Jurgen Martschukat, Olaf Stieglitz
Geschichte der Mannlichkeiten
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Jurgen Martschukat, Olaf Stieglitz
Geschichte der Mannlichkeiten
Campus Verlag Frankfurt/New York
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UNIVERSmrr5UM.D STADT_ BIBLJOrHEK rOlN
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Sammlung
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Bibliografische Information der Deutschen N ationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-593-38753-6
Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig. Das gilt insbesondere fiir Vervielfa'Jtigungen, Dbersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright © 2008 Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main
Umschlaggestaltung: Guido Kliitsch, K6ln Fotosatz: FotOsatz 1. Huhn, Linsengerichr
Druck und Bindung: Druck Partner Riibelmann, Hemsbach Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de
Unser Dank fiir Hilfe und Unterstiitzung gilt Claudia Bruns, Ka tharina Dahl, Angelika Epple, Uta Fenske, Norbert Finzsch, Ulf Heidel, Kirsten Heinsohn, Jens Jager, Julia Kramer, Felix Kramer, Claudia Lenz, Maren Mohring, Christiane Munder, Massimo Pe rinelli, Heiko Stoff und Klaus Weinhauer.
Inhalt
1.
Einleitung .
. . .
9
2.
Frauen- und Geschlechtergeschichte .
12
3.
" Men's Studies«: Entwicklung, Schwerpunkte und Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
4.
Theoretische Leidinien fur eine Geschichte der Mannlichkeiten . . . . . . . . . . . .
51
5.
Manner und Mannlichkeiten in der Historiographie: Ein erster Oberblick . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
6. Die vielen Facetten des »Broterwerbs«: Manner zwischen Familie und Arbeitsleben . . . . . . . . . . . . . . .
84
7.
.
.
. . . . . .
.
.
Von Brudern, Kameraden und Staatsburgern: Formen mannlicher Sozialitat . . . . . . . . . . . . . . . . .
8. Geschichten mannlicher Sexualitaten 9.
Geschichte der Mannlichkeiten - Fazit und Perspektiven . . . .
Auswahlbibliographie . Personen- und Sachregister
II2 137
1.
Einleitung
Seit einigen Jahren sind nicht nur Medien und Popularkultur ver starkt bemiiht, Manner und Mannsein zu verstehen. Auch die Sozial- und Kulturwissenschaften haben den Mann, »das unbe kannte Wesen«, entdeckt. Das entsprechende Forschungsfeld ist mittlerweile so dynamisch und beinahe uniiberschaubar, dass es immer schwieriger wird, iiber die Inhalte wie iiber theoretisch-me thodische Fragen den Uberblick zu behalten. Hier so11 das yorlie gende Buch Hilfestellungen bieten, indem es die Geschichte und Geschichtsschreibung der Mannlichkeiten so strukturiert, dass es erstens eine Orientierungshilfe fiir den Einstieg in das Feld bietet, zweitens den Stand der Forschung zusammenfasst und drittens Anregungen zur Weiterarbeit formuliert. Schwerpunkte des Buches liegen in der neueren Geschichte sowie in der deutsch- und englischsprachigen Forschung. Nichts destoweniger sollte das Buch auch fiir diejenigen gewinnbringend sein, die sich mit zeitlichen, raumlichen oder kulturellen Berei chen der Geschichte befassen, die nicht im Zentrum unserer in haltlichen Ausfiihrungen stehen. Denn ein wesentlicher Akzent liegt auf konzeptionellen und methodischen Aspekten, und auch die Auseinandersetzung mit der konkreten Forschung zielt we niger darauf ab, historische Inhalte zu erarbeiten, als vielmehr Forschungsfragen aufzuwerfen und zu diskutieren, die iiber die deutsche und angloamerikanische Geschichte hinausweisen. GleichermaBen hoffen wir auch diejenigen Historikerinnen und Historiker anzusprechen, deren Interesse innerhalb der Ge schlechtergeschichte eher den Weiblichkeiten als den Mannlich keiten gilt. Wir pladieren mit Nachdruck dafiir, Geschichten der Mannlichkeit als mehrfach relationale Geschlechtergeschichten
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GESCHICHTE DER MAN N LlCH K E ITEN
zu konzipieren und zu schreiben. Das bedeutet, dass sich ein spezifischer Mannlichkeitsentwurf sowohl in Bezug zu weiteren Mannlichkeitsentwiirfen (die sich im Zusammenhang mit an deren Strukturkategorien wie zum Beispiel Klasse, Region oder Alter auspragen) als auch zu Weiblichkeiten konstituiert. Dem nach werden wir auf den folgenden Seiten viele Texte und For schungsfragen diskutieren, die eher einer breiter konzipierten Ge schlechtergeschichte als einer eng gefiihrten »Mannergeschichte« zuzuordnen sind. SchliefWch sind Geschichten von Mannern seit Jahrhunderten en masse geschrieben worden. Geschichten von »Mannlichkeiten« hingegen, also von Geschlechtsentwiirfen, die historisch-kulturell variabel sind, die in ihren Auspragungen (mit-)bestimmen, wer wie handelt und welchen Zugriff auf gesell schaftliche Ressourcen hat, sind seltener. Sowohl die Anlage des gesamten Buches als auch die einzel nen Kapitel orientieren sich an der Pramisse, Mannlichkeiten geschichte als Teil einer relationalen Geschlechtergeschichte zu schreiben. Zunachst betrachten wir die gesellschaftspolitischen und akademischen Felder, aus denen die Geschichte der Mann lichkeiten hergeleitet werden kann. Hier ist erstens die Frauen und Geschlechtergeschichte zu nennen, die wir in ihrer his tori schen wie konzeptionellen Herausbildung skizzieren. Als zweites Feld werden wir die interdisziplinare Mannerforschung darstellen, die sich vornehmlich seit den 1970er Jahren in den unterschied lichsten Spielarten entwickelt und einige zentrale Ansti:i6e fiir die Geschichte der Mannlichkeiten gegeben hat. Gewisserma6en das »Herzstiick« des Buches ist dann ein Kapitel, das die konzeptionellen Ausfiihrungen biindelt und zentrale Leit fragen fiir die Geschichte der Mannlichkeiten formuliert, die sich aus der derzeitigen Forschung herauskristallisieren lassen. Identi tatsbildung, die mehrfache Relationalitat von Geschlechtern, das Verhaltnis von Diskursen und Erfahrungen sowie die in der For schung zu Mannern und Mannlichkeiten besonders pragnanten Konzepte der Krise und Hegemonie waren hier die entsprechen den Stichworte. In diesem Kapitel werden wir auch Anregungen geben, wie die Leitfragen in Historiographie umzusetzen sind und Forschungsdesideraten nachgekommen werden kann.
E I N lEITUNG
Anschlid�end werden wir dann die entsprechende Historiogra phie vorstellen. Wie bereits erwahnt ist die Forschung vielfaltig, verstreut und seit einigen Jahren augerst dynamisch. Daher ist es unmoglich und auch wenig Gewinn bringend, in einem Ein fiihrungsband wie diesem samtliche Literatur aufzufiihren, die zu einem bestimmten Thema verfiigbar ist. Gleichwohl soUte es moglich sein, mit Hilfe unserer Ausfiihrungen zielgerichtet wei terzuarbeiten und sich die gesamte Forschung zu erschliegen. Wir verweisen diesbeziiglich auch auf die umfassende Bibliographie zu diesem Buch auf der Homepage des Campus-Verlages. Was werden diese einzelnen Forschungskapitel konkret behan deln? Zunachst werden wir in der gebotenen Kiirze solche Arbei ten prasentieren, die als »Meilensteine« der bisherigen Forschung zu Mannern und Mannlichkeiten gelten konnen. Die drei nachs ten Kapitel folgen in ihrer Einteilung Leitkonzepten, die uns fiir mannliche Identitatsbildungen und Lebenswelten in der Neuzeit zentral erscheinen: Mit Vaterschaft zwischen Familie und Arbeit konnte ein erster Themenkomplex umschrieben werden, Sozialitat und Staatsbiirgerschaft sind die zentralen Stichworte des zweiten Feldes, und die Geschichte mannlicher Sexualitaten wird Gegen stand des letzten Kapitels sein. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Einteilung der Kapitel keine scharfe Trennung unterschied licher Forschungsbereiche widerspiegelt. Dass etwa sexualitats historische FragesteUungen wesentlich mit Familienaspekten ver kniipft sein konnen und zudem dariiber mitentscheiden, wer als Staatsbiirger legitimiert ist und wer nicht, ist leicht nachvoUzieh bar.
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2.
Frauen- und Geschlechtergeschichte
Wer die Geschichte von Mannern und Mannlichkeiten betreiben will und diese zudem als Teil einer relationalen Geschlechterge schichte versteht, muss die Grundzuge und Entwicklungen der Frauen- und Geschlechtergeschichte von den spaten 1960er Jah ren bis zu unserer Gegenwart kennen. Man muss wissen, welche Ziele feministische Historikerinnen seit d�r Frauenbewegung der 1960er Jahre verfolgt und wie sich diese Ziele und mit ihnen die historiographischen Perspektiven peu a peu von der Frauen zur Geschlechtergeschichte verschoben haben. Wichtig ist auch, dass ab den 1990er Jahren die so hart erarbeitete Kategorie des »Geschlechts« (verstanden als Ensemble zugeschriebener Eigen schaften und sozialer Kategorisierungen) wieder in Frage gestellt wurde. Wie lasst sich die Geschichte der Mannlichkeiten in diese Forschungsgeschichte einbinden? Letzere Frage ist im Zuge der Debatten uber Frauen- und Geschlechtergeschichte immer wie der formuliert worden, und sie wird einen wesentlichen Bezugs punkt unserer folgenden Betrachtungen bilden. Insgesamt wird sich eine gewisse Kreisformigkeit der Denkbewegungen seit den 1970er Jahren abzeichnen. Viele Fragen und Aspekte im Hinblick aufWeiblichkeiten und Mannlichkeiten sind im Laufe der letzten Dekaden wiederholt aufgeworfen worden. Da diese Fragen aber in unterschiedlichen politis chen Kontexten und im Rahmen der sich immer wieder wandelnden Geschichts-, Sozial- und Kultur wissenschaften gestellt wurden, anderten sich auch die Reaktio ' nen und Antworten (Opitz 2005 als Forschungsuberblick uber Frauen- und Geschlechtergeschichte).
FRAU E N U N D G E5CH LECHTERGE5CHIC HTE
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Frauengeschichte der 1960er und fruhen 1970er Jahre Als ein wesentlicher Bestandteil der starken gesellschaftlichen Veranderungen in Westeuropa und Nordamerika entfaltete sich in den 1960er Jahren eine dynamische neue Frauenbewegung. 1m Rahmen der Kampfe gegen das bestehende gesellschaftliche Ordnungssystem prangerten Frauen lautstark geschlechtsspezi6sche Diskriminierungen in der »gro6en« Politik und im Berufsleben an und rlickten Bereiche ihres Lebens in das Blickfeld der Offentlichkeit, die bis dahin noch weniger Beachtung gefunden hatten. Denn nicht nur die vermeintlich »gro6e« Politik, sondern auch das Pers6nliche ist politisch, lautete die Maxime. Hier sei beispielsweise die Gesundheitssituation von Frauen genannt, Sexualitat, Gewalt gegen Frauen, Pornographie oder die Stellung von Frauen in der Kultur und im Bildungssystem (Frevert 1986: 272-287; Holland-Cunz 2003). Ein wesentliches Ziel der Frauenbewegung war, zunachst ein Bewusstsein flir die gesellschaftlichen Benachteiligungen von Frauen und die entsprechenden Wirkungsmechanismen zu schaf fen. Dieser Prozess des consciousness-raising wurde dadurch ekla tant erschwen, dass Frauen scheinbar keine Vergangenheit hatten. Schlie6lich war die Geschichte, die bis dahin aufgeschrieben wor den war, im Wesentlichen die Geschichte der traditionell Mach tigen und somit die Geschichte von Mannern gewesen. Die His torisierung der eigenen Position war zwingend notwendig, urn sie durchdringen und verandern zu k6nnen. Eine andere Geschichte als die bisher bekannte sollte die Herrschaft des Mannes in Frage stellen, indem sie weibliche Identi6kations6guren hervorbrachte (Lerner 1995; Gordon/Buhle/Schrom 1971: 3; Frevert 1992: 113 ff.). Zahlreiche Werke der Frauengeschichte der ersten oder zweiten Stunde signalisierten dementsprechend schon im Titel, dass es bis dahin Verborgenes zu befreien galt: Hidden From History, Beco ming Visible oder Liberating Womens History, urn nur die sprechendsten zu erwahnen (Rowbotham 1977; Carroll 1976; Bridenthal 1977; Scott 1988: 17). Zunachst splirte die frlihe Frauengeschichte vor allem der
Neue Frauenbewegung
Frauen sichtbar mach en
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GESCHICHTE DER MA N N Ll C H K E ITEN
1960er Jahre vorzugsweise nach solehen Frauen, die in der mann lich gepragten Gesellschafts- und Leistungsordnung hatten auf fallen konnen. So genannte »women worthies« (Davis 1976: 90) oder auch »groge Frauen« galt es aufzuzeigen. Zwar hatte vor aHem die europaische Geschichtsschreibung seit der Fruhen Neu zeit auch andere und vielfaltige Wege eroffnet, die Geschichte von Frauen in verschiedenen Lebenslagen und aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten (Davis 1976: 83 ff.; Davis 1984; Smith 1998; Epple 2003). Bis zu den 1970er Jahren wurden »Frauen als Antriebskraft der Geschichte« (Beard 1946) allerdings eher dann wahrgenommen, wenn sie sich als Frauengestalten den namhaften Helden der Historie hinzufugen liegen. Als Frauen stellten solehe Frauen, die sich in der Mannerwelt bewahrt hatten, jedoch haufig Ausnahmen von der Regel dar. Diese additi�e Geschichtsschrei bung brachte zwar eine gewisse Revision bestehender Geschichts bilder mit sich, vernachlassigte aber eben die Mehrheit der Frauen und die Spezifika weiblicher Historie (Gordon 1971: II-16; Lerner 1975). Eine andere Sicht auf die Geschichte von Frauen lieferten in diesen ersten Jahren solehe Erzahlungen, die weniger die Erfolge, sondern vielmehr die Kampfe und die Unterdruckung von Frauen in einer mannlich gepragten und dominierten Gesellschaftsord nung herausarbeiteten (Beauvoir 2000 [1949]). Die Forschung konzentrierte sich hier vornehmlich auf das 19. Jahrhundert, wo sie nach den Wurzeln des Patriarchats suchte, das Frauen im fort geschrittenen 20. Jahrhundert noch immer unterwar£ In diesen Geschichten wurden Frauen in der Regel als Opfer in einem Sys tem patriarchalischer Herrschaft gezeichnet statt als handelnde Akteurinnen, und sie trugen so letztlich paradoxerweise dazu bei, Vorstellungen weiblicher Passivitat zu reproduzieren, die insbesondere die Anthropologie des kritisierten 19. Jahrhunderts als » naturlich« fur das »Wesen« der Frau behauptet hatte (Welter 1966; Hausen 1976; Honegger 1991): Verdienste Trotz dieser kritischen Einwande sind die Verdienste der fruhen Frauengeschichte unstrittig, verwies sie doch erstens mit Nach druck darauf, dass die damals bestehende Geschichtsschreibung luckenhaft war. Zweitens zeigte die historische Betrachtung
FRAUEN U N D G E5CHLEC HTERGE5C H I CHTE
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von Frauen, dass die Geschichte von unterschiedlichen und ge schlechtsgebundenen Erfahrungen gepragt war. Daher warf diese neue Geschichte Fragen auf, die die bisherige Historie, ihre Ka tegorisierungen, Epochen oder Denkmodelle in ihren Geltungs anspruchen in Frage stellten. Die Vorstellung beispielsweise, Technisierung bringe grundsatzlich fur aIle Menschen eine Le bensverbesserung, wurde durch die Betrachtung von Frauenarbeit mehr als fragwurdig (Scott 1982) . Auch die traditionellen Periodi sierungen der Geschichte wurden als unzulassige Verallgemeine rungen thematisiert. Harte das Zeitalter der demokratischen Re volutionen tatsachlich eine politische Befreiung aller Menschen bedeutet? Haben Menschenrechte ein Geschlecht? Gab es die Renaissance als Zeit wachsender politisch-kultureller Moglich keiten auch fur Frauen? Dies alles waren Fragen, die zumindest skeptische Antworten hervorriefen (Hoff Wilson 1976; Kelly-Ga dol 1977; Gerhard 1990; Scott 1998).
»Gender« - die 1970er und 1980er Jahre Die Frauengeschichte war Teil weitraumigerer historiographischer Sozialge Veranderungen, die sich in Westeuropa wie in den USA in Form schichte einer neuen Sozialgeschichte vollzogen. Diese stellte die bis dahin gultigen Pramissen der Geschichtsschreibung auch jenseits der Geschlechterproblematik nachhaltig in Frage. Zwar schrieb die neue Sozialgeschichte zunachst nur wenig uber Frauen, doch sie trieb eine Geschichte voran, die nicht mehr nur von den politisch Machtigen und gesellschaftlich Herrschenden berichtete, sondem daruber hinaus eben jenen Menschen in der Geschichte eine Stimme gab, die bislang uberhort worden waren (Scott 1988: 21 f.; Hausen 1998: 30 n. Damit wurden auch die Verfahren der fruhen Frauengeschichte in Frage gestellt, harte diese doch Frauen im Wesentlichen zu der bestehenden »Mannergeschichte« hinzugefugt. Die Geschichte selbst war in ihrer bis dahin bekannten Form jedoch unberuhrt belassen worden, sowohl die Geschichten groGer Frauen als auch
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G ESCHI CHTE D E R MiiN N LlCH KEITEN
die Viktimisierungsgeschichten orientierten sich am Mann als Magstab. Ein weiblich subalterner Status wiirde so letztlich re produziert, lautete die Kritik. Der Anspruch dieses mannlichen Geschichtskonzepts auf Allgemeingiiltigkeit musste noch star ker hinterfragt werden, da es die Erfahrungen weiter Teile der Menschheit schlechterdings nicht erfasste. In dies em Sinne hatte Gerda Lerner schon seit 1969 kontinuierlich gefordert, neue Be griffe fiir die Geschichte zu entwickeln, veraltete Kategorien auf zugeben und in den Quellen mit genauerer Tiefenscharfe nach unbekannten Bedeutungen zu spiiren; eine Aufgabe, so Lerner, mit der sich nicht nur Frauen, sondern auch Manner befassen soll ten (Lerner 1995: 49, 74)· Sex/ Eine wesentliche Veranderung war, dass statt einer HeldinnenGender geschichte nun eine Geschichte geschlechtsspezifisch weiblicher Erfahrung und weiblicher Identitatsbildung in den Vordergrund drangte, und zwar auf der Folie von geschlechtlicher Normierung. Hierbei kreisten die Erwagungen vor allem urn die Frage, wie Unterschiede zwischen weiblichen und mannlichen Erfahrungen und Identitaten und deren Beziehungen zueinander erklart wer den konnten. Dabei wurde die Unterscheidung zwischen sex und gender zentral:
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»Die zuvor angenommenen >llatiirlichen< Bedingungen [mensch licher Existenz sind] in Wirklichkeit von Menschen geschaffen«, skizzierte Joan Kelly-Gadol 1976 die neue und faszinierende Grundidee der Historiographie (Kelly-Gadol 1989: 17, 22). Aus der Perspektive einer Geschichte der Mannlichkeiten ist vor aHem bemerkenswert, dass bereits in der Mitte der 1970er Jahre die Be tonung auf der Historizitat der Differenz zwischen Frauen und
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Mannern lag. Niemand hat dies pointierter herausgestellt als Na talie Zemon Davis 1976 in ihrem Aufsatz iiber »>Women's History< in Transition« : » But it seems to me that we should be interested in the history of both women and men, that we should not be working only on the subjected sex any more than a historian of class can focus ex clusively on peasants. Our goal is to understand the significance of the sexes [!], of gender groups in the historical past. Our goal is to discover the range in sex roles and in sexual symbolism in different societies and periods, to find out what meaning they had and how they functioned to maintain the social order or to pro mote its change. Our goal is to explain why sex roles were someti mes tightly prescribed and sometimes fluid, sometimes markedly asymmetrical and sometimes more even« (Davis 1976: 90). Obschon Davis ausschlieglich von Geschlechtern im Plural spricht, wurde diese neuartige Geschlechtergeschichte weiterhin hauptsachlich von Frauen betrieben, die iiber Frauen forschten. Der Gedanke, » Mannlichkeit« und somit mannliche Wertord nungen, Identitaten und Handlungsweisen ebenso wie »Weiblich keit« als Ergebnis einer historischen Konstruktionsleistung zu be trachten, war in diesen Erwagungen iiber das soziale Geschlecht zwar bereits angelegt, wurde aber nicht wirklich ausgefiihrt und in die Praxis umgesetzt. Auch die mehrfach eingeforderte Analyse der » Geschlechterverhaltnisse« wurde noch weitgehend als Ange legenheit von Frauen gesehen. Etwa zur selben Zeit wie Davis forderte Gerda Lerner: »Das soziale Geschlecht (gender) mug der Geschichte als analytische Kategorie hinzugefiigt werden« (Lerner 1995 [1977] : 166). Es ging nicht mehr darum, Informationen iiber Frauen zu sammeln und sie in eine bestehende Historiographie patriarchalischer Ordnung einzufiigen. Vielmehr ging es urn eine ganzlich neue Sichtweise auf Geschichte unter dem Brennglas » Geschlecht«. Es miisse zur »zweiten Natuf« der Historikerinnen und Historiker werden, jede historische Fragestellung unabhangig ihres Inhalts und ihrer Ziel richtung auch aus der Geschlechterperspektive zu beleuchten, betonte Natalie Davis (1976: 90). Dies wiirde zu einer ganzlich neuen Geschichte fiihren, in der »die historischen Erfahrungen
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G ESCHICHTE DER MAN N LlCHK EITEN
der Manner mit denen der Frauen verglichen werden, wobei die Wechselbeziehungen ebenso zu untersuchen sind wie die Unter schiede und Gegensatze« (Lerner 1995: 174). Derart konzipiert stellte Geschlecht einen Schliissel zu Macht, Sozialstruktur, Eigentumsverhaltnissen, symbolischer Ordnung und historischer Periodisierung dar, und eine entsprechende Ge schichtswissenschaft sollte weit iiber die bis dahin » typischen« Felder der Frauengeschichte hinausgehen. Die Relationalitat von Geschlecht (hier verstanden als Beziehungsabhangigkeit zwischen Geschlechtern) und deren Bedeutung fiir die soziokulturelle Ordnung war ein zentrales Element dieses neuen Denkens. Bald schon mutmaBte die US-Historikerin Joan Scott, dass vielleicht tatsachlich eine neue, kritisch revidierte Geschichte entstiinde, welche die wirkmachtigen Operationen vergeschlechteter Struk turen aufzeigen werde (Scott 1988: 27). I nstitutio Dabei spielte sicherlich auch die voranschreitende institutio nalisierung: nelle Verankerung eine wichtige Rolle. In den USA hatten sich Phase 1 »Women's Studies« ziigig an den Universitaten, in Forschungsein richtungen und Verbiinden etabliert, und sie waren auf den ent sprechenden Fachtagungen reprasentiert. Mit den 1970er Jahren begann dort fiir Historikerinnen eine neue Ara (Harzig 1991: 128 ff.; Scott 1988: 191 ff.; Lerner 1975). In Deutschland hingegen haperte es lange an der entsprechenden Einbindung in die Hochschul- und Forschungslandschaft. Spater wurde Frauen- und Geschlechter geschichte zumindest zu einer »schmiickenden Arabeske« (Hausen 1992: 10; vgl. Hunt 1998: 60 ff.). Wahrend die erste Sektion, die sich auf einer Jahrestagung der »American Historical Association« (AHA) ausdriicklich mit »women in 'history« befasste, 1940 statt fand und die AHA mit Nellie Neilson 1943 erstmals eine Frau zur ihrer Vorsitzenden wahlte (Scott 1988), gibt es im >Nerband der His toriker und Historikerinnen Deutschlands« bis heute keine weib liche Vorsitzende, und erst 1984 war erstmals auf einem deutschen Historikertag eine Sektion zur Frauen- und Geschlechtergeschichte vertreten (Hausen 1992). Zu dieser Zeit lagen auch erste umfassende Standortbestimmungen in Deutschland vor, die die Relevanz ihres Gebietes als grundlegend fiir die gesamte historische Forschung be tonten (Hausen 1983; Bock 1984: II2, II5).
FRAUEN U N D G ESCHLECHTERG ESCH IC HTE
Wer wollte in der Mitte der 1980er Jahre noch bezweifeln, dass »Geschlecht eine niitzliche Kategorie historischer Analyse« (Scott 1986) sei? Joan Scotts gleichnamiger Aufsatz ist ein »Meilenstein« der Geschlechtergeschichte (Opitz 2001: 95), der »Geschlecht« endgiiltig in der historischen Forschungslandschaft verankerte. »Gender«, so Scott, sei eine relationale Kategorie, die auf soziale Beziehungen zwischen Frauen und Mannern und deren wechsel seitige Definition ziele und politisch wie historiographisch von umfassender Bedeutung sei: Denn erstens strukturiere Geschlecht Geschichte und Gesellschaft iiber vermeintlich » typische Frauen felder« wie Sexualitat, Reproduktion oder Erziehung hinaus, und zweitens wirke Geschlecht in den personlichen Erfahrungen von Menschen und in deren Konstitution als Subjekte mit einer be stimmten geschlechtlichen Identitat (Scott 1991; Scott 1986; vgl. auch Opitz 2001). Als Scotts Aufsatz in der Mitte der 1980er Jahre erschien, be fand sich die Geschichtswissenschaft in einer Phase neuerlicher Verschiebungen. Die Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, die auf die Analyse langfristiger und weitraumiger Strukturen ausgerich tet war, hatte Konkurrenz von einer Alltagsgeschichte erhalten, die individuelle Erfahrungen der historischen Akteure in ihr Zen trum riickte. Geschlecht als Kategorie sowohl gesellschaftlicher Strukturbildung als auch individuell-historischer Erfahrung zu begreifen, eroffnete die Moglichkeit, diese beiden zunachst di chotom erscheinenden Felder zu verbinden. Scotts Konzeptiona lisierung besagt, dass eine wahrgenommene Differenz zwischen den Geschlechtern die sozialen Beziehungen in einer Gesellschaft strukturiert. Diese wahrgenommene Differenz tragt dazu bei, Machtbeziehungen mit Bedeutung auszustatten, zu einer be stimmten Zeit an einem bestimmten Ort-sinnvoll erscheinen zu lassen und derart Erfahrungen von Menschen zu gestalten und zu pragen (Scott 1986: I067 ff.). Ein solcher Blick lasst auch dieje nigen Ordnungs- und Beziehungsentwiirfe als historisch gepragt erscheinen und somit hinterfragbar werden, die bis dahin selbst verstandlich erschienen. Urn sich diesem Machtgeflecht anzunahern, schlagt Joan Scott vier Ebenen der Analyse vor: Erstens gelte es, die historisch-spezi-
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Joan Scott
Alltags und Erfah rungsge schichte
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GESCHICHTE D E R MAN N Ll C H K EITEN
fische Bedeutung kultureller Symbole aufzuschliisseln, also etwa zu untersuchen, wie technische Innovationen reprasentiert werden und dabei geschlechdiche Denkmuster reproduzieren (Oldenziel 2007). Zweitens sollten wir nach den Inhalten normativer Kon zepte forschen und zum Beispiel zeigen, dass auch Ratgeber oder Wissenschaftstexte bestimmten historischen Bedingungen gehor chen. Drittens sollten wir untersuchen, wie sich solche Konzepte in Politik und Alltag niederschlagen und vervielfaltigen, und viertens gelte es aufzuschliisseln, wie sie die Selbstentwiirfe von einzelnen Menschen oder Kollektiven pragen. Joan Scott betont, dass diese vier Ebenen niemals voneinander getrennt existieren, sondern sich durchkreuzen, iiberlagern und wechselseitig tragen. Inspiriert von den Arbeiten des franzosischen Philosophen Michel Foucault, hebt Scott den Bruch hervor, den dieses historiographi sche Konzept mit monokausalen Erklarungen vollzieht. Sie fordert auf, stattdessen in Kausalnetzen, Kraftefeldern und vielfaltigen Machtbeziehungen und -verkniipfungen zu denken. Hierbei ist wichtig, dass gender als gesellschafdich strukturierende Kategorie niemals alleine wirkt, sondern sich in die Trias der US-amerikani schen Sozialgeschichtsschreibung race class gender einbringt. Joan Scott hat gender als Analysekategorie nicht erfunden. Seit den friihen 1970er Jahren schon war an diesem Konzept ge feilt worden. Scott aber hat gender so systematisiert, dass es zum Schliissel wurde, mit dem die reziproken Beziehungen zwischen Mensch, Gesellschaft und Macht in ihrer Geschichdichkeit ge dacht und erkannt werden konnen. Ahnlich wie Scott betonte Gisela Bock 1988 in ihrem Aufsatz iiber »Geschichte, Frauengeschichte" Geschlechtergeschichte«, dass Geschlecht eine gesellschafdich strukturierende Kategorie sei. Diese diirfte aber »nicht als ein fixes, universales oder ur sprungsmythisches Modell zur Erklarung der Fiille historischen Geschehens verstanden werden« (Bock 1988: 374). Vielmehr sei diese Kategorie flexibel, interdependent mit anderen Kategorien wie Ethnizitat, Klasse oder Religion und also historisierbar. Als soziale und kulturelle Realitat bestimme Geschlecht zugleich das Leben von Menschen ma6geblich. Geschlechtergeschichte miisse also auch Mannergeschichte in ihr Programm einbeziehen, indem -
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sie Manner nicht als geschlechtslose Norm, sondern innerhalb der Geschlechterverhaltnisse denke (Bock 1988: 381 ff.). Bocks Aufsatz erschien im darauf folgenden Jahr in englischer I nstitutio Sprache im Eroffnungsheft einer neuen historischen Zeitschrift nalisierung: (Bock 1989). Gender and History setzte sich zum Ziel, dariiber auf Phase 2 zuklaren, wie sich Gesellschaften durch die Machtbeziehungen zwischen Frauen und Mannern formieren. Die Geschlechterge schichte war offenbar in eine neue Phase der Institutionalisierung eingetreten. 1m selben Zeitraum wurden mit L'Homme in Oster reich, metis in Deutschland, mit dem Journal of Womens History in den USA und mit der Womens History Review in GroBbritan nien historische Fachorgane ins Leben gerufen, die ausdriicklich den Anspruch verfolgen, die Historie in ihrer Gesamtheit aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive neu zu erfassen und die Ergebnisse besser zuganglich zu machen (Freist 1996: 97-101). Auch die » Abwehrfront« der Historikerzunft gegen die Institu tionalisierung der Frauen- und Geschlechtergeschichte begann in diesen Jahren zu » brockeln« (Frevert 1992: II4 £). Mit Erfolg riickte die Frauen- und Geschlechtergeschichte die gesellschaftli che Differenzierung und Hierarchisierung entlang des Kriteriums Geschlecht in das Bewusstsein wachsender Teile der Geschichts forschenden, -lehrenden und -lernenden.
»Gender? Sex?« - die '990er Jahre Kaum hatte sich die Geschlechtergeschichte darauf verstandigt, nach der Historizitat des soziokulturellen Geschlechts zu forschen, da zeichnete sich im Denken iiber Frauen und Manner eine neu erliche Verschiebung abo Eine angeregte Diskussion iiber die Be ziehung von soziokulturellem und biologischem Geschlecht sollte die 1990er Jahre dominieren, und die Geschlechtergeschichte zeigte abermals, wie sehr sie die gesamte Geschichtswissenschaft und deren Debatten pragte. Schon 1986 hatte Joan Scott in ihrem » Meilenstein«-Aufsatz Bedenken geauBert, biologische Differenzen zwischen Mannern
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GESCHICHTE D E R MANN LlCH K E ITEN
und Frauen zum Ausgangspunkt der Analyse zu machen. »Any physical difference takes on a universal or unchanging aspect«, mahnte Scott, und Differenzen wurden als unveranderlich, on tologisch festgeschrieben. Der menschliche Karper wurde somit als ahistorisch erklart, und das soziokulturelle Geschlecht grunde letztlich auf angeblich stabilen biologischen Entitaten: »History becomes, in a sense, epiphenomenal, providing endless variations on the unending theme of a fixed gender equality« (Scott 1986: 1059). Ahnlich warnte Gisela Bock vor scheinbar selbstevidenten Biologisierungen, die vor allem das, was als »weiblich« gilt, kon notieren, ausgrenzen und als minderwertig markieren - so etwa Schwangerschaft, Erziehungs- und Hausarbeit. Sollte stattdessen, mahnte Bock, nicht auch die Biologie selbst als » eine genuin so ziale Kategorie mit einem genuin sozialen Sinnzusammenhang« verstanden werden (Bock 1988: 375)? Judith Die Vorstellung einer zeitlosen und naturlichen, also jeder kul Butler turellen Leistung vorgangigen biologischen Stabilitat laste auch bei der Philosophin Judith Butler ein gewisses Unbehagen aus. » Gender Trouble« nannte sie ihr 1990 erstmals erschienenes Buch im englischen Original, und yom » Unbehagen der Geschlechter« war im Titel der deutschen Ubersetzung die Rede (Butler 1991; Bublitz 2002 fur einen Uberblick). Butler wollte genau diejenigen Kategorien kenntlich machen, die als selbstverstandlich erschie nen und als Grundlagen unseres Denkens zumeist unhinterfragt hingenommen wurden (Butler 1995). Dabei zielte sie nicht darauf ab, das soziokulturelle Geschlecht als historisch geworden und formbar aufzuzeigen. Sie verkundete vielmehr die Geschichtlich keit und Konstruiertheit auch des biologischen Geschlechts. Somit wurde die vermeintlich stabile Kategorie des sex aufgeweicht. Dies verband Butler mit einer gezielten Kritik des » heterosexuellen Im perativs« , also der an die Entwurfe des biologischen Geschlechts zwangsweise gekoppelten heterosexuellen Praferenz als Norm. Wie ist das nun vorstellbar? Was bedeutet » Konstruktion« , wenn es urn Karper und biologisches Geschlecht geht, urn die ganz basale Frage nach » mannlich« oder » weiblich« ? Dazu ist zu nachst eines in alIer Deutlichkeit hervorzuheben: Ausdrucklich weist Butler die Vorstellung zuruck, alles sei ausnahmslos sprach-
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lich konstituiert. Sie leugnet niemals die Existenz von Stoffiich keit, von Tatsachen und korperlichen Erfahrungen wie Krankheit, Leid, Schmerz oder Genuss, und nicht nur die Sprache, sondern vor allem das Handeln spielt in ihrer Theorie eine zentrale Rolle. Aber: ,�';�.
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Insofern ist sprechen immer auch handeln (vgl. ausfuhrlicher Mohring 2004). Solche Konstruktionen seien in dem Sinne kons titutiv, als dass ein Mensch ohne sie nicht gedacht werden konne und als dass ein Mensch auch sich selber ohne sie nicht denken konne (Butler 200I). Mithin bedeutet »Konstruktion« nicht die Dberwindung von totaler Nichtexistenz. Es geht nicht urn das Erschaffen von Materie in einer Art Schopfungsakt. Vielmehr wird ein Korper (zum Beispiel als weiblich und heterosexuell) » konstruiert« , indem er sich so verhalt, wie er sich verhalt und wie es den soziokulturellen Erwartungen und Anforderungen ent spricht. »Wir konnen versuchen, zur Materie als etwas dem Dis kurs Vorgangigen zuruckzukehren«, schlagt Butler in Korper von Gewichtvor, » wir konnen dann allerdings entdecken, daB Materie vollsrandig erfullt ist mit abgelagerten Diskursen urn das biologi sche Geschlecht und Sexualitat, die die Gebrauchsweisen, fur die der Begriff verwendbar ist, prafigurieren und beschranken« (But ler 1995: 53). Die Materialirat der Korper und die regulierenden Normen sind aus dieser Perspektive nicht voneinander zu trennen. Das biologische Geschlecht » entsteht« nach Butler durch eine sich » standig wiederholende und zitierende Praxis (geschlechtsspezi-
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Karper und Sexualitat
Kultur und Diskursge schichte
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fischen Daseins), durch die der Diskurs die Wirkungen erzeugt, die er benennt« (Butler 1995: 22). Damit ist dem soziokulturellen Geschlecht die angeblich natiirliche Basis abhanden gekommen. »Sex« und »gender« verschmelzen in eins. Hervorheben mochten wir an dieser Stelle insbesondere, dass derart nicht nur »weibliche« und »mannliche«, sondern auch »gute« und »schlechte«, »richtige« und »falsche« Korper und mit ihnen Personlichkeiten erzeugt werden, die umso »besser« erschei nen, je naher sie an ein regulierendes Ideal heranreichen. Dieses Ideal ist scheinbar »natiirlich« gegeben, de facto aber eine »sedi mentierte Wirkung einer sich andauernd wiederholenden oder ri tuellen Praxis« (Butler 1995: 32). Ideal und Abweichungen bedin gen und konstitutieren sich wechselseitig. Die Frage, die Butler aufwirft, richtet sich weniger auf die Existenz physischer Unter schiede zwischen Menschen - die werden nicht geleugnet. Die Physis von Menschen variiert. Die Frage ist vielmehr, warum, wie und mit welehen Wirkungen ganz bestimmte Arten von Diffe renzen (etwa diejenigen, welehe »Geschlecht« oder auch »Rasse« bestimmen) so zentral werden und soleh gravierende Bedeutun gen annehmen konnen - und wie diese Bedeutungen historisch so geworden sind, wie sie sind (Butler 1995: 59). Butlers Analysen hatten nachhaltigen Einfluss auf die Ge schichten der Korper und der Sexualitaten, die in den 1990er Jah ren an Bedeutung gewannen (Stoff 1999; Lorenz 2000). Auch die teilweise vehemente Kritik an der angeblichen »Entkorperung« der Frau (Duden 1993) durch Butlers Schriften konnte deren Nie derschlag in der Korper- und Geschlechtergeschichte nicht auf halten, die Debatte war vielmehr selbst Beitrag zur dynamischen Weiterentwicklung von Butlers Gedanken. Dabei ist abermals zu betonen, dass auch die hier skizzierten neuerlichen Verschiebungen der Theorien und Methoden der Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie der Sexualitats- und Korpergeschichte im Kontext weitraumiger Veranderungen in den Sozial- und Kulturwissenschaften standen. In dieser Zeit begannen sich diskurstheoretisch angeleitete Kultur- und Ge sellschaftsentwiirfe zu etablieren, und sie hielten mit etwas Ver spatung auch in der Geschichtsschreibung Einzug (Martschukat
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2002; Landwehr 2008). Dabei wird weniger nach den » Dingen an sich« gefragt, sondern vielmehr nach den Bedeutungen, die diese Dinge erhalten, sie tragen und reproduzieren und somit letztlich erst wahrnehmbar machen. In einem solchen Denkzusammen hang verliert eine Abgrenzung des biologischen Geschlechts von kultureller I mpragnierung und somit eine Unterscheidung von sex und gender ihren Sinn. Denn sex existiert als zentrale Einheit des Denkens und Kategorisierens letztlich nur deshalb, weil es mit entsprechender Bedeutung angereichert ist. Die Denkmodelle des doppelten Geschlechts (als sex und gender) sowie der Zweige schlechtlichkeit (als »Frauen« und » Manner«) wurden nun in der Historiographie kritisch hinterfragt und aufgebrochen (Nichol son 1994; Heinsohn 1995: 49 ff.; Hey 1995: 35 ff.). Zur Jahrtausend wende forderte Joan Scott dann, das Konzept » gender« ganzlich aufzugeben. Scott kritisierte, die sex-gender-Unterscheidung sei in den Analysen der 1980er und 1990er Jahre nicht in der notigen Trennscharfe durchgehalten worden. Immer habe hinter gender die biologische Entitat sex gestanden, so dass soziale Differenzen auf die Biologie zuriickgefiihrt und letztlich als >>natiirlich« mar kiert wurden (Scott 2001: 23). Es sei, so Scott, ein >>nightmare sce nario«, wenn derart der biologische Determinismus zuriickkehre und die Wahrnehmung wie die Existenzweisen von Geschlecht reguliere (Scott 2001: 19). Ahnlich wie Judith Butler formuliert Joan Scott hier ein eindringliches Pladoyer fiir die Historisierung der Biologie, der daran gebundenen Wissenssysteme, Denk- und Handlungsmuster. Sex und gender miissten als ineinander verwo bene Wissenssysteme verstanden werden, und nicht nur gender, sondern auch sex miisste innerhalb der Kulturgrenzen angesiedelt werden (Scott 2001: 26; Bock 2006). Damit zielen die Fragen, die gestellt werden, auf die (nun nur noch: vermeintliche) biologische » Essenz« menschlichen Seins. Stabilitat verliert sich, scheinbar feststehende Gewissheiten losen sich auf. Und erst dann, wenn » die menschliche Tatigkeit des Erklarens und Einordnens aus einem >iibernatiirlichen< Zusammenhang gelost wird, konnen Werte hinterfragt, umgedreht oder enthierarchisiert werden«, wie die Historikerin Kirsten Heinsohn betont hat (Heinsohn 1995: 60).
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Doing Nun stand im Zentrum geschlechterhistorischer Forschung Gender vor allem die Art und Weise, wie Geschlechter in der Geschichte diskursiv produziert und in den gesellschaftlichen Machtverhalt nissen verankert wur�en. »Doing gender« sowie » perceiving and performing gender« (West 1991; Pasero 1999; Fenstermaker 2002) riickten in das Blickfeld, denn Geschlecht, so lautete die Losung, »ist nicht etwas, was wir >haben' oder >sind" sondern etwas, was wir tun" (Hagemann-White 1993: 68). 1m Zentrum des neuen Blickfeldes standen die Konstitution geschlechtlich bestimmba rer Korper und an sie gebundener menschlicher Erfahrungen und Identitaten sowie ihre gesellschaftliche Bedeutung. Freilich muss nun nicht jede Geschlechtergeschichte eine Korpergeschichte und/oder eine Sexualitatsgeschichte sein. Gleichwohl sind Sexua litatsgeschichte, Korpergeschichte und Geschlechtergeschichte aus einer solchen Perspektive heraus kaum mehr sinnvoll vonei nander zu trennen. Die methodische Rekonzeptionalisierung der 1990er Jahre Viel fait und riickte die Vielfalt der Geschlechterentwiirfe in den Vordergrund. mehrfache Unterschiedliche Wahrnehmungsweisen und Normen existierten Relationicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Geschlechter. nalitat Hatten Frauenhistorikerinnen schon in den 1970er Jahren die Unterschiedlichkeit weiblicher Denk- und Lebensformen betont (Lerner 1995 [1969]: 42 ff.; Gordon 1971: 6 ff., 17; Smith-Rosenberg 1975: 190), so war nun unumstritten, dass es eine universell gleich formige weibliche Erfahrung und Kollektividentitat iiber Ethni zitats-, Klassen-, Religions- oder andere Kategorien hinweg nicht geben konnte. Nur wenn man den Blick also streute, offener hielt und auf multiple und historisch variable Differenzen zu Vertretern und Vertreterinnen des anderen wie auch des eigenen Geschlechts richtete, ergab sich iiberhaupt die Moglichkeit, Frauen und Man ner, Weiblichkeiten und Mannlichkeiten sinnvoll in ihrer Vielfalt beschreiben zu konnen. Die Perspektiven hatten sich also vervielfaltigt. Der Einbezug von Kategorien wie Ethnizitat und Klasse half, die multiplen Fa cetten von Frauen- und Geschlechtergeschichte herauszuarbeiten. Andererseits gewannen auch die genannten gesellschaftlichen Strukturkategorien durch die Beriicksichtigung von Geschlecht
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weiter an Aussagekraft. Gisela Bock betonte in diesem Sinne, »Rassismus ist nicht zu begreifen, wird nicht seine geschlechterge schichdiche Dimension, die ihn mitkonstituiert, begriffen« (Bock 1988: 390). Eine derart vielschichtige Betrachtungsweise, die die Ver schachtelungen und wechselseitigen Wirkungen von Geschlecht mit anderen Strukrurkategorien hervorhob, schiitzte auch davor, Geschlecht zu einem, abermals in den Worten Gisela Bocks, »fixen, universalen oder ursprungsmythischen Modell zur Erkla rung der Fiille historischen Geschehens« zu erheben und derart selbst zu einer ontologischen Grage zu erklaren. Vielmehr miisse, wie unter anderem Kirsten Heinsohn forderte, Geschlecht als eine prozessuale Kategorie verstanden werden. Das Streben nach einer stabilen Gewissheit dariiber, was Manner und Frauen denn nun eigentlich seien, habe folglich der Einsicht weichen miissen, dass Geschlecht etwas Fliegendes und Interdependentes sei, das sich in einem permanenten Konstruktionsprozess befinde (Heinsohn 1995: 61 f.; Eifert 1996: 7-II).
Geschlechtergeschichte und »AIIgemeine Geschichte« Ein Diskussionsstrang, der die Frauen- und Geschlechterge schichte seit den 1960er Jahren gepragt hat, war derjenige iiber das Verhaltnis zur so genannten »Allgemeinen Geschichte«. Diese Debatte wollen wir zum Abschluss dieses Kapitels noch einmal biindeln und dabei das Augenmerk vor allem auf das Verhaltnis von Frauen- und Mannergeschichte richten. Die Beziehung war zunachst weniger von einem " Miteinander« gepragt, sondern viel mehr von einem »Gegeneinander«. Als sich die Frauengeschichte herauszubilden begann, handelte die »Allgemeine Geschichte« im Wesentlichen von Mannern. Angeblich »allgemeine« Feststellun gen waren in aller Regel Feststellungen iiber Manner - zumeist weiBe Manner der Mittel- und Oberklasse. Obgleich diese Konstellation eine Abgrenzung der Frauen- von
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der Mannergeschichte geradezu erforderte, waren in der Frauen geschichte von Anfang an Stimmen zu vernehmen, die hervor hoben, das emanzipatorische wie historiographische Projekt ginge nicht nur Frauen etwas an. SchlieBlich waren die Erfahrungen von Mannern und Frauen zwar unterschiedlich, aber doch auf einander bezogen. Wollte man tatsachlich eine neue Geschichts schreibung wie Gesellschaftsordnung entwerfen, so setzte dies voraus, so Gerda Lerner, gleichermaBen »der Definition von Mannlichkeit und Weiblichkeit [. . .] kritisch gegeniiber [zu ste hen]« (Lerner 1995: 78 f.) und Weiblichkeiten wie Mannlichkeiten in ihrer Verflechtung zu historisieren (Kelly-Gadol 1989: ZO, Z4; Davis 1976: 90). In den 1980er Jahren bestand zumindest in den theoretischen Ausfiihrungen kein Zweifel mehr daran, dass sich Geschichts schreibende Frauen wie Mannern, Weiblichkeiten wie Mannlich keiten gleichermaBen widmen miissten, wenn sie Gesellschaft, deren Ordnung, Machtverhaltnisse und Wirkungsmechanismen tiefergehend verstehen wollten (Fox-Genovese 198z: 14; Studer 1989: 98 ff., lIZ). Eine Geschichte, die die Geschlechter als auf einander bezogen aufschliisselte, wiirde die Herrschaftsmechanis men und deren Wirkungsweisen dechiffrieren, erklarte etwa Joan Scott (Scott 1986: I054). Nun konnte kaum noch eine programmatische Darlegung zur Geschlechtergeschichte darauf verzichten, auch die Geschichte von Mannern und Mannlichkeiten einzufordern. Die Beriicksich tigung eines multiplen Beziehungs- und Definitionsgeflechts zwi schen Frauen und Frauen, Frauen und Mannern, Mannern und Mannern kristallisierte sich immer deutlicher als wesentliches Moment einer avancierten Geschlechtergeschichte heraus. Und dafiir brauchte es eben auch eine neue Geschichte von Mannern, die innerhalb der umfassenden historiographischen Transforma tionen der Sozial- und Kulturgeschichte stand, sich von der alt hergebrachten Mannergeschichte als Geschichte von Haupt- und Staatsaktionen l6ste und Mannergeschichte als Geschichte von Mannlichkeiten innerhalb einer vielschichtigen Geschlechterord nung neu schrieb (Tosh 1994; Dinges 1998). Es gelte, die vorhandenen Forschungsliicken zu schlieBen und
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zu zeigen, »dag Manner als Manner auf eine besondere und von der der Frauen deutlich unterscheidbare Weise an Geschichte teilhatten«, hoben etwa Karin Hausen und Heide Wunder her vor (Hausen 1992: II f.). Nur durch einen solchen konzeptionell konsequenten Schritt wiirde es schliemich moglich werden, Ge schlechtergeschichte tatsachlich als neuen Entwurf einer »Allge meinen Geschichte« platzieren zu konnen. Am deutlichsten hat dies wohl die britische Historikerin Leonore Davidoff formuliert. Sie beschrieb die Herausbildung einer Mannlichkeitengeschichte auch als notwendig, urn die politische Aufgabe der Frauen- und Geschlechtergeschichte zu erfiillen, namlich eine hierarchische Gesellschaftsordnung und ihre geschlechtlich definierten Struk turen aufzuzeigen: »Unless you take on the construction of ma sculinity you fight only half the battle« (nach Freist 1996: 105; Herausgeberinnen von Gender and History 1992: 133 0. Beitrage in Gender and History sollten in der Folgezeit immer wieder die mehrfache Relationalitat der Geschlechterverhaltnisse betonen und dabei herausstreichen, dass mannliches Verhalten und mann liche Identitaten nur dann ihres normativen Status enthoben wer den konnten, wenn sie auch als mannlich gekennzeichnet wiirden. Auf diesem Weg werde erkennbar, wie soziokulturelle Hierarchien qua Geschlecht konstituiert werden (Herausgeberinnen von Gen der and History 1989: 1 ff.). Insgesamt nahmen in den Anfangsjahren einer neuen Manner geschichte sicherlich die USA und Grogbritannien Vorreiterstel lungen ein (Schissler 1992; Tosh 1994). 1m deutschen Sprachraum waren die entsprechenden theoretischen Positionen zwar formu liert, und man verkiindete zumindest, den Plural ernst nehmen zu wollen. Zugleich jedoch war die praktische Umsetzung solcher Postulate in Deutschland noch weithin Zukunftsmusik. Das ver anlasste die Historikerin Ute Frevert, die in Deutschland als eine der Ersten den Zugang zum Geschlechterverhaltnis und zu einer vergangenen Kultur und ihren Weltbildern tatsachlich iiber die Mannlichkeitsentwiirfe suchte (Frevert 1991a: 9-18), zu augerst pointierter Kritik. Ohne jeden Zweifel sei die Frauengeschichte als Ergebnis politischen Engagements gut und wichtig gewesen, stellte Frevert fest. Letztlich aber sei die Auseinandersetzung mit
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»Ge schlechter geschichte« als Etiketten schwindel?
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"Von der Nische in den Main stream«
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der Geschlechterproblematik als Frauenthema markiert, und dies habe die althergebrachte Vorstellung der Sonderanthropologie des Weibes (Manner sind » normal« und Mensch, Frauen sind etwas Besonderes) reproduziert (Frevert 1992: 122 ff.). Auch die Bezeichnung »Geschlechtergeschichte« sei haufig nicht mehr als ein anderes Etikett auf einer kaum veranderten Frauengeschichte und somit eine »Mogelpackung« gewesen. Erst wenn tatsachlich Mannlichkeiten und Weiblichkeiten als komplementare Elemente eines Systems und zudem auf einem ausdifferenzierten sozialhis torischen Fundament konsequent historisiert wiirden, konne die Geschlechtergeschichte ihr Potenzial vollstandig entfalten. Dann konne sie tatsachlich zu einer neuen Art von Geschichte werden, hoffte Frevert, die auch im Hinblick auf Kolonialismus, Biiro kratisierung, Industrialisierung oder Sozialstaatsentwicklung nicht nur neue Fragen aufwerfe, sondern auch bessere Antworten gebe. Die Tatsache, dass sie dann auch »die Trager und Verfahren mannlicher Macht ins Visier nimmt« , und zwar aus der Gender perspektive, konne fiir eine breitere Akzeptanz der Geschlechter geschichte nur von Vorteil sein (Frevert 1991b: 34ff.; Frevert 1993a; Frevert 1993b; vgl. auch Bock 1988: 372, 381 ff., sowie Bock 2006 zu Geschlechtergeschichte und transnationaler Geschichte; Boukrif 2002: 1-12). Jetzt, am Anfang des 21. Jahrhunderts, scheint die allgemeine Anerkennung einer soIchen Geschlechtergeschichte weiter ge diehen. Sie sei von der »Nische in den Mainstream« geriickt, bi lanzierten kiirzlich Jutta Schwarzkopf, Adelheid von Saldern und Silke Lesemann (Schwarzkopf 2002). Ahnlich hatte Lynn Hunt schon einige Jahre zuvor plakativ formuliert, »Gender history is here to stay« (Hunt 1998: 59). Moglicherweise ist mittlerweile wirk lich eine neue »Allgemeine Geschichte« im Entstehen. Eine soIche Geschichte wiirde der Vielfalt menschlichen Daseins Rechnung tragen, das Postulat der Multiperspektivitat ernst nehmen und tatsachlich auf Hierarchien der Bedeutung einzelner Geschichten verzichten. Dies ware ein Entwurf »Allgemeiner Geschichte« , der Heterogenitat zum Programm erhebt (Hunt 1998: 74 ff.; Hausen 1998). Dann wiirden einer bestehenden Geschichte nicht bloB Erganzungen hinzufiigt, deren vermeintliche »Nachrangigkeit«
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durch ihren Status als » Erganzung« (und nicht als » Substanz«) letztlich doch nur betont und erst geschaffen wird. Wenn also eine Geschlechtergeschichte irgendwann nicht mehr hervorzuhe ben braucht, dass sie Geschlechtergeschichte ist, dann ware sie tatsachlich »Allgemeine Geschichte« . Und in einer solchen Ge schichte wurde eben auch die Geschichte von Mannlichkeiten in ihren vielschichtigen soziokulturellen Beziehungen eine wichtige Rolle spielen (Hausen 1998: 51 ff.). Demnach scheint es so, als ware die Geschlechtergeschichte nun zum wiederholten Male an einem neuen Punkt in ihren vielfalti gen Wandlungen angelangt. Abermals zeigt sie sich als ein kon troverses, spannungsreiches und dynamisches Forschungs- und Diskussionsfeld, und daran ist die Geschichte der Mannlichkeiten nicht ganz unbeteiligt. Sie scheint mittlerweile auch im deutsch sprachigen Raum auf dem besten Weg zu sein, zu einem festen Bestandteil der Geschlechtergeschichte zu werden. Dies sign ali siert nicht zuletzt eine wahre Flut von Zeitschriftenheften (Werks tattGeschichte 1993 und 2001; AmerikastudienlAmerican Studies 1998; Die Philosophin 2000; Potsdamer Studien zur Frauen- und Geschlechterforschung 2000; Feministische Studien 2000; Osterrei chische ZeitschriJtfur Geschichtswissenschaften 2000; Geschichte und Gesellschaft 2003) und Buchern (Kuhne 1996; Erhart 1997; Dinges 1998; Schmale 1998; Schmale 2003; Martschukat 2007a/Stieg litz) sowie die Grundung eines bestandig wachsenden » Arbeits kreises fur interdisziplinare Manner- und Geschlechterforschung in den Kultur-, Geschichts- und Sozialwissenschaften« im Jahr 2001. Es gibt immer mehr Frauen und Manner, die sich mit Man nern, Mannlichkeiten und ihrer Geschichte befassen, und es gibt immer mehr Manner, die Geschlechtergeschichte schreiben. Das mag ein Ergebnis der wissenschaftshistorischen Verschiebungen der letzten drei Jahrzehnte sein, ahnlich wie es ein Ergebnis » his torischer Prozesse« war, dass zunachst » mehr Frauen als Manner dazu neig(t)en, Geschlecht als soziale und historische Kategorie ernst zu nehmen und daraus mannigfaltige Erkenntnisse zu be ziehen« , wie Gisela Bock hervorhob (Bock 1984: 125). Interessant ist, dass die Frauen- und Geschlechtergeschichte diese aberma ligen historischen Verschiebungen und also das neuartige Inte-
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resse an Mannern und Mannlichkeiten selbst generiert hat. In der Ablehnung der »alten« Mannergeschichte war konzeptionell die Entwicklung einer »neuen« Mannergeschichte als Geschichte der Mannlichkeiten angelegt. Neben (oder vielleicht besser: in Verbindung mit) der Frauen- und Geschlechtergeschichte gibt es einen weiteren Faktor, der die Herausbildung einer solchen neuen Mannergeschichte gepragt und beeinflusst hat: die interdiszipli naren Mannerstudien.
3. »Men's Studies« : Entwicklung, Schwerpunkte und Probleme
Als die » British Sociological Association« im September 1988 eine Tagung mit dem Titel » Men, Masculinities and Social Theory« veranstaltete, hielten sich Optimismus und Skepsis die Waage - Optimismus aufgrund neuer Forschungsoptionen, Skep sis hinsichtlich der gesellschafts- wie wissenschaftspolitischen Im plikationen, die mit dem seinerzeit noch jungen Themenkomplex verbunden schienen (Hearn 1990). Die Probleme mit dem Begriff und dem Forschungsdesign der » Men's Studies« brachte ein Bei trag von Joyce Canaan und Christine Griffin auf den Punkt: »The new men's studies: part of the problem or part of the solution?« Vor allem die inhaltliche wie institutionelle Verortung gelte es genauestens zu beobachten, und der Fluchtpunkt dieser Beobach tung miisse stets das Verhaltnis zum Feminismus sein: »We think that those doing work on men and masculinity need to state how they view their perspective relative to feminism« (Canaan 1990: 2U) .
Dieses Kapitel wird sich mit den so genannten » Men's Studies« , also den gegenwartsorientierten Mannerstudien befassen. Hier allgemein als die kritische, sozial- und kulturwissenschaftliche Analyse von Mannern und Mannlichkeiten verstanden, entwi ckelten sich die » Men's Studies« zunachst in den angelsachsischen Landern, inzwischen aber durchaus auch hierzulande zu einem wahrnehmbaren Feld innerhalb der akademischen Landschaft. So stehen mit den soziologischen Arbeiten Michael Meusers sowie den sozialpadagogischen Beitragen Constance Engelfrieds und Holger Brandes' nun auch von deutscher Seite umfassende wissen schaftstheoretische Hinfiihrungen und Erlauterungen zur Verfii gung, auf die wir uns im Folgenden immer wieder beziehen wer-
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den (Engelfried 1997; Meuser 1998; Meuser 2000; Brandes 2002). Der >>neue Dialog zwischen Frauen- und Mannerforschung« hat mithin auch die Bundesrepublik erreicht (Janshen 2000: 11-21; Gardiner 2002).
Die Entwicklung der akademischen »Men's Studies« Ohne »Women's Studies« keine »Men's Studies«. Schon ein erster fluchtiger Blick aufdie Entwicklung des Forschungsfelds der Man nerstudien macht deudich, wie richtig und wichtig dieser Hinweis ist. Viele Ansatze der Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie der gegenwartsorientierten feministischen Forschung, ihre Frage stellungen, Theoriekonzepte und begriffiichen Kategorien sind auch fur Mannerstudien bzw. fur eine Geschichte der Mannlich keiten leitend (Engelfried 1997= 40 ff.). Die Neue Frauenbewegung seit den 1960er Jahren hat daruber hinaus einen umfangreichen Kanon gesellschafts- und wissenschaftspolitischer Themen - zum Beispiel berufliche Diskriminierung und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, Sexualitat, Gewalt gegen Frauen, Pornogra phie - fest in den Tagesordnungen verschiedenster Diskussions foren verankert. Auch diese politische Bindung war zentral fur die Herausbildung von Forschungen, die Manner als geschlecht lich gepragte und historisch variable Wesen konzeptionalisieren (Meuser 1998: 89 ff.). USA In den Vereinigten Staaten von Amerika tauchten »Men's Studies« erstmals in den spaten 1960er und in den 1970er Jahren auf, teilweise als direkte Reaktion auf die Neue Frauenbewegung. Der Band von Joseph Pleck und Jack Saywer aus dem Jahr 1974 gilt heute beinahe als Grundungsdokument einer wissenschafdich an geleiteten Selbstvergewisserung von Mannern als Manner (Pleck 1974). Aus dieser Zeit stammen sowohl die solidarische Nahe der uberwiegenden Mehrheit von »Mannerforschern« zum Feminis mus und den »Women's Studies« als auch die nicht selten span nungsgeladenen Auseinandersetzungen. Zeitgleich entwickelten
»ME N 'S STU DIES«: ENTWICKLU NG, SCH W E R P U N KT E U N D PRO B L E M E
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sich vielschichtige und mitunter auch komplizierte Beziehun gen zu antisexistischen, »mannerbewegten« Projekten. Diesen ging und geht es weniger urn eine wissenschaftliche als urn eine nach Identitat suchende Auseinandersetzung mit Mannsein und Mannlichkeiten, die in dieser Fruhphase in den USA zumeist aus den Erfahrungen des Vietnamkrieges gespeist wurde. Diese antisexistische Mannerbewegung kann als »politische Basis« der Mannerstudien begriffen werden, zumal sich anfangs hier wie dort dieselben Personen aktiv beteiligten und ihr wissenschaft liches Engagement als politisch definierten (Walter 1996: 15; Bran des 2002, Bd. I). Etwa ab Mitte der 1970er Jahre wurden an einigen liberalen US-Hochschulen erstmals Seminare abgehalten, die sich den Fragen nach Mannern und Mannlichkeiten, nach ihrer Macht position, ihrem Verhalten und ihrer Sexualitat widmeten. Diese ersten akademischen Schritte gingen zumeist auf die Initiative einzelner Wissenschaftler zuruck, die disziplinar etwa der Sozio logie, Politikwissenschaft, Literaturwissenschaft, Film- und Me dienwissenschaft oder Psychologie zuzuordnen waren. Ein erster entsprechender Kurs in der Geschichtswissenschaft wurde erst Anfang der 1990er Jahre entwickelt (Dorsey 1996; Dorsey 2007). Erstmals wurde schlieglich 1976 an der Universitat in Berkeley die wissenschaftliche Beschaftigung mit Mannern als Manner in das Curriculum integriert. Zeitlich etwas spater setzte dieses In teresse auch in Grogbritannien ein, wobei hier eine betont enge Anlehnung an eine sozialistische Theorietradition gesucht wurde; dabei wurde die materielle Basis von Mannlichkeitsvorstellungen unter den Bedingungen entfremdeter Lohnarbeit bestandig be tont (Hearn 1987; Clatterbaugh 1997= 117-136). Seitdem durchliefen die »Men's Studies« zwei deutlich unter »Men's schiedene Phasen. Die erste, von Mitte der 1970er Jahre bis zu Studies« : Beginn der 1990er Jahre, zeichnete sich erstens durch eine ausge Phase 1 pragte Suche nach Vorbildern und Vorlaufern aus - nach Studien, die explizit oder implizit Aspekte des Mannseins thematisiert hat ten oder aber theoretische Entwurfe boten, die als Orientierung denkbar waren. Fur das Fach S oziologie seien hier etwa die em pirischen Arbeiten Mirra Komarovskys oder aber » Klassiker« des
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soziologischen Denkens wie Ferdinand Tonnies, Georg Simmel oder Emile Durkheim genannt (Meuser 1998: 21-49). 1m gleichen Sinne sind auch Sigmund Freuds Essays zur Theorie der Sexualitat als konstant wiederkehrende Bezugspunkte heutiger Mannlich keitsforschung auszumachen, zumal mit der Frage nach mannli chen Sexualitaten ein zentrales Thema der empirischen Forschung angesprochen ist (Adams 2002: 9-13). Ein weiteres Merkmal dieser ersten Phase der » Men's Studies« war ihre Konzentration auf Fragestellungen, die sich hauptsach lich mit der Lebenswelt von Mannern aus der weH�en Mittelklasse befassten, also Mannern mit gesichertem sozialem, okonomi schem und kulturellem Kapital. In dieser Phase entstanden wich tige und richtungsweisende Forschungsbeitrage (etwa Pleck 1981 oder Filene 1974), die zum Teil auch erstmals eine ernst zu neh mende Historisierung anboten. In dieser fruhen Phase standen die » Men's Studies« in einem sehr engen und politischen Wechsel verhaltnis zu den »Women's Studies« und feministischem Den ken allgemein. Dies wird unter anderem in den Auseinanderset zungen mit den Theorien und Beobachtungen so ausgewiesener Feministinnen wie Barbara Ehrenreich und Carol Gilligan - die beide gleichfalls bedeutende Beitrage zu den » Men's Studies« ver fassten - belegt (Gilligan 1982; Ehrenreich 1983). »Men's Mit E. Anthony Rotundos American Manhood: Transformations Studies«: in Masculinity from the Revolution to the Modern Era entstand zu Phase 2 Beginn der 1990er Jahre nun auch eine ausfuhrliche Geschichte amerikanischer Mannlichkeit (1993). Rotundo stellt die Erfah rungen weiger Manner der Mittelklassen in das Zentrum seiner Betrachtungen. Dies' rief Kritik aus den zunehmend differenzier ten Mannerstudien hervor, inspirierte zugleich aber zu angeregten Diskussionen und weiterfuhrende Studien. Rotundos Arbeit steht somit am Dbergang zu einer zweiten Phase innerhalb der Man nerstudien. Unter dem Label der » newer Men's Studies« wurden Mannlichkeiten nun verstarkt als multipel und dynamisch unter sucht. Differenzkriterien wie race, Sexualitat, soziookonomische Verhaltnisse und andere wurden vermehrt und zielgerichtet in die Betrachtungen integriert (Brod 1987; Kimmel 1987; Clatterbaugh 1997). Der Titel eines Sammelbands von Harry Brod und Michael
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Kaufman bringt den Forschungswandel auf den Punkt: Theo rizing Masculinities (1994). Erstens prasentierten viele Arbeiten dieser Jahre ihre Methoden und Ansatze reflektierter als bislang ublich. Dabei wurden vor allem Fragen der verwandten Macht konzepte sowie das Verhaltnis zu feministischer Theorie angespro chen. Markante Einflusse stammten auch aus den »Gay« sowie spater den »Queer Studies« (Halberstam 2002; Krass 2003). Auch Theorien des Postkolonialismus wirkten inspirierend (Krishnas wamy 2002), und insbesondere die Schriften Frantz Fanons trafen in einer intensivierten Forschung von und zu rassistisch margina lisierten Mannern auf neues Interesse (Adams 2002: 227-231). Zweitens wandelte sich die Perspektive und somit das Voka bular: Aus der homogenen und stabilen »Mannlichkeit« wurden »Mannlichkeiten« - der Plural ersetzte nun immer after den Sin gular. Die bisher vergleichsweise eindimensionale Perspektive auf eine normative Kerngruppe wei6er Mittelklassemanner war passe, Alteritat und Differenz wurden betont, in den Vordergrund drangten »plurality and diversity of men's experiences, attitudes, beliefs, situations, practices, and institutions, along lines of race, class, sexual orientation, religion, ethnicity, age, region, physical appearance, able-bodiedness, mental ability, and various other ca tegories with which we describe our lives and experiences« (Brad
1994: 4-5)· Begleitet wurde diese zweite Welle der Mannerstudien von einem zunehmenden Grad der Institutionalisierung, der sich zwar weniger in Universitatsprogrammen und Professuren, dafur aber in der Grundung von Netzwerken wie der »American Men's Stu dies Association« (1991) oder in Zeitschriftenprojekten wie dem Journal ofMen's Studies (1992) oder Men and Masculinities (1998) manifestierte. 1m deutschsprachigen Raum konnte sich eine kritische Man nerforschung trotz einer starken Verbreitung von Mannerbewe gungsliteratur erst vergleichsweise spat etablieren (Walter 1996: 16). Herausragend ist hier die Arbeit Klaus Theweleits, die heute als Klassiker zum Zusammenhang von Sexualitat, Geschlechter verhaltnissen und Faschismus gilt (1977ir978). Theweleit nahm sehr fruh zahlreiche Anregungen aus Psychoanalyse und Post-
I nstitu tionalisie rung
Deutsch sprachiger Raum
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Mannlich keit und Psycho analyse
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strukturalismus auf und wird seitdem in der feministischen For schung sowie in der Mannerforschung breit rezipiert. Theweleits psychoanalytische Herangehensweise rezipierte die Kritik der neuen Frauenbewegung an Freuds Kennzeichnung des Weiblichen als defizitar sowie die strukturalistische Psycho analyse Jacques Lacans. Derlei Ansatze haben seitdem nur selten Eingang in die Geschichtswissenschaft gefunden, spielen aber in anderen Kulturwissenschaften eine durchaus prominente Rolle. Beispielhaft seien hier die breit diskutierten semioti schen Arbeiten Luce Irigarays oder Julia Kristevas genannt oder auch die feministisch-psychoanalytisch argumentierende Film wissenschaft etwa einer Teresa de Lauretis, die auch den Blick fur mannliche Fantasien, Wunsche und Angste offnete. Auch wenn in vielen popularen Arbeiten zu Mannern und Mannlich keiten a la Freud implizit von dessen psychologischen Grund annahmen ausgegangen wird, so ist die klassische Freud'sche Psychoanalyse doch entthront. Zu eng ist sie mit der burgerlich patriarchalischen Kultur ihrer Entstehenszeit verwoben, und psychoanalytische Herangehensweisen sind weithin modifiziert worden (Mertens 1997; Brandes 2002). Allgemein gilt fur die gegenwartsorientierte Mannerforschung in der Bundesrepublik, dass sie von selbstreflexiven, politischen Positionen gepragt ist. Ebenso ist festzuhalten, dass Manner studien nunmehr an verschiedenen Fachbereichen betrieben und unterrichtet werden. Dabei ist der Grad der formellen In stitutionalisierung nach wie vor vergleichsweise gering, trotz dem existieren zumindest punktuell institutionelle Zusammen hange, die zumeist im Umfeld der Disziplin »Gender Studies« angesiedelt sind. Viele Studien stutzen sich auf umfangreiche empirische Datenerhebungen, die inzwischen starker differen zierende Aussagen zulassen (Brandes 2002, Bd. 2: 23-26). Ais wichtige Untersuchungsfelder lassen sich benennen: Homoso zialitat, Militar, Sozialisation, Gewalt, Arbeit, Gesundheit, Va terschaft. SoIche sozialwissenschaftlichen Studien werden auch in der praktischen psychologischen und padagogischen Arbeit wahrgenommen.
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Die Theorieentwicklung innerhalb der »Men's 5tudies« In den Theoriedebatten innerhalb der Mannerstudien sind vor allem zwei Strange zu betrachten. Erstens gilt es, den Paradigmen wechsel nachzuzeichnen, der mit der Ablosung des Geschlechter rollenmodells durch das Konzept einer sozialen Konstruktion von Geschlecht einherging. Zweitens miissen die unterschiedlichen Machtmodelle angesprochen werden, die zur Skizzierung mann licher Positionen in der Gesellschaft verwendet werden. Mit dem Geschlechterrollenmodell ist so etwas wie die )>Yorgeschichte« der heutigen »Men's Studies« angesprochen. Der aus der Soziologie stammende Begriff der Geschlechterrolle Geschlech » bezeichnet die Summe der von einem Individuum erwarteten terrol len Verhaltensweisen als Frau bzw. als Mann und damit ein iiberindividuelles, relativ stabiles und insofern vorhersagbares geschlechtsspezifisches Verhaltensmuster« (Feldmann 2002: 158). Wissenschaftliches Interesse an einer mannlichen ROllenidenti tat lasst sich seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre ausma chen. Die okonomische Krise, so die These, hatte zugleich dras tische Auswirkungen auf das traditionelle Rollenverstandnis des Mannes als Ernahrer seiner Familie; die resultierenden Spannun gen und Verschiebungen galt es soziologisch zu erklaren (Pleck 1996). Danach hat das Konzept der Geschlechterrolle vor allem durch den US-amerikanischen Soziologen Talcott Parsons an Gewicht gewonnen. Innerhalb eines familiensoziologischen Rahmens und durch die Verknupfung mit psychoanalytischer Entwicklungs theorie beschreibt er das Erlernen und Internalisieren solcher Rollen als notwendigen Prozess zur Ausbildung »gelungener« Geschlechteridentitaten. Die wesentlichen Aussagen der Theorie einer mann lichen Geschlechterrolle lassen sich mit Meuser etwa so kennzeichnen:
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GESCHICHTE DER MA N N Ll C H KEITEN
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Kritik des Ein solcher Blick auf Manner und Mannlichkeiten behalt bis Rollen- heute in popularen Debatten uber den »neuen Mann« einen gromodells 6en Einfluss (Schwanitz 2001: 23). In wissenschaftlichen Diskus sionszusammenhangen ist er seit den 1970er Jahren allerdings einer umfassenden Kritik unterzogen worden, insbesondere weil er die historisch-kulturellen Dimensionen sowie die Relationali tat von Geschlecht ignoriert (Brod 1987= 4). Das Konzept wurde aus mehreren Grunden angegriffen: Aufgrund seines latenten Biologismus (stabile Zweigeschlechdichkeit aufgrund primarer physischer Unterschiede), wegen seiner Unfahigkeit, Macht verhaltnisse zu analysieren (die Beziehungen zwischen unter schiedlichen Rollentragern bleiben wenig berucksichtigt), sowie aufgrund seiner funktionalistischen Normativitat (es gibt einen deudich erkennbaren und akzeptierten Ma6stab, Abweichun gen sind »problematisch«). Der Rollenbegriff hat an analytischer Dberzeugungskraft verloren, seine Verwendung wird in der neu eren Forschung gar als Teil diskursiver Strategien begriffen, »die Mannlichkeit und Weiblichkeit erst konstituieren und korper liche Geschlechdichkeit im nachhinein auf der Basis heterosexu eller - sowie >wei6ef< und >wesdicher, - Normen naturalisieren« (Feldmann 2002: 159). Demgegenuber fordert die jungere For schung, dass eine Theorie zu Mannlichkeiten eben genau dieje nigen Machtkonstellationen in das Zentrum ihrer Betrachtung zu stellen habe, die in der Rollentheorie vernachlassigt werden (Carrigan 1996). Damit ist der D bergang zu den uns heute ge laufigen Spielarten einer konstruktivistischen Gender-Theorie markiert.
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Entsprechende Theorieentwiirfe sind auf die machttheoretische Analyse der Position von Mannern in Geschlechterverhaltnissen gerichtet (Meuser 1998; Connell 1987; Hearn 1987). Dabei wer den neb en der systematischen Unterdriickung von Frauen durch Manner auch Dominanzverhaltnisse unter Mannern analysiert. Es lassen sich zwei Theoriemodelle unterscheiden, mit deren Hilfe versucht wird, dieses doppelte, aber abgestufte Machtverhaltnis konzeptionell zu fassen. Zunachst ist, namentlich im britischen Kontext, eine deutliche Anlehnung an Patriarchatskritiken und eine groBe Nahe zu den politischen Zielen der Frauenforschung festzuhalten. Der haufig verwendete Zusatz »kritisch« sollte dies unterstreichen (Morgan 1992: 6-23). Wichtigster Vertretervon »Men's Studies« als Patriarchatsanalyse ist der britische Soziologe Jeff Hearn. Hearn begreift Kapitalismus und Patriarchat als ineinander verwobene Systeme der Unterdrii ckung, wobei er sich auf Ergebnisse marxistisch inspirierter femi nistischer Forschung stiitzt: »Capitalism operates by conversion of wage labour to value and profit; patriarchy by the appropriation of the unwaged labour and energy of women to produce male power. Both are connected with the control and accumulation of creativity, labour and energy of women by men« (Hearn 198]: 121). Mannliche Macht speist sich durch die systematische Aneig nung weiblicher Reproduktionskapazitaten, was Hearn entlang von vier institutionellen Achsen festmacht: Zwangsheterosexuali tat und Vaterschaft in einem eher privaten, wissenschaftliche und staatliche Reproduktionskontrolle in einem offentlichen Rahmen. Hearn betont zudem, dass sich das Unterdriickungspotenzial des Patriarchats auch gegen Mitglieder des eigenen Geschlechts rich tet. Damit sind zum einen Ausgrenzungs- und Diskriminierungs praktiken gemeint, zum anderen aber auch Phanomene wie Stress oder spezifische Gesundheitsrisiken bei Mannern in machtvollen Positionen, die als Ausdruck inner- wie zwischengeschlechtlichen Positionierungsdrucks verstanden werden. Als feministisches Konzept zur Analyse gesellschaftlicher und symbolischer Ordnungen zur anhaltenden Unterdriickung von Frauen bleibt das Patriarchatsmodell nach wie vor wichtig. Die Kritik der neueren Geschlechterforschung an der Konzeptionali-
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Konstruk tivistische Entwu rfe
Patriar chats a na lyse
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sierung von Mannlichkeit als »gender of oppression« - so Hearns Formulierung - zielt vor allem auf die fehlende Flexibilitiit des Konzepts hinsichtlich der Beziehungen unter Mannern. Fur die Mannerforschung warf dies konkret die Frage auf, wie sich die vielfaltigen, unterschiedlichen Positionen von Mannern im Kraf tefeld der Macht entlang dieses Musters angemessen beschreiben und analysieren lassen. Hier greift das Konzept der »hegemonialen Mannlichkeit«, das der australische Soziologe und Erziehungswissenschaftler Robert W. Connell in die Debatte eingefuhrt hat und mit dem das zweite relevante Theoriemodell zur Analyse mannlicher Macht genannt ist (Connell 1987, 1995; Carrigan 1996).1 Connell unterstreicht ein dringlich die Notwendigkeit einer eingehenden Machtanalyse von Mannlichkeiten, die allerdings in unterschiedlichen Formen von Hierarchie und Ausgrenzung ansiedelt sind und die sich wesentlich in sozialer Interaktion herstellen. Mannlichkeit verbindet sich nach Connell mit Autoritat, die sich indes nicht allein gegenuber Frauen, sondern auch in Relation zu differenten Mannlichkeiten augert, die aufgrund von okonomischen, sozialen, kulturellen oder sexuellen Konstellationen marginalisiert oder ausgegrenzt werden.
Hege moniale Mannlich keit
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Auch bei Connell ist diese doppelte Machtentfaltung hierar chisch, es bleibt eine »patriarchale Dividende durch KomplizenI
Connell hat vor einiger Zeit die Geschlechtsindentitat gewechselt, sie lebt und arbeitet nunmehr unter dem Namen Raewyn Connell in Sydney. Da wir uns hier auf altere Beitrage von ihr stiitzen, die zudem in deutschsprachigen Bibliothekskatalogen noch oftmals unter ihrem alten Eintrag zu linden sind, haben wir uns entschlossen, Namen und Personalpronomen im FlieBtext niche anzupassen.
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schaft« unter Mannern bestehen, durch die die Vorrangstellung von Mannern gegenuber Frauen insgesamt stabil bleibt (Connell 1995: 100 der dt. Ausg.). Hegemoniale Mannlichkeit nimmt dem nach interaktiv ausgehandelte Relationen flexibel in den Blick: »)Hegemonic masculinity< is always constructed in relation to va rious subordinated masculinities as well as in relation to women« (Connell 198T 183; Connell 1995: 97 ff. der dt. Ausg.). Zentrale Merkmale moderner hegemonialer Mannlichkeit sind etwa die Biologisierung von Geschlechterunterschieden sowie die hetero sexuelle Dominanz, entscheidende Stutzen sind neben der Fort schreibung der Institution der Ehe in erster Linie homosoziale, »mannerbundische« Zusammenschlusse. Die von Connell inspirierte Mannerforschung begegnet also einerseits dem Determinismus der Patriarchatsvorstellung und andererseits der Realitatsferne des Rollenmodells. Mit der Kon zeption von Hegemonie und Marginalitat lassen sich Mannlich keiten als kollektive Handlungs-, Denk- und Gefuhlsmuster ana lysieren. Connells Oberlegungen haben in den letzten Jahren viele Studien angeleitet; sie formieren gegenwartig sicher die einfluss reichste Theorievariante in den »Men's Studies« (Tosh 2004). Manche historischen Mannlichkeitsstudien wollen das Erkla rungspotenzial des Connell'schen Konzepts auf burgerliche Ge sellschaft und Moderne beschranken. So argumentiert Wolfgang Schmale, dass sich hegemoniale Mannlichkeit eben genau uber die oben beschriebenen inhaltlichen Merkmale bestimmen lief�e, was fur die Vormoderne wie auch fur die »polymorphen Mann lichkeiten« der Gegenwart noch nicht bzw. nicht mehr zutreffe (Schmale 2003). Hier ist kritisch zu fragen, ob es nicht heuristisch sinnvoller ist, das Konzept hegemonialer Mannlichkeit zunachst inhaltlich unbestimmt zu lassen, urn mit seiner Hilfe historisch spezifische Aushandlungsprozesse von Mannlichkeit in ihrer Ver schrankung mit weiteren sozio-kulturellen Machtstrukturen erst zu erfassen und transparent zu machen? Und: Gab und gibt es nicht auch in vor- und postmodernen Gesellschaften hegemo niale Mannlichkeitsentwurfe in dem Sinne, dass sie einen hohe ren Zugriff auf gesellschaftliche Ressourcen versprachen (Dinges 2005)?
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G E SCH ICHTE D E R MANNlICHKEITEN
Von Bedeutung sind auch die kultursoziologischen Dberlegungen Pierre Bourdieus (Bourdieu 1997, 2001). Holger Brandes be schreibt deren Position im Theoriefeld so: »Im Unterschied zum rollentheoretischen Konzept geht Bourdieu [. .J von einer grund legenden Entsprechung subjektiv karperlicher und objektiv sozia ler Strukturen aus, einem wechselseitigen Durchdringungspro zess, der dazu fiihrt, dass es keine karperliche Geste oder Haltung gibt, die nicht fundamental auf den Karper und seine Struktur riickbezogen ist« (Brandes 2002, Bd. 2: 20 n. Scharnier zwischen Karper und Gesellschaft, zwischen Handlung und Struktur, ist der Habitus. Dieser SchlusselbegriffBourdieu'scher Soziologie meint ein durch Sozialisation erworbenes Verhaltens muster, das die je unterschiedlichen Lebensstile von Individuen und Gruppen strukturiert. Mit Hilfe dieses Begriffs lieBen sich einige theoretische Unscharfen des Konzepts hegemonialer Mannlichkeit beseitigen. Die konkreten Dbergange zwischen kulturellem Ideal, tatsachlicher Praxis und institutioneller Macht kannten besser als bislang in den Blick genommen werden. 1m Zusammenhang mit historischen Arbeiten hat Thomas Kuhne auf die Nutzlichkeit der Anregungen Bourdieus hingewiesen (Kuhne 1998). Noch nicht recht »angekommen« im Mainstream der deutschen Konstruktivism us Mannerforschung ist die zugespitzt konstruktivistische Variante der Gender-Theorie, wie sie namentlich von Judith Butler in die fe ministischen Debatten eingefuhrt wurde (Butler 1991, 1995). Dies mag erstens daran liegen, dass die gegenwartsorientierte Manner forschung international und gerade auch in der Bundesrepublik sozialwissenschaftlich gepragt ist, und die von Butler postulierte Aufhebung von biologischem und soziokulturellem Geschlecht muss sich fur empirisch arbeitende Sozialwissenschaftlerlnnen notwendig als sperrig erweisen. Zweitens werden Butlers Thesen oftmals noch als sprachlicher Determinismus und Entkarper lichung missverstanden, was nur schwerlich mit den Konzep ten Connells oder Bourdieus zusammen zu denken ist. Holger Brandes etwa billigt Butler nur einen auBerst knappen Raum in seiner theoretischen Einfiihrung in die Mannerforschung zu und beharrt dabei zudem darauf, im Denken Butlers lase sich das Kar perliche als »reines Diskursprodukt« auf (Brandes 2002, Bd. 2: Habitus
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20 ff.). Drittens druckt sich in dieser Distanz zu starker konstruk tivistischen Gedankenmodellen offenbar ein gewisses Unbeha gen gegenuber kulturwissenschaftlichen Positionen mit explizit formulierten politischen Implikationen aus, wie sie nicht zuletzt aus den Bereichen des Postkolonialismus und der » Queer Theory« heraus formuliert werden (Geden 2000: 17, 21). Der Literaturwis senschaftler Bryce Traister hat diese intellektuellen Spannungen angesprochen, denen wir uns im folgenden Abschnitt ausfuhr licher zuwenden wollen. Mit ihnen ist auch eine Kritik an den Positionen Butlers verbunden.
»Men's Studies« : »Academic Viagra« ? Betrachtet man die bloge Anzahl der in den letzten Jahren pu blizierten Titel oder der auf Tagungen und Konferenzen pra sentierten Beitrage, kann man tatsachlich wie der kanadische Literaturwissenschaftler Bryce Traister zu der Einsicht gelangen: » Masculinity, one might say without irony, is everywhere« (Trais ter 2000: 274; vgl. auch Wickberg 2005). Traister betont, dass diese Entwicklung nicht nur sinnvoll und produktiv sei, sondern auch Anlass ernst zu nehmender Besorgnis. Schon die Namens gebung » Men's Studies« bzw. Mannerstudien verkorpere so etwas wie das Streben nach einer spezifischen Standortbestimmung. Betrachtet vor dem Hintergrund der historischen Privilegierung von Mannern auf allen Ebenen, erweisen sich die Termini » Men's Studies« und Mannerstudien als hochgradig problematisch, denn mit ihnen lasst sich bestens » alter Wein in neue Schlauche« gie gen. Traister befurchtet zudem, das gegenwartige Interesse an Mannern und Mannlichkeiten bedeute eine » restoration of the representations of men - produced by men and analyzed for the most part by men - to the center of academic cultural criticism« (Traister 2000: 276). Mit der » Entdeckung« einer dynamischen multiperspektivischen Mannlichkeitskonzeption, die auch hege moniale Mannlichkeiten in den Blick nimmt, wurden auch soIche Forschungsbereiche wieder interessant, die schon passe erschienen
»Men's Studies« als Disziplin
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Verhaltnis zu »Women's Studies«
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waren. Neubetrachtungen etwa des klassischen literarischen Ka nons fuhrten zu zahlreichen neuen Studien uber » tote weifSe Man ner« (Erhart 2001). Dieser akademische Trend nahrte Befurchtungen, auch die »Men's Studies« seien Teil eines antifeministischen Gegenschlags. So fragen Rachel Adams und David Savran in ihrem Masculinity Studies Reader ganz bewusst in Anlehnung an kritische Stimmen aus den Anfangsjahren der Mannerforschung: »Does masculinity studies represent a beneficial extension of feminist analysis or does it represent a hijacking of feminism?« (Adams 2002: 7) Warnungen dieser Art sind keinesfalls unberechtigt. Zu beden ken ist allerdings, dass sie sich nicht allein im Kontext spurbar wachsender antifeministischer gesellschaftlicher Verschiebun gen abspielen, wie sie Susan Faludi bereits 1991 skizzierte (Faludi 1991). Faludi diagnostizierte vor allem fur die Vereinigten Staaten eine konservative Gegenreaktion, die den Feminismus als Wur zel einer angeblichen gesellschaftlichen Erosion ausmachte; eine Tendenz, die auch fur die Bundesrepublik, etwa im Zusammen hang mit den populistischen Kampagnen der neuen Rechten, zu konstatieren ist. Daruber hinaus werden sie auch in einem wissen schaftspolitischen Klima artikuliert, in dem wieder vermehrt fur eine »Ruckkehf« zu den angeblich wichtigeren »Kernthemen« der Sozial- und Kulturwissenschaften pladiert wird, wozu die »Gen der Studies« insgesamt und die Mannerforschung im Besonderen gemeinhin nicht gezahlt werden. Ferner ist das strukturelle Verhaltnis von »Men's« zu »Women's« und »Gender Studies« ebenso wie zu »Gay« und »Queer Studies« nach wie vor nur unscharf bestimmt. Gerade das Verhaltnis der Mannerforschung zu den zuletzt genannten Forschungsbereichen ist prekar. Das liegt zum einen an der lange Zeit dominierenden in haltlichen Konzentration auf Aspekte hegemonialer Mannlichkei ten und zum anderen, beinahe paradoxerweise, an der »Entpoliti sierung«, die mit der inhaltlichen und methodischen Verbreiterung des Feldes einhergeht. Heute steht, wie auch Traister beobachtet, der Begriff der Mannerstudien recht deutlich fur »heterosexual ma sculinity studies« , und das Verhaltnis ist eher als abgrenzend, bes tenfalls als unbestimmt zu bezeichnen (Traister 2000: 276).
»ME N'S STU D I ES«: ENTWICKLUNG, SCHWERPU N KTE U N D PROBLEME
Wie so oft in Prozessen akademischer Disziplinentwicklung sind es seltsame Rituale von Aufnahme und Abgrenzung, die bestimmte Fragestellungen und Blickwinkel strukturieren. In diesem Zusammenhang au6ert Traister eine Kritik an einer Ge schlechterforschung a la Judith Butler. Das Insistieren auf der In stabilitat und Performativitat von Geschlecht fiihre letztlich dazu, eine Normativitat durch die Hintertiir wieder einzufiihren - und sei es nur eine Normativitat der Differenz. Die Erkenntnis, dass auch die Identitat des wei6en heterosexuellen Mannes der Mit telklasse konstruiert und instabil ist, konnte, so Traister, Analy sen sozialer und politischer Machtungleichgewichte, die an Ge schlechtsidentitaten gekoppelt sind, in den Hintergrund drangen (Traister 2000: 293 ff.). Doch nicht nur das akademische Feld, in dem die »Men's Stu dies« zu verorten sind, ist umkampft. Gleiches gilt auch fiir den Bereich der weiteren gesellschaftlichen Wahrnehmung. Mag man sich in der Bundesrepublik iiber die offentlichkeitswirksame In szenierung des »neuen Mannes« - in Form plakativer Serien in auflagenstarken Nachrichtenmagazinen, in einem Boom neuer »anderer« Mannermagazine, in kostspieligen Motivationswork shops und dergleichen mehr - schlicht wundern, argern oder be lustigen, so sind solche Phanomene andernorts weitaus wirkungs machtiger. Gegen Ende der 1980er Jahre entwickelten sich in den angelsachsischen Landern verschiedene hochgradig organisierte und einflussreiche »menz movements« (sic), die sich deutlich von der pro-feministischen Mannerbewegung der Anfangstage unter schieden. Die drei wichtigsten Gruppierungen innerhalb dieser, in Gr06britannien »laddism« (von eng!. "lad« junger Kerl, Bur sche) genannten Bewegung sollen hier kurz erwahnt werden: das »Men's Rights Movement«, die »Promise Keepers« sowie die so genannten »Mythopoetics« . Gemeinsam ist ihnen ihre recht homogene Mitgliedschaft aus Angehorigen der wei6en Mittelklasse. Auf der inhaltlichen Ebene lehnen sie samtlich das feministische Projekt ab und pro pagieren eine »Mannlichkeitskrise« , mitunter sogar einen mann lichen Opferstatus (Engelfried 1997= 48 ff.). Ihre Positionen wei sen aber auch einige nennenswerte Unterschiede auf: Das »Men's
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Gesell schaftliche Wa h rneh mung
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Antifemi nistische Manner beweg un gen
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Rights Movement", das in den USA vor allem mit dem Namen Warren Farrell und dessen umfangreicher Publikationstatigkeit verbunden ist, betont in erster Linie eine angebliche Diskrimi nierung von Mannern in der Offentlichkeit und insbesondere in der Berufswelt. Damit wird ein weiter Bereich angesprochen, der von Quotenregelungen iiber unvorteilhafte Scheidungsbestim mungen bis hin zu angeblich mangelhafter Wehrgerechtigkeit in den Streitkraften reicht (Clatterbaugh 1997= 69-94). Kurz: Die neue Frauenbewegung habe aus den Mannern unterprivilegierte Abhangige gemacht, was zumeist mit Hilfe obskurer Statistiken untermauert wird. Die grundlegenden Standpunkte des Femi nismus in Hinsicht auf mannliche Privilegierung, mannliche Macht und mannliche Gewalt werden dabei schlicht ignoriert. Interessant ist dabei weiterhin, dass innerhalb dieser Gruppe auch Stimmen wahrnehmbar sind, die ebenso die Begiinsti gungen bislang benachteiligter Gruppen kritisieren, etwa afro amerikanischer Manner. Dabei darf Freilich nicht unerwahnt bleiben, dass auch Afroamerikaner bisweilen konservativen und sexistischen Mannlichkeitsentwiirfen anhangen, wie dies gerade schwarze Feministinnen wie Michelle Wallace oder bell hooks immer wieder herausgestellt haben (Wallace 1970; hooks 1994b, 2003) Eine weitere bedeutende Mannergruppe stellen die »Promise Keepers,' dar, deren Hintergrund die in den USA immens einfluss reiche konservative christlich-fundamentalistische Erweckungs bewegung ist. Die Geschlechtervorstellungen der christlichen Rechten speisen sich traditionell aus dem Wortlaut der Bibel, sie verteidigen Ehe und Familie als fundamental fiir ihr Weltbild und verurteilen etwa auBereheliche sexuelle Aktivitaten oder Homo sexualitat auf das Scharfste. Die »Promise Keepers" reprasentieren gewissermaBen die Mannerbewegung innerhalb der christlichen Rechten. 1991 gegriindet, appellieren sie an ihre Mitglieder, sich ihrer Verantwortung als Ehemanner und Vater bewusst und ihrer Rollenvorgabe dauerhaft und im biblischen Sinne gerecht zu wer den (Clatterbaugh 1997= 177-193). Weiterhin interessant ist eine dritte Variante der nicht-akade mischen Mannerbewegung, die in den angelsachsischen Lan-
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dern »mythopoetic« genannt wird. Sie erscheint noch am ehesten mit den auch in der Bundesrepublik bekannten Inszenierungen »neuer Mannlichkeit« verwandt. Zentraler Bezugspunkt ist Ro bert Bly und dessen 1990 erstmals erschienenes Buch Iron John (1991), das auch in Europa schnell Popularitat erlangte. Ausge hend vom Grimm'schen Marchen des » Eisenhans« entwirft der Autor darin die Vorstellung einer introspektiven, naturhaften, essenziellen Mannlichkeit, die im Verlauf von Industrialisierung und Modernisierung sowie schlieGlich durch die Neue Frauen bewegung unterdruckt und verschuttet worden sei (Faludi 1991: 306 0. Bly und die »Mythopoetics« bemuhen sich darum, den angeblichen archaischen Kern des mannlichen Wesens wieder hervortreten zu lassen und ihn produktiv fur Individuum und Gesellschaft nutzbar zu machen. Schon vor Iron John und erst recht danach sprach diese Botschaft sehr viele - und sehr zah lungskraftige - Manner an, zumal sie sich leicht mit etlichen Anforderungen der post-industriellen Arbeitswelt wie Eigen motivation, Teamfahigkeit oder Einfuhlsamkeit verknupfen lieG (Clatterbaugh 1997= 95-n6). Von Bly'schen oder verwandten Ideen gespeiste Workshops oder Buchratgeber florieren heure in vielen Landern und uben daruber hinaus einen nachhalti gen Einfluss nicht zuletzt auch auf antisexistische Gruppen aus (Brandes 2002, Bd. 2: 191-214). Mit der wachsenden Prasenz von derlei Gruppierungen wuchs das Interesse der breiteren Offentlichkeit an Mannerthemen. Zwischen » menz movement« und akademischen » Men's Studies« wurde jedoch nicht immer trennscharf differenziert, woraus eine gewisse Fehleinschatzung der akademischen Disziplin in der of fentlichen Wahrnehmung resultierte. Viele der angesprochenen Gedankenmodelle der gegenwarts orientierten akademischen Mannerforschung sind auch fur eine Mannlichkeitengeschichte von Nurzen, viele der aufgeworfenen kritischen Fragen und Probleme gelten in gewisser Weise auch fur das historiographische Feld. Umgekehrt scheinen aus unserer Perspektive heraus der groGe Mangel an Historisierung sowie die weitgehende Ablehnung neuerer, kulturwissenschaftlicher Denk anstoGe vor allem innerhalb der deutschsprachigen Mannerfor-
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schung Aspekte zu sein, die durch die Geschlechtergeschichte produktiv erganzt werden konnen. Zudem sollte die Geschichts schreibung versuchen, viele der Fallstricke, in die die Mannerfor schung bisweilen tappt, zu umgehen.
4. Theoretische leitlinien fur eine Geschichte der Mannlichkeiten
1m folgenden Kapitel sollen Leitlinien der Mannlichkeitenge schichte skizziert werden. Dabei sollen konzeptionelle Aspekte im Vordergrund stehen, und wir werden auf die vorangehenden Dar legungen zur Frauen- und Geschlechtergeschichte sowie zu den interdisziplinaren Mannerstudien zuruckgreifen und versuchen, die dort bereits aufgefacherten Fragen und Problemstellungen zu bundeln. Fur praktische Forschungsarbeiten, die sich von den fol genden Darlegungen moglicherweise anregen lassen, ist es ratsam, deren Spannweite je nach Fragestellung, Erkenntnisinteresse und forschungspragmatischen Erwagungen auf ein operationalisier bares Mag zu reduzieren. Anders formuliert: In einer einzelnen historischen Untersuchung ware es unmoglich und wohl sogar kontraproduktiv, samtlichen konzeptionellen Leitlinien nachge hen zu wollen. Weiterhin mochten wir betonen, dass die folgen den Erwagungen auch als Forschungsdesiderate zu verstehen sind, sie also noch nicht in allen Auspragungen Niederschlag in der historischen Forschung gefunden haben.
Identitat und Differenz Die Herstellung von Identitat und Alteritat stellt seit Anbeginn der Frauen- und Geschlechtergeschichte eine zentrale Forschungs frage dar. Grundsatzlich haben Fragen der geschlechtlichen sowie auch der ethnischen, regionalen und anderen, individuellen wie kollektiven Identitatsbildung mittlerweile ein kaum mehr uber schaubares Forschungsfeld hervorgebracht. In Zeiten poststruk-
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turalistischer und insbesondere postkolonialer Kritik haben diese Fragen zusatzlich an Konjunktur gewonnen, das Identitatskon zept wird nun auch grundsatzlich problematisiert. �;�
f ':')f'_:",.'�- 0...' ,. _#�_" It, ' Das Konzept d;f :mentitat fluJc�lauft seit einig�� Jahren ein� p�ase grundsatzlicheq Wandels. Den)l di� Di9gnose f£agmer)tierte� u rfdfdezen.-,. ' trierter Gesellscl'faft�n bedeut.et zuglei�h,'\ vor{ der \jor�tell:Ung �tabiJeF' und h0mogener'Identitaten Abschled zu n' ehm�n, die etwa an �orper liche Voraussetzungen gebunden waren. ldentit�ten werden lel:!tliGh so instabil, variaoel und historisch:gedacht, dass (�nen jegliche fssenziali- ... � tat abhangeJ) kommt . Kuitur- una sozialwiS$en5��aftlich� .Analysen rich ten' sich folglich. nicht auf »Identitat�( als solchef sondern ' viel!lJ�hpuf " ��er�ahren de�ind�y �duel ��n Wi� , �ul� �lellen I:dentitatsbil�ung. �n \ �: �: � " J!" Y ''!f'' , ' ), i ic' P· . .">. .. '''i); 1i':i: . , . . j; ,$,,} '. �if\ '1 �
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Durch die Historisierung und kulturelle Verortung des Identitats konzepts ist auch deutlich herausgearbeitet worden, dass Entwiirfe kollektiver wie subjektiver Identitaten grundsatzlich »ideologisch« sind, da sie notwendig iiber die Positionierung in einem sozio kulturellen Feld, iiber Ein- und Ausschliisse, Hegemonialisierung und Marginalisierung funktionieren. Foiglich drangt sich die Frage auf, inwieweit ein soIches problematisiertes Identitatskon zept, das weder Ursprung noch Tradition, Kontinuitat oder gar Zeitlosigkeit beanspruchen kann, iiberhaupt noch als Identitats konzept funktioniert. Was bleibt noch von » nationaler Identitat«, wenn diese ihres » Ursprungsmythos« und ihrer » Homogenitat« beraubt ist? Eine derart grundsatzliche Problematisierung andert Freilich nichts daran, dass die verschiedenen Prozesse der Identitatsbildung sowie deren Folgen ungeheuer wirkungsmachtig waren und sind. Sie konstituieren ein historisch zentrales Themenfeld, das zahlrei che kritische Fragen iiber die Positionierung von Individuen und Kollektiven in Denk- und Handlungsraumen herausfordert (Ass mann 1998; Hall 1999; Niethammer 2000; Wieviorka 2003). Identitat Der Kategorie Geschlecht kommt in kollektiven wie subjek und Ge tiven Identifikationen eine zentrale Bedeutung zu. Lange ging schlecht man davon aus, dass eine eindeutige Geschlechterordnung und eine » adaquate« Positionierung darin fiir » gelungene« Identitiits-
TH E O R ETISCHE LEITLI N I E N F U R E I N E GESCHICHTE DER MiiNN LlC H K E ITEN
bildungen von wesentlicher Bedeutung seien. Dabei war Iden titat in Riickbindung an korperliche Ausstattung konzipiert, wodurch geschlechtliche Identitat zumindest ein gewisses Mag kulturiibergreifender Stabilitat zu haben schien. Auch wenn die Erwagungen der letzten Jahre iiber die Instabilitat und die Per formativitat von Geschlechtern (und von Identitaten) eine solche biologische Letztinstanz und ihre deterministischen Qualitaten deutlich hinterfragt haben, so ist die Vorstellung einer biologi schen Letztinstanz bis heute noch nicht ganzlich ad acta gelegt (Nicholson 1994). Sie tragt nach wie vor zur Restabilisierung gesellschaftlicher Machtstrukturen bei und ist in diesem Sinne auch ein strategisches Argument im Konflikt urn Ressourcen (Scott 2001: 19; Butler 1988). An dieser Stelle drangt sich die Frage auf, ob denn in einem Konzept performativer Geschlechter, das jegliche biologische Grundierung zuriickweist, entsprechende Identitaten an- und abgelegt werden konnen wie ein Kleidungsstiick? Das ist Freilich nicht der Fall. Denn schliemich sind Geschlechter als sedimen tierte und hartnackige Effekte von Wahrnehmungsmustern und Machtstrukturen, von Diskursen und Praktiken zu verstehen, die sich bis in die menschlichen Korper einlagern. Damit sind sie ein Teil historisch spezifischer kultureller Konfigurationen und nicht einfach austauschbar. Foiglich sind Geschlechterzuweisungen und -erfahrungen in einer gesamtgesellschaftlichen und kulturel len Ordnung verankert und von augerordentlicher Tragheit. Zu gleich aber sind sie eben nicht statisch, sondern in der Geschichte flexibel und offen fiir Verschiebungen, die dann wiederum auch die Moglichkeiten verandern, qua Geschlechtszuschreibungen auf gesellschaftliche Ressourcen zugreifen zu konnen. Es sind insbe sondere jene Momente, in denen solche Verschiebungen in der Geschichte aufscheinen und die Briichigkeit von Identitaten er kennbar wird, die interessante Untersuchungsbereiche eroffnen. Geschlechtsidentitaten bilden sich also innerhalb von Macht beziehungen heraus, die iiber die Moglichkeiten des oder der Ein zelnen zur gesellschaftlichen Gestaltung und Partizipation (mit-) entscheiden; und zugleich tragen sie dazu bei, diese Machtbezie hungen zu pragen. Wichtig ist, dass Identitatsbildungen vor allem
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Vielfalt und Differenz
Probleme des Diffe renzkon zepts
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uber den Bezug auf und die Herstellung von Differenz zu anderen Geschlechtsentwurfen funktionieren. Der Perspektivwechsel zu Vielfalt und Differenz hat in den historiographischen und kulturwissenschaftlichen Diskussionen der letzten Jahre einen durchaus programmatisch zu nennenden Status angenommen. Das gilt auch fur die Debatten uber die Ge schlechter. Die konsequente Anerkennung von Alteritat, Vielfalt und Uneindeutigkeit wird eingefordert. Das ist zuvorderst sehr zu begrugen, birgt aber doch auch Fallstricke. Wie wir in den voran gehenden Kapiteln gezeigt haben, ist ein wesentliches Erkennt nisinteresse der Geschlechtergeschichte von Mannern und Mann lichkeiten, gerade auch den Konstruktcharakter hegemonialer Geschlechtsidentitat herauszuarbeiten. Das ist ein konsequenter Schritt, denn nur auf diesem Wege kann auch die soziokulturelle Position des Hegemons ihrer vermeintlichen Selbstverstandlich keit enthoben werden. Vorstellungen von Allgemeinheit und Partikularitat, Vorstellungen vom weigen Mann als »generic per son« werden auf diese Art dekonstruiert (Kimmel 1996: 3 O. Ge schlecht ist eben nicht nur etwas, das Frauen und bestenfalls noch marginalisierten Mannern eignet. Auch weige heterosexuelle Mit telklassemanner haben eine Geschlechtsidentitat, die nicht natur lich, sondern kulturell gepragt ist. Mit den »Whiteness Studies« und den »Heterosexuality Studies« haben sich in der US-ame rikanischen Historiographie zur Geschichte von Ethnizitat und Sexualitat strukturell ahnliche Ansatze herausgebildet (Kolchin 2002; Wickberg 2005). So weit, so gut - wo liegt nun das Problem? Es ist die - uberspitzt formuliert - " Essenzialisierung« von Differenz und von Konstru iertheit, die problematische Implikationen birgt. Tragt das Postu lat vollstandiger und unhintergehbarer Konstruiertheit, gultig fur Hegemonialisierte ebenso wie fur Marginalisierte, nicht dazu bei, erstens den hegemonialen Geschlechtsentwurf mit all seinen Im plikationen wieder im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses zu verankern? Anders formuliert: Befassen wir uns nicht wieder vorwiegend mit weigen Mannern der Mittelklasse? Beteiligen wir uns nicht trotz unseres Vorsatzes, die »De-Naturalisierung« bzw. »Ent-Selbstverstandlichung« der hegemonialen Kategorien
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voranzutreiben, an ihrer machtvollen Fortschreibung in Diskurs und Lebenswelt? Tragen Analysen nach dem Motto »wir sind alle konstruiert!« nicht zweitens dazu bei, politische und soziokultu relle Differenzen zu nivellieren? Denn schlie6lich bedeuten unter schiedliche Geschlechtsentwurfe unterschiedliche Mi:iglichkeiten, auf gesellschaftliche und kulturelle Ressourcen zuzugreifen. Ge rade dieses zu verdeutlichen, war und ist ja eines der wesentlichen Anliegen von Frauen- und Geschlechtergeschichte. Diese Unter schiede geraten mi:iglicherweise aus dem Blick, wenn die Konstru iertheit jeglicher Geschlechtsidentitat derart in den Vordergrund ruckt. Hieraus forschungspraktische und -politische Konsequenzen zu Konse ziehen, ist nicht einfach. Eine ware sicherlich, die Konstruktion quenzen von Geschlechtsidentitaten niemals ohne Bezug zu differenten Entwurfen zu betrachten und immer im Blick zu behalten, welche soziokulturellen Optionen welche vergeschlechtete Identitat letztlich eri:iffnet. Identitatsbildungsprozesse, zumal wenn sie aktiv die Formulierung einer kollektiven Zugehi:irigkeit artikulieren wollen, verweisen in dies em Sinne stets auf gesellschaftliche Macht verhaltnisse (Traister 2000: 296 ff.).
Zur Relationalitat von Geschlecht Das Zusammenspiel von Identitat und Differenz verdeutlicht, dass Geschlecht eine relationale Kategorie ist, die sich in Beziehung zum Anderen herausbildet. Identitat wird folglich nicht nur uber die Kategorie » Geschlecht«, sondern uber mehrere Strukturkate gorien hergestellt. Neben race, class und gender waren hier etwa Sexualirat, Religion, Region, Alter und viele mehr zu nennen. Fest steht: Geschlecht ist niemals allein wirksam. Nun ist diese Erkenntnis sicherlich nicht neu, doch gleichwohl wird sie in der konkreten deutschsprachigen Historiographie noch immer viel zu selten umgesetzt (Frevert 1998; Finzsch 2001; Stieglitz 2001; Martschukat 2007C). Ein Grund dafur ki:innte sein, dass es fur die in den USA so drangende Forschung zur afroame-
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rikanischen Geschichte hierzulande kein Pendant gibt, das einen vergleichbaren politischen Impetus und eine entsprechend starke 6ffentliche Prasenz hatte (Bederman 1995; Hodes 1997, 2006; Hine 1999, 2001). Mehrfache Freilich verkompliziert sich das Projekt einer Geschlechter Relatio geschichte, wenn sie die mehrfache Relationalitat ernst nimmt. nalibit Denn nicht nur die Kategorie »Geschlecht« ist instabii, sondern aile anderen Kategorien sind dies auch. Damit bewegen wir uns mit einer solchen Analyse innerhalb einer Konfiguration, die grundsatzlich in aile Richtungen flexibel ist und in der sich auch das Gewicht der Kategorien im Prozess der Identitats- und Sub jektbildung permanent verandert. Urn es konkreter zu fassen: In welchem MaBe nun die Kategorien Ethnizitat oder Geschlecht oder Sexualitat oder Region die Identitatsbildung und die Macht ausubung pragen, hangt sowohl von der untersuchten historischen Einheit als auch von der konkreten Fragestellung ab, die ein histo riographisches Projekt verfolgt. Und: die Kategorien beeinflussen sich in ihren Inhalten und ihrer Bedeutung wechselseitig. Entsprechend sollte das Verhaltnis der Kategorien zueinander nicht als konkurrierend verstanden werden, sondern vielmehr als ineinander verschrankt. Wie sich die verschiedenen Kategorien zueinander verhalten, wie sie sich stutzen, bestarken oder unter minieren, gilt es herauszuarbeiten. Und auch dieses »Zueinander Verhalten« darf nicht statisch gedacht werden. Denn sowohl in der Fremd- wie in der Eigenwahrnehmung sind die Implikationen und Bedeutungen der einen Kategorie (also zum Beispiel »Geschlecht«) eben von ihrem Zusammenwirken mit anderen Kategorien (also zum Beispiel »Klasse« und »Ethnizitat«) abhangig. Ein Beispiel: 1m Hinblick auf afroamerikanische Manner hat Geschlecht zu mindest partiell andere Bedeutungen, Implikationen und Kon notationen als im Hinblick auf euroamerikanische Manner, im Hinblick auf Arbeiter hat Geschlecht zumindest partiell andere Konnotationen als im Hinblick auf Mitglieder des Burgertums. Auch wenn es Oberschneidungen gibt, gerade auch bezuglich der Wirkungsmacht hegemonialer Entwurfe, so ist die Bedeutung der einen Kategorie von ihren Beziehungen zu anderen Kategorien abhangig. Und dies gilt nicht nur fur » Ethnizitat« und »Klasse«,
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sondern auch fiir »Region«, » Religion« und alle anderen (Nichol son 1994: 83, 94; Griesebner 1999: 133 f.; Griesebner 2002). An dieser Stelle sei auch hervorgehoben, dass sich das Erkennt Mannlich nisinteresse einer Geschlechtergeschichte von Mannern nicht keiten im (nur) auf Manner richtet - denn Geschichten von Mannern sind Plural wahrlich schon genug geschrieben worden. Vielmehr gilt es his torisch zu zeigen, was wann Manner zu Mannern gemacht hat. Es geht also urn » Mannlichkeit«, und weniger urn Manner. Be reits ein etwas genauerer Blick vermag dariiber hinaus die Unein deutigkeit des Mannseins vor Augen zu fiihren, die historische Eingebundenheit verschiedener Formen des Mannseins in ganze Ensembles von Zuschreibungen. Diese sind in vielerlei Katego rien verankert und dienen der einen Mannlichkeit zur Abgren zung von anderen Mannlichkeiten - also etwa biirgerlicher von proletarischer oder »nobler« von » unehrenhafter« Mannlichkeit. Prazise formuliert geht es folglich auch nicht urn »Mannlichkeit«, sondern urn »Mannlichkeiten«, da eben aufgrund der Einbindung in vielerlei Kategorien eine einzige monolithische Mannlichkeit nicht existiert. Wird der Fokus weniger auf Manner als soiehe, sondern vielmehr auf Mannlichkeiten, also auf Geschlechtsent wiirfe, ihre Entstehung, Veranderung und Wirkungsweise gerich tet, so konnen die Manner aus Fleisch und Blut unter Umstanden sogar ganzlich aus einer soiehen Geschichte verschwinden.
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So ist beispielsweise eine historiographische Annaherung an zeit genossische Ausformungen von Konzepten wie Gemeinschaft, Demokratie, Staatsbiirgerschaft, Nation oder Kolonialismus iiber den Schliissel Geschlecht moglich. Auf diesem Wege kann ein tief
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greifendes Verstandnis derartiger historischer Konzepte oder Pro zesse sowie ihrer Pragekrafte herausgearbeitet werden (McClin tock 1995; Kundrus 1997; Yuval-Davis 1997; Nelson 1998; Boukrif 2002; Bock 2006; Mag 2006) (vgl. auch QueUe 5: Treitschke im Internet). Es ist also festzuhalten, dass sich Mann- und Mannlich-Sein Veran derliche in einer Art mehrdimensionalem Raum entfalten, der durch viele Raume Strukturkategorien konstituiert wird. Doch dies ist kein klar ge gliederter Raum, der etwa durch stabile Felder oder Achsen kons tituiert wurde, auf denen sich Einheiten abmessen und somit feste Identitatspunkte fur einen jeden Menschen wie fur KoUektive be stimmen liegen. Dieser Raum hat erstens mehr als drei Dimen sionen, denn Identitaten werden durch mehr als drei Kategorien definiert. Zudem Iasst sich ein Mag spezifischer Geschlechtsaus pragung nicht einfach auf einer Achse ab- oder in einem Feld eintragen. Denn die Gewichtung und die Implikationen der Ka tegorien variieren, und zwar nicht nur diachron, sondern auch synchron, namlich je nachdem, zu weIchen anderen Kategorien sie in Beziehung gesetzt werden. Die Achsen oder Felder dieses Raumes und deren Grenzen sind mithin niemals statisch, sondern in permanenter Veranderung. Demnach ist ein soIches System immer in Bewegung (Bourdieu 1995, 2001; Geden 2000).
Diskurse und Erfahrungen Offen geblieben ist bislang die Frage, wo und wie die eben dis kutierten Kategorien mit Bedeutung angereichert werden? Und: Wie werden diese Bedeutungen von Menschen erfahren und mit geteilt? 1m Zuge der kulturwissenschaftlichen Wende der letzten Jahre ist die Frage aufgeworfen worden, ob das angeblich so eng maschige Netz der Diskurse uberhaupt noch Erfahrungen zulasse, die als individueU zu verstehen seien - und wenn ja, wie diese Erfahrungen historiographisch erfasst werden konnen. Diese Dis kussion ist in ihren Grundelementen sicherlich nicht neu und bei spielsweise der nach dem Verhaltnis von Struktur und Handlung
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konzeptionell ahnlich. Gleichwohl konkurrieren verschiedenste Losungsvorschlage. In der Geschlechtergeschichte ist dieser Diskussionspunkt von besonderer Brisanz (Habermas 2002) . Gibt es »typisch« weibliche Erfahrungen, und wie lassen sich soiehe fassen, lautet seit jeher eine zentrale Frage der Frauen- und Geschlechtergeschichte. Die analoge Frage einer Geschichte von Mannern und Mannlichkei ten wiirde die nach moglicherweise »typisch« mannlichen Erfah rungen sein. Was wiirde, was konnte » typisch« in verschiedenen historischen Einheiten bedeuten? Wie konstituieren sich soiehe Erfahrungen? Wodurch sind sie gepragt? Und: Wie sehr sind sie abhangig von ihrem historisch-kulturell-sozialen Kontext? Wie » authentisch« sind diese Erfahrungen also innerhalb eines diskur siven Netzes, wie unabhangig von sprachlicher Verfasstheit? Offenbar erfordert eine Annaherung an das Verhaltnis von Diskurs Diskursen und Erfahrungen zunachst eine Erlauterung des Dis- beg riff kursbegriffes. Dabei ist festzuhalten, dass in der Geschichtswissenschaft nach wie vor verschiedene Diskursbegriffe kursieren, namlich auf der einen Seite der Diskurs als rationales Gesprach unter Fachleuten, in dem die besseren Argumente entscheiden. Als soieher beschreibt er ein kommunikatives Ideal und ist als Instrument historischer Analyse vergleichsweise ungeeignet. Auf der anderen Seite hat sich vor allem in Kulturgeschichte und Geschlechterforschung ein Diskursbegriff in Anlehnung an die Schriften Michel Foucaults etabliert, der die konstitutive Kraft des kulturell etablierten Denkens und Redens hervorhebt.
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Erst diese Denk- und Wahrnehmungsweisen ermoglichen be stimmte Handlungsweisen, da sie in einem historisch-spezi fischen Kontext erst denk-moglich werden. Dabei konnen sich dann auch die menschlichen Handlungen wiederum als Aussa gen in den Diskurs einschreiben. Die Wone und die Dinge sind letztlich so eng ineinander verschrankt, dass sie kaum sinnvoll voneinander zu trennen sind. Die neuere Forschung geht daher auch dazu uber, weniger von »Diskursen«, sondern vielmehr von »Dispositiven« zu sprechen - denn Dispositive umfassen " Ge sagtes ebensowohl wie Ungesagtes« (Sarasin 2001; Manschukat 2002; Landwehr 2008). Versteht man Diskurse und Handlungsweisen als ineinander Normen u nd Erfah verschrankt, so hilft dies dabei, den Beziehungen von diskursi rungen ver, normativer Ebene und individueller Erfahrung auf die Spur zu kommen. Diese Beziehungen werden in der Geschlechter geschichte seit Jahrzehnten heftig diskutiert. War etwa die Burgertumsforschung zunachst deutlich auf die normativen Geschlechtsentwurfe ausgerichtet und neigte dazu, Lebenswirk lichkeits-, Handlungs- und Erfahrungsebene zu vernachlassigen (Welter 1966; Hausen 1976), so haben spatere Arbeiten der histo rischen Geschlechterforschung gerade die Uneindeutigkeiten von Normen und Lebenswirklichkeiten, die Differenz von Norm und Erfahrung akzentuiert (Honegger 1991; Trepp 1996; Habermas 2000). Andere Arbeiten wiederum verweisen auf Moglichkeiten, die Bereiche von Norm und Lebenswirklichkeit auf neue Art und Weise als verwobene Bereiche von Diskursen/Dispositiven und Erfahrungen deutlicher und zugleich differenziener zusammen zu denken. Hierbei erweist sich Geschlecht abermals als Schlusselka tegorie. Denn Geschlechter sind sowohl diskursiv erzeugt als auch gesellschaftlich struktur- und identitatsbildend. Daher zeichnen sie maBgeblich fur die Moglichkeiten und die Art individueller Erfahrungen verantwortlich. Geschlecht, so John Tosh, »is both a psychic and a social identity« (Tosh 1994: 194, 198), und als sol ches steht es in den Fluchtlinien von Kollektivitat und Individua litat - es verbindet die Makro- und Mikroebenen miteinander. Mithin sind die Bereiche des Normativen auf der einen Seite und der Lebenswirklichkeiten sowie der Erfahrungen auf der anderen
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Seite, der normativ definierten » Mannlichkeit« und des tatsachli chen »Mannseins« nur schwerlich zu scheiden (Kiihne 1996). Eine Trennung der Bereiche oder gar eine Dichotomisierung fiihrt in die Irre, und ihnen liegt eine starke Vereinfachung der Komplexi taten und Wirkweisen von Diskursen zu Grunde. Denn wenn man, wie Joan Scott (2001) und Judith Butler (1995) es einfordern, Geschlechtsidentitat nicht nur in einem rein sprachlichen Diskurs verortet, sondern im gesamten Ensemble kultureller Sinnproduk tion, so bilden eben Normen und Lebenswirklichkeiten, Hand lungsweisen wie Erfahrungen eine Melange. Dabei ist zu beachten, dass diese Beziehung von Normen und Lebenswirklichkeiten nicht einfach einseitig determinierend ge dacht werden darf (als wenn diskursiv erzeugte Geschlechternor men Erfahrungen und Handlungsweisen bestimmten), sondern vielmehr reflexiv: Einerseits machen historische Subjekte ihre Er fahrungen und vollziehen ihre Handlungen in historisch-spezi fischen Dispositiven; die Moglichkeiten, zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten bestimmte Erfahrungen machen und be stimmte H andlungen vollziehen zu konnen, sind dispositivisch determiniert. Andererseits konstituieren aber auch diese Er fahrungen, Empfindungen und Handlungsweisen der Subjekte diese Dispositive erst. Sie fiigen sich zu diesem Ensemble kultu reller Sinnproduktion zusammen, sobald sie mitgeteilt und somit wahrnehmbar werden: Erfahrungen werden zu Aussagen inner halb der Dispositive und konnen (sobald sie entaugert wurden) von anderen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen » zitiert« werden. Diese Erfahrungen werden von den Subjekten durchaus als »au thentisch« wahrgenommen und auch als soIehe dargestellt, auch wenn sie nur innerhalb der Wirkkrafte eines bestimmten Dis positivs moglich sind. » Authentizitat« erhalt in dieser Lesart also eine veranderte Bedeutung: Eine Erfahrung ist deshalb » authen tisch«, weil sie yom Subjekr als » authentisch« empfunden wird und als Erfahrung an andere S ubjekte vermittelbar ist, die sie zumindest » kennenlernen und nachvollziehen konnen« (Foucault 1997: 33)· Auch die Frage, ob die Hervorbringungen des Diskurses real oder imaginar, wirklich oder konstruiert sind, riickt aus dieser
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Perspektive in den Hintergrund. Denn das Prekare eines Diskur ses ist ja gerade, dass seine Hervorbringungen fiir die historischen Subjekte »wirklich« sind und die Qualitat des Realen haben (Mai hofer 1995; Gleixner 1994). Subjekt Das Dispositiv ermoglicht nicht nur historisch spezifische Erfahrungen geschlechdich gepragter Subjekte, vielmehr ist es selbst wiederum durch die Summe der Erfahrungen der Subjekte ge tragen und gepragt. Das Subjekt darf folglich nicht als Ausgangs punkt der Betrachtung gesetzt werden, sondern es muss vielmehr dessen historische Entstehung und Entfaltung innerhalb eines Dispositivs herausgearbeitet werden (Foucault 2000: 7-45; Buder 200I). Befiirchtungen, eine solche Geschichte bringe den Verlust des Subjekts mit sich, sind folglich vollig unbegriindet. Das Subjekt wird an kulturelle und gesellschafdiche Verschiebungen in der Geschichte angekoppelt und somit als historisch wandelbar ge kennzeichnet. Auch sollte deudich geworden sein, dass menschli che Erfahrungen in einer solchen Geschichte keineswegs aus dem Blick geraten. Sie werden nur anders konzipiert (Scott 1991, 200I; Habermas 2002; Bos 2004). Eine derart inspirierte Geschichte versucht die Ebene der Erfahrungen und Handlungsweisen ge rade dadurch zu erfassen, dass sie sie mit der Ebene der Denk- und Wahrnehmungsweisen verschrankt. Auf diesem Wege konnen Erfahrungen in der Geschichte als zugleich dispositivisch vermit telt und authentisch empfunden aufgezeigt werden. Dichotomien brechen auf, und die Vorstellung, das Gegenteil von Gebunden heit ware notwendigerweise die uneingeschrankte Authentizitat, wird relativiert (Rose 1999). Gleichermagen werden Dispositive, Subjekte und Erfahrungen historisiert. Ein Subjekt ist dann nicht mehr Ausgangspunkt von Geschichte, sondern das Subjekt und seine Konstitution wie seine lebensweldiche Verankerung wer den zu dem erhoben, was historisch erklart werden muss: »Der vieldiskutierte >Tod des Subjekts< erweist sich als seine Wieder geburt als historisches Wesen« (Maset 2002: 93). »Geschlecht«, urn dies noch einmal herauszustellen, ist in dies em Prozess der Subjektbildung eine zentrale Kategorie, die wie kaum eine andere gesellschafdiche Strukturierung, dispositivische Pragung und als
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»authentisch« empfundene Erfahrung aneinander zu koppeln er moglicht. Fiir die praktische historiographische Arbeit bedeutet dies, Selbst vor allem nach der wechselseitigen Pragung von Makro- und zeugnisse Mikroebenen zu spiiren: Weitwinkelperspektive und Nahaufnahme miissen ausdriicklich ineinander greifen (Pomata 1998). Dann kann eine Geschichte »individueller« Erfahrung geschrieben werden, die zum Indikator und Spiegel einer Gesellschaft und ihrer Weltbilder wird. Unter den Quellengattungen riicken dadurch vor allem die Selbstzeugnisse historischer Subjekte (also Briefe, Autobiographien, Memoiren, Tagebiicher, aber auch Aussagen vor Gericht etc.) in den Vordergrund (Morgan 1990; Schulze 1996; Niethammer 2002) . Freilich miissen derartige Selbstzeugnisse immer in ihren gesellschaftlich-strukturellen wie auch individuellen Denk- und Entstehungszusammenhangen gelesen werden. Dariiber hinaus konnen sie aber auch in der kombinierten Lektiire mit ausdriicklich normativen Quellen (wie zeitgenossischen Wissenschaftstexten oder Ratgebern) bearbeitet und daraufhin iiberpriift werden, inwiefern vermeintlich authentische Erfahrungen von historischen Individuen im Kontext eines zeitgenossisch gefestigten, diskursiv gepragten Feldes von Erfahrungsmoglichkeiten standen (Martschukat 2001; Stieglitz 2001) . GleichermaEen kann in historischen Untersuchungen gezeigt werden, wie die historischen Subjekte die »Konstruktion« von Wahrheit (etwa vor Gericht) als Fakt und somit als »wirklich wahr« empfanden. Auch hier verfliissigen sich also Vorstellungen von »Konstruktioll« und »Wirklichkeit« , von » Imagination« und »Realitat« (Gleixner 1994, 1995; Mommertz 1996). Wenn es also gelingt zu zeigen, wie Subjektbildung und » indi viduelle« Erfahrungen der historischen Akteure in zeitgenossische Dispositive verwoben sind, wird die wechselseitige Durchdrin gung dieser Ebenen deutlich. Die Konzepte des Diskurses, der Er fahrung und des Subjekts erhalten so noch groEere Tiefenscharfe in der historischen Arbeit. Dass in spezifischen Forschungen der eine oder der andere Aspekt starker akzentuiert werden kann und auch muss, versteht sich von selbst.
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Krise und H egemonie
Vielzahl der Krisen
Wessen Krise ?
Fragen nach Identitatsbildung, Relationalitat und dem Verhaltnis von Diskursen und Erfahrungen beschaftigen die Geschlechterge schichte generell. Sie sind keineswegs spezifisch fur die Geschichte von Mannern und Mannlichkeiten, allenfalls die inhaltlichen Auskleidungen sind andere. Ein Konzept, dem insbesondere in der Mannlichkeitengeschichte Aufmerksamkeit zukommt, ist jedoch das der »Krise«. In schoner RegelmaBigkeit ist in der Geschichte von einer » Krise der Mannlichkeit« die Rede, so in der US-Ge schichte fur die 1830er, die 1890er, die 1930er, die 1950er oder die 1970er Jahre - und dies ist nur eine Auswahl. Ahnliches kann fur die deursche Geschichte konstatiert werden, exemplarisch sei hier nur auf die Zeit nach den beiden Weltkriegen verwiesen. Vor weggeschickt sei, dass das Konzept der Krise problematisch wie hilfreich zugleich sein kann. Schon die Aneinanderreihung der Krisen macht stutzig: Die Vielzahl der Bedrangnisse und Dilemmata wirft die Frage auf, wo denn uberhaupt noch Entspannung und Normalitat zu markieren sind. Oder ist die Mannlichkeit in einer Dauerkrise? Und uber haupt: Wenn von der Mannlichkeit die Rede ist, die in eine Krise gerat, bildet dann nicht eine stabile und gewissermaBen essenziell zu denkende Mannlichkeit, die diese Krise durchlebt, den Aus gangspunkt des Denkens uber Geschlecht? Der Begriff der Krise impliziert ein koharentes System, das zunachst einmal positiv be setzt und von einer » authentischen«, wunschenswerten Form von Mannlichkeit getragen ist und das dann durch diese Krise zer bzw. gestort wird (Connell 1995: 105 der dt. Ausg.; Traister 2000). Eine derart essenziell gedachte Mannlichkeit in einem koharen ten Geschlechtersystem existiert Freilich nicht, sind Geschlechter doch performativ zu denken (KaItenecker 2000; Allen 2002; Ditz 2004; Casale 2006; Sielke 2007). Weiterhin falIt auf, dass sich Krisenklagen in aller Regel auf weiBe, christliche, heterosexuelle Manner der Mittelklasse be ziehen - also auf eine in neuzeitlichen westlichen Gesellschaften hegemoniale Mannlichkeit, die in Relation zu anderen, okono misch, sozial, kulturell, ethnisch, sexuell oder anderweitig mar-
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ginalisierten Mannlichkeiten dominant ist und in Zeiten ihrer Stabilitat den starksten Zugriff auf gesellschaftliche Ressourcen erlaubt. Die hegemoniale Mannlichkeit steht offensichtlich im Zentrum dieses vermeintlich koharenten Systems, das durch die Rede von der Krise suggeriert wird. Bisweilen bezieht sich die Rede von der Krise aber auch auf solche Mannlichkeiten, die in den zeitgenossischen Dispositiven als grundsatzlich mannlich defizitar gekennzeichnet sind. In die sen Fallen markiert der Krisenbegriff kein vorubergehendes Ab weichen von einer Norm, sondern er formuliert eine strukturelle Dauerkrise. Hier ist beispielsweise auf afroamerikanische Manner in der US-amerikanischen oder judische Manner in der deutschen Geschichte zu verweisen. Bemerkenswert ist wiederum, dass die vermeintliche Dauerktise dieser Manner uber Defizite in Relation zu dem hegemonialen Modell von Mannlichkeit konzipiert ist. Die Frage, die etwa in Perspektive auf schwarze Manner in der US-Geschichte immer wieder gestellt wurde, lautete also etwa: Inwieweit konnen sie dem hegemonialen Entwurf weiSer Mann lichkeit entsprechen? Erstens wird somit dieser Entwurf als Ideal postuliert. Zweitens konnen derart marginalisierte Manner auf grund der Barrieren des herrschenden Rassenkonzepts und eines daran gebundenen gesellschaftlich-kulturell diskriminierenden Systems diesem Entwurf haufig gar nicht entsprechen (zum Bei spiel war es fur versklavte oder auch in Segregation lebende afro amerikanische Manner schwerlich moglich, die Anforderungen des »Beschutzers« und »Versorgers« zu erfullen), und somit befan den sie sich, gemessen am hegemonialen Modell, in einer Dauer krise. Diese wird dann vermutlich so lange anhalten, wie das be sagte rassistische System Bestand hat. Dabei ist das scheinbare Paradox zu beobachten, dass marginali- Leitbilder sierte Manner nicht selten den hegemonialen Entwurfvon Mannlichkeit fur sich als Leitvorstellung annehmen. Durch ihr Streben, die Marginalisierung zu uberwinden, indem sie die Kriterien der Hegemonie erfullen, bestatigen sie dann das hegemoniale Konzept selbst, und auf diesem Wege bestarken sie wiederum einen wesentlichen Faktor fur ihre eigene Kennzeichnung als defizitar. Moglicherweise fuhrt das Streben marginalisierter Manner nach
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einem Dasein als »echte« Manner zu einer Akzentuierung von Differenz gegeniiber Frauen. Hier kann also deutlich werden, wie sehr sich die Geschlechterordnung und die Entwiirfe, auf denen sie griindet, in die Subjekte einschreiben. Ein solches Perpetuieren jener Mechanismen, welche die eigene Unterwerfung bedingen und die Unterwerfung anderer bewirken, kann ein treffendes Bei spiel fiir das Zusammenwirken von Dispositiven, Erfahrungen und Subjektbildung sein (hooks 1994b).
Zur Verdeutlich ung soli hier ein Text des sch warzen Revolutionars El dridge Cleaver zitiert werden, der 1 9 6 6 zu den G riindern der Black Panther Party gehorte. Clea vers Buch »Soul on Ice« wurde zu einem M a n ifest der schwarzen revolution aren Bewegung. M it fortsch reite nder Biirgerrechts bewegung riickten mehr und mehr afroamerika n ische M an ner ihre Jahr h underte wah rende und bis zu ih rer Gegenwart fortwirkende » Entman n lich ung« durch Sklaverei und Segregation in d e n Vordergrund. Tenor war, dass die Wunden der sym bolisch en wie tatsach lich en Kastration n u r durch die Huldigung der sch warzen Frau und deren gleichzeitige Unterwerfung sowie durch die A n erke n n ung der patriarch alisch en Position sch warzer Manner in Familie und G esellsch aft geh eilt werden konnten (Finzsch 1999; Wendt 2 0 01b; der Text in vollstandiger Version ist auch als Quelle 1 1 i m Internet z u finden).
I g reet you, my Queen, not in the obsequious whine of a cringing Slave to which you have become accustomed, neither do I greet you in the new voice, the u nctuous suppl ications of the sleek Black Bourgeoise, nor the bullying bel low of the rude Free Slave-but in my own voice do I greet you, the voice of a Black Ma n. And a lthough I greet you anew, my greeting is not new, but as old as the Sun, Moon, and Sta rs. And rather than mark a new begin ning, my gree ting sig nifies only my Return. I have Returned from the dead. I spea k to you now from the Here And Now. I was dead for fou r h u n d red yea rs. For four h u n d red years you have been a wom a n a lone, bereft of her man, a m a n l ess woman. For fou r h u n d red years I was neither you r man nor my own man. The white stood between us, over us, a round us. The wh ite m a n was your man and my man. Do not pass lightly over this truth, my Queen, [ ... J for the heel of the white man's boot is o u r point of departu re, our point of Resolve a nd Return - the bloodsta ined pivot or our future. [... J Across the n a ked a byss of negated mascu l i n ity, of fou r h u n d red years minus my Ba l ls, we face each other today, my Queen. I feel a deep, terrifying h u rt, the pa in of h u m i l iation of the vanqu ished wa rrior. The shame of the fleet-footed
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sprinter who stumbles at the start of the race. I feel u njustified. I can't bear to look into you r eyes. Don't you know (su rely you m ust h ave noticed by now: four h u n d red yea rs !) that for fou r h u n d red years I have been una ble to look into you r eyes? I tremble i nside each time you look at me. [...] 1 want you to know that I fea red to look i nto you r eyes beca use I knew I wou ld find reflected there a merci less I nd ictment of my i m potence a nd a compelling challenge to redeem my conquered man hood. My Queen, [ ...] 1, being dead, was unworthy to receive [your love]; that per fect, radical love of black on which o u r Fathers th rived. Let me drink from the river of you r love at its sou rce, let the lines of force of you r love seize my soul by its core and hea l the wou nd of my Castration, let my convex exile end its hau nted Odyssey in you r concave essence which receives that it may g ive. Flo wer of Africa, it is o n ly t h rough the liberating power of you r re-Iove that my man hood ca n be redeemed. For it is i n you r eyes, before you, that my need is to be justified. O n ly, on ly, only you and only you can condemn or set me free. [...] B lack Beauty, in i m potent si lence I listen, as if to a sym phony of sorrows, to you r screa ms for help, a ng u ished pleas of terror that echo sti l l t h roug hout the U n iverse and t h rough the mind [ ... ] . I H EARD THAT MOURNFUL SOUND BUT HUNG MY H EAD AND FAILED TO H EE D IT, I H EARD MY WOMAN'S CRY, I H EARD MY WOMAN'S SCREAM, I H EARD MY WOMAN BEG TH E BEAST FOR MERCY, I H EARD HER BEG FOR ME, I H EARD MY WOMAN BEG THE BEAST FOR MERCY FOR ME, I H EARD MY WOMAN DIE, I H EARD THE SOUND OF H E R DEATH, A SNAPPI NG SOU N D, A BREAKING SOU N D, A SOU N D THAT SOUNDED FI NAL, THE LAST SOUND, THE U L TIMATE SOU ND, THE SOU N D OF DEATH, ME, I H EARD, I H EAR IT EVERY DAY, I H EAR HER NOW I H EAR YOU NOW I H EAR YOU. I heard you then you r screa m came l i ke a searing bolt of lightning that blazed a wh ite streak down my black back. In a cowardly stupor, with a pa l p itating hea rt and q u ivering knees, I watched the Slaver's lash of death slash thro u g h the opposing a i r and bite with teeth of fi re into you r delicate flesh, the black a nd tender flesh of African Motherhood, forcing the sta rtled Life u ltimately from you r torn a nd outraged womb, the sacred womb that cradled primal man, the wom b that incu bated Ethiopia and popu lated N u bia a n d gave forth Pharaohs u nto Egypt, [...] I, the B lack E u n uch, d ivested of my Bal ls, wa l ked the earth with my mind locked in Cold Storage. [...] Black woman, without aski ng h ow, just say that we su rvived our forced march and travai l t h rough the Valley of Slavery, Suffering, and Death - there, that Va lley beneath us hidden by that d rifti ng mist. Ah, what sig hts and sounds and pain lie beneath that mist! And we had thought that o u r hard climb out of that cruel val ley led to some cool, g reen and peaceful, s u n lit place - but it's a l l j u n g l e here, a w i l d and savage wilderness that's overrun with ruins. B ut put on you r crown, my Queen, and we will build a New City on these ruins. (A us Eldridge Cleaver: Soul on Ice, New York 1999 (19 6 8): 23 6 -242.)
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Probleme Zur Beschreibung historischer Realitat sollte der Krisenbegriff des Krisen - verworfen werden. Denn wenn dieses Konzept zur »objektiven beg riffs Diagnose« eingesetzt wird, suggeriert dies erstens eine Koha renz und sogar Essenzialitat von Mannlichkeit und impliziert die Annahme, eine »gelungene« Identitatsbildung bedinge ein stabiles Geschlecht. Wenn Geschlecht allerdings performativ, ein kontingentes Ergebnis von Praktiken und also etwas ist, das sich in einem permanenten Herstellungsprozess befindet, dann kann es keine essenzielle Mannlichkeit geben, die in eine Krise gerat. Bestenfalls konnte man von einer vermehrten Bewegung innerhalb der Geschlechterkonfiguration und des Normsystems reden, wodurch die performativ erzeugte (und damit immer un sichere) Stabilitat dieses Systems erschiittert wird. Wird nun aber eine Krise als objektiv gegeben diagnostiziert, so impliziert dies, dass das System entlang seiner vermeintlich »natiirlichen« Achsen restabilisiert werden miisste. Urn es von einer anderen Seite zu beleuchten: Konnte man nicht, anstatt die Perspektive des Hege mons einzunehmen und iiber eine »Krise« zu lamentieren, auch von den Randern der Geschlechterordnung her denken und eine soIche Erschiitterung als »Chance« verstehen? Daran kniipft zweitens die Frage an, weIche Funktion die regel magige Anrufung einer Krise in der Geschichte wie in der gegen wartigen Forschung zu Mannern und Mannlichkeiten eigentlich erfiillt. Wird durch diese Rede von der Krise nicht wesentlich dazu beigetragen, den Anspruch einer bestimmten Form von Mannlichkeit auf eine hegemoniale Stellung zu bestarken? Wird mit dem Bemiihen der Krisentrope nicht permanent an einem Narrativ gestrickt (bewusst oder auch unbewusst), das die Hege monie det angeblich kriselnden Mannlichkeit stabilisiert bzw. erst herstellt (Kaltenecker 2000)? Auffallend ist auch, dass als Ursachen fiir »Mannlichkeits krisen« zumeist politische, okonomische, soziale oder kulturelle Phanomene genannt werden, die angeblich von augen auf das Geschlechtersystem einwirken und namentlich gegeniiber Man nern und Mannlichkeiten wirkungsmachtig werden. Die Fragen danach, wie ein soIches Zusammenspiel eines angeblichen Auge ren und eines angeblichen Inneren genau zu konzeptionalisieren
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ware und ob die krisenhafte Dynamik von » Gender« allgemein und Mannlichkeit im Besonderen nicht auch aus diesem System heraus entstehen kann, bleiben nicht selten unbeantwortet. Dieser grundsatzlichen Skepsis gegeniiber dem Krisenkon- Krise a ls zept stehen nun allerdings Erkenntnischancen gegeniiber, wenn Quellen das Konzept als heuristisches Instrumentarium verwendet wird. beg riff Die »Krise« ist nicht nur ein Forschungskonzept, sondern auch ein Quellenbegriff: Historische Akteure beklagten zu verschiedenen Zeiten »Krisen der Mannlichkeit«. Folglich kann das his toriographische Erkenntnisinteresse auf eine Krise als Erfahrung der historischen Zeitgenossen gerichtet werden. Die Frage ware dann nicht, ob es zu bestimmten Zeiten unter bestimmten Be dingungen tatsachlich eine Krise gegeben hat, sondern inwieweit bestimmte historische Verschiebungen Effekte mit sich brachten, die mit Blick aufMannlichkeitsentwiirfe als krisenhaft artikuliert bzw. empfunden wurden. Eine Betrachtung der Verwendung der Krisenmetapher in der Geschichte miisste dann Freilich mehrfach relational angelegt sein. Sie miisste also weitere soziokulturelle Strukturkategorien einbeziehen und zeigen, welche Gruppen welche Mannlichkeitsentwiirfe als krisenhaft empfanden und wie ein spezifischer Entwurfvon Mannlichkeit Verschiebungen durchlief, die seine Hegemonie offensichtlich gefahrdeten. Dabei muss es keineswegs so gewesen sein, dass samtliche Trager hegemonialer Mannlichkeit eine solche Situation als Krise empfanden (Bederman 1995: II; Gilbert 2007: 29°-291). In einer solchen Lesart konnen der Krisenbegriff und seine historische Verwendung einen Weg eroffnen, das wechselhafte Spiel der Stabilisierung und Destabilisierung von performativen Mannlichkeiten und ihre Stellungen in dem Spektrum marginal hegemonial scharfer zu fassen. Weiterhin vermag ein solcher Zu gang die Frage zu fokussieren, wie die Anrufung einer Krise in der Geschichte wieder zur Stabilisierung des hegemonialen Entwurfs beigetragen hat. Wird die »Krise« also als heuristisches Instru ment genutzt, so kann vorgefiihrt werden, wie Vorstellungen von Essenzialitat historisch entstehen und welche kulturellen Prakti ken und Mechanismen diese Vorstellungen ermoglichen bzw. le gitimieren.
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Operationalisiert man die Krisenmetapher innerhalb eines Kon zepts performativer Geschlechter, so kann mit ihrer Hilfe eruiert werden, wann und unter welchen Bedingungen in der Geschichte die Geschlechterordnung in welchem MaBe umkampft war. Aus dieser Perspektive »markiert der Begriff der Krise nicht den Aus nahme-, sondern den Normalzustand der Bedeutungsgebung« (Kaltenecker 2000: 42). Hierbei ist besonders interessant, in wel chen historischen Konstellationen eine Krise welcher Mannlichkeit beklagt wird und wie dadurch (und durch die [5elbst-lViktimisie rung von Mannern) moglicherweise in der Geschichte wie auch durch die Geschichtsschreibung eine Wiederherstellung der He gemonie vorangetrieben und legitimiert wurde und wird - gegen uber Frauen und gegenuber marginalisierten Mannern. So kann der wunde, kranke, geschwachte, der Heilung bedurfende Mann beinahe als eine 5tandardinszenierung gelten, die eine potenzielle oder konkrete 5chwachung hegemonialer Mannlichkeit in der Geschichte begleitet. Das Reden von der Krise erscheint somit als ein performatives Ritual, das zur Dberwindung empfundener 5chwache beitragt (Kaltenecker 2000: 39; Martschukat 2003). Vor diesem Hintergrund kann es keineswegs verwundern, dass bei Krisendiagnosen in der modernen Geschichte nicht immer, aber doch haufig eine Besinnung auf eine korperbetonte, natur verbundene, homosoziale und als »authentisch« konzipierte Form von Mannlichkeit propagiert wurde (Bederman 1995). Offen ist noch, in welchem Verhalrnis das Reden von einer Krise zu historischen Ereignissen wie Naturkatastrophen, Wirt schaftskrisen oder Kriegen steht. 5tellen solche Ereignisse ex terne AnstoBe fur die Geschlechterordnung dar? Wenn dem so ist, dann drangt sich die Frage auf, wie diese externen AnstoBe in Beziehung zu Mannlichkeitsentwurfen und individuellen wie kollektiven Erfahrungen treten. Wie verschieben oder verstarken sich die Dispositionen des Mannseins zum Beispiel durch einen Krieg? Hier sei zur Verdeudichung abermals ein Beispiel angefuhrt. 1m Verlaufe des amerikanischen Burgerkrieges traten ehemalige 5kla yen in die Armee der Union ein und kampften mit der Waffe fur das Ende ihrer Unterdruckung und Entmannlichung. So perpe-
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tuierten sie nicht zuletzt den hegemonialen Entwurf von Mann lichkeit, der wesentlich an Vorstellungen von Wehrhaftigkeit ge bunden war: "This was the biggest thing that ever happened in my life«, erklarte zum Beispiel einer der afroamerikanischen Soldaten seine »Erfahrung«, »I feel like a man with a uniform on and a gun in my hand« (Cullen 1999: 496). Ein anderes Beispiel waren deutsch-jiidische Frontsoldaten wahrend des Ersten Weltkrieges, die hofften, durch den Einsatz ihrer Korper den rassistischen und als defizitar konzipierten Entwiirfen jiidischer Mannlichkeit ent gegentreten und ihr »Deutsch-« und »Maskulinsein« beweisen zu konnen. Die Forschung betont dabei vor allem die Hoffnung der jiidischen Soldaten, dass der Krieg ihnen die vollstandige Gleich berechtigung und Anerkennung als deutsche Manner bringen wiirde (Caplan 2000: 91).
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Beispielh aft zeigen kann dies ein Brief, den der Frontsoldat Leo Lef5mann am 1 6 . September 1 9 14 an sein e Eltern gesch ickt hat. Die Q uelle macht deutlich, wie sehr Lef5mann dem Ideal des h eroisch en und kdrperbetonten Mann- wie Deutschseins a n h ing.
Meine lieben Alten ! In fliegender Hast und Eile ein paa r Zei len. Seit dem 6. d. M. befinden wir u ns in einer marderischen Schlacht, in der wir uns n u nmehr jenseits der Aisne auf einer Hahe verschanzt haben, die wir lebendig unseren Feinden nicht u ber lassen werden. ErlafSt es m i r, Euch von diesem Ringen heute Einzel heiten zu schreiben; es ist zu furchtbar. Meinem Batteriechef, der sich m i r gegenuber einmal au fSerte, dafS er sich wundere, dafS ich a ls Jude ein so guter Soldat wa re, habe ich endlich auch den Beweis personlichen Mutes geben kan nen. Also hart: Am 8. d. M. m u fSten wir eine Stellung a ufg eben und wegen pferdeman gels unsere sechs M u n itionswagen auf dem Kam pffeld lassen. Am nachsten Tage wurde die Batterie zusammeng erufen, und a uf das Komma ndo »Freiwil l ige vor« trat ich sofort als einziger U nteroffizier vor und erbot m ich, die sechs Wagen wieder aus dem fei ndlichen Gelande zu holen. Von den Segenswun schen meiner Batterie beg leitet, machte ich m ich dann mit zehn erprobten Leuten und zwei Bespa n n u ngen bei a n brechender Dammerung auf den Weg, versta nd igte mich mit unserem I nfa nterievorposten und pi rschte m ich dann an die Wagen zuerst einmal a l lein, a uf dem Bauch kriechend heran, um mich von i h rer Transportfa h i g keit zu u be rzeugen. Dann holte ich meine Leute m it den Protzen u n d holte erst einmal vier Wag en, brachte die in Sicherheit und
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holte a lsdann die u brigen zwei, sowie viele lose Mun ition, Geschutzzubehor und unsere Toten. Zweimal riefen m ich feindl iche Patrouillen an, d rei SchuB wu rden a uf u ns a bgegeben. Vor dem au Bersten Schutzeng ra ben empfing m ich u nser Reg i mentsko m mandeur, gab m i r die H a nd und sagte: »Das haben Sie seh r brav g emacht, Ka merad, ich danke I h nen.« - Na, das Marchen von der »j udischen Feigheit« habe ich wenigsten s fur unser Reg i ment woh l grundl ich zerstort. Und wen n m i r kein a nderer Loh n wird, so ist mir dies BewuBtsein u berreichlich genug. Schickt mir bitte recht oft kleine Pakete mit Schokolade, sauren Bonbons, Scheibenda uerwu rst und anderen Nahrungsmitteln. Ihr konnt Euch ja gar nicht vorstellen, wie sehr wir solche Sachen bra uchen. Stel lt Euch vor: seit zwolfTagen haben wir trotz der sturmischen, regnerischen Nachte kein Zeit mehr u ber uns und kein Bund Stroh mehr u nter uns gesehen, sondern stets in den Pfutzen und Morasten der Stoppelfelder biwakiert. Mir geht's, das konnt Ihr mir glauben, trotz a l lem und allem noch immer ausgezeichnet! Ich bin guten Mutes und sehe getrost in die Zuku nft! Es kuBt Euch Euer Leo. (Brief des Un teroffiziers der A rtillerie Leo LeBmann, Hamburg, vom 1 6 . Septem ber 1 9 14, abgedruckt in: Eugen Tan n enbaum (Hg.J:
deutscher und osterreichischer J uden,
Kriegsbriefe
Berlin 19 15: 25-27 (als Q uelle 6 a uch
im Internet zu findenJ
Das Beispiel verdeutlicht, dass insbesondere die Relationen ver schiedener Gruppen von Mannern und ihrer Mannlichkeits enrwurfe von wesentlicher Bedeutung sind. Diese Beziehungs geflechte konnen in Zeiten einschneidender gesellschaftlicher Ereignisse ganz besonders in Schwingungen geraten. Zugleich lasst sich die Blickrichtung jedoch auch umdrehen. Die Frage wurde dann nicht auf die Erschutterung der Geschlechterver haltnisse zum Beispiel durch Kriege abzielen, sondern darauf, in wieweit historisch-spezifische Geschlechterkonzepte soiehe Ereig nisse, wie etwa Kriege, bedingt, getragen und mit Sinn aufgeladen haben? Mit Blick auf die deutsche Geschichte sei an dieser Stelle auf die standig wachsende Forschung hingewiesen, die das Ineinander greifen von Mannlichkeit, Nation und Gewalt(-bereitschaft) seit dem fruhen 19. Jahrhundert und insbesondere seit dem Kaiserreich unrersucht (Hagemann 2002a; Kuhne 2002, 2006; Reichardt 2002; Funck 2008). Sven Reichardt etwa hat gezeigt, wie in faschistischen
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Kampfbunden in Deutschland und Italien ein Kult des Willens und der Gewalt gepflegt wurde, der in Vorstellungen von Dyna mik, Energie und Mannlichkeit grundete. Die Bunde beforderten durch Fahnensymbolik, Uniformen und Martyrerkult eine gleich sam religiose Identifikation mit der Nation. Diese ging mit einer mannlich konnotierten Gewaltbereitschaft gegenuber Feindent wurfen einher, arbeitete sich an Vorstellungen einer effeminierten, krisenhaften Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg ab und trug so dazu bei, in den Zweiten Weltkrieg hineinzufuhren. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Anrufung der Krisen metapher als Indiz dafur gelten kann, dass es zu bestimmten Zei ten zu verstarkten Verschiebungen in der Geschlechterkonstella tion gekommen ist, die einen wichtigen Zugang zu Hegemonie und Marginalitat eroffnen konnen. Zugleich sollte man wissen, dass die »Krise« zu einer Art Leitmotiv fur die Konzipierung von Mannlichkeit in der Geschichte der Neuzeit wie der Geschichts schreibung geworden ist. Dieses Leitmotiv strukturiert das histo rische und das historiographische Narrativ, und es tragt nicht zu letzt auch dazu bei, dass auf ihrn basierende historische Arbeiten die herrschenden Beziehungen von Hegemonie und Marginalitat stabilisieren.
Zusam menfassende Thesen zur Geschichte von Mannlichkeiten in der Moderne AbschlieBend mochten wir einige Anregungen forrnulieren, die dabei helfen sollen, die oben skizzierten Forschungsdesiderate und Leitfragen in Historiographie urnzusetzen. Das wird hier thesen haft geschehen, der dann folgende Forschungsuberblick wird bei der weiteren Ausfuhrung helfen. Zuvorderst kann es nicht das Ziel einer Geschichte der Mann- Leitfragen lichkeiten sein, eine Art von Sondergeschichte zu etablieren. Deren Leitaspekte sind vielmehr in der Geschlechtergeschichte verankert und mussen kaum neu erfunden werden. Die Forschungsfragen, die Joan Scott 1986 am Ende ihres Aufsatzes uber »Gender as a
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GESCH ICHTE D E R MiiN N Ll C H KEITEN
Useful Category for Historical Analysis« formulierte, sind nach wie vor und auch fiir eine Geschichte von Mannern und Mann lichkeiten aktueU:
Braucht eine Geschichte von Mannern und Mannlichkeiten, die so eindeutig als Geschlechtergeschichte gefasst werden kann und soUte, iiberhaupt eine »eigene« Problematisierung und Konzep tionalisierung? la, denn sie muss sich zu dem politis chen Pro jekt wie zu der wissenschaftlichen Disziplin der Frauen- und Geschlechtergeschichte verhalten. Zudem wirft ein Blick auf die Geschichte aus der »Mannlichkeitenperspektive« bisweilen ver anderte historische wie historiographische Fragen auf und lasst vermeintlich bekannte Phanomene in neuem Licht erscheinen. Es bilden sich Konzepte heraus, die sich zwar nicht auf ganz lich neue Methodologie oder Theorie stiitzen, die aber zusatzliche Akzente innerhalb der Geschichte im AUgemeinen und der Ge schlechtergeschichte im Besonderen setzen und die der Erorte rung bediirfen - hier sei vor aUem auf die Konzepte von »Krise« und »Hegemonie« verwiesen. GleichermaBen gewinnen zum Beispiel historisch-inhaltliche Fragen wie die nach Vergemein schaftung aus mannergeschichtlicher Perspektive eine veranderte Dimension. ForKonkretisiert man nun die Forschungsfragen hinsichtlich einer schungs- Geschichte der Mannlichkeiten zumindest etwas, so ergeben sich fragen folgende Aufgaben:
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1. Es ist in handhabbaren historischen Einheiten danach zu spii ren, wie spezifische Mannlichkeiten hergestellt werden, und zwar sowohl iiber Differenzen zu Frauen und Weiblichkeiten als auch zu anderen Mannern und Mannlichkeiten. Mannlich keit ist niemals essenzieU, sondern immer innerhalb von his torisch-spezifischen Konfigurationen und somit veranderlich zu denken. Bei der Identitatsbildung und Ausdifferenzierung bestimmter Gruppen von Mannern muss die Kategorie »Ge schlecht« in Relation zu anderen Kategorien wie »Klasse« oder »Ethnizitat« bestimmt und dabei auf die historische Spezifik der jeweiligen kultureUen Konfiguration geachtet werden. Die Frage kann auch umgedreht werden: Anstatt nach der Definition von Mannlichkeit innerhalb einer bestimmten Konfiguration zu fragen, kann auch iiber das Vehikel Mannlichkeit die histori sche Spezifik einer solchen Konfiguration herausgearbeitet wer den - beispielsweise das Entstehen der westlichen politischen Kultur durch eine Verschiebung von Mannlichkeitsidealen. Wie weit eine solche Untersuchung, die nach der mehrfachen Relationalitat von Geschlecht und geschlechtlicher Identitats bildung fragt, aufgefachert werden kann und soUte, hangt von unterschiedlichen Faktoren abo Dazu gehoren ganz sicher auch der Platz und die Zeit, die fiir die Untersuchung zur Verfiigung stehen (vgl. insgesamt Frevert 1993b: 34ff.). 2. Die Kopplungen von Identitatskonstruktionen an die gesell schaftlichen Machtverhaltnisse sind zu analysieren. Welcher Geschlechtsentwurf ist hegemonial? Welcher Entwurf von Mannlichkeit eroffnet welche Handlungsspielraume und er laubt welchen Zugriff auf welche geseUschaftlichen Ressour cen - okonomisch, sozial, kultureU oder symbolisch? Auf Kos ten welcher anderen Geschlechtsentwiirfe wird dieser Zugriff moglich, und: Wie werden Geschlechtsentwiirfe nicht zuletzt in dem Ressourcenzugriff reproduziert? So hatten etwa nur be stimmte Gruppen von Mannern Zugriff auf bestimmte politi sche Amter, und die Bekleidung dieser Amter hat wiederum die VorsteUung einer iiberlegenen, rationaleren, verantwortlicheren Wesensart dieser bestimmten Gruppe von Mannern bestarkt. Letztlich wurden gar spezifischen Eigenschaften, die zur politi-
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schen Tatigkeit befahigten, a1s burgerlich, weiB, mannlich kon zipiert, was sich auch in der Wahrnehmung und Deutung des Politischen selbst niedersch1ug (Boukrif 2002). 3. Inwieweit sind bestimmte Prozesse und Institutionen ge sch1echtlich codiert und spezifisch mannlich gedacht? Eine sol che Mannlichkeitengeschichte ware nicht notwendig an Man ner gebunden. Eine Geschichte von Frauen im Militar etwa konnte zug1eich eine Geschichte der Mannlichkeiten sein. 4. Wie werden gesch1echtliche Konnotationen erfahren? Welche Erfahrungen galten zu welcher Zeit a1s »typisch« und/oder »not wendig« fur bestimmte Gruppen von Mannern, und inwieweit wurden solche (zum Beispiel bundischen oder kriegerischen oder sexuellen) Erfahrungen fur Manner dann tatsach1ich er strebenswert? Die »Authentizitat« von Erfahrungen wurde so historisiert werden, und die Verschrankung von historisch-spe zifischen Dispositiven und Subjektbildung ware ein zentra1er Untersuchungsbereich. 5. Wie haben sich Zeitgenossen und Zeitgenossinnen selbst zu Gesch1echterentwurfen positioniert? Welche Entwurfe gelang ten unter welchen Bedingungen in eine hegemonia1e Position, und wie konstituierten sie sich gegenuber marginalisierten Gesch1echterentwurfen? Daruber hinausgehend kann gefragt werden, wie stabil diese Mannlichkeitsentwurfe und die Kon stellationen von Hegemonialitat und Marginalitat waren. Es ware zwischen Phasen der Verdichtung und Stabilisierung und Phasen der Destabilisierung zu unterscheiden, die fur die hege monia1en Gruppen a1s krisenhaft empfunden wurden oder in denen moglicherweise auch der hegemonia1e Mannlichkeitsent wurf in Frage gestellt wurde. Solche Momente des Umbruchs von dispositivisch vermittelten »Wahrheiten« sind von besonde rem Interesse, da hier genauer markiert werden kann, wie sich historischer Wandel vollzieht (Sarasin 2001: 74 £).
5. Manner und Mannlichkeiten in der Historiographie : Ein erster O berblick
Wenn in diesem Abschnitt zunachst die Eckpunkte der bisheri gen Forschung skizziert werden, dann geschieht dies aus mehre ren Grunden. Erstens sind viele von ihnen so etwas wie »Mei lensteine« der Geschichte der Mannlichkeiten, weil sie erstmalig bestimmte Aspekte historischer Mannlichkeiten herausarbeiteten. Damit haben sie wesentlich dazu beigetragen, weitere spezifischere Forschungsarbeiten zu stimulieren. Zweitens gilt fur viele der hier angesprochenen Texte, dass sie den Forschungsstand ihrer jewei ligen Entstehenszeit pragnant bundeln und somit die Debatten der Historiographieentwicklung abbilden. Drittens haben wir in diesen Abschnitt auch die wenigen bislang vorliegenden Uber blickswerke integriert.
Oberblicks- und Standardwerke zur Geschichte der Mannlichkeiten aus GroBbritannien und den USA 1m Rahmen der gegenwartsbezogenen »Men's Studies« sind auch einige erste historische Werke zu Mannlichkeiten in der Ge schichte entstanden. Peter Filenes Monographie Him/Her/Selfaus dem Jahr 1974 ist ein wichtiges fruhes Beispiel. Dabei liegt der Schwerpunkt des Autors vor aHem auf Aspekten einer relationen Sexualitatsgeschichte der Moderne, die er 1890 beginnen lasst. Ein noch heute hilfreicher Uberblick uber viele dieser fruhen » Pionierstudien« zur Geschichte von Mannlichkeiten in den USA findet sich in der von Elizabeth und Joseph Pleck 1980 heraus gegebenen Anthologie 1he American Man. Einer chronologischen
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Grobgliederung folgend, eroffnen die hier versammelten Aufsatze jene Felder, welche die weitere Entwicklung der Mannlichkeiten geschichte ausmachen sollten: Ehe und Vaterschaft, Militar und Vereine, Sexualitat. 1m Verlauf der 1980er Jahre ist dann auch in der Geschichte der Manner und Mannlichkeiten der Einfluss der neuen Sozialgeschichte zunehmend spiirbar, worauf die Einlei tung von The American Man ebenso hinweist wie Peter Stearns Be A Man! (1979; vgl. auch Stearns 1990). O ber Die US-amerikanische Detailforschung der 1980er Jahre mit blicks ihrem deutlichen Fokus auf weige, biirgerliche Mannlichkeit des werke 19. Jahrhunderts spiegelt sich anschaulich in einem von Mark C. Carnes und Clyde Griffin editierten Sammelband wider (1990). Dieser widmet sich in drei grogen Abschnitten erstens dem Uber gang vom Jungen zum erwachsenen Mann, zweitens Aspekten von Freundschaft und Ehe und drittens der Konstruktion von Mannlichkeit am Arbeitsplatz. Einen wichtigen inhaltlichen wie konzeptionellen Sprung erfuhr die Forschung zu historischen Mannlichkeiten in den USA Mitte der 1990er Jahre durch das Erscheinen der beiden ersten textbooks von E. Anthony Rotundo (1993) einerseits und Michael Kimmel andererseits (1996). Sie bie ten nicht nur erstmals breite historische Uberblicke, sondern haben auch wichtige methodische und theoretische Debatten initiiert. So prasentiert sich Rotundos American Manhood zwar als allge meinhistorische Studie, riickt aber weige, protestantische Manner der Mittelklasse im Norden der USA wahrend des 19. Jahrhun derts in ihr Zentrum. Dies entspricht weitestgehend dem Stand der Forschung bis zu diesem Zeitpunkt. Auch Kimmels Manhood in America handelt im Wesentlichen von weigen Mannern, ist aber chronologisch deutlich breiter auf die gesamte Geschichte der USA ab der Amerikanischen Revolution ausgerichtet. Dicht aus unterschiedlichsten Quellen heraus argumentiert, markiert das Buch trotz der berechtigten Kritik an seiner theoretischen wie inhaldichen Engfiihrung nach wie vor einen zentralen Ausgangs punkt fiir weitere Forschungen zur Geschichte von Mannlichkei ten in Nordamerika. Etwa zeitgleich entwickelte Bruce Dorsey erstmals eine Unterrichtseinheit zum Thema Mannlichkeiten in der nordamerikanischen Geschichte, die er in stets aktualisierter
MAN N E R U N D MANN LlCH KEITEN IN D E R H I STORIOGRA P H I E
Form auf seiner Homepage zur Verfugung stellt (Dorsey 1996, 2008). Den neuesten Stand einer diversifizierten Forschung zur Geschichte der Mannlichkeiten in Nordamerika von der Kolo nialzeit bis zur Gegenwart prasentiert ein von Olaf Stieglitz und Jurgen Martschukat herausgegebener Reader, der Oberblick und Details gleicherma6en bietet (Martschukat 2007a/Stieglitz). Daruber hinaus sind einige Monographien hervorzuheben, die die Entwicklung der historischen Mannlichkeitenforschung in den USA nachhaltig beeinflussten. Zu denken ist etwa an Bar bara Ehrenreichs Hearts ofMen (1983) - keine Historiographie im engeren Sinne, sondern eine soziologisch-zeitgenossische Analyse, aber heute ohne Frage ein »Klassiker« auch fur Geschichtsschreibende. Standardwerk zur Geschichte der Sexualitaten ist nach wie vor John D'Emilios und Estelle B. Freedmans Intimate Matters (1988), eine gelungene Verknupfung von Sexualitats- und Gesell schaftsgeschichte. Gleiches gilt fur George Chaunceys Gay New York (1994) uber die Vielfalt homosexuellen Lebens im urbanen Amerika in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts. Einen Ausgangspunkt fur Forschungen zu Vaterschaft und Vaterfigur in der US-Geschichte eroffnen die Arbeiten Robert Griswolds (v. a. 1993). Den besten Einstieg zu Mannlichkeitsentwurfen wahrend der Kolonialzeit bietet wohl Mary Beth Nortons Founding Mothers and Fathers (1996). Wer sich mit der Geschichte afroamerikanischer Mannlichkeiten befassen will, kann auf Christopher B. Bookers Handbuch (2000) oder zu den Aufsatzsammlungen von Darlene Clark Hine und Ernestine Jenkins (199912001) zuruckgreifen. Eine konsequente Diskussion des Zusammenhangs von gender und race mit Blick auf die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bietet Gail Bedermann in Manliness and Civilization (1995)· Schlie6lich ist die Geschichte der Mannlichkeiten in den USA vor einigen Jahren in eine neue Phase der Synthese eingetreten, die nun in Gestalt lexikalischer Oberblicke Form annimmt. Ober 250 unterschiedliche Beitrage umfasst die Historical Encyclopedia ofAmerican Masculinities (Carroll 2003). Die Qualitat der einzelnen Eintrage mag unterschiedlich ausfallen, alle demonstrieren jedoch ein hohes Ma6 an Sensibilitat fur die notwendige Ein-
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Thematisch fokussierte Arbeiten
Nachschla gewerke
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bindung weiterer Strukturkategorien wie Klasse, Ethnizitat, Alter oder Region. Ein vergleichbares Projekt hat auch Michael Kim mel (2004) vorgelegt. Seine Enzyklopadie ist jedoch deutlicher in die gegenwartsorientierten »Men's Studies« integriert, obwohl auch sie ausfuhrliche Beitrage mit historischer Perspektive bietet (Kimmel 2004). GroBSchaut man auf die britische Forschungslandschaft, so ist vor britannien allem die Rolle John Toshs zu unterstreichen. Sein programma tischer Aufsatz »What Should Historians Do with Masculinity« (1994) hat ohne Frage die jungere Forschung enorm inspiriert und liegt auch in deutscher Sprache vor (in Conrad 1998: 160-206). Seine Studie zu Mannern der Mittelklasse im viktorianischen England bietet eine umfassende Diskussion uber mannliche Hauslichkeit und Vaterschaft fur die britische Gesellschaft dieser Zeit (Tosh 1999). Zudem ist mit Blick auf die britische Geschichte fur die Fruhe Neuzeit auf Anthony Fletchers Gender, Sex, and Subordination in England (1995) zu verweisen. Geschlechtliche Identitaten der briti schen Mittelklasse stehen im Zentrum zweier Sammelbande von James Mangan (1987) und James Walvin sowie von Alan Kidd (I999) und David Nichols. Dagegen nehmen die Texte in Marga ret Walshs Kompilation das Verhaltnis von Arbeit und Mannlich keit in den Blick und berucksichtigen dabei auch unterburgerliche Schichten (I999). Gleiches gilt fur die Arbeiten Joanna Bourkes. In Dismembering the Male (1996; siehe auch I994) schreibt sie eine Diskursgeschichte des mannlichen Korpers wahrend und nach dem Ersten Weltkrieg. Fragen nach vergeschlechteten Defini tionen von Staatsburgerschaft werden in den Darstellungen von Sonya O. Rose aufgeworfen (1998, 2003). Gemeinsam dokumen tieren diese Beitrage einen bemerkenswerten Schwerpunkt der britischen Mannlichkeitenforschung auf den Dekaden zwischen den Weltkriegen, der in der Literatur zu den USA fehlt. Wertvolle erste Hinweise zu mannlichen Sexualitaten in der britischen Geschichte finden sich in Jeffrey Weeks grundlegen dem Werk (I98I) sowie in der von John C. Fout unter dem Titel Forbidden History (1992) publizierten Sammlung von Essays. Der Band ist zwar allgemein auf Europa ausgerichtet, eine groBe An-
MAN N E R U N D MANNLlCH KEITEN IN D E R H I STO R I O G R A P H I E
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zahl von Beitragen thematisiert indes GroBbritannien. Ferner sei noch auf Angus McLarens Arbeiten zur Geschichte der Sexuali taten verwiesen (1997; 1999), die ebenfalls einen Schwerpunkt auf britische Beispiele legen. Etwas quer zu der hier vorgenommenen Einteilung zwischen angloamerikanischer und deurscher Forschung steht George L. Masse mit seiner Dberblicksdarstellung Das Bild des Mannes (1997). Der US-Auror thematisiert dort europaische und in erster Linie deutsche Mannlichkeitsentwiirfe.
Die wichtigste deutschsprachige Forschung zu historischen Mannlichkeiten Wenden wir uns der deurschsprachigen Forschung zu, so ist zunachst auf die Miinnerphantasien Klaus Theweleits hinzuweisen (1977ir978). Die Psychogeschichte des faschistischen Kriegers harte zwar seinerzeit wenig Einfluss auf die etablierte Geschichts wissenschaft und wirkte eher in die Mannerbewegung sowie in die politische Linke hinein. Die Bedeutung des Werks fiir die jiingere historische Mannerforschung seit M itte der 1990er Jahre hierzulande ist jedoch sehr groB. Obwohl in seiner Betonung psy choanalytischer Theoriebildung oftmals quer zu den gemeinhin verwandten Ansatzen verlaufend, nahm Miinnerphantasien konzeptionell viel von dem vorweg, was jetzt unter den Stichworten »Poststrukturalismus« und »kulturalistische Wende« aktuell ist. Theweleits Buch wurde indes auch immer wieder kontrovers diskutiert, so beispielsweise in Walter Erharts und Britta Herrmanns Sammelband Wann ist der Mann ein Mann, der ohnehin einen deutlichen Schwerpunkt auf historisch-psychologische Perspektiyen auf Mannlichkeiten legt (1997, dort vor allem Mertens 1997). Einen Riickblick auf Theweleits »Erfolgsbuch der 1970er Jahre« veroffentlichte kiirzlich Sven Reichardt (2006). Ein erster deutlich wahrgenommener Biindelungspunkt in den deurschen Debatten urn eine Geschichte der Mannlichkeiten ist Thomas Kiihnes Aufsatzsammlung Miinnergeschichte - Ge-
Klaus T heweleit
Thomas Kuhne
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schlechtergeschichte (1996). Kuhne selbst steuerte einen program matischen Einfuhrungstext bei, der bis heute zu den bestkonsul tierten Referenzen zahlt. Nutzen, Ziele und Probleme einer noch zu schreibenden Mannlichkeitengeschichte werden dargelegt. Die weiteren Beitrage fachern diejenigen Felder auf, die sich als Zen tren der Forschung etablieren sollten: burgerliche Mannlichkeiten im 19. Jahrhundert, Konstruktionen von Mannsein im Zusam menhang mit Militar und Staatsvorstellungen, Mannlichkeiten in homosozialen Bunden und Vereinen. Burger Wie in den USA und in Grogbritannien stellen auch im deutsch tumsfor sprachigen Raum Forschungen zum Burgertum des 19. Jahrhun sch ung derts den am intensivsten erarbeiteten Bereich der Mannlich keitengeschichte dar. Die wichtigsten Darstellungen stammen hierbei aus den Federn Anne-Charlott Trepps, Ute Freverts sowie Karen Hagemanns und demonstrieren somit quasi nebenbei, dass die akademische historische Mannlichkeitenforschung zunachst von Autorinnen mit geschlechterhistorischem Hintergrund ge pragt wurde. Anne-Charlott Trepps Arbeit ist insbesondere fur eine Behand lung von Vatern und Familien zentral (1996). Ute Frevert wid met sich in ihren thematisch ausgerichteten Monographien und Aufsatzen unter anderem den Konzepten von Ehre und Gewalt und stellt diese in den Kontext burgerlicher Mannlichkeit im 19. Jahrhundert (1988; 1991a). Namentlich ihre Texte in "Mann und Weib, und Weib und Mann« erzielten einen enormen Einfluss (1995). Sie diskutiert darin die »Geschlechter-Differenzen in der Moderne« - so der Untertitel - und eroffnet mit ihrem Abschnitt zur »politischen Topographie der Geschlechter« eine erweiterte Perspektive hin zu einer Geschlechtergeschichte des Politischen. Hierbei rucken unter anderem auch die zusammenhangenden Bereiche von Militar und Burgergesellschaft in den Blick, derer sich neben Frevert (1997; 2001) auch Karen Hagemann besonders intensiv annahm. Hagemann beleuchtet die antinapoleonischen Kriege Preugens und untersucht, wie sich Vorstellungen von na tionaler Identitat und wehrhaftem Patriotismus auf Konzepte von Mannlichkeit, Weiblichkeit und Familie abbildeten (2002). Zwei von ihr mitherausgegebene Bande erortern daruber hinaus die
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Konstellationen von Militar, Gesellschaft und Geschlecht vertie fend (1998; 2002a). Wer nach einem Einstieg in die deutschsprachige Mannlichkeitengeschichte zur Fruhen Neuzeit sucht, wird rasch auf Martin Dinges' Band uber Hausvater, Priester, Kastraten stogen (1998). Neben einer hilfreichen Einfuhrung in eine Geschlechtergeschichte der Mannlichkeiten insgesamt sind hier neun wegweisende Aufsatze vereint, die die vorherrschende Forschungsperspektive auf das 19. Jahrhundert ausweiten und erganzen. Fur eine erste Orientierung uber mannliche Sexualitaten in der Geschichte sei zunachst auf die Beitrage Franz X. Eders verwiesen, dessen enzyklopadische Bibliographie zum Thema im Internet recherchierbar zur Verfugung steht (2008). Eders Geschichte der Sexualitat kann ohne Frage als Standard zum Thema fur die Geschichte des deutschen Sprachraums empfohlen werden (2002). Bernd-Ulrich Hergemoller breitet den Forschungsstand zur Geschichte der Homosexualitaten aus (1999). Schliemich ist noch die von Wolfgang Schmale verfasste Geschichte der Mannlichkeit in Europa, I450-2000 (2003) als erste Dberblicksdarstellung in deutscher Sprache zu erwahnen. Gegliedert in funf Epochenkapitel (drei fur die Fruhe Neuzeit und zwei fur die Moderne) entwickelt Schmale hier vor allem den Wandel idealtypischer, hegemonialer Modelle von Mannlichkeit, die er in erster Linie aus als reprasentativ angesehenen Autobiographien entwickelt. Diese Synthese steHt ohne Frage eine wichtige Leistung dar, die als Referenz zur Geschichte der Mannlichkeiten be deutsam ist. Insgesamt jedoch scheint eine Auseinandersetzung mit dem Konzept der Hegemonie fur die deutschsprachige Ge schichte der Mannlichkeiten dann produktiver, wenn sie in Form zugespitzter Aufsatze gefuhrt wird. Eine entsprechende Anthologie hat Martin Dinges herausgegeben (2005).
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Fruhe Neuzeit
Sexuali taten
Hege monie
6. Die vielen Facetten des » Broterwer bs« : Manner zwischen Familie und Arbeitsleben
Vaterlose Familien und Cyborgs » [As I was] watching [my son] John with the machine, it was sud denly so clear. The Terminator would never stop, and it would never leave him, hurt him, or shout at him, or get drunk and hit him, or say it was too busy to spend time with him. It would al ways be there and it would die to protect him. Of all the would-be fathers who came and went over the years, this thing, this ma chine, was the only one who measured up. In an insane world, it was the sanest choice.« In »Terminator II - Judgement Day« (1991) beschreibt die Mut ter Sarah Connor den T800-Terminator als einen Vater, den es aus echtem Fleisch und Blut offenbar kaum mehr gibt: aufmerksam, immer prasent, wenn er gebraucht wird, und bereit, bis zur Selbst zerstorung zu gehen, um ihren Sohn John und auch sie selbst, die allein erziehende Mutter, am Leben zu halten. Diese Vaterersatz maschine ist mannlich-handlungsfahig und im wahrsten Sinne des Wortes schlagkraftig, und sie will uns glauben machen, dass in der angeblich zerrutteten, von dysfunktionalen Familien ge pragten Gesellschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts der ideale Vater aus der Zukunft zu uns zuruckkommen musse, damit die Jungen der Gegenwart zu echten Mannern reifen konnten. Diese wurden dann ihrerseits, so wie der Junge John Connor (J. C. Jesus Christus), die Menschheit vor dem Untergang erretten und die Geschichte zu einem besseren Ende bringen. Ein Cyborg wie der Terminator ist zwar geschlechtslos, doch letztlich verkorpert diese Maschine den starken Vater besser, als »echte Manner« dies zu tun vermogen (Haraway 1991; Brunotte 1998). =
D I E VIElEN FACETTEN DES »BROTERW E R BS«
Das breite historiographische Interesse an Familien, Vaterfunk tionen und Arbeitswelt korrespondiert mit drangenden Diskussio nen unserer Zeit. Dies- wie jenseits des Atlantiks beklagen zahl reiche Stimmen, der »gute, richtige« Vater sei eine aussterbende Spezies. Auch wenn einerseits mehr »neue Vater« als »Miterzieher« aktiv seien (Sieder 2000), lief�en andererseits mehr Manner denn je ihre Familien entweder im Stich oder seien ob der vielen Arbeit zu Hause nicht prasent (Mitscherlich 1963; Blankenhorn 1995; Baa der 2000). Allein erziehende Mutter mit »Schlusselkindern« ohne rechte mannliche Orientierungsstutze seien nicht blog Ausdruck dysfunktionaler Familien, sondern auch einer tief greifenden Ge sellschaftskrise, ist da zu vernehmen. Zudem stehen homosexuelle Paare zunehmend offensiv fur ein Recht auf offiziell anerkannte Eheschliegung, Adoption und kunstliche Befruchtung ein. Kon servative Kritiker meinen, einen vehementen Kampf urn Kern familien und »family values« sowie gegen eine angeblich orientie rungslose Gesellschaft fechten zu mussen (Kimmel 2000: 111-149; Adam 2003). Eine soiche Kernfamilie erscheint in den entsprechenden Dis kussionen weithin als das anzustrebende Ideal, das angeblich den »naturlichen« und somit zeitlos gedachten »Geschlechterrollen« von Frauen und Mannern entspreche. Vor allem die gesellschaft lichen Veranderungen nach 1968 werden fur den Verlust der »guten« Familien-, Geschlechter- und Gesellschaftsordnung ge brandmarkt. Nun hat sich aber seit den 1970er Jahren auch eine historische Familienforschung entfaltet, die diesem wie anderen Zerrbildern und nostalgischen Verklarungen vergangenen Fa milienlebens historische Analysen entgegengestellt hat. Michael Mitterauer etwa entlarvte die Vorstellung der vorindustriellen Grogfamilie als »Mythos« (1976b), Claudia Opitz (1994) hat das Konzept des »ganzen Hauses« (Brunner 1968) als etablierter Le bensform fruhneuzeitlicher Gesellschaften mehr als in Frage ge stellt, und Stephanie Coontz kounte zeigen, dass das burgerliche Ideal der Kernfamilie mit entsprechender Geschlechterzuweisung in der historischeu Realitat kaum jemals existierte. The Way We Never Were (1992) lautet der Titel eiues ihrer Bucher, in des sen Zentrum die Diskrepanzen zwischen Norm und sozialer Realitat
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Histo rische Familien forschung
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stehen. Die Geschichte der Mannlichkeiten kann sich auf diese und weitere Ergebnisse der historischen Familienforschung stiit zen, wenn sie sich des Vaters annimmt. Einen zweiten Sockel der historischen Vaterforschung bilden die Ergebnisse einer Geschlechtergeschichte, die Weiblichkeiten und Frauenpositionen innerhalb von Familien und Sozialzusammen hangen thematisiert. Die entsprechende Forschung der I980er und I990er Jahre relativierte die Vorstellung, seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert hatten Frauen und Manner in strikt voneinander getrennten gesellschaftlichen Segmenten des »Privaten« und des »Offentlichen« gelebt. Trotz unterschiedlicher Moglichkeiten fiir Manner und Frauen, auf gesellschaftliche Ressourcen zuzugreifen und an der politischen Gestaltung der Gesellschaft teilzuhaben, waren die Grenzen zwischen privat und offentlich durchlassig und Frauen sehr wohl offentlich prasent. Sie arbeiteten fiir Lohn, fiihr ten Geschafte, artikulierten sich in Zeitschriften oder engagierten sich in sozialen, religiosen, karitativen und politischen Bewegun gen (Hausen 1992; Davidoff 1993; Weckel 1998). Das Aufbrechen dichotomischen Spharendenkens hat dazu beigetragen, nicht nur die weibliche Position in der Offentlichkeit, sondern auch die mannliche Position im Privaten starker zu reflektieren. Pauschal urteile und Gro6thesen (Lenzen 1991) weichen entsprechend deut lich differenzierteren Ausfiihrungen.
Vater in der Fruhen Neuzeit Hausvater Zentrale Ausgangspunkte fiir diejenigen, die sich mit Haushal tungen, Familien, Paarbeziehungen und Geschlechterkonstellatio nen in reformierten Gesellschaften der Friihen Neuzeit befassen wollen, sind sicherlich die wegweisenden Studien Steven Ozments (1983), Lyndal Ropers (1989) und Susanna Burghartz' (1999). Das Leitmotiv fiir den friihneuzeitlichen Mann war lange der patriar chalische » Hausvater«. Dessen gottlich begriindete Herrschaft und Fiihrung galt als Grundmodell der standischen Ordnung. Der » pater familias« hatte eine Position umfassender Macht inne,
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war zugleich aber auch verpflichtet, fur das Wohlergehen der ihm Beigeordneten Sorge zu tragen. Er war der Reprasentant des Hau ses in der Gemeinde. Die »Hausmutter« ihrerseits war zur Hi::irig keit verpflichtet, hatte zugleich aber auch Eigenverantwortlichkei ten, ohne auf eine Sphare reduziert zu sein. Seit den 1990er Jahren haben neuere Forschungen diesen etwas holzschnittartigen Entwurf erganzt und erweitert. Heide Wunder (1991; 1992) etwa hat betont, dass erstens viele Paare aus den unter bauerlichen und unterburgerlichen Schichten gar keine eigene Haushaltung hatten und die wenigsten Manner Hausvater waren. Zweitens waren die vormodernen Beziehungen in der Lebenspra xis haufig egalitarer, als die Konzepte dies vorsahen. Nicht un bedeutend war in dieser Hinsicht die Gemeinsamkeit des »Hau sens«, weshalb die Frau auch zum zahlbaren Familieneinkommen beitrug. Au6erdem war es durchaus ublich, dass Frauen die Funk tionen ihrer Manner ubernahmen, wenn diese fur langere Zeit abwesend waren oder verstarben. Auch wenn der Topos der Frau, die »die Hosen anhatte«, unter den zeitgeni::issischen Mannern fur Aufregung sorgte und die fruhneuzeitliche Geschlechterordnung zu kippen drohte, so war diese doch durch viele Unscharfen ge pragt. Einen Blick auf den Lebensalltag erlauben auch solche Arbei- Eheten, die vornehmlich aufJustizakten aus Eheprozessen zugreifen konflikte und zeigen, dass Frauen keineswegs immer so hi::irig waren, wie sie es theoretisch hatten sein sollen. Zudem musste mannliche Dominanz oft mit einem hohen Ma6 an Gewalt durchgesetzt werden (Beck 1997; Schmidt 1998, 2003). Dabei war haufig groger Alkoholkonsum mit im Spiel, woruber Frauen vor Gericht klagten (Frank 1998a). Alkohol wurde schon im 16. Jahrhundert als spezifisch mannliches Problem, als permanente Herausforderung mannlicher Selbstkontrolle, als Ursache des Mu6iggangs und als Gefahr fur Haushaltung, Kirchenzucht und Gesundheit kritisiert. Wer so viel trank, dass er seine hausvaterlichen und ehelichen Pflichten vernachlassigte, hatte als Mann versagt. Wer allerdings viel trinken und trotzdem die Kontrolle uber sich und sein Leben bewahren konnte, der gab ein Beispiel wahrer Mann haftigkeit.
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Die Untersuchung von Ehekonflikten scharft das Wissen uber die Erwartungen wie die konkreten Lebenswelten von Mannern und Frauen in Partnerschaften (Lutz 2006). Wahrend Frauen mit Hilfe der Justiz vor aHem gegen mannliche Gewalt und urn okonomische Sicherheit kampften, beschuldigten Manner ihre Frauen vor Gericht insbesondere des schlechten »Hausens« - also verschwenderisch zu wirtschaften. Zudem taucht bereits vom 17. Jahrhundert an vor Gericht vermehrt das Argument auf, die Liebe innerhalb einer Beziehung musse geschutzt werden (Beck 1997). Auch standen haufiger junge Paare vor Gericht, die »durch gebrannt« waren. Die Anklage lautete dann in der Regel auf »Frauenraub«, tatsachlich wurde aber uber die Liebe und den Wi derstand gegen die herrschende GeseHschaftsordnung verhandelt (Schmale 2003: 143). Gleichwohl erlangte die Liebesehe als Topos erst im spaten 18. Jahrhundert groBere Bedeutung. Schauen wir nun auf die Geschichte des kolonialen Nordamerika, Koloniale Patriar so war die Literatur zu Vatern zunachst recht dunn. Zwar hatten chen sich verschiedene Geschichten den Analogien von Haushaltung und Staat sowie dem kolonialen Patriarchen gewidmet, der als Verbin dungsglied zwischen Familie, Gemeinde, Staat und Gott fungierte und fur das Wohlergehen wie die Uberwachung der ihm Anbe fohlenen zustandig war (Morgan 1966). Jedoch ignorierten diese Geschichten weitestgehend die geschlechterhistorische Dimension dieser KonsteHation. Seit den 1990er Jahren hat sich dies jedoch geandert. Hier sei etwa auf Mary Beth Nortons Geschichte von Frauen und Mannern, von Weiblichkeiten und Mannlichkeiten im Neuengland des 17. Jahrhunderts verwiesen (Norton 1996). Insgesamt hat das Bild des unnachgiebigen Patriarchen in den letzten Jahren feinere Schattierungen erfahren. Neuere Studien relativieren die Hartherzigkeit des puritanischen Vaters und zei gen, wie sehr vaterliche Zuneigung ein Leitmotiv seiner Erzie hung war. Das Bild des strengen Patriarchen muss durch das des liebenden, mitfuhlenden, unsicheren und verletzlichen Vaters er ganzt werden (Wilson 1999; Lombard 2003; Martschukat 2007ai Stieglitz: 65-81). Fur den amerikanischen Suden betonen jungere Studien einer seits die Anbindung der Geschlechterentwurfe an englische Tra-
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ditionen> gleichzeitig aber auch deren Transformation durch die neuen gesellschaftlichen> kulturellen, geographischen Kontexte. Die Herausbildung des siidlichen Sklavensystems im spiiteren 17. Jahrhundert verstiirkte die Re-Formierung des Geschlechter systems noch deutlicher. Race wurde immer wichtiger in der Ka tegorisierung von Frauen und Miinnern. Insgesamt zeichnen die Studien ein komplexes Geflecht von Beziehungen in einem mehr dimensionalen Raum, der von den Achsen race, class und gender definiert wird (Brown 1996; Anzilotti 2002). Eine weitere zentrale Figur in der Geschichte des Siidens ist der Vater afroamerikanische Vater. Bis in die 1970er Jahre hatte es in der schaft und Forschung gehei6en, da Sklavenviiter die hegemonialen Miinn Sklaverei lichkeitsideale des Beschiitzers und des Versorgers niemals aus fiillen konnten> seien sie somit grundsiitzlich als defizitiir markiert und die "black community" matriarchal organisiert gewesen. Diese These beeinflusst die politische und gesellschaftliche Dis kussion iiber afroamerikanische Familien und deren vermeintli che Dysfunktionalitiit, allein erziehende Miitter, schwarze Sozial hilfeempfangerinnen und Jugendkriminalitiit bis heute (Finzsch 2002). Seit den 1970er Jahren hat sich die Perspektive jedoch ver schoben (Gutman 1976). Erstens wurde das biirgerliche Familien ideal als Ma6stab in Frage gestellt. Zweitens riickte das Ringen der Sklavinnen und Sklaven urn eine funktionierende Sozialstruk tur deudicher in den Vordergrund der Betrachtung. Dabei ist zu sehen, dass Bindungen zwischen Erwachsenen sowie von Viitern zu ihren Kindern von gro6er Bedeutung waren und auch iiber gro6ere Distanzen hinweg aufrecht erhalten wurden (West 2004). Einer der Hauptgriinde fiir die Flucht von - in der Regel - miinn lichen Sklaven war der Verkauf und die damit verbundene Tren nung von der Familie (Hine 1999/]enkins: 130-164).
Vater im 19. Jahrhundert Aufgrund der zunehmend differenzierten Forschung liisst sich der Burger Zeitraum von 1600 bis 1800 kaum mehr pauschal als »patriarcha- liche Vater
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lische« Epoche typisieren. Hier sei vorangeschickt, dass sich auch fur das 19. und 20. Jahrhundert kein einheitlicher Typus »moder ner Vater« ausmachen lassen wird (Rotundo 1985). Zunachst hid� es in der Forschung, der Typus » moderner Vater« habe sich mit der beginnenden Verburgerlichung seit dem spaten 18. Jahrhundert entwickelt. Er sei dadurch gekennzeichnet, dass er generell abwesend war und die Familie aus raumlicher wie emotio naler Distanz beobachtete. Diese Charakterisierung ist gemeinsam mit der These der Spharen- und Geschlechterdichotomie, die sich urn 1800 herum etabliert habe, relativiert worden. Anne-Charlott Trepp (1996) wie Rebekka Habermas (2000) stutzen sich verstarkt auf Tagebucher oder Briefwechsel und zeigen so, dass Frauen wie Manner in der Realitat haufig anders lebten und dachten, als ihr » Geschlechtscharakter« dies eigentlich vorgab. Burgerliche Mann lichkeit konnte eben auch »sanft« sein, burgerliche Weiblichkeit auch »selbststandig« (Trepp 1996). Die Vorstellungen einer scharf getrennten Erwerbs- und Hausarbeit sowie der damit verbunde nen Ausgrenzung des Mannes und Vaters verschwimmen. Zu mindest bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten burgerliche Manner noch viel daheim, sie waren emotional engagiert, und zwar sowohl in der Paarbeziehung als auch gegenuber den Spross lingen. Erst in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts ruckte die Berufsarbeit deutlicher in das Zentrum mannlicher Existenz und Identitat, bis dahin erforderte die Selbst- und Fremdidentifika tion als » ganzer Mann« eine Verschmelzung vielfaltiger sozialer, sexueller und politischer Facetten (Kessel 2003). Insgesamt pragt die neuere Forschung mehr das Bild eines Mit einanders von burgerlichen Frauen und Mannern in der Bewal tigung ihres Alltags denn einer Polarisierung der Lebenswelten. Dabei stand das gemeinschaftlich zu erringende irdische Gluck des Paares und der nun immer deutlicher biologisch definierten Kernfamilie im Vordergrund. Dabei gab es, trotz aller Oberlage rung mannlicher und weiblicher Betatigungsfelder, geschlechtlich kodierte Akzente. Gestaltungsfahigkeit, Fuhrungsqualitat und Selbstbestimmung waren als Konzepte mannlich konnotiert und galten als im >>llaturlichen« Wesen des Mannes verankert. Freilich haben deshalb nicht in samtlichen Familien die Vater den Weg
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gewiesen, und dass nicht von einer glatten Eins-zu-eins-Obertra gung von Ratgebern und Anthropologien in die Lebenswirklich keit die Rede sein kann, ist mitderweile unumstritten. Aus einer derart verschobenen Ausgangsposition heraus hat die Forschung in letzter Zeit auch normative Texte und deren Effekte wieder starker berucksichtigt. 50 ist etwa zu sehen, wie der auGerst dichte normative Diskurs um 1800 auf die vaterliche Identitatsbildung wirkte und wie er in extremum sogar in einen aus 5chutzwahn begangenen Familienmord munden konnte. Das Ringen um vaterliche Verantwordichkeit und Beschutzerdasein fuhrt sich damit selbst ad absurdum. I
Der Hamb u rger Sch ul/ehrer Johann Georg Riisau h a t im Jahr 1803 seine gesamte Familie g etotet, da er fiirch tete, sie nicht mehr wie ein g u ter Gatte und Vater erndhren zu konn e n . Der folgende Q uel/ena uszug ist eine Selbstb esch reibung Riisaus, die er im Zuge des Prozesses anzufertigen ge halten wurde. Der Text zeigt, wie sehr Riisaus Selbstbild und seine mdnnli che Identitdt von den dominanten Diskursen, dem Streben nach materiel lem Erfolg u n d familidrem Gliick g espeist waren (M artsch ukat 2 0 01).
"Uber den Gang meiner Bildung, und die sich dara uf beziehende Geistesrich tung, kan n ich m ich jetzt gar nicht besinnen, so viel ka n n ich n u r sagen, da� beyde n icht den geringsten Einfl u � auf mein letztes schreckliches Verbrechen haben kon nten. Ich liebte die Meinigen u nd suchte m it meiner gel iebten Frau durch verein igte Thatig keit u nser g emeinschaftliches Wahl zu befardern, und verzeihe mir Gatt nach sei ner wunderlichen Barmherzigkeit! Ich wurde der Mar der der von mir gel iebten Gegensta n de. Meine Grundsatze, Mei n u ngen u nd Nei gungen, a l les widerspricht dieser Gewaltthat. Ich g la ubte a n Gatt, [...] vor Mord scha uderte mei n e ga nze Seele; je weniger ein U n recht konnte gut gemacht werden, desto u nverzeih licher wa r m i r dessen begehen, und so viele Sunden ich auch begangen ha be, so waren sie doch n ie von der Art, da� sie n icht wieder konnten gut gemacht werden. Mit Vorsatz that ich N iemandem sel bst meinem Feind nie wehe u nd geschah es ja aus irgend einer Ueberei l u ng, so suchte ich res] wieder gut zu machen so gut ich kon nte. Aber meine letzte schaudervolle That, wie die wieder gut machen? Gatt mein Gatt erbarme dich mei ner. Wie ich meine Sch ule i n verga ngenen Ja hren, theils wegen einiger dabey gehabten Verdrie�lichkeiten, theils wegen mei ner schwachlichen Gesu ndheitsumsta nde, und theils wegen Abna hme der Sch u l ki nder, deren Anzahl sich zu letzt n u r auf zehn bel ief, aufga b, so hatte ich da bey die einzige Absicht, da�, wen n mich Gatt von der Welt a brufen sol lte, das kU nftige Fortkommen fu r meine gute liebe
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Gattin und u nversorgten guten lieben Kinder, durch eine anzulegende Hand lung, die zum Vortheile der Meinigen, a uch nach meine Tode kan nte fortgesetzt werden, zu sichern, wenigstens zu erleichtern. Ach Gott hatte ich das doch nie getha n ! Hatte ich doch nicht in deine weise g utige Regierung gegriffen, das Ungluck ware nicht geschehen, und mein Gewi�en wurde mir jetzt nicht die marternden Vorwu rfe machen. Bey meiner Schule hatte ich so viel, da� ich aile Bedurfnisse befriedigen konnte, ich legte noch was zu ruck, kurz, ich sta nd m ich gut. Das konnte ich mir durch das neu gewah lte Geschafte und n u n schon ein Jahr gefuhrten kleinen Handlung nicht versprechen. - Ich habe mich wenigstens in meiner Vorstellung daruber schrecklich getauscht. Meine l iebe thatige Frau konnte ich in diesem Jahre n icht mehr, wie ich sonst gewohnt wa r, u nterstutzen. Zudem hatte ich Sch u lden, die ich nicht zu tilgen wu �te, dies versetzte mich in U n ruhe, ich hoffte sie durch ein a ufzu nehmendes Capital zu heben, das sch lug feh l, meine U n ruhe, meine Angst wuchs, ich fiel auf den schrecklichen Gedan ken mich zu entleiben, nur der ku nftige Zustand der geliebten Meiningen hielt mich davon ab; denn wie ich in meiner innigsten Einbildung dieselben [ .. .] gren zenlos elend und jam mervoll sahe, wie meine gute Frau fu r sich und die klei ns ten Kinder Andere um Hulfe ansprechen, bettel n mu �te, meine beyden zartlich geliebten alteren Tachter [ . ] der Verachtung und Noth - und wozu treibt nicht ziemliche N ot h ! - ausgesetzt; d iese Vorstellung schmetterte m ich zu Boden; ich hatte keinen Muth mich a ufzurichten, ich glaubte mich von Gott ganz verla�en, ohne Wunder konnte Gott mir nicht helfen, diese - wie ich jetzt einsehe - uber triebenen Vorstellungen zerrutteten meine ga nze Seele, und machten mich, an einem ung lucklichen Morgen [ . ] zum schandlichsten Marder meiner mich so zartlich liebenden Gattin und funf gut gebildeten und hoffn ungsvollen Kinder, die ich so herzlich l iebte, die mir so viele Freude gemacht hatten - Gott sey mir a rmen Sunder g nadig und erbarme dich meiner [ ... ]. . .
. .
Johann Georg Rusau
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Octob. 1803«
(Staatsarch iv Hamburg, 1 1 1-1, Senat, CI. VII Lit. M e Nr. 8 Vol. 13: Untersu chung gegen Johann Georg Riisau, enthiilt a uch M esser, 18°3-18°4: Selbst a uskunft Riisaus iiber seinen Werdegang, 4 . Okt. 1803) (als Q uelle 3 auch im Internet zu finden)
Die Wirkungsmacht der Geschlechtscharakterisierungen zeigt sich auch aus ganz anderer Perspektive, namlich wenn man den Blick auf " ehelose Frauen und Manner im Biirgertum« lenkt (Kuhn 2000). Insbesondere ehelose Frauen nahmen sich als de fizitar wahr und beklagten, beide »Geschlechterrollen« ausfiillen zu miissen. Ehelose Manner schienen eine derart problematisie rende Selbstwahrnehmung seltener an den Tag zu legen. Manner
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hatten im 19. Jahrhundert offenbar grogere Spielraume und waren in ihrer Biographie, ihrem Selbstentwurf und ihrer sozialen Ak zeptanz in geringerem Mage von Familie und Partnerschaft ab hangig als Frauen. Fiir das viktorianische England betont John Tosh ahnlich wie Habermas und Trepp fiir das biirgerliche Deutschland, dass zu mindest bis in das spate 19. Jahrhundert vor aHem das Heim »A Man's Place« gewesen sei. Erst gegen Ende des Jahrhunderts hat ten soIehe Mannlichkeitskonzepte an Bedeutung gewonnen, die Erwerbsarbeit sowie eine heroische, korperbetonte Maskulinitat und homosoziale Bindungen in den Vordergrund riickten (Tosh 1999). Dberhaupt betont auch die jiingere britische Forschung die Bedeutung von mannlicher Hauslichkeit und Familienorientie rung. Sie steHt aber zugleich die Vielfalt mannlicher Lebenswelten heraus, die im 19. Jahrhundert auch von Arbeit und Politik gepragt waren. Ute Planert (2000b) und Martin Francis (2002) warnen zudem davor, die familiare wie soziale Harmonie zu iiberschatzen, auch wenn es an Studien, die sich dezidiert des Themas Mann lichkeit und Gewalt auch in biirgerlichen Haushalten des 18. und 19. Jahrhunderts annehmen, bislang noch weithin mangelt. Fiir die US-amerikanische Geschichte liegen zum Thema Mannlichkeit und hausliche Gewalt bereits verschiedene Arbei ten vor, die als Ausgangspunkt fiir weitere Forschungen dienen konnen (Daniels 1999; Moore 2002). Die Geschichtsschreibung zu Vatern im 19. Jahrhundert trat schon in den 1980er Jahren in eine erste Konjunkturphase ein (Demos 1982; Rotundo 1985). Doch im Kontext einer profilierteren Mannlichkeitsgeschichte haben sich auch jenseits des Atlantiks die Fragen und Akzente verschoben. Jiingere Forschungen von Stephen Frank (1998b) und Shawn Johansen (2001) revidieren die These, mit dem Ent stehen der Republik und der ersten industrieHen Revolution sei das Heim voHsrandig in die Hande der »republican mothers« (Kerber 1980) iibergegangen, j a sogar zu einem »miitterlichen Imperium« geworden (Ryan 1982). Sie zeigen im Gegensatz dazu, wie biirgerliche Manner im Norden und M ittelwesten der USA trotz der wachsenden Anforderungen eines zunehmend auger hausigen Berufslebens den Anspriichen an den Mann als Vater
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Vater in den fruhen USA
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gerecht zu werden versuchten. Zudem wurde das Familienleben in solchen Momenten intensiviert, in denen der Vater daheim war: Das gemeinsame Mahl am Ende eines Tages sowie die Wo chenenden oder Feiertage wurden als familiare »events« emotio nal aufgeladen und zelebriert (Gillis 1996). Zweifelsohne sind die neueren Forschungen ergiebig, doch na mentlich die Untersuchung von Stephen Frank ist nicht ganzlich unproblematisch. Bisweilen wird dort nicht nur die Geschlech terpolarisierung aufgebrochen, sondern auch eine neue Viktimi sierungsgeschichte erzahlt, in der Manner als Opfer erscheinen, da sie angeblich von den veranderten gesellschaftlichen An forderungen und den Frauen aus dem Heim gedrangt und der Moglichkeiten beraubt wurden, eine (»ihre«) vaterliche Identitat zu entfalten. So wichtig und richtig eine vielschichtige Betrach tung von Machtstrukturen innerhalb von Geschlechter- und Fa milienverhaltnissen auch ist, so historiographisch uberholt und historisch-politisch unangemessen ist eine solche mannliche Op fergeschichte, die deutlich in Denkkontexten der neuen antifemi nistischen Mannerbewegung steht. Schauen wir nun in den Suden vor dem US-amerikanischen Burgerkrieg, so sind vor allem Gewalt, Ehre und Mannlichkeit ein zentrales Thema. Dabei dienten Gewalthandlungen oft der Re-Stabilisierung der patriarchalen Position des weiBen Mannes, die in der Sklavenhalter- und Plantagengesellschaft des Sudens langer uberlebte als im Norden (Finzsch 20or). Mit der Niederlage des 5udens im Burgerkrieg und der Ab schaffung der Sklaverei schien die sudliche Geschlechter- und Ge sellschaftsordnung auseinanderzubrechen, die durch die Positio nierung weiBer und schwarzer Manner und Frauen gemaB ihrer Hautfarbe bestimmt gewesen war. Fur die ehemaligen Sklaven war es uberaus wichtig, nun zumindest theoretisch dem hegemonia len mannlichen Ideal entsprechen zu konnen. Neben politischer Partizipation und dem Besitz von Eigentum war die Fahigkeit, eine Familie versorgen und beschutzen zu konnen, von groBer Be deutung. Gleiches galt auch fur die offizielle Anerkennung von Beziehungen als Ehen. Zahlreiche Paare leiteten dies sofort in die Wege (Booker 2000: 101-107).
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Die »white Southern manhood« kampfte nach Biirgerkrieg und »Reconstruction« urn die Wiederherstellung ihrer patriar chalischen Position, die sich ja traditionell auch in Abgrenzung von schwarzen Mannern definiert hatte. Segregation, eine strikte Trennung der Lebenswelten insbesondere weiger Frauen und schwarzer Manner, war die Strategie. Weiterhin verfestigte sich ein rassistisch motivierter Kult der Gewalt, der ab den 1880er J ah ren mehrere tausend schwarze Manner zu Opfern von Lynchmobs machte, die sich zumeist aus weigen Mannern zusammensetzten. Stereotype Begriindung dieser Lynchmorde waren angebliche Vergewaltigungen weiger Frauen. Bevor wir uns dem 20. Jahrhundert zuwenden, seien noch Arbeiten zur US-Geschichte des spaten 18. und friihen 19. Jahr hunderts erwahnt, die zwar nicht die Geschichte von Vatern als Vater schreiben, die aber die Bedeutung der Vaterfigur fiir die politische, soziale und kulturelle Konstitution der Republik eru ieren. Mark E. Kann (1998, 1999) verdeutlicht, wie eine »Gram matik der Mannlichkeit« die Genese der jungen USA lenkte. Vorstellungen » richtiger« Geschlechtsidentitat hatten sowohl die Konzeption der Republik gepragt als auch bestimmt, welche Manner geeignet schienen, politisches Gestaltungspotenzial zu entfalten. Hier kommt der »family man« ins Spiel, denn dieser war der hegemoniale Typus Mann, der die »mannlichen« Quali taten der Selbstkontrolle, Besonnenheit und Fiihrungsfahigkeit am besten zu reprasentieren schien (Martschukat 2007alStieg litz: 83-100). Wie sehr dieser hegemoniale Typus Mann nicht nur durch das Geschlecht, sondern auch durch »class« und »race« bestimmt war, zeigt Bruce Dorsey (2002): Afroamerikanischen wie armen Mannern im Philadelphia der jungen Republik wurde weithin die Fahigkeit abgesprochen, die entsprechenden An forderungen erfiillen zu konnen. Es hieg, ihnen mangele es an republikanischer Kompetenz. Insbesondere vaterlose Familien riickten nun in das Blickfeld der Reformer und ihrer Aktivitaten, mit denen sie »ideale« Familienstrukturen und den »abwesenden« Vater zu ersetzen versuchten. Bemerkenswert ist, dass auch hier die zerstorerische Wirkung des Alkohols ein zentrales und stark klassenfokussiertes Thema war. Dabei ist die Beziehung zwi-
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Vater figuren in der Politik
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schen mannlichem Individuum, Familien und politischem Gan zen deutlich erkennbar. Es hid�, der Alkohol raube den Vatern ihre mannlichen Qualitaten, zerstore so die Familien und fuhre letztlich zum Verfall der Republik, die ja noch mehr als andere Gesellschaftsformen funktionierender Subjekte bedurfte.
Vater im
20.
Jahrhundert
USA Das Buch Robert Griswolds (1993) bietet einen Oberblick uber die Geschichte der Vaterschaft und die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Anforderungen des 20. Jahrhunderts in den USA. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf dem Ideal des mannlichen »Ver sorgers«. Zwei Weltkriege, die wechselhafte Zwischenkriegszeit und die Dekaden nach 1945 zwischen den auf die Familie fokus sierten 1950er Jahren und den umwalzenden 1960er und 1970er Jahren bieten ein wechselhaftes Panorama. Griswold wendet sich verschiedenen Vatertypen zu, so etwa Vatern der Arbeiterklasse, Afroamerikanern und Einwanderern, wodurch er sich von der Li teratur zum 19. Jahrhundert abhebt. Die weitere Historiographie ist recht heterogen. 1m spaten 19. und fruhen 20. Jahrhundert entfaltete sich als Gegenbewegung zu biir gerlich-viktorianischen Idealen des Mannseins eine deutlicher auf Korperlichkeit und Aggression ausgerichtete »masculinity«. Diese neuartige Mannlichkeit ging mit einer Akzentuierung homosozia ler Verbiinde einher, die auch die historische Forschung iiber diese Zeit pragt. Vater finden hier weniger Beachtung. Fiir die Zwischen kriegszeit liegt allerdings eine entsprechende Studie des Soziologen Ralph LaRossa (1997; vgl. auch Pendergast 2000) vor, die sich auf publizierte Texte sowie Briefwechsel stiitzt, urn eine »Modernisie rung« der Vaterschaft im Maschinenzeitalter zu dokumentieren. Kaum allerdings auBert sich LaRossa zur GroBen Depression der 1930er Jahre und deren Wirkung auf Vater und ihre Position in Fa milie und Gesellschaft - ein Thema, das auch iiber LaRossas Arbeit hinaus bislang wenig Beachtung gefunden hat. Dies ist umso er staunlicher, da im Zuge der Wirtschaftskrise die Transformation
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der mannlichen SteHung in vielen Familien Ausloser fur eine erste Welle soziologischer Mannlichkeitsstudien war.
Die Sozio login M irra Komarovsky vom New Yorker »Institute for Social Research « fragt in ihrer 1940 p u blizierten Dissertation fiber »The Unem ployed M an a n d His Family« nach der Verbindung zwisch en Wirtsch afts" krise, A rbeitslosigkeit u n d einem mdnnlichen » Versagen« als Versorger sowie nach den A uswirkungen a u f das mdnn liche Subjekt u n d dessen soziokulturelle Stellung. In dem folgenden Fallbeispiel wird deutlich, wie Makro- u n d M ikroebene, Wirtsch a ft u n d Soziales, kulturelle wie individu elle Identifizierung ineinander versch rdnkt sind.
»The h a rdest thing a bout unemployment, Mr. Patterson says, is the h u m i liation within t h e fa mily. I t m a kes him feel very useless t o have his wife a nd daughter bring in money to the fa m i ly while he does not contribute a n ickel. It is awful to h i m, because now »the tables a re tu rned,« that is, he has to ask his daughter for a l ittle money for tobacco, etc. He would rather walk miles than ask for carfare money. His daughter would want him to have it, but he cannot bring h imself to ask for it. He had often thoug ht that it would m a ke it easier if he cou l d have 25 cents a week that he could depend on. He feels more i rrita ble and morose than he ever did i n his life. He doesn't enjoy eati ng. He hasn't slept well in months. He l ies awake and tosses and tosses, wondering what he will do and what wil l ha ppen to them if he doesn't ever g et work a ny more. He feels that there is nothing to wake u p for in the morning and nothing to l ive for. He often wonders what wou l d h a ppen if he put hi mself out of the pict u re, or j ust got out of the way of his wife. Perhaps she and the g irl would g et along better without him. He blames h i m self for being unemployed. While he tries all day long to find work and wou l d take a nyth ing, he feels that he would be successful if he had ta ken advantage of his opportunities in youth a nd had secured an education. Mr. Patterson believes that his wife and daughter have adjusted themselves to the depression better than he has. In fact, sometimes they seem so cheerfu l in the evening that he cannot stan d it a ny more. He g rabs his hat a n d says that he is going out for a while, a nd wa l ks hard for an hour before he comes home again. That is one thing he never d id before unem ployment, but he is so ner vous and j u m py now he has to do something like that to prevent h imself from exploding.« (M irra Komarovsky: Th e Unemployed M a n a n d His Family, New York 1973 (1940): 2 6 -28, h ier n ach: Douglas B u ko wski u. a. (Hg.): A merica's History. Documents Collection, Bd. 2. New York 1997: 23 6 -237) (als Q uelle 8 auch im Internet zu finden)
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Kernfa Schaut man auf die Nachkriegsjahre, so findet man zum Thema milie und Familie viele Arbeiten, die sich auch mit Vatern befassen. 1m Kalter Zuge des Zweiten Weltkrieges wurden wehrfahige junge Man Krieg ner und somit zumindest potenzielle Vater in einem AusmaG mo bilisiert, wie dies in der Geschichte noch nicht dagewesen war. Wahrend des Krieges war an der »home front« deutlich erkenn bar, dass Frauen die abwesenden Manner zu ersetzen und den Part des berufstatigen Familienvorstands zu fullen vermochten. Zugleich allerdings mehrten sich die stark freudianisch gepragten Diskussionen uber eine vaterlose Gesellschaft, den so genannten »Momism« und deren degenerierende Wirkungen auf Jungen, mannliche Jugendliche und auf das Sozialwesen als Ganzes. Eine komplette Generation vaterloser Jungen wurde, so die weit ver breitete Befurchtung, entweder homosexuell oder kriminell wer den. In der Nachkriegszeit vollzog sich eine Familienfokussierung von bis dahin ungekanntem AusmaG, und sie ging mit einer »Ver vorstadterung« Amerikas einher, die durch den Kalten Krieg und die nukleare Bedrohung weiter vorangetrieben wurde. Nachdem die »Sixties« und die feministische Bewegung die Fa milienorientierung und das Geschlechtersystem der Nachkriegsara herausgefordert hatten, kamen in den 1980er Jahren Studien der Soziologin Barbara Ehrenreich (1983) uber amerikanische Manner in der Nachkriegsara und ihre »Flucht vor der Verantwortung« sowie der Historikerin Elaine Tyler May (1999) uber »nuclear fa milies in a nuclear age« hinzu, die eine Art Initialzundung darstell ten. Weitere Studien zeigen, wie die Kernfamilie unter vaterlicher Fuhrung und mit klassischer Geschlechterordnung schon wah rend des Zweiten Weltkrieges zu einem gesellschaftlichen Leitmo tiv wurde. In ihr konkretisierten sich so abstrakte Werte wie Frei heit und Demokratie (Westbrook 1993). Nach einer nur kurzen Phase der Skepsis uber die familiar-vaterliche Re-Zementierung der Gesellschaft (Michel 1992) beforderte der aufkommende Kalte Krieg ein Ende aller Ungereimtheiten und Mehrdeutigkeiten. Der Vater kehrte an eine hegemoniale Position zuruck, und er war als Veteran mit weiGer Haut konzipiert (Onkst 1998). Fur die 1950er bis 1970er Jahre hat Jessica Weiss (2000) Ehe, Babyboom und sozialen Wandel untersucht, und sie ist durch-
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aus skeptisch, was die Einbindung der Manner als aktive Vater in die Familienarbeit anbelangt. In eine andere Richtung blickt die Historikerin K. A. Cuordileone (2005), deren Arbeit uber die poli tische Kultur des Kalten Krieges zeigt, wie jede von der hetero sexuellen Norm und vom Dasein des Familienvaters abweichende mannliche Lebensfuhrung als Gefahrdung der US-Gesellschaft und des Amerikanischen schlechthin galt. Das produktive Zu sammenspiel von Mannlichkeits-, Familien- und Sexualitats geschichte sowie politischer Geschichte wird hier einmal mehr deutlich. Fur die deutsche Geschichte von Vatern und Vaterschaft im Deutsch20. Jahrhundert liegen synthetisierende Arbeiten bislang nicht vor. land ' 9 45 Gleiches gilt fur die Jahre der Weimarer Republik oder den Na- vor tionalsozialismus. Die Oberblickswerke von Wolfgang Schmale (2003) oder George Mosse (1997) gewahren nur einen allerersten Einstieg. Die Zuruckhaltung der Forschung mag darin begrundet sein, dass mit dem Enstehen eines deutschen Nationalstaates im fortgeschrittenen 19. Jahrhundert ein bundisches, martialisches, soldatisches Mannsein unter den Zeitgenossen in den Vordergrund trat. An sozialhistorisch ausgerichteten Untersuchungen tiber » Familienmanner«, wie sie fur die Literaturgeschichte der langen Jahrhundertwende der Germanist Walter Erhart (2001) vorgelegt hat, fehlt es bislang. Dabei haben einzelne Studien in den letzten Jahren darauf hin gewiesen, welch ein Potenzial gerade der genaue Blick auf die Ver bindungen und Abgrenzungen von soldatischer und vaterlicher Mannlichkeit birgt. So zeigt etwa der Sammelband von Karen Hagemann und Stefanie Schuler-Springorum (2002b), wie sich Ehe- und Familienverhaltnisse » im Zeitalter der Weltkriege« ver anderten und wie Zeitgenossen dies auch thematisierten: » Es ist traurig aber wahr: wahrend der mannlichsten Zeit, wahrend des Krieges, regieren >zuhause< die Weiber«, zitiert Birthe Kundrus in ihrem Aufsatz uber » Geschlechterkriege« den rechtsnationalen >Nolkserzieher« von 1918 (Kundrus 2002: 174; vgl. auch Kundrus 1995). Kundrus bemerkt kritisch, wie die bisherige Historiographie das Krisenkonzept bemuht und eine mannliche Opfergeschichte beschwort (vgl. etwa Mosse 1997= 107-201).
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Nach kriegsge sellschaft
»Remas kulinisie rung"
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Seit einigen Jahren eroffnet die Feldpost Historikerinnen und Historikern neue Horizonte. Briefwechsel zwischen Soldaten, Frauen und Freundinnen dokumentieren, welche Bedeutung Ehe und Liebesbeziehungen auch in Kriegszeiten und im Kontext hochgradig militarisierter Mannlichkeit hatten (Jureit 1999). Die Familie wurde in Kriegszeiten fur viele Soldaten zur Verkorpe rung von Heimat, Liebe und Geborgenheit schlechthin. Thomas Kuhne (2006) zeigt, dass die Kameradschaft ein Weg war, den Verlust von Familie zu kompensieren. Der militarische Manner bund darf demnach nicht bloB als Gegenentwurf zu Familie und Mutterliebe gedacht werden, sondern mit seinen Schutz-, Zunei gungs- und (homo)erotischen Komponenten auch als analoge Struktur und sogar als zentrale Grundlage der symbolischen Ord nung des Krieges. Dies korrespondiert auch mit der ideologischen Bedeutung, die das Konzept der »Geschlechterkameradschaft« im Nationalsozialismus entfaltete. Wahrend Untersuchungen uber Mannlichkeit und Familie in den Kriegsjahren den Fortbestand von Beziehungsmustern in den Blick nehmen, setzt sich die Geschichte der unmittelbaren Nach kriegszeit primar mit der Erosion der Geschlechter-, Ehe- und Fa milienverhaltnisse auseinander. Zwar waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Verhaltnisse zwischen deutschen Frauen und deut schen Mannern bruchig (Perinelli 1999), die Geschlechterordnung als solche hat dies aber nur wenig erschuttert. SchlieBlich repra sentierten amerikanische GIs nun eine hegemoniale Mannlichkeit (Nieden 2002; Hohn 2002; Ellerbrock 2004). Die Transformation des nationalsozialistischen Kriegers in den zivilen Ehemann, die so genannte »Remaskulinisierung« der deutschen Nachkriegsgesellschaft, gestaltete sich schwierig (Moeller 1998; Jeffords 1989, 1998). Wie Frank Biess zeigt, kann das Konzept der »Remaskulinisierung« genutzt werden, urn unterschiedliche Mannlichkeitsentwurfe und entsprechend dif ferierende Strategien in den beiden deutschen Nachkriegsgesell schaften aufzuschlusseln. In Ost wie West wurden die Kriegs heimkehrer als defizitar wahrgenommen. In Westdeutschland stand das Ziel im Vordergrund, ehemalige Soldaten wieder »fa milienfahig« zu gestalten und so nicht nur die dysfunktionalen
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»Familienmanner«, sondern auch die westdeutsche Gesellschaft sexuell, moralisch, sozial und ideologisch zu stabilisieren. Und Ehefrauen, so ein Berliner Arzt im Jahr 1957, seien haufig die einzig »effektive Medizin fur die verwundete Seele des Heim kehrers« (Biess 2002, 2006). Zahlreiche Heimkehrer fiihlten sich von den Anforderungen als Familienvater und Ernahrer iiber fordert. Sie bestarkten die Wahrnehmung, Manner seien die wahren Opfer des Krieges, und die Nachkriegsgesellschaft be diirfe dringend der »Normalisierung« der Geschlechterverhalt nisse. Einen Gegenentwurf zur Familienzenttierung bildeten die »halbstarken« Subkulturen, die aber ihrerseits ebenfalls das Stre ben nach » Remaskulinisierung« zum Ausdruck bringen (Poiger 2000). In Ostdeutschland hingegen betonte die neue politische Fiih rungsspitze vor allem die ideologischen Defizite der ehemaligen Soldaten, und die Staatsleitung furchtete die Riickkehr von einer Million »Antibolschewisten«. Weniger der Familienvater war hier der Fluchtpunkt des mannlichen Ideals, als vielmehr die He rausbildung eines guten Produzenten und Parteiaktivisten: des » Staatsvaters«, wie Dorothee Wierling (2001) ihn genannt hat. Die Familie wurde sogar als schadlich fur die politische Konversion der Kriegsheimkehrer diskutiert (Biess 2006). Je weiter wir uns nun von den unmittelbaren Nachkriegsjah ren entfernen, desto deutlicher liegen entsprechenden Analysen in den Handen anderer Wissenschaften, etwa der Soziologie oder der Padagogik. Aus der Geschichtsschreibung ware hier zunachst Wiebke Kolbes (2002) Untersuchung zu nennen, die die Transfor mationen der Vaterfigur in der Bundesrepublik Deutschland und im wohlfahrts-, gleichstellungs- und familienpolitischen Modell land Schweden zueinander in Beziehung setzt. Reinhard Sieder (2000) pladiert im Rahmen einer Wiener Fallstudie im ausgehen den 20. Jahrhundert dafiir, weniger von der Dysfunktionalitat von Trennungsfamilien zu sprechen, sondern vielmehr von den nutzbringenden und vorteilhaften Momenten von » binuklearen Familiensystemen« und » Fortsetzungsfamilien«. Wenn wir an dieser Stelle noch einmal die Literatur zur Ge schichte von Vatern und Vaterschaft in der Neuzeit Revue pas-
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sieren lassen, so ki:innen wir die Suche nach der Balance zwischen dem liebevollen Vater und dem verdienenden Versorger als ein zentrales Moment erkennen. Nicht erst in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts zeichneten Vater- und Gesellschaftskritiker den abwesenden Vater als Schreckbild fiir Familien und Sozialord nung. Neben Verantwortungslosigkeit und Alkohol galt schon im 19. Jahrhundert ein Dbermag an Arbeit als eine der Hauptbedro hungen fiir die intakte Familie. Insgesamt bedarf Robert Griswolds Diktum, der Broterwerb Arbeit und Familie sei das leitende Prinzip mannlicher Existenz im 20. Jahrhun dert gewesen, einer Relativierung. Einerseits ist hier wohl eine weniger apodiktische Aussage angebracht, und man sol1te den Broterwerb wohl eher als eines von mehreren Leitprinzipien be zeichnen; auf weitere gehen wir in den Kapiteln iiber Sozialitat und Sexualitat ein. Andererseits war die erfolgreiche Organisa tion von Broterwerb und Familien- sowie Beziehungsleben nicht nur im 20. Jahrhundert, sondern in unterschiedlicher Form auch in den Jahrhunderten zuvor von zentraler Bedeutung. Dies legt es nahe, zum Abschluss dieses Kapitels einen genaueren Blick auf das Verhaltnis von Arbeits- und Berufsleben und Mannlich keit zu werfen. Vorauszuschicken ist, dass die Literaturdecke hier noch diinn ist - trotz der offenkundigen Bedeutung von Arbeit fiir Mannlichkeiten in der Geschichte der Neuzeit und trotz einer breiten sozialwissenschaftlichen Forschung. Die historio graphischen Leerstellen mi:igen damit zusammenhangen, dass die »Labor History« seit der Entfaltung von »linguistic turn« und so genannter »Neuer Kulturgeschichte« in den 1980er und 1990er Jahren nicht gerade eine Phase der Hochkonjunktur durchlaufen hat. Wie fruchtbar allerdings Beriihrungen der Geschichte von Arbeit und Mannlichkeiten sein ki:innen, solI der folgende Dber blick zeigen.
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Afroamerikanische Manner, Mannlichkeiten und Arbeit 1968 demonstrierten in Memphis afroamerikanische Stadtreini gungsarbeiter, indem sie Schilder mit der Aufschrift »1 am a man« vor sich hertrugen. Ihr Protest richtete sich gegen Diskriminie rung und eine Entlohnung, die ihnen und ihren Familien noch nicht einmal das Notigste zum Leben gewahrte. Getragen von einer Rhetorik mannlichen Auf- und Widerstehens forderten die schwarzen Arbeiter gemeinsam mit Gewerkschaften und Burger rechtsbewegung eine Gleichbehandlung mit ihren weiRen KoUe gen. Denn dann ware es ihnen moglich, wie »echte Manner« fur ihre Familien zu sorgen und ihren Frauen und Kindem ein ange messenes Leben zu garantieren. Dies hatte endlich das Ende ihrer »Entmannlichung« bedeuret, die sich seit den Zeiten der Sklaverei fortschrieb (Estes 2005). Die Verflechtungen von Mannlichkeit, familiarer Verantwort lichkeit und Arbeit sind in der afroamerikanischen Geschichte und Geschichtsschreibung ein umfassend behandeltes Thema (Boris 2003). So war es im fruhen 19. Jahrhundert fur den Skla yen Frederick Douglass nicht nur der physische Widerstand gegen seinen Aufseher, der ihm das Gefuhl des Mannseins vermittelte. Ebenso bedeurend war die Moglichkeit, nach der Flucht aus der Sklaverei mit seiner Hande Arbeit fur sich und seine Lieben sorgen und private wie politische Verantwortung ubernehmen zu konnen (vgl. QueUe 4: Douglass im Internet). In der Burgerrechtsbewegung des voranschreitenden 19. Jahr hunderts betonte insbesondere Booker T. Washington die Bedeu tung von (Aus-)Bildung und beruflichem Fortkommen fur eine geseUschaftlich anerkannte Egalitat schwarzer Manner. Seine andererseits auf Anpassung und Zuruckhaltung ausgerichtete Strategie hat Washington sowohl unter Zeitgenossen als auch in der Forschung die Kritik eingebracht, zugleich die Feminisierung schwarzer Manner vorangetrieben zu haben (Gibson 1996). Auf zwei Jahrhunderte der Sklavenarbeit folgte nach 1865 der Ausschluss schwarzer Manner von zahlreichen Segmenten des Arbeitsmarktes und aus den meisten Gewerkschaften. Auch der
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geschaftliche Aufstieg blieb ihnen weithin verschlossen, und dies in einer Gesellschaft, die dem Ideal des »self made man« wohl mehr als jede andere Gesellschaft anhing. Die soziale und kultu relle Benachteiligung afroamerikanischer Manner und »ihrer« Fa milien pragt bis heute einen Diskurs tiber das Scheitern schwarzer Manner an einem regelhaften und von Arbeit gepragten Lebens rhythmus. Nicht zuletzt diese Konstellation hat das Bewusstsein der »Black History« ftir den Konnex von Arbeit und Mannlichkeit gescharft. In den von Darlene Clark Hine und Earnestine Jen kins (199912001, Bd. I) herausgegebenen Sammelbanden zu afro amerikanischen Mannlichkeiten zeigen verschiedene Arbeiten, wie auch Sklaven im 18. und 19. Jahrhundert an Qualifikation und Industriearbeit eine hohere Wertschatzung koppelten, zumal diese mit groBeren Spielraumen zur eigenen Lebensgestaltung, mit der Moglichkeit besserer familiarer Ftirsorge sowie der Er ftillung eines mannlichen Ideals einhergingen. Zugleich mussten auch freie Schwarze im Norden hart um Erfolge im Arbeitssektor ringen, da sie auf bestimmte Berufszweige festgelegt wurden und auBere Bedingungen immer wieder ihr soziales Fortkommen be hinderten. Schaut man in den zweiten Band von Hine/Jenkins (199912001, Bd. 2) und auf die Forschung zu den Jahren nach der Emanzipa tion, so ist »Arbeit« als Thema dort noch prominenter. Ein zen traler Aspekt ist der Wechsel von Afroamerikanern in die Lohn arbeit, der die bestehenden Stereotype schwarzer Manner und ihres Verhaltnisses zur Arbeit herausforderte. Die Routine der landwirtschaftlichen Arbeit, die die meisten African-Americans im System des sharecropping nach wie vor in Abhangigkeit von weiBen Landbesitzern erlebten, steht in der Forschung im Hin tergrund. Eher auBergewohnliche Arbeitserfahrungen werden analysiert, die allerdings die Vielfalt der Moglichkeiten und des Erreichten anzeigen. So erfahren wir etwas tiber schwarze Polizis ten im New Orleans des 19. Jahrhunderts, tiber afroamerikanische Cowboys im Wilden Westen, tiber selbststandige Farmer, die sich gegen alle Widrigkeiten durchzusetzen vermochten, sowie tiber schwarze Arzte und Anwalte. Auf der anderen Seite berichten die Artikel tiber Gefangenenarbeit in den » Chaingangs« sowie tiber
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die Weigerung der Gewerkschaften> schwarze Manner aufzuneh men.
Gender und labor history Schaut man uber die afroamerikanische Geschichte hinaus, so ist die Forschung zum Zusammenspiel von mannlicher Iden tifizierung und Arbeitswelt schwierig zu bilanzieren. Als erster Zugang zur internationalen Forschung mag ein Themenheft der Zeitschrift International Labor and Working Class History yom Herbst 2003 dienen, das sich des Themas »Labor H istory After the Gender Turn« angenommen hat. 1m Hinblick auf die US Geschichte heiBt es dort, lange habe die Kategorie »Klasse« die Geschichte der Arbeit dominiert. In den letzten Jahren allerdings sei sie einer Konzeption verflussigter, vielschichtiger Identitiiten gewichen: »The world of Anglo-American labor history has been turned upside down« (Winn 2003, I; vgl. auch Frader 1996: 16-33 mit weiteren Literaturhinweisen zur europaischen Geschichte). Die labor history als Klassengeschichte oder als »Geschichte von unten« hat eine geschlechterhistorische Perspektive lange ignoriert. GleichermaBen hat sich auch die US-Geschichte der Mannlichkeiten lange dem Einfluss der labor history verweigert. In der deutschen und europaischen Geschichte sieht dies nicht besser aus. Dies ist angesichts des ausgepragten sozialwissenschaftlichen und gegenwartsorientierten Interesses am Thema Arbeit und Mannlichkeit erstaunlich. Viele historische Untersuchungen konstatieren zwar, dass Arbeit fur Mannlichkeitskonzepte und mannliche Identifikation bedeutsam sei, nur wenige gehen je doch uber diese Feststellung hinaus und in die Fabrikhallen oder gar in die Buros hinein. Welche Identifizierung etwa auf welche Weise und an welchen Arbeitsplatzen vollzogen wurde, ist bis lang selten analysiert worden (Sun 2004). Wie bereits erwahnt, hangt dies auch damit zusammen, dass die eher kulturalistisch inspirierte Geschlechtergeschichte und die klassisch sozialhisto-
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rische Arbeitergeschichte es schwer hatten, zueinander zu £lnden. Zu sehr schien die Idee der materiellen Basis allen Seins, des Klas senkampfes und des kampfenden Subjekts einer Analyse von Dis kursen und kultureller Sinngebung zu widerstreben (Frader 1996: 3; Kessler-Harris 2002: 192; Rose 2oo3a: 6). Gleichwohl gab es in der internationalen Historiographie seit den spaten 1980er Jahren immer wieder Anstoge, die Kategorien Klasse und Geschlecht (und Ethnizitat) in einer Geschichte von Arbeit zu verweben. Alice Kessler-Harris (1989: 217-234) betonte sogar, dies sei die »neue Agenda« der labor history. Ais einschlagige Arbeit sei hier vor allem Ava Barons (1991) wegweisende Schrift Work Engendered genannt, die schon bald zum Ausgangspunkt fiir all diejenigen avancierte, die sich mit Geschlecht, Mannlich keit und Arbeit befassten. Bald darauf publizierte die Zeitschrift Labor History ein Themenheft zu gender, unter anderem mit einem weiteren Grundsatzartikel von Alice Kessler-Harris (1993). Wieder zwei Jahre spater diskutierte Laura Frader (1995) in der Zeitschrift History and Theory das Zusammenspiel von Arbeitsgeschichte, Ge schlechtergeschichte und Diskursanalyse, und 1999 publizierten Eileen Boris und Angelique Janssen ein Buch, das ausdriicklich die Interdependenz der Trias »Rasse, Klasse, Geschlecht« zum Thema hat. Fiir einen entsprechenden Literaturiiberblick zur bri tischen Geschichte sei auf einen Beitrag Eileen Yeos (2002) sowie einen von Margaret Walsh (1999) herausgegebenen Sammelband verwiesen. Insgesamt haben diese und andere Forschungen nicht nur verdeutlicht, dass die Geschichtsschreibung mit den Frauen die Halfte der arbeitenden Klasse lange ignoriert hatte (Kessler-Harris 2003). Sie zeigen dariiber hinaus, dass die Wahrnehmung, Kate gorisierung und Wertschatzung von Arbeit und ihrer spezi£lschen Ausgestaltung geschlechtsspezi£lsch sind. Hau£lg steht quali£l zierte, heroische »mannliche« Arbeit im Gegensatz zu »weiblichen« Tatigkeiten, die als geringer quali£lziert gelten oder im Bereich sozialer Reproduktion angesiedelt sind. Uben Manner dennoch soIche Arbeiten aus, so werden entweder die Manner dadurch ef feminiert oder die Tatigkeiten aufgewertet: von der raglichen Es senszubereitung daheim iiber den in der Grogkiiche arbeitenden
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Migranten bis zum Chefkoch eines Restaurants, urn hier nur ein klassisches Beispiel aufzufiihren (Talibi 2003).
Verstreute Forschungen zu Arbeit und Mannlichkeit Derart ahnliche, aber unterschiedlich bewertete Tatigkeiten ki:in nen sehr klar verdeudichen, auf welche Weise Geschlechtsidenti taten an Arbeitsplatzen konstituiert werden, und zwar sowohl in Abgrenzung gegeniiber dem anderen Geschlecht als auch gegen iiber anderen Vertretern des eigenen Geschlechts. Die verschie denen Ebenen geschlechtlicher Differenzierung durch Arbeit werden auch durch die Aufsatze des allerersten Themenheftes der Zeitschrift Gender and History aus dem Jahr 1989 verdeudicht. Es enthalt Beitrage zur mannlichen Identitatsbildung im Industrie kapitalismus des spateren 19. Jahrhunderts in England, den USA und Schweden. Auch erschienen urn 1990 erste entsprechende Monographien, die geschlechtsgebundene Arbeitsablaufe und Identitatsbildungen vorstellten, beispielsweise in der Zigarrenpro duktion im friihen 20. Jahrhundert (Cooper 1992). Einige weitere Arbeiten folgten, auch wenn die entsprechende Forschung bei wei tern kein geschlossenes Bild iiber die neuere Geschichte hinweg zu zeichnen vermag. Fiir einen ersten Uberblick iiber das Themen spektrum zu Arbeit und (weiBer) Mannlichkeit ist der Band Boys and Their Toys iiberaus hilfreich, den Roger Horowitz (2001) ganz bewusst als Bestandsaufnahme zehn Jahre nach Ava Barons Work Engendered konzipiert hat. Der Titel spielt zudem auf das nicht zuletzt in der Arbeitswelt konstitutive Verhaltnis von Mannern und Maschinen an (Lerman 2003; Oldenziel 1999, 2007). Als ein konstitutives Moment eines »mannlichen« Arbeiters und Ethnizitat fiir eine auf Mannlichkeit griindende Klassensolidaritat seien zunachst die Fahigkeit und die Bereitschaft zu Auf- und Widerstand genannt (Kaster 2001). Ein weiteres zentrales Differenzkriterium ist » Ethnizitat« . David Roediger (1999, 2002) hat daraufhingewiesen, wie whiteness als formativer Aspekt in die Konstitution von
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Homo soziale Raume und Alko hoi
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»Klasse« eingreift. Ein Arbeiter, der sich gangeln liel�, galt als ent mannlicht und einem (schwarzen) Sklaven gleich. Das liel� es fur weige Arbeiter beinahe unmoglich werden, mit African-Ameri cans oder mit Frauen zu kooperieren, die schon in den Jahren vor dem Burgerkrieg vermehrt in die aufkommende Industriearbeiter schaft hineindrangen (Blewett 1988). Doch die meisten US-ameri kanischen Gewerkschaften blieben bis weit in das 20. Jahrhundert hinein fur diejenigen verschlossen, die nicht weig, mannlich und ausgebildet waren. Ein weiteres Thema ist der Arbeitsplatz als homosozialer Raum. Dieser kann beispielsweise durch eine bestimmte Gewerkschafts politik oder durch andere Rituale als mannlich konstituiert wer den (Ryon 1995). Hier ware etwa das gemeinsame Trinken von Alkohol zu nennen. Einerseits war Alkoholkonsum Teil mann lichen Sozialverhaltens und Ausdruck einer rough manhood, die etwa fur das Selbstbild amerikanischer Kanalarbeiter im fruhen 19. Jahrhundert zentral war (Way 1993). Andererseits propagierte die Temperenzbewegung im fortschreitenden 19. Jahrhundert ge meinsam mit den Gewerkschaften eine respectable manhood, die Verantwordichkeit, Zuvedassigkeit, Selbstkontrolle, Fursorge und vor allem Abstinenz bedingte: »Alcohol makes wives widows, children orphans, fathers friendless, and all at last beggars«, be tonte in diesem Sinne das Engineers'Journal im Januar 1878. Der Arbeiter als Mann bewegte sich offenbar zwischen den Mannlich keitsentwurfen eines male bonding in der Fabrikhalle, der Mine oder auf der Werft und einer bisweilen konfligierenden gesell schafdich-familiaren Verantwortung. Das Aufeinandertreffen von Respektabilitat und mannlich kon notierter Harte untersucht auch Steve Meyer (1999, 2002) anhand der Automobilarbeiter wahrend des Zweiten Weltkrieges. Der Glaube, Alkoholkonsum, die Degradierung von Frauen in einen Objektstatus sowie die Bereitschaft zu korpedicher Auseinander setzung und Widerstand machten einen echten Ked aus, hielt sich uber die Dekaden hartnackig. Stephen Norwood (2002) hat gezeigt, wie unterschiedliche Mannlichkeitsentwurfe bei Streiks und anderen Konflikten zwischen Belegschaften und Betriebs fuhrungen zum Tragen kamen. Er fokussiert dabei die Rolle und
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Wahrnehmung von Streikbrechern und bezahlten Agenten der Unternehmer. Andere Forschungen betonen weniger die Homosozialitat des Arbeitsplatzes, sondern vielmehr die des Freizeitlebens der Arbei terklasse. Unter jungen Arbeitern der 1920er und 1930er Jahre war ein Kollege regelrecht suspekt, wenn er die Nahe von Frauen mehr schatzte als ein Trinkgelage mit seinen buddies. Durch die Ab grenzung von Frauen und ethnischen Minderheiten stellten junge weiBe Arbeiter eine von Geschlechts-, Klassen- und Ethnizitats konzepten getragene Solidaritat her (McBee 1999). Eine wieder andere Perspektive hat Olaf Stieglitz in seiner Forschung iiber das »Civilian Conservation Corps« akzentuiert, das wahrend der GroBen Depression der 1930er Jahre junge Manner in Arbeitscamps beschaftigte. In den CCC-Lagern sollten Jungen zu Mannern geformt werden, und zwar durch Korper- und Cha rakterbildung in der Arbeit an der Natur. Dort verschmolzen die Konzepte des harten Arbeiters, des guten Versorgers, des Staatsbiirgers und des Soldaten ineinander, und rough und respectable manhood wurden in den Camps raglich ausgehandelt (Stieglitz 1999). Durch Arbeit geformte und gestarkte Mannerkorper riefen in Zeiten der okonomischen, sozialen und mannlichen »Krise« den gospel oflabor an, und sie kniipften damit an Reprasentations traditionen von Arbeit und Arbeitern an, wie sie sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert verfestigt hatten (Dabakis 1999; Stieglitz 1999b). Insgesamt ist der groBte Teil der Forschung zum Thema Mannlichkeit und Arbeit im Bereich der so genannten blue collar workers angesiedelt ist, also der Arbeiter in Blaumannern. Mannliche Identitatsbildung im Sektor Biiroarbeit und somit der white collar workers hat bislang noch weniger Beachtung gefunden. Sicher gibt es verschiedene Untersuchungen, die sich mit dem Eindringen von Frauen in die Biirowelt urn 1900 befassen. Ein Buch wie das von Angel Kwolek-Folland (1994) allerdings, das ausdriicklich Frauen und Manner als Arbeitnehmerlnnen der Finanzdienstleister zueinander in Beziehung setzt und die geschlechtliche Struktur der Arbeitsplatze und ihrer produktiven wie raumlichen Ordnung untersucht, ist bislang noch die Ausnahme. Bei Kwolek-Folland
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Freizeit
Arbeits camps
Buroarbeit
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Sozia l istische Gesellschaften
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erscheint das Buro wie eine Art Labor, in dem die Geschlechter konstellationen der weiteren gesellschafdichen Ordnung zugleich nachgestellt und gezuchtet werden. Wie stellte sich nun das Verhaltnis von geschlechdich struktu rierten Arbeiteridealen und Identitatsbildungen in sozialistischen Gesellschaften dar? Hier sei zunachst abermals auf Arbeiten zur »Remaskulinisierung« der Nachkriegsgesellschaften verwiesen, die auch den Stellenwert von Arbeit in beiden deutschen Staaten dis kutieren (Moeller 1998; Biess 2006). Aus einer geographisch wei teren Perspektive fuhrt Eric D. Weitz (1996) das Zusammenspiel von Arbeit und Mannlichkeit in sozialistischen Gesellschaften aus. Diese hatten seit ihrer Entstehung zwar die kleinburgerliche Familienkonzeption gescholten und die Gleichheit von Frauen und Mannern propagiert. Dennoch waren nicht blog die poli tischen Funktionseliten mannlich dominiert, sondern auch die kommunistische Ikonographie war gepriigt vom Bild muskuloser und zielstrebiger Manner, deren Arbeit scheinbar eine strahlende sozialistische Zukunft sicherte. Der Schmied, der mit der Kraft seines Korpers die sozialistische Gesellschaft formte, fungierte als das proletarische Ideal schlechthin. Der durchaus vorhandene emanzipatorische Frauenentwurf wurde zugleich durch ein recht dominantes wie monolithisches Manner- und Mannlichkeits bild unterminiert. Die DDR stutzte diesen Mannlichkeitsent wurf unter anderem dadurch, dass sie alljahrlich ihren »Helden der Arbeit« mit einem gleichnamigen Preis auszeichnete (Ludtke 1994; Schmale 2003: 236 f.). Zur Seite gestellt wurde ihm eine »SO zialistische Frauenpersonlichkeit«, die als Heldin der Arbeit zwar gewissermagen die mannliche Dominanz der Arbeitswelt durch brach, zugleich aber an einem mannlichen Heldenmuster ausge richtet war und es somit reproduzierte (Budde 1999). Abschliegend ist noch einmal hervorzuheben, dass die histo rische Forschung bereits viele Schlaglichter auf die umfassenden Herausforderungen des Broterwerbs geworfen und dabei auch schon einige Synthesen hervorgebracht hat. Manche Anforderun gen und manche Ideale haben sich uber die Jahre und Jahrhun derte radikal gewandelt, andere Fragen sind regelmagig in der Ge schichte aufgetaucht. So wurde etwa vom 16. Jahrhundert bis zur
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Gegenwart immer wieder das Verhaltnis von Mannlichkeit und Alkohol diskutiert. Doch auch dort, wo es Kontinuitaten gibt, ist der Denk- und Aktionsrahmen nicht unveranderlich: Denn die Formen und die Bezugspunkte mannlichen Heldentums oder Versagens, das an Alkohol und dessen Konsum gebunden war, veranderten sich. Hier wie an vielen anderen Punkten in der Ge schichte sind noch viele Fragen ungeklart. Zudem hat jeder Ver such, Antworten zu finden, wiederum neue Fragen aufgeworfen. AUerdings soUte deutlich geworden sein, dass ein zentraler Aspekt von Mannlichkeits- und Mannergeschichte auf dem Spannungs verhaltnis von sozialer Verantwonung und vermeintlich individu eller Subjektbildung liegt. Dabei darfhier nicht von einer simplen Dichotomie dieser beiden Positionen ausgegangen werden, son dem ein Subjekt generiert sich gerade auch aus der Bereitschaft und der Fahigkeit, Verantwortung zu iibemehmen, als mannlich. Es gibt also Oberlagerungen und Durchkreuzungen.
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7. Von Brudern, Kameraden und Staats burgern : Formen mannlicher Sozialitat
»1 was very proud, and John Barleycorn was proud with me. I could carry my drink. I was a man. I had drunk two men, drink for drink, into unconsciousness. And I was still on my feet, upright, making my way on deck to get air into my scorching lungs. [. . .J I was no boy of fourteen, living the mediocre ways of the sleepy town called Oakland. I was a man, a god, and the very elements rendered me allegiance as I bitted them to my will.« 1m Jahr 1913, im Alter von 36 Jahren, veroffentlichte der Schrift Jack Londons steller Jack London den autobiographischen Roman John Barley Heiden corn iiber das Leben eines exzessiven Trinkers. Alkoholkonsum erscheint hier im Kontext von Arbeit und Freizeit als zutiefst so ziales Verhalten: »All drinkers begin socially. [ . .J When I thought of alcohol, the connotation was fellowship. When I thought of fellowship, the connotation was alcohol. Fellowship and alcohol were Siamese twins.« Die Orte des Trinkens waren Orte einer ho mosozialen Gemeinschaft von Mannern. Das gemeinsame Trin ken lieg aus Arbeitskollegen buddies und manchmal sogar aus Vorarbeitern Freunde werden. Der gemeinschaftliche Konsum von Alkohol war augerdem eingebunden in Rituale, die das Band verstarken sollten: London beschreibt das treating, das »Runden Ausgeben« , und er erzahlt von den lauten und nicht selten hand greiBichen Streitigkeiten zwischen angetrunkenen Mannern. Nicht zuletzt beschreibt er (s)eine Mann-Werdung durch Alkohol: Wer den Alkohol beherrscht, so lautet die Botschaft, hat einen be deutsamen Schritt hin zu einer erwachsenen Mannlichkeit getan. London schildert jene »raue« Mannlichkeit unterbiirgerlicher Schichten, gegen die Generationen von Reformern und Reforme rinnen eine »respektable« , auf Magigung, »Charakter« und Ver.
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antwortung basierende Form des Mannsein-SoIlens propagierten. Doch Londons MannlichkeitsdarsteIlung rief nicht aIlein Re formeifer auf den Plan: Viele mannliche Leser der M ittelklassen verschlangen seine Romane und ihre Prasentation viriler Formen von Mannlichkeit geradezu, seien es die kameradschaftlichen Trinker John Barleycorns oder die einsamen Helden aus The Sea
Wolj(19 03)· Formen mannlicher Vergemeinschaftung, homosoziale Manner gruppen in ihren vielfaltigen und historisch wie kultureIl variablen Gestalten, bilden seit langem Schwerpunkte sowohl der " Men's Studies« als auch der Mannlichkeitengeschichte. Urn Bruderschaften und Geheimbunde, Gewerkschaftsvereine und Sportclubs, Banden und Cliquen, Kampfgemeinschaften und Korps, aber auch urn politisch verfasste Gemeinwesen solI es auf den kommenden Seiten gehen. Gerade in den letzten Jahren sind Konzepte wie das Politische, die Nation oder die Staatsburgerschaft auf ihre symbolischen und materieIlen Relationen zu Geschlechterordnungen hin beleuchtet worden. Die Rede vom Militar als »Schule der Nation« mag andeuten, wie die Dbergange zwischen spezifischen Formen traditioneIl mannlich verstandener Gemeinschaften und der GeseIlschaft insgesamt konstruiert werden konnten. Damit ist auch die Frage nach mannlicher Subjektbildung aufgeworfen, nach Prozessen der Aneignung, Verinnerlichung und Reflexion geschlechtlich konstruierter Normen, Fahigkeiten und Verhaltensweisen. VorsteIlungen mannlicher Affinitat oder Solidaritat waren oft mals verbunden mit Ideen von Freundschaft, Kameradschaft und Bruderlichkeit. Zugleich waren sie an Strategien der Exklusion ge koppelt, die sich nicht allein gegen Frauen, sondern auch gegen okonomisch, sozial, »rassisch« oder sexueIl »andere« Manner rich teten. In Teilen der Mannlichkeitenforschung und vor aIlem in der popularen Literatur werden solche GruppenkonsteIlationen nicht selten kurz als »Mannerbunde« bezeichnet. Da »Mannerbund« und »Homosozialitat« fur das folgende Kapitel von zentraler Bedeutung sind, soIlen sie hier zunachst konzeptionell diskutiert werden. Helmut Blazek (1999) entwickelte einen Merkmalskatalog zur Kennzeichnung eines solchen »Mannerbunds«, wobei er sich selbst zum Teil an den deutschen Volkskundler Heinrich Schurtz
Vergemein schaftung
Man ner bund
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anlehnte, der solche Bunde urn 1900 in den Kolonien entdeckt zu haben glaubte. Aggression, di.umliche und gesellschaftliche Ab sonderung, Dramatisierung der Mannerrolle, Frauenfeindlich keit, hierarchische Strukturen (Fuhrer-Prinzip), Initiationsriten, elitares Bewusstsein, Geheimwissen, Abgrenzung gegen Homo sexualitat bei gleichzeitiger Homoerotik sowie ein konservatives Mannerbild seien deren Kennzeichen. Auf dieser Grundlage untersuchte Blazek Gruppen im antiken Griechenland ebenso wie christliche Bruderschaften, die Hitler-Jugend, Kunstlerge meinschaften, FuGballfans und Skinheads, wobei er einzig zwi schen »Mannerbunden« im engeren Sinne und Gruppen mit einer »Mannerbund-Mentalitat« im weiteren Sinne unterscheidet (vgl. insg. auch Volger 1990). Wir wollen uns aus zwei Grunden von dieser verallgemeinern den Verwendungsweise des Begriffs abgrenzen. Erstens ist der »Mannerbund« eine spezifische, gerade fur den deutschen Raum in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts bedeutsame Form mann lich konzeptionalisierter Gemeinschaft, mit der ganz eigene Vor stellungen und Handlungsideale verbunden waren, die sich nicht auf andere historische Kontexte ubertragen lassen. Der »Manner bund« grundet nicht in scheinbar stabilen kulturanthopologi schen und psychologischen " Grundmustern« . Ohne Frage sind interdisziplinare Anleihen aus anderen Forschungsbereichen sehr erhellend fur viele Einzelfragen, doch kann das eine konsequente Historisierung nicht ersetzen (Sombart 1999; Bruns 2007). Zweitens mochten wir mannliche Sozialitat nicht ausschlieGlich in ihren exklusiven und homosozialen Formen schildern, sondern gerade Bruche und Dbergange markieren, die aus den mannli chen Vergemeinschaftungen heraus oder auch in sie hinein wei sen. Oftmals wird allein der systematische Ausschluss von Frauen aus »Mannerbunden« konstatiert, ohne den Ort und den Stellen wert solcher Gruppen fur ein Gesamtsystem von Geschlechtern und Gesellschaft zu diskutieren, ohne danach zu fragen, welche weiteren Strukturkategorien neben Mannlichkeit und Weiblich keit hier zum Tragen kommen. Und schlieGlich verwischt eine exklusive Perspektive auf derlei Gruppenkonstellationen den pra genden Einfluss von Individualismus und Selbstbestimmung, die
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als handlungsleitende Vorstellungsmuster fur westliche Mann lichkeiten der Moderne immer auch bedeutsam waren. Statt allgemein vom »Mannerbund« zu reden, verwenden wir Homosozialitat hier den Begriff der »Homosozialitat« . !�r;rii'�� fi; ' " < ;i{, ,,; ,�,< :� ; u nter Homosozialitat verstehen " wi r i n Anlebnung an Jean Liprrta h , Blumen (1976: 16) >>th"e seeking, enJoyment, and{9r pref�rence fRr the compiihy of the same' sex« , also;eine »wechselseifige Orientierung der {2001 : i: Ang�hbrigen eines Gesch lechts a n ei'hander« , wie Michael Meuser " i t+ ; 1 3),si::/:1 reibt � . ��., t; ' ; • g � 'llL;:-} i�:/,:';-f":\, -:l: "
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Eine wichtige Bedeutungserweiterung erfuhr »Homosozialitat« durch Eve Kosofsky Sedgwick (1985). Sie etablierte den Begriff des »homosozialen Begehrens« , der soziale wie sexuelle Beziehungen zwischen Personen gleichen Geschlechts bezeichnet. Sedgwicks Gedanken werden heute vor allem in den »Queer Studies« rezi piert, die die erotischen Dimensionen homosozialer Gruppen »gegen den Strich« analysieren wollen (Krass 2003). Homosoziale Gesellungsformen sind in der Forschung als Orte mannlicher Selbstvergewisserung sowie als raumliche wie symbo lische Strukturen zur (Re-)Produktion gesellschaftlicher Hegemo nialitat analysiert worden. Sie grenzen sich gegen ein Au6eres ab bzw. vermitteln Geschlechtsentwurfe nach au6en. Solche Grup pen suggerieren Sicherheit und konnen somit gerade in Zeiten, in denen Geschlechtersysteme prekar werden (oder von bestimmten Teilen so wahrgenommen oder beschrieben werden), eine beson dere Bedeutung erlangen.
Gleichheit, Bruderlichkeit? Mannliche Sozialitat in Logen, Clubs und Vereinen Alkoholkonsum als Stifter einer (wei6en) Arbeiterklassenmann A l kohol lichkeit im Sinne Jack Londons hat in der US-amerikanischen als »Binde Geschichtsschreibung breite Aufmerksamkeit gefunden, auch m ittel"
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wenn die ersten entsprechenden Beitrage nicht aus einer explizit geschlechterhistorischen Sichtweise heraus geschrieben wurden. Gleiches kann man iiber die umfangreiche Literatur zur ameri kanischen Temperenzbewegung des gesamten 19. und friihen 20. Jahrhunderts sagen. Gleichwohl eroffnet diese geschlechter historische Perspektiven, namlich erstens einen Einblick in das offendiche Engagement wei6er Frauen der Mittelklassen als Tra gerinnen dieser Reformbewegung; zweitens wird hier das Bild des verantwortungslosen und oftmals gewalttatigen Ehemanns dis kutiert; und somit drittens in die Debatte urn eine »respektable« Mannlichkeit eingefiihrt, die einer »rauen«, nicht selten mit ras sistischen bzw. fremdenfeindlichen Unterti:inen versehenen Form des Mannseins entgegengestellt wurde (Pegram 1998). Erst in den letzten Jahren sind Studien zum Thema Alkohol erschienen, die sich ausdriicklich in der Geschlechtergeschichte verorten. Hier sei auf die Darstellung von Catherine Gilbert Mur dock (1998) verwiesen, die den Zeitraum von 1870 bis 1940 behan delt, sowie auf Lori Rotskoff (2002) fiir die Zeit nach dem Zwei ten Weltkrieg. Beide schildern den »Aufstieg« des social drinking als neues gesellschafdiches Ideal im Umgang mit Alkohol und die langsame Ablosung von schichtspezifischen und rassistischen Ste reotypen bei der Beurteilung von Trinkern. Sie verweisen dabei auf drei interessante Aspekte: erstens auf die Zunahme des Alko holkonsums von Frauen seit der Prohibition, zweitens auf die an wachsende Bedeutung des Trinkens in den eigenen vier Wanden und drittens auf die Relevanz geschlechdich gepragter Konzepte von Verantwortung und Ma6igung. Rotskoff diskutiert zudem die Entstehungsphase der »Alcoholics Anonymous«. Sie werden hier als Mannergruppe charakterisiert, der bei ihrem Bemiihen, eine respektable Mittelklassenmannlichkeit zuriickzugewinnen, die »Hilfskorps« der Ehefrauen zur Seite standen. Ferner liegen inzwischen einige Einzeluntersuchungen vor, die den Stellenwert des Alkoholkonsums unter Mannern thematisieren und dabei zumeist auch Fragen mannlicher Gewalt ansprechen. Die Kolonialzeit etwa behandelt Sharon Salinger (2002), David Conroy (1995) widmet sich der Rolle des Trinkens wahrend der Amerikanischen Revolution, und Scott Martin (2000) untersucht
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das fruhe Connecticut. Mit Alkoholismus als Form der Devianz beschaftigen sich Angus McLaren (1997) fur die Geschichte des Westens sowie Elaine Parsons (2000) fur den Mittleren Westen. Weitere Untersuchungen verorten mannlich-homosoziales Trin ken in der bereits von Jack London geschilderten Arbeiterkultur (McBee 1999; Powers 1998; Taillon 2002). Massimo Perinelli und Olaf Stieglitz (2005) schlidWch lesen Alkoholbeherrschung in den 1950er Jahren als einen Gradmesser fur die (Re-)Maskulinisierung der USA (und Westdeutschlands) nach 1945. Forschungsdesiderat ist etwa eine Geschichte des Alkoholkonsums unter nicht-weiBen Mannern. Explizit geschlechterhistorische Perspektiven fehlen in den vorliegenden Studien uber das Trinken unter Native Ameri
cans. Die Literatur zur Bedeutung von Alkoholkonsum in homoso zialen Mannergemeinschaften im deutschen Sprachraum ist eher dunn. Ein Beitrag Michael Franks (1998a) uber die »Gefahrdung von Geschlechterrollen« in der Fruhen Neuzeit durch mannliches Trinken zeigt zugleich, wie sehr die Beherrschung des Alkohols als Zeichen wahrer Mannhaftigkeit gedeutet wurde. Andererseits diente der trinkende Gesellschaftsmann im Kontext protestanti scher Ethik als abschreckendes Exemplum. Eine zentrale Figur im Verhaltnis von Mannsein und Soziali- Jung tat ist auch der Junggeselle. Der bachelor auBerhalb familiarer gesellen Kontrolle sorgte bereits im kolonialen Nordamerika fur Unruhe, die sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einer veritablen Hysterie steigerte. Urbane Ubel - wie etwa Prostitution oder Preisboxen - wurden mit junggesellischem Verhalten und weiter mit einer Gefahrdung der Nation in Verbindung gebracht (Kann 1992; Wallach 1997; Chudacoff 1999). Andererseits wurde das Aufkommen einer neuen, jungen, mannlichen Subkultur in den Stadten im fortschreitenden 19. Jahrhundert auch positiv attributiert (Sny. der 1999). Fur das deutsche Burgertum zeigt Barbel Kuhn (2000), dass ledige Manner groBere Spielraume in ihrer Lebensgestaltung hatten als ledige Frauen. Mit der »Erfindung« der Homosexualitat im ausgehenden 19. und vor allem im 20. Jahrhundert wurden allerdings gerade allein stehende Manner jenseits des »besten Heiratsalters« als deviant stigmatisiert (Chauncey 1994; McLaren
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Burschen schaften
Andere Bruder schaften
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1997). Deartige Stigmatisierungen als homosexuell blieben auch in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts wirkmachtig, insbe sondere da die Ehe im Klima des Kalten Krieges zur paradigma tischen Lebensform demokratisch-kapitalistischer Gesellschaften erklart wurde. Okonomische Prosperitat, wachsende Konsum orientierung und beginnende sexuelle Liberalisierung fiihrten indes auch zur Kreation einer alternativen Form weiBer Mittel klassenmannlichkeit, die dem sozial angepassten » (Ehe)Mann im grauen Flanell« positiv entgegengestellt wurde. Aus dem bachelor wurde der playboy (Osgerby 2001). Eng verzahnt mit dem Junggesellensein sind studentische Ge selligkeitsformen. Gerade die deutschen Universitaten und die Burschenschaften, Biercomments und Mensurwesen iibten nicht allein auf deutsche Studenten des 19. Jahrhunderts, sondern auch auf Historiker und Historikerinnen eine enorme Faszination aus. Helmut Blazek (1999: 138-156) etwa arbeitet die Burschenschaften als Prototypen militarisch-politischer Mannlichkeit heraus, die in Deutschland seit Beginn des Kaiserreichs hegemonial wurde. Seine Interpretationen werden in der iibrigen Forschung weitgehend ge teilt (Heither 2000; Schmale 2003: 195-203; Becker 2007). Auch auBerhalb Deutschlands existierten Studentenverbindungen, so etwa in der Schweiz (Blattmann 1998) oder in England (Burke 1990; Levsen 2003). Allen diesen Studien ist gemein, dass sie iiber die Analyse der organisierten Studentenschaft die mannerbiin dischen Qualitaten der jeweils groBeren Institution zu erfassen suchen. Wichtige Erganzungen bieten Beitrage, die Mitglieder jiidischer schlagender Verbindungen thematisieren (Fetheringill Swartout 2003; Riirup 2005). Die Bedeutung von Alkohol fiir studentisches Leben der Jahrhundertwende skizziert Anja Becker (2007). Studentische Verbindungen (fraternities) existieren auch an US-amerikanischen Universitaten und Colleges, ihres unter schiedlichen Charakters wegen werden sie aber zumeist nicht mit einer militarisierten Mannlichkeit in Verbindung gebracht (Horo witz 1988; Carnes 1989). Bruderschaften wurden aber nicht allein an Universitaten eta bliert, sondern florierten gerade im 19. Jahrhundert auch andern orts als exklusive Klubs einer weiBen Elite, in denen Mannlichkeit
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zwischen Arbeits- und Geschaftswelt einerseits und Hauslichkeit und Eheleben andererseits verhandelt wurde. Gruppen wie etwa die Freimaurer oder der »Benevolent and Protective Order of Elks«, urn ein wichtiges Beispiel aus den USA anzufuhren, schlos sen bewusst nicht allein Frauen aus, sondern forcierten daruber hinaus auch eine exklusiv wei£�e und betont klassenbewusste Bruderschaft. Diese basierte vor allem auf gegenseitiger Loyalitat und ausgepragten Ritualformen, insbesondere auf der Initiation (Carnes 1989; Foster 2003). Auch vergleichbare Organisationen afroamerikanischer Manner sind in letzter Zeit in den Blick der Forschung geraten, die im 20. Jahrhundert zur Forcierung des Selbstbewusstseins einer schwarzen Mittelklasse beitrugen (Sum mers 2004). Seit Gisela Volgers und Karin von Welcks (1990) einschagigem Band uber Miinnerbiinde - Miinnerbande sind eine ganze Reihe weiterer thematisch verwandter Beitrage publiziert worden (Hoff mann 2000). Logen werden als Erfahrungsraume mannlicher Identitat prasentiert, in denen Geselligkeit, Bruderlichkeit und Mannlichkeit zentral sind. Zudem war Logenmitgliedschaft ganz wesentlich als Teil eines ausdrucklich burgerlichen Verstandnisses des Mannseins gedacht. Gerade fur das ausgehende 19. Jahrhun dert hat Martina Kessel (2003) die stabilisierende Funktion sol cher und anderer homosozialer Gruppen in einer sich wandelnden Geschlechterordnung betont. Nicht selten werden das Auftreten und die Verhaltensweisen solcher Geheimbunde und Logen herangezogen, urn auch den Mechanismen unterburgerlicher klandestiner Mannergruppen auf die Spur zu kommen. Die Parallelitat etwa in Nomenklatur und Geheimritualen zwischen Logen und solchen Gruppen wie dem Ku Klux Klan ist schon haufiger betont und auf dessen Be deutung fur die exklusive Formierung einer »White Southern Manhood« hingewiesen worden (MacLean 1994). Von besonderer Bedeutung waren dabei nicht zuletzt Vorstel- Ehre lungen von mannlicher Ehre und ihrer Verteidigung, die vor allem im Suden der Vereinigten Staaten vor dem Burgerkrieg das soziale Handeln mitpragten (Greenberg 1996; Friend 2004). Manner des Sudens sollten bereit sein, ihre durch Gewalt definierte Ehre im
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Banden und »Ha lb starke«
Gangster
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Faustkampf oder im Duell aufrecht zu halten (Gorn 1985). Insge samt ist die Auseinandersetzung mit mannlichen Ehrvorstellungen breit gefiihrt worden (Frevert 1991a, 1995; Roper 1992). Ute Frevert betont dabei gerade die Wechselverhaltnisse zwischen mannli chen und weiblichen Ehrkonzepten im deutschen Burgertum des 19. Jahrhunderts, ihre Unterschiede und Beriihrungspunkte. Sie lotet mithin deren geschlechterhistorisch relationale Dimension aus, denn obwohl, wie Frevert feststellt, »sieh fast alles, was im 19. Jahrhundert iiber Ehre gesprochen oder geschrieben wurde, implizit oder explizit auf Manner bezog, wurde weibliche Ehre immer mitgedacht« (Frevert 1995: 168). Auch historische Studien iiber Bandenmitglieder nehmen nicht selten Ehrkonzepte als Ausgangspunkt. Unter Banden wer den so unterschiedliche Phanomene wie Jungs an StraBenecken einerseits oder komplexe Gruppen von Wirtschaftskriminellen andererseits gefasst. Dabei sind Banden als Struktur konzipiert, innerhalb derer Manner Ausgrenzungen und mangelnde soziale Chancen durch eine spezifisch mannlich-aggressive Identitat zu kompensieren versuchen. Zu Jugendbanden liegen inzwischen einige geschlechterhistorische Arbeiten vor, die nieht allein die Sieht von Sozialreformern und Padagogen prasentieren (Davies 1998 fur GroBbritannien). Vor all em die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sind gut erarbeitet - besonders fur junge Manner mit migrantischem bzw. nichtweiBem Hintergrund (Schneider 1999; Adamson 2000; Knupfer 2001). Dariiber hinaus liegen Untersu chungen vor, die sieh den mannlichen juvenile delinquents und ihrer Reprasentation in der Popularkultur widmen (Gilbert 1986; Cohan 1997). Auch deren deutsches Pendant, die »Halbstarken«, hat ein reges historiographisches Interesse auf sich gezogen (Poi ger 2000). Dabei fallen zwei Elemente im Verhalten dieser jungen Manner besonders ins Auge, namlich die (modifizierte) Adaption medial vermittelter amerikanischer Vorbilder sowie eine sprach liche wie korperliche Abkehr von »traditionellen« mannlichen Er scheinungsformen: Nieht mehr »zackig«, sondern lassig wollten die »Halbstarken« sein (Maase 1999; Kurme 2006). Daruber hinaus ist die dichte und nachhaltige Prasenz des So zialtyps »Gangstef« in den US-Medien seit den 1920er Jahren
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umfassend untersucht worden. Dabei wurde danach gefragt, inwieweit die Darstellungen von »Erfolg« und »Aufstieg« eines Gangsters fiir andere Geschlechtermodelle anschlussfahig waren, wie also mit Hilfe des urbanen, aggressiven, mobilen Verbrechers Konventionen eines mannlichen M ittelklasseideals »modernisiert« wurden. Ein wichtiger Punkt ist auch, wie ethnisch und »rassisch« different konzipierte Mannlichkeiten immer wieder in ein Ver haltnis zu hegemonialen Entwiirfen gebracht wurden. Da waren etwa der »Italian American« oder der »Black Gangster« zu nennen (Munby 1999; Stieglitz 2007). Ein Forschungsiiberblick iiber homosoziale Gruppen ware Jugend nicht komplett ohne den Hinweis auf Jugendorganisationen wie gruppen etwa die »Young Men's Christian Association« (YMCA) oder die »Boy Scouts«, die sich seit der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts die Sozialisation mannlicher Jugendlicher auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Eine intensive Auseinandersetzung mit solchen Institutionen gehort seit ihren Anfangen zu den wichtigsten Themen der US-Mannlichkeitengeschichte (Hantover 1980; Rotundo 1990), auf die entsprechenden deutschen Organisationen wollen wir spater gesondert eingehen. In der US-Geschichte ist ihr Entstehen zumeist innerhalb des Krisenszenarios weiBer Mit telklassemanner thematisiert worden; YMCA oder »Boy Scouts« interpretierte man dabei als Gruppen, die durch Vermittlung von Patriotismus, Charakterstarke sowie physischer Fitness einer angeblich zunehmenden Effeminierung biirgerlicher Manner ent gegenwirken sollten. Dabei haben sich Korperlichkeit in Form sportlicher Betatigung und ein christlich-protestantischer Wertehorizont als besonders bedeutsam erwiesen. Mit dieser muscular christianity beschaftigt sich die Arbeit Clifford Putneys (2001), die die Geschichte mannlicher Sozialitat in Sport und religiosem Leben herausarbeitet. Olaf Stieglitz (1999) hat zeigen konnen, inwieweit soIche etablierten Muster in der Weltwirtschaftskrise in anderen institutionellen Zusammenhangen und im Hinblick auf ein unterbiirgerliches Klientel aktualisiert werden konnten. In der von ihm betrachteten ArbeitsbeschaffungsmaBnahme " Civilian Conservation Corps« verbanden sich die Ideale der biirger lich-protestantischen Jugendorganisationen mit militarischem
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Sport
Religions gemein schaft
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Kameradschaftsgedanken und dem social management der Zwi schenkriegsjahre, urn eine sowohl okonomisch wie moralisch als bedroht angesehene Generation junger Manner entlang eines spe zifisch geschlechtlichen Verstandnisses von Staatsburgerschaft zu sozialisieren. Einen Meilenstein in der Diskussion von Sport und seiner Be deutung fiir Manner der heterogenen Arbeiterklasse hat Elliott Gorn schon 1986 vorgelegt. Die Attraktivitat unterburgerlicher Korperlichkeit fur eine sich in einer »Krise« wahnende Mittel klasse sprechen Stephen Riess (1991) und Gail Bederman (1995) an, wobei Letztere auch die rassistischen Grundmuster der neu entdeckten Sportbegeisterung urn 1900 aufdeckt. Generell hat die Ausbildung neuer Korperideale in der Mittelklasse, welche das beinahe korperlos anmutende hegemoniale Konzept viktoriani scher Mannlichkeit langsam ersetzte, besonderes Augenmerk er halten (Kasson 2001; Poole 2007). In diese Richtung weisen auch die Arbeiten Maren Mohrings (2004), die sich mit der deutschen Nacktkulturbewegung des fruhen 20. Jahrhunderts auseinander gesetzt hat. Mohring zeigt, dass geschlechtlich codierte Korperpraktiken dieser Gruppen vor allem normalisierend wirkten und nicht zuletzt das individuell oder gemeinsam praktizierte Bodybuilding eben auch ein Nation building sein sollte. Andere historische Studien zu Sport und ho mosozialer Mannlichkeit sind noch rar, hier dominieren soziolo gische und padagogische Untersuchungen die Diskussionen. Eine Ausnahme stellen allerdings geschlechterhistorische Studien zur deutschen Turnerbewegung als homosoziale »Turnbruderschaft« und maskuline Utopie dar (McMillan 1996). Svenja Goltermann (1998) leitet den Mannlichkeitsbegriff der Turner aus aufeinan der bezogenen Konzepten von Wehrhaftigkeit, Sittlichkeit und nationaler Eintracht her. Turner, deutsche Nationswerdung und Ideen vom » mannlichen Staat« werden als aufeinander bezogen vorgefiihrt. Auch wenn religiose Gemeinschaften in der Forschung zur deutschen Geschichte bereits vereinzelt als homosoziale Gruppen beschrieben wurden, so steht doch eine intensivere Auseinander setzung mit einem denkbaren Zusammenhang von Religiositat
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und Mannergruppen noch aus, zumal wenn man nach denjenigen Mannern fragt, die nicht zugleich kirchliche Amts- oder Wiirden trager waren. Fiir die US-Geschichte liegen entsprechende Studien fiir das friihe I9. Jahrhundert (Dorsey 2002) ebenso wie fiir die protestantisch-sozialreformerische socialgospel-Bewegung des aus gehenden Viktorianismus vor (Bederman I989; Curtis I990; vgl. auch Ownby I990 fiir den Siiden). Die Texte zeigen insgesamt, inwieweit die Wahrnehmung eines scheinbaren Einflussverlusts von Mannern gegeniiber Frauen zu gesteigertem Engagement in religiosen Gruppen fiihrte.
Militar, mannliche Homosozialitat und Kameradschaft Die »friedfertige Frau« und der »kriegerische Mann«, Venus ver sus Mars - kaum ein anderes Gegensatzpaar hat wirkungsmach tiger zur Verfestigung der Vorstellung einer >>natiirlichen« Zwei geschlechtlichkeit beigetragen. Alle internationalen Diskussionen urn die Integration von Frauen in Freiwilligen- oder Wehrpflicht armeen hin oder her, die militarische Sphare gilt gemeinhin noch heute als » Mannersache«, kaum eine andere verbindet sich starker mit einer als maskulin assoziierten Sprache und Symbolik. Dies hat seinen Niederschlag auch in der Geschichtswissenschaft ge funden, wo die Militargeschichte bis vor nicht allzu langer Zeit in doppeltem Sinne » Mannersache« war: Geschichte von Man nern iiber Manner, und dies, ohne Aspekte des Geschlechts dabei in Betracht zu ziehen (Hagemann I998). Die >>neue Mili targeschichte« war seit einiger Zeit recht produktiv (Nowosadtko 2002), und wir wollen unser Augenmerk ausdriicklich auf das Zu sammenspiel von Mannlichkeit und Militar und dabei vor allem auf die soldatischen Formen homosozialer Vergemeinschaftung legen. Soldatische » Kameradschaft« als eingefordertes Ideal wie gelebte und durchlittene Erfahrung sind in der Forschungslitera tur ausfiihrlich behandelt worden. Dariiber hinaus wird zu fra gen sein, inwiefern Vorstellungen eines » mannerbiindischen« Sol-
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50ldat5ein in der Fruhen Neuzeit
»5chule der Nation«
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datenlebens auch dann relevant waren, wenn man sich im Frieden wahnte - inwieweit also soldatisches Kameradschaftsdenken eine Briicke zwischen Militar und Zivilgesellschaft beschreibt. Werfen wir zunachst einen Blick aufdie Forschung zur deutschen und kontinentaleuropaischen Geschichte. Fiir die Friihe Neuzeit hat sich spatestens seit den Beitragen Barton Hackers (1981) die Erkenntnis durchgesetzt, dass Soldaten keineswegs in einem ho mosozialen Umfeld gelebt und gekampft haben, Militar und Sol datentum also keineswegs exklusiv mannliche Raume waren (Si kora 2003). Soldaten waren vielmehr Teil einer mehr oder weniger grogen »beweglichen Stadt« aus mitreisendem Gefolge, das fiir Versorgung und Aufrechterhaltung ihrer Kampff'ahigkeit wichtig war (Kroener 1998). 1m Verlauf des 18. Jahrhunderts verscharften die Militarleitungen die Bemiihungen, Frauen aus dem Einfluss bereich des Militars auszublenden, doch blieben die Erfolge eher bescheiden. Das zeigt sich beispielsweise an den friihneuzeitlichen Kasernenbauten, die ebenfalls noch keine Orte einer separierten Mannlichkeit waren, sondern gerade auch der Unterbringung von Soldatenfamilien dienten (Nowosadtko 1998). All dies begann sich erst ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert zu wandeln. Die kriegerische Phase der Nationenbildung ging mit der Etablierung einer veranderten Militarordnung einher, die in kaum zu unterschatzendem Mage Einfluss auf die Geschlechter beziehungen nahm (Frevert 1996; Dudink 2004). Kriege wurden nunmehr als Nationalkriege auf Basis einer breiten Mobilma chung gefiihrt. Die Einfiihrung einer allgemeinen Wehrpflicht, zumindest in Kriegszeiten, sorgte dafiir, dass mehr Manner aus unterschiedlichen sozialen Schichten Dienst an der Waffe taten. Die Rhetoriken von »Nation« und »Vaterland« verbanden sich mit geschlechtlich aufgeladenen Vorstellungen von »Beschiitzern« und »Beschiitzten« , von »Opfern« und »Helden« . Biirgerrechte waren in den neuen Nationen zumeist an den Waffendienst ge koppelt, der nun zu einer exklusiv-mannlichen Angelegenheit wurde. Damit ging der Ausschluss von Frauen aus dem Bereich des Militarischen wie eben auch des Politis chen einher. Deren Rollen und Aufgaben zur Aufrechterhaltung bzw. Wehrfahigkeit der Nationen wurden nun neu und umfassend definiert (Frevert
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2000; Hagemann 2002a). Die Armeen wurden zu »Schulen der Nation« und gleichzeitig zu »Schulen der Mannlichkeit«, in denen Frauen kein Platz zukam (Frevert 2001; Prove 1998). Das alte Ge folge wurde nun als dysfunktional zur Steigerung von Disziplin und Kampfkraft erachtet, stattdessen war eine strikte Trennung von Militar und Zivilgesellschaft angestrebt. 1m nun zunehmend mannlich-homosozialen Militar avancierte Kamerad »Kameradschaft« zu einem zentralen Element. Hinter diesem schaft Begriff verbirgt sich ein vielschichtiges und bisweilen wider spruchliches System von Normen, Verhaltensstandards und Um gangsstilen (Kuhne 2006). In der Militarsoziologie wurde und wird »Kameradschaft« als Zusammengehorigkeitsgefiihl kleiner, personlich kommunizierender Einheiten beschrieben, das als entscheidende Grundlage fur Moral und Effizienz gilt. Mit dieser nuchtern-sozialwissenschaftlichen Definition lasst sich der vielschichtige Komplex allerdings kaum erfassen. Gerade da das Militar als nationale »Schule der Mannlichkeit« fungieren sollte, nahm das Kameradschaftsideal eine enorme Bedeutung an. Dies gilt nicht allein in Kriegszeiten, denn schlieBlich ist schon die Stu bengemeinschaft eines Wehrpflichtigen als die kameradschaftliche Primargruppe, als Lebens- wie Arbeitsgemeinschaft anzusehen. Thomas Kiihne zieht in seinen Texten sowohl normative Quellen wie Ego-Dokumente heran, urn sich der Komplexitat des Begriffs zu nahern. Er unterscheidet zunachst zwischen »weichen« und »harten« Konnotationen von Kameradschaft - wobei die Bedeutungsinhalte sowohl in chronologischer als auch geographischer Hinsicht changieren. Zum Teil gilt Kameradschaft als praktisch gelebte Solidaritat unter Gleichrangigen, die Drill und Disziplin von Vorgesetzten sowie die Konfrontation mit Gewalt im Krieg ertraglich machte; Kameradschaft in diesem »weichen« Verstandnis konstituiert die Einheit gleichsam als Ersatzfamilie. Dem standen (und stehen) allerdings Bedeutungsinhalte gegeniiber, die Kameradschaftsideal und -erfahrung innerhalb einer » totalen Institution« wie dem M ilitar instrumentell einsetzten und repressiv ausgestalteten. Hier sind unbedingter Konformitatsdruck, Ausgrenzung, Entindividualisierung und Gruppenhaftung zu nennen.
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Schon Klaus Theweleit (1977/78) hat zeigen konnen, dass eine Trennung dieser beiden Bedeutungsebenen von Kameradschaft fur die deutsche Geschichte der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts keinen Sinn macht. Vielmehr war es eben die wechselseitige Be zogenheit dieser Ebenen aufeinander, welche die sozialen, psycho logischen und kulturellen Aspekte hegemonialer Mannlichkeit in diesem Zeitraum pragte. Daran hat die jungere Forschung an geschlossen. Sie hat insbesondere herausgearbeitet, wie zentral der Erste Weltkrieg fur die Ausbildung eines heroisch-martialischen Mannlichkeitsideals war, welches Soldaten zum Inbegriff deut scher Mannlichkeit werden lid� - ein Ideal, das schlieglich den Nationalsozialismus mit Vemichtungskrieg und Shoah begleitete. Die Schutzengrabenkameradschaft in Belgien und Nordfrank reich und ihr Niederschlag in Ego-Dokumenten und Literatur der Zwischenkriegsjahre ist nicht nur fur Deutschland mehrfach his toriographisch thematisiert worden (Kundrus 2002) . Dort wurde sie freilich bereits im Umfeld der »Konservativen Revolution« massiv ideologisch aufgebaut und zur »Leitidee eines antiplura listischen Gesellschaftsmodells und der geschlechterpolitischen Restauration ausgebildet« (Kuhne 1996: 510). Mit welchem Ge waltpotenzial dies einhergehen konnte, hat Sven Reichardt (2002) in seiner vergleichenden Studie zu faschistischen Kampfbunden veranschaulichen konnen. Offiziere Will man die Gesamtheit des Militars in den Blick nehmen, so mussen diese Forschungen zum soldatischen Kameradschafts ideal erweitert werden. Eine andere bedeutsame Form mannlicher Gruppenkohasion in Armeen ist der Korpsgeist, der in erster Linie das Selbstbewusstsein und die homosozialen Artikulationsformen der Offiziersrange zum Ausdruck bringt. Diese rekrutierten sich in Deutschland und anderen Landem traditionell aus dem Adel und spater auch aus dem Burgertum, womit spezifische Mann lichkeitsentwurfe eben auch die Hierarchie der Armeen struktu rierten, bis diese im Verlauf des 20. Jahrhunderts durchlassiger wurden. Die Kadettenanstalt war derjenige Ort, an dem junge Manner zu Offizieren und somit zu »echten« Mannem ausgebil det wurden (Theweleit 1977/78, Bd. 2: 167-183). Doch schon im Kaiserreich war die Fassade des Offiziers als
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tugendhaftem, edelmiitigem, diszipliniertem und heldenhaftem deutschen » Idealmann« briichig. Zunehmende Spezialisierung und Rationalisierung des modernen Militars lid�en alte Vorstel lungen eines >>llatiirlichen« Fiihrungsanspruchs verblassen und mehr und mehr dysfunktional werden. Das Offizierskorps erfuhr Effeminierungszuschreibungen von augen und eine >Nerhartung« nach innen. Biirgerliche Mitglieder wurden nun integriert, was eine Neubewertung dessen mit sich brachte, was als mannlich zu gelten habe. Damit lieg auch die Strahlkraft des Offiziers in die Gesellschaft hinein nach, die gleichwohl bereits im 19. Jahr hundert ambivalent war (Funck 2008). Dennoch schienen Offi ziere pradestiniert, als Kriegshelden herzuhalten. Deren Leben und Kampfe liegen sich wiederum zur Aufrechterhaltung mili tarischer Gruppenkohasion instrumentalisieren (Schilling 2002; Schiiler-Springorum 2002). Der Diskurs vom Kriegshelden ist eng mit demjenigen vom Kriegs Kriegsopfer verbunden. Die Rolle von Invaliden in den Armeen opfer selbst sowie in den Nachkriegsgesellschaften ist bereits haufiger unter geschlechterhistorischen Pramissen fur verschiedene Kriege des 20. Jahrhunderts beleuchtet worden (Lengwiler I998; Goltermann 1999, 2000; Kienitz 2001, 2002). Blicken wir zum Abschluss dieses Abschnitts noch etwas genauer auf die entsprechende Forschung zur US-Geschichte, so ist eine deutliche Verschiebung von inhaltlichen Schwerpunkten zu kons tatieren. So fehlen etwa Eintrage zu Kameradschaft oder Korps geist in den jetzt vorliegenden Enzyklopadien zur Geschichte der Mannlichkeiten in den Vereinigten Staaten, nicht einmal » Soldier« findet sich als Stichwort. Manner als Krieger bzw. Soldaten dienen zwar haufig als zentrale Elemente in den Konstruktionsprozessen mannlicher Identitat, Homosozialitat als Analysekategorie spielte dabei allerdings bislang nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen ist es die spezifisch diskursive Aufladung des Soldatischen in Zu sammenhang mit Vorstellungen vom Mann als Beschiitzer und Er nahrer, die hier immer wieder thematisiert worden ist und entlang der Strukturkategorien » race« und »class« deutlicher differenziert wurde. Militardienst als Initiationsphase zu vollgiiltiger Staatsbiir gerschaft avancierte so zu einem dominanten Forschungsfeld.
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Ausnahmen bestatigen Freilich die Regel. So hat die schier unuberblickbare Literatur zum Amerikanischen Burgerkrieg durchaus auch die Rolle von mannlichem Zusammengehorig keitsgefuhl zur Starkung der Kampfkraft auf beiden Seiten he rausgestellt (Weitz 1998; Finzsch 200I/Hampf). Daruber hinaus bilden Studien zum Zweiten Weltkrieg einen Schwerpunkt. In ihrer korperhistorischen Betrachtung amerikanischer Soldaten kann Christina Jarvis (2004) zeigen, wie sehr sich an den mann lichen Soldatenkorper in diesen Jahren Begriffe sowohl von Ka meradschaft als auch von Gemeinschaft anhefteten. Ferner ist die mediale Darstellung kameradschaftlicher Mannlichkeit, vor allem in Hollywood-Filmen, untersucht worden (Doherty 1993; Fenske 2008). Auch die Kriegsheimkehrer- und Versehrtenproble matiken fanden Beachtung (Jeffords 1989; Michel 1992; Gerber 1994). Bernd Greiner (2003) widmete sich vor dem Hintergrund geschlechterhistorischer Dberlegungen dem veranderten Typus des »Dschungelkriegers« im Vietnamkrieg. Gerade dieser letzte Aspekt ist auch fur die Forschung in GroBbritannien zu einem Angelpunkt geworden. Joanne Bourkes (1996) Arbeit uber Man ner wahrend und nach dem Ersten Weltkrieg ist exemplarisch fur weitere Forschungen.
Individualitat versus Gemeinschaft? Staats- und Politikvorstellungen in der Mannlichkeitengeschichte Das Politische sowie der Staat und seine Institutionen sind in der traditionellen Ideengeschichte lange nicht als geschlechtlich struk turiert analysiert worden, wodurch de facto der Ausschluss von Frauen aus diesem Feld ausgeblendet und Mannlichkeit als das Universelle und Allgemeine auBerhalb des Betrachtungsrahmens gesetzt wurden. In der Politik »begegneten sich der dominan ten Vorstellung zufolge gleichberechtigte, vernunftgesteuerte, zu freiem Willen und autonomen Entscheidungen befahigte - ergo: mannliche - Subjekte« (Boukrif 2002: 2). Die feministische Poli-
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tikwissenschaft hat dieser Engfuhrung seit langem widerspro chen. Sie hat eigene Modelle des politischen Raums entworfen, die heute den alten Konzepten entgegenstehen, und namentlich die Maxime des Feminismus, nach der auch das Private politisch sei, zu einem Angelpunkt ihrer Analysen gemacht (Appelt 19941 Neyer). Unter historischen Fragestellungen hat die Frauengeschichte Mann seit ihren Anfangen den Ausschluss von Frauen aus dem Politi Iicher schen sowie dessen mannliche Pragung thematisiert. Doch in Staat zwischen werden Begriffe wie der Staat, das Politische, die Na tion und die Staatsburgerschaft in einer Weise diskutiert, welche die »Geschlechtergeschichte des Politischen« enorm erweitert hat (Canning 2002/Rose). Die Grundierung der Staats- und Politik vorstellungen in mannlichen Rhetoriken und Konzepten wird nun nicht mehr nur aufgedeckt und kritisiert, sondern es wird der »EinfluB von Geschlechterbildern im Sinne gedachter Ord nungen fur kollektive Einheiten systematisch« analysiert (Boukrif 2002: 4). In diesem Sinne werden Ideen vom mannlichen Staat und seinen Mechanismen, die einerseits in den Politikdiskursen omniprasent, andererseits jedoch unsichtbar zu sein schienen, ein gehenden Analysen unterzogen (Kuhne 1998). Damit ruckt inhaltlich zunachst und vor aHem das Zeitalter der demokratischen Revolutionen und der Nationalstaatenbil dung in den Fokus der Betrachtungen. Die Burger- und Men schenrechte, welche diese Prozesse seit der Franzosischen Revolu tion als universeHes Versprechen begleiteten, entpuppten sich als mannliches Projekt. Darin waren es vor allem die Vorstellungen vom Staatsburger, die in ihrem chronologischen Wandel und, in jungster Zeit, in ihrer geographischen Vielfalt beleuchtet wur den. Dabei kam der Verknupfung von Wehrdienst und staats burgerlichem Status eine immense Bedeutung zu. Die »Schule der Mannlichkeit« war eben auch eine " Schule der Nation«, an die Pflicht zum Militardienst waren die Rechte der Staatsburger schaft gekoppelt, die auf zunehmend breitere Teile der mannli chen Bevolkerung ausgedehnt wurden (Frevert 2001; Hagemann 2002a). Die wichtige international vergleichende Perspektive auf Staats-
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biirgerkonzepte ist in letzter Zeit forciert worden. Dabei zeigte sich unter anderem, wie und mit welchen nationalen Eigenheiten das so universell anmutende Ideal yom tugendhaft-republikanischen Staatsbiirger verankert wurde. Es war in vielen Staaten bedeut sam, etablierte sich jedoch unterschiedlich und blieb stets in die spezifischen politischen Kulturen verwoben. In dies em Zusam menhang sind auch die imperialistischen Dimensionen des Na tionsbildungsprozesses verstarkt thematisiert worden. Die Identi fizierung und Ausgrenzung des kolonialen Anderen reproduzierte eben auch differente Mannlichkeiten, die - wenn iiberhaupt - in ganz unterschiedlicher Weise in den staatsbiirgerlichen Rang er hoben wurden (Dudink 2004/Hagemann/Tosh). Mit Blick auf die deutsche Kolonialgeschichte ist festzuhalten, Wei�er Staat dass schwarzen Deutschen aus Siidwestafrika die Biirgerrechte verweigert wurden. Bemerkenswert ist augerdem, dass sie selber im Kampf urn diese Rechte und gegen die Klassifizierung als »Eingeborene« oder »Schwarze« bisweilen damit argumentierten, an militiirischen Operationen gegen afrikanische Aufstandische teilgehabt und sich so das Biirgerrecht erstritten zu haben (EI Tayeb 2001: 104; Mag 2006). Solcherart rassistisch strukturierte Ausschliisse existierten auch in anderen Zusammenhangen. So zeigen etwa die Geschichten jiidischer Soldaten in Deutschland oder afroamerikanischer Sol daten in den Vereinigten Staaten, wie eng Rassenkonzepte, die An erkennung vollwertiger Biirgerrechte und Entwiirfe militarischer Mannlichkeit ineinander verschrankt waren. »Echtes« Mannsein, Kampffahigkeit und biirgerliche Anerkennung waren untrennbar aneinander gekoppelt, weshalb beispielsweise in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem im Siiden vielen schwarzen Soldaten die Anerkennung ihres Veteranenstatus mit all seinen gesellschaftlichen Vorteilen verweigert wurde (Onkst 1998). Be merkenswert ist auch, dass sich diese Koppelung von Mann-, Soldat- und Biirgersein nicht nur in der Fremd-, sondern auch in der Selbstwahrnehmung artikulierte. Briefe aus der Zeit des Ersten Weltkrieges lassen erkennen, wie sehr jiidische Frontsolda ten die Kriegsgefahr gesucht haben, urn nicht nur ihr Mannsein, sondern auch ihr Deutschsein zu beweisen und die Anerkennung
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ihrer " Kameraden« zu gewinnen (Caplan 2000; vgl. Quelle 6 im � U Internet). Ahnlich beschrieben ehemalige Sklaven in den USA das Gewehr und die Uniform, die manche von ihnen im Zuge des Biirgerkrieges anlegten, als Insignien ihrer Mannwerdung (Cullen 1999)· Hier zeigt sich in aller Klarheit die Bedeutung, die dem Militar als Stifter vollgiiltiger, mit allen Rechten ausgestatteter Mitglied schaft im Gemeinwesen zugesprochen wurde. In den USA setzte sich die enge Verbindung des Kampfes urn die Biirgerrechte mit dem Kampf urn das Mannsein bis zur afroamerikanischen Biir gerrechtsbewegung fort (Estes 2005). Sie fand eine ihrer deutlichs ten Artikulationen sicherlich in dem machismo, den viele Mitglie der der »Black Panther Party« zur Schau stellten und der nicht zuletzt an die Bereitschaft zum bewaffneten Kampf gebunden war (Finzsch 1999; Wendt 2oo7a, 2007b). Verweilen wir noch einen Moment in den USA und bei ge- Republi schlechtlich grundierten Staatsbiirgerkonzepten, wenden unse- kaner ren Blick aber in eine andere Richtung. Neben konzeptionellen Entwiirfen zum Thema Staatsbiirgerschaft und Geschlecht (Boris 19% Kerber 1997) sind vor allem die entsprechenden Implikationen des amerikanischen Republikanismus in und nach der Revo lutionszeit eingehend beleuchtet worden. Hier dominierte lange die Auseinandersetzung mit dem republikanischen Frauenideal (Kerber 1980). Zudem ist aber zunehmend in den Blick geraten, wie die »Griindervater« der USA eine Nation »freier und gleicher Mannen< konzipierten. Allerdings schien ihnen diese »Republic of Men« standig durch soIehe Manner bedroht, von denen es hieB, dass sie den Anspriichen einer liberalen Gesellschaft nicht gewachsen seien und man ihnen das Gedeihen und Wohlergehen des neuen Staates nicht anvertrauen konne. Hierarchien zwischen Frauen und Mannern sowie Mannern und Mannern wurden folglich etabliert (Kann 1992, 1998; Martschukat 2007b). Diese Beitrage schlieBen unmittelbar an andere Themenfelder der Forschung an, so an die Diskussionen iiber Familienvater vs. bachelorhood, an die Analyse von Strategien zur Hegemonialisie rung »tespektablen< Mannlichkeit gegeniiber »rauen< Mannlich keit, an Forschungen zu Alkohol, Arbeit und Armut. Sie zeigen, -
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wie eng ein erfolgreiches »Mannsein« an den Erfolg der neuen Gesellschaftsordnung gekoppelt war, und als solehe stellen sie eine elementare Erweiterung fur das Verstandnis des Republikanismus in der US-Geschichte dar. Andere Untersuchungen haben diese geschlechterhistorische Perspektive auf Revolution, Republikanis mus und liberale Gesellschaftsordnung bereichert (Norton 1996; Nelson 1998). Sie zeigen, wie im Zuge der Amerikanischen Revo lution und der Folgezeit aus lokalen und regionalen Identitaten die inklusive wie zugleich exklusive Idee einer nationalen Bruder schaft weiBer Manner erwuchs, die sich Einheit und Fortschritt des neuen Gemeinwesens auf ihre Fahnen schrieb. Zudem hat diese fraternalistische Idee wirksam das Management des »Ande ren«, Nicht-WeiBen und Nicht-Mannlichen betrieben und derart Zugange zu soziookonomischem Aufstieg wie politischen Rech ten kanalisiert. Betrachtungen zur geschlechtlichen Dimension von Staats Staat und Manner burgerschaft und zur mann lichen Fundierung von Gemeinwesen bund liegen nun auch fur jungere Epochen der Geschichte vor. Dabei tritt erneut die Periode der Weltkriege als weitere wichtige Zasur in den Blick der internationalen Forschung. Fur die deutsche Ge schichte kommt dem Mannerbunddiskurs der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts eine herausragende Stellung zu. In ihm wurde die homosoziale Mannergemeinschaft jenseits verwandtschaftli cher Verhaltnisse zur Keimzelle des Staates und zum gesellschaft lichen Idealtypus erklart, der sich explizit gegen Moderne, Demo kratie und eine weiblich konnotierte »Masse« wandte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Mannerbund als »MotOf« und Trager jedes gesellschaftlichen Fortschrittes entwor fen. Der ethnologische und somit kolonialistische Bezugspunkt ist fur die nachhaltige Verbreitung dieses Denkens von groBer Bedeutung, Rituale und kollektiv empfundener Rausch verliehen den Mannerbunden angeblich Dynamik, hieB es unter den Zeit genossen. 1m deutschen Kaiserreich, im Unterschied zu vergleich baren Diskussionen im ubrigen Europa, verknupften sich diese Ansichten mit antimodernistischen, antifeministischen sowie antis emitischen Vorstellungen, und es hieB, der im Initiationsri tual entstandene Mannerbund konstituierte sich in dieser Lesart
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als politisches Bundnis in bewusster Abkehr von der irrationalen Masse. 1m Ersten Weltkrieg vollzog sich eine enge Anbindung an mi litaristische Mannlichkeitsentwurfe und an das soldatische Ka meradschaftsideal. Diese Verknupfung machte den »Mannerbund spatestens seit 1918 zu einem diskursiven und sozialpolitischen Bollwerk gegen die Modernisierung und die moderne >gemischte< Gesellschaft« (Brunotte 2004: 13; Bruns 2007). Grundlegend fur die historiographische Beschaftigung mit dem deutschen Mannerbunddiskurs sind die bereits angefuhrten Bei trage von Gisela Volger und Karin von Weick (1990) einerseits und Helmut Blazeks (1999) andererseits. Beide Arbeiten jedoch vermitteln insgesamt den Eindruck, als seien die bundischen Kon zeptionen des fruhen 20. Jahrhunderts ubergreifend und inter kulturell zu testen. Blazek seinerseits hielte es sogar fur »falsch, die Forschungen Heinrich Schurtz' als unwissenschaftlich und frauenfeindlich einfach abzutun« (19). »Mannerbunde« erschei nen uberhistorisch und transkulturell beschreibbar. 1m Gegensatz dazu hat Claudia Bruns (2007) unlangst herausgearbeitet, wie sehr diese Vorstellung eines zeit- und raumunabhangigen Kon zepts vom »Mannerbund« selbst Teil jenes Diskurses war, der sich im fruhen 20. Jahrhundert verfestigte. Schauen wir die verschiedenen Wirkfelder des Mannerbunddis kurses an, so zeigte er sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg in der Jugendbewegung (Reulecke 2001), deren Leitbilder er deut lich pragte. In jungster Zeit ruckte die Person Hans Bluhers in das Blickfeld der Forschung. Er gilt als einer der wesentlichen Theoretiker und Popularisierer des Mannerbundes und pragte die Wandervogelbewegung. Bluhers Schriften, so zeigen besonders die Arbeiten von Claudia Bruns (2007), bilden eine Schnittstelle von maskulinistischer Homosexuellen- und Jugendbewegung, Sexualwissenschaften, Mannlichkeitsdiskursivierung und Anti feminismus. Ein so konzipierter Mannerbund vermochte den Individualismus der Jugendbewegung mit einer Affirmation von Gemeinschaft zu koppeln, die mannlich und national gedacht war und den Ausschluss von Frauen und judischen Menschen aus diesem Bund forderte. Interessant ist in diesem Zusammenhang,
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dass Bliiher die Vorstellungen einer Gemeinschaft grundierender, iiberlegener Mannlichkeit an Homosexualitat band (Brunotte 2004; Bruns 2008). Dies vermag auch der folgende Quellenaus schnitt zu dokumentieren.
" Der oberste Mannerbund. Es blieb uns bis hierhin a ufg ehoben, das letzte Fazit des Mannerbundereign isses in der menschlichen Gesellschaft zu ziehen. Zu welchem Beh ufe sind jene Gebilde bestim mt, wen n man i hren hbchsten Spa n n u n gsgehalt bem ifSt? W i r haben die a l lerverschiedensten Formen des Mannerbundwesens und der mann lichen Gesellschaft ken nengelernt, und wir kbnnen a n ihnen einen gemeinsamen Zug feststellen : i h re Erotik verbindet sich stets m it einem Uber schwang des Menschlichen. Mbgen sie auch noch so biza rr geraten, i rgend etwas Edles ist im mer a n ihnen. Sie sind niemals a n begreifbaren N utzlich keiten orientiert, sondern im mer bleibt ein rausch haftes oder weihevolles Er eignis i h r Wesentliches. In den militarischen Kameraderien verbirgt sich g robe Paderastie m it der Tapferkeit im Kam pfe fUr ein nationales Ideal, im Wander vogel a i l e Spiela rten der Erotik mit romantischem Gemut und dem Willen zu einer neuen Jugend, bei den Ritterorden diesel be Erotik mit from mer Gesin n ung und Sucht nach sakralem Leben, bei den Freimaurern eine a ufs Feinste verd u n nte und tra nsformierte Liebesstimmung mit einem verbrudernden Ge fU h l allen Man nern gegen u ber; und sieht man sich plumpe Kneip- und Rauch gemeinschaften a n oder die j u gendl ichen Onaniebunde: sie sind i mmer noch u berschwanglicher und in nerlich reicher als die Zweckverbande der burger l ichen Gesellschaft. Es staut sich i n den Man nergemeinschaften etwas, was sonst nirgends vorkommt: in den Stunden der hbchsten Lad ung besteht ein B u nd, der zwecklos ist und zug leich von tiefstem mensch lichen Belang. [ .. J Der Staat [ ... J ist keine verstehbare N utzlichkeit, sondern ein schlechthin i r rationales Schicksal m it u n bekanntem Ende und Ziel. Ein Staat befindet sich im Sta nde der tiefsten Korruption, wenn die Machtbefug nisse aus den Handen des Man nerbundes in die der Zweckverbande geglitten sind, yom Kern an die Schale gekommen, und wen n in ihm statt der geborenen Kbnige yom burger lichen Typus gewahlte Vertreter herrschen.« .
(Hans Bliih er: Die Rolle der frotik in der miinn lichen Cesellschaft. fine Th eo rie der mensch lich en Staatenbildung nach Wesen und A rt. Bd. 2: Familie und Miin nerbund, lena 19 19: 102-105, 2 17) (als Quelle 7 auch im Intern et)
Die staatskonstitutive Verdichtung des Mannerbundideals im Nationalsozialismus trennte die Homoerotik, die bei Bliiher so bedeutsam war, wieder abo
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Wahrend dieser Bezug auf den homosozialen »Mannerbund« Indivi fur die historiographische Beschaftigung mit Staatsburgerkonzep- dualitat ten in der deutschsprachigen Forschung tragend ist, diskutieren viele Studien aus dem angloamerikanischen Raum eine weitere bedeutsame Konfiguration neuzeitlicher Mannlichkeit, namlich ihre Individualitat. So sind fur die Geschichte der Vereinigten Staaten Arbeiten anzusprechen, die sich der Interdependenz von mannlichem Selbstverstandnis einerseits sowie den Idealen individuellen Erfolgs und Aufstiegs im Zusammenhang mit entsprechenden Gesellschaftskonzeptionen andererseits widmen. Insbesondere zur Zeit der Amerikanischen Revolution und der jungen Republik wurde in der Ideologie des republicanism erfolg reiches Mannsein an das Engagement im Sinne des Allgemein wohls gebunden. 1m weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts ruckte dann die Metapher des »Erfolgs« in den Fokus der Betrachtung, wenn es galt, den Zusammenhang von individuellem und na tionalem Fortkommen zu untersuchen. Der selfmade-man, der sich durch eigene Fahigkeiten und harte Arbeit geschaffen hatte, ruckte an eine zentrale Stelle in den hegemonialen Vorstellungen des Mannsein-Sollens und des Designs der US-amerikanischen Gesellschaft. Fur die historiographische Analyse dieser Figur sowie die Be deutung von Erfolgsmetaphern insgesamt werden VO! allem zwei Quellengruppen herangezogen. Zum einen analysiert man auto biographische Texte, urn zu zeigen, wie junge Manner ihrem Weg zu beruflichem Aufstieg sowie mannlichem Charakter durch Akte des Lesens und Schreibens Sinn gaben (Augst 2003). Zum anderen war es die Beschaftigung mit der Ratgeberliteratur des 19. Jahr hunderts, mit deren Hilfe »Erfolg« und Aufstieg als mannliche Leitmotive herausgearbeitet werden konnten. Grage Verbreitung und nachhaltige Wirkung erzielten derlei Texte in den Jahrzehn ten nach dem Burgerkrieg. Moderne Druck- und Vertriebstechni ken trugen zur Verbreitung dieser Schriften bei, die somit sozial wie regional neue Gruppen von Mannern ansprechen konnten. Dabei vollzogen viele Autoren einen Spagat zwischen den Idealen ihrer Vorganger vor dem Burgerkrieg und den veranderten Inte ressen und Bedurfnissen des neuen, urbanen Industriezeitalters
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(Hilkey 1997). Eine Fortfiihrung der Analysen von Ratgebertex ten in das 20. Jahrhundert hinein steht noch aus, obgleich einige Autoren bereits auf die Zentralitat dieser Quellen hingewiesen haben (Kwolek-Folland 1994; Stieglitz 1999).
8. Geschichten mannlicher Sexualitaten
Von »normalen« und »perversen« Mannern Innerhalb von sechs Monaten konne jeder >>fiormale« Mann in einen »Perversen« gewendet werden, schrieb der Arzt Eustace Chesser in einem Ehe- und Sexualratgeber, der in den USA der spaten 1940er und friihen 1950er Jahre ein Verkaufsschlager war. Dabei gehorten zu Chessers Repertoire der »Perversion« samtliche sexuellen Aktivitaten, die iiber heterosexuellen, ehelichen Verkehr in Missionarsstellung und den moglichst geraden Weg zum ge meinsamen Orgasmus mit Ejakulation in der Vagina hinausgingen (Melody 1999: 125-136). »Normale« Sexualitat musste in den 1950er Jahren also zumindest die Moglichkeit der Reproduktion bergen, Geschlechterzuschreibungen bekraftigen sowie familiare und gesellschaftliche Stabilisierung versprechen. Zahlreiche Ratgeber und Kampagnen gegen vermeintliche »Obszonitaten« mit offiziellen Untersuchungen und Ma�nahmen gegen die Infil tration der Regierungen durch »sex perverts« durchdrangen die USA. Jede Dberschreitung sexueller Normen und Grenzen, der effeminierte wie der hypermaskuline Mann erschienen als Gefahr fur die Stabilitat und den Fortbestand der demokratisch-kapitalis tischen Wert- und Gesellschaftsordnung (Friedman 2003; John- � U son 2004; Cuordileone 2005; Quelle 9: US Senate im Internet). Chessers Erkenntnis, dass angeblich in jedem Mann ein »Per- Alfred C . verser« schlummere, war au�erst Besorgnis erregend. Zu allem Kinsey Dberfluss war weithin bekannt, dass hinter den Kulissen die sexuelle Vielfalt gro�er war, als man dies vordergrundig fur soziokulturell erwiinscht hielt. War die Nachkriegszeit tatsachlich ein Zeitalter konservativen sexuellen Konsenses? Vor allem Alfred -
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Kinsey, Zoologe an der »Indiana University«, hatte daftir gesorgt, dass man daran zweifelte. 1m Januar 1948 hatte er eine tiber 800 Seiten starke Zahlen- und Statistiksammlung tiber das Sexual leben US-amerikanischer Manner vorgelegt, die die Nation um trieb, sich rasch tiber 250.000 mal verkaufte und ftir 27 Wochen in den Bestsellerlisten blieb. Kinseys trockene Form statistischer Analyse war vielleicht der einzige Weg, in diesen Zeiten Forschungsergebnisse tiber Mas turbation, eheliches und au6ereheliches Liebesleben, Hetero- und Homosexualitat darzubieten. Offenbar waren die sexuellen Prak tiken der Amerikaner (eine Studie tiber weibliches Sexualleben sollte ftinfJahre spater folgen) so vielfaltig, dass das, was als »per vers« galt, »normal« war. Weiterhin verdeutlichten die Studien, dass keine starren Grenzen zwischen Hetero- und Homosexuali tat existierten (Kissack 2000; Gilbert 2005: 81-105). Moglicherweise waren die 1950er Jahre sexuell flexibler und viel Homose xualitat faltiger, als die historische Forschung lange geglaubt hatte. Zu gleich jedoch waren die gesellschaftlichen Grenzen zu eng gesetzt, als dass sich etwa eine offentlich agierende sexuelle Reform- oder Schwulenbewegung hatte entfalten konnen. Homosexuellen feindlichkeit war ausgepragt und politisch aufgeladen, und das gay movement, das ftir dieses Kapitel tiber sexualitatshistorische Forschung von enormer Bedeutung ist, gewann erst in den 1960er Jahren an Schwung und Sichtbarkeit, bis es im Juni 1969 mit den Widerstanden am »Stonewall Inn« in der New Yorker Christopher Street einen ersten offentlichen Hohepunkt erreichte. Teil dieser Politik waren nicht nur Protestmarsche und andere offentliche Aktionen, sondern auch eine zunehmende publizistische Beschaf tigung mit mann-mannlicher Sexualitat und ihrer Geschichte. Bald entstand international eine schwule Forschung, die einen wichtigen Anst06 sowohl ftir die Geschichte von Sexualitaten wie auch ftir die Geschichte von Mannern und Mannlichkeiten dar stellte.
G E S C H I CHTEN MAN N lI C H E R SEXUALITATEN
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Fo rschungsparadigmen: Schwule Identitatspolitik - Heterosexualitatsgeschichte Queer Studies »My participation in the gay movement soon led to my first imagi ning such a thing as homosexual history«, erinnerte sich mit Jona than Ned Katz (1995: 5) einer der fiihrenden US-amerikanischen Sexualitatshistoriker an die Friihphase seiner wissenschaftlichen Arbeit. Bezeichnenderweise schrieb Katz diesen Satz auf den ers ten Seiten seines Buches iiber die Geschichte der Heterosexualitat, und sein akademischer Weg spiegelt gewissermaGen die Entwick lung der sexualitatshistorischen Forschungsparadigmen. Ein wichtiger Teil der politischen und identitatsstiftenden Arbeit innerhalb der Schwulenbewegung war, das Leben homosexueller Manner in der Geschichte zu verorten und aus der Geschichte he raus zu verstehen. Viele der friihen Forschungen (etwa Katz 1976) entstanden in diesem Kontext. Mit Jeffrey Weeks' Coming Out (1977) erschien eine erste Sozialgeschichte homosexueller Bewe gungen in GroGbritannien, und auch in Deutschland kamen erste »historische Texte und Kommentare zur Homosexualitat« auf den Markt (Hohmann 1977). Das Feld homosexueller Geschichte wurde nun abgesteckt, historische Bestandsaufnahmen, die sich iiber mehrere Jahrhunderte und gar Jahrtausende erstreckten, wei teten die Perspektive (Boswell 1980). In Deutschland riickten vor allem der Nationalsozialismus und die Verfolgung Homosexuel ler in das Zentrum der friihen schwulen Forschung, die damals hierzulande noch weithin auGerhalb des akademischen Wissen schaftsbetriebes stand. Die friihe schwule Geschichtsschreibung hat, so Stefan Micheler und Jakob Michelsen (2001: 134-137), wichtige Arbeiten hervorgebracht, zugleich aber bisweilen recht unkritisch eine »schwule Ahnengalerie« zusammengestellt. Urn das Jahr 1980 herum vollzog sich in der Forschung zur Ge schichte mannlicher Sexualitaten ein Wandel, der ahnlich grund legend war wie die damaligen Veranderungen von der Frauen -geschichte zu einer relationalen Geschlechtergeschichte. Erste Stimmen wurden laut, die herausstellten, dass nicht nur Homo sexualitat, sondern auch Heterosexualitat eine Geschichte habe.
Fruhe schwule Identitats politik
Sexuali taten im Pl ural
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Foucaults "Sexua li tat und Wahrheit«
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Wiirde dies nicht beachtet, so bleibe die Geschichte der Homo sexualitat immer eine Geschichte des Anderen, des Sonderfalles. Auch hier sei die Relationalitat vielfaltiger Entwiirfe herauszu arbeiten. In den 1970er Jahren waren bereits erste wegweisende Arbei ten zur Sexualitatsgeschichte erschienen, die sich nicht exklusiv mit der Geschichte der Homosexualitaten befassten. G. J. Barker Benfield (1972) etwa schrieb die Geschichte der viktorianischen Kultur und Gesellschaft als eine Geschichte des mannlichen Sa mens. Als ultimative Lebenskraft konzipiert, versorgte das Sperma nicht nur den mannlichen Korperhaushalt mit der notwendigen Kraft und Energie, sondern mit ihm die gesamte soziokulturelle und okonomische Organisation. Folglich musste mit dem Sperma sorgsam gehaushaltet werden, mit ihm fiel und stand die gesamte gesellschaftliche Stabilitat und die abendlandische Zivilisation. Barker-Benfield zeigte also, wie Gesellschaft durch die Linse der Sexualitat analysiert werden konnte. So konnte auch das Projekt Michel Foucaults charakrerisiert werden, dessen Buch iiber Sexualitat, Wahrheit und den "Willen zum Wissen« (1977) neue Wege wies - nicht nur der Geschichte der Sexualitat, sondern der Geschichte allgemein. Der Text gilt bisweilen als eine Art Griindungsdokument der Sexualitatsge schichte. Foucault lenkte den Blick auf die Macht der Diskurse und Definitionen, die spezifisch moderne Subjekte und deren Begehren konstituierten. Die Sexualitat des 19. Jahrhunderts war mehr als eine Summe von Restriktionen und Verboten, mehr als viktorianische Keuschheit und Verbergen. Niemals ZUVOf, so Fou cault, war so ausgiebig iiber Sexualitat gesprochen und geschrie ben worden: »Die modernen Gesellschaften zeichnen sich nicht dadurch aus, dag sie den Sex ins Dunkel verbannen, sondern dag sie unablassig von ihm sprechen und ihn als das Geheimnis gel tend machen« (Foucault 1977a: 48). Dieses Sprechen war produktiv, VOf aHem Anthropologie, Me dizin und Psychiatrie brachten sexualisierte Subjekte hervor: hysterische Frauen, padagogisierte kindliche Sexualitat, sozia lisierte Fortpflanzung und die Psychiatrisierung einer »pervers« genannten Lust. Foucault hat darauf verwiesen, dass »normal«
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oder " pathologisch« bzw. »pervers« Ergebnisse kultureller Ver handlungen in der Geschichte waren (1977a: 126 f.). Foiglich sind geschlechtliche und sexuelle Kategorien nicht naturgegeben, son dern historisch geschaffen. Entsprechend betonte Foucault, dass »der Homosexuelle« ein Produkt des 19. Jahrhunderts sei. »Der [vormodernel Sodomit war ein Gestrauchelter, der Homosexuelle ist eine Spezies«, lautet der beruhmte und oft zitierte Satz (1977a: 58). In welcher Trennscharfe dieser Satz Gultigkeit beanspruchen kann, inwieweit er etwa signalisiert, es hatte vor dem 19. Jahr hundert keine sexualisierten Subjekte gegeben oder es existierte ab dem 19. Jahrhundert die eine homosexuelle Identitat, ist in der Forschung kontrovers und zugleich au6erst Gewinn bringend dis kutiert worden (Sedgwick 1990: 44-48; Halperin 2002: 10-14, 104-137, sowie Puff 1998). Unumstritten bleibt die Bedeutung von Sexualitat und Wahrheit fur die Geschichte der Homosexualitaten wie fur die gesamte sexualitatshistorische Forschung. Foucault hat das Freud'sche »Dampfkessel-Modell« verabschiedet, namlich die Vorstellung, dass Sexualitat einer naturlichen Energie entspringe, die einerseits lebensspendend sei, andererseits aber nur von einer dunnen Zivilisationskruste in Schach gehalten werde (Weeks 2003: 16 f.). Sexualitat ist vielmehr eine Summe kultureller Kon ventionen, Handlungsformen und Bedeutungszuweisungen. Sie ist Motor und Folge von Auseinandersetzungen innerhalb eines soziokulturellen Machtgeflechts und steht somit im Zentrum von Gesellschaft und Geschichte, lautete die zentrale Aussage Fou caults. Eine derart konzipierte Sexualitatsgeschichte ist weder ein abseitiger Forschungszweig noch eine anekdotenhafte Sittenge schichte, sondern sie bringt Analysen hervor, die Gesellschaften und Kulturen durchdringen (Puff 1998; Eder 2002: 12 £; Halperin 2002) '· Di� Implikationen d ies�r koni�ptionellen Vers.ci::l i ebungen la rsen sich in; ' ''' vier Pu nkten zusammenfasse ri: ifI.t. � .;.*: . �: 'il � 4 ,li fe <,. , '1;; � ;; "" t' - ' ;� "'� ' 1i: �� :,� ", J'.. , "' _ �"':� �,t·': � ;: . J(;' /" :;� .f.r:- -'I. , :W;;' �" " ; : �"�/ :�: �,,,, 1. �amt!iche vermeintl[ch scharfen Tre�nlinien, etwa zw.lsc�en Homo�1: sexua litat Lln d He,t erosexui'!!itat, ,sind i nstabil u n d bruchi 9: ge \'J 0rden , �. : und beddrfen' (jer Historisie� ung. ;�; ''.!, It>.;!; ', "";�r" ... ;.:i .
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2. Sexua litat m uss i nnerhalo mehrfach relationaler ·ku lturelier Konii- " g u rationen a�alysiert werden. Ka:tegorien �ie' Eth n izitat,' Klasse,. Ge- ; ;:; , 1 sc;hlecht, Region," Alter usw. sind, a 1s9 ih �die 'S etracptung einzu bezie- ';;\ ; " 1._�{ l ' � : ,,« ;/� �: !�r j 1: .t;; � �- '�: �-'!"' � .., � L :-It' ,: l·�:i. hen . ; 3 - �ozio�ulture'lle Ordn'ungen' sing an »Normalisierungen« 'LJrid »Hatho� j / logisierUl'lgen« bestimmter Sexua lit�ten gekoppelt, die i n' Wechsel- � ; , wirkul)g zuei �ander stihen. . tlil t., I�;f . '\f " W,!�,. . 4. Efn solches Versta n d n is von Sexualitat als kulturell konstruiertes u n d ; �, , zugleicb a ufSerst wirkmac;htige� (und damit ?�rr real�s) 9Jdn� ngssys- n ;j tern fubrt zu einer kritisc.heri Auseinandersetzung m it dessen Zwan- ," 1' gen u n d Forderungen a n die I ndividu'�n (sieh� Ricli' 1g80, und �utler f� : , 1 991, 1995 zu »Zwangsheterose)(:ualita�( bzwi »Heteroriq � maT�yitat«(. ;��: von G'eselischaften). , . . 'lM1·;U' .i:i ;1 \, 'ii 'i, � ii,1 �
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Phal iozen Ein wesentlicher Teil der feministischen Auseinandersetzung mit trismus Heteronormativitat war eine Kritik am Phallozentrismus. Der
Phallus durchziehe als zentrale Metapher Kultur und Gesellschaft und etabliere patriarchalische Machtverhaltnisse (Butler 1991). Schon seit den spaten 1960er Jahren richtete sich die neue Frauen bewegung gegen mannliche Sexualitat als Ausdruck und Mittel einer solchen phallozentristischen Ordnung und als wesentliches Element patriarchalischer Herrschaft. Frauen bekampften in der feministischen Theoriebildung, in der praktischen Politik und im alltaglichen Leben aggressive und unterwerfende mannliche Praktiken (Millett 1971; Brownmiller 1975; Rich 1980). »Queer Abschlie6end sollen fur diesen Teil zwei neuere Zweige theo Studies« retischer wie politischer Auseinandersetzung skizziert werden. Hier sind erstens die »Queer Studies« zu nennen, die bewusst darauf ausgerichtet sind, sich wissenschaftlich wie politisch dem heteronormativen System entgegenzustellen. »Queere« Forsche rinnen und Forscher verabschieden sich von einer schwulen und lesbischen Identitatspolitik, die Anerkennung, »Toleranz« und Gleichberechtigung innerhalb der bestehenden sexuellen und kul turellen Ordnung fordert und damit diese Ordnung und deren Implikationen zugleich reproduziert. » Queer Theory« versucht im Gegensatz dazu, eben » quer« zu den Achsen dieser Matrix zu lie gen, deren Aussagen und Definitionen sie bewusst durchkreuzt.
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Sexuelle Identitaten sollen eben nicht reproduziert, sondern als solche problematisiert und destabilisiert werden. Dies kann bei spielsweise dadurch gelingen, dass aufgezeigt wird, wie Vorstel lungen klar abgrenzbarer Sexualitaten in der Geschichte erzeugt und als natiirlich oder unnatiirlich verklart wurden (Lauretis 1991; Heidel 2001; Jagose 2001; Krass 2003; Bauer 2007). Eng verwandt mit den » Queer Studies« sind die »Transgender "Transgen Studien«. »Transgenders« positionieren sich augerhalb der hetero der-Stu normativen Ordnung, und zwar als » Personen, deren Auffassun dien« gen, korperliche Praktiken, Selbstverhaltnisse und Existenzweisen den Regeln der Aufteilung der Menschheit in exakt zwei, einander ausschliegende Geschlechter widersprechen«, urn die Definition der Philosophin Antke Engel (2000: 69) zu iibernehmen. Mithin ist das konzeptionelle Interesse der »Transgender-Studien« nicht darauf ausgerichtet, ein individuelles Hiniibertreten yom einen (zum Beispiel weiblichen) in das andere (zum Beispiel mannliche) Geschlecht zu erfassen, sondern zu erkennen, wie durch Adap tionen von kulturell spezifischen Mannlichkeits- bzw. Weiblich keitskennzeichen neue Formen von Geschlecht entworfen werden konnen, die mit der Vorstellung eindeutiger Zweigeschlechtlich keit brechen. »Transgender-Studien« treiben also » einen Keil zwi schen die Themenbereiche Mannlichkeit und Manner, (deren) Verhaltnis zueinander namlich wesentlich komplizierter ist, als man es manchmal glauben mochte« (Sedgwick 1997= 353). So zeigen »Transgender-Studien«, wie beispielsweise Frauen mannlich codierte Identitatspartikel iibernehmen und damit neue geschlechtliche Identitaten begriinden konnen. Ein solcher Blick eroffnet fiir eine Geschichte der Mannlichkeiten erweiternde Per spektiven, lasst er doch erkennen, dass mannliche Geschlechts entwiirfe nicht notwendig Manner als Trager haben und Korper nicht unbedingt normsetzend sein miissen. Dies wiederum weist darauf hin, dass Frauen und Manner nicht die gegeniiberliegen den Pole einer dichotomen Ordnung markieren. Da Geschlecht kein Nullsummenspiel ist, ist ein Mehr an Mannlichsein dem nach nicht notwendig durch ein weniger an Weiblichsein zu er reichen. Urn es anders zu formulieren: Wahrend traditionell die Feststellung » weiblicher Ziige« das Mannsein eines Mannes und
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die Feststellung »mannlicher Ztige« das Frausein einer Frau und somit deren jeweiligen Subjektstatus erschtitterten, wirken solche Feststellungen aus der Transgender-Perspektive in eine ganzlich andere Richtung: Sie treiben die Auflosung der zweigeschlecht lichen Matrix voran. Eine entsprechende historische Forschung mag zur weiteren Historisierung der Geschlechterverhaltnisse und der immer noch dominanten Vorstellung zeitloser Sexualitatska tegorien beitragen (Kates I996; Meyerowitz 2002).
Sexualitat historisieren : Einflihrung in das Forschungsfeld Nachsch la- Forschungen zur Geschichte neuzeitlicher Sexualitat sollten mit gewerke einer Recherche in der Bibliography of the History of Western Se xuality, I700-2000 beginnen, einer Datenbank, die auf dem Stand yom Herbst 2004 ca. 23 000 Tite! zur Geschichte der Sexualitaten umfasst (Eder 2008). Weiterhin hilft das seit I990 erscheinende Journal ofthe History of Sexuality (JHS), das sich der internatio nalen Sexualitatengeschichte von der Antike bis zur Gegenwart widmet, einen Oberblick tiber die Forschungsakzente zu gewin nen. Zudem liegt mit Invertito eine weitere Fachzeitschrift vor, die seit I999 ein Mal jahrlich Schwerpunkthefte zur Geschichte weiblicher und mannlicher Homosexualitaten publiziert. Ein wei teres interdisziplinares Journal, das »queere« Perspektiven in die Wissenschaften einbringt, ist GLQ: A Journal ofLesbian and Gay Studies. Ein Band Bernd-Ulrich Hergemollers (I999) bietet einen Oberblick tiber den Forschungsstand der Homosexualitatsge schichte in den spaten I990er Jahren, die Encyclopedia ofLesbian, Gay, Bisexual, and Transgender History in America erweitert die Perspektive (Stein 2004). Auch existieren bereits einige historische Gesamtdarstellungen, Oberblicke so ein Oberblick tiber die Geschichte der Sexualitat in Deutsch land und Osterreich yom 17. bis zum 20. Jahrhundert, der sich von sexuellen Konzepten bis hin zu Fantasien und Praktiken erstreckt und immer die soziokulturellen Kontexte betont (Eder 2002). Die
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Breite der deutschsprachigen Forschung vom 16. Jahrhundert bis zur Zeitgeschichte vermittelt ein von Claudia Bruns und Tilmann Walter edierter Aufsatzband (2004). Die amerikanische Ge schichte von der ersten Besiedlung im frtihen 17. Jahrhundert bis zur beginnenden AIDS-Pandemie in den 1980er Jahren erschlie Ben John D'Emilio und Estelle B. Freedman (1988), wobei sie die Jahrzehnte urn 1900 als Wiege einer neuen sexuellen Ordnung und somit als Schltisselzeit skizzieren. Weitere Oberblicksarbeiten unterliegen starkeren Beschrankun gen, seien diese thematischer, geographischer oder zeitlicher Art. Sie beschranken sich auf das 20. Jahrhundert (McLaren 1999), fokussieren gleichgeschlechtliche Liebes- und Lebensformen in Nordamerika in all ihrer Vielfalt von den urbanen Zentren bis zur so genannten frontier (Rupp 1999) oder sind kommentierte Anthologien und Aufsatzsammlungen (Peiss 1989/Simmons; Reis 2000; Kennedy 2003/Ullman).
Studien zur Vormoderne Nehmen wir nun, grob chronologisch geordnet, einige deutli cher fokussierte sexualitatshistorische Arbeiten der letzten Jahre in den Blick. Ein wichtiger Impuls ftir die nordamerikanische Kolonialgeschichte ging von Roger Thompsons Buch Sex in Middlesex (1986) aus. Anhand von Kriminalakten tiber sexuelle Normverletzungen wahrend der zweiten Halfte des 17. Jahrhun derts in Massachusetts relativiert er das Zerrbild so gestrengen Lebens im puritanischen Neuengland unter der Fuchtel harscher Patriarchen. Die Wege, die die sexualitatshistorische Forschung zur amerikanischen Kolonialgeschichte seitdem zurtickgelegt hat, vermittelt ein im Jahr 2003 publiziertes Schwerpunktheft der Zeitschrift William and Mary Quarterly. Einen monographischen Uberblick tiber die Sexualitatsgeschichte im kolonialen Amerika hat Richard Godbeer (2002) vorgelegt, und zur Vertiefung ein zelner Aspekte wie etwa dem Verhaltnis von Sexualitat und pa triarchalischer Macht mogen verschiedene Aufsatze in einem von
Ameri kanische Kolonial geschichte
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Merril D. Smith herausgegebenen Band iiber Sex and Sexuality in Early America (1998) herangezogen werden. Godbeer seinerseits
Deutschland bis zum 1 9 . Jahr hu ndert
bestatigt das Diktum Foucaults, dass Sexualitat in vormodernen Gesellschaften deutlicher auf Handlungsweisen bezogen war und weniger Personlichkeiten definierte. Nichtsdestoweniger konnten etwa im Boston des 18. Jahrhunderts Anspielungen auf sodomiti sche Praktiken zur »Entmannlichung« und somit zur politischen Diffamierung ganzer Gruppierungen, wie zum Beispiel der Frei maurer, instrumentalisiert werden (Foster 2003). Sodomie war auch in den britischen Kolonien in Nordamerika als todeswiir diger Rechtsbruch klassifiziert. Ein entsprechender Vorwurf zog in der Regel aber nur dann juristische Konsequenzen nach sich, wenn die gesellschaftliche Stabilitat gefahrdet schien. So konnten in einem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum wie Phila delphia mann-mannliche Beziehungen in der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts vergleichsweise unbehelligt gelebt werden (Lyons 2003). Auch im Hinblick auf mann-weibliche Beziehungen wur den Sexualitat und Sittenhaftigkeit in den so »puritanischen« Neuengland-Kolonien entspannter gehandhabt, als man lange angenommen hat. Vorehelicher Geschlechtsverkehr und unehe liche Beziehungen waren nicht uniiblich, und in der Ehe war Sex keineswegs nur auf Fortpflanzung ausgerichtet. Sexuelle Potenz war ein Indikator von Mannlichkeit, und wenn ein Mann die Ehe nicht vollziehen konnte, so hieJ� es rasch, er konne wohl auch die anderen Geschafte des Hauses nicht befriedigend fiihren (Foster 1999; vgl. zu Europa Beck 1997; Schmidt 1998, 2003). Werfen wir einen Blick auf mann-mannliche Beziehungen im deutschsprachigen Raum vor der »Erfindung« des Homosexuellen im spateren 19. Jahrhundert, so bleibt das Bild trotz einer zuneh menden Literaturdichte und erster Uberblicksdarstellungen noch recht diffus (Hergemoller 1999). Zur Geschichte der Reformation in Deutschland und der Schweiz liegt mittlerweile eine umfang reiche Studie Helmut Puffs vor (2003). Er zeigt dort, dass trotz drakonischer Gesetze die Grenzen des sexuell Zulassigen flexibel und situativ waren, und er pladiert fiir die Rekonstruktion eines breiten sexuellen Spektrums in der Friihen Neuzeit. Diese Flexi bilitat schlie6t jedoch keineswegs die politische Instrumentalisie-
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rung sexueller Diffamierung aus, wie Puff zeigt. Einen Einblick in den Stand der Forschung zum 18. Jahrhundert bietet ein Auf satz Jakob Michelsens (2004) zu mann-mannlichen Beziehungen in Hamburg. Auch Michelsen greift auf Justizakten zurlick, urn »die Lebenswirklichkeit der >gewohnlichen Sodomitef<, das Ver halten der Umwelt ihnen gegenliber und die tatsachliche Verfol gungspraxis der Obrigkeiten zu erhellen«. Dies ist ein schwieriges Unterfangen, da Gerichtsprotokolle haufig eher die Perspektiven und sogar die Wortwahl der Oberschichten spiegelten denn die Wahrnehmungs- und Lebenswelten illiterater Unterschichten.
Sex und race am Beispiel der afroamerikanischen Geschichte Oberqueren wir noch einmal den Adantik und kehren in die nord amerikanischen Kolonien zurlick, und zwar dieses Mal weiter in den Sliden, wo die sexuellen Vorschriften flexibler gehandhabt wurden als im Norden. Dies galt vor allem an der Chesapeake Bay in den Kolonien Maryland und Virginia. Zugleich kann ein Blick in den Sliden deutlich zeigen, wie Sexualitats- und Rasse konzepte historisch spezifisch ineinandergriffen. So waren noch im 17. Jahrhundert in North Carolina Beziehungen zwischen Menschen verschiedener Ethnizitat nur wenig suspekt (Fischer 2002). Erst im 18. Jahrhundert sind solche Beziehungen in zu nehmendem MaGe verdammt und kriminalisiert worden. Das Verbot von EheschlieGungen »across the color line« in North Ca rolina im Jahr I715 kann nicht zuletzt als Indikator daflir erachtet werden, dass sich Vorstellungen verfestigten, die »Rasse« als etwas Substanzielles wahrnahmen, das an die Nachkommenschaft wei tergegeben wurde. In der zeitgenossischen Konzeption wurde die »Rasse« des Kindes liber die Mutter bestimmt, weshalb sexuelle Obergriffe von weiGen Sklavenbesitzern auf schwarze Sklavin nen die herrschende Gesellschaftsordnung nicht bedrohten. Die Nachkommen weiGer Frauen und schwarzer Manner waren al lerdings mehr als prekar, und die »Reinheit« weiGer Frauen avan-
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cierte zum zentralen Element eines Rassismus, in dem Sexuali tat eine elementare Bedeutung zukam. Gleichwohl ignorierten insbesondere Mitglieder der unteren Schichten die Normen und Konzepte haufig und wichen in der Lebenswirklichkeit von ihnen abo Trotzdem blieben Beziehungen wei6er Frauen zu schwarzen Mannern zunehmend gefahrlich. Whiteness gewann im Verlauf des 18. Jahrhunderts in der Definition des eigenen Status an Be deutung. Schwarze Manner wie auch schwarze Frauen erfuhren eine zunehmende Sexualisierung, ihnen wurden Triebhaftigkeit und Promiskuitat zugeschrieben. Sexuelle Beziehungen zwischen Schwarz und Wei6 sind in den letzten Jahren umfassend untersucht und die Interdependenzen von Geschlechtsentwiirfen, Sexualitatskonzepten und Gesell schaftsordnungen in aller Deutlichkeit sichtbar gemacht worden (Hodes 1999). Vor allem die Arbeiten von Martha Hodes (1997) und Diane Miller Sommerville (2004) haben der Sexualisierung schwarzer Manner und ihrer Mannlichkeit scharfere Konturen verliehen. Sie beschreiben schwarz-wei6e Beziehungen auch vor dem Biirgerkrieg und der Emanzipation als »schwierig«, zeigen jedoch zugleich, dass Liaisons wei6er Frauen und schwarzer Manner erst mit der Befreiung der Sklaven fundamentale Angste insbesondere unter wei6en Mannern auslosten, signalisierten sie doch die Gefahrdung des soziokulturellen Status quo. In der Wahrnehmung des wei6en Siidens waren die mit der Emanzipa tion gewachsenen politischen, wirtschaftlichen, sozialen Perspek tiven schwarzer Manner untrennbar mit sexueller Potenz verbun den. Schlie6lich besa6en schwarze Manner jetzt die Biirgerrechte, die »wahre« Mannlichkeit signifizierten. Eine rassistisch moti vierte Gewalt nahm im Siiden neue Formen und Dimensionen an, ab den 1880er Jahren starben Tausende von Afroamerikanern durch die Hande von Lynchmobs. Diese Lynchmorde standen in hochgradig sexualisierten Zusammenhangen. Haufig waren Kastrationen Teil der Totungsrituale, und deren prototypische Rechtfertigung war die angebliche Vergewaltigung einer wei6en Frau. Grenziiberschreitende Beziehungen schienen der ultimative Indikator gewachsener sozialer, politischer wie sexueller Potenz schwarzer Manner in einer Gesellschaft, deren tradierte Ordnung
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fragil geworden war (siehe neben Hodes und Sommerville etwa Dorr 2004, Martschukat 2004 zu Sexualisierung und Justiz).
MaBigung und Selbstkontrol le Dass die erfolgreiche Etablierung einer burgerlichen Gesellschaft Onanie wesentlich von der Regulierung sexuellen Verhaltens und Begehrens abhing, hat Isabel Hull in ihrer wegweisenden Studie uber Sexuality, State, and Civil Society (1996) in Deutschland im 18. Jahrhundert gezeigt. Wie sehr Sexualitatsgeschichte die Geschichte der politischen und soziokulturellen Ordnung ist, macht auch die Geschichtsschreibung zum Thema »Onanie« deutlich. Diese auto erotische Praktik ruckte seit dem 18. Jahrhundert immer deutlicher in das Zentrum von Debatten, die sich auf die Gesellschaftsund Staatsformation bezogen. Vor Aufklarung und burgerlichem Zeitalter wurde die Masturbation dafur gescholten, fleischliche Begierde in den Fantasien zu verankern und ein christliches Leben unmoglich zu machen. Da sie nicht der Fortpflanzung diente, verstieB sie zudem gegen den gottlichen SchOpfungsplan. Auch gesundheitlich erschien den Zeitgenossen ein vermehrter Abfluss von Korperflussigkeiten bedenklich, da der Korper als Saftehaushalt konzipiert war. Foiglich war die Masturbation verpont und strafrechtlich fixiert. Dennoch schien man sich insgesamt urn die religiosen wie gesundheidichen Einwande vergleichsweise wenig zu scheren (Wiesner-Hanks 2000: 73 ff.; Laqueur 2003). Doch erst mit dem 18. Jahrhundert nahmen sich Mediziner, Padagogen und Staatswissenschafder des Onanisten an. Durch seine autoerotischen Praktiken widersprach der Onanist dem Prinzip der staatsbildenden Geselligkeit. Gleichzeitig mehrten sich die Bedenken hinsichtlich gesundheidich zerruttender Ef fekte der Onanie, die angeblich ein degeneriertes Subjekt hervor brachte. Ohrensausen, Seh- und Verdauungsstorungen, Brechreiz, Schwindsucht, Epilepsie, eine allgemeine korperliche Schwachung und Lebensunfahigkeit sowie die Schadigung der Nachkommen schaft waren nur einige der drohenden physischen Konsequenzen,
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aber auch Gedachtnisstorungen und extreme Reizbarkeit konnten Folgen der Onanie sein. Dies illustrierten die Zeitgenossen durch FaUgeschichten von Betroffenen, die in der medizinischen Lite ratur des 18. Jahrhunderts ohnehin an Bedeutung gewannen und ein grofSes Publikum faszinierten (Eder 2002: 91-127; Stolberg 2003) (vgl. QueUe I: Tissot und 2: Schuster im Internet). Die Onanie schien nicht zuletzt deshalb so eminent gefahrlich, weil sie erstens eine massive Vergeudung von Lebenskraft bedeu tete, die die Zeitgenossen im mannlichen Sperma verorteten (Bar ker-Benfield 1972). Zweitens indizierte Masturbation einen Mangel an SelbstkontroUe. Die Kontrolle der Triebe, die beim Mann an geblich starker ausgebildet waren als bei der Frau, war von derart zentraler Bedeutung fur das Gelingen einer burgerlich-mannlichen Subjektbildung, dass Masturbation neben Alkoholkonsum als die individueU wie sozial schadlichste Gewohnheit galt (Sarasin 2001: 230). Kraftverlust und Kontrolldefizite gefahrdeten die Funktions fahigkeit des burgerlichen Mannes in seinem Kern - und damit die Existenz und Fortentwicklung von Familie und Gesellschaft. Zudem versprach nur ein gesunder Samen die Weitergabe von Potenz und Zivilisation an die Nachkommenschaft. Dies wiede rum war fur das Mannsein bedeutend, denn schliefSlich hiefS es, erst im Vatersein erlange der Mann ein Stadium hochster Reife und ErfuUung. Die Entdeckung auch des Mannes als Gattungs korper ist hier bereits angelegt (Planert 2000). All dem stand die Onanie im Wege. Auch vermag es in diesem Kontext nicht zu erstaunen, dass sich das Bild des »masturbieren den Juden« im kulturellen wie soziopolitischen Repertoire ab dem foftSchreitenden 18. Jahrhundert verfestigte (Hodl 1997= 71-104). Ausgrenzung funktioniert hier uber spezifische Sexualisierung sowie eine Stigmatisierung der Mannlichkeit und ist ein immer wiederkehrendes Muster. SchliefSlich war der Onanist all das, was ein Mann nicht war - effeminiert und einem Jungen gleich, sich der Wolllust hingebend, ohne Kraft und Selbstkontrolle. Mit sei nem Samen verschwendete er seine Mannlichkeit. 1m 19. Jahrhun dert stand er damit im Gegensatz zu den Entwurfen des »guten« Mannes, und zwar sowohl als Familienvater, als effizienter Produ zent wie auch als verlasslicher Staatsburger (Sarasin 2001: 417).
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Philipp Sarasin (200I) hat gezeigt, dass die Kontrolle des Ge »MalSi schlechtslebens als Teil einer gesamtkulturellen Strategie der »Ma6i gung« und Biopolitik gung« verstanden werden muss. Dies war zuvorderst eine mannliche Strategie, die darauf ausgerichtet war, mit dem Vorrat an » Lebens kraft« moglichst sorgsam umzugehen. Die bevolkerungspolitischen Konzepte der Kameralisten des I8. Jahrhunderts, die der Vorstellung folgten, es gebe einen menschlichen Trieb, der in geregelte Bahnen gelenkt werden miisse, verfestigten sich im I9. Jahrhundert zu einer ausgefeilten Biopolitik (Hull I996: I07-I54; Planert 2000). In die sem Kontext ist bedeutsam, dass eine Geschichte, die die Regulie rung der Bevolkerung iiber das Sexualitatsdispositiv erfassen will, nicht blo6 die >>Devianz« betrachten darf. Sie muss den Blick auch auf das richten, was als » Normalitat« definiert wurde (Sarasin 200I; Eder 2002: I29-I50). Denn die Bestimmung der normativen biir gerlichen Geschlechtscharaktere vollzog sich wesentlich iiber eine Sexualitat, die von Devianzen abgegrenzt wurde. » Normale« und » deviante« Mannlichkeit erzeugten sich wechselseitig. Das rechte Ma6 und die erfolgreiche mannliche Selbstkontrolle des Begehrens dienten der biirgerlichen Gesellschaft gleichsam als Leitkonzept. Als innere Stimmen, die zur PBege und Kultivierung des Korpers und zum ma6vollen Genuss sexueller Vergniigen ge mahnten sowie vor gefahrlichen Extremen warnten, fungierten Lust und Schmerz. Zudem sahen sich zahlreiche » HygienikeT« dazu veranlasst, ihre sexuellen Aktivitaten genau zu protokol lieren. Man musste den Exzess unbedingt vermeiden - und der Exzess begann dort, wo die Befriedigung von Lust iiber die Pene tration in der Ehe hinaus- und in die angebliche Verschwendung mannlicher Kraft iiberging (Sarasin 200I: 240, 4I5).
Die Verwissenschaftlichung des Eros und die Erfindung der Sexualitat Die Erhebung einer mannlichen » Normalfigur« zu einem wissen- Sexualwis schaftlich-medizinisch bestimmten Ideal sowie die Pathologisie- senschaft rung alternativer Lebens- und Liebesformen zog sich durch das
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19. Jahrhundert. Zum Fin de Siecle steuerte die Transformation sexueller » Siindhaftigkeiten« in » Krankheitsbilder« ihrem Hohe punkt entgegen. Die Sexualwissenschaften verkiindeten Unter schiede zwischen Geschlechtern und sexuellen Pdferenzen als wissenschaftliche Wahrheiten. 1m Zuge dieser Entwicklung be hielt die Masturbation als bedrohliche Abweichung gro6e Be deutung, aber in das Zentrum riickte nun »der Homosexuelle«, der mit einer »contraren Sexualempfindung« versehen zum letzt l ich pathologisierten » Dritten Geschlecht« wurde. Laut Richard von Krafft-Ebing und seiner Studie »Psychopathia Sexualis« von 1886, einem Schliisseltext der entstehenden Sexualwissenschaften, seien Homosexuelle dadurch gekennzeichnet, dass ihr ganzes Sein »der abnormen Geschlechtsempfindung entsprechend geartet« sei. Eine soIche angebliche Anomalie des Geschlechtstriebes durch dringe das ganze Subjekt und setze freie Willensau6erung und Selbstkontrolle als ma6gebliche Charakteristika mannlicher Iden titat au6er Kraft. Dies ist die » Spezies« , die laut Foucault (1977a: 58) im ausgehenden 19. Jahrhundert die Figur des » gestrauchelten Sodomiters« abloste (Oosterhuis 2000; Eder 2002: 151-169). Die Geschichten mannlicher Sexualitat wahrend der langen Jahrhundertwende sind vielfaltig. Das ist zum einen auf die sozio kulturelle Definition sexualisierter Subjekte zuriickzufiihren, die sich in diesen Jahren wesentlich vollzog. Dies riihrt dariiber hinaus aus dem Krisenempfinden her, das sich in der Gesellschafts- und Geschlechterordnung dieser Jahre nachhaltig entfaltete und in der Historiographie von Mannern und Mannlichkeiten gr06e Attrak tivitat besitzt. Hier sind zunachst die Arbeiten John C. Fouts zu nennen, der wesentlich zur Erforschung der homosexuellenfeind lichen Geschichte des Deutschen Kaiserreichs beigetragen hat. Dabei hat er den Blick unter anderem auf die religios gepragten Sittlichkeitsvereine und deren Einfluss auf die Reglementierung mannlicher Sexualitat gelenkt (Fout 1992). Eine andere Facette homosexueller Geschichte beleuchtet Claudia Bruns. Sie untersucht im Kontext sich militarisierender Mannlich keit im Kaiserreich die Bedeutung von Sexualitat innerhalb man nerbiindischer Konzepte und Organisationen wie etwa der Wander vogel. So schrieben sich die so genannten » Maskulinistell«, ein Teil
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der homosexuellen Emanzipationsbewegung, der die Virilitat des Mannes behauptete, in die vielfaltigen Diskurse uber die vermeint liche Revitalisierung und Revirilisierung des Mannes ein. In den Bund- und Staatstheorien wiesen sie der mann-mann lichen Erotik und Bindung einen zentralen Platz zu. Die Mannerfreundschaft galt ihnen als Grundlage des Sozialen, sie ruckte an Stelle der Familie in das Zentrum menschlichen Gemeinwesens. Bruns betont, dass freilich auch diese Art der Bindung und Positionierung uber Aus schlusse funktionierte, namlich vor allem von Frauen und judischen Mannern. Getragen von nationalistischem wie rassistischem Den ken, erschien die nationale Volksgemeinschaft als exklusiver Man nerbund (Bruns 2007; vgl. auch Wahl 2004; Zur Nieden 2005). Aufwieder andere Zusammenhange weist Heiko Stoff (2004) in seinen Korpergeschichten hin. Stoffwendet sich der Furcht vor AI terungsprozessen und Produktivitatsverlusten im aufkommenden fordistischen Zeitalter des fruhen 20. Jahrhunderts zu und ver folgt die zeitgenossischen Erorterungen und deren geschlechtlich sexuelle Dimensionen bis in die Beschreibungen hormoneller Pro zesse hinein. Dabei zeigt Stoff, dass der Kampf gegen die Alterung ein durchweg geschlechtlich gepragtes Projekt war. Mannliche AI terung war an Potenz- wie Produktivitatsverluste gekoppelt, und operative Verjungungsverfahren, die zunachst hauptsachlich fur den Mann entwickelt wurden, waren darauf ausgerichtet, Potenz und Produktivitat wieder herzustellen. Wahrend der Mann als Produktionskorper konzipiert war, wurde die »Neue Frau« zuneh mend als Konsumkorper wahrgenommen. 1m Vordergrund ihrer Verjungung sollte die Wiederherstellung jugendlicher Schonheit stehen. Zugleich jedoch ergaben sich vielfaltige Oberlagerungen weiblicher wie mannlicher Korpervorstellungen, und die mo derne Medizin sowie Korperkonzepte, die wesentlich hormonell bestimmt waren, liel�en die Geschlechter instabil und verander lich werden. Die Moglichkeit der Geschlechtsumwandlung sorgte Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre fur Schlagzeilen (vgl. insg. auch Gilman 1993, 1999) Dieses doppelte Spannungs- und Bedingungsverhaltnis von Normalisierung und Pathologisierung sowie von Grenzbruchen, Uneindeutigkeiten und Destabilisierungen ist zentral in der neu-
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Jugend und Schonheit
»Gay« im
2 0 . Jahr
hundert
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eren Sexualitatengeschichte. Ein wegweisendes Buch, das die Un eindeutigkeiten sexueller Lebenswelten im friihen 20. Jahrhun dert betont, ist die Studie Gay New York von George Chauncey (1994). Chauncey beobachtet das vielfaltige Leben schwuler urba ner Manner, bevor sich der beriihmte Konformitatszwang und die kiirzlich von David Johnson (2004) so eindringlich beschriebene »lavender [= Lavendel, lila] scare« der Nachkriegszeit in den USA ausbreiteten. Auch in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts war das schwule Leben in New York nicht ungestort und frei von Re pression, doch eine schwule Literatur und Szene waren au6erst prasent, lebendig und aktiv. Ein zentraler Punkt der Studie ist, dass sie die Vielschichtigkeit homosexuellen Lebens herausstellt, so dass sie nicht zuletzt der Vorstellung entgegenwirkt, es habe »der« Homosexuelle existiert. Insgesamt ist zu konstatieren, dass die Forschung auf urbanes schwules Leben konzentriert ist (Stein 2000). Gleichwohl liegen mit John Howards (1999, 2007) Unter suchung iiber Mississippi in der zweiten Halfte des 20. Jahrhun derts und Christoph Schlatters (2002) Arbeit iiber Selbst- und Fremdbilder in Schaffhausen vom spateren 19. Jahrhundert bis ca. 1970 auch solche Studien vor, die homosexuelle Lebensformen in landlichen Gesellschaften untersuchen und dabei nicht auf Be trachtungen von Repressionen begrenzt bleiben. Die heterosexuellen Pendants zu George Chaunceys schwulen Heterosex u a litat New Yorkern beschreibt Kevin White (1993) in seinem Buch iiber The First Sexual Revolution. White spiirt dem Freund der »Flap per«, jener lebenslustigen, konsumierenden und Geschlechterkon ventionen iibertretenden jungen Frau der 1920er Jahre, nacho Er beschreibt also den Lebemann, der mit den viktorianisch-kapi talistischen Standards der Selbstkontrolle und der mannlichen Identitat als Versorger brach und sich dafiir in einer zunehmend von Jugendlichkeit bestimmten Gesellschaft eher einem »kon sumistischen« denn einem »produktivistischen« Ideal unterwar£ Ahnlich geht auch das Buch von Jonathan Ned Katz (1995) vor. Er analysiert die Erfindung der Heterosexualitat von den 1890er bis zu den 1970er Jahren und macht dabei die Konstitution von heterosexuellem Zentrum und homosexueller Peripherie zum zen tralen Gegenstand seiner Untersuchungen: die Konstruktion des
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»sexual solid citizen« und »peverted unstable alien«, von »sensual insider« und » lascivious outlaw«, von » hetero center« und » homo margin«. Nur kurz wollen wir an dieser Stelle aufden Konformitatsdruck der Nachkriegsjahre eingehen, da wir ihn bereits als Einstieg in dieses Kapitel diskuriert haben. Dies- wie jenseits des Atlantiks herrschte wahrend der 1950er Jahre ein sexuell konservatives Klima, das gleichwohl auch in gro6erer Differenziertheit zu betrachten ist (Herzog 2oo5a). Der Druck zu politischem, gesellschaftlichem, kulturellem und sexuellem Konsens lie6 in der Zeit des Kalten Krieges nur wenig Raum fur konfligierende Lebensentwurfe und Identitaten. Die von den Nazis verscharften Homosexuellenpara grafen 175 und 175a wurden in das Strafgesetz der Bundesrepublik ubernommen. Hier wird abermals deutlich, wie ein zeitgenossi sches Krisen-, Schwache- und Bedrohungsgefuhl heteronormative Lebensentwurfe bekraftigt und das Sexuelle und das Politische ineinandergreifen. Zugleich stand dem allerdings der Kinsey-Be richt mit seinen untruglichen Hinweisen auf die Vielfalt sexueller Erfahrungen gegenuber. Gleiches gilt auch fur die jugendliche Begeisterung fur Rock 'n' Roll, schwingende Becken, hochgradig sexualisierte Rebellen und Halbstarke, die von Schauspielern wie James Dean, Marlon Brando oder Horst Buchholz oder Musikern wie Elvis Presley oder Peter Kraus reprasentiert wurden (Poiger 2000; Cohan 1997). Dennoch blieb die heteronormative Ordnung recht stabil, kon servativer Muff und Protest konnen sich erganzen, Anreizung und Regulation Hand in Hand gehen. Auch als sich in den spaten 1960er Jahren die sexuelle Revolution entfaltete, legte der Sexual aufklarer Oswald Kolle den bundesdeutschen Ehefrauen im Film nahe, » Deinen Mann, das unbekannte Wesen« kennen zu lernen. Die sexuelle »Befreiung« war zunachst die » Befreiung« der Hete rosexualitat, und hier wiederum vor allem der mannlichen He terosexualitat. Franz Josef StrauiS' beruhmte Au6erung aus den fruhen 1970er Jahren, es ware besser, » ein Kalter Krieger als ein warmer Bruder« zu sein, fand weite Zustimmung und verweist abermals auf Beziehungen von Sexualitat und Politik (Eder 2002: 212-223)·
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Bundes deutsche Nach kriegsjahre
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In der US-Historiographie existiert mittlerweile ein reichhal US-a me rikanische tiger Fundus an Literatur fiir die verschiedensten Felder mann Nach licher Sexualitatsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Mit kriegsjahre Blick auf die Geschichte schwuler M anner seien die film- und literaturhistorischen Studien Robert Corbers (1993, 1997) ge nannt oder David Johnsons Buch iiber die Veranderung der Le bens- und Arbeitswelten in der US-Hauptstadt Washington nach dem Zweiten Weltkrieg (2004; vgl. auch Canaday 2003). Auch die Geschichte der internationalen Beziehungen integriert seit einigen Jahren sexualitatshistorische Analysen. Forscherinnen und Forscher wie Emily Rosenberg (1994) oder Frank Costigliola (1997) lid�en sich auch durch teilweise scharfe Kritik nicht von ihren Projekten abbringen. Costigliola analysierte beispielsweise die geschlechtlich attributierte und sexualisierte Wahrnehmung und Reprasentation der UdSSR in der Rhetorik des friihen Kal ten Krieges. Ahnlich arbeitet Robert Dean (2001), der die Ge wichtung von heterosexueller Mannlichkeit und Potenz vor allem wahrend der Ara John F. Kennedys herausstellt. Die Arbeit von K. A. Cuordileone (2005), die insbesondere die Schnittstellen von internationaler und nationaler sexualisierter Ordnung beleuchtet, haben wir bereits diskutiert. Trans Auch die Risse in der nur auf den ersten Blick so glatten hetero sexualitat normativen Welt der 1950er Jahre haben wir bereits angesprochen. Schriftsteller wie Tennessee Williams, Gore Vidal oder James Baldwin setzten der kulturellen Unsichtbarkeit der Homosexuali tat etwas entgegen (Corber 1997). Eine deutliche Instabilitat in der heteronormativen M atrix erzeugte auch Christine Jorgensen, die erste Transsexuelle, deren Geschlechtsumwandlung in den USA groge offentliche Aufmerksamkeit widerfuhr. »Ex-GI Becomes Blonde Beauty« titelte die New York Daily News am I. Dezember 1952. Nun wandelte sich Jorgensen vom Soldaten in die blondierte Sexbombe und somit vom prototypischen mannlichen zum pro totypischen weiblichen Entwurf dieser Jahre. Das Bild zeigt, wie Jorgensen einerseits die dominanten Geschlechterstereotypen reproduzierte. Andererseits signalisierte Jorgensen, dass die vet meintliche physische Stabilitat des biologischen Geschlechts in stabil war. Es ist bezeichnend, dass diese Botschaft in den dama-
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ligen USA wenig Widerhall fand und groBe Irritationen ausl6ste (Meyerowitz 2002). Die Fotographie auf der folgenden Seite zeigt Christine Jorgensen am 5. April 1953 nach dem Auftritt in einer Show im Adelphi Theater in New York City. Joanne Meyerowitz verfolgt die Geschichte der Transsexualitat zuruck bis in das Berlin und Wien des fruhen 20. Jahrhunderts, wo Mediziner uber die so genannten Zwischenstufen rasonierten, mit operativen Eingriffen und Hormonen arbeiteten und erste Ge schlechtsumwandlungen vollzogen. Doch auch in Europa waren weite Teile der O ffentlichkeit eher verwirrt durch die Geschlech terinstabilitaten (Stoff 2004).
Homosexuelle Manner im Nationalsozialismus Nach der Machtergreifung im Jahr 1933 fugten sich uneindeu tige Geschlechter nicht in die Entwurfe rassenhygienisch reiner und eugenisch leistungsstarker Kraftmanner, die wohl Kamera den sein durften, aber nicht durch erotische Krafte zueinander hingezogen. Die Geschichte der Stigmatisierung, verscharften Kriminalisierung und Verfolgung von Homosexuellen im Natio nalsozialismus ist eines der zentralen Forschungsthemen seit den Anfangen der schwulen Geschichtsschreibung, und sie ist es bis heute geblieben. Einen Einblick in die jungere Forschung geben der von Burkhard Jellonnek und Rudiger Lautmann herausgege bene Sammelband uber den Nationalsozialistischen Terror gegen Homosexuelle (2002), verschiedene Artikel in dem von Dagmar Herzog edierten Buch (2005b), das kurz zuvor als Sonderheft des Journal o/the History o/Sexuality publiziert worden war, ein Sam melband von Susanne zur Nieden (2005) sowie ein Themenband von Invertito (2005). Allerdings markierte das Jahr 1933 nicht den Anfang der Ver- Paragraf '75 folgung gleichgeschlechtlich Begehrender, denn der Paragraf 175 existierte zu diesem Zeitpunkt bereits seit 62 Jahren. GleichermaBen bedeutete das Jahr 1945 nicht das Ende der Repression oder den kompletten Neuanfang. Auch nach 1945 blieben der Paragraf
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Christine Jorgensen nach einem Showauftritt in New York City am 5. April 1953 library of Cong ress, Washington, D.C: New York World-Telegram of Su n
Collection - Blo g: Jorgensen, Christine
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175 i n Kraft und mannliche Homosexualitat kriminalisiert. In den Jahren der friihen Bundesrepublik stieg die Zahl der rechts kraftig Verurteilten an. Nach der Liberalisierung des Paragrafen 175 im Jahr 1969 dauerte es weitere 25 Jahre, bis er 1994 ersatzlos gestrichen wurde. Dass dies nicht die rechtliche Gleichstellung Homosexueller bedeutete, brauchen wir an dies em Punkt nicht weiter zu erlautern (Hergemaller 1999: n6-125). Die Langlebigkeit solcher Homosexuellenfeindlichkeit wird Homo auch durch die Koppelung von Homosexualitat und nationalso sexualitat zialistischem Staat genahrt, die iiber das Jahr 1945 hinaus in einem und NS breiten politischen Spektrum behauptet wurde. So hat etwa Lothar Machtans Buch iiber Hiders Geheimnis (2001) die deutsche Presse intensiv beschaftigt. Von der Bildzeitung iiber den SPIEGEL bis zur ZEITwurde das Denkmuster des »homosexuellen Nazis« dis kutiert. Wie Susanne zur Nieden in Homophobie und Staatsrason (2005) zeigt, war es schon seit den friihen 1930er Jahren fiir Vertre ter unterschiedlicher politischer Stramungen auBerst funktional, eine Beziehung von Homosexualitat, NS und deutschem Staat zu behaupten. Eine solche Beziehung wurde von Seiten der Linken als diffamierender Vorwurf an die Nationalsozialismus-Bewegung formuliert, der in der Affire um den SA-StabschefErnst Rahm im Juni 1934 auch scheinbar eine Bestatigung erfuhr. Die Rahm-Er mordung markierte den Beginn einer Homosexuellenverfolgung in bis dahin unbekannter Scharfe, mit der der NS-Staat nicht zuletzt diesem angenommenen Zusammenhang entgegenwirken wollte. Die »Ausmerzung« des »homosexuellen Staatsfeindes« sei zu betreiben, propagierten dessen Organe und Vertreter. Anderer seits schien schon den zeitgenassischen Kritikern des NS-Staates, wie etwa der linken Exilpresse, die Stichhaltigkeit ihrer Vorwiirfe durch die Brutalitat und Riicksichtslosigkeit des Vorgehens be statigt. Weiterhin wurde diese angebliche Verbindung von Homo sexualitat, Faschismus und »autoritarem Charakter« im Laufe der Jahre zum Baustein einer ersten psychoanalytisch argumentieren den Faschismustheorie, die sich bis zu Theodor Adorno, Klaus Theweleit und dariiber hinaus entfaltete. Den Historikerinnen Susanne zur Nieden (2005) und Claudia Bruns (2004) ist zuzu stimmen, wenn sie bemangeln, dass auf diesem Wege eine inner-
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halb volkischer Denkmuster entstandene Interpretation durch die Koppelung an Sexualitatskonzepte enthistorisiert und damit fort geschrieben wurde. Zusammenfassend ist herauszustellen, dass die Geschiehte der Sexual i tatsge Sexualitaten ein auBerst aktives Feld der historischen Forschung schichte beschreibt, das eng mit samtlichen anderen Bereichen verwobe n ist. GleichermaBen konnen sexualitatshistorische Arbeiten haufig nur im Kontext von Fragen der Familiengeschichte und der Ver gemeinschaftung betrachtet werden, die wir in den anderen Ab schnitten ebenfalls ausfuhrlieher behandelt haben. Zugleich sind in der Sexualitatsgeschiehte im Allgemeinen und in der Geschichte mannlicher Sexualitaten im Besonderen noch viele Fragen offen. Dies gilt - erstens - immer noch fur die Themenfelder des mann-mannlichen Begehrens und der Homo sexualitat, auch wenn deren Reichweite hinsiehtlich von Gesell schaftskonstitution und politischer Ordnung in jungster Zeit in tensiver diskutiert wurde. Dies gilt zweitens fur viele Bereiche, die bislang eher im Spektrum der Frauengeschichte oder der Krimi nalitatsforschung verortet wurden. Hier sei nur die umfassende Historiographie zum Kindsmord im fortgeschrittenen 18. Jahr hundert herausgegriffen, fur die es bislang an Betrachtungen aus der Perspektive einer Sexualitats- und Mannlichkeitsgeschichte weithin mangelt. Ahnliches ist von der Forschung zur Geschichte sexueller Gewalt zu sagen. Arbeiten wie die Tanja Hommens uber »Sittliehkeitsverbrechen« im Kaiserreieh (1999), die versuchen, Tater und Opfer, Manner, Frauen und Kinder, Mannlichkeiten und Weiblichkeiten, sexualwissenschaftliche Definitionen, deren juristische Ausdeutung und subjektbildende Wirkungsmacht in einander zu verschranken, sind immer noch rar. Ahnlich sieht es mit anderen Themen aus, wie etwa der Geschiehte von Prosti tution und Mannlichkeit, in der entsprechende Arbeiten noch dunn gesat sind. Ein weiteres treffendes Beispiel ist sieher das der Verhutung. Zwar hat die Geschichte der Verhutung mittlerweile zahlreiche Untersuchungen hervorgebracht, doch zugleich ist sie immer noch Thema einer weithin auf Frauen und Weiblichkeit beschrankten Geschlechtergeschiehte. Selbst in einer Kulturge schichte des Penis, wie sie David M. Friedman (2003) publiziert
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hat, kommen Verhiitung oder Kondome nur am Rande vor (vgl. auch Tone 2001; Jiitte 2003). Und auch der Impotenz hat man sich erst kiirzlich zugewandt (McLaren 2007). Am meisten verwun dert jedoch, dass die sexuelle Revolution der 1960er Jahre bislang kaum Gegenstand eingehender historischer Analyse geworden ist. Zu priifen ware beispielsweise, wie umfassend und wie schlagartig die so genannte sexuelle Revolution die Gesellschaften dies- wie jenseits des Atlantiks verandert hat. Beth Bailey (1999) hat gezeigt, dass der Wandel der Sexualitaten in der US-amerikanischen Pro vinz in den 1960er und 1970er Jahren nur sehr langsam vonstatten ging.
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9. Geschichte der Mannlich keiten - Fazit und Perspektiven
Wir haben beim Schreiben dieser »Historischen Einfiihrung« zwei Absichten verfolgt. Auf einer ersten Ebene war es unser Anliegen, den gegenwartig noch immer boomenden Trend hin zu einer Ge schichte der Mannlichkeiten einer kritischen methodisch-theo retischen Bestandsaufnahme zu unterziehen. Zu diesem Zweck haben wir uns zunachst ihren Anfangen zugewandt, der Frauen und Geschlechtergeschichte einerseits sowie den gegenwartsorien tierten, interdisziplinaren »Men's Studies« andererseits. Auf dieser Basis entwickelten wir die programmatische Konzeption einer Geschichte der Mannlichkeiten, die wir im vierten und zentralen Kapitel dieses Buchs vorgestellt haben. Grundlegend fiir unsere Konzeption einer Geschichte der Mehrfache Relationa Mannlichkeiten ist ihre komplexe Verankerung innerhalb einer lihit mehrfach relationalen Geschlechtergeschichte - es soll keine Mannergeschichte geschrieben werden, sondern eine umfassende Geschlechtergeschichte, welche die Kategorie Geschlecht in all ihren vielfaltigen Wirkungsweisen fiir Frauen und Manner in vergangenen Epochen analysiert. Zu diesem Zweck bedarf eine Geschichte der Mannlichkeiten keiner originar eigenen Theorie, sie kann und muss vielmehr die Anregungen und Angebote der Geschlechtergeschichte wie der »Gender Studies« aufnehmen und produktiv weiterfiihren. Die Beschaftigung mit Mannlichkeiten in der Geschichte bringt durchaus eigene Erkenntnisinteressen und Probleme mit sich, hier sei an das Konzept der hegemonialen Mannlichkeit oder auch an die »Krise« erinnert. Doch diese sind nicht mehr als Spezifika innerhalb sich dynamisch weiterentwi ckelnder kultur- und sozialwissenschaftlicher Theorierahmen, in denen Fragen nach Identitat und Differenz, nach der Relationali-
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dit von Geschlecht, nach dem Zusammenwirken von Diskursen und Erfahrungen oder nach den geschlechtlich codierten Korpern und ihren Reprasentationen gestellt werden. Eine derart gefasste Geschichte der Mannlichkeiten liefert einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen. Auf einer zweiten Ebene haben wir uns genauer mit der bishe- Bisherige rigen geschlechterhistorischen Forschung zu Mannlichkeiten in Forschung der Geschichte der Neuzeit beschaftigt, sie kritisch vorgestellt und kommentiert. Dabei haben wir uns vor allem der deutschsprachigen sowie der angloamerikanischen Literatur zugewandt und drei wesentliche Themengebiete umrissen: Vorstellungen vom mannlichen Versorger zwischen Arbeitswelt und Vateraufgaben, Formen mannlicher Sozialitat vom »einsamen Helden« iiber soldatische Kameradschaft bis hin zum Staatsbiirger sowie schlieglich Aspekte mannlicher Sexualitat. In diesen drei Kapiteln facherte sich eine groge Breite an historischen Fragestellungen und Themen auf, welche die dynamische Entwicklung der Forschung eindrucksvoll dokumentieren. Antworten auf die leitende Frage, was es denn jeweils historisch spezifisch bedeutete, »mannlich« zu sein, und wie das notwendig mit anderen Identitats- und Strukturkategorien verkniipft war, sind in den letzten 20 Jahren zu einem sichtbaren und Gewinn bringenden Feld der Historiographie gebiindelt worden. Trotzdem sind auch Probleme und Desiderate aufzuzeigen, die zum Abschluss des Buches noch angesprochen werden sollen. Dabei kann gleichfalls zwischen methodisch-theoretischen wie inhaltlichen Aspekten unterschieden werden, auch wenn diese natiirlich haufig miteinander verschrankt sind. Seit einiger Zeit mehren sich Stimmen, welche die explosions- Kritik artige Zunahme von »mannerhistorischen« Arbeiten als Zeichen einer mangelnden geschlechterhistorischen Selbstreflexion werten; viele dieser Publikationen seien keine Geschlechtergeschichten, sondern bedienten lediglich eine historiographische Mode. Solche Warnungen sind durchaus berechtigt. Allzu oft nutzen Historikerinnen und Historiker die Existenz einer plakativ mas kulinen Sprache in ihren Quellen dazu, eine Analyse dieser Ma terialien bereits als Mannlichkeitengeschichte zu etikettieren. Wir mochten an dieser Stelle Anmerkungen Bruce Dorseys aufgreifen,
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der soiehe »Mannergeschichten« deutlich kritisiert hat (Dorsey 2007). Eine Geschichte der Mannlichkeiten muss als integrierte Geschichte von Mannlichkeits- wie Weiblichkeitsentwurfen ge schrieben werden, mehr noch: 1m Sinne einer umfassenden Per spektive ist stets ein Bundel anderer sozialer Verhaltnisse, Identi taten und Machtkonstellationen wie "Rasse", Klasse, Ethnizitat, Sexualitat oder auch Nationalismus oder Kolonialismus zu beden ken. Das kann und muss nicht in jeder einzelnen Arbeit in aller Ausfuhrlichkeit geschehen, doch diese mehrfache Relationalitat muss als Fluchtlinie erkennbar sein. Daruber hinaus ist es wunschenswert, weiBe, heterosexuelle Manner der Mittelklassen nicht so sehr im Kern historischer Ana lysen zu platzieren. So wichtig es ohne Zweifel ist, die geschlecht liche Codierung auch dieser zumeist hegemonialen Mannlichkeits entwurfe offenzulegen und als historisch geworden zu markieren, so gefahrlich ist es doch, Geschichte wieder vorwiegend auf Basis der vielen von eben diesen weiBen heterosexuellen Mannern pro duzierten und hinterlassenen Quellen zu schreiben. Es ist historio graphisch wie politisch wichtig, Geschichten von Mannlichkeiten ebenso von den Randern der Gesellschaften her zu konzipieren be ziehungsweise den Blick auf Kulturen zu werfen, die unsere schein bar so stabilen Geschiechtermodelle dezentrieren. SchlieBlich wird es darauf ankommen, dass "die Geschlechter forschung zu Mannlichkeiten eine besondere Sensibilitat fur die komplexen und machtigen Aspekte von Sichtbarkeit und Unsicht barkeit von Geschlecht in der Geschichte entwickeln" sollte, wie Dorsey weiter schreibt (ebd.: 40). Entwurfe und Manifestationen von Mannlichkeiten mussen nicht zwangslaufig an der Oberfla che historischer Entwicklungen entstehen und wirkungsmachtig werden. Geschlechterhistorische Arbeiten solIten Vorstellungen von Mannlichkeit gerade jenseits und unabhangig von Man nern oder mannlichen Korpern nachgehen. Eine Geschichte der Mannlichkeiten lasst sich bisweilen auch ohne Manner vortreff lich schreiben; sie kann dann Denkstrukturen, Institutionen und Zusammenhange in ihrer geschlechtlichen, mannlichen Codie rung untersuchen und so Einblicke in das Funktionieren von Ge sellschaften bieten.
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1m Anschluss an diese methodisch-theoretischen Gedanken Themen seien noch einige inhaldiche Themenfelder benannt, denen sich felder eine Geschlechtergeschichte der Mannlichkeiten in nachster Zukunft verstarkt widmen konnte. Eine bereits bei unseren Ausfuhrungen zur Vaterfigur sowie zur Sozialitat angesprochene Identi tatskategorie ist das Lebensalter. Der haufigere Einbezug dieser Perpektive ware vor allem deshalb bedeursam, weil gerade Fragen nach der Tradierung bzw. Modifizierung von Mannlichkeit sowie mannlich codierter Macht zentral sind. Daruber hinaus geraten insbesondere altere Manner nach dem Ende ihrer Berufstatigkeit und mit verschiedenartigen Bezugen innerhalb von Familien noch zu oft aus dem Blick. Eine weitere zukunftige Ausrichtung der Mannlichkeitenge schichte sollte die changierende Bedeutung unterschiedlicher Identitatskategorien in individuellen Biographien beleuchten. Was andert sich in Mannlichkeitsentwurfen durch Migration, Flucht, Inhaftierung, Unfall oder Krankheit, um nur einige denkbare Verschiebungen in Lebenslaufen zu nennen? Wie werden soiehe »Krisen« zu »Krisen« und mit Sinn versehen? Die Forschung zu Kriegsveteranen konnte hier einen ersten Anschlusspunkt bieten. Es gibt noch zahlreiche weitere Bereiche, die zu nennen waren. So ist es nach wie vor verwunderlich, dass Geschlechter- und Kor pergeschichte einerseits und die Geschichte des Sports (oder der Bewegung insgesamt) andererseits so wenig Beruhungspunkte aufweisen. Wo sonst in modernen Gesellschaften, so mochte man fragen, werden Geschlechterentwurfe so sehr mit Ordnungsvor stellungen, Zuschreibungen und Identitaten aufgeladen wie im Sport? Hier tut sich ein breites Forschungsfeld auf Ahnliches liel�e sich fur die Religion sagen, auch hier steht die Forschung zum Zu sammenhang von Glaube und Mannlichkeiten noch am Anfang. Dabei ware es interessant zu beleuchten, wie sich Geschlechter vorstellungen in den Institutionen, Traditionen und Ritualen der der jeweiligen Religonsgemeinschaften identifizieren lassen, auch abseits von mannlichen Funktionstragern. Die Liste lieGe sich fonsetzen, doch mochten wir mit einem einem anderen Hinweis schlieGen. Die historische Forschung zu Mannlichkeiten wird davon profitieren, die gegenwartig zu be-
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abachtende Orienrierung auf visuelle Quellen - Bilder, Fatas, Filme - deutlicher zu berucksichtigen. Hier eroffnet sich ein Quellenmaterial, welches sich vielfiltig auch und gerade fur ge schlechterhistorische Studien deutlicher nutzen lieBe als dies bis her geschehen ist. Auch wenn die letzten Jahre sehr produktiv waren, sind noch viele weitere wichtige Arbeiten zu schreiben.
Au swahlbibliographie
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Personen- und Sachregister
Anmerkung: Begriffe und Personen sind nur dann aufgefiihrt, wenn sie in haltlich behandelt werden, bloBe Erwahnungen und Literaturverweise sind nicht beriicksichtigt. Alkohol 87, 102, 108, II2, II5ff. Alltagsgeschichte 19 Amerikanischer Biirgerkrieg 94, 128 Arbeit 103 Biologismus 22, 25, 40 Biopolitik 151 Black Panther Party 66f. Bliiher, Hans 133f. Bly, Robert 49 Bock, Gisela 20f., 22, 27 Bourdieu, Pierre 44 Biirgerrechtsbewegung 103 Biirgertum 90ff. Burschenschaften II8 Butler, Judith 22ff., 44f., 47, 61 Cleaver, Eldridge 66f. Connell, Raewyn/Robert W. 42f. Cyborg 84 Davis, Natalie Zemon 17 Differenz 19, 47, 51ff. Diskurs 58ff. Ehe 87f. Ehre II9f. Erfahrung 19, 58ff., 76
Ethnizitat 26f. Familienforschung 85 Feminismus 13, 33[., 46, 142 Foucault, Michel 20, 59, 140f. Frauengeschichte 13ff. F reizeit 109 Freud, Sigmund 36, 38, 141 Frevert, Ute 29f., 82 Gangster 12of. Gender 16ff., 25 Gewalt 93 ff. GroBe Depression 96ff. Habitus 44 Halbstarke 120, 155 Hausvater 86f. Hegemonie 42f., 75 Heterosexualitat 22, 137[., 154 Homosexualitat 138, 154, 157ff. Homosozialitat II5 Identitat 5Iff., 75 Individualitat 135f. Jorgensen, Christine 156ff. Junggeselle II7
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Kalter Krieg 98f., 155f. Kameradschaft 123ff. Kapitalismus 41 Kinsey, Alfred 137f. Kolonialgeschichte 88, 130, 145 Konstruktivismus 23f., 41, 44f. Korpergeschichte 24, 26 Krafft-Ebing, Richard von 152 Krise 64ff., 165 Kiihne, Thomas 81 Kulturgeschichte 24 Labor History 105 Lacan, Jacques 38 Lauretis, Teresa de 38 Lerner, Gerda 16f. London, Jack 112f. Lynching 95> 148f. Macht 75 Mannerbund 100, II3ff., 132ff. Mannerstudien 33ff. Men's Rights Movement 47f. Meuser, Michael 39f. Militar 123ff. Mythopoetics 49 Nation 124f. Nationalsozialismus 157ff. Normativitat 47, 60f.
Promise Keepers 48 Psychoanalyse 38 Queer Studies 37, 142f. Rassismus 26f., 148 Relationalitat 18, 20f., 26, 28, 55ff., 75, 162 Religion 122 Remaskulinisierung 100f., IIO Rohm, Ernst 159 Rollentheorie 39f. Rotundo, E. Anthony 36 SCOtt, Joan 18ff., 25, 61, 73 Selbstzeugnisse 63 Self Made Man 104 Separate Spharen 86 Sexualitat 24, 137ff. Sexualwissenschaft 151f. Sklaverei 89, 103f., 147f. Soldat 123 ff. Sozialgeschichte 15 Sport 122 Subjekt 62f. Staat 95, 128ff. Theweleit, Klaus 37f., 81, 126, 159 Traister, Bryce 45ff. Transgender-Studien 143 Transsexualitat 156
Onanie 149ff. Patriarchat 14, 41f., 88 Performativitat 47 Phallus 142 Politik 95 Postkolonialismus 37
YMCA 121 Zweiter Weltkrieg 98