In New York wartet das Glück Ingrid Weaver Bianca 1230 22/1 2000
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In New York wartet das Glück Ingrid Weaver Bianca 1230 22/1 2000
scanned by suzi_kay
1. KAPITEL Lizzie Hamill packte die Armlehnen noch fester, zählte von zehn rückwärts und befahl sich, bei Null den Kopf zur Seite zu drehen. Laut Statistik war Fliegen die sicherste Form des Reisens. Die Gesetze der Aerodynamik galten auch für sie. Es war feige, nicht wenigstens ein einziges Mal aus dem Fenster zu schauen. "Zwei", flüsterte sie. "Eins." Sie atmete tief und hielt die Luft an. "Null." Nichts geschah. "Null", wiederholte sie, während sie die Hände an die Wangen legte und sich zwang, den Kopf zu bewegen. Langsam stieß sie die angehaltene Luft wieder aus. Der Himmel war so gewaltig. Blauer als ein Morgen im Januar. Weiter als der Horizont von Hanson's Bluff aus. Heller als das Glitzern des Creek bei Sonnenaufgang. Wie konnte etwas so faszinierend und so erschreckend zugleich sein? Mit wild klopfendem Herzen sah Lizzie starr hinaus. Sie war dreißig und hatte noch nie zuvor in einem Flugzeug gesessen. Sie hatte erwartet, dass sie nervös sein würde. Sie war nervös. Und doch... Und doch war dies derselbe Himmel, den sie sonst immer sah. Kein anderer Himmel als der, der sich über ihrem Haus in der Myrtle Street erstreckte. Warum sollte sie Angst davor haben, nur weil sie ihn aus ungewohnter Perspektive sah?
Langsam wurde sie ruhiger. In ihre Angst mischte sich etwas Unbekanntes. Eine Aufregung, eine Ungeduld, die sie noch nie erlebt hatte. Es war, als würde sie sich auf etwas freuen ... Auf eine Herausforderung? Ein Abenteuer? Wohl kaum. Sie war alles andere als abenteuerlustig. Sie war Tante Liz, die gute alte Lizzie, immer bereit, als Babysitter einzuspringen oder zehn Kuchen für den Kirchenbasar zu backen. Das Abenteuerlichste, das sie in ihrem Leben bisher gewagt hatte, war, sich im Supermarkt an der Kasse für acht oder weniger Artikel anzustellen, obwohl in ihrem Korb neun lagen. Und jetzt saß sie in einem Flugzeug. Noch dazu in einem, das sie nach New York brachte. Sie lockerte den Griff um die Armlehnen und beugte sich vor, bis ihre Nasenspitze das Fenster berührte. Unter ihr breitete sich das Land aus wie ein zu oft gewaschener Quilt. Ein mulmiges Gefühl stieg in Lizzie auf. Sie hatte nicht gefrühstückt. Das war unvernünftig. Auf das, was sie nach der Landung erwartete, hätte sie sich besser mit einem fünfgängigen Mahl vorbereiten sollen. Sie hätte es sich leisten können. Sie war jetzt eine Erbin. Eine Erbin, wie Packenham Junction sie noch nie gehabt hatte. Sie konnte es noch immer nicht glauben, obwohl die Anwälte ihr mehrfach versichert hatten, dass es kein Missverständnis war. Ihr Onkel, Roland Hamill, das schwarze Schaf der Familie, der Mann, dessen Namen immer nur geflüstert worden war, hatte sein ganzes Vermögen der Nichte hinterlassen, der er nie begegnet war. Armer Onkel Roland. Sie wusste fast nichts über ihn. Im Familienalbum gab es keine Fotos von ihm, nur ein paar Schnappschüsse ihres Vaters, von denen offenbar eine Hälfte abgerissen worden war. Was hatte Roland schon als Jungen aus seiner Heimatstadt vertrieben? Warum hatte ihr Vater seinen Bruder so sehr gehasst?
Und was um alles in der Welt sollte sie mit so viel Geld anfangen? Na ja, so viel war es nun auch wieder nicht. Die Anwälte hatten Onkel Rolands Wohnung samt Inventar verkauft, um seine Schulden zu begleichen. Das war schade, denn Lizzies Stiefschwester Jolene war wieder schwanger. Ihr Mann Tim hatte keinen festen Job, und die beiden konnten etwas Geld gebrauchen. Zack, ihr jüngster Stiefbruder, würde im nächsten Herbst aufs College gehen. Und Benjamin, der Älteste, hatte ihr gestanden, dass seine Käsefabrik nicht mehr so gut lief wie früher. Aber ihre Adoptivgeschwister waren so stur wie alle im Pedley-Clan und wollten keinen Cent von der Erbschaft. "Das Geld gehört dir", hatte Jolene auf der Fahrt zum Flughafen gesagt. "Endlich hast du einmal etwas für dich allein." "Aber ich kann unmöglich ..." "Doch, du kannst. Dein Onkel wollte, dass du es bekommst." "Ich habe ein ungutes Gefühl. Ich meine, wir kannten uns doch gar nicht." "Wem hätte er es sonst vererben sollen? Er hat nie geheiratet und hatte keine Kinder, richtig?" "Richtig." "Es ist wie im Märchen, Tante Lizzie", mischte Marylou sich aufgeregt ein. Lizzies Nichte blies ihr pinkfarbenes Kaugummi auf und ließ es laut platzen. "Die arme Prinzessin reist in ein verzaubertes Königreich." "Ich fliege nach New York." Kopf schüttelnd drehte Lizzie sich zu der Siebenjährigen um. "Ich muss allerdings keine Kamine ausfegen, sondern führe einen Kindergarten." "Aber Mom ist deine Stiefschwester", entgegnete Marylou. "Stimmt. Aber findest du, dass sie böse ist?" "Wir müssen immer Brokkoli essen."
"Stimmt auch." Lizzie warf Jolene einen Blick zu. "Du böses Ding, du." "Du hättest meinen Kindern nicht immer diese Gutenachtgeschichten vorlesen dürfen", murmelte Jolene. "Aber jetzt zurück zu dir, Lizzie. Du hast dich all die Jahre lang immer nur um andere gekümmert. Es ist höchste Zeit, dass du mal an dich denkst." "Du könntest dir schöne Sachen kaufen", schlug Marylou vor. "Bei McBride's im Schaufenster gibt es ein richtig tolles grünes Kleid, das so schön glitzert." Lizzie lächelte trocken. "Ich weiß. Aber ich bezweifle, dass ein mit Strass besetztes Abendkleid das richtige Outfit ist, wenn man Dreijährigen zeigt, wie sie mit Fingerfarben malen können." "In New York wirst du wohl kaum mit Dreijährigen und Fingerfarben zu tun haben", wandte Jolene ein. "Warum machst du nicht einen Einkaufsbummel, wenn du schon mal da bist?" "Dies ist eine Geschäftsreise." "Sicher, aber du besuchst dein Geschäft." "Was soll ich bloß mit fünfzig Prozent von Whitmore und Hamill?" "Die Firma leiten, was sonst?" Lizzie lachte. "Die Vorstellung ist so absurd wie die, im Abendkleid im Kindergarten zu arbeiten. Ich und eine Geschäftsfrau?" Jolene blieb ernst. "Warum denn nicht? Wenn du dir etwas vornimmst, schaffst du es auch. Du hast dir doch schon einmal etwas Eigenes aufgebaut." "Ein Kindergarten ist nicht mit einer Werbeagentur zu vergleichen." "Es sind beides Geschäfte", beharrte Jolene. "Und hilfst du Ben nicht seit sechs Jahren mit den Büchern?" "Ich habe ihm schon bei seinen Mathe-Hausaufgaben geholfen. Das ist nur ein Hobby."
"Du warst neunzehn, als du Dads Farm übernommen hast. Wenn du damals nicht das Stipendium ausgeschlagen hättest, um uns zu..." "Das ist lange her, Jolene. Die Familie brauchte mich, und ich bereue nicht, dass ich hier geblieben bin. Ich bin ganz und gar zufrieden mit dem, was ich habe." Jolene machte eine viel sagende Pause. "So?" "Natürlich", versicherte Lizzie rasch. "Hast du jetzt wirklich eine Werbeagentur, Tante Liz?" "Nur einen Teil davon." "Heh, cool." "Ich bringe dir etwas Briefpapier als Souvenir mit, okay?" Während tief unter ihr das Land dahinglitt, dachte Lizzie an das Versprechen, das sie ihrer Nichte gegeben hatte. Sie hatte keine Ahnung von der Werbebranche, aber sie war sicher, dass von ihr als Miteigentümerin einer Agentur mehr verlangt wurde als nur ihr Name im Briefkopf. Warum hätte Mr. Whitmore sie sonst nach New York eingeladen? Von Jeremy Ebbet, dem Anwalt, wusste sie, dass Mr. Whitmore darauf bestanden hatte, sie persönlich der ganzen Agentur vorzustellen. Deshalb bezahlte er nicht nur den Flug, sondern auch das Hotelzimmer. Und am Tag vor ihrer Abreise hatte er ihr auch noch einen üppigen Blumenstrauß in die Myrtle Street geschickt. Lizzie lehnte sich zurück und dachte über ihren zukünftigen Kompagnon bei Whitmore und Hamill nach. Onkel Roland wäre im Herbst fünfzig geworden, also war sein Partner vermutlich im gleichen Alter. Nicht zum ersten Mal versuchte sie, sich vorzustellen, wie dieser Mr. Whitmore wohl aussah. Vermutlich war ein grauhaariger, seriöser Geschäftsmann. Er hatte ihr Blumen geschickt. Blumen. Sie war nicht die Art von Frau, die von Männern Sträuße bekam. Eine Topfblume Vielleicht. Bobby hat ihr einmal ein Bäumchen mitgebracht. Es war ein äußerst vernünftiges Geschenk gewesen, und sie hatte
sich darüber gefreut. Das Bäumchen hatte hervorragend in die letzte Lücke am seitlichen Gartenzaun gepasst. Trotzdem, ein Strauß war so herrlich unpraktisch. Genau wie Strass. Sie zupfte an ihrem kurzen blauen Rock. Wer brauchte schon Strass? Das Kostüm war ihr bestes Stück. Sie hatte es geschont und nur bei besonderen Gelegenheiten getragen. Zum Beispiel zur Hochzeit ihrer Freunde und zur Taufe der Kinder, halt zu den Meilensteinen im Leben. Im Leben anderer. Nicht, dass es mich stört, dachte sie hastig. Sie liebte ihren Beruf, ihre Freunde, ihre Familie. Sie fand es schön, wenn alle glücklich waren und die Kinder sie "Tante Lizzie" nannten. Endlich hatte sie sich damit abgefunden, dass niemand sie je "Mom" nennen würde. Was immer Jolene sagen mochte, Lizzie war rundum zufrieden. Aber warum hatte sie dann sofort zugestimmt, als die Einladung nach New York für sie kam? Warum hatte sie nicht nur eine, sondern gleich zwei Frauen für ihren Kindergarten angelehnt? Warum bekam sie jedes Mal Herzklopfen und feuchte Hände, wenn sie an Onkel Rolands ... nein, an ihre Firma dachte.' Das Flugzeug flog eine lang gestreckte Kurve. Lizzie stützte sich an der Bordwand ab und starrte hinaus. Diesmal war das Gefühl in ihrem Bauch nicht so mulmig wie beim Start. Eigentlich war Fliegen gar nicht so schlecht. Mit vierzig Minuten Verspätung landete die Maschine in New York. Der Flughafen erschien ihr grau und trostlos. Im Terminal herrschte großes Gedränge, aber jeder schien genau zu wissen, wohin er wollte, und hatte es dabei sehr eilig. Also hielt Lizzie ihre Umhängetasche fest und ließ sich im Strom der Passagiere bis zur Gepäckausgabe treiben. "Oh, das darf nicht wahr sein", murmelte sie, als sie den uniformierten Mann neben der Glastür entdeckte. In Packenham Junction gab es so etwas natürlich nicht, aber aus dem
Fernsehen wusste sie, dass es sich um den Chauffeur einer luxuriösen Limousine handelte. Und er hielt ein Schild mit ihrem Namen hoch. Der nette Mr. Whitmore hatte zwar versprochen, sie vom Flughafen abholen zu lassen, aber mit so etwas hatte sie nicht gerechnet. Sie zog ihren Koffer hinter sich her und eilte zum Ausgang, bevor die Limousine sich womöglich in Luft auflöste. Das reservierte Hotelzimmer erwies sich als Suite, deren Teppich so dick war, dass sie sich beim Gehen darauf wie auf Wolken fühlte. Der Schreibtisch im Wohnzimmer und die breite Kommode im Schlafzimmer waren mit prächtigen Blumensträußen geschmückt. Und als wäre das noch nicht genug, stand auf dem runden Couchtisch ein riesiger Korb mit frischem Obst und einer Flasche Weine ... und einer Grußkarte von Alexander Whitmore. Nach einer atemberaubenden Taxifahrt durch Manhattan traf Lizzie endlich im sechsunddreißigsten Stockwerk des Wolkenkratzers ein, in dem sich die Werbeagentur von Whitmore und Hamill befand. Sie holte tief Luft. Dann ging sie durch den Empfangsbereich auf den gewaltigen hufeisenförmigen Schreibtisch zu. Eine schlanke Blondine, die auf die Titelseite von "Cosmopolitan" gepasst hätte, lächelte sie höflich an. "Guten Tag." Lizzie packte den Griff ihrer besten Handtasche fester und erwiderte das Lächeln. "HL" "Wie kann ich Ihnen helfen?" "Ich möchte zu Mr. Whitmore." Die Frau fuhr mit einem gefährlich aussehenden roten Fingernagel an einer Liste entlang. "Ihr Name bitte?" Wie lange war es her, dass sie einen Raum betreten hatte, in dem man sie nicht kannte? Im Krankenhaus von Packenham hätte sie Mabel am Empfang ihren Namen nicht nennen müssen, und die Frau ihres Zahnarztes begrüßte sie jedes Mal besonders
herzlich, weil sie wusste, wie nervös Lizzie war. Hier war das anders, hier war sie in einer anderen Welt. "Miss?" "Ich bin Lizzie Hamill." Die Sekretärin gab einen erstickten Laut von sich. "Miss Elizabeth Hamill?" Sie nickte. Die Frau drückte auf einen Knopf und sprach hastig in ein Telefon, bevor sie aufsprang und zu Lizzie eilte. "Bitte folgen Sie mir in den Konferenzraum. Mr. Whitmore erwartet Sie bereits." Die Empfangsdame, die sich als Pamela vorstellte und sie jetzt geradezu ehrerbietig behandelte, führte sie zu einer Doppeltür, ließ sie eintreten und zog sich dann sofort wieder zurück. Neugierig schaute Lizzie sich um. Ein Konferenzraum? Das Zimmer war groß genug für eine Bowlingbahn, wenn man den langen Tisch in der Mitte entfernte. Es gab genügend Stühle für ein Familientreffen der Pedleys. Sie beugte sich über den Tisch, betrachtete ihr Spiegelbild auf der polierten Platte und gab einem der Drehstühle Schwung. An den Wänden hingen gerahmte Poster, viele davon mit Szenen aus bekannten Werbespots. Am auffälligsten war jedoch das bronzene Firmenlogo, unter dem in großen Lettern etwas eingraviert war... "Mein Name", flüsterte sie. Nun ja, eher der ihres Onkels. Sie stieß einen stummen Pfiff aus und strich mit den Fingerspitzen über die Inschrift. Hamill... Plötzlich bekam sie wieder dasselbe Herzklopfen, das sie im Flugzeug verspürt hatte; Ein Teil von ihr, ein Teil, den sie immer unterdrückt hatte, schien auf die Herausforderung zu reagieren und sich auf das Abenteuer zu freuen, das dieser mondäne Konferenzraum mitten in New York darstellte.
Die Firma leiten, was sonst? Lizzie verzog den Mund, als ihr Jolenes absurder Vorschlag in den Sinn kam. Was für ein Quatsch. Sie trug zwar denselben Nachnamen wie ihr Onkel, aber deswegen war sie noch lange nicht dazu geboren, Chefin einer Werbeagentur zu sein. Hinter ihr öffnete sich leise eine Tür. Rasch wischte sie mit dem Ärmel ihre Fingerabdrücke von der glänzenden Inschrift. Doch als sie sich zu dem hoch gewachsenen Mann umdrehte, musste sich sie sich an den bronzenen Buchstaben festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mit geschmeidigen, aber entschlossenen Schritten kam der Mann auf sie zu. Seine Schuhe glänzten, der graue Anzug und das weiße Hemd saßen tadellos an seiner eindrucksvollen Gestalt. Lizzie starrte ihm entgegen. Sein dichtes Haar war schwarz, die Augen braun und verführerisch, Kinn und Wangenknochen markant. Er lächelte, und zwischen den perfekt geformten Lippen blitzten makellose Zähne auf. Und wie um diese geradezu märchenhaft attraktive Erscheinung zu betonen, hatte er ein winziges Grübchen auf dem Kinn. Er blieb vor ihr stehen und streckte die Hand aus. "Willkommen in New York, Miss Hamill." Seine Stimme war so beeindruckend wie sein Äußeres: tief, wohlklingend und ausdrucksvoll. Es war eine Stimme, die befehlen, aber auch zärtliche Worte bei Kerzenschein flüstern konnte. Lizzie räusperte sich. "Hallo", brachte sie mühsam heraus und gab ihm zaghaft die Hand. "Ich bin Alexander Whitmore", sagte er und umschloss ihre Rechte mit seinen kräftigen Fingern. Alexander Whitmore? Nein, das war unmöglich. Dieser Mann war höchstens fünfunddreißig, kaum älter als sie selbst. "Mr. Whitmore?" "Bitte, nennen Sie mich Alex", forderte er sie auf, und seine Stimme war wie ein Streicheln.
"Alex", wiederholte sie nervös. Das war ihr Partner? Dieser Mann mit den braunsten Augen, in die sie je geblickt hatte, und einem Lächeln, das jeder Zahnpasta Ehre gemacht hätte. Dieser Mann, der ihr Blumen geschickt hatte. Und Wein. Es funktioniert, dachte Alex erleichtert und ließ ihre Hand los. Sie reagierte so, wie Jeremy und er es erhofft hatten. Sie war beeindruckt, fasziniert, ein wenig eingeschüchtert. Sie würde ihnen bestimmt keine Probleme machen. Als sein Gewissen sich meldete, fragte er sich, warum er Mitleid mit dieser Frau haben sollte. Sie war ein Hamill, daran gab es keinerlei Zweifel. Sie besaß das gleiche unbändige rote Haar wie ihr Onkel, hatte es allerdings zu einem Knoten am Hinterkopf aufgesteckt. Ihre Augenbrauen hatten den gleichen verwegenen Schwung, auch wenn sie natürlich viel schmaler und weiblicher waren. Auch die breite Stirn und das spitze Kinn erinnerten an seinen verstorbenen Kompagnon, aber der Rest ihres Gesichts war einzigartig. Verlegen schob sie eine störrische Strähne in den Knoten zurück. "Mr. Whitmore?" "Alex", verbesserte er sanft. "Darf ich Sie Elizabeth nennen?" "Natürlich... wenn Sie wollen." Sie presste die Lippen zusammen und schien Schwierigkeiten mit ihrer Zunge zu haben. "Aber die meisten Leute nennen mich Lizzie", platzte sie heraus. Er sah, wie sie errötete. Vor ihm stand ein Mädchen vom Lande, nicht die Miteigentümerin einer großen New Yorker Werbeagentur. In der freien Wildbahn der Geschäftswelt würde sie keinen Tag überlegen. Keine Frage, er tat ihr einen Gefallen, indem er dafür sorgte, dass sie so schnell wie möglich auf ihre Farm zurückkehrte. "Lizzie?" "Ja?" "Sie wollten mich etwas fragen?"
"Oh." Sie knabberte kurz an ihrer Unterlippe. Ihr Mund sah aus, als wäre er zum Lächeln geschaffen. "Fragen? Nein, eigentlich nicht." Er wartete und beobachtete fasziniert, wie ihre Röte sich bis zum Haaransatz ausbreitete. Wann hatte er zuletzt gesehen, dass eine Frau errötete? Kannte er überhaupt eine Frau, die das noch konnte? "Ich wollte mich für die Blumen bedanken", brachte sie schließlich heraus. "Und für das Obst und den Wein. Ich habe ihn noch nicht probiert, aber er ist bestimmt sehr gut." "Sie haben eine so weite Reise hinter sich, und ich möchte, dass Sie sich hier wohl fühlen." "Oh, das tue ich. Sie sind sehr freundlich." Freundlich? Wenn sie sich von so kleinen Gesten beeindrucken ließ, würde es ein Kinderspiel sein, sie zum Verkauf ihrer Anteile an der Agentur zu überreden. "Ihr Onkel war ein bemerkenswerter Mensch." "Hat er sieh diese Werbekampagnen ausgedacht?" Alex brauchte nicht auf die Poster zu schauen, um zu antworten. "Nein, leider hat Ihr Onkel in den letzten Jahren keine aktive Rolle in der Agentur mehr gespielt. Jeremy wird es Ihnen nachher erklären." "Jeremy Ebbet, Ihr Anwalt?" Er nickte. "Aber uns bleibt noch Zeit, bis wir uns mit all diesem juristischen Zeug befassen müssen, Lizzie. Möchten Sie sich die Agentur ansehen?" Sie zögerte nur kurz, bevor das Lächeln, das in ihren Mundwinkel gewartet hatte, sich ausbreitete. "Danke, sehr gern." Dir Lächeln erwischte ihn vollkommen unvorbereitet. Es zauberte Grübchen in ihre Wangen und ließ ihre Augen blitzen. Und es war so warm und unschuldig und echt, dass es, vorbei an seiner Vernunft, dorthin vordrang, wo es eine
unmissverständlich männliche und äußerst unwillkommene Reaktion auslöste. Das ärgerte ihn. Er wollte nichts für Lizzie Hamill empfinden. Er durfte es nicht. Gefühle störten bei geschäftlichen Dingen, und das hier war eine rein geschäftliche Beziehung. Eine, die er so bald wie möglich beenden wollte. Sie wandte sich ab, und unwillkürlich ließ er seinen Blick über ihren Körper gleiten. Das locker sitzende Kostüm verbarg mehr, als es betonte. Als sie jedoch zur Tür ging, stellte er fest, dass die neue Geschäftspartnerin absolut hinreißende Beine hatte. Er wusste, dass es ihn nicht interessieren sollte, aber ihre schlanken Waden und der Ansatz der erregend geformten Schenkel hielten seinen Blick gefangen. Eine verrückte Sekunde lang malte er sich aus, wie es wäre, mit den Fingerspitzen über ihre Kniekehlen zu streichen. Wie würde sie reagieren? Würde sie ihm einen vernichtenden Blick zuwerfen, wie Tiffany es immer getan hatte? Würde sie ihn wegen sexueller Belästigung verklagen? Oder würde sie erneut erröten? Würden ihre grünen Augen funkeln? Würden ihre reizvollen Lippen sich zu einem Lächeln verziehen? Was war nur los mit ihm? Es musste am Stress liegen. Die Zukunft der Firma, die Sicherheit, die er seinen Kindern verschaffen wollte, all das hing davon ab, ob es ihm gelang, Lizzie ihre Anteile abzukaufen. Ob sie es nun ahnte oder nicht sie beide waren Gegner. Also musste er ihr Lächeln, ihre Beine, ihre ganze attraktive Erscheinung ignorieren. Jetzt waren Disziplin und Selbstbeherrschung nötig, damit die Agentur reibungslos weiterlief. Die Agentur und sein Leben. Das Einzige, was er an Miss Lizzie Hamill attraktiv finden durfte, war ihr Fünfzig-Prozent-Anteil an Whitmore und Hamill.
Und der einzige Teil ihres Körper, der ihn zu interessieren hatte, war die Hand, mit der sie den Vertrag unterschrieb.
2. KAPITEL "Und das ist mein Büro", sagte Alex und hielt ihr eine Tür auf. Lizzie trat ein. Sie wusste, das dies der Höhepunkt der Besichtigungstour durch die Geschäftsräume von Whitmore und Hamill war. Vielleicht würden sie sich jetzt endlich hinsetzen und darüber reden, welche Verantwortung sie in der Agentur übernehmen sollte. Abgesehen davon, dass ihr Name im Briefkopf stand. Fast eine Stunde lang hatte Alex sie durch das sechsunddreißigste Stockwerk geführt. Durch Konferenzräume, Videolabors und Tonstudios, durch Büros, die von kleinen fensterlosen Kammern bis zu großzügigen Chefzimmern mit Blick auf die Häuserschluchten von Manhattan reichten. Als Alex sie den Mitarbeitern vorstellte, staunte sie, was für unterschiedliche Menschen hier arbeiteten. Es gab einige Titelbildschönheiten, die Pamela vom Empfang ähnelten und sie unauffällig musterten, aber auch viele, die ihr erzählten, wie sehr sie ihren Onkel geschätzt hatten. Die letzte Station des Rundgangs war das Büro ihres Onkels gewesen. Von Alex hatte sie erfahren, dass Roland in den vergangenen Jahren nur noch selten in der Agentur gewesen war. Lizzie hatte sich neugierig umgesehen, aber die kahlen Regale und der leere Schreibtisch verrieten nichts über den Mann, den sie nie kennen gelernt hatte.
Als sie jetzt Alex' Büro betrat, gestand sie sich ein, dass auch der zweite Partner bei Whitmore und Hamill ihre Neugier geweckt hatte. "Warum ruhen Sie sich nicht eine Weile aus?" schlug er vor. "Ich werde Rita bitten, uns einen Kaffee zu bringen, während wir auf Jeremy warten." Lizzie dankte ihm lächelnd und war froh, dass ihre Zunge ihr wieder gehorchte. Er ging hinaus und sprach mit der mürrisch dreinblickenden Frau mittleren Alters, die er ihr als seine Sekretärin vorgestellt hatte. Lizzie ertappte sich dabei, wie sie den Kopf zur Seite neigte, um dem angenehmen Klang seiner Stimme zu lauschen. Vorsicht, Mädchen, tadelte sie sich Sekunden später. Dieser Mann mochte faszinierend sein, aber er war ein Geschäftspartner, mehr nicht. Wusste er, welch anregende Wirkung er auf ihre Phantasie ausübte, würde er sie vermutlich auslachen. Langsam ging sie durch das Büro und betrachtete die vielen gerahmten Auszeichnungen, die die Agentur für ihre Werbekampagnen bekommen hatte. Ihre Firma. Auch wenn es nicht ihr Verdienst war, so machte es sie doch stolz, ihren Namen auf den Urkunden zu lesen. Endlich hast du etwas, das nur dir gehört. Nun ja, nicht ganz. Fünfzig Prozent davon gehörten Alex. Sie verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ging an den Lförmigen Schreibtisch, der in der Mitte des Raumes stand und das Büro beherrschte. Auf der einen Seite stand ein Computer, auf der anderen war ein freier Bereich, in dem allerdings perfekte Ordnung herrschte. Alles war sorgfältig ausgerichtet, vom goldenen Schreibset über die in Leder gefasste Schreibunterlage bis zum Telefon. Selbst der Bilderrahmen stand exakt parallel zum Schreibset. Bilderrahmen? Lizzie schaute kurz zur Tür hinüber, bevor sie nach dem Rahmen griff, um das Foto zu betrachten. Zu ihrer
Überraschung handelte es sich um die Aufnahme von zwei Jungen. Brüder, vielleicht sogar Zwillinge. Beide lächelten, hatten schwarzes Jahr und Grübchen und eine Ausstrahlung wie ... Wer? Ihr Onkel? Dir Väter? In welcher Beziehung standen diese Kinder zu Alex? Die Ähnlichkeit war so groß, dass sie mit ihm verwandt sein mussten. Die beiden waren höchstens fünf, aber schon jetzt war ihnen anzusehen, wie sie später einmal auf das andere Geschlecht wirken würden. Lizzie musste unwillkürlich lächeln. "Rita hat mich daran erinnert, wie spät es schon ist", bemerkte Alex, als er mit zwei Tassen hereinkam. "Ich schlage vor, wir bringen das Gespräch mit Jeremy so schnell wie möglich hinter uns." "Einverstanden", erwiderte sie. "Wer sind diese Kinder?" Sein Blick fiel auf den Bilderrahmen in ihrer Hand. Er zögerte. "Meine Söhne." "Die Ähnlichkeit ist frappierend. Wie heißen sie?" "Jason und Daniel. Links, das ist Jason." "Wie alt sind die beiden?" "Sie werden in ein paar Monaten fünf." ihr Lächeln wurde breiter. "Zwillinge. Das habe ich mir gedacht. In dem Kindergarten, in dem ich arbeite, sind zwei Zwillingsschwestern, die allen anderen Streiche spielen. Aber da sie erst drei sind, ist das nicht so schlimm." "Das klingt, als würde Ihnen Ihre Arbeit Spaß machen." "Großen Spaß. Ich mag Kinder sehr." Sie stellte das Foto zurück und nahm die Tasse, die er ihr reichte. Er rückte den Rahmen zurecht und führte Lizzie in die Sitzecke. Dort wartete er höflich; bis sie es sich bequem gemacht hatte. Erst dann setzte er sich ihr gegenüber hin. "Und wie lange arbeiten Sie schon im Kindergarten, Lizzie?" "Fast vier Jahre." "Und davor?"
"Davor habe ich in der Molkerei von Packenham gearbeitet und danach meinem Bruder Benjamin in seiner Käsefabrik geholfen." Er nippte an seinem Kaffee. "Käse", wiederholte er. Sie nickte. "Als er mich nicht mehr bezahlen konnte, habe ich den Kindergarten gegründet." "Wie interessant. Wieso gerade einen Kindergarten?" "Wie gesagt, ich mag Kinder sehr gern. Wahrscheinlich liegt das an meiner Familie." "So? Ich dachte, Sie sind die einzige Angehörige Ihres Onkels." "Es ist meine Stieffamilie. Als mein Vater starb, heiratete meine Mutter einen Witwer mit drei Kindern. Ich war damals vierzehn und half, die Kleinen großzuziehen." "Leben Ihre Mutter und Ihr Stiefvater noch in Packenham Corners?" "Junction", verbesserte sie. "Packenham Corners liegt jenseits der Landesgrenze." "Entschuldigung." "Schon gut", wehrte sie ab. "Viele Leute verwechseln die beiden miteinander. Jedenfalls, Warren Pedley, mein Stiefvater lebt noch auf der Familienfarm zehn Meilen außerhalb der Stadt, aber meine Mutter ist bereits ein Jahr nach der Hochzeit gestorben." Er beugte sich vor, die Ellbogen auf den Oberschenkeln, die Tasse zwischen den Händen. "Das muss sehr schwer für Sie gewesen sein." Sie wollte nicht daran denken. "Die Pedleys waren wunderbar. Sie gaben mir immer das Gefühl, zur Familie zu gehören." "Und aus Dankbarkeit haben Sie immer versucht, ihnen zu helfen." Verblüfft hob sie den Kopf. Sie kannten sich erst seit zwei Stunden, und schon hatte er Teile ihres Charakters durchschaut.
Über den Rand der Tasse hinweg musterte sie ihn. Vielleicht war an ihm doch mehr als nur ein hübsches Gesicht. Natürlich ist an ihm mehr, dachte sie verärgert. Die luxuriös eingerichteten Räume zeugten ebenso wie die bekannten Werbespots davon, und die zahlreichen Auszeichnungen an den Wänden bewiesen, dass die Agentur ausgesprochen erfolgreich war. Keine Frage, hinter den verführerischen braunen Augen steckte eine Menge Intelligenz. "Vermutlich haben Sie Recht", gestand sie ein. "Sie stehen Ihrer Familie sehr nahe." "Ja." Sie schaute wieder auf das Foto. "Sie können stolz auf Ihre Söhne sein. Es sind prächtige Kinder." "Danke." Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass die Jungen auch eine Mutter haben mussten. Sie starrte auf seine kräftigen Hände. Er trug allerdings keinen Ring. War Alex verheiratet? Natürlich konnte es ihr egal sein, ob er verheiratet war oder nicht. Also stellte sie die nächste Frage aus höflicher Neugier, wie man sie einem Geschäftspartner eben entgegenbrachte. "Kümmert Ihre Frau sich um die Kinder, während Sie arbeiten?" "Bitte?" "Nun ja, als Kindergärtnerin frage ich mich, wer Jason und Daniel betreut." "Meine Haushälterin, Mrs. Gray. Sie ist seit einigen Monaten bei uns." Reine Neugier, mehr nicht, sagte Lizzie sich. "Ich kenne zahlreiche berufstätige Ehepaare, die gern so jemanden hätten." "Seit Mrs. Gray da ist, läuft alles reibungslos." "Was für einen Beruf übt Ihre Frau aus?" "Ich bin nicht sicher, was Tiffany inzwischen macht. Sie ist gerade in Europa."
Das beantwortete ihre Frage. In gewisser Weise. "Ich verstehe." "Wir haben uns vor drei Jahren scheiden lassen, Lizzie. Sie ist mit ihrem neuen Mann in den Flitterwochen." Lizzie spürte, wie sie errötete. Vermutlich hatte er die ganze Zeit geahnt, worauf sie hinauswollte. "Das tut mir Leid." "So etwas passiert. Man lernt aus seinen Fehlern." Alex' Stimme klang allerdings lange nicht so unbeschwert, wie seine Worte es glauben machen wollten. Sie fühlte einen Anflug von Mitleid mit ihm. Außerdem hatte sie plötzlich den seltsamen Wunsch, ihre Hände auf seine zu legen. Stattdessen stellte sie ihre leere Tasse ab und verschränkte die Hände auf dem Schoß. "Und wie sind Sie in die Werbebranche geraten, Alex?" wechselte sie abrupt das Thema. Er entspannte sich sichtlich und lächelte wieder so charmant wie vorher. "Die Kunst der Überzeugung interessiert mich, seit ich das College abgeschlossen habe. Meinen ersten Job in einer Agentur war ich los, als die Firma Pleite ging. Also habe ich beschlossen, meinen eigenen Laden aufzumachen." "Und haben Sie damals meinen Onkel kennen gelernt?" "Ja, über einen gemeinsamen Bekannten. Roland und ich gingen eine Partnerschaft ein, und der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt." Sie vermutete, dass es darüber viel mehr zu erzählen gab, doch bevor sie nachfragen konnte, klopfte es leise an der Tür. Alex sah über die Schulter und stand auf. "Hallo, Jeremy." Jeremy Ebbet war nicht sehr groß und ein wenig zu schmal für seinen Nadelstreifenanzug. Das dunkelblonde Haar war schütter, und sein Gesicht war voller Sorgenfalten. Er sah genauso aus, wie Lizzie ihn sich nach den Telefonaten vorgestellt hatte. Der Anwalt gab ihr zur Begrüßung die Hand, setzte sich neben Alex auf die Kante eines Sessels und legte sich den Aktenkoffer auf die Knie.
"Wir wissen es zu schätzen, dass Sie sofort gekommen sind, Miss Hamill", begann er und schob seine Brille zurecht. Alex lehnte sich zurück, während Jeremy die zweite Phase ihres Plans in die Tat umsetzte. Wie er ihm geraten hatte, erklärte Jeremy, dass Roland sich seit Jahren nicht mehr in die Agentur eingemischt und die Firma unter Alex' alleiniger Leitung beträchtliche Gewinne gemacht hatte. Lizzie nickte. Alex hatte so etwas bereits angedeutet. "Ihr Onkel war gerade dabei, über den Verkauf seiner Anteile zu verhandeln, als ihn der tragische Unfall ereilte", fuhr Jeremy fort und nahm einige Unterlagen aus dem Aktenkoffer. "Dies ist eine Kopie unseres Angebots." Während sie las, knabberte sie wieder an ihrer Unterlippe, und gegen seinen Willen starrte Alex auf ihren zum Lächeln geschaffenen Mund. Dieser Mund faszinierte ihn, seit er dieser Frau zum ersten Mal begegnet war. Vor allem, als sie das Foto seiner Söhne betrachtet und ihr Gesicht einen wehmütigen Zug bekommen hatte. Verdammt, wenn er nicht aufpasste, würde Lizzie Hamill sein Leben so in Aufruhr versetzen, wie ihr Onkel es getan hatte. Noch ein Grund, dieses Geschäft so schnell wie möglich abzuschließen und sie nach Packenham Corners zurückzuschicken. Nein, Junction. Wohin auch immer. "Wie Sie sehen", sagte Jeremy, "haben wir für den Namen Ihres Onkels Ihren eingesetzt, da Sie nun die alleinige Eigentümerin der fünfzig Prozent sind." Lizzie hörte auf zu knabbern und spitzte die Lippen zu einem stummen Pfiff. Unwillkürlich musste Alex daran denken, wie es wäre, diese Lippen zu küssen. Hastig starrte er auf ihre Hand. Auf die Hand, mit der sie gleich unterschreiben würde. "So viel sind meine Anteile wert?" fragte sie mit ungläubiger Stimme.
"Es ist ein ausgezeichnetes Angebot", erwiderte Jeremy. "Da brat mir einer 'nen Storch." "Wie bitte?" "Ich hatte ja keine Ahnung." Sie sah Alex an. "Es geht alles so schnell. Ich habe gerade erst erfahren, dass mir die Hälfte der Firma gehört, und jetzt soll ich sie verkaufen?" "Ich kann verstehen, dass Sie ... überwältigt sind", beeilte Alex sich zu sagen. "Aber bestimmt sehen Sie ein, dass es die beste Lösung ist." Er machte eine Kunstpause. "Und es ist das, was Roland gewollt hätte." "Aber ich dachte ... Ich meine, Sie haben mich die weite Reise machen lassen ..." Kopfschüttelnd betrachtete sie die Unterlagen in ihrer Hand. "Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich das hier mit ins Hotel nehme?" "Natürlich nicht", antwortete Alex. "Lassen Sie sich ruhig Zeit, Lizzie." "Danke. Ich muss erst über die ganze Sache nachdenken." Alex schaute auf die Uhr. "Reden wir morgen weiter. Ich schlage vor, wir essen etwas und sehen uns danach eine Show am Broadway an. Dies ist doch Ihr erster Besuch in New York, nicht wahr?" Sie steckte den Vertrag in die Handtasche und nickte lächelnd. Ein Kinderspiel. Alex stand auf und weigerte sich, auf die Stimme seines Gewissens zu hören. Außerdem weigerte er sich, zur Kenntnis zu nehmen, wie der schlichte blaue Rock seiner Noch-Partnerin ihre erregend gerundeten Hüften umspielte, als sie sich ebenfalls erhob. Und wie weich und anschmiegsam ihre Lippen wirkten, wenn sie lächelte. Und was für eine natürliche, unverdorbene Sinnlichkeit in ihrem Blick lag.
Und wie heiß ihm wurde, als sie seine Hand nahm, um sich zu verabschieden. Doch abgesehen davon lief alles nach Plan. Kerzen flackerten. In der Luft lag der Duft von teurem Parfüm. Die anderen Gäste unterhielten sich angeregt, aber nicht laut. Die Kellner eilten geräuschlos umher. Auf dem strahlend weißen Tischtuch glitzerte das Silber. Das Weinglas in Lizzies Hand funkelte, als sie es hob, um Alex zuzuprosten. "Auf New York", wiederholte sie und nahm einen Schluck. Der Wein schmeckte mild und frisch. "Was möchten Sie sich morgen ansehen?" erkundigte er sich. "Die Freiheitsstatue? Times Square? Ein Museum?" "Die Freiheitsstatue." "Wunderbar. Auf der war ich schon seit Jahren nicht mehr." Sie nippte noch einmal an ihrem Glas, während er aufzählte, was er ihr alles zeigen wollte. Aber wie zuvor achtete sie mehr auf seine Stimme als auf das, was er sagte. Warum auch nicht? Sie wollte das hier genießen, so lange wie möglich. Dieser atemberaubende Mann, das elegante Restaurant, der Wein ... Wenn es Mitternacht schlug, würde das alles sich vermutlich in Luft auflösen. Das wäre doch ein passendes Ende für eine Frau wie sie, nicht wahr? Sie hätte es wissen müssen. Die Aufmerksamkeit, mit der Alex sie überschüttete, hatte rein geschäftliche Grunde. Warum sollte jemand wie er sie sonst nach New York einladen, ihr Blumen schenken und sie in ein Restaurant ausführen, in dem keine Preise auf der Speisekarte standen? Angesichts der Summe, die er für die Anteile ihres Onkels zahlen wollte, war das, was er für ein paar Rosen und ein Filet mignon ausgab, nur Kleingeld. Sie stellte ihr Glas ab und ärgerte sich darüber, dass sie enttäuscht war. Was hatte sie denn erwartet? Natürlich wollte er als Partner niemanden, den er gar nicht kannte. Und natürlich
war er sicher, dass sie ihre Hälfte der Agentur verkaufen und so schnell wie möglich in ihr stabiles, sicheres, glückliches Leben in Packenham Junction zurückkehren wollte. Lustlos schnitt sie ein Stück von dem längst kalten Fleisch ab. Sie war Tante Liz. Die gute alte Lizzie, die die Kinder anderer Leute hütete und für andere Frauen die Brautjungfer spielte. "Schmeckt es Ihnen nicht?" Langsam legte sie die Gabel auf den Teller, ganz vorsichtig, damit kein Klappern die diskrete Atmosphäre störte. "Doch, es ist köstlich." "Ich kann den Kellner bitten, Ihnen etwas anderes zu bringen." "Nein, das ist nicht nötig", erwiderte sie und griff erneut nach ihrem Glas. Sie hatte heute so gut wie nichts gegessen und sollte eigentlich nicht so viel trinken, aber auch dieser edle Tropfen gehörte zu dem Märchen, das sie gründlich auskosten wollte, Alex hatte ihr ein großzügiges Angebot unterbreitet. Die Summe hatte mehr Nullen, als sie je in einem Betrag gesehen hatte. Mit so viel Geld könnte sie ihrem Stiefvater eine neue Scheune bauen, Jolenes und Tims Hypothek ablösen und sogar Zacks Studium in Harvard finanzieren. Vorausgesetzt, sie nahmen das Geld an. Was für ein sturer Haufen ihre Familie doch war,, Vermutlich stammte diese Einstellung noch aus den Pionierzeiten, in denen man keine Bankkonten kannte und das, was man brauchte, eintauschte. Schade, dass Whitmore und Hamill keine Melkmaschinen oder andere nützliche Dinge herstellten. Sie lächelte, als sie sich vorstellte, wie der weltmännische Alex Whitmore Farmern Melkmaschinen verkaufte. Vermutlich würde er nicht einmal wissen, wo man sie an eine Kuh anschloss. Aber mit seinem festen Griff und den langen Fingern würde er sie bestimmt auch mit der Hand melken können.
Errötend malte sie sich aus, was er damit noch alles anstellen konnte. Bestimmt wäre er entschlossen und zärtlich, bestimmt wäre seine Berührung beruhigend und erregend zugleich. Und mit seiner tiefen Stimme würde er Dinge flüstern, die ihr nicht nur unter die Haut, sondern ans Herz gehen würden. Und seine braunen Augen würden ... So war es bei Bobby nie gewesen. Selbst wenn er mit nacktem Oberkörper an einem heißen Sommertag Heuballen gestapelt hatte und die Jeans schweißnass an seinen Schenkel klebten, sein Anblick hatte sie nie so erregt wie dieser Mann im Maßanzug. Wie würde sie auf einen halb nackten Alex Whitmore reagieren? Lizzie wagte nicht, sieh das auszumalen. Ein leises Klirren riss sie jäh aus ihren Gedanken. Ihr Weinglas war umgekippt. Der Wein ergoss sich über das Tischtuch. Alex bändigte die Flut mit seiner Serviette. "Entschuldigung. Ich muss gegen den Tisch gestoßen sein", sagte er. Sie wusste, dass ihr nervöses Gezappel das Missgeschick verursacht hatte. Aber er nahm die Schuld auf sich, um ihr die Peinlichkeit zu ersparen. Er war wirklich ein echter Märchenprinz. "Möchten Sie ein Dessert, Lizzie?" fragte er, während er ihr Glas wieder aufstellte und die Weinflasche in Sicherheit brachte. "Nein danke, Alex." "Kaffee? Wir haben noch Zeit, bis die Vorstellung beginnt." O je. Offenbar dachte er, dass sie einen Schwips hatte. Wenn ihr ein wenig schwindlig war, dann lag das nicht am Wein. "Möchten Sie sonst noch etwas, Lizzie?" Sicher, dachte sie, mach den Oberkörper frei, und lad ein paar Heuballen ab. "Haben Sie schon mal Modell gestanden?" wollte sie spontan wissen. "Ich verstehe nicht?" "Sie wissen schon, für Werbefotos oder so."
Verwirrt starrte er sie an. "Nein, solche Aufträge vergeben wir weiter." "Ich dachte nur. Na ja, so wie Sie ..." Sie brach ab, bevor sie noch mehr Unsinn von sich geben konnte. "Ich dachte, es würde Kosten sparen." "Bisher war es nicht nötig, diese Kosten zu verringern." "Oh. Das ist gut. Ich meine, ich bin froh, dass Whitmore und Hamill floriert." "Bei jeder Werbekampagne versuchen wir, Modelle zu finden, die unseren Erfordernissen und den Wünschen der Kunden entsprechen. Meine Aufgabe besteht darin, die Leute zu koordinieren, die für mich arbeiten, und dafür zu sorgen, dass alles ..." "Uns", unterbrach sie ihn. Er zog eine Augenbraue hoch. "Die für uns arbeiten", korrigierte sie und staunte über ihre Unverfrorenheit. "Noch habe ich nicht verkauft." An seiner Wange zuckte ein Muskel, während er die Serviette noch fester auf die Pfütze aus Wein presste. "Eine Firma zu leiten ist nichts für jeden, Lizzie. Ihr Onkel fühlte sich immer mehr eingeengt. Vermutlich hat er sich deshalb nach und nach aus der Alltagsarbeit der Agentur zurückgezogen." Sie musste sich beherrschen, um nicht die Augen zu verdrehen. Wie oft wollte er ihr eigentlich noch erklären, wie gern ihr Onkel seine Anteile verkauft hätte? Außerdem kam ihr langsam der Verdacht, dass es auch andere Gründe für Rolands bevorstehenden Ausstieg gegeben haben musste. Alex hatte ihren Onkel zwar nicht offen kritisiert, aber es hörte sich an, als hätten die beiden sich nicht besonders verstanden. Das musste allerdings nicht heißen, dass auch sie sich nicht mit ihm verstehen würde. Sie war ein umgänglicher Mensch. Als hauptamtlicher Babysitter und beliebteste Brautjungfer von Packenham Junction hatte sie schließlich genug Erfahrung darin, wie man andere Leute glücklich machte. Sicher, New Yorker
waren anders als ihre Freunde zu Hause, aber trotz ihrer Maßanzüge waren sie immer noch Menschen, oder? Und sie konnte sich nur zu gut vorstellen, was sich unter Alex Whitmores Maßanzug verbarg... "Was wird aus dem Firmennamen, wenn ich meine Hälfte verkaufe?" fragte sie. "Aus dem Firmennamen?" "Whitmore und Hamill. Ich bin die letzte Hamill. Würden Sie den Namen ändern, wenn ich verkaufe?" Er zögerte. "Was möchten Sie?" "Ich möchte, dass er so bleibt, wie er ist." "Nun ja, das könnte unsere Kunden verwirren." "Zur Erinnerung an meinen Onkel", erklärte sie. "Ich verstehe." "Onkel Roland hat nie geheiratet. Es gibt keine Kinder, die die Erinnerung an ihn wach halten könnten." "Na gut, wenn Sie das wirklich wollen", gab er nach. Nein, was ich wirklich will, ist, dich nackt und verschwitzt und ... Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie musste ihre Phantasie zügeln. Oder sie auf etwas anderes richten. "Warum haben Sie es so eilig, mir meine Hälfte abzukaufen, Alex?" fragte sie ihn ganz direkt. Seine Miene verhärtete sich für den Bruchteil einer Sekunde, und hätte Lizzie ihn nicht so genau beobachtet, wäre es ihr entgangen. Es war das zweite Mal, dass die höfliche Fassade einen Riss bekam. Das erste Mal hatte sie es bemerkt, als er seine Scheidung erwähnt hatte. "Alex?" Er blinzelte. "Ich glaube, die Agentur hätte eine stabilere, sicherere Zukunft, wenn nur eine Person die Richtung bestimmt." "Haben Sie sich mit meinem Onkel nicht verstanden?" "Es ist kein Geheimnis, dass wir häufig unterschiedlicher Meinung waren. Aber es wäre tatsächlich einfacher, die Firma
allein zu führen. In den letzten Jahren musste ich bei jeder größeren Entscheidung mit Roland Kontakt aufnehmen, und das hat zu Verzögerungen und Missverständnissen geführt. Das alles ließe sich vermeiden, wenn Sie mir Ihre Anteile verkaufen." "Ich verstehe." "Lizzie, Sie würden sich nur unnötig Verantwortung aufbürden. Sie haben mir erzählt, was Ihnen die Arbeit im Kindergarten und die Nähe zu Ihrer Familie bedeuten. Denken Sie daran, was sie mit dem Erlös aus dem Verkauf alles bewirken könnten", gab er zu bedenken. "Daran habe ich bereits gedacht." "Es wäre wirklich die beste Lösung." Sie strich mit dem Fuß ihres Weinglases über die Tischdecke. Hatte Alex Recht? Damals war es die beste Lösung gewesen, auf das CollegeStipendium zu verzichten, um die Farm zu übernehmen, während ihr Stiefvater sich von einem Arbeitsunfall erholte. Und in dem Haus an der Myrtle Street einen Kindergarten zu eröffnen, nachdem Bobby ihren Traum zerstört hatte, war ebenfalls richtig gewesen. Was würde sie in zwanzig Jahren sagen, wenn die Sprösslinge ihrer jetzigen Schützlinge zu ihr in den Kindergarten kamen? Würde sie an dieses Abenteuer zurückdenken und ihre Entscheidung bereuen? Stirnrunzelnd stellte sie ihr Glas neben die Flasche und sah Alex an. "Ich gebe zu, ich weiß nicht sehr viel über die Werbebranche und habe auch keinen tollen Abschluss in Volkswirtschaft, aber wie die meisten Leute vom Land kenne ich mich im Pferdehandel aus. Oder genauer gesagt, im Viehhandel." Er zerknüllte seine Serviette in der geballten Faust und kniff seinen Mund zu einem schmalen Strich zusammen. "Was haben Sie denn?" fragte sie völlig unschuldig. "Sie haben sich gerade wie Ihr Onkel angehört."
Wie immer er das meinen mochte, Lizzie nahm es als Kompliment. Also schob sie den Teller von sich und beugte sich vor. "Sehen Sie, die Anteile meines Onkels zu erben ist, als hätte ich eine Kuh bekommen, von der ich nicht weiß, was ich damit anfangen soll." "Aha. Bitte fahren Sie fort." "Okay. Erst einmal muss ich wissen, was die Kuh wirklich wert ist, denn nur dann kann ich einen fairen Preis dafür erzielen. Nehmen Sie es mir nicht übel, Alex, aber ich möchte, dass mein eigener Anwalt sich Jeremys Angebot ansieht." "Natürlich." "Und dann gibt es da noch einen Punkt. Wenn eine Kuh gesund ist und viel Milch gibt, kann es vernünftiger sein, sie zu behalten." Jetzt schob er ebenfalls seinen Teller zur Seite und beugte sich vor. "Worauf wollen Sie hinaus?" Da war sie selbst nicht ganz sicher. "Ich könnte schnelles Geld machen, indem ich die Kuh verkaufe, aber langfristig könnte es klüger sein, die Kuh zu behalten und die Milch zu verkaufen." "Also würden Sie erwarten, dass ich ... die Kuh für Sie melke?" Lizzie befeuchtete sich die Lippen. "Nun ja, Sie haben erzählt, dass mein Onkel sich in den letzten Jahren aus dem Geschäft herausgehalten hat. Das mag manchmal unbequem für Sie gewesen sein, aber die Agentur hat trotzdem Gewinn gemacht. Warum sollte ich es nicht ebenso halten? Ich könnte meine Hälfte behalten und Ihre stille Teilhaberin sein." Er starrte auf ihren Mund und sagte nichts. Erst nach einer ganzen Weile schaute er ihr in die Augen. Lizzie hielt den Atem an. Erneut spürte sie dieses eigenartige Kribbeln in der Magengrube. Es gab noch eine andere Möglichkeit. Sie brauchte keine stille Teilhaberin zu sein, sie beide konnten ... die Kuh gemeinsam melken. "Alex?"
"Ja, Lizzie?" "Welche Voraussetzungen besaß mein Onkel?" "Ich verstehe nicht." "Um in der Werbung zu arbeiten, meine ich. War er auf demselben College wie Sie? Oder hat er einen Kursus gemacht oder so etwas?" Er schwieg lange. Sie wollte ihre Frage schon wiederholen, da antwortete er endlich. "Nein." "Nein?" "Ihr Onkel hat jeden Tag etwas dazugelernt. Er, hat sich auf seinen Instinkt und seine Inspiration verlassen, nicht auf Schulwissen." Aus dem Kribbeln wurde ein Prickeln, als die Saat, die Jolene gesät hatte, in Lizzie aufging. "Ich arbeite zwar gern im Kindergarten, aber der läuft auch ohne mich. Also hindert mich nichts daran, noch eine Weile in New York zu bleiben." Sie räusperte sich. "Sie haben vielleicht noch nicht daran gedacht, Alex. Aber wenn ich alles über die Agentur lerne, was es zu lernen gibt, könnte ich Ihnen möglicherweise helfen." "Mir helfen?" "Indem ich der Firma eine andere Perspektive gebe?" "Eine andere Perspektive?" Mit jeder Wiederholung wurde seine Stimme leiser. Doch sie klang nicht sanft, sondern so unheilvoll wie ein entferntes Donnergrollen. Sie lächelte. "Ja. So wie Onkel Roland." Alex erwiderte ihr Lächeln nicht, sondern starrte sie nur an. In seinen braunen Augen glitzerte etwas. Eine Herausforderung. Nein, mehr als das. Neugierde. Lizzie fröstelte. Sie spürte, wie sie auf seinen Blick reagierte. Das Kribbeln und Prickeln, das ihre Hände feucht werden ließ ... Lag es an ihrem Interesse an der Firma ... oder an ihrem Interesse an ihrem Partner? Alex versuchte, eine ausdruckslose Miene beizubehalten. Warum sah ihr Mund so verlockend aus, obwohl sie davon
sprach, ihm die Führung der Agentur streitig zu machen? Seiner Agentur. Diese Sache lief nicht mehr nach Plan. Wie Onkel Roland. Er konnte nicht glauben, dass es zwei derartige Menschen gab. Aber die gab es auch nicht. Elizabeth Hamill war wesentlich gefährlicher als ihr Onkel. Denn sie brachte nicht nur die Firma in Gefahr, sondern auch seine Selbstbeherrschung. Er war kein. Mann, der impulsiv handelte. Er ließ sich allein von der Logik leiten. Doch an dem plötzlichen Wunsch, sich über den Tisch zu beugen und ihre Lippen zu schmecken, war absolut nichts logisch. Gleich morgen früh würde er Jeremy anweisen, das Angebot zu erhöhen. Und wenn das nicht funktionierte ... Ein leises Summen beendete die angespannte Stille zwischen ihnen. Alex zuckte zusammen und holte sein Handy aus der Tasche. "Mr. Whitmore? Sind Sie es?" Die panische Stimme seiner Haushälterin ließ ihn erstarren. Er brauchte nicht mehr als eine halbe Minute, um herauszubekommen, warum sie so panisch klang. Die Angst vertrieb jeden Gedanken an die Agentur und seine neue Teilhaberin. Er klappte das Handy zu, steckte es ein und sprang auf. "Es tut mir Leid, Lizzie. Wir treffen uns im Theater, ja? Ich muss nochmal kurz nach Hause." Sie zögerte nur eine halbe Sekunde, dann wischte sie sich die Handflächen an ihrem Rock ab, nahm ihre Tasche und ging um den langen Tisch herum, "Nicht so hastig, Partner. Ich komme mit."
3. KAPITEL Als Alex in die Einfahrt einbog, war die Verwüstung nicht zu übersehen. Die Reifenspuren hatten sich in den Rasen gegraben, führten in Schlangenlinien quer durch den Garten und endeten zwischen platt gedrückten und zerrupften Rosensträuchern. Mitten im Beet stand Mrs. Grays braune Limousine, die Vorderräder halb in der Erde versunken, der rechte Kotflügel um eine umgestürzte Vogeltränke aus Marmor gebogen. Der Schaden war nicht annähernd so groß, wie er nach dem Telefonat mit der Haushälterin erwartet hatte. Trotzdem lief es Alex kalt den Rücken herunter. Hätte der Wagen die entgegengesetzte Richtung genommen, wäre er auf die Straße gerast, nicht in den Garten... Mit quietschenden Reifen hielt er vor dem Haus und rannte zur Eingangstür. Er nahm kaum wahr, dass Lizzie ihm folgte. Sie hatte darauf bestanden, mit ihm zu fahren. Wie ihr Onkel schien sie so störrisch wie ein Maulesel zu sein. "Jason! Daniel!" rief er aufgeregt. Mrs. Gray erschien im Foyer. "Sie sind hier, Mr. Whitmore." Alex stürmte ins Wohnzimmer. Die Zwillinge saßen auf der Couch. Mrs. Gray hatte ihm versichert, dass sie unverletzt waren, aber er hielt den Atem an, bis er sich mit eigenen Augen davon überzeugt hatte. "Hi, Dad! Bist du böse auf uns?" "Ja, bist du sauer?"
An den Ärmeln ihrer Schlafanzüge, an ihren Wangen und Händen klebte die Erde aus dem Vorgarten, aber ihnen schien nichts passiert zu sein. Alex kniete sich vor sie, strich ihnen über Arme und Beine und zog sie an sich. "Gott sei Dank", flüsterte er. "Er ist nicht sauer", murmelte Jason. "Hab" ich dir doch gesagt", erwiderte Daniel und wand sich aus dem Arm seines Vaters. "Mrs. Gray hat gesagt, du bist bestimmt wütend." "Wir mussten ewig hier sitzen." Alex schloss die Augen, bis die Albträume verblassten, die ihn auf der Fahrt hierher gequält hatten. Jason und Daniel war nichts passiert. "Ich wollte, dass Sie mit eigenen Augen sehen, was die beiden Rabauken angerichtet haben", sagte die Haushälterin tadelnd. Er schluckte. "Ich habe den Wagen gesehen, Mrs. Gray." "Ich kündige fristlos, Mr. Whitmore. Sobald ich meinen Koffer gepackt habe, verlasse ich dieses Haus." Das war in dieser Woche das dritte Mal, dass sie kündigte. Ein neuer Rekord. Alex holte tief Luft und drehte sich zu ihr um. Mrs. Gray saß auf der antiken Holzbank, der unbequemsten Sitzgelegenheit im Raum. Ihr gestärktes Kleid war so grau wie ihr dicht gelocktes Haar. Selbst die Perserkatze auf ihrem Schoß war grau, bis auf die pinkfarbenen Flecken, die ein Streich der Zwillinge auf ihrem Fell hinterlassen hatte. Mrs. Gray war bereits vier Monate im Haus, länger als jede ihrer Vorgängerinnen. Ihre eisige Miene verriet, dass sie ihre Drohung dieses Mal vielleicht wahr machen würde. "Selbstverständlich lasse ich Ihren Wagen sofort reparieren, Mrs. Gray", versprach Alex. "Und ich bin gern bereit, über Ihr Gehalt..."
"Ihr Geld kann nicht alle Probleme lösen, Mr. Whitmore." Mit zitternder Hand zeigte sie auf seine Söhne. "Die beiden brauchen keine Haushälterin, sondern einen Gefängniswärter." Er stand auf, ohne die Hände von den Schultern der Zwillinge zu nehmen. "Wir reden später darüber." "Ihre Kinder sind missraten. Kleine Ungeheuer, aus denen ..." "Das reicht, Mrs. Gray", unterbrach Alex sie scharf. Sie fuhr hoch, drückte sich ihre Katze an den Busen und marschierte naserümpfend hinaus. "Die sind wir los", verkündete Jason. "Stimmt", bestätigte Daniel triumphierend. Alex hörte, wie irgendwo im Haus eine Tür ins Schloss geworfen wurde. Er hatte Mrs. Gray nie besonders gemocht, aber ihr abrupter Abgang stellte ihn vor erhebliche Probleme. Er musste sich beherrschen, um nicht laut zu fluchen. Stattdessen atmete er tief durch. Zwischen seinen Schläfen setzte das nur allzu vertraute Pochen ein. "Heh, wer ist das? Ist sie unsere neue Haushälterin?" Alex folgte dem Blick seines Sohnes. Lizzie stand in der Tür und starrte ihn entgeistert an. Großartig, dachte er. Damit konnte er seinen Plan nun wohl endgültig vergessen. "Jungs, das ist Miss Hamill. Und nein, sie ist nicht die neue Haushälterin." Er drehte sich zu ihr um. "Tut mir Leid, dass ich Sie mitgeschleift habe." "Sie waren besorgt", erwiderte sie und schaute durch das Erkerfenster in den Garten. Mrs. Grays auf Hochglanz polierter Wagen glänzte im Mondschein. "Seien Sie froh, dass sie gekündigt hat." "Wie?" "Die Kontrolle über den Wagen zu verlieren ist schlimm genug, aber dann auch noch den Kindern die Schuld zu geben ..." Sie errötete. "Entschuldigung, das geht mich nichts an."
Ihm wurde warm ums Herz. Es war eine andere Wärme als die, die ihr Lächeln in ihm auslöste. Sie versuchte, seine Söhne zu verteidigen. "Mrs. Gray saß nicht am Steuer." "Umso schlimmer. Sie hätte die beiden nicht fahren ..." "Wir haben ihn uns nur ausgeliehen", unterbrach Daniel sie. "Wir haben ihn uns nur mit ihr geteilt", korrigierte Jason. "Barney sagt immer, man muss alles teilen." "Wie unsere eigenen Autos", fügte Daniel hinzu. "Der Wagen fuhr plötzlich so schnell." "Ja, richtig schnell." Alex schloss die Augen. Vor einem Monat halte er den beiden zwei batteriebetriebene Mini-Autos geschenkt. Offenbar hatten sie damit nur geübt. Lizzies Augen wurden immer größer. "Ihr meint ..." Sie sah Alex an. "Soll das heißen, die beiden sind mit Mrs. Grays Wagen gefahren?" Er nickte. "Aber ..." Sie starrte seine Söhne an. "Wie?" "Jason stand auf dem Sitz und hat gelenkt, und ich habe Gas gegeben", erklärte Daniel stolz. "Ganz schön schlau, was?" Sie hob die Hand an den Mund. "Da brat mir doch einer 'nen Storch." "Wir haben die Schlüssel genommen, als Mrs. Gray im Bad war." Er schüttelte den Kopf. "Sie ist immer ewig im Bad." "Ewig", wiederholte Daniel. "Es ging ganz leicht. Wie bei unseren Autos. Aber es hört sich viel komischer an. So etwa ..." Er ahmte das Geräusch nach, das ein Schaltgetriebe von sich gab, wenn man einen Gang ohne durchgetretenes Kupplungspedal einzulegen versuchte. "Was ihr getan habt, war falsch, Jungs", sagte Alex so ruhig wie möglich. "Und es war gefährlich. Ihr hättet euch schwer verletzen können."
"Wir wollten ihn uns doch nur auslernen. Wir wollten ihn zurückgeben", protestierte Daniel mit vorgeschobener Unterlippe. "Siehst du?" flüsterte Jason. "Er ist doch sauer." "Red keinen Quatsch." "Ich rede keinen Quatsch. Du hast doch ..." Jason verstummte, als im hinteren Teil des Hauses eine gellender Schrei ertönte. Alex verzog das Gesicht. Was war denn jetzt los? "Oh, oh", sagte Daniel und verschwand blitzschnell hinter der Couch. "Oh oh", echote Jason und folgte seinem Bruder über die Rückenlehne. Eine Tür wurde aufgerissen. "Mr. Whitmore, in meinem Koffer sind Würmer!" rief Mrs. Gray hysterisch. Die Zwillinge rannten aus dem Zimmer und die Treppe hinauf. Seufzend ließ Lizzie sich auf die elfenbeinfarbene Couch sinken. Wie sein Büro in der Agentur so vermittelte auch Alex' Haus eine Atmosphäre von Reichtum und weltmännische Eleganz. Es hätte in eine teure Wohnzeitschrift gepasst, von den aufwändigen Intarsien des Beistelltischs über die hellen Polstermöbel bis zur antiken Sitzbank. Aber auf den Fotos in Wohnzeitschriften waren normalerweise keine Schlammspritzer. Und die zierten selbst den Brokatstoff, auf dem Alex' Söhne gesessen hatten. Und auch auf dem Orientteppich hatten die Zwillinge Erdklumpen aus dem Rosenbeet hinterlassen. Lizzie musste lächeln. Die beiden Jungen waren charmante Burschen. Genau wie ihr Vater. Sie waren keine fünf Jahre alt, aber das hatte sie nicht daran gehindert, ein richtiges Auto zu fahren. Ob sie diese Entschlossenheit von Alex hatten? Vermutlich. Als Geschäftsmann war er offenbar durch nichts aufzuhalten. Und als Mann? Wie war er, wenn er eine Frau
begehrte? Wie wäre es, die Frau zu sein, die er wollte? Lizzies Lächeln verblasste. Er war kein Märchenprinz. Er war schlimmer. Er war ein Mann aus Fleisch und Blut, ein Mann mit Kindern. Und die Gefühle, die sie in seinem Gesicht gesehen hatte, waren real. So real, dass sie ihr selbst jetzt noch den Atem verschlugen. Was für andere Gefühle versteckte er hinter der geschliffenen Fassade? War er als Liebhaber so leidenschaftlich wie als Vater? Sie unterdrückte ein Stöhnen. Es war ein Fehler gewesen, ihn hierher zu begleiten. Sie hatte ihn schon vorher attraktiv gefunden, aber jetzt, da sie ihn mit seinen Kindern erlebt hatte, fand sie ihn unwiderstehlich. Aus dem Foyer drang das zarte Läuten einer Türglocke herein. Lizzie drehte sich danach um. Mrs. Grays Absätze klapperten über den Marmor. In der einen Hand trug sie eine zum Platzen gefüllte Reisetasche, in der anderen ihre Katze. Lizzie sprang auf und eilte hinterher. Vor dem Haus stand ein alter Chevy. Eine Frau mit mausgrauem Haar half Mrs. Gray, den Koffer zu verladen. Ohne sich noch einmal umzugehen, stieg die Haushälterin ein. Sekunden später rauschte der Wagen davon. "Das war's dann wohl", ertönte eine tiefe Stimme hinter Lizzie. Sie zuckte zusammen und sah über die Schulter. "Was?" Er schloss die Haustür. "Mrs. Gray ist zu ihrer Schwester gezogen." "Also hat sie wirklich gekündigt." "Ja. Ich werde ihr ihre Sachen schicken. Sie wollte den Koffer lieber nicht nehmen." Den Koffer. Lizzie war sicher, dass Mrs. Gray die Würmer nicht lustig gefunden hatte. Und Alex offenbar auch nicht. Armer Alex, dachte sie. Er sah nicht aus wie ein erfolgreicher Geschäftsmann. Eher wie ein leidgeprüfter Väter. Er hatte das
Jackett ausgezogen und die Krawatte gelockert. Sein Haar war zerzaust. Sie fand ihn hinreißend. Und ... zugänglicheres je zuvor. "Tut mir Leid, dass ich Ihnen das zumuten musste", sagte er leise. "Sind die Jungs im Bett?" "Sie schlafen. Sie scheinen das Ganze gut überstanden zu haben." "Und Sie?" erkundigte sie sich mitfühlend. "Ich?" Lizzie senkte den Blick. Der arme Mann wirkte angespannt und nervös. "Ich habe in meinem Kindergarten oft genug erlebt, was Kindern zustoßen kann. Von verschluckten Knöpfen bis zu Stürzen von der Schaukel. Kinder sind meistens viel zäher als ihre Eltern." "Ich bin okay", sagte er. "Aber besorgt." "Mir ist unbegreiflich, wie Mrs. Gray so etwas zulassen konnte." "Kinder in dem Alter sind schwer zu beaufsichtigen. Erst recht, wenn sie so einfallsreich sind wie Ihre beiden Jungs", erwiderte sie, obwohl sie nicht wusste, warum sie die Haushälterin in Schutz nahm. "Ich werde darauf achten müssen, dass Mrs. Grays Nachfolgerin ihre Aufgabe ernster nimmt." Glaubte er wirklich, dass es so einfach war, auf Kinder aufzupassen? Eigentlich war er dazu zu intelligent. Er schien zu ahnen, was sie dachte, denn er lächelte verlegen. "Ich fürchte, für die Show, die ich Ihnen versprochen habe, ist es jetzt zu spät." Sie konnte ihm schlecht sagen, dass sie diesen Einblick in sein Privatleben interessanter als alles fand, was der Broadway
ihr bieten konnte. "Das macht nichts. Ich sollte allerdings jetzt in mein Hotel fahren." "Ich würde sie gern hinbringen, aber ich möchte die Zwillinge nicht allein lassen." "Natürlich nicht. Ich rufe mir ein Taxi", erwiderte sie und drehte sich um. Danach wusste sie nicht, wie es geschehen war. Es war eine Kettenreaktion, ausgelöst durch die Erdklumpen, die Alex' Söhne ins Haus getragen hatten. Lizzies Absatz traf auf einen Kieselstein, und der Schuh rutschte über den Boden. Normalerweise hätte sie das nicht aus dem Gleichgewicht gebracht, aber da sie mit den Gedanken noch bei Alex war, reagierte sie nicht schnell genug. Als sie endlich begriff, was geschah, fand sie sich in seinen Armen wieder. Sie legte die Hände an seine Brust. "Oh!" entfuhr es ihr. "Entschuldigung." "Nein, es war meine Schuld. Ich hätte Sie warnen sollen." Sie schüttelte den Kopf. Er versuchte noch immer, sich wie ein Märchenprinz zu benehmen. Er lockerte seinen Griff, ließ sie jedoch nicht los. "Alles in Ordnung?" Lizzie nickte, obwohl sie die Wärme spürte, die sich Von seinem Körper auf sie übertrug. Plötzlich war sie begierig darauf, seine Haut unter ihren Fingern zu fühlen ... seinen Körper nackt zu sehen ... "Sie haben eine lange Reise hinter sich. Bestimmt sind Sie erschöpft." Oh, warum musste seine Stimme so verführerisch klingen? Wie ein musikalischer Liebestrank? Wie sollte sie ihre Phantasie in den Griff bekommen, wenn er nur den Mund aufzumachen brauchte und schon ging die Vorstellungskraft mit ihr durch? Sie hob den Blick. Was wäre der Geschmack eines sündhaft teuren Weins gegen den seiner Lippen ... "Lizzie?"
Und sein Kuss wäre vermutlich noch berauschender. "Mmm?" "Ich fürchte, ich werde unsere Besichtigungstour verschieben müssen, bis ich einen Ersatz für Mrs. Gray gefunden habe. Außerdem habe ich im Büro noch ein paar Sachen zu erledigen, bevor ich Sie abhole." "Es macht mir nichts aus zu warten", versicherte sie. "Und sollten sie keinen Babysitter finden, bringen Sie doch die Jungs einfach mit. Aber achten Sie dann darauf, dass die beiden keine Farbe dabeihaben." "Wie?" Sie lächelte. "Was die beiden Mrs. Grays Katze angetan haben, war nicht zu übersehen. Ich hoffe, sie haben das arme Tier fotografiert." Es begann an seinen Augenwinkeln und breitete sich langsam über die plötzlich auftauchenden Grübchen an den Wangen bis zu den Lippen aus. Es war kein charmantes, kein perfektes, kein kontrolliertes Lächeln, es war ganz einfach natürlich. Und während Lizzie ihn noch staunend anstarrte, tat er etwas, das sie noch mehr faszinierte. Er lachte. Es war ein kurzes Lachen und schien ihn nicht weniger zu überraschen als sie. Es war wie ein Sonnenstrahl, der durch eine Wolke drang, und ließ Lizzie an schwüle Augusttage, Baden im Teich und Herumtoben auf dem Heuboden denken. Und an sanfte Lippen an ihrem Hals... "Lizzie", sagte er und legte eine Hand an ihre Wange. "Sie haben eine so erfrischende Sicht der Dinge." Ihre Haut erwärmte sich unter seinen Fingerspitzen, die glatt und weich waren, ganz anders als die eines Farmers. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. "Und Sie haben ein wundervolles Lachen", flüsterte sie. Er strich mit dem Daumen über ihre Wangen. "Ich kann mich gar nicht erinnern, wann mir das letzte Mal zum Lachen zu Mute war."
"Nun ja, ich finde, man sollte sich zu nichts zwingen, sondern seiner Natur freien Lauf lassen." "Das hat Ihr Onkel auch immer gesagt." "So?" "Ja. Meistens dann, wenn er mich zu einem ungewöhnlichen Projekt überreden wollte." Das war das zweite Mal, dass er sie mit Roland verglich. Vielleicht war sie ihrem Onkel ähnlicher, als sie dachte. Die Vorstellung gefiel ihr. Plötzlich kam ihr eine Idee. "Wissen Sie, Alex, da wir jetzt Partner sind, könnte ich Ihnen morgen vielleicht aushelfen." "Wie das?" "Sie sagten, dass Sie Zeit brauchen, um einen Ersatz für Mrs. Gray zu finden." "Ja, aber..." Er hielt den Daumen still. "Sie wollen mir helfen? Was schwebt Ihnen vor?" "Ich habe ein paar Fähigkeiten, die in Ihrer vertrackten Lage ganz nützlich sein könnten." "Das könnte ich unmöglich von Ihnen erwarten", protestierte er zögerlich. "Warum denn nicht? Dazu sind Partner doch da, oder?" "Das ist sehr großzügig, aber ..." "Alex, ich helfe Ihnen gern. Auf Besichtigungstour können wir immer noch gehen." Er ließ die Hand auf ihre Schulter gleiten. "Das ist ein verlockendes Angebot." "Ich lerne schnell. Erzählen Sie mir einfach, was ich tun muss." "Ich bezweifle, dass ich Ihnen etwas beibringen kann, Lizzie." "Danke, aber wenn Onkel Roland es geschafft hat, schaffe ich es auch." Er runzelte die Stirn. "Ihr Onkel hat nie auf meine Zwillinge aufgepasst."
"Wie kommen Sie denn jetzt darauf?" "Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen Ihr Kindergarten fehlt, aber ich werde Sie nicht ausnutzen, Lizzie. Sie sind wohl kaum nach New York gekommen, um als Babysitter einzuspringen. Ich danke Ihnen für das ..." "Augenblick mal, Alex", unterbrach sie ihn. "Dachten Sie, ich wollte auf Ihre Söhne aufpassen, bis Sie eine Nachfolgerin für Mrs. Gray gefunden haben?" "Etwa nicht?" Sie schüttelte den Kopf. "Ganz bestimmt nicht. Ich will Sie bei Hamill und Whitmore vertreten." "Aber..." "Manchmal muss man einfach ins Wasser springen, um schwimmen zu lernen." "Lizzie, jeder kann babysitten, aber eine Firma zu leiten erfordert gewisse ..." "Moment. Kinder zu betreuen kann genauso schwer sein, wie eine Firma zu leiten. Und wenn zur Kinderbetreuung noch ein Haushalt hinzukommt... Haben Sie es schon einmal versucht?" "Was?" "Die Wäsche zu waschen, eine Mahlzeit zu kochen und sich um ein Haus voller Kinder zu kümmern? Alles gleichzeitig?" "Nein, aber sie können einen solchen Job doch nicht im Ernst mit der Leitung meiner Firma vergleichen." "Unserer Firma", verbesserte sie. "Unserer Firma. Lizzie, es tut mir Leid, aber Sie irren sich. Ich will Sie nicht kränken, doch jeder verantwortungsbewusste Erwachsene kann die Arbeit meiner Haushälterin erledigen oder einen Kindergarten betreiben. Whitmore und Hamill zu leiten ist etwas ganz anderes", beharrte er. Was hätte Onkel Roland getan? Lizzie war sicher, dass er diese Chance genutzt hätte. Warum sollte sie das nicht auch tun? Wenn sie diese Gelegenheit
verstreichen ließ, konnte sie ebenso gut ihre Sachen packen und nach Hause fliegen. Sie holte tief Luft und straffte die Schultern. "Glauben Sie wirklich, dass es Ihnen leichter fallen würde, Mrs. Grays Job zu erledigen, als es mir gelänge, Sie bei Whitmore und Hamill zu vertreten?" "Ja, das glaube ich." Sie lächelte ihn herausfordernd an. "Wie wäre es mit einer kleinen Wette?"
4. KAPITEL Alex war nicht sicher, ob er Lizzie richtig verstanden hatte. Das konnte unmöglich ihr Ernst sein. "Eine ... Wette?" "Genau", bestätigte sie. "Sie vertreten morgen Mrs. Gray, und ich übernehme Ihren Job in der Agentur. Wer es besser hinbekommt, gewinnt." Er starrte Sie an. "Meinen Sie das ernst?" "Trauen Sie sich etwa nicht zu, als Haushälter zu arbeiten?" "Natürlich, das könnte doch jeder." Sie lächelte siegesgewiss. "Tatsächlich? Wie viele Haushälterinnen hatten Sie im letzten Jahr?" "Das spielt keine Rolle." "Viele, was? Sehen Sie, es ist nicht so einfach, wie Sie glauben." "Lizzie, ich bin sicher, Sie meinen es gut, aber Sie sind einfach nicht qualifiziert, mich in der Agentur zu vertreten." "Das war Onkel Roland auch nicht", erwiderte sie. Roland. Alex schloss die Augen. Lizzie war eine Hamill. Hinter ihrer naiven, unschuldigen Erscheinung verbarg sich ein scharfer Verstand. Und wie Ihr Onkel hatte sie das Talent, ihn mit absurden Ideen zu bombardieren, die sein geregeltes Leben durcheinander brachten. Es war ein Albtraum. Jetzt war genau das eingetreten, was er befürchtet hatte, als er von Rolands Testament erfuhr. Noch vor
einem Monat war das Ziel, die Agentur allein zu leiten, zum Greifen nah gewesen, aber nun ... Seit wann lief alles so schief? Wann war die Situation außer Kontrolle geraten? Vermutlich in dem Moment, in dem er sich Lizzie Hamills Beine genauer angesehen hatte. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er musste vorsichtig sein. Ein Streit um die Agentur was das Letzte, was er jetzt brauchen konnte. Wenn Lizzie es sich in den Kopf setzte, den Platz ihres Onkels einzunehmen, würde er sie nicht daran hindern können. Es sei denn, er riskierte eine endlose Auseinandersetzung vor Gericht, die seiner Firma vermutlich mehr schaden würde als Lizzies Unfähigkeit. Alex presste sich die Fingerspitzen an die Schläfen. Vorhin, als Lizzie in seine Arme gestolpert war, hatte er den Kopfschmerz vergessen. So unerklärlich es ihm auch erschien, er verstand, warum er so reagierte. Angesichts der Tatsache, dass er seit der Scheidung wie ein Mönch gelebt hatte, war es ganz natürlich, dass Lizzie so eine Reaktion in ihm auslöste. Nach der Lektion, die Tiffany ihm erteilt hatte, hatte er nie wieder eine Frau so nahe an sich heranlassen wollen. Warum aber versagte seine Selbstkontrolle ausgerechnet bei Lizzie Hamill? Sie war nicht sein Typ. Ganz im Gegenteil. Doch je länger er mit ihr zusammen war, desto größer wurde die Anziehung, die sie auf ihn ausübte. Wie gewaltig würde sie werden, wenn sie in die Agentur einstieg? Nein, das wollte er lieber gar nicht erst herausfinden. Er musste logisch denken und sich etwas einfallen lassen. Und zwar schnellstens. "Haben Sie etwa Angst vor dem Schaden, den Sie hier im Haus anrichten könnten?" fragte sie.
Er drehte sich um. Ihr spöttisches Lächeln gab ihrem Mund etwas Hinreißendes. "Davor habe ich keine Angst." "Gut. Es wird Ihnen Spaß machen, warten Sie nur ab. Was ist der Einsatz?" "Einsatz?" "Was wollen Sie für den Fall, dass Sie gewinnen?" Einen Kuss, dachte er spontan. Er wollte sie an sich ziehen, die Lippen auf ihre pressen und ihre entwaffnende Frische und Unschuld kosten. Er wollte vergessen, wer sie war, wer er war, und einfach nur ein Mann sein, der sich von einer Frau unwiderstehlich angezogen fühlte. Stirnrunzelnd wich er zurück. Nein, er wollte, dass sie verschwand. Je früher, desto besser. "Schlagen Sie etwas vor", antwortete er knapp. "Wer gewinnt, lädt den Verlierer zum Essen ein, okay?" Alex gab ihr die Hand, um die Wette zu besiegeln. Es war nicht das, was er sich vorgestellt hatte, aber es würde ihn nicht mehr als ein Abendessen und einen Tag mit seinen Söhnen kosten. Was hatte er schon zu verlieren? Nervös verließ Lizzie den Fahrstuhl. Der Empfangsbereich lag im Halbdunkel, und Pamelas halbrunder Schreibtisch war nicht besetzt. Sie hatte auf keinen Fall zu spät kommen wollen und war deshalb zu früh. Sie atmete tief durch, strich sich den Rock glatt und steuerte das Büro am Ende des langen Gangs an. Vor Aufregung hatte sie kaum geschlafen. Als Erstes musste sie Alex' Terminkalender durchsehen und mit Rita besprechen, was unaufschiebbar war. Sekretärinnen wussten meistens besser Bescheid als ihre Chefs, und bestimmt würden auch die anderen Mitarbeiter ihr helfen, sich in der Agentur zurechtzufinden. Armer Alex. Im Unterschied zu ihr hatte er keine Ahnung, worauf er sich bei dieser Wette eingelassen hatte. Viele Männer
konnten sich nicht einmal annähernd vorstellen, wie anstrengend die Arbeit einer Haushälterin war. Die Zwillinge würden ihn vermutlich den ganzen Tag auf Trab halten. Danach würde er mit Sicherheit Hunger haben. Sie hatte wirklich Glück. Heute würde sie nicht nur allen beweisen, dass sie durchaus eine fähige Partnerin bei Whitmore und Hamill sein konnte, sie würde auch noch einen weiteren Abend mit ihrem Kompagnon verbringen. Und dann? Na ja, wenn sie sich oft genug sahen, würde ihre Partnerschaft sich vielleicht bald auf eine persönlichere Ebene ausdehnen. Je näher sie Alex' Büro kam, desto langsamer wurden ihre Schritte. Er lebte in einer anderen Welt. Er war reich und weltgewandt und hatte eine Exfrau namens Tiffany. Lizzie verzog das Gesicht. Vermutlich eine Blondine mit Modelfigur, die jeden "Darling" nannte und deren lange Fingernägel klimperten, wenn sie ihre Platin-Kreditkarten herausholte. Trotzdem, als sie in seine Arme gestolpert war, hatte sie in seinen Augen etwas gesehen. Etwas, das er zu unterdrücken versuchte. Vielleicht fühlte nicht nur sie, dass zwischen ihnen etwas anderes als eine rein geschäftliche Beziehung wuchs. Vielleicht würde er beim nächsten Mal nicht nur ihre Wange streicheln, und sie würde herausfinden, ob seine Lippen so gut schmeckten, wie sie aussahen... Seit Bobby war sie kein Risiko mehr mit einem Mann eingegangen. Vielleicht war es höchste Zeit, dass sie sich traute. Whitmore und Hamill. Auf dem Briefkopf waren ihre Namen schon verbunden. Sie hatte schon so viel gewagt. Möglicherweise war diese Reise nicht nur ein kurzer Ausflug in die große, weite Welt, sondern ihre Chance, ihren Traum von Liebe und eigenen Kindern... "Keine Widerrede, Jeremy. Ich möchte, dass Sie es bis heute Abend vorbereiten", drang eine gedämpfte Stimme aus Alex' Büro und holte sie jäh in die Realität zurück.
"Sind Sie sicher, Alex? Zwanzig Prozent mehr sind eine ganze Menge." "Auf lange Sicht wird es sich lohnen." Lizzie runzelte die Stirn. Offenbar sprach Alex mit seinem Anwalt. Warum war er nicht zu Hause bei den Jungen? Oder hatte er sie etwa mitgebracht? Und wenn ja, warum hörte sie die beiden nicht. Die Zwillinge würden bestimmt nicht still in der Ecke sitzen, während ihr Vater geschäftliche Dinge besprach. "Ich nehme an, Ihre Kampagne, sie ein wenig... milder zu stimmen, läuft gut?" fragte Jeremy. Die Tür war nur angelehnt, und neugierig schlich Lizzie näher. "Es gab ein paar unerwartete Wendungen", antwortete Alex ausweichend. "Aber ich bin zuversichtlich. Nach dem heutigen Tag wird sie bestimmt verkaufen wollen." "Ehrlich gesagt, das wundert mich nicht", erwiderte Jeremy. "Gestern bei der Besprechung wirkte sie ziemlich beeindruckt. Von Ihnen", fügte er lachend hinzu. "Genau, wie Sie beabsichtigt haben." Gestern? Lizzie hatte nicht gewusst, dass Alex sich gestern Abend noch mit einer Kundin getroffen hatte. Plötzlich wurden die Falten auf ihrer Stirn noch tiefer. Beeindruckt ... von Alex? Eine Kampagne, um sie milder zu stimmen... Die beiden meinten sie. Alex war nur nett zu ihr, weil er ihre Anteile kaufen wollten, aber, sie hatte nicht geahnt, dass sie so leicht zu durchschauen war. Wie um alles in der Welt sollte sie ihm jetzt noch gegenübertreten? "Wenn Sie sie ... na ja, ein wenig ermutigen, wird sie uns wahrscheinlich noch ein wenig mehr entgegenkommen", fuhr der Anwalt fort. Ermutigen? dachte Lizzie. Indem er sie mit nach Hause nahm, ihr seine Kinder vorstellte, sie auffing, wenn sie stolperte, und ihr über die Wange...
"Eine persönliche Beziehung zwischen Elizabeth Hamill und mir kommt nicht infrage", erklärte Alex scharf. "Je früher sie wieder abreist, desto besser. Sie gehört nicht hierher, und nach dem heutigen Tag wird sie das selbst einsehen." "Wie meinen Sie das?" "Was glauben Sie, warum ich mich auf diese absurde Wette eingelassen habe?" "Das habe ich mich auch schon gefragt." "Ihre Berufserfahrung beschränkt sich auf Kinder und Käse, also wird sie heute jämmerlich versagen. Und danach wird sie sich die unsinnige Vorstellung, sie könnte meine Partnerin in der Agentur werden, endgültig abschminken. Dieser verdammte Roland", entfuhr es Alex. "Er ist an allem schuld. Wenn Lizzie nicht eine Hamill wäre, könnte ich fast Mitleid mit ihr haben." Absurde Wette? Unsinnige Vorstellung? Mitleid? Alex' Worte trafen sie wie ein Schwall eiskalten Wassers. Er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie sich keine Hoffnung auf eine persönliche Beziehung zu machen brauchte. Und ihre Idee, in der Agentur mitzuarbeiten, nahm er gar nicht ernst. Er hatte kein Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Er wollte sie nach Hause schicken. Du meine Güte, wie hatte sie nur so naiv sein können. Alex wollte sie nicht. Er wollte sie nur ausnutzen. Genau wie Bobby. Bevor sie davongehen konnte, ging die Tür ganz auf, und Alex stieß mit ihr zusammen. Sie taumelte zurück. Alex murmelte eine Verwünschung, ließ seinen Aktenkoffer fallen und packte sie bei den Schultern. "Lizzie! Ist Ihnen etwas passiert?" Der Schmerz, den sie fühlte, war nicht nur körperlich, aber sie hätte nie zugegeben, dass er ihr wehgetan hatte. "Hallo, Alex", sagte sie leise.
"Es tut mir Leid", erwiderte er. "Ich wusste nicht, dass Sie schon hier sind." Er ließ ihre Schultern los. "Das Personal kommt erst in einer Stunde. Kann ich etwas für Sie tun?" Sie starrte ihn an. Trotz allem, was sie gerade gehört hatte, spürte sie dort, wo er sie berührt hatte, eine angenehme Wärme. Irgendwie machte sie das noch wütender. "Wo sind die Jungen, Alex?" "Zu Hause." Er bückte sich nach dem Aktenkoffer. "Ich hatte eine Besprechung..." "Und wer passt auf sie auf?" "Ein Babysitter." "Ein Babysitter? Sie haben also schon einen Ersatz für Mrs. Gray gefunden?" "Noch nicht. Es ist eine College-Studentin, die ab und zu aushilft." "Sie mogeln!" "Wirklich, Lizzie", gelobte er. "Sie sollten Ihre Haushälterin vertreten. Dazu gehört auch, dass Sie bei den Jungen bleiben, richtig? Oder geben Sie die Wette schon verloren?" "Es gab da ein paar Dinge, um dich ich mich erst noch ..." "Das habe ich gehört." Sie ging an ihm vorbei in sein Büro. "Hallo, Jeremy." Der Anwalt sah nervös von ihr zu Alex. "Guten Morgen, Miss Hamill." "Nennen Sie mich ruhig Lizzie." Sie blieb vor Alex' Schreibtisch stehen. "Schließlich werden wir zusammenarbeiten. Es sei denn, Sie sind ebenso unehrlich wie Alex." Jeremys Augen wurden groß. "Nun ..." "Es gibt keinen Grund, so heftig zu reagieren, Lizzie'', versuchte Alex, sie zu beschwichtigen, und betrat das Büro ebenfalls wieder. Sie ging hinter den Schreibtisch und sah ihn an. "Alex, vielleicht habe ich zu lange mit Kindern und Käse gearbeitet,
aber dort, wo ich herkomme, halten die Leute ihr Wort, wenn sie sich auf eine Wette einlassen. Auch wenn sie diese Wette absurd finden und sicher sind, dass sie sie gewinnen." Er erstarrte. "Wie lange haben Sie zugehört?" "Lange genug. Sie haben gar nicht vor, mich als Partnerin zu akzeptieren, nicht wahr? Sie halten mich von vornherein für unfähig." Er stellte den Aktenkoffer auf den Schreibtisch und streckte die Arme aus. "Es tut mir Leid, Lizzie. Aber vielleicht ist es besser, wenn ich ehrlich bin." "Ehrlich?" Sie schnaubte. "Warum sind Sie denn heute Morgen hergekommen?" "Ich hatte eine Besprechung mit Jeremy." "Weil er das Angebot für meine Anteile erhöhen soll? Das hätten Sie ihm auch telefonisch sagen können. Was ist in Ihrem Aktenkoffer, Alex?" Jeremy hüstelte und zog sich ans Fenster zurück. "Nun?" drängte sie. , "Nur ein paar Unterlagen", erwiderte Alex. "Nichts, das Sie interessieren müsste." Sie griff nach dem Koffer, legte ihn vor sich und klappte ihn auf. Er war randvoll mit Papieren. Ganz oben lag ein lederner Kalender. Sie schlug ihn auf. Lizzie atmete tief durch. Wie hatte sie diesem Mann bloß vertrauen können? "Ihr Terminkalender", stellte sie so ruhig wie möglich fest. "Alex, wie hätte ich Sie ohne das hier vertreten sollen?" "Wie ich gestern bereits sagte, Sie meinen es sicher gut, aber Ihre Qualifikation..." "Ich bin eine Hamill. Mehr Qualifikation brauche ich nicht, um in dieser Firma Partnerin zu werden." Sie wedelte mit dem Kalender. "Aber Sie wollten mir nicht einmal eine faire Chance geben, was? Sie wollten alles mit nach Hause nehmen, was ich brauche, richtig?"
"Nein, ich wollte einige Termine verlegen, damit unsere Kunden keinen Grund zur Besorgnis haben. Reine Vorsicht." "Vorsicht!" Sie knallte den Kalender auf den Schreibtisch. "Sie wollten mich hintergehen!" Er verzog keine Miene. "So würde ich es nicht nennen. Niemand kann mir vorwerfen, dass ich den möglichen Schaden für die Agentur so gering wie möglich halte. Ich möchte das Wohl meiner Firma nicht irgendeiner Laune opfern." "Unserer Firma", fauchte sie. "Auf dem Papier vielleicht, aber ..." "Heh, ich komme vielleicht vom Lande, aber selbst ich merke es, wenn jemand mich von meiner Kuh fern halten will. Solange mir fünfzig Prozent von Whitmore und Hamill gehören, brauche ich weder Ihre Erlaubnis noch Ihre Zustimmung. Habe ich Recht, Jeremy?" Der Anwalt machte sich auf seinem Sessel so klein wie möglich. "Nun ja ... das ist korrekt." "Halten Sie sich heraus, Jeremy", fuhr Alex ihn an. "Es tut mir Leid, Alex, aber als einziger Rechtsberater der Agentur muss ich momentan auch für Miss Hamill arbeiten." Lizzie nickte. "Es freut mich, dass Sie das so sehen." Alex stützte die Hände auf den Schreibtisch und beugte sich vor. "Was muss ich tun, damit Sie verkaufen, Lizzie? Wollen Sie mehr Geld? Okay. Ich verdoppele mein Angebot." "Vielleicht will ich Ehr Geld gar nicht, Alex. Vielleicht will ich lieber..." Sie brach ab, bevor sie es aussprechen konnte. Was wollte sie? Nicht Alex. Nein, so dumm war sie nicht. "Ich will, was mir zusteht." "Ich auch." "Nein, Sie wollen mehr als das. Sie wollen mich loswerden." Schweigend funkelte er sie an. Diesmal war sie nicht so dumm, seine Gefühle für etwas anderes als Angst um seine Firma zu halten.
Sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Blinzelnd sah sie auf die Uhr. "Ich will Sie nicht aufhalten, Alex. Die Zwillinge warten bestimmt auf ihr Frühstück." "Lizzie, es hat doch keinen Sinn, mit diese Farce von einer Wette weiterzumachen", beschwor er sie. "Die Wette gilt. Aber wir können die Einsätze erhöhen." "Was soll das heißen?" "Sie wollen mich loswerden", wiederholte sie. "Also gut. Wenn ich verliere, gehe ich." Er riss die Augen auf. "Was?" "Sie haben mich gehört. Ich verkaufe Ihnen meine Anteile und fliege nach Packenham Junction zurück." "Warum sind Sie plötzlich dazu bereit?" Ja warum? Ihre Hoffnung auf eine Partnerschaft, irgendeine Partnerschaft mit Alex, war dahin. Aber sie wollte noch etwas beweisen. Nach all den Jahren, in denen sie anderen geholfen und sich aufgeopfert hatte, wurde ihr plötzlich klar, dass sie nicht schon wieder verzichten würde. Diesmal würde sie kämpfen. "Was nützt mir eine halbe Kuh, wenn Sie mich daran hindern, sie zu melken?" "Warum reden Sie eigentlich dauernd von Kühen?" mischte Jeremy sich verwirrt ein. "Alex, wollen Sie etwa in Rinderzucht investieren?" Alex ignorierte ihn. "Sind Sie sicher?" fragte er Lizzie. "Sie glauben nicht an mich, aber meine Familie tut es. Und ich denke, mein Onkel hat es auch getan. Ich wette, ich kann diese Firma Gewinn bringend leiten, und setze meine Hälfte ein, um es zu beweisen." "Ein Tag reicht nicht aus, um festzustellen, ob Sie es können." "Dann bleibe ich eben einen Monat. Ich führe die Agentur, Sie Ihren Haushalt." Sie machte eine Pause. "Aber wenn Sie
verlieren, Alex, verkaufen Sie mir ein Prozent von Whitmore und Hamill." "Damit hätten Sie die Kontrolle." "Richtig." Mit klopfendem Herzen hob sie das Kinn. "Alles oder nichts, Alex." "Einverstanden." Dass er so schnell nachgab, erstaunte sie. Aber vermutlich war er überzeugt, dass sie die Wette verlieren würde. Sie Zeigte auf seinen Terminkalender. "Woher soll ich wissen, dass Sie nicht wieder versuchen, mich hereinzulegen?" In seinen Augen blitzte Zorn auf. "Das habe ich nicht. Ich war nur vernünftig." "Das wollte Benjamins Schwager auch sein, als er mit gezinkten Karten pokerte, und was brachte es ihm ein? Ein blaues Auge und eine Delle in seinem Pick-up. Aber vielleicht haben Leute, die in einer Käsefabrik arbeiten und nicht jeden Tag einen Anzug tragen, einen anderen Begriff von Ehre." "Jeremy", knurrte Alex. "Ich möchte, dass Sie das hier bezeugen." "Schreiben Sie es lieber auf, Jeremy", sagte Lizzie. "Und benutzen sie all die klugen Anwaltsworte wie wohingegen und dessen ungeachtet, damit es später keine Hintertüren gibt." Widerwillig nahm Jeremy den Notizblock, der vor ihm lag, und zückte seinen Füllfederhalter. "Vielleicht sollten Sie beide es sieh noch einmal überlegen." "Nicht nötig", wehrte Alex ab. "Ich nehme mit sofortiger Wirkung einen Monat Urlaub und werde mich um meine Kinder kümmern. Elizabeth Hamill übernimmt meine Aufgaben in der Agentur. Sollte die Bilanz von Whitmore und Hamill nach dreißig Tagen einen Gewinn ausweisen, verkaufe ich ihr ein Prozent meiner Anteile." Er beugte sich vor, bis sein Gesicht sich eine Handbreit vor Lizzies befand. "Und sollte die Bilanz
einen Verlust aufweisen, verkauft Miss Hamill mir ihre fünfzig Prozent." Jeremy schrieb hastig. "Alex, das hier ist mehr als ungewöhnlich." "Und", fügte Lizzie hinzu und erwiderte Alex' Blick, "jeder Täuschungsversuch, mag er auch noch so unbedeutend sein, bedeutet, dass man die Wette verloren hat. Das gilt auch dann, wenn man eine Haushaltshilfe einstellt." "Okay", willigte Alex leise ein. "Im Interesse der Firma behalte ich mir vor, Miss Hamills Arbeit zu kontrollieren. Dazu brauche ich Zutritt zu diesem Büro. Jederzeit." "Einverstanden", erwiderte Lizzie. "Darm habe ich aber auch das Recht, Mr. Whitmores Leistungen bei der Hausarbeit zu überprüfen, also brauche ich Zugang zu seinem Haus. Jederzeit." "Warum ziehen Sie nicht gleich bei mir ein", brummte Alex mit zusammengebissenen Zähnen. "Zufällig ist die Wohnung der Haushälterin frei." "Gute Idee. Vorausgesetzt, die Rechnung des schicken Hotels, in dem Sie mich untergebracht haben, wird von der Agentur beglichen. Und zwar bevor wir den Gewinn, den ich erwirtschaften werde, berechnen." "Einverstanden." "Großartig." An Alex' Wange zuckte ein Muskeln. "Eine Bedingung habe ich noch." "Welche?" "Wer vor Ablauf des Monats aus dieser Abmachung aussteigt, hat die Wette verloren." Lizzie nickte. "Akzeptiert." "Die Abmachung tritt in Kraft, sobald ich das Personal von dem zeitweiligen Führungswechsel informiert habe." "Informieren Sie, wen Sie wollen, Alex. Die Wette gilt erst, wenn sie in schriftlicher Form vorliegt und Sie sie vor meinen
Augen unterschrieben haben. Glauben Sie, ich bin so naiv, mich auf Ihren Handschlag zu verlassen?" Er ließ sich nicht provozieren, sondern starrte auf ihre Lippen. Unwillkürlich fiel Lizzie etwas anderes ein, womit sie ihre Abmachung besiegeln könnten. Sie hatten sich beide über den Schreibtisch gebeugt, uns es wäre so einfach gewesen ... Doch daran auch nur zu denken war vollkommen verrückt. Nach dem, was er über sie gesagt und ihr angetan hatte, war ein Kuss das Letzte, was ihr jetzt durch den Kopf gehen sollte. Sie war wütend, sie war verletzt, und sie war naiv gewesen. "Sie werden nicht bekommen, was Sie wollen, Lizzie", flüsterte Alex. Vielleicht nicht. Andererseits kam es darauf an, was sie eigentlich wollte.
5. KAPITEL Sorgfältig las Alex sich den Vertrag durch und stellte fest, dass Jeremy trotz der Eile gründliche Arbeit geleistet hatte. Alex' Kopie des unterschriebenen Dokuments war früh am Morgen per Kurier nach Hause geliefert worden. Sobald Lizzie ihre Hotelrechnung bezahlt hatte, galt die Wette. Und in dreißig Tagen würde Whitmore und Hamill ihm gehören. Und Lizzie würde abreisen. Das war die beste Lösung. Für sie beide. Er legte den Vertrag in die oberste Schublade seines antiken Schreibtischs, lehnte sich im Sessel zurück und rieb sich das unrasierte Kinn. Wäre er nicht mit den Gedanken bei dem, was in seiner Abwesenheit in seiner Firma geschah, hätte er die Zeit zu Hause vielleicht sogar genießen können. Wann hatte er das letzte Mal Urlaub gemacht? Wahrscheinlich war es Jahre her, vor der Geburt der Zwillinge und als Roland noch ein aktiver Teilhaber gewesen war. Jetzt erinnerte er sich. Tiffany und er waren für eine Woche nach Paris geflogen, aber sie hatte sich mehr für die Modehäuser als für die Stadt interessiert. Nein, eigentlich waren sie keine ganze Woche dort geblieben. Tiffany hatte sich rasch gelangweilt, und sie waren vorzeitig nach Hause geflogen. Erholsam war der Urlaub nicht gewesen.
Aber er hatte getan, was er konnte, oder? Er hatte Tiffany alles gekauft, was sie wollte. Und nach der Geburt der Zwillinge hatte sie dieses Haus ausgesucht und von einer Innenarchitektin einrichten lassen. Mit keinem Wort hatte er sich über die antiken Stühle mit ihren spindeldürren Beinen beschwert, obwohl sie aussahen, als würden sie unter seinem Gewicht zusammenbrechen. Er hatte nicht gegen ihre vielen Partys oder die Kurztrips zum Skilaufen in Aspen protestiert. Und auch nicht dagegen, dass sie dauernd einen neuen Wagen wollte. Er hatte ihr alles gegeben, was er hatte, aber es war nicht genug gewesen ... Alex schüttelte den Kopf. Er wollte keine alten Wunden aufreißen. Liebe war für Frauen nur ein Wort, ein Mittel zum Zweck. Nie wieder würde er sich auf so etwas einlassen. Inzwischen hatte er sein Leben wieder unter Kontrolle, und eine feste Beziehung zu einer Frau passte nicht in seine Pläne. Obwohl er nicht mehr an die Ehe glaubte, war er sich der Tatsache bewusst, dass die Ehe ihm Daniel und Jason geschenkt hatte. Es war lange her, dass er einen ganzen Tag mit seinen Söhnen verbracht hatte. Die beiden schliefen noch. Er konnte es ruhig angehen lassen. Alex war sicher, dass bei Lizzie nicht alles so glatt lief. Am Nachmittag würde John Fletcher die überarbeitete Kampagne für Starcourt präsentieren, obwohl jeder wusste, dass nur ein Wunder diesen Etat noch retten konnte. Er würde warten, bis die Aufregung sich gelegt hatte, und Lizzie erst dann anrufen. Gleich am ersten Tag war eine Niederlage schwer zu verkraften, und sie sollte nicht denken, dass er schadenfroh war. Er beschloss, sich noch einen Kaffee zu holen, klemmte sich die Morgenzeitung unter den Arm und stand auf. Auf dem Weg durch den Flur knirschte etwas unter seinen Füßen. Gerade wollte er nach Mrs. Gray rufen, da fiel ihm ein, warum er heute zu Hause war. Kopfschüttelnd ging er in die Küche. Gleich nach
dem Frühstück würde er sich darum kümmern. Alles, was er brauchte, war ein Besen. Lizzie würde vermutlich nicht glauben, dass er sich mit Besen auskannte. In Shannahan's Obstmarkt den Boden zu fegen war sein erster Job gewesen. Damals war er vierzehn und groß für sein Alter, daher dauerte es nicht lange, und er wurde zum Verkäufer befördert. Er arbeitete werktags nach der Schule und sogar am Wochenende. Er sparte jeden Dollar, den er verdiente. Alex ging gerade auf, dass er schon damals keinen Urlaub gemacht hatte, als ihm plötzlich ein beißender Geruch in die Nase stieg. Hastig sah er sich um. Außer der Kaffeemaschine hatte er hier doch nichts angelassen ... "Großartig", knurrte er. Statt seiner zweiten Tasse Kaffee bedeckte eine wie Teer aussehende Schicht den Boden der Kanne. Offenbar hatte er nicht genug Wasser eingefüllt. Na ja, der erste Kaffee hatte sowieso nicht annähernd so gut geschmeckt wie der, den Mrs. Gray ihm immer gemacht hatte. Er würde die Kanne säubern und es noch einmal versuchen. Außerdem muss ich das schmutzige Geschirr in den Spüler stellen, dachte er und ließ Wasser in die Kanne laufen. Es gab einen lauten Knall, zerbrochenes Glas fiel klirrend in den Ausguss, und er hielt nur noch den Kunststoffgriff sowie den Metallring in der Hand. Verärgert drehte Alex den Hahn zu. Jedes Schulkind wusste doch, was geschah, wenn man zu heißes Glas mit kaltem Wasser in Berührung kam. Und verletzt hatte er sich auch noch. Ein Glassplitter hatte sich in seinen Daumen gebohrt. Vorsichtig entfernte er ihn und wickelte ein Taschentuch um die blutende Wunde. Er sammelte gerade die letzte Scherbe ein, als von draußen ein lautes Kumpeln in die Küche drang. Unter seinen Füßen vibrierte der Boden. Beunruhigt sah Alex aus dem Fenster. Eine gelbe Planierraupe zerpflügte den Rest des Rasens, "Was zum ..." Er rannte hinaus.
Neben der Einfahrt stand ein Mann im Overall und dirigierte einen Kipplaster, der rückwärts aufs Grundstück fuhr. Als er Alex bemerkte, eilte er zu ihm. "Zeigen Sie mir, wo Sie ihn hinhaben wollen, dann fangen wir sofort an." "Wie bitte?" fragte Alex aufgebracht. "Wovon reden Sie?" "Von dem Swimmingpool." Er schob sich den Stift hinter das Ohr und schaute auf sein Klemmbrett. "Das ist doch das Haus der Whitmores, oder?" Alex nickte und sah auf den Auftrag. Ganz oben stand der Name der Gartenbaufirma, die er angerufen hatte, darunter seine Adresse. "Das muss ein Missverständnis sein. Ich habe keinen Pool bestellt. Hinter dem Haus ist schon einer." "Sicher?" "Ja, ich bin sicher. Ich habe Ihre Firma nur beauftragt, den Rasen sowie das Rosenbeet in Ordnung zu bringen." Er winkte dem Fahrer, aber es war zu spät. Die doppelten Reifen gruben sich bereits in die tiefen Furchen, die die Planierraupe hinterlassen hatte. "Den Auftrag muss Ethel angenommen haben", überlegte der Mann kopfschüttelnd und holte sein Handy aus dem Overall. "Das armes Mädchen hat gerade Stress mit ihrem Freund", fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. "Keine Sorge, Mr. Whitmore, das haben wir in einer Minute geklärt." Aus einer Minute wurden zwanzig, während Ethel ihren Chef auftrieb, damit der seine Leute zurückrief. Erst eine Stunde später räumte das schwere Gerät das verwüstete Grundstück. Betrübt rieb Alex sich den Nacken und starrte auf seinen Vorgarten. Der Schaden, den die Zwillinge mit Mrs. Grays Wagen angerichtet hatten, war auf dem umgepflügten Rasen nicht mehr zu erkennen. "Großartig", murmelte er zum zweiten Mal an diesem Morgen und ging zur Haustür. Jetzt brauchte er einen zweiten Kaffee. Er betrachtete das rote Taschentuch um seinen Daumen. Und einen richtigen Verband.
Als er das Haus betrat, hörte er einen schrillen Laut. Besorgt eilte er in die Küche. Erst als er das Feuer sah, begriff er, dass der Lärm vom Rauchmelder stammte. Die Morgenzeitung, die er beim Anblick der Planierraupe auf den Herd gelegt hatte, stand in Flammen. Er riss den Feuerlöscher vom Haken neben der Tür und richtete ihn auf den Herd. Schaum ergoss sich über sein Hemd und den Fußboden. Fluchend und schwitzend drehte er an der Düse und ging auf den Herd zu. Sekunden später war das Feuer erstickt, doch unter dem Schaumteppich war der Herd kaum noch als solcher zu erkennen. Hustend wedelte er mit dem freien Arm. "Heh, das war cool!" "Darf ich auch mal?" Mühelos übertönten seine Söhne den noch immer schrillenden Rauchmelder. Alex senkte den Feuerlöscher und drehte sich um. Jason und Alex saßen mit baumelnden Beinen auf der Arbeitsinsel mitten in der Küche. Neben dem einen Zwilling stand eine Pfanne, neben dem anderen eine offene Schachtel, deren Inhalt beide Jungen wie frisch gefallener Pulverschnee bedeckte. Er schluckte mühsam. "Was ist denn hier passiert?" "Wir wollten Frühstück machen", sagte Jason. "Mrs. Gray macht donnerstags immer Pfannkuchen", erklärte Daniel, während er sich das Mehl von der Nase wischte. "Genau. Wo ist Monica?" "Was?" Alex hatte Mühe, sich auf die beiden zu konzentrieren. "Wartet", befahl er, "Rührt euch nicht vom Fleck." Nach kurzer Suche entdeckte er den Rauchmelder an der Decke vor der Schwingtür. Ein Schalter war nirgends zu finden, also nahm er kurzerhand die Batterie heraus. "Okay, was ist denn hier passiert?" wiederholte er. Jason und Daniel wechselten einen Blick. Ihr Lächeln verblasste.
"Jungs?" "Heh, wo ist Monica?" fragte Daniel, bevor er von der Arbeitsinsel sprang und durch den Schaum vor dem Herd stapfte. "Gestern hatten wir Hawaii-Toast. Vielleicht kann sie uns heute Toast machen." "Monica hat eine Prüfung und kommt nicht", erklärte Alex. "Ich bleibe heute zu Hause und mache das Frühstück." Mit offenem Mund starrten seine Söhne ihn an. "Ich habe mir Urlaub genommen", sagte er wie beiläufig. "Also werden wir die nächsten Wochen nur zu dritt sein." "Heh, cool", rief Daniel. "Können wir zu McDonald's fahren?" Fast hätte Alex zugestimmt, obwohl er Fast Food nicht ausstehen konnte. Aber dann fiel ihm ein, welche Bedingungen Lizzie an die Wette geknüpft hatte. Würde sie es als Betrug ansehen, wenn er mit den Kindern bei McDonald's aß anstatt zu kochen? Er hatte nicht vor, wegen eines Cheeseburgers die Wette zu verlieren. "Nicht heute Abend", wehrte er ab und starrte auf die verkohlten Reste der Zeitung. "Wer hat den Herd angestellt?" "Keine Ahnung", murmelte Jason, während er zu seinem Bruder rannte und durch den Schaumteppich schlitterte. Alex fuhr sich mit der Hand durchs Haar und verzog das Gesicht, als die Wunde am Daumen wieder zu bluten begann. "Na ja, wer immer es war, ihr hättet schwere Verbrennungen davontragen können. Ich möchte, dass ihr so etwas nie wieder macht." "Okay", meinte Daniel lässig und bückte sich nach dem Feuerlöscher. "Es wäre mir lieber, wenn du das nicht anfassen würdest", sagte Alex. Daniel griff danach, drückte auf den Hebel, und Schaum spritzte auf Alex' Schuhe. Die Jungen kicherten.
"Lass mich auch mal", verlangte Jason und entriss seinem Bruder den Löscher. "Daniel, leg das hin", befahl Alex und ging auf ihn zu. Daniel sprang zurück, sprühte seinen Bruder ein und rannte aus der Küche. Jason schrie auf und eilte hinterher. "Jason, Daniel, kommt sofort her!" schimpfte Alex und folgte den beiden. Er geriet in den Schaumteppich und verlor das Gleichgewicht. Dann lag er flach auf dem Rücken und starrte auf die Qualmwolke, die unter der Decke schwebte. In diesem Moment läutete das Telefon. Lizzie trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch ihres Onkels, während es am anderen Ende der Leitung läutete. Die Bedingungen der Wette waren eindeutig formuliert, schwarz auf weiß, und Alex hatte sie unterschrieben. Wenn er also glaubte, sie so einfach hereinlegen zu können ... Es klickte an ihrem Ohr, und dann gab es ein dumpfes Geräusch, als hätte jemand den Hörer fallen gelassen. "Was ist?" fragte eine gereizte Stimme. Lizzie warf einen Blick auf das High-Tech-Telefon. Laut Anzeige war sie mit dem Haus der Whitmores verbunden, aber der Mann hörte sich nicht an wie ihr Partner. "Alex?" Er räusperte sich. "Hallo, Lizzie", antwortete er und hörte sich wieder wie der an, den sie kannte. Doch dann ertönte ein leises Quietschen und anschließend ein patschendes Geräusch, als wäre er mit der Hand durch Schaum gefahren ... Schaum? Hatte sie ihn etwa aus der Dusche geholt? Stand er jetzt pitschnass da, mit nicht mehr als einem Handtuch um die Hüften ... oder vielleicht auch ohne Handtuch? Hastig verdrängte sie die Vorstellung. Es lag an seiner erotischen Stimme, das war alles. Was er tat und was er trug, war ihr egal, solange er sich dabei an die Abmachung hielt. "Ich wollte nur sichergehen, dass Sie Ihre Kopie unserer Abmachung bekommen haben", sagte sie.
"Ja, Jeremy hat sie mir heute früh geschickt. Ich nehme an, Sie haben Ihre auch erhalten?" "Er hat sie mir ins Hotel geschickt." "Ausgezeichnet. Und wie läuft es in der Agentur, Lizzie?" Sie betrachtete den Stapel Unterlagen, den Rita ihr vor einer halben Stunde hingelegt hatte. Lizzie hatte darum gebeten, einen Blick auf die wichtigsten Etats und die Bilanzen der letzten beiden Jahre werfen zu können. Das würde vermutlich länger dauern, als sie erwartet hatte, denn inzwischen war jede verfügbare Fläche im leeren Büro ihres Onkels besetzt. "Es läuft gut", erwiderte sie. "Und bei Ihnen?" Wieder drang dieses patschende Geräusch durch die Leitung. "Kein Problem." Sie verzog das Gesicht. Irgendwie enttäuschte seine Antwort sie. Sie hatte mit einer mittleren Krise gerechnet, aber er war noch im Bad. Offenbar hatte sie ihn unterschätzt. "Und wie geht es Ihren Söhnen?" "Auch gut. Ich wollte den beiden gerade Frühstück machen. Gibt es sonst noch etwas zu besprechen?" Es klopfte an der Bürotür. Lizzie hob den Blick. Es war Rita, mit einer neuen Ladung Unterlagen. Sie winkte die Sekretärin herein. "Im Moment nicht, Alex. Wenn mir etwas einfällt, sage ich es Ihnen heute Abend." "Heute Abend?" "Ja." Sie zeigte Rita, wo noch Platz war. Sekunden später verschwand die Sitzfläche der Ledercouch unter einem Aktenberg. "Ich bin aus dem Hotel ausgezogen, also werde ich so gegen acht Uhr bei Ihnen sein." Es gab eine Pause. "Soll das heißen, Sie ziehen heute Abend hier ein?" "Das war so abgemacht, erinnern Sie sich nicht?" Er hustete. "Natürlich. Entschuldigung, aber ich habe etwas auf dem Herd. Auf Wiederhören, Lizzie."
Lizzie legte auf und stützte das Kinn in die Hand. Warum schlug ihr Herz schneller? Doch wohl nicht deshalb, weil sie Alex heute Abend wieder sehen würde? Dabei zog sie ja nicht bei den Whitmores ein, weil sie ihn sehen wollte. Sie wollte nur verhindern, dass er ihre Abmachung brach. Außerdem kostete die noble Hotelsuite mit dem dicken, flauschigen Teppich die Firma Whitmore und Hamill mehr als fünfhundert Dollar pro Nacht, und am Ende dieses Monats würde jeder Cent zählen. "Entschuldigen Sie, Miss Hamill, aber die Besprechung beginnt in fünf Minuten." Lizzie sah die Sekretärin an. "Welche Besprechung?" "Die Starcourt-Präsentation." Rasch blätterte sie in Alex' Terminkalender und überflog die Eintragungen für den heutigen Tag. "Die steht erst für den Nachmittag drin." "Mr. Fletcher hat sie vorverlegen lassen", erklärte Rita und schnippte etwas vom Ärmel ihres rosafarbenen Kostüms. "Tut mir Leid. Ich dachte, Sie wüssten es." Lizzie unterdrückte ein Seufzen. Alex hatte das gesamte Personal angewiesen, sie in seiner Abwesenheit zu unterstützen. Offenbar waren nicht alle mit diesem Arrangement glücklich. Und außer ihr selbst wüssten nur Alex und Jeremy, was bei dieser Wette auf dem Spiel stand. Es wäre vermessen gewesen, von den Mitarbeitern sofortige Loyalität zu erwarten, erst recht von Alex' Sekretärin, also verzichtete Lizzie darauf, ihr Vorwürfe zu machen. So war es auch gewesen, als sie die Pedley-Farm übernommen hatte. Die Landarbeiter waren von ihrer neuen Chefin nicht sonderlich begeistert gewesen. Bis Lizzie ihnen bewies, dass sie wusste, was sie tat. Wahrscheinlich würde sie es hier ebenso machen müssen. Lizzie drehte sich zur Anrichte um. "Starcourt", murmelte sie und suchte nach der Akte. Es war die dickste, was leider daran lag, dass es mit dem Etat immer wieder Probleme gab.
Starcourt wollte eine Aufsehen erregende Werbekampagne, um die Verkaufszahlen ihres nicht besonders erfolgreichen Direktvertriebs in die Höhe zu treiben. Die letzte Präsentation von Vorschlägen hatte vor einem Monat stattgefunden und war bei John Fletcher, dem Präsidenten von Starcourt, so schlecht angekommen, dass er von Whitmore und Hamill eine völlig neue Idee verlangt hatte. Lizzie sah auf die Uhr, schob sich die Akte unter den Arm und eilte hinaus. Ihr blieb keine Zeit mehr, mit den zuständigen Mitarbeitern zu reden. Aus dem Konferenzraum drangen laute Stimmen. Als Lizzie eintrat, sah sie an dem langen Tisch mehrere bekannte Gesichter. Drew Endicott, einer der Werbetexter, starrte betrübt und mit verschwitzter Stirn auf einen Hochglanzprospekt. Mandy Brown, eine Grafikerin, die aussah wie eine Rocksängerin im Kostüm, legte gerade einige Zeichnungen auf die Staffelei am anderen Ende des Raums. Ihre blassen Wangen und die zitternden Hände verrieten, dass sie ebenso nervös war wie Drew. Addison Smith, einer der Marktforscher, drehte hektisch einen Bleistift zwischen den Fingern, und Oscar Radic vom Rechnungswesen hatte seine Krawatte so fest gezogen, dass er daran zu ersticken drohte. Das war also das Team, das den Starcourt-Auftrag bearbeitete. Nicht gerade eine Optimismus verbreitende Truppe, dachte Lizzie. "Wenn Sie mir den gleichen künstlerischen Mist wie beim letzten Mal zeigen wollen, sparen Sie sich die Mühe", sagte ein Mann, den sie nicht kannte. Er stand am Kopfende des Tischs. Klein, mit breitem Brustkorb, kantigem Kinn und Bürstenhaarschnitt glich er eher einer Bulldogge als einem Manager. Er verschränkte die Arme, starrte erst stirnrunzelnd auf die Staffelei, dann auf Mandy. "Ich verkaufe kein Parfüm, sondern Computer. Was ist los mit Ihnen? Ich habe Whitmore gesagt, dass ich etwas anderes will."
Lizzie blieb in der Tür stehen und wehrte sich gegen den Impuls, einfach davonzulaufen. Sie sah zu der Bronzetafel hinüber, auf der ihr Name stand, und dachte daran, wie die Buchstaben sich unter ihren Fingerspitzen angefühlt hatten. Was würde Alex in dieser Situation tun? Was hätte ihr Onkel getan? Genauer gesagt, was sollte sie jetzt tun? Na ja, Schwimmen lernte man nicht, indem man am Ufer stehen blieb. Also holte sie tief Luft, zählte langsam von zehn rückwärts, setzte ein Lächeln auf und trat ein. "Mr. Fletcher?" Sie reichte der Bulldogge die Hand. "Ich bin Lizzie Hamill, Alex' Partner. Ich vertrete ihn heute." "Hamill?" fragte der Mann. "Ja, richtig." Er starrte auf ihr Haar, ergriff ihre Hand und musterte ihr Gesicht. "Sind Sie mit Roland verwandt?" "Er war mein Onkel." "Verdammte Schande, das mit dem Unfall", knurrte er. "Einen wie ihn gibt es nicht noch einmal." "Sie kannten meinen Onkel?" "Ihm ist es zu verdanken, dass ich diese Agentur genommen habe", erklärte er. "Sie treten also Rolands Nachfolge an? Ich hoffe, das bedeutet, ihr lasst euch diesmal etwas Besseres einfallen." Ich auch, dachte Lizzie, während sie die Akte auf den Tisch legte und Platz nahm. Fünfzehn Minuten später war ihr jedoch klar, dass sie in echten Schwierigkeiten steckte. Drew und Mandy hatten professionelle, farbenfrohe Entwürfe vorgelegt, aber John Fletcher waren sie eindeutig zu "künstlerisch". Je länger die Präsentation dauerte, desto missmutiger schaute er drein. Schließlich schüttelte er sein Kopf und zeigte auf die letzte Zeichnung. "Das ist nichts Besonderes, nur ein Computer und ein Haufen Zahlen."
Nervös rutschte das Team auf den Stühlen herum. Dann meldete Addison sich zu Wort. "Wir glauben, dass der rote Hintergrund Ihre Produkte unverwechselbar macht und beim Käufer einen hohen Wiedererkennungswert hat", erklärte er und klopfte mit dem Bleistift auf die Mappe vor sich. "Unsere Umfragen haben ergeben, dass Ihre Zielgruppe jung, gebildet und technologisch interessiert ist." "Genau deshalb brauchen wir etwas, das uns von der Konkurrenz abhebt", erwiderte Fletcher. "Ich wollte etwas mit ... mit Kick, verstehen Sie?" "Bei allem Respekt, Mr. Fletcher ..." Oscar zerrte an seiner Krawatte. "Ein High-Tech-Produkt wie Computer auf den Markt zu bringen ist etwas anderes, als für Büromaschinen zu werben, die Ihre Firma bisher hergestellt hat." "Hören Sie auf. Ein Werkzeug ist ein Werkzeug. Ich bin seit zwanzig Jahren im Geschäft und habe keine Angst vor meinen Produkten. Sicher, ich weiß nicht, wie man die Dinger zusammenbaut, aber ich weiß, wie ich sie verkaufen muss." Er wandte sich Lizzie zu. "Kennen Sie sich mit Computern aus?" Sie zögerte. "Ich bin keine Expertin, aber meine Neffen und Nichten sind es. Genau wie Zack, mein jüngster Stiefbruder." "Und was würde deren Aufmerksamkeit erregen?" "Essen", kam prompt die Antwort. "Es sind Teenager", fügte sie hinzu, während Addison genervt seinen Stift hinwarf. "Essen", wiederholte Fletcher langsam. "Und wie würden Sie das Thema mit unseren Computern verbinden?" "Man könnte jedem PC-Käufer eine Wochenration Kartoffelchips dazugeben", schlug Drew vor. "Der Chips kauende Computer-Freak ist negativ besetzt", warf Addison ein. "Damit würden Sie Ihre Zielgruppe nur abschrecken." "Damit hat er Recht", pflichtete Fletcher ihm bei. Lizzie nagte an ihrer Unterlippe. Alex hatte ihr vorgeworfen, dass sie sich nur mit Kindern und Käse auskannte. Warum sollte
sie das nicht nutzen? "Wie wäre es mit Käse?" schlug sie deshalb vor. Drew schüttelte den Kopf. "Da gibt es keine Verbindung." "Doch", entgegnete sie. "Jeder PC hat ein Maus, oder nicht?" Addison lächelte mitleidig, während Oscar sein Lachen mit einem Hustenanfall tarnte. Aber John Fletcher blieb ernst und starrte Lizzie an. "Käse für die Maus?" "Käse für die Maus", wiederholte Lizzie. "Das ist genau die Art von Gag, die bei Computer-Kids ankommt." Schlagartig war es still im Raum. Eine geschlagene Minute lang sagte niemand etwas. Dann nahm Mandy die Entwürfe von der Staffelei und legte lächelnd den Kopf schief. "Das gefällt mir." Drew seufzte. "Mandy, das ist verrückt." "Nein, denkt doch mal nach. Es würde sofort ins Auge fallen. Wir könnten es in jeden Spot und jede Anzeige einbauen. Sogar ins Logo. Und es ist so untechnisch, dass es jeden PC-Anfänger unmittelbar anspricht." Lizzie sah in die Runde. "Wir könnten Drews Idee aufgreifen. Wie wäre es, wenn jeder PC-Käufer ein kleines Sortiment Käse dazu bekommt?" "Das müsste ich erst ausrechnen", murmelte Oscar. "Da entstünden zusätzliche Kosten." "Ich habe gute Beziehungen zu Pedley-Käse", sagte Lizzie und dachte bereits an den Auftrag, den sie ihrem Stiefbruder zuschanzen konnte. "Ich bin sicher, er würde uns ein interessantes Angebot machen." "Ich finde die Idee gut", meinte Addison. "Sie ist so originell, dass wir damit sofort in sämtliche Medien kommen. Wir könnten den großen TV-Sendern rechtzeitig zur Markteinführung Werbespots schicken." "Und wir hätten ein witziges Symbol für die Verpackung", ergänzte Mandy, während sie schon einen Entwurf zu Papier
brachte. "Andere Firmen haben Äpfel, warum sollen wir nicht Käse nehmen?" Sämtliche Blicke richteten sich auf John Fletcher. Eine Weile lang starrte er Lizzie an. Dann schlug er mit der Handfläche auf den Tisch und stand auf. "Prima, das gefällt mir. Machen Sie mir ein paar Entwürfe, und schicken Sie sie mir bis Montag." Verblüfft darüber, wie schnell alles gegangen war, erhob Lizzie sich und nahm die Glückwünsche des zufriedenen Kunden entgegen. Sie begleitete ihn zum Fahrstuhl, und als sie in den Konferenzraum zurückkehrte, empfingen ihre Mitarbeiter sie mit Applaus. Der erste Tag war geschafft, blieben noch weitere neunundzwanzig. Eigentlich war es in der Agentur wie beim Fliegen. Hatte man sich erst einmal daran gewöhnt, war es gar nicht so übel.
6. KAPITEL Das Taxi fuhr davon, und die roten Schlussleuchten verschwanden in der Dunkelheit. Lizzie hängte sich ihre Tasche um, schob den Koffer mit dem Fuß vorwärts und nahm den Karton mit den Unterlagen auf einen Arm, um an der Haustür zu läuten. Als nach zwei Minuten noch niemand geöffnet hatte, ließ sie den Messingklopfer drei Mal auf seine Platte fallen. Wieder geschah nichts, und sie sah sich stirnrunzelnd um. Kein Zweifel, dies war Alex' Haus. Im Rasen waren tiefe Furchen, die Rosensträucher sahen noch immer ramponiert aus, und die Vogeltränke stand schief. Die Furchen waren ganz schön tief. Mrs. Grays braune Limousine müsste ziemlich schwer sein. Offenbar war Alex noch nicht dazu gekommen, die Gartenbaufirma anzurufen. Wahrscheinlich deshalb, weil er sich zu lange in der Badewanne geaalt hatte. Seufzend balancierte sie den Karton auf dem Oberschenkel und tastete nach dem Türknauf. Es war spät, sie war erschöpft und hatte keine Lust, draußen zu warten. Nach dem Erfolg mit der Starcourt-Kampagne war der Tag noch hektischer geworden. Eine Besprechung jagte die nächste, und sie müsste unzählige Berichte studieren. Im Moment war sie viel zu müde, um zu überprüfen, wie es Alex ergangen war. Sie wollte die Schuhe abstreifen und ins Bett schlüpfen, aber vorher müsste sie noch den Inhalt des Kartons durcharbeiten.
Plötzlich flog die Tür auf, und da sie die Hand noch am Knauf hatte, verlor sie das Gleichgewicht. Der Karton fiel zu Boden, sie taumelte nach vorn und stieß gegen ein breite, feste und sehr vertraute Brust. Kräftige Hände stützten sie. Auch die fühlten sich vertraut an. Ebenso wie das Herzklopfen und Kribbeln, das sie sofort durchlief. Oh, nein. Das war nicht fair. Er brauchte sie nur zu berühren, und schon lösten sich ihre Vorsätze in Luft auf. Alex ließ die Hände sinken, als würde er den Körperkontakt ebenso sehr bereuen wie sie. Natürlich, dachte Lizzie. Jetzt, da alles offen ausgesprochen war, brauchte er nun nicht mehr den Märchenprinzen zu spielen. Dabei war es noch nicht einmal Mitternacht. "Hallo, Lizzie", grüßte Alex mit kühler Höflichkeit. "Kommen Sie doch herein." Sie strich über ihr zerknittertes Kostüm und betrat das Haus. "Ich wollte Sie nicht überfallen, Alex. Ich habe geläutet, aber..." Sie verstummte, als ihr Blick auf sein hellblaues Polohemd fiel, an dem weiße Flocken klebten. Eine Schulter war mit einer grauen Masse verschmiert, und am Kragen haftete etwas, das aussah wie... "Sind das Spaghetti?" fragte sie ungläubig. Alex wischte es ab. "Ich war nicht sicher, ob es wirklich geläutet hatte." Sie hob den Blick. Er war unrasiert. An der Stirn und der Nasenspitze klebte noch mehr von dem grauen Zeug. "Was um alles in der Welt ist passiert?" "Ich war in der Küche", erklärte er. "Das Wasser lief, da war es zu laut." "Nein, das meinte ich nicht", sagte sie. "Was ist mit Ihnen passiert? Ist das Ruß da an Ihrer Nase?" "Schon möglich." Er rieb sich mit dem Handrücken über die Nasenspitze. Sein Daumen war verbunden, "Wir hatten ein kleines Feuer."
"Was ist mit Ihrem Daumen ... Ein Feuer?" "Nicht weiter schlimm." "Haben Sie sich verbrannt?" Sie griff nach seiner Hand. Hastig drängte er sich an ihr vorbei und nahm den Koffer auf. "Nur ein Kratzer." Er trug ihre Sachen ins Haus, stellte den Karton mit den Akten auf einen Tisch und schloss die Haustür. "Oh je", murmelte sie mit einem Blick ober die Schulter. "Die Furchen auf dem Rasen, die sind neu, nicht wahr? Stammen die von der Feuerwehr?" "Nein, das Feuer war harmlos, nur etwas Papier, das in der Küche in Brand geraten ist. Den Rasen haben der Kipplaster und die Planierraupe aufgepflügt." "Planierraupe? Was sollte die denn hier?" "Ein Missverständnis. Bei der Gartenbaufirma", meinte er leichthin. "Kein Problem." "Kein Problem? Alex, Sie sehen aus, als wären Sie in einen Heubinder geraten." "In was?" "Eine Maschine, die loses Heu zu Ballen presst." Kopfschüttelnd sah sie sich um. Auf dem Boden lagen diverse Spielsachen, ein Baseball-Handschuh und ein einzelner Schuh. An der Wand klebten die gleichen weißen Flocken wie an seinem Polohemd. Offenbar war sein erster Tag im neuen "Job" nicht ganz so reibungslos gelaufen, wie sie erwartet hatte. Auch wenn er sich im Bad viel Zeit gelassen hatte. Die Beweise waren nicht zu übersehen. Na ja, genau das hatte sie doch gewollt, oder? Jetzt, da viel mehr auf dem Spiel stand als ein Abendessen, sollte sie doch froh sein, dass er Probleme hatte. Denn je mehr Probleme er hatte, desto leichter würde sie gewinnen. Sie unterdrückte den Wunsch, ihn zu trösten und sich um seinen verletzten Daumen zu kümmern. "Sieht aus, als hätten Sie einen harten Tag gehabt, Alex?"
Er zuckte mit den Schultern, aber seine Verhalten wirkte ein wenig gezwungen. Unter den Bartstoppeln und dem Ruß blieb seine Miene distanziert und kühl. "Wie Sie sehen, gab es ein paar Pannen. Aber die haben mich nicht umgeworfen." Warum nur empfand sie Mitleid mit ihm? Seine ganze Haltung signalisierte, dass er kein Mitleid wollte. Und sie wollte nicht schon wieder zurückgewiesen werden. Auch wenn sein Polohemd die Spuren der "Pannen" trug, war dies der Mann, der ihr ihre Anteile abnehmen und sie zurück nach Packenham Junction schicken wollte. "Ja", sagte sie. "Sie haben behauptet, dass jeder halbwegs fähige Erwachsene einen Haushalt führen kann. Haben Sie Ihre Meinung geändert?" "Heute war eine Ausnahme. Ab morgen läuft alles wieder normal." "Na, da bin ich aber gespannt." "Ich zeige Ihnen Ihre Wohnung." Er nahm Lizzies Koffer. "Sie liegt hinten und hat zwei Zimmer sowie ein Bad. Aber natürlich können Sie sich im ganzen Haus frei bewegen. Wollten Sie heute Abend eine Inspektion vornehmen?" "Wie?" "Deshalb sind Sie doch hier, oder? Um meine Leistung zu überwachen." "Vor allem möchte ich sicherstellen, dass Sie nicht schummeln, aber wie es aussieht..." Sie wedelte mit der Hand. "Ich schätze, dieses Chaos haben Sie ganz allein und ohne fremde Hilfe angerichtet." "Danke für das Kompliment", entgegnete er scharf. "Ich erwidere es nur", sagte sie. "Mein Vertrauen in Ihre haushälterischen Fähigkeiten ist ebenso groß wie Ihres in meine Qualitäten als Chefin unserer Firma." Er zupfte sich eine schlaffe Nudel vom Hemd und warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. "Wo wir gerade von unserer Firma reden, wie war Ihr Tag, Lizzie?"
Sie lächelte sehr selbstzufrieden. "Besser als Ihrer, würde ich sagen." "Schön. Ersparen Sie mir die Einzelheiten." "Warum? Hat Rita schon Meldung erstattet?" "Ich hatte heute keine Zeit, mit der Agentur zu telefonieren, aber ich weiß, dass die Starcourt-Präsentation für heute Nachmittag angesetzt war." "Die wurde auf den Vormittag verlegt." "Typisch Fletcher. Dieses Geschäft war von Anfang an nicht sicher, also nehmen Sie es nicht persönlich, dass wir den Kunden verloren haben", sagte Alex. "Ich habe ihn nicht..." "Die Agentur kann den Verlust verkraften." "Aber..." "Trotzdem sollten Sie überlegen, ob Sie diese Wette wirklich die ganzen dreißig Tage weiterlaufen lassen wollen. Keiner von uns will Whitmore und Hamill in den Bankrott treiben." Er glaubte, sie hätte versagt. Noch schlimmer, er war sicher, dass sie versagt hatte. "Ich gebe nicht auf, Alex", erklärte sie nach einer Weile. "Aber wenn du das Handtuch werfen willst, nur zu." Sie betrachtete sein Hemd. "Nein, vielleicht solltest du das Handtuch lieber behalten. Du siehst aus, als könntest du es gebrauchen." An seiner Wange zuckte ein Muskel. "Danke für den Haushaltstipp." "Schon gut. Dazu sind Partner doch da." Lizzie lächelte schläfrig und kuschelte das Gesicht ins Kissen. Der Raum war voller Blumen. Riesige, üppige Sträuße. Sie waren überall. Auf dem Boden, auf der Kommode, auf der Fensterbank, einfach überall. Und das schlichte Einzelbett hatte sich in eine daunenweiche Schlafstatt mit Samtbaldachin wie aus einem Märchen verwandelt. Von draußen drang Hufgetrappel herein, dann ging die Tür auf, und ein großer dunkelhaariger Prinz trat ein, in den Armen noch mehr Blumen
und Flasche Wein. Nein, es war kein Wein, sondern ein Liebestrank. Mmm. Lizzie wusste, dass dies ein Traum sein musste. Ihr Prinz lächelte, und sie lächelte zurück, anstatt ihm seine Blumen über den Kopf zu hauen "Psst ...Beeil dich..." "Geht nicht. Es ist zu glatt." Das hektische Flüstern ließ Lizzie wach werden. Die Blumensträuße verschwanden einer nach dem anderen. Die Matratze unter ihr wurde härter. Der Prinz verblasste, bis nur seine Wärme und sein Duft zurückblieben. Sie atmete tief durch. Der Duft wurde stärker. "Aber Dad hat gesagt, dass sie nicht unser Babysitter ist. Sie ist seine Partnerin." "Sie ist in dem Bett, also muss sie unser Babysitter sein." "Ja, wahrscheinlich. Schade, dass wir die Würmer nicht mehr haben." "Psst!" Es gab ein langes zischendes Geräusch, gefolgt von Flüstern und verstohlenem Gekicher. Lizzie rührte sich nicht. Sie hatte genug Erfahrung mit Nichten, Neffen, Cousins und zugelaufenen Tieren, um vorsichtig zu sein. Sie lag reglos da, während sie ihre Umgebung wahrnahm. Dies war nicht das mit Blumen geschmückte Gemach aus ihrem Traum, sondern die Haushälterinnenwohnung in Alex Whitmores Haus. "Genau da, Jase." Wieder ein kurzes Zischen. "Heh, cool." Lizzie öffnete die Augen einen Spalt weit. Als Erstes sah sie etwas Weißes. Das musste das zweite Kissen seife. Und dahinter beugten sich Jason und Daniel über das Bett.
Den Gesichtsausdruck kannte sie nur zu gut. Ob Kinder auf einer Farm lebten oder in einer Millionen-Dollar-Villa, ein Streich blieb ein Streich. Augenblick mal. Das Bett hatte gar kein zweites Kissen. Wieder hörte Lizzie das Zischen. Und diesmal wusste sie auch, woher es stammte. Jason drückte gerade auf den Knopf, der sich oben auf einer Dose Rasierschaum befand, während Daniel mit der Handfläche das "Kissen" modellierte. "Okay, okay. Das reicht", flüsterte Daniel. Jason ließ die Dose sinken und grinste seinen Bruder an. "Das hier ist viel besser als der Feuerlöscher." Daniel wischte sich die Hände am Schlafanzug ab. "Stimmt. Das andere Zeug war zu flüssig. Das hier hält länger." Lizzie hörte die beiden kichern, dann schlichen sie davon. Die Schlafzimmertür wurde geöffnet, aber nicht wieder ganz geschlossen! Der Spalt war breit genug, um hindurchzusehen. Lizzie verbarg ihr Lächeln hinter einem Gähnen, streckte die Arme in die Luft, ohne das "Kissen" aus Rasierschaum zu berühren, rieb sich die Augen und setzte sich auf. Sie gähnte erneut, ließ sich aufs Bett zurückfallen und drehte sich im letzten Moment so, dass die den Rasierschaum verfehlte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie die Tür sich bewegte. Während der nächsten Minuten wälzte sich im Bett hin und her, setzte sich auf, legte sich wieder hin und achtete sorgfältig darauf, dem Werk der Zwillinge nicht zu nahe zu kommen. Schließlich stand sie auf und steuerte das Badezimmer an. Statt hineinzugehen, öffnete sie die Tür von außen und warf sie ins Schloss. Im selben Augenblick presste sie sich flach gegen die Wand und schlich daran entlang zur Schlafzimmertür. Sie brauchte nicht lange zu warten. Eine halbe Minute später kamen die Zwillinge herein. Auf Zehenspitzen. "Sie hat es verfehlt", stellte Jason enttäuscht fest. "Wir machen es morgen noch mal", meinte Daniel.
"Die Dose ist aber leer." "Mist." Schmunzelnd trat Lizzie hinter die beiden. "Guten Morgen, Jungs." Mit weit aufgerissenen Augen wirbelten die Zwillinge herum. "Heb! Miss Hamill." "Wie haben Sie das gemacht?" "Was?" fragte sie mit Unschuldsmiene. Daniel warf einen Blick zum Bett. "Sie waren im Bad." "Ja, das war ich wohl. Ist das nicht ein herrlicher Tag?" erwiderte sie fröhlich. "Ich finde es nett von euch, dass ihr gekommen seid, um mir einen guten Morgen zu wünschen." Die beiden sahen sich verblüfft an. "Bestimmt wisst ihr, wie einsam man sich am ersten Tag in einem fremden Haus fühlt", fuhr sie fort. "Deswegen finde ich es toll, dass ihr mich willkommen heißen wollt." Jason versteckte die Rasierschaumdose hinter seinem Rücken. "Wir brauchen keinen Babysitter", murmelte er. "Das hat Dad auch gesagt." "Stimmt. Dad hat gesagt, dass er uns Pfannkuchen macht", fügte Daniel hinzu. "Wir brauchen keinen Babysitter." Die beiden musterten sie so misstrauisch, als wollte sie ihnen das Lieblingspielzeug wegnehmen. Was vielleicht gar nicht so abwegig war. Lizzie konnte es den Jungen nicht verdenken, dass sie lieber ihren Vater als einen Babysitter oder eine Haushälterin um sich haben wollten. Kinder brauchten Elternliebe. Sie selbst war einige Jahre älter gewesen, als sie ihre Eltern verloren hatte, und hatte alles getan, um die Liebe der Pedleys zu gewinnen. Vielleicht fühlten Alex' Kinder sich in einer ähnlichen Lage, gingen jedoch anders vor als Lizzie damals. Vielleicht waren ihre Streiche nur ein Mittel, um die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu gewinnen. Lizzie spürte, wie ihr warm ums Herz wurde. Wie immer sie über Alex dachte, seinen Kindern gegenüber empfand sie eine
tiefe Zuneigung. Also ging sie in die Hocke, um nicht auf sie herabschauen zu müssen. "Ich wäre lieber eure Freundin als euer Babysitter. Wäre das okay?" Daniel bohrte mit dem großen Zeh im Teppich. Jason zuckte mit den schmalen Schultern. "Ich glaube schon." "Und da ich nicht euer Babysitter bin, was haltet ihr davon, mich nicht Miss Hamill, sondern Tante Liz zu nennen?" "Sie sind nicht unsere Tante", protestierte Daniel. "Wir haben keine Tante." "Dann braucht ihr eine." Sie sah sich suchend um. "Wie wäre es, wenn wir Fangen spielen?" "Hier?" fragte Jason. "Sicher, Rasierschaumfangen", erwiderte sie. "Ich frage mich, wo wir welchen finden könnten." "Was?" Lächelnd richtete sie sich auf, ging ans Bett, schob eine Hand in das "Kissen", nahm sich eine Ladung Schaum und wog sie auf der Handfläche. "Mensch, seht euch das an. Wo der wohl herkommt." Die Jungen rannten zur Tür, aber sie war schneller und schnitt ihnen den Weg ab. Kreischend machten die beiden kehrt, Lizzie holte Daniel jedoch ein und patschte ihm mit dem Schaum auf die Schulter. Lachend wischte er ihn sich ab und sprang auf Jason zu. Eine Weile beschäftigten sie sich miteinander, dann schlössen sie sich gegen Lizzie zusammen. Die Jagd führte um und Über das Bett, und nach wenigen Minuten klebte überall Rasierschaum, Atemlos zog Lizzie sich in eine Ecke zurück und krümmte sich vor Lachen. "Jason! Daniel! Was macht ihr hier?" Ihre Gesichter waren unter dem Schaum kaum noch zu erkennen, als sie sich zur Tür umdrehten. "Hi Dad! Spielst du mit Fangen?" forderte Jason seinen Vater auf und kletterte vom Bett.
Lizzie schaute zu Alex hinüber. Er hatte sich angezogen und war bereits rasiert. Die Zwillinge mussten gewartet haben, bis er im Bad fertig war. Er starrte seine Söhne so entsetzt an, dass sie lachen musste. "Frohe Weihnachten", keuchte sie mit einer ausholenden Geste. Er drehte sich zu ihr. Als ihre Blicke sich trafen, verstummte ihr Lachen. Er lächelte nicht, sondern betrachtete sie so intensiv, als wollte er ihren Anblick für immer in seiner Erinnerung speichern. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie sie aussah. Sie trug noch immer das viel zu große T-Shirt, das sie zum Schlafen angezogen hatte. Sie war weder dazu gekommen, sich das Gesicht zu waschen, noch sich ihr Haar zu bürsten. Und sie hatte fast so viel Rasierschaum an sich wie die Zwillinge. Verlegen wischte sie sich die Hände am T-Shirt ab und zog es nach unten. Es reichte ihr bis zu den Knien, aber sie fühlte sich irgendwie entblößt. Kein Wunder, dass er sie so anstarrte. Sie sah noch schlimmer aus als gestern Abend bei ihrer Ankunft. Dies war nicht gerade die beste Methode, um ihn von ihren Qualitäten als Geschäftsfrau zu überzeugen. Nervös strich sie sich das Haar aus der Stirn und tastete nach dem Bademantel. Alex wusste, dass er sie anstarrte, aber er konnte nicht anders. Lizzies Haar war offen, und die Locken fielen ihr bis auf die Hälfte des Rückens. Er hatte nicht geahnt, dass es so lang war, und es juckte ihn in den Fingern, ihr Haar zu berühren und durch seine Hände gleiten zu lassen. Sein Puls ging schneller, als er seinen Blick abwärts gleiten ließ. Unter dem grünen T-Shirt zeichneten sich volle Brüste ab. Und dann die Beine ... Sein Mund wurde trocken. Lizzie war schlank und hatte eine hinreißende Figur. Und sie war so gut wie nackt. Da sie gerade erst aufgestanden war, trug sie unter dem langen T-Shirt vermutlich nichts. Er brauchte nur zu ihr zu gehen, eine Hand auf ihren Schenkel zu legen und sie langsam nach oben .,. Alex
hätte am liebsten protestiert, als sie sich den Bademantel überzog, aber er konnte sich gerade noch zurückhalten. "Heh, Dad!" Er zuckte zusammen. "Du bist dran!" rief Daniel und rannte mit Jason aus dem Zimmer. Alex wischte sich den Schaum vom Hinterkopf und roch daran. "Es ist Rasierschaum", beruhigte Lizzie ihn. Sie hatte Recht. Es war sein Duft, und das ganze Zimmer roch nach ihm. Das Bett. Und Lizzie. Aus irgendeinem verrückten Grund gefiel ihm das. Es war, als hätte er seinen Anspruch angemeldet. Auf das Zimmer. Das Bett. Und Lizzie. "Natürlich helfe ich beim Saubermachen", fuhr sie fort. "Ich habe die beiden dazu ermutigt." Er wünschte, sie würde ihn ermutigen. Andererseits brauchte er nicht viel Ermutigung. Sie hätte ihm nur einen Wink zu geben brauchen, und schon wäre er bei ihr gewesen. Alex fuhr sich mit den Finger durchs Haar und schob die Hände vorsichtshalber in die Taschen. "Es tut mir Leid, dass ich so einfach hereingekommen bin. Diese Wohnung ist privat. Vielleicht sollten Sie ab jetzt die Tür verschließen." "Die beiden sind tolle Jungen. Es hat mir Spaß gemacht", versicherte Lizzie. Ja, er wusste, dass es ihr viel Spaß gemacht hatte. Es war ihr Lachen gewesen, das ihn angezogen hatte. Sie hatte ein wunderschönes Lachen. Es klang ehrlich und ungekünstelt und verschmolz auf so natürliche Weise mit dem sorglosen Kichern seiner Söhne, dass es tief in ihm eine Sehnsucht geweckt hatte. Fast war es so, als würde Lizzie hierher gehören ... Was war los mit ihm? Hierher gehörte sie ebenso wenig wie in seine Firma. Die Anziehung, die er verspürte, war eine ganz normale körperliche Reaktion, mehr nicht. Und diese Reaktion konnte sie kontrollieren.
Sie ging auf ihn zu. "Die beiden haben es nicht böse gemeint. Es war ein harmloser Streich", verteidigte sie die Zwillinge und legte eine Hand auf die Türklinke. Alex schaffte es nicht, sich umzudrehen und fortzugehen. "Sie haben Rasierschaum am Kinn", erwiderte er und wischte ihn mit einer Fingerspitze ab. "Oh." Sie schluckte. "Ich sollte mich besser waschen, bevor ich ins Büro fahre." "Keine Eile." "Ich bin um zehn mit Stephanie Brimwell verabredet." "Die Under-Cover-Kampagne?" "Ja, die ... Damenwäsche. Ich habe mir gestern Abend die Unterlagen angesehen. Sie läuft gut." "Ich habe gehört, dass Sie die Sache mit Starcourt gerettet haben. Ich entschuldige mich für das, was ich gestern gesagt habe. Es war voreilig." Sie sah ihn an. Seine Entschuldigung schien sie zu verwirren. Okay, er war unfair gewesen, aber das war sie auch gewesen, als sie den Terminkalender in seinem Aktenkoffer gesucht und gefunden hatte. Dass sie noch immer glaubte, er würde sie zu hintergehen versuchen, machte ihn irgendwie traurig. Aber er wollte nicht an die Agentur, an seine Kunden oder seine Werbekampagnen denken. Im Moment fiel es ihm schwer, überhaupt zu denken. "Sie haben etwas vergessen", murmelte er und nahm die andere Hand aus der Tasche, um ihr den Schaum von der Wange zu wischen. Er lächelte, als er ihre Haut unter seinen Fingern spürte. "Danke." "Hier ist auch noch etwas", sagte er und ließ den Daumen zu ihrem Mundwinkel gleiten. Dort streichelte er die Stelle, an der sich ein Grübchen bildete, wenn sie lächelte. Wie von selbst fiel sein Blick auf ihre Lippen. Und dann überschritt er die unsichtbare Schwelle und strich mit dem Daumen über Lizzies Unterlippe.
"Alex?" fragte sie atemlos. Warum verlor sie nicht wieder das Gleichgewicht und landete in seinen Armen? Überall auf dem Boden war Schaum, und es wäre so leicht, darauf auszurutschen. Er hätte einen Grund, sie a festzuhalten, ihre Hände an seiner Brust zu fühlen und das Funkeln in ihren Augen zu sehen, wenn sie den Kopf in den Nacken legte, damit er ... Nein, darauf wollte er nicht warten. Wenn sie nicht von allein zu ihm kam, musste er eben nachhelfen. Also schob er die Finger in ihr Haar und küsste sie. Zuerst bewegte sie sich nicht. Wie erstarrt stand sie da, die Hand noch immer an der Tür, die andere am Bademantel, um ihn zusammenzuhalten. Alex strich mit seinem Mund über ihren, fordernd und zärtlich zugleich, während er die Fülle ihrer unteren und den anmutigen Schwung ihrer oberen Lippe erkundete. Seit Tagen faszinierten sie ihn, und jetzt Wollte er sich einprägen, wie sie sich anfühlten, um es nie wieder zu vergessen. Sie schmeckten herrlicher, als er es sich je hätte vorstellen können. Langsam erhöhte er den Druck und legte eine Hand um ihren Hinterkopf, die andere um ihre Taille. Alex war um einiges größer als sie, und gleichzeitig schien ihr Körper wie geschaffen, um sich an seinen zu schmiegen. Er zog sie an sich und spürte, wie ihr Bademantel seine Hose streifte und ihre Zehen seine Schuhspitzen berührten. Leise stöhnend ließ Lizzie zugleich die Tür und den Bademantel los, um ihn zu umarmen. Alex lächelte, als er ihre Brüste fühlte, fest und anschmiegsam zugleich. Auch das hier war besser, als er es sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Sie war so, wie eine Frau sein sollte, weich und zart und hingebungsvoll. Er strich mit der Zunge über ihre Lippen, und seinen eigenen Duft an ihr wahrzunehmen war wie ein Vorgeschmack darauf, sie ganz zu besitzen.
Er legte den Arm um sie und eroberte ihren Mund endgültig. Lizzie grub ihre Finger in seine Schultern, als sie den Kopf zurücklegte und ihn willkommen hieß. Sie erwiderte seinen Kuss, und die Leidenschaft schwemmte den letzten Rest an Vernunft fort. Er festigte seinen Griff und hob sie auf. "Heh Dad!" Wie aus weiter Ferne drang Jasons Stimme an sein Ohr. Er versuchte, die Kinderstimme zu ignorieren, und machte den ersten Schritt auf das Bett zu. Lizzie stemmte sich jedoch mit beiden Händen gegen seine Brust, um den Kuss zu beenden. Alex hob den Kopf und blinzelte. "Dad", rief Daniel. "Warum spielst du nicht mit?" Lizzie wand sich in seinen Armen. "Alex, setz" mich ab", flüsterte sie. Widerwillig gehorchte er. Eine Sekunde später stürmten die Zwillinge herein. "Du musst uns fangen", verlangte Jason. "Genau. Kennst du die Regeln etwa nicht?" fragte Daniel empört. Alex rieb sich das Gesicht und holte mehrmals tief Luft. Regeln? Er hatte gerade gegen seine eisernste Regel verstoßen. Was war bloß in ihn gefahren? Er warf Lizzie einen Blick zu. Ihre Lippen waren rot und ein wenig geschwollen, ihre Wangen glühten, und ihre Brüste hoben und senkten sich, als sie nach Luft schnappte. Und sie sah so verdammt verführerisch aus, dass er sie am liebsten sofort noch einmal geküsst hätte. Bevor er der Versuchung nachgeben konnte, drängte Jason sich zwischen ihnen hindurch, um zum Bett zu rennen. "Heh, da ist noch was übrig!" verkündete der Junge und kratzte die letzte Hand voll Rasierschaum vom Kissen.
"Lass sehen", erwiderte Daniel, bevor er zu seinem Bruder eilte und ihm seinen eigenen Vorrat auf die Brust schmierte. "Jetzt bist du dran!" Die beiden stürmten hinaus, und die Verfolgungsjagd begann von neuem. Alex wusste, dass er froh über die Unterbrechung sein sollte. Und sobald sein Körper sich beruhigt hatte, würde er wahrscheinlich dankbar sein. Das Vernünftigste wäre jetzt, sich bei Lizzie zu entschuldigen und zu schwören, dass sich so etwas nicht wiederholen würde. Stattdessen hörte er sich etwas ganz anderes sagen. "Wo waren wir gerade?" murmelte er und griff nach ihr. Geschickt wich Lizzie ihm aus. "Nein, Alex. Ich muss ins Büro." Sein Blick glitt dorthin, wo ihr Bademantel sich ein wenig geöffnet hatte. "Es macht nichts, wenn du später kommst. Die Agentur kommt auch ein paar Stunden ohne dich zurecht." "Nein, ich ..." Sie presste die Hand auf den Mund. "Oh ... jetzt begreife ich." "Was?" "Deshalb hast du mich geküsst." "Was?" "Du wolltest, dass ich die Besprechung mit Stephanie Brimwell verpasse, nicht wahr? Du wolltest, dass ich den Under-Cover-Auftrag verliere." Er schüttelte den Kopf. "Wovon redest du?" Vor Wut bebend starrte sie ihn an. "Das gehört alles zu deinem Plan, nicht wahr, Alex? Du versuchst noch immer, mich zu ... ermutigen, wie Jeremy es nannte. Du willst unbedingt, dass ich die Firma vernachlässige." Er war noch immer körperlich erregt, und sein Verstand brauchte eine Weile, um wieder richtig zu funktionieren. Als er begriff, was sie meinte, traf es ihn wie ein Faustschlag. "Lizzie, du glaubst doch nicht etwa ..."
Sie hob die Hand. "Ich weiß, du willst unbedingt gewinnen, aber dass du so tief sinken würdest, hätte ich nicht gedacht." "Lizzie, ich..." "Vergiss es. Ich merke es, wenn ein Mann sich verstellt. Den Fehler werde ich nicht noch einmal machen." Nicht noch einmal? Was meinte sie damit? "Ich habe dich geküsst, weil mir danach war. Das ist alles. Mit der Agentur hatte das nichts zu tun." Ihre Augen wurden schmal. "Warum hast du dann Jeremy gesagt, dass eine persönliche Beziehung zwischen uns nicht infrage kommt?" Hatte er das gesagt? Natürlich. Weil es stimmte. Er wollte keine Beziehung mehr. "Es war nur ein Kuss." "Richtig. Nur ein Kuss. Mehr nicht. Und er wird sich nicht wiederholen, Entschuldige mich." Sie stieß ihn von sich. "Ich möchte nicht zu spät kommen." Der Stoß kam so unerwartet, dass er rückwärts über die Schwelle stolperte. Bevor er reagieren konnte, fiel die Tür vor ihm ins Schloss. "Lizzie?" Der Schlüssel wurde gedreht. "Lizzie!" Er trommelte dagegen. Eine zweite Tür knallte. Kurz darauf hörte er Wasser rauschen. Alex hob die Faust, um gegen das Holz zu hämmern, hielt jedoch inne und starrte auf seine Hand. Was tat er? Er war kurz davor, die Tür einzutreten. Das war überhaupt nicht seine Art. Er handelte nicht impulsiv und erst recht nicht aus Leidenschaft. Welcher Art auch immer. Was hatte diese Frau an sich, dass sie ihn so sehr außer Kontrolle geraten ließ? Er presste die Stirn an die Tür, atmete tief durch und stieß einige Flüche aus. Es war nur ein Kuss gewesen, kein Trick. Warum traute sie ihm immer das Schlimmste zu? Sie glaubte, dass er nicht sie, sondern nur ihre Anteile wollte.
Dabei hatte sie Recht. Er sollte nur ihre Anteile wollen. Vielleicht war es gut, dass sie ihn daran erinnert hatte. Das würde ein verdammt langer Monat werden.
7. KAPITEL Das wird ein langer Monat, dachte Lizzie, während sie im Kalender den vergangenen Tag abstrich. Eine Woche war geschafft. Sie unterdrückte ein Gähnen und rieb sich die Augen. Jeder Tag war so hektisch verlaufen, dass sie kaum zum Essen gekommen und manchmal sogar am Schreibtisch eingeschlafen war. Vielleicht war das gut so, denn auf diese Weise brauchte sie Alex nicht zu begegnen. Und die Nickerchen im Büro glichen aus, was sie unter seinem Dach an Schlaf versäumte. Kaum schloss sie im Bett die Augen, raubten unsinnige Träume von Prinzen und kichernden Zwillingen ihr die Ruhe. Und wenn sie dann mitten in der Nacht aufwachte, musste sie an einen Kuss denken, dessen Nachwirkungen sie noch jetzt fühlte. Warum war sie nicht früher darauf gekommen, was Alex im Schilde führte? Wie hatte sie so naiv sein können zu glauben, dass er sie aus Leidenschaft geküsst hatte? Wenigstens hatte sie es begriffen, bevor die ganze Sache außer Kontrolle geraten war. Sollte er das noch einmal versuchen, würde sie auf der Hut sein. Bisher hatte er das zwar noch nicht, aber wenn wieder dieser Ausdruck in seine Augen trat, dieser brennende, durchdringende Blick, würde sie nicht darauf hereinfallen und ihn für echt halten.
Denn dank Bobby hatte sie ihre Lektion gelernt und wusste, das sie ihrem Urteilsvermögen nicht trauen durfte, wenn es um Männer ging. Warum war ihr die Ähnlichkeit zwischen Alex und Bobby eigentlich nicht früher aufgefallen? Wahrscheinlich weil sie zu verwirrt gewesen war. Auch bei Bobby hatte Wunschdenken ihr den Verstand umnebelt. Sie hatte von Liebe und einer eigenen Familie geträumt und geglaubt, dass auch Bobby das wollte. In Wirklichkeit war er nur auf die Farm ihres Stiefvaters aus gewesen. Als er merkte, dass Warren Pedley seine Farm trotz des Unfalls, der ihn an den Rollstuhl gefesselt hatte, weiterführen wollte, fiel ihm Candy Mae aus der Dairy Queen wieder ein. Und dass er sie unsterblich liebte. Er brachte es sogar noch fertig, seinen Ring von Lizzie zurückzuverlangen. Natürlich hatte sie ihm keine Szene gemacht. Sie verwandelte das Haus in der Myrtle Street, in dem sie mit ihrer kleinen Familie hatte leben wollen, in einen Kindergarten. Sie wünschte Bobby und Candy Mae alles Gute und trug das blaue Kostüm zu deren Hochzeit. Und im vergangenen Herbst hatte sie zwei von Bobbys Sprösslingen in den Kindergarten aufgenommen. Schließlich war sie die gute alte Lizzie, die nie Ärger machte und immer nett und hilfsbereit war, damit die Leute sie mochten. Na ja, ein zweites Mal würde die gute alte Lizzie diesen Fehler nicht machen. Andererseits hätte sie Bobby vielleicht nicht so bereitwillig gehen lassen, wenn er so geküsst hätte wie Alex. Seufzend stützte sie den Kopf auf die Hände. Es war jetzt eine Woche her, aber noch immer fühlte sie seine Lippen auf ihren. "Das ist ja wie früher." Die fröhliche Stimme ließ Lizzie auffahren. Mandy Brown legte einen Stapel Entwürfe auf die Couch und sah sich neugierig um. "So sah es bei Roland auch immer aus."
"Sie meinen das Büro?" "Sicher. Als er noch hier arbeitete, lagen überall Sachen herum. Manchmal mussten wir unsere Besprechungen auf dem Boden abhalten." Mandy schob einige Umschläge zur Seite und lehnte sich gegen den Schreibtisch. Seit Lizzie gleich am ersten Tag den Starcourt-Auftrag gerettet hatte, waren die beiden Frauen einander näher gekommen. Lizzie mochte sie. Mandy musterte sie lächelnd. "Sie sehen ihm ähnlich, wissen Sie das?" "Sie meinen Roland?" "Ja. Die Ähnlichkeit ist frappierend, vor allem beim Haar und den Augen." "Ich bin ihm nie begegnet." "Das wundert mich nicht", erwiderte Mandy. "Roland hat nie erzählt, dass er eine Nichte hat. Er hat nie über seine Familie gesprochen." "Er und mein Vater verstanden sich nicht." Mandy lachte. "Ja, so war Roland. Entweder man mochte ihn, oder man hasste ihn." Das stimmt, dachte Lizzie. Ihr war schon aufgefallen, dass die Mitarbeiter, die ihr Onkel eingestellt hatte, sie schneller akzeptiert hatten als die, die Alex engagiert hatte. "Dann gehört Rita wohl in die zweite Kategorie", vermutete Lizzie. "Rita?" fragte Mandy. "Nein, sie hat Roland nicht gehasst. Sie hat ihn vergöttert." "Was?" "Seit ihrem ersten Tag hier", erklärte Mandy. "Wir wussten alle, das es hoffnungslos war. Roland scherzte immer darüber, dass er gegen Liebe immun sei, weil eine Frau ihm das Herz gebrochen hatte. Aber ich habe nie geglaubt, dass das nur ein Scherz war." "Wissen Sie, was passiert war?" "Nein. Ich habe mich gefragt, ob er die Frau vielleicht noch immer liebte, aber er sprach nicht über sein Privatleben."
Lizzie lehnte sich im Sessel zurück. Inzwischen konnte sie sich ein Bild von ihrem Onkel machen. Er war charmant, aber zurückhaltend gewesen. Ein gerissener Geschäftsmann, aber großzügig seinen Mitarbeitern gegenüber. Ein widersprüchlicher und rätselhafter Mann, den sie gern kennen gelernt hätte. Mandy zeigte auf die Unterlagen, die sie mitgebracht hatte. "Möchten Sie die ersten Entwürfe für die Under-CoverVorschläge sehen?" "Sie sind schon fertig?" Lizzie stand auf. "Das ging ja schnell." "Es ist schon acht. Die anderen sind alle weg." "Oh." Lizzie sah auf die Uhr. "Tut mir Leid, das habe ich gar nicht gemerkt." "Mein Mann wird den Wein noch eine Weile kühl und den Kamin am Brennen halten", erwiderte Mandy und setzte sich zu Lizzie auf die Couch. "Ich wollte erst Ihr Okay, bevor ich nach Hause fahre, sonst mache ich mir das ganze Wochenende Gedanken." Lizzie blinzelte verwirrt, als ihr Blick auf das erste Motiv fiel. Eine Frau, die nur einen pinkfarbenen Body trug, lehnte an der Motorhaube eines Feuerwehrwagens. "Es ist ... nun, recht farbenfroh." "Der Kunde will es so", erklärte Mandy. "Aber die ModelAgentur war nicht gerade begeistert. Sie haben den Fototermin erst für nächste Woche angesetzt." "Stephanie Brimwell will etwas, das ins Auge sticht", wandte Lizzie ein. "Das tun die Entwürfe, aber verkaufen sie auch Unterwäsche?" "Wäsche", murmelte Lizzie und dachte an die skandalösen Stücke aus Spitze und Satin, die Stephanie als Muster geschickt hatte. "Unterwäsche, das ist weiße Baumwolle. Under Cover macht Dessous. Das ist ein Unterschied." Schweigend ging sie die Entwürfe durch.
"Sie gefallen Ihnen nicht", vermutete Mandy. "So würde ich es nicht formulieren. Ich bin nur nicht sicher, ob die Lastwagen so gut sind." Mandy seufzte. "Wir haben noch Zeit", tröstete Lizzie die Grafikerin. "Die Idee, die Frauen in zarten Dessous vor schweres Gerät zu stellen, ist im Grunde richtig. Der Kontrast weckt Neugier. Aber etwas fehlt noch." "Was denn?" Lizzie zögerte. "Ein Lastwagen ist so unpersönlich." Mandy lachte. "Nicht, wenn ein toller Typ am Steuer sitzt." Lizzie zog die Augenbrauen hoch. "Das wäre eine Möglichkeit." Mandy hob die Zeichnung. "Das ist es! Warum nehmen wir nicht noch einen Macho mit hinein?" "Wenn wir das tun, können wir auf den Truck verzichten. Der Kontrast wäre stark genug." "Das gefällt mir", sagte Mandy. "Statt der Männerphantasie vom schweren Lastwagen nehmen wir die Frauenphantasie von der großen Romantik." "Romantik?" wiederholte Lizzie. "Wir brauchen einen Mann." "Wir könnten ihn den Under-Cover-Mann nennen", schlug Lizzie vor. "Genau!" Mandy zeigte auf den Entwurf. "Die Models wechseln, aber der Mann im Hintergrund ist immer derselbe. Wie ein Markenzeichen." Lizzie nickte. "Gute Idee." "Gute Idee? Das ist sensationell." "Aber wir brauchen jemanden, der ganz neu ist." "Richtig. Einen Mann, mit einem Gesicht wie ein Chorknabe und einem Körper wie der Teufel selbst. Einen, der die Phantasie anregt."
Natürlich fiel Lizzie als Erster Alex Whitmore ein. Sein Gesicht sah zwar nicht nach einem Chorknaben aus, und seinen Körper kannte sie noch nicht recht, aber Alex regte die weibliche Phantasie an, daran bestand kein Zweifel Lizzie konzentrierte sich auf die Arbeit. "Wir brauchen ihn bis Mittwoch, wenn wir unsere Termine einhalten wollen." "Ich glaube kaum, dass die Agentur den hat, den wir uns vorstellen", wandte Mandy ein. "Wenigstens haben wir die Lastwagen schon gebucht." Lizzie überlegte. "Wir könnten es mit Zack versuchen", schlug sie schließlich vor. "Mit wem?" "Zack ist mein jüngster Stiefbruder", erklärte Lizzie. "Der Computerexperte?" fragte Mandy skeptisch. "Er ist sehr fotogen und muss sein College-Studium selbst finanzieren, also wäre er für den Auftrag dankbar." Lizzie stand auf und nahm ein kleines Album aus ihrer Tasche. "Bestimmt habe ich sein Foto von der Abschlussfeier der High School hier ... Ja, da ist es." » Mandy schaute über ihre Schulter und stieß einen leisen Pfiff aus. "Er ist wirklich fotogen." "Er hat das Pedley-Lächeln", sagte Lizzie stolz. "Ich werde mit Stephanie reden, bevor wir mit der Idee weitermachen, aber ich bin sicher, sie wird einverstanden sein." "Wenn sie einen Blick für Männer und ein Herz in der Brust hat, wird sie das." Mandy schob die Entwürfe zusammen und ging zur Tür. "Sieht aus, als hätten Sie uns mal wieder gerettet, Lizzie. Ich mache übers Wochenende ein paar neue Entwürfe. Wir sehen uns am Montag." Lizzie winkte ihr zu. Gleich morgen früh würde sie Zack anrufen. Seufzend setzte sie sich an den Schreibtisch. Ihr Arbeitstag war noch lange nicht zu Ende. Sie griff nach dem Bericht der
Buchhaltung und hatte gerade die erste Seite überflogen, als das Telefon läutete. Sie behielt einen Finger auf der Zahlenkolonne und nahm den Hörer ab. Außer einem aufgeregten Flüstern war nichts zu hören. "Hallo? Wer ist da?" "Tante Liz?" "Jason?" "Ja." Sie lächelte zufrieden. Die Zwillinge hatten ihr anfängliches Misstrauen überwunden. "Wie läuft's bei euch?" "Ganz gut." Wieder wurde geflüstert. "Daniel möchte Sie etwas fragen." "Was denn?" "Können Sie schwimmen?" Sie zögerte. "Ja, ich kann schwimmen." "Sie kann schwimmen", wiederholte Jason. "Okay, bis dann." "Jason, warte!" rief Lizzie. "Was habt ihr vor?" Der Junge hatte schon aufgelegt. Kopfschüttelnd zwang sie sich, ein paar Minuten zu warten, bevor sie Alex' Nummer wählte. Sie ließ es acht Mal läuten und versuchte es wieder. Diesmal legte sie nach dem zwölften Klingeln auf. Was war los? War jemand in den Pool gefallen? Brauchten die Jungen Hilfe? Mit einem mulmigen Gefühl im Magen wählte sie den Notruf. Aber wenn es ein echter Notfall wäre, hätten Jason und Daniel selbst 9-1-1 angerufen. Und Jason hatte am Telefon ziemlich ruhig geklungen. Planten die beiden etwa wieder einen Streich? Und warum wollten die Zwillinge dazu wissen, ob sie schwimmen konnte? Alex streifte die Socken ab und krempelte die Hosenbeine auf. Dann nahm er das Brecheisen und watete durch den Raum. Das Wasser umströmte seine Füße, als er mit den Zehen nach dem Abfluss tastete. Alles, was er fand, waren die
Spielzeugautos der Zwillinge. Er verzog das Gesicht, hob das Bein und löste das winzige rote Cabrio von seiner Hacke. Warum war er nicht einfach einkaufen gefahren, als er festgestellt hatte, dass seine Söhne keine sauberen Sachen mehr hatten? Nun ja, Lizzie hätte es als Täuschungsversuch werten können. Dabei wuchsen Kinder andauernd aus T-Shirts und Shorts heraus, da wäre es doch eine gute Idee, eine Monatsration auf Vorrat zu haben, oder? Aber er wollte nicht unfair sein. Er wollte Lizzie beweisen, dass er Wort hielt. Er hatte angenommen, dass auch Wäsche waschen zu den einfachen, stupiden Aufgaben im Haushalt gehörte, die jeder halbwegs intelligente Erwachsene mühelos bewältigen konnte. Er führte seit dreizehn Jahren ein erfolgreiches Unternehmen, welche Probleme konnte ihm da eine Waschmaschine bereiten? Er warf das Spielzeug in eine Ecke und setzte die Suche nach dem Abfluss fort. Nach einer Weile stießen seine Zehen gegen ein eisernes Bodengitter. Zufrieden steckte Alex die Arme m die Lauge. Ja, das fühlte sich an wie der Abflussdeckel. Er schob das Brecheisen hinein und versuchte, ihn zu lösen. Der Deckel rührte sich nicht, aber Alex rutschte aus und landete bäuchlings im seifigen Wasser. "Ich hoffe, du kannst schwimmen." Alex stemmte sich auf die Knie. Hatte er gerade Lizzies Stimme gehört? Sicher nicht. Sie blieb normalerweise immer bis nach zehn Uhr abends im Büro. Und wenn sie im Haus war, ging sie ihm aus dem Weg/Warum sollte sie ausgerechnet jetzt zu ihm kommen? Warum eigentlich nicht? Heute war wirklich sein Glückstag. Er biss die Zähne zusammen und drehte sich um. Lizzie stand mit verschränkten Armen in der Tür der Waschküche. Sie hielt ihre Schuhe in der Hand und rührte mit
einem Fuß im Schaum. Ihre Lippen zuckten, als sie ein Lachen unterdrückte. "Na los", murmelte er. "Hmm?" "Lach mich nur aus. Aber glaub ja nicht, dass ich aufgebe. Das hier ist nur ein kurzfristiger Rückschlag." Sie presste die Lippen noch fester zusammen und nickte. "Mmm." "Der Abfluss ist verstopft. Das hätte jedem passieren können." Er setzte die Brechstange noch einmal an. Der Deckel löste sich ohne Vorwarnung, und Alex landete erneut im Wasser. Diesmal rücklings. "Alex?" "Was?" knurrte er. Sie starrte ihn an, dann brach sie in Gelächter aus. "Es wäre vielleicht leichter, wenn du deine Sachen ausziehst, bevor du sie wäschst." Er grinste. "Danke für den Haushaltstipp." "Schon gut. Dazu sind Partner doch da." Alex schob die Hand in den Abfluss und ertastete etwas Rundes. Mit der Brechstange beförderte er den fest sitzenden Gegenstand an die Oberfläche. Wie ein Kugelfisch sprang ein rotblauer Ball aus der Lauge. Es gab ein schmatzendes Geräusch, und das Wasser begann abzufließen. Alex schnappte sich :den Ball und stand auf, während sich um ihn herum ein Whirlpool bildete. Lizzies Lachen wurde zu einem Schmunzeln. "Tut mir Leid, Alex. Ich habe nicht über dich gelacht, sondern über die Situation." Es hatte ihn nicht gestört. Er liebte ihr Lachen und hatte es vermisst. Und sie hatte er auch vermisst. "Ich sollte mich glücklich schätzen, dass du keinen Fotoapparat dabei hast", bemerkte er mit einem Anflug von Humor.
"Ich bin nur froh, dass es nichts Schlimmeres ist", sagte sie. "Als Jason mich im Büro anrief, habe ich es mir viel dramatischer vorgestellt." "Wann hat Jason dich angerufen?" "Vor etwa zwanzig Minuten. Ich habe zurückgerufen, aber niemand nahm ab. Jetzt weiß ich, warum." "Ich dachte, die Zwillinge wären im Bett." "Sind sie. Ich habe nach ihnen gesehen, als ich ankam." Alex zog die Augenbrauen hoch. "Ich will mich nicht in deine Angelegenheiten einmischen, Alex. Ich war nur besorgt." "Gegen ein wenig Einmischung hätte ich nichts", meinte er und wischte sich die Hände an der Hose ab. "Und gegen Haushaltstipps auch nicht. Wusstest du, dass Eier in der Mikrowelle explodieren?" Ihre Lippen zuckten. "Wann hast du das denn gemerkt?" "Kurz vor dem Missgeschick mit der Waschmaschine." Die Plastikflasche, deren Inhalt er ins Einspülfach gekippt hatte, trieb vorbei und drehte sich im Strudel. "Ein Haushälter hat es schwerer, als ich dachte." "Ein Haushälter hätte den Klempner gerufen." "Habe ich. Sie meinten, sie könnten frühestens in vier Stunden hier sein, also habe ich mich selbst an den verstopften Abfluss gewagt." Er zog den Wischlappen aus dem Wasser, bevor der auch noch in den Abfluss geriet. "Außerdem solltest du nicht denken, dass ich schummele." "Ich sehe, dass du nicht geschummelt hast, Alex", sagte sie nach einer Weile, Er zögerte. Ihre Antwort erstaunte ihn. Sie war nicht viel, aber immerhin ein Anfang. "Ich habe mich geirrt." "Wie?" "Ich dachte, einen Haushalt zu führen wäre einfach, aber das stimmt nicht."
"Für jemanden, der mit Dienstboten auf gewachsen ist, machst du deine Sache gar nicht mal so schlecht." Noch ein Kompliment, dachte er verblüfft. Auch wenn es auf falschen Tatsachen beruhte. Er überlegte, ob er sie verbessern sollte oder nicht. Tiffany hatte sich seiner Herkunft immer geschämt. Aber plötzlich war er sicher, dass Lizzie die Wahrheit nichts ausmachen würde. "Lizzie, ich bin nicht mit Dienstboten aufgewachsen." "Nein?" "Ich bin einer Kellerwohnung in der Lower East Side groß geworden. Mein Vater war Busfahrer, bis er eines Tages am Steuer zusammenbrach. Herzversagen. Meine Mutter hat Näharbeiten angenommen, um die Miete zu zahlen." Er schob den restlichen Schaum zum Abfluss. "Wir hatten keine Dienstboten. Und Fußböden habe ich schon vor zwanzig Jahren in einem Obstladen gewischt." Sie ging auf ihn zu. "Wo ist deine Mutter jetzt?" "Gleich nach dem College-Abschluss habe ich sie aus dem Keller geholt. Vor drei Jahren habe ich ihr eine Wohnung in Sun City gekauft. Das Klima in Arizona ist gut für ihr Rheuma." "Sie muss sehr stolz auf dich sein", bemerkte Lizzie leise. Er richtete sich auf. "Meine Söhne sollen es besser haben als ich." Sie legte die Fingerspitzen auf seinen Arm. "Du hast mir mal gesagt, dass du alles nur ihretwegen tust. Das verstehe ich jetzt." Die Berührung war federleicht, aber er fühlte, wie die Wärme sich auf seiner feuchten Haut ausbreitete. Spontan legte er seine Hand auf ihre. Schlagartig war diese Spannung wieder da. Nein, dieses Mal war es eine andere Art von Spannung. Es war nicht das Misstrauen zwischen zwei Gegnern, es hatte nichts mit der Agentur zu tun.
Er wollte ihre Finger nicht nur an seinem Arm spüren. Was würde geschehen, wenn er seinem Verlangen nachgab, mit beiden Händen über ihren Rücken strich und sie an sich zog? Beim letzten Mal hatte sie ihn beschuldigt, ihr etwas Vorzumachen, und ihm die Tür vor der Nase zugemacht. Der Abfluss gab ein gurgelndes Geräusch von sich. Alex ließ ihre Hand los und drehte sich danach um. Lizzie schluckte mühsam. Er hatte sie wieder so angesehen. So intensiv, ganz auf sie allein konzentriert. Als wollte er sie wieder küssen. Aber inzwischen wusste sie, dass seine Küsse nur dazu dienten, sie von ihrem Ziel abzubringen. Sie versuchte, Zorn und Empörung in sich mobil zu machen, doch es gelang ihr nicht. Stattdessen empfand sie für Alex nur Bewunderung. Wie konnte sie einem Mann böse sein, der mit aufgerollter, klatschnasser Hose durch Seifenschaum watete, einen Wischlappen in der Hand? Einem Mann, der darüber lachen konnte, wie komisch er aussah? Sosehr sie es auch versuchte, es ging nicht mehr. Sie hatte ein Problem. Ein Riesenproblem.
8. KAPITEL "Guten Morgen, Mr. Whitmore." "Hallo, Pamela. Das sind meine Söhne", erklärte Alex, während Jason sich einen Filzstift und Daniel ein Gummiband vom Schreibtisch der Empfangssekretärin nahm. "Genießen Sie Ihren Urlaub?" erkundigte Pamela sich. "Ich versuche es", erwiderte Alex und hinderte die Zwillinge daran, nach Pamelas Telefonhörer zu greifen. "Und wie läuft es hier?" Sie lächelte. "Es ist toll, wieder eine Hamill hier zu haben." Alex hätte gern nachgefragt, aber seine Jungen rannten weiter. "Entschuldigen Sie mich", sagte er und folgte ihnen. Mandy Brown kam gerade aus ihrem Atelier und stieß mit den Zwillingen zusammen. Computerausdrucke und frische Entwürfe flogen durch die Luft. "Uups", machte Jason. "Entschuldigung", murmelte Daniel. "Helft Miss Brown beim Aufsammeln", befahl Alex. Die beiden gehorchten und rasten weiter. "Entschuldigung", rief Alex über die Schulter. "Kein Problem", erwiderte Mandy. "Die beiden sind genau das, was dieser Laden braucht." In diesem Moment ging die Tür zum Büro neben seinem auf, und Lizzie trat auf den Korridor. "Hi, Tante Liz!" riefen die Zwillinge.
"Hallo, ihr zwei." Lizzie ging vor ihnen in die Hocke. "Was macht ihr denn hier?" "Dad hat uns mitgenommen." "Wir gehen einkaufen. Kommst du mit?" Lizzie schmunzelte. Das Wochenende war erfolgreich verlaufen. Sie hatte nicht nur von Alex das firmeneigene BMWCabrio zur Verfügung gestellt bekommen und war mit ihm und den Zwillingen zum Baseball gewesen, sie hatte auch die Herzen seiner Söhne erobert. "Nicht heute", lehnte sie sanft ab. "Aber wenn ihr wollt, könnt ihr euch mein Büro ansehen. Ich habe da einen Drehstuhl." "Cool", rief Daniel und rannte an ihr vorbei. Jason sah seinen Vater an. "Okay?" Alex nickte. Lizzie stand auf. "Hallo, Alex. Was für eine Überraschung." Er lächelte. "Hallo, Lizzie." Sie errötete. "Wie bist du mit dem grünen Flitzer zurechtgekommen?" "Gut." "Du hast meinen Parkplatz genommen." "Der gehört doch zum Wagen, oder?" Sie verschränkte die Arme. "Ich vermute, du hast nachgesehen, ob ich eine Beule hineingefahren habe." Das hatte er tatsächlich. Er war gleich drei Mal um den BMW gegangen. Dass sie jetzt den Sportwagen fuhr, weil die Limousine für ihn und die Kinder praktischer war, gefiel ihm immer noch nicht. Aber dass Lizzie ihn so mühelos durchschaute, imponierte ihm. Er sah sich im Büro um. Überall lagen Akten, Berichte und lose Blätter herum. Auf einem Ecktisch stand ein Computer. Und einige der Auszeichnungen, die in seinem Büro gehangen hatten, zierten jetzt ihre Wände. Nein, nicht nur einige, sondern exakt die Hälfte. "Wie ich sehe, hast du dich hier eingerichtet."
"Es war das Büro meines Onkels und stand leer", sagte sie und ging hinein. Erst jetzt bemerkte er das neue Namensschild an der Tür. "Du hast dir ein Schild machen lassen." "Das war Addisons Idee. Es sieht edel aus, nicht?" Es war aus Bronze, wie seins. Und es sah wirklich edel aus. Aber vor allem sah es dauerhaft aus. Alex' Lächeln verblasste. "Ich dachte, du wolltest kein Geld verschwenden. Du wirst es am Ende des Monats wieder abnehmen müssen." Sie hob das Kinn. "Es ist keine Geldverschwendung, Alex." "Natürlich nicht. Du kannst es an den Eingang deines Kindergartens hängen." "Danke für den Vorschlag", erwiderte sie. "Aber ich beabsichtige, die Firma von diesem Büro aus zu leiten, wenn ich sie am Ende des Monats übernehme." Er zog eine Augenbraue hoch, doch bevor er etwas sagen konnte, kam Mandy herein. "Entschuldigen Sie, Lizzie. Hier sind die überarbeiteten Entwürfe für Under Cover." "Danke. Legen Sie sie..." Lizzie zögerte, als die Zwillinge aufhörten, ihren Schreibtischsessel als Karussell zu benutzen, und ihn statt dessen zum Schaukeln brachten. Sie warf einen Blick auf die Couch, die unter den vielen Unterlagen kaum noch zu sehen war, und streckte die Hände aus. "Ich nehme sie, Mandy." "Was ist denn?" wollte Alex wissen, nachdem Mandy gegangen war. "Gibt es ein Problem?" "Nein, wir haben nur noch ein paar Sachen geändert", beruhigte Lizzie ihn und überflog die Entwürfe, bevor sie sie an die Wand lehnte. "Stephanie Brimwell weiß sehr genau, was sie will", warnte er besorgt. "Vielleicht solltest du es mit ihr besprechen, bevor du der Kampagne eine neue Richtung gibst." "Das habe ich schon. Sie ist begeistert."
"Oh." Rollen quietschten, als die Zwillinge einander auf dem Drehsessel durch den Raum schoben. Leider glich das Büro im Moment einer Hindernisbahn, und bei der zweiten Runde prallte das Gefährt gegen einen Stapel Kartons. "Oh, oh", rief Daniel, als der Stapel umkippte. "Was ist das denn?" fragte Jason neugierig und kletterte vom Sessel. Am obersten Karton war der Deckel verrutscht, und roter Stoff war hinausgefallen. Er hob ihn auf und betrachtete ihn interessiert. Hastig nahm Lizzie ihm den Stoff aus der Hand. "Das sind nur ein paar Muster." Alex kam näher. "Die Jungen sollen selber aufräumen, wenn sie Unordnung machen." "Nein, schon gut", wehrte sie schnell ab und griff nach dem Karton. Daniel bückte sich nach einem schwarzem Stoffstreifen und zog ihn lang. "Heh, toll. Eine Schleuder." Lizzie gab einen eigenartigen Laut von sich und wollte ihm das neue Spielzeug abnehmen. "Das ist keine Schleuder, Daniel." "Doch", beharrte er und drehte sich weg, bevor er den Streifen in die Länge zog und durch die Luft sausen ließ. Alex fing ihn auf. Nein, das war wirklich keine Schleuder, sondern ein Strumpfband. Er sah Lizzie an. Er hätte nicht gedacht, dass sie so etwas trug. Andererseits hatte er sich schon mehrfach in ihr getäuscht. Vermutlich trug sie auch unter ihrem korrekten blauen Kostüm etwas Sinnliches. "Interessant, Lizzie." Dir Gesichtsausdruck schwankte zwischen Belustigung und Verlegenheit, während die Zwillinge in den Karton lugten, den sie in den Händen hielt. "Cool", sagte Jason. "Sieh dir die Federn an."
"Und die glitzern auch noch. Wir könnten unsere Räder damit schmücken." "Genau, wie Flaggen." Bei Lizzie siegte der Humor. Ihre Grübchen vertieften sich. "Die gehören nicht mir, Alex. Das sind die Muster, ehe Stephanie uns geschickt hat." Er betrachtete das Strumpfband. Natürlich. Die Dessous von Under Cover. Er ließ das Strumpfband von einem Finger baumeln und hielt es ihr hin. "Was wolltest du damit machen?" "Oh, ich weiß nicht. Vielleicht hat Daniel Recht. Man könnte eine Schleuder daraus machen." Seine Hand streifte ihre, als Lizzie ihm das verführerische Stück Stoff abnahm. Er beugte sich vor und senkte die Stimme. "Ich könnte dir da noch eine andere Verwendungsmöglichkeit zeigen, Lizzie." Sie hielt die Luft an. "Da wir ja Partner sind, wäre es doch nur fair, wenn ich dir ein paar Tipps gebe." Er griff in den Karton und nahm etwas heraus. Es war ein Body aus jadegrüner Seide. "Das hier, zum Beispiel..." "Alex, bitte." Er hielt es an den Trägern vor sie. "Also, dieses kleine Teil ..." "Alex..." Es fiel ihm allzu leicht, sich Lizzie darin vorzustellen. Er ahnte, wie weiblich sie unter ihrem strengen Kostüm aussah. In so etwas musste sie atemberaubend sein. Ihre Blicke trafen sich. Und in ihren Augen spiegelte sich ein Anflug von dem, was er in diesem Moment empfand. Als er die Hand um ihre Schulter legte, war es wie ein zärtliches Streicheln. "Die Farbe steht dir." Verlegen fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen. "Ich ziehe Baumwolle vor." "Ich ziehe gar nichts vor."
Sie starrte auf seine Brust und errötete wieder, als würde sie seine Ansicht teilen. Sein Herz schlug schneller. Er festigte den Griff um ihre Schulter und zog sie an sich. Das Telefon auf Lizzies Schreibtisch summte laut. "Entschuldige mich", bat sie und löste sich von ihm. Dann riss sie ihm den Body aus der Hand und stopfte ihn in den Karton, bevor sie auf den Knopf der Sprechanlage drückte. "Ja, Pamela?" "Hier ist ein Mann, der Sie unbedingt sprechen will, Miss Hamill", drang die Stimme der Sekretärin aus dem Lautsprecher. "Wer ist es?" "Er will mir seinen Namen nicht nennen. Er sagt, er wolle Sie überraschen." Lizzie runzelte die Stirn. Alex auch. Sekunden später hörten sie Pamela protestieren. "Sir, wenn Sie hier warten ..." "Heb, Lizzie!" ertönte eine tiefe Stimme von draußen. "Wo steckst du denn?" Lizzie eilte zur Tür. Noch bevor sie die Tür öffnen konnte, wurde diese aufgerissen, und ein junger blonder Mann stand mit ausgebreiteten Armen vor ihr. "Lizzie!" Lächelnd warf sie sich in die Umarmung. "Zack! Ich wusste, dass du mein Angebot annimmst!" Lachend drehte er sich mit ihr im Kreis. "Wie könnte ich da Nein sagen? Du hast doch etwas von Unterwäsche gesagt, oder?" "Du bist schamlos. Schade, dass du zu groß geworden bist, um dir den Hintern zu versohlen." Als er Lizzie in den Armen eines anderen Mannes lachen sah, stieg in Alex eine Mischung aus Zorn und Besorgnis auf. Er hätte wissen müssen, dass eine so attraktive und intelligente Frau wie Lizzie selbst in Packenham Junction nicht allein
bleiben würde. Dieser Mann kannte sie offenbar sehr gut. Er sah so frisch und natürlich aus wie sie. Mit verkniffenem Mund musterte Alex den Besucher. Er war jung, mit einem schiefen, jungenhaften Lächeln, das bei den Farmerstöchtern vermutlich großartig ankam. Aber an dem markanten Gesicht und den blauen Augen war nichts Jungenhaftes. Auch nicht an den breiten Schultern oder den Oberarmmuskeln, die sich unter dem weißen T-Shirt abzeichneten. Er war ein echter Adonis in Blue Jeans. Eigentlich sollte es Alex völlig egal sein, mit wem Lizzie zu Hause befreundet war. Aber im Moment spürte er das vollkommen unsinnige Bedürfnis, Lizzie aus den Armen dieses grinsenden Schönlings zu reißen. Betont lässig schlenderte er zu den beiden und streckte dem Fremden die Hand entgegen. "Hallo. Ich bin Alexander Whitmore, Lizzies Partner." Strahlend ergriff der Adonis seine Hand. "Ich freue mich, Sie kennen zu lernen. Ich bin Zachary Pedley, aber jeder nennt mich Zack." "Pedley?" wiederholte Alex. "Mein Bruder", erklärte Lizzie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um Zack eine Locke aus der Stirn zu streichen. "Er ist das Baby der Familie." Ihr Bruder, dachte Alex. Eins der Kinder ihres Stiefvaters, die sie mit aufgezogen hatte. Kein Freund. Kein Liebhaber. Ein Bruder. Langsam legte seine unerklärliche Wut sich wieder. "Ich freue mich auf diesen Job", sagte Zack. "Sonst hätte ich wieder den ganzen Sommer Zaunpfosten eingraben müssen." "Job?" fragte Alex irritiert. "Ich dachte mir, Zack kann uns bei der Under-CoverKampagne helfen", erklärte Lizzie. "Natürlich muss Stephanie einverstanden sein." Zack zwinkerte ihr zu. "Kein Problem. Ich bin auf dem Weg hierher bei ihr vorbeigefahren und habe mir ihr Okay geholt. Vor dir steht der neue Under-Cover-Mann."
Vom Korridor drang aufgeregtes Geflüster herein. Alex schaute an Zacks Schulter vorbei zur Tür, vor der sich fast alle weiblichen Angestellten der Agentur auffällig unauffällig drängten. Schmunzelnd zog Lizzie Zack von der Tür fort. "Tut mir Leid, meine Damen", sagte sie und schloss sie. "Oh, das hätte ich fast vergessen." Zack holte einen gefalteten Umschlag aus der Tasche. "Das hier ist am Freitag für dich gekommen." Lizzie drehte den Umschlag um. "Es ist von Clarke, Parker und Stein." "Ja, Jolene hat deine Post abgeholt und meinte, es sieht wichtig aus. Also habe ich es gleich mitgebracht." "Das ist die Anwaltskanzlei, die den Nachlas meines Onkels verwaltet hat", erklärte sie und riss den Umschlag auf. "Seht euch das an. Da ist ja noch ein Umschlag drin." Alex sah, dass der zweite Umschlag kleiner und an Lizzie adressiert war. In einer Handschrift, die ihm bekannt vorkam. "Der ist von Roland", bemerkte er erstaunt. Lizzie starrte auf den Umschlag. "Warum sollte mein Onkel mir einen Brief geschrieben haben?" "Willst du ihn nicht aufmachen?" fragte Zack. Mit zitternden Händen riss Lizzie ihn auf und nahm den Brief heraus. Sie überflog ihn, las ihn ein zweites Mal und wurde blass. Eine Minute lang stand sie reglos da, dann setzte sie sich auf die Schreibtischkante und hauchte: "Nein." "Was ist?" fragte Alex besorgt. Sie schüttelte den Kopf. "Nein, das kann nicht sein." Alex drängte sich an Zack vorbei und nahm ihre Hand. Ihre Finger waren eiskalt. "Lizzie, was ist los?" "Mein Onkel Roland ..." Sie schluckte und sah ihn an. Ihre Augen waren feucht. "Er war gar nicht mein Onkel." "Natürlich war er dein Onkel", widersprach Alex, ohne daran zu denken, was es für ihn und die Agentur bedeuten würde,
wenn das Testament sich als ungültig erwies. Er rieb ihre Finger. "Man sieht doch, dass du seine Nichte bist." "Hier steht, dass er nicht mein Onkel war", sagte sie und hob den Brief. "Aber..." "Er war mein Vater."
9. KAPITEL Meine liebste Lizzie, vor langer, langer Zeit habe ich deiner Mutter versprochen, mich mein Leben lang nicht bei dir zu melden. Dieses Versprechen habe ich gehalten. Deshalb habe ich meine Anwälte angewiesen, dir diesen Brief erst nach meinem Tod zu übergeben. Wie kann ich die Fehler meiner Jugend erklären? Ich habe deine Mutter von ganzem Herzen geliebt, aber ich war zu rastlos und neugierig auf die Großstadt. Ich hatte vor, dort ein Vermögen zu machen und dann mit einer noblen Limousine und einem teuren Brillantring nach Packenham Junction zurückzukehren. Ich wollte deiner Mutter alles bieten, was sie verdiente. Ich möchte glauben, dass ich nicht weggegangen wäre, wenn ich gewusst hätte, dass ich ein Kind habe. Aber damals war ich so jung und viel zu ehrgeizig, um zu begreifen, dass ich längst hatte, worauf es ankam. Mein Bruder war ein ehrenwerter Mann, und ich wusste, dass er dir ein fürsorglicher Vater und deiner Mutter ein liebevoller Ehemann sein würde. Die beiden waren überzeugt, dass es für dich am besten war, die Wahrheit nicht zu erfahren. Ich hoffe, du warst glücklich, Lizzie. Und ich hoffe, dass du, wenn du Liebe findest, sie nie loslässt. Dein dich liebender Vater Roland Hamill
Lizzie nahm sich ein Taschentuch aus dem Karton auf ihrem Schoß und fuhr sich damit über die Augen. Eis wunderte sie, dass noch Tränen kamen, denn sie weinte, seit sie den Brief das erste Mal gelesen hatte. "Oh, Onkel Roland", flüsterte sie. Nein, nicht Onkel, er war ihr Vater gewesen. Wie sollte sie jetzt über ihn denken? Natürlich würde er in ihrem Herzen nie den Platz des Mannes einnehmen, den sie immer Dad genannt hatte. Aber er war auch nicht mehr der unbekannte, rätselhafte Verwandte. All die Jahre lang hatte er sein Geheimnis bewahrt und das Wort gehalten, das er der Frau gegeben hatte, die er liebte. Es war so traurig. ' Lizzie trocknete ihre Tränen, schob den Brief wieder in den Umschlag und legte ihn auf den Couchtisch. Es klopfte leise an die Wohnzimmertür, und Alex kam herein. "Wie geht es dir?" erkundigte er sich sanft. Sein besorgter Tonfall ließ ihre Tränen erneut strömen. Schluchzend zog sie Beine an und legte den Kopf auf die Knie. Sie war, als sie aus der Agentur kam, sofort in der Haushälterinnenwohnung verschwunden. Dort suchte Alex sie normalerweise nie auf. Warum tat er es ausgerechnet heute? "Bitte, geh wieder, Alex." "Du warst nicht beim Abendessen", sagte er und setzte sich neben sie. "Ich habe keinen Hunger." "Es gab keine Spaghetti", erwiderte er aufmunternd. "Was dann?" "Die Geschworenen beraten noch, aber ursprünglich war es Hühnchen." Er zog ein frisches Taschentuch aus dem Karton und reichte es ihr. "Hier." "Danke." "Dazu sind Partner doch da", erwiderte er lächelnd und schob sich eine Locke hinters Ohr. Seine Freundlichkeit und der zaghafte Versuch, sie aufzuheitern, rührten sie fast wieder zu Tränen. Sie holte tief
Luft. "Irgendwie ist es kindisch, sich von einem Brief so umwerfen zu lassen. Das alles liegt dreißig Jahre zurück und sollte mir nichts mehr ausmachen." "Du hast es gerade erst erfahren, also spielt es keine Rolle, wie lange es her ist. Es war ein Schock." Alex wartete, bis sie sich die Nase geputzt hatte. "Wenn du darüber reden möchtest, höre ich dir gern zu." "Dass Roland mein Vater war, will mir einfach nicht in den Kopf." "Vielleicht hätte ich es ahnen müssen", sagte Alex und legte ihr eine Hand auf die Schulter. "Die Ähnlichkeit ist nicht nur äußerlich, du gleichst ihm auch von der Persönlichkeit her." "Das habe ich in letzter Zeit häufiger gehört." "Es ist wahr. Je mehr Zeit du in der Agentur verbringst, desto offensichtlicher wird es." "Ich wünschte, ich hätte ihn noch kennen gelernt", sagte sie leise. "Warum ist er nicht zurückgekommen, nachdem mein Dad gestorben war und bevor meine Mutter Warren heiratete? Und danach, als ich mir dann so große Mühe gab, zu den Pedleys zu gehören, warum hat er es mir nicht gesagt?" "Er hatte es deiner Mutter versprochen." "Aber wozu? Es war so sinnlos." "Für ihn nicht." Alex lächelte. "Ich habe gehört, dass den Hamills Ehrlichkeit und ein gegebenes Wort sehr wichtig sind." Sie nickte. "Da, wo ich herkomme, sind die Menschen noch altmodisch." "Und was willst du jetzt tun?" "Wie meinst du das?" "Jetzt, da du weißt, dass Roland dein Vater war, wird sich in deinem Leben etwas ändern?" "Mein Bild von mir selbst hat sich gerade geändert", flüsterte sie. "Im Inneren bist du noch immer derselbe Mensch, Lizzie. Oder hättest du die Wahrheit lieber nie erfahren?"
Sie zögerte. "Vielleicht... Nein, ich bin froh, dass ich es weiß. Und es ändert nichts an meinen Gefühlen für meinen Dad, für den Mann, den ich immer als meinen Vater angesehen habe." "Er war dein Dad, Lizzie. Vaterschaft ist mehr als ein biologischer Vorgang:" "Du hast Recht. Er war immer für mich da, und ich habe nie an seiner Liebe gezweifelt." Sie blinzelte. "Ich habe meine Eltern geliebt, und daran ändert sich nichts. Im Gegenteil, sie erscheinen mir jetzt ..." "Menschlicher?" ergänzte Alex. Wie so oft sprach er aus, was sie dachte, aber nicht auf den Punkt bringen konnte. Ja, ihre Eltern hatten Fehler gemacht und waren nicht perfekt gewesen, aber sie hatten ihr eine Kindheit voller Liebe und Geborgenheit geschenkt. Dass sie jetzt die Wahrheit über Roland kannte, nahm ihr diese Vergangenheit nicht. Es bereicherte ihr Leben sogar, denn jetzt wusste sie, dass ihr leiblicher Vater sie auch geliebt hatte. Hatte Roland sich deshalb all die Jahre geweigert, seine Anteile an der Agentur an Alex zu verkaufen? Hatte er seine Hälfte seinem Kind vererben wollen, so wie Alex die Firma für seine Söhne erhalten wollte? "Inzwischen dürfte Zack es dem Rest der Familie erzählt haben", bemerkte sie stirnrunzelnd. "Wo ist er überhaupt?" "Der erste Fototermin für Under Cover ist erst in zwei Tagen. Ich glaube, er wollte einen Cousin in New Jersey besuchen." "Richtig. Bernie. Von der Tuttle-Seite der Familie." Sie setzte sich auf. "Ich sollte besser dort anrufen und fragen, ob Zack gut angekommen ist." "Bestimmt." Alex legte einen Arm um ihre Schultern. "Anstatt dir immerzu Sorgen um andere zu machen, lass doch einfach mal zu, dass jemand sich um dich sorgt." Später würde Lizzie sich fragen, warum sie sein Angebot so bereitwillig angenommen hatte. Warum sie nicht protestiert hatte, als er sie an sich zog. Vielleicht lag es daran, dass seine
Wärme so einladend und seine Stärke so tröstend war. Oder daran, dass seine Nähe ihr so natürlich erschien. Und vielleicht hatte sie das hier schon seit Tagen tun wollen und war jetzt froh, einen richtigen Grund zu haben. "Das gehört nicht zu unserer Abmachung, Alex." "Doch, Lizzie." "Wie kommst du denn darauf?" "Du wohnst in meinem Haus. Als Haushälter bin ich verpflichtet, für dein Wohlergehen zu sorgen, nicht wahr?" "Nun ja ..." "Außerdem muss ich als dein Partner bei Whitmore und Hamill sicherstellen, dass du deine Aufgaben in der Agentur nicht vernachlässigst." "Na ja, wenn du es so siehst..." "Gut." Er schob den Fuß unter ihre Wade und legte ihr Bein auf den Couchtisch, bevor er seine folgen ließ. Spätestens jetzt hätte sie aufstehen sollen. So mit ihm auf der Couch zu sitzen, nach einen langen, anstrengenden Tag, gehörte zu den kleinen, intimen Dingen, die ein Paar zusammen genoss. Aber irgendwie brachte sie nicht die Willenskraft auf, der Verlockung zu widerstehen. Seufzend lehnte sie sich zurück, um den Kopf an seine Schulter zu legen. "Sind die Jungen im Bett?" "Soweit ich weiß." Sie lächelte. "Das sagst du immer." "Bei den beiden kann man nie sicher sein." "Es sind großartige Kinder." "Danke. Aus dem Mund einer Expertin wie dir ist das ein echtes Kompliment. Du bist sehr nett zu ihnen." "Ich mag Kinder." "Gehört das auch zu den altmodischen Werten, mit denen du aufgewachsen bist?" "Vermutlich."
Er schwieg eine Weile. "Ich wundere mich, dass eine Frau wie du nicht längst verheiratet ist und ein Haus voller Kinder hat." "Ich war einmal kurz davor", gestand sie. "Aber es hat nicht geklappt. Vielleicht war das gut so. Ich bin mit meinem Leben zufrieden, so wie es ist." "Du warst kurz davor?" wiederholte er. "Heißt das, du warst verlobt?" "Sein Name war Bobby Johnson", antwortete sie nach kurzem Zögern. "Wir waren zusammen auf der High School, gingen aber erst miteinander, als ich nach dem Unfall meines Stiefvaters die Pedley-Farm übernahm. Bobby löste unsere Verlobung, als Warren verkündete, dass er die Farm wieder selbst übernehmen wollte." "Das klingt, als wäre dein Verlobter im Grunde nur an der Farm interessiert gewesen." "War er auch. Sein Interesse an mir war nur gespielt. Ich weiß, nach New Yorker Maßstäben ist es nicht viel, aber in Packenham Junction ist eine Farm mit einer so umfangreichen Milchviehherde ein großer Betrieb." "Das tut mir Leid, Lizzie. Es muss dich sehr verletzt haben." "Es ist Jahre her", erwiderte sie. "Wie gesagt, ich bin froh, dass wir nicht geheiratet haben." Nach einer Weile schüttelte Alex den Kopf. "Kein Wunder, dass du mir nicht vertrauen wolltest." "Ich hielt es für eine gute Idee, Jeremy diese Klausel in den Vertrag..." "Ich rede nicht von unserer Wette, Lizzie", unterbrach er sie. "Ich rede davon, wie ich dich geküsst habe." "Oh." Er zog sie noch fester an sich. "Bist du schon vergeben? Wartet zu Hause jemand auf dich?" "Nein." Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Irgendwie hatte seine Wärme sich verändert. Was er ihr jetzt
anbot, war mehr als Geborgenheit, es war eine andere Art von Nähe. "Warum willst du das wissen?" "Aus drei Gründen. Erstens sind wir Geschäftspartner, und du wohnst seit fast zwei Wochen bei mir, da dächte ich, wir könnten uns noch besser kennen lernen." "Ich wohne nicht bei dir", widersprach Sie rasch. "Na ja, ich lebe in deinem Haus, aber nicht mit dir zusammen. Jedenfalls nicht so." "Du hast Recht." Er wickelte sich eine ihrer Locken um den Finger und strich damit über seine Wange. Sie schloss die Augen. "Und der zweite Grund?" "Als Zack vorhin im Büro auftauchte, hatte ich plötzlich Sorge, dass vielleicht bald ein anderer Farmerjunge erscheint, um dich mir wegzunehmen." "Wie gesagt, in Packenham Junction wartet niemand auf mich." "Das ist gut. Wir müssen an die Firma denken", sagte er leise. "Solange du hier bist, heißt das." "Natürlich", murmelte sie und schmiegte sich an ihn. "Und der dritte Grund?" Er hob ihr Kinn an und drehte ihr Gesicht zu sich. "Ich muss sicher sein, dass es keinen anderen gibt, bevor ich dich wieder küsse." "Alex..." "Ja, Lizzie?" "Das ist keine gute Idee." "Im Gegenteil", widersprach er und lehnte sich zu ihr. "Ich finde die Idee großartig." "Aber..." In diesem Moment legte er seinen Mund auf ihren, und alles, was sie noch von sich geben konnte, war ein zufriedenes Seufzen. Es war herrlich. Noch besser als beim ersten Mal. Und es fühlte sich so natürlich, so selbstverständlich an. Also schob
Lizzie ihn nicht von sich, sondern legte eine Hand in seinen Nacken und hielt ihn fest. Während er den Kuss vertiefte, ließ Alex die Finger durch ihr Haar gleiten und löste die Klammern, mit denen sie ihr Haar zusammengebunden hatte. Als es locker auf ihre Schultern fiel, lächelte er an ihren Lippen und drückte sie an sich. Es wird immer besser, dachte Lizzie wie benommen, als ihre Brüste sich an ihm rieben und sie es nicht nur an den längst fest gewordenen Knospen, sondern auch im ganzen Körper spürte. Sie bewegte die Schultern und genoss es, wie ihre Kleidung an seiner raschelte, obwohl sie sich gleichzeitig ausmalte, wie es wäre, wenn sie beide nichts mehr anhätten. Als könnte er ihre Gedanken lesen, zog Alex ihre Bluse aus dem Rock und schob die Hand darunter. Er spreizte die Finger an ihren Rippen, strich mit dem Daumen über ihren Bauch und ließ seine Hand langsam nach oben wandern, bis er die Unterseite einer Brust berührte. Es war wie ein Stromschlag, der sie bis hinab zu den Zehenspitzen zum Pulsieren brachte. Lizzie riss die Augen auf und hob den Kopf. Alex sah sie eindringlich an. "Ich versuche nicht, dich zu verwirren, Lizzie. Und ich mache dir nichts vor." Sie schnappte förmlich nach Luft. "Was?" "Dieser Kuss. Es ist nur ein Kuss." Alex rieb mit dem Handrücken an ihrer Brust entlang. "Ich möchte, dass du das weißt, bevor wir weitermachen." Weitermachen? Wie sollte sie einen klaren Gedanken fassen, wenn er so etwas sagte? Ohne dass sie ihre Augen wieder schließen musste, sah sie Alex vor sich, schlank, athletisch und nackt... "Das hier hat nichts mit unserer Wette zu tun", fuhr er fort. "Ich hoffe, inzwischen vertraust du mir genug, um mir das zu glauben."
Tat sie das? Wahrscheinlich. Vielleicht war es wirklich falsch gewesen, in für einen Mann wie Bobby zu halten. Sie hob die Hände und tastete nach seinen Knöpfen. "Lizzie", begann er. "Lizzie, ich ..." "Alex, würdest du bitte den Mund halten und mich küssen." Er lächelte. Dann hakte er ihren BH auf und legte eine Hand auf ihre Brust. Als sie vor Vergnügen seufzte, presste er den Mund erneut auf ihren und ließ seine Zunge behutsam zwischen ihre halb geöffneten Lippen gleiten. Lizzie drehte sich in seinen Armen, um es ihm leichter zu machen. Alex nutzte die Gelegenheit zu einer ebenso zärtlichen wie ausgiebigen Erkundung ihres Körpers, bei der ihr der Atem stockte. Ein Mann ohne Schwielen, dachte sie verträumt. Einen nach dem anderen öffnete sie die Knöpfe seines Hemdes, schob es dann zur Seite und legte die Hände auf seine nackte Brust. Unter der Handfläche spürte sie seinen Herzschlag, kräftig und stetig, im Rhythmus ihres eigenen Pulses. Voller Neugier begann sie mit ihren Händen eine Entdeckungsreise über seinen Körper. Mit einem leisen Seufzer drehte Alex sie um und schob sie vorsichtig nach unten, bis sie auf der Couch lag. Dann glitt er über sie und knöpfte ihre Bluse auf, bevor er den Kuss abbrach, um mit den Lippen an ihrem Hals hinabzustreichen. Sein Haar streifte ihr Kinn, als er ihre Brüste mit den Händen umschloss und den Mund zwischen sie drängte. "Du bist noch schöner, als ich es mir ausgemalt habe", murmelte er, und sie fühlte jedes Wort an ihrer erhitzten Haut. Lizzie erbebte und grub die Finger in seine Schultern. Die kräftigen Muskeln unter seiner Haut waren angespannt, und sie spürte, wie sie sich bewegten, während er ihre Büste liebkoste. "Du auch." "Also hast du auch daran gedacht, Lizzie?" "Jeden Tag", gestand sie atemlos. "Alex, ich ... oh. Alex, was tust du?"
Er antwortete nicht. Er konnte es nicht, denn er legte die Lippen um eine Knospe und umspielte sie mit seiner Zunge. Ohne Vorwarnung breitete sich tiefe Lust in ihr aus. Es ging so schnell, viel zu schnell. Stöhnend bog sie sich ihm entgegen. Nein, davon hatte sie nicht zu träumen gewagt. Sie fuhr mit den Fingern durch sein Haar und zog seinen Kopf nach oben. "Alex!" Mit halb geschlossenen Augen lächelte er. "Ja, Lizzie?" "Hör auf. Wir können nicht..." Sie schluckte. "Wir dürfen es nicht." Er strich mit der Zunge weiterhin über eine Knospe. "Du wolltest doch, dass ich dich küsse", flüsterte er an ihrer Haut. Sie hielt seinen Kopf fest und rutsche unter ihm hervor, um sich in eine Ecke der Couch zurückzuziehen. "Ich weiß aber nicht so. Nicht ...dort." "Dann solltest du mir vielleicht eine Liste machen, wo du geküsst werden möchtest", erwiderte er und stützte sich links und rechts von ihr auf. "Denn ich bin fest entschlossen, es wieder zu tun." "Alex..." Er küsste sie auf den Mund. "Wie ist es hier?" "Mmm." "Ist das okay?" "Mmm..." Er küsste sie immer leidenschaftlicher und hob erst nach einigen Minuten den Kopf. "Und so?" Sie wollte ihm befehlen, damit aufzuhören, aber ihre Stimme schien ihr den Gehorsam zu verweigern. "Und das hier?" flüsterte er und nahm ihr Ohrläppchen zwischen die Lippen. "Alex", keuchte sie. "Das ist keine gute Idee." Er knabberte an ihrem Ohrläppchen und gab es frei, aber nur um ihren Hals mit Küssen zu bedecken. Dann presste er die Nase an ihre Schulter, sog ihren Dufte ein und sah ihr in die Augen. "Können wir diese Küsse in die Liste aufnehmen?"
"Wir sollten überhaupt nicht küssen", beharrte sie verzweifelt. "Warum nicht? Glaubst du etwa noch immer, dass ich dir nur etwas vorspiele?" Sie wusste, dass sie ihrem Urteilsvermögen nicht trauen sollte, wenn es um Männer ging. Aber im Moment wollte sie sich auf ihren Instinkt verlassen, nicht auf ihren Verstand. Wenn das hier nur gespielt war, wagte sie nicht, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn Alex ernst machte. "Wir dürfen nichts miteinander anfangen." "Wie gesagt, ich habe alles ganz logisch durchdacht, und mir fällt kein Grund ein, warum wir es nicht tun sollten. Du bist allein und ungebunden. Genau wie ich." "Aber was ist mit unserer Wette?" Er strich ihr mit dem Handrücken über die Wange. "Das hier hat absolut nichts mit unserer geschäftlichen Beziehung zu tun, Lizzie. Wie gesagt, es war nur ein Kuss." "Nur ein Kuss?" "Vielleicht mehr als einer." "Es wundert mich, dass wir keinen Hausbrand entfacht haben." Seine feucht glänzenden Lippen verzogen sich zu einem zufriedenen und äußerst männlichen Lächeln. "Ich freue mich, dass es dir gefallen hat." Ihre Finger zitterten, als sie den BH wieder zuhakte und die Bluse zusammenhielt. "Das ist nicht der Punkt. Du hast selbst gesagt, dass du keine persönliche Beziehung zwischen uns willst." Er Setzte sich auf. "Ich habe mich geirrt. Ich möchte, dass sie sehr persönlich wird." Warum um alles in der Welt protestierte sie? Das hier war es doch, was sie erträumt hatte. Eine Partnerschaft, zu der mehr als nur geschäftliche Angelegenheiten gehörten.
Ja, genau das hatte sie von Anfang an erhofft, und obwohl sie sich heftig dagegen wehrte, war die Hoffnung noch immer da. Mit jeder erregenden Zärtlichkeit, mit jeder kleinen, aber noch so intim erscheinenden Gemeinsamkeit, die der neue Tag unter seinem Dach mit sich brachte, war sie gewachsen. Ja, sie hoffte noch immer, dass aus ihnen ein richtiges Paar werden würde, das ein Leben und ein Zuhause, eine Familie und eine Liebe miteinander teilen würde. "Ich will dich zu nichts drängen, Lizzie", beteuerte er. "Es wäre eine Beziehung ohne Bedingungen." Sie atmete ein paar Mal tief durch, um sich zu beruhigen. "Ohne Bedingungen." "Richtig. Keine Verpflichtungen, keine Komplikationen, nur zwei Erwachsene, die das Miteinander genießen." Und was war mit dem Zuhause, der Familie, der Liebe? Er wollte nichts davon, er wollte nur Sex. "Nennt man das in der Großstadt so?" fragte sie. Sie tat es schon wieder. Sie ließ zu, dass ihre ausufernde Phantasie aus einem schlichten Kuss etwas Besonderes, etwas Bedeutungsvolles machte. Körperliche Anziehung, mehr war es für ihn nicht. "In der Großstadt?" "Du nennst es ,das Miteinander genießen. In Packenham Junction nennt man es ,sich im Heu wälzen'." "Ein Bett ist viel bequemer", erwiderte er und strich an ihrem Arm hinab. "Aber ich bin sehr experimentierfreudig." Es war kaum zu glauben, sie auch. Mit einem Mann wie Alex wäre jede Frau wagemutig. Sie zuckte zurück und stand hastig auf. "So bin ich nicht erzogen, Alex. Vielleicht ist es altmodisch, aber ich bin nicht auf eine kurze Affäre aus." "Nun ja, kurz würde ich sie nicht nennen", murmelte er. "Ich lasse mir Zeit." "Alex ..." Einen Moment lang blieb er auf der Couch sitzen, mit fast nacktem Oberkörper und einem verführerischen Lächeln um die
Lippen. Dann erhob er sich. "Es tut mir Leid, Lizzie. Dieser Tag hat dich aufgewühlt, und das will ich nicht ausnutzen. Lass uns später darüber reden." Wie konnte er so edel und beherrscht sein, wenn er sie doch nur in sein Bett bekommen wollte? Nur Alex schaffte so etwas. Er war ein echter Prinz. Nein, Schluss mit den Phantasien. Mit einer Hand hielt sie ihre Bluse zusammen und zeigte mit der anderen zur Tür. "Gute Nacht, Alex." Er zog sie einfach nah an sich und küsste sie noch einmal voller Leidenschaft. Dann trat er lächelnd von ihr zurück. "Gute Nacht, Partnerin."
10. KAPITEL Alex hatte die Jungen zu Bett gebracht und war auf dem Weg nach unten, als er hörte, wie der BMW vor dem Haus hielt. Lächelnd eilte er zur Tür und riss sie auf. "Hallo, Lizzie", rief er und starrte auf ihre Beine, während sie sich in den Wagen beugte, um die Mappe vom Sitz zu nehmen. Dass sie jetzt sein geliebtes Cabrio fuhr, hatte auch Vorteile. "Wie war dein Tag?" Sie klemmte sich die Mappe unter den Arm und betrat das Haus. "Gut." Er nahm Lizzie die Tasche ab, legte sie auf den Tisch in der Halle, legte den Arm um ihre Schulter und küsste sie. Bevor sie protestieren konnte, beendete er den Kuss. Sie rieb sich die Stirn. "Alex, du musst damit aufhören." "Warum? Das hier steht doch auf der Liste." "Du und deine Liste", murmelte sie. "Ich erinnere mich nicht daran, dass ich dir das hier ... erlaubt hätte." Sie wedelte mit der Hand. "Wie immer man es in der Großstadt nennt." "Ich dachte, du hast nichts dagegen, solange ich dich nur auf den Mund küsse. Oder willst du die Liste erweitern? Wir könnten ein paar andere Regionen des Körpers darin aufnehmen." Ihre Lippen zitterten, als sie ein Lächeln unterdrückte. "Alex..." "Jeremy könnte für uns einen Vertrag aufsetzen." Er führte sie ins Wohnzimmer. "Wenn du willst, rufe ich ihn gleich an."
"Wag es nicht." "Heilt das, du fängst an, mir zu vertrauen?" Lizzie verzog das Gesicht und schob seinen Arm von ihrer Schulter. "Alex, ich bin nicht daran interessiert, mich mit dir im Heu zu wälzen. Und auch nicht anderswo." "Nein?" Die Farbe ihrer Wangen und das Leuchten in ihren Augen straften ihre Worte Lügen. Sie wandte sich ab. "Wo sind die Kinder?" "Die schlafen. Soweit ich weiß", fügte er lächelnd hinzu. Erneut rieb sie sich die Stirn und setzte sich in den Sessel, den sie immer nahm. Trotz ihrer Weigerung, so mit ihm zusammenzuleben, glich ihr Miteinander immer mehr dem eines Paares. Er küsste sie zur Begrüssung, wenn sie nach Hause kam, und sie ließ sich als Erstes in den Sessel fallen, um ihm von ihrem Arbeitstag in der Agentur zu erzählen. Alex fand es richtig, dass er offen ausgesprochen hatte, was er für sie empfand. Er konnte sich nicht erinnern, wann eine Frau ihn zuletzt so sehr angezogen hatte. "Möchtest du einen Schluck Wein?" fragte er und hielt ihr ein gefülltes Glas hin. Sie zögerte nur kurz. "Danke, aber ich glaube, ich werde das Abendessen auslassen." "Ich mache uns ein paar Steaks." Sie zog die Augenbrauen hoch. "Die Jungen haben ihre schon gegessen." "Wirklich?" "Na gut, ,ich gebe zu, ich musste ihre Steaks in kleine Bissen schneiden und in Ketchup ertränken, aber sie haben sie anstandslos gegessen." "Ich habe einfach nur keinen Hunger, Alex." "Du hattest einen harten Tag, was?" Sie nippte am Glas. "Ich hatte ein Gespräch mit Byron Chalmers."
Er legte die Hand in ihren Nacken und streichelte sie. "Chalmers Industries ist seit fünf Jahren einer unserer größten Kunden. Ich weiß, dass Byron sehr schwierig sein kann." "Er ist schlimmer als John Fletcher." "Wo liegt das Problem?" erkundigte er sich interessiert. "Du hast es noch nicht gehört?" "Nein. Ich habe zwar mit Rita telefoniert, aber das vor eurer Besprechung. Müssen wir um den Chalmers-Auftrag fürchten?" "Wahrscheinlich. Aber das ist doch für dich eine gute Nachricht, oder?" "Ich will gewinnen, Lizzie", sagte er ehrlich, ohne die Massage einzustellen. "Und das werde ich, aber ich möchte natürlich nicht, dass die Firma darunter leidet. Hat Chalmers sich das mit dem Tennisturnier mal wieder anders überlegt?" "Mal wieder?" "Das tut er dauernd." Sie seufzte und legte den Kopf nach vorn, als Alex begann, ihr die Schultern zu massieren. "Ich habe ihm gesagt, dass er nicht nur auf kurzfristige Einnahmen sehen darf. Langfristig gesehen ist es viel lohnender, wenn er das Turnier sponsert. Bei jeder TV-Übertragung wird sein Firmenlogo aus drei Kamerawinkeln zu sehen sein." Sie drehte den Kopf hin und her. "Ah, das fühlt sich gut an." Er beugte sich vor. "Es wird sich noch besser anfühlen, wenn du die Bluse ausziehst und dich hinlegst", flüsterte er ihr ins Ohr. "Alex..." "Wir könnten die Couch nehmen." "Alex!" "Ich will dir doch nur helfen." Er rieb seine Nase an ihrem Hals und sog den erregenden Duft ein. Es war eine einzigartige Mischung aus Seife und Parfüm und ... Lizzie. Er richtete sich wieder auf. "Mach dir wegen Byron Chalmers keine Sorgen. Er
macht uns immer wieder Schwierigkeiten, damit er weiß, wofür er uns bezahlt." "Wie bist du damit fertig geworden?" "Ich habe ihm gegeben, was er wollte. Ich habe eine Krisensitzung nach der anderen einberufen und all seine Anrufe beantwortet, bis er dann doch mit unserem ursprünglichen Vorschlag einverstanden war." "Du meinst, du hast sein Spiel mitgemacht?" "Genau." Mit den Fingerspitzen bearbeitete Alex ihre Schultermuskeln. "Entspann dich, Lizzie. Sonst bekommst du noch Spannungskopfschmerzen. " "Das klingt, als hättest du Erfahrung damit." "Allerdings. Die kleinen Männer mit den Vorschlaghämmern waren bei mir regelmäßig zu Besuch." "Waren?" Er zögerte. "Sie waren schon eine ganze Weile nicht mehr da. Vielleicht weil ich mir jetzt ab und zu etwas Erholung gönne." "Erholung?" "Zwischen dem Rauchalarm und der Überflutung." "Du meinst, während du auf der Couch liegst, Schokolade isst und dir im Fernsehen die Serien ansiehst, wie es alle anderen Hausmänner auch tun." Er schmunzelte. "Tut mir Leid, so weit bin ich noch nicht. Vielleicht sollte ich mal Urlaub vom Urlaub nehmen." "Jetzt verstehe ich, warum du seit Jahren keinen mehr gemacht hast. Deine Arbeit bei Whitmore und Hamill ist schwerer, als ich dachte." "Du hältst dich ganz wacker." Sie schüttelte den Kopf. "Ich habe es unterschätzt, Alex." "Und ich die Hausarbeit", gab er zu und küsste sie auf die Nasenspitze. "Was hältst du davon, wenn wir vor dem Essen noch rasch schwimmen gehen?" "Es ist dunkel."
"Ich schalte die Lampen ein. Nichts hilft so gut gegen Verspannungen wie ein erfrischendes Bad im Pool." Er strich an ihrem Kragen entlang. "Stimmt nicht, es gibt etwas, das noch viel besser hilft." "Alex", bemerkte sie warnend. Es war nur eine Frage der Zeit, dessen war er sicher. Bald würde Lizzie ihm gehören. Er stand auf. "Ich sehe kurz nach den Jungen und komme dann nach draußen." Lizzie blieb am Rand der Terrasse stehen und nagte an der Unterlippe, während sie nervös am Gürtel ihres Bademantels nestelte. Dies war keine gute Idee. Es fiel ihr schwer genug, Alex zu widerstehen, wenn er vollständig bekleidet war. Glaubte sie wirklich, sie würde vernünftig bleiben, wenn er praktisch nackt war und Wassertropfen auf seiner nackten Haut glitzerten? Aber ein Bad würde ihr tatsächlich gut tun. Es war ein hektischer Tag gewesen, und vielleicht würde sie nach dem Schwimmen besser schlafen können. Sie zögerte, presste eine Hand auf ihr klopfendes Herz, öffnete das Tor im Sicherheitszaun und ging über die Fliesen zum Pool. Das beleuchtete Becken lag da wie eine Fläche aus türkisfarbenem Glas. Kein Lüftchen kräuselte die glatt» Oberfläche. Obwohl sie eine ganze Weile gezögert hatte, bevor sie den Bikini angezogen hatte, war sie offenbar schneller als Alex gewesen. Sie holte tief Luft und beschloss, im Pool auf ihn zu warten. Sie ging an den Beckenrand, ließ den Bademantel auf die Fliesen gleiten und sprang ins Wasser. Nachdem sie mindestens eine Viertelstunde lang Bahnen geschwommen war, ging es ihr viel besser. Sie drehte sich auf den Rücken, ließ sich gemächlich treiben und genoss die angenehme Wärme, die sich in ihrem Körper ausbreitete. Nach einer Weile schwamm sie unter Wasser ans flache Ende des Pools und stemmte sich heraus. Alex musste es sich anders
überlegt haben. Er hatte gesagt, dass er nur rasch nach den Zwillingen schauen und dann herauskommen wollte ... Hastig legte sie sich den Bademantel über und wandte sich zum Haus. War etwas nicht in Ordnung? War Alex deshalb nicht gekommen? Sie nahm zwei Stufen auf einmal, als sie die Treppe zum ersten Stockwerk hinauf eilte. Oben angekommen rannte sie auf das Licht zu, das aus einer offenen Tür schien. Doch als sie den Raum erreichte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Die beiden Betten waren leer, ebenso die Kinderstühle vor der überquellenden Spielzeugkiste. Sie sah in die Runde und entdeckte Alex und seine Söhne auf dem handgeschnitzten Schaukelstuhl am Fenster. Mit einem Zwilling auf jedem Knie saß Alex da, den Kopf zurückgelegt. Neben ihm auf dem Boden lag ein buntes Buch. Die Tischlampe tauchte sein Profil in einen warmen, goldenen Schein und betonte seine markanten Gesichtszüge. Das dichte schwarze Haar fiel ihm jungenhaft in die Stirn. Und wie die Zwillinge schien er fest zu schlafen. Lizzie schob sich eine feuchte Strähne aus dem Gesicht und lehnte sich gegen den Türrahmen. Deshalb war er also nicht gekommen. Während sie sich darauf gefreut hatte, ihn fast nackt und mit nasser Haut zu sehen, hatte er seinen Kindern eine Geschichte vorgelesen. Sie lächelte verlegen. Verdammt, wie konnte sie sich in einen solchen Mann nicht verlieben? Ihr Lächeln gefror. Verlieben? War sie wirklich so dumm gewesen, das zu tun? Jason gab einen leisen, schläfrigen Laut von sich und schmiegte sich an die Schulter seines Vaters. Mit einem Ruck hob Alex den Kopf und riss die Augen auf. Instinktiv legte er die Arme fester um seine Söhne, bevor er aufsah und Lizzie bemerkte.
Ja. Genau das hatte sie getan. Sie hatte sich verliebt. Es war mehr als sein Körper, der sie anzog. Mehr als Sex. Sie liebte Alex. Den ganzen Mann. "Hi", flüsterte er. "Jason War so unruhig, dass ich den beiden etwas vorlesen musste. Ich muss dabei eingenickt sein." Lizzie nickte stumm und verschränkte die Arme vor der Brust, als könnte sie ihre Gefühle in sich einschließen. Liebe. Das war nicht das, was Alex von ihr wollte. Er beugte sich vor, sah erst die beiden Kinder an, dann Lizzie. "Ich will sie nicht wecken. Könntest du mir helfen, sie ins Bett zu legen." Sie schluckte. "Ich bin ganz nass", wisperte sie. "Das macht nichts. Nimm die Decke", erwiderte und zeigte mit dem Kopf aufs Bett. Mit langsamen, zaghaften Schritten ging sie hinüber und nahm die Decke von Daniels Bett. Dann beugte sie sich über den schlafenden Jungen, um ihn vom Schoß seines Vaters zu heben. Dabei streifte ihr Handrücken Alex' Oberschenkel, und sie hörte, wie er den Atem anhielt. Sie vermied es jedoch, ihn anzusehen, und konzentrierte sich ganz darauf, Daniel so vorsichtig wie möglich ins Bett zu legen. Der Kleine rührte sich kaum, als sie ihn zudeckte und ihm sanft übers Haar strich. Der Schaukelstuhl knarrte leise, als Alex aufstand, um Jason ins andere Bett zu legen und ihm einen Kuss auf die Stirn zu geben. Die liebevolle Geste rührte Lizzie ans Herz. Warum war es unter all den Küssen, mit denen er sie zu verführen versuchte, ausgerechnet dieser väterliche, der sie so rührte? Ja, er war der attraktivste Mann, den sie kannte, aber es war nicht nur sein Aussehen, das sie so magisch anzog. Er hatte so viel Liebe in sich, so viel Gefühl. Doch abgesehen von der Zuneigung, die er seinen Söhnen im Überfluss schenkte, hatte er seine Emotionen offensichtlich fest im Griff.
Alex nahm ihr die feuchte Decke ab, warf sie auf den Schaukelstuhl und schaltete die Tischlampe aus. Das Nachtlicht zwischen den Betten tauchte den Raum in ein warmes, mildes Halbdunkel. Wortlos nahm er ihre Hand und führte sie hinaus. Auf dem Flur lächelte er. "Danke für die Hilfe." "Dazu sind Partner da." Er hob ihre Hand an den Mund. "Du zitterst. Ist dir kalt?" Sollte sie ihm sagen, warum sie zitterte? "Ja", erwiderte sie, "mir ist kalt." "Dann sollten wir dir vielleicht die nassen Sachen ausziehen." "Ja", murmelte sie. "Vielleicht sollten wir das." Er starrte sie an. Seine Augen wurden schmaler, sein Griff fester. "Bist du sicher, Lizzie?" Sie sagte nichts, aber ihre Körpersprache schien Antwort genug zu sein, denn er nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und küsste sie. Dieser Kuss war anders. Lizzie spürte es daran, wie er die Finger in ihr Haar schob und seinen Körper an ihren presste. Dies war kein Flirt mehr. Er küsste sie, als würde er nicht mehr aufhören wollen. Sie verschränkte die Hände in seinem Nacken und schmiegte sich an ihn. Der Bademantel glitt von ihren Schultern und fiel zu Boden. Wasser tropfte aus ihrem Haar und rann ihr über den Rücken. Stöhnend legte Alex einen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Sie ließ ihren Kopf in den Nacken fallen, und plötzlich spürte sie eine nie gekannte Hitze ihren Körper durchfluten. "Lizzie", flüsterte er und küsste ihren Hals. Mehr sagte er nicht, nur ihren Namen, aber es genügte, um ihre Knie weich werden zu lassen. Sie seufzte, als er sie einfach aufhob und in sein Schlafzimmer trug. "Diesmal", sagte er und stieß die Tür mit dem Fuß zu, "wird uns niemand stören." "Nein." "Was?"
"Nein, niemand wird uns stören", sagte sie und strich mit den Fingerspitzen über seine Wange. Er drehte den Kopf und biss sanft in ihren Zeigefinger. Dann stellte er sie behutsam auf die Füße. Er senkte den Blick, und seine Augen wurden groß. "Oh, Lizzie ..." Sie wollte die Arme verschränken, aber er ließ es nicht zu und hielt ihre Handgelenke fest. "Ich habe keinen Badeanzug mit", begann sie entschuldigend. "Woher ..." Er schluckte und strich mit den Händen über ihre Hüften. "Woher hast du das?" "Von Stephanie. Es war in dem Karton mit Mustern von Under Cover, und ich dachte mir...." Sie verstummte, als er seine Hände an ihren Schenkeln nach unten gleiten ließ. "Alex, was tust du?" "Ich helfe dir aus den nassen Sachen." Er drehte sie um, öffnete den Verschluss ihres Oberteils, schob das Haar zur Seite und löste die im Nacken verknoteten Träger. Dann stellte er sich hinter sie, strich das Oberteil hinunter und umfasste ihre Brüste. "Oh", keuchte sie und legte den Kopf an seine Schulter. Seine warmen, kräftigen Finger an ihrer feuchten Haut zu fühlen war besser als alles, was sie sich je hätte träumen lassen. "Oh, Alex." "Du bist wunderschön", flüsterte er und liebkoste ihr Ohr mit Lippen und Zunge. Mit den Daumen rieb er über die Knospen, bis Lizzie vor Lust erbebte. "So wunderschön." Sie wollte es ihm sagen. Dass das hier für sie weit mehr war als nur Sex. Doch dann wanderte seine Hand nach unten und löste die Knoten an ihren Hüften. Der Rest des winzigen Bikinis fiel zu Boden. Alex berührte mit seinen Fingerspitzen die zarten Locken dort, wo ihre Schenkel sich trafen, und alles, was Lizzie herausbrachte, war ein Stöhnen. Hinterher wusste sie nicht, wie sie ins Bett gekommen waren. Auf dem Weg dorthin entledigte Alex sich seiner Kleidung, und als er mit ihr in den Armen auf die Kissen sank, war er nackt. Sie gestatteten sich all die Berührungen, die sie sich bisher
versagt hatten, all die Küsse, die sie jäh abgebrochen hatten, all das Verlangen, das sie unterdrückt hatten. Und als die Lust nicht mehr zu bändigen war, drehte Alex Lizzie auf den Rücken. Wie durch einen Nebel nahm sie sein Gesicht wahr, als er über ihr kniete. Die Leidenschaft, die sie in seinen Augen sah, ließ ihr den Atem stocken. Ohne Zögern zog sie ihn zu sich hinab, und sie lächelte glücklich, als sie seine Hände zwischen ihren Schenkeln fühlte und er sich zwischen ihre Beine schob. Heiß, schwer und vor Lust pulsierend vereinigte er seinen Körper mit ihrem. Und aus Lizzies Lächeln wurde ein Ausdruck reinen Staunens. Es waren keine Worte der Liebe, die sie flüsterten, sondern es waren Laute der Lust. Es gab keine Versprechen, keine Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Er hatte sie gewarnt, sagte sie sich, oder etwa nicht? Sie liebte ihn, sie war hemmungslos, und sie nahm, was er ihr geben konnte.
11. KAPITEL "Nun erzähl schon, Lizzie, wie benimmt sich diese außer Rand und Band geratene Ladung männlicher Sexualhormone?" fragte Jolene. Lizzie hätte fast den Hörer fallen gelassen und hatte Mühe, ihn wieder ans Ohr zu drücken. "Was?" "Als er heute Morgen anrief, hörte er sich an, als könnte es ihm nicht besser gehen. MUSS ich mir Sorgen machen?" "Er hat dich angerufen? Warum denn?" "Na ja, er ist mein Bruder." "Dein ..." Lizzie biss sich auf die Lippe. Natürlich! Jolene sprach von Zack, nicht von Alex. Sie konnte ja nicht wissen, dass Alex und sie ... "Jolene, Zack ist alt genug." "Stimmt, das ist er wohl. Aber all die Großstadtmädchen ..." Lizzie lachte. "Er arbeitet mit Profi-Models. Ich bin sicher, die sind solche Männer gewöhnt. "Trotzdem, ich kann kaum glauben, dass er Geld dafür bekommt, dass er in alten Jeans herumsteht." "Das ist echter Countrylook, hat der Fotograf gesagt." "Country?" "Country ist in." "Das beruhigt mich." Jolene schmunzelte. "Übrigens, Benjamin lässt dir für die Aufträge danken. Pedley-Käse arbeitet jetzt in zwei Schichten. Du hast es mal wieder geschafft, Lizzie."
"Was?" "Du hast uns allen geholfen." "Ich habe Glück gehabt und teile es, das ist alles." Es gab eine kurze Pause. "Und wie geht es dir?" "Ich bin froh, dass ich endlich die Wahrheit über Roland erfahren habe", wich sie aus. "Auch wenn Jacob Hamill immer mein Vater bleibt." "Du bist immer so vernünftig." Vernünftig? In letzter Zeit wohl kaum. "Wie läuft es mit deiner Wette?" erkundigte Jolene sich. Lizzie warf einen Blick auf den Kalender. "Das kann ich noch nicht sagen." "Du wirst gewinnen, da bin ich sicher." "Danke." "Warum hast du mir nichts von deinem Partner erzählt?" "Habe ich das nicht?" entgegnete Lizzie, um Zeit zu gewinnen. "Als du von ihm sprachst, hörte es sich an, als wäre er ein alter Mann." "Tatsächlich?" "Ja. Ich traute meine Ohren nicht, als Zack ihn mir beschrieb." Lizzie wickelte sich die Telefonkabel um den Finger. "So?" "Dein Mr. Whitmore hat ihm fast die Hand gebrochen. Bis er erfuhr, dass Zack mit Nachnamen Pedley heißt." "Na und?" "Hörte sich an, als wäre er ganz schön eifersüchtig gewesen." Lizzie war erstaunt, wie sehr sie sich freute. Alex war eifersüchtig gewesen? Bedeutete das etwa, dass seine Gefühle für sie tiefer waren, als er zugab? "Und laut Zack", fuhr Jolene fort, "sieht dein Geschäftspartner dich an wie ein Fuchs einen Hühnerstall. Ist eure Partnerschaft mehr als geschäftlich?" Lizzie zögerte. "Ich bin mir da nicht sicher."
Jolene schwieg einen Moment, bevor sie fragte: "Was möchtest du, Lizzie?" "Darüber zerbreche ich mir seit fast einem Monat den Kopf", gestand Lizzie. "Himmel, Lizzie, heißt das ... heißt das, du empfindest etwas für ihn?" "Ja, ich glaube, das tue ich." "Du willst seine Firma übernehmen/' "Es ist auch meine Firma, Jolene. Mein Vater wollte es so. Die Wette ist in seinem Sinne." "Aber was geschieht, wenn der Monat vorüber ist? Was willst du dann tun? Bei eurer Wette kann nur einer gewinnen." "Nun ja..." "Hat Mr. Whitmore seine Meinung denn geändert? Ist er einverstanden, die Firma gemeinsam mit dir zu führen?" fragte Jolene aufgeregt. "Nein, leider nicht. Er will mir meinen Teil noch immer abkaufen." Jolene war geradezu empört. "Das hört sich ja so an, als sei dein Kompagnon ein echter Dickkopf." Statt einer Antwort seufzte Lizzie nur und rieb sich die Schläfen. Wieder einmal kündigten sich Kopfschmerzen an. Die Anspannung der letzten Tage machte sich bemerkbar, doch vielleicht lag es aber auch am fehlenden Schlaf. Alex hatte sie in der Nacht kaum zur Ruhe kommen lassen. Sie hatten sich immer und immer wieder geliebt. "Lizzie, ist alles in Ordnung?" "Es geht mir gut, Jolene. Tut mir Leid, ich muss jetzt Schluss machen." "Lizzie..." "Ich rufe dich wieder an", sagte sie hastig, legte auf und stützte den Kopf in die Hände. Was sollte sie jetzt tun? Gestern Abend war ihr alles so klar erschienen. Ihre Gefühle für Alex waren das Natürlichste auf der
Welt gewesen. Ihr Herz hatte ihr keine Wahl gelassen. Aber mit dem Tageslicht war die Realität zurückgekehrt. In einer Woche war der Monat vorüber. Auch wenn sie Alex liebte, er war sicher, dass er die Wette gewinnen würde. Er würde ihr ihre Anteile abkaufen, und sie würde abreisen. Das war es, was er wollte. Eine kurze, unkomplizierte Affäre. Das Telefon auf ihrem Schreibtisch läutete erneut. Sie zuckte hoch und drückte auf den Knopf der Sprechanlage. "Entschuldigung, Miss Hamill." "Ja, Rita?" "Mr. Chalmers wartet im Konferenzraum auf Sie." "Was?" Lizzie straffte sich. "Byron Chalmers?" "Ja. Er möchte das Team sprechen, das seinen Auftrag betreut." "Seit wann ist er hier?" wollte Lizzie wissen und wühlte in den Unterlagen vor sich, bis sie die Notizen fand, die Rita tags zuvor abgetippt hatte. "Wer ist bei ihm?" "Miss Brown und Mr. Smith. Sie warten seit einer halben Stunde." "Seit einer halben Stunde? Warum haben Sie mich nicht informiert?" Sie sprang auf. "Sie führten ein privates Telefongespräch, Miss Hamill", erwiderte Rita spitz. "Ich wollte nicht stören." Ausgerechnet Chalmers, dachte Lizzie entsetzt und eilte hinaus. "Ich habe keinen Hunger", erklärte Jason und schob seinen Teller weg. Erstaunt sah Alex seinen Sohn an. "Ich dachte, du magst Hot Dogs. Willst du lieber einen Apfel? Oder eine Banane?" "Keinen Hunger", wiederholte der Junge. Alex schüttelte den Kopf. Vermutlich hatten die beiden sich wieder mit Keksen voll gestopft. "Ich esse ihn." Daniel griff über den Tisch und nahm sich den Hot Dog seines Bruders. "Die sind gut", lobte er kauend.
"Findest du?" fragte Alex nicht ohne Stolz. Seine Kochkünste machten deutliche Fortschritte. Selbst der Kaffee war inzwischen genießbar. Vielleicht lag das an der neuen Kaffeemaschine. Und mit Lizzie lief auch alles bestens. Er lächelte zufrieden. Die vergangene Nacht war traumhaft gewesen. Er konnte sich nicht erinnern, Sex jemals so genossen zu haben. Vielleicht konnte er sie heute Abend überreden, wieder in den Pool zu gehen. Und diesmal würde er sie nicht allein schwimmen lassen ... "Dad!" Daniel zupfte an seinem Ärmel. Alex räusperte sich. "Ja?" "Wann kommt Tante Lizzie nach Hause?" "Spät vermutlich." "Ich will ihr etwas zeigen." Ich auch, dachte Alex. "Was denn?" "Das Vogelnest, das wir entdeckt haben." Daniel biss in den Hot Dog. "Sie ist cool. Sie mochte meine Schlange." "Welche Schlange?" erkundigte Alex sich misstrauisch. "Die von Grandma." Alex schmunzelte. Die Zwillinge liebten die Klapperschlange aus Gummi, die seine Mutter ihnen geschenkt hatte. Tiffany hatten die Geschenke seiner Mutter nie gefallen. Sein Lächeln verblasste. Wenn Whitmore und Hamill ihm ganz gehörte, würde er sein Leben ändern. Er war fest entschlossen, mehr Zeit mit seinen Söhnen zu verbringen. "Dad, mein Bauch tut mir weh", jammerte Jason. Wie bekam man Kinder dazu, sich ausgewogen zu ernähren? Vielleicht sollte er Obst und Gemüse in der Keksdose verstecken. "Leg dich eine Weile hin", schlug er vor. "Okay." Jason glitt vom Stuhl. "Au!" Alex kniete sich vor ihn, berührte die Stirn des Jungen und fühlte kalten Schweiß. Er sah ihm in die Äugen. "Tut dir außer dem Bauch sonst noch etwas weh?"
"Nur der Bauch. Ich ... aua!" Jason verzog das Gesicht und krümmte sich. "Dad!" Aus Besorgnis wurde Panik. "Keine Angst, mein Sohn. Ich helfe dir." "Was hat er denn?" fragte Jason. Alex versuchte, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. "Bestimmt hat er sich nur den Magen verdorben", meinte er und nahm Jason in den Arm. "Bestimmt die vielen Kekse", meinte Daniel. "Heh, Jase. Dein Gesicht ist ganz grün." "Gehen wir ins Bad." Alex führte seinen Sohn durch die Küche. "Vielleicht geht es dir besser, wenn du die Kekse wieder los bist." Jasons kleiner Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Er öffnete den Mund. Aber diesmal stöhnte er nicht nur, sondern schrie laut auf. "Wie der Bericht zeigt, ist unsere Marketing-Abteilung sicher, dass Sie mit der Übertragung des Tennisturniers Ihre Zielgruppe erreichen, Mr. Chalmers", erklärte Lizzie. "Von wann ist der Bericht?" wollte Byron Chalmers wissen. Lizzie ließ sich ihre Verärgerung nicht anmerken und sah Addison an. "Mr. Smith?" "Die Umfrage wurde zwischen dem Zwölften und Siebzehnten dieses Monats gemacht", antwortete Addison und spielte nervös mit seinem Stift. "Wie genau ist das Ergebnis?" fragte Chalmers. "Wir haben die üblichen Befragungsmethoden eingesetzt, also ist es bis auf vier Prozentpunkte genau." "Vier? Also plus minus zwei?" "Nein, plus minus vier." "Also acht", sagte Chalmers scharf. "Selbst dann werden Sie einen hohen Anteil..."
"Ich möchte eine neue Umfrage", unterbrach Chalmers ihn. "Und was ist mit den Werbeflächen? Ich finde, wir sollten lieber einen gelben Hintergrund nehmen." "Die Schilder sind bereits in Produktion", wandte Mandy ein. "Wenn wir die Farbe ändern, können wir den Termin nicht einhalten. Und vor zwei Wochen waren Sie mit dem Design einverstanden." "Da kannte ich die Farbe der Umzäunung noch nicht", entgegnete Chalmers. "Wir machen einen Probeentwurf mit gelbem Hintergrund", bot Mandy rasch an. "Dann können Sie immer noch entscheiden." Lizzie taten vom dauernden Lächeln schon die Wangen weh. Wenigstens lenkt mich das von den Kopfschmerzen ab, dachte sie, während Mandy eine Kampagne verteidigte, der Byron Chalmers schon längst zugestimmt hatte. Er wollte gerade wieder einen Einwand vorbringen, als die Tür aufging. Rita kam herein und eilte zu Lizzie. "Entschuldigung, Miss Hamill", unterbrach sie leise. "Auf Leitung eins ist ein Anruf für Sie." "Jetzt nicht." "Es ist Mr. Whitmore." Chalmers runzelte die Stirn. "Whitmore ist am Telefon? Lassen Sie mich mit ihm reden, dann haben wir das hier schnell geklärt." "Mr. Whitmore ist im Urlaub", sagte Lizzie. "Was fällt dem ein?" knurrte Chalmers. "Ich bin es gewöhnt, mit den entscheidenden Leuten zu verhandeln." "Im Moment entscheide ich", erwiderte Lizzie fest. "Entschuldigen Sie mich einen Moment." Sie drehte sich nach dem Telefon um, das hinter ihr auf der Anrichte stand. "Hallo?" "Lizzie?" Etwas an seiner Stimme beunruhigte sie. Sie legte die Hand um die Muschel und sprach leiser weiter. "Alex, was ist los?"
"Ich ..." Er räusperte sich. "Ich wollte dir nur sagen, dass ich vielleicht nicht zu Hause sein werde, wenn du heute Abend kommst." "Wo bist du?" "Im Krankenhaus." Lizzie erblasste. Nein. Nicht Alex. Sie hatte ihre Mutter verloren. Und nicht nur einen, sondern zwei Väter. Sie durfte Alex nicht auch noch verlieren. "Was ist passiert? Bist du verletzt?" "Mir geht es gut. Aber Jason ist seit vierzig Minuten im OP." "Himmel, was ist passiert!" "Es ist der Blinddarm." Er holte Luft. "Ich habe ihn sofort hergebracht, aber ..." Jason? Nein. Jason auch nicht. Sie wollte keinen von ihnen verlieren. Sie liebte die Jungen ebenso sehr wie ihren Vater. "Ist mit Daniel alles in Ordnung?" "Ja. Er ist bei mir." Sie zog einen Notizblock heran. "Gib mir die Adresse", bat sie und stand auf, während sie noch schrieb. "Ich bin gleich da." "Lizzie, du brauchst nicht zu kommen." "Doch, Alex." Sie legte auf und eilte zur Tür. "Miss Hamill!" rief Chalmers empört. "Wir sind noch nicht fertig.« "Es tut mir Leid, Mr. Chalmers", sagte sie über die Schulter. "Es ist ein Notfall. Meine Mitarbeiter werden alle Ihre Fragen beantworten." "Ich bestehe darauf, dass Sie sich persönlich ..." "Mr. Chalmers." Lizzie verlor langsam die Geduld mit diesem Mann. "Ich denke, ich habe mich genug um Sie gekümmert. Wenn es Ihnen an Aufmerksamkeit fehlt, schaffen Sie sich einen Hund an." Mit hochrotem Kopf stemmte Chalmers sich aus seinem Sitz. "Davon wird Mr. Whitmore erfahren."
Lizzie warf Rita einen Blick zu. "Ganz bestimmt sogar. Rita, Sie übernehmen das Kommando, während ich fort bin." "Ich?" fragte Rita verwirrt nach. "Ich rufe Sie nachher an", versprach Lizzie und ging hinaus. Wahrscheinlich waren sie Chalmers jetzt als Kunden los. Und vielleicht würde es sogar einen Einbruch bei den Gewinnen der Agentur geben. Na und? Es gab Wichtigeres als den Profit. Etwas, das in keiner Bilanz auftauchte. Sie holte ihre Tasche au» dem Büro und rannte zum Fahrstuhl. Kurz darauf raste sie mit quietschenden Reifen vom Parkplatz. Lizzie fand Alex im Wartezimmer im sechsten Stock der Klinik, wo er mit gesenktem Kopf hin und her ging. Daniel saß mit betretener Miene in einem der orangefarbenen Kunststoffsessel, die Baseball-Kappe tief ins Gesicht gezogen. "Alex", sagte sie. Er wirbelte herum. Sein Gesicht verriet tiefe Besorgnis. "Lizzie." Sie nahm seine Hände. "Wie geht es Jason?" "Er ist noch im OP." Seine Finger waren eiskalt. "Es dauert schon so lange." Sie schüttelte den Kopf. "Das kommt dir nur so vor, Alex. Du hast mich erst vor zwanzig Minuten angerufen." "Du hättest nicht zu kommen brauchen." "Doch." "Aber..." "Lass die Agentur meine Sorge sein, ja?" Er warf einen ängstlichen Blick zum OP-Bereich hinüber. "Sie hätten längst fertig sein müssen." "Die Ärzte wissen bestimmt, was sie tun." "Sie haben mir gesagt, dass eine Blinddarmoperation reine Routine ist, aber Jason ist erst fünf." "Kinder überstehen so etwas häufig besser als Erwachsene", beruhigte sie ihn. "Ihm darf nichts passieren", flüsterte Alex.
Sie hörte die Angst in seiner Stimme und presste seine Hand an ihre Wange. "Er wird wieder gesund, ich weiß es." Wie erstarrt stand er vor ihr, und sie sah ihm an, wie sehr er sich beherrschte. Aber er zog seine Hand nicht fort. "Ich hätte es früher merken müssen", sagte er. "Er war gestern Abend schon so rastlos. Ich hätte wissen müssen, dass etwas nicht stimmt. "Das konntest du nicht wissen, Alex." "Er war so blass und versuchte, so tapfer zu sein." "Er ist ein toller Bursche. Und er ist so stark wie sein Vater, deshalb wird er es schaffen", versicherte sie und ging zu Daniel, um ihn zu trösten. Dankbar sah der Junge sie an. "Mr. Whitmore?" Alex und Lizzie drehten sich zu der Stimme um. Ein kleiner Mann mit Brille in grüner OP-Kleidung kam auf sie zu. Alex schluckte schwer. "Wie geht es ihm, Dr. Andrews?" Lächelnd nahm der Chirurg seine Kappe ab. "Jason geht es gut, Mr. Whitmore. Die Operation war problemlos. Wir konnten den Blinddarm entfernen, bevor er aufbrach, also ist die Gefahr einer Infektion minimal. Er ist jetzt im Aufwachraum." "Gott sei Dank", sagte Alex erleichtert. "Wann kann ich ihn sehen?" "In ein paar Minuten. Wir beobachten ihn noch, bis die Narkose abklingt." Alex nickte nur und gab dem Arzt die Hand. An seiner Wange zuckte ein Muskel, als er ihm hinterhersah. Lizzie ging mit Daniel zu ihm und legte eine Hand auf seinen Arm. "Komm, setz dich." Alex blieb stehen. Dann drehte er sich wortlos um und nahm sie und Daniel in die Arme. Sie schmiegte sich an ihn. Es war richtig gewesen, ins Krankenhaus zu kommen. Ob Alex es nun zugab oder nicht, er brauchte sie. Auch wenn er ihre Liebe vielleicht nicht wollte.
Ich hoffe, dass du, wenn du Liebe findest, sie nie loslässt. Sie hörte die Worte, die sie in Rolands Brief gelesen hatte, als würde sie ihr jemand ins Ohr flüstern. Verwirrt sah sie sich um. Natürlich, sie hatte es sich nur eingebildet. Was bildete sie sich noch alles ein?
12. KAPITEL Alex stand in der Tür zum Schlafzimmer der Zwillinge und lauschte ihren ruhigen Atemzügen. Fünf Nächte lang hatte er Jason nicht zuhören können. Er hatte gewusst, dass sein Sohn in der Klinik besser aufgehoben war. Aber jeden Abend mit Daniel nach Hause zu fahren und Jason in der Obhut von Fremden zu lassen war schrecklich gewesen. Jetzt, da beide Zwillinge wieder zu Hause schliefen, war Alex' Welt wieder in Ordnung. "Wie geht es Jason?" Alex sah über die Schulter. Lizzie stand hinter ihm. Sie hatte ihn begleiten wollen, als er heute Nachmittag Jason aus dem Krankenhaus geholt hatte. Er hatte es nicht zugelassen, denn sie nahm sich viel zu oft frei, und er musste an das Wohl der Firma denken. Nein, eigentlich war es viel komplizierter. Er hätte sie gern mitgenommen, aber genau deshalb war er allein gefahren. Er wollte nie wieder abhängig sein, nie wieder eine Frau brauchen. Eine zweite Enttäuschung würde er nicht verkraften. Die Beziehung mit Lizzie gefiel ihm so, wie sie jetzt war. In dieser Woche hatte sie bisher jede Nacht in seinem Bett verbracht. Das und ihre Anteile, mehr wollte er von ihr nicht. "Er schläft", antwortete er. "Er ist ein erstaunlicher kleiner Kerl." Alex sah wieder zu seinem Sohn hinüber. "Als wir hier ankamen, wollte er als Erstes einen Hot Dog."
"Wirklich?" "Seiner Hunger ist so groß, dass er sogar das isst, was ich koche." "Ein gutes Zeichen." Ihre Schulter streifte seinen Arm, als sie sich neben ihn stellte. "Was hat der Arzt gesagt?" "Du hattest Recht. Wir brauchen keine Krankenschwester zu engagieren. Ich muss Jason nur dazu bringen, sich ein wenig zu schonen, bis die Wunde verheilt ist." "Wie ich Jason kenne, wird das nicht leicht sein." "Bestimmt nicht. Er ist fast wieder der Alte. Wäre da nicht der Verband, könnte ich kaum glauben, dass das alles passiert ist." Sie hakte sich bei ihm ein. "Es ist passiert, Alex. Aber jetzt geht es Jason gut, und er wird eine Narbe haben, mit der er angeben kann. Warte nur ab, bald wird Daniel darum betteln, dass man ihm auch den Blinddarm entfernt." Alex lächelte. "Wie war es heute im Büro?" Sie zögerte. "Gut." Er hörte ihr an, dass es keineswegs so gut gelaufen war, fragte jedoch nicht nach. Rita würde ihn früh genug informieren. Bisher hatte sie ihm jedes Problem sofort gemeldet. "Hast du Hunger?" "Ich habe in der Stadt gegessen," "Glück gehabt. Wir haben nämlich keine Hot Dogs mehr." Leise lachend legte sie den Kopf an seine Schulter. "Es ist etwas ganz Besonderes, Kindern beim Schlafen zuzusehen, findest du nicht auch?" Ja, das fand er auch. Und es nicht allein zu tun war noch besser. Er wusste, dass Lizzie seine Söhne lieb gewonnen hatte. Sie besaß die Wärme und Geduld, die Kinder anzog, und würde eines Tages eine gute Mutter sein. Mit Sicherheit gab es in Packenham Junction genügend Männer, die das genauso sahen. In drei Tagen war die Laufzeit ihrer Wette zu Ende, und wenn sie erst wieder dort war...
Nein. Darüber wollte er lieber nicht nachdenken. Lizzie spürte an Alex' Arm, wie er sich innerlich verkrampfte. Vermutlich machte er sich mehr Sorgen um Jason, als er zugab. Sie hatte ihm ihre emotionale Unterstützung angeboten, aber er hatte sie nicht gewollt. Ihren Körper nahm er nur zu gern, aber es gelang ihr nicht, sein Herz zu erobern. Und ihr blieben nur noch drei Tage. Alex öffnete die Spange, die ihren Nackenknoten festhielt, und ließ ihr Haar durch die Finger gleiten, bevor er es an den Mund hob und küsste. Oh, wie sehr sie wünschte, so könnte es jeden Abend sein. Mit ihm in dieser Tür stehen und den Kindern beim Schlafen zusehen, während er eine dieser kleinen intimen Gesten machte, die zum glücklichen Zusammenleben gehörten. Doch ihre Zeit lief ab. Sie seufzte und versuchte, nicht an den Finanzbericht zu denken, den Oscar ihr vorhin vorgelegt hatte. Schwarz auf weiß stand darin, was sie in dem einen Monat an der Spitze von Whitmore und Hamill bewirkt hatte. An dem Ergebnis würde sich in den drei Tagen nichts Wesentliches ändern. Sie hatte Oscar gebeten, bis zum Ende der Woche Stillschweigen darüber zu bewahren, vor allem Rita gegenüber. Sie wollte es Alex selbst sagen, und zwar keine Minute früher als nötig. "Lizzie", murmelte er. Sie kannte diesen tiefen, leicht heiseren Tonfall, und wie immer löste er etwas Erregendes in ihr aus. Sie legte den Kopf nach hinten und sah ihm in die Augen. "Lass uns ins Bett gehen, Lizzie." Noch drei Nächte, bis er erfuhr, was in Oscars Bericht stand, und dann... Bis dahin wollte sie ihm alles an Liebe geben, wozu sie fähig war. Sie nahm seine Hand und zog ihn zum Badezimmer. "Du solltest dich entspannen." "Ich bin ganz locker." Er liebkoste ihren Hals.
"Nein, du hattest einen langen Tag. Ich fühle doch, wie verspannt du bist." "Ich dachte, du fühlst gern, wie steif ich bin." "Alex!" Sein leises, raues Lachen ging ihr unter die Haut. "Also, was schwebt dir vor?" "Meinst du, der ist groß genug für uns beide?" fragte sie mit einem Blick auf den Whirlpool. "Probieren wir es aus", erwiderte er lächelnd und zog sich das Hemd aus. Sie setzte sich auf die Kante und drehte den Hahn auf. Als der Dampf sie beide einzuhüllen begann, sah sie Alex an. "Du hast einen tollen Körper." "Du auch." Er öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse. "Deine Brüste sind wunderschön", fügte er hinzu und küsste sanft eine ihrer rosigen Knospen. "Mmm." "Und du hast eine wunderschöne Taille", schwärmte er, während er den Reißverschluss ihres Rocks aufzog. Dann ließ er ihn über ihre Hüften gleiten und kniete sich vor Lizzie hin. Sein Atem strich über ihren Bauch. "Und ich glaube, rotes Haar gefällt mir inzwischen auch", murmelte er, während er ihr den Slip abstreifte. Sie griff nach seinem Gürtel und fing an, ihn ebenso langsam und genussvoll auszuziehen. Als sie sich zusammen in das warme Wasser legten, schäumte das Verlangen in ihr genauso heftig auf wie der Whirlpool. Sie wollte diese Nacht zu etwas ganz Besonderem machen und ihm ihre Liebe auf eine Weise zeigen, die er nie vergessen würde. Also nahm sie die Seife und bedeckte jeden Zentimeter seiner Haut mit dem duftenden Schaum. Sie strich über die muskulösen Arme, die schwarzen Locken auf seiner Brust, den harten, flachen Bauch und folgte dem seidig feinen Haarstreifen unter die Wasseroberfläche.
Alex stöhnte auf, als ihre Hand sich um ihn schloss. "Lizzie", flüsterte er heiser. "Warte." Das brodelnde Wasser, der Dampf, der Duft und das kraftvolle Pulsieren an ihrer Handfläche ... Es war unglaublich. Lächelnd streckte sie die Beine neben seinen Hüften aus. "Warum?" "Warum?" "Warum warten?" Sie rückte näher. "Es sei denn, du denkst, wir schaffen es nicht", scherzte sie verführerisch. Alex gab nur einen Laut von sich, aber sie verstand, was er meinte. Er legte seine Hände um ihre Taille und hob sie auf sich. "Oh", seufzte sie und verschränkte die Füße hinter seinem Rücken. "Oh, Alex." Er hob sie noch einmal kurz an, bewegte sich unter ihr und ließ sie langsam nach unten gleiten. Um sie herum schwappte das Wasser im Rhythmus ihrer Leidenschaft. Lizzie hielt sich am Rand fest, als die Welt um sie herum zu versinken schien. "Alex, das ist... das ist... oh!" Er hielt sie fest, als sie an ihm zusammensank. Zärtlich streichelte er ihr den Rücken, bis ihr Atem gleichmäßiger ging. Dann schaltete er die Whirlpool-Düsen aus und küsste Lizzie auf die Schulter. "Können wir jetzt ins Bett gehen?" Sie hob den Kopf und sah ihn an. Was sie in seinen Augen las, ließ sie erneut erbeben. Sie umfasste seine Schultern. "Oh, Alex. Ja ..." Lächelnd stemmte er sich hoch und stieg, einen Arm um sie gelegt, aus dem Becken. "Ich mag es, wie du meinen Namen sagst", hauchte er an ihrem Ohr. "So?" "Und ich mag es, wie du seufzt, bevor du meinen Namen sagst." Lizzie hielt sich an ihm fest, während er sie ins Schlafzimmer trug. "Und ich liebe all die anderen Laute, die du von dir gibst." "Wirklich?"
"Ja. Und wie du schmeckst und dich anfühlst." Sie knabberte an seiner Unterlippe, als er sie aufs Bett sinken ließ. "Sonst noch etwas?" fragte er und glitt auf sie. "Alles." "Du liebst alles?" "Ich liebe dich, Alex." Er erstarrte. "Lizzie ..." Hatte sie es laut ausgesprochen? Offenbar. Seine Miene verriet es. Und wenn schon. Was hatte sie zu verlieren? Warum sollte sie die Wahrheit für sich behalten? Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände. "Ich liebe es, wie deine Augen blitzen, wenn du lachst. Und wie du fair und stur zugleich sein kannst. Und deinen Sinn für Humor, und all die kleinen Dinge, die mir zeigen, was für ein Mann du bist." Sie strich mit den Fingerspitzen über seine Lippen. "Ich vermute, das bedeutet, dass ich dich liebe, Alex." Eine kleine Ewigkeit lang rührte er sich nicht. Schließlich rollte er sich zur Seite und streichelte ihr Haar. "Lizzie, wir sind gut zusammen. Lass es uns nicht kompliziert machen." Okay, er hatte es nicht hören wollen, aber jetzt gab es für sie kein Zurück mehr. "Alex, Liebe ist nicht kompliziert." "Was wir beide haben, ist auch nicht kompliziert, aber du willst mehr daraus machen." "Mehr als Sex:, meinst du?" Sie legte die Hand auf seine Brust und fühlte seinen Herzschlag. "Alex, ich bin gern mit dir zusammen, nicht nur im Bett. Dies war für mich kein flüchtiges Abenteuer. Ich liebe dich." "Ich bestreite nicht, dass der Sex gut war ..." Sie gab ihm einen leichten Stoß gegen die Schulter. "Verdammt, warum bist du nur so stur?" Er nahm ihre Hand und küsste sie. "Ich bin nur realistisch. Ich wollte dir nie wehtun, Lizzie. Deshalb wollte ich offen zu dir sein."
Ja, das war er immer gewesen. Sie jedoch war nicht ganz ehrlich gewesen. Sie liebte ihn schon seit Tagen, vielleicht schon länger. "Alex, ich verstehe, dass du die Kontrolle über dein Leben behalten willst. Liebe und jede Art von Verpflichtung gegenüber einer Frau passen nicht in deine Pläne. Aber das bedeutet nicht, dass deine Pläne unumstößlich sind." "Lizzie, ich war verheiratet. Und ich will den gleichen Fehler nicht noch einmal begehen. Das ist nicht stur, sondern vernünftig." "Na gut. Niemand verlangt von dir, Tiffany noch einmal zu heiraten. Ich bin aber nicht Tiffany." "Das weiß ich, Lizzie." "Wirklich?" Er küsste ihre Fingerspitzen. "Du bist ganz anders als sie", flüsterte er. "Du lachst über Rasierschaum auf deinem Kopfkissen. Du hast Beine, bei deren Anblick mir der Schweiß ausbricht. Und du hast einen Verstand, der mich immer wieder beeindruckt." "Und ich liebe dich, vergiss das nicht." "Lizzie..."" "Wovor hast du solche Angst?" "Ich habe keine ..." "Doch. Du willst mich aus deinem Leben ausschließen, weil du Angst hast, wieder jemandem zu vertrauen. Ich weiß, wie das ist." Sie rückte näher an ihn heran. "Es wird Zeit brauchen, aber ich bin bereit, es zu wagen, Alex. Ich will nicht, dass unsere Beziehung mit diesem Monat endet." Sein Griff um ihre Hand festigte sich. "Was?" Das war er. Der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab. Sie atmete tief durch. Ihr Herz schlug wie wild, ihre Hände waren feucht. Sie kannte das. Es war das Gefühl, das sie an ihrem ersten Tag in New York gehabt hatte. Aber irgendwie hatte sie sich seitdem verändert. Sie war nicht mehr die gute alte Lizzie. Babysitter und Brautjungfer vom
Dienst. Sie war jetzt eine gleichberechtigte Partnerin in der Firma ihres Vaters, und sie liebte den Mann ihrer Träume. Und verdammt, sie wollte alles. Also hob sie das Kinn und sah Alex in die Augen. "Lass uns diesen dämlichen Vertrag zerreissen." "Zerreissen?" "Ja. Eine Wette, bei der der Gewinner alles bekommt, ist falsch." "Und was wird aus Whitmore und Hamill?" "Die Agentur kann uns beiden gehören. Wir arbeiten zusammen und sind echte Partner", schlug sie vor. Er ließ ihre Hand los und drehte sich auf den Rücken. Sie hüllte sich in das Laken und setzte sich auf. "Ich weiß, du willst die Kontrolle über die Agentur nicht verlieren, aber wir werden schon eine Lösung finden." "Ich hatte einen Partner", sagte er. "Es hat nicht funktioniert." "Ich bin nicht Roland." "Nein, du bist nicht Roland. Du bist nicht Tiffany. Aber du willst, dass ich die Lektionen vergesse, die die beiden mir erteilt haben." "Alex, willst du etwa sagen, dass das, was wir haben, dir nichts bedeutet?" "Was zwischen uns passiert, hat absolut nichts mit Whitmore und Hamill zu tun", entgegnete er. "Es tut mir Leid, wenn ich bei dir falsche Erwartungen geweckt habe." Sie zog das Laken bis unters Kinn hoch. Nein, er hatte keine falschen Erwartungen geweckt, die hatte sie sich selbst gemacht. "Also willst du mir noch immer meine Anteile abkaufen." "Du hast dich besser gehalten, als ich dachte, aber du kennst die Branche nicht so gut wie ich. Ich habe hart gearbeitet, um es so weit zu bringen. Und ich werde die Zukunft meiner Söhne nicht wegen unserer persönlichen Beziehung aufs Spiel setzen." "Wenn du wählen müsstest..."
"Lizzie, hör auf", bat er heiser. "Mach es nicht noch schlimmer. Das zwischen uns ist etwas Besonderes, und wer weiß, wenn die Wette entschieden ist..." Der Kloß in ihrem Hals wurde immer größer. Sie schluckte mühsam. "Dann was, Alex? Dann wälzen wir uns wieder im Heu?" "Lizzie." Er schob ihr Haar von der Schulter, legte eine Hand in ihren Nacken und zog ihren Kopf zu sich. "Lass uns morgen früh weiterreden." Sie fühlte seine Lippen auf ihren, gab seufzend nach und erwiderte den Kuss. Wie konnte sie nur so dumm sein? Sie hatte ihm ihre Liebe gestanden, und nichts hatte sich geändert. Er brauchte sie nur zu küssen, und schon schwemmte das Verlangen die Vernunft fort. Das Licht, das durch die verregneten Fenster drang, reichte nicht aus, um die Schatten im Arbeitszimmer zu vertreiben. Alex schaltete die Lampe ein, als er sich an den Schreibtisch setzte. Er zog die oberste Schublade auf und starrte auf den Vertrag, den er vor achtundzwanzig Tagen hineingelegt hatte. Damals war alles so einfach gewesen. Er hatte gewusst, was er wollte. Die Kontrolle über Whitmore und Hamill. Die wollte er noch. Aber jetzt wollte er auch Lizzie. Sie hatte ihn gebeten, den Vertrag zu zerreißen. Und er war, verflixt noch mal, versucht, genau das zu tun. Nur weil sie ihn darum gebeten hatte. Aber persönliche Gefühle durften bei geschäftlichen Entscheidungen keine Rolle spielen. Alex fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, nahm den Vertrag heraus und las ihn noch einmal durch. Die Abmachung war klar und fair. Lizzie würde eine reiche Frau sein, wenn er sie auszahlte. Er würde wieder die alleinige Kontrolle über die Agentur haben, sie würde abreisen, und sein Leben würde in die alten Bahnen zurückkehren. Jason und Daniel würden sie vermissen. Sie hatte den beiden die Mutter ersetzt, die Tiffany nie gewesen war.
Tiffany hatte nicht ihn geliebt, sondern nur das, was er ihr bieten konnte. Und deshalb hatte er sich nie wieder verlieben wollen. Lizzie hatte gesagt, dass sie ihn liebte. Zuerst hatte er sich ganz einfach gefreut, riesig gefreut. Aber dann war das Misstrauen gekommen. Denn wenn Tiffany von Liebe gesprochen hatte, dann hatte sie etwas von ihm gewollt. Lizzie hatte gesagt, dass sie ihn liebte, ihn dann aber auch gebeten, die Bedingungen ihrer Wette abzuändern. Aber Lizzie war nicht Tiffany. Das Papier knisterte, als er die Hand zur Faust ballte. Sie hatte versprochen, sofort abzureisen, wenn sie verlor. Damals hatte er genau das gewollt. Jetzt nicht mehr. Lizzie hatte sich inzwischen in sein Leben geschlichen. Wovor hast du Angst? fragte eine innere Stimme. Er kannte die Antwort. Er hatte Angst, sich zu verlieben, jemandem zu vertrauen und erneut enttäuscht zu werden. Aber er wollte, dass Lizzie bei ihm und den Jungen blieb. Sie selbst wollte bleiben. Warum sollte sie es also nicht tun? Er hatte versprochen, am Morgen mit ihr zu reden. Nun, der Morgen war da. Und er würde mehr tun als nur reden. Er würde ihr zeigen, was er für sie empfand. Er hielt das Dokument mit beiden Händen und wollte es gerade zerreißen, da piepte das Faxgerät auf dem Schreibtisch. Er starrte auf das Papier, das sich langsam aus dem Gerät schob. Das Schreiben hatte den Briefkopf von Whitmore und Hamill, also war es vermutlich der neueste Bericht von Rita. Zweifellos gab es wieder Probleme. Er sah auf den Vertrag, dann wieder auf das Fax. Er zögerte. Lizzie hatte ihm nicht erzählen wollen, wie ihr Tag in der Agentur verlaufen war. Stattdessen hatte sie ihn im Whirlpool
verführt, ihm ihre Liebe gestanden und ihn gebeten, die Wette zu vergessen. Das Misstrauen, das er am Abend zuvor ignoriert hatte, meldete sich von neuem. Hatte Lizzie ihn etwa ablenken wollen? Er musste es herausfinden. Also legte er den Vertrag wieder in die Schublade, zog das Fax aus dem Gerät und begann zu lesen. Schon beim ersten Blick auf Alex' Gesicht war Lizzie klar, dass etwas nicht stimmte. Er sah aus wie ein Mann, der gerade einen Schlag in die Magengrube bekommen hatte. Sie eilte zu ihm und nahm seine Hände in ihre. "Was ist? Wie geht es Jason?" Alex lächelte nicht, er beugte sich nicht zu ihr, sah ihr nicht einmal in die Augen. "Danke, Jason geht es gut." "Alex, was ist los?" An seiner Wange zuckte ein Muskel. Das kannte sie und wusste, dass es kein gutes Zeichen war. "Wann wolltest du es mir sagen, Lizzie?" "Wovon redest du?" Er entzog ihr seine Hände, ging ans Fenster und starrte in den Regen hinaus. "Ich habe vor zehn Minuten ein Fax von Rita bekommen." "So? Sie muss früher als sonst im Büro gewesen sein." "Ja." Er drehte sich nicht um. "Ich wollte sichergehen, dass ihre Information korrekt ist, also habe ich in der Agentur angerufen." Sie wischte sich die Handflächen am Rock ab. "Sie ist eine loyale Sekretärin, nicht?" "Ich habe mit der Buchhaltung gesprochen. Zufällig war Oscar auch schon früher im Büro." Das war es also. Oscar hatte versprochen, die Zahlen noch einige Tage geheim zu halten. Irgendwie musste Rita von dem neuesten Finanzbericht erfahren haben. "Alex, lass mich erklären..."
"In der Vergangenheit habe ich oft falsche Schlüsse gezogen, obwohl ich nicht alle Fakten kannte", fuhr er hölzern fort. "Also habe ich mir bestätigen lassen, was ich von Rita erfahren hatte. Jetzt verstehe ich, warum du mir nicht erzählen wolltest, wie dein Tag im Büro war." "Du hattest genug Sorgen. Du hattest Jason gerade aus dem Krankenhaus geholt. Ich dachte, die Neuigkeit könnte ein paar Tage warten." "Also wusstest du davon." "Ja, aber..." "Deshalb hast du mich gebeten, unseren Vertrag zu zerreißen." Sie zögerte. "Ja. Unsere Wette ist nicht fair, Alex. Sie lässt keinen Raum für Kompromisse." "Du warst damit einverstanden. Du selbst hast sie sogar vorgeschlagen." "Ich weiß, aber jetzt möchte ich sie abändern. Ich finde, wir sollten Partner bleiben, egal wer gewinnt." "Du willst die Firma." "Ich will, dass wir Partner bleiben", widersprach sie. "Und das sollte nicht davon abhängen, wer gewinnt oder verliert oder was für Zahlen am Ende unter dem Strich stehen. Wir können ..." "Und deshalb hast du behauptet, dass du mich liebst." Sie erstarrte. "Was?" "Fast hätte ich dir geglaubt." "Alex, ich liebe dich." "Wie praktisch, dass dir das ausgerechnet an dem Tag aufging, an dem du erfuhrst, dass du die Wette verlieren wirst." "Praktisch? Glaubst du wirklich, ich würde ..." Sein Vorwurf war so empörend, dass ihr die Luft wegblieb. Nahm er wirklich an, dass sie ihm ihre Liebe gestanden hatte, um ihn hereinzulegen? Und warum glaubte er, dass sie die Wette
verloren hatte? Was hatte Rita ihm gefaxt? "Alex, ich weiß nicht, wie du darauf kommst, aber du irrst dich." Endlich drehte er sich zu ihr um. Fast wünschte sie, er hätte es nicht getan. Der Zorn in seinem Blick war erschreckend. "Du wusstest ganz genau, dass du den Chalmers-Auftrag verloren hattest. Du wusstest es, bevor du gestern Abend nach Hause kamst. Jeder in der Agentur wusste es." Sie schüttelte den Kopf. "Den Chalmers-Auftrag? Hat Rita dir das gefaxt?" "Oscar hat es mir bestätigt. Den Auftrag sind wir los. Du hast nicht nur eine Besprechung mit einem unserer größten Kunden abgebrochen, du hast ihn auch noch beleidigt." "Aber du hattest gerade aus dem Krankenhaus angerufen ..." "Und ich hatte dir gesagt, dass du nicht zu kommen brauchst. Genau das passiert, wenn man sich bei geschäftlichen Entscheidungen von Gefühlen leiten lässt. Man macht Fehler. Der Verlust des Chalmers-Auftrages wird uns in die roten Zahlen bringen." "Du irrst dich gewaltig." "Im Gegenteil. Endlich begreife ich, was du vorhast", fuhr er sie aufgebracht an. "Du warst die ganze Zeit nur hinter meiner Firma her." "Es ist unsere Firma." Er beugte sich vor. "Der Sex war gut, Lizzie, aber glaubst du wirklich, er war die Hälfte von Whitmore und Hamill wert?" Es dauerte einen Moment, bis ihr bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte. Dann ballte sie die Rechte zu einer Faust, hob sie und schlug ihm ins Gesicht. Alex zuckte zurück. Fluchend griff er nach ihrem Handgelenk. Lizzie sprang außer Reichweite. "Wie kannst du es wagen!" Er rieb sich das Kinn. "Lass es gut sein, Lizzie." "Du Mistkerl. Ich verstehe nicht, wie ich jemals glauben konnte, dass ich dich liebe!"
"Und ich verstehe nicht, dass ich dir jemals vertrauen konnte. Den gleichen Fehler habe ich schon mal gemacht ... und teuer dafür bezahlt." "Das ist dein Problem, nicht wahr?" Sie wich noch weiter zurück. "Du kommst von deiner Vergangenheit nicht los. Du hast Angst, jemandem zu vertrauen, weil du dabei die Kontrolle über deine Gefühle verlieren könntest." "Hier geht es nicht um Gefühle, sondern ums Geschäft." "Ja, das habe ich endlich begriffen. Ich war bereit, dir zu vertrauen. Es war nicht leicht, aber ich wollte es riskieren, weil ich dich liebte und hoffte ..." Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. "Alex, ich habe gehofft, wir könnten eine richtig altmodische Partnerschaft haben. Mit einer Ehe und Kindern und einem Leben gemeinsam." Er antwortete ihr nicht, und sie sah, wie der Zorn und das Misstrauen aus seinem Blick verschwanden. Allerdings nur eine Sekunde lang. An ihre Stelle trat eine Verletzbarkeit, die ihr ans Herz ging. Fast hätte sie ihn an sich gezogen und ihm gesagt, dass sie ihn noch immer liebte und nehmen würde, was er ihr geben konnte. Doch dann war die Sekunde vorüber. Sie hatte sich etwas eingeredet. Es hatte keinen Sinn, sich an etwas zu klammern, das gar nicht existierte. "Ich hoffe, deine Firma macht dich glücklich, Alex", sagte sie auf dem Weg zur Tür. "Du bekommst schließlich genau das, was du verdienst."
13. KAPITEL "Heh, isst Tante Lizzie denn nicht mit uns?" fragte Daniel. "Die ist gar nicht hier. Als ich ihr meine Narbe zeigen wollte, war sie nicht in ihrem Zimmer", antwortete Jason. "Vielleicht wollte sie deine dämliche Narbe gar nicht sehen", erwiderte sein Bruder. "Doch, aber bestimmt hat sie noch länger im Büro zu tun, so wie Dad immer." "Wieso ist dann ihr Wagen hier, du Blödmann?" "Hört auf, euch zu streiten", befahl Alex scharf. Dann holte er tief Luft und zwang sich zur Ruhe. "Lizzie ist nach Hause abgereist." "Nach Hause?" wiederholte Daniel. "Aber sie lebt doch hier bei uns." "Nein, sie war nur zu Besuch", erklärte Alex. "Und jetzt ist sie fort." "Aber warum denn?" rief Jason. "Ist sie böse auf mich? Weil ich..." "Es hat nichts mit dir zu tun", versicherte Alex seinem Sohn. Er wollte nicht über Lizzie sprechen. Sie hatte ihre Sachen gepackt und war gegangen. Weg von ihm und Whitmore und Hamill, zurück nach Packenham Junction. Der Monat war noch nicht vorüber. Lizzie war aus ihrer Wette ausgestiegen, bevor sie sie offiziell verlieren konnte.
Er konnte sein altes Leben wieder aufnehmen, eine neue Haushälterin einstellen, endlich wieder ordentlich essen und die Leitung seiner Firma wieder übernehmen. Er hatte gewonnen. "Dad, wann kommt Tante Lizzie zurück?" Sie würde nicht zurückkommen. Nicht nach dem, was er zu ihr gesagt hatte. Außerdem hatte sie ihre Hälfte der Firma verloren. Warum sollte sie also zurückkehren? "Dad?" "Sie kommt nicht zurück." "Warum nicht?" "Können wir sie besuchen?" Alex schüttelte den Kopf. "Warum kann sie nicht immer hier leben?" wollte Daniel wissen. Seine Augen waren feucht. "Weil..." Alex zögerte. "Das hat viele Gründe." "Magst du sie denn nicht?" fragte Jason. "Natürlich mag Dad sie", erwiderte Daniel. "Er hat sie doch dauernd geküsst und so." Alex erschrak. Offenbar war er nicht vorsichtig genug gewesen. "Ja, ich mochte sie. Aber sie musste abreisen, das ist alles." Daniel rieb sich die Augen mit dem Handrücken, rutschte vom Stuhl und schlurfte mit gesenktem Kopf zur Tür. Bestürzt sah Alex ihm nach. Vorsichtig machte er eine Bewegung mit dem Unterkiefer und tastete nach dem Abschiedsgeschenk, das seine Partnerin ihm hinterlassen hatte. Er hätte wissen müssen, dass eine Frau wie Lizzie sich nicht mit einer damenhaften Ohrfeige begnügen würde. Sie war wütend gewesen und hatte nicht versucht, es zu verbergen. Andererseits war sie genauso ungehemmt gewesen, als es darum ging, ihre anderen Leidenschaften auszuleben, oder?
Er hatte den Schlag verdient. Niemals hätte er sie beschuldigen dürfen, dass sie einen Platz bei Whitmore und Hamill mit Sex hätte erkaufen wollen. Aber er war zornig gewesen, weil sie ihm verheimlichen wollte, dass sie den Chalmers-Auftrag verloren hatten. Und dann hatte sein Zorn sich mit dem Misstrauen verbunden, und mit der Angst, sich wieder zu verlieben, und dann ... Dann hatte er ihr wehgetan. Er hatte sie zurückgewiesen. Und jetzt war sie fort. Endlich gehörte die Firma ihm allein. Obwohl er am Ziel seiner Wünsche war, verspürte er nicht den geringsten Triumph. Ja, er würde Whitmore und Hamill allein führen, doch jedes Mal, wenn er ihren Namen sah, würde er daran denken, was er alles verloren hatte. Augenblick mal. Er hatte nicht verloren. Er hatte gewonnen. Oder etwa nicht? Doch wenn er gewonnen hatte, warum fühlte er sich, als hätte sich in seinem Leben ein tiefer Abgrund auf getan? Er konnte sich eine Zukunft ohne Lizzie nicht mehr vorstellen. Sie hatte gewusst, dass sie die Wette verloren hatte, aber sie hatte ihren Stolz heruntergeschluckt und trotzdem bei ihm bleiben wollen. Er hatte Angst gehabt, sich zu verlieben. Er hatte geglaubt, das wäre das Schlimmste, was ihm widerfahren konnte. Er hatte sich geirrt. Das Schlimmste war, sich in eine Frau zu verlieben und sie gehen zu lassen. Er war verliebt. In Lizzie. Und er hatte sie gehen lassen. Alex sprang auf. Lizzie hatte das Haus erst vor drei Stunden verlassen. Vielleicht war sie noch am Flughafen. Wenn nicht, würde er ihr nachfliegen und alles tun, um sie zurückzuholen. Zu ihm, zu seinen Söhnen und zu ihrer Firma. Als es an der Haustür läutete, fuhr er herum. Hatte Lizzie es sich anders überlegt? War sie umgekehrt? Er eilte nach vorn und riss die Tür auf. Es war nicht Lizzie, sondern Jeremy Ebbet.
"Jeremy", begrüßte Alex den Anwalt. "Was tun Sie denn hier?" "Miss Hamill hat mich gebeten, Ihnen einige Unterlagen aus dem Büro zu bringen", erklärte der Anwalt und zeigte auf seinen Aktenkoffer. "Ich bin gleich gekommen." Alex ließ ihn herein. "Aus dem Büro?" fragte er. "Heißt das, sie ist jetzt in der Agentur?" "Nein, sie hat mich vom Flughafen aus angerufen und gebeten, Ihnen diese Dokumente zu übergeben." "Können wir das auf später verschieben, Jeremy? Ich muss zum Flughafen, bevor sie abfliegt." "Sie ist vor drei Stunden abgeflogen, Alex", erwiderte Jeremy. "Als sie mich anrief, wurde ihr Flug gerade aufgerufen." "Verdammt!" murmelte Alex. "Dann muss ich eben ein Flugzeug chartern." "Alex, ich glaube, Sie sollten sich erst einmal diese Papiere ansehen. Miss Hamill war es sehr wichtig, dass Sie sie so schnell wie möglich bekommen." "Wovon reden Sie?" "Es geht um den Vertrag, den ich für Sie beide ausgearbeitet habe." Alex nahm Jeremys Arm und zog ihn zum Arbeitszimmer. "Gut, dass Sie hier sind. Ich möchte, dass Sie für mich nach einer Lücke in dem Vertrag suchen." Der Anwalt hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. "Alex, der Vertrag ist zwar sehr ... ungewöhnlich, aber ich habe ihn mit größter Sorgfalt ausgearbeitet. Er hat keine Lücken." Alex ging an den Schreibtisch und nahm den Vertrag aus der Schublade. "Es muss etwas geben." "Ich verstehe nicht, wo daß Problem liegt", meinte Jeremy verwirrt. "Miss Hamill ist vor Ablauf des Monats abgereist, damit hat sie die Wette verloren gegeben. Sie hat Ihr Angebot angenommen und wird Ihnen Ihre Anteile verkaufen." "Ich habe mein Angebot zurückgezogen."
"Ich verstehe Sie beide nicht", murmelte der Anwalt und lockerte die Krawatte, bevor er seinen Aktenkoffer auf den Schreibtisch legte und ihn öffnete. "Erst verzichtet Miss Hamill auf Ihr Recht, die Firma allein zu führen, obwohl es ihr zusteht. Schließlich hätte sie die Wette gewonnen. Und jetzt wollen Sie auf einmal ihre Hälfte nicht mehr kaufen." "Was?" "Das ist alles sehr verwirrend." "Das meine ich nicht", erwiderte Alex. "Was haben Sie gerade gesagt? Lizzie hätte die Wette gewonnen?" Jeremy schob seine Brille an der Nase hinauf und nahm ein Blatt Papier aus dem Aktenkoffer. "Oscar Radic hat das hier gestern Miss Hamill gegeben." Alex riss ihm das Papier aus der Hand und überflog es. Es war der vorläufige Abschlussbericht der Bilanzbuchhaltung. Und nach Oscars Berechnungen hatte der Verlust des ChalmersAuftrages Whitmore und Hamill nicht geschadet. Im Gegenteil, diese Kampagne hätte die Agentur durch die andauernden Veränderungen nur Geld gekostet. Die Gewinne von Whitmore und Hamill waren im laufenden Monat nicht zurückgegangen, sondern gestiegen. "Unglaublich", murmelte Alex und ließ sich auf die Schreibtischkante sinken. "Whitmore und Hamill hat Gewinne erzielt." "Ja, offenbar geht es der Firma sehr gut." Alex fühlte sich, als hätte man ihm schon wieder ins Gesicht geschlagen. Whitmore und Hamill hatte Gewinne gemacht. Lizzie hatte die Wette gewonnen. Und das hatte sie gestern Abend bereits gewusst. Trotzdem hatte sie die Wette so abändern wollen, dass sie und er gleichberechtigte Partner bleiben konnten. Sie hatte die Firma mit ihm teilen wollen. Weil sie ihn liebte? Konnte es
einen besseren Beweis dafür geben, dass ihre Gefühle für ihn echt waren? Und einen besseren Beweis dafür, dass er gerade den größten Fehler seines Lebens begangen hatte? Lizzie wischte die letzten Spuren der Fingerfarben vom Fußboden und warf das Papiertuch in den Müll. Die Kinder waren heute besonders lebhaft. Aber vielleicht kam es ihr auch nur so vor, weil sie übermüdet war. In den letzten fünf Nächten hatte sie nicht viel geschaffen, und da war ein Raum voller Kinder eine ziemlich anstrengende Sache. In der Ecke fiel etwas um, und sofort erklang lauter Protest. Lizzie verzog das Gesicht und drehte sich danach um. "Schon gut, Lizzie. Ich kümmere mich darum", rief Suzy und eilte zu dem Haufen großer Bauklötze, der eben noch eine Festung gewesen war. Lizzie lächelte dankbar, als ihre Assistentin die niedergeschlagenen Baumeister tröstete. Suzy und ihre Schwiegertochter Darla hatten den Kindergarten großartig geführt, während sie sich fast einen Monat im fernen New York aufgehalten hatte. Dem Geschäft ging es großartig. Und den Kindern auch. Ganz Packenham Junction blühte auf, seit Benjamin in der Käsefabrik eine zweite Schicht eingeführt und die Molkerei ihren Absatz so gut wie verdoppelt hatte. Erst an diesem Morgen hatten zwei weitere Mütter ihre Kinder bei Lizzie angemeldet. Wenn es so weiterging, würde sie noch eine zusätzliche Erzieherin einstellen und ein zweites Badezimmer anbauen müssen. Und mehr Fingerfarben und Papiertücher kaufen. Vielleicht würde sie in der kommenden Nacht sogar schlafen können, ohne an all das zu denken, was sie verloren hatte. Entsetzt spürte sie, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Es war jetzt fünf Tage her, dass sie Alex verlassen hatte. Sie
hatte alles getan, um ihr altes Leben wieder aufzunehmen. Sie hatte ihren Stiefvater besucht, mit ihrer Nichte in McBride's Warenhaus eingekauft und Jolene geholfen, das Kinderzimmer für das neue Baby einzurichten. Aber so sehr sie sich auch bemühte, die Leere, die sie in sich spürte, wollte einfach nicht verschwinden. Oh, wie sehr sie ihn vermisste. Trotz allem, was sie zu ihm gesagt hatte, fehlte er ihr. Der Verstand sagte ihr, dass ihre Liebe hoffnungslos und ihre Träume nur Hirngespinste waren, aber ihr Herz fand sich einfach nicht damit ab. Fröhliches Kinderlachen riss sie aus ihrer Trübsal. "Sieh mal, die Blumen, Tante Liz." "Die können ja gehen!" "Das sind bestimmt Zauberblumen!" "Ich will sie auch sehen! Lasst mich durch!" Lizzie wischte sich die Tränen an ihrer Schürze ab und sah zu den Kindern hinüber, die sich am Fenster drängten und die Nasen an der Scheibe platt drückten. "Was ist los?" erkundigte sie sich und warf Suzy einen fragenden Blick zu. "Ich weiß es nicht. Es sieht aus wie ... Du meine Güte! Sieh dir das an!" Neugierig eilte Lizzie ans Fenster und sah gerade noch, wie ein riesiger Blumenstrauß die Stufen zur Haustür hinaufstieg. Nein, die Blumen bewegten sich nicht von allein, unter ihnen gingen zwei kleine Füße. Ein zweiter Strauß folgte, bei dem aus dem Schleierkraut und den Nelken ein Kinderkopf ragte. Es klopfte an der Haustür. "Das sind die Blumen", rief eins der Kinder aufgeregt. "Blumen können nicht anklopfen. Die haben keine Hände." "Aber Füße. Ich habe sie genau gesehen!" Lizzie rannte zur Tür. Sie öffnete sie und wich erstaunt zurück, als die beiden riesigen Sträuße schwankend auf sie zukamen.
"Hi, Tante Lizzie!" rief der Erste, und über den Blumen kamen zwei schelmische braune Augen zum Vorschein, die Lizzie nur zu gut kannte. "Haben wir dich überrascht?" "Ja, haben wir dich hereingelegt?" Sie presste eine Hand auf den Mund, denn sie traute ihren Augen nicht. "Jason? Daniel?" Die Zwillinge setzen ihre Verkleidung ab und strahlten sie an. "Im Auto sind noch mehr." "Im Auto?" wiederholte Lizzie verwirrt und schaute an ihnen vorbei nach draußen. Am Straßenrand parkte eine lange Limousine. Mit dem glänzenden weißen Lack und den getönten Scheiben wirkte der luxuriöse Wagen in der Myrtle Street völlig deplaziert. "Da brat mir doch einer 'nen Storch", murmelte sie. "Einen Storch"? Die tiefe Stimme ließ sie zusammenzucken. "Alex?" Er trat durch die Haustür. "Hallo, Lizzie." Sie brachte kein Wort heraus, sondern starrte ihn an, als wäre er eine übersinnliche Erscheinung. Als müsste sie sich davon überzeugen, dass er wirklich vor ihr stand und sie das alles nicht nur träumte. Aber keine Traumgestalt hatte so dichtes schwarzes Haar, keine so verführerischen braunen Augen, kein so markantes Kinn ... "Sollen wir jetzt die anderen holen, Dad?" "Wir lassen sie auch nicht fallen." Alex nickte, und seine Söhne rannten jubelnd zum Wagen. Sie trugen einen Strauß nach dem anderen ins Haus, bis die Veranda und der Flur vor lauter Blumen praktisch aus den Nähten platzten. Dann gingen die Zwillinge zu ihrem Vater und sahen ihn erwartungsvoll an. Lizzie fand noch immer keine Worte. Inmitten des Blütenmeers standen die drei Whitmores und strahlten sie an.
Alex legte die Arme um die Zwillinge und räusperte sich. "Lizzie, ich möchte mich dafür entschuldigen, was für ein Idiot ich war." "Nein, Dad, das ist nicht das, was du sagen solltest", flüsterte Jason. "Sollen wir sie fragen?" wisperte Daniel. "Ja, wir tun es einfach." Jason lächelte spitzbübisch. "Tante Liz..." "Danke, Jason", unterbrach Alex ihn, "aber ich glaube, das sollte ich selbst tun." "Küsst du sie jetzt und so?" fragte Daniel so laut, dass alle im Haus es mitbekamen. Als sie verstohlenes Kichern hörte, drehte Lizzie sich um. Hinter ihr, zwischen den Blumen, drängten sich ihre Schützlinge. Von der Tür zum Spielzimmer aus zwinkerte Suzy ihr zu. Dann schickte sie die Kinder zurück zu ihren Spielsachen und streckte den Zwillingen die Hände entgegen. "Möchtet ihr zwei Gentlemen mit uns mitkommen? Wir machen jetzt eine Kekseund-Saft-Pause." "Na los", sagte Alex. "Ab mit euch." Die beiden zögerten kurz, aber Suzys Angebot war einfach zu verlockend. Nach fünf langen Tagen war Lizzie mit Alex allein. Er lächelte zaghaft. "Warum bist du hier, Alex?" fragte sie direkt. "Die Jungen und ich wollen, dass du nach Hause kommst." Nach Hause. Sie schluckte. "Warum?" "Du gehörst zur Familie." Der Kloß in ihrem Hals wurde größer. Nach Hause. Zur Familie. "Warum, Alex?" "Weil wir dich lieben." Er nahm ihre Hand. "Ich hebe dich, Lizzie. Ich hoffe, dass du mir verzeihst. Ich möchte dich bitten, meine Partnerin zu werden."
"Deine ... Partnerin?" Er holte einen funkelnden Brillantring aus der Tasche. "Lizzie, ich liebe dich von ganzem Herzen und wäre der glücklichste Mann auf Erden, wenn du mir die, Ehre erweisen würdest, meine Frau zu werden." Reglos stand sie da und genoss den Moment, in dem alle ihre Träume in Erfüllung gingen. Dann warf sie sich in seine Arme. Alex drückte sie fest an sich. "Heißt das, deine Antwort lautet Ja?" "Ja!" Sie küsste ihn. "Ja, oh, ja!" Er hob ihre Hand und schob den Ring auf ihren Finger. "Ich liebe dich, Lizzie." "Und ich liebe dich, Alex." "Ich möchte, dass wir in allem Partner werden. In der Ehe, im Leben und im Geschäft." "Im Geschäft?" Er griff noch einmal in die Tasche. Diesmal holte er einen weißen Umschlag heraus. "Lizzie, dies ist ein Teilhabervertrag für Whitmore und Hamill. Die Hälfte der Firma gehört dir, ob du in ihr arbeitest oder nicht. Es liegt allein bei dir, aber ich möchte, dass wir die Agentur gemeinsam führen." Mit zitternden Fingern nahm sie den Umschlag. "Whitmore und Hamill", flüsterte sie. "Was hältst du davon, wenn wir den Namen in Whitmore und Whitmore ändern?" "Wie wäre es mit Hamill und Whitmore?" "Whitmore und Hamill und Söhne?" schlug er vor. "Hmm. Wie wäre es mit Hamill und Whitmore und Söhne und Töchter?" "Töchter?" Er lachte. "Ich werde mein Möglichstes tun, aber das kann noch dauern." Sie lächelte. "Wollen wir wetten?"
-ENDE-