Heiße Weihnacht!
Barbara Daly
Tiffany 1023
24 – 2/02
Gescannt von Almut K.
1. KAPITEL Wieder einmal verbündeten...
18 downloads
646 Views
666KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Heiße Weihnacht!
Barbara Daly
Tiffany 1023
24 – 2/02
Gescannt von Almut K.
1. KAPITEL Wieder einmal verbündeten Hope Sumners Schwestern sich gegen sie. "Ich habe von einer Katze geredet", stellte sie klar. "Ich brauche keinen Mann." "Nur einen zum Ausgehen", sagte Faith. "Einen Begleiter, nicht mehr", ergänzte Charity. "Weil die Weihnachtszeit mit all den Partys naht", fügte Faith hinzu. Hope bereute, dass sie ihren Schwestern beigebracht hatte, wie man Konferenzgespräche schaltet. Vor ihren Dreier-Telefonaten zwischen Los Angeles, Chicago und New York hatten Charity und Faith sie nur getrennt attackieren können, und im Zweikampf war sie unbesiegbar. Gegen alle beide jedoch musste sie um ihr Leben kämpfen. Oder, in diesem Fall, um ihren Lebensstil. Und was war falsch an ihrem Lebensstil? Nichts. Sie lebte sehr gern in New York. Sie war beruflich erfolgreich, sie konnte sich elegante Kleidung leisten, wenn sie Zeit zum Shopping fand, und luxuriöse Reisen, falls sie je die Zeit hätte, Urlaub zu nehmen, und eine Wohnung mit einem fantastischen Blick - wo sie selten war und auch jetzt nicht. „Lana sagt, dass er sehr nett ist", bemerkte Faith. "Lana? Der Punk-Rock-Filmstar? Lana steht auf Typen mit Lederjacken und Motorrädern. Das hast du mir selbst erzählt." "Und so hat sie ihn kennen gelernt", erklärte Faith. "Lanas derzeitiger Lover ist ein Software-Genie. ‚The Shark' hat ihn in dem Prozess gegen dieses riesige Software-Unternehmen verteidigt." „’The Shark'? Der Hai?" "Sein richtiger Name ist Sam Sharkey. Aber alle nennen ihn Shark'. "Aha. Hat er den Prozess gewonnen?" "Natürlich", sagte Faith. "Und während die drei auf das Urteil warteten, haben sie sich über dies und das unterhalten, und Shark hat gesagt, dass er das Image ‚heiratsfähiger Junggeselle' leid sei, weil er nicht zu heiraten beabsichtigt. Jedenfalls nicht, ehe er nicht Sozius in seiner Anwaltsfirma sei. Und ...“ „... und Lana meinte, dass die Schwester ihrer Freundin Faith das gleiche Problem hätte", schaltete Charity sich ein, "und dass Hope in New York lebt." "Sam Sharkey lebt nämlich auch in New York", meinte Faith. Hope verdrehte die Augen. Ihre eigenen Schwestern gingen mit ihr bei Anwälten hausieren, die lederbekleidete Typen vertraten, die des SoftwarePlagiats beschuldigt wurden. Die Idee mit der Katze erschien ihr von Minute zu Minute besser. "Ich finde es wirklich lieb von euch, dass ihr euch solche Mühe um mich macht. Aber einen Mann zum Ausgehen brauche ich wirklich nicht, um aus diesem kleinen Tief herauszukommen." Ihr Blick wanderte zum Bildschirm
ihres Computers. Sie platzierte schnell eine schwarze Sieben auf die rote Acht und lächelte, als unter der Sieben das Karo-Ass zum Vorschein kam. Eine interessante Konstellation. Das Ass würde sie nachher wegnehmen. Es war nach neun, außer ihr war kein Mensch mehr in der Firma. Selbst ihr heimlicher Rivale, den sie insgeheim Sankt Paulus nannte, war zu seiner reizenden Frau und zu seinen Kindern heimgekehrt. Sie hatte keinen Grund, nicht nach Hause zu gehen, und dennoch saß sie hier und spielte Patience. "Wie gesagt, ich werde mir eine Katze anschaffen. Außerdem habe ich vor, die Wohnung etwas gemütlicher zu machen. Sheila will mir diese Innenarchitektin vorbeischicken, von der alle Welt schwärmt. Sie heißt Yu Wing." "Du willst dir eine Innenarchitektin nehmen, die Sheila empfohlen hat?" quiekte Charity. Seit ihrer frühen Kindheit verwaist, standen Hope und ihre Schwestern sich sehr nahe. Selbst jetzt, da Tausende von Meilen sie trennten, kamen sie so oft wie möglich zusammen, tauschten sich aus, erzählten sich von ihren Freunden. Manchmal war das gut und manchmal nicht. "Warum denn nicht?" verteidigte sich Hope. "Yu Wing arbeitet nach der FengShui-Lehre. Sheila schwört, dass sie ...“ "Sheila ist gaga", erklärte Faith. "Und Lana nicht?" "Ich fand Lana merklich gereift, als ich sie das letzte Mal getroffen habe", erwiderte Charity. "Die Liebe hat sie verändert", sagte Faith. Sie war immer eine Träumerin gewesen. Sie war jetzt dreißig, und Hope hoffte, dass sie endlich einen Mann fand, der mit beiden Beinen fest auf der Erde stand. "So wie sie viele Menschen verändert", bekräftigte Charity. Die Jüngste von ihnen und die Familienschönheit besaß ein Gehirn wie ein Computer-Chip. Charity war sechsundzwanzig und hatte bis jetzt noch keinen Mann gefunden, der im Stande war, zu erkennen, dass sie mehr zu bieten hatten als ein hübsches Gesicht. "Nur weil die Liebe manche Menschen glücklich macht, bedeutet das noch lange nicht, dass ich ..." "Wer hat etwas von Liebe gesagt?" fragte Charity. "Wir reden nur von einem Arrangement." "Um durch die Weihnachtszeit zu kommen", ergänzte Faith. "Wir wissen, wie sehr du es hasst, allein auf all diese Partys gehen. Und laut Lana hasst Shark es auch." "Ihr könntet zum gegenseitigen Schutz zusammen ausgehen", fügte Charity hinzu. „Falls du ihn magst, natürlich", sagte Faith. "Wenn es nur um eine Zweckgemeinschaft geht, spielt es doch keine Rolle, ob ich ihn mag, oder?" warf Hope unklugerweise ein. "Du willst dich also mit ihm treffen?"
Hope stöhnte innerlich. Ein winziges Fünkchen Interesse von ihr, und Faith setzte gleich nach. "Ihm gefällt die Idee", bemerkte Charity. "Habt ihr's etwa schon eingefädelt?" Also das ging entschieden zu weit! "Natürlich nicht. Wir haben ihm nur deine Nummer gegeben." "Nummern", berichtigte Charity. "Deine Privatnummer, die vom Büro und die deines Handys." "Ihr habt ihm doch wohl nicht gesagt, ich sei interessiert?" Hope stand auf, griff nach ihrer Jacke und Tasche. "Na ja ... gewissermaßen", gestand Faith. "Ich werde euch beide aus meinem Testament streichen!" schrie Hope. "Du hast ein Testament gemacht?" hörte sie Faith rufen, bevor sie den Hörer aufknallte. Am nächsten Abend war Hope schon um sieben zu Hause. Der Mittwoch war der einzige Tag in der Woche, an dem sie im Büro früher Schluss machte. Denn sie widmete jeden Mittwoch und jeden Sonntag der Schönheitspflege, eine Routine, die sie strikt einhielt. Gepflegtheit gehörte für Hope zu dem Image, das sie zu verkörpern hatte - das Image der tüchtigen Karrierefrau. Sie hätte mühelos den Besuch der Innenarchitektin in ihren Mittwochabend einbauen können, aber Sheila hatte bereits für Donnerstag einen Termin mit Yu Wing abgemacht. Da Hope für gewöhnlich bis gegen acht arbeitete, hatte sie ihr Arbeitsprogramm umstellen müssen, was ein furchtbares Chaos auf ihrem Palm Pilot erzeugte. Sheilas Eigenmächtigkeit ärgerte sie maßlos. Na ja, morgen würde sie dann also die Frau sehen, auf die de Welt schwor ... Sie zog ihr dunkelblaues Kostüm und ihre dunkelblaue seidene Unterwäsche aus und schlüpfte in ihren flauschigen weißen Frotteemantel. Es war ein kuscheliges Gefühl, und genau so wünschte sie sich die Atmosphäre ihres Heims. In weißen Frotteehausschuhen schlurfte sie in die Küche, sondierte ihre Sammlung von Tiefkühlmahlzeiten, wählte Hähnchenfilet mit Nudeln und grünen Bohnen und schob den Alu-Behälter in die Mikrowelle. Am selben Abend widerfuhr Samuel Sharkey ein Wunder. Der Klient, mit dem er für einen Drink verabredet war, lag mit einer Grippe im Bett, und in Sams Terminkalender klaffte urplötzlich ein Loch. Er hatte eineinhalb Stunden bis zu dem Dinner mit einer Klienten-Gruppe - Zeit genug, um noch eine Kleinigkeit zu erledigen. Es war ein Vergnügen gewesen, Dan Murphy gegen das große SoftwareUnternehmen zu verteidigen, das behauptete, Dan hätte eines ihrer Programme gestohlen und auf den Markt gebracht. Und Dans Freundin, diese niedliche, lustige Schauspielerin, hatte ihm auch gefallen. Sie hatte ihm freimütig erzählt, wie glücklich Dan und sie miteinander seien, und irgendwie brachte ihn das dazu, zu erwähnen, dass sein eigenes Liebesleben ein Vakuum war. Worauf Dan
die witzige Bemerkung machte, dass der Hai einen anderen Hai brauche, um durch die Gewässer zu schwimmen. Als sie zwei Tage später zu dritt bei einem Dinner Dans Sieg feierten, gab Lana ihm ihre Karte, auf die mehrere Telefonnummern gekritzelt waren. Diese Frau, so schwor sie ihm, sei sein perfektes Pendant. Obwohl Sam dies keine Sekunde lang glaubte, konnte er sie zumindest auschecken. Sobald Hope ihr Fertigdinner verzehrt hatte, begann sie mit ihrem Verschönerungsprogramm. Gerade als sie die grüne Paste auf ihrem Gesicht aufgetragen hatte, die laut Etikett Wunder bewirkte, läutete das Telefon. "Hallo?" "Hope Sumner?" "Wer ist da bitte?" "Sam Sharkey. Lana West hat mir Ihre Nummer gegeben. Sie hat sie von Faith." "O ja", sagte Hope "Ich habe ganz unvorhergesehen eine Stunde frei und wollte fragen, ob ich vielleicht vorbeikommen könnte, um Sie kennen zu lernen. Ich weiß, es ist eine ziemlich verrückte Idee, aber ich habe Dan versprochen, Sie anzurufen." "Dan?" "Mein Klient, Dan Murphy. Das Software-Genie." "Oh. Ach so." Lanas neue Flamme. "Wissen Sie, ich finde diese Idee auch verrückt", erwiderte Hope. Sie hatte Schwierigkeiten, zu sprechen, da die Maske hart wurde. "Vielleicht könnten Sie diesem Wunderknaben sagen, dass wir miteinander gesprochen und uns dagegen entschieden haben." "Offen gestanden", entgegnete Sam, "ich hab über die Sache nachgedacht." "Ich auch. Aber heute Abend können wir uns nicht sehen. Ich trage eine Maske." Um ein Haar hätte er "hey, irre" geantwortet, aber dann wurde ihm klar, dass sie nicht von irgendeiner gruseligen Halloween-Maske redete, sondern von diesem Zeug, das die Frauen sich aufs Gesicht schmieren. "Machen Sie sich wegen Ihres Aussehens keine Gedanken." Es würde ihn wahnsinnig machen, wenn er die freie Stunde nicht sinnvoll nutzen könnte. "Sie hat mir gesagt, dass Sie präsentabel sind." "Meine Schwester hat mich als ‚präsentabel' beschrieben?" fragte Hope eisig. Sam verfluchte sich. Er war Anwalt. Er wusste doch, wie man seine Worte wählte. "Nein, ich habe nicht mit Ihrer Schwester gesprochen. Ich habe Dans Freundin gefragt." Er zog eine Grimasse, als er sich reden hörte. Komm schon, Hope, sag Ja. Wir vergeuden Zeit! dachte er. "Wir vergeuden Zeit", sagte Hope. Sam ließ sein nagelneues Handy fallen. Als er es von dem kalten Pflaster aufhob, hörte er Hopes "Hallo? Hallo?" "Entschuldigung", murmelte er.
"Ich sagte gerade, dass wir es ebenso gut gleich erledigen können - so oder so." "Ganz meine Meinung. Ich bin in …“ er blickte zu der Hausnummer über dem Eingang des großen modernen Apartmenthauses auf der Westside. „…in zwei Minuten da." Hope öffnete die Tür und lugte hinaus. Als Nächstes hätte sie am liebsten die Tür zugeknallt und sich dagegen gelehnt, bis ihre Knie zu zittern aufhörten. Sie war auf einen attraktiven Mann gefasst gewesen - gute Kleidung und Gepflegtheit waren in der Welt des Rechts genauso wichtig wie in anderen Branchen. Worauf sie nicht vorbereitet war, waren ein Meter fünfundachtzig geballte Männlichkeit in einem schwarzen Mantel. Breite Schultern, lange Beine, dichtes, dunkles, kurzes Haar und jene wundervolle Bräunung, die sie nie bekommen würde - selbst wenn sie die Gesundheit ihrer Haut ignorierte und einen Versuch auf der Sonnenbank wagte. Zwei blaue Augen musterten sie mit kaum verhüllter Neugier Verflixt, wenn bloß ihr Gesicht nicht grün wäre! Andererseits war sie froh, dass sie sich hinter der Maske verstecken konnte. Seine Maskulinität war einfach überwältigend. Natürlich würde sie keinen Deal mit ihm abschließen. Ein Mann wie er könnte sie vom Eigentlichen ablenken. "Sam?" sagte sie betont munter. "Alias ‚The Shark'?" „Der bin ich." Mit dem festen Gefühl, dass sie das Falsche tat, bat sie ihn herein. „Entschuldigen Sie die Schlammpackung. Ich ...“ "Kein Problem", sagte Sam, während er aus seinem Mantel schlüpfte und einen dunklen Nadelstreifenanzug enthüllte. "Ich habe Schwestern. Ich hab sie oft genug mit grünen Gesichtern und Gurkenscheiben auf den Augen gesehen." Er lächelte. Sein Lächeln ähnelte nicht im Mindesten dem berechnenden Grinsen eines Haifischs. Es war wann und fesselnd und sandte machtvolle Vibrationen aus. Hopes Knie wurden wieder weich, aber sie wahrte ihre Haltung und nahm ihm den Mantel ab. "Nehmen Sie bitte Platz. Möchten Sie ein Glas Wein? Ich kann leider nicht mittrinken, wegen der Ma... " "Nein, danke. Ich muss noch..." "... arbeiten", sagten sie gemeinsam, und Hope konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn auch anzulächeln. Das unangenehme Zerren an ihrer Gesichtshaut ernüchterte sie augenblicklich. Es vertrieb aber nicht ihre plötzliche Erkenntnis, dass sie unter ihrem Bademantel nackt war. "Ja, die Arbeit, die ist unser Problem." Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. "Jedenfalls finden meine Schwestern das." "Sie mögen Ihre Arbeit?" Sam blickte sich im Zimmer um. "Herrlicher Blick", murmelte er und bewegte auf einen ihrer massigen Velourssessel zu. Dann schien er dies Ziel aufzugeben, nahm ihr taubengraues Sofa ins Visier und ließ sich schließlich darauf nieder, wobei er vorsichtig den messerscharfen Ecken ihres Couchtisches auswich, einer kühlen Konstruktion aus Marmor und dickem Glas.
"Ich liebe sie", sagte Hope und bemerkte, dass er auf dem teuren italienischen Designerstück nicht behaglicher wirkte, als sie sich dort fühlte. Dabei hatte sie einen hohen Aufpreis bezahlt, um die Polster mit Daunen füllen zu lassen. Wie sollte man es noch behaglicher machen? Sie würde diese Feng-Shui-Expertin fragen, was das Problem sein könnte. Zum ersten Mal dachte sie, dass sie wirklich eine Innenarchitektin brauchte. Und wenn sie nicht aufpasste, würde sie als Nächstes denken, dass sie einen Mann brauchte ... Sie setzte sich in den Sessel, der im rechten Winkel zu Sam Sharkey stand. So würde sie einen Blick auf sein Profil haben, auf seine aristokratische Nase und auf seine dichten, langen Wimpern. "Ich weiß nicht einmal, ob ich meine Arbeit liebe", erwiderte er. "ich habe keine Zeit, um darüber nachzudenken. Alles, was ich weiß, ist, dass ich in meinem Beruf Erfolg haben will.“ "So geht es mir auch", sagte Hope. "Erzählen Sie mir von Ihrem Job", sagte er und richtete die ganze Kraft seines fesselnden dunkelblauen Blicks auf sie. Die Wirkung war so gewaltig, dass Hope einen Moment lang Mühe hatte, sich an den Namen der Firma zu erinnern, für die sie arbeitete. "Ich bin bei Palmer. Im Marketing." "Palmer. Kommt mir bekannt vor. Eigentlich müsste ich wissen, was Palmer macht, aber..." Sie war gerade in eine Vision von Sam gedriftet, der ihren Bademantel auseinander schob, um über ihre Brüste zu streichen, als alles zurückkehrte - ihr Job, ihre wahre Liebe, das Objekt ihres tiefsten Begehrens. "Rohre", sagte sie. Sam fand, sie sprach das Wort auf eine Art und Weise aus, wie andere Frauen "Rubine" oder "Rolls-Royce" gesagt hätten. Es fehlte nur, dass sie sich die Lippen leckte. "Rohre?" "Ja. Rohre. Aus Kupfer, Plastik, Eisen, Stahl. Das Leben fließt durch Rohre. Rohre halten die Welt zusammen, und Palmer-Rohre tun es am besten. " Die Frau war verblüffend. "Ist das von Ihnen? Dieser Slogan Rohre halten die Welt zusammen?" "Natürlich nicht. Er kommt von einer Werbeagentur." Hope machte eine Pause. "Die Agentur habe ich ausgesucht." Ihr erwartungsvoller Ausdruck erinnerte ihn plötzlich an die Söhne seiner ältesten Schwester, wenn sie für einen gelungenen Kopfsprung oder einen Wurf beim Baseball gelobt werden wollten. Und er tat sein Bestes, um bei jedem ihrer kleinen Siege ihr Selbstgefühl zu stärken. Seine Behauptung, er hätte seine Schwestern mit Gesichtsmasken und Gurkenscheiben auf den Augen erlebt, war eine Lüge gewesen. Er hatte sie mit Lockenwicklern gesehen, ohne Make-up und in den alten abgetragenen Hemden ihres Vaters. Seine Schwestern hatten weder die Zeit noch das Geld, um sich
wie diese gut verdienende Karrierefrau zu pflegen. Für sie bedeutete es schon einen großen Sieg, wenn sie ihre Kinder in ordentliche Klamotten stecken konnten. Und es war seine Aufgabe, das zu ändern - ihre Von-der-Hand-in-denMund-Existenzen zu verbessern und den Jungen eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Er riss sich von seinen Gedanken los und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Hope Sumner, die noch immer auf seine Antwort zu warten schien. "Es ist ein zündender Slogan." "Danke. Und Sie? Ich meine Ihre Arbeit. Ich weiß, Sie sind Anwalt, aber ..." "Ich bin bei Brinkley Meyers beschäftigt." "Brinkley Meyers? Ihre Kanzlei vertritt Palmer in dem Magnolia Heights-Fall." Sam schnippte mit den Fingern. "Deshalb kam der Name mir bekannt vor." "Haben Sie mit dem Fall zu tun?" "Dazu wird es hoffentlich nicht kommen. Ich bin für Prozesse zuständig. Meine Abteilung wird erst dann tätig, wenn die Kontrahenten vor Gericht gehen." "Sie werden sich vorher einigen", erklärte sie zuversichtlich. "Also, Sie sagten, dass Sie Anwalt bei Brinkley Meyers sind ..." Sam spürte, das hieß so viel wie "kommen wir zur Sache". Er beugte sich nah zu ihrem grünen Gesicht, um sicherzugehen, dass sie den Ernst seiner Lage verstand. "Ich bin in der Kanzlei angestellt. Und Single. Und entschlossen, in der Firma Sozius zu werden. Möglichst bald." Ihre Augen - sehr hübsche grüne Augen, wie er feststellte - musterten ihn eindringlich. "Ein Mann wie ich ist auf jeder Party die begehrte Beute", fuhr er fort. "Man wird eingeladen, weil die Gastgeber eine Tochter, eine Freundin oder irgendeine Verwandte haben, die sie unter die Haube bringen möchten. Und man kann die Einladung nicht ausschlagen, weil man es sich nicht mit Leuten verderben will, die einem die Zukunft vermasseln könnten." "Wie gut ich das kenne", seufzte Hope und neigte ihr grünes Gesicht. Ihre dichten dunklen Wimpern streiften die krustige Maske. "Sie haben eben gewissermaßen mein eigenes gesellschaftliches Leben beschrieben. Ich bin entschlossen, stellvertretende Leiterin der Marketingabteilung zu werden, wenn August Everley im Januar in den Ruhestand geht. Das bedeutet, dass alles, was ich tue, einen direkten Einfluss auf meine Zukunft hat." Sam schwieg, suhlte sich einen Moment lang in Selbstmitleid und spürte, dass Hope zusammen mit ihm litt. "Wenn man kein Interesse zeigt, macht sie das wütend", fuhr er fort, "und wenn man Interesse zeigt und dann nichts folgen lässt, macht sie das noch wütender." "Genau." Hope wischte einen grünen Krümel von ihrer Nase. "Man kann den Leuten einfach nicht verständlich machen, dass man noch nicht bereit ist, eine feste Bindung einzugehen. Aber sie würden uns in Ruhe lassen ... wenn wir beide auf solchen Partys als Paar auftreten." Hope nickte. "Ich begleite Sie auf Ihre Partys und Sie begleiten mich auf meine."
"Richtig. Es wäre so etwas wie ein geschäftliches Arrangement." "Ja." Plötzlich blitzten ihre grünen Augen. "Aber lassen Sie uns eines klarstellen. Falls wir tatsächlich zusammen losziehen, kommen Sie ja nicht auf die Idee, mich als die kleine dekorative Ranke an Ihrem Arm zu betrachten." Er merkte, wie seine Mundwinkel zuckten, und presste die Lippen aufeinander. "Dasselbe gilt für Sie." Wäre Sam nach seinem Gefühl gegangen, was er nicht tat, hätte er gedacht, dass Hope Sumner die passende Frau für ihn wäre. Sie hatte Mumm, und das gefiel ihm. Und ohne das grüne Gesicht würde sie attraktiv genug sein. Sie gehörte zu den Frauen, die wussten, wie man kleine Makel durch einen teuren Haarschnitt und ein geschicktes Makeup verbarg. Redegewandt war sie auch sie würde auf Phil, den Sozius in seiner Abteilung, und auf Angus McDougal, den Seniorchef der Sozietät, Eindruck machen. Und sie würde ihre Kinder - ein Mädchen, einen Jungen - mit Klugheit und Energie erziehen. Aber er stürmte viel zu weit voraus. Was er jetzt brauchte, war eine Alibifrau. An eine Ehefrau konnte er später denken, wenn er Sozius wäre und ein paar Jahre lang seine Prozente des Firmenprofits eingestrichen hätte. Heiraten und eine Familie gründen würde er erst, wenn er beruflich und finanziell abgesichert war. Die grünen Augen - wirklich spektakuläre grüne Augen - blickten ihn aus einem farblich passenden Gesicht an, und unter dem weißen Handtuch schien eine Menge braunes Haar versteckt zu sein. Braunes Haar, grüne Augen, damit konnte man nichts falsch machen. Sie war etwas größer als der Durchschnitt, vielleicht einsfünfundsiebzig, aber bei seiner Größe war das in Ordnung. Was sich unter dem weißen Bademantel verbarg, konnte er nicht sagen, außer dass der Gürtel eine schmale Taille andeutete und darüber und darunter viel versprechende Kurven. Ja, sie war geeignet als Vorzeigefrau. Sam wünschte, er könnte ihr das sagen und dann wieder gehen. Aber dummerweise musste er sie noch überzeugen, dass auch er geeignet war. Außerdem wollte er ihr noch eine Frage stellen. Sie blickte auf ihre Uhr, was er als gutes Zeichen deutete. "Gut, Sam, so weit wären wir uns also einig. Ich schlage vor, wir denken noch ein wenig über dies Arrangement nach, bevor wir uns wieder miteinander in Verbindung setzen." Da er die Musterung offenbar bestanden hatte, entspannte er sich, soweit er das in diesem Zimmer konnte. An dem Sofa lag es nicht, das Sofa war bequem. Die Wohnung war behaglich. Er verglich sie mit seiner eigenen spartanischen Behausung - sonderbar, dass er sich dort wohler fühlte. Sie würde sich dort ganz bestimmt nicht wohl fühlen, aber er würde sie sowieso nie mit zu sich nach Hause nehmen. Nicht einmal, wenn ... "Noch eines", sagte er. "Wie denken Sie über Sex?" Sie erstarrte. Das Wort hing in der Luft wie ein penetrantes Zimmerspray. Sam beobachtete gebannt, wie ein Riss sich in der grünen Maske bildete, der sich von Hopes Nasenrücken zu ihren Schläfen zog. Offenbar hatte sie versucht, die Augenbrauen hochzuziehen.
"Ich meine nicht jetzt", erklärte er, "oder demnächst. Erst wenn wir einander vertrauen. Sex ist eines der wichtigen Dinge, für die ich keine Zeit habe." Ihr starrer Blick begann ihn nervös zu machen. "Ich meine Zeit, um eine Beziehung zu entwickeln, bis zu dem Punkt, der..." Derart konfus wurde er nicht, wenn ein Richter ihn im Gerichtssaal eisig anstarrte. "Ich dachte, Sie hätten vielleicht dasselbe Problem, und wir könnten es in unser Arrangement einschlie... " Er brach ab. "Oder kann es sein, dass Sie..." „ ... dass ich keinen Sex mag?" Der Riss in der Maske vertiefte sich. "Und keinen Sex will? Irrtum, Sam. Ich bin eine vollkommen normale Frau. Aber Männer haben so eine Art, damit umzugehen ... Ich meine, ich weiß, dass sie ... Sicher, es ist nicht dasselbe wie bei ... Sorry. Ihre Frage kam etwas überraschend." "Setzen Sie es auf Ihre Liste der Punkte, über die Sie nachdenken wollen, bevor wir weiterreden." "Sagen wir, Anfang nächster Woche?" Als Sam kurz darauf in den Fahrstuhl stieg, sann er über Hopes letzte Frage nach. Ob er allergisch gegen Katzen sei, hatte sie sich erkundigt, während sie ihre Visitenkarten austauschten. Er war es nicht, aber er hätte gern gewusst, wieso ihr das so wichtig war. Sein Interesse erlosch, als er wenig später in der Bar des Restaurants, wo er mit seinen Klienten verabredet war, seinen Laptop einschaltete. Dies war das Einzige wobei er sich wirklich wohl fühlte: Arbeit.
2. KAPITEL "Mrs. Yu Wing ist hier", meldete der Portier durchs Telefon. „Schicken Sie sie hoch", sagte Hope und checkte nochmals ihre Wohnung. Durch die Panoramafenster des Wohn- und Schlafzimmers hatte sie einen herrlichen Blick auf den Central Park und die Wolkenkratzer der East Side. Die Möbel und die wenigen Dekorationsstücke stammten aus den exklusivsten Geschäften Manhattans. Sie fragte sich, was eine Innenarchitektin wohl zu ändern finden könnte, selbst eine so berühmte wie Yu Wing. Die Türglocke läutete, Hope ging öffnen - und holte erschrocken Luft. Die kleine dünne Frau, die im Korridor stand, hatte die voluminöseste Frisur, die Hope je gesehen hatte. Ihr Mantel schien aus den Haaren mehrerer afghanischer Hirtenhunde gemacht zu sein, und von ihrer Hand baumelte ein gewaltiger Stetson. Es war klar, warum sie ihren Hut in der Hand hielt. Sie hätte ihn niemals auf ihre platinblonde Mähne bekommen. Die eisblauen Augen, die Hope aus einem scharf geschnittenen und wettergegerbten Gesicht anblitzten, verrieten indessen eine wache Intelligenz.
Ein weißes Westernhemd, verblichene Jeans und hochhackige Stiefel vervollständigten das groteske Bild. Es musste eine Halluzination sein. "Mrs. Yu Wing?" fragte Hope zögernd. Sie ließ die Klinke nicht los, so dass sie die Tür jeden Moment zuschlagen konnte. Die Frau marschierte an ihr vorbei ins Wohnzimmer. "Eigentlich heiße ich Ewing, Darling", sagte sie mit schwerem Südstaaten-Akzent. "Wie diese verkorksten Typen aus der Fersehserie. Maybelle Ewing. Aber bei 'ner FengShui-Expertin erwarten die Leute 'ne Art asiatischen Namen." Hope klammerte sich an die einzigen Worte der Frau, die sie klar verstanden hatte. „Feng Shui?" fragte sie mit dünner Stimme. "Sie sind also wirklich die Innenarchitektin?" „Klar bin ich das. Ich bin Innenarchitektin und Feng-Shui-Beraterin. O, du liebe Güte!" schrie Maybelle plötzlich. Natürlich. Mrs. Ewing hatte den grandiosen Blick entdeckt - der Grund, weshalb die kleine Wohnung so sündhaft teuer war. Deshalb standen fast alle Sitzmöbel und auch das Bett so, dass man hinausblicken konnte. Im Grunde ist es egal, wie man eine Wohnung einrichtet, wenn man einen solchen Blick hat, dachte Hope. Sie zuckte zusammen, als sie plötzlich Maybelles Hand auf ihrer Stirn fühlte. „In so 'ner Wohnung können Sie krank werden", flüsterte Maybelle mit rauer Stimme. Sie runzelte die Stirn. "Aber fiebrig fühlen Sie sich nicht an. Haben Sie vielleicht psychische Probleme?" "Nein! Hören Sie, Mrs. Yu Wing …“ "Sagen Sie Maybelle zu mir." "Maybelle, ich möchte diese Wohnung nur etwas gemütlicher machen, das ist alles. Sie soll ein wenig bewohnter wirken." "Das wird sie, Schätzchen, wenn Sie anfangen, drin zu wohnen." Maybelles Stimme wurde weicher. "Ich wette, Sie hassen es, nach Hause zu kommen, stimmt's?" Hope starrte sie an. „Also, darüber machen Sie sich mal keine Gedanken mehr. Maybelle kriegt das schon hin." Wie wohl? fragte sich Hope. „Bevor wir irgendetwas vereinbaren, brauche ich natürlich einen Kostenvoranschlag von ihnen." "So weit sind wir noch nicht, Schätzchen. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich ein paar Fotos mache?" "Ich glaube, das ist nicht nötig", antwortete Hope. Der geschnitzte afrikanische Kopf auf dem Ständer in der Ecke hatte ein Monatsgehalt gekostet. Und die riesige Schale, ein erlesenes Stück Glasbläserkunst, war fast genauso teuer gewesen. Beides gute Investitionen, aber so, wie sie diese durchgeknallte Person einschätzte, hatte sie keine Ahnung vom Wert der Kunstwerke und würde wer weiß was damit anstellen. "Nehmen Sie doch bitte Platz, Maybelle." Höfliches Benehmen war eine gute Methode zur Bekämpfung aufsteigender Hysterie. "Möchten Sie etwas trinken?"
"Da sag ich nicht Nein. Ein Kaffee würde mir jetzt so richtig schmecken." "Koffeinfrei?" "Nicht, wenn Sie das echte Zeug dahaben.“ Hope ging in die Küche, um ein Kännchen hawaiianischen Kona aufzubrühen. Für den Fall, dass auch die Dämpfe einen wach hielten, achtete sie darauf, sie nicht einzuatmen. Als sie mit dem Gebräu für tödliche Schlaflosigkeit und einem Glas Mineralwasser ins Wohnzimmer zurückging, sah sie ihre Innenarchitektin im Kreis herumgehen. Sie folgte ihr. Irgendwie interessant, wie sie ein paar Mal das Zimmer umkreisten, bevor sie sich setzten. Sam Sharkey hatte das auch getan. Und die anderen Gäste, die sie hier gehabt hatte, hatten es ebenfalls getan. Als ob sie einen besonders bequemen Platz suchten, um den Blick zu genießen. Im Moment verspürte Hope das überraschende Bedürfnis, es Sam bequem zu machen. Aber nicht, damit er sich an der Aussicht erfreuen konnte. Ein seltsames Gefühl erwachte in ihr. Sie setzte sich in einen der grauen Velourssessel. "Wo genau haben Sie Ihre Ausbildung erhalten, Maybelle?" fragte sie in geschäftsmäßigern Ton. „In einem Fernkurs." Maybelle setzte ihre Tasse auf einen Beistelltisch. "Könnten Sie mal mit anfassen, Schätzchen?" Anscheinend hatte sie vor, den anderen Sessel quer durchs Zimmer zu schieben, der Tür zugewandt, mit der Rückseite zum Stadtpanorama. Hope schloss kurz die Augen, sprang dann auf und half Maybelle, um den Parkettboden zu schonen. Sich per Fernkurs zur Feng-Shui-Expertin zu machen ... Ihre Schwestern hatten Recht. Sheila war verrückt, und falls Hope sie je wieder sah, würde sie sie erwürgen. "Wie hat sich Ihr Interesse am Einrichten ergeben?" fragte sie. „Also, das war so", begann die Frau und ließ sich auf dem Sessel nieder. "Zuerst saß ich da unten auf der Familienranch von meinem Mann fest, nachdem ich ihn begraben hatte." "Ihr Mann ist tot? Das tut mir Leid." "Das muss es nicht, Schätzchen. Es war ein Kampf, bei dem nur einer siegen konnte - entweder mein Mann oder der Bulle. Und der Bulle hatte mehr Charakter als mein Mann." Maybelles Blick wurde nachdenklich. Hope schielte zu dem Telefon auf dem Tischchen neben ihr. Wie schnell könnte sie den Notruf wählen? Sie griff bereits nach dem Hörer, als das Telefon läutete, und nahm hastig ab. Vielleicht war es die Polizei, um sie zu warnen, dass eine entlaufene Geisteskranke bei ihr war. "Hallo?" „Hope? Hier Sam." "Sam?" Ein Anruf von Sam stand nicht auf dem Tagesplan. Außerdem hatte sie vorgehabt, ihn anzurufen, weil sie dann auf den Klang seiner Stimme vorbereitet gewesen wäre. Der plötzliche Hitzestrom in ihrem Innern irritierte sie. "Wir wollten nächste Woche telefonieren. Ich habe es in meinen Palm Pilot eingegeben und den Vermerk mit meinem Desktop-Kalender synchronisiert. Meine Innenarchitektin ist gerade bei mir, ich habe jetzt wirklich keine ..."
"Nur eine Minute. Es ist dringend." Er klang nicht gerade so, als würde er lebensgefährlich verletzt auf einer einsamen Straße liegen. Hope runzelte die Stirn. "Was ist dringend?" Sie hatte während ihrer Lunchpause - einen Joghurt und einen Apfel am Schreibtisch überlegt, ob sie Sex mit ihm haben sollte. Sozusagen als rein therapeutische Maßnahme, war aber noch nicht zu einem Entschluss gekommen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Maybelle den Kopf schüttelte. "Der Sozius in meiner Abteilung gibt morgen Abend ein Dinner", sprudelte Sam los. "Einer der geladenen Gäste ist letzte Nacht völlig unerwartet nach einem Herzinfarkt verstorben. Seine Frau ist natürlich nicht in Party-Stimmung, und nun stehen die Gastgeber vor dem Problem eines für sechzehn Personen geplanten Dinners - pro Gedeck zweihundertfünfzig Dollar." Er machte eine Pause. "Hören Sie mir zu?" Absolut. Der Catering-Service wird trotz allem für sechzehn kassieren, und Sie als Junior-Mitglied in der Kanzlei müssen die Lücke füllen." "Ich sehe, Sie kennen das System." „Nur zu gut“, sagte Hope und bemerkte, dass Maybelle nicht mehr in ihrem Sessel saß. Sie wanderte mit dem schnurlosen Telefon umher, bis sie die Frau in ihrem Schlafzimmer entdeckte, das sie uneingeladen inspizierte. "Werden Sie mir helfen?" "Wie? Ach so." Hope konzentrierte sich wieder auf Sam. "Ist diese Party wichtig für Sie?" "Sehr wichtig. Die Frau meines Bosses ist hinter mir her." "Sie meinen die Gastgeberin?" Hope folgte Maybelle, die inzwischen in der Küche war und die Wände abklopfte. Anscheinend suchte sie nach verborgenen Stahlträgem, die die Raumatmosphäre störten. „Bis jetzt hat sie mir ihr Interesse mit eindeutigen Blicken signalisiert. Oder sie streicht sich mit der Zunge über die Lippen. Stellen Sie sich vor, was passieren könnte, wenn ich mich mit ihr einlassen würde. Oder wenn ich ablehne." "Sie wären erledigt", sagte Hope. "So oder so." Maybelle warf ihr einen Blick zu, bevor sie mit einer Zange bewaffnet ins Badezimmer marschierte. "Also, werden Sie kommen und mein Bodyguard sein?" Hope hatte in ihren Fortbildungsseminaren unter anderem gelernt, dass man spontane Entscheidungen vermeiden sollte. Aber sie hatte diese verrückte Person im Haus, und wenn sie sie nicht sofort stoppte, würde sie die Wasserleitungen im Bad demontieren. "Hope?" "Okay, einverstanden. Nennen wir es eine Versuchsrunde." "Danke! Ich hole Sie morgen um fünf ab." "Um fünf?" Hope vergaß Maybelle. Nach fünf konnte sie am besten arbeiten. "Es ist eine lange Fahrt nach Connecticut. Und die Party startet um sieben. Ich darf mich nicht verspäten." Hope überlegte kurz. "Also gut. Holen Sie mich nach der Arbeit ab. Ich warte unten am Eingang." Hope drückte die Aus-Taste. Irgendwie war es erleichternd,
zu wissen, dass sie morgen spät nach Hause kommen würde. Was war bloß mit dieser Wohnung los? Und was sollte Maybelles fortwährendes Zungenschnalzen und Kopfschütteln? "Entschuldigen Sie die Unterbrechung", sagte sie, erleichtert, als Maybelle ihr folgte und sich wieder auf dem Sessel niederließ. "Also, wir waren bei dem Bullen stehen geblieben." Maybelle nahm den Faden mühelos wieder auf. "Wie gesagt, der Bulle hatte mehr Charakter als mein Hadley." Eine Sekunde Pause. "In dem Winter nach Hadleys Tod hab ich mich schrecklich gelangweilt mit niemandem zum Streiten und nur drei Fernsehkanäle. Aber dann hab ich eines Morgens diese Sendung über Quadrate und Winkel und Parallelogramme und all dies Zeug gesehen man nennt es Geometrie." Hopes Augen weiteten sich. "Es war einer dieser College-Kurse, die sie im Fernsehen bringen. Und dann, als sie Reklame für ihre Fernkurse gemacht haben, hab ich mir bei der University of Texas diesen Katalog bestellt. Erstaunlich, was man alles lernen kann, ohne die Ranch zu verletzen!" Hope nickte benommen. "Sie haben also einen Geometrie-Kurs gemacht." "Differenzialrechnung. Geometrie hatte ich schon ganz gut intus, und in dem Katalog stand, man sollte danach Differenzial- und Integralrechnung nehmen." „Aha. " "Dann ein Kurs in Literatur." "Zeitgenössische amerikanische Literatur?" „Mittelalter. Kennen Sie diese sexy Canterbury-Geschichten? O Boy, ich hab mir meinen Hadley für 'n langes Wochenende zurückgewünscht. Dann hab ich mir gesagt, dass meine Hände mehr Beschäftigung brauchten als mein Kopf. Weil ja die Männer die Arbeit draußen gemacht haben und ihre Frauen die Hausarbeit. Also hab ich einen Haarstyling-Kurs gemacht." „Im Fernstudium?" Hope schwirrte der Kopf. „Ja. Na ja, das war ziemlich öde, mit niemandem als den Schafen zum Üben. Aber mein Haar krieg ich wirklich gut hin. Hat mir so manchen Dollar gespart." "Das glaube ich", murmelte Hope. "Wie lange haben Sie denn für all diese Fernkurse gebraucht?" "Fast sechs Monate! Diese Kurse waren verflixt schwer." Maybelles Blick schoss über ihre Schulter. "Darling", sagte sie plötzlich, "haben Sie vielleicht einen Spiegel, den ich an der Wand da drüben aufhängen könnte?" „Einen Spiegel? Nein, die Spiegel sind alle fest angebracht." "Macht nichts. Ich bring morgen einen mit." Maybelle holte kurz Luft. "Als Nächstes hab ich mich im Töpfern versucht. Hab wie verrückt produziert, bis die Frauen sich beklagt haben, dass sie all das Zeug abstauben müssten. Dann Landschaftsgestaltung, aber da unten in West-Texas hab ich nicht viel mehr als Kakteen zum Wachsen gekriegt. Diese Wohnung könnte übrigens ein bisschen Grünzeug gebrauchen."
Hope fragte sich, ob Maybelle sie zu hypnotisieren versuchte. Dies war die ungeheuerlichste, verrückteste - nein, die interessanteste Unterhaltung, die sie je gehabt hatte. Und sie brauchte nicht einmal ein Wort zu sagen, sie brauchte nur Maybelles aufreizender Stimme zu lauschen und konnte zugleich an Sam Sharkey denken. Morgen würde sie mit Sam ausgehen. Na ja, nicht wirklich mit ihm ausgehen, sondern ihn nur begleiten, ihn vor der Frau seines Chefs beschützen. Trotzdem ... „Feng Shui", hörte sie Maybelle sagen und schaltete um. „Und ich dachte: Was zum Teufel ist das? Und wissen Sie, was ich herausgefunden habe?" Die Frage war rein rhetorisch, denn Maybelle plapperte ohne Pause weiter. "Hätte ich all dies Zeug vorher gewusst, wären Hadley und ich besser miteinander klargekommen." "Wie?" Es war keine Frage, sondern nur ein höflicher Einschub. Wie konnte jemand mit dieser überdrehten Nudel klarkommen? Vermutlich hatte der arme Hadley sich aus schierer Verzweiflung auf einen Kampf mit dem Bullen eingelassen. "Genau das werd ich Ihnen zeigen, Schätzchen." Maybelle fuhr vom Sessel hoch, hängte sich ihre braune Ledertasche, die Hope an einen Futtersack erinnerte, über die Schulter, und ließ den Stetson um ihren Zeigefinger kreisen. "Kann ich für ein, zwei Wochen in der Wohnung experimentieren?" Auf gar keinen Fall! Hope stand ebenfalls auf. "Zuerst einmal brauche ich wirklich einen..." „... Kostenvoranschlag." Maybelle seufzte. "Wenn ihr Yuppies bloß mal für eine Sekunde nicht ans Geld denken würdet!" Eilig trippelte sie zur Tür, gefolgt von Hope. "Und an Zeugnisse und Qualifikationen", fügte Hope energisch hinzu. "War der Fernkurs Ihre ganze Ausbildung?" Maybelle wirbelte herum. "Herrje, nein! Ich war zwei Jahre in China und Japan und hab alles gelernt, was sie mir beizubringen hatten. Dann bin ich nach New York hoch und hab an der Parsons School für Design mein Diplom gemacht." "Okay, hier ist der Wohnungsschlüssel." Die Stimme, die die Worte murmelte, kam Hope seltsam bekannt vor. Dann begriff sie, dass es ihre eigene Stimme war. Sie nahm sich vor, am nächsten Morgen als Erstes die Hausratversicherung anzurufen, den aktuellen Wert der afrikanischen Schnitzerei und der Glasschale bestimmen zu lassen, um dann die Versicherungssumme entsprechend zu erhöhen. Und wenn dieser ganze Spuk vorbei war, würde sie eine seriöse Inneneinrichtungsfirma beauftragen, den von Maybelle angerichteten Schaden zu reparieren. Sheila würde sie nie wieder sehen. Und morgen würde sie mit Sam Sharkey ausgehen. Bei dem Gedanken schoss ein Hitzestrom durch das Zentrum ihres Körpers.
Sam hatte das Bild einer braunhaarigen Frau mit grünen Augen und einem farblich passenden Gesicht im Kopf, als er aus der gemieteten Limousine stieg und die aus dem Bürogebäude strömenden Menschen musterte. Er entdeckte niemanden, der seinem Bild ähnelte. Eine Frau in der Menge winkte und kam eilig auf die Limousine zu. Sie lächelte. "Bin ich zu spät?" Er erkannte sie an ihrer Stimme. "Pünktlich auf die Minute, Hope." Er hoffte, dass sie seine Verblüffung nicht bemerkte. Erstens war ihr Gesicht nicht grün. Natürlich hatte er das nicht wirklich erwartet. Aber auf alles andere war er nicht gefasst gewesen - auf cremige Haut und volle, glänzende Lippen zum Beispiel, oder auf die noch dichteren, noch dunkleren Wimpern, die ihre grünen Augen umrahmten. Und ihr Haar ... Wieso hatte er gedacht, es sei braun? Es war bei seinem Antrittsbesuch wohl nass gewesen. Ihr Haar hatte die Farbe von Kupferrohren. Vielleicht hafte sie es gefärbt, damit es zu den Produkten passte, die sie verkaufte. Unter einem weichen Cape trug sie einen Smoking wie er - jedenfalls dachte Sam das zuerst. Doch das Einzige, was sich glich, waren die Satinrevers. Ihr "Smoking" war kürzer als seiner, und darunter trug sie ein tief ausgeschnittenes Top aus schwarzer Spitze. Außerdem betonte ihr Jackett die beachtlichen Rundungen ihrer Brüste und ihre schmale Taille in einer Art und Weise, dass er fast den eigentlichen Grund ihres Treffens vergaß. Der Chauffeur hielt ihnen die Wagentür auf. Sam rutschte als Erster auf die Rückbank und half Hope, ihr Cape abzustreifen - Kaschmir, vermutete er - und schon bald präsentierte sie ihm ein Paar langer Beine in schwarzen Seidenstrümpfen. Tief in ihm regte sich etwas, das er eigentlich noch vier oder fünf Jahre lang unter dem Deckel halten wollte - bis er die Füße auf festem Boden hätte. Das Nächste, was Hope ihm präsentierte, war ein Laptop. "Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus", sagte sie, während sie den Computer vorsichtig auf ihre hübschen Knie stellte. "Ich war gerade bei einer wichtigen Sache, als ich merkte, dass es Zeit war, die Jacketts zu wechseln." Sam räusperte sich. "Nur zu. Ich habe mir auch Arbeit mitgenommen", sagte er und betrachtete ihr Profil. Dann wanderte sein Blick zu dem großen Smaragdohrring, der an einem niedlichen Ohrläppchen steckte. Ihre schlanken Hände mit den langen, pfirsichfarben lackierten Fingernägeln, die auf der Tastatur klapperten, waren ebenfalls ein hübscher Anblick. Nach seinem Aktenkoffer greifend, fragte Sam sich, ob dies eine geniale oder eine wirklich schlechte Idee gewesen war. Hope hielt ihren Laptop fest, als sie in dem chaotischen Feierabendverkehr abrupt hielten. Der Chauffeur fuhr langsam wieder an, und sie tippte weiter. Im Wagen herrschte absolute Stille - abgesehen von ihrem Tastengeklapper und wenn Sam in der Akte blättere, die er studierte. Hope wusste, dass es eine Prozessakte war, weil sie viel zu oft in seine Richtung geblickt hatte. Er sah umwerfend aus. Schwarzer Smoking, blendend
weißes Hemd mit Onyx-Manschettenknöpfen, schwarzes Haar, dichte lange Wimpern ... sie hätte gern selbst einen Ordner gehabt, um sich Luft zuzufächeln. Ihren Laptop hatte sie nur deshalb sofort angestellt, um ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes als auf Sam zu fixieren. Aber sie bekam nicht viel getan. Sie konzentrierte sich nämlich vor allem darauf, mit den Fingerkuppen zu tippen statt mit den Nägeln. Farbloser Lack wäre entschieden vernünftiger gewesen, und für gewöhnlich benutzte sie ihn. Aber an diesem Abend hatte sie besonders hübsch aussehen wollen. Natürlich nur, um der Frau von Sams Chefs den richtigen Eindruck zu vermitteln. "Sagen Sie, Sam, wie soll ich mich Ihrer Meinung nach heute Abend verhalten?" Er räusperte sich. "Wie eine Freundin, schätze ich." Sie hatte schon seit ihrem letzten Jahr auf dem College keinen Freund mehr gehabt. Wirklich kläglich. "Ich soll Sie anlächeln und ..." "Wir sollten zärtliche Worte benutzen", meinte Sam. "Wie zum Beispiel Sam, Darling, würdest du mir eines von diesen köstlichen Kaviarhäppchen bringen? Etwas in der Art." "Ich kann also etwas in der Art in meine eigenen Worte kleiden?" "Was immer Ihnen ein gutes Gefühl gibt." Ein gutes Gefühl? Sie fühlte sich jetzt schon befangen und hatte mit der Schauspielerei noch nicht einmal angefangen. "Ich finde, wir sollten nicht so tun, als wären wir schon lange zusammen", sagte sie, um sich wieder in den Griff zu bekommen. "Ich erscheine zum ersten Mal mit Ihnen zusammen, und diese Leute kennen Sie. Hätten Sie tatsächlich schon seit längerem eine Freundin, dann hätten Sie sie bestimmt schon einmal erwähnt." "Sie haben Recht. Wie wär's, wenn wir ‚Liebe auf den ersten Blick' spielen?" "Ich weiß nicht recht ... Wie wär's mit ‚viertes oder fünftes Date, und wir fühlen uns immer mehr zueinander hingezogen'." Sam nickte. "Das ist es. Wir mimen die übertrieben umeinander Besorgten. ‚Ist dir kalt? Ich hol dir dein Cape. Ist dir heiß? Lass uns auf den Balkon gehen. Bist du durstig? Ich bring dir was zu trinken'." „Sehr gut", sagte Hope. "Und dann tauschen wir diese beglückten Blicke, wenn wir etwas Neues aneinander entdecken. Wie zum Beispiel: ,Du segelst? Liebe Güte, ich segle für mein Leben gern'." "Das wäre Ihr Part", stellte Sam klar. „ ‚Liebe Güte' und ‚für mein Leben gern' - so spreche ich nicht." "Ich natürlich auch nicht. Wir dürfen nicht zu sehr übertreiben, sonst wirkt es gekünstelt. Übrigens - tun Sie irgendetwas, worüber ich Bescheid wissen sollte?" "Ich arbeite." „Ja, das weiß ich, aber gibt es nicht etwas …“ "Das ist alles. Sagen Sie einfach: ’Er arbeitet'. Dann weiß jeder, mit dem Sie reden, dass wir uns sehr gut kennen."
In seiner Stimme war ein bitterer Unterton, oder hatte sie es sich nur eingebildet? Wahrscheinlich, denn nun drehte er sich grinsend zu ihr. "Dann ist da das Ist- sie- nicht- hinreißend? - Gesicht. Bei mir würde das eine gefühlvolles Lächeln sein." Er demonstrierte es. "Wundervoll! Sie sehen wie ein liebeskranker Gänserich aus", zog Hope ihn auf. "Bei mir würde es die Nummer ‚geteilte Lippen, geweitete Augen' sein." Sie demonstrierte es. Wieder räusperte Sam sich, und sie hoffte, dass er keine Erkältung bekam. "Super! Ich glaube, wir haben's.“ "Ja, ich glaube auch." "Oh, mir fällt noch was ein. Wir sollten uns duzen." "Einverstanden." "Gut. Das wär's dann wohl." "Ich denke, ja." Hope wandte sich wieder ihrem Laptop zu und er seiner Akte. „Ich hab Lampenfieber", flüsterte Hope, als sie die prachtvolle Villa betraten. "Das musst du nicht", flüsterte Sam zurück. "Du wirst das ... Oh, guten Abend, Charlene." Er verbeugte sich leicht. "Phil, hallo. Dies ist Hope Sumner." Sie reichte den Gastgebern die Hand. "Es tut mir Leid, dass traurige Umstände uns hergebracht haben", sagte sie, "aber vielen Dank für Ihre freundliche Einladung. Sam hat mir viel von Ihnen erzählt." Sam blickte sie anerkennend an. Sie hatte genau die richtigen Worte gefunden. "Wir haben zu danken, dass Sie bei einer so kurzfristigen Benachrichtigung zugesagt haben", erwiderte Charlene. Ihre großen blauen Augen schossen Speere in Hopes Richtung ab, dann Amor-Pfeile zu Sam. Er tat so, als würde er es nicht bemerken, aber es war unmöglich, nicht zu bemerken, dass Charlenes Kleid tief dekolletiert war und sehr eng saß. Ihre Brüste waren ebenso perfekt mit ihren üppigen prallen Rundungen wie die Hüften und Schenkel mit ihrer Straffheit. Silikon oben und unten herum Fettabsaugung? Er würde Hope fragen, was sie meinte. "Bitte kommen Sie herein", säuselte Charlene. "Sie kennen ja fast alle, Sam." „Ja, ja", murmelte Phil, "trauriger Tag für uns alle, aber ich weiß, dass Thaddäus gewünscht hätte ... Harry!" rief er und streckte die Hand aus. "Gut, Sie zu sehen. Was macht das Golfspiel?" Sam fasste Hope am Ellenbogen und führte sie in den grandiosen Empfangsraum, einen marmorgefliesten Saal mit einer sieben Meter hohen Decke und riesigen Panorama-Fenstern. Cap Waldstrum kam ihnen entgegen, ein Kollege, der Sam möglicherweise die Teilhaberschaft streitig machen könnte. "Hallo, Cap", begrüßte Sam ihn. "Dies ist Hope Sumner." Er machte eine Pause. "Sie erinnern sich doch sicher an Hope."
"Nein", erwiderte Cap, "und ich schwöre Ihnen, ich würde mich erinnern." Sein Blick glitt von Hopes Gesicht zu ihrem Dekollete, was Sams Blick in dieselbe Richtung lenkte - zum Ansatz ihrer cremigen Brüste. Sam hätte Cap am liebsten einen Kinnhaken verpasst. Nicht nur wegen seines begehrlichen Blicks, sondern weil er offenbar zum Kreis der ursprünglich eingeladenen Gäste gehörte, während er selbst auf dieser Party nur als Lückenbüßer einsprang. Das bedeutete nichts Gutes. Sein Versuch, Cap in Bezug auf Hope zu bluffen, war anscheinend danebengegangen. Also musste er ihn etwas deutlicher warnen, Hope in Ruhe zu lassen. "Ich hol dir einen Drink, Darling", sagte er weich. "Ich hätte gern ein Glas Mineralwasser, Engel", antwortete sie und schenkte ihm das gefühlvolle Lächeln, das eigentlich er verwenden wollte. "Besser, ich lasse es langsam angehen", erklärte sie Cap, als Sam zur Bar ging. An der Bar herrschte Hochbetrieb, und als Sam endlich seine Drinks hatte und zu Hope zurückging, hörte er sie sagen- Rohre. Wir stellen Rohre her." "Doch wohl nicht Palmer", sagte Cap überrascht. "Welch ein Zufall! Unsere Firma..." "Sie weiß es", unterbrach Sam ihn. "Die Welt ist klein, wie?" "Kann man wohl sagen. Wie haben Sie beide sich kennen gelernt?" Caps Interesse nahm sichtlich zu. „Das war auch so ein Zufall", begann Hope. "Ich habe Sam ... durch gemeinsame Freunde kennen gelernt", beendete Sam den Satz und warf Hope eine Zweitauflage des liebevollen Lächelns zu. "Tja, es war nett, Ihre Bekanntschaft zu machen." Damit zog Cap ab. "Zwei hätten wir abgeschmettert", murmelte Hope, "wer kommt als Nächstes?" "Kein neuer Spieler", murmelte Sam. "Charlene rückt für eine zweite Runde an." "Sam", gurrte die Gastgeberin, "Sie sind heute Abend mein Tischherr. Ihre Freundin…" "Hope", präzisierte Sam. "Hope Sumner." "Miss Sumner wird Ihnen gegenüber zwischen Cap und Ed Benbow sitzen." "Dann ist es also Zeit, zu Tisch zu gehen?" fragte Sam hoffnungsvoll. Sie lächelte ihn schelmisch an. "Bald, Sie ungeduldiger Junge. Oh, Ed, da sind Sie ja. Kommen Sie, ich möchte Ihnen Ihre Tischdame vorstellen. Dies ist Miss... " "Sumner", sagte Sam. Ed begrüßte Hope. "Eine traurige Angelegenheit", bemerkte er mit wohl dosierter Betroffenheit. Hope wandte sich von Ed zu Sam. "Darling, ich habe ihn nie kennen gelernt, euren Kollegen …“ "Thaddäus." "Ein prächtiger Mann", tönte Ed. "Das Salz der Erde." Sam legte Hope den Arm um die Schulter und flüsterte ihr zu: "Das wir in die Wunden unserer Gegner gestreut haben."
Natürlich war es wichtig, dass sie sich wie ein Liebespaar gebärdeten. Aber als Hope sich an ihn schmiegte und er ihr Erschauern spürte, fragte er sich, ob es eine gute Idee gewesen war, den Arm um sie zu legen und ihr ins Ohr zu flüstern - ein sehr hübsches kleines Ohr. Denn ihr Erschauern hatte wieder das in ihm schlafende Monster geweckt, das den Namen Begierde trug. "Wie lange kennen Sie Sam schon?" fragte Ed sie. "Erst seit ein paar Wochen." Hope lächelte süß. "Aber lange genug, um zu wissen, dass er nichts anderes tut als arbeiten." "Ja, so ist er nun mal", stimmte Ed zu. Sam begann die Hand über Hopes Schulter zu bewegen - nur um ihre Reaktion zu testen -, als zu seinem Ärger an seinem anderen Arm gezupft wurde. "Sam, ich möchte Ihnen meine neuen Orchideen zeigen", gurrte Charlene. "Wir sollten Ed und..." "Hope", sagte er mit einem verzweifelten Blick in ihre Richtung, als er fortgezogen wurde. „... und Hope Gelegenheit geben, miteinander bekannt zu werden." "Ich würde schrecklich gern Ihre Orchideen sehen", erklärte Hope. "Sie auch, Ed? Interessieren Sie sich für Orchideen?" "Meine Frau ist ganz bestimmt interessiert. Tanya?" Eine eindrucksvolle Blondine, die Eds Tochter hätte sein können, kam von einer Gästegruppe zu ihnen herüber. "Was, Schatz? Hi", begrüßte sie Hope und streckte ihr die Hand hin. "Ich bin Tanya Benbow. Hey, Shark! Was gibt's?" "Wir wollen uns Charlenes Orchideen ansehen", sagte Ed, "das möchtest du dir doch bestimmt nicht entgehen lassen." Die fröhliche Gruppe setzte sich in Bewegung, angeführt von Charlene. Eben noch hatte sie in ihrem engen Seidenkleid verführerisch die Hüften gewiegt. Jetzt machte sie den Eindruck einer Frau auf einem Zwangsmarsch. Sam fing Hopes Blick auf und zwinkerte ihr zu.
3. KAPITEL In ihr Cape gehüllt, stand Hope vor dem Eingang ihres Apartmenthauses. "Es hat erstaunlich gut geklappt, nicht?" „Tu nicht so überrascht." Sam grinste in der Erinnerung. "Als Charlenes Zehen an meinem Bein hochkletterten und du sie mit dem Fuß attackiert hast - das war deine beste Aktion von allen." Es war ein ganzes Stück von meinem Platz weg. Ich glaube, ich habe Ed mit meinem Knie berührt und ihn etwas aus der Fassung gebracht, aber das war es wert."
„Und dieser Blick, den du Charlene zugeworfen hast! Die optische Entsprechung zu ‚Such dir ein anderes Bein zum Klettern, du Flittchen’!“ Hope erinnerte sich nur allzu gut an den Moment. An das aufregende Gefühl, als sie unter dem Tisch mit den Zehen Sams muskulöse Wade streichelte. "Ja, das war es wert", murmelte sie. "Aber sie zieht prächtige Orchideen, das muss man ihr lassen." Sein leises Lachen sandte ein Kribbeln über ihre Haut. „Also vielen Dank für einen wirklich interessanten Abend." Er nahm ihre Hand, hielt sie leicht. "Ich hoffe, wir werden noch mehr davon haben." Hope zögerte. "Lass uns eins nach dem anderen angehen, okay? Dieser Abend war erfolgreich. Jetzt probieren wir's in meinem Milieu." „Klar. Wann?" „Nächsten Donnerstag. Mein Boss und seine Frau geben ihre große Weihnachtsparty." "Wirst du eine Maske tragen?" Es zuckte um seine Mundwinkel. Wenn er bloß damit aufhören würde! Prompt spürte sie wieder dies entnervende Prickeln in ihrem Innern. "Wieso eine Maske? Halloween war im Okto... Ach so, das meinst du." Der Druck seiner Hand sandte eine Hitzewelle durch ihren Körper. "Nein", sagte sie abrupt. "Die Gesichtspackung ist mittwochs und sonntags dran." „Aber ... " „Fang nicht an, mit mir über meine Routine zu diskutieren." Irgendwie musste sie ihre Hand zurückbekommen, ohne eine Szene zu machen. Aber seine Hand fühlte sich so gut und so warm an. „Also dann gute Nacht, Sam. Wir sehen uns Donnerstag.“ Sie zog ihre Hand fort. "Ich hole dich hier ab." Sam zögerte. "Du hast das heute Abend toll gemacht. Ich frag mich, ob es so etwas wie ein Handbuch für Alibipartner gibt und ob du es studiert hast." Er musterte ihr Gesicht. "Nein, wahrscheinlich nicht. Du beherrschst das instinktiv." Winkend stieg er wieder in die Limousine. Bevor er hinter der getönten Scheibe verschwand, schenkte er ihr noch ein verführerisches Lächeln. Hope drehte sich zum Eingang. Ihre Schuhe brachten sie um. Komisch, solange Sam bei ihr war, hatte sie es nicht bemerkt. Sie humpelte auf ihren hohen Absätzen durch die Lobby zum Fahrstuhl. Es hatte Spaß gemacht, für einen Abend Sams Freundin zu spielen. Er war ein Prachtexemplar von einem Mann, mit Charme und Intelligenz und einem Ziel im Leben. Charlene war nicht die einzige Frau gewesen, die sie mit neidvollen Blicken gestreift hatte. Sie würde dem Arrangement zustimmen, vorausgesetzt, es gelang ihr, ihre Gefühle auszuschalten und ihre Reaktionen auf ihn mit der gebotenen Nüchternheit zu betrachten. Welche Frau würde nicht auf Sam reagieren? Er war ein sehr attraktiver Mann. Aber als er den Arm um sie gelegt und ihr ins Ohr geflüstert hatte ... Sogar jetzt noch fühlte sie das schmerzhafte Sehnen, das sich in ihrem Körper ausgebreitet
hatte. Es war so intensiv gewesen, dass sie sich verlangend an ihn schmiegte. In dem Moment war ihre Nüchternheit einer tiefen Beunruhigung gewichen besonders was das Thema Sex betraf. Sam hatte es nicht noch einmal angeschnitten. Vielleicht hatte er es aus seinem Kopf verbannt. Sie wünschte, ihr würde das auch gelingen. Sobald Hope. ihre Wohnungstür öffnete und das nächtliche Bild der New Yorker Skyline sie begrüßte, fiel ihre Nervosität von ihr ab und wich einem Gefühl von Ruhe und Gelassenheit. Sie machte nicht sofort das Licht an. Sie wollte die Stille des Moments genießen, sich Zeit geben, über den Abend nachzudenken. Wie immer warf sie ihren Aktenkoffer aufs Sofa, bückte sich dann, um die hochhackigen Pumps von ihren schmerzenden Füßen zu ziehen, und hörte das "Peng" eines auf einen Holzboden knallenden Fünftausend-Dollar-Laptops. Mit zitternden Fingern knipste Hope das Licht an ... und schrie. Ein Einbrecher war in ihrer Wohnung, ein ganz in Schwarz gekleideter Kerl! Einen Moment später ließ sie sich aufatmend gegen die Tür sinken. Was sie sah, war sie selbst, reflektiert in einem Spiegel, der neben dem Fenster hing und am Morgen noch nicht da gewesen war. Das Sofa hingegen war fort - nein, es stand nur an einem anderen Platz. Hope stöhnte. Sie hätte sich denken können, dass Maybelle umgehend zur Tat schreiten würde. Jedenfalls war der Computer vermutlich hin. Sie kickte ihre Schuhe von den Füßen, hob den Aktenkoffer auf, rannte damit zum Sofa und nahm das verletzte Team-Mitglied heraus. Sie setzte es auf den Couchtisch, schickte ein Stoßgebet gen Himmel und drückte die Einschalttaste. Der Computer gab all seine üblichen Piepser und Leuchtzeichen von sich. Ein Klick, und da war ihre Marketing-Präsentation, heil und unversehrt. Hope atmete tief durch und dankte ihrem Glücksstern, dass sie sich zum Kauf der Zweihundert-Dollar-Laptop-Tasche mit der stoßdämpfenden Innenpolsterung durchgerungen hatte. Erleichtert sackte Hope sich gegen die Sofalehne. Ungefähr zwei Minuten entspannte sie sich. Dann blickte sie sich im Zimmer um. Was sollte denn das? Das Sofa stand schräg und zeigte zum Korridor. Dumme Idee. Die Leute kamen wegen des Blicks in ihre Wohnung und nicht, um die Eingangstür zu bewundern. Die beiden Velourssessel flankierten das Sofa und zeigten ebenfalls zur Tür. Die zwei antiken Sessel hingegen, die der Händler "Fauteuils" genannt und als hervorragende Investition gepriesen hatte, mit dem Hinweis, dass sie eigentlich nicht zum Sitzen bestimmt waren, die standen zum Fenster hin. Toll, Maybelle, wirklich toll! In rebellischer Stimmung kämpfte Hope sich vom Sofa hoch, an dem sie förmlich zu kleben schien, durchquerte das Zimmer und setzte sich zuerst auf den einen, dann auf den anderen Fauteuil. Ja, von diesen Plätzen aus hatte man den Blick auf die City. Aber Hope sah auch sich selbst, denn beide Sessel zeigten zu zwei Spiegeln, die das riesige Panoramafenster flankierten. Die
Spiegel reflektierten nicht nur sie, sondern auch die Wohnungstür. Und die Küchentür. Und die Schlafzimmertür. Was sollte dieser Tür-Fetischismus? Kerzengerade saß sie da, weil sie dies für die einzige Weise hielt, auf einem Fauteuil zu sitzen. Dann aber merkte sie, wie sie sich entspannte und sich auf eine der holzgeschnitzten Armlehnen lehnte und den Kopf an das verblichene original Petit-Point-Polster legte. Ein Fauteuil war nicht zum Sitzen gedacht? Was hatte der Antiquitätenhändler gemeint? Genug hiervon. Sie war erschöpft. Sie brachte den Aktenkoffer und den Laptop in ihre Arbeitsecke einen kleinen, vom Wohnzimmer abgehenden Alkoven. An ihrem hochmodernen Anrufbeantworter blinkte das Knöpfchen. Hope drückte den Wiedergabeknopf. "Hey, Schätzchen. Hier Maybelle." Hope zog eine Grimasse und stellte die Lautstärke niedriger. "Ich hab heute einen guten Anfang gemacht", fuhr die schrille Stimme fort. "Bin leider nicht weitergekommen, weil ich zu zwei anderen Kunden musste. Was sagen Sie zu den Spiegeln? Hab sie in einem Laden der Heilsarmee gekriegt, Sie sind also bis jetzt bei fünfzig Dollar. Denken Sie nicht dran, wir regeln das später. Ruhen Sie sich erst mal aus, Schätzchen. Wenn ich mit den anderen Kunden fertig bin, nehme ich mir Ihr Schlafzimmer vor - Sie werden sehen, wie gut Sie bald schlafen können. Gute Nacht." Die Nachricht war laut Hopes nie lügendem Apparat um elf Uhr gekommen. Maybelle klang, als hätte sie eine ganze Kanne Espresso zu sich genommen. Hope ging ins Schlafzimmer, zog ihr Party-Kostüm aus und hängte es auf. Nach einer kurzen warmen Dusche zog sie ein weiches Flanellnachthemd an und putzte sich die Zähne. Sie schlug die Bettdecke zurück, hockte sich dann aufs Kopfende, den Blick zum Fenster gerichtet. Schon jetzt - es war noch nicht einmal Dezember - leuchtete das Empire State Building in rot-grünem Lichterschmuck. Im Begriff, sich hinzulegen, zögerte Hope. Es wäre herrlich, beim Aufwachen frisch gebrühten Kaffee zu haben. Sie brauchte nur kurz alles vorzubereiten und den Timer zu stellen. Ja, sie würde morgen früh auf dem Sofa sitzen und Kaffee trinken, während sie die Zeitung las. Mit dem Blick zur Wohnungstür ... Auf dem Weg zur Küche probierte sie es aus. Sonderbar. Auf dem Rückweg zum Schlafzimmer blieb sie zögernd beim Sofa stehen und schüttelte die Daunenkissen auf. Vielleicht sollte sie einen Moment hier sitzen und in den Zeitschriften blättern, die heute gekommen waren. Vielleicht würde das ihre Überdrehtheit lindern und sie in Schlafstimmung bringen. Die weiche Mohairdecke über den Füßen und unter dem Kopf ein richtiges Kissen aus dem Bett, ja, das wäre nett ... Es schien nicht mehr als eine Sekunde vergangen zu sein, als sie aufwachte und den Duft von frisch gebrühtem Kaffee wahrnahm. Ihr Körper summte von
schläfriger Wärme und etwas anderem. Ihr wurde bewusst, dass sie von Sam geträumt hatte. Am Montag erledigte Hope in wenigen Stunden so viel Arbeit, dass sie sich um zwei eine Teepause in der Cafeteria gönnte. Mit frischem Elan ging sie in ihr Büro zurück und setzte sich wieder an ihren Laptop. Sie tippte einen Absatz, wollte etwas einfügen, und plötzlich verweigerte ihr Computer den Dienst. Sie klickte eifrig und schob die Maus hin und her, aber nichts tat sich, außer dass das Gerät hektisch piepte. Und dann sagte er gar nichts mehr, und der Bildschirm wurde schwarz. Sie fügte sich ins Unvermeidliche und griff zum Telefonhörer. „Technischer Dienst." "Ich möchte einen Todesfall melden", sagte Hope betont munter. „Tisch-PC oder Laptop?" "l.aptop." "Bringen Sie ihn runter." "Das kann ich nicht. Ich brauche ihn! Ohne meinen Laptop bin ich aufgeschmissen." "Dann hätten Sie nicht darauf rumhämmern dürfen." Seufzer. "Bringen Sie ihn uns. Wir speichern Ihre Dateien auf eine Diskette und geben Ihnen ein Ersatzgerät." "Sollen Sie nicht eigentlich mit Ihrem Werkzeug im Haus herumwandern und..." "Wie schnell brauchen Sie das Ding?" "Sofort!" "Dann kommen Sie besser runter." Sie hätte ein solches Benehmen bei niemand anderem in der Firma toleriert. Aber der technische Dienst - eine unregierbare Sammlung grünhaariger, lotterig gekleideter Typen, von denen einige noch nie etwas von Deodorants gehört hatten - war eine Klasse für sich. Diese Jungs waren Genies. Alle in der Firma hingen total von ihnen ab und behandelten sie wie rebellische Haustiere, die man trotz völliger Unerziehbarkeit nie weggeben würde. Hope seufzte und machte sich auf den Weg. "Dies ist das Ersatzgerät?" Ungläubig starrte Hope auf den ramponierten Kasten, den Slidell Hchiridski ihr gerade über den Tresen zugeschoben hatte. Die Tasche, die er daneben legte, sah aus, als hätte eine haarende Katze sich darauf gewälzt. "Ja", sagte Slidell. "Funktioniert prima. Laptop-Quäler können nicht wählerisch sein. Ihr Gerät sieht aus, als hätten Sie es an die Wand geworfen." Er warf ihr einen anklagenden Blick zu. "Es war ein tragischer Unfall, der auf Grund unvorhersehbarer Umstände ... " Ach, sei still! sagte sie sich. Dies war nicht die himmlische Pforte, und Slidell war nicht Petrus. Er hatte sein Haar zu lila Dornen gegelt. Den Platz am Bedienungstresen hatte die Personalabteilung ihm wegen seiner
"kommunikativen Fähigkeiten" zugewiesen. Hope erschauerte bei der Vorstellung, was hinter der Tür lauerte, in der Computer-Werkstatt, wo die eigentliche Arbeit getan wurde. "Dieser ist doppelt so schwer wie meiner", protestierte sie. "Er ist mindestens eine Generation älter." "Mr. Quayle hat nicht gemeckert, als er ihn benutzt hat." "Mr. Quayle hat mit diesem Gerät gearbeitet?" "Ja. Bis er seinen neuen hatte." "Und das Monstrum war in dieser Tasche?" "Nein. Die Tasche war von der Katze besetzt Sie hat da drin ihre Jungen gekriegt." Hope blickte um Slidell herum zur Tür. "Sie haben da hinten eine Katze?" "Wollen Sie's an die große Glocke hängen?" "Nein. Ich möchte mir nur die Katze ansehen." Sie machte eine Pause. "Ich bin nämlich am Überlegen, ob ich mir eine anschaffe. Wenn Ihre Junge hat..." "Die Kleinen sollen ein gutes Zuhause kriegen." Slidell steckte eine Diskette in eine Hülle und schob sie Hope hin. "Leuten, die Computer schlecht behandeln, kann man keine Katze anvertrauen." Ziemlich kleinlaut ging Hope zu ihrem Büro zurück, wo sie die niedere Aufgabe verrichtete, Dateien von einer Diskette auf eine Computer-Festplatte zu laden. Die Worte ihres Lieblingsprofessors in Betriebswirtschaft kamen zu ihr zurück. "Betrachten Sie jede Herausforderung als Chance." Professor Kaveshs Rat hatte ihr bei Schwierigkeiten schon so manches Mal geholfen und sie zu ihrer derzeitigen Position in der Firma gebracht. Statt also wegen ihres kaputten Computers zu grollen, würde sie die Gelegenheit nutzen, sich ihre alten Dateien anzusehen und diejenigen zu löschen, die nur unnötig Platz verbrauchten. Die Datei mit dem Titel "Magnolia Heights" fiel ihr sofort ins Auge, und sie öffnete sie als Erstes. Das Dokument, das sie nun vor sich hatte, war ihre Präsentation für die Stadt New York - und Palmers Angebot für die Rohrleitungen. „Magnolia Heights" war ein von der Stadt finanzierter Neubaukomplex für Leute mit mittlerem Einkommen im Stadtteil Bronx. Die Geschäftsleitung von Palmer hatte die Situation gründlich studiert und beschlossen, ein extrem günstiges Angebot mit geringer Gewinnspanne zu machen, um den Zuschlag zu erhalten. Der Auftrag wurde als Werbung für die Firma betrachtet, und man hoffte, die knappe Kalkulation durch spätere Profite auszugleichen. Hope war stolz auf ihren Beitrag zu dem erfolgreichen Angebot. Die Kunststoffrohre waren erste Qualität, praktisch unverwüstlich. WarenKontrollnummer 12867. Ein Palmer'sches Spezialprodukt, das in jahrelanger Forschungsarbeit entwickelt worden war. Magnolia Heights hätte installationsmäßig für Jahrzehnte problemlos sein müssen. Hope sank in ihrem Bürostuhl zusammen. Von wegen problemlos! Das
Installationssystem in Magnolia Heights hatte von Anfang an nichts als Probleme gemacht. Das nächste Dokument behandelte den juristischen Teil. Es war eine Zusammenfassung des Rechtsstreits, in dem Sams Anwaltsfirma Palmer vertrat. Die Bewohner von Magnolia Heights hatten eine Protestgemeinschaft gegen die Stadt New York organisiert, die ihrerseits das Bauunternehmen verklagte, das die Häuser gebaut hatte. Das Bauunternehmen wiederum beschuldigte die Installationsfirma, die keine Zeit verlor, den Rohrhersteller Palmer zu verklagen. Ein Chaos von Wagen und Gegenklagen, in das vier Anwaltsfirmen eingeschaltet waren und es um mehrere Millionen Dollar ging. Hope seufzte. Ihr taten die Leute Leid, die mit hohen Erwartungen in ihre neuen Wohnungen gezogen waren und sich nun betrogen fühlten. Sie fragte sich, ob sie irgendetwas hätte anders machen können, aber was? Nummer 12867 war unzerstörbar. Was immer schief gegangen war, an den Rohren konnte es nicht liegen. Überraschenderweise klingelte der Computer, das Signal für eine eingegangene E-Mail. Slidell hatte sie also tatsächlich mit der Außenwelt vernetzt. Hopes Augen weiteten sich, als sie las: Erwarte Sie um sechs. Gewohnter Ort. Großes Problem. Die Nachricht war an Benton adressiert und kam von CWal Brinkley. com. Konnte CWal Cap Waldstrum sein? Hope warf verstohlene Blicke nach links und rechts, bevor sie die Nachricht löschte. Benton sollte nicht sehen, dass jemand sie gelesen hatte. Eine Sekunde später wurde ihr klar, dass Benton die gelöschte Nachricht überhaupt nicht erhalten würde. Peinliche Sache. Irgendwie gingen Bentons E-Mails noch immer auf dem Ersatz-Computer ein. Aber besser, er verpasste eine Nachricht, als dass er erfuhr, dass sie Zugang zu seiner Mailbox hatte. Das nächste Mal würde sie aufpassen und keine E-Mail öffnen, die nicht an sie adressiert war. Die Genies vom technischen Dienst waren schon gegangen. Sie würde morgen den Fehler beheben lassen. Aber wie? Wenn sie erzählte, was ihr passiert war, würden es bald alle wissen. Hope blickte aus dem Fenster zum Abendhimmel, und plötzlich verspürte sie einen unerklärlichen Drang, nach Hause zu gehen. Die Dinge, die sie noch zu tun hatte, konnte sie ebenso gut in ihren eigenen vier Wänden erledigen. Sie konnte sich an ihren Schreibtisch setzen nein, auf das Sofa ... Sie könnte in einem Delikatessenladen ein paar leckere Salate kaufen oder irgendetwas anderes, das mehr Charakter hatte als die öden Fertiggerichte, die ihr Tiefkühlfach füllten. Sie könnte sogar eine Flasche Wein öffnen und sich ein Glas gönnen. Wirklich nett wäre es, wenn jemand anrufen und sie fragen würde, ob sie vielleicht etwas zu essen im Hause hätte, und ganz besonders nett wäre es, wenn dieser Jemand Sam wäre ...
Was für lächerliche Träume. Sie hatte nur einen dieser seltenen Momente, in denen sie sich einsam fühlte. Aber sie würde zwei Stunden früher zu Hause sein, als sie je an einem Montagabend nach Hause gekommen war - aus keinem speziellen Grund. Wenn sie das nächste Mal mit Faith und Charity telefonierte, würde sie das ganz nebenbei erwähnen.
4. KAPITEL Benton Quayle begrüßte Sam mit einem knochenquetschenden Händedruck, während er ihn mit dem für Männer typischen Blick abschätzte. "Sam Sharkey das ist ein Name, den man nicht vergisst. Kommt mir vor, als hätte ich ihn kürzlich gehört." Sam nickte. "Könnte sein. Ich bin bei Brinkley Meyers." "Aha." Tausend ungesagte Worte lagen in diesem einen Aha". "Haben Sie mit unserem unglückseligen Magnolia-Heights-Fall zu tun?" "Nicht direkt." Hope beobachtete fasziniert, wie abermals tausend stumme Worte zwischen ihnen hin- und hergingen. Wie machten sie das bloß? Benton schnippte mit den Fingern. "Jetzt weiß ich! Sie sind der brillante Anwalt, von dem man mir erzählt hat. Der Hai." Sam lächelte. "Wenn ein Anwalt so heißt wie ich, dann liegt es auf der Hand, dass er einen solchen Spitznamen verpasst kriegt." "Ja. Kann sein." Nach einem weiteren abschätzenden Blick wandte Benton sich an Hope. "Sie sind also eine Freundin von Sharkey, dem Hai?" "Nein, Benton. Ich bin eine Angestellte bei Palmer und die Freundin von Shark." Benton lachte. "Sie hat einen so herrlichen Humor, nicht? Eine ihrer Stärken. Ah, da ist Ruthie. Liebes, ich möchte dir Sam Sharkey vorstellen. Hope kennst du ja." Bentons Frau, eine hübsche mollige Fünfzigerin, streckte eine glitzernde Hand vor. Was an diesen Fingern steckte, hätte einen Menschen fürs Leben versorgen können. "Es ist so reizend, Sie beide hier zu haben. Sind Sie aus New York, Sam? Nein? Nebraska, aha. Palmer hat eine Filiale in Omaha. Großer Markt für Bewässerungsrohre, glaube ich. Hope, wir haben uns lange nicht gesehen", sagte sie dann mit einer Wärme in der Stimme, die Hope vorher noch nie bemerkt hatte. Offenbar hielt Ruthie es für ausgeschlossen, dass sie aus Karrieregründen mit ihrem Mann ins Bett gehen würde, wenn sie einen Liebhaber wie Sam hatte.
Schon der Gedanke, mit Sam zu schlafen, sandte ein heißes Prickeln über Hopes Haut. Sie fühlte, wie ihre Brustspitzen hart wurden, und zog ihre Stola fester um sich. "Kommen Sie, mein Sohn, ich stelle Sie vor", meinte Benton jovial. "Könnte irgendwann nützlich für Sie sein, einige dieser Burschen zu kennen." So blieben Ruthie und Hope zurück und blickten ihren Männern nach. "Wie zwei Verbündete", sagte Hope lächelnd, aber Ruthie lächelte nicht. „Es ist diese Magnolia-Heights-Geschichte", flüsterte sie, "Benton denkt zurzeit an nichts anderes." Hope musste unwillkürlich an die ominöse E-Mail denken. "Ja, das ist wirklich eine dumme Sache, aber wir werden da heil rauskommen.“ "Sind Sie sich da so sicher?" fragte Ruthie besorgt. "Absolut sicher. Wir sind nicht schuld an dem Problem." "Irgendjemand ist jedenfalls schuld. Haben Sie die Schäden gesehen?" Ruths aufrichtige Betroffenheit gab ihrer diamantglitzernden Fassade eine neue Dimension. "Nein", gestand Hope. "Ich denke, ich sollte mal hinfahren und es mir ansehen." "Ich war mit der Jugendgruppe dort, bei der ich ehrenamtlich mitarbeite." Ruthie seufzte. "Es ist ernst. Ich habe Benton noch nie so angespannt erlebt. Sie werden das doch für sich behalten, nicht wahr?" Sie sah jetzt noch besorgter aus. Es rührte Hope, dass sie Ruth Quayles Vertrauen gewonnen hatte. Offenbar lag es daran, dass sie mit Sam gekommen war. "Natürlich" versicherte sie Ruthie. "In der Firma gibt Benton sich optimistisch. Niemand braucht zu wissen, dass er sich Sorgen macht." "Darling ..." Die Stimme hinter ihr klang verzweifelt. Hope drehte sich um und stieß mit der Nase fast an Sams Smokingfliege. "Ah, hier bist du", sagte er. "Ich hab dir ein Glas Wein geholt." Hätte Hope sich rückwärts bewegt, wäre sie Ruthie auf die Zehen getreten. Also erlaubte sie sich den Genuss, Sam ganz nah zu sein seinem schwachen Sandelholzduft, der Glätte seines gestärkten weißen Hemdes. "Wo ist das Glas Wein?" fragte sie seine perfekt gebundene Smokingfliege. "Über deiner Schulter. Rühr dich nicht vom Fleck. Ich suche Zuflucht." Als würden sie eng tanzen, machte er mit ihr eine halbe Drehung, löste sich dann von ihr und reichte ihr dann das Glas. "Möchtest du für einen Moment da drüben an der Wand in Deckung gehen?" schlug Hope vor, da ihre neue Freundin sich anderen Gästen zugewandt hatte. "Gute Idee." Sie gingen in eine entlegene Ecke des riesigen prunkvollen Raums. Eigentlich hatte ich ein Haus mit frei liegenden Rohren erwartet", bemerkte Sam und blickte zur stuckverzierten Decke hoch. "So wie in einem Loft. " "Ich liebe Lofts", schwärmte Hope. "Eigentlich wollte ich eins kaufen, aber das Renovieren hätte mich zu viel Zeit gekostet. Außerdem wären die Rohre nicht von Palmer gewesen, weil die Lofts in SoHo aus der Zeit um 1910 stammen,
und Palmer wurde erst 1950 gegründet. Die Qualität der Palmer-Rohre ist unvergleichlich besser ..." Sie bemerkte, wie Sam grinste, und räusperte sich. "Ja, Benton und Ruthie haben einen etwas barocken Geschmack, sie sind eben aus einer anderen Generation. Übrigens fand ich es interessant, wie Benton auf dich angesprungen ist. So habe ich ihn noch nie erlebt. Es war, als würde er versuchen, deine Sympathie zu gewinnen." "Sympathie? Ich weiß nicht. Mir schien es so, als ob er mich kennen lernen wollte. Vielleicht weil ... " „ ... weil du beteiligt sein wirst, falls der Magnolia-Heights-Fall vor Gericht kommt?" "Ja. Vielleicht." Plötzlich dachte Hope an ihr Versprechen an Ruthie, und sie blickte sich nervös um. "Wir sollten nicht darüber reden." "Warum nicht? Wir sind auf derselben Seite." "Ja, natürlich. Aber..." "Wir sind doch auf derselben Seite, oder? Weißt du etwas über diesen Fall, was nicht öffentlich bekannt ist?" Hope sah ihn an, sah seinen durchdringenden Blick auf sich gerichtet. Dies war nicht der entspannte Sam, den sie kennen gelernt hatte. Zum ersten Mal sah sie ihn als Sam, den Hai. Eine Aura von Gefahr ging von ihm aus - nicht für sie, aber für jeden, der ihn herausfordern würde. Wieder dachte sie an Bentons E-Mail, an Ruthies Besorgtheit. "Ich weiß nur eines", erwiederte sie. "dass 12867 ein perfektes Produkt ist. Es muss etwas mit der Installation schief gegangen sein." "Du hast es beim Namen genannt." In Sams Augen blitzte wieder ein verwegenes Lächeln auf. "Du hast tatsächlich ein Leitungsrohr bei seinem Vornamen genannt." „Ach, hör auf“, sagte Hope ärgerlich. "Hab ich was Falsches gesagt?" Das Lächeln wurde breiter. Der Hai verschwand, und Sam, der Charmeur kehrte zurück. Als Hope sah, wer in ihre Richtung kam, wünschte sie, der Hai wäre etwas länger geblieben. "Küss mich", flüsterte sie, seinen Arm fassend. Sein erstaunter Ausdruck währte eine Millisekunde, bevor er in einer weichen Liebkosung den Mund über ihre Lippen gleiten ließ. Die elektrisierende Berührung traf sie wie ein Schock, doch dann drängten all ihre weiblichen Instinkte danach, den Kuss zu erwidern. Sie schloss die Augen. "Hallo, Hope. Entschuldigen Sie die Unterbrechung." Sie musste sich zwingen, sich von Sam zu lösen, der offenbar die gleiche Mühe hatte. Sein Blick war undeutbar, als er sich zu dem Mann drehte, der sie gestört hatte. "Paul. Wie nett, Sie zu sehen", schwindelte Hope. Jeder andere hätte ein sich küssendes Paar in Ruhe gelassen, aber nicht Paul. Er besaß kein Gespür für feine Schwingungen. Er beugte sich zu einem Wangenkuss vor, der missglückte. Dann blickte er neugierig zu Sam.
"Sam, dies ist ... Paul Perkins." Eines Tages werde ich vor der ganzen Belegschaft Sankt Paulus zu ihm sagen, dachte sie. "Der Star der MarketingAbteilung", fügte sie mit einem unaufrichtigen Lächeln hinzu. Während die beiden Männer sich die Hände schüttelten, wünschte sie, sie könnte ihren Neid auf Paul in ein positiveres Gefühl umwandeln. Aber wer besaß die Charakterstärke und das Selbstbewusstsein, nicht neidisch auf Paul zu sein? Allein schon sein Aussehen. Blondes Haar, ein Gesicht wie Al Gore, ein nettes Lächeln, ein fester Händedruck, breite Schultern, eine schöne, intelligente, gebildete Frau, die aus freiem Entschluss ihren Beruf aufgegeben hatte, um sich dem Haushalt zu widmen und ihrem Mann zwei Kinder von außergewöhnlicher Schönheit und Intelligenz zu schenken. Falls man ihm das nicht glaubte - Paul hatte in seiner Gucci-Brieftasche Fotos von ihnen. Man konnte nicht anders, als ihn zu hassen. Und jetzt hatte Paul sogar Sam für sich eingenommen. Die beiden Männer unterhielten sich angeregt - und was sie sich alles zu erzählen hatten! Sie hatten im selben Jahr in Harvard Examen gemacht, hatten gemeinsame Freunde. Und Paul kannte Leute bei Brinkley Meyers, die Mitglieder in seinem Country Club waren. Schließlich schlenderte Paul weiter, um seinen Charme woanders zu versprühen. Sam Pickte zwei der essbaren Kunstwerke von dem Tablett, das ein Kellner ihnen hinhielt, und vertilgte eine Garnele in einem Röckchen aus Karottenstreifen. "Dieser Bursche", sagte er, während er Hope einen winzigen Käse-Wolkenkratzer in den Mund schob, "ist so glatt wie Sojamilch." Hope sah ihn überrascht an. "Ist das gut oder schlecht?" "Ich kann Sojamilch nicht ausstehen." Er lächelte. Aber ich sollte nicht undankbar sein. Ich hab ihm einen Kuss zu verdanken." Hope wurde rot. "Ich dachte, er würde sich diskret zurückziehen, wenn ... " "Ist er dein Konkurrent beim Rennen um den Posten des stellvertretenden Leiters der Marketingabteilung?" "Wie bist du darauf gekommen?" fragte sie verblüfft. "Ich hab's an deinem eisernen Griff um meinen Arm gemerkt." "Oh. Hab ich dir wehgetan?" "Nicht gravierend. Ich denke, es lässt sich mit etwas Salbe kurieren." Er grinste. "Cap ist meiner." "Dein was?" Irgendwie hatte sie den Faden verloren. "Mein Konkurrent um eine Teilhaberschaft in der Sozietät. "Was könnte Cap denn wohl haben, was du nicht hast?" fragte sie. "Eine Frau." „Aber das kann doch heutzutage kein …“ "Nein. So altmodisch sind sie nicht bei Brinkley Meyers - es wird nicht verlangt, dass die Teilhaber verheiratet sind. Aber ein verheirateter Mann gilt als etabliert. Sein Leben ist geordnet und organisiert. Cap kann arbeiten, ohne sich
darüber Gedanken zu machen, wann er Zeit findet, zum Supermarkt zu gehen oder seine Anzüge zur Reinigung zu bringen." "Genau das hat auch Paul. Eine Frau. Sein Leben ist geordnet." Hoffnungslosigkeit kroch in Hope hoch. "Jetzt verstehe ich, was du meinst.“ "Hey, ihr solltet euch unter die Leute mischen." Hope fuhr zusammen. "Oh, Benton. Sie haben Recht, aber Sam und ich sind gerade mitten in einer Unterhaltung und ... Bentons nachsichtiges Lächeln ließ durchblicken, dass er den Kuss gesehen hatte. "Ich weiß, ich weiß", sagte er jovial. "Trotzdem. Führen Sie Sam herum, und stellen Sie ihn noch ein paar mehr von unseren Freunden vor. " Als Benton weiterging, blickte Sam Hope an. Er sah so verwirrt aus, wie sie sich fühlte. Es war spät, als Hope und Sam das elegante, alte Wohnhaus verließen und auf die ruhige, von Bäumen gesäumte Straße auf der Upper East Side traten. Ihr Atem bildete in der kalten Luft weiße Wölkchen. Sam schlug seinen Mantelkragen hoch. "Können wir einen Moment laufen?" Hope fand, er klang irgendwie bedrückt. Das beunruhigte sie, weil sie sich selbst jetzt noch, eine Ewigkeit nach dem Kuss, fühlte, als würde sie schweben. "Natürlich", sagte sie bemüht nüchtern. "Ich kann auf der Madison Avenue ein Taxi nehmen." "Ist dir warm genug?" "Ja. Danke." Er nahm ihren Arm. "Deine Stiefelchen sehen irgendwie dekorativ aus. Tun die ihren Job?" Hope blickte auf den verdächtig glänzenden Bürgersteig, dann auf ihre modischen hochhackigen Stiefeletten. Sie lehnte sich an seine Schulter. "Angeblich ja. Ich hab's noch nie getestet." Sam zog Hope etwas näher zu sich heran. Schweigend wanderten sie die Straße hinunter. Weit vom brauste der Verkehr der Madison Avenue, aber Hope hatte das Gefühl, dass sie und Sam in einer völlig anderen, vollkommen friedlichen Welt waren. "Ich war auf deiner Party ein großer Hit", bemerkte er schließlich. "Und ich war auf deiner Party ein großer Hit", erinnerte sie ihn. "Dann wird es also was mit unserem Deal?" Er blieb stehen und drehte sie zu sich. Sie blickte zu ihm hoch. „Ja. Der Deal steht." Sam neigte sein Gesicht zu ihrem. "Und soll mit einem Kuss besiegelt werden." Der Kuss auf der Party war eigentlich nur Show gewesen, aber das spielte für Sam keine Rolle. Hope hatte seinen Appetit in einem Maß geweckt, dass er jeden Vorwand benutzt hätte, sie wieder zu küssen. Es sollte nur ein leichter
Kuss sein, damit sie sein Begehren nicht spürte. Sonst würde sie den Deal womöglich rückgängig machen. Er bewegte die Lippen leicht über ihre, spürte überrascht den zarten Druck ihres weichen, warmen Mundes. Ihre zögernde Reaktion ermutigte ihn, die Arme um sie zu legen. Ihr Kuss war so unglaublich süß, dass er mehr von ihr fühlen wollte. Trotz ihrer spürbaren Zurückhaltung ließ er die Zunge forschend über ihre volle, sinnliche Unterlippe gleiten und stöhnte fast auf, als sie die Lippen teilte und ihm Zugang gewährte. Begierig erkundete er sie, und ihre Zunge spielte mit seiner. Sam umschlang Hope fester und verwünschte die Stoffschichten, die ihn von ihrer Haut trennten. Doch sogar durch ihre Kleidung fühlte er Ihre Brüste, als sie sich an ihn drängte. War es Begehren? War es zu viel gehofft, dass sie diesen Moment als etwas sah, worauf man aufbauen könnte? Aufbauen? Herrje, zu Ende bringen. Und zwar bald. Ihm wurde schwindelig, als das Blut in seine Lenden schoss, und er gab sein ganzes Selbst in diesen einen Kuss, den sie nie vergessen sollte. Da er nicht den geringsten Widerstand spürte, schob er ihren Mantel auseinander und zog sie wieder eng an sich. Ihr leises Stöhnen war wie Zündstoff für das Feuer, das schon in ihm brannte. Er streichelte ihren Rücken, bewegte die Hände zu ihrer Taille, küsste Hope noch intensiver, während er sie an sich presste. Seufzend rieb sie sich am Beweis seiner Erregung. Es war die reine Folter für Sam. Hope nach einem Kuss gehen zu lassen war unvorstellbar. Er würde sie nach Hause bringen, und sie würden sich lieben. Vergiss es, du Träumer, sagte er sich dann. Es bestand absolut keine Hoffnung, dass Hope mit ihm schlafen würde. Gefühle waren in ihrem Deal nicht enthalten. Sie hatten noch nicht einmal über Sex geredet. Mit größter Willensanstrengung lockerte er seine Umarmung, beendete den Kuss und knöpfte ihren Mantel wieder zu. Hope blickte mit einem schwachen Lächeln zu ihm hoch. "Und wenn ich den Vertrag jetzt kündige?" sagte sie mit zittriger Stimme. "Ich habe mich etwas gehen lassen", gestand Sam. "Die Anspannung“, sagte sie und nickte. "Müdigkeit." "Lange Woche." "Und bald ist Weihnachten." "Wir neigen dazu, in der Weihnachtszeit zu übertreiben", sagte Hope. "In der kommenden Woche werden wir nicht übertreiben", erwiderte er. Irgendwie hatte er es geschafft, sich zu beruhigen - wie, das wusste er nicht. "Soweit ich weiß, steht bis nächsten Freitag nichts auf unserem Programm." "Ja. Stimmt." "Zeit, um die Arbeit auf die Reihe zu bringen.“ "Die kann ich gebrauchen." "Ich auch."
Sam fand die ganze Situation immer absurder. Er wollte Hope nicht gehen lassen und spürte, dass ihre Gedanken in die gleiche Richtung gingen wie seine. Aber ihr Zweckbündnis war klar eingegrenzt, und es wäre unklug, jetzt über einen Vertragszusatz zu verhandeln. Verhandlungen, das wusste er, führte man nicht in der Hitze der Leidenschaft. Also ging er eilig mit Hope zur Madison Avenue und winkte ein Taxi herbei. Nachdem er ihr in den Wagen geholfen hatte, wollte er dem Fahrer einen Schein reichen, doch sie riss ihn ihm aus der Hand und steckte ihn wieder in seine Manteltasche. Sam wünschte sich sehnsüchtig, sie hätte ihm den Schein in die Hosentasche geschoben.
5. KAPITEL "Wie läuft es?" "Ganz gut", informierte Hope ihre Schwestern. Sie hatte gefrühstückt und saß nun mit gekreuzten Beinen auf dem Sofa, im Schoß ihr neues Buch mit dem Titel "Katzen-Ratgeber". "Ich denke, ich werde mir eine langhaarige ... " "Wir meinen nicht die Katze", unterbrach Charity sie. "Oh. Es gibt schon ein paar interessante Veränderungen in meiner Wohnung." Hope kuschelte sich tiefer in die Sofaecke. "Diese Frau scheint tatsächlich ..." "Nicht die Innenarchitektin!" Entnervte Laute drangen durch den Hörer. "Der Mann." "Ach so." Hope lächelte in sich hinein. "Er ist sehr nett. Und attraktiv.“ Es wurde still. Die beiden hielten tatsächlich den Atem an. Schließlich erbarmte Hope sich. "Wir waren zusammen auf einigen Partys." Charity sprach als Erste. "Hat er dir schon einen Gutenachtkuss gegeben?" "Nein", log Hope. Aber eigentlich war es keine richtige Lüge. Sams Kuss war nicht das gewesen, was man als einen typischen Gutenachtkuss bezeichnete. "Nicht mal einen ganz kleinen?" wollte Faith wissen. „Gutenachtküsse sind in unserem Deal nicht enthalten. Wir gehen aus beruflichen Gründen zusammen aus. Zu Partys, die für unsere Karriere wichtig sind." "Natürlich", meinte Faith beschwichtigend. Ein Piepton in Hopes Leitung signalisierte einen anderen Anruf zum Glück, denn sonst wäre sie womöglich in Tränen ausgebrochen und hätte ihren Schwestern erzählt, dass Sam ihr einen Kuss gegeben hatte, an dem sie alle zukünftigen Küsse messen würde, und dass er sie danach nach Hause geschickt hatte. "Entschuldigt - es war wirklich schön, mal wieder mit euch zu plaudern,
aber ich muss diesen Anruf annehmen. Bis bald!" Dann sagte sie "Hallo" zu der Person, die sie gerettet hatte. "Hope? Hier Sam." Ein Schauer durchrieselte sie. War sie so liebesbedürftig, dass sie bei seiner simplen Begrüßung dahinschmolz wie Eiscreme unter heißer Karamellsoße? "Hallo, Sam. Was gibt's?" "Wie denkst du über Weihnachtseinkäufe? Würden die in den Rahmen unseres Abkommens passen?" Ihr Herz begann wild zu klopfen. "Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber da es der Zweck unseres Abkommens ist, dass wir uns gegenseitig helfen..." "Deshalb rufe ich dich an. Ich hab noch keine Geschenke. Könntest du mir vielleicht helfen, Sachen für die Frauen auf meiner Liste auszusuchen? Ich habe heute Nachmittag etwas Zeit." Die Frauen auf seiner Liste? Bedeutete dies, dass er einen Stall voller Häschen hatte, vom Typ "dumm, aber sexy"? Frauen, die man vernaschen, aber nirgendwo mit hinnehmen konnte? Schlagartig verflog ihre Freude. "Bitte, Hope. Wenn du mitkommst, lade ich dich nach dem Shopping zu einem Drink in der Oak Bar ein." Sie blätterte abwesend in ihrem Katzenbuch. Vielleicht sollte sie sich geschmeichelt fühlen, dass sie diejenige war, die er überall mit hinnehmen konnte. Auf Geschäftspartys, zum Shopping, in die traditionsreiche elegante Oak Bar. Auf einmal wurde ihr innerlich ganz warm. "Na schön." "Prima. Wo treffen wir uns?" "Ich schlage Saks vor. Um drei am Haupteingang Fifth Avenue.“ Es ist kein Date! predigte Hope sich. Es war eine Gefälligkeit für ihren Vertragspartner. Weihnachtsgeschenke für die Frauen auf seiner Liste. Sie konnte es kaum erwarten zu erfahren, wer sie waren. "Über einen Kaschmirpullover werden sie sich bestimmt freuen. Man kann nicht genug davon haben. Aber du solltest nicht für alle den gleichen kaufen." "Meinst du? Es kommt mir so praktisch vor. Gelb für Mom, Pink für Betsy und Blau für Kris." Das dachte er in Wirklichkeit nicht. Neben seinen großzügigen Schecks für seine Eltern und Schwestern - sie würden sie für die Kinder und für offene Rechnungen verwenden - sollten seine persönlichen Geschenke etwas ganz Besonderes sein. Aber manchmal fühlte er sich so hilflos bei dem Gedanken, dass ein edler Kaschmirpullover oder goldene Ohrringe nicht das Geringste in ihrem Leben verändern würden. Trotzdem hatte er Hope um ihre Hilfe gebeten, und sie würde ihm nie wieder helfen, wenn er nicht auf sie hörte. Mann, kehrte die Frau den Boss heraus! Aber aus einem ihm selbst unverständlichen Grund gefiel es ihm, dass sie ihn herumkommandierte. "Okay, was würdest du für sie kaufen?"
"Ich muss mehr über sie wissen", sagte Hope. Auch ihr Aussehen gefiel ihm. Sie trug eine schwarze Hose, schwarze Schneestiefel, einen schwarzen Pullover und eine Leopardenjacke, die niemand für ein echtes Leopardenfell gehalten hätte. Sie intensivierte den Grünton ihrer Augen und den Kupferton ihres Haars. Aber selbst wenn sie im Punker-Look gekommen wäre, hätte das vermutlich nichts an seinen Gefühlen für sie geändert. Er hatte seine ganze Fantasie mobilisiert, um einen Grund zu finden, Hope heute zu sehen. Viel vernünftiger wäre es gewesen, bis nächsten Freitag zu warten. Dann hätte er reichlich Zeit gehabt, über den Effekt ihres Kusses hinwegzukommen. Zeit, sich auf den Zweck ihrer Abmachung zu besinnen. Er musste die Regeln einhalten! Hope tat es schließlich auch. "Hey, ich habe dich um ein paar Details gebeten." Er schreckte aus seinen Gedanken hoch und sah Hope mit der Stiefelspitze auf den Boden klopfen. "Also, meine Mutter ist ein wenig füllig. Betsy ist dünn wie eine Bohnenstange, und Kris ist auf dem besten Wege, wie meine Mutter auszusehen." „Haarfarbe?" "Grau und blond." „Augen?" "Braun und blau." "Blau wie deine?" Als er nun ihren Mund betrachtete, spürte er wieder dies aufregende Kribbeln im Bauch. Und er fragte sich, ob er es wohl zum Sozius bringen könnte, ohne sich hundertprozentig auf die Arbeit zu konzentrieren. Ob er sich Zeit nehmen könnte, um dem Kribbeln ab und zu nachzugeben. Natürlich müsste Hope auch nachgeben, aber so wie es aussah, stand das nicht auf ihrem Plan. Er räusperte sich und blickte auf einen Stapel mit Rollkragenpullis. "Ja, wir haben alle drei die Augen meines Vaters geerbt." "Okay, dann wollen wir mal sehen, was wir hier haben." Ihre kleinen schlanken Hände durchwühlten die Stapel. "Wie wär's hiermit für deine Mom?" Sie breitete einen weiten, leuchtend roten Pullover aus. Sam versuchte, sich seine Mutter in Rot vorzustellen. "Der gefällt mir", sagte er. "Ich nehme ihn." "Und nun Betsy ... " Mit unglaublicher Zielsicherheit halte Hope in wenigen Minuten ein blaues zweiteiliges Set für Betsy und etwas "Streckendes" für Kris ausgesucht. Sie hielt den Pullover an sich. „Wie findest du dieses Modell? Zu mir sagt es blonde Sexbornbe.“ Zu Sam sagte das Teil lediglich "dreihundertfünfundzwanzig Dollar", aber er musste zugeben, dass es eine gute Wahl für Kris war. Schwarz, mit einer Art Stehkragen, der Hope bis ans hübsche, kräftige Kinn reichte. "So. Wer ist als Nächstes dran?“ fragte Hope und sah ihn erwartungsvoll an.
„Also, da wären Grandma Sharkey und Grandma Ellsworth." Täuschte er sich, oder wirkte Hope auf einmal erleichtert? "Wie wär's mit Bademänteln?" schlug sie vor. "Oder mit einer Fußbadewanne mit Massagedüsen? So eine Fußmassage in warmem Wasser ist unglaublich." „Mir gefällt es in dieser Abteilung. Es ist nicht voll und niemand nervt uns“, sagte Sam. "Meine Großmütter bekommen Schals." "Niemand kümmert sich um uns“, konterte Hope und warf einer herumstehenden Verkäuferin einen missbilligenden Blick zu. Die Frau eilte sofort zu ihnen. „Kann ich ihnen helfen?" "Wir möchten diese Pullover", sagte Hope. "Und vielleicht ein paar Schals“, fügte Sam hinzu. "Oh, wir haben entzückende Schals. Ich zeige Ihnen gern ...“ "Wir schauen sie uns an" , entgegnete Hope herrisch, "während Sie diese Pullover als Geschenke verpacken." In Rekordzeit hatte sie Sam überzeugt dass Schals "alte Dame" signalisierten zumindest wenn man sie alten Damen schenkte - und dass seine Großmütter sich in flauschigen Strickjacken aus Mohair verjüngt fühlen würden. "Wer kommt als Nächstes dran?" fragte Hope und musterte ihn wieder erwartungsvoll. "Meine Reinmachefrau und meine Sekretärin." Wieder schien Hope sich zu entspannen. Ist es wohl möglich, dich aus der Strickwarenabteilung rauszulotsen - zum Schmuck oder zu den Seidentüchern? Oder zu den Handschuhen?" "Na gut", lenkte Sam ein. Es gab da diese Tücher, die als Statussymbol galten. Und seine Putzfrau würde sich freuen, zusammen mit ihrem Weihnachtsscheck ein Paar warme Handschuhe zu bekommen. "Wer steht sonst noch auf deiner Liste?" "Keiner mehr. Wir haben's geschafft." Hope sah so erleichtert aus, wie er sich fühlte. "Fehlt also nur noch das Geschenkpapier." "Wie hast du es eigentlich geschafft, mich auch noch in das Spielzeuggeschäft reinzulotsen?" fragte Hope, während sie ihre kalten Hände um ihr Glas mit Irish Coffee legte. "Du musstest doch dafür belohnt werden, dass der Einkauf bei Saks so schnell gegangen ist." Sam griff nach seinem Martini. "Der Besuch bei F.A.0. Schwartz war deine Belohnung." "Ha! Du wolltest mit den Videospielen spielen." "Ich hab gewonnen." Er warf ihr einen triumphierenden Blick zu, dann lächelte er. "Danke, dass du mitgekommen bist. Glaubst du, die Kids werden das Zeug mögen, das ich für sie ausgesucht hab?" "Wie könnten sie es nicht mögen? Play Stations, das neueste QuizSpiel und dann diese schnittigen kleinen Roller ... Es sind alles Jungs, stimmt's?" "Ja."
„Wie alt sind sie?" "Zwölf, elf, zehn und neun. Kris und Betsy haben jung geheiratet und die Kinder jung bekommen." Hope studierte seinen Gesichtsausdruck. Für einen kurzen Moment wirkte er deprimiert. "Wie kommt es, dass es bei dir anders gelaufen ist?" "Einer in der Familie musste etwas Ehrgeiz an den Tag legen. Die anderen leben alle nach der Philosophie ‚All you need is love'. Hope lächelte. „Der berühmte Beatles-Song aus der Hippie-Ära. Manchmal frage ich mich ..." Sie verstummte. Manchmal fragte sie sich, ob lieben und geliebt werden nicht tatsächlich das höchste Glück war. Ihre Mutter hatte alles für die Liebe geopfert - sie hatte sich von ihrer Familie entfremdet, um einen romantischen, attraktiven Piloten zu heiraten. Durch seine Leidenschaft fürs Fliegen waren sie schließlich beide umgekommen. Aber Hopes Mutter hatte auch ihre Töchter geliebt. Sonst hätten sie nicht in ihrem Testament ausdrücklich ihre Jugendfreundin Maggie Sumner und deren Mann Hank zu ihrem Vormund bestimmt, falls ihr etwas zustieße. So war es den Schwestern erspart geblieben, in der engstirnigen Familie ihrer Mutter aufzuwachsen. Während Faith und Charity gleichzeitig beruflichen Erfolg und Liebe wollten, war Hope immer der Meinung gewesen, dass man es zuerst im Beruf schaffen musste, bevor man Liebe haben konnte. Nun aber begann sie zu zweifeln. Der Irish Coffee - und vielleicht noch etwas anderes - erfüllte sie mit einer wohltuenden Wärme. Sie lehnte sich in der ledergepolsterten Bank zurück, entspannte sich in der ruhigen Atmosphäre des vornehmen holzgetäfelten Raums. Konnte man einen Winternachmittag auf schönere Art verbringen, als den auf Weihnachtslichter fallenden Schnee zu beobachten und über die Liebe nachzusinnen? Sie formulierte ihren unbeendeten Satz neu. "Was bringt Leute wie dich und mich dazu, die Liebe auf Sparflamme zu stellen und dem beruflichen Erfolg nachzujagen?" "Bei mir war es die Erkenntnis, was man alles tun kann, wenn man Geld hat. Und was passiert, wenn man es nicht hat. Als Mensch mag man geachtet werden, aber wenn es hart auf hart kommt, ist man hilflos." Er schien über sich selbst entsetzt zu sein, dass er die Unterhaltung in persönliche Bereiche abgleiten ließ. Hope sah eine Reihe rasch wechselnder Ausdrücke in seinem Gesicht, bevor er sich wieder fasste. "Wow", sagte er unvermittelt. "Shopping ist anstrengender als Badminton." "Ist Badminton der Sport, den du betreibst?" "Ja. Da kriegt man am meisten Training in der kürzesten Zeit." "Hätte ich mir denken können", sagte Hope lächelnd, erleichtert, dass Sam das Thema wechselte. Zwar war es faszinierend gewesen, einen Einblick in Sams Motivation zu bekommen, aber ihre Gedanken über die Liebe hatten sie zu sehr durcheinander gebracht.
Um ein Haar hätte Sam Hope die ganze traurige Geschichte seiner Familie erzählt. Am Martini konnte es nicht liegen - normalerweise machte ein kleiner Cocktail ihn nicht so mitteilsam. Nein, es war diese wohltuende Vertrautheit, die er schon bei ihrer ersten Begegnung gespürt hatte. Eine Vertrautheit, die aber auch gefährlich war. Er durfte keine tieferen Gefühle für Hope zulassen. Er musste auf sein berufliches Ziel konzentriert bleiben, bis er dies Ziel erreicht hatte und den nächsten Schritt tun konnte. Bis dahin musste er so sparsam wie möglich leben und nur für diejenigen Dinge Geld ausgeben, die er zur Aufrechterhaltung seines Images als erfolgreicher, aufstrebender Anwalt benötigte. Falls der Erfolg nicht eintraf, wollte er nicht unvorbereitet überrascht werden, so wie sein Vater von jener katastrophalen Missernte - und dann von der nächsten, bis sämtliche Reserven verbraucht waren. Schließlich war sein Dad bei einer Verkaufsniederlassung für landwirtschaftliche Maschinen gelandet, wo er Traktoren reparierte. Manchmal hatte Sam nur die Stimme seiner Mutter im Kopf: "Aber wir haben noch immer uns, und das ist die Hauptsache." Es war ihr ständiger Refrain gewesen, wenn er oder die Mädchen etwas gewollt hatten, das sie sich nicht leisten konnten. Zum Beispiel studieren. Seine Schwestern waren gleich nach der High School in einem Friseursalon und im Supermarkt arbeiten gegangen. Sie hatten viel zu jung geheiratet. Er hingegen hatte wie ein Irrer gelernt und gearbeitet, um dorthin zu kommen, wo er heute war. Die Inhaber der Kanzlei würden kurz vor Weihnachten konferieren, um die Geschäftsbilanzen durchzugehen, Gratifikationen zu verteilen und über die Aufnahme neuer Partner zu entscheiden. Dann würde er wissen, wo er stand. Was Hope betraf, musste er die Bremse ziehen. Die Grenzen ihres Deals waren fest abgesteckt, und innerhalb dieser Grenzen würde er bleiben. Allerdings war da noch dieser eine Aspekt, den sie nie ganz ausdiskutiert hatten. Vielleicht könnte er Hope überzeugen, dass dieser unerledigte Punkt in den Deal hineingehörte. Bei seinem Wohnhaus angekommen, erklomm Sam die drei Stockwerke und schloss die Tür seines Einzimmer-Apartments auf. Während er seine Weihnachtsgeschenke aufs Bett warf, fragte er sich, was Hope wohl gerade tat. Halb hatte Hope gehofft, Sam würde vorschlagen, ihren Einkaufsbummel mit einem Dinner zu beschließen. Dann war sie halb erleichtert gewesen, als er nach ihrem Besuch der Oak Bar ein Taxi rief und sie zu Hause absetzte. Da sie normalerweise nicht so zwiespältig empfand, betrat sie ihre Wohnung mit dem vagen Gefühl, aus dem Gleichgewicht zu sein. Als sie das Licht anknipste - sie hatte ihre Lektion gelernt! - fühlte sie sich noch immer anders als sonst. Sie stellte die schwere Tragetüte mit dem Geschenkpapier ab, doch das seltsame Gefühl des Ungleichgewichts blieb. Und dann sah sie, woran es lag. Im Laufe eines einzigen Nachmittags war in der Zimmerecke hinter dem Sofa ein Baum gewachsen. Seine kleinen zarten Blätter
überschatteten das Sofa, sie schienen die Lichter der City abzuschirmen und Schutz vor der Hektik und dem Lärm der Außenwelt zu spenden. Hope warf ihre Handtasche aufs Sofa. Liebe Güte, es ist nur ein Baum! sagte sie sich. Maybelle hatte wieder zugeschlagen. „Wir werden in dem Magnolia-Heights-Fall leider keine Einigung erzielen." Phil Carroll seufzte. "Die Sache geht vor Gericht." Sam lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Aber wir sind doch überzeugt, dass Palmer nicht für die Schäden verantwortlich ist." „Wir vertreten Palmer", präzisierte Phil. Wir legen dem Fall die Informationen zu Grunde, die wir von Palmer bekommen haben." "Ja, stimmt", murmelte Sam. "Natürlich waren wir auch nicht untätig", räumte Phil ein. "Unsere Gutachter haben dieses Rohr gründlich getestet. Das Resultat stimmt mit Palmers Angaben überein." "Nummer 128672.“ Sam hörte in Gedanken den Ton der stolzen Mutter, und er konnte nur mit Mühe ein Lächeln unterdrücken. "Ich habe Sie hereingerufen", fuhr Phil fort, "weil der Vorstand möchte, dass Sie das Anwaltsteam leiten und den Fall vor Gericht ausfechten." Sams Herz begann zu hämmern. "Danke, Phil, ich fühle mich geehrt." "Dies sagt eine Menge darüber, wie man in der Firma über Sie denkt, Sam." Genauer brauchte Phil sich nicht auszudrücken. Er sagte Sam, dass sie ihm den Fall gaben, weil sie ihn ernstlich als Sozius in Erwägung zogen. Palmer war die Pipeline - Himmel, er wurde schon so lyrisch wie Hope! - zu seiner Zukunft. "Sie haben auch Charlenes Stimme", sagte Phil. "Sie ist der Ansicht, Sie hätten ihren Test bestanden." „Was für einen Test?" Phil zuckte mit der Schulter. "Ich weiß auch nicht, was sie gemeint hat. Ich weiß nur, dass die verrückten Tests, die sie sich ausdenkt, verdammt schwer zu bestehen sind." "Ich fühle mich geschmeichelt', erwiderte Sam und senkte den Kopf. "Sie war von Hope Sumner sehr beeindruckt. Sehen Sie sie noch?" Sams hob abrupt den Kopf. "O ja." "Ich hab mir gedacht, dass es etwas Ernsteres sein könnte." Phil sah ihn mit einem väterlichen Blick an. "Übrigens war es Benton, der Sie für den Prozess gewählt hat. Er hat mir erzählt, dass Hope sehr gute Chancen hat, stellvertretende Leiterin der Marketingabteilung zu werden. Es wird hier wie bei einer Familie, mit Benton und mir als Väter, deren Kinder ihre Examina machen." Einen Moment lang erwog Sam, die Sache mit seinem Zweckbündnis mit Hope zu beichten. Dann aber sah er ihr Bild vor sich und dachte, was für eine großartige Frau sie für ihn sein würde. "Es ist noch zu früh, um irgendetwas zu sagen", erwiderte er, während er aufstand. "Aber Sie werden als Erster Näheres
erfahren. Nochmals vielen Dank, Phil. Ich freue mich auf diesen Fall. Ich mache mich sofort an die Arbeit." "Na, wie gefällt Ihnen der Baum?" Maybelles Stimme schrillte in Hopes Ohr, während sie mit wachsender Nervosität auf den Bildschirm ihres Ersatz-Laptops blickte. "Großartig, ich bin begeistert. ... Wie bitte? ... Natürlich. Sie können kommen und gehen, wann immer Sie möchten. Und machen Sie wenigstens eine Zwischenrechnung, ja?" "Ja, ja, mach ich. Mit den Rechnungen bin ich immer etwas langsam, aber meine anderen Kunden stören sich nicht dran." Hope lächelte. "Das kann ich mir denken." "Ich wollte eigentlich nur kurz Hallo sagen. Ich hab noch zu tun. Bis bald, Schätzchen." Wieder einmal fragte Hope sich, ob Maybelles erstaunliche Dynamik je nachließ. Dann wanderte ihr Blick wieder zum Bildschirm, der mit Benton Quayles E-Mails voll war - Nachrichten, die sie diesmal nicht gelesen hatte. Alles, was sie sah, war eine umfangreiche Korrespondenz zwischen Benton und Sams Konkurrenten Cap Waldstrum und jemandem von der Installationsfirma Stockwell, die in Magnolia Heights die Rohrleitungen verlegt hatte. Diese Person war nur durch eine Nummer und den Firmennamen identifiziert. Es geht nur um irgendwelche Details, die mit dem Fall zu tun hatten, redete sie sich ein. Selbst jene erste Nachricht, die sie versehentlich gelesen hatte, betraf vermutlich eine fehlende Rechnung oder etwas ähnlich Harmloses. Aber warum dann ein besonderer Treffpunkt? Hope nagte, ohne es zu bemerken, an ihrer Lippe und grübelte. Ein plötzlicher Gedanke verbesserte augenblicklich ihre Stimmung. In ein paar Stunden würde sie Sam wieder sehen. Die Woche war ihr wie ein Jahrhundert vorgekommen.
6. KAPITEL Für Sam stand fest, dass es so nicht weitergehen konnte. Sein Verlangen nach Hope war stärker denn je, und heute würde er mit ihr reden und ihr sagen, dass sie sich beide wohler fühlen würden, wenn sie miteinander schliefen. Vermutlich würde er sie nicht lange überreden müssen. Denn er war sich ziemlich sicher, dass sie nur einen Vorwand suchte, um ihren sexuellen Bedürfnissen nachzugeben. Vielleicht war es sogar mehr als rein körperliches Begehren. Er hatte ihr Verlangen deutlich gespürt, als sie sich küssten - das war keine Einbildung gewesen. Sam nickte dem Portier zu und schritt durch die Halle zum Fahrstuhl, ein zum Sieg entschlossener Krieger.
Hope hatte den Moment herbeigesehnt, wo Sam an ihrer Tür stehen würde. Wie immer hatte er eine atemberaubende Wirkung auf sie. Doch als sie in sein Gesicht blickte, wusste sie, dass sich etwas verändert hatte. Sam sah aus, als fühlte er sich unbehaglich. Angst stieg in ihr hoch. Der Deal funktioniert nicht für ihn. Ihre Partys raubten ihm zu viel Arbeitszeit. Er hat eine Frau gefunden, mit der er so oft wie möglich zusammen sein wollte. Sie führte ihn ins Wohnzimmer. "Ich probiere gerade einen neuen Rotwein", sagte sie locker. "Möchtest du auch ein Glas? Wir haben noch Zeit." "Ja, schenk ein." Wie er das sagte! "Hattest du einen schlechten Tag?" Sie machte sich auf das Schlimmste gefasst und kämpfte zugleich gegen das verrückte Verlangen an, ihn zu verführen. Nicht dass sie wusste, wie man einen Mann verführte. Aber sie verspürte ein plötzliches Interesse, es zu lernen. "Interessanter Tag. Interessante Woche. Aber …“ begann er, während Hope in die Küche ging. Aber was? Das Reden fiel ihm doch sonst nicht so schwer. Sie ging zu ihm und reichte ihm sein Glas. Statt seinen Wein hinunterzukippen und zu sagen: "Mann, das hab ich gebraucht!", nahm er einen kleinen Schluck und spürte dem Geschmack nach. "Ausgezeichnet. Woher hast du den?" "Von www.Burgunder.com." "Das muss ich mir merken." "Sam, ist irgendetwas?" Trotz ihrer Verwirrung hielt sie sich an ihr Prinzip, ohne Umschweife zur Sache zu kommen. Er zögerte. "Nicht direkt." "Wir sollten besser drüber reden, bevor wir auf die Party gehen. Sonst denken die Leute, dass wir Streit haben und bald wieder auf dem Markt sind." „Nein, das ist es nicht. Im Gegenteil." Sam nahm noch einen Schluck und stellte sein Glas auf dem Couchtisch ab. "Erinnerst du dich an meine Frage, wie du über Sex denkst?" Hope war auf einmal wie elektrisiert. "Ich weiß, Sex gehört nicht zu unserer Abmachung, aber ich kann an nichts anderes denken." Er umfasste ihre Schultern, und sie fühlte durch die Seide ihres Kleides die Wärme und die Kraft seiner Hände. Er meinte Sex. Nur weil sie an nichts anderes denken konnte als an ihn, bedeutete das nicht, dass es ihm mit ihr genauso ging. "Also frage ich dich noch einmal. Könnten wir das auch noch füreinander tun, ohne dass wir ..." „.. uns zu sehr gefühlsmäßig engagieren?" Hopes Stimme war rau. "Ich glaube, wir könnten es hinkriegen." Sie drehte den Kopf zur Seite, damit er ihr Gesicht nicht sah, während sie die größte Lüge ihres Lebens aussprach. "Solange wir beide es ganz locker angehen."
Sie drehte ihm wieder das Gesicht zu. Der Kuss, der zweifellos für ihre Wange bestimmt war, traf ihren Mund, und die zarte Liebkosung sandte Flammen durch ihren Körper. "Ich möchte, dass du es auch ein wenig genießt", sagte Sam weich. "Schließlich ist dies eine gegenseitige Angelegenheit." „Ach, darüber sollten wir uns keine Gedanken…" Er umrahmte ihr Gesicht mit den Händen, wob dann die Finger durch ihr Haar. "Pscht. Ich hab nicht gesagt, dass ich mir Gedanken mache." In die Stille hinein sagte Hope: "Wann?" „Je eher, desto besser." "Heute wird es spät werden. Aber vielleicht morgen? Hier bei mir?" Er nickte. "Danke. Du bist sehr, sehr nett." Dann blickte er auf seine Uhr. "Wir werden uns um mehr als die höflichen zehn Minuten verspäten. Bist du so weit?" So würde es also laufen? Die Vorstellung von therapeutischem Sex schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Im Gegenzug sah Hope ebenfalls auf ihre Uhr. "Macht es dir etwas aus, wenn ich noch schnell einen Anruf mache?" "Nur zu. Ich schreib mir den Namen von diesem Wein auf. Vielleicht bestell ich eine Kiste." Seine Worte weckten in ihr die Lust, die Schlafzimmertür zuzuknallen. Kaum hatte sie die Tür - natürlich leise - hinter sich geschlossen, riss sie den Hörer vom Telefon. Es passte nur zu gut, dass der Anrufbeantworter sich meldete. "Maybelle, ich brauche Sie sofort", zischte Hope. "Sie müssen morgen das Schlafzimmer machen. Unbedingt! Es ist mir egal, dass es ein Samstag ist. Es handelt sich um einen Notfall, Kommen Sie so früh wie möglich. Ich verlasse mich auf Sie." Verflixt aber auch! Mit all diesen Dingen im Kopf sollte sie gut gelaunt auf eine Party gehen? Ja, genau das musste sie tun. Sie trug ihren wärmsten Mantel und ihr bestes Show-Lächeln, als sie kerzengerade zurück ins Wohnzimmer marschierte. Kurz darauf stiegen Sam und sie in ein Taxi. Und bald war alles wieder im Normalzustand, so als hätte dieses skurrile Gespräch nie stattgefunden. Er hatte es getan. Sam wusste nicht, wie, aber er hatte es getan. Der ganze Abend war außergewöhnlich gewesen. Das Wissen, dass in vienandzwanzig Stunden Hopes seidiger Körper an seinen geschmiegt sein würde, verlieh , jedem Wort, jedem Blick, jeder Berührung eine besondere Bedeutung. Zwischen ihnen hatte eine vibrierende Spannung bestanden. Auf dem Weg zum Büfett hatte sie die Hand um seinen Ellenbogen gelegt, und er konnte ihre Wärme spüren. Und als sie später nah bei ihm stand und ihre Brust seinen Arm streifte, deutete er das als ein Versprechen und nicht als einen Zufall. Noch ein Tag Wartezeit - viel zu lang! Hope war ihm seit ihrem ersten Gespräch nicht aus dem Kopf gegangen. Nun endlich würde er sie haben.
Nein, nicht Hope - Sex mit Hope, das war es, was ihm nicht aus dem Kopf ging. Nein, auch das nicht. Einfach nur Sex. Mehr wollte er nicht. Aber plötzlich sah er wieder diese Bilder vor sich, die ihn nicht losließen: Hope lachend, ihr voller sinnlicher Mund ein Symbol ihrer Lebenslust. Ihr kupfern schimmerndes Haar, das weich hin- und herschwang, wenn sie den Kopf bewegte. Ihr schlanker, energiegeladener Körper unter ihren eleganten Kleidern. Ein nach Befreiung drängender Körper, der Körper, der morgen neben seinem liegen würde - neben ihm und unter ihm und auf ihm ... Er wollte Hope und nicht nur Sex. Plötzlich hatte Sam das Gefühl, als säße er tief im Schlamassel. Er stöhnte. "Beschweren Sie sich nicht bei mir über den Stau, Mann", bellte der Taxifahrer. "Es ist Freitagabend. Und Vorweihnachtszeit. Wir sind in New York, zum Teufel. Also regen Sie sich ab. Ich tu, was ich kann." "Guten Morgen, Ma'am. Wir kommen wegen des Schlafzimmers." Der Sprecher war ein Bild von einem Mann und sein Gefährte womöglich noch schöner. Zwar spürte Hope nicht dieses gewisse Knistern, so wie bei Sam, aber andere Frauen wären dahingeschmolzen. Sie musste dran denken, diese zwei Supermänner um ihre Karten zu bitten, bevor sie gingen. Für ihre Schwestern. "Kommen Sie herein. Wo ist Maybelle?" "Sie bewacht den Transporter, bis wir mit dem Bett fertig sind und zurückkommen." Adonis Nummer eins lächelte sie an, wobei er unglaublich weiße Zähne enthüllte. Dann marschierten die beiden in ihr Schlafzimmer und zogen ihre Lederjacken aus. Zum Vorschein kamen schwarze T-Shirts und schwellende Muskeln unter gebräunter Haut. Hope hastete hinter ihnen her. "Was haben Sie vor ... ich meine, wie können Sie wissen, weicher Platz der beste..." Sie verstummte, als Adonis Nummer zwei einen Schraubenzieher aus seinem Werkzeug-Gürtel zog und ihr Bett zu zerlegen begann. Es war eine hinreißende Fantasie aus weiß lackiertem Gusseisen. "So romantisch, so feminin" hatte der Verkäufer geschwärmt. Adonis Nummer eins nahm die Einzelteile und lehnte sie gegen die Wand neben dem Badezimmer. Aber da drüben können Sie das Bett nicht aufstellen", protestierte Hope. "Wie soll ich denn ins Bad kommen?" "Hilf mir mal bitte, Dickie", rief Adonis Nummer zwei, während er die eine Seite des Bettrahmens fasste. Zu zweit hoben sie das Gestell hoch und transportierten es aus dem Schlafzimmer. Hope wollte protestieren, als von Dickies nietenbeschlagenem Gürtel ein Klingeln ertönte. Er zog ein Handy hervor. "Ja, Maybelle, läuft bestens. Wir sind gleich unten." Hope schnappte ihm das Telefon aus der Hand. "Was passiert hier eigentlich?" zeterte sie. "Sie haben mein ganzes Schlafzimmer durcheinander gebracht und ... herrje, wo schleppen sie mein Bett hin?" Mit dem Telefon am Ohr jagte sie hinter Dickie und Freund her, die den Rahmen bereits durch die Tür manövrierten.
"Ich hatte mächtig viel Glück, die Jungs so kurzfristig zu kriegen", schrillte Maybelles Stimme aus dem Hörer. "Sind sie nicht niedlich? Haben Sie je in Ihrem Leben so knackige Hinterteile gesehen?" "Ja, sie haben ganz entzückende Hinterteile", blaffte Hope zurück. Die Tür der Wohnung nebenan öffnete sich, und ihr Nachbar warf ihr einen mürrischen Blick zu, als er sich nach seiner Zeitung bückte. Sie rannte wieder in die Wohnung und knallte die Tür zu. "Sagen Sie Ihnen, dass sie ihre Hinterteile schleunigst wieder hierher in mein Bett befördern sollen ... ich meine ... mit meinem Bett." „Ach, Schätzchen, das Bett ist doch nichts für Sie", entgegnete Maybelle resolut. "Sie kriegen ein Bett, in dem Sie sich wie im Himmel fühlen. Bis gleich." Hope schäumte vor Wut, aber viel Zeit hatte sie nicht dazu, denn Maybelle und Dickie kamen herein. Sie schleppten eine große Kiste. "Keine Sorge", sagte Maybelle munter, obwohl Hope keine Hilfe angeboten hatte, "sie ist nicht schwer." Die beiden verschwanden ins Schlafzimmer, aus dem wenig später entnervende Reißgeräusche kamen. Mit einem hilflosen Seufzer bewegte Hope sich rückwärts zu dem großen Couchtisch, um sich für einen Moment auf die Kante zu hocken. Sie senkte sich und landete hart auf dem Boden. "Wo ist mein Couchtisch?" schrie sie, während sie sich hochrappelte. Im selben Moment sah sie die an die Wand gelehnte schwere Glasplatte und daneben den Marmorsockel. "Maybelle, was haben Sie mit meinem Couchtisch vor?" "Dickie bringt ihn zum Wagen runter, wenn er hier fertig ist", schrillte Maybelles Stimme aus dem Schlafzimmer. „Aber warum, um Himmels willen?" Maybelle erschien in der Schlafzimmertür. "Schätzchen, wir müssen Ihre scharfen Kanten beseitigen." „Maybelle", Hope kämpfte um Geduld, "Sie sind hier, um mein Schlafzimmer zu verändern, nicht mein Wesen." Aber ich meinte nicht Sie, Schätzchen. Sie haben keine scharfen Kanten. Ich hab Ihre Möbel gemeint." Maybelle warf einen kurzen Blick ins Schlafzimmer. "Ich hab jetzt keine Zeit für einen Vortrag über Feng Shui, aber im Grunde dreht es sich nur darum, dass die Lebenskraft, das Chi, zum Fließen gebracht wird. Außerdem sollten Sie sich um andere Dinge sorgen - schließlich kriegen Sie heute Abend Herrenbesuch. Denken Sie drüber nach, wie Sie ihn beköstigen und sich hübsch für ihn machen. Ich kümmere mich um den Rest." "Woher wissen Sie, dass ich einen Mann erwarte?" Plötzlich wurde Hope sich ihrer ausgebeulten grauen Jogginghose bewusst, ihrer alten Aerobic-Schuhe, ihres zotteligen Pferdeschwanzes - und ihres leeren Kühlschranks. "Ich bin im Leben rumgekommen", erwiderte Maybelle nur und hastete wieder ins Schlafzimmer. Hope schnappte sich ihren Mantel und ihre Handtasche und stürmte aus der Wohnung, um einzukaufen.
Benommen wanderte Hope zwischen den weichen Sesseln, dem nierenförmigen hölzernen Couchtisch und den schnörkeligen Beistelltischen umher. Sie musste zugeben, dass das Wohnzimmer jetzt behaglicher war. Über der Tür hing ein Windspiel von der Decke. Ein kleiner runder Esstisch mit vier gepolsterten Stühlen war ein weiterer neuer Blickfang. Hope hörte den Rechner in ihrem Kopf rattern und sah ihn einen langen Papierstreifen ausspucken. "So, ich glaub, jetzt können wir Ihnen zeigen, was wir hier drinnen getan haben." Hope ging ins Schlafzimmer. "Natürlich mussten wir Ihr Bett rausschmeißen", erklärte Maybelle. "Ihr Liebster könnte sich ja an all diesen eisernen Weinranken aufspießen. Außerdem hat es gequietscht. Dieser Rahmen hier ist enorm stabil. Der wird nicht quietschen." Bei der Erwähnung quietschender Betten blieb Hope abrupt stehen. Dann zwang sie sich weiter vor. "0 nein!" rief sie aus." Das Bett stand jetzt von der Wand entfernt, aber dahinter hatten sie ein weiches, gepolstertes Ding angebracht, das es wie Arme umgab, mit runden Nachttischen in den Biegungen. Das Rundpolster war passend zur Steppdecke mit einem verwischten Blumendruck bezogen. Auch die Bettwäsche war neu ein Efeumuster in Weiß und zartem Grün. Auf den Nachttischen standen hohe, anmutige Lampen mit rosa Schirmen. "Es ist sehr hübsch", murmelte sie. "Ich glaube, ich hatte etwas Schlichteres erwartet." "Ich wollte, dass Sie sich wie in einem Blumengarten fühlen", erklärte Maybelle mit überraschend sanfter Stimme. "Sie scheinen Ranken und Blumen zu mögen, also haben Sie Ranken und Blumen gekriegt - nur freundlichere." Hope merkte, dass sie lächelte. "Nun lassen Sie uns mal praktisch denken." Maybelles Stimme wurde wieder energischer. "Wollen Sie wirklich in diesem Bett liegen und sich von Ihrer Familie da auf der Kommode anstarren lassen?" Hope sah sich plötzlich mit Sam in dieser berankten Bettlaube und dazu die lieben Gesichter ihrer Eltern, die sie anblickten, gerahmt von Faith und Charity mit ihrem beifälligen Lächeln. "Nein", sagte sie entschieden. "Gut. Mit Kerzen ist es besser." Maybelle kramte in einer Tasche, platzierte ein Tablett auf die Kommode und arrangierte fünf verschiedenfarbige Kerzen darauf. "So. Ich stelle noch welche im Wohnzimmer auf. Ihr beiden macht hier weiter." Schon marschierte sie hinaus. Dickie stapelte die Familienfotos aufeinander, reichte sie Hope und staubte mit einem Tuch die Kommode ab. "So, das hätten wir", sagte er zufrieden. "Danke, Dickie." Hope blickte auf die Fotos in ihrem Arm. "Ich liebe dieses Foto von meinen Schwestern", sagte sie und hielt es ihm hin. "Süße Mädchen, wirklich." "Nicht wahr?" Hope machte eine Pause. "Dickie, sind Sie und Kevin verheiratet?"
"Noch nicht. Wir wollen aber heiraten, wenn das Gesetz geändert ist. Ich war dafür, dass wir nach Vermont ziehen, wo man standesamtlich getraut werden kann, aber Kevvie meint, wir sollten besser in New York bleiben. Er glaubt felsenfest, dass wir demnächst den Durchbruch im Show Business schaffen." "Oh, dann hätten Sie wohl kein Interesse, Bekanntschaft mit ... Nein, natürlich nicht." Maybelle kam hereingefegt und fügte dem Arrangement auf dem Tablett eine sechste Kerze hinzu, eine tiefrote. "Sie brauchen mehr Feuer in Ihrem Leben", sagte sie und dann, zu Dickie: "Lauf runter zum Wagen und hol die Bambusflöten, ja? Wir müssen noch was mit dem Balken da oben tun." Zu Hope gewandt erklärte sie: "Balken können einem das Gefühl geben, als ob das Gewicht der Welt auf einem lastet. Ein paar Flöten werden das Gewicht abmildern. " "Und das gute alte Chi wird fließen", murmelte Hope. Hopes gespannte Erwartung hatte sich während des endlos langen Tages derart gesteigert, dass schon das Schnarren des Haustelefons genügte, um eine Hitzewelle durch ihr Inneres zu senden. Und die Meldung des Portiers, dass Mr. Sharkey unten sei, beschleunigte jäh ihren Puls. Sie durfte ihn nicht merken lassen, was er mit ihr tat. Sie musste das Kunststück vollbringen, sich ganz locker zu geben. Sich benehmen, als wäre das, was sie tun würden, für sie genauso selbstverständlich wie für Sam. Kurz sie musste cool und ruhig erscheinen und ... Beim Läuten der Türglocke fuhr sie zusammen. Sam war da. Ein letzter Blick in den Spiegel. Sie hatte nach langem Überlegen einen Hausanzug aus schwarzem Samt angezogen, dazu flache Samtslipper. Zwanglos daheim - nicht provokant, aber auch nicht nonnenhaft. Kein Schmuck. Dezentes Make-up, das nicht verschmieren konnte. Sie öffnete die Tür. Wie üblich nahm sein Anblick ihr den Atem. Sein legerer weißer Pullover, der unter einem schiefergrauen Mantel hervorsah, ließ das Blau seiner Augen noch strahlender erscheinen. Aber nicht nur, dass er atemberaubend aussah. Es war ein ungewöhnliches Vergnügen, an ihrer Tür einen Mann stehen zu sehen, der im einen Arm einen gigantischen Strauß sinnlicher tropischer Blumen hielt und im anderen einen Topf mit einem weißen Weihnachtsstern. „Aloha und fröhliche Weihnachten", sagte er. "Rat mal, welcher von mir ist." Wie cool er klang - gar nicht wie jemand, der erotisches Abenteuer vor sich hatte. "Ich traue mich nicht zu raten." Sie nahm ihm den Strauß ab. "Diese Blumen sind so extravagant. Und beides ist sehr schön", fügte sie schnell hinzu. Sam ließ seinen Aktenkoffer von seiner Schulter gleiten - natürlich brachte er seinen Aktenkoffer mit - und legte ihn auf den in der Nähe stehenden Fauteuil. "Der Strauß war unten beim Portier- ich hab mich als Lieferant zur Verfügung gestellt. Den weihnachtlichen Geist hab ich mitgebracht. Wo möchtest du ihn haben?"
"Lass mich überlegen." Sie kämpfte sich mit dem Strauß zu ihrem neuen Kaffeetisch hinüber, legte ihn dort ab und blickte sich im Zimmer um. "Ich denke, wir stellen den Topf dort hin, direkt vor das Fenster. Dann ist der Weihnachtsstern das Erste, was man sieht, wenn man ins Zimmer kommt. Er ist wunderschön, Sam. Danke." "Soll ich rausgehen, wenn du die Karte liest?" "Die mit dem Strauß gekommen ist? Nein, natürlich nicht", erwiderte sie entschieden. Es schien, als würden die grellen exotischen Blumen ihr den Abend verderben. Hope reagierte ihren Ärger ab, indem sie die Karte achtlos aus dem Umschlag riss. Und las: "Schätzchen ..." Sie blickte auf und las gar nicht erst weiter. Der Strauß ist von meiner Innenarchitektin. Typisch für sie, mir Blumen zu schicken. Sie ist eine ungewöhnliche Frau." Einen Moment lang sah Sam sie schweigend an. "Ich fang noch mal von vom an", sagte er dann abrupt, nahm den Topf mit dem Weihnachtsstern und ging zur Tür. "Sam, warte, du denkst doch wohl nicht..." Hilflos sah Hope zu, wie die Tür sich hinter ihm schloss. Während eine schreckliche Kälte sich in ihr ausbreitete, bemerkte sie, dass er seinen Aktenkoffer vergessen hatte. "Sam!" rief sie nochmals, und im selben Moment läutete die Türglocke. Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spaltbreit. Draußen stand Sam. "Fröhliche Weihnachten." Er schob sich durch die Tür, umfasste mit der freien Hand ihr Kinn und streifte ihre Lippen mit seinem Mund. „Danke, Sam, aber das war doch nicht nötig", sagte sie leise, um das Spiel mitzumachen. Er setzte die Pflanze auf den Boden und schloss die Arme um Hope und hauchte zarte Küsse auf ihren Mund. Eine plötzliche Wärmeflut trieb die Kälte fort, und ihre Brüste begannen zu prickeln. Sams Mund glitt über ihre Wange zu ihrem Ohr. Sie erschauerte, als seine Zungenspitze ihr Ohrläppchen liebkoste. "Möchtest du essen gehen?" murmelte er. "Irgendwo in der Nähe?" "Lass uns hier bleiben", flüsterte sie" "ich habe genug zu essen..." Sein Kuss erstickte ihre Worte, trieb alle Gedanken aus ihrem Kopf außer dem Eingeständnis, dass sie sich verzweifelt nach ihm sehnte.
7. KAPITEL Sam kannte sich selbst nicht wieder. Er, der abgebrühte Anwalt, hatte sich benommen wie ein eifersüchtiger Jüngling. Und dann, als er wusste, dass kein anderer Mann Hope umwarb, hatte er sich gefühlt, als würden seine Hormone
Amok laufen. Er musste sie einfach küssen, und als er es tat, gab es für ihn kein Zurück mehr. Ihre Lippen waren noch voller und weicher, als er sie in Erinnerung hatte. Und bei dem ersten Anzeichen, das er als ein Ja deutete, ließ er die Zunge in ihren Mund gleiten, begierig, ihre Süße zu kosten. Und sie erwiderte den Kuss, ließ ihn ihr eigenes Begehren spüren. Er zog sie an sich - sie zu fühlen wühlte ihn bis ins tiefste Innerste auf. Er spreizte die Hände über ihrem Rücken, schwelgte in der Schmiegsamkeit ihres Körpers. Sie war grazil, aber voller Energie und Kraft. Er stellte sich vor, dass sie, wie bei einem Zeitraffer, schon alle Zwischenschritte hinter sich hätten und er Hope hier, an die Tür gelehnt, nehmen würde. Er konnte nicht mehr warten. Langsam! ermahnte er sich. Wenn er es nicht ruhiger angehen ließ, würde er ihr Angst machen, und dann wäre es vorbei, bevor es richtig begonnen hatte. Er wich behutsam zurück, aber das Drängen seines Körpers ließ nicht nach. "Ich weiß einen besseren Platz hierfür", sagte er schwer atmend. Hope war in einem Zustand beschwingter Glückseligkeit. Von mir aus kann es überall sein, dachte sie verträumt. Im Bett wäre wahrscheinlich am schönsten ... Sam schlüpfte aus seinem Mantel und trug die Pflanze zu dem anderen Fenster, wo er sie abstellte. "Gut so? Was denkst du?" Ich denke, dass du hinreißend bist, schoss es ihr durch den Kopf. Du hast einen noch knackigeren Po als Dickie und Kevin, und ich liebe die Bewegung deiner Schultern, wenn du gehst. Und noch mehr als dein Aussehen liebe ich deine Berührungen, deinen Mund, deine Hände, deinen ... "Sieht toll aus", sagte sie und räusperte sich. "Der perfekte Platz. Ein bisschen weihnachtlicher Geist hat hier wirklich gefehlt." Sam drehte sich zu ihr. Sein Komm-flieg-mit-mir-Lächeln versetzte sie in plötzliche Gastgeber-Hektik. "Ich hol uns etwas zu essen, okay? Ich stell's einfach auf den Couchtisch, einverstanden? Dann können wir essen und uns unterhalten und ..." Zusammenhanglos plappernd, flatterte sie zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her und trug eine Reihe Spezialitäten aus dem Delikatessenladen auf. Chinesische Rippchen. Gegrillte Lammkoteletts. Shrimps in Remoulade. Eine Platte mit französischem Käse. Pasta-Salat. Tabbouleh. Calamares-Salat, dazu verschiedene Desserts. Ihre Servierplatten reichten nicht. Sie würde den Rest später holen, falls Sam dann noch so hungrig aussah wie jetzt. Aber sie war sich nicht sicher, ob er Hunger auf Essen hatte. Sie hungerte nach etwas anderem. Für alle Fälle hatte sie genug fürs Frühstück eingekauft. Das Windspiel schimmerte in dem gedämpften Lampenlicht. Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 1 schuf die Atmosphäre eines alten Films. Welchen alten Films, konnte Hope nicht sagen, aber sie fand, dass die Bühne stimmungsvoll
gestaltet war. Draußen schneite es unentwegt, und der dicht fallende Schnee dämpfte den Lärm der City. Neben ihr auf dem Sofa saß Sam, der die letzte Krume eines Zitronentörtchens aus seinem Mundwinkel leckte. Hope folgte dem Weg seiner Zunge, und unwillkürlich kehrte die Erinnerung an seinen Kuss zurück . Sie erbebte bei dem Gedanken an das, was kommen wurde. Ihr war klar, dass ein längeres Aufschieben kaum möglich war. Es war Zeit für das Hauptereignis. Und offenbar dachte Sam das ebenfalls. Sanft zog er ihre Hand an seinen Mund und strich mit der Zunge über ihre Fingerspitzen. "Schmeckt wie Himbeeren", sagte er. Die Liebkosung sandte einen Schauer durch Hopes Körper. "Vielleicht möchtest du noch ein … " „ ... noch ein bisschen mehr von dir kosten. Das ist alles, was ich möchte." Er zog sie näher. "Wenn deine Fingerspitzen wie Himbeeren schmecken, dann muss dein Mund auch..." "Warte", bat sie und wich zurück. "Stimmt. Wir sollten zuerst abräumen." Abräumen? Das war das Letzte, woran sie dachte. "Hast du ein Tablett?" "Ein Tablett? Ich glaube ja." Froh über die Gnadenfrist, eilte sie in die Küche, fand ein Tablett und eilte ins Wohnzimmer zurück. Binnen drei Minuten hatte Sam de Tisch abgeräumt, die Reste in Plastikbehälter gefüllt und das Geschirr in die Spülmaschine gestellt. „So“, sagte er. „Alles erledigt.“ Vielleicht hatte er etwas länger gebraucht als drei Minuten - so genau wusste Hope es nicht. Sie wusste nur, dass er viel zu früh fertig war. "Es ist noch ein bisschen Rotwein übrig", sagte er als Nächstes. "Den teilen wir uns." „Möctest du nicht lieber eine Tasse Kaffee?" fragte sie hoffnungsvoll. "Nein.“ Sein Blick verriet unmissverständlich, was er wollte. Aber seine Stimme klang sanft, als er weitersprach. "Wenn du es dir anders überlegt hast, dann sag es.“ Er legte die Hand unter ihr Kinn , strich liebkosend mit dem Daumen über ihren Hals. Hopes Puls begann zu rasen. "Nein", hauchte sie. "Es ist alles okay. Mit uns. Ich meine ... wir haben einen Deal." Sam lächelte. Mit einer einzigen mühelosen Bewegung hob er sie auf den Küchentresen und schob sich zwischen ihre Schenkel. "Vergiss den Deal. Ich werd nicht drauf bestehen, wenn du es bereust, dich darauf eingelassen zu haben." Instinktiv legte sie die Beine um seine Hüften - und war frustriert, weil sie ihn in dieser Position noch nicht ganz an ihrem empfindlichsten Punkt spürte. "Nein, ich bereue es nicht." Sie hatte plötzlich Mühe zu sprechen, aber sie musste noch etwas Wichtiges klären. "Sam, wir müssen uns schützen." Sicherheitshalber
hatte sie eine Dreierpackung Kondome gekauft und in der Schublade ihres neuen Nachttischs verstaut. "Natürlich." Sam ließ sie auf dem Tresen sitzen, ging ins Wohnzimmer und kam mit seinem Aktenkoffer zurück und öffnete ihn. "Erstaunlich", sagte er, während er eine Kulturtasche, ein Unterhemd, einen Pullover herauszog, "was man alles in einen Aktenkoffer kriegt, wenn man den Laptop zu Hause lässt. Da haben wir sie." Hope hielt die Luft an. Er hatte eine riesige Schachtel mit Kondomen mitgebracht. Während ihr Dreierpack für eine einmalige Episode ausreichte, konnte seine eine längere heiße Affäre bewältigen. Er musste ihre Gedanken gelesen haben. Oder einfach nur ihren Gesichtsausdruck. "Die große Packung war preiswerter als eine kleine." "Ja, logisch", murmelte sie. "Und sieh mal." Er zeigte auf die Aufschrift am Boden der Schachtel. "Verwendbar bis Juli 2005. Ich würde sagen, wir sind sicher. Was meinst du?" Hope fühlte sich nicht im Geringsten sicher. Sams Energie und sein Enthusiasmus, waren erschreckend. Der Appetit, mit der er ihre Leckereien verschlungen hatte, war erschreckend. Sie wollte Dunkelheit und ein schnelles Ende dieses ganzen gewagten Unternehmens. "Ich denke, ja", log sie. "Es ist wichtig, nicht nervös zu sein." Er legte die Schachtel beiseite und schob sich wieder zwischen ihre Schenkel. "Ich bin nicht nervös. Und du?" "Um Himmels willen, nein." Sie stellte fest, dass ihr das Lügen leichter fiel, je mehr Übung sie hatte. "Und selbst wenn - es würde für mich keine Rolle spielen." „Für dich nicht. Aber für mich." "Genau. Denn wenn ein Mann nervös wird, kann es sich auf die Größe seines ... äh ... Verbindungsteils auswirken." "Verbindungsteil?" Sam runzelte die Stirn. Dann erschien ein amüsiertes Glitzern in seinen Augen, und er beugte sich zu ihr. "O Hope, du bist schon zu lange im Rohrgeschäft." Seine Lippen streiften zart ihren Mund. "Hab keine Angst", flüsterte er. "Dies soll ein Vergnügen sein." Er umfasste ihr Gesicht, liebkoste mit den Daumen ihre Ohrläppchen, während er fortfuhr, sie zärtlich zu küssen. Und sie überließ sich den süßen, warmen Empfindungen, die seine Liebkosungen erzeugten. Empfindungen, die nicht im Mindesten erschreckend waren, sondern die pure Wonne. Und dann wurde sein Kuss leidenschaftlich und verlangend. Seine Finger glitten zu ihrem Hals, zu ihren Schultern, bis seine Arme sich um sie schlossen. Die Wonne verwandelte sich in ein anderes Gefühl etwas Wildes, Forderndes, als Hope den Kuss erwiderte. Sam hob sie vom Tresen und ließ sie langsam an sich hinabgleiten, bis sie ihn so spürte, wie sie es gewollt hatte - groß und hart an ihrem heißen Zentrum. Sie hörte ihn schneller atmen, fühlte ein Stöhnen in ihrer Kehle hochsteigen.
Seine sinnliche Attacke schien sich über Stunden hinzuziehen. Hope segelte auf einer Wolke wachsenden Begehrens dahin, und in dieser Wolke braute sich ein Sturm zusammen. Sie fühlte es am Hämmern ihres Herzens, an den Wellen heißer Euphorie, die sie höher und höher trugen. Die Erkundungen seiner Zunge wurden verwegener. Seine Hände umschlossen ihren Po, drückten sie noch enger an seinen Körper. Sie nahm wahr, dass er sie zum Schlafzimmer führte, und sah durch ihre halb geschlossenen Augen die Kerzen brennen, die sie für diesen Moment angezündet hatte. Am Fußende des Bettes blieb er stehen. "Du bist eine erstaunliche Frau, Hope. Du hast Haar wie Kupfer und Augen wie Smaragde. Du bist klug, du bist hübsch, du bist witzig. Es macht mich glücklich, mit dir zusammen zu sein. Und heute Nacht gehörst du mir." Er bettete sie sanft auf die geblümte Überdecke und legte sich neben Hope. Als er ihren Hals berührte und einen Finger über ihre Haut hinabwandern ließ, dachte sie, ihr Herz würde stehen bleiben. Er öffnete den obersten Knopf ihres Hausanzugs und dann den nächsten. Näher und näher bewegte sich sein Finger zu ihren Brüsten, bis er sie schließlich berührte und zwischen sie glitt. Sie bog sich ihm entgegen, hörte ihn schneller atmen. Dann waren seine Lippen auf ihrer Haut, liebkosten die Rundungen ihrer Brüste. Hope stöhnte auf. Seine Hand glitt zu ihrem Rücken, öffnete ihren BH, und ihre Brüste waren enthüllt - für seinen Mund, seine Finger, seine Zunge. Seine Liebkosungen waren die reine Folter. Sie stöhnte, wand sich, bäumte sich auf. Sie wollte mehr, so viel mehr. "Ich glaube, du solltest damit aufhören", flüsterte sie, die Finger in seinen Pullover gegraben, an dessen Stelle sie nackte Haut fühlen wollte. "Warum?' "Weil es mich wahnsinnig macht." Sie umfasste seinen Kopf und zog ihn von ihren Brüsten fort zu ihrem Gesicht, um ihn zu küssen. "Das war meine Absicht", sagte er, bevor er ihrem Drängen nachgab und sie küsste. Ungeduldig rollte sie sich auf ihn, legte die Beine um seine Seiten, hörte den Laut der Überraschung. Er fasste sie um die Hüften und zog sie fest an sich. Endlich war sie dort, wo sie sein wollte. Fast. Es war noch zu viel Kleidung zwischen ihnen. Langsam richtete sie sich auf, bis sie rittlings auf ihm saß, und blickte zu ihm hinab. Seine Augen blitzten, und sie war sich sicher, dass das nicht allein vom Kerzenlicht herrührte. Sie öffnete einen weiteren Knopf, nur um ihn zu beobachten. Seine Augen weiteten sich, wurden dann vor Erregung dunkel. Noch ein Knopf und noch einer, bis sie bei der Taille anlangte. Dann streifte sie Samt und schwarze Spitze von den Schultern und war halb nackt. Von ihrem Anblick gefesselt, hob er die Hände zu ihren Brüsten und liebkoste sie von neuem - zuerst zart, dann mit festerem Druck. Es war die reine Ekstase, so berührt zu werden. Sie beugte sich tiefer über ihn und bewegte die Hüften.
Die Intensität des Gefühls war fast erschreckend. Sam nahm ihren Rhythmus auf, bewegte sich mit ihr, steigerte ihre Lust. Ihr Blick verlor den Fokus. Die flackernden Kerzen, die an den Wänden tanzenden Schatten, die schnellen Bewegungen seiner Hüften - all das fühlte sie mehr, als dass sie es sah. Und dann fiel sie in einen Abgrund tiefster Lust. Mit einem überraschten Schrei sank sie vornüber in seine Arme. "Es tut mir Leid, ich weiß nicht, wie das passiert ist. Ich wollte nicht ... ich meine, so sollte es nicht ..." Sam schob sie auf die Decke und erstickte ihre Worte mit einem Kuss. Dann sagte er: "O ja, es sollte. Und es war gut. So gut." "War es das wirklich? War es okay, dass ich..." Weiter kam sie nicht, da er begann, sie von ihrem Samtanzug zu befreien. "Nicht nur okay." Er zog ihr den Anzug über die Füße, warf ihn in eine Ecke und verstummte, als er auf ihren fast nackten Körper blickte. "Es war ... es war ... " Sie hatte ihn sprachlos gemacht. Endlich fand er seine Sprache wieder. "Es war ungemein wichtig." Er atmete schwer, als er ihr geschickt den schwarzen Spitzenslip abstreifte. "Weil ich …“ er warf den Slip in dieselbe Richtung wie den Anzug, "nichts fühle, wenn ich nicht weiß, dass du beinahe alles gehabt hast, was du haben kannst..." Er setzte sich auf und zog sich den Pullover über den Kopf. „ ... und dem Punkt haben wir uns noch nicht einmal genähert." Seine Hose folgte dem Pullover, dann schlug er die Decke zurück. Endlich lag er nackt neben ihr. Und redete nicht mehr. Doch nur seine Stimme war still. Der Rest von ihm sprach Gedichte über männliche Vollkommenheit. Hope schwelgte im Anblick seines Körpers - die breiten Schultern, das dunkle Haargekräusel auf seiner Brust, das sich unterhalb des Nabels zu einem Streifen verschmälerte, und der unübersehbare Beweis seines Verlangens. Viel Zeit gab Sam ihr nicht, ihn mit dem Blick zu erkunden. Er beugte sich zu ihr hinab und vergrub sein Gesicht zwischen ihren Schenkeln, fand unfehlbar die Stelle, an der sie so überaus sensibel auf Berührungen reagierte, und streichelte sie mit der Zunge. Hope war verloren in einem Strudel animalischer Instinkte und machte sich keine Gedanken mehr darüber, ob er sein Vergnügen hatte. Sie fühlte nichts als die Ströme pulsierender Hitze, die in ihr wirbelten, während er mit Lippen und Zunge ihren empfindsamsten Punkt liebkoste. Hope ließ sich von ihren Gefühlen davontragen, als Sam begann, sich höher zu bewegen, ihren Bauch küsste und seine Zunge in ihren Nabel tauchte. Ein kleiner Schrei entwich ihr - sie konnte nichts dagegen tun. Sam glitt höher und höher, erreichte ihre Brüste, streichelte sie in einem kreisenden Tanz mit der Zunge, bevor sein Mund sich um die eine und dann die andere Brustspitze schloss. Jede seiner Liebkosungen sandte eine Botschaft zur unteren Region ihres Körpers. Hope schob sich näher zu Sam, ihre Finger glitten rastlos von seinem Rücken zu seinen Schenkeln, um das zu suchen, was sie wollte. Und sie fand es.
Als ihre Hand sich um ihn schloss, stöhnte Sam auf, bewegte sich im Rhythmus ihrer auf- und abgleitenden Finger. Sie blickte zu seinem Gesicht seine Augen waren halb geschlossen, die Lippen geteilt - und fühlte eine derart starke Zuneigung, dass es sie erschreckte. "Ich will es jetzt", flüsterte sie. "Noch nicht", sagte er mit belegter Stimme, während seine Finger sich wieder zu ihrem heißen Zentrum bewegten, sie streichelten und schließlich in sie hineinglitten. Sie drängte sich an ihn, fühlte wieder die Welle kommen, die sie fortzutragen drohte. Sie hielt diese übermächtigen Empfindungen nicht aus, sie musste an irgendetwas denken, um ... Es passierte ganz plötzlich, und sie konnte nur noch ihre Gefühle laut hinausschreien. Sam hielt sie eng umarmt, bis sie schließlich kraftlos in die Laken sank. Sie öffnete die Augen und merkte, dass sie tränennass waren. "Bitte", flüsterte sie, „Jetzt du." Er sah sie prüfend an, wischte eine Träne von ihrem Gesicht. Dann küsste er sie unsagbar zärtlich. Sogar jetzt spürte sie, wie er sich beherrschte. Wahrscheinlich ist dies der Moment, wo ich gehen sollte, dachte Sam. Ich sollte ihr schlicht und einfach sagen, dass ich gefühlsmäßig engagiert bin und den Deal nicht fortsetzen kann. Aber wie sollte er das seinem Körper erklären, jetzt, da er ihr Lust bereitet und dabei selbst Lust empfunden hatte? Ihre schnelle Erregbarkeit, ihre Schreie konnten ihren Mangel an Erfahrung nicht verbergen. Er hatte es rührend und beglückend gefunden, weil ihre Reaktionen echt und nicht eingeübt waren. Dieser Abend würde etwas für sie bedeuten - mehr als gut für sie war. Denn er konnte nicht der richtige Mann für sie sein, so wie sie nicht in seinen Lebensplan passte. Zwei so sehr vom Ehrgeiz beseelte Menschen wie sie beide brauchten einen ruhigen Pol, wenn sie von der Arbeit nach Hause kamen. Er musste die Sache beenden. Doch es war zwecklos, das seinem Körper zu erzählen. Tief in seinem Innern stieg ein Stöhnen hoch, und er griff nach der Kondomschachtel, die er auf den Nachttisch geworfen hatte. Sekunden später war er für Hope bereit. Sie setzte sich auf und blickte zu ihm hinab. Ihr schimmerndes Haar fiel weich um ihr Gesicht, ihre Augen glitzerten im Kerzenschein. Sanft berührte sie ihn, umschloss ihn dann mit der Hand und schob sich näher. Seine Bedenken wichen weiter und weiter in den Hintergrund. Sie hatte Ja gesagt, und das genügte. Sie war eine erwachsene Frau und er ein erwachsener Mann. Sie senkte sich über ihn, ihr Blick war voller Verlangen. So von einer Frau begehrt zu werden war immer sein Traum gewesen. Als er wieder diesen leichten Widerstand spürte, der ihn überrascht hatte, mobilisierte er seinen letzten Rest Verstand und fragte: "Bist du dir sicher? Willst du es wirklich?" "Ja", war alles, was sie sagte. Da drang er in sie ein und versank in einer Welt von Feuer und heißen Fluten.
Hope bewegte sich in völliger Übereinstimmung mit ihm, verloren in Lust und Verlangen. Sam hielt sich zurück, weil er den Moment des Loslassens mit ihr zusammen erleben wollte. Er behielt sich in der Kontrolle, bis ihr scharfer Schrei die Stille des Raums zerriss und sie erschöpft auf seine Brust sank. Jetzt endlich legte er seiner Leidenschaft keine Zügel mehr an und kam heftig erschauernd zum Höhepunkt. Als der Sturm sich gelegt hatte, rollte Sam sich mit ihr in den Armen auf die Seite. "Bist du okay?" flüsterte er und fand, dass seine Stimme irgendwie komisch klang. „Sehr okay." Sie zögerte, fügte sie flüsternd hinzu: "Und sehr froh, eine Frau zu sein." "Das bin ich auch", murmelte er. "Ich bin froh, dass du eine Frau bist.“ Es war Nacht. Hope hatte sich verträumt in Sams Arme geschmiegt, nachdem sie sich nochmals geliebt hatten - langsam diesmal und unendlich befriedigend. Es machte enorm viel Mühe, den Kopf zu bewegen, aber sie schaffte es und blickte ihn an. Sam starrte zur Decke. "Was ist das da oben an dem Balken?" fragte er mit schläfriger Stimme. "Diese Dinger mit den bunten Bändern dran. " "Rohre", sagte sie. "Teile von Rohren." "Aha." Er gähnte, schmiegte sie fest an sich und schlief ein.
8. KAPITEL Ein leiser Schmerzensschrei weckte Hope. „Vorhänge, Vorhänge", stöhnte Sam. Hatte er einen bösen Albtraum, oder flehte er sie an, die Vorhänge zuzuziehen? "Möchtest du eine Schlafmaske?" flüsterte sie. "Ich habe keine Vorhänge." Er lag flach auf dem Rücken und drehte ein wenig den Kopf. "Weißt du, so ein Ding, das man im Flugzeug kriegt, damit man schlafen kann", ergänzte sie. "Ach so. Nein, ist schon okay. Ich gewöhn mich dran." Seine Lider öffneten sich langsam. „Es muss schon ziemlich spät sein", sagte Hope und nahm dieselbe Lage ein wie er. "Ich würde sagen acht." "Bis acht habe ich noch nie geschlafen", sagte Hope. "Man braucht Vorhänge oder Jalousien, wenn man öfter so lange schlafen würde." Sie konnte nicht anders, sie rückte einen Zentimeter näher zu Sams warmem Körper. "Ich hab auch noch nie bis acht geschlafen", sagte er. „Im Sommer, wenn es früh hell wird, schlafe ich nur bis vier oder fünf."
"Um die Zeit wache ich auch im Sommer auf." Sonnenstrahlen tanzten auf dem Balken, ließen die roten und rosa Bänder an der Bambusflöte aufleuchten. Das Telefon läutete. Hope rührte sich nicht. "Willst du nicht rangehen?" "Nein." "Willst du nicht wissen, wer es ist?" "Ich weiß, wer es ist. Ich spüre, wer es ist. Und ich glaube, es ist später als acht." „Warum?" „Wenn es hier acht ist, ist es in Kalifornien erst fünf und in Chicago sieben." "Ja, stimmt." Das Läuten verstummte, und vom Anrufbeantworter im Arbeitszimmer kam Charitys gedämpfte Stimme. Hope wusste, sie bildete es sich nur ein, dass Sam einen Zentimeter zu ihr rutschte, während sie schweigend dalagen und zur Decke starrten. Sie hatte die bedeutsamste, aufregendste Nacht ihres Lebens hinter sich. Und obwohl jede Sekunde davon sie sogar jetzt noch aufwühlte, wollte sie mit niemandem darüber reden, nicht einmal mit ihren Schwestern. Auf keinen Fall würde sie dieses Erlebnis mit dummem Geplauder zerstören. Sam folgte ihrem Blick zu dem Deckenbalken. "Rohre sind Phallus-Symbole." "So ein Quatsch." "Es ist wahr. Deshalb warst du all die Jahre so auf Rohre fixiert." Sie richtete sich halb auf und griff nach ihrem Kopfkissen. "War ich nicht!“ "Hey, schrei mich nicht an. Ich bin hier nicht derjenige, der auf Rohre scharf ist." Er glitt aus dem Bett, und das Kissen klatschte auf die Stelle, wo er gerade eben noch gelegen hatte. In seiner ganzen gloriosen Nacktheit schritt er durchs Zimmer, drehte sich in der Tür zum Bad um und warf ihr ein verführerisches Lächeln zu. „Rühr dich nicht von der Stelle. Ich putze mir nur die Zähne. Dann komme ich zurück und werde dich ein für alle Mal von deiner Rohr-Besessenheit kurieren." Ein prickelnder Schauer überlief sie. "Immer langsam", sagte sie. "Dies sollte eine Notmaßnahme sein, kein Marathon." Sie ließ den Blick über seinen Körper gleiten, prägte sich jede Einzelheit ein, damit sie ihn für den Rest ihres Lebens in Erinnerung behielt. „Aber wenn ich schon einmal hier bin …“ entgegnete er nur und schloss die Tür hinter sich. Um zwei Uhr nachmittags setzte Sam sich mit einem Gefühl ungewohnter Unternehmungslust auf. Während er die Krumen des Frühstücks - getoastete Mais-Muffins mit Butter und Honig - und des Lunchs - warmer Brie, Baguette und Trauben - vom Laken wischte, dachte er über die erstaunliche Wirkung von Honig auf seine rechte Gehirnhälfte nach. Für gewöhnlich still und unauffällig, war sie plötzlich in Aktion getreten und hatte seine kreativen Kräfte belebt. "Ich weiß, was wir heute Nachmittag tun können", verkündete er.
"Ich auch", sagte Hope. "Arbeiten." "Einen Weihnachtsbaum für dich besorgen." "Ich brauche keinen Weihnachtsbaum", protestierte sie. "Ich hab deinen Weihnachtsstern und werde ihn mit Lichtern schmücken." "Das ist nicht dasselbe." "Ich bin über Weihnachten bei meiner Familie", argumentierte sie. "Mom versucht jedes Jahr, die Dekorationen von Macy's zu überbieten. Mehr Weihnachtsstimmung kann ich nicht verkraften." Sam ignorierte sie noch immer. Die beste Art, mit ihr umzugehen, wie er herausgefunden hatte. "Du hast Platz für einen Baum. Er wird deiner Wohnung das gewisse Etwas geben." "Wortspiele eines Advokaten", moserte Hope, aber er bemerkte, dass sie aus dem Bett und in einen Morgenmantel schlüpfte. "Na ja, vielleicht ein ganz kleiner Baum." "Hm", antwortete er vage. "Geh du zuerst duschen. Ich mache inzwischen eine Liste von dem Zubehör, das wir brauchen. Oder …“ er sah sie nachdenklich an, „ ... wir duschen zusammen und machen die Liste nachher." Unter der Dusche wurde Hope mit der schlimmsten aller Möglichkeiten konfrontiert - dass Sam all das Zubehör besaß, das sie für den Rest ihres Lebens benötigen würde. Es dämmerte, als Sam zwei Fünfdollarscheine aus der Brieftasche zog und sie dem Hausmeister und seinem Gehilfen zusteckte, die eine drei Meter hohe Blautanne in den Lastenaufzug geschleppt und schließlich auf dem Fußboden von Hopes Wohnzimmer deponiert hatten. "Ich verdiene auch einen Fünfer - mindestens", beschwerte sich Hope und ließ mehrere schwere Einkaufstüten auf den Boden fallen. "Sei vorsichtig mit dem Baumschmuck", warnte er mit einem scharfen Blick und bückte sich dann nach dem Karton mit dem Christbaumständer. "Über die Kerzen sind wir uns hoffentlich einig - das war zu Hause immer mein Job. Ich kann es nicht ausstehen, wenn sie nicht..." „ ... gleichmäßig verteilt sind. Richtig?" "Ich hab immer ein Dreieck benutzt." "Und ich wette, das Lametta muss einzeln aufgehängt werden." "Das war immer mein Traum, aber für das Lametta war Faith zuständig, und Faith geht das Leben spontaner an. Und Charity ... also, Charity hat immer den Schmuck aufgehängt, aber Mom hat sie nicht auf die Leiter klettern lassen, als sie klein war. Also hing zuerst alles unten und wanderte jedes Jahr etwas höher. Unser Weihnachtsbaum sah schrecklich aus, bis Charity ihre volle Größe erreicht hatte." Plötzlich fühlte Hope eine seltsame Wehmut - sie sehnte sich nach jenem schrecklich aussehenden Baum ihrer Kindheit zurück. "Sie ist von uns Dreien am größten geworden. Ihre Bäume sehen jetzt wundervoll aus." "Hast du irgendwelche alten Sachen zum Anziehen?" fragte Sam. "Wenn wir den Baum aufstellen, könnte es etwas Dreck geben."
Hope blickte an ihrem grünen Kaschmirpullover hinab. "Okay, ich zieh mich um." Sie verschwand ins Schlafzimmer. Vielleicht war es Zeit, dass Sam sie in der alten Jogginghose sah, in der sie so gern zu Hause herumhing. Vielleicht würde das unattraktive Kleidungsstück die kuschelige Atmosphäre vertreiben, die den ganzen Nachmittag zwischen ihnen bestanden hatte, während sie über Kerzen und Baum schmuck diskutierten. Sie hatte für Silberkugeln, Eiszapfen aus Kristall und Lametta plädiert und gewonnen. Dann hatte sie noch ein Sortiment preiswerter Anhänger in einem matten Rosa mitgenommen, weil sie laut Maybelle mehr Feuer in ihrem Leben brauchte. Und Maybelle schien zu wissen, wovon sie redete. Sie raffte ihr Haar hoch, schnürte ihren Pferdeschwanz mit einem roten Gummi fest und ging hinaus, um beim Aufstellen des Weihnachtsbaums zu helfen. „Weiter nach rechts", dirigierte Hope Sam, der auf der Trittleiter stand und die Kerzen auf die Zweige steckte. "Das geht nicht. Wenn ich sie nach rechts versetze, wird sie genau vor der dahinter sein." "Haben wir unseren ersten Streit?" fragte Hope etwas frostig. "Keine Spur. Wir gehen gemeinsam ein Problem an, als Team. Wir diskutieren über mögliche Lösungen. Ich habe eine mögliche Lösung." Er stieg eine Sprosse tiefer auf der Leiter und griff nach Hope, aber sie wich ihm geschickt aus. Die ausgeleierte Hose hatte nicht die erhoffte Wirkung auf ihn gehabt. Auch nicht auf ihr eigenes Befinden. Hope fühlte sich warm und behaglich. "Das würde unser Problem nicht lösen", informierte sie ihn. "Wir wären nicht in dieser Notlage, wenn wir gleich das Dreieck benutzt hätten." „Es ist keine Notlage. Es ist ein Weihnachtsbaum." Sam kam die letzte der beiden Stufen herunter. "Okay. Wir tun's auf deine Weise." „Gut, ich tu alles am liebsten auf meine Weise." „Ach ja?" Sam kam näher. „O ja." Sie begab sich auf die Suche nach ihrem geliebten Dreieck und fand es in der Abstellkammer in einem mit "Werkzeug" etikettierten Plastikkasten. Sie hatte den Kasten noch nie gesehen. Fasziniert blickte sie um sich. Ihre Abstellkammer glich einer Wohnzeitschrift-Vision vom perfekt geordneten Leben. In den Regalen reihten sich in alphabetischer Ordnung weitere Plastikbehälter unterschiedlicher Größe. "Büromaterial", "Kataloge", "Nähzeug", "Reinigungsmittel" ... „Alles okay?" fragte Sam hinter ihr. "Wow. Hier sieht's ja aus wie in einem Laden." "Ein weiterer Beitrag meiner Innenarchitektin. Sie hat diesen Tick, dass man seine Sachen in Ordnung halten soll. Hier ist das Dreieck. Lass uns mit den Kerzen weitermachen." Aber er betrachtete noch immer die Regale. "Du hast noch freien Platz. Da. Zwischen ‚Kataloge' und ‚Nähzeug' wäre Platz für …“
"Katzenfutter." "Willst du dir eine Katze anschaffen?" "Ich bin am Überlegen." Sams Blick wanderte zu dem größten der Behälter, der unter den Regalen stand. Hope wurde knallrot, als er das Etikett las. "Du sammelst Rohre?" "Es sind nur Musterstücke", erklärte sie verlegen. "Und du bewahrst sie zu Hause auf." "Es hilft, ein paar Muster hier zu haben", sagte sie steif. "Wie du weißt, arbeite ich nach Büroschluss oft noch zu Hause." Natürlich, daran hätte ich denken müssen. Hast du zufällig eine Probe von Nummer 12867 da?" Sie beäugte ihn misstrauisch, aber seine Miene war todernst. "Ja, hab ich. Der Star meiner Sammlung." Er nickte gedankenverloren. Dann kam er näher. "Irgendwie nett hier drinnen." "Ja, nicht? Fast gemütlich." "Ein Mikrokosmos davon, wie du dir dein ganzes Leben wünschst." "Wie bitte?" "Wünschst du dir nicht, dass dein Leben so tiptop geordnet wäre wie diese Kammer? Jedes Ding an seinem Ort? Mit einem Deckel drauf, der zu bleibt, bis du Zeit dafür hast?" "Und mehr Platz für alles", murmelte Hope, der die Vorstellung zu gefallen begann. "Für alles, was ein Leben enthalten sollte. Ein wenig Büromaterial, ein wenig Nähzeug ... " "Davor kommt das F für Familie und Freunde", sagte Sam, der jetzt ganz nah hinter ihr stand. Sie erbebte, als seine Arme sich um sie schlossen. "Und das L für Leidenschaft. Für Liebe. Das E für Ehe", fuhr er fort. "Und bei K ist Platz für beides - Katzenfutter und Kinder." Es wurde vollkommen still in dem winzigen Raum. Hope drehte sich in seinen Armen und blickte zu ihm hoch. "All das möchtest du?" "Irgendwann. Und du?" "Irgendwann." Er seufzte. "Ich hatte diese Woche gute Nachrichten", sagte er. "Das heißt ... gute und schlechte." Sie wartete. Irgendwie ahnte sie, was er sagen würde. "Der Magnolia-Heights-Fall kommt vor Gericht. Ich soll Palmer vertreten." Ihr Herz begann zu hämmern. Ob vor Freude für Sam, oder weil um ihr Produkt prozessiert werden würde, oder wegen ihres Wissens um die hektische E-Mail-Korrespondenz, wusste sie nicht. "Dies bedeutet, dass ich höchstwahrscheinlich in die Sozietät aufgenommen werde. Phil hat das klar durchblicken lassen." Was dieses Thema betraf, hatte sie keine Gefühlskonflikte. Sie schlang die Arme um Sam. "O Sam, das ist wundervoll. Ich freue mich so sehr für dich." "Noch ist nichts entschieden. Der Vorstand konferiert am einundzwanzigsten Dezember. Dann werde ich es definitiv wissen. "
"Du wirst es schaffen, da bin ich ganz sicher." Und danach kam der Prozess. Und seine neuen Aufgaben als Sozius. Er würde keine Zeit mehr für sie haben. Aber ihr Deal sollte sowieso nach Weihnachten enden, sie hatten beide dieses Zeitlimit gewollt. Warum erschien es ihr plötzlich als eine so schlechte Idee? Sie fühlte sich besser, als sein Ton wieder lockerer wurde. "Aber erst mal müssen wir es schaffen, einen Weihnachtsbaum in regelmäßigen Abständen mit Kerzen zu versehen." "Alles dran. Fehlt nur noch der Stern auf der Spitze."
Hope schlug sich vor die Stirn. "Wie konnte ich den Stern vergessen!"
„Ach, das ist nicht weiter tragisch. Ich hab morgen in der Innenstadt ein
Geschäftsessen und kann auf dem Rückweg zum Büro einen Stern für die Spitze besorgen." Sie nickte. "Okay. Es sei denn, mir fällt vorher eine Alternative ein.“ Die Wahrheit war, dass sie Sams Stilsicherheit nicht ganz traute. "Wie spät ist es?" fragte er abrupt. Als sie auf ihre Uhr blickte, wurde ihr bewusst, dass sie das letzte Mal auf die Zeit geachtet hatte, als sie auf Sam wartete. Letzten Abend um fünf vor sieben ... Seitdem war das Leben zeitlos gewesen, ohne Begrenzungen. Morgen war Montag - Rückkehr in die reale Welt. Merkwürdig, dass sie bei dem Gedanken einen unangenehmen Druck im Magen spürte. Für gewöhnlich freute sie sich auf die Montage. "Es ist sieben", erwiderte sie. „Hast du Hunger? Ich habe jede Menge Reste."
Er hob ihr Kinn. "Die Stunde der Wahrheit ist gekommen."
"Okay.“
"Wenn du möchtest, dass ich gehe, sag es."
„Also ... nein, ich..."
"Sei ehrlich."
Sie blickte in seine Augen. Und wusste, dass sie es nicht aushalten würde,
wenn er ginge. "Nein", flüsterte sie, "ich möchte nicht, dass du gehst, aber wenn du zu tun hast, habe ich volles Verständnis." "Natürlich habe ich zu tun. Ich hab immer irgendwas zu tun. Aber ich habe keine Lust, jetzt in diesem Moment Akten zu wälzen. Ich hab einen Deckel drauf getan." Sie nickte.
"Du hast auch Dinge zu tun", fuhr er fort und lächelte. "Es ist Sonntagabend.
Soweit ich mich erinnere, ist das der Abend für die Gesichtspackung. " Und für die Haarkur, die Maniküre und Pediküre. "Das kann warten.“ "In dem Fall geh ich rasch ein paar Besorgungen machen." Es war verblüffend, wie schnell er in Aktion treten konnte. "Hol die Reste raus", sagte er, während er in seinen Mantel schlüpfte. "Ich bin in einer Dreiviertelstunde zurück. Brauchst du irgendwas?"
Sie überlegte kurz. "Falls du zufällig eine Styropor-Kugel triffst - ungefähr so groß - und ein Töpfchen Goldfarbe. Das wäre toll." "Und wo könnte ich die treffen?" "Ich würd's in einem Drugstore versuchen." „Alles klar." Ein schnelles Lächeln, und er war fort. Kaum war die Tür hinter ihm zugeschnappt, stürzte Hope wie eine Besessene ans Telefon. "Wie geht's, Schätzchen?" wollte Maybelle wissen. "Gut. Vielen Dank für die Blumen. Sie sind wunderschön." "Vergessen Sie nicht, frisches Wasser nachzufüllen. Dann halten sie sich lange." "Ich werd dran denken. Was ich Sie fragen wollte - könnten Sie vielleicht Dienstagabend vorbeikommen, damit wir die Dinge zum Abschluss bringen?" "Gut. Dienstagabend passt mir." Maybelle machte eine Pause. "Sind Sie wirklich okay?" "Absolut." Hope fragte sich, warum sie dies plötzliche Bedürfnis hatte, mit Maybelle zu reden. Wie sollte Maybelle ihr aus dem Wirrwarr heraushelfen können, in den sie sich hineinmanövriert hatte? Sie dachte an die ordentliche Abstellkammer, und ihr wurde klar, dass sie bei Maybelle Hilfe suchte, weil sie mehr tat, als Leuten ihre Wohnungen einzurichten. Sie entwirrte ihr Leben. "Wir sehen uns dann also Dienstag. Falls Sie hier gern noch mehr tun möchten, können wir uns darüber unterhalten. Und vielleicht könnten Sie bis dahin meine Rechnung fertig machen." Aus dem Hörer kam leises Gegacker, aber es waren keine unfreundlichen Laute. "Also dann bis Dienstag." Hope legte auf und hastete in die Küche. Es gab noch eine Menge zu tun. Als Sam zurückkam, hatte sie den runden Tisch mit Zeitungen bedeckt und darauf mehrere Dutzend dünne Rohrstücke von unterschiedlicher Länge ausgelegt. Sie hatte die Platten mit den Resten auf den Couchtisch gestellt. Und sie hatte sich umgezogen. Jetzt trug sie ein langes Hauskleid aus violettem Samt. Darunter war sie nackt - eine kleine Überraschung für Sam. Er betrachtete zuerst sie, dann das Arrangement auf dem Tisch. Wortlos nahm er eine Styropor-Kugel und eine Spraydose mit Goldfarbe aus einer der Tragetüten in seiner Hand. "Warum bin ich mir so sicher, dass das ein Stern sein wird, wenn du fertig bist?" "Vielleicht weil du übersinnliche Kräfte hast?" fragte Hope mit einem strahlenden Lächeln. Unglücklicherweise läutete das Telefon. Und unglücklicherweise nahm Hope den Hörer ab. "Das kannst du nicht mit uns machen, Hope", klagte Faith weinerlich.
„Auf einen Anruf stundenlang nicht zu antworten", sagte Charity streng. "Wir waren drauf und dran, Mom und Dad zu alarmieren. Sag mal, was höre ich da im Hintergrund?" "Es ist ‚Die Nacht der Freude', flüsterte Faith ungläubig. "Tatsächlich! Du hörst Weihnachtslieder?" fragte Charity. Sam kam auf Hope zu und hielt ihr sein Glas mit Eierpunsch an den Mund. "Na ja, es ist schließlich Weihnachtszeit“, bemerkte sie. "Aber du hast doch sonst nie herumgesessen und dir Weihnachtschoräle angehört." "Rufen wir zu einer unpassenden Zeit an?" fragte Charity plötzlich. Sie besaßen übersinnliche Kräfte. Sie konnten tatsächlich den Eierpunsch hören. Und ohne jeden Zweifel konnten sie ihren schneller werdenden Atem hören, als Sam den Arm um ihre Taille schlang und einen Tropfen Eierpunsch von ihrem Mundwinkel leckte. "Na ja, dies ist mein Schönheitspflege-Abend", sagte sie. "Ich melde mich, sobald ich Zeit habe." Als sie aufgelegt hatte, ließ sie sich seufzend in Sams Umarmung sinken. "Ich habe eine Idee", murmelte er. "Du bist heute Abend voller Ideen. Was ist es jetzt?" "Na ja, dies ist dein Schönheitspflege-Abend", ahmte er ihren Tonfall nach. Dann wurde seine Stimme rau. "Wie wär's, wenn ich dir bei deinem Programm helfe?" "Was für eine entzückende Idee. Wo fangen wir an?" "Du hast die Wahl. Zehen oder Finger." Sein Ton war träge, sein Blick verhangen. „Für gewöhnlich fange ich mit einem Fußbad an", sagte sie und tupfte zarte kleine Küsse über seine Wange. Unvermittelt wirbelte er sie herum, und sie fand sich auf dem Sofa liegend wieder, den Kopf auf der Armlehne - ihn gegenüber. "Sam, ich habe Fußbad gesagt, nicht..." Er hatte ihren Samtslipper ausgezogen und ihren Zeh in den Mund genommen, ließ die Zunge darum kreisen, sog sanft daran, während er ihre übrigen Zehen, ihre Fessel, ihre Wade liebkoste. Flammen schienen Hope zu durchzüngeln, und ihr war, als schmelze ihr Inneres zu flüssiger Glut. Langsam zog er den Mund fort, ließ die Zunge über ihre anderen Zehen gleiten, und über die empfindliche Haut dazwischen. Hope stöhnte und bog den Rücken durch. Ihre Zehen fühlten sich wundervoll an, aber der Rest von ihr war total vernachlässigt. Sie musste mehr von ihm haben. Sie schob ihren anderen Fuß zwischen seine Beine, drängte sie auseinander, bewegte den Fuß vorwärts und fühlte seine Reaktion, als sie ihr Ziel erreichte. Sie merkte, dass Sam das Interesse an ihren Zehen verlor. Seine Lider senkten sich, und er atmete schneller. "Das ist ja vielleicht ein Power-Fuß", murmelte er heiser und griff danach. Sie überließ ihm ihren Fuß und ersetzte ihn einfach durch den anderen. Sam begann, sich an ihrem liebkosenden Fuß zu bewegen, während er an den Zehen ihres anderen Fußes sog.
Dies erforderte mehr Konzentration, als sie aufbringen konnte. "Es würde mehr Spaß machen", keuchte sie, "wenn du nackt wärest." "Wie könnte es noch mehr Spaß machen?" Er konnte kaum sprechen, seine Liebkosungen wurden mit seinem wachsenden Verlangen willkürlicher. "Ich zeig es dir." Sie beugte sich vor und hantierte an seiner Gürtelschnalle. Er beendete seine Attacke auf ihre Zehen, um ihr zu helfen. Seine Hose samt Boxershorts segelte auf den Boden, gefolgt von den Socken. Sie zog ihm den Pullover über den Kopf, aber er verhedderte sich und hielt ihn gefangen. Die Gelegenheit nutzend, lief sie ins Schlafzimmer, kam schnell wieder zurück und fand Sam dort vor, wo er sein sollte - nackt auf dem Sofa sitzend und mit den Bündchen seines Pullovers kämpfend. Sie befreite ihn von den Fesseln, hielt stattdessen aber seine Handgelenke fest. Soweit es ging, breitete sie seine Arme aus und drückte ihn aufs Sofa, entzückt über seinen verblüfften Ausdruck. Langsam spreizte sie die Beine, setzte sich rittlings auf ihn und ließ den Rock des Samtkleids Stück für Stück hochgleiten, während sie sich auf ihn zu bewegte - bis ihr pulsierendes Zentrum auf seine heiße Härte traf. Er stöhnte. "Jetzt hab ich dich", flüsterte sie ihm ins Ohr, ließ dann ihre Zunge hineingleiten, fühlte ihn unter sich zucken. "Na, ist das nicht entschieden mehr Spaß?" Es fiel ihr schwer, zu sprechen und zu denken. Ihre Begierde wurde übermächtig. "Lass mich hoch, Frau, und ich werd dir zeigen, was Spaß ist." "Niemals. Du bist mein Gefangener und musst mir zu Willen sein." Sie spürte die Kraft in seinen Armen, die Energie in seinen Muskeln. Er hätte sich mühelos befreien können, aber stattdessen kämpfte er unter ihr, wand sich, bäumte sich auf und schürte ihre Lust noch mehr. Sie überzog sein Gesicht mit Küssen, presste ihre Brüste an ihn. Es geriet außer Kontrolle, dieses Spiel. Irgendetwas fehlte - die Berührung seiner Hände. Sie ließ ihn los und fühlte, wie seine Hände instinktiv zu ihren Hüften glitten. Ein rauer Laut kam tief aus seiner Kehle. "Du Versucherin", murmelte er, während er die Finger unter sie schob und sie fast zum Wahnsinn trieb. "Du kleine Verführerin, du schamloses Weib." „Also, damit kannst du mich wirklich nicht treffen", konterte sie, obwohl sie kaum zu sprechen fähig war. Sie griff zum Tisch und hatte Sam in Sekundenschnelle ein Kondom übergestreift. Dann führte sie ihn zu sich. Beide stöhnten auf, als er tief in sie eindrang. Ungeduldig streifte er ihr das Kleid über den Kopf, zog sie dann fest an sich. Hope barg das Gesicht an seiner Schulter, überließ sich dem Sturm der Lust. Sie schrie, als ein Beben ihren Körper erschütterte und sie in unermessliche Höhen wirbelte, so dass sie kaum Sams heiseren Laut hörte, als er den Gipfel erreichte. Erschöpft sanken sie gegen die Kissen. Sam hielt sie fest umschlungen, wiegte sie auf und ab, bis die Wellen der Ekstase schließlich verebbten und ein Gefühl friedvoller Sättigung in ihr hinterließen.
Er brachte sie beide behutsam in die waagerechte Lage, und als sie Seite an Seite auf dem Sofa lagen, fragte er: "Na, willst du dir jetzt deine Fingernägel vornehmen?" Sie lachte leise. "Nein." "Oder das Zeug auf dein Haar tun, das es glänzend macht?" "Nein." Sie lagen schweigend da. Bei dem Gedanken ans Bett entschied Hope, dass sie zu müde war, um dorthin zu kommen. Ihre Augen gingen schon von selbst zu. Das Einzige, was sie noch sehen konnte, waren die Lichter am Weihnachtsbaum und das glitzernde Lametta. „Was sollte das eigentlich alles, Sam?" fragte sie schläfrig und kuschelte sich an ihn. "Der Baum und der Eierpunsch und die Weihnachtslieder?" Es dauerte lange, bis er antwortete. "Was ich mir dabei gedacht habe", murmelte er schließlich, "war wohl, dass, wenn wir nicht alles haben können, wir wenigstens einen Teil haben könnten." "Es war eine gute Idee", sagte sie und hob ihren Kopf für einen letzten Kuss.
8. KAPITEL Sam ging bei Morgenanbruch nach Hause. Seine Wohnung erschien ihm noch freudloser als sonst, als er in dem winzigen Bad duschte und sich rasierte, dann seinen vollgestopften Wandschrank öffnete und einen seiner teuren Anzüge herausnahm. Auf ein gepflegtes Äußeres achten. Eine genau kalkulierte Summe für Limousinen ausgeben, für trendige Restaurants, für Parkettplätze bei Theateraufführungen am Broadway, italienische Schuhe, sorgfältige geplante Wohltätigkeitsspenden. Die Kiste Wein von www.Burgunder.corn. würde er auf zwölf Geschenktüten verteilt zu Weihnachten in der Firma verschenken. Großzügig sein, wenn es darauf ankam. Ansonsten sparen und zwar so, dass es niemand bemerkte. Nach seinen sechs Jahren bei Brinkley Meyers hatte er endlich sein CollegeStudiumsdarlehen abgezahlt und für seine vier Neffen einen Fonds eingerichtet. Als Sozius bei Brinkley Meyers würde er auf dem Gipfel sein. Sein Anrufbeantworter blinkte. Er drückte den Knopf, während er die Manschettenknöpfe an seinen Hemdsärmeln befestigte. „Hallo, Sam." Es war seine Mutter. "Du kommst doch zu Weihnachten, nicht? Ruf an, und gib uns Bescheid, wann Dad dich am Flughafen abholen soll." Sam fluchte. Er hatte sein Ticket noch immer nicht gekauft. Hope würde Weihnachten zu Hause feiern. Er wusste, dass sie aus Chicago stammte, zwei Schwestern hatte und dass ihre Mutter Weihnachten ganz groß schrieb. Das war so ziemlich alles. Es gab so viel, was er nicht über sie wusste
und wahrscheinlich nie erfahren würde. Als Nächstes ertappte er sich bei der Frage, was Hope sich wohl zu Weihnachten wünschte. Er zog energisch seine Krawatte zurecht. Eine Stunde später war er im Büro, wo sich um ihn herum Stapel von Kartons türmten. Sie alle trugen das gleiche Etikett: "Magnolia Heights“. "Das sind fast alle", sagte der nette Jurastudent, der in der Kanzlei jobbte, und rollte einen weiteren voll beladenen Transportwagen herein. Er hätte fast Cap Waldstrum über den Haufen gefahren, der durch die offene Tür in Sams Büro kam. "Morgen, Sam. Hab gehört, Sie haben den großen Fall gekriegt." Er lächelte gezwungen. "Herzlichen Glückwunsch. Sie sind hier ganz klar der Kronprinz.“ „Weil ich diesen Fall bekommen habe?" "Weil Sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren, um den Fall übertragen zu bekommen." Bevor Sam etwas erwidern konnte, fuhr Sam fort: "Hab versucht, Sie am Wochenende zu erreichen, aber sie waren wohl unterwegs, oder?" "Ja. ich war unterwegs." Cap zögerte. "Sehen Sie Hope Sumner noch?" "So oft wie möglich." „Mächtiger Zufall, dass sie bei Palmer ist." "Ja", antwortete Sam kurz angebunden und hoffte, dass Cap den Wink verstand und ihn arbeiten ließ. „Kleine Welt, wirklich- Miss Sumner bei Palmer und Sie bei Brinkley Meyers und mit dem Fall betraut." Das reichte. Sam stand auf - "Wollen Sie mir unterstellen, dass ich mich mit Hope angefreundet habe, um den Fall zu bekommen?“ "Zum Teufel, nein, Mann", sagte Cap mit einem Ausdruck äußerster Verblüffung. "Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, dass ich aus der Wirtschaftsabteilung gern zu ihrem Team gehören würde. Deshalb habe ich auch versucht, Sie zu erreichen. Ich war bei den Bemühungen um einen außergerichtlichen Vergleich intensiv beteiligt und würde bei dieser Sache gern bis zum Ende mitmachen." Sam war verblüfft. Cap erbot sich, ein Mitglied seines Teams zu werden, statt ein eigenes Team zu leiten? "Danke, Cap. In ein paar Tagen werde ich wissen was ich an Unterstützung brauche. Es wäre gut, jemanden zu haben, der die Fakten kennt. Ich gebe ihnen Bescheid.“ Er machte eine Pause. "Wie geht's Muffy und den Kindern? Schon für Weihnachten gerüstet?" Als Cap gegangen war, griff Sam zum Telefon und reservierte für den vierundzwanzigsten Dezember einen Flug nach Ornaha. Für zwei Personen. Für alle Fälle. Sie trug ein Power-Kostüm von Hope Sumner, saß in Hope Sumners Büro an Hope Sumners Schreibtisch. Warum also war Hope Sumner, die tüchtige Marketing-Kraft, nicht präsent?
Alles, was präsent war, waren Gefühle in gewissen Körperpartien, die nicht das geringste Interesse an den Palmer-Produkten hatten und sie fortwährend an andere Freuden erinnerte. Sam stellte alles andere in den Schatten. Aber Sam war nur eine Übergangsmaßnahme. Er passte nicht in ihren Lebensplan - sie musste sich wieder auf ihre eigenen Ziele besinnen. Höchste Zeit, dass sie es tat. Sie straffte die Schulter und hob den Kopf. Im selben Moment läutete das Telefon. "Hope Sumner."
"Hier Slidell."
"Oh, Sie sind es. Sie hatte nicht gedacht, dass Slidell und die anderen Freaks
vom technischen Dienst etwas so Antiquiertes wie ein Telefon handhaben konnten. „Wie klappt's mit dem Ersatz-Laptop?" "Bestens. Hat mich noch nicht im Stich gelassen." Und tut mehr, als ich verlangt hatte. Bentons E-Mails kamen noch immer auf ihrem Ersatz-Computer an. "Wann bekomme ich meinen Laptop zurück?" "Der ist hin. Ich hab einen neuen für Sie bestellt. Muss in ein paar Tagen da sein. Wollen Sie auch die Tasche dazu? Kostet zweihundertfünfundzwanzig Mäuse.“ "Was? Sie haben den Preis erhöht? Hat die Tasche eine verbesserte Polsterung im Wert von fünfundzwanzig Dollar?" „Hm. Wollen Sie die Tasche nun oder nicht?" "Nein. Wenn die Zweihundert-Dollar-Tasche nichts genützt hat, wird die teurere auch nichts nützen." Eigentlich war die Unterhaltung damit beendet, aber von Slidell kam nicht die erwartete Schlussfloskel. "Ich wollte nur sichergehen, dass das alte Ding seinen Dienst tut." "Wie ich gerade sagte, es tut seinen Dienst."
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
"Dann also vielen Dank“, sagte Hope.
Schließlich brach er die Stille. "Okey-dokey. Vorerst ist er Ihrer. Machen Sie
das Beste draus." Nach dieser überraschenden Erklärung legte er auf. Machen Sie das Beste draus. Hope starrte auf den Monitor. Ein Signalton verkündete, dass eine E-Mail eingegangen war. Für sie? Nein, für Benton. "Machen Sie das Beste draus." Hieß das etwa: Öffnen Sie Bentons E-Mails? Es war zu riskant, die neue Mall zu öffnen, die er noch nicht gelesen hatte. Aber die älteren Nachrichten könnte sie sich ansehen, ohne dass er es je erfahren würde. Nein, sie konnte nicht in Bentons Privatsphäre eindringen. Es war nicht nur ungehörig, es war illegal. Aber es war der einzige Weg, herauszufinden, was der hektische Austausch von Nachrichten bedeutete. Ein Summton kündigte einen Hausanruf an. "Mr. Quayle würde Sie gern sprechen, wenn Sie eine Minute Zeit haben", sagte Bentons Sekretärin.
Er hat es rausgekriegt, schoss es Hope durch den Kopf. Er weiß, was ich getan habe. Sie riss sich zusammen und erwiderte ruhig: "Ich kann sofort kommen." „Nehmen Sie Platz, Hope", sagte Benton, freundlich wie immer. Sie setzte sich in den Sessel ihm gegenüber und wartete. "Sie haben ja sicher schon gehört, dass mir in dem Magnolia-Heights Fall vor Gericht gehen." "Ja. Das macht Ihnen Sorge, nicht wahr?" "Es ist in der Tat eine Sorge. Ich hatte fest auf eine Einigung gehofft." "Jedenfalls ist es beruhigend zu wissen, dass Nummer 12867 nicht das Problem sein kann." Er lächelte schwach. "Das ist einer der Gründe, weshalb ich mit Ihnen sprechen wollte. Ich schätze Ihre Loyalität gegenüber der Firma und weiß, dass ich mich auf Sie verlassen kann." "Danke, Benton. " Sie verdrängte ihre Schuldgefühle. „Palmer ist für mich wie eine Familie." "Ja, ich weiß. Und Ihre Treue wird belohnt werden, Hope." Ihr stockte der Atem. Deutete er an, dass man sie zur stellvertretenden Leiterin der Marketingabteilung befördern würde? "Palmer hat die Angestellten immer großzügig für ihre Arbeit belohnt“, sagte sie und meinte es auch so. Gehaltserhöhungen waren prompt und regelmäßig gekommen. Sie verdiente jetzt mehr Geld, als sie ausgeben konnte. "Ich kann also weiterhin auf Sie zählen - ganz gleich, was passiert?" Etwas in seinem Ton machte sie hellhörig. „Ja, sicher, aber was sollte passieren? Wir haben einen Prozess vor uns, aber wir wissen, dass das Rohr nicht schuld an den Schäden ist." Benton machte ein grimmiges Gesicht. "Natürlich nicht. Aber ich fürchte, wir haben hier jemanden in der Firma, der alles andere als loyal ist. Ich will keine Namen nennen und niemanden beschuldigen, aber es sind einige unschöne Dinge passiert." Hope fühlte, wie ihre Ohren rot wurden, und war froh, dass ihr Haar sie bedeckte. "Es tut mir Leid, das zu hören." Benton nickte sorgenvoll, darin erhellte sich seine Miene ein wenig. „Ihr junger Mann wird uns vor Gericht vertreten. Sehen Sie sich noch?" "Ja, wir sehen uns so oft wir können. Wir haben beide viel zu tun." Er schien kaum hinzuhören. "Dieser Fall könnte ihm einen großartigen Ruf verschaffen. Mit Ihnen an der Seite, um ihn zu erinnern, dass für ihn gut ist, was für Palmer gut ist ... " Jetzt schrillten die Alarmglocken in ihrem Kopf. Benton hatte mehrfach das Wort "Loyalität" verwendet, und Loyalität bedeutete mehr als engagierte Arbeit. Loyalität bedeutete, dass man zu seiner Truppe hielt, ob sie im Recht war oder nicht. Plötzlich wusste Hope mit absoluter Sicherheit, dass in dem Magnolia-HeightsFall etwas faul war.
"Benton“, sagte sie ruhig, "meine Zuversicht bei diesem Fall geht tiefer als meine Loyalität. Sie beruht auf meinem absoluten Vertrauen in die Qualität dieses Rohrs. Wenn Sie mir erzählen, dass das Rohr Mängel hat..." Er blickte ihr gerade in die Augen. "Es hat keine Mängel." "Dann ist es ja gut. Denn wir wissen alle beide, dass man gegenüber seinem Anwalt unbedingt aufrichtig sein muss. Sein Job ist, den Beschuldigten zu verteidigen, aber er muss wissen, wogegen er ihn verteidigt. Sonst kann er nicht..." Benton erhob sich. "Ich weiß, wie Anwälte arbeiten." Hope wusste, sie war zu weit gegangen, und stand ebenfalls auf. "Natürlich wissen Sie das, Benton. Ich habe absolutes Vertrauen in dieses Rohr - und in Sie." "Falls Sie irgendwelche Gerüchte hören, etwas, das ich wissen sollte, werden Sie mich sofort unterrichten, nicht wahr?" "Selbstverständlich", murmelte sie, schon halb aus der Tür. Körperlich und psychisch erschöpft, ging Hope an diesem Abend früh nach Hause. Sie sehnte sich nach Sam, überlegte, ob sie ihn anrufen und bitten sollte, herüberzukommen. Ihre Gedanken an Sam schwanden, als sie ihre Wohnung betrat und das alarmierende Geräusch plätschernden Wassers hörte. "Ein Rohrbruch!" schrie sie. In der Erwartung hochgewölbter Parkettböden, aufgeweichter Tapeten und nasser Teppiche rannte sie in die Küche, in die Gästetoilette, ins Bad. Etwas langsamer verließ sie das Badezimmer, verwundert, dass das Problem nirgends sichtbar war. Sie ging wieder ins Wohnzimmer, in Richtung Sofa. Das Geräusch wurde stärker. Als sie sich auf das Sofa setzte, mischte sich ein seltsames Gurgeln in das plätschernde Geräusch. Sie fuhr mit dem Kopf herum. Maybelle war wieder tätig gewesen. Auf einem langen schmalen Tisch hinter dem Sofa befand sich eine große steinerne Schale, in die sich unter einem winzigen Bonsai-Baum ein Mini-Wasserfall ergoss. Erleichtert sank Hope in die Kissen. Ein Springbrunnen. Sie dachte an einen Rohrbruch, und es war einfach nur ein Springbrunnen - ein weiteres Labsal für die gestresste Karrierefrau. Sie hatte auch an all die Schäden gedacht, die ein defektes Rohr verursachte an die Zerstörung ihrer Besitztümer, an den schimmeligen Geruch der Teppiche, an die hässlichen Streifen und die Wasserflecken an den Wänden und Decken. Die Bewohner von Magnolia Heights lebten seit Monaten unter solchen Bedingungen. Kein Wunder, dass sie zornig waren und Schadensersatz forderten. Hopes Entschluss stand fest. Morgen würde wie nach Magnolia Heights fahren und sich selbst ein Bild von den Zuständen machen. Sie trat an den runden Tisch und vergewisserte sich, dass ihre Bastelarbeit getrocknet war. Einen Moment später kletterte sie die Küchentrittleiter hoch und schaffte es, den Stern an der Spitze des Baums zu befestigen. Dann trat sie
zurück, um ihr Werk zu bewundern. Mit der glänzenden goldenen Kugel in der Mitte und den ringsum herausragenden Rohrstücken sah es eher wie ein Satellit aus, war aber trotzdem sehr eindrucksvoll. Und es steckte viel Liebe darin. Sie rief sich das Wochenende mit Sam in Erinnerung, und ein schmerzliches Verlangen erfasste sie. Hatte sie so intensiv an ihn gedacht, dass er zum Telefon griff? Oder war es möglich, dass er auch an sie gedacht hatte? Was immer, als das Telefon läutete, wusste sie, dass es Sam war. „Hi", sagte er. Nicht mehr: "Hope? Hier Sam." Das Wörtchen "hi" bedeutete einen neuen Grad der Vertrautheit. Augenblicklich ging ihr Herzschlag schneller. "Hi, Sam." "Hattest du einen guten Tag im Büro gehabt?" "Es war okay. Und wie war's bei dir?" Das Ungesagte vibrierte zwischen ihnen, sie spürte die sinnliche Spannung. "Auch okay." Sam schwieg eine Sekunde. "Ich habe mit der Arbeit am Magnolia-Heights-Fall begonnen." "Wie sieht's aus?" "Na ja ..." Sam schien abgelenkt zu sein, und sie fragte sich, wo er war. Sie hörte eine Stimme im Hintergrund und undeutliche Geräusche. Lief sein Fernseher? Oder war er in einer Bar? Mit Freunden? Sie verdrängte den Anflug von Eifersucht. "Es wird nicht leicht sein. In diesem Fall stecken viele Gefühle - ein Leckerbissen für die Medien. Man kann nur hoffen, dass es ein fairer Prozess wird." "Aber die Schuld liegt nicht bei Palmer. Das ist doch alles, was du beweisen musst, nicht wahr?" „Du denkst wie ein Anwalt." Er klang amüsiert. "Nein. Ich denke wie die potenzielle stellvertretende Leiterin der Marketingabteilung." Sie erzählte ihm von ihrem Gespräch mit Benton, wobei sie nur die positiven Teile erwähnte und die beunruhigenden wegließ. "Ich denke also vollkommen egoistisch." "Ich auch", sagte er und seufzte. Dann: "Machst du heute Abend deine Mädchensachen? Ist die Maske dran und die Haarkur?" "Das hat bis Mittwoch Zeit", sagte sie zu ihrer eigenen Überraschung. "Ich nehme mir den Abend frei." "Gut für dich." "Und ich werde keins dieser grässlichen TV-Dinner essen. Ich lasse mir ... ja, ich werde mir indisches Essen bestellen.“ "Für eine oder zwei Personen?" Sie glaubte wieder Sams Arme um sich zu fühlen und den Duft seiner Haut wahrzunehmen. "Indisches Essen ist für zwei immer interessanter. Man kann eine Menge Beilagen bestellen und miteinander teilen. Ich schätze, du bist zu beschäftigt, um ..."
"Keineswegs." Er reichte dem Taxifahrer einen Schein, nahm die Schachtel mit Weihnachtskeksen vom Sitz und stieg vor Hopes Haus aus. "Ich bin in zwei Minuten bei dir." Eigentlich hatte er sich darauf gefreut, sie wieder mit ihrer grünen Maske zu sehen. Es wäre wie ein Jubiläum gewesen.
10. KAPITEL Neben Sam aufzuwachen war zu schön, um es mit Worten zu beschreiben. "Wie spät ist es?" Er gähnte verschlafen. "Fünf." Er rollte herüber und nahm sie in die Arme. "Ich wüsste, was ich jetzt gern täte. Aber leider muss, ich nach Hause. Leider." Widerstrebend rollte er wieder zur Seite. "Trink einen Kaffee, bevor du gehst." "Gern. Was dagegen, wenn ich hier dusche? Das spart einen Schritt.“ Sie lächelte ihn an. „Fühl dich wie zu Haus." Zehn Minuten später saßen sie an dem kleinen runden Tisch im Wohnzimmer, er geduscht und in dem Anzug vom Vortag, Hope in ihrem weißen Bademantel und in Hausschuhen. Sie schenkte ihm Kaffee nach, froh, dass sie noch Zimtbrötchen gehabt hatte. "Danke. Dein Kaffee ist ein richtiger Wachmacher." Er trank einen Schluck und stellte seine Tasse ab. "Lass uns die paar Minuten Ruhe nutzen und unsere Termine koordinieren", schlug er vor und zog seinen Palm Pilot hervor. „Gute Idee", murmelte sie und griff nach ihrem Palm Pilot. Sie hätte jetzt gern einen Fotoapparat gehabt, um für die Nachwelt festzuhalten, wie sie beide in ihrem Wohnzimmer am Kaffeetisch saßen und auf den Tasten ihrer Weincomputer herumtippten. Es war eine so gemütliche Szene. "Keine Party heute, stimmt's?" "Ja. Keine Party. Und um sieben kommt Maybelle zu mir." "Sag ihr, dass mir gefällt, was sie mit deiner Wohnung getan hat." „Mach ich." "Besonders der Springbrunnen. Ich wette, er gefällt dir auch. Es sind Rohre drin." "Es reicht." Aber ihr Ärger war nur gespielt, und Sam wusste es. "Okay. Jetzt morgen Abend. Was ist das für eine Party?" "Ein kleines Geschäftsessen bei einem unserer Kunden. Wahrscheinlich wird es sterbenslangweilig. Du musst nicht mitkommen, wenn du keine Zeit hast." "Es steht auf meinem Terminplan. Natürlich komme ich mit." "Danke." "Donnerstag findet die Party bei Cap statt, draußen in New Jersey."
"Darauf freue ich mich. Ich werde endlich Muffy kennen lernen."
"Du wirst sie bestimmt mögen. Vor ihrer Schwester musst du mich allerdings
beschützen. Sie interessiert sich für mich." "Ich werde alles tun, um ihre Hoffnungen zu zerstören", versprach Hope." "Das ist nicht anzunehmen." "Freitagabend wirst du die Leute kennen lernen, die ich meine Freunde nenne." Auf seinen neugierigen Blick hin erklärte Hope: "Wir kommen ungefähr zwei Mal im Jahr zusammen, weil wir alle keine Zeit für mehr als das haben. Wir nennen das ‚befreundet sein'." "Das kenne ich. Ich habe auch solche Freunde. Die meisten von ihnen wirst du auf Caps Party kennen lernen. Ich selbst bin nicht gerade ein begnadeter Gastgeber." "Okay, dann steht also unsere Planung."
"Und heute in einer Woche ist Weihnachten."
"Schon so bald?" Hope fühlte Panik in sich hochsteigen.
"Wann fliegst du nach Hause?"
„Samstag. Und du?"
"Sonntag."
Sie blickten einander an. "Ich schätze …“ begannen beide gleichzeitig.
"... du hast keine große Lust, mit mir nach Hause zu kommen", endete Sam für
sie beide. "Wolltest du das auch sagen?" "Wenn du mitkämst, blieben mir diverse Vorträge zum Thema ,Arbeit ist nicht alles' erspart." Sam nickte. "Dasselbe ist mir durch den Kopf gegangen." Aber wir können nicht gleichzeitig an zwei Orten sein", meinte Hope. "Richtig." Sam stand auf. „Tut mir Leid, ich muss los. Bin spät dran." "Ein wichtiger Tag?" fragte Hope, die ebenfalls aufstand. "Ein langer Tag. Für dich bestimmt auch." Er küsste sie kurz. "Byebye. " Weg war er. Hope sank in einen Sessel, hin und her gerissen von ihren widerstreitenden Gefühlen. Dann marschierte sie in ihr Mini-Büro, schloss ihren Laptop an ihre zweite Telefonleitung an und loggte sich ins Netz ein. Auf dem Bildschirm erschien eine Nachricht an Benton von Cap Waldstrum. Hope starrte auf den Monitor. Loyalität. Anstand …
Wahrheit. Sie klickte auf "öffnen".
„Bestätige: Selbe Zeit, selber Ort. Seien Sie pünktlich. " Dieses Mal löschte Hope die E-Mail nicht. Falls Benton sie zu Hause öffnete, würde sie wie eine neue, ungelesene Nachricht erscheinen. Wenn er sie vom Firmennetz herunterlud, würde er sehen, dass die Mail gelesen worden war. Was immer geschehen würde, würde geschehen.
"Ich gehe zum Lunch aus", informierte Hope die Empfangssekretärin. "Falls jemand fragt - es ist ein Geschäftsessen und kann etwas länger dauern." "Okay. Ich weiß Bescheid." Hope verließ eilig das Bürogebäude. Sie hastete die Straße hinunter, lief ins Kaufhaus Saks und steuerte sofort auf den Waschraum für Damen zu, um sich umzuziehen. Als sie wieder hinausging, sah sie weit weniger wie eine SaksKundin aus als vorher. Es sei denn, ein Beobachter wusste zufällig, wie teuer ihre Sportschuhe waren oder dass das Tuch über ihrem Haar von Hermes stammte. In ihren allerältesten Mantel gehüllt, joggte sie die lange Strecke zur U-BahnStation an der Sixth Avenue. Nach halbstündiger Fahrt kam sie unweit von Magnolia-Heights wieder ans Tageslicht. Drei riesige Gebäude ragten aus einem schneebedeckten Gelände auf, auf dem ein paar spärliche junge Bäume und Sträucher standen. Sie ging auf das mittlere Haus zu. Statt von einem Portier begrüßt zu werden, fand sie unzählige Namensschilder mit Klingelknöpfen daneben vor. Sie holte tief Luft und drückte den erstbesten Knopf. Keine Antwort. Bei ihrem fünften Versuch kam die Stimme einer Frau aus der Sprechanlage. Im Hintergrund schrie ein Baby. Fast hätte Hope ihr Vorhaben aufgegeben, aber dann gab sie sich einen Stoß. "Hallo? Entschuldigen Sie die Störung. Ich bin Sally Sue Sumner und bin Sozialarbeiterin. Ich arbeite in einem Komitee, das die Gesundheitsgefahren in Bezug auf die Wasserschäden ermittelt. Dürfte ich Sie um eine Minute Zeit bitten?" Die Frau überlegte. "Na schön, kommen Sie hoch." Ein langer Summton ertönte, ein Klicken, und Hope hatte es ins Hausinnere geschafft. Ein einfacher, aber sauberer Fahrstuhl brachte sie zu Wohnung 7 H, wo dem Türschild nach Familie Hotchkiss lebte. Mrs. Hotchkiss war jung und hübsch und hatte ein süßes Baby auf dem Arm, das nicht mehr weinte, aber müde aussah. "Sie zahnt", erklärte die Frau, worauf Hope verständnisvoll nickte, obwohl sie nur wusste, dass es für die Eltern schrecklich war. Vielleicht auch für das Baby, aber sie kannte nur die ElternSeite der Story. "Vielen Dank für Ihr Entgegenkommen, Mrs. Hotchkiss", sagte sie mit ihrem nettesten Lächeln. "Ich will Sie nicht lange stören. Wenn Sie mir vielleicht ..." Sie hörte über sich das ungewohnte Geräusch lauter Schritte und blickte hoch. "O mein Gott“, murmelte sie. "Hübsch, nicht?" sagte Mrs. Hotchkiss. "Das ist lange nicht alles." Die Stelle, zu der sie beide hochstarrten, war ein sehr großer, feuchter, dunkler Fleck. Die Farbe darüber hatte Blasen geworfen und war abgeplatzt. Die Decke selbst schien etwas durchzuhängen, was die seltsame Anordnung der Möbel erklärte. In dem ohnehin kleinen Zimmer stand alles auf einer Seite zusammengezwängt, fort von dem Fleck. Der Fußboden war nackt. Und wahrscheinlich auch der Fußboden in der Etage über ihnen. "Jetzt ist es schon besser, weil es nicht mehr tropft", sagte Mrs. Hotchkiss.
"Ich würde sagen, es ist schlimm genug", erwiderte Hope geschockt. „Wie lange dauert diese Sache schon?" Mrs. Hotchkiss seufzte verzagt. "Seit wir eingezogen sind." Sie führte Hope in der Wohnung herum, zeigte ihr andere feuchte Stellen, und als ihre Schreckensgeschichte schließlich zu Ende war, fragte Hope: "Kennen Sie Ihre Nachbarn?" "Einige. Hauptsächlich die mit kleinen Kindern. Wir fahren unsere Babys zusammen aus und babysitten füreinander." "Wäre es möglich, dass Sie mich ihnen vorstellen? Oder einigen von ihnen?" „Klar", sagte Mrs. Hotchkiss bereitwillig und griff zum Telefon. Erschüttert verließ Hope das Haus. Sie hatte alles gesehen, was sie sich ausgemalt hatte, als sie in ihrer Wohnung den entzückenden kleinen Springbrunnen plätschern hörte - den Schimmel, die dunklen Flecken, die Wasserringe, die aufgeworfenen Fußböden. In einer der Wohnungen wuchsen sogar winzige Pilze in einer Zimmerecke. Als die Frauen Hope ihre Lebensbedingungen schilderten, hatte sie spontan versprochen, ihnen zu helfen. Was für ein leeres Versprechen! Was konnte sie schon tun, um ihnen zu helfen? Nichts. Als sie aus dem Haus trat und der eisige Wind ihr entgegenschlug, blieb sie an der Tür stehen, um ihren alten Mantel fest um sich zu wickeln. Mitten in der Bewegung hielt sie plötzlich inne und starrte auf die Namenstafel. Der Name, der ihr ins Auge fiel, war Hchiridski. Sehr viele Hchiridskis konnte es in New York nicht in der Welt geben. War das Sildells Familie? Wohnte hier seine Mom? Hatten Freaks wie er überhaupt Mütter? Gedankenverloren wandte Hope sich zur Straße und erstarrte. Am Bürgersteig hielt ein Taxi, und der Mann, der ausstieg, war Sam. Und mit ihm Cap Waldstrum. Hope wirbelte herum, zog ihr Hermes-Tuch tief über die Stirn und hastete zu dem nördlich gelegenen Haus. Während Cap den Fahrer bezahlte, blickte Sam der Gestalt nach, die über das schneebedeckte Gelände zu dem letzten Haus eilte. Wenn die Frau dort drüben ein bisschen an ihrer Haltung arbeiten würde, würde sie ihn sehr an Hope erinnern. Er fürchtete, dass er bald nur mit Erinnerungen an Hope würde leben müssen. Denn je mehr er in die Einzelheiten des Falles ging, desto sicherer wurde er, dass das Problem bei Magnolia-Heights vom Rohrhersteller verursacht worden war. Und Palmer anzugreifen war ein und dasselbe, wie Hope anzugreifen. Möglicherweise würde auch sein Beinahe-Aufstieg bald nichts als eine Erinnerung sein. Er würde nie und nimmer in die Sozietät aufgenommen werden, wenn er nachwies, dass sein Klient gelogen hatte und die ganze
Beweisführung gegen die Installationsfirma Stockwell sorgfältig konstruiert war. Am Nachmittag würde er sich mit einem Ingenieur treffen, weil er die Wahrheit wissen musste - selbst wenn er entscheiden sollte, Palmer trotz allem zu verteidigen. Er warf einen Blick zu Cap, den er in sein Prozess-Team hereingenommen hatte. Es war der beste Weg, ihn im Auge zu behalten. Denn mit Cap stimmte auch etwas nicht, und er wollte da sein, unmittelbar unter der Wasseroberfläche, wenn Cap seine Beine ein Mal zu oft baumeln ließ. Man nannte ihn nicht ohne Grund Shark. Aber Sam war keine Killermaschine. Er hasste aus tiefstem Herzen, was er momentan tat. Am schlimmsten war, dass er hierüber nicht mit Hope sprechen konnte. Um halb sechs am selben Tag wählte Hope die Nummer ihres Chefs. "Hallo, Benton, ich wollte Sie fragen, ob Sie vielleicht eine Minute Zeit für mich haben." "Ist es wichtig?" Sie bemerkte die Anspannung in seiner Stimme, ein Zeichen, dass sie auf der richtigen Spur war. "Ich würde gern mit Ihnen über diese Anzeige reden, die wir im Sommer in der Fachzeitschrift ‚Bauen und Technik' bringen wollen. Die Werbung für unser Produkt Nummer 12867. Ich habe hier den Entwurf der Agentur vor mir und bin mir nicht sicher ..." "Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche, Hope. Aber ich habe um sechs ein wichtiges Treffen und muss gleich los. Und so eilig ist diese Sache mit der Anzeige ja nicht." Genau das hatte sie hören wollen. "Sie haben Recht. Entschuldigen Sie, ich habe nicht gewusst, dass Sie heute so zeitig …“ „Schon gut, wir sehen uns morgen." „Ja. Und ich wünsche Ihnen einen schönen Abend." Hope legte auf und schnappte sich ihren Aktenkoffer mit ihren Verkleidungssachen. Hier im Büro konnte sie sich nicht verwandeln, aber mit etwas Glück könnte sie es unterwegs tun. Sie verließ das Gebäude knapp zehn Schritte hinter Benton. Zu ihrer Überraschung ging er zu Fuß, statt wie sonst den noblen Firmenwagen zu benutzen. Das ersparte ihr die Verfolgungsfahrt im Taxi. Während sie Benton folgte, schlang sie sich das Tuch um den Kopf. Bei einer, roten Ampel eilte sie in den Eingang eines Schuhgeschäfts und schaffte es, den alten Mantel anzuziehen, bevor die Ampel auf Grün schaltete. Sie nahm die Verfolgung wieder auf und stopfte im Gehen ihren anderen Mantel in den Aktenkoffer. Zu ihrer Verwunderung blieb Benton vor dem Eingang der Donnell Library stehen. Dann ging er hinein. Hope nahm all ihren Mut zusammen und folgte ihm. Während sie im Erdgeschoss die Titel der Reiseführer studierte, stieg
Benton die Treppe zum Obergeschoss hoch. Sie wartete einen kleinen Moment, ging dann ebenfalls hinauf. Sie erblickte ihn an einem Tisch in der Lese-Abteilung. Allein. Es war fünf vor sechs. Etwa eine Minute später setzte sich ein Mann, der ihr bekannt vorkam, an einen Tisch in der Nähe. Und dann erkannte sie ihn - er war Manager bei Stockwell, sie hatte ihn ein paar Mal in der Firma gesehen. Der Mann nahm keine Notiz von Benton. Hope, die sich ganz plötzlich brennend für Kunst und Architektur interessierte, lauerte mit hämmerndem Herzen zwischen den Regalwänden. Sie hatte sich von der gotischen Architektur bis zum Jugendstil durchgearbeitet, als Cap Waldstrum aus dem Fahrstuhl trat und sich im Raum umblickte. Hope beugte sich tief über einen voluminösen Bildband. Als sie es endlich wagte, wieder aufzublicken, hatte Cap ein Buch ausgewählt und gegenüber dem Manager von Stockwell Platz genommen. Zum Glück gab es auch schmalere Bände über Louis Tiffanys Glaskunst als den Wälzer, den Hope sich vorhin geschnappt hatte. Sie zog einen Band aus dem Regal und blätterte darin. Als sie über den Rand lugte, sah sie, wie Cap das von ihm ausgewählte Buch zu sich schob, etwas darunter herausnahm und dieses Etwas – einen Briefumschlag - in seine Brieftasche steckte. Hope hielt den Atem an. Sie ahnte, was als Nächstes passieren würde, sie wusste es. Cap stellte das Buch ins Regal zurück, nahm ein anderes und setzte sich nun Benton gegenüber. Ein ungewohntes Gefühl beschlich Hope. Es war Angst. Wann hatte sie das letzte Mal Angst gehabt? Als sie am Tag der Beerdigung mit ihren Schwestern an den Händen im Flur ihres Elternhauses stand und der Unterhaltung ihrer Großmutter und Tanten lauschte, die die Geschwister untereinander aufteilen wollten. In jenem Moment hatte sie schreckliche Angst gehabt. Sie zwang ihre Gedanken gerade noch rechtzeitig in die Gegenwart zurück, um zu sehen, wie Cap einen weiteren Umschlag von Benton entgegennahm. Übelkeit stieg in ihr hoch, mit zitternden Händen stellte sie das Buch zurück. Dann stahl sie sich zwischen den Regalen heraus zur Treppe, ging hinunter und rannte zur U-Bahn-Station. Maybelle war um Punkt sieben da. "Ich konnt's kaum glauben, als ich mit dem Springbrunnen reinkam und den Baum gesehen hab", erklärte sie begeistert. "Und so hübsch geschmückt. Und Sie haben's ganz allein getan - ich musste Ihnen nicht mal sagen, dass ein Weihnachtsbaum Sie glücklich machen würde." "Na ja, ganz allein hab ich's nicht getan", gestand Hope. "So, und jetzt trinken Sie erst mal einen Kaffee." Sie hatte sich selbst auch eine Tasse von dem "echten Zeug" eingeschenkt und beabsichtigte, es bis zum letzten Tropfen zu trinken. Schlafen würde sie sowieso nicht können. Sie war zu aufgewühlt. "Donnerwetter, das ist richtig guter Kaffee", begeisterte Maybelle sich von neuem. "Was ist los, Schätzchen?"
Die Frage kam so abrupt, dass Hope mit etwas herausplatzte, was sie nicht geplant hatte. "Warum sind Sie und Hadley nicht miteinander ausgekommen?" Eigentlich hatte sie nach dem, was sie gerade erlebt hatte, mit Maybelle über Anstand und Moral reden wollen. Nun aber konnte sie an nichts anderes denken als an Sam und ob sie eine lang andauernde - sprich lebenslange - Beziehung haben könnten. Wie sollte sie sich verhalten, nachdem sie Zeugin dieser unglaublichen Szene in der Bücherei geworden war? Es war klar, dass Cap Benton den Mann von Stockwell erpresste. Und es konnte nur einen Grund geben - mit Nummer 12867 stimmte etwas nicht. Benton und die Stockwell-Leute wussten dies, Cap war dahinter gekommen, und sie bezahlten ihn, damit er stillschwieg. Und wenn Sam Palmer verteidigte, ohne die Fakten zu kennen, konnte ihn das ruinieren. "Hadley und ich?" sagte Maybelle in ihre Gedanken hinein. "Wissen Sie, ich gehöre einer anderen Generation an als Sie. Wir haben uns Knall auf Fall verliebt und geheiratet. Und dann wollte er plötzlich nicht mehr mit 'ner RodeoReiterin verheiratet sein." "Sie haben wilde Pferde geritten?" "Aber nein. Wir Mädels in unseren Cowgirl-Kostümen waren nur Dekoration auf den Rodeos. Hadley hat Mustangs geritten. Er war der Beste von allen." "Und wieso wollte er nicht mehr mit Ihnen verheiratet sein?" "Weil er plötzlich 'ne Lady wollte, 'ne Frau, die seine Mama gutheißen würde, 'ne Hausfrau und Mutter, 'ne gute christliche Einmacherin." "Eine was?" " 'Ne Frau, die ihr selbst gezogenes Gemüse selbst einmacht.“ "Oje!" entfuhr es Hope. Sie kochte nicht einmal selbst. "Auf das Einmachen war ich nicht besonders scharf", fuhr Maybelle fort. "Mutter wär’ ich gern gewesen. Aber das hat irgendwie nicht geklappt. Damals war die Medizin auf dem Gebiet noch nicht so weit." "Das tut mir Leid", sagte Hope. Dieselben Leute, die ihr von den Schrecken des Zahnens berichtet hatten, hatten ihr von ihren anfänglichen Fruchtbarkeitsproblemen erzählt. "Es ist also von Anfang an falsch gelaufen, und wir haben es nie hingekriegt", endete Maybelle. "Und dann hat Hadley einen Bullen angegriffen und ist an den Folgen gestorben?" "Ganz so war es nicht. Der Bulle ist auf mich losgegangen, und Hadley hat sich zwischen uns geworfen." "Er hat Sie geliebt, trotz allem", sagte Hope schwach. "Mit ein bisschen Reden und ein bisschen Ehrlichkeit hätten wir's vielleicht geschafft. Und das Feng Shui hätte das Reden sicher leichter gemacht. So, was ist denn nun mit Ihrem jungen Mann?" Wieder traf ihre Frage Hope wie ein unerwartetes Geschoss. "Ich würde gern wissen, was Ehrlichkeit bei ihm bewirkt. Und dann muss ich wissen, was ich bei
ihm bewirke - im Hinblick auf seine Ziele. Und was seine Ziele bei mir bewirken würden." "Das haben Sie wirklich hübsch gesagt, Schätzchen", meinte Maybelle freundlich. Dann stand sie zu Hopes Bestürzung auf. "Danke für den Kaffee und für den netten Plausch. Und Ihr Weihnachtsbaum ist einfach toll. Woraus ist dieser Stern gemacht? Rohre? Das ist ja die reinste Avantgarde.“ "Maybelle." Maybelle blieb stehen. "Zu wem soll ich loyal sein? Palmer? Sam? Gegenüber den Leuten in Magnolia-Heights?" Maybelle machte ein verständnisloses Gesicht. "Das ist doch ganz einfach. Sie müssen sich selbst treu sein, Schätzchen." Sie warf sich ihren Pelzmantel über, der verdächtig nach Kojote aussah, und stöckelte auf ihren hochhackigen Stiefeln hinaus. Nun wusste Hope mit Sicherheit, dass sie in dieser Nacht nicht schlafen würde.
11. KAPITEL "Weswegen bist du so nervös?" fragte Sam. "Wegen gar nichts. Ich bin nicht nervös." Von wegen. Sie war seit ihrer Abfahrt nach Upper Montclair angespannt. "Mach dir wegen Cap keine Gedanken. Zwar schätzt er hübsche Frauen über alles, aber er wird dich in Ruhe lassen. Er hat zu viel in sein Leben mit Muffy investiert." „Investiert - das ist ein komischer Ausdruck." "Du wirst verstehen, was ich meine, wenn du das Haus siehst. Muffys Designer-Kleid. Das pompöse Haus. Und in der Garage stehen ein BMW und ein Porsche und ein Jeep." "Wow! Kann Cap sich das alles leisten?" Dieselbe Frage hatte Sam sich auch schon oft gestellt. "Wir werden bei Brinkley und Meyers gut bezahlt", erklärte er, "und Muffys Familie ist sehr wohlhabend. Caps Eltern sind auch gut betucht. Er kann sicher nicht viel sparen, aber ein College-Darlehen muss er ganz bestimmt nicht abzahlen." Sie sah ihn fragend von der Seite an, und er sah keinen Grund, warum er es ihr nicht erzählen sollte. "Ich werd den Tag nie vergessen, an dem ich die letzte Rate gezahlt habe." „Du hast dein Studium selbst finanziert?" "Ich musste." Nun erzählte er auch den Rest - wie knapp es bei ihnen zu Hause gewesen war, nachdem sein Vater die Farm verloren hatte. „Das muss sehr hart für dich gewesen sein", sagte Hope. "Ich kann verstehen, warum du so ehrgeizig bist."
"Und du?" Er zog sie an sich. "Was treibt dich?" "Eigentlich weiß ich das gar nicht. Vielleicht liegt es daran, dass meine Schwestern und ich eine schwere Zeit durchgemacht haben, bevor wir adoptiert worden sind. Da Charity zu jung und Faith zu unorganisiert war, musste ich mich um uns drei kümmern. So bin ich die Anführerin geworden." Ihr Lächeln war voller Liebe. "Ich glaube, das hat mich irgendwie geprägt." Sam legte den Arm fester um sie. Er wollte sie nach der "schweren Zeit" fragen, aber der Chauffeur war hinter einer Schlange von Limousinen in eine hell erleuchtete halbkreisförmige Auffahrt eingebogen. Sie waren da. Hope hatte furchtbare Angst vor dem Wiedersehen mit Cap Waldstrum. Sie war sich sicher, dass er die Anklage in ihren Augen sehen würde, ohne dass sie ein Wort sagen musste. Natürlich würde sie kein Wort sagen. Nicht jetzt. Vielleicht nie. Sie könnte ihr schmutziges Geheimnis für sich behalten und ihr Leben fortführen. Aber konnte sie das wirklich? Die schlaflose Nacht und der deprimierend unproduktive Tag hatten keine Antworten geliefert. Sie wusste noch immer nicht, was sie tun sollte. Sam hatte Cap in sein Team genommen. Was, wenn auch er ein schmutziges Geheimnis hütete, um die Teilhaberschaft zu bekommen? Allerdings benahm er sich nicht wie jemand mit einem schmutzigen Geheimnis. "Muffy, schön wie immer." Er gab Caps Frau einen Kuss auf die Wange. Als Nächstes begrüßte er Cap mit einem freundlichen Schulterklopfen. "Hallo, Cap. Sie erinnern sich doch sicher an Hope." "Ich hab Ihnen gesagt, dass ich Hope unmöglich ..." Cap zögerte, und ihr Herz begann wild zu hämmern. Nein, er hatte sie ganz bestimmt nicht in der Bücherei gesehen. „ ... vergessen kann." Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf. "Hallo, Cap. Schön, Sie zu sehen. Muffy, ich freue mich ja so, Sie kennen zu lernen." Was die Wahrheit war. Muffy, eine kleine blonde und süße Person, sprühte vor Lebendigkeit. Hope mochte sie sofort, und fast schämte sie sich wegen ihres Verdachts gegenüber Cap. Allerdings trug Muffy tatsächlich das von Sam vorhergesagte DesignerKleid, eine Kreation aus rotem Chiffon und Kristallperlen, und ihr Diamantschmuck stand Ruthie Quayles Juwelen in nichts nach. "Und ich wollte Sie kennen lernen, seit Cap mir von Ihnen erzählt hat“, sagte Muffy überschwänglich. "Zuerst war ich richtig enttäuscht, weil ich mir Sam für meine Schwester Cheryl gewünscht hatte." Sie deutete zu einer attraktiven Frau, die weiter hinten im Raum bei einer Gruppe stand. "Aber jetzt, da ich Sie kennen gelernt habe …“ sie gab einen demonstrativ tiefen Seufzer von sich, dem ein verzeihendes Lächeln folgte. „ … jetzt werde ich diesen Gedanken aufgeben." Bevor Hope eine Antwort einfiel, zwitscherte Muffy weiter drauflos. "Ist es nicht verrückt, dass Sie bei Palmer sind und Sam bei Brinkley Meyers und dass Cap an dem Vergleich gearbeitet hat?" Sie zog einen niedlichen Schmollmund.
"Und er hat so hart dran gearbeitet. Wir haben ihn wochenlang nicht gesehen. Und trotzdem haben sie's nicht hingekriegt." "Keine Sorge, Muffy", sagte Sam locker, "wir werden vor Gericht gewinnen. Hope, ich möchte dir einen Freund vorstellen." Er steuerte sie zu der Gästeschar. Es war eine große Party, ausgerichtet von einem bekannten Party-Service aus Manhattan. Der Weihnachtsbaum der Waldstrums ragte in dem marmorgefliesten Foyer an die vier Meter hoch und hatte den Touch eines professionellen Dekorateurs. Alles verriet, dass hier Geld vorhanden war. Mit Anfang dreißig lebte Cap bereits das ganz große Leben. Ihr wurde bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, wie Sam lebte. Bestimmt nicht wie Cap, da war sie sich sicher. Selbst wenn Muffys und Caps Familien wohlhabend waren - wie konnte er sich diesen pompösen Lebensstil leisten? Sie grübelte und grübelte, während sie freundlich nach allen Seiten nickte und bei den bewundernden Blicken von Sams Freunden lächelte. So wie jedes Schnuckiputzi es getan hätte. "Das war eine schöne Party", sagte Hope, als Sam und sie in die wartende Limousine stiegen. "Ja. Muffy macht das immer großartig." Sam legte den Arm um sie, und sie schmiegte sich an ihn. Er strich mit dem Mund über ihre Stirn. Sie schloss die Augen. Ein Paar, das nach einer Party heimfuhr. Wenn sie zu Hause wären, würde sie die Kaffeemaschine für den nächsten Morgen vorbereiten, während er nach den Kindern sah, die fest schliefen, weil das Kindermädchen sie vor Stunden zu Bett gebracht hatte. Dann wurden sie auf ihre Laptops und Palm Pilots schauen, und wenn sie die losen Enden ihres Tages verknotet hätten, würden sie sich lieben, und es würde wundervoll sein. Am Morgen würde das Kindermädchen die Kinder anziehen und versorgen, weil Mommy und Daddy schon wieder zur Arbeit gegangen wären. Wann haben die Kinder uns zuletzt gesehen? würde Hope sich fragen. Sie schoss kerzengerade in ihrem Sitz hoch. "Was ist?" fragte Sam. "Nichts", murmelte sie verlegen und schmiegte sich wieder an ihn. "Mir ist nur gerade etwas eingefallen, was ich heute im Büro tun wollte." Muss was Wichtiges gewesen sein. Er küsste sie kurz, weil sie ja nicht allein waren, aber schon fühlte sie die Hitze fließen. Das sanfte Locken seiner Zunge ließ, ihre Brustspitzen hart werden und sandte einen süßen Schmerz in ihr Zentrum. Der Druck ihrer Hand auf seiner Brust wurde fester. Er wich zurück. Sie spürte die Hitze auf seinem Gesicht, wusste, dass er erregt war und sie genauso sehr wollte wie sie ihn. Er setzte sich aufrecht, den Arm auf der Rückenlehne. Hope schluckte schwer, als sie seine andere Hand auf dem Knie fühlte, flüsterte warnend seinen Namen,
als er die Innenseite ihres Schenkels streichelte. Seine Finger glitten höher und fanden ihr Ziel. Sie öffnete weit die Augen. Mit dem unschuldigsten Lächeln erwiderte er ihren geschockten Blick. "Was tust du?" zischte sie. "Es ist eine lange Fahrt", flüsterte er zurück. "Ich versuche, dich zu unterhalten." "Kannst du nicht einfach singen?" Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. "Was wird der Chauffeur denken?" "Nichts, wenn du aufhörst, so herumzuzappeln", erwiderte er belustigt, während seine Finger sie durch ihre seidige Strumpfhose hindurch erkundeten. Hope grub die Zähne in den Stoff seines Mantels, um ihr Stöhnen zu ersticken. Plötzlich war seine Hand am Bundchen ihrer Strumpfhose. "Ich glaube, du sitzt nicht sehr bequem, Liebes. Wenn du dich etwas hebst, ziehe ich deinen Mantel glatt", sagte er laut. „Oh, danke, Darling", brachte sie heraus. "Du bist so aufmerksam …“ Er hatte ihr die Strumpfhose und den Slip zu den Knien heruntergeschoben. Als Sam nun endlich ohne die störende Barriere der Kleidung ihre intimste Stelle berührte und mit einem Finger eindrang, wand Hope sich vor Lust. "Sitzt du immer noch nicht bequem, mein Schatz?" fragte Sam. "Nicht ... ganz." Was war in sie gefahren, sich auf der Rückbank einer Limousine so gehen zu lassen und sich nicht drum zu scheren, was passierte, solange nur seine Finger sie streichelten und sein Daumen diese kleine, heiß pochende Stelle berührte? "Dann lass uns dies versuchen", murmelte er und schob die Hände unter ihren nackten Po, während ein Lustschauer nach dem anderen durch ihren Körper ging. "So", sagte er, als das Beben verebbte. "Besser jetzt?" "Viel besser." "Gut." Sie hatte sich fast wieder voll im Griff, als sie vor ihrem Haus hielten, "Möchtest du noch auf einen Kaffee hochkommen?" fragte sie Sam, "und dann ein Taxi nach Hause nehmen?" fügte sie für die Ohren des Fahrers hinzu. "Gute Idee." Sam benahm sich, bis sie an ihrer Wohnungstür waren, wo er sie fest und fordernd an sich zog. "Der Schlüssel", keuchte sie, "der Schlüssel…“ Und dann waren sie drinnen. Der Springbrunnen plätscherte, das Windspiel klimperte, der Weihnachtsbaum leuchtete und auch das rote Licht am Anrufbeantworter. Hope nahm nichts als Sam wahr, seine Hände auf ihrer Haut, seinen Mund auf ihren Brüsten, während er ihr das Kleid abstreifte und es auf den Boden warf - der Anfang einer Spur aus Kleidungsstücken, die direkt ins Schlafzimmer führte. Dann lagen, sie eng umschlungen beieinander, gaben und nahmen mit zärtlicher Hingabe, bis ihre Körper zu einem Ganzen verschmolzen und den
langen, berauschenden Tanz begannen, der sie in die Welt ekstatischer Wonnen führte. Und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie wieder in die Wirklichkeit zurückkehrten. Hope wachte auf und drehte sich auf die Seite, um sich an Sam zu schmiegen. Er war nicht mehr da. Sie hörte jedoch Geräusche und stand auf, um nachzuforschen, was da in ihrer Wohnung klapperte. Sie tappte auf das Licht zu, das aus der Abstellkammer schien. Was machte Sam dort? Sie lugte durch die Tür und sah ihn in Boxershorts und Unterhemd am Boden sitzen und mit Rohrstücken spielen. "Du konntest wohl nicht auf den Weihnachtsmann warten, was?" Sie ging lächelnd hinein und kniete sich neben ihn hin. "Ist dies Nummer 12867?" Er hielt ein kurzes weißes Rohrstück hoch. "Das ist mein Baby." Er nahm ein rechtwinkliges Verbindungsstück aus dem Behälter. "Werden hiermit die Rohre zusammengefügt?" "Ja. Es sind entweder gerade oder unterschiedlich gewinkelte Teile. Wie du siehst, ist das Verbindungsstück viel stärker, als das Rohr ist, genau gesagt doppelt so ..." Sie brach ab. "Ist die Nacht wirklich die beste Zeit für Lektionen über Rohre?" Endlich lächelte er. "Ich dachte, für dich sei jede Zeit gut." "Hör auf. Warum das Interesse?" Er wurde wieder ernst. "Weil irgendjemand herausfinden muss, was schief gelaufen ist. Hier haben wir dies erstklassige Rohr, und es leckt." "Es leckt nicht. Die Rohrleitungen sind falsch installiert worden." "Wie wird dies Rohr hergestellt?" „Also wirklich, Sam ... " „Im Großen und Ganzen weiß ich es von der Lektüre der Unterlagen. Ich dachte nur, du könntest mir Genaueres erzählen." Also, sie kaufen diese Polyvinyl-Chlorid-Kugeln von einer Kunststoff-Fabrik. Dann werden die Kugeln in einem Kessel geschmolzen, die Masse wird durchgerührt und in Formen gegossen." "Was ist dann so besonders an Nummer 12867?" wollte Sam wissen. "Irgendwelche geheimen Bestandteile der Kugeln. Die Formen. Eben alles zusammen." "Es könnte also mehrere Fehlerquellen geben. Zum Beispiel falsches Rohmaterial oder die falsche Temperatur beim Schmelzvorgang. Habe ich das richtig verstanden?" "Du hast mich noch nicht vereidigt." "Ich habe es dir ein Mal gesagt und sage es dir noch einmal - wir sind auf derselben Seite." Er blickte ihr scharf ins Gesicht. "Weißt du etwas, das du mir verschweigst?"
Sie zögerte einen winzigen Moment. "Über das Rohr? Nein, natürlich nicht." "Ich meine, ob du irgendetwas, das mit der ganzen Angelegenheit zusammenhängt, weißt." Hope überlegte fieberhaft. Wenn sie Benton unredlicher Machenschaften beschuldigte, konnte sie die Beförderung vergessen ... und wahrscheinlich auch ihren Job bei Palmer. Wenn sie Sam ihre Beobachtungen vorenthielt, würde er herausfinden, dass sie ihn belogen hatte. Wenn sie über alles einfach Stillschweigen bewahrte, würde sie nicht mit sich selbst leben können. Sie dachte an Maybelles Worte. Was bedeutete die Beförderung, wenn sie nicht mit sich selbst leben konnte? Was bedeutete alles andere, wenn sie Sam nicht haben konnte? Der Gedanke rührte ihr Inneres auf. Sie liebte Sam. Wie war das passiert? "Ja", sagte sie ruhig. "Es gibt etwas, das du wissen musst." Sam war von ihrer Eröffnung geschockt. Zwar hatte er gewusst, dass Cap seine Finger im Spiel hatte, und hatte darauf gewartet, dass er sich irgendwann verplappern würde. Aber Hope hatte ihm den Mann direkt zum Fraß hingeworfen. "Vergiss nicht, ich habe keine Beweise." Hopes Worte durchdrangen kaum den Nebel in seinem Kopf. "Obwohl es wahrscheinlich nicht schwierig sein wird, sie zu bekommen. Wenn Cap dicke Bündel Bargeld erhält, muss er es irgendwo deponieren. Es muss also eine Datenspur geben." "Und sie wird eine angesehene Anwaltsfirma zerstören." Sams Mund war plötzlich trocken. "Lass uns ins Wohnzimmer gehen." Hope setzte sich mit untergezogenen Füßen aufs Sofa. Sicherheitshalber blickte Sam nicht zu der Stelle neben ihr, wo er sitzen wollte. Er zog seine Hose an und ließ sich in einem Sessel nieder. Was zum Teufel sollte er tun? Er war seinem Ziel so nahe. Und nun das! Wie gelähmt saß er da. Denn jetzt musste er sich entscheiden. Wenn er nachwies, dass Cap die Firma Palmer gegen Bezahlung deckte, wäre das eine grenzenlose Blamage für Brinkley und Meyers. Und schuld an dem Skandal würde er sein, nicht Cap. Er würde alles verlieren. Es ging ihm unaufhörlich im Kopf herum, und Hope wartete. Er wusste, worauf sie wartete - dass er aufsprang und verkündete: "Dies ist eine Schande! Ich werde das aufdecken. Zum Teufel mit der Teilhaberschaft!" Hope saß still da und beobachtete Sam. Sie wusste, dass sie ihn mit einem enormen Problem konfrontiert hatte, und wartete auf eine Gelegenheit zu sagen: "Ich liebe dich, Sam. Wir werden dies gemeinsam anpacken und gemeinsam lösen. Es wird alles gut werden - solange wir zusammen sind." Sie konnte nicht einfach damit herausplatzen. Liebe war das Letzte, woran er momentan dachte.
Hope wusste, welche Alternativen sich Sam präsentierten. Und sie wusste, sie konnte sich darauf verlassen, dass er die richtige Wahl traf. Plötzlich hielt sie es nicht mehr aus, ruhig dazusitzen und zu warten. Sie ging in die Küche und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, bemerkte sie das blinkende Licht am Anrufbeantworter und drückte den Abhörknopf. "Wie man sich doch irren kann! Ich hätte nie gedacht, dass Sie öffentliche Büchereien betreten." Sam fluchte laut. Reglos stand sie da, während Caps Stimme aus dem Lautsprecher tönte. "Ich hätte Sie nie bemerkt, wenn Sie nicht denselben Mantel und dasselbe Tuch getragen hätten wie die Frau, die ich in Magnolia-Heights gesehen habe." Er klang belustigt. "Meine Frau hat das gleiche Tuch. Hennes." Hope schloss die Augen. "Hey, hören Sie, diese Sache können wir unter uns regeln. Sie wollen doch Ihren Boss nicht in Schwierigkeiten bringen, oder? Und Sie wollen unserem beutelüsternen Freund doch keine Probleme machen, nicht wahr?" Damit meinte er offenbar Sam, den Hai. "Wahrscheinlich ist er bei Ihnen - hätte ich mir eigentlich denken müssen. Aber das ist schon okay. Wir stecken alle in der Sache drin. Ich schlage also vor, wir treffen uns morgen und sprechen ein paar Möglichkeiten durch. Vielleicht ein kleiner Anteil für Sie beide? Gegen zwölf in der Bücherei, okay? Ich werde oben auf Sie …“ "Den Teufel wirst du tun!" sagte Hope und presste den Finger auf den Rückspulknopf. Wütend wirbelte sie herum und sah Sam vor sich stehen. Sein Gesicht war grau. "Du denkst, du kannst ihn erledigen", sagte er. "Aber er wird dich erledigen." "Nein, wird er nicht! Dieser Schuft wird mich kennen lernen." "Hope, beruhige dich. Wir müssen klar denken, sonst sind wir beide ruiniert." "Nein! Nichts kann dich und mich ruinieren - außer unsere eigene Unwahrhaftigkeit. Solange wir nach unseren Überzeugungen handeln, kann uns niemand etwas anhaben." "Wenn jemand öffentlich verkündet, dass sein Boss Bestechungsgelder zahlt, wird er mit Sicherheit nicht befördert", sagte er heftig. "Wenn jemand aufdeckt, dass in seiner Anwaltskanzlei wichtiges Beweismaterial weggemogelt worden ist, dann kann er nicht damit rechnen, Sozius zu werden!" "Dann gehen sie eben zu einer anderen Firma und zu einer anderen Anwaltskanzlei! Oder sie machen sich selbstständig! " Hope hatte Mühe, sich zu beherrschen. "Ich habe nichts von einer Pressekonferenz gesagt, Sam. Ich meine ganz einfach, dass wir die Wahrheit herausfinden müssen. Dann rede ich mit Benton, und du redest mit Phil, und was immer passiert - wir können unser Leben mit dem Wissen fortführen, dass wir richtig gehandelt haben." Unser Leben zusammen fortführen. Weil ich dich liebe, setzte sie im Stillen hinzu. "Richtig für wen?" fragte Sam.
„Für die Leute in Magnolia-Heights zum Beispiel." Sie konnte ihren Ärger nicht länger zurückhalten. "Sie sind diejenigen, die leiden. Sie sind die Gestraften." Sam atmete tief durch. "Hör mir bitte mal eine Minute zu, Hope. Wir müssen nichts überstürzen. Okay, jetzt denke ich wie ein Anwalt, aber ich bin nun mal Anwalt, und ein guter Anwalt würde Folgendes tun: mit Cap reden. So tun, als hätten wir gerade neue Beweise' gefunden Beweise, die er natürlich schon kennt. Damit könnte man dann in den Prozess gehen. Wir werden uns mit Cap in der Bücherei treffen, ihm von unserer Entdeckung erzählen und uns anhören, was er dazu zu sagen hat." "Nein! Da mache ich auf keinen Fall mit!" "Du denkst nicht klar, Hope. Du hast dich gefühlsmäßig für die Mieter in Magnolia-Heights engagiert und blickst nicht nach vom." "Und du denkst an niemanden außer an dich selbst!" Ihre Worte flogen wie Messer durch die Luft. Sam wich zurück. "Du weißt nicht, was die Teilhaberschaft für mich bedeutet", entgegnete er ruhig. "Du weißt es nicht im Entferntesten." "Ich will es auch nicht wissen. Nicht mehr." „Wenn das so ist..." „Es ist so. Und ... keine Angst." Sie biss sich auf die Lippe, um ihre Tränen zurückzudrängen. "Ich werde nichts tun, was deine Teilhaberschaft bedrohen könnte. Aber ich werde tun, was ich für richtig halte, ob mit dir oder ohne dich." Nichts in seinem Gesicht verriet, was er darüber dachte. Er zog sich wortlos an, nahm seinen Aktenkoffer und ging. Hope wachte auf und merkte, dass ihre Augen nass waren. Sie hatte geträumt. Ihr Unterbewusstsein hatte für sie gearbeitet, hatte einen Traum von einem Leben mit Sam gewoben. Sie wünschte sich all das, was die meisten Menschen sich wünschen - Zuneigung, Leidenschaft, Liebe, eine glückliche Ehe, Kinder, ein behagliches Heim und dass sie all das haben könnte, ohne ihren Beruf aufzugeben. Sie konnte es nur nicht mit Sam haben. Es hätte sowieso nie geklappt. Ein Leben als Nur-Hausfrau würde sie unglücklich machen. Und Sam würde als Hausmann unglücklich sein. Sie konnten beide nicht auf ihre Arbeit verzichten. Die Namen ihrer Kinder hätten sie vielleicht behalten, aber ihre Geburtstage ausgeschlossen. Oder ... nein, sie hätten die Daten in ihren Palm Pilots gespeichert ... Tränen liefen ihr übers Gesicht. Vergiss es. Die Frage, ob es geklappt hätte, war müßig. Ihre Beziehung hatte sich in dem Moment gewandelt, als sie begriff, dass der Erfolg Sam wichtiger war als verantwortungsbewusstes Handeln. Hope wischte sich die Augen. Ganz gleich, wie deprimiert sie war sie hatte viel zu tun und wenig Zeit. Sie hatte nur einen einzigen Tag, um ihr Leben umzukrempeln.
12. KAPITEL Nach einem starken Kaffee setzte Hope sich an den Laptop und klickte noch einmal die Magnolia-Heights-Dokumente an, studierte die Kostenkalkulationen, las den Beschluss der Geschäftsleitung: niedriges Preisgebot mit geringem Profit, der durch den guten Werbeeffekt ausgeglichen werden würde. Ganz offensichtlich hatte die Installationsfirma mitgezogen und ähnlich entschieden. Da waren Mitteilungen an Palmer, die auf zügige Lieferung drängten, Mitteilungen über Koordination und Zusammenarbeit zwischen Palmer und Stockwell. Als Nächstes widmete Hope sich ihrer Schönheit, denn ihr war wichtig, dass sie an diesem Tag gut aussah. Bevor sie in ihrem knallroten Kostüm die Wohnung verließ, goss sie die Pflanzen und schrieb eine Nachricht für den Reinigungsservice, dass sie vielleicht eine Zeit lang nicht zu Hause sein würde. Dann wanderte sie noch einmal durch die Wohnung und betrachtete all die Veränderungen. Tatsächlich hatte Maybelle wie angekündigt die harten, Ecken und Kanten beseitigt. Hope wurde sich bewusst, dass auch sie selbst ihre Ecken und Kanten verlor. Aber sie brauchte sie noch diesen einen Tag. Weil sie beabsichtigte, direkt und ohne Umschweife zur Sache zu kommen. Sie begann in Slidells Höhle. "Sie haben mir auf dem Ersatz-Laptop Zugang zu Mr. Quayles E-Mails gegeben", erklärte sie rundheraus. "Ich dachte, Sie würden's nie merken." "Warum haben Sie das getan?" "Ich hatte gehofft, dass Sie versehentlich eine oder zwei Mails öffnen würden…“ "Und?" "Und spitzkriegen würden, dass hier was Faules läuft und dass Sie was unternehmen. Bei uns hier unten kommt alles durch, wissen Sie. Alle denken, wir hätten nur Bytes und RAM im Kopf und achten nicht auf die Texte. Na ja, wir tun's. Aber wir halten den Mund." "Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?" „Sie werden das Richtige tun, das weiß ich." Es war Hope peinlich, dass ihr die Tränen kamen. "Mir ist schleierhaft, wieso Sie gedacht haben, dass Sie mir vertrauen können", sagte sie stockend. "Aber ich fühle mich geehrt." Es war das beste Wort, das ihr einfiel. "Sie wohnen in Magnolia-Heights, nicht wahr?" "Meine Mutter wohnt dort. Waren Sie da?" Sie nickte. „Also wissen Sie, wie's da aussieht." Sie nickte wieder. "Dann liegt es also doch an den Rohren?"
"Das kann Ihnen nur einer sagen. Fragen Sie ihn." Genau das würde sie tun müssen. Wollte es nicht, freute sich nicht drauf, aber sie durfte Slidells Vertrauen in sie nicht enttäuschen. Ein paar Minuten später saß Hope ihrem Chef gegenüber. Benton musterte sie. "Sie sehen heute so festlich aus." Aber ich fühle mich nicht festlich. Und Sie sind sicher auch nicht in Feststimmung. "Ach, jede Firma hat ihre Rechtsstreitigkeiten und kleinen Rückschläge." Er machte eine fahrige Geste. "Da werden wir durchkommen.“ "Benton“, sagte sie ruhig, "mit Nummer 12867 ist etwas nicht in Ordnung. Sie wissen es, und es weiß jemand bei Stockwell. Cap Waldstrum erpresst Sie beide." Röte stieg in Bentons Gesicht, seine Züge wurden hart, aber Hope sah auch den Schreck in seinen Augen. "Sie waren das also", stieß er hervor. "Sie haben sich in meine private Korrespondenz eingeschmuggelt. Sie! Die Allerletzte, die ich verdächtigt hätte." "Das mit der E-Mail ist mir versehentlich passiert", erwiderte Hope so ruhig wie vorher. "Aber als mir klar wurde, was vor sich ging, konnte ich es nicht so weiterlaufen lassen." Sie blickte ihn ruhig an. "Sie wollen doch sicher auch nicht, dass es so weitergeht, oder?" Hope sah den Mann, den sie achtete und bewunderte, in sich zusammensinken. "Es lag an der Gussform, die wir für die erste Produktion verwendet haben", gestand er. "Das waren die rechtwinkligen Verbindungsstücke. Die Form muss beim Einbau in die Maschine beschädigt worden sein. Sie haben sie ausgewechselt, nachdem sie Proben aus dem ersten Durchgang getestet hatten. Aber wir saßen mit einem ganzen Produktionsgang da, der nicht einwandfrei war." "Und wegen ihres niedrigen Gebots konnte die Firma es sich nicht leisten, die ganze Ladung wegzuwerfen und eine neue Produktion zu starten." "Wegen des niedrigen Gebots und wegen unserer Verpflichtung gegenüber Stockwell, pünktlich zu liefern." "Sie haben Stockwell die Wahrheit gesagt, nicht wahr?" "Ja. Einer einzigen Person. Wir haben unter uns beschlossen, die fehlerhaften Verbindungsstücke über das ganze Bauprojekt verteilt zu installieren, weil wir annahmen, dass sie so nicht gefunden werden würden. Außerdem dachten wir, dass sie nicht viel Schaden anrichten könnten. Sie waren solch ein kleiner Bestandteil in dem ganzen riesigen Installationssystem." „Aber es gab Schäden und Klagen. Und als Sie den Fall Brinkley Meyers übergaben, hat Cap Waldstrum sehr gründlich recherchiert." Bentons Miene verdüsterte sich. "Er hat die Wahrheit herausgefunden und sein Wissen benutzt, um persönlich davon zu profitieren." "Aber Cap bezieht ein sehr gutes Gehalt. Er braucht doch das Geld sicher gar nicht", warf Hope ein.
„Machen Sie Witze? Der Mann war pleite. Er war hoch verschuldet und hatte nicht den Mut, es Muffy zu sagen. Erpressung war ein Weg, aus dem Loch rauszukommen." "Wie viel hat er von Ihnen verlangt?" Ihr wurde schwindelig, als Benton den Betrag nannte. "Das ist ungeheuerlich", flüsterte sie. "Warum lassen Sie sich das von ihm antun?" Benton stand auf und begann, hinter seinem Schreibtisch auf- und abzuwandern. "Ich habe eine Verantwortung gegenüber den Aktionären dieses Unternehmens." Er sah Hope beschwörend an. "Sie haben eine Wahl, Hope. Ich nicht. Der Posten des stellvertretenden Leiters der Marketingabteilung muss demnächst neu besetzt werden. Sie können ihn haben, wenn Sie dicht halten, und das Leben geht weiter." "Und was ist mit den Menschen in Magnolia Heights? Wie geht deren Leben weiter?" "Das wird mich ewig verfolgen." Er stützte die Hände auf den Schreibtisch und senkte den Kopf. "Aber ich kann die Firma nicht verraten." Hope schwieg. Sie wusste, Benton war kein schlechter Mensch. Er war zwischen seinen Prioritäten stecken geblieben - zwischen Palmer und seinen eigenen Wertvorstellungen. Wer war sie, um zu beurteilen, ob er die richtige oder falsche Entscheidung getroffen hatte? Vielleicht sollte sie Sam gegenüber genauso tolerant sein. Aber das war etwas anderes. Sie hatte nie erwogen, mit Benton Quayle ihr Leben zu teilen. Auch sie musste ihre Entscheidung treffen, und sie hatte es bereits getan. "Ich kündige mit sofortiger Wirkung, Benton. Meinen Brief werden Sie innerhalb der nächsten Stunde auf dem Schreibtisch haben." Er nickte nur. Nun musste sie nur noch eines tun. Sie rief ihre Freundin Sandi an und sagte ihr, wie schrecklich Leid es ihr täte, dass sie nicht zu der Party am Abend kommen könnte. Sam saß an seinem glänzenden Mahagonischreibtisch, vor sich einen Pappbecher mit kaltem Kaffee. Müde stand er auf und starrte aus dem Fenster. Er brauchte etwas, das die vergangene Nacht ungeschehen machte. Er brauchte Hope. Der Kaffee, den sie machte, war entschieden besser als dies wässerige Zeug aus dem Imbiss. Aber ihr guter Kaffee war nicht der Grund, warum er sie brauchte. Was er brauchte, war Hopes Stärke. Er brauchte ihre Stärke, so wie sein Vater die Stärke seiner Mutter gebraucht hatte. Plötzlich sah er alles ganz klar. Sein Vater war nicht schuld an ihrer Verarmung gewesen. Es war einfach passiert, so wie es vielen anderen Menschen passiert war. Und seine Mutter hatte das gewusst und hinter dem Mann gestanden, den sie liebte. Sie hatte ihm den Rücken gestärkt.
Genauso wie Hope es getan hätte, wenn er den Mut besessen hätte, ein Ziel aufzugeben und ein anderes anzusteuern. Er liebte Hope. Es wurde ihm in dem Moment bewusst, da er sie verloren hatte. Zu spät. Es war zu spät, um ihre Liebe zu gewinnen. Aber es war nicht zu spät, seine eigene Selbstachtung wieder zu erlangen. Statt sich mit Cap in der Bücherei zu treffen, fuhr Sam schnell zur PalmerFabrik in New Jersey. Zurück in Manhattan, schnüffelte er in Dingen herum, die ihn eigentlich nichts angingen. Als Resultat seiner Detektiv-Arbeit war er im genau richtigen Moment in der Bank und hinter Cap am Schalter, ignorierte das Geschimpfe der anderen Leute in der Warteschlange und sah zu, wie Cap eine große Bareinzahlung auf ein Konto unter einem anderen Namen machte. Er brauchte nicht lange, um die Story aus Cap herauszuholen. Und so, wie er Hope gesagt hatte, machte er mit seinem Kollegen einen Deal. Aber es war nicht der Deal, den er beabsichtigt hatte. In wenigen Stunden würde das jährliche Meeting des Firmenvorstands stattfinden. Genug Zeit für Cap, zu tun, was er versprochen hatte. Blieb nur noch das Gespräch mit Phil. "Das ist furchtbar." Phil war blass vor Sorge. "Denken Sie an meine Verantwortung für die Kanzlei- ich muss um jeden Preis ihr Ansehen wahren." "Ich weiß, Sir. Aus diesem Grund habe ich Ihnen einige Dinge nicht erzählt. Wenn ich es tun würde, müssten Sie Maßnahmen ergreifen, die noch peinlicher wären. Die Firma selbst trifft keine Schuld." Es war nicht notwendig, Phil von Cap zu erzählen. Wenn Cap seine Seite des Deals eingehalten hatte, hatte er bereits seine Kündigung eingereicht. Er würde einen anderen Job finden. Und zusammen mit Muffy würde er ihre finanzielle Lage in Ordnung bringen. Muffy war eine tolle Frau. Sie würden das Haus verkaufen, ihren Lebensstil ändern und ihren Freunden erzählen, Cap wolle nicht mehr auf der Oberholspur leben. Zusammen würden sie es schaffen. Einen Moment lang war Sam fast eifersüchtig auf den Mann. Auf seiner einsamen Straße zu reisen würde viel schwerer sein. „ ... werden wir dies so handhaben müssen, dass der Ruf der Kanzlei makellos bleibt", hörte er Phil sagen. Sam atmete tief durch. Nun kam der schwierige Teil. "Wie Sie schon sagten, Sir, das liegt in Ihrer Verantwortung. Meine ist etwas anders." Phils Ausdruck wurde noch verzweifelter. "Aber Sam, die Teilhaberschaft, Ihre Zukunft …" „ ... bedeutet den Leuten in Magnolia Heights nicht viel." "Nein, vermutlich nicht. " Phil seufzte tief und schloss die Augen. "Charlene wird tief enttäuscht sein." Er schien eine Weile über Charlenes Enttäuschung nachzudenken, dann richtete er seinen Blick auf Sam. "Sie sind ein guter Mann, Sharkey", sagte er. „Tun Sie, was Sie tun müssen. Ich werde Sie so weit wie möglich unterstützen."
"Danke, Phil. Das Erste, was ich tun muss, ist kündigen. Ich möchte unabhängig sein - was immer ich unternehme." "Ich habe befürchtet, dass Sie das sagen würden." Phils Augen blitzten kurz auf. "Das macht zwei an einem Tag. Sieht so aus, als ob Cap uns verlässt." „Ach, tatsächlich?" "Sagt, er fühle sich zu Höherem berufen. Will Gutes für seine Nächsten tun. Was ist los mit euch Burschen? Macht Weihnachten euch rührselig?" "Man weiß nie alles über einen Menschen, nicht wahr, Phil?" Sam erhob sich, um zu gehen. „Da haben Sie wahrhaftig Recht." In Phils Stimme schwang etwas mit, das Sam stutzig machte. Er drehte sich um und sah seinen Exchef lächeln. Es war kein glückliches Lächeln, aber es war voller Bewunderung. Als Sam kurz vor sechs in sein Büro zurückkam, wählte er Hopes Büronummer. "Hier Hope Sumner", sagte ihre vertraute weiche Stimme. "Ich kann Ihren Anruf leider nicht annehmen. Falls es dringend ist, wählen Sie bitte die Null.“ Da die Null keine große Hilfe für ihn sein würde, rief er bei Hope zu Hause an. "Sie sind mit der Nummer 555-1313 verbunden." Jetzt klang ihre Stimme deprimiert. Es musste eine neue Ansage sein. Sams Herz begann zu hämmern. "Ich werde vorübergehend nicht in New York sein. Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen und Ihre Nummer..." Er legte auf. Sie war früher als geplant abgereist. Er könnte alle Sumners in Chicago anrufen, bis er die Richtigen hätte. Oder nicht. Er könnte selbst früher fliegen, am Flugplatz einen Wagen mieten und seine Leute überraschen. Oder nicht. Lange saß er einfach nur da, zu traurig, um etwas zu unternehmen. Maggie und Hank Sumner waren Überglücklich, als Hope spät am Freitagabend ankam statt am Samstag. Hank brachte ihre Reisetasche zu ihrem alten Zimmer hoch, während Maggie sie in die Küche zog. "Komm, du musst unbedingt ein Stück von meinem Kokosnusskuchen probieren." "Nein danke, Mom. Du weißt, ich liebe deinen Kokosnusskuchen, aber ich bin noch satt vom Dinner." "Dein Dinner kann höchstens ein lasches Sandwich im Flugzeug gewesen sein", sagte Hank, der sich zu ihnen an den Küchentisch setzte. Hope sah ihre Eltern liebevoll an. Sie waren jetzt in den Sechzigern, aber in ihren Augen wurde ihre Mutter jedes Jahr schöner. Ihr blondes Haar war mit feinen Silberfäden durchzogen, ihre Figur noch immer hübsch, und ihr Lächeln würde nie die Wärme und die Resolutheit verlieren. Wäre sie nicht resolut gewesen, hätte sie ihre drei adoptierten Mädchen nicht großziehen können.
Hank hielt an der Universität von Chicago noch immer Geschichtsvorlesungen und schwor, er würde nie in den Ruhestand gehen. Sie lebten noch in demselben gemütlichen alten Haus, in dem Hope und ihre Schwestern aufgewachsen waren. "Es ist so gut, hier zu sein", sagte Hope. "Okay, Mom, schneid mir ein Stück Kuchen ab, ich nehm's mit nach oben zu Bett." Am Sonnabend schlief sie aus, half dann ihrer Mutter beim Plätzchenbacken. "Ich werde nie den Tag vergessen", sagte Maggie, während sie Zuckerguss auf die Engel-Kekse strich, "an dem ihr drei Mädchen plötzlich an unserer Tür gestanden habt." Hope würde jenen Tag auch nie vergessen. Dank eiserner Entschlossenheit und einem offenbar angeborenen Organisationstalent - sie war damals sechs gewesen - war sie mit ihren Schwestern aus dem Haus ihrer Großmutter geflohen und hatte sich zu Maggie und Hank durchgeschlagen. "Ich erinnere mich besonders gut an deinen Gesichtsausdruck", fuhr Maggie fort. "Entschieden, trotzig, unnachgiebig. Erst als ich dich in die Arme nahm und fühlte, wie du gezittert hast, wusste ich, dass du eine Todesangst hattest." "Ich glaube, ich habe erst zu zittern angefangen, als du mich an dich gedrückt hast", sagte Hope. "Hätte ich vor Faith und Charity auch nur eine Sekunde lang Schwäche gezeigt, hätten wir es nie bis hierher geschafft." "Du warst immer ihre Anführerin", sagte Maggie, "und bist es immer noch." Sie warf Hope einen kurzen Blick zu. "Ich glaube sogar, Charity und Faith warten darauf, dass du dich als Erste verliebst, dass du sozusagen das Wasser testest, bevor sie hineinspringen." "Dann wirst du nie Enkelkinder haben", entgegnete Hope heftig, "weil ich mich nie ... niemals ..." "Hope, was ist denn das?" Als Maggie Hope bei der Schulter fasste und voller Mitgefühl anblickte, ließ Hope sich schluchzend auf einen Küchenstuhl sinken und weinte all die schönen Engel voll. Aber sie konnte noch immer nicht darüber reden. Charity, die in einem Vorort nördlich von Chicago lebte, hatte Faith am Flughafen abgeholt, und ihre Ankunft am späten Nachmittag war ein Wirbel von Umarmungen und Küssen. Und dann fragten sie nach Sam. "Es hat nicht geklappt", sagte Hope und lächelte das Lächeln, das sie vor dem Spiegel geübt hatte. "Obwohl es ganz nett war, solange es lief.“ Sie würden nie erfahren, wie wundervoll es gewesen war. "Sobald ich wieder in New York bin, hole ich mir die Katze", verkündete Hope, als sie Kaffee trinkend um den Weihnachtsbaum herum saßen. Ihre Schwestern behandelten sie ungewöhnlich rücksichtsvoll. "Was für eine?" fragte Charity interessiert. "Das habe ich noch nicht entschieden. Vorschläge sind willkommen." Sofort entspann sich eine lebhafte Diskussion. Unterhaltungen im Haus der Sumners wurden immer lebhaft, sogar Gespräche über Katzen.
"Ich glaube, ich werde in ein Tierheim gehen", sagte Hope, "und die Katze mit nach Hause nehmen, die mir spontan gefällt." Maggie nickte zustimmend. "Das scheint mir das Beste zu sein. Verlass dich auf dein eigenes Urteil." Plötzlich wurde Hope vom Fernseher in der Küche abgelenkt. Es waren nur zwei Worte, die sie deutlich verstanden hatte: "Magnolia Heights". Sie stand auf und ging in die Küche. Auf dem Bildschirm sah sie eine chaotische Szene. Polizisten, Feuerwehrleute und Fernsehteams kämpften auf dem Gelände von Magnolia Heights um Platz. Aber von "Gelände" konnte man eigentlich nicht mehr sprechen. Die im Scheinwerferlicht schimmernde Fläche glich eher einer Seenplatte. Hope presste entsetzt die Hand auf den Mund. Sie wusste, was sie nun hören würde. „ ... eine Katastrophe von unabsehbaren Ausmaßen", sagte ein Reporter, der aussah, als wäre er zu Eis gefroren. "In allen drei Gebäuden wurden Rohrbrüche festgestellt, wobei das Gebäude B am schwersten betroffen ist. Zahlreiche Wohnungen stehen unter Wasser, das umgebende Gelände ist überflutet ..." "O mein Gott!" flüsterte Hope, als sie an Mrs. Hotchkiss und ihr zahnendes Baby dachte, an ihre Nachbarinnen, an Slidells Mutter. Inzwischen hatte ihre Familie sich hinter ihr versammelt. "Magnolia Heights?" fragte Charity. "Ist das nicht dieser Neubaukomplex, der seit Monaten durch die Medien ..." „Ja" sagte Hope und dann: "Sam!" Sein Gesicht, grimmig und abgekämpft und unrasiert, füllte den Bildschirm, während die Reporter ihm Fragen zuriefen. "Mr. Sharkey, darf ich Sie ... " "Mr. Sharkey, könnten Sie bitte ..." "Das ist Sam Sharkey?" hauchte Faith. "O Mann, Hope, er ist ein..." "Pscht!" zischte Charity. „Mr. Sharkey, ist es wahr, dass Sie beauftragt worden sind, die Firma Palmer vor Gericht zu vertreten?" "Kein Kommentar!" "Mr. Sharkey", rief ein anderer Reporter, "ist es wahr, dass Sie heute bei Brinkley und Meyers gekündigt haben?" "Gekündigt", flüsterte Hope. "O Sam …“ "Kein Kommentar.“ "Hat Ihre Kündigung etwas mit neuem Beweismaterial zu tun?" Hope wirbelte herum. "Ich muss nach New York zurück!" "Kind, es ist Weihnachten, bleib hier", beschwor ihre Mutter sie. "Das Problem wird nicht fortlaufen. Es wird noch da sein, wenn du nach dem Fest zurückkommst“ "Mom", sagte Faith sanft, "du weißt doch, wie Hope zu ihrem Job steht. Sie kann nicht anders, als sich verantwortlich fühlen." "Es hat mit meinem Job nichts zu tun", sagte Hope energisch. "Ich habe meinen Job gekündigt. Ich will zurück, um Sam zu helfen."
Als sie aus der Küche stürmte, um ihren Flug umzubuchen, hörte sie Charity sagen: "Du lieber Himmel!"
13. KAPITEL Hope kam um vier Uhr morgens in New York an. Während sie gepackt hatte, hatten Charity und Faith mit Hilfe der Telefon-Auskunft einen Samuel Sharkey in Avenue B ausfindig gemacht. Die Straße befand sich in einer ziemlich finsteren Gegend von New York, die sich durch den Zuzug junger Berufstätiger gerade ein wenig zu wandeln begann. Hope fuhr geradenwegs zu Sams Adresse. Er musste sie hereinlassen. Er musste mit ihr reden. Musste sich anhören, was sie sich überlegt hatte. Das Taxi hielt vor einem dreistöckigen Haus, das ganz offensichtlich noch nie den Hauch einer Sanierung gespürt hatte. Hope bezahlte den Fahrer und ging die Stufen zum Eingang hoch, wo sie wie in Magnotia Heights eine Reihe Namensschilder mit Klingelknöpfen vorfand. Sie überflog die Schilderleiste, fand "Sharkey, Sam" in 3 R und drückte den Knopf. Es kam keine Antwort. Natürlich, er schlief. Dann würde sie ihn eben aufwecken. Sie klingelte noch einmal. Nichts. Beim dritten und vierten Mal ließ sie den Finger eine Minute auf dem Klingelknopf. Keine Reaktion. Sie starrte frustriert auf das Namensschild. Wenn Sam nicht zu Hause war, würde sie auf ihn warten. Wenn er da war und nicht antwortete, würde sie ihn umbringen, wenn er herauskäme. Allmählich begann sie die Kälte zu spüren - sie fühlte sie durch ihre dicken Wollsocken, durch ihre Schneestiefel und sogar durch den Daunenmantel, den Charity ihr geliehen hatte. Sie setzte sich auf die oberste Stufe und sprang sofort wieder hoch. So musste es sich anfühlen, wenn man auf einem Gletscher saß. Sie begann, auf dem Bürgersteig auf- und abzuwandern, während sie auf ihre Fingerspitzen pustete. Es war so einsam hier, so dunkel. Die Straßenlaternen schienen viel schwächer zu sein als in ihrem Wohnviertel. Hinter einigen Fenstern sah sie Weihnachtslichter, aber sie wirkten bedrohlich statt heiter, rot funkelnd wie Rattenaugen. Ratten! - ein Schauder überlief sie. Sie hatte sich noch nie so allein gefühlt. Und diese Eiseskälte. Es musste doch irgendwo in der Nähe einen Coffee-Shop geben, der rund um die Uhr geöffnet hatte. Dies war schließlich New York, die Stadt, die nie schlief. Aber sie konnte ihren Posten nicht verlassen. Sie musste hier warten, bis Sam nach Hause kam - oder aus der Tür ... Ein Streifenwagen kam die Straße heruntergefahren und hielt neben ihr. "Zeit, nach Hause zu gehen, Lola!" rief der Polizist auf dem Beifahrersitz durch den offenen Spalt des Fensters. Sie trat an den Wagen. "Ich bin nicht Lola. Ich bin ...“
Aber dies ist Lolas Block, Lady. Lass dich nicht von ihr erwischen. Na ja, wer immer du bist, sieh zu, dass du nach Hause kommst." "Das geht nicht. Ich warte auf jemanden." "Ja, ja, das tut ihr Mädels ja alle. Auf jemanden warten. Nun mach schon, Mädchen, geh nach. Hause, bevor du hier erfrierst." Endlich begriff Hope, wovon er redete. "Ich bin keine Prostituierte", sagte sie empört. "Ich bin eine Freundin von jemandem, der in diesem Haus wohnt." Sie zeigte hinüber. "Ich hab gesagt, geh nach Hause!" Bis jetzt war der Beamte freundlich gewesen. Mit tauben Fingern begann Hope, in ihrer Handtasche nach einem Dokument zu wühlen, das sie als eine ehrbare Geschäftsfrau ausweisen wurde. Sie fuhr erschrocken zusammen, als die Tür des Streifenwagens aufflog. "Okay, das reicht. Mach, dass du in den Wagen kommst!" "Was?" "Rein in den Wagen!" Der Polizist packte sie am Arm. "Da du nicht friedlich nach Hause gehen willst, muss ich dich einlochen." Ein Taxi näherte sich. Hope erwog, sich vor den Wagen zu werfen, aber dann hielt er, und Sam stieg aus. Er blickte zum Streifenwagen, sah sie, starrte sie ungläubig an. "Hope?" "Na endlich!" knurrte sie. "Wo bist du gewesen?" Der Beamte lockerte seinen Griff , und sie zog wütend ihren Arm fort. "Ist diese Lady eine Freundin von Ihnen?" Sam sah aus, als ob er es gern verneint hätte. "Sam Sharkey!" sagte sie warnend. "Ja, Officer", erwiderte er. "Brauchen Sie Hilfe mit ihr?" Wieder zögerte Sam, bis Hope mit dem Fuß aufstampfte. "Nein!" "Okay, in Ordnung. Gute Nacht und nichts für ungut, Miss." Der Beamte nickte Sam zu und stieg wieder in den Wagen, der langsam weiterfuhr. "So eine Unverschämtheit!" schimpfte Hope. "Hope, was tust du hier?" "Ich muss mit dir reden!" Er sah hilflos aus, sein Blick wanderte zwischen Hope und dem Hauseingang hin und her. "Hier?" „Ja, hier, du Idiot!" fauchte sie ihn an. "Nimm mich sofort mit rein, sonst wirst du dich mit einer steif gefrorenen Leiche herumärgern müssen.“ "Oh. Ja. Entschuldige." Er hob sie auf die Arme und trug sie die Treppe hoch. Bei sich angekommen, legte er sie behutsam auf eine weiche Fläche. Als er das Licht anmachte, sah sie, dass sie auf seinem Bett lag. Er wickelte eine Decke um sie, ging dann an einen kleinen Herd in einer Nische des Ein-ZimmerApartments und setzte einen Kessel mit Wasser auf. Minutenlang lag Hope einfach nur bibbernd da. So also lebte Sam. Sparte sein Geld, gab nichts für sich selbst aus, außer wenn er es musste, um den Schein zu
wahren. Er hatte gesagt, dass sie nicht verstehen könnte, wie viel die Teilhaberschaft ihm bedeutete. Nun begann sie zu verstehen, aber es sah so aus, als ob er trotzdem das Richtige getan hatte. Plötzlich erfüllte sie eine unbändige Freude und vertrieb die Kälte. Sam kam zu ihr herüber, setzte sich auf die Bettkante und zog ihr die Stiefel aus. Sie beobachtete ihn mit großen Augen, als er begann, ihre Füße zu massieren. "Was hast du um sechs Uhr morgens da draußen in der Kälte getan?" An seinem Ton und Blick merkte sie, dass er etwas für sie empfand vielleicht sogar Liebe. Aber selbst wenn es noch keine Liebe war - er würde sie lieben, wenn sie mit ihm durch wäre. "Frag mich, was ich um vier da draußen getan habe." "Um vier? Du hast zwei Stunden in dieser Eiseskälte vor dem Haus gestanden und ... " „ ... auf dich gewartet, jawohl", fuhr sie ihn an. "Ich hab dir doch gesagt, dass ich mit dir reden muss." Dies ist das einundzwanzigste Jahrhundert, Hope. Wir haben Telefone." "So ging es aber schneller." Sie sah, wie es in ihm arbeitete. "Du hast die Nachrichten gehört." „Richtig. Genau genommen nur eine Nachricht." Er nickte ernst. "Es ist schlimm. Ich bin dort geblieben, bis sie das Gebäude evakuiert hatten und anfingen, an den Wasserrohren zu arbeiten." Plötzlich sah er sie verständnislos an. "Du bist doch in Chicago ... " Hatte der Mann vollkommen seine Denkschnelligkeit verloren? "Dort war ich, aber jetzt bin ich hier. Ich habe nämlich eine Idee." Ihre Idee war nicht der einzige Grund ihrer Rückkehr, aber der Rest konnte warten. Er stand wieder auf und goss eine Portion Kognak in ein Glas, das er mit heißem Wasser auffüllte. "Trink das. Und dann verrat mir deine Idee." Sie trank das heiße Gebräu. "Es wird zwar das Problem nicht lösen, aber den Leuten zumindest etwas Weihnachtsstimmung bringen." "Hope, wie können wir so etwas in vierundzwanzig Stunden schaffen?" "Der Weihnachtsmann", entgegnete sie, "schafft das in einer Nacht." Es war Heiligabend und die Atmosphäre in Magnolia Heights festlich. Benton war auf fast klägliche Art kooperativ gewesen - die Firma Palmer hatte das Geländer um die Eisbahn beigesteuert, die einmal die Rasenfläche vor Gebäude B gewesen war. Aus Lautsprechern erklang flotte Musik, zu der farbenfroh gekleidete Schlittschuhläufer über das Eis glitten. Die Schlittschuhe hatte die Installationsfirma Stockwell gestiftet. Die für Parks und öffentliche Anlagen zuständige Behörde hatte einen enormen Weihnachtsbaum aufgestellt, um den herum sich ein Berg von gespendeten Geschenkpaketen türmte. An keinen Ständen gab es kostenlose Hot Dogs, Kakao und Zuckerwatte - der Beitrag von Brinkley Meyers. Ein Clown auf Schlittschuhen unterhielt die Kinder mit seinen Ulknummern. Hope ging näher
an das Geländer heran und starrte zu ihm. Konnte das Sankt Paulus der Perfekte sein? Der Clown winkte ihr zu und wackelte mit seinen dicken Augenbrauen. Erstaunlich, wie die Beförderung den Mann aufgelockert hatte. Fernsehkameras bildeten einen Ring um die Szene. Am späten Nachmittag bewegten sie sich zu einer Stelle am Rand der Eisbahn. Palmer und Stockwell gaben eine Pressekonferenz, um anzukündigen, dass sie die Kosten für die Neuinstallierung übernehmen würden. "Dies ist eine schlimme Zeit für die wundervollen Menschen in Magnolia Heights", sagte Benton salbungsvoll. "Ob der Fehler bei uns oder anderswo liegt - wir Übernehmen die Verantwortung und werden es in Ordnung bringen." "Du meine Güte, ist das nicht schön?" tönte Maybelle, die plötzlich wie aus dem Nichts neben Hope auftauchte. Hope lächelte sie an. "Könnte nicht schöner sein." "O doch, viel schöner." Maybelle zeigte zum Gebäude C. "Hab grad ’ne Tour durch diesen Betonklotz gemacht. Ich sag Ihnen, Schätzchen, so wie das Chi da drinnen blockiert ist, ist es kein Wunder, dass diese Leute nicht besser vorankommen." "Maybelle", sagte Hope geduldig, "einige Leute haben einfach nicht viel Geld für die Einrichtung ihrer Wohnungen." „Ich rede nicht von Geld. Das ist das Einzige, woran ihr jungen Leute denken könnt - Geld. Ich rede nur davon, das Zeug, das schon da ist, besser zu arrangieren. Das ist des, was ich bei Ihnen getan habe. Wissen Sie, was ich tun werde?" "Mir eine Rechnung schicken?" fragte Hope schwach. "Ich werd hier 'n paar Feng Shui-Serninare geben." "Das ist eine tolle Idee, Maybelle. Wenn Sie die Kosten niedrig halten, so um fünf Dollar pro Sitzung..." "Schätzchen, ich werd nichts dafür nehmen. Eine Lehrerin - nein, das bin ich nie gewesen." "Eine Buchhalterin sind Sie offenbar auch nicht", bemerkte Hope. "Könnten Sie nicht einfach ein Stück Papier nehmen und..." „ ... Ihre Rechnung schreiben. Ja, ja. Wird in den nächsten Tagen erledigt. Also, machen Sie sich schöne Weihnachten, Schätzchen." Damit flatterte Maybelle davon. Die drei Worte, die fast aus Hope herausgeplatzt wären, sprudelten dicht unter der Oberfläche weiter. Sie blickte sich nach Sam um. Er war nirgends zu finden. Hope saß auf dem Boden und starrte ihren Weihnachtsbaum an. Es lag noch ein Geschenk darunter, das Geschenk für Sam - ein luxuriöser Kaschmirpullover in der Farbe seiner Augen. Es war ein tolles Geschenk. Alles, was sie brauchte, war Sam, um es ihm zu geben. Sie lehnte sich gegen einen der Fauteuils und schloss die Augen. Es hätte nie mit ihnen beiden geklappt. In Gedanken sah sie das Kindermädchen vor sich, das mit den Kindern vor dem Weihnachtsbaum saß. Mommy und Daddy waren
noch nicht auf. Sie waren sehr müde, weil Mommys Rohre gebrochen waren und Daddy über Nacht eine Eisbahn hatte anlegen müssen. "Das ist lächerlich", murmelte Hope und öffnete die Augen. Als die Tränen wieder in ihren Augen brannten, sagte sie sich energisch, dass sie okay sein würde. Morgen würde sie nach Chicago zurückfliegen, und wenn sie wieder in New York wäre, würde sie sich nach einer Katze und nach einem neuen Job umsehen. Nichts mit Rohren. Die würde sie bald vergessen. Doch Sam würde sie nie vergessen. Sogar jetzt spürte sie seine Finger auf ihrer Haut, hörte den Klang seiner tiefen Stimme, kam fast um vor Sehnsucht nach ihm. Sie schnappte sich das Katzenbuch und blätterte darin. Als das Telefon läutete, zwang sie sich, sich nicht aufzuregen. Vermutlich waren das ihre Eltern. "Hi." „Sam?" sagte sie mit zittriger Stimme. "Ist das ein ungünstiger Moment?" Ja, dachte sie. Ich sitze hier ganz allein und heule und blättere in einem verdammten Katzenbuch und frag mich, ob ich in den Einzelhandel gehen sollte. Ist das eine Art, den Weihnachtsabend zu verbringen? "Nein", sagte sie mit bedeutend festerer Stimme als vorher. "Ich sitze hier und freu mich über meinen Weihnachtsbaum.“ "Ich hab ein kleines Geschenk für dich. Darf ich's vorbeibringen?" "Du darfst. Ich habe auch ein kleines Geschenk für dich." "Ich bin in einer Minute bei dir." Als sie ihm die Tür öffnete, stand er vor ihr, in jeder Hand einen Tragekorb. "Was ... was ist denn das?" Ihre Frage war überflüssig, denn aus beiden Körben kam ärgerliches Miauen. "Das wirst du gleich sehen." Sam öffnete den einen Korb, und ein Kätzchen spazierte heraus. Da Hope ihr Katzenbuch gründlich studiert hatte, wusste sie sofort, dass es eine langhaarige Himalaya-Katze war. Hell, blauäugig und atemberaubend schön. "O Sam, sie ist wundervoll." Hope hockte sich nieder und strich dem Kätzchen durchs Fell. "Er", berichtigte Sam. Der kleine Kater stolzierte hochmütig um Hopes Knie herum, schnupperte dann an ihrer Hand. "Warte", sagte Sam und öffnete den anderen Korb. Ein gelber Blitz schoss heraus und sah direkt zu Hope hoch. "Wird aber auch Zeit! " sagte ihr Blick, bevor sie auf Hopes Schoß sprang, alle zehn Krallen in ihre Samt-Leggings grub und dann an ihrer Seidenbluse hochkletterte. Nach einem kleinen Schmerzensschrei lachte Hope laut auf. "Er?" fragte sie. "Sie." "Aha." Die magere, gelbbraun getigerte Hauskatze hatte hellrüne Augen, die neugierig umherblickten und das Zimmer auf seine Möglichkeiten abschätzten.
"Ich liebe sie", erklärte Hope überschwänglich. "Das war eine tolle Idee von dir. Vielen ... " "Du musst dir eine aussuchen. Ich hab nur eine Schleife mitgebracht.“ Er zog eine rote Satinschleife mit etlichen Kratzspuren aus seiner Manteltasche. "Eine aussuchen?" Hope sah ihn bestürzt an. "Wie kann ich das tun? Überleg doch mal, wie die andere sich fühlen würde." Sam sah sie durchdringend an. "Sie wird sich prima fühlen. Wähl eine aus." "Gib mir etwas Zeit zum Nachdenken, ja?" "Nein. Das erste Urteil ist für gewöhnlich das Beste. Also, welche möchtest du?" Der Kater sprang aufs Sofa und rollte sich zu einer Kugel. Während er sanft zu schnurren begann, kam ein alarmierendes Geräusch aus dem Schlafzimmer, wo das Tigerkätzchen offenbar erste Erkundungen machte. "Na los, entscheide dich." "Ich kann nicht." Also gut, ich gebe dir die Vergleichsdaten. Der Exot ist reinrassig und ungefähr eintausendfünfhundert Dollar wert - ein Exemplar, von dem so mancher Katzenliebhaber träumt." "O Sam, du kannst doch nicht so viel..." "Pscht! Es ist Weihnachten. Das Tigerkätzchen stammt aus dem Tierheim, es ist der Kümmerling des Wurfs. Fünf Dollar, Impfungen inbegriffen." Sam sah sie noch immer unverwandt an. Hope blickte zu dem exotischen kleinen Kater, der friedlich auf dem Sofa schlummerte. Beige auf beige, sogar farblich passte er. Man könnte sich glatt auf ihn draufsetzen und es erst merken, wenn es zu spät war, Hope folgte den ominösen Geräuschen ins Schlafzimmer. Das Tigerchen hatte die frischen Kerzen von der Kommode gefegt und trieb eine mit der Pfote über den Fußboden - offenbar fasziniert, dass sie rollte. Als sie Hope sah, hielt sie in ihrem Spiel inne, hob den Kopf und blickte ihr in die Augen. Hope lächelte. "Ja", sagte sie weich, bückte sich und streichelte das Kätzchen, das unter der Liebkosung einen Buckel machte. Hope wischte eine Träne fort und hob das Tigerchen auf. Es entspannte sich sofort in ihren Armen. Sie wiegte es sanft und ging dann zu Sam zurück. "Wir haben beschlossen, eine WG zu gründen", sagte sie und knuddelte das Kätzchen. "Dem Himmel sei Dank!" Sam warf sich erleichtert in einen Sessel. "Der kleine Asiate gehört meiner ehemaligen Sekretärin. Sie sitzt unten in der Lobby und wartet darauf, dass ich ihr den Kleinen zurückbringe." Hope setzte das Kätzchen sanft auf den Boden, dann stürzte sie sich auf Sam. "O Sam, du Teufel! Warum hast du das getan? Was, wenn ich den Kater gewählt hätte? Was hättest du dann getan?" Er blieb ganz ruhig. "Ich hab darauf vertraut, dass du die Katze mit Charakter wählen würdest."
Auch Hope beruhigte sich. "Kannst du mir je verzeihen, dass ich dir nicht vertraut habe?" "Ich muss es. Einen Moment lang hatte ich vergessen, wer ich wirklich bin. Ich hatte dein Vertrauen nicht verdient." Er zog sie zu sich hinunter. "Vertraust du mir jetzt? Vergiss nicht, ich bin arbeitslos. Vertraust du darauf, dass ich mir einen anderen Job suche und ein verantwortungsbewusstes Mitglied der Gesellschaft werde?" "Soll das heißen, dass du zum Familieneinkommen beitragen willst?" Hope zog eine Spur von Küssen über seinen Hals. "Ich bin auch arbeitslos", sagte sie weich. "Es ist eine tolle Gelegenheit, ein Baby zu bekommen. Er umarmte sie noch fester. "Wir werden okay sein, solange …“ „ ... solange wir einander haben", sagte Hope. Sie wollte ihn so sehr, dass sie wusste, sie würde kein weiteres Wort herausbringen, ehe sie nicht alles von ihm gehabt hätte. Er küsste sie, zuerst sanft und zärtlich, dann mit der ganzen Leidenschaft, die sie in ihm spürte. Mit zitternden Fingern knöpfte sie sein Hemd auf, ihre Bluse, wollte seine Haut an ihrer fühlen, seine Wärme spüren, sich in seinem Duft verlieren. "O Gott, Carol", murmelte er. Hope erstarrte. Abrupt wich sie zurück. "Du hast mich beim Namen einer anderen Frau genannt." Ihre Lippen konnten kaum die Worte formen. "Das ist meine Sekretärin", stöhnte er. "Sie wartet auf ihren Kater. Ich hatte sie völlig vergessen." Hope sprang auf die Füße. "Um Himmels willen, Sam. Reiß dich zusammen! Wo sind die Katzen hin?" Er knöpfte hastig sein Hemd zu. "Keine Ahnung. Such den Asiaten." Er blickte an sich hinab. "Ich muss meinen Mantel anziehen. Hab ich irgendwo Lippenstift?" Er fuhr sich nervös mit den Fingern durch sein zerzaustes Haar. Hope fand Carols kostbaren Kater in ihrem kleinen Arbeitszimmer und verstaute ihn schnell in seinem Korb. "Beeil dich, Sam." Sie folgte ihm bis zur Tür, mochte ihn nicht einmal für eine Minute gehen lassen. Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, schwankte der Weihnachtsbaum. Hopes Blick wanderte zur Spitze. Da war das Tigerkätzchen, in einem Kampf auf Leben und Tod mit ihrem selbst gebastelten Stern. "Du wirst prima hierher passen, du Racker." Und Sam auch. Hope nannte das Kätzchen Chi. Sie feierten Weihnachten zuerst mit Sams und dann mit Hopes Familie. Chi war mit von der Partie. Im Februar gründeten Hope und Sam ihre eigene Consulting-Firma. Sie heirateten im März. Da sie bei der Arbeit gut miteinander harmonierten, glaubten sie, dass Ihre Ehe Bestand haben würde.
Susannah Sumner-Sharkey wurde im folgenden Jahr am ersten Weihnachtstag geboren. Sie hat im Bürotrakt der Eltern ein eigenes Zimmer und fährt jeden Tag mit ihnen zur Arbeit. Und Chi ebenfalls. Sie haben keine Mäuse. Allerdings mussten sie die Vorhänge schon zwei Mal ersetzen. Maybelle ist ständig für sie tätig. Sie hat Hope noch immer keine Rechnung geschickt.
- ENDE