T.P.Mielke
Band 14
Gestrandet in der Hölle Die Geschwister Rex Cordas wurden von den Laktonen entführt. Der geniale W...
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T.P.Mielke
Band 14
Gestrandet in der Hölle Die Geschwister Rex Cordas wurden von den Laktonen entführt. Der geniale Wissenschaftler Walter Beckett hat eine Entdeckung gemacht, die so wichtig ist, daß er keine schriftlichen Unterlagen dafür herstellt. Walter Beckett erkannte die Gefahr, die mit dieser Entdeckung verbunden ist. Um sein Geheimnis zu sichern, pflanzte er es Rex Corda und seinen beiden Geschwistern Kim und Velda hypnotisch ein. Jedes der drei Geschwister erhielt nur einen Teil des Geheimnisses. Das war in den ersten Junitagen des Jahres 1992 - unmittelbar vor der Landung der Laktonen auf der Erde. Als die Fremden von den Sternen zur Erde kamen, starb Walter Beckett. Das Wissen schlief in den drei Gehirnen. Aber das blieb den Laktonen nicht verborgen. Sie entführten Kim und Velda Corda, so wie sie viele Tausende von der Erde enführten, weil sie sich nur auf diese
Weise über die Erde informieren konnten. Seitdem sind Kim und Velda Corda verschollen. Immer wieder versuchten die Laktonen, Corda zur Preisgabe seines Anteils an dem Geheimnis zu zwingen. Doch sie scheiterten jedesmal. Jakto Javan, der Schento der Laktonen, ist entschlossen, die Entdeckung Walter Becketts endgültig für Lakton zu sichern. Deshalb entwirft er einen gefährlichen und riskanten Plan. Doch das Risiko liegt allein bei Rex Corda - denn er wird es sein, der zu der Expedition in die Tiefen der Galaxis aufbricht. Sein Raumschiff ist der auf Merkur erbeutete Hantelraumer. Er trägt den Namen WALTER BECKETT. Damit trägt das Unternehmen den Namen des Mannes, um dessen Vermächtnis es geht. Es führt Rex Corda auf einen Planeten, der der Hölle entsprungen zu sein scheint . . .
Die wichtigsten Personen Rex Corda . . . . . . . . . . . der Präsident der Erde sucht seine Geschwister Ko-Mont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agent Laktons, begleitet Corda Bekoval . . . . . . . . . . . . der Laktone steht unter einem seltsamen Einfluß
Mit riesigen Sätzen jagte er zum Wrack zurück. Er rannte um sein Leben. Sein Spähtrupp war aufgerieben, seine Begleiter tot — umgekommen in dieser höllischen Welt. Noch zwanzig Meter! Die Lichtreflexe der grellen Doppelsonne Gamma Virginis glitzerten auf der zerstörten Außenhülle des Wracks. Das laktonische Raumschiff war noch vor der Notlandung auf dem fünften Planeten des Systems zerbrochen. Drasso Seric sprang über einen Pfeilkaktus. Hart trommelte der Schleudersamen gegen seinen Raumanzug. Der Kaktus wehrte sich. Alles in Drasso Seric krampfte sich zusammen. Die pfeilartigen Geschosse der grausamen Kaktusart brachten ihn zu Fall. Er überschlug sich und landete in einem wuchernden drahtigen Orchideengebüsch. Die mordlustige Verfolgerin blieb hinter ihm. Der laktonische Navigationsoffizier kannte die Gefahr. Er hatte gesehen, wie seine Kameraden gestorben waren. Er hob den Kopf und lauschte. Das Sprunggeräusch der Dysdera wurde lauter. Er stöhnte gequält auf. Dann war die Dysdera über ihm. Verzweifelt klammerte er sich an den letzten Hoffnungsschimmer, der ihm noch blieb; er stellte sich tot! Aber da war das grausame Ungeheuer bereits über ihm. Drasso Seric starrte auf den hellgelben Hinterleib der mehr als zwei Meter großen Kampfspinne. Die ziegelroten Beine tasteten ruckartig nach seinem Körper. Weit klafften die zum Beißen bereiten Kiefer auseinander. Ein glitzernder Signalfaden schoß aus dem Hinterleib der Dysdera. Sofort blieb das klebrige Gespinst am Raumanzug von Drasso Seric hängen. Er bewegte sich nicht. Da feuerte der Pfeilkaktus seinen Sa-
men gegen den Hinterleib der Kampfspinne ab. Die Dysdera zuckte zusammen. Der Signalfaden riß. Der Spinnenleib wurde herumgeschleudert. Gleichzeitig zischte ein Energiestrahl aus dem Wrack über die Spinne hinweg. Drasso Seric triumphierte. Die Männer im Wrack hatten erkannt, in welcher Gefahr er sich befand. Sie halfen ihm. Er glaubte, eine neue Chance bekommen zu haben. Das schützende Wrack befand sich in greifbarer Nähe. Dort konnte die Kampfspinne ihn nicht erreichen! Er sprang auf. Mit einem gewaltigen Satz warf er sich tiefer in das Orchideengebüsch hinein. Er glaubte, daß der Pfeilkaktus die Dysdera ablenken würde. Das war sein Fehler. Die Kampfspinne schoß nach vorn. Sie schnitt ihm den Weg ab. Vom Wrack war in dieser Situation keine Hilfe möglich. Neue Spinnfäden schossen wie glitzernde Seile um Drasso Seric. Sie fesselten ihn und warfen ihn zu Boden. Das Ungeheuer mit den behaarten Beinen und dem aufgedunsenen Leib beugte sich über ihn. Acht Spinnenaugen funkelten ihn voller Mordlust an. Dann biß die Dysdera zu. Drasso Seric bäumte sich auf. Er fühlte, wie ein neuer Energiestrahl aus dem Schiff seinen Rücken versengte. Die Kampfspinne ließ sich nicht aufhalten. Noch einmal schrie der laktonische Offizier auf, dann brach er zusammen. Die Dysdera schleppte ihn in die vorbereitete Brutröhre. Wirkungslos zischten Geschoßsalven in das drahtige Orchideengebüsch. Drasso Seric war das siebte Opfer der Kampfspinne auf dem Höllenplaneten im System Gamma Virginis! * „Aber irgend jemand muß die Raumfestung Schalmirane doch gesehen ha-
ben!" sagte Rex Corda unwillig. „Warum haben Sie Ihre Ortungsgeräte nicht eingesetzt, nachdem die Zeitlosen mich aus der Raumfestung schleuderten?" „Wir haben alles versucht", sagte der laktonische Offizier kopfschüttelnd. „Die Ortungsgeräte versagten von einem bestimmten Punkt an. Schalmirane ist untergetaucht. Im Nichts!" Rex Corda preßte die Lippen zusammen. Dann konnten auch die Koordinaten nicht stimmen, die er von den Zeitlosen erhalten hatte! Sie hätten sich sonst anders verhalten. Er war betrogen worden ... Die Laktonen hatten ihn aus dem Raum geborgen. Trotzdem war Rex Corda nicht zufrieden mit diesem Ergebnis. Er dachte daran, was sie alles mit der Raumfestung Schalmirane — jener uralten Wachstation am Rande der Milchstraße — hätten anfangen können. „Ich habe mir bei meinem ersten Kontakt mit fremden Lebewesen den Arm gebrochen", sagte Will Rimson. Er strich sich mit einem kleinen Tuch über seine Glatze. Dann zupfte er an seinem weißen Haarkranz. Der alte Wissenschaftler war ein Freund von Corda. Aber er war ein ständiger Spötter. Inzwischen hatte er im Rat der Fünf die administrativen und innenpolitischen Aufgaben der Vereinigten Staaten übernommen. Er betrachtete Rex Corda, den Präsidenten der Vereinigten Staaten, nicht als Vorgesetzten, sondern eher als einen jungen Freund, dem man mit väterlicher Hilfe zur Seite stehen konnte. „Es gibt ein größeres Problem als die Raumfestung Schalmirane", sagte Will Rimson. „Die Laktonen wollen große Teile ihrer Flotte von der Erde abziehen." Diese Nachricht wirkte auf Rex Corda wie ein Tief schlag. „Und die Erde? Was wird aus uns?" Will Rimson hob die Schultern. „Ich weiß es nicht", sagte er.
„Das dürfen sie nicht tun! Wenn die Laktonen ihre Flotte abziehen, ist die Erde schutzlos den Angriffen der Orathonen ausgesetzt. Wir alle wissen, welche Mittel die Grünhäutigen haben, um diesen Planeten in Schutt und Asche zu verwandeln." „Vielleicht läßt Jakto Javan mit sich handeln." Rex Corda schüttelte den Kopf. Jakto Javan war Herr über hunderttausend Raumschiffe. Für ihn bedeutete die Erde nichts. „Ich werde mit Javan sprechen. Ich kann nicht zulassen, daß Terra gerade in diesem Augenblick schutzlos den Orathonen ausgeliefert wird. Es darf einfach nicht sein." „Und wenn Jakto Javan nicht mit sich handeln läßt?" fragte Will Rimson ruhig. Rex Corda blickte dem Wissenschaftler in die Augen. Seine Jochbeine traten weiß hervor. Dann bildete sich eine steile Falte auf seiner Stirn. Er brauchte nicht auszusprechen, was dann geschah. Wortlos drehte er sich um und verließ mit schnellen Schritten den Raum. * Jakto Javan warf einen Blick auf die großen Zeitskalen innerhalb der Zentrale seines Flaggschiffes. Das riesige raketenförmige Raumschiff war vollkommen überholt worden. Es war für eine neue Schlacht bereit. Die stampfenden Roboter und die überall durch die Gänge und Hallen hastenden laktonischen Offiziere beruhigten den Schento. Er strich mit den Fingerspitzen über die künstliche Hand an seinem rechten Arm. Jetzt konnte er vergessen, daß ihm sein Todfeind Sigam Agelon — der Oberbefehlshaber der Orathonen — bei einem Duell die Hand abgetrennt hatte.
Jakto Javan dachte an den Mann, der ihn aus dem Ring von wuchernden semibiotischen Kolonien befreit hatte. Er dachte an Rex Corda. Er bedauerte es jetzt immer mehr, daß der oberste Repräsentant der Erde auf einer so niedrigen Kulturstufe stand. Die Terraner waren interessant — aber leider zu primitiv. Pausenlos kamen Meldungen von startenden Schiffen in die Zentrale des Flottenkommandeurs. Die laktonischen Raumschiffe verließen die Erde. In dichten Schwärmen erhoben sich Trakon-Kreuzer und die feuerroten Giganten der Pithon-Klasse. Jakto Javan stand vorgebeugt in der Zentrale seines Flaggschiffes. Auf den Holografen beobachtete er die aufflammenden Feuerstrahlen der zwischen den Wolken hindurchschießenden Kampfschiffe seiner Flotte. Er hatte sich entschlossen, zum Zentrum des laktonischen Reiches durchzubrechen und sich wieder mit der Hauptflotte zu vereinigen. Für ihn war der Kampf um die Erde nur eine Zwischenstation im langen Krieg mit den Gefiederten. * Mit Höchstgeschwindigkeit näherte sich der Sonnengleiter der Regierung dem Flaggschiff von Jakto Javan. Der uniformierte Pilot landete exakt vor der Hauptschleuse des raketenförmigen Raumschiffes. Rex Corda sprang aus dem Gleiter. Er eilte an einer Gruppe von Kampfrobotern der AA-2-Klasse vorüber. Die kopflosen zylindrischen Körper mit dem Linsenring an der Oberkante und den darunter befindlichen Abstrahlschlitzen für Thermostrahler und inkorporierte Railing-Guns interessierten Rex Corda nicht. Er mußte zu Jakto Javan. Der Schen-
to durfte die Erde nicht schutzlos zurücklassen. Wenn er seine Flotte abzog, würde niemand die grünhäutigen Orathonen dran hindern können, die Erde erneut zu besetzen. Zwei Wachoffiziere begrüßten ihn mit einem angedeuteten Kopfnicken und führten ihn, ohne zu zögern, zu Jakto Javan. Sie alle kannten diesen Terraner, der mehr als einmal mit dem Schento verhandelt hatte. Knapp fünf Minuten später standen sich die beiden Männer gegenüber. „Sie kommen umsonst, Corda", sagte der Schento mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck. „Ich weiß, was Sie wollen. Aber versuchen Sie nicht, mich mit Ihren Argumenten überzeugen zu wollen. Es ist zwecklos." Rex Corda ballte die Fäuste. Mit einem derartigen Empfang hatte er bereits gerechnet. Er wußte, wie hart Jakto Javan sein konnte. Aber er hatte einen Trumpf in der Hand. Einen Trumpf, den auch die Laktonen nicht mit einer kurzen Handbewegung vom Tisch fegen konnten. Dieser Trumpf war er selbst und das in ihm durch einen Hypnoblock verankerte Geheimnis des terranischen Wissenschaftlers Walter Beckett. Dieser geniale Mann hatte sein gesamtes Wissen noch vor seinem Tod in den Gehirnen der drei Corda-Geschwister verankert. Immer wieder hatten die Terraner und die Laktonen versucht, Rex Corda das verborgene Geheimnis zu entreißen. Der Hypnoblock war stärker. Nur wenn Rex Corda zusammen mit seinen Geschwistern Kim und Velda bereit war, das Geheimnis zu lüften, konnte Walter Becketts Wissen nutzbar gemacht werden. „Sie wissen, was Sie verlieren, wenn Sie jetzt die Erde verlassen", sagte Rex Corda ruhig. „Wenn es den Orathonen gelingt, die Erde nochmals zu besetzen,
gibt es keine Garantie dafür, daß ich zu den Überlebenden gehöre. Aber ohne mich sind meine beiden Geschwister für Sie wertlos, Jakto Javan." „Das ist ein Irrtum. Die Orathonen werden die Erde nicht mehr angreifen, weil dieser Planet ohnehin schon ausgelaugt und wertlos geworden ist. Die Grünhäutigen haben nur ein einziges Ziel. Sie wollen die laktonische Flotte schlagen. Die Erde interessiert sie überhaupt nicht!" „Na schön, Jakto Javan. Trotzdem bestehe ich darauf, daß meine Geschwister ausgeliefert werden. Bisher ist es nicht gelungen, ihr Schicksal aufzuklären." Der Schento überlegte einen Augenblick. Dann nickte er kurz. Er winkte einige Offiziere heran. Mit knappen Worten befahl er, Nachforschungen über den Verbleib der Corda-Geschwister anzustellen. Sie waren bereits bei der ersten Invasion der laktonischen Flotte entführt worden. Bisher hatte niemand etwas über ihren Aufenthaltsort erfahren. Große Speicher-Computer sprangen an. Jakto Javan gab Rex Corda einen Wink. Zusammen gingen die beiden Männer auf die Datenspeicher zu. Pausenlos spuckten die riesigen Geräte verschlüsselte Daten, Kursangaben und Archivmeldungen aus. Es dauerte zehn Minuten, bis plötzlich einer der Offiziere sich nach vorn beugte, einen Magnetstreifen abriß und in ein Wiedergabegerät legte. Nach ein paar kurzen Pfeifgeräuschen kam eine Meldung, die Rex Corda das Blut in den Adern gerinnen ließ: „... Terraner nach Lakton bringen sollte, ist verschollen. Suchaktionen konnten bisher noch nicht eingeleitet werden. Archivmeldung l 23—7 4—B —18 1 ..."
Der Offizier schaltete das Gerät ab. „Sie wissen selbst, daß wir bisher noch keine Zeit hatten, nach Ihren Geschwistern zu suchen. Der pausenlose Abwehrkampf gegen die Grünhäutigen erlaubte es nicht, auch nur einen einzigen Laktonen mit Aufgaben zu beschäftigen, die in diesem Stadium des Kampfes relativ unwichtig waren." „Dann lassen Sie mich selbst nach meinen Geschwistern suchen", sagte Rex Corda plötzlich. Gegen dieses Argument konnte der Schento, wenn er es ehrlich meinte, nichts vorbringen. Sekundenlang zögerte Jakto Javan. Dann nickte er mit einem feinen Lächeln um die Mundwinkel. Er hatte gewisse Pläne... Rex Corda merkte sehr wohl, daß der Schento ihm etwas verheimlichte und gewisse Tatsachen nicht zugeben wollte. In seinen kristallklaren Augen glomm ein Leuchten auf. Er kannte Jakto Javan lange genug, um zu wissen, daß der Schento nichts tat, was ihm keinen Vorteil brachte. Für Cordas Geschmack war Javan etwas zu schnell auf seinen Vorschlag eingegangen ... „Wer garantiert mir, daß die Orathonen nicht erneut die Erde überfallen, wenn ich mich auf die Suche nach meinen Geschwistern begebe?" „Ich könnte Ihnen einige Schiffe zurücklassen." „Zehntausend sind das Minimum", sagte Rex Corda. Jakto Javan lachte kurz auf. Er starrte Corda an. Dann sagte er: „Tausend!" Rex Corda schüttelte den Kopf. „Es hat keinen Zweck! Tausend Raumschiffe können nicht einmal die Vorhut eines neuen orathonischen Angriffskommandos aufhalten." „Also gut. Fünftausend! Das ist mein letztes Angebot!" Rex Corda merkte, daß es keinen
Zweck hatte, weiter zu verhandeln. „Einverstanden", sagte er. „Veranlassen Sie bitte, daß das Wrack des Hantelraumers, das ich auf dem Merkur gefunden habe, überholt wird." „Das geschieht bereits", entgegnete Jakto Javan mit der Andeutung eines Lächelns. Corda zog die Brauen hoch. Ein derartiges Entgegenkommen war er von den Laktonen nicht gewöhnt. Bisher hatte er um alles kämpfen müssen. Er wunderte sich darüber, daß sie ihm jetzt freiwillig und ohne Schwierigkeiten zu machen ihre Hilfe anboten. Er hatte plötzlich das Gefühl, daß hier eine ganze Menge nicht stimmte. Sekundenlang starrte er den Schento an. Der Laktone wich Cordas Blick nicht aus. „Sie gestatten doch, daß ich den Hantelraumer während der Werftarbeiten inspiziere?" fragte Rex Corda versuchsweise. Aber Jakto Javan hob nur die breiten Schultern. „Warum nicht", sagte er mit einem maliziösen Lächeln. „Niemand kann Sie hindern, dieses Schiff während der Werftarbeiten zu untersuchen. Es gehört nach unseren Vereinbarungen Ihnen, das wissen Sie doch. Zur Zeit werden bereits an den Kontrollen neue Anschriften angebracht. In laktonischer und in englischer Sprache ..." Rex Corda drehte sich auf dem Absatz um. Er verließ die Zentrale. Irgend etwas stimmte hier nicht. Er war entschlossen, herauszufinden, was es war. Noch während der oberste Repräsentant der Erde durch die weitläufigen Hallen des Flaggschiffs ging, ließ Jakto Javan den von Lithalon stammenden Offizier Ko-Mont zu sich kommen. Nur wenige Minuten später begann in den Privaträumen des Schento eine streng geheime Besprechung, von der
Rex Corda unter keinen Umständen etwas erfahren durfte. * Rex Corda ließ sich mit dem Sonnengleiter der Regierung zu den Werfthallen bringen. Schon von weitem sah er den orathonischen Hantelraumer, der das Flaggschiff der gerade entstehenden kleinen Raumflotte der Erde werden sollte. Der Hantelraumer gehörte zur DorrKlasse. Zwischen den beiden zweihundert Meter großen Kugeln erhob sich ein Stahlrohrgerüst. Laktonische Techniker arbeiteten in fast hundert Meter Höhe am Verbindungsarm zwischen den beiden Kugeln. Treppen und breite Stege waren ausgefahren und wurden überholt. Armdicke Leitungen krochen schlangengleich in die Kugeln. Sie waren mit dem Hauptenergienetz von Colorado-Springs verbunden. Hantelraumer der Dorr-Klasse besaßen ausgezeichnete Schutzeinrichtungen. Obwohl äußerlich keine Zerstörungen zu erkennen waren, wußte Rex Corda, daß fast die gesamte Elektronik zwischen den Antriebsmaschinen, dem Verbindungsarm und den beiden Kugelzentralen erneuert werden mußte. Rex Corda tippte seinem Piloten auf die Schulter. Er deutete zur linken Kugel. „Setzen Sie mich dort ab", sagte er kurz. Der Pilot nickte und kippte den Sonnengleiter zur Seite ab. Dann slipte er schräg auf die Kugel zu. Er landete zwischen zwei riesigen Krangerüsten. „Warten Sie hier", ordnete Rex Corda an. Der Pilot nickte. Corda stieg aus und blickte nach oben. Die gewaltigen Kugeln wölbten sich über ihm und riefen den Eindruck hervor, in einer instabilen Lage zu sein.
Nur schwer konnte sich Corda von dem imposanten Anblick losreißen. Ein stolzes Gefühl kam in ihm auf. Hantelraumer der Dorr-Klasse gehörten zu den kleinsten Einheiten der grünhäutigen Orathonen. Schiffe dieser Klasse wurden fast ausschließlich als Kommandozentralen der entsprechenden Flotteneinheit eingesetzt. Trotzdem war Corda stolz darauf, das vom Merkur geborgene Raumschiff von den Laktonen erhalten zu haben. Das war der erste Schritt für Terra, eine eigene Raumflotte aufzubauen. Corda lächelte leicht, als er daran dachte, wie lange es gedauert hätte, bis die Erde soweit gewesen wäre, selbst derartige gigantische Raumschiffe zu bauen. Mit diesem Schiff war er in der Lage, seine Geschwister Kim und Velda in der Dunkelheit des Weltalls zu suchen. Vierhundert Techniker der BoeingWerke arbeiteten innerhalb der Kugeln. Es war eine gewaltige Aufgabe, den großen Hantelraumer zum Flaggschiff der irdischen Raumflotte umzurüsten. Die Aufenthaltsräume für die Fremdrassen der Orathonen — die Whims, Ätzer, Staras und Jumper — wurden vollkommen demontiert und zu Vorratslagern umgebaut. Rex Corda stieg eine der breiten Rolltreppen hinauf, die bis tief ins Innere der linken Kugel führte. Das rhythmische Trommeln der Niethämmer und das scharfe Zischen der Stahlplastikschweißer betäubten ihn sekundenlang. Die Techniker arbeiteten ausschließlich mit Schutzhelmen. Noch ehe Rex Corda dazu kam, um einen Helm zu bitten, reichte ihm ein Techniker mit einem breiten Grinsen einen Pilotenhelm. Corda stülpte ihn über seinen Kopf. Sofort wurde der Krach im Innern der Kugel gedämpft. Gleichzeitig war er an
das Funknetz der Inspektionsingenieure angeschlossen. „Willkommen an Bord, Mr. President", sagte ein langer schlaksiger Ingenieur in einem weißen Overall. Er streckte Corda seine ölverschmierte Hand hin. Rex Corda grinste. Er schüttelte kräftig die Hand, während der Ingenieur sich vorstellte: „Ich bin Tom Sluck, Chefingenieur der Arbeitsgruppe 3." Rex Corda drehte das Kehlkopfmikrophon am Drahtarm in die richtige Stellung. Nur so konnte man sich während der Werftarbeiten unterhalten. Obwohl die beiden Männer voreinander standen, mußten sie die in den Helmen eingebauten Funkgeräte zu Hilfe nehmen. „Okay, Tom. Wie kommen Sie voran?" „Wenn alles klappt, sind wir heute abend fertig." Rex Corda zog bewundernd die Brauen hoch. Das war wirklich schnelle Arbeit. „Wie klappt die Zusammenarbeit?" „Ich habe in den letzten drei Tagen mehr gelernt als auf dem College", grinste der Chefingenieur. „Dieses Raumschiff ist ein Prachtstück, Mr. President. Wir können froh sein, daß die Laktonen es uns überlassen haben." Rex Corda nickte. Es war nicht einfach gewesen, Jakto Javan die Genehmigung abzuhandeln, abgestürzte Wracks der Orathonen zu übernehmen. Für den Schento waren die Terraner nach wie vor Primitive. Nur dem Geschick von Rex Corda war es zu verdanken, daß die Terraner jetzt ein vollwertiges Raumschiff besaßen. Die anderen Wracks waren längst nicht so gut erhalten wie dieser Hantelraumer. Drei Arbeitsroboter der Laktonen stampften schwer beladen durch einen
Quergang. Rex Corda sah ihnen sinnend nach. Ohne die Hilfe der Laktonen hätten die terranischen Techniker Jahre gebraucht, um den Hantelraumer wieder flugklar zu machen. „Wie weit sind Sie mit der Elektronik?" fragte er den Chefingenieur. Tom Sluck hob die Schultern. „Ich weiß es nicht", sagte er, „die Laktonen behaupteten vor einer Stunde, daß sie eine ziemlich gefährliche Reparatur an den Aggregaten vorhätten. Sie stellten acht Arbeitsroboter ab, während wir selbst und die Laktonen uns zurückziehen mußten. Die Strahlung, verstehen Sie?" Rex Corda nickte. Obwohl das Schiff jetzt der Erde gehörte, konnte es ohne laktonische Hilfe niemals fliegen. Noch waren die Techniker von Terra nicht so weit, daß sie die orathonischen Aggregate vollkommen beherrschten. Der Unterschied zwischen der irdischen Technik und der Supertechnik der Grünhäutigen war zu groß. Da tauchte plötzlich zwischen den überall hämmernden und schweißenden Technikern der knabenhafte Kynother Ga-Venga auf. Wie üblich trug er eine schwarze Bluse mit einem flammendroten Brustkeil. Sein unproportional großer Kopf über seinem zierlichen Körper gab ihm ein kindliches Aussehen. Aber der Kynother war ein Genie. Ein Sprachgenie. Ohne ihn wäre die Verständigung zwischen Laktonen und Terranern schon vom ersten Augenblick an auf ernsthafte Schwierigkeiten gestoßen. Ga-Venga hob seinen Schutzhelm und strich sich über sein dunkelblaues Haar. Dann zupfte er an seinen dunklen Augenbrauen, die sich in feinem Bogen bis zu den Kinnladen herabzogen. Er öffnete seine dünnen Lippen zu einem Grinsen. „Willkommen, Sir", sagte er, nachdem er sein Kehlkopfmikrophon
zurechtgerückt hatte. „Haben Sie einen Spazierflug vor?" „Nein", antwortete Corda, „aber einen Jungfernflug. Ich kenne die Stelle, an der das laktonische Schiff mit meinen Geschwistern untertauchte." „Nanu?" meinte Ga-Venga verblüfft. „Woher haben Sie plötzlich diese Mitteilung?" „Von Jakto Javan. Die Speichergeräte haben aufgezeichnet, wo der laktonische Kreuzer verlorenging. Ich kenne die Position. Es ist 12.39.1.AR 1.12.D. Das System der Doppelsonne Gamma Virginis ist nur knapp ein Lichtjahr von dieser Stelle entfernt." Ga-Venga stimmte einen fremdartigen Singsang an. Das war bei ihm das beste Zeichen dafür, daß er überrascht war. Er machte plötzlich einen aufgeregten Eindruck. Rex Corda hob die Brauen. „Was ist los, Ga-Venga?" fragte er. „Soll das etwa heißen, daß Sie mit diesem Schiff hier zum System Gamma Virginis fliegen wollen?" „Ganz richtig, Ga-Venga. Das habe ich vor. Kennen Sie etwa das System?" Ga-Venga antwortete nicht. Er preßte die Lippen zusammen. Dann lief ein kaum spürbares Schütteln durch seinen Körper. Im gleichen Augenblick kam eine Suchmeldung über die Kopfhörer: „Mr. President bitte zur Zentrale ... ich wiederhole: Mr. President bitte zur Zentrale. Der laktonische Oberbefehlshaber möchte Sie sprechen!" * Die Ruinen von Kairo flimmerten über die Bildschirme. Will Rimson hob die Hand. Ein neues Bild erschien: Washington. Auch hier Trümmer, verkohlte Hauswände und verbrannte Parkanlagen. Washington war bereits in der Anfangs-
phase des Kampfes um die Erde von einem abstürzenden Raumschiff vollkommen zerstört worden. Nur ein einziger amerikanischer Politiker hatte die Katastrophe überlebt — Rex Corda, der energische junge Senator und Sonderbeauftragte bei der UNO. Immer neue Bilddokumente zeigten dem Rat der Fünf, wie groß die Zerstörungen überall auf der Erde waren. Die grünhäutigen Orathonen hatten grausame Spuren ihrer Anwesenheit auf der Erde zurückgelassen. Dann kamen die Bilder, auf denen nur große Krater mit verglasten Rändern zu sehen waren — die vier Stellen, an denen Rex Corda mit Hilfe laktonischer Agenten die Supertransmitter der Orathonen vernichtet hatte. Die folgenden Bilder zeigten die ersten Aufräumungsarbeiten. Überall auf der Erde wurde mit aller Kraft daran gearbeitet, die gewaltigen Schäden zu beseitigen. Die gemeinsame Aufgabe hatte die Völker der Erde vereint und die Lage stabilisiert. Nur so war es zu erklären, daß der amerikanische Wissenschaftler Will Rimson aufgrund seiner Persönlichkeit von den anderen vier Politikern anerkannt wurde. Über ihm stand nur noch Rex Corda. Der höchste Repräsentant der Erde... „Ist es dem Präsidenten gelungen, Verbindung mit Matson aufzunehmen?" fragte Sir Walter Battensmith, der Vertreter der United States of Europe. J.K.S. Diamidow, der russische Vertreter, schüttelte den Kopf. Er war besser orientiert als Sir Walter. „Seit der Sache mit der Raumfestung Schalmirane ist Matson nicht wieder aufgetaucht. Der Mutant Matson ist zum unsterblichen Energieumwandler geworden. Warum interessieren Sie sich dafür? Matson ist kein Mensch mehr!" „Weil dieser Mann sich geopfert hat. Wenn die Lage sich wieder normalisiert hat, werden wir ihn als Held in die Ge-
schichtsbücher aufnehmen." „Aber meine Herren!" warf der Burenabkömmling Evan T. Loebtar ein, „im Augenblick haben wir wirklich wichtigere Probleme. Ich habe gehört, daß der Präsident eine längere Reise plant." „Sehr richtig", nickte Will Rimson. „Er wird eine Expedition unternehmen, um seine Geschwister zu suchen." „Eine Privatsache?" fragte J.K.S. Diamidow und verzog die Mundwinkel. Will Rimson schüttelte den Kopf. „Keine Privatsache, Towarisch Diamidow. In den Gehirnen der drei CordaGeschwister steckt ein Wissen von unermeßlichem Wert. Nur wenn es dem Präsidenten gelingt, seine Geschwister wiederzufinden, können wir das Vermächtnis von Walter Beckett für uns nutzbar machen. Das ist der Grund für die Expedition." „Als Präsident der Erde sollte er sich mehr um unsere Angelegenheiten kümmern", knurrte J.K.S. Diamidow. „Die Entscheidung darüber müssen Sie Mr. Corda schon selbst überlassen", sagte Will Rimson scharf und schneidend. „Er weiß, was er tut! Wenn er es für richtig hält, seine Geschwister zu suchen, dann geschieht das nur aus einem tiefen Verantwortungsgefühl für die Erde. Außerdem ist das Vermächtnis von Walter Beckett das einzige Druckmittel gegen die Laktonen, das wir besitzen." „Vollkommen richtig", bestätigte Sir Walter energisch. „Oder wollen Sie etwa, daß die Laktonen das verankerte Wissen aus dem Unterbewußtsein der Corda-Geschwister holen?" „Schon gut", winkte der Russe ab. Er beugte sich über seine Akten. Dann begann Will Rimson damit, die Lage der Erde in allen Einzelheiten zu erörtern. Es war ein harter, nüchterner Bericht. Nicht viele Menschen der Erde kannten das erschreckende Ausmaß der
Zerstörungen durch die Orathonen. * Der Zeitspäher betrachtete nachdenklich den Raum, in dem er sich aufhalten sollte. Mit seinen unproportioniert großen Händen verstaute er kistenweise seltene Konserven in seinem Versteck. Der Raum war komfortabel eingerichtet. Er lag genau in der Mitte des Verbindungsarms zwischen den beiden Hantelkugeln. Verborgen zwischen schweren Antriebsaggregaten war hier ein vollkommen sicheres Versteck gebaut worden. Niemand außer Jakto Javan und zwei eingeweihten Offizieren kannte die Mission des stämmigen, zwei Meter zehn großen Lithaloniers Ko-Mont. Der Zeitspäher unterstand dem direkten Befehl des Schento. Er war ein leidenschaftlicher Esser. In den nächsten Tagen würde er genügend Gelegenheit haben, sich dem Genuß scharfer, würziger Speisen hinzugeben. Ko-Mont kaute auf einem dünnen gummiartigen Stengel herum und saugte den scharfen Saft aus der Kennipflanze. Percip war der erste Lithalonier gewesen, der zusammen mit den Laktonen auf der Erde gelandet war. Percip hatte von Jakto Javan eine andere Aufgabe zugeteilt bekommen. Zusammen mit dem stämmigen Bekoval und dem Kynother Ga-Venga sollte er Rex Corda auf der Suche nach seinen Geschwistern begleiten. Für Ko-Mont galt der gleiche Befehl. Mit einem einzigen Unterschied: KoMont war ein Zeitspäher! Er hatte nur eine einzige Aufgabe — die Bewachung von Rex Corda . . . Ko-Mont begann, seine hervorragenden Kontrollgeräte zu überprüfen. Er konnte jeden Raum innerhalb der beiden Hantelkugeln von seinem Versteck
aus überwachen. Nichts konnte der hochgezüchteten laktonischen Elektronik entgehen. Der Schento Jakto Javan hatte Rex Corda ein Schiff übergeben. Aber er hatte ihm gleichzeitig einen äußerst fähigen, hart geschulten Bewacher zugeteilt, von dem kein Mann an Bord des Hantelraumers etwas wissen durfte. * Die Feierstunde für die Indienststellung des Hantelraumers war kurz. Während hundert laktonische Arbeitsroboter stampfend im Innern des Raumschiffs verschwanden, hatte sich die ausgewählte Besatzung aus terranischen Wissenschaftlern, Luftwaffenoffizieren und kampfgeschulten CIA-Agenten auf einer Plattform versammelt. Der weite Platz um die Baugerüste war angefüllt mit Technikern, Ingenieuren und dienstfreien Laktonen. Rex Corda spürte, wie wichtig dieser Augenblick für die Erde war. Er legte seine Hände vor den Mikrophonen auf das mit der hellblauen UNO-Flagge bespannte Pult. Auf den Baugerüsten hockten die Fernsehtechniker und versuchten abwechselnd, den Präsidenten der Erde und das große, in der Nachmittagssonne leuchtende Raumschiff ins Bild zu bekommen. Das Musik-Corps der West-PointAkademie spielte den Marsch der Vereinten Nationen. Rex Corda schloß für eine Sekunde die Augen. Er dachte daran, wieviel in den letzten Tagen geschehen war. In diesem erhebenden Augenblick erinnerte er sich an die unsinnigen Wortgefechte innerhalb der UNO, die vor der Invasion der Laktonen und der Orathonen geführt worden waren. Nichts hatte die Erde schneller einigen können als der plötzliche und un-
erwartete Überfall der beiden kriegführenden Völker aus den Tiefen der Milchstraße. Solange die Menschen noch glaubten, sie seien die einzigen intelligenten Lebewesen, hatte es nur Streit und Mißgunst gegeben. Der Chefreporter der Fernsehanstalten gab Rex Corda ein Zeichen. Der Präsident der Erde richtete sich auf. Mit seinen kristallklaren Augen blickte er über die Menge. Sie alle sahen zu ihm auf. Er hatte etwas erreicht, was noch keinem Politiker vor ihm gelungen war — er hatte die Erde geeint. Die kleinen Lampen an den Mikrophonen glühten auf. Rex Corda räusperte sich. Es war einer der schönsten Augenblicke seines Lebens. „Menschen der Erde", rief er laut und ruhig, während seine Mundwinkel kaum spürbar zuckten. „Ich spreche zu euch, ihr Völker der Erde, als euer gewählter Repräsentant. Noch vor wenigen Wochen habt ihr Phrasen und leere Reden über die Freiheit gehört. Unermeßliches Leid ist in der Zwischenzeit über diesen Planeten gekommen. Uns alle hat der Schock der Erkenntnis gelähmt. Heute wissen wir, daß wir nicht allein innerhalb dieser Galaxis sind. Es ist eine schwere Erkenntnis, und mancher von uns lehnt sich noch immer gegen sie auf. Aber eines haben wir gelernt ... Es ist unwichtig geworden, welche Hautfarbe unser Bruder hat, welche Sprache er spricht und welcher Nation er angehört! Wir alle sind Menschen der Erde, und wenn wir nur das gelernt haben, war das Leid, waren die Tränen der letzten Wochen nicht umsonst!" Rex Corda machte eine kurze Pause. Er preßte die Lippen zusammen. Dann saugte er die klare, würzige Luft der Berge in seine Lungen. Er griff nach der Champagnerflasche, die an einer langen Schnur von einem Baugerüst herabhing,
und hob sie an. „Niemals!" rief er laut. „Niemals dürfen wir vergessen, welche Opfer die Einigung der Erde gekostet hat. Als wir selbst kurz davor waren, uns zu vernichten, kamen die Fremden aus dem Dunkel unserer eigenen Milchstraße und lehrten uns, daß wir nur durch Einigkeit unsere Freiheit bewahren können. Aber der Kampf ist noch nicht beendet! Noch hängt die Kriegsdrohung, die zur endgültigen Vernichtung unserer Erde führen kann, über uns. So soll dann dieses Schiff ein Symbol sein! Ein Fanal für den Kampf um die Freiheit. Ich taufe dieses erste terranische Raumschiff auf den Namen eines Mannes, der zu den ersten Opfern der Gefiederten gehörte: Walter Beckett..." Die Champagnerflasche sauste an den Gerüsten vorbei. Klirrend zerschellte sie an der Außenhülle des Hantelraumers. Schaumiger Champagner tropfte in das grüngelbe Gras unterhalb der Kugel. Im gleichen Augenblick heulten überall auf der Werft Sirenen auf. Feuerwerkskörper wurden abgeschossen, und Kirchenglocken läuteten. Wortlos drehte sich Rex Corda urn. Er schritt über die Tribüne und mußte immer wieder hingestreckte Hände schütteln. Er lächelte. Es war das erste echte und von innen kommende Lächeln seit vielen Tagen. Hoch über der Tribüne hockte der Zeitspäher hinter den Holografen und beobachtete schweigend die Szene. Er kaute an einem Kennistengel. In wenigen Augenblicken war es soweit. Ko-Mont bereitete sich auf den Start des Hantelraumers vor. * Jakto Javan plante, Rex Corda zu übertölpeln. Ihm war das Geheimnis der
Corda-Geschwister wichtiger als alles andere. Trotzdem fühlte er sich dabei nicht ganz wohl. Er lief unruhig in der Zentrale seines Flaggschiffes auf und ab. Über die Holografen hatte er mit angesehen, wie der Präsident das orathonische Hantelraumschiff getauft hatte. Bei der Erwähnung des Namens von Walter Beckett zuckte Jakto Javan zusammen. Für ihn war dieser Name reiner Hohn. Javan blieb sekundenlang bewegungslos in seinen Privatgemächern stehen. Er wußte, daß es nicht nach der Abmachung war, daß er den Zeitspäher auf Corda angesetzt hatte. Aber dann riß sich der Schento zusammen. Das Interesse von Lakton war wichtiger als die aufkommenden Gefühle von Sympathie, die er für die primitiven Terraner plötzlich hegte! Jakto Javan warf seinen Umhang zurück. Dann stampfte er zu den Kontrollgeräten. Er drückte auf einen kleinen grünen Knopf. Das war das vereinbarte Zeichen für den Zeitspäher. Als die terranischen Besatzungsmitglieder, die Arbeitsroboter sowie die drei Beauftragten Percip, Bekoval und Ga-Venga an Bord gingen, gab es für Ko-Mont, den Zeitspäher, kein Zurück mehr. Jakto Javan hatte das Raumschiff den Terranern anders übergeben als vereinbart. Die laktonischen Wissenschaftler wußten noch nicht, welches Geheimnis Walter Beckett in das Unterbewußtsein der Corda-Geschwister eingepflanzt hatte. Mit Hilfe der Elektronengehirne hatten sie immer wieder neue Berechnungen angestellt. Jakto Javan wollte sich das Geheimnis auf keinen Fall entgehen lassen. Immer wieder hatte er seine Wissenschaftler zu neuen Versuchen aufgefordert. Jetzt formten sich bereits die ersten vagen Umrisse, die Jakto Javan aber
keineswegs beruhigten. Im Gegenteil. Er ahnte jetzt, daß dieser terranische Wissenschaftler ein Genie gewesen war. Unter allen Umständen wollte der Schento das Geheimnis lösen. Um dieses Ziel zu erreichen, schreckte er vor nichts zurück. * Ko-Mont sah, wie das Universum zusammenbrach. Mit einem grellen Blitz detonierten hundert Millionen Sonnen in seinem Kopf. Der Lithalonier mit der roten Kerbe auf der Oberlippe schnellte nach vorn. Sein großer stämmiger Körper krachte gegen den zylinderförmigen Schutzschirm. Er wurde eingefangen und herumgeschleudert. Ko-Mont wehrte sich mit Armen und Beinen. Die gewundenen Kabel an den Gelenken und an seinem Hinterkopf schlängelten sich bis zum versiegelten TS-Deportator. Der Schock riß Ko-Mont mit sich. Er warf ihn aus dem normalen Universum. In diesem Augenblick gab es für den Lithalonier kein normales Raumzeitgefühl mehr. Er stieß einen gellenden Schrei aus. Die absolut schalldichten Wände seiner Kabine ließen nicht den geringsten Laut nach außen dringen. Das Anspringen der riesigen Antriebsaggregate im Verbindungsarm zwischen den beiden Hantelkugeln hätte auch das lauteste Geräusch sofort erstickt. In seinem Versteck wimmerte KoMont leise vor sich hin. Millionen und aber Millionen scharfer Nadeln stachen in seinen Nervenenden, während sein Blut wie eine ätzende Säure durch die Adern rollte. Dann war es vorbei. Ko-Mont sackte einen halben Meter vor dem Schutzschirm in sich zusammen. Er schlug mit dem Gesicht auf den
teppichbelegten Boden. Mit verrenkten Gliedern hing er an den Kontrollkabeln. Im gleichen Augenblick begannen die speziellen Andruckneutralisatoren in seiner getarnten Kabine zu arbeiten. Der Körper des Lithaloniers wurde angehoben und in der Schwebe gehalten. Ein Relais innerhalb des versiegelten Deportators klickte. Wütend brummte ein Generator auf. Das hohe Winseln im Innern des Gerätes steigerte sich bis zur Grenze der Hörfähigkeit. Wimmernd verebbte es im Ultraschallbereich. Ko-Mont schlug die Augen auf. Er fühlte sich vollkommen zerschlagen. Vorsichtig zog er sich an einem Kontrollkabel auf den TS-Deportator zu. Er atmete flach und hastig. Aber er hatte es geschafft. Er löste sich von den Kontrollen. Dann schaltete er die Andruckneutralisatoren auf halbe Leistung. Er schwebte nach unten und berührte mit den Beinen den Teppichboden. Ko-Mont drückte seine großen breiten Hände vor die Stirn und versuchte, die bohrenden Kopfschmerzen loszuwerden. Er griff nach einem Kennistengel und preßte mit den Lippen den Saft aus dem Pflanzenstiel. Scharf und würzig rann er durch seine Kehle. Ko-Mont lächelte. Er löste eine Plastikscheibe von der Vorderseite des TS-Deportators und drückte auf einen Knopf, bis er einrastete. Jetzt wußte auch Jakto Javan, daß der Zeitspäher seine Arbeit aufgenommen hatte. Der TS-Deportator hatte den Lithalonier um eine zehntausendstel Sekunde in die Zukunft versetzt. * Röhrend brachen immer neue Feuerwolken aus den Hauptdüsen des Hantelraumers. Der weite Platz war geräumt
worden. Die Flammen versengten das spärliche Gras und rissen Erdbrocken und glühende Steine aus dem Boden. Die „Walter Beckett" begann zu vibrieren. Aus großer Entfernung übertrugen die Fernsehgesellschaften den Start des Raumers. Die donnernden Startgeräusche brachen sich an den Felshängen des Pikes Peak. Überall erzitterten die Fensterscheiben, während der Sog der angesaugten Luft wie ein plötzlicher Sturm über die Häuser von Colorado Springs fegte. Dann erhob sich die „Walter Beckett" von ihrem Startplatz. Mit brüllenden Antrieben stieg der orathonische Hantelraumer immer höher in den azurblauen Himmel über den Rocky Mountains. Teleobjektive vor den Fernsehkameras verfolgten das größte Schiff der jungen terranischen Raumflotte, bis es im unendlichen Blau des Himmels verschwand und in die Kälte des Raumes tauchte. Die Gedanken von Millionen Menschen begleiteten die „Walter Beckett" auf ihrem ersten Flug. Nur wenige Eingeweihte wußten, welches Ziel der Hantelraumer hatte. Fast gleichzeitig mit der „Walter Bekkett" starteten überall auf der Erde laktonische Raumkreuzer. Sie hatten ein anderes Ziel. Für sie war der Krieg mit den Orathonen noch nicht beendet. Die einzelnen Flotteneinheiten der Laktonen erhielten von Jakto Javan den Befehl, das Terra-System zu räumen. Nur eine kleine Schutzmacht von fünftausend laktonischen Raumkreuzern blieb zurück. Jakto Javan hielt sein Versprechen. Aber er wußte, daß die kleine Schutzmacht die Erde niemals vor einem erneuten Angriff der grünhäutigen Orathonen bewahren konnte. Der jahrtausendelange Krieg hatte andere Maßstä-
be gesetzt. * Mit zunehmender Geschwindigkeit raste die „Walter Beckett" durch das Sonnensystem. Sie passierte die Mondbahn, während die automatischen Ortungsgeräte immer wieder den Kurs korrigierten, um laktonischen und orathonischen Raumschiffwracks innerhalb des Sonnensystems auszuweichen. Tausende von Trümmerstücken und Wracks bildeten die stummen Zeugen der großen Schlacht um das Sonnensystem. Die Laktonen an Bord der „Walter Beckett" wußten ebensogut wie Rex Corda, daß der Krieg mit den Orathonen noch nicht zu Ende war. * Jakto Javans Pläne schienen in Erfüllung zu gehen. Die irdische Raumschiff-Flotte bestand aus kaum flugfähigen Wracks, die Rex Corda als Eigentum der Erde beschlagnahmt hatte. Es gab im Grunde nur ein einziges Schiff, das flugfähig war — der auf dem Merkur gefundene Hantelraumer. Rex Corda wußte nicht, daß er mit dem Start der „Walter Beckett" genau dem entsprach, was der Schento Jakto Javan beabsichtigt hatte. Falls es Rex Corda gelang, seine Geschwister zu finden, wollte Jakto Javan nicht leer dabei ausgehen. Und aus diesem Grunde befand sich der Zeitspäher Ko-Mont an Bord des Hantelraumers. Er war ein Spion des Schento. Durch ihn würde Jakto Javan sofort erfahren, wann die drei Corda-Geschwister zusammentrafen. Für das Weitere hatte Jakto Javan fest umrissene Pläne. Er wollte unter allen Umständen das in den Hirnen der drei Corda-Geschwister verankerte Vermächtnis des terranischen Wissen-
schaftlers Walter Beckett entschleiern. Sobald Rex Corda seine Geschwister gefunden hatte, würde der Zeitspäher nach den Anweisungen des Schento handeln ... Die „Walter Beckett" passierte in viereinhalb Millionen Kilometer Entfernung von der Sonne die NeptunBahn. Mit 5,43 Kilometern pro Sekunde brauchte Neptun mehr als sechzigtausend Tage für einen einzigen Sonnenumlauf. In der astronomischen Abteilung der „Walter Beckett" hockten Bekoval, Percip und Rex Corda vor den Holografen. Während Rex Corda sich besonders für die beiden Neptun-Monde interessierte, hatten Percip und Bekoval andere Sorgen. Sie ahnten bereits, daß Jakto Javan nichts ohne Grund tat. Der Hantelraumer war bei der Entdeckung durch Rex Corda kein Wrack gewesen. Daraufhin hatte der laktonische Offizier Bekoval mit seinem Oberbefehlshaber gesprochen. Es war ein sehr ernstes Gespräch gewesen. Diese Tatsache war es, die Bekoval mehr ahnen ließ als Rex Corda. Percip begann, die Geschwindigkeit des Hantelraumers zu steigern. Jetzt brauchten sie sich nicht mehr um Meteore, Asteroidenbrocken und Wrackteile zu kümmern. Der Weg war frei. Eine merkwürdige Unruhe hatte Rex Corda erfaßt. Jetzt, wo es ihm endlich gelungen war, die Suche nach seinen vermißten Geschwistern aufzunehmen, hatte er plötzlich keine Geduld mehr. Er wußte, wie wichtig seine Mission war, aber er machte sich keine Illusionen. An Bord jenes laktonischen Raumschiffes, das seine Geschwister entführt hatte, befanden sich ausgezeichnete Hyperfunkgeräte. Wenn es eine Möglichkeit gab, hätten sich die Laktonen an Bord jenes Raumschiffes mit Sicherheit gemeldet.. . Gebannt verfolgte Rex Corda die
ständig steigenden Beschleunigungswerte. Percip hatte für die Überwindung der fünfunddreißig Lichtjahre bis zum System Gamma Virginis drei Eintauchmanöver in den Hyperraum angesetzt. Aus den überall angebrachten Lautsprechern kam der erste Warnton. Die im Schiff verteilten terranischen Wissenschaftler, die Angehörigen der medizinischen Abteilung und die Schutzmannschaft begaben sich zu ihren Plätzen. Nur zwei Personen an Bord des Hantelraumers reagierten nicht so wie vorgesehen. Ko-Mont, der laktonische Zeitspäher, hockte in seinem Versteck und verglich Kenni kauend die Meßergebnisse mit seinen eigenen Berechnungen. Ko-Mont hatte keine Zeit, sich auszuruhen. Er war ständig im Einsatz. Seine Aufgabe verlangte von ihm, daß er Rex Corda keine Sekunde aus den Augen ließ. Aber auch die anderen Terraner an Bord hatte er zu beobachten. Auf einem Nebelschirm entdeckte Ko-Mont eine Unregelmäßigkeit. Innerhalb der medizinischen Abteilung stimmte etwas nicht. Eine zierliche blonde Chemotechnikerin wertete die Meßergebnisse aus, die im Vorbeiflug von der Uranus-Atmosphäre aufgenommen worden waren. Sie war so sehr in ihre Arbeit vertieft, daß sie die Warnungen aus den Lautsprechern nicht beachtete. Aber es wurde höchste Zeit. Ko-Mont warf den Kennistengel weg. Blitzschnell überlegte er, wie er die Technikerin warnen konnte, ohne Aufsehen zu erregen. Seine großen schweren Hände jagten mit erstaunlicher Behendigkeit über das gewaltige Kontrollpult innerhalb seines Verstecks. Überall innerhalb des Hantelraumers hatte ein laktonisches Sonderkommando Hilfsgeräte für Ko-Mont verborgen.
Es gab kaum einen Platz innerhalb der „Walter Beckett", den Ko-Mont nicht in kürzester Frist erreichen konnte. Ein unsichtbares Wach- und Schutzsystem war einzig und allein zu dem Zweck angelegt worden, Rex Corda und die Mission der „Walter Beckett" zu unterstützen. Da setzte Percip zum Eintauchen in den Hyperraum an. Die Chemotechnikerin innerhalb der medizinischen Abteilung war verloren. * Rhamphor löste die Krallen an der Vorderseite seiner Flughäute von einem Ast. Er ließ sich fallen. Gleichzeitig breitete er seine großen federartigen Schwingen aus. Er schlug seinen großen Schnabel zusammen, in dem sich mehrere Reihen glitzernder scharfer Zähne befanden. Mit dem langen dünnen Schwanz, an dessen Hinterseite sich eine drachenartige Verbreiterung befand, schlug Rhamphor wild um sich. Dann schoß er mit flatternden Schwingen und krächzenden Schreien hoch über die Bäume hinweg. Sein Nervensystem spürte die Gefahr. Rhamphor war ein unkoordinierter Telepath. Er konnte die Empfindungen und Absichten anderer Lebewesen in sich aufnehmen und verarbeiten. Das verschaffte Rhamphor und seinen Artgenossen eine beherrschende Stellung innerhalb seiner Welt. Im Lauf der Jahrtausende war es Rhamphor und seinem Stamm gelungen, alle für sie gefährlichen Lebewesen zu beseitigen. Die Flugechsen beherrschten den Planeten mit den beiden Sonnen vollkommen. Für sie gab es keine Nacht. Nur hin und wieder tauchte ihre Welt in kurze Schatten. Dann verdunkelte sich der Himmel, Blitze und gewaltige Re-
gengüsse gingen zwischen den morastigen Wäldern nieder. Rhamphor hatte über hundertmal die größere der beiden Sonnen am Firmament untergehen sehen. Aber noch nie in seinem Leben hatte er einen einzigen Stern gesehen. Der Himmel in seiner Welt kannte keine Nacht. Stets war eine der beiden Sonnen, Wärme spendend, am Himmel zu sehen. Rhamphor flatterte auf die Quelle der Gefahr zu. Er stieß Echolaute aus, die nur er wieder empfangen konnte. Andere kleinere Lebewesen reagierten auf diese Töne allergisch. Das war Rhamphors beste Waffe. Er konnte mit einem einzigen schrillen Schrei töten . . . Da machte Rhamphor plötzlich die Gefahr aus. Sie kam aus einem zylinderförmigen Gegenstand, der mindestens hundertmal größer als Rhamphors Körper war. An der Oberseite besaß dieser Gegenstand ausgezackte, verbogene Spitzen und Ecken. Das, was Rhamphor erschreckt hatte, kam aus dem Mittelteil des Gegenstandes, der schräg im dschungelartigen Wald stand. Auf einer freien Fläche davor tummelte sich eine Dysdera. Rhamphor schoß nach unten. Seine Flughäute knallten. Rhamphor stieß einen Schrei aus. Die Kampfspinne ließ ihr Opfer los. Nie zuvor hatte Rhamphor eine derartige Gestalt gesehen. Das Wesen war fremd und unheimlich. Es bewegte sich nicht. Da schrie Rhamphor noch einmal. Die Kampfspinne bäumte sich auf, während das Licht der beiden Sonnen in ihren acht Augen glitzerte. Der Hinterleib der Dysdera zuckte nach oben, während ihre Beine konvulsivisch zuckten. Rhamphor flog einen weiten Bogen, dann schoß er auf sein Opfer zu. Aus dem Flug griff er mit seinem langen spitzen Schnabel nach der Dysdera. Mit
den Spitzen seiner Flughäute streifte er den weichen, dichtbewachsenen Boden. Er bewegte seine Flügel schneller. Mit den beiden Greiffüßen hob er die Kampfspinne an. Er stieg steil in die Luft. So schnell wie möglich flatterte er mit seinem Opfer aus der Gefahrenzone. Zurück blieben jener große unbekannte Gegenstand und der bewegungslose Körper, mit dem sich die Dysdera beschäftigt hatte. Noch während Rhamphor seine Beute davontrug, befahl ihm sein Instinkt, seine Artgenossen zu warnen. Etwas Fremdes war in die von ihnen beherrschte Welt unter der Doppelsonne eingedrungen ... * Die Laktonen zogen ihre Flotte ab. Pausenlos brüllten die großen Triebwerke und ließen die Luft erzittern. Die seismographischen Stationen überall auf der Erde registrierten die Erschütterungen der startenden laktonischen Kampfschiffe. Wieder kam es zu Unruhen unter den Terranern. Zu oft in den vergangenen Wochen waren die Nerven der Menschen bis zum äußersten beansprucht worden. Jetzt verließ auch noch die Schutzmacht, an die sich die Menschen inzwischen gewöhnt hatten, die Erde. In diesem Augenblick griff Will Rimson ein. Die Stimmung der Menschheit war so schnell umgeschlagen, daß nichts mehr von der Begeisterung während der Einweihung der „Walter Beckett" zu spüren war. Will Rimson galt als Stellvertreter von Rex Corda. Eine kurze, erregt geführte Besprechung im Rat der Fünf ermächtigte Will Rimson, über sämtliche Fernsehanstalten der Erde mit den Menschen zu sprechen.
Simultanübersetzer verbreiteten die beruhigende Ansprache Will Rimsons in allen Sprachen. Die Persönlichkeit des Wissenschaftlers und die Ausstrahlung seiner Aufrichtigkeit verfehlten ihre Wirkung nicht. Aber der Schock saß zu tief. Die Menschen hatten plötzlich begriffen, daß nur die Laktonen sie vor den grausamen Orathonen schützen konnten. Wenn diese Laktonen jetzt den Großteil ihrer Streitkräfte von der Erde abzogen, gab es keinen Schutz mehr. Überall wurden Rufe nach der starken Hand von Rex Corda laut. Aber der höchste Repräsentant der Erde befand sich irgendwo im Raum zwischen den Sternen. Die Unruhe und Nervosität auf dem dritten Planeten des Terra-Sonnensystems nahmen zu. Jetzt ging es darum, die mühsam aufrechterhaltene Ordnung zu festigen. * Der laktonische Roboter der Ba-3Klasse reagierte ungewöhnlich schnell. Durch einen einzigen Befehl aktiviert, griffen seine mehrgliedrigen Arme hastig nach der quer durch den Raum schießenden Chemotechnikerin. Irgend etwas an den Antigravitationsautomaten des Hantelraumers hatte für Sekundenbruchteile versagt. Im Normalfall wäre die Chemotechnikerin mit unweigerlicher Sicherheit ein Opfer des Flugmanövers geworden. Der Bedienungsroboter mit dem eckigen stilisierten Kopf preßte das Mädchen gegen seinen Körper. Er stemmte sich fest gegen die Seitenwand der Kabine. Dann war alles vorbei. Die Lage innerhalb des Hantelraumers normalisierte sich. Die unabhängig von den Triebwerken arbeitende Anlage glich wieder vollautomatisch die Gravitation aus. Nur ein einziger Mann an Bord des Hantelrau-
mers hatte bemerkt, daß sich die Chemotechnikerin Patricia Murray in einer höchst gefährlichen Situation befunden hatte — Ko-Mont, der Zeitspäher ... Der Bedienungsrobot ließ die Chemotechnikerin los. Sein voll humanoider Körper war mit einfachen Stoffen bedeckt. Der Ba-3-Roboter strich sich mit den mechanischen Fingern über den Stoff und trat einen Schritt zurück. In seinem Versteck beugte sich der Zeitspäher über die Holografen. Er beobachtete den Gesichtsausdruck von Patricia Murray. Mit zitternden Fingern strich sich die Chemotechnikerin die blonden Locken aus der Stirn. Abgrundtiefes Entsetzen stand in ihren Augen. Erst jetzt begriff sie vollkommen, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte. Für eine Sekunde zögerte sie, dann warf sie dem Bedienungsrobot einen dankbaren Blick zu. Sie ahnte nicht, daß der Robot auf einen blitzschnell gegebenen Befehl des Zeitspähers gehandelt hatte. Mit steifen Gliedern wandte sich Patricia Murray wieder ihrer Arbeit zu. Sie unterließ es, Professor Dr. Sam McClude vom ungewöhnlich schnellen Einsatz des Bedienungsroboters zu unterrichten. Als der achtundvierzigjährige massige Biologe leicht hinkend in ihren Arbeitsraum kam, beschäftigte sie sich bereits wieder mit den Meßergebnissen der Uranus-Atmosphäre. Professor McClude trat hinter sie und blickte über ihre Schultern auf die abgegriffenen Tabellen. Er wirkte ruhig und gelassen. Blaue Bartschatten zeichneten sich auf seinen Wangen ab. Für zwei volle Minuten beobachtete er schweigend die Chemotechnikerin. „Wie kommen Sie weiter?" fragte er dann. Patricia Murray zuckte zusammen, obwohl sie während der ganzen Zeit er-
wartet hatte, daß Professor McClude sie ansprechen würde. Der Biologe war ein ausgesprochen fähiger Mann. Aber ehe er eine Vermutung aussprach, durchdachte er sie immer wieder. Nur deshalb äußerte er sich nicht über das seltsame Verhalten der jungen Chemotechnikerin. Aber Professor McClude vergaß nie etwas. Ohne Wissen von Patricia Murray hatte er aus seinem Pneumosessel die Rettungsaktion verfolgt. „Ich bin bei der Auswertung der Meßergebnisse", sagte Patricia Murray etwas verstört. Professor McClude nickte. Diese Antwort war vollkommen überflüssig. Er lächelte kaum spürbar und nickte ihr aufmunternd zu. Dann drehte er sich um. Mit dem für ihn typischen schaukelnden Gang verließ er den Arbeitsraum. Etwas stimmte hier nicht! Professor Dr. Sam McClude war das erste Besatzungsmitglied an Bord der „Walter Beckett", das anfing, sich über gewisse Dinge Gedanken zu machen. * Der Hantelraumer jagte mit Höchstgeschwindigkeit auf einen unsichtbaren Punkt im All zu. Er befand sich in der Nähe der gelben Doppelsonne Gamma Virginis. Percip leitete das Abbremsmanöver ein. Der junge Lithalonier mit dem mächtigen Brustkorb und der tief rot schimmernden Kerbe auf der Oberlippe war ein hervorragender Pilot. Als Agent im Dienste Laktons hatte er eine Spezialausbildung gegen die orathonische Hilfsrasse der Ätzer erhalten. Percip war stolz auf seine Arbeit, ohne dabei jemals arrogant zu werden. Er gehörte zu den wenigen Angehörigen der laktonischen Flotte, die sich von
Anfang an bemüht hatten, die englische Sprache zu erlernen. Percip war zwei Meter vier groß. Seine körperliche Überlegenheit verleitete ihn aber niemals dazu, die Terraner überheblich zu behandeln. Für ihn war es selbstverständlich, daß die Menschen der Erde nicht von einem Tag auf den anderen die Technik der Orathonen und Laktonen beherrschen konnten. Percip gehörte zu jenen Agenten der Laktonen, zu denen Rex Corda ein besonderes Vertrauensverhältnis hatte. Neben Percip hockten in weichen Pneumosesseln Fatlo Bekoval und sein Dolmetscher Ga-Venga. Während der massige untersetzte Körper des Laktonen Bekoval den Sessel vollkommen ausfüllte, wirkte das knabenhafte Sprachgenie Ga-Venga irgendwie verloren innerhalb der weichen Polster. Der knabenhafte Kynother kommentierte pausenlos mit leicht ironischen Bemerkungen die Navigationskünste von Percip. Doch Percip kümmerte sich nicht darum. Er arbeitete bereits lange genug mit Ga-Venga und Bekoval zusammen. Er schätzte die beiden ebenso hoch ein wie Rex Corda, der zusammen mit John Haick gebannt die Manöver Percips verfolgte. „Wie lange dauert es noch?" fragte Rex Corda. In seiner Stimme lag eine sonst nicht spürbare Nervosität. Zu lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Sein Handeln in den letzten Wochen war von der Pflicht bestimmt worden. Einer Pflicht, die ihm auftrug, zunächst an das Wohl der Erde zu denken. Auch jetzt war er nicht frei von diesem Gefühl. Obwohl die Expedition der „Walter Beckett" offiziell darin bestand, die Corda-Geschwister Kim und Velda zu finden. Jeder an Bord des Hantelraumers wußte, daß mehr hinter diesem Flug
zum System Gamma Virginis steckte. Anscheinend ohne Grund sprang Bekoval plötzlich auf. Er stampfte um seinen Pneumosessel herum. Dann baute er sich vor Rex Corda auf. Sein massig wirkendes Gesicht mit der für einen Laktonen ungewöhnlich stumpfen Nase verzog sich zu einem boshaften Grinsen. Bekoval konnte besser englisch, als er zugeben wollte. „Die Position ist doch bekannt", sagte Bekoval mit einem überlegenen Ausdruck im Gesicht. „Warum fragen Sie dauernd danach?" Rex Corda runzelte die Brauen. Immer öfter in der letzten Zeit spürte er, daß Bekoval aus irgendeinem Grund etwas gegen ihn hatte. Er wußte nicht, was es war. Aber sein Gefühl sagte ihm, daß Bekoval häufiger als gewöhnlich boshafte Bemerkungen machte. „Richtig", sagte Rex Corda. „Die letzte Position jenes laktonischen Raumschiffes, das meine Geschwister entführte, ist 12.39.1.AR. 1.12.D." Bekoval lachte dröhnend. „Das haben Sie gut gelernt. Wenn Sie alles andere ebenso schnell lernen, wird Jakto Javan mit Ihnen zufrieden sein." „Was soll das heißen, Bekoval?" Der Laktone hob die Schultern. Er starrte Rex Corda mit einem kalten Funkeln in den Augen an. So hatte sich Bekoval noch nie benommen. Percip blickte von den Kontrollen auf. Der Kynother Ga-Venga stimmte einen fremdartigen Singsang an. Bekoval warf ihm einen strafenden Blick zu. Dann wandte er sich wieder an Corda. „Sie jagen einem Phantom nach, Sir!" lächelte er kalt. „Sie glauben, daß dieses Schiff gestartet ist, um Ihre Geschwister zu finden ..." Rex Corda stand auf. Langsam reckte er seinen athletischen Körper. Seine schwarzen Brauen zogen sich zusammen, während seine Lippen schmal
wurden. Warum reizte Bekoval ihn? Ruhig nahm Rex Corda eine Packung mit Zigaretten aus seiner Tasche. Er steckte eine der Zigaretten zwischen die Lippen und zündete sie an. Dann blies er den Rauch in Bekovals Richtung. Er wußte, daß der Laktone Zigarettenrauch nicht ausstehen konnte. Seit er es einmal versucht hatte, war ihm dieses Laster der Terraner noch unsympathischer geworden. Bekoval kapierte sofort. Innerhalb der großen Kontrollzentrale des Hantelraumers war nur noch das Summen der Ventilatoren und das rhythmische Klicken der Relais zu hören. Das ständig wechselnde Aufflackern farbiger Kontrollampen warf schwache Lichtreflexe auf die angespannten Gesichter der beiden Männer. Vorsichtig versuchte Rex Corda, die Gefühle Bekovals zu analysieren. Rex Corda war ein Mutant — ein Emphat. Seine Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen und zu erzeugen, vervollkommnete sich mehr und mehr. Der vor ihm stehende Laktone war nicht der Bekoval, den er kannte und schätzte. „Sie wollten etwas sagen?" fragte Rex Corda ruhig. Bekoval zog geringschätzig die Mundwinkel herab: „Primitive!" zischte er. Rex Corda zuckte zusammen. Er hatte geglaubt, daß der Laktone dieses Stadium bereits überwunden hatte. Jetzt mußte er sich eines Besseren belehren lassen. Die alte Überheblichkeit über die primitive Rasse der Menschen war wieder in Bekoval durchgebrochen. Aber warum? „Position erreicht!" rief Percip laut. Die beiden Männer fuhren herum. Aus den Augenwinkeln beobachtete Rex Corda den Laktonen. Bekoval strich sich mit dem Handrücken über seine hohe Stirn. Er schüttelte verwun-
dert den Kopf. Dann kniff er mehrmals die Augen zusammen, während er mit der Zunge über seine rötlichen Zähne fuhr. „Das verstehe ich nicht", murmelte er. Rex Corda blickte kurz auf den großen Holografen, auf dem die gelbe Doppelsonne deutlich sichtbar war. Ohne sich umzudrehen, fragte er: „Was verstehen Sie nicht, Bekoval?" „Mich selbst, Sir. Mich selbst." * Genau zwölf Minuten später brach das Unheil über den Hantelraumer herein. Percip hatte ihn vollkommen zum Stillstand gebracht. Hier hatte das laktonische Raumschiff mit den CordaGeschwistern an Bord seine letzte Positionsmeldung abgesetzt. Percip stand auf. Da geschah es! Ein breiter hellroter Lichtbalken flammte am Kontrollpult auf. Der Holograf flackerte. Die Außenmikrophone des Hantelraumers übertrugen ein furchtbares Kreischen bis in die letzte Kabine der „Walter Beckett". Rex Corda klammerte sich verzweifelt an der Rückenlehne eines Pneumosessels fest. Seine Beine wurden nach oben gerissen. Dann schoß er kopfüber auf Percip zu. Er prallte mit Bekoval zusammen, der wie eine Rakete auf den großen Holografen zujagte. Mit den Beinen voran raste der stämmige Laktone auf das dreidimensionale Bild der Doppelsonne Gamma Virginis zu. Mit einem gewaltigen Krachen zerschmetterte er die Anlage. Grelle Lichtblitze führten zu einem Kurzschluß innerhalb der Beobachtungsanlage. Die Hauptlampen flackerten. Hunderte von Kontrollen blinkten in wildem
Rhythmus vor Percip auf. Rex Corda bekam einen Schlag gegen den Kopf. Noch einmal bäumte er sich auf. Dann erschütterte ein neuer Stoß den Hantelraumer. Das riesige Raumschiff wurde wie eine Nußschale zur Seite geschleudert. „Festhalten!" brüllte Rex Corda. Der Schlag auf seinen Hinterkopf war ungewöhnlich hart. Die tanzenden roten Nebel verdichteten sich zu kreisenden Spiralen. Sie ballten sich zu einem Punkt zusammen, dann wurden die Körper der Männer in der Zentrale des Hantelraumers in ein bläuliches Leuchten eingehüllt. Das auf- und abschwellende Leuchten pulsierte durch den Raum. Percip stieß einen wilden Schrei aus. Dann erfaßte das Leuchten Rex Corda. Er bäumte sich auf. Seine Finger glitten an den Lehnen der Pneumosessel ab. Er schlug auf den Boden. Noch ehe er einen einzigen klaren Gedanken fassen konnte, versank er in schweigender Dunkelheit. * Rhamphor ließ sein Opfer fallen. Er alarmierte seine Artgenossen. Sie kamen von allen Seiten. Sie lösten sich von den Bäumen, erwachten aus ihren Ruhestellungen und flatterten mit ihren lederartigen Schwingen auf die Gefahrenquelle zu. Immer dichter schloß sich der Kreis. Die Flugechsen duldeten nichts in ihrer Welt, was ihnen gefährlich werden konnte. Aber alles Unbekannte war gefährlich. So gefährlich, daß es sofort vernichtet werden mußte. Rhamphor war der stärkste seiner Art. Er hatte alle Rivalen im Kampf besiegt. Das bedeutete, daß sich Rhamphor als Herr über zwei Dutzend Weibchen aufschwingen konnte. Aber jetzt galt es, diese Position innerhalb der
Stufenleiter seiner Rasse zu verteidigen. Rhamphor mußte handeln, wenn er beweisen wollte, daß er seine Position nicht zu Unrecht erhalten hatte. Jeder neue Feind war für Rhamphor gleichzeitig ein Kampf um seine eigene Existenz. Rhamphor hatte die höchste Stufe erklommen. Er hatte nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren. Wenn er versagte, war er gezwungen, sich freiwillig zu Tode zu stürzen. Er spürte die deutlich werdenden telepathischen Impulse seines anrückenden Volkes. Der Kreis schloß sich immer dichter. Die knarrenden Flügelschläge der Flugechsen erfüllten die feuchte, schwüle Luft mit häßlichen Geräuschen. Immer wieder flogen einzelne Angehörige des Volkes hoch, um die Quelle der Gefahr von oben zu betrachten. Es dauerte lange Minuten, bis Rhamphor sich entschloß, gegen das Fremde vorzugehen. Er hatte sämtliche Einzelinformationen von den Angehörigen seines Volkes erhalten. Jetzt ordnete er den Rückzug an. Er befahl, in einem Kreis von rund zweihundert Metern um das fremde Objekt in Beobachtungspositionen zu gehen und zu warten. Mit einem kräftigen Flügelschlag stürzte Rhamphor schräg nach unten. Er raste wie ein Geschoß durch das Blätterdach der Baumriesen und verschwand am Rande der Lichtung im Moor. Klatschend tauchte er in das sumpfige Brackwasser ein. Fast drei Minuten blieb er am Rand des Tümpels liegen. Nur den Kopf mit dem langen Schnabel aus dem Wasser gesteckt. Diese Zeit brauchte der Parasit, um sich auf dem Rücken von Rhamphor festzusetzen. Dann schlug Rhamphor wieder mit den Flügeln und erhob sich — schwankend unter der Last, die er sich aufgebürdet hatte. Mit kräftigen, weitausholenden Flügelschlägen flog Rhamphor auf die
fremde Gefahr zu. Er kreiste um das hohe, an der Oberseite ausgezackte Gebilde, um einen günstigen Angriffspunkt zu finden. Zusammen mit dem Parasiten war Rhamphor stärker als jedes andere Lebewesen innerhalb seiner Welt. Die meisten Flugechsen von Rhamphors Art besaßen ein Gehege, in dem sie derartige Parasiten züchteten. Sie brachten den Parasiten Nahrung und erwarteten dafür Hilfe in Gefahrensituationen. Dieses hier war eine Gefahrensituation! Rhamphor entdeckte einen breiten Spalt an der Oberseite des zylindrischen Gebildes. Mit einem schrillen Schrei stieß er auf den Riß zu. Er veränderte die Struktur seines Rückenpanzers und machte ihn an einigen Stellen weich und durchlässig. Der Parasit konnte das grünliche Blut aus Rhamphors Adern in sich aufnehmen und verarbeiten. Jetzt hatte Rhamphor nur noch wenige Sekunden Zeit. Er kannte die Spanne, die die Morros brauchten, um ihre tödlichen Eier zu produzieren. In steilem Flug jagte Rhamphor mit dem Parasiten auf seinem Rücken auf das Gebilde zu, das höher als die höchsten Bäume seiner Welt war. Rhamphor befahl dem Morro, sein Ei abzuwerfen. Der Parasit gehorchte. Gegen den starken Willen von Rhamphor kam er nicht an. Mit den Greifklauen an der Vorderseite der Flughäute berührte Rhamphor den Spalt in der fremden Gefahr. Ein geflecktes, unregelmäßig geformtes Gebilde löste sich aus der Oberseite des Parasiten. Jeder Morro konnte drei Eier legen, ehe er starb. Das erste Ei glitt in den Spalt und klemmte sich fest. Rhamphor flatterte rückwärts aus der inneren Zone der Gefahr. Noch konnte er den Morrq nicht abwerfen. Er brauchte ihn noch.
Über den flachen Bergen am Horizont ging die zweite Sonne auf. Ihr dunkelrotes Licht vermischte sich mit dem gleißend gelben Licht der Hauptsonne. Jetzt warfen alle Bäume farbige doppelte Schatten. Da entdeckte Ramphor, daß sein Angriff Erfolg gehabt hatte. Morros Ei dehnte sich aus. Das Ei des Parasiten hatte die Eigenschaft, sich nur dort zu vergrößern, wo es Widerstand spürte. In unglaublich kurzer Zeit preßte das sich ständig vergrößernde Ei den Spalt immer weiter auseinander. Da brach ein großes Stück von der Außenhülle der fremden Gefahr. Rhamphor triumphierte. Er war klug gewesen und hatte richtig gehandelt. Das Ei des Morro spürte keinen Widerstand mehr. Es fiel nach unten und arbeitete sich sofort in den weichen Boden hinein. Sekunden später entstand unterhalb der fremden Gefahr ein neuer Morro. Rhamphor spannte die Lederhäute seiner Flugschwingen. Er stieß zum zweiten Angriff vor. Diesmal würde er ein noch größeres Stück aus der fremden Gefahr herausbrechen. * Der Medo-Robot erwachte aus seiner Starre. Die plötzliche Erschütterung hatte die Unterbrecherplatte in seinem Innern wieder in die richtige Lage gerückt. Sofort blickte der Medo-Robot sich um. In seinem Inneren klickten die Relais. Augenblicklich erkannte er, daß er sich in einer Konfliktsituation befand. Direkt vor ihm standen zwei Dutzend andere Medo-Robots — bewegungslos. Die Denkvorgänge im Inneren des Medo-Robots erfolgten mit Lichtgeschwindigkeit. Trotzdem dauerte es Sekunden, bis der Robot die Lage vollkommen überblickte. Im abgestürzten
laktonischen Raumer hatten sich dreißig Medo-Robots befunden. Fünfundzwanzig befanden sich innerhalb des Warteraums. Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung waren beim Absturz einige Robots zerstört worden. Das bedeutete . .. Mit aller Kraft begann der MedoRobot gegen die verklemmten Türen anzurennen. Er stemmte sich gegen die Verschalung des Frachtraums. Er schlug mit den hochempfindlichen Instrumentenhänden gegen das Schott. Dann sah er, daß es sinnlos war. Sie, die den Laktonen an Bord des abgestürzten Raumschiffes helfen konnten, waren gefangen! Es gelang dem Robot nicht, eine klare Entscheidung zu fällen. Etwas in seinem Inneren war gestört. Er war nicht in der Lage, den Fehler selbst zu beheben. Der Konflikt war ein Kreis ohne Anfang und ohne Ende. Medo-Robots waren gebaut worden, um Laktonen zu helfen. Sie besaßen alle Instrumente, um eine sofortige Diagnose stellen zu können. In ihrem Inneren arbeitete ein winziges Chemiewerk an Medikamenten und chemischen Aufbaustoffen. Medo-Robots waren die ständig bereiten Maschinen-Ärzte der Laktonen. Sie gehörten zu den hervorragendsten Errungenschaften des Volkes von Lakton. Aber sie waren wertlos, wenn sie ihre Patienten nicht erreichen konnten ... Der Medo-Robot bückte sich. Er versuchte, die anderen Robots zu reaktivieren. Er war kein Techniker. Es bereitete seinem fehlerhaft geschalteten Gehirn Schwierigkeiten, die anderen Robots dazu zu bringen, ihm zu helfen. Er schaffte es nicht, weil ihm die einfachsten Kenntnisse seiner eigenen Konstruktion fehlten. Da hörte er das knarrende Geräusch außerhalb des abgestürzten laktonischen Raumschiffes. Sekunden später
klatschte etwas gegen die Außenhülle. Der Medo-Robot stockte. Das war ein neuer Faktor. Jetzt fiel ihm die Entscheidung leichter. Er stürzte auf einen der bewegungslos daliegenden Robots zu. Im gleichen Augenblick zerriß ein gräßliches Krachen die Stille innerhalb des Wracks. Splitternde Panzerplastverschalungen und kreischendes Metall ließen das Wrack erzittern. Der Medo-Robot stand nur einen Meter von einem Spalt entfernt. Durch den Fehler in seiner Elektronik reagierte er sofort — aber falsch! * Ko-Mont hatte alle Hände voll zu tun. Mit einer derartigen Situation hatte selbst Jakto Javan nicht gerechnet. Die grellgelbe Doppelsonne Gamma Virginis war vierzigmal heller als die terranische Sonne. Gewaltige Protuberanzen wurden ins All geschleudert. Gamma Virginis war ein physikalischer Doppelstern vom FO-Typ. Nur durch die spezielle Abschirmung der Kabine Ko-Monts konnte er verhindern, daß beim Zusammenprall des Hantelraumers mit der fremden Energie sein sorgfältig zubereitetes Muschelomelette gegen die Wände geschleudert wurde. Hastig schob der Zeitspäher die Schalen mit den Delikatessen von Bagul zur Seite. Er aktivierte sämtliche Holografen innerhalb seiner Kabine. Da wurde die „Walter Beckett" von einem gewaltigen Stoß erschüttert. KoMont preßte sich mit den Füßen gegen die Verstrebungen vor seinen Kontrollpulten. Seine riesigen massigen Hände jagten federleicht über die Kontrollen. Fast fünfzig Terraner, Ga-Venga von Kynoth, Percip von Lithalon und Bekoval von Lakton wurden gleichzeitig von
einem unbekannten Energiewirbel erfaßt. Er lähmte sämtliche Medo-Robots, Kampfroboter und Selbststeuerungsanlagen innerhalb des Schiffes. Jetzt wußte Ko-Mont, warum das laktonische Raumschiff mit den CordaGeschwistern ohne weitere Meldung verschwunden war. Die Besatzung hatte keine Zeit mehr gehabt, andere Schiffe auf die Gefahr in der Nähe der gelben Doppelsonne aufmerksam zu machen. Aber Jakto Javan und Ko-Mont hatten mit Zwischenfällen gerechnet. Sie waren auf viele Dinge vorbereitet. Nur deshalb gelang es Ko-Mont, in Sekundenschnelle den totalen Zusammenbruch zu verhüten. Dadurch, daß er eine zehntausendstel Sekunde in die Zukunft versetzt war und außerdem zu den reaktionsschnellsten Agenten Laktons gehörte, gelang es ihm, an mehr als fünzehn Stellen gleichzeitig seine Maschinen auftauchen zu lassen. Nicht immer konnten diese Maschinen verhindern, daß die Körper der Terraner krachend gegen die Panzerplastverschalungen knallten. Ko-Mont preßte die Lippen zusammen. Er stammte ebenso wie Percip von Lithalon. Die blutrote Kerbe auf seiner Oberlippe war das äußere Zeichen einer Mutation. Der jahrelang geschulte Zeitspäher behielt einen kühlen Kopf. Augenblicklich schickte er drei Bedienungsrobots zu den Kontrollen. Über seine eigenen Holografen sah er, daß die „Walter Beckett" in ein bläuliches Feuer eingehüllt war. Der Hantelraumer war in einer Elektrovakuole gefangen. Diese Vakuolen bildeten sich in der Nähe von Sternen, die einen ungewöhnlich starken Protuberanzenausstoß hatten. Sie waren im Grunde nichts anderes als gewaltige Kugelblitze mit einer Innenspannung von mehreren Hundertmillionen Volt. Die Energieschirme der „Walter Bekkett" knisterten und drohten zusam-
menzubrechen. In höchster Eile schickte Ko-Mont die ihm unterstehenden Roboter aus den Geheimverstecken durch die Räume des Raumschiffes. Überall wurden die Terraner in Pneumosesseln festgeschnallt. Sie merkten nichts davon. Dann tat KoMont drei Dinge gleichzeitig. Er schickte die Bedienungsroboter in die Kabinen zurück, übernahm die Steuerung des Schiffes und schleuderte den Hantelraumer gegen die Innenwand der Elektrovakuole. Das Bild der gelben Sonne Gamma Virginis flimmerte auf den Holografen. Krachend raste der Raumer gegen die blauschimmernde Wand. Sie bestand aus der gleichen Energieform wie die Energieblase, die die Orathonen einige Zeit vorher um das Terra-Sonnensystem gelegt hatten. Mit einem winzigen Unterschied — die Elektrovakuole schwebte frei im Raum und wurde nicht durch neue Energien gespeist. Ko-Mont wagte das Unmögliche. Aus dem Stand beschleunigte er den Hantelraumer mit den höchstmöglichen Werten. Das grausame Jammern der Antriebsaggregate erfüllte das Raumschiff mit einer tosenden Vibration. Der Kampf zwischen den Energieschirmen und der Innenwandung der Elektrovakuole blieb unentschieden. Mehr noch: Die Energie der Abwehrschirme vereinigte sich mit der Kapazität der Vakuole. Das hatte Ko-Mont nicht voraussehen können. Die Augen des Zeitspähers traten aus ihren Höhlen. Die Überraschung verzerrte sein Gesicht. Sofort gab er auch noch den letztmöglichen Schub in die Antriebsaggregate. Jetzt gab es nur noch zwei Möglichkeiten: den Durchbruch oder die totale Vernichtung ... *
Das Ei des Morro riß riesige Stücke aus der Außenhülle des abgestürzten laktonischen Raumschiffes. Während der erwachte Medo-Robot unschlüssig in der Mitte des Raumes stand, in dem er und andere Robots während des Absturzes gewesen waren, krachte mit berstenden Geräuschen immer mehr vom Raumschiffwrack auseinander. Der Medo-Robot holte eine Batterie von Spritzen aus dem Magazin und versuchte, die anderen Robots damit zu reaktivieren. Er setzte eine der Hochdruckspritzen an der Schulter eines anderen Medo-Robots an. Die Spritzen waren für menschliche Lebewesen gedacht. Bei einer Maschine drangen sie nicht einmal durch die Außenhaut! Doch dann geschah etwas Ungewöhnliches: Während der Medo-Robot den Robotern der gleichen Bauklasse pausenlos Injektionen verabreichen wollte, stieß er immer wieder gegen die erstarrten mehrgliedrigen Arme und die eckigen stilisierten Köpfe der anderen Robots. Dann blieb er mit einer Hochdruckspritze am einfachen Umhang eines anderen Robots hängen. Ohne sich darum zu kümmern, ging er weiter. Seine stampfenden Schritte ließen den Boden erzittern. Da wurde der an der Wand lehnende Robot umgerissen. Mit einem krachenden Geräusch schlug er auf dem Boden auf. Da passierte innerhalb der komplizierten Elektronik des Medo-Robots das gleiche, was einige Minuten vorher den ersten Robot aktiviert hatte. Die Platten verschoben sich. Der zweite Roboter stand auf. Er sah sich um. Er hatte keinen Fehler in der Elektronik. Er wußte, was in einem derartigen Fall zu tun war. Er leitete die Maßnahmen ein, die für einen derartigen Fall vorprogrammiert worden waren.
Seine Programmschaltungen zeigten ihm, wie er sich zu verhalten hatte. Nicht das erste Mal gab es im langen Krieg zwischen Orathonen und Laktonen abgestürzte Raumschiffe. Die Medo-Robots waren dafür eingerichtet, auch ohne Befehl die richtigen Handgriffe zu tun. Mit ein paar schnellen Handbewegungen löste der zweite Medo-Robot seine in tiefer Starre an den Wänden liegenden Baumuster-Gleichen aus der maschinellen Ohnmacht. Im Notfall konnten Medo-Robots sogar chirurgische Operationen durchführen. Eine derartige Panne war nicht ungewöhnlich und nicht neu. Gemeinsam mit fünfzehn reaktivierten Heard-Robotern begann Nummer zwei, die Schleuse durchzuschweißen. Irgend etwas in seinem Inneren warnte Nummer zwei. Die Beleuchtung war vollkommen ausgefallen. Doch dann gab es einen kurzen, schockartigen Druckausgleich. Sofort hörten die Medo-Robots Stimmen. Ein Robot, der nicht in der Kammer gefangen war, schoß an ihnen vorbei. Auf dem Funkwege verständigten sich die neu auftauchenden Medo-Robots. Es waren nur kurze Impulse, die andeuteten, daß keine offen erkennbare Gefahr bestand. Den Laktonen an Bord des abgestürzten Wracks war bereits geholfen worden — von zwei unzerstörten Robots außerhalb des Warteraums. Nur der zuerst reaktivierte Medo-Robot ging eigene Wege. Er kümmerte sich nicht um seine eigentliche Aufgabe. Mit großer Genauigkeit untersuchte er die zerstörte Schiffshülle. Er jagte eine Hochdruckspritze nach der anderen gegen die zerschmolzene Verkleidung. Diese Aktionen waren vollkommen unsinnig, aber der Robot war nicht in der Lage, sein Handeln zu beurteilen. Niemand hinderte ihn daran, das ab-
gestürzte Raumschiff zu verlassen. Er schlug auf den weichen Boden, dann entfernte er sich mit weitausholenden Schritten vom Wrack. Die fehlerhafte Schaltung trieb ihn voran. Plötzlich stockte er. Sekundenlang summte es in seinem Inneren. Er orientierte sich. Er entdeckte plötzlich den leblosen Körper im Raumanzug. Er setzte sich wieder in Bewegung. Da schossen mit knarrenden Flughäuten und klappernden Schnäbeln große Flugechsen auf ihn zu. Der Medo-Robot der Laktonen blickte auf. Er suchte nach einem Vergleichsschema in seinem Inneren. Es war nicht vorhanden! Mit seiner fast humanoiden Form erinnerte der Robot die Flugechsen um Rhamphor an jenen Körper, den sie bereits vorher gesehen hatten. Sie glaubten, daß aus dem Zentrum der Gefahr Hilfe für das regungslos am Boden liegende Opfer der Dysdera gekommen war. Das bedeutete, daß es noch mehr von diesen Wesen innerhalb des großen Zylinders gab. Rhamphor teilte seine Überlegungen auf telepathischem Wege seinem Volk mit. Dann gingen sie zum Angriff auf den Medo-Robot vor. Eine junge, kräftige Flugechse schlug ihre Krallen in den Stoff, mit dem der Robot bekleidet war. Sie hob ihn an und trug ihn mit knarrenden Schwingen bis zur Burg, die als Versammlungsplatz des Volkes von Rhamphor galt. Mit allen Mitteln wollten sie versuchen, aus diesem Wesen herauszubekommen, welche Veranlassung es hatte, in ihre Welt einzudringen. * Rex Corda riß den linken Arm hoch. Er stöhnte gequält auf. Mit dem Handrücken schlug er gegen seine Stirn. Der brennende Schmerz hinter den Schläfen
hatte ihn wieder ins Bewußtsein zurückgerissen. Mit grauenhafter Klarheit spürte er die Schmerzen, die wie feurige Wellen durch seinen Körper rasten. Alles in ihm war zerschlagen und wund. Rex Corda wischte das angetrocknete Blut von seiner Stirn. Er tastete mit den Fingerspitzen nach der Schnittwunde über seiner rechten Augenbraue. Ein Teil seiner Bordkombination hing in Fetzen an seinem Körper. Er wußte nicht, wie er in den Pneumosessel gekommen war. Alles war viel zu schnell gegangen. Dann erinnerte er sich plötzlich an das blaue Leuchten und an das, was vorher geschehen war. Aus irgendeinem Grund dachte er an das seltsame Verhalten von Bekoval. So hatte sich der laktonische Offizier noch nie vorher benommen. Rex Corda brachte das Verhalten Bekovals mit dem blauen Leuchten in Verbindung. Sollte es sich um eine neue Form von Energie handeln, die auf laktonische Gehirne einen verheerenden Einfluß ausüben konnte? Rex Corda beschloß, äußerst wachsam zu sein. Sie durften sich das nicht noch einmal leisten. Wenn sie sich selbst nicht mehr in der Hand hatten, war die ganze Mission von vornherein zum Scheitern verurteilt. Stöhnend richtete sich Rex Corda auf. Er fühlte sich vollkommen zerschlagen. Das war also die Doppelsonne Gamma Virginis, dachte er und blickte auf den zerstörten Hauptschirm an der Frontseite des Kontrollraumes. An der gegenüberliegenden Seite des Raumes befand sich noch ein zweiter Schirm. Er war kleiner und diente nur als Monitor. Da kam ein Medo-Robot auf Rex Corda zu, blieb kurz stehen und legte dann seine vielgliedrigen Arme auf Rex Cordas Schultern. Mit den Fingertastern stellte er die Diagnose. Dann mischte er in seinem Innern ein
Medikament zusammen und ließ es in eine Hochdruckspritze einströmen. Innerhalb von fünf Sekunden war das Medikament fertig. Rex Corda spürte den kurzen Schlag an seinem Oberarm. Dann verteilte sich das Medikament über die Blutbahnen in seinem Körper. Rex Corda schenkte dem MedoRobot ein dankbares Lächeln. Das waren Einrichtungen, die er, ohne zu zögern, sofort von den Laktonen übernommen hätte. Rex Corda reckte sich, dann ging er durch die Halle und versuchte zu erkennen, was geschehen war. Plötzlich blieb er stehen und strich mit den Fingerspitzen über seine Nasenflügel. Etwas stimmte hier nicht. Er wußte genau, daß der Laktone Bekoval mit den Füßen voran in den Frontschirm geknallt war. Unendlich langsam drehte Rex Corda sich um. Er starrte auf den breiten massigen Rükken von Bekoval. Der laktonische Offizier hing zusammengesunken in seinem Pneumosessel. Er war angeschnallt! Niemand konnte während der Katastrophe Zeit gehabt haben, Bekoval anzuschnallen ... Rex Corda strich sich mit dem Daumennagel über seine Unterlippe. Das war ein Faktor, der keiner logischen Nachprüfung standhielt. Mit langsamen großen Schritten ging Rex Corda zurück zu dem Pneumosessel. Er beugte sich über Bekoval. Der Laktone atmete ruhig und gleichmäßig. Die Medo-Robots hatten auch ihm eine Spritze gegeben. An der Schulter hatte Fatlo Bekoval eine blutverkrustete Wunde. Sie war bereits mit einer heilenden Salbe bestrichen. Aber das war es nicht, was Rex Corda nachdenklich machte. Zwei Sekunden starrte er abwechselnd auf Percip, Bekoval und Ga-Ven-
ga. Dann glitt sein Blick über John Haick. Der Atomwissenschaftler reckte sich in den Gurten und schlug plötzlich die Augen auf. Er blinzelte. Rex Corda ging auf ihn zu. „Einen Kognak, bitte", grinste John Haick. Rex Corda schüttelte den Kopf. Auch John Haick war angeschnallt. Corda erinnerte sich genau daran, daß er es vorher nicht gewesen war. Niemand konnte ihm einreden, daß das blaue Leuchten die Männer innerhalb der Kontrollzentrale angeschnallt hatte. Aber irgend jemand mußte es getan haben... Da ging plötzlich ein rauschender Heulton durch sämtliche Abteilungen des Hantelraumers. Die „Walter Bekkett" vibrierte kaum merklich. Rex Corda zuckte zusammen. Auf dem Absatz drehte er sich um. Er blickte hinüber zu dem kleinen MonitorSchirm an der anderen Seite der Zentrale. Farbige Lichtfetzen huschten über den Holografen. Es war kein klares Bild. John Haick löste sich aus den Gurten und stand ächzend auf. Er massierte seine Gelenke. Dann trat er neben Rex Corda. „Was ist los?" fragte er. Rex Corda hob die Schultern. „Keine Ahnung. Aber anscheinend ist etwas geschehen, womit selbst unsere Freunde nicht gerechnet haben. Sie wurden ebenso von diesem blauen Leuchten überrascht wie wir." Der Heulton nahm zu. Jetzt lag er wie ein mächtiges Brausen in den Kabinen. Rex Corda blickte nach oben. Nirgendwo konnte er erkennen, woher dieser Ton kam. Das war das Unangenehme an ihrer Situation. Sie waren hilflose Opfer einer unbekannten Gewalt. Sie konnten nicht einmal den Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen. Die Holografen arbeiteten nicht.
„Wir müssen Bekoval wecken", sagte Rex Corda hastig. Er beugte sich über den laktonischen Offizier und rüttelte ihn an den Schultern. Er ging nicht sehr sanft mit Bekoval um. Trotzdem dauerte es mehrere Minuten, bis es ihm gelang, Bekoval aus seiner Besinnungslosigkeit aufzurütteln. Dann zuckten die Arme des Laktonen, während er langsam die Augen öffnete. Ein verzerrtes Grinsen lag auf seinen Lippen. „Kommen Sie zu sich, Bekoval. Wir brauchen Sie! Reißen Sie sich zusammen." Der Laktone blickte Rex Corda schief an. Dann hatte er begriffen. Er löste sich aus den Anschnallgurten und versuchte aufzuspringen. Er preßte die Lippen zusammen, während er sich mit den Armen von den Lehnen des Pneumosessels abstützte. Anscheinend war er schwerer verletzt, als er zugeben wollte. Da wurden in einem der Gänge stampfende Geräusche laut. Noch ehe die Männer begriffen hatten, was geschah, stampften sechs Kampfroboter der AA-2-Klasse durch die Zentrale. Die Linsenreihe an der Oberkante ihrer zylindrischen Körper blitzte. Die darunter befindlichen Schlitze für Schocker, Thermostrahler und inkorporierte Railing-Guns waren geöffnet. Zwei der Roboter hatten Laserstrahler in den fünffingrigen Händen. Bekoval sprang vor. Niemand konnte diesen Kampfrobotern den Befehl zum Einsatz gegeben haben. Nur er und Percip waren dazu in der Lage. Er wußte genau, welche Nummernbezeichnung die Roboter besaßen, die sich an Bord der „Walter Beckett" befanden. Die durch die Kabine stampfenden Kampfroboter gehörten nicht zur Ausrüstung des Hantelraumers ... Noch ehe sich Bekoval den AA-2-
Robotern in den Weg stellen konnte, waren sie an der gegenüberliegenden Seite verschwunden. „Kommen Sie mit, Sir!" brüllte Bekoval, um das heulende Geräusch zu übertönen. Rex Corda kapierte sofort. Seine Vermutung war richtig gewesen. Hier geschah etwas, womit sie im Augenblick noch nicht fertig wurden. Er nickte John Haick kurz zu. Dann rannte er los. Er wußte, daß es ihnen schnell gelingen mußte, die Führung des Schiffes wieder zu übernehmen. * In der Welt von Rhamphor gab es Hunderte von verschiedenen Lebewesen. Mächtige Panzerechsen, Styracosaurier mit spitzen Stoßhörnern und massigen Körpern, plumpe Tyrannosaurier und die Fleischkolosse der Brontosaurier mit ihrem riesigen Körper und dem winzigen Kopf gehörten dazu. Sie alle hatten nicht den Intelligenzgrad von Rhamphors Rasse. Aber sie waren gefährlich. Äußerst gefährlich in ihrer Primitivität. Die urweltlichen Saurier konnten ganze Wälder abgrasen und mühsam gezüchtete Morro-Parasiten an den Ufern der Schlammseen mit ein paar stampfenden Schritten zerstören. Instinktiv hatten die Saurier gemerkt, daß etwas geschah. Etwas Ungewöhnliches war passiert und machte sie unruhig. Diese Unruhe breitete sich wellenartig aus. Sie zog immer größere Kreise. Aber keiner der Saurier ergriff die Flucht. Im Gegenteil, wo Gefahr war, gab es Opfer — Opfer, die als Nahrung dienen konnten ... Einige der Saurier waren Pflanzenfresser. Die anderen ernährten sich von den Kadavern toter Tiere. Die gellenden Schreie von Rhamphor und seiner Rasse hatten die Saurier ge-
weckt. Stampfend brachen sie aus den Wäldern hervor. Einige kamen von den Hügeln, andere tauchten aus den Schlammseen auf und reckten ihre unverhältnismäßig kleinen Köpfe in das grelle Licht der Doppelsonne. Amphibisch veranlagte Brachiosaurier hoben ihr kleinen Köpfe auf langen fleischigen Hälsen aus dem brodelnden Wasser und stampften dann mit ihren Elefantenkörpern durch den Ufermorast in die Wälder. Sie vernichteten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Aber auch die Pflanzen spürten die Unruhe. Sie erhöhten ihre Temperatur. Riesige Bezirke rund um das abgestürzte Raumschiff veränderten schlagartig die Farbe. Dann setzte sich der Planet gegen den Fremdkörper zur Wehr. Der eben noch friedlich wirkende Himmelskörper verwandelte sich plötzlich in eine tosende Hölle. * Patricia Murray und Professor Dr. Sam McClude blickten sich an. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, um Rex Corda zu benachrichtigen. Während des Zwischenfalls hatte irgend jemand die Meßergebnisse der Chemotechnikerin gestohlen. „Was halten Sie davon?" fragte Professor McClude, während er mühsam versuchte, seine Gelassenheit und Ruhe zu behalten. Das Gesicht der blonden Chemotechnikerin zuckte nervös. „Ich weiß nicht, Sir. Hier passieren Dinge, die ich einfach nicht verstehe!" Professor McClude nickte. „Ich bin zum ersten Male im Weltraum", sagte er mit einem verunglückten Lächeln. „Hier gibt es Dinge, die uns fremd sind. Aber alles ist erklärbar. Für jedes Geschehen gibt es Ursachen ganz natürli-
cher Art. Ich glaube einfach nicht an Wunder und Zufälle!" „Und die Meßergebnisse? Ich habe sie nicht abgelegt. Jetzt sind sie verschwunden ..." Professor Sam McClude blickte die junge Chemotechnikerin ernst an. Ihm war etwas aufgefallen. Sie machte einen hysterischen Eindruck. So kannte er sie nicht. „Haben Sie ein Nervenmittel genommen?" fragte er. Sie zuckte zusammen. Dann nickte sie langsam, während das Blut ihr ins Gesicht schoß. „Was war es?" „Ich weiß es nicht — die MedoRoboter der Laktonen haben mir eine Droge injiziert. Ich natte solche Angst, verstehen Sie, Professor?" „Kommen Sie, Pat — wir werden mit Rex Corda sprechen. Es gefällt mir nicht, daß diese Medo-Robots uns ohne Nachfragen Medikamente verabreichen dürfen. Unser Organismus reagiert in manchen Dingen anders als der der Laktonen." „Und die Meßergebnisse?" fragte Patricia Murray erleichtert. „Das bringen wir auch zur Sprache!" * Tau Danak starrte auf die Kontrollen der Notbatterien. Lange hielten sie das nicht mehr aus. Die Energie war in den letzten Wochen vollkommen aufgebraucht worden. Sie reichte gerade noch aus, um die Holografen in Betrieb zu halten. Auf den Holografen zeichnete sich das dreidimensionale Bild des Höllenplaneten ab. Das Wrack war mitten auf die ringförmige Landmasse gestürzt. Tau Danak wirkte trotz seines schweren Körpers ausgemergelt und erschöpft. Stunde um Stunde hatten er und seine Männer gegen die Angriffe
des höllischen Planeten gekämpft. Durch die beiden Doppelsonnen gab es keine eigentliche Nacht auf Rakna, wie sie diesen Planeten nannten. Tau Danak war einstmals für seine schnellen Entschlüsse bekannt gewesen. Er gehörte zu den fähigsten Offizieren der Laktonen. Nur deshalb war ihm der Befehl erteilt worden, die nach der Invasion auf der Erde gefangenen Menschen nach Lakton zu bringen. Alles war normal verlaufen — bis sie in die Region der Doppelsonne Gamma Virginis gelangten! Tau Danak dachte daran, daß viele seiner Männer tot waren. Mehr als die Hälfte war verschollen. Noch im Raum war das Schiff auseinandergebrochen. Sie hatten alles versucht, um einen Teil des Wracks wieder flugfähig zu machen — umsonst! Dann begannen sie, sich mit den Lebewesen auf Rakna auseinanderzusetzen. Aber auch diese Versuche scheiterten. Die Spähtrupps kehrten nicht zurück ... Drasso Seric war der Anführer der letzten Patrouille gewesen. Tau Danak hatte ihm die besten Waffen mitgegeben, die es innerhalb des Wracks noch gab. Jetzt lag Drasso Seric in Sichtweite von Danak. Er hatte ihm nicht helfen können. Das Sperrfeuer hatte den Rest der ohnehin begrenzten Energie gefressen. Tau Danak stöhnte gequält auf. Er wußte, daß sie verloren hatten. * Ko-Mont ließ vor dem Hantelraumer eine künstliche Sonne entstehen. Mit Hilfe seiner geheimen Streitmacht gelang es Ko-Mont, dem Zeitspäher, ein instabiles Kraftfeld in der Flugbahn der „Walter Beckett" zu errichten. Längst hatte Ko-Mont erkannt, gegen welche Gefahren er sich wehren mußte, wenn
er den Hantelraumer erhalten wollte. Kenni kauend hockte er vor seinen Kontrollen in dem geheimen Versteck zwischen den Antriebsaggregaten im Verbindungsstück der beiden Hantelkugeln. In der letzten halben Stunde war er nicht dazu gekommen, seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Nur der scharfe würzige Saft der Kennipflanze erfrischte ihn. Ko-Mont hatte keine Zeit, daran zu denken, daß er sich eigentlich während der langen Fahrt dem Vergnügen des Essens hatte hingeben wollen. Ko-Mont wurde das Gefühl nicht los, daß Jakto Javan, der Oberbefehlshaber der laktonischen Flotte, sehr gut gewußt hatte, was der „Walter Beckett" bevorstand. Mit fliegenden Fingern kontrollierte Ko-Mont das instabile Energiefeld vor dem Hantelraumer. Sein scharfes Gehör achtete auf alle Tonmodulationen des Heulgeräusches. Dann zog ein breites Lächeln über sein Gesicht. Seine Abwehrmaßnahmen zeigten Erfolg. Die überall im System Gamma Virginis vorhandenen Gasreste wurden durch das instabile Energiefeld aufgesaugt. Dieses Feld wirkte wie ein Magnet. Der Hantelraumer bekam freie Bahn. Ko-Mont flog mit der „Walter Bekkett" eine weite Kurve, passierte die innere Planetenbahn und beobachtete gleichzeitig die Holografen. Die beiden ersten Planeten waren überheiße verbrannte Himmelskörper. Die ungewöhnlich hohe Strahlungsenergie der Doppelsonne ließ keine Spur von Leben auf diesen Planeten zu. Auch die beiden nächsten Planeten des Systems wirkten tot. Ko-Mont beugte sich vor. Er näherte sich mit der „Walter Beckett" der Bahn des fünften Planeten. Schnell nahm KoMont einige Schaltungen vor. Auf den Holografen erschienen in starker Vergrößerung die übrigen Himmelskörper
des Vierzehn-Planeten-Systems. Ko-Mont stellte die üblichen Untersuchungen an. Kurze Zeit später wußte er, daß nur die Planeten fünf, sechs und sieben eine Überlebenschance für Sauerstoffatmer boten. Dann sah Ko-Mont, daß die Männer in der Hauptzentrale wieder in der Lage waren, die Kontrollen der „Walter Bekkett" zu übernehmen. Um voll einsatzfähig zu sein, brauchten sie einen neuen Hauptholografen. Dieser Holograf war noch nicht fertig. Die überall in der „Walter Beckett" untergebrachten Hilfsrobots von Ko-Mont arbeiteten noch an seiner Fertigstellung. „Der Holograf ist fertig", tönte es aus einem kleinen Lautsprecher. Ko-Mont nickte und stand auf. „Ich selbst übernehme die Installation", sagte er und bereitete sich darauf vor, sein Versteck zu verlassen. Er ging zu einem eingebauten Elektronenrechner an der Rückseite seines Raumes und schob einen vorbereiteten Magnetstreifen in den dafür vorgesehenen Schlitz. Noch vor dem Start der „Walter Beckett" hatte Ko-Mont über zweihundert Programmstreifen für verschiedene Aktionen vorbereitet. Diesmal ging es darum, die Laktonen und Terraner aus der Kontrollzentrale zu entfernen. Ko-Mont wußte, daß sie ihn nicht sehen konnten, weil er eine zehntausendstel Sekunde in die Zukunft versetzt war. Trotzdem wollte er es nicht darauf ankommen lassen, daß die Terraner oder gar Bekoval mit ansahen, wie unbekannte Roboter, wie von unsichtbarer Hand gesteuert, den neuen Holografen einsetzten. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen verließ er sein Versteck. * Rhamphor nahm den für ihn reser-
vierten Platz innerhalb der Burg ein. Das Podest aus schwarzen Basaltsteinen war so aufgerichtet worden, daß er die Angehörigen seines Volkes mit einem einzigen Blick übersehen konnte. Direkt vor ihm befand sich ein freier Platz, während hinter ihm der halbkreisförmige Eingang zur Schutzhöhle lag. Rhamphor stieß einen kurzen Schrei aus. Sofort verstummte das Geschnatter, und die Angehörigen seines Volkes hörten auf, mit den lederartigen Flughäuten zu knarren. Sie blickten zu ihm auf. Vor Rhamphor lag das bewegungslose zweibeinige Wesen, dessen Außenhaut fester war als die Flugschwingen von Rhamphor. Rhamphor sendete einen Anpassungsimpuls aus. Obwohl alle Angehörigen seines Volkes den Ernst der Situation instinktiv erfaßten, dauerte es mehrere Sekunden, bis die auf dem freien Platz versammelten Flugechsen sich dem Impuls angeglichen hatten. Erst als auch der letzte der Flugsaurier keine Eigenausstrahlung mehr von sich gab, begann Rhamphor zu sprechen. Sein Schnabel mit den scharfen Zahnreihen hing bewegungslos nach unten. Rhamphor sprach auf telepathischem Weg. „Gefahr für das Volk", dachte Rhamphor besorgt. Sein Volk verstand ihn. Rhamphor fuhr fort: „Noch niemals zuvor ist etwas so Fremdes in unserer Welt aufgetaucht. Die Tatsache, daß es nun doch geschehen ist, kann ich nur als ungeheuerlich bezeichnen. Woher soll das Fremde gekommen sein? Es gibt nichts anderes außer unserer Welt. Blickt zum Himmel hinauf. Dort seht ihr unsere beiden Licht- und Wärmespender. Sie schützen und sie nähren uns. Sollte das Fremde von dort gekommen sein? Wenn es so
wäre, hätten wir eine Nachricht empfangen. Da das nicht geschehen ist, müssen wir das Fremde als Feind betrachten. Hiermit rufe ich euch auf, das Fremde zu zerstören. Beginnen wir mit diesem Teil, das vor uns liegt. Zerstören wir es, ehe es uns zerstört." Die Flugechsen stießen schrille Schreie aus. Mit knarrenden Flughäuten flatterten sie auf den Medo-Robot zu. Sie warfen sich über ihn. Doch das Metall hielt ihren scharfen Schnäbeln und Krallen stand. Rhamphor blickte zum gleißenden Ball der hellen Sonne hinauf. Er breitete seine Flugschwingen aus. Dann erhob er sich von dem Podest, auf dem er gehockt hatte. Mit kräftigen Flügelschlägen übernahm er die Führung seines Volkes. Hunderte von Flugechsen erhoben sich kurz nach ihm und flatterten auf die unbekannte Gefahr zu. * Rex Corda vergaß vor Staunen, den Mund zu schließen. Sechs Roboter stampften in die Zentrale. Er wußte genau, daß sie nicht zur Schiffsausrüstung gehörten. Aber wenn sie nicht zu den hundert Ba-3-Robotern von Jakto Javan gehörten, woher kamen sie dann? „John!" rief er hastig. Bekoval blinzelte die Roboter an. In diesem Augenblick begann der knabenhafte Kynother Ga-Venga einen melodischen Singsang. Er rappelte sich hoch, starrte an Bekoval vorbei und zeigte die für ihn in Krisensituationen typische Haltung — er gab seinen Singsang von sich. Auch Percip war inzwischen wieder erwacht. Die Medikamente der MedoRoboter hatten schnell und sicher gewirkt. „Einen Moment - mal!" rief Percip laut. Mit langen Sprüngen rannte er auf
die Roboter zu. Sie beachteten ihn nicht, sondern verschwanden an der gegenüberliegenden Seite des Raums. Da hörte Rex Corda plötzlich den erschreckten Ruf aus dem Korridor jenseits der Tür, durch die die Robots verschwunden waren. Gleichzeitig rannten Percip, Rex Corda und John Haick los. Sie rasten auf die Tür zu. Noch ehe sie sie erreichten, schloß sie sich vor ihnen automatisch. Percip knallte mit den Schultern gegen die Tür. Er riß seinen Strahler aus dem Gürtel. Rex Corda zertrümmerte die Scheibe eines Waffenschranks. Er riß ein plombiertes Taumelgewehr aus der Halterung. Die Railing-Gun sah aus wie eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf. Corda umspannte die Handfeuerwaffe mit seinen kräftigen Fingern und lud durch. Das Geschoß mit den gegeneinander versetzten Kegelstümpfen glitt in den Lauf. Jetzt fühlte Rex Corda sich wohler. Gemeinsam mit Percip rannte er die Tür ein. Beim zweiten Ansturm merkte er, daß sie nicht verschlossen war. Verwundert blickten sich die beiden Männer an. Rex Corda schüttelte kaum merklich den Kopf. „Da stimmt etwas nicht", sagte er leise zu Percip. „Wissen Sie etwas von diesen Robots, Sir?" fragte der Lithalonier. „Nein. Ich weiß nur, daß sie nicht zu den hundert Robots gehören, die wir von Jakto Javan für die ,Walter Beckett' bekommen haben. Ich fürchte, hier stimmen ein paar Dinge nicht..." Rex Corda drehte sich kurz um und blickte zu Bekoval. Der laktonische Offizier war ihnen gefolgt. Er stand dicht hinter Percip und Rex Corda. Seine Augen wurden schmal. „Was wissen Sie, Bekoval?" fragte Rex Corda scharf. „Nichts, Sir. Absolut nichts."
„Sie wissen nicht, woher die Robots kommen?" Bekoval schüttelte den Kopf. „Und Sie, Ga-Venga?" forschte Rex Corda weiter. Der knabenhafte Kynother hob die Schultern. Er unterbrach seinen Singsang. Dann sagte er: „Ich weiß genau, welche Roboter wir an Bord nahmen. Diese hier gehörten nicht dazu." Er deutete mit dem Kopf in den Korridor. Wieder wurde ein Schrei laut. Diesmal unterdrückt. „Los!" befahl Rex Corda. Er stürmte voran. Die anderen Männer folgten ihm sofort. Rex Corda war entschlossen, endlich Klarheit über die merkwürdigen Dinge innerhalb der „Walter Beckett" zu bekommen. Der Hantelraumer war das Flaggschiff der Erde. Er hatte ein Recht, zu erfahren, was innerhalb des terranischen Flaggschiffes passierte. Als er um eine halbkreisförmige Biegung stürmte, prallte er entsetzt zurück. * Die Bewohner des fünften Planeten standen wie auf einen geheimen Befehl hin auf. Schwarz-weiß gestreifte Schuppenkriechtiere, Panzerwürmer und Lurche mit höckerartigen Hautknochen arbeiteten sich durch scharfes Spinnifexgras. Die Hautknochen schützten die Kriechtiere vor den ständigen Angriffen der Dysdera-Spinnen und der fleischfressenden Pflanzen. Die Raanas führten den Zug der Kriechtiere an. Sie waren fast so groß wie die Flugechsen, besaßen aber nicht deren telepathische Fähigkeiten. Ihr Körper hatte die Form eines angespitzten Zylinders. Sie bewegten sich auf acht breiten schuppenbedeckten Flossen voran. Die Raanas besaßen keine Augen. An der Oberseite ihres zylinderförmigen Körpers befand
sich ein lichtempfindliches Band, das von der Spitze bis zum Schwanz lief. Mit Hilfe dieses Augenersatzes konnten die Raanas Helligkeitsunterschiede wahrnehmen und durch den Stand der beiden Sonnen Laufrichtung und Position bestimmen. Ihr winziges Gehirn besaß einen hervorragend ausgearbeiteten Ortssinn. Dadurch waren die Raanas in der Lage, zu jeder Jahreszeit die besten Weidegebiete zu finden. Sie bevorzugten als Hauptnahrung die Säuredrüsen fleischfressender Pflanzen. Mit den beiden Vorderflossen konnten die Raanas starke elektrische Schläge austeilen, die auf galvanischem Wege erzeugt wurden. Der Angriff auf die unbekannte Gefahr hatte begonnen. Von allen Seiten schloß sich der Ring der Flugechsen dichter um das abgestürzte Raumschiff der Laktonen. Immer wieder trugen sie auf ihren Rücken Morro-Parasiten heran, die ihre tödlichen Eier in Ritzen und Spalten fallen ließen. Dysdera-Spinnen nahmen abgesprengte Teile der Außenhülle auf, schlossen sie in ein dichtes Netz ein und transportierten sie ab. Große plumpe Styracos stampften Pfade durch den Pflanzenring rund um das Raumschiff. Auf diesem Teppich aus niedergewalzten Pflanzen bewegten sich die Raanas voran. Es wurden immer mehr. Sie kamen von allen Seiten. Der fünfte Planet des Systems Gamma Virginis mobilisierte alles Leben zur Beseitigung der unbekannten Gefahr. Dabei konnten nur Rhamphor und sein Volk die Gedankenimpulse aus dem Innern des Wracks auffangen und erkennen. Aber ihrem telepathischen Befehl folgten fast alle anderen Lebewesen dieser grauenhaften Welt. Wandernde Kakteen mit gefüllten
Samenmagazinen schoben sich Meter um Meter auf das Wrack zu. Selbst die Pflanzen vor den Hügeln am Horizont erhielten von Rhamphor einen telepathischen Impuls. Sofort beschleunigten sie ihre Assimilation und schickten blauschwarze Ausdünstungen, die mit übelriechenden Duftstoffen vermischt waren, in den klaren wolkenlosen Himmel. Die ersten Schatten bildeten sich an den Hängen der Hügel. Dann ballten sich die Wolken zusammen und näherten sich drohend dem abgestürzten Raumschiff. Der Planet hatte sich gegen die menschlichen Wesen im Innern des Raumschiffes verschworen. Er setzte alle Mittel ein, um sie gnadenlos auszulöschen. Schwefelgelber Regen prasselte auf die Pflanzen rund um das Wrack. Die chemische Reaktion dauerte nur Sekunden. Dann schossen die Pflanzen ruckartig nach oben. Heftige Windstöße peitschten die weit ausladenden Baumkronen, während das dumpfe Prasseln des nährenden Regens immer stärker wurde. Die große Sonne verdunkelte sich. Streifige Lichtstrahlen am Rande der Wolken hüllten die Ebene in ein flimmerndes diffuses Licht. Der Boden rings um das Wrack verwandelte sich in einen brodelnden Sumpf. Klatschend prasselten ätzende Sturzbäche aus den dunklen Wolken auf die angegriffene Außenhülle des abgestürzten laktonischen Raumschiffs. Mit grausamer Präzision zog sich der Ring der Vernichtung zusammen. * Die Arme des Mädchens waren verdreht. Ihr erschlaffter Körper lag bewegungslos vor den unbekannten Bedienungsrobots, die nicht zur Stammbesatzung der „Walter Beckett" gehör-
ten. Eine Welle von Angst schlug Rex Corda entgegen. Sein emphatischer Extrasinn saugte die Angstimpulse des Mädchens wie ein Schwamm auf und überschwemmte damit sein Bewußtsein. Sekundenlang stand Rex Corda wie vom Blitz getroffen auf dem Korridor. Er konnte es nicht fassen, daß laktonische Bedienungsrobots, ohne einen ihrer künstlichen Finger zu krümmen, neben einem am Boden liegenden menschlichen Wesen standen. Das widersprach allen Erfahrungen, die Rex Corda mit den Laktonen und ihren Robots gemacht hatte. Hinter ihm stieß Ga-Venga einen zwitschernden Ton aus. Fauchend stieß Percip die Luft aus den Lungen. Auch er hatte die Kontrollzentrale verlassen. Cordas Kopf ruckte zur Seite. Er starrte Percip fassungslos an. „Die Kontrollen!" keuchte er. „Wer ist bei den Kontrollen?" Percip verzog das Gesicht. Da lachte Bekoval kalt auf. Er war ebenfalls herangekommen und stand jetzt neben John Haick, dem dunkelhaarigen terranischen Atomwissenschaftler. Corda fühlte, wie eine eisige Faust sein Herz zusammenpreßte. Niemand kümmerte sich um das Schiff, in dem Dinge geschahen, die nicht geschehen durften ... „Die Kontrollen sind ausgefallen, Sir", brüllte Bekoval heiser. Rex Corda preßte die Lippen zusammen. Auch das noch! Sie befanden sich bereits im Einflußbereich der gelben Riesensonne Gamma Virginis. Antriebslos mußte die „Walter Bekkett" unweigerlich in der Gluthölle der Sonne atomisiert werden. Wenn es ihnen nicht gelang, innerhalb kürzester Zeit das Schiff wieder manöverklar zu machen, war die Suche nach Kim und Velda die erste und die letzte Reise des terranischen Flagg-
schiffes. Der Heulton entstand aus dem Nichts. Er kam plötzlich und unerwartet. Das gräßliche Geräusch wischte die Angstempfindungen aus dem Bewußtsein von Rex Corda. Es waren nicht seine eigenen, sondern die des Mädchens gewesen. Er wußte jetzt, was er zu tun hatte. Seine Muskeln spannten sich. Wie ein Geschoß raste er durch den Korridor. Mit langen weiten Sprüngen stürmte er gegen die Bedienungsrobots an. Zwei der Roboter der Ba-3-Klasse stellten sich in seinen Weg. Rex Corda hatte keine Wahl. Er riß den Abzug der Railing-Gun durch. Zwei Geschosse verließen mit einem dumpfen Knall den Lauf. Im gleichen Augenblick brachen die Bedienungsrobots zusammen. Sie wurden zur Seite geschleudert und knallten gegen die Verschalung der Panzerplastwände. Krachend fielen sie übereinander. Da ergriffen die übrigen Robots die Flucht. Sie verschwanden hinter der nächsten Biegung des Korridors. Rex Corda ließ sie laufen. Er erreichte das Mädchen. Mit einer schnellen Bewegung warf er John Haick die Railing-Gun zu. „Los, John! Hinterher! Sie gehören nicht zu unserer Besatzung. Hier wird mit falschen Karten gespielt." Der Atomwissenschaftler begriff sofort. Geschickt fing er die Railing-Gun auf und sprang mit einem langen Satz über das am Boden liegende Mädchen hinweg. Aber auch Bekoval schien plötzlich begriffen zu haben. Noch ehe Rex Corda sich über das Mädchen beugen konnte, waren Bekoval und Ga-Venga zusammen mit Percip und John Haick um die Biegung des Korridors verschwunden. Rex Corda war allein mit dem am Boden liegenden Mädchen. Es roch nach verschmorten Kabeln
und durchgebrannten Isolierungen. Der Gestank von angesengtem Stoff und verkohlter Plastik hing Übelkeit erregend im Korridor. Nur langsam saugten die Ventilatoren den bläulichen Rauch ab, der von den Bedienungsrobots aufstieg. Rex Corda kniete nieder. Mit einem Ohr lauschte er auf die immer leiser werdenden Schritte der Männer, die die Verfolgung der unbekannten Roboter aufgenommen hatten. Er beugte sich über das Mädchen. Mit den Fingerspitzen schob er ihre Augenlider zurück. Sie hatte hellblaue Augen, deren Iris von einem dunklen fast schwarzen Rand einfaßt wurde. Ihre langen dunklen Wimpern waren ungetuscht. Rex Corda blickte ernst in das Gesicht des Mädchens. Sie hatte eine etwas zu hohe Stirn und versuchte diesen Schönheitsfehler durch in die Stirn gekämmte Locken auszugleichen. Ihr Gesicht war glatt und ebenmäßig. Zwischen den halbgeöffneten Lippen schimmerte eine Reihe perlmutterartig glänzender Zähne. Er nahm ihr Handgelenk und blickte auf seine Armbanduhr. Dann zählte er fünfzehn Sekunden lang ihren Puls. Er ging unregelmäßig und flatterte. Rex Corda ließ den Arm los, während er auf das Namensschild an der linken Seite ihrer Kombination blickte. Er drehte das Schild so, daß er ihren Namen lesen konnte: „Patricia Murray C-Tech 038 A— Cc— Dee—Rh.pos.", las er. Eine Chemotechnikerin also. Dafür war Professor Dr. Sam McClude zuständig. Wie bei allen Angehörigen der Besatzung war auch bei Patricia Murray die Blutgruppe auf der Identifikationskarte verzeichnet. Rex Corda richtete sich auf. Er lief zu einer der Intercom-Nischen, die in regelmäßigen Abständen überall im In-
nern des Hantelraumers verteilt waren. Er drückte auf die Tasten und wählte die medizinische Abteilung. „Konsinsky", meldete sich eine Stimme. Sie gehörte dem Arzt, der den Mutanten Matson behandelt hatte. „Hier spricht Corda. Gehört die Chemotechnikerin Murray zu Ihrem Stab?" „Nein, Sir. Sie arbeitet unter Professor McClude." „Gut. Ich bringe sie 'runter. Sie hat einen Nervenschock. Bereiten Sie alles Entsprechende vor." „Selbstverständlich, Sir." Rex Corda unterbrach die Verbindung. Er nahm das Mädchen auf und wunderte sich über ihr geringes Gewicht. Sie war leicht wie eine Feder. Während Rex Corda mit der Chemotechnikerin zu dem Gravo-Lift eilte, hörte er plötzlich aus den überall angebrachten Lautsprechern ein leises, vergnügt klingendes Lachen. Rex Corda zuckte zusammen. Er blickte sich um. Aber niemand war zu sehen. Plötzlich war alles ruhig. Auch das Heulen war verstummt. Die Antriebsaggregate arbeiteten nicht. Nur das schwache Summen der Beleuchtungskörper und das kaum wahrnehmbare Zischen in den Schächten der Gravo-Lifts war zu hören. Wieder kam dieses geisterhafte Lachen aus den Lautsprechern. Cordas Augen wurden schmal. Dann faßte er die Chemotechnikerin fester und sprang entschlossen in den Schacht des GravoLifts. Er durfte sich jetzt nicht nervös machen lassen. Längst hatte er begriffen, daß etwas an Bord der „Walter Beckett" nicht stimmte. Er wußte, daß er so schnell wie möglich zur Zentrale zurückkehren mußte. Obwohl der Hantelraumer scheinbar bewegungslos im All hing, durften sie nicht die Kontrolle über die „Walter Beckett" verlieren. Noch während Rex Corda innerhalb
des Gravo-Schachtes nach unten schwebte, zuckte er plötzlich zusammen. Er dachte an Jakto Javan. Das Mißtrauen in ihm wurde wieder wach. Langsam nahm sein Verdacht feste Formen an ... * Tau Danak mobilisierte alle Reserven, die ihm zur Verfügung standen. Er war der ranghöchste laktonische Offizier an Bord des abgestürzten Raumschiffes. Er hatte nicht vergessen, daß dieses Raumschiff Menschen von Terra nach Lakton hatte bringen sollen. Die geheime Mission war gescheitert. Noch hatte Tau Danak nicht feststellen können, was aus den gefangenen Terranern geworden war. Er mußte sich zunächst darum kümmern, die immer heftiger werdenden Angriffe gegen das abgestürzte Raumschiff abzuwehren. Er mobilisierte alles, was ihm zur Verfügung stand. Mit kurzen, scharfen Befehlen trieb er die von den Medo-Robots aus dem Koma erweckten laktonischen Soldaten zu höchster Eile an. Tau Danak wußte inzwischen, daß sie sich in tödlicher Gefahr befanden. Nicht alle Laktonen hatten den Absturz lebend überstanden. Tau Danak wußte nicht, wo die andere Hälfte des Raumschiffes niedergegangen war. In diesem Wrackteil hatten sich knapp hundert Laktonen befunden. Nach den ersten Berichten der Medo-Robots lebten davon noch fünfundzwanzig. Tau Danak wußte, daß er sich auf seine Leute verlassen konnte. Jeder kannte seine Aufgabe. Die Situation erforderte außergewöhnliche Leistungen Von jedem einzelnen. Obwohl die Laktonen ohne Ausnahme einen angeschlagenen Eindruck machten, zwang sie der Selbsterhaltungstrieb zum Einsatz aller verfügba-
ren Reserven. Das ständige Prasseln an der Außenhülle des Wracks brach nicht mehr ab. Pausenlos bombardierten die Flugechsen mit Hilfe der Morro-Parasiten den wehrlosen Rest des einstmals stolzen Kampfraumers. Zu oft war Tau Danak mit fremden Lebensformen in Berührung gekommen. Es gab für ihn keinen Zweifel, daß der fünfte Planet des Systems Gamma Virginis der grausamste Planet war, den er je betreten hatte. Mit brennenden Augen blickte er auf den kleinen Holografen. Er wurde von der Energie einiger Batterien gespeist. Tau Danak preßte die Lippen zusammen. Sein schwerer Körper bebte. Ein überlebender Triebwerkoffizier trat neben ihn und erstattete Meldung: „Es besteht keine Möglichkeit, mit unseren Mitteln einen normalen Schutzschirm aufzubauen", sagte er knapp. Tau Danak nickte. Diese Nachricht überraschte ihn nicht. „Können wir genügend Batterien herstellen, um ein kleines Schutzfeld aufzubauen?" Der Offizier nickte. „Ich habe alles untersucht. Mit den Mitteln, die wir an Bord haben, könnten wir es schaffen, innerhalb von drei Stunden einen kleinen Energieschirm herzustellen." Tau Danak deutete mit dem Arm auf den Holografen. „So viel Zeit werden uns diese Bestien nicht mehr lassen. In spätestens zwei Stunden existiert die Außenhülle nicht mehr. Sehen Sie selbst. Das Wrack wird planmäßig und Stück für Stück zerstört." Niemand außer Tau Danak kannte die wahre Lage der abgestürzten Laktonen. Er hütete sich, seinen Männern die volle Wahrheit zu sagen. Für Tau Danak war es klar, daß sie innerhalb der nächsten Stunde einen wirksamen Schutz gegen die Angriffe finden mußten. Sonst hatten sie verloren.
Tau Danak war kein Feigling. Im Kampf gegen die grünhäutigen Orathonen halte er mehr als einmal dem Tod ins Auge geblickt. In den großen Raumschlachten des langen Krieges zwischen den Laktonen und den Orathonen mußten sie immer mit einem plötzlichen schnellen Tod rechnen. Aber das war etwas anderes. Sie hatten Möglichkeiten, sich zu verteidigen und zu kämpfen. Hier waren sie wehrlos den vielfältigen Angriffen der Bewohner dieses Planeten ausgesetzt. Es würde ein langsames, mit grausamer Präzision gesteuertes Sterben sein. Das war schlimmer als der schnelle Tod im Raumkampf. „Sehen Sie sich das an", sagte Tau Danak kalt. „Dieser Planet wird uns Stück für Stück auffressen. Das hier ist Rakna —die Hölle!" * Mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen lehnte sich Ko-Mont zurück. Das geheime Kommunikationssystem, das ihn mit allen wichtigen Punkten des Schiffes verband, hatte die „Walter Beckett" gerettet. Nur so war es Ko-Mont gelungen, die Elektrovakuole zu verlassen und kurz darauf den Sturm der überstarken Strahlung von Gamma Virginis zu überwinden. Ko-Mont zog seine Hilfsmaschinen zurück. Sie verschwanden wieder in ihren Verstecken. Ko-Mont stand auf und begann, seiner Vorliebe für delikate Speisen nachzugehen. Während seine Zunge flink über seine Oberlippe mit der roten Kerbe fuhr, dachte er an die Köstlichkeiten, die er in seinem Lagerraum aufbewahrte. Dann stand er in dem kleinen Nebenraum und blickte selig auf die teuren Konserven, die er vor dem Abflug der „Walter Beckett" besorgt hatte. Prüfend hob er einen Behälter mit dem scharf gewürzten Saft einer
fleischfressenden Pflanze vom Rande der Galaxis hoch. Er versuchte, sich den Geschmack der Konserve vorzustellen. Da entdeckte er an der Seite eines Regals kleine Kanister mit KoltoaSchnecken. Er nahm sie hervor und seufzte genüßlich. Dann suchte er sich Gehäuse von Simmar-Muscheln aus, da er die Kombination der beiden Delikatessen allen anderen Köstlichkeiten seines Lagers vorzog. Er dachte an Jakto Javan. Der Schento hatte ohne Zweifel den besten Weg gewählt, als er auf eine laktonische Suchaktion nach den Corda-Geschwistern verzichtete. Während sich Ko-Mont die Mahlzeit zubereitete, erinnerte er sich an den Grund seiner Anwesenheit auf dem Hantelraumer. Der Terraner Walter Beckett war sehr geschickt vorgegangen, als er seine Entdeckung auf die drei Gehirne der Cordas verteilte. Jedem von ihnen hatte er ein Drittel seines Wissens hypnotisch eingepflanzt. Mit den Einzelteilen konnten die Laktonen nichts anfangen. Nur wenn die drei Corda-Geschwister zusammen waren, konnten sie in den Besitz des gesamten Wissens gelangen. Jakto Javan wollte die Erfindung des terranischen Wissenschaftlers für sich haben. Bisher konnte er nur ahnen, worum es ging. Aber das war bereits genug. Jakto Javan hatte nur ein Interesse. Er wollte unbedingt das Vermächtnis Walter Becketts in seinen Besitz bringen. Aber dazu brauchte er die Geschwister von Rex Corda. Ko-Mont mußte ihn beschützen. Ein toter Rex Corda nützte Jakto Javan überhaupt nichts. Da weder Corda noch die anderen Terraner an Bord der „Walter Beckett" etwas von der Anwesenheit des Zeitspähers wissen durften, hatte Jakto Javan den Entschluß gefaßt, Ko-Mont um eine zehntausendstel Se-
kunde in die Zukunft zu versetzen. Ko-Mont war ein Könner. Das hatte er während des kurzen Fluges mehr als einmal bewiesen. Er lächelte genüßlich, während er eine duftende Soße aus exotischen Krautern in kleine Schälchen füllte. Er kostete die Koltoa-Schnecken und fand, daß sie ihm ausgezeichnet gelungen waren. Ebenso gut wie das Rettungsmanöver für die „Walter Bek-kett" ... Ko-Mont wischte sich mit dem Handrücken einen Soßentropfen von den Lippen. Dann erstarrte er plötzlich. Er sprang auf und stieß die leeren Simmar-Muscheln zur Seite. Mit einem einzigen gewaltigen Satz stand er vor seinen Holografen. Mit höchster Aufmerksamkeit verfolgte er das, was sich in der astronomischen Abteilung des Hantelraumers abspielte. Ko-Mont hatte plötzlich das Gefühl, daß er in nächster Zeit nicht dazu kommen würde, sich neue kulinarische Genüsse zuzubereiten. Die „Walter Beckett" näherte sich dem fünften Planeten. * Fassungslos stand Rex Corda vor dem brandneuen Holografen. Er hätte schwören können, daß die Herstellung eines derartigen Schirms mindestens vierundzwanzig Stunden in Anspruch nahm. Er wußte aber genau, daß kein Ersatzschirm an Bord der „Walter Bekkett" vorhanden war. Er schüttelte ungläubig den Kopf. „John", sagte er leise, „verstehst du das?" John Haick wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Die Jagd nach den Robotern hatte ihn etwas außer Atem gebracht. Trotzdem war sie erfolglos gewesen. Sie hatten die Roboter nicht mehr erreicht. Sie waren spurlos verschwunden.
Auch die sofort eingeleitete Suche in den beiden Hantelkugeln führte zu keinem Erfolg. Die Roboter blieben spurlos verschwunden. „Ich fürchte, hier stimmt etwas nicht", keuchte John Haick. Corda warf ihm einen grimmigen Blick zu: „Du merkst auch alles", brummte er mit einem leicht ironischen Unterton. Da erschienen Bekoval, Percip und Ga-Venga in der Zentrale. Ga-Venga fing an zu singen. Bekoval ließ ihn mit einer kurzen Handbewegung verstummen. „Was soll das heißen?" rief er Rex Corda zu. „Wo kommt der Holograf her?" „Das fragen Sie mich?" „Haben Sie den etwa eingebaut?" „Tut mir leid, Bekoval. Ich wüßte nicht einmal, welche Drähte ich verbinden müßte." „Einen Moment", sagte Percip. „Ich weiß genau, daß wir keinen zweiten Hauptholografen an Bord haben. Der Austausch muß während der Zeit vorgenommen worden sein, als wir hinter den Robotern her waren." „Stop!" sagte Rex Corda plötzlich. „Sagen Sie das doch noch mal." „Natürlich!" nickte Percip. „Die fremden Roboter kamen hier an, dann hörten wir den Schrei. Wir alle verließen die Kabine." „Weiter!" drängte Rex Corda. „Nichts weiter. Als wir draußen waren, wurde der Holograf ausgewechselt." „Sie meinen, daß die Geschichte mit dem Mädchen fingiert war?" Percip schwieg. Bekoval starrte vor sich auf den Boden. Dann richtete er sich plötzlich auf. „Es gibt keine andere Möglichkeit, Sir", sagte er fest. „Es muß sich ein Fremder an Bord der ,Walter Beckett' befinden. Niemand von uns hätte in
derartig kurzer Zeit einen neuen Holografen herstellen und installieren können. Das wissen Sie so gut wie ich. Da wir trotzdem einen neuen haben, behaupte ich, daß wir einen blinden Passagier haben, der es offensichtlich recht gut mit uns meint." Schweigend blickten die Männer sich an. Jeder hatte genug mit seinen eigenen Gedanken zu tun. Das Unsichtbare hing drohend über ihnen. John Haick räusperte sich. „Was ist, John?" fragte Rex Corda. Seine Stimme war rauh und klang wie ein Reibeisen. Wieder räusperte sich der Atomwissenschaftler: „Was wissen Sie, Bekoval?" fragte er plötzlich. Der laktonische Offizier richtete sich hoch auf. Sein breiter Brustkorb spannte sich. Dann entblößte er seine rötlichen Zähne. „Wie kommen Sie darauf, daß ausgerechnet ich etwas weiß?" „Weil Sie der ranghöchste Laktone an Bord sind." „Na und?" Fatlo Bekoval hatte englisch gesprochen. In dieser Situation verzichtete er auf die Dolmetscherdienste von GaVenga. Der Kleine spürte die knisternde, unsichtbare Spannung, die zwischen den Männern plötzlich aufgetaucht war. Das Mißtrauen wurde wieder wach. „Da ist etwas dran, Bekoval", sagte Rex Corda plötzlich. „Mir ist Ihr Verhalten ohnehin schon aufgefallen. Mit Ihnen stimmt etwas nicht. Wenn Sie eins und eins zusammenzählen, würden Sie selbst darauf kommen, daß Sie der Haupt verdächtige sind." „Und wessen verdächtigen Sie mich, Sir?" „Ich beschuldige Sie, daß Sie an Bord dieses terranischen Schiffes, dem Sie als technischer Berater zugeteilt wurden, gewisse Manipulationen
vorgenommen haben. Ich behaupte weiterhin, daß Sie unter einem gewissen Einfluß stehen." Blitzschnell griffen John Haick und Rex Corda nach Bekoval. Aber der Laktone war schneller. Mit einer ruckartigen Bewegung riß er sich los. Im gleichen Augenblick hatte er eine Waffe in der Hand. Langsam wichen die Männer zurück. Bekoval grinste. „Sie glauben also, ich würde falschspielen. Sie glauben, daß ich in der Lage wäre, einige Dinge zu tun, über die Sie nicht unterrichtet sind. Wenn das so wäre, hätte ich jetzt die Gelegenheit, das Kommando über die ,Walter Beckett' zu übernehmen. Aber daran liegt mir nichts. Obwohl ich Sie mit einer einzigen Handbewegung ausschalten könnte, möchte ich Ihnen beweisen, daß ich nichts mit den merkwürdigen Vorfällen an Bord dieses Hantelraumers zu tun habe. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer den Holografen ersetzt hat. Ich weiß nichts von einem blinden Passagier, und ich war genauso wie Sie über das Auftauchen der Roboter überrascht." Bekoval warf Rex Corda seine Waffe zu. „Wenn Sie das nicht überzeugt, tut es mir leid", sagte er und drehte sich um. Nachdenklich wog Rex Corda die Waffe Bekovals in der Hand. Das Ganze konnte ein geschickter Schachzug des laktonischen Offiziers sein. Aber wenn es so war — was wollte er damit bezwecken? Rex Corda griff zu einem Mittel, das er nicht gern anwandte. Er konzentrierte sich auf Bekoval. Er öffnete sein Unterbewußtsein für die emotionale Ausstrahlung des Laktonen. Im gleichen Augenblick wußte er, daß er Bekoval unrecht getan hatte. Der Laktone hatte nicht gelogen. Rex Corda ging auf Bekoval zu und
gab ihm seine Waffe zurück. „Tut mir leid, Bekoval", sagte er. „Wir sind alle etwas nervös." „Schon gut, Sir. An Ihrer Stelle hätte ich genauso gehandelt. Trotzdem ist es eine Tatsache, daß sich Fremde an Bord befinden. Ich schlage vor, daß wir eine Suchaktion einleiten." Rex Corda lächelte. Das Vertrauen war wiederhergestellt. „Ich werde sechzig Arbeitsroboter einsetzen, die das Schiff systematisch durchkämmen sollen. Wenn sich tatsächlich ein oder mehrere blinde Passagiere an Bord befinden, müßten sie gefunden werden." „Ich werde mich an der Suche beteiligen", sagte John Haick. „Leider kann ich nicht mitmachen", meinte Percip und hob die Schultern. Er deutete auf den Holografen. „Wenn ich mitsuche, fallen wir in der Zwischenzeit in die Sonne. Dann nützt uns die ganze Suche nichts mehr." Die Masseorter schlugen an. Ein Planet wanderte diagonal durch das dreidimensionale Holografenbild. Der fünfte Planet. John Haick riß sich von dem faszinierenden Bild los. Er nickte Rex Corda zu. Dann verschwand er, um die Suchaktion zu organisieren. Die zurückbleibenden Männer betrachteten auf dem neuen Holografen das wirklichkeitsgetreue Bild der Außenwelt. Sie ließen sich in die Pneumosessel fallen, während Percip die Kontrollen des Schiffes wieder übernahm. Vorsichtig führte er einige Prüfmanöver durch. Der Hantelraumer reagierte ausgezeichnet. Die einlaufenden Meßergebnisse wurden gesammelt und entschlüsselt. „Ein günstiger Planet", sagte Bekoval. „Wenn unser Schiff hier abgestürzt sein sollte, dürften wir es für immer verloren haben." Rex Corda sah, was Bekoval meinte.
Der Planet bestand zu drei Vierteln aus Wasser. Nur in der Äquatorgegend zog sich ein breiter Landstreifen rund um den Planeten. „So etwas habe ich noch nicht gesehen", staunte der Kynother Ga-Venga und schüttelte seinen großen Kopf. „Es müßte schon ein Zufall sein, wenn unser Raumschiff mit den entführten Terranern ausgerechnet auf dem Landstreifen niedergegangen sein sollte." „Sagen Sie das nicht", meinte Rex Corda. „Der Landstreifen ist immerhin über tausend Kilometer breit." Bekoval sah sich die Meßergebnisse an, während Percip den Hantelraumer in eine Kreisbahn um den Planeten brachte. „Ziemlich hoher Sauerstoffanteil", sagte Bekoval. „Wir werden keine Raumanzüge brauchen, falls wir auf dem Planeten landen. Der Anteil an Edelgasen in der Atmosphäre ist höher als auf der Erde. Aber das stört uns nicht." „Wie steht's mit der Schwerkraft?" „Etwa wie auf der Erde." „Energieortung läuft", sagte Percip. „Bisher kann ich keine hochentwickelte Technik entdecken. Aber es existiert Leben. Primitive Lebewesen sind anscheinend vorhanden." Bekoval wandte sich an Percip. Sie entdeckten eine große blaugraue Wolke, die einen Teil des rund um den Planeten laufenden Landringes verdeckte. „Ortung — Ortung", kam die kühle Stimme aus der Tasterstation. Percip schwenkte das Bild des Holografen. Die automatische Vergrößerung rastete beim letzten Anschlag ein. Rex Corda beugte sich vor. „Nähere Angaben", keuchte Percip. Seine heisere Stimme störte die Tasterstation nicht. Relais klickten. Dann meldete sich die unbeteiligte Stimme. „Geortetes Objekt entspricht nicht
den Abmessungen des gesuchten Schiffes.“ Cordas Kopf zuckte zur Seite. Er starrte Bekoval an. Der Laktone preßte die Lippen zusammen. Wenn das Schiff auf dem fünften Planeten nicht zur laktonischen Flotte gehörte, woher kam es dann? Urplötzlich herrschte in der Zentrale eine Stimmung wie auf einem Kriegsschiff. Die Erinnerung an die letzten Schlachten mit den grünhäutigen Orathonen war noch zu frisch in den Hirnen der Männer. „Was geschieht, wenn jenes Schiff dort unten ein Raumer der Orathonen ist?" fragte der Kynother plötzlich. Rex Corda fühlte, wie sein Gaumen trocken wurde. Er schluckte. Gegen ein Raumschiff der Featherheads hatte die „Walter Beckett" keine Chance. * Chefingenieur Tom Sluck hatte von den Laktonen eine besondere Ausbildung erhalten. Sein Arbeitsgebiet befand sich im Verbindungsstück zwischen den beiden Kugeln von zweihundert Meter Durchmesser. Tom Sluck kannte die Funktionsweise der wichtigsten Maschinen. Er verstand nicht alles, aber er wußte, an welchen Stellen Ausfälle eintreten konnten. Man hatte ihm gezeigt, welche Handgriffe nötig waren, um neue Bauteile einzufügen, falls innerhalb der von den Orathonen stammenden Antriebsanlage ein Teil ausfiel. Obwohl Tom Sluck damit nur einen Bruchteil von der komplizierten Technik erfahren hatte, genügte es, um mögliche Ausfälle schnell beheben zu können. Dem Chefingenieur standen zehn Arbeitsroboter zur Seite. Sie besaßen vorprogrammierte Reparaturanleitungen in ihrem Innern. Deshalb wunderte sich
Tom Sluck nicht darüber, daß es an mehreren Stellen große versiegelte Blocks gab, von denen er nichts wußte und in die er niemals hineingesehen hatte. Der größte der unbekannten Blocks befand sich in der Mitte des Verbindungsarmes, verborgen zwischen schweren Antriebsaggregaten. Die leichte radioaktive Strahlung um den Block hielt den Chefingenieur davon ab, sich allzu oft in die Nähe dieses Maschinenteils zu begeben. Er konnte nicht ahnen, daß dieser Block keineswegs zum normalen Antrieb des Hantelraumers gehörte. Während die Arbeitsrobots die üblichen Wartungsarbeiten an der Anlage durchführten, stand Tom Sluck auf einer Plastikempore an der gebogenen Seitenwand der Maschinenhalle und blickte nach unten. Tief unter ihm brummten die Aggregate. Lichtbündel aus großen Scheinwerfern erhellten die wichtigsten Arbeitsplätze. Für Tom Sluck war diese Reise das größte Abenteuer seines Lebens. Jeder andere hätte die gigantische Maschinerie als Alptraum empfunden — dem hageren, ungelenken Chefingenieur erschien sie als Erfüllung seiner geheimsten Wünsche. Sein größtes Ziel war es, eines Tages die Arbeitsweise aller Einzelaggregate zu verstehen. Die tiefe Neugier des echten Technikers ließ Tom Sluck kaum zur Ruhe kommen. Immer wieder entdeckte er neue technische Einrichtungen, die ihn verblüfften und in Erstaunen versetzten. In jeder freien Minute lernte er mehr. Er wußte, daß er die Supertechnik der Orathonen, denen dieses Raumschiff einstmals gehört hatte, niemals in zwei oder drei Monaten verstehen konnte. Aber die Anfänge waren gemacht. Tom Sluck begann ein neues Ver-
ständnis für die Probleme der Supertechnik zu entwickeln. Mit glänzenden Augen stand er auf der Empore, während seine knochigen Hände das Geländer umklammerten. Ein feines glückliches Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Da entdeckte er einen Arbeitsrobot, der bewegungslos tief unter ihm im Mittelgang der Halle stand. Tom Sluck griff zum Mikrophon. Er hielt es vor seine Lippen und überlegte, zu welcher Arbeit er den Roboter einteilen sollte. Da öffnete sich plötzlich eine Klappe im Rücken des Robots, und aus dem Magnetspeicher wurde der Programmstreifen entfernt. Er schwebte einen Meter hinter dem Rücken des Robots und löste sich in Nichts auf. Dann tauchte der Programmstreifen wieder auf und verschwand im Rücken des Robots, während sich die Klappe wieder schloß. Der Arbeitsroboter marschierte über den Mittelgang. Er verschwand im Gewirr der Maschinenanlage. Tom Sluck vergaß vor Schreck, daß er dem Robot eine halbe Minute vorher noch Anweisungen hatte geben wollen. Er rieb sich die Augen. Sekundenlang glaubte er, geträumt zu haben. Dann warf er das Mikrophon hin und lief zum Gravo-Lift. Er sprang in den Schacht und ließ sich nach unten tragen. Die Orathonen benutzten keine Platten, auf denen sie nach unten schweben konnten. Der Antigravitationsschacht erlaubte es, ohne Plattform nach unten zu schweben. Tom Sluck stürzte aus der mittleren Öffnung, die zum Hauptgang führte. Er rannte über den geriffelten Plastikboden. Suchend sah er sich nach dem Roboter um. Er hatte sich die Nummer gemerkt. Da entdeckte er ihn zwischen glitzernden Kristallen, die an der Stirnseite
des stillgelegten Waffensystemkoordinators angebracht waren. Der Robot hatte den Koordinator geöffnet und hantierte jetzt im Innern des elektronischen Feuerleitgerätes herum. Tom Sluck verzog die Mundwinkel. Er wußte genau, daß der Robot dafür kein Programm besaß. Die „Walter Beckett" war nur schwach bewaffnet. Für die vorhandenen Waffen war kein Feuerleitsystem notwendig. Was also hatte der Robot an dem Gerät zu suchen? Tom Sluck schlich sich von hinten an den Arbeitsroboter heran. Als er noch einen Meter entfernt war, drehte sich der Roboter um. Sein abgeflachter Oberkörper beugte sich vor. Mit den vielgliederigen Armen schloß der Roboter die Klappe an der Seite des Feuerleitgerätes. „Was soll das heißen?" fragte Tom Sluck. Der Robot antwortete nicht. „Komm, mein Junge", knurrte Tom Sluck unwillig. „So geht's nicht. Wenn hier jeder machen könnte, was er will, kommen wir nie ans Ziel." Chefingenieur Tom Sluck hatte ein persönliches Verhältnis zu seinen Maschinen. Er duzte sie und belegte sie mit Kosenamen. Für ihn waren die Maschinen wie lebende Wesen. Mit einer energischen Bewegung griff er nach dem Robot. Die Arbeitsmaschine rührte sich nicht. Schnell öffnete Tom Sluck den Rücken des Robots und zog den Programmstreifen heraus. Im gleichen Augenblick wurde er blaß. Fast eine halbe Minute vergaß er zu atmen. Dann schnappte er nach Luft, während seine Augen fast aus den Höhlen quollen. Mit der rechten Hand umklammerte er den Kontrollstreifen. Hastig blickte er sich um. Er war das einzige menschliche Wesen innerhalb des Verbindungsarms des Hantelrau-
mers. Mit einem gewaltigen Satz sprang Tom Sluck zurück. Dann raste er, so schnell er konnte, aus dem Verbindungsarm. Er mußte seine Entdeckung unbedingt der Schiffsführung melden. Tom Sluck konnte beschwören, daß der Programmstreifen, den er aus dem Roboter genommen hatte, gefälscht war. * Tau Danak schwang herum. Mit verzerrtem Gesicht starrte er auf die Öffnung in der Seitenwand der Kabine. Jetzt war bereits der größte Teil der Außenkabinen freigelegt. Große Teile der Außenhülle fehlten. Die Vernichtung fraß sich langsam voran. Der laktonische Offizier preßte die Zähne zusammen. Seine Kaumuskeln traten weiß aus dem breiten Gesicht hervor. „Alle Waffen in die Innenkabinen", befahl er über die wieder instandgesetzte Sprechanlage. Das war das wichtigste. Sie mußten gegenseitig Verbindung behalten. Er dachte nicht daran, jetzt schon aufzugeben. Die Techniker arbeiteten fieberhaft an der Herstellung eines ausreichenden Energiepotentials, um die Schutzschirme zu aktivieren. Tau Danak war sich vollkommen im klaren darüber, daß die Vernichtung nur eine Frage der Zeit war. In fieberhafter Hast bauten die Techniker neue Batterien zusammen, wechselten zerstörte Teile aus und versuchten, die nötige Energie für einen Schutzschirm herzustellen. Tau Danak ahnte nicht, daß er mit seiner Entschlossenheit den Angriffswillen seiner Gegner nur verstärkte. *
Rhamphor spürte, daß die Gefahr größer wurde. Die Impulse waren klarer und stärker, sie schmerzten, sobald er sich dem großen zylindrischen Körper näherte. Mehrmals flatterte Rhamphor mit knarrenden Schwingen über den Gegenstand hinweg. Jedesmal glaubte er, in dem Ansturm fremder Impulse versinken zu müssen. Nur mit Mühe gelang es ihm immer wieder, aus dem gefährlichen Bereich herauszukommen. Er wußte, daß es so keinen Zweck hatte. Noch waren die Wesen innerhalb des Zylinders für einen Generalangriff nicht reif. Sie mußten zermürbt werden. Die Hilfsrassen von Rhamphor und sein Volk arbeiteten fieberhaft an der Zerstörung der nichtorganischen Hülle um die fremden Wesen. Ätzende Pflanzen hatten sich inzwischen in dichten konzentrischen Kreisen um den zerfetzten Zylinder aufgerichtet. Sie sprühten pausenlos scharfe Säuren in die narbig wirkenden Wände des Zylinders. Am Boden saugten Hunderte von Raanas den von den Wänden abfließenden Sud in sich auf. Für sie war es ein Fest der Freude, die Säure — vermischt mit den herausgelösten Elementen aus der Wandung des Zylinders — in sich aufnehmen zu können. Die Raanas verarbeiteten die Nahrung sofort. Sie wurden sichtbar größer. Immer mehr Styracos walzten neue Wege durch den Dschungel. Sie bereiteten die Ankunft neuer Raanagruppen vor. Da setzte Rhamphor zweihundert Dysdera-Spinnen ein. Auf telepathischem Wege schickte er ihnen den Impuls, zu den Wipfeln der größeren Bäume hinaufzuklettern. Heftige Sturmböen schleuderten die Dysderas immer wieder von den Zweigen. Pausenlos rappelten sich abgestürzte Dysderas vom Boden auf und begannen erneut, an den Bäumen em-
porzuklettern. Nachdem sie die Wipfel erreicht hatten, formten sie starke Halteseile. Dann ließen sie sich vom Sturm hoch in die Luft tragen. Hunderte von Dysderas schwebten über dem zylindrischen Körper und hüllten ihn nach und nach in ein giftgrün schimmerndes Netz aus starken Spinnenfäden. An den Kreuzungspunkten ließ Rhamphor durch sein Volk Morro-Parasiten absetzen. Die Morros hatten nichts weiter zu tun, als auf einen Befehl von Rhamphor ihre Eier fallen zu lassen. Noch wartete Rhamphor mit diesem Befehl. Er wollte die Vorbereitungen erst weiter vorantreiben. Da verstärkte sich mit einem Schlag die grausame Ausstrahlung der fremden Gefahr. Irgend etwas im Innern der anorganischen Hülle hatte sich verändert. Rhamphor wußte nicht, was es war. Er spürte, daß es Zeit wurde, endgültig Schluß zu machen, wenn ihm sein Opfer nicht entgehen sollte. Er stieß einen gellenden Schrei aus. Dadurch verlor er einige Hundert Lebewesen der Hilfsrassen. Mit einem einzigen Schrei hatte Rhamphor zwei Dutzend Styracos, mehr als fünfzig Dysderas und einen Teil der kleineren Raanas getötet. Rhamphor erkannte, daß es ein Fehler gewesen war, seine Überraschung durch einen Schrei auszudrücken. Die tödliche Waffe, die er damit in seinem Besitz hatte, brachte ihm jetzt einen Rückschlag. Trotzdem gab Rhamphor nicht auf. Mit derartigen Dingen hatte er rechnen müssen. Er schickte einen heftigen, wütenden Impuls an alle anderen Lebewesen, die sich um die fremde Gefahr kümmerten. Die Raanas schluckten schneller die Säure, die von der Außenhülle des Zylinders herablief. Die Styracos trommelten noch heftiger mit ihren breiten stampfenden Beinen Pfade durch die Pflanzen. Die Morros wurden
unruhig. Sie hatten ihre Eier produziert und warteten jetzt auf den Impuls zum Abwurf. Fast hundert Dysderas kauerten sprungbereit an taktisch ausgesuchten Stellen innerhalb des gewaltigen Spinnennetzes. Ihre gelben Hinterkörper und die ständig ins Leere beißenden Greifklauen zeigten, wie erregt die Dysderas waren. Aber Rhamphor hielt sich noch zurück. Er wollte den endgültigen Sieg über die fremde Gefahr. Er mußte warten, bis der Planet von sich aus das Unwetter verstärkte. Rhamphor konnte die Lebewesen des Planeten beeinflussen, nicht aber die Witterung. Rhamphor erhob sich mit knarrenden Flughäuten und betrachtete aus großer Höhe das Werk, das seiner Vollendung entgegenging. * Ko-Mont grinste Kenni kauend vor sich hin. Er schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel, während er gebannt auf seine Holografen starrte. Er verzog sein Gesicht zu einem breiten Grinsen. Auf den Holografen war die astronomische Zentrale des Hantelraumers zu sehen. Während sich Percip, Rex Corda und Ga-Venga mit den Vorbereitungen zur Landung beschäftigten, stürzte der Chefingenieur Tom Sluck in die Halle. Er rannte auf Rex Corda zu und hielt ihm respektlos einen Programmstreifen unter die Nase. Rex Corda blickte auf und sah kopfschüttelnd auf den Ingenieur. „Der Streifen", keuchte Tom Sluck, „er ist falsch — eine Fälschung, die ich einem Robot aus der Elektronik nahm." Rex Corda stand auf. „Langsam, Sluck. Beruhigen Sie sich. Und dann erzählen Sie der Reihe nach, was passiert ist."
Tom Sluck holte tief Luft. Er schloß für eine Sekunde die Augen. Dann brachte er sprudelnd alles vor, was er beobachtet hatte. „Das ist doch Unsinn, Sluck!" sagte Rex Corda kopfschüttelnd. „Ein Robot kann sich selbst die Klappe nicht öffnen. Wenn Sie gesehen haben wollen, wie der Streifen aus der Klappe kam und ein anderer hineinging, dann dürfte das wohl nicht ganz logisch sein. Übrigens — haben Sie schon gegessen?" „Wie meinen Sie das?" fragte Sluck verblüfft. „Manchmal ist es nicht gut, wenn man auf nüchternen Magen trinkt. Sie riechen nach Alkohol." Der Chefingenieur riß die Augen auf. Unbewußt nahm er die Hacken zusammen. „Ein Whisky, Sir. Vor drei Stunden. Da war noch alles ruhig." „Na gut", sagte Rex Corda. „Was halten Sie davon, Bekoval?" „Ich glaube, wir sollten den Bericht des Ingenieurs nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sie wissen selbst, daß wir den fünften Planeten dieses Systems mit einem Holografen beobachten, der eigentlich nicht vorhanden sein dürfte. Erinnern Sie sich an die Robots und an die anderen Dinge, die wir ebensowenig erklären können wie das, was der Ingenieur gesehen hat." „Verstehen Sie etwas von Programmbändern?" fragte Rex Corda. Bekoval nickte. „Wenn es Sie interessiert, kann ich den Streifen nachher untersuchen. Ich fürchte, wir haben jetzt keine Zeit mehr dazu. Wir müssen die Landung vorbereiten." Da meldete sich der Energietaster wieder. „Berichtigung der ersten Energieortung. Das schwache Energiepotential im Innern des georteten Objekts ergibt nach Vergleichen aus dem Archiv, daß
das Objekt auf dem fünften Planeten ein abgestürztes Wrack der laktonischen Flotte ist." „Abgestürzt?" preßte Rex Corda zwischen den Lippen hervor. Die kühle Stimme der Tasterstation meldete sich wieder. „Wir schätzen, daß das geortete Wrack nur noch halb so groß wie der ursprüngliche Raumkreuzer ist." Rex Corda stöhnte gequält auf. * In der neu eingerichteten Messe der „Walter Beckett" saßen dienstfreie Luftwaffenoffiziere zusammen mit kampf geschulten CIA-Agenten und einer Gruppe terranischer Wissenschaftler. Dr. Konsinsky betrat zusammen mit Patricia Murray den Messeraum. Er führte die Chemotechnikerin an einen kleinen Tisch für vier Personen, der fest am Boden angeschraubt war. Auf den ersten Blick hätte die Messe ebensogut zu einem terranischen Ozeanriesen gehören können. Nur die großen Ventilationsgitter und die zehn laktonischen Soldaten am Ende des Raumes, die dem direkten Kommando von Fatlo Bekoval unterstanden, erinnerten daran, daß die Messe nur eine vertraute Insel inmitten einer fremden Umgebung war. Dr. Konsinsky schob Patricia Murray einen Sessel hin. Er kümmerte sich um sie und versuchte, den lähmenden Schock, den sie erlitten hatte, durch seine ruhige Art auszugleichen. Dr. Konsinsky war als Arzt des schwierigen Mutanten Matson Kummer gewöhnt. Er strich über sein graues Haar, dann beugte er sich kurzsichtig über die Speisekarte. „Was möchten Sie trinken, Miß Murray?" Patricia antwortete nicht. Sie blickte mit starren Augen auf die laktonischen
Soldaten, die sie interessiert betrachteten. „Was ist denn, Pat? Kommen Sie. Es ist alles vorbei." Langsam drehte sie den Kopf zu ihm hin. Ihre Mundwinkel zuckten. „Nichts ist vorbei, Doc. Ich weiß, daß wir niemals zur Erde zurückkehren werden. Ich hätte mich nicht für dieses Unternehmen melden sollen." „Aber Sie haben es getan. Jetzt müssen Sie es durchstehen. Glauben Sie, daß es uns leichtfällt, so plötzlich aus der gewohnten Umgebung herausgerissen zu werden, um fünfunddreißig Lichtjahre von der Erde entfernt Neuland zu betreten?" „Für Sie ist es leichter, Doc. Sie haben einen Mutanten betreut. Sie kennen ungewöhnliche Dinge, während für mich alles neu ist. Aber das ist nicht das schlimmste, Doc. Es waren die Roboter! Sie sehen so echt aus, verstehen Sie?" Dr. Konsinsky nickte. Er konnte sie verstehen. Sehr gut sogar. Die laktonischen Bedienungsroboter waren ihm selbst unheimlich. Viel unheimlicher als die gefährlichen Kampfroboter der AA2-Klasse. Diese Maschinen hatten keinen Kopf. Man merkte, daß es nur konstruierte Kampfmaschinen waren. Bei den Bedienungsrobotern war es anders. Noch dazu, weil sie regelrecht angezogen waren. „Ich glaube, ich werde hier noch wahnsinnig", sagte Patricia Murray leise. „Sehen Sie sich um, Doc. Es fängt mit den Sesseln an. Die Wände, der Fußboden, die Türen, alles ist anders, als wir es kennen. Und überall tauchen Roboter und Laktonen auf. Für mich ist das wie ein Alptraum. Wie ein grauenhafter nie endender Alptraum." Dr. Konsinsky legte seine Hand auf ihre Schultern. Er blickte ihr in die Augen. „Jetzt mal ganz ehrlich, Pat, warum haben Sie sich überhaupt gemeldet?
Wußten Sie nicht, was Sie erwartete?" „Doch", sagte sie leise und senkte den Blick. Eine blonde Locke fiel in ihre Stirn. Sie fuhr erschreckt zusammen, als ein Bedienungsroboter mit kalter Stimme nach ihren Wünschen fragte. „Bringen Sie uns zwei Kognak — doppelte", sagte Dr. Konsinsky. Er wollte es nicht zugeben, aber auch er hatte ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend. Er war reifer, älter als Patricia Murray, aber genau wie sie war er zum ersten Mal auf galaktischer Fernfahrt. Nicht nur auf dem Mond oder einem Planeten des Sonnensystems. Das hätte er sich notfalls noch vorstellen können. Aber gleich fünfunddreißig Lichtjahre von der Erde entfernt — Dr. Konsinsky wollte nicht daran denken, wie viele Millionen von Kilometern das waren. Der Bedienungsroboter brachte auf einem Tablett zwei Gläser mit Kognak. Vom Nachbartisch kam das Gelächter einer Gruppe von Luftwaffenoffizieren. Wahrscheinlich hätten diese Männer nie verstanden, was Patricia Murray und Dr. Konsinsky bewegte. „Sie wollten mir noch sagen, warum Sie sich für diesen Flug gemeldet haben", lächelte Dr. Konsinsky. „Muß ich das wirklich sagen?" fragte sie und versuchte ein Lächeln. Dr. Konsinsky legte seine schlanke Hand auf die ihre. Er lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein", sagte er, „wahrscheinlich sind viele von uns aus dem gleichen Grund mitgeflogen." „Aber nicht, weil er Präsident ist", sagte Patricia Murray und senkte erneut den Blick. „Ich weiß", nickte Dr. Konsinsky * Die „Walter Beckett" verließ die Kreisbahn um den fünften Planeten.
Zufrieden überwachte Ko-Mont das Landemanöver von Percip. Er hatte ein Tablett mit durchgeschnittenen Wega-Trüffeln vor sich liegen. In regelmäßigen Abständen häufte er kleine Berge aus rotem Terra-Kaviar auf die Schnittflächen der Trüffeln. In regelmäßigen Abständen spießte er sie mit angespitzten Süßdornen von Laxos auf und steckte sie in seinen Mund. Nach jedem Happen ließ er ein wonniges Brummen hören. Percip machte seine Sache wirklich gut. In Selbstgesprächen kommentierte der Zeitspäher das Landemanöver: „Suppen, Percip. Korrektur drei Grad nach links. Ausgezeichnet! Bremsschub auf vierundachtzig Prozent, Antigravitations-Automaten voraktivieren. Sehr gut machst du das. Vergiß die Notschaltung nicht. Es könnte sein, daß wir ziemlich schnell den Anflug abbrechen müssen — in Ordnung!" Der Zeitspäher nickte zufrieden. Er lehnte sich in seinem Pneumosessel zurück. Besser hätte er den Anflug auch nicht durchführen können. Percip hatte inzwischen laktonische Arbeitsroboter zur Unterstützung beim Landemanöver angefordert. Sie saßen an zahlreichen Kontrollpunkten und beobachteten die Geräte. Kurze Kommandoworte hallten durch die Zentrale. Die Meßergebnisse wurden koordiniert und ausgewertet. Dann setzte der Hantelraumer zur Landung an. Die Landebeine mit den breiten Landetellern wurden ausgefahren. Aus den gelben Doppelringen der panzerplastverschalten Treibsätze schossen feurige Bremsstrahlen. Der ehemalige orathonische Hantelraumer der Dorr-Klasse, der vorher als Kommandozentrale von rund zweihundert Schlachtschiffen der Grünhäutigen im Dienst gewesen war, setzte in der Nähe der schwarzen Wolke auf. Die breiten Landeteller versanken
schmatzend im weichen Boden. Die „Walter Beckett" schwankte kaum merklich. Dann liefen die Antriebsaggregate innerhalb des Verbindungsarmes mit jaulenden Geräuschen aus. Die plötzliche Ruhe und das Fehlen der sonst ständig wahrnehmbaren Vibration legten eine bleierne Stille über das Schiff. Nur in der Kommandozentrale flogen die letzten Befehle hin und her. Unter den beiden gewaltigen Kugeln des Hantelraumers rauchten verkohlte Pflanzenreste. Ko-Mont warf einen kurzeri Blick auf die Außenschirme, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Er erhob sich und schluckte zwei Pillen, um den Kalorienüberschuß auszugleichen. Er blickte sich in seiner Kabine um und nahm einige Waffen an sich. Dann suchte er sich ein Bündel Kennistengel und verließ sein Versteck. Er hatte vor, sich etwas umzusehen. * Mit brennenden Augen hatte Tau Danak die Landung des Hantelraumers beobachtet. Er konnte nicht wissen, daß sich an Bord dieses Raumschiffes Laktonen und Terraner befanden. Da die Tastergeräte innerhalb des Wracks ausgefallen waren, mußte sich Tau Danak mit dem begnügen, was er sah. Die erste Freude über das landende Raumschiff war einer tiefen Enttäuschung gewichen. Mit dieser Landung hatte er absolut nichts gewonnen. Er konnte nicht sagen, was ihm lieber war. Von den ständig angreifenden Ungeheuern vor dem Wrack gefressen zu werden oder in die Gefangenschaft der Orathonen zu geraten. Seinen Männern ging es ebenso. Die Stimmung war schlagartig auf den Nullpunkt abgesunken.
Jetzt gab es keine Hoffnung mehr für die Laktonen innerhalb des Wracks. Selbst wenn sie es schafften, den Ansturm der Bestien noch einige Stunden auszuhalten — sie würden unweigerlich in die Hände ihrer Todfeinde fallen. Das war gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Tau Danak spürte, daß er einen Kloß im Hals hatte. Warum verteidigten sie sich noch? Wozu wehrten sie sich gegen die anstürmenden Ungeheuer? Was hinderte sie daran, jetzt aufzugeben und alles zu vergessen — für immer. Mit hängenden Armen stand der laktonische Offizier vor den kleinen Holografen und kaute auf seiner Unterlippe. Eine Hoffnung war aufgetaucht, als er das landende Schiff entdeckte. Aber gleich darauf war diese Hoffnung zerplatzt wie eine Seifenblase, um einer noch größeren Resignation Platz zu machen. Deprimiert wandte Tau Danak sich um. Sein Gesicht wirkte hohl und eingefallen. Er war in wenigen Sekunden um Jahre gealtert. Das früher blauschwarze Haar hatte an den Schläfen graue Stellen bekommen. Das war ungewöhnlich für einen Laktonen. Tau Danak kümmerte sich nicht darum. Die ganze Hoffnungslosigkeit ihrer Situation sprach aus seinen Augen. Er stand in einem der zentral gelegenen Räume und strich sich mit dem Handrücken über die heiße Stirn. „Ruf sämtliche Männer in diesen Raum", befahl er einem Arbeitsroboter. Er ließ sich in einen Pneumosessel fallen und bedeckte seine Augen mit der Hand. Er spürte plötzlich, wie geschwächt sein Körper war. Die letzten innerhalb des Wracks vorhandenen Nahrungsreserven gingen zur Neige. Sie reichten nicht aus, um die geschwächten Körper der Männer wieder leistungs-
fähig und stark zu machen. Tau Danak spürte, wie zu seiner körperlichen Müdigkeit Resignation hinzukam und ihn apathisch werden ließ. Er konnte kämpfen. Niemals war er vor einem Feind zurückgeschreckt. Aber der Kampf mußte ein Ziel haben. Es mußte die Möglichkeit eines Sieges geben, selbst wenn diese Möglichkeit noch so gering war. Auf Rakna gab es diese Möglichkeit nicht. Der Höllenplanet gab ihnen keine Chance. Und dann noch dieser Hantelraumer ... Die ersten Männer trafen bei Tau Danak ein. Schweigend suchten sie sich einen Platz und warteten. Tau Danak erinnerte sich daran, daß es am Horizont eine Hügelkette gab. Einer der Berge war so steil, daß er ihnen mehr Schutz bieten konnte als das immer unsicherer werdende Wrack. Die einzige Schwierigkeit war die Strecke, die sie zurücklegen mußten, um bis zu diesem Berg zu kommen. Tau Danak wollte seine Männer fragen, welchen Weg er gehen sollte. Er selbst hatte seinen Entschluß bereits gefaßt: Er wollte ausbrechen! * Rex Corda übernahm den Vorsitz der Lagebesprechung. Sie versammelten sich in der Offiziersmesse des Hantelraumers. Die Arbeitsroboter hatten die Tische so gestellt, daß ein offenes Viereck entstanden war. An der Kopfseite saßen Rex Corda, Bekoval, Percip, John Haick und GaVenga. Diese fünf Männer bildeten die Führungsgruppe der „Walter Beckett". Zusammen mit dem Chefingenieur und dem Leiter der medizinisch-chemischen Abteilung Professor Dr. Sam McClude besprachen sie die Probleme, die sie alle angingen. Die Terraner an Bord der „Walter
Beckett" waren ohne Ausnahme erschienen. Auch die zehn Raumsoldaten Bekovals befanden sich im Speisesaal. „Sie wissen alle, worum es hier geht", sagte Rex Corda. „Wir sind mit der ,Walter Beckett' gestartet, um meine Geschwister zu finden — nicht, weil es meine Geschwister sind, sondern weil Kim und Velda die beiden fehlenden Drittel vom Vermächtnis Walter Bekketts in sich tragen. Sie alle haben die von mir herausgegebene Information erhalten, um was es sich handelt und welche Bedeutung dieses Wissen für die gesamte Menschheit hat. Leider muß ich inzwischen vermuten, daß sich auch der laktonische Oberbefehlshaber Jakto Javan für dieses Wissen interessiert. Gewisse Zwischenfälle an Bord dieses Raumschiffes deuten darauf hin, daß sich Spione unter uns befinden. Bisher hat der Spion nur in positivem Sinn gehandelt. Er hat uns geholfen, wenn wir in Schwierigkeiten waren. Deshalb glaube ich nicht, daß er ein Terraner ist. Bitte, Bekoval." Der Laktone richtete sich auf. Er beugte sich vor und stützte sich mit den Armen auf den Tisch. „Es tut mir leid, daß ich Ihnen recht geben muß, Sir. Percip und ich ahnten schon kurz nach dem Start, was hier gespielt wird. Der Unbekannte muß technisch sehr gut ausgerüstet sein — ich erinnere nur an den zerstörten und sofort wieder ersetzten Holografen. Wir werden uns in Zukunft darauf einrichten müssen, daß wir einen ständigen Beobachter haben..." „Das ist doch Wahnsinn!" rief Patricia Murray entsetzt. Sie schlug sich mit der Hand vor den Mund, während sie mit weit aufgerissenen Augen Rex Corda anstarrte. Die Luftwaffenoffiziere bedachten die Chemotechnikerin mit arroganten Blicken, während die CIA-Agenten die Sache ernster nahmen.
„Wir haben das Wrack jenes Raumschiffes entdeckt, mit dem meine Geschwister nach Lakton gebracht werden sollten", sagte Rex Corda ruhig. „Dieses Wrack ist in seinen Abmessungen nur halb so groß wie das ursprünglich gestartete Raumschiff der Laktonen. Das bedeutet, daß es irgendwo auf diesem Planeten die zweite Hälfte geben muß. Da wir nach mehrmaligen Umdrehungen dieses Planeten den zweiten Teil des auseinandergebrochenen Schiffes nicht entdeckt haben, muß ich annehmen, daß dieser Teil ins Meer gestürzt ist..." Dr. Konsinsky kümmerte sich um Patricia Murray. Er führte die schluchzende Chemotechnikerin aus dem Speisesaal, um ihr eine Spritze zu geben. „Noch etwas", sagte Rex Corda. „Dieser Planet ist belebt. Wir haben Hirnwellen aufgefangen und wissen daher, daß es verschiedene Arten von Lebewesen mit unterschiedlichen Intelligenzgraden auf der Oberfläche des Planeten gibt. Da wir nicht wissen, ob diese Lebewesen uns gefährlich werden können, ordne ich hiermit Alarmbereitschaft an. Sind noch irgendwelche Fragen?" Captain Gray hob den Arm. Rex Corda nickte ihm zu. „Eine Frage, Mr. President. Es handelt sich um den Spion, der unter uns sein soll. Warum ordnen Sie keine Razzia an?" „Sie meinen, ich sollte das Schiff durchsuchen lassen?" „Das meine ich, Sir." „Das ist bereits geschehen. Leider ohne Erfolg." „Aber der Bursche muß doch zu finden sein! Er kann sich doch nicht einfach in Luft auflösen", meinte Captain Gray überzeugt. „Sie haben recht, Captain. Bekoval bestätigt, daß es nach dem gegenwärtigen Stand der laktonischen Technik
nicht möglich ist, einen Menschen unsichtbar zu machen oder sogar in Luft aufzulösen, wie Sie es ausdrückten." „Dann bitte ich Sie, Mr. President, mir die Erlaubnis zu erteilen, das Schiff mit ein paar Leuten nochmals zu durchsuchen. Ich habe da eine Idee..." „Bitte, Captain, schießen Sie los." „Wenn wir uns alle in einer Kugel versammeln, könnte man doch ein Betäubungsgas durch die Entlüftungsanlage blasen und dann die Kugel untersuchen." „Das wäre allerdings eine Möglichkeit, Captain. Leider müssen wir damit rechnen, daß unser unbekannter Freund auf derartige Tricks vorbereitet ist. Schließlich dürfte er nicht gerade ein Anfänger sein, wenn er tatsächlich das ist, was wir vermuten." Rex Corda lächelte. Er hatte bereits mit Bekoval darüber gesprochen. Sie hatten sich entschlossen, die Suche nach dem Unbekannten so lange zurückzustellen, bis die „Walter Beckett" wieder im Raum war. Zunächst mußten sie diesen Planeten untersuchen. Das war wichtiger. „Ich werde eine Expedition unternehmen, um den Planeten zu erkunden. Nach meiner Rückkehr können wir weiterreden. Die Versammlung ist beendet." Rex Corda stand auf. An der gegenüberliegenden Seite des Speisesaals kam im gleichen Augenblick Dr. Konsinsky in den Raum. Rex Corda sah ihn und blieb stehen. Dann ging er schnell auf den Arzt zu. „Wie geht es ihr?" fragte er. „Schlecht, Sir. Ich habe mit Professor McClude gesprochen, zu dessen Stab sie gehört. Als wir uns noch im Raum befanden, hatte sie die Aufgabe, Meßergebnisse aus der UranusAtmosphäre zu überprüfen. Dabei muß etwas geschehen sein, das sie sehr stark erschütterte."
„Meinen Sie, daß es etwas mit der Uranus-Atmosphäre zu tun hat?" Dr. Konsinsky schüttelte den Kopf. „Keineswegs, Sir. Sie hat etwas gesehen. Etwas, worüber sie nicht sprechen will. Vielleicht kann sie es auch nicht. Professor McClude beobachtete sie kurze Zeit später, als sie völlig verstört im Nebenraum arbeitete. Ich glaube, wir sollten versuchen, sie im Tiefschlaf zu befragen." „Später", sagte Rex Corda. * Rhamphor erkannte die neue Gefahr sofort. Sie war tausendfach stärker als das Fremde, das er bisher bekämpft hatte. Sofort zog er einen Teil seines Volkes ab und jagte mit hastig knarrenden Schwingen auf das Ding zu, das einen weiten Platz bei seiner Ankunft verbrannt hatte. Die Pflanzen wehrten sich bereits gegen die Verletzungen. Überall an den Rändern der verkohlten Lichtung brachen neue Triebe aus den Wurzeln und schossen sichtbar nach oben. Der Dschungel rund um das Raumschiff lebte. Die Äste bogen sich zurück und schnellten dann auf den großen Gegenstand zu. Rhamphor jagte im steilen Flug zwischen den beiden Kugeln hindurch und tauchte unter dem Verbindungsarm hinweg. Ein harter Schlag ließ ihn taumelnd nach oben steigen. Er flatterte, verlor sekundenlang das Gleichgewicht und kippte über den linken Flügel ab. Voller Todesverachtung versuchte er einen neuen Angriff auf die gelandete unbekannte Gefahr. Das Fremde wisperte in seinem Hirn und machte ihn unruhig. Rhamphor stieß ein halbes Dutzend gellender Schreie aus. Die Tiere in der Nähe des gelandeten
Gegenstandes brachen tödlich verletzt zusammen. Gegen die unvermittelt ausbrechenden Schreie von Rhamphor gab es keine Gegenwehr. Rhamphor rief alles zusammen, was ihm zur Verfügung stand. Doch da sah er, daß die Pflanzen von sich aus die Verteidigung übernommen hatten. Die Luft über den Bergen im Horizont färbte sich blutigrot. Eine sekundenlange Stille lag über dem Planeten. Dann brach das Unheil über den plötzlich aufgetauchten Gegenstand herein. Rhamphor triumphierte. Er erhob sich hoch in die Luft und flog dem Sturm entgegen. Unter ihm veränderten die Pflanzen urplötzlich ihre Farbe. Der eben noch blaugrüne Dschungel wurde plötzlich blutigrot. Gleichzeitig strahlten die Pflanzen gespeicherte Sonnenenergie ab. Schlagartig erhöhte sich die Temperatur dieser seltsamen Gewächse. Rhamphor kannte die Anzeichen. Ein Sturm war im Entstehen. Ein derartig schneller und abrupter Temperaturwechsel mußte zu einem Unwetter von verheerenden Ausmaßen führen ... Wanderkakteen schossen heiße Samenpfeile aus den Magazinen gegen die Hülle des unbekannten Gegenstandes. Das ständige Prasseln verstummte nicht. Da klatschten die ersten lianenartigen Arme gegen die Hülle. Eine violette Flüssigkeit strömte aus den Tentakelarmen und rann an den Kugeln nach unten. Zischend fraß sich die Säure in den Panzerplast. * Die Energietaster schlugen Alarm. Der Planet ging zum Angriff vor. Schweigend hockten Corda und Percip vor den Funkgeräten. Immer wieder versuchten sie, mit dem Wrack in vier Kilometern Entfernung Verbindung aufzunehmen. Es war unmöglich. Die
Funkgeräte blieben stumm. „Vielleicht mit optischen Signalen," schlug Percip vor. Rex Corda schüttelte den Kopf. Er deutete auf die Holografen. Die Pflanzen schienen plötzlich verrückt geworden zu sein. Sie wuchsen so schnell, daß man es vom Innern der „Walter Beckett" aus beobachten konnte. Sie hatten bereits eine Höhe von hundertfünfzig Metern erreicht. Und sie wuchsen weiter. „Wenn wir uns nicht beeilen, bekommen wir nie Kontakt mit dem Wrack." „Meinen Sie, daß es noch Lebewesen an Bord dieses Raumers gibt?" fragte Rex Corda skeptisch. „Wer weiß, wie lange er schon hier liegt. Meine Geschwister wurden in den ersten Tagen der Invasion entführt. Wissen Sie genau, wann das Raumschiff hier abstürzte?" „Natürlich nicht", antwortete Percip. „Niemand weiß es. Alles was wir zur Verfügung haben, ist die letzte Positionsmeldung." „Und wenn das Schiff am gleichen Tag abgestürzt ist? Dann dürfte kaum noch Hoffnung bestehen, ein menschliches Lebewesen anzutreffen." „Irren Sie sich nicht", sagte Percip. „Laktonische Offiziere und Raumsoldaten sind an derartige Pannen gewöhnt. Während der Schlacht mit den Orathonen gab es immer wieder Zwischenfälle, bei denen abgestürzte Raumschiffe oft monatelang auf unwegsamen Planeten lagen, ehe sie entdeckt wurden." „Sie denken an den Merkur." „Das auch. Aber auch die äußeren Planeten des Sonnensystems sind, wie Sie selbst wissen, übersät mit abgestürzten Raumschiffen und Wrackteilen." „Dann müssen wir eben mit einem Bodengleiter zum Wrack hinüberfliegen." Percip deutete auf die Holografen.
„Mit unserem Bodengleiter dürften wir nicht sehr weit kommen. Wenn sich so ein komischer Saurier auf uns fallen läßt, sind wir eine hübsche galaktische Briefmarke." „Zunächst einmal werde ich die Schutzschirme aktivieren lassen. Wo ist eigentlich Bekoval?" Percip hob die Schultern. „Keine Ahnung. Das heißt — er wollte sich um dieses Mädchen kümmern." „Um Patricia Murray?" fragte Rex Corda und zog die Brauen hoch. Percip nickte. „Was hat Bekoval denn mit der Chemotechnikerin zu tun?" „Er hat es mir nicht gesagt, Sir." „Hm", machte Corda nachdenklich. * Die Männer im Wrack kämpften um ihr Leben. Pausenlos ließen die Morros aus dem riesigen Netz der Dysderas ihre Eier auf das Wrack fallen. Das ständige Krachen auseinanderplatzender Verstrebungen und abplatzenden Panzerplasts erfüllte das Wrack. Tau Danak beorderte alle kampffähigen Männer der Restbesatzung in die oberen Etagen des Wracks. Mit Thermostrahlern, Schockern und Railing-Guns kämpften die Männer gegen die niederfallenden Eier. Sie versuchten, sie bereits in der Luft zu treffen und aus-einanderzureißen. Die Thermostrahler zerschnitten das Dysderanetz. Dutzende von Morros fielen auf das Wrack und produzierten weiter ihre Sprengeier. Da entdeckte Tau Danak in einer verborgenen Ecke zwei längliche Kisten mit SAT-Kugeln. Er stieß ein grimmiges Lachen aus. Diese Robotwaffen kamen ihm gerade recht. Sie waren klein, besaßen einen eigenen Gravitationsantrieb und ein auf Laserprinzip basierendes Waffensystem. Ihr winziges Posi-
tronengehirn ermöglichte den SAT-Kugeln eigene Handlungsentschlüsse. Das war genau die Waffe, die Tau Danak jetzt brauchte. Mit Hilfe von zwei Arbeitsrobotern und drei weiteren laktonischen Offizieren riß er die Kisten auf und aktivierte die SAT-Kugeln. In kurzen Abständen starteten die Kugeln. Wie tödliche Kugelblitze räumten sie außerhalb des Wracks auf. Scharf gebündelte Laserstrahlen zischten in die schuppigen Körper der Styracos, zerbrachen die Panzerungen der Brachios und brannten Löcher in das schwammige Fleisch der Raanas. Doch dann wurden die SAT-Kugeln in immer aussichtsloser werdende Gefechte mit den langen Armen fleischfressender Pflanzen verwickelt. Eine Kugel nach der anderen wurde von den klebrigen Pflanzenarmen zu Boden geschleudert und verstrickte sich in den zähen Lianen. Entsetzt beobachtete Tau Danak, wie seine letzte Hoffnung Stück für Stück zerstört wurde. Dann existierten nur noch drei SATKugeln. Sie griffen das Dysderanetz an. Mit den scharf gebündelten Laserstrahlen verkohlten sie die dicken Spinnfäden. Große Stücke des Netzes fielen zu Boden. Die Luft war erfüllt vom Pfeifen und Zischen der Bestien außerhalb des Wracks. Das Hautknarren der Flugechsen vermischte sich mit den Stampfgeräuschen der Styracos und den schlürfenden Freßtönen der Raanas. Das peitschenartige Knallen der Suchtentakelarme aus dem dichten Pflanzenring um das Wrack ließ Tau Danak immer wieder zusammenzucken. In jeder Hand hielt er einen Strahler. Er stand an einem breiten Riß in der Hülle des abgestürzten Raumschiffes. Jedesmal, wenn er eine Waffe leer gefeuert hatte, schleuderte er sie hinter
sich und ließ sich von einem Arbeitsrobot neue Waffen geben. Er kämpfte mit einer derartigen Verbissenheit, daß er nicht mehr wußte, wo er sich befand. Alles in ihm konzentrierte sich darauf, jetzt nicht aufzugeben. Er mußte durchhalten, selbst wenn seine Knie schwach wurden und er immer wieder schwarzrote Nebelfetzen vor seinen Augen tanzen sah. Die Erschöpfung der letzten Tage hatte ihm viel von seiner sonstigen Zähigkeit genommen. Aber er war laktonischer Offizier. Sobald er im Kampf war, kannte er keine Furcht und kein Zögern. Er hatte gegen Staras, Ätzer und Whims gesiegt, hatte Bronzeroboter der Orathonen vernichtet und war aus mehr als einem Raumkampf siegreich hervorgegangen. Deshalb dachte er nicht daran, jetzt vor den geballten Angriffen der Pflanzenund Tierwelt des Höllenplaneten zu Kreuze zu kriechen. Er kämpfte, wie er es gelernt hatte. Pausenlos feuerte er auf alles, was das Wrack angriff. Er zerschnitt Tentakelarme, schleuderte stampfende Styracos zurück und zerfetzte dutzendweise Raanas. Immer dichtere Rauchschwaden quollen an den Außenwänden des Wracks empor. Mehr als einmal wurde Tau Danak von wilden Hustenanfällen geschüttelt. Aber auch wenn seine Augen tränten und sein Gaumen trocken war, gab er nicht auf. Hinter ihm, neben ihm und über ihm kämpften die anderen Laktonen. Sie alle wußten, es war ein Verzweiflungskampf. Aber wenn sie schon sterben mußten, wollten sie ihm Kampf sterben. * Der Bodengleiter löste sich von der Schleuse. Percip, Ga-Venga, Bekoval
und Rex Corda verließen die „Walter Beckett". Für Sekunden wurden die aktivierten Schutzschirme neutralisiert. Der Bodengleiter entfernte sich rasch vom Hantelraumer. Hinter ihm flammten die Schutzschirme wieder auf. Percip hatte die Steuerung übernommen. Er jagte mit einer steilen Kurve durch hohe Baumfarne. Der Himmel leuchtete jetzt in allen Farben. Am Horizont war er noch immer blutigrot. Dicht über ihnen hing eine schwefelgelbe Wolke, während blaugraue Dunstschwaden aus den immer noch wachsenden Bäumen nach oben zogen. Da peitschte eine Sturmbö durch die Bäume. Ein dichtes Feld von Wanderkakteen versperrte dem Bodengleiter den Weg. Percip wollte ausweichen. Im gleichen Augenblick knallten wie scharfe MG-Garben Dutzende von Samenpfeilen gegen die Außenhaut des Bodengleiters. Das Fahrzeug schwankte und drohte an einem mächtigen Baumstamm zu zerschellen. In allerletzter Sekunde riß Percip den Gleiter zur Seite und duckte sich. Ein neuer Samenhagel prasselte durch die Sichtscheibe. Ein breiter Sprung zog sich diagonal über das Frontfenster. „Das ist doch unmöglich", keuchte Rex Corda. Er blickte auf die dicht nebeneinander liegenden Dellen. Die Samenpfeile hatten eine derartige Wucht, daß das Plastikmetall des Bodengleiters aussah, als sei es durch eine Mangel gedreht worden. „Es hat keinen Zweck, Percip. Wir müssen zurück. Der Gleiter ist für diesen Planeten nicht gebaut. Er ist nicht darauf vorbereitet, in einen derartigen Geschoßhagel zu kommen." „Los, Percip, fliegen Sie zurück!" keuchte Bekoval. Auch er hatte die tödliche Gefahr erkannt. Wenn es ihnen nicht gelang, rechtzeitig zum Hantel-
raumer zurückzukommen, waren sie verloren. Da peitschte ein armdicker Tentakel hinter einem Baum hervor. Percip reagierte Sekundenbruchteile zu spät. Der Tentakelarm zischte über die Heckpartie des Bodengleiters und riß mehr als zwanzig Zentimeter vom Heck ab. Die Antriebsaggregate heulten schrill auf. Percip hantierte wie wild an den Kontrollen. Schwerfällig bewegte sich der Gleiter voran. Da sauste schräg über ihnen eine gräßlich aussehende Flugechse auf sie zu. Die Spannweite der lederartigen Flughäute war doppelt so groß wie die gesamte Länge des Bodengleiters. Der weißliche Bauch des Gleiters und die rotbraune Färbung der Flughäute bildeten einen ekelhaften Kontrast. Bekoval nahm Kontakt mit dem Hantelraumer auf. Aber noch ehe er anordnen konnte, die Schutzschirme zu öffnen, brachen sie bereits zusammen. Percip erkannte die Chance und jagte den Bodengleiter mit kreischenden Antriebsaggregaten auf den Hantelraumer zu. Er hatte kaum die Sicherheitszone passiert, als sie die Sicherheitsschirme bereits wieder aktivierten. Aber noch war die Gefahr nicht gebannt. Die Flugechse hatte es geschafft, gleichzeitig mit dem Bodengleiter in die Sicherheitszone zu gelangen. Sie stieß auf den Bodengleiter zu. Dann öffnete sie den langen breiten Schnabel mit den gräßlichen Zahnreihen und stieß einen gellenden Schrei aus. Der knabenhafte Kynother Ga-Venga stöhnte gequält auf und stieß mit dem Kopf gegen die Deckenverkleidung. Dann preßte er die Handballen gegen die Ohren. Rex Corda biß die Zähne zusammen. Das war der grauenhafteste Ton, den er in seinem ganzen Leben gehört hatte.
Selbst Bekoval stöhnte auf. Nur Percip raste mit dem Bodengleiter unbeirrt zwischen den beiden Hantelkugeln durch und versuchte, die Schleuse zu erreichen. Doch die Flugechse war schneller. Sie stieß am Verbindungsarm zwischen den beiden Kugeln vorbei und versperrte ihnen den Weg. Jetzt hörten sie alle das knarrende Geräusch, mit dem die Echse ihre Flughäute bewegte. Rex Corda zog seine Railing-Gun hervor. Er riß das Seitenfenster auf, zielte kurz und drückte ab. Aber da mußte Percip abbremsen, um nicht mit voller Fahrt gegen die Außenwand des Hantelraumers zu prallen. Der Schuß ging daneben. Dann war die Flugechse über ihnen. Mit einem einzigen Schlag zertrümmerte sie das Verdeck des Bodengleiters. Die vier Männer duckten sich. Rex Corda warf sich herum. Er prallte mit der Schulter gegen das Armaturenbrett. Percip griff nach seinem Arm. Corda kam wieder hoch. Der Bodengleiter raste steil auf eines der Landebeine zu. Da schlug die Flugechse zum zweiten Mal gegen das Fahrzeug. * Ko-Mont nahm einen Gravostift und ein Stück Plastikfolie. Dann schrieb er eine kurze Nachricht auf die Folie. „Haben Sie keine Angst vor mir. Ich tue Ihnen nichts, Patricia." Er nahm den Zettel und legte ihn auf die Decke vor der hastig atmenden Chemotechnikerin. Sie stand unter dem Einfluß der Beruhigungsspritze. Trotzdem warf sie sich immer wieder, von wilden Alpträumen geplagt, von einer Seite auf die andere. Dr. Konsinsky stand neben dem Bett. Plötzlich runzelte er die Brauen. Er entdeckte den Zettel, der wenige Se-
kunden vorher noch nicht auf der Bettdecke gelegen hatte. Als er jedoch den Zettel an sich nehmen wollte, spürte er plötzlich einen unsichtbaren Griff an seinem Handgelenk. Erschreckt zog Dr. Konsinsky die Hand zurück. Kurzsichtig beugte er sich vor, um doch noch etwas zu erkennen. Aber er sah absolut nichts. Er konnte nichts sehen, denn es war ihm unmöglich, den um eine zehntausendstel Sekunde in die Zukunft versetzten Zeitspäher Ko-Mont zu erkennen. Dr. Konsinsky strich sich über sein graues Haar. Das war eine Sache, die er nicht ganz verstand. Da war ein Zettel aufgetaucht mit einem Satz, der sich an Patricia richtete. Woher war er gekommen? Wer hatte ihn geschrieben? Und wer hatte ihn auf das Bett gelegt? Dr. Konsinsky schüttelte den Kopf. Er wußte genau, daß er nicht geschlafen hatte. Er hatte Patricia die ganze Zeit angesehen. Niemand konnte Gelegenheit gehabt haben, den Zettel unbemerkt hinzulegen. Dr. Konsinsky dachte daran, daß er doch neue Haftschalen haben müßte. Seine Kurzsichtigkeit schien immer weiter fortzuschreiten, denn schließlich war es unmöglich, daß ein Zettel erst während seiner Anwesenheit plötzlich auftauchte. Er mußte schon vorher da gelegen haben, ohne daß er ihn bemerkte. Zufrieden mit dieser Erklärung, die er sich selbst gegeben hatte, beugte sich Dr. Konsinsky über die flach atmende Chemotechnikerin. Er schüttelte besorgt den Kopf. Diese Reise war nichts für die Kleine. Er mußte dafür sorgen, daß sie schnellstens zur Erde zurückkam. * Ko-Mont kam einige Sekunden zu spät in sein Versteck zurück. Er hatte
die ersten Angriffe auf den Bodengleiter nicht miterlebt. Das war ein schwerer Fehler von ihm gewesen. Er wußte es und beschloß, in Zukunft sorgfältiger zu handeln. Er erreichte seine Kabine, als der Bodengleiter mit rasender Geschwindigkeit auf den Energieschirm zuschoß. Sofort handelte Ko-Mont. Er öffnete den Schirm. Er konnte nicht verhindern, daß die Flugechse mit in die Sicherheitszone gelangte. Er bückte sich und befahl einem seiner Kampfroboter, sofort einzugreifen. Aber der Weg war zu lang. Der Kampfroboter hatte nicht genügend Zeit. Deshalb gelang es der Flugechse, mit einem einzigen Flügelschlag das Dach des Bodengleiters zu zertrümmern. Ärgerlich biß Ko-Mont die Zähne zusammen. Er wußte, daß er selbst die Schuld daran trug, wenn es so weit gekommen war. Er beschleunigte den Kampfroboter. Es wurde höchste Zeit. Die Flugechse ging zum neuen Angriff über. In diesem Augenblick erschien der Kampfroboter in der Öffnung der Außenschleuse. Ko-Mont befahl den Angriff. Unter dem Linsensystem des kopflosen Körpers spuckte eine inkorporierte Railing-Gun ihre tödlichen Geschosse auf die Flugechse. Bereits die ersten Schüsse saßen. Die Flugechse bäumte sich mitten im Sturzflug auf, überschlug sich in der Luft und knallte mit einem grauenhaften Todesschrei gegen das Landebein. Im gleichen Augenblick schlidderte der Gleiter über den weichen Boden. Er drehte sich einmal im Kreis und blieb dann direkt unterhalb der Schleuse stehen. Ko-Mont verfolgte die Szene auf seinem Holografen. Sofort schickte er zwei Medo-Robots und zwei Arbeitsro-
boter zur Schleuse. In der Zwischenzeit verriegelte er sämtliche Türen, die zur Schleuse führten. Niemand durfte wissen, was jetzt geschah. Ein Medo-Robot erreichte die Schleuse und begann, nach unten zu steigen. Rex Corda sah ihm mit schmerzverzerrtem Gesicht entgegen. Der Medo-Robot erreichte den schwer zerstörten Bodengleiter und beugte sich über die vier Männer. Nacheinander erhielten sie alle eine Hochdruckspritze. Rex Corda blickte den Medo-Robot dankbar an. Ko-Mont lächelte. Die Dankbarkeit würde dem Präsidenten von Terra noch vergehen, wenn er merkte, daß in der Hochdruckspritze ein betäubendes Mittel war. In diesem Moment begann das Mittel zu wirken. Der Medo-Robot zog sich zurück. Rex Corda wehrte sich mit aller Kraft gegen die immer stärker werdende Müdigkeit in ihm. Er wollte den Bodengleiter verlassen, kam aber nicht mehr dazu. Mit zwei taumelnden Schritten fiel er aus dem Gleiter. Er schlug lang auf den weichen Boden. Innerhalb des Gleiters sackten die Köpfe von Percip, GaVenga und Bekoval auf die Brust. Erst jetzt konnte Ko-Mont den Arbeitsrobotern den Auftrag geben, den Bodengleiter innerhalb der „Walter Beckett" wieder instand zu setzen. * Rex Corda erwachte innerhalb der medizinischen Abteilung des Hantelraumers. Verwundert blickte er sich um. Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war. Dann warf er einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. Mehr als eineinhalb Stunden hatte er ohne Besinnung zuge-
bracht. Das entsprach nicht seinen Plänen. Verwundert fragte er sich, wie es dazu gekommen war. Er wußte genau, daß der Bodengleiter die Landebeine nicht berührt hatte. Da erinnerte er sich plötzlich an den Medo-Robot. Im gleichen Augenblick wurde ihm klar, auf welche Weise die Flugechse gestorben war. Ganz schwach erinnerte er sich an einen in der Schleuse auftauchenden Kampfroboter. Rex Corda lächelte leise vor sich hin. Der unbekannte Helfer wurde ihm allmählich sympathisch. Ohne ihn hätte der kurze Ausflug auf diesen höllischen Planeten ein frühes Ende nehmen können. Rex Corda blickte zur Seite. Neben ihm lag mit einem friedlichen Lächeln im Gesicht der knabenhafte Kynother Ga-Venga. Dahinter standen die MedoLiegen mit Bekoval und Percip. Sie waren noch nicht wieder erwacht. Die Tür zum Nebenzimmer war geöffnet. Ächzend richtete Rex Corda sich auf. Er schüttelte ein paarmal den Kopf, dann hatte er sich wieder gefangen. Er betastete mit den Fingerspitzen die breiten Heilpflaster an seiner Schulter. Er stand auf und kämpfte gegen das kurze Gefühl einer aufkommenden Übelkeit. Er kniff die Augen zusammen. Dann holte er tief Luft und ging auf die Tür zu. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als er die Liege von Patricia Murray sah. Sofort fiel ihm der Zettel auf. Er hatte bessere Augen als Dr. Konsinsky . . . Er beugte sich über das unruhig atmende blonde Mädchen und nahm dabei wie zufällig den Zettel auf. Dann zuckte er zusammen. Das also hatte Bekoval hier gewollt! Allmählich glaubte Rex Corda, die Zusammenhänge zu erkennen. Er wußte nicht, daß er sich gewaltig irrte.
* Rhamphor hatte beobachtet, auf welche Weise der Angehörige seines Volkes gestorben war. Er wußte jetzt, daß das Fremde noch gefährlicher war, als er ursprünglich angenommen hatte. Er verzichtete deshalb auf einen plötzlichen Angriff und wartete darauf, bis die Natur seiner Welt ihm zu Hilfe kam. Er beobachtete den Himmel. Es war die Zeit des Sturms. Rhamphor merkte es an den nur ihm bekannten Anzeichen. Jedesmal, wenn die größere der beiden Sonnen des Doppelsystems ihre gewaltigen Protuberanzen in den Raum schleuderte, wurde der fünfte Planet von einem gewaltigen Sturm heimgesucht. Mit zweihundert Stundenkilometer Geschwindigkeit schoß er parallel zum Äquator über den ringförmigen Kontinent, der um den ganzen Planeten lief. Aufgeregt flatterte Rhamphor am Rand der Schutzschirme der fremden Gefahr auf und ab. Mit der linken Flügelspitze berührte er den Energieschirm. Kreischend zog er sich zurück und blickte auf das angekohlte Ende seines Flügels. Er hatte einen starken Schlag erhalten, der durch sein gesamtes Nervensystem raste. Taumelnd versuchte Rhamphor, das Gleichgewicht wiederzubekommen. In diesem Augenblick wußte er, daß der zylinderförmige Körper in einiger Entfernung aufgegeben werden mußte, um der neuen Gefahr mit vereinten Kräften entgegenzutreten. Er jagte einen telepathischen Impuls an alle auf diese Impulse reagierenden Lebewesen. Sie kamen sofort. Saurierartige Urwelttiere griffen von allen Seiten die Schutzschirme an. Sie störten sich nicht an den sengenden und krachenden Geräuschen, die ihre Körper verkohlten. Immer neue Bewohner des Höllenplaneten griffen an.
Zusammen mit den mehreren Hundert Meter langen Tentakelarmen der Pflanzen begann der konzentrierte Ansturm auf die fremde Gefahr. Da brach der Sturm über sie herein. Die Lebewesen kümmerten sich nicht darum. Selbst die Pflanzen beugten sich vor dem Druck der schockartigen Druckwellen, richteten sich aber sofort wieder auf. Nahezu alle Lebewesen auf dem Höllenplaneten hatten in den Jahrtausenden des Kampfes gegen die Naturgewalten Abwehrmechanismen entwickelt. Die Pflanzen verfilzten sich zu einem dichten widerstandsfähigen Geflecht. Rhamphor legte die Flughäute an. Er streckte seinen Schnabel gegen den Wind und preßte ihn fest zusammen. Nur durch das Wedeln seines langen stielartigen Schwanzes hielt er sich genau senkrecht über der fremden Gefahr. Der Sturm brach wie ein gebündelter Strahl aus Tausenden von überdimensionalen Druckdüsen über die angreifenden Tiere und Pflanzen herein. Die Lebewesen des Planeten hatten nur auf diesen Moment gewartet. Jetzt besaßen sie einen Verbündeten, gegen den die fremde Gefahr machtlos sein mußte. * Professor Dr. Sam McClude schüttelte besorgt den Kopf. „Ich kann es einfach nicht verantworten, daß dieses Mädchen weiterhin der nervlichen Belastung ausgesetzt ist. Alles, was wir tun können, ist bereits geschehen." Rex Corda blickte auf Patricia Murray hinunter. Das zarte schmale Gesicht war blaß und eingefallen. Die goldblonden Locken hatten eine stumpfe Farbe angenommen. „Wir können noch nicht zurück", sagte Rex Corda, während sich eine tiefe Falte auf seiner Stirn bildete.
Er drehte den Zettel, den er auf der Bettdecke gefunden hatte, zwischen seinen Fingern zusammen. Da wachte im Nebenraum Bekoval mit einem tiefen Seufzer aus seiner Betäubung auf. Er schüttelte sich kurz. Dann sprang er von der Liege und reckte sich. Rex Corda sah hinüber. Der laktonische Offizier rüttelte Percip an den Schultern. Anscheinend wirkten die Hochdruckspritzen der Medo-Robots bei Laktonen anders als bei Terranern. Rex Corda erinnerte sich, daß er länger gebraucht hatte, um wieder zu sich zu kommen. „Wir werden das Problem dieses Mädchens den Elektronenrechnern vorlegen. In diesem Ausnahmefall müssen sie entscheiden, was zu geschehen hat, um das Leben dieses Mädchens zu retten." Rex Corda drehte sich um und ging in den Nebenraum. Er hielt Fatlo Bekoval den Zettel hin. „Haben Sie das geschrieben?" Bekoval las die wenigen Worte. Dann schüttelte er verblüfft den Kopf. „Wie kommen Sie darauf?" „Sie waren es wirklich nicht?" „Was sollte ich denn mit diesem Mädchen zu tun haben?" sagte Bekoval und deutete mit dem Kopf zum Nebenzimmer hinüber. „Nichts", sagte Rex Corda. „Es war nur eine Idee von mir." In diesem Augenblick spannte sich die Haut über den Jochbeinen des Laktonen. Von einem Augenblick auf den anderen ging eine spürbare Veränderung mit ihm vor. Er ballte die Fäuste, dann schob er die linke Schulter nach vorn. In gebrochenem Englisch begann er, Rex Corda zu beschimpfen. „Wer sind Sie eigentlich? Woher nehmen Sie sich das Recht, einen laktonischen Offizier zu beleidigen. Das wäre ja noch schöner, wenn ein Primitiver so mit mir umspringen könnte!"
Rex Corda starrte den Laktonen verblüfft an. Der Umschwung war zu plötzlich gekommen. Das war nicht Bekoval, wie er ihn kannte. Es klang, als habe der Laktone seine Schimpfrede auswendig gelernt. . . Rex Corda drückte den Laktonen mit einer kräftigen Bewegung auf die Liege zurück. Verblüfft setzte Bekoval sich hin. „Jetzt hören Sie mir einmal zu, Bekoval. Ich weiß, daß ich Ihnen nicht sonderlich sympathisch bin. Trotzdem haben wir zusammen einige Aufgaben erledigt, bei denen ich Sie schätzen gelernt habe. Ich hoffe, das ist auch bei Ihnen der Fall." „Schätzen!" lachte Bekoval ironisch. „Wie kann man einen primitiven Terraner schätzen? Was bilden Sie sich eigentlich ein?" Er versuchte hochzukommen. In diesem Augenblick erwachte Ga-Venga, überblickte die Situation und handelte instinktiv richtig. Er stieß einen hellen Singsang aus und sprang von seiner Liege. Mit kurzen trippelnden Schritten kam er auf Bekoval und Rex Corda zu. Dann zwängte er sich zwischen die beiden Männer. Rex Corda wich zurück. Noch ehe er dazu kam, dem Kynother die Situation zu erklären, stöhnte Bekoval plötzlich auf. Er faßte an seine Stirn und schloß mehrmals krampfhaft die Augen. Ein tiefer Seufzer kam aus seiner mächtigen Brust. Er schüttelte sich. Dann blickte er verwundert auf Ga-Venga. „Da war es wieder", sagte er mit einer merkwürdig klingenden Stimme. „Ich wußte nicht mehr, was ich tat und was ich sagte. Es war plötzlich, als würde etwas anderes in mir sein. Etwas Fremdes, ein unbekannter Zwang, verstehen Sie, Corda?" Rex Corda nickte langsam. Er verstand sogar ausgezeichnet. Schließlich
kannte er Jakto Javan, den Oberbefehlshaber der laktonischen Flotte. Das also war das Ergebnis. „Was meinen Sie, Bekoval, wäre es möglich, daß man Ihnen einen posthypnotischen Befehl gegeben hat?" „Welchen Befehl meinen Sie?" fragte Bekoval und hob den Kopf. Kleine farbige Lichter irisierten in seinen Augen. Er entblößte seine rötlichen Zähne und sprach plötzlich wieder vollkommen normal. „Ich habe das Gefühl, daß ich vorübergehend gar nicht da war." „Also doch ein posthypnotischer Befehl! Können Sie sich daran erinnern, worum es sich handelt?" Bekoval schüttelte den Kopf. „Sollen Sie mich provozieren?" „Ich weiß es nicht. In der letzten Zeit verstehe ich mich selbst nicht mehr. Es gibt Situationen, in denen ich Sie plötzlich hasse." „Soll das heißen, daß Sie außerdem für die merkwürdigen Zwischenfälle an Bord dieses Schiffes verantwortlich sind?" „Nein", sagte Bekoval schnell. „Das kann ich mit Sicherheit sagen. Ich weiß nicht, was hier geschehen ist. Natürlich habe ich gewisse Vermutungen, ebenso wie Percip. Wir nehmen an, daß Jakto Javan einen Agenten in das Schiff schmuggeln ließ, der unsere Aktionen überwachen soll." „Und zu welchem Zweck?" „Sie sind Rex Corda! Und Sie haben zwei Geschwister..." Rex Corda nickte „Sie haben selbst gehört, was mir der Captain vorschlug. Ich sollte eine Hantelkugel mit Gas füllen, um den Unbekannten — falls es ihn wirklich gibt — zu finden. Ich habe eine bessere Idee. Sie kennen Jakto Javan gut genug, um zu wissen, wie er vorgeht. Sind Sie einverstanden, daß Sie beide den Hantelraumer untersuchen?" „Ganz und gar nicht", sagte Bekoval
kopfschüttelnd. „Wir müssen uns um das Wrack kümmern. Wenn wir schon Schwierigkeiten hatten, wie soll es erst eventuellen Überlebenden an Bord des abgestürzten Raumschiffes ergehen." Die Tür öffnete sich, dann erschien Tom Sluck. Er stand linkisch im Türrahmen und deutete ein Kopfnicken an. „Wenn ich mal stören darf ..." „Was gibt's?" fragte Rex Corda. „Der Bodengleiter funktioniert wieder." „Machen Sie keine Witze", sagte Rex Corda mit einem strafenden Blick. „Jetzt ist wirklich nicht die Zeit, Spaße zu machen." „Es ist kein Witz und kein Spaß, Sir. Der Bodengleiter steht flugbereit in der Schleuse." Ohne Rücksicht auf seine Stellung rannte Rex Corda los. So schnell wie möglich lief er zur Schleuse. Dann sah er es mit eigenen Augen, während hinter ihm John Haick, Tom Sluck und die beiden laktonischen Agenten das Schott erreichten. Der Bodengleiter war repariert worden. Er war an der Rückseite etwas kürzer geworden. Irgend jemand hatte ein zweisitziges Fahrzeug aus dem total zerstörten Trümmerhaufen gebaut. Und das innerhalb einer absolut unmöglichen Zeitspanne ... * Die letzten Reste der vollkommen zerfetzten und zerfressenen Außenhülle des abgestürzten Raumschiffes brachen von den Verstrebungen. Immer weiter zogen sich die laktonischen Offiziere und Raumsoldaten ins Innere des Wracks zurück. Tau Danak versuchte, mit einem hastig zusammengebauten Funkgerät die Frequenzen des vermutlich orathonischen Raumschiffes abzuhören. Die Ingenieursoldaten setzten alle ih-
re Fähigkeiten ein, um aus dem wenigen vorhandenen Material ein brauchbares Funkgerät zu bauen. Trotzdem gelang es ihnen nicht, auch nur die geringste Spur eines Funkverkehrs auf den Frequenzen der orathonischen Flotte abzuhören. Überall tropften ätzende Säurebäche durch die Ritzen und Fugen der einzelnen Kabinen. Das Wrack löste sich langsam in seine Bestandteile auf. Inzwischen hatte auch der letzte Laktone begriffen, daß das Wrack ihnen nur noch wenige Stunden Schutz bieten konnte. Sie mußten ausbrechen — koste es, was es wolle. Jedem einzelnen Laktonen war klar, daß der Ausbruch Opfer fordern würde. Wenn es überhaupt einem einzigen gelang, bis zu den Hügeln vorzustoßen, so war doch die Chance für den Großteil der Besatzung gleich null. „Jetzt ist die günstigste Gelegenheit", sagte Tau Danak hastig. „Die Lebewesen von Rakna beschäftigen sich mit dem orathonischen Hantelraumer. Sie achten nicht mehr auf uns. Wenn wir jetzt mit einem schnellen Durchbruch die Sperrkreise der Pflanzen durchdringen, kann unser Unternehmen gelingen." „Vielleicht sollten wir warten, bis die Orathonen anfangen, sich zu verteidigen", warf ein Offizier ein. Tau Danak schüttelte den Kopf. „Es ist ein weiter Weg bis zu den Hügeln. Wir werden Stunden brauchen. In jeder Stunde kann für uns alle das Ende kommen." „Die Kriechlurche und die Flugsaurier haben sich zurückgezogen", meldete ein Raumsoldat. Tau Danak nickte. „Sie hören es selbst", sagte er und deutete auf die langsam zerfließenden Kabinenwände. Sie alle hatten Raumanzüge angelegt. Das war die letzte Schutzmöglichkeit,
die sie noch hatten. Mit ihren Plastikmetallstiefeln standen sie knöcheltief in schwarzbrauner Pflanzensäure. „Wenn wir nicht sofort ausbrechen, müssen wir gegen zwei Feinde kämpfen — und gegen unsere grünhäutigen Feinde." Mit einer kurzen Diskussion, die über die Funksprechgeräte der Raumhelme geführt wurde, entschlossen die meisten der Männer sich zum sofortigen Aufbruch. „Alle tragbaren Waffen werden mitgenommen. Wer weiß, durch welche Hölle wir noch hindurch müssen", sagte Tau Danak und lief durch die Säure. * Es gelang Rex Corda, die Laktonen davon zu überzeugen, daß es für sie alle besser war, wenn er allein mit John Haick einen erneuten Vorstoß zum Wrack wagte. „Immerhin sind es meine Geschwister, um die es geht, und deshalb habe ich die Verpflichtung, mich um sie zu kümmern, falls sie sich im Wrack befinden." „Aber es sind unsere Soldaten und Offiziere, die sich dann ebenfalls dort befinden. In diesem Fall ist es unsere Angelegenheit", gab Bekoval zurück. Rex Corda machte eine abwehrende Handbewegung. „Sie kennen die Mission der ,Walter Beckett'. Dieses Raumschiff ist gestartet, um meine Geschwister zu finden. Sie wissen genau, daß mein persönlicher Wunsch, sie wiederzufinden, in diesem Fall an zweiter Stelle steht. Für die Erde ist es wichtiger, daß wir das Geheimnis von Walter Beckett enträtseln." Percip blickte Bekoval an. „Was haben Sie gegen meinen Vorschlag?" fragte Rex Corda. „Wenn Sie sich unbedingt danach drängen, eine
Aufgabe zu übernehmen, dann durchsuchen Sie das Schiff. Finden Sie den Unbekannten, der uns noch einiges Kopfzerbrechen bereiten dürfte." Bekoval schürzte die Lippen. Dann nickte er und drehte sich wortlos um. Percip zwinkerte Rex Corda zu. Dieser Sieg gehörte dem Terraner. Zum ersten Male hatte sich der Laktone Fatlo Bekoval so offensichtlich Rex Corda untergeordnet. „Komm, John", sagte Rex Corda hastig. „Percip, können Sie uns noch helfen, den Bodengleiter zu einer kleinen fliegenden Festung zu machen?" Der Laktone lachte auf. Aber dann packte er mit an. Sie luden alles in den Bodengleiter, was innerhalb der kurzen Zeit verfügbar war. Wenige Sekunden später öffnete sich das Außenschott, während Percip auf dem Weg zur Zentrale war, um die Energieschirme kurzfristig abzuschalten. Rex Corda hatte Gelegenheit, die Schirme zu beobachten. Sie zitterten! „Sieh dir das an", sagte er zu John Haick. „Dort draußen muß die Hölle los sein." „Wir werden ihr einen Besuch abstatten", grinste John Haick. Innerhalb des Energieschirms war es vollkommen ruhig. Nur das Summen der Generatoren im Hantelraumer durchdrang die Stille. Nichts von dem auf der Oberfläche des Planeten tobenden Inferno war innerhalb der schützenden Energieschirme zu spüren. Rex Corda stieß die Luft zwischen den Zähnen hindurch. Er deutete mit dem ausgestreckten Arm auf unförmig wirkende Saurierwesen, deren verkohlte Leiber rings um den Schutzschirm gestapelt lagen. Immer wieder klatschten Tentakelarme von den hohen Pflanzen gegen die Energiemauer. Pausenlos blitzte es an hundert Stellen des Schirmes gleichzeitig auf. „Achtung!" rief John Haick.
Rex Corda drückte den Antriebshebel auf volle Leistung. Der Bodengleiter machte einen Satz. Für drei Sekunden verblaßte das Schimmern der Schutzschirme. Im gleichen Augenblick brach die Hölle über dem winzigen Fahrzeug zusammen. Rex Corda hatte alle Hände voll zu tun. Erst jetzt merkte er, daß das neue Kabinendach aus einer Legierung bestand, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Er hatte das Gefühl, in einem gepanzerten U-Boot zu sitzen, das in einem unsichtbaren Strudel umhergewirbelt wurde. In wilden Schlangenlinien jagte der Bodengleiter über die Baumwipfel hinweg. Sofort hängte sich ein dichter Schwarm von Flugechsen an das kleine Fahrzeug. Schlagartig verstummte der Sturm. Die Heftigkeit, mit der das Toben aufhörte, wäre Rex Corda und John Haick fast zum Verhängnis geworden. Der Bodengleiter sackte steil durch, streifte die oberen Zweige der Bäume und verstrickte sich für gefährliche Sekunden in sofort hochzischenden Tentakelarmen. Doch da bekam Rex Corda den Gleiter wieder frei. Im gleichen Augenblick wurde es dunkel um sie herum. Die Flugechsen bildeten ein kugelförmiges Gebilde, in dessen Mittelpunkt sich der Gleiter mit den beiden Terranern befand. Corda konnte nichts mehr sehen. Er stieß den Beschleunigungshebel bis zum Anschlag vor. „Schieß eine Lücke!" rief er John Haick zu. Der dunkelhaarige Atomwissenschaftler steckte eine Railing-Gun durch eine speziell dafür vorgesehene Öffnung. In dichter Folge jagte er ein ganzes Magazin aus dem Lauf. Die gegeneinander versetzten Kegel des Taumelgewehrs prallten gegen die Körper der
Flugechsen. Entsetzt sahen die beiden Männer, daß der Erfolg gleich null war. „SAT-Kugeln!" rief Rex Corda. John Haick warf die kleinen selbststeuernden Todeskugeln aus der Kabine des Bodengleiters. Sofort suchten sich die Positronengehirne der fliegenden Lasergeschütze ihre Ziele. Es blitzte und krachte, während eine Flugechse nach der anderen mit schrillen Kreischgeräuschen abstürzte. Aber immer neue kamen. Sie füllten die entstandenen Lücken. Corda fand keine Möglichkeit, das Gefängnis aus lebenden Körpern zu verlassen. Immer dichter schloß sich der Ring um den Bodengleiter. Das Fahrzeug jagte mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung auf das abgestürzte Raumschiff der Laktonen zu. Aber die Flugechsen hatten sich der Geschwindigkeit angepaßt. Die dichte Traube aus Echsenleibern und knarrenden Schwingen hüllte den Bodengleiter ein. Rex Corda konnte die Höhe nicht mehr kontrollieren, weil plötzlich und unerwartet die Instrumente ausfielen. Er konnte den Boden nicht sehen. Er konnte überhaupt nichts sehen, außer zuckenden, wild um sich schlagenden Körpern von großen häßlich aussehenden Flugechsen. „Das gefällt mir ganz und gar nicht", knurrte John Haick. „Diese verdammten Biester lassen uns auch keinen Weg offen." Der Ring wurde immer enger. Die Flugechsen näherten sich dem Bodengleiter. Jetzt berührten die ersten Echsen mit ihren Flughäuten die neue Außenhülle des Fahrzeugs. Der Bodengleiter schwankte. Rex Corda wußte, daß sie verloren hatten, wenn er die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Genau das schienen auch die Flugechsen zu wissen. Immer
wieder stießen sie gegen das schwankende Fahrzeug. Taumelnd jagte der Gleiter weiter. Immer heftiger wurden die Schlingerbewegungen. Der Bodengleiter schleuderte innerhalb der Echsenleiber hin und her. „Diese höllischen Biester wollen uns zu Rührei verarbeiten", preßte John Haick zwischen den Lippen hervor. Rex Corda antwortete nicht. Da stießen plötzlich drei Echsen gleichzeitig gegen die linke Seite des Bodengleiters. Jetzt war alles aus. * Tau Danak sah das merkwürdige Gebilde zuerst. Sie hatten die Holografen abgeschaltet. Durch die zerstörten Außenwände des abgestürzten Raumschiffes erblickten sie mehr als drei Dutzend Flugechsen, die zu einem dichten Klumpen zusammengeballt direkt auf sie zuhielten. Sie näherten sich mit rasender Geschwindigkeit. „Die Echsen kommen!" brüllte Tau Danak. „Alles fertigmachen zur Verteidigung!" Sofort rasten die Männer durch aufspritzende Säureflächen und gingen hinter den letzten noch vorhandenen Stützpfeilern in Deckung. Hastig montierten sie Thermostrahler und inkorporierte Railing-Guns auf feste Unterlagen. „Feuer!" befahl Tau Danak. Ein so ausgezeichnetes Ziel hatten die Flugechsen noch nie geboten. Die geballten Ladungen aus sämtlichen noch vorhandenen Waffen innerhalb des abgestürzten Raumschiffes heulten und zischten mit gleißenden Lichtblitzen auf die Traube der Flugechsen. * Ko-Mont schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel. Er preßte genüßlich
das Fruchtfleisch einer Schmelzbirne vom Rigelbegleiter zwischen seiner Lippen aus. Auf den Holografen innerhalb seines Verstecks konnte er genau beobachten wie die Suchaktion nach ihm durch Bekoval und Percip voranschritt. Die beiden laktonischen Agenten hatten alle verfügbaren Kräfte innerhalb der „Walter Beckett" mobilisiert. Sie glaubten, nicht den geringsten Winkel auszulassen. Aber sie fanden nicht einmal die verborgen angelegten Verstecke für die Hilfsmaschinen des Zeitspähers. Ko-Mont amüsierte sich derartig über die sinnlose Suchaktion, daß er fast seine wichtigste Aufgabe vergessen hätte. Er zuckte zusammen, als ihm plötzlich klar wurde, daß sich Rex Corda in tödlicher Gefahr befand. Gleichzeitig entdeckte er einen zweiten Krisenpunkt. Er befand sich innerhalb der „Walter Beckett". Die Chemotechnikerin Patricia Murray sprang plötzlich mit einem Aufschrei von ihrem Lager und begann, so wie sie war, durch die einzelnen Abteilungen des Schiffs zu rennen. Da auch die Männer aus der medizinischen Abteilung sich an der Suche nach dem Unbekannten befanden, konnte niemand sie aufhalten. Und KoMont war gezwungen, seine Aufmerksamkeit zu teilen. Er wußte, daß die Chemotechnikerin nicht bei Sinnen war. Sie stand unter dem Einfluß von starken Drogen, die ihr Körper nicht vertrug. Gleichzeitig war der Bodengleiter mit Rex Corda und John Haick von einer dichten Traube Flugechsen eingeschlossen. Ko-Mont warf die Schmelzbirne weg. Er wischte seine Finger an seiner Kombination ab und versuchte, beiden Aufgaben gleichzeitig gerecht zu werden. Das wichtigste Problem war jetzt Rex Corda. Mit fliegender Hast aktivierte Ko-
Mont die besten seiner Spezialwaffen, die innerhalb der „Walter Beckett" eingebaut worden waren. Ko-Mont ließ den Schutzschirm zusammenbrechen. Er mußte es tun, damit seine Waffen voll in Aktion treten konnten. Auf den Bildschirmen beobachtete er, wie die Lebewesen und Pflanzen des höllischen Planeten die plötzliche Auflösung der Energiewand registrierten und dann wie eine Flutwelle auf den Hantelraumer zurasten. Ko-Mont preßte die Lippen zusammen. Dagegen konnte er jetzt nichts unternehmen. Er vertraute darauf, daß die Hülle des Hantelraumers stark genug war, um den ersten Anprall auszuhalten. Selbst wenn ein paar Landebeine bei diesem Angriff einknickten, mußte Ko-Mont dieses Risiko in Kauf nehmen. Er riß eine Schutzhaube von einer Computerwand. Die Finger seiner großen Hand rasten über die Kontrollknöpfe. In diesem Augenblick erwies sich, daß die „Walter Beckett" ein Arsenal der besten laktonischen Waffen war. Aus verborgen angebrachten Öffnungen jagte Ko-Mont sechzig UltraVakuum-Raketen auf die Traube der Flugechsen zu. Gleichzeitig setzte er einen riesigen Zerostrahler in Betrieb. Der Strahler schleuderte in Sekundenbruchteilen Hunderte von Kilometern von gesponnener E-Leiter-Paste zwischen die Traube aus Flugechsen und das total zerstörte laktonische Wrack. Ko-Mont setzte die Zerostrahler ein, weil nur sie in der Lage waren, so viel E-Leiter-Gespinst zu produzieren, daß der unerwartete Angriff aus dem Wrack Rex Corda nicht vernichtete. In das Gespinst waren in regelmäßigen Abständen starke Miniaturkondensatoren eingewebt, die die aufgefangene Energie speicherten und unwirksam machten.
Jeder Zerostrahler war gleichzeitig ein kleines Chemiewerk und eine Energiezapfstation. Die Ultra-Vakuum-Raketen erreichten die Traube der Flugechsen. Auf den Holografen beobachtete Ko-Mont gespannt das Ergebnis. Ursprünglich waren die Uvaks gegen die Orathonen entwickelt worden. Sie besaßen einen elektronischen Spürkopf, der auf ganz bestimmte Spektralfarben ansprach. Es war ein Vorteil für Ko-Mont, daß die Flugechsen an der Oberseite ihrer lederartigen Schwingen die gleiche Farbe hatten wie die grünhäutigen Orathonen. Die Uvaks orteten ihr Ziel und bohrten sich dann mit dumpfen Knallgeräuschen in die Flugschwingen der Echsen. Im gleichen Augenblick riß das ultrahohe Vakuum große Fetzen aus den lederartigen Flughäuten. Die Traube der Echsen löste sich in wilder Verwirrung auf. Da merkte Ko-Mont, daß er nicht gut genug gewesen war. In der Hast hatte er nur an die Rettung von Rex Corda gedacht. Patricia Murray war mit traumwandlerischer Sicherheit bis in die Kommandozentrale der „Walter Beckett" vorgedrungen. Mit einem seltsamen Glanz in den Augen eilte sie auf die Kontrollpulte zu. Hastig blickte Ko-Mont sich um. Er mußte dieses Mädchen von den Kontrollen zurückhalten. Verzweifelt stellte Ko-Mont fest, daß sich nicht eine einzige seiner Hilfsmaschinen in der Nähe der Kommandozentrale befand. Mit einem irren Lachen beugte sich die Chemotechnikerin über die farbigen Skalen und Kontrollplatten. Ein eisiger Schauer lief über den Rücken des Zeitspähers. Er hatte nichts, womit er sie aufhalten konnte. *
Fassungslos starrte Tau Danak auf das seidig schimmernde Gespinst, das plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht war. Wirkungslos prallten die Geschosse und Thermostrahlen von diesem Gespinst ab. Tau Danak öffnete den Mund zu einem Entsetzensschrei. Jetzt war er sicher, daß die Orathonen innerhalb des Hantelraumers gemerkt hatten, daß sich noch Laktonen im Wrack befanden. Tau Danak kannte die neue Waffe der vermeintlichen Orathonen nicht. Er sah nur, daß sie nichts hatten, was das Gespinst durchdringen konnte. Gleichzeitig entdeckte er, daß die Traube aus Flugechsen sich in einem wirren Durcheinander auflöste. Dann sah er den Bodengleiter. Wie vom Schlag getroffen, stand Tau Danak in einer Säurepfütze. Seine Arme fielen herab. Er stöhnte gequält auf. Das durfte nicht wahr sein! Der Bodengleiter, schwankte kurz, dann kam er mit gesteigerter Geschwindigkeit direkt auf das Wrack zu. Schon von weitem sah Tau Danak, daß keine Orathonen hinter den Steuergeräten saßen. Ein grauenhafter Gedanke durchzuckte ihn. Er hatte die letzte Entwicklung auf Terra nicht miterlebt. Jetzt war er der festen Überzeugung, daß es den grünhäutigen Orathonen gelungen sein mußte, die Menschen von Terra zu ihrer intelligentesten Hilfsrasse zu machen. Tau Danak fühlte plötzlich eine tiefe Resignation in sich. Es ging nicht mehr um ihn und die anderen Laktonen innerhalb des Wracks. Wenn es den Orathonen tatsächlich gelungen war, die Terraner zu beherrschen, hieß das gleichzeitig, daß Lakton den Kampf um die Erde verloren hatte ... *
Im Augenblick höchster Gefahr war plötzlich und unerwartet etwas geschehen, was Rex Corda sofort dem unbekannten Helfer zuschrieb. Er sah, wie die Flugechsen nach allen Seiten auseinanderstoben, und zweifelte nicht daran, daß X eingegriffen hatte. Noch während er den Bodengleiter in seiner Fluglage stabilisierte, sah er die ausgezackten Fetzen, die durch kleine raketenartige Geschosse aus den Flughäuten der Echsen gerissen wurden. Zehn Sekunden nach der unerwarteten Wendung befand sich in der näheren Umgebung des Bodengleiters nicht eine einzige Flugechse mehr. Alle waren von der unbekannten Waffe ihrer Flugschwingen beraubt und zu Boden geschleudert worden. Fassungslos starrte John Haick auf die abgestürzten Echsen, die mit gellenden Schreien zwischen den Baumwipfeln verschwanden. Doch da kam eine neue Gefahr auf sie zu! Direkt vor dem Wrack formierten sich plötzlich mehrere Hundert Kakteen zu einem dichten Ring. Sie schleuderten ihren Samen gegen den Bodengleiter. Das prasselnde Geräusch zerrte an den Nerven der beiden Terraner. Rex Corda biß die Lippen zusammen. Im gleichen Augenblick fielen sämtliche Raanas über die Kakteen her. Das organische Zusammenleben des Höllenplaneten brach zusammen. Jetzt kämpfte jeder gegen jeden. Die Raanas schlugen mit ihren beiden vorderen Flossen gegen die Samenmagazine der Kakteen. Der ausgeschleuderte Pfeilsamen war plötzlich elektrisch aufgeladen. Rex Corda merkte sofort, welche Wirkung das hatte. Der Bodengleiter wurde in blauschimmernde Flammen eingehüllt. Wieder versagten die Kontrollinstrumente ihren Dienst. Aber diesmal konnte Rex Corda wenigstens
etwas sehen. Er stieß steil nach unten, während John Haick faustgroße thermonukleare Granaten aus dem Gleiter warf. Hinter dem Bodengleiter entstand eine radioaktive, weißglühende Spur der Vernichtung. Die wandernden Kakteen stellten den Beschuß des Bodengleiters ein. Sie ergriffen die Flucht. Corda kurvte um das Wrack herum. Immer wieder tauchten in dem Dickicht des Dschungels brüllende Untiere auf. Er hatte keine Zeit, sie alle genauer anzusehen. „Da!" schrie er plötzlich und riß die rechte Hand vor. „Laktonen im Wrack!" John Haick stieß ein Freudengeheul aus. Das war mehr, als sie hatten erwarten können. Die Laktonen lebten. „Zehn! Zwanzig ... Rex!" „Ich sehe es", keuchte Rex Corda und ging tiefer. Seine Stimme klang belegt. Erneut flammte die Hoffnung in ihm auf. Er wagte nicht, an seine Geschwister zu denken. Trotzdem spürte er, daß sein Puls schlagartig schneller geworden war. Die Landung des Bodengleiters auf dem Oberteil des noch vorhandenen Wracks war hart und schmerzhaft für die beiden Männer. Sie kümmerten sich nicht darum. Viel wichtiger war es, so schnell wie möglich mit den Laktonen Kontakt aufzunehmen. Obwohl John Haick blitzschnell die Einstiegluken des Gleiters öffnete, war Rex Corda schneller. Er sprang nach draußen, rutschte auf einer schmierigen Verstrebung aus und jagte schräg zwei Stockwerke tiefer. Noch im Fallen sah er, daß ein halbes Dutzend Laktonen ihm entgegenstürzte. „Rex!" schrie John Haick über ihm. Dann prallte Rex Corda gegen die Laktonen. Sie fingen ihn auf und hoben ihn hoch. Säure spritzte gegen seine Haut.
Aber er war unverletzt. Jetzt sah er, warum die Laktonen Raumanzüge angelegt hatten. Überall stieg ätzender, stinkender Qualm auf. Die Pflanzensäure zerfraß in tödlicher Geduld das abgestürzte Raumschiff. Einer der Laktonen öffnete seinen Helm. Er sprach Rex Corda an. Er stellte seine Fragen auf laktonisch. Rex Corda hatte von Ga-Venga inzwischen so viel gelernt, daß er dem Laktonen antworten konnte. „Ja", sagte er schnell, „ich bin Terraner." Die Laktonen blickten ihn verblüfft an. Sie hatten nicht damit gerechnet, daß ein Mensch von Terra ihre Sprache sprechen konnte. „Ich bin Rex Corda, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Repräsentant von Terra. Jener Hantelraumer dort drüben ist das Flaggschiff der Erde. Jakto Javan hat es uns als Ersatz für die uns zugefügten Schäden zugesprochen." Tau Danak lachte plötzlich auf. Es war ein hysterisches Lachen, das die Erleichterung darüber ausdrückte, daß er sich geirrt hatte. „Corda?" fragte er. „Haben Sie Geschwister?" Rex Corda nickte hastig. „Wo sind sie?" Tau Danak öffnete den Mund. Seine Antwort ging in einem donnerartigen Getöse unter. Die Männer fuhren herum. Mit schreckerstarrten Gesichtern blickten sie dorthin, wo vor wenigen Sekunden der Hantelraumer gestanden hatte. Mit irrsinnigen Kurven jagte das Flaggschiff der terranischen Flotte in den wieder klaren und wolkenlosen Himmel. Noch ehe es eine Höhe von einem Kilometer erreicht hatte, veränderte sich ruckartig der Kurs. Dann setzte der Antrieb aus, und gleichzeitig beschrieb das Schiff eine weite schlin-
gernde Kurve. Es stürzte auf das Wrack zu. Entsetzt schrien die Laktonen auf und stürzten nach allen Seiten auseinander. Jetzt war alles aus. Ko-Mont hatte keine andere Wahl. Dem Mädchen von Terra war es durch einen dummen Zufall gelungen, einen kurzen Antriebsschock in die Aggregate zu jagen. Der Hantelraumer jagte mit einem einzigen Satz nach oben. Aber sofort verstummten die fehlerhaft aktivierten Aggregate wieder. Steuerlos und mit nicht vorgewärmten Antriebsaggregaten fiel der Hantelraumer auf den Planeten zurück. KoMont wußte, daß er jetzt alles auf eine Karte setzen mußte, wenn er die „Walter Beckett" hoch retten wollte. Es gab nur eine einzige Möglichkeit. Ko-Mont war sich im klaren darüber, daß diese Möglichkeit Opfer forderte. Mit der rechten Hand hieb er auf den Mikrophonhebel für das Bordsprechnetz. „Sofort alles hinlegen und festhalten!" brüllte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Nur eine Person an Bord der „Walter Beckett" war nicht in der Lage, dem Befehl des Zeitspähers Folge zu leisten. Hoch aufgerichtet stand Patricia Murray in der Kontrollzentrale. Sie hatte das Interesse an den Kontrollpulten verloren. Langsam drehte sie sich um, um ihre Wanderung durch das Schiff fortzusetzen. Ko-Mont stand vor einem schweren Entschluß. Er zögerte nur eine zehntel Sekunde. Dann hatte er sich entschieden. Mit einer kurzen Handbewegung brachte er die Antigravitationsautomaten zum Schweigen. Er wußte, daß er es niemals schaffen konnte, die Antriebsaggregate des Hantelraumers rechtzeitig in Betrieb zu nehmen. Dazu waren sie zu dicht über der Oberfläche des Planeten. Die Zeit reichte nicht mehr
aus. Ko-Mont versuchte, allein durch die Steuerdüsen und durch die gleichzeitig nach unten abgefeuerten Thermostrahler einen minimalen Rückstoß zu erzielen. Der Hantelraumer hinterließ eine glühende und brodelnde Spur innerhalb des Dschungels auf der Oberfläche des Planeten. Mit rasender Geschwindigkeit näherte er sich dem Aufschlagpunkt. Die schwachen Korrekturdüsen schafften es nicht, gegen die Gravitation des Planeten anzukommen. Ko-Mont setzte alle Tricks ein, die ihm zur Verfügung standen. Nur eins konnte er nicht. Er konnte die Kontrollen des Antriebs nicht übernehmen, da es niemanden gab, der die zerbrochenen Kontrollhebel in der Kommandozentrale wieder in Null-Stellung brachte. Wahllos hatte Patricia Murray auf alles gedrückt, was ihr interessant erschienen war. Die gesamte Elektronik des Schiffes war durcheinandergeraten. Mit diesem Fall hatten weder Jakto Javan noch Ko-Mont rechnen können. Der Zeitspäher leitete die gesamte Energie der Antigravitationsautomaten in die unteren Hälften der beiden Hantelkugeln. Aus den Augenwinkeln beobachtete er das Mädchen, das unter Drogeneinfluß diese Situation verschuldet hatte. In allerletzter Sekunde gelang das waghalsige Manöver von Ko-Mont. Mit der linken Hand drehte er den Lautsprecher ab, der den Todesschrei des gegen die Deckenplatten der Kontrollzentrale geschleuderten Mädchens in die getarnte Kabine übertrug. Dann krachte der Hantelraumer durch die Wipfel der Baumriesen und sank nur vierhundert Meter vor dem laktonischen Wrack in den morastigen Boden ein. Ko-Monts Arme waren schwer, als er die Antigravitationsautomaten wieder
aktivierte. Langsam drehte er den Kopf und blickte auf den Holografen, der ihm das Innere der Kontrollzentrale zeigte. Er wußte, daß er das Mädchen von Terra mit diesem Manöver getötet hatte. * Aus verborgen angebrachten Schleusen des Hantelraumers kamen mit dröhnenden Maschinengeräuschen schwere Kampfmaschinen und amphibische Kampfpanzer gerollt. Gnadenlos machten sie alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Das Zischen der Thermostrahler bahnte einen Weg durch den Dschungel. Fassungslos starrte Rex Corda zusammen mit den Laktonen innerhalb des Wracks auf das, was sich vor seinen Augen abspielte. Während kreisrunde Flugmaschinen von nur einem Meter Durchmesser den Himmel über dem Aktionsraum säuberten, brachen die gepanzerten Kampfmaschinen immer weiter durch den Dschungel. Sie kämpften sich ohne Rücksicht bis zum Wrack vor. Waffen, von denen auch die Laktonen nie etwas geahnt hatten, kamen zum Einsatz. Dann stoppten sechs gepanzerte Transportfahrzeuge direkt vor dem Wrack. Vollautomatisch öffneten sich die Luken. Die laktonischen Offiziere und Raumsoldaten brauchten keine besondere Aufforderung. Sie stürmten die Transportfahrzeuge, während ein Teil von ihnen zwischen den gepanzerten Wagtri auf der verbrannten Schneise zum Hantelraumer lief. Rex Corda sprach immer wieder Laktonen an und fragte sie nach seinen Geschwistern. Dadurch, daß die Laktonen Raumhelme aufhatten, konnten sie ihn nicht verstehen. John Haick trat neben ihn. Wenige Minuten später verdunkelte
sich der Himmel. Eine neue Sturmfront zog auf. Der Höllenplanet bereitete einen neuen Angriff vor. Fast alle Laktonen hatten bereits den Hantelraumer erreicht. Nur Tau Danak beobachtete von den letzten Verstrebungen des zerfressenen Wracks aus die gigantische Rettungsaktion. Während an den Rändern der Schneise pausenlos Kampfroboter im Einsatz gegen die Bestien des fünften Planeten waren, transportierten die vollautomatischen Fahrzeuge die geretteten Laktonen zur „Walter Beckett". Tau Danak hatte seinen Raumhelm abgenommen. Er blickte nach oben. Wieder hatte der Himmel über dem Höllenplaneten seine blutrote Farbe angenommen. „Der Sturm kommt gleich", sagte der laktonische Offizier. „Wo sind meine Geschwister?" bohrte Rex Corda und hielt den Laktonen am Ärmel fest. Tau Danak schüttelte Cordas Hand ab. Er blickte ihm direkt in die Augen. „Nicht auf diesem Planeten", sagte er. „Unser Schiff brach noch im Raum auseinander. Das, was Sie hier sehen, ist die eine Hälfte. Die andere Hälfte, in der sich die Gefangenen von Terra befanden, stürzte auf den sechsten Planeten zu." Ein gequälter Ton entrang sich Rex Cordas Brust. Er spürte nicht, wie John Haick den Arm um seine Schultern legte. Da gelang es einer Flugechse, bis zum Wrack durchzubrechen. Mit einem gellenden Schrei stieß sie auf die drei Männer zu. Rhamphor leitete einen neuen Angriff ein. Der Morro-Parasit auf seinem Rücken ließ ein Ei fallen. Zwei Meter vor Rex Corda sauste es
vorbei. Es fiel direkt in die geöffnete Schleuse des wartenden letzten Transportpanzers. Sekunden später wurden die drei Männer zurückgeschleudert. Mit einer grellen Detonation explodierte das Fahrzeug. Rhamphor und die MorroParasiten hatten während des Kampfes gelernt, welche Stellen sie angreifen mußten. Die Flugechse kam mit knarrenden Flügeln auf sie zu. Da löste sich von der „Walter Beckett" eine Uvak-Rakete, die so schnell war, daß Rex Corda nur ein kurzes Aufblitzen sah. Das Ultra-Vakuum-Geschoß knallte fünf Meter vor den Männern gegen die Flughäute von Rhamphor. Ein großer lederartiger Fetzen wurde aus den Flügeln gerissen und klatschte Rex Corda vor die Füße. Dann stürzte Rhamphor mit einem gellenden Schrei in die lodernden Flammen des brennenden Transportpanzers. Rex Corda trat einen Schritt vor und nahm den lederartigen Hautfetzen auf. „Das hier ist ihr Planet", sagte er zu John Haick. „Wir haben hier nichts mehr zu suchen." „Rakna!" knurrte Tau Danak. „Die Hölle!" Rex Corda schüttelte den Kopf. „Für uns", sagte er und blickte den aufziehenden Sturmwolken entgegen. „Aber für die Bewohner dieses Planeten kann es ein Paradies sein, in das wir unbefugt eingedrungen sind." Er verharrte eine Sekunde bewegungslos, dann sagte er: „Komm, John, die andere Hälfte dieses Raumschiffes befindet sich auf dem nächsten Planeten. Die Bewohner dieser Welt können nicht ahnen, daß es ihn gibt. Sie haben eine doppelte Sonne, aber sie werden niemals die Sterne sehen."
ENDE
Der Flug durch die Erde Band 4 Die Orathonen sind in den für die Erde schicksalhaften Tagen des Juni 1992 einfach überall. Jetzt haben sie den Terra-Jet entdeckt. Sofort erkennen sie die Gefahr, die ihnen droht Mit aller Gewalt, unter Einsatz der raffiniertesten Kampfmittel und ohne Rücksicht auf Verluste versuchen sie, Rex Corda zu töten. Spezialkommandos werden gebildet. Sie haben nur einen Zweck: den Mann, der die Erde retten will, zu vernichten. Rex Cordas Gegner sind zu allem entschlossen, denn es geht auch um ihr Leben. Sigam Agelon, der Oberbefehlshaber der Orathonen, läßt jeden töten, der im Kampf gegen Rex Corda versagt. Zur gleichen Zeit, als sich Rex Corda mit seinen Getreuen zum Terra-Jet vorkämpft, treffen sich die Verantwortlichen der wichtigsten Staaten unserer Erde zu einer Geheimkonferenz. Gelingt es jetzt endlich, die Nationen zu einigen? Erwächst den Orathonen hier erstmals ein gefährlicher Gegner? Siegt angesichts des drohenden Feindes bei der Menschheit die Vernunft? Die Situation ist kritisch, angespannt und gefährlich. Und genau zu diesem Zeitpunkt beginnt eines der kühnsten und verwegensten Abenteuer, die Rex Corda in seinem todesmutigen Kampf zu bestehen hat, „Der Flug durch die Erde". Die Bomben des Verräters Band 5 Die gefiederten Orathonen plündern im schicksalhaften Sommer des Jahres 1992 die Erde, um sich die notwendigen Vorräte für die Entscheidungsschlacht mit den Laktonen zu verschaffen. Zentren der Plünderung sind die fünf gigantischen Transmitter, die wie riesenhafte Spinnen auf der Erde kauern und alles an sich reißen, was die Flotte benötigt. Noch nie war es den Laktonen oder einem anderen Volk möglich gewesen, einen Transmitter zu zerstören Dennoch, Rex Corda nimmt den Kampf auch dagegen auf. Mit dem Terra-Jet sucht er nach den Atombomben der Afrikaner. Die Bomben sind die einzige Waffe, die man gegen die Supertransmitter anwenden kann. Aber sie sind in den Händen des exzentrischen Herrschers über Afrika, in den Händen von Evariste Kalunde. Wird es Corda gelingen, die einzige Waffe, die die Erde noch hat, diesem verräterischen Tyrannen abzujagen? Wird er nicht auf seiner Suche nach den Bomben in eine der vielen Fallen laufen, die die Orathonen ihm gestellt haben? Cordas Todesurteil ist bereits gesprochen. Er weiß es, aber er hat trotzdem nur ein Ziel vor Augen: „Die Bomben des Verräters". Angriffsziel Transmitter Band 6 Die Erde wehrt sich mit aller Kraft gegen die Supertransmitter, die den Reichtum der Erde mit gigantischen Mitteln absaugen. Die Flotte der Featherheads, die die Erde an sich gerissen hat, bereitet sich fieberhaft auf die entscheidende Schlacht mit den Laktonen vor Jeden Augenblick kann die Flotte der Laktonen in das Sonnensystem einbrechen Die Featherheads haben keine Zeit zu verlieren. Deshalb plündern sie die Erde schonungslos und ohne Rücksicht auf die Lebensinteressen der Menschheit. Rex Corda hat sich mit den Laktonen verbündet, um das wirkungsvolle Versorgungssystem der Featherheads zu zerschlagen. Die Laktonen schleusten ein Fahrzeug auf die Erde das von aen Terranern den treffenden Namen Terra-Jet erhielt. Damit hat Rex Corda die Möq-lichkeit erhalten, die Supertransmitter an der einzig verwundbaren Stelle zu packen Rex Corda greift die Transmitter unterirdisch an. Er hat vier Atombomben aus dem besetzten Afrika herausholen können. Er will sie gegen die Supertransmitter einsetzen Werden diese Mittel aber ausreichen, um die Super-Festungen zu sprengen? Corda befürchtet, daß der größte Teil der Energien m den Schutzschirmen der Transmitter verpuffen könnte