Murphy-Zeichen: plötzlicher Stopp der tiefen Inspiration wegen Schmerzen bei Palpation der Gallenblase.
Leber Die Leber wird im Hinblick auf Größe, Form und Konsistenz untersucht (s. S. 19). Eine Lebervergrößerung sieht man bei der akuten Hepatitis, aber auch beim Verschlussikterus und bei kardialer Stauung. Das Endstadium der Leberzirrhose ist durch eine Verkleinerung der Leber gekennzeichnet. Der Leberrand ist bei der akuten Hepatitis abgerundet und weich, bei der Zirrhose scharf und hart. Bei der Stauungsleber und beim Verschlussikterus ist der Leber-
dilatierter Ductus choledochus
Pankreaskopfkarzinom Abb. 12.13 Courvoisier’ law: das Pankreaskopfkarzinom führt zu einer großen, tastbaren Gallenblase
eingeklemmter Stein Chronisch-entzündlich verdickte Gallenblasenwand
Abb. 12.12 Aszites bei Leberzirrhose mit begleitendem Nabelbruch und Gynäkomastie
Abb. 12.14 Der Steinverschluss des Ductus choledochus führt nicht zu einer Vergrößerung der Gallenblase, da diese in den meisten Fällen eine entzündlich verdickte Gallenblasenwand aufweist
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12 Ikterus Die Ursache eines Ikterus bei prall gefüllter Gallenblase sind meistens Karzinome, v. a. ein Pankreaskopfkarzinom und, seltener, ein Gallengangskarzinom oder ein Papillenkarzinom. Im Unterschied dazu ist bei Gallengangssteinen, die zu einem Gallengangsverschluss führen, eine lang bestehende, chronische Cholezystitis anzunehmen. Durch diese kommt es zu einer Wandstarre, die eine Ausdehnung der Gallenblase verhindert (Abb. 12.14). Allerdings kann auch ein Steinverschluss zu einer Prallfüllung führen und die fehlende Prallfüllung schließt einen Tumor nicht aus.
12.6 Weitergehende Diagnostik
Milz Beim gesunden Erwachsenen ist die Milz nicht palpabel. Eine tastbar vergrößerte Milz findet man bei portaler Hypertension auf dem Boden einer Leberzirrhose und bei der hämolytischen Anämie. Zu den unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen bei den verschiedenen Ikterusformen siehe Tab. 12.11.
Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Bei Herrn J. wird eine Sonographie durchgeführt. Sie sehen eine deutlich vergrößerte, prall gefüllte Gallenblase. Der Ductus choledochus ist auf knapp 2 cm erweitert (Normwert: Extrahepatisch altersabhängig I 7 mm). Ein Konkrement in Gallengang oder Gallenblase besteht nicht (Abb. 12.15). Die Pankreasregion ist schlecht einsehbar. Sie erkennen jedoch eine echoarme Raumforderung im Bereich des Pankreaskopfes (Abb. 12.16). In der Leber fallen etwas betonte Gallengänge auf, das Parenchym ist unauffällig. Die Milz ist nicht vergrößert.
179
Tabelle 12.11 Körperliche Untersuchung bei Ikterus prähepatisch
hepatisch
posthepatisch
Ikterus blass-zitronengelb (s. S. 168)
Ikterus gelblich-rötlich (s. S. 170)
Ikterus gelblich-grünlich (s. S. 175)
Palpation: Leber unauffällig
Palpation: Leber normal, groß oder klein
Palpation: Leber normal oder vergrößert
Leberhautzeichen? Aszites? Kachexie? Zeichen der portalen Hypertension? periphere Ödeme? Splenomegalie
Milz normal oder Splenomegalie
Milz normal
Palpation: kein Druckschmerz im Gallenblasenbereich
Palpation: Leber u. U. empfindlich (Spannungsschmerz)
Palpation: Gallenblase schmerzhaft? Gallenblase normal oder tastbar
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Leitsymptome Tabelle 12.12 Laborwerte
Abb. 12.15 Prall gefüllte Gallenblase mit Sediment. Außerdem erkennbar der gestaute Ductus choledochus (q)
Parameter
Patient
Norm
Alkalische Phosphatase (AP)
526 U/l
40–129 U/l (5)
g-GT
257 U/l
I 66 U/l (5)
GOT
63 U/l
I 50 U/l (5)
GPT
54 U/l
I 50 U/l (5)
direktes Bilirubin
3,5 mg/dl
0,05–0,3 mg/dl
indirektes Bilirubin
im Normbereich
I 0,8 mg/dl
180
12.6.1 Sonographie
Abb. 12.16 Oberbauchquerschnitt im Bereich des Pankreas: Pankreaskopfkarzinom (q)
Laborwerte Die bei Herrn J. bestimmten Laborwerte sind in Tab. 12.12 dargestellt.
Differenzialdiagnostische Überlegungen In der Zusammenschau von Sonographie und Laborwerten mit Anstieg der cholestaseanzeigenden Enzyme und des direkten Bilirubins ist die Diagnose so gut wie gesichert: Es liegt ein Verschlussikterus bei Pankreaskopfkarzinom vor. Die Transaminasenerhöhung ist Ausdruck eines stauungsbedingten leichten Leberzellschadens.
Ebenso wie bei der Anamnese und der körperlichen Untersuchung ist das Ziel der weiterführenden Diagnostik zunächst die Einordnung des Ikterus als prähepatisch, hepatisch oder posthepatisch und dann natürlich die ätiologische Abklärung.
Die wichtigste Untersuchung ist die Sonographie zur bildlichen Darstellung der relevanten Organe: Gallenwege, Leber und Milz. Durch die Sonographie wird eine extraoder intrahepatische Abflussstörung der mittleren oder großen Gallenwege sicher nachgewiesen oder ausgeschlossen. Dazu erfolgt die Darstellung des Ductus choledochus, des Ductus hepaticus, der Gallenblase und der intrahepatischen Gallenwege. Die Leber wird im Hinblick auf akute und chronische Veränderungen (Form, Oberfläche, Binnenmuster) untersucht, die Milz wird vermessen. Eine große Milz bei gesunder Leber und ohne Zeichen einer portalen Hypertension spricht für einen hämolytischen Ikterus. Eine große Milz mit Zeichen einer chronischen Leberschädigung und erweiterten Gefäßen des Pfortadereinzugsgebietes spricht für einen hepatischen Ikterus.
12.6.2 Labordiagnostik Nach der bildgebenden Diagnostik wird die gezielte Labordiagnostik durchgeführt:
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12 Ikterus
Nachgeordnet wird dann die ätiologische Abklärung durchgeführt. Bei Verdacht auf einen hepatischen Ikterus werden die Enzyme bestimmt, die einen Leberzellschaden anzeigen. Beim hepatischen Ikterus sind: direktes Bilirubin erhöht, die Transaminasen GOT und GPT erhöht und die stauungsanzeigenden Enzyme g-GT und alkalische Phosphatase erhöht. Die Syntheseleistung der Leber wird über die Bestimmung von Cholinesterase, Albumin und Gerinnungsfaktoren (Quick-Wert) ermittelt. Je nach dominierendem Schädigungsbild wird dann, mehr oder weniger breit angelegt, die ätiologische Diagnostik durchgeführt: Virusserologie, immunologische Untersuchung, Fahndung nach Störungen des Eisenstoffwechsels (Bestimmung von Serumeisen, Plasmaferritin, Transferrinsättigung) und Kupferstoffwechsels (Bestimmung von Zöruloplasmin und freiem Kupfer im Serum). Weiterführende Diagnostik bei Ikterus: Sonographie: n Gallenwege erweitert? n Leber mit Zeichen der akuten oder chronischen Stauung? n Portale Hypertension? (Befund: Verbreiterung der Pfortader und der Zuflussvenen) n Milzgröße? Laboruntersuchungen
Beim posthepatischen Ikterus werden die cholestaseanzeigenden Enzyme bestimmt, g-GT und alkalische Phosphatase sind erhöht. Jedoch steht beim posthepatischen Ikterus die Lokalisierung des Abflusshindernisses im Vordergrund. Dies gelingt meistens mit der Sonographie. Auch die Ursache lässt sich meistens sonographisch erkennen, z. B. Steinverschluss, Pankreaskopfoder Gallengangskarzinom. Im Zweifelsfalle bringen Endosonographie, Computertomographie oder ERCP Klarheit.
Weiterführende Untersuchungen bei posthepatischem Ikterus: Sonographie Endosonographie Computertomographie des Abdomens ERCP
MERKE
Bei Verdacht auf einen prähepatischen Ikterus werden zunächst die Hämolyseparameter nachgewiesen. Beim prähepatischen Ikterus sind indirektes Bilirubin erhöht, Retikulozyten erhöht, LDH erhöht und Hämoglobin, Erythrozyten, Hämatokrit erniedrigt.
181
12.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnose von Herrn J. wird durch die morphologische Darstellung des Pankreasprozesses über Endosonographie gesichert. Goldstandard ist dann die histologische Untersuchung einer intraoperativ gewonnenen Gewebeprobe. Auch der Tumormarker Ca 19-9 wird bestimmt.
In Tab. 12.13 sind die wegweisenden Symptome zu den Erkrankungen, die einen Ikterus verursachen können, und die dazugehörige Maßnahme zur Diagnosesicherung aufgeführt.
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Leitsymptome Tabelle 12.13 Diagnostik
182
Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
hämolytische Anämie
Anamnese
Labordiagnostik
alkoholtoxische Hepatitis
Anamnese
Transaminasen (GOT i GPT, g-GT), Histologie
Hepatitis A
Anamnese: Fernreise
HAV-Antikörper
Hepatitis B
Anamnese: Drogenabusus, Sexualkontakte
HBs-Antigen, Hepatitis B-DNA
Hepatitis C
intravenöser Drogenabusus
HCV-Antikörper, HCV-RNA
Hepatitis D
intravenöser Drogenabusus, Sexualkontakte
HDV-Antikörper
Hepatitis E
Anamnese: Fernreisen
HEV-Antikörper
Autoimmunhepatitis
dran denken
antinukleäre Antikörper
primär biliäre Zirrhose
Frauen, Juckreiz
antimitochondriale Antikörper, IgM quantitativ, Histologie
primär sklerosierende Cholangitis
bekannte Colitis ulcerosa
ERCP, Histologie, P-ANCA
Hämochromatose
dran denken, Familienanamnese
molekularbiologische Diagnostik
Morbus Wilson
dran denken
Kupfer im Urin erhöht, Zöruloplasmin im Serum erniedrigt
Leberzirrhose
Anamnese (Alkohol, Virushepatitis)
Sonographie, ChE, Quickwert, Albumin, Histologie
Gallengangsstein
Klinik (Frauen, Adipositas, bekannte Steine)
Sonographie, ERC
Pankreaskopfkarzinom
Gewichtsverlust, Männer
Sonographie, Endosonographie, Ca19-9
Chronische Kopfpankreatitis
Anamnese, Alkoholabusus
Sonographie, ERCP
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12 Ikterus 12.7.1 Therapieansätze In Tab. 12.14 sind die Therapieansätze bei Erkrankungen, die mit einem Ikterus einhergehen, aufgeführt.
Tabelle 12.14 Therapieansätze beim Ikterus Erkrankungen
Therapieansätze
hämolytische Anämie
kausal bei bekanntem Auslöser; Immunsuppression (Kortikosteroide, Azathioprin, Cyclophosphamid); Splenektomie
alkoholtoxische Hepatitis
Alkoholkarenz
Leberzirrhose
wenn möglich Behandlung der Grundkrankheit, Behandlung von Komplikationen (Aszites, Ösophagusvarizen), Lebertransplantation
Hepatitis A
keine spezifische Therapie, symptomatische Maßnahmen
Hepatitis B
akut: keine Therapie chronisch: a-Interferon, Lamivudin (Epivir), Adefovir
Hepatitis C
akut: a-Interferon chronisch: a-Interferon plus Ribavirin
Hepatitis D
bisher keine wirksame antivirale Therapie vorhanden
Hepatitis E
keine Therapie vorhanden
Autoimmunhepatitis
Immunsuppression (Kortikosteroide, Azathioprin)
primäre biliäre Zirrhose
Ursodeoxycholsäure, symptomatisch: Cholestyramin, mittelkettige Triglyceride, Ultima ratio: Lebertransplantation
primär sklerosierende Cholangitis
Ursodeoxycholsäure, Ballondilatation von Gallengangsstenosen, Lebertransplantation
Hämochromatose
183
eisenarme Diät und primäre Form: Aderlässe n sekundäre Form: Deferoxamin n
Morbus Wilson
kupferarme Diät, D-Penicillamin (Kupferchelatbilder)
Gallengangsstein
ERC mit Papillotomie und Steinextraktion, Operation
Pankreaskarzinom
Operation mit kurativer Zielsetzung (selten möglich), palliative Operation
chronische Pankreaskopfpankreatitis
Pankreasteilresektion: Duodenum erhaltende Kopfresektion
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Leitsymptome Differenzialdiagnostische Überlegungen
13 Meteorismus
Meistens findet sich für Meteorismus keine zugrunde liegende Ursache. Oft wird er aber durch die Ernährung mit blähenden Speisen ausgelöst. Gelegentlich ist Meteorismus jedoch auch Ausdruck von Verdauungs- oder Resorptionsstörungen: Pankreasinsuffizienz, Laktoseintoleranz, portal venöse Stauung, entzündliche Darmerkrankungen. Weiter auf S. 187.
13.1 Begriffe
184
Meteorismus (synonym Blähbauch): Aufblähung der Darmschlingen durch vermehrten Gasgehalt. Flatulenz (synonym Windabgang): Abgang von Darmgas. Wird fälschlich manchmal synonym zu Meteorismus verwendet. Völlegefühl : Gefühl des Aufgeblähtseins, rasches Sättigungsgefühl bei Nahrungsaufnahme. Aufstoßen: Hochbringen von Luft aus dem Magen. Aerophagie : Luftschlucken.
13.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht des Patienten Der 25-jähriger Stefan J. kommt zu Ihnen in die Sprechstunde und berichtet über einen quälenden Blähbauch. Morgens, erzählt er, sind die Beschwerden noch erträglich. Im Laufe des Tages hat er dann aber das Gefühl, „aufzublähen wie ein Ballon“. Er muss dann oft den Hosenknopf öffnen. Wenn es möglich ist, erleichtert er sich durch Windabgang. Gleichartige Beschwerden hatte er vor Jahren schon des Öfteren. Seit einem Jahr treten sie nun immer wieder auf, in den letzten Monaten haben sie nochmals erheblich zugenommen.
Die Klage über Blähungen gehört zu den häufigsten in der gastroenterologischen Praxis und ist fast immer Ausdruck eines normalen Verdauungsprozesses oder einer Störung im Rahmen funktioneller Beschwerden. Gelegentlich ist der Meteorismus aber auch Folge einer organisch bedingten Verdauungsinsuffizienz. Unabhängig von der Ursache fühlen sich die Betroffenen oft gravierend in ihrem Wohlbefinden eingeschränkt. Aus diesem Grunde, und auch, um ein Wandern der Betroffenen von einem Arzt zum nächsten („doctor hopping“) zu verhindern, sollte man die Beschwerden ernst nehmen und mit einem diagnostischen Basisprogramm abklären.
13.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie Gas im Magen-Darm-Trakt ist normal: Der Gasgehalt im Gastrointestinaltrakt beträgt beim Gesunden bis zu 200 ml, davon befindet sich 1/ 3 im Magen und 2/ 3 befinden sich im Dickdarm. Gas gelangt auf drei Wegen in den Gastrointestinaltrakt hinein und auf drei Wegen wieder hinaus. Hinein kommt es durch Luftschlucken, durch gashaltige Nahrungsmittel und durch Gasbildung im Darm. Hinaus kommt es durch Aufstoßen, Windabgang und Resorption mit anschließendem Abatmen. Die subjektive Empfindung für Gas ist sehr variabel. Viele Menschen spüren bereits geringe Gasmengen als Blähung, während andere, trotz erheblicher Gasansammlung, keinerlei Blähgefühl spüren.
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13 Meteorismus Zu einer Gasvermehrung im Magen-DarmTrakt kommt es, wenn zu viel Gas aufgenommen wird (Luftschlucken, Nahrungsmittel) bzw. entsteht oder wenn Gas nicht in genügender Weise eliminiert wird (vermindertes Aufstoßen und verminderter Windabgang):
Vermehrte Gasaufnahme mit Nahrungsmitteln Alle CO2-haltigen Getränke können zu einem vermehrten Gasgehalt im Darm führen.
Vermehrte Gasbildung Vermehrtes Luftschlucken Mit jedem Bissen Nahrung wird etwas Luft verschluckt. Auch bei tiefer Inspiration gelangt Luft in den Magen. Ein vermehrtes Luftschlucken geschieht bei hastigem Essen und wenn während des Essens viel geredet wird. Nicht selten schlucken Menschen unbewusst aber willkürlich Luft, die anschließend teilweise wieder aufgestoßen wird, meistens auf dem Boden einer Verhaltensstörung, oft im Rahmen anderer funktioneller Beschwerden.
Die vermehrte Gasbildung kann nahrungsoder krankheitsbedingt sein (Tab. 13.1). Bei der nahrungsbedingten vermehrten Gasbildung gelangen mehr unverdaute Kohlenhydrate in den Dickdarm, es kommt zu einer vermehrten bakteriellenzymatischen Gasbildung. Beim gesunden Menschen prädisponieren hierfür Gemüse wie Kohl, Lauch, Zwiebeln, Hülsenfrüchte, aber auch frisches Brot, Vollkornbrot, Obst und Müsli. Krankheitsbedingte Störungen, die vermehrt unverdaute Kohlenhydrate in das Kolon gelangen lassen, sind die etwa bei der Diarrhö beschleunigte Darmpassage, Laktoseintoleranz (s. S. 47), Pankreasinsuffizienz, Sprue (s. S. 47 und Abb. 13.1), Kurzdarmsyndrom (s. S. 217).
185
Tabelle 13.1 Vermehrte Gasbildung
a
Ursache
Auslöser
Nahrung
Kohl Lauch Zwiebeln Hülsenfrüchte Vollkornbrot und frisches Brot Obst Müsli
Krankheit
Diarrhö mit beschleunigter Darmpassage Laktoseintoleranz
b Abb. 13.1 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen a Dünndarmmukosa mit Zotten (Vergr. 1:600); b Zottenatrophie bei Sprue (q, 2000x)
Pankreasinsuffizienz Sprue Kurzdarmsyndrom
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Leitsymptome Vermindertes Aufstoßen Die häufigste Ursache, die zu einer verminderten oder einem aufgehobenen Aufstoßen führt, ist die operative Verengung des Mageneinganges, die Fundoplicatio (Abb. 13.2), die zur Behandlung der Refluxkrankheit (s. S. 89) durchgeführt wird. Es handelt sich um eine unerwünschte
Zwerchfell fertige Manschette 360-Grad Magen
Folge, die bei bis zu 15 % der Operierten auftritt. Auch gesellschaftliche Zwänge sind für vermindertes Aufstoßen verantwortlich.
Verminderter Windabgang Die häufigste Ursache hierfür ist die willkürliche Unterdrückung aus gesellschaftlichen Gründen. Verständlich, aber ungesund. Außerdem führen Motilitätsstörungen zu einem verminderten Windabgang: häufigste Ursache ist das Reizdarmsyndrom, aber auch der Diabetes mellitus mit autonomer Polyneuropathie.
Verminderte Resorption Im Dünndarm des Gesunden findet sich kaum Gas, da es resorbiert wird. Resorptionsstörungen sind häufig bei der Rechtsherzinsuffizienz und der portalen Hypertension.
186
Abb. 13.2 Fundoplicatio nach Nissen: Der Magenfundus wird mobilisiert und eine aus dem Magenfundus gebildete Falte wird um den terminalen Ösophagus geschlungen und mit 3–5 Nähten vernäht
13.4 Ursachen des Meteorismus Die Ursachen des Meteorismus sind nach Häufigkeiten geordnet in Tab. 13.2 dargestellt.
Tabelle 13.2 Ursachen des Meteorismus Vorkommen
Erkrankung
häufig
keine erkennbare Ursache Reizdarmsyndrom Diätfehler Aerophagie Laktoseintoleranz Medikamente (Laktulose)
weniger häufig
Herzinsuffizienz portale Hypertension
selten
Fundoplicatio (s. Abb. 13.2) Pankreasinsuffizienz Kurzdarmsyndrom (s. S. 217) Sprue (s. S. 47)
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13 Meteorismus 13.5 Problemlösung Die vier gasbedingten Beschwerdebilder Meteorismus vermehrtes Aufstoßen vermehrter Windabgang und vermehrte Darmgeräusche können unabhängig voneinander auftreten, aber auch in variablen Kombinationen. Sie werden sehr unterschiedlich geschildert : Mit Äußerungen wie: „Ich werde immer dicker“, oder: „Ich merke, dass im Laufe des Tages mein Bauch anschwillt. Ich muss gegen Abend immer den Hosenknopf aufmachen“, wird der typische Blähbauch (Meteorismus) geschildert. Andere Patienten berichten: „Ich habe so viel Luft im Bauch. Ich muss immer aufstoßen.“ Oder ein Patient schildert: „Ich habe so furchtbare Blähungen. Ich traue mich schon gar nicht mehr unter Menschen.“ Und schließlich hört man: „Ich habe so ein furchtbares Grummeln im Bauch. Ich werde schon darauf angesprochen, so laut ist das.“
13.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Herr J. erklärt, dass die Beschwerden zunächst in wenig ausgeprägter Form bestanden, jetzt jedoch sehr schlimm geworden sind. Zu den Ernährungsgewohnheiten Ihres Patienten erhalten Sie folgende Angaben: Eine eindeutige Zuordnung zum Verzehr bestimmter Nahrungsmitteln kann Herr J. nicht erkennen. Der Patient ernährt sich gesund, mit viel Gemüse und Obst, morgens frühstückt er Müsli mit Milch. Auch tagsüber trinkt Ihr Patient Milch, insgesamt etwa 1/ 2 Liter pro Tag. Er isst wenig fri-
sches Brot, nimmt keine kohlensäurehaltigen Getränke zu sich. Sein Appetit ist gut, sein Gewicht konstant, er hat keine Schmerzen. Keine Übelkeit, kein Erbrechen, kein Durchfall. Stefan J. hatte bisher keine gravierende Erkrankung, insbesondere ist keine Erkrankung im Bereich des Magen-Darm-Traktes, der Leber, oder des Pankreas bekannt. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme. Kein Alkoholgenuss.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Eine gravierende, zugrunde liegende Erkrankung lässt sich nicht eruieren. Das konstante Gewicht und der Durchfall machen eine ernsthafte Verdauungsinsuffizienz sehr unwahrscheinlich. Blähungen bei so genannter gesunder, ballaststoffreicher Kost sind nicht selten. Als Differenzialdiagnose, die eine therapeutische Konsequenz hätte, muss in Fällen wie diesem, eine Laktoseintoleranz in Erwägung gezogen werden. Bei dieser Erkrankung besteht aufgrund eines Laktasemangels die Unfähigkeit, Laktose in Galaktose und Glukose zu spalten. Die Laktoseintoleranz ist häufig, 10–15 % der deutschen Bevölkerung im Erwachsenenalter sind an ihr erkrankt. Weiter auf S. 189.
187
Aufstoßen, Windabgang und Darmgeräusche sind bei Meteorismus häufig. Wenn eines der Symptome isoliert auftritt, liegen oft besondere Beschwerden vor, die abgefragt werden sollten. Meteorismus kann sehr quälen. Zunächst fragt man: Wo drückt es Sie und was tut Ihnen weh? Oft ist der gesamte Bauch betroffen. Nicht selten dominiert auch eine der Flexuren, rechts oder links. Als Roemheld-Syndrom wird das Beschwerdebild eines quälenden Meteorismus im Bereich der linken Flexur bezeichnet, der zu kardialem und thorakalem Beklemmungsgefühl und zu Palpitationen führen kann.
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Leitsymptome
Häufig berichten die Betroffenen: „Ich esse sehr gesund.“ Genau das kann die Ursache sein. Müsli in Milch, viel Gemüse und Vollkornbrot können Blähungen verursachen. Einzelne Auslöser sollten gezielt abgefragt werden: Löst Milch die Beschwerden aus? Haben Sie schon einmal komplett auf Milch verzichtet? Bei der Laktoseintoleranz (s. S. 47) ist der Zusammenhang zum Milchkonsum oft evident. Schon die Milch im Kaffee genügt manchmal, um Symptome auszulösen. Auch nach dem Verzehr von frischem Brot sollte gefragt werden, oder ob Brot selbst hergestellt und dann sehr frisch gegessen wird. Die anderen Nahrungsmittel und Getränke, die zu Blähungen führen können, sollten im Zweifel einzeln abgefragt (Tab. 13.1) werden. Die meisten Menschen kennen die Zusammenhänge zwischen Nahrung und Blähungen, nachfragen ist dennoch sinnvoll.
Auch interessiert, wie gegessen wird: Essen Sie hastig? Oder unter Zeitdruck? Dann wird nach Begleitphänomenen gefragt: Haben Sie Durchfall oder Verstopfung? Wechseln sich beide ab? Besteht eine Reizdarmsymptomatik? Werden Winde unterdrückt? Hängt Luft fest oder können Sie sie ablassen? Bestehen Schmerzen? Blähungen beim Reizdarmsyndrom sind oft mit diffusen oder wandernden Schmerzen, Obstipation im Wechsel mit Diarrhöen (s. S. 57) und Flatulenz verbunden. Eine seltene Ursache des Meteorismus ist die exokrine Pankreasinsuffizienz bei chronischer Pankreatitis (Abb. 13.3). In diesem Falle bestehen oft rezidivierende, starke Mittelbauchschmerzen (s. S. 37). Oft liegt dann auch ein Gewichtsverlust (s. S. 193) vor oder es besteht eine Diarrhö. Ein anhaltender Gewichtsverlust muss auch an ein Kolonkarzinom denken lassen. Stenosen im Rahmen eines Morbus Crohn (s. S. 218) können zum Meteorismus und kolikartigen Schmerzen führen.
Begleitphänomene bei Meteorismus: Schmerzen Obstipation (s. S. 111) Flatulenz Gewichtsverlust (s. S. 193) und Diarrhö (s. S. 45).
MERKE
188
Aufstoßen wird oft demonstriert, kurz Luft verschluckt und wieder hochgebracht. Nicht selten liegt dem eine Verhaltensstörung zugrunde. Fast immer fehlt dann eine Einsicht in den Mechanismus: Erst verschlucken, dann hochbringen. Wenn über unangenehmen Windabgang ohne Blähbeschwerden berichtet wird, liegt oft nur eine falsche Vorstellung vom normalen Verdauungsprozess vor. Selbst in Gesellschaft wird es nicht immer möglich sein, Winde zu unterdrücken. Patienten mit neurotischen Störungen haben häufig Angst vor unwillkürlichem Windabgang. Dies kann das soziale Leben stark einschränken: „Ich traue mich schon nirgendwo mehr hin.“ Darmbewegungen und Darmgeräusche werden oft von solchen Patienten als unangenehm empfunden, die zu einer vermehrten Selbstbeobachtung neigen. Häufig treten sie bei funktionellen Darmbeschwerden auf. Zur strukturierten Anamneseerhebung fragt man nach den Ernährungsgewohnheiten des Patienten: Was essen Sie?
Abb. 13.3 Chronisch vernarbende Pankreatitis mit Inseln (1), exokrinen Parenchymresten (2) und narbigem Bindegewebe (3); HE, 100x
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13 Meteorismus Tabelle 13.3 Fragen nach Vorerkrankungen bei Meteorismus System
Erkrankung
Leber
chronische Leberentzündung
Pankreas
chronische Pankreatitis
Darm
Laktoseintoleranz, Sprue, Morbus Crohn
Herz
Herzinsuffizienz
Stoffwechsel
Diabetes mellitus
Vorerkrankungen Vorerkrankungen sollten in jedem Fall abgefragt werden: Leber-, Pankreas-, Darm-, Herz- und Stoffwechselerkrankungen (Tab. 13.3).
Medikamenteneinnahme Abschließend wird nach Medikamenten gefragt, die eingenommen werden (Abführmittel) und natürlich nach Maßnahmen, die gegen die Symptomatik getroffen wurden.
13.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Fortsetzung
Körperliche Untersuchung Die körperliche Untersuchung ist komplett unauffällig. Auch das Abdomen ist jetzt, während der Untersuchung, nicht gebläht. „Das ist der Vorführeffekt“, sagt der Patient.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Tatsache, dass bei der körperlichen Untersuchung der Befund völlig unauffällig ist, spricht nicht gegen einen relevanten Meteorismus und nicht gegen eine Laktoseintoleranz.
Die körperliche Untersuchung hilft nur bedingt weiter. Bei einigen Patienten wird man den Befund eines massiv geblähten, gespannten Bauches mit hypersonorem Klopfschall erheben. Dies ist allerdings auch manchmal bei Patienten der Fall, die kein Gefühl von Blähungen haben. Oft wird auch bei Patienten mit typischen Blähsymptomen ein normaler abdominaler Befund vorliegen. Ein normaler Untersuchungsbefund spricht keineswegs gegen die Krankheit und das Beschwerdebild Meteorismus. Das sollte man dem Patienten sagen, sonst fühlt er sich unter Umständen als Hypochonder missverstanden oder nicht ernst genommen. Bei der Untersuchung des Abdomens wird man nach einem Aszites (s. S. 151) fahnden, nach einer Adipositas (manche Menschen führen ihre alimentär bedingte Bauchumfangsvermehrung auf Luft im Bauch zurück, s. S. 139) und nach Leberhautzeichen (s. S. 177).
189
13.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Weitergehende Diagnostik Sie lassen die in Tab. 13.4 aufgeführten Blutwerte bestimmen und führen eine Sonographie des Abdomens durch. Alle bei der Blutabnahme bestimmten Parameter liegen im Normbereich. Die Sonographie des Abdomens ist ebenfalls unauffällig. Sie empfehlen dem Patienten einen 10-tägigen kompletten Verzicht auf Milch und Milchprodukte. Anschließend berichtet er, es gehe ihm wesentlich besser.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Tatsache, dass eine 10-tägige Milchkarenz zu einer deutlichen Beschwerdelinderung führt, spricht sehr deutlich für eine Laktoseintoleranz.
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Leitsymptome Tabelle 13.4 Laborwerte
190
Parameter
Patient
Norm
Leukozyten
6500/ml
4000–10000/ml
Hämoglobin (Hb)
14,3 g/dl
14,0–18,0 g/dl (5)
Thrombozyten
233 Tsd/ml
150–350 Tsd/ml
GOT
23 U/l
I 50 U/l (5)
GPT
38 U/l
I 50 U/l (5)
g-GT
32 U/l
I 66 U/l (5)
a-Amylase
64 U/l
I 100 U/l
Harnsäure
4,7 mg/dl
2,6–6,4 mg/dl
Cholesterin gesamt
205 mg/dl
120–250 mg/dl
Triglyceride
89 mg/dl
75–150 mg/dl
Kreatinin
0,8 mg/dl
0,5–1,2 mg/dl
BKS nach Westergren
8 und 12 mm
3–10 mm/h (5)
Tabelle 13.5 Weitergehende Diagnostik bei Meteorismus Maßnahme
Befund
Interpretation
Abdomenübersichtsaufnahme
Luft im Darm
vermehrter Gasgehalt
Sonographie des Abdomens
Luft im Darm portale Hypertension
vermehrter Gasgehalt Leberzirrhose
Ösophago-GastroDuodenoskopie mit Probeexzision
makroskopisches Bild, histologische Untersuchung
Sprue, entzündliche Darmerkrankung
ungenügende Laktosespaltung
Laktoseintoleranz
Entzündungszeichen erhöht?
entzündliche Darmerkrankung
Leberwerte erhöht?
Lebererkrankungen
meiden bestimmter Nahrungsmittel und Reexpositionstest
Auslösbarkeit durch Nahrungsmittel
Unverträglichkeit, Allergie
Stuhluntersuchung
verminderte Pankreasenzyme
Pankreasinsuffizienz
Funktionstests: Laktosetoleranztest H2-Atemtest Labor
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13 Meteorismus Die weitergehenden Untersuchungen können der Verifizierung der Gasansammlung dienen sowie dem Nachweis oder dem Ausschluss einer organisch greifbaren Ursache (Tab. 13.5).
erfolgt die orale Gabe einer definierten Laktosemenge und anschließend die Bestimmung der Blutglukose. Bei einem Laktasemangel kann die Laktose nicht in Galaktose und Glukose gespalten werden und der zu erwartende Blutzuckeranstieg bleibt aus. Einfacher ist der Reexpositionsversuch, der in diesen Fällen regelhaft von erneuten Beschwerden gefolgt ist.
13.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Um die Diagnose bei Herrn J. zu untermauern, kann ein Laktosetoleranztest durchgeführt werden: Bei diesem Test
Die wegweisenden Symptome und Befunde zur Diagnosesicherung stellt Tab. 13.6 dar.
Tabelle 13.6 Diagnostik
191
Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
funktionell
Anamnese: Wechsel von Obstipation und Diarrhö, Abdominalbeschwerden, jahre- bis jahrzehntelanger Verlauf
Ausschluss anderer Ursachen
alimentär (durch die Ernährung bedingt)
Anamnese
Auslassversuch
Laktoseintoleranz
Milchunverträglichkeit; Flatulenz
Auslassversuch, Reexposition, Laktosetoleranztest, H2-Atemtest
Sprue
Anamnese: Tenesmen* nach Exposition, familiäre Häufung von Diarrhö, pathologischer D-Xylose-Test, Vit-B12und Eisenmangelanämie, Osteoporose, Steatorrhö, Diarrhö; dran denken!
tiefe Dünndarmbiopsie (Zottenatrophie, entzündliches Infiltrat), Gliadin-, Endomysium-, Transglutaminase-Antikörper, Ansprechen auf glutenfreie Diät
Pankreasinsuffizienz
Anamnese: Steatorrhö, häufig Alkoholabusus
Chymotrypsin und Pankreaselastase im Stuhl
Kurzdarmsyndrom
Anamnese: ausgedehnte Darmresektion
Anamnese
portale Hypertension
Rechtsherzinsuffizienz: rechtsventrikuläre Belastung/Insuffizienz im EKG, Lebererkrankung
Sonographie
Rechtsherzinsuffizienz
Anamnese, Klinik: Dyspnoe, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Druck in der Lendengegend
klinische Untersuchung, Echokardiographie
Fundoplicatio
Anamnese: Refluxerkrankung
Endoskopie
* beständiger schmerzhafter Stuhl- oder Harndrang
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Leitsymptome 13.7.1 Therapieansätze Die therapeutischen Möglichkeiten bei Meteorismus sind in Tab. 13.7 aufgeführt.
Tabelle 13.7 Therapie des Meteorismus
192
Erkrankung
Therapie
funktionell
Meiden blähender Speisen; symptomatisch: Kümmel, Fenchel, Dimeticon (Kompensanr), Prokinetika: Domperidon, krampflösend: Mebeverin
alimentär
Meiden blähender Speisen; symptomatisch: Kümmel, Fenchel, Dimeticon (Kompensanr)
Laktoseintoleranz
Milchkarenz, laktosefreie Milch, Laktasesubstitution
Sprue
glutenfreie Diät
Pankreasinsuffizienz
kohlenhydratreiche Ernährung mit häufigen kleinen Mahlzeiten, Substitution von Pankreasenzymen
Kurzdarmsyndrom
schlecht therapierbar; wegen des häufig auftretenden sekundären Laktasemangels sollte auf den Genuss von Milch verzichtet werden!
portale Hypertension
Behandlung der Grundkrankheit; symptomatisch: Kümmel, Fenchel, Dimeticon (Kompensanr)
Rechtsherzinsuffizienz
Therapie der Grundkrankheit; ACE-Hemmer, Diuretika, b-Blocker (ohne partiell agonistische Wirkung), Herzglykoside
Fundoplicatio
meiden blähender Speisen und kohlendioxidhaltiger Getränke, Verzehr kleiner Speisemengen
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14 Ungewollter Gewichtsverlust Größe (m)
Gewicht (kg)
Body-MassIndex 2 (BMI) (kg/m )
2,00 1,95 1,90
14 Ungewollter Gewichtsverlust
150 140
1,85
40
130 120
14.1 Begriffe Ungewollter Gewichtsverlust: Ungewollter Verlust von mehr als 5 % des Körpergewichtes innerhalb von 6 Monaten. Untergewicht: Body-Mass-Index (BMI, s. S. 139 und Abb. 14.1) I 18,5 kg/m2. Kachexie: Schwere Form der Abmagerung mit allgemeiner Atrophie.
14.2 Problemstellung Fallbeispiel Bericht der Patientin In Ihrer Praxis stellt sich die 52-jährige Hanne O. vor. Sie berichtet davon, dass sie immer dünner, „immer weniger“ werde, wie sie es ausdrückt. Frau O. hat im Laufe des letzten halben Jahres ca. 10 kg an Gewicht verloren. Und das, obwohl sie ständig Hunger hat und auch reichlich isst. Sie gibt an „sogar mehr als früher“ zu essen. Die Patientin macht sich jetzt langsam Sorgen und meint „das kann doch so nicht weitergehen“.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Ein ungewollter Gewichtsverlust hat meistens eine gravierende Ursache und muss abgeklärt werden. Häufigste Ursache ist eine verminderte Nahrungsaufnahme wegen Inappetenz aus unterschiedlichsten Gründen. Weniger
1,80
1,75
1,70
35
110 100 z.B. Größe 1,77 m 90 Gewicht 85 kg = BMI 27 80
30
193 25
70 60
1,65
20
50
15
1,60
1,55 Linie 1
2
3
Abb. 14.1 BMI-Nomogramm: Um den BMI zu ermitteln, verbindet man mit einem Lineal die Größe (Linie 1) mit dem Gewicht (Linie 2). Am Schnittpunkt mit Linie 3 wird der BMI abgelesen
häufig ist eine Störung der Verdauung (Maldigestion) oder eine Störung der Resorption (Malresorption). Bei der Patientin ist die spontan berichtete Tatsache, dass sie vermehrt isst, auffällig. Deshalb muss an eine Hyperthyreose mit Erhöhung des Grundumsatzes ge Weiter auf S. 196. dacht werden.
Bei den Menschen in Deutschland stehen in der Regel Energieaufnahme und Energieverbrauch in einem Gleichgewicht und das Körpergewicht ist mehr oder weniger
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Leitsymptome
14.3 Rekapitulation von Anatomie und Physiologie
194
Um unser Körpergewicht zu halten, brauchen wir eine ausreichende Nahrungszufuhr, eine ausreichende Verdauungsund Absorptionskapazität und einen gleich bleibenden Energieverbrauch.
14.4 Ursachen des ungewollten Gewichtsverlusts Die Ursachen des Gewichtsverlusts allgemein sind: verminderte Nahrungsaufnahme gestörte Verdauung und Absorption erhöhter Metabolismus und Kalorienverlust. Nicht selten bestehen mehrere Ursachen gleichzeitig. Ursache einer verminderten Nahrungsaufnahme sind Inappetenz, Begleitphänomene bei der Nahrungsaufnahme, Schwierigkeiten, die Nahrung aufzunehmen, psychische Störungen und besondere Lebensumstände. Für Inappetenz gibt es viele Gründe: maligne Tumoren Autoimmunerkrankungen chronische Entzündungen: primär chronische Polyarthritis, Kollagenosen chronische Infektionen: Tuberkulose (Abb. 14.2), HIV-Infektion Magenerkrankungen: Gastritis, Karzinom Pankreaserkrankungen: Pankreatitis, Karzinom Lebererkrankungen: chronische Hepatitis (s. S. 173) Lungenerkrankungen: COPD, Emphysem
Herzerkrankungen: Herzinsuffizienz Nierenerkrankungen: Niereninsuffizienz, Glomerulonephritis, Pyelonephritis Obstipation Medikamente Drogen- und Alkoholabusus (s. S. 172).
Begleitphänomene wie Schmerzen und Übelkeit, aber auch psychische Störungen und eine Vielzahl von Lebensumständen, können zu einer verminderten Nahrungsaufnahme führen (Tab. 14.1). Ursachen einer gestörten Verdauung und Absorption sind die exokrine Pankreasinsuffizienz (s. S. 188) und entzündliche Darmerkrankungen: die Sprue (s. S. 47) und der Morbus Crohn (s. S. 218). Das Kurzdarmsyndrom (s. S. 217) nach einer Darmteilresektion führt durch den Verlust von Resorptionsfläche zu einer verminderten Absorption. Eine seltene Ursache ist das Karzinoid.
Ursachen für einen Gewichtsverlust durch ungenügende Verdauung oder Absorption sind die exokrine Pankreasinsuffizienz, die Sprue, der Morbus Crohn und das Kurzdarmsyndrom. Selten auch das Karzinoid.
MERKE
konstant. Wenn es zu einem Ungleichgewicht kommt, dann meistens durch eine zu hohe Energiezufuhr: Die Leute werden ungewollt zu dick (s. S. 139). Wird eine Diät eingehalten, kommt es günstigstenfalls zu einem gewollten Gewichtsverlust. Der ungewollte Gewichtsverlust ist die Ausnahme: Meistens liegt ihm eine gravierende gesundheitliche Störung zugrunde und er muss abgeklärt werden.
Abb. 14.2 Kachektischer Tuberkulose-Patient
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14 Ungewollter Gewichtsverlust Tabelle 14.1 Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme, verminderte Nahrungsaufnahme Ursache Schmerzen
Ösophaguskarzinom (s. S. 106), Magenkarzinom, Ulcus ventriculi, chronische Pankreatitis, Morbus Crohn (s. S. 218)
Übelkeit
Ulcus ventriculi und duodeni (s. S. 68), Gastritis, diabetische Gastroparese, Medikamente, Gravidität
psychische Störungen
Depression, Anorexia nervosa, Psychosen
Lebensumstände
Armut, Stress, fehlende Zeit, schadhaftes Gebiss, Apoplex (Paresen), Altersheim, hohes Lebensalter
Ursachen eines erhöhten Metabolismus mit kalorischem Mehrbedarf sind körperliche Mehrarbeit, Hyperthyreose, chronisch entzündliche und infektiöse Erkrankungen und Tumorerkrankungen, wie das Phäochromozytom (Abb. 14.3) oder maligne Tumoren.
Abb. 14.3 Phäochromozytom: bräunlichfleischiger Tumor (o), der vom tiefgelben Saum der Nebenniere umgeben ist (*)
MERKE
Ein Gewichtsverlust bei kalorischem Mehrbedarf kommt vor bei: körperlicher Mehrarbeit Hyperthyreose chronisch entzündlichen und infektiösen Erkrankungen und Tumoren: Phäochromozytom (Abb. 14.3), maligne Tumoren.
195
Ursache eines Kalorienverlustes sind die Glukosurie beim Diabetes mellitus und die Albuminurie beim nephrotischen Syndrom. Tab. 14.2 stellt die Ursachen des ungewollten Gewichtsverlustes nach ihren Häufigkeiten dar.
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Leitsymptome Tabelle 14.2 Ursachen des ungewollten Gewichtsverlustes Vorkommen
Ursache
häufig
hohes Alter maligner Tumor Hyperthyreose chronisch obstruktive Lungenerkrankung Herzinsuffizienz Alkoholismus
weniger häufig
Depression Psychose Ulkuskrankheit (s. S. 68)
196
chronische Pankreatitis (s. S. 188) chronische Hepatitis (s. S. 173) Morbus Crohn (s. S. 218) Sprue (s. S. 47) Drogenabusus selten
Phäochromozytom (Abb. 14.3) HIV-Infektion Kurzdarmsyndrom Karzinoid
14.5 Problemlösung 14.5.1 Anamneseerhebung und erste differenzialdiagnostische Überlegungen
Fallbeispiel
Fortsetzung
Gezielte Anamnese Wegen des Gewichtsverlustes, trotz guten Appetites und reichlicher Nahrungszufuhr, fragen Sie Frau O. zunächst nach Symptomen der Hyperthyreose. Bestehen Nervosität, Wärmein-
toleranz, Diarrhö, eine bekannte Schilddrüsenerkrankung? Nervosität und Wärmeintoleranz werden von Frau O. bejaht. Außerdem hat sie eine erhöhte Stuhlfrequenz bemerkt, aber keinen eigentlichen Durchfall. Eine Schilddrüsenerkrankung ist bisher nicht bekannt. Des Weiteren erfahren Sie, dass die Patientin keine Schmerzen, insbesondere keine abdominalen, hat. Außerdem keine Übelkeit, kein Erbrechen, kein Blutabgang. Internistische Vorerkrankungen liegen nicht vor, vor allem keine Erkrankungen im Bereich des Magen-Darm-Traktes. Auch die Lunge ist gesund, kein Nikotinabusus. Keine
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14 Ungewollter Gewichtsverlust regelmäßige Medikamenteneinnahme. Kein Fieber. Kein ausgeprägtes Krankheitsgefühl.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Hyperthyreose ist weiterhin die wichtigste Differenzialdiagnose. Allerdings bleiben konsumierende Erkrankungen zu berücksichtigen. Angesichts der fehlenden Durchfälle erscheint eine Maldigestion oder eine Malabsorption eher unwahrscheinlich. Weiter auf S. 199. Die ersten Fragen, die man einem Patienten mit Gewichtsverlust stellt, lauten: Wie viel Gewicht haben Sie verloren und in welcher Zeit?
Wollten Sie Gewicht verlieren (Abb. 14.4), haben Sie eine Diät gemacht? Oder fand der Gewichtsverlust ungewollt statt? Im Folgenden geht es nur um den ungewollten Gewichtsverlust. Die nächste Frage kann bei der Anamneseerhebung viele Umwege ersparen, sie lautet: Haben Sie selbst eine Erklärung für den Gewichtsverlust? Hat sich irgendetwas für Sie geändert? Mögliche Antworten sind: „Ja, ich hatte in der letzten Zeit viel Stress, der mir auf den Magen geschlagen ist.“ Oder: „Ich habe einen neuen Arbeitsplatz. Morgens muss ich eine Stunde fahren, ich habe nicht mehr genügend Zeit zum Essen.“ Oder auch: „Mir ist immer schlecht, sobald ich anfange zu essen.“ In diesen Fällen kann man die nächsten Schritte überspringen und gezielt weiterfahnden. Oft berichtet der Patient aber auch, dass alles beim Alten ist. Dann muss man systematisch vorgehen. Zunächst sollte man den zeitlichen Verlauf des Gewichtsverlustes genau erfragen. Seit wann bemerken Sie den Gewichtsverlust? Schwankt Ihr Gewicht? Wie hoch waren in den letzten Jahren Ihr niedrigstes und Ihr höchstes Gewicht? Wie viel wiegen Sie jetzt? Haben Sie Ihr Essverhalten geändert? Essen Sie weniger oder gleich bleibend oder sogar mehr?
197
In den meisten Fällen wird weniger gegessen. Hauptgründe sind (Tab. 14.3): Inappetenz und Begleitphänomene (Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall) bei der Nahrungsaufnahme. Seltener sind: psychische Störungen und äußere Umstände, die die Nahrungsaufnahme erschweren. Abb. 14.4 Anorexia nervosa
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Leitsymptome Inappetenz ist ein Symptom vieler Erkrankungen (s. S. 194) und eine häufige Nebenwirkung bei Medikamenteneinnahme, darum sollte man ganz allgemein fragen: Sind bei Ihnen schwere oder chronische Erkrankungen bekannt? Nehmen Sie Medikamente? Wenn diese Fragen nicht weiterhelfen, kann man versuchen, die einzelnen Organsysteme einzeln abzufragen. Immer sollte man fragen, ob Begleitphänomene bei der Nahrungsaufnahme bestehen: Leiden Sie zusätzlich zum Gewichtsverlust unter Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall?
198
MERKE
Zusammen mit einem Gewichtsverlust sind diese Symptome meistens Ausdruck einer organischen Erkrankung (s. Tab. 14.2).
Funktionelle Beschwerden führen selten zu einem Gewichtsverlust.
Ausdrücklich sollte man nach seelischen Störungen fragen: Haben Sie Stress oder Kummer? Leiden Sie an einer Depression? Hatten Sie in der Vergangenheit eine Essstörung (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa)? Und schließlich sollte man nicht vergessen, dass äußere Umstände zu einer erschwerten Nahrungsaufnahme führen können: Bei jungen Menschen die fehlende Zeit und der Stress infolge beruflicher Belastung, bei alten Menschen etwa ein defektes Gebiss oder eine Lähmung nach Apoplex. Und schließlich kann auch Armut, unter Umständen in Verbindung mit anderen Ursachen, wie einem defekten Gebiss, schlechten äußeren Lebensumständen, Obdachlosigkeit, Alleinsein, unzureichender Kochmöglichkeit und evtl. Alkoholabusus, zu einer verminderten Nahrungsaufnahme führen.
Tabelle 14.3 Gewichtsverlust durch verminderte Nahrungsaufnahme Grund
Ausprägung
Inappetenz
Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme
Begleitphänomene
Schmerz, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall
seelische Störungen
Stress, Kummer, Depression, Essstörung
äußere Umstände
Zeitmangel, Stress, Armut
Ein Gewichtsverlust trotz ausreichender oder sogar gesteigerter Nahrungsaufnahme ist typisch für einen erhöhten Umsatz. Der banalste Grund dafür ist eine erhöhte körperliche Aktivität, darum sollte danach gefragt werden. Die klassische Differenzialdiagnose, die berücksichtigt werden muss, ist die Hyperthyreose. Fragen Sie also: Hatten oder haben Sie eine Schilddrüsenerkrankung? Haben Sie Herzrasen, Nervosität oder Durchfall bemerkt? Besteht Wärmeintoleranz? Auch maligne Tumore (Abb. 14.5) und chronische Infektionen führen zu einem
Abb. 14.5 Bronchioskopiebefund eines Karzinoids (q) in der Lunge
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14 Ungewollter Gewichtsverlust
LERNTIPP
erhöhten Kalorienbedarf. Sie müssen differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden.
Der Appetit ist eher eingeschränkt bei neoplastischen und entzündlichen Grunderkrankungen. Der Appetit ist eher gesteigert bei Hyperthyreose, Diabetes mellitus und Darmparasitosen.
14.5.2 Körperliche Untersuchung
Fallbeispiel
Durch die Atrophie des Wangenfettpfropfs werden die Gesichtszüge scharf und kantig und es entsteht das typische Gesicht eines Patienten mit Kachexie (s. S. 193). Ursachen sind Tumoren, HIV-Infektionen, aber auch schwere pulmonale Insuffizienz. Dann erfolgt eine systematische und komplette Untersuchung sämtlicher Organsysteme (s. S. 6).
14.6 Weitergehende Diagnostik Fallbeispiel
Fortsetzung
Fortsetzung Weitergehende Diagnostik
Körperliche Untersuchung Frau O. ist eine schlanke Patientin, die bei der Untersuchung nervös und etwas schwitzig erscheint. Im Bereich von Kopf und Hals fällt ihnen auf, dass die Schilddrüse etwas vergrößert ist. Ansonsten erheben sie keinen gravierenden pathologischen Befund im Bereich des Kopfes oder des Halses. Über den Lungen sonorer Klopfschall und vesikuläres Atemgeräusch. Die Herzaktionen ist regelmäßig, die Herzfrequenz beträgt 112/min, der Blutdruck 145/90 mmHg. Das Abdomen ist weich, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung und keine Resistenzen. Keine Lymphknotenvergrößerungen.
Differenzialdiagnostische Überlegungen Die Tachykardie passt gut zu einer Hyperthyreose. Hinweise für andere Erkrankungen bestehen aufgrund des körperlichen Untersuchungsbefundes nicht. Die körperliche Untersuchung beginnt mit dem Messen und Wiegen. So wird geklärt, ob ein Untergewicht besteht (s. S. 193). Durch die Inspektion wird deutlich, ob eine Muskelatrophie im Bereich der Extremitäten besteht und ob es zu einer Atrophie des Wangenfettpfropfes gekommen ist.
Zur weiteren Abklärung der Ursache wird eine Blutentnahme durchgeführt. Deren Ergebnisse zeigt Tab. 14.4.
199
Differenzialdiagnostische Überlegungen Es liegt das Bild einer Hyperthyreose vor. Hieran besteht angesichts der Blutwerte kein Zweifel: supprimiertes TSH und erhöhte periphere Schilddrüsenhormone. Die leichte Leukozytose ist Begleitphänomen der Hyperthyrease. Da einem ungewollten Gewichtsverlust meistens eine organische und ernst zu nehmende Ursache zugrunde liegt, wird eine definitive Abklärung angestrebt. Eine weitergehende Diagnostik wird daher meistens nötig sein. Sie besteht aus Laboruntersuchung, Sonographie des Abdomens, Ösophago-Gastro-Dudenoskopie und Koloskopie sowie Röntgenaufnahme des Thorax (Tab. 14.5). Folgende Laboruntersuchungen werden durchgeführt: Blutbild Transaminasen Amylase Blutzucker TSH HIV-Test und harnpflichtige Substanzen: Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin.
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Leitsymptome Tabelle 14.4 Laborwerte
200
Parameter
Patientin
Norm
Leukozyten
11900/ml
4000–10000/ml
Hämoglobin (Hb)
12,2 g/dl
12–16 g/dl (4)
Thrombozyten
232 Tsd/ml
150–350 Tsd/ml
GOT
34 U/l
I 35 U/l (4)
GPT
33 U/l
I 35 U/l (4)
g-GT
32 U/l
I 39 U/l (4)
Cholesterin gesamt
144 mg/dl
120–250 mg/dl
Triglyceride
82 mg/dl
75–150 mg/dl
a-Amylase
40 U/l
I 100 U/l
TSH basal
I 0,3 mU/l
0,3–4,0 mU/l
freies Trijodthyronin (fT3)
9,0 pg/ml
3,0–6,0 pg/ml
freies Thyroxin (fT4)
2,8 ng/dl
0,5–2,3 ng/dl
Tabelle 14.5 Weitergehende Diagnostik bei ungewolltem Gewichtsverlust Untersuchung
Parameter
Interpretation
Labor
Blutbild
Anämie, Vitamin B12, Eisenmangel
Transaminasen
Lebererkrankung
a-Amylase
chronische Pankreatitis
Blutzucker
Diabetes mellitus
TSH
Hyperthyreose
HIV-Test
HIV-Infektion
Harnstoff
Nierenerkrankung
Kreatinin
Nierenerkrankung
Harnsäure
kataboler Stoffwechsel
Leber, Pankreas, Aszites?
maligner Tumor, chronische Pankreatitis
Schleimhautbefund
Entzündung Ulkus maligner Tumor
Raumforderung, Emphysem
bronchiale Neoplasie, COPD
Sonographie des Abdomens Endoskopie: Ösophagogastroduodenoskopie, Koloskopie Röntgenaufnahme des Thorax
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14 Ungewollter Gewichtsverlust Die Auswahl und Reihenfolge richtet sich nach der Verdachtsdiagnose und den berücksichtigten Differenzialdiagnosen, wie sie sich aus Anamnese und körperlicher Untersuchung ergeben (Tab. 6.2).
rung. Es kommen das autonome Adenom, die immunogene Hyperthyreose (Morbus Basedow) und weitere seltene Erkrankungen in Betracht. Dies geschieht durch die Schilddrüsensonographie, die Szintigraphie und die Bestimmung der Schilddrüsenantikörper.
14.7 Diagnosesicherung Fallbeispiel
Fortsetzung
Diagnosesicherung Die Diagnose einer Hyperthyreose ist bei Frau O. gesichert. In einem weiteren Schritt erfolgt nun die Ursachenabklä-
Die wegweisenden Symptome, die zur Diagnosesicherung beim ungewollten Gewichtsverlust führen, sind in Tab. 14.6 aufgelistet.
201 Tabelle 14.6 Diagnostik Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
Karzinom: Magen, Kolon
Anamnese, gastrointestinale Beschwerden, Fieber
Endoskopie, Histologie
Ulkus, Gastritis
epigastrischer Schmerz, NSAREinnahme, Ulkusanamnese, Oberbauchbeschwerden
Endoskopie, Histologie
Karzinoid
Diarrhö, Flush
5-Hydroxiindolessigsäure im Urin
Parasitose
daran denken!
Erregernachweis
Sprue
Diarrhö, daran denken!
Endoskopie, Histologie, Diarrhö sistiert bei glutenfreier Diät
Morbus Crohn
Diarrhö
Endoskopie, Dünndarmdiagnostik, Histologie
Pankreasinsuffizienz
Fettstühle, Diarrhö
Pankreaselastase im Stuhl, Sonographie
Diabetes mellitus
Polyurie, Polydipsie, normaler bis gesteigerter Appetit
Blutzucker im Serum
Hyperthyreose
Schwitzen, Zittern, warme feuchte Haut, Haarausfall, Nervosität, Tachykardie, Appetitsteigerung
TSH basal erniedrigt, fT3, fT4 erhöht
HIV-Infektion
Anamnese
HIV-Test, Immunstatus
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Leitsymptome Tabelle 14.6 Fortsetzung Erkrankung
Wegweisende Symptome und Befunde
Diagnosesicherung
pulmonale Insuffizienz
Anamnese, Zyanose/Dyspnoe
körperliche Untersuchung, Röntgenaufnahme des Thorax
Herzinsuffizienz
Anamnese
körperliche Untersuchung, Echokardiographie
Depression
Anamnese
Ausschlussdiagnose
14.7.1 Therapieansätze 202
Beim ungewollten Gewichtsverlust kommen die in Tab. 14.7 aufgeführten Therapien zum Einsatz.
Tabelle 14.7 Therapie des ungewollten Gewichtsverlusts Erkrankung
Therapie
gastrointestinales Karzinom
Operation, Chemotherapie, Radiatio, palliative Therapie: Schmerztherapie, operative Wiederherstellung der MagenDarm-Passage bei Stenose, Ernährungstherapie
Ulkus, Gastritis
Protonenpumpeninhibitoren, Prokinetika: Metoclopramid
Karzinoid
Operation
Parasitose
antimikrobielle Therapie
Sprue
glutenfreie Diät mit Kartoffeln, Mais, Reis, Hirse, Sojabohnen; keine Produkte aus Weizen, Hafer, Gerste, Roggen, Dinkel und Grünkern! Bei sekundärem Laktasemangel Milch meiden!
Morbus Crohn
Immunsuppression: 5-Aminosalicylsäure, Steroide, Azathioprin
Pankreasinsuffizienz
Substitution von Pankreasenzymen
Diabetes mellitus
orale Antidiabetika, Insulin
Hyperthyreose
thyreostatische Therapie, Radiojodtherapie, Operation
HIV-Infektion
antivirale Therapie
pulmonale Insuffizienz
Therapie der Grundkrankheit, Langzeitbeatmungstherapie
Herzinsuffizienz
ACE-Hemmer, Diuretika, Beta-Blocker, Behandlung der Grundkrankheit
Depression
Therapie der Depression: medikamentös, Psychotherapie
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
C
1 Zusatzuntersuchungen bei Erkrankungen des Verdauungssystems
206
2 Von der Diagnose zur systematischen Anamneseerhebung
214
205
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen kreaserkrankungen, infektiöse Erkrankungen und Tumoren durchgeführt. Zu den Normwerten der einzelnen Parameter s. S. 228.
Entzündungszeichen
1 Zusatzuntersuchungen bei Erkrankungen des Verdauungssystems 1.1 Laboruntersuchungen 1.1.1 Blutwerte 206
Laboruntersuchungen des Blutes sind aussagekräftig bei den meisten Erkrankungen des Verdauungssystems. Untersuchungen werden im Hinblick auf Entzündungen, Mangelzustände, Lebererkrankungen, Pan-
Tabelle 1.1 Laboruntersuchungen im Hinblick auf Mangelzustände Parameter
Mangel
Hämoglobin
Eisen, Vitamin B12
MCV
Vitamin B12, Folsäure
MCH
Eisen
Ferritin
Eisen
Vitamin B12
Intrinsic factor, Resorptionsfläche
Kalzium
Vitamin D
Natrium
intestinaler Verlust
Kalium
intestinaler Verlust
INR
Vitamin K
Quickwert
Vitamin K
Albumin
hepatische Synthesestörung, intestinaler Verlust
Gesamteiweiß
hepatische Synthesestörung, intestinaler Verlust
Die wichtigsten Entzündungszeichen sind die Leukozytose mit Linksverschiebung, die Beschleunigung der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BKS) und das erhöhte C-reaktive Protein (CRP). Die Leukozytose ist häufiger bis regelhafter Befund bei entzündlichen Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes: Appendizitis, Divertikulitis, bakterielle Gastroenteritis, chronisch entzündliche Darmerkrankung. Die Beschleunigung der BKS ist ebenso fast obligater Bestandteil bei Entzündungen im Bereich des Gastrointestinaltraktes. Das CRP ist ein so genanntes Akute-PhaseProtein, das frühzeitig entzündliche Prozesse anzeigt.
Mangelzustände Einer der häufigsten Laborbefunde bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes ist der Eisenmangel mit Eisenmangelanämie auf dem Boden einer chronischen SickerBlutung. Entzündliche Darmerkrankungen (s. S. 218), Durchfälle (s. S. 45) und postoperative Zustände können zu einer verminderten Resorption von Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen führen (Tab. 1.1). Typische Folgen sind die makrozytäre Anämie (Vitamin-B12-Mangel), Hypokalzämie (Vitamin-D-Mangel), Hypokaliämie, Hyponatriämie (Salzverluste), Gerinnungsstörungen (Vitamin-K-Mangel), Hypalbuminämie (enteraler Eiweißverlust).
Lebererkrankungen Laborchemisch lassen sich Leberzellschädigungen, Störungen der Ausscheidungsfunktion, Störungen der Syntheseleistung und Störungen der Entgiftungsfunktion erfassen.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Leberzellschädigung GOT und GPT sind die intrazellulären Enzyme, die bei einer Zerstörung der Leberzellen in das Blut übertreten und hier nachweisbar sind. Die g-GT und die alkalische Phosphatase sind Enzyme, die bei Störungen der Galleausscheidung (Cholestase) erhöht sind.
Ausscheidungsfunktion Der Marker der Ausscheidungsfunktion ist das Bilirubin, das bei Verlegung der Gallengänge (s. S. 175) ansteigt.
Syntheseleistung Die Leber ist Syntheseort zahlreicher Proteine. Die Marker der Synthese sind das Albumin, der INR- und der Quick-Wert (Synthesestörung der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren) und die Cholinesterase.
Pankreaserkrankungen Eine Schädigung des Pankreasparenchyms durch Entzündungen (häufigste Ursache, s. S. 188) führt zu einer Erhöhung der Pankreasenzyme im Serum: Amylase und Lipase. Auch Tumoren können zu einer Enzymerhöhung führen.
Infektionskrankheiten Die klassische Methode zum Nachweis infektiöser Erkrankungen ist die Untersuchung auf spezifische Antikörper („Serologie“). Die Serologie ist von Bedeutung bei: viralen Hepatitiden
Abb. 1.1 Chronische Gastritis mit dem Nachweis von Helicobacter pylori (oo) (Silbermethode nach Wartin-Starry, 400fach)
infektiösen Darmerkrankungen und der Helicobacter-pylori-Diagnostik (Abb. 1.1). Bei viralen Hepatitiden wird außerdem die Virus-RNA (Hepatitis C) bzw. Virus-DNA (Hepatitis B) nachgewiesen.
Tumormarker Tumormarker sind Substanzen, die bei Tumoren erhöht im Blut nachweisbar sind. Sie eignen sich gut zur Verlaufskontrolle, weniger zur Primärdiagnostik. Der CEA-Wert ist der Tumormarker bei gastrointestinalen Karzinomen, insbesondere beim Kolonkarzinom. Das CA 19-9 ist der Tumormarker bei einem Pankreaskarzinom.
207
1.1.2 Stuhluntersuchungen Die wichtigsten Stuhluntersuchungen sind die auf okkultes Blut (Tumoren, Entzündung) Pankreaselastase (ein Pankreasenzym, das bei eingeschränkter Pankreasfunktion vermindert ausgeschieden wird) Fettausscheidung (verminderte Fettverdauung) bei Pankreasinsuffizienz pathogene Keime bei infektiösen Darmerkrankungen und Helicobacter-pylori-Diagnostik (bei Helicobater-pylori-Besiedlung des Magens durch Antigen-Nachweis im Stuhl).
1.2 Sonographie Die Sonographie ist die primäre bildgebende Untersuchungsmethode zur Beurteilung des Abdomens. Sie ist fast überall verfügbar, einfach durchzuführen und für den Patienten nicht belastend, weil nicht invasiv und ohne Strahlenbelastung. Die Sonographie zählt zur erweiterten körperlichen Untersuchung. Beurteilt werden Leber (Abb. 1.2 a), Gallenblase, Gallenwege, Pankreas, Milz (Abb. 1.2 b), Nieren (Abb. 1.2 c), ableitende Harnwege, große Gefäße, Lymphknotenstationen, Darmbild, freie Bauchhöhle (Tab. 1.2).
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
a
208
b
Abb. 1.2 Sonographie des Oberbauchs, Normalbefunde. a Leber im Oberbauchquerschnitt, rechtsseitige Leberanteile (o = Vena cava); b Milz im Längsschnitt, erkennbar ist der Milzhilus mit der Aufzweigung der V. lienalis (18); c rechte Niere im Flankenlängsschnitt, dorsaler Anschnitt
c
Tabelle 1.2 Sonographie des Abdomens Organbefund
Erkrankung
Leber: Größe: klein
Zirrhose
groß
Zirrhose, Fettleber
Muster: echogen
Zirrhose, Fettleber
inhomogen
Fibrose
Venen: rarefiziert
Zirrhose
umschriebene Veränderungen
Metastasen, Zysten, Hämangiome, Adenome
Pfortader erweitert
portale Hypertension
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 1.2 Fortsetzung Organbefund
Erkrankung
Gallenblase, Gallenwege: Größe, Weite
Stau, Abflusshindernis (Stein, Tumor, Narbe, Karzinom)
Inhalt
Stein, Tumor
Wandverdichtungen
Entzündungen
Pankreas: Größe: klein
chronische Pankreatitis
groß
akute Pankreatitis
Muster: echogen
chronische Pankreatitis
echoarm
akute Pankreatitis
209
umschriebene Veränderungen: Verkalkungen
chronische Pankreatitis
Raumforderungen
Pankreaskarzinom, Pseudozysten
Pankreasgangerweiterung
Abflusshindernis: Gallenstein, Tumor, chronische Pankreatitis
Milz: Vergrößerung
infektiöse Erkrankung, portale Hypertension, hämatologische Systemerkrankung
Nieren und ableitende Harnwege: im Hinblick auf Erkrankungen der Verdauungsorgane nicht relevant große Gefäße: Arteriosklerose, Stenosen, portale Hypertenion Lymphknotenstationen: Lymphknotenmetastasen, entzündliche Lymphknoten (Darminfektion, Hepatitiden) Darmbild: entzündliche Darmerkrankungen, Appendizitis, Tumoren freie Bauchhöhle: Aszites (Leberzirrhose, maligner Tumor)
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 1.2.1 Endosonographie Bei der Endosonographie wird die Ultraschallsonde endoskopisch in den oberen oder unteren Gastrointestinaltrakt eingeführt. Hierdurch können auch kleine Prozesse im Bereich der Wand und der unmittelbaren Umgebung von Ösophagus, Magen und Duodenum, bei besonderen Fragestellungen auch im Rektum, untersucht werden.
Abb. 1.3 Videoendoskop oben, Fiberendoskop unten
1.3 Endoskopie
210
Bei der Endoskopie wird ein optisches System (Glasfaser, Video, Abb. 1.3) über Mund oder Enddarm in den Gastrointestinaltrakt eingeführt. Die Endoskopie erlaubt die makroskopische Beurteilung, die Probenentnahme, das Einbringen von Röntgen-Kontrastmittel und Farbstoff sowie therapeutische Maßnahmen (s. Abb. S. 118).
1.3.1 Ösophago-GastroDuodenoskopie (ÖGD) Bei der ÖGD wird vom Ösophagus bis zum proximalen Duodenum vorgespiegelt. Sie ist indiziert bei Schluckstörungen (s. S. 98), Refluxbeschwerden (s. S. 88), Oberbauchschmerzen (s. S. 37) sowie bei der Tumorsuche und bei Eisenmangelzuständen. In der Speiseröhre werden beurteilt (geschädigt bei): die Intaktheit der Schleimhaut (Entzündung s. Abb. S. 89, Tumor) die Passierbarkeit und Peristaltik (intramurale Prozesse, Achalasie, s. Abb. S. 102) die Ösophaguswand (Varizen, s. Abb. S. 80, Divertikel) und der Kardiaübergang (Kardiainsuffizienz, s. Abb. S. 78, Hiatushernie, s. S. 95).
die harmonisch durchschnürende Peristaltik im Hinblick auf Wandprozesse (intramurale Tumoren, intramural wachsende Karzinome, Leiomyome). Auch im Bulbus und im proximalen Duodenum wird die Schleimhautintaktheit beurteilt (Entzündungen, Ulzerationen, s. Abb. S. 68, Atrophie der Zotten bei Sprue, s. Abb. S. 185). Großzügig werden aus allen pathologischen Prozessen Biopsien entnommen (Helicobacter-pylori-Diagnostik, s. S. 78, entzündliche Veränderungen, Ulzera, Karzinome).
1.3.2 Ileo-Koloskopie Bei der Ileo-Koloskopie wird mit dem Endoskop vom Anus bis zum Zökum vorgegangen. Hier wird die Bauhin-Klappe zur Inspektion des terminalen Ileums dargestellt und intubiert. Beurteilt wird die Schleimhaut im Hinblick auf Entzündung, Polypen (s. Abb. S. 118), maligne Tumoren (s. Abb. S. 218) sowie weitere Veränderungen: Divertikel (s. Abb. S. 117), Stenosen, Angiodysplasie. Auch bei der Ileo-Koloskopie erfolgt die Probenentnahme aus allen pathologischen Prozessen großzügig.
Im Magen werden beurteilt: die makroskopische Ansicht der Schleimhaut (Atrophie, Entzündung, Tumor, s. S. 216, Ulkus, s. Abb. S. 68) und
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 1.3.3 Enteroskopie, Doppelballon-Enteroskopie, Kapselendoskopie Die endoskopische Darstellung des Dünndarms ist schwierig, da er weit von den Körperöffnungen entfernt und sehr lang ist. Mithilfe sehr langer Endoskope kann der Dünndarm über den oralen Zugang zum Teil eingesehen werden. Eine neuere Methode ist die Doppelballon-Enteroskopie, bei der mit einem doppellumigen Endoskop Schritt für Schritt im Dünndarm vorgespiegelt werden kann, sowohl über den oralen Zugang als auch über den peranalen. Eine elegante Methode zur Dünndarmdiagnostik ist die Kapselendoskopie, bei der eine Kapsel verschluckt wird, die eine Lichtquelle und eine Optik sowie einen Sender beinhaltet. Sie senden Aufnahmen zu einem Empfänger, der am Körper getragen wird. Die Aufnahmen werden dann am Bildschirm ausgewertet. Diese relativ neue Untersuchungsmethode steht nur in spezialisierten Zentren zur Verfügung.
1.3.4 Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatographie (ERCP) Bei der ERCP wird endoskopisch bis zur Papilla duodeni major (Papilla Vateri) vorgespiegelt und dann in diese ein Katheter eingeführt. Über den Katheter kann Kontrastmittel in den Pankreasgang und das
Gallengangsystem eingebracht werden. Unter röntgenologischer Durchleuchtung lassen sich dann Strikturen, Entzündungen, Tumoren, Erweiterungen und Steine in diesen Gangsystemen nachweisen (s. Abb. S. 175).
1.4 Laparoskopie Bei der Laparoskopie wird über einen Bauchschnitt ein optisches System in die freie Bauchhöhle eingebracht (Abb. 1.4). Damit wird die Beurteilung des Bauchinhaltes, insbesondere der Leber, aber auch des Gastrointestinaltraktes und der gynäkologischen Organe ermöglicht. Die Methode wird nur noch selten in der Inneren Medizin angewendet.
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1.5 Radiologische Untersuchungen 1.5.1 Abdomen-Leeraufnahme Bei der Abdomen-Leeraufnahme wird eine Übersichtsaufnahme des Abdomens im Stehen ohne vorherige Kontrastmittel-Applikation durchgeführt. Die klassischen Indikationen sind der Ileus und der Subileus. Man erkennt in diesen Situationen stehende Darmschlingen mit unter Umständen praller Luftfüllung über einem Flüssigkeitsspiegel (s. Abb. S. 74).
1.5.2 Ösophagusbreischluck Beim Ösophagusbreischluck nimmt der Patient unter Durchleuchtung ein Kontrastmittel zu sich. Der Breischluck ist gut geeignet für die Darstellung von: Divertikeln (s. Abb. S. 117) Hernien (s. Abb. S. 94) Strikturen Wandprozessen gastro-ösophagealem Reflux Motilitätsstörungen des Ösophagus.
Abb. 1.4 Laparoskopische Cholezystektomie, die vier Arbeitsinstrumente sind durch die Bauchdecke in die Bauchhöhle eingeführt
In der Diagnostik entzündlicher und maligner Prozesse ist die Endoskopie überlegen, da sie auch gleichzeitig die Probenentnahme ermöglicht.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 1.5.3 Dünndarmdarstellung nach Sellink Bei dieser Methode wird eine Sonde über Nase oder Mund bis zum proximalen Dünndarm vorgeschoben und dann über diese Sonde ein Kontrastmittel appliziert. Anschließend wird unter röntgenologischer Durchleuchtung das Dünndarmrelief beurteilt. Die Methode ist indiziert bei Verdacht auf Erkrankungen des Dünndarmes, insbesondere den Morbus Crohn.
1.5.4 Kolonkontrasteinlauf
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Der Kolonkontrasteinlauf ist eine ergänzende Methode zur Kolondarstellung, bei der zunächst ein Kontrastmittel in den Dickdarm eingebracht wird. Anschließend wird das Kontrastmittel wieder entleert und es bleibt nur ein zarter Beschlag an der Schleimhaut zurück. Dann erfolgt eine Luftfüllung und es kann die Intaktheit der Schleimhaut beurteilt werden. Die Methode ist geeignet zur Darstellung entzündlicher, stenosierender und maligner Prozesse sowie sehr gut zur Darstellung von Divertikeln (s. Abb. S. 117). Der Nachteil besteht in der fehlenden Möglichkeit, Proben zu entnehmen oder Interventionen (Polypektomien, s. Abb. S. 118) durchzuführen.
1.5.5 CT, MRT Computertomographie und Magnetresonanztomographie sind Schichtbildverfahren. Sie geben mit hoher Auflösung die Abdominalorgane wieder. Sie sind sehr gut geeignet zum Nachweis raumfordernder Prozesse im gesamten Abdomen, entzündlicher Prozesse, in Kombination mit Kontrastmittel (s. Abb. S. 33), auch zur Darstellung von Gangsystemen (Pankreas, Gallengang).
1.6 Funktionsdiagnostik 1.6.1 D-Xylosetest Mit dem Xylosetest kann die Resorptionskapazität des proximalen Dünndarms untersucht werden. Dazu werden einem nüchternen Patienten 25 g D-Xylose per os gegeben. Dann wird für 5 Stunden der Urin des Patienten gesammelt und anschließend die Xylose darin bestimmt. Ein pathologisch niedriger Wert im Sammelurin spricht für das Vorliegen einer Malabsorption im Jejunum.
1.6.2 Laktosetoleranztest Der Laktosetoleranztest wird durchgeführt, um eine Laktoseintoleranz zu verifizieren. Beim Laktosetoleranztest wird bei einem nüchternen Patienten zunächst der Glukosewert im Blut bestimmt. Dann werden 50 g Laktose oral verabreicht und nach 60 Minuten und 120 Minuten wird der Blutzucker erneut bestimmt. Außerdem werden während dieses Zeitraumes Beschwerden registriert: Diarrhö (s. S. 45), Meteorismus (s. S. 184), Schmerzen. Ein Blutglukoseanstieg von weniger als 20 mg/dl spricht für das Vorliegen eines Laktasemangels. Der Laktasemangel (s. S. 47) ist dadurch gekennzeichnet, dass die Betroffenen die Laktose in der Milch nicht in Glukose und Galaktose spalten können und postprandiale Beschwerden nach Milchgenuss bekommen.
1.6.3 Schillingtest Der Schillingtest ist ein Funktionstest für die Resorptionskapazität des terminalen Ileums.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Beim Schillingtest wird oral radioaktiv markiertes Vitamin B12 gegeben. Dann wird noch einmal als so genannte Ausschwemmdosis eine deutlich höhere Dosis von nicht markiertem Vitamin B12 parenteral verabreicht. Anschließend erfolgt die Messung des markierten Vitamin B12 im 24-Stunden-Sammelurin. Eine verminderte renale Ausscheidung spricht für eine Malabsorption im Ileum.
1.6.4 Pankreolauryltest Der Pankreolauryltest ist ein Funktionstest für die Messung der exokrinen Pankreasfunktion. Dabei wird per os Fluorescein-Dilaurat gegeben. Dieses wird üblicherweise durch pankreatische Enzyme gespalten und das abgespaltene Fluorescein kann resorbiert und schließlich renal ausgeschieden werden. Es wird dann im Urin bestimmt. Eine verminderte Ausscheidung im Urin ist Hinweis für eine exokrine Pankreasinsuffizienz.
1.6.5 pH-Metrie Bei der Langzeit-pH-Metrie wird über die Nase eine Sonde in der Speiseröhre platziert, die über 24 Stunden den pH-Wert bestimmt. Die Methode ist geeignet zur Dokumentation eines pathologischen Säurerefluxes in den distalen Ösophagus.
1.6.6 Manometrie Die Manometrie erlaubt Druckmessungen im Gastrointestinaltrakt. Haupteinsatzgebiet ist die Messung des gastroösophagealen Sphinkterdruckes bei Verdacht auf eine Refluxerkrankung (Sphinkterdruck erniedrigt) sowie bei der Achalasie (Sphinkterdruck erhöht, fehlende Relaxation, s. Abb. S. 107). Auch lässt sich bei der analen Inkontinenz (s. S. 131) der anale Sphinkterdruck manometrisch bestimmen.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.1 Bekannte Diagnose – systematische Anamneseerhebung Vorgehen
2 Von der Diagnose zur systematischen Anamneseerhebung
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Der überwiegende Teil dieses Buches befasst sich mit klinischen Leitsymptomen, die einen Patienten zum Arzt führen und abgeklärt werden sollen. Sehr häufig liegt eine andere Situation vor: Der Patient kommt mit einer bereits bekannten Diagnose, zum Beispiel einer chronischen Hepatitis, und erwartet Hilfe. Die folgenden Seiten geben eine Übersicht über häufige Erkrankungen des Verdauungssystems und die systematische Anamneseerhebung für diese Situationen. Das Vorgehen wird dabei immer gleich sein: Zunächst werden die aktuellen Beschwerden behandelt, dann die Vorgeschichte und der Verlauf. Schließlich werden die bisher durchgeführte Diagnostik und zum Schluss die relevanten Begleiterkrankungen erfragt (Tab. 2.1).
1. Aktuelle Beschwerden n Welche Beschwerden haben Sie zurzeit, was führt Sie zu mir? n Welche Therapie wird zurzeit durchgeführt? n Welche Funktionseinschränkungen bestehen? 2. Bisherige Krankengeschichte n Wann wurde die Erstdiagnose gestellt? n Welche Beschwerden bestanden zum Zeitpunkt der Erstdiagnose? n Wie war der Verlauf der Erkrankung? n Welche Komplikationen gab es bisher? n Welche Therapie wurde bisher durchgeführt? 3. Letzte Diagnostik n Welche Untersuchungen wurden durchgeführt? n Wann? n Mit welchem Ergebnis? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Welche Begleiterkrankungen bestehen? n Gibt es Risikofaktoren?
2.1 Häufige Krankheiten 2.1.1 Refluxkrankheit Unter dem Begriff Refluxkrankheit werden Beschwerden und Erkrankungen zusammengefasst, die durch den Reflux von aggressivem Magensaft in den Ösophagus bedingt sind. Die Symptome sind Schmerzen, Entzündungen, unter Umständen Strikturen im distalen Ösophagus, Hochbringen von Mageninhalt, laryngeale, bronchiale und pulmonale Beschwerden (Tab. 2.2, s. S. 89 und Abb. S. 89).
2.1.2 Achalasie Bei der Achalasie besteht eine fehlende reflektorische Erschlaffung des unteren Ösophagussphinkters während des Schluckaktes. Ursache ist eine Degeneration des Plexus myentericus. Die Passage in den Magen ist zunächst erschwert, später unter Umständen unmöglich und es kommt zu einer massiven Dilatation des Ösophagus mit Rückfluss von Speiseresten und Aspiration (Tab. 2.3, s. S. 100 und Abb. S. 102).
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.2 Refluxkrankheit
Tabelle 2.3 Achalasie
Systematische Anamneseerhebung
Systematische Anamneseerhebung
1. Aktuelle Beschwerden n Besteht säuerliches Aufstoßen, Sodbrennen, bestehen Schmerzen? n Werden Speisen hochgebracht? n Bestehen Schluckstörungen? n Bestehen Halsschmerzen oder chronische Entzündungen im Halsbereich? n Besteht Husten, Auswurf?
1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen Schluckstörungen (s. S. 98)? n Bestehen Schmerzen? n Kommt es zu einem Hängenbleiben von Speisen? n Können Sie Flüssiges problemlos aufnehmen? n Wird Speise wieder hochgebracht? n Wie ist der Gewichtsverlauf? n Verschlucken Sie sich oft?
2. Bisherige Krankengeschichte n Wurde bei der Erstdiagnostik eine endoskopische Untersuchung durchgeführt? n Was wurde damals gesehen? n Lag das endoskopische Bild einer Ösophagitis (s. Abb. S. 89) oder einer Kardiainsuffizienz („der Mageneingang schließt nicht richtig“), eines Barrett-Ösophagus (s. Abb. S. 90) oder Verengungen vor? n Wie oft haben Sie im Durchschnitt Beschwerden? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurde die letzte endoskopische Untersuchung durchgeführt? n Wann wurde die letzte Röntgenaufnahme der Speiseröhre durchgeführt? n Wurde einmal eine pH-Metrie (Säuremessung, s. S. 213) durchgeführt? n Wurde einmal eine Manometrie (s. S. 213) durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Besteht Anhalt für funktionelle Beschwerden? n Besteht eine Stressassoziation? n Bestehen bronchopulmonale Erkrankungen?
2. Bisherige Krankengeschichte n Gab es in der Vergangenheit Komplikationen? Aspiration? n Wie war der Gewichtsverlauf? n Wurde eine medikamentöse Behandlung durchgeführt, eine Behandlung mit Botulinum-Toxin, eine Ballondilatation oder ein operativer Eingriff?
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3. Letzte Diagnostik n Wann war die letzte endoskopische Untersuchung? n Wann war die letzte radiologische Untersuchung? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Keine speziellen Erkrankungen. Es sollte nach allen Begleiterkrankungen gefragt werden.
2.1.3 Gastroduodenale Ulkuskrankheit Die Ulkuskrankheit ist charakterisiert durch das rezidivierende Auftreten von Geschwüren in Magen oder Duodenum (Tab. 2.4, Abb. 2.1 und s. Abb. S. 68). Der wichtigste auslösende Faktor ist die Infektion mit Helicobacter pylori (s. Abb. S. 78). Im Vordergrund stehen Schmerzen, Komplikationen sind die Blutung, Perforation und narbige Striktur.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.4 Gastroduodenale Ulkuskrankheit Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen Schmerzen? n Wenn ja: postprandial oder nüchtern? n Bestehen Übelkeit, Erbrechen? n Wie ist der Gewichtsverlauf? n Werden Schmerzmittel genommen: Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Ibuprofen? n Bestehen Teerstühle? 2. Bisherige Krankengeschichte n Wo bestand das Geschwür? n Im Magen oder im Zwölffingerdarm? n Wie oft sind Geschwüre in der Vergangenheit aufgetreten? n Gibt es Auslöser? Schmerzmittel? Helicobacter-pylori? n Wurde eine Helicobacter-pyloriEradikation durchgeführt? n Wurde die Erkrankung operativ therapiert? n Hat in der Vergangenheit einmal Teerstuhl bestanden? n Erfolgte einmal ein stationärer Krankenhausaufenthalt wegen der Beschwerden?
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3. Letzte Diagnostik n Wann war die letzte Gastroskopie? n Wann wurde zuletzt ein Test auf eine Helicobacter pylori-Besiedlung durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Medikamente (NSAR) n Nikotin n Alkohol n Stress
Abb. 2.1 Ulcus ventriculi. a Präoperative Röntgenaufnahme mit Ulkuskrater in der kleinen Kurvatur; b Präparat nach Gastrektomie, das Ulkus wurde histologisch als Magenkarzinom bestätigt
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 2.1.4 Zustand nach teilweiser oder kompletter Resektion des Magens wegen einer gutartigen Erkrankung Eine Magenresektion wegen einer gutartigen Erkrankung wird heute nur noch selten durchgeführt. Früher war der Hauptgrund für eine 2/ 3-Resektion das Ulkusleiden (s. Abb. 2.1), das heute sehr gut medikamentös behandelbar ist. Eine komplette Gastrektomie wegen einer gutartigen Magenerkrankung ist sehr selten. Die Beschwerden nach einer Magenresektion sind bedingt durch die veränderte Anatomie, die fehlende Reservoirfunktion, Motilitätsstörungen sowie metabolische Folgen. Typische Folgen der fehlenden Reservoirfunktion sind das Frühdumping mit Schwindel, Kollaps, Schweißneigung, die 20 Minuten nach dem Essen auftreten und durch eine Hypovolämie ausgelöst werden sowie das Spätdumping mit Heißhunger, Tachykardie, Schwindel, die 2-4 Stunden nach dem Essen auftreten und durch eine postprandiale reaktive Hypoglykämie ausgelöst werden. Beim nach Billroth II operiertem Magen (2/ 3-Resektion mit Gastrojejunostomie, Abb. 2.2) kann es zum Reflux von alkalischem Sekret in den Restmagen und die Speiseröhre kommen. Diese können dann das Bild der alkalischen Refluxgastritis sowie der alkalischen Refluxösophagitis verursachen.
Billroth I
Billroth II Magenresektion Abb. 2.2 Billroth-OP
Bei kompletter Gastrektomie wird kein Intrinsic-Faktor mehr gebildet, bekanntlich die einzig lebenswichtige Funktion des Magens. Es kommt dann zu einem Vitamin-B12-Mangel. Dieser muss durch eine lebenslange parenterale Substitution verhindert werden (Tab. 2.5).
Tabelle 2.5 Magenresektion wegen einer gutartigen Erkrankung Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Wie ist der Appetit? Bestehen Sodbrennen, Völlegefühl, Übelkeit, morgendliches Erbrechen, Schmerzen? n Bestehen Beschwerden eines Frühdumpings? Schwindel, Kollaps, Schweißneigung 20 Minuten nach dem Essen? n Bestehen Beschwerden eines Spätdumpings? Heißhunger, Tachykardie, Schwindel 2–4 Stunden nach dem Essen? n Wie ist der Gewichtsverlauf? n Wie ist das aktuelle Gewicht? n Wird regelmäßig Vitamin B12 substituiert?
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2. Bisherige Krankengeschichte n Wann war die Operation? n Welche Operation wurde durchgeführt? n Totale Gastrektomie, 2/ 3-Resektion, Billroth-I-, Billroth-II-Operation? n Wie war der Gewichtsverlauf seither? n Gab es in der Zwischenzeit irgendwelche Beschwerden? n Wie oft sind diese aufgetreten und wie lange hielten sie an? 3. Letzte Diagnostik n Wann war die letzte Laboruntersuchung? n Wann war die letzte endoskopische Untersuchung? n Wie waren die Ergebnisse: Blutbild, Eisen, Vitamin B12? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Nikotinabusus n Alkoholabusus n Schmerzmitteleinnahme
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Wegen des erhöhten Krebsrisikos sollte bei Patienten ab dem 10. Jahr nach einer 2/ 3Resektion des Magens einmal jährlich eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie durchgeführt werden.
Tabelle 2.6 Resektion wegen einer bösartigen Erkrankung Systematische Anamneseerhebung
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1. Aktuelle Beschwerden n Ggf.: Symptomatik des operierten Magens (s. Tab. 2.5)? n Ggf.: Erhöhte Stuhlfrequenz, Verstopfung, Schmerzen beim Stuhlgang, Blut im Stuhl, Probleme mit dem Anus praeter? n Bestehen Schmerzen? n Wie ist der Gewichtsverlauf? n Wie ist das aktuelle Gewicht? 2. Bisherige Krankengeschichte n Wo befand sich der Tumor? n Wie weit war der Tumor ausgebreitet? n Bestanden Metastasen? n Liegt ein histologischer Untersuchungsbefund vor? n Musste nachbehandelt werden: Chemotherapie, Strahlentherapie? n Wie war der Behandlungserfolg? n Konnte bei der Erstoperation der komplette Tumor entfernt werden? n Welche Operation wurde im Einzelnen durchgeführt? Wie viel Darm wurde entfernt? n Wie ging es Ihnen in der Zeit nach der Operation? n Wie war der Verlauf anschließend, Gewicht, Stuhlgang, Appetit? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurde die letzte Endoskopie durchgeführt? n Wann wurde die letzte Sonographie des Abdomens durchgeführt? n Wann die letzte Laboruntersuchung? Wurden Tumormarker bestimmt? n Wann die letzte Röntgenaufnahme der Lunge? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Keine speziellen, es sollten die Begleiterkrankungen des Patienten erfragt werden.
Abb. 2.3 Kolonkarzinom
2.1.5 Zustand nach der Operation eines malignen Tumors im Magen-Darm-Trakt Das Kolonkarzinom (Abb. 2.3) ist häufig und nimmt an Häufigkeit zu. Das Ösophaguskarzinom (s. Abb. S. 106) und das Magenkarzinom sind dagegen selten. Die Häufigkeit der insgesamt seltenen Adenokarzinome im distalen Ösophagus hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen (Tab. 2.6).
2.1.6 Morbus Crohn Der Morbus Crohn ist eine in Schüben verlaufende, entzündliche Darmerkrankung unbekannter Ursache (s. S. 70). Sämtliche Abschnitte des Gastrointestinaltraktes von Mund bis Anus können betroffen sein (Tab. 2.7). Es besteht ein diskontinuierlich segmentaler Befall, oft unter Einbeziehung des terminalen Ileums. Die Entzündung betrifft sämtliche Wandschichten (s. Abb. S. 135). Leitsymptome sind Durchfall, Schmerzen, Gewichtsverlust. Blutabgang ist deutlich seltener als bei der Colitis ulcerosa (s. S. 52). Beim Morbus Crohn werden blande und fulminante Verläufe gesehen. Die Komplikationen sind: Malabsorptionssyndrom, entzündliche Stenosen, Fisteln, Blutungen. Zu den extraintestinalen Symptomen gehören Arthralgien, Arthritiden und Augenentzündungen.
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.7 Morbus Crohn Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen Schmerzen, Diarrhö, Blutabgang? n Besteht Fieber? n Besteht eine Leistungsminderung? n Bestehen extraintestinale Beschwerden: Gelenkschmerzen, Haut- oder Augenbeschwerden? n Wie sind das aktuelle Körpergewicht und der Gewichtsverlauf? 2. Bisherige Krankengeschichte n Wie wurde die Diagnose gesichert? n Wie war die Ausdehnung der Erkrankung bei Erstdiagnose? n War nur der Dünndarm betroffen oder auch der Dickdarm oder andere Organe? n Welche diagnostischen Maßnahmen wurden damals durchgeführt? n Wurden Magen, Dünndarm und Kolon komplett untersucht? n Welche Beschwerden hatten Sie zum Zeitpunkt der Erstdiagnose? n Welche Ersttherapie wurde durchgeführt und wie war das Ansprechen darauf? n Wurde eine Operation durchgeführt? n Wie wurde seither behandelt? n Wurde die Therapie im Verlauf umgestellt? Warum? n Ist es zu Komplikationen gekommen: Fisteln, Stenosen, Perforationen? n Hat sich die Erkrankung im Verlauf extraintestinal manifestiert? An Gelenken, Haut, Augen oder Leber? n Wie viele Schübe sind in der Vergangenheit aufgetreten? n Sind Sie Mitglied in einer Selbsthilfegruppe?
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3. Letzte Diagnostik n Wann wurden die Laborwerte zuletzt kontrolliert? n Wann wurden die letzten endoskopischen Untersuchungen durchgeführt: Ösophago-Gastro-Duodenoskopie, Dünndarmdarstellung, Koloskopie? n Wann wurde die letzte Dünndarmuntersuchung durchgeführt: Dünndarmdarstellung nach Sellink, Sellink-MRT, Enteroskopie? n Wann wurde die letzte Sonographie des Abdomens durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen/Risikofaktoren n Keine speziellen, sämtliche Begleiterkrankungen des Patienten sollten erfragt werden.
2.1.7 Colitis ulcerosa Die Colitis ulcerosa ist eine in Schüben verlaufende, chronisch entzündliche Darmerkrankung unbekannter Ursache (s. S. 70). Die Entzündung betrifft immer das Rektum und kann, in kontinuierlicher Ausbreitung, im gesamten Kolon auftreten. Der entzündliche Prozess ist auf die Mukosa beschränkt (Abb. 2.4). Bei den meist jungen Patienten sind die Leitsymptome Blutabgang und Durchfall. Oft besteht ein imperativer Stuhldrang, mit einer Frequenz von bis zu 10 q pro Tag. Oft treten Schmerzen während des
Abb. 2.4 Colotis ulcerosa mit deformierten Krypten (*), HE, 200fach
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen Tabelle 2.8 Colitis ulcerosa Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen Diarrhöen? Wie oft? n Besteht Blut- oder Schleimabgang? n Haben Sie Schmerzen? n Bestehen Fieber oder Krankheitsgefühl? n Bestehen extraintestinale Beschwerden, insbesondere Gelenkbeschwerden?
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2. Bisherige Krankengeschichte n Wie wurde die Erstdiagnose gesichert? n Welche Beschwerden bestanden damals? n Wurde damals eine komplette Koloskopie durchgeführt und wie war die Ausdehnung der Erkrankung? n War nur das Rektum betroffen, die linksseitigen Kolonabschnitte oder mehr? n Hat sich die Erkrankung im Verlauf extraintestinal manifestiert: an Gelenken oder Augen? n Welche Therapien wurden durchgeführt? Wie lange und mit welchem Erfolg? n Wie war die Verträglichkeit der Medikamente? n Wurde die Therapie im Verlauf der Erkrankung umgestellt? n Weshalb wurde sie umgestellt? n Wurden Sie stationär behandelt? n Wurde die Erkrankung operativ therapiert? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurden die Laborwerte zuletzt kontrolliert? n Wann wurde die letzte komplette Koloskopie durchgeführt? n Wurden dabei Biopsien entnommen? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Keine besonderen, es sollten sämtliche Begleiterkrankungen des Patienten erfragt werden.
Stuhlganges auf. Das Spektrum der klinischen Ausprägung ist sehr variabel, es reicht vom sonst asymptomatischen Blutabgang bis hin zu fulminanten, hochakuten Verläufen mit toxischem Megakolon (Tab. 2.8).
2.1.8 Sprue/Zöliakie Die Sprue des Erwachsenen und die Zöliakie des Kindes (synonym glutensensitive Enteropathie) werden hervorgerufen durch eine Gluten- und Gliadinunverträglichkeit (Tab. 2.9). Beide Erkrankungen sind klinisch und pathogenetisch gleich. Es kommt zu einer immunologisch vermittelten entzündlichen Reaktion des Dünn-
Tabelle 2.9 Sprue/Zöliakie Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen Diarrhöen? n Halten Sie eine konsequente Diät ein? n Wie sind das aktuelle Gewicht und der Gewichtsverlauf? 2. Bisherige Krankengeschichte n Wie wurde die Erstdiagnose gesichert? n Wurde eine Dünndarmbiopsie entnommen? n Welche Beschwerden bestanden damals? n Haben die Beschwerden auf eine Diät angesprochen? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurde die letzte ÖsophagoGastro-Duodenoskopie durchgeführt und wie war deren Ergebnis? n Wurde eine Biopsie entnommen und gibt es einen histologischen Untersuchungsbericht? n Wann wurde die letzte Koloskopie durchgeführt (erhöhtes Risiko gastrointestinaler Karzinome bei Zöliakie)? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Eine Dermatitis herpetiformis Duhring (Hauterkrankung)?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen darms mit konsekutiver Zottenatrophie und Malabsorptionssyndrom (s. Abb. S. 185). Leitsymptome sind Durchfall, Steatorrhö, Gewichtsverlust. Blande Verläufe sind häufig. Bei atypischem Verlauf steht nicht die Diarrhö im Vordergrund, sondern es dominieren Hautbeschwerden (Dermatitis herpetiformis Duhring, Arthralgien, Osteomalazie oder neurologische Symptome (Depressivität, Reizbarkeit).
Tabelle 2.10 Reizdarmsyndrom Systematische Anamneseerhebung 1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen Schmerzen, Blähungen, Diarrhö, Blutabgang, Obstipation, Übelkeit oder Erbrechen? n Wie ist der Gewichtsverlauf? n Bestehen zurzeit seelische Belastungen, die zu Beschwerden führen? n Wie sind die private und die berufliche Situation? n Welche Medikamente werden zurzeit eingenommen?
2.1.9 Reizdarmsyndrom Das Reizdarmsyndrom ist gekennzeichnet durch vielgestaltige abdominale Beschwerden ohne Nachweis einer organischen Erkrankung: Völlegefühl, Blähungen (s. S. 184), Durchfälle (s. S. 45), Obstipation (s. S. 111), abdominale Schmerzen (s. S. 24), Leidensdruck, häufig im Zusammenhang mit seelischer Belastung (Tab. 2.10). Es handelt sich im strengen Sinn um eine Ausschlussdiagnose.
2.1.10 Kolondivertikel Bei Kolondivertikeln handelt es sich um Ausstülpungen der Darmschleimhaut (Abb. 2.5) durch präformierte Schwachstellen der muskulären Darmwand. Sie treten meistens im Sigma (s. Abb. S. 117) auf und sind in der Regel asymptomatisch. Beschwerden entstehen durch Motilitätsstörungen in diesem Bereich, Entzündungen, Stenosen, Blutung, selten eine Perforation (Tab. 2.11).
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2. Bisherige Krankengeschichte n Welche diagnostischen Maßnahmen wurden zur Diagnosesicherung durchgeführt? n Welche Erkrankungen wurden dabei ausgeschlossen? n Wurden jemals eine Gastroskopie, Dünndarmdarstellung und Koloskopie durchgeführt? n Wurden in der Vergangenheit Laboruntersuchungen durchgeführt, sonographische Untersuchungen, Funktionstests? n Welche medikamentösen Behandlungsversuche wurden gemacht und mit welchem Erfolg? 3. Letzte Diagnostik n Wann waren die letzten Laboruntersuchungen und Funktionstests? n Wann waren die letzten endoskopischen Untersuchungen? n Wann war die letzte Sonographie? 4. Relevante Begleiterkrankungen n Bestehen psychische Erkrankungen und Beschwerden?
Abb. 2.5 Radiologisch dargestellte Divertikel im Profil (Pfeil) und in Aufsicht (Pfeilspitze)
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
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Tabelle 2.11 Kolondivertikel
Tabelle 2.12 Chronische Virushepatitis
Systematische Anamneseerhebung
Systematische Anamneseerhebung
1. Aktuelle Beschwerden n Haben Sie zurzeit Schmerzen? n Besteht Fieber? n Wie ist der Stuhlgang, regelmäßig, obstipiert, besteht eine Diarrhö? n Haben Sie Blutauflagerungen auf dem Stuhl bemerkt? n Werden Abführmittel eingenommen?
1. Aktuelle Beschwerden n Besteht eine Leistungsminderung? n Bestehen Druckschmerzen im rechten Oberbauch? n Besteht Inappetenz?
2. Bisherige Krankengeschichte n Welche diagnostischen Maßnahmen wurden zur Diagnosesicherung durchgeführt? n Welche Beschwerden bestanden damals? n Wie war der Krankheitsverlauf seither? n Bestanden entzündliche Schübe? n Wie wurde in diesen Fällen die Diagnose gesichert? n Wie oft kam es in der Vergangenheit zu Beschwerden? n Wie lange dauerten die Beschwerden an? n Haben Sie eine bestimmte Diät eingehalten? n Musste die Erkrankung schon einmal antibiotisch behandelt werden? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurden die letzten Laboruntersuchungen durchgeführt? n Wann wurden die letzte Koloskopie oder der letzte Kolon-Kontrasteinlauf durchgeführt? n Wann wurde die letzte Sonographie durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Obstipation n Alle Begleiterkrankungen des Patienten sind relevant, da nicht selten bei Divertikeln operiert werden muss.
2. Bisherige Krankengeschichte n Wissen Sie, ob Sie an einer Hepatitis B oder C erkrankt sind? n Aus welchem Anlass wurde die Hepatitis-Serologie durchgeführt? n Ist der Infektionsweg bekannt? n Welche Beschwerden traten seither auf? n Gab es Komplikationen, etwa eine Leberzirrhose? n Wurde einmal eine Leberpunktion durchgeführt? n Wie ist das Ergebnis? n Hatten Sie einmal eine Gelbsucht, einen so genannten Ikterus (s. Abb. 163)? n Hatten Sie einmal Wasser im Bauch, einen so genannten Aszites (s. Abb. 151)? n Hatten Sie einmal Blutungskomplikationen: eine Ösophagusvarizenblutung (s. Abb. 80)? n Wie hoch waren Ihre Leberwerte im Verlauf? n Bei Hepatitis C: Welcher Virus-Subtyp verursachte die Infektion? n Welche Therapieversuche wurden bisher durchgeführt? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurden die Laborwerte zuletzt bestimmt und wie waren die Ergebnisse? n Gibt es einen aktuellen histologischen Untersuchungsbefund? n Wann wurde die letzte Sonographie durchgeführt? n Wann wurde die letzte ÖsophagoGastro-Duodenoskopie durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Bestand oder besteht ein erhöhter Alkoholkonsum (Alkoholabusus, s. S. 172)? n Besteht Drogenkonsum? n Besteht eine HIV-Coinfektion?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen 2.1.11 Chronische Virushepatitis
Tabelle 2.13 Leberzirrhose
Die chronische Virushepatitis ist eine Leberentzündung, die durch die Hepatitisviren B, C oder D (s. S. 170) hervorgerufen werden kann (Tab. 2.12). Sie ist gekennzeichnet durch einen zunächst jahrelang schleichenden, asymptomatischen oder symptomarmen Verlauf und den späteren Übergang in eine Leberzirrhose (s. S. 173).
Systematische Anamneseerhebung
2.1.12 Leberzirrhose
2. Bisherige Krankengeschichte n Welches ist die Ursache der Leberzirrhose: Alkohol, Viren oder eine andere Ursache? n Welche Beschwerden bestanden zum Zeitpunkt der Diagnosestellung? n Hatten Sie einmal eine Gelbsucht, einen so genannten Ikterus (s. Abb. 163)? n Haben Sie Krampfadern in der Speiseröhre (Ösophagusvarizen) und haben diese einmal geblutet (s. Abb. 80)? n Hatten Sie einmal Wasser im Bauch, einen so genannten Aszites (s. Abb. 151)? n Welche Therapie wurde bisher durchgeführt? n Bei Alkoholabusus: Wurde eine Entzugsbehandlung durchgeführt? n Haben Sie Kontakt zu einem Transplantationszentrum?
Bei der Leberzirrhose (s. S. 173 und Abb. S. 172) handelt es sich um den narbigen Umbau des Leberparenchyms auf dem Boden einer chronisch entzündlichen Lebererkrankung. Hauptursachen sind Alkoholabusus und virale Hepatitis (Tab. 2.13). Folgen sind der Ausfall der Leberfunktion und die portale Hypertension (s. S. 78).
2.1.13 Cholelithiasis (Gallensteine) Gallensteine (Abb. 2.6) werden meist als Zufallsbefund diagnostiziert. Symptome entstehen durch Steinabgang (Koliken, Gangverschluss, s. S. 37), durch Entzündungen der Gallenblase oder der Gallenwege, durch Verlegung im Bereich der Papilla duodeni major mit konsekutiver Pankreatitis (s. Abb. S. 178). Nicht selten bestehen auch unspezifische Verdauungsbeschwerden (Tab. 2.14).
Abb. 2.6 Gallenstein-Sammlung
1. Aktuelle Beschwerden n Wie ist Ihr Appetit? n Wie ist Ihre Leistungsfähigkeit? n Wie ist Ihre allgemeine Befindlichkeit? n Wie viel wiegen Sie? n Bestand oder besteht ein erhöhter Alkoholkonsum (Alkoholabusus, s. S. 172)?
223
3. Letzte Diagnostik n Wann wurden die Leberwerte zuletzt untersucht? n Wann wurde die letzte Sonographie durchgeführt, wie war deren Ergebnis? Bestand zu dieser Zeit ein Aszites? n Wann wurde die letzte Endoskopie durchgeführt? n Wurden dabei Ösophagusvarizen gesehen? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Bestand oder besteht ein erhöhter Alkoholkonsum (Alkoholabusus, s. S. 172)? n Welche Medikamente nehmen Sie regelmäßig ein?
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Zusatzuntersuchungen und Erkrankungen
224
Tabelle 2.14 Cholelithiasis
Tabelle 2.15 Chronische Pankreatitis
Systematische Anamneseerhebung
Systematische Anamneseerhebung
1. Aktuelle Beschwerden n Haben Sie Schmerzen, Fieber, eine Gelbfärbung der Haut (Ikterus, s. S. 163)
1. Aktuelle Beschwerden n Bestehen zurzeit Schmerzen? Wie stark sind die Schmerzen? n Ist der Stuhlgang regelmäßig? Wie ist die Stuhlkonsistenz? n Leiden Sie unter Blähungen und Diarrhö? n Haben Sie in letzter Zeit zu- oder abgenommen? n Trinken Sie Alkohol?
2. Bisherige Krankengeschichte n Welche Symptome bestanden bei Diagnosestellung? n Wie oft kam es seitdem zu Schmerzen und Koliken? n Hatten Sie einmal eine Gelbsucht, einen so genannten Ikterus, s. Abb. S. 163? n War die Gallenblase schon einmal entzündet? Wenn ja, wie wurde die Diagnose gesichert? n Hatten Sie schon einmal eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse? n Welche Therapien wurden bisher durchgeführt? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurden die Laborwerte zuletzt untersucht? n Wann wurde die letzte Sonographie des Abdomens durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren n Bestehen Adipositas, Hyperlipidämie, wurde gefastet?
2.1.14 Chronische Pankreatitis Die chronische Pankreatitis ist eine chronisch progrediente Entzündung des Pankreas (s. Abb. S. 188), die zu einem Verlust der exokrinen Pankreasfunktion führen kann (Tab. 2.15). Häufigste Ursache ist der Alkoholabusus (s. S. 172). Die Leitsymptome sind zunächst Schmerzen und später die Pankreasinsuffizienz. Im Spätstadium kommt es deshalb zu Gewichtsverlust (s. S. 193), Diarrhö (s. S. 45), Steatorrhö.
2. Bisherige Krankengeschichte n Welche Beschwerden standen bei der Diagnosestellung im Vordergrund? n Ist die Ursache der Pankreatitis bekannt? n Bestand damals ein Alkoholabusus? n Müssen Sie zurzeit Enzyme substituieren oder Schmerzmittel nehmen? n Wenn Schmerzmittel eingenommen werden: Welche nehmen Sie ein, wie oft ist das nötig? n Wurden Sie in der Vergangenheit wegen der Pankreatitis stationär behandelt? 3. Letzte Diagnostik n Wann wurden die letzten Laboruntersuchungen durchgeführt? n Wann wurde die letzte Stuhluntersuchung mit einer Pankreaselastasebestimmung durchgeführt? n Wann war die letzte Untersuchung des Abdomens? n Wurden eine ERCP* oder ein MRT durchgeführt? 4. Relevante Begleiterkrankungen n Welche Begleiterkrankungen bestehen? n Besteht ein erhöhter Alkoholkonsum (Alkoholabusus, s. S. 172)? n Besteht zusätzlich eine Lebererkrankung? Bestehen Gallensteine? * endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie
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Anhang
D
227
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Anhang
1 Anhang 1.1 Laborwerte – Normalbereiche Parameter
228
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
ACTH
S
9–52 ng/l
0,2202
2–11 pmol/l
Albumin
S
3,5–5,5 g/dl
10
35–55 g/l
Aldosteron (liegend)
S
50–150 pg/ml
2,774
139–416 pmol/l
a-Amylase
P/S U
I 100 U/l I 600 U/l
a1-Fetoprotein (AFP)
S
I 10 ng/ml
Alkalische Phosphatase (AP)
P/S
m: 40–129 U/l w: 35–104 U/l
Ammoniak
P/S
m: 19–80 mg/dl w: 25–94 mg/dl
0,59
m: 11–48 mmol/l w: 15–55 mmol/l
Antistreptolysintiter
S
I 200 IU/ml
Antithrombin (AT III)
S
75–120 %
P/S P/S P/S
0,2–1,1 mg/dl 0,05–0,3 mg/dl I 0,8 mg/dl
Bilirubin gesamt direkt indirekt
17,1 3,4–18,8 mmol/l 0,9–5,1 mmol/l I 13,7 mmol/l
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
Blutgase (arteriell) pH pCO2 pO2 BE StandardBikarbonat O2-Sättigung
7,36–7,44 35–45 mmHg 90–100 mmHg –2 bis +2 mmol/l 22–26 mmol/l
Blutungszeit
I 2–8 Min.
92–96 %
0,133 0,133
4,67–6,00 kPa 12–13,3 kPa
0,01
0,92–0,96
BSG (BKS)
C
m: 3–10 mm (1 h) w: 6–20 mm (1 h)
Calcium
S U
2,3–2,6 mmol/l 4,0–5 mmol/l
Carcinoembryonales Antigen (CEA)
S
Chlorid
P/S U
98–112 mmol/l 160–178 mmol/24 h
P/S P/S P/S
120–250 mg/dl i 40 mg/dl I 160 mg/dl
Cholinesterase (CHE)
S
m: 5320–12920 U/l w: 4260–11250 U/l
C3-Komplement
S
0,55–1,2 g/l
C4-Komplement
S
0,2–0,5 g/l
Coeruloplasmin
S
20–60 mg/dl
0,063
1,26–3,7 mmol/l
C-Peptid
S
0,37–1,2 nmol/l
2,97
1,1–3,6 mg/l
C-reaktives Protein (CRP)
P/S
I 5 mg/l
Creatinkinase (CK)
P/S
m:I 174 U/l w: I 140 U/l
CreatinkinaseIsoenzym MB (CK-MB)
P/S
I 6 % der CK
Cholesterin gesamt HDL LDL
229 I 3 mg/l
0,026 3,1–6,5 mmol/l i 1,0 mmol/l I 4,0 mmol/l
Cortisol: siehe Kortisol
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
230
Differenzialblutbild: n stabkernige neutrophile Granulozyten n segmentkernige neutrophile Granulozyten n eosinophile Granulozyten n basophile Granulozyten n Monozyten n Lymphozyten
E
Digoxin
S
0,8–2,0 ng/ml
1
0,8–2,0 mg/l
Digitoxin
S
15–25 ng/ml
1
15–25 mg/l
Eisen
S
m: 80–150 mg/dl w: 60–140 mg/dl
0,179
m: 14–27 mmol/l w: 11–25 mmol/l
Eiweiße Albumin a1-Globulin a2-Globulin b-Globulin g-Globulin
S
(Elektrophorese) 3,6–5,0 g/dl (45–65 %) 0,1–0,4 g/dl (2–5 %) 0,5–0,9 g/dl (7–10 %) 0,6–1,1 g/dl (9–12 %) 0,8–1,5 g/dl (12–20 %)
10 10 10 10 10
36–50 g/l 1–4 g/l 5–9 g/l 6–11 g/l 8–15 g/l
Elastase-1
St
i 200 mg/g Stuhl
Erythrozyten
E
m: 4,5–5,9 Mio./ml w: 4,0–5,2 Mio./ml
Ferritin
S
30–200 mg/l
Fibrinogen
P
200–400 mg/dl
0,03
5,9–11,8 mmol/l
Folsäure
P
3–15 ng/ml
Gastrin
S
I 100 pg/ml
Gesamteiweiß
S
6–8,4 g/dl
10
60–84 g/l
Glukose nüchtern
B/S
55–110 mg/dl
0,0555
3,05–6,1 mmol/l
gGT
S
m: I 66 U/l w: I 39 U/l
GOT (AST)
S
m: I 50 U/l w: I 35 U/l
0–5 % 50–70 % (1800–7000/ml)
0–5 % (I 450/ml) 0–2 % (I 200/ml) 2–6 % (I 800/ml) 25–45 % (1000–4800/ml)
I 100 ng/l
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
GPT (ALT)
S
m: I 50 U/l w: I 35 U/l
HbA1C
E
I 4,6 % (IFCC, entspricht 6,3 % der bisherigen Methode)
Hämatokrit
E
m: 41–50 % w: 37–46 %
Hämoglobin
E
m: 14–18 g/dl w: 12–16 g/dl
0,62
8,7–11,2 mmol/l 7,5–9,9 mmol/l
Haptoglobin
S
20–204 mg/dl
0,01
0,2–2,04 g/l
Harnsäure
S
2,6–6,4 mg/dl
60
155–384 mmol/l
Harnstoff
S
10–55 mg/dl
0,17
1,7–9,3 mmol/l
a-HBDH
S
72–182 U/l
Immunglobulin G
S
0,8–1,8 g/dl
10
8–18 g/l
Immunglobulin A
S
0,09–0,45 g/dl
10
0,9–4,5 g/l
Immunglobulin M
S
0,06–0,26 g/dl
10
0,6–2,6 g/l
INR (international normalized ratio)
C
1,0
Kalium
S U
3,5–5 mmol/l 30–100 mmol/24 h
Kalzium
S U
2,3–2,6 mmol/l 4,0–5 mmol/l
Kortisol 8.00 Uhr 16.00 Uhr
S
5–25 mg/dl 3–12 mg/dl
27,59
140–690 nmol/l 80–330 nmol/l
Kortisol
U
20–100 mg/24 h
2,759
55–275 nmol/24 h
Kreatinin
S
0,5–1,2 mg/dl
88,4
44–106 mmol/l
231
80–160 ml/min
KreatininClearance (alters- und geschlechtsabhängig) Kupfer
S
m: 70–140 mg/dl w: 85–155 mg/dl
0,157
m: 11–22 mmol/l w: 13–24 mmol/l
Laktat
S
9–16 mg/dl
0,111
1–1,8 mmol/l
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
232
LDH
S
m: 135–225 U/l w: 135–214 U/l
LAP
S
16–32 U/l
Leukozyten
E
4000–10000/ml
Lipase
S
30–180 U/l
Lipoprotein (a)
S
I 30 mg/dl
10
I 300 mg/l
Magnesium
S
1,75–4 mg/dl
0,41
0,7–1,6 mmol/l
MCH (mittlerer Hb-Gehalt des Erythrozyten)
E
27–34 pg
MCHC (mittlere Hb-Konzentration der Erythrozyten)
E
30–36 g/dl
MCV (mittleres Erythrozytenvolumen)
E
85–98 fl
Natrium
S U
135–150 mmol/l 120–220 mmol/24 h
Osmolalität
S U
280–300 mosm/kg 800–1400 mosm/kg
Partielle Thromboplastinzeit (PTT)
C
20–38 Sek.
Prolaktin
S
m: I 11 ng/ml w: I 15 ng/ml
1
m: I11 mg/l w: I 15 mg/l
Phosphat
S
0,77–1,55 mmol/l
Prostataspez. Antigen (PSA)
S
I 3 ng/ml
1
I 3 mg/l
Quick
C
siehe Thromboplastinzeit
Renin (8.00 Uhr, im Liegen)
P
1–2,5 ng/ml/h
Retikulozyten
E
4–15 ‰ (20000–75000/ml)
Rheumafaktor (Latex)
S
I 20 IU/ml
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Anhang Parameter
Normwerte konventionell
x Faktor =
SI-Einheiten
B = Vollblut, C = Citratblut, E = EDTA-Blut, P = Plasma, S = Serum, St = Stuhl, U = Urin
Spezifisches Uringewicht
U
1,002–1,035
STH (GH)
S
I 5 ng/ml
Stuhlfett
St
I 7 g/24 h
Theophyllin
S
10–20 mg/ml
Thrombinzeit (TZ)
C
14–20 Sek.
Thromboplastinzeit (Quick)
C
70–100 %
Thrombozyten
E
150000–350000/ml
TSH basal 30 Min. nach Injektion von 200 mg TRH
S
0,3–4,0 mU/l Anstieg i 2 mU/l
freies Thyroxin (fT4)
S
0,5–2,3 ng/dl
14
7–30 pmol/l
freies Trijodthyronin (fT3)
S
3,0–6,0 pg/ml
1,53
4,6–9,2 pmol/l
TBG = thyroxinbindendes Globulin
S
12–30 mg/ml
Thyreoglobulin
S
I 50 ng/ml
Transferrin
S
200–400 mg/dl
0,01
2,0–4,0 g/l
Triglyzeride
S
75–150 mg/dl
0,0112
0,83–1,7 mmol/l
Vitamin A
S
20–80 mg/dl
0,035
0,7–2,8 mmol/l
Vitamin B12
S
310–1100 pg/ml
0,739
229–812 pmol/l
Vitamin D n 1,25 Dihydrocholecalciferol n 25-Hydroxycholecalciferol n 25–Hydroxycholecalciferol
S
Vitamin E
S
1
I 5 mg/l
1
10–20 mg/l
233
2,496 20–50 ng/ml
50–125 nmol/l
Sommer: 15–95 ng/ml
37– 237 nmol/l
Winter: 12–62 ng/ml
30–155 nmol/l
5–20 mg/ml
2,4
12–48 mmol/l
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Anhang 1.2 Quellenverzeichnis
234
Tab. A 2.3 Füeßl, H. S., Middeke, M.: Anamnese und Klinische Untersuchung. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. A 3.2 Kühnel, W.: Taschenatlas der Zytologie, Histologie und mikroskopischen Anatomie. 11. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. A 3.4 Neurath, M., Lohse, A.: Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. A 4.1 Sterry, W., Paus, R.: Checkliste Dermatologie. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Tab 4.1 Neurath, M., Lohse, A.: Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. A 4.2 Heinzeller, T., Büsing, C. M.: Histologie, Histopathologie und Zytologie für den Einstieg. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. A 4.3 Sterry, W., Paus, R.: Checkliste Dermatologie. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 1.2 nach Huppelsberg, J., Walter, K.: Kurzlehrbuch Physiologie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 1.6 nach Lippert, H. (Hrsg.): Praxis der Chirurgie Allgemein- und Viszeralchirurgie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1997 Abb. B 1.8 Hirner, A., Weise, K.: Chirurgie Schnitt für Schnitt. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 1.9 Schmidt, G.: Kursbuch Ultraschall. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B 1.10 Hamm, B., Krestin, G. P., Laniado, M., Nicolas, V.: MRT von Abdomen und Becken. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B 1.11 Hirner, A., Weise, K.: Chirurgie Schnitt für Schnitt. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 1.12a Schmidt, G.: Checkliste Sonographie. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 1.12b Stauber, M., Weyerstahl, T.: Duale Reihe Gynäkologie und Geburtshilfe. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005
Abb. B 1.14, B 1.15 Block, B.: Der SonoTrainer. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B 2.3a und b Riede, U.-N., Werner, M., Schäfer, H.-E.: Allgemeine und spezielle Pathologie. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 2.4 Paetz, B., Benzinger-König, B.: Chirurgie für Pflegeberufe. 19. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Abb. B 2.5a und b Schmidt, G.: Checkliste Sonographie. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 2.6 Hof, H., Dörries, R.: Duale Reihe Mikrobiologie. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 2.7 Reiser, R., Kuhn, F.-P., Debus, J.: Duale Reihe Radiologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 2.8 a und b Kayser, F. H. et al.: Taschenlehrbuch Medizinische Mikrobiologie. 11. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 2.9, B 2.10, B 2.11 Classen, M., Tytgat, C. J., Lightdale, G. N. J.: Gastroenterologische Endoskopie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 3.1, B 3.2 a und b Schwegler, J. S.: Der Mensch Anatomie und Physiologie. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B 3.3, B 3.5 Füeßl, H. S., Middeke, M.: Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 3.4 Reiser, R., Kuhn, F.-P., Debus, J.: Duale Reihe Radiologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 3.6 Block, B.: Der Sono-Trainer. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 3.7 Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe Chirurgie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B 4.1 nach Ulfig, N.: Kurzlehrbuch Histologie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 4.2a und b Hof, H., Dörries, R.: Duale Reihe Mikrobiologie. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Tab. B 4.2 Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe Chirurgie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Block, B.: POL-Leitsymptome Gastrointestinaltrakt (ISBN 978-313-142851-6) © Georg Thieme Verlag KG 2006
Anhang Abb. B 4.3, B 4.5, B 4.11 Block, B., Schachschal, G., Schmidt, H.: GastroskopieTrainer. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 4.6 Siegenthaler, W.: Differentialdiagnose innerer Krankheiten. 18. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B 4.8, B 4.9 Block, B.: Sonographieren in 30 Tagen. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 4.10a und b Baenkler, H.-W. et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Sonderausgabe, Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B 5.2, B 5.3 Greten, H.: Innere Medizin. 12. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 5.4 Jung, E. G., Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B 5.5 Block, B., Schachschal, G., Schmidt, H.: Gastroskopie-Trainer. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 5.6 Gängler, P. et al.: Zahn-MundKieferheilkunde, Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 5.7 Helmreich-Becker, J., Lohse, A.W.: Checkliste Gastroskopie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B 5.8 Burgener, F. A., Kormano, M.: Radiologische Differentialdiagnostik in der Inneren Medizin. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1996 Abb. B 6.2, B 6.5, B 6.6 Siegenthaler, W.: Differentialdiagnose innerer Krankheiten. 18. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B 6.3 Block, B., Schachschal, G., Schmidt, H.: Gastroskopie-Trainer. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 6.4 TIM Thiemes Innere Medizin. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B 6.7 Gerlach, U., Wagner, H., Wirth, W.: Innere Medizin für Pflegeberufe. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Abb. 6.9 Hahn, E. G., Riemann, J. F.: Klinische Gastroenterologie. Band I, 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1996 Abb B 7.1 nach Klinke, R., Silbernagl, S.: Lehrbuch der Physiologie. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B 7.2 Stauber, M., Weyerstahl, T.: Duale Reihe Gynäkologie und Geburtshilfe. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005
Tab. B 7.3 Thompson, W.G. et al.: Functional bowel disorders and functional abdominal pain. Gut 1999, 45 S 2:1143-1147 Abb. B 7.3, B 7.5, B 7.6 Kellnhauser, E.: Thiemes Pflege. 10. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 7.4 TIM Thiemes Innere Medizin. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B 8.1 nach Bommas, U., Teubner, P., Voß, R.: Kurzlehrbuch Anatomie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 8.3 Winkler, R., Otto, P.: Proktologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1997 Abb. 8.4, B 8.6a und b, B 8.7 Jung, E. G., Moll, I.: Duale Reihe Dermatologie. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B 8.5 TIM Thiemes Innere Medizin. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. B 8.8 Baenkler, H.-W. et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Sonderausgabe, Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. 8.9 nach Neurath, M., Lohse, A.: Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B 9.1 Faller, A., Schünke, M.: Der Körper des Menschen. 14. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 9.2, B 9.3 Classen, M., Tytgat, C. J., Lightdale, G. N. J.: Gastroenterologische Endoskopie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 10.1 Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Duale Reihe Psychiatrie und Psychotherapie. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 10.2 nach Suter, P. M.: Checkliste Ernährung. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 10.3, B 10.6 Baenkler, H.-W. et al.: Duale Reihe Innere Medizin. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B 10.7 Neurath, M., Lohse, A.: Anamnese und klinische Untersuchung. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B 11.1 Stauber, M., Weyerstahl, T.: Duale Reihe Gynäkologie und Geburtshilfe. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. 11.2a und b Riede, U.-N.: Taschenatlas der allgemeinen Pathologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1998
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Anhang
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Abb. B 11.3 Gerlach, U., Wagner, H., Wirth, W.: Innere Medizin für Pflegeberufe. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Abb. B 11.4, B 11.6 Neurath, M., Lohse, A.: Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B 11.5 nach Neurath, M., Lohse, A.: Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. 11.7 a und b Schmidt, G.: Checkliste Sonographie. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 12.1 Füeßl, H.S., Middeke, M.: Anamnese und klinische Untersuchung. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 12.5, B 12.6a und b Niessen, K.-H.: Pädiatrie. 6. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B 12.7 Schumpelick, V., Bleese, N., Mommsen, U.: Kurzlehrbuch Chirurgie. 6. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B 12.8 Riede, U.-N.: Taschenatlas der allgemeinen Pathologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1998 Abb. B 12.9 Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe Chirurgie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. B 12.10 Sachsenweger, M.: Duale Reihe Augenheilkunde. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B 12.11a Baenkler, H.-W. et al.: Duale Reihe Innere Medizin. Sonderausgabe, Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B 12.11b Paetz, B., Benzinger-König, B.: Chirurgie für Pflegeberufe. 19. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Abb. B 12.12 Gerlach, U., Wagner, H., Wirth, W.: Innere Medizin für Pflegeberufe. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Abb. B 12.15, B 12.16 Block, B.: Der SonoTrainer. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 13.1a Riede, U.-N., Werner, M., Schäfer, H.-E.: Allgemeine und spezielle Pathologie. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 13.1b Koch, H., Freiburg
Abb. B 13.2 Hirner, A., Weise, K.: Chirurgie Schnitt für Schnitt. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. B 13.3 Heinzeller, T., Büsing, C. M.: Histologie, Histopathologie und Zytologie für den Einstieg. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. B 14.1 nach Füeßl, H. S., Middeke, M.: Anamnese und Klinische Untersuchung. 3. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. B 14.2 Neurath, M., Lohse, A.: Checkliste Anamnese und klinische Untersuchung. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2002 Abb. B 14.3 Riede, U.-N.: Taschenatlas der allgemeinen Pathologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1998 Abb. B 14.4 Medizinisches Bildarchiv, Georg Thieme Verlag, Stuttgart c Boehringer Ingelheim Pharma KG 2001 Abb. B 14.5 Henne-Bruns, D., Dürig, M., Kremer, B.: Duale Reihe Chirurgie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2003 Abb. C 1.1 Heinzeller, T., Büsing, C. M.: Histologie, Histopathologie und Zytologie für den Einstieg. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. C 1.2a, b, c Block, B.: Sonographieren in 30 Tagen. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004 Abb. C 1.3 Helmreich-Becker, I., Lohse, A.: Checkliste Gastroskopie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1999 Abb. C 1.4, C 2.1a und b, C 2.6 Paetz, B., Benzinger-König, B.: Chirurgie für Pflegeberufe. 19. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2000 Abb. C 2.3 Greten, H.: Innere Medizin. 12. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2005 Abb. C 2.4 Heinzeller, T., Büsing, C. M.: Histologie, Histopathologie und Zytologie für den Einstieg. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2001 Abb. C 2.5 Reiser, R., Kuhn, F.-P., Debus, J.: Duale Reihe Radiologie. 1. Aufl., Thieme, Stuttgart, 2004
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Block, B.: POL-Leitsymptome Gastrointestinaltrakt (ISBN 978-313-142851-6) © Georg Thieme Verlag KG 2006