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Von Jeremy Pascall ist als Heyne-Taschenbuch erschienen: Satan - Band 01/8148
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JEREMY PASCALL
GOTT Die endgült...
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Von Jeremy Pascall ist als Heyne-Taschenbuch erschienen: Satan - Band 01/8148
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JEREMY PASCALL
GOTT Die endgültige Autobiographie
Deutsche Erstausgabe
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
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HEYNE ALLGEMEINE REIHE Nr. 01/8147
Titel der Originalausgabe GOD — THE ULTIMATE BIOGRAPHY Aus dem Englischen übersetzt von Walter Ahlers
Copyright © 1987 Jeremy Pascall Copyright © der deutschen Ausgabe 1990 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Printed in Germany 1990 Umschlagfoto: IFA-Bilderteam/Fischer, München Illustrationen © 1987 Katherine Lamb Umschlaggestaltung: Atelier Ingrid Schütz, München Gesamtherstellung: Presse-Druck, Augsburg ISBN 3-453-04549-1
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WIDMUNG
Dieses Buch ist Noah gewidmet. Welcher Ham, Sem und Jafet gezeugt hat. Und Jafet zeugte Magog, Madai, Javan, Tubal, Meschech, Tiras und Gomer. Und Gomer zeugte Aschkenas, Rifat und Togarma. Und Togarma zeugte Seba, Hawila, Sabta, Rabta, Rabte, Sabtecha und Hugo. Und Hugo zeugte Willi, Erwin, Dieter und Rollo. Und Rollo zeugte Helmuth, Eckehardt, Detlef und den kleinen Fritz. Und der kleine Fritz zeugte Michael, Jackie, Marion und Tito. Und Tito zeugte Groucho, Chico, Harpo, Zeppo, Gemmo und Omo. Und Omo zeugte Persil, Fewa, Rei und Ariel flüssig. Und Ariel zeugte Johannes, Johannes, Johannes, Johannes und Klaus, besser bekannt unter dem Namen Johannes. Und Klaus, besser bekannt unter dem Namen Johannes, zeugte Johannes Paul. Und Johannes Paul I. zeugte Johannes Paul II., George Paul und Ringo Paul. Und Ringo Paul zeugte niemanden, denn er hatte einen engen Freund Namens Big Gordon. Aber Big Gordon zeugte Andrew, Lloyd und Webber. Und Webber zeugte >Jesus Christ Superstar< und dafür zahlte er Mir nicht eine einzige Tantieme.
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Einführung igentlich hätte Ich geglaubt, daß dies die erste und einzige Autobiographie ist, die ohne Einleitung auskommen müßte. Schließlich sollte jeder von euch wissen, wer Ich bin. Bei aller gebotenen Bescheidenheit — und wenn Mich eine Eigenschaft ziert, dann diese, auch wenn ein Allerhöchstes Wesen es in dieser Hinsicht natürlich nicht leicht hat — darf Ich doch wohl sagen, dass Ich die berühmteste Persönlichkeit aller fünfzehn Universen bin.1 Gibt es etwa jemanden, der von Mir in einer Meiner vielen Erscheinungsformen noch nichts gehört hat? Bei Meiner gewaltigen Anhängerschaft müßte dieses Buch eigentlich der größte Knüller seit der Erfindung des flüssigen Mannas sein, und trotzdem waren Meine Verleger — ach, diese Kleingläubigen! — der Meinung, auf ein paar Worte der Einführung könne nicht verzichtet werden, und die ließen sogar durchblicken, daß sie jemand anderen mit dieser Aufgabe zu betrauen gedächten, sollte Ich Mich nicht dazu bereit finden. In diesem Zusammenhang fiel der Name Konsalik. Offensichtlich handelt es sich bei diesem Herrn um die zweitberühmteste Persönlichkeit nach Mir. Ich habe natürlich auf der Stelle gegen diesen Vorschlag protestiert. Wenn hier jemand eine Einleitung schreibt, dann Ich, und nicht jemand, der sich für Mich hält. Etwas Ähnliches ist Mir schon einmal passiert. Man drehte einen Film über Mich — oh, Mein Gott! — und ohne Mich zu Rate zu ziehen, besetzte man Meine Rolle mit einem gewissen 1
Dies ist der erste Hinweis darauf, daß es mehr als ein Universum geben könnte. Entweder haben wir es hier mit einer göttlichen Offenbarung zu tun, oder der Autor offenbart eher einen Hang zur Übertreibung, eine Eigenschaft, die gerade bei sehr alten Personen häufig anzutreffen ist.
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George Burns. Ich verwahre Mich mit aller Entschiedenheit dagegen, von jemandem dargestellt zu werden, der älter ist als Ich. Oder vielmehr, der älter aussieht. Ich war so verärgert, daß Ich drauf und dran war, Interfauna anzurufen, um euch eine Heuschreckenplage runterschicken zu lassen.
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Also, anstatt jemand anderen an Meiner Stelle zu Wort kommen zu lassen, habe Ich allergnädigst eingewilligt, diese kurze Einführung zusammen mit Meinem Heiligen Geistschreiberling zu verfassen. Wißt ihr eigentlich, welches die am häufigsten gestellte Frage aller Zeiten ist? Natürlich wißt ihr es nicht, denn ihr seid nicht allwissend, wie Ich es bin. Ich weiß alles, Ich sehe alles. Denkt daran, falls ihr euch mit dem Gedanken tragen solltet, dieses Buch zu klauen. Die am häufigsten gestellte Frage aller Zeiten lautet: Existiert Gott wirklich? Und wie lautet Meine Antwort? Ob es Mich gibt? Ist der Papst katholisch? Nun, bis jetzt ist er das noch, und genau besehen ist das ein Skandal, denn eigentlich müßte er jüdisch sein. Da muß jemand einen kapitalen Bock geschossen haben, als Ich mal nicht aufgepaßt habe. Aber schließlich kann Ich nicht überall sein, oder? Das heißt, Ich könnte schon, aber kommt ihr erst mal in Mein Alter (in das ihr natürlich nie kommen werdet). Also, ganz ohne Zweifel existiere Ich. Wer sonst sollte eure Welt erschaffen haben, und alles, was auf ihr kreucht und fleucht? Etwa die Marsbewohner? Gut, nehmen wir einmal an, sie wären es gewesen, was meint ihr wohl, wer die Marsbewohner erschaffen hat? Und wer, glaubt ihr, hat sie wieder verschwinden lassen, als sie aus ihren Booten2 herauszuwachsen drohten? Und eben weil Ich existiere, habe Ich in Meiner unendlichen Weisheit (bitte denkt immer daran, daß Ich das einzige Wesen bin, das seine Weisheit als unendlich bezeichnen darf!) beschlossen, dieses Buch zu schreiben. Sicher wird euch bekannt sein, daß es sich bei dem letzten Buch, das über Mich geschrieben wurde, um den größten Bestsellererfolg der Geschichte eurer Welt 2
Das ist kein Druckfehler. Der Autor teilt uns hier mit, daß die Lebewesen, die Er auf dem Mars geschaffen hat, extrem große Füße hatten, so große Füße, daß sie kleine Schiffchen als Schuhe trugen, mit denen sie die Marskanäle entlangschipperten. In einem Anfall von gekränkter Eitelkeit ließ der Autor diese Lebewesen wieder aussterben, denn, wie Er meint, die Fähigkeit, auf dem Wasser gehen zu können, sollte ausschließlich Ihm und Seinem Sohn vorbehalten bleiben.
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handelt. Beinahe wäre es sogar der größte in der Geschichte aller fünfzehn Universen geworden, aber zu den unendlich vielen Dingen, von denen ihr nicht die leiseste Ahnung habt, gehört auch eine entlegene, vom Homo sapiens noch nicht entdeckte Galaxis, auf der eines Meiner anderen Bücher, Gott über das Gärtnern, den Verkaufserfolg der Bibel noch übertroffen hat.3
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Gott über das Gärtnern ist zur Zeit leider vergriffen. Wir hoffen, dieses Büchlein und sein Begleitbändchen — Der perfekte Haushalt — Wie man sich ein himmlisches Heim schafft — in naher Zukunft wieder auflegen zu können.
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Ich finde schon lange, daß es an der Zeit ist, die Bibel endlich einmal an die richtige Stelle zu rücken. Sie ist ein gutes Buch, sicherlich, sie ist Das Gute Buch schlechthin, und trotzdem ist und bleibt sie eine nicht autorisierte Biographie. Ich habe sie jedenfalls nicht geschrieben! Tatsächlich weiß Gott allein, wie viele Schreiberlinge an ihrem Zustandekommen mitgewirkt haben, und Ich habe es vergessen. Bei einem solch umfangreichen Autorenteam müssen sich ja Ungenauigkeiten einschleichen, und denen gedenke Ich in diesem Meinem endgültigen Werk gründlich und ein für allemal zu Leibe zu rücken. Um ganz ehrlich zu sein, Ich bin nicht einmal sicher, ob Ich in der Bibel immer im allergünstigsten Licht erscheine. Vor allem das Alte Testament stellt Mich doch häufig als übellaunigen Greis dar, mit dem schlecht Kirschen essen ist und der eigentlich nur in der Gegend herumgelaufen ist, um alles und jeden mit Eiterbeulen und Pestilenz zu überziehen. Tatsache ist doch, daß Ich ein gnädiger Gott bin, manchmal sogar ein bißchen zu gnädig, wenn Ich daran denke, was Ich euch so alles habe durchgehen lassen. Ich meine, es mag ja eine gute Sache sein, den Grill zu erfinden, etwas ganz anderes ist es jedoch, ihn an der armen Jungfrau von Orleans auszuprobieren. Und, nennen Wir die Dinge doch beim Namen, große Teile der Bibel sind schlicht und einfach stinklangweilig. Dieser endlose Schmarren, wer da nun wen er- oder meinetwegen auch gezeugt hat, das liest sich kaum spannender als das Telefonbuch von Tel Aviv, und in dem stehen nun mit Sicherheit keine guten Witze. Was die meisten von euch Menschen noch gar nicht so recht begreifen wollen: Ich habe einen ausgeprägten Sinn für Humor. Was meint ihr wohl, warum Ich die Belgier erschaffen habe? Nachdem Ich nun alles das in Betracht gezogen hatte, kam Ich zu dem Schluß, daß es allerhöchste Zeit ist, Meine eigene Version der Geschichte zu Papier zu bringen, ganz einfach deshalb, um ein paar Dinge zurechtzurücken, um die vielen, vielen Irrtümer zu korrigieren und einige Auslassungen aufzufüllen, zu denen nicht zuletzt die Angelegenheit mit den Elf Geboten gehört, auf die Ich an 11
geeigneter Stelle einzugehen gedenke. Und bis dahin noch ein Wort an alle die unverbesserlichen Atheisten unter euch: Ihr könnt Mich mal!
Der Schöpfer aller Dinge.
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ERSTES KAPITEL
Im Anfang schuf...
igentlich sollte ein Autor seine Biographie ja am Anfang beginnen, aber in Meinem Fall liegt der Fall etwas verzwickt, denn Ich habe keinen Anfang. Und Ich habe auch kein Ende. Ich bin ohne Grenzen. Unendlich. Und das macht es so schwierig, mit der Geschichte zu beginnen. Vom Schluß gar nicht zu reden. Theoretisch könnte dieses Buch endlos weitergehen, was natürlich Probleme praktischer Art mit sich bringen würde. Seinen immensen Umfang zum Beispiel, oder einfach die Tatsache, daß niemand lange genug leben würde, um es ganz auszulesen. Von Mir einmal abgesehen. Aber die Verkaufschancen wären doch erheblich geschmälert.4 Um einmal so nah wie eben möglich am Anfang zu beginnen: Ich wurde nicht eigentlich geboren. Ich war einfach. So, wie Ich immer noch bin. Ich war schon immer, und Ich werde immer sein. In vielerlei Hinsicht ist es ganz angenehm, unsterblich zu sein. Man muß sich nicht um so lästige Dinge wie Seniorentickets oder Sterbekassen kümmern. Aber der Status der Unsterblichkeit bringt 4
Nur mit größten Schwierigkeiten gelang es uns, den Autor von Seiner ursprünglichen Absicht abzubringen, das gesamte Buch auf Steintafeln gravieren zu lassen. Wenn wir auch eingestehen mußten, daß diese Art der Drucklegung den Intentionen potentieller Ladendiebe einen wirksamen Riegel vorgeschoben hätte, so mußten wir doch auf unserer Ansicht bestehen, daß auch potentielle Kunden dadurch abgeschreckt worden wären. Er lenkte schließlich ein, als Er sich den Schaden in Erinnerung rief, den die beiden Steintafeln anrichteten, die er Moses hinabgereicht hatte und die den Propheten dazu verurteilt hatten, für den Rest seines Lebens mit einem Bruchband durch die Gegend zu laufen.
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auch seine Nachteile mit sich. Die Zeit, zum Beispiel, hat überhaupt keine Bedeutung mehr. Ich kann aus dem schönsten Tagtraum erwachen und plötzlich feststellen, daß bereits der größte Teil der schriftlich belegten Menschheitsgeschichte vergangen ist, ohne daß Ich auch nur Notiz davon genommen hätte. Also muß Ich Mich in aller Eile durch die Jahrhunderte katapultieren, dorthin zurück, wo Ich gebraucht werde. Immer scheine Ich Meiner Zeit um ein-, zweihundert Jahre hinterherzulaufen, und diese Unpünktlichkeit macht den Mitgliedern Meines Stabes das Leben — oder, um es präzise auszudrücken: das Hinterherleben — so schwer, denn die Armen wissen natürlich nie so genau, ob oder wann Ich einmal bei einer Lagebesprechung auftauchen werde. Aber Ich sage immer: Was bedeutet unter guten Freunden schon ein Jahrtausend? Und dann lachen sie immer. Ja, ja, wie gut die kleinen Witzchen doch ankommen, wenn du der liebe Gott bist. Und dann hat die Grenzenlosigkeit noch einen großen Nachteil: Es gibt so unendlich viel, das man im Kopf behalten muß. Die meisten Leute haben schon Probleme, sich an das zu erinnern, was gestern war. Ich muß auch noch das im Kopf haben, was morgen sein wird. Zum Beispiel: Wird die Welt morgen untergehen? Und wenn ja, welche Welt? Schließlich gibt es 7 946 587 632 davon. Das war zumindest der Stand nach der letzten Zählung. Während ihr das hier lest, mögen noch ein paar dazugekommen sein. Oder es sind welche untergegangen. Und vielleicht ist eure Erde dabei. (Das ist so eines von Meinen kleinen Witzchen, und ein ziemlich lustiges obendrein. Wenn eure Erde wirklich bei den Untergegangenen wäre, dann würde Ich den Käse hier wohl kaum noch veröffentlichen, oder? Meine Wege und Wunder mögen geheimnisvoll sein, aber gar so dämlich sind sie nun auch wieder nicht.) So, jetzt dürftet ihr in der Lage sein, die Probleme der Grenzenlosigkeit zu würdigen, und die Schwierigkeiten, die sich für den Anfang dieses Buches daraus ergeben. Wie auch immer, Ich weiß ja, daß ihr gerne möchtet, daß Ich Meine Geschichte dort beginne, wo sie euch betrifft, 14
oder vielmehr euren mikroskopisch kleinen Planeten, den Ich, auch wenn es sich vielleicht nach Eigenlob anhören mag, für eine Meiner besseren Schöpfungen halte. Das Spektrum der Farben habe Ich besonders ins Herz geschlossen, all die niedlichen Blaus und Grüns, die alles so ruhig und friedlich erscheinen lassen. Das ist doch viel hübscher als das viele Orange und Kirschrot, das Ich bei Tantropus (neununddreißigste Galaxie des vierten Universums, hinter Nibolt links ab und noch mal nachfragen) benützt habe. Ich nehme an, ihr seid etwas verschnupft deshalb, weil Ich euren Planeten nicht als ersten erschaffen habe. Typisch menschliche Selbstgefälligkeit. Aber vielleicht tröstet es euch, wenn Ich euch sage, daß die Erde der erste Planet war, den Ich in eurer Galaxie eures Universums erschaffen habe. Falls ihr die Bibel aufmerksam gelesen haben solltet — habt ihr natürlich nicht, stimmt's? —, müßtet ihr einige Meiner Elf Gebote auswendig hersagen können. Na? Wie viele? Eben! Ihr bleibt schon nach »Du sollst nicht ehebrechen« stecken, stimmt's? Also gut, selbst wenn ihr die Bibel nur nach den ungesitteten Stellen wie dem Kapitel über die Hure Babylon durchgeblättert haben solltet, so werdet ihr doch immerhin gemerkt haben, daß alles mit dem Buch der Genesis beginnt.5 Die ersten Worte der Genesis lauten: »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.« Das ist soweit auch ganz richtig. Natürlich habe Ich zuerst den Himmel geschaffen, denn Ich brauchte ja einen Platz zum Wohnen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie langweilig es war, ziellos durch die leere Einöde zu wandern, ohne jemanden, mit dem man ein Schwätzchen halten konnte, ohne eine vernünftige Beschäftigung und vor allem ohne einen Ort, den man sein Heim nennen konnte. Also beschloß Ich, Mir eine Bleibe zu schaffen. 5
Über die Hure Babylon kann man in der Offenbarung des Johannes 17,1—18 nachlesen, aber ihr werdet enttäuscht sein.
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Das war Meine bescheidene Vorstellung, von ... nun ... von einem Himmel über der Erden. Ich weiß, ihr wüßtet für euer Leben gern, wie es hier oben aussieht, vor allem deshalb, weil die meisten von euch es sowieso nie zu sehen kriegen werden, es sei denn, ihr bereut eure Sünden, und zwar ein bißchen dalli. Nun, um eure müßige Neugier ein wenig zu befriedigen: Hier oben gibt es von allem nur das Beste — die köstlichsten Speisen, die edelsten Weine, ein herrliches Klima und zu jeder Seite die schönste Aussicht, die man sich nur denken kann. Ich fühl' Mich hier ein bißchen wie Ich in Frankreich. Ohne die Franzosen natürlich. Nicht etwa, daß Ich Vorurteile hätte. Einige Meiner treuesten Heiligen sind Franzosen. Also schuf Ich diesen netten, kleinen Ort. Nichts Protziges, nichts Klotziges, einfach einen Platz, wo Ich Meinen Heiligenschein mal für eine Weile an den Nagel hängen kann, wenn Mir danach ist. Übrigens, das mit dem Heiligenschein dürft ihr nicht zu wörtlich nehmen. Ich trage das Ding nicht immer. Er mag ja auf Porträts ganz nett aussehen, aber man fängt sich doch ganz schnell eine Migräne ein, wenn einem da ständig ein Licht über dem Kopf herumflimmert. Ganz zu schweigen davon, was man anderen damit antut. Erinnert ihr euch, was dem Saul auf der Straße nach Damaskus zugestoßen ist? Dem armen Kerl wurde das Augenlicht geraubt, und das war ganz alleine Meine Schuld. Ich hätte rechtzeitig das Abblendlicht einschalten müssen. Dabei darf man natürlich nicht vergessen, daß so ein Heiligenschein ganz praktisch sein kann, wenn man in den dunklen Rachen des unendlichen Weltraums eintaucht, um ein paar kleine Ausbesserungsarbeiten durchzuführen. Man hat die Hände frei, und das erwies sich als ganz nützlich, als ich Mich daranmachte, eure Erde zu erschaffen. Um ganz ehrlich zu sein, dieses Projekt entstand eigentlich nur, weil Ich Mich mal wieder langweilte. Wenn du unbegrenzte Macht besitzt, dann willst du sie von Zeit zu Zeit einfach mal ausprobieren, willst wissen, was du damit so alles anstellen kannst, und auf diese 16
Weise erschaffst du dann, ohne es eigentlich zu wollen, das eine oder andere, ziemlich merkwürdige Sonnensystem. Und wenn dich der Hafer dann so richtig sticht, dann fängst du an, mit den Gestirnen herumzujonglieren, einfach so, um ein bißchen in Übung zu bleiben. Mein Vergnügen am Herumjonglieren erhielt allerdings ziemlich bald einen erheblichen Dämpfer, als Mir nämlich ein besonders großer Asteroid auf Meinen großen Zehen fiel.
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Erst in dem Moment merkte Ich, daß Ich unter Hühneraugen litt, ja, vorher war Mir noch nicht einmal bewußt gewesen, daß Ich so etwas wie Hühneraugen erschaffen hatte. Fragt Mich jetzt bitte nicht, warum. Wie dem auch sei, aus purer Langeweile zimmerte Ich ein paar Planeten zusammen, die sich sogleich in alle Winde zerstreuten, aber insgesamt waren die Ergebnisse wenig zufriedenstellend. Also schaute Ich Mein Skizzenbuch durch, und dort entdeckte Ich, daß der Prototyp XI eigentlich ein ganz interessantes Experiment war. Er sah wunderschön aus mit seinen siebzehn Ozeanen, das Problem lag eigentlich nur in der Form. Es handelte sich um einen würfelförmigen Planeten, die Ozeane schwappten ständig über die Ränder hinweg und plätscherten durch den Weltraum, bis ihre Tropfen auf den Prototypen VII trafen. Das wäre an sich keine große Katastrophe gewesen, wenn nicht im Weltraum diese extrem niedrigen Temperaturen herrschen würden. So aber wurde Prototyp VII von einem Hagelkorn getroffen und zerstört, das dreimal so groß war wie er selbst. Ja, und was mag beim Prototypen XIII in Mich gefahren sein? Ich hatte wohl Meine Henry-Moore-Periode. Nicht der absolute Schlager. Aber immerhin, auch er erfüllte noch seinen Zweck. Er sollte Mir später als Modell für den Gruyere-Käse dienen. Es gab noch andere Experimente: Prototyp XXI war Mein erster Versuch, einen Planeten nach seiner eigenen Gußform zu erschaffen. Da Ich noch nie nie zuvor nach dieser Methode gearbeitet hatte, war Ich Mir nicht sicher, was Ich als Modell auswählen sollte. Ihr wißt wahrscheinlich, daß Ich den Menschen nach Meinem Abbild geschaffen habe. Aber Ich verändere Mich ständig, Ich kann jede Erscheinungsform annehmen, die Mir gefällt. Denkt daran, wenn ihr das nächste Mal achtlos eine Ameise zertrampelt. Stellt euch nur vor, wie dumm ihr aus der Wäsche schaut, wenn das kleine Tierchen euch in eine Salzsäule verwandelt.
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In jener Woche, als Ich Adam und Eva erschuf, hatte Ich zufällig die Form eines zweibeinigen Anthropoiden angenommen und benützte sie als Schablone. Zugegeben, es war eine ziemlich rohe Form, und auch keine besonders attraktive, aber für euch langte sie allemal. Als Ich dann die Geschöpfe entwarf, die auf dem Prototypen XXI leben sollten, hatte Ich längst eine andere Form angenommen, und, mal unter uns, Rasenmäher mögen ja auf ihre Weise ganz gefällig sein, aber als Humanoiden sind sie nicht die große Nummer, und was die Fortpflanzung betrifft... eine Katastrophe. Aber Ich merke schon, ihr werdet ungeduldig und wartet darauf, daß Ich euch endlich erzähle, wie Ich eure kümmerliche, kleine Erde erschuf. Das ist die Krux mit euch Anthropoiden, ihr seid so ungeduldig. Würdet ihr nur alles ein bißchen langsamer angehen lassen, etwas genauer über die Dinge nachdenken, dann könntet ihr euch eine Menge Ärger ersparen. Manchmal verstehe Ich wirklich nicht ganz, weshalb Ich Mich mit Schöpfungen abgebe, die den Radiowecker mit Schlummer-Automatik für den Gipfelpunkt der Zivilisation halten. Wie dem auch sei, nachdem Ich ausreichend an anderen Planeten geübt hatte und glaubte, die wichtigsten Probleme im Griff zu haben, wandte Ich Meine Aufmerksamkeit schließlich der Erschaffung der Erde zu.
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ZWEITES KAPITEL
Montag und Dienstag... und die Erde war erschaffen
ch erschuf die Erde und alles, was darauf ist, in sechs Tagen. Nein, das ist nicht ganz richtig, denn den größten Teil der ersten vierundzwanzig Stunden arbeitete Ich bei völliger Dunkelheit — einmal abgesehen vom Schimmer Meines Heiligenscheins —, weil Ich den Tag noch gar nicht erfunden hatte. Das leuchtet doch wohl ein, oder? Kein Tag ohne Tageslicht, kein Tageslicht ohne Sonne. Also mußte Ich erst einmal die Sonne erschaffen. Ich sagte: »Es werde Licht!« Und es ward Licht! Schließlich und endlich. Es dauerte ein Weilchen. Wie sogar ihr wissen dürftet, ist die Sonne ein Ball, der aus brennenden Gasen besteht. Und wenn ihr das wißt, dann wißt ihr auch, wie schwierig es manchmal ist, ein Gas zum richtigen Zeitpunkt zu entzünden. Und nun stellt euch mal vor, das Zündholz wäre noch nicht erfunden, ja, nicht einmal das Feuer. Also mußte Ich ganz von vorne anfangen, und das alles dauerte länger, als Ich vorhergesehen hatte. Ich kam zeitlich ganz schön in Verzug und mußte Mir selber Überstunden verordnen, so daß Ich die Erde und alles, was auf ihr kreucht und 21
fleucht, in sechs Tagen und sechs Nächten erschuf, und das hat Mich ganz schön geschlaucht, Ich kann euch sagen! In der Bibel hört sich das alles ganz leicht an. »Dann sprach Gott: >Ein Firmament entstehe ….<« Die Bibel tut so, als hätte Ich mal kurz mit den Augen gezwinkert, und das Firmament wäre fertig gewesen. Pustekuchen! Zunächst einmal muß Ich dazu sagen, daß Ich ein Gott bin, der es vorzieht, die Dinge beim Namen zu nennen. Ein Wort wie Firmament käme mir gar nicht über die Lippen. Einen Spaten nenne Ich Spaten, und ein Himmel heißt bei Mir immer noch Himmel. Wollt ihr wissen, was Ich tatsächlich sagte? »Ein Dingsbums entstehe ...« Ich war nämlich noch gar nicht dazu gekommen, den Einzelteilen eurer Erde Namen zu geben. Nein, das passierte erst viel später, und es war nicht etwa Ich, der dem Einzelteil über euren Köpfen den Namen Himmel gab. Das war Adam. Ich hätte das Ding am liebsten >Waxtl< genannt, aber der verdammte Vollidiot brach sich bei dem Wort beinahe die Zunge ab, weil er sich den Rachen immer mit Apfelbissen vollgestopft hatte. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, auf die Ich an gegebener Stelle zurückkommen werde. Nach ein paar Versuchen und Fehlschlägen — immerhin war Montag, und wer ist am Montagmorgen schon in Hochform? — erschuf Ich den Waxtl (für Mich klingt der Name immer noch besser als >Himmel<). Ich ging Meine Farbpalette durch, suchte ein Blau aus, das umwerfend aussah, ohne gar zu protzig zu wirken, und verteilte es zusammen mit ein paar sanft dahinge-tupften, gelben Wölkchen. Ja, ihr habt richtig gehört. Gelb. Eine totale Katastrophe! Ein Pastellton wäre ja noch angegangen, aber Ich in Meiner Unerfahrenheit griff nach einem Gelb, das schreiender kaum hätte sein können. Später habe Ich die Kanarienvögel damit beglückt. Bei denen sieht's doch ganz hübsch aus, aber bei Wolken ... hoffnungslos! Schließlich ging Ich dann den Weg des geringsten Widerstands und entschied Mich für Weiß. Also, Ich hatte gerade den Himmel geschafft, und 22
schon war ein ganzer Tag verflogen. Der allererste Tag, und alles in allem war er gar nicht so schlecht gewesen, auch wenn Ich etwas hinter Meinem Zeitplan zurückhing. Am Dienstagmorgen stand Ich mit den Hühnern auf, oder besser, Ich wäre mit den Hühnern aufgestanden, wenn Ich sie schon erschaffen hätte, aber Federvieh stand ja nicht vor Donnerstag auf Meinem Programm. Wenn Ich Meinem Tagebuch glauben darf, dann erschuf Ich am Dienstagmorgen zunächst einmal das Frühstück, auch so eine Zufallserfindung der ersten Stunde. Ich spielte mit dem Modell eines Planeten herum, und auf einmal fand Ich, daß es eigentlich ganz schmackhaft aussah. Also verspeiste Ich es. Köstlich! Die Erfindung des Frühstücks war eine großartige Art und Weise, den Tag zu beginnen. Der innere Gott war zufriedengestellt, also wandte Ich Mich wieder eurer Erde zu. Wenn ihr der Bibel glaubt — und Ich will euch nicht etwa raten, der Bibel nicht zu glauben, ihr solltet sie nur nicht allzu wörtlich nehmen —, dann brauchte Ich nur mit den Fingern zu schnipsen, und die Erde war erschaffen. Als wäre das so einfach! Ich will damit nicht sagen, daß Ich nicht einfach mit dem Finger schnipsen könnte, und eine Erde wäre da. Schließlich bin Ich das Allerhöchste Wesen, aber, wie wir hier oben zu sagen pflegen: »Das Unmögliche machen wir gleich, Wunder dauern ein bißchen länger.« Geistreicher Spruch, findet ihr nicht? Klar findet ihr das. Ich hab ihn Mir auf ein kleines Holzschildchen malen lassen und übers Sofa gehängt, gleich neben einem anderen Lieblingsspruch von Mir: »Man muß nicht Gott sein, um hier zu arbeiten, aber schaden kann's nichts.« Fingerschnipsen mag in der Theorie eine tolle Sache sein, in der Praxis erfordert die Bestellung einer ver23
nünftigen Erde jedoch ganz schön viel Nachdenken. Ich wollte schließlich nicht das falsche Modell anfordern. Ihr würdet doch nicht gerne auf einer Erde leben, die platt wie eine Flunder ist, oder? Einigen von euch wäre diese Form offensichtlich immer noch lieber, aber das sind die Leute, die auch gelbe Wolken bevorzugen würden. Und über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten. Nach langem Nachdenken entschied Ich Mich für einen runden Planeten, denn damit waren ein paar Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Ozeane konnten nicht mehr in den Weltraum schwappen, Anhänger der idiotischen Theorie, die Erde sei eine Scheibe, versuchten vergeblich, sich über ihren Rand zu stürzen, um ihre Ansicht zu beweisen, und außerdem ließ ein Ball sich am leichtesten durch euren Teil des Universums rollen. Bei dem Versuch, den Prototypen XXXV von einer Galaxie in eine andere zu bewegen, hab' Ich Mir nämlich beinahe die Wirbelsäule ausgerenkt. Der Grund, warum Ich ihm die Form eines Chesterfield-Sofas gegeben hatte, ist Mir leider entfallen, aber zu allem Unglück hatte Ich auch noch vergessen, Laufrollen unter den Füßen zu montieren. Wißt ihr, manchmal frage Ich Mich sogar selbst, ob Ich auch der richtige Gott für diesen Job bin. Und es gab noch einen Grund, warum Ich eure Erde rund gemacht habe: Hätte sie sich als Irrtum herausgestellt, wäre sie immer noch für eine Partie PoolBillard zu verwenden gewesen.6 Nachdem Ich Mich endlich für die richtige Form entschieden hatte, mußte noch die richtige Größe gefunden werden. Zu groß sollte sie nicht werden — es gibt wohl 6
Auf unsere Frage hin erklärte uns der Autor, daß Er, nachdem Er es aufgegeben hatte, mit Planeten zu jonglieren, dazu überging, mit ihnen Billard zu spielen. Wäre Er mit der Arbeit dieser einen Woche nicht so zufrieden gewesen, dann wären aus der Erde die grüne, aus dem Mars eine der roten und aus dem Mond die weiße Kugel geworden. Als wir Ihn fragten, wo Er die Kugeln hätte verschwinden lassen, antwortete Er uns: »Was glaubt ihr wohl, was der Zweck dieser Dinger ist, die eure Astronomen die >Schwarzen Löcher< nennen?«
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kaum etwas Ordinäreres als einen übergroßen Planeten — andererseits mußte sie auch wieder geräumig genug sein, um verschieden geformten Erdteilen Platz zu bieten, einem länglichen hier, und dort vielleicht einem kastenförmigen als Kontrast dazu. Erst als diese Entscheidungen getroffen waren, konnte Ich die Ärmel aufkrempeln und Mich an die Arbeit machen. Wenn Ich Mir heute eure Erde so anschaue, dann glaube Ich nicht, daß Ich Mir mit ihr genug Zeit gelassen habe. Ehrlich gesagt scheint sie Mir eine ziemlich hastige Arbeit zu sein, bei der viele Fehler gemacht wurden. Aber wer ist schon vollkommen? Das heißt, Ich bin natürlich vollkommen, und trotzdem entdecke Ich auch bei Mir immer noch Raum für Verbesserungen. Vielleicht sollte der Papst sich das mal hinter die Ohren schreiben. Theologisch gesprochen ist er natürlich unfehlbar, aber mal ehrlich, was soll man mit einem Pontifex anfangen, der in der Gegend herumfliegt, um Landebahnen zu küssen? Aber Ich schweife ab. Alles in allem ist die Erde ja ganz ordentlich geworden. Ich stelle eben nur im Rückblick fest, daß doch noch einige Wünsche offen blieben. Da wäre, zum Beispiel, die Sahara. Die ist Mir viel zu groß geraten. Sicher, eine kleine Sandkiste ist ganz hübsch, aber hätte die Gobi nicht vollkommen ausgereicht? Die ist sauber und übersichtlich, während die Sahara ... na ja, eigentlich sollte sie ja gar keine Wüste werden. Ich hatte hier den >Milch-und-Honig-Freizeitpark< geplant. Leider hab' Ich über dem Entwurf eine Tasse Kaffee verschüttet. Apropos groß — was hab' Ich Mir bloß beim Pazifischen Ozean gedacht? Da muß Ich wohl in Meiner Blauen Periode gewesen sein, und dabei ist es mit Mir durchgegangen. Das Ding hätte ja Platz für einen mittleren Kontinent, so etwas in der Art von Australien — ohne die Australier natürlich. Nicht, daß Ich Vorurteile hätte, aber von allen Kindern Adams sind die Australier die ... nun ... sagen wir mal... die ruppigsten. Wenn Ich die Erde heute noch einmal entwerfen müßte, dann würde Ich mit dem Pazifik etwas kreativer 25
umgehen, würde etwas Landmasse zwischen Amerika und Asien knallen, eine klotzige Insel wie Grönland vielleicht, die da oben doch etwas verloren am Nordpol klebt. Übrigens: Kein Wort gegen die Pole, bitte! So, wie die beiden Oberseite und Unterseite der Erde in Balance halten, das ist symmetrisch perfekt. Zugegeben, sie sind vielleicht ein bißchen klobig geraten, aber man sollte einem kreativen Künstler seine kleinen Marotten zugestehen. Ihr könnt jedenfalls von Glück reden, daß Ich die kubistische Phase von Prototyp XXXVI bereits hinter mir gelassen hatte. Lebt mal ein paar Jahrtausende auf so etwas, dann würdet ihr Mich anflehen, euch einen schönen, runden Globus zu bauen, oben und unten mit einem hübschen, soliden Pol ausgestattet. Was das Ästhetische betrifft, bin Ich mit der nördlichen Hemisphäre nicht ganz glücklich. Sie wirkt etwas kopflastig. Europa und Asien tendieren etwas dazu, sich breitzumachen, während Amerika wunderschön geraten ist. Ich bereue keine Minute, die Ich auf Amerika verwandt habe. Wirklich, Ich glaube, es ist Meine vollkommenste Schöpfung. Ich wünschte Mir nur, Ich wäre im Hinblick auf die Bewohner ähnlich wählerisch gewesen. Besonders gut gefällt Mir, wie Nord- in Südamerika übergeht, wie die ganze Figur sich streckt, vom Kopf bis zu den Füßen, mit der Wespentaille in der Mitte. Ich gestehe, daß Mir erst hinterher die Idee kam, die beiden Teile miteinander zu verbinden. Ursprünglich waren Nord- und Südamerika fein säuberlich voneinander getrennt, aber als Ich so mit der Karibik herumspielte, sie hier und dort mit ein paar kleinen Inselchen garnierte, die Ich so ausstreute, ohne Mir groß was dabei zu denken, da kam Mir auf einmal der Gedanke, daß eine von ihnen wunderbar die Lücke zwischen Nicaragua und Kolumbien schließen könnte. Deshalb liegt Panama heute dort, wo es liegt, und schwimmt nicht etwa irgendwo vor Kuba herum.
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Doch, insgesamt bin Ich eigentlich ganz zufrieden mit eurer Erde, auch wenn Mir natürlich nicht entgangen ist, daß es immer wieder welche unter euch gibt, die herummeckern, sie sei viel zu klein. Ganz schön undankbar! Ich habe eine volle Woche darauf verwandt, eure Erde zu erschaffen, und euch fällt nichts Besseres ein, als euch über sie zu beklagen. Was kann Ich denn dafür, wenn sie überbevölkert ist? Das ist doch ganz allein eure Schuld. Vielleicht solltet ihr euch ein bißchen einschränken, was die Fortpflanzung betrifft. Wenn für Mich ein Kind genug war, dann sollte euch eins erst recht allemal reichen. Und wenn euch der Planet nicht gefällt, den Ich da für euch geschaffen habe, dann macht ihr es doch besser. Nur zu, zimmert euch euren eigenen zusammen. Ihr haltet euch für so verdammt klug, aber in den zweitausend Jahren, seit Ich euch meinen Jungen runterschickte, um einmal kräftig auszumisten, habt ihr es noch nicht einmal geschafft, etwas so Simples wie eine einigermaßen brauchbare Corned-Beef-Dose zu entwerfen ...
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DRITTES KAPITEL
Mittwoch bis Freitag
o vergingen also der Montag und der Dienstag mit der Erschaffung des Waxtl und des Planeten Erde. Am Mittwoch kümmerte Ich Mich um Gräser, Kräuter, Bäume und verschiedenes Obst und Gemüse. Es war ein schöner, vergnüglicher, aber auch sehr anstrengender Tag. Nun, ihr wißt ja sicher selbst, was für eine harte Arbeit das Gärtnern sein kann, und deshalb könnt ihr euch auch vorstellen, in was für einem Zustand Ich war, nachdem Ich jede einzelne Pflanze, von der Flechte bis zum Mammutbaum erschaffen hatte, gar nicht zu reden von Rose, Kapuzinerkresse, Seegras und Venusfliegenfalle. Selbst Ich war hinterher erstaunt, was Ich da alles zustande gebracht hatte, aber Ich muß auch zugeben, daß es Enttäuschungen gab. Kakteen, zum Beispiel, habe Ich einfach nicht hingekriegt. Keine Ahnung, wie Ich Mir die Dinger ursprünglich vorgestellt hab', aber ganz ohne Zweifel ist da etwas schiefgelaufen. Vielleicht hab' Ich aus Versehen die Pläne verkehrt herum hingelegt. Wie dem auch sei, jetzt ist es zu spät, darüber zu lamentieren.7 7
Interessanterweise steht in Seinem Buch Gott über das Gärtnern kein Wort über Kakteen, währenddessen Er ein Kapitel über Buchhalter, die Er wohl für eine Art Gemüse hält, in das Werk aufgenommen hat. Ob wir es hier mit einer auf Sein Alter zurückzuführenden, geistigen Irritation zu tun haben, ist nicht ganz geklärt.
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Damit komme Ich zum Donnerstag. Was passierte am Donnerstag? Wenn man der Bibel glauben will, muß Ich an diesem Tag Sonne, Mond und Sterne erschaffen haben, aber das kann nicht stimmen, denn Ich erinnere Mich ganz genau, daß Ich Mich der Sonne gleich am Montagmorgen gewidmet hatte. Und der Mond, nun, so prächtig er auch geraten sein mag, mit Sicherheit habe Ich für seine Erschaffung keinen ganzen Tag gebraucht. Wenn ihr ihn euch mal ganz nüchtern betrachtet und die Schwärmereien der Dichter über seinen Silberglanz beiseite laßt, dann bleibt doch kaum mehr als ein kahler Brocken Felsgestein, wie Ich ihn euch im Halbschlaf aus dem Boden stampfe, wenn's sein muß. Um ehrlich zu sein, Ich habe nie kapiert, wieso ihr Anthropoiden weder Kosten noch Mühe gescheut habt, um auf euren Mond zu kommen. Er ist das Benzin nicht wert. Und falls ihr einst ein paar der anderen Planeten erreichen solltet, werdet ihr nicht minder enttäuscht sein, auch wenn Pluto vielleicht ganz interessant ist, beherbergt er doch das größte Lebewesen, das Ich je erschaffen habe, den Glaripper. Ein interessantes Viech mit ein paar höchst bemerkenswerten Beischlafgewohnheiten. Aber jetzt Schluß damit! Ich will euch schließlich nicht die ganze Spannung nehmen. Ich bin Mir völlig sicher, daß Ich nicht einen ganzen Tag brauchte, um den Mond fertigzustellen, und auch die Sterne können nicht so schrecklich viel Zeit gekostet haben. Sie sehen aus, als hätte Ich sie mal eben so vorm Frühstück durcheinandergewürfelt und über den Weltraum verteilt. Wenn Ich Mir mit den Dingern ein bißchen mehr Zeit genommen hätte, sicherlich wäre ein ganz interessantes Muster herausgekommen. Man kann mit Sternen eine ganze Menge anstellen, wenn man sich dazu etwas überlegt. Ich erinnere Mich an eine Galaxie, in der Ich die Sterne so angeordnet habe, daß eine Botschaft lesbar wird, wenn man im Kopf die imaginären Linien zwischen ihnen verbindet. Ich wünschte Mir, Ich hätte euch etwas Ähnliches konstruiert, damit ihr jedesmal, wenn ihr zum Nachtwaxtl hochschaut, Meine Botschaft dort lesen 31
könntet: »Gott aber spricht: Dem Frommen gehöre die Erde, also lasset euch nicht von Immobilienmaklern über den Tisch ziehen!« Nein, wenn Mein Gedächtnis richtig funktioniert, dann verbrachte Ich nur ein paar Stündchen des Donnerstags damit, diese Handvoll lächerlicher Kieselsteine in euren Waxtl zu schleudern. Den Rest des Tages und den ganzen Freitag widmete Ich dann der Erschaffung der Tiere. Donnerstag und Freitag gehören zu den interessantesten Tagen Meiner gesamten, niemals endenden Existenz. Ich mag Tiere gut leiden. Ich möchte sogar sagen, daß Ich sie euch Menschen in vielerlei Hinsicht vorziehe. Sie haben keine großen Flausen im Kopf, was ihren Status betrifft, sie jammern nicht so viel herum, und sie haben keine Widerworte. Noch nicht ein einziges Mal hat sich ein Rhinozeros bei Mir über sein Aussehen beschwert. Nein, wirklich, das Durchschnittsrhino ist ganz zufrieden mit seiner Ausstattung und käme gar nicht auf die Idee, es komisch zu finden, daß ihm da so ein Otto von Horn aus der Nase wächst, und dabei weiß es nicht einmal, daß es eigentlich nur das Überbleibsel des Prototyps einer dreieinhalb Meter großen Kakerlake ist. Nein, Ich glaube, das durchschnittliche Rhinozeros beschwert sich vor allem deshalb nicht, weil das durchschnittliche Rhinozeros nicht mit übermäßig viel Hirnmasse belastet ist.8 8
Offensichtlich entwarf der Autor verschiedene Tiere, die über das Zeichenbrett niemals hinauskamen. Die Riesenkakerlake ist hier nur ein Beispiel. Es gab da noch eine fleischfressende Wüstenmaus und eine Form des Warzenschweins, die so grauenhaft häßlich war, daß selbst die hartgesottensten Artgenossen anderen Geschlechts nicht bereit waren, sich damit zu paaren, was zum Aussterben nach nur einer Generation führte. Außerdem beabsichtigte Er, einen grätenlosen Fisch zu erschaffen. Trotz der evidenten Vorteile einer derartigen Konstruktion — wesentlich einfacher zu verspeisen, keine Erstickungsanfälle, keine langen Wartezeiten in Restaurants, während irgendein mangelnd talentierter Kellner den Fisch massakriert —, gelang es dem Autor nicht, das strukturelle Problem eines Tieres zu lösen, das so schlotterig war, daß es weder schwimmen noch atmen konnte.
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Dabei hat das Rhinozeros immer noch mehr Hirnmasse zur Verfügung als, sagen wir mal, der Afghane. Von allen Meinen Kreaturen dürfte der Afghane die allerdümmste sein. (Einmal abgesehen freilich von den Meerschweinchen und den Politikern. Und was die Politiker betrifft, kann man Mir keinen Vorwurf machen. Das ist einzig und allein Schuld der Evolution. Oder vielmehr des Mangels an Evolution.) Es gibt dafür einen ganz einfachen und einleuchtenden Grund. Wirklich. Ich habe den Afghanen nur um der Schönheit und der Schnelligkeit willen entworfen. Aerodynamisch gesehen ist dieser Hund ein Triumph des Designs — man beachte vor allem den keilförmigen Kopf, der dem Gegenwind so gut wie keinen Widerstand bietet. Einziges Problem bei der Sache: Der Kopf geriet letztlich so kompakt, daß für die Hirnschale kein Platz mehr blieb. Folglich hat der Afghane nur ein klitzekleines Gehirn, das nicht mehr als einen Mini-IQ hervorbringen kann, aber selbst dieser wird nur mit Mühe von den Leuten erreicht, die sich Afghanen als Hunde halten. Von allen Meinen Schöpfungen muß das Gehirn wohl als die vollkommenste bezeichnet werden. Nur jemand wie Ich — und Ich spreche da mit aller Bescheidenheit, die ein omnipotentes Wesen aufzubringen in der Lage ist —, nur Ich konnte so etwas entwerfen. Aber das Ding ist so komplex, daß sogar Mir bei seiner Entwicklung Fehler unterliefen. So waren, zum Beispiel, die ganz frühen Gehirne alles andere als zuverlässig, ja, um es einmal in schonungsloser Offenheit zu sagen: Es gab ein paar komplette Reinfälle. Nehmen wir nur die Dinosaurier. In vielerlei Hinsicht waren das wunderbare Geschöpfe, aber im Oberstübchen waren sie total unterentwickelt. Ich unterschätzte ganz einfach den Schaden, den solche gewaltigen Kolosse von mehreren Tonnen Muskeln und Knochen auf einem jungfräulichen Planeten anrichten können, wenn sie von einem Gehirn angeleitet werden, das selbst beim harmlosesten aller Würmchen noch Wünsche offengelassen hätte. Es mußte einfach zum Untergang der Dinosaurier kommen. Zuerst fraßen sie alles Grünzeug, das Ich ihnen zu 34
Verfügung stellte, ratzekahl auf, selbst die Kakteen, und das dokumentiert ja wohl sehr eindrucksvoll, wie dämlich die Viecher waren. Und danach vertilgten sie die übrige eßbare Vegetation auf dem Planeten, bevor sie sich schließlich gegenseitig verspeisten. Erst als sie auch keiner ihrer Artgenossen mehr habhaft werden konnten, fingen sie bei sich selber an. Ich sage euch, es gibt keinen schrecklicheren Anblick als den eines Tyrannosaurus Rex, der bereits seinen Schwanz samt Hinterbeinen aufgefressen und sich halb durch den Bauch geknabbert hat, bevor das Gehirn endlich kapiert, daß es genau den Teil verspeist, für dessen Füllung es eigentlich hätte sorgen sollen. Mir ist aufgefallen, daß ein zeitgenössischer, wissenschaftlicher Trend dazu tendiert, das Verschwinden der Dinosaurier mit der Evolution erklären zu wollen. Tatsächlich aber haben diese dummen Kreaturen sich selbst ausgerottet, ja, man kann sogar sagen, sie haben durch ihre eigenen Verdauungstrakte hindurch das Weite gesucht. Mein lieber Darwin, gib zu, daß du darauf nicht gekommen wärst. Ja, ja, es gibt für euch emporgekommene Horde von anthropoiden Affen noch eine ganze Menge zu lernen.9 Den größten Teil des Donnerstags und den ganzen Freitag verwandte Ich darauf, alle Fische des Wassers und die Tiere des Landes zu erschaffen, tatsächlich alle, vom Erdferkel bis zum Zorro.10 Aber es gibt immer noch 9
Als wir Ihm die Frage nach der Evolution stellten, antwortete der Autor, sie sei ein Irrtum gewesen, und Charles Darwin hätte eigentlich eine Stechmücke werden sollen. Eine eher rätselhafte Antwort, möglicherweise einer der berühmt - berüchtigten Scherze des Autors. Jedenfalls fügte Er noch hin zu: »Wenn ihr die Wahl hättet, von wem würdet ihr lieber ab stammen, von Mir oder von einem Orang Utan? Bevor ihr antwortet, zieht bitte Folgendes in Betracht: Woher wollt ihr wissen, daß Ich kein Orang Utan bin?< 10
Beim Zorro handelt es sich um einen südamerikanischen, fuchsähnlichen Wildhund. Man wird das Gefühl nicht los, daß der Autor es liebt, mit Seinem Allgemeinwissen zu prahlen.
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Leute, die Mir das nicht abkaufen wollen, Leute, die sich fragen: »Hat der liebe Gott tatsächlich alles, was da kreucht und fleucht, an zwei Werktagen erschaffen können?« Nun? Hab' Ich oder hab' Ich nicht? Können die Vögel fliegen? Sie können, und nur deshalb hab' Ich überhaupt so lange dafür gebraucht. Eigentlich hatte Ich vorgehabt, die Schweine fliegen zu lassen. Technisch hätte das keine unlösbaren Probleme gebracht, jedenfalls nicht für Mich. Schließlich wäre es nur darum gegangen, die Flügel groß und kräftig genug zu konstruieren. Tatsächlich flatterten ja auch einige von ihnen ganz erfolgversprechend durch die Luft, nachdem Ich sie von einem Baum geschüttelt hatte, aber Ich hatte einfach nicht bedacht, daß diese armen Kreaturen so schwindelanfällig sind. Die waren nichts für luftige Höhen, die kriegten ja schon Nasenbluten, wenn sie mal hohe Absätze trugen. Ich, in Meiner grenzenlosen Barmherzigkeit, entband die Schweine wieder von den Pflichten des Fliegens und schnallte die Flügel statt dessen ein paar kleinen Tierchen um, die Ich schon vorher erschaffen hatte. Alles in allem machten die Vögel sich ganz gut. Da der Tag schon weit fortgeschritten war, schaffte Ich es unglücklicherweise nicht mehr, sie alle zu Flugobjekten umzufunktionieren. Das ist eigentlich der einzige Grund, weshalb der Vogel Strauß bis heute noch kein Bein vom Boden bekommen hat. Aber vielleicht ist das auch ganz gut so. Man stelle sich einen ganzen Schwarm von denen hoch in den Lüften vor. Über euren Köpfen. Die würden doch alles vollschei... Bis zu den Knien würdet ihr in dem Zeug stecken. Freitagabend war Ich dann hundemüde und reif für Mein Bett. Nach den Nachtgebeten, mit denen Ich Mich bei Mir für all das Gute bedankte, das Ich getan hatte, legte Ich dankbar den Kopf aufs Kissen und bereitete Mich auf den kommenden Tag vor. Und Ich konnte eine Mütze voll Schlaf gebrauchen, denn am Samstag sollte der große Wurf folgen.
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VIERTES KAPITEL
Samstag…. Adam
m Samstagmorgen stand Ich mit den Hühnern auf, denn inzwischen war Ich ja dazu gekommen, sie zu erschaffen, und Ich hatte auch schon Grund zu bedauern, daß Ich ihnen nicht so eine Art Lautstärkeregler eingebaut hatte. Nachdem Ich Mich gewaschen und Meinen Overall angezogen hatte — im Gegensatz zu dem Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle trage Ich durchaus nicht immer weiße Nachthemden; die Erschaffung von Welten ist nämlich ein ziemlich schmutziges Geschäft —, ging Ich hinaus, um Mir einen Überblick über das bereits Erreichte zu verschaffen. Gar nicht so übel. Nein, wirklich hervorragend, und das Beste von allem war Eden. Ein kleines Stück Himmel auf Erden. Wie soll Ich euch Eden nur beschreiben, damit ihr mit eurer begrenzten Intelligenz in der Lage seid, euch eine Vorstellung von seiner Schönheit zu machen? Es war, wenn ihr so wollt, das erste aller Gartencenter. Man fand dort alles, was ein verantwortungsbewußter Schöpfer sich nur wünschen konnte, und dafür fehlten viele von den Dingen, die ihr euch heute so gerne in eure Gärten stellt: Gartenzwerge, Plastiktische mit MartiniSonnenschirmen, herzige, kleine Vogelbäder und Wäschekarussells. Das einzig Wünschenswerte, das in Eden fehlte, war Personal. Es ist merkwürdig, aber auch heute, nachdem doch Jahrtausende vergangen sind, kann man in Gartencentern immer noch kein Personal finden, und sollte man doch mal jemanden aufgetrieben haben, der einen zu 38
den Stockrosen führen könnte, dann ist er garantiert den ersten Tag dort und kann eine Sweet William noch nicht von einem Stiefmütterchen unterscheiden. Nein, die evolutionäre Entwicklung des Menschen läßt doch noch eine Menge zu wünschen übrig. Da gab es nun also den Garten Eden, unzählige Hektar absoluter Vollkommenheit, aber es war niemand da, der die Erde umgraben, die Beeteinfassungen zurechtstutzen oder die Chrysanthemen gießen konnte. Ich brauchte einen Aushilfsgärtner, und, da diese nun mal nicht auf Bäumen wuchsen — auch wenn Ich Mir manchmal wünsche, Ich hätte diese Form der menschlichen Vermehrung gewählt; es hätte uns allen den ganzen Ärger mit der Beischlaferei erspart —, mußte Ich jemanden erschaffen, der Mir auf das Paradies achtgab. Ein simples Tier reichte da nicht aus, es mußte schon jemand sein, der aufrecht gehen und nach oben langen konnte, um die untersten Äste der Bäume zu beschneiden, dessen Hände geschickt genug waren, die Zuckererbsen zu binden, und der stark genug war, Mist auf die Rasenflächen zu karren. Außerdem sollte diese Kreatur ausreichend intellektuelle Kapazität besitzen, um ein paar einfache Regeln zu verstehen und zu befolgen. Kurz gesagt: Ich brauchte einen etwas modifizierten Schimpansen. (Damit soll nichts gegen die Schimpansen gesagt sein, die schließlich viel zu klug und welterfahren sind, um ihr Leben lang Dünger auf Rasenflächen zu karren oder karussellförmige Wäscheständer aufzustellen versuchen.) Also nahm Ich eine Handvoll Staub, rollte sie eine Weile zwischen Meinen Handflächen zurecht und erschuf daraus Adam. Ja, so einfach war das. Die Arbeit von ein paar Sekunden. Und als Material nahm Ich das, was gerade um Mich herum lag. Erstaunt euch das? Warum, denn schließlich brauchte Ich doch nur jemanden, der ein paar Gelegenheitsarbeiten in Meinem Garten ausführen konnte. Ihr müßt das so sehen: Ich hatte bereits einen Großteil meiner Energien darauf verwandt, die wirklich wichtigen 39
Tiere zu erschaffen, diejenigen, die Meinen Planeten regieren sollten. Ihr nennt das Ding Erde. Typisch menschliche Selbstgefälligkeit. Ihr nennt es >Erde< nach dem Zeug, auf dem ihr herumlatscht, und dabei ist der Planet weiß Gott nicht hauptsächlich aus Erde zusammengesetzt. Im Gegenteil, die Ozeane nehmen eine viel größere Fläche ein, und folgerichtig verwandte Ich auch viel mehr Zeit auf jene Lebewesen, die im nassen Element leben sollten. So entstand das intelligenteste Wesen aller fünfzehn Universen — der Delphin. Die Delphine waren jedoch gleich so intelligent, daß sie vorhersahen, welche Übel die Regentschaft über diesen Planeten unweigerlich mit sich bringen würde: Anspannung, Streß, Magengeschwüre, Kriege und Maßanzüge aus Polyester. Deshalb weigerten sie sich, ihren Intellekt in den Dienst einer derart profanen Sache zu stellen. Die Delphine entschieden sich statt dessen für ein ruhiges Leben: schwimmen, fortpflanzen, essen, fortpflanzen, schwimmen, fortpflanzen und alberne Tricks vorführen, an denen wohl wirklich nur die einfältigen Abkömmlinge eines Hilfsgärtners Vergnügen finden können. Ja, so also geschah es, daß Ich den ersten Menschen erschuf und ihn Adam nannte. Ein schöner Name. Kurz, prägnant und nicht ohne Format. Jedenfalls mit mehr Format als Wenzel, Kurt oder Herbert. Einen Augenblick lang liebäugelte Ich damit, ihn Gottlieb zu nennen, aber das kam Mir dann doch übertrieben vor. Mit einem Nachnamen hielt Ich Mich gar nicht erst auf. Es gab ja nun wirklich niemanden, mit dem man Meinen Adam hätte verwechseln können. Und Ich weiß auch gar nicht recht, ob Ich diese vielen, verschiedenen Namen gutheißen kann. Schließlich habe Ich auch nur einen, und was für Mich gut genug ist, das sollte es für euch allemal sein. Gut, Ich bin einmalig, und von euch gibt es viel zuviele. Das ist einzig und allein Adams Schuld, aber davon später. 40
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Nachdem Ich nun Adam aus dem Staub der Erde geformt hatte, galt es, ihm den Odem des Lebens einzuhauchen. Zu diesem Zweck mußte Ich ihm durch die Nase pusten. Kein sehr angenehmer Job. Habt ihr euch eure Nasenlöcher schon mal genau angesehen? Sie gehören sicher nicht zu den schönsten Teilen eurer Anatomie. Zunächst stöhnte er leise und sanft, dann mußte er niesen. Er erwachte langsam zu vollem Bewußtsein und kratzte sich als erstes in der Leistengegend. Vor allem die Italiener haben diese Gewohnheit bis auf den heutigen Tag beibehalten. Sekunden, nachdem er zum Leben erwacht war, erhob sich Adam, der erste Mensch. Er stand noch ein bißchen wackelig auf seinen Füßen, klimperte ein paarmal mit den Augenlidern und schaute sich in der paradiesischen Schönheit des Gartens Eden um, bevor er den Blick zum Waxtl richtete, dem leuchtenden Glorienschein seines Schöpfers entgegen. Und dann stammelte der erste Mensch die ersten Worte, die auf eurer Erde gesprochen wurden. Er sagte: »Ja, da legst' di nieder!« Bereits in diesem Augenblick befürchtete Ich, einen schrecklichen Fehler gemacht zu haben. Aber ihr wißt ja, wie das mit Aushilfen ist. Man muß nehmen, was man bekommt, und Ich hatte niemanden außer ihm. Also schickte Ich ihn an die Arbeit. Da es sein erster Tag war, gab Ich ihm zunächst einen ganz leichten Job. Obstpflücken. Ich zeigte ihm die Bäume und die Früchte, die an ihnen baumelten, und erklärte ihm in möglichst einfachen Worten, was Ich von ihm erwartete. Adam hörte zu, nickte, und nachdem er sich ausgiebig am Kopf gekratzt hatte, stammelte er seinen zweiten Satz. Ich werde die Worte nie vergessen, die er unter größten Anstrengungen formulierte. »Wieviel«, brachte er mühevoll hervor, »zahlst du mir für diesen Job?« Und dann sprach Ich. Meine Worte ließen den Boden erzittern wie ein Erdbeben, sie wehten ihm um die Ohren 42
wie ein Orkan: »Ich bin der Herr, dein Gott! Ich habe dich erschaffen, habe dich nach Meinem Antlitz geformt, also wirst du allen Meinen Anordnungen widerspruchslos Folge leisten, sonst verwandle Ich dich zurück in den Staub, aus dem Ich dich geboren habe!« Als er diese Worte vernahm, warf er sich auf den Boden und krümmte sich wimmernd vor Meinem Zorn zusammen. So erbärmlich und jämmerlich sah er aus, daß ich von einem großen Mitleid ergriffen wurde und ihm auf die Füße half. »Schau«, sagte Ich wesentlich freundlicher, »das ist doch ein reelles Geschäft. Du bist in Meinem Garten, und Ich zahle dir nichts als den Lohn der Sünde. Aber Ich bin ein gnädiger Gott. Wenn du tust, was man dir sagt, wenn du den Garten in Ordnung hältst und keine zu langen Mittagspausen machst, dann gestatte Ich dir, soviel Obst zu essen, wie du in dich hineinstopfen kannst. Das ist doch ein faires Angebot, findest du nicht? Du darfst essen, was dir schmeckt, aber Ich gebe dir den guten Rat, von allem die Finger zu lassen, was auf dem Boden herumliegt. Das sind entweder Kieselsteine, an denen du dir die Zähne kaputtmachst, oder, wenn du hier mal herüberschauen magst, es sind diese kleinen Dinger, die wie Kieselsteine aussehen, in Wahrheit aber die Kügelchen der Kaninchen und Schafe sind, die sie überall hinter sich lassen. Ansonsten steht dir alles im Garten Eden zur Verfügung, mit Ausnahme — und jetzt höre bitte gut zu, denn Ich werde es dir nicht zweimal erklären —, mit Ausnahme der Äpfel auf dem Baum da drüben auf der Kräuterrabatte, gleich neben dem Löwenmaul. Diese Äpfel gehören Mir, und zwar Mir allein, und wenn du dich unterstehen solltest, auch nur einen von denen zu essen, dann wirst du dir damit 'ne Menge Ärger einhandeln. Kapiert?« Er nickte nur stumm. »Gut. Und nun muß Ich Mich darum kümmern, ob der Himalaya sich schon etwas gesetzt hat. Gestern war er noch ziemlich weich. Also, mach dich an die Arbeit und vergiß nicht, wer hier der Boß ist!« 43
Und so ließ Ich ihn im Obstgarten zurück. Er stand da, eine Ananas in der Hand, und fragte sich wohl gerade, in welche Körperöffnung er sich das Ding stopfen sollte.
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FÜNFTES KAPITEL
Später am selben Tag... Eva
ls Ich Eva erschuf, war mir noch nicht klar, daß Ich damit auch den Feminismus erschaffen hatte. Inzwischen habe Ich nichts mehr gegen den Feminismus, schließlich war Ich selber lange genug Frau, um zu wissen, wie sie sich fühlen. Ja, damit wir diese leidige Debatte der Theologen ein für allemal beenden: Ich bin eine Frau, wenn Ich eine Frau sein will. Ich werde nicht müde, mein Personal daran zu erinnern, daß Ich die Dreieinigkeit bin. Aber die scheinen zu glauben, daß Drei-In-Einem bedeutet, man sei so eine Art Rasenmäheröl. Um Mich ganz deutlich auszudrücken: Ich bin Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist. Und Ich bin darüber hinaus Gott die Mutter, Gott die Tochter, Gott die Nichte und Gott die Cousine zweiten Grades. Kurz gesagt: Ich bin Gott der Was-Auch-ImmerIch-Sein-Will — männlich, weiblich, tierisch, vegetarisch oder mineralisch. Also behandelt eure Zimmerpflanzen — selbst die Kakteen — in Zukunft mit mehr Respekt, denn man kann nie wissen ... Als Frau — wenn Ich gerade mal eine Frau bin — muß Ich Mich entschieden gegen den Vorwurf des Sexismus verwehren, nur weil Ich Adam vor Eva erschaffen habe. Die Erklärung ist höchst einfach. Adam war der Prototyp, und, ganz ehrlich, als Ich ihn so im Garten Eden herumstolpern und gegen jeden zweiten Baum stoßen sah, als Ich zuschauen mußte, wie er versuchte, eine Kokosnuß durch heftige Stöße gegen die eigene Stirn zu knacken, da kapierte Ich sehr schnell, daß es hier noch Raum genug für Verbesserungen gab. 45
Ich beschloß, einen neuen Versuch zu wagen. Eva sollte Mein Meisterwerk werden, deshalb verwandte Ich auf ihre Erschaffung mehr Zeit, und Ich benützte, ganz klar, bessere Materialien. Staub mag für Adam gut genug gewesen sein, aber Eva erschuf Ich aus lebender Materie. Wie inzwischen jedermann weiß, nahm Ich eine von Adams Rippen, und zwar nicht, wie manche von euch glauben mögen, einen Rippenspeer. Schließlich wollte Ich Leben erschaffen und nicht Rezepte für ein chinesisches Kochbuch erproben.11 Das war Meine bis dahin schwierigste Operation. Die erste Rippentransplantation. Eine Pionierleistung. Ich desinfizierte mir die Hände und bereitete Mich darauf vor, Adam in einen Tiefschlaf zu versetzen — die erste Vollnarkose der Welt —, aber er enthob Mich dieser Mühe, weil er sich inzwischen mit der Kokosnuß außer Gefecht gesetzt hatte. Unter äußerster Konzentration vollführte Ich die erste Rippenentnahme, und aus dieser Rippe entstand Eva. Und siehe da, die Frau war erschaffen! Ich sah sie Mir genau an und befand sie für gelungen. Was für eine Verbesserung! Viel schöner geformt, weicher, runder, glatter, und vor allem ohne diese baumelnden Dinger, die Adam soviel Ärger gemacht hatten, als er einmal die Abkürzung durch das Brombeergestrüpp nehmen wollte. Vorsichtig weckte Ich Adam auf und stellte ihm Eva vor. Ich teilte ihm mit, daß er von jetzt an eine Partnerin habe, mit der er zusammenleben und sich die Arbeit gerecht aufteilen müsse, und dann befahl Ich ihm noch, nicht so dämlich zu grinsen, solange Ich Mich mit ihm unterhalte. An diesem einen Tag hatte Ich also Adam und Eva 11
Tatsächlich hat der Autor ein Begleitbändchen zu seinem Standardwerk Gott über das Gärtnern mit dem Titel Wunder der Kochkunst geschrieben, welches Kapitel enthält wie >1001 Leckereien, die sich aus einer Salzsäule zaubern lassen<, >Wie bewirte ich 5000 unerwartete Gäste mit Weißbrot und Fisch?<, >Aus Wasser macht Wein< oder »Wie verwandelt man einen Teufelsbraten in ein frommes Lamm?«
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erschaffen, Mann und Frau, und schon nach kürzester Zeit taten die beiden das, was Mann und Frau die ganze Menschheitsgeschichte tun sollten: Sie zankten sich. Sie stritten über die richtige Weise, eine Kokosnuß zu öffnen. Adam hielt halsstarrig an seiner Theorie fest, daß es die beste Methode sei, sich das Ding ein paarmal kräftig gegen die Stirn zu schlagen. So erfand er ganz nebenbei die Kopfschmerzen. Eva dagegen schlug vor, einen Felsbrocken zu nehmen, was er sofort in die Tat umsetzte und so beinahe auch noch die Frontallobotomie erfunden hätte. Als er wieder aus der Bewußtlosigkeit erwacht war, legte sie ihm nahe, beim nächsten Mal doch die Kokosnuß gegen den Felsbrocken zu schlagen, und nicht den eigenen Kopf. Inzwischen war es später Samstagabend geworden. Ich war erschöpft von der vielen Arbeit, und, um ehrlich zu sein, Ich hatte auch vom menschlichen Wesen schon ein bißchen die Nase voll. Ich brauchte Erholung, also erfand Ich den Sonntag.
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SECHSTES KAPITEL
Sonntag... was ich an meinem freien Tag machte
achdem Ich lange und hart gearbeitet hatte, setzte Ich fest, daß der siebte Tag ein Ruhetag sei. Und seitdem zerbrechen sich die Menschen den Kopf darüber, was Ich wohl an Meinem ersten Sonntag gemacht haben mag. Wie ihr euch vielleicht denken könnt, verbrachte Ich einen großen Teil des Tages auf den Knien. Könnt ihr euch überhaupt vorstellen, wieviel Unrat überall herumliegt, wenn man eine Welt erschaffen hat? Es dauerte Stunden, bis Ich Meinen Arbeitsraum wieder einigermaßen sauber hatte. Und was Ich mit dem Rest des Tages anfing, das geht euch einen feuchten Lehm an. Ich habe, wie jeder andere auch, ein Recht auf Mein Privatleben. Also, steckt eure Nasen gefälligst in eure eigenen Angelegenheiten.
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SIEBTES KAPITEL
Die zweite Woche
m Montagmorgen wachte Ich mit furchtbaren Kopfschmerzen auf.12 Ich führte Meine üblichen Waschungen durch, aber Ich verzichtete darauf, Mich zu rasieren. Das lag zum Teil daran, daß Ich Meine Hände nicht so ruhig halten konnte wie gewohnt, andrerseits wollte Ich auch wissen, wie Ich mit Bart wirke. Es sollte sich als eine Meiner besseren Entscheidungen erweisen. Mit Bart sehe Ich viel mehr wie ein ... nun ... wie ein Gott aus, wie der Gott auf euren Darstellungen. Auch wenn Ich Mir wünschen würde, die Maler würden endlich darauf verzichten, Mich in wehenden Gewändern abzubilden. Da sehe Ich immer aus, als hätte Ich vergessen, Mein Nachthemd abzulegen, und das ist Quatsch, denn Ich bevorzuge seit jeher Pyjamas. Ich beschloß, ein wenig durch Meinen Garten Eden zu spazieren, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Die Sonne stand hoch am Waxtl. Die Vögel zwitscherten. Die Bäume standen in voller Blätterpracht und alle Pflanzen blühten, mit Ausnahme der Kakteen, die sich hartnäckig weigerten, etwas anderes zu tun, als 12
Das könnte darauf hindeuten, daß der Autor unabsichtlich den Kater erfunden hatte, ohne dabei an die Erfindung des Alka Seltzer zu denken. Als wir Ihm eine diesbezügliche Frage stellten, antwortete Er ausweichend und murmelte irgend etwas von >Chihuahua<. Weitere Recherchen enthüllten, daß es sich bei dem Chihuahua um die einzige haarlose Hunderasse handelt, ob es sich dabei jedoch um eine frühe Form der Kater-Therapie handelt, war nicht zweifelsfrei zu ermitteln.
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stachelig zu sein.13 Im Laufe Meines Spaziergangs gab es einen bedauerlichen Zwischenfall. Während Ich Mir die Kakteen betrachtete und Mich fragte, ob es wohl zu spät wäre, aus ihnen noch etwas Brauchbareres und Dekorativeres zu machen, wie, zum Beispiel, ein Sortiment bequemer, zusammenklappbarer Gartenstühle mit abnehmbaren, maschinenfesten Chintz-Bezügen, trat Ich versehentlich einer Schlange auf den Schwanz, die sich im Schatten aalte. Das Tier nahm Mir den kleinen Unfall äußerst übel und reagierte auf eine Art und Weise, die man nur als feindselig und unversöhnlich bezeichnen konnte. Ich glaube, Ich kann Mich erinnern, daß sie Mir zuzischte: »Wofür hältst du dich eigentlich? Für den allmächtigen Gott?« »Für wen denn sonst?« antwortete Ich. Darauf erwiderte sie: »Warum hast du mir dann keine Beine gegeben?« Und mit diesen Worten glitt sie davon, finstere Verwünschungen ausstoßend, wobei sie die Zunge immer wieder angriffslustig zwischen den Zähnen hervorschnellen ließ. Manchmal frage Ich Mich, ob dieser unglückliche Zwischenfall nicht seine Auswirkungen auf die folgenden Ereignisse gehabt haben könnte.14 Ich setzte Meinen Spaziergang fort, aber von Adam und Eva war nichts zu sehen. Nach einer Weile hörte Ich merkwürdige Geräusche, die aus einem Brombeergestrüpp kamen, und nach näherem Hinsehen konnte Ich 13
Der Himmel hieß zu diesem Zeitpunkt immer noch >Waxtl<, weil Adam noch nicht dazu gekommen war, die Dinge seiner Umgebung zu benennen. Dafür gibt es vier mögliche Gründe: a) er hatte keine Zeit gehabt, b) die Sprache war noch nicht erfunden, c) er war zu dumm oder d) er war, wie im Folgenden noch deutlich werden wird, anderweitig beschäftigt. 14
Der Autor läßt durchblicken, daß Er die Erschaffung der Schlange inzwischen bedauert. Er hatte sie bereits entworfen, bevor er entdeckte, daß er seinen Restbestand an Beinen bereits bei der Erschaffung des Tausendfüßlers aufgebraucht hatte.
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erstaunt feststellen, daß Adam in den wenigen Stunden, die seit seiner Erschaffung vergangen waren, bereits zwei Entdeckungen gemacht hatte. Die erste von beiden betraf den Akt der Fortpflanzung selbst, während die zweite ihm nahelegte, daß ein Brombeergestrüpp nicht gerade der ideale Ort für einen solchen ist. Ganz ohne Zweifel hatte Ich von Anfang an im Sinn gehabt, daß menschliche Wesen sich fortpflanzen sollten. Schließlich ist Eden ein großer Garten, der nach vielen fleißigen Händen verlangt, und das Personal verbringt seine Zeit ohnehin lieber mit der Fortpflanzung, als Kompost über die Beete zu verteilen. Aber selbst Ich war erstaunt, wie schnell Adam (ein Wesen von offensichtlich minderer Intelligenz, das nicht einmal seine Körperöffnungen auseinanderhalten konnte) herausbekommen hatte, was er mit den häßlichen, zwischen seinen Beinen herunterbaumelnden Körperteilen anfangen konnte. Erstaunlicherweise hatte er das Fortpflanzen noch vor den Kaninchen entdeckt, die zu jener Zeit noch viel zu sehr damit beschäftigt waren, sich an Meinem reichhaltigen, gut sortierten Grünzeug gütlich zu tun, so daß ihnen für andere Freuden des Fleisches keine Zeit blieb. (Es sollten noch drei Wochen vergehen, bis die Kaninchen den Akt des Fortpflanzens entdeckten. Erst als sie beinahe zum Platzen vollgefressen waren und die Kakteen als weitere Nahrungsquelle empört zurückgewiesen hatten, wandten sie sich mit großer Freude dem Rammeln zu und hielten damit — gleich den Menschen — bis zum heutigen Tag nicht mehr inne.) Wenn auch Adam und Eva die ersten Rammler auf der Erde waren, die richtigen Techniken entdeckten sie erst nach und nach durch das Prinzip von Versuch und Irrtum, wobei Adam die meisten Versuche unternahm und ihm naturgemäß auch die meisten Irrtümer unterliefen. Aber man muß dabei berücksichtigen, daß sich das alles Weltalter vor dem ersten Auftauchen von Sexualtherapeuten abspielte, die ihm natürlich gleich hätten sagen können, welche Körperöffnungen das geeignetste Ziel seiner Bemühungen wären. Ich hatte ver51
ständlicherweise nicht die geringste Lust, ihm mit guten Ratschlägen auf die Sprünge zu helfen, denn im Grunde genommen ist nichts Mir gleichgültiger als der Akt der Fortpflanzung. Falls Ich einmal die Lust verspüren sollte, Mich fortzupflanzen — und das ist bis heute erst ein einziges Mal der Fall gewesen —, dann werde Ich den Heiligen Geist bitten, sich statt Meiner um die Angelegenheit zu kümmern.15 Aber Ich schweife ab. Ich traf gerade in dem Moment auf Adam und Eva in ihrem Brombeergestrüpp, als er ihr über seine große Entdeckung berichtete. Das heißt, er stieß ein paar aufgeregte, gutturale Laute aus und deutete auf eine gewisse Schwellung in seinen unteren Regionen. Evas Reaktion war ebenso begeistert wie unvermittelt — sie rammte ihm ihr Knie in die Leistengegend. Auf diese Weise wurden alle Gedanken an Fortpflanzung erst mal beiseite geschoben, wenigstens für die nächsten paar Stunden, und es hätte wohl nicht viel gefehlt, und die ganze Angelegenheit wäre ein für allemal gestorben, bevor sie so richtig begann. Vielleicht wäre das gar nicht so schlecht gewesen, wenn Ich an all die Scherereien denke, die man mit euch Menschen hat. Wenn es Eva gelungen wäre, Adam zu entmannen, dann 15
Die Frage der Jungfrauengeburt hat die größten theologischen Geister — und ein paar Bischöfe — zwei Jahrtausende lang beschäftigt. Die jüngsten Debatten über Leihmutterschaft haben weitgehend die Tatsache ignoriert, daß der Autor nicht nur eine Leihmutter, sondern auch einen Ersatzvater einstellte — den Heiligen Geist. Atheisten haben häufig versucht, die Jungfrau Maria als Argument gegen den Autor ins Feld zu führen, erst in jüngster Zeit wurde wieder einmal die Frage gestellt: »Selbst wenn es denn einen Gott gäbe, würdet ihr einem Mann vertrauen, der zuerst ein unverheiratetes Mädchen schwängert und dann die Schuld auf einen anderen schieben will?« Auf die Frage nach Seiner Einstellung gegenüber Atheisten antwortete Er uns: »Ich glaube nicht an sie.«
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wären uns Plagen wie Krieg, Folter, Kernwaffen und Spülbeckenabflüsse aus Plastik erspart geblieben. Leider gelang es ihr nur für einen begrenzten Zeitraum, seine Leidenschaft abzukühlen und ihm die Stimme um ein paar Oktaven in die Höhe zu treiben. Was sich übrigens Meiner Meinung nach viel besser anhörte. Ich persönlich würde ja viel lieber den Schleier der Diskretion über die Entwicklung des menschlichen Fortpflanzungstriebes decken, aber Ich bin Mir natürlich im klaren darüber, daß es sich um eines der ganz wichtigen Themen handelt, die von wirklichem Interesse für euch Menschen sind, die ihr euch resolut geweigert habt Mein Siebtes Gebot zu befolgen, das es euch untersagt, den Hintern eures Nächsten zu begehren, oder welchen Teil ihrer oder seiner Anatomie auch immer.16 Ich hatte den Akt der Fortpflanzung immer für die lächerlichste aller Funktionen des menschlichen Körpers gehalten, deshalb muß Ich Mir wohl selber einen Teil der Schuld geben. Hätte Ich etwas gründlicher nachgedacht und den gesamten Mechanismus anders entworfen, dann hätte ich den direkten körperlichen Kontakt ganz eliminieren können. In einem der anderen Universen hat das ganz ausgezeichnet funktioniert. Dort habe Ich ein System der Sexualität, bei dem die Befruchtung durch das Niesen erfolgt. Diese brillant ausgeklügelte Methode funktionierte über Generationen hinweg ohne Probleme, bis einer der Ur-ur-urenkel eine böse Erkältung bekam und dadurch eine katastrophale Bevölkerungsexplosion auslöste. Die Methode, die Ich für euch entwarf, ist viel zu kompliziert. Außerdem erscheint sie Mir unbequem (ja 16
Auf die Frage, ob Bibelforscher das Zehnte Gebot fehlinterpretiert haben könnten, als sie nahelegten, es solle bedeuten, daß wir nicht den Esel unseres Nachbarn begehren dürfen, antwortete der Autor: »Esel? Verlieben sich denn immer noch welche von euch in Esel? Ich dachte, Neigungen dieser Art seien zusammen mit Sodom und Gomorrah untergegangen. Vielleicht hätte Ich doch etwas mehr Schwefel nehmen sollen.«
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geradezu lebensgefährlich, wenn ich da an einige der ganz ausgefallenen Stellungen denke) und absolut würdelos. Ich habe nie verstanden, was euch daran so viel Vergnügen bereitet. Ich, für Meinen Teil, ziehe eine gute Tasse Tee jedenfalls allemal vor. Es ist ja gar nicht so, daß Adam so furchtbar viel Vergnügen daran fand, jedenfalls am Anfang nicht. Nachdem er wieder in der Lage war, nach Luft zu schnappen und so langsam die unteren Tonlagen seiner Stimme wiederfand, nach diesem ersten, fehlgeschlagenen Versuch also, Eva die Methode näherzubringen, probierte er es ein zweites Mal. Diesmal wählte er die Örtlichkeit mit mehr Bedacht, weit weg von den Brombeersträuchern, und nach anfänglicher Konfusion darüber, wer nun was zu tun hätte und welches Organ zu welcher Öffnung gehöre — viel Zeit verging über seinem vergeblichen Versuch, ihr verführerisch etwas in die Nasenlöcher zu flüstern —, wurde der erste menschliche Geschlechtsakt vollzogen. Diese Erfahrung ließ Adam in einem Zustand lustvoller Euphorie zurück, während Eva sich fragte, wozu der ganze Aufwand nun gut gewesen sei. Dessen ungeachtet blieben sie dabei, vor allem wohl deshalb, weil Eva noch kein Grunzlaut eingefallen, mit dem sie ihre ablehnende Haltung hätte ausdrücken können, und weil sie langsam einzusehen begann, daß ihre ursprüngliche Verhütungsmethode nicht mehr den durchschlagenden Erfolg zeitigte, seitdem es Adam mit wachsendem Geschick verstand, ihrem Knie auszuweichen. Seine Standhaftigkeit zahlte sich aus. Innerhalb kurzer Zeit fand Eva heraus, daß der Akt der Fortpflanzung vielleicht doch nicht so unvergnüglich war, daß er zumindest wesentlich vergnüglicher war als jener Akt, für den Ich ihr eigentlich das Leben eingehaucht hatte, das Unkrautjäten. Da Ich Meinerseits Besseres zu tun hatte, als den beiden dabei zuzuschauen, wie sie sich durch die verschiedenen Methoden der Fortpflanzung für Fortgeschrittene arbeiteten — sie kamen bei dieser Gelegenheit auf drei Verwendungsmöglichkeiten der 54
Aubergine, die Mir bei der Erschaffung dieser Frucht nicht im Traum eingefallen wären —, überließ Ich sie ihrem Vergnügen. Schließlich konnten sie keinen allzu großen Schaden anrichten, während Ich ihnen den Rücken zuwandte.
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ACHTES KAPITEL
Der Sündenfall
in paar Tage später machte Ich einen Rundgang durch den Garten, und dabei fiel Mir auf, daß nicht alles so war wie sonst. Zunächst einmal war es unnatürlich ruhig. Abgesehen vom Rascheln der Blätter im Wind, vom jubilierenden Getriller der Vögel und dem gepeinigten Aufjaulen eines Tieres, das versucht hatte, von einem Kaktus zu naschen, herrschte absolute Stille. Ich brauchte nur ein paar Augenblicke, dann wußte Ich, was Ich vermißte — die unverwechselbaren Geräusche, die Adam und Eva beim Akt der Fortpflanzung von sich zu geben pflegten. Von den beiden war absolut nichts zu hören. Also rief Ich nach ihnen. Aber Ich bekam keine Antwort. Ich rief noch einmal. Immer noch keine Antwort. Das war seltsam. Ich hatte keine Zweifel, daß sie Mich gehört haben mußten, denn wenn Ich einmal die Stimme erhebe, dann wühlt sie die Ozeane auf und läßt die Gebirge erzittern. Normalerweise gelingt es Mir, damit die Aufmerksamkeit der Leute zu gewinnen. Ich rief ein drittes Mal, und nachdem die Ozeane wieder aufgehört hatten, über die Ufer zu schwappen und die Berge einigermaßen zur Ruhe gekommen waren, hörte Ich hinter Mir ein leises Hüsteln. Ich drehte Mich um und sah Adam. Er sah Mich auch. Und dann tat er etwas ganz Außergewöhnliches, er nahm eine Handvoll Blätter und versuchte, damit seine Blöße zu bedecken. Und bevor Ich Mich versah, warf er sich vor Mir auf den Boden und begann zu heulen. Ich redete ihn freundlich 57
an: »Adam, sag, warum bedeckst du deine Blöße vor Mir? Und vor allem, warum nimmst du dazu ausgerechnet Brennesselblätter?« Aber Adam heulte immer noch, also suchte Ich ihm ein Ampferblatt, und als er es auf die betroffenen Stellen legte, fuhr Ich fort: »Adam, wir sollten mal miteinander reden, so von Mann zu Gott. Sag Mir, hast du von den Früchten des großen Baumes gegessen, der auf der Kräuterrabatte steht?« Und Adam nickte. Ich bin, und da werdet ihr Mir doch recht geben, ein gnädiger Gott.17 Trotzdem gibt es da ein paar Dinge, die Ich nicht zu schlucken bereit bin. In der kurzen Zeit seit der Erschaffung von Adam und Eva hatte Ich schon so viele Augen zudrücken müssen. Sie hatten sich während ihrer Fortpflanzungsexperimente natürlich nicht die Bohne um das Gartencenter gekümmert. Außerdem hatte ich über das Unkraut auf den Wegen und den ungemähten Rasen hinwegsehen müssen, gar nicht davon zu reden, daß sie Mir bei ihren Aktivitäten die besten Pfingstrosen platt gewälzt hatten. Und noch heute laufen Mir Schauer über den Rücken, wenn Ich daran denke, was sie mit Meinen Auberginen angestellt haben. Alles das ließ ich durchgehen. Aber es gibt einen Punkt, da ist auch bei Mir Schluß. Ich hatte Adam nur eine einzige Regel auferlegt, als Ich ihm erlaubte, sich im Garten Eden frei zu bewegen — weder er noch seine Frau sollten die Früchte des großen Baumes auf der Kräuterrabatte essen. Ich hatte den beiden eindringlich erklärt, daß es sich dabei um den Baum des Lebens handelte.18 17
Man sollte eigentlich dazu tendieren, den Autor für einen gnädigen Gott zu halten, vor allem angesichts der Tatsache, daß der letzte Mensch, der nicht dazu tendierte, jetzt als kleiner, ziemlich öder Kaktus mitten in der Negev-Wüste steht. 18
Auch bekannt als der Baum des Guten und des Bösen. Experten gehen davon aus, daß es sich um eine besonders qualitätvolle Art des Cox
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Als Ich diese Regel niederlegte, war Ich der Meinung, daß Mein Befehl unmißverständlich war. Ich hielt es für unnötig, ein Schild mit der Aufschrift >Göttliche Äpfel! Verzehr und sonstiger Mißbrauch streng verboten!< an den Baum zu nageln, oder gar: >Naschkatzen werden strafrechtlich verfolgte Das hätte sowieso nichts genützt, denn Adam und Eva waren mit der Erfindung der Sprache noch nicht sehr weit gekommen, einmal abgesehen von ein paar Grunzlauten, die zum Beispiel bedeuten mochten »Hättest du Lust auf ein bißchen Fortpflanzen?« Von der Fähigkeit des Lesens waren sie noch weit entfernt. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie mit einer schriftlichen Botschaft nicht mehr anfangen können, als sie entweder in den Mund zu stopfen oder sie als fortschrittliche Fortpflanzungshilfe zu verwenden. (Ich glaube, man kann es als Maß für menschliche Entwicklung nehmen, daß ihr, wenn Ich euch heutzutage eine schriftliche Botschaft zeigen würde, sie entweder auf T-Shirts drucken lassen oder die Videorechte dafür kaufen würdet.)19 In dem Moment, als Adam versuchte, seine edelsten Teile zu bedecken, wußte Ich, daß Mein Befehl nicht befolgt worden war. Bevor er von der Frucht Meines Baumes gegessen hatte, wußte er gar nicht, daß er nackt war, er wußte überhaupt nichts, abgesehen einmal von den Möglichkeiten der Fortpflanzung. Das einzige, was er wußte — oder was er zumindest hätte wissen sollen, war, daß er von Meinen Äpfeln nicht essen durfte. Ja, er war so dumm, daß Ich eigentlich erstaunt war, Orange handelt. 19
Demnächst wird eine Reihe von T-Shirts mit der Aufschrift »Gott spricht: >Zeig Reue!<« auf den Markt kommen. Achtet auch auf die >Gott — Ende der Welttournee<-Jacken. Die Videorechte stehen ebenfalls zum Verkauf, und Andrew Lloyd Webber plant bereits ein Musical über die Videos von den T-Shirts, auch wenn der Autor sich noch sträubt. »Ich mag gnädig sein, aber es fällt Mir äußerst schwer zu vergeben, was dieser Kerl mit der Geschichte Meines Sohns gemacht hat.«
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daß er Meinen Apfel tatsächlich in den Mund gestopft und ihn nicht als eine Art primitives Rektalthermometer benutzt hatte. Ich wollte von Adam wissen, warum er ungehorsam war, und nachdem das Ampferblatt seinen Schmerz etwas gelindert hatte, erzählte er Mir die Geschichte.20 Offenbar hatte Eva sich zu einer begeisterten Fortpflanzerin entwickelt, und zwar einer so begeisterten, daß Adam sich langsam schwach und krank zu fühlen begann und jedesmal, wenn sie ihm wieder aufmunternd in die Rippen stieß, gequält und mitleiderregend aufstöhnte. Das lag natürlich zum Teil daran, daß er sich immer noch nicht ganz von der Rippenentnahme erholt hatte, aber ein anderer Grund war sicher der, daß er unter dem ersten doppelten Leistenbruch der Welt litt, verbunden mit mehreren Rißwunden, nachdem Eva darauf bestanden hatte, von ihm begattet zu werden, während er mit dem Kopf nach unten von einem Kaktus baumelte. Eva war seiner Unlust sehr schnell überdrüssig geworden und hatte mit ausgedehnten Spaziergängen durch den Garten Eden begonnen, in der Hoffnung, jemand anderen für ihre Fortpflanzungsspielereien zu finden. Nachdem diese Bemühungen sie nicht weitergebracht hatten, wurde ihr schrecklich langweilig, und sie versuchte herauszufinden, ob es vielleicht etwas Besseres gab als das Fortpflanzen. Laut Adam war sie eines schönen Nachmittags auf einer ihrer Wanderungen mit einer Schlange ins Gespräch gekommen, die träge in der Sonne herumgelegen hatte. Sie hatten über dieses und jenes geschwätzt, und 20
Hier könnte es einen Grund für Verwirrung geben: Der Autor hatte darauf hingewiesen, daß man Adams sprachliches Vermögen bestenfalls als primitiv bezeichnen konnte, und trotzdem unterhielten sie sich. Auf eine entsprechende Nachfrage erklärte uns der Autor, sie haben sich auf dem Wege der Telepathie ausgetauscht. »Ich konnte Adams Gedanken lesen, was insgesamt eine Angelegenheit von nicht mehr als ein paar Sekunden war.«
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schließlich hatte die Schlange das Gespräch auf die Äpfel an Meinem Baum gebracht. Ich glaube, es gelang ihr damals, Eva davon zu überzeugen, daß diese Äpfel eine erotisch anregende Wirkung hätten und in der Lage seien, Adams ermattenden Energien gehörig auf die Sprünge zu helfen. Eva konnte der Versuchung nicht widerstehen. Sie pflückte einen Apfel, biß einmal von ihm ab und rannte so schnell sie konnte zu ihrem Mann, damit er davon esse. Adam, der viel zu erschöpft war, um sich lange zu wehren, biß ebenfalls ab und beging somit die Erbsünde. Mir blieb einfach keine andere Möglichkeit, als Adam zu entlassen. Taub gegen beider Flehen warf Ich sie hinaus und knallte ihnen die Türen vor der Nase zu. Ich sah ihnen zu, wie sie sich davonschlichen, nackt und verlassen, und am Rande der Wildnis drehte Adam sich noch einmal um und sagte zu Mir: »Alles wegen eines lausigen Apfels! Wenn ich gewußt hätte, daß du so bist, dann hätte ich etwas wirklich Böses getan!« Ich aber sprach zu ihm: »Das ist die Strafe dafür, daß du dem Worte des Herrn, deines Gottes nicht gefolgt bist. Aber weißt du, was Mir wirklich gegen den Strich geht? Daß du Mich für so blöd gehalten hast, diesen Quatsch von der sprechenden Schlange zu glauben.«
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NEUNTES KAPITEL
Nach dem Sündenfall
ach dem Sündenfall kam der Winter. Das war erst ein Schock für Adam und Eva, denn in Meinem Gartencenter hatten sie sich an ein warmes Klima gewöhnt, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie etwas Passendes gefunden hatten, um ihre Nacktheit zu bedecken. Adam hatte ganz besondere Probleme, und nach ein paar Experimenten mit verschiedenen Gemüseblättern, darunter auch Stechpalme und Giftsumach — die übrigens katastrophalen Einfluß auf seine Fortpflanzungsfähigkeiten hatten —, war er bereit aufzugeben. Es war Eva, die herausfand, daß Feigenblätter weit weniger schmerzhaft waren. Sie versuchte drei davon an ihrem Körper zu befestigen, aber sie fielen immer wieder herunter. Das wiederum hatte großen, therapeutischen Einfluß auf seine Begattungsfähigkeiten. Jedesmal, wenn sie entblättert wurde, wurde er ganz wild auf sie, und so konnte es nicht ausbleiben, daß Eva im Frühling einem Kind das Leben schenkte. Sie nannten den Jungen Kain, Meiner Meinung nach kein besonders hübscher Name, aber es war ja auch kein besonders hübsches Kind, und er hatte auch keine besonders hübschen Eigenschaften. Seine am wenigsten hübsche Eigenschaft dürfte sein Hang gewesen sein andere Menschen zu ermorden. Um fair zu sein, er brachte nur einen einzigen anderen Menschen um, nämlich seinen Bruder Abel (wo hatten die bloß solche Namen her?), aber da es damals nicht mehr als vier Menschen auf der Welt gab, brachte er damit 62
immerhin ein Viertel der gesamten Erdbevölkerung um die Ecke, und wenn man es so betrachtet, dann war er der übelste Massenmörder aller Zeiten. Zunächst beteuerte Kain seine Unschuld. Bis Ich darauf hinwies, daß es nur drei Verdächtige gab, von denen zwei, nämlich sein Vater und seine Mutter, ein bombensicheres Alibi hatten, da sie schließlich dabei waren, die Erde zu bevölkern, und das bedeutete Fortpflanzung rund um die Uhr. Als Ich ihn mit diesem Beweis konfrontierte, brach er zusammen, gestand sein Verbrechen und führte als mildernden Umstand an, daß er schließlich aus einem zerrütteten Elternhaus stamme. Ich hielt dagegen, daß man Meiner Meinung nach ein paar Felsbrocken unter einem Baum nicht als Haus und schon gar nicht als Elternhaus bezeichnen könne. Und außerdem sei es nur zerrüttet, weil er es in einem Wutausbruch zerschlagen habe. Dann versuchte er, auf Notwehr zu plädieren. Abel habe ihn mit einer Lupine angegriffen. Ich stellte klar, daß er, falls er eine Lupine wirklich für eine gefährliche Waffe halte, besser auf geistige Unzurechnungsfähigkeit plädieren solle, aber auch damit käme er nicht sehr weit, denn er sei genauso zurechnungsfähig wie jeder andere Mann, selbst wenn man berücksichtige, daß dieser andere Mann Adam sei. Mir blieb gar keine andere Wahl. Ich mußte Kain schuldig sprechen. Zuerst wollte Ich ihn vor das falsche Ende eines Blitzstrahls setzen, aber dadurch wäre die Bevölkerung noch weiter vermindert worden und da er nicht versucht hatte, eine Schlange für sein Verbrechen verantwortlich zu machen, beschloß Ich, Gnade walten zu lassen und ihn nur zu verbannen. Ich verbannte ihn in das Land Nod. Dort blieb er und betrieb Ackerbau Jedem, den er traf, erzählte er: »Mein Name ist Kain ich bin der erste Mörder der Welt. Das wissen nicht viele Menschen.« In der Zwischenzeit nahm das Leben außerhalb des Garten Eden seinen normalen Lauf. Adam und Eva pflanzten sich fort, schenkten vielen Söhnen das Leben. 63
Zu ihnen gehörte Seth, der geboren wurde, als sie 130 Jahre alt waren. Sie hatten natürlich auch Töchter, aber davon schweigt die Bibel still, wahrscheinlich deshalb, weil sie alle Eva genannt wurden, bis auf die Letztgeborene, der man den Namen Herbert gab.21 Für die nächsten achthundert Jahre blieb alles friedlich in Meiner Schöpfung. Adam verbrachte seine Tage damit, in der Erde zu buddeln, Holz zu hacken und Wasser zu holen, und während seiner Nächte war er mit der Fortpflanzung beschäftigt. Manchmal pflanzte er sich allerdings auch während des Tages fort, dann buddelte er nachts in der Erde rum. Es kam auch vor, daß er versuchte, Holz zu holen und Wasser zu hacken, aber nur ganz selten versuchte er, Holz zu begatten. Und wenn er gar nichts von alledem tat, dann brachte er den Hunderten seiner Kinder bei, was das Leben ihn gelehrt hatte, und das war weder für ihn besonders anstrengend, noch für seine Schüler. Und irgendwann einmal starb Adam, im Alter von 930 Jahren, an unheilbarer Langeweile. Eva dagegen lebte noch so lange, daß sie erleben durfte, wie ihr Groß-groß-groß-groß-groß-groß-großgroß-groß-großenkel Hubert zum Manne heranwuchs und der erste Buchhalter und Steuerberater der Welt wurde. Nach dieser niederschmetternden Enttäuschung verlor 21
Auf die Frage, ob es sich bei Herbert ursprünglich um einen Mädchennamen gehandelt habe, antwortete der Autor: »Nein. Adam war ein ausgezeichneter Begatter, aber wenn es darum ging, sich Namen auszudenken, erwies er sich als Niete. Er hatte außerdem noch zweiunddreißig Söhne und einen Lieblings-Baumstamm, denen er den Namen Herbert gegeben hatte. Ja, er freundete sich tatsächlich mit einem Stück Holz an und nahm es überall mit hin. Manchmal schleuderte er sogar in hohem Bogen Hunde in die Wiese und wunderte sich, daß sein stummer Freund sie nicht apportieren konnte. Wenn Ich Mir Adam so anschaue, dann muß Ich mich wirklich wundern, daß die menschliche Rasse sich überhaupt über die Steinzeit hinausentwickeln konnte. Nein, Eva war eindeutig der Kopf der Familie, und sie war es auch, die die Hosen anhatte, vor allem auch deshalb, weil es ihm einfach nicht in den Schädel wollte, daß er nicht mit beiden Füßen in dasselbe Hosenbein steigen durfte.«
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sie jeglichen Lebenswillen, und Ich hob sie zu Mir hinauf in den Himmel, wo sie auch heute noch wohnt und die Seelen am Himmelstor mit den Worten begrüßt: »Ich bin Eva, die Mutter der menschlichen Rasse. Komm nur herein, es gibt Hühnersuppe zu Mittag, aber erst einmal sag mir, warum du solange nicht geschrieben hast.«
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ZEHNTES KAPITEL
Avant le deluge22
uf all den Planeten in all den Galaxien in all den Konstellationen der fünfzehn Universen habe Ich nicht eine einzige Lebensform geschaffen, die derart lästig, streitsüchtig, ja geradezu widerwärtig ist, wie ihr emporgekommenen Anthropoiden auf eurer Erde. Kaum hatte Ich die Sieben Todsünden festgelegt, da hattet ihr sie auch schon begangen, und noch andere obendrein, auf die Ich auch unter Aufbietung Meiner schmutzigsten Fantasien nicht gekommen wäre. Es begann schon früh, nämlich mit einem der Groß-groß-groß-et cetera-großenkel von Adam, einem üblen Früchtchen mit Namen Mahalameehal. Bei Erreichen der Pubertät hatte er schon Stolz, Zorn, Neid, Lust, Gefräßigkeit und Geiz hinter sich; die einzige Todsünde, die er noch nicht begangen hatte, war die Faulheit, und das lag auch nur daran, daß er mit den anderen Todsünden so beschäftigt war, daß ihm die Zeit zum Müßiggang gefehlt hatte. Mit den Zeugons, einer freundlichen, friedvollen Rasse auf dem vierten Planeten links von der fünften Galaxie des siebten Universums, hatte ich längst nicht solchen Ärger. Sie sind so folgsam, daß Ich ihnen nur eine einzige Todsünde geben mußte — Ich untersagte ihnen ausdrücklich jeglichen geschlechtlichen Verkehr mit der Holzassel. Und kein einziger Zeugon kam jemals auf die Idee, Mir den Gehorsam zu verweigern. Die 22
Vor der Sintflut. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Autor mal wieder mit seinen Sprachkenntnissen glänzen wollte.
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Tatsache, daß es auf diesem Planeten gar keine Holzasseln gibt, spielt dabei nur eine unwesentliche Nebenrolle. Warum konntet ihr den Zeugons nicht ähnlicher sein? Kaum hatte Kain seinen Brudermord begangen, da stürzten sich seine Verwandten schon in jede nur mögliche Form von Sünde, Verbrechen, Laster und Perversion. Und wenn Ich tausend Jahre alt werde — was Ich natürlich schon längst bin —, werde Ich immer noch nicht verstehen, warum ihr nicht damit zufrieden sein konntet, eure Gärten zu bestellen. In diesen frühen Zeiten lebten die Menschen länger als heute. Methusalem war der älteste Mensch, der jemals lebte. Er war 969 Jahre alt, als er starb, und wenn das auch — verglichen mit Meinem Alter — nichts Außergewöhnliches ist, so ist das für einen zweibeinigen Einfaltspinsel mit solch niedriger Langeweileschwelle schon ganz ordentlich. Nicht daß Methusalem zu den Sündern gehörte; er lebte ein vorbildliches Leben. Trotzdem tat er Mir leid. Der alte Mann wurde beinahe zum Wahnsinn getrieben, weil jeder ihn nach dem Geheimnis seiner Langlebigkeit fragte. Und er mußte wieder und wieder herbeten, daß er sie auf das völlige Fehlen von Alkohol, Zigaretten, hoch cholesterinhaltiger Nahrung und Verkehrsunfällen zurückführte. Er mußte einen traurigen Tod erleiden, er verbrannte zu Asche, als er versuchte, alle Kerzen auf dem Kuchen zu seinem 970. Geburtstag auf einmal auszublasen. Die meisten seiner Zeitgenossen, denen Jahre und Jahrhunderte der Langeweile bevorstanden — und die ganz genau wußten, daß Videorecorder, Stereoanlagen und Massagestäbe erst lange nach ihrer Zeit erfunden werden würden —, machten sich ihre Unterhaltung selbst, indem sie klauten, raubten, brandschatzten und vergewaltigten. Um ehrlich zu sein — und anders kann Ich gar nicht sein —, obwohl Ich ziemlich genau über die Hobbys der Menschen Bescheid wußte, hätte Ich die Erde am liebsten ignoriert. Eines Nachmittags war Ich erwacht und hatte wohl vierzigmal mit den Augendeckeln geklimpert, 67
bevor Ich erkannte, daß schon wieder ein paar Jahrhunderte vergangen und die Dinge Mir endgültig aus den Händen geglitten waren. So leicht schockiert man Mich nicht — schließlich gibt es nichts, das Ich nicht schon gesehen hätte —, aber als Ich einen Blick auf die Erde warf, war Ich doch einigermaßen erschüttert über das Böse, das Ich in den Herzen der Menschen entdecken mußte. Auf dem Planeten herrschten Schurkerei und Korruption, Meine glorreiche Schöpfung war besudelt und befleckt. Sünde in jeglicher Form stand in voller Blüte, das Böse regierte die Landschaften der Erde. Der ganze Globus erschien Mir wie ein riesiges Las Vegas, nur die scheußlichen Leuchtreklamen fehlten. Aber das konnte Mich nun auch nicht mehr beschwichtigen. Ich geriet in großen Zorn und sagte zu Mir selbst: »Ich werde den Menschen, den Ich erschaffen habe, vom Angesicht der Erde wischen, und mit ihm das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels, denn es reut Mich, sie gemacht zu haben.«23 Eigentlich haben die Schreiberlinge, die die Bibel verfaßt haben, Mir diese Worte in den Mund gelegt. Ein bißchen zu blumig. Offensichtlich gefiel es ihnen, Meine Worte pompös klingen zu lassen, was Mir eigentlich gar nicht entspricht. Meine eigenen Worte klangen wesentlich prosaischer, auch wenn der Sinn derselbe war. Ich beschloß, das ganze Pack auszurotten und noch einmal ganz neu anzufangen. Ich gab also zu, einen Fehler gemacht zu haben — gar nicht so einfach für ein Höchstes Wesen —, ein pompöser Gott würde das bestimmt nicht tun. Nachdem Ich nun beschlossen hatte, alle Lebewesen samt Vieh und Federvieh auszurotten, von den Kriechern gar nicht erst zu reden, mußte Ich Mir überlegen, wie das am besten zu bewerkstelligen wäre. Ich habe den Vorzug eigentlich immer dem gut gezielten Interkontinentalen 23
Die Kriechtieren Die meisten Bibelforscher interpretieren dies als Bezug auf die Schlange. Wie wir jedoch noch sehen werden, bezog sich der Autor auf das Quug.
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Ballistischen Blitzstrahl gegeben; einer Waffe mit großer Reichweite, die praktisch keine Konkurrenz fürchten muß — sie ist schnell, sauber und zielsicher. Also gut, sagen wir mal, sie ist meistens zielsicher, manchmal gibt es auch kleine Mißgeschicke. Ich erinnere Mich da an gewisse Zielübungen über den kahlen Einöden Nordamerikas und daran, daß Ich damals die Kraft Meines Blitzstrahls offensichtlich falsch eingeschätzt hatte. Aber man hat Mir gesagt, daß der Grand Canyon inzwischen bei den Touristen sehr beliebt ist. Trotzdem, der Blitzstrahl ist eigentlich nur gegen individuelle Ziele so richtig wirksam, wenn man sich zum Beispiel einen besonders erbärmlichen Sünder aus der großen Menge herauspicken will. Unglaublich eindrucksvoll, wie jedem Zeugen einer solchen Strafaktion die Angst vor Mir eingebleut wird. Aber für die Aufgabe, vor der Ich stand, brauchte Ich etwas, das Hunderttausende auslöschen konnte, und ganz ehrlich gesagt, Ich hatte weder Lust noch Zeit, mir jeden davon einzeln vorzunehmen. Die naheliegendste Lösung war also etwas, das die ganze Welt bedecken und den ganzen Job in einem Aufwasch erledigen würde. Es sollte etwas mehr Stil haben als eine Seuche, aber auch wieder nicht so großspurig wie eine globale Feuersbrunst sein, die außerdem viel zuviel Dreck hinterlassen und umfangreiche Putzarbeiten nach sich gezogen hätte. Nach einer Inspektion meines Arsenals entschied Ich Mich schließlich für Regen. Ich glaube, Ich sagte bereits, daß Ich ein gnädiger Gott bin.24 Also wollte Ich der Welt noch eine Chance geben, bevor Ich die Wasserhähne aufdrehte. Um ehrlich zu sein, empfand Ich ein leises Bedauern über Meine hastige Entscheidung, alles Leben auf der Erde auszulöschen — das Vieh, das Federvieh, ja selbst die 24
In der Tat erwähnte der Autor das bereits, und trotzdem ist man geneigt, ihm Glauben zu schenken.
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Kriechtiere hatten schließlich gar nichts Böses getan. Das Grünzeug war völlig unschuldig, und selbst die Kakteen hatten schließlich ihre guten Seiten.25 Wenn Ich das alles zerstört hätte, hätte Ich Mir nur die Mühe machen müssen, das alles neu zu erschaffen. Also beschloß Ich zu erkunden, ob es nicht doch noch menschliches Leben gäbe, das wert wäre, erhalten zu bleiben. Und so fand Ich Noah. Er war eigentlich nichts weiter als ein gewöhnlicher Bursche, aber er lebte ein gutes, ehrbares Leben zusammen mit seinem Weib Norah. Meine einzige Kritik an ihm: Er war fünfhundert Jahre alt und hatte doch erst drei Kinder gezeugt, was nichts anderes bedeuten konnte, als daß er und Norah sich nicht ausreichend mit den verschiedenen Fortpflanzungstechniken beschäftigt hatten. Nun, Ich sage immer, niemand ist perfekt, außer Mir, und offensichtlich litt Norah Noah häufig unter Migräne, was einen negativen Einfluß auf seine Technik gehabt haben mag. Und es war wohl mehr ein bedauerlicher Fauxpas denn eine echte Sünde, daß sie ihre Nachkommenschaft mit so fürchterlichen Namen wie Jafet, Sem und Ham versehen hatten. Ich schaute Noah tief ins Herz, und als Ich sah, daß es rein war, beschloß Ich, daß er und seine Familie vor Meiner kleinen Überschwemmung bewahrt bleiben sollten. Eines Abends arbeitete er in seinem Garten, während die meisten seiner Nachbarn sich im Mord-Und-Totschlag-Club vergnügten — wenn Ich Mich recht entsinne, standen in jener Nacht Strip-Poker und Handtaschenraub auf dem Programm. Ich sprach Noah ganz leise an, um ihn nicht in Angst und Schrecken zu versetzen. »Noah«, sprach Ich, »hier ist der Herr, dein Gott!« Ich erhielt keine Antwort. 25
Es hat fast den Anschein, als wollte der Autor einen Witz machen. Und obendrein noch einen sehr lustigen. Vergessen Sie nicht, daß es weit weniger amüsant ist, in einen Kaktus verwandelt zu werden.
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Noch einmal sprach Ich ihn an: »Noah, Ich bin der Herr, dein Gott!« Immer noch keine Antwort. Also, noch ein Versuch: »Noah! Der Herr, dein Gott will mit dir reden!« Diesesmal sah Noah hoch, erblickte Mich und sagte zu Mir: »Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber Sie müssen ein bißchen lauter sprechen. Mein Gehör will nicht mehr so richtig.« Also hob Ich Meine Stimme ein wenig an, aber nicht so sehr, daß die Ozeane über die Ufer geschwappt und die Gebirge erzittert wären, ja nicht einmal so laut, daß irgendwelche Gschaftlhuber hätten mithören können. Ich sagte zu ihm: »Noah, Ich bin der Herr, dein Gott! Kannst du jetzt verstehen, was Ich zu dir sage?« Noah blickte wieder zu Mir hoch und sprach: »Ungefähr halb sieben. Tut mir leid, daß ich es Ihnen nicht genauer sagen kann, aber die Digitaluhr ist noch nicht erfunden.« Wieder sprach Ich ihn an, diesmal noch ein bißchen lauter: »Ich will von dir nicht die Uhrzeit wissen. Ich will dir mitteilen, daß Ich der Herr, dein Gott bin!« Darauf Noah: »Okay, Sie müssen nicht so schreien. Wenn ich irgend etwas nicht ausstehen kann, dann sind das Leute, die herumlaufen und so tun, als seien sie der liebe Gott.« Ich glaube, genau in diesem Moment entschied Ich in Meiner unendlichen Weisheit, daß Noah ruhig mit den anderen zusammen ersaufen sollte.
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ELFTES KAPITEL
Die Arche
ch weiß nicht genau, ob Ich es bereits erwähnte, aber wenn Ich überhaupt irgend etwas bin, dann ein gnädiger Gott. Nachdem Ich Noah seinem Schicksal überlassen hatte, verfiel Ich in Grübeleien darüber, ob Ich nicht vielleicht doch ein bißchen zu ungeduldig mit ihm war. Schließlich ist es nicht ungewöhnlich, wenn ein Fünfhundertjähriger etwas schwerhörig ist. Mit zunehmendem Alter merke ja sogar Ich selber, daß Ich nicht mehr alles mitbekomme, was man zu Mir sagt. Ich wünschte Mir so sehr, ihr würdet eure Gebete etwas lauter sprechen. Das würde Mir die Arbeit sehr erleichtern. Was nicht heißen soll, daß es noch viele unter euch gibt, die Gebete sprechen. Es sei denn, euch steht das Wasser bis zum Hals. Dann könnt ihr nicht schnell genug auf die Knie kommen, stimmt's? Nun, Ich habe 'ne Menge dagegen, als eine Art kosmische Versicherungpolice mißbraucht zu werden — ihr habt keine Lust, eure Prämien zu zahlen, aber wenn etwas schiefgeht, dann könnt ihr Mich nicht schnell genug anrufen. Ich würde vorschlagen, ihr lest erst einmal das Kleinge-druckte, bevor ihr Mich das nächste Mal um Hilfe bittet, besonders die Klausel, die den >Göttlichen Akt< betrifft. Dort steht nämlich, daß Gott nur dann eingreift, wenn alle Prämien einbezahlt sind. Oder, wenn ihr so wollt, vollständig abgebetet sind!26 26
Ein weiteres Beispiel für den hochentwickelten Humor des Autors. Dieser Witz ist womöglich noch zwerchfellerschütternder als der vorhergehende.
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Wo war Ich stehengeblieben? Richtig, bei Noah. Ich überdachte noch einmal Meine relativ hastige Entscheidung und gestand ihm eine zweite Chance zu. Also kehrte Ich am nächsten Abend zu ihm zurück, und bevor Ich versuchte ihn anzusprechen, blies Ich ihm kräftig die Ohren durch und heilte ihn so von seiner Schwerhörigkeit.27 Dann sprach Ich ihn an und sagte zu ihm: »Noah, kannst du Mich hören?« Er sprang aus seinem Sessel hoch und sagte: »Oh, mein Gott! Sie hätten mich beinahe zu Tode erschreckt!« Ich aber sprach: »Richtig, Noah, Ich bin dein Gott.« Und er antwortete: »Zieh'n se doch mal an der anderen. Bei mir hat's noch nicht geklingelt.« Da Ich weder Glocken noch etwas anderes zum daran Ziehen entdecken konnte, sagte Ich zu ihm: »Du sprichst in Rätseln, Noah. Schau Mich an und hab keine Angst.« Noah schaute Mich an, erkannte Mich in Meiner ganzen Majestät und sagte zu Mir: »Ich glaube, du bist wirklich der liebe Gott.« Ich antwortete ihm: »Ja, Noah, das bin Ich.« Darauf er: »Irgendwie hatte ich Dich mir größer vorgestellt.« Ich teilte ihm Meine Pläne mit: »Ich habe die Nase voll von der Verderbtheit, die Meine Schöpfung beschmutzt, deshalb habe Ich beschlossen, alles hinwegzuspülen. In Kürze wird wolkenbruchartiger Regen einsetzen. Er wird vierzig Tage und vierzig Nächte andauern und eine große Flut auslösen, von welcher die ganze Erde überschwemmt werden wird. Alles auf dem Angesicht der Erde wird zerstört werden. Alles, mit Ausnahme von dir und deiner
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Sich daran erinnernd, was der Autor über seine eigene, partielle Schwerhörigkeit geschrieben hat, fragte ihn der Herausgeber, warum er ein entsprechendes Wunder nicht an sich selbst ausprobierte. Der Autor antwortete: »Ein Wunder ist ja ein wunderbare Sache, aber haben Sie schon mal versucht, sich selber die Ohren durchzupusten?«
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Familie.« Noah aber schaute Mich mit großen Augen an und sagte: »Um diese Jahreszeit haben wir hier niemals Regen.« Ich bedachte ihn mit einem finsteren Blick. Er schien Meinen Mißmut bemerkt zu haben und fügte hinzu: »Schon gut, du kannst deinen Heiligenschein ruhig aufbehalten. Du bist der Boß, und wenn du sagst, daß es regnen wird, dann soll's mir auch recht sein. Also, was soll ich tun?« Ich teilte es ihm mit. Als Ich damit fertig war, sagte er zu Mir: »Hab' ich das jetzt richtig verstanden? Du willst also, daß ich eine Arche baue, 300 Ellen lang, 50 Ellen breit und 30 Ellen hoch, hergestellt aus bestem Zypressenholz, innen und außen mit Pech abgedichtet. Ist das so richtig?« »Ja, Noah, das ist so richtig.« Und Noah sagte: »Okay, soweit sehe ich keine Probleme. Mal abgesehen von der Tatsache, daß ich ein miserabler Heimwerker bin und kaum ein Bücherregal einigermaßen gerade aufstellen kann. Außerdem ist mein Garten, in welchem ich das verdammte Ding zusammenzimmern soll, keine 20 Ellen lang und höchstens 15 Ellen breit. Und ich mit meinen ständigen Hexenschüssen und meinen 500 Jahren auf dem Buckel soll das alles ganz alleine bewerkstelligen? Ohne Hilfe? Nicht mal von meinem Sohn Ham, der immerhin schon ein bißchen Do-It-Yourself-Erfahrung hat und dem es neulich sogar gelungen ist, sein Wäschekarussell so aufzustellen, daß es stehengeblieben ist? Es ist Dir in Deiner grenzenlosen Weisheit wohl nicht einen Moment lang in den Sinn gekommen, den Job an eine professionelle Schiffswerft zu vergeben?« Ich aber antwortete ihm und sprach: »Ich habe dich für diese Aufgabe auserwählt, Noah. Ich werde dir Kraft und Geschick verleihen, damit du das Werk vollenden kannst. Hab Vertrauen zu Mir. Hab' Ich dich nicht auch von deiner Schwerhörigkeit befreit?« Noah aber blickte auf zu Mir, legte einen Zeigefinger hinter das Ohrläppchen und sprach: »Wie bitte?« 74
Ich war ernsthaft böse mit ihm, da fügte er hinzu: »Das sollte nur ein Scherz sein. Hast du denn gar keinen Humor?« Ich lachte und sprach zu ihm: »Und ob Ich Humor habe, Noah!« Und um es ihm zu beweisen, verwandelte Ich ihn in einen Kaktus. Nachdem Ich Mich über Meinen kleinen Scherz ausreichend amüsiert hatte, gab Ich Noah seine ursprüngliche Gestalt zurück, und er trottete hocherfreut von dannen. Er ging direkt zu seiner Frau und sagte zu ihr: »Norah, es wird vierzig Tage und vierzig Nächte lang regnen.« Norah aber antwortete ihm: »Ach, wirklich, mein Lieber? Nun, ich denke der Garten kann's gebrauchen.« Und dann berichtete er: »Ich werde eine Arche bauen, 300 Ellen lang, 50 Ellen breit und 30 Ellen hoch.« Da antwortete sie ihm: »Das ist schön, Liebling. Jeder Mann sollte sein Hobby haben.« Noah aber sagte: »Du verstehst mich nicht. Der Herrgott selber hat mich mit dieser Aufgabe betraut.« Da erwiderte sie: »Ja, sicher hat er das, Liebling. Und nun wasch dir die Hände. Es gibt gleich Abendbrot.« Darauf sagte Noah: »Ich glaube, von dem Kaktus erzähl' ich dir lieber erst gar nicht.«
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Le deluge28
ZWÖLFTES KAPITEL
oah werkelte lange und voller Mühe an der Arche herum. Er brauchte hundert Jahre, viel länger, als Ich im Sinn gehabt hatte, aber es war nicht seine Schuld. Er hatte erst mal siebzig Jahre lang auf die Genehmigung der örtlichen Baukommission warten müssen. Während der Bauarbeiten kamen die Menschen von nah und fern, bewunderten die Konstruktion und sagten: »Wahrlich, das ist ein gewaltiges Gartenhäuschen. Wenn es einmal fertig ist, dann wird es das der Jonahs nebenan noch überragen.« Andere wiederum spotteten: »Wahrlich, der versucht doch bloß, die Jonahs von nebenan zu übertrumpfen.«29 Zu denen aber, die über ihn spotteten, sprach Noah: »Stock und Stein brechen mir die Bein', Worte aber treffen mich nicht.« Als sie das hörten, waren die Spötter verblüfft. Sie hielten damit ein, ihm verächtliche Worte entgegenzuschleudern, und nahmen statt dessen Stöcke und Steine. Aber auch jetzt noch widmete sich Mein getreuer Vasall ausschließlich seiner Aufgabe, auch wenn ihn der Gipsverband ein bißchen störte. 28
Die Sintflut. Auf die Frage, warum er uns hier auf Franzö sisch kommt, erwiderte der Autor: »Johannes Paul ist nicht der einzige, der in mehreren Sprachen fließend reden kann.« 29
>Wahrlich< scheint in jenen Tagen ein sehr beliebter Name gewesen zu sein.
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Als die Arbeit schließlich vollbracht war, machte Ich Meinen Besichtigungsrundgang. Ich sah, daß er gutes Zypressenholz verwendet hatte, daß er es auf beiden Seiten, innen und außen, mit Pech abgedichtet hatte, und daß die Arche, wie Ich es angeordnet hatte, 300 mal 50 mal 30 Ellen maß.30 Ich gratulierte Noah zu seinem Werk und sagte: »Bravo, gut gemacht! Aber sag, warum hast du das Ding hellrosa gestrichen?« Darauf antwortete er: »Die Idee kam von meinem Weib. Ich persönlich hätte es weniger grell vorgezogen, aber sie bestand darauf, daß es zu den Vorhängen passen müsse.« Und dann sagte er: »Herr, ich habe die Arche gebaut, wie Du es verfügt hast, mit Ausnahme der Farbe, die, ich muß es zugeben, ziemlich scheußlich geraten ist. Ich habe an diesem Werk hundert Jahre gearbeitet. Das ist eine lange Zeit, und nun habe ich völlig vergessen, wofür das verdammte Ding eigentlich gut sein sollte.« Und noch einmal erzählte Ich ihm von der großen Überschwemmung, und davon, daß die Arche ihn und seine Familie vor der Vernichtung bewahren sollte. Darauf sprach er zu Mir: »Herr, da gibt es nur mich, mein Weib, unsere Söhne Sem und Jafet, deren Weiber und ihre Kinder Hermine, Willi, Gustav und Karin. Nicht zu vergessen Ham und sein Weib und ihre Kinder Plisch, Plum und Wum. Ist es nicht eine verdammt große Arche für fünfzehn Personen?« Ich aber sprach: »Noah, du vergißt die Tiere.« Und er antwortete: »Tiere? Was für Tiere? Du hast nie 30
Eine Elle maß die Länge eines Arms vom Ellenbogen bis zur Spitze des Mittelfingers. Das Maß war ziemlich ungenau, seine Länge schwankte zwischen 18 und 22 Zoll, abhängig von der Größe des Arbeiters. Einmal angenommen, Noah war von durchschnittlicher Körpergröße, dann dürfte die Arche etwa 137 Meter lang, 23 Meter breit und 14 Meter hoch gewesen sein. Oder 450 Fuß lang, 75 Fuß breit und 45 Fuß hoch. Andrerseits lesen wir in der Bibel (Genesis 6,4): »In jenen Tagen gab es auf der Erde Riesen ...« Die Arche könnte also auch wesentlich größer gewesen sein. Als wir den Autor um Klarstellung dieses Punktes baten, erwiderte er uns: »Was spielt das schon für eine Rolle.«
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etwas von Tieren erwähnt.« Ich aber sprach: »Nun, Ich fand, daß du genug um die Ohren hattest. Da solltest du dir nicht auch noch wegen der Tiere Gedanken machen.« Ich erzählte ihm von Meinem Plan. Darauf sprach Noah zu Mir und sagte: »Mal sehen, ob ich das richtig auf die Reihe kriege: Du willst, daß ich durch die Welt reise und mir zwei Exemplare jeder lebenden Tierart greife, ein Männchen und ein Weibchen, vom Erdferkel bis zum Zorro, was auch immer das sein mag. Und das, obwohl ich gegen Tierfell allergisch bin und davon immer eine Art Beulenpest kriege? Du willst also, daß ich jedes Stück Federvieh einfange, das auf der Erde herumflattert, dazu die Tiere des Ackers, die Insekten und die Lurche, nicht zu vergessen die Kriechtiere. Und wenn ich sie alle eingefangen habe, dann soll ich mit ihnen hierher zurückkommen und sie in die Arche pferchen. Ist das so richtig?« »Ja, Noah, das ist richtig.« Und Noah sprach: »Und das soll ich alles in sieben Tagen schaffen?« »Ja, Noah, das ist richtig.« Darauf sprach Noah: »Hat Dir schon mal jemand gesagt, daß Du nicht mehr alle Tassen im Schrank hast?« Ich aber sagte zu ihm: »Wie würdest du dir als Kaktus gefallen?« Darauf antwortete er Mir: »Nun, ich habe keine Zeit, hier mit Dir rumzusitzen und ein Schwätzchen zu halten, ich muß Tiere einfangen gehen.« Und er ging, lobpreiste Meinen Namen und sprach: »Allmächtiger Gott, was für ein Job!« Nach sieben Tagen kehrte Noah zurück zur Arche, in seinem Gefolge ein Pärchen jeder Tierart, vom Erdferkel bis zum Zorro, und auch das Kriechtierchen mit den Namen Quug hatte er nicht vergessen. Die Menschen kamen von nah und fern, wunderten sich und sagten: »Typisch Noah! Dieser alte Angeber! Wenn er gerne Haustiere halten will, warum gibt er sich nicht mit einem Goldhamsterpärchen zufrieden?« Aber Noah beachtete sie nicht, führte die Tiere in seine 78
Arche und gab ihnen zu essen und zu trinken. Ich befahl den Tieren, in der Arche Frieden zu bewahren. Als er Meine Worte hörte, legte der Löwe sich neben das Lamm, der Tiger legte sich neben ein Kind und der Elefant legte sich auf eines der Quugs, womit er den Bestand an Quugs halbiert hatte. Nachdem er die Tiere versorgt hatte, führte Noah seine Familie in die Arche, und nachdem die Nacht auf den siebten Tag gefallen war, stand Noah mit seinem Weib an Deck. Er sah hoch zum Himmel und sagte: »Es sieht nach Regen aus.« Sie aber sprach: »Wie kommst du darauf?« Und er antwortete: »Weil meine Arthritis mir zu schaffen macht. Und weil Gott es zu mir gesagt hat.« Darauf sprach sie: »Nichts gegen einen erfrischenden Regenschauer. Hättest du Appetit auf ein schönes Quugsteak zum Abendessen?« Und siehe, Ich sandte einen gewaltigen, sintflutartigen Regen. Es regnete vierzig Tage und vierzig Nächte lang, und alles auf der Erde wurde von den Fluten hinweggewaschen. Und nichts und niemand auf der Erde blieb am Leben, ausgenommen jene Kreaturen an Bord der Arche. Und vierzig Tage und vierzig Nächte lang dümpelte die Arche auf der Oberfläche der Fluten. Und an vierzig Morgen schaute Noah aus seiner Arche und sagte: »Wißt ihr was? Es regnet immer noch.« Und an vierzig Morgen sagte Sem: »Welcher Idiot hat bloß die Pillen gegen Seekrankheit vergessen?« Und an vierzig Abenden sagte Jafet: »Bitte nicht schon wieder Quugsuppe zum Abendessen! Ich bin sicher, der liebe Gott würde das Fehlen eines kleinen Hühnchens gar nicht bemerken.« Und an vierzig Abenden sagte Jafet: »Wer hat Lust auf eine Partie >Ich sehe was, was du nicht siehst Ich fange an. Ich sehe mit meinen kleinen Äuglein etwas, das mit >R< anfängt.« Und an jedem dieser vierzig Abende antwortete Ham: »Ich weiß es! Regen!« Und an vierzig Abenden sagten ihre Eheweiber zu ihnen: »Du erwartest heute nacht hoffentlich keine 79
Fortpflanzungsübungen. Nicht, wenn ich einen meiner Migräneanfälle habe. Und das ist bei dem Tiergestank ja wohl kein Wunder.« Und an vierzig Abenden sagte Frau Noah: »Es geht doch nichts über eine kleine Kreuzfahrt, um sich die Grillen aus dem Kopf blasen zu lassen.« Und an vierzig Abenden sagten alle anderen: »Wenn sie das noch mal sagt, werfen wir sie über Bord.« Und am einundvierzigsten Tag hielt Ich den Regen an. Die Arche aber ließ Ich noch hundertundfünfzig Tage über das Wasser dümpeln, weil Mir das Gemecker auf den Geist ging. Nach einer Weile schickte Noah einen Raben auf die Reise.
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Und diesem Raben hatte er eine Botschaft ans Bein gebunden, auf der stand:
Und Ich schrieb zurück:
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Der Rabe, eben weil er keinen Heimkehrinstinkt besaß, kehrte nie zur Arche zurück. Also schickte Noah eine Taube mit einer neuen Botschaft los. Darin stand:
Ich schickte die Taube zurück. Als Zeichen gab Ich ihr ein Blatt vom Ölbaum mit auf den Weg. Zwei Tage später kam sie mit einer neuen Botschaft angeflogen. 82
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Das ist das Problem, wenn man Ich ist: Die Leute erwarten von Mir immer das Unmögliche. Vielleicht ist das gar nicht so unfair, weil Ich natürlich derjenige bin, der das Unmögliche möglich machen kann.31 Aber Ich wünschte Mir trotzdem, die Leute würden Mich nicht so behandeln, als sei Ich Superman aus einem eurer Comic-Heftchen. Jedenfalls reagierte Ich auf Noahs Hilferuf, auch wenn Ich nicht den Vorteil hatte, eine Telefonzelle als Umkleideraum benützen zu können, aber das machte nichts, denn es gab ja sowieso niemanden mehr, der Mir hätte zusehen können, als Ich aus Meinem Pyjama stieg. Ich stabilisierte die Lage der Arche mit Meinem kleinen Finger, und dann schaute Ich beim Checkout der Tiere zu. Es gab zwei von jeder Art, vom Erdferkel bis zum Zorro, mit Ausnahme des Quug, von dem gab es gar keines mehr. Außerdem zählte Ich 14 Ratten, ein paar Dutzend Mäuse, 23 000 Kaninchen und unzählige Millionen von Flöhen, deren Fortpflanzungsrate sogar Mich überraschte. Es dauerte Tage, bis Ich sie Mir alle wieder aus dem Bart gekämmt hatte; Ich wünschte Mir damals, Ich hätte diese verfluchten Quälgeister absaufen lassen. Manchmal bin Ich eben gar zu gnädig.32 Nachdem er seine Fracht ausgeladen und in die Freiheit der leeren Einöde einer frischgeputzten Erde entlassen hatte, wandte sich Noah an Mich und sprach: »Nun, Gott, das war's dann. Wenn's Dir recht ist, würde ich jetzt gerne 31
Wenn man die Äußerung des Autors in Fußnote 27 berücksichtigt (Sie wissen schon, die Sachen mit dem Ohrendurchpusten), dann scheint es so, daß das Unmögliche manchmal sogar Ihm Grenzen setzt. Auf unsere erneute Bitte um Klärung dieses Punktes sagte er: »Natürlich kann Ich Mir selber durch die Ohren pusten. Ich bin nur nie dazu gekommen.« Ob es sich dabei wieder um einen der kleinen Scherze des Autors handelte, war nicht eindeutig zu klären. 32
Auf die Frage nach dem Aussehen des Quugs oder Kriechtieres antwortete der Autor: »Es war klein, flach und voll ständig mit türkisfarbenem Fell bewachsen. Sein nächster lebender Verwandter ist der gemeine flauschige Toilettendeckelbezug. Das Quug hatte einige extrem
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meine Beinchen für eine Weile hochlegen.« Ich aber antwortete: »Noah, deine Arbeit ist noch nicht beendet.« Darauf sagte er: »Herr, ich habe die größte Arche gebaut, welche die Welt jemals gesehen hat. Ich habe jedes Tier auf dem Angesicht der Erde eingefangen und sorgsam behütet, vom Erdferkel bis zum Zorro, mit Ausnahme des Quug und, wie Du behauptest, des Faultiers, obwohl ich mich nicht erinnern kann, solch ein Tier jemals gesehen zu haben. Ich habe vierzig Tage und vierzig Nächte ausgehalten, und dann folgten noch 150 Tage und Nächte des Hungers, der Angst und der Flohplage. Gar nicht zu reden von den kleinen, unsichtbaren, allergischen Bläschen und den anderen Problemen, die man so kriegt, wenn man fauliges Quugfleisch essen muß, und in diesem Zusammenhang war es bestimmt keine Erleichterung, daß in Deinen Entwürfen für die Arche angemessene sanitäre Einrichtungen überhaupt nicht berücksichtigt waren. Das habe ich alles getan. Was willst Du jetzt noch von mir? Soll ich etwa diesen Berg einen halben Meter nach links versetzen?« Ich aber erwiderte: »Nein, Noah, du sollst hingehen und die Erde wieder bevölkern.« Noah aber schaute Mich an und sprach: »Ach, das ist alles! Mehr willst Du nicht! Ich soll den Rest der menschlichen Rasse zeugen! Leicht gesagt! Hast Du vergessen, daß ich in fünfhundert Jahren nur drei Söhne gezeugt habe? Also? Was erwartest Du von einem sechshunderteinjährigen Mann mit geringem Spermaaufkommen und einem Weib, das nicht nur ständig Migräne hat, sondern über das gebärfähige Alter seit schätnervende Eigenschaften, von denen sein Brechreiz hervorrufender Geruch und die Angewohnheit, in die zwischen den Beinen baumelnden Körperteile nichtsahnender Männer zu beißen, nur zwei waren. Alles in allem war sein rasches Aussterben kein großer Verlust. Schade dagegen ist es um den Bandelkrott, ein entzückendes, kleines Tierchen, das dem Koalabären ähnlich sah. Da es sich bei ihm um ein sehr langsames Wesen handelte, wurde er von allen anderen Tieren, einschließlich der Schnecken und der Schildkröten, überholt und erreichte die Arche erst drei Stunden, nachdem Noah die Türen verriegelt hatte. Ein großer Verlust vor allem für Tierfilmer und Hersteller von Plüschtieren für Kinder.«
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zungsweise hundertfünfzig Jahren hinweg ist? Was erwartest Du? Wunder?« Ich aber erwiderte ihm: »Nein, Noah, die Wunder vollbringe Ich, einschließlich des Wunders, dich in einen Kaktus zu verwandeln, wenn du nicht gleich mit der Vermehrung beginnst.« Und Noah erkannte die Weisheit in Meinen Worten. Er rief nach seiner Frau, Norah, und sprach zu ihr: »Du mußt dich gar nicht erst anziehen. Wir haben noch etwas Fortpflanzungsarbeit zu verrichten.« Sie aber erwiderte ihm: »Hast du etwa wieder mit Gott gesprochen?« »Ja. Er will, daß wir die Erde mit kleinen Kinderlein bevölkern.« Darauf erwiderte sie: »Nun, wenigstens ist es ein ganz schöner Tag für den Job.« Und so geschah es, daß Noah zeugte, und wenn er nicht zeugte, pflegte er den Boden und versuchte, einen Weinberg anzulegen. Ich war sehr zufrieden mit Meinem Diener, und um ihn zu belohnen, schenkte Ich ihm einen Regenbogen und sprach zu ihm: «Noah, das ist Mein Geschenk an dich.« Noah bestaunte die Schönheit des Regenbogens und sagte: »Sehr hübsch, ganz bestimmt, aber warum konntest Du mir nichts Nützlicheres schenken?« Ich aber erwiderte ihm: »Noah, du bist ein guter Mann und ein treuer Diener, aber, Hand aufs Herz, du bist auch ein Philister.«33 »Das ist ja alles schön und gut«, sagte er, »aber ich möchte wirklich wissen, was ich mit einhunderttausend Tonnen tierischem Mist anfangen soll.« Darauf erklärte Ich ihm genau, was er damit anfangen konnte, und auf diese Weise kam es dazu, daß Noah den fruchtbarsten Weinberg aller Zeiten anlegte. Er lebte noch dreihundert Jahre, aber er zeugte keine Kinder mehr, denn Frau Noah befahl ihm, in einem an33
Der Autor möchte dem hinzufügen: »Aber kein so großer Philister wie Goliath.«
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deren Zimmer zu schlafen, weil er den Gestank nach Mist nicht mehr loswurde, so oft er auch in die Badewanne stieg.
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DREIZEHNTES KAPITEL
Apres le deluge
s wurde viel gezeugt nach dieser Zeit, und es dauerte gar nicht lange, da bekamen die Kindes-kindes-kindesk inder von Noah großspurige, Flausen in den Kopf. Einige von ihnen versuchten zum Beispiel, den ersten Wolkenkratzer der Welt zu bauen, in einer Stadt mit Namen Babel. Ein dummer Einfall, vor allem deshalb, weil sie den Fahrstuhl noch gar nicht erfunden hatten. Kein Mensch zahlt derart überhöhte Mieten, wenn es ihn drei Tage kostet, von der Eingangshalle bis ins Penthouse zu klettern. Die Bibel gibt Mir die Schuld an der Zerstörung des Wolkenkratzers, aber ihr solltet nicht alles für das wahre Evangelium nehmen, was in der Bibel steht, abgesehen von den Evangelien natürlich. Ich habe diesen Turm niemals angerührt; Ich habe wahrlich Besseres zu tun als herumzulaufen und den kosmischen Abrißunternehmer zu spielen. Die Zerstörung war nichts anderes als das Ergebnis menschlicher Habgier. Der Bauherr tätigte ein zweifelhaftes Geschäft mit seinem Schwager — der minderwertige Backsteine lieferte —, und das ganze Ding krachte letztlich unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Sechsundvierzig Immobilienmakler wurden bei der Katastrophe getötet, so hatte sie wenigstens auch ihr Gutes. Nach dem Babelgate-Skandal flüchteten die Beteiligten in die vier Ecken der Welt, um sich der Verhaftung zu entziehen. Sie ließen sich in wenig bevölkerten Gegenden als Buchhalter nieder, und ihre Geschäfte gediehen, weil sie sich gegenseitig betrogen. 89
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Trotzdem erreichte sie eines Tages der Arm des Gesetzes, und als die Polizei eintraf, taten sie so, als würden sie kein Wort verstehen und antworteten in irgendeinem Kauderwelsch. So wurden die verschiedenen Sprachen der Welt erfunden. Auch wenn Ich den Turm zu Babel nicht zum Einsturz brachte, der Zerstörungsbefehl für Sodom und Gomorrah kam — natürlich — von Mir, weil Mir die Menschen, die in diesen beiden Städten der Ebene lebten, physisch so mißfielen. Leider hielt ihre Häßlichkeit sie nicht davon ab, scheußliche und perverse Praktiken auszuüben, die den unnatürlichen Handlungen der Sodomie und der Gomorrie ihre Namen gaben.34 Ich weiß nicht, ob Ich bereits erwähnte, daß Ich ein gnädiger Gott bin. Aber auch Gnade darf man nicht überstrapazieren, und nachdem Ich alle Bosheit und Schlechtigkeit erst ein paar Generationen zuvor vom Erdboden gewischt hatte, wurde Ich doch ganz schön zornig, als Ich entdecken mußte, daß ein paar von euch Anthropoiden die alten Tricks wiederentdeckt hatten, und obendrein noch einige neue, welche die Ur-ur-ur-ur-usw. -Enkel von Adam noch nicht erfunden hatten. Als also einer Meiner Kontaktmänner in Sodom, ein Mann namens Lot, Mir berichtete, was dort vorging, beschloß Ich, die Untersuchungen höchstpersönlich zu führen. Nun laufe Ich natürlich bei Meinen Besuchen auf der Erde nicht in einem wehenden Umhang durch die Gegend, der wie ein Nachthemd aussieht, und einen Heiligenschein trage Ich auch nicht über dem Kopf. 34
Das Wort >Sodomie< bedarf keiner näheren Erklärung. Wer es nicht versteht, der mag in einem Standardlexikon nachschauen, allerdings tut es auch jedes durchschnittliche Erzeugnis herkömmlicher Pornografie. Auf die Frage nach dem Akt der Gomorrie blieb der Autor merkwürdig unbestimmt, es scheint sich dabei um eine Art sexueller Praxis zu handeln, bei der eine Ziege, eine Aubergine und ein Abflußstopfen aus Gummi eine Rolle spielen.
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Das würde Mich viel zu auffällig machen, besonders des Nachts, wenn vor allem die Hunde Mich mit einem Laternenpfahl verwechseln könnten. Ich nehme eine andere Erscheinungsform an, die von der Situation abhängig ist, manchmal sehe Ich dann aus wie ihr Anthropoiden selbst, manchmal aber auch wie ein Tier oder wie ein toter Gegenstand. Vielleicht solltet ihr daran denken, wenn ihr das nächste Mal einen Kaugummi unter euren Kinosessel klebt. Für Meinen Besuch in Sodom und Gomorra wählte Ich die Erscheinungsform eines Versicherungsvertreters, weil sie Mir erlaubte, von Haus zu Haus zu gehen, von Firma zu Firma, und alles unter dem Vorwand, den Leuten Policen zu verkaufen. Das war eine kluge List, denn Sodom und Gomorrah waren betriebsame Städte mit vielen kleinen Geschäften, meistens Bars, Restaurants oder Clubs. Mein Weg führte von einem Pfuhl der Lasterhaftigkeit zum nächsten, wobei einer sich als lüsterner und ekelhafter erwies als der andere. Und in jedem Lokal erhielt Ich dieselbe Antwort. Niemand war an Meinen Versicherungen interessiert — schon bald sollten sie sich wünschen, sie hätten Meinen Verkaufsargumenten ein offeneres Ohr geliehen —, und überall, wo Ich hinkam, forderten fremde Männer Mich zum Tanz auf. Ich werde hier nicht versuchen, alle Bordelle und Sündenpfuhls von Sodom und Gomorrah zu beschreiben.35 Es reicht völlig aus, wenn Ich euch sage, es war die 35
Der Autor fügte auf Befragen hinzu, daß auch in den meisten Restaurants die Hygiene zu wünschen übrig ließ, vor allem in Gomorrah, wo sehr bald die Abflußstopfen ausgingen, weil sie für andere Zwecke gebraucht wurden. Aber das Essen muß wohl erstaunlich gut gewesen sein. Vor allem in einem kleinen Bistro mit dem Namen >Big Boys<, in welchem, wie der Autor sich erinnert, »die beste Pampe von Gemüsesuppe serviert wurde, die Ich jemals gegessen habe. Für so etwas hätte Ich an Esaus Stelle auch Mein Erstgeburtsrecht verkauft. Ich wünschte Mir nur, Ich hätte Mir das Rezept geben lassen, bevor Ich den Laden in Grund und Boden stampfte.«
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Hölle auf Erden. Diese Hitze, dieser Lärm und vor allem diese Leute.36 Ich brauchte Mich nicht lange in diesen Städten der Sünde aufzuhalten, um zu wissen, daß hier drastische Aktionen gefordert waren. Und weil Ich ein gnädiger Gott bin, ging Ich zu Lot und warnte ihn, bevor Ich alles in Grund und Boden riß, aber er schlug Mir nur die Tür vor der Nase zu und rief: »Ich habe alle Versicherungen, die ich brauche.« Ich aber sprach zu ihm: »Aber Ich bin der Mann, der deinen Ur-ur-usw.-Großvater Noah gegen Wasserschaden versichert hat.« Er antwortete: »Ja, ja, ich weiß Bescheid. Gestern kam hier ein Mann vorbei und behauptete, meinem Bruder Abraham Fensterscheiben verkauft zu haben. Eine lächerliche Idee, Glasstücke in ein Loch in der Wand einzusetzen! Und außerdem lebt Abraham in einem Zelt.« Ich aber sprach zu ihm und sagte: »Lot, bist du gegen Feuer versichert?« »Natürlich bin ich das.« »Und was ist mit Schwefel und Phosphor?« »Was soll damit sein?« 36
Offensichtlich vergleicht der Autor die Hölle mit einer Disco. Nach einigem Nachdenken gab er allerdings zu, daß dies nicht die richtige Analogie ist, denn es scheint ja einige Leute zu geben, die ihren Spaß daran haben, in kleine, heiße, stinkende Räume eingesperrt zu sein, während in ohrenzerfetzender Lautstärke die Platten einer gewissen Grace Jones abgespielt werden. Er möchte allerdings die Behauptung aufrechterhalten, daß es in der Hölle noch schlimmer zugeht. Sie ist ein kahler, öder, ungastlicher Ort, wo Heerscharen von verlorenen Seelen ziellos durch die Ewigkeit irren, dabei ständig mit den Zähnen knirschen und ihr Unglück bejammern, während sie von kreischenden Teufelchen gepiesackt werden. Das ähnelt in der Tat mehr der Abflugshalle eines großen, internationalen Flughafens, wo die Flugzeuge niemals landen, die Restaurants immer geschlossen sind und die Schlange vor den Toiletten niemals kürzer wird, während in ohrenzerfetzender Lautstärke die Platten von Grace Jones gespielt werden. Der Autor meint, er könne sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen, es sei denn, man zwinge ihn, den Platten von Grace Jones, gespielt in ohrenzerfetzender Lautstärke, an einem verregneten Sonntagnachmittag irgendwo im tiefsten Belgien zuzuhören.
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Und Ich sagte: »Es wird bald eine Menge davon auf euch regnen, und Ich, der Herr, habe beschlossen, dich davor zu bewahren.« Er wollte immer noch nicht zuhören, bis Ich ihm Meine Identität bewies, indem Ich Meinen Heiligenschein aufsetzte. Als er Mir schließlich die Tür öffnete, sagte er: »Vergib mir, o Herr, für meinen Mangel an Glauben. Es tut mir leid, daß ich Dich nicht eher erkannt habe, aber irgendwie hatte ich Dich mir größer vorgestellt. Und nun komm schnell herein, bevor der Hund Dich mit einem Laternenpfahl verwechselt.« Ich betrat seine bescheidene Bleibe und riet ihm, sein Weib und seine Töchter zu nehmen und das Weite zu suchen. Außerdem teilte Ich ihm noch mit, daß sie sich auf ihrer Flucht nicht umdrehen dürften, und als er Mich nach dem Grund fragte, sagte Ich ihm, daß Ich es nicht ausstehen kann, wenn man Mir bei der Arbeit zuschaut. Lot, sein Weib und seine Töchter flohen in großer Hast, und als sie genug Abstand zwischen sich und Sodom und Gomorrah gelegt hatten, ließ Ich es Feuer, Schwefel und Phosphor auf die Städte der Ebene regnen und wischte sie so von der Oberfläche der Erde, zusammen mit allem, was sich in ihnen breitgemacht hatte. Das war lustig und hat Mir viel Spaß gemacht. Aber als die Städte ein Raub der Flammen wurden, drehte Lots Weib sich um und sagte: »Lot, du hast uns so hastig zum Aufbruch getrieben, daß ich den Kuchen im Backrohr vergessen habe.« Auf der Stelle verwandelte Ich sie in eine Salzsäule. Lot aber wandte sein Angesicht gen Himmel und fragte: »Warum hast Du das getan?« Ich sprach zu ihm: »Das ist die Strafe für ihren Ungehorsam. Und wenn du Mir Ärger machen solltest, werde Ich dich in eine Pfeffersäule verwandeln und deine Töchter in die dazu passenden Gewürzgläser.« Er sagte: »Schon gut, schon gut, Du brauchst gar nicht so bissig zu werden, nur weil Du heute morgen mit dem falschen Bein aus dem Bett gestiegen bist.« Also reiste Lot nach Zoar, wo er fortan in Frieden 95
lebte. In dieser Stadt wurde er so zu einer Sehenswürdigkeit, denn er war der einzige Mann, dem es gelungen war, aus Sodom und Gomorrah zu entkommen. Und außerdem war er der einzige Mann, der sich niemals Salz auf seine Mahlzeiten streute: »Man kann nie wissen, wer das einmal war«, pflegte er zu sagen.
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VIERZEHNTES KAPITEL
Jenseits von Afrika
ch gehe oft geheimnisvolle Wege, wenn Ich Meine Wunder vollbringe. Denkt bitte daran, wenn ihr das nächste Mal einen Mann auf allen vieren die Überholspur der B12 entlangkriechen seht. Einen der geheimnisvollsten Wege ging Ich, als Ich Mich in einen Busch verwandelte, um ein Schwätzchen mit Moses zu halten. Es ist Mir selbst ein Geheimnis geblieben, Ich habe keinen blassen Schimmer, welcher Teufel Mich geritten hat, das zu tun. Aber da saß Ich nun mal, verwandelt in eine ziemlich attraktive Azalee, und wartete darauf, daß Moses mit seinen Schafen vorbeikommen würde. Zufällig waren Azaleenbüsche damals sehr selten in Ägypten, also hätte man doch annehmen sollen, Moses würde näher treten und zu sich selbst sagen: »Das ist ja ein ungewöhnlicher Strauch. Man sieht nicht viele Azaleenbüsche im alten Ägypten. Den werde ich mir mal näher ansehen.« Oder wenigstens eines seiner Schafe hätte seine Aufmerksamkeit auf Mich lenken können, indem es ein bißchen an einem Meiner Blätter geknabbert hätte und auf der Stelle in einen ofengerechten Hammelbraten verwandelt worden wäre. Aber meint ihr, er hätte Mich gesehen? Nein, er ging schnurstracks an Mir vorbei. Also blieb Mir gar nichts anderes übrig, als in Flammen auszubrechen. Etwas übertrieben vielleicht, das will Ich gerne zugeben, ob wohl Ich schon in so manchem Restaurant versucht war, Ähnliches auszuprobieren. Selbst wenn man eine schier unerschöpfliche Geduld besitzt, so kann es doch verdammt ärgerlich sein, wenn es einem nicht gelingt, die 97
Aufmerksamkeit des Kellners auf sich zu lenken. Wohin ist es mit der Welt gekommen, wenn Gott der Allmächtige in Erwägung ziehen muß, sich selbst zu flambieren, bevor Er sich Seine Pfefferminzcreme zum Nachtisch bestellen kann? Dort stand Ich also, lichterloh brennend, und rief: »Moses! Moses!« Er stand einfach da und glotzte Mich mit offenem Mund an. Ich sprach zu ihm: »Glotz nicht so blöd. Da könnte man ja glauben, du hättest noch nie einen brennenden Busch gesehen.« Er aber fragte Mich: »Wer bist Du?« Und Ich antwortete ihm: »Ich bin der Herr, dein Gott. Für wen hast du Mich gehalten? Für Donald Duck?« Er aber fragte Mich: »Wer ist Donald Duck?« Und Ich sprach zu ihm: »Vergiß es, das würde jetzt zu lange dauern. Komm näher, damit Ich nicht brüllen muß, um mit dir zu reden.« Er trat näher, schaute verwundert, bedeckte sein Gesicht und stotterte: »V-v-verdammter M-m-ist, ich hab' mir die Augenbrauen versengt. Könntest Du vielleicht die T-ttemperatur ein b-b-bißchen runterdrehen?« Schließlich gelang es Mir, ihm klarzumachen, daß Ich ihn für eine besondere Rolle ausersehen hatte. »Du wirst die Israeliten aus Ägypten heraus in das Land führen, wo Milch und Honig fließen. Und du wirst ihnen Zeichen geben, damit sie wissen, daß du von Mir ernannt wurdest.« Moses aber antwortete: »A-a-aber L-l-lieber G-g-gott, k-k-kann i-i-ihnen d-d-das n-n-nicht j-j-jemand anders klarmachen? Ich habe diesen f-f-furchtbaren S-s-stott...« Und Ich sprach zu ihm: »Schon gut, Ich kann nicht den ganzen Tag warten, bis du mal einen Satz zu Ende bringst. Geh, hol deinen Bruder Aaron. Er soll zu den Israeliten sprechen.« Moses aber antwortete: »V-v-vie ...« »Keine Ursache. Und nun geh und sag Aaron, was er zu tun hat.« Moses erzählte es Aaron, und als er nach drei Tagen damit fertig war, rief Aaron die Ältesten der Israeliten 98
zusammen und zeigte ihnen die Zeichen, die Ich Moses mit auf den Weg gegeben hatte. Zuerst verwandelte er seinen Stab in eine Schlange. Dann zeigte er ihnen seine aussätzige Hand, und als er sie ihnen zum zweitenmal zeigte, war sie geheilt. Schließlich schüttete er Wasser auf den Boden, und es verwandelte sich in Blut. Die Ältesten aber staunten und waren begeistert, und einer von ihnen sagte: »Fantastisch. Kann ich dich für die Bar-Mitzvah-Party meines Sohnes engagieren?« Dann erzählte Aaron ihnen, wie Moses sie in das Land führen würde, wo Milch und Honig fließen. Sie aber erwiderten: »Da gehen wir nicht hin. Hört sich ja richtig klebrig an. Man stelle sich nur die Rechnungen für die chemische Reinigung vor.« Aaron aber sprach zu ihnen: »Na und, wollt ihr etwa lieber unter der Knute des grausamen Pharaonen weiterleben?« Sie alle waren sich einig, daß sie das nicht wollten. Alle, mit Ausnahme von Zebediah.37 Und Aaron sprach zu Moses: »Ich hab' dir doch gesagt, wir können sie überzeugen, wenn du nur nicht mit deinem Seemannsgarn von brennenden Büschen kommst.« Moses kam zu Mir und fragte Mich, was er tun solle. Ich erklärte ihm alles, was er zu tun und zu sagen habe. Und Moses ging alsdann zum Pharao und sprach zu ihm: »Gg-gott h-h-hat m-m-mir g-g-gesagt, i-i-ich s-s-soll d-ddich b-b-bitten, mein V-v-volk g-g-gehen zu 1-1-lassen.« Eine Antwort erhielt er nicht, denn der Pharao war inzwischen eingeschlafen. Also weckte Aaron ihn wieder auf und erklärte ihm in knappen Worten, was Moses ihm hatte mitteilen wollen, worauf der Pharao sie aus dem Palast werfen ließ. Sie kehrten noch einmal zurück, und Moses setzte 37
Zebediah, der Besitzer der Go-Go-Bar >Zur Pyramide< mit angeschlossenem Massagesalon, frönte ein paar ganz besonders ausgefallenen Vorlieben.
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wieder an: »G-g-gott h-h-hat m-m-mir g-g-gesagt...« Pharao aber unterbrach ihn: »Ja, ja, ich weiß schon, er hat dir aufgetragen, mich zu bitten, dein Volk gehen zu lassen. Aber ich mag nicht.« Also zeigte Moses ihm das Zeichen, indem er seinen Stab in eine Schlange verwandelte. Der Pharao aber sprach: »Alter Hut! Hast du nicht was Besseres drauf? Ja, wenn du eine Frau in zwei Hälften sägen könntest.« Die beiden mußten zugeben, daß sie das nicht konnten, aber statt dessen verwandelten sie den Nil in einen Strom von Blut. Pharao sagte: »Nicht schlecht, aber auch das hat's schon gegeben. Könnt ihr Tauben aus einem Taschentuch zaubern?« Als sie zugeben mußten, diesen Trick nicht gelernt zu haben, ließ der Pharao sie an die Luft setzen. Schließlich rief Moses Mich an und sprach: »H-herr, i-i-ich h-h-habe ihm m-m-meine b-b-besten T-t-tricks ...« Ich aber unterbrach ihn: »Okay, Moses, Ich weiß schon, was du sagen willst.« Daraufhin unterbrach Moses Mich und sprach: »Wenn Du so sch-schlau b-b-bist, w-w-warum heilst Dd-du m-m-mich d-d-dann n-n-nicht von meinem S-sstotterer?« Also heilte Ich ihn. Und dann sprach Ich zu ihm: »Ich hatte zu Meiner Zeit weiß Gott genug mit halsstarrigen Leuten zu tun, aber Ich muß zugeben, daß dieser Pharao der größte Dickkopf von allen ist. Er läßt Mir keine Wahl. Ich muß es mit einer Plage versuchen.« Also schickte Ich ihnen eine Froschplage, die allerdings leider nicht den gewünschten Effekt hatte, weil die Ägypter eine besondere Vorliebe für Grenouille hatten. Also wollte der Pharao Mein Volk noch immer nicht gehen lassen.38 Danach probierte Ich die Mücken- und Fliegenplage aus. 38
>Grenouilles< ist das französische Wort für Froschschenkel. Der Autor kann das Prahlen mal wieder nicht lassen.
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Das mag sich vielleicht aus heutiger Sicht nicht besonders entsetzlich anhören, aber ihr müßt bedenken, daß sich das alles Jahre vor der Erfindung der Flitspritze abspielte.
Pharao wollte seine Meinung immer noch nicht ändern. Ich versuchte es mit der Beulenpest. Nichts. Danach kam Hagel an die Reihe und schließlich Heuschrecken. Pharao blieb immer noch unbelehrbar. Mein Zorn war immens, und Ich rief Moses zu Mir, um ihm mitzuteilen, 101
daß Ich jetzt die schrecklichste aller Plagen auf Ägypten herunterzusenden gedachte, daß den Israeliten aber nichts geschehen könne, wenn er sich genau an Meine Anweisungen hielte. Also ging Moses und erzählte den Israeliten, was Ich verfügt hatte. Gemäß Meiner Anweisungen pinselten sie Zeichen an ihre Türen, auf daß die Plage an ihnen vorübergehe. Und in der vorherbestimmten Nacht schickte Ich die letzte Plage auf das Land herunter — die Plage der Vertreter für Konversationslexika. Und so geschah es, daß sie an der Haustür eines jeden Ägypters klopften, daß sie die gezeichneten Türen der Israeliten aber ausließen. Angesichts dieses größten aller Schrecken ließ der Pharao Moses zu sich rufen und sprach zu ihm: »Okay, ich weiß, wann ich geschlagen bin. Du und dein Volk und eure Herden dürft ziehen, wenn ihr alle diese Vertreter mit euch nehmt.« Und Moses sagte: »Gelobt sei der Name des Herren, denn gekommen ist die Zeit unseres Exodus.« Pharao aber fragte ihn: »Was bedeutet das Wort >Exodus« Worauf Moses ihm erwiderte: »Warum siehst du nicht in deinem Konversationslexikon nach?« Also führte Moses die Kinder Israels aus Ägypten heraus. Zusammen mit den Teenagern Israels, den Erwachsenen Israels und den Greisen Israels.39
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Diese Darstellung unterscheidet sich doch wesentlich von jener in der Bibel, wo behauptet wird, der Autor habe jeden erstgeborenen Sohn eines jeden Ägypters getötet. Auf Nachfrage erklärte Er uns: »Diese Schreiberlinge im Alten Testament machten sich einen Spaß daraus, Mich als eifersüchtigen Racheengel darzustellen, während Ich doch ein gnädiger Gott bin, auch wenn Ich durchaus nicht mit dieser Eigenschaft prahlen möchte.«
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FÜNFZEHNTES KAPITEL
Die Teilung des Roten Meeres und andere Meiner besseren Wunder
elbstzweifel sind nicht Meine Sache. Schließlich verlange Ich von jedem, daß er Vertrauen zu Mir hat, da ist es ja wohl das mindeste, daß Ich zu Mir selbst Vertrauen habe. Aber gelegentlich, in einem Moment der Muße, vielleicht einmal in ein paar tausend Jahren, kommen Mir doch gelinde Zweifel an Meiner grenzenlosen Weisheit. Nehmen wir zum Beispiel die Sache mit Moses; nicht nur suchte Ich Mir ausgerechnet einen Mann mit Sprachfehler aus, um ihn zu Meinem Sprachrohr zu machen, nein, Ich wählte denselben Mann auch noch aus, um die Israeliten aus Ägypten heraus in das Gelobte Land zu führen. Einen Mann, dem jeglicher Orientierungssinn abzugehen schien. Einen Mann, der in seinem eigenen Haus das Klo nicht ohne Landkarte finden konnte. Kaum hatte er begonnen, die Israeliten aus Ägypten herauszuführen, da führte er sie auch schon wieder hinein nach Ägypten. Also wandte Ich Mich an ihn und 103
sprach: »Moses, kehr um und schlage die Richtung zu den Ufern des Roten Meeres ein.« Er aber sagte: »Warum hast Du mir nicht erzählt, daß wir ans Meer gehen? Da hätte ich doch meine Schaufel und mein Eimerchen eingepackt. Ganz schön gedankenlos von Dir. So, und nun laß mich nachdenken ... das Rote Meer ... das liegt doch irgendwo in der Sahara, stimmt's?« Also schickte Ich ihm eine Säule aus Staub, um ihm bei Tag den Weg zu weisen, und eine Säule aus Feuer als Wegweiser in der Nacht, und außerdem ließ Ich jede Meile ein Schild aufstellen, auf dem geschrieben stand: >Zum Roten Meer geradeaus< Und die Kinder Israels wanderten weiter, ihre Herden vor sich hertreibend, bis sie an ein Schild kamen, auf dem geschrieben stand: >Das Rote Meer heißt alle seine Gäste herzlich willkommene Also führte Moses die Kinder Israels an die Ufer des Roten Meeres. Die Israeliten sammelten sich um Moses und sprachen: »Das ist doch ein schönes Fleckchen Erde. Warum lassen wir uns hier nicht nieder, eröffnen ein paar kleine Geschäfte, bauen Apartmentanlagen und entwerfen Kleidung mit einem kleinen, grünen Krokodil auf der Brusttasche?« Dann aber schickten die letzten in der Reihe vom Ende her, das 15 Meilen weiter hinten war, eine Nachricht nach vorne zu den Führern: »Pharao verfolgt uns mit seinen Kampfwagen, und er sieht ernstlich sauer aus. Vielleicht hat es ihm nicht gefallen, daß die Lexika in glänzendes Kunstleder gebunden sind. Was meint der Kerl wohl, was er für den Preis kriegt? Handgezogenes Saffianleder?« Als die Nachricht die Spitze des Zuges erreicht hatte, sprachen die Israeliten zu Moses: »Genau betrachtet ist das ein ziemlich mieser Platz für Apartmentanlagen. Wir sollten machen, daß wir von hier wegkommen. Aber wie sollen wir das Rote Meer überqueren? Wir sehen keine Schiffe, nicht einmal Tretboote gibt es.« Moses aber sprach zu ihnen: »Fürchtet euch nicht. Der Herr wird die Wasser teilen, auf daß wir das Meer überqueren können.« Und Ich, der Ich zugehört hatte, flüsterte Moses zu: 104
»Würdest du Mir bitte verraten, wie Ich das machen soll?« Er aber antwortete Mir: »Du bist Gott. Überleg Dir was.« Und Ich sprach zu ihm: »Ich wünschte Mir, du würdest Mich um Rat fragen, bevor du voreilige Versprechungen auf Meine Kosten machst.« Darauf sagte er: »Warum bläst Du nicht einfach kräftig auf das Wasser?« »Muß Ich dich erst daran erinnern, daß es sich hier um das Rote Meer handelt, und nicht um eine Tasse Kaffee?« »Du meinst also, Du kannst es nicht?« Ich aber sprach: »Natürlich kann Ich es. Ich bin nur ein bißchen aus der Übung, was das Teilen von Wasser betrifft. Das ist alles.« Also blies Ich, so kräftig Ich konnte, auf das Rote Meer. Die Fluten teilten sich, und das Volk der Israeliten hastete hindurch. Als sie das andere Ufer erreicht hatten, hörte Ich auf zu blasen, die Wasser stürzten wieder zusammen und ertränkten alle Ägypter samt ihrer Pferde. Das war natürlich ein kleiner Unglücksfall, aber Ich hatte einfach keine Puste mehr. Schließlich war Ich nicht mehr so jung wie einst, und so eine sitzende Arbeit hält einen auch nicht gerade fit. Nachdem sie vor den Ägyptern in Sicherheit waren, jubilierten die Israeliten und priesen Meinen Namen: »Der Herr hat uns sicher über das Rote Meer gebracht. Hier ist es zwar nicht so schön wie auf der anderen Seite, es gibt weniger Palmen, der Strand ist aus Kies, und Einrichtungen für Wasserski fehlen ebenfalls, aber dafür sind hier keine Ägypter. Deshalb sollten wir auch für eine kleine Gnade dankbar sein.« Moses schlug vor, sie sollten alle >Hoch soll er leben< singen und ein dreifaches >Hipp, Hipp, Halleluja< ausbringen, aber die Israeliten hielten ein zweifaches für absolut ausreichend, denn schließlich seien sie >Mein Erwähltes Volk<, und Ich hätte letztlich nicht mehr als Meine Pflicht getan. »Und außerdem sind unsere Schuhe naß geworden. Wer bezahlt uns denn den Schaden?« Miriam aber griff zum Tambourine und komponierte 105
eine Lobeshymne, die folgendermaßen ging: »Ich singe dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben. Rosse und Wage warf er ins Meer.«40 Und nachdem sie gefeiert und frohlockt und sich langsam von ihren Katern wieder erholt hatten, nachdem sie ausgefeilscht hatten, wer für die Kosten des Feierns und Frohlockens würde aufkommen müssen, führte Moses die Kinder Israels weiter dem Gelobten Land entgegen, aber leider hielt er sich rechter Hand, wo er nach links hätte gehen müssen, und so geschah es, daß sie alle sich in der Wüste wiederfanden. Die Israeliten verfielen in großes Wehklagen, sie heulten, knirschten mit den Zähnen und beklagten sich bitterlich. »Das ist ein schrecklicher Ort, die Landschaft ist absolut langweilig, es gibt keine vernünftigen Läden, und zu Essen und Trinken findet man hier auch nichts. Alles in allem standen wir uns in Ägypten besser, denn nach einem harten Arbeitstag auf der Pyramidenbaustelle gab's wenigstens 'ne vernünftige Hühnersuppe.« Moses aber beruhigte sie und verhieß ihnen: »Der Herr 40
Der Autor legt Wert auf die Feststellung: »Das ist bei weitem nicht Mein Lieblingslied über Mich. Die Melodie ist nicht der Rede wert, und die Verse reimen sich nicht einmal. Kein Wunder, daß Israel zweimal den Song Contest der Eurovision gewonnen hat. Es gibt wesentlich bessere Lieder, die Meinen Namen preisen. Ich will ja nicht prahlen, aber Ich habe schließlich mehr Hitschreiber inspiriert als jeder andere. Persönlich ziehe Ich anrührende Sachen wie >Ein feste Burg ist unser Gott< oder »Nun lobet alle Gott< vor. Das Zeug singt heutzutage natürlich kaum noch jemand, aber was soll man auch anderes erwarten? Die Religion ist schon längst nicht mehr, was sie einmal war. Die meisten Leute denken an eine Popgruppe, wenn sie das Wort Genesis hören, und wenn die Rede auf Meinen Erzengel Gabriel kommt, dann heißt es gleich: >Ist das nicht der Kerl, den Phil Collins als Leadsänger abgelöst hat«
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wird euch versorgen.« Ich flüsterte ihm daraufhin zu: »Seit wann bin Ich in der Gastronomie tätig?« Drauf erwiderte er: »Du sollst doch angeblich allmächtig sein, oder stimmt's etwa nicht? Wir verlangen doch nicht mehr als dreißigtausend Pökelfleischsemmeln, mit etwas Senf, zwanzigtausend heiße Pastrami auf Roggenfladen und fünfzigtausend Portionen Pommes, die Hälfte mit Mayonnaise, die andere ohne. Und vielleicht noch einen leichten Chablis, um das Ganze runterzuspülen.« Ich sprach zu ihm: »Ihr werdet fressen, was auf den Tisch kommt.« So sandte Ich ihnen frischen Tau gegen den Durst und Wachteln und himmlisches Brot, um ihren Hunger zu stillen. Die Kinder Israels aber tranken den Tau und sagten: »Gut, er löscht den Durst, aber an Chablis reicht er nicht ran.« Dann sammelten sie die Wachteln zusammen, verspeisten sie, und sagten: »Das soll ein ausreichendes Mahl sein? Da ist ja kaum genug Fleisch an so 'ner Wachtel, um Leib und Seele zusammenzuhalten.« Und sie sammelten das Brot, aßen es und nannten es >Manna<, was in etwa bedeutet >Brot vom Himmel, das aussieht wie Hagelkörner und nach gut abgehangener Kameldecke schmeckt<. Ich aber erschien Moses und sprach zu ihm: »Moses, Ich habe dein Volk aus der Tyrannei des Pharao errettet, Ich habe die Ägypter mit Plagen überzogen, Ich habe euch eure Feinde vom Hals geschafft, Ich habe das Rote Meer geteilt und schließlich auch noch einen Imbiß für annähernd hunderttausend Leutchen geliefert. Und trotzdem haben die Kinder Israels noch immer was zu meckern. Ich beginne Mich zu fragen, warum Ich Mich überhaupt mit ihnen abgebe.« Er aber sprach zu Mir und sagte: »Alle diese Wunder hast Du vollbracht, weil es sich um das von Dir erwählte Volk handelt.« Ich antwortete ihm: »Da sprichst du die Wahrheit. Ich weiß bloß nicht, warum Ich es erwählt habe. Nichts ist 107
ihnen gut genug, und sie selbst sind so schlecht wie die Sünde.« Er antwortete Mir: »Jetzt mußt Du aber fair bleiben, o Herr. Das ist nicht wahr. Das einzige, was sie nicht schlecht finden, ist die Sünde.« »Ja, Moses, darüber wollte Ich Mich mit dir unterhalten. Es wird viel zuviel gesündigt. Das muß aufhören. Ich hätte da ein paar Gebote, die Ich dir übergeben möchte.« Moses erwiderte: »In Ordnung, warte einen Augenblick, bis ich einen Stift und Papier gefunden habe, dann werde ich sie mir notieren.« »Nein, Moses, du sollst sie dir nicht auf irgendeinen Umschlag kritzeln, um sie hinterher gleich wieder zu verlieren. Ich werde dir die Gebote auf der Spitze des Berges Sinai aushändigen. Wir sehen uns dort oben morgen nachmittag, wenn ich in all Meiner Pracht zu dir herabsteigen werde.« Und Moses sprach zu Mir: »Du bist der Herr, mein Gott, und ich werde Dir gehorchen. Aber ich finde, Du machst etwas zuviel Tamtam um die ganze Sache.«
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SECHZEHNTES KAPITEL
Die elf Gebote
m nächsten Tag, zur verabredeten Stunde, stieg Ich vom Himmel herab zum Gipfel des Berges Sinai, in einer Wolke von Feuer, begleitet von Donner und Blitz und dem Chor der Himmlischen Fanfaren. Und Ich sprach mit lauter Stimme, die den Sinai erzittern und erbeben ließ: »Moses! Hier spricht der Herr, dein Gott, und dieses sind Meine Gebote.« Es trat eine furchteinflößende Stille ein. Ich erhob Meine Stimme erneut und sagte: »Moses! Wo, zum Teufel, steckst du?« Drei Stunden dauerte es, bis Moses endlich eintraf und zu Mir sagte: »Tut mir leid, ich habe mich verspätet, aber ich muß wohl die falsche Abzweigung erwischt haben.« Und wieder erhob Ich Meine Stimme, die wie Donner grollte: »Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Lande Ägypten geführt hat, aus dem Haus eurer Ketten.«41 Und Moses antwortete Mir: »Ja, ja, das weiß ich ja alles. Lassen wir doch die Formalitäten beiseite und kommen wir zur Hauptsache. Und außerdem brauchst Du nicht so zu brüllen. Ich bin schließlich nicht taub.« Ich aber erwiderte ihm: »Moses, du kannst von Glück sagen, daß Ich ein gnädiger Gott bin, denn sonst hätte Ich dich schon längst übers Knie gelegt. Ich habe Meine Gebote auf diese Steintafeln geschrieben. Lest sie, 41
Der Autor bezieht sich hier auf Ägypten, und nicht etwa auf Zebediahs Go-Go-Bar >Zur Pyramide< mit angeschlossenem Massagesalon.
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versteht sie und lebt gemäß ihrer Botschaft.« Moses las sie durch, dann sagte er: »Nummer eins: >Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Du sollst dir kein Gottesbild machen.< Was bedeutet das Wort Gottesbild?« »Moses, Ich warne dich ... Ich lege dich übers Knie.« »Ich frag' ja nur. Nummer zwei: >Du sollst dich nicht vor falschen Göttern niederwerfen< Als wenn ich das täte, um Gottes willen!« Ich aber antwortete ihm: »Um Meinetwillen, wirst du wohl aufhören, solche Dinge zu sagen? Du hast soeben Mein drittes Gebot gebrochen, das da heißt: >Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes nicht mißbrauchen<« Und Moses sagte: »Ich merke schon, das wird komplizierter, als ich geglaubt hatte. Ich wußte gar nicht, daß Du so mäkelig sein kannst. Bis jetzt sind das ja jede Menge >Du-Sollst-Nichts<. Gibt's nicht auch 'n paar positivere Botschaften? Ah, das ist besser. Nummer vier: >Gedenke des Sabbats, halte ihn heilig.< Das hört sich doch schon besser an! Wir kriegen also wenigstens einen freien Samstag.« »Nein, Moses, es handelt sich um den Sonntag.« »Sonntag? Wie kommst Du denn auf den Trichter?« »Der erste Tag der Woche ist der Montag, das heißt, der siebte Tag, der Tag der Ruhe, ist der Sonntag.« Darauf erwiderte Moses: »Aber wir Kinder Israels haben den Sonntag immer als den Wochenanfang angesehen, deshalb war der Samstag unser Ruhetag, 'n bißchen spät, das jetzt alles noch umzukrempeln, oder?« Und Ich sprach zu Moses: »Moses, es handelt sich hier um ein Gebot des Herrn, deines Gottes. Ich erschuf die Erde und alles, was darauf ist, in sechs Tagen, von Montag bis einschließlich Samstag, und am siebenten Tage ruhte Ich. Das war der Sonntag. Und so werden es in Zukunft auch die Kinder Israels halten.«42 42
Auf die Frage, warum Er es den Israeliten erlaubte, sich Ihm zu widersetzen und den Samstag als ihren heiligen Sabbath zu behalten, antwortete er uns: »Das werde Ich euch in Fußnote 43 erklären.«
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»Schon gut. Ich werde mein Bestes tun, aber ich kann für nichts garantieren. Die Kinder Israels mögen es gar nicht, wenn sich jemand in ihr soziales Leben einmischt. Und nun laß uns weitermachen. Ich möchte nicht noch die ganze Nacht hier stehen. Nummer fünf und Nummer sechs: >Du sollst Vater und Mutter ehren< und >Du sollst nicht töten<. Leuchten mir ein. Nummer sieben: Ach du grüne Neune, damit werde ich Probleme kriegen. Und das könntest Du nicht 'n bißchen abmildern?« Ich sprach zu ihm: »Wenn Ich sage: >Du sollst nicht ehebrechen,< dann meine Ich: >DU SOLLST NICHT EHEBRECHEN. <« »Und auch nicht ab und zu mal? Vielleicht so zwei-, dreimal während eines ganzen Lebens?« »NEIN!« »Nun überleg doch mal. Wir haben es getan, seitdem Du Adam und Eva aus Deinem Gartencenter geworfen hast. Du hast uns befohlen, unserer Wege zu gehen und uns zu vermehren. Das konnten wir doch gar nicht tun, ohne Ehebruch zu begehen.« Ich sagte: »Kein Ehebruch!« »Wie Du willst. Aber ich werde Malachi, dem Anwalt, diese Klausel zeigen. Vielleicht findet er ein Hintertürchen.« »Es gibt keine Hintertürchen zu meinen Geboten.« »Warte erst mal ab, bis Malachi sein Plädoyer gegen das Mordverbot gehalten hat. Wenn Du ihm ein paar Stunden zugehört hast, dann wirst Du ganz von selbst eine Totschlagklausel mit einbauen, schon um den Kerl loszuwerden.«43 43
Der Autor möchte dem hinzufügen: »Ich glaubte, Ich würde mehr Probleme haben, die Sache mit dem Ehebruch durch zusetzen, also ließ Ich Mich auf einen Kuhhandel ein und erlaubte es den Kindern Israels, den Samstag als ihren Sabbath zu behalten. Leider hielten sie sich zwar sehr genau an die Vorschrift, diesen Tag von Arbeit freizuhalten, weniger genau nahmen sie es dagegen mit Meinem Siebten Gebot. Tatsache ist, daß viele von ihnen den freien Samstag genützt haben, um Mein Siebtes Gebot zu brechen.«
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»Moses! Ich bin versucht, dich übers Knie zu legen und dir in gewisse baumelnde Teilchen zu treten.« »Genug der Worte jetzt! Bei den Nummern acht und neun kann ich eigentlich keine Probleme entdecken.44 Aber diese Passagen in Nummer zehn, die uns gebieten, sowohl die Sklavinnen als auch Esel und Ochsen unseres Nachbarn nicht zu begehren, die werden dem guten Zebediah ganz schön den Spaß verderben.45 Nun gut, wenn das alles ist, dann werde ich mich jetzt mal auf die Socken machen und den anderen die schlechten Nachrichten überbringen.« Ich aber sprach zu ihm: »Hast du etwa das Kleingedruckte unten auf der zweiten Tafel übersehen?« Moses beugte sich über die Tafel und las: »Das Elfte Gebot: >Du sollst deinen Sony Walkman nicht so laut drehen, daß er anderen die Ohren vollplärrt.< Was soll das denn heißen?« Und Ich erzählte ihm, daß es irgendwann in ferner Zeit, lange nachdem die Kinder Israels das Gelobte Land gefunden und es Florida genannt haben würden, die Plage der Lärmkästen geben würde, mit denen man sich gegen die Ohren der anderen versündigen könne. Sie würden sich über die ganze Welt ausbreiten, ebenso schnell und so gründlich wie die Seuche der McDonaldsFilialen und noch viel offensiver als beispielsweise Anoraks, Mehrklang-Türglocken oder Skateboards. Moses sagte: »Ich sehe nicht, was das mit uns zu tun haben könnte. Warum schließen wir beiden nicht einfach 44
Gebot Nummer Acht besagt: »Du sollst nicht stehlen«, und das Neunte Gebot schreibt vor: »Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.« Der Autor meint: »Nummer Neun ist das Gebot, welches die meisten Leute vergessen. Ich vergleiche es immer mit Brad Dexter. Er ist der einzige Schauspieler in den »Glorreichen Sieben<, dessen Namen kein Mensch mehr kennt.« 45
Zebediah, der ehemalige Besitzer der Go-Go-Bar >Zur Pyra-mide< mit angeschlossenem Massagesalon hatte in der Tat ein paar höchst merkwürdige Vorlieben.
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einen Handel ab: Wenn die Kinder Israels feierlich schwören, dieses Gebot niemals zu übertreten, dann erläßt du uns die Sache mit dem Ehebruch.« »Nein!« Und mit diesem letzten Wort schwang Ich Mich vom Berg Sinai hinauf in die Lüfte und ließ Moses mit seinen Grübeleien über Meine Gebote zurück.46 Er verbrachte vierzig Tage und vierzig Nächte auf dem Berg, zwei Tage und Nächte mit Nachdenken, die andern achtunddreißig, um den richtigen Weg nach unten wiederzufinden.
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Die Gebote wurden nicht in der Reihenfolge aufgeschrieben, die der Autor vorgegeben hatte, und auch nicht in der Reihenfolge, in der sie am häufigsten gebrochen werden, welche nach Ansicht des Autors folgendermaßen aussehen würde: 1. Ehebruch (7)* 2. Du sollst den Namen deines Herrn nicht mißbrauchen (3) 3. Diebstahl (8) 4. Mord (6) 5. u. 6. Du sollst keine anderen Götter neben Mir haben (1) und Du sollst keine falschen Götter verehren (2), vor allem keine berühmten TV-Persönlichkeiten. 7. Du sollst nicht nach dem Hintern deines Nachbarn ver langen, noch nach irgendeinem anderen Teil seiner (ih rer) Anatomie. (10) 8. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen (9), vor allem dann nicht, wenn er (sie) gerade deine Zärtlichkeiten gegen seinen (ihren) Hintern oder andere Teile der Anatomie zurückgewiesen hat. 9. Gedenke des Sabbaths: Halte ihn heilig! (4) 10. Ehre deinen Vater und deine Mutter. (5) Der Autor fügte hinzu, daß sein Elftes Gebot, das mit dem Sony-Walkman, direkt auf den dritten Platz geschossen wäre, wenn Moses sich die Mühe gemacht hätte, es weiterzureichen. * Die Zahlen in Klammern bezeichnen die ursprünglichen Positionen in den Top Ten
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SIEBZEHNTES KAPITEL
Das Land, in dem Milch und Honig fließen
ch hatte Moses Meine großartigen Gebote mit auf den Weg gegeben, auf daß er sie hinausposaune unter euch Anthropoiden als die Regeln, nach denen ihr euer Leben einrichten solltet, die Grundlage für eure Gesetzesbücher und Rechtsprechung sein sollten. Durch ihn ließ Ich euch die Wahrheit aller Wahrheiten enthüllen. Nachdem Ich das getan hatte, erwartete Ich von euch, daß ihr Meine Gebote befolgen und für immer und ewig eure Tage in Frieden und Eintracht miteinander verbringen würdet, damit Ich Mich zurückziehen und Mein grenzenloses Alter in himmlischer Ruhe verbringen könnte, unbehelligt von euren lächerlichen Problemen. Aber wo es für die Bösen keinen Frieden gibt, da gibt es für den Gerechtesten unter den Gerechten schon lange keinen. Kaum hatte Ich die Füße hochgelegt und Mich Meinem ornamentalen Makramee gewidmet, da erhielt Ich auch schon einen Anruf von Moses. Selber schuld, dass Ich vergessen hatte, den Anrufbeantworter einzuschalten. »Herr«, sagte er, »ich habe da ein Problem.« »Moses«, antwortete Ich, »Ich habe die Nase voll davon, kosmische Briefkastentante, Automobilclub und Delikatessenladen in einer Person zu sein. Kannst du dich mit 115
deinen Problemen nicht an jemand anderen wenden?« »Würde ich ja tun, o Herr, aber es betrifft Dich ebenso wie mich. Leg bitte nicht auf, bevor Du angehört hast, was ich Dir zu sagen habe.« Und so ließ Ich, in Meinem unendlichen Großmut, ihn sagen, was er Mir zu sagen hatte. »Die Dinge stehen so: Kaum war ich vom Berge Sinai zu den Kindern Israels zurückgekehrt, da versammelten sie sich um mich und löcherten mich mit Fragen. >Was hat dich während der vergangenen vierzig Tage und vierzig Nächte auf dem Berg festgehalten?< Und ich antwortete ihnen: >Ich habe einen Skiurlaub gemacht. Was glaubt ihr wohl, was ich da oben getrieben habe? Ich habe mit dem Herrn gesprochen, und Er hat mir Seine Gebote anvertraut, die auf diese Steintafeln graviert sind.< Da fragten sie mich: >Und warum hältst du dir den Unterleib?< Da antwortete ich: >Weil ich mir einen Bruch gehoben habe, als ich diese Mordsapparate den Berg runterwuchten mußte. < Da erwiderten die Israeliten: >Was sind das für Gebote?< Ich las ihnen Deine Gebote vor. Nachdem ich geendigt hatte, wurden sie sehr still, und ich fragte sie, was sie während meiner Abwesenheit getrieben hätten.« »Nun, Moses«, fragte Ich ihn, »was hatten sie getrieben?« »Ach, Herr, es scheint ganz so, als hätten sie eine kleine Party gefeiert.« »Und?« »Und dabei muß ihnen wohl die Idee gekommen sein, ein goldenes Kalb zu bauen und ein bißchen darum herumzutanzen, nun, und dann die vielen Drinks, weißt du, so kam eines zum anderen, und ich fürchte, o Herr, es ist einiges zu Bruch gegangen.« »Und was ist dabei zu Bruch gegangen?« »Mindestens sieben Gebote. Acht, wenn man Zebediah und den Ochsen dazuzählt.« Und damit warf Moses sich in den Staub und bat 116
Mich um Vergebung. »Ich weiß, daß sie gefehlt haben«, jammerte er, »und daß sie Strafe verdienen, aber ich flehe Dich an, sie zu verschonen. Und, um der Fairneß willen, keiner von ihnen hat Dein Elftes Gebot gebrochen.« Sein Flehen rührte Mich an, und mit sanfter Stimme sprach Ich zu ihm: »Moses, im Gegensatz zur Meinung vieler Leute bin Ich ein gnädiger Gott, und deshalb werde Ich die Israeliten weder durch Blitzschläge niederstrecken, noch werde Ich Feuer und Schwefel über ihre Köpfe regnen lassen, ja nicht einmal in Jumbopacks erstklassigen Tafelsalzes werde Ich sie verwandeln. Aber sie müssen dafür bestraft werden, daß sie Meine Gesetze übertreten haben, also habe Ich beschlossen, daß forthin das Volk der Israeliten eine schreckliche Last wird zu tragen haben. Ich werde Meinen Fluch auf jedes vierte seiner Kinder legen. Und von diesem Tag an bis in alle Ewigkeit wird jedes vierte Kind des Volkes Israel verachtet und geschmäht werden, und selbst seine Kinder und Kindeskinder werden davonlaufen vor ihm und ausrufen: >Wahrlich, das ist die langweiligste Person, die wir je zu treffen das Unglück hatten! <« Und so legte Ich Meinen Fluch auf die Kinder der Kinder Israels, und bis auf den heutigen Tag ist es so geblieben, daß jedes vierte von ihnen ein Buchhalter ist.47 Moses kehrte zu den Israeliten zurück und teilte ihnen Meine Entscheidung mit, daraufhin hob ein großes Heulen und Jammern an, und alle trommelten sich auf die Brust und knirschten mit dem Zahnfleisch.48 Ich aber verhärtete Mein Herz gegen sie, und um ihnen zu zeigen, daß Ich es ernst meinte, verfügte Ich, daß jeder vierte sofort ein Buchhalter zu werden und sich an 47
Im nachhinein erscheint diese Strafe dem Autor ein wenig zu hart, nicht nur für die Israeliten und ihre Abkömmlinge, sondern auch für uns andere. Er hatte es einfach nicht vorhergesehen, daß Buchhalter so zahlreich werden könnten. »Ich wünschte, Ich hätte einigen von ihnen den Auftrag gegeben, sich zu subtrahieren.« 48
Die Zahnhygiene steckte in jenen Tagen noch in den Kinderschuhen.
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die Arbeit zu machen hatte, um eine Volkszählung durchzuführen, auf daß jeder arbeitsfähige Mann erfaßt werde, bevor man die Reise in das Land, in dem Milch und Honig fließen, wieder aufnehmen konnte. Moses erstattete Mir Bericht, nachdem die Volkszählung durchgeführt war. Die Gesamtzahl der arbeitsfähigen Männer betrug 603 567, verteilt auf dreizehn Familien, aus denen die dreizehn Stämme Israels wurden. Und dann sprach Moses: »Herr, warum hast Du, in Deiner grenzenlosen Weisheit, uns drei Monate lang damit beschäftigt, die 603 567 Männchen zusammenzuzählen?«49 Darauf antwortete Ich ihm: »Nur eine Marotte. Manchmal macht's Mir eben Spaß, Mich wie ein Gott aufzuführen.« Und noch einmal führte Moses die 603 567 Männer und ihre Familien und ihre Kinder dem Land entgegen, in dem Milch und Honig fließen. Und während der langen Reise redeten alle 603 567 Männer und ihre Frauen und ihre Kinder durcheinander, und wenn einer sagte: »Ich glaube, wir sollten da lang gehen«, dann erwiderte jemand: »Nein, ich bin sicher, das ist der richtige Weg«, oder jemand sagte: »Wenn man eine Wüste gesehen hat, hat man sie alle gesehen!« Und es fand sich sicher jemand, der hinzufügte: »Wehe, wenn das Land, in dem Milch und Honig fließen, nicht was ganz Besonderes ist!« Und so befanden sie sich vierzig beschwerliche Jahre lang auf der Wanderschaft. Und während sie wanderten, heulte und jammerte ein jedes von ihnen und trommelte sich gegen die Brust. Und als sie dessen müde wurden, trommelten sie Moses gegen die Brust und auf den Kopf und traten ihm in seine herunterbaumelnden Dingerchen. 49
Nur für Statistiker hier die einzelnen Zahlen: Der Stamm Ruben: 46 500 Mann, der Stamm Simeon: 59 300 Mann, der Stamm Gad: 45 650 Mann, der Stamm Juda: 74 600 Mann, der Stamm Issachar 54 400 Mann, der Stamm Sebulon57 400 Mann, der Stamm Josef: 40 500 Mann, der Stamm Mannasse: 32 200 Mann, der Stamm Benjamin: 35 400 Mann, der Stamm Dan: 62 700 Mann, der Stamm Ascher: 41 500 Mann, der Stamm Naftali 53 400 Mann, der Stamm Gustav: 17 Mann.
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Am Ende der vierzig beschwerlichen Jahre kam Moses zu Mir und sagte: »Herr, seit vierzig beschwerlichen Jahren führe ich die Kinder Israels nun durch die Wüste, und noch immer haben wir das Land, in dem Milch und Honig fließen, nicht gefunden. Sag mir, was ich falsch mache.« Da sprach Ich zu Moses und sagte: »Moses, seit vierzig Jahren liest du die Landkarte verkehrt herum.«50 Und Moses fragte Mich: »Wo ist denn nun das Land, in dem Milch und Honig fließen?« Da deutete Ich nach Westen und sagte: »Siehst du den Fluß dort drüben? Das ist der Jordan, und auf der anderen Seite des Jordan liegt Kanaan, das Land, in dem Milch und Honig fließen.« Und Moses sprach: »Wie weit ist das von hier?« Und Ich antwortete ihm: »Etwa dreihundert Meter.« Und er sagte: »Ja, da legst' di nieder.« Und er legte sich hin und starb. Aber bevor er seinen Atem aushauchte, vertraute er Mir noch seine letzten Worte an und sagte: »Herr, da gibt es etwas, das hatte ich Dir schon immer mal sagen wollen, aber nie fand ich den Mut, es zu tun.« »Dann sag es Mir jetzt, Moses.« Und er sah Mich an, und mit ersterbendem Atem stammelte er die Worte hervor: »Du bist 'n ganzes Stück kleiner, als ich Dich mir vorgestellt hatte.« So passierte es, daß der Mantel Moses an Josua überging. Und nachdem dieser den Saum etwas nach 50
Der 13. und kleinste der Stämme Israels, der Stamm Gustav, wird im Alten Testament mit keinem Wort erwähnt. Der Autor erklärte uns dazu, Gustav sei ein naher Verwandter von Moses gewesen und habe unter der gleichen Unfähigkeit gelitten, sich zu orientieren. Als die anderen Stämme sich auf den Weg ins Gelobte Land machten, zog Gustav in die andere Richtung los, und er und seine Familie wurden nie wieder gesehen. Sie erreichten unter dem Namen >Der verlorene Stamm Israels< einen gewissen Bekanntheitsgrad. Schenkt man dem Autor Glauben, dann wanderten sie eintausend Generationen lang ziellos über den Erdball, bis sie 1979 endlich das Gelobte Land erreichten. Aber zu dieser Zeit waren die Mieten in Miami Beach bereits so exorbitant gestiegen, daß Gustav und seine Leute es vorzogen weiterzuziehen.
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oben versetzt und sich ein kleines, grünes Krokodil auf die Brusttasche gestickt hatte, konnte er das Kommando übernehmen. Also war es Josua, der die Kinder Israels schließlich über den Jordan in das gelobte Land Kanaan führte, in dem Milch und Honig fließen sollten. Und als sie dort angekommen waren, warfen die Kinder Israels sich auf die Knie und küßten die Erde. Dann erhoben sie ihre Köpfe gen Himmel, und mit einer Stimme riefen sie: »Diese Erde schmeckt wie Erde. Wo ist die Milch? Wo ist der Honig?« Da sprach Ich mit lauter Stimme und sagte zu den Kindern Israels: »Hier gab es Milch, und hier gab es Honig, aber Untersuchungen werden zeigen, daß sie voller Cholesterin steckten. Um eure Gesundheit zu schonen, habe Ich somit beschlossen, euch das Land zu schenken, in dem Mineralwasser und Weizenkleie fließen.« Da hob unter den Kindern Israels ein Heulen und Jammern an, und sie drohten Mir, sie würden Mich wegen Vortäuschung falscher Tatsachen vor den Kadi zerren. »Vierzig beschwerliche Jahre lang«, brüllten sie, »sind wir durch die Wüste geirrt! Und wofür? Für Mineralwasser!« Ich aber hörte nicht hin und ließ sie zurück in ihrem Unglück. Wißt ihr, manchmal genieße Ich es so richtig, Ich zu sein.
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ACHTZEHNTES
Gewinn
KAPITEL
und Verlust
ch hatte alles erreicht, was Ich hatte erreichen wollen. Ich hatte die Welt in sechs Tagen erschaffen, Ich hatte sie bevölkert, und schließlich hatte Ich Mein erwähltes Volk in das Land geführt, in dem Mineralwasser und Weizenkleie fließen. Nachdem Ich alles das geschafft hatte und es müde war, für die Kinder Israels das kosmische Au-Pair-Mädchen zu spielen, ließ Ich sie allein weiterwurschteln und konnte endlich wieder das ruhige Leben im Himmel genießen und Mich Meinem Makramee widmen. Die himmlische Ruhe wurde ab und an gestört, durch wen, nun, durch die Kinder Israels natürlich, die ständig anfragten, ob Ich nicht wieder auftauchen und ihnen aus den verschiedenen Schlamasseln helfen könnte, in die sie sich geritten hatten. Schon bald nachdem Josua die Führung übernommen hatte, fand er sich vor den Toren Jerichos wieder und hatte keine Ahnung, wie er die Stadt einnehmen sollte. Also riet Ich ihm, mit seinen Männern die Stadt einzukreisen und seine Trompeter ein paar Stöße in ihre verbeulten Hörner schmettern zu lassen. Ein absoluter Ohrenschmaus, kann Ich euch sagen. In der Bibel steht geschrieben, gleich nach den ersten Trompetenstößen seien die Mauern der Stadt in sich
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zusammengefallen. Es war nicht ganz so.51 Was auch immer die Tugenden der Israeliten gewesen sein mögen — und sie hatten sicher welche, auch wenn sie einem nicht gleich in die Augen sprangen —, das Trompetespielen gehörte nicht dazu. Um ganz ehrlich zu sein — wie bereits mehrfach erwähnt, kann Ich gar nicht anders —, sie besaßen nicht das geringste Quentchen Musikalität. Ich persönlich würde lieber einer Katze zuhören, der man gerade das Fell über die Ohren zieht, als einen Abend lang erleiden zu müssen, wie die Israeliten >Hava Nagila< zu Leibe rückten, der einzigen Melodie, die sie kannten. Und es gehört durchaus nicht zu Meinen Lieblingsliedern. Ich wünschte, Ich hätte das 12. Gebot erfunden: »Niemals und unter keinen Umständen sollst du >Hava Nagila< vortragen, weder gesungen noch in irgendeiner anderen Form.«52 Sei es, wie es will, sie marschierten jedenfalls um Jericho herum und bliesen >Hava Nagila< in ihre Trompeten, und die Einwohner Jerichos, die ein Gehör für Musik hatten, waren von dem Krach so abgestoßen, daß sie ihren Protest mit lautem Buhen, Zischen und Pfeifen zum Ausdruck brachten und anfingen, mit verfaultem Gemüse zu werfen. Nachdem ihnen das ausgegangen war, warfen sie mit allem, dessen sie habhaft werden konnten, und dazu gehörten auch die Backsteine der Stadtmauer. Auf diese Weise demolierten sie törichterweise ihre 51
Der Autor stellt fest: »Einige dieser Geschichten aus dem Alten Testament sollte man mit dem Augenzwinkern von Lots Frau nehmen.« 52
Der Autor weist darauf hin, daß er noch ein paar andere Gebote für uns bereit hätte, wie zum Beispiel: • Du sollst nicht kichern, wenn die Karte deines Nächsten vom Geldautomaten geschluckt wird. • Du sollst den Hörer nicht aufknallen, bevor du nicht eine Nachricht auf den Anrufbeantworter deines Nächsten gesprochen hast. • Du sollst den Parkplatz deines Nächsten nicht begehren.
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eigenen Befestigungsanlagen.53 Die Einwohner Jerichos taten Mir aufrichtig leid, waren sie doch nicht nur der Grund ihres eigenen Niedergangs, sondern obendrein noch miserable Werfer. Nicht ein einziger Backstein flog auch nur in die Nähe eines der Israeliten, und alle Trompeter überlebten, so daß sie weiterspielen konnten. Schließlich sollte ihr abstoßendes, atonales Getöse noch solche Komponisten wie Stockhausen beeinflussen, auch wenn der mit seinen Arbeiten kein Haus zum Einsturz bringen konnte. Abgesehen von kleinen Handreichungen wie diesen beschränkte Ich Mich auf die Rolle des Beobachters. Ich schaute den Israeliten dabei zu, wie sie die nächsten Jahrhunderte damit verbrachten, mit sich selbst und allen anderen Streit anzufangen und herumzuzanken. Sie waren sich selbst die schlimmsten Feinde, von den Römern und den Philistern einmal abgesehen. Sie wollten einfach nicht lernen. Ihr braucht euch nur Samson anzuschauen. Glaubt ihr etwa, der Kerl hätte Mir zugehört, als Ich ihm den guten Rat gab, er, als hübscher, gut erzogener israelitischer Jüngling möge sich davor hüten, eine Friseuse zu heiraten? Und so zieht sich die leidige Geschichte weiter und weiter durch das Alte Testament. Sie ignorierten alle Meine Warnungen. Ich schickte ihnen Meine Propheten runter, aber sie weigerten sich, sie auch nur anzuhören.54 53
Offensichtlich wurden die Backsteine für die Mauern von Jericho von derselben Firma geliefert, die auch den Vertrag für den Turmbau zu Babel ergattert hatte. Nach ihrem großen Sieg marschierten die Israeliten in die Ruinen von Jericho und mußten dort feststellen, daß bereits mehrere Dutzend Immobilienmakler vor ihnen dort waren und eine Baugenehmigung für die Umwandlung des Geländes in ein SuperEinkaufszentrum mit Parkplätzen für circa tausendfünfhundert Pferdefuhrwerke erwirkt hatten. 54
Um Seine Meinung über die Propheten der Moderne befragt, äußerte der Autor: »Ich bin, wie Ich sicherlich bereits mehrfach erwähnte, ein gnädiger Gott, aber Ich finde es äußerst schwierig, Geduld mit denjenigen zu haben, die sich hinstellen und laut verkünden: >Ich habe Gott
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Schließlich gab Ich es auf und kehrte Meinem erwählten Volk den Rücken.
gefunden!< Als hätten sie Mich irgendwo in einem Fundbüro wiederentdeckt, wie einen Regenschirm, der aus Versehen in einem Eisenbahnabteil zurückgelassen wurde. Und noch schwieriger finde Ich es, gnädig zu jenen zu sein, die sich als Meine Sprecher auf Erden aufspielen. Traut niemals jemandem, der von sich behauptet, Meine Stimme würde aus ihm sprechen. Bin Ich etwa so eine Art kosmischer Bauchredner? Und selbst wenn Ich es wäre, dann wäre Ich äußerst heikel bei der Auswahl derer, denen Ich Meine Hand auflege.«
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NEUNZEHNTES
Oben
KAPITEL
und unten
ndlich konnte Ich mehr Zeit in Meinem Zuhause verbringen, in dem es inzwischen ganz hübsch eng geworden war. Allerdings empfand Ich es nach so vielen Äonen des Alleinlebens als ganz nett, hier oben bei Mir ein paar ebenbürtige Kameraden willkommen heißen zu dürfen. Wie ihr euch vielleicht denken könnt, befleißigen Wir uns einer ziemlich exklusiven Mitgliederpolitik. Glaubt bloß nicht, daß jeder hergelaufene Penner bei uns Einlaß findet. Ihr braucht also gar nicht erst zu versuchen, dreimal an die Himmelstür zu klopfen und zu rufen: »Nun komm schon, Petrus, mach endlich auf! Ich soll auch einen schönen Gruß von Johannes Paul II. bestellen!« Es müssen wohl an die tausend sein, die das jeden Tag versuchen, aber sie alle holen sich nichts weiter als eine schroffe Abfuhr. Selbstverständlich verzichten Wir hier oben auf etwas so Vulgäres wie die Rausschmeißer — oder besser gesagt: die Reinschmeißer —, die sie UNTEN beschäftigen, wo Meines Wissens sogar Strichlisten geführt werden, um den Tagessieger zu ermitteln. Aber an unserem St. Petrus kommt so leicht keiner vorbei, wenn er nicht mindestens von drei Heiligen gesponsort wird und ein paar Päpste vorweisen kann, die für ihn sprechen. Und es wird auch nicht jeder Papst automatisch Mitglied 126
hier oben. Um ganz ehrlich zu sein, Ich weiß nicht, wie manche von denen an ihren Job gekommen sind. Vor allem im Mittelalter gab es da ein paar höchst unerfreuliche Individuen, denen es gelang, die anderen davon zu überzeugen, daß sie Meine Stellvertreter auf Erden seien. Leider habe Ich es versäumt, Mir bei der Wahl der Päpste ein Einspruchsrecht zu sichern. Ich will ja gar nicht behaupten, Johannes Paul II. sei kein guter Mann. Das ist er ohne Zweifel, auch wenn er für Meinen Geschmack das Reden in verschiedenen Sprachen etwas übertreibt. Riecht es nicht verdammt nach Aufschneiderei, wenn jemand ellenlange Ansprachen in einem halben Dutzend verschiedener Sprachen zu wiederholen pflegt? Und wenn Ich in diesem Zusammenhang etwas zu sagen hätte, dann würde Ich es Mir dreimal überlegen, ob Ich jemanden zum Pontifex machen würde, der ganz offensichtlich an der unnatürlichen Neigung leidet, seine Lippen auf Asphalt zu drücken. Fürwahr eine höchst merkwürdige Gewohnheit, aber harmlos und den Neigungen einiger seiner Vorgänger allemal vorzuziehen, die sich auf Landebahnen als Objekte ihrer Triebbefriedigung nicht beschränken wollten und zu glauben schienen, sie müßten erst einmal jede einzelne der Todsünden durchprobiert haben, bevor sie in der Lage wären, ihre Herde davor zu warnen. Auf diese Sorte können. Wir hier oben gut verzichten, und die meisten von denen ließen Wir nicht einmal auf einen Steinwurf an die perlmuttenen Himmelspforten heran, einmal ganz abgesehen davon, daß es kaum etwas Gefährlicheres für eine perlmuttene Himmelspforte gibt als einen gut gezielten Steinwurf.55 55
Nach Seinen Lieblings-Pontifexen befragt, antwortete der Autor: »Es waren insgesamt 262, da ist es schon äußerst schwierig, Meine persönliche Papst-Parade aufzustellen. Die Nummer eins dürfte immer noch St. Petrus sein, der ja schließlich auch der allererste war. Aber Ich kann Mich gar nicht mehr an alle erinnern. Allein vierzehn von ihnen hießen schließlich Clemens, gleich dreiundzwanzig nannten sich Johannes, da kommt man im Laufe der Jahrhunderte ganz schön durcheinander. Aber ganz
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So haben Wir als über die Jahrtausende hinweg versucht, den Himmel als einen Ort gediegener Exklusivität zu bewahren. Nur sehr wenigen Menschen war es vergönnt, auch nur einen Blick hineinzuwerfen, und das dürfte der Grund dafür sein, daß über diesen Ort so viel Unsinn geschrieben worden ist. Es kann keine Rede davon sein, daß hier oben lauter schäfchenweiche Wolken herumfliegen und die Engelein auf ihren Harfen spielen. Auf Wolken können Wir gut verzichten, schließlich ziehen es die meisten von uns vor, das ganze Jahr über sonnenbaden zu können, und was die Harfen betrifft, so gibt es inzwischen jede Menge Engelein, die den Synthesizer vorziehen. Man geht auch bei uns mit der Zeit, auch wenn Ich neulich noch zu Ludwig gemeint habe: »Lieber 'ne Musik mit 'nem langen Bart als 'n Barthaar in der Suppe.«56 Mein kleines Bonmot amüsierte den alten Knaben, der mit der neuen Musik überhaupt nichts anfangen kann. Im Gegenteil, erst vor ein paar Tagen bat er Mich, ihm doch bitte seine Taubheit zurückzugeben. Wahrscheinlich sollte das ein Witz sein, aber bei ihm weiß man nie so genau. Jedenfalls hat er ein goldenes Herz. Oft sitzt er stundenlang mit Schubert zusammen und kaut mit ihm die verschiedensten Möglichkeiten durch, seine Achte Symphonie zu vollenden. Mozart dagegen fühlt sich in der neuen Technik wohl wie eine Ente im Haferschleim und hat gleich eine Rockoper mit dem Titel >Cosi Fan Tutti Frutti< geschrieben. Nicht so besonders habe Ich Johannes XXIII. ins Herz geschlossen. Das ist wirklich mal ein reizender alter Knabe. Aber wer, zum Teufel, soll dieser Deusdedit gewesen sein? Und was trieb einen von den Kerlen dazu, sich Donus zu nennen? Das hört sich ja beinahe nach so einem türkischen Kebab-Zeug an.« Als wir Ihn daran erinnerten, daß St. Deusdedit (alias Adeodatus I.) von 615 bis 619 Papst war, und daß Donus I. den Posten von 676 bis 678 innehatte, antwortete der Autor den Herausgebern: »Wenn Ich etwas nicht ausstehen kann, dann sind das Klugscheißer.« 56
Ludwig van Beethoven. Der Autor scheint einen gewissen Hang zum Namedropping zu haben.
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ganz Mein Geschmack. Ich würde etwas Traditionelleres wie das >Hallelujah< vorziehen.57 Ich fürchte, selbst ein bescheidener Gott wie Ich findet immer wieder Gefallen daran, seinen eigenen Namen gepriesen zu hören — aber bei den jüngeren Engeln kam das Werk sehr gut an. Nennt Mich meinetwegen altmodisch, aber Ich wünschte Mir, sie würden nicht den ganzen Tag in diesen schrecklichen Jeans herumlaufen. Ich kann Mich nicht daran gewöhnen, selbst wenn der Name Meines Sohns darauf geschrieben steht. Nein, wahrscheinlich bin Ich ein verknöcherter, alter Griesgram, aber Ich ziehe es nun mal vor, Meine Engelchen in hauchfeine Gaze gewandet zu sehen, zumindest, wenn sie bei der Arbeit sind.58 Das Schöne am Himmel ist — und vielleicht werden einige von euch das ja selber einmal herausfinden, auch wenn Ich es Mir kaum vorstellen kann —, daß man ihn sich so gestalten kann, wie man ihn haben möchte. Jeder hat hier sein ganz persönliches Paradies. Mein eigenes Stückchen Himmel ist eine gemütliche, kleine Ecke, die Ich seit ihrer Erschaffung nicht wesentlich verändert habe, einmal abgesehen davon, daß Ich Mir die Decke von Michelangelo neu gestalten ließ. Sehr hübsch, wenn auch ein bißchen zu kunstvoll ausgeschmückt. Ich bin nun mal ein Gott von einfachem Geschmack, deshalb hätten etwas Rauhfasertapete und ein, zwei frische Anstriche es auch getan. Ich habe natürlich Meinen Mund gehalten. Ihr wißt ja, wie aufbrausend Genies zuweilen sein können. 57
Auf unseren Hinweis, er habe doch sicher >Wie eine Ente im Wasser« schreiben wollen, meinte der Autor: »Ach, habe Ich das? Ich bin sicher, Ich hatte ursprünglich die Absicht, Enten in Haferschleim leben zu lassen. Oder hieß das Wasser ursprünglich Haferschleim, und Adam, dieser Trottel, verwechselte mal wieder die Ausdrücke? Ich finde das nicht so wichtig. Ihr tätet Mir wirklich einen Gefallen, wenn ihr nicht bei jedem kleinen Quatsch nachfragen würdet.« 58
Der Autor behauptet, daß Gaze-Hemdchen vom heiligen Michael hergestellt werden und in allen himmlischen Filialen von Peek & Cloppenburg erhältlich seien. Sollte es sich hierbei um einen seiner kleinen Scherze handeln, dann ist es ohne Zweifel einer der komischeren Sorte.
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Vielleicht wißt ihr das auch nicht, aber das liegt daran, daß ihr nicht hier oben seid, wo man sich kaum einmal umdrehen kann, ohne in einen dieser Wunderknaben zu laufen. Und die meisten von euch werden es wohl auch nie erfahren, es sei denn, ihr seid sehr, sehr tugendhaft und rechtschaffen. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung wird der Großteil von euch aber auch nicht nach UNTEN fahren. Mag sein, daß Ich bereits erwähnte, daß Ich ein gnädiger Gott bin, und als ein solcher mag Ich Mein Gewissen nicht mit dem Gedanken an Menschen belasten, die den Rest der Ewigkeit an diesem ANDEREN ORT verbringen müssen, es sei denn, sie sind wirklich rettungslos verloren. Ich mag Mir den Glauben daran erhalten, daß in jedem von euch ein Fünkchen Gutes glimmt, also enttäuscht Mich bitte nicht! Ich garantiere euch, daß jeder einzelne Fall sorgfältig geprüft werden wird, und wenn Ich das Gefühl haben sollte, ein Sünder könnte ehrlich bereuen, dann werde Ich ihn zuerst einmal der Vorhölle zuteilen. Es gibt da ein paar grundlegende Mißverständnisse, was die Vorhölle betrifft. Die meisten Leute scheinen sie für eine Art Zahnarzt-Wartezimmer für die Ewigkeit zu halten, vollgepfropft mit abgegriffenen Illustrierten und staubigen Kakteen, in deren Gesellschaft man auf eine höchst unangenehme Behandlung warten muß. Von der exorbitant hohen Rechnung gar nicht erst zu reden. (Ich muß Mich für eure Zähne entschuldigen, sie sind so wenig zuverlässig geraten. Ich werde Mir die Zeichnungen noch einmal genau ansehen, wenn Ich ... Ich meine, sollte Ich Mich einmal ernsthaft mit dem Gedanken befassen, euch auszuradieren und noch einmal von vorne zu beginnen.) Nichts könnte der Wahrheit ferner sein. Die Vorhölle ist ein äußerst angenehmer, attraktiver und behaglicher Ort, ohne dabei protzig zu wirken. Ich habe Leute dorthin geschickt, damit sie über sich nachdenken, ihre Seelen wiederbeleben und ihren Geist erneuern. Sie ist vielleicht so eine Art Schönheitsfarm mit spirituellen Gesichtsmasken. Wenn die Kunden nach einer Weile 131
wieder herauskommen, sehen sie besser aus, fühlen sich wohler und, vor allem anderen, sie benehmen sich anständiger, und wenn es ihnen gelungen sein sollte, ihre Seelen gründlich zu entschlacken, dann bringen sie es vielleicht sogar zu einer Probemitgliedschaft hier oben bei uns im Himmel. Leider gibt es jedoch immer wieder welche, die nicht hören wollen, und die muß Ich, so leid es Mir auch tut, nach UNTEN befördern. Ich will jetzt auf diesen anderen Platz nicht näher eingehen; wenn ihr wirklich herausfinden wollt, wie es dort zugeht, dann braucht ihr nur zu versuchen, dieses Buch zu klauen.59 Es erübrigt sich wohl zu sagen, daß es dort unbeschreiblich schmutzig ist, daß es ganz scheußlich stinkt, unerträglich heiß ist und von den widerlichsten, verabscheuungswürdigsten und gräßlichsten Individuen nur so wimmelt. Auch die Verpflegung läßt eine Menge Wünsche offen. Sie ist etwa hundertmillionenmal schlechter als das Allerschlimmste, das ihr euch in euren entsetzlichsten Alpträumen ausmalen könnt, ja, sie ist schlimmer als bis in alle Ewigkeit den Denver Clan anschauen zu müssen. Ich beschränke Meine Besuche dort auf ein absolutes Minimum, Ich schaue höchstens mal runter, um Mich zu beschweren, wenn sie mal wieder zu viel Krach machen oder die Öfert so lau eingeschürt haben, daß Meine Zentralheizung nicht ordentlich funktioniert. Ansonsten versuche Ich den Platz zu meiden, denn Ich stehe nicht besonders gut mit Satan. Er war schon immer ein faules Früchtchen. Ich kann Mich erinnern, daß Ich ihm schon als Kind nicht über den Weg traute, nachdem Ich ihn einmal dabei erwischt hatte, wie er einem Meiner Cherubin die Flügelchen ausrupfen wollte. Damals wohnte er noch hier oben, und wenn er sich ein 59
Der Autor legt Wert auf die Feststellung, daß er viel zu gnädig ist, um für einfachen Ladendiebstahl ein derartig hartes Urteil auszusprechen. Aber er möchte hier die Warnung anfügen, daß jeder, der versuchen sollte, dieses Büchlein zu stehlen, damit rechnen muß, den Rest seiner Tage als Kaktus im Wartezimmer eines Zahnarztes zu verbringen.
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bißchen ordentlicher aufgeführt hätte, wäre vielleicht sogar etwas aus ihm geworden. Manche glaubten sogar, er hätte das Zeug zum Erzengel gehabt. Aber sein Problem war der Ehrgeiz. Er bekam Flausen in den Kopf, was seinen Status betraf, und er fing sogar an zu glauben, er könnte Mich übertrumpfen! Er lief herum, erzählte jedem, der es hören wollte, Ich sei viel zu alt für den Job, und versuchte, die anderen Engel zu einer Palastrevolution gegen Mich anzustiften. Schließlich mußte Ich ihn zu Rede stellen. Ich warnte ihn, daß er es schrecklich bereuen würde, wenn er so weitermachte. Er sagte: »Dann zeig doch mal, was du kannst, du törichter, alter Trottel.« Und Ich antwortete ihm: »Satan, auch wenn Ich ein gnädiger Gott bin, so bin Ich doch ernstlich versucht, dir einmal zu zeigen, was Ich kann.« Da sagte er: »Na los, nur dies eine mal, gib der Versuchung nach!« Ich aber antwortete ihm: »Wenn du meinst, Ich könnte einer Versuchung nachgeben, dann geh zur Hölle.« Kaum hatten diese Worte Meine Lippen verlassen, da gab es eine ungeheuerliche Explosion, und er verschwand in einer Säule von Feuer und Schwefel. Manchmal vergesse Ich einfach Meine eigene Allmacht. Seit diesem Moment ist er für die Hölle zuständig. Und wenn er nicht gerade verlorene Seelen quält, dann ist er auf Werbetour auf der Erde unterwegs und versucht, leichtgläubige Idioten zu finden, die ihm einen Nutzungsanteil am Ferienprojekt Hades abkaufen.
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ZWANZIGSTES KAPITEL
Das Ende der Welt?
ch nähere Mich langsam dem Ende Meines kleinen Erinnerungsbüchleins. Und wenn Ich so auf all die Prüfungen und Anfechtungen eines langen Lebens zurückblicke, dann komme Ich zu dem Schluß, daß Ich nichts zu bereuen habe. Mit der Ausnahme vielleicht, daß Ich ganz gerne etwas größer geraten wäre. Die Geschichte ist nicht zu Ende. Sie wird auch niemals zu Ende sein können, denn Ich bin endlos. Ich hätte noch viele Geschichten zu erzählen. So bin Ich zum Beispiel kaum auf die Sache mit Meinem Sohn eingegangen, aber das liegt wohl einfach daran, daß es den Ausführungen des Neuen Testaments wenig hinzuzufügen gibt. Es gäbe auch Geschichten über andere Lebensformen in anderen Galaxien anderer Universen zu erzählen. Und vielleicht lasse Ich Mich eines Tages dazu überreden, wieder einmal Feder und Papier zur Hand zu nehmen und sie niederzuschreiben. Aber dann werde Ich Mir andere Herausgeber suchen. Diese hier waren, mit Verlaub gesagt, etwas zu übereifrig darauf bedacht, die Richtigkeit60einiger von Mir behaupteter Tatsachen in Frage zu stellen. Was Meinen Heiligen Geistschreiberling betrifft, nun, so haben Wir uns schließlich doch irgendwie zusammengerauft, und Ich nehme an, er wird den Rest seines Lebens glücklich und zufrieden als Kaktus verbringen. Um genau zu sein, Ich weiß sogar ganz sicher, 60
Wir wollten den Wahrheitsgehalt dieser Aussage zunächst in Zweifel ziehen, verzichteten nach reiflicher Überlegung jedoch darauf.
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daß er das tun wird, denn Ich bin allwissend.61 Allwissenheit ist ja ganz schön, aber sie kann auch ein Fluch sein. So ruiniert sie Mir zum Beispiel Jahr für Jahr Meinen Geburtstag, denn Ich weiß im voraus, was für Geschenke Ich zu erwarten habe.62 Wohlgemerkt, Ich wüßte das auch, wenn Ich nicht allwissend wäre, denn es sind jedes Jahr die gleichen Geschenke: ein neuer Pyjama, ein wehender Morgenmantel und ein paar Ledersandalen. Gabriel pflegt dazu zu sagen: »Was kann man einem Gott schon schenken, hat er doch ohnehin schon alles.« Das sagt er jedes Jahr, und jedes Jahr weiß Ich im voraus, daß er es sagen wird. Und jedes Jahr möchte Ich ihm antworten: »Zum Teufel mit diesen schrecklichen Sandalen. Warum schenkst du Mir nicht zur Abwechslung mal ein Paar Puma-Joggingschuhe?« Aber Ich halte Meinen Mund. Und jedes Jahr fügt er hinzu: »Und nun rate mal, was ich ganz speziell für Dich gemacht habe!« Und jedes Jahr antworte Ich: »Du hast Mir eine Erzengel-Torte gebacken.« Und jedes Jahr erwidert er: »Große Überraschung! Ich habe Dir eine Obsttorte gebacken!« Und wie jedes Jahr habe Ich es natürlich vorher gewußt, aber Ich mag ihm einfach nicht den Spaß verderben. Und jedes Jahr fragt er Mich: »Nun, Herr, wie alt sind wir denn dieses Jahr geworden?« Und jedes Jahr antworte Ich ihm: »Mein lieber Gabriel, Ich habe nach den ersten neununddreißig Jahrtausenden aufgehört zu zählen.« 61
Als wir das letzte Mal nach ihm schauten, kam uns der Heilige Geistschreiber auf seiner Fensterbank noch ganz zufrieden vor. Eine unserer Sekretärinnen kümmert sich rührend um ihn. Wir dagegen sehen uns nun dem wohl einmaligen Problem ausgesetzt, Tantiemen an einen Kaktus zu zahlen zu müssen. Unser Hauptbuchhalter arbeitet an der Sache. 62
Der Autor hat eigentlich keinen Geburtstag, denn eigentlich wurde er nicht geboren. Trotzdem feiert er jedes Jahr am 30. Februar. Das ist ein Sonntag.
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Und jedes Jahr sagt er: »Ich muß sagen, Du siehst keinen Tag älter als fünfunddreißigtausend aus!« Und dann lachen wir alle. Anschließend wird das Spiel >Drei fragen hinter der Tür< gespielt, und jedes Jahr bin Ich der Sieger. Und jedes Jahr ist Gabriel verärgert und sagt: »Das ist gemein! Du bist allwissend. Du kennst die Antworten schon vorher.« Und jedes Jahr erwidere Ich: »Ich wußte, daß du das sagen würdest.« Und jedes Jahr sagt er: »Nun, vergiß nicht, daß man sich als Klugscheißer nicht überall beliebt macht.« Und jedes Jahr spiele Ich den Beleidigten und sage: »Gabriel! Du solltest dich deinem Herrn gegenüber eines anderen Tons befleißigen! Ich hätte nicht übel Lust, dich für den Rest der Ewigkeit nach UNTEN zu schicken.« Und jedes Jahr antwortet er Mir: »Aber du wirst es nicht tun.« Und jedes Jahr frage Ich ihn: »Kannst du Mir einen Grund nennen, warum Ich es nicht tun sollte?« Und jedes Jahr sagt er: »Weil Du ein gnädiger Gott bist.« Und jedes Jahr erwidere Ich: »Gabriel, manchmal beginne Ich zu glauben, daß du beinahe so allwissend bist wie Ich.« Und dann lachen Wir alle. Und so geht das jedes Jahr, jahraus, jahrein, und so wird es weitergehen bis in alle Ewigkeit. Ich nehme an, einige von euch werden das langweilig finden, aber Mir gefällt es so. Vielleicht bringt Allwissenheit ihre Probleme mit sich, aber das wußte Ich vorher, deshalb will Ich Mich jetzt nicht beklagen. Überhaupt beklage Ich Mich sehr wenig, und das ist einigermaßen bemerkenswert, angesichts des vielen Ärgers, den ihr Anthropoiden Mir im Laufe der Jahrtausende bereitet habt. Ihr seid mit Abstand die streitlustigsten, unerfreulichsten und undankbarsten Exemplare unter allen Meinen Schöpfungen. Tag für Tag, Jahr für Jahr, Jahrhundert für Jahrhundert bereitet ihr Mir Enttäuschungen. Ihr macht, was ihr wollt, kümmert euch nicht um das, was 137
Ich euch gelehrt habe, macht euch über Meine Propheten lustig, mißhandelt Meine Priester, brecht Kriege vom Zaun und begeht in Meinem Namen Greueltaten. Und Ich weiß, daß ihr euch niemals ändern werdet. Da dürft ihr euch doch nicht wundern, daß es Augenblicke gab, in denen Ich so sauer auf euch war, daß Ich ernsthaft mit dem Gedanken spielte, euch allesamt auszuradieren und noch einmal ganz von vorne zu beginnen. Nennt Mich meinetwegen gefühlsduselig oder schreibt es der Tatsache zu, daß Ich auf Meine alten Tage gutmütig geworden bin, jedenfalls ist es euch bis heute nicht gelungen, Mich so zu verärgern, daß Ich mit den Fingern geschnipst und eure kleine Erde in den Staub zurückverwandelt habe, aus dem Ich sie einst formte. Und vielleicht werde Ich auch ein bißchen träge. Denn immer öfter denke Ich: »Warum solltest du dir den ganzen Ärger machen und die Energie aufbringen, die nötig wäre, sie in Stücke zu schlagen, wenn sie doch längst in der Lage sind, das selber zu besorgen? Und dumm genug, das erfolgreich zu erledigen, sind sie allemal.« Ihr könnt ganz sicher sein, eines Tages wird eure mikroskopische Welt verschwinden. Und weil Ich nun einmal allwissend bin, kenne Ich auch die Frage, die euch schon lange quält: Wann wird das Ende der Welt gekommen sein? Nur Ich allein weiß den genauen Tag, die Stunde, die Minute, ja sogar die Sekunde des Armageddon. Und Ich könnte dieses Wissen hier enthüllen. Aber Meine Allwissenheit zeigt Mir die furchtbare Wirkung, die eine solche Ankündigung auf euch haben würde. Ich weiß um die Todesangst und die Verzweiflung, die euch verschlingen würden. Und deshalb habe Ich, in Meiner unendlichen Weisheit, beschlossen, euch diese unerträgliche Furcht zu ersparen. Außerdem wußte Ich natürlich, daß ihr zum nächsten Buchmacher rennen und mit Rieseneinsätzen ein gigantisches Vermögen gewinnen würdet, wenn Ich euch den Termin mitteilen würde. Aber mit Geld könnt ihr euch kein Glück kaufen. Im Gegenteil, an dem Tag, an 138
dem die Gewinnsumme fällig wäre, könntet ihr euch damit überhaupt nichts mehr kaufen, nicht einmal ein anständiges Begräbnis. Deshalb habe Ich beschlossen, euch nicht mitzuteilen, wann eure Welt enden wird. Sagen wir also, eure kleine Welt wird, so wie Meine Geschichte, ihre Fortsetzung haben ... Und, auch wenn Ich es bereits erwähnt haben sollte, Ich bin, und da werdet ihr Mir doch zustimmen, ein gnädiger Gott. Amen.
Ihr dürft euch jetzt wieder von den Knien erheben.
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ERSTES KAPITEL
Im Anfang schuf...
igentlich sollte ein Autor seine Biographie ja am Anfang beginnen, aber in Meinem Fall liegt der Fall etwas verzwickt, denn Ich habe keinen Anfang. Und Ich habe auch kein Ende. Ich bin ohne Grenzen. Unendlich. Und das macht es so schwierig, mit der Geschichte zu beginnen. Vom Schluß gar nicht zu reden. Theoretisch könnte dieses Buch endlos weitergehen, was natürlich Probleme ... Habe Ich das nicht vorher schon geschrieben? Das ist der ewige Ärger mit der Grenzenlosigkeit, du weißt nie so genau, ob etwas bereits passiert ist, oder ob es noch passieren wird ...
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VOM SELBEN AUTOR Gott über das Gärtnern Der perfekte Haushalt — Wie man sich ein himmlisches Heim schafft Wunder der Kochkunst — (enthält die 101 besten Arten, einen Quug zuzubereiten) Baue dein eigenes Universum Freude an der Fortpflanzung (unter Mitarbeit des Heiligen Geistes) Wie pflanze ich mich richtig fort? Das große Buch von der Gerechtigkeit (unter Mitarbeit der Himmlischen Protokollabteilung) Die Monroe und Ich — Meine Erinnerungen an Marilyn.
PERSONENVERZEICHNIS Kursiv gedruckte Ziffern beziehen sich auf die Illustrationen. Gott, S. 7, 8, 9, 10, 11, 12,13, 14,15,16,17,18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99,100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 139,
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BIBELOGRAPHIE Der Autor bediente Hilfsquellen:
sich
gelegentlich
der
folgenden
DIE BIBEL, Das Alte Testament, verschiedene Autoren, darunter Arnos, Daniel, Esther, Ezekiel, Esra, Habakuk, Haggai, Hosea, Jesaja, Jeremia, Ijob, Joel, Jona, Josua, Levitikus, Maleachi, Micha, Hahum, Nehemia, Obadja, Rut, Samuel, Zacharia, Zephania, und Herbert. Die Arbeit des letzteren ist auch unter den Namen >Das verlorene Buch des Alten Testaments< bekannt, denn Herbert hat es auf seinen Irrfahrten durch das Land Kanaan irgendwo verlegt. DIE BIBEL, Das Neue Testament, verschiedene Autoren, darunter Matthäus, Markus, Lukas, John, Paul, George und Ringo. DIE ROTES-MEER-ROLLE, das sehr bald zu entdeckende Buch Herbert. Der Autor fand das Kapitel 28 — Von Pontius zu Pilatus und wieder zurück — besonders irreführend. DIE NOAH-BRIEFE, von Noah und seiner Frau an den Autor geschriebene Briefe. Zusätzlich die >Noah-Postkarten<, im Besitz des Autors befindlich.
ORNAMENTALES MAKRAMEE LEICHTGEMACHT, von Vera Schäfer.
Außerdem zur Lektüre empfohlen: DIE PFLEGE UND AUFZUCHT VON KAKTEEN von Lorenz Wilp
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NACHTRAG Hier noch einige späte Erläuterungen zum Manuskript des Autors. SARDELLENPASTE Empfohlen als Therapie gegen Hühneraugen. Einfach auf die befallenen Stellen auftragen. Falls der erwünschte Effekt nicht erreicht wird, bitte einen Fußpfleger zu Rate ziehen. ENGEL In dem Versuch, eine der uralten theologischen Streitfragen endgültig zu klären, fragten wir den Autor, wieviel Engel denn nun wirklich auf einem Stecknadelkopf stehen könnten. Er antwortete uns: »Ich bin der Herr, euer Gott, und nicht das >Guiness Buch der Rekorde<.« BUGGROM Ein Vorort von Sodom, den dasselbe Schicksal ereilte. COCKTAILZWIEBEL Ursprüngliche Inspiration für die Entwicklung des Planeten Dandropy in der neununddreißigsten Galaxis des vierten Universums. Hinter Nibolt links halten und noch einmal nachfragen. DANDROPY Man muß sich nicht mehr die Mühe machen, hinter Nibolt noch einmal nachzufragen, denn Dandropy hat bereits aufgehört zu existieren. JEHOVAS ZEUGEN Der Autor bitte sie inständig, endlich ihre Versuche einzustellen, gegen das Himmelstor zu klopfen, um ihm den >Wachturm< zu verkaufen. MABBEL Kleines, muschelartiges Tierchen, das sich an den Boden der Arche klammerte, nachdem diese am Berg Ararat geladet war. Da es unfähig war, außerhalb des Wassers zu leben, starb es auf der Stelle aus. 143
ORNAMENTALES MAKRAMEE Seit der Fertigstellung seines Manuskripts ist dem Autor klargeworden, daß Hängekörbe aus ornamentalem Makramee eine schlimmere Seuche sind, als die Pest es jemals war. Aus diesem Grund wünschte er, daß jeglicher Bezug auf sein früheres Hobby aus diesem Buch gelöscht wurde. Leider erreichte uns seine Verfügung nicht rechtzeitig genug, um für diese Auflage noch berücksichtigt zu werden. ZYGL Des Autors ursprünglicher Name für Gummiüberschuhe.
ERATTA Keine Eratta, denn der Autor macht keine Fehler.
ERRATUM Statt >Eratta< muß es >Errata< heißen. Die Herausgeber bitten diesen Irtumm zu entschuldigen.
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01/7778
01/8056
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B
Die kleinen grünen Männchen lieben die Frauen
01/7883
01/6854
01/7822
___ Wilhelm Heyne Verlag München ____ 145
Endlich auch in deutscher Sprache: die einzige, die ultimative Autobiographie GOTTES. Und die Bibel hat doch nicht immer recht: Nach Jahrtausenden des Schweigens hat jetzt der LIEBE GOTT höchstpersönlich zur Feder gegriffen, um die ganze Wahrheit unverfälscht und unzensiert zu enthüllen. Hier ist seine Version, die erheblich von der Bibel abweicht. Aber auch Gottes Widersacher schweigt nicht: Seine Memoiren sind unter dem Titel »Satan« (01/8148) als Heyne-Taschenbuch erschienen.
Allgemeine Reihe Deutsche Erstausgabe Best.-Nr. 01/8147 146