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Die Göttin der Alten Welt lebt noch heute „verkörpert" in Landschaft, Mythos und Kultur. Rachel Pollack führt uns zu ihren Bildern und Formen: von den altsteinzeitlichen Höhlen von Lascaux über die Venus von Willendorf, die Steinkreise von Stonehenge und Avebury bis hin zu den Nanas der Niki de Saint Phalle. Auf dieser Reise durch Raum und Zeit erwachen die zentralen Göttinnenmythen zum Leben und lassen erkennen, welche Kraft die heiligen Orte noch heute in sich bergen.
Rachel Pollack
IM KÖRPER DER GÖTTIN Weibliche Weisheit in Mythos, Landschaft und Kultur
Aus dem Amerikanischen von Marita Böhm
DieOriginalausgabeerschienunterdemTitel TheBodyoftheGoddess beiElementBooksLtd.,Shaftesbury/Dorset ©RachelPollack1997
DieDeutscheBibliothek–CIPEinheitsaufnahme Pollack,Rachel: DerKörperderGöttin:weiblicheWeisheitinMythos,Landschaft undKultur/RachelPollack.AusdemAmerikan.vonMarita Böhm.–München:Hugendubel,1999 (Sphinx) ISBN3896312243
©derdeutschenAusgabeHeinrichHugendubelVerlag, München1999 AlleRechtevorbehalten Lektorat:ClaudiaGöbel,München Redaktion:BarbaraImgrund,München Umschlaggestaltung:ZembschWerkstatt,München,unter VerwendungeinerSkulpturvonBärbelHefter,Rohrdorf Produktion:TillmannRoeder,München Satz:DesignTypoPrint,Ismaning DruckundBindung:FranzSpiegelBuch,UlmJungingen PrintedinGermany
Inhalt
Danksagung
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Einführung:DiespiralförmigeReisevonBildern
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1.WiekanndieGöttineinenKörperhaben?
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2.DersichtbareundderunsichtbareKörper
46
3.DerbemalteSteinkörper 4.DergestalteteSteinkörperI
83 120
5.DergestalteteSteinkörperII
146
6.DerKörperimLand
197
7.DerKörperimLied
231
8.DerKörperbeidenToten
276
9.DerlebendigeKörper
310
Literatur
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ImKörperderGöttinistalljenengewidmet, diemitmirdieheiligenOrteaufgesuchthaben: EdithKatz,MaryanneReneeVrijdaghs, HelleAgatheBeierholm,WittaJensen,K.FrankJensen, SolPollack,TanaDineen,AnnOgborn, SusanCoker,AlmaRoutsong,LeslieHunt,FionaGreen, MargaretMcWilliams,MarianGreen,EvaM., DonnaHutchinson,FaraShawKelsey, PaulShawMalboeuf... undbesondersMariaFernandez,diemirFreundschaft, einensicherenHafenundeinenGranatapfelkernbot, unddasallesimrichtigenAugenblick.
Danksagung EinExpertewurdeeinmalalseinMenschdefiniert,derim mermehrüberimmerwenigerweiß.AlsichdiesesBuch schrieb,hatteichoftdasGefühl,immerwenigerüberim mermehrzuwissen.IndemVersuch,demThemadesGöt tinnenkörpersaufdieSpurzukommen,habeichaufdas Werk sehr vieler Menschen auf sehr vielen Gebieten des wissenschaftlichen Studiums und der Ausdrucksformen zurückgegriffen–aufdasWerkvonHistorikern,Archäolo gen,Künstlern,Priesterinnen,Naturwissenschaftlern,Psy chologen,Wahrsagern,Schriftstellern,Theologen,Altphi lologenundeinfachFreunden,dieaufReisenihreeigenen Forschungenangestellthatten.WennichIdeenoderEnt deckungenandererfalschdargestellthabe–unddasmag trotz meiner besten Absichten geschehen sein –, ist der Fehlerganzalleinbeimirzusuchen,unddafürmöchteich michandieserStelleentschuldigen.Woich,vonderFor schungandererausgehend,einenSprunginmeineeigene Richtungmachte,habeichversucht,dasklarhervorzuhe ben.SollteichdieArbeiteinesanderenmitmeineneigenen Spekulationen durcheinandergeworfen haben, bitte ich auchhierumEntschuldigung. DiesesBuchversuchtnicht,eingeschichtlichesoderwis senschaftliches, geschweige denn ein theologisches (oder thealogisches) Werk zu sein. Die Göttinnenreligion ist nicht nur ein historisches Thema: Sie ist heute lebendig, nichtnurinderumfassendenForschungsarbeitvonWis senschaftlern wie Marija Gimbutas, sondern auch in der Poesie,derKunstundindenRitualen,dieMenschenallein oder in Gruppen, in Tempeln und Höhlen oder auch in ihren Hinterhöfen und Küchen vollziehen. Ich habe ver sucht,alledieseEbenenderwiedererwachendenGöttin nenreligion zu ehren und meine Dankbarkeit für alle BeiträgezumAusdruckzubringen,diesowohlWissen
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schaftleralsauchAnbetergeleistethaben,besondersdieje nigen,derenWunschnachmehrWissensiezuexakterFor schung veranlaßt haben, und diejenigen, die festgestellt haben,daßdiewissenschaftlicheForschungsiezuGlau benundleidenschaftlichemEngagementgeführthat. Drei Wissenschaftler verdienen besondere Erwähnung. Als erste sei Marija Gimbutas genannt, die Archäologin, dieihreunermeßlicheForschungsarbeitmitdemMutver einte,sichaußerhalbderoffiziellenakademischenIdeolo giezustellenundeineweitreichende,komplexeReligion überallinderKunstundindenausgegrabenenRuinendes prähistorischen Europa als existent anzuerkennen. Die zweite,heutzutagewenigerbekannteAutorinistGertrude RachelLevy.Alsichanfing,diemodernenGöttinnenAu torinnenzulesen,fielmireinWerkauf,dasimmerwieder erwähntwurde,undzwarLevys TheGateofHorn.Levy, die dieses Buch vor mehr als einem halben Jahrhundert schrieb, hatte nicht nur die Gabe, eine überwältigende Menge an Informationen zu sammeln und darzustellen, sondern sievermochteauchdieeinzelnenInformationen miteinanderinZusammenhangzubringenundinklaren, originellenKonzeptenzudenken.EswarGertrudeRachel Levy,diealserstebemerkte,daßdieFormderprähistori schenTempelaufMaltademUmrißeinesFrauenkörpers entspricht.SchließlichseiVincentScullyerwähnt,derAu torvonTheEarth,theTemple,andtheGods.Scully,derkürz lichindenRuhestandgetretenist,wareinhochverehrter ProfessorfürArchitekturgeschichteanderYaleUniversity. AlsersichdengriechischenTempelnunddenaltenPalä stenaufKretawidmete,taterdasmiteinemAugefürdie Wahrheit der Landschaft und einer Leidenschaft für die heiligen Formen, die in der Schönheit der Erde lebendig sind.
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Einführung
DiespiralförmigeReisevonBildern AmEndedes20.JahrhundertssindwirZeugeneinesbe merkenswertenPhänomens–desWiederauftauchensei nerReligion,diesovieleJahrelangtotzuseinschien,daß dieWeltfastvergessenhatte,daßsieüberhauptexistierte. Im Mittelpunkt dieser Religion steht die Anbetung einer Großen Göttin, die viele Namen und Gesichter haben kann, aber die Gottheit stets als weibliche Präsenz dar stellt: lebenspendend, nährend, manchmal schrecklich, aberimmermitderNaturundderWahrheitunseresKör pers verbunden. Und nicht nur des Körpers von Frauen. AuchMännerhabendiespirituelleWirklichkeitimBildei ner lebendigen, allumfassenden Göttin entdeckt, die die WeltundallesLebenausihremKörpererschafft,nichtnur einmal vor langer Zeit, sondern fortwährend in den sich entfaltendenLebensprozessen. DieAuferstehungdieserReligionistzumTeilaufarchäolo gische Entdeckungen zurückzuführen. Die Ausgrabungen brachtennichtnurimmermehrvondermenschlichenVer gangenheitansTageslicht,sondernebenfallseineFüllevon weiblichen Bildnissen: Steinzeichnungen an Höhlenwän den;inGrabstätteneingeritzteVulvasymbole,diedenEin druckerwecken,dieWiedergeburtausdemgöttlichenKör perzuverheißen;FreskenvonGöttinnen,denenAnbeterin einemParadiesgartenLuftzufächeln;Statuenvonwilden, barbusigen Frauen mit Schlangen in den Händen; 30000 Jahre alte Statuetten von Frauen mit gewaltigen Brüsten undHüften;Göttinnen,die,flankiertvonLöwen,gelassen aufThronensitzenundgebären;Tempel,diedenidealisier tenUmrisseneinerFraunachgeformtsind.AlsdieseBild nissemitdembestehendenWissenumGöttinneninIndien, imaltenÄgypten,inMexikovorderEroberungdurchdie Spanier, inAfrikaundanderswo inVerbindunggebracht wurden,begriffmanwieineinerblitzartigenheiligenEin
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sicht,daßMenscheneinstaufderganzenWeltdieGottheit inGestalteinerFrauangebetethatten,unddasüberTau sende,sogarZehntausendevonJahrenhinweg. Durch die Entdeckung, daß einst etwas vorhanden war, wird diesem Etwas eine erneute Existenz ermöglicht. WenndieMenscheninderVergangenheitGöttinnenange betethaben,warumsolltensieesjetztnichtauchtun?Wie aberwürdesicheinesolcheAnbetungvonderReligionei nervonderWeltlosgelösten,allmännlichenGottheitun terscheiden?EinigebegannenBücherzuschreiben,inde nensieallearchäologischenErkenntnissezusammenfüg ten.AnderefertigtenneueStatuenan,errichtetenTempel oder reisten zu Höhlen oder Ruinen, um uralte Rituale wiederzubeleben. Wieder andere schlossen sich in ihren GemeindenzuKreisenvonAnbeternzusammen,umdie JahreszeitenunddiebesonderenAugenblickeinihremLe benfeierlichzubegehen.AusalldemistetwasNeuesund völlig Modernes hervorgegangen, das das Wissen um die VergangenheitmitdemVerständnisdessen,werwirjetzt sind,harmonischverbindet. Bestenfalls ersetzt dieses Etwas nicht einfach den Gott durchdieGöttin.StattdessenergründetesdieMöglichkei ten einer Religion, die auf dem Körper beruht: Denn währendeinGottdieWeltausreinemDenkenherauser schaffenmuß,bringteineGöttinsiesohervor,wieFrauen es schon immer getan haben, nämlich indem sie sie aus ihremreichenSchoßgebiert. Dieseeinfache Tatsacheläßt eineReligionzumVorscheinkommen,diedieNaturund unserenKörper,sowiesiewirklichsind,akzeptiert,nicht alsFeindeoderGefängnissederSeeleoderVersuchungen des Bösen, sondern als wunderbare Schöpfungen mit all ihrenStärkenundSchwächen. ZeitgenössischeGöttinnenanbeterwerdenmanchmalkriti siert,ForschungundPhantasie,ArchäologieundWunsch denkendurcheinanderzuwerfen.Mirscheint,daßeinesol cheKritikdasWesentlichenichterfaßt.DiemoderneGöt tinnenreligion versucht nicht, genau die gleichen Bedin gungenwiederherzustellen,dieinderSteinzeitoderimal
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tenKretaoderzuirgendeineranderenZeitoderanirgend einemanderenOrtgeherrschthaben.Vielmehrstrebenwir danach, von diesen Menschen zu lernen, während wir die GöttinaufeineWeiselebendigwerdenlassen,dieunserer Erfahrung entspricht. Für mich ist gerade die »hausge machte« Qualität der modernen Göttinnenanbetung, be sonders was die Rituale betrifft, schon immer einer ihrer Hauptreizegewesen. In ihrem Buch The Laughter of Aphrodite schildert Carol ChristeinRitual,dassieundAlexisMastersAphroditezu Ehren auf der Insel Lesbos vollzogen haben, der Heimat vonSappho,Aphrodites großerDichterin. AufdemWeg zumTempelwähltensiedieObjekteundKleider,diesie für das Ritual verwendenwollten, unter Dingenaus,auf die sie unterwegs und in Geschäften stießen – darunter waren eine Ansichtskarte mit einer webenden Frau, ein Flaschenöffner in der Form des Gottes Priapos mit einer ungeheurenErektionundeinweißesKleidmitGoldfäden. IndemAugenblickwurdedenbeidenFrauenklar,daßsie in Weiß und Gold gekleidet sein mußten,um dieGöttin umInitiationinihreMysterienzubitten.Danngingensie weiter und kauften in einem Lebensmittelgeschäft Rot wein, goldgelben Retsina, goldfarbene Kekse, Milch und Honig und Yoghurt, allesamt Speisen und Getränke, die denKörperderGöttinsymbolisieren. IndemwiraufObjekte,diewirzufälligfinden,undAspek te unseres täglichen Lebens zurückgreifen, ermöglichen wiresunseremreligiösenInstinkt,sichmitunsererunmit telbarenRealitätzuverbinden.AlsMariaFernandezund ichnachEleusisfuhren,umdenerstenTagderMysterien (2000JahrelangdaswichtigstereligiöseEreignisinderAl ten Welt) zu feiern, sahen wir in verschiedenen Büchern nach, was die Griechen und Römer dorthin mitgebracht hatten. Aber wir nahmen außerdem Speisen, Steine, die wiramWegesrandfanden,WildblumenundGegenstände aus unserem persönlichen Besitz mit. Auf diese Weise wurde Eleusis, dieser geschichtsträchtige Ort, für uns in unseremLebenreal.
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FürdiesesBuchhabeichwissenschaftlicheForschungser gebnisse, Kunst, Spekulationen und meine persönlichen ErfahrungenmitdemHeiligenherangezogen,persönliche Erfahrungen,dieichnichtnurananerkanntenStättenge machthabe,sondernauchananderenOrten,zumBeispiel imWalddichtbeimeinemHaus.BeimSchreibenhabeich meinBestesgetan,zwischenalldiesenQuellen,besonders zwischenhistorischenInformationenundmeineneigenen Ideenklarzuunterscheiden.Dennochwebensichalldiese FädenbeimErzählenzusammen,sowiesieesmeinerMei nung nach auch in der Göttinnenreligion selbst zu tun scheinen. UrsprünglichstellteichmirdiesesBuchalseineReihevon ReisenzuheiligenPlätzenvor.IchwolltegriechischeTem pel und die prähistorischen Höhlen in Frankreich besu chenunddieStättenundihreBedeutungbeschreiben.Als ichanfing,RecherchenüberdieHintergründeunddieAr chäologiedieserOrteanzustellen,wurdedasBuchaufei neandereWeiselebendig.DieWeltderGöttinwurdeeine WeltdesWissensundderIdeen,derGeschichteundder Kunst,eineWeltvonBildern,diemitallihrenBedeutun gen und ihrem Geheimnis vor uns leuchtet. Auf meiner Reise durch diese Welt blieben die tatsächlichen Reisen wichtig,dennesgibtDinge,diewirinderForschungnicht findenwerden,sondernnurmitunserenAugenentdecken können.AberzurgleichenZeitkönnendaskollektiveWis senunddieVermutungenalljener,dievorunsgegangen sind, uns für unerwartete Wunder öffnen. Und auch das einfache Denken wird wichtig. Das religiöse Bewußtsein wächst,währendwirüberdieBedeutungeinesBildes,die Zusammenhänge zwischen religiösem Glauben und All tagsleben oder darüber nachdenken, was es für einen Menschen bedeuten kann, sein Verständnis der heiligen WahrheitaufdieunmittelbareWirklichkeitdesKörperszu gründen. Kein Buch über das Heilige vermag auf jeden einzelnen Aspekt einzugehen, wie wir uns dieser Erfahrung nähern können.DasgiltbesondersfüreinBuch,daszumTeilauf
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persönlichenReisenbasiert.ZuBeginndieserArbeithatte ichvor,michinersterLinieaufdiePlätzezukonzentrie ren,dieichauchwirklichbesuchenwollte.Weilichzuder ZeitinEuropalebte,habeichmichhauptsächlichaufdie altenÜberlieferungendereuropäischenGöttinnen(undin geringeremMaßedernordamerikanischenGöttinnen)be zogenundsolchewichtigenQuellenwieIndien,China,Ja pan, Mittel und Südamerika und die vielen Traditionen AfrikasundderafrikanischenDiasporaaußerachtgelas sen.ObgleichichErkenntnisse,IdeenundSichtweisenaus meinenRecherchenüberandereTraditionenzusammen getragen und zitiert habe, wo immer es angemessen zu sein schien, habe ich mich vor allem an meine Entschei dung gehalten, die Nachforschungen mit den Reisen im Gleichgewichtzuhalten. Diese Konzentration auf die direkte Erfahrung bedeutet, daßichnichtversuchthabe,alleGöttinneninnerhalbder europäischen Traditionen aufzunehmen. So erzählen die Kapitel über Griechenland beispielsweise kaum etwas überAtheneundnochwenigerüberHera.Ichhabemich aufmeineIntuitionverlassen,diemichzujenenGöttinnen führte,dieammeistenüberdenKörpersprechen. DasBuchselbstisteineReisevonderSteinzeitbishinzur modernenWissenschaft.Aberauchwennessichdurchdie Zeitbewegt,verläuftdieReisenichtlinear.Ichwürdesie lieberalseineSpiralebezeichnen,diesichfortwährendum sichselbstwindet,sodaßzuvorgeseheneBildervoneiner anderen Seite betrachtet werden können. In seinem großartigen Werk The Earth, the Temple, and the Gods geht Professor Vincent Scully ausführlich auf die Prozession derEingeweihtenein,diesichvonAthennachEleusisbe gaben,umdieGroßenMysterienderGöttinnenDemeter und Persephone zu begehen. Scully schildert, wie Land schaftsbilder,dievonderKraftderGöttinzeugen(einke gelförmiger Berg, ein Doppelgipfel), auftauchten, ver schwandenundinverschiedenenEtappenderReiseaufs neueerschienen.AufetwadiegleicheWeisezeigensichin diesemBuchverschiedeneBilder,Themen,Ideen,sogarFi
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guren, erzählen uns ihre Botschaften und verschwinden dann – wieder nur um später wieder in Erscheinung zu treten und ausführlicher oder in einem anderen Zusam menhangdargestelltzuwerden. Die Göttinnenreligion selbst ist nicht linear. Aber sie ist auchnichteinfacheinKreis,nichtimSinnevonetwasSta tischem, das sich unaufhörlich und unverändert wieder holt. Ihre Zyklen sind die eines spiralförmigen Umzugs, sich immer wieder fort und zurückbewegend. Denn Zehntausende von Jahren beherrschte die schöpferische Kraft des göttlichen Weiblichen das spirituelle Bewußt sein.MitdemAufstiegvonKriegergötternundeinerüber weltlichen, von Natur und Körper abgetrennten Religion schiendieGöttinspurlosverschwundenzusein.Anvielen OrtenbliebnichteinmaleineErinnerungansieerhalten. Undtrotzdemistsieaufeinmalindieserunwahrschein lichsten aller Zeiten zu uns zurückgekehrt. Auch wenn diese Rückkehr zum Teil auf die archäologischen Ent deckungenunddieEntschlüsselunguralterTexteundBil derzurückzuführenist:EsistnichtmehrdieselbeGöttin wiedievorJahrtausenden.EineaufdemgöttlichenKörper beruhendeReligionisteineReligiondesWandels,dieser spiralförmigen Bewegung, die sich in neue Erfahrungen hinein dreht und öffnet. Einem individuellen Körper gleichverändertsichdieErdeselbst,nichtnurzyklischmit denJahreszeiten,sondernanhaltenderüberlangeZeiträu mehinweg,währendBergedurchEruptionentstehenoder durch Erosion abgetragen werden, Gletscher aufsteigen unduntergehenundselbstdieAtmosphäreihrechemische Zusammensetzungändert. AuchwenndasBuchderGöttinvonderSteinzeitzurmo dernenWissenschaftfolgt,beginntesmiteinerVorberei tungaufdieReise.DieerstenzweiKapitelbildeneineMe ditation über die eigentliche Vorstellung vom Körper der Göttin.Hierwirduntersucht,wasesfürunsbedeutet,als Körper zu existieren oder unser Gewahrsein des Heiligen ausderVerbindungvonNaturundImaginationhervortre tenzulassen.DiesebeidenKapiteldurchlaufendiegesam
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teWeltderBilderundVorstellungeninHinblickaufden göttlichenKörper. Die eigentliche Reise beginnt mit dem dritten Kapitel, wennwirindiealtsteinzeitlichenHöhlenEuropashinab steigen.Dortbegegnenwirdengroßartigen,20000Jahre alten Malereien und den vielen Schnitzwerken, die den weiblichen Körperdarstellen,einigemitriesigenBrüsten undHüften,anderegesichtslosodergarkopflos,einigeso garmitlangenphallischenHälsen,dieunsdazuverleiten, überdieVereinigungdesMännlichenundWeiblichenim göttlichenKörpernachzudenken. Im vierten und fünften Kapitel befassen wir uns mit der Jungsteinzeit und den enormen Veränderungen, die mit derEntwicklungdesAckerbauseinhergingen.Dasvierte Kapitel bewegt sich zwischen den Steinkreisen, riesigen GanggräbernundanderenMonumenten,dieaufgeheim nisvolleWeiseüberallindereuropäischenLandschaftund anderswoerhaltengebliebensind.ImfünftenKapitelwer dendiekulturellenMusterjenerZeitdurchleuchtet,vor nehmlich die Zeugnisse von Gesellschaften, die jahrtau sendelang ohne Gewalt existiert haben. Das Kapitel schließtmitderFrage,wieundwarumdieZivilisationder GöttinvonderBildflächeverschwand,nichtnurinEuropa undimNahenOsten,sondernauchinsoisoliertenGegen denwieJapanundFeuerland. DassechsteKapitelführtunsnachKreta,wodieeuropäi scheGöttinnenreligioninihreletzteundgrößteBlütezeit eintrat.WirlernendieinderLandschaftlebendigenKör performeneingehendzubetrachten.VomminoischenKre tawendenwirunsderspäterenKulturderGriechenzu,in deresdenarchaischenGöttinnentrotzihrerUmwandlung indieunbedeutenderenFigurenderklassischenMytholo giegelang,zuüberlebenundneueBedeutungenanzuneh men. ImsiebtenKapitelbegegnenwirderganzenKraftdieses Überlebens, wenn wir uns den Eleusinischen Mysterien zuwenden.Ichhabemichbemüht,dieseRiteneingehend zu untersuchen, die Göttin Persephone suchend, deren
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Name »Die in der Dunkelheit leuchtet« bedeutet. Sie strahlthellindendunklenÄngstenundimWunderunse res Lebens. Als ich den ersten Entwurf für dieses Buch nochmaldurchlasundkorrigierte,entdeckteich,daßsich eineHauptfigurabzeichnete,derHeldinineinemRoman gleich.DieseFiguristPersephone,dieindenfrühenKapi telnimmerwiederblitzartigauftaucht,sichkurzzeigtund dannwiederzurückzieht,bisdieZeitfürihrendgültiges Erscheinenreifist. ImMythostrittdienamenloseGöttinzuerstalsunschuldi ge Kore (»Mädchen« oder »Tochter«) auf, die Blumen pflückt, als plötzlichderTodausderErde hervorkommt undsieindieUnterweltentführt.Anstattzuakzeptieren, was die Götter als unwiderruflich,sogarrichtigbezeich nen,stelltPersephonesMutter,dieGöttindesAckerbaus Demeter, das Wachstum des ganzen Pflanzenlebens ein, bisZeussich bereiterklärt,dem Tod zubefehlen,Perse phone zurückkehren zu lassen. Aber als Persephone zurückkommt,istsienichtmehrdieselbe:Siehatihrewah re Macht als Königin der Toten gefunden und verbringt alljährlicheineZeitlanginderUnterwelt,uminderDun kelheit zu leuchten. Je länger wir über diese Geschichte nachdenken, um so mehr entdecken wir so viele unserer eigenen Fragen: die Zyklen des Jahres, unsere Angst vor demTod,dieTrennungundVersöhnungmitunserenMüt tern,denKampfgegendieBrutalitätvonVergewaltigung und Inzest, den Mut, der institutionalisierten Obrigkeit entgegenzutreten,undnochweitreichendereFragen.Der Mythos symbolisiert gerade diese Rückkehr der Göttin nenreligion aus einem 5000 Jahre währenden Scheintod, währenddemeinvonderWeltabgespaltener,überweltli cherGottgeherrschthat.Schließlichkönnenwirindieser GeschichtevonderMutterundderTochter,dievoneinem eindringendenManngetrenntwerden,denverschlüssel tenUrsprungvonSexualitätundTodentdecken. DieEntdeckungderbiologischenWirklichkeitinderGe schichte von Persephone führt zum letzten Kapitel und zur»GaiaTheorie«dermodernenWissenschaft.Beidieser
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Vorstellung von der Erde als einem einzelnen lebendigen Organismusstellenwirfest,daßsichdieSpiralewirklich herumgedreht und geöffnet hat, um die prähistorische GöttinaufeineneueundwichtigeWeisezurückzubringen. Sowohl die Eleusinischen Mysterien als auch die Gaia TheoriesprechenunserentiefenSinnfürdieWeltan,eine Welt,diesichausisoliertenBruchstückenzusammensetzt, vondenenjedeseinzelnescheinbaralleinistunddiezu gleichalle,jedervonuns,aufeinergrundlegendenEbene miteinanderverbundensind.DiemoderneBiologieführt unszuderselbenIdeezurück,wiesieauchdurchdieGöt tinPersephone,diesichvomLandderTotenerhebt,darge stelltwurde:nämlichdaßwirallelebendig,allemiteinan derverbundensind,mitdenTierenunddenPflanzen,den SternenunddemStaub,gemeinsamverbundenimKörper derGöttin.
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WiekanndieGöttineinen Körperhaben? Wiewirunserinnerten.WieihreErinnerungmirmeine Erinnerungbrachte.Wieichwußte,wassiewußte, wiesichdannihreBrüsteanfühlten,ihrKörper, wiewirmitErinnerungüberflutetwurden. SusanGriffin Wir treten in den Körper der Göttin ein, als wäre er ein fremdes Land – unsicher, aufgeregt, aber verwirrt, über unbekannte Bräuche und eine fremde Sprache staunend. Wie sprechen wir über diese Dinge? Wie betrachteten die AltendengöttlichenKörperundseinephysischeWirklich keit?UndwaswerdenwirüberunsselbstundunsereKör perherausfinden,wennwirunserBewußtseinundunser LebenderGöttinöffnen?
ArtemisGeburtstag Wasbedeutetes,einBuchüberdenKörperderGöttinzu schreiben?UnsmitdemKörperzubefassen,überdieIdee nachzudenken,unsGottoderdieGöttinmiteinemKörper vorzustellen?FürvieleMenschenistdieseIdeefremd,fast undenkbar.IndenJahren,dieichmitdemSchreibendieses Bucheszubrachte,erzählteichmanchmal,woranicharbei tete, nur um einen verwirrten Blick und die Frage: »Wie kanndieGöttineinenKörperhaben?«zuernten. VoreinigerZeitwurdeeinheiligerKalenderveröffentlicht, in dem neben heidnischen Jahreszeitenritualen und den FeiertagenderetabliertenReligionendieGeburtstagever schiedenerGottheitenausdemaltenGriechenlandundan derenKulturenverzeichnetwaren.Der28.Aprilwurdeals
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derGeburtstagdesBuddhaundderGöttinArtemis(deren KörperdieseSeitenfüllen,ebensowieihrKörpersichnoch immer in den Hügeln und Bergen Griechenlands erhebt) aufgeführt.UmArtemiszufeiern,gingichzueinemWas serfallindenBergennahemeinemHaus.Alsichspäterer zählte,wasichgetanhatte,blicktenvieleüberraschtdrein oderlachtensogar.»ArtemishatGeburtstag?«fragtensie. Nun,einigedieserLeutewarensogarHeiden,dieArtemis alsdierömischeMondgöttinDianaanbeteten.Anderehat tenkeinProblemdamit,daßBuddhaGeburtstaghat,denn schließlichwarereinSterblicher,nämlichPrinzSiddharta. Und die meisten Menschen feiern den Geburtstag von YehoshuabenMiryam,einemradikalenJuden,derdenAn spruchdarauferhob,GottesSohnzusein,unddessenJün gerbehaupteten,erseiderMessiasbeziehungsweiseChri stus.UndtrotzdemkamihnendieVorstellungabsonder lichvor,daßeineGöttin,einganzundgargöttlichesWe sen,wirklichgeborenseinsollte.VielleichthabensieMy thenüberihreGeburtunddieihresZwillingsbrudersApol longelesen–abereinwirklicherGeburtstag?
Weristdas»Ich«,daseinenKörperhat? FürdiemeistenMenschen,dieüberhauptüberdieseDin ge nachdenken, haben Sterbliche einen Körper, Göttinnen abernicht.DaßwirinunserenKörpern»eingeschlossen« sind, macht uns sterblich. Vor vielen Jahren schrieb eine Freundinvonmir(dievielZeitmitMeditierenundChan tenverbrachthatte)aneineWand:»WenndueinenKörper hast,mußtduetwasfalschgemachthaben.P.S.:Ichbinei neFrau.« Aberweristdieses»Ich«,daseinenKörperhat?Inwelcher HinsichtsindwirvondenKörperngetrennt,diesichbe wegenundschlafenundessenundsichliebenundschrei enundgebären?UnsereSpracheselbstisoliertunsvonder Wirklichkeit des Körpers. Wir sprechen von »meinem« Körper, »meinen« Armen, »meinen« Lungen oder »mei nem«Gesicht.WemgehörendiesekörperlichenObjekte?
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DerKörper istunseregrundlegendeRealität.Ergibtuns alles,vonunsererVerbindungmitderäußerenWeltbiszu unseren künstlerischen und intellektuellen Systemen. So weisenMenschen,diesichmitSymbolikbefassen,oftauf dieArtundWeisehin,wiedieZahlvierinvielenKulturen auftaucht–dieinvierHimmelsrichtungengeteilteLand schaft,vierJahreszeiten,vier»Elemente«(fürgewöhnlich Feuer,Wasser,LuftundErde),vierspirituelleGrundfarben (diegewöhnlichmitdenvierHimmelsrichtungenassozi iert werden) und dergleichen mehr. Und in Anbetracht dieser allgegenwärtigen Vier bemerken sie dazu, daß sie irgendwie grundlegend für den menschlichen Geistoder möglicherweise irgendwo in den Hirnlappen eingebettet sei.AberesgibteineeinfachereErklärungfürdieBedeu tungderZahlvier,eine,diemitunserenKörpernundden physischenEigenschaften–demKörper–derErdeverbun denist.ManunterscheidetvierJahreszeitenodervielmehr vierSonnenpunktedesJahres,dieSonnenwendenunddie Tagundnachtgleichen. Das sind keine Erfindungen, son dernTatsachenunsererExistenz.Wennwiraufrechtdaste hen,zeigenunsereKörperunsdievierHimmelsrichtun gen, denn wir können vor uns sehen, uns umdrehen, so daß wir hinter uns sehen, und unsere Arme nach rechts undlinksausstrecken. Und genaugenommen existieren vier Himmelsrichtungen auchunabhängigvonunsinderNatur.DieErdedrehtsich umihreAchseunddefiniertsodenNordunddenSüdpol. ZurZeitderTagundnachtgleichegehtdieSonnegenauim Osten auf, das heißt in einem Winkel von 90° von der Polarachse,undgehtwiederineinemWinkelvon90°ge nauimWestenunter.WennderVollmondzurZeitderTag undnachtgleicheaufgeht,kannmandievierHimmelsrich tungen unmittelbar im eigenen Körper erfahren. Stellen Sie sich einmal bei Sonnenuntergang mit seitlich ausge strecktenArmenhin.WennIhrerechteHandzurunterge henden Sonne zeigt, ist Ihre linke auf den aufgehenden Mond gerichtet, während Ihr Gesicht genau nach Norden blicktundhinterIhnenderSüdenliegt.
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Wirkönnenunsein»Symbol«alseinBildvorstellen,das unserBewußtseinfürverschiedeneVerständnisweisenöff net.EinSymbolläßtaufIdeenschließen,bringtverschie dene Vorstellungen und Empfindungen zusammen. Es berührt einen Teil von uns, den wir nicht leicht erklären oderinWortefassenkönnen.Symbole,Bilder:sieallebe wirkendieseDinge,weilsieausKörpernhervorgehen– unsereneigenenKörpern,denenvonTierenoderAspek tendesHimmelsoderderErde.Wirwissen,daßeinSym bolunsaufdiesertiefenEbenebeeinflußt,wennesunsere Körperbeeinflußt,wennsichunsdieNackenhaaresträu ben, wir eine Gänsehaut bekommen oder sexuell erregt werden.UnddennochbezeichnenwirSymbolenachwie voralsintellektuelleAbstraktionen. So wie unsere Sprache dazu neigt, den Körper von Geist oder Seele abzuspalten, bezieht sie zugleich fast wie eine vergrabene Schicht eine Gleichsetzung von Natur und Frauenkörpernmitein.WirsprechenvonMutterErdeoder MutterNatur,wirbetrachtenNationen(ganzzuschweigen vonKriegsschiffen)alsfeminin,wirgebensogarHurrika nen weibliche Namen (aufgrund der zahlreichen Be schwerden von Frauen wurde diese Praxis dahingehend geändert,MännernamenmitdenenvonFrauenabzuwech seln, aber niemand hat vorgeschlagen, auf Namen ganz und gar zu verzichten). Die Verbindung zwischen Natur undFrauenkörpernbewegtsichauchindieandereRich tung.DieBrüstevonFrauenwerdenalsHügel,Vaginenals Dschungel, Sümpfe oder sogar Vulkane beschrieben. Für diemeistenvonunssinddasjedochallesnurMetaphern, Redewendungen.DieGöttinkannkeinenKörperhaben.
EineReligionderTatsachen ÜberdenKörperderGöttinnachzudenkenbedeutet,über unseren eigenen Körper nachzudenken. Sich die Geburt von Artemis ins Gedächtnis zurückzurufen bedeutet, uns unsere eigene Geburt ins Gedächtnis zurückzurufen. Be stenfallsistdiegerade(wieder)erwachendeReligionder
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GöttineineReligionundeineBewegungdergrundlegen denTatsachen,vonGeburtundTod,derZyklenvonMond undSonne, MenstruationundSchwangerschaft,Erregung undOrgasmus.GertrudeRachelLevy,dieAutorinvonThe GateofHorn,charakterisiertReligionals»dieAufrechter haltungeinertragendenBeziehung«.DieseBeziehungzer brichtundReligionwirdzumAberglaubenodervielleicht zur Philosophie (oder Psychologie), wenn wir diese ur sprüngliche Bindung an das Göttliche in der physischen Weltverlieren,wennIdeenundSymbolevonKörpernlos gelöstwerden. Der Körper bleibt unsere grundlegende Wahrheit. Damit meineichnichtnurdenmenschlichenKörper.Dieafrikani sche Göttin Oya zeigte sich in Gestalt von Blitzen und Flüssen. Die prähistorischen Göttinnen Europas und des NahenOstensnahmendieFormvonFischen,Bienen,Bäu men,KrötenoderGeiernan.Heuteerscheinenunsdiese Bilder seltsam, sogar kindisch. Wir sind daran gewöhnt, unsGottalseineAbstraktionvorzustellen.AberdieseBil der sind nicht unvernünftig, geschweige denn nichtssa gend.Sieentstammeneinemfundiertenundspezifischen WissenüberTiere,PflanzenunddieProzessedesLebens. Dieses Wissen verband sich mit einem spirituellen Be wußtsein,einemSinndafür,daßdiegöttlicheWirklichkeit injedemAugenblickimLebenderMenschengegenwärtig ist.Wienatürlich,wierealesdochist,dasVerständnisder physischenExistenzunddasintuitiveWissen,daßSpiritu alitätdurchdasganzeLebenfließt,zusammenzubringen. Diese »tragende Beziehung« erstreckte sich auf alle Le bensbereiche, einschließlich dertäglichenExistenz.Heute denkenwirnurseltenandieTätigkeitdesKochensalsan etwasHeiliges.VielleichtbereitenwiranreligiösenFeier tagenbesondereSpeisenzu,abergewöhnlichnuralseine Familientradition. Als James Mellaart und andere jedoch eine10000 JahrealteStadtin derNähe desDorfesÇatal HüyükinderZentraltürkeifreilegten,fandensieStatuen von schwangeren Göttinnen, die auf Brotöfen standen. Dasmagunsseltsamvorkommen,aberdenkenSieeinmal
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nach–handeltessichbeiBrotundallengekochtenSpeisen nichtum einWunder?VerschiedeneZutatenwerdenmit einander vermischt, die Masse wird in eine bestimmte Form gebracht (es wäre wunderbar zu wissen, welche Brotformen die neolithischen Menschen sich dafür aus suchten)undineinenheißen,geschlossenenBehälterge legt,unddannentstehtetwasganzanderes,etwasLeben spendendesundsinnlichBefriedigendes.UnddenkenSie andasWunderderSchwangerschaft,aneinenFötus,der sich in der warmen Dunkelheit des weiblichen Körpers wieBrotbildetundwächst.BrotundBabyssindgleicher maßenwunderbar–göttlich.WirhabendenSinnfürdas Wunder in den alltäglichen Dingen des Lebens verloren, ebenweilwirdazuneigen,Gottalsetwaszusehen,dasab strakt,weitentfernt,irgendwodadraußen–losgelöstvom Körperhaften–ist. Unddennoch,istdieVerbindungzwischenBrotundBa bys wirklich so weit hergeholt? Von einer schwangeren FrausagenwirimEnglischen,siehabe»einBrotimOfen«. KönntedieserAusdruckdenganzenWegbisindieprähi storische Türkei zurück weisen? Oder gibt er einfach zu verstehen,daßdiemodernePhantasiedieselbeAssoziati on von Babys und Brot herstellt, wie sie auch die Men scheninderSteinzeithatten?EsbestehtjedocheinUnter schied: Der moderne Ausdruck enthält ein Glied nicht, nämlich die Spiritualität. Die Statuen auf den Brotöfen stellten nämlich keine gewöhnlichen Frauen dar, sondern schwangereGöttinnen.
Liebe,SexualitätunddergöttlicheKörper SelbstdieLiebeistabstraktgeworden.»Wahre«Liebeist fürunseinereineEssenz,währendwirdiekörperlicheLie befürfragwürdig,einenTrickodereineIllusionodergar etwasSchmutzigeshalten.Wirsagen»GottistLiebe«,aber weilGottkeinenKörperhat,dürfenwirdiegöttlicheLiebe nicht mit körperlichem Verlangen und Befriedigung be schmutzen.SexuelleLiebemachtunsTierengleich,sosa
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gen wir,undnehmendasalseinenGrund,siezuunter drücken.InanderenKulturenundzuanderenZeitenvoll zogen die Menschen keine Trennung zwischen heiliger LiebeundSexualität.InihrerfrühenFormwarAphrodite, dieGöttindersexuellenLeidenschaft,ebenfallsdieGöttin derGeburt,desTodes,deswogendenMeeresundderVö gelamHimmel.SiewareineMutterdesWandelsunddes WerdensundzugleichdesVerlangens,undesbestehenhi storischeZusammenhängezwischenihrundjenenuralten weiblichzentrierten Kulturen Anatoliens in der westli chen Türkei. Über die Jahrhunderte hinweg beschnitten die patriarchalenGriechenihreMachtundverengtenihr BildaufeinekleineKurtisane. Paul Friedrichs Buch The Meaning of Aphrodite entnehmen wir,daßAphroditeHeterosexuellenundlesbischenFrau enLeidenschafteinflößte,währendihrSohnEroshomose xuelleMännererregte.EssagtetwasüberdieHaltungun sererKulturgegenüberFrauenaus,daßderBegrifffürSe xualität»erotisch«undnicht»aphroditisch«lautetunddie NamenAphroditeundVenus–VenusistdierömischeBe zeichnungfürAphrodite– inso negativenodertrivialen sexuellen Begriffen wie »Aphrodisiakum« und »veneri sche« Krankheit beziehungsweise Geschlechtskrankheit weiterleben. Im Zuge der Machtübernahme der christlichen Religion wurdeAphroditevondenKirchenväternverbannt.Fried richzufolgewurdendiemeistengriechischenGötterinder neuenReligionzuHeiligenerklärt–außerAphrodite,die einfachverschwand(auchwennAspekteihrerAnbetung– ohnedensexuellenBezug–aufMaria,JesuMutter,über tragenwurden).DochselbstinerniedrigterFormbedrohte die Wirklichkeit von Aphrodites (weiblichem) Körper das christlicheParadox,dasParadoxeinerallmännlichenGott heit,diegleichzeitigkörperlosist. Im christlichen Mythos werden Engel als körperlos, ge schlechtslos beschrieben. Zugleich sind sie männlich und tragen männliche Namen, die noch heute in Gebrauch sind,wiezumBeispielGabrielundMichael.Unterdem
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ChristentumwurdedasMännlichevonderSexualitätab gespalten.»Vernunft«wurdezurwichtigstenmännlichen Eigenschaft losgelöst, als Kontrolle des Körpers, der im mer der Gefahr der Verunreinigung, vornehmlich durch Frauen,ausgesetztwar.DieneueReligionbetrachteteden KörpermitseinentierhaftenBegierdenalsdenFeindder wahrenVernunft.FürdieKirchestandenFrauendenTie ren näher. Frauen führten Männer in Versuchung und brachtensievonGottab.
GottesKörpermessen NacheinigentausendJahrenmiteinemabstrakten,unper sönlichenGottistesfastunmöglichgeworden,sichGottes KörperalsetwasmehralseineMetaphervorzustellen.In vielen Kulturen jedoch, wie zum Beispiel bei den Dschainas in Indien, existiert eine Tradition, in der das Universum als ein einziger Körper verstanden wird. Und dieser Körper wird in dschainistischen Schriften überaus detailliert erläutert. Diese Vorstellung ist nicht auf Asien beschränkt:InderjüdischesoterischenTraditionderKab balafindenwirdasBildvonAdamKadmon,demKosmos alsgigantischemUrweseninmännlicherGestalt.Manch malbeschriebendieKabbalistenAdamKadmonalseinen Hermaphroditenmitsowohlweiblichenalsauchmännli chenEigenschaften(siehedasfünfteKapitelzuweiteren Informationen über den androgynen Adam und andere mystischeHermaphroditen). AdamKadmonistGottesSchöpfungundnichtGottselbst. AberdieKabbalagehtnochweiter,indemsieaufeineIdee eingeht, die im Hebräischen als Shiur Komah bezeichnet wird,was»MessungdesKörpers«bedeutet.Soversuchten Mystiker,GotteskörperlicheGrößezuermitteln.FürGers homScholem,dengroßenGelehrtenderKabbala,wardie seIdee»absurd«und»lächerlich«,obwohlerebenfallser läutert, daß sie vom Hohenlied Salomos und seiner Be schreibung des Körpers der Geliebten inspiriert wurde. TrotzseinerErforschunguralterGeheimnissewarScho
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lemstetseinModernist,ErbederwestlichenTraditionmit ihrerVorstellungvonGottalsreinerGedankenformohne physischenKörper. WahrscheinlichwußteScholem,daßdieIdeevonShiurKo mahnichtnurbeidenJudenexistierte.Abgesehenvonden DschainasmitihrensehrgenauenMaßenvonGottesLip pen,Zehenspitzen,Ellbogenunddergleichenmehr,finden wirinvielenKulturendieüberlieferteGeschichtevonder physischenWelt,diesichauseinemeinzigenKörper,für gewöhnlichausdemKörpereinerGöttin,entwickelthat. InvielenVersionendiesesMythoswirdsiezerstückelt,in unzählige Teile zerlegt, oft durch männliche Gewalt. Es sindMythenvonmännlichdominiertenKulturen,dievie lekomplexeFragenaufwerfen(miteinigenvonihnenwer denwirunsinspäterenKapitelnbefassen).Trotzdemfin denwirüberdiesesZerreißenoderZerstückelnderGöttin hinauseintiefesintuitivesWissen–daßnämlichderKos mosundallesinihm,jederSteinundjederWassertropfen, lebendigwiewirundweiblichist,denMütterngleich,die unsdasLebenschenkten. Genaugenommen folgten die mittelalterlichen Kabbalisten ihrerIntuitionvonweiblicherGöttlichkeit.Siebeschrieben einenandrogynenGott,»sowohlmännlichalsauchweib lich«, wie es im 1. Buch Mose heißt, der einen Teil von »sich«abspaltete,damitetwasexistierenkonnte,umGot tesHerrlichkeitzubetrachtenundwiderzuspiegeln.Die sesEtwasstelltmansichgewöhnlichalsweiblichvor.Eini gesetztenesmitSchechinagleich,einembiblischenBegriff, der ursprünglichGottes»innewohnendePräsenz«bedeu tete,womitGottesphysischeManifestationimAllerheilig stengemeintist.ImMittelalterundspäterwurdeSchechina zueinerweiblichenPräsenz,diedieGläubigenmitihren Schwingen beschirmte. Gottes weibliche Hälfte trug außerdem den Namen Chochma oder Weisheit. Die Grie chennanntendieseGöttinSophia,dasgriechischeWortfür Weisheit.
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KörperformeninderLandschaftundinTempeln DiesesBuchbegannmitderIdeeeinerReihevonReisen. ImLaufederJahreunddurchdenEinflußvonFreunden undBüchernundmeineArbeitmitderBilderspracheund derSymbolikdesTarotbegannichmichfürdieReligion derGöttinzuinteressierenundwolltemichinmeinerAr beitmitdiesemThemaauseinandersetzen.Ichwußte,daß vieleMenschendiePraxisderPilgerfahrtwiederbelebten, indemsieKraftorteundalteTempelinvielenLändernauf suchten. Ungefähr zehn Jahre zuvor hatte ich mehrere HöhleninFrankreichbesichtigt,dieetwa20000Jahrealte Ritzzeichnungen und Malereien bergen. Diese Erfahrung hattemichtiefbewegt,undichwußte,daßichzurückkeh renunddieseWerkeineinemKontextvonheiligemWis sensehenwollte,wobeiesmirvornehmlichumdieVor stellungvonderHöhlealsGöttinnenschoßging. Alsichanfing,Recherchenanzustellen,stießichaufeine verblüffende Tatsache. An verschiedenen Orten, beson dersaufderInselMalta,ähneltendiederGöttingeweihten Tempel der vereinfachten Darstellung eines Frauenkör pers–dasheißt,siehattenRundkammernentsprechend denBrüstenoderHüftenundeinekleinerehintereKam meralsKopf.DieAnbeter,diesiebetraten,hattendasGe fühl,ineinengöttlichenKörpereinzutreten.ModerneBe sucher Maltas sprachen von einem überwältigenden Ge fühldesSchutzes,sogarderLiebe,dassieempfundenhat ten. Aber die Form des Göttinnenkörpers wurde nicht nur in denvonMenschenhandgeschaffenenBauwerkenwahrge nommen.DasLandselbstkonnteeinesolcheFormanneh men,wennmanesaufdierichtigeWeisebetrachtete.Inei nemArtikelderArchitektinMimiLobell(derselbeArtikel, indemichüberMaltalas)stießichaufeineIdee,diezuerst vonVincentScully,ProfessorfürArchitekturinYale,ver tretenwurde.Scullyhattefestgestellt,daßdiesogenannten »Paläste«desaltenKreta(derBegriff»Paläste«leitetesich vongriechischenVermutungenübereineMonarchieab,
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GrundrißdesTempelsGgantija,Insel Gozo/Malta,ca.4000 v. Chr.
die sich niemals bestätigt hatten) in besonderen Land schaftsformationenangelegtwaren.DieKretererrichteten alle großen Bauwerke auf einer(annähernden) NordSüd AchsemitBlickaufeinenkegelförmigenHügel,indessen UmgebungeingehörnterBerglag,indemsichwiederum eineHöhlebefand,welchealsSakralstättediente.UmLo bellzuzitieren: DierichtigePlazierungdesPalasteshobdieBedeutungderLandschaft alsdenGöttinnenkörperhervor.DasTalentsprachihrenumfassenden Armen,derkegelförmigeHügelkamihrerBrustbeziehungsweiseder nährendenPunktiongleich;dergehörnteBergwarihr»Schoß«oderih regespalteneVulva,dieaktiveKraftderErde,unddasHöhlenheilig tumihrgebärenderSchoß.
(Lobell,»TemplesoftheGreatGoddess«,Heresies,Nr.5) Diese Idee fesselte mich. Wie so viele andere Menschen auch hatte ich früher angenommen, daß die Vorstellung vonderGroßenGöttineinemoderneErfindung,einfemi nistischerMythossei.Obgleichichmichaufgrundmeiner
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frühen Recherchen, die mir die solide Forschung hinter demGöttinnenbildvorAugengeführthatten,einesBesse renbesann,warenesdieIdeenvonLobellundScully,die derGöttinphysischeRealitätverliehen.Indenherkömmli chenreligiösenIdeenmeinereigenenGesellschafthatteich niemalseinesolcheRealitäterfahren. Ichbegann,überdieGöttin,ihrenKörper,ihrePräsenzin derWelt,dieVerbindungzumeinemeigenenKörperund zudenKörpernvonFrauen(undMännern)imallgemei nen zu lesen und nachzudenken. Der kretische Brauch, HöhlenalsHeiligtümerzubenutzen,ließaufeineVerbin dungzudenfranzösischenundspanischenHöhlenmitih rerprähistorischenKunstschließen.WenndieErdeunsere Mutterist,dannwirdeineHöhlezueinemBildvonihrem SchoßundzueinemOrt,andemmanihrentatsächlichen Körperbetretenkann.ZogenesdieCroMagnonKünstler ausdiesemGrundvor,ihreMalereienundRitzzeichnun geninHöhlenzuverewigen?AufdieseFragewerdenwir nieeineAntwortfinden.Siehinterließenunskeineande renAufzeichnungenalsdieKunstselbst.Dochjemehrich überdieHöhlenlas,destonatürlicherfandicheswieso vieleandereauch,siemitmeinemKörperinnerenzuver gleichen. Und als ich mit einer Freundin die Höhle von PêchMèrlemitihrenriesigenTunnelnundKammernund feuchtrotenWändenbesuchte,fühltenwiruns(unabhän gig voneinander) wie Mikroben in einem gigantischen Körper. InvielenGebirgsgegendenhabengewisseGipfelÄhnlich keit mit einem Gesicht im Profil oder einer auf dem Rücken liegenden Frau, und die volkstümliche Überliefe rung macht diesen Zusammenhang oft deutlich. Dieser GebraucheinesstarrenBildeskannzustarkvereinfachend sein.EsgibtauchnochandereMöglichkeiten,diephysi sche Präsenz der Göttin in der Landschaft zu sehen. Die EingeborenenNordamerikashabendieErdeimmeralsdie MutterihresganzenVolkesbetrachtet–wobei»Volk«die Pflanzen und Tiere sowie die Menschen einschließt. In meinerJugendlernteichimGeschichtsunterricht,daßin
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dianischeMännersichweigerten,Bauernzuwerden,weil Landwirtschaft»Frauenarbeit«sei.InWirklichkeitsträub tensicheinigeIndianerstämmedagegen,wieichvielspä ter erfuhr, weil damit das Durchschneiden der Erde mit demPflugverbundenwar,eineTätigkeit,dieihrerAnsicht nachnichtsandereswar,alsdieBrüsteihrerMüttermitei nemMesserabzuschneiden.
MondundweiblicherKörper MirwarnichtnurdieVorstellungvonderLandschaftals dem Göttinnenkörper bekannt, sondern ich wußte auch von Traditionen, in denen bestimmte Aspekte der Natur aufgrundihrerÄhnlichkeitmitdenkörperlichenMerkma len der Frau als überaus weiblich galten. Viele Kulturen habendenMondalseineGöttinidentifiziert,dieunmittel barmitdemweiblichenKörperverbundenist(ineinigen Büchern wird diese Verbindung als eine universale Idee bezeichnet; jedoch kommen universale Ideen nur selten vor.DiealtenJapanerundGermanenzähltenzudenweni genKulturen,diedenMondalsmännlichunddieSonne alsweiblichbetrachteten). AmaugenfälligstenistdieTatsache,daßderMenstruati onszyklusdermeistenFrauenannähernddiegleicheLän geaufweistwiederZyklusdesMondesmitseinenStatio nen zunehmender Mond, Vollmond, abnehmender Mond und Neumond. Untersuchungen in Studentenwohnhei menundisoliertenDörfernlassenerkennen,daßengzu sammenlebendeGruppenvonFrauendazuneigen,gleich zeitig zu menstruieren, und zwar oft zur Zeit des Voll oder Neumondes. Einige Forscher glauben, daß diese FähigkeitvonFrauen,ihreZyklenmiteinanderzuverbin den,denProzeßdermenschlichenGemeinschaftundKul turinGanggesetzthabenkönnte(Näheresdazuimfünf tenKapitel). Es besteht außerdem ein noch subtilerer Zusammenhang. DerMondbewegtsichdurchdreiverschiedenePhasen.Er entstehtausderDunkelheitalseinSplitter,dersichstetig
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biszurPrachtdesVollmondesvergrößert.NachdreiTagen nimmterimmermehrab,biserschließlichstirbt.DreiTa gelangisternichtzusehen,umdannwiederaufsneuezu entstehen.FrauenundMännertretenausderDunkelheit desSchoßesihrerMütterindieWelt.DochbeiFrauenvoll ziehtsichderÜbergangvonderKindheitzurFruchtbar keitderErwachsenendurcheineinschneidendesEreignis –dieMenarche,dieersteMenstruation.Siebleibenfrucht bar,fähigzudemWunder,inihrenKörpernKinderentste henzulassen,biseszueineranderentiefgreifendenVerän derungkommt(auchwenndieseganzallmählichvonstat tengeht)–dieMenopause. Diese Phasen, Jungfrau, Mutter, altes Weib, stellen einen natürlichenVergleichzumzunehmenden,vollenundab nehmenden Mond dar. Die verschiedenen dreifaltigen Göttinnen in den diversen Mythologien (besonders den westeuropäischen Mythologien) haben dieser Gleichset zungzueinermachtvollenPräsenzindermodernenGöt tinnenreligionverholfen.ModerneHexenbetendenMond nichtalseinenHimmelskörperan,sondernalseineMani festationderweiblichenWahrheitundMacht.Siesindsich zwarwiealleanderenauchbewußt,daßderMondeindie Erde umkreisender Felsbrocken ist, aber sie untersuchen eingehenderdieBedeutungdesMondesinunseremLe ben.WiedieAltenstellensiedenMondalseinSymbolfür dieweiblicheFruchtbarkeitdar. Dochister»nur«einSymbol?Oderwirktsicheinephysi sche Eigenschaft des Mondes direkt auf den weiblichen Körperaus?AngesichtsderTatsache,daßdieAnziehungs kraftdesMondesdieGezeitensteuert,wirdmanchmaldie Fragelaut,warumsienichtauchEinflußaufdenmonatli chenMenstruationsverlaufnehmensollte.DerEinflußder GezeitenaufdieMeererührtvonderenormenGrößeder Erdeher.Dasheißt,dieErdeistsogroß,daßdieSchwer kraftdesMondesdieihmnächstliegendeSeiteandersbe einflußt als die entfernteste Seite. Dieser Unterschied in derSchwerkraftistfürdieEntstehungderGezeitenver antwortlich.Frauenkörpersindwedergroßnochschwer
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genug,umeinen solchenenormenUnterschiedzubewir ken.AberderMondbeeinflußtdieFruchtbarkeitaufeine direktereWeise.Dabeihandeltessichumdiebesondere Eigenschaft des Mondlichtes. Frauen, die Probleme mit ihrem Menstruationszyklus haben, zum Beispiel unregel mäßigePerioden,werdenoftHormoneverordnet.Seitei nigenJahrenjedochtestenverschiedeneÄrzte(undFrau en allein) eine andere Methode. Die Frauen schlafen bei MondlichtoderuntereinemKunstlicht,dasdemLichtdes Mondesentspricht.InvielenFällenpendelnsichihreZy kleninnerhalbwenigerWochenein. WennwirunsdiedreifacheGöttinvorstellen,neigenwir dazu,andasalteGriechenlandoderdaskeltischeIrland zu denken. Marija Gimbutas hat jedoch darauf hingewie sen,daßdiesesBildzumindestfürdasZeitalterdesMag dalénien in Frankreich, also vor ungefähr 12000 Jahren, belegt ist, denn die Höhle Abri Du Roc Aux Sorciers in AnglessurAnglin, Frankreich, enthält ein Relief, das Gimbutasals»dreiklassischeweiblicheGestaltenmitent blößtenVulven«beschreibt.Von3200v.Chr.anbegegnet unseinabstrakteresdreifachesBild,einegroßartiggravier te Dreifachspirale auf der Steinschwelle am Eingang zu demriesigenGanggrabinNewgrangeimirischenBoyne Tal. Wir können nicht mit Sicherheit behaupten, daß diese prähistorischenFormeneineMondgöttinoderdiePhasen imLebeneinerFraudarstellen.Abersiebeweisendieer staunlicheLanglebigkeitvondreifachenBildern;undSpi ralen fandmanbeivielenGöttinnenstatuenundTempeln, möglicherweisealsSymbolefürGeburt,TodundWieder geburt.DieSpiraleistnichtnureinphilosophischesGebil de. Auch wenn sie in der Kunst oft abstrakt dargestellt wird, ist sie eigentlich eine Grundform der Natur und kommtvielhäufigervoralsderKreis,deraußeralsBild vonderSonneoderdemMondkauminErscheinungtritt. Schlangenrollensichspiralförmigzusammen,Wasserbe wegtsichabwärtsineinerSpirale,Vögelfliegenspiralför mighimmelwärts,umsichdieWindströmungenzunutze
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DerEingangssteindesGrabes von Newgrange/Irland, ca. 3300 – 3200 v.Chr.DieDreifachspiraleistaufderlinkenSeitedesSteinszusehen.
zu machen, die Galaxien haben die Form von Spiralen, unddieHörnervonWiddernundanderenTierenverlau fenoftspiralförmig. AberwasistmitderviertenMondphase,derDunkelheit? Die naheliegende Antwort ist die, daß, sobald eine Frau stirbt und in die Erdezurückgeht,auchderMondstirbt, wennerinderDunkelheitverschwindet.AberderMond wirdnachdreiTagenwiedergeboren(diegleichezeitliche Länge wie beim Vollmond), woraus sich eindrucksvoll schließenläßt,daßderTodnichtendgültigist,daßdieGöt tin Wiedergeburt verheißt. Joseph Campbell hat darauf hingewiesen,daßvieleBildervondreifachenGöttinnenei nevierteFigurenthalten,beideressichoft,abernichtim mer,umeinenGottodersterblichenMannhandelt.Jesus bleibt drei Tage unter der Erde, bis er am Ostersonntag aufersteht.DerName»Ostern«leitetsichvonEostreoder Ostaraab,einergermanischenFrühlingsgöttin,derenNa me wiederum mit estrus (weibliche Fruchtbarkeit) ver wandtist.DieErdebringtPflanzenaufdiegleicheWeise hervor,wieFrauenBabyshervorbringen,nämlichausver
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borgener Dunkelheit heraus. Auch hier finden wir eine Verheißung auf Wiedergeburt, denn selbst die Pflanzen, dieimWinter»sterben«,kehrenimFrühlingzurück.
Wasser,derweiblicheKörperunddieGöttin So wie die Dauer des Mondzyklus den Mond mit dem Frauenkörper in Verbindung bringt, weist der weibliche Körper starke Ähnlichkeiten mit Wasserflächen auf. Ein Kind,dasimLeibseinerMutterwächst,schwimmtinei ner Blase mit Fruchtwasser, und wenn die Frau gebiert, »brechensichdieWasser«.DieGeburtselbstbringtBlu tungenmitsich,sodaßwiresmitzweirotenStrömenzu tunhaben,demderMenstruationunddemderGeburt. DasMeerhebtundsenktsich,deninnerenRhythmenei nerFraugleich.SelbstderMond,dersichzeigt,umdieRe gelblutung zu steuern, ruft den Rhythmus der Gezeiten hervor.DasMeeristsalzig,wiedieTränenunddasBlut vonFrauenundMännern.Undsoweitwirheutewissen, kam allesLebenursprünglichausdemMeer,sodaßdas MeerunsereGroßeMutterist. Bevor ich mit dem vorliegenden Buch anfing, hatte ich überdieses Themabereitsgeschrieben,soetwaineinem Kommentar zu dem von dem deutschen Künstler Her mannHaindlgestaltetenTarot.Dabeiversuchteichaufzu zeigen, daß diese Dinge eine grundlegende Wirklichkeit darstellen.Damalsschriebich: VielemoderneMenschenkönnenalldieseWechselbeziehungenakzep tieren. Sie können sogar glauben, daß die Schwerkraft des Mondes »wissenschaftlich beweisbar« das Fruchtbarkeitspotential einer Frau beeinflußt.AberdieAltensahendasanders.FürsiewarenderMond, dasMeerunddieFraueneinunddasselbe,einMysteriumdesLebens, dassiemittelsMondritualenundStatuenvonschwangerenGöttinnen anbeteten.
AlsichmeineRecherchenfortsetzteundzureisenanfing, stießichnachundnachaufweitereZusammenhängezwi schenweiblichemKörperundWasser.EinerdererstenOr
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te,dieichbesuchte,wardieenglischeStadtBathmitihrem elegantenBad,dasvondenRömernundvielspätervon denMenschendesViktorianischenZeitaltersbenutztwur de. Obwohl Bögen und Säulen den größten Teil der ur sprünglichenFormdieserStätteverbergen,kannderBesu cherdochnochimmerdasdampfendeWassersehen,das einemgroßenLochimgewachsenenFelsenentströmt.Die Autorin Marian Green, die mich dort herumführte, wies daraufhin,daßdasWasseraufgrundvonEisenablagerun gen im Gestein rotgefärbt sei und die Kombination von WärmeundRoteineintensiveVorstellungvonGeburts wassererzeuge,dasausdemSchoßderErdequillt. SpäterbesuchteichGlastonbury,wodasQuellwasserauch eineroteFärbungaufweist.Undichlas,daßvieleKathe dralen über uralten heidnischen Stätten erbaut wurden, die wiederum über unterirdischen Wasserläufen errichtet wordenwaren.BeimeinenRecherchenüberSilburyHill, einengigantischenHügelinEngland,dervorTausenden von Jahren von Menschenhandaufgeworfenwurde,fand ichheraus,daßdieSteinzeitmenschenihnamZusammen fluß von zwei derartigen verborgenen Wasserläufen er richtethatten.
DerKörperamHimmel Für viele Menschen, die den göttlichen Körper in der Mythologiesuchen,istdieGleichung:Erde=Göttin,Him mel=GottzueinemGemeinplatzgeworden.Indereuro päischen Kultur rührt diese Idee überwiegend von der griechischen und römischen Mythologie her, wo der HimmelsgottUranosdieErdgöttinGaiaschwängert.Eini ge indianische Kulturen sprechen von Großvater Him mel und Großmutter Erde. Offensichtlich erkennt diese Dualitätdie»TatsachendesLebens«an,eininteressanter, wenn auch altmodischer Ausdruck. Aber sind diese »Tatsachen«überdiemännlicheundweiblicheBeteiligung an der Fortpflanzung die endgültige Wahrheit über die Schöpfung?
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ImgriechischenMythosistnichtdieRededavon,daßUra nosgleichzeitigmitGaiaentstand.GanzimGegenteil,die ExistenzfängteinfachmitGaiaan,diedaraufhinUranos ausihremKörperhervorbringt,umeinenPartnerundGe mahlzuhaben. Der Körper der Göttin wird zum Ursprung aller Dinge, einschließlich des Himmelsgottes, dessen Sturz genauge nommen mit seiner arroganten Anmaßung, er sei seiner Schöpferin überlegen, seinen Anfang nimmt (einigen Ver sionendesgriechischenMythoszufolgeistUranosSturz mitderAbtrennungseinerGenitalienverbunden,ausde nenAphroditeentsteht–weitereEinzelheitenüberdiese erstaunlicheGeschichteundihreFolgenimsiebtenKapi tel).VieleKulturenhabendieMilchstraßebuchstäblichals Milchgesehen,dieausdenBrüstenderGöttinfließt.Elisa betSahtouriserzähltinihremBuchGaia:Vergangenheitund Zukunft der Erde von einemgriechischenSchöpfungsmy thos,indemGaiatanztunddieMilchstraßesichspiralför migausihremKörperherausbewegt.DieseVorstellungist bemerkenswert,wennmanbedenkt,daßdieMilchstraße unsere Galaxis ist und moderne Teleskope bewiesen ha ben,daßGalaxienihrenUrsprungineinerspiralförmigen Bewegunghaben–eineTatsache,dieausderBeobachtung derMilchstraßealleinnichtersichtlichist.
DasAuftretendesMannes Biologische und evolutionstheoretische Erkenntnisse be stärkendasPrimat desWeiblichen.Biologenbezeichnen diefrühestenOrganismenalsweiblich,diesichdurchdie Abspaltung der »Tochter« von der »Mutter« fortgepflanzt haben. In Anbetracht des langen Verlaufs der Evolution tratderMannrechtspätaufundkannalseineMutation desWeiblichenbetrachtetwerden. VoreinigenJahrzehntenfandenBiologenheraus,daßalle menschlichenFötenzunächstweiblichsindundindener stenzweiMonateneinemEntwicklungsmusterfolgen,aus demeinMädchenentstehenwürde.InderfünftenWoche
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entwickelt sich eine undifferenzierte Keimdrüse, aus der schließlich entweder weibliche oder männliche Ge schlechtsorganehervorgehen.EinFötusmitXXChromo somen wird dann bis zur sechzehnten Woche Eierstöcke bilden. Enthält der Fötus jedoch XYChromosomen, so wird das YChromosom die Keimdrüsen dazu bringen, Hormone auszuscheiden, die die »Differenzierung« för dern,dasheißt,siedeterminierendieKeimdrüseninRich tungHodenentwicklung.EinArtikelinderNewYorkTimes vom4.August1992beschreibt,wiederProzeßmitdemals »testisdeterminierender Faktor« bekannten Protein in Ganggesetztwird,dasdieDNSsokrümmt,daßverschie deneGenemiteinanderinVerbindungtreten. MonicaSjööundBarbaraMorschreibeninihremBuchThe GreatCosmicMother,daßderfrüheFötussowohlweibliche als auch männliche Entwicklungsmöglichkeiten in sich trägt. Sobald sich ein Sexualorgan ausbildet, verkümmert der andere Teil. Äußerlich jedoch sind die Organe bei Mann und Frau ursprünglich identisch. Man könnte sa gen,daßunterdemEinflußderAndrogene–dermännli chen Geschlechtshormone – die Klitoris zum Penis wird und die äußeren Schamlippen sichzum Hodensack ent wickeln. Man kann diese Wirklichkeit der Fötalentwicklung, diese »TatsachendesLebens«,aufzweierleiArtbetrachten.Ein weiblicherchauvinistischerAnsatzkönntedarinbestehen, MänneralseineArtnachträglichenEinfallimLebensplan zuverstehen.FallsMännerAblegereinerfundamentalen Wirklichkeit sind, sind sie zweifellos unterlegen. In der modernenGöttinnenreligionistjedochdieAchtungvoral len Wesen und eine Ablehnung dessen enthalten, was RianeEisleralsdas»Beherrscher«Modellbezeichnet–zu gunsten eines »Partnerschafts«Modells. Folglich können wir die Wahl treffen, um zu einer subtileren Auffassung vonderEvolutionzugelangen,einerAuffassung,vonder ich glaube, daß sie von der Göttinnenreligion unserer frühesten Vorfahren gestützt wurde. Es ist die Idee, daß MännerundFrauenkeinefremdenSpezies,keineewigen
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Feindesind,sondernTeileinunddesselbenheiligenSeins. DieGöttinnendarstellungenindersteinzeitlichenReligion zeugenvoneinemtiefenVerständnisdafür,daßderKör perderGöttinsowohldasMännlichealsauchdasWeibli cheumfaßt.Dieetwa30000Jahrealtensogenannten»Ve nus «Figurinen sind wohlbekannt für ihre übertrieben dargestelltenweiblichenFormen:riesigeBrüsteundHüf ten, übergroße Vulven, manchmal abstrahiert zu Drei ecken über der Schamgegend, ein stark betontes Gesäß. Weniger bekannt sind die Frauen mit langen phallischen HälsenoderdieHöhlenmalereien,dielediglicheinensehr langenHals,herabhängendeBrüsteundeinüppigesGe säßzeigen,alshättemandiemenschlicheFormaufdiewe sentlichenweiblichen–undmännlichen–Merkmaleredu ziert.Aufeinemauf15000–13000v.Chr.datiertengravier tenRentiergeweihinFrankreichhandeltessichlediglich umdieAbbildungeiner VulvauntereinemlangenHals, dermitdiagonalen,unterschiedlichlangenLinienverse henist.AlexanderMarshackhataufdieMöglichkeitauf merksamgemacht,daßdieseStriche(undanderevonähn lichen Knochengravuren) zur Berechnung des Verlaufs von Mondphasen und / oder Menstruationszyklen ge dienthabenkönnten(siehedazuauchdasdritteKapitel). BeieinervielspäterenRitzzeichnungvon5600–5300v. Chr.inUngarntrittdasHermaphroditischedeutlicherzu tage:DerzylindrischeKörpermitkleinen,spitzzulaufen denBrüstenundflachemGesichthateineeindeutigphalli scheQualität,währenddasausladendeGesäßimunteren Teil(essindkleineFüßezusehen,aberkeineBeine)offen kundigÄhnlichkeitenmitHodenaufweist.DasErgebnis ist eine elegante Verschmelzung von männlichen und weiblichenBildern. DieFigurinenstammeninersterLinieausdemPaläolithi kum,derAltsteinzeit,demZeitalterderHöhlen.ImNeo lithikum beziehungsweise derJungsteinzeitbegegnenwir den Anfängen von Tempeln, Steinkreisen und monumen talen Erdwerken. Auch hier finden wir subtile Verknüp fungenvonmännlichenBildernmitüberwiegendweibli
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DarstellungderVorderund Rückseite einer phallusförmigen weiblichen Figurine,Starçevo/Ungarn,ca.5600–5300v.Chr.(nachGimbutas)
chenFormen.DerKünstlerMichaelDameshatüberzeu genddieMöglichkeitgeäußert,daßSilburyHilleinegi gantischeGöttinnenskulpturdarstellt(vonobenbetrachtet weist der Hügel mit dem ihn umgebenden, unregelmäßig geformtenGrabeneineverblüffendeÄhnlichkeitmiteiner in Bulgarien gefundenen Figurine von einer schwangeren Göttin auf). Doch zugleich stieß man bei Ausgrabungen am Hügel auf Hirschgeweihe sowie auf Beweise, daß die Arbeiter rote Hirschgeweihe als Hacken benutzten. Der HirschzähltzudenwichtigstenmännlichenGeschöpfen, eristerfülltmitKraftundDynamik. Wir sind bereits darauf eingegangen, daß die prähistori schenTempelaufMaltademUmrißeinesweiblichenKör persentsprechen.DieserUmrißistziemlichabstrakt,denn ersetztsichausovalenFormenzusammen,diedurchenge
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Passagenmiteinanderverbundensind.Statuen,dieinden Tempelngefundenwurden,stelleneinerealistischereIn terpretationdesGöttinnenkörpersdar.Undtrotzdemwir kendieStatuen,vondeneneinigesehrgroßsind,mitihren rundlichenweiblichenHüftenundGesichtern,abervöllig flacher Brust oft androgyn. Lange Gewänder mit Volants verschleiernjedenHinweisaufdasGeschlecht.Diesemal tesischenFigurenstellenmöglicherweiseeineVerschmel zungvonmännlichenundweiblichenBilderndar,aberes könnte sich auch um eine buchstäblichere Vermischung derGeschlechterhandeln:VielealteKulturenwähltenihre PriesterinnenausdenReihenkastrierterMänneraus,die Frauenkleider und rollen annahmen. Diese »transsexuel len« Priesterinnen (um einen zeitgenössischen Begriff zu verwenden) veranschaulichen möglicherweise die Ver schmelzung von männlichen und weiblichen Formen im göttlichenKörper(siehedazuauchdassiebteKapitel). InÇatalHüyükfindenwirgeschnitzteBrüsteandenWän den, aus deren Brustwarzen manchmal Eberköpfe und Hauerhervortreten.StierköpfezierenoftdieWände,be sondersindenGeburtsräumen.Wirhabeneshiermitder bemerkenswertestenVerbindungzwischeneinemmacht vollenmännlichenTierunddemGöttinnenkörperzutun. Vermutlich symbolisierte der Stier die männliche Zeu gungskraft,daeineinzigerStierineinerHerdesämtliche Kühebefruchtet.Esistsehrwohlmöglich,daßdieseIdee hinter den auffälligen Stierköpfen in Çatal Hüyük stand. Die Verbindung wird jedoch enger, bezieht sich direkter auf den Körper, wenn wir anatomische Darstellungen des weiblichen Körpers betrachten. Denn hier entdecken wir eineverblüffendeÄhnlichkeitvonGebärmutterundEilei termitdemKopfeinesStiers. EinigeFeministinnenhabendasArgumentgebracht,daß dasbedeutet,derStierhabeursprünglichüberhauptnicht diemännlicheKraftsymbolisiert,sondernnurdieGöttin. Dennoch ist es unmöglich, einen Stier auf einem Feld zu betrachtenundnichtvonseinermaskulinenKraftbeein drucktzusein.DerStierwirdsozueinemBeispielfürdie
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DarstellungeinesStierkopfesauseinemGrabinS.Lesei,Bonnanaro/Sar dinien,ca.4000v.Chr.(links,nachGimbutas),verglichenmitderForm dermenschlichenGebärmutterundderEileiter(rechts,nachCameron)
VereinigungvonmännlicherundweiblicherErfahrungin nerhalbderphysischenWirklichkeit. Dasalles–diebiologischenTatsachenunddieheiligenBil der–läßtaufeinenWegschließen,derausderDualitätdes Geschlechterdenkens herausführt, weg von demStreit,ob dieGeschlechtergleichsindodereinesdemanderenüber legen ist. Beide Standpunkte akzeptieren die Annahme, daß das Weibliche und das Männliche grundlegend ver schiedensind,obwohlimMutterleiballeFötenzunächst gleichsind.AnstattvoneinemgrundlegendenGetrennt sein und Konflikt zwischen Mann und Frau auszugehen (die zusammenwirken können, aber getrennt bleiben), könnenwirsiealsimgöttlichenKörpervereinigtbetrach ten.Nichtmetaphorischvereinigtodereinfachnurineiner Partnerschaft,sondernaufdenfundamentalenphysischen Ebenen.
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WasistdieGöttin?WasistderKörper? AlsichmitdiesemBuchbegann,suchteichdenKörperder GöttinimwörtlichstenSinne,indemichnachBergenAus schau hielt, die Brüsten oder dem Umriß einer auf dem Rücken liegenden Frau glichen. Durch meine Nachfor schungenerschlossensichmeinemGeistsehrbaldsubtile reVorstellungen.LandschaftsformationenderGöttinkön nenandereMerkmaleandenTaglegen,wiezumBeispiel kegelförmige Berge oder die kretische Ausrichtung nach Norden und Süden. Tempel und Steinkreise können den KörpereinerFraudarstellen,abersiekönnenebenfallsals LandschaftsmarkierungenoderastronomischeObservato rien dienen, um die Sonnenwenden, Tagundnachtgleichen oder andere besondere Momente im Jahreslauf aufzu zeichnen. Was verstehen wir eigentlich unter »Göttin«? Und über haupt,wasverstehenwirunter»Körper«?DurchdieAr beitandiesemBuch,durchdieRecherchen,durchdieRei sensowohlalleinalsauchmitFreundenunddurchÜber legungendarüber,wasdieseDingefürmichundandere bedeuten,binichallmählichzueinemumfassenderenVer ständnisdieserbeidenBegriffegekommen.Fürmichbe deutet»dieGöttin«diehistorischenweiblichenGottheiten ausverschiedenenKulturen.Abersiebedeutetgleichfalls dasgöttlicheSeinoderdiespirituelleKraft,wiesieinuns undimUniversumumunsherumentsteht. Manche würden diese grundlegende spirituelle Wirklich keit»Gott«nennen.Fürandereisteseinunpersönliches, überweltlichesGeschlecht.IchverwendedenBegriff»Göt tin« aus zwei Gründen: Erstens verbindet er unsere Er kenntnisdesGöttlichenmitjenerlangenTradition,dieauf unsere frühesten Vorfahren mit ihren eleganten Darstel lungen von Frauen zurückgeht. Zweitens wird, indem mandemGöttlicheneinenweiblichenNamen–Göttin– gibt,dieKraft,LebenzuspendenundunsmitderMilch derspirituellenSchönheitzunähren,hervorgehoben.Hal lieIglehartAustenschreibtinihremBuchTheHeartofthe
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Goddess: »Letzten Endes glaube ich, daß die Göttin das ganzeSpektrumderExistenzinsicheinschließt,nichtnur das›Weibliche‹.«Sieschreibtweiter:»DieGöttinstellteine Einheit und Ganzheit dar ... Jeder einzelne von uns, die ganzeExistenz,istdasGöttliche.« InderSteinzeitwardieGöttindieGebärende,aberauch dieTodbringerin,siewardieGöttinderNatur,aberauch der Kunst, des Pflanzens und Wachsens, und auch der Träume.DieGöttinistgrundlegendeWirklichkeit. HierwirddieSprachezueinemSpiegel.Indenvergange nen Jahren haben viele feministische Linguistinnen und GesellschaftskritikerinnenaufdenstarkenEinflußhinge wiesen,dendieSprachedaraufhat,wiewirselbstunsere Gedanken formulieren. Die meisten europäischen und asiatischen Sprachen entstammen patriarchalen Struktu ren, in denen Männer und männliche Erfahrungen die GrundlagenderRealitätformen.DasWort»Göttin«leitet sich eindeutig von »Gott« ab, so wie sich im Englischen »female« (weiblich) und »woman« (Frau) von »male« (männlich)und»man«(Mann)ableiten.Aufgrunddieser abgeleitetenQualitätfälltesschwer,denBegriff»Göttin« nichtalseingeschränktundausschließlichvonmännlicher Erfahrung bestimmt zu verstehen. Und zugleich werden wir,wennwirdasWort»Gott«verwenden,indiekulturel leVerachtungweiblicherErfahrungverwickelt. WennwirvonderGöttinundderWeiblichkeitalsgrundle gendenWahrheitensprechen,magesdenAnscheinhaben, als würden wir die Dinge einfach auf den Kopf stellen. Aber das Neue an der modernen Göttinnenreligion gibt unsdieMöglichkeit,DingevoneineranderenSeitezube trachten–einzuschließenstattauszuschließen,spirituelle Erfahrungenzuergründenundnichteinfacheinzuschrän ken. UndderKörper?Nachundnachbinichdahingekommen, denKörperalsalldaszusehen,wasinderWeltentsteht. Wenn man auf den Hügeln von Delphi in Griechenland sitzt,zwischendenvonRissendurchzogenenKalksteinfel sennahedemTeachingRockvonPeterboroughinKanada
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entlanggeht,sichindieDunkelheitderGanggräberNord europas begibt oder an einem Ritual in einer Stadtwoh nungteilnimmt,umdenFrühlingsanfangzufeiern,wird einembewußt,daßderKörpermehristalseinObjekt.Der Körper umfaßt alle unsere Erfahrungen. Der Körper der Göttin beinhaltet nicht einfach nur die Formen der Erde oderderSterne,sondernauchihreEigenschaftenundihre Bedeutung.DerKörperistalles,waswiralsrealundprä sentinunseremLebenerfahren.
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Dersichtbareundder unsichtbareKörper Werauchimmerdubist, woherauchimmerdukommst überihremheiligenBoden, duvomMeer, du,derfliegt, esistsie, diedichnährt. HomerischeHymneandieErde WieesbeijederradikalenIdeederFallist,ziehtunsder KörperderGöttinaufgrundderFremdheitunddesWun dersseinesgrundlegendenThemasan,unddiesesThema ruftetwasUraltesinunswach,vondemwirbiszudem AugenblickseinesErwachensnichtwußten,daßesüber haupt existierte. Aber sobald wir diese Welt betreten ha ben,beginntsiesichzuerschließenundoffenbartimmer größereFeinheiten.DieMenschen,diedieGöttinangebe tet haben, sahen sie nicht nur in den beeindruckendsten Himmelskörpern, den offensichtlichsten Verbindungen vonNaturundmenschlicherFortpflanzung.Sieversuch tensieauchimEntsetzendesTodesoderinderspiralför miggewundenenEnergiederSchlangenzufinden.Sierie fensieindenFormenihrerTempelinsLeben.Undwenn wiranfangen,diesenWegenzufolgen,entdeckenwirun sereeigenenAbzweigungenundBiegungen,währendwir dieWirklichkeitdesGöttinnenkörpersinderKunst,inden Geheimnissen des Verlangens und der Freude der Kon templationerkennen.
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DersichtbareKörper DieGöttinhatnichtnureinensichtbaren,sondernauchei nenunsichtbarenKörper.DersichtbareKörperumfaßtal lesPhysischeundGreifbare.DerunsichtbareKörperistal les,wasrealist,abernichtberührtwerdenkann,undbein haltet Aspekte wie Imagination, Verlangen und Denken. DerheiligeKörperbeziehtHimmelundErdemitein,aber nicht nur in ihrem physischen Vorhandensein, sondern auch als Ausdrucksformen der mythischen Imagination. Dasheißt,dieWeltexistierteinfach.WennwirdiesesDa sein betrachten und anfangen, es vom spirituellen Stand punktauswahrzunehmen,lassenwirdenKörperderGöt tinsichtbarwerden. Sowohl das Sichtbare als auch das Unsichtbare werden durchdieKulturvermittelt.Dasheißt,Menschenbezeich nen gewisse Tiere, Landschaftsformen, künstlerische Bil der,IdeenundAusdrucksweisenodergewisseFormender gesprochenenundgeschriebenenSprachealsetwas,dasin besondererWeiseandiephysischeWirklichkeitderGöttin erinnert. Der sichtbare Körper nimmt in der Landschaft Gestalt an, in den Tempeln und Bäumen, vornehmlich in heiligenHainenundbestimmtenBaumarten,wiezumBei spielZypressenundPlatanen.ErlebtinallenTieren,aber hauptsächlichindenjenigen,diealsdieGefährtenderGöt tin geltenoderihrebesonderenEigenschaftenzumAus druck bringen. Dazu zählen Schweine, Schafe, Fische, Bären, Raubvögel und insbesondere Kühe, Stiere und Schlangen.DersichtbareKörperwogtimMeer,demUr sprungallenLebens,dessenSalzwasserunseremBlutent spricht.WirfindendenKörperderGöttininFlüssenund StrömenundimRegen,ohnedenwirnichtlebenkönnen. WirfindendenKörperderGöttinbeiderGeburtundder Menstruation, besonders wenn wir diesen körperlichen Funktionen einen heiligen und zeremoniellen Wert bei messen.AberwirfindenihrenKörperauchinKrankheit undTod,dennsiesindkeineIrrtümeroderStrafen,son dernBestandteilderExistenz.AndiesemPunktkommen
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wir zu einem entscheidenden Unterschied zwischen der Göttinnenreligion(hauptsächlichinderForm,wiesieheu teinErscheinungtritt)undderReligion,dieunsausunse rerErziehungundderoffiziellenGeschichtevertrautist. WennwirGottalsvollkommen,unsterblichundunverän derbar ansehen, wird der Tod zu einem Akt der Gewalt und einem Zeichen für unsere Entfernung von Gott. Um den Graffito meiner Freundin frei zu übersetzen: »Wenn deinKörperstirbt,mußtduetwasfalschgemachthaben.« AbersobaldwirdenTodalseinennatürlichenAspektdes heiligenKörpersannehmen,beginnenwirebenfallsunse ren eigenen Tod anzunehmen. Dieses Annehmen geht nichtautomatischvonstatten.WirkönnendenSchrecken desTodesnichteinfachverbannen,indemwirunseinre den,daßallesstirbtundzurNaturzurückkehrt.Aberwir könnenunsindieseRichtungbewegenundderTatsache des unvermeidlichen Todes die Schuldannahme abspre chen. DassindnichtnurmoderneSpekulationen.Wennwirdie Mythologien desgöttinzentriertenKretamitderspäteren patriarchalenReligiondesgriechischenFestlandesverglei chen, fangen wir an zu begreifen, daß die Idee von den »unsterblichenGöttern«,dieewigleben,fortwährenddie selben bleiben und getrennt von der Natur und dem menschlichen Leiden sind, sich erst entwickelte, als die GesellschaftsichvonderzyklischenGöttindesTodesund derWiedergeburtlosgesagthatte.Zeus,derHimmelsvater des Olymp, war eigentlich zunächst ein Gott der jahres zeitlichen Vegetation auf Kreta. Im Volkstum gilt der gehörnteBergDikteaufKretanochimmeralsseine»Grab stätte«.DaichdieHöhlewährendmeinesAufenthaltesauf Kretanichtbesuchenkonnte,gebeichhierdiefolgendeBe schreibungauseinemBriefdesAutorsSamuelR.Delaney wieder:»WennmandenHöhleneingangsieht,erscheinter einemwieeinegroße,nachhintengeneigte,natürlicheVa gina mit einer riesigen herabhängenden Steinklitoris, die vonsteinernenSchamlippenumgebenist.«
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Tod Das Sichtbare und das Unsichtbare durchdringen einan der.WirfindendieseBewegungimSpielzwischenGeburt, LebenundTod.WirmögennochsovielüberSamenzelle, Eizelle und Fötalentwicklung wissen, aber dennoch er schafftjedeGeburtnochimmerdasWunderdesSichtba ren–einesindividuellenmenschlichenWesens–,dasaus einemunermeßlichen,unsichtbarenGeheimniszumVor scheinkommt,neu.UndmitjedemTodkehrtdieSeele,die Person,insNichtszurück. Im Herbst lösen sich Pflanzen in einen scheinbaren Tod auf,verschwindeninderunsichtbarenUnterwelt,nurum im Frühling wieder sichtbar zu werden. Wenn wir über denTodnachdenken,erkennenwireinenSinndarin,daß derunsichtbareKörperderGöttinunermeßlicherundviel leichtwirklicheristalsdersichtbare.Über90Prozentaller Spezies,diejemalsaufderErdegelebthaben,sindausge storben,undvondenlebendenSpeziesmachtdieZahlder Individuen,diezurZeitleben,nureinenkleinenBruchteil dereraus,diebereitsgelebthaben. DastrifftaufalleSpezieszu,wennmanvondenMenschen absieht, von denen heute mehr leben als je zuvor in der ganzenGeschichte.DieseeinfacheTatsacheverzerrtunse reBeziehungzurNaturundzuunserereigenenExistenz wahrscheinlichmehralsalleanderenAspekteunseresLe bens.DadurchwerdennichtnurjeneTeilederWeltüber bevölkert, die für das menschliche Leben geeignet sind, sondernesermöglichtunsauch,diebeherrschendeRolle desTodesindernatürlichenWeltzuleugnen. Die Verzerrung ist jedoch ein modernes Phänomen. Den größtenTeildermenschlichenGeschichtehindurchwaren dieTotendenLebendenzahlenmäßigweitüberlegen.Und wenn die Toten zahlreicher vertreten sind, besitzen sie vielleichtauchmehrspirituelleMacht.Schließlichistdas Lebenkurz,aberderTodwährtfürimmer.UnddasLeben ist voller Einschränkungen. Wir können das Wetter oder KatastrophenwieErdbebennichtkontrollieren.Wirwis
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sennichtumdieZukunft. Aber wenn die Lebenden zu die senDingennichtinderLagesind,vielleicht,einfachnur vielleichtvermögenesdieToten.IndenmeistenKulturen wirddenAhnenoderanderenvorlangerZeitverstorbe nen Figuren große Macht zugeschrieben. In Mythen be sucht der Held oft das Land der Toten, um Wissen oder Hilfezuerhalten.DiegrößtenMagiersindsolche,dietote GeisterinsLebenzurückzurufenvermögen. Die Vorrangstellung des Todes taucht auf ungewöhnliche WeiseinderKosmologiederBellaCoolainBritishColum biaauf,dieJosephCampbellinTheWayoftheAnimalPo wersaufgezeichnethat.BeidenBellaCoolazeugtedieSon ne, bekannt als »Unser Vater«, mit einer Göttin namens Alkuntam die Menschen. Alkuntam selbst war jedoch die TochtereinerUrgöttin,einerKannibalenfigur,diedasGe hirnmenschlicherWesenverschlingt.UnddiezweiSöhne Alkuntams bewirken eine kannibalische Besessenheit bei lebendenMenschen,so daßdiemenschlicheGesellschaft vonZerstörungumgebenist. Durch denKannibalismusfindetderunsichtbareSchrek kenderZerstörungEingangindiesichtbareWelt.DerAkt des Verzehrs eines Toten vernichtet die Integrität von sichtbarenKörpern.Aberesgeschiehtnochetwasanderes. EsistnichtnurdasLeben,daszerbricht,sondernauchso zialeStrukturenundderSittenkodex,dasganzeAuffang becken der Zivilisation. Unsere moderne Zivilisation hat sichdavonüberzeugt,daßmoralischeGrundsätzeundSit tenderZivilisationeinegrundlegendeWirklichkeitsind. Die meisten Menschen erkennen an, daß wir uns soziale Strukturen auferlegen müssen, um zusammenleben zu können. Durch die Taten von Betrügern oder heiligen Clowns–oderdurchKannibalismus–läßtderMenschdie zügelloseWildheitdesLebensnebenderZivilisationge währen. CampbellgibtRuthBenedictsSchilderungeinerInitiation derkannibalischenGesellschaftderKwakiutlwieder(wie dieBellaCoolakommendieKwakiutlausdempazifischen Nordwesten).Derbesessene Initiierte biß Zuschauer und
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verzehrte»inaltenZeiten«,wie Campbellsagt, sogar Teile vongetötetenSklaven.AbergeradedieserAkt,derihnin die geheime Macht der KwakiutlGeisterwelt einweihte, verdarbihnzugleichfürmenschlicheBeziehungen,sodaß der Initiierte bis zu vier Monate in einem kleinen Raum isoliertundvoneinemBärentänzerbewachtwurde.Alser wiederindieGemeinschaftzurückkehrte,tatderInitiierte so,alshätteerseinMenschseinvergessen,undlerntewie derlaufen,sprechenundessen. DiegesellschaftlichenTabushattenmehrereJahreBestand bis zu einer Winterzeremonie, in deren Verlauf ein alter Mann als »Köder« für den Kannibalen auftrat. Als der KannibalesichdemaltenMannnäherte,alswolleerihn beißen,fandersichumstelltundwurdevoneinerFrau, diemiteinemLeichnaminihrenArmennackttanzte,in ein Haus gelockt – ihm wurde mit anderen Worten die zweifacheLebenskraftvonNahrungundSexangeboten. IndemHausfandeineReinigungstatt,beiderunterande rem »mit dem Menstruationsblut von vier edlen Frauen getränkteZedernrinde«benutztwurde.
Sexualität Der sichtbare Körper bringt sich weiter zum Ausdruck, trittinsSein,indieSexualitätein–durchdieFortpflan zungvonTierenundPflanzen,dieelektrischeVereinigung vonHimmelundErdebeiDonnerundBlitzunddieuner meßliche Vielfalt menschlicher sexueller Erfahrung. Und hierunterscheidetsichdieGöttinnenreligion,sowohldie alte als auch die moderne,deutlichvonderReligiondes überweltlichenGottes.DennwennGottkeinenKörperhat undvondemUniversum,dasererschaffenhat,getrennt existiert,werdenMenschenzuSeelen,dieentwedereinen KörperwieeinenGegenstandodereinKleidungsstückbe sitzenoderineinenKörpereingeschlossensind,alsGefange neineinemKäfigausFleisch.ReligionwirdzueinerSehn suchtdanach,demKörperzuentkommen,undgleichzei tigeinemBefehl,ihnzukontrollieren.InderReligioneines
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körperlosen, geschlechtslosen Gottes wird die menschli che Sexualität zu einer Störung und einem Verrat, einem SchrittwegvonGottaufeineverachteteNatur,eineSünde hin. Eine Religion, die den Göttinnenkörper anbetet, braucht keine solche Spaltung zwischen Spiritualität und Sexua lität. Als etwas für das Leben Grundlegendes nimmt die SexualitäteineheiligeRolleein:»AlleAktederLiebeund derFreudesindmeineRituale«,schreibtdiemoderneHe xeStarhawk–einManifestderBefreiungineinemeinzi genSatz. WissenschaftlerundPhilosophendiskutierenoftdarüber, wodurchMenscheneinzigartigsindundsichvonanderen Tierenunterscheiden.FüreinigeistesdieSprache,füran deredasabstrakteDenken.IngewisserWeiseverrätschon die Frage an sich ein ängstliches Bedürfnis danach, uns vonderNaturabzugrenzen.Aberesgibteinmenschliches Merkmal,dasunswirklicheinzigartigmacht–dieKlitoris. Menschliche Frauen sind die einzigen Säugetiere,fürdie sexuelles Verlangen und Vergnügen nicht direkt mit der Fortpflanzungverknüpftsind. Dadurch wird die menschliche Sexualität zu einem eher kulturellenalseinfachnurbiologischenPhänomen.Sexua lität wird zur Kommunikation und zu einem Ausdruck unseres Menschseins. Wenn strenggläubige Christen und andereSexalsden»tierischen«Teilvonunsbezeichnen, stellensiegenaugenommendieWirklichkeitaufdenKopf. DieIdee,daßwirunsnurkörperlichliebensollen,umKin derzuzeugen,hieße,dieEvolutionumzukehren,dennge nau das tun Tiere. Sexualität ist sichtbar, hat mit Berührung und anderen Empfindungen zu tun, ein schließlich dem Orgasmus, einem physischen Ereignis im Körper.UndzugleicherschließtdieSexualitätunsdenun sichtbarenKörperderBegierde.WiekanneineBerührung derLippen,derBrustoderderSchultereineReaktioninei nemTeildesKörpershervorrufen,vonderdieGenitalien überhauptnichtbetroffensind?Undwarumreagierenwir nurbeieinigenMenschenso,beianderenabernicht?Und
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wasistmitderReaktionin unserenKörpern, wenn wir et was Schönes oder sexuell Attraktives sehen, ohne es zu berühren–einenGeliebten,einenvölligFremdenoderein facheinFoto?UndwasistmitdenPhantasien,dieüber hauptnichtphysischinderWeltexistieren,sondernnurin unserenVorstellungen?WelcheunsichtbareLinieverbin det sie mit unseren Genitalien? Wenn manbehauptet,daß SexualitätimGehirnexistiert,gehtmaneinfachvoneiner falschen Prämisse aus. Mit Beschreibungen der biologi schenFunktionsweisekönnenwirdasGeheimnisderBe gierdenichtlösen. EbensowiederTodführtauchdieGeburtzumunsichtba renKörper.WenneinKindfragt:»WoherkommendieBa bys?«,erkundigtessichnichtnachdenMechanismendes Geschlechtsverkehrs.UnsereNervositätbeidiesemThema bringtunsdazu,überbiologischeFortpflanzungund»Ma maundPapaliebensich«zureden,wodurchdasKind,das jazumindesteineAntworterhält,vielleichtzufriedenge stellt wird. Die Frage berührt jedoch ein grundlegendes Geheimnis des Lebens. Woher kommen Babys? Wir wis sen,wieFötenwachsen,aberwodurchwirdeinFötuszu einem lebenden Menschen? Wie kommt ein individuelles Wesen aus dem Nichts hervor, um sich in einem physi schenKörperzuentwickeln?
Vögel,SchlangenundderunsichtbareKörper Vögel und die Himmelsobjekte stellen einen Aspekt des sichtbarenKörpersdar.AberzugleichführtunsdieLuftin dasReichdesUnsichtbaren.Wirkönnensiespüren,wenn sieunsanweht,undwirerfahrensieinunseremKörper, wennwiratmen.DerAtemträgtLebenundGeistmitsich, einWort,dassichvondemlateinischenBegriffspiritusab leitet,der»atmen,Lebensatem«bedeutet.Aberinunseren normalenSinnesbereichenkönnenwirdieLuftwederse hennochberühren. DieIdeevomunsichtbarenKörperderGöttinkammirin denSinn,alsichmirGedankenüberdieBedeutungvon
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Vögeln in den Religionen und Mythologien der Welt machte. In der neolithischen Kunst begegnen wir einer großen Zahl Vogelfrauen, die als Göttinnenstatuen, auf GefäßenundinMalereiendargestelltsind.VieleGöttinnen wie Aphrodite oder Athene haben Vögel als Gefährten. Andere Göttinnen und Götter verwandeln sich in Vögel oderempfangenBotschaftenvonihnen,wiebeispielswei se der skandinavische Gott Odin, dessen Zwillingsraben Hugin und Munin, Gedanke und Erinnerung, ihn mit NeuigkeitenausderganzenWeltversorgen.UndSchama nen in vielen Ländern verkleiden sich als Vögel, um zu denGeisternzureisen. VögelrepräsentierendieGöttin,weilsiesichinderLuft, ihremunsichtbarenKörper,bewegen,währendMenschen nur auf dem sichtbaren Körper der Erde reisen können (wennwirdasMeerüberquerenwollen,müssenwirBoote bauen,dieaufgrundihrerschoßähnlichenFormzuweibli chenWesenwerden).UndweilVögelinFormvonGesang »sprechen«,tragensiedieverschlüsselteWeisheitderGöt tinwieauchdieInspirationfürdieKunstmitsich,alseine andereMöglichkeitihresunsichtbarenKörpers,sichindas Sichtbarezubewegen. VögelverbindenunsmitSchlangen,wennauchnurdurch ihrensymbolischenGegensatz.Vögelbewegensichdurch die unsichtbare Luft, während Schlangen mehr als jedes andereGeschöpfdurchdenunsichtbarenKörperderIma ginationgleiten.MythologieninderganzenWeltbeschrei bendieengeVerbindung,oftAbneigung,zwischenVögeln undSchlangen.InfastallenKulturentretendiebeidenals die ersten GeschöpfederGöttininErscheinung.Siesind nicht immer Feinde. Viele Mythen und Märchen erzählen voneinemHelden,derdasBluteinerSchlange(odereines Drachen) kostet und daraufhin die »Sprache der Vögel« versteht,womitdasgesamteWissengemeintist.DerVogel fliegt nach oben in die unsichtbaren Welten, und die SchlangegleitetindieGeheimnisseunterderErde. Vögel und Schlangen scheinen die Spaltung (oder das Spiel) zwischen Bewußtem und Unbewußtem, Vernunft
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undInstinktzusymbolisieren.Esistleicht, die Faszination fürVögelundihreFähigkeit,anmutigindenHimmelzu fliegen, nachzuvollziehen. Aber wie kommen Schlangen zu ihrem Geheimnis, ihrem traumähnlichen Einfluß auf fastjedeMythologie? Dafür kann man sich mehrere Möglichkeiten vorstellen. Um zu wachsen, müssen Schlangen regelmäßig ihre alte Hautabstreifen.DasverleihtihneneineAuraderUnsterb lichkeit.SchlangenhabenetwasAndrogynesansich;aus gestrecktsehensieauswiePhalli,währendsiezusammen gerolltdenFaltenderVulvaähneln.Undtrotzdemistdie KraftderSchlangemehralsintellektuelleSymbolik.Mari jaGimbutassprichtvonderSchlangealszusammengeroll terEnergie. ObwohlwirSchlangenfürgiftighalten,könnensieauch positivaufdenKörpereinwirken.DasGiftvielerSchlan gen,besondersvonKobras,dientalsHalluzinogenunder zeugtekstatischeVisionen.1989untersuchteDr.Richard KuninausKalifornienSchlangenöl,dasoftalsSymbolfür sinnlose und betrügerische Kuren steht. Er fand heraus, daß das Öl von chinesischenWasserschlangen einenho hen Anteil an wichtigen Säuren undanderenNährstoffen enthält, einschließlich der höchsten Konzentration von Omega3Derivaten der Eicosapentaensäure (EPA). Udo ErasmusberichtetinseinemBuchFatsThatHeal,FatsThat Kill,daßsichdasNewEnglandJournalofMedicineweigerte, Dr.KuninsUntersuchungsergebnissezuveröffentlichen. Eine der eindrucksvollsten Schlangenbeschreibungen fin det sich in Roberto Calassos buchfüllender Meditation überdengriechischenMythosDieHochzeitvonKadmosund Harmonia:»WodieSchlangeist,strömtWasserhervor.Ihr Augeistflüssig.UnterihrenWindungenfließtdasWasser der Unterwelt. Ewig. Ihre Schuppen sind gleichartig, ihr Maul ist wellenförmig und sich fortwährend selbsterneu ernd, Wellen gleich.« Wenn wir Schlangen betrachten, scheinenwirzurückindieZeitundtiefinunserfrühestes Selbstzublicken.SchlangenverkörperneineEvolutions stufe,dienochimmerimKernunseresGehirnseingebettet
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ist.AufgrundihrerMischung von männlichen und weibli chen Bildernsind SchlangenfleischgewordeneSexualität. UndwennwirSchlangensehen,diesichumdieArmeder GöttinwindenodersichdurchihrHaarbewegen,erken nen wir die mit dem Bild von der göttlichen Macht ver bundeneKraftunsererfrühestenAnfänge.
AspektedesHimmels LichtinallenseinenFrequenzen,einschließlichRadiowel len,bewegtsichdurchdenunsichtbarenKörpervonRaum –undZeit–,umunsBilderundWissenvonseitlangem verschwundenenSternen,QuasarenundGalaxienzubrin gen.WennwirdieSternebetrachtenoderauchdieSonne, deren Licht acht Minuten braucht, um uns zu erreichen, wirddieVergangenheitsichtbar.DieZeitwirdzueinerOf fenbarungdergöttlichenWirklichkeit.Jetieferwirinden Raumsehen,umsoweiterblickenwirindieZeitzurück, biswirunsdemUrsprungderExistenzselbstnähern. UnsereKörperentstammendervergangenenWirklichkeit, denn alles in unserem Sonnensystem, einschließlich wir selbst und die Sonne, bildete sich aus dem Staub explo dierter Sterne. Und ohne die Sonne, deren Strahlen sich durchdenunsichtbarenKörpervonRaum,LuftundZeit zuunsbewegen,könnenwirnichtleben. ManerinneresichandieMythenvonunsererGalaxis,an dieMilchstraße,diedenBrüstenderGöttinentströmt(oft alsdersichtbareKörpereinerKuhodereinesBüffelsdar gestellt), oder die Sterne als Teil ihres Kleides, Umhangs oderTanzes.UndmandenkeebenfallsandieSteinkreise undErdhügel,diedenSonnenaufgang(oderSonnenunter gang)anbesonderenTagendesJahreskennzeichnen.Sie dienendemZweckderZeitmessung,desWissensdarum, wanngepflanztodergeerntetwerdensoll,abersieerfüllen eindeutig auch eine rituelle Funktion. Vielleicht bestand ein Teil dieser Funktion darin, den unsichtbaren Körper des Himmels in den sichtbarsten aller Körper, Stein und Erde,zubringen.WennamTagderWintersonnenwende
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derLichtstrahlindiekünstlicheHöhlevon Newgrange in Irlandeindringt,nimmterimBeiseinderBetendenForm an.FürkurzeZeitlassendieSteintunneldasLichteineArt Skulpturbilden,dieeinemstehendenMenschengleicht. EinevölligandereForm,denunsichtbarenHimmelindie sichtbare Erde einzuwurzeln, sind die »Träume« der australischenAborigines,manchmalHimmelsheldenge nannt.DiessindAhnenwesen,dievomHimmelherabstie gen,ihreGeschichtenaufderErdevortrugenunddannim Erdinneren verschwanden, um lediglich als einzelne Fa cettenderLandschaftwiederzuerscheinen:Steine,Pflan zen,Tiere,Teicheunddergleichenmehr.DieseVorstellung hateineinteressanteÄhnlichkeitmiteinerzurZeitimWe stenpopulärenMeditation.ZunächststelltsichderMedi tierende vor, in weißes Licht getaucht zu sein. Das Licht dient als ein Medium, um bestimmte benötigte oder ge wünschte Qualitäten anzuziehen – abstrakte Qualitäten wieLiebeoderHeilungoderStärke.UmsieWirklichkeit werdenzulassen,atmetderMeditierendesiedirektinden Körper ein. Schließlich »verankert« er sie, indem er sie symbolischindieErdehinunterschickt. JederkenntdasBildvonHexen,dieaufeinemBesendurch dieLüftereiten.WahrscheinlichgehtdieseVorstellungauf SchamanenundHeilerzurück,diesichalsVögelverklei detenoderaufTrommeln»flogen«–dasheißt,durcheine von Trommeln herbeigeführte Trance in die Geisterwelt reisten.DieVerbindungzwischenSchamanenundHexen besenwirddeutlicher,wennwirinErwägungziehen,daß europäische»Hexen«oftDorfheilerinnenoderweiseFrau enmiteinemspeziellenKräuterwissenwaren.DerBesen stielläßtaufeinenPhallusschließenunddaheraufeine VereinigungmitdermännlichensexuellenKraft,entweder durchtatsächlicheSexualmagieoderdurchdieArtvonge schlechtlicherVereinigung,wiemansiebeijenenprähisto rischen Göttinnenstatuen mit phallischen Hälsen findet. Zudem verbindet der Besen die tägliche Hausarbeit der Frauen – ein weiteres physisches Auftreten des Göttin nenkörpers–mitspirituellemGeheimnisundEkstase.Wir
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sollten unsauchdaran erinnern, daß die Borsten des Be sens, wenn sie zwischen den Beinen hervorkommen, nichtsähnlichersehenalsdemSchwanzeinesVogels.
NaturundKunst Auch die sichtbare Wirklichkeit der Welt führt uns zum Unsichtbaren.DieMachtdesLandesliegtteilweiseinun serer Abhängigkeit von ihm, um leben zu können, und teilweiseindemGefühlbegründet,daßetwasGrößeres, alswireszusehenvermögen,inseinemInnernlebtund derWeltderSinneBedeutungverleiht. DerAkt,dieGöttinsichtbarzumachen,gehtüberdiepas siveAnerkennunghinaus.WerkederImaginationmachen den unsichtbaren Körper sichtbar. Das Neolithikum war dieZeitdergroßenMonumente:SilburyHillinEngland, die riesigen Ganggräber von Newgrange, Knowth und Dowth in Irland und Cahokia in Illinois (der dortige Monks Mound, der »Hügel der Mönche«, ist mit sieben HektardasgrößteprähistorischeErdwerkderWelt)erfül lennebenanderenFunktionendenZweck,einmenschli chesGefühlfürdenKosmosalsetwasGeordnetes,Bedeu tungsvollesundLebendigessichtbarzumachen.Siever leihen Ideen von Schönheit, Rhythmus und Zweck eine physischeForm. DieErbauerderfrühenPyramidenundZikkurateahmten wahrscheinlichBergenach.Ein Erdhügelstellteinenoch direktereNachahmungdar.DerinnereGanginNewgran geoderKnowth(siehedazudasvierteKapitel)nimmtei nen kleinen Teil des riesigen Bauwerks ein. Diese Gänge imitieren die Höhlenheiligtümer in jenen Bergen, in die sichdieMenschenanOrtenwiezumBeispielKretabega ben,umdieGöttinanzubeten.DiegigantischenHügelmit ihren kleinen, schmalen Gängen imitieren gleichfalls die menschlicheGestalt,dennGebärmutterundGeburtskanal machennureinenkleinenTeildesweiblichenKörpersaus. EbensowiediemaltesischenTempelvielleichtdieUmrisse einerFraudarstellen,könnteeinHügeloderBergaufden
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Göttinnenkörper, hauptsächlich auf ihren schwangeren Bauch,hingedeutethaben. Die Steinzeitmenschen schufen in verschiedenen Ländern (und zu verschiedenen Zeiten) nicht nur Steinkreise und Hügel, sondern auch riesigeSkulpturen.DerSerpentMo und (»Schlangenhügel«) etwa, ein Erdwerk in Ohio, zieht sichübereineViertelmeilevonderSchwanzspitzebiszum Maulhin. Eine ähnliche Skulptur in der Nähe von Loch Nell in SchottlanderstrecktsichübereineLängevonüber90Me tern und erreicht eine Höhe von 6 Metern. Bei beiden SchlangenzeigtderSchwanznachWesten,undaufjeder stand ursprünglich ein Altar, der nach Osten zur aufge hendenSonneblickte.InbeidenFällen,wieauchinande renderartigenWerken,deutetedieFormderumgebenden Landschaft auf eine Schlangengestalt hin. Trotzdem exi stierte diese Gestalt nur in der unsichtbaren Verbindung vonLandschaftundImagination–etwas,dasMenschen nurimGeiste»sehen«konnten–,bisdieErbauersiedau erhaftsichtbarmachten.
ModerneSchöpfungen,dieden Göttinnenkörperimitieren EinigezeitgenössischeKünstlerhabendiePraxiswieder belebt,gigantischeWerkezuschaffen,diedenKörperder Göttindarstellen.Sohatbeispielsweisedieamerikanische Bildhauerin Christina Biaggi einen Betonhügel errichtet, dessenInnenraumdenKonturenderweiblichenKörper höhleentspricht.SeiteinigenJahrenarbeitenBiaggiund dieArchitektinMimiLobellandemBaueinesgroßenHü gelswieSilburyHill,dersowohlalsastronomischesOb servatoriumalsauchalsTempeldienensoll.DieGläubi genwerdendurchdasHügelinneregehen,umdieWieder geburtausdemSchoßderGöttinerfahrenzukönnen. Andere Künstler haben sogar noch getreuere Bilder in großem Stil geschaffen. Die französischamerikanische KünstlerinNikideSaintPhallestelltGöttinnenstatuen
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DieNanaGöttin,dieNiki de Saint Phalle für eine schwedische Messe schuf.(Foto:HansHammerskiold,AbdruckmitfreundlicherGenehmi gungvonNikideSaintPhalle)
her–»Nanas«,wiesie sie nennt –, die groß genug sind, um als Gebäude zu dienen. Während die Erbauer früherer KulturenihreKonstruktionenalsAbstraktionenvonKör pern gestalteten,machtsichdeSaintPhallediemoderne Technologiezunutze,umihreKunstwerkedirekterfahr barzumachen.FüreineMesseinSchwedenschufsieeine 25Metergroße,aufdemRückenliegendeGöttinmitei nemKino(daseinenGarboFilmzeigt)imlinkenArm,ei nembeweglichenHolzgehirnimKopf,einemPlanetarium in der linken Brust, einer Milchbar in der rechten Brust und so weiter. Die Besucher betraten und verließen sie durchdieVagina. VornichtlangerZeitlegtesieeinengigantischenSkulptu renparkausdreidimensionalenTarotkartenan.Einigevon ihnen sind Nanas und gleichzeitig Gebäude. Herkömmli cherweise symbolisiert die Tarotkarte »Herrscherin« die Große Mutter.Fürdiese »Karte« schuf de Saint Phalle eine
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Sphinx,indersieauchwährendderZeitwohnte, in der sie andemProjektarbeitete. VieleKünstlerbringendenGöttinnenkörpermitHilfeih reseigenenKörperszumAusdruck.Einigeunternehmen Pilgerfahrten,umuralteRitualeinHöhlenneuzuinsze nieren,anderebenutzenKostümeundObjekte,umtradi tionelle Göttinnenvorstellungen wachzurufen. Oft wird geglaubt,daßdieseKunstunserenKörpernKraftverleiht, indem diese mit heiligen Geschöpfen und Traditionen gleichgesetzt werden. Man könnte auch sagen, daß wir, wennwirunsereKörperinderGöttinnenkunsteinsetzen, der Göttin Kraft verleihen. Wir helfen ihr, aus der Ge schichte zurückzukehren, um noch einmal in Form von physischerRealitätaufzutreten. DieVerbindungvonSichtbaremundUnsichtbaremöffnet denWegfürdieKunst.FastjederKünstlerhatdasGefühl geäußert,einVermittlerfürdasWerkzusein,damitessich erschaffenkann.Wirsprechenvonden»Hilfsmitteln«ei nesKunstwerkes,womitwirdieverwendetenMaterialien meinen,wiezumBeispielFarben,Steine,Druckoderauf gezeichneteGeräusche.DaseigentlicheHilfsmittelistder Künstler,derdenWegfürallesöffnet,wasausdemun sichtbarenKörperhervorkommenmuß. Auch Mythen und Folklore sind der Körper der Göttin, was ebenfalls auf Prophezeiungen und Orakel zutrifft, denn all diese Äußerungen verleihen einem intuitiven Sinn für die heilige Wirklichkeit Form undgeistigeSub stanz.DieseRealitätistformlos,biswirihrinWortenoder BildernoderinSteinkonkreteFormgeben. Undso,wiesichunsereKörperverändernundentwickeln, wachsen und altern, sich häuten, menstruieren und schwangerwerden,sichvorBegierdehebenundsenken, istdersichtbareKörperderGöttininallseinenAspekten nicht festgelegt oder ewig, sondern verändert sich, ent wickelt sich, gebiert, stirbt und wird fortwährend durch denunsichtbarenKörperderZeitwiedergeboren.
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DiemenschlicheBeteiligung amKörperderGöttin Durch die Wirklichkeit unserer eigenen Körper kennen und wiedererkennen wir diese in jenen Dingen als den KörperderGöttin.AlserseineVisionvonSinnundZweck vonSilburyHillundAveburyCircleinEnglandaufzeich nete, schrieb MichaelDames,daßwirdieseuraltenBau werke als einen »Code« verstehen können, der auf dem menschlichen Körper, vornehmlich den Veränderungen durchSchwangerschaftundGeburt,basiert.Diemenschli che Erfahrung wird zum Hilfsmittel, um unser Gewahr seindesHeiligenzuerfassenundauszudrücken. InderpatriarchalenGottesvorstellungsinddieMenschen GottesGeschöpfeundUntertanen,ohneeineechteRolle imGöttlichenzuspielen,außeralsHerrscherüberGottes geringere Untertanen, die Pflanzen und Tiere. Wenn wir die Existenz selbst als den göttlichen Körper verstehen, schaffenwirdagegeneinewechselseitigeBeziehung.Die volle Erkenntnis dieses Körpers erfordert, daß das menschliche Bewußtsein seine Präsenz wahrnimmt und menschlichesHandelnihnvollständig»zurWeltbringt«. In Vincent Scullys Beschreibung der kretischen Paläste undgriechischenTempelmachendieGebäudesichnicht einfach bestimmte Landschaftsformationen zunutze. Sie vervollständigendieLandschaftsformendurchihreLagean einer solchen Stelle und mit einem solchen Aussichts punkt,daßeinBetrachteralleLandschaftselementeinex aktdemVerhältnissieht,diedasGefühlvoneinemweibli chenKörperevoziert.
DoppelgipfelundRundhügel In seinen Gedanken über die heilige Landschaft weist Scully darauf hin, daß ein Hügel zwischen zwei Gipfeln die Mutter verkörpert. In ihrem Buch Earth Wisdom ent wickeltDoloresLaChapelledieseIdeeweiterundmacht daraufaufmerksam,daßeinneugeborenesKindbei
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vollem Bewußtsein zur Welt kommt (wenn es nicht von Medikamenten betäubt ist, die der Mutter verabreicht wurden) und vom Körper seiner Mutter zuallererst den VenusbergunddenBauchmitdenBrüstendahintersieht. ErstwenndasKindweiternachobengelegtwird,siehtes das Gesicht seiner Mutter. Wenn wir also die dreifache Landschaftsformation betrachten, erwarten wir unbe wußt, daß das Gesicht der Muttergöttin gerade außer Sichtweiteliegt. InGriechenlandbringtdiedreifacheHügelformationins besondere Artemis ans Tageslicht. Artemis wachte über die Frauen bei der Entbindung. Außerdem gehörte sie zu denBergen,wosiemitihrenNymphenlebteunddieTiere nichtnurjagte,sondernauchbeschützte.ArchaischeArte misDarstellungenzeigensiemanchmalmitausgebreite ten Flügeln. Dieses Bild mag ebenfalls aus dem gleichen dreifachenGipfelentstandensein,mitdemmittlerenHü gelalsihremKörperunddenBergenaufbeidenSeitenals ihreFlügel. Wennwirakzeptieren,daßeinsolchesLandschaftsbilddie Göttindarstellt,erfordertdiesvorallem,daßmaneswahr nimmt und feiert, und zweitens, daß man an einer be stimmtenStellestehtundschaut.Ichhabedasambesten aneinemOrtinGriechenlandverstanden,woichnichtge radeintensivnacheinemsolchenBildAusschauhielt.In derNähedesTempelsderArtemisinBrauron(Vavrona aufneugriechisch)findetsicheinBeispielfürScullysund LaChapellesMutterbild. Das Verhältnis der drei Hügel zueinander ist von einer StelleabderStraßeeinpaarKilometervomTempelent ferntambestenersichtlich.Ichweißnicht,obdiemoderne StraßemitdemaltenWegübereinstimmt,aberesistdoch möglich,daßdiejungenMädchen,dieineinerProzession ausAthenkamen,umArtemiszudienen,hiervorbeige führtwurden.VielemoderneHauptstraßenfolgentatsäch lichuraltenRouten. GehtmandieStraßeinBrauronvomTempelausentlang, sohatmandasGefühl,daßderKörperderGöttinallmäh
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Die»Artemis«Hügelformation in der Nähe des ArtemisTempels in Brau ron/Griechenland
lichindieWirklichkeiteintritt.Zuerstsiehtmannurden nächstgelegenen Hügel und einen Teil des anderen, der weiterwegliegt.WennsichdanndiebeidenäußerenHü gel trennen, gewinnt man einen flüchtigen Eindruck von demkleinerenHügel,derzwischenihnenliegt.Aberder Blick auf diesen Hügel bleibt von dem Gipfel halb ver deckt,indessenNähemansichbefindet,sodaßsichdie wesentliche Form, ein Hügel in der Mitte, der von zwei gleichförmigen Gipfeln flankiert wird, nur an der Stelle aufderStraßezeigt,vonderausmandenmittlerenHügel sehenkann,wieersichingleichemAbstandvondenzwei größerenerhebt(dasistzumindestderEindruckeinesmo dernen Betrachters). Folglich entsteht diese kleine Vision vomLandschaftskörperderGöttinnur,wenneinmensch licher Betrachter an einer bestimmten Stelle steht und schaut. AnalldiesenOrten,andenenwirdenGöttinnenkörperals eine Landschaftsform erkennen können, benötigen wir denangemessenenBlickwinkel.WennwirScullysDeutun gen akzeptieren, errichteten die Kreter ihre Paläste, um Göttinnenanbetern einen festen Standort zu geben, damit sieihrenKörperbetrachtenundesihraufdieseWeiseer möglichenkonnten,indiephysischeWirklichkeiteinzu
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treten.AlsichdenPalastvonPhaistosimSüdenKretasbe suchte,wußteich,daßichangekommenwar,bevorichdie RuinenoderdasStraßenschildsah,dennichfuhrumeine KurveherumundsahplötzlicheinenkegelförmigenHü gel in einer erhabenen Hügelumgebung, der nahezu von der Straßenseite drohend aufragte. Einige Augenblicke spätererreichteichmitdemAutoeinenPunkt,andemdie umgebendenkleinenHügelzurücktraten–unddortlag derEingangzuderPalastanlage. Der vom physischen Universum getrennte, überweltliche GottbrauchtkeinemenschlichenBetrachter,dieihninsLe ben rufen. Da er keinen Körper hat, benötigt er keine Beihilfe,umdiesenKörperWirklichkeitwerdenzulassen. Esmaguns,diewirineineraufeinemsolchenGottberu henden Kultur aufgewachsen sind, merkwürdig erschei nen, eine Göttin anzubeten, die uns physisch erscheint, abernurdann,wennwiraneinerbestimmtenStelleste hen.UnddennochbringteinesolcheHilfestellungSchön heitundKraftansLicht.Damitwillichnichtsagen,daß die Göttin erst in dem Augenblick existiert, wo wir die richtigeStelleaufderStraßevonBrauronerreichthaben, und unverzüglich aufhört zu bestehen, gleich wenn wir verschwinden.EsgibtjedocheinebestimmteWirklichkeit, dieeinenBetrachtererfordert,einen,dergelernthat,wo hinmanschauenmuß,undbesonders,wiemanschauen muß – nämlich mit Ehrfurcht, Demut und der Anerken nungderSchönheitundlebenspendendenKraftderGöt tin. AufmerkwürdigeWeisehatdieQuantenphysik,dieintel lektuellsteallerWissenschaften,dasuralteSpieldesBeob achters,derdieWirklichkeiterschafft,wiederbelebt.Nach der Quantentheorie existieren Elementarteilchen nicht – biseinintelligenterBeobachtersiemißt.VordiesemAu genblicksindsieaufverschiedenenWahrscheinlichkeitse benenangesiedelt,dieineinerWellebeschriebenwerden. Erstwennjemandwirklichhinsieht,»kollabiert«dieWelle ineinefestgelegteWirklichkeit.EinigePhysikervertreten dieAnsicht,daßdieNotwendigkeiteinesBeobachtersso
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garauf derartiggigantische Objekte wie zum Beispiel den Mond zutrifft. Eine solche Meinung widerspricht dem, was wir als gesunden Menschenverstand bezeichnen. Es klingt absurd, zu behaupten, daß ein Elektron, ganz zu schweigen vom Mond, nicht wirklich existiert, bis ein Menschesbeobachtet.Undtrotzdemhabendieausgeklü geltsten Experimente immer wieder die Richtigkeit der Quantentheorie bestätigt. Vielleicht sollten wir akzeptie ren,daßdieTeilchenphysik,wiedieLandschaftsformatio nenderGöttin,demmenschlichenBeobachterwiedereine wichtige Rolle in der eigentlichen Wirklichkeit der Exi stenzzukommenläßt.Vielleichtistdie»Existenz«selbst als eine festgelegte WirklichkeittatsächlicheineFunktion desmenschlichenGeistes. Auch die maltesischen Tempel, die Ganggräber, Silbury HillunddergigantischeSerpentMoundimheutigenOhio manifestierendenGöttinnenkörper.Undauchsiekonnten nur durch menschliches Bewußtsein, menschliche An strengungundfortwährendes,menschlichesHandelnent stehen.DenndieFormalleinmachtdenKörperderGöttin nicht aus: Die Form muß betrachtet und verstanden und mit einem Akt der Ehrfurcht und Anbetung verbunden werden.AlsGertrudeRachelLevyundspäterMimiLobell darauf hinwiesen, daß die maltesischen Tempel riesige SkulptureneinersitzendenoderliegendenFraudarstell ten,tatensiedenerstenSchritt,umdiesenAspektdesKör persderGöttinindiezeitgenössischeWirklichkeitzubrin gen.Alsandere,vondieserIdeeinspiriert,zudiesenTem peln fuhren und die Präsenz der Göttin innerhalb der Mauern,inderErdeundimSteinsuchten,alssiedortRi tuale vollzogen oder einfach nur dasaßen und über die Kraft der Mutter nachdachten, taten sie den nächsten Schritt, um ihren Körper an diesem besonderen Ort zu vollenden. In Michael Dames Vorstellungen vom Körper als Code gehtdieheiligeKraftvonAveburyCircleundSilburyHill zumTeilvondennatürlichenQuellenaus,zumTeilvon denskulptiertenFormenderSteineunddemvonMen
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schenhandaufgeschüttetenHügelundzum Teil von den Prozessionen junger Frauen und Männer, die in Dames Phantasie die megalithischen Hauptstraßen entlangzo gen. Die »Skulptur« nahm Form an durch das Land, die Bauwerke und die präzise Ritualbewegung der Menschen. Ohne dieses letzte Element konnte sich die göttlichesexuelleVereinigungundGeburtnichtereignen. DenElektronengleichmachtdieGöttineineBeihilfeerfor derlich.
MiteigenenAugensehen DasausdemGriechischenstammendeWortAutopsiebe deutetwörtlich»miteigenenAugensehen«.Beieinerme dizinischen Autopsie zerlegen Ärzte einen Leichnam, um seineBestandteilezuuntersuchen.DieGöttinistzwarle bendig,abersieschienvieleJahrhundertelangtotzusein. Dies war das Zeitalter des Patriarchats, in dem man uns sagte,daßeinVatergottdieWeltschufunddieZivilisation, wennnichtgardasLebenselbst,vorungefähr5000Jahren mitdenerstenpatriarchalen,königzentriertenGesellschaf tendesNahenOstensihrenAnfangnahm(im19.Jahrhun dertbehaupteteeingewisserBischofUssher,nichtnurdas JahrderSchöpfungausgerechnetzuhaben–4004v.Chr.– sondern auch den Tag, den 23. Oktober, und sogar die Stunde,neunUhrfrüh). HeutewerdendiebruchstückhaftenBeweisefürdieGöt tinnenreligiondurchdieArbeitvonArchäologen,Mytho logen,KünstlernundKunsthistorikern,Priesterinnen,Na turwissenschaftlern, Altphilologen, Historikern, Anthro pologen, Philosophen und Psychologen wieder zusam mengesetzt.Tempelwurdenausgegraben,Texteübersetzt, Statuen, Malereien und Mythen katalogisiert, analysiert und erforscht. Aber all diese Versatzstücke bleiben ge trennt,voneinanderundvonihrerBedeutungisoliert,bis sie»gesehen«,vonMenschenmitEhrfurchtundRespekt betrachtetwerden,diediese»tragendeBeziehung«zurle bendigenGöttinanstreben.
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Anders als der Leichnam, der bei einer Autopsie zerteilt wird,istdieGöttineinlebendigerKörperinBruchstücken, undwennwirdieGöttinmiteigenenAugensehen,wenn wirinihreTempelgehenodersieindenBergenoderinRi tualensuchen,diewirinunserenHäusernerschaffen,erin nernwirunsansie,stellenwirihreGanzheitwiederher. UnddieserAktdesSehensstelltauchunsereGanzheitwie derher,dennwirheilendieBruchstückeunsereszerbro chenenLebens,indemwirdieVerbindungenzwischenun serenKörpernunddemKörperderGöttinfinden. DieGöttinbestehtnochineinemanderenSinnausBruch stücken.IcherwähntebereitsdievielenMythenvomUni versum,dasauseinemzerteiltenKörpererschaffenwird. Sielehrenuns,daßdieGöttinüberallumunsherumist,le bendig in allen Dingen, jedoch in so vielen Teilen und Stücken,daßunsnichtklarist,daßwirinjedemAugen blickinihrerMittegehenundleben.WennwirGöttinnen stätten aufsuchen oder Rituale vollziehen, wenn wir mit eigenenAugensehen,setzenwirdieisoliertenAspekteih rerWirklichkeitzusammen.
GeschichteundLeben zusammenbringen Dadurch, daß wir unsere Erfahrungen an heiligen Orten würdigen,wirdesuns(unddenen,mitdenenwirunsere Geschichtenteilen)möglich,dieSpaltungzwischenHisto rieundLebenzuüberwinden.Zuoftdenkenwirandie Göttin als einenAspekt derArchäologie,einemAusstel lungsstückineinemMuseumgleich.Wennwiretwashi storisch belegen können, halten wir es für wirklich oder echt.Alles,waswirselbsterfahren,nehmenwirnichternst oderbetrachtenesalsSchwärmerei.Esstimmtwohl,daß wirnichtmehrindenKulturenleben,diediegroßenTem pel,SteinkreiseundErdwerkeerrichtethaben;undinvie lenFällenwissenwirsogutwienichtsüberihretatsächli chen Glaubensvorstellungen und Praktiken. Aber durch unsere eigenen Erfahrungen können wir diesen Orten nochimmerBedeutungverleihen.
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InihremBuchTheLaughter ofAphroditeverteidigt Carol P. Christ das, was sie als»Geschichtenthealogie«bezeichnet (»Thealogie«istdieweiblicheFormvon»Theologie«,also dasStudiumderGöttinanstattdesGottes).»Ichkanndas Geschrei der Kritiker hören«, schreibt sie, ›die reduzie rend‹, ›maßlos‹, ›narzißtisch‹ sagen werden.« Und sie fügt hinzu:»Ichbeabsichtigenicht,ThealogieaufAutobiogra phie›zureduzieren‹.«Dochgleichzeitigbehauptetsie,daß dasWissenunddieVisionenvonFrauenvoneinerGrund lagederpersönlichenErfahrungherrühren. CarolChristgemäßfolgtdieherkömmlichewissenschaft liche Theologie einem »Mythos der Objektivität«, so als würden Theologen, Historiker und tatsächlich auch Ar chäologen Werke der absoluten Wahrheit hervorbringen, wennsienurnichtüberihreeigenenErfahrungenschrie ben.DieserMythosentstehtausdemumfassenderenKon textdeskörperlosenGottes,derganzGeistundlosgelöst vonderTeilnahmeanderphysischenWeltist.DieGelehr tenweltversucht,dasPersönlichezu»transzendieren«,um diesenangenommenenreinenZustandnachzuahmen. InderWissenschaftistdiesemythischeReinheithinfällig geworden.Feldforscher,diemitTierenarbeiten,wissenin zwischen um ihren Einfluß auf das Verhalten ihrer Ver suchstiere und die Notwendigkeit, diesen Einfluß so ge ringwiemöglichzuhalten,indemsieselbstsichlängere ZeitindennatürlichenLebensräumenderTiereaufhalten. InderPhysikbewiesWernerHeisenbergsberühmte»Un schärferelation«, daß wir das Universum nicht untersu chenkönnen,alswärenwiranihmnichtbeteiligt.Wenn wirsubatomareTeilchen»beobachten«,verändertsichihr Zustand eben durch diesen physischen Akt des Sehens. MitanderenWorten,Heisenbergmachtdaraufaufmerk sam,daßKörperExperimentedurchführenundkeinobjek tiver Geist. Und wir haben uns mit der Erweiterung der Unschärferelationbefaßt:derIdee,daßTeilchennichtein malexistieren,biswirsiebeobachten.
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DasPersönlicheist spirituell In den Anfangsphasen der modernen Frauenbewegung wurdeeineRedewendungzueinemPrüfsteinfürfemini stischesDenken.»DasPersönlicheistpolitisch«wurdeauf unterschiedlicheWeiseinterpretiert,abervielleichtkönnte man zwei der Hauptbedeutungen wie folgt beschreiben: Erstens entwickeln Frauen politisches Wissen und Ver ständnisdadurch,daßsieihreeigenenErfahrungenunter suchen,undzweitensgeschiehtdas,weilalles,waswirin Beziehungen,amArbeitsplatzoderinunserenFamiliener fahren,ineinempolitischenKontextstattfindet.Umesan dersauszudrücken:EsstehteineganzeSozialstrukturim Hintergrund, wenn ein Mann und eine Frau sich über Hausarbeit streiten oder eine Frau eine Abtreibung an strebtodergleichenLohnfordert.WennFrauenanfangen, ihreErfahrungenzuuntersuchenundmitzuteilen,eignen sie sich politisches Wissen an. Handeln in der Gemein schaftundVeränderungeninunseremLebenbeginnenmit diesemWissen. Wirkönntenauchsagen:DasPersönlicheistspirituell.Spi ritualität kommt nicht nur in uralten Zeiten oder in Büchernvor.Sieexistiert–sie trittindieExistenzein– durch unsere Begegnung mit dem Heiligen. Einige dieser BegegnungenwerdenanheiligenStättenstattfinden,an dere in unseren Versuchen, die Göttin in unserem tägli chen Leben wiederzuerkennen. Wenn wir unsere Sexua litätalsTeilderNaturzelebrieren,wennwirdieRhythmen unseresLebensmitdemMondundderSonneverbinden, wennwirunsereeigenenWegefinden,umderaltenFest tagezugedenken,wennwirunsereEmotionenanheiligen Orten erforschen, wenn wir mit eigenen Augen sehen, dannmachenwirdasPersönlichespirituell. DerGedanke,daßdasPersönlichepolitischist,erlaubtes Frauen, ihre eigene Wirklichkeit als gültig anzuerkennen unddem Glaubenzuentkommen,daßnurExpertenuns sagenkönnen,wiewirunserLebenzubetrachtenhaben. Dadurch,daßdasPersönlichespirituellist,werdendiehei
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ligenErfahrungeneinzelnerFrauenundMänner als gültig anerkannt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß unsere Handlungen und die Art und Weise, wie wir die Welt verstehen, von Bedeutung sind. Für diejenigen von uns, die danach streben, die Göttinnenreligion (neu) zu erschaffen, ist diese Bestätigung wichtig. Die etablierten Religionen untermauern ihre Autorität mit alten Texten, Ritualen, die von offiziellen Priestern durchgeführt wer den,undoftmitgroßemReichtumundpolitischenOrga nisationen.InderGöttinnenreligionhabenwirvieleMy then und Bilder wiederentdeckt, aber noch mehr haben wirverloren.WirmüssendieGebeteundRitualeachten, die wir gemeinsam erschaffen, die Tänze, die wir unter demMondaufführen,dieWahrheiten,diewirinunseren Zirkelnerzählen,unddiekleinenWunder,denenwirauf unseren Pilgerreisen und in unseren täglichen Handlun genbegegnen.
DasSpirituelleistpolitisch Neben anderen Bedeutungen ist mit der Redewendung »Das Persönliche ist politisch« gemeint, daß alles, was auchimmerwirtun,einenpolitischenWertundeinepoli tischeAuswirkunghat.PolitikfindetnichtnurbeiWahlen oder auf Demonstrationen statt. Wie wir unser Leben führen,hateinepolitischeBedeutungsowohlfürdieGe sellschaft als auch für unsere Mitmenschen. Das gleiche trifftaufdieRedewendung»DasPersönlicheistspirituell« zu.WirerfahrendieGöttinnichtnurdann,wennwirinei nen Tempel gehen oder Rituale vollziehen. Statt dessen tunwirdieseDinge,umunsdesHeiligeninundumuns herumjederzeitinhöheremMaßebewußtzuwerden,um das Heilige in unseren Beziehungen, unseren Familien, denSpeisen,diewirzuunsnehmen,inderArtundWeise, wie wir gehen, wiederzuerkennen. Die Göttin schuf vor Tausenden von Jahren menschliche Wesen nicht als ein einmaliges Ereignis. Sie erschafft jeden von uns tagtäg lich–ebenso,wiewirsieerschaffen.
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WenndasPersönliche spirituell ist, dann ist das Spirituelle auch politisch. Die etablierten patriarchalen Religionen stellenihreOffenbarungenundLehrenoftalseinetrans zendentale Politik hin. Aber es gibt keine Religion ohne politische Auswirkungen. Durchdie Anbetung eines all männlichen und gleichzeitig körperlosen Gottes entsteht eineGesellschaft,dieFrauenalsminderwertigoderalsdas Eigentum von Männern behandelt. Die Anbetung eines zornigen Kriegergottes, eines Monarchen, kann zu einer Gesellschaftführen,dieaufSklavereibasiert(wieimho merischenGriechenland).DieAnbetungeinesmonothei stischen, »eifersüchtigen« Gottes fördert eine monolithi scheAnsicht überdiePersönlichkeit,nachderdieMen scheneineangeblichgrundlegendePersönlichkeitnieän dernkönnenundjederinHinblickaufGeschlecht,Rasse oderKlassebeurteiltwird. Wie Carol Christ sagt: »Symbole haben sowohl psycholo gischealsauchpolitischeAuswirkungen.«Undwennwir verschiedene Gesellschaften miteinander vergleichen, die aufunterschiedlichenreligiösenStrukturenbasieren,ent decken wir grundlegende politische Unterschiede. In den Kulturen, die die Große Göttin angebetet haben, stellen wiroftfest,daßessichdabeiumhochentwickelteGemein schaftengehandelthat,diejahrhundertelangohneBefesti gungen, ohne Krieg und Waffen, praktisch ohne Spuren vongewaltsamemTodbestandenhaben.
TeachingRock Wenn wir uns an einenheiligen Ort begeben,entdecken wir in seiner tatsächlichen Umgebung seine spirituelle Kraft.EinedererstenReisen,dieichimRahmendiesesBu chesunternahm,führtemichzueinemgroßenFindlingim WaldnahederStadtPeterboroughinKanada.Erwurdeim Jahr1956entdeckt(einJahr,nachdemdiekanadischeRe gierung ein Gesetz aufhob, das eingeborenen Kanadiern dasPraktizierenihrereigenenTraditionenverbot)undent hältetwa900Gravierungen(vondenen300deutlichzuer
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kennensind),dieinihneingeritztwurden, indem man die äußereSchichtvonweißem,kristallartigemKalksteinent fernte,sodaßsichdarunternundunkleresGesteinzeigt. Die Parkaufsicht bezeichnet die Stätte als die »Petrogly phen von Peterborough«, aber die Indianer nennen sie »TeachingRock«(der»LehrendeStein«),weilsieglauben, daßdieserSteinexistiert,umderWelteineFriedensbot schaftzuübermitteln. BeidenAbbildungenaufdemSteinhandeltessichunter anderem um abstrakte Symbole, wie zum Beispiel einen großenpfeilförmigenChevron,Strichfiguren,dieSchama nen in Trance darstellen könnten, Sonnenbilder, Vögel, Schildkröten,SchlangenundeinoffenbarmitMastenver sehenes Geisterboot, das auf mögliche Begegnungen mit WikingerschiffenausEuropahinweist. Zu den größten Figuren zählt die Ritzzeichnung einer Frau,derenBrüsteimProfilundihrUnterleibvonvorn zusehensind(vergleicheimdrittenKapiteldie»verzerrte Perspektive« der Stiere in der Höhle von Lascaux). Den ArchäologenJoanundRomanVastokaszufolgesindvier weibliche Figuren mit stark betonten Genitalien und zu sätzlichsiebeneinzelneVulvazeichenaufdemSteinvor handen. Bemerkenswert an der großen Figur ist, daß sieumzweigroßeLöcherimFelsherumangelegtist,von denen sich das eine auf Herz und das andere auf Schoßhöhebefindet.EineroteMineralschichtverläuftauf diesemBild,sodaßwireinstarkesGefühlfürdasweibli che Lebensblutbekommen,dasdurchdasHerzgepumpt wirdundbeiderMenstruationundderGeburtausderVa ginafließt. DiesesgroßeGöttinnenbildverleihtdemganzenSteineine weibliche, lebenspendende Qualität. Ich besuchte den Teaching Rock mit Tana Dineen, die dem Parkwächter Lorenzo gegenüber erwähnte, daß ich gerade ein Buch über die Göttin schrieb. Lorenzo erzählte uns, daß viele Leute glauben, Frauen hättendieRitzzeichnungen ange fertigt,dakeinederunzähligenAbbildungenmitGewalt, KriegoderJagdzutunhat(dasgleichewurdeüberdie
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prähistorischeHöhlePêchMèrle gesagt). Auch den Vasto kas zufolge könnte die gesamte Stätte ein symbolischer Mutterleibsein,dasZentrumderWelt(wiedergriechische omphalosoderNabelinDelphi)undEingangindieUnter welt. EsgibteinGefühl,einKörpergefühl,etwas,daswirtiefun ten in unseren Körpern wissen, nämlich daß die Unter welt,dasLandderToten,gleichfallsdieQuelledesLebens, derGeburtundWiedergeburtist.Auchwennwirversu chen,eszuvergessen,und dieäußereWeltdesLichtsin denMittelpunktstellen,soistesunsdochvernunftsmäßig undzugleichaufeinervieltieferenEbenebewußt,daßwir ausderDunkelheitunddemBlutdesSchoßeskommen. DieVastokasweisendaraufhin,daßfürdiePesanavom AmazonasSpalteninHügeln»dieGebärmutter,inderdie SchwangerschaftderFaunastattfindet«,darstellen. An der PeterboroughStätte heißt es auf einem Plakat: »Der Stein selbst, durchstoßen und durchlöchert, galt möglicherweise als ein idealisiertes weibliches Symbol undeinMittelfürdenSchamanen,umZugangzudenver borgenenKräftenoderdersexuellenEnergiederNaturzu finden.«
RitzzeichnungenundnatürlicheSprünge WasveranlaßtedieAlgonkin(dieVorfahrendesmodernen AlgonkinStammes,derindemselbenGebietlebt)vortau send Jahren, diesen bestimmten Stein für ihre Ritzzeich nungen auszuwählen? Abgesehen von der Eignung des KalksteinsunddergroßenflachenOberfläche,müssenwir unsmitderUmgebungbefassen.DerTeachingRockselbst und alle kleineren Steine um ihn herum sind von tiefen natürlichenSprüngendurchzogen.Alsichsienäherunter suchte,führteichKompaßlesungendurchundstelltefest, daßfastalleRitzenaufeinerNordSüdodereinerNord West bis SüdOstAchse verlaufen. Außerdem fließt ein unterirdischer Strom unter dem Fels. Wie in Silbury Hill auchvermitteltderunsichtbare Wasserlauf einen Sinn für
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NatürlicheSprüngeinSteineninderNähedes TeachingRock(»Lehrender Stein«)inPeterborough/Kanada
die Lebenskraft der Göttin. Unterirdische Flüsse erinnern andasBlut,dasunterderOberflächeunsereseigenenKör pers fließt. Am Teaching Rock ermöglichen es uns die SprüngeimGestein,demWasserlaufzulauschen,derin derDunkelheitunterunserenFüßenfließt. AberandiesenSprüngenistnochetwasanderes,etwas, dasgesehen,jasogargespürtwerdenmuß.DieRissestel len natürliche Bilder von großer Schönheit dar. Es sind Vulvenzusehen,deutlicherkennbaremenschlicheFigu ren, ein betender Schamane und eine göttinnenähnliche Gestalt mit grünen Farnkräutern, die aus dem Herzen wachsen,undbuntenBlumenandenGeschlechtsteilen– die vollendete Entsprechung zu der von Menschenhand geschaffenenRitzungindenStein. DurchnatürlicheProzessewurdenalldieseBilderindie kleinerenSteine»eingraviert«.LießensichdieAlgonkin
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vonihneninspirieren, wenn sie hierherkamen, um ihre ei genenBilderindengroßenSteinzuritzen,derspäterden Namen »Lehrender Stein« tragen sollte? Abgesehen von den zwei Löchern mit der roten Mineralschicht dazwi schen, weist der Teaching Rock noch weitere natürliche Risseauf,daruntereinenSprunginFormeinesVogels,der entlangdergesamtenUnterseitedesSteinsverläuft.
HeiligeBedeutungenanneueOrtetragen WennwirunserLandverlassen,umheiligeOrteinande renLändernkennenzulernen,verhaltenwirunswieBie nen,diePollenvoneinerPflanzezueineranderentragen, damitdiePflanzenartweiterlebenkann.Wirbringenunser WissenvoneinerKulturineineandere,undwirnehmen Erfahrungenmitunszurück,diewiraufunserLebenund unsereGesellschaftanwendenkönnen. UrsprünglichstelltedieReligioneinetragendeBeziehung nichtnurzurGottheitdar,sonderninhöheremMaßeso gar zu dem Ort. Für die Menschen war das Heilige un trennbar mit dem Land verbunden. Dolores La Chapelle schreibt,daßfrüheeuropäischeEntdeckeroftglaubten,es fehledeneingeborenenVölkerngänzlichanReligion,weil siekeinenbestimmtenNamenfürGotthatten;aberfürdie MenschendortlebteGottüberallumsieherum,inderNa turundinihrenRitualen. MitdemAufstiegvonimperialenReichen,etwademhelle nistischenGriechenlandoderRom,wurdeReligionzuei ner Exportware. Glaubenssysteme wie das Christentum und der Islam machten die Religion zu einer Sache von Doktrinen und Gesetzen; aus einer Religion der Natur wurde eine Religion der Bücher. Für einen Juden oder Christen kann es fast beunruhigend sein, Israel zu besu chenundfestzustellen,daßdieinderBibelbeschriebenen Ortewirklichexistieren.Beispielsweisehatdiechristliche Höllenvorstellung ihren Ursprung in einem hebräischen Mythos über »Gehenna«. Gehenna ist jedoch tatsächlich einWüstentalsüdwestlichvonJerusalem.
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Diejenigenvonuns,diesichanArtemis, Inanna oder Oya wendenodersichvonAmerikaoderEnglandzudenTem peln auf Malta begeben, riskieren es, fremde spirituelle TraditioneninseigeneLandzuimportieren.DasistfürEu roamerikaner ein akutes Problem. Unsere angestammte SpiritualitätrührtvonOrtenher,diewirniebewohnt,oft niegesehenhaben.Wasbewirkenwir,wennwirdaskelti sche Fest Beltane in Nordamerika feiern? Wenn wir kein griechischesErbehaben,abereineVerbundenheitmitgrie chischenoderrömischenGöttinnen,wiezumBeispielAr temis/Diana oder Aphrodite/Venus, empfinden, neh menwirGöttinnenvoneinemunsfremdenOrtundbrin gensieaneinenihnenfremdenOrt.Wennwirunsande rerseitsdeneingeborenenTraditionenAmerikasmitihren SchwitzhüttenundVisionssuchen zuwendenundversu chen,diesenWegen zufolgen,tretenwirmöglicherweise miteinerSpiritualitätinVerbindung,dieunsererkulturel lenErziehungfremdist.UnddieIndianerselbstempfin denunsvielleichtalsAusbeuter,wennwirvonihrenTra ditionen Gebrauch machen. Das trifft insbesondere dann zu,wennWeißefürdieDurchführungvonZeremonienin indianischemStilhoheHonorareverlangen. VielleichtliegteineLösungzudiesemProblemdarin,sich den verschiedenartigen Kulturen und einheimischen Tra ditionenmitDemutzunähern,währendmangleichzeitig weiterhinderWahrheitdereigenenErfahrungvertraut– dem, was wir mit eigenen Augen sehen. SowieBienenPollenvonPflanzezuPflanzetragen,brin gen Reisende spirituelle Ideen und Erfahrungen von ei nemLandineinanderes.Hoffentlichkönnenwirlernen, dasohne die imperialistische Haltung vonChristenoder Moslemszutun,dieversuchthaben,eingeboreneVölker überallinderWeltzuzwingen,ihreGötterundGöttinnen aufzugeben.DerWertderFremdbestäubungbestehtdar in,DingevoneineranderenSeitezubetrachten.
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DasÜberlebenderGöttin im AlltagslebenderMalteser Wenn wir heilige Stätten aufsuchen,könnenwirmanch mal etwas finden, das in Texten nicht beschrieben wird, weilesarchäologischnichtbelegtist.Manchmalhandeltes sichdabeiumeinkulturellesNebeneinander.Irgendwoim Westen Irlands befindet sich am Straßenrand ein kleiner Schrein für die Jungfrau Maria, fast direkt neben einem gleichermaßenbescheidenenSteinkreis.Diesebeidenhei ligenStättenliegenaufderfriedlichenWeideeinesmoder nenBauernhofes,aufderKühe–eineweltweitanerkannte GestaltderGöttin–grasen. AufderInselMaltafindensichnursehrwenigeDolmen zwischendenvielenTempeln.DochgibteseinenDolmen, vordemwirniederknienkönnen,umeinemoderneKirche durchseinenprähistorischenBogenhindurchzubetrach ten.AufderbenachbartenInselGozobegegnenwireinem noch faszinierenden Nebeneinander: Auf Gozo befindet sich»Ggantija«(derNamebedeutet»Riesin«),derälteste dermaltesischenTempelundeinervondenen,dieamehe stenwieeinFrauenkörpergestaltetsind(GrundrißaufSei te29).Ggantijaist6000Jahrealt,sodaßesAnspruchdar auf erheben kann, das älteste frei stehende Gebäude der Weltzusein.Wieinsovielenprähistorischenundeinhei mischen Traditionen wurden die Tempel und Statuen oft mitrotemOckerbemalt,alsAnspielungaufdasLebens blutderGöttin.DiesteinernenEinfriedungen,diedieBau ernaufdenFeldernerrichten,enthaltenmanchmalSteine mitSpurenvonjahrtausendealtemrotemOcker. EinähnlichesRot beherrschtdieArchitektur des moder nenGozo.DieKirchensinderdrotangestrichenundhaben roteKuppeln,unddickeroteSamtvorhängezierendasIn nere.SelbstfürdieInneneinrichtungenderHäuserscheint dasselbe tiefe Rot bezeichnend zu sein. Und die Formen derKirchenmitihrerBetonungaufKuppelnundgerunde tenMauernstellendenBezugzumweiblichenKörperauf ungefährdiegleicheWeiseher,wieGgantijadieUmrisse
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einer Frau eroziert. Die Erfahrung, erst die Tempel und danndiemodernenGebäudezusehen,implizierteineun bewußte Verbindung zwischen den prähistorischen Be wohnernundihrenheutigenNachfahren–eineimLand selbstenthalteneKörpererinnerung.
SchneckenhäuserundSchmetterlinge WährendmeinesAufenthaltesaufGozobesuchteichprak tischjedenTagdenTempelGgantija.EinesTages,alsich deneingefaßtenAltaram»Kopf«(derKammerimhinte renTeildesTempels)untersuchte,fandichvierSchnecken häuser. Auf Malta sind Schnecken reichlich vorhanden. Wenn man durch die Felder oder zwischen den Ruinen spazierengeht,findetmaneleganteSchnecken,oftgoldene mit braunen Punkten, die kleiner und dunkler werden, wenndieWindungenderSpiralezurMittehinengerwer den.AlsichaneinemNachmittagimTempelvonTarxien saßunddieperfekt eingeritztenSpiralenaufdengroßen Steinblöckenbetrachtete,kamesmirindenSinn,daßdie Spiralen,selbstwennsiesichzukomplexenAbstraktionen entwickelt hatten, ihren Ursprung in Schneckenhäusern gehabthabenkönnten. SpäterfandichinGgantijadieschwacheGravierungeiner Spirale, die der Form eines Schneckenhauses sehr viel näherkam,undbeimeinemBesuchimMuseumaufGozo entdeckte ich einen Steinblock mit einem eingeritzten Schneckenhaus. An dem Tag, als ich die vier Schneckenhäuser gefunden hatte,suchteicheinesvonihnenausundnahmesalsGe schenk für meine Freundin Eva mit, die ich an jenem AbendmitihrerFamilietreffensollte.Alsichihrerzählte, woichdasSchneckenhausgefundenhatte,fingEvaanzu lachen.Sieselbsthattesiedorthingelegt,undursprüng lich waren es fünf gewesen, in der Form eines Penta gramms, eines fünfzackigen Sterns, angeordnet. Das Pen tagrammistzumwichtigstenSymboldermodernen,wie derbelebtenHexenreligionderGöttingeworden.DieHe
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EingeritzteSpiralenimTempel von Tarxien/Malta, ca. 3000 v. Chr.
xenreligionselbstbasiertzumTeilaufderDreifachenGöt tin,beideressichumJungfrau,MutterundGreisinhan delt. Früher an jenem Tag hatte jemand eines der Schneckenhäuserweggenommen,undspäterhatteichdas zweite eingesteckt, so daß drei zurückgeblieben waren, umeinDreieckzubilden. AnEvasletztemTagaufGozobesuchtenwirgemeinsam den Tempel Ggantija, um der Göttin zu danken und um HeilungfürunsundfürdieErdezubitten.Wirtrugenfri sche Kleider und segneten einander mit der Erde vom Tempelboden,indemwirunsgegenseitigeinPentagramm aufdieStirnzeichneten.WirsangenundbatendieGöttin um Geschenke, nicht für uns selbst, sondernfüreinander undfürdieMenschen,diewirlieben. Die meiste Zeit unseres Rituals standen Eva und ich im »Kopf«desTempels.Zuerstwarenwirdieeinzigenauf
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demTempelgelände.MitteninunseremRitual kam jedoch eineFrauundnahmaufeinemSteinblockimGangzwi schen»Kopf«und»Oberkörper«nichtweitvonunsent ferntPlatz.LächelndundmitgeschlossenenAugensaßsie da, alswürdesiezurückindieZeitzu denruhmreichen TagendesTempelswandern.Siesaßnochimmerdort,mit geschlossenenAugenunddemfreundlichenGesichtsaus druck,alsEvaundichunsereGebetebeendetenundEvas zweikleineTöchter,gefolgtvonEvasMann,zuunsange laufenkamen,umunsihreAbenteuerzuerzählen.Alswir alleaufbrachen,saßdieFraunochimmerda,indieSteine undihre6000JahrealtenGeschichten,versunken. ZweiTagespäter,anmeinemletztenTagaufderInsel,be suchte ich auf meinem Weg zur Fähre ein letztes Mal Ggantija.AnjenemMorgenwarderganzeTempelbereich vonSchmetterlingenerfüllt.IndersandigenEinfarbigkeit der Tempelruinen erschienen die Schmetterlinge wie ein übernatürlicherAusbruchdesLebens.IchgingzumAltar im Kopfbereich, um nach Evas Schneckenhäusern zu se hen.DieHäuserwarenverschwunden,aberdafürhatteje mandeinBildvoneinemSchmetterlingindenBodenge zeichnet. Eswareineganzeinfache Darstellung,undein Flügelwarschonteilweiseweggewischt. Tagespäter,nachdemichMaltaverlassenhatte,dachteich überdieseZeichnungunddenZusammenhangnach,den sie zwischen denSchneckenhäusernunddenSchmetter lingen herzustellen schien. Dadurch, daß eine Seite der Zeichnungoffenwar,erschiensiewieeinEingangindie Geisterwelt, den unsichtbaren Körper der Göttin, so wie derTempelihrensichtbarenKörperöffnete.AuchdieGe schichteisteinunsichtbarerKörper,denndieHandlungen und die Menschen, die sie vollzogen haben, sind ver schwunden.UnddennochmachendieRuinenundübri gen Überreste, die Figurinen und die Töpferwaren, die Göttinnenstatuen und die Spiralen auf den Steinblöcken allesamtdieGeschichtesichtbar. DieTempelscheinenzuerstwieeinleeresSchneckenhaus zusein.SowiedieSchneckeseitlangemtotist,istdie
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prähistorische Religion der Göttin anscheinend mit den Menschengestorben,diedieseriesigenSteinblöckeineine demweiblichenKörperähnlicheFormbrachten.Aberdie Entdeckung dieser Tempel und das Staunen über ihre FormhatMenschenwieMimiLobell,Evaundmich,diese stilleFrauoderdievielenanderen,dieinGruppenoderal leinkommen,dazuinspiriert,unserWissenumdieGöttin inunseremLeben,inunseremKörper,inderWeltumuns herumlebendigwerdenzulassen.DerunsichtbareKörper derGeschichteverwandeltsichindensichtbarenKörper derFeier,desRitualsunddesveränderlichenLebens.An statt Schneckenhäuser zu bleiben, sind die Tempel, Höhlen,SteinkreiseundalldieanderenStättenzuSchmet terlingspuppen geworden, mit der Göttinnenreligion als einemSchmetterling,dernocheinmalindashelleLicht derlebendigenWelttritt.
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DerbemalteSteinkörper Manchmal,wennichschlafe, geheichandenAnfangzurück, weichemitteninderLuftzurück, weitergetragendurchmeinen natürlichenZustandalsdieSchlafmützederNatur, undinTräumenschwebeichweiter, umamFußgigantischerSteineaufzuwachen. PabloNeruda
Wege,umDingezutun,könnenneusein, Dinge,diegetanwerdenmüssen,imallgemeinennicht. JudithGuest,»MissManners« Sie lebten unter demSchattenvonGletschern,dieunge fähreineMeiledickwaren,undteiltenihreWeltmitHer denvonRentierenundwildenKühenundStieren,denso genanntenAuerochsen.WirhabenihreLagerfeuerausein andergenommen, ihre Werkzeuge katalogisiert und ihre Überresteausgegraben,umihreKnochenunterdemMi kroskop zu untersuchen. Wir haben Phantasien über ihr Lebenentwickelt,indenenwirunsvorstellten,wiewilde Männer mitKnüppelnaufFraueneinschlagen,umsiein dunkle Höhlen zurückzuzerren. Und dennoch verblüfft unseinAspektimLebenunsererfrühestenVorfahrennoch immer.EntgegenallunserenVermutungenschufendiese Steinzeitstämme vor Zehntausenden von Jahren eine großartige Kunst, von riesigen Stier und Pferdedarstel lungen bis hin zu den feingeschnitzten Figurinen des weiblichenKörpers,vondenenvieleinhohemMaßestili siertundabstrahiertsind. Wie sprechen diese Bilder zu uns? Welche Geschichten über sie können wir entdecken (und hervorbringen)? WennwirandenKörperderGöttindenken,denkenwir
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zuerst an Mutter Erde, so daß bemalte Höhlen zu einer RückkehrinihrenSchoßwerden.HabendieMalerdasso gesehen? Die in die Wände eingravierten Vulvazeichen lassendaraufschließen.DasgleichegiltfürdieFigurinen, denn ihre Schöpfer stellten sie zwar in einer handlichen Größeher,abersieverziertensieauchingroßemStil,Erin nerungen an die Berge selbst wachrufend. In der Höhle verschmelzendasBildvondermenschlichenFrau,diewil deKraftderTiereunddieewigePräsenzdesBergesmit einander.
Primitivismus SichmitdemGeheimnisderHöhlenkunstauseinanderzu setzen bedeutet zuallererst eine Auseinandersetzung mit unseren eigenen Vorurteilen. Als europäische Ethnogra phen anfingen, die Glaubensvorstellungen und Verhal tensweisennomadischerundanderertraditionellerVölker zuerforschen,erfandensiedenBegriff»Primitive«,womit Menschengemeintsind,diesichüberdiefrühestenStufen der Menschheitsentwicklung hinaus nicht weiterent wickelthaben.DurchdieErforschungderAfrikanerinder WüsteKalaharioderderaustralischenUreinwohnerkonn tendieEuropäerangeblichzurückindieZeitaufihreeige nen einfachen Anfänge blicken. In einigen Texten wurde dieWeltsichtder»primitivenStämme«mitdervonwestli chenKindernverglichen. Es ist kein Zufall, daß diese anthropologische Betrach tungsweisesichinderZeitnachderVeröffentlichungvon CharlesDarwinsÜberdieEntstehungderArtenweiterent wickelte. Das Evolutionskonzept veränderte die Art und Weise,wieEuropäerandereKulturenbetrachteten.Zuvor neigtensogarEuropäer,diediechristlicheDoktrinvonder Weltschöpfung Gottes vor 5000 Jahren ablehnten, dazu, nichteuropäischeKulturenfürunwissendunderbärmlich zu halten. Nach Darwin begann man in Europa, die MenschheitalsineinerstufenweisenEntwicklungbegrif fenzubeschreiben.
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DasscheintaufdieeuropäischeKulturselbst zuzutreffen. Die Altsteinzeit ging mit dem Aufkommen vonAckerbau und Monumentalbauten über die Mittelsteinzeit in die Jungsteinzeitüber.MetalleführtenzuerstzurBronzeund späterzurEisenzeit.DasPatriarchatundzentralisierteRe gierungen schienen Stammesgemeinschaften ersetzt zu habenundsoweiter. FürEuropäerwurdeesalsoselbstverständlich,jedeVerän derungalseinenAufstiegzueiner»höheren«Kulturzuse hen. Buchstäblich gilt das für die Archäologie, da man ZeugnissevonimmerälterenKulturenfindet,jetieferman indieErdegräbt.Möglicherweiseistdasjedochdereinzi geAspekt,derzutrifft.DennwährendwirdasWissen,die technische Perfektion und das tägliche Leben der Men scheninderSteinzeit,deraltenwieauchderjungen,erfor schen,fangenwiran,unszufragen,obVeränderungendie menschliche Gesellschaft oder das menschliche Wissen zwangsläufig weitergebracht haben. Erst mit Hilfe von ComputernundMikroskopenwaresunsmöglich,etwas vondemWissenwiederzuentdecken,dasmitderSteinzeit verlorenging.UndvorunsliegtnocheinweiterWeg,be vorwirdieWeisheitwiederentdecken. Da europäische Kulturen sich aus primitiven Wurzeln »entwickelt«zuhabenschienen,betrachtetendieEuropäer Stammes und vornehmlich nichtagrarische Gesellschaf tenalsunterentwickelt,beschränkt.Völkerwiedieaustra lischenAboriginesschieneninderSteinzeitsteckengeblie benzusein.Europäermachten(undmachennochheute) Gebrauch von dieser Einstellung, um die Eroberung von StammesgebietenunddieVernichtungeingeborenerVöl kerzurechtfertigen. Heute finden wir es vielleicht natürlich, kulturverglei chende Untersuchungen zwischen verschiedenen Stam meskulturenanzustellenoderunsmitzeitgenössischenJä gerSammlerKulturen zu beschäftigen, um die europäi scheAltsteinzeitzuverstehen.DochsolltenwirdieGren zeneinessolchenAnsatzeserkennen,dennjedeKulturist einzigartig.SokönnenwirbeispielsweiseInspirationund
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Entwicklungsmöglichkeiten bei den australischen Abori gines finden, aber keine Erklärungen für unsere eigene Vergangenheit. Die Aborigines haben eine hochkomplexe Zivilisation,eine,dieseit60000Jahrenbestehtundzudem lebendigunddynamischist. VieleJahrzehntelanghieltmandieKunstindenprähisto rischenHöhlenFrankreichsundSpaniensfüreinDurch einanderohneSinnfürKomposition.Eswurdeangenom men,daßdieMalerallesdarstellten,wasauchimmersie wollten,unddasanjederbeliebigenStelle,dieangemes sen zu sein schien. Fachleute vermuteten außerdem, daß isolierteKünstlersichüberlängereZeiträumehinwegden MalereienwidmetenunddenDingen,dievorihnenent wickelt wurden, kaum Beachtung schenkten. Schließlich warenunserefrühestenVorfahrendieprimitivstenvonal lenMenschen. Seit den fünfziger Jahren untersuchen Prähistoriker wie AndréLeroiGourhanundAnnetteLamingdieGestaltung derMalereien,wobeisiesichstatistischerAnalysenundei nes ästhetischen Sinns bedienen, um die Möglichkeit zu beweisen,daßLascauxundandereHöhlenalseineumfas sende,gigantischeKompositionvoneinereinzigen,enga giertenKünstlergruppegeschaffenwurden.TiereeinerArt habenvielleichteineandereArtergänzt–LeroiGourhan führt insbesondere das Gleichgewicht von Pferden und Rindern an. Tiergruppen rufen spezielle Wirkungen her vor: Eine Serie von fünf Hirschköpfen, in verschiedenen HöhenundWinkelngezeichnet,läßtandenRhythmusei nerWelledenken,alswürdendieTiereeinenStromüber queren.
DieKraftvonLascaux Mit eigenen Augen zu sehen hat den Vorteil, daß es uns helfen kann, die Ideologie desPrimitivismusloszulassen. Denn ironischerweise können wir, wenn wir Monumente dereuropäischenVorgeschichtebetrachten–wiezumBei spieldieSteinkreiseinStonehengeoderdievielälteren
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HöhlenvonLascauxoderPêchMèrle–,von der Vorstel lung,daßesjemalssoetwaswieeinprimitivesmenschli chesWesengab,befreitAbschiednehmen. Lascaux zu sehen bedeutet, die überwältigende Brillanz undVielschichtigkeitdervor17000JahrenlebendenCro MagnonMenschenzusehen.1963mußtediefranzösische Regierung Lascaux aufgrund der erhöhten Luftfeuchtig keitdurchdievielenBesucherschließen.Mansprengteei nezweiteHöhleamselbenHangeinpaarhundertMeter entfernt,umeineNachbildunganzulegen,diedemOrigi nal so exakt wie möglich – bis hin zur Färbung und den Umrissen der Wände – entsprach. Man fragt sich, was zukünftige Archäologen, die nicht imstande sind, unsere Sprachen zu entziffern, von einer solchen Nachbildung haltenwerden,diefast20000Jahrespäterangefertigtwur de. Man kann das Original noch immer besichtigen, wenn man nur früh genug um Erlaubnis bittet. Weil nur vier oder fünf Personen auf einmal Einlaß finden, haben die AufsehersicheinedramatischeFührungausgedacht,um die HöhleinihrerganzenPrachtzupräsentieren.Zuerst wirdmanineineindenHanggehaueneVorkammerhin untergeführt.DannwerdenalleLichterausgeschaltet,be vordieTürzurHöhleselbstgeöffnetwird.WenndieHöh lefürInitiationenverwendetwurde–wasmanchevermu ten –, traten die ursprünglichen Stammesmitglieder in ähnlicherWeiseindasGeheimnisein–dasheißtintiefer Dunkelheit,bisihreAnführerihreFackelnoderÖllampen anzündeten. Die Aufseher führen die Besucher in die Kammer und schaltendaselektrischeLichtein.Unddannstehtmanda, umgebenvonriesengroßenweißenWänden,diemitsprin genden, laufenden, schnaubenden Tieren bedeckt sind, von denen manche über fünf Meter groß sind, scheinbare HerdenvonPferdenundStieren,einigemitanderenTie ren, die aus ihren Körpern hervorkommen, und alle in kräftigen, leuchtenden Farben. Die Wirkung ist vonsol cherArt,daßmandenWunschverspürt,vorStaunenund
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Freude zu schreien oder zu weinen, während man die ganzeZeitdenkt:»Dasist17000Jahrealt.Vor17000Jah renhabenMenschendieseMeisterwerkegeschaffen.« EshatnichtnuretwasmitderGrößederMalereienzutun, den leuchtenden Farben oder dem großartigen Hinter grund, daß der Betrachter die Ideologien des Primitivis musvergißt.EsistdieTechnikunddieSchönheitdesWer kes.DieanatomischenDetailssindpräziseundelegant(in anderen Höhlen konnten Prähistoriker drei Pferderassen sowieBraunundSchwarzbärenaufgrundihreranatomi schen Unterschiede auseinanderhalten). Gleichzeitig sind einige der Stiere in einer Art Doppelperspektive gemalt, wobeimandenKopfimProfilunddieHörnerimHalb profilsieht.WieinanderenHöhlenauch,machtensichdie MalerdieFormderWändezunutze,umbeiihrenDarstel lungeneinedreidimensionaleWirkungzuerzielen.Beiei nigenFigurenritztendieKünstlerdenUmrißdesTieres ein,übermaltendieseGravierungundgraviertenschließ lichumdieMalereiherum–allesnur,umdenEindruck vonDynamikzusteigern.ImGegensatzzudenFigurenin einigenderanderenHöhlenscheinensichdieLascauxTie reinwilderBewegungzubefinden,wiebeispielsweiseein Pferd,dasverkehrtherummitgespreiztenBeinendarge stelltist,soalswürdeeshilflosdurchdieLuftpurzeln. Ein alter Witz bezeichnet die Prostitution als das älteste GewerbederWelt.Lascauxsehenheißterkennen,daßdas älteste Gewerbe sehr wohl die Kunst sein könnte. Es ist praktisch undenkbar, daß eine Gruppe umherziehender Menschen ohne Tradition oder Bildung auf eine interes sante Höhle stieß und beschloß, einige Bilder zu malen. HierwarenvorallemMenschenamWerk,diehochbegabt waren. Besorgen Sie sich einmal ein Buch mit Fotos von Lascaux.VersuchenSie,einigederAbbildungenaufeinem gewöhnlichenBlattPapierabzumalen–unddannstellen Siesichvor,wieMenschensiemalenundgravieren,drei bisüberfünfMetergroß,aneinerunregelmäßigenStein wand,oftaufeinemGerüstsitzendoderliegend.DieLas cauxKünstlermußtenbegabteMenschen,ganzbesondere
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Menschen in ihrer Gemeinschaft gewesen sein. Und sie mußteneineAusbildungindenbesonderenTechniken– undderkünstlerischenTradition–genossenhaben,diesie inihremgewaltigenProjekteinsetzten. AuchinintellektuellerHinsichtistLascauxnichtprimitiv. WenigerauffälligalsdiegroßenTiereisteinekomplexeSe rievonabstraktenZeichen,diedieWändeübersäen.Leroi Gourhan und seine Schüler haben ungefähr 400 solcher Zeichenkatalogisiert. Fürdiejenigenvonuns,dienichtLeroiGourhansAusbil dung haben, ist es noch immer der Akt des Sehens, des SichÖffnens für das Meisterwerk, der die Ideologie vom primitiven Menschen zerstreut und uns das Wunder der Kunst erkennen läßt, die dem Heiligen konkrete Form gibt.
DieAnfängederKunst Bevor wir untersuchen, welchen Zwecken die Höhlen kunstmöglicherweisegedienthat,solltenwirunsmitder Entwicklung dieser Kunst beschäftigen. Dadurch werden wirnichtnurindieErkenntnisseeingeführt,dieWissen schaftler von der menschlichen Frühgeschichte gewonnen haben,sonderneswirdauchhelfen,dieVorrangstellung derKunstindermenschlichenKulturaufzuzeigen.Viel leicht sollte man auch »Primaten«Kultur sagen. John PfeifferberichtetinseinemBuchTheCreativeExplosionvon einemSchimpansennamensCongoimLondonerZoo,der biszuseinemviertenLebensjahr384Zeichnungenanfer tigteunddabei»FortschrittevonKritzeleienbiszugroben KreisenundKreuzenmachte«,vondenenmanchesogarin einer Ausstellung verkauftwurden.Ein dreieinhalb Jahre alterSchimpansenamensMojaindenVereinigtenStaaten zeichneteeinBildvon»vierLiniensegmenten,einemrech tenWinkelundeinerschwungvollenKurve«.Mojahatte an einem Experiment über die Kommunikation zwischen verschiedenenSpeziesteilgenommenundeinenbegrenz ten Wortschatz der amerikanischen Zeichensprache ge
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lernt.AlsMojazuzeichnen aufhörte, signalisierte der an wesendeVersuchsleiter:»Probierweiter.«Mojagabdurch Zeichen zu verstehen:»Fertig.«DerVersuchsleiterfragte: »Wasistdas?«Mojaantwortete:»Vogel.«SpäterfuhrMoja fort,»Gras«,»Beere«,»Blume«zuzeichnen.Möglicherwei seentwickeltsichderImpuls,SpracheundKunsthervor zubringen,gleichzeitig. ZudenerstenmenschlichenSchöpfungenzählen»Faust keile«, Steine, die wegen ihrer länglichrunden Form ge wähltwurden.ManschlugdieSteinsplitterab,umsieab zuflachen,undschliffsieandenSeiten,umihnensowohl eine Schnittkante als auch Symmetrie zu verleihen. Sie tauchten vor etwa 1,5 Millionen Jahren auf. Gestalteten ihreHerstellersieausästhetischenGründensymmetrisch? EinFundstückausNorfolk,England,enthältgenauinder MitteeinefossileMuschel,alswäresiedortumderkünst lerischenSchönheitwillenangebrachtworden. PrähistorikerbezeichnendieseGegenständealsFaustkeile oder Handäxte, aber genaugenommen waren sie, wie Pfeiffersagt,»keineÄxteundwurdennichtzumHacken oderzueineranderenArtvonSchwerarbeitbenutzt«.Wa rensieüberhauptWerkzeuge?DieberühmtenDoppeläxte von Kreta wurden aus einem Metall hergestellt, das zu weichist,umfürWerkzeugeoderWaffenVerwendungfin denzukönnen.DieDoppeläxte,dieeineGrößezwischen einigen Zentimetern und fast zwei Metern aufweisen, dientenalsVotivgaben,DevotionalienfürdieGroßeGöt tin. Die vielen Siegel und anderen Bilder, mit denen sie versehensind,setzensienurzuFraueninBeziehung,nie mals zu Männern. Der Name für die kretischen Äxte, labrys,istmitlabia,denSchamlippen,verwandt. WirkönnennichtdasKretavonvor4000Jahrenmitdem Homoerectus,der1,5MillionenJahrefrüherlebte,verglei chen. Aber Belege deutendaraufhin,daßdieMenschen, langeZeitnachdemsiedasFeuerentdeckthatten,esnicht nurzumWärmenoderzurNahrungszubereitungverwen deten, sondern auch, um Rituale zu vollziehen. In Kürze werdenwirunsmitderArbeitvonAlexanderMarshack
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befassen,diezuverstehengibt,daßKunstund »Geschich ten«undnichtWerkzeugefürdieerstenMenschenkenn zeichnendsind.
FrüheweiblicheBildnisse MarijaGimbutasschreibtinDieZivilisationderGöttin,daß Feuersteinskulpturen von weiblichen Figuren schon vor 500000Jahrenaufgetauchtsind.JohnPfeifferzufolgeent standderälteste,sorgsambearbeiteteGegenstand,derin Frankreichgefundenwurde,vor200000bis300000Jahren. Dabei handelt es sich um eine etwa 15 Zentimeter lange Ochsenrippe, die, wie es scheint, mit einem Paar ge schwungener paralleler Linien versehen ist. Nur unter dem Mikroskop lassen diese sich als exakt ausgeführte Doppellinien erkennen. Professorin Gimbutas hat die BerühmtheitderspäterenGöttinnenkunstaufgenaudie ses Bild, parallel verlaufende, geschwungene Linien, zurückgeführt. Sie tauchen immer wieder an Tonwaren undStatuenauf. DieheutigenMenschenstammenvonderalsCroMagnon bekanntenevolutionärenLinieab.UnserefrühenKonkur renten,dieNeandertaler,scheinenebenfallszurkünstleri schen und religiösen Entwicklung in der menschlichen Kultur beigetragen zu haben. Eine Höhle im nördlichen IrakbargÜberresteeiner60000JahrealtenNeandertaler grabstätte mit Skeletten, die auf einem Bett aus Blumen, möglicherweise Heilpflanzen, aufgebahrt waren und den Eindruckerweckten,alsobsieschliefen.EinigeÜberreste weisendaraufhin,daßdieTotenmitrotemOckerbemalt wurden. Von späteren Kulturen wissen wir, daß roter OckerdasLebenundbesondersdasMenstruations/Ge burtsblut der Göttin symbolisiert. Ocker taucht oft in Grabstätten oder in der Grabkunst auf, vornehmlich bei den Göttinnenschoß betonenden Schnitzereien, die als Grabbeigaben dienten. Ähnlich waren viele der Figurinen undReliefskulpturenvonderGöttin,diemaninspäteren Höhlenfand,mitrotemOckerbemalt.Dasgleicheläßtsich
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vonden StatuenundTempelsteinen auf Malta und an an deren Orten sagen. Ein kürzlich erschienener Artikel im U.S.NewsandWorldReportbeschreibteinevonvierMau ernumgebeneSteinstruktur,dievonNeandertalerntiefin einerHöhleerrichtetwordenwar.DieVorstellungvonei nem Bauwerk in einer Höhle weist auf einen rituellen Zweckhin. ZudensehrfrühenKunstwerkenzählen»Becher«Verzie rungen,dievoretwa125000Jahrenentstandensind.Diese eingravierten, ausgehöhltenKreise habensichalseiner staunlichlanglebigesSymbolerwiesenundfindensichin derFelskunstüberallinderWelt,vonEuropaüberNord amerikabisAustralien.DiehohleFormläßtandieinnere Beschaffenheit des weiblichen Körpers, den Schoß, den ken. Die PomoIndianer in Nordkalifornien bezeichnen solcheeingeritzten,ausgehöhltenSteineals»Babysteine«. WennPaaresichKinderwünschen,gehensiezudenFel sen, um den Geistern Opfergaben und Gebete darzubrin gen.DannschlagensieeinwenigSteatitausdenLöchern ab,mahlenihnfeinundvermischenihnmitWasserzuei nerPaste,dieschließlichaufdenUnterleibunddieScham gegendderFraugemaltwird.
Die»schöpferischeExplosion« Vor ungefähr 35 bis 40 000 Jahren erlebten die CroMa gnonMenscheneine,wieJohnPfeifferesnennt,»schöpfe rischeExplosion«,diemitWandmalereien,feineingeritz tenKnochenundkunstvollgeschnitztenFigurineneinher ging–Werke,dieüberJahrtausendehinwegweiterhiner schaffenwurden. Damitistnichtgemeint,daßdiemenschlicheKulturnurin Europa begann. Der größte Teil unseres Wissens über das Paläolithikum stammt aus einem kleinen Gebiet in Süd frankreichundNordspanien,vornehmlichausdenDordo gne und Vezeretälern in Frankreich. Jedoch weiß man auchvonChinaundIndien,daßsiediesteinzeitlicheEnt wicklung durchgemacht haben, auchwennmankaum
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Kunstgegenstände gefunden hat, was möglicherweise nur auf weniger intensive Forschungen zurückzuführen ist. Felskunst findet man praktisch überall, wobei Südafrika diereichsteQuellemitetwa6000Fundstättendarstellt,die nichtwenigerals175000Malereienenthalten.Aufgrund neuererarchäologischerErkenntnissewurdendieAnfänge derKunst–unddesHandels–vonEuropaaufvielfrühe reZeitennachAfrikaverlegt.Vor100000Jahrenlegtendie Menschen in Afrika über weite Entfernungen reichende HandelsnetzefürverschiedeneWaren,einschließlichPer len,an. DiefrühenKunstwerke,vornehmlichdieWandkunstund dieFigurinen,zeigendiespirituelleMachtdesweiblichen Körpers. Die europäischen Wandmalereien begannen mit Vulvabildern, und auch wenn die Tiere später stärker in den Vordergrund traten, blieb die Vulvaeinmachtvolles Symbol in Höhlen und unter Felsüberhängen sowie auf Schnitzereien.PrähistorikerhabeninEuropamehrals770 Plattengefunden,indieVulvazeichnungeneingeritztwa ren. In der Höhle La Bastide fand man mit eingravierten VulvenverseheneSteine,diemitderVorderseitenachun tenkreisförmigangeordnetwaren(dieVorstellungvonei nemSteinkreisineinerHöhleistbesondersdannfaszinie rend,wennwirdievornichtallzulangerZeitaufgekom mene VermutunginBetrachtziehen,daßalleSteinkreise alsastronomischeObservatoriendienten). In Les Eyzies im französischen Dordognegebiet fanden Ausgräber mit rotem Ocker bemalte und mit Kaurimu scheln begrabene menschliche Überreste. Für gewöhnlich assoziierenwirKaurimuschelnmitAfrika,wosiefürreli giösePerlenkunst,KettensowieKopfschmuck,Geld,Sym bolederMachtundfürdieWahrsagereiverwendetwur den.KaurimuschelnstelleneinnatürlichesGöttinnenbild dar, denn die Schlitzseite ähnelt der Vaginaöffnung, während die gerundete Seite an die Schwellung eines schwangerenBauchesdenkenläßt.Hältmansievertikal, ähneln sie Schamlippen; horizontal sehen die Muscheln wieAugenaus.DietypischenmandelförmigenAugenbei
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einigenafrikanischenSkulpturenundMaskenrührenvon Kaurimuschelnher.ZwischenAugeundVaginabestehtei nesymbolischeBeziehung,dennbeideöffnensichinden Körperhinein.AufgrundseinerVerbindungmitdemGeist bringtdasAugekreativeIdeenhervor,ähnlichwiedieVa ginaBabyshervorbringt.R.J.Stewartzufolge(derüberdie PartikelsilinSilburyHillschreibt)bedeutetesulodersuil imAltirischen»Auge«oder»Höhle«undgleichfalls»Vagi na«.
SymbolischeAbstraktion DiegeschnitztenVulvenwarenkeinerealistischenDarstel lungen weiblicher Geschlechtsteile, sondern abstrakte Schlitze oder Dreiecke. Mit anderen Worten, sie waren Symbole. Und wo wir Symbole finden, können wir von IdeenundeinemSinnfürdasHeiligesprechen.DieMen schenjenerZeitlebtennichtindendüsteren,unzugängli chenHöhlen,sondernvielmehrunterFelsüberhängen– sogenannten»Abris«–,diesieebenfallsbemaltenundmit Gravierungen versahen. Unter dem Abri Pataud fanden ArchäologeneineFrauundeinKindvoreinerindenFels eingeritztenVulvabegraben.Immerwiederbegegnenwir der gleichen Verbindung von Leichnam und Vulva, von Ocker – der Farbe des Lebens – und den Toten, Tod und Wiedergeburt; eine Verbindung, die Tausende von Jahren zurückreicht. Spätere Wandmalereien von Frauen zeigen sogar noch symbolhaftereAbstraktionen.DieBildersindaufdasWe sentliche reduziert, wie zum Beispiel Brüste, Gesäß und Vulva.ManchmalfindenwirkeinenKopfoderkeineFüße. AuchdieFigurinenstellendenweiblichenKörperabstra hiertdar:WiebereitserwähnterscheintdasGesäßüber groß,verschwindenoftdieFüße,wirkenHüftenundBrü ste gewaltig und kann der Kopf glatt, vogelähnlich oder durch Löcher gekennzeichnet sein. Archäologen haben über 1000 steinzeitliche Figurinen gefunden, von denen fastalleweiblicheDarstellungensind.
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Die»VenusvonWillendorf«,Österreich,ca.30000v.Chr. (Abdruck mit freundlicherGenehmigungderArasArchives,JungianInstitute,San Francisco)
ZudenfrühestenbekanntenFigurenderWeltzähltdieso genannte»VenusvonWillendorf«,dievoretwa30000Jah renentstand.DabeihandeltessichumdieDarstellungei ner Frau mit dickem Bauch und üppigen Brüsten, abge schnittenenArmen,dieandenSeitenverschwinden(oder sich in schmale Linien oberhalb der Brüste verwandeln), kurzenBeinenohneFüße(möglicherweise,umsiebesser indieErdeoderdieAscheeinesFeuerszustellen)undei nem großen, wabenförmigen Kopf ohne Gesicht. Das wa benförmigeBildläßtdieBienenköniginahnen,dieJahrtau sende später auf Kreta, in Kanaan und anderswo auf taucht. Bezeichnenderweise scheint die Statue mit rotem Ockerbemaltgewesenzusein–einHinweisaufihrenSta tusalsheiligesKunstwerk.
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TrotzderBezeichnung »Venus« ist die Dame von Willen dorfnichtschwangerdargestellt,wasaufdiemeistender anderenGöttinnenfigurinenauchnichtzutrifft.Obwohlsie mitihrenübergroßenBrüsten,HüftenundGesäßenweibli cheMachtdarstellen,verkörpernsienichtnurFruchtbar keit, sondern etwas Weiterreichendes, Abstrakteres und Allumfassenderes.DieVulvabedeutetnichtalleindieGe burt, sondern die Heiligkeit und die schöpferische Kraft des Göttinnenkörpers als ein Ganzes. William Irwin Thompson schreibt, daß die Verbindung zwischen Men struationundMondzyklusdieVulvazueinemSymbolfür den Kosmos und nicht für die Physiologie macht. Doch warumsolltendiesebeidenAspekteeinanderwiderspre chen:DieKraftderGöttinnenreligionliegtinderWahrheit begründet,daßderweiblichemenschlicheKörperdenKos moswiderspiegeltundihmBedeutungverleiht.
Handabdrücke Zwei andere Formen der künstlerischen Gestaltung tau chenfrühaufundsetzensichdasPaläolithikumhindurch fort: verzierte Stäbe und Handabdrücke. Handabdrücke finden wir wie die Becherverzierungen in der Felskunst überall auf der Welt.Manchmalbegegnenwirihnenzu sammenmitanderenBildernunddannwiedereinfachfür sichallein.DieKünstlerkanntenzweiTechniken:»Positi ve«Handabdrückeentstanden,indemdieHändeinFarbe getauchtunddannandieWandgedrücktwurden.»Nega tive«Handabdrücke scheinenhergestelltwordenzusein, indemmandieHandmitgespreiztenFingernandieWand hieltunddanndieFarbedurcheinRöhrchenumdieHand herumblies.BeieinigenHandabdrückenfehlteinTeilei nesFingers,undinderHöhleMaltreviesoimwestlichen Spanien fehlen bei allen Handabdrücken die oberen zwei GelenkedeskleinenFingers.DaskönnteauchdieFolgeri tuellerAmputationsein,vielleichtalseinOpferandieGei ster;dochMarkNewcomer,einexperimentellerArchäolo ge,hataufdieMöglichkeitder»Fälschung«solcherBild
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nisse hingewiesen, indem der Finger vor dem Auftragen derFarbeumgebogenwurde. DieGrößederHändeläßtdaraufschließen,daßdieAb drücke von Frauen stammen, was die Idee stützt, daß Künstlerinnen auch die Malereien schufen. Im ländlichen IndienbeziehenzeitgenössischeMalerinnenoftHandab drückeinihrWerkein. Ebenso,wiediesbeidergesamtenprähistorischenKunst derFallist,kennenwirdiegenaueBedeutungderHand abdrücke nicht. Wir können verallgemeinernd annehmen, daß Menschen das generelle Bedürfnis haben, eine solche Art von Kennzeichnung zu hinterlassen. Wenn wir einen heiligenPlatzaufsuchen,andemwirEhrfurchterfahren, möchten wir oft den Boden, die Steine oder die Bäume berühren.WirwollenunsereHändezurErweiterungun seresBewußtseinsaufdrücken,denndieHändeführenei neEnergievonbesondererLadung.UnsereHändeunter scheidenunsnichtnurvonanderenLebewesen,sondern wirbenutzensieauch,umdieWeltumunsherumneuzu erschaffen. Handabdrücke geben eine machtvolle Er klärungab.SielasseneinZeichendesBewußtseinszurück. SiestellensowohleinenAktderErgebenheitdaralsauch eine verwegene Geste der Teilnahme an der spirituellen Kraft,dieandiesemOrtlebendigist.MitHandabdrücken nehmenwirdieKrafteinesheiligenPlatzesinunsaufund gebendafüretwasvonunszurück.WirdrückendieWirk lichkeitunseresKörpersaufdenKörperderErde. InderHöhlePêchMèrleisteineDarstellungzweierPferde von Händen in Negativabbildung umgeben. Die Hände bleibenaußerhalbderPferdekörperundvermittelnsoein Gefühldafür,daßMenscheninetwassoEhrfurchtgebie tendes wie ein Geisttier nicht eindringen dürfen. Diese strikteTrennungwirdnochinteressanter,wennwirbeden ken, daß Höhlenkünstler oft ein Tier zeichneten, dasaus einem anderen hervorkommt, wie zum Beispiel in Las caux,odervieleZeichnungeneinanderüberlagerten.
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VerzierteStäbe DiemarkiertenStäbesindeinkomplexeresThema,wenn auch nur aus dem Grund, weil sie mehr Informationen enthalten.Eshandeltsichdabeiumgeschnitzteundver zierteKnochenoderGeweihsprossen,manchmalmitmeh rereneinfachen,anscheinendabstraktenOrnamentenver sehen,dannwiederummitsorgsameingeritztenTierund Pflanzendarstellungen. In die meisten ist zumindest ein Loch gebohrt, während manche mehrere Löcher aufwei sen.Archäologennanntensiefrüherbâtonsdecommandant in der Annahme, daß sie ein Autoritätssymbol für einen Stammeshäuptling darstellten – eine Annahme, die viel leicht mehr über die Archäologen aussagt als über die Steinzeitkultur. Im Höhlenkunstmuseum von Les Eyzies werdendiewenigenausgestelltenStäbeheuteals»rätsel hafteObjekte«bezeichnet. Die verschiedenen Darstellungen von Menschen mit Tieren in der paläolithischen Kunst zeigen keine Men schen mit Waffen. Ganz wenige jedoch tragen zere monielle Gegenstände oder Scheiben, was darauf hin weist, daß die Menschen nicht danach strebten, heilige Tierezutötenoderzubezwingen,sondernihnenzubegeg nen.
DasWerkvonAlexander Marshack Alexander Marshack hat eine bahnbrechende Arbeit für die Untersuchung geschnitzter Knochen und Geweih sprossengeleistet,wobeiersichaufFundstückeausAfrika und Europa konzentrierte. Bei seiner Arbeit bediente er sichzweierHilfsmittel,einesMikroskopsundeinesVer stands, der willens ist, unvoreingenommen über Dinge nachzudenken.ImGegensatzzuvielenanderenAutoren erhebt Marshack keinen Absolutheitsanspruch bezüglich seinerInterpretationen,sondernweistnurdaraufhin,daß dieprähistorischenKünstlerdieseoderjeneIdeeimSinn gehabthabenkönnten.
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MitdemMikroskopsindihm mehrereEntdeckungen ge lungen.ErstenshattenjeneKünstlervorüber10000Jahren eine bemerkenswerte Technik: Sorgfältig verteilte Zeich nungeninregelmäßigenMusternvermischensichmitan mutigen Darstellungen von Hirschen und Steinböcken, PflanzenundSprossen,LachsenundanderenFischen.In vielenFällenistesnurmitdemMikroskopmöglich,die naturgetreueGenauigkeitderKunstzuerkennenundbe stimmteSpeziesklarzuunterscheiden.Feuersteinmesser warenoffenbarnichtdieprimitivenWerkzeuge,wiewir sie aus populären Vorstellungen vom Höhlenleben ken nen. André LeroiGourhan schreibt: »Bei Gravier und Schnitzarbeiten kann Feuerstein mit seinen Schneide eigenschaftenMetallwerkzeugengleichwertigsein.« Der gebräuchlichsten Theorie zur Höhlenkunst zufolge handeltessichbeidenBildernumJagdzauber.DenBeweis dafürerbringenangeblichBilder,aufdenenmitWiderha kenverseheneHarpunenundPfeilezusehensind.Jedoch zeigendie»Harpunen«indiefalscheRichtung.Marshack hataufdieMöglichkeithingewiesen,daßdiesemitWider haken versehenen Zeichen in Wirklichkeit Pflanzen sind, unddamiteinenvölligneuenInterpretationsspielraumfür diealtsteinzeitlicheKunsterschlossen,vondermanim mergeglaubthat,siestellenurMenschenundTieredar. Darstellungen von Pflanzen sind aus mehreren Gründen wichtig.ZumeinenzeigensieeinInteressefürdenSpeise zettelundmöglicherweisefürHeilung,dieEigenschaften wachsenderDinge.InLascauxtauchendiemitWiderha ken versehenen Zeichen neben trächtigen Tieren und Vul vabildern auf; vielleicht sind es Heilpflanzen für die Schwangerschaft.DasKräuterwissenvonVölkern,diekei nenAckerbaubetreiben,istoftsehrdetailliert–tatsächlich detaillierter als das von Ackerbaukulturen. Landwirte bauennureinigewenigeFeldfrüchtean,währendSamm lereineAuswahlauseinerVielfaltvonWildpflanzentref fen. Pflanzenzeichnungen,besondersnebenVulvenoder trächtigenTieren,könntendieErneuerungdesLebensim
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Frühling symbolisieren. Marshack hat diesen Punkt her vorgehoben, da er auf einer der untersuchten Geweih sprosseneineganzeMengeFrühlingsbilderfand:laichen de Lachse und Robben, frische Keimlinge,Blumen.Viel leichthaltenwirsoetwaseinfachnurfüreinfreundliches Bild, aber Marshack hat auf revolutionäre Bedeutungs möglichkeitenhingewiesen.Prähistorikersindimmerda von ausgegangen, daß Menschen sich bis zum Aufkom men desAckerbausin derJungsteinzeitnichtderRegel mäßigkeitvonZeitbewußtwaren.EineReihevonFrüh lingsbildern in Verbindung mit Schwangerschaft läßt je docheinBewußtseinfürdieJahreszeitenundbiologischen Prozesseerkennen, und dasbereitsJahrtausendevordem Ackerbau.
VerzierteKnochen Die Untersuchung der abstrakten Zeichen auf den Kno chenläßtnochstärkeraneinsolchesBewußtseindenken. DennwennMarshackrechthat,stellendieseReihenvon regelmäßigeneingeritztenLinien,diemanimmerfürbe deutungslosesGekritzelgehaltenhat,tatsächlicheinsorg fältigesAbzählenvonTagenoderMonatendar.DieLinien könntenaufzweiArtenvonzeitlichenAbfolgenhinwei sen,diebeidemitdemFrauenkörperassoziiertsind:zum einenaufdiesobedeutsammitderMenstruationverbun denenMondphasenundzumanderenaufdieDauereiner Schwangerschaft. AnstattphallischeStäbedarzustellen,diedieMachteines Häuptlingssymbolisieren,könntendiebâtonsdenHebam men,diedenVerlaufderSchwangerschaftenüberwach ten,alsKalenderstäbegedienthaben.WenndieseAnnah me zutrifft, würde ein solcher Kalender möglicherweise aufdasWissenhinweisen,daßBabysmitdererstenaus bleibenden Periode anfangen zu wachsen, wenn nicht gar aufeinWissenumdieVerbindungzumGeschlechtsver kehr.AlternativkönntendieStäbeFrauengeholfenhaben, dieheiligeKraftinihrenKörpernnachderzwingenden
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Spiritualität des Mondes auszurichten. Ein interessantes ZusammentreffenvonBedeutungenausvielspäterenKul turenunterstütztdieseMöglichkeit.ElinorGadonschreibt inihremBuchTheOnceandFutureGoddess,daßsichdas Wort »Ritual« von dem SanskritWort rtu ableitet, das »Menses,Menstruation«bedeutet.InKleinsComprehensive EtymologicalDictionaryoftheEnglishLanguagewird»Ritu al«aufdieindoeuropäischeWurzelrizurückgeführt,die »zählen,Nummer«bedeutet.EbensowieinderHöhlen kunstbegegnenwirderVorstellung,daßheiligesBewußt seinaufdasBewußtseinvonderdurchdieMenstruation erschaffenen,immerwiederkehrendenZeitzurückgeht.
DieVenusvonLaussei Eine der berühmtesten Höhlenkunstdarstellungen ist die sogenannte»VenusvonLaussei«,eineüber20000Jahreal teReliefskulptur,dieuntereinemFelsüberhangimDordo gnetalgefundenwurde. Wie bei anderen Reliefarbeiten auch, machte sich der KünstlerdieKrümmungenundWölbungenderWandzu nutze,umdemBildeinedreidimensionaleWirkungzuge ben.AusAnalysengehthervor,daßauchdieseFigurmit rotem Ocker bemalt war, dem allgegenwärtigen Symbol fürdasLebensblutderGöttin.DieVenusvonLausseiist alsSchwangeredargestellt.IhrelinkeHandruhtaufihrem Bauch, während die rechte ein Bisonhorn hält, das mit dreizehn Linien markiert ist. Dem Horn kommt große symbolischeBedeutungzu:EinJahrumfaßtentweder13 Vollmonde oder 13 Neumonde (ein Mondmonat dauert 29,5 Tage), und das Horn des Bisons oder der Kuh hat ÄhnlichkeitmitdemzuoderabnehmendenMond,eben sowieeinschwangererBauchdemVollmondähnelt. Esseidaranerinnert,daßRinder,StiereundKühedieam häufigsten dargestellten Tiere in der Höhlenkunst sind. UndmanrufesichinsGedächtniszurück,daßinspäteren KulturenüberallaufderWeltdieKuhoderderBüffeldie GroßeGöttinverkörpert,beispielsweisedieWeißeBüffel
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Die»VenusvonLaussei«,Frankreich,ca.15000v.Chr.(Abdruckmit freundlicherGenehmigungderArasArchives,JungianInstitute,San Francisco)
fraubeidenLakotaSioux,OyaalsBüffelinWestafrika,Eu ropa in der griechischen Mythologie, Hathor in Ägypten unddieKuhinderskandinavischenMythologie,dieanei nemgefrorenenSalzwasserblockleckt,umdieWeltzuge stalten.DieMilchstraße,sounserNamefürunsereGala xis,gehtzurückaufdenMythosvondenSternenalsMilch der(Kuh)Göttin,dieindenHimmelhinausfließt.Esister staunlich,daßdieserkomplexeZusammenhangvonBil dernundIdeenschonvorsolangerZeitexistierte,vorTau sendenvonJahren,nochvordenAnfängenderViehwirt schaft.DieVerbindungvonRindernundFrauenimGöt tinnenbildkönntesichzumTeilvonderTatsacheableiten, daßRinderneunMonatelangträchtigsind.
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GeschichtenundZeitzählung Für Marshack ist die entscheidende Fähigkeit, durch die sichderMenschauszeichnet,nichtdieWerkzeugherstel lung, sondern das, was er »Geschichtenerzählen« und »Zeitberechnung«nennt.DamitistdieFähigkeitgemeint, ProzesseundWiederholungen–mitanderenWortenZy klen – in der Welt um uns herum und in unserem Leben wahrzunehmenunddiesenDingenBedeutungzugeben. Ichwürdehinzufügen,ihneneineheiligeBedeutungzuge ben. Mythen, symbolhafte Kunst, abstrakte Zeichen, Ka lenderunddergleichenverleiheneinerbloßenErfahrung Bedeutung. Geschichtenerzählen und Zeitbestimmunggehenmitder Gehirnentwicklung einher und gehören demnach zum Körper. Wenn sich die ersten »Geschichten« von Men struationundSchwangerschaftherleitenunddieseErfah rungenmitdemMondundKüheninZusammenhangge brachtwerden,dannkommtdieGeschichtewiedieSchöp fungselbstausdemKörperderGöttinhervor–dasheißt von dem als göttlich wahrgenommenen weiblichen Kör per. Wir könnensovieleunserergrundlegendenGeschichten auf den Körper zurückführen, auf die Geburtserfahrung, dasGewahrseindesTodes,denimmerwiederkehrenden Menstruationsfluß,dasAnundAbschwellendesPhallus, die Tatsache, aufrecht auf zwei Beinen zu stehen, und so weiter. Dadurch wird die Spiritualität nicht auf »bloße« physische Tatsachen reduziert, sondern die Einheit von KörperundheiligerWahrheitwirdaufgezeigt. InderspäterenpaläolithischenKunstwerdendiewesent lichenweiblichenAspekte–Brüste,Gesäß,Vulva–manch mal als ein paar Zeichen dargestellt, beispielsweise als Kreis,durchdensicheineLiniezieht,fürdieVulva.Man chePrähistorikerbezeichnensolcheDarstellungenalseine »Degeneration« der Kunst. Marshack jedoch legt nahe, daßdie»Geschichte«,diesymbolischeBedeutungdesBil des,sobekanntwurde,daßeineinfachesZeichendasvolle
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Gewicht derBedeutung tragen konnte (man denke an alle christlichen Bedeutungen, die in der einfachen Form des Kreuzes verschlüsselt sind). Marshack schreibt: »Es ist nichtderanatomischesexuelleUrsprung,dersymbolisiert wird,sondernessinddieGeschichten,Eigenschaftenund derProzeß,mitdenendasSymbolassoziiertwurde.«Er fahrung, die Tatsachen des Lebens, wurden zu Symbol undMythosdestilliert. DermaßgebendenForschungsmeinungüberdiemenschli cheEntwicklungzufolgewirdangenommen,daßGöttin nenmythennichtvordemAufkommendesAckerbausent standen sind. Mit anderen Worten: Ein technologischer Durchbruch leitete neue symbolische Bedeutungen ein. Und trotzdem ist die WillendorfStatue 30000 bis 50000 Jahrealt.SowiediefrühestenArtefakterituellenZwecken undnichtdempraktischenGebrauchzudienenschienen, istdieTechnologievielleichtderKunstgefolgtundnicht umgekehrt.DieweiblichenDarstellungenderAltsteinzeit setztensichindieJungsteinzeithineinfort.Marshackbe zeichnetsiealsTeileines»intellektuellen,zeitbestimmten undzeitbestimmendenErbes,dasdenWegzumAckerbau vorbereitete«. Dieses intellektuelle Erbe rührte von der Anerkennung der Macht und der Wahrheit des Körpers her.
JägerSammlerÖkonomie JahrelanginterpretiertenPrähistorikerdieHöhlenmalerei en als »Jagdzauber«. In ihrem Bemühen, für einen kon stanten Fleischvorrat zu sorgen, malten die »Höhlenmen schen«angeblichBildervonihrergewünschtenBeuteund hofftenso,MachtüberdieTierezugewinnen.Aberdiear chäologischenBeweisewiderlegendieseTheorie. Vor allen Dingen wissen wir aufgrund der Knochen und Fossilfunde,daßWildnichtknapp,sondernreichlichvor handenwar.DiemeistenvonunssindmitderVorstellung von»Höhlenmenschen«aufgewachsen,dieeineerbärmli cheundverzweifelteExistenzführen.Auchdasgehörtzur
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IdeologiedesPrimitivismus,dennsiebesagt,daßesuns mit unserer modernen, technologischen Gesellschaft so vielbessergehtunddieganzeGeschichtezueinemsteti gen Fortschritt mit immer besseren Bedingungengeführt hat.WennwirunserLebenheuteunbefriedigendfinden, können wir uns einreden, daß uns keine andere Wahl bleibtunddieMenschenfrühervielmehrgelittenhaben alswir.EinesolcheAnsichtüberdasaltsteinzeitlicheLe benrechtfertigtnichtnurdiesogenannten»großenZivili sationen«,diemitSumerihrenAnfanggenommenhaben, sondern sogar auch den späteren Kapitalismus. Wenn ÖkologenundandereunserekonsumorientierteEinstel lungzurNaturangreifen,führenKonservativeoftdasan gebliche Elend an, das vor der menschlichen Herrschaft über die Natur verbreitet war. Die Forschung hat dieser MeinungüberdasprähistorischeLebenwidersprochen.In einem Artikel mit dem Titel »The First Affluent Society« (DieersteWohlstandsgesellschaft)zeigtMarshallSahlins auf, daß paläolithische Menschen nur 14 Stunden in der Wochearbeitenmußten,umsichzuernähren,einzuklei denundzuschützen. InAnbetrachtderTatsache,daßMenschen60Stundenpro Wocheodermehrarbeitenmüssen,einfachumüberleben zukönnen,ziehtdieseverblüffendeundrevolutionäreIn formation unsere Ansichten über unser heutiges Leben in Zweifel. Sie wirft ein schlechtes Licht auf verschiedene ZeitpunkteinderGeschichte,wiezumBeispieldie»Enclo sureActs«inGroßbritannienim18.Jahrhundert–Gesetze, durch die die Gemeindeflur in Privateigentum überführt wurde(welcheseinerkleinenKlassevonGrundbesitzern zufiel) und die von den Grundbesitzern im Namen des FortschrittsundderwirtschaftlichenEffizienzgerechtfer tigt wurden. Dies hilft uns bei der notwendigen und schwierigenAufgabe,geradedieBetrachtungderMensch heitsgeschichte als fortschrittliche Entwicklung von Bar bareiundElendzuZivilisationundBequemlichkeitinFra gezustellen.UndesführtunszuderÜberlegung,womit sichMenscheneigentlichbeschäftigen,wennsienur14
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Stunden inderWoche arbeiten müssen. Nun, zum einen wendensieZeit,EnergieunddievereintenKräfteauf,um großeWerkespirituellerKunstzuschaffen. VerfechterdesJagdzaubersalsErklärungfürdieHöhlen kunsthabendieAnsichtgeäußert,daß,selbstwennWild die meiste Zeit reichlich vorhanden war, die Herden manchmal»verunglückt«seienunddieJägerhofften,mit ihrer Magie derartige mögliche Katastrophen zu verhin dern.JedochmachtendieSteinzeitmenschenoffenbarkei neJagdaufdieTiere,diesiemalten.Untersuchungenvon Knochenfunden und Nahrungsresten haben den Nach weis erbracht, daß sie ihre Fleischkost fast ausschließlich von Rentieren bezogen. Aber Rentiere erscheinen in den MalereienvielwenigerhäufigalsandereTierarten,beson dersRinderundPferde.Esist,alshättendieMalerbewußt Tiere gewählt, die sie nicht domestiziert hatten (Leroi Gourhanhatdaraufhingewiesen,daßindereuropäischen HeraldikTierewiezumBeispielLöwenundAdlerdarge stellt sind und keine Kühe und Schweine, die auf dem Speisezettel des mittelalterlichen Adels standen). Eine ähnlicheSituationliegtbeidenFelszeichnungendesTea chingRockinKanadavor,dieungefähr16000Jahrespäter entstandensind.DerSteinweistzwarvieleTierbilderauf, aber keine Darstellungen der Tiere, die die Menschen tatsächlichverzehrthaben. Ferner sollten wir uns klarmachen, daß viele Menschen, besonders feministische Wissenschaftlerinnen, dieIdeein Fragegestellthaben,daßFleischinderErnährungvonJä gerSammlerVölkern vorherrscht. Fleisch ist wertvoll, aberdastäglicheLebenberuhtaufdergroßenVielzahlvon Pflanzen,diedieFrauensammeln.Wirhabengesehen,wie Alexander Marshacks Mikroskop den vernachlässigten StellenwertvonPflanzenbildernzwischendenaufsehen erregendenTierdarstellungenenthüllthat.
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GedankenüberdieHöhlenkunst WenndiesenBildernkeinJagdzauberzugrundelag,war umwurdensiedannangefertigt?WarumsolltemanTier darstellungenimtiefenInnereneinerdunklenHöhlema len oder einritzen, wo die Künstler beim Licht von Talglampen arbeiten und sich oft auf Gerüsten bewegen mußten? Und wieder werden wir den genauen Grund dafürnieerfahren,sondernkönnennurVermutungenan stellen.UnddieseVermutungenwerdenehervonunserem Sinn für Bedeutung und Schönheitherrührenalsvonden tatsächlichen Glaubensvorstellungen der Höhlenkünstler. Objektivität besteht nur im Aufzeichnen der physischen Tatsachen;jedeAussageüberdenSinnundZweckisteine Aussageüberunsselbst. InMarksinPlace,einemBuchmitFotosvonderFelskunst zeitgenössischerKünstler,schreibtPollySchaafsma,daßes keine »universellen Bedeutungen« gibt. Es existieren je dochBilder,diebeinaheuniversellsind,wiezumBeispiel dasKreuzoderdieSpirale.Undauchwenndiedargestell ten Spezies sich von Ort zu Ort unterscheiden, scheinen TiereetwasinMenschenzuberühren,dasunszurKunst führt.WennderbewußteGeistsichabmüht,denSinnstar kerBilderzuerfassen,ausihnenSymbolezumachen,dann nimmtdieKunstkulturspezifischeBedeutungenan. AbersymbolischeBedeutungengehennichtnurvonKul turen aus. Menschen überall und zu allen Zeiten teilen diegleichenLebensbedingungen–dieannäherndgleiche genetische Struktur, das gleiche Bedürfnis nach Nah rung und Schutz und sexueller Erfüllung, die Bande zu Kindern, die aus dem Körper ihrer Mutter kommen, die Beziehungen zu den Jahreszeiten und den wechselnden Mondphasen. In einem sehr weiten Sinne können wir behaupten, daß wir den »Zweck« der Höhlenmalereien kennen. Denn der Zweck jeder Kunst ist es, zwischen der unsichtbaren Geisterwelt und dem sichtbaren Körper derNaturzuvermitteln:dasUnsichtbaresichtbarzuma chen.
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Die verschiedenen Theorien zur Höhlenkunst beziehen dieästhetischeFreudeanderArbeit(KunstumderKunst willen), die Einrichtung von Initiationsräumen für junge Mitglieder der Gemeinschaft und Ausdrucksformen der ekstatischenErfahrungenderMalerselbstein.Dieseletzte Ideedeutetdaraufhin,daßdieMaler»Schamanen«wa ren,diesichimTrancezustandindieGeisterweltbegaben, den göttlichen Wesen in Tiergestalt begegneten und zurückkehrten, um sie zu malen. Das Wort Schamane kommtvondensibirischenTungusen.AlsinWesteuropa dieEiszeitaufhörteunddieRentierherdengenOstenzo gen,schlossensichdieMenschenihnenan.Sibirienwurde zueinemZentrumfürdieselbeKultur,diedieHöhlenma lereienhervorgebrachthatte.
Trancezustände Ist die Höhlenkunst aus Trancereisen hervorgegangen? DavidLewisWilliamshateineTheorieentwickelt,dieauf neuropsychologischen Erkenntnissen von Menschen in Trancezuständen basiert, deren Visionen mit den Höhlen bildern verglichen wurden. Beispielsweise sehen Men schen im Trancezustand geometrische Formen und ab strakteFiguren,ähnlichdenunzähligen»Zeichen«,diein Lascaux und anderswo gefunden wurden. Sie sehen machtvolleTierwesenundsprechenmitihnen.Siekönnen auch halb menschlichen und halb tierischen Geschöpfen begegnenoderselbstzusolchenWesenwerden.Obwohl die Höhlenwände überwiegend Tiere zeigen, finden wir auch einige wenige Mischwesen aus Mensch und Tier – beispielsweiseeinemenschenähnlicheGestaltmitHirsch kopfundHufen.MenschenimTrancezustanderfahrenzu BeginnihrerReisenofteinenAbstiegdurcheinenTunnel. EineHöhlebringtdiesenübersinnlicherfahrenenTunnel indiephysischeWirklichkeit.AlsTeilseinerForschungen untersuchte LewisWilliams die Felskunst der !Kung in Südafrika. Bei den !Kung zeichnen die Schamanen im Trancezustand,oftmalensieTupfenundandereabstrakte
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Zeichen,dieihnenindiesem verändertenBewußtseinszu standerscheinen. Das Interessante an dieser Trancetheorie ist, daß sie auf demKörperbasiert.SiebeziehtsichaufdirektesWissen umdieGeisterweltalsdieQuellederMalereien.Abersie betrachtet solche Reisen nicht als Halluzinationen, son dernalsKörpererfahrungen. UnsliegteineganzeReihevonInformationenüberTrance zuständevor.EinGroßteildavonbefaßtsichmitMessun gen der Gehirnelektrizität. Erst vor kurzem hat man im Westenangefangen,dieReisenselbstalsrealeErfahrun genzubetrachten.Erstvorkurzemhabenwir–sehrner vös–angefangen,dieGeisterweltalseinenrealenOrtund dieihrinnewohnendenWesenalsetwasanderesalsPro jektionen unserer Phantasievorstellungen zu sehen. Aber genau auf diese Art und Weise haben Menschen in allen KulturenjahrtausendelangdieGeisterweltgesehen. UmandieWirklichkeitvonTrancereisenglaubenzukön nen, sind zwei Arten von Vertrauen vonnöten. Erstens müssenwirdaraufvertrauen,daßdieMenschen,diediese ReisenübereinenZeitraumvonZehntausendenvonJah renunternommenhaben,wußten,wassietaten.Zweitens müssen wir unser Vertrauen auf die Erfahrung unserer Körpersetzen.FelicitasD.GoodmanhatinihremBuchWo dieGeisteraufdenWindenreiteneineReihevonExperimen tendokumentiert,indenenMenschenmitHilfevonKör perhaltungeninverschiedeneGeistreisengeführtwurden. GoodmanuntersuchteBilderundStatuenvonStammes undprähistorischenVölkerninverschiedenenStellungen – ob sie mit den Füßen unter dem Gesäß oder zur Seite saßen,ineinembesonderenWinkellagen,sogarobsiespe zielle Gesichtsfarben aufgetragen hatten und bestimmte Kleidungsstücke trugen. Dann wies sie ihre Versuchsper sonenan,dieseHaltungensogenauwiemöglichnachzu ahmen.SobalddieseHaltungeneingenommenwaren,ver setztensiesichmitHilfevonAtemtechnikenundrhythmi schem Röcheln in Trance. Die verschiedenen Körperhal tungenführtennichtnurzuunterschiedlichenArtenvon
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Erfahrungen, sondern verschiedene Versuchspersonen mit der gleichen Körperhaltung berichteten auch über sehr ähnliche Reisen und Begegnungen. Durch den Körper könnenwirdieGeisterweltalseinenrealenOrtentdecken.
DerLascauxSchamane EinevonGoodmansKörperhaltungenrührtevondenHöh lenmalereien von Lascaux her. Die einzige menschliche DarstellungindiesergroßartigenGaleriezeigteinaufdem RückenliegendesStrichmännchennebeneinemBison. Zuerstscheintesuns,alslägeerflachda,aberbeigenaue rerBetrachtungstellenwirfest,daßderKörperineinem Winkelvon37Gradaufgerichtetist.SeineArmesindaus gestreckt,undseinPenisisterigiert.Goodmanerrichtete Plattformen,sodaßihreVersuchspersonendieseHaltung sogenauwiemöglichnachahmenkonnten. ImTrancezu standerfuhrensowohlMänneralsauchFraueneinenstar kenEnergieschub,derindenGenitalienbegannodersich dort zentrierte und manchmal durch den Kopf oder die Brustaustrat,umindenHimmelhinaufzufliegen.EinBild ausdemaltenÄgypten,das12000JahrenachLascauxent
»Schamane«undBisoninder Höhle von Lascaux/Frankreich, ca.15000 v.Chr.
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stand,zeigtdenGottOsiris,derimgleichen Winkel von 37°wiedasStrichmännchenvonLascauxindenHimmel aufsteigt. Was uns bei der Betrachtung der LascauxZeichnung am meisten auffällt, ist die simple Darstellung des Mannes. Künstler,dieTieremitsolchenanatomischenEinzelheiten zu malen vermochten, daß wir Subspezies voneinander unterscheidenkönnen,zogenesvor,ihreeinzigemenschli cheFigursoeinfachwiemöglichdarzustellen–obwohl, wieGoodmanbemerkt,großeSorgfaltaufdieKörperhal tungverwendetwurde(imVergleichdazuenthaltenFels zeichnungen der nordamerikanischen Kwakiutl das, was CampbellGrantals»kleinemenschlicheStrichfiguren«ne ben»ziemlichrealistischenDickhornschafen«bezeichnet). Dasläßtdaraufschließen,daßdieKünstlerihrereigenen Erscheinungkeinerlei Bedeutung beimaßen. Mitanderen Worten,siestelltenReisenindieGeisterweltdarundkeine Selbstporträts.VonBedeutungwarnurdieKörperhaltung –dieArmeaufdieseWeiseausgestreckt,derRückeninei nemsolchenWinkel,dieGenitalienerregt. DieIdeenvonDavidLewisWilliamsundFelicitasGood mankönntendaraufhinweisen,daßdieHöhlenmalersich nichtfürdiegewöhnlicheWeltinteressierten,sonderndaß es ihnen nur um die Trancewelt ging. Aber wenn die Höhlentiere von Geistreisen herrühren, rühren sie eben fallsvomLebenher.Sobaldwirbeginnen,dengöttlichen Körperüberallumunsherumzusehen,fangenwiran,die Spaltung zwischen Natur und der »anderen Welt«, der WeltderGeister,zuheilen.Undwirfangenaußerdeman, ein umfassenderes Gefühl für »Körper« zu entwickeln. Denn wenn durch das Ausführen gewisser physischer Tätigkeiten – besondere Körperhaltungen einnehmen, in einer dunklen Höhle sitzen, tief atmen, nichts essen und dergleichen mehr – bestimmte Reaktionen herbeigeführt werden,einschließlicheinesGefühlsdafür,unserenKörper zuverlassen,dannistdas,waswirverlassen,inWirklich keit nur eine beschränkte Ansicht darüber, wer wir sind undwaseinKörperist.
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Fruchtbarkeitskult und »VenusFigurinen« DieVorstellungvon»Fruchtbarkeitskulten«oder»Frucht barkeitsmagie«kamalseinAblegerderIdeevomJagdzau ber auf. Angeblich stellten die Künstler Vulven dar und schufenFigurinenvonhalbabstraktenFrauen,umaufma gischeWeisesicherzustellen,daßdiejagdbarenTieresich weiterhin vermehren und die Herden ergänzen würden. WiederfindenwirdasBildvom»primitiven«Menschen, dervonsimplenWünschengetriebenistundkeinenwirk lichenSinnfürdasHeiligehat,zustarkvereinfachend. Bis auf den heutigen Tag bezeichnen die meisten Texte über paläolithische Kunst die wunderschön geschnitzten Figurinen oder Reliefskulpturen als »Venus«. Wir lesen von der »Venus von Willendorf« oder der »Venus von Laussei«.DerBegriffverweistaufdierömischeGöttinder geschlechtlichenLiebe,inGriechenlandalsAphroditebe kannt.IronischerweiseträgtderNamevielleichtmehrBe deutung,alsursprünglichbeabsichtigtwar.DennAphro dite/Venus war eine viel mächtigere Göttin als die ver spielteerotischeFigur,wiesieinderspätgriechischenMy thologiezufindenist.UrsprünglichwarsieeineGöttinder Meere,aberauchdesHimmels,desLebensundzugleich desTodes.VonElinorGadonerfahrenwir,daßdieRömer Nekropolen,MausoleenundKatakomben»Taubenschlä ge«nannten,derTaube,derheiligenGefährtinderVenus, zuEhren.AnfangssymbolisiertedieLiebesgöttinsowohl schöpferische Kraft als auch körperliche Freude. An spielungen auf ihre archaische Geschichte finden wir im MythosüberihrenUrsprung,dennhierwirdsiealseine Generation älter als Zeus und die anderen olympischen Götterdargestellt. IneinerVersionvonihrerEntstehungentsteigtAphrodite – mit der Taube – dem Meer und gelangt zunächst nach Zypern. Viele Mythologen vertreten die Ansicht, daß sie ursprünglichdieGroßeGöttinvonZypernwar,diespäter denHomerischengriechischenMytheneinverleibtwurde. Eineauf3000v.Chr.datierteTonfigurausZypernzeigtei
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neGöttinmitbreitenHüftenunddünnen,zusammenlau fendenBeinen.SiehatgroßeÄhnlichkeitmitjederpaläo lithischen»Venus«,diemitAphroditesrömischemNamen gesegnet wurde. Die zyprische Göttinnendarstellung weist eine schnabelähnliche Nase und große Vogelaugen auf. DiesteinzeitlicheGroßeGöttinmitdemNamenderGöttin der Sexualität zu versehen führt uns zu der Erkenntnis zurück,daßdieGöttinmehralsnureineintellektuelleAb straktiondarstellt.SieistrealundphysischundinderWelt präsent.Siehateinen,sieisteinKörper.DieseFigurinen, feingeschnitztundhandlich(notwendigfüreineNoma denkultur),haben inFormundStildasGewichtunddie rauheKraftderBerge.Kleinwiesiesind,sindsiedochin ihrerBedeutungsstärkedenHöhlenschößenebenbürtig. HierliegteinParadoxvor.Großwiesiesind,zeigenuns dieHöhlennureinenAspektderGöttinnengestalt,einelo kalisierte Vision ihres Schoßes (oder, allgemeiner ausge drückt,ihresKörperinneren).AberdieganzeErdeistihr Körper. Verglichen damit vermitteln uns die handlichen SchnitzereieneineVorstellungvondervollständigenGöt tin.
PornographieunddergöttlicheKörper Mehrere paläolithische Zeichnungen und Gravierungen des weiblichen Körpers zeigen lediglich einen Torso von denBrüstenbiszumGesäß,ohneKopf,ArmeoderBeine. ManchePrähistorikerhabendieAnsichtgeäußert,daßdie seBildersteinzeitlichePornographiedarstellen,denFotos in zeitgenössischen Männermagazinen ähnlich. Empört übereinesolcheMeinung,verteidigenanderedieHeilig keitderGöttinundbehauptenbeharrlich,daßdieseteil weiseabstrahiertenFigurenschöpferischeKraftsymboli sieren–alsobdasSchöpferischeundsexuellesVerlangen in keinerlei Beziehung zueinander stünden. Vor einigen JahrenveröffentlichteeinederhärterenMännerzeitschrif tenFotos,dieFrauenausschnittweisevomHalsbiszuden
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Knienzeigten,wasbei Feministinnen Entrüstung über die vollständige Objektivierung des Frauenkörpern hervor rief.WahrscheinlichdachteniemandaufbeidenSeitender Schlacht an die vielen alt und jungsteinzeitlichen Fels zeichnungenvonkopfundfußlosenFrauen.Istesmög lich,daßzeitgenössischeunpersönlicheBildervonweibli cherSexualität–aufeinesehrverzerrteWeise–tatsächlich auf ein Bewußtsein für die Frau als Trägerin einer uner meßlichen Macht jenseits des individuellen Lebens zurückgehen?VielleichtdeutendieBildervonweiblichen SexualobjektenaufeineuralteWahrheithin,daßdieKraft der sexuellen Kreativität über die Persönlichkeit hinaus geht. Die weibliche Gestalt auf diese Weise zu zeigen, nämlichnurdenTorso,erhebtdenKörperaufdieEbene einesSymbolsvonuniversellerBedeutung,dasnichtsde stowenigerGestaltannimmtundsichindenrealenKör pernvonFrauenzumAusdruckbringt. Das Problem mit der Pornographie rührt nicht von Dar stellungennackterFrauenher,sondernvonderAnnahme, daß die weiblichen Geschlechtsteile den Männern »gehören«.DieEinstellung,daßFrauennurzurBefriedi gung der Männer existieren, entzieht den Bildern des FrauenkörpersdiewahreKraft.SiedrängtFraueninun natürlicheFormenundlächerlichePosen.Obszönitätliegt nicht in der weiblichenSexualitätbegründet,sondernin derVorstellungvonFrauenalsdemEigentumvonMän nern,das,ohneeineeigeneIdentitätodereineeigeneBe stimmungzuhaben,zubenutzenist.
MenstruationsundSchwanger schaftsrituale DiemeistenAutoren,dieüberdie»VenusFigurinen«und »Fruchtbarkeitskulte« schreiben, gehen davon aus, daß Männer diese Figurinen herstellten, damit sie von Män nern benutzt wurden. Aber was ist, wenn Frauen sie für Frauenrituale schufen? In so weit voneinander entfernten LändernwieAfrikaund Indien und bei den Eskimos ver
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wenden Frauen Göttinnenfiguren ohne Füße oder sogar mit phallischen Hälsen in Ritualen, die mit der Geburt oderderPubertät,dasheißtdererstenMenstruation,ver bunden sind. Sie führen die Figurinen in die Vagina ein undentfernensiewährendderZeremonie. Falls die steinzeitlichen Europäer ihre »Venus«Figurinen auf ähnliche Weise verwendeten, würde sich eine ganze BandbreitevonBedeutungenauftun.Vorallemwürdees erklären, warum so viele der Statuen keine Füße haben. Die Beine mußten sich verjüngen, umproblemloseinge führtwerdenzukönnen.Undeswürdeunszueinemneu enVerständnisfürdieStatuenmitphallischenHälsenoder andere Darstellungen der männlichen Sexualität führen. IndemsieineinemRitualfürFrauenverwendetwerden, wird das männliche Organ zu einem Teil des heiligen weiblichen Körpers, nicht einfach in einem abstrakten, symbolischenSinn,sonderninderkonkretenPraxis. Es sei daran erinnert, daß diese Figurinen oft mit rotem Ockerbemaltwurden.InGeburtsoderMenstruationsri tualen angewendet, würden sie das Blut der einzelnen Frau mit dem Blut der Göttin verbunden haben, das so reichanLebenundsoreichanBedeutungist.Manmöge außerdeminBetrachtziehen,daßeinsolcherAktdenGe schlechtsverkehrimitiert.DiesewährendeinesGeburtsri tualsdurchgeführtePenetrationwürdedieGöttinsowohl zumsymbolischenVateralsauchzursymbolischenMut ter machen.DurcheinesolcheIdeewirddieBedeutung des tatsächlichen Vaters nicht herabgesetzt; statt dessen wird er aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Akte, Ge schlechtsverkehrundrituellePenetration,ebensomitdem Göttinnenkörper verbunden. Und man beachte, daß dies aufdasWissenumdieNotwendigkeitdesGeschlechtsver kehrsfürdieEmpfängnishinweist. Wenn wir die Idee der Göttinnenpenetration von Mädchen,dieindiePubertäteintreten,betrachten,werden die Möglichkeiten sogar noch interessanter. Zuallererst würdedasRitualdasfrischfließendeBlutderjungenFrau mitdemBlutderGöttinund durchdieGöttin mit dem
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ganzen langenFlußdes weiblichen Lebensblutes verbin den.ZweitenswürdedamitihreSexualitätfürdieweibli cheWeltbeanspruchtwerden,bevorsiesichMännernhin gegebenhätte.DadurchwürdeesjedemMannvielschwe rerfallen,siealsseinenBesitzzunehmen,dernurfürseine eigeneBefriedigunggedachtist(indiesemLichtbetrach tet, wird die Phantasie von Höhlenmännern, die Frauen niederknüppeln,immermehrzueinerProjektionmoder nerEinstellungengegenübermännlichweiblichenBezie hungen).UndschließlichwürdediePenetrationmiteiner Göttinnenfigurine das Jungfernhäutchen reißen lassen undsomitdasMädchenaufdenGeschlechtsverkehrvor bereiten. Die Heiligkeit des Rituals würde helfen, diesen AktüberjeglicheBrutalitätoderAngsthinauszuerhöhen. Und natürlich würdesich sodiein späterenKulturen so zwanghaftgestellteFragenachderJungfräulichkeiteiner Frauvonselbstverbieten.
DieHöhlealsKörperinneres–PêchMèrle DieVorstellungvonderHöhlealsdasInneredesGöttin nenkörperskommtunswieeinekühneIdeevor,wennwir dasersteMaldavonhören.EskanneinsehrintensivesEr lebniswerden,wennwirwirklichinHöhlenhineingehen. InderfranzösischenHöhlevonPêchMèrlesinddieKam mern groß und unregelmäßig, die Tunnel breit und ge wundenundgewöhnlichmitBlickaufdieriesigenHallen. StalaktitenundStalagmiteninwunderbarenFormationen schwächendieEmpfindungvonnacktenFelswändenab. AußerdemnehmendieWändeaufgrundihreshohenGe haltsanEisenoxydeneineroteFärbungan;vontriefendem Kalksteinwerdensiefeuchtundrot.DieWirkungisthoch gradig organisch, so stark, daß meine Freundin Leslie HuntundichunswieMikrobenineinemriesigenKörper fühlten. Nach ihrem Besuch der Höhle von PêchMèrle schufdieBildhauerinChristina Biaggieinen »Hügel«mit einernachderweiblichenKörperhöhlegestaltetenInnen form.
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BiaggibesuchtePêchMèrleim Winternachder Touristen saison, so daß sie in den Genuß einer persönlichen Führungkam.DieFrau,diesieherumführte,betonte,daß PêchMèrle eine »Frauenhöhle« sei, und machte auf die eingeritzten Vulven in den Wänden aufmerksam. Auch anderenistdieweiblicheQualitätvonPêchMèrleaufge fallen.DieHandabdrückeandenWändenentsprechender Handgröße von Skelettfunden paläolithischer Frauen. Wie beimTeachingRockinKanadaistaufkeinemderBilder GewaltinirgendeinerFormdargestellt.Aberandererseits kommtGewaltinderpaläolithischenKunstkaumirgend wo vor. Es sei daran erinnert, daß Marshack und andere daraufhingewiesenhaben,daßzwareinigeMenschenze remonielleGegenständetragen,aberniemalseineWaffe– eine merkwürdige Sitte für eine Kunst, die angeblich als Jagdzauberbeabsichtigtwar.Desgleichenstellenwirfest, daßauchinderkretischenKunst,über10000Jahrenach demPaläolithikum,Waffenfehlen. AlexanderMarshackschreibtüberPêchMèrle,daß»weib licheFigureninderHöhleebenfallsmitSymbolen,Hand abdrücken, Reihen von farbigen Punkten, Hufeisenbögen undSchlangenlinienassoziiertsind«,undliefertsomitei nenHinweisdarauf,daßdieangeblichabstraktenZeichen hier und anderswo zu einer Göttinnenikonographie gehörthabenkönnen.Wieweiterobenerwähnt,tauchen die gleichen Zeichen bei den späteren Göttinnenstatuen undVasenderJungsteinzeitauf.Damitistnichtsicherge stellt,daßdieZeicheninbeidenZeiträumenmitdenselben Bedeutungenbelegtwurden.DochinbeidenFällen,Pêch Mèrle und Neolithikum, erkennen wir, daß die symboli schen Formen mit eindeutigen weiblichen Symbolen im Zusammenhangstehen. InPêchMèrlefindensichaußerdemeinigederrelativsel tenenDarstellungenvonFrauengestalten.Dazuzählteine Figur mit herabhängenden Brüsten, spitz zulaufenden Füßen, einem überbetonten Gesäß und schnabelähnlichen Kopf,dieBuffieJohnsonalsdie»ältestebekannteVogel gottheit«bezeichnet.
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Kopflose undvogelköpfigeschwangere Frauen, die tanzen, in nassen Ton gezeichnet;PêchMèrle/Frankreich,ca.20000v.Chr.(nachNoble)
NebenderVogelgöttinsindzweikopfloseFrauendarge stellt. Monica Sjöö und Barbara Mor bezeichnen die drei FigurenzusammenalseineDreifacheGöttin,dieüberek statischeTänzewacht.AlsmeineFreundinLeslieundich die Höhle besuchten, zeigte uns der Führer eine große Steinscheibenebeneinemoffenen,ebenenBereich.Experi mentemitSteinkeulenalsTrommelstöckehabendieMög lichkeit aufgezeigt, daß der Stein als Trommel und der RaumalsTanzflächegedienthabenkönnte. Wirsolltenunsdaranerinnern,daßaufHaitiundineinem Großteil Afrikas die Menschen den Tanz als wichtigstes Hilfsmittelbenutzen,umsichinTrancezuversetzen.An dersalsdieTrancezuständederSchamanen,indenendie seselbstaufReisengehen,habenjenedurchTänzeherbei geführtenZuständegewöhnlichmitBesessenheitzutun.
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Das heißt, ein Gott oder eine Göttin ergreift Besitz vom KörperderPerson.Mankannsagen,daßsichderTänzer vorübergehendalsSelbstzurückzieht,damitderGeisteine physischeFormannehmenkann. Vielleicht haben die Höhlenkünstler akustische Signale eingesetzt, um die intensiveKraftderMalereienzustei gern.DerbereitserwähnteArtikelimU.S.NewsandWorld ReportschildertinteressanteExperimentemitGeräuschen inmehrerenHöhlen.Mangingpfeifenddurchverschiede neHöhlenundverzeichnetedieStellen,wodieTöneam stärksten widerhallten. Fast immer waren genau dort Wandmalereienvorhanden.Lascauxliefertesogarnochin teressantereErgebnisse.IndenKammernmitdenDarstel lungenderrennendenStiereundPferdestelltenForscher fest, daß ihr Händeklatschen wie ein Echo widerhallte, wasdenEindruckeinersichinwildemGaloppnähernden Herdeerzeugte.LetztenEndesdientendieHöhlenmögli cherweise als Orte, um den göttlichen Körper sowohl durchTanzalsauchaufekstatischenReisen zu feiern.
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DergestalteteSteinkörperI DerKörperderGöttin ist der inkarnierte Ursprung. MarijaGimbutas Unsere frühesten Vorfahren waren Nomaden, Wanderer, dieinkleinenGruppendenjahreszeitlichenPflanzenund Rentierherdenfolgten.SeßhafteGesellschaftenundstädti scheKulturenkonntensichohneeinebedeutendetechno logischeEntdeckung,möglicherweisediebedeutendsteal ler Zeiten – die Entwicklung desAckerbaus–,nichtent wickeln. Was auch immer die menschliche Gesellschaft durchdieAufgabedesNomadenlebensverlor,derAcker bau erschloß den Weg zu neuen Erfahrungswelten, ein schließlich neuer Wege des Sehens und des Erschaffens desgöttlichenKörpers.DiesekulturerschütterndeRevolu tion führte zu weiteren Umwälzungen. Stabile Häuser, Tempel,Städtewurdenerrichtet–undeineReihevonBau werken, die so bemerkenswert sind, daß wir nochimmer stehenbleibenundnurnochstaunenkönnen,wennwirsie am Wegesrand zufällig sehen – Megalithen, Steinmonu mente.ZuvorgingendieMenscheninHöhlen,umsichmit dem Göttinnenkörper zu verbinden. Nun errichteten sie selbstHöhlenundsogarganzeHügelundverändertenso die Oberfläche der Erde selbst. UndfallsdieMegalithen diephysischePräsenzderGöttinzumAusdruckbrachten, leistetenvielevonihnennochetwasmehr:Sieverschlüs selteninsicheinfundiertesundkomplexesnaturwissen schaftliches Wissen um solche Dinge wie die Bewegung desJahresdurchseineverschiedenenJahreszeitenunddie Art und Weise, wie sich dasSonnenjahrmitdenPhasen undZyklendesMondesüberschneidet. WirlebenvondiesengroßenWesenamHimmel.Unsere Nahrung hängt von der Sonne ab. Die Fruchtbarkeit der FraufolgtdemMond.DurchdieunglaublicheVerwegen
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heit und Hingabe der Megalithenbauer vereinigten die MenschenderJungsteinzeitverschiedeneAspektedeshei ligen Körpers miteinander: die Weite und Offenheit des Himmels, die unumstößlichen Zyklen von Sonne und Mond und die seit langer Zeit bestehende Festigkeit des Gesteins. Bei so vielen dieser Konstruktionen, von den Steinkreisen über die Erdhügel bis zu den Ganggräbern, scheinendieErbauervoneinerbestimmtenÄsthetikinspi riertwordenzusein–derrundenFormundderFülledes weiblichenKörpers.
DieAnfängedesAckerbaus Autoren,dieüberdiefrühemenschlicheKulturschreiben, bieten unterschiedliche Zeiten undOrtefürdieAnfänge desbewußtenPflanzensundErntensan.JosephCampbell zufolge beginnt der Ackerbau ungefähr um die gleiche Zeit,10000v.Chr.,invierverschiedenenRegionen–Nord und Südamerika, Südostasien und Pazifik, Südwestasien sowieAfrika.MerlinStone,diesichaufdenNahenOsten konzentriert,schreibt,daßderfrühesteNachweisfürden AckerbauinSyrien,JordanienundJerichoaufetwa8500v. Chr. zurückgeht. James Mellaart datiert Ackerbaugeräte auf9000v.Chr.undschreibtaußerdem,daßSchafezuerst um8900v.Chr.domestiziertwurdenundderHandel(mit Obsidian) zwischen Anatolien, Türkei, und der Stadt Je richonahedemWestuferdesFlussesJordanbereitsfürdas Jahr8300v.Chr.belegtist. Im größten Teil Europas ereigneten sich diese enormen kulturellenUmwälzungenersteinigeZeitspäter.DieWis senschaft der Archäologie entstammt der europäischen Kultur,waseinGrunddafürist,daßwirsovielmehrüber frühe europäische und nahöstliche Ackerbaugesellschaf tenwissenalsüberdieKultureninAsien,AfrikaoderSüd undNordamerika. Ein anderer Grund sind die Megalithbauten selbst, die große Zahl der Erdhügel, Steinkreise, Tumuli, Dolmen, SteinhügelundanderenBauwerke,diesichvonIrland
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und Großbritannien über Westeuropa nach Skandinavien, Malta,Sizilien,Kretaunddarüberhinauserstrecken.Die Megalithen verdienen unsere Aufmerksamkeit, erfüllen unsmitEhrfurchtundNeugierde.Werhatsiewirklichge baut? Welchem Zweck dienten sie?Warumkamensiezur gleichenZeitwiederAckerbauauf?Undvorallem:Was bedeutensie?
MegalithkunstaußerhalbvonEuropa AuchananderenOrtengibtesÜberrestevonMegalithen undErdwerken.WirfindenSteinkreise,Dolmen,Menhire und andere Bauwerke unter anderem in Neuengland, Alaska,Madagaskar,PeruundaufdenNeuenHebriden. Durch den Kolonisierungsprozeß gerieten sie jedoch in Vergessenheit oder wurden sogar zerstört. Der heutige BundesstaatOhioindenVereinigtenStaatenumfaßteeinst TausendevonGrabhügelneinesVolkes,daszurZeitder AnkunftdererstenEuropäerbereitsausgestorbenwar.Die späteren Indianer waren zwar nicht die Erbauer dieser Hügel gewesen, zerstörten sie aber auch nicht. Europäi sche Bauern jedoch pflügten fast alle nieder, so daß nur nocheinwinzigerBruchteilvonihnenerhaltengeblieben ist, der heute in staatlichen und Nationalparks unter Schutzsteht.MitihrersanftanschwellendenFormlassen auchsieandasBildeinesschwangerenBauchesdenken. Die meisten Amerikaner haben von Stonehenge gehört undFotosgesehen.AbersehrwenigewissenvondenErd hügelninOhioodervonderSchlangenskulpturvonrund 400 Metern Länge im südlichen Ohio, von dem astrono misch ausgerichteten Erdhügel in Cahokia/Illinois, der zweieinhalbmalsogroßistwiedieCheopsPyramide. Können wir angesichts des Wissens um die enge Bezie hungzwischenSchlangenundGöttinneninsovielenTei len der Welt annehmen, daß diese eleganten Skulpturen von einer Zeit und einer Kultur berichten, als noch kein zorniger Gott »Feindschaft gesetzt hatte« zwischen der FrauundderSchlange?
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DasObservatoriumvonChacoCanyon Amerikanerhabenvielleichtdavongehört,daßdieaufge hendeSonneamTagderWintersonnenwendedenKam merhügel von Newgrange in Irland durchdringt, so wie dieerstenSonnenstrahlenamTagderSommersonnenwen dedenFersensteininStonehengeberühren;dochnursehr wenigewerdenvonChacoCanyoninNeuMexikogehört haben.DorterrichtetendieAnasazivor1000Jahreneinen SonnenkalenderinStein,dendieKünstlerinAnnaSofaer 1977 wiederentdeckte. Auf einer 150 Meter hohen Berg kupperitztendieAnasazizweispiralförmigeBilderinden Stein(Petroglyphen),dievondreigroßenSteinplattenge schütztwurden(wirwerdenbaldsehen,daßdieSpirale, auchinihrerzweitensymbolischenBedeutung,denLauf derSonnedurchdasJahraufzeichnet).JedenTagzurMit tagszeitfälltdasLichtdurchdieRitzenzwischendenPlat ten.AmTagderSommersonnenwende,wenndieMittags sonneihrenhöchstenPunktamHimmelerreicht,erscheint einLichtdolchinderMittedergrößerenSpirale;amTag der Wintersonnenwende berühren zwei Lichtdolche die Außenseiten der Spirale, und zurZeitder Tagundnacht gleichendurchdringtdasLichtdieMittederkleinerenSpi rale.Darüberhinauspassiertalle19JahreeinSchattendie MittedergroßenSpirale,andemTag,andemdieSonnein einer Position aufgeht, die der Vollmondnurdieseseine Mal in einem 19 Jahre dauernden Zyklus erreicht. Der Schatten halbiert die 19 Ringe der Spirale (der Pfad des MondesbildetebenfallsSpiralen)undrichtetsichaneiner eingeschnittenenKerbe aus.DerMondselbstwirfteinen Schatten, der den äußersten linken Rand der Spirale berührt. WiediemeistenanderenAmerikanerwußteichnichtsvon diesemWunderwerkderKunstundWissenschaftinmei nemeigenenLand.IchbinLucyLippardfürdieobenan geführteBeschreibungvonChacoCanyoninihremBuch Overlay zu Dank verpflichtet. Lippard weist darauf hin, daßdieErrichtungeinessolchenKalenderseinfundiertes
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Wissen über Astronomie, die Physik der gekrümmten Oberfläche und präzise Vermessungen voraussetzt, um dieGravierungeninderrichtigenGrößeanderrichtigen Stelleanbringenzukönnen.Wirkönnendemhinzufügen, daß sie gleichfalls mit dem Wunsch verbunden ist, den wechselhaften Himmelskörper in der Beständigkeit von Steinzuverwurzeln. TrotzsolcherWunderwerkeinmeinemeigenenLandwird sichdiesesKapitelinersterLinieaufdieneolithischePeri odeinEuropakonzentrieren.DaichwährendderRecher chen für dieses Buch in Europa lebte, besuchte ich hauptsächlich europäische Stätten. Darüber hinaus sind diearchäologischenFundeinEuropa,wiebereitserwähnt, vieldetaillierterdokumentiertalsanderswo.
DieSchönheitderMegalithbauten DieBandbreitedereuropäischenMegalithbautenerstreckt sich von dem erhabenen Steinkreis von Avebury (der so großist,daßinseinerMittesogareinmodernesDorfliegt) überStonehengebishinzuSteinkreisen,dienureinpaar Meter querfeldein außerhalb von Sligo in Irland zu fin den sind. Sie bewegen sich von den begehbaren Grab hügeln von Newgrange und Knowth, die jeweils eine FlächevonknappeinemhalbenHektareinnehmen,über kleinekünstlicheHügelinSkandinavienbishinzudeniri schen Cairns oder Steingrabhügeln, die gerade so groß sind,daßmaninsiehineinkriechenkann.Selbstdieeinzel nen Steine können ein großes Geheimnis in sich bergen. Massiv,imLaufevonJahrtausendenvonWindundWas serverwittert,stellensieseltsameFormendar,Traumbil derngleich. DerBesuchderMegalithbauten,besondersderSteinkrei se,führtunsindielangeundgeheimnisvolleGeschichte derMenschheitein.AuchwennwirihreBedeutungund ihrenZweckergründenoderintuitiverkennenmögen,so hinterließenihreErbauerwiedieHöhlenkünstlervorih nendochkeineweiterenAufzeichnungenalsdieWerke
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MenhireimSteinkreisvonAvebury/England,ca.2500v. Chr.
selbst.DieKreiseundHügelsindeinfachda,inzwischen mit der Landschaft verbunden, Teil des riesigen Körpers vonErdeundHimmelundWasser.Ausineinanderpassen denSteinenodereinzelnenFindlingenaufgebaut,entwe der nackt oder mit Erde bedeckt, vermitteln sietrotzder KomplexitätihrerGestaltungeinBildderEinfachheit.Sie scheinen voll und ganz dorthin zu gehören, wo sie sind. Wenn wir sie betreten,in die Hügelhineingehenoderin denKreisensitzen,werdenauchwirindieseVerbindung derMenschheitsgeschichtemitdenZyklenvonLebenund Tod, dem sich drehenden Jahr und dem Körper unserer Mutter,derErde,einbezogen.
GeheimnissederMegalithbauten DieeuropäischenMegalithbautenhabenzuvielenTheori en über ihre Ursprünge und ihren Zweck angeregt. Der britischenLegendeentnehmenwir,daßderwalisischeMa gier Myrrdin, im Französischen als Merlin bekannt, mit seinen Zauberkräften Stonehenge für König Artus Vater errichtete.DenMenschenspätererKulturen,diedashoch entwickelte technologische Wissen der Steinzeit verloren hatten,mußesvorgekommensein,alskönnemannurmit HilfevonMagiesolcheriesigenSteinblöckeanihrenPlatz befördern.
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InspäterenBerichtenwird behauptet, daß Stonehenge von den Druiden erbaut wurde, die dort angeblich Men schenopfer darbrachten. Als man schließlich zu der Er kenntnis gelangte, daß die Megalithbauten Kulturen wie der der keltischen Druiden zeitlich vorausgingen, wurde angenommen, daß die Erbauer sie unter dem Einfluß Ägyptens oder anderer »fortschrittlicher« Mittelmeerkul turengeschaffenhatten.ErstkürzlichhabenArchäologen mittels der Radiokarbonmethode undderDendrochrono logie (Datierung durch Baumringe) herausgefunden, daß es genaugenommen drei Stonehenges gibt, die im Laufe vonüber1500Jahrengebautwurden,wobeidasältesteet wa3100v.Chr.entstand,JahrhundertevordenPyramiden. DieDebattenüberMegalithbautenhabennichtaufgehört. InfreierWiedergabevonWallaceStevensGedichtThirteen Ways of Looking at a Blackbird werden im folgendendrei zehnMöglichkeitenaufgezählt,alswasmaneinenMega lithen betrachten kann, von denen jede eine zeitgenössi scheTheoriedarstellt,wiemansieinBüchernfindenkann. EinMegalithstellteineriesigeSkulpturdar. EinMegalithkennzeichneteinenOrtderheiligenKraftinderErde. EinMegalithbindetflüssigeErdenergie. Ein Megalith erzeugt »Ultraschall« und elektrische Energie durch Quarzkristalle,dievonLichtaktiviertwerden. EinMegalithist einComputer,derEklipsen,äußereAusrichtungen vonSonneundMond,PhänomenevonPlanetenundKonstellatio nenundandereEreignisseamHimmelaufzeichnet. EinMegalithmarkiertGebietsgrenzen. Ein Megalith bringt ästhetische Landschaftselemente miteinander in Einklang. EinMegalithisteineStättefürFestlichkeiten. EinMegalithisteineBegräbnisstätte. EinMegalithisteineWiedergeburtsstätte. EinMegalithisteineOpferstätte. EinMegalithkennzeichneteinenSchnittpunktderleyLinien. Ein Megalith weist auf einen Akupunkturpunkt auf dem Erdkörper hin.
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BögenaufeinerSteinschwelleamGanggrabvonDowth/Irland, ca.3500v.Chr.
DieVerfechterdieserverschiedenenAnsichtenwetteifern oft miteinander, als ob die Megalithkünstler nur einen Zweck beabsichtigt haben könnten. Die Befürworter der astronomischenTheoriebehauptenbeharrlich,daßessich beidenBögenundKreisenanirischenGanggräbernoder denMenhirenimbretonischenGavriniseinzigundallein um Sonnen und Mondmuster handelt, und belächeln die Theorie,daßdieBilderetwasAnthropomorphesoderReli giösesdarstellen.Anderewiederumbetonengenausohef tig,daßdieBögendieErneuerungdurchWassersymboli sieren. Und viele (obwohl nicht alle) Archäologen halten dieFelszeichnungenfürbloßeZierde,»Gekritzel«.
Astroarchäologie SeiteinigenJahrenrichtetsichdieAufmerksamkeitaufdie »Astroarchäologie«, die Entdeckung von umfassenden ParallelenzwischenSteinkreisenundHimmelsereignissen wiezumBeispieldenSonnenwendenundTagundnacht gleichen.GeraldHawkins,dermitseinemBuchStonehenge Decoded als erster der Öffentlichkeit diese Ideen zugäng lichgemachthat,bezeichnetStonehengealseinengiganti schenComputerzurKennzeichnungvonEklipsen,äuße ren Positionen von Sonne und Mond und natürlich dem berühmtenSonnenaufgangderSommersonnenwende.
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Beispielsweise geht der Vollmond jeden Monat nicht an derselben Stelle auf und unter, sondern bewegt sich in einem Zyklus, der durchschnittlich 18,61 Jahre dauert. Weil die Zahl einen Bruch (0,61) enthält und die Zeit ei gentlichzwischeneinemZyklusunddemnächstenvari iert,hatHawkinsausgerechnet,daß56Jahresichalsganze Zahlambesteneignen,umdieUmlaufbahndesMondes übermehrereJahrzehntezuverfolgen.Stonehengeenthält einenKreisvon56Löchern,dienachihremEntdeckerim 17. Jahrhundert als AubreyLöcher bezeichnet werden. Markiersteine,dieaufdemKreisderAubreyLöcherüber 56JahrehinwegvonLochzuLochversetztwurden,könn ten die Bewegung des Mondes graphisch dargestellt ha ben. Hawkins schreibt, daß esdermodernenWissenschaft nur durchdieErfindungvonComputernmöglichist,alleDa tenzuverarbeiten,diezurBestimmungallerAusrichtun genvonStonehengenotwendig sind.Wirkönntenaußer dem hinzufügen, daß ein gewaltiger Gedankensprung notwendigwar.DieIdeologiedesPrimitivismusmachtes unsschwer,SteinzeitmenscheneinsolcheskomplexesWis senzuzutrauen.SelbstheutedrehtsichderStreitumdie Astroarchäologie oft um das Thema, daß prähistorische MenschensoetwasKompliziertesnichthättenleistenkön nen. NichtalleMegalithbautensindnachdemHimmelausge richtet.InseinemBuchBeyondStonehengeerläutertHaw kinsdieUntersuchungen,diedurchgeführtwerdenmüs sen, bevor wir sagen können, daß eine bestimmteStätte astronomischeEreignissemarkiert.Aberselbstwennwir die größeren Steinkreise als Computer akzeptieren, wird damitnichtwirklicherklärt,warumMenschensieaufge stellt haben.Das WissenumdieEklipsen,dieMondzy klen oder sogar die Sonnenwenden und Tagundnacht gleichen dient eigentlich keinem praktischen Zweck. So solltenbeispielsweisedieFeldfrüchtezurZeitderSom mersonnenwende am 21. Juni schon längst gepflanzt sein.
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Naturwissenschaftliche Kenntnis um ihrer selbst willen ist eine Möglichkeit (so wie Kunst um der Kunst willen eine Möglichkeit ist, wenn wir an die Höhlenkunst denken).EinigedergrößtenwissenschaftlichenProjektein der modernen Gesellschaft, wie etwa hochentwickelte Teilchenbeschleuniger, dienen keinem unmittelbaren Zweck. Die Teilung von Atomkernen hilft uns zwar, die ersten Augenblicke der Schöpfung zu verstehen, aber nicht, unser tägliches Leben zu bewältigen. Betrachteten die Steinzeitmenschen Wissen als einen Nutzen an sich, desenormenAufwandsanRessourcenundArbeitwert, die erforderlich waren, um etwa ein Stonehenge zu er richten? Lassen Sie uns eine Hypothese durchspielen. Angenom men,daßinStonehengeundananderenMegalithstätten Ritualestattfanden,daßdieEreignisseamHimmelsichal lesowohlineinreligiösesalsauchwissenschaftlichesMu stereinfügten.Mancheinerfindetesvielleichtmerkwür dig,daßMenschen,diezupräzisenastronomischenBeob achtungen, komplexen Vermessungen und gewaltigen Bauleistungenfähigsind,dieganzeSacheimDienstevon Religion,ZeremonienundmythischenGeschichtensehen könnten.AbervielleichtistunsereKulturmerkwürdig.Wir haben Wissenschaft und Religion voneinander getrennt, alsobReligionnurinBüchernundEmotionenbegründet liegeundnichtinderphysischenWelt–alsobeinewis senschaftliche Suche nach den Anfängen des Universums nichtsmitReligionzutunhätte.
DieSonnevonNewgrange unddieVerrückten Viele professionelle Archäologen verachten die Anregun gen–undernsthaftenForschungen–vonNichtarchäolo gen,diesiealleineinenTopfwerfenundals»dieVerrück ten«bezeichnen.P.R.GiotschreibtineinemArtikelüber dieMegalithbautenFrankreichsübersie:»DasiedenAr chäologeneineständigePlagesind,istesoftschwierig,ih
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nendie wenigenIdeen, die man ihnen zu verdanken hat, hochanzurechnen.«AberdieArchäologenhabenihreei genen Vorurteile. Während Amateure allzu bereitwillig neueIdeenakzeptieren,gehenProfessionellevielleichtall zubereitwilligübersie–undauchübereinigealteIdeen– hinweg. SowiedieerstenSonnenstrahlenzurZeitderSommerson nenwende den Fersenstein von Stonehenge berühren, schicktdieaufgehendeSonneamTagderWintersonnen wendeeinenstarkenLichtstrahlhinabindiemittlereKam merdesGanggrabesvonNewgrangeinIrland.DasLicht bewegtsichlangsam,wandertdenBodenhinunter,bises die hintere Wand erreicht, wo es zu einem senkrechten Strahl emporsteigt, eine Zeitlang dort verweilt und sich dannwiederaufdemselbenWegentfernt,umdenBetrach teraufsneueindervölligenDunkelheitdieserbemerkens wertenkünstlichenHöhlezurückzulassen.BeimBaudie sesGrabhügelsvor5000JahrenrichtetenseineArchitekten ihnsosorgfältigaus,daßdasLichtauchamMorgenvor undnachderWintersonnenwendeindieKammerfielund jeden Tag eine bestimmte Stelle an der Wand berührte. SelbstwennWolkendieSonneamTagderWintersonnen wendeverdunkelten,wußtendieMenschennochimmer, umwelchenTagessichhandelte,indemsiedieMarkie rungenabzählten.SeitjenerZeithatsichdieErdneigung leichtverändert,sodaßdieWirkungwenigerperfektist, abernochimmerdeutlichsichtbar. Von1849anwarvonNewgrangesovielausgegraben,daß jederdiesesjährlicheEreigniserlebenkonnte.1867schil derteGeorgeRussell,derunterdemNamenA.E.schrieb, eineVisiondesGottesAengus,deralsLichtin»einerhoch ragenden, kreuzförmigen Höhle« erschien, womit New grange gemeint sein könnte. Bis zur Jahrhundertwende warderLichtstrahlzueiner»Legende«geworden,dievon demVerwalterRobertHickeyverbreitetwurde,derloka lenBesucherngestattete,demEreignis beizuwohnen,und vielenanderendavonerzählte.Außerdemschrieb1909Sir NormanLockyer,LeiterdesObservatoriumsfürSonnen
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physik,inseinemBuchStonehengeandOther British Stone Monuments Astronomically Considered, daß Newgrange nach der Wintersonnenwende ausgerichtet sei. Umdiese Zeit herum bezeichnete der Anthropologe W. Y. Evans Wentz,dersichmitirischemVolkstumbeschäftigte,New grangeunddieGrabhügelinGavrinisalsanderSonneori entiert(MarijaGimbutaszufolgeistGavrinisinersterLi nie nach den äußeren Positionen des Mondes ausgerich tet).LockyerundEvansWentzhabenwederdasLichtge sehennochdarübergeschrieben.AberHickeysahesund zeigteesJahrfürJahranderen. UndtrotzdemschriebGlynDaniel,dervielleichthervorra gendsteArchäologeseinerZeitaufdemGebietderMega lithbauten,erst1960überdiese»Legende«:»Esisteinselt samer Schwindel, der fast in toto wiedergegeben werden mußalsBeispielfürdasDurcheinandervonUnsinnund Wunschdenken,demsichdiejenigenhingeben,diedieAn nehmlichkeitendesIrrationalenunddieFreudenderUn vernunftdemangestrengtenDenken,dasdieArchäologie verlangt,vorziehen.«DasSeltsameandiesemVerrißvon HickeysBerichtist,daßmansichdasLichtnurhätteanse henmüssen.ErstimJahre1969fandsichderArchäologe MichaelJ.OKellyvorSonnenaufgangamTagderWinter sonnenwende in Newgrange ein und beobachtete das Licht.AlserseineBeobachtungenveröffentlichte,stießer aufgroßenWiderstand,undunteranderemwurdenVer mutungen,daßessichbeidemLichtnurumeinezufällige Erscheinunghandle,undsogarBeschuldigungenlaut,daß OKellydenBeweisgefälschthabe. DieserBerichtstammtausMartinBrennansBuchTheStars and the Stones. Brennan geht mit seinen Behauptungen manchmalrechtweit,undseinefrüherenSchriftenstellen einigeradikaleIdeenzurDebatte,aberseinWerkenthält bemerkenswerte Entdeckungen von komplexen solaren und lunaren Ausrichtungen in ganz Irland. Die meisten dieser Entdeckungen sind aufdirekteBeobachtungenvon BrennanundJackRobertszurückzuführen(sowohlBrenn analsauchRobertssindKünstler,wassieindieGesell
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schaft von Menschen wie Merlin Stone, Buffie Johnson, VincentScully,MonicaSjöö,BarbaraMor,DorothyCame ron,AnnaSofaerundMichaelDamesaufnimmt).IhreEr gebnisse stießen nicht nur auf enormen Widerstand; sie mußtenoftsogarheimlichindieverschiedenenGrabhügel eindringen,umdieWirkungenderunterschiedlichenAus richtungen zu beobachten (»archäologische Spionage«, wieBrennanesnennt).Undwiedereinmalhättendiejeni gen,dieversuchten,BrennansundRobertsArbeitinVer rufzubringen,einfachnurdasExperimentwiederholen– miteigenenAugensehen–müssen.
Körperformen BrennanselbstlehntdenGedankenaneineanthropomor pheDarstellungbeidenGrabhügelnab.Unddochistdie Formnichtstriktfunktionell.DieGängemüsseneinebe stimmteLängeaufweisen,damitdasLichtrichtigeindrin genkann,aberesistnichtklar,obsiekreuzförmigangelegt sein müssen – eine Form, die die heilige Architektur zur DarstellungdesmenschlichenKörpersimmerverwendet hat.DieenormeGrößederGrabhügel,ganzzuschweigen von ihrer Form, impliziert eine gewisse symbolische Be deutung,wennsienichtgargynäkomorph(wieeineFrau geformt) ist. Der gesamte Grabhügel von Newgrange nimmtbeiweitemmehrFlächeein,alsnotwendigist,um denInnenraumzuüberdecken.DerGangerinnertunsan eineHöhleineinemBerg–oderaneinenSchoß. AbgesehenvondengroßenGrabhügeln,findenwirinIr landviele»Hofgräber«,sobenanntnachdemhalbkreisför migen Eingang, der von zwei geschwungenen Reihen großerSteinegebildetwird.AuchsiehabendieseInnen form,einemKörpermitausgestrecktenArmenundBeinen gleich. Wir begegnen ihrauchinWestKennetLongBar row, dem rechteckigen Langhügelgrab in der Nähe des Steinkreises von Avebury, und wir finden sie in neolithi schenSchreineninsoweitentferntenLändernwiePolen unddemehemaligenJugoslawien.
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EinJahrestag EinevonBrennansEntdeckungenbeziehtsichaufDowth, den dritten der riesigen Grabhügel neben Knowth und Newgrange.ImGegensatzzudenbeidenanderenStätten wurdeDowthnichtrestauriert,sodaßmanlediglicheinen kleinen,mitBäumenundhohemGrasbewachsenenHügel sieht. Bei eingehenderer Betrachtung stellen wir jedoch fest, daß dieser natürlich aussehende Hügel an seinem Fußeeine»Höhle«miteinemEisentorenthält,dasdenZu tritt verwehrt. Und wenn wir den nacktenSteinamFuß des grasbedeckten Hügels untersuchen, entdecken wir eingeritzteSpiralen. Laut Brennan rührt das Licht, das in Dowth eindringt, nichtvonderaufgehendenSonnewieinNewgrangeher, sondern vom Sonnenuntergang der Wintersonnenwende. VielleichthabendieMenschen,diediesenHügelerrichte ten,einenrituellen»Tag«durchdasJahrhindurchbegan gen.EinesolcheeinjährigeZeremoniekönnteinbestimm tenAbständenstattgefundenhaben,vielleichtallesieben Jahre (die Bedeutung der Zahl sieben in der Religion ist weder willkürlich noch »archetypisch«, sondern bezieht sich aufdiesieben»Planeten«–einschließlichderSonne unddemMond–,diefürunserenVorfahrenohneTelesko pesichtbarwaren). DerJahrestagkönnteinNewgrangebeimMorgengrauen am Tag der Wintersonnenwende begonnen und sich das ganzeJahrhindurchanverschiedenenStättenfortgesetzt haben (wobei sich möglicherweise verschiedene Gemein schaften auf der ganzen Insel zusammenschlossen). Zur Zeit der Tagundnachtgleichen könnten in Knowth beson dereEreignissestattgefundenhaben.Knowth,dergrößte und möglicherweise komplexeste Grabhügel, weist zwei entgegengesetzte Eingänge auf, einer führt nach Osten undderanderenachWesten,umsowohldenSonnenauf gang als auch den untergang der beiden Tagundnacht gleichen zu markieren – oder vielleicht den Sonnenauf gang der Frühlingstagundnachtgleiche und den Sonnen
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UntergangderHerbsttagundnachtgleiche, wenn der »Jah restag«sichseinemEndenäherte.Schließlichendeteder Ritualtag wieder am Tag der Wintersonnenwende, aber dannbeiSonnenuntergang,inDowth. EinesolcheSpekulationkönnenwirnichtüberprüfen.Ich muß zugeben, daß ich sie bizarr finde, aber andererseits denkeich,daßsiedemgroßenNetzwerkvonMonumen teneinegewisseSymmetrieverleiht.Undsiestimmtmit derArtundWeiseüberein,wieandereKulturendieWelt und die großen Sonnenereignisse des Jahres betrachten, nämlichalseineeinzigeSchöpfung,lebendigundmithei ligerKrafterfüllt. Die Archäologen ziehen es vor, solchen phantastischen IdeenausdemWegzugehen(wassieauchtunsollten,da sie sichmit empirischenBeweisenbeschäftigenmüssen). Zugunsten einer Konzentration auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen alter Völker zieheneszeitgenössischeArchäologenvor,FragenderRe ligionzuignorieren(ganzzuschweigenvondenZeugnis sen des Volkstums). In dem Buch The Megalithic Monu mentsofWesternEurope,herausgegebenvonC.Renfrew,zi tiertOKellyeinen1969veröffentlichtenArtikelvonA.Fle ming,demselbenJahr,indemOKellysichvondemLicht in Newgrange überzeugte: »Die Muttergöttin hat uns zu lange festgehalten; wir wollen uns aus ihrer Umarmung lösen.«Woraufdiejenigenvonuns,diedie(wieder)erwa chende Göttinnenreligion erforschen, vielleicht einfach antworten:»Wirwollendasnicht.«
GrabstättenundArchäologen Die professionelle Archäologie bezeichnet die Megalith bautenüberallinEuropaals»Grabstätten«unddieneoli thischeKulturzuweilenalsvomTodbesessenoderumei nenTotenkultzentriert.EinemNichtarchäologenmagdas Beharrendarauf,jedesMonumentalseinGrabanzusehen, zwanghaftvorkommen.AusgräberhabenineinigenMe galithstrukturenRestevonSkelettenundverbranntenLei
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chengefunden,aberkeineswegsinallen.Ruth Whitehou se,dieinTheMegalithicMonumentsofWesternEuropeüber kreisförmige Strukturen in Italien schreibt, zitiert Lillius Beobachtung, daß nur etwa 50 dieser Anlagen Hinweise auf Bestattungen lieferten. »Tatsächlich«, schreibt White house,»enthieltenlediglichdreiGrabstättenwirklichSke lettmaterial.«Undsiefährtfort:»IndenmeistenDolmen... wurdenwederSkelettrestenochArtefaktegefunden...Wir wissennicht,obdieDolmenfürEinzeloderKollektivbe stattungen bestimmt waren.« Sie scheint nicht die Mög lichkeitinBetrachtzuziehen,daßsieüberhauptnichtfür Bestattungenvorgesehenwaren. DieGesellschaft,dieNewgrangeerbaute,benutztedieAn lagewahrscheinlichjahrhundertelang.1967durchgeführte Ausgrabungen brachten verbrannte und unverbrannte menschlicheKnochenansTageslicht–voninsgesamtetwa fünfMenschen;fünffüreinderartkomplexesundriesiges Bauwerk!InihremBuchAConciseGuidetoNewgrangebe zeichnetClaireOKellydieseResteals»ausreichend,um zubeweisen,daßdieseStättefürBestattungenverwendet wurdeundnicht,wieangeregtwurde,alsZenotaphoder Tempeldiente.«FünfineinemriesigenHügel,dergebaut wurde,umjahrtausendelangdenSonnenaufgangimWin terexakteinzufangen. InvielenFällenhatniemanddieinMegalithstättengefun denenmenschlichenÜberrestedatiertundsodieMöglich keitoffengelassen,daßspätereKulturenodereinzelneGe meinschaftensiealsBestattungsplätzeverwendeten.Aber selbstwenndieSkelettfundezudenMenschenausderur sprünglichen Erbauerkultur gehörten, warum sollten die Stätten deswegen vornehmlich Grabstättengewesen sein? Brennanweistdaraufhin,daßinderKathedralevonWest minster innerhalb eines viel kürzeren Nutzungszeitraums weit mehr Leichen bestattet wurden als in Newgrange. Würden wir diese Überreste als »ausreichend« ansehen, umdie Behauptungaufzustellen,daßWestminsternicht fürreligiöseZweckeverwendetwurde?Diejenigen,dieal le Monumente als Grabstätten ansehen, argumentieren,
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daß Grabräuber die Beweise beseitigt hätten. Aber GrabräubertrachtengewöhnlichnachGoldundEdelstei nen. Warum sollten sie Knochen wegschleppen? Und selbstwennesmöglichist,daßGrabräuberamWerkwaren, liegendafürkeinekonkretenBeweisevor. DieGrabtheoriehateinelangeVorgeschichte.Inderkelti schen Legende wurdeNewgrangealsdieGrabstätteder alten Könige von Tara bezeichnet. Jahrhundertelang galt SilburyHillbeidenBewohnernvonWiltshirealseinriesi gesGrabfüreinenlegendärenKönigSil.Undauchwenn die Menschen die Steinkreise oder Dolmen gewöhnlich nichtalsFriedhöfebetrachteten,hieltenvielevonihnensie für Orte, an denen Menschenopfer dargebracht wurden. JedochrührtendieseMeinungenvonderEinstellungspä tererKulturenher,diemitdenMonumentenselbstüber hauptnichtszutunhatten. DerBegriff»Totenkult«beziehtsichvielleichteheraufun sereeigeneKulturalsaufdieneolithische.Welcheandere GesellschafthatjemalsjedeneinzelnenLeichnamineinem eigenen privaten Stück Land, in dekorativen, mit Samt ausgekleideten Särgen begraben, angekleidet und ge schminkt,umwiezuLebzeitenauszusehen,undmiteiner großen,graviertenMarmorplattegeehrt? DieGrabtheorieüberdieMegalithbauteninFragezustel lenbedeutetnicht,daßdieMenschensieüberhauptnicht alsBegräbnisplätzebenutzten.Offensichtlichdienteneini ge Megalithbauten vornehmlich als Grabstätten. Von 76 »Gräbern« auf den OrkneyInseln enthielten lediglich 26 menschlicheKnochen.Inzweivonihnenfandmanjedoch 157beziehungsweise341Skelette,genügend,um,wieMa rijaGimbutasschreibt,»alleToteneinerganzenGemein schaftzurepräsentieren«.WirbezweifelndieGrabtheorie, damitwireineVielfaltvonMöglichkeiten,sowohlwissen schaftlichewieauchreligiöse,zuerkennenvermögen,die imBewußtseinderErbauernebeneinanderexistierthaben könnten.WennGrabhügelalsGrabstättenverwendetwur den,danndeutetdiegewählteForm–undeineAusrich tungnachdemSonnenaufgangzurZeitderTagundnacht
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gleichenoderderWintersonnenwende–mit dem kreisför migen Hügel als Schoß und dem Gang als Geburtskanal aufeineIdeederWiedergeburthin.
Grenzmarkierung DerArchäologeColinRenfrewäußertdieAnsicht,daßdie Monumenteals»Landmarkierungen«dientenundzuver stehengaben,daßeinebestimmteGruppeübereinTerrito rium herrschte. Es ist nicht leicht einzusehen, wie das funktionierensollte.WiekönntebeispielsweiseeinStein kreisanzeigen,welchesStückLand»beansprucht«wurde? Oder warum erforderten einige Orte mehrere ziemlich dicht beieinander liegende große Hügel oder Kreise und anderewiederumüberhauptkeine?Oderwarumsollteein Steinhügel an einer Stelle, ein Dolmen an einer anderen undeinriesigesGanggrabaneinerdrittenausreichen.An dererseits,warumsolltenwirdieIdeekurzerhandabtun, wie es einige Befürworter megalithischer Spiritualität zu tunscheinen? MenschenverspürenoftdasBedürfnis,ihreAnwesenheit zukennzeichnen.InNeuenglandundimOstendesBun desstaatesNewYorkfindetmanrechtgroße(undoftschö ne)MenhireodersogarganzeReihenoderHalbkreisevon Steinen,dienebendenAuffahrten,Rasenflächen,Eingän gen oder Parkplätzen von unzähligen Häusern, Kirchen, BankenundEinkaufszentrenaufgestelltsind.Indemwin zigenDorfNorthSalemimStaatNewYorkkannmanei nengroßen,ungefähr90TonnenschwerenFindlingsehen, dessenFormeinwenigdemKopfeinerSchlangeoderei nerSchildkröteähneltundderaufmehrerenkleinen,ke gelförmigen Kalksteinstützen ruht, die zu einem gleich schenkligen Dreieck angeordnet sind. Befürworter der nordamerikanischen Megalithkultur halten dieses Gebilde für einen Dolmen (und einige behaupten, daß Menschen sichunterihmhindurchbewegten,umrituellwiedergebo renzuwerden);dieakademischeArchäologiedagegenbe trachtetesalsdiezufälligenÜberresteeinesGletschers.
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Dolmen odernicht,der Findling liegt sehr nahe bei der ört lichen Kirche, und vor der Kirche befinden sich zwei prachtvolleMenhire,wieeinTorzurgeistigenWelt. Warum könnten die Megalithen nicht als Markierungen und zugleich als spirituelle Wirklichkeit gedient haben? Die Menschen scheinen dem Land ihren Stempel auf drücken zu müssen. Wie bei den Handabdrücken in der Felskunst (Handabdrücke tauchen auch an den Wänden von Çatal Hüyük auf, darunter auch der Abdruck einer Kinderhand auf einer Statue, die den Körper der Göttin darstellt) könnten die viel größeren Steinbauten einen Platz als heiligen Bezirk ausgewiesen haben. Vielleicht stellensieeinBedürfnisdar,denunsichtbarenKörperder geistigenKraftinderWeltsichtbarzumachen. HandabdrückeineinergroßenHöhlehabenetwasZaghaf tesansich,sindeinekleineGestederAnwesenheit.Biszur ZeitdesNeolithikumshattendieMenscheninEuropaan Selbstvertrauen gewonnen, so daß sie in England die Landschaft selbst verändern konnten, indem sie ganze Hügelerrichteten,wiezumBeispielSilbury,odereinenbe stehenden Berghang zu einer labyrinthähnlichen Form skulptiertenundaufdieseWeisedasnatürlicheLandinet wasvonMenschenhandGeschaffenesverwandelten,wie in Glastonbury (zum »Labyrinth« von Glastonbury siehe Kapitel5). DieIdeevon»Wildheit«alsetwasUnberührtesundReines scheint ein relativ modernes, europäisches Konzept zu sein,beidemwirDualitätinunserezivilisierteWeltproji zieren–aufdereinenSeiteOrte,Plätze,dievonMenschen bewohnt werden, und andererseits die von Tieren und Barbaren bewohnte Wildnis. Im Zuge der Verstädterung der Welt haben wir eine Sehnsucht nach »Wildheit« ent wickelt,aberdasistinWirklichkeitnurdieandereSeite desälterenGlaubensdaran,daßdieNaturgefährlich,bö se,fremd–undweiblich–ist. VieleKulturenhabenkeineSpaltungzwischeneinemsi cheren,vonMenschenbewohntenGebietundderWildnis vollzogen.BetrachtetmandieganzeWeltalsdenKörper,so
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wirddieganzeWeltheilig.Das magzudemWunsch führen, dieLandschaftzuverstehenundsiekartographischzuer fassen,sowiediehebräischenMystikerShiurKomah,»die MessungdesKörpers«vonGott,durchführen(sieheKapi tel 1). Diese Kartographie ist spiritueller Natur, aber gleichfallspraktisch,dennMenschenmüssenumdieMu sterderNaturwissen.Siemüssenwissen,wiemanWild undWasserfindet.Siemüssenwissen,wodasTerritorium einer jeden Gruppe anfängt und aufhört, nicht nur um Konflikte zu vermeiden, sondern auch, um sich um das Landkümmernundfüresverantwortlichseinzukönnen. Diese praktischen Notwendigkeiten schließen nicht das spirituelleBedürfnisaus,unsereeigenenKörpermitdem Körper des Landes zu verbinden, sondern ergänzen es vielmehr. Oder um es andersherum auszudrücken, die Wahrnehmung der Landschaft als den göttlichen Körper lieferteinmachtvollesMotivfürdenpraktischenWertdes KartographierensvonTerritorium.
DieSonglinesderaustralischenAborigines Für die australischen Aborigines ist jedes landschaftliche Merkmal der Körper eines »Traums«, eines mythischen Ahnen,derindasLandhineingegangenistundjetztals einWasserloch,einHügelodereinBuschinErscheinung tritt.JedesMerkmalwirdkartographischerfaßt.DieMen schenkennendasLandganzgenauundkönnen,manch mal allein, riesige Entfernungen zu Fuß zurücklegen, in demsiediesenpräzisenundzugleichspirituellenKarten folgen. IndenletztenJahrzehntensinddieeleganten,abstrahier tenMalereienderAboriginesweltberühmtgeworden.Die Malereien stellendieLandschaftingroßartigensymboli schenEinzelheitendar.UnddennochbenutzendieAbori gines sie nicht als Karten. Sie kartographieren nicht mit Bildern,sondernmitLiedern.DasmagMenscheneuropäi scher Herkunft sonderbar vorkommen, so sonderbar, daß wireineReisemitHilfeeiner solchenLiedkarte fast für ei
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ne übersinnliche Leistung halten, eine Art Zauberei oder Telepathie.AberwarumsollteeinegraphischeDarstellung odereinStückPapieralsKartebesserfunktionierenalsein Lied?JedeKarteisteinemenschlicheSchöpfung,eineMe tapher für die Welt. Ihr Wert liegt darin begründet, wie präziseundsorgfältigdieMetapherdasGebietbeschreibt. DoloresLaChapelleschreibt,daßdieIndianerderkalifor nischen Wüste Pfaden folgten, die sie mit Liedern karto graphierten. Es liegen Belege vor, daß in prähistorischen ZeitenquerüberdenPazifikHandelbetriebenwurdeund Migrationenstattfanden,denganzenWegvonNeuguinea bisnachNordundSüdamerika.Einigeglauben,daßdie Seeleute,diedieseungeheurenEntfernungenzurückleg ten,vonInselzuInselzogenundmitHilfevonLiedkarten denSternenundStrömungenfolgten. Die songlines, wie sie der englische Schriftsteller Bruce Chatwinnennt,dieTraumpfade,dienennichtnuralsWeg weiserfürReisen,sondernsielegenauchTerritorienfest. Stammesgruppen oder einzelne Stammesangehörige sit zenanGrenzenundsingenihreLieder,diesiegemäßei nemkompliziertenSystemvonpersönlicherundkollekti verVerantwortungmiteinanderteilen.DasSystemfunk tioniertaufvielenEbenenpraktischundwirksamundhilft denMenschenseitZehntausendenvonJahren,indenver schiedensten, oft rauhen Umgebungen zu leben. Und außerdemistesheilig.DasPraktischeunddasHeiligewider sprecheneinandernicht,sondernunterstützensichgegenseitig. DieheiligeMachtderLiederbefähigtdieMenschen,sich an sie zu erinnern, und verleiht ihnen die Autorität, die schonseitsolangerZeitwährt.ImheutigenAustralienak zeptiertdieRegierungdieheiligeKunstunddieheiligen LiederalsBeweismittelinLandrechtsfällen. DieaustralischenAborigineslebenineinemLandundin einerKultur,dieinZeitundRaumsehrweitentferntvon den europäischen Megalitherbauern ist, und trotzdem könnenwirvonihnenlernen,daßeseinepraktischeBezie hungzurErdeeherverstärktalsausschließt,wennman dasLandalsdengöttlichenKörperansieht.
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SpiralenderSonneunddesMondes InunsererZeitbemühtsichdieWissenschaft,sichvonder Religionzutrennenundein»reines«Bildvonphysischen Tatsachen zu vermitteln. Diese Situation entstand zum Teil, weil sich die Religion im MittelalterundinderRe naissancevonderWissenschaftlossagteunddieoffiziellen LehrenderKirchesichverhärteten,nichtmehrmitÜberle gungendarüberbefaßtwaren,wasdieMenschentatsäch lichvonderExistenzwußten.DieseEntwicklungwieder umhatteihrenUrsprungineinerReligion,dieaufeinem überirdischenGottbasiert,derwichtigeristalsdiebloße physischeWelt,undaufeinemWissenumihn,dasausei nemBuchstammtundnichtausderBeobachtungderNa tur.UmsichvoneinerderartigenVerdummungzubefrei en,sahdieWissenschaftalleReligionenalsAberglaubean. Erstjetzthabenwirangefangen,dieerhabenenTiefender Beobachtungwiederzuentdecken,dieinneolithischenund anderen»primitiven«Sakralbautenverschlüsseltist. Wenn sich naturwissenschaftliche Kenntnisse mit dem göttlichenKörperderNaturverbinden,wennsiezueinem AspektdiesesKörperswerden,gewinnensieanKraftund zugleich an Bedeutung. Aus der Natur gewonnene Bilder werdenzuheiligenSymbolen,unddieseSymbolewieder umführenzueinemsubtilerenVerständnisderWelt.Wis senbewegtsichnichtgeradlinig,sondernineinerSpirale, die sich voneiner zentralgelegenenBeobachtungzuei nemimmerumfassenderenBewußtseinöffnet.DasBildist nichtnurausdemGrundgeeignet,weilwirSpiraleninder heiligenKunstderganzenWeltfinden,sondernauchdar um, weil die Spirale selbst ein Beispiel für die Vermi schung von wissenschaftlicher Kenntnis und spiritueller Symbolikist. Wirhabenbereitsgesehen,daßSpiralbildermöglicherwei se von Schnecken und anderen natürlichen Formen, von SeemuschelnhinbiszuGalaxien,herrühren.Spiralförmi ge Bilder können außerdem die Muster von Sonne und Mondnachahmen.DieaufunduntergehendeSonneim
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pliziert einen Kreis (dessen untere Hälfte unsichtbar ist), aberdieserKreiswirdaufgrunddersichtäglichändern denSonnenpositiongrößeroderkleiner.Währendwiruns von der Wintersonnenwende zur Sommersonnenwende bewegen,beginntderKreisjedenTaganeinementfernte renPunkt,sodaßdiesichtbareBewegungtatsächlicheine imUhrzeigersinnverlaufendeSpiraledarstellt(wennman nachSüdenblickt,indieRichtungderSonne).Inderande renJahreshälftebewegtsichdiesichtbareSpiraleweiterhin im Uhrzeigersinn, aber sie zieht sich zusammen, anstatt sichauszudehnen. WennwireinJahrlangdieunterschiedlicheSonnenpositi on zur Mittagszeit graphisch darstellen, zeigt sich eine komplexere Spirale. Charles Ross – schon wieder ein Künstler – hat den Lauf der Sonne aufgezeichnet. Dafür verwendeteereineLinseaufdemDachseinesNewYorker Ateliers,diealltäglichzurMittagszeiteinZeicheninHolz brannte.DieAnordnungallerZeicheninderrichtigenRei henfolge läßt eine Doppelspirale erkennen, die von der WinterzeitbiszumSommerdieRichtungändert.DieDop pelspiralform taucht bei den irischen Ganggräbern auf. AußerdemstelltesieeinMigrationssymbolbeideneinge borenenAmerikanernimSüdwestenderVereinigtenStaa tendar(inFormeinerMarkierungentlangdesWeges,den sie das ganze Jahr über benutzen, demselben Zeitraum, den die Sonne braucht, um dieses Doppelspiralbild her vorzubringen). DieBahndesMondesistkomplizierter,dennobwohlerim OstenaufundimWestenuntergeht,bildetseineBahnden Monathindurch,wieMartinBrennansagt,»eineSpirale, deren aufeinanderfolgende Windungen die scheinbare Sonnenbahnineinerwestlichen,gegendenUhrzeigersinn verlaufenden Bewegung kreuzen, welche der Richtung derSonneundderPlanetenentgegengesetztist«(aus:The StarsandtheStone). Wir können entgegengesetzte Spiralen als bildliche Dar stellungenvonSonneundMondinterpretieren.Verschie deneSpiralengebenalsodieMusterunsererwichtigsten
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DarstellungderSonnenbahnimJahresverlauf(nachRoss)
Himmelskörper wieder. Aber die Sonne und der Mond sindnichteinfachObjekteamHimmel,dieLichtundWär me abgeben, sondern sie sind auch Symbole. Sonne und MondstehenfürdieverschiedenenEigenschaftenvonTag und Nacht. Sie symbolisieren Einfachheit und Komple xität,VernunftundIntuitionundineinigenKulturendas MännlicheunddasWeibliche.Aufeinerkomplexerenpsy chologischen Ebene verbindet uns eine spiralförmig im Uhrzeigersinn verlaufende Bewegung mit der Sonne. RechtsläufigeSpiralenbeschwörendieBeziehungzurWelt undzurErhöhungvonEnergie.LinksläufigeSpiralenkön nen Trennung, LoslösungvonderäußerenWelt(einGe fühl der Wendung nach innen) oder ein Freiwerden von Energiebewirken.Unddaserreichensieaufeinerunbe wußtenEbene.WirerhaltendieseReaktioninderKörper bewegung,beispiralförmigenTänzen.OfttauchenSpira len während der Meditationspontanim Geisteauf.Diese intuitive, emotionale Reaktion auf Spiralen geht zurück aufSonneundMondunddarauf,welcheBedeutungsiein unseremLebeneinnehmen.DieseSymbole–Sonne,Mond, ihreBewegungenundihrespiralförmigenBahnen–sind nichteinfachintellektuellerNatur.Siebeeinflussenunsere Körperbewußtundzugleichunbewußt. WirbegegnenDoppelspiralbildernanvielenOrten,wieet wadenTempelnvonMalta,diekaumHinweiseaufastro nomische Ausrichtung liefern (Paul I. Micallef hat eine
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GöttinnenstatuettederCucuteniKultur mit Spiraldarstellung; Rumänien, ca.4300v.Chr.(nach Gimbutas)
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StudieüberdenmaltesischenTempelMnajdraverfaßt,der alseinKalenderdieSonnenwendenundTagundnachtglei chenkennzeichnet;jedochhältMicallefdiesenTempelfür einzigartig unter den maltesischen Monumenten). Dop pelspiralenfindensichferneraufvielenGöttinnenfiguri nen–aufsovielen,daßO.G.S.CrawfordDoppelspiralen (und andere Formen) als »die Augengöttin« bezeichnete, darauf hinweisend, daß dort, wo »Augen«Formen von selbsterscheinen,siedieGöttindurchihreMachtdesSe henszuverstehengeben. InIrlandtaucheneinfacheunddoppelte(undmanchmal dreifache) Spiralen auf den Steinen von Newgrange, Knowth, kleineren Grabhügeln sowie Cairns beziehungs weise Steingrabhügeln allein, und ohne andere bildliche Darstellungenauf.AnanderenOrtenjedochfindetman sie direkt am Körper der Göttin. Bei einer wunderbaren Statuette aus Rumänien, die in der CucuteniAZeit, ca. 4300v.Chr.,entstandenist,istdasGesäßmitgegenläufi genSpiralenverziert. WennwiranGrabhügelunddenweiblichenKörperden ken,fallenunszuerstBrüsteundderschwangereBauch ein.InderpaläolithischenundneolithischenKunstjedoch wirdoftdasGesäßbetontundmanchmalzueinerAndeu tungvonHügelnoderBergenübertrieben.Beidenmeisten SäugetierenbegattetdasmännlicheTierdasWeibchenvon hinten.FrüheHominidenhabenvielleichtdasgleichege tan,einePraxis,diebiszumAuftauchendesHomosapiens weitergeführt wurde. Beim Geschlechtsverkehr würde sichalsodasGesäßvordemEingangzudergeheimnisvol lenDunkelheitderVaginaerheben,QuelledesLebensund Tor zu den unsichtbaren Geheimnissen des weiblichen Körpers. Die entgegengesetzten Spiralen am Gesäß der CucuteniGöttin könnten die machtvollste Präsenz der sichtbaren lichten Welt bedeutet haben, von Sonne und Mond, genau an der Öffnung zum unsichtbaren Ort der schöpferischenDunkelheit.
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DergestalteteSteinkörperII UnsereHerzensind wund durch die Gewalt, die der OrdnungderaltenGöttinnenangetanwurde. JaneEllenHarrison WennwirandieJungsteinzeitdenken,fallenunsdieStein kreise und die Grabhügel ein und vielleicht Hollywood PhantasienvonMenscheninlangenRoben,dieunterdem Mond Rituale vollziehen. Aber auch weniger plakative AspektedieserfernenWeltlockenunsan.EswareineZeit, in der die paläolithische Anbetung von Tieren und dem weiblichenKörpermiteinanderverschmolz,sodaßwirne ben GöttinnenstatuenderalsBieneoderKuhangebeteten Göttinbegegnen.WirfindensieauchinbestimmtenBäu men und sogar von Menschenhand geschaffenen Objek ten,wieetwaKnoten,verkörpert.EswareineZeit,inder dieMenschenamAnfangeinerrevolutionärenEpocheder ErfindungenstandenundTechnologienundGesellschafts strukturenentwickelten,dieallespäterenGesellschaften, einschließlich unserer eigenen, möglich machen sollten. Undamverblüffendstenist,daßeseineZeitwar,inder sichdieMenschennichtgegenseitigtöteten. Wenn wir diese Zeit und ihre erstaunliche Leistung der Gewaltlosigkeit betrachten, ertappen wir uns dabei, wie wirunsverschiedeneFragenstellen.VorallenDingen,exi stierte sie wirklich? Oder ersinnen wir ein Hirngespinst, genährtvonTeilbeweisenundunserereigenenSehnsucht? KonnteeineKulturvonMenschen,dieeineGöttinanbete ten,wirklichohneMordoderKriegauskommen?Undwie hatdasallesaufgehört?Habenwirunsvoneinerfriedli chenmatrifokalenWeltzueinemgewalttätigenPatriarchat durcheinennotwendigenSchrittinderEvolutionbewegt, odergingalleseinfachschief,verirrtesichineineTragö die,diewirnichtimentferntestenermessenkönnen?
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DasZeitalterderGewaltlosigkeit Die moderne Göttinnenreligion bringt der neolithischen KultursehrvielAufmerksamkeitentgegen.Dafürgibtes mehrereGründe.Wieinderfrüheren,paläolithischenZeit weisendieFundeausdemNeolithikumweiblicheBildnis se in großer Zahl auf, angefangen bei Wandmalereien in SchreinenübergroßeStatuenbishinzukleinenFigurinen. UnddannsindnochdieMegalithbautenzuberücksichti gen,diemitihrenrundenFormenundschoßähnlichenIn nenräumen das Weibliche eher abstrahiert darstellen. Am verblüffendstenvonallem,wennnichtgarrevolutionärist jedoch, daß diese mehrere Jahrtausende währende Zeit praktischkeineAnzeichenfürKrieg,AggressionoderGe walterkennenläßt. WenndieseMenschenwirklichohneGewaltgelebthaben, könnenwirannehmen,daßsiediesmitHilfeeinerReligi onzustandebrachten,diesichumdieMutterschaftzen triert. Wir können außerdem annehmen, daß eine solche Friedfertigkeit von einer Haltung zur Welt herrühren könnte,dieinderErdeundunsereneigenenKörpernwur zelt. Der Mangel an Spuren von Gewalt in der neolithischen Zeitistsovollkommen,daßmaneskaumglaubenmag. Wo auch immer Ausgräber über längere Zeiträume ver wendete Massengrabstätten gefunden haben, ob nun von großen Gemeinschaften oder kleinen Gruppen: Praktisch keiner der Leichname zeigte Spuren eines gewaltsamen Todes – weder durch Krieg noch durch Überfälle, nicht einmal durch Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn. Möglicherweise betrachteten die Menschen zu jener Zeit einen gewaltsamen Tod als Beschmutzung und begruben OpfervonGewalttätigkeitennichtzusammenmitdenan deren. Jedoch wurde für diese Annahme keinerlei Beweis gefunden,undselbstwennsiezuträfe,würdeesaufeine tiefeAbneigunggegenGewalthinweisen.Manvergleiche einesolcheHaltungmitderVerherrlichungdesheldenhaf tenTötens,dieinspäterenKulturenaufkam!
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Der Nachweis der Gewaltlosigkeit bezieht sich nicht nur aufdenTodeinzelnerPersonen.DieinderNähedesana tolischen Çatal Hüyük ausgegrabene neolithische Stadt (für gewöhnlich einfach Çatal Hüyük genannt) zählt zu denältestenStädtenderWeltunddatiertauf7250–6150 v.Chr.DerArchäologeJamesMellaartfandBeweisedafür, daß die Stadt 800 Jahre lang durchgehend bewohnt war. NichteinePlünderungundnichteinMassakeristarchäo logischbelegt–nichteineinzigesMalin800Jahren. DieErbauerderneolithischenStadtÇatalHüyükschienen wiedieGründervielerandererjungsteinzeitlicherStädte nichteinmalanVerteidigungalsKriteriumfürihreStand ortwahl gedacht zu haben. Von Mauern umgebene Fe stungenaufhohenBergentauchenerstinderBronzezeit auf,alsindoeuropäischeEindringlingediefrühereZivili sationvernichteten,dieüber3000Jahrebestandenhatte. In einigen Fällen scheinen die Siedler den Standort ihrer Stadt hauptsächlich aus ästhetischen Überlegungen ge wähltzuhaben,ausdemWunschnacheineransprechen den Umgebung heraus. Auf Kreta, wo gesellschaftliche undreligiöseneolithischeStrukturenineinespätereEnt wicklungsstufe hineingetragen wurden, errichtete man Städte und Paläste im Einklang mit bestimmten Land schaftsformationen. Oft ließ diese Vorgehensweise sie in militärischer Hinsicht in sehr ungeschützten Positionen zurück,undtrotzdemfindenwirkeineMauernoderBefe stigungen.Andere ErwägungenfürdieStandortwahlneo lithischerSiedlungenbezogensichaufgenießbaresWas ser,fruchtbarenBodenundgeeignetesWeidelandfürdie neudomestiziertenTiere.
GlastonburyTorundAvebury WährendspätereGesellschafteneinengroßenAufwandan Befestigungenbetrieben,bautendieMenschenimNeoli thikum Monumente. Glastonbury Tor in England ist ein eindrucksvoller Hügel, der durch seine Verbindung zur Legende von König Artus Berühmtheit erlangte. Irgend
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wann im Laufe der Geschichte hoben die Menschen die natürliche Schönheit des Hügels hervor, indem sie einen HangzueinerReihevonTerrassengestalteten.DieTerras sen bilden eine Art Labyrinth, so daß einige Menschen glauben,siewärenfürProzessionstänzeverwendetwor den(sohabenmoderne»Heiden«fröhlicheProzessionen inGlastonburyveranstaltet).EineBroschüreüberGlaston bury Tor bringt sehr interessante Gründe dafür vor, daß Steinzeitmenschen dieses Werk vollbracht haben müssen: ErstenseignetsichderHügelwederfürdieVerteidigung noch für den Ackerbau und muß daher einem religiösen Zweck gedient haben. Zweitens mußten spätere Kulturen zuvielZeit,Ressourcenund EnergiefürdieVerteidigung gegenEindringlingeaufwenden.Wirkönnenhinzufügen, daßspätereKulturensichnichtdemwidmeten,wasman als heilige Ästhetik bezeichnen könnte – einen ganzen BerghangineinezeremonielleTanzflächezuverwandeln. SowiedieKreterdieLandschaftdurchdenBaueinesPa lastes harmonisierten, die australischen Aborigines jeden AspektdesLandeswieeinengöttlichenAhnenkartogra phierten oder die altsteinzeitlichen Maler sich die Form derHöhlenwandzunutzemachten,umTierbilderhervor zubringen, impliziert die Skulptierung des Glastonbury Hügels,daßeinegöttlicheMachtinnerhalbdesLandesge sehen und die Notwendigkeit menschlichen Handelns empfundenwurde,umdiesenverborgenenKörperunmit telbarWirklichkeitwerdenzulassen. Die neolithischen Erbauer schufen Monumente, um mit denHügelnselbstzukonkurrieren,eineTätigkeit,dieei nen enormen Aufwand an Ressourcen erforderte. Der SteinkreisvonAveburyistTeileinerGruppevonMonu menten, zu denen auch Silbury Hill und das rechteckige Langhügelgrab von West Kennet Long Barrow gehören. Archäologenschätzen,daßfürdenBauderAveburyAnla ge 1,5 Millionen Arbeitsstunden aufgewendet werden mußten.
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Gewaltlosigkeitund Kunst InderneolithischenZeitfindenwirkeineVerherrlichung vonKriegundTöten,dieinspäterenGesellschaftensodo minantist.InÇatalHüyüksind150Wandmalereienerhal tengeblieben.DieKunstspielteindiesersehrfrühenStadt eindeutigeinebedeutendeRolle(Mellaartbetont,daßes wirklich eine Stadt war und keine Siedlung), und keine einzigeder150MalereienzeigtKampf,KriegsoderFol terszenen. Auch auf Kreta weisen die eleganten Kunstwerke, die überallindenRuinengefundenwurden,nichtaufKriegs szenen hin. An diesen Orten haben Archäologen jedoch Waffengefunden.JamesMellaartberichtet,daßfürÇatal HüyükderGebrauchvonSteinschleuder,PfeilundBogen, LanzeundSpeerbelegtist.Aberessindallesamtsowohl JagdgerätealsauchWaffen,sodaßsiekeinenzwingenden BeweisfürKriegeerbringen.VongrößererBedeutungist, daßinderKunstkeineWaffendargestelltsind.Stylianos AlexiouschreibtinseinemBuchMinoischeKultur,daßKre taeineKriegsflottebesaßundSeeschlachtenaustrug.Doch aufderInselselbstbliebenBefestigungenunbekannt,und inderKunstfindenwirkeineSeeschlachten.Vielleichtha ben die Kreter Außenstehende bekämpft, aber sie selbst lebtenfriedlichmiteinander. InderneolithischenKunstfindenwirnichtnurkeineSpu renvonGewalt,sondernauchkeineVerherrlichungeines HäuptlingsoderHerrschers,wedermännlichnochweib lich. Auf den kretischen Wandfresken und Siegeln sehen wir überwiegend Gruppen von Menschen, die sich ge meinsam Aktivitäten wie Stiertänzen oder Opferungen widmen.EinzelneFrauensindfürgewöhnlichGöttinnen oder möglicherweise Priesterinnen, aber keine Königin nen.EstauchtnureineDarstellungeineseinzelnenMan nesauf,unddieseFigur,einanmutigerjungerMann,der Blumenträgt,läßtkaumaufdenallmächtigen»KönigMi nos«schließen,wieervondenspäterenLegendendespa triarchalenGriechenland beschrieben wird.
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SozialeGleichheitunddie Frage desMatriarchats ZusammenmitHinweisendarauf,daßesanGewaltfehlte, finden wir Anzeichen für soziale Gleichheit.Neolithische ÜberresteweisenkeineIndikationenfürSklavereiauf,die inspäterenKulturensoselbstverständlichist.Sieoffenba renkeineStruktureinesallmächtigen(undreichen)Gott königs oder einer herrschenden Klasse, und sie scheinen keine großen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauenzuzeigen. WirhabeneshiermiteinemschwierigenThemazutun.In manchenFällenfindenwireindeutigeHinweiseaufFrau enineinerhöherenPosition,sodaßwirunsmitderMög lichkeitkonfrontiertsehen,daßessichbeiallem,wasin denvergangenen5000Jahrengeschehenist,lediglichum eineUmkehrungdervorherigenSituationhandelt.AlsHi storikerundAnthropologenesinAngriffnahmen,dievor patriarchalenKulturenzuerforschen,stelltensiezweiVer mutungenauf:Zumeinennahmensiean,daßdieseKultu reneinefrüheevolutionäreStufeinderMenschheitsent wicklung darstellten und bis zu einem gewissen Punkt notwendigwaren,aberdaßesgenausonotwendigwar,sie zugunsten eines zivilisierten, dynamischeren Patriarchats zustürzen.WiewirspäterindiesemKapitelsehenwer den, war in Wirklichkeit die neolithische Periode mögli cherweisedieerfinderischsteZeitindermenschlichenGe schichte. Die zweite Annahme betraf die Idee des »Matriarchats«. Wenn Männer nicht geherrscht und Frauen unterdrückt haben,dannmüssenFrauengeherrschtundMännerun terdrückthaben.DiemodernefeministischeForschunghat ein anderes Modell der neolithischen Kultur entwickelt, dasModelleiner»matrifokalen«oder»matristischen«Ge sellschaft.DiesebeidenBegriffebeziehensichaufdieVor stellungeinereher»frauenzentrierten«alsfrauenbestimm tenGesellschaft(umgenauerzusein,bedeutet»matrifo kal«eigentlich»mutterzentriert«und»Patriarchat«wört
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lich »Herrschaft von Vätern«). In einer solchen Situation drehtensichspirituellesDenkenundspirituellePraktiken um eine Göttin, und Name und Besitz gingen von der MutteraufdieTochterüber. In diesem Modell fällten Frauenräte Entscheidungen für den Clan, aber weder versklavten sie die Männer noch schlossensiesievondergesellschaftlichenMachtodervon Entscheidungsprozessen aus. Dieses Modell hängt zum TeilvonderIdeeab,daßdieMuttergöttinihreweiblichen undmännlichenKindergleichermaßenliebt,undzumTeil vonMännerdarstellungeninderneolithischenKunst,bei spielsweiseeineMalereiinÇatalHüyükvoneinemMann undeinerFrau,dieeinanderumarmen.
Grabfunde BestattungenunddieEhrungen,dieeinzelnenMenschen undGruppenzuteilwerden,könnenunssehrvielüberdie relativen Positionen der verschiedenen Mitglieder einer Gesellschaft sagen. Die Beweise aus den Gräberfunden bieten kein widerspruchsfreies Bild im Hinblick auf den StatusvonMännernundFrauenimeuropäischenNeoli thikum.AneinigenOrtenstellenwirkaumeinenUnter schiedzwischenMannundFraufest.AnderePlätzewie derum zeugen von hochverehrten Frauen und fast mißachteten Männern. Aber nirgendwo finden wir solche extremenUnterschiedewiediejenigen,diespäter,zurZeit derKriegsherrenundKönige,dieNormwaren. Die Sesklo, Starçevo und KaranovoKulturen, zwischen 7000und6000v.Chr.inSüdosteuropaangesiedelt,begru benKinderundjungeMenschenbeiderleiGeschlechtsso wieerwachseneFrauenunterdenFußbödenderHäuser. Gräber mit erwachsenen Männern wurden nicht gefun den.ImGegensatzdazuweisenGräberaufdenOrkney Inseln, in der Bretagne, Normandie und Südengland die gleicheZahlvonMännernundFrauenauf.Währendanei nigenOrtenFrauenundMännergetrenntbegrabenwur den,fandmanananderenFrauenundMänner,Kinder
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und Erwachsene in Kollektivgräbern. Insgesamt ist kein ausgeprägtes Muster von extremen Machtunterschieden zwischenFrauenundMännernzuerkennen. Grabbeigaben liefern uns ebenfallsHinweiseaufdieun terschiedlichen Rollen von Männern und Frauen. Nach denWerkzeugenundGegenständenzuurteilen,dieihnen beigelegtwurden,scheintessichbeidenMännernoftum HandwerkerundbeidenFrauenumTöpferinnengehan delt zu haben. Manchmal schienen sich die Frauen der Schönheit und der Kunst verschrieben zu haben, sowohl um des persönlichen Schmucks als auch der spirituellen Symbolik willen. In den Gräbern der LengyelKultur im Donaubecken fand man bei den Männern Steinbeile und HammerbeileausGeweihmaterialundbeidenFrauenmit SpiralenundMäandernverzierteSchmuckstückeundVa sen.DieseSymbolebedeutenmehralsVerzierungen.Spi ralenundMäandererscheineninderGöttinnenkunstund aufGöttinnenfigurinenüberJahrtausendehinweg. InÇatalHüyükschliefendieFrauenaufgroßenPlattfor menmitBlicknachOsten,zuraufgehendenSonnehin.Die Männer schliefen auf kleinen Plattformen, die an keiner bestimmtenRichtungorientiertwaren.Solldasbedeuten, daß Männer keine Rolle gespielt haben? Oder heißt das, daßdieKörperderFrauendieheiligeKraftderFruchtbar keitinsichtrugen? WennFraueninderneolithischenKulturmehrAufmerk samkeit und Respekt entgegengebracht wurde als Män nern, dann geschah das mit Sicherheit auf einer subtilen Ebene,verglichenmitdenUngleichheiten,diespäterkom mensollten.InpatriarchalenGesellschaftenfindenwirdie Versklavung von Frauen, Frauen, die mit einem toten Häuptlinglebendigbegrabenwurden,Frauen,diealsper sönliches Eigentum angesehen wurden, und Frauen, die aufgrundvonGesetzendasHausihresMannesnichtver lassenundsomitnichteinmalaufdieStraßegehendurf ten.NichtsdeutetaufeineähnlicheBehandlungvonMän nernimNeolithikumhin,wederbeidenGrabfundennoch inderKunstoderbeiausgegrabenenÜberresten.
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InspäterenKulturenwurde der König oder der Häuptling mitunermeßlichenReichtümernundoftmitSklavenbe stattet.ImGegensatzdazulegtemaninderneolithischen KulturverehrtenPersonen–altenFrauenundinmanchen FällenMädchenimTeenageralter–Opfergabenundschö neGegenständebei,abernichts,wasdieAusbeutungder »unteren«Klassenverlangte.
Einzelbestattungen ManchmalhattendieEhrenzeichen,dieGräbernbeigelegt wurden,eheretwasmitSymbolikalsmitReichtümernzu tun.InPolenentdecktenArchäologendasGrabeinerFrau von50bis60Jahren,das»einenbiszumRandmitrotem Ocker gefüllten Topf enthielt«, wie Marija Gimbutas schreibt.* Diese Beigabe kann über eine Ehrenbezeigung oder sogar symbolische Bedeutung hinausgehen. Roter OckerbedeutetheiligeMacht,undeinganzesGefäßda von symbolisiert spirituellen Reichtum (man denke im Vergleich dazu nur an das viele Gold, das den späteren Kriegerhäuptlingen beigelegt wurde). Wenn die Frau zu Lebzeiten als Stammesälteste gewirkt hatte, wollten sich dieMenschenvielleichtnachihremTodihrWohlwollen alsAhnengeistsichern. In neolithischen Kulturen ehrte die Gemeinschaft ältere Frauen zum Teil vielleicht wegen ihrer Weisheit und Le benserfahrung, aber auch deswegen, weil nur wenige MenschendasmittlereLebensalterüberschritten.Manhät tebesondersFrauenAchtungentgegengebracht,weilein zelneFrauendieschöpferischeKraftderGöttinverkörper ten und diese Macht auf die natürlichste Weise von der MutteraufdieTochterüberging,nämlichdurchdenAkt desGebärens. Die Verkörperung der Göttin in Frauen verleiht Frauen Autorität.WeildieseMacht sich so natürlich entfaltet, sa *MarijaGimbutas:DieZivilisation der Göttin, Frankfurt am Main: Zweitausendeins1996,S. 334.
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hendieälterenFrauenvielleichtnichtdieNotwendigkeit ein, Männer zu unterdrücken. Die Macht kam aus ihren Körpernzuihnenundnichteinfachaufgrundvongesell schaftlicher Kontrolle. Bei einigen nordamerikanischen Völkern, besonders den verbündeten Irokesenstämmen, habendieMenscheneinGleichgewichtgeschaffen,indem der Rat der älteren Frauen die Entscheidungen traf, aber zugleich Männer in Machtpositionen in der Gemeinschaft einsetzte.VoreinigenJahrenführtedasVolkderMohawk einenAufstandgegendiekanadischeundnordamerikani scheRegierungdurch.BevorsieindenKampfzogen,teil ten die MohawkKrieger den Medien mit, daß sie ihre Großmütter zu Rate ziehen müßten. »Großmutter« ist ein indianischerBegrifffüreinemächtigeältereFrau. WenneineältereFraualsStammesältesteHochachtungge noß,washaltenwirdannvondenGräbernheranwachsen der Mädchen, denen Ehrengaben beigelegt waren? Auf demGräberfeldÇernica,dasbeiBukarestentdecktwurde, gehörte das Grab mit den kostbarsten Beigaben, nämlich zehn Armreifen und unzähligen Muschelperlen, einem ungefähr16JahrealtenMädchen.AufeinemGräberfeld ausderSpätenCucuteniZeitimrumänischenMoldauge bietfandmanzweiGräbervonetwaneunbiszehnJahre alten Mädchen. Die CucuteniGräber enthielten Vasen, Perlen, Spinnwirtel und jeweils drei Göttinnenfigurinen. KeinanderesGrabwiesdieseZahlvonFigurinenauf(man beachtedasimmernochbescheideneMaßanReichtumin diesenbesonderenGräbern).DieGemeinschaftkönntedie Mädchen einfach aufgrund des schmerzlichen Verlustes ihres frühen Todes geehrt haben. Möglicherweise waren sie die Töchter eines Anführers der Gemeinschaft, einer PriesterinoderStammesältesten. DieBedeutungvonsowohlälterenFrauenalsauchheran wachsendenMädchenkönnteihrenUrsprunginderMen struationsundGebärfähigkeithaben.IneinigenKulturen wirdgeglaubt,daßdiealtenWeisen–FrauennachderMe nopause – die Kraft ihres Menstruationsblutes in ihrem Körperaufrechterhalten.ImallgemeinennahmeineFrau
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ineinergöttinzentriertenGemeinschaft,diedasgebärfähi geAlterüberschrittenhatte,anWeisheitundoftanHeil kraftzu.ImGegensatzdazukanneinMädchen,dasstarb, bevoresdienächsteGenerationgebar,seineMachtalsei nenSegenfürdasLandinsGrabmitgenommenhaben,ei nenSegen,derdenPflanzenbeimWachstumhalf.
GöttinnenVielfalt FallsneolithischeVölkerwirklichohneGewaltoderKlas senunterschiede gelebt haben, ist dieser Umstand dann zwangsläufig auf Göttinnenanbetung zurückzuführen? Nicht alle akzeptieren, daß die neolithische Zeit frauen zentriert war. Einige Wissenschaftler und Kritiker haben MarijaGimbutasdafürkritisiert,inallemundjedemGöt tinnen zu sehen. Oft gehen die Kritiker davon aus, daß »Göttin«mit»Muttergöttin«gleichbedeutendist–alsob Frauen nur eine Funktion erfüllen würden. Wenn Bilder nichts Mütterliches an sich haben, kann es sich nicht um Göttinnenhandeln.JedochweistProfessorGimbutasdar aufhin,daßdieGöttinverschiedeneAspekteandenTag legte. Sie unterscheidet vier Kategorien von Gottheit im neolithischen»altenEuropa«,undzwar: 1.generativeKräftederNatur,besondersGeburtundLe benserhalt,eineKategorie,diediewachsendenPflanzen unddieMilchausdenBrüstenderGöttineinschließt, 2. Tod, 3.Erneuerung,dasheißtLebenszyklen, 4. männlicheGottheiten,die35Prozentderreligiösen Darstellungenausmachenundfürgewöhnlichmiteiner weiblichenFiguralsderGeliebteoderSohnderGöttiner scheinen. JederdieserheiligenBereicheleitetsichunmittelbarvom KörperundvonseinemAusdruckinGeburt,TodundSe xualitätab. Weibliche Bilder erscheinen in vielen Formen und in großerFülledieJahrtausendederJungsteinzeithindurch, ebenso wieschonzuvor in der Altsteinzeit. Außerdem er
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scheinensieingrößererMannigfaltigkeit.Wir finden so wohlwirklichkeitsgetreueSchnitzereienalsauchfastgeo metrische »starre Nackte«, manchmal mit langem Hals undohneKopf.ManfindetweiterhingeschnitzteFiguri nen sowie überlebensgroße Statuen. Auf Malta stießen Ausgräberaufkleine,handlicheSkulptureneinergebären denGöttin,eineraufeinemLagerschlafendenFrau,einer FigurmitgroßenBrüstenundbreitenHüfteninpaläolithi schemStil,anderenFigurenmitflachenBrüstenundbrei tenHüften,einigenackt,andereinRöckegekleidetundso weiter.AbersieentdecktenauchriesigeStatuen,wieetwa dieuntereHälfteeinergroßen,inRöckegekleidetenFigur; alleinderRockunddieBeineerreicheneineHöhevonei nemMeter. AlsArchäologenJerichoausgruben(eineStadt,dieJahr tausende älter war als der hebräische Bericht von ihrer Zerstörung),fandensieinallenRäumenGöttinnenstatu en.DerbiblischeAusdruck»Land,indemMilchundHo nigfließt«rührtwahrscheinlichvonderGöttinnenreligion her,denndieMilchströmteausihrenBrüsten,während die Bienen, die den Honig herstellen, über Jahrtausende hinwegbisindieklassischeZeithineinderGöttingeweiht blieben. WieJerichowarNinive(imBuchJonaalseineganzund garverruchteStadtbezeichnet)eineblühendeundkultu rellentwickelteneolithischeStadt.BeiAusgrabungenfand mankopfloseGöttinnenfigurineninhockenderGebärhal tung.DieBibelbezeichnetbeideStädtealsböse,ebenweil ihreBewohnerdieGöttinanbeteten. An verschiedenen Orten gefundene Baumodelle machen dieVerbindungderGöttinzuTempelnoderWohnhäusern deutlich. Diese Modelle zeigen ein Gebäude, das vom KopfodervonKopfundKörpereinerFraugekröntist.In derTatbetrachtenvieleMenschensogarinunsererheuti genWelt,beispielsweisedieDogoninAfrika,Häuserals denKörpereinerFrau(dieDogonbalancierendieseSicht weisewiederaus,indemsiedasganzeDorfnachdemUm rißeinesMannesanlegen).
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Mellaart bemerkt,daß sich zwar die Gebäude, die man in den Ruinen von Çatal Hüyük sehen kann, im Laufe der Jahrhunderte verändert haben, die Position bestimmter DingeimHausabergleichgebliebenist.Dabeihandeltes sichumdieLeiter(dieMenschenbetratendasHausüber dasDach),denHerdunddenOfen.AlldieseGegenstände lassenandenKörperderGöttindenken.DasHinunterstei genvomDach miteiner LeiterkönntedasEintretenaus der großen Welt, dem Himmel, in den Schoß der Mutter symbolisiert haben.DerHerdgibtdieWärmedesLebens selbstab,währendderOfendasWunderderSchöpfungan den Tag legt. Wie wir in Kapitel 1 gesehen haben, fand MellaartGöttinnenfigurinenaufdenOfen.
DieHerrinderTiere In den paläolithischen Höhlen legte die Beziehung zwi schen Göttinnenbildern und den Tiermalereien die Vor stellungvonderGöttinalsHerrscherinüberdieTiereoder, wieBuffieJohnsonsienennt,HerrinderTierenahe.Inneo lithischenZeiten(undspäterenPerioden)wirddieserZu sammenhangsehrvieldeutlicher,undwirsehendieGöt tinmitverschiedenenTieren.EineMalereiinÇatalHüyük zeigtsie,wiesie,aufeinemthronähnlichenStuhlsitzend undvonLöwenflankiert,ruhigundgelassengebiert.Oft erscheintsiemiteinemVogelkopfodermitSchlangen,die sichumihrenKörperwinden.Tiereselbstverkörpernoft die Göttin, unter anderem Schlangen, Hirsche, Fische, Bären, Igel, Schmetterlinge, Schweine, Kröten und Frö sche. DieseTierewarennichtdieGottheit,sonderneherVerkör perungen ihrer großen und vielfältigen Macht. Mellaart fand keinenNachweisfürkonkreteTieranbetungin Çatal Hüyük.Vielmehr,sosagter,wurdedieGöttininmenschli cherFormdargestellt.GleichzeitigverkörpertendieEigen schaften bestimmter Tiere Aspekte ihres menschlichen Körpers.SowurdendieKröteundderFroschwichtig,weil ihreFormeinerFrauähnelt,diesichzumGebärenhin
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hockt.DiefrühestebekannteägyptischeGottheit, die Göt tinHeket,nahmFroschgestaltan.SpätererschienHeket alsHebammebeiderGeburtderSonne. DemStierundimbesonderendemKopfunddenHörnern desStierskaminderneolithischenZeitaußerordentliche Bedeutungzu.InÇatalHüyükfindensichStierköpfeund hörneroderBukranienineinemRaum,deroffenbarzum Gebären diente. Die verblüffende Ähnlichkeit zwischen dem Kopf und den Hörnerneines Stiersundder Gebär mutterunddenEileiterneinerFraufielzuerstDorothyCa meronauf,alssiemitJamesMellaartzusammenarbeitete. AufSardinienfandmangroßeStierhörnerinGrabstätten; möglicherweisesymbolisierensiedieWiedergeburt.Eini ge neolithische Gemeinschaften bestatteten Kinder unter dem Fußboden des Hauses und legten ihnen Bukranien bei. Die Hörner von Kühen und Stieren ähneln dem zu und abnehmenden Mond, was ihre Bedeutung für die Göttin erkennen läßt. Durch den Mond werden die Hörner mit der Körperkraft der Menstruation assoziiert. Vielleicht glaubtendieMenschen,daßsichimHorndieenormeVita litätdesStierskonzentrierte.AufKretaführtenjungeMän nerundFrauenSpielemitStierenauf,indemsiedieHör ner des Tiers umfaßten und akrobatisch über seinen Rückenschnellten.WirwissenvondieserSportartdurch einFreskoimPalastvonKnossos.AufdiesemFreskosind dieMännerundFrauenfastidentischdargestellt,mitan mutigenundbiegsamenKörpern,ganzandersalsdiestei fen Matadore der späteren Jahrhunderte, die den Stier nichtalseineQuelledesLebensansehen,sondernalsei nenWeg,umihreMachtüberdieNaturdurchUnterwer fungundGemetzelzudemonstrieren. Interessanterweisesinddieweiblichen»Stiertänzer«Ho senbeutel tragend dargestellt, so daß der Eindruck von männlichenGenitalienentsteht.ImGegensatzdazuzeigen BilderMännerinreligiösenZeremonienRöckemitVolants tragend.DiesenBildernentnehmenwir,daßdieKreterge wisseAktivitätenwieetwaSportundStierspieledem
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DarstellungderIsisKrone(links), verglichen mit den kretischen WeihehörnernvonKnossos/Kreta(rechts,nachAlexiou)
männlichenElementzuordneten,währendanderewieder um, einschließlich der Opferung ebendieser Stiere, als weiblichgalten.Wirmüssenunsjedochdarüberimklaren sein,daßsie»männlich«und»weiblich«alskulturelleIdeen undnichtalsbiologischeTatsachenbetrachteten.Sowohl MänneralsauchFrauenkonntenanallenmöglichenAkti vitäten teilnehmen. Mit anderen Worten, die Anbetung ging vom weiblichen Körper aus, aber Männer konnten sichanihrbeteiligen,indemsiewährenddesRitualsinge wissemSinneweiblichwurden.ÄhnlichgehörtederSport offensichtlichzurmännlichenVitalität.Umsichdemanzu passen,wurdenFrauenbeidenStierspieleneinfachmänn lich. Diese geschlechtliche Flexibilität veranschaulicht die Vorstellung,aufdiewirinKapitel1eingegangensind,daß nämlich Männer und Frauen letzten Endes aus ein und demselben ursprünglichen Körper hervorgehen. Anstatt eine rigide Struktur zu sein, wurde das Geschlecht für Männer und Frauen zu einem offenen Haus, in das man hineinundwiederhinausgehenkonnte. AlsArthurEvansdenkretischenPalastvonKnossosaus grubund»restaurierte«(womiterAnfangdes20.Jahrhun dertsbegann),fanderdieÜberresteeinergroßenabstrak ten Schnitzerei von Hörnern, die seitdem als die »Wei hehörner«bekanntsind.SieähnelnderKronederägypti schenGöttinIsis.
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DieIsisKronesymbolisiertdenMondinseinen drei Pha sen,undwirkönnenannehmen,daßdiekretischenHörner ebenfallsdenMonddarstellten.DieHörneranderägypti schenKronebrachtenIsisaußerdemmitderfrüherenHa thor,derägyptischenVersionderüberallanzutreffenden Kuhgöttin,inVerbindung.Esistsehrwahrscheinlich,daß die kretischen Weihehörner die Kuh oder den Stier dar stellten.EvansfandsieamFußderMauermitBlickauf denBergJouchtas,dengehörntenBergmiteinemHöhlen heiligtumfürdieGöttin.DiekünstlicheSkulpturderHör nerrahmtewahrscheinlichdieSichtaufdiegrößeren,von derNaturgeschaffenenSteinhörnerein.DieFormderWei hehörnerhatteihrenUrsprungjedochnichtaufKreta.Wir kennensieausderneolithischenVincaKulturinSüdost europa,3000JahrevorihremErscheinenaufKreta.
Exkarnation DiealtenVölkerkönntendieVerbindungzwischenStier kopfundGebärmutterdurchdieExkarnationbeobachtet haben, einen Bestattungsvorgang, bei dem ein Leichnam vorderBeerdigungderNaturausgesetztoderaberfürei ne zweite Beerdigung exhumiert wird. Dabei könnten die MenschennichtnurdieEingeweidedesweiblichenKör pers, sondern auchdieGebärmuttergesehenhaben,und wennderKörpersodaliegt,nehmendieEileiterklarund deutlichdieFormvonStierhörnernan. InÇatalHüyükundananderenOrtenwurdeExkarnation praktiziert,indemderLeichnamdenGeiernzumFraßvor gesetzt wurde, welche dasverwesendeFleischentfernten undnurdieKnochenzurückließen.Knochensymbolisie ren das ewige Sein, das nicht verfällt. In ihren Initiati onstrancen erleben Schamanen oft, wie ihr Körper in Stücke zerrissen oder lebendig gekocht wird, so daß das Skelett freigelegt und dann mit Heilkraft erfüllt wird. SchamanensollendieFähigkeiterlangen,dieKnochenei nerPersondurchdasFleischzusehen(weitereEinzelhei tenzurschamanistischen ZerstückelungundihrerBezie
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hungzumspäterengriechischen Mythos, insbesondere zu DionysosinKapitel7). GeieralsAusführendederExkarnationsindaufWandma lereieninÇatalHüyüksehreindrücklichdargestellt.Eine Malerei,diesichübermehrereWändeerstreckt,zeigtstili sierte Geier mit großen besenähnlichen Schwingen und menschlichenFüßen.DieFüßeweisendaraufhin,daßsie eher die Göttin verkörpern, als daß sie wirkliche Vögel darstellen. InÇatalHüyükvermischensichdieBildervonLebenund Tod auf eine Weise, die uns vielleicht sonderbar vor kommt. Mellaarts Mitarbeiter entdeckten die Schädel von Geiern, Füchsen und Wieseln, die in Darstellungen von Brüsten eingebaut waren. Manchmal ragen die Mäuler dieserTiereoderauchvonWildschweinenausdenBrust warzen heraus. Mellaart beschreibt einen Schrein mit ei nemStierkopfundDoppelbrüstenmitoffenenBrustwar zen,ausdenenGeierschnäbelhervortreten.Einmiteiner ReihevonEberköpfenverziertesGebäudewarniederge brannt.AlsdieMenschenesneuverputzten,wandeltensie dasMauleinesjedenEbersineineweiblicheBrustum. VonunseremmodernenStandpunktausneigenwirdazu, dieHeiligkeitderNaturentwederalsnaivoderalsphilo sophischzubetrachten.Dasheißt,seitdemwirgelerntha ben,GottalsvonderNaturlosgelöstzu sehen,nehmen wiran,daßMenschen,dieTiereoderetwasanderesdirekt anbeteten, diese als Symbole für etwas anderes verstan den. Ich verwende in diesem Zusammenhang den Aus druck»verkörpern«,umaufeineAlternativehinzuweisen, eineAlternative,diealtenVölkernintellektuelleFeinsin nigkeit zuschreibt und sie (oder uns selbst) gleichzeitig nicht von der direkten Begegnung mit dem Heiligen im Lebewesenentfernt.WennmandieGöttinineinemGeier oderStierverkörpertsieht(undesgibtkeinenGrund,war um die Göttin sich nicht zugleich in einem männlichen und weiblichen Tier, in Männern und zugleich in Frauen verkörpernkann),erkennt man,daßdieseWesendiele bendigeKraftdesGöttlichenbesitzen.
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Bäume,Bergeundandere Verkörperungen NichtnurvonTierenglaubteman,daßsiedieGöttinver körpern würden. Bäume, Wasser und sogar Steine und BergebrachtenihreMachtzumAusdruck.Wirhabengese hen,wievielederneolithischenMonumente,zumBeispiel Silbury Hill, über unterirdischen Wasserläufen gebaut wurden.Menhire,aufrechtstehendeSteine,welcheandere Funktionen und Bedeutungen sie auch immer haben mochten,verkörperndieKraftderErde,diesichvoruns erhebt.BergeimbesonderenrepräsentierendieMachtder Göttin.AufKretafandVincentScullyeinsichwiederho lendesMustervonPalästenundStädten,dieinÜberein stimmung mit gehörnten Bergen errichtet waren. Mögli cherweisereichtdieseVerehrungfürgehörnteBergebisin die neolithische Zeit zurück. James Mellaart erwähnt in seiner Beschreibung von Çatal Hüyük einen Vulkan mit zweiGipfeln,inetwa130KilometernEntfernung,undei niges deutet darauf hin, daß Menschen aus der anatoli schen Gegend von Çatal Hüyük sich auf Kreta nieder ließen. Bäume verkörperten die Göttin in der ganzen Jungstein zeitundspäter.GertrudeRachelLevyzufolgehieltendie Ägypter den Maulbeerbaum für den »lebenden Körper« derKuhgöttinHathor,möglicherweiseweildieFruchtei ne weiße Flüssigkeit spendet. Als Maulbeerbaum säugte HathordiePharaokinder.NachägyptischenTextenistder getötete Vegetationsgott Osiris in einem Maulbeerbaum eingeschlossen. Levy führt außerdem den Ursprung des hebräischen siebenarmigen Kerzenleuchters auf diese jungsteinzeitliche Baumgöttin zurück. Im 5. Buch Mose wird das Anpflanzen einer »Aschera«, also eines Baums oder Pfeilers, der die Göttin darstellt, neben den Altären desJahweverurteilt. IchkönntenochvielmehrBeispielefürdenBaumalsdie Göttin anführen, besonders ihren Lebensbaum. In Donna ReadsFilmTheGoddessRememberederzählteinTempelauf seheraufMaltadenFilmemachernvomBild des Lebens
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baums im Hypogäum (einem unterirdischen Tempel): »Der Baum war das Medium zwischen Mutter Erde und denMenschen.«IneinervielspäterenZeitalsderneolithi schenschriebderAlchimistParacelsusüberFrauen:»Sie istderBaum,derausderErdewächst,unddasKindist derFruchtgleich,dievondemBaumgeborenwird.« SchreineaufKretaundananderenOrtenenthielteninder Mitte des Raums einen Pfeiler. Diese Pfeiler können SteinsäulenoderStalagmitendargestellt,aberauchBäume symbolisierthaben.VincentScullybeschreibtzylindrische HolzsäuleninkretischenPalästenalsdiePersonderGöt tin,eingeschlossenineinem»weiblichenSeinszustand«. Erschreibt:»SomitwirdderganzePalastzuihremKörper, sowieesdieErdeselbstinderSteinzeitwar.« EinBaumverbindetHimmel,ErdeundUnterweltmitein ander. Außerdem steht er für das Leben selbst. Wo ein Baum wächst, kann Leben existieren, und diese Tatsache wirdbesondersinheißenLänderngeschätzt.DerPalastist weiblich,weilerbeschützt,umschließt,nährt–einemTal gleich.FolglichwirdeinBaum(eineHolzsäule)ineinem Palast,derineinemTalliegt,zueinemvielschichtigenBild des Lebens, das innerhalb der schutzgewährenden Liebe derGöttinwächst. EinBaumverkörpertdieGöttininmehralsnursymboli scherHinsicht.EinBaumenthältdiezurLebensformkon zentriertenEnergienderErdeundderSonne.JederBaum ist einzigartig und weist Formenauf,dieaneinePerson mit erhobenen Armen denken lassen. Besonders Oliven bäume können aufgrund ihrer Langlebigkeit die Göttin verkörpern. Mit zunehmendem Alter werden sieknorrig, mitEnergiebeladen,undnehmenzuweilenandeutungs weiseweiblicheFormenan,wieeinegebeugtealteFrau. WegenihrerFormstandenPfeiler,aberauchSteinsäulen fürBäume.DieganzeAltundJungsteinzeithindurchde koriertenMenschenStalaktitenundStalagmitenmitClu sternvonBrüsten.Mellaartschreibt,daßmanfastüberall Stalaktiten zusammen mit heiligen Figurinen fand. Der TempelderArtemisimtürkischenEphesos,einesdersie
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benWunderderAltenWelt,enthielteineberühmte Statue derGöttin.DieSkulpturstelltesiealseineaufrechteSäule dar, einem Baum gleich, und ihr Torso war mit runden HalbkugelnwieEieroderBrüstebedeckt. InspäterenZeitenbetetendieMenschendieGöttinalsei nenSteinan,deroftschwarzund/oderkegelförmigwar. Kybele,diegroßeMutterderGötter,betratRomalljährlich aufzeremonielleWeisealseinkegelförmigerMeteorit,der in einemvonLöwengezogenenWagenbefördertwurde. KybelewarursprünglichdieGöttinvonPhrygien,einem anderenNamenfürWestanatolien.MonicaSjööundBar baraMorzufolgeverehrtedasVolkvonKanaandieGöttin AstarteaufdemBergSinaialseinemStein.DerNameSinai bedeutet»Mondberg«.DieKaaba,derinMekkaalsHeilig tum aufbewahrte große schwarze Stein und Fokus der moslemischen Hadsch (der Pilgerreise), verkörperte ur sprünglichdieGöttin.SjööundMorschreiben,daßdieal ten Araber Vulven auf ihre Oberfläche aufprägten. Als PriesterdieMachtderPriesterinnenübernahmen,erhiel tensiedenTitelbenishaybah,was»SöhnederGreisin«be deutet.
Knoten Nicht nur Aspekte der natürlichen Welt verkörperten das WesenderGöttin.AnvielenOrtensymbolisiertenKnoten ihreMacht,undKnotenbilderfindensichandenheiligen PfeilernvonunterirdischenKrypten.OftwirdbeiKnoten zeichnungen das Seil eine Schleife bildend dargestellt; merkwürdigerweise ähnelt die Form des Knotens selbst dermodernenKrawatte. EinKnotenscheintLevysKonzeptvonderReligionalsei ne fortandauernde Beziehung zu symbolisieren. Sie be zeichnetdenKnoten als ein Emblemder GöttinaufKreta undfügthinzu,daßdasägyptischeZeichenAnkein»ge knotetesSymbolfürLeben«war,dasdemÄgyptischenTo tenbuchzufolgevor»demgehörntenTordesgespaltenen Bergs«angebrachtist.DieBedeutungvonHörnernund
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Darstellungdesheiligen Knotens,Knossos/Kreta, ca.1700v.Chr.(nach Alexiou)
demBergmitzweiGipfelnkennenwirbereits.Dieägypti scheGöttinIsishatteebenfallseinenKnotenalsEmblem. Ein in Palästina ausgegrabener Bleisarg war mit Knoten und Reben verziert, und als Archäologen ihn öffneten, stelltensiefest,daßderMunddesSkelettsmitKnotenaus Blattgoldgefülltwar. WennKnotendieBandezwischenderGöttinundderWelt symbolisieren,stellensieebenfallsZwängedar,imbeson derensexuelleZwänge.Wirlösensie,umunsereWünsche freizulassen.InvielenKulturenöffnenverheirateteFrauen ihrHaarundlockernihreKleidungnurzumGeschlechts aktoderzurEntbindung.ImGegensatzdazuzeigensich unverheiratete Jungfrauen in der Öffentlichkeit mit offe nemHaar.IndermodernenwestlichenKulturbezeichnen wirdieHeiratnochimmeralseinenBund,der»geknüpft« wird,undsprechenimenglischsprachigenRaumvonlet ting ones hair down (wörtlich: »sein Haar aufmachen«), wennwirunsungezwungenbenehmen. Aber Knoten symbolisieren mehr als Unterdrückung. Als einemenschliche KonstruktionrepräsentierensieKultur, dieIdeenundBilder,dieunsmiteinanderverbinden.Die BedeutungdesKnotensüberlebteinspäterenKulturenim
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Volkstum und in magischen Praktiken. Barbara G. Walker gehtinihremBuchDasgeheimeWissenderFrauenaufver schiedenemagischeKnotenein,einschließlichbesonderer Knoten,dieHebammenindieNabelschnurschlingen.Der KnotensymbolisiertsowohlunserenUrsprunginunseren MütternalsauchunserGetrenntseinalseinzelneWesen. EinKnotenbindetdiemagischenKräftedesLebens.In demwirKnotenknüpfen,demonstrierenwirunserWissen undunsereFähigkeit,unsmitdenKräftenderWeltzube fassen.
DerGordischeKnoten KnotensymbolisierenauchTradition.Vielevonunsken nen die Legende von Alexander dem Großen und dem Gordischen Knoten. An diesem außerordentlich kompli zierten Knoten waren verschiedene Möchtegerneroberer Asiens gescheitert, und eine Prophezeiung verkündete, daß, wer den Knoten lösen könne, Herrscher über ganz Asienwerde.Alexander,wiewirvollerBewunderunger fahren,nahmeinfachseinSchwertundschlugdenKnoten durch(esistnichtganzklar,welcheLektionwirnachMei nungunsererLehrerdarauslernensollen–unsereProble me zu zerschlagen, anstatt zu versuchen, sie zu lösen?). DiesekleineMythegewinntanTiefe,wennwirherausfin den,daßGordiumdieHauptstadtvonPhrygienwar,Hei matderKybele,derGroßenMutter(wieauchderAphro dite, die sich im fünften Homerischen Gesang als eine TochterPhrygiensbezeichnet).BarbaraG.Walkerschreibt, daß der Knoten die Bindung in der mystischen Ehe von MutterundSohn/Gemahl/Königdarstellte(mandenke imVergleichdazuandasmoderne–negative–Bildvonei nem Mann, der an Mutters Schürzenzipfel hängt). Diesen Knoten durchzuhauen stellte eine Art Kindestötung dar, das Töten der Kinder der Göttin wie auchderMordver suchanderGöttinselbst.UndtatsächlichbrachteAlexan dersEroberungunzähligenMenschendenTodsowieVer gewaltigungundSklaverei.
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Die vielschichtigen Aspekte des Knotens symbolisierten dieJahrtausendederGöttinnentradition,derWissenschaft und des heiligen Wissens. Das durch Alexander verkör perte aufstrebende Patriarchat versuchte nicht, diese großartige Zivilisation zu verstehen oder gar ihre Glau bensvorstellungenundStrukturenzuändern,indemesih revielfältigenTraditionenkennenzulernenversuchte.Statt desseneroberteessieeinfachmitderMachtdesSchwertes und tut es auch weiterhin – in Nord und Südamerika, Australien,AfrikaundseitkurzemmittenindenRegen wäldern, wo der als »Fortschritt« bekannte Völkermord ganzemenschlicheKulturenausrottetundPflanzenund TierartenmiteinerRatevondreiStückproStundeausster benläßt. UndtrotzdembleibtderKnotenbestehen.AlexandersEr benbleibteigentlichkeineandereWahl,alsihnauchwei terhindurchzuhauen,immerundimmerwieder,dennder Knoten ist die Nabelschnur, die uns mit der Natur und dem Göttlichen verbindet, und ertauchtimmerundim mer wieder aufs neue auf – wiederverknüpft mit jedem Baby,jedemLebenszyklus.
DasZeitalterderErfindungen DerNachweis,daßdieneolithischeKulturinEuropagöt tinnenzentriert,egalitärundgewaltloswar,istschlagend. DasisteineradikaleInformation,dennsiebesagt,daßdie menschliche Natur sich nicht zwangsläufig Gewalttätig keitzueigenmacht.Krieg–undUngleichheit–sindnicht unumgänglich. Viele Menschen sträuben sich gegen diese Ideeundsagen,daßsiedasgernglaubenwürden,aberbe zweifeln,daßMenschenandershandelnkönnten.InWirk lichkeit möchten sie es wahrscheinlich gar nicht glauben. WirnehmenKriegundGewalthin,indemwirunsversi chern, daß wir keine andere Wahl haben, daß Menschen sichnichtandersverhaltenkönnen. Genetischbetrachtetunterscheidenwirunsnichtvonun serenVorfahren.Aber unsere Kultur hat sich verändert
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undunsgelehrt,daßniemals etwasanderes existiert hat. AuchdasistdiealexandrinischeEroberungsmethode,die Vergangenheit zu löschen. Wie wir gesehen haben, ist es keinZufall,daßdieBibelunserzählt,GotthabedieWelt vor 6000 Jahren vollständig geschaffen, und daß unsere Geschichtsbücher mit den ersten patriarchalen Kulturen anfangen und sie als den Ursprung der Zivilisation be zeichnen. Einige Menschen, die die Friedlichkeit der neolithischen ZeitalsTatsacheakzeptieren,erkennenzwardieVorteile einersolchen»Stufe«indermenschlichenKulturan,be harrenaberdarauf,daßdieMenschheitsichzumPatriar chat »weiterentwickeln« mußte. Eine mutterzentrierte Kultur,sobehauptensie,wirdzustatisch,zuselbstgefällig und leidet an Kreativitätsmangel. Das Patriarchat mag wohl Krieg und Gewalt und Sklaverei und Ungleichheit unddieEntmündigungvonFrauenmitsichbringen,aber esbringt(angeblich)auchDynamikmitsich. DiesistTeilderIdeologieunddesIrrtumsdesPrimitivis mus. Die matrifokale Gesellschaft war nützlich zu ihrer Zeit,solautetdasArgument,abersiemußteder»wahren« Zivilisationweichen.Mutterliebeerstickt.Diemenschliche KulturkannsichuntereinerMuttergöttinnichtentfalten. WirsindvonderDoktrindes»Fortschritts«sodurchdrun gen,daßesunsschwerfällt,inanderenKategorienzuden ken. In Wirklichkeit war das Neolithikum möglicherweise die dynamischsteZeitindermenschlichenGeschichte.Eser lebte die Einführung des Ackerbaus, die Domestizierung von Tieren, den Wachstum von Handel und Verkehr, die Entwicklung der Schrift und Mathematik, die Erfindung von Töpferei, Haus und Tempelbau, Monumentalbauten, AstronomieundzweifellosvonBegriffssystemen,vonde nen uns keine Aufzeichnungen vorliegen. Außerdem schwächte der Wechsel zum Patriarchat die Zivilisation, anstatt sie zu stärken, denn dieser Wechsel ging durch Krieg und Eroberung vonstatten. Als Angehörige der my kenischenKulturGriechenlandsinKretaeinfielen,über
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nahmen sieeinenGroßteil der kretischen Kultur und Reli gion,einschließlichderGöttinnenanbetung.Aberdadurch, daßsiesovielvonihrenKräftenfürdenKriegundfürden Reichtumeines einzigenAnführerseinsetzten,erreichten siekeineswegsdieLebensqualität,diedieKreterzuvorge nossenhatten.AlsdiespäterenDorerinGriechenlandein fielen und ihr Pantheon von Kriegsgöttern mitbrachten, setzten sie das in Gang, was Altphilologen »das dunkle Zeitalter«nannten,eine400JahrewährendeZeit,inderdie Griechen(lautVincentScully)nichtsBeständigesoderWe sentlicheserbauten.DieErrichtunggroßerBauwerkeistje dochnichtdereinzigeMaßstabfüreineZivilisation.Esist fastgenau400Jahreher,daßbarbarischeEindringlingeaus Europa mit der Eroberung Nordamerikas begannen, einer Eroberung,diebisaufdenheutigenTagandauert.Trotzder Dynamik – und großer Bauwerke –, die sich aus diesem Eindringenergebenhaben,werdendieeingeborenenVöl ker des Kontinents diese vergangenen 400 Jahre höchst wahrscheinlichalsdasdunkleZeitalterbetrachten.
ThesenüberdieschöpferischeKraft Die Idee, daß die Gesellschaft für schöpferische Kraft die männlicheEnergiebenötigt,stattdervereintenEnergievon FrauenundMännern,rufteinsehraltesVorurteilwach, dasvielleichtsoaltistwiedasPatriarchatselbst.Frauener schaffen aus ihrem Körper heraus. Irgendwann haben wir gelernt,daßdasnichtsmit»echter«Kreativitätzutunhat, daß echte Kreativität vom Kopf, von abstraktem Denken ausgeht.Undwirhabengelernt,daßMännersichaufgrund ihrerMännlichkeitdarinhervortun.Esist,alsdächtenwir, daß die Welt sich irgendwie ins Gleichgewicht bringen muß, indem Frauen die Fähigkeit verliehen wird, Babys hervorzubringen, und Männern die Fähigkeit, Ideen her vorzubringen–unddaßIdeenbessersindalsBabys. SchließlichsagtunsdasVorurteil,daßjedeFraueinBaby bekommenkann.DazubedarfeskeinerbesonderenBega bung.DenkenerfordertBegabung.UndMännerdenken
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angeblichbesseralsFrauen.Angeblichsind Frauen an ihre Körpergebunden,einfachweilsieandereKörperinihrem Inneren wachsen lassen können, während Männer, dem männlichen,überirdischenGottgleich,aufeinerabstrak tenEbene,losgelöstvonihrenKörpern,existieren. DieseuralteVerdrehungführtzufalschenBegrifflichkei ten.VonFrauen,diedenken,künstlerischtätigsind,oder einfach außer Haus arbeiten, meinen wir, daß sie Männer imitieren. Manche finden, daß diese Frauen den Frauen mitKindernüberlegensind,diewirals»Kühe«bezeich nen–nichtwissend,daßdieKuheinstfürMenschenüber allinderWeltGottsymbolisierte.Füranderedagegensind Frauen mit Kindern den denkenden Frauen überlegen, ebenweilsieihrer»wahren«Naturfolgen. Nichtsdeutetdaraufhin,daßirgendeinetatsächlicheSpal tungzwischenderKreativitätdesKörpersundderKreati vität des Geistes oder zwischen weiblicher und männli cherKreativitätexistiert.Wirkönnenannehmen,daßviele der neolithischen Neuerungen von Frauen ausgingen. WennzumBeispielimPaläolithikumFrauendiePflanzen sammelten (wie es in den meisten JägerSammlerGesell schaftenderFallist,diewiraushistorischenZeitenken nen),dannklingtesplausibel,daßFrauendieVorgänge des Säens und Wachstums beobachteten, was schließlich zumAckerbauführte.AufgrundderselbenLogikkönnten männliche Jäger durch ihr gründliches Tierwissen den WegzurfrühenZähmungvonSchafenundanderenArten gebahnthaben. DieTätigkeitdesJagenserfordert,daßMännerstillbleiben undsichmitHilfevonZeichenverständigen(eineSprache des Körpers). Als Nahrungssammlerinnen und Hüterin nenderKinderwerdenFrauensichmitWortenverstän digthaben.FolglichkönntendieErfindungderSchriftso wie naturwissenschaftliche Kenntnisse und andere intel lektuelleSysteme,diedieMitteilungkomplexerInforma tionen einschlossen, von Frauen ausgegangen sein. Eine solcheVermutungkönnenwirnichtbeweisen.Esgibtkei nenGrundfürdieAnnahme,daßFrauendiemenschliche
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KulturganzalleininsLeben gerufen haben, genausowenig wieeskeinenGrundgibt,dielandläufigeThese(dieman nochimmerindenmeistenBüchernüberdieVorgeschich tefindet)zuakzeptieren,daßMänneralleserfundenha ben,währendFraueneinfachnurKinderhatten.Wirkön nen nicht einmal die Vermutung anstellen, daß nur die Männerjagten,währenddieFrauennurmitdemSammeln vonPflanzenbeschäftigtwaren.InderFelskunstamRan de der Sahara in Afrika finden wir Darstellungen von GruppenweiblicherJäger. SowieunsereGesellschaftunslehrt,daß»Männerdenken und Frauen tun«, lehrt sie uns auch, daß das Denken in keinerVerbindungzumKörpersteht.»Ichdenke,alsobin ich.«(VickiNoblegehtaufeinealteInschriftein,diesich mit»IchhabeBrüste,alsobinich«übersetzenläßt.)Inun sererZeiterlebenwir,wieWissenschaftlerundIngenieure, die sich mit der Entwicklung von Waffen beschäftigen, vollerErregungSysteme»erschaffen«,diedafürbestimmt sind,MenscheningroßerZahlzutöten,unddiesegeistige ArbeitüberhauptnichtmitdemTodwirklicherMenschen inVerbindungzubringenscheinen.Unddennochmischt sichderKörperein.ImPentagonSlangwerdenmoderne RaketenundBombenals»sexy«bezeichnet.AlsWissen schaftler in Los Alamos die erste Atombombe zündeten, reichtensieZigarrenherumundverkündeten:»Dasistein Junge.« DieAufwertungdesabstraktenDenkensunddieZuwei sungeinersolchenKreativitätanMänneristvielleichtmit derNotwendigkeitentstanden,dieoffensichtlichsteTatsa che unserer Welt zu bestreiten, daß nämlich Frauen aus ihremKörpererschaffen.SichGottalsweiblichvorzustel len, stellt kaum Probleme dar. Die Frau gebiert, und das gleiche tut die Göttin. Ein Problem taucht nur auf, wenn MännersichzumeinenvonFrauenlossagenundzuman derendieHerrschaftüberFrauen und die Welterrichten wollen.DazumüssensiedieschöpferischeKraftvonder Natur trennen. Nur dann können sie sich einen männli chenGott,derdasUniversumerschafft,vorstellen.
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Einige Mythen über die männliche Schöpfung schildern, wiederSchöpfergottsichselbstaufschneidet,umdieWelt ausseinemKörperhervorzubringen.Wirkönnenunsvor stellen,daßMännerdiesesBildablehnen:Esistmiteiner offensichtlichen Nachahmung dessen verknüpft, was FrauenaufganznatürlicheWeisetun.Wiebefriedigender ist es doch, einen Gott vorauszusetzen, der aus »reinen« (körperlosen) Gedanken erschafft, der den Kosmos und das Leben erschafft, einfach indem er spricht oder, noch besser,auseinemBuchheraus,dadieMänneresdenFrau en verboten, lesen zu lernen (im September 1996 rissen fundamentalistischemoslemischeRebelleninAfghanistan dieMachtansich.AlsnahezuersteMaßnahmeuntersag tensiedenSchulbesuchfürMädchen).Indenvergange nen150Jahrenhabenwirangefangen,ausdiesembeson derenAspektunsereseigenendunklenZeitaltersheraus zutreten.UnddennochhabendiealtenAnmaßungennoch immervielMacht,dennunsereKulturhatsieüber50Jahr hunderte hindurch in uns gefestigt. Die Entdeckung von göttinnenzentrierten Kulturen in der neolithischen Zeit undihregroßartigenErrungenschaftenkönnenhelfen,uns vonsolcheingeschränktenAnsichtenüberdieKreativität vonFrauenundMännernzubefreien.
Wiekonntedasallesvergehen? Was geschah mit der Welt der neolithischen Menschen? WieundwarumwandeltesichdiemenschlicheKulturvon einer friedlichen, dynamischen, auf der Natur und der Göttin basierenden Gesellschaft zu einer, die auf Krieg, Klassenstruktur, Ungleichheiten zwischen Männern und FrauenundeinemmännlichenGott,derAngstundGehor samfordert,beruht?WenneinematrifokaleKulturwirk lich Zehntausende von Jahren lang existierte und diese ZeitdieEntwicklungvonWissenschaftundeinerstruktu rierten Zivilisation, einschließlich Städtebau und Acker bau, erlebte, warum gaben die Menschen sie auf? Wenn wirdasPatriarchatnichtalseinennotwendigenundun
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vermeidlichen Schritt in der menschlichen kulturellen Evolutionbetrachten,wiekamesdannsoweit? MehrereAutorenhabendetaillierteBerichteüberdiepatri archale Machtübernahme, hauptsächlich in Europa und imNahenOsten,vorgelegt.MerlinStonespürtdenVerän derungen nach, die in Palästina vor sich gingen. Marija GimbutasgibteineausführlicheChronologiedesWandels inderGegendwieder,diesiealsdasalteEuropabezeich net. Sie beschreibt die indoeuropäischen Invasionen aus den»Randzonen«derZivilisation,wiesiesienennt,und zeigtauf,wiesiedieälterenSymbolederGöttinnenkultur verzerrtenundersetzten.DerStierzumBeispielveränder tesichvoneinemSymbolfürVitalitätunddieGebärmut terzueinerEpiphaniedesDonnergottes. Feministische Darstellungen des Untergangs der matriar chalenKulturinEuropaschreibendenUmschwunginder RegelStammesgruppenzu,dieeinenmännlichenKrieger gottanbeteten.AbersiegehenvoneinerfalschenVoraus setzung aus. Wie entwickelten diese Gruppen ihre auf KriegberuhendeIdeologie?
DieEntdeckungderVaterschaft VieleMenschennehmenan,daßdasPatriarchatentstand, als Männer ihre Bedeutung bei der menschlichen Fort pflanzung entdeckten. Dieser Behauptung zufolge war den frühen, »primitiven« Menschen der Zusammenhang zwischen Sexualität und Schwangerschaft nicht klar. Schließlich werden Frauen nicht nach jedem Geschlechts verkehr schwanger, und eine Schwangerschaft ist auch nichtsofortspürbar.DieFrauenwurdenfürihremagische Fähigkeit,Babyszuerzeugen,verehrtundgefürchtet,aber alsdieMännerihreeigeneRollebeidiesemProzeßheraus fanden, wurden sie arrogant und hoben die männliche Überlegenheithervor. DieseTheoriescheintmiraufmehrerenfragwürdigenVor aussetzungen zu beruhen. Warum sollte die Entdeckung der Vaterschaft zwangsläufig zur männlichen Machter
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greifungführen?DieIdeerührtoffensichtlich von dem al tenGlaubenher,daßdasMatriarchatdieeinzigeAlternati vezumPatriarchatdarstellt.MitanderenWorten,alsdie MenschennichtsvonderBedeutungderMännerwußten, gaben sie den Frauen alleMacht, diedie Männerunter drückten.Als dieMänner ihrenWertentdeckten,unter drückten siedaraufhindieFrauen.WelcherinnereGrund sollteMenschendazuveranlassen,sichsozuverhalten? DieEntdeckungderVaterschaftbeseitigtenichtdieBedeu tung der Frauen, die schwanger wurden. Männer steuern zwardasnotwendigeSpermabei,aberdasBabymußden nochinderFrauwachsen.EsbedarfeineräußerstenVer zerrung der offensichtlichen Tatsachen, um den Männern alleMachtzugeben.Genaudashabeneinigepatriarchale Kulturen getan. Die Griechen entwickelten die Idee, daß derMenschganzundgarimSpermaexistiertunddieFrau lediglich als ein Gefäß, als Brutkasten dient, damit das Kindsolangewächst,bisesinsLebeneintretenkann.Ge rade eine solche Verzerrung der Wirklichkeit führt zur Spaltung von Denken und Beobachtung, von religiöser (und wissenschaftlicher) Ideologie und Natur. Aber wir könnennichtimErnstannehmen,daßMenschenvonNa tur aus oder zwangsläufig derartig verzerrte Ideen ent wickeln. EinegrundsätzlichereFrageist,warumwirdavonausge hensollten,daßdieSteinzeitmenschennichtsvommännli chenBeitragzurFortpflanzung wußten.Wirkönnenan nehmen, daß Menschen, die mehrere tausend Jahre lang Tiere domestizierten und Herden verschiedener Arten züchteten, sehr wohl dieMechanismen dergeschlechtli chenFortpflanzungverstanden.UndselbstinderAltstein zeitlassendieintensiveBeobachtungvonTieren,dasVer binden von phallischen Darstellungen mit Bildern von Vulven und dem Göttinnenkörper sowie der Gebrauch von rotem Ocker, der möglicherweise Menstruation und Geburt symbolisieren sollte, an die Möglichkeit denken, daß auch diese Menschen umdieFortpflanzungwußten. DieeingeritztenZeicheninKnochenundanderenGegen
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ständen sollten vielleicht dazu dienen, die Monate der Schwangerschaftzuzählen,wasaufdasWissenhinweist, daßdieEmpfängnismitdemGeschlechtsverkehrbeginnt. Das Konzept der männlichen Überlegenheit rührt nicht von irgendwelchen Naturbeobachtungen her, sondern ganz im Gegenteil – von einer Ideologie, die bewußt die WirklichkeitaufdenKopfstellt,umsichselbstzurechtfer tigen. Eine leicht abgewandelte Theorie über die Unwissenheit derVaterschaftfußtaufderVorstellung,daßFrauenund Männer überwiegend getrennt voneinander lebten. Die BefürworterdieserTheorieweisendaraufhin,daßFrauen wahrscheinlichdenAckerbauentwickeltenunddieStädte verwalteten,sodaßsie,abgesehenvonderFortpflanzung, keineMännerbrauchten.WeiterhingibtdieseTheoriezu verstehen, daß Frauen um die Mechanismen der Fort pflanzung wußten, aber den Männern diese Information bewußtvorenthielten,umsieandenRandderGesellschaft zudrängen.DieMänner,diekaumetwasandereszutun hatten, als ihre Kraft auf die Probe zu stellen, schlossen sich allmählich zu plündernden Banden zusammen, die dieMachtderGewaltzuentdeckenbegannen.Alssieihre eigeneBedeutunginderFortpflanzungentdeckten,rissen siedieMachtgänzlichansich.IndieserBehauptungwird von der Randstellung der Männer in einer matrifokalen Kulturausgegangen,wassichaberaufgrundderGrabfun deundderKunstnichtbelegenläßt.
GesetzezurUnterdrückungvonFrauen Vielesvondem,waswirfürnatürlichodergrundlegend für Menschenhalten, kannseinenUrsprunginderNot wendigkeit des Patriarchats haben, Frauen zu unter drücken,umdessenStrukturenaufrechtzuerhalten.Invie lerleiHinsichtrührtunsereSexualmoralüberwiegendvon der Institution der patrilinearen Abstammung her, das heißt,derBesitzgehtvomVateraufdenSohnüber,anstel ledesälterenmatrilinearenMusters,demzufolgederBe
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sitzvonderMutterandieTochterfiel.ImFalle der mütter lichenErbfolgeergebensichwenigProbleme,daalleKin der,sowohlSöhnealsauchTöchter,mitSicherheitwissen, wersieaufdieWeltgebrachthat.WennjedochderBesitz überdiemännlicheLinievererbtwird,wiestelltdannein Mannsicher,daßeinmännlichesKindwirklichseinSohn ist? Die Kontrolle der Vaterschaft bedeutet die Kontrolle derFrauenundderFrüchteihrerKörper.Gesetzemüssen eingeführtwerden,damiteineFraumiteinemMannund nurmiteinemMannschläft.SiemußbiszurHeiratJung fraubleibenunddarfsichniemalseinenanderenLiebha ber als ihren Ehemann nehmen. Um sicherzustellen, daß dieses System funktioniert, müssen Frauen davon über zeugt werden, daß sie sich »Sittsamkeit« wünschen und ihnen Monogamie leichtfällt. Es bedarf hoher Strafen für Frauen,die»vomrechtenWegabkommen«odersogarOp fereinerVergewaltigungwerden.Daserklärt,warumpa triarchale Gesetzgebungen das Vergewaltigungsopfer zu weilengenausoächtenundbestrafenwiedenVergewalti ger. SindFrauenvonNaturausmonogam?WollenFrauenin stinktiveinenPartnerfindenundniemalsherumstreifen? NachfünftausendJahrenPatriarchatfälltesschwerzusa gen, wieviel von unserem Verhalten, sogar von unseren Wünschen aus unserem Wesen kommt und wieviel aus kulturellenMustern. InderSchulelernenwir,daßZivilisationenmitgroßenGe setzgebern – Moses, Hammurabi, Konfuzius, Solon, Zara thustra, Mohammed – ihren Anfang nahmen, die die Menschheit durch dieEinführungvon Sittengesetzenaus Unwissenheit und Aberglauben befreiten. Heute wissen wir,daßdiemenschlicheKultursichzueinersehrhohen Stufe der Organisation und Technologie entwickelt hatte, langebevordieseFigurenihrepatriarchalenSystemeer richteten.UndwennwirunsdieseGesetzbüchernäheran sehen,stellenwirfest,daßsieinallenFällenmitdersyste matischen Beschränkung von weiblicher Macht, weibli chenEigentumsrechten,weiblichem Wissenundweibli
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cher Bewegungsfreiheit verbunden sind. Die mosaischen Gesetze machen Frauen zum Besitz erst ihrer Väter und dannihrerEhemänner,sodaßeinMannbuchstäblichseine BrautvomVaterderFraukauft.Frauendürfennichtanre ligiösenFeiernteilnehmen,unddieSexualitätvonFrauen wirdinhohemMaßeeingeschränkt.»SolonderGesetzge ber«,wieerinGriechenlandgenanntwurde,führteimal tenAthendenArrestvonFrauenein,indemeressogarfür ungesetzlich erklärte, daß Frauen die Höfe ihrer Männer verließenundaufdieStraßegingen.DieseEinschränkung hieltFrauennichtnurvonMachtundBesitzfern,sondern hinderte sie auch daran, sich miteinander auszutauschen undihreGedanken,WünscheundErfahrungenzuteilen.
DieDämonisierungvonFrauen DerzoroastrischeSchöpfungsmythos,wieerindemspä tenText, dem Bundahish,aufgezeichnetist,vermitteltuns eine Vorstellung von dem Bild der Frauen, das von den großenpatriarchalenGesetzgebernentworfenwurde.Hier wird beschrieben, wie das Prinzip des Bösen, Angra Mainyu, eingeschlafen war, nachdem es den Bösen Geist unddieLügeerschaffenhatte.EinweiblicherDämonna mensJahierschienundweckteihn.Sieversprach,Elendin dieWeltzubringen,»dengerechtenMann«unddieTiere, das Wasser, Pflanzen, selbst das Feuer und die ganze Schöpfungzuvergiften. JosephCampbellzufolge bedeutet derName Jahi »Men struation«. Ein gesonderter TextberichtetvoneinemBe suchimzoroastrischenJenseits,wo,wieinDantesGöttli cherKomödie,derBesucherSeelensieht,dieeinerindividu ellen Folter unterworfen werden. Er sieht die Seele einer Frau,diegezwungenwird,becherweisevon»derUnrein heitunddemSchmutzvonMännern«zutrinken.Erfragt sie,welchesVerbrechenzudieserStrafegeführthabe,und erfährt, daß die Frau »sich während der Menstruation Wasser und Feuer genähert hat« (aus Joseph Campbell, MythologiedesWestens).
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DasMusterder»Fortschritte«inderZivilisation auf Ko stenderFrauenhieltbisinmoderneZeitenhineinan.Wir haben gelernt, die Renaissance für ein großes kulturelles Erwachen, eine Zeit der Wiedergeburt aus Unwissenheit undAngstzuhalten.ErstkürzlichhabenfeministischeHi storikerinnendargelegt,daßFrauenimMittelaltereinge wisses Maß an Macht und Einfluß ausübten und wirt schaftlicheundgesetzmäßigeRechteinnehattenunddaß sieinderRenaissancedieserRechtesystematischberaubt undinwirtschaftlicherHinsichtihrenEhemännernausge liefertwurden.ÄhnlichentwickeltesichderAufstiegder modernenMedizinaufKostenderHebammenundDorf heiler,vondenendiemeistenFrauenwaren.DieHexen verbrennungen, die den Tod unzähliger Frauen, mögli cherweiseMillionen,herbeiführten,fandennichtimMit telalterstatt,wiediemeistenMenschenglauben,sondern inderRenaissance,alsdieMedizinzueinem»Beruf«wur deundeineformelleAusbildungerforderte,dienurMän nernzugänglichwar.UmdenFrauendieMachtdesHei lenszuentreißen,brandmarktedieGesellschaftdieHeiler innenalsTeufelsanbeterinnen,dieangeblichihrenKörper demrituellenGeschlechtsverkehrmitDämonenhingaben.
WeltweitverbreiteteMuster DasRätseldesÜbergangsvondermatristischenzurpatri archalenGesellschaftwirdnochkomplizierter,wennwir feststellen,daßVölkerinderganzenWelt,invielenver schiedenen Kulturformen, einschließlich nichttechnologi scher JägerSammlerGesellschaften, Anzeichen für den Vollzug des Übergang von frauenzentrierter zu männer zentrierterMachtaufweisen. VieledieserBelegesindindenMythenzufinden.Demüb lichenMusterzufolgewirdeinearchaischeGöttinvonei nemmännlichenGott,derdaraufhinalsallmächtiginEr scheinung tritt, unterworfen, dämonisiert und oft zer stückelt. Andere Geschichten erzählen von einer Zeit, in der Frauen einfach aufgrund ihrer weiblichen Körper
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großeMachtbesaßen; dann erhoben sich die Männer und rissendieMachtansich.Wiederandereerteileneine»mo ralische« Lektion über die Rechtmäßigkeit männlicher Herrschaft,derjedochdasBewußtseinzugrundeliegt,ei neältereOrdnungverändertzuhaben. Gleich werden wir uns mit einigen dieser Mythen näher befassen, aber zuerst müssen wir bedenken, was sie uns insgesamt sagen. Die Mythen und archäologischen Funde scheinen ein weltweites Muster der Macht anzudeuten, diedenFrauenweggenommenwurde.VieleAutorenund Autorinnen, einschließlich vieler Feministinnen, bezwei feln,daßesgeschichtlichgeseheneinenZeitpunktgab,zu demMännerdieMachtansichrissen.Sieargumentieren, daßMythenübermatrifokaleGesellschaftenundFrauen machtihreUrsacheeigentlichinBefürchtungenderMän nerundihrerAngstvorFrauenhaben.EinigeFeministin nenbetrachtenMythenüberdieeinstigeweiblicheMacht alsRechtfertigungderMännerdafür,Frauenauszubeuten undzuunterdrücken.PeggySandayführtinihremBuch FemalePowerandMaleDominance:OntheOriginsofSexual Inequality an, daß Geschichten von der früheren weibli chenHerrschaftdaraufhinweisen,daßFraueninderbe stehendenGesellschafteine»erheblicheinformelleMacht« ausüben,eineMacht,diedieherrschendenMännerbeun ruhigt. Aberwarumsolltenwirunberücksichtigtlassen,wasdie Mytheneigentlichallessagen?WennMännerineinerbe stimmten Kultur tatsächlich sagen: »Frauen hatten einst dieMachtinne,aberwirhabensieihnenweggenommen« (undauseinigenStammesberichtengehtganzgenaudas hervor),warumsolltenwirannehmen,daßsiedieseGe schichtenurerfundenhaben–besonderswenndiearchäo logischen Funde, zumindest in Europa, derart überzeu gendaufGesellschaftenschließenlassen,diesichaufdie (heiligeundschöpferische)MachtvonFrauenkonzentrier ten?UndesgibtnocheinenanderenPunktzubedenken: Wenn die MythenmännlicheÄngstevorder»formlosen« MachtderFrauenwiderspiegeln,könntedieseAngstvon
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etwas Tiefergreifendem herrühren als beispielsweise der wirtschaftlichen Macht von Frauen auf dem Marktplatz. WeiblicheMachtkannniemalsvergehen,umwelchege sellschaftlicheStrukturessichauchhandelnmag,dennsie beruht letzten Endes auf dem wunderbaren weiblichen Körper,demKörper,dermitdemMondblutetundder– sowohlJungenalsauchMädchen–neuesLebenspendet.
Lilith DieMethode,MythenundReligionzubenutzen,umFrau enzubeherrschen,warsowohlmitmoralischenLektionen alsauchmitDämonisierungverbunden.Ineinertypischen GeschichteagierteineFrauoderGöttinaufeinebestimmte Weise,wasUnheilzurFolgehat.EineandereweiblicheFi gur benimmt sich in der »richtigen« Weise, und die Welt kommt wieder in Ordnung. Diese Mythen rechtfertigen diemännlicheHerrschaftalsnotwendig,umdasangebli che Chaos zu verhindert, das entsteht, wenn Frauen die Macht übernehmen. Gleichzeitig weisen oft gerade diese GeschichtenauffrühereGesellschaftenhin,indenenFrau en mehr Macht ausübten, und sehr oft haben diese Ge schichten mit Sexualität oder einem anderen Aspekt des Körperszutun. Die alten Israeliten entwickelten viele ihrer mythologi schenundlegendärenThemenwährendihresExilsinBa bylon.BeispielsweisekönntesichderTurmvonBabelauf dieZikkurats(stufenförmigeTempeltürme)inBabylonbe ziehen,fürderenErrichtungSklavenausvielenverschie denenLänderneingesetztwurden.FeministischeWissen schaftlerinnen betrachtenMesopotamienoderBabylonals einÜbergangslandmiteinerälteren,nochimmervorhan denenGöttinnenkultur,diejedochunterdemPatriarchat massiv entstellt wurde. Die babylonische Göttin Lilith wurdeaufeineWeiseverändert,dieetwasüberdieIsraeli tenselbstaussagt. Lilith, deren Name »schreiende Eule« bedeutet, wurde zum MittelpunkteinerReihevonhebräischenLegenden,
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indenen siealsAdams erste Frau bezeichnet wird. Diesen GeschichtenzufolgeschufGottAdamundLilithgleichzei tig aus der gleichen Erde (der Name »Adam« leitet sich vondemhebräischenWortadamaab,das»Boden«bedeu tet; ähnlich ist das lateinische Wort humanus auf humus, »Erde«, zurückzuführen). Eine andere Version der Ge schichte enthält das radikale Detail, daß Gott Adam aus Erdeschuf,LilithaberausSchmutzundKot.Alssieden Geschlechtsverkehr vollziehen wollten, weigerte sich Li lith, unter Adam zu liegen, und sagte, Gott habe sie als gleichwertigeWesenerschaffen.FürdieseSündeverbann teGottsieunderschufEva.DaEvaausAdamhervorging, zeigtesiedieangemesseneUnterwürfigkeit. DerComicbuchAutorNeilGaimanistaufeineanderehe bräischeGeschichtegestoßen,indereinweiblichesSchöp fungswesen zwischen Lilith und Eva geschildert wird. GottstelltedenKörperdiesernamenlosenFrauStückfür Stückher,voninnennachaußen,währendAdamzusah. Adamweigertesich,mitihrzuschlafen,weil,wieesinder hebräischen Geschichte heißt, »er sie voll von Absonde rungenundBlutsah«. WirkönnendieGeschichtevonLilithundEva(undihrer namenlosen Schwester) einfach als eine Fabel betrachten unddieFrauenanihremPlatzlassen–oderwirkönnensie alseinen Hinweisauf eine Zeitverstehen,in derFrauen undMännergleichberechtigtwaren.UmdieseGleichheit zubeendenundsicherzustellen,daßFraueneineminder wertigePositionals»natürlich«akzeptierten,dachtensich dieRabbisdiesemoralischeLektionaus. Zusätzlichzuihren»politischen«Bedeutungensagenuns die Mythen von Adams anderen Frauen etwas über die Ängste vor dem Körper. Lilith, eine naturverbundene Frau,gehtausKothervor.AdamkonnteseinezweiteFrau nichtertragen,weilerdieinnerenFunktionenihresKör persgesehenhatte.ImGegensatzdazuentstehtdiezau berhafteEvaausAdamherausundnichtausdennatürli chenProzessenderphysischenWelt.
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EineesoterischeInterpretation DasalsdieKabbalabekannte,späterejüdischeSystemeso terischerIdeen,dasvom12.Jahrhundertbiszum16.Jahr hundertblühte,wiederbelebtedieVorstellungderGleich heitzwischenMannundFrauundbezeichneteGottsogar als androgyn. Einer früheren talmudischen Interpretation folgend,behauptetendieKabbalisten,daßderSatzim 1.BuchMose»...undschufsiealsMannundWeib«Gottals männlichundzugleichweiblichbeschreibt.Daraufüberar beitetensiedieGeschichtevonEvasSchöpfungausAdams Rippe,dieGeschichte,aufdiediemeistenstrenggläubigen ChristenundJudenverweisen,umzubeweisen,daßFrau en unbedeutendere Wesen sind. Dieser späteren Version zufolge schuf Gott Adam als androgynes Geschöpf, als MannundFraugleichzeitig,dieamBrustkorbmiteinander verbundenwaren.AberdiesesGeschöpfhattekeinenGe fährten,mitdemesErfahrungenaustauschenkonnte.Aus diesem Grund trennte Gott die beiden Teile voneinander. DieGeschichte,daßeineFrauausAdamsRippeerschaffen wurde,wirdzueinerMetapherfürdieseTrennung(ineini genVersionenwirdLilithundnichtEvaalsderandereTeil deshermaphroditischenAdamgenannt). ObwohldieseGeschichtevondenmittelalterlichenKabba listenstammt,erinnertsieanvielältereGeschichten.Zoro astrische Mythen enthalten die Vorstellung, daß Ahura Mazda ein androgynes erstes Wesen trennte. Platon er zählteineGeschichtevonGott–Zeus–,dereinehemals vollständigesmenschlichesWeseninzweiHälftenteilt.Im SymposionläßtPlatonAristophanesbeschreiben,wiePro metheushalbmännlicheundhalbweiblicheMenschener schafft. Wütend über diese gottesähnliche Vollkommen heit,spaltetZeussiemiteinemBlitz.Platonerzählt,daßei nige der ursprünglichen Wesen doppelte Männer oder doppelte Frauen waren, was die homosexuelle Liebe er klärt. DieseverschiedenenGeschichtenspiegelnvielleichtdas GeheimnisderbeidenGeschlechterunddie Art, wie sich
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Menschennacheinem Partner sehnen, wider – sie könnten aberauchaufeinefrühereGesellschafthinweisen,dieso wohldasWeiblichealsauchdasMännlichealsTeileiner größerenphysischenWirklichkeitanerkannte.
EinjapanischesGeschwisterpaar Ein japanischer Mythos erteilt eine ähnliche Lektion wie der von Lilith. Die Geschichte erzählt, wie verschiedene GeschöpfedurchdieHandlungeneinesBrudersundeiner Schwester, Gott und Göttin, Izanagi und Izanami, der »Mann,dereinlädt«und die»Frau,dieeinlädt«,entste hen.Alssiesichbegegnen,bewegensiesichimKreisum einen»ErhabenenHimmlischenPfeiler«–einHinweisauf einenälterenRitualtanz,derunsvielleichtandieGöttiner innert, die als Säule im weit entfernten Kreta angebetet wurde.IzanamipreistIzanagi,undaucherpreistsie,ob wohlesihmzusetzt,daßdieFrauzuerstgesprochenhat. Trotzdem vereinigen sie sich und bringen Blutegel und Schauminselhervor,zweiWesen,diealsFehlschlägebe trachtetwerden.AlsobefragensieeinOrakel,undwiewir unsvielleichtdenkenkönnen,erfahrensie,daßdieSchöp fungmißlang,weildieFraudasRechtdesMannes,alser ster zu sprechen, an sich gerissen hatte. Indem sie ihre Handlungeninder»richtigen«Weisewiederholen,bewir kensieeineordnungsgemäßeSchöpfung. Die Schöpfung geht nach Izanamis Tod weiter, denn als IzanagisichaufdieSuchemacht,umsiezurückzuholen, jagt ihm ihr verwesender Körper eine solche Angst ein, daßervorihrdavonläuft.AlssieundihreDienerihnver folgen,werdenverschiedeneTeileihrerKörperinTeileder Schöpfung verwandelt. Die Geschichte deutet auf eine Angst des Mannes vor dem weiblichen Körper und den TatsachendesTodeshin. AuchdieseGeschichtedientvielleichtnuralsPropaganda, odersieweistaufeinefrühereKulturzurück,inderFrau en Macht innehatten. Die japanischen Kaiser führen ihre mythologischeAbstammungnichtaufeinenmännlichen
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Gottzurück,sondernaufdieSonnengöttinund Schöpferin AmaterasuOmikami.Obwirnuneinefrüherematrifokale Kulturannehmenodernicht,wirbleibenmitderfaszinie renden Ähnlichkeit zwischen den Geschichten von Lilith und Izanami zurück. Und wie bei der Geschichte von Adams Reaktion auf seine namenlose zweite Frau bringt der japanische Mythos dasEntsetzenvorderphysischen WirklichkeitdesKörperszumAusdruck.
VerzerrteMythen Mythen,dieunsbizarroderseltsamerscheinen,leitensich zuweilenvoneinerpatriarchalenNotwendigkeitab,einen früherenMythosvonderGöttinzuverzerrenoderaufden Kopf zu stellen. Die griechische Göttin Athene war ur sprünglicheineFigurvongroßerMachtundvielenAspek ten, zu deren Tieren die Eule und die Schlange zählten, SymbolefürverschiedeneBewußtseinsebenen.Umsieun terdieHerrschaftvonZeuszubringen,entwickeltendie GriechendieGeschichte,daßZeusseineersteGemahlin, Metis,verschlang,umsiedaranzuhindern,einKindzu gebären,dasihnstürzenkönnte.AlsZeusvonschreckli chenKopfschmerzengeplagtwurde,spaltetederGottHe phaistosihmdasHauptmiteinerAxt.HervortratAthene, gerüstetundzumKampfbereit.AusderPerspektiveeiner früheren Göttinnenreligion können wir diesen Mythos als eineGeschichteüberdasPatriarchatentschlüsseln,dasdie Göttinnenkultur besiegt – verschlingt. Diese Kultur wei gertesichzusterbenundbereitetedemPatriarchatKopf schmerzen.UndderKopfsolltewirklichschmerzen,denn siehattendasDenkenüberdieSchöpfungausdemKörper herausgestellt. AlsdieDorerinGriechenlandeindrangen,begegnetensie dermächtigenGöttinAthene.DaAthenenichtverschwin denwollte,gestaltetensiesienachihremBildalsKriegerin um. Und in ihrer Version trat sie erwachsen aus dem HauptdesZeushervor–alsobdasPatriarchatsiekom pletterfundenhätte,alshättesienichtexistiert,bevorZeus
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sie »schuf«. Gleichzeitig fällt uns vielleicht auf, daß das HauptdesZeus,alsHephaistosesspaltet,sichineineVa ginaverwandelt.BenutzteHephaistoseineDoppelaxt,ei nelabrys,ausKreta? Eine ähnliche Umkehrung taucht in der Geschichte von PandoraundihrerBüchsemitÜbelnundPlagenauf.Der Name Pandora bedeutet wörtlich »AllGeberin«, ein Hin weis darauf, daß sie ursprünglich eine Muttergöttin war undkeintörichtesKind.EinenweiterenAnhaltspunktfin denwirineinerAnmerkungvonNorHallinThoseWomen, daßdasgriechischeWortkista,das»Korb«oder»Büchse« bedeutet,imaltenGriechenlandalseinWortspielzukustus (»Vagina«)verstandenwurde.
EvaundderApfel Die Geschichte von AdamundEvaund demApfelmag uns sonderbar vorkommen, bis wir ihre früheren Versio nen kennen. Als Kind ergab diese Geschichte, die ich natürlich als historische Tatsache lernte, keinen Sinn für mich:»DieWeltistvollerSchöpfungsmythen«,schreibtJo seph Campbell, »und tatsächlich sind sie alle unwahr.« Warum, fragte ich mich, sollte Gott diese beiden Bäume hervorbringen,wennerdochgarnichtwollte,daßAdam und Eva von ihnen aßen? Warum diese Umstände? Und warumerstdiesenganzenGartenfürsieanlegenundsie dannnurwegeneinesFehlersausihmvertreiben?Meine Lehrererklärten,daßGottdenMenschenmiteinemfreien Willen versehen hatte und die beiden Bäume dort an pflanzte,umihnaufdieProbezustellen.Aberdasschien einem üblen Trick gleichzukommen, besonders da diese beidenBäumedieZierdedesGartensdarstellten–undbe sondersdaeinallmächtigerGottdasErgebnisimvoraus gewußthabenmußte.EsergabeinfachkeinenSinn.Erst als ich Merlin Stones Als Gott eine Frau war und Joseph Campbeils Die Masken Gottes: Mythologie des Westens las, begannichzuverstehen,wasindieserverwirrendenGe schichtevorsichgeht.
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Wir haben gesehen, daß die Menschen der Jungsteinzeit undderfrühenBronzezeitdieGöttinalseinenBaumanbe teten und Tempel in Hainen errichteten. Und wir haben gesehen,daßüberallinderWeltdieSchlangedieLebens energiederGöttinverkörpert.Im1.BuchMosefindetsich einmerkwürdigerSatz,alsGottdieSchlangemitdenWor ten:»UndichwerdeFeindschaftsetzenzwischendirund demWeibe«verflucht.AuchdieseAussageergibtkeinen Sinn,biswirvondenSchlangenerfahren,diesichumdie ArmederGöttinunddurchihrHaarwanden.Statuender kretischenGöttinzeigensiemitSchlangeninjederHand. DieältestenBildervonAthenestellensienichtalsKriege rin dar, sondern als eine Schlangengöttin. Auch in Grie chenlandsätderGottFeindschaftzwischenderFrauund der Schlange, denn in den klassischen griechischen My then wird die Schlangengöttin zu Medusa. Athene hilft Perseus,MedusazutötenundihrenKopfabzuschlagen– aberMedusawarursprünglichAtheneselbst. AuchderApfelverkörpertdieGöttin.Schneidetmanei nenApfelquerdurch,soläßtseinKerngehäuseeinvoll kommenesPentagrammerkennen.DerPlanetVenusfolgt, vonderErdeausgesehen,übereinenZeitraumvonacht JahreneinerBahn,dieeinemPentagrammodereinerfünf blättrigen Blume gleicht (siehe dazu auch William Irwin Thompson,ImaginaryLandscapes).FolglichstelltderApfel eineirdischeVerbindungmitderHimmelsbahndesPlane tenVenusdar,dermitIshtar,Astarte,Aphrodite,derrömi schenVenusundanderenGöttinnengleichgesetztwird. InderGöttinnenversion,dievieleinfacheristalsderbibli sche Mythos von Eden, ist nicht die Rede von Verboten oder einem »eifersüchtigen« Gott oder Ungehorsam und Verbannung.StattdessenbeginntsiemitderWirklichkeit unseres Lebens und bietet uns ein Versprechen an. Die GöttinhateinenLebensbauminihremGartenderFreude gepflanzt, wo sie mit ihrer Schlange wartet. Sie hält uns ihrenApfelentgegen,undobwohlesderApfelder»Un sterblichkeit«ist,istergleichfallsderApfelderErkenntnis, dennnurdurchdieErkenntnis,daßdieGöttininallenDin
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genlebt,könnenwir uns von unserer Angst vor der per sönlichenZerstörungimTodbefreien. DiebiblischeGeschichtetutmehr,alsdenälterenMythos auf den Kopf zu stellen. Sie verschlüsselt den Sturz der göttinnenzentriertenWelt.DieErkenntnis,dieEvadurch die Schlange gewinnt, ist das Bewußtsein der heiligen Wirklichkeit–abersiesymbolisiertzugleichdasWissen umdieGeschichteselbst.DennderGartenistdieneolithi scheWeltderGroßenGöttin,undalsdieKriegerstämme siestürzten,verbanntensiesiesogarausdemGedächtnis –sodaßsiebiszudengroßenEntdeckungendermoder nenArchäologienurimVolkstumundinverworrenenGe schichtenvoneinem verlorenen Paradies existierte.
EindeutlicherMythos DiemöglicherweisespezifischeGeschichtevondermänn lichenMachtübernahmestammtvondenOnaaufFeuer land,einemVolk,beidemnichtdieRedevoneinerEvolu tionvon»primitiven«zu»höheren«StufenderZivilisation ist.InseinemBuchMythologiederUrvölker*erzähltJoseph Campbell,wiedieOnasichdenUrsprungderHütte(Hain) erklären,indersichderGeheimbundderMännertraf.In derFrühzeitderWelt,soerzähltendieOnaeinemgewis sen Lucas Bridges, hatten die Frauen die alleinige Macht inne,unddieMänner»lebteninäußersterFurchtundUn terwerfung«.AlsotötetendieMänneralleFrauenundver schonten nur die kleinen Mädchen, die noch nichts von der weiblichen Macht wußten. Um sicherzustellen, daß künftigeGenerationenvonFrauensichnichtzusammen schlossen,umihremagischeKraftwiederzuentdecken,er richtetendieMännereineHütte,zudernursiealleinZu gang hatten. Dann erfanden sie verschiedene Geisterwe sen,diedieFrauenverängstigenundvonderHütteund vomWissenfernhaltensollten.DieMännerselbstgaben *Joseph Campbell:DieMasken Gottes. Mythologie der Urvölker, Basel:Sphinx1991,S.352.
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sichfürdieseWesenaus.Das Erstaunliche an dieser Ge schichteistnichteinfachihreunverhohleneBrutalität,son dernihreklareBeschreibungeinerinstitutionalisiertenRe ligion als arglistige Täuschung, die ersonnen wurde, um Frauenzuverwirrenundzuunterwerfen. Die Männer der Ona ahmtenGötternach,umFrauen zuunterdrücken.AuchinanderenKulturenwurdenImi tation und Verkleidung zu einer Strategie für Männer. JudithGleasonschreibt,daßbeidenYoruba»dasWeibli che primär ist« und zugleich auch gefährlich, so daß die Männer es durch »männliche Strukturen des Den kensundderSprache«kontrollierenmüssen.EineSei te dieses InSchachHaltens bilden kunstvolle Kostüme, diezumTeilabstrakteMusterdarstellen,zumTeilüber natürlicheBilderundzumTeilNachahmungenvonFrau en odervielmehr weiblichenEigenschaften(zumBeispiel übertriebene Brüste und Hüften). An den meisten Orten sind diese egungun oder Verkleidungsrituale nur den Männern zugänglich. Jedoch werden sie in verschiedenen westafrikanischen Mythen als ursprünglich weibliche Kunstbeschrieben,diedazudiente,Männerzuängstigen undzubeherrschen,bisdieMännersiedenFrauenentris sen.
DenDrachentöten Viele patriarchale Mythen erzählen, daß die Weltordnung ausdemChaosdurchdieTötungeinesDrachen,einerRie sen oder Seeschlange errichtet wurde. Dieses Thema tauchtvornehmlichindergriechischenundnahöstlichen Mythologie auf. Der hebräische Gott tötet Leviathan, ApollontötetPython,wodurcherdieKontrolleüberdas DelphischeOrakelbegründet,ZeustötetTyphoeus(oder Typhon),dasletzteKindvonGaia,derErde,undsoweiter. InvielendieserGeschichtenwirddieSchlange/dasUnge heuerausdrücklichalsweiblichidentifiziertodermiteiner archaischenGöttinoderderStätteweiblicherMachtasso ziiert.
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Die berühmteste dieser Geschichten handelt von dem babylonischen Helden Marduk, der Tiamat tötet, die Urschlange, die GöttinMutter, die gleichfalls Marduks Urururgroßmutter ist. Tiamat, so erfahren wir im Enuma Elisch, war böse geworden und brachte Ungeheuer zur Welt. UmdieSchöpfungzuschützen,inthronisierendieGötter Mardukundsagenzuihm:»WirgebendirdieOberherr schaftüberdieganzeWelt.DeineWaffesollniemalsihre Machtverlieren«–einSatz,deraufPhallusanbetungund dieAngsthinweist,diedarausresultiert,wenndiemännli cheMachteinemOrganinnewohnt,dasvonNaturausan undwiederabschwellenkann(dieVerherrlichungundso gar Anbetung von Schwertern und anderen Waffen ent steht möglicherweise aus der Tatsache heraus, daß Schwerterniemalserschlaffen).DieGötterstattenMarduk mit dem Donnerkeil und anderen Waffen aus, und er machtsichauf,Tiamatzuvernichten.Ertötetsienichtnur, sondern zerschmettert ihren Schädel und halbiert ihren LeichnamwieeineMuschel. In ihrem Buch The Myth of the Goddess analysieren Anne BaringundJulesCashforddieGeschichtealseinepoliti scheBotschaft.SiesymbolisiertnichtnurdenAufstiegdes Patriarchats,sondernfälltzeitlichauchmitderEroberung SumersdurchBabylonzusammen.InSumer,sowirder zählt,brachtedieGöttindieWeltausihremKörperhervor, einen himmlischen Berg bildend. Marduk nun, der seine Urururgroßmutter zerteilt hat, »erschafft die Schöpfung vonneuem«,wieBaringundCashfordesausdrücken.Er häufteinenBergüberTiamatsKopfan,weitereBergeüber ihren Brüsten, durchbohrt ihre Brüste und Augen, um Flüssezubilden,stütztmitihremSchrittdenHimmelund soweiter.AußerdemführterdiezwölfMonatedesJahres ein, setzt die Sonne und den Mond in ihre Bahnen und machtausderWeltimgroßenundganzeneinenordentli chen Platz. Schließlich erschafft er den Mensch als ein demütigesWesen,umdenGötternzudienen,damit»sie sichwohlfühlenmögen«.
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Alles in dieser Geschichte läuft darauf hinaus, das poli tische System des »Beherrschers« für rechtsgültig zu erklären, ein System, in dem Männer über Frauen herr schenundderKönig,derGottaufErden,vonderArbeit seinerSklavenlebt,sowiedieGötterdieOpferundGebe tederMenschenempfangen.Aberwirkönnennocheine andereSchichtindieserGeschichteundderTötungaller anderen Schlangen / Drachen entdecken. Mehrere zeit genössische Forscher und Autoren über die Göttin, zum Beispiel Luisa Francia, die Autorin von Drachenzeit, und Mary K. Greer, die eine führende Rolle auf dem Gebiet weiblicherMenstruationsgeheimnissespielt,habendarauf hingewiesen, daß der »Drache« Menstruation bedeutet unddaßdieVernichtungdiesesDrachendasBrechender magischen / religiösen Macht bedeutet, die den Frauen durch ihr Blut zufällt. Ein Drache ist eine mythische Schlange,eineSchlangemitBewußtsein.Schlangenbewe gen sich über den Boden, einer Flüssigkeit gleich, einem fleischgewordenen Strom gleich – oder dem Blut gleich. Und man kann eine weitere Assoziation hinzufügen: Während der Menstruation stößt die Gebärmutter ihre Schleimhautab,sowiesichdieSchlangehäutet,um»wie dergeboren«zuwerden. Wirhabengesehen,daßdiemenschlicheKulturihrenAn fang möglicherweise mit Frauen genommen hat, die die Machtder»menstruellenGleichzeitigkeit«erfahrenhaben, daß heißt des gemeinsamen Menstruierens während des NeuoderVollmondes.Diemeistenderwestlichen»Dra chen« sind genaugenommen Seeschlangen, wie etwa Tia matundLeviathan,dieimSalzwasserleben,dasdemBlut soähnlichist.Andere,wiederdelphischePython,lebenin dunklen,feuchtenHöhlen. VieleKulturenhabendieMenstruationdämonisiert.Zara thustrabezeichnetedieMenstruationselbstalsdieQuelle allen Übels. Ausschlaggebend für das monströse Bild der Medusa, dem alptraumhaften Zwilling der Athene, mit ihrem Schlangenhaar und ihren Augen, die Männer in Steinzuverwandelnvermochten,warvielleichtdiemänn
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licheAngstvorderMenstruation. Freud bezeichnete Me dusaalseinemännlicheProjektionderweiblichenGenita lien.
MännlicheAneignung IneinigenGegendenkönnteeinaufstrebendesPatriarchat die mit der Menstruation assoziierte Macht übernommen haben. In einem Aufsatz mit dem Titel »Menstrual Syn chronyandtheAustralianRainbowSnake«(Menstrueller Synchronismus und die australische Regenbogenschlan ge)indemBuchBloodMagicschreibtChrisKnight,daßes KönigeninalteneuropäischenKulturennichterlaubtwar, dieSonnezusehenoderdenBodenzuberühren–dieglei chenTabus,diemenstruierendenMädchenauferlegtwur den.InchinesischenMythenheißtes,daßdieKaiseraus der Kopulation mit einem Drachen geboren wurden, der als »feucht«, »gefährlich« – und weiblich beschrieben wird. KnightgehtdenZusammenhängenzwischenMenstruati on und der Regenbogenschlange nach, die in vielen au stralischenMythenalsSchöpferauftritt.InihrerAngstvor dieser weiblichen Macht strebten die Männer danach, Kontrolle über sie zu gewinnen, indem sie ihre eigenen Blutritualeeinführten.AneinigenOrteninAustralienist die Initiation junger Männer mit der Subinzision, dem Aufschlitzen und Vernarben des Penis, verbunden. WährendderInitiationerfahrendieJungendieWiederge burtauskollektivenSchoßgruben.DieälterenMännerbe schreiben daraufhin den (ursprünglichen) weiblichen SchoßalseineGrubemitgierigenSchlangenunddieweib licheMacht(dieKnightmitmenstruellemSynchronismus gleichsetzt)alsein»kannibalischesUngeheuer«,vondem die Menschheit befreit werden muß – im Vergleich dazu habenMännerinwestlichenLändernimallgemeinenge glaubt, daß die Vagina Zähne haben kann, eine Vorstel lung, die Volkskundlern als vagina dentata bekannt ist. Knightberichtet,wiedieMännerdiedurchSubinzision
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beigebrachtenWundengemeinsamimRitualzurZeitdes Neumonds öffnen. Wie auf Feuerland bezeichnen einige männliche Geheimgesellschaften in Australien Macht als reine»Frauensache«undsagen,daßdieMännersieüberli stetundihnenihreMagiegeraubthätten. Die Männer der Ona erzählen, daß alle Frauen getötet wurden,diealtgenugwaren,umdieweiblicheMachtzu kennen. Damit ist die Menstruation gemeint. Aber auch zukünftigeGenerationenwerdenmenstruieren.DieMagie rührtnichtvonderMenstruationalleinher,sondernvon dem Verständnis, was Menstruation bedeutet. Wissen über denKörperundseineMachtistgenausowichtigwieder Körperselbst.
EineandereBeurteilungvon Menstruationstabus DiemeistenMenschenhabenvondenkompliziertenTa bus gehört, die menstruierenden Frauen in Kulturen, so weitentferntwiederNaheOstenundNordamerika,auf erlegtwerden.WirwissenvonFrauen,dieindunkleHüt ten eingesperrt werden, keine Speisen anrühren dürfen undsoweiter.VieledieserTabusgehenvonpatriarchalen Gesellschaftenaus,diedieMachtderFrauenübernommen undsieaufdenKopfgestellthaben.Sofördernbeispiels weisedieNährstoffeimMenstruationsblutdasPflanzen wachstum.UmdieseTatsachezuverschleiern,lehrtedas früheJudentum,daßmenstruierendeFrauenvonPflanzen ferngehaltenwerdenmüssen,umdiesenichtzuruinieren. Dieser Aberglaube hält sich noch bis heute. Vor einigen JahrenerzähltemirmeineSchwester,daßihrRabbibeharr lichbehauptethabe,einTropfenMenstruationsblutwürde eine Pflanze vernichten. Angesichts solcher Gedanken in derWeltkannmansichgutvorstellen,daßMännerglaub ten,»Medusa«(Menstruationsblut)könnesieinSteinver wandeln. Zur gleichen Zeit haben einige Anthropologen angefan gen,dasganzeKonzeptder»Menstruationstabus«zumin
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destinStammesgesellschaften in Frage zu stellen. Die Her ausgeber von Blood Magic, Thomas Buckley und Alma Gottlieb,weisendaraufhin,daßdiemeistenAnthropolo genmännlichenGeschlechtssindunddahermännlicheIn formantenausderuntersuchtenKulturbefragen.Vondie semGesichtspunktauskönntedieMenstruationfurchtein flößendundgefährlicherscheinen,diegegensiegetroffe nen Maßnahmen werden als Schutz vor der magischen EnergiederFrauenverstanden.WennAnthropologenje doch den Standpunkt der Frauen zu ergründen suchen, stellensieoftfest,daßdieselbenHandlungenineinemviel positiverenLichtgesehenwerden.FürdieMänneristdie »Frauenhütte«vielleichteinOrt,umFraueneinzusperren undsiedavonabzuhalten,dieSicherheitderGemeinschaft zugefährden.AufderanderenSeitekanndieFrauenhütte fürdieFraueneinOrtderMachtundderZelebrationdar stellen. Auf ähnliche Weise haben einige jüdischortho doxeFrauenangefangen,dasVerbotdesGeschlechtsver kehrswährendundnachderMenstruationvonderpositi venSeitezusehen.Anstattsieeinfachnurals»unrein«zu begreifen,verstehensieihreMonatsblutungenalseineZeit für sich, in der sie zu ihren Partnern und besonders zu ihremKörperineineandereBeziehungtretenkönnen.
EineReligionderWirklichkeit Menschen,diedermodernenGöttinnenbewegungkritisch gegenüberstehen,fragenmanchmal,warumdieFrauenih re Stellung verloren haben, wenndieGöttindochsoall mächtig ist. Wie konnten die Männer die Macht an sich reißenunddieFrauenunterdrücken,sieinUnwissenheit und sklavischer Abhängigkeit halten? Auch diejenigen, dieandieGöttinglauben,könnendieseFragenbeunruhi gend finden. Einige entwickeln mythische Ideen, daß die GöttinihreKinderverlassenhatoderunsdafürbestraft, sienichtangemessenangebetetodereinTabuverletztzu haben. Andere greifen auf die Fortschrittshypothese zurück,daßdieGöttinesalseinenotwendigeStufeinder
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Menschheitsentwicklung zuließ, daß die Männer die Machtergriffen. BiszueinemgewissenGradeentstehendieseFragenselbst aus einem patriarchalen Gottesmodell. Wir stellen uns Gott (Göttin) allmächtig vor, der alles, was mit Vorsatz, Absicht und unaufhaltsamer Macht geschieht, be herrscht und lenkt. Das ist der nach dem Bild des Men schen (oder vielmehr nach den menschlichen Phantasien vonAllmacht)geschaffeneGott,besondersnachdemauf Herrscher und Sklaven beruhenden»Beherrscher«Modell derWelt,wieRianeEisleresnennt.IneinersolchenReligi on distanziert sich Gott von der Welt, inszeniert sie und verlangt von uns vor allem, ihn zu fürchten (»Angst vor demHerrnistderAnfangvonWeisheit«,sagtunsdieBi bel). Die Religion der Göttin ist keine »fortdauernde Bezie hung« zu einem allmächtigen, kontrollierenden Wesen, das getrennt von der Welt existiert. Statt dessen können wirsiealseineBeziehungzuderWeltbezeichnen,sowie siewirklichist,mitihrenZyklen,ihremreichenLebenund ihrem allgegenwärtigen Tod, ihrer Freude und ihrem Schmerz. Die bleibende Beziehung geht aus dem Körper derWeltundunsereneigenenKörpernhervor.DieGöttin istfürdieGeschichtenichtverantwortlich.DieGöttinist GeschichtemitallihremSchmerzundEntsetzenundzu gleichihrenSchönheitenundEntdeckungen. Die Zeugnisse der neolithischen Zeit lehren uns,daßdie Göttin keine Spaltung zwischen Natur, Wissenschaft und demHeiligenerfordert.DieSchönheitvonOrtenwieSto nehenge,NewgrangeoderChacoCanyonliegtdarinbe gründet,daßsiedasHeiligedurchdieLenkungvonLicht inSteinwachrufen–undsodemveränderlichenKörper dernatürlichenWeltFormverleihen.WennwirdieSchöp fung als weiblichanerkennen,brauchen wirkeinenGott zupostulieren,dernurausGedankenherauserschafftund darumallesbestimmt,wasvorsichgeht.Wirmüssendie Religionnichtinetwas»Höherem«alsderWeltunmittel barvorunssuchen.
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EineReligion,dieaufderWeltbasiert,sowiesieist,befreit sowohlMänneralsauchFrauen.Icherwähnteschon,daß es zwangsläufig zu Angst führt, wenn man Macht und KontrolleaufdemPhallusbegründet,weilderPenisnicht nuran,sondernauchabschwillt.InKulturen,indenendie Göttin das Leben verkörpert, wird der Phallus zu einem Werkzeug des Lebens und folglich der Befreiung, aber nichtderEroberung.DerPhilosophundHistorikerMichel Foucault wies darauf hin, daß der Gedanke des heiligen Augustinus,»sichgegenGottzuerheben«,vonseinerei genenUnfähigkeitherrührt,seinenSexualtriebunterKon trollezuhalten.DaereinemüberirdischenGottdesbloßen Denkens folgte, glaubte Augustinus, daß er mit seinem Geist seine Sexualität besiegen könne. Die Tatsache, daß seinPenisohneseinenBefehlanschwellenkonnte,schien ihmderursprünglicheUngehorsamzuseinundführtezu seinenLehrenvonderErbsünde,davon,daßjedeGenera tionmitAdamsVergehenvergiftetwar,daßdasSperma selbstvergiftetwar(AugustinusschloßsichAristotelesan, derlehrte,daßdasBabyalsGanzesschoninderSamen flüssigkeit existieren würde), so daß unsere Schöpfung durchSexualitätfürunsereVerdammungsorgt.Wennwir jedochunsereReligionaufderWelt,sowiesieist,begrün den, dann macht der Phallus genau das, was er machen sollte–undnichtmehr. WirmüssenkeinegroßenSchlachtenaustragen,tötenoder zumMärtyrerwerden,umdieGöttin»zurückzubringen«, denn sie ist niemals weggegangen. Wir müssen einfach nur sehen, die Wirklichkeit der Natur und unsere eigene anerkennen.IngewissemSinnelebenwiralledenMythos derOnaaufFeuerlandaus.EineverzerrteReligionhatdie WeltaufdenKopfgestelltundalles,wasjemalsvorihrexi stierte,verworfen.DurchdieWiederentdeckungdesWis sens – durch die Wissenschaft, durch die Archäologie, durchdasWerkvonFrauen,Minderheitenundeingebore nenVölkern,dieihreeigeneGeschichteaufspüren–haben wirangefangen,unsselbstwiederzuentdecken.
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DerKörperimLand JedeWanderunggeht vonderMutteraus, fahrtzurMutter,geschiehtinderMutter. NorHall
DieeuropäischeJungsteinzeitverschwandnichtmiteinem Male.WährendeinigeGebieteEindringlingenindieHand fielen,entwickeltensichandereundblühtenweiter.Diese »ZivilisationderGöttin«,wieMarijaGimbutassienennt, erreichte ihren Höhepunkt vor 4500 Jahren auf der Insel Kreta. Bis ihre Welt durch Erdbeben in Verbindung mit aufeinanderfolgenden Invasionen vom Festland unter ging,lebtendieKreterineinersowohlkomplexenalsauch feinsinnigen Gesellschaft mit großen und prachtvollen Palästen,dieinHarmoniemitderphysischenPräsenzder GöttininderLandschafterrichtetwurden.DieKreterzele brierten die Sinnlichkeit des Lebens mit ihren gehörnten BergenundHöhlenheiligtümern,ihrenelegantenFresken, die unter anderem üppigwachsendeBlumenundsprin gende Delphine zeigen, ihren Stierspielen, ja selbst mit ihrenTieropfern,dieinihrerKunstalsfröhlicheProzessio nendargestelltsind.DieGriechen,dieihnenfolgten,ver zerrten diese Dinge, wobei sie insbesondere Alptraumge schichten von einem Minotaurus, einem Mischwesen aus MenschundStier,derhilflosejungeAthenerverschlingt, insLebenriefen.DurchdieArchäologieunddieEinsichten von Kunsthistorikern und Göttinnenanbetern – Frauen wieMänner–sindwirausdiesemAlptraumerwacht,um unsereVerehrungfürdasLebenzuentdecken. Wie die späten Griechen auch brachten die Kreter dem Körper und seiner Schönheit Achtung entgegen. Anders alsdieGriechen,dienachausgeglichenerVollkommenheit strebten,drücktendieKreterdieLebenskraftdesKörpers aus.DaserkennenwirschonandenGöttinnenfigurinen,
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mit bloßem Busen, mit Energie erfüllt, in jeder Hand Schlangenhaltend.UndwirselbstkönneneinfernesEcho davonerfahren,wennwirdenaltenProzessionswegenum diePalästeherumundinnerhalbihrerMauernfolgen,die vorderewigenPräsenzdergehörntenBergeerrichtetwur den.
EineältereKultur VomGesichtspunktderGöttinnengeschichteausstelltdie InselKretaeineKulturdar,diesichvomübrigenGriechen landunterscheidet.ObwohlKretaseitJahrtausendenzum griechischenStaatgehörte,seitdemdieFestlandMykener eskolonisiertenundihreeigenenGöttermitderkretischen Göttinverbanden,wardieursprünglicheKulturmitihren prachtvollen Palästen, ihrer eleganten Kunst und ihrer VerehrungfürgehörnteBergevorgriechisch,eineErweite rungderneolithischenKultur. Vieles von dem, was wir über diese Zivilisation wissen, wirdunsverzerrtdurchdieMythenbildungderspäteren griechischen Kultur überliefert. Obwohl die Namen und Geschichten über Kreta von der Insel selbst herrühren, spiegelnsieinWirklichkeitdiespäterepatriarchaleReligi onwiderundnichtdiegöttinnenzentriertenMythen,die sich in den kretischen Fresken, Siegeln und anderen von derArchäologieausgegrabenenÜberrestenerkennenlas sen. Sogar Zeus, das Oberhaupt der olympischen Götter, begann seine mythische Existenz wahrscheinlich als ein kretischer Vegetations oder Stiergott. Im Volkstum wird einerdergehörntenBerge,derIda,derdieLandschaftin derNähederwichtigstenkretischenPalästebeherrscht,als seinGeburtsortbezeichnet,währendeinanderer,derBerg Dikte,angeblichseinGrabbirgt.DadiegriechischenMy thendieUnsterblichkeitdesZeushervorheben,erscheint esseltsam,vonseinemGrabzusprechen.Einnochanderer Mythos bezeichnet den Dikte als den Schauplatz seiner »Heirat«mitEuropa;inderklassischenGeschichteheißtes jedoch,daßZeusinStiergestaltEuropavergewaltigte.Eli
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norGadonschreibtinihremBuchTheOnceand Future God dess, daß Europa »Vollmond« bedeutet und die Figur der Europa die Göttin als »Mondkuh« verkörperte.Wenn wir dieseMosaiksteinezusammensetzen,ahnenwir,daßZeus einst der Stiergemahl der Göttin auf Kreta gewesen sein könnte, der mit dem Land verheiratet war und geopfert wurde, um die alljährliche Erneuerung des Landes nach demWinteroderderleblosenDürredesSommerssicher zustellen. Zu den vielen Stierdarstellungen in der kreti schen Kunst zählen Bilder von Stieren, die der Göttin in fröhlichenProzessionengeopfertwurden. Den griechischen Mythen zufolge ernähren Bienen den jungen Zeus in seiner Höhle im Ida. Wenn wir uns noch einmal den kretischen Siegeln und Schmuckstücken zu wenden,entdeckenwirBienenbeiderGöttin.Bienenver körpern die Göttin überall in Südeuropa und im Nahen Osten. Der antike Schriftsteller Porphyrios bezeichnet die GetreidegöttinDemeteralseineBiene,undausdengrie chischen Mythen geht hervor, daß Demeter aus Kreta stammt. Tafeln von Knossos, auf Kreta selbst, die in der mykenischen Schrift, bekannt als Linear B, verfaßt wur den,beschreibenHonigopfer,diederGeburtsgöttinEileit hyiadargebrachtwurden. EinanderergriechischerStiergott,Dionysos,derGottdes Weins,könnteebenfallsseinenUrsprungaufKretagehabt haben. Griechische Vasen zeigen Europa, die mit Trauben schwer beladene Rebenträgt.IndenklassischenMythen heiratet Dionysos Ariadne, eine Prinzessin, die aber ur sprünglichvielleichteineGöttinvonKretawar.InderGe schichtewirdAriadnedurchihreHeiratmitDionysosin den göttlichen Stand erhoben. Ursprünglich funktionierte esvielleichtandersherum,daßnämlichderStierdurchsei neHeiratmitAriadnezumGottwurde.DerNameAriad ne bedeutet »die Heiligste«, ein Attribut, das auch auf Aphroditeangewendetwurde.IndennächstenzweiKapi teln werden wir mehr von Dionysos, diesem geheimnis vollenGottderEkstase,erfahren.
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GriechischeMythen als Puzzle So viele unserer Bilder von Kreta wurden uns durch die verwirrende Linse der griechischen Mythologie überliefert.DieLebendigkeitdergriechischenMythenläßt sich teilweise zurückführen auf ihre Verbindung von scharfemundklaremDenken–wieessichindenelegan ten Säulen der griechischen Tempel niederschlägt – und wilder Gewalt, einschließlich Mord, Kannibalismus, In zest,Vergewaltigung,VerstümmelungundZerstückelung. DurchalldasziehtsicheineAhnungvontieferenSchich ten, von anderen Geschichten und Bedeutungen, die verschleiertundverzerrtsind,mitElementen,diezusam mengefügt, und anderen, die auseinandergerissen wur den,sodaßdieLeserinbzw.denLeserderMythendasGe fühlüberfällt,eineeinfachereWahrheiterfassenzukönnen –abernichtganz.Esist,alsobeinbesondersneurotisches GeniedieseGeschichtenformuliertundsiedabeimitihrer eigenenBrillanzundihrereigenenüberwältigendenAngst gefüllt hätte. Bald werden wir uns mit der Möglichkeit, daßdieseAngstvonderVernichtungderGöttinnenreligi on herrührt, auseinandersetzen – einer Religion, die die Griechen selbst als älter anerkannten und die tiefer mit dem Land und den natürlichen Tatsachen der Existenz verbundenwaralsdieihrerbrutalenKriegergötter.Hier jedochsolltenwir,wenngleichnurkurz,daraufeingehen, wiediesesGeniedieTatsachenüberjeneprähistorischeZi vilisationverzerrte,dieArthurEvans»minoisch«genannt hat. WirsolltenmitdemBegriff»minoisch«beginnen,dervon Evansgeprägtwurde,alserdenPalastvonKnossosAn fangdes20.Jahrhundertsausgrub.DieBezeichnungleitet sich von einem König Minos ab, Sohn des Zeus und der Europa, der über Kreta vor dessen Untergang geherrscht haben soll. Diese Vermutung beeinflußt noch immer die DiskussionüberKreta.ArchäologenhabengewisseRäu meindenverschiedenenPalästenals»MegarondesKö nigs«bezeichnetundandere,kleinereRäumeder»Köni
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gin« zugewiesen. Evans und seine akademischen Nach kommenbeschriebeneinensteinernenStuhl,derineinem RauminKnossosgefundenwurde,alsdenKönigsthron. EsisteineinfacherundeleganterStuhlmitWandmalerei en dahinter, so daß er von Greifen flankiert wird, aber nichtsanihmweistzwangsläufigdaraufhin,daßessich umeinenThronfüreinenKönighandelt.Erkönnteauch für eine PriesterinodereinenPriesterbestimmtgewesen seinoderfürjemanden,demzueinerbestimmtenZeiteine Ehrungzuteilwurde,oderfüreinenZweck,dereinzigar tig in dieser Kultur und uns unbekannt ist. Der einzige Hinweis geht aus Fresken und Vasen mit Darstellungen von Greifen hervor, die eine sitzende Göttin beschützen. VielleichtwolltendieKretererreichen,daßderStuhlund die hinter ihm befindlichen Wandmalereien Leben in die Bilderbringen,währendeineFrauinderRollederGöttin majestätischdasaß. Marija Gimbutas ziehtdenTerminus»Palast«fürdievon EvansfreigelegtenRuinendergroßenGebäudekomplexe ansichinZweifel.InihremBuchDieZivilisationderGöttin schreibtsie,diePalästeseienkeineVerwaltungszentrenfür einen Herrscher gewesen, sondern Palasttempel, »in de nenkompliziertereligiöseRitualeimRahmeneinesthea kratischenSystemsstattfanden«. Auf Kreta gefundene Texte vermittelnden Eindruckvon einervielseitigenBürokratie.DieSchrift,inderdieseTexte abgefaßtwurden,LinearB,isttatsächlichgriechischund stammt von den mykenischen Eindringlingen, die nach und nach die Herrschaft über Kreta übernahmen. Die frühere,reinkretischeSchrift,vonArchäologenals»Linear A« bezeichnet, wurde nie entziffert. Wenn wir die kreti scheKunstbetrachten,findenwirkeineDarstellungenvon allmächtigen Herrschern, weder männlichen noch weibli chen, sondern nur von einer Göttin, die die Lobpreisung unddieFreudeihrerAnbetererfährt.
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PasiphaëundderStier Den griechischen Mythen zufolge heiratete Minos eine FraunamensPasiphaë,TochterdesHeliosundderPerseïs. Pasiphaë bedeutet »die für alle Scheinende«, während HeliosundPerseïsdieSonneundderMondsind.DieNa menlassendiesterblicheFraualsdieGöttindesHimmels erkennen. Griffen die Griechen den Namen einer kreti schen Himmelsgöttin auf und wiesen ihrselbsteineNe benrollealsKönigMinosFrauzu?DemMythosentneh men wir, daß der griechische Meeresgott Poseidon dem MinoseinenweißenStierausdemMeersandte,damitdie serihmdasTieropfere.AnderenVersionenzufolgeschick teZeusdenStier–wasplausibelklingt,daZeusdieGe stalt eines Stiers annahm, um Europa zu vergewaltigen. Zeus, der Himmelsgott, Poseidon, der Meeresgott, und Hades,derTodesgott,warenindenMythenBrüder,kön nenaberaucheineFigurgewesensein,dieindreiFunktio nenaufgeteiltwurde. Stieropferungen,dieinderkretischenKunstalseinderar tigmachtvollerAspektderReligioninErscheinungtreten, könntenihrenUrsprunginderTierzähmunghaben.Zur ZeitderJägerundSammlerhattendieMenscheneinehei ligeScheuvorTieren.EindringlicheBildervonStieren,rie sengroßundsowohlinallenEinzelheitenalsauchinwil derBewegungbegriffengemalt,sindinderHöhlevonLa scaux vorherrschend. Die Zähmung und Beherrschung solcherTierekönnteAngstoderSchuldgefühleerzeugtha ben. Paradoxerweise könnte gerade die rituelle Schlach tungundOpferungdesTieresfürdieGöttinvondemGe fühl befreit haben, daß durch die Domestizierung die MachtderTiereverringertodertrivialisiertwurde.Aufei ner praktischeren Ebene ruft mehr als ein Stier in einer HerdedieGefahrvonGewalthervor,dadiemännlichen Tiere um Vorherrschaft kämpfen. Der Bauer könnte die überschüssigen Stiere kastriert oder geschlachtet haben. UndwarumsolltemanderSchlachtungeinessolchenjun gen,herrlichenTiereskeineheiligeBedeutungbeimessen,
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diederErfahrunggleichwertig ist,ihmdenTod zu geben? Im klassischen Mythos konnte Minos es nicht über sich bringen,sichvondiesemprächtigenStierzutrennen,und dahertöteteereinenanderenanseinerStelle.Anscheinend dachteer,daßesPoseidonnichtauffallenwürde.Derwü tende Poseidon erfüllte Pasiphaë mit einer Leidenschaft fürdiesenStier.SiewandtesichanDaidalos,einenmei sterhaften Handwerker, und befahl ihm, eine hölzerne Kuhzubauen,indiesieschlüpfenkonnte,umdenStierzu verführen.SomitwirddieweltweitverbreiteteKuhgöttin in der griechischen Mythologie zu einem Witz herabge würdigt.
DerMinotaurus Als Folge dieser Verbindung von Frau und Stier gebiert PasiphaëeinKind,den»Minotaurus«oder»StierdesMi nos«,alsobMinosselbstdasUngeheuergezeugtodergar zurWeltgebrachthätte.NunerrichtetDaidaloseinriesi gesLabyrinth,indemdiesesSymbolfürMinosSchande verstecktwerdensoll,diesesMischwesenausMenschund Stier, das genaugenommen wie Zeus oder Dionysos in WirklichkeitdenmännlichenGefährtenderGöttinverkör pert.DerpatriarchalenAnsichtnachistdieAnbetungder NaturunddesLandesinGestaltderGöttin,desweibli chenKörpers,schrecklich,undalles,wasausdieser»Hin gabe«andasWeiblicheresultiert,kannnurmonströssein. UndsobautDaidalossein»Labyrinth«,umdenMinotau rus zu verbergen, während König Minos verlangt, daß AthenalleneunJahresiebenJünglingeundsiebenJung frauen sendet,diedemMinotaurusgeopfertwerdensoll ten.SowiedieZahlSiebenandiesichtbarenPlanetenerin nert, ist die Neun die höchste Zahl der Göttin, denn sie steht für die neun Monde der Schwangerschaft und die Magievondreimaldrei,dasheißtdieverdreifachtedrei gestaltige Mondgöttin. Demzufolge weisen beide Zahlen aufhimmlischeBewegungenhin.TatsächlichträgtderMi notaurus einen Namen, nämlich Asterios, griechisch für
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»(König) von denSternen«, ein weiterer Hinweis darauf, daßerursprünglichdenPartnerderKuhverkörperte,de renEuterdieMilchstraßehervorbrachte. Die Geschichte von Daidalos selbst, dem meisterhaften Handwerker,könntevondengriechischenKriegernstam men, die der hochentwickelten Zivilisation Kretas mit ihren Städten, ihren mehrstöckigen Palästen, ihren sa nitären Anlagen im Haus, ihrem Straßennetz und ihren ausgebautenHäfenbegegneten.Wahrscheinlichhattendie griechischen Piraten so etwas noch nie gesehen. Ähnlich könntedieIdeevondemLabyrinthihrenUrsprunginder Komplexität und der Pracht der Paläste haben, denn das Wort Labyrinth bedeutet »Haus der Doppelaxt«, und die Doppelaxt stellt das allgegenwärtige Symbol der Göttin aufganzKretadar.
DieDoppelaxt Wie in Kapitel 3 erwähnt, diente die Doppelaxt nicht als Waffe;dasBildtauchtnirgendwoinderKunstverbunden mitmännlichenFigurenauf,sonderneinzigundalleinan der Göttin geweihten Säulen oder in Darstellungen von der Göttin und ihrenweiblichenAnbetern,zuweilenne ben dem Lebensbaum im Paradiesgarten. Ein moderner ReiseführerüberKreta–KuriosumamRande–bezeichnet dieDoppelaxtalseinSymbolfürZeus:einBeispielfürdie ArtundWeise,wiediepatriarchaleVerzerrungindiemo derneKulturhineinfortgesetztwird. ProfessorGimbutashatdaraufhingewiesen,daßdielabrys sichvomSchmetterlingableitet,undtatsächlichfindenwir eingravierteSchmetterlingeaufeinigenderfrühestenÄx te, während manche der reicher verzierten Äxte fast ge nausoaussehenwieSchmetterlingszeichnungen.ImMu seumderkretischenHauptstadtHeraklionzeigteineVase aus der ausgegrabenen Stadt Kato Zakros einen Schmet terlingmitaxtähnlichenFlügeln.DasgriechischeWortpsy chebedeutetsowohl»Seele«alsauch»Schmetterling«,eine Verbindung,dieaufdiefrühekretischeKulturzurückge
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Doppeläxte,Museum vonHeraklion/Kreta
VasemitderDarstellung eines Schmet terlingsmitaxtähnlichenFlügelnvon derausgegrabenenStadtKato Zakros/Kreta,ca.1400 v. Chr.
henkönnte.DieSeelealsSchmetterlingimpliziert ein Ver ständnisdesmenschlichenLebensalseineStufezueiner erfüllenderenExistenz. Die Schmetterlingsflügel und die gebogenen Axtblätter symbolisierendenzuundabnehmendenMondundauch die Schamlippen der weiblichen Vulva. Labrys und labia (Schamlippen) sind etymologisch miteinander verwandt. Mit der Doppelaxt sind noch andere Bilder verbunden: DerGriffähnelteinemStengeloderBaumstamm,dersich nach unten zur Kraft der Erde hin ausbreitet. Das Blatt selbstbildeteineendloseSchleife,demUnendlichkeitszei chenindermodernenMathematikähnlich.Aufgrundder gegensätzlichenKrümmungen–inderHorizontalenaus gehöhlt,inderVertikalennachaußengewölbt–entsteht derEindruckvoneinerWelle,diedenGipfelerreichtund sichdannschwungvollindieandereRichtungnachunten
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bewegt. VersuchenSieeinmal, das Doppelblattmuster mit ausgestrecktemArmindieLuftzuschreiben,undfahren SiedabeimitIhrerHandweitinjederRichtungdurchdie Luft. Die Bewegung kann ein intensives Wachsen und FreiwerdenvonEnergiebewirken. DieDoppelaxtkannsehreinfachgehaltenoderreichver ziertseinundistmanchmalmitKränzenausBlätternoder mitLöwenoderGreifenversehen.DieÄxte,diemange funden hat, können wenige Zentimeter klein sein, währendanderedieGrößeeinesMenschenüberschreiten. DieDoppelaxttauchtauchinanderenGegendenauf,zum BeispielinÇatalHüyükinAnatolien–icherwähntebe reitsdieTheorie,daßsichAnatolieraufKretaniederließen. DerNameKybele,dieGroßeGöttinvonPhrygien(Anatoli en)undRom,hatmitcybellabeziehungsweiseHöhleund cybellis – Doppelaxt – den gleichen Ursprung. In Afrika trägt der YorubaGott Shango eine Doppelaxt, die er als Waffebenutzt(wieThorundseinHammer,Shangosskan dinavische Entsprechung).ShangoselbstistderGefährte von Oya, die Judith Gleason als »Büffelfrau« bezeichnet undmiteinerneolithischenFelsmalereivoneinertanzen denGöttinmithornartigenBrüsteninderSaharainVer bindung bringt. Eine Darstellung, die einer Doppelaxt ähnelt,findetsichinderpaläolithischenHöhlevonNiaux inFrankreichundinderneolithischenKulturvonTelHa lafimIrak.ChristinaBiaggiführtan,daßsichdieDoppel axt vielleicht von dem übertrieben betonten Gesäß der paläolithischenGöttinnendarstellungenableitet(manver gleichedieSpiralenaufdemGesäßderCucuteniGöttin, S.144).AufKretaistdieDoppelaxtauchinStalaktitensäu leninHöhleneingeritzt. IndensiebzigerJahrengingenvieleradikaleFeministinnen dazuüber,KopienderlabrysalsSchmuckzutragen.Alsei neinteressanteWiderspiegelungunsererKriegerkulturzo gendiemeistendieserFrauennichteinmalinErwägung, daßdieAxtvielleichtkeineWaffewar.DasiedasBildalsein WerkzeugderAmazonenverstanden,dieWiderstandge gendasPatriarchatleisteten,trugensiedielabrysalsein
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Symbol desKampfgeistes. AlsichdenPalast von Knossos besuchte, fiel mir im sogenannten Heiligtum der Dop peläxteeinmodernerHolzrahmenauf,indenjemandmit einemTaschenmesserdaslabrysBildnebendemdoppelten weiblichen (oder Venus) Zeichen eingeritzt hatte, dem zeitgenössischenSymbolfürfeministischeLesbierinnen.
Menschenopfer DiegriechischeGeschichtevondensiebenJünglingenund densiebenJungfrauen,diedemMinotaurusgeopfertwur den, wirft die Möglichkeit auf, daß auf Kreta nicht nur Stiere,sondernauchMenschengeopfertwurden.DieGrie chen und die Hebräer berufen sich auf angebliche Men schenopferalsRechtfertigungfürihreVernichtungderal tenGöttinnenreligion.InderTatläßtsichaufKretanurein einziges Menschenopfer belegen, das gegen Ende der mi noischenZeitvollzogenwurde,alseszumehrerenErdbe ben kam. Der Grund für den Untergang der kretischen Kultur und die Zerstörung der Paläste, besonders Knos sos,um1400v.Chrstehtnichteindeutigfest.Diemeisten Archäologenvermutenjedoch,daßderUntergangaufeine Reihe von Erdbeben zurückzuführen ist, von denen das stärkste1450v.Chr.auftrat.DiesesErdbebenkonzentrierte sichzwaraufdienahegelegeneInselThera,aberdurchdie Druckwellen wurden auch kretische Städte und Paläste zerstört.DieersteGenerationderPalästefieleinemfrühe renErdbebenimJahre1700v.Chr.zumOpfer.DieTatsa che,daßdieGebäudenachdemzweitengroßenErdbeben nicht wiederaufgebaut wurden, läßt eine verhängnisvolle SchwächunginderSozialstrukturwährendder250Jahre zwischendenbeidenKatastrophenerkennen. Vincent Scully zufolge errichteten die Kreter Knossos an einer Stelle, die ein Maximum an seismischen Störungen aufweist,alsobsiedieKraftderErdespürenwollten,die dieMauernlebendigwerdenließ.Vielleichtwarensiesich vordemerstenBebennichtüberdieGefahrimklarenund bautendenPalastanderselbenStellewiederauf,weilsie
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glaubten, daßerdorthingehöre. Oder vielleicht beschlos sen sie, wie die heutigen Bewohner von Los Angeles, zu bleibenund»dasgroßeBeben«zuriskieren. KleinereErdbeben,dieschließlichindemeinenaufThera kulminierten,bedrohtendiePalastkultureineZeitlang,in derdieMenschenmöglicherweiseerkannten,wasvorsich ging,unddurchGebeteversuchten,dieseKatastropheab zuwenden,diesiedurcheigeneBemühungennichtunter Kontrolle bringen konnten. Diese Erdbeben ereigneten sichzueinerZeit,inderdieurgriechischenMykenerdie HerrschaftinKnossoserrichtethattenundKriegeranfüh rereinführten,währendsieeinenGroßteilderGöttinnen religionihrerReligioneinverleibten. Archäologischbelegtist,daßgegenEndedieserErdbeben zeiteinPriestereinenjungenMannzueinemAltarineiner primitivenStätteindenBergenführteundihmeinMesser in den Rücken trieb. Diese einzigartige Stätte entdeckten Archäologenerstvorkurzem.DiekleineRuineerhebtsich ineinerrauhenBerglandschaft:ImGegensatzzurHafenge gendoderdenweitläufigenEbenenimLandesinnerener scheint das Land hier weder sanft noch einladend. Statt dessenstoßensichnackteGipfelundzerklüfteteFelsenwie Messer aus dem Boden. Die Opferstätte (viel zu primitiv undbehelfsmäßig,umsiealsTempelbezeichnenzukön nen)liegtaufeinerNordSüdAchsezwischendenBergen dahinterunddemMeerdavor.IchbesuchtesieEndeSep tember,alsdieSommerdürreaufgehörthatteunddasLand grauundwietotdalag.ImGegensatzzudenhöher»ent wickelten«Ruinen,denPalästen,istdieStättesorgfältigab grenzt,nichtbeschildertundmitStacheldrahtgesichert. Wirwissen,wassichandiesemPlatzabspielte,weilesge nauimAugenblickderOpferungzueinemweiterenErd bebenkam.SteinschuttbegrubdenMörderzusammenmit seinem Opfer unter sich, das Messer steckte noch im RückendesLeichnams.FallsdieKreterwirklichgeglaubt haben,daßderTodeinesMenschendieGöttinbeschwich tigenwürde,habensieesoffensichtlichfalschverstanden. DieBotschaftlautet:»Dashabeichnichtgewollt.«
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DerStiertanz VondenarchäologischenFundenherhatesdenAnschein, daßdieseeinzelneTötungimGegensatzzurfrüherenPra xissteht.WarumaberstelltensichdanndieAthenereinen stierköpfigen»KönigvondenSternen«vor,derihreKin derverschlingt?AbgesehenvondemnaheliegendenPro pagandazweck, könnten sie die berühmten kretischen Stierspiele verzerrt dargestellt haben, bei denen junge MännerundFrauendieTiereandenHörnernpacktenund anmutigüberihreRückensprangen–einewahrhaftstarke VerdrehungvonetwassoPositivemundFreudigem. DieKunstwerke,diedieStierspieleoderdenStiertanzzei gen,zelebrierennichtnurdenjugendlichenKörper,sondern sie tragen auch zur Veranschaulichung der Gleichheit von Frauen und Männern in der kretischen Gesellschaft bei. Jahrtausendevorunsererwestlichen»Unisex«Modeprakti zierten die Kreter das zwanglose Verschmelzen von ge schlechtsspezifischen Vorstellungen, das bereits erörtert wurde. Die am Stiertanz teilnehmenden Frauen mit ihren »Hosenbeuteln«unddieMännerinihrenRöckenbeidenRi tualen–eineranderenArtvonSpiel–verbindensichanmu tigmiteinander.InderKunstwerdenbeideGeschlechtermit schlankenTaillenundvielSchmuckdargestellt.AndereDar stellungen zeigen Frauen und Männer gemeinsam auf der Jagd.Trotzdemwarensienichtgeschlechtslosundsichder Unterschiedebewußt,dennandereBilderzeigenFrauenmit nacktemBusenundMännermiterigiertemPenis. WiereligiöseTänzeüberallaufderWeltbringtderStier tanzdieKraftunddieSchönheitdesheiligenKörperszum Ausdruck.WirsindeinemmöglichenTanzplatzinzumin desteinerpaläolithischenHöhle,nämlichPêchMèrle,be gegnet.TanzengehörtebensozudenInstinktenwieSex, wiedasGebären.NorHallweistdaraufhin,daßTanzund Geburtshilfe aus instinktiven Rhythmen entstehen. Eine griechischeHymnebeschreibtArtemis–Patroninderge bärendenFrauen,MutterderBerge,BeschützerinderTie re–,wiesievorderBehausungihresBrudersApollon
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ihrenBogenbeiseitelegt, um mit den neun Musen zu tan zen(siehedazuauchKapitel7). DurchdenTanzerfahrenwirunsereKörperalslebendig, undwirerfahrendasLeben,dasrhythmischdurchdiege samteSchöpfungfließt.IndenwunderbarenWorteneines Liedes der Pygmäen Gabons (gesammelt in Jerome Ro thenbergs Anthologie Technicians of the Sacred) ausge drückt,heißtdas:»Alleslebt,allestanzt,allestönt.« Zellen tanzen, Elektronen tanzen, Galaxien tanzen in ihremspiralförmigenWirbel.DerreligiöseTanzführtuns außerhalb unserer selbst in einen Zustand der Ekstase (wörtlich:»aussichheraustreten«).Abererträgtebenfalls zum Gemeinschaftswohl bei, denn indem wir gemeinsam einen Ritualtanz aufführen, bieten wir unser einzelnes Selbstan,»opfern«unserindividuellesEgoundgebenun serenKörperhin,umdieMachtderGöttinzubeschwören. InderkretischenKunsttrittderTanzalsThemaoftinEr scheinung.StylianosAlexioubeschreibtBilderaufeinem Sarkophag, die eine musikalische Darbietung bei einer Stieropferungzeigen.Desweiterenberichtetervoneinem Obstbehälter,aufdemTänzerinnendargestelltsind,dieei neGöttinmitBlumenindenHändenflankieren;ähnliche Szenen finden sich auf einer Schale, auf Tonfiguren, die vierMännerdarstellen,welcheeinanderdieSchulternum fassenundimKreistanzen,aufeinemRingmittanzenden barbusigen Frauen und einer Malerei aus Knossos, die in einem heiligen Olivenhain tanzende Priesterinnen dar stellt.AndemTag,alsichdiesePassageschrieb,wurdeich von der »Ersten Internationalen Minoischen Partner schaftsfeier«unterrichtet.DieTitelseitederBroschüreziert einMuseumsfotovondreiTonfiguren,dieeinenKreistanz umeinezentrale,LyraspielendeFiguraufführen.
TheseusunddasLabyrinth DasSpirituelleistpolitisch.JedeReligionübermittelteine sozialeBotschaft.EingroßerTeilderpatriarchalengriechi schenMythologiestärktedemdamaligenRegierungssy
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stemdenRückenundmachte gleichzeitigdie frühere Kul turschlecht.IndenathenischenMythenbautDaidalos– ein isoliertes männliches Genie – das »Labyrinth«, einen angeblich undurchdringlichen Irrgarten, der so kompli ziertist,daßihmniemandentkommenkann.Deratheni sche Held Theseus tötet den Minotaurus und findet den Weg aus dem Labyrinth mit Hilfe einer Rolle Garn, die Ariadneihmgegebenhatte.ErspultdasGarnab,während erindenIrrgarteneindringt,sodaßeresspäternurnoch zumAusgangzurückverfolgenmuß. Wieder stoßen wir auf ein Geheimnis von Verzerrungen, sowohl der Psyche als auch der historischen Tatsachen überreligiöseBräucheKretas.DieheutealsdasLabyrinth bekannteKonstruktionistüberhauptkeinIrrgarten,son derneineinzigergewundenerWeg,derohneAbzweigun gen zu einerMitteführt. Daer nur zur Mitteführt,muß man, um wieder zum Ausgang zurückzufinden, lediglich denselbenWegzurückgehen. Das Labyrinth symbolisiert die Gebärmutter der Göttin, durchdiewirineinemekstatischenTanzreisen,zurückzu derQuelleunsererExistenz,umdannwiederindieäußere Welt unseres täglichen Lebens zurückzukehren. Die Ver zerrungdiesesklarenMusters,einerArtvonTanzzuei nemIrrgarten,indemmansichfürimmerverlierenkönn te, veranschaulicht die Geheimnisse und Verwirrungen dergriechischenMythologieselbst.Siestelltaußerdemdie Angst davor dar, das Ego in Prozessionstänzen an das Herz der Göttin zu verlieren. Mit dem Garn in der Sage könnteursprünglichdieNabelschnurunddieewigeVer bindungzurMutterdesLebensgemeintsein,eineandere VersiondesKnotens,der,wiewirbereitsgesehenhaben, unser Leben mitderGöttinverbindet.In derGeschichte von Theseus wird der Faden jedoch zur Verbindung zu VernunftundKontrolle. Die Hinweise auf den Ursprung des Labyrinthmusters sindzahlreich.EskönntevoneinemerotischenTanzaus sichentwickelthaben,derimFrühlingaufgeführtwurde. InderIliaswirdineinerderSzenenüberden Schild des
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DasMusterdeskretischenLabyrinths
Achilles ein Tanzplatz beschrieben, den angeblich Daida losfürAriadneentwarf.G.R.Levyschreibtübereinkreti sches Siegel, das »Ariadne« darstellt, die einem ekstati schen Tanz zusieht (die Gleichsetzung der ungenannten FigurmitAriadneleitetsichwahrscheinlichvondengrie chischenMythenab).NorHallweistdaraufhin,daßder Labyrinthtanz die Zickzackbewegungen von Kranichen nachahmen könnte, die sie zur Paarungszeit vollziehen, währendRobertvonRankeGravesschreibt,daßdasLa byrinthmustervoneinerFallefürRebhühnerherrührt,die zurPaarungszeiteinenhumpelndenTanzaufführen. Obwohl das Labyrinthmuster den Namen »das kretische Labyrinth«erhaltenhat,tauchtesinderminoischenKunst nichtsehrhäufigauf.WirwissenvonseinemVorhanden seinaufKretaüberwiegendvonMünzdarstellungen.Selt
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samerweisetauchtgenaudasgleicheBildinderFelskunst des amerikanischen Südwesten auf. Anders als Symbole wiedasKreuzoderdieSpiralescheintdasLabyrinthzu kompliziertzusein,uminverschiedenenKulturenunab hängig voneinander aufzutreten.Fuhrendie Kreter3500 JahrevordenWikingernnachNordamerika? DieIdeeeinesinWindungenverlaufendenTanzeskönnte aufeinwesentlichesElementderkretischenReligionhin weisen,undzwaraufdieIdeeeinesProzessionswegs,der außerhalbeinesPalastesseinenAnfangnimmtundinei nem sich windenden oder spiralförmigen Muster in das verborgene Geheimnis der Säulenkrypta im Palastzen trumführt.
DieMachtdesLandes Klassische Archäologen schenken Vincent Scullys Theorie überheiligeLandschaftensehrwenigBeachtung–obwohl DonaldPreziosiinseinemBuchMinoanArchitecturalDe sign darauf hinweist, daß Scully mehr Achtung verdient, alsdiemeistenihmzuteilwerdenlassen.Auchwennerei nigenseinerAusführungenkritischgegenübersteht,räumt Preziosi die generelle Wahrscheinlichkeit seiner beiden Hauptargumenteein,daßnämlichdieKreterbewußtihre Paläste nach einer NordSüdAchse angelegt und sie an besonderenLandschaftsmerkmalenorientierthaben. ScullyselbstbringtimVorwortzuder1979erschienenen AusgabevonTheEarth,theTemple,andtheGodsseineVerär gerungzumAusdruck,daßfürdiemeistenAutoren,die über heilige griechische Stätten geschrieben haben, »die Landschaft immer noch nicht existiert«. Er weist darauf hin,daßMenschen»selektivsehen,abernichtempirisch«, daßihreSichtdurch»diebegrifflicheStrukturihrerKul tur«konditioniertist. Wenn professionelle Archäologen sich nicht für Scullys Landschaftsästhetikerwärmen,sohatdochdieBewegung zur Wiedererweckung der Göttinnenreligion viele Anre gungenausseinemWerkbezogen.DiesesInteresseistteil
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weise auf die Verbreitung von Scullys Ideen in anderen Schriften zurückzuführen, wie zum Beispiel Mimi Lobells ArtikelinderZeitschriftHeresies,ElinorGadonsBuchThe OnceandFutureGoddessoderDoloresLaChappellesEarth Wisdom.WiedasWerkvonMarijaGimbutasliefernProfes sorScullysSchriftenmehralsnurInformationen.Siever mitteln ein Gefühl für die Macht und die Schönheit der Göttin,derenKörperimLandnurdurchdiesymbiotischen HandlungenvonMenschenvollundganzinsLebentritt. ScullybezeichnetdiealteArchitekturals»einWunderdes Einklangs« zwischen menschlichen Bedürfnissen und der Natur.AufdemgriechischenFestlandverschobsichdieses empfindliche Gleichgewicht zum Menschen hin, so daß der Tempel ein Bild des »Sieges« darstellt. In der frühen kretischenKulturerstrebtemandurchdieErrichtungder PalästedieHarmoniemitderLandschaftalsdemGöttin nenkörper.EsgabkeineTempel,zumTeilweildieKreter wiediepaläolithischenMalerdieGöttininihremHöhlen schoß anbeteten. Der Bau von Tempeln signalisiert eine Religion, in der die Götter angefangen haben, sich vom Landzutrennen.MitderErrichtungvonTempelnfürihre AnbetungnehmendieGötterPersönlichkeitenan,diesich von der Natur unterscheiden. Obwohl die griechischen TempelsichindieLandschafteinfügen,beschwörenihre elegantenSäulenundStatueneineGottheit,dieeherdurch diemenschlicheKulturinspiriertwurdealsdurchdieZy klenderErde.DieSchreineindenkretischenPalästenha bendieKreterjedochnichtdarangehindert,ihreAufmerk samkeitweiterhindenBergenundHöhlenzuwidmen.
NaturundPolitik Scullyführtan,daßdieEigenschaftdesLandesselbstdazu beiträgt, einen Sinn für das Heilige zuwecken,daseiner bestimmten Gesellschaft eigen ist. Obwohl Kreta einige rauhe Gegenden aufweist, sind die Bergeimallgemeinen sanftunddieHügelrund.Scullybemerkt,daßdas»Ent setzen«,dassichmanchmalbeianderenKulturenvorder
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Muttergöttinfindet–dieErichNeumannals »die Furcht bareMutter«bezeichnet–,aufKretanichtexistiert.Anders alsbeispielsweisediegrausamehinduistischeGöttinKali verschlingt die kretische Göttin nicht, sondern erweckt Freude.DerArchäologeNicholasPlatonschreibtüberKre ta:»...vonüberallherscheintmaneineHymneandieNa turalsGöttinzuhören,eineHymnederFreudeunddes Lebens.«DiekretischeKunstistniemalsstatisch,sondern mitanmutigerBewegungerfüllt. WennwireineReligionpostulieren,dieausdenGegeben heiten der Natur erwächst, dann helfen die besonderen MerkmaleeinesOrtessicherlichdabei,diereligiöseErfah rungzubeeinflussen.GleichzeitigerwächstReligionauch auspolitischenBedingungen–biszudemPunkt,daßdie Furchtbare Mutter in Mythen existiert und keine Erfin dung moderner Psychologen ist; sie kann patriarchale ÄngsteumdieErsetzungeinerfrüherenKulturwiderspie geln. In Indien finden wir neben Kali andere kannibali sche, bluttrinkende Göttinnen. Moderne Interpretatoren haben diesen Bildern subtile Analysen gewidmet. Aber wirsolltenunsbewußtmachen,daßIndienwieauchGrie chenlandunddasalteEuropadieInvasionundEroberung vonIndoeuropäernerlebte,dieihrehimmlischenKrieger götter mitbrachten, um die erdbezogenen Göttinnen der Drawida–einervorderindischenVölkergruppe–zuüber winden.BisaufdenheutigenTagwirddieGöttinnachwie vorinvielenDörfernverehrt,unddieFigurderKali,ge nau dieses Bild von der Verschlingenden Mutter, behält ihrenEhrenplatzaufHausaltären. TatsächlichläßtProfessorScullydieBedeutungvonpoliti scher und sogar militärischer Notwendigkeit nicht un berücksichtigt. Er weist darauf hin, daß die Mykener die kretischen Prinzipien akzeptierten, sie jedoch ihrer Krie gersituation anpaßten (besonders in Mykene selbst), währenddieDorersichweigerten,die»Bedingungen«der kretischen Harmonie anzunehmen, »einschließlich des verborgenen Versprechens der Unsterblichkeit«, und Zeus überdieMutterstellten.
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CharakteristischeLandschaftsformen Von 2000 v. Chr. an wiesen Vincent Scully zufolge alle kretischen Paläste dieselben Landschaftselemente auf. DazuzählteneinumschlossenesTal,indemderPalastlag, ein sanft gerundeter oder kegelförmiger Hügel auf einer Achse mit dem nach Norden oder Süden ausgerichteten Palast und auf derselben Achse »ein höherer, gehörnter odergespaltenerBerg«.DieserBergkannnochanderecha rakteristische Merkmale besitzen, aber der Doppelgipfel beziehungsweise die eingeschnittene Spalte bleibt unver ändert.DurchdieseFormentstehtderEindruckvonHör nern im Profil, obwohl sie auch an erhobene Arme oder FlügeloderBrüsteerinnernkann,waseinwenigvonder GrößeundderFormdesDoppelgipfelsabhängt.DerBerg undderKegeldavorspringendemBetrachteralsauffällig stes Landschaftsmerkmal ins Auge. Dieses Merkmal hebt derPalastdurchseinenlangen,ebenenHofhervor,deruns direktzudenemporsteigendenHörnernführt.Scullybe zeichnet den Kegel als »die mütterliche Form der Erde« und den gehörnten Berg als »das Symbol ihrer aktiven Kraft«. AndieserStellelohntessich,MimiLobellsBeschreibung derLandschaftalsKörperzuwiederholen.»DasTalent sprachihrenumfassendenArmen,derkegelförmigeHü gelihrerBrust...dergehörnteBergwarihr>Schoß<oder ihregespalteneVulva...unddasHöhlenheiligtumihrge bärenderSchoß.« IndemberühmtestenderkretischenPaläste,Knossos,er hebtsichderBergJouchtassehreindrucksvolljenseitsder Mauer. Klar zu sehen ist der Jouchtas auch genau südwärts vom alten Hafen von Knossos aus. Ferner zeigt er sich sehr deutlich, ebenfalls genau südwärts, vom Küsten streifen der modernen Hauptstadt Heraklion aus, eine Tatsache,dieichentdeckte,alsichaufeinenkegelförmi genBerggenauwestwärtsvommodernenHafenauszu ging.
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DerBergJouchtas,vomPalastvonKnossos/Kretaausgesehen
WiedieBergeIdaundDikteenthältderJouchtasHöhlen heiligtümer,indenendieKreterdieGöttinanbeteten.Spä ter wurden dieselben Höhlen zu Stätten des Zeus, ein schließlich dem »Grab« des unsterblichen Gottes. Überall im Nahen Osten konzentrierte sich die Religion auf den heiligenBerg.InberglosenLändernwieetwaMesopotami enerrichtetendieMenschenZikkuratsundPyramiden,um den Bergkörper der Göttin nachzuahmen. In ihrem Buch EarthWisdombezeichnetDoloresLaChapelleBergealsei nennatürlichenOrtderOffenbarungundberuftsichdabei aufihreErfahrung,einen»Glorienschein«gesehenzuha ben–eingroßartigesoptischesSpielvonLichtundSchat ten,dasnurinhochgelegenenGegendensichtbarist.
FeineUnterschiede GenaugenommenliegtnurderPalastvonPhaistosaufei nerpräzisenNordSüdAchsemitseinemBerg,demIda. In Malia, einem Palast an der Nordküste, zeigt sich der BergDikteüberderSüdOstEckehinweg,währendwirin
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Knossos den Berg Jouchtas ein paar Grad von der Nord SüdAchse entfernt sehen. Da die Erbauer sich mit ver schiedenenzusammenspielendenPrinzipienbefaßten,wie zumBeispielderOrientierungandenHimmelsrichtungen undderpraktischenAnforderung,ihrenPalastandieKon turen des Bodens anzupassen, sind gewisse Abweichun genzuerwarten. Die Paläste waren von zwei oder dreistöckigen Fassaden umgeben.StandmanimHofinnerhalbderMauern,sowa renalsonurdieBerggipfelzusehen.Dadurchwurdeder gehörnteBergsogarnochbetont.DieGläubigenkonnten nochimmerdieniedrigerenHügelwährendreligiöserPro zessionen außerhalb der Mauernsehenundwußtenum diebesonderenMerkmale,selbstwennsiesienuraußer halbdesPalasteserblickten.DonaldPreziosiweistdarauf hin,daßMoscheenüberallinderWeltmitgewissenMerk malen ausgestattet sind, die nach Mekka zeigen, auch wenndieseStadtvonpraktischallenStandortennichtzu sehenist. IndendreigrößerenPalästenkonntendieMenschenden BerggipfelvonderMittedesHofesaussehen,direktge genüberdenHauptschreinenanderWestseite.DieSchrei nemögenandieErrichtungderPalästeselbsterinnertha ben.IndemsiesichvondemnatürlichenBergabunddem von Menschenhand geschaffenen Schrein zuwandten, spielten die Anbeter die symbolischen Anfänge der menschlichenKulturnach.
DieWeihehörner PreziosizufolgebesaßKnossoseinengroßenEingang,der die südliche Fassade unterbrach. Dieser Eingang befand sich nicht in der Mitte der Mauer, was ungewöhnlichzu sein scheint, sondern öffnete sich dem direkten Blick auf denBergJouchtas.DiefrühenAusgräbervonKnossosfan dendiegroßenWeihehörnergenauvordiesemEingang. AmFirstüberdemTorangebracht,mögensiedengespal tenenBergeingerahmthaben.
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IngewissenJahreszeitenwerdendieHörner außerdem die SonneinihreranmutigenRundungeingefaßthaben.Diese VerknüpfunggibtägyptischeBildervonderSonnenschei be zwischen zwei Gipfeln wieder; ähnlich kopierte der Vollmond,derzwischendenHörnernerschien,dieägypti scheKronederIsis. HabenKretaundÄgyptensichgegenseitigbeeinflußtoder AnregungenauseinergemeinsamenQuellebezogen?Mi miLobellhatdiejährlicheBootsprozessiondenNilhinun terzwischenzweiHügelnbeschrieben,diesichaufbeiden SeitendesFlussesgegenüberstanden.DerPharaoinseiner BarkeverkörpertedenSonnengottAmunRe,deraufdem Wegwar,umsichmitderGöttinNutzuvereinen.Ineinem VortragstellteLobelleinenZusammenhangzwischendie serReiseundKretaher.SiezeigteeinDiavoneinerkreti schen Göttin mit erhobenen Armen, Hörnern auf dem Kopf und einem hinter ihr befindlichen Kegel, der zwi schenihrenArmenzusehenwar.WennwirdieseHaltung einnehmen, mit geschlossenen Füßen und aufgerichteten undwieHörnergebogenenArmen,erfahrenwireineOf fenheitimKörper,eineÖffnungzumUniversum.Dastrifft besondersdannzu, wennwirindieserHaltungdasGe sichtderSonnezuwenden–umsomehr,wennwirdabei denBlickaufdieemporragendenGipfeleinesgehörnten Bergesrichten.
AndereAusrichtungen DieAusrichtungnachgehörntenodergespaltenenGipfeln findetsichnichtnurbeidendreiwichtigstenPalästen,son dernauchananderenOrten.InderStadtGournia,diean einemHanganderNordküsteangelegtwurde,entwickeln wireinGefühl,alswürdedieErde,mitdemnahegelege nenDoppelgipfel,dereheranBrüstealsanHörnererin nert,unsbeschützen. SowohlinGourniaalsauchinKatoZakros,einemPalast anderöstlichenSpitzederInsel,sinddieHöfenachden Bergenhinausgerichtet.BeiderAusgrabungeines
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DieRuinen deraltenStadtGournia/Kreta, ca. 1500 v. Chr.
SchreinsaufeinerHügelkuppeinGourniafandenArchäo logen einen dreibeinigen Altar, verschiedene Sockel, ein Modell der Weihehörner und die Tonfigur einer Schlan gengöttin. InGourniaamStrandspazierenzugehenunddieStadtzu betretenläßtsichmitdemEintrittindenGöttinnenkörper in den Tempeln Maltas vergleichen. Gournia entstand annäherndzurgleichenZeitwiediemaltesischenTempel in Mnajdra, der einzigen Gruppe von Tempeln,die zum Meer hin lagen (und die einzigen, die nach solaren Ge sichtspunkten ausgerichtet waren). Genaugenommen blickendieMnajdraTempelaufdiekleineInselFilfla,die einegehörnteSeitenansichtaufweist. GourniascheintinihrerZeiteineblühendeStadtgewesen zusein.HeutesinddieRuinenmiteinersanftenStilleer füllt (die zum Teil sicher auf das Fehlen von Touristen zurückzuführen ist). An einem steilen, mit Bäumen be wachsenenHügelangelegt,blickensieaufsMeer.Gleich
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zeitigruftdieStätterhythmischeKontraste zwischen rau herundsanfterLandschafthervor.EinKammscheintdie Stadtzuumschließen,undweiterentferntragendiezer klüfteten Berge von Kretas rauhem Inneren empor. Die runden,brustförmigenHügelerhebensichgenauimSü den, aber vor ihnen liegen schroffe Felsen. Das Meer scheintdereinzigeAuswegzusein. SelbstprivateGebäudefolgendemgleichenMuster.Inder NähedesStrandesvon Amnissos,außerhalbderHaupt stadtHeraklion,befindetsichdieRuineeinerVillaaufei ner NordSüdAchse mit einem Doppelgipfel dahinter, den man eher als einen HügelalseinenBergbezeichnen könnte,wieessichebenfüreinHausimGegensatzzuei nem»Palast«geziemt. Amnissos nahe bei Heraklion ist ein beliebter Touristen strandgeworden.InderklassischenMythologiewirddie serStrandmitArtemisinVerbindunggebracht:Zeusfragt diedreijährigeArtemis,welcheGabensiealsihreAttribu tebeanspruchenmöchte(derPlan,ZeusdieVormachtstel lung einzuräumen, beinhaltete die Verwandlung der ar chaischenArtemisineinKindderjüngerenolympischen Generation). Lachend antwortet die Göttin, daß sie von derEhebefreitsein,einenBogenbesitzen,dasRechtzuja genunddieHerrschaftüberdieBergehabensowiedieGe sellschaftderNymphenvonAmnissosgenießenmöchte. DerNameArtemisistunbestimmtenUrsprungsundnicht griechisch.ErtauchtzuerstaufLinearBTafelnausPylos auf. Folglich geht Artemis zumindest auf die mykenische ZeitundmöglicherweiseaufdasminoischeKretaoderso garaufdieSteinzeitzurück.DreikretischeGöttinnenwur denmitArtemisinVerbindunggebracht–Diktynna,»die vom Netz«, Britomartis oder »süße Jungfrau« und Eileit hyia,dieGeburtsgöttin.AnneBaringundJulesCashford zufolgefandenimRahmenderFrühlingsfesteimgroßen TempelderArtemisimanatolischenEphesusStierkämpfe undOpferungenstatt.
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Prozessionen Der Gedanke an einen Prozessionsweg in den kretischen PalästenstammtausmehrerenQuellen.Zunächstweisen deutliche,oftmitFreskengesäumteWegeaufrituelleBe wegunghin.BilderaufSiegelnunddieFreskenselbstzei genMenschen,diesichinzeremoniellenKostümenmaje stätischzuOpferplätzenbewegen.Diespäteregriechische Mythologie berichtet von den Kureten, den Wächtern des Säuglings Zeus, die ihre Schilde gegeneinanderschlugen, umdieSchreiedesverborgengehaltenenGotteszuüber tönen,alserinseinerkretischenHöhlelagundvonBienen genährtwurde.DiesesBildmagseinenUrsprunginkreti schenProzessionenhaben,zudenendasGegeneinander schlagenvonSchildengehörte,welchewiedieZahlAcht geformtwaren.EvansfandsolcheSchildeundauchMale reienvonihnenbeiseinerAusgrabungvonKnossos.Die ZahlAchterinnertandierundenBrüsteundHüftendes weiblichenKörpers,diealtsteinzeitlichen»Venus«Figuri nenunddenGrundrißdermaltesischenTempel. KretischeBilderzeigeneineGöttin,diemitdenGläubigen eine Bootsfahrt unternimmt. Wir wissen außerdem von Reisen zu Höhlenheiligtümern und von Stierspielen, die im Hof vor dem gehörnten Gipfel abgehalten wurden. Schließlich können wir Prozessionsrituale aufgrund von späteren Traditionen in Griechenland voraussetzen, wo dieAnbetungvonGöttinnenoftmitProzessionenverbun denwar,wiezumBeispieldiederarktoioder»Bärinnen«– etwaneunJahrealtenMädchen,dievonAthenzumTem pelderArtemisinBrauronzogen.
KretaunddieMysterienvonEleusis DieberühmtestegriechischeProzessionwardiedermysta le,derEingeweihten,dievonAthenentlangderattischen KüstenachEleusiszogen,wosiedieGroßenMysteriender DemeterundderPersephonebegingen(sieheauchKapitel 8).Viele,diedieMysterienfeiertenoderfeiern,obinalten
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oderinmodernenZeiten,habenbehauptet, daß die Eleusi nischenMysterienunddiespäterenhellenistischenMyste riendasÜberlebenundsogardieRückkehrderkretischen ReligionderGroßenGöttinrepräsentierten.Undtatsäch lichblicktderSchauplatzderMysterienhinüberzueinem gehörntenGipfelaufderInselSalamis,währendderPro zessionsweg abwechselnd mit und ohne Blick auf einen kegelförmigen Hügel verläuft. G. R. Levy beschreibt ein Bestattungsbild aus Kreta, das die Göttin in einem Boot zeigt,undstelltesalsBindegliedzwischendemErblühen derErdeundderWiedergeburtderTotendar–einerVor stellung,diespäterdiegrundlegendeIdeederMysterien bildete. AnneBaringundJulesCashfordweisenaufmehrerekreti scheMalereienhin,dieaneinenkretischenUrsprungdes MythosvonDemeterundPersephone–jenerGeschichte, dieimMittelpunktderMysteriensteht–denkenlassen. Vor allem berufen sie sich auf eine einfache Strichzeich nungaufeinerSchalevonca.2000v.Chr.DasBildzeigt zweiFrauen,diesich,alswürdensietrauern,zueinerdrit tenbeugen,dieeineNarzissepflückenmag.ImEleusini schenMythoswirdPersephonedurcheineNarzissezuder Stelle gelockt, an der Hades, der Gott der Unterwelt, sie entführt.EinezweiteZeichnungingleichemStilzeigt,wie sichdasTrioerhebtunddiemittlereFigurjetztzweiBlu meninderHandhält.
DerProzessionsweg: VomMeerzumPalastinneren Der Prozessionsweg nach Knossos könnte im Hafen be gonnen haben. Scully bezeichnet den Weg zum Palast als gewundene»Serpentine«durchdieniedrigerenHügel,bis siehöherwerdenundsichvomTalscharfabgrenzen.Der zeremonielleEingangscheintanderNordmauergelegen zuhaben,wowirDoppelstufenfinden,diezueinemBe reichführen,dermanchmal»Theater«genanntwird(ob wohlsichdieSchauspielkunsterstsehrvielspäteraufdem
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griechischen Festland entwickelt hat). Den Stufen nähert mansichentlangeinemerhöhtenGehweg,dersoschmal ist,daßdieTeilnehmersichimGänsemarschbewegtha benmüssen.ProfessorScullyverstehtdasalseinenRück blickaufdiepaläolithischenHöhlenwiezumBeispielLas caux, in denen die Menschen hintereinander den Ein gangskorridor zu dem größeren Raum passierten, der die MalereiendergewaltigenStiereenthielt.WennderPalast unddieLandschaftzusammendenKörperderMutterdar stellen,dannhättedasEintretennacheinanderdieGläubi gendaranerinnert,daßwirallealleinausdemKörperun sererMutterindieWeltgetretensind. Jetzt teilt sich der Weg. Eine Abzweigung verläuft nach Osten, wo sie in eine mit Säulen versehene Halle führt, biegtdannnachSüdenabundsteigtzueinerRampeem por,umindenoffenenHofamnördlichenEndezumün den.HiersenktsichderBlickdenoffenenHofhinunterzu dem mit einem Erdwall umgebenen Hügel, der das Tal »verschließt«. Ein Stück entfernt erhebt sich der Berg Jouchtas.WirahnenbereitseinelabyrinthischeBewegung, während der Weg sich um sich selbst windet und zum Aussichtspunkthinaufführt.EineProzessionvonmensch lichenKörpern,dieeinemsolchenWegdurchdasTalund dann den Palast folgt, bildet den einzigen Körper einer Schlange.ZusammenmitderLandschaftunddemGebäu deruftdieProzessiondiekretischeGöttinmitihrensich umihrenKörperwindendenSchlangeninsLeben.Wiein MichaelDamesVisionvonAveburymüssensichmensch liche Körper mit der Landschaft und menschlichen Bau werkenverbinden,umeinelebendigeSkulpturderGöttin undihresSchlangengefährtenzubilden. Der zweite Weg verläuft nach einem labyrinthischeren Muster,wasvonderTatsacheherrührt,daßderHofnicht exaktaufeinerAchsemitdemBergliegt.Dieser–wieder umschmale–Wegführtsüdlichvom»Theater«zurWest seitedesPalastes,wowirerneutdenHügelunddenBerg erblicken.AneinemoffenenPlatz,dem»Westhof«,inden einweitererWegausdemWesteneinmündet,findenwir
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einenAltarundeinStück entferntdasWestportal des Ge bäudes mit einer einzelnen Säule zwischen den Mauern. Wirhabengesehen,daßeineSäuleodereinPfeilerdieGöt tinalsSymbolfürihreErdkraftverkörperteundandieSta lagmitenderHöhlensowieanihrenewigenBaumdesLe benserinnert. JetztführtunsderWegdurcheinenKorridor,derwieder sehrschmalundmitFreskenvonProzessionsdarstellun gengesäumtist(waserneutandieHöhlenmalereienerin nert),an»einendunklenOrt«(Scully)unddannwiederins Lichthinaus,wegvonderSüdterrasse,wowiedereinmal dersanfteHügelunddierauhenHörnerdesBergsaufein drucksvolleWeisesichtbarwerden. DerWegwindetsichweiterdurchLichtundDunkelheit, biswirindashelleLichtdesHofstreten.Hierfandendie Stierspiele mit den würdevollen jungen Männern und Frauen statt, die über die Hörner des Tieres sprangen, währenddieebensowundervollenWeihehörnerstolzüber denMauernüberihnenaufragten. Der Prozessionsweg schlängelt sich nicht nur unentwegt dahin,umschließlichdenBergJouchtasinSichtkommen zu lassen und sich dann wieder von ihm abzuwenden, sondern er wechselt auch zwischen engen und breiten Stellen, sich zusammenziehend und ausdehnend, sowohl dieAtmungalsauchdieWehengebärenderFrauensimu lierend. Zudem verläuft er zwischen Treppen, Rampen undflachemBodenundzwischenLichtundDunkelheit. Man gewinnt einen wellenförmigen Eindruck von dem Ganzen,einergestreiftenSchlangegleich,verbundenmit einem Gefühl des Wandels, der sowohl geistiger als auch körperlicherNaturist. DieProzessionendetnichtimHof.ProfessorScullysRe konstruktionführtunsjetztnachrechtsvondemoffenen Hofhinunterindas»niedrige,dunkle,höhlenartigeHei ligtum der Göttin«. Dieser heute als die »Säulenkrypta« bekannteRaumbirgtdunkleSäulen,OpfergrubenfürDar bringungenundeineingemeißeltesZeichenderDoppel axt.Nachdemwirindas freundlicheLicht des Stierhofes
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eingetretenwaren,wodie Tänzer ihre Ausgelassenheit ze lebrierten,hatunsderWegjetztindieDunkelheitderver borgenen Mysterien geführt, an den mit der Göttin am engsten verbundenen Ort, wo das feierliche Zeremoniell desStieropfersdielebenszentrierteKulturimgesellschaftli chenAlltaginsGleichgewichtgebrachthabenkönnte.Pro fessorScullyschreibt: Die Bewegung der Prozession vom Licht in die Dunkelheit, von der DunkelheitinsLichtundwiederindieDunkelheit–dieiminnersten Höhlenheiligtum gipfelt, wo man sogleich die ausgehöhlte Erde der GöttinunddieSäulefand,dieindieErdeeindringt,siezugleichstützt unddaherebenfallsihrangehört–machtausdemminoischenPalastals GanzesjeneszeremonielleLabyrinthumdengeheimenOrtherum,an dasdieGriecheninihrenMythenerinnerten.
Andassieerinnerten–unddassieverzerrten,indemsie diesenOrt derHeiligkeitineinenverwandelten,andem Ungeheuer,MordundEntsetzenherrschten.Waresein fach nur Propaganda, die die Griechen dazu führte, von ihrem Held Theseus zu erzählen, der einen grausamen MörderineinemIrrgartenbesiegte?Odertrugensietiefin ihrem Inneren ihre eigene Angst vor etwas, das sie sich nicht eingestanden, mit sich herum – eine Angst vor dem dunklen,feuchtenInnerendesweiblichenKörpers? InderpaläolithischenHöhlenkunstundinanderenFels bilderntauchtdieVulvaoftinFormeinerSpalteauf,dem BuchstabenVgleich.DiesesgrundlegendeBildfindenwir in riesenhafter Form im gehörnten Berg wieder. Der Jouchtasistsowohlkegelförmigalsauchgespalten,sodaß dieKreterihnalsdenmonsVeneris(Venusberg)derGöttin im Land betrachtet haben könnten. Das Betreten einer HöhleineinemsolchenBergruftdasstarkeGefühlhervor, ineinenKörpereinzudringen.DerPalastkönntedieseEi genschaftaufeinevielsubtilereWeiseverdoppelthaben.
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DieSchönheitvonPhaistos MeineigenesGefühlfürdieGöttinnenformenvonLand schaftundPalästenrührtenichtsosehrvonKnossosher (dasständigüberfülltvonTouristenist),sondernvomPa lastvonPhaistos.PhaistosliegtaufeinemHügelimSüden Kretas, in einer Gegend, die zerklüfteter ist als die von Knossos. Am Wasserlauf unterhalbdesPalasthügelswird derBerg Idavoneinem anderenHügelverdeckt,aberin Phaistos selbst kommt er imposant in Sicht und wirkt näherundvertrauteralsderJouchtasbeiKnossos. Vincent Scully bezeichnet den Berg Ida als »durch und durchweiblich«, vonbreiten,symmetrischenHörnern»in gerundete,sichausbreitendeHänge,dievondunklenHör nerndurchschrittenwerden«,übergehend. EinzweiterBergIdainPhrygienwardieHeimatvonKy bele,der»GroßenMutterderGötter«.Kybelekönntebis zuÇatalHüyükzurückreichen,denneinigeihrerDarstel lungenweiseneinestarkeÄhnlichkeitmitjenenauf,diein der 8000 Jahre alten Stadt gefunden wurden. Der ersten Homerischen Hymne an Aphrodite zufolge war der phrygischeIdaderLiebesgöttingeweiht.DieMythener zählen,daßsiedortAnchisesbeilagundspäterÄneas,den HeldvonVirgilsAeneis,gebar. Weil Phaistos auf einem Hügel liegt, wird uns ein weit reichender Blick auf das Tal und die umgebenden Berge gewährt. Nicht weit entfernt befindet sich ein anderer »Palast«,dereigentlichehereinegroßeVillaistundAgia Triada genannt wird (der Name, der »Heilige Trinität« bedeutet,leitetsichvoneinernahegelegenenchristlichen Kapelle ab). Obwohl die beiden Bauwerke dicht bei einanderliegen, ist der Unterschied zwischen ihnen be achtlich. Agia Triada ist an einen sich wölbenden Hügel angelehntundverbreitettrotzderSichtaufdenIdaund ein Paar kegelförmiger Hügel ein Gefühl von Ruhe und Frieden. DieGelehrtenbezeichnenPhaistosoftals»Sommerpalast« derminoischenHerrscher,wosiedemgesellschaftlichen
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DerBergIda,vomHofdesPalastes von Phaistos/Kreta, aus gesehen, ca. 1700v.Chr.
undgeschäftigenTreiben in Knossos entkommen konnten. ProfessorScullyvertrittdieMeinung,daßdieseBezeich nung »seine betörende Kraft nicht adäquat beschreibt« undführtweiterhinan,daßPhaistos»bewußthingebreitet zu sein scheint als ein Akt der Verehrung für das ganze Land...beherrschtvondemunüberwindlichenGeheimnis derErde,dieWeitedesTals,denSchreckendesBergsprei send«. Für meinen Teil will ich hinzufügen, daß, wenn mandurchdieRuinenvonPhaistosgeht,imoffenenHof oder»Theater«innehältundüberdieHügelundzumBerg Ida blickt, all dies ein Gefühl für die Bindung an dieses Erdgeheimnisbewirkt,ohnedaßesnötigwäre,diesesGe heimnis zu lösen oder nach wunderbaren Offenbarungen zu suchen. Phaistos ist wie Delphi auf dem Festland ein Ort,derzurErdegehört.WieauchDelphikannichPhai stoskeinegrößereHuldigungzuteilwerdenlassenalszu sagen, daß schon allein das Nachdenken und Schreiben überdenPalastundseineLandschafteinetiefeSehnsucht nachRückkehrweckt.
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WieichbereitsimzweitenKapitelschilderte, betrachtete ichdieheiligenLandschaftsformenundwußte,daßichan gekommenwar,bevorichmichtatsächlichimPalastfand. AufdemWegnachPhaistostauchteinkegelförmigerBerg in einer erhabenen Hügelumgebung auf, während ein gehörnterBergamHorizontsichtbarwird.IndemAugen blick,indemdiezweiFormationenvondenkleinerenHü geln freikommen, krümmt sich die moderne Straße, und mansiehtdasSchild,dasPhaistosankündigt.
KegelundBerg Alsichzuergründensuchte,wiederProzessionswegver laufen sein könnte, fand ich heraus, daß der Kegel einen wichtigen Teil dazu beiträgt, den Bezug zur Landschaft herauszuarbeiten. Vom Hof in Phaistos aus betrachtet, liegt derIdagenaunachNordenundistsomitvon allen Palästen am präzisesten ausgerichtet. Der Kegel erhebt sichinnordwestlicherRichtung;derProzessionswegbe ginnt am nordwestlichen Eingang, so daß sich der Kegel direkt hinter dem Betrachter befindet. Der Weg verläuft westlichzumoffenenTheater;vondortführterdieStufen hinunterundkreuztschrägnachSüdostenquerdurchdas Theater,sodaßderKegelhinterdemBetrachterliegt.Hin terdemTheaterbiegtderWegab,sodaßmansichplötz lich dem eindrucksvollen Anblick des gehörnten Berges mitdemKegelzurLinkengegenübersieht.DerWegführt nachOstenundmachtdannwieineinemLabyrinthkehrt, umRichtungNordenunddieStufenhinaufzulaufen. DerWegführtweiternachobenzueinemRaummitden ResteneinerSäule.Vondortscheintersichwiederumsich selbstzuwindenundverläufteineRampeempor,wieder einmalaufdenBergIdaweisend.DerTorbaudesTheaters führtzueinerdunklen,schmalenTreppe,dieabwärtsauf dasLichtzuundindenZentralhofgeht.Blicktmanvom SüdendesHofesnachNorden,erhebtsichderIdasowohl über der Mauer als auch über einem Eingang, der zum nördlichen Wohnkomplex des Palastes führt. Gleichzeitig
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tutsichvomsüdlichen Ende des Hofes her das Tal auf und gibtdenBlickaufsanfteHügelfrei. StehtmanaußerhalbdesPalastes,soerscheintderKegel hinterdemBetrachter.SobaldmandieeigentlicheAnlage betritt,verschwindeter,verdecktvonderMauer.Zugleich kommtgenaunachWestenvomoffenenTheatereinklei nerer, behaglicher wirkender und rundlichkegelförmiger HügelinSicht. WennsichderIdahinterdemBetrachterbefindet,taucht ähnlicheinsanfter,doppelgipfligerHügelvorihmzurLin ken,imSüdosten,auf,mehroderwenigeraufeinerAchse mitdemsteileren,zerklüfteterenKegel.VordiesemHügel erhebt sich ein niedriger Erdwall, so daß der Hügel den Eindruck einer kleineren und zugänglicheren Version des heiligenBergesvermittelt. DiebeidengehörntenGipfel,derBergundderHügel,sind vom Hof sichtbar, denn während sich der Ida über dem Palasterhebt,gibtderHofdenBlickaufdiesanfterenHü gelfrei.AufderoberstenStufedesTheaters,diedenhöch stenPunktdarstellt,zeigensichallevierLandschaftsfor men. Wenn man sich jedoch in der Palastanlage bewegt, tretendieweicherenFormenindenVordergrund:Esent steht der Eindruck, als habe der Mensch der Natur die Schroffheit genommen. Wenn man in den Palast eintritt, herrschendiezerklüftetenGipfelvor,nurumdannoptisch zugunstenihrerzugänglicherenEntsprechungenzurück zuweichen. Diese kleinen Hügel enthalten noch immer den Göttinnenkörper, aber in einer eher menschlichen Größenordnung, in einer für Ackerbau und Entwicklung empfänglicheren Form. Wie in so vielen Beziehungen bringtdiealtekretischeKulturhierdasMenschlicheund das Göttliche zusammen,wobei keinesdasandereüber trumpft,sondernbeideverschmelzenmiteinanderinan mutiger Freude und Eleganz – wie die zwei Hälften der DoppelaxtoderdiezweiSchlangen,dievonderbarbusi genGöttininihremlangenRockgehaltenwerden.
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DerKörperimLied Lebtwohl, KindervonZeusundLeto, siemitdemschönenHaar, jetzt undineinemanderenLied werdeichaneuchdenken. HymneanArtemis VonallenGötternundGöttinnenkennenwirdiegriechi schen am besten. Wir haben die anmutigen Statuen und die Tempel mit ihren mathematisch exakten Proportionen gesehen,wirhabendieGeschichtenvondenLiebesaffären unddenSchlachten,denManipulationenhilfloserSterbli cher,denVerwandlungenvonMenscheninBäume,Sterne oder Flüsse gelesen. Und dennoch werden die von einer seltsamen Mischung von Gewalt und Schönheit, Klugheit und Angst durchdrungenen griechischen Mythen um so geheimnisvoller,jeintensiverwirunsmitihnenbeschäfti gen.Wirfangenan,unseineklarereMeinungvonihnenzu bilden,wennwirdieArtundWeiseverstehen,wiesiedie Eroberung einer älteren Ordnung in Szene setzen, einer Ordnung, die um die vielen Großen Göttinnen errichtet war,jedeeinzelneauseineranderenGegend,überwelche dieEindringlingeherfielen.Dasistnichtnureinemoderne Interpretation.DiealtenGriechenselbstpriesenihreolym pischen Himmelsgötter dafür, den »chthonischen« Gott heitendieWeltgewaltsamentrissenzuhaben–Wesen,die siealsdunkel,gefährlich,irdisch,monströs–undweiblich –bezeichneten. Diese Eroberung war zum Teil damit verbunden, die ar chaischenundkomplexenGöttinnenaufInkarnationenbe stimmterEigenschaftenzureduzieren.Artemiswirdzuei nerArtPfadfinderin,dieindenWälderneinkargesLeben
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führt.Aphroditewird in endlose Liebesaffären verstrickt, währendHerainihrerWutRänkegegenZeusschmiedet, der den Frauen nachläuft. Athene, einst eine allmächtige Göttin der Schlange und der Eule, entspringt jetzt dem HauptdesZeus,alshätteersieselbsterschaffen.Trotzdie ser scheinbaren Trivialität werden die Göttinnen in den griechischen Mythen ebenfalls erhöht, denn tatsächlich wird es ihnen gerade durch diese Individualität möglich, unsSpiegelbildervonunsselbstzuzeigen.DieseSpiegel bilder haben eine grenzenlose Tiefe, denn je tiefer wir in diese Spiegel schauen, desto deutlicher erkennen wir ein Doppelbild:dieFiguren,diewirausdenGeschichtenken nen,undihrevielälterenGegenstücke,jeneGöttinnendes Landes,desHimmels,desWassers,derVögel,derSchlan gen und der menschlichen Leidenschaften, die so alt wie SteinundinalldenJahrenderVerzerrungdurchdieewige WahrheitdesKörpersmitunsverbundengewesensind.
DieunsterblichenGötter VincentScullybezeichnetdieTempelarchitekturdesgrie chischenFestlandesalseinBilddes»Sieges«,indemdas Gleichgewicht zugunsten der menschlichen Herrschaft über den Kosmos umschlägt. Zweifellos haben wenige Kulturen die Götter jemals von einem so menschlichen Standpunktausbegriffen,wieesdieGriechentaten.Wir brauchen nur an den eleganten Realismus der Statuen oderandenhäuslichenZankindenGeschichtenvonZeus undHerazudenken. IndemMaße,indemdieGötterimmermenschlicherwur den,wurdenauchdieMenschenselbstimmerstärkerher abgesetzt. Die kretischen Paläste dienten den Menschen sowohlalsHäuser,Arbeitsplätze,Regierungssitzealsauch als Brennpunkte, an denen die Göttin im Land wahrge nommen wurde. Die griechischen Tempel beherbergen Statuen,keineMenschen. AufKretafindenwirZeusalssterbendenundsicherneu erndenGott,derdasWunder des Pflanzenlebens verkör
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pert,derstirbtundhinabsteigtindasunterirdische Reich derTodesgöttin,nurummitdemFrühlingsanfangalsneu geborenesKindzurückzukehren.FürdieDorerjedochwa renihreGötterunsterblich,ohneKörper,unabhängigvon den Zyklen der Natur. Sie mögen ihre Götter mit sehr menschlichenBegriffencharakterisierthaben,abersiebe zeichnetensieauchalsreineEnergie. DasKonzeptderUnsterblichkeitrührtvonderTodesangst und dem Todesschmerz her. Subtiler betrachtet könnte es demBedürfnisentspringen,dieIdeeGottvonderGöttinzu trennen,dasheißt,dieGöttlichkeitvondemimwesentli chen weiblichen Körper der natürlichen Welt loszulösen (selbstunseremonotheistischeKultursprichtvon»Mutter Erde« oder »Mutter Natur«). Der Körper der Göttin be ziehtunsindiefortwährendenZyklenvonTodundWie dergeburtein.DieTrennungvonderGöttinläßtdieMög lichkeitderunsterblichenVollkommenheitzu. AberauchwenndieseGottesauffassungdenpatriarchalen Wunsch befriedigt, das höchste Wesen als männlich und von der (weiblichen) Natur getrennt zu sehen, ruft sie doch auch eine Kluft zwischen den Göttern und der Menschheit hervor. Wie die übrige Natur auch werden Menschenschwachundsterben.DerbloßeAkt,sichGöt terfreivonLeidenvorzustellen,garantiert,daßMenschen keinenAnteilanderGottheithaben.ImgriechischenKos mosexistierendieMenschennuraufGedeihundVerderb denGötternausgeliefert,diejedenAugenblicknachihnen greifenundsievernichtenkönnen. Die Sehnsucht nach Unsterblichkeit könnte bei stolzen Stammesführernaufgekommensein,diedenGedankenan denTodverabscheutenundzugleichfürchteten,daßersie jederzeit in ihren Schlachten ereilen könnte. Und daher könntensiesichvorgestellthaben,wieeswäre,ewigzule ben, niemals zu sterben oder gar Schmerzen zu spüren, vonderganzenWeltverehrtzuwerden,jedenzutöten, der sich ihnen widersetzte oder sie verärgerte, und jede Frau,diesiebegehrten,zunehmen.DiessinddieAttribute vonZeus,demOberhauptderGötter.
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Die Religion der Göttin war eine Religion des Ortes und derKörper,diebeidemitderLandschaftunddemPalast verbundenwaren.DieGöttertrennensichvomLand,und auch wenn sie die Gestalt idealisierter Menschen anneh men und an so menschlichen Aktivitäten wie Sex und Krieg teilnehmen können, sind sie in Wirklichkeit doch körperlos. Während die Kreter und Mykener die Göttin darstellten,wiesiedieGläubigenanihremLebensbaumin ihremGartenempfängt,zeigendiespäterengriechischen MythendieGötteralsunnahbarundfurchteinflößend,da zuneigend,jedenSterblichen,dersiezufälligsieht,nieder zustreckenoder inStückezureißen.DieGötterwandeln aufErdenundmischensichinmenschlicheAngelegenhei tenein,ganznachLustundLaune.Siegehörennichtzur Welt. Sie leben auf ewig in ihrer Pracht auf dem Olymp, demMorastunddenPlagendesmenschlichenLebensent rückt. In allen Schöpfungsmythen von beispielsweise Sternbil dernoderbestimmtenBaumartenverbindetsichdiegrie chischeReligionmitderNatur(bezeichnenderweiseha ben viele dieser Geschichten mit Vergewaltigung oder Mordzutun).FastwiedieaustralischenAboriginesglau bendieGriechen,daßjederBaumundjederFlußvoneiner Nymphe oder Dryade bewohnt wird. Die Hauptobjekte der Religion jedoch, das olympische Pantheon, sind von derNaturlosgelöst. WennMenschensterben,werdensienichtwiedergeboren, sondern existieren lediglich als kalte, hohle Schatten. In der Odyssee sagt der tote Achilles dem Odysseus, daß er lieber lebendig alsSklavedieFelderbestellenwürde,als überalleTotenzuherrschen.NurbeidengroßenEleusini schenMysterienändertsichdieseHaltungmitdemVer sprechenderWiedergeburt,dasallenFreudebereitet,die an ihnen teilnehmen – und die Mysterien gehen mögli cherweisedirektaufdieFeiernzuEhrenderGöttinimmi noischen Kretazurück.
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Bedeutungsebenen:Psyche DieFaszinationdergriechischenMythenliegtzumTeilin jener leichtfüßigen Qualität der Geschichten begründet, dietieferliegendeSchichtenvonBedeutungzuverschlei ernscheint.BeidengriechischenMythenüberfälltunsoft dasunbestimmteGefühl,daßeinewichtigeWahrheitof fen,aberzugleichverborgendaliegt.DasRätselwirdein wenig klarer, wenn wir in Betracht ziehen, daß viele der Mythen entweder einen früheren Mythos verzerren oder als Rechtfertigung für die patriarchale Machtübernahme derGöttinnenreligiondienen.Unddennochvermitteltuns die Genialität der griechischen Religion das Gefühl, daß einechtesspirituellesGeheimnisausdiesementstellenden Konflikt zwischen der Muttergöttin und dem Kriegergott hervorgegangenist. Wie bei einigen hebräischen Mythen, beispielsweise der GeschichtevomGartenEden,müssenwirdieAspekteder Geschichtenergründen,diekeinenSinnzuergebenschei nen.EinsolcherAspektzeigtsichinderGeschichtevonei nerFrauunddemGottderLiebe. UnsermodernesWortPsycheleitetsichvondemgriechi schenWortfür»Seele«ab.AberPsycheistaußerdemeine FigurineinerGeschichte.DieGeschichtevonPsycheer zähltvonihrerLiebefürEros,denLiebesgottundSohn derAphrodite.UmmitihremGeliebtenvereinigtzusein, umseinGesichtsehenundnebenihmstehenzukönnen, mußPsycheAufgabenfürAphroditelösen,unteranderem eine Reise zu Persephone unternehmen, der Königin der Toten und der Göttin, mit deren Entführung und Verge waltigung der Mythos beginnt, auf den die Eleusinischen Mysteriengründen. ZuBeginnderGeschichtebegegnetPsycheihremgeheim nisvollenGeliebtennurinderNacht,dennErosweiß,daß sie der ganzen Macht seiner Schönheit nicht standhalten könnte. Ihre Schwestern werden eifersüchtig auf sie und verspottensie,daßmitihremEhemannetwasnichtstim menkönne,wennsieihnniemalsbeiLichtsehendürfe.Bis
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hierherscheintallesunkompliziert zu sein. Aber dann er fahrenwir,daßPsychesSchwesternihreinreden,daßihr Geliebter überhaupt kein Mensch sei – sondern eine Schlange.WarumsagensiesoetwasMerkwürdiges?Und warumschenktPsychedieserabsonderlichenIdeeGehör? ErstwennwirvondergroßenIntimitätzwischenderGöt tinunddenSchlangenhören,fangenwiran,etwasTief gründigeresindieserGeschichtezuerahnen.Statuender minoischen Göttin stellen sie mit Schlangen dar, die sich umihreArmeundihrenKörperwinden.Athenewarur sprünglichdieGöttinsowohlderSchlangenalsauchder Eule.DieMenschen,diedieseBildervongöttlichenWesen und Schlangen schufen, taten das nicht willkürlich. Die MythenunddieStatuendrückendiesetiefeundgeheim nisvolleFaszinationfürSchlangenundihreFähigkeitaus, eineverborgeneStelleinderPsycheaufzuwühlen.Unter anderenEigenschaftenbeschwörenSchlangendieelemen tare sexuelle Energie. In einer älteren Fassung der Ge schichtewardieSeele–Psyche–tatsächlichdieGeliebte derSchlange–Eros.UndwenndieSchlangezumGelieb tensowohlderFraualsauchderGöttinwird,dannwer den die Seele, das individuelle Selbst und das größere SelbstdesGöttlichenmiteinandervermischt. Psyche wird zu einer Figur deruraltenweiblichenKraft, dieihrWissenumsichselbstverlorenhatundaufeinver ängstigtesMädchen,dassichvorderDunkelheitfürchtet, reduziertwird.WieinderbiblischenSchöpfungsgeschich te von der verdammten Schlange setzt der Gott Feind schaft zwischen die Frau und die Schlange. Psyches Schwestern,dieSymbolefürdieGesellschaft,sagen(der) Psyche:Hütedich,laßdichnichtvondeinerLeidenschaft unddeinemWunschüberwältigen,denndukönntestfest stellen,daßesdichvondemRationalen,demungefährlich MenschlichenfortzuetwasvielTieferem–zuderSchlan ge,deruraltenvergessenenMachtdesKörpers–hinführt. IhreHingabeandieLiebeführtPsycheindieUnterwelt,in diesiesichbegebenmuß,umdemReichderTotendieLe benskraftwiederzubringen.
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WirkönnenunserGehirnals inEbenen,die sich im Laufe der Evolution aufgebaut haben, strukturiert betrachten. DiejüngsteEbene,derNeocortex,regiertunsererationa lenDenkprozesse.Dieälteste,daslimbischeSystem,istfür unsere verborgenen, unwillkürlichen Reaktionen verant wortlich. Entwicklungsgeschichtlich gesehen wird das limbische System den Schlangen zugeordnet. Einige ver tretendementsprechenddieAuffassung,daßderNeocor texunszuMenschenmachtundwirdielimbischeSchlan geinunsunterdrückenmüssen.Abersovielvonunserer KraftundStärkerührtvonunserentiefen,instinktivenLei denschaftenher.Wennwirsieverleugnen,verleugnenwir unsselbst,unsereMenschlichkeit.
EineSeereise DerAbschnittüberPsycheunddieSchlangegingausNo tizen hervor, die ich mir nachts auf einer Fähre gemacht hatte, welche mich vom griechischen Festland über das ÄgäischeMeernachKretabrachte.EswareineReise,die mich nicht nur zurück in die Vergangenheit führte, son dernauchdurchDunkelheitundüberdasWasserunserer ältestenMutter.DieseFahrtunddieNiederschriftfanden inderfünftenNachtderEleusinischenMysterienstatt,die insgesamt neun Tage dauern, so daß der fünfte Tag die HälftederReiseindieUnterweltundwiederzurückmar kiert.IndieserfünftenNachtbadetendiemystaeoderMy sten, die Eingeweihten, im Meer und zogen dann mit Fackelnlos,umdieSuchenachPersephone,derGöttin,die der Tod raubte und hinunter in die Dunkelheit brachte, nachzuspielen. ImStrebennacheigenerGöttlichkeitsuchtPsychePerse phone auf, denn Aphrodite hat ihr ein pyxis, eine kleine Dose,gegebenundihraufgetragen,siemitSalbezufüllen, die Persephones Schönheit enthält. Aber das Wort pyxis warwiedasWortfürPandorasBüchse(sieheS.186)ein umgangssprachlicherAusdruckfürdieweiblichenGenita lien(wennwirdieVerbindungaufeinerkonkretenEbene
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herstellen,werdenaus der Salbe Scheidensekrete), so daß diewahreSchönheitderGöttinderKraftdesSchoßesan gehört–LebenausdemTod,SexualitätausderDunkel heit. IndengriechischenMythenfahrendieToteninFährboo tenüberdenFlußStyx.DiemoderneFährenachKreta,ein großer Liniendampfermitvielen Decks,Restaurants,Sa lons und Privatkabinen, folgt noch immer den uralten Spuren. Die Reise führt über das Meer, dessen dunkles, wogendes Wasser dem salzigen Blut in unseren Körpern entspricht.UnddiesebesondereSeereisenachKretastellte für mich eine Rückkehr zur Schlangengöttin dar, Perse phonesAhnin,derenArmesichinbeideRichtungenaus strecken,alswürdesiediefließendeBewegungvonLeben undTodverkörpern.
DieEroberungvonDelphi DiegriechischenMythenschieneneszuzulassen,daßalle Bedeutungsebenenzugleichexistierten,dieprähistorische ReligiondesKörpersgeradeunterhalbderOberflächeder sonnenbeschienenen Religion der Abstraktion und Ver nunft.AberdiesesNebeneinanderverliefnichtproblem los. Die Olympier ersetzten die ältere Religion durch Erobe rung. Die Tatsache, daß sie sie nicht einfach verbannen konnten, war eine Quelle der Spannung und Angst. Das stellenwirsogarinDelphifest,vielleichtvoralleminDel phi, dem wichtigsten Heiligtum Apollons, Gott desSon nenlichtsunddermaßvollenVernunft.DennDelphiwar ein Ort der Weissagung, das wichtigste Divinationszen truminderAltenWelt,einOrt,densogardieFeindeGrie chenlands aufsuchten, um die Zukunft zu erfahren und den Willen der Götter zu ergründen. Aber Weissagung kann nicht als ein rationaler Akt vonstatten gehen. Wir müssenindiesedunklenEbenendesGeistesvordringen, dorthin,wounsereKörpersichmitdemKörperderErde unddemfließendenKörperderZeitverschmelzen.
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Apollons Eroberung von Delphi war für die olympische ReligioneingewagterGeniestreich.Dadurchsetzteerdie HerrschaftderVernunftgenauandemOrtdurch,derihr wohlamzähestenWiderstandgeleistethatte.Abergleich zeitigkonntediealteReligionnichtsoeinfachvertrieben werden.DennwersollteohnedieFrauenundihreVerbin dungzurErdedasOrakelbefragen? DerApollonTempelinDelphipropagiertedasSchlagwort »Erkennedichselbst«.Unddochmüssenwirdieapollini sche Religion als eine Bewegung weg von der Selbster kenntnis,alseineAbwehrderMachtdesKörpers,desKör pers der Göttin, bezeichnen. Vincent Scully schreibt, daß dieGriechendenrationalen,sonnenbeschienenenApollon anriefen, »wo auch immer sich die furchteinflößendsten EigentümlichkeitenderaltenGöttinderErdemanifestie ren«.UrsprünglichmanifestiertesichdieGöttinderWeis sagunginDelphiineinerdunstigenHöhle,indermitHil fe von Nebelschwaden visionäre Trancezustände herbei geführtwurden.EinengeometrischenTempelüberdieses Loch in der Erde zu bauen, diesen dunklen archaischen Ort der Prophezeiung, der die Quelle unseres Seins ver körpert,bedeutetjagerade,nichterkennenzuwollen,son derndieSelbsterkenntnisunsererUrsprünge,unsererRea litätzuverbergen. EingroßerTeilderAngst,dersichdurchsovielegriechi sche Mythen hindurchzieht, scheint einem unterdrückten Bewußtsein zu entspringen, den Göttinnenkörper (buch stäblich) zugedeckt und den Blicken entzogen zu haben. Die gleiche Aggression gegen das Weibliche fand in der Gesellschaftstatt,denndieGriechensperrtendieFrauen inihrenHäusernein,verweigertenihnendasBürgerrecht undnahmenihnenihrealtenBesitzrechteweg,ebensowie sie Vergewaltigung als einen göttlichen Akt betrachteten. Auch die Sexualität und die Fortpflanzungsfähigkeit der Frauenwurdensanktioniert;Frauenwurdendafürverach tet, Kinder zu bekommen; selbst Aristoteles bezeichnete den weiblichen Orgasmus als Scheußlichkeit und ordnete zurAbhilfedieEntfernungderKlitorisan.
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DieAngstdesEroberers Wo auch immer eine Gruppe von Menschen eine andere unterdrückt, staut sich Wut auf, nicht nur bei der unter drückten Gruppe, sondern auch bei den Unterdrückern. DieWutderUnterdrückerentstehtalseinReflexausder Verleugnungdessen,wassiegetanhaben.IhreOpfererin nern sie unaufhörlichnicht nur anihreVerbrechen,son dern auch an die Wirklichkeit, die sie umzustürzen ver suchthaben.UnddarumhassenundfürchtensiedieMen schen,diesiebesiegthaben.WennMännerFrauenunter drücken, werden Frauenkörper zu einem Ort des Schreckens.DieMenstruationverwandeltsichvonetwas Magischem in etwas Böses oder Ekelhaftes. Der Vagina wachsenZähne,diedenPenisdesMannesabbeißen. DiegriechischenMythenwerdenvondemGefühlgetra gen, daß die patriarchale Religion sich selbst der Mutter entwindet.AlsderSonnengottApollondieSchlangePy thontötet(diedie»TochterderHera«genanntwird),sagt erzuihr:»JetztverrottehieraufdemBoden,derdieMen schenernährt.«DieErdeunddieGöttinwerdenalsfurcht einflößendundverachtenswertangesehen.DerNamedes Helden Herakles bedeutet »Heras Ruhm«. In den klassi schenMythenwirderjedochzueinemweiterenuneheli chen Sohn von Zeus, so daß Hera zu seiner Peinigerin wird, die ihn aus Eifersucht wahnsinnig macht. Ödipus folgtderapollinischenForderung,sichselbstzuerkennen, und findet heraus, daß er seinen Vater getötet und seine Muttergeheiratethat.AbermitdiesenTatenhaternurein archaischesRitualwiederholt,indemdieKönigindieewi gelebenspendendeKraftimLandverkörpertundderalte KönigdieVegetation,dieimWintersterbenmuß,damit die jungen Pflanzen, verkörpert im Sohn, im Frühling ihren Platz einnehmen können. Ödipus, der diese Dinge nichtwissenwill,dersichnichtsehenwill,blendetsich. DieErdeselbstwirdzueinemOrtdesSchreckens–naß, triefend,lebendigundmonströs.DerHimmeldagegenist eineZufluchtsstätte,einvölligreinerundglänzenderPlatz
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imVergleichzudemdunklen undschmutzigen Boden un teruns.IndengriechischenMythenwerdendievorolym pischen Götter als »chthonisch«, der Erde angehörend, und zugleich als dämonisch, wahnsinnig, blutrünstig – undweiblichbezeichnet.Derganzundgarstrahlendeund reine Sonnengott Apollon schreitet voran, um diese schmutzigen Göttinnen der Erde zu besiegen und unter seinemRitualtempelzubegraben. Ebenso wie in der biblischen Schöpfungsgeschichte wird dieSchlangealsdasSymbolderGöttinundderAusdruck ihrerstarkenEnergie,sowohlderprophetischenalsauch dersexuellen,zumFeinderklärt.AlsGegenprinzipzurin stinktgesteuertenSchlangeführtApollondas»Licht«der Vernunftein,indemerangeblichdiegefährlichenLeiden schaften der älteren Erdgöttinnen bezwingt. Aber wenn wirdieErdealsdenKörper,alsunserenkollektivenKörper ansehen,führtApollonunsvonunseremKörperwegzu jener losgelösten Transzendenz des olympischen Him mels.Unddastuter,indemerPythontötetundseinenstil len,abstraktenTempelmitallseinenSäulenundmathe matisch exakten Proportionen über der feuchten delphi schenHöhle–derVulvaderErde–errichtet,wodieSibyl lenausNebelundDämpfenherausihreProphezeiungen sprachen. Buffie Johnson, die über Apollons Tötung des Python schreibt, zitiert Jane Ellen Harrisons ironischen Kommentar:»WashattederstrahlendschöneApollonmit deraltenSchlangezuschaffen?«*
NachDelphikommen DiePilgerderaltenZeit,diedasOrakelaufsuchenwollten, konntenDelphiaufdemLandwegodermitdemSchiffer reichen.ApollonselbstkamaufdemSeewegundbrachte kretische Seeleute als seine Priester mit. Kreta blieb das LandderreligiösenAutorität,sogarodervielleichtbeson *BuffieJohnson:DieGroßeMutterin ihrenTieren.Göttinnen alter Kulturen,OltenundFreiburg:Walter1990,S.163.
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dersfür diejenigen,die seine prähistorischen Traditionen vernichtet hatten. Sowohl Zeus als auch Demeter kamen ausKreta.UmseinAnsehenzustärken,entrißApollonder kretischenGöttindenheiligenPalmbaumunddenHain. Der Gott lockte die Seeleute, indem er die Gestalt eines Delphinsannahm.ImPalastvonKnossos,derJahrhunder tevordemBaudesApollonTempelsinDelphiinderErde verschwand,zeigendieWandfreskenspielende,springen deDelphine.DerNameDelphiistmitzweigriechischen Wörtern verwandt, nämlich delphis für Delphin und del phys,Schoß. Fürdiejenigen,dienachDelphiwanderten,warderWeg rauhundbergig.HeuteindeserleichternmoderneStraßen unddasLichtderStädtedieReise.Nichtskannjedochdie kahle Schönheit der Hügel trüben. Die Stätte von Delphi liegtunterdertiefenSpaltedesParnaß,desGebirgszuges dichterischerInspiration,HeimatderneunMusen(wieder dieNeun,dasmagischeDreimalDrei).ÜberderTempel gruppe,überderheiligenKastalischenQuelleerhebtsich eineFelswand,»prachtvollgekröntvongewaltigenHör nern,diesichwuchtigdemHimmelöffnen«(Scully).Das sind die Phaidriaden, die »Glänzenden«. Die Quelle, wo SuchendesichWasserüberdenKopfschütteten,umsich zureinigen,stürztvonderFelswandunterhalbderHörner herab.NachdemwirunserenBlickgeschulthaben,erken nenwirdieseQuellewieder,auchwennwirsienochnie gesehen haben. Es ist das gleiche Wasser, das in Silbury Hill oder in Glastonbury an die Oberfläche kommt oder unterdenSpaltendesTeachingRockinKanadafließt.Die Quelle,diesichauseinemgespaltenenBergergießt,istdas BlutderGöttin. DiegesamteStätteblicktquerüberdasTalzueinerweite renKluftindenBergen.EineKluftverkörpertdieVulva der Göttin, sei es in Form einer schmalen Linie an einer Höhlenwand, einer Spalte im Boden oder riesengroßer HörnereinesBerges.UndmitdemfließendenQuellwasser und der ursprünglichen Orakelhöhle erhalten wir eine Reihe von Vulvabildern, die immer vertrauter werden,
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DiePhaidriadeninDelphi/Griechenland.DerGaiaStein befindet sich im unterenTeildesBildeslinks.
während wir uns dem Heiligtum nähern: von der Berg form, die sich gegen den Himmel abzeichnet, über das zumVorscheinkommendeWasserbishinzudendunklen Dämpfen, die jetzt vomTempel bedecktwerden.Die
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Dämpfe allein,dieaus den geheimen Stellen in der Erde emporstiegen,löstendieWeissagungaus. InklassischenZeitenwurdedieErdspaltemitdenempor steigenden Dämpfen selbst nicht von dem Tempel über deckt, sondern nur von ihnen umgeben. Apollon hatte zwardieSchlangegetötet,abernochimmerverkündeten FrauendasOrakel,alsobdieneueReligiondieAutorität (und die Wirklichkeit) der alten nicht zu vertreiben ver mochthatte.NachderPythonPythiagenannt,wuschsich dieProphetininderQuelle,zerkauteeinLorbeerblatt(der Lorbeer wuchs aus dem Körper einer Nymphe, die vor ApollonsVersuchen,siezuvergewaltigen,geflohenwar) undsetztesichdannaufeinenDreifußüberderSpalte,wo siedieDämpfeeinatmeteundihreProphezeiungverkün dete.OfterfolgtedieWeissagunginwortlosenTönen,die ein (männlicher) Dichter in zusammenhängenden Versen wiedergab. AufderHöhevonDelphisRuhmgabesdreiPythien,jene Zahl, die die Dreifache Göttin des Mondes und die drei weiblichen Lebensphasen wachruft (Plutarch schrieb, daß dieStimmederSibylle–derPythia–aufdasAntlitzdes Mondes getragen wurde). Der Dreifuß verdreifacht das nochmals, so daß wir erneut auf die heilige Zahl Neun kommen,dieMonatederSchwangerschaft.AberdiePy thien setzten sich nicht aus Jungfrau, Mutter und altem Weib zusammen, sondern es waren alles Frauen über 50, alteWeiber,diedieWechseljahrehintersichgebrachthat ten. Zugleich waren sie Bäuerinnen und behielten somit dieVerbindungzurErde,Gaia,bei. Aus einigen Berichten über Delphi geht hervor, daß das OrakelallenPilgernzugänglichwar,diekamenundsich reinigten.InWirklichkeitverbotenApollonsVorschriften esdenFrauen,Ratzusuchen.SeinePriesterwarenwohl aufdieKraftdesweiblichenKörpersangewiesen,aberdas hießnicht,daßsiezuließen,daßFrauenirgendeinenVor teildavonhatten. AufgrundderphantastischenLagevonDelphibetrachte tenseineAnbeteresalsdenMittelpunktderWelt.Selbst
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nachApollonsEroberungdesSchreinsbliebderomphalos, derNabel,dasheiligsteObjekt.DerOmphaloswarinei nemkegelförmigenSteinverkörpert,indeneinesichum ihnwindendeSchlangegemeißeltwar,soalsobsieihnbe schützensollte.VonKretawissenwir,daßeinkegelförmi gerStein(oderBerg)dieMachtderGöttinüberträgt.Der SteinOmphalosgewannzusätzlichanBedeutung,weiler einGeschenkdesHimmelswar–einMeteorit.WiebeiKy beleundihremkegelförmigenschwarzenMeteoritenoder dem riesigen KaabaMeteoriten in Mekka veranschaulicht der Omphalos mit seiner Schlange die Einheit von Erde undHimmel,zweiAspektedesselbenKörpers.
DieSteinederGaia DieGriechennanntendieHöhleinDelphimanchmalden Eingang zum Reich der Toten. Dieser unterweltliche Aspekt zusammen mit den Landschaftsformen, der SchlangeunddemMeteoritenerinnertunsdaran,daßdas Heiligtum anfangs der Erdgöttin Gaia, auch Themis ge nannt, gehörte. Gaias ursprüngliches Heiligtum war ein die offene Erdspalte umgebender Steinkreis, der Erinne rungen an die Steinkreise der Steinzeit wachruft. Heute kannmannochimmerdengroßenSteinderSibyllesehen, auf dem der alten Überlieferung zufolge das Orakel saß undseineProphezeiungenverkündete.Umgebenvonall denklassischenBauwerken,wirftunsdergroße,schmuck loseSteinaufdieKraftdesLandeszurück. EinnochgrößererSteinbeschwörtdieErdeineinerTem pelstättenichtweitentferntvonDelphi,denHügelhinun terineinemOrtnamensMarmaria.HierstehendieÜber reste des alten und neuen Tempels der Athena Pronaia, deren Titel »vor dem Schrein« (oder »Wächter des Schreins«) bedeutet. Während Delphi sich am Hangent lang erstreckt und in den Himmel hinaufblickt, befindet sichMarmariaineinemtiefgelegenenGeländeunterhalb des Weges und vermittelt dem Besucher ein Gefühl der NähezumBoden.HinterdemaltenTempel(Ausgrabun
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Dergroße MenhirimaltenTempel der Athena Pronaia, Marmaria/Grie chenland,ca.700v.Chr.
genhabeneinemykenische Siedlung an dieser Stelle auf gedeckt)reichteingroßerMenhir,deraneinemenschliche Gestaltdenkenläßt,weitindieZeitzurückunderinnert unsdaran,daßAthene,dieGöttinderWeisheit,derEulen und Schlangen, viel mehr und viel älter war als jene be waffnete Kriegerin, die angeblich völlig erwachsen dem HauptdesZeusentsprang. Auchwennichnichtsagenkann,daßichdirekteOrakel botschaften erhielt, erlebte ich Delphi als einen Ort von großerSchönheitundpersönlicherHeilung.MariaFernan dez und ich fuhren mit einer gewissen Beklommenheit nachDelphi,inderBefürchtung,daßwireswiedenPar thenoninAthenvonTouristenüberlaufenvorfindenwür den.Tatsächlichsiehtmanmanchmalnichtwenigerals20 Reisebusse, die am Straßenrand parken. Und trotzdem hältdieMachtdesLandesjederTrivialisierungstand.Der BesucherkannTage,jaWochendamitverbringen,dieAr chitektur der verschiedenen Monumente zu studieren oder einfach nur dazusitzen und über die Hügel hinzu blicken.
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DieGöttinnen:IndividuenundKollektiv DieAufspaltungderGroßenGöttin–wild,uralt,vielseitig, starkwieSteinundWasser,sovertrautwieunsereeigenen Mütterundsounergründlichwie derTod–inunzählige Figuren,denenjeweilseineeingeschränkteFunktionzuge schriebenwurde,stellteinenTeildieser»Gewalt«dar,die »der alten Ordnung der Göttinnen angetan wurde«, wie JaneEllenHarrisonesausdrückt.Undzugleichbringtge radedieseZerstückelungdenGlanzdergriechischenMy thenhervor.Dadurch,daßdasWirkungsfeldjedereinzel nenFigureingeschränktist,ermöglichendiegriechischen Geschichtenesuns,AttributewieFreiheit(Artemis),Weis heitundHingabe(Athene),Mutterschaft(Demeter),Wie dergeburt (Persephone) und sexuelle Leidenschaft (Aphrodite) eingehend zu untersuchen. Weil die Göttin nenzuEinzelwesenwerden,laufensiezwarGefahr,ihre Größe und ihr Geheimnis zu verlieren, aber sie werden ebenfallszuPersonen,FigureninGeschichten,undindem wirsiekennenlernen,könnenwirSpiegelbilder(oderviel leichtVergrößerungen)vonunsselbstentdecken. AberauchwennwirdieVerbindungenunterihnenwie derherstellen, gewinnen wir sehr viel. Das gelingt uns, wennwiranfangen,ihreAttributeunddiemitihnenasso ziiertenBräucheundSymbolegenauzuprüfen.Obwohl sieihreIndividualitätbewahren,beginnendieGöttinnen miteinanderzuverschmelzen,undnehmenunsmitindie ZeitzurückzudervielseitigenGöttinderSteinzeit.Dieje nigevonallenolympischenGöttinnen,dieamwenigsten in Frage kommt, steht der prähistorischen Göttin der wildenNaturamnächsten–Artemis,ApollonsZwillings schwester.
ArtemisundMutterschaft Artemis, die Mondgöttin, Bewohnerin der Bergwälder weit entfernt von der Welt der Menschen, begleitet von Nymphen,JägerinundzugleichBeschützerinderwilden
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Tiere – weist wohl sogar über die Jungsteinzeit hinaus zurückindieAltsteinzeit.Abererstwennwirvoneinem anderenihrerAttributeerfahren,beginntdasBildvonder GroßenGöttinausderPfadfinderinderklassischenMy thologie hervorzutreten. Stark und jungfräulich wie sie war,galtArtemisalsdieGöttindergebärendenFrauen. DieklassischenMythenhabenihreeigeneRechtfertigung fürdieseungewöhnlicheSituation:DemnachsindArtemis undApollonZwillinge,dieKindervonLetound(natür lich) Zeus. Die Geschichte erzählt, daß Artemis als erste undohneKomplikationenaufdieWeltkamundsichdann umihreMutterkümmerte,dieneunTageindenWehen lag,umApollonzugebären.DieFolgewar,daßsterbliche FrauensichandieseFigurwandten,wennsieindenWe henlagen.BeieinigenlinderteArtemisdenSchmerz.Den jenigenjedoch,denenesnichtbeschiedenwarzuüberle ben,versprachenihrePfeileeinenschnellenundbarmher zigenTod. Wiedereinmalscheintes,daßdieGeschichteältereÜber lieferungenverzerrt,nachdenenesnatürlichwar,daßdie MutterderBergeunddiewildenTierezudengebärenden menschlichenMütternkamen.EinigeGeschichtenvonLe toerzählen,wieZeussiefürzwölfTageineinenWolfver wandelte,währendausanderenhervorgeht,daßWölfedie MutterundihreZwillingskinderbegleiteten. DieklassischeDarstellungliestsichfastwieeinerationale Erklärung.Mächtig,uralt,geliebtvomgemeinenVolk,das die alten Wege bevorzugte, gefährdete die Artemis der Berge die neue Religion von Zeus und Apollon. Indem man sie zu Zeus Tochter und Apollons Bruder machte, brachtemansienichtnuraufeineEbenemitdenOlym piern,sondernstahlihrauchdieAutoritätbeimVolk.Aber dieFrauenverehrtensieweiterhinundsuchtenihreHilfe beiderGeburt,wiesieesseitundenklichenZeitengetan hatten.UmdiesebesondereEigenschaftindasBildeinzu passen – und Apollon weiterhin im Mittelpunkt der Ge schichtestehenzulassen–,präsentiertendiegriechischen MythendieseGeschichtevonArtemis,dieLetopflegt.
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ArtemisunddiemodernenFrauen TrotzdergängigenBücherüberdiegriechischeMytholo gie,diesiewieeinezweitrangigeGottheitbehandeln,ist ArtemisfürvielezeitgenössischeFrauensehrwichtigge worden. Als Göttin des Neumonds beschwört Artemis (oderDiana,wiedieRömersiespäternannten)diespiritu elle Macht des Menstruationszyklus. Heutige Verehrer und Autoren, die sich mit Artemis beschäftigen, betonen ihreuraltenWurzelnundbringensiemitderaltsteinzeitli chen Göttin in Verbindung. Dadurch befreien sie Artemis vondemklassischenBild,dassiealseineWildfangVersi onApollonsdarstellt. GleichzeitigfühlensichvieleFrauenvomWesenderArte misangezogen,wieesindenklassischenMythengeschil dert wird.Sieist unabhängig,stark,Frauen,Tierenund der Natur zugetan, geschickt und ebenso wild. Sie kehrt StädtenunddervonMenschenhandgeschaffenenZivilisa tion den Rücken und zieht statt dessen die Wälder und Bergevor.Vorallemaberbleibtsiefrei.Alspraktischeinzi ge der griechischen Göttinnen schließt sich Artemis kei nemMannan,wederdurchHeiratnochdurchLiebesver hältnisse, wie die meisten Göttinnen, noch durch die Schirmherrschaft über Helden und Städte wie Athene. UnddennochkümmertsiesichumgebärendeFrauen. Viele Autoren,dieüberdiegriechischenMythenschrei ben, haben sich über das scheinbare Paradox der jung fräulichenGöttin,dieMütternindenWehenbeisteht,kri tischgeäußert.FürmichwardasnieeinProblem,denn ichhabeFrauengenauwiesiekennengelernt.Indensieb zigerJahrenbeschloßeineganzeBewegungvonradikalen Lesben, sich völlig von den Männern abzuwenden. Und nicht nur von einzelnen Männern, sondern von der ge samtenStrukturderstädtischen,technologischenGesell schaft.Siegingendaran,mitanderenFraueninKommu nen zu leben, ihre Nahrung selbst anzubauen und sich Tierezuhalten.SiekleidetensicheinfachinrauhenGe wändernund versuchten,den MusternundRhythmen
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derNaturzufolgen.Sie studierten die Kräutermedizin als Alternative zu den Heilmethoden der Ärzteschaft. Viele von ihnen wurden Heidinnen, Anbeterinnen der Diana, indem sie Frauenrituale schufen, die auf dem Mond, den Jahreszeiten und ihrem eigenen Körper beruhten. Zur gleichen Zeit verschrieben sich viele von ihnen der Ge sundheitsfürsorge von Frauen, nicht nur für sich selbst oderandereLesben,sondernfüralleFrauen.Einigevon diesen »separatistischen ZurückzudenWurzelnLes ben« wurden Hebammen. Sie selbst eiferten alsAnbete rinnenvonDiana/Artemisihrnach.
EinsamkeitundSexualität EinigeAutoren,wiezumBeispielGinetteParis,bezeich nenArtemisalseineGöttin(oderals»Archetyp«)derEin samkeit,immerwährendalleininderWildnislebend,eine ArttugendhaftePfadfinderin,diesichnichtfürSexinter essiert. Diese Autoren scheinen zu meinen, daß Artemis sichnichtmitMännerneinließ.Dennwiekönnenwirsie alseinsambezeichnen,wenndieMythenvonihrenzwan zig FlußnymphenausAmnissos,den arktoi(»Bärinnen«), denneunjährigenMädchen,dieinihrenDiensteintraten, oderdenGefährten,diesiebegleitetenundmitihrbade ten,erzählen? WasdieSexualitätbetrifft,sobringtArthurEvansinThe God of Ecstasy dieses Thema treffend auf den Punkt: »In Wirklichkeit«,schreibter,»warArtemisziemlichberühmt fürihresexuellenAktivitäten–mitanderenFrauen.«Evans gehtaufdieFrauenein,die»wilde,orgiastischeTänzezu ihren Ehren aufführten und manchmal Masken trugen«. Marija Gimbutas berichtet uns von Vasenmalereien, die tanzende ArtemisAnbeterinnen mit Tiermasken zeigen, alsobsiesichmitdiesenwildenTierenverbindenwollten, dievonderGöttinsoinniggeliebtwurden.Fernererwähnt GimbutasdieFrauenvonLakedämon,alsoSparta,die»or giastische Tänze, um Artemis zu lobpreisen«, aufführten. EvanszufolgefanddersexuelleTanzkultderArtemisAn
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beterinnen so weite Verbreitung, daß die Redewendung aufkam:»WohatArtemisnichtgetanzt?«Dasistzweifellos einbeschönigenderAusdruckfürdieskandalösenSexual praktiken der Anbeterinnen der Göttin. Hiermit und mit der Geschichte von Artemis, die ihren Bogen niederlegt, umgemeinsammitdenMusenvorihremBruderApollon zu tanzen, als ob sie ihn unterhalten wollten, wollen die klassischenMythendieMachtderGöttinbeschneiden. Eininteressanter Mythosweistauf ArtemissexuelleBe ziehungzuihrenAnhängerinnenhin.DieGeschichtehan deltvonihremZorndarüber,daßihreGefährtinKallisto schwangerist.IneinigenFassungentötetArtemissieso fort,undalsihreWutnachläßt,versetztsieKallistoalsdas SternbilddesBärenandenHimmel,dennsiehattedieGe stalt eines Bären angenommen, als Zeus (wer sonst?) ihr nachgestellt hatte. In einer anderen Version jedoch sagt KallistoArtemis,bevorsiestirbt,daßihrnichtbewußtwar, daßZeusübersiehergefallenwar,dennderGotthattesich verkleidet – als Artemis, woraus folgt, daß Artemis und Kallisto ein Liebespaar waren. Wegen Kallistos Unschuld erhebtArtemissieandenHimmel.WiebeisovielenMy thenereignensichindieserGeschichtevieleDingegleich zeitig.ArtemisselbstzeigtsichoftinBärengestalt,wieder einmal jene Göttinnen heraufbeschwörend, die bis in die Altsteinzeit und sogar zu den Anfängen der Menschheit zurückreichen,alsdieNeandertalerRitualemitBärenkno chenvollzogen. Anne Baring und Jules Cashford verweisen auf Artemis BeinamenKeladeineoder»dieSchallende«undbezeichnen dieGöttinalsausdenKlängenderwildenNatur»entste hend«. Sie betrachten es außerdem als »unvermeidlich«, daß die jungfräuliche Artemis über die Geburt herrscht, dennsieverkörpertsowohldietierhaftenTriebeinunsals auch die Instinkte einer Mutter gegenüber ihrem Kind. BeimGebärenmüssensichFrauendiesemInstinkthinge ben,müssenihre»kulturelleIdentität«aufgebenund»zu lassen,daßdietiefereWeisheitdesKörpersdieFührung übernimmt«.
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TeildieserHingabescheint die Aufgabe von Kleidern als SymbolederKulturunddieAnnahmeneuerKleiderge wesenzusein.DieKleidungderFrauen,diebeiderGe burtstarben,wurdenderArtemisinBraurongeopfert,in demselben Tempel, in dem sich die jungen Mädchen in Bärenfellekleideten,umArtemisalswildeTierezudienen. Mädchen,dieheiratenwollten,tanztenaufFestenzuihren EhrenundweihtenvorihrerHochzeitArtemisihreTuni ken,soalsobsiesichdazubekennenwürden,sieaufzuge ben,umsichdempatriarchalenSystemanzuschließen.
Mondgöttinnen IndengriechischenMythensymbolisiertendreiGöttinnen denMond–Artemis,Selene(manchmalmitDemeterasso ziiert) und Hekate. Sie bilden die Dreiheit von Jungfrau (zunehmender Mond), Mutter (Vollmond) und Greisin (abnehmenderMond).WiederkönntensieeineGöttinge wesen sein, deren verschiedene Aspekte verschiedenen Persönlichkeitenzugeordnetwurden.SowohlArtemisals auchHekatewerdenoftmitHundendargestellt.ImMy thosvonPersephonepflücktArtemis(sowieAthene)mit PersephoneBlumen,alsHadesausderErdeauftauchtund sie entführt. Aus der Homerischen Hymne geht hervor, daßnurHekatebeidiesemVorfallzugegenwarundnur HekateDemetererzählt,wasihrerTochterwiderfahrenist. MitArtemis,DemeterundHekatetauchenalledreiAspek tedesMondesinPersephonesGeschichteauf. Die Merkmale der drei Göttinnen evozieren die unter schiedlichenEigenschaften,diedurchdenveränderlichen Mond symbolisiert werden. Der junge, sichelförmige Mond, dessen Form dem straffen Bogen der Artemis so sehr ähnelt, bringt die vielen Möglichkeiten der Jugend zumAusdruck,wennalleDingesichunsöffnenundwir unsdanachsehnen,wildundfreiloszustürmenundunse re Kraft und unseren Mut auf die Probe zu stellen. Der volleMondwecktstarkeEmotionen,aberervermitteltuns aucheinBildderVollständigkeit.SeinAntlitzschautsanft
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aufunsherab,wieeineMutter,dieihre Kinder anblickt. DeralteMond,dersichindieDunkelheitbewegt,fordert Verzicht,ebensowieerunsdieWeisheit,durchdenZyklus desLebensgegangenzusein,anbietet.
ArtemisundApollon InderaltengriechischenWeltübernahmendieTempeldes SonnengottesApollonnachundnachdiemitderlunaren ArtemisassoziiertenOrte.Wiebereitsangeführt,könnten die Griechen Apollon mit Artemis verbunden haben, um einenTeilihrerAutoritätzuentlehnen(stehlen).AufDelos gehörtderältesteundgrößteTempelArtemis,währendder SchreinfürApollonvielkleineristundanderPeripherie liegt.AufDelosbefandsichaußerdemeingehörnterAltar, der angeblich von Theseus errichtet wurde, nachdem er denMinotaurusgetötetundAriadneaufderInselNaxos zurückgelassenhatte(wosieeinegöttlicheEhemitDiony soseinging,demGott,denKerenyialsdenheimlichenGat tenderPersephonebetrachtet).DergriechischenGeschich tezufolgestellteTheseusdieinkretischemStilgehaltenen Hörner auf und brachte dann den jungen Männern und Frauen der Insel einen Labyrinthtanz bei. Wahrscheinlich könnenwirdasalseineweitereAneignungansehen,denn dieHörnersymbolisierendieGöttinaufgrundihrerAsso ziation mit dem Mond und den gehörnten Bergen. Und natürlichgehensieauchtatsächlichaufKretazurück. ImGegensatzzuDelosfindenwirinDelphikeinenTem pelfürArtemis.TrotzdemsprechendieFormenderHügel undBergevonihreruraltenMacht.Wenneszutrifft,daß gehörnte Gipfel, Spalten und dreifache Bergformationen unsaufArtemisundGaiaverweisen,umgibtunsdieälte ste Göttin in Delphi, der Stätte, die Artemis siegreichem jüngeremBrudergeweihtwar.AmOrtselbstsiehtmanso wohl die Phaidriaden als auch die tiefen Kluften jenseits derTäler,aberselbstindennahegelegenenStädtenkann manplötzlichaufdienatürlicheLandschaftsformderge flügeltenArtemisindenHügelnstoßen.
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LöwenundBienen Auf vielen der frühen Schmucktafeln und Darstellungen vonArtemisistsiemitTieren,oftLöwen,dargestellt,eine Assoziation, die überall in Südeuropa und im Nahen Ostenzufindenist.InannaundIshtarausSumerundBa bylon,IsisundSekhmetinÄgyptenunddiekretischeGöt tin erscheinen alle mit Löwen. Löwen zogen Kybeles Streitwagen durch Rom. Aus Çatal Hüyük in Anatolien, Kybeles Heimat, stammte die Statue von der steinzeitli chenGöttin,diegeradegebiertunddabeiruhigundgelas sen auf einem Stein sitzt, während ihre Hände auf den Köpfen von zwei Löwen ruhen. Jahrtausende später stellt eine Statue die Jungfrau Maria auf einem Thron sitzend dar,dessenArmlehnenmitLöwenköpfenversehensind.
DasLöwentorinMykene/Griechenland, ca. 1350 v. Chr.
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DieMykenerbeschworendie Göttininverschiedenen Ge stalten in ihrer großen Akropolis von Mykene auf dem griechischenFestland,einerStätte,dietraditionellmitAr temisassoziiertwird.WirsehenLöwenaufdemberühm tenToramFußdesHügels,daszurStätteführt. Die Löwen stehen aufrecht da, ein stolzer Ausdruck der mykenischenKrieger.UnddennochbringenunsdiePfei ler,diesietragen,zurGöttinzurück,dennwirwissenvon den»Säulenkrypten«indenkretischenPalästen,daßsol che Pfähle die Präsenz der Göttin sowohl in Bäumen als auchinSteinsäulenoderStalagmitenindenHöhlenheilig tümernwachriefen.InMykenebildendieLöwenundSäu leneinenKegel,eineGöttinnenform,diesobedeutungsbe ladenistwiedergehörnteBerg.DoloresLaChapelleschil dert, wie gegenüber dem Tempel der Artemis auf dem BergArtemisionder»KegelvonMukli«inderMittezwi schendenHörnerneinerSchluchterscheint. DieKegelformaufdemLöwentorweistaußerdemaufdie FormeinesBienenkorbeshin.SowohldieminoischeGöt tinalsauchArtemiswurdenalsBienendargestellt.Eine mykenische Edelsteinarbeit von 1500 v. Chr. zeigt zwei aufgerichtete Löwen, in »Bienenfelle«gekleidet,während aufeinergoldenenSchmuckplatteausRhodos,dieunge fähr 700 Jahre später entstand, eine Göttin mit Artemis FlügelnundeinemBienenkorbanstelleihresUnterkörpers dargestelltist.DieAssoziationmitBienenrührtevonder Bienenkönigin als Göttin des Bienenvolks her. Schwär mendeBienensymbolisierteneinreichesLeben,sodaßdie MykenerihreTholosgräberinFormvonBienenkörbener richteten. DiefrühenSchmucktafelnundMalereienvonArtemismit ihren wilden Tieren zeigen sie mit Flügeln, die bei ihren Schultern beginnen und sich dann an den Enden nach obenwinden.DieLandschaftbeiMykenehauchtdiesem BildLebenein,denndieHügelaufbeidenSeitenderFe stungziehensichweitläufigdahin,bevorsiesichzuihren steilenGipfelnemporschrauben.
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Verbindungenzwischen den Göttinnen DurchdasErbederklassischengriechischenMythologie sindwirdarangewöhnt,unsdiegriechischenGöttinnen alseinzelneFigurenvorzustellen,dieklarvoneinanderun terschieden sind. Einige moderne Bücher enthalten sogar TabellenvondenGöttinnenundihrenAttributen,sodaß dieLeserdieGöttinauswählenkönnen,dieihrerPersön lichkeitamehestenentspricht.InWirklichkeitaberkönnen wirsienichtsosaubervoneinandertrennen. FastinjedemAspekt,denwirbetrachten,überschneiden sichdieGöttinnen.MandenkebeispielsweiseansTanzen. Durch Freudengeschrei, Musik und Tanz beten wir die Göttin mit frohlockenden Körpern an. ArtemisGläubige nanntensiedieSchallendeundzelebriertensiemitlauten Tönen.AnbeterderKybeleundderDemeterschlugenzu ihren Ehren Becken aneinander, so wie es die Kreter in ihrenProzessionenundRitualenmitSchildentaten.Und wirwerdenunsandieSteintrommelerinnern,diemanin PêchMèrle neben einem offenen Bereich fand, der als Tanzfläche gedient haben könnte. Das Bild der Tänzer führt uns zu Artemis und ihren Tiermasken tragenden Frauen zurück, die in wilder, sexueller Hemmungslosig keittanzen,sodaßsichderKreisschließt. Blumen bringen die Schönheit der Göttin und die Fülle des Lebens zum Ausdruck. Die Römer schmückten so wohlKybelealsauchVenus(Aphrodite)mitRosen.Auch in Griechenland ehrten Aphrodites Anhänger sie mit Rosen,einGrund,warumwirheute,TausendevonJah ren später, Rosen als Ausdruck leidenschaftlicher Zu neigungschenken.InchristlichenZeitenwurdemitMa ria die Rose assoziiert, die von Kybele, der Mutter der Götter,undAphrodite,derKöniginderLiebe,zuihrge langte.InDantesVisionvomParadies(demmittelalterli chenfranzösischenLehreposLeRomandelaRoseentlehnt) ist Maria inmitten einer großen Rose dargestellt, die von den Engeln gebildet wird, welche in Anbetung sie um schweben.
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TatsächlichsindvieleAttributeMariasden früheren Göt tinnen,besondersKybele,AphroditeundderArtemisvon Ephesus, entliehen. Der Name Maria (im Hebräischen Miryam) bedeutet »das Meer«; Aphrodite wiederum be deutet»schaumgeboren«,denndieGöttinderLiebeent sprangdemSalzwasserundgingaufZypernanLand,wo die als die Horen bekannten Geister sie mit Rosen schmückten. DieGroßeMutterKybelegebiertursprünglichAttis,der wieJesusstirbtundvondenTotenerwecktwird.Ebenso wie die spätere Maria braucht Kybele keinen Mann, um schwangerzuwerden.DasfrühchristlicheKonzil,dasMa ria offiziell zur Mutter Gottes erklärte, fand in Ephesus statt, Stätte des großen Tempels der Artemis und jener Baumstatue, die mit Brüsten übersät war. Wie Artemis wurdeMariadieSchutzpatronindergebärendenFrauen.
Kybele Zu Kybele gehörten Granatäpfel ebenso wie Rosen. Eine früheStatuederGöttinstelltsiemitGranatäpfelninden Händendar.DieseStatuestammtausSyrien,vomöstli chenRanddeshethitischenReiches,dasum1740v.Chr. Anatolien/Phrygieneroberte.TausendJahrespäterzei genStatuenvonKybeleinRomsienochimmermitGra natäpfeln.DerGranatapfelverbindetKybeleamdeutlich stenmitPersephone,diealljährlichindasLandderToten zurückkehrenmuß,weilsiezweiGranatapfelkernegeges senhat,dieihrderTodesgottHadesgab.Inderrömischen KunstwirdKybelemanchmalSeiteanSeitemitDemeter, Persephones Mutter, dargestellt. Demeter schenkte den Menschen das Wissen über den Ackerbau, als Ausdruck ihrerFreudeüberdieRückkehrihrerTochter.Dementspre chend bezeichnete der römische Dichter Lukrez die PhrygieralsdieerstenMenschen,dieGetreideanbauten. KybelesSohnAttis,deralljährlichstarbundwiederzum Lebenerwecktwurde,symbolisierteinPhrygiendasGe treide,sowieZeusaufKretaoderOsirisinÄgypten(Osi
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riswaranfänglicheinVegetationsgott, aber im Laufe der ZeitändertesichseineFunktion:NachseinemTodundsei nerAuferweckungwurdeerderHerrscherundTrösterder Toten,undverhießihnenWiedergeburt,ähnlichwiePerse phoneundspäterJesus.ZumAbschlußderMysterienvon Demeter und Persephone hielt der Hierophant vor den MystenfeierlicheinGetreidekornhoch. BeidenHethiterntrugKybeledenNamenKubaba.Dieser Namebedeutetmöglicherweise»Kubus«undbeziehtsich aufeinenwürfelförmigenMeteoriten,derinAnatolienals HimmelskörperderGöttinangebetetwurde.Archäologen habeneinenwürfelförmigenschwarzenSteininPetra,ei ner nabatäischen Stadt im heutigen Jordanien, gefunden, undbisaufdenheutigenTagstehtdieKaaba,einriesiger MeteoritinMekka,imMittelpunktdermoslemischenAn betung. Während des großen Frühlingsfestes der Kybele imMärz/AprilinRomwurdeeinkegelförmigerschwar zerSteinindemvonLöwengezogenenStreitwagenKybe lesindieStadtgebracht. Aber nicht nur der schwarze Stein, sondern auch andere Objekte verkörperten Kubaba. DazuzähltendieTürund dasTor,SymbolefürdieVagina,diesichdenGeheimnis sendesKörpersöffnet.FernergehörtendazudieTaube, derVogel,derderAphroditeamheiligstenist(undvon denJudenmitNoahundvondenChristenmitdemHeili genGeist,derMaria»schwängerte«,assoziiertwird),und diedoppelblättrigeAxt,jenesSichelmondSchmetterlings symbolderGöttin,dassichüberKretaundAnatolienbis indieSteinzeitzurückverfolgenläßt.
GenitalopferundGeschlechtsumwandlung Die stärkste und ungewöhnlichste Beziehung zwischen Artemis, Kybele und Aphrodite besteht in den Mythen undBräuchen,diemitderOpferungmännlicherGenitali en und einer Art ritueller Geschlechtsumwandlung ver bunden sind. Solche Bilder und Handlungen reißen die Mauer zwischen den Geschlechtern nieder. Sie erinnern
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uns daran, daß wir allezumKörperder Göttin gehören unddiebeständigstenDingeunterihrerMachtundihrem Einfluß unbeständig werden können. Fast immer wurden dieGrenzenzwischendenGeschlechternwährendekstati scherRitenüberschritten,diemitlauterMusikundwilden Tanzprozessioneneinhergingen. Obwohl wir geschlechtsverändernde Rituale und Opfer vor allem bei phrygischen Anbetern der Kybele und im Mythos von Aphrodites Ursprung finden, tauchen die gleichen Verbindungen in Geschichten von Artemis auf. DieFrauen,diesoausschweifendbeiihrenRitentanzten, trugen Hirschhörner und andere Merkmale der männli chen Verkörperung, einschließlich großer Phalli. Marija GimbutasschreibtinTheGoddessesandGodsofOldEurope: »OpfergabenfürArtemisumfassenPhalliundalleArten vonTierenundFrüchten...VerstümmelteTiere,denen>ein Gliedabgeschnittenwordenwar<,wurdenderArtemisin Böotien,aufEuböaundinAttikadargebracht.« Der umfassendste Ausdruck des Genitalopfers zeigt sich bei den Gallae, griechisch »galater«, die der Kybele von PhrygiennachRomfolgten(vieleAutorenverwendendie männlicheFormdesWortes,alsoGalli.Wiederrömische DichterCatull,einewichtigeInformationsquellefürdiese Riten, ziehe ich jedoch die weibliche Endung vor, um kenntlichzumachen,daßdieSelbstentmannungderGallae miteinembewußtenStrebennacheinemweiblichenZu standeinherging.ÄhnlichbenutzendiemeistenTextezu diesemThemadenBegriff»Selbstkastrierung«fürdiegal lae.KastrationbedeutetjedochnurdieEntfernungderHo den–diegallaeentmanntensichabervöllig,alsobsiejede SpurvonMännlichkeitausihrenKörpernbeseitigenwoll ten). DieGallaebrachtenihrOpferalsTeilderlangwierigenRi tenderKybeleunddesAttisam24.März,dem»Tagdes Blutes«,dar. Wiedereinmal warenMusikundTanzTeil desRituals,wenndieälterenGallaedenNeulingenhalfen, sichineinenekstatischenZustandzuversetzen.AuchRo sengehörtendazu–wieRandyP.ConnerinseinemBuch
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Blossom of Bone schreibt: »Anhänger der Kybele und des AttisüberhäuftendieGalli[sie]mitMünzenundweißen Rosen.«DieEntmannungwurdeentwedervondenGallae selbst oder den Ältesten durchgeführt. In beiden Fällen wurdendieentferntenKörperteilezuObjektenmagischer Kraft.AuseinigenDarstellungengehthervor,daßdieGal laesieinunterirdischenKammernaufbewahrten,umsiein Mysterienritualenzuverwenden. NachihrerSelbstentmannungerhieltendieGallaeineiner ZeremonieweiblicheKleider.SirJamesFrazerzufolgetru gensieBrautkleiderfürihreInitiationindenDienstihrer Göttin.
Einweitverbreiteter Brauch Der Kult der Gallae entstand in Phrygien wahrscheinlich schon in der Steinzeit. Von dort verbreitete er sich nach RomundAthenundunterrömischerHerrschaftsogarbis nach London. Aber wir wissen, daß er auch in anderen Kulturen praktiziert wurde, unter anderem Nordafrika, Indien,ArabienundKanaan.Im5.BuchMose,Vers23,fin den wir einen Hinweis auf die weite Verbreitung dieses Brauches: »Kein Entmannter oder Verschnittener soll in die Gemeinde des Herrn kommen.« Zu diesem Vers schriebRabbiJ.H.Hertz:»Dieersten,dieausgeschlossen werdensollen,sinddieSelbstverstümmeltenoderdieGe schlechtslosen,dieimDiensteinesHeidenkultesstehen.« ImheutigenIndienbegegnenwirnochimmerderEntspre chungzudenGallae,densogenanntenhijras.AnneOgborn zufolge,einertranssexuellenFrau,dieeineinitiiertehijra gewordenist,entfernendiehijrasihremännlichenOrgane operativ. Dieser Eingriff wird von einem dai ma, für ge wöhnlich einem Führer in der lokalen hijraGemeinde, durchgeführt.BevordieBritendenBrauchimJahre1888 offiziellverboten,fanddieOperationinTempelnderGöt tin Bahuchera statt, einer Variante der besser bekannten GöttinDurga.WiedieGallaetragendiehijrasFrauenklei derundbezeichnensich,besonderswennsieuntersich
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sind, als Frauen (obwohl sie von den meisten Indern als geschlechtslos, »weder Mann noch Frau«, betrachtet wer den). Ihre rituellen Aufgaben umfassen unter anderem TänzeaufHochzeitenunddieSegnungmännlicherBabys. ZurZeitderMogulnvollzogendiehijrasdasalssolahshrin gar bekannte Ritual, bei dem Kurtisanen auf die Begeg nungmitihrenLiebhabernvorbereitetwurden.
Selbstbestimmung–Göttinnenbestimmung DieGallaeunddieheutigenhijrashabenniejemandenge zwungen, sich ihrem Kult anzuschließen. Das römische Gesetz beschränkte sogar die Bräuche auf Phrygier und verbotrömischenBürgern,eineGallazuwerden.Sowohl dieGriechenalsauchdieRömerverabscheutendieGallae, derenbloßeExistenzsiealseineGefahrfürdieHerrschaft desPhallusbetrachteten. Potentielle Gallae kamen aus eigenem Antrieb und baten umAufnahmeindenDienstderGöttin.Aberauchwenn siesichoffensichtlichfreiwilliganboten,spürtensieviel leichtaußerdem,daßdieGöttinsieberührteoderzusich rief. Auch wenn sich möglicherweise einige Männer den Gallaeanschlossen,weilsieFrauenmißbrauchthattenund dafürbüßenwollten,spürtediegroßeMehrheitetwasin sich,dassiezudiesemradikalenSchritt,ihrenKörperzu verändern,antrieb. DieGallaeähnelndenmodernen»Transsexuellen«.Vonei nem Wunsch getrieben, zum »entgegengesetzten« Ge schlecht zu gehören, streben transsexuelle Menschen die Geschlechtsumwandlung durch Operation und andere Methodenan.DerKörperwirdsomitzumAusdruckoder MediumfüreinengroßenundleidenschaftlichenWunsch. VieletranssexuelleFrauenidentifizierensichmitdenGal lae,errichtensogarmoderneTempelfürKybeleundfeiern ihreFeste.Andere,wiezumBeispielAnneOgborn,sehen eineVerbindungmitdenhijras.Obwohldiemeistensich nichtdirektaufdieseKulturenbeziehen,betrachtensehr vieledasÜberschreitenvonGeschlechtund Sexualität als
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einespirituelleReise.Davina Anne Gabriel, Herausgebe rin von TransSisters: The Journal of Transsexual Feminism, schreibt,daßwirTranssexualitätohnedieVorstellungvon »Transzendenz« nicht verstehen können. Und Dallas Denny,dieüberdieLektionenschreibt,diewirseitChristi ne Jorgensens Operation 1952 (die der Welt als der erste moderneEingriffvon»Geschlechtsumwandlung«verkün det wurde) gelernt haben, beginnt mit der Erklärung: »Transsexualitätisteinereligiöse/spirituelleErfahrung.«
DerMythosvonKybeleundAttis Obwohl die Gallae einen radikalen Schritt unternahmen, umeininneresBedürfniszumAusdruckzubringen,han deltensieebenfallsnachdemMustervonKybeleundAt tis.IneinigenVersionendesMythosistKybelezuerstAg disthus, ein(e) doppelgeschlechtliche(r), hermaphroditi sche(r)Gott/Göttin.DerarroganteAgdisthusstelltfürdie GöttereineGefahrdar.UmihnzumGehorsamzuzwin gen,schleichtsichDionysosandenschlafendenAgdisthus anundbindetseinmännlichesOrgananeinenBaum.Als Agdisthus aufwacht, schwillt der Phallus an und wird durcheineplötzlicheBewegungabgetrennt.Diesergrau sameAktführtnichtdazu,daßsichAgdisthusverkrüppelt zurückziehtoderwütendwird.Stattdessenverwandelter sichinKybele,dieGroßeMutterderGötter(auseineran deren Version der Geschichte geht hervor, daß Agdisthus undKybeleumdieLiebedesAttisrivalisieren). Randy Conner zufolge erwächst aus Agdisthus Blut ein Granatapfelbaum;imnächstenKapitelwerdenwiraufan dereDarstellungeneingehen,indenenderGranatapfelals dasHerzdeszerstückeltenDionysosbeschriebenwird.Ei ne Flußnymphe namens Nana, die die Frucht ißt, wird schwangerundgebiertAttis,derspäterKybelesGeliebter wird;inanderenVersionendesMythoswirdAttisalsKy belesSohn bezeichnet. DieseVerwirrungkönntevon den früherenMythenherrühren,indenensichdieGöttinihren SohnzumGemahlnimmt.
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AnneBaringundJulesCashfordgemäß heißt es in der äl testen Version von Attis Geschichte, daß aus den abge trennten männlichen Geschlechtsteilen der androgynen KybeleeinMandelbaumundkeinGranatapfelbaument steht und Nana vom Verzehr der Mandeln schwanger wird. Attis stirbt, als er sich nach dem Vorbild des Agdisthus selbst entmannt, um im Frühling als Vegetationsgott zurückzukehren.InspäterenZeitensteigterindenHim melauf,woermitSternengekröntwird.
AphroditesGeburt ModerneLesermögenAttisunddieGallaeobskur,wenn nichtbeunruhigendfinden.DocheinigederselbenMotive begegnenunsinderUmgebungeinerGöttin,dienachwie vor eine zentrale Rolle in der griechischen Mythologie spielt:Aphrodite,dieGöttinderLiebe. Aphrodites Ursprung geht auf die grundlegendsten Ele mentederNatur,aufHimmelundErde,zurück.DemMy thosentnehmenwir,daßetwasinUnordnunggeratenist. Uranos, Gaias erste Kreatur, ist arrogant geworden und trenntsichvonderErde.Erwillihrzwarbeiliegen,aberer haßtdieKinder,dieausihrerVereinigunghervorgehen, alsoberdieErinnerunganGaiasMacht,ausihremKörper herauszuerschaffen,nichtertragenkönnte.Undsonimmt erderMutterihreKinderweg,sobaldsiezurWeltgekom mensind,undverstecktsie. GaiabringteineSteinsichelhervor,einWerkzeug,dessen FormandenMond,anArtemisgespanntenBogenund dasHornerinnert,dasdieinLausseigefundenegeschnitz tepaläolithischeGöttinträgt(archäologischeFundelassen daraufschließen,daßFrauendieSichelalsErntewerkzeug erfundenhabenkönnten.BeieinerderfrühestenHöhlen ausgrabungenfandenArchäologeneinegekrümmteKlin ge,diesiefürdieKriegswaffeeinesHäuptlingshielten– bisjemanddarandachte,siemitdemMikroskopzuunter suchen,undSpurenvonPflanzenanstattBlutentdeckte).
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Gaiagibt ihremSohnKronos, der mit dem Planeten Saturn gleichgesetzt wird, die Sichel. Kronos schneidet die Ge schlechtsteiledesUranosabundwirftsieinsMeer,wo durchersiedemuranfänglichenweiblichenKörperüber gibt. Wir erfahren nicht, was mit dem Organ selbst ge schieht.StattdessenerzähltderMythos,daßsichdarauf hinSchaumaufdemWassersammelt,ausdemdievollen deteFrau,nämlichAphrodite,entsteht. Einige Feministinnen interpretieren Hesiods Geschichte vonAphroditesGeburtalseinenVersuch,dieGöttinder LiebealsmännlicheSchöpfungzubeanspruchen,undver gleichensiemitderUrsprungsgeschichtevonAthene,die ausdemHauptdesZeushervortritt.JedochscheintUra nosSchicksalfürMännersoangstbeladen,fürdiemeisten soschrecklichzusein,daßessiekaumgegendieweibliche Machtgerüstethätte.Aphroditebehältkeinemännlichen EigenschaftenwieAtheneoderschließtsichinpolitischen FragenMännernan,wieAtheneesinAischylosDrama Die Eumeniden tut. Aphrodite ist nicht so sehr Uranos TochteralsvielmehrseinErsatz.Nachdemer»geschlechts los«gewordenist,ziehtersichindieDunkelheitzurück. Stammt Aphrodite aus der Steinzeit? Aus dem Mythos gehthervor,daßsieeineGenerationälteristalsZeusund die anderen ersten Olympier. Gehörten ihrem Kult ur sprünglichMenschenwiedieGallaean,dieKybeleanbete ten?InderHomerischenHymneanAphroditebezeichnet sichdieGöttinalseineTochterPhrygiens,derHeimatKy beles.DerKultumKybelekamnachRomdurcheinePro phezeiungdesDelphischenOrakels,derzufolgedieMut ter des Ida die Stadt vor einem feindlichen Einfall retten würde.DenMythenentnehmenwir,daßAphroditeAnchi sesamHangdesBergIdainAnatolienbeilag;alsAnchises dieIdentitätseinerGeliebtenherausfand,baterdieGöttin darum, ihn nicht impotent werden zu lassen. Ähnlich glaubtmaninIndien,daßdiehijrasdieMachtbesitzen,ei nenMannmitdemFluchderImpotenzzubelegen. In derGegendvonAmarthusbeschriebendieAnhänger derlokalenGöttin,diederAphroditeangepaßtwurde,ih
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re Gottheit als »doppelgeschlechtlich«. Sie nannten sie Aphroditos.UnserBegriff»Hermaphrodit«leitetsichvon Hermaphroditosab,einemSohnvonHermesundAphro dite, der mit einer Nymphe namens Salmakis körperlich verschmolz.UndRobertvonRankeGravesschreibtinsei nemBuchGriechischeMythologie,daßeinehethitischeGöt tindieGenitaliendesHimmelsgottesAnuabbißunddie SamenaufeinemBergausspie,umeineGöttinderLiebe zuerschaffen.DieGöttin,diediesenAktvollzog,istKuba ba,derhethitischeNamefürKybele.
SchamanismusundGeschlechtswechsel DasalsSchamanismusbekannte,weltumspannendereli giöse System, das manchmal für die älteste Religion der Weltgehaltenwird,schließtofteinenGeschlechtswechsel ein. Der Schamane, ob männlich oder weiblich, trägt die Kleidungdes»entgegengesetzten«Geschlechtsundüber nimmt dessen soziale Rolle. In einigen Kulturen, bemer kenswerterweise bei mehreren eingeborenen Völkern Nordamerikas, verändern Frauen oder Männer ihr Ge schlecht als Ausdruck der persönlichen, freien Wahl. Ein solchesHandelnreißtdiekünstlichenGrenzenderPola ritätzwischenMännlichundWeiblichnieder.Diebetref fenden Menschen statuieren mit dieser Entscheidung je dochkeinphilosophischesExempel,sondernfolgenviel mehr,denGallaeodermodernenTranssexuellengleich,ei nem inneren Bedürfnis oder unwiderstehlichen Drang. NorHall,dieüberdieRitualedesDionysos(eineweitere transsexuelleFigur)schreibt,gibtunszuverstehen:»Dem WunschdesKörperszuentsprechenistansicheineQuelle derOffenbarung.« VondenvielenElementen,ausdenendiegriechischeReli gionhervorgegangenist,könnteeinessichvondenScha manen herleiten, die die Grenzen des Geschlechts über schritten–MännerdurchdieOpferungihrerGeschlechts teile und Frauen durch das Tragen von Männerkleidern undkünstlichenPhalli.Indengriechischen Mythentau
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chen immer wieder Gottheiten und Helden auf, die das Geschlechtwechseln.NiobespottetüberLeto,dieMutter vonApollonundArtemis,daßsieeinemännlicheTochter und einen weiblichen Sohn habe. Sowohl Herakles als auchAchillestrageneineZeitlangFrauenkleider.Teiresias, dergriechischeSeher,beginntseineReisezurWahrsage kunstdurchGeschlechtsumwandlung;alserzufälligzwei Schlangensieht,diesichpaaren,töteterdasweiblicheTier undwirddaraufhinineineFrauverwandelt,diezueiner »berühmtenHure«*wird.SiebenJahrespäterfindetTeire sias sich in der gleichen Situation wieder, und als er das männlicheTiertötet,wirderwiederzumMann.DieGe schichteistphilosophischerNatur,dennsieimpliziert,daß wirzudem,wasauchimmerwirzutötenversuchen,wer denkönnen;undfernerweistsiedaraufhin,daßMänner und Frauen unvollkommen sind und sich heilige Macht durchdasÜberwindendieserSpaltungentfaltet–inner halbeinesKörpers.
Dionysos,»derWeibliche« DionysosselbsttrugdenBeinamen»derWeibliche«,weil eralsMädchengroßgezogenwurde.ArthurEvansschreibt inTheGodofEcstasy,daßseineAnhängerihnalseinenmit Kleid und Bart geschmückten Stab darstellten. Ferner schildertEvans,daßseineweiblichenAnhängerMänner kleidung und große Phalli trugen, während die Männer weibliche Kleider und Rollen überstreiften. Evans zitiert Diodoros Siculus, der Dionysos wie folgt beschreibt: » ... rechtweichundzierlichvonStatur,inseinerSchönheitan dere um vieles übertreffend und dem sexuellen Genuß verschrieben.« Diese Beschreibung bringt Dionysos Aphroditenäher,währendsieunsdaranerinnert,daß»Ek stase«unszwarausunsselbstherausführt,abernichtaus unseremKörper. *RobertvonRankeGraves: Griechische Mythologie, Reinbek: Rowohlt 1994,S.339.
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Esheißt,daßderverkleideteAchilleus sich verrät, als er einSchwertdenanderen,eherfemininenGeschenkenvor zieht.DionysosaberentscheidetsichfüreinenSpiegel,als ihm mehrere Spielsachen angeboten werden. Ein Spiegel aberisteinweiblicherGegenstand,nichtnurwegenseiner BeziehungzurSchönheit,sondernauchwegenseinerdem Mond verwandten reflektierenden Eigenschaften. Der Spiegel lockt ihn in eine Falle, dämonische Kräfte zer stückeln ihn und werfen ihn in einen kochenden Kessel. Nun spiegelt diese Geschichte genau die schrecklichen Ängste wider, die viele Schamanen in Trance erfahren, wennsieinStückegeschnitten,lebendiggekochtoderauf andereArtzerlegtwerden,umeineWiedergeburtalsein neuesWesen,oftmiteinemneuenGeschlecht,zuerfahren. DieMänaden,DionysosAnhängerinnen,sollenwiePhalli starrundgeradedagestandenhaben;außerdemerlangten sie schamanische Kräfte. Sie liefen barfuß meilenweit im SchneeundwickeltensichSchlangeninsHaar,ohnevon ihnen gebissen zu werden. Die Mänaden veränderten ihren Körper nicht operativ, sondern durch Trance. Sie wurdeningewissemSinnezu»TranceSexuellen«.
ArtemisundAphrodite AufdenerstenBlickscheinensichkeinezweiGöttinnenso sehrzuunterscheidenwieArtemisundAphrodite.Arte mis ist robust, wild, aufrecht und stark, lebt versteckt im Wald,istunbarmherzigundgeheimnisvollwiedersilber neMond.Aphroditeistsinnlich,goldenundsanftwiedie Morgendämmerung, leidenschaftlich, gefährlich, eigen willig, ewig verliebt und andere von Vernunft und Ver stand abbringend. Artemis ist der Körper der Kraft, AphroditeistderKörperdesVerlangens. Und dennoch, je eingehender wir uns mit diesen beiden Göttinnenbeschäftigen,umsodeutlicherstellenwirfest, daßsiezusammengehören.Siebeidekommenvonuralten WurzelnherundsindklareÜberbleibselderGroßenGöt tin.SiebeidestammenvielleichtnichtausGriechenland,
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dennder Ursprung und die Bedeutung ihrer Namen sind ungewiß.AberdassindnuroberflächlicheVergleiche.Ei netiefereMachtverbindetsiemiteinander:BeideGöttin nenverkörperneineWildheit,einenkörperlichenDrang, deruns»jenseitsvonVernunftoderKontrolle«bringt,wie VincentScullyesausdrückt.SiebleibensichzujederZeit treu. WirfindenaucheinigeganzklareVerbindungen.Sogab sichAphroditedemAnchisesaufdemBergIdahin,»auf einem Lager von Bären und Löwenfellen, während Bie nenschläfrigumsieherumsummten«*.AlledreiTierarten werdenderArtemiszugeordnet.
AphroditeunddieSexualität Im Gegensatz zu manchen anderen Gottheiten wahrt AphroditekeineDistanzzwischensichundjenen,dieih rerMachterliegen.SiegibtsichderLiebesowildundun vernünftighinwieihreUntertanenundliegtsowohlSterb lichen als auch Göttern bei. »Dann ließ die Liebe mein Herz erzittern wie der Wind, der sich auf Eichen in den Bergen legt«, schreibt Sappho, die vielleicht glühendste Verehrerin der Göttin. Auch Aphrodite läßt durch den WindihrHerzerzittern,dennwiekannsiedieMachtdes Verlangens verstehen und freisetzen, ohne sich hinzuge ben? Trotz aller Versuche in den vergangenen hundert Jahren, unsere Sexualität wieder aufzuwerten, mißtrauen wir nochimmerdiesemwichtigenAspektunseresLebens.Wir versuchen,dieSexualitätalseinenAspektemotionalerBe ziehungenzubewahren.Wennwirhören,daßsichjemand AidsaufgrundeinessexuellenAbenteuerszugezogenhat, gebenwirihmdieSchuldandieserschrecklichenKrank heit. Wir bekommen Schuldgefühle, wenn wir jemanden begehren,vordemwirkeineAchtunghaben,oderuns *RobertvonRankeGraves: Griechische Mythologie, Rowohlt 1994, S.58.
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Handlungenvorstellen,diewirnichtbilligen. Wir versu chen, unsere Phantasien zu kontrollieren, selbst in unse remKopf,damitsiekeineunangenehmenoderbeängsti gendenSeitenvonunsverraten.GlücklichgreifenwirBil dervonderGöttinalsdieNährende,Beschützende,Star ke, Lebenspendende, Furchtlose auf – aber wir meiden Darstellungen,diesieunbarmherzig,außerKontrolle,un ersättlichzeigen. Die Göttin Inanna, oft als sumerische Entsprechung zu Aphrodite/Venus betrachtet, ist zu einem Liebling der modernen Göttinnenanhänger geworden, nicht zuletzt deswegen,weilihreLobSängerin(umeinenafrikanischen Begriff zu benutzen), Enheduanna, Tochter des Königs Sargon,vielleichtdieältestebekannteDichterinderWelt ist.WirapplaudierenInannasGeschichtevonihremAb stiegvom»GroßenObenindasGroßeUnten«,dasheißt vomHimmelindasLandderToten,wosieihrerallmächti genSchwester,derTodesgöttinEreshkigal,gegenübertritt. WirbetrachtendiesuntereinemganzheitlichenAspekt,als die Begegnung mit der dunklen Göttin in uns. Aber wir ignorierenDarstellungenvonInannaalsgewalttätige,un treue Patronin der Prostituierten, die selbst »Schenken« aufsucht,eineGöttin,diesowohlmitPferdenalsauchmit Männernkopuliert.Wirfühlenunsunbehaglichbeisume rischenSchilderungenihrerVulvaalsHimmelsbootoder einembrachliegendenFeld,dasdaraufwartet,gepflügtzu werden. Und wir erwähnen sie nicht als die Göttin des Kusses,dennsolcheDingescheinenbelangloszusein,ja siekönnten–schlimmernoch–zurErkenntnisihrerFunk tionalsGöttinderMasturbationführen. Wir binden kleinen Mädchen nichtmehrdieHände fest, um zu verhindern, daß sie sich »dort unten« berühren, aber uns fällt es noch immer schwer, Masturbation viel wichtigeralseinenScherzoderdieErleichterungvonei nemÄrgerniseinzustufen–ganzso,alswürdenwireine Tablette einnehmen. Wir betrachten sie bestenfalls als ei nenErsatzfürdas»einzigWahre«undnichtalseinenAus druckderSelbstliebeoderderMachtdesKörpers,unszur
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Wahrheit zuführen.Masturbation gehört zu einer ganzen PalettenichtakzeptablersexuellerAusdrucksformen,wie zum Beispiel sexuelle Freizügigkeit, Fetischismus, Sado masochismusundorgiastischerTanz.WennNorHalldar über schreibt, dem Wunsch des Körpers zu entsprechen, meintsiediesnichtnurinderSicherheiteinerliebevollen Ehe.
HeiligtümerfürAphrodite WährenddieHeiligtümerderArtemisdieweiblicheKraft derBergebeschwören,bringendieStättenundTempelder AphroditezuweilendieSchönheitdesweiblichenKörpers zumAusdruck.DemArchäologenDonaldWhitezufolge nahmen ihre Tempel oft Rundformen an, Brüsten gleich. ScullyschreibtübereinenTempelinSegesta/Sizilien,der zwarkarthagischundnichtgriechischist,aberdennochan Aphroditeerinnert,dennerliegtaufderKuppeeinesrun den,»wieeineBrustwarze«geformtenHügels.Abersieist nichtsanft.IhreHeiligtümerfindensichoftaufBergspit zen.WiedieLeidenschaft,überdiesieregiert,könnenihre heiligen Plätze »explosionsartige Erscheinungen« (Scully) hervorrufen.SienehmenGestaltaufLandmassenan,die sich aus dem Meer erheben, ebenso wie Aphrodite dem Schaumentsprang,ebensowiedasVerlangenausdentie fenundgeheimenWassernunseresKörpersaufsteigt. HeiligtümerdesAsklepios,desGottesderHeilkunst,ent hielten Tempel der Aphrodite. Asklepios heilte mit der Schlange, der uralten Göttinnenenergie, die so stark mit der Sexualität verbunden ist. Sein wichtigstes Zentrum, Epidauros,istvonmitErdwällenversehenenHügelnum geben.BlicktmanvonOstenüberdenTempelbereichent langderAchsedesStadions,sosiehtmaneineneleganten rundenBerg,währendderBlickvonhöchstenPunktdes berühmtenStadionsausnachNordeneineReiheniedriger Hügel offenbart. Epidauros liegt nicht weit von Mykene entfernt,aberdasLandändertseinGesichtdrastischzwi schendenbeidenStätten.
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Aphrodite gehört zum OrtderHeilkunst, denn während dieLiebedasHerzverletzt,heiltdieLeidenschaft.Sexver treibtdenSchmerzundbefreitdenKörper.
AphroditeunddieNatur AphroditegehörtzurErde,denBergenunddemMeer,wo sieamAnfangnacktdemWasserentstieg.Wirsehensie mitZiegenundDelphinen,mitFrüchten,Blumen,Rosen und Hyazinthen, Mohn und Granatäpfeln. Ihr Geliebter Adonis,dereinemMyrrhebaumentsprang,stirbtineinem FeldmitSalat–einePflanze,dieaufgrundihresschnellen Wachstums,ihrervielblättrigenFruchtbarkeitoftinGöt tinnenmythen auftaucht. Salatblätter sollen das Scham haar der Inanna bilden. Zumindest eine Salatsorte, der Feldsalat,trägteinefünffacheBlüte,eineVerbindungzum Planeten Venus (Aphrodites römischer Name) mit seiner fünfblättrigenBahndurchdenHimmel(Märchenlesernist wohlbekannt,daßderzweiteNamefürFeldsalatRapunzel lautet).AmhäufigstensehenwirAphroditemiteinemAp felinderHand,wassiemitEvaundjenenGöttinnenver bindet,dieEingeweihtenmitdemApfelderUnsterblich keitgezeigtwerden.AuchderApfelverbindetunsmitVe nus,dennwennwirdenApfelquerdurchschneiden,er haltenwireinenvollkommenen,fünfzackigenStern. DerHimmelistihrPlatz,ihreHeimat,ihrUrsprung.Der Himmelsgott Uranos muß sogar sein Geschlecht opfern, damitsieerschaffenwerdenkann.Aphroditegehtaufdie alten Vogelgöttinnen zurück, denn Tauben begleiten sie, undihrWagen,mitdemsiedurchdieLüftefährt,wird vonSchwänenundGänsengezogen–Vögel,diesowohl fürihreWildheitalsauchfürihreSchönheitbekanntsind. Wenn sie Zeit hat, sich auszuruhen, sitzt sie auf einem Schwanenthron.
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SexualitätundMutterschaft DiegriechischenMythensprechenvondenvierHimmels königinnen Artemis, Athene, Hera und Aphrodite. Vom sexuellenStandpunktauskönnenwirsiejeweilsalsLes bierin,keuscheJungfrau,GattinundGeliebtecharakteri sieren.AuchwennHomerzufolgeAphroditemitHephai stos verheiratet ist, spielt diese Ehe in ihren Geschichten keine große Rolle. Wir sehen sie nie als Jungfrau, denn währendeinposthomerischerMythosvonHeraberichtet, daß sie alljährlich ihr Jungfernhäutchen wiedergewinnt, berichtet kein Mythos, daß Aphrodite ihre Jungfräulich keit »verliert«. Es kommt auch nicht vor, daß irgendein GottoderSterblichersievergewaltigt,verführtodergegen ihren Willen nimmt. Sie gibt sich ihrer eigenen Leiden schafthin,ihrereigenenKraft,denKörperzuerregen,und nichtGewaltoderGeboten. DieKöniginnenweckenkeineBilderderMutterschaft,ob wohl viele Menschen annehmen, daß »Göttin« immer »GroßeMutter«bedeutet.SowohlHeraalsauchAphrodi tegebiertKinder,aberwirsehendieseGöttinnennichtals Mutterbeschrieben.ArtemiswachtübergebärendeFrau en,abersieselbstwirdnichtschwanger.FürdasBildder Mutterschaft müssen wir uns den Erdgöttinnen zuwen den,vorallemDemeterinihrerBeziehungzuihrerTochter Persephone. Die griechische SpaltungzwischensexuellerLeidenschaft undMutterschaftwirktbisinunsereheutigeGesellschaft fort, wo viele Menschen es fast peinlich finden, sich ihre Mütter überhaupt als sexuelle Wesen vorzustellen, und FrauenmitFamilienglauben,siemüßteninihrenRollen als Mutter und Geliebte wie zwei verschiedene Personen handeln. Wir versuchen zu vergessen, daß Gebären und Verlangen mit denselben Körperbereichen zu tun haben oder viele FrauendasStillenihrerKinderalssinnlichunderotischer leben. Frauen, die einen »Geburtsorgasmus« erleben, währendsiedasKindausihrerVaginafreigeben,können
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sich aufgrund einer Erfahrung schuldig oder beunruhigt fühlen, vonderihnenniemandgesagthat,daß sie»nor mal«ist. In ihrem Buch The Meaning of Aphrodite lenken Paul und Deborah Friedrich die Aufmerksamkeit auf die vielen Übereinstimmungen zwischen sexueller Erregung und demGeburtsvorgang.Dazuzählen:tiefesAtmen,gefolgt von kurzen Atemzügen, das Ausstoßen von Lauten und Keuchen, ein angespannter Gesichtsausdruck, rhythmi sche Kontraktionen, das Lösen des Schleimpfropfens am Gebärmutterhals,regelmäßigwiederkehrendeKontraktio nendesUnterleibs,derVerlustvonHemmungenundkon ventionellemVerhalten,großerKraftaufwand,einenatür licheBetäubungderVulva,Gleichgültigkeitgegenüberder UmgebungundeineFlutfreudigerEmotion.DerklareUn terschied liegt im starken Gebärschmerz im Gegensatz zumsexuellenGenuß. Den Friedrichs zufolge haben Aphrodite und Demeter ihrenUrsprungineinereinzigenfrüherenGöttin(wirsind auf Verbindungen mit Kybele und Artemis im Hinblick auf sie beide bereits eingegangen). In der patriarchalen ZeitwirddieEinheitvonSexualitätundMutterschaftzu einer Bedrohung, denn sie verleiht Frauen eine enorme Macht. Was am deutlichsten verbunden zu sein scheint, wirdgetrennt–wieindemchristlichenMythosvonden zwei Marien: die eine eine geschlechtslose, jungfräuliche Mutter,dieandereeineHure–undimmerunterderVor aussetzung,daßeineHureeinverachtenswertesGeschöpf ist.
Aphrodite,AdonisundPersephone WenndiegriechischenMythenkeinendeutlichenZusam menhang zwischen Aphrodite und Demeter aufzeigen, so stellensiedocheineVerbindungzwischenAphroditeund DemetersTochterPersephoneher.DieseVerbindungzeigt sich im Mythos von Aphrodites sterblichem Geliebten, Adonis(dessenName»Herr«bedeutet und mit Adonai
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verwandt ist,einemhebräischen Titel für Gott). Zum Teil wegenAdonisglaubeneinigeMythographen,daßAphro diteasiatischenUrsprungsist,dennihreGeschichteent spricht denGeschichtenüberInanna und DumuziinSu mer, Ishtar und Tammuz in Babylon (»Adonis« war ur sprünglicheinName,derTammuzverliehenwurde)so wieKybeleundAttisinAnatolien. DieGeschichtevonAphroditeenthälteineindirekteAn spielung auf Demeter. Sie beginnt mit einer Königin, die Aphroditebeleidigthat.ZurStrafeentfachtdieGöttinder LiebeinSmyrna,derTochterderKönigin,Leidenschaftfür ihren eigenen Vater. Smyrna verführt ihn im Dunkeln während der Thesmophorien, einem Frauenritual, das im Namen der Demeter (siehe Kapitel 8) begangen wurde. DiesesFrauenfestschloßdieOpferungeinesSchweinsin einermitSchlangengefülltenGrubeein,undindieserZeit war den Frauen der Kontakt mit Männern verboten. In demsieihrenVaterwährenddesFesteskörperlichliebte, zogSmyrnaihn,einSymboldesPatriarchats,indieprähi storischeWeltdesweiblichenKörpershinein. SmyrnasVaterkonstituiertseineHerrschaftwieder,alser herausfindet,daßseineTochtervonihmschwangerist.Er nimmt ein Schwert (den harten Phallus) und jagt sie aus demPalast.UnmittelbarbevordasSchwertSmyrnatrifft, verwandelt Aphrodite sie in einen Myrrhebaum. Das SchwertspaltetdenBaum,undAdonisfälltheraus;ande renFassungenzufolgekommterneunMonatespäterher vor. AphroditelegtAdonisineineTruhe(wieeineSchachtel einSymboldesSchoßes)undvertrautsiePersephonean, diesieimdunklenLandderTotenverbergensoll,ebenso wiesichdiePflanzenimSchoßderErdebiszumFrühling verstecken.PersephoneöffnetjedochdieTruhe.Hingeris sen von Adonis Schönheit, beansprucht Persephone ihn für sich selbst. Als Aphrodite sich beklagt, entscheidet Zeus, daß Adonis bei jeder Göttin ein Drittel des Jahres verbringenmuß,wobeidasletzteDrittelseinerWahlüber lassenbleibt.RobertvonRankeGravesberichtet,daßin
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Syrien,KleinasienundGriechenlanddas »heilige Jahr der Göttin«indreiTeilegeteiltunddemLöwen,derZiegeund derSchlangezugeordnetwar.DasersteDrittelwarderGe burtsgöttinheilig(eineVariantederArtemis),»diekeinen Anspruch auf Adonis hatte«, das zweite Drittel war Aphrodite geweiht (die Ziege symbolisierte bis in die christliche Zeit hinein weiterhin die Sexualität), und das letzteDrittel,dieSchlange,unterstandPersephone. Dem Mythoszufolgewurde die Todesgöttin wütend,als Aphrodite ihren Zauber einsetzte, um Adonis Liebe für dendrittenTeildesJahreseinzufordern,dervonderGe burtsgöttin freigelassen wurde. Persephone stiftete Ares dazuan(ineinigenVersionenistesApollonundinande renArtemis),einenwildenEberzuschicken,derAdonis mitseinenHauerndurchbohrenundtötensollte.DerMy thoskönnteübrigensdieErinnerungandenBrauchinSy rien,ÄgyptenundGriechenlandbewahrthaben,mitHilfe von Schweinen Getreide zu dreschen. Adonis stirbt im Frühling, zur Zeit der Erneuerung der Pflanzen und der Brunst, der weiblichen sexuellen Erregung; Anemonen wachsenausdemBlutdesAdonis. MitAdonisToddurcheinSchwein,schließtsichderKreis und führt uns zum Opferschwein der Thesmophorien zurück. Obwohl die Alten Adonis als einen sterbenden undwiederauferstehendenGottbetrachtetenundseineRi tenalljährlichzelebrierten,gehtausderGeschichteeigent lichnichthervor,daßAphroditeihninsLebenzurückruft. Darin unterscheidet die Sage sich von Mythen wie dem ägyptischen von Isis und Osiris, in dem die Göttin ihren GeliebtenwiederzumLebenerweckt.ImHinblickaufden vollendetsten Ausdruck des heiligen Wesens, das stirbt und zurückkehrt, das genaugenommen ein umfassendes Gefühl für das Leben durch ein genaues Wissen um den Toderlangt,müssenwirunsderTochter,derKöniginder Toten selbst, Persephone, zuwenden – und nicht dem Sohn.
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DerKörper bei den Toten DasGeheimnishandelt immer von einem Körper DasGeheimnishandeltimmervoneinem KörpereinerFrau ...DasGeheimnisdesGeheimnissesistFrausein ...DasGeheimnishandelt immervomKörperimKörpereinerFrau. HélèneCixous SiekamenbuchstäblichzuTausenden,zogenineinerPro zessionamMeeresuferentlangzudemberühmtestenreli giösenHeiligtumderAltenWelt.EswarendieMysten,die Zelebranten eines neuntägigen Rituals zu Ehren der Ge treidemutter und ihrer Tochter, dem hilflosen Mädchen, das Königin der Toten wurde und dabei die Bedeutung desTodesselbstveränderte. Bis auf den heutigen Tag kennt niemand die letzten Geheimnisse, die am Ende der neun Tage der Eleu sinischen Mysterien offenbart wurden. Wir wissen um viele Einzelheiten; was die Gläubigen trugen, welche HandlungensieandeneinzelnenTagenvollzogen,welche besonderenWortesiesprachen,welcheSpeisensiezusich nahmen. Aber die allerletzte Offenbarung bleibt verbor gen. Und dennoch wissen wir etwas, das ebenso wichtig ist. WirkennendieGeschichte.WirkennensiealseineSchil derung von Inzest und Vergewaltigung, von Schrecken undTransformation.UndwirkennensiealseineSchilde rung der Liebe und Entschlossenheit einer Mutter, einer Göttin,einerFrau,dieaufderWahrheitbestandundeine gütliche Einigung ablehnte, die der ganzen Welt Einhalt gebot,bisdieGötterihreTochterzurückgaben. DasistdieeigentlicheGeschichte,dieEntwicklungvonFi gurenundHandlung.Aberjegründlicherwirsiebetrach
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ten,destomehrentdecken wir.Wirentdecken die Entste hungdesAckerbaus,dieAnfängedesmenschlichenGeset zesunddermenschlichenGesellschaft,dasÜberlebenund diesubtileRückkehrderGöttinnenreligioninderpatriar chalenWeltundschließlichdenwahrenUrsprungvonSe xualitätundTod.
Eleusis–damalsundheute DiekleineStadtEleusislagnichtweitvonAthenentfernt, eineTagesreisefürdieMysten,dieEingeweihten,diemor gensinAthenaufbrachenundabendsdenheiligenBezirk erreichten. Heute umgibt der moderne Industrievorort ElefsinadenBezirk,derseit400n.Chr.inTrümmernliegt, alsAlarichundseineGotendieTempelplünderten,offen bar um dem christlichen Bischof einen Gefallen zu tun. Viele archäologische und touristische Führer bezeichnen EleusisalszerstörteStätte,eineAnsammlungvonSteinen, dievondennahegelegenenWerftenundFabrikenanden Randgedrängtwird.FolglichwagennurwenigeTouristen den Abstecher von der Hauptstadt; das ist bedauerlich undzugleicheinkleinerSegen–bedauerlichfürdievielen Menschen,diesicheinintensivesErlebnismitderVergan genheit entgehen lassen, und ein Segen für jene, die den schnatterndenMenschenmassen,diedasParthenonfüllen, ausweichenmöchten.DennauchwenndieAnlagezerstört ist,sostattetdochdiebloßeGrößedesBezirks–fastein kleinesDorfansich–unddieMauer,dieihnvondermo dernenStadttrennt,siemiteinerganzbesonderenMacht aus.AufdenerstenBlickmagdasheiligeEleusiserschei nen,alswäreesgestorbenundkehrtenichtmehrzurück. Aberwennmanetwasdavonweiß,wassichhiereinstzu getragenhat,etwasweißvonden2000Jahren,indenen dieMutterunddieTochterzelebriertwurden,samtdem ganzen Geheimnis der Mysterien (denn die den Höhe punktbildendeOffenbarungbleibteinGeheimnis),dann werden die zerstörten Ruinen vonEleusiszueinemOrt derHoffnungundVerbindung.
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AlsMariaFernandezund ich an der Stätte ankamen, fan den wir nur vier andere Besucher vor, ein Touristenehe paar,dasnichtlangeblieb,undeineMutterausEngland mitihrerTochter,einerinGriechenlandlebendenStuden tin.ObwohlichnichtmitderTochtersprach,vermuteich, daßsieaufWallfahrtwar,dennsieverhieltsichwiesovie leGöttinnenanhängeransolchenOrten;siesaßeinfachda und schaute und lauschte der Erde. Ich sprach mit ihrer Mutter,diemirvonihrerFaszinationfürdieIdeedeswie derkehrendenLebenserzählte(wieeseineTouristengrup peinGgantijaaufMaltatat)–dasheißtdieIdeevomSter benundvonderWiedergeburt. InderhellenistischenundrömischenZeitverbreitetensich Mysterienreligionenund–kulteüberallinderAltenWelt. EleusisjedochbehieltseineneinzigartigenStatus,dennes wardertatsächlicheOrt,andemdieMutterderWeltihre zweigroßenGabengeschenkthatte:denAckerbauunddie geheimenRitenderMysterienselbst.EinigealteSchriften weisendaraufhin,daßdieGöttinselbstamEndederZere monieerschien.UndinderHomerischenHymneanDe meterwartetDemeteraufihreTochterindemTempel,der fürsievondenEleusinernerrichtetwordenwar.
MythenundRitualedermenschlichen Entwicklung DieEleusinischenMysterienhabensichvielleichtausei nemanderenRitualentwickelt,einemRitual,dasinerster Linie Demeter zu Ehren begangen wurde, nämlich den Thesmophorien. Thesmoi bedeutet »Gesetze« (nach thes mos:»wasniedergelegtist«)undbeziehtsichaufDemeter als die Gesetzesgeberin nicht nur der Bürger und Men schenrechte,sondernauchderGesetzederNatur,desver gehendenundwachsendenLebens. Aufgrund Demeters Macht über das Naturgesetz assozi iertendieGriechensietatsächlichauchmitdemBürger recht.DieAthenerbewahrtendieschriftlichenAufzeich nungenihrerGesetzeineinemderDemetergeweihten
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Tempel auf, dem sogenannten Metroon. Wir finden eine ähnliche Verbindung – eine lebenspendende Göttin und dasGesetz–beidersumerischenInanna,derägyptischen IsisundderphrygischenKybele.KybelesGallaeinAthen vollzogenihreSelbstopferungvordemMetroon.Gesetze und Ackerbau passen zusammen, denn beide sind »un natürlich«. Sie stellen ein Fortschreitender menschlichen KulturwegvondenunmittelbarenZyklenderNaturund aufmenschlicheInstitutionenzudar. Der Name Demeter bedeutet entweder Erdmutter nach De,einerSchreibvariantevonGeoderGaia,oderGetreide mutternachdemkretischenWortfürGerstenkörner,dyai. Gaia verkörpert die archaische Erde von ihren frühesten Augenblicken an durch die Zeit der JägerSammler hin durch.Demeter,dieGöttindesAckerbaus,übernimmtin gewissemSinnedanndieMachtundverbreiteteinekom plexere menschliche Zivilisation, die tatsächlich auf die Jungsteinzeit zurückverweist. Der Wechsel von Gaia zu DemetergehtdenWegvonderAltsteinzeitzurJungstein zeitnach.TrotzdembestehendieGesetzevonTod,Zerfall und Wiedergeburt fort: Es sind die Gesetze der Mutter. Durch das Eingreifen der Tochter, Persephone, wird der menschlicheGeistüberdieseGesetzederZerstörungund desneuenLebenshinauswirken.AufdieseWeiseschenkt DemeterderWeltdieanscheinendunversöhnlichenGeset zederNatur,abersieundPersephonezusammenbringen auchdieumgestaltendenGesetzedermenschlichenKul turundSpiritualitätmitein.Wirwerdenauchsehen,daß derMythosvonderTochter,dievonderMutterdurchei nen eindringenden Mann getrennt wird, den Wechsel von der getrenntgeschlechtlichen zur bisexuellen Fortpflan zung beschreibt, während die Wiedervereinigung von MutterundTochterunszuverstehengibt,daßderKörper des Lebens unversehrt und ein Ganzes bleibt, trotz der scheinbaren Trennung in einzelne Geschlechter. Während die Thesmophorien ausschließlich den Frauen gehörten undApollondasDelphischeOrakelalleinaufMännerbe schränkte,nahmeninEleusisMännerundFrauengemein
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samandenRitenteil.Aber sie verschmolzen auch mitein ander, denn alle Zelebranten, sowohl Männer als auch Frauen,nahmendieRollederGöttinan–nichtderTochter, sondern der Urmutter, die Verlust erleidet, doch zu der manzurückkehrt.
DieThesmophorien DieThesmophoriendauertendreiTageundschlossendie VorbereitungderErdeaufdieGetreidesaatfürdaswinter liche Wachstum ein (wie die Mysterien). In der Religion desKörperssehendieMenschennichtpassivzu,wiedie NaturihrenLaufnimmtoderGottohneRücksichtaufden menschlichen Willen handelt. Vielmehr sind menschliche Handlungen, menschliche Körper mit der Welt verbun den. DerersteTagtrugdenNamen»KathodosundAnodos«, dasheißt»WegnachuntenundWegnachoben«.DieFrau enschafftenSchweineherbeiundließensieineineSchlan gengrubefallen(esseihierandenprophetischenPython in der Grube zu Delphi erinnert). Dann brachten sie die verwesten Überreste der Schweine herauf, die im vorher gehendenJahrgeopfertwordenwaren. AmzweitenTag,»Nestia«,wurdegefastet,weildieFrauen desLandesinderunfruchtbarenZeit,wenndieSaatver borgen unter der Erde liegt, Demeters Trauer um ihre Tochter,dievondenLebendengegangenwar,gedachten. DerSameunddieTochterwareneins,dennderNameder Tochter am Anfang der Homerischen Hymne, Kore oder »Jungfrau«,bedeutetauch»Sproß«. DerdritteTagbrachteeinFestessenmitFleischmitsich,da dieFrauenKalligeneia,»dieGöttinderschönenGeburt« (BaringundCashford),anriefenunddieRestederzerfalle nenSchweineüberdieFelderstreuten,wosiesichmitdem Getreidewiedervereinigten. WährendderThesmophorienenthieltensichdieFrauendes Geschlechtsverkehrs.InunsererKulturstellenwirunsse xuelleEnthaltsamkeitalseinenWegvor,»rein«zubleiben
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oder die Energie des Körpers im Selbst zu bewahren. Ich vermutejedoch,daßbeisolchenRitualenwiedenThesmo phorienEnthaltsamkeiteineandereBedeutunggehabtha benkönnte,undzwardieTrennungvomMännlichenund dieRückkehrderweiblichenVorherrschaft.Siekönnteauch einem politischen Zweck gedient haben, denn in einer männerbestimmten Kultur wie zum Beispiel Griechenland hättendieFrauensichvondenMännerntrennenmüssen, umihreMachterfahrenundausdrückenzukönnen.
DieMysterienundihreJahreszeiten In Eleusis fanden zwei Arten von Mysterien statt, und zwardieKleinenunddieGroßen.DieKleinenMysterien, die im Winter begangen wurden, bereiteten die Einge weihten auf die Teilnahme an den Großen Mysterien im darauffolgendenHerbstvor.Siekonzentriertensichiner sterLinieaufdenanodos,»denWegnachoben«derPerse phone.WiebeidenThesmophorienunddenGroßenMy sterien wurde während der Kleinen Mysterien ein Schweingeopfert,vielleichtalsErsatzfürdeneigenenTod derEingeweihten. In vielen modernen Erörterungen über den Mythos der Persephonewirdvorausgesetzt,daßsieimWinterindie ErdehinabsteigtundimFrühlingwiederzumVorschein kommt.DieswürdeineinernördlichenGegendzutreffen. In Griechenland aber liegt ein Großteil des Landes im Sommer, in der Dürrezeit, brach. Folglich finden die GroßenMysterienumdieZeitderHerbstundnichtder Frühlingstagundnachtgleiche statt, und sie enden damit, daß Wasser in Erdspalten geschüttet wird, während die Zelebranten ausrufen: »Hye! Kye!«, das heißt »Regne! Empfange!«ImSommerlagertemandasGetreideinSilos unterderErde. DerMitteilungdesArchäologenDonaldWhitezufolgeist es nicht klar, in welcher Jahreszeit und wie lange Perse phone sich unter der Erde aufhält. Einige Quellen legen sichsogaraufdenWinterfest,wasaufeineVerbindung
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mitsowohlsolarenals auch agrarischen Ereignissen hin weisen würde. Die angegebenen Zeiträume schwanken vondreiMonaten(dieSommerzeit)übereinJahresdrittel bis zu sechs Monaten. Wir haben bei der Geschichte von Adonis gesehen, daß die Griechen das Jahr in drei Teile teilten und ein Drittel davon als die Zeit galt, die Perse phonebeidenTotenzubrachte.KarlKerenyiweistdarauf hin,daßsichgeradedadurchdieVerbindungzumGetrei deverbietet,dakeinSamevierMonateinderErdebleibt. PersephonesJahresdritteltrugdenNamender»Schlange«, einesTiers,dasindunkleBereichehinabgleitet,aberauch seineHautineinerArtWiedergeburtablegt. Persephone bedeutet »die in der Dunkelheit leuchtet«. Kleins ComprehensiveEtymologicalDictionary oftheEnglish LanguagezufolgeleitetsichpersonavonPersephoneinih rer Rolle als Führerin zu den toten Seelen (Psychen) her. ObwohldasWortPerson,inunsererBedeutungdesindivi duellen Selbst, aus persona hervorgeht, neigen wir dazu, unspersonaalseineNachahmung,eineMaskevorzustel len.MitdemWortwartatsächlicheineMaskegemeint,die von den Darstellern im römischen Schauspiel getragen wurde,abernichtzudemZweck,ihreIdentitätzuverber gen. Vielmehr verstärkten die personae ihre Stimmen, währendsiedenSchauspielerndieIdentitätenderGötter oderHeldenverliehen,diesiedarstellten.
DieProzession EinemitIndustrieansiedlungengesäumtemoderneAuto bahnfolgtheutedemgrößtenTeildesaltenProzessions weges von Athen nach Eleusis (im modernen Griechisch Elefsinagenannt).Trotzdemistesnachwievormöglich, den Weg nachzugehen und die gleichen Landschaftsfor menzubetrachten,diedieZelebrantenaufihrerheiligen Reise gesehen haben. Die ganze Strecke entlang tauchen Göttinnenformenaufundverschwindenwieder. DerWegbeginntmiteinemAnstiegzumPaßvonDafni. EinkegelförmigerHügelbewachtdenPaßaufderatheni
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schenSeite.AufdemPaß kommtdergehörnte Gipfel des Berges Kerata in Sicht. Der Name Kerata selbst bedeutet »gehörnt«.VincentScullybezeichnetdenBergKerataals »verblüffendweiblich«.DiesezweiFormen,derKegelund der gehörnte Gipfel, führen uns nach Kreta und zu den Landschaften entlang der nach Knossos und Phaistos führenden Prozessionswege zurück. Die alten Mythen über Demeter stimmen alle darin überein, daß sie Grie chenlandüberKretaerreichte,wiesovielederanderenFi guren,einschließlichZeusselbst.ZurZeitHomerstrugen die Frauen, die an den Kleinen Mysterien teilnahmen, Doppeläxte,dasbedeutendeSymbolderkretischenReligi on.DieinnereNaturderMysterien,sowiedieBergformen auchdeutenauf einedirekteLiniezurkretischenGöttin hin–auchwennsieihreeigenePrägungdadurcherlangt haben,daßsiedieGewaltderpatriarchalenKulturerleb ten, symbolisiert durch die Entführung und Vergewalti gung der Tochter der Göttin, die dennoch besonders an Machtgewinnt,ebenweilsiedieseReiseindenTodge machthat. Gehtmanweiter,istderKeratanichtmehrzusehen,und derWegwirdkahlundmühsam–fürdieWanderereine Nachahmung von Persephones Reise in die Unterwelt, außerSichtweiteihrerMutter.WieScullyesausdrückt:»Es istwedereineÖffnungzusehennochrücktirgendeinZiel inSicht.«Aberdann»sinddieHügelzurLinkenauseinan dergebrochen«undenthülleneineAnhäufungvonFelsen, dieArtvonschrofferForm,dieAphroditesignalisiert,und tatsächlichtauchtdirektgegenübereinHeiligtumfürdie GöttinderLiebeauf.AuchwenndiegriechischenMythen Mutterliebe und körperliche Leidenschaft zu trennen scheinen,bringtdiekonkreteReisenachEleusisdiezwei Göttinnen, Demeter und Aphrodite, wieder zusammen. VonAphroditesHeiligtumausbekommtmandieInselSa lamisvorderKüstevonEleusisflüchtigzusehen(diegrie chischenSchiffeverbuchteneinenentscheidendenSiegge gendiepersischeFlotteimGolfvonSalamis).Eineeinzel neSpaltezeigtsichindenHügelnderInsel,andieVulva
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Derheilige BezirkvonEleusis/Griechenland, ca. 400 v. Chr. Der gespalte neGipfeldesBergsKerataistimHintergrundzusehen.
bildererinnernd,diein jene Höhlenwände als das älteste Zeugnis der Menschheit für die Lebenskraft der Göttin eingeritztwurden. DerheiligeWegführtaufdengespaltenenHügelundei nenPaßzu,dernachEleusisselbstführt.WenndieInsel Salamis deutlicher in Sicht kommt, erinnert sie an einen auf dem Rücken liegenden Körper, eine Form, die man ebenfallsindenBergennaheAphroditesHeiligtuminTro izenfindet.EleusiserscheintzuerstalseinvonErdwällen umgebenerHügelunterhalbdesBergesKerata,derAnlage vonKnossosundPhaistosgenauentsprechend.Imheili gen Bezirk selbst zeigt sich der Doppelgipfel des Kerata sehreindrucksvoll,eineAnmutungvonLippenfasteben sowievonHörnernvermittelnd. DerNameEleusisbedeutetentweder»Tor«oder»Ortder glücklichenAnkunft«.GertrudeRachelLevyidentifizierte EleusisalsdasTordesHorns,VergilsTorderwahrenTräu meinder Aeneis.
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DieNarzisseundder Granatapfel WirkennendieGeschichtevonDemeterundPersephone inersterLinieausderHomerischenHymneanDemeter. AndereMythengebenunswichtigeHinweiseaufHinter gründederzentralenGeschichte,dochdieÜberlieferung verbindetdieMysterienselbstmitderHomerischenVersi on (obwohl die Überlieferung das Epos auf »Homer« zurückführt, entstand estatsächlichetwa700Jahrenach derIliasundderOdyssee). AmAnfangderGeschichteträgtPersephonekeinenande ren Namen als Kore, »Jungfrau« oder »Mädchen«. Das Epos beginnt damit, daß sie, unschuldig wie sie ist, mit denTöchterndesOkeanosBlumenpflückt.AnderenVer sionenzufolgewirdKorevonArtemisundAthene,jung fräulichenGöttinnenwieKoreselbst,begleitet;einderAr temis und dem Poseidon geweihter Tempel befand sich außerhalb des geheimen Bezirks der Demeter (Poseidon könnteDemetersGattegewesensein,dennderNamebe deutet»EhemannderDe[Erde]«). WährendKoreBlumenpflückt,erkenntsienicht,daßeine Falleaufsie wartet.DerGottHadeshatbeschlossen,sie zur Frauzunehmen,undseinenBruderZeusüberredet, ihmzuhelfen,diese»Ehe«zuarrangieren.Zeuswiederum erhältUnterstützungvonGaia,derErde,dieeineherrliche Narzisse als Köder wachsen läßt, um das Mädchen von ihrenFreundinnen,ihrerMutterundallenanderen,diesie hörenkönnten,wegzulocken. DemCambridgeIllustratedDictionaryofNaturalHistoryent nehmenwir,daßdieNarzisseeineLilienartist,eineBlu me,dieinvielenLändernderGöttingeweihtwar,zumTeil auchaufgrundihrerÄhnlichkeitmitderVulva.BarbaraG. Walker bringt die Lilie mit Lilith und Astarte und durch AstartemitEostreinZusammenhang.Sieberichtetaußer dem,daßMariamitHilfeeinerLilieJesusempfangenha bensoll.AusdemCambridgeDictionaryerfahrenwir,daß LiliendasMerkmalbesitzen,»jedesJahrvonobenzumBo denhinabzusterben«,und»einenzusammengesetzten
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Fruchtknotenmitvielen Samen« enthalten – Eigenschaf ten,diemitPersephoneundihrersexuellenInitiationim LandderToteninZusammenhangstehen. DieNarzisseisteinederzweiPflanzen,umdiesichdiese Geschichte dreht. Die leuchtende Narzisse mit ihrer der LuftausgesetztenBlütestellteinenFokusfürdieOberwelt dar.UndtrotzdemistihreSchönheittrügerischoderviel mehreinTrick,dennsieführtindiedunkleUnterwelt.In derUnterweltwirdPersephonezweiKerneeinesGranat apfelsessen,einerPflanze,dieihreFülleineinerdunkelro ten Schale verbirgt. Weil sie dort gegessen hat, kann sie nichtfürimmerweggehen.FolglichgehörenbeidePflan zenzumTod;einePflanzekannerstLebengeben,wennsie stirbt. Ebenso wie die Lilie einen »zusammengesetzten Fruchtknoten«enthält,enthältderGranatapfeleinenche mischen Stoff, der in der Molekularstruktur dem für die Säugetiere charakteristischen weiblichen Sexualhormon, dem Östrogen (ein Wort, das sich von der Göttin Eostre herleitet),sehrähnlichist.
DieEntführung DieNarzissebringtallen,diesieerblicken,Freude,selbst demHimmelundderErdeunddemMeer.AberalsKore nachuntengreift,umsiezupflücken,öffnetsichderBo den,undHadestauchtinseinemgoldenenWagenauf.Der GottergreiftsietrotzihrerSchreieundzerrtsiehinabin dieUnterwelt.KoreschreitnachihremVaterZeus,daßer ihrhelfenmöge,»aberniemand,keinerderunsterblichen Götter, keiner der sterblichen Menschen, hört ihre Stim me«.DaZeusdieEntführungindieWegegeleitethat,kön nenwirsagen,daßerseineTochternichthörenwollte,daß die ganze Welt den Schmerz und den Schrecken ihres Raubs nicht hören wollte. Nur Hekate, die Göttin des dunklenMondes,undHelios,derGottderhellenSonne, »hören«Kore(dieAthenerhieltenHekatefüreineTochter derDemeterundsomitfüreinAlteregoderPersephone). SiebeidegehörennichtzudenanderenGöttern.Alsdas
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LichtderSonneunddieDunkelheitdes Mondes bilden sie eineinsichabgeschlosseneDualität. AuchDemeterhört.SiehörtdieAngstihrerTochter,ent decktihrVerschwinden,undobwohlsieLandundMeer durchstreift,sagtihrniemandetwas.NeunTagelangwan dertDemeterherum,verstörtvorKummer,inbeidenHän denFackelntragend.InAnlehnungdarandauernauchdie MysterienneunTageundgehenmitnächtlichenFackelzü geneinher.DieZahlNeunist,wiewirwissen,nichtwill kürlich.DasDreimalDreibeschwörtdieGöttinnenmacht des Mondes. Und die Neun ist natürlich die Zahl der Schwangerschaftsmonate (ursprünglich war ein Monat keine willkürliche festgelegte Einheit, sondern entsprach derLängeeinesMondzyklusvon29,5Tagen).DieMysteri en fanden in der zweiten Hälfte des Mondmonats statt, wennsichderMondinderDunkelheitverlor,ebensowie Demeter (die manchmal mit dem Vollmond gleichgesetzt wird)Persephoneverlor. AmzehntenMorgenschließlichbegegnetDemeterHeka te, die ihre eigene Fackel trägt und ihr berichtet, daß sie PersephonesEntführung(hiertauchtderNamederGöttin zumerstenMalauf)gehört,abernichtgesehenhabe.Zu sammen gehen sie zu Helios, der Zeus die Schuld gibt; Zeus,der»sieHadesgab,seinemeigenenBruder,damit sieseineFraugenanntwerde.«HeliosrätDemeter,keinen Einspruch zu erheben, denn Hades wird ein guter Ehe mannsein,»nichtunwürdigalsSchwiegersohn«. Demeteraberwillsichdamitnichtabfinden.Dochsiever sucht auch nicht, zumindest in diesem Augenblick, sich ihrem allmächtigen Bruder zu widersetzen. Wir könnten unsvorstellen,daßsiedieWeltzerstörenwill,weilsieihre Tochterverlorenhat,aberdasgeschiehtnicht.Stattdessen ziehtsiesichinihrenKummerzurückundwandertalsal te Frau verkleidet um die Welt. Und so kommt sie nach Eleusis.
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DieverkleideteDemeter DieKönigsfamilienimmtDemeteraufundbeschäftigtsie alsAmme.ManbietetihrWeinan,abersielehntabund trinktstattdesseneinselbsthergestelltesGetränkausGer ste. Ein ähnlicher Trank, kykeon genannt, spielte bei den Mysterien eine besondere Rolle. R. Gordon Wasson und andere vertreten die Auffassung, daß kykeon Mutterkorn, einausGetreidegewonnenesHalluzinogen,enthielt,das die Offenbarungen auf dem Höhepunkt der Rituale ver stärkte.KarlKerenyisiehtdieAblehnungdesWeinsan ders:ErbetrachtetsiealseinenHinweisaufeinGeheim nis–daßnämlichDionysos,derGottdesWeins,Persepho nesGattewar. Die Göttin lehnt, aus welchem Grund auch immer, den Weinab.AndieserStellekommtUnbeschwertheitinder Geschichteauf,denneineFrauerscheint,umdiealteAm meaufzuheitern.IneinigenVersionenheißtsieIambe,die Tochter des Königs, in anderen Baubo, die Frau eines Schweinehirten,dereinerFassungzufolgeseineSchweine verlor,alsHadesPersephoneindieUnterweltverschlepp te und sie dabei in die Erdspalte fielen. Ob Iambe oder Baubeo,sietanztunderzähltunanständigeWitze.Wenn die Mysten in der Prozession von Athen her über eine Brücke kamen, führten Personen, die Baubo imitierten, obszöne Tänze vor ihnen auf. In einigen Darstellungen werdensiealsFrauenundinanderenalsMännerinFrau enkleidunggezeigt(siekönntenauchbeidesgewesensein, dennsowohlFrauenalsauchMännertrugenbeiderZere monieeinfacheRoben,umihreIdentifikationmitDemeter zusignalisieren). AbgesehenvondermöglichenmystischenEhevonPerse phoneundDionysos,stelltderTanzdaseinzigeunmittel bar sexuelle Element im Mythos dar. Er weist auf die Macht der Sexualität und des Lebens hin, sich auch im Kummerzubehaupten. G.R.LevyzufolgesetztendieGriechenzuweilendenan odosderPersephonemitdemEmporsteigenderAphrodite
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ausdemMeergleich.Bildervonbeiden zeigen Frauen, die derGöttinhelfen,denTiefenzuentsteigen–psychologisch gesehensievonderformlosenQuelledesSeinszutren nen, entweder vom Meer oder von der Unterwelt. Nor Hall schreibt: »Mutterschaft ist eine Vorbereitung auf die Jungmädchenzeit. Schwangerschaft ist eine Vorbereitung aufdieJungfräulichkeit.«Wirkönntenhinzufügen:»Der TodisteineVorbereitungaufdieGeburt.«DerNameBau bo bedeutet »Bauch« und läßt auf einen Zusammenhang nicht nur mit der Schwangerschaft schließen, sondern auch mit den alten magischen Bewegungen, die uns als Bauchtanzüberliefertwurden. UmderFamilieeineGunstzuerweisen,beschließtDeme ter,Demophon,denSohnderKönigin,unsterblichundzu einemGottzumachen.JedeNachtlegtsiedasKindinein Feuer,dasdurchihreMachtineinMittelgegendenTod verwandelt wurde. In gewissem Sinne bietet sie Zeus buchstäblichundzugleichsymbolischdieStirn.Buchstäb lich,weilwirausanderenMythenwissen,daßesZeuswie dem hebräischen Gott mißfällt, wenn Sterbliche in den Stand der Göttlichkeit versetzt werden. Und symbolisch, weilZeuseinunsterblichesKindweggenommenhat,das Demeter jetzt durch ein anderes ersetzen will. Die Bemühung ist kaum mehr als eine beinahe verzweifelte Geste,dennselbstwennsieerfolgreichgewesenwäre,hät teesnichtsandenBeziehungenzwischenLebenundTod geändert.DemeterhatnochnichtdasStadiumerreicht,in demsiesichdaranwagenwird. DerPlan,dasKindunsterblichzumachen,scheitert,denn Demophons Mutter spioniert der Amme eines Nachts nach.AlssieihrenSohnimFeuersieht,schreitsieaufund stürztlos,umihnzuretten.EndlichexplodiertDemeters Wut–nichtgegendieGötter,gegendiesiesichnochim mer machtlos fühlt, sondern gegen die erbärmliche Menschheit.DieGöttingibtsichzuerkennenundverur teiltdiemenschlicheUnwissenheit,dieesunsnichtgestat tet,denUnterschiedzwischenGutundBösezubeurteilen. »Zuwissen,daßmannichtweiß,isterhaben«,schriebLao
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Tse,deraltechinesische Weise. »Nicht zu wissen, daß man weiß,istkrank.«*
DielebloseErde Demeter verlangt, daß die Eleusiner ihr einen Tempel oberhalbdesBrunnensderschönenTänzeerrichten,dort, wodieMädchensieanfangsgefundenundmitgenommen hatten.IndiesenTempelziehtsiesichzurückundzerstört dadurch die Welt, denn ohne die Mutter können keine Pflanzenwachsen.InDemetersHandelnliegteinegewisse subtileIronie. AuchsiemußihreUnwissenheitzugeben, dennerstalsHekateundHeliosansieherantreten,erfährt DemetervondemSchicksalihrerTochter.Undobwohlih reWutvondemVerlustKoresandenTodherrührt,rea giertDemeterdarauf,indemsiederganzenWeltdenTod androht.OderaberdasLebenliegtnichtganzundgarin Demeters Hand. Denn wenn kore »Sproß« bedeutet und die sprießenden Pflanzen eingeschlossen unter der Erde bleiben,waskanndannschondieGetreidemutterausei generKraftvollbringen? Kerenyi zufolge schildern einige Versionen des Mythos, daß Demeter selbst in die Unterwelt hinabsteigt, um ihr Kindzurückzuholen,umderWeltdasLebenzurückzuge ben;beiHomerbleibtsieinihremTempelverborgen.Ob wohl sie gegen die Menschheit handelt, trifft sie damit auchdieGötter:SiehatdasnatürlicheGleichgewichtder Welt,einschließlichderÖkologievonErdeundHimmel, durcheinandergebracht.SowiedieMenschenaufPflanzen angewiesensind,umzuleben,sinddieGötteraufmensch licheOpferangewiesen,alseineArtNahrung.Sterbliche KörperdienenalsBrückezwischendemrohenKörperder NaturunddemätherischenKörperdesGeistes. Demeters Qual und Wut ändern nichts an Zeus Verfü gung.IhreHartnäckigkeitjedochundihreschlichteWeige *LaoTse:TaoTeKing,Neubearbeitung von Giafu Feng und Jane English,München:Diederichs1994,Kapitel71.
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rung,nachzugebenunddenTodzuakzeptieren, brechen schließlich den Willen des Himmels: Die Götter können ohnedieOpfergabenderMenschennichtexistieren.Zeus schickt also Hermes in die Unterwelt, um Persephone zurückzubringen.AberderTodläßtsichnichtsoleichtbe siegen.Hadestäuschtzwarvorzugehorchen,aberergibt Persephone zwei Granatapfelkerne mit, die sie verzehrt, bevorsieansLichtzurückkehrt.WegendieserTat,weilsie dieFruchtdesTotenreichsgegessenhat,kannPersephone nichtständigimLichtbleiben,sondernmußalljährlichfür eineWeileanihrenPlatznebenHadesalsKöniginderUn terweltzurückkehren.
DerGranatapfel Dem Granatapfel kommt nicht nur in Persephones Ge schichteeinebedeutsameRollezu,sondernauchinande ren Mythen. Aufgrund seiner zahlreichen Samen, seiner rotenFarbeundseinesnatürlichenOstrogenssymbolisiert erdieWiedergeburt.UnddennochmußPersephonebeim Todbleiben,weilsieihngegessenhat,ganzsoalsobsiees sicherlaubt hätte,imTodgeborenzuwerden.Während des Fastentages der Thesmophorien nehmen die Frauen eine Speise zu sich, Granatapfelkerne, aber nur von den Früchten, die den Boden nicht berührt haben. Als Maria FernandezundichnachEleusiskamen,hatteeinfrüherer BesucherschadhafteGranatäpfelaufdemBodeneinerfla chenHöhleausgelegt,diezuweilenalsdieStellebezeich netwird,anderHadesPersephoneindieDunkelheithin unterführte. Bewußt die Funktion des Hades überneh mend,zerquetschteMariaeineFrucht,umdieKernehin auszuschieben. Der Einschnitt und die aussickernden weißen Samen ähnelten dem mit Würmern gefüllten MundeinesLeichnams. In den Mythen wird der Granatapfel auch mit Dionysos verbunden.AlsdieGeisterausdemSpiegelstürzten,um denjungenGottzuzerstückeln,entsprangderGranatapfel seinemHerzen.AlsPersephonedieSamenißt,nimmtsie
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DionysosSamenzusich, das heißt sein Sperma. In dieser Version des Mythos wird sie schwanger und gebiert Iakchos, dessen Namen die Mysten bei ihrem Fackelzug währendderMysterienrufen. EinigeVersionenbezeichnenIakchosalsdenSohnderDe meter,einZeichendafür,daßDemeterundPersephoneein unddieselbesind.AmEndederMysterienerschalltderRuf, daßdieGöttineinenSohnzurWeltgebrachthat,daß»Bri moBrimosgeborenhat«.BrimoundihremännlicheEntspre chungBrimosbedeuten»die«oder»derStarke«.Hiersind dieIdentitäten,dieMutterunddieTochter(daderRufnicht erkennenläßt,welcheGöttinBrimoist)unddieMutterund derSohn,durchdengleichenNamenfürbeideverschmol zen.WirkönnendieMysterienebensoalseinsolchesVer schmelzenvonEinzelwesen,GöttinundSterblichem,Mut terundKind,FrauundMann,LebenundTodbeschreiben. GleichzeitigführtderVerzehrderSamendesTodesweg vonderVerschmelzunghinzurIndividualität.Persephone kehrt durchaus nicht in ihrem unwissenden Zustand als das namenlose Mädchen, als die Tochter ihrer Mutter zurück.StattdessenkommtsiezuihrereigenenMachtals KöniginderUnterwelt.
DemetersGeschenke Nachdem sie Königin mit eigenem Recht geworden ist, fährtPersephoneinHadesgoldenemWagenzurückans LichtundzuihrerMutter.BeiihrerMutterangekommen, verlangtdiese,daßPersephonedieWahrheitsagt,alleser zählt,wasmitihrgeschehenist.AlssievondenGranatap felkernenerfährt,erkenntDemetersofortdieBindungih rerTochterandieUnterwelt.Trotzdemfreutsiesichüber dieRückkehrihresKindes. JetztbelohntsieEleusisunddieganzeMenschheit.Siegibt nicht nur das Pflanzenwachstum wieder zurück, sondern lehrt sogar die Geheimnisse des Ackerbaus und gibt den Menschen somit die Kontrolle über ihre Nahrungsmittel versorgung.DiesesWissengibtsieTriptolemosweiterund
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weistihnan,dieBotschaft inderganzenWelt zu verbreiten. EinigeHistorikersetzenTriptolemosmiteinemrealenKö nigvonEleusisgleich.DerNamebedeutetentweder»drei facherKrieger«oder»dreifacherPflüger«undimpliziertei ne Verwandlung von dem einen in den anderen(Christen undJudenwerdensichandiebiblischeProphezeiungerin nern, daß Menschen ihre Schwerter zu Pflugscharen ma chen werden). Zusammen mit jenem Wissen übermittelte TriptolemosdreiGebote:EhredeineEltern,ehredieGötter mitFrüchtenderErdeundverschonedieTiere. DemetermachtderganzenWeltdenAckerbauzumGe schenk.UndsiemachtderStadtEleusisnacheinanderes Geschenk,dasebenfallsetwasBesonderesist–dieMyste rien.InderAltenWeltkonntejederandenMysterienteil nehmen, vorausgesetzt, er sprach griechisch und hatte kein Blut vergossen. Jeder konnte teilnehmen, aber man mußtedazunachEleusiskommen.
VergewaltigungundInzest EinMythos,dersovieleAspekteunseresLebensberührt– unsere spirituellen Sehnsüchte, unser Selbstgefühl, schon die Nahrung, die uns am Leben erhält –, führt unsviel leichtnurzusubtilenInterpretationen.LassenSieunsfür einenAugenblickdieGeschichtevoneineranderenSeite betrachten,alseineGeschichtevonVergewaltigung,Inzest undWiderstand. Eswirdschwierig,dieBedeutungdesInzestindenMythen zubeurteilen,wennwirunsdaranerinnern,daßdieGötter und Göttinnen in den meisten Mythologien eine Familie bilden. Göttliche Energie ist eine Einheit und wird nur durch die verschiedenen Persönlichkeiten (personae) der Götter voneinander abgegrenzt. Demgemäß schildern die Geschichtensiealsmiteinanderverwandt.WenneinBru derundeineSchwesterheiratenodermiteinanderschlafen, wieIsisundOsiris,IzanamiundIzanagioderAdamund Eva(ausdemselbenKörperherstammend,stellensie»Bru der«und»Schwester«dar),könnenwirdiesalsdieWieder
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Vereinigungderabgespaltenen Aspekte des Göttlichen ver stehen.AberwenneineGeschichteerzählt,daßeinVater, BruderoderOnkeleineGöttinvergewaltigt,betrachtenwir dasEreigniswahrscheinlichebenso,wiewiresbeiInzestin dermenschlichenGesellschafttunwürden. DieBedeutungderVergewaltigunginunsererGeschichte wächst,wennwirfeststellen,wiebeharrlichdieGewaltan wendungindenverschiedenenFassungenauftaucht.Auch Demeterwirdvergewaltigt.InderarkadischenVersionder Geschichte nimmt Poseidon seine Schwester mit Gewalt, nachdemsiesichineineStuteundersichineinenHengst verwandelt hat. Die Göttin wird zu Demeter Erinnys, DemeterdieZornige,bissie,ausgesöhnt,ineinemFlußba detundDemeterLouisawird.SiegebierteineTochter,die Hauptfigur im arkadischen Mythos, die aber namenlos bleibtundnuralsDespoina,Herrin,bezeichnetwird. In anderen Versionen vergewaltigt Zeus Demeter und zeugtPersephone.DerGottkommtzuihrinStiergestalt, wasdieselbeUmkehrungderneolithischenKuhgöttinund ihresStiergemahlsimpliziert,diewirbeiZeusundEuropa gesehenhaben.InderReligiondesGöttinnenkörpersdient derStierderKuh,indemersiebegattet,damitsieLeben hervorbringen kann. Durch die gewaltsame Abspaltung dermännlichenKraftvonderNaturwirdVergewaltigung zueinempolitischenWerkzeug.ZeusmachtseineFähig keit, sich alles zu nehmen, was auch immer er will, im DienstvonnichtsalsseinemgewalttätigenWillengeltend. NachdemeralsStierseineSchwesterDemetervergewal tigthat,machtZeussichanseineTochter/Nichteheran, denneineorphischeGeschichteerzählt,wieZeussichPer sephoneinGestalteinerSchlangenähert.EsseianPsyche erinnert, deren Schwestern ihr sagen, daß ihr Gatte in Wirklichkeit eine Schlange sei und die Persephone auf Aphrodites Geheiß aufsucht; und es sei außerdem daran erinnert, daß Persephones Jahresdrittel den Namen »Schlange«trug. AusdieserVerbindunggebiertPersephonekeinenande renalsDionysos.Wiebereitserwähnt,bezeichnenKerenyi
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und andere Dionysos als Persephones heimlichen Gelieb ten.DionysoserscheintauchalsStierundalsSchlange,die zweiwichtigstenTierederGöttinvonKreta(umdieBezie hungennochmehrzukomplizieren,identifiziertOvidDe metersLiebhaberundPersephonesVateralsZagreus,ei nen kretischen Jägergott. Zagreus wurde sowohl mit DionysosalsauchmitHadesgleichgesetzt). VonRobertoCalassoerfahrenwir,daßDemetermanchmal alsidentischmitRhea–ZeusMutter–betrachtetwurde. Wenn wir dieGeschichtenmiteinander verbinden,verge waltigt Zeus seine Mutter und gibt dann seinem Bruder HadesihregemeinsameTochter.Hiergeratenwirallmäh lich in den Bereich des Absurden angesichts dessen, daß PersephonegleichzeitigdieSchwester,Schwägerin,Toch terundNichtevonZeusist:Eigentlichkönnenwiralldie seGeschichtennichtineinepacken.Wasjedochwichtig ist, ist das Kaleidoskop der Vergewaltigungsbilder. Zeus dehnt das Gesetz der Gewaltanwendung zeitlich sowohl rückwärtsalsauchvorwärtsaufseineeigeneMutterund seineeigeneTochteraus. PoseidonoderZeusvergewaltigtDemeter;ZeusoderHa des vergewaltigt Persephone. Viele Mythographen halten PoseidonundHadesfürverschiedeneVariantenvonZeus. UnddieHomerischeHymneläßtdurchblicken,daßZeus und Hades ein und derselbe sind, denn hier werden sie beideals»dieserSohndesKronosmitsovielenNamen« bezeichnet.DemnachvergewaltigtZeuserstseineSchwe ster und entführt und vergewaltigt dann seine Toch ter/Nichte.WennwireinenAugenblicklanganDemeter denken,soalswäresieeinemenschlicheFrau,dannkön nenwirunssehr wohlihrenheftigenZorn undSchmerz vorstellen. WennwirdieHomerischeVersionwörtlichnehmen,wird der Schmerz in der Geschichte kaum geringer. Denn in demFallevergewaltigteinerihrerBrüder,Zeus,Demeter, und ein anderer, Hades, vergewaltigt Demeters Tochter. Und überdieshandeltHadesnichtalseinzelner:Dasge samtePatriarchatvergewaltigtPersephone,dennHades
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leitet sein Vorhaben mit Zeus Hilfe in die Wege, dem GroßenVater,derdieWeltregiert.InderGeschichtegeht Hades zu Zeus und erzählt ihm von seinem Verlangen nachPersephone.DaraufhinordnetZeusdieEntführung an.DiezweimännlichenGötterentscheiden,werPerse phonebesitzenwird.ManübertragedieseSituationwieder aufeineFamilie:DasFamilienoberhauptvergewaltigtsei neSchwester;wenndasKindzumjungenMädchenheran gewachsen ist, geht dessen jüngerer Bruder zum Ober hauptundsagt,daßerdasMädchenhabenwolle.Diebei densetzensichzusammenundfindeneinenWeg,umdie sezweiteVergewaltigungzuarrangieren,natürlichimge heimen,damitkeinervonihnengefaßtwird.
DieVerschwörungderFrauen DieArtundWeise,wiedieGötterKoreindieFallelocken wollen, erfordert Gaias Hilfe. Die Erde läßt die herrliche NarzisseaufschießenundführtdamitKoreandenPlatz, woHadesinseinemWagenausdemBodenhervorkommt. Dasmagunsseltsamerscheinen,biswirunsdaranerin nern,daßMütterundGroßmütterihreTöchterimmerwie derimNamenderTraditionverraten.VoreinigenJahren lasicheinInterviewmiteinerägyptischenFeministin.Sie schilderte das Entsetzen, das sie als Kind erfuhr, als die Frauen ohne Vorwarnung (und bestimmt ohne ihre Ein willigung)zuihrkamenundihreKlitorisoperativentfern ten.DieFraubeschrieb,wiesienachihrerMutterumHilfe schrie,nurumaufzublickenundihreMuttermitdemMes serinderHandentdeckenzumüssen.Dasisteinextremes Beispiel, so wie die Situationen von Frauen, die in Zwangsehen, in die Prostitution oder Sklaverei verkauft werden. Aber auch in unserer »modernen« Gesellschaft inszenierenFrauenGaiasVerratneu,wannimmersieihre Töchterdazudrängen,Rollenanzunehmen,andenenden Töchternnichtsliegt,beieinemEhemannzubleiben,der siemißbraucht,überInzestoderehelicheVergewaltigung zuschweigenoder,imFallvonLesbierinnen,ihrenatürli
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chenWünschezuunterdrücken,umsich nach der »Norm« zuverhalten. AberwennauchGaiaihreUrenkelinverrät,soverrätdoch DemeterihreTochternicht.SiejagtdurchdieWelt,aufder SuchenachNeuigkeitenüberdenVerbleibihrerTochter.In einemArtikelüberdieMysterienweistPamWrightdarauf hin,daßalleinHekatesichweigert,anderVerschwörung teilzunehmen.Hekate,derdunkleAspektderGöttin,tritt mutig sowohl der Bedrohung durch Zeus als auch dem schrecklichen Zorn und Kummer der Demeter entgegen. Sie allein berichtet der Mutter, was mit ihrer Tochter ge schehenist.ErstalsHekate»dasSchweigengebrochen«hat (umeinenmodernenAusdruckzuverwenden),kannDe meterzuHeliosgehen,umdieEinzelheitenzuerfahren. Wright, eine Pädagogin, die sich mißbrauchter und ver wahrlosterKinderannimmt,weistaufdieBedeutungvon Wahrheit in der Geschichte hin. Als Persephone zurück kehrt,verlangtDemetervonihralsallererstes,dieWahrheit zusagen,alleszuerzählen,wasihrwiderfahrenist.Deme tersabsoluteBindunganihreTochterunddieoffenvorge brachteWahrheitverleihenihrdieMacht,dieimgeheimen erlassenenVerfügungenvonZeusumzustoßen.WieFrauen in patriarchalen Gesellschaften hat Demeter nicht die MachteinenKrieggegendenOlympzuführen.AmEnde jedocherweistsichihrWille,ihreschlichteWeigerung,ihr Kindaufzugeben,alsstärkeralsZeusDonnerkeil.
DieMachtdesWissens WeildieGeschichtevonDemeterundPersephoneeinMy thosist,reichtsieüberdiemoralischenLektionendesFa miliendramas hinaus. Mythen umfassen sowohl histori sche als auch psychologische Wahrheiten. Demeters Wei gerung,denVerlustihrerTochterzuakzeptieren,symboli siert die Weigerung der matrifokalen Kultur, zu ver schwinden oder ihre Weisheit aufzugeben. Persephones ÜberlebenundRückkehrsprichtsovieleFrauenundMän nerinderheutigenZeitauchausdemGrundan,weiles
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die dramatische Rückkehr der Göttinnenreligion be schreibt.InunseremNichtwissenüberdieVergangenheit inszenieren wir den Mythos der Ona, deren Männer alle wissenden Frauen töteten (so wie bei den europäischen Hexenverbrennungen Hunderttausende, vielleicht Millio nen Frauen umkamen) und dafür sorgten, daß die MädchennichtsvonihrerMachterfuhren.Undwirinsze nierendenbiblischenSchöpfungsmythosneu,indemwir eseinem»eifersüchtigen«Gott(seinAusdruckfürsich)er lauben, Feindschaft zu setzen zwischen uns und der Schlange,derÜberbringerindesWissens.DasPatriarchat hat nicht einfach die Göttinnenreligion angegriffen, son derneshatsieentführt,geraubtundverstecktdurchsein Beharrendarauf,daßdiemenschlicheGeschichteundZi vilisationvor5000JahreninMesopotamienbegann. DochwieDemeterhörenwirschließlichauf,dashinzuneh men.WirbestehenaufderWahrheit.UndwiePersephone werdenwirzurückkehren,zuunsselbstundzuunserenan gestammtenAnfängen.Wirwerdennichtmehrunschuldig odernaivzurückkehren,sondernmitdemWissenumden TodunddieschrecklichenFolgenvonunbarmherzigerGe walt,besonderswiesiesichsomannigfaltigimletztenJahr hundertgezeigthat.AberdasWissenselbst–sowohldas Wissen um die Gefahren, denen wir entgegentreten, als auchdasWissenumandereKulturenundandereZeiten– hilft uns dabei, der Gefahr unseres Untergangs und eines leblosenPlanetenentgegenzutreten.
MutterundTochter Der Körper der Göttin kann nicht zerstört werden. Paul FriedrichführtdievielenBeispieleauf,indenenderVerge waltigungeinerGöttineineTochterentspringt,soalsob sieihreMachtaufdienächsteGenerationübertragenwür de,wennderpatriarchaleGottdanachstrebt,siezuzerbre chen. Zeus vergewaltigt Leto, die Artemis gebiert (zwar auchApollon,aberzuerstArtemis).ZeusvergewaltigtDe meter,diePersephonegebiert.Poseidon(ZeusderMeere)
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vergewaltigtDemeterErinys,die»dieHerrin« gebiert. In eineranderenVersionvergewaltigtPoseidondieGorgone Medusa,diePersephonegebiert. Aber als Hades Persephone vergewaltigt, geschieht etwas anderes. Es wird kein Kind geboren. Die Mysten rufen zwarwährendderMysteriendenNamen»Iakchos«,aber imMythosselbstistkeineRedevoneinerGeburtinder Unterwelt.ErstamEnde,wenndieGöttinzurückgekehrt ist,gebiertBrimoBrimos. Esklingtplausibel,daßimLandderTotenkeinneuesLe benentstehensoll.Aberwirkönnenauchsagen,daßdie Übertragung aufgehört hat: Persephone übergibt ihre Macht keiner Tochter. Statt dessen findet sie zu eigener KraftundwirdHerrscherinauseigenemRecht,dennHa des beherrscht zwar die toten Seelen, aber er gibt ihnen nichts. Persephone spendet ihnen Trost und mehr, denn dieTeilnahmeandenMysterienversprachFreudeundEr lösung. Als Zeus Demeter vergewaltigt, ist die Göttin machtlos undsuchtstattdessenTrostbeiihrerTochter.AberalsHa desmitZeusHilfeKoreetwasguttunwill,leistetDemeter schließlichWiderstand.IndemsiealsodieseweitereVerge waltigungnichthinnehmen,findensowohldieMutterals auchdieTochterzuihrerKraft.UnddieübrigeWeltzieht Nutzendaraus:WährendPersephoneunsdasLebennach dem Tod bringt, bringt Demeter uns das Leben in Form vonWissenundeinerintensiverenBeteiligunganderPro duktionvonGetreide,dasunsernährt. In ihrem Buch The Laughter of Aphrodite schildert Carol Christ,wiesieundeineGruppeFrauendievielleichter stenorganisiertenRituale,dievon400n.Chr.aninEleusis stattfanden,nachvollzogen.DieFrauenversuchten nicht, etwaszukopieren,wassichimaltenGriechenlandereig nethabenkönnte,sondernsieschufenihreigenesRitual, dasdasBandzwischenMütternundTöchternfeierteund Zeit für jede einzelne Frau einschloß, ihre eigenen Ge schichtenvonTrennungundHeilungzuerzählen.AlsTeil dieserHeilungverwarfensiediepatriarchalenMythen,
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dieunsüberliefertwurden, und griffen statt dessen auf ei nenvonCharleneSpretnakersonnenenMythoszurück.In dieserGeschichtewirdPersephonenichtentführt,sondern sie wächst heran und wird eine Frau. Sie weiß, daß sie »ihreneigenenWegfinden«muß.Siebeginntzuwandern, immer weiter und weiter, und erfährt von Freude und Schmerz, bis sie eines Tages zu einem Abgrund gelangt und die Schreie der Toten vernimmt. Sie ergreift eine Fackel und steigt langsam hinab. Die Schreie der Toten verstummen, als sie das Licht sehen, das sie ihnen ge brachthat.AberDemeteristtraurig,undsostimmtPerse phonezu,einenTeildesJahresinderOberweltundeinen TeilinderUnterweltzuverbringen. DieseVersiondesMythoshilftFrauen,sichselbstalsstark zusehenundBeziehungenzwischenFrauennachihrenei genenBegriffenzudefinieren,ohneMänneralsVermittler. Aber auch die klassischen Fassungen können uns wir kungsvolle Lektionen erteilen. Auf einer soziologischen Ebenekönnensieunshelfen,derWirklichkeitderVerge waltigunginunsererGesellschaftgegenüberzutreten.Be sondersindenVereinigtenStaatenistVergewaltigunger staunlich weit verbreitet – so wie Inzest und Kindes mißbrauch.
PersephonesKraft:InderDunkelheit leuchtendesBewußtsein Bisher haben wir Persephones Begegnungen ausschließ lichalsschrecklicheundzerstörerischeEreignisseundihre RückkehralseinenTriumphüberdieGewaltbetrachtet.In gewisser Hinsicht übernimmt dieser Ansatz,wieesauch dieMysterienselbsttun,DemetersStandpunkt.Aberder Gott,derPersephoneentführt,istderTodselbst,undsie entkommt ihm nicht so einfach. Sie wird mit ihm intim, seineGeliebte,denTodbuchstäblichinihrenunsterblichen Körpereinlassend.IngewisserHinsichtentführtderTod unsalle,dennniemandistwirklichdaraufgefaßtzuster ben,trotzunseresBewußtseins,daßwirihmkeineswegs
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entgehenkönnen.Undwegendieseshartnäckigen Glau bens an unsere Unempfänglichkeit vergewaltigt der Tod jeden von uns und dringt in unsere Körper, einen nach demanderen,ein. Aber Persephone unterliegt nichteinfachdemTod.Und siebesiegtihnauchnichtnachderArteinespatriarchalen Helden,derdenDrachentötet.Stattdessenvereinigtsie sichmitdemTodundwirddadurchzurKöniginderUn terwelt. Indem sie Trost spendet und neues Leben ver heißt, wird Hades verdrängt, obwohl sie offiziell neben ihmherrscht. Wir haben gesehen, wie trostlos und pessimistisch die griechische Vorstellung vom Jenseits wurde, als die olympische Religion sich von den sichselbsterneuern den Zyklen der Natur abwandte. Die Mysterien über wanden den Schrecken des Todes, denn sie stellten die Identifikation der Menschen mit der Saat wieder her, die von der sterbenden Pflanze fällt, um in der Erde zu liegen,verborgenvordemLeben,nurum–wiedurch ein Wunder wiederbelebt – aufzuschießen. Am Ende desletztenRitualszeigtederHierophantdenZelebranten einGetreidekorn.Einigesagen,daßdasKornwiedurch ein Wunder vor ihren Augen zu wachsen begann oder daß frisches Getreide nach der Sommerdürre nicht hätte vorhanden sein können. Die Vision versprach zweierlei: dieWiedergeburtderPflanzenundebensodasLebennach demTod. GewöhnlichwirdinderGeschichtederVerzehrderGra natapfelkerne durch Persephone als ein Fehler, sogar als eineTragödiebezeichnet,denndadurchgewinntderTod Machtübersie.WirkönntendenMythosumschreibenund sagen, daß sie sichdafür entscheidet, dieWirklichkeitdes Todesbereitwilliganzunehmen,denTodzuihremGelieb tenzumachen,sodaßsiedietotenSeelennichtverlassen wird,dieaufsieangewiesensind. WennwirunsKore/PersephonealseineFigurineinerGe schichte vorstellen und nicht nur als ein manipuliertes Symbol,danndrängtsichunseineFrageauf:Wiekommt
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PersephonezuihrerKraft? Wir wissen, was Demeter Kraft gibt. Wir wissen, daß ihr Zorn und ihre Liebe zu ihrer TochtersievoneinemsichgrämendenOpferinBrimo,die Starke, verwandeln. Aber wie gewinnt Persephone ihre Kraft? Was verwandelt sie von einem namenlosen »Mädchen«indieKöniginderToten? Calasso berichtet uns, daß kore nicht nur »Mädchen« bedeutet, sondern auch »Pupille«, und weist darauf hin,daßKoresichihrerselbstbewußtwird,alssiesich inden AugendesHadesgespiegeltsieht.LassenSieuns kurzüberSehenundBewußtseinnachdenken.Dermythi scheNarzißstirbt,weilervonseinemSpiegelbildimWas sergefesselt ist. KoretrenntsichvonihrenFreundinnen, als der Anblick der Narzisse sie fortlockt. Folglichführt dasSehenbeideFigurenwegvomBewußtseinundinden Tod. Und dann tritt eine Veränderung ein: Im Tod wird sich Kore ihrer selbst bewußt, weil sie sich nicht abwendet. TodundSehensindFeinde.Wennjemandstirbt,schließt er die Augenlider; aber Persephone sieht. Bewußtheit ist nicht etwas, das uns einfach widerfährt. Es ist eine Entscheidung, die wir treffen müssen. Kore kommt zu ihrerMacht,siewirdzuPersephone,zuder,dieimDun kelnleuchtet,alssiesichimLandderTotenfürBewußtheit entscheidet.DerTodnimmtsie,sowieeralleSterblichen nimmt,aberandersalsSterblicheläßtdieGöttinesnicht zu,vernichtetzuwerden.DurchihrenSchrittindieSelbst BewußtheitverändertsiedieBedingungendesTodesfür unsalle–abernur,wennauchwirunsunsererselbstbe wußtwerden. Sophokles schrieb: »Dreimal gesegnet sind jene Sterb lichen, die diese Riten erlebt haben und so den Hades betreten; nur für sie gibt es Leben, für die anderen ist alles Elend« (Fragment, zitiert nach Burkert: Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche). Jene, die nichtdieMysterienerlebten,erfuhrendenTodweiterhin aufdiealteWeise,nämlichalsleereSchatten.WeildieEin geweihtendenTodaufeineganzandereWeisewahrnah
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men,wurdensieerlöst.NichtnachderArt Christi, der uns alleerlöst,vorausgesetzt,wirgebenihmdieErlaubnis,in dem wir ihn »akzeptieren«. Persephone verlangt etwas mehr von ihren Anhängern, nämlich daß sie sich ihrer durchdieneunTageihrerMysterienvollundganzbewußt werden. AuchwenndieGroßenMysterienseitlangemausderWelt verschwunden sind, kann Persephone in unserer Zeit zu einemBildunserereigenenBewußtheitwerden.Wirkön nenhierbesondersanVergewaltigungundInzestdenken: PersephoneistdieGöttinalljener,dieSchändungenerfah renhaben.DieBotschaft,diesieihnenvermittelt,istein fach:Werdenichtunbewußt,werdenichtblind.Begibdich indiesenTod,undduwirstihnverwandeln.Duwirstaus diretwasGrößeresmachenalsdieZerstörungdeinerUn schuld. Persephone kehrt durch die Treue und den Zorn ihrer Mutter zurück. Aber sie kehrt nicht einfach für immer zurück und läßt ihre Erfahrung hinter sich. Auch hier kommt sie zu ihrer Macht, zu ihrem Namen. Denn wie kann sie im Dunkeln leuchten, wenn sie nur zum Licht zurückkehrt? Jedes Jahr geht sie eine Zeitlang zu Hades hinunter–zurZeitderSchlange.
PersephoneundDionysos: EkstaseundBewußtsein Ichmöchtenicht,daßwirzueinerAnsichtüberdieseGe schichtegelangen,diemitderRechtfertigungvonVerge waltigungendet.EinigemoderneAutorinnenundAuto renscheinenanzudeuten,daßPersephoneHadesbraucht, damitersievergewaltigt,sodaßsiesichvonihrerMutter lösen und zu einer eigenen Person werden kann. Besteht noch eine andere Möglichkeit, diese Geschichte zu be trachten, gibt es eine andere Version? Wir haben bereits versucht, den entscheidenden Punkt in der Geschichte – denVerzehrderGranatapfelkernedurchPersephone–in demSinneumzuschreiben,daßsiebewußtdieseEntschei
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dung trifft, um dadurch den Tod von ihrem Peiniger zu ihrem Gatten werden zu lassen. Können wir diese Ver wandlungweiterführen? AndieserStellewirdKarlKerenyisIdee(dievonFried rich Schelling, Jane Ellen Harrison und anderen vertieft wurde)wirklichbedeutsam,daßPersephonesichtatsäch lich nicht mit der schattenhaften Figur des Hades, son dernmitdemsehrviellebendigerenWesendesDionysos verbindet.DennDionysosistderGottderEkstase,undes ist ein erheblicher Unterschied, von Ekstase hingerissen odermitGewaltgenommenzuwerden.DasWortEkstase bedeutet»außerhalbstehen«,dasheißtaußerhalbunserer selbst, herausgehoben aus dem engen Gehäuse der ge wöhnlichen Wahrnehmung. Aber wenn Ekstase uns aus unseremSelbstherausführt,führtsieunsinunserenKör per hinein zu den Offenbarungen, die sich einstellen, wennwirunserSelbstdemVerlangendesKörpershinge ben. DerHomerischenHymneentnehmenwir,daßsichdieEr de in der Ebene von Nysa auftut, »benannt nach dem dionysischen Berg Nysa« (Kerenyi). Dort heißt es ferner, daßHadesKoreinseinemWagendurchdieWeltfährt,be vorersiezurückindieUnterweltamFlußKephisosbei Eleusisbringt.DerNamefürdenOrt,andemsichdaser eignet,lautetErineos,dasWortfüreinenwildenFeigen baum, der dort wächst. Der wilde Feigenbaumwardem Dionysosgeweiht:AufNaxoswurdeausseinemHolzeine MaskedesGottesgeschnitzt.Undzugleichkündigenwil de Feigenbäume in Griechenland oft einen Eingang zur Unterweltan.SogarnochheutefürchtetmancherGrieche, daßdasSchlafenuntereinemFeigenbaumUnglück–oder denTod–bringenkann. Der Philosoph Heraklit schrieb: »Hades ist mit Dionysos identisch.«SowohlderTodalsauchdieEkstaseführenuns überdieGrenzendesEgohinaus.KerenyivertrittdieMei nung, daß Demeters Weigerung, Wein zu trinken, von ihrem Zorn auf den Weingott herrührt, der ihre Tochter entführthat.VongrößererBedeutungist,daßeinearchai
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scheVasenmalereiPersephonemitDionysos in einer Pose zeigt, die auf eine eheliche Verbindung schließen läßt (Dionysos hält ihr einen Becher hin), während Demeter und Hermes von der Seite aus zusehen. Ähnlich finden wir auf Vasen, die Triptolemos zeigen, Dionysos auf der anderenSeitedargestellt. Wir haben gesehen, daß in der arkadischen Version des MythosDionysosalsPersephonesSohnbezeichnetwird. EsbestehteingroßerUnterschiedzwischeneinemVater gott,derseineTochtervergewaltigt,undeinerMuttergöt tin,diesichihrenSohnalswilligenGeliebtennimmt.Der erste Fall begründet das Gesetz der Gewalt. Der zweite wiederholtdasprähistorischeDramavonderEinheitzwi schen der Mutter und dem Kind, das in ihrem Körper wuchs,zwischenderewigenErdeunddenPflanzen,die wachsenundsterbenundzurückkehren. DemetersGemahlaufKreta,Zagreus,wurdeebenfallsmit Dionysos gleichgesetzt. Demnach werden Demeter und Persephone eins, während Zagreus / Hades / Dionysos zumGeliebtenwird,derstirbt,indieErdegehtundsich selbstersetzt.WiedereinmalerinnernwirunsanDiony sosZerstückelung.DasZerteilendesGattenmachteden Gott dem geernteten Weizen und der Rückkehr des Sa mensindieErdegleich.WirkönnenBrimos,denSohnder Göttin,alsdenwiedergeborenenDionysosmitPersephone alsBrimo,seinerMutter,erkennen,sodaßsichamEnde der MysterienderKreislückenlos schließt. Esseianden WeizenoderdieGersteimletztenRitualerinnert,derwie durcheinWunderwächst. WardiewahreIdentitätvonPersephones»Entführer«Teil desGeheimnissesamEndederMysterien?Das,wasnicht ausgesprochen werden kann, könnte eine Manifestation von Persephone selbst enthalten haben, entweder durch einePriesterindargestelltoderinFormeinerVision,her vorgerufendurchGebeteunddieIntensitäteinerneuntä gigenmystischenFeier(EineVisionistnichtdasselbewie eineHalluzination;einUnterschiedbestehtdarin,daßbei einer echten Vision alle Anwesenden dasselbe sehen.).
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KönntedieseOffenbarung das Wissen um eine heilige Ehe im Reich der Toten zwischen der Göttin des Lebens und demGottderEkstaseeingeschlossenhaben?
DasGeschenkdesAckerbaus Politisch betrachtet symbolisiert der Mythos von Demeter undPersephonedenEinfallderpatriarchalenStämmein die alte matrifokale Ordnung. Wo sich zuvor die heilige Welt zwischen der Mutter, ihrer Tochter und ihrem Sohn/Gemahlbewegte,reißtnunderherrschendeMann, Zeus/Poseidon/Hades,dieMachtansich.Demeterwider setzt sich dieser Veränderung und macht deutlich, daß, wennihreTochtersterbenmuß,auchdieWeltsterbenwird. AlsPersephonezurückkehrt,stelltsiedenStatusquonicht wieder her; die matrifokale Welt ist verschwunden. Statt dessenerringtsieeinenSiegüberdiesimpleGewalttätigkeit derEindringlinge.DasLeben–dasLebendesSamens,der bereitwilligindenBodenzurückkehrt–wirdstärkeralsder Tod. Gewalt kann den Körper der Göttin nicht zerstören, dennihrKörperistdieWeltselbst.Menschen,diedieMacht desLebenserkennenundseinenZwilling,denTod,bereit willigannehmen,überwindenihreAngst,ihrEntsetzenund ihrenZorn.Siesind»dreimalgesegnet«undfreivonAngst, freivonZorn,frei,sichmitderErdezuvereinigen. Demetererkennt,daßsiediealtenWegenichtwiederher stellen kann. Dafür macht sie der Welt zwei große Ge schenke, die Mysterien und den Ackerbau. Zusammen versetzensiediemenschlicheKulturaufeineneueEbene. Kore und ihre Gefährtinnen, die Wildblumen pflücken, verkörpern den alten Weg der JägerSammler; Demeters Gemahl,Zagreus,galtnichtnuralsJäger,sondernauchals HerrscherüberdieUnterwelt.Aberjetztbewegtsichdie Menschheit hin zum Ackerbau. Der Kreis schließt sich nichtwirklich,sondernöffnetsichzueinerSpirale. DemeterüberwindetdenWiderstand,umeinneuesWissen insLebenzurufen.AmAnfangderGeschichtetauchtHades plötzlichinseinemWagenauf,umKorezurauben;später
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fährtPersephoneindemWagenohneihn zurück. Vasenma lereien zeigten Triptolemos in seinem Wagen um die Welt reisend,umdenMenschendenAckerbaubeizubringen.Als ausdem»dreifachenKrieger«der»dreifachePflüger«wird, hatdieewigeWahrheitderMutterdieAggressionderur sprünglichenmännlichenEindringlingetransformiert. Der Mythos und die Mysterien zeigen uns einen Weg, die Schuld daran, die Erde durch Ackerbau zu verletzen, zu überwinden. DennsowohlderPflug alsauchdas Schwert stelleneineAggressiondar,diejetztgegendenKörperder Mutter gerichtetist.Wirhaben erfahren,daß die Indianer undandereNaturvölkerdasPflügenalseineSündebetrach ten,alseinAufschneidenderBrustihrerMutter.WeilPerse phonesichdemTodstellt,kannDemeterdenAckerbauzum Geschenkmachen,dasdenMenschenalleSchuldnimmt.
Sexualität,VerlustundVersöhnung In einem engen kulturellen Sinn erzählt die Geschichte auchvondenindoeuropäischenStämmenmitihrenKrie gergöttern,diedieJahrtausendewährendeGöttinnenherr schaft im alten Europastürzten.JedochhandeltderMy thos ebenfalls von der weiterreichenden Geschichte der EntwicklungderSexualität.FürdengrößtenTeilderGe schichte des Lebens auf der Erde vollzog sich die Fort pflanzung durch die »Teilung« der Zellen. Die »Mutter« spaltetesichinzwei»Töchter«,diegenaueKopiendesOri ginals darstellten. In der griechischen und römischen KunstsindDemeterundPersephoneidentischdargestellt. AneinemgewissenPunktkameszueinerMutation,die etwasNeuesentstehenließ,nämlichdenMann.DerMann drängtesichindievollkommeneEinheitvonMutterund Tochter.VondiesemAugenblickanwarendieKindernicht längerKopienihrerMutter. Die Entwicklung von Sexualität bringt den Tod mit sich. Einzellige Organismen sterben eigentlich nicht, sondern sieteilensich,unddiezweiTöchterführendasLebender Mutterdirektweiter.WennTöchterund Söhne aus der
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Vereinigung eines männlichen und eines weiblichen El ternteilshervorgehen,werdensieetwasNeues,eineinma ligesKind,dasnichtdasgleichewiebeideElternteileund mehralseineKombinationvonihnenist.Aberjetztstirbt die Mutter, anstatt Kopien von sich selbst zu erzeugen. Persephones Entführung symbolisiert diesen Verlust der zellularen Unsterblichkeit. Ihre Rückkehr bedeutet die MöglichkeitderAussöhnung,jedochnichtdieWiederher stellungdesvorherigenZustandes.Dennsiekehrtnichtzu ihrerUnschuldzurück.SiehatdieSamendesTodesund des Wissens gegessen. Sie ist zu mehr geworden, als sie war,durchBewußtseinundExistenzinderWeltderLe bendenundzugleichinderWeltderToten. »DerMythosvonMutterundTochter«,schreibtdieDich terinDianediPrima,»istkeinMythos,dervomBesiegen handelt (wie in Mythen von Sohn und Vater), ... sondern einervonVerlustundWiederfinden.«Alssolcherspricht erunsallean,sowohlMänneralsauchFrauen,dennwir allehabendieEinheitverloren,diewiralsFötenkannten, alswirimUniversumdesBauchsunsererMutterlebten. InEleusiswurdenalleZelebrantenmitDemetergleichge setzt.Männer,dieteilnahmen,erhieltenNamenmitweibli chenEndungen.AlleMystentrugendiegleicheKleidung, einfache Kittel, die später als Windeln für Babys benutzt wurden. Ein römischer Kaiser, der in Eleusis eingeweiht wurde,trugdenTitel»Göttin«aufMünzen,dieseinGe sichtzeigten.IndenAnfangsstadienderMysteriensaßen alleEingeweihtenaufHockernundbetrauertendenVer lustKores,sowieDemeteramBrunneninEleusisgesessen hatte.Dadurch,daß siezuDemeterwurden,konntensie alle den Verlust des Kindes und die Freude über seine Rückkehrerleben. InunsererGesellschaftistesüblichgeworden,daßFrauen denmännlichenMythosvomSturzdesVaterserleben,be sondersamArbeitsplatzoderinanderenBereichen,inde nensichFrauenAufgabenundProblemeninderAußen welt gegenübersehen. Weniger üblich ist es, daß Männer undsogarbiszueinemgewissenGradeFrauendenMy
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thosvonVerlustundRückgewinnung,der den Mysterien innewohnt, durchleben. Die Identifikation mit Demeter würdeesMännernundFrauenermöglichen,denSchmerz darüber zu erfahren, was auch immer sie verloren haben. Frauen brauchen das ebensosehr wie Männer, denn die »Weiblichkeit«einesMythosbedeutetnicht,daßalleFrau ensiezwangsläufigerfahren.Vielmehrbenötigenwiralle Wege, um Mythen in unser Leben einzubringen. Ange sichts der Tatsache, daß mehrere tausend Menschen, die neunTagelangalseineGemeinschaftlebtenunddieglei chenDingetaten,dieMysterienzelebrierten,müssendie letzten Augenblicke voneinerüberwältigendenIntensität durchdrungengewesensein. Bei den Mysterien wurden alle Teilnehmer zur Mutter. VielleichthabensiesichauchstarkmitPersephoneidenti fiziert,wennsieamEndezurückkehrt,besonderswennsie ihnen in einer Vision erschien. Und vielleicht haben sie sichindemSohngesehen,deramEndeverkündetwurde, inBrimos,derderBrimogeborenwurde. DasWunderderFortpflanzungkannalsdasEinebezeich netwerden,dasZweiwird,dievielewerden.Dereinzelli geOrganismusteiltsichundverdoppeltsich,abereigent lich bleibt er einer, denn sie sind identisch. Mit der Ein führungdesManneswirdeineandereArtvonZweimög lich.AusihrerVerbindungentstehendievielen,dieganze Vielfalt des Lebens. Und zugleich tragen wir in uns das Gefühl, etwas verloren zu haben. Der Tod bringt uns zu demEinenzurück,dennunserKörperfälltzurückinden KörperderErde.DieMysteriengabendenZelebrantendie Möglichkeit, durch eine andere Wahrheit als den Tod zurückzukehren. Durch das kollektive Ritual verbanden sichdievielenundmachtendieErfahrungderZwei,der MutterundderTochter,durch,umschließlichzumWissen umdasEinezurückzukehren–zurEinheitundzumfort dauerndenLeben,dassichimKörperderGöttinfindet. Hye!Kye! Regne.Empfange.
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DerlebendigeKörper Alleslebt,alles tanzt und alles tönt. LiedderPygmäenGabons ImaltenGriechenlandwurdedieGöttindurchGeschich tenerzählen, Rituale, Prozessionen, den Bau von Tempeln undOpferungenlebendig.Heutekehrtsiezuunszurück durchdieArchäologie,intuitiveOffenbarungen,Geschich tenerzählen,Rituale,KunstundeineArtvonWissen,die vieleMenschenfürdasGegenteilvonReligionhalten–die Naturwissenschaft. In der GaiaTheorie von James Love lock,LynnMargolisundihrenMitarbeiternwirddieErde als ein lebender Organismus bezeichnet, als ein einziges Wesen,dassichteilweiseausdenvielenkleinerenOrga nismen zusammensetzt, die auf seiner Oberfläche leben. Sie schlagen das nicht als Metapher vor, sondern als tatsächlicheBeschreibungderWelt.Wirhabenunssosehr darangewöhnt,Mythen,GötterundGöttinnenfürSymbo lezuhalten,daßwirvielleichteinenAugenblickbrauchen, umunsdieRadikalitätderBeschreibungdesPlanetenals einrealesLebewesenbewußtzumachen.DasKonzepter möglichtesuns,dieganzeKraftdesMythosalseineGe schichte,diesowohlphysisch,alsauchmetaphorischwahr ist,zurückzugewinnen.DieGaiaTheoriegibtdenMythos derWissenschaftzurückunddieWissenschaftdemMy thos. WennwirüberdieGaiaTheorienachdenken,könnenwir feststellen,daßsiesogarmehrbewirkt,alsunseinnüchter nesBildvoneinerlebendigenGöttinzurückzugeben.So bald wir lernen, den Planeten als ein Lebewesen zu be trachten, können wir dieses Bewußtsein in verschiedene Richtungen ausdehnen. Ist das Sonnensystem lebendig? Und die Galaxien? Und wenn wir und die anderen Ge schöpfe,dieaufderErdeleben,sowohlunabhängigeWe
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senalsauchBestandteileinesgrößerenSeins sind, was ist dann mit der unermeßlichen Anzahl der unsichtbaren Mikroorganismen,dievonundinunserenKörpernleben? WelcheRollespielensieimBauplanunseresKörpers?Und wenn wir von dem gewaltigen Organismus Gaia lernen können,waskönntenwirdannvonBakterienlernen?
DieGaiaTheorie HeutzutagesinddenmeistenMenschenFotosvonderEr de vertraut, die Astronauten im Weltraum aufgenommen haben.DieeleganteKugelausBlauundwirbelndemWeiß hatvieleMenschendurcheinGefühlfürdieEinzigartig keitdesPlanetenundmanchmaldurcheinGefühlfürsei ne Zerbrechlichkeit berührt. Eine Gruppe von Wissen schaftlernunterderLeitungvonJamesLovelockundLynn MargolisbeflügeltendieBilderzueinerrevolutionäreren Idee–daßdieErdeeineinzigerlebenderOrganismussein könnte.InseinemBuchGaia:ANewLookatLifeonEarthbe zeichnet Lovelock dieses Konzept als die »GaiaHypothe se«,einvondemRomanschriftstellerWilliamGolding(der in seinen Büchern oft die psychologische Wahrheit von Mythen erforscht) vorgeschlagener Begriff. In jüngeren SchriftenhatLovelockerklärt,daßerundseineKollegen genügend Beweise gesammelt hätten, um die »GaiaHy pothese«zur»GaiaTheorie«zumachen. AufdenerstenBlicksiehtdieGaiaTheoriewieeineWei terführungdesökologischenGedankensaus.ElisabetSah tourisweistinihremBuchGaia:VergangenheitundZukunft der Erde jedoch auf den grundlegenden Unterschied hin. DieÖkologiebefaßtsichmitderEinheitdesLebensaufder Erde.NachderGaiaTheorieistdieErdeaberselbstleben dig. Der Unterschied entspricht etwa dem zwischen der Beschreibung aller Mikroorganismen, die auf der Haut unddemPanzereinerSchildkröteleben–unddemErken nenderSchildkröteselbstalseinzelnesTier. DieUrsprüngederGaiaIdeereicheneigentlicheinigeJah revordieberühmtenAstronautenfotoszurück.1965trat
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dieNASAanLovelock und Dian Hitchcock mit der Bitte heran,geplanteExperimentezuprüfen,mitdenenfestge stellt werden sollte, ob auf dem Mars Leben existiere. In ihremBemühen,sichvonderAnnahmefreizumachen,das LebenaufdemMarsmüssegenausoaussehenwieaufder Erde, beschlossen die zwei Wissenschaftler, die Marsat mosphäreaufProzessehinzuuntersuchen,dienichtallein durch anorganische chemische Zusammensetzungen zu rechtfertigenwären.Tatsächlichfandensieheraus,daßdie Marsatmosphärechemischimmerstabilbleibt. AlssiejedochdieErdeuntersuchten,stießensieaufMe than, ein instabiles Gas, als »Beweis« für das Leben (das heißt ein Beweis, der unabhängig von der Beobachtung derinReichweitebefindlichenkonkretenLebewesenist). Methan ist ein Nebenprodukt lebender Organismen. Dies führtesiezuderFrage,wieesderErdegelungenwar,trotz des Vorhandenseins äußerst instabiler Gase eine gleich bleibende atmosphärische Zusammensetzung beizubehal ten.EskamihnenindenSinn,daßdieLuftnichteinfach einelebloseUmgebungist,sondernvielmehreinengrund legenden Bestandteil des Lebens darstellen könnte. LovelockvergleichtdieLuftmitdemFelleinerKatzeoder dem Papier eines Hornissennestes – nicht tatsächlich le bendigansich,sondern»vonlebendenWesengeschaffen, umeineUmweltzuerhalten«. Lovelock und seine Kollegen betonen nachdrücklich, daß sienichtbehaupten,dieErdehabeeinBewußtsein,ganz zuschweigenvoneinemgöttlichenBewußtsein.Sievertre tennichtdieAnsicht,daßderPlanetdasselbeistwiedie griechische Göttin. Für viele jedoch ist es genau diese Möglichkeit, die die Idee neue Denkweisen erschließen läßt.WilliamIrwinThompsonweistinseinemBuchIma ginaryLandscapesdaraufhin,daßLovelockundseineMit arbeiter den Namen zum Teil wegen seiner dramatischen Wirkung gewählt haben. Wenn sie die Hypothese als »Homöorrhetische Mechanismen der planetarischen Dy namik«bezeichnethätten,soThompson,hättesieniemals dieselbe öffentlicheAufmerksamkeit erfahren.
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Thompson gibt zu verstehen, daß der Name die Öffent lichkeitangeregthatanzunehmen,daß»Gaia«sowohlbe wußtalsauchlebendigist.AberThompsonempfindetdas nichtalseinenFehler.AlsForscher,dersichmitderinder SteinzeitnochexistierendenEinheitvonMythosundWis senschaftbeschäftigt,schreibterüberdie»uralteKosmolo gie,diehinterdenFelsenundStrömenderGaiaHypothe seschlummert«.
Körperwärme WennWissenschaftlerdieErdenichtalseinbewußtesWe senbetrachten,wasbedeutetesdann,sielebendigzunen nen?EinHauptpunktinderGaiaTheorieistmitderIdee der Selbstregulierung verbunden. Lebende Organismen verändernbeispielsweisedieKörpertemperaturalsReak tionaufVeränderungeninderUmgebung.Lovelockzufol ge verhält sich die Erde nicht anders; seit Millionen von JahrenhältsiedieUmgebungstemperaturannäherndkon stant,trotzderTatsache,daßdieSonneüberdiesenlangen Zeitraum hinweg stetig wärmer geworden ist. Lovelock vermutet,daßdieLeistungderSonneindieserZeitspanne seitdemUrsprungdesLebenszwischen30und50Prozent angestiegenist.UndtrotzdemistdieErdtemperaturallen Belegenzufolgeunverändertgeblieben. EineErklärungsmöglichkeitdafürwäre,daßeineGashülle ausAmmoniakoderKohlendioxiddieErdeinderFrühzeit warm gehalten hat, als die Sonne noch nicht diese starke Wärmeerzeugte.AlsdieSonnewärmerwurde,schwand dieHülleallmählich,umdieTemperaturaufdemPlaneten konstantzuhalten.Nunklingtdaszwarsimpel,abereswä reinderTateinbemerkenswerterVorgang.Essetztvoraus, daß die Erde irgendwie ihre überschüssigen wärmenden GaseimgenaurichtigenTempoüberMilliardenvonJahren hinweg umwandeln könnte, nicht zu schnell und nicht zu langsam,umdieTemperaturkonstantzuhalten. Wir könnten annehmen, daß die Zunahme der Wärme selbstdieSchwundratedesGasesregulierte.Lovelockzu
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folgeistdasnichtsoeinfach.Erweistdaraufhin,daßdie TemperaturderErdevoneinerSeitedesPlanetenzuran derennichtgleichbleibendist;sieändertsichvondeneis kalten Polen zur Hitze des Äquators. Der Grund dafür liegtdarin,daßdasLichtnichtüberallindergleichenIn tensität auf den Planeten fällt. Eine solche Komplexität machtesschwer,einenstarrenchemischenVorganganzu nehmen, der die konstante Durchschnittstemperatur der ErdeangesichtsderimmerstärkerwerdendenWärmeder Sonne erklären würde. Statt dessen behauptet die Gaia Theorie,daßderPlanetseineWärmeselbstreguliert.
KulturelleAnnahmen Esfälltunsschwer,dieErdealseinLebewesenzuerken nen,zumTeil,weilwirselbstaufihrleben,zumTeil,weil dieErdesovielgrößeristalswir–undzumTeil,weilwir gelernt haben, uns den Planeten als einen leblosen Fels brocken vorzustellen, der die Pflanzen und Tiere birgt, welche wir für lebendig halten. Andere Kulturen finden dieIdeewenigermerkwürdig,dennvieleMenschenbe greifen den Planeten als organisch, als dieuralteMutter, dieGöttin.AmadouHampoteBaschreibt,daßmansichim Sudan»dieErdealseinLebewesenvorstellt.Siewächst, sienimmtab,siestirbt.« AuchunsereKörperenthaltenriesigeMengenLebewesen. Wirkönnenunsdenken,daßBakterienunswegenunserer ungeheurenGrößenichtalslebendigerkennen.EinLebe wesen setzt sich aus anderen Lebewesen zusammen, von denenjedeseinenunabhängigenOrganismusdarstellt.Zur gleichen Zeit funktioniert es als ein Ganzes und hat eine Grenze,dieFormverleihtundesvonseinerUmgebungun terscheidet.EinKatzenfell,diemenschlicheHautunddie Atmosphäre der Erde haben ähnliche Funktionen. Doch zugleichistdieBegrenzungniemalsabsolut,niemalseine Barriere für uns oder die Erde. Lebewesen können nicht gänzlich von der Umgebung getrennt leben. Das Leben verlangt,daßwirEnergiemitderWeltaußerhalbunserer
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selbstaustauschen.Menschen verzehrenandere Wesen, ob PflanzenoderTiere.WirformenihreSubstanzundEnergie zuBestandteilenunsereseigenenKörpersum.Wirschei denAbfällezurückindieUmgebungaus,wosiedannals Dünger dienen, das heißt als Nährstoffe für Lebewesen außerhalbvonuns.MitjedemAtemzug,denwirtun,emp fangenwirdasGeschenkdesSauerstoffsvondenPflanzen umunsherumundgebenKohlendioxidzurück.DieErde alseinGanzesempfängtLichtvonderSonneunddenan derenSternenundgibtWärmeundGaseindenRaumab. Unsere Erziehung hat uns gelehrt, daß wir, die Pflanzen unddieTierelebendigsind,aberandereAspekteunserer Welt nicht. Viele andere Kulturen jedoch betrachten alle TeilederWeltalslebendig.Wirneigendazu,dieseAnsicht fürprimitivodernaivzuhalten–abervielleichtsindwir diejenigen mitdem zustarkvereinfachendenVerständnis vomLeben.
DieDefinitionvonLebenerweitern DerUnterschiedzwischenlebendigundnichtlebendigbe ginnt sich aufzulösen, wenn wir unsere eigenen Körper und die anderer Lebewesen betrachten. Knochen, Haare, PanzerundSchuppenkönnenallesamtalsanorganischbe zeichnetwerden.Sahtouriszufolgebestehen95Prozentei nesMammutbaumstatsächlichaustotemHolz,undtrotz dem lebt der Baum. Sie schreibt außerdem, daß Gestein sich über unermeßliche Zeiträume hinweg in Lebewesen verwandelt,diesichdannschließlichwiederzurückinGe steinverwandeln.FastalleSteineaufderOberflächedes Planeten bestehen aus Atomen, die einst zu Lebewesen gehörten. Und diese Atome kamen ursprünglich von den Steinen früherer Zeitalter. Ein großer Teil des Staubes in unserenHäusernrührtvonHauther,diesichvonunseren KörpernimLaufedesTagesgelösthat.UnddieErdeselbst und alles auf ihr rührt vom Sternenlicht her, denn der Staub, derursprünglichdiePlanetenbildete,entstandals dieÜberresteexplodierenderSterne.
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Wennwir anfangen,den Planeten als lebendig zu betrach ten, erweitern wir unsere Definition des Lebens immer mehr. Trotz fortwährender Ausdehnung und Bewegung durch den Raum behalten Galaxien eine festumrissene FormundfestumrisseneGrenzen.KönnenwirunsGalaxi enalsorganischvorstellen?AufunseremPlanetenbringt dieNaturvielmehrZellenundSamenhervor,alsgenau genommen notwendig wären. Der Überfluß läßt eine großeMengewegsterben,währendeinkleinerProzentsatz lebendigwirdundOrganismenbildet.Vielleichtstellento tePlanetendieüberschüssigenZellenvonGalaxiendar. Die GaiaTheorie führt uns zu der mächtigen Ahnung zurück,daßdasLeben–undsogardasBewußtsein–auf allenEbenendesSeinsexistiert.»Alleslebt,allestanztund alles tönt.« So viele Mythen von der Göttin als Kuh be zeichnendieMilchstraße,unsereGalaxis,alsdieMilchaus ihremKörper.DochzugleichbleibendieseMythenfürdie meistenvonunsnetteGeschichten,psychologischeMeta phern vielleicht, aber keine Beschreibungen der realen Welt.DieGaiaTheorieerschließtdenWegzueinerneuen EinheitvonWissenschaft,MythosundIntuition. IndieserEinheitwirddieWissenschaftderBiologiewich tigundaufregend–lebendig.Alsichheranwuchsundna turwissenschaftlichen Unterricht in der Schule hatte, schiendieBiologienochnichtsoaufregendzusein.Dort umfaßte sie überwiegend Systematik, lange Listen von Klassifizierungen.ZuderZeiterwartetenwirvonderPhy sik Poesie, Geheimnisse. Mit dem plötzlichen Erscheinen von Gaia dort, wo wir es am wenigsten erwartet hätten, wird die Biologie zu einem neuen Brennpunkt des Stau nens.SowiedieRückkehrderGöttindieRückkehrderGe schichte bedeutet, so bedeutet die Rückkehr Gaias die RückkehrdesKörpersunddesWissens,daßderKörper– unserKörper,derKörperderErde–inderWeltderObjek teundgleichzeitiginderWeltderGeschichtenexistiert.
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DerzerstückelteKörper Die vielen Mythen vom zerstückelten Körper der Göttin entstehen aus dem Gefühl heraus, daß alles lebendig und zugleich in Stücken ist. Das ist keine intellektuelle Deu tung,sondernvielmehreinetiefeIntuition.Undsorufen wirGeschichtenvoneinerGöttininsLeben,dieihrenKör peropfert,umdieWeltzuerschaffen.NachderUrknall theorie der modernen Wissenschaft entstand die ganze ExistenzalseineEinheit,zusammengebundenineinerArt vollkommenem Ei, dem sogenannten Urstoff. Der Urstoff explodierteinLichtundEnergie,vondenensicheinTeilin dieMasseteilchenumwandelte. DieUmwandlungvonLichtenergieinMaterieentspricht Einsteins Gleichung E=mc2. Sie erfordert eine Bindung vonenormenEnergiemengen,denndieGleichungbedeu tet »Energie ist gleich Masse multipliziert mitdemQua dratderLichtgeschwindigkeit«.DieLichtgeschwindigkeit istsogroß,daßeinekleineMengeMaterieenormeEnergie enthält. Atombomben beweisen diese Tatsache auf eine schrecklicheWeise,aberwennwirvondieserzerstöreri schen Anwendungsmöglichkeit einmalabsehen,gibt uns die Beziehung von Materie und Energie viel Stoff zum Nachdenken. Wirkönntenunsere Körperzusammen mit derübrigenMateriealslangsamergewordenesLichtbezeich nen. InderKabbalaTraditiondesjüdischenMystizismusfin denwireinederUrknalltheorieverblüffendähnlicheIdee. Hiererfahrenwir,daßGottseinLichtvoneinemeinzel nen,unkennbarenPunktaussendete.GottlenktedasLicht in»Gefäße«hinein,diesichalszuschwachherausstellten, umdieKraftaufzunehmen.Siezerbrachen,umunserUni versumzubilden.WirlebenalsoineinemUniversumaus zerbrochenen Teilen. Davon rühren unser Schmerz und unsere Angst her, unsere nicht verwirklichten Hoffnun gen,unsereFeigheitundunserHaß,unseregescheiterten Liebesbeziehungen und all die Schwächen, die uns von einanderundvonunseremwahrenSelbst trennen. Und
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zugleich bleibtdasLicht des vollkommenen Seins erhal ten,eingebettetindieScherben. So viele (auch wissenschaftliche) Mythen betrachten das Universum als bruchstückhafte, endlose Teile, die nicht länger zusammenpassen, nicht länger ein vollständiges undlebendesWesenbilden.DieGaiaTheorieführtunszu der Möglichkeit, daß der Körper der Göttin ganz bleibt, währenderzurgleichenZeitdieunendlichenBestandteile derSchöpfungenthält. Die Theorie antwortet auf etwas tief in uns, auf ein Be wußtsein,dasdaraufbesteht,daß,wennichlebe,auchal lesanderelebt.BakterienlebenihreigenesLebenundbil den zugleich einen Teil unseres Körpers. Unser Körper nimmt am Leben des Planeten teil, der wiederum seinen PlatzimKörperdesSonnensystemseinnimmt.Obwohlei ne Einheit in sich, hilft das Sonnensystem trotzdem, die Galaxiszubilden.DieGalaxiennehmenaneinemkomple xen Tanz von »Sternclustern« und »Supersternclustern« teil, die schließlich das Universum bilden, dessen bloßer NameseineGanzheitbeschreibt.Könnenwirdieseminne renGefühlfürdasUniversumalsriesigem,physischund spirituelllebendigemOrganismusvertrauen? DerNameGaiafürdasplanetarischeSeinpaßtsehrgut, trotzseinesUrsprungsauseinerbestimmteneuropäischen Kultur. Denn Gaia verkörperte die Erde in der grundle gendsten Form des Planeten. Gaia war das erste Wesen, selbsterschaffen, vor allen späteren Stufen der Evolution unddermenschlichenEntwicklung.Wirkönntenebenfalls an den indianischen Ausdruck »Großmutter« für die früheste Schöpfung denken. Aus der Wissenschaft ist uns bekannt, daß unser Planet nicht aus dem Nichts heraus entstand,sondernsichausStaubineinembereitsMilliar denJahrealtenUniversumbildete.Abermythologischbe trachtetkönnenwirGaiafürden Kosmos,sogardenUr stoffhaltenunddiesenNamenebensofürdenplanetari schenOrganismusverwenden.
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Einselbsterschaffenes Universum AnhängervontranszendenterReligionlehnenoftdieIdee eines selbsterschaffenen Universums ab. Woher kam das Universum,wendensieein:Etwas–jemand–mußeser schaffenhaben.AberwirkönnendasgleicheüberGottsa gen.WoherkamGott?Gottentstandnichteinfachausdem Nichts,jemandmußihnerschaffenhaben.Anirgendeiner StellemüssenwirdieStreitfragehinterunslassen.Indem Beharren darauf, daß Gott die Natur erschaffen haben muß,liegtdieAnnahme,daßdieNaturzuunvollkommen ist, zu unordentlich, zu lebendig, um die »wahre« Welt darzustellen.WirsterbeninderNatur.UnsereKörperbe gehrenunmöglicheDinge,zufliegen,ewigzuleben,voll kommenmitanderenWesenzuverschmelzen.Wirkön nenunsereWünscheoderunsereKörpernichtkontrollie ren. Sie werden krank und nutzlos. Sie bringen uns mit ihren Sehnsüchten und ihrem Schmerz in Verlegenheit. Undsosehnenwirunsnachetwas,dasvollkommenerist, daslosgelöstvomSchmutzderKörperist.Unddasakzep tierenwirdannalswahr,alsselbsterschaffen. Aber für diese Transzendenz zahlen wir einen Preis. Wir gebenunsereeigeneWirklichkeitauf.Wirwerdenmitdem Leben,sowieesexistiert,aufstiefsteunzufrieden.Wenn wir uns Gott als vollkommen und losgelöst vorstellen, dann werden wir versuchen, uns auch vollkommen zu machen,losgelöstvomKörper,unveränderlich.Imklassi schen Griechenland bezeichneten Pythagoras und Platon diewahreExistenzalsGeometrie,alsdurch»reine«Ver nunftzugänglicheIdealformen. InvielenmodernenWissenschaftenstrebenwirnacheiner anderenArtvonVollkommenheit,dereinerMaschine,die immerdieselbeFormbehältunddiegleicheTätigkeitim mer wieder verrichtet. Wir versuchen, den Körper und vornehmlichdasGehirnalseineArtMechanismuszube schreiben–alseinPumpsystem,eineUhr,eineTelefonzen trale, einen Computer – was immer die aktuelle Mode auchgebietet.AberesbestehteinwichtigerUnterschied
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zwischen Maschinenund Organismen. Organismen funk tionieren nicht jederzeit auf dieselbe Weise. Durch die GaiaTheoriefangenwiran,einGefühlfürunsselbstund dasUniversumalsdynamischesWesenwiederzuerlangen, verfaulendundwachsend,sichewigverändernd.Leben dig.
LebeninZusammenarbeit DieIdee,daßzwischenLebenundNichtLebenkeineech tenGrenzenexistieren,führtunszueinerVisionvonder Welt, die nicht auf Wettbewerb beruht, sondern auf Zu sammenarbeit. William Irwin Thompson weist auf zwei konkurrierendeTheorienüberdenUrsprungdermensch lichen Kultur hin. In der einen Theorie beginnt die MenschheitmitderHerstellungvonWerkzeugenundvor nehmlich Waffen. Die Technologie des Tötens wird zur grundlegendenmenschlichenHandlung,dieunsvonan deren Spezies unterscheidet. In der anderen jedoch ent steht die menschliche Kultur durch das Teilen von Nah rungsmitteln. Obwohl die erste Theorie noch immer großen Einfluß in unserer technologischen und militäri schen Welt hat, weist immer mehr auf die zweite hin. Tatsächlich erfordern sowohl das Jagen als auch das Sammeln Zusammenarbeit und Informationsaustausch. Thompson zufolge hat Glynn Isaac Hinweise darauf ge funden, daß die frühesten Vormenschen, die Protohomi niden,kollektiveAnstrengungenunternahmen,umNah rungsmittel von gefährlichen Orten dorthin zu bringen, wo sie sie alle in Sicherheit miteinander teilen konnten. UndesseianAlexanderMarshacksIdeeerinnert,daßdie menschliche Kultur ihren Anfang mit »Geschichten« nahm.AuchGeschichtenimplizierendasMiteinanderTei len,denneineGeschichteverlangteineZuhörerschaft. LynnMargolishatimRahmenihrerForschungüberBak terien eine Theorie zur Zusammenarbeit auf der grund legendsten Lebensbasis selbst entwickelt. Während Love locksichinseinerKonzentrationauf»planetarischeDyna
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mik«hauptsächlichingigantischenDimensionen bewegt, hatMargolisdieandereRichtungeingeschlagenundbe schäftigt sich mit den Organismen, die in den größeren, von uns normalerweise als Lebewesen erkannten Ge schöpfenleben.MargolishältBakterienfürdieUrlebens formaufGaia.VomStandpunktderBakterienauskönnten wir Menschen als Transport und Versorgungsmechanis menbezeichnetwerden. Im naturwissenschaftlichen Schulunterricht haben viele vonunsgelernt,BakterienalsFeinde,alsKrankheitsüber trägerzubetrachten.AndieserAnsichtistnatürlichetwas Wahres. Zudem stammt diese Idee teilweise von dem Wunsch her, unsere Körper als völlig getrennt von der Welt zu sehen: als in unzugängliche Festungen einge schlosseneEgos.Margoliserinnertunsdaran,daßwiroh nedieBakterien,dieunsbeiderVerdauungunsererNah runghelfen,nichtlebenkönnen. Noch bedeutsamer ist Margolis Nachweis, daß Bakterien genetischeInformationenauszutauschenvermögen.Inih rerForschungsarbeithatsieSituationenfestgestellt,inde nenBakterienihreZellwändeöffnenundgenetischesMa terial aus ihren Zellkernen austauschen. Denjenigen von uns, die wissenschaftlich nicht geschult sind, mag diese Entdeckung unverständlich oder geheimnisvoll vorkom men.Tatsächlichistsieaberauchrevolutionär. ZumeinenführtsiezueinerEvolutionstheorie,dieeher auf Zusammenarbeit basiert und nicht auf Wettbewerb, mitalldenKonsequenzenfürunsereAnsichtüberdieWelt und unsere Rolle in ihr. Das darwinistische Konzept der natürlichen Auslese behauptet, daß genetische Verände rung nur durch zufällige Mutation der DNS geschehen kann. Organismen rufen verschiedene Mutationen von sichhervor,undnurdiejenigen,diesichambestenanihre Umgebunganpassenkönnen,überleben,währenddiean deren aussterben. Margolis Arbeit zeigt die Möglichkeit auf,daßBakterienihreDNSindirekterReaktionaufum gebungsbedingteZwängeneuzusammensetzen.AlsBei spielfüreineschnelleundkomplexeVeränderungkönnen
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wir daran denken, wie Bakterien sich an Antibiotika an passen. Margolis zufolge setzen solche Anpassungen ein gewissesMaßankollektiverÜberlegungvoraus.
DerSitzdesGeistes Könnenwirunsvorstellen,daßdieserbakterielleInforma tionsaustauschetwasmit»Geist«zutunhat?AlsWissen schaftlerwürdeMargoliswahrscheinlichvoreinersolchen Thesezurückschrecken,sowieLovelockundanderejeden Hinweis auf ein Bewußtsein der planetarischen Gaia in Abrede stellen. Aber vielleicht können Bakterien – und Gaia–unshelfen,eineumfassendereDefinitionvonGeist zu finden. Wenn die Arbeit dieser Biologen uns zu der »primitiven«oder»mystischen«Erkenntnisdergesamten ExistenzalslebendigesWesenführt,solltenwirvielleicht auch die zweite Hälfte dieser Erkenntnis würdigen, daß nämlichdieganzeExistenzeinBewußtseinhat.Sahtouris schreibt:»Diejenigen,dieglauben,daßdasLebensicheher in einem dynamisch lebendigen Universum selbst er schafftanstattineinemmechanischen,glaubenebenfalls, daßdasLebenseineeigeneBedeutungundseineneigenen Zweckerschaffenkann.«SeitihremBuchüberGaiaarbei tetDr.SahtourisamAufbaueinesweltweitenNetzwerks, das für die Bewahrung des wissenschaftlichen Wissens eingeborenerVölkereintritt. EbensowiebeidenJägerSammlernmußdiemenschliche GesellschaftinderheutigenZeitkooperieren,umerfolg reichzusein.WirmüssenWissen,Bedürfnisse,Fertigkei tenundInformationenaustauschen.SowieschondieUr hominiden es taten, müssen auch wir Nahrungsmittel transportieren. Kurzum, wir müssen einen kooperieren densozialenKörperinsLebenrufen.DieBedürfnisseblei bendiegleichen,nurineinemvielgrößerenUmfang.Die Vision des ganzen Planeten als ein Organismus, der sich aus kleineren Organismen zusammensetzt, hilftuns, auch diemenschlicheGesellschaftalseinenOrganismuszuse hen–nichtalsUngeheuer,dasdeneinzelnenverschlingt,
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sondern als Ganzes, indemdieeinzelnenErfahrungund Wissenaustauschen,umdengrößerenOrganismuszuer schaffen.UnddieserSchöpfungsprozeßdauertan,erfin detnichtnureineinzigesMalstatt.WährendOrganismen eineäußereFormundfortwährendeLebensprozesseauf rechterhalten,verändernsiesichständig,nehmenEnergie insichaufundgebensieab.EineGesellschaft,dieaufdem Körperbasiert,würdesichauchunaufhörlichverändern, währendsieeininneresGefühlfürihreForm,ihreGren zenundihreWertebehält.UndeineGesellschaft,dieauf dem göttlichen Körper basiert, würde ein Bewußtsein der EinheitvonAlltagsleben,WissenschaftundReligion–so wohlfüreinzelneOrganismenalsauchfürdengrößeren OrganismusderKultur–bewahren.
UnserPlatz DiskussionenüberGaiaalsOrganismus,dersichausklei neren Organismen zusammensetzt, scheinen zwangsläu figzueinerDiskussionüberdieFunktionderMenschheit in diesem größeren Körper zu führen. Oft entspringt die DiskussionderAnnahme,daßderMenscheinegrundle gendwichtigePositioninGaiasExistenzeinnimmt.Einige AutorenbetrachtendenMenschenalseineGefahr,andere betrachtenunsalseinenSegenfürdasplanetarischeLeben –aberfürdiemeistenspielenwireinezentraleRolle. EinerTheoriezufolgewirddieMenschheitalseinBewußt seinsexperimentbetrachtet.MitdemmenschlichenGehirn testetGaiaSelbstbewußtheit.ElisabetSahtourisbezeichnet unsalseinExperimentmitfreierEntscheidungsmöglich keitundnimmtoptimistischerweisean,daßunsereEigen schaften wie etwa Egoismus, Ängstlichkeit, Kurzsichtig keit, Furcht und Aggression Anzeichen des Jugendalters sind. Als natürliche Folge werden wir diesen Beschrän kungenentwachsenundunsimVergleichzuunsererGe schichtebessern. PeterRusselvertrittdieMeinung,daßdieMenschenGaias zentralesNervensystemdarstellen.Bald,soschreibtRus
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sel,wird dieWeltsoviele Menschen enthalten, wie ein ein zelnesGehirnNeuronenenthält.IndemAugenblickkön nensichMenschenzueinerplanetarischenIntelligenzor ganisieren(dieseIdeeerlaubtunseinenvölligneuenBlick aufdie»Bevölkerungsexplosion«derletztenJahrzehnte). AndereAutorensindderkonventionellerenAnsicht,daß die Menschheit das Leben auf dem Planeten gefährdet, und lassen dies in die GaiaTheorie einfließen. A.I.W. SummersstelltdieIntelligenzIdeeaufdenKopf.Erver gleicht unsere Zerstörung der Natur mit einer psychoso matischenKrankheit.Mit»psychosomatisch«istkeineein gebildete oder erfundene Krankheit gemeint; der Begriff beziehtsichvielmehraufSituationen,indenendiePsyche denKörperwahrhaftigkrankmacht.WenndieMenschen wirklichGaiasGehirndarstellen,dannhatdasGehirnsei neVerbindungzumübrigenKörperverlorenundbewirkt, daßderKörperkrankwird. Ein weiteres Konzept beschreibt das Verhalten der Men schenvonaußen.AndersalsdiemeistenanderenLebewe sen verbreiten sich Menschen auf dem ganzen Planeten. Woimmerwirauchhingehen,wirvermehrenunsaußer halb jeder Kontrolle. Wegen unseres unkontrollierbaren Bevölkerungswachstums verschlingen wir alle Ressourcen jedesOrtes,denwirbewohnen.DieFolgeist,daßdieTiere, diezudiesenOrtengehören,wegsterben,unddieÖrtlich keiten selbst großen Schaden davontragen und sich manchmal in Wüsten oder tote Gewässer verwandeln. WennwirnundiegleicheBeschreibungaufdieZellenin einem Tier anwenden, so stellen wir fest, daß wir über Krebssprechen.DemnachbildenMenscheneineArtKrebs im planetarischen Körper, der das ganze Leben zu er stickendroht. Nehmen die Menschen wirklich eine so zentrale Rolle in Gaias Leben und Schicksal ein? Sind wir überhaupt die einzigen Lebewesen mit Bewußtsein? Experimente zur Kommunikation zwischen den Arten zeigen die große WahrscheinlichkeiteinesSelbstbewußtseinsbeiTierenwie SchimpansenundDelphinen.Undjeder,dermiteinem
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Hund lebt und ihn beim Schlafen beobachtet, weiß, daß auchandereLebewesenalsMenschenträumen. Für viele Menschen, die an der GaiaTheorie arbeiten, stelltdieVorstellung,daßdieMenschendasganzeLeben aufdemPlanetenzerstörenkönnten,einweiteresBeispiel fürdiemenschlicheArroganzdar.Lovelockvergleichtdie »Zerbrechlichkeit«oder»Fragilität«Gaias(»unserefragile Ökosphäre«) mit der Zerbrechlichkeit als Begriff, der auf seine Großmutter und andere Frauen der Viktorianischen Zeitangewandtwurde.Erweistdaraufhin,daßdamals dieMännerFrauenalszerbrechlichbezeichneten,umda mit ihre totale Kontrolle über die Gesellschaft und sogar überdenKörperderFrauenzurechtfertigen.Wennwirdie Erde zerbrechlich nennen, rechtfertigen wir in ähnlicher Weise unsere Macht über die Umwelt und unseren Um gangmitihr. Tatsächlich war, wie Lovelock bemerkt, seine Großmutter sehrzäh.UnddasistauchGaia.WenndieErdewirklichei nenOrganismusmitderFähigkeitdarstellt,seinenZustand zuregulieren,umnichtzusterben,dannwirdsievielleicht auchMaßnahmenvornehmen,ummitdenaktuellenBedro hungenihreräußerenUmgebungfertigzuwerden. EinigeMenschensehendiesalseinegefährlicheAufforde rungzurSelbstzufriedenheit.Fürsieklingtesso,alsobdie GaiaAnhänger damit sagen würden, daß wir die Erde verschmutzen können, soviel wir wollen, weil Gaia sich darum schon kümmern wird. Die Vorstellung, daß Gaia sichselbstreguliert,sollteunstatsächlichüberhauptnicht zur Selbstzufriedenheit verleiten. Gaias Handlungen, so heißtesinderTheorie,sindnichtvoneinembestimmten WohlwollengegenübereinereinzelnenSpeziesgetragen. SieverfolgtihreInteressen,nichtunsere.Wennwirkrank werden,unternehmenwirallesNötige,umwiedergesund zuwerden,auchwenndamitderTodunzähligerMikro ben verbunden ist, die in unseren Körpern leben. Wenn wirGaiaweiterhinsoindieEngetreiben,könntesiesich tatsächlich regulieren – und uns damit das Leben sehr schwermachen.
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EinefrühereKrise GaiaistinderVergangenheit Umweltkrisen begegnet. Die frühen Organismen erzeugten Energie durch Gärung. Als ihr Bestand explosionsartig zunahm, begann die Energie knapp zuwerden,undsoentwickeltensiedieFähigkeit, mitHilfevonSonnenlichtMoleküleinAtomezuspalten, die sie verwendeten, um weitere Moleküle zu bilden. So entwickeltensiediePhotosynthese.JedochriefdiePhoto syntheseeintödlichesGifthervor:Sauerstoff. DasAuftretenvonSauerstoffinderErdatmosphäreverur sachteeinevielgrößereGefahrfürdieUmgebungalsun sere heutige Verschmutzung. Ohne die Möglichkeit, den Sauerstoffzuzerstören,erhöhteersichinderAtmosphäre biszurspontanenVerbrennung–undstecktesichselbstin Brand.DieBakterien,dieihnerzeugthatten,begannenzu verbrennen.DieFolgejedochwar,daßsielernten,Koloni en zu bilden. Die äußeren Schichten verbrannten zwar, aberandererseitsbeschütztedietoteSubstanzihrer»Lei chen«dieinnerenSchichten.DasLebenwurdevielschich tiger. Im Laufe von zwei Milliarden Jahren entwickelte Gaia Lebewesen, wie beispielsweise uns, die Sauerstoff zur Energiegewinnung verbrennen können. Seitdem ist dieAtmosphärestabilgeblieben.Wennesunstatsächlich gelingt, diese Stabilität zu gefährden, wissen wir nicht, welche Anpassungsmaßnahmen Gaia vornehmen wird, um das Problem zu lösen. Anstatt zu versuchen, mit der Erdeumzugehen,könntenwirihreProzessestudierenund hoffen,daßwirlernen,mitunsselbstumzugehen.
EineandereAnsicht DiefeministischeindianischeGelehrtePaulaGunnAllen hateinevisionäre,mythischeInterpretationderplanetari schenKrisevorgelegt.Siebezeichnetsiealsdiesichselbst gebärende Großmutter Erde (die GroßmutterTheorie). Die Erde macht eine Initiation in einen neuen Bewußt seinszustanddurch.DiesebedeutendeVeränderung
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bringt den Schmerz der Wehen mit sich, so wie der SchmerzunddieUnruheeinerFrauzunehmen,jenäher derZeitpunktderGeburtihresKindesrückt.AliensVor ahnungveranschaulichtmehrereAspektederaufderGöt tinberuhendenInterpretationderWelt:Erstenserlaubtsie sowohlderIntuitionalsauchheiligenTraditionen,Ideen zuoffenbaren.DieseIdeenundVisionenkönnenderge genwärtigen wissenschaftlichen Analyse entsprechen oder auchnicht,abersiewerdennichtimWiderspruchzuden aktuellenInformationenstehen,diewirvonderWissen schafterhalten.SiefügeneineandereArtvonWissenhin zu;undsehroftrührtdiesesWissenvomKörperbewußt seinderFrauenher.AllenbenutztdieErfahrungderWe hen,umdieUmwälzungenunseresPlanetenzuverstehen. Und schließlich zeigt sie, wie Göttinnenanhänger bewußt und optimistisch ErfahrungenalsneuesLebenundnicht alsZerstörungdeutenkönnen.
GeteiltheitundEinheit Vor allem anderen gibt uns die GaiaTheorie eine Vision von der Ganzheit der Erde. Kehren wir wieder zu jenen MythenvomzerstückeltenKörperderGöttinzurück.Man spürt,daßallesinderWeltzusammengehört,aberzerbro chenist.WirkönnendieVerbindungenfühlen,aberwirse hendieBruchteile.UndsogelangenwirzudemGlauben, daß die Welt nur existieren kann, daß wir nur existieren können,weildieGöttinihrenKörpergeopferthat.Entwe derhatsiesichausfreienStückenhingegeben,umdieEr de,denHimmelundallesinihnenzuerschaffen,oderir gendeineKrafthatsiezerbrochenoderinStückegerissen. An einigen Orten vermischt sich diese innere Wahrneh mung mit der Kulturgeschichte der männlichen Macht übernahme.InBabylonwirdTiamatzueinemUngeheuer, undMardukreißtsieentzweiineinerArtGültigkeitser klärungdermännerzentriertenZivilisation,diediefrühe re,matriarchalegestürzthat.InMexikowurdedieGöttin CoyolxauhquibrutalvonihrenzweiBrüdernzerrissen;
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hierhabenwiresmiteiner ähnlichen kulturellen Botschaft zutun:Wennwirlesen,daßindemMythosdieBrüderals Schlangenbeschriebenwerden,findenwirunsvordenTo ren Edens wieder, wo das Patriarchat Feindschaft setzte zwischenderFrauundderSchlange. DiemexikanischeGeschichteschildertaußerdemdenTod und die Rückkehr des Mondes am Ende jedes Monats, denndieBrüderschneidenCoyolxauhquiin14Teile,was ungefährdemhalbenMondzyklusentspricht;inÄgypten schneidet der Gott Seth seinen Bruder Osiris in 14 Teile. Mythen enthalten immer vieles gleichzeitig – politische Botschaften, wissenschaftliche Beschreibungen, spirituelle Erkenntnisse. WirkönnenhieretwasTiefsinnigeresfindenalsSexualpo litikodersogarNaturerklärungen.DieseMythenderZer stückelungführeneinGefühlderSorgeumunsereureige neExistenzmitsich.Wirlebennur,indemwirandereLe bewesenessen,obTiereoderPflanzen(undindemwirver hindern,daßsieunsessen).Wirleben,weilunsereMutter ihrevollkommeneEinheitgeopferthat. DiezerstückelteGöttinwirdzerstreut,dasheißt,insovie lenTeilenverteilt,daßsieüberallundnirgendwoist,sicht barinallenDingenundgleichzeitigunsichtbar.DieNot wendigkeit der Schöpfung hat die Unversehrtheit ihrer Gestaltzerstört. In der GaiaTheorie erkennen wir einen möglichen Aus wegausdieserAngst.HierentstehtGaianichtalseineEin heitundteiltsichinBruchstücke.Stattdessenkommtdie Einheit aus dem Zusammenspiel all der verschiedenen Teilehervor,undnichtnurder»lebenden«Teile.DieBer ge,derRegenunddieMeere,derWind,dasLichtderSon neundderSterne,dieAnziehungskraftdesMondes,der StaubunddieKnochenderseitMillionenvonJahrentoten Geschöpfe, sie alle und wir erwecken Gaias Körper zum Leben.
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EinRitualundeinTraum Ich werde dieses Buch mit einer letzten Geschichte ab schließen,einemTraumvonGaia.ImOktober1990zogich inmeinHausinderNähedesHudsonimamerikanischen Bundesstaat New York. Kurze Zeit nach meinem Einzug entdeckteicheinenbemerkenswertenSteinhügelimWald, direktgegenübermeinerAuffahrt. ZweifelloshattenirgendwannMenschendieseSteineauf gehäuft, aber wann und zu welchem Zweck wußte ich nicht. Die Öffnung liegt nach Osten, zum Sonnenaufgang hin.DiekristallartigenweißenSteinelagenverstreutda vor,alsichsiezufälligfand.DieseSteinesindinderGe gendnichtungewöhnlich,abermansiehtniemalssoviele aneinerStelle. WelchenUrsprungoderZweckdieserSteinhügelauchim mer hatte, ich empfand ihn als eine wunderbare Überra schung,nachdemichinsovielenLändernSteinhügel,Stein kreiseundTempelruinenaufgesuchthatte.AlssichdieWin tersonnenwende näherte, beschloß ich, ein Ritual in mei nem neuen Haus zu vollziehen und mich dabei auf den Steinhügelzukonzentrieren,ummichbeiderGöttindafür zubedanken,daßsiemichandiesenOrtgebrachthatte. Am Tag der Wintersonnenwende schlossen sich mir zwei Freundinnenan.ZusammenführtenwireineeinfacheZe remoniedurch.Ichbatjedevonihnen,etwasmitzubrin gen, das sie der Erde opfern wollte. Ich steuerte einen selbstgebackenen flachen Kuchen in Gestalt einer Göttin beiundbrachteihnzusammenmitSamenundSteinen,die ichaufReisenzuheiligenStätteninanderenLändernge fundenhatte,nachdraußen.DannmachtenwireinenUm zug,beidemwirverschiedeneBäumeundanderebeson dere Stellen um mein Haus herum aufsuchten, während wir Lieder sangen, Göttinnenstatuen trugen und Instru mentespielten.AlswirdenSteinhügelerreichten,sprach jedevonunsvonDingeninunseremLeben,diewirderEr deschenkenwollten.WirspracheneinGebet,indemwir dieZunahmedesLichtsandiesemWendepunktdesJahres
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DerbemerkenswerteSteinhügel, den ich im Wald in der Nähe meines HausesimBundesstaatNewYorkgefundenhabe.
ehrten, wenn die Sonne anfängt, ihre Kraft zurückzuge winnen.AlswirunsereOpfergabenindenHügellegten, brachichStückevondemKuchen–demKörperder»Göt tin«–abundverteiltesiezumEssenunteruns.DenKopf desKuchenslegtenwiraufdenBodenfürdieTiere. In der Nacht vor diesem Ritual, der längsten Nacht des Jahres,kamGaiazumirineinemTraum.Sieerschiennicht inirgendeinerbestimmtenGestalt,abersiesprachzumir, und ich erkannte ihre Stimme. Gaia erzählte mir, daß es stimmte:SiehabenihrenKörperinMillionenTeilezerlegt, umdieWeltzuerschaffen;dochihrSelbstseivollständig, unzerstört in jedem Bruchstück erhalten geblieben. Und somitbleibtauchihrKörpervollständigundvollkommen injedemSteinoderHaar,jedemSternoderKuß,jederMot te oder jedem Elefant. Sie wird in jedem Augenblick zu dem,wassieimmergewesenist,demKörperderGöttin– injedemLichtstrahl,injedemTraumundRaunen. HudsonValley,NewYork, vollendetam145.Geburtstagvon SirArthurEvans,demAusgräbervonKnossos
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