Roland Berger Strategy Consultants – Academic Network Herausgeberrat Prof. Dr. Thomas Bieger, Universität St. Gallen Prof. Dr. Rolf Caspers, European Business School, Oestrich-Winkel Prof. Dr. Guido Eilenberger, Universität Rostock Prof. Dr. Dr. Werner Gocht, RWTH Aachen Prof. Dr. Karl-Werner Hansmann, Universität Hamburg Prof. Dr. Alfred Kötzle, Europa Universität Viadrina, Frankfurt/Oder Prof. Dr. Kurt Reding, Universität Gesamthochschule Kassel Prof. Dr. Dr. Karl-Ulrich Rudolph, Universität Witten-Herdecke Prof. Dr. Johannes Rüegg-Stürm, Universität St. Gallen Prof. Dr. Leo Schuster, Katholische Universität Eichstätt Prof. Dr. Klaus Spremann, Universität St. Gallen Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß, Otto-Friedrich-Universität Bamberg Dr. Burkhard Schwenker, Roland Berger Strategy Consultants
Weitere Publikationen des Academic Network T. Bieger · N. Bickhoff · R. Caspers D. zu Knyphausen-Aufseß · K. Reding (Hrsg.) Zukünftige Geschäftsmodelle XII, 279 Seiten. 2002. ISBN 3-540-42744-9 N. Bickhoff · C. Böhmer · G. Eilenberger K.-W. Hansmann · M. Niggemann · C. Ringle K. Spremann · G. Tjaden Mit Virtuellen Unternehmen zum Erfolg VI, 125 Seiten. 2003. ISBN 3-540-44246-4 G. Corbae · J. B. Jensen · D. Schneider Marketing 2.0 VI, 151 pages. 2003. ISBN 3-540-00285-5 R. Caspers · N. Bickhoff · T. Bieger (Hrsg.) Interorganisatorische Wissensnetzwerke XI, 353 Seiten. 2004. ISBN 3-540-20182-3 L. Schuster · A.W. Widmer (Hrsg.) Wege aus der Banken- und Börsenkrise X, 527 Seiten. 2004. ISBN 3-540-21106-3 N. Bickhoff · M. Blatz · G. Eilenberger S. Haghani · K.-J. Kraus (Hrsg.) Die Unternehmenskrise als Chance X, 440 Seiten. 2004. ISBN 3-540-21433-X K. Spremann (Hrsg.) Versicherungen im Umbruch IX, 543 Seiten. 2005. ISBN 3-540-22063-1 B. Schwenker · S. Bötzel Auf Wachstumskurs V, 147 Seiten. 2006. ISBN 3-540-26755-7
Michael Blatz Karl-J. Kraus Sascha Haghani Herausgeber
Gestärkt aus der Krise Unternehmensfinanzierung in und nach der Restrukturierung
Mit 64 Abbildungen und 2 Tabellen
123
Michael Blatz Karl-J. Kraus Roland Berger Strategy Consultants GmbH Alt Moabit 101b 10559 Berlin E-mail:
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[email protected] Dr. Sascha Haghani Roland Berger Strategy Consultants GmbH Karl-Arnold-Platz 1 40474 Düsseldorf E-mail:
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN-10 3-540-29416-3 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN-13 978-3-540-29416-0 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: Erich Kirchner Herstellung: Helmut Petri Druck: Strauss Offsetdruck SPIN 11569565
Gedruckt auf säurefreiem Papier – 42/3153 – 5 4 3 2 1 0
Vorwort Der technologische Fortschritt und die Globalisierung haben die Rahmenbedingungen und die Spielregeln für unternehmerisches Handeln gründlich verändert. Das Tempo in der modernen Hochleistungsökonomie hat angezogen, der Wettbewerb hat sich verschärft und findet nicht länger in einer nationalen oder innereuropäischen Arena statt, sondern auf internationaler Ebene. Um dabei mitzuhalten, müssen Unternehmen in der Lage sein, ihre Prozesse und Strukturen effizient zu gestalten und damit ihre Produktivität zu erhöhen; parallel dazu müssen sie aber durch die Entwicklung von Strategien und Geschäftsmodellen die Weichen für einen erfolgreichen Expansionskurs stellen. Vor diesem Hintergrund haben sich in den letzten Jahren auch die Gestaltung und Schwerpunktsetzung von Restrukturierungen gewandelt: Früher ging es vor allem um Maßnahmen zur Verbesserung des operativen Geschäfts – und hier in erster Linie um Cost Cutting. Eng verknüpft mit dieser operativen Restrukturierung ist die strategische Neuausrichtung eines Unternehmens. Inzwischen hat sich der Restrukturierungsansatz aber um eine finanzielle Dimension erweitert. Anders ausgedrückt: Der Restrukturierungsprozess – und dementsprechend die Anforderungen an seine Beteiligten wie Manager, Finanzpartner und Berater – hat sich erheblich weiterentwickelt: von reinen Kostensenkungsmaßnahmen (Stichwort: „gesundschrumpfen“) über die insolvenznahe Beratung (Planinsolvenzverfahren) hin zur wachstumsorientierten finanziellen Restrukturierung. Viele Unternehmen waren in der jüngsten Vergangenheit gezwungen, umfassende Restrukturierungsprogramme vorzunehmen. Sie haben sich dieser Aufgabe gestellt und konnten sowohl ihre Kostensituation als auch die Gestaltung ihrer Strukturen und Prozesse verbessern. Nachdem sie jedoch diese „operativen Hausaufgaben“ erledigt hatten, mussten nicht wenige Unternehmen feststellen, dass sie in einer Wachstumsfalle stecken: Die Adjustierung der Kosten ist nur eine notwendige Bedingung für den Erfolg eines Unternehmens, aber keine hinreichende: Um langfristig erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen ihre Umsätze durch strategische Neuausrichtungen steigern und damit einen profitablen Wachstumskurs einschlagen. Es bedarf also einer Parallelstrategie aus Restrukturierung und Wachstum. Jüngste Studien aus unserem Haus haben gezeigt, dass sich der Börsenwert von Unternehmen bei einem gleichzeitigen Fokus auf Kosten und Wachstum mehr als verdoppelt. Die Erkenntnis, dass es insgesamt der strategischen Herausforderungen und Strategien für mehr Wachstum und permanenter operativer Optimierung bedarf, hat sich in weniger gestützten Märkten früher durchgesetzt als hierzulande. Demzufolge ist die Konzentration auf Wachstum in den anderen europäischen Ländern deutlich stärker ausgeprägt als in Deutschland. Hier fehlen meist die finanziellen
VI
Mittel für die Umsetzung einer expansiven Unternehmensstrategie. Ein wesentlicher Grund dafür ist die in Deutschland – im Gegensatz zum europäischen Ausland – nach wie vor anzutreffende Dominanz „klassischer“ Formen der Unternehmensfinanzierung wie der Bankkredit. Dabei gibt es eine ganze Reihe von alternativen Finanzierungsinstrumenten, die im angloamerikanischen Wirtschaftsraum längst weit verbreitet sind. Dazu gehören zum Beispiel außerbörsliches Beteiligungskapital („Private Equity“) oder so genannte Mezzanine-Finanzierungen, die zwischen Eigen- und Fremdkapital angesiedelt sind (beispielsweise Genussrechte und Wandelsanleihen). Derzeit spielen diese Finanzierungsformen in Deutschland allerdings noch eine untergeordnete Rolle. Vor allem der Mittelstand zeigt sich bei der Nutzung dieser Optionen zurückhaltend und bevorzugt eher den klassischen Bankkredit. Dabei spricht vieles dafür, dass diejenigen Unternehmen erfolgreicher sind, die auf eine Kombination unterschiedlicher Finanzierungsarten setzen. Hinzu kommt, dass sich die Kreditpolitik der Banken deutlich verändert hat: Angesichts ihrer eigenen angespannten Ertragslage sowie der verschärften Eigenkapitalanforderungen durch Basel II sind die meisten Institute nicht bereit, ihr Kreditobligo zu erhöhen und fahren eine restriktive, risikoaverse Politik. Unter diesen Rahmenbedingungen sind Unternehmen gut beraten, ihre bisherigen Strategien der Wachstumsfinanzierung zu überdenken: Als Lösungsansatz bietet sich die finanzielle Restrukturierung in Form einer Rekapitalisierung an, das heißt eine Verbesserung der Passivseite und/oder die Finanzierung über Private-EquityGeber. Eine Neuordnung der Unternehmensfinanzierung ist gerade während und im Anschluss an eine Restrukturierung eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie zu meistern, setzt die genaue Kenntnis und die Beherrschung des Corporate-FinanceInstrumentariums voraus. Deshalb will das Competence Center Restructuring & Corporate Finance in dem vorliegenden Buch einen Überblick über die wichtigsten Aspekte bieten, die bei der finanziellen Restrukturierung zu beachten sind. Inhaltliche Grundlage des Buches sind die Erfahrung und das Wissen, die seit 1980 in mehr als 1.700 Restrukturierungsprojekten generiert wurden. Ein weiteres Anliegen des Buches ist, die veränderten Erfolgsfaktoren einer Restrukturierung aufzuzeigen. Dies erfolgt zum einen anhand der Darstellung unserer Erfahrungen aus zahlreichen Restrukturierungsprojekten und Zusammenfassungen aktueller Studien, die wir zu dieser Thematik durchgeführt und veröffentlicht haben. Zum anderen legen wir großen Wert auf Praxisorientierung: Anhand von anonymisierten Fallstudien wird geschildert, wie sich die neuen Ansätze zur Unternehmensfinanzierung konkret anwenden lassen. Das vorliegende Buch knüpft an unsere bereits veröffentlichten Werke zum Thema Restrukturierung an und versteht sich als deren inhaltliche Fortschreibung.1 Die Beiträge richten sich vor al-
1
Zum Beispiel „Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz“ von Buth, Andrea/Hermanns, Michael (Hrsg.) 1998, „Die Unternehmenskrise als Chance“ von Bickhoff, Nils/Blatz, Michael/Eilenberger, Guido/Haghani, Sascha/Kraus, Karl-J. (Hrsg.) 2004.
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lem an erfahrene Praktiker, die sich einen Überblick über aktuelle Entwicklungen zum Thema Rekapitalisierung von Unternehmen verschaffen wollen. Um diesen Anspruch einzulösen, ist das Buch in drei Teile gegliedert: −
Der erste Teil besteht aus fünf Beiträgen, die sich unter verschiedenen Gesichtspunkten mit der Entwicklung und den Erfolgsfaktoren von Restrukturierungsprozessen in Deutschland beschäftigen: Der einführende Artikel fasst in einer Bestandsaufnahme die Konzepte zur Bewältigung von Unternehmenskrisen zusammen und weist die Richtung, in die sich diese Ansätze weiterentwickeln müssen. Der anschließende Beitrag thematisiert die Restrukturierung unter den ökonomischen Rahmenbedingungen in Deutschland und arbeitet die Erfolgsrezepte einer Restrukturierung heraus. Im nachfolgenden Artikel wird der aktuelle Diskussionsstand zum Thema finanzielle Restrukturierung skizziert sowie das Konzept zur Rekapitalisierung vorgestellt. Der vierte Beitrag stellt die finanziellen Handlungsoptionen mittelständischer Unternehmen, den Inhalt eines Restrukturierungskonzeptes sowie Verhandlungsstrategien mit Finanzpartnern dar. Der letzte Beitrag zeigt veränderte Anforderungen an die Due Diligence aus der Perspektive möglicher Finanzinvestoren auf. Da traditionelle Kriterien zur Risikobeurteilung maßgeblich auf die Vergangenheit und den Status quo gerichtet sind, plädiert der Beitrag dafür, die Kriterien zur Beurteilung von Restrukturierungsunternehmen zu verändern.
−
Der zweite Teil hinterlegt die Bedeutung der finanziellen Restrukturierung durch die Ergebnisse aktueller Studien, die Roland Berger Strategy Consultants durchgeführt hat. In dem Roland Berger European Restructuring Survey werden Erfolgfaktoren und Trends der Restrukturierung in West- sowie in Mittel- und Osteuropa dargestellt. Die Studie basiert auf der Befragung von rund 2.600 Führungskräften, die im zweiten Halbjahr 2004 und 2005 erfolgte. Sie ist bereits die dritte Roland-Berger-Studie zu dieser Thematik und zeigt Veränderungen der Restrukturierungsgewohnheiten über die Jahre auf. Der Beitrag stellt die wesentlichen Ergebnisse dieses Survey vor. Deutschland wird dabei mit den anderen europäischen Ländern vor allem in Bezug auf die folgenden Fragestellungen verglichen: Krisenreaktionszeit, Erfolgsfaktoren der Restrukturierung, Methoden des Personalabbaus, Frühwarnsysteme, Finanzierung und Restrukturierung als Daueraufgabe. Der Artikel über die Studie zum Thema „Distressed Debt“ stellt aus Sicht der Banken den aktuellen Stand sowie zukünftige Trends zu dieser Thematik dar. Die Studie basiert auf den Ergebnissen einer Befragung von 60 deutschen Banken im Jahr 2005, dabei stehen folgende Aspekte im Mittelpunkt: allgemeine Angaben zum Thema Distressed Debt, aktueller Status des Marktes für Distressed Debt in Deutschland, Rahmenbedingungen des deutschen Distressed-DebtMarktes und operative Durchführung bzw. Kosten der Transaktion.
VIII
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Im dritten Teil wird die praktische Umsetzung der finanziellen Restrukturierung anhand von fünf Beispielen vorgestellt. Die – nach dem Wunsch der betroffenen Geschäftsführer/Vorstände anonymisierten – Fallstudien umfassen ein breites Branchenspektrum: Vertreten sind ein Hersteller von SpezialPharmazeutika und Diagnoseprodukten, ein Produktionsverbindungshändler für Beschläge und Beschlagssysteme, ein Vertriebs- und Serviceunternehmen für Output Solutions (Kopieren, Drucken, Faxen, Archivieren) und Präsentationstechnologie, eine Montage-/Vertriebsgesellschaft von Windkraftanlagen mit Projektentwicklung und Service sowie ein Unternehmen aus dem Bereich Kunststoff- und Möbelfunktionstechnik. Die Fallstudien folgen dem Prinzip, dass zunächst jeweils die Ausgangssituation zu Beginn der Restrukturierung beschrieben wird. Anschließend werden dann die Erfahrungen zur Übertragbarkeit und Anwendbarkeit finanzieller Restrukturierung und damit des Rekapitalisierungsansatzes diskutiert.
Als Herausgeber wünschen wir uns, dass dieses Buch einen konstruktiven Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Veränderungsprozesse in den Bereichen Restrukturierung und Rekapitalisierung sowie deren Schnittmenge leistet. In diesem Sinn freuen wir uns, wenn unsere Artikel der Zielgruppe der erfahrenen Praktiker als Nachschlagewerk und Ideengeber dienen. Michael Blatz Sascha Haghani Karl-J. Kraus Berlin, Düsseldorf September 2005
INHALTSVERZEICHNIS 1. TEIL: ERFOLGSFAKTOREN DER RESTRUKTURIERUNG IN DEUTSCHLAND – NEUE HERAUSFORDERUNGEN AN DIE UNTERNEHMENSFINANZIERUNG ................................................ 1 Innovative Konzepte zur Krisenbewältigung – eine aktuelle Bestandsaufnahme ......................................................................... 3 MICHAEL BLATZ, SASCHA HAGHANI 1
Einführung ...................................................................................................... 3
2
Der „klassische“ RBSC-Restrukturierungsansatz........................................... 6
3
Innovative Wege aus der Krise....................................................................... 8
4
Fazit: schnell konsolidieren, schnell wieder wachsen .................................. 18
Unternehmenssanierung in Deutschland – die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt, doch Restrukturierungen bieten klare Chancen ........................ 23 BERND BRUNKE, BJÖRN WALDOW 1
Ökonomische Situation in Deutschland........................................................ 23
2
Erfolgsfaktoren in der Restrukturierung ....................................................... 26
3
Fazit und Ausblick........................................................................................ 30
Rekapitalisierung – neue Wege der Unternehmensfinanzierung .................. 31 SASCHA HAGHANI, MAIK PIEHLER 1
Die Neuordnung der Finanzen als dritte Dimension der Restrukturierung... 31
2
Alternative Finanzierungsoptionen als Konkurrenz für das klassische Darlehen .......................................................................... 32
3
Ein Konzept als Basis für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum................. 34
4
Fazit und Ausblick........................................................................................ 36
Aus der Krise zur Wertsteigerung: Wie Unternehmen in der Restrukturierung hohe Renditen erreichen können............................. 37 KARSTEN LAFRENZ 1
Krisenunternehmen müssen hohe Renditerwartungen erfüllen ................... 37
2
Die Restrukturierung von Krisenunternehmen ............................................. 39
X
3
Den Wert des Unternehmens steigern – auch und gerade in der Restrukturierung ...................................................... 43
4
Fazit: Restrukturierungen haben ein großes Wertsteigerungspotenzial – man muss es nur realisieren .......................................................................... 46
Finanzielle Restrukturierung mittelständischer Unternehmen...................... 49 ROBERT SIMON 1
Gestörte Vertrauensbasis zwischen Banken und Unternehmen................... 49
2
Handlungsoptionen der involvierten Banken................................................ 50
3
Handlungsoptionen des Krisenunternehmens............................................... 52
4
Anforderungen an ein überzeugendes Restrukturierungskonzept................. 54
5
Vereinbarungen mit den Finanzpartnern ...................................................... 55
Veränderte Anforderungen an die Due Diligence............................................ 59 NILS VON KUHLWEIN 1
Due Diligence im Wandel der Zeit ............................................................... 59
2
Die Arten der Due Diligence ........................................................................ 59
3
Besonderheiten in der Restrukturierung und Insolvenz ................................ 64
4
Neue Trends im Due-Diligence-Prozess....................................................... 66
2. TEIL: ERGEBNISSE AKTUELLER STUDIEN VON ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS............................ 69 Deutsch-europäischer Restrukturierungs-Survey 2004/05 – Ergebnisse und Handlungsempfehlungen ........................................................ 71 MAX FALCKENBERG, IVO-KAI KUHNT 1
Ergebnisse der Umfrage ............................................................................... 71
2
Zusammenfassung der Studienergebnisse und Handlungsempfehlungen..... 81
Distressed Debt in Deutschland aus Sicht der Banken.................................... 83 NILS VON KUHLWEIN, MICHAEL RICHTHAMMER 1
Einleitung ..................................................................................................... 83
2
Wesentliche Ergebnisse der Studie............................................................... 84
3
Fazit und Ausblick........................................................................................ 97
XI
3. TEIL: DIE FINANZIELLE RESTRUKTURIERUNG IN DER PRAXIS – FALLBEISPIELE ............................................................. 99 Finanzielle Restrukturierung eines Pharmaunternehmens ...........................101 KARL-J. KRAUS, RALF MOLDENHAUER 1
Das Unternehmen ........................................................................................101
2
Bestandteile des Restrukturierungskonzeptes..............................................103
3
Finanzielle Restrukturierung........................................................................105
Sanierung und Kapitalmarkt – Wachstumsfinanzierung sichert die Restrukturierung ab....................................................................................113 SASCHA HAGHANI, MAIK PIEHLER 1
Einleitung ....................................................................................................113
2
Ausgangssituation........................................................................................113
3
Die Restrukturierung ...................................................................................116
4
Fazit und Ausblick.......................................................................................127
Restrukturierung und Rekapitalisierung des HD Co.-Konzerns ..................129 MICHAEL BLATZ, CHRISTIAN PAUL, JULIAN ZU PUTLITZ 1
Einleitung ....................................................................................................129
2
Ausgangssituation zu Beginn der Restrukturierung.....................................130
3
Das Restrukturierungskonzept im Überblick...............................................133
4
Erfahrungen zur Übertragbarkeit und Anwendbarkeit des Rekapitalisierungsansatzes...........................................141
Rückkehr auf den Wachstumspfad – die Restrukturierung und Rekapitalisierung der Wind AG..........................143 UWE JOHNEN, JÜRGEN SCHÄFER 1
Einleitung ....................................................................................................143
2
Die Situation zu Beginn der Restrukturierung.............................................143
3
Das Restrukturierungskonzept im Überblick...............................................146
4
Übertragbare Erfahrungen zur Anwendbarkeit des Rekapitalisierungsansatzes ....................................................................151
XII
Einsatz von Desinvestitionen bei der Restrukturierung der KML-Gruppe ..............................................................................................155 GERD SIEVERS 1
Einleitung ....................................................................................................155
2
Unternehmensprofil und Entwicklung bis zur Krise....................................156
3
Die Krise und das Sanierungskonzept .........................................................158
4
Vorgehen bei der Selektion von Desinvestitionsobjekten ..........................161
5
Erkenntnisse und Ansätze eines allgemeinen Modells ................................168
AUTORENVERZEICHNIS .............................................................................173
1. Teil: Erfolgsfaktoren der Restrukturierung in Deutschland – neue Herausforderungen an die Unternehmensfinanzierung
Innovative Konzepte zur Krisenbewältigung – eine aktuelle Bestandsaufnahme Michael Blatz, Sascha Haghani
1
Einführung
Ob Mittelständler oder Konzern, ob mit oder ohne bekannten Firmennamen – existenzbedrohende Krisen können Unternehmen jeder Branche und Größenklasse treffen. In den Schlagzeilen der Wirtschaftspresse fanden sich in den Jahren 2004/2005 eine ganze Reihe prominenter Krisenkandidaten wieder, darunter KarstadtQuelle, Agfa Photo oder Salamander. Während sich das Interesse der Öffentlichkeit auf solche spektakulären Fälle konzentriert, kämpfen zeitgleich eine Vielzahl von Unternehmen „in aller Stille“ ihr letztes Gefecht ums Überleben. Zwar war in Deutschland im ersten Halbjahr 2005 erstmals seit 1999 ein leichter Rückgang der Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen, aber die absoluten Zahlen zeichnen dennoch ein deprimierendes Bild: Fast 40.000 Unternehmen – so die Schätzungen von Creditreform – werden 2005 Insolvenz anmelden müssen. Dabei stellen die Insolvenzanträge lediglich die „Spitze des Eisbergs“ dar; diese Zahl steht nämlich nur für diejenigen Unternehmen, deren Fortbestand akut durch Zahlungsunfähigkeit bedroht ist. Weit mehr Unternehmen schlagen sich hingegen mit strategischen, Ergebnis- oder Liquiditätsproblemen herum und sind damit latent von einer Insolvenz bedroht. Ihre Anzahl wird auf circa 270.000 geschätzt. Der Insolvenzantrag markiert nur die letzte Etappe auf dem Weg in den Niedergang. Die Insolvenz kommt nicht über Nacht, sondern hat in der Regel einen langen Vorlauf: Ehe ein Unternehmen den Gang zum Amtsgericht antreten muss, hat es meistens bereits drei aufeinander folgende Krisenphasen durchlaufen. Am Anfang des typischen Krisenverlaufs steht die strategische Krise. Sie zeigt sich dadurch, dass langfristig angelegte Erfolgspotenziale gestört und strategische Ziele verfehlt werden. Die Wettbewerbsposition des Unternehmens am Markt verschlechtert sich. Wenn es nicht gelingt, diesen Fehlkurs zu korrigieren, folgt früher oder später das Stadium der Ergebniskrise:1 Gewinn- und Rentabilitätsziele werden verfehlt. Das Unternehmen erleidet Periodenverluste, die das Eigenkapital angreifen oder gar so weit aufzehren, dass das Risiko einer Überschuldung droht. Leider zeigt die Praxis, dass es immer wieder Fälle gibt, in denen das Management selbst in der zugespitzten Situation einer Ergebniskrise mit einer Vogel-
1
Als Synonyme werden auch die Bezeichnungen Erfolgs- oder Ertragskrise verwendet.
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Strauß-Politik reagiert und keine Gegenmaßnahmen ergreift. Das Unternehmen gerät dann fast unweigerlich in eine Liquiditätskrise, die sich entweder in drohender oder akuter Zahlungsunfähigkeit äußert. Aber nicht immer hält sich die Wirklichkeit an die skizzierte „klassische“ Entstehungsfolge von Unternehmenskrisen: Manchmal werden einzelne Phasen übersprungen. Dies war zum Beispiel bei der Metallgesellschaft AG der Fall, die 1994 durch finanzwirtschaftliche Fehldispositionen mit Derivaten direkt in eine Liquiditätskrise abgerutscht ist.2 Kleinere Unternehmen sind auf Grund ihrer üblicherweise dünnen Eigenkapitaldecke besonders gefährdet, direkt in eine Liquiditätskrise/Insolvenz zu geraten, etwa durch einen großen Forderungsausfall. Je früher eine drohende Krise erkannt und ihr entgegengewirkt wird, desto größer sind die zur Verfügung stehenden Handlungsspielräume und desto höher sind die Erfolgsaussichten der eingeleiteten Gegenmaßnahmen. Mit anderen Worten: Je früher die Diagnose, desto besser stehen die Chancen einer Therapie – diese Erfahrung bestätigt sich bei Restrukturierungsfällen immer wieder und dürfte wohl unstrittig sein. Das Problem liegt jedoch darin, dass sich Krisen eher schleichend und oft unbemerkt von den betroffenen Unternehmen entwickeln. Je früher das Krisenstadium, desto schwächer die Ausprägung der Symptome. Um strategische Krisen zu erkennen, bedarf es auf Seiten des Managements eine hohe Sensibilität für „schwache Signale“, zum Beispiel ein unausgewogenes Produkt-/Unternehmensportfolio, falsche Investitionsentscheidungen, Veränderungen im Nachfrageverhalten etc. Häufig spürt die Unternehmensführung in der strategischen Krise noch keinen hohen „Leidensdruck“, da im operativen Geschäft meistens noch positive Ergebnisse erwirtschaftet werden. Dagegen sind in der Phase der Ergebniskrise und erst recht bei Vorliegen einer Liquiditätskrise die Krisensignale in der Regel so deutlich, dass sie nicht länger zu ignorieren sind. Allerdings ist in diesen Spätstadien der Krise der Handlungsspielraum bereits stark eingeschränkt, während umgekehrt Handlungsdruck und Aufgabenkomplexität im Krisenverlauf zunehmen. Die dargestellten Zusammenhänge zeigen deutlich, wie wichtig es ist, Krisenindikatoren frühzeitig zu identifizieren. Roland Berger Strategy Consultants hat deshalb zwei wirkungsvolle Instrumente zur Krisenfrüherkennung entwickelt, den „ganzheitlichen Ansatz zur Krisenfrüherkennung“ und das „Branchentracking“: •
Die Schwachstelle der herkömmlichen, statistisch/quantitativ orientierten Methoden zur Krisenfrüherkennung liegt darin, dass sie sich vor allem auf Zahlenmaterial des Unternehmens stützen, das teilweise unsicher, gelegentlich geschönt und stets retrospektiv ist. Die Entwicklung von Markt und Umfeld des betreffenden Unternehmens bleibt jedoch außen vor. Ein ganzheitlicher Ansatz der Früherkennung erfordert aber, dass ein Unternehmen im Markt- und Branchenkontext analysiert wird. Nur so lassen sich die exoge-
2
Vgl. ausführlich und zu den Hintergründen Goller (2000), S. 137 ff.
5
nen und endogenen Einflüsse – und deren Zusammenwirken – auf die Entwicklung des Unternehmens erfassen. Genau diesem Anspruch wird der von Roland Berger Strategy Consultants (RBSC) entwickelte ganzheitliche Ansatz zur Krisenfrüherkennung gerecht. Er entstand unter Zuhilfenahme von 70 Fallstudien, die in einem mehrstufigen Auswahlprozess aus über 1.500 Restrukturierungsprojekten ermittelt wurden. Der Ansatz zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er ein in sich geschlossenes Diagnose- und Maßnahmensystem zur Früherkennung darstellt, indem quantitative und qualitative Methoden kombiniert werden. Mit seinem Instrumentarium können Unternehmen erkennen, ob sie sich bereits in einer strategischen Krise befinden: In einem ersten Schritt wird festgestellt, welcher Krisenursachentyp (zum Beispiel Konfiguration der Wertschöpfung, rapides Wachstum, Technologieund Modezyklen) für eine mögliche strategische Unternehmenskrise verantwortlich ist. Dazu wird das Unternehmen einem bestimmten Cluster zugeordnet. Im zweiten Schritt können dann mit standardisierten Fragen und mit Hilfe von Analyseinstrumenten (zum Beispiel SWOT-Analyse, Struktur-/ Prozessanalyse) Existenz und Ausmaß der Krise diagnostiziert und erste Ansätze zu ihrer Behebung eingeleitet werden. •
Bei dem zweiten Instrument handelt es sich um ein „Branchentracking“: Die Entwicklung von 14 Branchen bzw. mehr als 1.000 potenziellen Krisen- und anderen Unternehmen im deutschsprachigen Raum mit einem Umsatz von mindestens 100 Mio. EUR wird kontinuierlich über einen längeren Zeitraum verfolgt und einander gegenübergestellt. Dabei werden die Unternehmen nach festgelegten Kriterien den jeweiligen Stadien des oben genannten Krisenverlaufs zugeordnet. Im Ergebnis wird eine „Krisenuhr“ abgebildet, die die jeweilige Branche in verschiedene Stadien einteilt.
Gefahr erkannt- Gefahr gebannt!? – Diese einfache Formel gilt im Fall von Unternehmenskrisen leider nicht. Die Krise in einem frühen Stadium zu erkennen, ist keine Garantie für eine erfolgreiche Restrukturierung, sondern erhöht lediglich die Chancen. Die Überwindung einer Unternehmenskrise oder gar das Abwenden einer drohenden Insolvenz zählen zu den schwierigsten Herausforderungen für das Managements eines Unternehmens. Es gibt kein Patentrezept mit 100-prozentiger Erfolgsgarantie, um ein angeschlagenes Unternehmen zu revitalisieren und wieder dauerhaft in die Gewinnzone zu führen. Jeder Restrukturierungsfall ist anders gelagert, jedes Unternehmen hat seine Eigenheiten und jeder Stakeholder verfolgt in unterschiedlichen Situationen andere Interessen. Obwohl die Heterogenität und Komplexität der Einzelfälle keine Standardlösungen erlauben, lassen sich dennoch Grundregeln für die Erstellung, die Struktur und die Inhalte von Restrukturierungskonzepten ableiten. Die Chancen für einen erfolgreichen Turnaround werden durch das Einhalten dieser Grundregeln erheblich erhöht. Sie sind in dem ganzheitlichen Roland-Berger-Ansatz zur Restrukturierung von Krisenunternehmen zusammengefasst, auf den wir im folgenden Abschnitt ausführlich eingehen.
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Die bereits angesprochene Einzigartigkeit jeder Unternehmenskrise und die individuell völlig unterschiedlichen Rahmenbedingungen für eine Restrukturierung haben in der Vergangenheit zwangsläufig dazu geführt, dass sich der RBSC-Restrukturierungsansatz kontinuierlich weiterentwickelt hat: Neben der „klassischen“ Vorgehensweise haben wir immer wieder neue Wege zur Krisenbewältigung beschritten. Im Rahmen von zehn Dissertationen und Forschungsvorhaben wurden diese innovativen Wege von einem akademischen Standpunkt aus reflektiert.3 Diese Erkenntnisse bilden heute eine wichtige Grundlage für die tägliche praktische Arbeit bei unseren Kunden vor Ort. In Abschnitt 3 dieses Beitrags werden wir insbesondere einige dieser innovativen Ansätze zur finanziellen Restrukturierung von Krisenunternehmen kurz vorstellen. Diese Schwerpunktsetzung ist dadurch motiviert, dass die Rekapitalisierung von Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnt: Unternehmen, die nach einer erfolgreichen Sanierung auf den Wachstumspfad zurückkehren wollen und dafür das entsprechende Potenzial mitbringen, scheitern nicht selten an der unzureichenden Kapitalausstattung. Diese Wachstumsbremse muss durch eine Neuordnung der Unternehmensfinanzierung gelöst werden.
2
Der „klassische“ RBSC-Restrukturierungsansatz
In der Literatur wird eine Fülle unterschiedlicher Phasenmodelle zur Beschreibung des Restrukturierungsprozesses diskutiert.4 Trotz ihrer Vielzahl sind sich die Phasenmodelle im Kern jedoch sehr ähnlich. Primäre Ziele des Restrukturierungsmanagements sind stets, das kurzfristige Überleben des Unternehmens sicherzustellen und die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig wiederzuerlangen. Aus der Erfahrung von über 1.500 Restrukturierungsprojekten und in Anlehnung an die bisherigen Ausführungen hat Roland Berger Strategy Consultants einen Ansatz zur Überwindung von Unternehmenskrisen entwickelt, der dieser Zielsetzung Rechnung trägt. Dieser Restrukturierungsansatz verbindet standardisierte Elemente mit maßgeschneiderten Lösungen, um auf die branchen- und unternehmensspezifischen Erfordernisse eingehen zu können. Der Ansatz sieht eine zweistufige Vorgehensweise vor (siehe Abbildung 1). In Stufe I (Dauer zwei bis sechs Wochen) erfolgt eine Bestandsaufnahme, wird das
3
Für eine ausführliche Darstellung zu den Dissertationen und Forschungsvorhaben vgl. Bickhoff et al. (2004).
4
Vgl. stellvertretend Böckenförde (1996), S. 52 ff.; Gless (1996), S. 130 f.; Gunzenhauser (1995), S. 22; Hess/Fechner (1998), S. 8 ff.; Kall (1999), S. 70 ff.; Krummenacher (1981), S. 100; Krystek (1987), S. 91 ff. Müller (1986), S. 317 ff.; Vogt (1999), S. 62 ff.
7
Restrukturierungskonzept erstellt und ein Programm mit Sofortmaßnahmen gestartet („quick wins“). Außerdem wird in dieser ersten Stufe die Umsetzungsorganisation für das Restrukturierungskonzept geschaffen. In Stufe II (Dauer etwa sechs Monate bis zu zwei Jahren) wird das Konzept detailliert und umgesetzt. 1 Bestandsaufnahme
2 Grobkonzept
• Finanzielle Ebene • – Vermögen – Kapital • Operative Ebene – Umsatz/Rohertrag – Aufwendungen • Strategie – Struktur und Prozesse – Management/Personal – Produktportfolio – Markt/Kunden – Wettbewerbsposition 3.1 Umsetzung • Sofortmaßnahmen – Ergebnissicherung – Liquiditätssicherung
3.2 Detailkonzept
• Weitere Detaillierung des Restrukturierungskonzepts • Bottom-up-Planung der Maßnahmen • Verbesserung • Top-down VerbesKonzepte serungsziele für Ergebnis u. Kapital • Ggf. Taskforces für • Integrierter KonzeptEinzelthemen Business Plan Präsentation – Maßnahmen• Maßnahmenmanagement hinterlegung – Umsetzungscontrolling – Effektcontrolling
Restrukturierungskonzept – Finanziell – Operativ – Strategisch
• Projektorganisation – Klare Zuständigkeiten – Straffe Terminierung
• Change Management – Management des Wandels u.a. Unternehmenskultur
Abb. 1: Restrukturierungsansatz von Roland Berger Strategy Consultants Die Bestandsaufnahme soll Klarheit über die Ist-Situation des Unternehmens herstellen. Wirksame Maßnahmen können nur auf der Basis von Transparenz aufgesetzt werden. Geschaffen wird diese durch die Zusammenstellung und Analyse interner und externer Daten. Bei der Erstellung der Bestandsaufnahme ist es – zumal in Anbetracht des in den meisten Krisensituationen herrschenden Zeitdrucks – sehr wichtig, das notwendige, aber auch hinreichende Maß an Genauigkeit und Vollständigkeit zu finden. Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme wird das Grobkonzept zur Restrukturierung erstellt. Es besteht aus drei Elementen: 1.
Bei der finanziellen Restrukturierung gilt es zunächst, durch geeignete Maßnahmen zur Vermeidung der drohenden Insolvenztatbestände das kurzfristige Überleben des Unternehmens zu sichern. Dies ist die Voraussetzung für eine nachhaltige Restrukturierung. Mittel- bis langfristiges Ziel der finanziellen Restrukturierung ist die Wiederherstellung einer gesunden und soliden Kapitalstruktur.
2.
Im Zuge der operativen Restrukturierung werden Maßnahmen zur notwendigen Ergebnis- und Liquiditätsverbesserung entlang der Wertschöpfungskette definiert.
3.
Die strategische Restrukturierung umfasst neben der strategischen Neuausrichtung des Unternehmens die strukturelle und prozessuale (Re-)Organisation der Unternehmenseinheiten.
8
Begleitend werden alle Effekte der im Restrukturierungskonzept vorgesehenen Maßnahmen in einer integrierten Businessplanung zusammengefasst, die einen Zeithorizont von mindestens zwei Jahren hat. Wesentliche Elemente sind die GuV-, Bilanz- und Liquiditätsplanung. Die Businessplanung stellt die Verzahnung der drei Konzeptelemente (finanzielle und operative Restrukturierung sowie strategische Neuausrichtung) sicher und dient als Basis für das Umsetzungs-Controlling. Auf Grund des Zeitdrucks ist das Konzept von vornherein als Grobkonzept anzulegen. Parallel zur Erstellung des Grobkonzeptes müssen bereits die organisatorischen Voraussetzungen für die Umsetzung des Restrukturierungskonzeptes geschaffen werden, sodass gleichzeitig mit der Konzepterstellung Sofortmaßnahmen eingeleitet werden können. Der eigentliche Implementierungsprozess beginnt jedoch erst nach Genehmigung des Restrukturierungskonzeptes durch die Gesellschafter sowie gegebenenfalls durch die Gläubiger. Der Umsetzungsprozess stellt sich in der Praxis als sehr komplexe Tätigkeit dar. Teilweise müssen mehr als 1.000 Einzelschritte definiert, bewertet, umgesetzt und in ihrer finanzwirtschaftlichen Wirksamkeit nachvollzogen werden. Hier hat RBSC mit dem EDV-Tool RBpoint und den so genannten Restrukturierungs-Scorecards zwei Instrumente entwickelt, die dazu beitragen, die Komplexität im Rahmen der Umsetzung zu reduzieren. Außerdem können durch die Anwendung dieser Instrumente während der Implementierung Abweichungen vom Konzept zeitnah erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. RBpoint unterstützt den Umsetzungsprozess dabei durch ein grafisches Ampelsystem und hält die Maßnahmen im Wesentlichen hinsichtlich der Zeitdimension nach. Restrukturierungs-Scorecards sind ein dynamisches Controlling-Instrument, um die Nachhaltigkeit der eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer finanzwirtschaftlichen Wirksamkeit und Zielerreichung zu verfolgen.
3
Innovative Wege aus der Krise
Der RBSC-Ansatz zur Restrukturierung hat sich in der Praxis bei der Bewältigung von Unternehmenskrisen vielfach bewährt. Im Folgenden werden wir vier innovative Wege aus der Krise vorstellen. Diese Ansätze sind dabei als Teil des dargestellten ganzheitlichen Roland-Berger-Ansatzes zu interpretieren. Sie stehen demnach nicht neben dem klassischen Konzept, sondern sind im Einzelfall konstituierender Bestandteil entweder der strategischen, operativen oder finanzwirtschaftlichen Restrukturierung. Ob und inwieweit diese neuen Wege beschritten werden, hängt wiederum von den spezifischen Problemen, der Ausgangssituation und den konkreten Rahmenbedingungen des jeweiligen Restrukturierungsfalls ab.
9
3.1
Rekapitalisierung – Bilanzbereinigung, Zinsentlastung und Wachstumsvorbereitung
In den Bilanzen vieler Unternehmen haben Jahre der zum Teil „harten“, operativen Restrukturierung und des „Gesundschrumpfens“ tiefe Spuren hinterlassen: hohe Fremdverschuldung, geringe Eigenkapitalquote, teilweise überhöhte Buchwerte und ein Mangel an liquiden Mitteln, die während der Umsetzung des operativen Restrukturierungskonzeptes weitestgehend aufgezehrt wurden. Die Folge einer hohen Verschuldung ist eine enorme Zinslast, die das Wachstum des Unternehmens erschwert oder gar verhindert. Zudem machen ungünstige Bilanzrelationen das Unternehmen als potenziellen (Fusions-)partner unattraktiv. Finanzierungswünsche für notwendige Wachstumsinvestitionen finden bei den Banken kein Gehör, und die Finanzierung aus eigener Kraft ist nur selten möglich. Für das Unternehmen ist damit der Weg einer nachhaltigen strategischen Neuausrichtung häufig versperrt. Eine Lösungsalternative ist ein integriertes Rekapitalisierungskonzept, das die notwendige Finanzkraft zur Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum herstellt – zwei Voraussetzungen für das langfristige Überleben eines Unternehmens. Üblicherweise flankiert eine Rekapitalisierung eine erfolgreiche operative Restrukturierung und zielt auf: •
die Bereitstellung von neuen Finanzmitteln („fresh money“),
•
die Entlastung von Bilanz und Ergebnis,
•
die Stabilisierung des Finanzierungskreises,
•
die Partizipation des Finanzierungskreises am Unternehmenserfolg und
•
die Wegbereitung für strategische Kooperationen.
Ausgangspunkt für eine Rekapitalisierung ist häufig ein heterogener Finanzierungskreis mit divergierenden Interessen und Zielen der Beteiligten. Wesentliches Element einer Rekapitalisierung ist daher, dass die Kreditinstitute die Wahlmöglichkeit haben, sich entweder an der Weiterfinanzierung zu beteiligen oder auszusteigen. Die Grundlogik der Rekapitalisierung lautet dabei: •
„fresh money“ hat eine höhere Werthaltigkeit als bestehende Engagements.
•
Der Ausstieg einzelner Institute ist (meist) nur mit einem Abschlag möglich.
•
Ein realisierter Abschlag aus einem Ausstieg hängt von der „Asset-Klasse“ ab und fließt dem Unternehmen zu.
•
Die weiterfinanzierenden Kreditinstitute partizipieren am Unternehmenserfolg und haben die Chancen auf eine teilweise/gänzliche Recovery der Forderung.
10
Eine Rekapitalisierung verläuft dabei klassischerweise in vier Phasen, wobei es zwischen den einzelnen Phasen (insbesondere Phasen B und C) immer wieder zu Rückkopplungen kommen kann (siehe Abbildung 2). A
B
C
D
Ausgangslage/Transparenz/Zieloperationalisierung
Entwicklung finanzwirtschaftliches Modell
Verhandlungen/ Vertragsabschluss
Umsetzung
• Transparenz über operative Ausgangslage
• Ausarbeiten der strategischen Vorgehensweise
• Lenkungsausschüsse
• Abwicklung der Transaktionen
• Transparenz über Finanzsituation
• Definition des Kernarbeitsteams
• Abschätzung des Restrukturierungs(Finanzierungs-) bedarfs
• Koordination der Teams/Interessen
• Zielbestimmung • Vorgespräche mit Banken/potenziellen Investoren, Altaktionären
• Verhandlungen
• Zusammenstellung relevanter „Modellbausteine“ • Zeitplan/Meilensteine
• Fortlaufende Anpassungen des Modells an den Verhandlungsstand
• Eintragungen im Handelsregister
• Interessenausgleich
• Erstellung des Börsenzulassungsprospektes
• Vertragsgestaltung • Begleitung des Vertragsabschlusses
• PR/Öffentlichkeitsarbeit
Abb. 2: Die vier (interdependenten) Phasen einer Rekapitalisierung Unternehmen
Weiter begleitende Banken • Künftige Tilgungsfähigkeit • Vermeidung von Wertberichtigungen • Keine zusätzlichen Mittel Ausstiegswillige Banken • Hohe Ablösequote • Keine weitere Begleitung • Sofortige Cash-Abfindung
• Stabile Finanzierung • Hoher Zufluss von „fresh money“
Moderator
Potenzielle Investoren • Hohe Rendite • Hohe Anteilsquote • Hohe Ausschüttungen • Absehbares Exit-Szenario Bisherige Aktionäre • Hohe Rendite • Geringe Verwässerung • Erhaltung der Mindestanteile
Abb. 3: Moderation und Koordination der verschiedenen Interessen Obwohl die zu Grunde liegende Logik der Rekapitalisierung und der Ablauf im vorgestellten Vier-Phasen-Modell auf den ersten Blick einfach scheinen, stellen sie das betroffene Unternehmen jedoch vor große Herausforderungen. Die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Parteien erfordern einen hohen Moderations- und Koordinationsaufwand (siehe Abbildung 3). Diese Koordination von Interessen und Finanzinstrumenten ist dabei ein wesentlicher Aspekt in der Abgrenzung der Rekapitalisierung zu rein finanzwirtschaftlich getriebenen Lösungsansätzen.
11
Je nach unternehmensspezifischer Zielsetzung der Rekapitalisierung werden unterschiedliche Instrumente integriert. So wählte beispielsweise ein süddeutscher Großhändler eine Kombination aus Kapitalschnitt mit anschließender Barkapitalerhöhung, Rückkauf von Krediten, Debt-to-Equity-Swaps, Wandelgenussscheinen und variablen (ergebnisabhängigen) Zinselementen. Damit konnten Fremdverschuldung und Zinslast deutlich reduziert werden, außerdem gelang es, zusätzliches Wachstum im In- und Ausland zu finanzieren. Zudem wurde das Rating deutlich verbessert. Der Großhändler konnte seine Marktposition stärken und weist wieder profitables Wachstum auf. Der reduzierte Finanzierungskreis partizipiert jetzt zum Teil am Unternehmenserfolg. Zwischen Grobkonzept und technischer Umsetzung lagen zehn Monate – ein Zeitaufwand, der sich gelohnt hat.
3.2
Profitieren von einer (selbstinitiierten) Branchenkonsolidierung
Der Rückgang des Nachfragevolumens auf Grund von Kaufzurückhaltung sowie der Preisdruck durch zunehmenden (verstärkt auch international geprägten) Verdrängungswettbewerb stellen deutsche Unternehmen vor große Herausforderungen. Auch nach Jahren der erfolgreichen operativen Restrukturierung und trotz ihrer teilweise optimierten Wertschöpfungsprozesse sind einheimische Unternehmen daher gezwungen, weitere Kosteneinsparungspotenziale im globalen Wettbewerb zu identifizieren und zu realisieren. Eine selbstinitiierte Branchenkonsolidierung will vermeiden, der Entwicklung immer einen Schritt hinterher zu laufen und beabsichtigt deshalb, einen Vorsprung herauszuarbeiten. Hierfür sind jedoch zumeist umfassende strategische Maßnahmen erforderlich. Die notwendigen Effekte für eine kurzfristig akzeptable Rendite lassen sich häufig nur noch durch Größenvorteile (zum Beispiel verbesserte Einkaufskonditionen, Risikostreuung, verbesserte Marktposition gegenüber Abnehmern etc.) und Synergieeffekte realisieren. Sie sind vor allem über Unternehmensfusionen erreichbar, in Einzelfällen auch über Kooperationen (beispielsweise Einkaufskooperation). Da in diesem Zusammenhang die Anzahl der im Markt agierenden Unternehmen abnimmt, spricht man von einer Branchenkonsolidierung. Eine solche Branchenkonsolidierung im eigenen Sinne voranzutreiben, bietet dem Unternehmen im Wesentlichen drei Vorteile: 1.
Die bereits angesprochen Skalen- und Synergieeffekte lassen sich realisieren.
2.
Da weniger Unternehmen im Markt agieren, verringert sich der – auch selbst verspürte – Wettbewerbdrucks (insbesondere Preis-/Margendruck).
12
3.
Auf Grund der höheren Marktkonzentration sinkt die Gefahr, dass zu den bereits am Markt aktiven Unternehmen neue lokale oder internationale Wettbewerber dazukommen.5
Aus Sicht der Unternehmen sind verschiedene Varianten der Branchenkonsolidierung möglich: 1.
Bei der ersten Variante übernimmt ein Unternehmen in einer Branche die treibende Rolle und erwirbt ein oder mehrere Unternehmen, um diese anschließend zu integrieren. Dies kann ein etabliertes einheimisches Unternehmen sein oder ein neuer internationaler Wettbewerber, der sich auf diese Art einen neuen Markt erschließt.
2.
Bei der zweiten Variante schließen sich die an einer Branchenkonsolidierung interessierten Unternehmen zusammen und bringen ihre Gesellschaften in eine neu gegründete Holdinggesellschaft ein. Im Gegenzug erhalten die Altgesellschafter (zum Beispiel im Verhältnis der eingebrachten Werte) Anteile an dieser Holding. Inwiefern die Unternehmen operativ bestehendes Synergiepotenzial realisieren, ist vom Einzelfall abhängig. Häufig wird dieses jedoch nicht in dem Ausmaß realisiert wie in Variante 1.
3.
Eine mögliche dritte (unechte) Variante der Branchenkonsolidierung ist die Schließung von Kooperationsvereinbarungen zwischen den Unternehmen. Auch wenn es hier häufig zu gesellschaftsrechtlichen Neugründungen und/ oder auch Verflechtungen kommt (etwa zur Beteiligung an einer gemeinsam gegründeten Einkaufsgesellschaft), bleiben die wesentlichen Strukturen (Wertschöpfungskette, Verwaltungsapparat etc.) jedes der kooperierenden Unternehmen erhalten. Die Altgesellschafter behalten ihre Anteile an den jeweiligen Unternehmen.
5
Gemessen anhand des Lorenz’schen Konzentrationsmaßes, das die Umsatzanteile zu den entsprechenden Unternehmensgrößenanteilen in Beziehung setzt. Dabei wird unterstellt, dass je höher die Konzentration ist, desto geringer die Attraktivität des Markteintritts in Form eines Startups. Die Möglichkeit des Markteintritts in Form einer (feindlichen) Übernahme bleibt hiervon unberührt.
13 Variante 1 – Fusion Altgesellschafter A 100%
100%
Unternehmen (U)
Variante 2 – Neue Holding
Altgesellschafter B 100%
Altgesellschafter A 100%
100%
Wettbewerber (W)
Unternehmen (U) 100% 25%
U
Einkauf
W Einkauf
Produk- Vertrieb tion Produk- Vertrieb tion
Einkauf Einkauf
U Einkauf W
Produk- Vertrieb tion
Vor Konsolidierung
Einkauf
Variante 3 – Kooperation
Altgesellschafter B
Altgesellschafter A
Altgesellschafter B
100%
100% 100%
100% 100%
Wettbewerber (W)
Unternehmen (U)
Wettbewerber (W)
0%
100% 75%
Neue Holding Produktion Produktion
Produktion Produktion
25%
Vertrieb
Einkauf
Vertrieb
Einkauf
Vertrieb
Einkauf
0%
Einkaufsgesellschaft
75%
Produktion Produktion
Vertrieb
Produktion Produktion
Vertrieb
Vertrieb
Vertrieb
Nach Konsolidierung
Abb. 4: Varianten der Branchenkonsolidierung Ehe ein Unternehmen irgendwelche Schritte im Zusammenhang mit der Branchenkonsolidierung unternimmt, sollte es sich zwei wesentliche Fragen beantworten: Ist meine Branche von der Konsolidierung betroffen? Und wenn ja, möchte ich dabei eine aktive oder eine passive Rolle übernehmen? Grundsätzlich ist die aktive Rolle empfehlenswert. Hier hat das Unternehmen bessere Chancen, seine Interessen zu realisieren und seine Visionen umzusetzen. Bei der Wahl der Konsolidierungsvariante ist auf den Einzelfall abzustellen. Entscheidende Faktoren sind unter anderem die zur Verfügung stehenden Mittel, der Zeithorizont, realisierbare Synergiepotentiale, Branchengegebenheiten, Eigentumsverhältnisse, das Tempo, mit dem Entscheidungen getroffen werden müssen, zukünftige Verantwortlichkeiten etc. In der Phase der Kontaktaufnahme zu möglichen Fusionskandidaten ist ein hohes Maß an Sensibilität erforderlich. Strategische Motive werden offen gelegt und Noch-Wettbewerber sollen dazu motiviert werden, sensible Informationen auszutauschen. In den Phasen der Kontaktaufnahme und rechtlichen Durchführung (Due Diligence, Vertragsverhandlungen und -abschluss) ist es häufig zwingend notwendig, eine (externe) koordinierende Instanz einzuschalten, die das Vertrauen aller Beteiligten genießt und beispielsweise als Moderator und als Informationspool für den Datenaustausch fungiert. Nach Durchführung des formellen Teils der Integration muss die operative Integration möglichst schnell vorangetrieben werden. Hierzu bedarf es häufig ebenfalls externer Unterstützung.
14
Die Branchenkonsolidierung stellt für Unternehmen die Möglichkeit dar, selbst in schrumpfenden Märkten wieder nachhaltig zu wachsen. Ausgehend von einer gestärkten Basis „in der Heimat“ kann das Unternehmen im nächsten Schritt die internationalen Aktivitäten weiter ausbauen und Zukunftsmärkte für weiteres Wachstum erschließen.
3.3
Corporate Restructuring – Wertschaffung durch alle Unternehmenseinheiten
„Corporate Restructuring“ setzt bei Konzernen oder größeren Einzelunternehmen an, die als Ganzes noch ausreichende Ergebnisse erzielen, bei denen aber einzelne Unternehmensteile nachhaltig negative oder unzureichende Wertbeiträge aufweisen. Die schlechte Performance dieser Bereiche wird dann durch das gute Ergebnis anderer Einheiten überdeckt. Eine solche Konstellation ist schon allein deshalb kritisch, weil diese Art der „Quersubventionierung“ die Entwicklung der erfolgreichen Bereiche beeinträchtigt, zum Beispiel durch Fehlallokation wertvoller TopManagement-Ressourcen oder Abfluss liquider Mittel. Angesichts des zunehmenden Wettbewerbdrucks und der hohen Anforderungen der Anteilseigner an die Eigenkapitalverzinsung müssen ohnehin alle Einheiten zur Wertsteigerung des Unternehmens beitragen. Nur wer mindestens seine Kapitalkosten verdient – oder dieses Ziel zumindest mit einem vertretbaren Aufwand an Zeit und Geld erreichen kann –, wird bei der Allokation von Ressourcen berücksichtigt. Alle Aktivitäten eines Unternehmens müssen anhand der Kriterien des Wertmanagements überprüft werden; gegebenenfalls ist dann die Optimierung von Strategie und operativen Prozesse notwendig. Hierzu stellt „Corporate Restructuring“ einen ganzheitlichen Ansatz dar – von der Konzeption bis zur Implementierung und der schließlich messbaren Ergebnisverbesserung. „Corporate Restructuring“ beginnt mit einer Bestandsaufnahme, welche Einheiten in welchem Umfang zum Wert des Unternehmens beitragen bzw. ihn vernichten. Auf Grund der begrenzten Aussagekraft von Bereichsergebnissen (zum Beispiel „geglättete“ Segmentberichterstattung in Abhängigkeit von Allokationen) und der Gestaltbarkeit von Beteiligungsergebnissen (beispielsweise aus steuerlichen Gründen) sind fundierte Analysen erforderlich, um die tatsächliche Leistung von Geschäftsfeldern bzw. Beteiligungen zu ermitteln. Im Rahmen des Ansatzes sind alle Teile des Konzerns bzw. Unternehmens einzubeziehen – strategische und operative Ebenen, Geschäftsfelder und Zentralfunktionen, steuernde und ausführende Einheiten. „Corporate Restructuring“ setzt sich aus vier Hebeln zusammen: 1.
Portfoliomanagement,
2.
Optimierung der Wertschöpfungsstruktur,
3.
Optimierung der Corporate Functions und
4.
operatives Performance-Management.
15
Diese vier Hebel sind durch ein fünftes Element – Steuerungssysteme – verbunden (siehe Abbildung 5). Dabei werden die Hebel nicht getrennt optimiert, sondern den zwischen ihnen bestehenden Interdependenzen wird Rechnung getragen. Beispielsweise werden bei Portfolioentscheidungen Potenziale berücksichtigt, die sich aus der Verbesserung der Wertschöpfungsstruktur und aus der operativen Performance-Steigerung ergeben.
Optimierte Steuerungssysteme
Portfoliomanagement • Strategischer Fit der einzelnen Geschäftsbereiche • Positionierung in Markt/Wettbewerb • Bereinigter Ergebnisbeitrag • Weiteres Synergiepotenzial
Reduziertes Soll-Portfolio
Corporate Functions • Grad der Zentralisierung/Dezentralisierung • Organisationsstruktur • Dimensionierung
Schlagfertige/kostengünstige Organisationsstruktur
Operative Performance • Heben von Reserven
• Umsatzwachstum • Kostensenkung • Zusätzliche Liquiditätsspielräume
Wertschöpfungsstruktur • Optimierte Verknüpfung bestehender Standorte, Kompetenzen etc. • Variation Wertschöpfungstiefe • Outsourcing vs. Insourcing/ Vorwärtsintegration
• Synergienutzung • Kosteneinsparungen • Verbesserte Know-howNutzung • Fokussierte Ressourcen
Abb. 5: Elemente des Corporate Restructuring Die unmittelbaren wesentlichen Ziele des „Corporate Restructuring“ sind: •
ein optimiertes Geschäftsportfolio mit guter Positionierung der einzelnen Geschäftsbereiche im Markt, mit durchweg positiven Wertbeiträgen und hohen Synergiepotenzialen untereinander,
•
der Aufbau einer schlagkräftigen und unter Kosten- und Leistungsgesichtspunkten optimal dimensionierten Organisationsstruktur mit einem aus den internen und externen Rahmenbedingungen abgeleiteten optimalen (De-) Zentralisierungsgrad,
•
eine hinsichtlich ihrer Tiefe optimierte Wertschöpfungsstruktur durch gezieltes In- und Outsourcing von Geschäftsaktivitäten und der damit verbundenen optimierten Nutzung von Ressourcen (beispielsweise Kapital, Management). Hierzu ist unter anderem eine verbesserte Verknüpfung (Materialflüsse, Informationsflüsse etc.) von Standorten, Know-how und Kompetenzen erforderlich.
•
Heben von vorhandenen Umsatz-, Einsparungs- und Liquiditätsreserven,
16 •
der Aufbau von leicht handhabbaren Steuerungssystemen mit einer stärkeren Aussagekraft und Handlungsorientierung – dies wird unter anderem erreicht durch Entschlackung/Fokussierung und Harmonisierung bestehender Berichte und Reporting-Strukturen, Aufnahme von Ursache-Wirkungs-Bezügen (zum Beispiel Scorecards), stärkere Zukunftsorientierung des Berichtswesen und/oder den Einsatz von Maßnahmenmanagement-Tools im Rahmen der Projektarbeit.
In Summe werden somit die Unternehmensaktivitäten besser gebündelt, Komplexität reduziert, Reserven gehoben und die Basis für zukünftiges fokussiertes Wachstum gelegt.
3.4
Die Insolvenz als Chance für die Restrukturierung nutzen
In der Einleitung haben wir die Insolvenz als letzten Schritt dargestellt, der den drei Krisenstadien folgt. Ausgehend vom Stadium der Insolvenz bot sich dem betroffenen Unternehmen in der Vergangenheit häufig nur eine einzige Option: das Ende der unternehmerischen Tätigkeit und Befriedigung der Gläubiger durch Abwicklung bzw. Verwertung der verbleibenden Masse. Der Gesetzgeber hat mit der Reform des Insolvenzrechts (1999) die Rahmenbedingungen der gesetzlichen Sanierung deutlich verbessert.6 Nach der Insolvenzrechtsreform kann die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger sowohl durch Liquidation des Unternehmens als auch durch die Fortführung erfolgen.7 Gegenüber der alten Konkursordnung rückt damit mehr der Gedanke in den Vordergrund, Unternehmens(teile) fortzuführen. Nach der neuen Insolvenzordnung ist die Insolvenz nicht mehr automatisch das Ende aller Dinge, sondern kann als Gestaltungsmittel und damit als „Instrumentarium“ oder Option der Restrukturierung genutzt werden. Ganz im Sinne der „schöpferischen Zerstörung“ von Schumpeter kann die Insolvenz in bestimmten Fällen als Chance begriffen werden, zum Beispiel um sich von Altlasten zu befreien, überholte Unternehmensstrukturen zu verändern oder die Geschäftsausrichtung zu wechseln. Die neue Devise kann also heißen: als gestärktes Unternehmen aus der Insolvenz hervorgehen. Im Fall der Fortführung stellt das Gesetz dem insolventen Unternehmen mit dem Insolvenzplan (in Eigenregie mit Prepackaged-Plan oder durch einen Insolvenzverwalter mit Verwalterplan) und der übertragenden Sanierung entweder durch
6
Vgl. Herzig (2001), S. 339.
7
Vgl. § 1 InsO.
17
Übertragung auf eine Auffanggesellschaft oder durch Verkauf an Dritte8 zwei bzw. vier unterschiedliche Optionen zur Verfügung (siehe Abbildung 6). Optionen in der Insolvenz
1 Zerschlagung/ Abwicklung
2 Insolvenzplan Sanierung des bisherigen Unternehmensträgers
3 Übertragende Sanierung Übertragung von Assets/ / Geschäftseinheiten
Prepack. Plan
Verkauf Auffanggesellschaft an Dritte
Verwalterplan
Sanierung in der Insolvenz
Abb. 6: Handlungsoptionen im Insolvenzfall Worin liegen nun die Chancen einer Insolvenz? Das neue Insolvenzrecht sieht für die Kernelemente einer Restrukturierung wesentliche Verfahrenserleichterungen vor. •
So ist zum Beispiel der Personalabbau durch eine auf drei Monate begrenzte Kündigungsfrist schneller und – dank der Begrenzung der Abfindungshöhe auf maximal 2,5 Monatsgehälter – mit einem geringeren Einmalaufwand durchführbar.
•
Durch das Insolvenzausfallgeld erzielt das Unternehmen darüber hinaus für drei Monate eine deutliche Liquiditätsentlastung.
•
Die nur eingeschränkte Prüfung der Sozialauswahl ermöglicht darüber hinaus die Herstellung einer ausgewogenen Personalstruktur.9
•
Die Kündigung von – unter Umständen kostenintensiven – Betriebsvereinbarungen stellt eine weitere Verfahrenserleichterung dar.
•
Das Wahlrecht des insolventen Unternehmens auf Erfüllung gegenseitiger Verträge befreit von nachteiligen Verpflichtungen; es kann sogar zu einer Liquiditätsentlastung führen. Gerade Unternehmen der „old economy“ sind in der Regel mit signifikanten Pensionsverpflichtungen belastet, die in der
8
Die übertragende Sanierung sieht eine Übertragung eines Unternehmens, Betriebs oder Betriebsteils von Schuldnerunternehmen auf einen anderen, bereits bestehenden oder neu zu gründen Rechtsträger vor. Vgl. Balz/Landfermann (1999), S. 131 ff.
9
Gilt bei Einigung mit dem Betriebsrat (BR): Bei Nichteinigung mit dem BR innerhalb von drei Wochen folgt die Anrufung des Arbeitsgerichts. Die Einschaltung des Landesarbeitsamtes und der Einigungsstelle sind nicht nötig.
18
Insolvenz auf den Pensionssicherungsverein übergehen. Lang laufende Verträge (etwa für Immobilien) können bereinigt und Vermögensverschiebungen zu Lasten der Masse durch ein spezielles Anfechtungsrecht rückgängig gemacht werden. Vor diesem „freiwilligen“ Gang in die Insolvenz ist allerdings ganz genau zu prüfen, ob die Ursachen für die Unternehmenskrise beispielsweise auf ein nicht marktkonformes Produktportfolio oder auf operative Schwächen zurückzuführen ist. Zudem muss die Frage nach Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit positiv beantwortet werden. Fällt die Antwort negativ aus oder liegen die Ursachen der Unternehmenskrise in operativen Unzulänglichkeiten begründet, ist auch die Restrukturierung aus der Insolvenz heraus wenig Erfolg versprechend. Durch die Möglichkeit frühzeitig, das heißt bereits bei drohender Zahlungsfähigkeit, Insolvenz anzumelden, trägt das neue Insolvenzrecht dazu bei, Gläubiger rechtzeitig vor weiteren Schäden zu bewahren. Gleichzeitig bietet die Einführung von Insolvenzplan und Eigenverwaltung dem Schuldner die Chance, das Insolvenzverfahren maßgeblich selbst zu steuern und dabei das Vermögen zu erhalten bzw. später weiter an Wertzuwächsen zu partizipieren. Die Umsetzung muss dabei im Spannungsfeld zwischen rechtlichen und finanziellen Restriktionen und dem Vertrauensverlust der Stakeholder unter enormem Zeitdruck richtig strukturiert werden. Wesentlich ist daher, schnell Transparenz zu schaffen und den Gläubigern deutlich aufzuzeigen, wo und wie eine Wertsteigerung möglich ist. Hierzu kommt es nicht nur auf ein stabiles Finanzierungskonzept an, sondern ebenso auf eine konsequente Nutzung der richtigen Verfahrensvereinfachungen10 und eine umfassende Kommunikation11 an externe Stakeholder sowie Mitarbeiter. Doch bei konsequenter Implementierung kann sich ein betroffenes Unternehmen auf diesem Wege von erdrückenden „Altlasten“ befreien und sich eine deutlich verbesserte Ausgangsposition erarbeiten.
4
Fazit: schnell konsolidieren, schnell wieder wachsen
Neben dem „klassischen“ Restrukturierungsansatz von Roland Berger Strategy Consultants wurden in Abschnitt 3 vier innovative Wege aus der Unternehmenskrise vorgestellt: Rekapitalisierung, Branchenkonsolidierung, „Corporate Restructuring“ und Nutzen der Insolvenz als Chance. All diese Ansätze haben eine wesentliche, gemeinsame Zielsetzung: Sie sollen die Ausgangsbasis schaffen, auf der das Unternehmen in Zukunft profitabel wachsen kann. 10
Zu einer detaillierten Darstellung der Restrukturierung in der Insolvenz vgl. Zirener (2004), S. 139 ff.
11
Zur Kommunikation im Restrukturierungsprozess vgl. Buschmann (2004), S. 197 ff.
19 •
Ziel der Rekapitalisierung ist, die Bilanz von Altlasten zu bereinigen und das Ergebnis zu verbessern, indem die Zinsaufwendungen reduziert werden. Hierdurch und durch den Zufluss „frischer Mittel“ wird die bestehende Wachstumsbremse gelöst. Auf dieser Grundlage ist ein ausgewogenes Konzept der Beiträge und Chancen aller Stakeholder zu moderieren (Recap-Konzept).
•
Mit der Branchenkonsolidierung wird die Wettbewerbsposition des Unternehmens deutlich verbessert, unter anderem durch Skalen- und Synergieeffekte. Auf Basis der gestärkten Wettbewerbsposition können Wachstumspotenziale im In- und Ausland mit deutlich erhöhten Erfolgsaussichten erschlossen werden.
•
Mit dem Ansatz des „Corporate Restructuring“ werden die Unternehmensaktivitäten (Geschäftsportfolio und Wertschöpfung) besser fokussiert, Reserven gehoben und Ressourcen zielgerichtet eingesetzt. Hier wird auf einer „bereinigten“ Basis der Grundstein für zukünftiges Wachstum gelegt.
•
Die Restrukturierung in/aus der Insolvenz bietet ebenfalls die Chance eines Wachstums auf einer „bereinigten“ Basis. Das betroffene Unternehmen kann hierbei den Vorteil nutzen, sich kostengünstig von „Altlasten“ aller Art (leistungsunfähigen und/oder unmotivierten Mitarbeitern, Verträgen, Geschäftseinheiten etc.) zu trennen. Das Unternehmen kann dann seine Zukunft auf Basis eines gesunden und wachstumsfähigen Kerns gestalten.
Die Grundlage für Wachstum (häufig durch vorherige Konsolidierung) zu schaffen und dann auch tatsächlich Wachstum zu generieren, ist nach unserer Einschätzung die vielversprechendste Vorgehensweise, um wieder nachhaltigen Erfolg am Markt zu erlangen (siehe Abbildung 7) und den Unternehmenswert zu erhöhen (siehe Abbildung 8). Dabei ist in der Regel eine signifikante Konsolidierung zu Beginn der Restrukturierung unabdingbar. 1. Phase: Konsolidierung
2. Phase: Neuausrichtung
Pflicht!
120 100,0 100
Kür > Pflicht! 102,3
99,3
Krisenunternehmen mit positivem ROI
86,6
Krisenunternehmen mit negativem ROI
105,7
97,5 93,2
94,8
91,3
80
60
112,7
t-1
t
t+1
87,9
89,9
90,6
t+2
t+3
t+4
t+5
Abb. 7: Umsatzentwicklung von 102 Krisenunternehmen im Zeitablauf
20
(Ehemalige) Krisenunternehmen mit positiven ROI konsolidieren ihren Umsatz deutlich stärker und schneller als denjenigen mit negativen ROI. Im Zuge der Neuausrichtung ist es für die erfolgreichen Unternehmen dann keine Kür, sondern weiterhin Pflicht, den Umsatz wieder nachhaltig zu steigern. Bei vielen Unternehmen – besonders bei solchen, die nach der Konsolidierung nicht erfolgreich waren – hält sich hingegen die Auffassung, dass die Restrukturierung mit dem Bereinigen von Umsatz und Kosten abgeschlossen ist und man wieder zur Tagesordnung übergehen kann. Doch wie die Grafik zeigt, lautet das – etwas überspitzt formulierte – Motto: Wachs’ oder stirb. Konsolidieren allein reicht nicht aus. Erst nachhaltiges Wachstum macht die Unternehmen auch ergebnisseitig wieder erfolgreich. Das Resultat einer Studie zeigt, dass die 40 der 102 untersuchten Unternehmen, die während der Restrukturierung neue Produkte einführen konnten, zu 77% nachhaltig erfolgreich sind. Bei Unternehmen, die neue Märkte erschließen konnten, liegt der Anteil der nachhaltig erfolgreichen Unternehmen mit 74% ähnlich hoch. Geringe Umsatzkonsolidierung – Fokus Kosten
Deutliche Umsatzkonsolidierung – Fokus Kosten & Wachstum 500%
500%
400%
400%
+245%
300%
Top 20%
200% 100%
Top 20% 200%
+54%
100%
Flop 20% -54%
-100%
Durchschnitt
+483%
300%
Durchschnitt
+136%
0%
0% -100%
-20 0 Tage
+1 Jahr
+2 Jahre
-20 0 Tage
Flop 20% +1 Jahr
-100% +2 Jahre
Abb. 8: Entwicklung des Unternehmenswerts (Überrendite) von Krisenunternehmen mit Fokussierung auf die Kosten im Vergleich zur Fokussierung auf Kosten und Wachstum12 Eine weitere Roland-Berger-Studie13 zeigt, dass die Entwicklung des Unternehmenswertes von Krisenunternehmen (Basis 40 Krisenunternehmen im Zeitraum von 1993 bis 2002) eindeutig mit der Wahl des geeigneten Restrukturierungsprogramms korreliert. Abbildung 8 zeigt, dass die durchschnittliche Entwicklung risikoadjustierter Renditen bei Unternehmen, die nur konsolidieren, mit plus 54% nach zwei Jahren deutlich hinter der Wertentwicklung solcher Unternehmen zu-
12
Vgl. Lafrenz (2004b), S. 205.
13
Vgl. Lafrenz (2004a).
21
rückbleibt, die den Fokus neben der Konsolidierung auch auf eine parallele bzw. anschließende Wachstumsstrategie gelegt haben (durchschnittlich plus 136%). Die Finanzierung stellen die erfolgreichen Krisenunternehmen hierbei häufig über externe Kapitalzufuhr sicher, insbesondere auch durch Kapitalerhöhungen. Circa drei Viertel der Unternehmen, die in der Krise eine Kapitalerhöhung umsetzen konnten, weisen nachhaltig positive Ergebnisse aus. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Restrukturierung im Kern immer ähnlich verläuft. Dabei hat sich das Vorgehen nach dem ganzheitlichen Restrukturierungskonzept von RBSC in der Praxis vielfach bewährt. Eine Reihe von Krisenausprägungen ist jedoch stark situationsspezifisch, insbesondere angesichts der immer dynamischer verlaufenden Entwicklung des Unternehmensumfelds. Umso wichtiger ist es, sich bei der Krisenbekämpfung nicht ausschließlich auf altbewährte Standardmethoden zu verlassen, sondern auch innovative Wege einzuschlagen. Hierzu gehört insbesondere ein schlüssiges Finanzierungskonzept, um den dynamischen Anforderungen gerecht zu werden. Denn: „Wer rastet, der rostet.“
Literaturverzeichnis Ansoff, Igor H. (1976): Managing Strategic Surprise and Discontinuity: Strategic Response to Weak Signals. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jg. 28, 1976, S. 129-152. Balz, Manfred/Landfermann, Hans-Georg, (1999): Die neuen Insolvenzgesetze. Düsseldorf. Bickhoff, Nils et al. (2004): Die Unternehmenskrise als Chance – Innovative Ansätze zur Sanierung und Restrukturierung. Berlin u.a. Böckenförde, Björn (1996): Unternehmenssanierung. 2. Auflage, Stuttgart. Buschmann, Holger (2004): Stakeholder-Management als notwendige Bedingungen für erfolgreiches Turnaround-Management. In: Bickhoff, Nils et al. (Hrsg.): Die Unternehmenskrise als Chance – Innovative Ansätze zur Sanierung und Restrukturierung. Berlin u.a., S. 197-220 . Creditreform (2004): Insolvenzen, Neugründungen, Löschungen 1. Halbjahr 2004, Internet: http://www.creditreform.de/angebot/analysen/0042/01.php, 2004. Creditreform (Hrsg.) (2003): Insolvenzen, Neugründungen und Löschungen – Jahr 2003. Neuss. Gless, Sven-Eric (1996): Unternehmenssanierung: Grundlagen – Strategien – Maßnahmen. Wiesbaden. Goller, Martin (2000): Aktuelle Vergleichsverfahren in Deutschland. Frankfurt am Main u.a.
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Unternehmenssanierung in Deutschland – die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt, doch Restrukturierungen bieten klare Chancen Bernd Brunke, Björn Waldow
1
Ökonomische Situation in Deutschland
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland bleibt angespannt. Der allgemeine Wohlstand sinkt, und das Land verliert an Wettbewerbsfähigkeit – sowohl im Vergleich zu den übrigen Mitgliedern der Europäischen Union als auch gegenüber führenden Industrienationen wie den USA und Japan. Seit 2003 liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf unter dem Durchschnitt der EU15 und übertrifft im Jahr 2004 mit rund 27.800 EUR pro Kopf auch nur leicht den Durchschnitt der EU25 von rund 25.700 EUR pro Kopf. Gleichzeitig steigen Arbeitslosigkeit (deutlich über 10%) und Staatsverschuldung. Darüber hinaus hat Deutschland das schwächste Wirtschaftswachstum in ganz Europa zu verzeichnen. Die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten zwischen 2001 und 2004 lagen bei weniger als 1%. Europa hinkt insgesamt im internationalen Vergleich hinterher, im vergangenen Jahrzehnt war es weltweit der Kontinent mit der langsamsten Wirtschaftsentwicklung. Auf der Suche nach zukünftigen Wachstumschancen orientiert sich die Weltwirtschaft immer mehr nach Asien. Es wird geschätzt, dass das Bruttoinlandsprodukt in Asien bis 2008 durchschnittlich rund 7 bis 8% pro Jahr steigen wird. In der EU25 liegt der vergleichbare Wert dagegen nur bei rund 2% pro Jahr. Auch die EU-Ost-Erweiterung stellt Deutschland durch ein hohes Gefälle der Lohnkosten und der Arbeitszeit vor enorme Herausforderungen. Neue EU-Mitglieder wie Polen und die Slowakei warten im Wettbewerb mit Stundenlöhnen auf, die sich 80 bis 90% unter den vergleichbaren Werten in Deutschland bewegen. Gleichzeitig ist die Jahresarbeitszeit um 30 bis 40% höher. Neben diesen stark innereuropäisch akzentuierten Themen erzeugt auf übergeordneter Ebene die fortschreitende Globalisierung in Deutschland ebenso wie in nahezu allen hoch entwickelten Industrienationen Europas erheblichen Anpassungsdruck. Viele Unternehmen sehen sich in ihren Heimatmärkten zunehmend mit global agierenden Wettbewerbern konfrontiert (siehe Abbildung 1).
24 Rückgang der Nachfrage Zunehmende Wettbewerbsintensität durch Konzentration/Globalisierung
Verlust von Exportmärkten
Rationalisierungsbzw. Kostendruck
Innovationsdruck
Gefahr der Unternehmenskrise
Verschärfter Wettbewerb durch Low-Cost-Länder
Preiskampf
Abb. 1: In nahezu allen Branchen gelten verschärfte Marktbedingungen und erhöhen das Risiko von Unternehmenskrisen Zu den Herausforderungen des globalen Wettbewerbs kommen häufig standortspezifische Wachstumshemmnisse hinzu. Dies gilt insbesondere für Deutschland mit seiner hohen Regulierungsdichte oder der gegenwärtigen Form der betrieblichen Mitbestimmung. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland seit mehreren Jahren auf einem historischen Höchststand bewegt. Mit 39.600 Unternehmensinsolvenzen nahm Deutschland 2004 den zweiten Platz in Europa ein. Daraus folgt, dass im Jahr 2004 135 von 10.000 Unternehmen in Deutschland Insolvenz anmelden mussten. Nur Frankreich hatte mit 40.042 Unternehmensinsolvenzen im selben Jahr einen noch höheren Wert als Deutschland zu verzeichnen.1 Zwar fiel der Anstieg der Insolvenzfälle von 2003 auf 2004 mit 0,3% deutlich geringer aus als die 4,9% Zunahme von 2002 auf 2003. Eine Trendwende ist damit jedoch noch lange nicht in Sicht. Nach Schätzungen von Creditreform belaufen sich die Schäden, die diese Insolvenzen der deutschen Volkswirtschaft bereits zugefügt haben und noch zufügen werden, für das Jahr 2004 auf rund 39,4 Mrd. EUR. Die Zahl der von der Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffenen Arbeitnehmer wird dabei auf rund 600.000 beziffert. Auffällig ist, dass zwar spektakuläre Fälle wie Holzmann, Babcock, Kirch oder Walter-Bau die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse prägen, jedoch immer häufiger auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in Bedrängnis geraten. Als Hauptgrund dafür führt Creditreform den Mangel an Sicherheiten und Eigenkapital bei den KMUs an. Insbesondere die geringe Eigenkapitalausstattung des deut-
1
Angaben von Creditreform (http://www.creditrefom.de/angebote/analysen/ 0047/02. php; abgerufen am 3. September 2005).
25
schen Mittelstands mit durchschnittlich rund 7,5% im Verhältnis zur Bilanzsumme liegt nicht nur im europäischen und internationalen Vergleich am unteren Ende der Skala, sondern ist auch weit unter den 30%, die von der Mehrheit der Finanzierer und Investoren als stabile Eigenkapitaldecke erachtet werden. Dies deckt sich mit den Ergebnissen des vierteljährlich von Roland Berger erstellten und rund 1.000 deutsche Unternehmen umfassenden „Branchentracking Reports“. Dieser zeigt, dass aktuell rund 40% der Unternehmen in Deutschland Anzeichen für eine strategische, Rentabilitäts- und/oder Liquiditätskrise aufweisen (siehe Abbildung 2). Summe Symptome betrachteter strategische Unternehmen Krise
100%
20%
Symptome Ergebniskrise
14%
Symptome Liquiditätskrise
3%
Ȉ = 37%
Abb. 2: Klassifizierung der Unternehmen nach Krisenstatus2 Vor diesem Hintergrund können rund 100 bis 150 Mrd. EUR an Unternehmensschulden in Deutschland als so genannte „Problemkredite“ oder „non-performing loans“ kategorisiert werden. Diese Schätzung basiert auf einer Analyse deutscher Großbanken, die durchschnittlich rund 4 bis 5% ihrer Unternehmenskredite als „Distressed Debt“ oder „bad loans“ einstufen. Diese Situation hat in den letzten Jahren insbesondere spezialisierte TurnaroundInvestoren mit meist angloamerikanischem Ursprung angezogen. Viele renommierte deutsche Unternehmen wurden von diesen ins Visier genommen und erste Transaktionen sind erfolgt. Advent, Apax, Blackstone, Candover, Cinven, KKR, Providence, Saban Capital oder Texas Pacific und andere haben bereits Milliarden von Euro in deutsche Unternehmen investiert: Prominente Beispiele sind Celanese, Kabel Deutschland, Brenntag, ProSieben, Premiere, BertelsmannSpringer, Viterra Energy, Dynamit Nobel, Friedrich Grohe, Auto-Teile-Unger (A.T.U.). Insbesondere die hohen Rückstellungen und Wertberichtigungen, die die deutschen Banken in den letzten Jahren gebildet haben bzw. vornehmen mussten,
2
Quelle: Roland Berger Strategy Consultants Branchen Tracking 1. Quartal 2005
26
sowie die für Problemkredite im Zuge der neuen Eigenkapitalrichtlinien Basel II deutlich verschärften Eigenkapitalvorschriften, könnten darauf hindeuten, dass viele Banken weiterhin gewillt sind, einen Teil ihrer Problemkredite mit relativ hohen Abschlägen auf den Nominalwert an diese Distressed-Debt-Investoren zu veräußern. Dadurch erhöhen sich für die Investoren zusätzlich die Chancen, durch eine Sanierung an möglichen Wertzuwächsen überproportional zu partizipieren.
2
Erfolgsfaktoren in der Restrukturierung
Die Chancen einer Sanierung können erheblich sein – dies konnte Roland Berger Startegy Consultants auf Basis der Auswertung von Jahresabschlussdaten des Jahres 2003 von mehr als 500 deutschen Großunternehmen zeigen. Die Analyse ergab, dass alle deutschen Unternehmen zusammengenommen ihren Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) um rund 40 Mrd. EUR steigern könnten, wenn sie in der Lage wären, ihre Umsatzrendite auf den Durchschnittswert ihrer jeweiligen Branche anzuheben. Würden sie es gar schaffen, die entsprechenden Vergleichswerte der besten 20% ihrer Branche zu erreichen, fiele die mögliche Ergebnissteigerung mit rund 280 Mrd. EUR noch einmal deutlich höher aus. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass der deutsche Markt für Distressed-Debt- und Turnaround-Finanzierungen eine erhebliche Anziehungskraft auf in- und ausländische Investoren ausübt. Wesentliche Voraussetzung für die Realisierung derartiger Wertsteigerungspotenziale ist jedoch eine ganzheitliche Restrukturierung des betreffenden Unternehmens. Im Rahmen des Restrukturierungskonzeptes sind dabei zwei grundsätzliche Fragen zu beantworten: •
Wie kann die kurzfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens gesichert werden?
•
Wie kann die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit gesichert und ausgebaut werden?
Auf der Basis der Erfahrung von mehr als 1.500 Restrukturierungsprojekten seit 1990 hat Roland Berger Strategy Consultants einen ganzheitlichen Restrukturierungsansatz entwickelt, der eben diese Aspekte in einem Konzept vereint und im Rahmen einer integrierten GuV-, Bilanz- und Liquiditätsplanung quantifiziert abbildet (siehe Abbildung 3).
27 Sales up Personalaufwand Materialaufwand Outsourcing Logistikkosten Operative Restrukturierung Overhead-Kosten A
Businessplan Produktportfolio (GuV, Bilanz, Kundensegmente Liquidität), Regionale Märkte MaßnahmenEigenkapital Geschäftsmodell plan Finanzielle Strategische Organisation Bilanz- und Restrukturierung Neuausrichtung … Kapitalstruktur C B
Liquidität (z.B. Working Capital Management, Desinvestments)
Abb. 3: Das „Restrukturierungsdreieck“ von Roland Berger Strategy Consultants Zunächst liegt der Schwerpunkt der operativen Restrukturierung darauf, kurzfristig das Überleben des gefährdeten Unternehmens durch schnell wirkende Maßnahmen zur Liquiditätssicherung und Ergebnisverbesserung sicherzustellen. Mittelbis langfristig kann ein krisengeschütteltes Unternehmen seine Wettbewerbsfähigkeit nur dann zurückgewinnen, wenn es die hausgemachten Probleme löst, die Defizite bei den betrieblichen Prozessen überwindet und sich im Markt- und Wettbewerbsumfeld zukunftsgerichtet positioniert. Hier setzt die strategische Restrukturierung an. Die finanzielle Restrukturierung, die häufig mit einer aktiven Rekapitalisierung verbunden ist, schafft zuletzt die Voraussetzungen für eine hinreichende Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung, um zukünftiges profitables Wachstum zu finanzieren. Erfolg
Hausse +130% Baisse Restrukturierungen +75% Marktrendite
Abb. 4: Kursentwicklung bei erfolgreichen Restrukturierungsfällen in Hausseund Baisse-Märkten Auf Basis einer Studie die ca. 1.000 börsennotierte Unternehmen in Deutschland umfasst, konnte Roland Berger Strategy Consultants zeigen, dass sogar in einer Baisse Renditen (nach Risikoanpassung) von mehr als 75 Prozent über dem ver-
28
gleichbaren Marktdurchschnitt (repräsentiert durch den CDAX-Index) möglich sind. In einer Hausse könnte der Wert sogar bei rund 130 Prozent über der marktüblichen Rendite liegen (siehe Abbildung 4). Dies erfordert jedoch eine umfassende Restrukturierung in der oben dargestellten Form. Außerdem haben die Analysen gezeigt, dass eine Restrukturierung dann besonders erfolgreich ist, wenn im Rahmen des dargestellten ganzheitlichen Restrukturierungsansatzes drei grundlegende Spielregeln berücksichtigt werden: 1.
Erst Konsolidierung! Konsolidierung durch Personalabbau von Arbeitskräften, Standortschließungen, Senkung der Materialkosten, Produktionsverlagerung, Verschlankung hierarchischer Strukturen usw.
2.
Dann Wachstum! Schnelles Wachstum durch Konzentration auf gesunde Marktsegmente, Einführung neuer Produkte, Erschließung neuer Märkte und Qualitätssteigerung
3.
Parallel Kapitalzufuhr! Umsetzung einer aktiven Kapitalstrategie, die darauf ausgerichtet ist, externe Investoren zu gewinnen, die das Kapital für Konsolidierung und Wachstum zur Verfügung stellen.
Insbesondere die aktive Rekapitalisierung spielt eine entscheidende Rolle. Dies zeigt die Tatsache, dass in zwei Drittel der erfolgreichen Restrukturierungsfälle externes Kapital in Form von Eigen- und/oder Fremdkapital zugeführt wurde. Etwa drei Viertel der Krisenunternehmen, die eine Kapitalerhöhung in der Krise umgesetzt haben, weisen nach Abschluss der Restrukturierung nachhaltig positive Ergebnisse auf. Damit ist die Kapitalerhöhung das wichtigste Element einer erfolgreichen finanziellen Restrukturierung. Diese Ergebnisse decken sich mit den von Hotchkiss/Mooradian erzielten Resultaten, die bereits 1997 in ihrer Arbeit „Vulture Investors and the market for control of distressed firms“ zeigen konnten, dass das Verfolgen einer aktiven Kapitalstrategie mit dem höchsten Wertsteigerungspotenzial für einen potenziellen Investor verbunden ist. Sie analysierten dabei die ROI-Verbesserung (Operatives Ergebnis/Bilanzsumme) innerhalb von zwei Jahren bei US-Restrukturierungen (siehe Abbildung 5). Wer Krisensymptome zu spät erkennt oder gar verschleiert, verliert wertvolle Zeit, engt Handlungsspielräume weiter ein und verbraucht dringend benötigte Ressourcen wie Eigenkapital oder Liquidität. Die Restrukturierung muss dann häufig unter Zeitdruck mit geringem Handlungsspielraum und knappen Mitteln durchgeführt werden. Berater sollten deshalb umsetzungsorientiert an die Arbeit gehen. Für ausführliche Analysen fehlt häufig die Zeit. Reine Analysen ohne schnelle Erfolge in Form von liquiditäts- und ergebnisverbessernden Maßnahmen helfen Unternehmen in der akuten Krise wenig. So müssen Berater die operative Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen von Anfang an unterstützen.
29
63.4%
62.1%
64.7%
45.7% 29.7%
29.8%
Ohne Restru.Investor
Passiv
Aktives Auftreten der neuen Player in der Restrukturierung
„Blocking Aktiv (ohne Kontroll- Vorstand / Position“ Gremien- möglichkeit Geschäftsvertretung) führung Einfluss
Abb. 5: ROI-Verbesserung binnen zwei Jahren bei US-Restrukturierungen [%-Punkte] Eine akute Krise ist immer auch eine Vertrauenskrise. Ungünstige Rahmenbedingungen, auf die das Unternehmen keinen Einfluss nehmen kann, mögen die Situation verschlimmert haben, doch in aller Regel überwiegen selbstverschuldete Krisenursachen. Erst Missmanagement verwandelt eine strategische Krise in eine Ergebnis- oder gar Liquiditätskrise. Bittet das Unternehmen in dieser Situation Banken, Kreditversicherer, Lieferanten, Aktionäre und Bürgschaftsgeber wie Bund oder Land um Hilfe, ist eine selbstkritische Haltung des Topmanagements ebenso unabdingbar wie die Bereitschaft zu radikalen Veränderungen. Probleme müssen offen angesprochen, unangenehme Maßnahmen dürfen nicht von vornherein ausgeklammert werden. Besteht diese Bereitschaft nicht, sind schnelle Veränderungen im Management unvermeidlich. Denn sonst wäre die ohnehin unter Zeitdruck durchzuführende Restrukturierung bereits zu Beginn gefährdet, alle Sanierungsbemühungen blieben unglaubwürdig und wären nicht konsensfähig. Jede Restrukturierung ist komplex und einzigartig, und es gibt keine Patentrezepte gegen Unternehmenskrisen. Nach über zehn Jahren Restrukturierungserfahrung haben sich aber zehn wesentliche Erfolgsfaktoren herausgebildet (siehe Abbildung 6):
30
1
Schnelle Bestimmung der tatsächlichen Krisenursachen
6
Klare Zuordnung der Verantwortung für die Umsetzung der Maßnahmen
2
Rasche Umsetzung von Sofortmaßnahmen als Signal der Veränderung
7
Bildung von Projektteams aus Mitarbeitern des Unternehmens und erfahrenen Beratern
Entwicklung eines stringenten und über3 zeugenden operativen, strategischen und finanziellen Restrukturierungskonzepts
8
Stringentes Controlling der Umsetzung aller Restrukturierungsmaßnahmen
4 Setzen ehrgeiziger und quantifizierter Ziele
Einbeziehung aller Stakeholder (Gesellschafter, 9 Gläubiger, Mitarbeiter), um Vertrauen wieder herzustellen
5 Aufstellen eines integrierten Businessplans
10
Restrukturierung ist Aufgabe des Topmanagements!
Abb. 6: Zehn Erfolgsfaktoren für Restrukturierungsprojekte
3
Fazit und Ausblick
Eine umfassende und konsequente Restrukturierung kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, eine stabile und gesunde Finanzbasis für das Unternehmen zu schaffen sowie Ergebnisse und Liquidität langfristig zu sichern. Dadurch schafft sie Raum für neue strategische Optionen. Dies hat positive Auswirkungen für alle Stakeholder: Für Banken und Kreditversicherer behalten ihre Forderungen ihren Wert und ein mögliches Kredit-Rating kann sich verbessern. Kunden und Zulieferer sind so eher geneigt, ihre Geschäftsbeziehungen mit dem Unternehmen fortzusetzen, da sie in ihm wieder einen starken und wertvollen strategischen Partner sehen. Für Investoren bietet eine Restrukturierung attraktive Investitionschancen mit langfristigen Wachstumsperspektiven auf einer soliden und gesunden Finanzbasis. Vor diesem Hintergrund sind wir sicher, dass das Restrukturierungsumfeld in Deutschland auch in den nächsten Jahren – nach dem Ende der Deutschland AG und dem Ende des „Insolvenz-Hypes“ – viele aktive Ansätze bieten wird, die nachhaltig zur Sicherung von Unternehmen beitragen können.
Rekapitalisierung – neue Wege der Unternehmensfinanzierung Sascha Haghani, Maik Piehler
1
Die Neuordnung der Finanzen als dritte Dimension der Restrukturierung
Reinhold K., Vorstand eines mittelständischen deutschen Unternehmens, ist begeistert über eine lukrative Offerte: Ein profitables ausländisches Partnerunternehmen wird ihm zu einem attraktiven Preis angeboten. Diese einmalige Gelegenheit will der Vorstand nutzen, die Geschäftsaktivitäten auszuweiten; er ruft seine Hausbank an, um die Finanzierung dieser Akquisition zu besprechen. Das Telefonat endet mit einer Enttäuschung: Er wird keine zusätzlichen Finanzmittel erhalten. Reinhold K. ist kein Einzelfall: Viele deutsche Unternehmen sehen sich derzeit mit ähnlichen Finanzierungsproblemen konfrontiert – obwohl sie in der Vergangenheit umfangreiche Restrukturierungsprogramme umgesetzt haben. Das Verständnis einer Restrukturierung in Deutschland unterscheidet sich erheblich von der Auffassung im angloamerikanischen Wirtschaftsraum: Dort wird der Begriff Restrukturierung stark mit einer Neuordnung der Unternehmensfinanzierung verknüpft. Anders in Deutschland: Hierzulande wurden bisher unter dem Begriff Restrukturierung primär Maßnahmen zur Verbesserung des operativen Geschäfts verstanden. Die so genannte operative Restrukturierung – man kann sie auch als historischen Kern der Restrukturierung in Deutschland bezeichnen – konzentriert sich daher meistens auf Kostensenkungsprogramme sowie auf die Optimierung von Prozessen und Strukturen. Die mit der operativen Restrukturierung eng verknüpfte strategische Neuausrichtung zielt auf die Konzentration auf profitable Kernbereiche und die Erschließung wichtiger Zukunftsmärkte. In den letzten Jahren hat sich der Restrukturierungsansatz in Deutschland jedoch erweitert und beinhaltet nun auch die Neuordnung der Unternehmensfinanzierung. Nach deutschem Verständnis ist die Restrukturierung nun also dreidimensional: operativ, strategisch und finanziell (siehe Abbildung 1). Damit ist der deutsche Restrukturierungsansatz umfassender als der angloamerikanische Ansatz, der sich auf die finanzielle Dimension konzentriert.
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I
Operative Restrukturierung
II
Strategische Neuausrichtung
Ganzheitliches Restrukturierungskonzept
III
Finanzielle Restrukturierung
Abb. 1: Drei Dimensionen der Restrukturierung in Deutschland Diese Erweiterung des Restrukturierungsansatzes lässt sich auf zwei wesentliche Entwicklungen zurückführen, die in den letzten Jahren die Usancen der Unternehmensfinanzierung verändert haben. Einerseits handhaben inländische Banken ihre Kreditvergabe im Vorfeld der Einführung von Basel II deutlich restriktiver. Andererseits haben immer mehr ausländische Banken und Investoren Deutschland als attraktiven Markt erkannt und dementsprechend ihre Aktivitäten hierzulande aufund ausgebaut. Diese Zunahme potenzieller neuer Geldgeber wirkt sich natürlich auf die bestehenden Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen Unternehmen und ihren „Hausbanken“ aus, die bisher deren wichtigste Finanzierungsquelle darstellten.
2
Alternative Finanzierungsoptionen als Konkurrenz für das klassische Darlehen
Die im vorangegangenen Abschnitt skizzierten Veränderungen haben deutschen Unternehmen neue Optionen für ihre Finanzierung erschlossen. Mehr und mehr mittelständische Unternehmen entdecken neben dem klassischen Darlehen attraktive Finanzierungsalternativen. Die Bandbreite erstreckt sich dabei von Anleihen über unterschiedlichste Mezzanine-Varianten bis hin zu Eigenkapitalmaßnahmen, in einigen Fällen sogar bis zur Nutzung des organisierten Kapitalmarktes. Diese Instrumente haben zwar bereits in der Vergangenheit existiert, jedoch wurden sie vor allem von großen multinationalen Unternehmensgruppen genutzt. Durch den Markteintritt angelsächsischer Kapitalgeber und die entsprechenden Reaktionen
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der inländischen Finanzbranche ist für deutsche mittelständische Unternehmen der Zugang zu solchen Finanzierungsformen allerdings deutlich leichter geworden. Für den deutschen Mittelstand kann das der Ausweg aus einem schon lange bestehenden Dilemma sein. Die restriktive Kreditvergabe von Finanzinstituten, die unter anderem durch die Umsetzung der Basel-II-Bestimmungen noch verstärkt wurde, hat erforderliche Wachstumsinvestitionen nicht selten verhindert. Selbst die Vorfinanzierung zusätzlicher Aufträge scheitert häufig an der Zurückhaltung der Kreditinstitute. Gleichzeitig verfügen viele Mittelständler nicht über die nötige Eigenkapitalausstattung, um das Wachstum aus eigener Kraft zu finanzieren. Ohne Nutzung von Wachstumsoptionen ist es jedoch vielfach nicht möglich, signifikante Ertragssprünge zu generieren, um wiederum die Finanzierung aus eigener Kraft zu ermöglichen. Dieser Teufelskreis kann durch neue Finanzierungswege und -formen durchbrochen werden. In den nächsten Jahren werden deshalb Finanzierungsthemen für mittelständische Unternehmen stark an Bedeutung gewinnen. Vor allem bei Restrukturierungsfällen wird der Bedarf an risikoadäquaten Finanzierungen weiter steigen. Dieser Trend zeigt sich bereits deutlich: 2005 hat eine wachsende Anzahl ausländischer Investoren Kreditengagements von deutschen Banken erworben. Besonders beim Verkauf von Kreditportfolios hat dies Konsequenzen für die gesamte deutsche Finanzierungslandschaft. Wenn neue Spieler, deren Verhalten sich nur schwer prognostizieren lässt, plötzlich in bestehenden Finanzierungskreisen und Bankenpools mitmischen, sorgt dies für Unruhe und Dynamik – sowohl bei den übrigen finanzierenden Banken als auch bei den betroffenen Unternehmen. Nicht zuletzt sind dafür die Unterschiede in der Mentalität und den Unternehmenskulturen zwischen deutschen Hausbanken mit Geschäftsbanken-/Sparkassencharakter einerseits und den internationalen Investoren mit Finanzinvestoren-/Investmentbankcharakter andererseits verantwortlich. Derzeit sind die Beteiligten gerade dabei, sich allmählich an diese veränderte Situation zu gewöhnen. In Einzelfällen werden bereits jetzt konstruktive Lösungen für die jeweilige Unternehmensfinanzierung erarbeitet. Insgesamt ist aber auf Seiten der betroffenen Unternehmen das Verständnis für die Ziele und Verhaltensweisen der neuen Finanziers sowie die Möglichkeiten einzelner Finanzierungsinstrumente noch eher gering ausgeprägt. Nichtsdestotrotz ist aber in jedem einzelnen Fall die Anpassung der Finanzierung an den Bedarf des jeweiligen Unternehmens notwendig. Dies betrifft neben den üblichen Zeit- und Kostenaspekten („financing terms“) die Berücksichtigung und Einbindung der Interessen der verschiedenen Beteiligten. Deren individuelle Interessen können auch auf Grund der erwähnten kulturellen Unterschiede stark voneinander abweichen. Für den Erfolg einer solchen Finanzierung/Rekapitalisierung spielt deshalb die Moderation zwischen den bzw. die Koordination der Beteiligten eine entscheidende Rolle (siehe Abbildung 2).
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Unternehmen
• Stabile Finanzierung • Hoher Zufluss von „fresh money“
Weiter begleitende Banken • Künftige Tilgungsfähigkeit • Vermeidung von Wertberichtigungen • Keine zusätzlichen Mittel Ausstiegswillige Banken • Hohe Ablösequote • Keine weitere Begleitung • Sofortige Cash-Abfindung
Potenzielle Investoren • Hohe Rendite • Hohe Anteilsquote • Hohe Ausschüttungen • Absehbares Exit-Szenario Moderator
Bisherige Aktionäre • Hohe Rendite • Geringe Verwässerung • Erhaltung der Mindestanteile
Abb. 2: Moderation und Koordination der Beteiligten
3
Ein Konzept als Basis für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum
Der grundsätzliche Ansatz einer Rekapitalisierung ist zunächst relativ einfach: Das Konzept zielt darauf ab, die Finanzkraft mittelständischer Unternehmen zu stärken, um deren Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum zu sichern. So lassen sich die Weichen für den langfristigen Markterfolg stellen. Üblicherweise ergänzt die integrierte Rekapitalisierung eine erfolgreiche operative Restrukturierung. Das Konzept setzt auf mehreren Ebenen an: •
Bereitstellung neuer Finanzmittel („fresh money“),
•
Entlastung von Bilanz und Ergebnis,
•
Stabilisierung des Finanzierungskreises,
•
Beteiligung des Finanzierungskreises am Unternehmenserfolg,
•
Wegbereiter für strategische Kooperationen.
Häufig bildet ein heterogener Finanzierungskreis mit unterschiedlichen Zielen der Beteiligten den Ausgangspunkt der Rekapitalisierung. Wegen der unterschiedlichen Interessenlage können die Kreditinstitute zu Beginn der Rekapitalisierung zwischen den Optionen Weiterfinanzierung und Ausstieg wählen. Die Logik der Rekapitalisierung lässt sich in folgenden Grundsätzen zusammenfassen: 1.
„fresh money“ genießt Vorrang vor bestehenden Engagements.
2.
Bisherige Geldgeber können nur mit einem Abschlag aussteigen.
3.
Der Abschlag fließt dem Unternehmen zu.
35
4.
Die weiterfinanzierenden Institute partizipieren am Unternehmenserfolg.
Diese scheinbar schlichte Logik stellt viele Unternehmen vor schwierige Aufgaben. Denn die unterschiedlichen Interessen lassen sich nur mit erheblichem Moderations- und Koordinationsaufwand ausgleichen. Gerade durch diese Koordination von Interessen und Finanzinstrumenten unter Einbeziehung von Branchenerfahrung unterscheidet sich der Ansatz der integrierten Rekapitalisierung von rein finanzwirtschaftlichen Lösungen. Je nach dem unternehmensspezifischen Ziel der Rekapitalisierung werden unterschiedliche Instrumente in eine individuelle Lösung integriert. So hat etwa ein süddeutscher Großhändler eine Kombination aus Kapitalschnitt mit anschließender Barkapitalerhöhung, Rückkauf von Krediten, Debt-to-Equity-Swaps, Wandelgenussscheinen und variablen (ergebnisabhängigen) Zinselementen gewählt. Damit ist es gelungen, Fremdverschuldung und Zinslast deutlich zu reduzieren sowie zusätzliches Wachstum im In- und Ausland zu finanzieren. Das Beispiel zeigt auch deutlich: Verbesserte Bilanzrelationen – selbst nach bilanziellen Bereinigungen – verbessern das Rating. Der – verkleinerte – Finanzierungskreis kann künftig wieder Tilgungen erwarten. Außerdem lassen sich Entscheidungsprozesse beschleunigen, wenn die Zahl der Beteiligten reduziert wird. Der Zeitaufwand von rund zehn Monaten zwischen Grobkonzept und Abschluss der technischen Umsetzung hat sich gelohnt. Der Großhändler konnte seine Marktposition stärken und wächst wieder profitabel. Seine Marktkapitalisierung hat sich innerhalb eines Jahres etwa verfünffacht – bereinigt um die Kapitalmaßnahmen immer noch etwa verdoppelt. Dieses Projekt hat erneut die Erfahrung bestätigt, dass sich die Umsetzung eines integrierten Rekapitalisierungskonzeptes in der Regel zu einem außerordentlich komplexen Prozess entwickelt. Diese Komplexität lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen: •
Die Zielsetzungen des Unternehmens,
•
die möglichen Finanzinstrumente zur Zielerreichung,
•
die unterschiedlichen Einzelinteressen der betroffenen Anspruchsgruppen (etwa Gesellschafter, Neuinvestoren und Kreditinstitute),
•
die Vielzahl notwendiger Einzelmaßnahmen/-prozesse und die daraus resultierende hohe Termindichte,
•
die Interdependenz zwischen den einzelnen Instrumenten, Beteiligten und Prozessen.
Bei der Umsetzung von Kapitalmaßnahmen gilt es zudem, eine Vielzahl regulatorischer, speziell in Deutschland geltender Bestimmungen zu beachten. Dazu ist es notwendig, Spezialisten wie zum Beispiel Fachanwälte, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater frühzeitig in die Konzepterarbeitung einzubeziehen. Einzelne im angloamerikanischen Raum übliche Vereinbarung (etwa „zero-strike warrants“)
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sind in Deutschland in dieser Form nicht umsetzbar und müssen deshalb durch andere Instrumente ersetzt werden. Und schließlich darf keinesfalls vernachlässigt werden, dass in einer Rekapitalisierung die Anforderungen an die interne und externe Kommunikation des Unternehmens immens steigen. Eine transparente und überzeugende Kommunikation ist notwendige Voraussetzung dafür, dass die von einer Rekapitalisierung Betroffenen die erforderlichen, teilweise schmerzlichen Maßnahmen akzeptieren. Insbesondere bei börsennotierten Unternehmen muss der Umgang mit den Aktionären und spezifische Regelungen (zum Beispiel Bezugsrecht der Aktionäre) bereits in einer frühen Phase des Prozesses berücksichtigt werden. Sowohl in der Konzeptions- als auch in der Umsetzungsphase einer Rekapitalisierung bringen die hier skizzierten Komplexitätstreiber in ihrer Gesamtheit einen hohen Koordinationsaufwand mit sich. Die vielleicht heikelste Aufgabe ist dabei, die Interessenkonflikte zwischen den beteiligten Parteien zu überwinden. Gelingt dies, ist damit ein entscheidender Beitrag zum Erfolg der Rekapitalisierung geleistet. Für den gesamten Prozess spielt deshalb ein Moderator eine Schlüsselrolle: Er muss es schaffen, das Vertrauen aller Beteiligten in eine konsensfähige Lösung zu überführen.
4
Fazit und Ausblick
Mehrere erfolgreiche Fälle, in denen mit innovativen Konzepten eine Rekapitalisierung von Unternehmen erreicht wurde, ziehen die Aufmerksamkeit anderer Mittelständler auf sich. Wir spüren deutlich, dass das Interesse und die Aufgeschlossenheit dieser Klientel für Alternativen zur klassischen Darlehensfinanzierung zunehmen. Gerade im Anschluss an operative Restrukturierungen wollen immer mehr mittelständische Unternehmen in Deutschland eine Neuordnung ihrer Unternehmensfinanzierung vornehmen. Die Welle rollt erst an!
Aus der Krise zur Wertsteigerung: Wie Unternehmen in der Restrukturierung hohe Renditen erreichen können Karsten Lafrenz
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Krisenunternehmen müssen hohe Renditeerwartungen erfüllen
Unternehmen in Deutschland agieren in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld. Als Beispiel dafür seien nur einige Indikatoren genannt, die die Debatte über den Standort Deutschland wesentlich beeinflussen: Deutschland weist eine strukturell hohe Arbeitslosigkeit auf, die im Zusammenwirken mit der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung zu einer enormen Belastung der Sozialsysteme und damit zu hohen Staatsausgaben führt. Zu deren Finanzierung ist der Staat zum einen auf hohe Einnahmen angewiesen, woraus enorme Steuerbelastungen der Bürger und Unternehmen resultieren; zum anderen gehen die beträchtlichen Sozialausgaben der öffentlichen Hand zu Lasten der Investitionen. Vor diesem Hintergrund hat das Wirtschaftswachstum 2004 nur rund 1,5%1 betragen, und auch die Prognosen für 2005 versprechen keine Verbesserung. Wie eine von Roland Berger Strategy Consultants erstellte Studie ergeben hat, zeigen 42% der befragten Unternehmen unter diesen ökonomischen Rahmenbedingungen Krisensymptome, die ein Gegensteuern des Managements erforderlich machen. Für eine erfolgreiche Restrukturierung ist in den meisten Fällen die Zuführung neuen Kapitals erforderlich, da die bisherige Eigenkapitalreserve in der Regel aufgezehrt ist bzw. die Liquidität nicht ausreicht, um Maßnahmen zur Krisenbekämpfung durchzuführen. So zeigt eine weitere Untersuchung, dass 65% der Unternehmen, die den Turnaround geschafft haben, neues Kapital zugeführt wurde.2 Angesichts der Tatsache, dass diese Unternehmen in einer umfassenden Restrukturierung steckten, stellt sich eine entscheidende Frage: Wie kann dieses Kapital beschafft werden? Bei den in Deutschland üblichen Finanzierungsmöglichkeiten erfolgte eine Finanzierung in einer Krisensituation in der Vergangenheit nahezu ausschließlich durch
1
Siehe Statistisches Bundesamt (2005).
2
Vgl. Buschmann (2005), S. 180 ff.
38
die Hausbanken der betroffenen Unternehmen. Es ist aber festzustellen, dass das Kreditvolumen an Unternehmen seit 2001 um 6,5% zurückgegangen ist. Man kann davon ausgehen, dass Krisenunternehmen von diesem Trend überproportional betroffen sind.3 Die Bereitschaft der „klassischen“ Geschäftbanken zur Finanzierung von Krisenunternehmen lässt insbesondere wegen der risikobezogenen Eigenkapitalhinterlegung im Rahmen der Vorschläge von Basel II4 und des Ertragsdrucks der Banken immer mehr nach.5 In der Konsequenz sind die Unternehmen gezwungen, alternative Finanzierungsformen und -quellen zu suchen. Eine Möglichkeit dazu bieten die Private-Equity- und Hedge-Fonds-Gesellschaften, die stark in den deutschen Markt drängen und sich sowohl am Eigenkapital als auch am Fremdkapital von Unternehmen beteiligen. Als prominente Beispiele seien hier auf der Eigenkapitalseite die Investments von KKR in Auto-Teile Unger oder der Texas Pacific Group bei Friedrich Grohe genannt, auf der Fremdkapitalseite sind die Investments von Goldman Sachs bei Ihr Platz oder von LoneStar bei dem Problemkreditportfolio der Dresdner Bank anzuführen. Auch im Fall der Restrukturierung des angeschlagenen KarstadtQuelle-Konzerns, die 2004/2005 Schlagzeilen machte, sind angelsächsische Private-Equity- und Hedge-Fonds-Gesellschaften aktiv. Auf Grund der Risikoposition des Investments in Krisenunternehmen erwarten Investoren, die in derart angespannten Situationen neu in das Unternehmen investieren, aber eine Rendite, die die betroffenen Unternehmen nur in Ausnahmefällen als Erträge bzw. Zinsen erwirtschaften können. Unternehmenskredite, die in Krisensituation deutlich niedriger als mit der Rating-Klasse BB einzustufen sind, liegen aktuell deutlich über einem Zinssatz von 8%; die Renditeerwartungen von Private-Equity-Gesellschaften bewegen sich meist oberhalb einer Basis von 15 bis 20% (siehe Abbildung 1). Unternehmen sind daher in diesem Umfeld verstärkt darauf angewiesen, dass Rendite für die Investoren auch in Form einer Wertsteigerung des Unternehmens generiert wird. Dieser Beitrag untersucht deshalb, welche Ansatzpunkte für eine Restrukturierung von Krisenunternehmen bestehen und welche Erfolgsfaktoren für eine Restrukturierung relevant sind (Abschnitt 2). Darauf aufbauend wird analysiert, welches Wertsteigerungspotenzial bei der Restrukturierung von Krisenunternehmen besteht (Abschnitt 3). Abschließend wird auf die Auswirkungen dieser Erkenntnisse für die Finanzierung von Krisenunternehmen eingegangen (Abschnitt 4).
3
Deutsche Bundesbank (2005), S. 34.
4
Zweites Konsultationspapier des Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht; vgl. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2001), bzw. die aktualisierte Fassung Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2003).
5
Vgl. Eilenberger (2002), S. 7 ff.
39 (Unternehmens-)anleihen
Equity >15-20%
10-12% >8-10%
3,79%
3,83%
4,02%
4,54%
5,00%
3,62%
Staatsanleihe
AAA
AA
A
BBB
BB
Blue Chip
Restructuring
Abb. 1: Vergleich der Renditeerwartung von Investoren in Deutschland [%] (Quelle: Datastream, Thompson Financial, Europ. Venture Capital Association)
2 2.1
Die Restrukturierung von Krisenunternehmen Die vier Grundtypen bei Restrukturierungen
Für die Betrachtung von individuellen Ansatzpunkten und Erfolgsfaktoren für Restrukturierungen ist zunächst zu analysieren, welche Typen von Restrukturierungen existieren. Dahinter verbirgt sich der Grundgedanke, dass es kein universell gültiges „Erfolgsrezept“ gibt, das sich auf alle Krisen anwenden lässt. In einer umfassenden Untersuchung hat der Verfasser Restrukturierungen von 40 börsennotierten Unternehmen analysiert, die in den Jahren 1993 bis 2002 bei der Überwindung einer existenzbedrohenden Krise von Roland Berger Strategy Consultants unterstützt wurden.6 In dieser Untersuchung wurden durch den Einsatz einer Clusteranalyse7 vier Grundtypen identifiziert. Die Betrachtung dieser vier Grundtypen bietet einen Kompromiss in dem Spannungsfeld, einerseits genügend für das einzelne Unternehmen spezifizierte und andererseits genügend generalisierbare Aussagen zu treffen. Als Basis für die Klassifizierung der Restrukturierungen wurden die Ausgangssituation der Restrukturierung, die eingesetzten Maßnahmen und der geplante Umsetzungsprozess analysiert.
6
Für Details der Untersuchung vgl. Lafrenz (2004), S. 199 ff. Anzumerken bleibt, dass diese Anzahl in einigen Analyseschritten auf Grund einer Ausreißerselektion und eingeschränkter Datenverfügbarkeit teilweise weiter reduziert wurde.
7
Für eine Darstellung der Clusteranalye vgl. bspw. Backaus et al. (2000), S. 381 ff.
40
Die Restrukturierungen dieser vier Grundtypen lassen sich wie folgt charakterisieren:8 •
„Effizienzverbesserung“ (55% der untersuchten Unternehmen) Bei diesen Unternehmen liegt ein Schwerpunkt der Restrukturierung auf den leistungswirtschaftlichen Maßnahmen. Vor allem Kostensenkung in den Bereichen Produktion, Beschaffung und Personal ist besonders ausgeprägt. Die strategische Aufstellung bleibt weitestgehend unverändert.
•
„Refokussierung“ (32% der untersuchten Unternehmen) Die Unternehmen, die diesem Grundtyp zugeordnet werden, sind im Durchschnitt deutlich größer als die der anderen Typen und verfügen damit auch über eine starke Marktposition. Im Rahmen der Restrukturierung werden aber in relativ hohem Umfang bestehende Geschäftsfelder aufgegeben und neue Geschäftsfelder aufgebaut. Damit ändert sich der Fokus der Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen.
•
„Wachstum“ (8% der untersuchten Unternehmen) Unternehmen dieses Typs sind in der Regel eher klein. Obwohl sie in der Vergangenheit relativ stark gewachsen sind, konnten diese Unternehmen ihren Marktanteil nicht wesentlich ausdehnen, verfügen über eine schwache Marktposition und weisen damit eine unterkritische Größe auf. Im Rahmen der Restrukturierung verfolgen sie die eingeschlagene Expansionsstrategie weiter, versuchen aber durch leistungswirtschaftliche Maßnahmen sicherzustellen, dass das Wachstum profitabel wird.
•
„Redimensionierung“ (5% der untersuchten Unternehmen) Auch diese Unternehmen sind in der Vergangenheit stark gewachsen, konnten aber keine ausreichende Rentabilität erzielen. Auffällig ist der starke Umsatzrückgang im Rahmen der Restrukturierung, sodass diese nicht nur auf eine Beendigung der ehemaligen Wachstumsstrategie zielt, sondern es während der Restrukturierung zu einer ausgeprägten Redimensionierung der Unternehmen kommt. Eine wesentliche Maßnahme ist der Abbau von Randaktivitäten, wobei die frei werdende Liquidität im Wesentlichen für die Rückführung der hohen Verschuldungsgrade genutzt wird.
Der Schwerpunkt der weiteren Ausführungen liegt auf den ersten beiden Grundtypen, da sie mit einem Gesamtanteil von rund 85% einen Großteil der Sanierungen abdecken und damit in der Praxis die größte Relevanz besitzen.
8
Diese Begriffsbezeichnungen unterscheiden sich leicht von den bei Lafrenz genannten; vgl. Lafrenz (2004), S. 240.
41
2.2
Ansatzpunkte und Erfolgsfaktoren für eine Restrukturierung der jeweiligen Grundtypen
Gerade für das Management von Krisenunternehmen ist eine Frage von zentraler Bedeutung: Worauf kommt es bei einer erfolgreichen Restrukturierung an? Im Folgenden werden deshalb die wesentlichen Ansatzpunkte bei den beschriebenen Restrukturierungstypen dargestellt und jeweils die Erfolgsfaktoren herausgearbeitet. Da sich ein Restrukturierungsfall bereits nach einer groben Analyse einem der identifizierten Typen zuordnen lässt, bieten diese Aussagen wichtige Hinweise für eine detaillierte Ausarbeitung des Restrukturierungskonzeptes. In der erwähnten Untersuchung des Verfassers wurden für die Analyse der wesentlichen Maßnahmen und kritischen Erfolgsfaktoren statistisch signifikante Unterschiede zwischen den erfolgreichen und den nicht-erfolgreichen Unternehmen innerhalb eines Restrukturierungstyps herangezogen. Als erfolgreich werden dabei die Unternehmen definiert, die im Rahmen der Restrukturierung signifikante positive Überrenditen erwirtschaften konnten. Diejenigen Unternehmen, die trotz Restrukturierung signifikant negative Überrenditen erzielten, werden als nicht erfolgreich klassifiziert. Unternehmen, bei denen keine signifikant positiven oder negativen Überrenditen zu beobachten waren, sind damit aus dem Vergleich ausgeschlossen. 2.2.1
Ansatzpunkte und Erfolgsfaktoren der „Effizienzverbesserung“
Der entscheidende Ansatzpunkt bei der „Effizienzverbesserung“ liegt im Bereich der operativen Restrukturierungsmaßnahmen. Diese tragen allein durch Maßnahmen zur Kostensenkung zu einer Verbesserung der Umsatzrendite um 8% bei. Dabei stammen die Kostensenkungen vor allem aus den Bereichen Produktion, Beschaffung und Personal. Insbesondere der Bereich Personal trägt bei einem Abbau von durchschnittlich 18% der Mitarbeiter zu einer Senkung des Personalaufwands um 19% bei (dies entspricht 5% Umsatzrendite). Aber auch im Bereich des Sonstigen betrieblichen Aufwands (SbA) werden mit Einsparungen von durchschnittlich 12% des SbA relativ hohe Kürzungen realisiert. Flankiert werden die operativen Maßnahmen durch strategische Maßnahmen. Im Zuge der Verbesserung der betrieblichen Effizienz und Effektivität erfolgt eine Konzentration auf profitable Produkte, Kunden und Märkte. Damit wird durchschnittlich ein Umsatzrückgang von 11% in Kauf genommen. Im Zusammenhang mit der operativen Restrukturierung wird auch das Working Capital (Differenz zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigem Fremdkapital) wesentlich reduziert. Durch einen Abbau der Lagerbestände um 15% und der Forderungen um 16% können wesentliche finanzielle Mittel freigesetzt werden, die zur Finanzierung der Restrukturierung beitragen können. Ein wesentlicher Ansatzpunkt für eine erfolgreiche Restrukturierung des Typs „Effizienzverbesserung“ ist, dass die Unternehmen bislang die vorhandenen Möglichkeiten für eine Verbesserung bzw. Verschlankung der betrieblichen Abläufe
42
nicht optimal nutzen und so aktuell ein hohes Maß an Ineffizienz besteht. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass die betroffenen Unternehmen deutlich schlechtere Produktivitätskennziffern aufweisen bzw. auch höhere Herstellungskosten haben als ihre Wettbewerber. Für eine erfolgreiche Sanierung durch eine Verbesserung der betrieblichen Effizienz ist aber auch ein gesundes Kerngeschäft ein weiterer Erfolgsfaktor. Sobald das Kerngeschäft den Unternehmenserfolg nicht mehr dauerhaft sichern kann, sind zusätzliche strategische Maßnahmen notwendig, die aber in Kombination mit den operativen Problemen schwieriger durchführbar sind. Erfolgreiche Unternehmen dieses Typs zeigen daher ein deutlich geringeres Ausmaß von Maßnahmen zur Umsatzgenerierung durch neue Produkte oder auf neuen Märkten. Darüber hinaus ist eine den Umständen entsprechend hohe Eigenkapitalbasis ein wichtiger Erfolgsfaktor. Die Umsetzung der operativen Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung kann zum Beispiel durch Sonderabschreibungen oder Abfindungszahlungen zu einer außerordentlichen Belastung des Ergebnisses und damit zu einer Reduzierung des Eigenkapitals führen. Wichtig ist daher, dass die Eigenkapitalausstattung nicht zum limitierenden Faktor bei der Implementierung der Maßnahmen wird. Wenn das Eigenkapital nicht ausreicht, so müssen entsprechende Maßnahmen zu seiner Erhöhung eingeleitet werden. Eine wichtige Rolle spielt außerdem ein ausreichend bemessener zeitlicher Puffer für die Durchführung der Maßnahmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn neben den Maßnahmen zur Kostensenkung parallel neue Geschäftsfelder aufgebaut werden sollen. Ist der Zeitrahmen zu eng veranschlagt, kommt es meistens zu Problemen, da Maßnahmen zum Aufbau neuer Geschäftsfelder in ihrer Wirkung konfliktär zum Ziel der Kostensenkung sind. 2.2.2
Ansatzpunkte und Erfolgsfaktoren der „Refokussierung“
Dieser Restrukturierungstyp ist wesentlich dadurch geprägt, dass die Unternehmen im Zuge der Restrukturierung den Fokus ihrer bisherigen Geschäftstätigkeit verlagern. Dafür werden bestehende Geschäftsfelder aufgegeben oder veräußert und parallel dazu neue Geschäftsfelder aufgebaut. Fallen alte Geschäftsfelder weg, führt dies zu einem Rückgang des Umsatzniveaus von durchschnittlich fast 30%. Dieser Rückgang kann jedoch etwa zur Hälfte wieder kompensiert werden: Durch das Erschließen neuer Geschäftsfelder steigt das Umsatzniveau im Durchschnitt um 15% an. Die operativen Maßnahmen sind bei der „Refokussierung“ im Vergleich zu anderen Restrukturierungstypen schwächer ausgeprägt. Kostenreduzierungen, die bei anderen Typen zu einer Verbesserung der Umsatzrendite zwischen 8 bis 10% führen, tragen hier nur zu einer Verbesserung um 5% bei. Wesentliche Bestandteile dieser Kostensenkung sind eine Reduzierung der Personalkosten (3%) und der Infrastrukturkosten (1%).
43
Um die erforderlichen Maßnahmen durchführen zu können, spielt deren Finanzierung bei diesem Typ eine besonders wichtige Rolle. Die notwendigen Mittel generieren diese Unternehmen zu einem großen Teil aus Veräußerungserlösen aus dem Verkauf von Randaktivitäten. Zur weiteren Bereitstellung der notwendigen Liquidität wird darüber hinaus erstens das bestehende Fremdkapitalvolumen noch weiter ausgedehnt, zweitens wird durch eine relativ umfangreiche Stundung von Zinszahlungen die Liquidität der Unternehmen entlastet. Ein wesentlicher Inhalt der „Refokussierung“ ist eine Änderung des Kerngeschäftsfeldes der Unternehmen. Dementsprechend sind die Flexibilität der Unternehmen aber auch das Know-how im Aufbau neuer Geschäftsfelder entscheidende Erfolgsfaktoren. Auch die Unternehmensgröße spielt eine wichtige Rolle: In der Regel sind kleinere Unternehmen in dieser Klasse erfolgreicher als größere. Ersteren wird offensichtlich mehr Flexibilität unterstellt. Auch verfügen sie normalerweise über eine weniger starre Organisation, sodass sie die notwendigen Änderungen schneller umsetzen können. Die Sicherung der Finanzierung ist ein weiterer Erfolgsfaktor für die Umsetzung der „Refokussierung“: Der Aufbau neuer Geschäftsfelder führt zu hohen finanziellen Aufwendungen, sowohl wenn er organisch erfolgt als auch wenn er durch Zukäufe realisiert wird. Unternehmen, die bei dieser Art von Restrukturierung Erfolge erzielen, sind offensichtlich besser als nicht-erfolgreiche Unternehmen dazu in der Lage, Mittel durch den Verkauf der Randaktivitäten zu gewinnen. Erfolgreichen Unternehmen fällt es auch leichter, sich Liquidität von Fremdkapitalgebern zu beschaffen.
3
Den Wert des Unternehmens steigern – auch und gerade in der Restrukturierung
Wie bereits erläutert wurde, kann im Rahmen einer Restrukturierung die erwartete Rendite der Investoren nicht nur durch Zinsen und Ausschüttungen erwirtschaftet werden. Sie muss auch in Form eines Wertzuwachses der Anteile erfolgen. Die schon genannte Untersuchung des Verfassers betrachtet den Erfolg von Restrukturierungen basierend auf einer Untersuchung von Aktienrenditen.9 Für diese Untersuchungen bietet die so genannte „Event Studies-Analyse“10 eine geeignete Me-
9
Neben der reinen Kurswertänderung der Aktien sind Dividenden und sonstige Ausschüttungen berücksichtigt.
10
Für eine Darstellung der Event-Study-Methode vgl. Armitage (1995), S. 25 ff.; Campbell/Lo/MacKinlay (1997), S. 149 ff.; McWilliams/Siegel (1997), S. 626 ff.
44
thodik, bei der die Wertgenerierung durch die fortlaufenden Aktienrenditen beobachtet wird.11 Der betrachtete Event ist die Vorstellung eines Restrukturierungskonzeptes. Gegenstand der Untersuchung ist der Effekt, den dieser Event über einen Zeitraum von 20 Börsenhandelstagen bis zu zwei Jahren nach sich zieht. Der Effekt aus den Restrukturierungskonzepten wurde von der allgemeinen Marktentwicklung durch Anwendung des so genannten „Marktmodells“ isoliert.12 Dabei wird – ähnlich dem Capital Asset Pricing Model – unterstellt, dass sich die erwartete Rendite eines Wertpapiers aus der Marktentwicklung gewichtet mit einem Betafaktor und einer Konstanten ergibt. Die Differenz aus dieser erwarteten und der tatsächlich realisierten Rendite bezeichnet man als Überrendite. Diese wird in der Untersuchung als Ergebnis der Restrukturierungsmaßnahmen des Unternehmens interpretiert. Bei der Analyse des Erfolgs der Restrukturierungen fällt auf, dass über kurze Betrachtungszeiträume (weniger als drei Monate) bei keinem der betrachteten Typen in dieser kurzen Frist positive Überrenditen erzielt werden und damit Unternehmenswert geschaffen wird. Erst in einem Zeitfenster von mindestens einem Jahr werden im Rahmen der „Effizienzverbesserung“ (plus 1%) und der „Refokussierung“ (plus 98%) positive Überrenditen erwirtschaftet. Diese steigen weiter deutlich an, wenn man einen noch längeren Zeitraum von bis zu zwei Jahren nach Vorstellung des Restrukturierungskonzeptes betrachtet. So steigt bei der „Effizienzverbesserung“ die Überrendite auf plus 54% und die „Refokussierung“ auf plus 136%. Für die beiden anderen Typen standen auf Grund ihrer geringeren Repräsentanz in der betrachteten Untersuchung nicht genügend Daten für die langfristigen Betrachtungen zur Verfügung. Abbildung 2 stellt die Entwicklung der Überrenditen dar. Zu beachten ist dabei, dass die beiden Typen mit einem unterschiedlichen Risiko behaftet sind. So weist die „Refokussierung“ zwar ein höheres Wertsteigerungspotenzial auf, bei Betrachtung der schlechtesten 20% zeigt sich aber auch, dass es hier auch zu einem totalen Verlust (minus 100%) kommen kann. Bei der „Effizienzverbesserung“ haben hingegen die schlechtesten 20% eine vergleichsweise „bessere“ negative Überrendite von minus 54% erzielt.
11
Auf die Problematik der Abweichung des Börsenkurses vom Marktwert des Unternehmens und einer Bewerung nach der DCF-Methode soll hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl. dazu Süchting (1995), S. 396, sowie Buchner (1994).
12
Vgl. Fama (1976), S. 63 ff.
45 „Effizienzverbesserung“
„Refokussierung“
500%
500%
400%
400%
+245%
300%
Top 20%
200% 100%
Top 20% 200%
Durchschnitt
+54%
0%
+483%
300%
Durchschnitt
+136%
100% 0%
Flop 20% -54%
-100%
-20 0 Tage
+1 Jahr
+2 Jahre
Flop 20%
-100%
-20 0 Tage
+1 Jahr
-100% +2 Jahre
Abb. 2: Kumulierte Überrenditen identifizierter Restrukturierungstypen (Quelle: Eigene Berechnungen) Wie bereits erwähnt, sind die untersuchten Restrukturierungen zwischen 1993 und 2002 durchgeführt worden. In diesen Zeitraum fielen sowohl ein lang anhaltender Höhenflug der Aktienkurse als auch ab März 2000 eine ausgeprägte Baisse der Aktienmärkte. Durch die Anwendung des Marktmodells soll die Auswirkung des Marktes auf den Kurs der einzelnen Unternehmen eliminiert werden. Dennoch ist festzustellen, dass die allgemeine Börsenlage einen Einfluss auf den Erfolg der Restrukturierungen besitzt. Die Kurssteigerung von Restrukturierung in einer Hausse-Phase fällt deutlich größer aus als in Baisse-Phasen. Auch der Zeitraum, bis eine Restrukturierung eine signifikante Steigerung des Eigenkapitalwertes erreicht, ist in Hausse-Phasen deutlich kürzer. In einem freundlichen Börsenklima werden Restrukturierungen damit nicht nur deutlich besser beurteilt als bei fallenden Kursen, sondern auch das Vertrauen in die Umsetzung wird schneller aufgebaut.13 Die Untersuchung zeigt also, dass Unternehmen grundsätzlich in der Lage sind, durch Restrukturierungen über einen Zeitraum von zwei Jahren sehr hohe Renditen und damit eine sehr hohe Steigerung ihres Unternehmenswertes zu erzielen. Diese Renditen erfüllen bzw. übertreffen auch die hohen Renditeforderungen von Private-Equity-Fonds, sodass Investments in Krisenunternehmen für diese eine interessante Anlage darstellen.
13
Entsprechend ist auch der Anteil der Restruktuierungen, die eine signifikante Minderung ihres Eigenkapitalwertes aufweisen, deutlich höher; vgl. Lafrenz (2004), S. 283 ff.
46
4
Fazit: Restrukturierungen haben ein großes Wertsteigerungspotenzial – man muss es nur realisieren
Die Untersuchung hat gezeigt, dass auch in Deutschland Restrukturierungen ein sehr hohes Wertsteigerungspotenzial bieten, die auch für renditeorientierte Anleger ein attraktives Investment darstellen. Wenn es ihnen gelingt, Investoren von der Realisierung dieses Wertsteigerungspotenzials zu überzeugen, dann können Unternehmen auch in einer Krisensituation als Alternative zur „klassischen“ Bankenfinanzierung neues Eigenkapital aufnehmen. Für Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten ist diese Finanzierungsform gegenüber der Aufnahme von Fremdkapital besonders vorteilhaft, da keine Liquiditätsbelastung durch Zins- und Tilgungszahlungen entsteht. Die Analyse der Inhalte der Restrukturierungstypen und deren Erfolgsfaktoren hat gezeigt, auf welche Maßnahmen in den Restrukturierungskonzepten der identifizierten Typen ein besonderer Schwerpunkt gelegt werden sollte und welche wesentlichen Erfolgsfaktoren sichergestellt werden müssen. Zum einen sind damit für das Management von Krisenunternehmen Hinweise für die Ausgestaltung von Restrukturierungskonzepten identifiziert. Zum anderen sind damit auch die kritischen Punkte aufgezeigt, die ein Investor im Rahmen der Due Diligence eines Engagements in Krisenunternehmen unbedingt prüfen sollte. Abhängig von der Risikobereitschaft der Investoren bietet die genannte Typisierung auch ein Auswahlkriterium für die Art des Investments. Die Restrukturierungstypen „Effizienzverbesserung“ und „Refokussierung“ mit 54% bzw. 136% verfügen über unterschiedliche Renditepotenziale, weisen aber auch ein unterschiedliches Risikoprofil auf. Als mögliche Investoren für das Eigen- und Fremdkapital von Krisenunternehmen kommen insbesondere spezialisierte Private-Equity-Investoren in Betracht, die ihren Ursprung vor allem im angelsächsischen Raum haben und gezielt in Krisenunternehmen investieren, so genannte „Vulture Investors“. Nach einer amerikanischen Studie erfolgt mit rund 75% ein Großteil dieser Investitionen in das Fremdkapital von Krisenunternehmen.14 Da aber in Deutschland der Anteil von Corporate Bonds nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielt und auch der Transfer von Bankkrediten nicht ohne weiteres möglich ist, ist zu vermuten, dass in Deutschland ein deutlich höherer Anteil dieser Investitionen in das Eigenkapital von Krisenunternehmen fließen wird. Dennoch bieten neuere Kreditverträge den Banken die Möglichkeit zur Weiterveräußerung ihres Engagements. Wie der Fall KarstadtQuelle zeigt, wird diese Option auch in größerem Ausmaß genutzt. In diesem Beispiel wurden schon relativ kurz nach der Vergabe eines syndizierten
14
Hotchkiss/Mooradian (1997), S. 401 ff.
47
Kredits durch die finanzierenden Banken des Unternehmens Tranchen dieses Kredits durch Private-Equity-Gesellschaften erworben. Die genannte amerikanische Untersuchung zeigt darüber hinaus, dass die Renditeverbesserung der Krisenunternehmen umso mehr gesteigert wird, desto mehr Einfluss die Investoren auf die Restrukturierungen nehmen. Dies bedeutet aber für das Management der betroffenen Unternehmen, dass sie künftig vermehrt mit hochprofessionell agierenden Lobbyisten – insbesondere auf der Eigenkapitalseite – konfrontiert sind, die ihre Interessen mit allen rechtlichen Mittel und auch opportunistisch wahrnehmen. In Deutschland sind derart aktiv auftretende Eigenkapitalgeber noch wenig in Erscheinung getreten, aber die Beispiele – wenn auch nicht im direkten Krisenkontext – um die Ablösung des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Börse, Werner Seifert, oder die Klagen von Hedge Fonds gegen den Squeeze-out der Minderheitsaktionäre bei Wella sind erste Präzedenzfälle.15 Insbesondere die Möglichkeit des Transfers der Anteile zwischen unterschiedlichen Gesellschaftern konfrontiert das Management, aber auch die übrigen Stakeholder – und damit auch die finanzierenden Banken –, mit einer deutlich volatileren Zusammensetzung der Stakeholder.
Literaturverzeichnis Armitage, Seth (1995): Event Study Methods and Evidence of their Performance. In: Journal of Economic Surveys, Vol. 8 (1995), No. 4, S. 25-52. Backhaus, Klaus et al. (2000): Multivariate Analysemethoden: Eine anwendungsorientierte Einführung. 9. Auflage, Berlin et al. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2001): Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung: Konsultationspapier, Übersetzung der Deutschen Bundesbank. In: Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Hrsg.): http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/rules_translation.pdf (Stand: 1.8.2005). Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (2003): Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung: Konsultationspapier, Übersetzung der Deutschen Bundesbank. In: Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Hrsg.) http://www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/CP3_Deutsch.pdf (Stand: 1.8.2005). Buchner, Robert (1994): Zum Shareholder Value-Ansatz. In: WiSt, Jg. 23 (1994), Nr. 10, S. 513-516.
15
Ähnlich auch Maier (2005).
48 Buschmann, Holger (2005): Turnaround Management: Eine empirische Untersuchung mit Schwerpunkt auf den Einfluss der Stakeholder im Turnaround, Bamberg. Campbell, John Y./Lo, Andrew, W./MacKinlay, A. Graig (1997): The Econometrics of Financial Markets. Princeton (NY). Deutsche Bundesbank (2005): Bankenstatistik: Statistisches Beiheft zum Monatsbericht 1, März 2005. Eilenberger, Guido (2002): Basel II und seine Entstehung. In: Eilenberger, Guido (Hrsg.): Kreditpolitik der Banken und Unternehmens-Rating: Konsequenzen von Basel II: Beiträge zur Konferenz am 28.11.2001, S. 7-22, Rostock. Fama, Eugene F. (1976): Foundations of Finance: Portfolio Decisions and Security Prices. New York. Hotchkiss, Edith S./Mooradian, Robert M. (1997): Vulture investors and the market for control of distressed firms. In: Journal of Financial Economics, Vol. 43 (1997), S. 401-432. Lafrenz, Karsten (2004): Shareholder Value-orientierte Sanierung: Ansatzpunkte und Wertsteigerungspotenzial beim Management von Krisenunternehmen. Wiesbaden. Maier, Angela (2005): „Hedge Fonds schaffen einen Präzedenzfall“, Financial Times Deutschland, 10.5.2005. McWilliams, Abagail/Siegel, Donald (1997): Event Studies in Managerial Research: Theoretical and Empirical Issues. In: Academy of Managent Journal, Vol. 40 (1997), Nr. 3, S. 626-657. Statistisches Bundesamt (2005): Bruttoinlandsprodukt und Bruttowertschöpfung, http://www.destatis.de/indicators/d/vgr110jd.htm (Stand: 1.8.2005), 2005. Süchting, Joachim (1995): Finanzmanagement: Theorie und Politik der Unternehmensfinanzierung. 6. Auflage, Wiesbaden.
Finanzielle Restrukturierung mittelständischer Unternehmen Robert Simon
1
Gestörte Vertrauensbasis zwischen Banken und Unternehmen
„Wir benötigen nur eine Ausweitung des Finanzierungsrahmens, dann ist unsere vorübergehende Ergebnis- und Liquiditätsschwäche schnell beseitigt.“ – Es ist überraschend, wie oft dieser Satz bei Verhandlungen zwischen der Führungsspitze eines angeschlagenen Unternehmens und dessen Finanzpartnern fällt. Offensichtlich betrachten viele Geschäftsführer bzw. Unternehmer diese einfache Formel als Patentrezept zur Krisenbewältigung. Aber allein durch einen solchen Appell ist die benötigte Liquidität häufig nicht mehr zu erlangen. In der Regel geraten Unternehmen nicht völlig unerwartet in eine Krise. Krisenindikatoren werden im näheren Umfeld des betroffenen Unternehmens durchaus registriert; dies gilt insbesondere, wenn die Finanzpartner über ein ausgefeiltes Rating-Instrumentarium verfügen. Beispiele für Anzeichen einer Krise, die auch im Umfeld des betroffenen Unternehmens wahrgenommen werden, sind signifikante Änderungen im Zahlungsverkehr (zum Beispiel Verzicht auf die Inanspruchnahme von Skonti), durchgehend ausgeschöpfte Kreditlinien, zunehmende Fluktuation in den Schlüsselpositionen des Managements, Ausfall von erwarteten Großaufträgen, gescheiterte Produktinnovationen sowie Umstrukturierungen der Berichterstattung, die die Transparenz für Externe einschränken etc. Typischerweise lassen sich die Krisen mittelständischer Unternehmen auf folgende Ursachen zurückführen: •
Es gibt keine Regelung der Unternehmensnachfolge und Streitigkeiten in der Inhaberfamilie.
•
Die Steuerungsinstrumente sind unzureichend.
•
Das Management und die Organisation des Unternehmens weisen Schwächen auf.
•
Marktentwicklungen werden falsch eingeschätzt.
•
Kostenstrukturen wurden nur unzureichend angepasst.
50 •
Fehlinvestitionen und überzogenes Wachstum führen zu übermäßiger Kapitalbindung.
Diese Ursachen ziehen Finanzierungsschwächen nach sich. Insofern ist das bloße Bemühen, von den Finanzpartnern zusätzliche liquide Mittel zu erhalten, der falsche, weil unzureichende Ansatz. In dieser Situation die Krise zu bagatellisieren, zerstört das Vertrauen der Finanzpartner endgültig und verschärft die Lage. Die Finanzpartner erwarten substanzielle Maßnahmen zur Beseitigung der Krisenursachen statt oberflächlicher Therapie der Symptome. Innerhalb der finanzierenden Bank müssen derart gefährdete Kreditengagements in die Intensivbetreuung (maximal zwölf Monate) bzw. nachgelagert aus dem bisher zuständigen Marktbereich in den Sanierungs- und Abwicklungsbereich gegeben werden. Spätestens mit Übergabe in den Sanierungsbereich kommt es zu einem Wechsel der betreuenden Personen und der Zielsetzung der Bank. Statt unmittelbar die benötigte Liquidität bereitzustellen, wird zunächst einmal kurzfristig von dem betroffenen Unternehmen ein grundlegendes Sanierungskonzept zur Rettung des Unternehmens und Sicherung des Bankenengagements erwartet, das gegebenenfalls mit Unterstützung eines neutralen Experten erstellt wird. Für Unternehmer sind dieser Wechsel der Betreuung, die binnen kurzer Zeit auf sie hereinstürzenden, mit der Krise einhergehenden Probleme (Schwierigkeiten mit Lieferanten und Kunden, Unruhe bei den Mitarbeitern, Kritik anderer Gesellschafter etc.) und die sich abzeichnende Einschränkung des gewohnten Handlungsspielraums völlig neuartige Herausforderungen, auf die sie eventuell auch irrational reagieren. Insofern ist es für sie sinnvoll, in dieser Situation erfahrene Experten einzubinden.
2
Handlungsoptionen der involvierten Banken
Generell bewegen sich die Optionen der Kredit gebenden Banken zwischen der Kündigung des Engagements und der Vergabe eines Sanierungskredits. Diese Optionen sind unter betriebswirtschaftlichen und vor allem auch unter juristischen Gesichtspunkten zu prüfen, da sie mit vielfältigen Haftungsrisiken verbunden sind (beispielsweise Kündigung zur Unzeit, Quasi-Gesellschafterstellung, Gläubigerbenachteiligung, Insolvenzverschleppung). Abbildung 1 zeigt das Spektrum möglicher unterstützender Maßnahmen seitens der involvierten Banken.
51 Drohende Drohende Zahlungsunfähigkeit Überschuldung Finanzierung von Einzelgeschäften Stundungen Umschuldungen Tilgungsstreckungen Freigabe von Sicherheiten Zinsverzicht Forderungsverzicht Sanierungskredit Debt Equity Swap Rangrücktrittserklärung
Abb. 1: Wesentliche Handlungsoptionen aus Bankensicht zur Unterstützung von Krisenunternehmen Wird ein Firmenkundenkredit als problematisch klassifiziert und dem bankinternen Sanierungsbereich übergeben, muss in kurzer Zeit (in der Regel innerhalb einer Woche) eine Grobanalyse des Engagements vorgenommen werden. Dabei erfolgt eine Gegenüberstellung der Restrukturierungschancen des Engagements und des Realisationswerts der Sicherheiten. Die Sanierungswürdigkeit und -fähigkeit des Kunden werden ebenfalls geprüft. Fällt diese Einschätzung negativ aus, ist das Engagement dem Abwicklungsbereich zu übertragen; die Erstellung eines Sanierungskonzeptes ist somit hinfällig geworden. Sofern die Bank auf Basis dieser Vorprüfung grundsätzlich bereit ist, sich weiter in dem Krisenfall zu engagieren, wird sie in einem nächsten Schritt prüfen, ob alle anderen Beteiligten – Gesellschafter und Mitarbeiter des Krisenunternehmens sowie die übrigen Gläubiger – ebenfalls die Bereitschaft zeigen, sich an einer Restrukturierung zu beteiligen. Die angemessene Verteilung der Risiken und Belastungen der Restrukturierung auf alle Beteiligten ist ein Grundprinzip, von dem nur ungern Abweichungen akzeptiert werden. Kommt die Bank zu einer positiven Einschätzung, wird sie von dem Krisenunternehmen ein Sanierungskonzept verlangen, das die nachhaltige Herstellung der branchenüblichen Ertragskraft und der Kapitaldienstfähigkeit durch geeignete Maßnahmen überzeugend darstellt. Grundsätzlich kann das betreffende Unternehmen ein solches Sanierungskonzept selbst erstellen. Dies ist beispielsweise bei sehr kleinen Engagements üblich, in denen es nur um ein befristetes Stillhalten der Bank geht. Generell wird jedoch von Unternehmen erwartet, dass sie externe Fachleute einschalten. Ein Grund dafür ist das fehlende Vertrauen in die Fähigkeiten und kritische Distanz des Managements, das für die Krise verantwortlich ist
52
(zum Beispiel unrealistische „Hockeystick-Planungen“). Hinzu kommt, dass sich Bank und Unternehmen bei einem offensichtlich unzureichenden Restrukturierungsversuch dem Vorwurf einer bewussten Gläubigerbenachteiligung (beispielsweise von Lieferanten) und der Insolvenzverschleppung aussetzen. Ein glaubwürdiger Restrukturierungsversuch setzt das Vorliegen eines schlüssigen Konzeptes voraus, das gemeinsam mit einem branchenkundigen Fachmann erstellt wurde. Letztlich sind diese Haftungsüberlegungen zwar ein gewichtiges Motiv für die Einschaltung externer Berater, aber sie sollten nicht allein ausschlaggebend sein. Es geht vor allem darum, zur Rettung des angeschlagenen Unternehmens Experten mit entsprechenden Referenzen einzusetzen. Dafür ist die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten unabdingbar. Geschäftsführer oder Unternehmer, die den Berater und das gemeinsam zu erarbeitende Restrukturierungskonzept nur als Pflichtübung sehen, um wieder Liquidität zu erlangen und den eigenen Handlungsspielraum zurückzugewinnen, erfüllen die Voraussetzungen der Sanierungswürdigkeit nicht.
3
Handlungsoptionen des Krisenunternehmens
Bis in die jüngere Vergangenheit war die Finanzierung mittelständischer Unternehmen in den meisten Fällen relativ einfach strukturiert. Durch die traditionelle Hausbank wurde ein Betriebsmittelkredit („Linie“) sowie gegebenenfalls auch ein Investitionsdarlehen mit oder ohne institutionelle Fördermittel zur Verfügung gestellt. Hinzu kamen eventuell noch kleinere Engagements anderer Banken, sei es im lang- oder kurzfristigen Bereich. Dieses Bild hat sich zwar in Teilbereichen auf Grund neuer Finanzierungsinstrumente und fortschreitender Internationalisierung der Unternehmen gewandelt. Aber im Allgemeinen trifft man bei mittelständischen Unternehmen in Liquiditätskrisen auf Finanzierungsstrukturen, die noch überschaubar sind. Ein vom Mittelstand akzeptiertes neueres Finanzierungsinstrument ist das Leasing für Investments sowie – mit Einschränkungen – das Factoring revolvierender Forderungen. Letzteres konkurriert mit dem Betriebsmittelkredit der Hausbank. Soweit Leasing und Factoring nicht bereits in Anspruch genommen worden sind, stellen sie in der akuten Krise meist keine realistische Option dar, um die angespannte Liquidität zu entlasten. Der Einsatz dieser Finanzierungsinstrumente setzt nämlich die langfristige Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit voraus. Ein Leasinggeber müsste sich – insbesondere bei Objekten mit geringer Fungibilität – auf Grund der unsicheren Zukunftsperspektiven des Unternehmens berechtigte Sorgen um die Verwertung des Leasinggutes im Falle einer Insolvenz machen. Das Factoring alter Forderungsbestände ist ungewöhnlich und setzt zudem voraus, dass die Forderungen noch nicht als Sicherheit verpfändet sind. Der Factor
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wird sich ohnehin kritische Gedanken über die Zukunftsperspektiven des Krisenunternehmens machen, denn in der drohenden Insolvenz sind erfahrungsgemäß auch werthaltige Forderungen von Abschlägen, Anfechtungen etc. bedroht. Hinzu kommt die möglicherweise steigende Bereitschaft des Krisenunternehmens, in der Not auch für Risiko behaftete Kunden zu arbeiten. Asset Backed Securities (ABS) – Modelle mit Verbriefung von Forderungsbeständen, um sie auf dem Kapitalmarkt veräußerbar zu machen – setzen ein angemessenes Volumen (Untergrenze derzeit 5 Mio. Euro) und auch eine ausreichende Professionalität des begebenden Unternehmens voraus. Generell gelten für ABSModelle die bereits zum Thema Factoring geäußerten einschränkenden Bedingungen. Alternative Finanzierungsformen aus dem Umfeld des „Private Equity“ zur Stärkung der Eigenkapitalbasis inklusive Zuführung von Liquidität sind derzeit im Mittelstand noch eher ungewöhnliche Handlungsoptionen. Das oft emotional begründete Unabhängigkeitsstreben mittelständischer Unternehmer steht im Widerspruch zur Beteiligung Externer mit entsprechenden Einflussmöglichkeiten. Gewiss, es gibt alternative Ansätze, wie Mezzanine Capital (zum Beispiel als atypische/stille Beteiligungen, Genussscheine, Nachrangdarlehen sowie Wandelschuldverschreibungen), die nicht die Eigentümerstruktur berühren. Generell richten sich diese langfristig orientierten Angebote an Unternehmen mit soliden Zukunftsperspektiven. Aber genau dieses Kriterium erfüllt das Krisenunternehmen zunächst nicht. Solche Optionen kommen deshalb eher im Anschluss an eine erfolgreiche Restrukturierung in Frage. Risikoorientierte Fonds mit der Bereitschaft, in Krisenunternehmen einzusteigen, sofern eine positive Fortführungsprognose besteht und von Seiten der Gesellschafter und Banken entsprechende Zugeständnisse gemacht werden, haben sich zusehends im deutschen Markt etabliert. Aus Sicht des bisher weitgehend unabhängig agierenden Unternehmers bzw. der Inhaberfamilie ist dies meist aber mehr oder weniger gleichbedeutend mit der Aufgabe der eigenen Geschäftstätigkeit, weshalb diese Option nur im äußersten Notfall in Erwägung gezogen wird. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Spielraum des Unternehmens in der akuten Krise sehr stark eingeschränkt ist. Im Wesentlichen konzentriert er sich auf die Kooperation mit den ohnehin bereits beteiligten und unmittelbar betroffenen Finanzpartnern, auf das noch verfügbare Potenzial des Unternehmens zur Eigenfinanzierung sowie auf die möglichen Beiträge der Gesellschafter und Mitarbeiter. Die Finanzpartner werden in dieser angespannten Situation darauf achten, dass es nicht zu einer Bevorzugung einzelner Parteien kommt. Schwierig wird dies für das Krisenunternehmen in aller Regel im täglichen Umgang mit Lieferanten, die durch die Einräumung von Zahlungszielen ebenfalls eine wichtige Finanzierungsfunktion erfüllen. Einerseits sind sie an einer Fortführung der Geschäftsbeziehung interessiert, andererseits haben sie durch Lieferstopps und Forderungen nach Vorauszahlung auch ein hohes Potenzial, ihre Interessen durchzusetzen. Die Steue-
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rung des Working Capital in der Krise und die professionelle Kommunikation mit allen Geschäftspartnern und „Stakeholdern“ (unter anderem Kreditversicherer) sind deshalb von hoher Bedeutung.
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Anforderungen an ein überzeugendes Restrukturierungskonzept
Dem Restrukturierungskonzept müssen die Finanzpartner entnehmen können, welche konkreten Maßnahmen sie leisten sollen, um die benötigte Unterstützung zu gewährleisten. Daraus ergeben sich eine Reihe von Anforderungen für den Inhalt des Restrukturierungskonzeptes: Es gilt, die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Unternehmens aufzuzeigen, die Krisenursachen und wesentlichen Hebel der Krisenbewältigung zu identifizieren, zu quantifizieren und eine Aussage zur Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit des Unternehmens zu geben. Der zu Grunde liegende Businessplan, der einen Zeitraum von mindestens drei Jahren abdeckt, muss konservativ sein und die wesentlichen Risiken ausweisen. Es ist üblich, das Konzept mit der Hausbank bzw. denjenigen Banken, die in höchstem Maße engagiert sind, im Vorfeld grundsätzlich abzuklären. Aufgabe der Berater ist – in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen, aber unter Wahrung der kritischen Distanz – zunächst einmal das Schaffen von Transparenz, insbesondere bezüglich der gesamten Finanzierungsstruktur, der Ergebnis- und Liquiditätsentwicklung sowie der Restrukturierungsrisiken. Es kann dabei sein, dass der Berater zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit nicht gegeben sind. Da er bei offensichtlich falschen oder unvollständigen Aussagen in eine haftende Position gegenüber Banken und den übrigen Gläubigern geraten und möglicherweise auch einen Image-Schaden davontragen kann, muss er aus einer unabhängigen Distanz agieren. Sie ist letztlich der entscheidende Faktor für die Glaubwürdigkeit des Restrukturierungskonzeptes. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die Fähigkeiten des Beraters und seine Kommunikation mit den maßgeblichen Entscheidern des Krisenunternehmens, denn mittelständische Unternehmen sind typischerweise auf wenige Führungspersönlichkeiten fixiert. So ist die Persönlichkeit des Unternehmers eventuell Stärke und Schwachstelle des Unternehmens gleichermaßen. Er treibt das Unternehmen voran, umgibt sich mit Führungskräften, die zu ihm passen und seine Ideen umsetzen. Dies kann eine wesentliche Ursache für Anpassungsprobleme sein, wenn sich die Anforderungen des Marktes verändern, der dominierende Unternehmer dies aber gegebenenfalls nicht rechtzeitig erkennt. Potenzielle Nachfolger sind in diesen personenorientierten Strukturen vom Scheitern bedroht. Insofern kommt dem Unternehmer und seinen Führungskräften eine Schlüsselrolle im Restrukturierungsprozess zu.
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Eine positive Fortführungsprognose hängt deshalb neben den klassischen Ansätzen zur Kostenreduktion und Identifikation künftiger Marktchancen des Unternehmens vor allem davon ab, wie die Fähigkeiten des Managements eingeschätzt werden. Das Restrukturierungskonzept muss die Sicherung der Umsetzung durch Maßnahmenpläne mit Verantwortlichen, Meilensteinen und den materiellen Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen aufzeigen. Ein schriftliches Commitment des Managements und der Gesellschafter zu diesen Maßnahmen sowie eine transparente Projektorganisation mit entsprechender Berichterstattung sind unbedingt erforderlich. Andernfalls ist zu befürchten, dass die Restrukturierung nach Bereitstellung der benötigten Mittel nicht zielgerichtet angegangen wird. Aus Sicht der Finanzpartner besteht eine Mindestanforderung an ein Restrukturierungskonzept außerdem darin, dass alle Finanzierungsbeiträge der übrigen „Stakeholder“ verbindlich aufgeführt werden, zum Beispiel: •
Gesellschafter: Eigenkapitalersetzende Darlehen, Kapitalerhöhungen, Entnahmeverzicht, Rückerstattung von Entnahmen,
•
Geschäftsführer/Mitarbeiter: Befristeter Verzicht auf Lohn- und Gehaltsbestandteile, Verschiebung von Sonderzahlungen (Sanierungstarifvertrag etc.),
•
Unternehmen: Reduzierung Working Capital, stringente Ausgabenreduktion, Verkauf nicht betriebsnotwendigen Vermögens, Komfortverzicht,
•
Lieferanten: Forderungsstundung, Solidarbeitrag.
Angesichts des erheblichen Zeitdrucks, unter dem Restrukturierungskonzepte üblicherweise erstellt werden (insbesondere wenn die Insolvenzantragsfrist läuft…), ist dies eine besondere Herausforderung, die teilweise nur bedingt zu erfüllen ist. Andererseits sind manche Vereinbarungen mit Gesellschaftern und Mitarbeitern nur unter dem Druck der drohenden Insolvenz erreichbar, sodass die Kompromissbereitschaft der Finanzpartner aus guten Gründen nur gering ausgeprägt ist Auf rechtliche und steuerliche Aspekte wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Sie sollten aber bereits in der Konzeptphase in die Überlegungen einbezogen werden, denn wenn ihretwegen zu einem späteren Zeitpunkt noch Änderungen am Restrukturierungskonzept vorgenommen werden müssen, kann dies das Vertrauen in die Fähigkeiten der Krisenmanager beeinträchtigen. Es ist unbedingt zu empfehlen, sich im Vorfeld mit der Rechtsabteilung der führenden Bank abzustimmen.
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Vereinbarungen mit den Finanzpartnern
Das Unternehmen hat dann gute Chancen, eine Einigung mit den Finanzpartnern zu erzielen, wenn die wichtigsten Beteiligten dem Restrukturierungskonzept hohe Erfolgsaussichten bescheinigen und das Unternehmen künftig nicht als Kunden
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verlieren wollen. Das ist letztlich die rationale „Formel des Erfolges“, die von der Geschäftsführung bzw. dem Unternehmer zu berücksichtigen ist. Zur Vorbereitung auf die Verhandlungen ist den Finanzpartnern das Restrukturierungskonzept vorzulegen und Transparenz hinsichtlich der gesamten Banken- und Sicherheitensituation zu schaffen. Bei Familienunternehmen ist auch die Schnittstelle zwischen Unternehmens- und Privatsphäre (Mietverträge, Entnahmen, Bürgschaften etc.) transparent zu machen. Typisch, aber nicht generell notwendig, ist die Bildung eines Sicherheitenpools der Finanzpartner, sofern sie sich mit dem Unternehmen auf ein Fortführungskonzept einigen können. Dies ist allerdings nicht mehr so selbstverständlich wie in der Vergangenheit: Das klassische Konzept, nach dem sich die Banken und gegebenenfalls Kreditversicherer zu einer Interessengemeinschaft mit den Grundprinzipien der Gleichverteilung der Belastungen und Risiken der Restrukturierung zusammenfinden, kommt nicht mehr in gewohntem Maße zur Anwendung. Dagegen spricht zum einen der verschärfte Wettbewerb zwischen den Banken, die Rücksicht auf ihre eigene Ergebnissituation nehmen müssen. In der Regel sind wegen der individuellen Sicherheitenverteilung nicht alle Finanzpartner gleichermaßen von einer möglichen Insolvenz des Unternehmens betroffen, was die Bereitschaft zur Solidarität einschränken kann. Das gilt insbesondere, wenn eine Bank auf Grund geänderter Geschäftsschwerpunkte dieses Not leidende Engagement eigentlich nicht mehr als Bestandteil ihres Kerngeschäfts betrachtet. Entgegen dem Grundprinzip kann es in dieser Konstellation doch zur unmittelbaren Ablösung „störender“ Finanzpartner kommen. Stillhaltevereinbarungen mit diesen Partnern wären schon als ein Erfolg zu betrachten. Ein weiteres wesentliches Entscheidungskriterium aus Bankensicht sind die Auswirkungen von Krisenengagements auf die eigene Refinanzierung. Auch Banken unterliegen dem Rating, das durch Engagements mit hohem Ausfallrisiko beeinträchtigt wird. An Stelle der langwierigen und riskanten Restrukturierung ist deshalb – soweit juristisch möglich – der Verkauf des Problemkredits mit entsprechenden Abschlägen an einen spezialisierten Fonds eine rationale Option. Natürlich steht dies im Widerspruch zu obigem Prinzip, ist aber aktuelle Realität. In einem gemeinsamen Engagement zur Rettung des Krisenunternehmens wird dieser finanzstarke und auf Krisenfälle spezialisierte Fonds wiederum eigene Interessen verfolgen. Sei es nur die kurzfristige Verwertung seines Titels zu verbesserten Konditionen oder – im Gegenteil – auch die Nutzung der Chance, zusätzliche wesentliche Anteile des Kreditportfolios durch Ablösung weiterer Finanzpartner zu günstigen Konditionen zu erwerben. Gegebenfalls kann dieses Portfolio später in Anteile (Debt Equity Swap) umgewandelt werden. Diese Prozesse finden außerhalb des unmittelbaren Einflussbereichs des betroffenen Krisenunternehmens statt. Ohne substanzielle eigene Finanzkraft – die in den meisten Fällen aufgezehrt ist – haben Unternehmer bzw. Gesellschafter nur die
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Chance, Glaubwürdigkeit und das seriöse Restrukturierungskonzept in die Bemühungen um eine Fortführung und Finanzierung des Unternehmens einzubringen. Es kommt vor, dass auch Unternehmer selbst versuchen, die Finanzpartner durch ein gemeinsames Angebot mit einem neuen Partner abzulösen, verbunden mit entsprechenden Verzichtserwartungen. Dieses Vorgehen birgt jedoch hohe Risiken für den Gesamterfolg der Verhandlungen: Für die Finanzpartner mit hohem Engagement stellt sich in diesem Fall unter anderem die Frage, warum die Mittel erst in dieser zugespitzten Lage bereitgestellt und nicht unmittelbar zur Restrukturierung eingesetzt werden. Ablösebereite Banken können dies anders sehen. Kommt es zu einer möglichen Ungleichbehandlung, droht das akute Scheitern der Einigung aus grundsätzlichen Erwägungen. Umgekehrt ist es nicht ungewöhnlich, dass die Finanzpartner den Unternehmer bzw. die Gesellschafterstruktur als eine wesentliche Krisenursache betrachten und deshalb den Verkauf des Krisenunternehmens in absehbarer Zeit an einen Investor als notwendige Restrukturierungsmaßnahme sehen. In diesem Fall sind auch Zugeständnisse an den Investor möglich. Treuhandverhältnisse sind ein üblicher Schritt zur Vorbereitung dieser Maßnahme. Die Parameter einer abschließenden Vereinbarung mit den Finanzpartnern wurden in Abbildung 1 dargestellt. Machbares Ergebnis nach den aktuellen Erfahrungen sind Stillhaltevereinbarungen sowie Zins- und Tilgungsstundungen zur Entspannung der Liquidität. „fresh money“ muss mittlerweile als besondere Ausnahme betrachtet werden. Ein unmittelbarer Forderungsverzicht der Finanzpartner gegenüber dem Unternehmen ist nur bei extremer Gefährdung des Eigenkapitals verhandelbar und eher im Anschluss an einen längerfristigen Restrukturierungsprozess mit einschneidenden Maßnahmen. Es sei nur am Rande erwähnt, dass diese unterstützenden Maßnahmen auch mit entsprechenden Risikozuschlägen verbunden sind, die bei der künftigen Planung des Kapitaldienstes zu beachten sind. Da die Finanzpartner für ihr Stillhalten sowie eventuell ergänzende Finanzierungsleistungen außerdem eine zusätzliche Besicherung erwarten (zum Beispiel Bürgschaften, Verpfändungen), sind mit Abschluss der Vereinbarung keine freien Sicherheiten mehr vorhanden. Finanzierungsmaßnahmen bzw. Änderungen der Finanzierungsstruktur zu einem späteren Zeitpunkt, beispielsweise Factoring oder Asset Backed Securities, sind nur in Abstimmung mit den Finanzpartnern möglich, die aus dem Mittelzufluss zumindest in gewissem Umfang Tilgungsleistungen erwarten. Für das Unternehmen kommt es im Anschluss an die erzielte Vereinbarung in erster Linie darauf an, die strategische und operative Restrukturierung engagiert und erfolgreich umzusetzen sowie die verlorene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Das erfordert eine entsprechende regelmäßige Kommunikation. Scheitert dieser (letzte) Restrukturierungsversuch, gibt es in der Regel keine zweite Chance.
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Veränderte Anforderungen an die Due Diligence Nils von Kuhlwein
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Due Diligence im Wandel der Zeit
Die Due Diligence, also die systematische Prüfung auf Ordnungsmäßigkeit und Sorgfalt der Geschäftsführung eines Unternehmens im Hinblick auf seine Risiken und Potenziale, gehören inzwischen zu jedem Unternehmenskauf – auch wenn in der Praxis immer wieder unrühmliche Ausnahmen zu sehen sind. Transaktionen, die nach alter Unternehmer-Sitte noch per Handschlag abgeschlossen werden, führen in der Regel dazu, dass der Käufer am Ende böse Überraschungen erlebt und nicht selten die gesamte Investition abschreiben muss. Die Folge sind dann oft Prozesse vor Gericht, in denen mühsam und langwierig darüber gestritten wird, ob die Höhe des gezahlten Kaufpreises rechtmäßig war. Die Kosten solcher Verfahren übersteigen den Preis, den eine Due Diligence im Vorfeld des Kaufs gekostet hätte, häufig um das Vielfache. Als weiteres Argument für eine Due Diligence kommt hinzu, dass in einer zunehmend komplexen, globalisierten Wirtschaftswelt die Auswirkungen eines Unternehmenskaufs und die strategische sowie finanzielle Geschäftspolitik des potenziellen Kaufobjektes für den Investor ohne umfangreiche Detailanalysen häufig nicht mehr überschaubar sind – selbst wenn er aus derselben Branche kommt. Eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung ist dann ein absolutes Muss, um die für eine Kaufentscheidung notwendige Transparenz herzustellen. Des Weiteren ist die Due Diligence die wesentliche Informationsbasis, auf der Käufer und Verkäufer die Verhandlungen über Art und Höhe von möglichen Garantien und Gewährleistungen bezüglich des Verkaufobjektes verhandeln.
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Die Arten der Due Diligence
Grundsätzlich lassen sich Due Diligences danach unterscheiden, wer sie vornimmt: Initiiert der Käufer eines Investitionsobjektes bzw. eines Unternehmens die Prüfung, spricht man von einer Buyer Due Diligence. Geht die Initiative vom Verkäufer aus, handelt es sich um eine Vendor Due Diligence. Dabei stehen die Buyer Due Diligences historisch gesehen am Anfang der Entwicklung. Ursprünglich wurde diese Form der Prüfung von dem Käufer oder einem von ihm beauf-
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tragten Spezialisten durchgeführt, um die notwendige Transparenz für die Kaufentscheidung zu schaffen. Seit einigen Jahren wird es aber zunehmend gängige Praxis, dass der Verkäufer bezüglich des Verkaufsobjektes selbst eine Vendor Due Diligence vornimmt, um im Vorfeld des angestrebten Verkaufs seinerseits die notwendige Transparenz herzustellen. Darauf basierende Entscheidungen betreffen beispielsweise die Behandlung möglicher Risiken für den Verkaufsprozess, den Zeitbedarf sowie das geeignete Timing der entsprechenden Maßnahmen und Schritte während der Veräußerung. Weiterhin lassen sich Due Diligences unabhängig von ihrer Klassifizierung als Buyer oder Vendor Due Diligence nach ihren Prüfungs- und Untersuchungsbereichen unterscheiden. Hierbei finden sich in der Praxis insbesondere folgende Themenstellungen: •
Financial Due Diligence: die Prüfung der historischen, aktuellen und geplanten Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens,
•
Strategic Due Diligence: die Prüfung der strategischen Positionierung des Kaufobjektes, seiner strategischen Entwicklungsmöglichkeiten, der Marktund Wettbewerbssituation sowie möglicher Synergien aus einem Zusammenschluss mit dem kaufenden Unternehmen,
•
Technological Due Diligence: die Prüfung der technologischen Position des Kaufobjektes; insbesondere im Hinblick auf zukünftige Investitionserfordernisse und gegebenenfalls vorliegende Investitionsstaus aus der Vergangenheit; des Weiteren zum Teil darin enthalten auch eine Due Diligence der ITLandschaft,
•
Legal Due Diligence: die rechtliche Prüfung des Unternehmens, insbesondere wichtiger Verträge,
•
Environmental Due Diligence: die Prüfung von Umweltrisiken,
•
Employee Due Diligence: die Prüfung von Risiken aus dem Personalbereich; im Wesentlichen also die rechtliche Prüfung von Verträgen (zum Beispiel Arbeitsverträge, Standortsicherungsverträge), von Betriebsvereinbarungen und gegebenenfalls von bestehenden Sozialplänen,
•
Tax Due Diligence: die Prüfung der steuerlichen Risiken des Kaufobjektes sowie möglicher Transaktions- und Finanzierungsstrukturen,
•
Management Audit: die Prüfung der Eignung des bestehenden Managements (Topebene und Stufe 1).
Der Käufer bedient sich für die einzelnen Prüfungsthemen in der Regel externer Spezialisten. Für deren Einsatz spricht zum einen, dass sie als außenstehende neutrale Dritte nicht in den Verdacht geraten, im Rahmen der Due Diligence Geschäftsgeheimnisse ausspionieren zu wollen. Zum anderen verfügt der Käufer in der Regel nicht über die notwendigen personellen Ressourcen, um das erforderli-
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che Spezial-Know-how abzudecken. Da für die unterschiedlichen Prüfungsbereiche oft unterschiedliche Fachleute eingesetzt werden – Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Berater –, haben sich im Laufe der Zeit für die unterschiedlichen Themenstellungen feststehende und klar abgrenzbare Begriffe herausgebildet (zum Beispiel Legal Due Diligence und Financial Due Diligence). Die Due-Diligence-Arbeit hat in weiten Teilen prüferischen Charakter. Um die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung in den jeweiligen Teilbereichen analysieren zu können, ist eine auf Stichproben und Einzelfällen beruhende Prüfung erforderlich. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Financial, Legal, Environmental, Employee und Technological sowie Tax Due Diligence. Daher sind Due Diligences in der Regel auch sehr stark vergangenheitsorientiert: Durch eine Analyse der vergangenen Geschäftsvorfälle wird versucht, kaufpreiswirksame Risiken für den Käufer zu identifizieren. Diese Risiken können dabei bereits latent vorhanden sein oder aber erst in der Zukunft auftreten. Ausnahmen von dieser starken Vergangenheitsorientierung sind in weiten Teilen die Strategic Due Diligence sowie die im Rahmen von Financial Due Diligences durchzuführenden Prüfungen der Planungsrechnungen.
2.1
Buyer Due Diligence
Die Buyer Due Diligence ist die Prüfung, die der Käufer oder Kaufinteressent eines Unternehmens durchführt oder durchführen lässt. In der Regel erfolgt diese Due Diligence im Rahmen eines vorgegebenen Datenraums. Der Verkäufer des Unternehmens erstellt dabei einen Datenraum und legt fest, wie lange dieser für mehrere Kaufinteressenten gemeinsam (nacheinander oder bei vervielfältigten Datenraumunterlagen auch parallel) oder nur für einen einzelnen Kaufinteressenten geöffnet ist. Nach Schließung des Datenraums, üblicherweise nach einem Zeitraum von zwei bis drei Wochen, wird der oder werden die Kaufinteressenten aufgefordert, ein Angebot für das Unternehmen abzugeben. Der Datenraum ist normalerweise mit Unterlagen und Informationen ausgestattet, die es dem Kaufinteressenten erlauben, eine ausreichende Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung für das Kaufobjekt durchzuführen. Gibt es weiter gehende Fragen, werden sie durch den Verkäufer oder seinen Beauftragten gesammelt. Dann entscheiden sie, ob und wenn ja in welchem Umfang und in welcher Form sie beantwortet werden. Seit einiger Zeit ist eine zunehmende Nutzung so genannter elektronischer Datenräume zu beobachten. Dabei werden alle Unterlagen eingescannt und in einem elektronischen Verzeichnis abgelegt, das mit entsprechenden Passwörtern via Internet einzelnen Mitarbeitern und Beratern der jeweiligen Kaufinteressenten zugänglich ist. Auf diese Weise können alle Dokumente mit entsprechenden Schattennummern zur Sicherung der Vertraulichkeit versehen und Schwärzungen bestimmter Informationen käuferspezifisch vorgenommen werden. Dieses Verfahren
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eignet sich insbesondere, wenn mehrere Interessenten eine komplexe Due Diligence in möglichst kurzer Zeit durchführen sollen. Ein elektronischer Datenraum ist zwar in der Vorbereitung für den Verkäufer aufwendiger, reduziert aber während der Due-Diligence-Phase selbst deren Dauer und den Betreuungsaufwand, den der Verkäufer leisten muss. Ein elektronischer Datenraum hat in der Praxis folgende Vorteile: •
Die Öffnung des elektronischen Datenraums ist an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr möglich.
•
Die Käuferteams haben weniger Reisezeit, da der elektronische Datenraum weltweit zugänglich ist. Dies ist besonders bei internationalen Konzernen mit zahlreichen Dokumenten in verschiedenen Sprachen und komplexen Sonderthemen (z. B. Umwelt, Steuern) hilfreich.
•
Bei großen Due Diligences, die oft einen Einsatz von mehr als hundert Beratern erfordern, ergibt sich häufig bereits aus der schieren Anzahl ein logistisches Unterbringungs- und Betreuungsproblem. Sollen beispielsweise mehrere Bieter parallel eine Buyer Due Diligence durchführen, müsste das Unternehmen jede Kopie des Datenraums, der oft aus Hunderten von Aktenordnern besteht, auf Vollständigkeit kontrollieren.
Für das Management von Datenräumen haben sich in der Praxis standardisierte Datenraumindices herausgebildet. Diese enthalten in der Regel Informationen zu folgenden Themen: A.
Allgemeine Angaben zum Unternehmen; HR-Auszüge, Satzung, wesentliche Gesellschaftsverträge,
B.
Finanzen; insbesondere Jahresabschlüsse, Betriebsergebnisrechnungen und Deckungsbeitragsrechnungen sowie entsprechende Erläuterungen,
C.
Geschäftsführung/Personal; Verträge, Betriebsvereinbarungen, Auswertungen, Analysen und Organigramme,
D.
Management Informations-Systeme; Gremien-Protokolle und IT-Infrastruktur,
E.
Vertrieb, Marketing, Markt und Wettbewerb,
F.
Produkte und Produktentwicklung,
G.
Strategische Planung,
H.
Rechtliche Aspekte,
I.
Forschung und Entwicklung,
J.
Steuerliche Aspekte,
K.
Sonstiges, wie zum Beispiel Qualitätskennziffern und -handbücher.
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2.2
Vendor Due Diligence
Seit einigen Jahren ist es zunehmend verbreitet, dass der Verkäufer seinerseits eine Due Diligence veranlasst. Diese Vendor Due Diligences werden üblicherweise vor dem Beginn eines Verkaufsprozesses gestartet und ersetzen oft Buyer Due Diligences. Die Ergebnisse der Vendor Due Diligence, die von einem neutralen Externen durchgeführt wurde, werden den Kaufinteressenten zur Verfügung gestellt, ohne dass sie direkten Zugang zu einem Datenraum erhalten. Dieses Verfahren wird häufig in Konzernen bei Verkauf von Tochtergesellschaften praktiziert, um die Verkaufsabsicht so lange wie möglich vor dem Management des Kaufobjektes geheim zu halten bzw. um durch eine Vielzahl von Externen im Datenraum keine unnötige Unruhe im Verkaufsobjekt zu stiften. Dem Kaufinteressenten wird lediglich gestattet, auf Basis der Vendor-Due-Diligence-Unterlagen ausgewählte Zusatzfragen an den Verkäufer zu stellen. Teilweise kommt es auch vor, dass den Kaufinteressenten zusätzlich ein limitierter Datenraum geöffnet wird. Oft wird einem begrenzten Kreis zu einem späteren Zeitpunkt, wenn zum Beispiel bereits weitgehende Einigkeit über den möglichen Kaufpreis besteht, ein zusätzlicher Datenraum zugänglich gemacht (so genannte Confirmatory Due Diligence), der dann grundlegende Unterlagen und Verträge enthält bzw. bei dem in der Vendor Due Diligence geschwärzte Passagen lesbar gemacht werden. Eine Vendor Due Diligence erlaubt dem Verkäufer ähnlich wie bei einem elektronischen Datenraum eine bessere Kontrolle des Verfahrens sowie eine Beschleunigung des Prüfprozesses. Dies ist insbesondere bei Verkaufsprozessen in Form eines Auktions- oder eines begrenzten Auktionsverfahrens vorteilhaft. Durch eine Vendor Due Diligence kann der Verkäufer erreichen, dass der Prüfungsaufwand bis zu einer fundierten Absichtserklärung für die jeweiligen Kaufinteressenten überschaubar bleibt und somit eine größere Zahl potenzieller Investoren länger im Rennen gehalten werden kann. Vor allem bei großen und komplexen Verkaufsobjekten ist eine sinnvolle Prüfung durch außenstehende mögliche Käufer ohne spezifische Unternehmenskenntnisse kaum noch möglich bzw. zu zeitaufwendig. Insbesondere Finanzinvestoren, die im Vorfeld einer Transaktion die Prüfungskosten so gering wie möglich halten wollen, würden durch zeit- und kostenintensive Prüfungshandlungen abgeschreckt, wenn sie auf Grund eines Bieterwettbewerbs nicht wissen, ob sie auch wirklich zum Zuge kommen. Des Weiteren fällt es durch eine Vendor Due Diligence leichter, unterschiedliche Käufergruppen mit unterschiedlichen Informationen zu bedienen, indem zum Beispiel sensible Daten für Hauptwettbewerber geschwärzt werden, während sie für Finanzinvestoren lesbar sind. Neben der Kontrolle des Verfahrens, die soeben skizziert wurde, haben Vendor Due Diligences für den Verkäufer insbesondere den Zweck, dass kaufpreismindernde Risiken bereits im Vorfeld der geplanten Transaktion zu Tage gefördert werden. So hat der Verkäufer eine sicherere Basis, um den Verkaufspreis zu determinieren und vermeidet „böse Überraschungen“ in der Preisverhandlung oder gar
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Ausschlusskriterien durch den Käufer. Denn in der Regel können Risiken, die bereits vor dem Beginn der Kaufverhandlungen offen diskutiert werden, geklärt oder im Rahmen der Preisfindung offen abgegrenzt werden. Werden wesentliche Risiken aber erst im Rahmen einer Buyer Due Diligence aufgedeckt, ist die Gefahr groß, dass potenzielle Kaufinteressenten dadurch so verunsichert werden, dass sie von einem möglichen Angebot Abstand nehmen. Das wachsende Vertrauen auf Käuferseite im Verlauf einer Due Diligence ist eine Grundvoraussetzung für jeden erfolgreichen Verkaufsprozess. Beschädigt oder zerstört der Verkäufer dieses Vertrauen durch nicht offen kommunizierte Risiken, wird der Käufer in der Regel hohe Sicherheitsabschläge bei seinen Kaufpreisüberlegungen einbeziehen. Des Weiteren kann die Vendor Due Diligence aber auch dem Zwecke dienen, erst einmal einen möglichen Handlungsbedarf zur Herstellung der Verkaufsfähigkeit offen zu legen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn im Rahmen dieser Due Diligence wesentliche Lücken bei der Bestückung des späteren Datenraums auftreten. Vor dem Einstieg in den Verkaufsprozess bleibt dann noch genügend Zeit, diese Lücken zu schließen. Würden solche Lücken, beispielsweise eine ungenügende Dokumentation von Planungsrechnungen, erst im Verlauf der Buyer Due Diligence zu Tage treten, hätte dies negative Folgen wie eine Verzögerung des Transaktionsprozesses oder eine Verunsicherung des potenziellen Käufers und damit einhergehend eine mögliche Reduzierung des Kaufpreisangebots. Schließlich wird durch eine Vendor Due Diligence sichergestellt, dass dem potenziellen Käufer ein konsistentes Set an Finanz- und sonstigen Daten an die Hand gegeben wird. Hierbei kommt es darauf an, dass die Informationen von Verkaufsmemorandum, Managementpräsentation sowie aus der Bearbeitung von zusätzlichen Fragebögen vor, während und nach der Due Diligence bis zum Vertragsabschluss ein einheitliches, in sich stimmiges Bild ergeben. Unstimmigkeiten führen zu zeitintensiven Nachfragen, Klärungsbemühungen und Verunsicherungen, die sich häufig letztlich ebenfalls in einer Minderung des Kaufpreises niederschlagen.
3
Besonderheiten in der Restrukturierung und Insolvenz
Due Diligences in der Restrukturierung oder während des Insolvenzverfahrens kommen besondere Bedeutung zu, da in der Insolvenz die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung nicht mehr von Belang ist und in der Restrukturierung die Entscheidung über die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens oft mehr Gewicht hat als die Prüfung bereits gemachter Fehler. In beiden Fällen muss daher der Schwerpunkt der Due Diligence auf der Beurteilung der Zukunftsperspektiven
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liegen und nicht so sehr auf der Prüfung der Vergangenheit. Weiterhin ist in der Restrukturierung in der Regel damit zu rechnen, dass bereits ein Restrukturierungskonzept vorliegt. Während der Insolvenz wird häufig bereits ein Insolvenzplan oder ein Konzept für eine Auffanggesellschaft erstellt sein. In diesen Fällen bietet es sich an, den Schwerpunkt der Prüfung auf die Validierung der vorliegenden Konzepte zu legen. Dabei sind in der Regel die allgemeinen Bewertungskriterien der •
Wesentlichkeit,
•
Richtigkeit,
•
Klarheit,
•
Vollständigkeit und
•
Übersichtlichkeit
anzuwenden und gegenseitig abzuwägen. Aus Sicht des potenziellen Käufers sind Richtigkeit und Vollständigkeit bei der Beurteilung solcher Konzepte die wichtigsten Kriterien, entscheiden sie doch am Ende, ob das Konzept aufgeht und somit ob der Kaufpreis gerechtfertigt war. Die Prüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit im Falle der Restrukturierung erstreckt sich auf die Standard-Umfänge von Restrukturierungskonzepten, wie sie sich in der Praxis im Laufe einer Vielzahl von Projekten herausgebildet haben. Diese umfassen: •
die Beschreibung des Unternehmens,
•
die Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Situation und der Krisenursachen,
•
das Leitbild des restrukturierten Unternehmens, insbesondere die Ableitung des Ergebnisverbesserungsziels,
•
die Maßnahmen zur Erreichung des Leitbildes und
•
eine ausführliche, detaillierte und integrierte Businessplanung.
Der erste Prüfungsschritt besteht also regelmäßig darin festzustellen, ob und inwieweit die Standard-Umfänge eingehalten wurden. Der zweite wesentliche Prüfungsschritt ist dann, ob das Leitbild des restrukturierten Unternehmens sich stringent aus der Lagebeurteilung ableiten lässt und ob die Maßnahmen zur Erreichung des Leitbildes für den Außenstehenden nachvollziehbar sind, ob sie sich stringent aus der Analyse der Situation heraus ergeben und ob sie geeignet sind, die Krisenursachen nachhaltig zu beseitigen. Der dritte Prüfungsschritt beinhaltet dann eine Prüfung, inwieweit die Maßnahmen in der Businessplanung abgebildet werden: •
Sind die Maßnahmen vollständig eingeflossen?
•
Lässt sich die Businessplanung aus den Maßnahmen ableiten?
•
Wird mit der Businessplanung das angestrebte Ziel nachhaltig erreicht?
66 •
Sind die sonstigen Annahmen der Planung plausibel?
Die Prüfungsaufgaben im Insolvenzumfeld ähneln zu großen Teilen denen in der Restrukturierung. Auch hier geht es im Wesentlichen um die Nachvollziehbarkeit von Konzepten, allerdings mit einer Besonderheit: Zumindest was ihren leistungswirtschaftlichen Teil angeht, ergeben sich die Konzepte in der Regel nicht aus der Analyse der Situation. Damit fehlt ein ganz wesentlicher Plausibilisierungsbaustein, denn üblicherweise entwickeln sich ja das Leitbild und die Maßnahmen zu dessen Erreichung eben ganz wesentlich aus der Situationsanalyse. Des Weiteren werden von dem Verkäufer bei dem Kauf aus der Insolvenz aus rechtlichen Gründen keinerlei Garantien gegeben. Der Käufer muss also alle möglichen Risiken in sein Kaufpreisangebot bereits einpreisen.
4
Neue Trends im Due-Diligence-Prozess
Zu nahezu jedem Unternehmenskauf gehört eine Due Diligence. Ursprünglich bedeutete dies, Bilanzen zu sichten, die unternehmerische und finanzielle Lage des Unternehmens zu analysieren und alle rechtlichen und steuerrelevanten Risiken zu prüfen. Aber mit zunehmendem Umfang ist der Due Diligence-Prozess komplexer geworden. Noch vor einem Jahrzehnt konnte man eine Due Diligence bei einem größeren Unternehmen innerhalb von nur wenigen Wochen mit einer geringen Zahl interner und externer Fachleute durchführen. Heute benötigt man häufig eine Vielzahl unterschiedlicher Berater, um die verschiedenen Aspekte des Kaufobjektes zu analysieren. Auch die große Anzahl gescheiterter Übernahmen der letzten Jahre hat dafür gesorgt, dass der Prozess für den Käufer noch komplizierter geworden ist. Schließlich ist dadurch das Bedürfnis nach mehr Investitionssicherheit sowohl für strategische Investoren als auch für Finanzinvestoren weiter gestiegen. Bei komplizierten Transaktionen holen sich daher immer mehr potenzielle Käufer – insbesondere Finanzinvestoren – Berater ins Boot, die den gesamten Due-Diligence-Prozess managen. Die Berater sind dafür verantwortlich, dass alles nach Plan verläuft, führen aber auch die eigentliche Due Diligence selbst durch. Mit anderen Worten: Sie kümmern sich darum, dass jeder, der mit der Due Diligence befasst ist, weiß, was er wann zu tun hat. Um diese komplizierte Aufgabe professionell zu lösen, arbeiten die Berater mit Tools zur Projektkontrolle, die auch bei komplexen Implementierungsprojekten zur Anwendung kommen. Solche Tools verschaffen den Beratern stets einen Überblick über den Status der Due Diligence, zum Beispiel durch ein einfaches Ampel-System. Sollten sich Abweichungen im Projektverlauf abzeichnen, können mit Hilfe dieser Tools angemessene Maßnahmen ergriffen werden. Ein weiterer Trend entwickelte sich im Bereich Finanzinvestitionen, insbesondere im Falle von Distressed Debt Investments und versteigerungsähnlichen Verkäufen. Der Erfolg eines Finanzinvestors hängt größtenteils davon ab, ob er einen
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günstigen Kaufpreis erzielen kann und die zukünftigen Chancen und Risiken richtig einschätzt. Ein noch wichtigeres, ausschlaggebendes Kriterium ist jedoch oft die potenzielle Wertsteigerung bis zum Weiterverkauf der Investition. Finanzinvestoren benötigen daher ein gewisses Maß an Klarheit über die zu erwartende Wertsteigerung sowie über das Interesse möglicher Käufer nach der Halte- und Wertsteigerungsperiode, bevor sie ihre Kaufentscheidung treffen. Der Umfang einer klassischen Due Diligence reicht dafür jedoch nicht aus. Bei einem Unternehmen in ruhigem Fahrwasser und stabilem Wettbewerbsumfeld kann man die künftige Leistungssteigerung bis zu einem gewissen Grad auf Grund der gegenwärtigen Geschäftssituation sowie der Markt- und Wettbewerbsposition vorhersagen. Die Sache wird jedoch weitaus komplizierter – wenn nicht sogar unmöglich – wenn sich das Unternehmen in der Krise befindet. Daher ist es bei solchen Investitionen zunehmend üblich, schon in einer frühen Phase des Due-Diligence-Prozesses Wertschöpfungsmöglichkeiten bei dem zu prüfenden Unternehmen zu ermitteln. Dabei wird ein erster, noch grober Fahrplan für die Wende des in die Schieflage geratenen Unternehmens erstellt – gewöhnlich mit Hilfe eines Top-down-Ansatzes. Dieses Vorgehen hat sich als effizient und praktikabel erwiesen. Oft reicht es aus zu prüfen, ob das Management bislang umsichtig und aufmerksam gehandelt hat. So lassen sich – unterstützt durch externe Benchmarks – gewisse Schlüsse über die Gründe der Krise zu ziehen. Daraus leiten sich in der Regel unmittelbar die wesentlichen Maßnahmen ab, mit denen das Unternehmen wieder auf Kurs gebracht werden kann. Gewöhnlich steht am Ende dieser Arbeit ein 100-Tage-Plan, nach dem der Finanzinvestor innerhalb kürzester Zeit die Wende des Unternehmens mit Hilfe des Managements und wenn nötig eines externen Beraters erreichen kann. Ein solcher 100-Tage-Plan umfasst in der Regel folgende Aspekte: •
Definition eines bestimmten Verbesserungsziels auf Basis einer Renditevorgabe (ROS oder ROCE); das Verbesserungsziel ergibt sich normalerweise aus Benchmark-Werten der leistungsstärksten Wettbewerber,
•
Ableiten eines bestimmten erreichbaren Potenzials, Fokussierung auf dieses Potenzial,
•
grobe Definition von ersten Schritten zum Erreichen des Potenzials,
•
Erstellen eines Arbeitsprogramms, das die Ziele und Schritte in den ersten Monaten der Investition im Detail definiert.
Sobald der Investor das Unternehmen gekauft hat, kann er gemäß dem 100-TagePlans den neuen Kurs vorgeben und verliert nach der Übernahme keine wertvolle Zeit. Er kann sich von Anfang an auf das wirklich Wesentliche konzentrieren, nämlich den Wert der Investition durch gewinn- und liquiditätssteigernde Maßnahmen zu erhöhen. Schließlich ist Tempo der wichtigste Erfolgsfaktor für die Unternehmenssanierung. Insofern ist eine wirtschaftliche Due Diligence in der Restrukturierung/Insolvenz sehr viel zukunftsorientierter als eine herkömmliche Due Diligence.
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2. Teil: Ergebnisse aktueller Studien von Roland Berger Strategy Consultants
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Deutsch-europäischer RestrukturierungsSurvey 2004/05 – Ergebnisse und Handlungsempfehlungen Max Falckenberg, Ivo-Kai Kuhnt
Jede Erkenntnis ist eine Identifizierung des Nichtgleichen Friedrich Wilhelm Nietzsche
1
Ergebnisse der Umfrage
Im Einklang mit Nietzsches Erkenntnis haben wir unseren etablierten Restrukturierungs-Survey aus den Jahren 2001 und 2003 über die deutschen Grenzen hinaus auf Europa ausgedehnt. In der zweiten Hälfte des Jahres 2004 und in den ersten Monaten 2005 hat Roland Berger Strategy Consultants eine umfangreiche Studie zu Ursachen und Erfolgsfaktoren von Restrukturierungsprojekten in Europa durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden rund 2.600 Vorstände und Geschäftsführer von Unternehmen diverser Branchen befragt. Der Anteil der deutschen Unternehmen liegt bei 700. Die beiden 2001 und 2003 in Deutschland erhobenen Studien bilden die Basis der aktuellen europäischen Restrukturierungsstudie. In die Auswertung einbezogen wurden Unternehmen, die in den vergangenen drei Jahren ein Restrukturierungsprojekt durchgeführt haben. Ein besonderes Anliegen war uns dabei, Vergleiche zwischen westeuropäischen Ländern sowie zentral- und osteuropäischen Ländern (CEE) herauszuarbeiten und darzustellen. Die Ergebnisse dieses deutsch-europäischen Restrukturierungs-Survey werden im Folgenden vorgestellt. Dabei greifen wir auf die Struktur der Befragung zurück: Sie war in sieben Themenblöcke gegliedert, zu denen wir unsere Interviewpartner nach ihrer Einschätzung befragt haben: •
Zeitpunkt der Krisenintervention,
•
Erfolgsfaktoren einer Restrukturierung,
•
Elemente der Restrukturierung,
•
Stellenwert von Personalmaßnahmen,
•
Bedeutung von Frühwarnsystemen,
72 •
Bedarf an Sondermitteln für die Restrukturierung,
•
Restrukturierung als Daueraufgabe.
1.1 1.1.1
Frühzeitige Krisenintervention Deutschland
Unser Survey macht deutlich: Deutsche Unternehmen haben gelernt, schneller auf Krisen zu reagieren. Der Zeitreihenvergleich zeigt seit 2001 eine beschleunigte Reaktionszeit von Unternehmen. Bereits 32% der befragten Unternehmen reagieren bereits beim Erkennen einer strategischen Krise (2001: 20%). Hingegen werden 51% (2001: knapp 57%) erst dann aktiv, wenn sich Symptome einer Ergebniskrise zeigen. 17% (2001: 23%) warten sogar bis zum Auftreten einer Liquiditätskrise, bis sie Gegenmaßnahmen ergreifen. Im typischen Krisenverlauf steht die strategische Krise am Anfang der krisenhaften Entwicklung. Die strategische Krise ist unter anderem gekennzeichnet durch eine anhaltende Fokussierung auf schrumpfende Märkte, Unterschätzung neuer Wettbewerber, Kernprodukte, die den Zenit des Produktlebenszyklus überschritten haben, und Ignorieren von Veränderungen des Kundenverhaltens. Unterbleiben Maßnahmen, um einer strategischen Krise gegenzusteuern, folgen früher oder später die Ergebniskrise und in Abhängigkeit der Liquiditätsreserven sowie des negativen Cashflows die Liquiditätskrise. Der Handlungsspielraum wird im Verlauf des Krisenprozesses zunehmend geringer, während der Handlungsdruck erheblich steigt und in der Liquiditätskrise am höchsten ist. Grundsätzlich führt frühzeitiges und schnelles Gegensteuern zu verbesserten Restrukturierungsergebnissen. Auch unsere Erfahrung aus über 1.500 Restrukturierungsprojekten bestätigt, dass die schnelle und konsequente Reaktion auf Krisen zu den besten Erfolgen führt. Dem stimmen grundsätzlich auch die befragten Unternehmen zu: Sollte noch einmal eine Restrukturierung notwendig werden, würden die Befragten entsprechende Maßnahmen schneller und konsequenter sowie mit breiterem Zielfokus umsetzen (28%) und früher mit der Restrukturierung beginnen (23%). 1.1.2
Europa ohne Deutschland
Die Untersuchung hat ergeben, dass insbesondere CEE-Unternehmen wesentlich später auf eine Krise reagieren als westeuropäische Unternehmen. 29% aller befragten westeuropäischen und CEE-Unternehmen haben bereits während einer strategischen Krise reagiert. Der wesentliche Unterschied in der Krisenreaktion zeigt sich in der Ergebniskrise. Die meisten westeuropäischen Unternehmen (62%) reagieren spätestens dann, wenn sie Gewinn- und Rentabilitätsziele verfehlen, sich also in der Ergebniskrise befinden. Ein entscheidender Faktor ist dafür
73
unter anderem der erhöhte Handlungsdruck durch die Stakeholder. In CEE ist die Ergebniskrise nur für 46% der befragten Unternehmen ein Grund, Maßnahmen für den Turnaround einzuleiten. Bedenklich ist der hohe Anteil von Unternehmen in CEE, die erst in der Liquiditätskrise die Brisanz der Lage erkennen (26%). Insbesondere Kroatien und Rumänien zeigen hier deutlichen Handlungsbedarf. In Westeuropa sind dies nur noch 9%. Auf die in CEE sehr geringe Implementierung von Frühwarnsystemen, die maßgeblich zu dieser verzögerten Reaktion beiträgt, gehen wir noch gesondert ein. 62% 54%
51% 46%
29% 29% 29%
32% 25% 17%
17% 9%
Strategische Probleme 2004 Europa
Ergebnisprobleme Westeuropa 2004
Osteuropa 2004
Liquiditätsprobleme Deutschland 2003
Abb. 1: Reaktionen nach Krisensymptomen (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, Restrukturierungs-Survey 2005) Der Vergleich der Krisenreaktionszeiten zeigt deutlich die schnellere Reaktion auf Krisen in Westeuropa. Während 54% aller befragten westeuropäischen Unternehmen bereits innerhalb der ersten zwölf Monate eine Restrukturierung eingeleitet haben, sind dies nur 49% in CEE (Deutschland 2003: 64%). Noch deutlicher fällt der Unterschied bei der Betrachtung eines Zeitraums von 12 bis 24 Monaten aus: Weitere 42% reagieren in diesem Zeitraum in Westeuropa – in CEE hingegen nur 32%. Damit reagiert immerhin rund ein Fünftel aller Unternehmen im Untersuchungsumfang in CEE erst nach zwei Jahren und verspielt damit wertvolle Zeit. Im Schnitt reagieren Unternehmen aus europäischen Ländern langsamer als deutsche Unternehmen. Im Vergleich zwischen unserer Studie 2003 in Deutschland und der europäischen Studie 2004/2005 liegen deutsche Unternehmen mit einer durchschnittlichen Krisenreaktionszeit von 14 Monaten unter der europäischen von 16 Monaten. Unsere Projekterfahrung und die vorliegende Studie zeigen aber, dass insbesondere die schnelle Reaktion zum Projekterfolg beiträgt: 74% aller Befragten waren mit dem Projekterfolg zufrieden, wenn die Maßnahmen innerhalb von zwölf Monaten nach Auftreten der Symptome eingeleitet wurden.
74
1.2 1.2.1
Erfolgsfaktoren in der Restrukturierung Deutschland
Als zentrale Erfolgsfaktoren einer Restrukturierung identifizierten die befragten Führungskräfte insbesondere das Commitment des Managements, die schnelle Implementierung sowie die Ganzheitlichkeit des Restrukturierungskonzeptes. Dennoch wurde auch deutlich, dass vor allem bei der Umsetzung noch Verbesserungsbedarf besteht. So waren lediglich 35% der befragten Unternehmen mit dem Commitment des Managements und nur 33% mit dem Tempo der Implementierung sehr zufrieden. Auch unsere Projekterfahrungen bestätigen, dass das Commitment des Managements ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der Restrukturierung ist. 1.2.2
Europa ohne Deutschland
Was schon die Untersuchung in Deutschland 2003 gezeigt hat, gilt auch für Europa: Das Commitment des Managements ist hier ebenfalls der wichtigste Erfolgsfaktor in der Restrukturierung. 67% der westeuropäischen Unternehmen bezeichneten Management-Commitment als den entscheidenden Garanten für das Gelingen der Restrukturierung. In Osteuropa stimmen dieser Einschätzung immerhin 55% zu. Problematisch wird auch in Europa der Umsetzungserfolg gesehen: Der wird in Osteuropa mit 40% zwar als höher bewertet als in Westdeutschland (36%), ist demnach aber ebenfalls sehr gering. Die Top-5-Erfolgsfaktoren in Westeuropa stimmen mit denen in Deutschland überein: 1.
Management-Commitment,
2.
schnelle Implementierung,
3.
ganzheitliches Konzept,
4.
intensives Projekt-Controlling,
5.
enge Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat.
Die Erfolgsfaktoren in CEE zeigen ein differenziertes Bild: Statt der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und dem Projekt-Controlling treten Ansätze wie kreative Problemlösungen und das Engagement von Gesellschaftern in den Vordergrund. Die Umsetzung von „Best-Practice“-Ansätzen wurde zum Beispiel nur in einzelnen CEE Ländern als wichtiger Erfolgsfaktor betrachtet. Die strategische Neuausrichtung als Erfolgsfaktor der Restrukturierung ist nur sehr begrenzt als besonders wichtig genannt worden. Eine Ausnahme davon ist Polen: Hier wurde die strategische Neuausrichtung auf Rang 2 platziert. Die be-
75
fragten Unternehmen sehen in der Regel im ganzheitlichen Konzept (Rang 3) einen wichtigen Erfolgsfaktor, die strategische Neuausrichtung inbegriffen. Bei den meisten als sehr wichtig eingestuften Erfolgsfaktoren wird aus Unternehmenssicht die Umsetzung bemängelt. Unsere bereits in Deutschland gewonnenen Erkenntnisse über die unzureichende Umsetzung setzen sich in Europa fort und zeigen: Die notwendigen Schritte wurden zwar erkannt, aber sie werden nicht konsequent umgesetzt (siehe Abbildung 2). Westeuropa [Top 5]
Osteuropa [Top 5]
Management Commitment
67% 36%
Schnelle Implementierung
Intensives Projektcontrolling Enge Zusammenarbeit mit Betriebsrat
Ganzheitliches Konzept
42% 28%
Ganzheitliches Konzept
Management Commitment
55% 40% 43% 26%
Kreative Problemlösungen
28% 14%
22% 14%
Engagement von Gesellschaftern
26% 19%
19% 19%
Schnelle Implementierung
26% 14%
36% 23%
Bewertung des Faktors mit „sehr wichtig“
Bewertung der Umsetzung mit „sehr erfolgreich“
Abb. 2: Erfolgsfaktoren der Restrukturierung Westeuropa vs. CEE [% der Unternehmen; mehrere Antworten möglich] (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, Restrukturierungs-Survey 2005)
1.3 1.3.1
Elemente der Restrukturierung Deutschland
Das Verständnis von Restrukturierung hat sich erweitert: Seit einiger Zeit werden darunter nicht mehr nur die Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Kostensenkung gefasst. Unternehmen setzen verstärkt auf Aktivitäten zur Umsatzsteigerung. So haben 82% der befragten Unternehmen (2001 noch 49%) im Rahmen ihres Restrukturierungsprogramms auch ein Sales-up-Programm durchgeführt. 1.3.2
Europa ohne Deutschland
Der Abbau von Personal und die Reduzierung von Personalaufwand stehen bei den befragten Führungskräften westeuropäischer Unternehmen im Vordergrund. Über 90% gaben diese Maßnahmen als Bestandteile der Restrukturierung an. Die Senkung von Sachkosten war bei den Mitteln zur Kostenreduzierung mit fast 90%
76
die dritthäufigste Nennung. In den westeuropäischen Ländern liegt somit der Schwerpunkt, wie übrigens auch in Deutschland, auf der Kostenreduzierung. Die Verringerung der Kosten spielt zwar auch in CEE eine wichtige Rolle, aber dort wurden Programme zur Umsatzsteigerung als die bedeutendste Maßnahme betrachtet (90%). So genannte Sales-up-Programme sind auch in den übrigen Ländern ein wichtiger Bestandteil (nach den Kostenreduzierungen). In CEE sollen fast 44% der Ergebnissteigerung mit der Umsatzerhöhung erzielt werden. In Westeuropa sind dies sogar 48% und in Deutschland nur 30%.
1.4 1.4.1
Personalmaßnahmen als Schwerpunkt Deutschland
Die Umfrage hat bestätigt, dass der Personalabbau eine der wichtigsten operativen Maßnahmen bei Restrukturierungen ist. Neben den klassischen Instrumenten des Personalabbaus (Aufhebungsverträge, natürliche Fluktuation, Altersteilzeit und betriebsbedingte Kündigungen) wurden bei Sanierungen vermehrt konsensorientierte und innovative Lösungen eingesetzt. Dazu gehören Lohnverzicht (Mitarbeiterbeitrag), Beschäftigungsgesellschaften und Sanierungstarifverträge. In Deutschland ist der Aufhebungsvertrag aber noch mit Abstand das Instrument, das beim Personalabbau am häufigsten verwendet wird. Dem Harmoniebedürfnis (Konsens) wird also noch weitgehend entsprochen. Die Befragung zeigt überdies deutlich, dass die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat den Gesamterfolg eines Restrukturierungsprojekts erheblich steigern kann. Dies ist wiederum ein Beispiel für den vorherrschenden konsensorientierten Personalabbau. 1.4.2
Europa ohne Deutschland
In Europa dominiert dagegen noch das klassische Instrumentarium: Den Schwerpunkt mit 60% bilden die betriebsbedingten Kündigungen, gefolgt von der Altersteilzeit (58%) und dem Abbau über natürliche Fluktuation (57%). Gehalts- und Lohnkürzungen spielen mit nur 30% eine untergeordnete Rolle. Erwähnenswert ist noch der relativ hohe Anteil von Haus-/Sanierungstarifverträgen in CEE, der dort mit 38% an fünfter Stelle liegt.
1.5 1.5.1
Einsatz von Frühwarnsystemen Deutschland
Unternehmen stufen den Einsatz von Instrumenten zur Krisenfrüherkennung als höchst notwendig ein. Dazu gehören beispielsweise Managementinformations-
77
systeme (MIS), die rollierende Liquiditätsvorschau, regelmäßige Review Meetings, Systeme des Risikomanagements und verstärkt der Einsatz von BalancedScorecard-Modellen. Allerdings wurde auch deutlich, dass solche Steuerungs- und Früherkennungssysteme bislang nur unzureichend implementiert wurden. Beispielsweise verfügen nur 57% der befragten Unternehmen über ein monatliches Managementinformationssystem, obwohl 96% diesem Instrument eine hohe Bedeutung für die Krisenfrüherkennung einräumen (siehe Abbildung 3). Instrumente
Europa
CEE
Westeuropa
D 2003
Monatliches Management-InformationsSystem (MIS)
77%
65%
74%
43%
80%
84%
!
96%
57%
Monatliche Review-Meetings mit beteiligten Unternehmensbereichen
75%
60%
72%
43%
77%
75% !
80%
46%
Rollierende Liquiditätsvorschau
53%
44%
53%
31%
52%
56% !
71%
54%
Kennzahlenkatalog/ Balanced Scorecard
50%
30%
41%
17%
58%
42%
63%
27%
Risikomanagement
44%
24%
48%
21%
41%
27%
67%
35%
Sehr wichtig und wichtig
Vollständig implementiert
Abb. 3: Instrumente zur Krisenfrüherkennung [% der Unternehmen] (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, Restrukturierungs-Survey 2005) Besonders bei Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 100 und 500 Mio. EUR fehlen Instrumente der Krisenfrüherkennung völlig oder werden noch zu wenig eingesetzt. So verfügen nur 38% dieser Unternehmen über vollständig implementierte Managementinformationssysteme und nur 17% über Balanced-ScorecardModelle. Unternehmen mit vollständig implementierten Früherkennungssystemen waren in der Lage, schneller auf Krisen zu reagieren als der Durchschnitt (14 Monate). Mit durchschnittlich neun Monaten handelten jene Unternehmen am schnellsten, die mit Balanced Scorecards arbeiten. 1.5.2
Europa ohne Deutschland
Frühwarnsysteme werden in Europa bisher insgesamt als weniger wichtig für die Krisenerkennung angesehen – die Folge: Die durchschnittliche Reaktionszeit liegt bei fast 16 Monaten, in Deutschland dagegen bei 14 Monaten (siehe Abbildung 4).
78 • Die Reaktionszeit zwischen Erkennung der Krise und Beginn der Restrukturierung lag im europäischen Durchschnitt bei 16 Monaten (D 2003: 14 Monate)
64% 52% 54%
49% 42% 37% 32% 21%
19% 11% 4%
<12 Monate
12 bis 24 Monate
>24 Monate
15%
• 48% der Unternehmen (Europa) mit einer Reaktionszeit 12 Monate oder mehr bis zum Beginn des Restrukturierungsprojektes • Reaktionszeit auf Krisen in Deutschland innerhalb von 12 Monaten bei 64% ggü. 52% in Europa
E 2004: Ø 16 Monate D 2003: Ø 14 Monate 2004 Europa
Westeuropa 2004
Osteuropa 2004
Deutschland 2003
Abb. 4: Krisenreaktionszeiten bei hohem Implementierungsgrad des Instruments (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, Restrukturierungs-Survey 2005) Zum Vergleich wird der Spitzenreiter in Europa, das Managementinformationssystem (MIS), von 77% aller Befragten als sehr wichtig angesehen. Bei 65% ist ein MIS sogar implementiert. Allerdings ließ sich aus der Untersuchung nicht ableiten, dass sich die Reaktionszeit durch den Einsatz des Tools MIS verringert. Die Balanced Scorecard wird hingegen nur von 50% der Unternehmen als „wichtig“ eingestuft, obgleich auch in Europa Unternehmen mit implementierter Balanced Scorecard am schnellsten (elf Monate) auf Krisen reagieren (der Schnitt braucht immerhin 16 Monate). Hier liegt auch der Implementierungsgrad mit 30% erfreulicherweise leicht höher. Die in Europa weit verbreiteten (60%) und als wichtig eingestuften (75%) Review Meetings verfehlen hingegen häufig ihre Wirkung und bringen nur eine Reduktion der Reaktionszeit auf zwölf Monate. Auffallend ist ebenfalls, dass selbst die Unternehmen mit einer akuten Liquiditätskrise nur zu 30% eine rollierende Liquiditätsvorschau implementiert haben. Somit ist die Mehrheit der Unternehmen, die sich in der Krise befinden, noch in der Krise selbst weitgehend „blind“ für die zukünftige Entwicklung. Die fehlende Liquiditätsplanung zählt zu den wesentlichen Gründen dafür, dass eine große Anzahl von Unternehmen erst in einer „offensichtlichen“ Liquiditätskrise reagiert.
79
1.6 1.6.1
Sondermittel für Restrukturierung Deutschland
80% der befragten Unternehmen in Deutschland gaben an, dass es für die Restrukturierung einen Sondermittelbedarf gibt. Dieser wird im Wesentlichen (80%) aus konzerninternen Finanzierungen gedeckt. Abgeschlagen an zweiter Stelle stehen Bankkredite (37%). Übrige Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. Kapitalerhöhung, Kapitalmarktfinanzierungen, Factoring, Sale-and-lease-back) wurden nur von 10 bis 20% der befragten Unternehmen genutzt. 1.6.2
Europa ohne Deutschland
Ein ähnliches Bild wie in Deutschland ergibt sich auch in Westeuropa. Hier benötigen über 70% der Unternehmen zusätzliche Mittel. In Mittel- und Osteuropa sind es hingegen weniger als 60%. Betrachtet man die Mittelherkunft, so steht die konzerninterne Finanzierung mit 59% in Europa an der Spitze (siehe Abbildung 5). Mittel benötigt?
Maßnahmen zur Beschaffung zusätzlicher Mittel [Top 5] 59% 44%
41% 39%
Nein 35%
32% Ja 65%
Zusätzl. Bestands- Lieferan- Sale-andKonzernBanken- reduzierung tenkredit lease-back interne Finanzierung kredite
Abb. 5: Bedarf an zusätzlichen Mitteln für die Restrukturierung und Maßnahmen zu ihrer Beschaffung (Quelle: Roland Berger Strategy Consultants, Restrukturierungs-Survey 2005) Wie in Deutschland liegt die Bankfinanzierung mit 44% auf dem zweiten Platz. Auf den Plätzen 3 bis 5 folgen Working-Capital-Maßnahmen und Sale-and-leaseback. Kapitalmarktfinanzierung und Gesellschafterdarlehen finden sich überhaupt nicht unter den Top 5. Hier ist aber mittelfristig von einer Veränderung wie derzeit in Deutschland auszugehen, da die derzeit genutzten Mittelquellen begrenzt sind und sich die Rolle der Banken in ganz Europa im Umbruch befindet. Die Änderungen auf Grund der Bestimmungen von Basel II sowie die aktuell noch hohen Risikopositionen bei den Banken werden die Fremdkapital-Finanzierung durch Banken weiter erschweren. Alternative Finanzierungsformen, wie zum
80
Beispiel Mezzanine-Kapital, werden zukünftig stärker genutzt werden. Überdies ergeben sich durch die zunehmende Übernahme von Unternehmen durch PrivateEquity-Firmen wie Blackstone, CVC und Permira neue Möglichkeiten in der Finanzierung.
1.7 1.7.1
Restrukturierung als Daueraufgabe Deutschland
Nur für einen geringen Teil der Unternehmen (20%) war die Restrukturierung zum Zeitpunkt der Befragung bereits beendet oder die Wahrscheinlichkeit für weitere Restrukturierungsmaßnahmen in den nächsten zwei Jahren gering. Für den weitaus größeren Teil der Unternehmen war die Restrukturierung noch nicht abgeschlossen (52%), und 42% fassen die Restrukturierung als kontinuierlichen Prozess auf. Als ausschlaggebende Faktoren für diese skeptische Haltung nannte die große Mehrheit der befragten Unternehmen die anhaltende Konjunkturschwäche (54%) sowie Preisrückgänge (38%). Die Kreditverknappung durch die Banken veranlasst nur 11% der Unternehmen zu weiteren Restrukturierungsmaßnahmen. Das geringe Wirtschaftswachstum in Deutschland, insbesondere wegen der schwachen Binnennachfrage, sowie erhöhter Kostendruck durch die EU-Osterweiterung und die globale Konkurrenz werden nach unserer Auffassung auch zukünftig Restrukturierungen erforderlich machen. 1.7.2
Europa ohne Deutschland
Das Verständnis der Restrukturierung als kontinuierlicher Prozess ist in Europa viel mehr verbreitet als in Deutschland (63%). Dieser Prozess befindet sich zudem noch eher im Anfangsstadium. Nur knapp 10% der Unternehmen gaben an, dass die Restrukturierung bereits beendet sei und weitere 30% sahen sie explizit als nicht abgeschlossen an. Die Erwartung, dass weitere Maßnahmen notwendig werden, stützt sich insbesondere auf den erhöhten Wettbewerbsdruck (35%) und die auch in Europa empfundene Konjunkturschwäche (27%). Andere Faktoren wie Globalisierung, neue Technologien oder Branchenreaktionen wurden nur selten genannt (weniger als 20%).
81
2
Zusammenfassung der Studienergebnisse und Handlungsempfehlungen
Deutschland hat über die Jahre in fast allen Kategorien unserer Studie zugelegt und ist in punkto Schnelligkeit der Reaktion auf Krisensymptome führend in Europa. Daran zeigt sich deutlich die anhaltend schwierige Konjunkturlage in Deutschland, die besonders zu einer Beschleunigung der Reaktionszeit beigetragen hat. Neben notwendigen Maßnahmen zur Kostensenkung werden in Deutschland auch Maßnahmen zur Umsatzausweitung wieder mehr in den Vordergrund gestellt. Der Wichtigkeit von Wachstumsstrategien nach einer Umsatzkonsolidierung wird somit Rechnung getragen. Verbesserungen von Früherkennungssystemen können noch in den CEE-Ländern vorgenommen werden. Hier besteht insbesondere bei der Liquiditätssteuerung noch Handlungsbedarf. Während die Studienergebnisse für Westeuropa und Deutschland in vielen Punkten Gemeinsamkeiten aufweisen, erscheint Zentral- und Osteuropa als deutlich „jüngere“ Restrukturierungsregion. Hier werden mangels Erfahrung Krisen am spätesten erkannt und Restrukturierungen am langsamsten gestartet. Die hohe Bedeutung von Umsatzsteigerungsprogrammen und ihr Anteil an der Verbesserung des Gesamtergebnisses zeugen von dem Glauben an den Markt. Der weitere Schwerpunkt Sachkosten deutet darauf hin, dass hier häufig zum ersten Mal eine Restrukturierung angegangen werden musste. Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich die Restrukturierung der Unternehmen weiter institutionalisiert hat und zu Recht in vielen Firmen als Daueraufgabe gesehen wird. Die Erfolge von implementierten Konzepten erhöhen nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit, wenngleich durch Krisenerkennungsfrühsysteme die Nachhaltigkeit der Konzepte kontinuierlich im Fokus der Aufmerksamkeit bleiben muss. Die am meisten genannte Schwäche ist die Implementierung der Konzepte und deren nachhaltige Umsetzung, was sich mit unserer Projekterfahrung deckt. Wir sehen in der Implementierung einen wesentlichen Handlungsschwerpunkt. Aus den Studienergebnissen und den Zeitreihenvergleichen lassen sich folgende Handlungsempfehlungen ableiten: •
Auf eine mögliche Krise muss schnell reagiert werden.
•
Instrumente zur Krisenfrüherkennung müssen effektiv genutzt werden.
•
Ein detailliertes Konzept muss konsequent umgesetzt werden.
82 •
Das klare Commitment des Managements ist eine zwingend notwendige Voraussetzung für den Restrukturierungserfolg.
•
Frühzeitiges Einbinden sämtlicher Stakeholder in die Maßnahmen erhöht die Umsetzungsgeschwindigkeit und den Erfolg.
•
Die Konzentration allein auf Kostensenkung reicht nicht aus. Für den langfristigen Erfolg sind Maßnahmen zur Umsatzsteigerung entscheidend.
Distressed Debt in Deutschland aus Sicht der Banken Nils von Kuhlwein, Michael Richthammer
1
Einleitung
Nachdem die deutsche Volkswirtschaft bereits im Jahr 2004 fast 40.000 Unternehmensinsolvenzen zu verkraften hatte, verharrt diese Zahl wohl auch 2005 auf diesem hohen Niveau. Mit zunehmender Zahl insolventer Gesellschaften bzw. Unternehmen, die nicht länger in der Lage sind ihre Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten zu bedienen, steigt auch das Volumen von Schuldtiteln, die mit ernsthaftem Ausfallrisiko behaftet sind, dem so genannten Distressed Debt. Seit Mitte der 90er Jahre hat der umfangreiche Verkauf dieser Schuldtitel im angelsächsischen Wirtschaftsraum enorm an Bedeutung gewonnen. Inzwischen ist dieses Thema auch in Deutschland aktuell und hat in der Bankenlandschaft für erhebliches Aufsehen gesorgt. Zu den wohl bekanntesten Fällen gehören die IRU (Institutional Restructuring Unit) der Dresdner Bank, die seit 2002 so genannte „faule Kredite“ im Wert von circa 25 Mrd. EUR verkauft hat, und die HVB Real Estate, die ein Kreditportfolio im Wert von 3,6 Mrd. EUR an die US-Investmentgesellschaft Lone Star veräußert hat. Auch im Restrukturierungsfall Karstadt Quelle war zu beobachten, dass einige Banken den Verkauf ihrer Kredite als Ausstieg aus ihrem Engagement gewählt haben. Dies zeigt deutlich, dass auch die deutschen Banken diese Exit-Option für sich entdeckt haben und verstärkt nutzen. Um einen tieferen Einblick in den deutschen Distressed-Debt-Markt zu bekommen, hat Roland Berger Strategy Consultants im Jahr 2005 eine umfangreiche Studie zum Thema „Distressed Debt in Deutschland aus Sicht der Banken“ durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurden Fragebögen an etwa 60 Banken in Deutschland verschickt. Um einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Bankenlandschaft zu erhalten, wurden Banken aus unterschiedlichen Segmenten und Größenklassen befragt. Die Erhebung hatte das Ziel, die Einschätzung des Marktes aus Sicht der Banken und die zukünftige Entwicklung des deutschen Distressed-Debt-Marktes zu erfassen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sollten im Rahmen der Studie unter anderem folgende Fragen beantwortet werden: •
Seit wann beschäftigen sich die Banken mit dem Thema Distressed Debt und was sind die Gründe dafür?
•
In welcher Form sind sie am Markt aktiv?
84 •
Wie groß ist das Marktvolumen und wie wird es sich zukünftig entwickeln?
•
Welche Rahmenbedingungen beeinflussen den deutschen Distressed-DebtMarkt?
•
Welchen Erfahrungsgrad haben die Marktteilnehmer?
2
Wesentliche Ergebnisse der Studie
Zunächst werden in diesem Abschnitt die zentralen Begriffe definiert, damit ein einheitliches Verständnis gewährleistet ist. Anschließend werden die wesentlichen Ergebnisse der Studie vorgestellt. Dabei folgen wir der Struktur des Fragebogens, die sich in folgende Themenfelder gliedert: •
Allgemeine Angaben zum Thema Distressed Debt,
•
aktueller Status des Marktes für Distressed Debt in Deutschland,
•
Rahmenbedingungen des Distressed-Debt-Marktes in Deutschland,
•
operative Durchführung und Kosten der Transaktion.
2.1
Wesentliche Begriffe
Um ein einheitliches Verständnis der im Folgenden verwendeten Begriffe sicherzustellen, werden zunächst die verschiedenen Distressed-Debt-Arten sowie die unterschiedlichen Transaktionsformen kurz erläutert. Bei den Distressed-Debt-Arten folgt die Studie der üblichen Unterteilung von Schuldtiteln in Kredite und Anleihen. Die Kredite sind ferner nach Unternehmenskrediten, Konsumentenkrediten und Hypothekendarlehen/Immobilienkrediten zu unterscheiden. Bei den Transaktionsformen ist zwischen Single-Name-, Basket- und PortfolioTransaktionen zu unterschieden. Von einer Single-Name-Transaktion spricht man, wenn ein Schuldtitel einer Distressed-Debt-Art erworben wird. Werden mehrere Schuldtitel einer Distressed-Debt-Art erworben, handelt es sich um eine so genannte Basket-Transaktion. Beim Erwerb mehrerer Schuldtitel mehrerer Distressed-Debt-Arten spricht man schließlich von einer Portfolio-Transaktion.
2.2
Allgemeine Angaben zum Thema Distressed Debt
Im ersten Teil der Umfrage „Allgemeine Angaben zum Thema Distressed Debt“ wollten wir von den Banken wissen, wie lange sie schon im Bereich Distressed
85
Debt aktiv sind, welche Gründe dafür ausschlaggebend sind, dass sie sich mit Distressed Debt beschäftigen, und welche Ursachen nach ihrer Meinung dazu führen, dass ein Schuldtitel als Distressed Debt eingestuft wird. Des Weiteren sollten die Banken Auskunft geben, auf welche Warnsysteme sie vertrauen, in welcher Form sie am Markt tätig sind (Verkäufer, Käufer oder beides) und mit welcher Art von Distressed Debt sie sich beschäftigen bzw. in welcher Form sie damit handeln. Schließlich waren noch Fragen zum Transaktionsvolumen, zur Transaktionshäufigkeit und zu Preisabschlägen bei Transaktionen zu beantworten. Ein erstes wesentliches Ergebnis der Umfrage ist, dass 86% aller Umfrageteilnehmer im Bereich Distressed Debt tätig sind. 38% der Teilnehmer geben sogar an, bereits seit mehr als fünf Jahren in diesem Bereich zu operieren. Dies zeigt, dass auch in Deutschland ein großer Teil der Banken diesen Markt bereits seit vielen Jahren aktiv nutzt. Die Verbesserung der eigenen Risikoeinschätzung/-struktur bzw. die angestrebte Verbesserung der Kreditstruktur werden als die häufigsten Gründe für die Beschäftigung mit Distressed Debt angeführt. Die eigene Bonität bzw. das Rating und die Eigenkapitalrendite spielen nur eine untergeordnete Rolle. 67% der Umfrageteilnehmer geben an, ausschließlich als Verkäufer am Markt aufzutreten. Dies zeigt deutlich, dass die Banken hauptsächlich an der Bereinigung ihres Kreditportfolios interessiert sind. Die verbleibenden 33% sind sowohl als Verkäufer als auch als Käufer aktiv; dies lässt darauf schließen, dass diese Banken neben der Bereinigung ihres Kreditportfolios auch am aktiven Handel mit den Krediten verdienen wollen bzw. aktiv Schuldtitel zukaufen, um ihre Position auszubauen. Reine Käufer gibt es unter den Banken in Deutschland nicht, allerdings dürften diese auch global eine Minderheit darstellen. 83,3%
Interne Frühwarnsysteme
61,1%
Defaultkriterien nach Basel II
27,8%
Allgemeiner Zahlungsverzug Unregelmäßiges Zahlungsverhalten Sonstige
11,1% 27,8%
Abb. 1: Voraussetzungen für Einstufung von Krediten als Distressed Debt [% der Umfrageteilnehmer; Mehrfachnennungen möglich] Banken vertrauen bei der Einstufung von Krediten als Distressed Debt überwiegend auf ihre eigenen internen Frühwarnsysteme. Darüber hinaus werden Default-
86
kriterien nach Basel II zur Klassifizierung der Kredite herangezogen. Allgemeiner Zahlungsverzug sowie unregelmäßiges Zahlungsverhalten sind aus Sicht der Banken von untergeordneter Relevanz. Dies zeigt, dass Banken ihren eigenen Warnsystemen am meisten vertrauen und sich nicht ausschließlich auf „offensichtliche“ Kriterien wie Zahlungsverzug und unregelmäßiges Zahlungsverhalten verlassen. Vielmehr verfügt ein Großteil der Banken über ausgereifte Frühwarnsysteme, die die Gefährdung eines Kredits verlässlich anzeigen (siehe Abbildung 1). Als wesentliche Ursachen für Distressed Debt sehen die Umfrageteilnehmer vor allem Liquiditätskrisen und Absatzrückgänge. Zudem machen sie Eigenkapitalgefährdungen und eine nicht konkurrenzfähige Kostenbasis für die Schieflage von Unternehmen verantwortlich. Eine Sicherung des Ratings oder ein Ergebnis unterhalb des Renditeziels werden hingegen nicht als Ursachen für Distressed Debt angesehen (siehe Abbildung 2). Die genannten Punkte zeigen deutlich, dass sich ein Unternehmen in einem fortgeschrittenen Krisenstadium mit Insolvenz auslösenden Tatbestandsmerkmalen wie einer Liquiditätskrise oder einer Eigenkapitalgefährdung befinden muss, ehe ein Schuldtitel als Distressed Debt klassifiziert wird. 72,2%
Liquiditätskrise
66,7%
Absatzrückgang Eigenkapitalgefährdung
61,1%
Nicht konkurrenzfähige Kostenbasis
61,1%
Preisrückgang
55,6%
Strategische Umorientierung
55,6% 38,9%
Negatives Ergebnis Sicherung des Ratings Ergebnis unterhalb Renditeziel
16,7% 11,1%
Abb. 2: Ursachen für Distressed Debt nach Erfahrung der Banken [% der Umfrageteilnehmer; Mehrfachnennungen möglich] Auf die Frage, mit welchen Distressed-Debt-Arten sie sich beschäftigen, nennen 94% der befragten Banken Unternehmenskredite, dicht gefolgt von Hypothekendarlehen/Immobilienkrediten mit 89% (Mehrfachnennungen waren möglich). Lediglich die Hälfte der Banken hingegen beschäftigt sich im Bereich Distressed Debt mit Konsumentenkrediten und gar nur 39% mit Anleihen. Die Aussagen zeigen, dass der Fokus im Bereich Distressed Debt vor allem auf Krediten mit großen Volumina liegt, da Unternehmenskredite bzw. Hypothekendarlehen/Immo-
87
bilienkredite in der Regel ein deutlich höheres Volumen aufweisen als Konsumentenkredite. Dies wird durch die Aussage der Banken zum Nominalvolumen bei Distressed-Debt-Transaktionen unterstützt. Sowohl bei Unternehmenskrediten als auch bei Hypothekendarlehen/Immobilienkrediten bewegen sich mehr als 70% aller Transaktionen oberhalb der Marke von 100 Mio. EUR. Transaktionen mit einem Volumen von weniger als 50 Mio. EUR stellen im Bereich Distressed Debt eher die Ausnahme dar (siehe Abbildung 3). Hypothekendarlehen/ Immobilienkredite
Unternehmenskredite
28,6%
> 1 Mrd. EUR
7,1% 42,9% 7,1% 14,3% 0,0%
10,0%
500 Mio. – 1 Mrd. EUR
30,0%
100 Mio. – 500 Mio. EUR
30,0%
50 Mio. – 100 Mio. EUR
10,0%
10 Mio. – 50 Mio. EUR
10,0%
≤ 10 Mio. EUR
10,0%
Abb. 3: Nominalvolumina Distressed-Debt-Transaktionen der befragten Banken 2003/04 [%] Die Betrachtung der Transaktionshäufigkeit zeigt deutlich, dass nur wenige Banken regelmäßig – also mehrmals pro Woche bzw. pro Monat – eine DistressedDebt-Transaktion durchführen. 72% der Banken geben an, dass sie eine Transaktion nur dann durchführen, wenn es sich ergibt. Mit anderen Worten: Sie überlassen den Prozess dem Zufall und initiieren die Transaktion nicht aktiv. Sie betreiben das Geschäft mit Distressed Debt ausschließlich opportunistisch. Diese Haltung findet sich hauptsächlich bei den reinen Verkäufern und zeigt, dass diese ihre „bad loans“ nicht aktiv am Markt anbieten, sondern vielmehr auf die in den vergangenen Jahren immer stärker werdende Nachfrage reagieren. Es bleibt somit abzuwarten, ob sich diese bisher eher passive Haltung der deutschen Banken in den kommenden Jahren hin zu einer aktiven und marktgestaltenden Haltung verändern wird. Ein weiteres interessantes Ergebnis lieferte die Frage nach den Preisabschlägen (vom Nominalwert) bei einer Transaktion. Die befragten Banken geben an, dass keine Preisabschläge von weniger als 10% bzw. von mehr als 50% des Nominalwerts vorkommen. In 25% der Fälle bewegen sich die Preisabschläge zwischen 10 und 20% und in 8,3% der Fälle zwischen 20 und 30%. Damit liegen die Preisab-
88
schläge in fast 70% der Fälle zwischen 30 und 50%, wobei Abschläge von 40 bis 50% mit 41,7% der Nennungen am häufigsten vorkamen. Das bedeutet also, dass bei den meisten Transaktionen für einen Euro Nominalwert ein Preis zwischen 50 und 60 Cent bezahlt wird. Ob die Preisabschläge allerdings ausschließlich durch den tatsächlichen Marktpreis des Kredits oder auch durch eventuelle Discounts bedingt sind (zum Beispiel weil die Bank den Kredit so schnell wie möglich verkaufen will), kann an dieser Stelle nicht abschließend beantwortet werden. Die Betrachtung des Distressed-Debt-Anteils am Gesamtwert des Kreditportfolios einer Bank zeigt, dass dieser bei 7,1% der befragten Banken über 10% liegt. 85,7% der befragten Banken geben an, dass ihr Anteil von Distressed Debt weniger als 7,5% beträgt. Einen Anteil von unter 2,5% können immerhin 35,7% der Banken vorweisen. Auch andere Quellen gehen davon aus, dass der durchschnittliche Distressed-Debt-Anteil deutscher Banken bei etwa 5% des Kreditportfolios liegt. Gemessen an diesen Informationen ist davon auszugehen, dass die in unserer Umfrage ermittelten Werte als zutreffend und repräsentativ eingestuft werden können.
2.3
Der aktuelle Status des Distressed-Debt-Marktes in Deutschland
Wie bewerten die Banken den Status quo auf dem deutschen Markt für Distressed Debt? – Um Antworten auf diese wichtige Frage zu finden, wurden die Banken nach ihrer Einschätzung des aktuellen Marktvolumens, nach der erwarteten Veränderung des Marktvolumens sowie nach dem in den kommenden Jahren zu erwartenden Transaktionsvolumen befragt. Hypothekendarlehen/ Immobilienkredite
Unternehmenskredite
20,0%
100 Mrd. – 150 Mrd. EUR
33,3% 20,0%
40,0%
> 150 Mrd. EUR
6,7%
50 Mrd. – 100 Mrd. EUR
13,3%
20 Mrd. – 50 Mrd. EUR
13,3%
Weniger als 20 Mrd. EUR
33,3% 6,7% 13,3%
Abb. 4: Geschätztes Nominalvolumen Distressed Debt in Deutschland 2005
89
Das Volumen des Distressed-Debt-Marktes in Deutschland wird auf rund 300 Mrd. EUR geschätzt. Betrachtet man den in der Studie jeweils am häufigsten genannten Wert für Unternehmenskredite und Hypotheken-/Immobilienkredite, kann diese Einschätzung bestätigt werden. Das Distressed-Debt-Volumen von Unternehmenskrediten wird von den meisten befragten Banken auf 100 bis 150 Mrd. EUR veranschlagt, das von Hypothekendarlehen/Immobilienkrediten überwiegend auf mehr als 150 Mrd. EUR. In Summe würde dies in etwa die an vielen Stellen geschätzten 300 Mrd. EUR ergeben. Allerdings wird anhand der Verteilung in Abbildung 4 auch deutlich, dass die Umfrageteilnehmer zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen des Marktvolumens kommen. Die Mehrheit der befragten Banken erwartet, dass das Distressed-Debt-Volumen zunehmen wird, wobei in den Jahren 2005 und 2006 mit einem stärkeren Wachstum als 2007 gerechnet wird. Abbildung 5 verdeutlicht diese Prognose. Die Stärke des Wachstums wird allerdings sehr unterschiedlich eingeschätzt. Auch hier ist – wie schon bei der Einschätzung des Marktvolumens – festzustellen, dass die deutschen Banken noch kein einheitliches Bild vom Distressed-Debt-Markt haben und daher die Einschätzungen des Marktvolumens/-wachstums stark auseinandergehen. Bei der Einschätzung des Transaktionsvolumens zeigt sich, dass bei Unternehmenskrediten ein leichter Anstieg erwartet wird; dagegen rechnen die befragten Banken bei Hypothekendarlehen/Immobilienkrediten mit einem Rückgang. Das Transaktionsvolumen für Unternehmenskredite wird für 2005 auf rund 13 Mrd. EUR prognostiziert. In den Jahren 2006 und 2007 wird dann ein leichter Anstieg auf rund 15 bzw. 14 Mrd. EUR erwartet. Es wird also weiterhin davon ausgegangen, dass das Volumen der Transaktionen in den kommenden Jahren zunehmen und der Handel mit Unternehmenskrediten somit ein wichtiges Thema bleiben wird. Bei Hypothekendarlehen ist nach Einschätzung der Banken 2005 ein Transaktionsvolumen von rund 16 Mrd. EUR zu erwarten. Allerdings wird für die Folgejahre 2006 und 2007 ein Rückgang auf rund 14 bzw. 10 Mrd. EUR vorhergesagt. Damit würde schließlich das Volumen bei Transaktionen von Unternehmenskrediten das von Hypothekendarlehen/Immobilienkrediten übersteigen und den Markt dominieren. Ein interessantes Bild zeigt die prognostizierte Entwicklung der erwarteten Transaktionsarten. 2005 sind Portfoliotransaktionen mit mehr als 50% die dominierende Transaktionsart. Allerdings wird bis 2007 mit einem Rückgang auf knapp 42% gerechnet. Gleichzeit erhöht sich der Anteil von Single-Name-Transaktionen auf 30% (von 27% im Jahr 2005) und von Basket-Transaktionen auf 27% (von 21% im Jahr 2005). Die befragten Banken rechnen also damit, dass die bisher den Markt beherrschenden Transaktionen von „Kreditpaketen“ (Portfolios) von zielgerichteteren und individualisierteren Transaktionen – in erster Linie von Single Names – verdrängt werden. Dies würde dann wiederum den Schluss zulassen, dass die deutschen Banken die grobe Bereinigung ihrer Kreditportfolios hinter sich haben und in Zukunft nun eine gezieltere Bereinigung stattfinden wird.
90 Unternehmenskredite
Reduzierung
> 10 Mrd. EUR
7%
0%
5-10 Mrd. EUR
20%
27%
0-5 Mrd. EUR
0%
0%
0-5 Mrd. EUR
27%
0-10 Mrd. EUR
20%
20%
33% Wachstum
33%
0% 20%
27% > 10 Mrd. EUR
20%
27% 13% 2005
7%
2006
2007
Hypothekendarlehen/Immobilienkredite
Reduzierung
Wachstum
> 10 Mrd. EUR 5-10 Mrd. EUR 0-5 Mrd. EUR
7%
0-5 Mrd. EUR
33%
0% 0%
7%
0% 0%
20% 13% 0%
53% 0-10 Mrd. EUR
27%
53% 20%
> 10 Mrd. EUR
33%
2005
20%
0% 13%
2006
2007
Abb. 5: Entwicklung des Distressed-Debt-Volumen in Deutschland
2.4
Rahmenbedingungen des Distressed-Debt-Marktes in Deutschland
In diesem Abschnitt wird darauf eingegangen, wie die Banken die Rahmenbedingung des Distressed-Debt-Marktes in Deutschland einschätzen. Die Banken wurden gefragt, wie sie den Einfluss des Bankgeheimnisses und der Datenschutzbestimmungen auf ungekündigte Kredite sehen und welche Lösungen dafür gefunden werden können. Zudem wurden die Banken über den möglichen negativen Einfluss des deutschen Insolvenzrechts (im Vergleich zu USA) auf den deutschen Distressed-Debt-Markt befragt.
91
Zunächst sollten die Banken angeben, welche Probleme bei Transaktionen von ungekündigten Krediten auf Grund des Bankgeheimnisses und Datenschutzes auftreten könnten. 69% der Banken bestätigen dabei, dass wegen dieser Faktoren ausschließlich notleidende Kredite bzw. Kredite nur mit Zustimmung des Schuldners angeboten werden. Nur 13% widersprechen diesem kausalen Zusammenhang. Eher geteilte Meinungen gibt es bei der Frage, ob bei problembehafteten Krediten der Kundenkontakt beim Verkäufer verbleiben wird. 44% der befragten Banken sehen dies als Hindernis, allerdings stimmen 31% dieser Aussage nicht zu. Ein nahezu ähnliches Bild zeigt sich bei der Frage, ob die Rechtsunsicherheit die Gefahr erhöht, dass Transaktionen rückgängig gemacht werden. Auch hier sind 44% der befragten Banken der Meinung „trifft zu“, dagegen haben 38% mit „trifft nicht zu“ geantwortet. Anschließend wurden verschiedene Möglichkeiten dargestellt, die Ansatzpunkte für eine Lösung dieses Problems sein könnten. Die Banken wurden dazu nach ihrer Einschätzung befragt. Das Ergebnis ist in Abbildung 6 zu sehen.
Keine Lösung für problembehaftete Kredite
13,3% 80,0% 33,3% 33,3%
Verkauf der Kredite im Rahmen des UmwG
35,7% 28,6%
Joint Venture
50,0%
Schuldner wird von der Vorteilhaftigkeit überzeugt
18,8% 37,5% 31,3%
Einschaltung Dritter und Vertraulichkeitserklärung Unterbeteiligung
94,0% 6,0% „trifft zu“
„trifft nicht zu“
Abb. 6: Möglichkeiten zum Umgang mit den Problemen Bankgeheimnis/Datenschutz1 Aus Sicht der Umfrageteilnehmer können die mit dem Bankgeheimnis/Datenschutz verbundenen Probleme am besten durch eine Unterbeteiligung an dem Schuldtitel gelöst werden. Dadurch werden die für den Käufer bestehenden
1
Abgebildet werden nur die Kategorien „trifft zu“ und „trifft nicht zu“; die Kategorie „weiß nicht“ ist nicht dargestellt.
92
Konflikte aufgehoben: Als Miteigentümer des Schuldtitels darf er vertrauliche Unterlagen einsehen, somit liegt kein Verstoß gegen das Bankgeheimnis vor. Des Weiteren sind 50% der Banken der Meinung, dass es eine gute Lösung darstellt, den Schuldner von der Vorteilhaftigkeit des Kreditverkaufs zu überzeugen. Immerhin 80% der befragten Banken sind der Ansicht, dass es grundsätzlich Mittel und Wege gibt, mit dem Problem Bankgeheimnis/Datenschutz umzugehen. Damit besteht aus Sicht der Banken keine Gefahr, dass eine Transaktion auf Grund des Bankgeheimnisses/Datenschutzes scheitern und somit der Marktplatz Deutschland für Distressed-Debt-Investoren an Attraktivität verlieren könnte. Neben Bankgeheimnis und Datenschutz könnte auch das deutsche Insolvenzrecht das Distressed Debt Investing in Deutschland beeinflussen. Vor allem die unterschiedliche Ausgestaltung im Vergleich zu den USA könnte sich negativ auf die Attraktivität des Marktes auswirken. Die Meinungen deutscher Banken dazu gehen allerdings auseinander. 38% vertreten die Auffassung, dass die unterschiedliche Philosophie des Insolvenzrechts (Fortbestand in den USA versus Gläubigerschutz in Deutschland) Investoren abschrecken könnte. 44% hingegen sind der Meinung, dass dies nicht zutrifft. Vielmehr wird die zu geringe Anwendung der Gestaltungsspielräume des deutschen Insolvenzrechts als nachteilig angesehen. Diesem Punkt stimmen 56% der befragten Banken zu und nur 25% bestreiten dies. Grundsätzlich wird der Ausgestaltung des deutschen Insolvenzrechts ein gewisser negativer Einfluss angelastet. Immerhin 44% der Banken sind der Meinung, dass das Insolvenzrecht beeinflussenden Charakter hat und nicht dieselben Möglichkeiten wie das US-amerikanische Recht bietet. Neben dem Insolvenzrecht gibt es in Deutschland auch noch eine Reihe anderer rechtlicher Regelungen, die das Distressed Debt Investing beeinflussen können. Für 69% der befragten Banken haben vor allem Sicherheitenpools einen maßgeblichen Einfluss auf das Investitionsverhalten im Bereich Distressed Debt. Die Vereinbarungen eines Sicherheitenpools verhindern oftmals, dass Banken vorzeitig aus einem Kreditarrangement aussteigen können. Deshalb werden viele Kredite gar nicht erst zum Verkauf angeboten, wodurch das Angebot für potenzielle Investoren eingeschränkt wird. Aber auch die in Deutschland häufig vergebenen Sonderkredite – wie zum Beispiel KfW-Darlehen – wirken sich nach Ansicht von 50% der Banken negativ aus, da diese nicht verkauft werden können. Des Weiteren beeinflussen Konsortialkredite nach Meinung von 44% der Banken das Investitionsverhalten, da sie den Ausstieg einer Bank aus dem Kreditkonsortium vertraglich untersagen. Viele Banken, die den Verkauf eines Kredits in Erwägung ziehen, werden durch diese Regelungen daran gehindert und können diesen ExitKanal nicht wählen. Folglich wird das potenzielle bestehende Angebot durch rechtliche Regelung niedrig gehalten. Keine Beeinflussung sehen die befragten Banken hingegen durch das deutsche Kündigungsschutzgesetz, das die Freisetzung von Personal erschwert und eine Restrukturierung oftmals behindert. Das deutsche Kündigungsschutzgesetz, das in letzter Zeit wegen der für die Arbeitgeber nachteiligen Regelungen kritisiert wur-
93
de, hat aus Sicht der Banken keine negative Auswirkung auf die Attraktivität des deutschen Distressed-Debt-Marktes. Die Rechnungslegung IFRS wird ebenfalls nicht als nachteilig für den deutschen Markt angesehen. Auf die Frage, ob sie langfristig Probleme für Investoren ohne Bankerlaubnis sehen, antworten 81% der befragten Banken mit „ja“. Nur 19% sind der Meinung, dass sich hierdurch keine Probleme ergeben werden. Als Gründe für die Notwendigkeit einer Bankerlaubnis führen die Banken an: •
Die Bankerlaubnis ist erforderlich zum Kauf ungekündigter Kreditengagements,
•
Die Bankerlaubnis ist die Voraussetzung für „fresh money“ bei Sanierungsfällen.
•
Ohne Bankerlaubnis besteht keine Möglichkeit von Saldenausgleichsvereinbarungen (Cash Collateral, Avalauslagen).
Zudem besteht aus Sicht der Banken die Gefahr der rechtsmissbräuchlichen und nicht registrierbaren Nutzung von Gläubigerpositionen. Inwieweit es tatsächlich zu Problemen kommen wird, bleibt aber zunächst abzuwarten. Allerdings ist festzustellen, dass einige angelsächsische Distressed-DebtInvestoren verstärkt versuchen, sich an deutschen Kreditinstituten zu beteiligen. Ein Beispiel hierfür ist der Einstieg von JC Flowers & Co. und der japanischen Shinsei Bank in das Joint Venture von NordLB und WestLB. Dies lässt darauf schließen, dass auf diesem Weg das Problem einer fehlenden Bankerlaubnis gelöst werden soll. Dies war zumindest der Grund für den US-Finanzinvestor Lone Star, die Mitteleuropäische Handelsbank (MHB) von der NordLB zu übernehmen, oder auch für Cerberus, die sich Ende 2004 mit dem Erwerb der sauerländischen HKBBank eine Banklizenz gesichert haben.
2.5
Operative Durchführung und Kosten der Transaktion
In diesem Abschnitt der Studie wurden die Banken befragt, wie sie die Erfahrung der Marktteilnehmer sowie die Erfahrung und Schwierigkeiten bei Transaktionen einschätzen. Außerdem sollten sie sich dazu äußern, welche Exit-Strategien sie für geeignet halten. Aus Sicht der Banken werden Distressed-Debt-Investoren als die Marktteilnehmer mit der größten Erfahrung eingestuft. 83% der befragten Banken bewerteten die Erfahrung der Investoren mit „hoch“. Die Banken selbst hingegen betrachten sich im Bereich Distressed Debt größtenteils als eher unerfahren. Nur 22% bewerteten die Erfahrung mit „hoch“. Damit gesteht ein großer Teil der Banken ein, dass er an einem Erfahrungsdefizit im Vergleich zu den Investoren leidet, die häufig aus dem angelsächsischen Wirtschaftsraum kommen.
94
Rechts- und Wirtschaftsberatungen werden von 44% bzw. 28% der befragten Banken als Marktteilnehmer mit großer Erfahrung eingestuft. Damit schätzen die Banken den Erfahrungsgrad dieser Beratungen höher ein als den eigenen. Dennoch liegen auch die Beratungen gegenüber den Investoren weit zurück. Damit bleibt festzuhalten, dass es aus Sicht der Banken bisher keinen Markteilnehmer in Deutschland gibt, der mit den spezialisierten Distressed-Debt-Investoren auf Augenhöhe ist. Weder die Banken selbst noch Rechts- und Wirtschaftsberatung haben eine ähnliche große Erfahrung. Sie müssen daher in den nächsten Jahren noch einen „Lernprozess“ durchschreiten bis sie als „vollwertige“ Marktteilnehmer angesehen werden. Erfahrung bei Transaktionen
Schwierigkeiten bei Transaktionen
80%
7% 7% 41%
67% 0%
28%
73%
Konsumentenkredite
24%
39%
Anleihen
24%
Hypothekendarl./ Immobilienkredite
Unternehmenskredite Bewertung mit „hoch“
41% 39% 33% 67% 28%
Bewertung mit „niedrig“
Abb. 7: Erfahrung und Schwierigkeiten bei Transaktionen2 Bei der Bewertung von Erfahrung und Schwierigkeiten bei Transaktionen wird nach den Angaben der befragten Banken deutlich, dass Banken bei Transaktionen mit Unternehmenskrediten wenig Erfahrung haben und den Schwierigkeitsgrad bei diesen Transaktionen als „hoch“ einstufen. Nur 39% der befragten Banken stufen die Erfahrung mit Unternehmenskrediten als „hoch“ ein. Immerhin 28% hingegen mit „niedrig“. Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei Anleihen. Hier bewerten 80% der befragten Banken die Erfahrungen mit „hoch“ und 73% sehen keine Schwierigkeiten bei Transaktionen mit Anleihen. Bei Hypothekendarlehen/ Immobilienkrediten zeigt sich ein nahezu ähnliches Bild. 67% bewerten den Erfahrungsgrad bei Transaktionen als „hoch“ und nur 39% sehen hierbei Schwierigkeiten. Damit bleibt festzuhalten, dass seitens der Banken sowohl mit Anleihen als
2
Abgebildet werden nur die Kategorien „hoch“ und „niedrig“; die Kategorie „mittel“ ist nicht dargestellt.
95
auch mit Hypothekendarlehen/Immobilienkrediten eine gewisse Erfahrung besteht. Es zeigt sich aber auch, dass den deutschen Banken nach eigenen Angaben größtenteils noch das Know-how bei Transaktionen mit Unternehmenskrediten fehlt. Bei der Frage nach der Erfahrung beim Verkauf von Krediten/Schuldtiteln geben 65% der befragten Banken an, viel Erfahrung zu haben. Des Weiteren geben 59% an, keine Erfahrung beim Verkauf von Avalen/Akkreditiven zu haben. Die Antwort auf die Frage nach dem Schwierigkeitsgrad bestätigt dieses Ergebnis: Diesen bewerten bei Avalen/Akkreditiven 63% der Banken als „hoch“ und bei Krediten/ Schuldtiteln nur 29% als „hoch“. Dies lässt darauf schließen, dass der Handel mit Krediten/Schuldtiteln wesentlich häufiger ist als der mit Avalen/Akkreditiven. Ein interessantes Ergebnis zeigt sich bei der Frage nach den wichtigsten Kostenblöcken einer Transaktion (siehe Abbildung 8). Hier gehen die Einschätzungen der wesentlichen Kosten durch Verkäufer und Käufer sehr weit auseinander: Aus Sicht der Käufer stellen die Kosten für Informations- und Datenaufbereitung mit 33,8% der Gesamtkosten den größten Kostenblock dar. Kosten für Rechtsberatung und Vertragsgestaltung sind mit 23,4% ein weiterer wesentlicher Kostenblock. Damit fallen mehr als 50% der Gesamtkosten auf Verkäuferseite für Informationsund Datenaufbereitung sowie Rechtsberatung an. Dies zeigt, dass die Verkäufer sowohl auf Informationsbeschaffung/Analyse (insgesamt 53,3% der Gesamtkosten) als auch auf die Ausgestaltung des Vertrages großen Wert legen und auf diese Themen einen Großteil der finanziellen Mittel verwenden. Aus Sicht der Verkäufer
Informationsbeschaffung/ Analyse Ȉ 53,3%
33,8%
11,8% 7,5% Abwicklung Ȉ 44,7%
Sonstige
14,3%
Aus Sicht der Käufer
Informations-/ Datenaufbereitung Bewertung/ Preisvorstellung Ansprache Investoren Bereitstellung/ Betreuung Datenräume
23,4%
Rechtsberatung Vertragsgestaltung
7,5%
Transfer-Charge
1,8%
Informationsbeschaffung/ Analyse Ȉ 39,4%
Abwicklung Ȉ 24,4%
Exit Ȉ 33,9%
Sonstige
14,4%
Durchsicht Informationen
15,6%
Bewertung
9,4%
Informationsbeschaffung durch Externe
18,3%
Rechtsberatung Vertragsgestaltung
6,1%
Transfer-Charge
7,2%
Verkauf an Dritte
12,8%
Restrukturierung
13,9%
Sonstige Exit-Optionen
2,2%
Abb. 8: Anteil wesentlicher Kostenblöcke an Gesamtkosten bei einer Transaktion3
3
Durchschnitt.
96
Ein anderes Bild hingegen zeigt sich auf Käuferseite. Zwar stellt auch hier die Position Rechtberatung/Vertragsgestaltung mit 18,3% den größten Kostenblock dar, allerdings werden für die Durchsicht der Informationen bzw. für die Bewertung nur 14,4% und 15,5% angesetzt. Immerhin 33,9% der Gesamtkosten fallen für den Exit an, wovon 12,9% für die Restrukturierung des Unternehmens aufgewendet werden. Diese Aufteilung zeigt, dass für einen Käufer vor allem der Exit eine sehr wichtige Rolle spielt und darauf ein wesentlicher Teil der Finanzmittel verwendet wird. Insbesondere die Restrukturierung des Unternehmens stellt aus Sicht der Banken eine der wesentlichen Exit-Strategien dar und erhält oftmals den Vorzug vor anderen Strategien wie zum Beispiel dem Verkauf oder der Liquidation. Teilverzicht mit Restschuldzahlung
71% 12% 59%
Weiterverkauf der Forderung
24% 41% 41%
Liquidation (Verwertung der Sicherheiten) 35%
Bilanzielle Restrukturierung mittels Debt Equity Swap Restrukturierung und vollständige Rückzahlung (Nominalwert)
18% 77% 12% „sehr geeignet“
„weniger geeignet“
Abb. 9: Eignung von Exit-Strategien4 Auch die Antwort auf die letzte Frage der Studie bestätigt, dass die Restrukturierung des Unternehmens und die vollständige Rückzahlung der Kredite die bevorzugte Exit-Strategie aus Sicht der Banken ist. 77% der befragten Banken halten diese für „sehr geeignet“ und nur 12% für „weniger geeignet“. Aber auch einen Teilverzicht mit Restschuldzahlung betrachten 71% der befragten Banken als mögliche Strategie, um das Kreditarrangement zu beenden. Einen Weiterverkauf der Forderungen betrachten immerhin noch 59% der Banken als sehr geeignet. Als weniger geeignet erscheint aus Sicht der Banken eine Liquidation des Unternehmens mit anschließender Verwertung der Sicherheiten. Diese halten zwar 41% der Umfrageteilnehmer für geeignet, jedoch auch 41% für ungeeignet (siehe Abbildung 9).
4
Abgebildet werden nur die Kategorien „sehr geeignet“ und „weniger geeignet“; die Kategorie „mittelmäßig geeignet“ ist nicht dargestellt.
97
Grundsätzlich sind die Banken also in erster Linie daran interessiert, das Unternehmen zu restrukturieren und das gesamte Kreditvolumen wieder zu bekommen. Andere Optionen, bei denen die Banken auf einen Teil der Rückzahlung verzichten müssten, sind stets nur zweitbeste Lösung.
3
Fazit und Ausblick
An dieser Stelle werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie kurz zusammengefasst. Eine Übersicht hierzu ist in Abbildung 10 zu sehen.
1.
Die Banken betrachten sich als überwiegend unerfahren, obwohl sie Distressed-Debt-Verkäufe bereits seit Jahren betreiben
2.
Die Banken betreiben das Geschäft (noch?) weitgehend opportunistisch und sind bereit, erhebliche Preisabschläge in Kauf zu nehmen
3.
Dennoch wird die klassische Restrukturierung und die Bedienung des Nominalvolumens als die bei weitem präferierte Lösung angesehen
4.
Der Distressed-Debt-Markt für Unternehmens- und Hypothekenkredite liegt bei einem Nominalvolumen von jeweils über 100 Mrd. EUR
5.
Das Transaktionsvolumen wird in den nächsten Jahren deutlich zunehmen und sich bei ca. 15 Mrd. EUR einpendeln
6.
Der Markt wird sich deutlich weg von Portfolios und hin zu Single-Name-Transaktionen bewegen
7.
Ohne eine Banklizenz werden Investoren das Geschäft in Deutschland nicht durchführen können
Abb. 10: Kern-Ergebnisse der Studie Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Banken als überwiegend unerfahren betrachten, obwohl sie bereits seit Jahren auf dem Distressed-Debt-Markt aktiv sind. Vor allem im Vergleich zu den Distressed-Debt-Investoren sieht ein Großteil der deutschen Banken ein großes Erfahrungsdefizit. Dieses gilt es in den kommenden Jahren zu beseitigen. Des Weiteren zeigt die Studie, dass die Banken das Geschäft mit Distressed Debt weitgehend opportunistisch betreiben. Hier bleibt abzuwarten, ob sie in den kommenden Jahren ihre bisher eher „passive“ Position verlassen und aktiver am Markt agieren werden. Außerdem nehmen die Banken erheblich Preisabschläge von 30 bis 50% vom Nominalvolumen in Kauf. Es bleibt an dieser Stelle allerdings offen, ob die Preisabschläge ausschließlich durch den tatsächlichen Marktpreis des Kredits oder auch durch weitere Discounts bedingt sind.
98
Die Studie liefert ein weiteres wichtiges Ergebnis: Die klassische Restrukturierung und die Bedienung des Nominalvolumens werden als die bei weitem präferierte Exit-Strategie angesehen. Grundsätzlich sind die Banken also in erster Linie daran interessiert, das Unternehmen zu restrukturieren und das gesamte Kreditvolumen zurückzubekommen. Andere Optionen, bei denen die Banken auf einen Teil der Rückzahlung verzichten müssten, stellen immer nur zweitbeste Lösungen dar. In Bezug auf die Einschätzung des Marktvolumens bleibt festzuhalten, dass der Distressed-Debt-Markt für Unternehmenskredite und für Hypothekendarlehen/Immobilienkredite jeweils über der 100 Mrd.-Euro-Marke liegt. Allerdings sind die Angaben der befragten Banken relativ breit gestreut; dies zeigt wiederum, dass es seitens der Banken noch kein einheitliches Bild des deutschen Distressed-DebtMarktes gibt. Des Weiteren zeigen die Angaben der Banken, dass sich das Transaktionsvolumen sowohl für Unternehmenskredite als auch für Hypothekendarlehen/Immobilienkredite bei etwa 15 Mrd. EUR pro Jahr einpendeln wird. Dabei wird im Jahr 2007 das Volumen bei Transaktionen von Unternehmenskrediten höher sein bei Hypotehekendarlehen/Immobilienkrediten. In Bezug auf die Transaktionsarten wird sich der Markt deutlich weg von Portfolio-Transaktionen hin zu Single-Name-Transaktionen entwickeln. Daraus kann abgeleitet werden, dass die deutschen Banken die grobe Bereinigung ihrer Kreditportfolios hinter sich haben und in Zukunft nun eine gezieltere Bereinigung stattfinden wird. Zuletzt ist noch festzuhalten, dass mehr als 80% der befragten Banken davon ausgehen, dass Investoren ohne Banklizenz das Geschäft in Deutschland nicht durchführen können. Inwieweit es tatsächlich zu Problemen kommen wird, bleibt aber zunächst abzuwarten. Allerdings kann festgestellt werde, dass einige angelsächsische Distressed-Debt-Investoren verstärkt dabei sind, sich an deutschen Kreditinstituten zu beteiligen, um sich auf diesem Weg eine Banklizenz zu sichern. Abschließend bleibt anzumerken, dass die dargestellten Ergebnisse der Studie einen interessanten Einblick in den deutschen Distressed-Debt-Markt aus Sicht der Banken geben. Mit Spannung kann nun verfolgt werden, wie sich der deutsche Distressed-Debt-Markt tatsächlich entwickeln wird und inwieweit die befragten Banken mit ihren Einschätzungen richtig liegen.
3. Teil: Die finanzielle Restrukturierung in der Praxis – Fallbeispiele
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Finanzielle Restrukturierung eines Pharmaunternehmens Karl-J. Kraus, Ralf Moldenhauer
1
Das Unternehmen
Die Pharma AG ist als börsennotierter Anbieter von pharmazeutischen Spezialprodukten in zwei Geschäftsbereichen aktiv: •
GB 1: Produkte zur Therapie von Krankheiten (ca. 70% des Umsatzes),
•
GB 2: Diagnose von Krankheitsbildern (ca. 30% des Umsatzes).
Das bereits vor über 50 Jahren gegründete Unternehmen produziert seine Erzeugnisse in Deutschland, der Vertrieb erfolgt über mehrere inländische und ausländische Vertriebsgesellschaften. Der Umsatz hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich positiv entwickelt. Die Krisenursachen umfassen strategische, strukturelle und operative Elemente, die in Abbildung 1 zusammengefasst werden. Strategisch
• Strategische „Verzettelung“ durch erfolglosen Aufbau neuer Geschäftsfelder • Bestehende Pharmaanlagen ermöglichen keine Zulassung der Produkte in Hochpreismärkten • Umfassendes Investitionsprogramm in allen Geschäftsbereichen, das zu spät begonnen wurde • Finanzierung durch kurzfristige Kreditverbindlichkeiten
Strukturell
• Unzureichende Steuerung der Geschäftsbereiche und Tochtergesellschaften • Akquirierte Unternehmen nur teilweise integriert und kaum gesteuert • Komplexes Produkt- und Kundenportfolio mit vielen unwirtschaftlichen Kleinkunden sowie Artikeln mit geringen Umsätzen
Operativ
• Überdimensionierter Overhead (Verwaltung, Vertrieb) und damit zu hohe Strukturkosten • Zu hohe Kapitalbindung in Vorräten sowie Forderungen • Unzureichende Vertriebsperformance
Abb. 1: Krisenursachen
102
1.1
Strategische Krisenursachen
Das Unternehmen hat sich in den letzten Jahren strategisch „verzettelt“: Um den Grad der Diversifizierung zu erhöhen, wurden zahlreiche neue Aktivitäten aufgebaut. Zu diesem Zweck wurden umfangreiche Investitionen in die Akquisition von Gesellschaften sowie eigene Aufbauleistungen vorgenommen. Der Effekt blieb jedoch gering, da die Aktivitäten nicht sorgfältig verfolgt und zu Ende geführt, sondern immer wieder durch neue Projekte überlagert wurden. Gleichzeitig wirkte sich im Kerngeschäft ein strategischer Nachteil immer massiver aus: Die Produktionsanlagen waren veraltet, was die Vermarktung und Zulassung der Produkte in hochpreisigen Märkten zunehmend erschwerte – somit blieb nur der Ausweg in „exotische Märkte“. In diesen Ländern sind zwar die Produktanforderungen geringer, jedoch liegt auch das Preisniveau erheblich niedriger. Um die Produktionsanlagen grundlegend zu modernisieren, wurde ein ambitioniertes Investitionsprogramm gestartet. Der operative Cashflow konnte diesen Investitionsbedarf nicht bereitstellen, zur Finanzierung wurde deshalb vor allem auf Fremdkapital zurückgegriffen (siehe Abbildung 2). Diese Bankverbindlichkeiten wurden jedoch nicht in Relation zur Langfristigkeit der Investition strukturiert, sondern nahezu ausschließlich kurzfristig finanziert. Herkunft der Finanzmittel
Verwendung der Finanzmittel 9%
44%
50%
• • • •
43%
41% im Unternehmen generiert
3%
35%
Vorräte -25% Forderungen -13% Verbindlichkeiten +3% Sonstiges -9%
100%
3%
4%
Operativer BruttoCashflow1)
DesinvestiVerkauf tion Anlage- Forderungen vermögen
Aufnahme Bankdarlehen2)
Liquide Mittel
¦
∆ Working Capital
Investition Anlagevermögen
Dividenden Zahlungen
9% Tilgung
1) Jahresüberschuss + nicht-cashwirksame a.o. Aufwendungen + Abschreibungen + Veränderung Pensionsrückstellungen 2) Inkl. Leasing
Abb. 2: Kapitalflussdarstellung über vier Jahre
1.2
Strukturelle Krisenursachen
Die Geschäftsbereiche und Tochtergesellschaften wurden auf Grund der erfolgreichen Historie nur unzureichend gesteuert. Ein „echtes“ Konzern-Controlling wurde nicht durchgeführt, sodass sich ein Eigenleben der einzelnen Gesellschaften
103
entwickelte; dies stellte sich für den Gesamtkonzern suboptimal dar. Hierdurch wurden auch die neu erworbenen Akquisitionen nur unzureichend integriert und damit keine Synergien realisiert.
1.3
Operative Krisenursachen
Im operativen Geschäft war die Kostenstruktur der Pharma AG nicht mehr wettbewerbsfähig, und auch das gebundene Working Capital hatte Dimensionen erreicht, die keine attraktive Kapitalrendite mehr ermöglichte. Das Hauptproblem lag in beiden Bereichen in der Zentrale. Verwaltung und Vertrieb waren überdimensioniert, verursachten damit zu hohe Strukturkosten (rund 10% vom Umsatz). Gleichzeitig hatte die Geschäftstätigkeit in den letzten Jahren einen sehr hohen Bedarf an Working Capital (Bestände und Forderungen) erzeugt. Ursache hierfür war neben dem steigenden Umsatz ein unzureichendes Forderungsmanagement, bei dem der Vertrieb nicht ausreichend in die Verantwortung für Zahlungseingänge genommen wurde. Die hohen Vorräte ergaben sich aus dezentraler Lagerhaltung in Deutschland (fünf Lager), separaten Lagern bei den neun ausländischen Vertriebsgesellschaften sowie aus Beständen mit hohen Reichweiten entlang der gesamten Produktionskette.
2
Bestandteile des Restrukturierungskonzeptes
Die Struktur eines Pharmaunternehmens ist auf Grund der umfangreichen Auflagen sowie der erforderlichen Forschungs- und Entwicklungs (F&E)-Aktivitäten kostenintensiv und zum Großteil fix. In den Anlagen sind signifikante Investitionen gebunden, und um auf dem Markt anbieten zu können, ist eine umfangreiche Infrastruktur notwendig (F&E, Klinische Forschung, Zulassung, Qualitätskontrolle, Produktion, Vertrieb, Logistik etc.). Neben den üblichen Maßnahmen zur Kostensenkung muss in dieser Branche also zusätzlich das Problem der kritischen Masse berücksichtigt werden: Die erforderliche Grundstruktur lässt sich nur dann wirtschaftlich betreiben, wenn ein kritisches Umsatzniveau erreicht wird. Somit ist die Stabilisierung bzw. Erhöhung des Umsatzes eine wesentliche Komponente der Restrukturierung und der mit Abstand bedeutendste Ergebnishebel. Das auf Basis dieser Erkenntnisse entwickelte Programm zur Restrukturierung und strategischen Neuausrichtung lässt sich daher in drei Bestandteile gliedern (siehe Abbildung 3): 1.
Strategische Neuausrichtung, die langfristig Erfolgspotenziale ermöglicht,
2.
strukturelle Optimierung, die mittelfristig wirksam wird,
3.
operative Effizienzsteigerung, die kurzfristig Erfolge ermöglicht.
104 Inhalte
Wirkung Langfristig
1
Strategische Neuausrichtung
• • • • •
Aufgabe von Randgeschäften Forcierung Investitionsprogramm Fertigung Partnersuche, vor allem Markteintritt Zielmärkte Forcierung Lizenzierung neuer Produkte Fokussierung auf attraktive Segmente in einem GB
2
Strukturelle Optimierung
• Integration von Tochtergesellschaften • Zentrale Logistik
Mittelfristig
3
Operative Effizienzsteigerung
• • • • •
Kurzfristig
Working Capital Management (Vorräte, Forderungen) Kostensenkung Deutschland (Personal, Material, SbA) Ertragssteigerung Auslandsgesellschaften Komplexitätsreduzierung (Produkte/Kunden) Sales up
Abb. 3: Bestandteile des Restrukturierungskonzeptes Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung fokussierte die Pharma AG ihre Ressourcen auf zwei Geschäftsbereiche. Randaktivitäten wurden verkauft und die Verkaufserlöse in die Entwicklung des Kerngeschäfts investiert. Zur Verbesserung der Marktposition wurde weiterhin in die neue Pharmafertigung investiert, denn nur durch die Verfügbarkeit hochwertigerer Produkte und den Verkauf in hochpreisigen Märkten konnte die Pharma AG nachhaltig abgesichert werden. Außerdem resultierte aus dieser Anlage ein erheblicher Ergebniseffekt, da durch höhere Ausbeuten die Produktionskosten signifikant gesenkt werden können. Um die kritische Masse zu vergrößern, war außerdem eine Kooperation mit einem Pharmaanbieter gleicher Größe vorgesehen, um Markteintritte in Zielmärkte zu erleichtern. Zusätzlich wurde die kritische Masse durch die Lizenzierung neuer Produkte erhöht. Eine signifikante Strukturoptimierung ergab sich durch die Einführung einer zentralen Logistik. Durch die Reduzierung der Lageranzahl wurde die Effizienz gesteigert und durch die Einführung einer Eurologistik wurde der Anteil der Zentrallagerbelieferung erhöht. Ein weiterer Restrukturierungshebel war die konsequente Komplexitätsreduzierung durch Mindermengenzuschläge und Mindestabnahmemengen sowie gezielte Programmbereinigungen. Die operative Effizienzsteigerung setzte sich aus dem Working-Capital-Management sowie einer allgemeinen Kostensenkung und einem Sales-up-Projekt zur Umsatzstabilisierung zusammen. Im Working-Capital-Management wurde ein ganzheitliches Konzept zum Bestandsabbau (Sicherheitsbestände, Durchlaufzeitenreduzierung, Rahmenverträge etc.) erarbeitet. Parallel wurde bei den Forderungen ein stringentes Forderungsmanagement (strenges Mahnwesen, Bonitätsprüfung etc.) neu eingeführt. In der Zentrale wurde ein umfassendes Kostensenkungsprogramm aufgelegt, das die Bereiche Personal, Material sowie sonstiger betrieb-
105
licher Aufwand (SbA) betraf. Ergänzend wurde ein Sales-up-Projekt gestartet, um den Umsatz zu steigern und ergebnisseitig zu stabilisieren. Bereits im ersten Jahr der Restrukturierung wurde eine Kostensenkung von rund 10% der Gesamtkosten initiiert und weitgehend ergebniswirksam in der GuV verarbeitet. Für die nachfolgenden Jahre waren weitere Maßnahmen mit einem Effekt von rund 5% bezogen auf den Umsatz definiert, die sukzessive eingeleitet wurden. Gleichzeitig wurde das Working Capital um rund 8% bezogen auf die Bilanzsumme im ersten Jahr reduziert und das Investitionsprogramm ohne Leistungsverlust um rund 10 % reduziert bzw. verschoben. Dies alles wurde vor dem Hintergrund eines unerwartet schwachen Marktumfeldes erreicht.
3
Finanzielle Restrukturierung
Nachdem die operative und strategische Restrukturierung des Unternehmens weitgehend abgeschlossen war, begannen die Vorbereitungen für die finanzielle Restrukturierung. Die sachliche und zeitliche Logik ergab sich aus zwei Faktoren: Zum einen hatten die positive Geschäftsentwicklung und erfolgreiche Restrukturierung gute Voraussetzungen für die Refinanzierung geschaffen, zum anderen lief mittelfristig die Restrukturierungsfinanzierung aus. Eine neue Finanzierung setzt grundsätzlich voraus, dass die Kapitalgeber (Eigen- und Fremdkapital) nach einer Krisensituation ihr Vertrauen in die Wettbewerbs- und Wertschaffungsfähigkeit des Unternehmens zurückgewonnen haben. Diese Bedingung war durch die Ergebnissteigerung und Liquiditätsfreisetzung sowie die konsequente Umsetzung der definierten Restrukturierungsmaßnahmen trotz eines Umsatzrückgangs erfüllt. Gleichzeitig war die für die Restrukturierung des Unternehmens abgeschlossene Überbrückungsfinanzierung auf einen Zeitraum von zwei Jahren begrenzt worden, um den zeitlichen Druck auf das Unternehmen hoch zu halten sowie um das Unternehmen nicht übermäßig mit krisenspezifischen Kreditkonditionen und -bedingungen zu überborden. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Finanzierungszeitraum häufig eine Kompromisslösung zwischen den beteiligten Banken darstellt, da die einzelnen Institute ihr Kreditengagement auf Grund der individuellen Höhe, Besicherung, Risikobereitschaft und weiterer Kriterien unterschiedlich beurteilen. Insofern richtet sich der Überbrückungszeitraum der Finanzierung nur selten ausschließlich nach den unternehmerischen Erfordernissen, sondern orientiert sich überwiegend an den Interessen der Finanzierer. Neben dem Unternehmen hatten auch die weiterhin langfristig orientierten Kreditinstitute (Go-Banken) ein Interesse, die Refinanzierung in vollem Umfang und mit ausreichender Zeitreserve vor Auslaufen der bestehenden Finanzierung abzuschließen, um finanzielle Notsituationen bis hin zur Kündigung von Einzelengagements zu vermeiden. Die angestrebte Refinanzierung umfasste drei wesentliche Aufgabenstellungen:
106 •
Fristenkongruente Finanzierung,
•
Sicherstellung von Wachstums- und Investitionsfinanzierung,
•
Deckung des kurzfristigen Liquiditätsbedarfes, der sich durch den Ausstieg einzelner Banken ergeben kann.
Im Ergebnis sollte ein Investment-Grade (BBB) erreicht werden und der bestehende Bankenpool aufgelöst werden (Seit Ausbruch der Krise bestand eine Sicherheiten-Treuhand-Vereinbarung der finanzierenden Banken mit dem Unternehmen). Abbildung 4 fasst die Zielsetzung des Finanzierungskonzeptes zusammen. Handlungsbedarf
Finanzbedarf decken
Finanzstruktur verbessern
Inhalte
Deckung Liquiditätsbedarf bis 2006/07
Bestehendes bilanzielles Ungleichgewicht beseitigen sowie zukünftige Finanzierungsstruktur unter Berücksichtigung des Finanzbedarfs optimieren
• Strategische Neuausrichtung – Abschluss Investitionsprogramm – Marktbearbeitung Europa, vor allem Aufbau Vertrieb, Zulassungen etc. (~20-30 Mio. EUR) • Ablösen von Banken auf Grund des Ende 2004 auslaufenden Poolvertrags – Exit ausgewählter Banken (~20 Mio. EUR) Finanzvolumen
~ 40-50 Mio. EUR
• Langfristig gebundene Investitionen auch langfristig finanzieren • Verbleibenden Finanzbedarf durch kurzfristige Finanzierungsmittel decken
Zielsetzung • Erreichung InvestmentGrade • Auflösung STV-Pool
~ 50 Mio. Eur
Abb. 4: Zielsetzung des Finanzierungskonzeptes Die Notwendigkeit einer fristenkongruenten Finanzierung ergab sich aus der bisherigen Praxis des Unternehmens, ein seit 1998 laufendes umfangreiches Investitionsprogramm (Volumen über 100 Mio. EUR innerhalb von zehn Jahren) komplett aus dem operativen Cashflow zu finanzieren. In den vergangenen Jahren reichte der operative Cashflow auf Grund von Ergebnisverschlechterung sowie zunehmender Kapitalbindung im Working Capital nicht aus, um den Investitionsbedarf in vollem Umfang zu finanzieren. Der daraus entstehende Liquiditätsbedarf wurde über eine Ausweitung der kurzfristigen Kreditlinien gedeckt (vergleiche Abbildung 2). Das Auseinanderfallen der Fristigkeiten – Laufzeit der Kredite von einem Jahr vs. Nutzungsdauer der Anlagen von mehr als zehn Jahren – hatte die Krise mit ausgelöst.
107
Das Unternehmen hatte in einer Tochtergesellschaft mehrere Forschungsprojekte erfolgreich entwickelt (bis Phase 1 bzw. 2).1 Für die beschleunigte Weiterentwicklung dieser Projekte zur Marktreife waren über einen Zeitraum von fünf Jahren zusätzliche Aufwendungen in Personal und Studien von circa 30 Mio. EUR erforderlich. Diesem Mehraufwand standen Wertsteigerungspotenziale mit einem Faktor von 3 bis 5 gegenüber. Neben der finanziellen Absicherung dieser Entwicklungsprojekte galt es, weiteres Wachstum im Kerngeschäft im Sinne der Finanzierung der geschäftskongruenten Kapitalbindung im Working Capital (im Wesentlichen Forderungen und Vorräte) sowie der Aufrechterhaltung des Investitionsprogramms sicherzustellen, da der Eintritt in neue Märkte nur durch die mit neuen Fertigungsanlagen erreichbaren Qualitäten möglich war. Auf Grund der Äußerungen einzelner Banken bei Abschluss der Sicherheits-Treuhand-Vereinbarung (STV) war zu erwarten, dass die Refinanzierung des Unternehmens nur von einem Teil der involvierten Kreditinstitute mitgetragen werden würde. Die mit einem Ausstieg einzelner Banken (Exit-Banken) verbundene Reduzierung der Kreditlinie war auf Basis der Liquiditätsplanung nicht möglich, sodass außerdem die Sicherstellung einer ausreichenden Liquidität zum Ende der STV notwendig war. Dabei war zu berücksichtigen, dass die verbleibenden Kreditinstitute einen „einfachen“ Ausstieg einzelner Banken wahrscheinlich nicht akzeptiert würden. Deshalb musste für alle Beteiligten ein überzeugendes Modell entwickelt werden, das sowohl den Austritt als auch den Verbleib einzelner Kreditinstitute argumentativ untermauern konnte.
3.1
Vorgehen und Inhalte
Die Arbeiten begannen circa ein halbes Jahr vor Ablauf der bestehenden Finanzierung, um ausreichend Zeit für die Verhandlungen mit bestehenden und neuen Kapitalgebern zu haben. Basis für die Verhandlungen war eine umfassende Geschäftsplanung über einen Zeitraum von fünf Jahren, die die wirtschaftlichen Effekte sämtlicher Maßnahmen (Investitionsprogramm, Entwicklungsprojekte, Restrukturierung etc.) abbildet und gleichzeitig die Wertsicherung und -entwicklung des Unternehmens beschreibt und erklärt. Auf Basis dieser langfristigen Geschäftsplanung (Fortführung der bestehenden Finanzierung und deren Struktur als Annahme) waren für die einzelnen Interessengruppen spezifische Bausteine zu entwickeln (siehe Abbildung 5).
1
Die Entwicklung von Arzneimitteln unterteilt sich in verschiedene Phasen (1 bis 3 sowie Präklinik), die den Umfang und Inhalt notwendiger Prüfungen beschreiben und den jeweiligen Erkenntnisstand über die Wirksamkeit der Wirkstoffe dokumentieren. Damit lässt sich über die Phase auch das Risikoprofil des Entwicklungsprojekts bewerten
108
Gruppen
Geschäftsplan 2005-2009 als Grundlage
Ausstiegswillige Banken (EXIT)
Finanzierungswillige Banken (GO)
• Werthaltigkeitsprüfung Darlehen (Debt Market London)
• Refinanzierungs• Finanzierungs- und interessen (Umschuldung Gesellschafterinteressen bzw. Ablösung) • Investorenmodelle • Refinanzierungsmodelle
• Verzichtsangebote
• Abzulösendes Kreditvolumen (kurz/lang) • Verzichtsquote • Refinanzierungsvolumen
• Refinanzierungsvolumen • Konditionen und Bedingungen • Begleitende Bank(en) und Terminplanung
Aktionäre (alt/neu)/ Neue Kapitalgeber
• Finanzierungsvolumen/ -modelle • Konditionen und Bedingungen
Gesamtmodell
Abb. 5: Vorgehensweise im Überblick Die Kernelemente des Refinanzierungskonzeptes waren: •
Umschuldung von Teilen der Betriebsmittelkredite in langfristige Kredite sowie Anpassung der Laufzeiten bestehender Leasingverträge an wirtschaftliche Laufzeit der Anlagen,
•
Einwerben von „fresh money“ durch Kapitalerhöhung,
•
Ablösen von Bankenkrediten ausstiegswilliger Kreditinstitute.
Diese Kernelemente basierten auf folgenden Annahmen/Rahmenbedingungen: 1.
Die verbleibenden Banken erhöhen nicht das bestehende individuelle Finanzierungsvolumen und übernehmen keine Linien der ausstiegswilligen Banken.
2.
Dem Liquiditätszufluss aus der Kapitalerhöhung steht im ersten Jahr ein deutlich geringerer Verbrauch gegenüber, sodass die in diesem Zeitraum nicht benötigten Mittel für die Ablösung der ausstiegswilligen Kreditinstitute zur Verfügung stehen.
3.
Weitere Liquiditätsfreisetzung durch gezielte Maßnahmen im Working Capital war möglich und sinnvoll.
Bereits während die konzeptionellen Arbeiten ausgeführt wurden – zum Beispiel Ausarbeitung des Finanzierungskonzeptes, Formulierung der Equity-Story, Durchführung einer Unternehmensbewertung, Durchführung eines Ratings etc. – wurden mit allen Kapitalgebergruppen (Kreditinstitute, bestehende und potenzielle Aktionäre) Vorgespräche geführt, um den größtmöglichen gemeinsamen Nenner für das
109
Finanzierungskonzept auszuloten und die Interessen aller Beteiligten zeitnah zu berücksichtigen. Damit konnte flexibel auf die sich ändernden Anforderungen – die sich wiederum an den Bedingungen anderer orientierten – einzelner Kapitalgeber reagiert werden. Andererseits wurden die Interessen des Unternehmens durch die Aufstellung eines Zielkatalogs berücksichtigt, der zusammenfasste, was mit der neuen Finanzierung erreicht werden sollte. So wurden zum Beispiel Zielkapitalstrukturen ermittelt, um ein Investment-Grade-Rating zu erhalten (siehe Abbildung 6). Kapitalkosten [%]
Optimale Zielstruktur
120 100 80 60 40 20
Ke
Erläuterungen • Die niedrigsten durchschnittlichen Kapitalkosten liegen bei einem Verschuldungsgrad von ca. 1,5x
WACC 10
Kd
• Der Verschuldungsgrad von 1,5x entspricht – rd. 40% EK – rd. 60% FK
5 0 0,03
0,20
Kd: FK-Kosten nach Steuern
0,60
1,50
Ke: EK-Kosten
2,00
D/E [%] 4,50 20,00 30,00
D/E: Debt/Equity-Ratio (Verschuldungsgrad)
Abb. 6: Zielkapitalstruktur und Rating Roland Berger Strategy Consultants hatte den Anspruch, neben der konzeptionellen Ausgestaltung auch die Rolle eines Moderators einzunehmen und den gesamten Prozess dadurch leichter zu gestalten und zu beschleunigen. Dies wurde erreicht. Die Funktion von RBSC war nicht nur auf die Verhandlungsführung beschränkt, sondern erforderte pragmatische Lösungsansätze, um die teilweise in „Sackgassen steckenden“ Verhandlungen wieder aufnehmen zu können. Dies bedeutete im Lauf der Verhandlungen umfangreiche Konzeptanpassungen – die teilweise im weiteren Fortgang des Prozesses i.S. eines iterativen Lösungsprozesses auch wieder zurückgenommen wurden – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Geschäftsplanung sowie auf die Ergebnis- und Liquiditätssituation der Beteiligten. Parallel zu den Verhandlungen mit den Kreditinstituten erfolgten Aktivitäten von der Ansprache der Private-Equity-Häuser bis hin zur Vorbereitung des Datenraums und damit verbundener Tätigkeiten. Gleichzeitig wurden in begrenztem Umfang auch Anbieter neuer Finanzierungsformen (zum Beispiel Mezzanine-Kapital) angesprochen, um die Finanzierung gegebenenfalls alternativ sicherzustellen.
110
3.2
Ergebnisse
Als Ergebnis des Projektes hat die Pharma AG eine Finanzierung erhalten, die sich an ihren zukünftigen Anforderungen orientiert, wobei die inhaltlichen Bestandteile der Finanzierung teilweise vom ursprünglichen Konzept abweichen. Dies ist aber als Verhandlungsergebnis zwischen divergierenden Interessengruppen üblich und notwendig für den Abschluss. Insbesondere die Kapitalerhöhung durch institutionelle Anleger konnte nicht platziert werden, da die Private-EquityHäuser die Rahmenbedingungen als unattraktiv bewerteten. Wesentliche Gründe dafür waren: •
Die Gesellschaft ist börsennotiert.
•
Es ist nur ein (qualifizierter) Minderheitsanteil erreichbar.
•
Das Unternehmen befindet sich noch überwiegend im Besitz der Gründerfamilie.
•
Das Unternehmen weist eine unzureichende Größe auf (Umsatz rund 300 Mio EUR).
Dagegen wurden alle an die Kreditgeber gerichteten Anforderungen im Wesentlichen erfüllt. Ausstiegswillige Banken sind mit einem signifikanten Forderungsverzicht ausgestiegen; die verbliebenen Banken haben ca. 50% ihres Engagements von kurz- in langfristige Kredite (Laufzeit sieben Jahre) umgeschuldet. Die geplante Kapitalerhöhung wird vermutlich noch nachfolgend über die Platzierung im Streubesitz bei Kleinanlegern erreicht, nachdem sich der Aktienkurs innerhalb von rund 2,5 Jahren auf Grund der erfolgreichen Neuausrichtung um ca. 550% verbessert hat. In Ergänzung zu diesen Maßnahmen konnte eine geplante Tilgung der bestehenden Finanzierung verschoben werden, um den Liquiditätsbedarf für die Ablösung der ausstiegswilligen Banken sicherzustellen. Dazu ist anzumerken, dass anfangs rund 40% der Banken aus unterschiedlichen Gründen (zum Beispiel veränderte Ausrichtung des Bankgeschäfts, Aufgabe des Corporate Banking, Vertrauensverlust etc.) ihren Ausstieg angekündigt hatten. Demgegenüber hat am Ende nur die Hälfte dieser Banken den Ausstieg vollzogen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Unternehmen mit der neuen Finanzierung über die Voraussetzung für eine erfolgreiche zukünftige Entwicklung verfügt. Auch wenn die Kapitalerhöhung nicht in der derzeitigen Refinanzierungslösung enthalten ist, so sind die Voraussetzungen für eine entsprechende Kapitalmarktmaßnahme mit der neuen Finanzierung deutlich besser.
3.3
Lessons learnt
Zusammenfassend lassen sich für Aufgabenstellungen, die mit der Situation bei der Pharma AG vergleichbar sind, die folgenden Erfolgsfaktoren identifizieren:
111 •
Umfassendes Verständnis für die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmen als Basis für die Erstellung der Geschäftsplanung,
•
modularer Aufbau der Geschäftsplanung, um Konzeptänderungen kurzfristig in finanzielle Effekte für alle Beteiligten überleiten zu können,
•
Verständnis für die Anforderungen aller Beteiligten an das Konzept, um bereits zu Projektbeginn ein möglichst tragfähiges Konzept vorlegen zu können,
•
Moderation der Verhandlungen durch einen Berater, der die Rolle eines Mediators einnimmt,
•
Aufbau von Alternativen, um inhaltlich und zeitlich Druck erzeugen zu können.
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Sanierung und Kapitalmarkt – Wachstumsfinanzierung sichert die Restrukturierung ab Sascha Haghani, Maik Piehler
1
Einleitung
Restrukturierungen haben spätestens seit den 90er Jahren eine große Bedeutung für deutsche Unternehmen erlangt. Insbesondere Baugewerbe und Handel leiden unter den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. In diesem Umfeld ist es nicht mehr ausreichend, die Restrukturierung auf operative und strukturelle Bereiche zu konzentrieren. Vielmehr sind zur Sicherung der künftigen Unternehmensentwicklung die Entwicklung einer tragfähigen Strategie und die finanzielle Absicherung dieses strategischen Entwicklungspfades notwendig. Die Fendox-Gruppe ist im Bauzuliefererbereich als Großhändler aktiv. Roland Berger Strategy Consultants war seit Mitte 2001 mit der Restrukturierung der Fendox-Gruppe beauftragt. Diese Fallstudie stellt die umfassende Restrukturierung der Fendox-Gruppe dar. Neben dem klassischen Restrukturierungskonzept (operative, strukturelle und strategische Maßnahmen) wird insbesondere auch die erfolgte finanzielle Restrukturierung vorgestellt.
2
Ausgangssituation
Die Fendox-Gruppe ist im Bauzuliefererbereich als Großhandelsunternehmen mit einem Marktanteil von 10% in ihrer Branche bei einem Umsatz in Höhe von rund 500 Mio. EUR führend in Europa. Über 70% des Umsatzes wurden im Jahr 2000 in Deutschland getätigt. Die Fendox-Gruppe besteht weltweit aus 20 selbständigen Auslandsgesellschaften, zwei selbständigen deutschen Tochtergesellschaften und der deutschen Muttergesellschaft (im Folgenden mit „Fendox Inland“ bezeichnet). Die Wettbewerber der Fendox Inland sind wenige große überregionale Großhändler und einige kleine regionale Händler. Von Herstellerseite wird der Markt durch wenige große Anbieter geprägt. Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Marktanteile der Hersteller und Großhändler.
114 Hersteller
Händler Fendox
Sonstige
10%
17% Hersteller E
5%
Hersteller D
9% 16%
33%
20%
Hersteller C
Händler U
7%
Weitere Konsolidierung
Hersteller A
5% Händler W 4% Händler X 4% Händler Y 3% Händler Z
67% Hersteller B
Sonstige (über 200 kleinere Händler und Einkaufsverbände)
• Wenige große Hersteller etabliert
• Vielzahl kleinerer Händler und Verbände aktiv
• Die beiden größten Hersteller von Fensterbeschlägen (A und B) decken gemeinsam den halben Markt ab
• Fendox ist größter deutscher Baubeschlagshändler und europaweit Marktführer; deckt als einziger Händler Gesamtdeutschland ab • Weitere Konsolidierung ist Folge des Marktrückgangs
Abb. 1: Überblick über die Marktanteile von Herstellern und Großhändlern in Deutschland, Stand 2000
Bedarf Kunden
Angebot Handel
Angebot Hersteller
Produktgruppen Hersteller A Hersteller B
PG 1
PG 2
Breite Kundenbasis Einzelne Kunden
PG 4
Produkte
Produkte
…
PG 50
Produktangebot Produktangebot
Weitere Fendox
PG 3
Produkte
Zusammenstellung umfassendes Sortiments-/Systemangebot
Sortiments-/Systembedarf Produktbedarf
Bemerkungen • Hersteller bieten jeweils viele Produkte aus einzelnen Produktgruppen an • Großhändler erstellt aus dem Produktangebot ein abgerundetes, umfassendes Sortiments-/Systemangebot (Fendox nutzt 50 Produktgruppen) • Feinlogistik und -vertrieb auf Grund Kernkompetenz durch Großhandel günstiger als durch Eigenvertrieb Hersteller möglich • Sortimentsbildung durch Hersteller ist nur bei Integration der Handelsfunktion möglich
Abb. 2: Sortimentsbildungs-, Vertriebs- und Logistikfunktion der Fendox Inland Die Kunden von Fendox Inland sind sowohl die Industrie (industrielle Verarbeiter im Baubereich) als auch Handwerker und Kleinhändler. Als Bindeglied zwischen Herstellern und Kunden erfüllt Fendox Inland vor allem die Sortimentsbildungs-,
115
Vertriebs- und Logistikfunktion. Sie bündelt verschiedene Produktangebote der einzelnen Hersteller in einem Sortimentsangebot. Zusätzlich übernimmt sie flächendeckend den Vertrieb und die Auslieferung der Ware (siehe Abbildung 2). Das Vertriebsnetz der Fendox Inland war historisch gewachsen und stark dezentral organisiert. Flächendeckend wurden 30 Vertriebsstandorte betrieben, an denen jeweils auch ein Lager geführt wurde. Diese Lager wurden auch als ein wesentliches Mittel im Wettbewerb um regionale Kunden betrachtet. Bis Mitte der neunziger Jahre konnte die gesamte Fendox-Gruppe eine positive Entwicklung verzeichnen. Auf Grund großer Umsatzzuwächse nach der deutschen Wiedervereinigung (zum Beispiel durch den Bauboom in den neuen Bundesländern) hatte Fendox Inland ihre Kapazitäten entsprechend ausgeweitet. Mit dem Ende des deutschen Baubooms in den späten neunziger Jahren wurde diese positive Entwicklung gedämpft. Während das Ausland und die deutschen Tochtergesellschaften ein stabiles und profitables Wachstum vorwiesen, entwickelten sich die Umsätze der Fendox Inland seit 1998 rückläufig. Wie Abbildung 3 zeigt, sinken Umsätze und Margen nachhaltig entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Nach rund 45% Marktrückgang innerhalb von fünf Jahren (von 1998 bis 2003) wird sich der Abwärtstrend voraussichtlich auch in den nächsten Jahren fortsetzen. -45% 100,0
Fenstereinheiten1)
Zukunftserwartung 55,0
53,0
30,0 26,7
Marge1)
1998
1999
2000
2001
2002
2003e
25,5
2004e
2005e
2006e
Bemerkungen • • • • • •
Dramatischer Marktrückgang seit 1998 (-45% innerhalb von fünf Jahren) Preise bleiben in schwierigem Marktumfeld weiter unter Druck Ertragssituation sehr schlecht Sehr hoher Kostendruck – Rationalisierungspotenzial weitgehend ausgeschöpft Steigende Bedrohung durch Beschläge aus Osteuropa und China/Asien Keine Markterholung absehbar
1) Indiziert
Abb. 3: Marktsituation Fenster in Deutschland
2007e
2008e
116
Fendox Inland hatte auf die ersten Anzeichen eines nachhaltigen Rückgangs im Baugewerbe nicht mit Kapazitätsanpassungen reagiert und verbuchte im Jahr 2000 erstmals einen Verlust. Diese anfänglich reine Ergebniskrise verschärfte sich bis Mitte 2001 weiter und führte zu einer akuten Liquiditätskrise.
3
Die Restrukturierung
Die Krise der Fendox-Gruppe wurde durch das bestehende Management Mitte 2001 wahrgenommen. Der Finanzierungsrahmen (hauptsächlich Kredite bei sieben Banken) wurde zunehmend stärker beansprucht – Fendox befand sich in einer akuten Liquiditätskrise. Seitens der Banken wurde dem Fendox-Management zunächst eine Frist bis Herbst 2001 eingeräumt, um ein tragfähiges Konzept zur Restrukturierung zu erstellen. Um die Liquidität bis zu einer Finanzierungsentscheidung auf Basis dieses Konzeptes zu sichern, wurde ein Bankenpool gebildet. Damit wurde verhindert, dass einzelne Banken ihre jeweiligen Kreditlinien kündigen – im Bankenpool waren entsprechende Entscheidungen deshalb einstimmig zu treffen.
3.1
Identifizierte Krisenursachen
In der ersten Woche des Restrukturierungsprojekts erfolgte die Grobanalyse der internen und externen Situation von Fendox Inland. Es konnten fünf wesentliche Krisenursachen identifiziert werden. 1.
Bisher erfolgte eine undifferenzierte Marktbearbeitung auf Grund einer fehlenden Produkt-/Marktstrategie. Fendox Inland lieferte jedem alles. Es war keine Ausrichtung auf profitable Produkt-/Marktsegmente erkennbar.
2.
In den vergangenen Jahren wurde ein hohe Komplexität in den Bereichen Lieferanten (mit 35% der Lieferanten rund 99% des Umsatzes), Produkte (mit 13% der Produkte rund 90% des Umsatzes) und Kunden (mit 30% der Kunden rund 94% des Rohertrags) aufgebaut.
3.
Auf Grund der Integration von kleineren Unternehmen in den Vorjahren zeigte sich auch eine hohe Komplexität der Organisation. Deutschlandweit 30 Vertriebs- und Lagerstandorte, ausgeprägte Verwaltungsbereiche und ein personalstarker Vorstand kennzeichneten die Struktur. Diese dezentrale Organisation führte auch dazu, dass die Prozessabläufe in den verschiedenen Standorten sehr unterschiedlich waren. Eine Steuerung des Unternehmens war damit nur sehr begrenzt möglich.
4.
Die aufgebaute Komplexität in der eigenen Organisation wie auch im Geschäftsmodell führte zu einer hohen Kapitalbindung. Die 30 dezentralen La-
117
ger waren in hohem Maß mit redundanten Beständen, auch auf Grund des jeweils notwendigen Mindestbestandes, bestückt. Durch fehlendes Bestandsmanagement und eine dezentrale Disposition bauten sich hohe Bestände an Null- und Langsamdrehern (mit Reichweiten größer als 18 Monate) auf. Etwa ein Drittel des gesamten Bestandes stellten Null- und Langsamdreher. Ein ähnliches Bild zeigte sich auch bei einer Analyse der Forderungen. Knapp 30% der Forderungen waren seit mehr als 150 Tagen überfällig. Außerdem fielen wegen der schlechten Marktsituation und einer fehlenden Überwachung viele Forderung durch Unternehmensinsolvenzen aus. 5.
3.2
Die Unternehmenskultur war durch bürokratische Strukturen geprägt. Die Mitarbeiter entwickelten kaum eigene Ideen oder hinterfragten Sachverhalte kritisch. Innovationsbereitschaft wurde nicht gefördert – es herrschte kein „Unternehmertum“. Eigeninitiative von Mitarbeitern wurde nicht über mögliche Anreizsysteme belohnt. Vertriebsmitarbeiter bezogen beispielsweise ein sehr hohes Fixgehalt und kaum variable Anteile.
Klassisches Restrukturierungskonzept
Basierend auf Detailanalysen der internen und externen Unternehmenssituation sowie einer Abschätzung der künftigen Marktentwicklung wurde ein Restrukturierungskonzept erarbeitet. Das Konzept beinhaltete primär die strategische Neuausrichtung, strukturelle und operative Maßnahmen sowie unterstützende Aktivitäten. Die mittelfristig notwendige finanzielle Restrukturierung wurde durch eine Investorensuche eingeleitet, der Fokus lag jedoch zunächst auf den strategischen, strukturellen und operativen Themen. 3.2.1
Strategische Neuausrichtung
Grundsätzlich war eine Entscheidung über die künftige strategische Ausrichtung und Entwicklung der gesamten Fendox-Gruppe notwendig. Die Konzentration auf profitable und zukunftsträchtige Kunden- und Produktsegmente stand dabei im Mittelpunkt. Da im Ausland (im Gegensatz zum Inlandsmarkt) für die nächsten Jahre eine Fortsetzung des starken Marktwachstums erwartet wurde (siehe Abbildung 4), sollten die Aktivitäten dort verstärkt werden. Eine genauere Analyse der verschiedenen Märkte zeigte, dass der Auslandsmarkt deutlich profitabler als der Inlandsmarkt bearbeitet werden konnte. Ursache hierfür war unter anderem eine geringere Marktkomplexität, sowohl in Bezug auf Hersteller und Großhändler als auch bezüglich der Vielfalt angebotener Systeme. Da ein Großteil aller relevanten Hersteller in Deutschland ansässig ist, bedienen diese alle den deutschen Markt – im Ausland sind jedoch nur einige von ihnen vertreten. Lokale Hersteller spielen meist nur eine untergeordnete Rolle. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der Betrachtung der Großhändler. Im Ausland sind
118
oft nur wenige Akteure aktiv, während in Deutschland eine Vielzahl auch kleinerer Händler im Markt agiert (siehe Abbildung 5). 235,0
+76% 176,0
100,0 Zukunftserwartung Fenstereinheiten1) 30,0 28,5
28,2
Marge1) 1998
1999
2000
2001
2002
2003e
2004e
2005e
2006e
2007e
2008e
Bemerkungen • • • •
Stabiles Wachstum in den letzten Jahren – weiterhin solides Wachstum erwartet Wachstumssicherung durch Finanzierung und Erschließung neuer Märkte nötig Zunehmend höhere Risiken bei Auslandswachstum durch neue Kulturen, Werte, Entfernungen Margenerosion in Ost- und Westeuropa auch durch Kannibalisierungstendenz (z.B. Polen)
1) Indiziert
Abb. 4: Marktentwicklung Fenster Ausland Inlandsgeschäft/-markt
Auslandsgeschäft/-markt
Anzahl Hersteller
Anzahl Großhändler ...
Anzahl Systeme/ Artikel Hersteller-HändlerZusammenarbeit
Marktkomplexität
... Gering
Sehr eng
Sehr hoch
Gering
Profitabilität
Abb. 5: Merkmale und Profitabilität des Inlands- und Auslandsmarktes
119
Die Zusammenarbeit über die einzelnen Wertschöpfungsstufen war auf Grund der deutlich niedrigeren Anzahl von Akteuren im Ausland wesentlich einfacher und auch enger als im Inland möglich. Die engere Abstimmung und Kooperation mit Herstellern wurde als ein Bestandteil der Inlandsstrategie von Fendox verankert. Weitere Elemente der Inlandsstrategie waren die Konsolidierung der Fendox Inland sowie die verstärkte Positionierung der bisher erfolgreichen Inlandstöchter in profitablen Marktnischen. 3.2.2
Strukturelle Maßnahmen
Wesentlicher Bestandteil der strukturellen Maßnahmen war die Reduzierung der Vertriebsstandorte von 30 (jeweils inklusive Verwaltung) auf 12 Vertriebsstandorte (ohne Verwaltungsfunktionen) und eine Zentrale. In der Zentrale sollten die Verwaltungsfunktionen (Einkauf, Rechnungswesen/Controlling, Forderungs- und Bestandsmanagement) zusammengefasst werden. Ziel war die Vereinheitlichung von Prozessen, Abbau von ungenutzten Kapazitäten sowie die Reduzierung von Kosten und Kapitalbindung durch eine stärkere Zentralisierung. Zur Strukturbereinigung wurde zudem eine deutliche Reduzierung der Logistikstandorte angestrebt. Voraussetzung für die Umstellung von bisher 30 auf 6 aktive Lagerstandorte war die Einführung eines neuen Logistikkonzeptes. Mit Hilfe des Hub-and-Spoke-Verfahrens sollte die flächendeckende Distribution über 14 Umschlagspunkte sichergestellt werden (vergleiche auch Abbildung 7). Diese Umschlagspunkte werden täglich von den sechs aktiven Lagerstandorten zur Feindistribution beliefert und verfügen nicht über eigene Bestände. Ziel war neben einer Kostenentlastung die Reduzierung von Mindestbeständen bei gleichzeitiger Gewährleistung der vollen Lieferfähigkeit bei vereinfachter Bestandssteuerung. Ergänzt wurden die flächendeckenden strukturellen Maßnahmen mit der Einführung einer Category-Management-Organisation. Durch gezielte Steuerung der Sortimente sollten margenstarke und umsatzsteigernde Produkte forciert werden. Die komplette Sortimentsgestaltung als ein Hauptpfeiler des Geschäftsmodells sollte in einer Einheit konzentriert werden. In dieser Einheit wurde auch die Verantwortung bzgl. Verhandlungen der Einkaufskonditionen und Zahlungsbedingungen mit den Lieferanten angesiedelt. Im Rahmen der Zentralisierung wurden zentrale Funktionen für Forderungs- und Bestandsmanagement geschaffen. Neben der laufenden Einrichtung und Überwachung von Kreditlimits sowie der laufenden Bestandsdisposition sollten dadurch gezielte Maßnahmen zum Abbau überfälliger Forderungen und zur Verwertung von Null- und Langsamdrehern umgesetzt werden.
120
3.2.3
Operative Maßnahmen
Die parallel zu den strukturellen Maßnahmen wirkenden operativen Maßnahmen erstreckten sich vor allem auf die Bereiche Personal, sonstiger betrieblicher Aufwand (SbA), Bestände und Forderungen. Diese Maßnahmen waren eng mit den strukturellen Anpassungen verknüpft. So wurde ein Großteil der Reduzierung von Personalaufwand und SbA durch die Schließung von Standorten erreicht. Der Abbau von Beständen und Forderungen sollte durch angepasste Prozesse und die Zentralisierung der jeweiligen Steuerungsfunktionen vorangetrieben werden. Darüber hinaus wurden nicht unbedingt notwendige Anschaffungen vermieden und das allgemeine „Komfortniveau“ gesenkt. Beispielweise wurde die bisher farbig gedruckte Mitarbeiter-Zeitschrift abgeschafft. Stattdessen wurden die Mitarbeiter regelmäßig (und aktueller) per E-Mail über Neuigkeiten informiert. Dies konnte zugleich als ein schnelles und direktes Informations- und Steuerungs-Medium der Restrukturierung eingesetzt werden.
3.3
Implementierung des Restrukturierungskonzeptes
Das in den gemischten Teams erarbeitete Konzept zur Restrukturierung der Fendox-Gruppe wurde im Herbst 2001 den finanzierenden Banken präsentiert. Daraufhin wurde durch den Bankenpool eine Finanzierungszusage für zunächst knapp ein Jahr abgegeben. Bedingung dieser Zusage war die zügige Umsetzung des präsentierten Konzeptes. Die mittelfristige finanzielle Restrukturierung wurde im Rahmen eines Investorenprozesses weiter verfolgt, der Schwerpunkt lag jedoch zunächst auf dem Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der FendoxGruppe. Bereits Ende 2002 konnte das Unternehmen merkliche Erfolge in den einzelnen Restrukturierungs-Modulen vorweisen. 3.3.1
Strategische Ausrichtung
Die strategische Neuausrichtung auf Gruppenebene konnte die Fendox-Gruppe erfolgreich einleiten. Der Umsatzanteil des profitablen Auslandsgeschäfts konnte gemäß des strategischen Ziels deutlich von 28% im Jahre 2000 auf 44% im Jahr 2002 gesteigert werden (siehe Abbildung 6). Ziel war, den Auslandsanteil bis zum Jahr 2005 weiter auf rund 60% zu erhöhen. Die Geschäfte der Fendox Inland wurden durch einen Verzicht auf unrentable Kunden und Produkte konsolidiert. Verstärkt durch den weiter rückläufigen Markt sank der Umsatzanteil Fendox Inland von 57% per 2000 auf nur noch 42% im Geschäftsjahr 2002. Für die nächsten Jahre war ein weiterer Rückgang der Inlandsbedeutung für die Gruppe geplant. Die inländischen Tochtergesellschaften konnten ihren Anteil am Gruppenumsatz annähernd stabil halten. Die verstärkte Positionierung in profitablen Marktnischen und ein eingeleitetes Ergebnisverbesserungsprogramm konnten die Ergebnissituation der Töchter trotz rückläufigen absoluten Umsatzes sogar verbessern.
121
478 Fendox Ausland
93 (19%)
Inlandstöchter
65 (14%)
503 144 (28%) 73 (15%)
> 530
521 493 181 (35%)
216 (44%)
~ 60%
77 (15%) 70 (14%)
Fendox Inland
320 (67%)
1998
286 (57%)
2000
~ 12% 263 (50%)
2001
207 (42%)
~ 28%
2002
Ziel 2005
Abb. 6: Umsatzverteilung der Fendox-Gruppe 1998-2005e Bereinigung Logistikstruktur
Einführung Hub-and-Spoke System
ZL L 30 Lager
8 Lager
6 Lager L
10/01
12/02
UP
Ziel lt. Konzept
Bemerkungen • Abbau von 30 Lagern auf 8 aktive Lager durch Einrichtung von sechs Zentrallagern, einem Sonderlager sowie einem Exportlager • Anbindung von Schlüsselkunden an elektronische Materialwirtschafts-Schnittstellen • Überwindung erheblicher Lieferschwierigkeiten zur Jahresmitte durch Intensivierung der Beziehungen zu Lieferanten und engere Abstimmung • Einführung Hub-and-Spoke-System – Bisherige Logistikstruktur mit 30 regionalen Lagerstandorten – Neue Logistikstruktur mit sechs Zentrallagerstandorten (ZL) und regionalen Umschlagspunkten (UP) zur Feindistribution – Deutliche Reduzierung von notwendigen Mindestbeständen durch Verringerung der Lagerstandorte – Belieferungsfristen werden weiter gewährleistet
Abb. 7: Strukturelle Veränderungen in der Logistik
3.3.2
Operative und organisatorische Maßnahmen
Die Lager wurden von 30 auf 8 Standorte reduziert. Außerdem konnte das „Huband-Spoke“-Logistikkonzept eingeführt werden – benötigte Ware wird jeweils von
122
einem Zentrallager nachts auf Umschlagspunkte verteilt und von dort an die jeweiligen Kunden ausgeliefert (siehe Abbildung 7). Damit waren deutliche Bestandsreduzierungen und Kostensenkungen bei Aufrechterhaltung der für die Bedienung der Kunden notwendigen hohen Lieferfähigkeit möglich. Die Vertriebsstandorte konnten von 30 auf 17 reduziert werden. Eine weitere Reduzierung auf 13 Standorte war vorgesehen (siehe Abbildung 8). Um die Profitabilität der kleinen D-Kunden zu steigern, wurden sie auf eine telefonische Verkaufsbetreuung durch den Vertriebsinnendienst (ID) umgestellt. Zudem erfolgte die selektive artikelbezogene Anhebung des Preisniveaus bei C- und DKunden um durchschnittlich 10-20%. Mit den bisher zumeist nicht profitablen Cund D-Kunden konnten dadurch positive Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden. Außerdem wurde eine spezielle Taskforce zur Neukundenakquisition gebildet, um Marktanteile zu gewinnen. Bereinigung Vertriebsstandorte
Optimierung Kundenbetreuungskonzept (2:1) 1,4 : 1 Außendienst
30 Standorte
17 Standorte
13 Standorte
12/02
1,7 : 1 125
Innendienst 10/01
202
Ziel lt. Konzept
278 Ist 10/01
2:1 129
208
240
Ist 01/03
Ziel lt. Konzept
Bemerkungen • Abbau von 13 Vertriebsstandorten (von 30 auf 17), Zusammenfassung der Verkaufsgruppen in den verbleibenden Standorten • Effizienzsteigerung durch aktive Innendienst-Betreuung der D-Kunden (Telefonvertrieb/Call Center) • Etablierung eines Vertriebscontrollings zur Umsatzsteuerung • Definition von Maßnahmen zur Reaktivierung verlorener Umsätze • Ernennung einer Taskforce zur Neukundengewinnung • Optimierung des Verhältnisses von Innendienst (ID) zu Außendienst (AD)
Abb. 8: Strukturelle Veränderungen im Vertrieb Das Category Management konnte erfolgreich eingeführt werden. Es gelang, die Produktvielfalt um rund 15% und die Anzahl der Lieferanten um rund 50% zu reduzieren (siehe Abbildung 9). Das Hauptgeschäft konnte auf 40% weniger Artikel konzentriert werden. Dadurch wurde die Komplexität wesentlich reduziert.
123 Reduzierung Lieferanten
Reduzierung Artikel
-51%
-15%
~ 1.700
~ 96.000 ~ 82.000 837 ~ 72.000
-40% ~ 43.000
~ 600
410
10/2001
12/2002
10/2001
Zur Abdeckung von 99% des Umsatzes/Rohertrages notwendige Lieferanten/Artikel
12/2002 Aktive Lieferanten/Artikel - total
Bemerkungen • Umsatzkonzentration auf 43.000 Kernartikel (Abdeckung des Hauptgeschäfts ist jetzt mit 40% weniger Artikeln möglich) • Einführung Category-Management-Organisation und Produktmanager • Ertragsgerichtete Category-Steuerung • Definition Kernlieferanten je Produktgruppe • Definition und Fokussierung auf Kernsortimente • Sperrung von Lieferanten mit geringen Volumina und Reduzierung Artikelanzahl um 14.000 Artikel • Rohertragsverbesserung durch Lieferantenverhandlungen und Einkaufskoordination • Reduzierung der Bestände um 29 Mio. EUR (-37%) durch aktive Bestandssteuerung
Abb. 9: Strukturelle Veränderungen durch Einführung von Category Management
Lieferfähigkeit [%] 95,2 94,6 94,2
95,6
96,8 97,0 96,6 96,2 95,0
95,7
93,3 92,5 92,4
92,4
91,0
91,2 89,8
Bestände [Mio. EUR]
88,7
69,1 66,1 62,4 59,1 56,5
55,7 51,9
54,9 53,6
51,7 51,8 48,9
Jan Feb Mär Apr Mai Jun
51,1
49,7 48,6
46,3 45,6 45,9
Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mär Apr Mai Jun
2002
Abb. 10: Entwicklung der Lieferfähigkeit und der Bestände
2003
124
Durch die strukturellen Veränderungen und eine Zentralisierung der Disposition, gelang es Fendox Inland, die Bestände von knapp 70 auf rund 45 Mio. EUR abzubauen. Die Lieferfähigkeit konnte, nach einem Einbruch Mitte 2002, im Jahr 2003 wieder gesteigert werden (siehe Abbildung 10). Dies gelang vor allem durch eine engere Abstimmung mit den Lieferanten und die Einführung eines neuen Systems zum aktiven Bestandsmanagement. Durch die Restrukturierung gelang es dem Unternehmen, seine per Mitte 2001 bedrohliche Liquiditätssituation vorerst zu stabilisieren und bis Ende des Geschäftsjahres 2002 zu verbessern. Das wiedergewonnene Vertrauen der Banken sicherte die Kreditlinien auf altem Niveau weiter. Trotz der rückläufigen Marktentwicklung 2002 und 2003 konnten zuletzt geringfügig Marktanteile gewonnen werden. Fendox Inland ist auch im Bewusstsein von Kunden und Lieferanten wieder als ein stabiler und verlässlicher Partner etabliert. Auch das verstärkte Wachstum in profitablen Auslandsmärkten leistete dazu einen Beitrag. Nach der Bereinigung von Altlasten (zum Beispiel Bestands- und Forderungsabwertungen, Abschreibung von Beteiligungen) in den Jahren 2001 und teilweise 2002 wurde für die gesamte Fendox-Gruppe 2003 eine deutliche Ergebnisverbesserung erreicht.
3.4
Finanzielle Restrukturierung
Im Jahr 2003 hatte die Fendox-Gruppe wesentliche Fortschritte in den klassischen Bereichen der Restrukturierung erzielt, und der Turnaround war erkennbar. Allerdings konnten insbesondere die strategischen Ziele nicht mit voller Kraft verfolgt werden. Ursache war der stark eingeschränkte bilanzielle und finanzielle Spielraum der Fendox-Gruppe als Folge der durchlaufenen Krisenjahre. 3.4.1
Herausforderungen nach der klassischen Restrukturierung
Nach der Hauptphase der klassischen Restrukturierung stand die Fendox-Gruppe vor fünf wesentlichen finanzwirtschaftlichen Herausforderungen: 1.
Die jährliche Zinslast mit einem Anteil am Umsatz von rund 3% ist für ein Handelsunternehmen sehr hoch. Ursache war neben der Wachstumsfinanzierung der Auslandstöchter primär die historische Verlustfinanzierung der Krisenjahre, insbesondere im Inland. Die Fremdverschuldung betrug 2003 in der Gruppe insgesamt circa 35% vom Umsatzvolumen.
2.
Die aufgelaufenen Verluste im Inlandsgeschäft haben das Eigenkapital der maßgeblichen Inlandstochter aufgezehrt. Nachdem bereits Rangrücktritte der Fendox-Holding das negative bilanzielle Eigenkapital wirtschaftlich „geheilt“ hatten, waren keine weiteren Rangrücktritte möglich. Das bedeutete für diese Gesellschaft eine in juristischer Hinsicht schwierige Eigenkapitalsituation.
125
3.
Da für die wesentliche Inlandstochter auf Grund der hohen Zinslast (auf sie entfiel über die Hälfte der gesamten Fremdverschuldung der Fendox-Gruppe) im weiterhin schwierigen Inlandsmarkt nur sehr begrenzte Ertragsaussichten bestanden, wurde für 2003 ein entsprechender Wertberichtigungsbedarf für diese Gesellschaft in der Bilanz der Fendox-Holding erwartet. Damit war auch eine etwa 12-prozentige Belastung der Holding-Eigenkapitalquote verbunden (die EK-Quote der Fendox-Holding lag 2002 nur noch bei rund 25%). Eine weitere Reduzierung war nicht akzeptabel.
4.
Das Wachstum der profitablen Auslandsgesellschaften konnte nur gebremst fortgesetzt werden. Die ausländischen Erträge wurden stark für einen anhaltenden Liquiditätstransfer nach Deutschland zur Bedienung der hohen Zinslast eingesetzt. Die Wachstumsfinanzierung in den ausländischen Märkten wurde dadurch stark begrenzt und die strategische Entwicklung der gesamten Fendox-Gruppe gebremst.
5.
Der bestehende Finanzierungskreis konnte auf Grund der obigen vier Themenblöcke keine Tilgung auf die gewährten Darlehen erwarten. Die Bereitschaft zur weiteren Begleitung der Fendox-Gruppe war dadurch bei den einzelnen finanzierenden Instituten sehr unterschiedlich. Dies führte zu Spannungen innerhalb des Bankenpools und belastete auch seine Beziehungen zur Fendox-Gruppe; teilweise wurde dadurch auch das operative Geschäft beeinträchtigt.
Diese fünf Themenblöcke waren Mitte 2003 der Auslöser für eine Verstärkung des bereits seit 2002 eingeleiteten Investorenprozesses und die Erarbeitung eines Konzeptes zur finanziellen Restrukturierung der Fendox-Gruppe. 3.4.2
Ansatzpunkte einer finanziellen Restrukturierung
Im Rahmen des Investorenprozesses wurde innerhalb von etwa zwölf Monaten durch eine beauftragte Investmentbank eine Vielzahl möglicher Interessenten im In- und Ausland angesprochen. Allerdings äußerten weniger als fünf Finanzinvestoren Interesse an einem Engagement, die angesprochenen strategischen Investoren zeigten jedoch kein Interesse. Im Herbst 2003 lag ein finales Angebot eines Finanzinvestors vor, es wurde jedoch auf Grund fehlender Einstimmigkeit im Bankenpool abgelehnt. Hauptelement des Finanzinvestors war die Bar-Ablösung des gesamten Bankenpools zu einer relativ niedrigen Quote. Parallel zu den Gesprächen im Rahmen der Investorensuche wurden ergänzend verschiedene Verhandlungen mit potenziellen Interessenten im Unternehmensumfeld geführt. Gegenstand dieser Gespräche waren beispielsweise Kapitalbeteiligungen oder Kooperationsszenarien. Nachdem jedoch weder der Investorenprozess noch die parallel geführten Gespräche befriedigende Lösungen für die identifizierten Herausforderungen erwarten ließen, wurde ein integriertes Rekapitalisierungskonzept verfolgt.
126
3.4.3
Entwicklung und Umsetzung des Rekapitalisierungskonzeptes
Unmittelbar nach der Ablehnung des Investorenangebots durch den Bankenpool wurde im Herbst 2003 ein Grobkonzept zur Rekapitalisierung vorgestellt. Die dabei vereinbarten Grundgedanken der Rekapitalisierung waren folgende: •
Nachhaltiger Beitrag aller Stakeholder zur Restrukturierung: Nachdem in der bisherigen Restrukturierung Beiträge von Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und Anteilseignern wirkten, sollten nun in verstärktem Umfang auch die finanzierenden Institute und (erneut) die Anteilseigner Beiträge leisten.
•
Aufhebung des Bankenpoolgedankens: Auf Grund der Spannungen innerhalb des Bankenpools und unterschiedlicher Einstellungen der einzelnen Institute sollten diese jeweils frei entscheiden können, ob sie die Fendox-Gruppe weiter begleiten.
•
(Teil-) Verzicht aussteigender Institute: Institute, die keine weitere Begleitung der Fendox-Gruppe wünschen, müssen einen (Teil-)Verzicht ihres Darlehensvolumens zu Gunsten der Fendox-Gruppe leisten.
•
Paritätischer Beitrag der verbleibenden Banken und Aktionäre/Investoren: Da neu zufließendes Eigenkapital („fresh money“) auch die Position der weiterfinanzierenden Institute verbessert, sollen diese einen identischen Betrag ihrer Darlehen in Eigenkapital umwandeln (Debt Equity Swap).
•
Teilweise erfolgsabhängige Vergütung verbleibender Institute: Die weiterfinanzierenden Institute partizipieren (zusätzlich zu ihren Anteilen aus dem Debt Equity Swap) an einer positiven Geschäftsentwicklung.
•
Verbesserte Exit-Möglichkeit für verbleibende Institute: Da bereits in der Vergangenheit einzelne Institute die Handelbarkeit ihrer Kreditforderungen angestrebt haben, sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, um Teile des Kreditportfolios zu veräußern und dadurch die Risikoposition zu reduzieren.
Auf Basis dieser Grundgedanken wurden die Entwicklung und Verhandlung eines Rekapitalisierungskonzeptes beschlossen. Dabei wurde ein etwa dreimonatiger Verhandlungszeitraum vereinbart, innerhalb dessen zwei Kernbankensitzungen (mit drei ausgewählten Banken) stattfanden. Nach Ablauf dieses Zeitraums mit einer Vielzahl von Investorenverhandlungen und über 40 Versionen eines Grundmodells wurde das mit Investoren und Kernbanken vorverhandelte Konzept Anfang 2004 im Bankenpool vorgestellt. Die wesentlichen Elemente waren: •
Kapitalherabsetzung/-schnitt zur Anpassung des Gezeichneten Kapitals der Fendox-Holding an die wirtschaftliche Eigenkapitalsituation nach den erforderlichen Wertberichtigungen,
•
zugesagter Zufluss von über 15 Mio. EUR Eigenkapital („fresh money“) durch Investoren,
127 •
Ablösung von einzelnen Bankforderungen mit einem Nominalwert von über 50 Mio. EUR mit einem deutlichen Verzicht zu Gunsten der Fendox-Gruppe (die Ablösezahlung wurde durch das „fresh money“ gegenfinanziert),
•
Umwandlung von Fremdkapitalforderungen der weiterfinanzierenden Institute in Eigenkapital (Volumen ähnlich dem Zufluss von „fresh money“),
•
Umwandlung von weiteren 50 Mio. EUR Fremdkapitalforderungen in börsennotizfähiges Wandelgenusskapital mit einer variablen Verzinsung in Abhängigkeit von der Geschäftsentwicklung der Fendox-Gruppe.
Mit der Zustimmung des Bankenpools zu diesem Rekapitalisierungskonzept konnte die aktienrechtliche und technische Umsetzung eingeleitet werden. Inklusive Hauptversammlung und Durchführung der Kapitalmaßnahmen sowie Aufnahme der Börsennotiz wurde die Rekapitalisierung der Fendox-Gruppe in einem Zeitraum von etwa zehn Monaten entwickelt und umgesetzt. Die finanzwirtschaftlichen Herausforderungen konnten gemeistert werden. Darüber hinaus hat die Kommunikation des Rekapitalisierungskonzeptes ein deutliches Signal in die Beschaffungs- und Absatzmärkte der Fendox-Gruppe gesendet, wodurch auch eine Verbesserung der strategischen Position erreicht werden konnte. Der Aktienkurs hat sich seitdem ebenfalls erfreulich entwickelt und die Marktkapitalisierung hat sich binnen Jahresfrist etwa verfünffacht (inklusive der durchgeführten Kapitalmaßnahmen).
4
Fazit und Ausblick
Die Fendox Inland hat in eineinhalb Jahren intensiver klassischer Restrukturierung viel erreicht und verändert. Besonders durch das zunehmend wettbewerbsintensive Umfeld in einem schrumpfenden Markt war diese Restrukturierung teilweise sehr mühevoll. Die Fehler der Vergangenheit konnten in diesem Zeitraum jedoch noch nicht endgültig bereinigt werden. Erfahrungen zeigen, dass der notwendige Zeitraum zur Korrektur von Fehlern oft ähnlich lang ist wie der Zeitraum der verursachenden Fehlereinwirkung. In solchen Situationen fällt es den meisten Unternehmen schwer, die notwendigen finanziellen Spielräume für ihre Weiterentwicklung aufrechtzuerhalten oder sogar auszuweiten. Die Fendox-Gruppe konnte nach der erfolgreichen klassischen Restrukturierung ihre finanziellen Lasten der Vergangenheit deutlich reduzieren und ihren Finanzierungskreis stärken. Damit konnten die erforderlichen Spielräume für ein weiteres Wachstum im profitablen Ausland gesichert und die anstehende Marktkonsolidierung im Inland eingeleitet werden. Teilweise langfristig „gewachsene“ Probleme in Krisenunternehmen können meist nur durch eine umfassende und konsequente Restrukturierung korrigiert und das
128
betroffene Unternehmen wieder auf eine erfolgreiche Entwicklung vorbereitet werden. Der Fendox-Gruppe ist dies durch eine ganzheitliche Restrukturierung mit strategischer Neuausrichtung, strukturellen und operativen Maßnahmen sowie einem integrierten Rekapitalisierungskonzept gelungen.
Restrukturierung und Rekapitalisierung des HD Co.-Konzerns Michael Blatz, Christian Paul, Julian zu Putlitz
1
Einleitung
Noch vor wenigen Jahren waren in Deutschland sowohl das Instrumentarium als auch der Institutionenkreis zur Finanzierung und zur Rekapitalisierung von Unternehmen in Sanierungssituationen relativ gering entwickelt. Die Finanzierung der Restrukturierung durch die Kreditgeber wurde meist im Rahmen der Etablierung eines Bankenpools und gegen Gewährung umfangreicher Sicherheiten zu Gunsten des Bankenpools gewährleistet. Die alten Kreditgeber waren somit regelmäßig auch die neuen Kreditgeber. Die Versorgung des Unternehmens mit „fresh money“ durch die Kreditgeber führte in Einzelfällen allerdings immer wieder zu Interessenskonflikten im Kreis der Poolbanken – vor allem dann, wenn die Finanzmittel für Wachstumszwecke eingesetzt werden sollten und somit das RisikoExposure der finanzierenden Banken weiter erhöhten. Folglich blieb dem Krisenunternehmen häufig nur der Weg, Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mittel auf dem bis dahin wenig liquiden, intransparenten Markt für „Distressed Capital“ einzuwerben, um das geplante Wachstum zu finanzieren, oder aber die Wachstumschancen blieben ungenutzt. Seit 2002 hat sich der Markt für „Distressed Capital“ in Deutschland merklich weiterentwickelt. Sowohl die Zahl der Anbieter von derartigen Spezialfinanzierungen als auch das ausgereichte Finanzierungsvolumen sind deutlich gestiegen. Das nachfolgend dargestellte Beispiel zeigt, wie innovative Finanzierungsinstrumente als Alternative zur klassischen Bankenpoolfinanzierung in einer Restrukturierungssituation den finanziellen Handlungsspielraum für Unternehmen und Finanzierer erweitern und wie durch situationsgerechte Strukturierung und risikoadäquates Pricing die Finanzierung von Wachstum im Turnaround gelingen kann.
130
2
Ausgangssituation zu Beginn der Restrukturierung
Die HD Co. AG1 blickt auf eine lange, wechselvolle Unternehmensgeschichte zurück. Ende des 19. Jahrhunderts gegründet, wechselte das Unternehmen in den folgenden knapp 100 Jahren mehrfach seinen Branchenfokus sowie seine Eigentümer. Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts investierte das Unternehmen in beträchtlichem Maße in den Aufbau neuer Geschäftsfelder. Es folgte dabei dem Leitgedanken der Diversifikation und fokussierte auf mittelständisch geprägte Branchen. Ziel dieser strategischen Ausrichtung war es, in fragmentierten Branchen als Konsolidierer aufzutreten und sich in kurzer Zeit als marktführendes Unternehmen zu positionieren. Im Verlauf dieser Entwicklung erschloss sich der Konzern durch Akquisitionen und organisches Wachstum auch das neue Geschäftsfeld Office Solutions, in dessen Zentrum der Vertrieb und der technische Service von Office-Hardware stehen. Im Jahr 2000 schließlich nahm der Vorstand der HD Co. AG eine Neubewertung seiner Unternehmensstrategie vor und beschloss, sich aus sämtlichen übrigen Geschäftsfeldern zurückzuziehen und den Geschäftsfokus der Unternehmensgruppe auf den Bereich Office Solutions zu konzentrieren.
2.1
Unternehmensentwicklung der HD Co. durch Konzernumbau belastet
Der Umbau des HD Co.-Konzerns zum Unternehmen für Office Solutions nahm knapp drei Jahre in Anspruch. Sukzessive wurden die Geschäftsaktivitäten, die nicht zukünftiger Bestandteil des Unternehmens sein sollten, veräußert oder liquidiert. Die massive Umstrukturierung des Unternehmens spiegelt sich in der Umsatzentwicklung für diesen Zeitraum wider: Betrug der Umsatz für das Jahr 2001 noch über 800 Mio. EUR, so waren es im Jahr 2003 nur noch knapp über 550 Mio. EUR, was einem Umsatzrückgang von über 30% in diesen zwei Jahren entspricht. Natürlich band dieser tief greifende Umbau ein hohes Maß an Managementkapazität und führte gezwungenermaßen zu einer Vernachlässigung der operativen Führung des Kerngeschäfts im Bereich Office Solutions. Darüber hinaus hinterließ der Umstrukturierungsprozess seine Spuren auch im Zahlenwerk des Unternehmens. Die Jahre 2000 bis 2003 waren nach dem Ende der New Economy durch geringe Übernahmeaktivitäten gekennzeichnet, und die Preise, die sich im Rahmen von M&A-Transaktionen erzielen ließen, lagen häufig unter den Werten, mit denen die Beteiligungen bei den veräußernden Unternehmen in den Büchern standen. So musste auch der HD Co.-Konzern Beteiligungen zu Preisen unter Buchwert abgeben und die resultierenden Verluste aus den Beteiligungsverkäufen verkraften. Schließlich führte die deutliche Reduzierung des Geschäftsvo-
1
Namen und Angaben zum Unternehmen wurden anonymisiert bzw. verfremdet.
131
lumens der Unternehmensgruppe aber auch dazu, dass der Overhead und die Führungsstrukturen im Konzern überdimensioniert und zu komplex für die neue Organisation waren, und bilanzielle „Altlasten“, insbesondere die Pensionsansprüche ehemaliger Mitarbeiter, von einer sehr viel kleineren operativen Geschäftsbasis getragen werden mussten. Die Folgen dieser tief greifenden Umstrukturierung zeigten sich in der Gewinnund Verlustrechnung (siehe Abbildung 1) sowie in der Bilanz des Konzerns: Das operative EBIT (vor Pensionsaufwendungen und außerordentlichem Aufwand) lag nahe Null, das kumulierte Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (vor außerordentlichen Aufwendungen) der drei Jahre summierte sich auf über minus 80 Mio. EUR und der kumulierte Jahresfehlbetrag betrug rund 57 Mio. EUR. Das Eigenkapital des Konzerns sank zudem auf geringe 12% der Bilanzsumme, und der Kreditrahmen des Unternehmens war permanent nahezu voll ausgeschöpft – was mehreren der bei der Konzernfinanzierung führenden Kreditinstituten Anlass gab, die Entwicklung des Unternehmens kontinuierlich und genau zu beobachten. EBIT1) [Mio. EUR]
Umsatz [Mio. EUR]
EGT2) [Mio. EUR]
ROS
809
0,4%
733
0,1%
ROS 0,0%
-3,5%
-3,8%
-4,3%
JU/JF 1
-28
0,0
-28,4
-27,7
2003
2001
2002
557
-30
3,6
0,9
2001
2002
2003
2001
2002
-24,0
2003
1) Vor Pensionsaufwendungen, nach Firmenwert-AfA 2) Nach Pensionsaufwendungen und nach Zinsergebnis
Abb. 1: Die Folgen der Umstrukturierung im Spiegel der Kennzahlen: HD Co.Konzern, 2001-2003 [Mio. EUR] Doch die HD Co.-Unternehmensgruppe konnte auch mit guten Botschaften aufwarten. Das neu definierte Kerngeschäft wies konstante Wachstumsraten beim Umsatz und bei maßgeblichen, für den Geschäftserfolg wesentlichen Kennzahlen auf. Der Konzern verfügte über eine flächendeckende Präsenz in Deutschland, über starke Marken mit einem hohen Bekanntheitsgrad und war erst kürzlich eine strategische Partnerschaft mit einem der international führenden OEMs eingegangen, im Zuge derer der OEM auch einen wesentlichen Anteil am Eigenkapital der HD Co. AG erwarb und somit sein Interesse an einem nachhaltigen Fortbestehen der Kooperation mit der HD Co. zum Ausdruck brachte. Mehr noch, die HD Co.
132
entwickelte sich schnell zu einem der wichtigsten Distributionspartner des strategischen Partner in Europa und erwirtschaftete im Geschäftsbereich Office Solutions ein solides, wenngleich für den Gesamtkonzern in der zukünftigen Struktur noch nicht zufrieden stellendes operatives Ergebnis (siehe Abbildung 2). EBIT OS (operativ)1) [Mio. EUR]
Umsatz [Mio. EUR] 450 113
337
461 118
343
Pro-forma EBIT 2003 inkl. HQ2) [Mio. EUR]
ROS
462 3,8%
3,9%
17,3
17,9
ROS 2,9%
2,9%
13,3
13,3
2,0%
0,9%
107
355 4,0 -9,3
2001
2002
Presentation Management
2003
2001
2002
2003
EBIT OS EBIT Pro-forma Operativ Zentrale EBIT
Output Management
1) Vor Pensionsaufwendungen, nach Firmenwert-AfA 2) Pro-forma EBIT Office Solutions inkl. Unternehmenszentrale (HQ)
Abb. 2: Die Entwicklung des Geschäftsbereichs Office Solutions (OS), 20012003 [Mio. EUR]
2.2
Attraktiver Markt für Output Management, schwierige Marktentwicklung für Presentation Management
Der relevante Markt für Office Solutions lässt sich grob in die beiden Segmente Output Management und Presentation Management unterteilen. Getrieben vom Einzug der Digital-Technologie und der funktionellen Integration hat sich das Marktsegment in den letzten Jahren trotz Preisverfall für die Hardware, ständiger Steigerung der Leistungsfähigkeit der Geräte und einer zunehmenden „Kommoditisierung“ der Geräte relativ konstant entwickelt. Durch die zunehmende Integration der Geräte in Netzwerke und komplette Output-Management-Lösungen für einzelne Unternehmen oder Branchen haben zudem der Serviceanteil und die Finanzierung der Geräte über Leasing im Bereich professioneller Office-Ausstattungen zugenommen. Der Wettbewerb im Bereich der Hardware ist durch eine überschaubare Anzahl globaler Anbieter gekennzeichnet, welche direkt oder über OEM-Partner den Direktvertrieb und eine große Zahl eigenständiger Fachhändler bedienen. Seit Jahren weist die Branche Konsolidierungstendenzen auf, sowohl auf der Ebene der Anbieter als auch bei den fragmentierten Fachhändlern.
133
Das Marktsegment Presentation Management hat sich in den vergangenen Jahren sowohl in Hardware (Anstieg Geräteabsatz im relevanten Markt um circa 20% p.a.) sowie den zugehörigen Dienstleistungen rasant entwickelt. Allerdings steht dieser Entwicklung ein rapider Verfall der Endkundenpreise gegenüber. So ist nach einer Marktstudie eines führenden internationalen Marktforschungsunternehmens in diesem Bereich der Preisindex vom Basisjahr 2001 (100%) bis 2004 auf 46% gesunken, sodass sich der Gesamtmarkt insgesamt rückläufig entwickelt hat. Des Weiteren ist die „Kommoditisierung“ der Produkte im Breitengeschäft weiter fortgeschritten als im Bereich Output Management, sodass nur ein sehr kleines, tendenziell rückläufiges Marktsegment für den professionellen Office-Bereich existierte. Die HD Co.-Unternehmensgruppe konnte im Marktsegment Output Management auf eine attraktive Wettbewerbspositionierung verweisen. Hier lag der Marktanteil für wesentliche Gerätekategorien bei über 10%. Das Produktprogramm des OEM umfasste überwiegend mit digitaler Technologie ausgestattete Geräte und war somit im technologischen Wandel führend aufgestellt. Geringer Verschleiß wesentlicher Gerätekomponenten sowie sparsame Nutzung von Verbrauchsmaterial gaben den Geräten über ihre typische Lebensdauer einen messbaren Kostenvorteil gegenüber Konkurrenzprodukten. Installations-, Service- und Wartungsverträge mit mehrjähriger Laufzeit sicherten langfristige Kundenbeziehungen. Und über die flächendeckende Präsenz der Service-Mitarbeiter konnte den Kunden ein hohes Service-Niveau zugesichert werden. Auch im Marktsegment Presentation Management hatte die HD Co. prinzipiell eine gute Position im Wettbewerb. Dafür sprach neben eingeführten Markennamen der forcierte Aufbau des unter einer eigenen Marke betriebenen, beratungsund serviceintensiven Solution-Geschäfts. Bereits zu Beginn der Restrukturierung musste dieser Geschäftszweig jedoch als gefährdet bewertet und Vorsorge für den Notfall getroffen werden.
3
Das Restrukturierungskonzept im Überblick
Anfang 2004 begannen die Arbeiten zur Erstellung des Restrukturierungskonzeptes, das die Grundlage und Voraussetzung für die Umsetzung der finanziellen Restrukturierung schaffte. Der Zeitpunkt erwies sich als günstig: Die Trennung von den übrigen Geschäftsaktivitäten war abgeschlossen, und der Konzernvorstand konnte seine ganze Kraft auf die anstehende strategische und operative Neuausrichtung der Unternehmensgruppe in der neuen Struktur verwenden. Außerdem war durch die strategische Partnerschaft mit dem international führenden OEM eine wichtige Etappe sowohl zur produktseitigen als auch zur kapitalseitigen Absicherung der Geschäftsaktivitäten im Bereich Output Management zurückgelegt. Schließlich war dieser Schritt jedoch auch geboten, denn die ersten Kreditinstitute
134
begannen bereits darauf zu drängen, ihre Engagements zu reduzieren oder mittelfristig gar zu beenden. Ausgangspunkt für die Festlegung der quantitativen und qualitativen Ziele zur Restrukturierung des HD Co. Konzerns bildete die Mindestanforderung der Erwirtschaftung der Kapitalkosten durch die Unternehmensgruppe auf der Grundlage eines „Return on Capital Employed“ (ROCE)-Ansatzes. Bei weitgehend fixer Kapitalausstattung, einem Eigenkapitalanteil in der Zielstruktur von 20% der Bilanzsumme und einem Kapitalkostensatz auf Basis der „Weighted Average Cost of Capital“ (WACC) von knapp 8% ergab sich ein operativer Ergebnisverbesserungsbedarf von rund 29 Mio. EUR. Legte man der Betrachtung einen Benchmark-Vergleich internationaler Wettbewerber zu Grunde, so resultierte ein operativer Ergebnisverbesserungsbedarf von circa 37 Mio. EUR auf Basis eines ZielROCE von 10% (siehe Abbildung 3). Diese Bandbreite zur Steigerung des operativen Ergebnisses musste im Restrukturierungskonzept mit strukturellen und operativen Maßnahmen unterlegt und in der Folge umgesetzt werden. ROCE 1%
8%
10% 41,4 Mio. EUR • ROCE von 8% bedeutet EKRendite (vor Steuern) von rd. 35% auf Basis EBIT (bei Ziel-EK-Quote von 20%)
33,1 Mio. EUR
+37
• Auf Basis EGT bedeutet ROCE von 8% eine EKRendite (vor Steuern) von rd. 20% (bei EK-Quote von 20%)
+29 4,0 Mio. EUR EBIT 2003 (Pro-forma)1)
Target EBIT (WACC)
Target EBIT (Benchmark)
1) Inkl. Zentrale, ohne Pensionsaufwand, ohne a.o. Aufwand/Ertrag
Abb. 3: Ergebnisverbesserungsbedarf zum Erfolgsjahr 2006 [Mio. EUR]
3.1
Strukturelle Neuausrichtung: Aufgabe von Randaktivitäten und Optimierung der Konzernstruktur
Zur strukturellen Neuausrichtung der HD Co.-Unternehmensgruppe wurden vier Ansatzpunkte identifiziert: 1.
Verschlankung der Gesellschaftsstruktur im Bereich Output Management durch Bereinigung des Gesellschaftsportfolios,
2.
Optimierung des Standortportfolios durch Schließung bzw. Verschmelzung von rund einem Drittel der Standorte im Geschäftsbereich Output Manage-
135
ment und Abbau der verbundenen Strukturkosten sowie durch Zusammenlegung der zentralen Funktionen im Konzern und Rückübertragung der Funktionen an den Stammsitz der Gesellschaft, 3.
Vereinfachung der Gesellschaftsstruktur im Bereich Presentation Management durch die Verschmelzung von Gesellschaften und den Abbau redundanter Funktionen sowie
4.
Schließung bzw. Verkauf unprofitabler Auslandsaktivitäten im Segment Presentation Management in Italien und Ägypten.
Obwohl die Maßnahmen zur strukturellen Neuausrichtung zum Teil tief greifende Einschnitte vorsahen, konnten sie nach gründlicher Vorbereitung zum Großteil innerhalb von 18 Monaten durchgeführt werden. Die Umsetzung dieser Maßnahmen erbrachte dabei eine operative Ergebnisverbesserung von rund 9,6 Mio. EUR (siehe Abbildung 4). Strukturelle Maßnahmen:
Operative Maßnahmen: ¦ 33,0 Mio. EUR
¦ 9,6 Mio. EUR 7,0 12,4
6,9
+5,3
1,7
0,9
38,4 -9,6
33,1
9,8 4,0
1,4
3,9
Ggl. ZielEBIT Wegfall Carry- Personal- Sonst. Umsatz- Aufgabe Personal- Sonst. EBIT kosten- Kosten- Effekte1) 2006 PM EBIT 2003 Einmal- over- kosten- Kosten- steig. (RE- IT/ETH senkung sen(ROCE (Pro- effekte Effekt senkung sen8%) forma) kungen kungen Erhöhg.) (EBIT) 1) Im Wesentlichen. Kostensteigerung Personal/SbA (7 Mio. EUR)
Abb. 4: Ergebnisverbesserung durch operative und strukturelle Maßnahmen: Ergebnisüberleitung Ist 2003 vs. Ziel 2006, HD Co.-Konzern [Mio. EUR]
3.2
Operative Restrukturierung: Fokus auf Umsatzsteigerung und Senkung der operativen Kosten
Die operative Restrukturierung setzte an einer massiven Senkung der Personalund Sachkosten bei gleichzeitiger Steigerung des Umsatzes und des verbundenen Rohertrags an. Um den damit verbundenen regelrechten Spagat zwischen tiefen Einschnitten auf der Kostenseite und Wachstum durch Umsatzsteigerung umsetzen zu können, erfolgte der geplante Personalabbau in mehreren Phasen. Für die Umsetzung der operativen Maßnahmen veranschlagte das Restrukturierungskon-
136
zept insgesamt einen Zeitraum von 18 Monaten. Das Gesamtvolumen der geplanten Ergebnisverbesserung betrug dabei rund 33 Mio. EUR (siehe Abbildung 4). Durch die Einführung eines effektiven Auslastungsmanagements, die Zentralisierung der Einsatzsteuerung und die Optimierung der Gebietsaufteilung konnte bei den Service-Mitarbeitern im Außendienst sowie im stationären Bereich ein Abbaupotenzial von etwa 15% der Mitarbeiter in diesen Funktionen identifiziert werden. In den zentralen und dezentralen Verwaltungsbereichen belief sich das Abbaupotenzial durch Straffung der Organisation, Optimierung der Prozesse oder Wegfall von Aufgaben ebenfalls auf rund 15% der Verwaltungskapazitäten. Und auch im Vertrieb konnte mit Hilfe von Performance-Benchmarks trotz geplanter Steigerung der Vertriebsleistung ein Abbaupotenzial von circa 8% der Vertriebsmannschaft lokalisiert werden. Insgesamt wurde damit über die gesamte HD Co.Gruppe ein Personalabbau von über 10% der Mitarbeiterkapazitäten und eine Reduzierung des Personalaufwands von knapp 10 Mio. EUR realisiert. Aus Personalabbau-Maßnahmen, die bereits im Verlauf des Vorjahres umgesetzt worden waren, resultierte darüber hinaus ein Einspareffekt von rund 4 Mio. EUR (so genannter Carry-over-Effekt). Hinzu kam eine Reduzierung des sonstigen Aufwands in der Größenordnung von rund 7 Mio. EUR, die vor allem auf drei Effekten beruhte: Durch den Mitarbeiterabbau konnten zunächst die personalabhängigen Sachkosten reduziert werden. Darüber hinaus konnten durch ein effektives Management sowie durch Komfortgradreduzierung und Leistungsverzicht weitere Sachkosten vor allem in den zentralen Leistungsbereichen gekürzt werden. Schließlich wurden weitere Kostensenkungspotenziale durch die konzernweite Zentralisierung des Einkaufs für den Geschäftsbereich Presentation Management gehoben. Die in der Businessplanung detaillierte Umsatz- und Rohertragssteigerung der HD Co. basierte vornehmlich auf einem sukzessiven Ausbau der installierten Gerätebasis und des verbundenen Servicegeschäfts im Geschäftsbereich Output Management. Der Schlüssel zur Erreichung der Umsatzziele lag zunächst in der Sicherung des Geschäfts mit bestehenden Kunden. Denn auf Grund der mehrjährigen Laufzeit der Leasing- und Serviceverträge war durch ein effektives Management des Bestandskundengeschäfts ein Großteil des Umsatzes der Folgejahre relativ sicher vorhersehbar. Darauf aufbauend wurden mehrere Programme zur kurzfristigen Vertriebsaktivierung, zur nachhaltigen Erschließung neuer Kundengruppen vor allem in mittelständisch geprägten Branchen sowie zur Steigerung des Geräteabsatzes durch Cross- und Up-Selling erarbeitet und eingeleitet. Mit diesen Maßnahmen konnte die geplante Umsatzsteigerung von rund 32 Mio. EUR sowie, damit verbunden, ein Anstieg des Rohertrags um rund 12,4 Mio. EUR hinreichend unterlegt werden.
137
3.3
Drei Elemente zur Rekapitalisierung: Kapitalerhöhung, Mezzanine und strukturierte Finanzierung
Das auf operativen und strukturellen Maßnahmen basierende Restrukturierungskonzept inklusive integrierter Businessplanung wurde innerhalb von sechs Wochen erstellt und anschließend den beiden Banken mit den größten Kreditengagements, den so genannten Kernbanken, vorgestellt. Ziel dieser Präsentationen war es, zunächst den Kernbanken die Tragfähigkeit des Restrukturierungskonzeptes zu vermitteln, um in einem nächsten Schritt das weitere Vorgehen zur Rekapitalisierung des HD Co.-Konzerns zu bestimmen. Die Ergebnisse des Restrukturierungskonzeptes ließen sich wie folgt zusammenfassen: Markt- und produktseitig verfügte die HD Co.-Gruppe im Bereich Output Management über eine gesicherte, stabile Wettbewerbsposition und eine Reihe von Wachstumschancen durch weitere Penetration bestehender Kundengruppen sowie durch die Erschließung neuer Kundengruppen.2 Auch das Wertschöpfungskonzept im Output Management mit seinen etablierten Absatzkanälen über den Direktvertrieb und den Fachhandel sowie mit der strategischen Partnerschaft mit dem international führenden OEM konnte als nachhaltig durchsetzbar eingeschätzt werden. Darüber hinaus lagen ausführliche, umsetzungsreife oder bereits in der Umsetzung befindliche Maßnahmenpläne zu einer signifikanten Reduzierung der Kosten und zur deutlichen Steigerung der operativen Performance vor. Im deutlich kleineren Geschäftsbereich Presentation Management war diese positive Zukunftsprognose hingegen mit viel größerer Unsicherheit behaftet. Denn trotz eines detaillierten Aktionsprogramms zur Senkung der operativen Kosten beinhaltete die Geschäftsplanung eine Reihe von Unwägbarkeiten. Vor allem hinsichtlich der Entwicklung der Vertriebskanäle, der im Markt durchsetzbaren Preise und Margen sowie der damit verbundenen Realisierbarkeit der Umsatz- und Rohertragsplanung bestanden Unsicherheiten. Und auch im Bereich Output Management musste für den Fall vorgebaut werden, dass sich die ambitionierten Ziele zur Umsatzsteigerung nicht realisieren lassen würden. Das Restrukturierungskonzept umfasste deshalb eine Szenarioplanung, die einen so genannten „worst case“ abbildete, falls das Geschäft deutlich schlechter laufen sollte als in der Basisplanung auf Grund der darin enthaltenen Prämissen antizipiert. Aber selbst diese Worst-Case-Planung führte zu einer signifikanten Verbesserung des operativen Ergebnisses von rund 17 Mio. EUR p.a., einem positiven Ergebnis vor Steuern von knapp 6 Mio. EUR nach zwei Jahren sowie zu einem
2
Die Übernahme von kleineren Unternehmen in einem sich konsolidierenden Markt ergab weitere Wachstumspotenziale, die im Restrukturierungskonzept zunächst nicht berücksichtigt wurden. Erst im Rahmen der Verhandlungen über das MezzanineKapital wurde diese zusätzliche Option zur Generierung von Wachstum in der Planung berücksichtigt.
138
positiven kumulierten Free Cashflow von immerhin rund 3 Mio. EUR über den Planungszeitraum von drei Jahren. Durch die umfassenden Kostensenkungsmaßnahmen konnte darüber hinaus das Risikoprofil der HD Co-Unternehmensgruppe im Ganzen deutlich verbessert werden. Daher beschlossen die Kernbanken nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Restrukturierungskonzept, den Sanierungskurs des HD Co.-Vorstands zu unterstützen. Tiefer gehende Analysen zur Bilanz- und Finanzierungsstruktur offenbarten allerdings weiteren Handlungsbedarf. So lag die Eigenkapitalquote im Konzern Ende 2003 mit gerade einmal rund 12% deutlich unter dem Zielwert von 20%. Die Liquiditätsplanung für den Konzern zeigte darüber hinaus, dass der Liquiditätsspielraum des Unternehmens für die nächsten zwölf Monate selbst bei Aufrechterhaltung aller bestehenden Kreditlinien relativ eng bemessen war und somit keine größeren Tilgungen bzw. Linienrückführungen erlaubte. Die Konzernfinanzierung setzte sich ferner aus unterschiedlichen Kreditfazilitäten mit überwiegend kurzfristiger Laufzeit bei über 40 verschiedenen Banken zusammen, die zudem noch dezentral im Konzern angesiedelt waren. Diese Finanzierungsstruktur erschwerte ein effektives Cash-Management im Konzern und machte die Gesamtfinanzierung des Unternehmens zudem anfällig für den Fall eines möglichen Ausscherens einzelner Kreditinstitute aus dem Kreis der finanzierenden Banken. Ungeachtet dieser problematischen Kreditgeber-Konstellation war der Handlungsbedarf zur Neustrukturierung der Konzernfinanzierung aber auch anhand der Analyse typischer Finanzstruktur-Kennzahlen augenfällig (siehe Abbildung 5): •
Das Verhältnis von Netto-Bankverbindlichkeiten zum Eigenkapital, der Gearing-Faktor, für den in vergleichbaren Situationen ein Wert von 100% typisch ist, betrug auf Basis des Konzernabschlusses 2003 etwa das Doppelte.
•
Der Leverage, definiert als Relation von Netto-Bankverbindlichkeiten zu EBITDA, wich mit einem Faktor von 3,7 deutlich von dem Zielwert zwischen 2 und 3 ab.
•
Der Interest Cover, das Verhältnis von EBITDA zu Zinsaufwand im Konzern, lag hingegen deutlich unter dem Zielwert. Hier betrug der Faktor 2,1 gegenüber dem angestrebten Wert im Bereich zwischen 4 und 5.
•
Und schließlich lagen die Bankverbindlichkeiten des Konzerns annähernd zweimal über dem von Seiten der Kernbanken indikativ ermittelten Ziel-Verschuldungsgrad auf Grundlage des Free Cashflows.
139
Leverage (Netto Bankverbindl./EBITDA) [x]
Ist 2003 Gearing (Bankverbindl./EK) [%]
Interest Cover (EBITDA/Zinsen) [x]
3,7 2-3
2,1
Ziel
Ist 2003
200 100 Ist 2003
4-5
Ziel
Debt Capacity FCF zu 8%/6 Jahre [Mio. EUR]
Ziel
114 60 Verb. KI 31.12.03
Debt Capacity
Abb. 5: Abweichungen der finanziellen Kennzahlen zu den marktüblichen Werten Diese Aspekte spiegelten die Anforderungen der finanzierenden Kreditinstitute an die Neugestaltung der Konzernfinanzierung wider und verdeutlichten zugleich die Notwendigkeit, Eigenkapital oder eigenkapitalähnliche Mitteln in einer Größenordnung von mindestens 23 Mio. EUR von außen zuzuführen. Gleichzeitig bestanden auch von Seiten der Aktionäre Restriktionen, die im Gesamtkonzept zur Rekapitalisierung der HD Co. berücksichtigt werden mussten. So konnte beispielsweise der international führende OEM im Zuge einer Kapitalerhöhung seinen Anteil an der HD Co. AG nur in begrenztem Umfang aufstocken, ohne damit ein verpflichtendes Übernahmeangebot nach §35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG auszulösen oder einen Antrag auf Befreiung von der Abgabe eines Pflichtangebotes nach § 37 WpÜG bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) stellen zu müssen. Unter Berücksichtigung weiterer Einschränkungen, die auf der Seite der Eigenkapitalgeber bestanden, zeigte sich, dass eine ordentliche Kapitalerhöhung mit einem Gesamtvolumen von höchstens rund 17 Mio. EUR realisierbar war. Somit fehlten noch mindestens 6 Mio. EUR an eigenkapitalähnlichen Mitteln, um der HD Co. das benötigte Gesamtvolumen von 23 Mio. EUR „fresh money“ zuzuführen. Zur Einwerbung des relativ geringen fehlenden Restbetrags sowie zur Aufnahme weiterer Finanzmittel für die Finanzierung von Akquisitionen leitete der Vorstand unter Einschaltung verschiedener spezialisierter Finanzberater einen Prozess ein, um mit geeignet erscheinenden Mezzanine-Finanzierern in Verhandlungen zu treten. Ungeachtet der Tatsache, dass der Einsatz derartiger Finanzierungsinstrumente in Deutschland im Vergleich zum angloamerikanischen Wirtschaftsraum immer noch relativ selten ist, fand sich innerhalb kurzer Zeit eine hinreichend große Anzahl renommierter, international operierender Mezzanine-Finanzierer, die an der Transaktion Interesse zeigten. Dies ermöglichte es dem Vorstand der HD Co.Gruppe, den Prozess der Anbieterauswahl zu beschleunigen und im Folgenden
140
den Fokus auf die Ausgestaltung und Abstimmung der nachrangigen MezzanineFazilität mit den übrigen Finanzierungskomponenten zu legen. Die Komplexität der Aufgabe wurde ganz wesentlich dadurch bestimmt, dass sämtliche Finanzierungselemente von der Umsetzung und von den Konditionen der jeweils anderen Finanzierungsinstrumente abhängig waren. Dies machte einen permanenten Abgleich der Arbeitsstände mit allen involvierten Parteien im Gesamtprozess erforderlich, woraus ein hoher Koordinationsaufwand resultierte. Im Ergebnis konnte gleichwohl in etwas mehr als acht Monaten nach Beginn der Arbeiten am Restrukturierungskonzept der HD Co.-Gruppe eine aus drei Elementen bestehende, zeitlich und inhaltlich aufeinander abgestimmte Rekapitalisierung erfolgreich umgesetzt werden. Durch die ordentliche Kapitalerhöhung wurden dem Konzern rund 17 Mio. EUR zugeführt. Dieses Geld diente primär der Stärkung der Eigenkapitalbasis des Konzerns und wurde zur Ablösung von Krediten mit meist geringerem Umfang und kurzer Laufzeit verwendet. Ein substanzieller Teil der Kapitalerhöhung wurde dabei von dem international führenden OEM gezeichnet, der seine Beteiligung an der HD Co. AG im gleichen Zuge auf einen Anteil knapp unterhalb des nach §29 Abs. 2 WpÜG für die Kontrolle einer Zielgesellschaft maßgeblichen Schwellenwertes von 30% der Stimmrechte aufstockte. Darüber hinaus beteiligten sich auch Vorstandsmitglieder der HD Co. AG an der Kapitalerhöhung. Über die bloße Tatsache hinaus, dass beide Parteien dem Unternehmen neues Kapital zuführten, setzte dies auch ein Signal: Sowohl das Management als auch der wichtigste Anteilseigner der HD Co. AG waren vom Restrukturierungskonzept des Unternehmens überzeugt. Der Konsortialkreditvertrag umfasste ein in mehrere Tranchen unterteiltes Gesamtvolumen von knapp 80 Mio. EUR und ersetzte den Großteil der einzelvertraglichen Kreditbeziehungen der HD Co.-Gruppe. Dadurch konnte die Zahl der finanzierenden Banken von über 40 auf 13 reduziert und dem Unternehmen eine strukturierte Bankenfinanzierung mit einheitlichen, risikoadäquaten Konditionen und einer längerfristigen Laufzeit zu Verfügung gestellt werden. Dies ermöglichte zunächst eine deutliche Reduzierung des Koordinationsaufwands im und mit dem Bankenkreis. Aus der Perspektive der Banken bot der Konsortialkreditvertrag zudem den Vorteil, dass ihre eingangs stark voneinander abweichenden Sicherheitenpositionen insgesamt verbessert sowie aufeinander abgestimmt und vereinheitlicht werden konnten. Durch die Verankerung zusätzlicher Informationspflichten seitens der HD Co. wurde schließlich gewährleistet, dass die finanzierenden Banken im Rahmen eines laufenden Reportings über den Umsetzungsstand der Restrukturierung des HD Co.-Konzerns zeitnah informiert wurden. Die dritte Finanzierungskomponente, das Mezzanine-Kapital, wurde in Form einer nachrangigen Kreditfazilität in zwei Tranchen mit einem Gesamtvolumen von insgesamt rund 34 Mio. EUR ausgereicht. Ein Teil des Betrags war für die restliche Ablösung von Kreditgebern vorgesehen, die nicht dem Kreditkonsortium
141
angehörten. Der übrige Betrag stand für allgemeine Unternehmenszwecke sowie für Unternehmensakquisitionen zur Verfügung. Ein umfangreiches Inter-CreditorAgreement sicherte die Details der Behandlung der Mezzanine-Fazilität im Vergleich zum Konsortialkredit ab. Die Strukturierung in zwei Tranchen gewährleistete zudem, dass nicht der gesamte Kreditbetrag in einer Summe gezogen werden musste, sondern ein Teil des Mezzanine-Kapitals bei Bedarf für Akquisitionszwecke abgerufen werden konnte. Insgesamt ermöglichte die Mezzanine-Fazilität damit, dass die HD-Co.-Gruppe bereits im ersten Jahr der Restrukturierung mehrere wichtige Akquisitionen zur weiteren Stärkung ihrer Wettbewerbsposition im Bereich Output Management durchführen konnte und darüber hinaus weiteren Liquiditätsspielraum für die anspruchsvolle Restrukturierungssituation zur Verfügung hatte.
4
Erfahrungen zur Übertragbarkeit und Anwendbarkeit des Rekapitalisierungsansatzes
Die erfolgreiche Rekapitalisierung der HD-Co.-Unternehmensgruppe wurde durch vier wesentliche Faktoren ermöglicht: 1.
ein tragfähiges Restrukturierungskonzept mit detaillierter Geschäftsplanung,
2.
eine stabile Aktionärsstruktur,
3.
eine Gruppe wesentlicher Kreditinstitute, die bereit war, im Rahmen eines Konsortialkredits die Restrukturierung zu begleiten, sowie schließlich
4.
die Verfügbarkeit von Mezzanine-Kapital in der Restrukturierungssituation.
Die Tragfähigkeit des Restrukturierungskonzepts war entscheidend, da in jeder Restrukturierung der Grundsatz gilt: Die Finanzierung eines Sanierungsunternehmen ist nur dann sinnvoll, wenn die Restrukturierungsfähigkeit und die Restrukturierungswürdigkeit des Unternehmens hinreichend sicher belegt werden können. Hierzu hat das Restrukturierungskonzept hohen Ansprüchen zu genügen: Es muss das Unternehmen in seinem Marktumfeld darstellen, die wesentlichen Verlustursachen aufzeigen, einen konkreten Plan zur strategischen Neuausrichtung, zur operativen und finanziellen Restrukturierung umfassen sowie die Effekte der geplanten Maßnahmen in einer detaillierten Geschäftsplanung abbilden. Das Restrukturierungskonzept des HD-Co.-Konzerns erfüllte die genannten Anforderungen und gewährleistete somit eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Rekapitalisierung. Die in der Folge aufgesetzte Projektorganisation zur Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen sorgte außerdem dafür, dass der Umsetzungszeitplan eingehalten wurde bzw. dort, wo Abweichungen zum Plan auftraten, diese erkannt und kurzfristig Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden.
142
Zur Anpassung der Kapitalstruktur an die Restrukturierungsbedingungen und zur Stärkung der Eigenkapitalbasis des HD-Co.-Konzerns war die Zuführung von „fresh money“ in Form von Eigenkapital unabdingbar. Typisch für eine solche Situation ist es allerdings auch, dass die Möglichkeiten zur Einwerbung von Eigenkapital begrenzt sind, da keine Dividenden gezahlt werden können und das Wertentwicklungsrisiko der Eigenkapitalanteile erheblich ist. In einer derartigen Situation konnte sich die HD Co. AG auf einen stabilen Aktionärskreis in Gestalt des strategischen Partners aus Asien und des Managements verlassen, der sein Engagement als strategische Investition betrachtete und mit seiner Bereitschaft, die Kapitalerhöhung maßgeblich mitzutragen, ein klares Signal setzte. Sowohl die Konsortialbanken als Ganzes als auch jedes Kreditinstitut für sich leisteten einen Beitrag zum Gelingen der Rekapitalisierung, indem sie die langfristige Finanzierung des HD Co.-Konzerns in der Sanierungsphase zu einem maßgeblichen Teil sicherten und somit die Voraussetzung zur Aufnahme von Mezzanine-Kapital durch die HD Co. AG schafften. Einzelne Banken verzichteten dabei zu Gunsten der Gesamtlösung im Rahmen des Konsortialkredits auf berechtigte Individualinteressen oder subjektive Besserstellungen bei den Sicherheiten. Wiederum andere Kreditinstitute revidierten sogar bereits getroffene Grundsatzentscheidungen oder geschäftspolitisch begründete Beschlusslagen, die auf eine mittelfristige Beendigung des Kreditengagements gerichtet gewesen waren. Zugleich profitierten sie aber auch von der erfolgreichen Rekapitalisierung, indem die HD Co.-Gruppe durch das Eigenkapital und die Mezzanine-Finanzierung zusätzliche Liquidität erhielt. Darüber hinaus erlangten die Banken durch die geordnete Bereitstellung zusätzlicher Sicherheiten im Rahmen des Konsortialvertrages eine bessere Absicherung ihres Engagements. Des Weiteren konnten die Banken ein der Restrukturierungssituation angemessenes, risikoadäquates Pricing durchsetzen. Und schließlich gelang es den Banken durch den Konsortialkreditvertrag und die Ablösung der Kreditinstitute, die dem Konsortium nicht angehörten, die zersplitterte Kreditgeberstruktur von Grund auf neu zu ordnen. Durch die Verfügbarkeit von Mezzanine-Kapital konnte im vorliegenden Fall schließlich gleich in zweierlei Hinsicht eine kritische Lücke geschlossen werden. Durch die Bereitstellung des Nachrangkapitals ermöglichten die Mezzanine-Anbieter nicht nur die Ablösung der Kreditengagements der knapp 30 kleineren Banken; sie schafften auch die Voraussetzung dafür, dass ein in der Restrukturierung befindliches, marktführendes Unternehmen Wachstumschancen wahrnehmen konnte, indem es Akquisitionen in einer sich konsolidierenden Branche vornahm. Und gerade die Realisierung von Wachstum in der Restrukturierung ist erfahrungsgemäß jedoch ein zentraler Erfolgsfaktor zur Überwindung der Krise.
Rückkehr auf den Wachstumspfad – die Restrukturierung und Rekapitalisierung der Wind AG Uwe Johnen, Jürgen Schäfer
1
Einleitung
Dieses Fallbeispiel schildert das Vorgehen bei der Restrukturierung und Rekapitalisierung der börsennotierten Aktiengesellschaft Wind AG. Der Hersteller von Windenergieanlagen stürzte 2003 nach seinem Börsengang und stürmischem Wachstum in eine existenzbedrohende Krise. Ursache waren – neben dem Einbruch des deutschen Marktes – operative und strukturelle Probleme, die zu einer schlechten Kostenposition und hohen Gewährleistungsaufwendungen geführt hatten. Bei der Darstellung der Ausgangssituation wird das Geschäftsmodell skizziert und ein Marktüberblick gegeben. Anschließend wird der Weg der Wind AG in die Krise nachgezeichnet und die Gründe dafür aufgezeigt. Im anschließenden Abschnitt werden die Kernelemente des Restrukturierungskonzeptes und deren Auswirkungen detailliert vorgestellt. In einem weiteren Abschnitt wird die finanzwirtschaftliche Problematik der Wind AG nach der Restrukturierung und das daraufhin aufgesetzte Rekapitalisierungskonzept erklärt. Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse und deren mögliche Übertragbarkeit auf andere Unternehmen geprüft.
2
Die Situation zu Beginn der Restrukturierung
Die Wind AG gehörte im Jahr 2000 mit rund 400 Mio. EUR Umsatz und etwa 7% weltweitem Marktanteil zu den führenden Anbietern von Windenergieanlagen. Die Hälfte des Umsatzes wurde in den letzten Jahren in Deutschland erwirtschaftet. Die Wettbewerber der Wind AG sind überwiegend global agierende Unternehmen. Im Fokus der Produktpalette stehen Anlagen der großen Leistungsklasse – vor allem im Megawatt-Bereich, dem stärksten Wachstumssegment der Branche. Neben dem Hauptgeschäft, der Herstellung und dem Vertrieb der Windenergieanlagen, bietet das Unternehmen auch After-Sales-Service als Dienstleistung an. Des Weiteren ist die Wind AG aktiv im Bereich der Projektentwicklung und
144
-sicherung. Dies umfasst die Akquisition und Sicherung von Standorten für Windparks sowie den Betrieb von Windparks bis zur Veräußerung.
2.1
Marktsituation: im Inland stark rückläufig, international deutliches Wachstum
Erneuerbare Energien spielen eine wachsende Rolle in der zukünftigen weltweiten Energieversorgung. Windenergie ist neben Biomasse die am schnellsten wachsende erneuerbare Energie. Das gilt insbesondere in den OECD-Ländern, die über Marktanreizprogramme für regenerative Energien verfügen. Die weltweit installierte Windenergie-Kapazität erhöhte sich zum Jahresende 2004 auf 48.000 Megawatt (MW). In den Jahren 1998 bis 2003 betrug das weltweite Marktwachstum durchschnittlich etwa 26%. Treiber dieses Wachstums war bis 2002 vor allem der deutsche Markt, der in den Jahren 1999 bis 2002 circa 40% des Weltmarktes ausmachte. Deutschland ist bei der Nutzung der Windenergie weltweit führend. Die Energieeinspeise-Verordnungen und steuerliche Anreize bei der Finanzierung haben seit Anfang der 90er Jahre die Rahmenbedingungen für diese Entwicklung geschaffen. Langjährige Erfahrung und technische Innovationen führten zu einer erheblichen Steigerung des Anteils der Windenergie an der Stromversorgung. 10.295
8.344 6.824
8.154
7.227 8.595
4.495 3.922 2.353
3.980 4.197
6.100
2.826 2.627
1.569
1.669
1999
2000
Deutschland
5.670
2001
3.247
2002
2.674
2003
2.054
1.700
2004e
2005e
Rest der Welt
Abb. 1: Entwicklung deutscher/weltweiter Windenergiemarkt [Neu installierte MW/Jahr] Seit 2002 sind die neu installierten MW/Jahr in Deutschland allerdings rückläufig, da attraktive Standorte nur noch schwer zu finden sind, die Einspeisevergütung für Neuprojekte deutlich gesenkt wurde und daher nur noch beschränkt Finanzie-
145
rungskapital zur Verfügung steht. Darüber hinaus wächst der Widerstand der Bevölkerung und der traditionellen Energieversorgungsindustrie gegen die bevorzugte Förderung der Windenergie. Auf dem internationalen Markt hingegen sind auch nach 2002 steigende Wachstumsraten zu verzeichnen (siehe Abbildung 1). Dabei geht der Trend eindeutig zu Multi-MW-Anlagen und langfristig zu Offshore-Projekten. Experten prognostizieren bis 2009 weltweit eine durchschnittliche Wachstumsrate von über 14% p.a. Für den Zeitraum von 2009 bis 2014 wird mit einem Wachstum von circa 10% p.a. gerechnet. Diese Zahlen belegen, dass der Windenergiemarkt einer der wenigen verbliebenen Wachstumsmärkte der Welt ist. Die Attraktivität des Marktes wird durch die anhaltende Konsolidierung der Marktteilnehmer bestätigt. In den letzten Jahren sind überwiegend internationale Konzerne in den Markt eingestiegen – hauptsächlich durch Akquisitionen – und haben eine deutliche Konzentration auf der Anbieterseite eingeleitet.
2.2
Unternehmensentwicklung der Wind AG
Die Ursprünge der Wind AG liegen in Dänemark. Noch ehe in der ersten Hälfte der 90er Jahre die Nachfrage nach Windenergieanlagen international stieg, wurde das Unternehmen 1985 als dänischer Windanlagenhersteller gegründet. Von Beginn an setzte man auf große, leistungsfähige Anlagen. Schon zwei Jahre nach der Gründung errichtete das Unternehmen die damals größte Serienanlage der Welt. Eine deutsche Aktiengesellschaft übernahm Mitte der 90er Jahre die Mehrheit an diesem aufstrebenden Unternehmen und bereitete es auf einen Börsengang vor. Die Umsatz- und Ergebnisentwicklung entsprach zu dieser Zeit den Marktverhältnissen mit Wachstumsraten über 20%. Im Jahr 2000 wurden die Windaktivitäten in die neue Wind AG eingebracht, die dann am 2. April 2001 an den Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse ging. Auch im ersten Jahr nach dem Going Public setzte sich die Erfolgsgeschichte der Wind AG fort: Mit circa 26% Umsatzwachstum und einer EBIT-Steigerung von 28% war das Unternehmen auf Rekordkurs. Doch im darauf folgenden Geschäftsjahr brachen Auftragseingang und Umsatz ein, unter anderem wegen der Sättigung des deutschen Marktes. Die Unternehmensorganisation der Wind AG war in Erwartung einer weiterhin expansiven Geschäftsentwicklung geprägt von fehlender Konzentration der Ressourcen und hohem Strukturaufwand. Die Geschwindigkeit des organisationalen Wachstums hatte zu deutlichen Schwächen in Prozessabläufen geführt. Darüber hinaus hatte auch das permanente Streben nach der technischen Leistungsführerschaft zu vorschnellen Programmerweiterungen (Größenklassen und Technologie) und damit unausgereiften Produkten geführt. Das Resultat dieser technischen Risiken war massiver Gewährleistungsaufwand für Anlagenschäden. Mit den operativen Verlusten und den erforderlichen Rückstellungen für Gewährleistung und Restrukturierung entstand in 2003 ein Fehlbetrag in Höhe von zwei Drittel des Umsatzes; damit war das Eigenkapital nahezu aufgezehrt. Gleichzeitig hat die Er-
146
füllung von langfristigen Lieferkontrakten für wesentliche Komponenten die Liquiditätssituation dramatisch verschärft – die Banklinien waren weitgehend ausgereizt.
3
Das Restrukturierungskonzept im Überblick
Im Frühjahr 2003, als die Krise offensichtlich war, wurde Roland Berger Strategy Consultants um Mithilfe bei der Ausarbeitung eines Restrukturierungskonzeptes gebeten. Um die Liquidität bis zur Umsetzung der Restrukturierung zu sichern, wurde durch die Banken und Avalgeber ein Sicherheitenpool gebildet. Innerhalb von zwei Monaten musste das Grobkonzept erstellt werden, um die Prolongation der Linien abzusichern. Dieses Konzept wurde in den folgenden Monaten erweitert, detailliert und weitgehend umgesetzt. Das Konzept umfasste dabei rund 2100 Einzelmaßnahmen. Im Sommer 2004 unterstützte Roland Berger darüber hinaus die Rekapitalisierung der Wind AG.
3.1
Fünf Kernelemente der operativen Restrukturierung
Nach der Analyse der Ausgangssituation wurde das Restrukturierungskonzept mit fünf Kernelementen aufgesetzt (siehe Abbildung 2): 1.
Fokussierung auf attraktive Kernmärkte: Auch wenn die Sättigung des deutschen Marktes zu spät erkannt wurde und somit der Auslandsanteil lediglich bei etwa 40% lag, expandierte die Wind AG in den letzten Jahren vor der Restrukturierung weltweit. Allerdings erfolgte diese Expansion ohne Schwerpunkte und klare Strategie. Aufgabe dieses Teils der Restrukturierung war insoweit die Konzentration der internationalen Positionierung des Unternehmens auf interessante Kernmärkte. Eine detaillierte Analyse, unter anderem anhand der Wettbewerbsposition der Wind AG und dem individuellem Wachstum der Märkte, ermittelte die für das Unternehmen attraktiven Auslandsmärkte. Märkte mit schlechter Wettbewerbsposition und gleichzeitig geringem Potenzial, wie zum Beispiel USA, Spanien und Australien, wurden als Absatzziele gestrichen. Stattdessen erfolgte nun eine gezielte Bearbeitung der Kernmärkte.
147 Fokussierung • Wachstumsmärkte • Vertriebsleistung 1. Liquiditätspotenziale • Bestände und Forderungen • Verbindlichkeiten LuL
Technische Position 5.
Kostensenkung (operativ/strukturell)
2. Restrukturierung 4.
• Kostenstruktur • Wettbewerbsfähigkeit
3.
• Schwachstellen/Herstellkosten • Priorität: oberer Leistungsbereich
Organisation • Prozessoptimierung • Streckenverluste/Gewährleistung
Abb. 2: Fünf Kernelemente der Restrukturierung 2.
Rückgewinnung der technischen Führungsposition im oberen Leistungsbereich: Oberste Priorität hatte es, technische Schwächen zu beseitigen und die verlorene Akzeptanz bei den Kunden zurückzugewinnen. Dazu wurde das sehr komplexe und unübersichtliche Produktportfolio gestrafft. Die Konzentration auf ein Kern-Produktportfolio bewirkte eine Fokussierung des Vertriebs und eine klarere Marktpositionierung. Dazu wurde anhand der erzielten Renditen sowie der strategischen Ausrichtung der Anlagen jedes Produkt auf seine Zukunftsfähigkeit überprüft. Ergebnis dieser Analyse war eine deutliche Reduktion der Produktkomplexität sowie die Streichung von veralteten Produkten aus dem Produktprogramm sowie eine Konzentration auf die Multi-MW-Anlagen. Diese Produkte wurden dann optimiert in Bezug auf Herstellkosten, Zuverlässigkeit und Standardisierung, um die Wettbewerbsfähigkeit wieder zu erlangen.
3.
Beseitigung organisatorischer Schwachstellen: Das schnelle Wachstum der Organisation in Erwartung einer weiterhin expansiven Geschäftspolitik hatte zu einer Vielzahl von internen Schwachstellen geführt. Während der Restrukturierung wurde mit einem pragmatischen Ansatz eine Optimierung der Geschäftsprozesse realisiert. Die identifizierten Schwachstellen, zum Beispiel fehlende Auftrags-/Produktspezifikation, unzureichendes Vertragsmanagement, keine auftragsspezifische Beschaffung, fehlende zentrale Disposition und fehlendes integriertes Qualitätsmanagement, zeigten den Handlungsbedarf deutlich auf. Ergebnis der eingeleiteten Maßnahmen zur Prozessoptimierung war die Einführung eines Tender-Managements und einer zentralen Disposition zur professionellen Unterstützung des Vertriebs sowie die Definition und Implementierung eines Soll-Prozesses zur Angebotserstellung. Darüber hinaus wurde die Rolle des Projektmanagements gestärkt und die Einführung eines integrierten Qualitätsmanagements realisiert.
148
4.
Radikale Kostensenkung durch operative und strukturelle Maßnahmen: Ein weiteres elementares Ziel der Restrukturierung war die Wiedererlangung einer wettbewerbsfähigen Kostenstruktur. Dazu wurden sowohl operative als auch strukturelle Maßnahmen definiert. Die strukturellen Kosten wurden insbesondere durch die Redimensionierung des Vertriebs und Service im Inland auf ein wettbewerbsfähiges Niveau gebracht. Zusätzliche Kosteneinsparungen wurden durch die Schließung bzw. Anpassung der Auslandsgesellschaften auf die strategischen Kernmärkte realisiert. Auf operativer Seite wurden, neben den „klassischen“ Hebeln wie Senkung der Personalkosten und sonstigen betrieblichen Aufwendungen, insbesondere die Materialkosten durch Neu- und Nachverhandlungen um rund 15 Mio. EUR p.a. gesenkt.
5.
Freisetzung von Liquiditätspotenzialen aus dem Working Capital: Auf Grund der angespannten Liquiditätssituation war die Umsetzung der Maßnahmen zur Erschließung bestehender Liquiditätspotenziale besonders zeitkritisch. Die drei wesentlichen Ansatzpunkte zur Optimierung des WorkingCapital-Managements waren die Reduktion der Bestände und Forderungen sowie eine adäquate Ausweitung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (LuL). So konnte der Vorratsbestand im folgenden Geschäftsjahr – insbesondere durch den Verbrauch von A-Teilen – um fast 50% gesenkt werden. Die Forderungslaufzeit wurde auf rund 80 Tage reduziert, unter anderem dadurch, dass verstärkt auf die Vermeidung technischer Probleme der gelieferten Anlagen geachtet wurde. Gleichzeitig wurde das Lieferantenziel durch eine Erhöhung der Ziellaufzeit um zehn Tage verlängert.
Dieses Programm wurde in einer Umsetzungsphase von circa 18 Monaten gemeinsam mit Roland Berger Strategy Consultants vorangetrieben und weiterentwickelt. Dabei mussten die zunächst geplanten Ergebnisverbesserungsmaßnahmen in Höhe von etwa 20% der Gesamtleistung auf Grund des Absatzeinbruches nochmals deutlich erweitert werden.
3.2
Fünf Eckpunkte zur Rekapitalisierung
Nachdem die operative Restrukturierung bereits weit vorangeschritten war, sollte wegen des unzureichenden finanziellen Spielraums als letztes Kernelement des Konzeptes ein strategischer Investor gefunden werden. Dies scheiterte jedoch im Wesentlichen an der hohen Unsicherheit in Bezug auf die Gewährleistungsvorsorge. Im „going concern“ erforderte das Neuprojektgeschäft der Wind AG wegen der schlechten Bonität gleichzeitig zusätzliche Liquidität und höhere Avallinien. Die konsequent restriktive Liquiditätspolitik der Banken entwickelte sich dadurch zu einem Wachstumshemmnis und verhinderte die Rückkehr in profitable Größenordnungen.
149
Mit Hilfe von Roland Berger wurde deshalb ein Rekapitalisierungskonzept mit dem Grundgedanken erarbeitet, dass die Stakeholder einen nachhaltigen Beitrag zur Restrukturierung der Wind AG leisten sollten: •
Institute, die aussteigen, müssen mindestens einen Teilverzicht erbringen.
•
Verbleibende Institute werden erfolgsabhängig vergütet und weiten ihre Linien aus.
•
Altaktionäre müssen sich verwässern lassen.
•
Neue Investoren erhalten eine qualifizierte Mehrheit und partizipieren an der Wertsteigerung entsprechend ihren Renditeanforderungen.
Da ein Hauptaktionär wegen seiner strategischen Ausrichtung nicht als Investor in Frage kam, begann unter Einschaltung eines Investmentberaters und Nutzung des Netzwerks von Roland Berger die Suche nach anderen Finanzinvestoren. Parallel dazu wurde eine Vielzahl von Verhandlungen mit den finanzierenden Banken über das mögliche zukünftige Engagement sowie deren Unterstützung beim Einstieg eines Finanzinvestors geführt. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung der angestrebten Rekapitalisierung war es, Investoren und Banken von der langfristig positiven Perspektive des Unternehmens zu überzeugen und zwischen den verschiedenen Interessen der beteiligten Parteien zu vermitteln. Mit dem Rekapitalisierungskonzept mussten die – teilweise divergierenden – Erwartungen bzw. Ziele der Mitwirkenden berücksichtigt und eine möglichst einvernehmliche Lösung präsentiert werden. Dabei sollten – abgesehen vom übergeordneten Ziel des Unternehmens nach stabiler Finanzierung und Wahrnehmung von Wachstumsperspektiven – auch die Interessen der Investoren (unter anderem Mindestrendite, Mehrheit am Unternehmen und ExitPerspektive), der bestehenden Aktionäre (Vermeidung eines Totalverlusts bzw. Partizipation am möglichen Upside-Potenzial) und der Banken berücksichtigt werden. Insbesondere die Position der Banken war äußerst heterogen. So musste einerseits den ausstiegswilligen Banken eine kurzfristige Exit-Perspektive und andererseits den weiter begleitenden Banken eine langfristige Perspektive der Werterhaltung ihrer Forderungen sowie der künftigen Tilgungsfähigkeit durch das Unternehmen aufgezeigt werden. Der für alle Beteiligten akzeptable Kompromiss umfasste folgende Eckpunkte (siehe Abbildung 3): •
Kapitalschnitt: Das Grundkapital der Gesellschaft von rund 50 Mio. EUR wurde im Verhältnis 10:1 auf rund 5 Mio. EUR durch Zusammenlegung von Aktien im Wege der vereinfachten Kapitalherabsetzung reduziert.
•
Kapitalerhöhung: Das herabgesetzten Grundkapitals wurde um rund 42 Mio. EUR erhöht gegen Bareinlagen zum Ausgabebetrag von 1,00 EUR je Stückaktie unter Bezugsrechtsgewährung an die Aktionäre.
150 •
Auskauf einzelner Banken: Im Rahmen der Rekapitalisierung wurden ausstiegswillige Banken herausgekauft.
•
Debt Equity Swap: Umwandlung von Barkreditforderungen der kreditgebenden Banken in Höhe von rund 28 Mio. EUR in Grundkapital in Höhe von höchstens 12 Mio. EUR.
•
Linienausweitung: Ausweitung der bestehenden Linien der kreditgebenden Banken (weitere Barlinien in Höhe von 20 Mio. EUR und weitere Avallinien in Höhe von 30 Mio. EUR).
Kapitalschnitt
Kapitalerhöhung
Auskauf einzelner Banken
Debt Equity Swap
Ausweitung Linien
1.
2.
3.
4.
5.
10:1
rd. 42 Mio. EUR durch Aktionäre und Investoren
drei Banken mit Haircut herausgekauft
rd. 28 Mio. EUR, Verhältnis 2,33:1
Zusätzlich 20 Mio. EUR Barlinie, 40 Mio. EUR Avallinie
Abb. 3: Fünf Eckpunkte der Rekapitalisierung Dieses Konzept war ein für alle Parteien akzeptabler Kompromiss. Der deutliche Kapitalschnitt, der eine Anpassung des Nominalwertes an die tatsächliche Wertentwicklung des Unternehmens darstellte, wurde vor der Durchführung der Kapitalerhöhung durchgeführt. Dies ermöglichte den Investoren mit überschaubarem Investitionsvolumen die Mehrheit des Unternehmens zu erwerben. Die Erhöhung des Grundkapitals im Rahmen der Kapitalerhöhung stärkte die Eigenkapitalbasis und gab dem Unternehmen in Verbindung mit der Ausweitung der Linien den benötigten finanziellen Spielraum. Den konträren Positionen der kreditgebenden Banken wurde durch zwei Punkte des Konzeptes Rechnung getragen. Einerseits wurde den ausstiegswilligen Banken durch den Auskauf unter Teilverzicht ein kurzfristiger Exit ermöglicht, andererseits konnten die finanzierungswilligen Banken durch den Debt Equity Swap Eigenkapital erwerben und dadurch langfristig am möglichen Upside-Potenzial des Unternehmens partizipieren. Nachdem die Hauptversammlung das Konzept genehmigt hatte, blieb als einiger offener Punkt, wie die Investoren die Mehrheit erreichen konnten. Die Bezugsrechtsgewährung an die Aktionäre ermöglichte es den Aktionären, ihren bisherigen Unternehmensanteil im Zuge der Kapitalerhöhung zu bewahren. Die Investoren konnten daher nur diejenigen Aktien erwerben, bei denen die Aktionäre auf ihr Bezugsrecht verzichteten. Ein Ausschluss des Bezugrechts ist insbesondere dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10% des Grundkapitals
151
nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet (§ 203 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 186 Absatz 3 Satz 4 AktG). Damit soll die Geschäftsleitung – mit Zustimmung des Aufsichtsrates – ermächtigt werden, das Bezugsrecht auszuschließen, um Flexibilität am Kapitalmarkt zu gewährleisten. Da diese Voraussetzungen nicht gegeben waren und ein Bezugsrechtsausschluss deshalb nicht möglich war, musste ein hoher Anteil der Aktionäre freiwillig auf dieses Recht verzichten, um den Investoren die Chance zu verschaffen, die Mehrheit zu erlangen und damit die gesamte Rekapitalisierung zu sichern. Dies ist nicht zuletzt durch einen offenen Brief gelungen, in dem der Vorstand an die bestehenden Aktionäre appellierte: Sie sollten auf ihr Bezugsrecht verzichten, um die Existenz des Unternehmens zu sichern. Die Anteilsmehrheit der Investoren am Unternehmen wurde auch durch den anschließenden Debt Equity Swap durch die Banken nicht revidiert, obwohl dieser unter Ausschluss des Bezugsrechtes durchgeführt wurde. Im Fall der Sachkapitalerhöhung ist der Vorstand nämlich ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das gesetzliche Bezugsrecht auszuschließen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das geschilderte Rekapitalisierungskonzept die finanzwirtschaftlichen Wachstumshemmnisse der Wind AG beseitigt hat – unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten. Die Kapitalerhöhung sorgte für einen Liquiditätszufluss von rund 42 Mio. EUR und die Ausweitung der Linien erweiterten den finanziellen Spielraum zusätzlich. So wurde die Bilanzstruktur deutlich verbessert und damit die Gefahr der Überschuldung gebannt: Die Eigenkapitalzuführung von rund 70 Mio. EUR – 42 Mio. EUR aus der Barkapitalerhöhung und 28 Mio. EUR durch die Sachkapitalerhöhung – erhöhte die zum Zeitpunkt vor der Kapitalerhöhung äußerst niedrige Eigenkapitalquote von 1,3% auf rund 32%. Dass die finanzwirtschaftlich angespannte Situation nach der erfolgreichen operativen Restrukturierung das eigentliche Hemmnis für die Unternehmensentwicklung war, hat die Wind AG bereits im ersten Quartal nach der Rekapitalisierung bewiesen. Die Wind AG konnte den höchsten Quartals-Auftragseingang ihrer 20jährigen Firmengeschichte verzeichnen. Damit lag die Gesellschaft beim Auftragseingang über Plan, erreichte das angestrebte Umsatzziel und operierte erstmals seit der Restrukturierung wieder nahe der Gewinnschwelle.
4
Übertragbare Erfahrungen zur Anwendbarkeit des Rekapitalisierungsansatzes
Aus den Erfahrungen dieses Fallbeispiels lassen sich vier generelle Erfolgsfaktoren eines Rekapitalisierungsansatzes ableiten:
152
1.
Ganzheitliche Restrukturierung: Das Fallbeispiel der Wind AG zeigt deutlich, dass eine ganzheitliche Sanierung sich nicht nur auf die Kosten- und Ertragspositionen der GuV sowie der Aktivseite der Bilanz beschränken kann. Ansätze wie zum Beispiel operative und strukturelle Kostensenkung sowie Reduzierung von Working Capital können nur ein Teil eines umfassenden Ansatzes sein. Auch die Passivseite jeder Unternehmensbilanz muss im Laufe einer Restrukturierung kritisch überprüft und gegebenenfalls neu geordnet werden. Denn mangelnder finanzieller Spielraum oder hohe Zinsbelastungen können – trotz Anpassung des Geschäfts an die veränderten Rahmenbedingungen – die Zukunft des operativ restrukturierten Unternehmens in Frage stellen.
2.
Individuelle Lösung: Für eine Rekapitalisierung gibt es kein Patentrezept, sondern sie erfordert grundsätzlich eine tief gehende konzeptionelle Arbeit – besonders dann, wenn bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft eine Vielzahl von Restriktionen zu beachten ist. Die individuell richtige Kombination dieser Hebel verbessert sowohl die Aussichten für eine erfolgreiche Stand-alone-Strategie als auch für eine Realisierung einer strategischen Kooperation.
3.
Gemeinschaftlicher Erfolg: Von einer finanzwirtschaftlichen Restrukturierung profitieren langfristig alle Stakeholder. Das Unternehmen erhält den notwendigen Spielraum zur Realisierung des angestrebten Wachstums bzw. es wird von einer Zinslast befreit, die das unternehmerische Handeln einschränkt. Dies kommt im Idealfall auf Grund der realisierten Gewinne und eines gegebenenfalls steigenden Aktienkurses auch den Aktionären zugute. Die Banken haben langfristig die Perspektive der Tilgungsfähigkeit bzw. vermeiden Verluste. Diese Win-Win-Situation ist allerdings nur zu erreichen, wenn die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Stakeholder berücksichtigt und deren jeweiligen Ansprüche so weit wie möglich erfüllt werden. Dazu bedarf es einer individuellen Lösung, die alle Interessengruppen zufrieden stellt (siehe Abbildung 4).
153 Unternehmen
WKVs
Stabile finanzwirtschaftliche Basis, Ertragssicherung, Liquidität, strategische Spielräume
Gefahrenabwendung, Ratingverbesserung, Rückläufige Limitauslastung
Banken
Lieferanten
Werthaltigkeit der Forderungen, Ratingverbesserung, Tilgungsausblick
Stabilisierung des Marktes, Sicherung der Lieferantenbeziehungen, Verbesserung Zahlungsverhalten
Kunden
Investoren
Wahrnehmung eines soliden Unternehmens als wertvollen strategischen Partner
Attraktive Investition mit langfristigen Wachstumschancen auf solider Finanzierungsbasis
Abb. 4: Finanzwirtschaftliche Sanierung kann Win-Win-Situation für alle Beteiligten liefern 4.
Neutraler Moderator: Eine für alle Beteiligten zufrieden stellende Lösung kann nur ein Ergebnis von zahlreichen Gesprächen und Verhandlungen mit allen Beteiligten sein, wobei während dieser Entwicklung das angestrebte Konzept stetig weiterentwickelt und angepasst werden muss. Für diese Rolle ist ein neutraler Moderator unabdingbar, der als Ideengeber, Konzeptentwickler und „Antreiber“ eine effiziente Umsetzung des Konzeptes sicherstellt.
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Einsatz von Desinvestitionen bei der Restrukturierung der KML-Gruppe Gerd Sievers
1
Einleitung
Die Zuführung neuer finanzieller Mittel ist im Rahmen von Unternehmenskrisen meistens unabdingbare Voraussetzung für die Bekämpfung der Krisenursachen und zur Revitalisierung des Unternehmens. In Deutschland erfolgt die Finanzierung von Krisenunternehmen dabei zu einem großen Teil durch die finanzierenden Banken, wobei künftig von einer strengeren Kreditvergabe bzw. höheren Kreditzinsen auszugehen ist. Insbesondere Krisenunternehmen werden demzufolge künftig nach neuen Finanzierungsalternativen suchen müssen. Hierbei bietet sich die Möglichkeit, weitere externe Finanzierungsquellen zu nutzen.1 Aber auch die internen Finanzierungspotenziale müssen zunehmend ausgeschöpft werden. Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Beitrag die Desinvestition von Unternehmensteilen als eine mögliche Maßnahme vorgestellt, die bei der Sicherstellung des Überlebens und zur Überwindung von existenzbedrohenden Krisen zum Einsatz gelangen kann. Die Desinvestition hat sich dabei bereits als effektive Handlungsalternative zur Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolges erwiesen; sowohl in der Literatur als auch in der Praxis hat die Desinvestition an Bedeutung gewonnen und wird immer stärker als Aufgabe der strategischen Unternehmensführung verstanden.2 In Anknüpfung an diese Überlegungen wird in dieser Ausarbeitung anhand einer Fallstudie der gezielte Einsatz von Desinvestitionen zur Sicherung der Unternehmensfortführung in einer existenzbedrohenden Unternehmenskrise vorgestellt. Anschließend werden die Eckpunkte eines allgemeinen Modells zur Selektion von Desinvestitionsobjekten in Krisen skizziert, das eine Systematisierung der gewon-
1
Dieser Finanzierungsart wird in der Literatur zunehmend Beachtung geschenkt. Vgl. Böckenförde (1996), S. 185; Buth/Hermanns/Janus (1998), S. 231; Hess/Fechner/ Freund/Körner (1998), S. 338 f.; Kraft (2001), S. 15 f.
2
Als Vorreiter einer proaktiven Desinvestitionskonzeption zur Abwendung strategischer Gefährdungen kann Kötzle (1993) gesehen werden. Auch die Arbeiten von Thissen (2000), Rechsteiner (1995) und Weiher (1996) folgen einer proaktiven Sichtweise der Desinvestition.
156
nen Erkenntnisse darstellt und dem Management Hilfestellung bei der Entscheidung geben soll, welche Einheiten als potenzielle Desinvestitionsobjekte auszuwählen sind. Sowohl bei der Fallstudie als auch bei dem vorgestellten Modell handelt es sich um Auszüge einer abgeschlossenen Forschungsarbeit des Autors, die sich zurzeit in der Veröffentlichung befindet.
2
Unternehmensprofil und Entwicklung bis zur Krise
Bereits in den 90er Jahren erwirtschaftete die KML-Gruppe einen Umsatz von ca. 45 Mio. EUR in den Bereichen der Kunststoff- und Möbelfunktionstechnik. Im erstgenannten Bereich wurden dabei an zwei Standorten in eigenen Spritzgießwerken technische Komponenten und Baugruppen aller Art aus Kunststoff hergestellt und vertrieben. Darüber hinaus umfassten die Aktivitäten einen eigenen Werkzeugbau. Zu den wesentlichen Kunden für diese Kunststoffprodukte zählten Unternehmen aus der Hausgerätetechnik, dem Bürohandelsbedarf, der Elektrozuliefererindustrie sowie der Mobilfunk- und Automobilindustrie. Im Möbelfunktionsbereich erfolgten die Entwicklung, Produktion und der Vertrieb von Lichtelementen in Möbeln. Hierzu zählten im Wesentlichen dekorative Strahler, Kleinsteinbauleuchten und Flachleuchten für Möbel sowie Zubehörteile wie Trafos. Zu den Hauptkunden zählten namhafte Unternehmen der deutschen und internationalen Möbelindustrie und deren Zulieferer. Seit Beginn der 90er Jahre baute die Gruppe ihre Aktivitäten fortwährend aus, indem zunächst im Geschäftsbereich der Möbelfunktionstechnik 1990 eine Akquisition getätigt wurde. Die übernommene Gesellschaft entwickelte, produzierte und vertrieb Möbelbeschläge und Accessoires. Zu den Produkten zählten dekorative Griffe für Möbel, Funktionssäulen und Relingsysteme sowie hochwertige Funktionssysteme für Möbel. Bereits zwei Jahre später wurde auch im Kunststoffbereich ein Unternehmen zugekauft, das Gurtsysteme, medizinische Haltegriffe und Zentralverriegelungen herstellte. 1994 erfolgte der Neu- und Ausbau der Produktion an zwei Produktionsstandorten, um den erwarteten Kapazitätsanforderungen gerecht zu werden. Zu diesem Zeitpunkt erzielte die KML-Gruppe bereits einen Umsatz von circa 70 Mio. EUR. Im selben Jahr wurden im Rahmen der Expansion zwei weitere Gesellschaften akquiriert, die den Kern des im Anschluss neu gegründeten Bereiches der Warenpräsentation und Lichttechnik bildeten. Dabei handelte es sich um Systemanbieter von Displays, Warenpräsentationssystemen und Ladenbaukonzepten samt Decke und Licht für die Kundengruppe der Markenartikelindustrie. Neben Beratungsleistungen umfasste das Leistungsspektrum auch die Planung, kundenspezifische Entwicklung, Produktion, Montage und Finanzierung der Produkte. Durch diese
157
Akquisitionen konnte die KML-Gruppe ihren Umsatz auf rund 110 Mio. EUR bei einem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von etwa 12 Mio. EUR steigern. Von 1995 bis 1997 wurden die internationalen Aktivitäten ausgeweitet. Die KMLGruppe gründete weitere Auslandsgesellschaften in den Bereichen Kunststoff- und Möbelfunktionstechnik. Dabei wurden zunächst in den beiden osteuropäischen Standorten Slowakei und Tschechien neue Produktionsstätten errichtet. In der Slowakei wurden in gemieteten Räumen technische Komponenten und Baugruppen aus Kunststoff für eine vor Ort befindliche Niederlassung eines renommierten deutschen Kunden gefertigt. Darüber hinaus diente die neue Einheit als Zulieferer für deutsche Unternehmen der Gruppe. Am Standort in Tschechien wurde primär Lohnveredelung für die deutschen Unternehmen der Gruppe durchgeführt. 1997 erfolgte die Gründung eines Joint Ventures in Thailand, das mit einem Partner vor Ort betrieben wurde. Durch die Aufnahme der Aktivitäten sollte der Einstieg in den südostasiatischen Wirtschaftsraum erfolgen. Dabei befasste sich die neue Gesellschaft mit der Entwicklung, Produktion und dem Vertrieb von Systemen für die Warenpräsentation. Auch Ende der 90er Jahre wurde die Expansionsstrategie fortgeführt. Durch die Gründung einer weiteren Gesellschaft im Geschäftsbereich Warenpräsentation und Lichttechnik wurden die bestehenden Aktivitäten ausgebaut. Die neue Gesellschaft beschäftigte sich mit der Entwicklung, Planung und Herstellung von Lichtdecken sowie deren Vertrieb und Montage, was auch den An- und Verkauf aller erforderlichen Roh- und Hilfsstoffe mit einschloss. Durch das neue Tätigkeitsfeld wurden Banken, Versicherungen, Hotels, Verwaltungen und Küchenstudios als neue Kundensegmente erschlossen. Im Jahr 2000 wurde auf Grund des bis zu diesem Zeitpunkt angestiegenen Umsatzvolumens von ca. 125 Mio. EUR der Neu- und Ausbau eines Logistikzentrums und der Produktionsgebäude durchgeführt. Parallel wurde der Geschäftsbereich Neue Medien gegründet. Hierbei handelte es sich um eine innovative Produktentwicklung für CD-Verpackungen und CD-Visitenkarten aus Kunststoff, in der starke Wachstumsmöglichkeiten gesehen wurden. In den Jahren 1999 und 2000 wurden ca. 10 Mio. EUR zum Aufbau dieses Bereiches investiert. Die KML-Gruppe hatte zu diesem Zeitpunkt innerhalb der letzten zehn Jahre einen beständigen Ausbau der Geschäftstätigkeiten betrieben, sodass sie vier Geschäftsbereiche mit zehn Geschäftsfeldern umfasste, in denen in elf rechtlich selbständigen Gesellschaften 1.150 Mitarbeiter beschäftigt waren. Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Geschäftsbereichs- und Geschäftsfeldstruktur der Gruppe. Trotz der rasanten Entwicklung befand sich die Gruppe Ende 2000 in einer überlebensbedrohlichen Krise, deren Ursachen und Bewältigung im Anschluss dargestellt werden.
158 Geschäftsbereiche
Operative Gesellschaften
Geschäftsfelder
Kunststofftechnik (Umsatz ca. 40 Mio. EUR)
Kunststoff 1
Kunststoffartikel (Umsatz ca. 35 Mio. EUR)
Möbelfunktionstechnik (Umsatz ca. 56 Mio. EUR)
Möbel 1 Möbel 2
Warenpräsentation und Lichttechnik (Umsatz ca. 32 Mio. EUR)
Warenpräs. & Lichttechnik 1
Neue Medien (Umsatz ca. 2 Mio. EUR)
Neue Medien 1
Kunststoff 2
Kunststoff 3
Gurtsysteme (Umsatz ca. 5 Mio. EUR)
Kunststoff 4
Möbel 3
Medizinische Haltegriffe (Umsatz ca. 0,1 Mio. EUR)
Möbelbeschläge/ Accessoires (Umsatz ca. 23 Mio. EUR) Licht für Licht & Projekt Möbel (Umsatz ca. (Umsatz ca. 2 Mio. EUR) 27 Mio. EUR)
Warenpräs. & Lichttechnik 2
Warenpräs. & Lichttechnik 3
Zentralverriegelung (Umsatz ca. 0,1 Mio. EUR)
Komponenten für Staubsauger (Umsatz ca. 4 Mio. EUR)
Ladenbau (Umsatz ca. 17 Mio. EUR) Display (Umsatz ca. 15 Mio. EUR)
CD-Verpackungen (Umsatz ca. 2 Mio. EUR) CD-Visitenkarten (Umsatz ca. 0,1 Mio. EUR)
Neue Geschäftsfelder
Abb. 1: Geschäftsbereichs-, Gesellschafts- und Geschäftsfeldstruktur der KMLGruppe, Stand 2000
3
Die Krise und das Sanierungskonzept
Zum Ende des Geschäftsjahres 2000 hatte sich die KML-Gruppe in eine existenzielle Krise manövriert. Das prognostizierte Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit belief sich auf ca. -4 Mio. EUR, nachdem die Gruppe bereits seit 1994 ein kontinuierlich rückläufiges Ergebnis aufwies. Ein positives Jahresergebnis konnte auf Grund von umfangreichen Wertberichtigungen des Vorrats- und Anlagevermögens ebenfalls nicht erzielt werden. Die Gruppe erwirtschaftete einen Fehlbetrag von ca. -11 Mio. EUR, der sich später durch die im Sanierungskonzept vorgesehenen Maßnahmen noch auf circa -20 Mio. EUR erhöhen sollte. Das Eigenkapital wurde hierdurch nahezu halbiert, was einen Rückgang der Eigenkapitalquote auf 18% zur Folge hatte. Auch die Liquiditätssituation war bedrohlich, sodass Ende 2000 in Einzelfällen Auszahlungen verschoben werden mussten. Dabei war die Gruppe mit einem Volumen von rund 65 Mio. EUR an Verbindlichkeiten durch Banken finanziert. Die wesentlichen Kennzahlen der wirtschaftlichen Entwicklung der KML-Gruppe sind in Tabelle 1 dargestellt.
159 Ist 1998
Ist 1999
Forecast 2000
Umsatz
123
124
130
Ergebnis d. gew. Geschäftstätigkeit
1,4
1,4
-4,3
Jahresergebnis
0,5
0,9
11,3
Free Cashflow
-0,2
-2,2
-8,1
42
41
20
1.189
1.183
1.241
Eigenkapital Anzahl Mitarbeiter (Durchschnitt)
Tabelle 1: Kennzahlen KML-Gruppe: Ist 1998 - Forecast 2000 [Mio. EUR] Für die bedrohliche Unternehmenssituation waren mehrere Faktoren verantwortlich. Eine wesentliche Ursache bildete die umfangreiche Investitionstätigkeit in neue Geschäftsfelder, Märkte und Produkte. Insbesondere in den jungen Geschäftsbereich Neue Medien, die Auslandsaktivitäten und Produktinnovationen wurde investiert, ohne dass entsprechende Rückflüsse absehbar waren. So überstieg die Summe der Investitionen in 1999 und 2000 den operativen Cashflow um etwa 25 Mio. EUR. Darüber hinaus zeigten sich auch Schwächen im operativen Geschäft. Die Relation des Rohertrags pro Mitarbeiter im Verhältnis zum Personalaufwand pro Mitarbeiter war seit 1997 rückläufig. Zusätzlich kam es zu einem liquiditätsintensiven Aufbau der Vorräte, bei dem die Vorratsreichweiten anstiegen. Letztendlich zeichnete sich im Kerngeschäft eine Stagnation ab, die von hoher Wettbewerbsintensität und steigendem Preisdruck begleitet wurde. Eine weitere kostenseitige Belastung stellte der kontinuierliche Ausbau der Holdingstruktur dar. Letztendlich gab es noch unzureichende Synergien und Integrationsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Gesellschaften. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation entschied die Geschäftsführung in Absprache mit den finanzierenden Banken, im letzten Quartal 2000 mit Hilfe eines externen Beraters innerhalb von drei Monaten ein umfangreiches Sanierungskonzept zu erstellen. Dieses hatte die Erzielung eines ROCE von 10,5% bis Ende 2002 zum Ziel, wofür eine nachhaltige Ergebnisverbesserung in Höhe von rund 13 Mio. EUR notwendig war. Um diese zu erreichen, wurde die Durchführung von operativen und strukturellen Maßnahmen verabschiedet. Der wesentliche Anteil der Ergebnisverbesserung entfiel mit etwa 12 Mio. EUR auf die operativen Maßnahmen. Dabei sollten diese durch Personalabbau, Einsparungen beim Materialaufwand und beim sonstigen betrieblichen Aufwand erzielt werden. Weiter war im Rahmen der operativen Maßnahmen vorgesehen, die Liquidität durch den Abbau von Vorräten, Forderungen und durch „sale and lease back“ und Verkauf von Maschinen mit circa 5 Mio. EUR zu stützen. Mit den strukturellen Maßnahmen, die im Rahmen dieser Arbeit im Fokus stehen, wurde beabsichtigt, das Portfolio der Geschäftsfelder neu auszurichten und sich
160
auf die zukunftsträchtigen Bereiche zu konzentrieren. Darüber hinaus sollte durch die geplanten Desinvestitionen und Stilllegungen von Geschäftsfeldern nicht nur Liquidität generiert bzw. zukünftige Verlustpotenziale minimiert werden, sondern auch die Kapitalbindung bzw. Schulden der Gruppe reduziert werden. In diesem Zusammenhang wurde eine Bewertung der strategischen Position und Rentabilität der Geschäftsfelder durchgeführt, die im Anschluss noch genauer dargestellt wird. Durch die strukturellen Maßnahmen wollte man sich fast vollständig aus dem Bereich Kunststofftechnik zurückziehen. Geplant war dafür die Desinvestition der drei Gesellschaften Kunststoff 2, 3 und 4 sowie eines Teilbereiches von Kunststoff 1, in dem Ladegeräte für Handys mit Kunststoff umspritzt wurden (im Folgenden Teilbereich Handy genannt; zu den verwendeten Bezeichnungen der Gesellschaften siehe auch Abbildung 1). Lediglich die Gesellschaft Kunststoff 1 sollte fast vollständig in der Gruppe fortgeführt werden. Daneben war beabsichtigt, die Auslandsaktivitäten im Bereich Warenpräsentation & Lichttechnik in Asien (Warenpräsentation & Lichttechnik 3) stillzulegen, wobei vorher noch ein Verkauf versucht werden sollte. Ebenfalls in diesem Bereich war die Stilllegung einer kleineren Handelsgesellschaft im Inland (Warenpräsentation & Lichttechnik 2) geplant. Eine weitere Stilllegung war im Bereich Möbelfunktionstechnik für das kleinere Geschäftsfeld Licht & Möbel der Gesellschaft Möbel 3 vorgesehen, wobei auch eine Desinvestition in Betracht gezogen wurde. Insgesamt wurden fünf der elf vorhandenen Gesellschaften für eine Desinvestition oder Stilllegung ausgewählt. Zur Abwicklung war ein Zeitraum von sechs bis neun Monaten eingeplant. Lediglich bei Kunststoff 2 und 3 sollten die Desinvestitionen erst Mitte 2002 abgeschlossen werden. Im späteren Verlauf der Umsetzung ergaben sich allerdings einige Veränderungen hinsichtlich der strukturellen Maßnahmen, die im anschließenden Teil in Zusammenhang mit der Analyse der Selektion von Desinvestitionsobjekten und -formen noch näher erläutert werden. In Summe führten die strukturellen Maßnahmen zwar nur zu einer nachhaltigen Ergebnisverbesserung von ca. 1 Mio. EUR, allerdings erhoffte man sich einen Liquiditätszufluss von ca. 3 Mio. EUR und eine Reduzierung der Kapitalbindung um 21 Mio. EUR. Dabei erklärten sich die Banken bereit, dass die Liquidität aus den Desinvestitionen der Gesellschaften Kunststoff 4 und des Teilbereiches Handy in der Gruppe verbleiben und nicht zur Schuldentilgung herangezogen werden sollte. Zur Finanzierung der Sanierung wollten die Banken keine neue Liquidität zur Verfügung stellen. Lediglich eine Landesbürgschaft und ein Gesellschafterbeitrag konnten eingesetzt werden. Die verbleibende Liquiditätslücke musste durch die Gruppe selbst im Rahmen der operativen und strukturellen Maßnahmen generiert werden.
161
4
Vorgehen bei der Selektion von Desinvestitionsobjekten
Bei der Erstellung des Desinvestitionsprogrammes der KML-Gruppe sowie dessen Umsetzung waren mehrere interne und externe Parteien beteiligt. Die qualitativen und quantitativen Bewertungen hinsichtlich der strategischen Relevanz bzw. der Werthaltigkeit wurden dabei im Wesentlichen von einem externen Berater und Mitarbeitern der Holding aus dem Finanzbereich durchgeführt. Die letztendliche Auswahl der Objekte und die Durchführung der Transaktionen wurden von der Geschäftsführung selbst übernommen. Bei rechtlichen Fragen wurden externe Rechtsberater in den Prozess integriert. Auf Seite des Desinvestitionsobjektes wurden die jeweiligen Geschäftsführungen von der geplanten Desinvestition informiert, wobei die Geschäftsführer der Holding häufig gleichzeitig die Geschäftsführung der zu desinvestierenden Gesellschaften verantworteten. Die Mitarbeiter oder der Betriebsrat wurden erst zum Zeitpunkt der Desinvestition informiert.
30 Möbel 3 20 Kunststoff 2
10
Möbel 1
Kunststoff 3
0
Möbel 2
Umsatzren- -10 dite1) [%] -20
Warenpräs. & Lichtt. 1
Kunststoff 1
Kunststoff 4
-30 -40
Warenpräs. & Lichtt. 2
-50
Neue Medien 1 -60 -40
Umsatz 2000
-30
-20
-10 0 ∆ Umsatz [%]
Kunststofftechnik
Warenpräsentation und Lichttechnik
Möbelfunktionstechnik
Neue Medien
10
20
30
1) Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit/Umsatz
Abb. 2: Rentabilitätssegmentierung der KML-Gruppe nach Gesellschaften, Stand 2000 In Zusammenhang mit den strukturellen Maßnahmen wurden die einzelnen Geschäftsfelder nach unterschiedlichen Aspekten analysiert. In diesem Zusammenhang erfolgte auch eine Unterscheidung nach Performern und Non-Performern. Dabei wurde wie in Abbildung 2 dargestellt die Umsatzrendite auf Basis des Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Umsatzabweichung zum Plan im Jahr 2000 gegenübergestellt. Insgesamt wurden zehn der elf Gesellschaften
162
analysiert. Die Aktivitäten der Gesellschaft Warenpräsentation & Lichttechnik 3 in Asien wurden dabei separat analysiert. Gemäß dieser ersten Analyse wies nur die Gesellschaft Möbel 3 eine positive Umsatzrendite auf und war somit zunächst der einzige Performer. Weitere Analysen ergaben allerdings, dass dies nicht für den Teilbereich Handy von Kunststoff 1 galt. Dieser war nur durch eine hohe Fixkostenbelastung zum Non-Performer avanciert, die bei einem potenziellen Investor nicht anfallen würde. Ebenso war das Ergebnis von Kunststoff 4 durch Abschreibungen von Firmenwerten und einen auslaufenden Mietvertrag belastet, die in Zukunft entfallen würden. Vor diesem Hintergrund wurden diese Gesellschaften ebenfalls als Performer betrachtet. Alle anderen Gesellschaften erwirtschafteten negative Renditen, wiesen verstärkt Abweichungen zum Planumsatz auf und wurden daher als Non-Performer eingestuft. Die Gesellschaft Warenpräsentation & Lichttechnik 1 erzielte dabei mit ca. -1,6 Mio. EUR das höchste, absolute negative Ergebnis, gefolgt von der Einheit Neue Medien mit einem Ergebnis von ca. -1 Mio. EUR. Die Situation, dass fast alle Gesellschaften eine negative Geschäftssituation zeigten, stellte die Geschäftsführung vor eine besondere Herausforderung. Es galt nicht nur für einzelne Non-Performer zu entscheiden, ob diese saniert, stillgelegt oder desinvestiert werden sollten, sondern die Bereiche und Geschäftsfelder der Gruppe mussten neu strukturiert und ein neues, zukunftsfähiges Bereichskonzept entwickelt werden. Vor diesem Hintergrund wurden erste grobe Überlegungen für mögliche strukturelle Maßnahmen angestellt, die noch durch weitere Analysen überprüft wurden. Eine Idee bestand darin, die Gesellschaft Möbel 3 als profitabelste Einheit zu veräußern, um damit die Sanierung der verbleibenden Einheiten zu finanzieren. Eine weitere Lösungsmöglichkeit wurde in der Desinvestition des kapitalintensivsten Bereiches, der Kunststofftechnik, bei Fortführung der Bereiche Möbelfunktionstechnik und Warenpräsentation & Lichttechnik gesehen. Hinsichtlich der Veräußerbarkeit wurden verschiedene Sachverhalte betrachtet. Bei den unternehmensinternen, beteiligungsspezifischen Faktoren wurde vor allem eine positive Einschätzung hinsichtlich der Datenqualität getroffen. Diese war bei allen Einheiten auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Eigenständigkeit und eines effizienten EDV-Systems sehr hoch. Bezüglich der gesamtunternehmensspezifischen Kriterien erhielt der Grad der operativen Verbundeffekte eine besondere Bedeutung. So gab es Abhängigkeiten zwischen den Gesellschaften Kunststoff 1 und Möbel 3. Dabei belief sich der interne Umsatzanteil von Kunststoff 1 mit Möbel 3 auf ca. 50%. Zudem bedienten die beiden Gesellschaften im Wesentlichen die gleichen Endkunden mit ihren Produkten. Eine Veräußerung beider Einheiten wäre daher nur im Paket sinnvoll gewesen. Dies galt nicht für den Teilbereich Handy der Gesellschaft Kunststoff 1. Ähnliche Beziehungen wiesen auch die Gesellschaften Kunststoff 2 und 3 auf, die
163
einen engen operativen Verbund bildeten und die Gesellschaften Möbel 1 und 2. Die restlichen Einheiten wiesen keine größeren Verbundeffekte auf. Bei der Beurteilung der unternehmensexternen Faktoren zeigten sich bei den einzelnen Geschäftsbereichen und Gesellschaften Unterschiede. Dem Bereich Kunststofftechnik wurde in diesem Punkt eine hohe Attraktivität beigemessen. Die potenziellen Interessenten bestanden in zwei bis drei Konkurrenten, die mit dem Kauf der Gesellschaften Synergien realisieren konnten. Diese Einschätzung bezog sich sowohl auf die Produktionskosten als auch auf die Kundenseite. Dabei hätten die Wettbewerber ihre Stellung bei Großkunden ausbauen können und wären deren größte Lieferanten geworden. Eine ähnlich hohe Attraktivität wurde dem Performer Möbel 3 zugeordnet, der wegen seiner positiven Ergebnisse für potenzielle Wettbewerber interessant gewesen wäre. Auf Grund der geringen Geschäftsaktivitäten wurden insbesondere den Gesellschaften Warenpräsentation & Lichttechnik 2 und 3 eine niedrige Attraktivität für einen potenziellen Investor zugestanden. Die Stakeholder stellten bei der Selektion der Desinvestitionsobjekte ebenfalls einen relevanten Faktor dar. Bei Betrachtung der Kunden ergab sich für die Gesellschaften Kunststoff 2 und 3, die bereits hohe operative Verflechtungen aufwiesen, dass sie im Wesentlichen auch die gleichen Kunden bedienten. Die Geschäftsführung ging davon aus, dass bei isolierter Veräußerung einer der beiden Gesellschaften die Kundenbeziehungen für die andere Gesellschaft in Mitleidenschaft gezogen würden. Dies belegte die Einschätzung, dass nur ein Verkauf beider Gesellschaften Sinn machte. Weitere Kundenverflechtungen wiesen auch die Gesellschaften Möbel 1 und 3 auf. Weiteren Einfluss auf die Selektion übten auch der Hauptaktionär und die Banken aus. So sah der Hauptaktionär eine besondere Zukunftsfähigkeit für den jungen Bereich Neue Medien. Weiter gab es einige finanzierende Banken, die eine Sanierung und Fortführung der Gesellschaft Warenpräsentation & Lichttechnik 1 befürworteten. Dabei wies diese Gesellschaft als einzige eine eigenständige Finanzierung auf – die anderen Bereiche wurden zentral über die AG finanziert. Eine zentrale Rolle bei der letztendlichen Entscheidung für die Selektion spielte die sehr detailliert bewertete strategische Relevanz der Bereiche. Dabei erfolgte eine Bewertung der einzelnen Geschäftsfelder hinsichtlich ihrer Marktattraktivität, Wettbewerbsstärke und der Rentabilität. Die Analyse der Rentabilität wurde auf Basis des ROCE durchgeführt. Im Rahmen der Marktattraktivität und Wettbewerbsstärke wurde ein Scoring-Modell entwickelt, dessen Kriterien und Gewichtungen in Abbildung 3 dargestellt sind.
164
Marktattraktivität Kriterien/ Gewichtung
Wettbewerbsstärke
1. Marktentwicklung
40%
5. Relativer Marktanteil
40%
2. Preisentwicklung
20%
6. Leistungsangebot
15%
3. Marktrendite
20%
45%
4. Marktbedingungen
20%
7. Erfolgsfaktoren – Preis – Qualität – Know-how – Termintreue – Innovationen – Service/Beratung
Abb. 3: Scoring-Modell zur Markt- und Wettbewerbsbewertung Die Markt- und Wettbewerbsanalysen basierten dabei auf Einschätzungen des Managements der Geschäftfelder, die durch externe Kundenbefragungen ergänzt wurden. Die daraus gewonnen Erkenntnisse über die Geschäftsfelder sind in Abbildung 4 dargestellt. Der Geschäftsbereich Neue Medien wurde zunächst ausgeklammert, da Chancen und Risiken in Zusammenhang mit einem noch in Arbeit befindlichen Vermarktungskonzept erfasst werden sollten. 2 Medizinische Haltegriffe (Kunststoff 4)
1.5
Display (Warenpräs. & Lichtt. 1-3)
Ladenbau (Warenpräs. & Lichtt. 1-3)
1
Komponenten für Staubsauger (Kunststoff 4)
0.5 Marktattraktivität
Kunststoffartikel (Kunststoff 1-3)
0 Licht & Projekt (Möbel 3)
-0.5 -1
Möbelbeschläge & Accessoires (Möbel 1 & 2)
-1.5
Gurtsysteme (Kunststoff 4)
Licht für Möbel (Möbel 3)
-2 -2
-1.5
-1
-0.5 0 0.5 Wettbewerbsstärke
1
1.5
2
Umsatz in Mio. EUR
Abb. 4: Ergebnis der Markt- und Wettbewerbsanalyse der KML-Gruppe nach Geschäftsfeldern Hinsichtlich der Performer, die man zur Finanzierung der Sanierung der Gruppe brauchte, ergab sich, dass das Geschäftsfeld Licht für Möbel, das aus der Gesellschaft Möbel 3 bestand, die stärkste Wettbewerbsposition aufwies, als wesentliches Kerngeschäft gesehen wurde und somit erst mit letzter Priorität veräußert
165
werden sollte. Die anderen beiden Performer, Kunststoff 4 und der Teilbereich Handy, wiesen demgegenüber eine geringere strategische Relevanz auf. Zusätzlich zählten deren Aktivitäten nicht zum Kerngeschäft der KML-Gruppe. Bei den Non-Performern wurde ebenso wie bei den Performern die strategische Relevanz auf Basis der Marktattraktivität, Wettbewerbsstärke und Bedeutung für das Kerngeschäft betrachtet. Zunächst wurde entschieden das Geschäftsfeld Licht & Projekt der Gesellschaft Möbel 3 stillzulegen, da es sich um eine kleinere Randaktivität mit hoher negativer Rendite, einer geringen strategischen Relevanz und einer niedrigen Veräußerbarkeit handelte. Auf Grund der geringen Größe wurde auch davon ausgegangen, dass die Stilllegungskosten durch die Erlöse aus Anlageverkäufen gedeckt werden könnten. Gleiches galt für die Aktivitäten in Asien, der Gesellschaft Warenpräsentation & Lichttechnik 3 und die kleine Gesellschaft Warenpräsentation & Lichttechnik 2, für deren Ausbau zu einer kritischen Größe hin erhebliche finanzielle Mittel notwendig gewesen wären. Allerdings sollte vor einer Stilllegung der beiden Gesellschaften nach einem potenziellen Kaufinteressenten gesucht werden. Problematischer stellte sich die Entscheidung dar, aus welchen größeren NonPerformern der großen drei Geschäftsbereiche man sich zurückziehen sollte bzw. welche Bereiche saniert werden sollten. Dabei wies der Bereich Warenpräsentation & Lichttechnik mit den Geschäftsfeldern Ladenbau und Display noch eine höhere Marktattraktivität auf als die Geschäftsfelder Kunststoffartikel und Möbelbeschläge & Accessoires. Um die Entscheidung fällen zu können, wurde für die jeweiligen Gesellschaften noch deren Sanierungsfähigkeit analysiert. Dabei bestand die Zielsetzung, dass die Einheiten nach der Sanierung mittelfristig ein ROCE von 10,5% erzielen sollten. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass diese Zielsetzung für die Gesellschaften Kunststoff 2 und Möbel 1 nicht erreichbar erschien, wobei der Gesellschaft Möbel 1 eine größere Relevanz für das Kerngeschäft zukam und die Gesellschaft eine führende Marktposition aufwies. Gegen die Beibehaltung der Gesellschaft Kunststoff 2 sprach auch deren hohe Kapitalintensität. Zusätzlich waren gerade erst umfangreiche Investitionen in ein neues Werk der Gesellschaft Möbel 1 getätigt worden. Für die anderen Non-Performer wurde eine Sanierung als realistisch erachtet. Das im Anschluss verabschiedete Desinvestitionsprogramm umfasste hinsichtlich der Performer die Gesellschaften Kunststoff 4 und den Teilbereich Handy. Dabei wurde in Absprache mit den Banken vereinbart, dass die Veräußerungserlöse zur Finanzierung der Sanierung in der Gruppe verbleiben sollten und nicht zur Schuldentilgung einzusetzen waren. Bei den Non-Performern wurde entschieden, die Gesellschaft Kunststoff 2 zu desinvestieren, da diese eine schlechte strategische Position besaß und nicht sanierbar erschien, aber eine gute Veräußerbarkeit aufwies. Zudem konnte die Verschuldung der Gruppe stark reduziert werden, da die Anlagen der Einheit als Sicherheit für Darlehen begeben worden waren. Auf
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Grund der engen Verflechtung zur Gesellschaft Kunststoff 3 wurde auch diese zur Desinvestition bestimmt. Dies bedeutete einen fast vollständigen Rückzug aus dem Kunststoffbereich. Die Gesellschaft Kunststoff 1 sollte allerdings auf Grund ihrer Verflechtungen zur Möbelfunktionstechnik und der positiv eingeschätzten Sanierbarkeit bei der KML-Gruppe verbleiben. Eine Übersicht über die geplanten Maßnahmen gibt Tabelle 2. Geschäftsbereich
Gesellschaft
Einordnung
Veräußer- StrateDesinvesbarkeit gische tition Relevanz
SanieStillrung/ legung Fortführ.
Kunststofftechnik
Kunststoff 1
Non-Performer bis auf einen Teilbereich Non-Performer
hoch
hoch
(X „Handy“)
X
hoch
niedrig
X
Kunststoff 3 Kunststoff 4
Non-Performer Performer (nach Bereinigung Einmaleffekte)
hoch hoch
niedrig niedrig
X X
Möbelfunktionstechnik
Möbel 1 Möbel 2 Möbel 3
Non-Performer Non-Performer Performer (bis auf Geschäftsfeld Licht & Projekt)
mittel mittel mittel mittel hoch hoch (niedrig bei GF Licht & Projekt)
X X X
Warenpräsentation & Lichttechnik
Warenpräs. & Lichtt. 1 Warenpräs. & Lichtt. 2 Warenpräs. & Lichtt. 3
Non-Performer
mittel
mittel
X
Non-Performer
niedrig
niedrig
X
Non-Performer
niedrig
niedrig
X
-
-
Kunststoff 2
Neue Medien
Neue Medien 1 Non-Performer
-
-
(X Licht & Projekt)
-
Tabelle 2: Analyseergebnis und Desinvestitionsprogramm KML-Gruppe (Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Daten der KML-Gruppe) Die Effekte der vorgesehenen Desinvestitionen, Stilllegungen bzw. Schließungen wurden im Rahmen von Business-Plänen für die einzelnen Einheiten erfasst und zu einer Gesamtplanung zusammengeführt, die sich aus den Bestandteilen GuV-, Bilanz- und Liquiditätsplanung zusammensetzte. Hinsichtlich der zur Desinvestition vorgesehenen Performer und Non-Performer wurde eine Bewertung auf Basis der Discounted-Cashflow-Methode (DCF) durchgeführt. Die unterstellten Planungsszenarien beinhalteten dabei operative Sanierungsmaßnahmen, die den Wert der jeweiligen Einheit erhöhten. Verbundeffekte waren nicht zu berücksichtigen, da die einzigen Einheiten mit einer operativen Leistungsverflechtung, Kunststoff 2 und 3, im Paket verkauft werden sollten. Synergien möglicher Käufer wurden nicht in die Planung einbezogen. Auch Kaufpreisabschläge wurden nicht vorgenommen. Hinsichtlich der Berechnung der Ergebnis- bzw. Liquiditätseffekte wurden die bei Desinvestition zu korrigierenden
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Buchwerte bzw. Verbindlichkeiten berücksichtigt. Die in die Planung eingestellten Effekte dienten auch gleichzeitig als Kaufpreisuntergrenze. Für die zu sanierenden Non-Performer wurde die jeweilige Teilplanung inklusive der Sanierungsmaßnahmen in die Gesamtplanung der KML-Gruppe eingestellt. Soweit eine Stilllegung vorgesehen war, wurde die Stilllegungsplanung für die entsprechenden Einheiten in die Gesamtplanung aufgenommen. Dies galt auch für die stillzulegenden Einheiten, bei denen eine Desinvestition noch versucht werden sollte, da man die Wahrscheinlichkeit eines Verkaufs als sehr niedrig einschätzte. Im Laufe der Umsetzung des Sanierungskonzeptes ergaben sich allerdings Veränderungen, die eine grundlegende Neukonzeption der strukturellen Maßnahmen und somit des Desinvestitionsprogrammes erforderlich machten. Nur auf Grund der hohen Flexibilität und der schnellen Reaktionsfähigkeit der Geschäftsführung konnte ein Scheitern der Sanierung verhindert werden. Beginnend mit den Performern konnte zwar die Gesellschaft Kunststoff 4 plangemäß desinvestiert werden, allerdings ergaben sich für den Teilbereich Handy einige wesentliche Veränderungen. Der Hauptkunde, ein Zulieferer für einen großen Mobilfunkanbieter, hatte sich entschieden, die Produkte aus China zu beziehen und verlängerte die bestehenden Vertragsbeziehungen nicht. Für den Teilbereich Handy bedeutete dies den Zusammenbruch des gesamten Geschäftes, was die Einheit auch gleichzeitig wertlos für alle potenziellen Investoren machte. Es bestand lediglich die Möglichkeit, einzelne Maschinen des Teilbereiches zu verkaufen und die Aktivitäten stillzulegen. Dementsprechend blieben auch die geplanten, zur Sanierung benötigten Liquiditätseffekte aus. Die nächste einschneidende Veränderung ereignete sich bei den Non-Performern. Die zur Stilllegung vorgesehenen Einheiten wurden plangemäß ergebnis- und liquiditätsneutral abgewickelt. Dabei konnte für die Gesellschaft Warenpräsentation & Lichttechnik 3 in Thailand ein Käufer gefunden werden, der zumindest einen geringen Kaufpreis zu zahlen bereit war. Probleme ergaben sich allerdings hinsichtlich der zu desinvestierenden Kunststoffeinheiten 2 und 3 und der zu sanierenden Einheiten Möbel 1 und Warenpräsentation & Lichttechnik 1. Die beiden Kunststoffgesellschaften entwickelten sich besser als in der Planung vorgesehen. Die parallel zu den Desinvestitionsaktivitäten eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen konnten schnell umgesetzt werden, sodass die Einheiten eine positive Entwicklung hinsichtlich Ergebnis und Liquidität aufwiesen. Allerdings ließ sich kein Käufer finden, der den geplanten Kaufpreis bezahlt hätte, der zur Entschuldung der Gruppe vorgesehen war. Bei den Einheiten Möbel 1 und Warenpräsentation & Lichttechnik 1 ergab sich ebenfalls ein anderer Verlauf als geplant. Bei beiden Gesellschaften brachen die Märkte weiter ein, sodass die geplanten Sanierungsmaßnahmen zur Gesundung nicht ausreichten. Beide Einheiten verzeichneten weiter einen kurzfristigen, nicht einkalkulierten Liquiditätsbedarf.
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Die Geschäftsführung der KML-Gruppe reagierte umgehend auf diese Entwicklungen. Innerhalb kürzester Zeit wurden neue Analysen angefertigt. Hieraus ergab sich, dass sich die Markt- und Wettbewerbssituation für den Bereich Kunststofffunktionstechnik zunehmend verbessern und sich umgekehrt die Aussichten für das Geschäftsfeld von Möbel 1 und Warenpräsentation & Lichttechnik 1 verschlechtern würden. Dementsprechend fiel die Entscheidung, die Kunststoffgesellschaften 2 und 3 zu behalten und sich aus den anderen beiden Einheiten zurückzuziehen. Für die Einheit Möbel 1 konnte kurzfristig ein strategischer Käufer aus der Branche gefunden werden, der die Gesellschaft für 1 Euro übernahm, sodass keine weitere Liquidität für den Bereich zur Verfügung gestellt werden musste. Für die Einheit Warenpräsentation & Lichttechnik 1 wurde nach Abstimmung mit den finanzierenden Banken Insolvenz angemeldet. Dies schien die einzig mögliche Alternative, da die absehbaren Verpflichtungen nicht finanzierbar gewesen wären und sich kurzfristig kein Käufer fand. Da die Einheit eine selbständige Finanzierung besaß und auch operativ nie in die Gruppe eingegliedert worden war, war von keinen negativen Folgewirkungen für die Gruppe oder möglichen Haftungsverpflichtungen auszugehen. Als letzte Veränderung zum ursprünglichen Konzept wurde auch der Bereich Neue Medien nicht fortgeführt, da die in der Zwischenzeit vorgenommenen Analysen nur geringe Aussichten auf eine baldige Profitabilität der Aktivitäten ergaben. Die Einheit wurde dementsprechend stillgelegt, wobei die wesentlichen Maschinen an einen Produzenten von CD-Rohlingen veräußert werden konnten. Trotz der hohen Abschreibungen für die Maschinen deckten die erzielten Veräußerungserlöse die Stilllegungskosten ab; damit konnte ein großer Teil der durch das Scheitern der Desinvestition des Teilbereiches Handy fehlenden Liquidität generiert werden. Im Ergebnis konnte trotz der letztendlichen Änderung bei den strukturellen Maßnahmen das Überleben der KML-Gruppe gesichert werden und die nachhaltige Rentabilität mit den Gesellschaften der im Wesentlichen verbliebenen Bereiche Kunststofftechnik und Möbelfunktionstechnik plangemäß bis 2003 abgesichert werden.
5
Erkenntnisse und Ansätze eines allgemeinen Modells
Im Rahmen der Analyse wesentlicher Erfolgsfaktoren für die Desinvestitionen ergaben sich im Fall der KML-Gruppe mehrere Faktoren. Zunächst war die Selektion der Beteiligungen von entscheidender Bedeutung. Dabei war es wichtig, Einheiten auszuwählen, die mit einer hohen Veräußerungswahrscheinlichkeit ein-
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fach und schnell am Markt desinvestierbar waren. Hierbei wurde vor allem noch einmal der Punkt des Marktumfeldes für Desinvestitionen hervorgehoben. Des Weiteren bestanden nach den Erfahrungen bei den Non-Performern geringere Probleme bei der Desinvestition, wenn diese zu einem Kaufpreis von 1 EUR erfolgte und eine positive Fortführungsmöglichkeit für die Einheit dargestellt werden konnte. Zudem ließen sich Geschwindigkeit und Kaufpreis erhöhen, wenn an Investoren aus dem Branchenumfeld desinvestiert wurde, die mögliche Synergien beim Kauf realisieren konnten. Für eine Veräußerung von Einheiten mit positiver Geschäftsentwicklung war es gegenüber der Desinvestition von Non-Performern einfacher, Käufer zu finden. Als letzter Punkt wurde auf die Notwendigkeit einer hohen Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit hingewiesen, wenn es zu unvorhergesehenen Veränderungen bei der Umsetzung von Maßnahmen im Allgemeinen und insbesondere von Desinvestitionsmaßnahmen kommt. Hieraus lassen sich wesentliche Erkenntnisse ableiten, die – wie bereits einleitend erwähnt – im Rahmen einer abgeschlossenen Untersuchung die Entwicklung eines allgemeinen Modells ermöglichten. An dieser Stelle sollen nur der grundsätzliche Ansatz und Aufbau des Modells kurz erläutert werden. Die Desinvestition wird dabei im Zusammenhang mit der Krisensituation aus zwei Perspektiven betrachtet. Zum einen bietet die Desinvestition von Unternehmensbereichen die Möglichkeit, finanzielle Mittel zu generieren; zum anderen stellt sie eine mögliche Handlungsalternative dar, den Finanzmittelbedarf zu senken. Beim erstgenannten Aspekt steht die Fragestellung im Fokus, welche Beteiligungen verkauft werden müssen, um einen möglichst hohen Zufluss finanzieller Mittel erwirtschaften zu können, ohne möglichst das Gesamtunternehmen nachhaltig zu schwächen. Beim zweiten Aspekt wird analysiert, inwiefern die Desinvestition eine geeignete Handlungsalternative darstellt, zum Beispiel gegenüber einer Sanierung für eine Beteiligung, die aktuell eine negative wirtschaftliche Entwicklung aufweist. Grundsätzlich bietet das entwickelte Modell die Möglichkeit einer Analyse und des Abgleichs des aus der Desinvestition der Performer erzielbaren Finanzmittelpotenzials und des für die Lösung der Probleme der Non-Performer erwachsenden Liquiditäts- und Eigenkapitalbedarfs. Der Aufbau des Modells ist an die Abfolge der durchzuführenden Analysen angelehnt und gliedert sich in vier Module. Dabei besitzt die Abfolge keinen deterministischen Charakter, sodass einige Analysen auch parallel erfolgen können. Den Grundaufbau zeigt Abbildung 5. Den Ausgangspunkt bildet eine Einordnung der einzelnen Geschäftsfelder. In diesem ersten Modul erfolgt eine Einteilung in Performer und Non-Performer, die eine erste Priorisierung für die anschließenden Analysen ermöglicht. Ziel ist es, sowohl die in der Ausgangssituation größten liquiditäts- und eigenkapitalverbrauchenden als auch die größten liquiditäts- und eigenkapitalschaffenden Beteiligungen bzw. Geschäftsfelder zu identifizieren.
170 Module
Zielsetzung
1
2 Einordnung der Geschäftsfelder
• Übersicht über Ausgangslage Beteiligungen • Einteilung in Non-Performer und Performer für die Folgeschritte
3 Performer Analyse (Finanzmittelpotenzial)
• Bestimmung des kurzfristig realisierbaren Finanzmittelpotenzials
4 Non-Performer Analyse (Finanzmittelbedarf)
• Bestimmung des kurzfristigen Finanzmittelbedarfs
Festlegung der Desinvestitionskandidaten • Optimierte Schließung der Liquiditäts- und Eigenkapitallücke
Abb. 5: Module und Zielsetzungen des Selektionsmodells in Krisen Das zweite Modul dient der Ermittlung des durch die Desinvestition von Performern kurzfristig generierbaren Liquiditäts- und Eigenkapitalpotenzials. Die Analyse ist somit ausschließlich auf Desinvestitionsmöglichkeiten konzentriert. Zur Bestimmung der kurzfristig veräußerbaren Beteiligungen wird ein Filterverfahren eingesetzt, welches zunächst die Veräußerbarkeit und anschließend die Werthaltigkeit der Beteiligungen bestimmt. Ziel dieses Filters ist die Ermittlung von kurzfristig veräußerbaren Beteiligungen und deren jeweiligen Potenzials zur Generierung von Liquidität und Eigenkapital. Um eine abschließende Rangfolge für die Desinvestitionsabfolge aufzustellen, wird neben den finanzwirtschaftlichen Kriterien in einem weiteren Teilschritt die strategische Bedeutung der Beteiligung herangezogen. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Beteiligungen mit geringer strategischer Relevanz zuerst veräußert werden, um die Liquiditäts- und Eigenkapitallücke zu schließen. Abschließend wird in diesem Modul ermittelt, welches Finanzmittelpotenzial sich aus der Desinvestition von kurzfristig veräußerbaren Beteiligungen ergibt, durch deren Verkauf die strategische Position des verbleibenden Gesamtunternehmens nicht nachhaltig geschädigt wird. Im anschließenden Modul drei erfolgt eine Betrachtung der Non-Performer. Ziel der durchgeführten Analysen ist die Aufstellung von mittel- bis langfristig bestmöglichen Handlungsalternativen zur Lösung der Probleme der Non-Performer und der Ableitung des hierfür benötigten Finanzmittelbedarfs. Den Ausgangspunkt bildet die Beurteilung der kurzfristigen Veräußerbarkeit und der strategischen Relevanz der Beteiligungen. Im Gegensatz zur Analyse der Performer werden hierdurch jedoch nicht die Desinvestitionskandidaten direkt ermittelt. Auf Basis der Analysen wird die mittel- bis langfristig bestmögliche Handlungsalternative abgeleitet. Die Desinvestition bildet dabei neben der Fortführung und Sanierung der Beteiligung sowie der Stilllegung nur eine mögliche Handlungsalternative. Nach der Festlegung der Alternativen für die jeweiligen Beteiligungen wird im Anschluss auf Basis von Business-Plänen der Finanzmittelbedarf für die Non-Performer berechnet. An dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine endgültige Auswahl der Handlungsalternativen getroffen wird.
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Das letzte Modul vier dient der Zusammenführung der Erkenntnisse des zweiten und dritten Moduls und der Ableitung der Desinvestitionskandidaten. Hierzu erfolgt ein Abgleich des Bedarfs an finanziellen Ressourcen mit dem vorhandenen Potenzial. Dabei wird zunächst analysiert, inwiefern sich der aus der Durchführung der Handlungsalternativen für die Non-Performer ergebende Bedarf an finanziellen Ressourcen durch die Desinvestition der Performer ohne strategische Relevanz gedeckt werden kann. Liegt eine Unterdeckung bezüglich der Liquidität oder des Eigenkapitals vor, besteht die Möglichkeit weitere Performer zu desinvestieren oder die Finanzmittel schonenden Handlungsalternativen für die NonPerformer auszuwählen. In der detaillierten Ausgestaltung des Modells sind die für die einzelnen Module erforderlichen Instrumentarien und Analysemethoden genau beschrieben und ermöglichen somit die Aufstellung eines objektiven und analytisch nachvollziehbaren Desinvestitionsprogrammes, das auf die Krisensituation des Unternehmens abgestimmt ist. Dem Management wird damit ein Instrumentarium an die Hand gegeben, das den zielgerichteten Einsatz von Desinvestitionen in existenzbedrohenden Situationen ermöglicht.
Literaturverzeichnis Böckenförde, B. (1996): Unternehmenssanierung, 2. Auflage, Stuttgart. Buth, A. K./Hermanns, M./Janus, R. (1998): Finanzwirtschaftliche Aspekte der Fortführung von Krisenunternehmen. In: Buth, A. K./Hermanns, M. (Hrsg.): Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz. München, S. 224-245. Buth, A. K./ Hermanns, M. (1998): Grundsätzliches und formelle Aspekte zur Beurteilung von Sanierungskonzepten. In: Buth, A. K./ Hermanns, M. (Hrsg.): Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz. München 1998, S. 351-361. Hess, H./Fechner, D./Freund, K./Körner, F. (1998): Sanierungshandbuch. 3. Auflage, Neuwied u.a.O. Kötzle, A. (1993): Die Identifikation strategisch gefährdeter Geschäftseinheiten. Berlin. Kraft, V. (2001): Private Equity Investitionen in Restrukturierungen und Turnarounds. Frankfurt/Main. Rechsteiner, U. (1995): Desinvestition zur Unternehmenswertsteigerung. Aachen. Thissen, S. (2000): Strategisches Desinvestitionsmanagement: Entwicklung eines Instrumentariums zur Bewertung ausgewählter Desinvestitionsformen. Frankfurt/Main u.a.O. Weiher, G. (1996): Das situative Desinvestitionsmodell. Entwicklung eines Instrumentariums zur Entflechtung diversifizierter Unternehmen. St. Gallen.
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Autorenverzeichnis Blatz, Michael, studierte Maschinenbau und beendete das Studium mit dem Abschluss Diplom-Ingenieur. Seit 1990 berät Michael Blatz die Kunden von Roland Berger Strategy Consultants mit dem Schwerpunkt Restrukturierung und strategische Neuausrichtung. Michael Blatz ist seit 1998 Partner und seit zwei Jahren Leiter des Competence Centers Restructuring & Corporate Finance. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Brunke, Bernd, ist Partner im Competence Center Restructuring & Corporate Finance bei Roland Berger Strategy Consultants in Berlin. Er berät europaweit und in den USA Manager sowohl mittelständischer Unternehmen als auch internationaler Großkonzerne insbesondere bei der Restrukturierung ihrer Unternehmen. Bernd Brunke trat 1996 in das Unternehmen ein und wurde 2001 Partner der Gesellschaft. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Falckenberg, Max, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Passau, der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Haas School of Business der University of California, Berkeley/USA und ist seit 1999 Certified Public Accountant (CPA). Vor seinem Einstieg bei Roland Berger Strategy Consultants 2000 arbeitete er fünf Jahre bei der KPMG in Berlin, London und Düsseldorf. Max Falckenberg ist seit 2004 Principal im Competence Center Restructuring & Corporate Finance mit Schwerpunkten im Handel und Bau. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Karl-Arnold-Platz 1, 40474 Düsseldorf
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Haghani, Sascha, Dr. rer. pol., absolvierte nach einer Pharmazeutischen Industriekaufmannslehre zunächst ein Studium der Volkswirtschaft in Freiburg im Breisgau, später Betriebswirtschaft in der Schweiz. 1992 stieg er zunächst als Freelancer, 1994 dann als Berater in das Competence Center Restructuring & Corporate Finance bei Roland Berger Strategy Consultants ein. Dort wurde er zum Januar 2000 zum Partner gewählt. Seine Schwerpunkte sind finanzielle Restruk-
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turierungen von mittelständischen Unternehmen sowie die strategische Neuausrichtung, insbesondere in den Branchen Handel, Großhandel und Bau. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Karl-Arnold-Platz 1, 40474 Düsseldorf
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Johnen, Uwe, studierte in Aachen Betriebswirtschaftslehre und Maschinenbau. Er verstärkt seit 1996 das Team des Competence Centers Restructuring & Corporate Finance, nachdem er zuvor bereits fünf Jahre Beratererfahrung gesammelt hat. Als Partner bei Roland Berger Strategy Consultants leitet Uwe Johnen Projekte zur Restrukturierung und strategischen Neuausrichtung, schwerpunktmäßig in den Branchen Maschinenbau sowie in der Automobilzulieferindustrie. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Kraus, Karl-J., studierte Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten Unternehmensführung, Strategie und Marketing. Nach ersten Berufsstationen in der Industrie (unter anderem fünf Jahre Fichtel & Sachs-Konzern) begann er seine Beraterlaufbahn 1981 bei Roland Berger Strategy Consultants. 1984 wurde Karl-J. Kraus zum Associate Partner, 1986 zum Partner der Gesellschaft ernannt. Ab 1990 baute er den Berliner Standort und das Competence Center Restructuring & Corporate Finance auf. Von 1994 bis 1999 gehörte Karl-J. Kraus dem Management Committee an. Von Ende 1999 bis Juni 2003 war er Vorsitzender des Management Committee Deutschland. Neben seiner operativen Tätigkeit wurde Karl-J. Kraus zum 1. Juli 2003 zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden der Roland Berger Beteiligungs GmbH gewählt. Darüber hinaus ist er Beiratsvorsitzender der CMP Capital Management Partners GmbH und hat weitere Aufsichtsratsmandate inne. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Kuhlwein von Rathenow, Nils R., war nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in der Industrie und bei einem großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen tätig, bevor er 1997 zu Roland Berger Strategy Consultants kam. Im Sommer 2002 wurde er zum Partner im Competence Center Restructuring & Corporate Finance der Gesellschaft ernannt.
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Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Karl-Arnold-Platz 1, 40474 Düsseldorf
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Kuhnt, Ivo-Kai, absolvierte nach einer Lehre zum Industriekaufmann bei einem führenden internationalen Elektronikkonzern ein Studium der Betriebswirtschaft in Bayreuth. Im Jahr 2002 stieg er als Berater bei Roland Berger Strategy Consultants im Competence Center Restructuring & Corporate Finance ein. IvoKai Kuhnt berät insbesondere Unternehmen aus der Chemie- und Ölbranche. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Karl-Arnold-Platz 1, 40474 Düsseldorf
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Lafrenz, Karsten, Dr. rer. pol., studierte Betriebswirtschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Finanzierung an der University of Strathclyde in Großbritannien. Er schloss sein Studium als Diplom-Kaufmann und Master of Science in Finance ab. Im Anschluss trat er 2000 als Berater in das Competence Center Restructuring & Corporate Finance von Roland Berger Strategy Consultants ein und ist dort seit 2004 Projektleiter. Im Jahre 2003 promovierte er an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/ Oder über wertorientiertes Sanierungsmanagement. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Moldenhauer, Ralf, Dr. Ing., studierte Wirtschaftsingenieurwesen (technische Fachrichtung Maschinenbau) an der Technischen Hochschule Darmstadt. Nach dem Studium begann er 1994 seine Beraterlaufbahn bei Roland Berger Strategy Consultants im Competence Center Restructuring & Corporate Finance und ist seit Januar 2000 Partner im Unternehmen. Berufsbegleitend erarbeitete er eine Doktorarbeit zum Thema „Krisenbewältigung in der New Economy“ und promovierte 2003 an der Technischen Universität Berlin. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Paul, Christian, studierte Economics in den USA und absolvierte dann einen MBA an der Universität in Oxford. Im Anschluss daran arbeitete er zwei Jahre bei einem großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen, bevor er 2000 zu Roland Berger
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Strategy Consultants kam. Seit 2004 ist er Projektleiter. Seine Schwerpunkte sind finanzielle Restrukturierungen von mittelständischen Unternehmen. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Piehler, Maik, Dipl.-Kfm., studierte Betriebswirtschaftslehre an der Handelshochschule Leipzig und an der A.B. Freeman Business School (Tulane University) in New Orleans. Anfang 2002 begann er seine Beratertätigkeit bei Roland Berger Strategy Consultants im Competence Center Restructuring & Corporate Finance. Schwerpunkt ist seitdem neben Sortiments- und Liquiditätssteuerung vor allem die Rekapitalisierung mittelständischer Unternehmen. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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zu Putlitz, Julian, Dr. rer. pol., studierte Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Bonn, München und Zürich. Nach einer dreijährigen Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Friedrich-Schiller-Universität Jena promovierte er an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg im Fach International Management. 1998 begann er seine Beratertätigkeit bei Roland Berger Strategy Consultants im Competence Center Restructuring & Corporate Finance. Seit 2004 ist er Partner in diesem Bereich. Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit lagen bisher in der Restrukturierung und Rekapitalisierung von mittelständischen Unternehmen, in der Restrukturierung von Unternehmen unter Insolvenzbedingungen sowie in der Konzeption und Umsetzung von Restrukturierungsprogrammen in großen Konzernen. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101 b, 10559 Berlin
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Richthammer, Michael, studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg und der Handelshochschule Leipzig (HHL). Nach seinem Studium begann er 2004 bei Roland Berger Strategy Consultants im Competence Center Restructuring & Corporate Finance. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Karl-Arnold-Platz 1, 40474 Düsseldorf
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Schäfer, Jürgen, absolvierte nach einer Industriekaufmannslehre bei einem Maschinen- und Anlagenbauer ein Studium der Betriebswirtschaft an der Universität zu Köln. Seit 2004 ist er Berater bei Roland Berger Strategy Consultants im Competence Center Restructuring & Corporate Finance. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Sievers, Gerd, Dr. rer. pol., studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln und ist seit 1998 Berater bei Roland Berger Strategy Consultants im Competence Center Restructuring & Corporate Finance. 2004 hat er an der Universität Rostock zum Thema Desinvestition von Unternehmensbeteiligungen in Krisensituationen promoviert. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Simon, Robert, Dr. rer. pol., studierte Betriebswirtschaft mit den Schwerpunkten Unternehmensrechnung, Steuerlehre sowie Organisation und Informatik an der RWTH Aachen und promovierte über die Materialflusssteuerung in der Automobilindustrie. Im Anschluss war er mehrere Jahre im Bereich Logistik und Verkauf der BASF AG tätig; er war außerdem Geschäftsführer der Saarbrücker Zeitungsgruppe und der DGM-Deutsche Gesellschaft für Mittelstandsberatung. Dr. Robert Simon ist bei Roland Berger Strategy Consultants Partner im Competence Center Restructuring & Corporate Finance. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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Waldow, Björn, studierte nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim und der London School of Economics and Political Science. Im Mai 2002 trat er in das Competence Center Restructuring & Corporate Finance bei Roland Berger Strategy Consultants in Berlin ein. Als Senior Consultant liegt sein Schwerpunkt in der finanziellen Restrukturierung von Unternehmen. Adresse: Roland Berger Strategy Consultants, Alt-Moabit 101b, 10559 Berlin
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