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Studia Augustana Augsburger Forschungen zur europischen Kulturgeschichte Im Auftrag des Instituts fr Europische Kulturgeschichte herausgegeben von Johannes Burkhardt, Johannes Janota und Helmut Koopmann
Band 16
Regina Dauser
Informationskultur und Beziehungswissen Das Korrespondenznetz Hans Fuggers (1531–1598)
Max Niemeyer Verlag Tbingen 2008
n
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ber http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-484-16516-8
ISSN 0938-9652
) Max Niemeyer Verlag, Tbingen 2008 Ein Imprint der Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzul=ssig und strafbar. Das gilt insbesondere fr Vervielf=ltigungen, >bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz: Satzbro Heimburger, Mçssingen Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Erster Teil Forschungsstand, Überlieferung und Methode I. Hans Fugger und der Fuggersche Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zur Biographie Hans Fuggers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Fuggersche Handelsfirma in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Fugger zwischen Patriziat und Adel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 13 16 20
II. Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech: Entstehung und Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
III. Fugger und die zeitgenössische Brieftheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
IV. Methode: Die Verbindung von Inhalt und Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Korrespondenz als Netz: Netzwerkanalyse und Fuggerkorrespondenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zur Kategorisierung der Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40 40 48
Zweiter Teil Umrisse des Korrespondenznetzes I. Adressatengruppen in der Fuggerschen Korrespondenz . . . . . . . . . . . . . . A. Verwandte als Korrespondenten Hans Fuggers . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Tätigkeitsbereiche der Korrespondenzpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konfessionelle Verortung der Fuggerschen Adressaten . . . . . . . . . . . D. Häufigkeit des Briefkontakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Besondere Adressaten nach der Häufigkeit des Briefkontakts . . . . . . F. Grundlegung der Briefbeziehung zu Hans Fugger . . . . . . . . . . . . . . G. Mehrfachbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Aufenthaltsorte der Korrespondenzpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59 60 62 69 70 72 73 75 77
II. Who says what to whom? – Ausgewählte Briefinhalte und ihre Träger . 80 A. Bankgeschäfte und sonstige Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Anschaffungen für Hans Fugger und den Fuggerschen Haushalt 81 2. Kreditvergabe und Abwicklung von Bankgeschäften . . . . . . . . . . 84 3. Besorgungen für Fuggersche Korrespondenten . . . . . . . . . . . . . . 87 4. Hans Fugger als «Postmeister» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 B. Mercatoria – Kaufmannswissen: Nachhilfe und Erläuterung im Bedarfsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 C. Oeconomica – das weite Feld des häuslichen Alltags . . . . . . . . . . . . 99 D. Persönliches und ‹Privates› als Thema der Korrespondenz . . . . . . . . 104 1. Schreiben über die eigene Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Briefe über die Familie Fugger und persönliche Angelegenheiten der Adressaten . . . . . . . . . . . . 112 III. Resümee: Adressatenstruktur und Themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Dritter Teil Informationelle Leistung der Fuggerkorrespondenz am Beispiel der Nachrichtenübermittlung I. Bedingungen des Informationstransfers im 16. Jahrhundert . . . . . . . . . . A. Briefverkehr im 16. Jahrhundert: Infrastrukturelle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Hans Fugger und die Krise des Postwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Transport- und Bearbeitungsdauer der Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antwerpen – Augsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Venedig – Augsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wien – Augsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prag – Augsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Transporthindernisse, Briefgeheimnis und Zensur . . . . . . . . . . . . . . .
119 120 121 123 125 128 131 132 133
II. Formen der Nachrichtenpräsentation im 16. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . 137 III. Allgemeine Charakteristika der Nachrichtenübermittlung bei Hans Fugger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Nachrichtensender und -empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Geschriebene Zeitungen und Drucke als Nachrichtenbeilagen . . . . . C. Informationsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Außen vor: Nachrichten – nicht thematisiert oder nie geschrieben . . IV. Zentrale Nachrichtenthemen, ihre Präsentation und ihre Rezipienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der niederländische Aufstand in den Briefen Hans Fuggers . . . . . . . 1. Das Interesse am niederländischen Aufstand als Nachrichtenthema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachrichtenpraxis und Nachrichtenspektrum . . . . . . . . . . . . . . . VI
140 141 150 152 158
163 163 163 166
a) Schwerpunkte der Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kommentierung von Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fuggers Hauptkorrespondenten zum niederländischen Aufstand 4. Das Bild des niederländischen Aufstands bei Hans Fugger . . . . . a) Der Verlauf des Konflikts bis 1594 in den Briefen Fuggers – ein Schwanken zwischen Siegesgewißheit und Depression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die erste Phase der Rebellion und die Herrschaft Albas (1566–1573) . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wilhelm von Oranien (1533–1584) und die Partei der Aufständischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) König Philipp von Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hans Fuggers Korrespondenz zur niederländischen Erhebung: Resümee der Inhalte und Bezug zur Adressatenstruktur . . . . . . . B. Die Türkenkriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die militärische und publizistische Auseinandersetzung mit dem «Erbfeind» im 16. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verquickung Fuggerscher Interessen mit den Türkenkriegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nachrichtenpraxis und Nachrichtenspektrum . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hauptkorrespondenten zu den Türkenkriegen . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Kriege gegen das Osmanische Reich im Spiegel der Fuggerbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kämpfe im Mittelmeerraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Im Osten nichts Neues? Waffenstillstand und Kleinkrieg . . . c) Der Weg in den «Langen Türkenkrieg» . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Hans Fuggers Korrespondenz zu den Türkenkriegen – ein Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Der Kölner Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Einordnung des Konflikts und Relevanz im Fuggerschen Nachrichtennetz . . . . . . . . . . . . . . 2. Hans Fuggers Korrespondenz zum Kölner Krieg – eine Umgruppierung des Adressatenkreises? . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hans Fugger und der Kampf um Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Apostat – Gebhard Truchseß von Waldburg als Gegner . b) Die Motivation der Partei Gebhards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Immer wieder Geld: Fuggers Adressat für Nöte der Kriegsfinanzierung . . . . . . . . D. Der Augsburger Kalender- und Vokationsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hintergründe des Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ereignisgeschichtlicher Abriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgangsbedingungen für die Fuggersche Position im Kalenderstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fuggers Adressaten zu Ereignissen des Kalender und Vokationsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166 167 168 174
174 178 182 188 194 198 198 202 204 205 211 211 217 222 232 235 235 238 242 242 245 248 251 251 255 258 259 VII
5. Bewertungslinien und Perspektiven auf den Konflikt . . . . . . . . . . a) Kalendergegner und -befürworter aus der Perspektive Hans Fuggers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) «Außenverflechtung» als politische Chance in der Korrespondenz Hans Fuggers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fast schon ein Teufel im Predigergewand – Hans Fugger über Georg Miller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fugger und der Kalenderstreit – Zusammenfassung . . . . . . . . . . E. Kaiser, Reich und Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kaiser, Kaiserhof und Erblande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reichstage und weitere Reichsversammlungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichsgerichtsbarkeit im Dienste der Reichspolitik . . . . . . . . . . . 4. Die Ordnung von 1555 in der Bewährung – Reichsstände im Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
261 261 267 276 281 283 284 286 291 293
V. Nachrichten in Hans Fuggers Korrespondenz– zentrale Aspekte Fuggerscher Informationskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 VI. Gestuftes Vertrauen und kultiviertes Mißtrauen – einige Überlegungen zur ‹Vertrauensbasis› der Fuggerschen Korrespondenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Vierter Teil Soziale Leistung der Korrespondenz: Briefe als Instrumente von Beziehungsarbeit – vom Nutzen und Nachteil multiplexer Beziehungen I. Grundprinzipien der Beziehungsarbeit und ihre Anwendung in der Fuggerschen Korrespondenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Patronage, Nepotismus, Brokerage – Bemerkungen zur Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fuggersche intercession außerhalb des engeren Familienkreises . . . . 1. Einhaltung brieftheoretischer und gesellschaftlicher Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermeidung der Kollision mit Fuggerschen Interessen . . . . . . . . 3. Aussonderung unbekannter oder risikoträchtiger Bittsteller . . . . C. Aufstieg und Bewahrung: Hans Fugger als Sachwalter familiärer Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Für Handel und Familie: Hans Fugger auf der Suche nach Unterstützung . . . . . . . . . . . . . 2. Hans Fugger als Mentor der Grafen von Montfort . . . . . . . . . . . . 3. Ein Fuggersohn auf Stellensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Geschenktes Vertrauen: Geschenke werden Geschäfte . . . . . . . . . . . II. Im Schnittpunkt der Interessen: Hans Fugger und das bayerische Herzogshaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verbindungen der Familie Fugger zu den bayerischen Herzögen VIII
315 317 322 323 329 331 334 334 338 352 357 363 363
B. Hans Fugger als Adressat für herzogliche Besorgungsaufträge zwischen Vater und Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einbindung Fuggerscher Interessen in die ‹Herzogskorrespondenz› – Kombination und Transformation von Kapitalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Hans Fugger als intercessor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bittsteller und ihre Anliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strategien des intercessors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Einsatz und Gefährdung sozialen Kapitals – Hans Fugger als Makler in heiklen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Affäre Ciurletta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der intercessor und sein Handlungsspielraum . . . . . . . . . . . . F. Zusammenfassung: Hans Fugger als undertheniger diener des Herzogshauses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
365
370 382 382 385 392 392 396 399
Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech – ein Resümee . . . . . . . . . . . . . 401 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Verzeichnis abgekürzt zitierter Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsliteratur, Nachschlagewerke und Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . .
429 429 430 430
Verzeichnis der Grafiken und Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Orts- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
IX
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung ist eine geringfügig überarbeitete und teilweise um aktuelle Forschungsliteratur ergänzte Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 2004/05 an der Universität Augsburg eingereicht wurde. Den Weg dieses Buches bis zu seiner Veröffentlichung haben viele begleitet und gefördert, denen ich hier noch einmal Dank sagen kann. Die erste Annäherung an das Briefwerk Hans Fuggers erfolgte während meiner Mitarbeit an der Schlußredaktion der Regesten zu den Briefen Hans Fuggers, erstellt von Christl Karnehm und Maria Gräfin von Preysing. Die Anregung, sich mit der Fuggerkorrespondenz in einem Dissertationsprojekt auseinanderzusetzen, stammt von Johannes Burkhardt, meinem Doktorvater. Behutsame, engagierte Beratung war in der Betreuung verbunden mit der Offenheit gegenüber meinen Zugangsweisen und -wegen zur Korrespondenz. Rolf Kießling hat mit großer Aufmerksamkeit und wertvollem Rat das Projekt begleitet und das Zweitgutachten erstellt. Die entscheidende Bearbeitungsgrundlage stellen die erwähnten Regesten zur Fuggerkorrespondenz dar, die den raschen Zugang zum Quellenmaterial und die Erstellung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Datenbank erst möglich gemacht haben. Christl Karnehm hat als erste Expertin für Hans Fuggers Briefe das Projekt stets mit großem Interesse verfolgt und war immer zum Austausch bereit. Für die Möglichkeit, im Fürstlich und Gräflich Fuggerschen Familien- und Stiftungsarchiv mit den Kopierbüchern Hans Fuggers und weiterem Quellenmaterial zu arbeiten, danke ich dem Senoriat der Familie Fugger sehr; Markus Graf Fugger-Babenhausen hat bereitwillig und sehr rasch Fotomaterial bereitgestellt. Archivar Franz Karg hat mir mit unerschöpflichem Wissen und engagiertem Rat die Erschließung der Bestände des Fuggerarchivs ermöglicht. Auch den Mitarbeitern der weiteren für diese Untersuchung benützten Archive und Bibliotheken bin ich dankbar für ihre sachkundige Beratung. Unersetzlich bei der Einrichtung des Datenbankmodells für die Quellenanalyse war das Knowhow von Thomas Birke und Christian Kahlke. Promotionsstipendien der Universität Augsburg und des Augsburger DFG-Graduiertenkollegs «Wissenfelder der Neuzeit. Entstehung und Aufbau der frühneuzeitlichen Informationskultur» haben die Konzentration auf das Dissertationsprojekt über mehrere Jahre hinweg möglich gemacht. Das Graduiertenkolleg war ein Forum der Diskussion und der Auseinandersetzung mit den vielfältigen Blickrichtungen auf Wissens- und Kommunikationsgeschichte, dem diese Untersuchung zu Fuggers Briefen zahlreiche, ganz wesentliche Anregungen zu verdanken hat. Mit Förderung des Graduiertenkollegs gelang es, die Tagung «Wissen im Netz» zum frühneuzeitlichen Wissenstransfer in Korrespondenznetzen zu realisieren. Vom
Austausch in der Projektgruppe «Europäische Korrespondenznetze» zur Vorbereitung der Tagung habe ich sehr profitiert; dafür danke ich Stefan Hächler, Michael Kempe, Franz Mauelshagen und Martin Stuber. Den Herausgebern der «Studia Augustana» bin ich für die bereitwillige Aufnahme der Arbeit in diese Reihe des Instituts für Europäische Kulturgeschichte an der Universität Augsburg dankbar. Johannes Janota hat sich mit ganz besonderem Engagement für das Erscheinen dieses Bandes eingesetzt. Birgitta Zeller-Ebert vom Niemeyer Verlag hat in freundlichem Austausch die Drucklegung als Lektorin sachkundig betreut. Manuel Manhards gewissenhafte Arbeit war für die Einrichtung des Manuskripts zum Druck und für die Erstellung des Registers eine große Hilfe. Viele Hilfen durfte ich auch im privaten Bereich erfahren: Katharina Frieb, Marion Gindhart, Sabine Mayr und Elke Seefried haben engagiert Teile des Manuskripts Korrektur gelesen. Von meinem Vater, meiner Schwester und meinem gesamten Freundeskreis habe ich in den Jahren der Arbeit an diesem Projekt kontinuierlich Unterstützung und Zuspruch erhalten; die kleinen, wichtigen Ablenkungen im Arbeitsalltag, darunter gerade auch die Motivationshilfen meiner Schwester Anita in besonderen Streßzeiten, bleiben unvergessen. Allen gilt mein herzlicher Dank. Gewidmet ist dieses Buch dem Andenken an meine Mutter. Augsburg, im April 2007
Regina Dauser
Einleitung
Ferner ist mein will und mainung, daß die gemeine Fuggerische schreibstuben || (wie sye iezt ist) in meiner behausung sein und bleiben [...] solle. Mit dieser ergänzenden testamentarischen Bestimmung versuchte Hans Fugger, zweitgeborener Sohn Anton Fuggers und in hohem Alter noch zum «Regierer» des Fuggerschen Handels berufen, im Juni 1596, also zwei Jahre vor seinem Tod, die Kontrolle seiner Nachkommen über die Geschicke der Firma auch räumlich zu befestigen. Die gemeine schreibstube, das administrative Zentrum der Firma sozusagen, hatte dort zu sein, wo sein Ältester, der von Hans zum Nachfolger designierte Marx Fugger, nach dem Ableben des Vaters seine Wohnung nehmen sollte: unter den wachsamen Augen des neuen Firmenchefs. Spätes Engagement Hans Fuggers für den Fuggerschen Handel und dessen Fortbestehen also, am Ende eines Lebens, das den schönen Künsten und dem Mäzenatentum verschrieben gewesen war? Ein Georg Lill, der zu Beginn des letzten Jahrhunderts mit der Monographie «Hans Fugger und die Kunst» Fugger zu «einem der ausschlaggebendsten Faktoren für die Entwicklung der Kunst in Süddeutschland zur Zeit der Spätrenaissance» erhoben hatte, mochte das noch so sehen. Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech, eine Kopierbuchsammlung der auslaufenden Briefe Hans Fuggers, die im Zentrum der hier vorliegenden Arbeit steht, hatte Lill zwar für seine Forschungen vielfach herangezogen; die von Christl Karnehm erarbeiteten Regesten zu den Kopierbuch-Briefen konnten jedoch zeigen, daß Lill die rund 4.700 Briefe aus der Zeit von 1566 bis 1594, die sich von militärischen Nachrichten über Kredittransaktionen bis hin zur Protektion Verwandter, zur Kindererziehung und zu medizinischen Therapien mit nahezu allen Bereichen des Lebens beschäftigten, nur sehr selektiv ausgewertet hatte: Die Briefe künden vielmehr, wie Christl Karnehm in ihrer Einleitung zu den Regesten hervorhob, von Hans Fugger als dem «Außenminister» der Familie, als Verwalter «privater und großfamiliärer Interessen» – der «politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit
Kodizill zum Testament des Hans Fugger vom 22.06.1596. In: Preysing: Fugger-Testamente, S. 209. Vgl. Preysing: Fuggertestamente, S. 208f. (Kodizill vom 22.06.1596), die neueste Zusammenfassung zur Tätigkeit Hans Fuggers als Firmenleiter und zur Nachfolgeregelung bei Haberer: Ott Heinrich, S. 112f. – Vgl. auch Karg: Regierer. Vgl. Lill: Hans Fugger, Zitat S. 39f. Zur Übernahme der Firmenleitung vgl. dort S. 8, 10. – Ganz der Monographie Lills verpflichtet auch noch die Kurzbiographie von Wolfgang Zorn: Johannes (Hans) Fugger. In: NDB 5, 1961, S. 721.
seiner Zeit viel zu sehr zugewandt, als daß er diese der Kunst zuliebe vernachlässigt hätte». Diese neue Bewertung hat nichts mehr gemein mit dem in Kategorien wirtschaftlichen Erfolgs argumentierenden früheren Verdikt gegen die «‹gefährliche› 3. Generation» der Familie, als deren Vertreter Hans Fugger unter die «Epigonen und Diadochen» zu zählen sei, die zur Geschichte der Familie nichts Berichtenswertes mehr beizutragen gehabt hätten. Die Fugger-Generationen nach 1560, dem Todesjahr Anton Fuggers, fielen auf der Basis dieses Urteils lange Zeit weitgehend aus dem Fokus der Fuggerforschung. Schrittweise wurde seit den 1960er Jahren durch die Erforschung der Zeit nach Anton, etwa durch die Untersuchung der Handelsunternehmung Philipp Eduard und Octavian Secundus Fuggers oder durch die Rekonstruktion der familiären Beziehungsnetze inner- wie außerhalb Augsburgs, der Blick auf Bedingungen und Strategien einer erfolgreichen Neuorientierung der Familie bei gewandelten Existenzgrundlagen frei. Die Biographie Stephanie Haberers über Hans Fuggers Enkel Ott Heinrich (1592–1644) hat diesen Weg konsequent fortgesetzt und über das Erklärungsmodell der Kapitaltransformation neue Perspektiven auf die Abwicklung der Handelsfirma und die Etablierung im Reichsgrafenstand geschaffen. Über die Zielsetzung hinaus, auf der Basis der Fuggerschen Kopierbücher die vorgestellten ersten Pfade hin zu einem neuen Bild der Person Hans Fuggers weiterzuverfolgen und um zusätzliche Linien zu ergänzen, ist die Fragestellung der vorliegenden Arbeit über Biographie und Familiengeschichte hinaus eine kommunikations- und medienhistorische: Welche Leistungen konnte das Medium des aigen copierbuechs – Fuggers Briefe – erbringen, welchen spezifischen Intentionen Hans Fuggers wie auch seiner Adressaten war sie dienlich, und wo lagen die Grenzen der Einsetzbarkeit brieflicher Mittel? Es gehört zu den Merkmalen des Briefes, daß er jedem nur denkbaren Gegenstand gewidmet sein kann. Vielgestaltig sind in der Forschung zu seiner Geschichte auch die Zugangsmöglichkeiten und Arbeitsschwerpunkte, zwischen denen die hier vorliegende Arbeit ihren Ort finden mußte. Publikationen zur Archivalienkunde werten Briefe bis heute als nachgeordnete Quellen, geeignet zur Auffüllung von Lücken im Faktengerüst oder zur ergänzenden Auskunft über persönliche Motivationen bedeutender historischer Persönlichkeiten.10 Dieser ausgesprochen reduzierten Auffassung vom Quellenwert der Briefe stehen gewichtige Forschungstraditionen gegenüber, in denen die beiden grundlegenden Wirkungsweisen von Kommunikation, wie Karnehm: Regesten I, S. 14*, 24*, 110*f. – Vgl. Dies.: Korrespondenznetz Hans Fuggers. Wolfgang Zorn: Markus Fugger. In: NDB 5 (1961), S. 721f., Zitat S. 722. – Die vermeintliche Generationenproblematik findet sich ausgeführt bei Pölnitz: Generationenproblem. Pölnitz: Generationenproblem, S. 73. Vgl. Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben. Sieh-Burens: Oligarchie. Haberer: Ott Heinrich. 10 So etwa das Urteil bei Friedrich Beck, Eckart Henning (Hg.): Die archivalischen Quellen. Eine Einführung in ihre Benutzung. Köln 42004, S. 111.
sie auch durch Briefe verwirklicht werden, unter je eigenen Schwerpunktsetzungen erschlossen werden: Korrespondenzen leisteten nicht nur über weite räumliche Distanzen hinweg den Transfer von Information bzw. Wissen, sie ermöglichten ebenso die «Konstitution und Regulation sozialer Beziehungen».11 Auf die Erforschung brieflichen Informations- und Wissenstransfers ausgerichtet sind Arbeiten zum frühneuzeitlichen Nachrichtenwesen: Parallel zum Ausbau der Infrastruktur für den Brieftransport – mit der Begründung der Taxis-Post als entscheidender Wegetappe12 – nahm der Versand brieflicher Nachrichten einen stetigen Aufschwung. Die Meldungen von Kaufleuten, die selbst reisten oder in stetem Briefaustausch mit Handelsniederlassungen und Geschäftspartnern standen, wurden in ihrer hohen Bedeutung für die Entwicklung des Nachrichtenwesens seit dem Mittelalter betont.13 Spätmittelalterliche Korrespondenzen wie die des toskanischen Kaufmanns Datini oder des Hildebrand Veckinchusen sind frühe prominente Beispiele.14 Frühneuzeitliche Kaufleute arbeiteten häufig zusätzlich als fürstliche Nachrichtenagenten, deren ausgedehnte briefliche Informationsnetze nun wieder verstärkt in den Blick geraten sind.15 Bekanntestes Beispiel für die Fuggersche Rolle im frühneuzeitlichen Nachrichtenwesen sind die in der Österreichischen Nationalbibliothek archivierten «Fuggerzeitungen» Philipp Eduard und Octavian Secundus Fuggers als Nachrichtensammlung. Diese «neuen Zeitungen», wie Nachrichtenmitteilungen damals bezeichnet wurden, erhielten die Brüder Fugger als Briefe oder standardisierte Zeitungsbeilagen nach Augsburg gesandt.16 Jüngst
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Die Wirkweisen von Kommunikation nach Reinhard Fiehler: Kommunikation, Information und Sprache. Alltagsweltliche und wissenschaftliche Konzeptualisierungen und der Kampf um die Begriffe. In: Rüdiger Weingarten (Hg.), Information ohne Kommunikation? Die Loslösung der Sprache vom Sprecher. Frankfurt/M. 1990, S. 99–128, Zitat S. 109. Vgl. dazu umfassend: Behringer: Merkur. So schon Richard Grasshoff: Die briefliche Zeitung des XVI. Jahrhunderts. Diss. Leipzig 1877, bes. S. 8, 14, 18, 29–43. – Zusammenfassend Werner: Nachrichtenwesen, Jürgen Schneider: Die Bedeutung von Kontoren, Faktoreien, Stützpunkten (von Kompagnien), Märkten, Messen und Börsen im Mittelalter und Früher Neuzeit. In: Hans Pohl (Hg.), Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft. Wiesbaden 1989 (Referate der Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 12 = Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte 78), S. 37–63; ebenda: Klaus Gerteis: Reisen, Boten, Posten, Korrespondenz in Mittelalter und Früher Neuzeit, S. 19–36. Zu den Briefen Datinis vgl. anhand des Austauschs mit Briefpartnern in Frankreich: Hayez: Relation épistolaire. Weitgehend auf der Basis von Privatbriefen die Arbeit von Origo: Datini. – Über den Nachrichtentransfer bei Veckinchusen vgl. Margot Lindemann: Nachrichtenübermittlung durch Kaufmannsbriefe. Brief-«Zeitungen» in der Korrespondenz Hildebrand Veckinchusens (1398–1428). München, New York 1978 (Dortmunder Beiträge zur Zeitungsforschung 26). Dazu die frühen Forschungen von Kleinpaul: Nachrichtenwesen, sowie Sporhan-Krempel: Nürnberg. – Unter dem Begriff des Agenten im Fürstendienst wurde die grundlegende Fähigkeit, Beziehungsnetze aufzubauen und zu nutzen, jüngst thematisiert in dem Sammelband von Hans Cools u.a. (Hg.): Your Humble Servant. Agents in Early Modern Europe. Hilversum 2006. Zur Charakterisierung der Wiener Fuggerzeitungen Schilling: Fuggerzeitungen. – Den besten Gesamtüberblick vermittelt immer noch Fitzler: Fuggerzeitungen.
wurden die umfangreichen Nachrichten-Dienste Hans Jakob Fuggers für den bayerischen Herzogshof betont.17 Gleichwohl sind die Fuggerzeitungen wie die Nachrichtenbriefe anderer Kaufleute bislang nur ansatzweise ediert oder unter Einzelgesichtspunkten erforscht worden; vergleichende Untersuchungen fehlen ganz.18 Rekonstruktionen kaufmännischer Netze der jüngsten Zeit sind in erster Linie von wirtschaftshistorischen Fragestellungen geprägt und beziehen den Nachrichtentransfer für gewöhnlich als eher untergeordneten Aspekt ein.19 Die frühneuzeitliche «Res publica litteraria» realisierte sich zu einem erheblichen Teil auf dem Briefpapier. Der Briefverkehr garantierte den fortwährenden Kontakt unter den europäischen Gelehrten, transportierte Neuigkeiten, ermöglichte den wissenschaftlichen Austausch, war Forum für freundschaftliche Kontakte und Protektion, für gelehrte Auseinandersetzung und Selbstdarstellung. Erasmus von Rotterdam, Philipp Melanchthon, Justus Lipsius, Henry Oldenbourg – sie alle waren große Briefschreiber, zum Teil auch berühmte Brieftheoretiker. Entsprechend beleuchtet die Forschung zur Gelehrtenrepublik den epistolaren Austausch in zahlreichen Facetten.20 Die Gesamtperspektive wird dabei mittlerweile durch den Begriff der Gelehrten- bzw. Korrespondenznetze vorgegeben, die dem europaweiten Austausch zugrundelagen, in weiten Teilen aber noch nicht zureichend erforscht sind.21 Das Forschungsinteresse an Gelehrtenkorrespondenzen bis ins 18. Jahrhundert ist in erster Linie wissenschaftsgeschichtlich geprägt; auf diesem prominenten
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Vgl. zu Hans Jakob Fugger: Zwierlein: Discorso. Der Begriff der «Fuggerzeitungen» wird in der vorliegenden Untersuchung konventionell weiter nur für die Nachrichtensammlung Philipp Eduards und Octavian Secundus’ verwendet. Zwar handelt es sich hier familienübergreifend um einen Quellenbegriff, wie Zwierlein: Discorso, S. 577, zu Recht betont, doch aus Gründen der leichteren Differenzierung zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern und ihren ‹Zeitungs›-Diensten und zur Unterscheidung zwischen beigelegten Zeitungen und Nachrichten im Brief (wie bei Hans Fugger) wird hier an der in der Forschung etablierten Verwendung des Begriffs festgehalten. Zu Kaufmannsbriefen als Forschungsdesiderat allgemein: Hayez: Relation épistolaire, Schilling: Fuggerzeitungen, daneben die Ausführungen bei Pieper: Neue Welt, bes. S. 23– 34, Mauelshagen: Nachrichtenaustausch. Vgl. etwa das Gros der Beispiele bei Margrit Schulte Beerbühl, Jörg Vögele (Hg.): Spinning the Commercial Web. International Trade, Merchants, and Commercial Cities, c. 1640–1939. Frankfurt/M. 2004. Eine breitere thematische Ausrichtung verfolgt das Projekt des Leisler-Netzwerks, vgl. Claudia Schnurmann: Die Rekonstruktion eines atlantischen Netzwerks – das Beispiel Jakob Leisler, 1660–1691. Ein Editionsprojekt. In: Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 2 (2002), S. 19–39. Vgl. als Überblick Hans Bots, Françoise Waquet: La République des Lettres. Paris 1997 (Europe et Histoire), bes. S. 129–32, ferner Daniel Roche: Les républicains des Lettres. Gens de culture et lumière au XVIIIe siècle. Paris 1988. Nützlich auch die konzise Zusammenfassung bei Peter Burke: Erasmus und die Gelehrtenrepublik. In: Ders., Kultureller Austausch. Frankfurt/M. 2000, S. 74–101. Über das Forschungsdesiderat handelt Robert A. Hatch: Correspondence networks. In: Wilbur Applebaum (Hg.), Encyclopedia of the Scientific Revolution from Copernicus to Newton. New York, London 2000 (Garland Reference Library of the Humanities 1800), S. 168–170, hier S. 168. – Ein aktuelles Beispiel zur Netzperspektive ist der Beitrag von Mauelshagen: Vertrauen.
Forschungsgebiet existieren für die Briefforschung auch die vergleichsweise detailliertesten Untersuchungen über Umfang und Bedeutung grenzübergreifenden epistolaren Austauschs.22 Die humanistische Brieflehre feierte den privaten Brief (genus familiare), verwahrte sich gegen Formelhaftes und pries den idealen Brief entsprechend den antiken Topoi als «Spiegel der Seele».23 Die Ablösung von konventionalisierten Briefformeln, die freie und unverstellte, persönliche Aussprache des Briefschreibers sind auch diejenigen Kriterien, die von der literaturgeschichtlichen Forschung bis heute an den ‹echten› Brief angelegt werden – wobei in erster Linie Privatbriefe seit dem späten 17. Jahrhundert mit persönlich-intimem Inhalt gemeint sind. Georg Steinhausens «Geschichte des deutschen Briefes» hat hier am Ende des 19. Jahrhunderts einen bis heute nachwirkenden Interpretationsrahmen vorgegeben.24 Auch die historische Forschung zeigt sich nicht unbeeinflußt von dieser Perspektive, wird doch in einem aktuellen «Aufriß der Historischen Wissenschaften» der Brief vorrangig als Privatbrief in seinem Quellenwert als «Spiegel der Denkformen und Lebensweisen, des Gefühlspotentials und der Subjektivität einer Epoche»25 bestimmt. Hier tritt der Brief als Selbstzeugnis, als «Ego-Dokument» in den Vordergrund. Beispiele aus der historischen Familienforschung belegen allerdings, daß auch Selbstzeugnisforschung über den aufgezeigten individualistisch-emotional geprägten Ansatz hinaus Briefe explizit als Grundlage für Analysen zur Realisierung sozialer Rollen und Beziehungssysteme verwenden kann.26
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Eine aktuelle Bewertung der Forschung zu frühneuzeitlichen GelehrtenkorrespondenzNetzen bei Stuber: Hallers Netz, S. 13–19. Zur Größe und Ausdehnung von Korrespondenznetzen berühmter Gelehrter vgl. unter dem Ausgangspunkt der «Netzgeographie» ebenda, S. 31–48. Unter der Perspektive des kulturellen Transfers jüngst Christiane Berkvens-Stevelinck u.a. (Hg.): Les grands intermédiaires culturels de la République des Lettres. Études de réseaux de correspondances du XVIe au XVIIIe siècles. Paris 2005 (Les dix-huitièmes siècles 91). Zum Humanistenbrief vgl. Franz Josef Worstbrock (Hg.): Der Brief im Zeitalter der Renaissance. Weinheim 1983 (Mitteilung der Kommission für Humanismusforschung 9), Wolfgang G. Müller: Der Brief als Spiegel der Seele. Zur Geschichte eines Topos der Epistolartheorie von der Antike bis zu Samuel Richardson. In: Antike und Abendland 26 (1980), S. 138–175, zum Humanismus bes. S. 144–147. Diese Forschungstradition wurde überaus einflußreich geprägt durch Georg Steinhausen: Geschichte des deutschen Briefes. Zur Kulturgeschichte des deutschen Volkes, 2 Bände. Dublin/Zürich 1889/1891 (ND Frankfurt 1968), hier Band 1, S. 190. – Vgl. auch noch das Handbuch von Nickisch: Brief, S. 44–54. Entsprechend die neuere Darstellung von Vellusig: Schriftliche Gespräche. Maurer: Briefe, S. 371. Als Beispiel Beer: Private Correspondence, sowie Beers Monographie: Eltern und Kinder. – Winfried Schulze hat in seiner Definition des Begriffs «Ego-Dokument» mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß mit Quellen dieses Typus auch «Spielregeln des sozialen Systems» zu erschließen seien, vgl. Ders.: Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte? In: Bea Lundt, Helma Reimöller (Hg.), Von Aufbruch und Utopie. Perspektiven einer neuen Gesellschaftsgeschichte des Mittelalters. Für und mit Ferdinand Seibt aus Anlaß seines 65. Geburtstages. Köln u.a. 1992, S. 417–450, Zitat S. 435.
Im Rahmen der Erforschung der Verflechtung frühneuzeitlicher Führungsgruppen – also der bereits angesprochenen Beziehungsebene von Kommunikation – steht die Rekonstruktion sozialer Strukturen jenseits von Schichtungsmodellen im Mittelpunkt, und hier sind Briefe, wie Wolfgang Reinhard formuliert hat, «beste und im Grunde einzige Quelle für die Rekonstruktion von Patronage-Klientel-Beziehungen».27 Beziehungsnetze unter Patronen, Klienten, Verwandten, Freunden und Landsleuten im Dienste von sozialem Aufstieg und Absicherung wurden und werden daher in Verflechtungsstudien ganz wesentlich auch auf der Basis von Briefen erschlossen.28 Im methodischen Ansatz der vorliegenden Arbeit werden aus dem hier skizzierten Arsenal der Möglichkeiten, sich Briefe aus einer übergeordneten Perspektive zu erschließen, die angeführte Blickrichtung auf Korrespondenznetze als Basis des Informationstransfers sowie die Erschließung von Beziehungsstrukturen aus der Verflechtungsforschung zusammenfließen. Die Formen sowie der Umfang der brieflichen Interaktion zwischen Fugger und seinen Korrespondenzpartnern sollen dezidiert in die Analyse aufgenommen werden. Insbesondere die neuere Forschung zur Gelehrtenkommunikation hat sich dieser Verfahrensweise bereits geöffnet, doch ist im Gegensatz dazu in Forschungsarbeiten immer noch ein unspezifischer Gebrauch des Netz-Begriffs lediglich für umfangreiche Korrespondenzen mit zahlreichen Austauschpartnern anzutreffen.29 Hinter dem hier gewählten Vorgehen steht die Auffassung, daß sich die persönlichen Voraussetzungen der Briefpartner, die in Briefen untereinander ausgetauschten Inhalte und die Formen des miteinander gepflegten Briefaustauschs wechselseitig bedingten. Die entscheidenden Anregungen für das methodische Vorgehen und die begrifflichen Festlegungen stammen aus der sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse, wie sie Wolfgang Reinhard für die Elitenforschung fruchtbar gemacht hat und wie sie bei Renate Pieper auf
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Reinhard: Patronage, S. 139. – Ein Beispiel zur Verflechtung an der Kurie ist die Erforschung der Korrespondenz des Kardinalnepoten Scipione Borghese, vgl. Reinhard: Amici, sowie die aufschlußreiche Studie von Emich: Bürokratie und Nepotismus. Für einen Forschungsüberblick zu den Verflechtungsstudien vgl. Nicole Reinhard: «Verflechtung» – ein Blick zurück nach vorn. In: Peter Burschel u.a. (Hg.), Historische Anstöße. Festschrift für Wolfgang Reinhard zum 65. Geburtstag am 10. April 2002. Berlin 2002, S. 235–262. Hervorzuheben ist hier ganz besonders die Studie von Laurence W.B. Brockliss: Calvet’s Web. Enlightenment and the Republic of Letters in Eighteenth-Century France. Oxford 2002. Nach diesen Prämissen verfährt auch das Forschungsprojekt zur Korrespondenz Albrecht von Hallers, vgl. Stuber u.a.: Hallers Netz. Beispiele für den unspezifischen, nicht weiter reflektierten Gebrauch des Begriffs sind dagegen: Arne Losman: The European Communications Network of Carl Gustaf Wrangel and Magnus Gabriel De la Gardie. In: Göran Rystad (Hg.), Europe and Scandinavia: Aspects of the Process of Integration in the 17th Century. Lund 1983 (Lund Studies in International History), S. 195–200, 309, daneben als Exempel für eine Publikation jüngeren Datums aus literaturwissenschaftlichem Umfeld: Juliane Vogel: Briefwechsel und Geschlechtertausch. Rahel Varnhagen und Friedrich Gentz. In: Christa Hämmerle, Edith Saurer (Hg.), Briefkulturen und ihr Geschlecht. Zur Geschichte der privaten Korrespondenz vom 16. Jahrhundert bis heute. Wien u.a. 2003 (L’ homme: Reihe zur Feministischen Geschichtswissenschaft: Schriften 7), S. 55–70, hier S. 55.
eine nachrichten- bzw. kommunikationshistorische Fragestellung, wenn auch ohne briefgeschichtlichen Fokus, angewendet wurde.30 Auf die Erarbeitung einer Beziehungs- und zugleich Kommunikationsstruktur, oder auf Briefe gemünzt: auf die Bearbeitung der Frage, wer mit wem worüber in welcher Weise korrespondierte, folgt in der netzwerkanalytischen Betrachtungsweise in einem nächsten Schritt die Prüfung der Beziehungsstruktur auf ihre Auswirkungen: Welche Handlungschancen eröffneten sich den Teilhabern am Fuggerschen Korrespondenznetz, Hans Fugger natürlich eingeschlossen?31 Was Hannsen Fuggers aigen copierbuech und einer kleineren Sammlung von eigenhändigen Briefen Fuggers, die hier zusätzlich einbezogen wurden,32 als Quelle einen besonderen Rang verleiht, ist ihre bereits angedeutete thematische Vielfalt, darüber hinaus jedoch auch das breite Spektrum von Adressaten in weiten Teilen Europas vom einfachen Fuggerschen Bediensteten bis hin zum regierenden Erzherzog. Als Mitglied einer Familie, die erst vor wenigen Jahrzehnten in den Adel aufgestiegen war, eröffnet zudem Hans Fugger in eigener Person «Einblicke in eine Nahtstelle ständischen Umbruchs».33 Auf der Basis der umfangreichen Überlieferung wird hier die Möglichkeit genutzt, Hans Fuggers Korrespondenz als Fallstudie für die Leistung des Mediums Brief in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu betrachten. Dabei kann natürlich nicht allen Inhalten der Korrespondenz und nicht allen Gruppen von Adressaten gleichermaßen Aufmerksamkeit geschenkt werden. Für die beiden grundlegenden kommunikativen Leistungen ‹Information› und ‹Pflege von Beziehungen› wurden daher zwei Bereiche der Korrespondenz, die jeweils einen prominenten Platz im Briefcorpus beanspruchen, für ausgedehntere Analysen herangezogen: die Übermittlung politischer Nachrichten und die ‹soziale› Leistung der Fuggerbriefe im Rahmen von Protektion bzw. Patronage. Auf diese Weise wird an Forschungstraditionen angeknüpft, die der Fuggerfamilie bzw. dem Fuggerschen Handel schon lange eine herausragende Rolle auf dem Nachrichtensektor wie auf dem Gebiet des sozialen ‹networking› zuschreiben – nun allerdings mit ‹neuen›
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Vgl. den basalen Beitrag von Wolfgang Reinhard: Verflechtung als Konzept, sowie Pieper: Neue Welt. Zu methodischen Einzelfragen vgl. im ersten Teil der vorliegenden Arbeit: Kap. IV.: Methode: Die Verbindung von Inhalt und Interaktion. – Das hier skizzierte Fragenraster zur Analyse der kommunikativen Vorgänge im Fuggernetz läuft zum großen Teil parallel zur vielzitierten Lasswell-Formel (Who says what in which channel to whom with what effect?) nach Harold D. Lasswell: The Structure and Function of Communication in Society. In: Wilbur Schramm, Donald F. Roberts (Hg.), The Process and Effects of Mass Communication. Urbana 1971, S. 84–99, Zitat S. 84, die von Johannes Burkhardt erstmals in die Interpretation historischer Kommunikationsvorgänge eingebracht wurde, ders.: Dreißigjähriger Krieg. In der Netzperspektive wird die Formel durch den bei Lasswell vernachlässigten Rekurs auf die Formen der Interaktion (zusätzlich zum gewählten Kanal) jedoch entscheidend ergänzt. Die der Arbeit zugrundeliegende Überlieferung detailliert im ersten Teil, Kap. II.: Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech: Entstehung und Überlieferung. Die Charakterisierung der Fuggerkorrespondenz bei Karnehm: Regesten I, S. 21*–25*, Zitat S. 23*.
Quellen und ‹neuem› Personal. Beide Bereiche sind gewissermaßen Neben- oder Folge-Produkte der traditionellen wirtschaftlichen Betätigung der Fugger; ihre Bedeutung für die Positionierung der Familie wird ausführlich zu beleuchten sein. Die bereits mehrfach angemahnte intensivierte Erforschung Fuggerscher zeittungen, also der Nachrichtenbriefe und -beilagen, und ihrer Bedeutung für Handel und Familie kann so auf der Quellenbasis dieser persönlichen Fugger-Korrespondenz angegangen werden – immer auch im Hinblick auf die Leistungsbilanz des skriptographischen Informationstransfers.34 Auf der Patronageebene werden noch deutlicher Aspekte spezifischer Kommunikationsstrategien und ihrer Beziehungsgrundlagen in Abgleichung mit zeitgenössischen brieftheoretischen Vorgaben im Mittelpunkt stehen, wie sie in der Patronage-Forschung bereits mehrfach als besonderes Anliegen thematisiert wurden.35 Die Verbindung der unterschiedlichsten Themenbereiche war nicht nur Fuggerscher Korrespondenz-Alltag; es wird zu zeigen sein, daß ganz unterschiedliche Anforderungen und Intentionen innerhalb des Fuggerschen Beziehungsgeflechts sinnvoll aufeinander bezogen werden konnten und daß gerade ihr Zusammenspiel wertvolle Perspektiven eröffnete. Auch wenn hier eine Konzentration auf informationelle Nachrichten-Dienstleistung und ‹soziale› Leistung erfolgt, wird diese Vielfalt als Grundton der Fuggerschen Korrespondenz und in Konsequenz des Netzwerk-Ansatzes in die Analyse eingebunden sein, um ein tragfähiges Bild der familiengeschichtlichen Bedeutung wie auch der kommunikationshistorischen Verortung der Korrespondenz und nicht zuletzt auch des Selbstkonzepts Hans Fuggers entstehen zu lassen.
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Zum Desiderat der Erforschung Fuggerscher Nachrichten am Beispiel der Fuggerzeitungen: Schilling: Fuggerzeitungen sowie Mauelshagen: Nachrichtenaustausch, S. 423f. Vgl. Droste: Patronage, vgl. zu Sprachbeobachtungen im Patronagekontext die Arbeiten von Peck: Court Patronage, sowie Neuschel: Word of Honor.
Erster Teil Forschungsstand, Überlieferung und Methode
I. Hans Fugger und der Fuggersche Handel
A. Zur Biographie Hans Fuggers Hans Fuggers Erziehung und Jugendjahre spiegeln die Elemente einer «Sonderstruktur» in der Reichsstadt Augsburg, angesiedelt zwischen städtisch-bürgerlicher und adeliger Identität: Ab 1542 studierte er zusammen mit seinen Brüdern Marx (1529–1597) und Hieronimus (1533–1573) zunächst in Italien, dann in Frankreich und schließlich in Löwen, bevor sich 1552 ein Aufenthalt in Spanien und um 1555 am Kaiserhof in Wien anschloß. Der Erwerb höfischer Verhaltenscodes war erklärtes Erziehungsziel seines Vaters für die Söhne gewesen, um sie zur Aufnahme hoher Ämter zu befähigen, und tatsächlich scheinen sich Hans Fugger Perspektiven für einen Dienst am Hofe Ferdinands I. eröffnet zu haben. Anton Fugger dagegen hatte schon von früher Jugend an eine Ausbildung in den verschiedenen Faktoreien durchlaufen. Neben die Option ‹Hof› trat jedoch spätestens ab 1557 die zweite, wenn man so will, ursprünglichere Perspektive für den zweitgeborenen Sohn Antons, der Fuggersche Handel – beide Perspektiven, Hof wie Handel, werden für die vorliegende Arbeit die entscheidenden Pole zur Bewertung der Fuggerschen Korrespondenz sein. In der Antwerpener Faktorei, die durch den ersten spanischen Staatsbankrott und die Geschäftspraktiken des dortigen Faktors in eine ernste Krise geriet, konnte Hans Fugger auf Geheiß des Vaters die bedrohliche geschäftliche Lage wieder in ruhigeres Fahrwasser lenken. Kaufmännische bzw. Bankiers-Tätigkeit war zweifellos fester Bestandteil von Fuggers Selbstbild, und diese Haltung forderte er
Vgl. Mörke: Sonderstruktur. Die Lebensdaten nach Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 16. Die Zusammenstellung biographischer Fakten folgt dem kürzlich publizierten biographischen Abriß zu Hans Fugger bei Karnehm: Regesten I , S. 4*–16* (vgl. dort die weiterführende Literatur). Integriert in die allgemeine Familiengeschichte nun auch der Abriß bei Häberlein: Fugger, S. 97f. – Zum Abschied vom Kaiserhof vgl. auch Scheuermann: Montanindustrielle, S. 113. Zur Ausbildung Anton Fuggers vgl. Götz Freiherr von Pölnitz: Anton Fugger. Band 1, 1453–1535. Tübingen 1958 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte: Reihe 4, 6 = Studien zur Fuggergeschichte 13), S. 29–49, 54–63. Dazu Pölnitz, Kellenbenz: Anton Fugger, bes. S. 131f. Zu den Vorgängen um den Antwerpener Faktor Örtel ferner ebenda S. 119–121, 159f., 225, 251–254, 269.
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später in einem seiner Briefe mit Nachdruck für sich und seine Brüder als die angemessene ein: In einem Schreiben an den Fuggerfaktor Christoph Hörmann in Madrid kritisierte er 1569 seinen jüngsten Bruder, den 27-jährigen Jakob (1542–1598), er vertreibe sich lieber die Zeit mit Schlittenfahrten und mit lockerer Gesellschaft, als in der Schreibstube zu sitzen. Hans dagegen hatte seine Arbeit in der Antwerpener Niederlassung der Firma unter schwierigen geschäftlichen Bedingungen mit 26 Jahren aufgenommen. Jakob Fugger hat auch in späterer Zeit die Leitung der Geschäfte Marx und Hans überlassen, wie eine Formulierung im Gesellschaftsvertrag von 1591 nahelegt. An den Münchner Herzogshof führte Hans Fugger nach seiner Rückkehr aus Antwerpen die Verlobung mit Elisabeth Nothafft von Weißenstein (1539–1582) im Jahr 1560, einem bayerischen Kammerfräulein aus oberpfälzischem Turnieradel. Die Verbindung mit Adelsfamilien entsprach der gezielten Heiratspolitik Anton Fuggers. Mit Christl Karnehm wird man ohne weiteres davon ausgehen dürfen, daß die Verbindung mit den Nothafft zusätzlich zu den geschäftlichen Kontakten der Fugger zum Münchner Hof, von denen noch zu handeln sein wird, noch weitere Bekanntschaften mit Höflingen der bayerischen Herzöge mit sich brachte. Nach der Eheschließung nahmen Hans Fugger und seine Frau ihren Wohnsitz in den Fuggerhäusern am Augsburger Weinmarkt. Augsburg blieb nun, von wenigen Reisen und von den sommerlichen Aufenthalten auf den Herrschaftssitzen Kirchheim und Schmiechen abgesehen, der Lebensraum Hans Fuggers, seiner Frau und seiner Kinder Maria Jakobe (1562–1588), Anna Maria (1563–1592), Marx (1564–1614), Christoph (1566–1615) und Jakob (1567–1626),10 wo er fortan bis 1595 die Aufgabe übernahm, seinem älteren Bruder Marx, dem administrator und [...] haubtherr11 des Handels, bei der Firmenleitung zur Seite zu stehen. Die Erziehung seiner eigenen Kinder setzte die Maximen des Vaters fort: Die Söhne erhielten eine sorgfältige universitäre Erziehung;12 Marx d. J. stand zunächst als Mundschenk und Kämmerer
Die Lebensdaten Jakobs bei Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 16. Vgl. Hans Fugger an Christoph Hörmann, 25.01.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 356). – Die Kombination aus römischer und arabischer Ziffer in Klammern verweist jeweils auf die Band- und Briefnummer der Regesten zu den Kopierbüchern (mit Aufnahme der Teilbände als I, II/1, II/2). In diesem Gesellschaftsvertrag, der die Organisation der Firmenleitung für die Zeit nach dem Tod der Brüder regelte, nahm sich Jakob Fugger von der Leitung der Geschäfte aus: Gesellschaftsvertrag vom 20.11.1591, FA 33.5: Die weil [...] ich Jacob Fugger mich deß gemainen handels weesen nit under nomen. Zitiert nach Lutz: Struktur 2, S. 153. Zur Verflechtung mit dem Adel vgl. auch im zweiten Teil Kap. I. A.: Verwandte als Korrespondenten Hans Fuggers. Vgl. Karnehm: Regesten I, S. 9*, 46*f. – Verschiedene Mitglieder der Familie Nothafft standen in bayerischen Diensten; Elisabeths Vater Sebastian diente Herzog Albrecht als Hofmeister, Hofmarschall und Regimentsrat, ihr Bruder Burkhart war herzoglicher Pfleger. Vgl. Lanzinner: Fürst, S. 383. 10 Lebensdaten laut Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 24. Zu Biographien und Kindererziehung Karnehm: Regesten I, S. 65*–76*. 11 Lutz: Struktur 2, S. 153: Gesellschaftsvertrag vom 20.11.1591, FA 33.5. 12 Die Erziehung und frühe Karriere der Söhne im Überblick bei Karnehm: Regesten I, S. 73*–76*.
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in Diensten Erzherzog Karls in Wien, amtierte später als Präsident des Reichskammergerichts,13 übernahm 1600 das Amt eines herzoglich bayerischen Pflegers von Landsberg und leitete ab 1598 den Fuggerischen Handel.14 Vom überzeugten Katholiken Hans Fugger mit großem Wohlwollen betrachtet, schlug Jakob eine kirchliche Laufbahn ein und machte als Fürstbischof von Konstanz ab 1604 eine herausragende klerikale Karriere,15 während Christoph Fugger schon früh Aufgaben im Handel und bei der Güterverwaltung übernahm und im Kleinen Rat der Stadt Augsburg ab 1593 auch politisch aktiv wurde, seit 1608 sogar im Geheimen Rat als oberstem politischen Gremium.16 Die Heiratsverbindungen der Kinder Hans Fuggers setzten die Verbindung zum Reichsadel fort; zu erwähnen ist hier insbesondere die Verbindung Christoph Fuggers mit Maria von Schwarzenberg, die Fuggersche Ansprüche auf die Herrschaft Mindelheim entscheidend befestigen half,17 und die Heirat Maria Jakobe Fuggers mit Octavian Secundus Fugger im Jahr 1579, einem Vetter der RaymundLinie, was die Verklammerung der beiden Linien mit aufrechterhielt.18 1595 schließlich mußte Hans Fugger anstelle des schwer erkrankten Bruders Marx die Geschicke der Familiengesellschaft als Firmenleiter in die Hand nehmen.19 Die Lenkung der Geschäfte durch einen Regierer, ergänzt durch adjuncten, wie dies die Brüder Marx, Hans und Jakob noch 1591 festgelegt hatten,20 war aber nicht mehr unumstritten: Um die Nachfolge Marx Fuggers entbrannte trotz der ausdrücklichen Ermächtigung für Hans ein heftig ausgetragener Konflikt, insbesondere auch um die Lenkung der Geschäfte in Spanien. Auf Vermittlung von Hans’ Schwiegersohn Octavian Secundus Fugger kam schließlich 1597 ein Vergleich zustande, der die zukünftige abwechselnde Geschäftsleitung durch die drei Linien – derjenigen Marx, Hans und Jakob Fuggers beziehungsweise ihrer Erben – vorsah.21 Daß sich Hans Fuggers Interessen und seine Korrespondenz bis 1594, also in der Zeit vor der leitenden Funktion in der Firma, bei weitem nicht auf das Mäzenatentum und die künstlerische Ausgestaltung seiner Wohnsitze bzw. den Umbau des
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Zur Karriere Marx Fuggers bis 1594 vgl. im vierten Teil: Ein Fuggersohn auf Stellensuche. Zu Pflegamt und der Tätigkeit als Leiter des Handelshauses vgl. Haberer: Ott Heinrich, S. 33. Vgl. Konstantin Holl: Fürstbischof Jakob Fugger von Konstanz, 1604–1626, und die katholische Reform der Diözese im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts. Freiburg 1898 (Studien aus dem Collegium Sapientiae 1). – Zu den religiösen Überzeugungen Hans Fuggers vgl. Karnehm: Regesten I, S. 75* sowie Götz Freiherr von Pölnitz: Petrus Canisius und das Bistum Augsburg. In: ZBLG 18 (1955), S. 352–394, bes. S. 382. Vgl. Haberer: Ott Heinrich, 32–35. Eheschließung und Verbindung zu den Ansprüchen auf die Herrschaft Mindelheim bei Haberer: Ott Heinrich, S. 35–43. Zur Ehe Maria Jakobe und Octavian Secundus Fuggers vgl. Schad: Frauen Fugger, S. 41f. – Zu den Eheschließungen auch Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 24. Vgl. Karg: Regierer. Vgl. Lutz: Struktur 2, S. 154–162: Gesellschaftsvertrag vom 20.11.1591, FA 33.5. Die Differenzen insbesondere zum Handel in Spanien bei Häbler: Spanien, S. 180–189. Die neueste Zusammenfassung zu den Differenzen ab 1595 und ihrer Beilegung bei Haberer: Ott Heinrich, S. 112f. (mit Angabe der einschlägigen Archivalien).
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Schlosses Kirchheim beschränkten,22 hat Christl Karnehm jüngst mehrfach betont. Vielmehr war auch seine Kunstauffassung maßgeblich beeinflußt von praktischen, auch ganz konkreten finanziellen Erwägungen und repräsentativen Bedürfnissen.23
B. Die Fuggersche Handelsfirma in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Für die ältere Fuggerforschung bedeutete 1560, das Todesjahr Anton Fuggers, eine gewichtige Zäsur: Aus einer Perspektive, die wirtschaftliche Potenz als zentralen Bewertungsmaßstab anlegte, traten nun die «Epigonen und Diadochen»24 die Nachfolge an, denen immerhin zugebilligt wurde, unter krisenhaften Bedingungen auf den europäischen Finanzplätzen und in Verhandlungen mit den europäischen gekrönten Häuptern agieren zu müssen, ließ doch die wirtschaftliche Lage zu dieser Zeit «keine friedliche und ökonomisch sinnvolle Liquidation des Handels zu».25 Dabei kam nach dem Urteil der heutigen Forschung der Fuggerfirma schon vor dem Tod Antons lange nicht die paradigmatische Rolle zu, wie sie Ehrenbergs Diktum vom «Zeitalter der Fugger» präsentierte.26 Auf dem europäischen Kapitalmarkt hatte die Familiengesellschaft, wie Kellenbenz betonte, zwar eine bedeutende, bei weitem aber nicht die langfristig dominierende Position inne, die ihr zunächst zugeschrieben wurde.27 Die Unternehmung in den Händen eines einzelnen «Regierers» als Firmenleiter, die Konzentration auf die Habsburger und damit auf die Geschäfte mit Spanien und die Lösung vom Warenhandel, die unter Marx Fugger endgültig besiegelt wurde, waren weniger Vorbild denn Ausnahmeerscheinung in Wirtschaftsleben und Wirtschaftsorganisation im 16. Jahrhundert.28 Wiewohl Anton Fugger in seinem Testament die geordnete Auflösung des Handels als Weg der nahen Zukunft vorgezeichnet hatte,29 wurde die Firma noch bis zu 22 23
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Lill: Hans Fugger. Dazu ausführlich der kunsthistorische Exkurs bei Karnehm: Regesten I, S. 78*–112* sowie Dorothea Diemer: Hans Fugger und die Kunst. In: Fuggerarchiv (Hg.), Die Welt des Hans Fugger, 1531–1598. Augsburg 2007 (Materialien aus dem Fuggerarchiv 1). Vgl. auch Abb. 1, S. 24: Porträt Hans Fuggers (von Hans von Aachen). Zu weiteren Familienporträts vgl. den Anhang bei Karnehm: Regesten II/2. Pölnitz: Generationenproblem, S. 73. So Götz Freiherr von Pölnitz: Die Fuggersche Generalrechnung von 1563. In: Kyklos 20 (1967), S. 355–370, Zitat S. 357. Vgl. Ehrenberg: Fugger. Vgl. Hermann Kellenbenz: Die Konkurrenten der Fugger als Bankiers der spanischen Krone. In: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 24 (1979), S. 81–98, bes. S. 97. Vgl. dazu Häberlein: Brüder, S. 14–17, zusammenfassend auch Erich Landsteiner: Kein Zeitalter der Fugger. Zentraleuropa im langen 16. Jahrhundert. In: Friedrich Edelmayer u.a. (Hg.), Globalgeschichte 1450–1620: Anfänge und Perspektiven. Wien 2002 (Edition Weltregionen 4), S. 95–123, bes. S. 95–101. Vgl. Preysing: Fugger-Testamente, S. 25f.: Testament Anton Fuggers, 22.03.1550.
ihrer Abwicklung 1657 fortgeführt, freilich mit immer wieder wechselnden Gesellschafterkonstellationen. Der Fuggersche Handel war in dieser Zeit konfrontiert mit den Anfängen einer umfassenden wirtschaftlichen Krise, die durch französische wie spanische Staatsbankrotte sowie eine Reihe von Konkursen große Belastungen gerade auch des Augsburger Wirtschaftsgefüges darstellten; traditionsreiche Augsburger Unternehmen gingen bankrott, neue Firmen traten an ihre Stelle. Die Fuggerfirma wie zunächst auch die andere berühmte große Augsburger Handelsgesellschaft im 16. Jahrhundert, die Welser, konnten in dieser Krise bestehen.30 Die Familiengesellschaft war organisiert wie eine Offene Handelsgesellschaft, in der alle Gesellschafter voll hafteten, jedoch nur männliche Familienmitglieder außerhalb des geistlichen Standes Eigentums- und Leitungsfunktionen innehatten.31 Das Geschäft mit Bergbau und Großkrediten, das nach Jakob auch Anton als Haupterwerb der Gesellschaft betrieben hatte, wurde zunächst von Antons Neffen Hans Jakob Fugger aus der Raymunds-Linie zusammen mit Marx Fugger fortgeführt. Der Warenhandel wurde aufgegeben – das hierfür vorhandene Knowhow jedoch sollte in der Korrespondenz Hans Fuggers vielfach noch nutzbringend einzusetzen sein, wie noch dargelegt werden soll.32 Unternehmerische Fehlentscheidungen Hans Jakob Fuggers, besonders im Zusammenhang mit Krediten an die spanische Krone, und sein privater Konkurs führten 1564 zu seiner Auslösung aus der Firma, und dies unter heftigen Konflikten um die von ihm verursachten wirtschaftlichen Defizite und die geforderte Auslösungssumme.33 Nach Hans Jakob stiegen auch sein Bruder Christoph (1572) und die Söhne Georg Fuggers (1578–1584) aus dem Handel aus, so daß die ursprüngliche Firma sich mit dem verbleibenden Gesellschafterkreis – den Brüdern Marx, Hans und Jakob Fugger – von «Anthoni Fugger und Brüders Sön» zu «Marx Fugger und Gebrüder» wandelte.34
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Den gegenwärtigen Forschungsstand zur Wirtschaftskrise nach den Staatsbankrotten 1557 präsentiert Häberlein: Brüder, S. 37–40; die Hintergründe des Welser-Konkurses 1614 bei Reinhard Hildebrandt: Der Niedergang der Augsburger Welser-Firma (1560–1614). In: Mark Häberlein, Johannes Burkhardt (Hg.), Die Welser. Neue Forschungen zur Geschichte und Kultur des oberdeutschen Handelshauses. Berlin 2002 (Colloquia Augustana 16), S. 265–281. Vgl. Schiele: Aufschlüsse, S. 39–41. Ausführlich zum Gesellschaftersystem im 16. Jahrhundert Lutz: Struktur 1, S. 242–387. Zum Ende des Warenhandels vgl. Ehrenbergs Auswertung der Bilanz von 1563. Ehrenberg: Fugger, S. 173–176. Die Geschäftstätigkeit Hans Jakobs und seine Auslösung bei Maasen: Hans Jakob Fugger, bes. S. 31–43, Kellenbenz: Hans Jakob Fugger, S. 74–81. Zusammenfassend mit dem Verweis auf die Archivalien des FA Karg: Fugger, S. 100, 107 Anm. 26. Die Problematik der ersten Jahre nach dem Tod Antons bei Ehrenberg: Fugger, S. 171f. Vgl. dazu auch im vierten Teil besonders: Verbindungen der Familie Fugger zu den bayerischen Herzögen, S. 363–365. Zur Geschäftsentwicklung seit 1560 und insbesondere zur Auslösung der «Georg Fuggerischen Erben» vgl. Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 51–79. – Ein knapper Überblick bei Karg: Fugger, S. 99–101. – Zu Geschäftsentwicklung und Unternehmensorganisation im 16. Jahrhundert jüngst Häberlein: Fugger, S. 69–111 sowie im Überblick Haberer: Ott Heinrich, S. 101–111.
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Nach dem Ausscheiden Hans Jakobs fiel Marx Fugger die alleinige Leitung des Handels zu, bis zum Tod Georg Fuggers im Jahr 1569 noch durch ein Mitglied der Raymund-Linie in der Geschäftsführung unterstützt. Um 1563 arbeitete die Firma bei einem schwachen Stammkapital der Teilhaber in erster Linie mit Fremdmitteln, doch Marx erreichte langfristig – obwohl der Handel durch die Auslösung der verschiedenen Gesellschafter und durch Konkurse von Geschäftspartnern enorme finanzielle Lasten zu schultern hatte – die Konsolidierung durch die schrittweise Rückzahlung fremder Kredite. Wie Georg Lutz gezeigt hat, geschah dies auch unter dem Einsatz von Privatvermögen der noch in der Firma verbliebenen Gesellschafter.35 Die Sanierung des Handels ermöglichten vor allem die Gewinne, die in Spanien durch die Pacht der Gebiete der Ritterorden von Santiago, Alcántara und Calatrava (Maestrazgos) und insbesondere durch den damit verbundenen Betrieb des Quecksilberbergwerks von Almadén erzielt wurden.36 Das zweite Standbein im Bergbau bildete die Pacht von Bergwerken in Tirol zum Silber- und Kupferabbau. Deren Fördermengen allerdings gingen seit den 1570er Jahren deutlich zurück, und die Gewinne minderten sich bis 1600 erheblich.37 Im Rahmen der Erforschung der Fuggerschen Geschäftsaktivitäten in Spanien sind auch die Kreditbeziehungen zur spanischen Krone und ihre Verquickung mit der Maestrazgopacht eingehend beleuchtet worden. Bis 1563 wuchs der spanische Schuldenberg auf drei Millionen Dukaten an.38 1557, beim ersten spanischen Staats-
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Das Stammkapital der Firma stieg von weniger als 700.000 fl im Jahr 1563 auf ca. 5 Mio. fl im Jahr 1600. Allein für die Auslösung der Söhne Georg Fuggers mußten Barmittel von mehr als 750.000 fl aufgebracht werden. – Die erfolgreiche Sanierungstätigkeit Marx Fuggers betonen mit Nachdruck Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 54–57, 74 und Lutz: Marx Fugger, bes. 451–454. Zur den Belastungen des Fuggerschen Handels in den 1560er und 1570er Jahren auch Häberlein: Fugger, S. 102–104. Die Geschichte der Fuggerschen Geschäftstätigkeit in Spanien bis 1560 bei Hermann Kellenbenz: Die Fugger in Spanien und Portugal bis 1560. Ein Großunternehmen des 16. Jahrhunderts. München 1990 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte: Reihe 4, 23, 1 und 2 = Studien zur Fuggergeschichte 32, 1 und 2). – Zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer noch einschlägig Häbler: Spanien, die Geschäftsentwicklung der Spätphase auch bei Stephanie Haberer: Handelsdiener und Handelsherren – Andreas Hyrus und die Fugger. In: ZHVS 88 (1995), S. 137–155. Zusammenfassend Häberlein: Fugger, S. 105–107. Konnte für die Jahre 1570/71 noch ein Gesamtgewinn von mehr als 36.000 fl verbucht werden, so betrug der Erlös aus Schwazer Proprio- und dem Gemeinen Drittel- bzw. dem Halben Jenbacher Handel für 1598/99, also im Todesjahr Hans Fuggers, nur noch gut 7.000 fl. Die Aufstellung der Gewinn- und Verlustrechnungen der Zweige des Tiroler Handels bei Scheuermann: Montanindustrielle, S. 470f. – Die Entwicklung von Fördermengen der Silber- und Kupferproduktion der wichtigsten europäischen Abbaugebiete im Vergleich bei Ekkehard Westermann: Zur Silber- und Kupferproduktion Mitteleuropas vom 15. bis zum frühen 17. Jahrhundert. Über Bedeutung und Rangfolge der Reviere von Schwaz, Mansfeld und Neusohl. In: Der Anschnitt 38 (1986), S. 187–211. – Die Fuggerschen Geschäfte in Schwaz beleuchtet für die erste Phase nach 1560 Spranger: Metall- und Versorgungshandel. Vgl. Ehrenberg: Fugger, S. 173.
bankrott, konnten die Fugger durch Verhandlungen mit der königlichen Finanzverwaltung die Verluste zwar in Grenzen halten, doch die Gefahr der Einbeziehung in die nächstfolgenden Zahlungseinstellungen der Krone an ihre Gläubiger wurde größer. Ebenso vermehrten sich die ausstehenden Forderungen durch immer wieder neue Kredite, die mit der Verweigerung von Rückzahlungen ausstehender Summen erzwungen wurden. Im Jahr 1600 war ein Schuldenstand von fünf Millionen Dukaten erreicht. Die Pacht der Maestrazgos und der Quecksilberproduktion und die daraus resultierenden Gewinne stellten daher einen dringend benötigten Ausgleich zum Kreditbedarf der spanischen Finanzkammer dar, die horrende Kosten wegen der nahezu pausenlosen militärischen Aktivitäten des spanischen Königs zu tragen hatte.39 Die spanische Finanzproblematik war auch in den Briefen Hans Fuggers ein wichtiges Thema; im Zusammenhang mit Fuggers Nachrichten vom Aufstand der niederländischen Provinzen gegen die spanische Herrschaft wird davon noch ausführlich die Rede sein.40 Geschäftspartner im Bergbau und im Kreditwesen zugleich waren die Fugger auch gegenüber Erzherzog Ferdinand von Tirol. Die Aktivitäten der Firma Fugger im Tiroler Bergwesen gliederten sich in den Tiroler Propriohandel und die Fuggersche Beteiligung an der Jenbacher Gesellschaft. Der Propriohandel stellte einen eigenständigen Handel mit Betrieben in Kärnten und im Berggericht Kitzbühel dar, der für den sogenannten 1/3-Jenbacher-Handel das Kapital stellte, also für die Fuggersche Beteiligung an einem Zusammenschluß der Firmen Haug-Langnauer, Katzbeck-Manlich und Fugger, die zusammen in beträchtlichem Umfang Anteile am Tiroler Silber- und Kupferbergbau hielten. Nach dem Bankrott der Haug-Langnauer 1574 und dem Ausscheiden der Manlich-Katzbeck 1577 übernahmen die Fugger die Jenbacher Gesellschaft allein und stellten so neben dem Landesherren und Gewerken von Kitzbüheler Firmen die dritte Kraft im Tiroler Montanwesen.41 Umfangreiche Fuggersche Darlehen gingen seit 1579 an Erzherzog Ferdinand von Tirol, deren Tilgung zwar auf sich warten ließ, den Fuggern aber – zumindest nach der Einschätzung Ludwig Scheuermanns – eine verbesserte Verhandlungsposition im Bergwerksgeschäft verschaffte.42 Auch den Kaisern Ferdinand I., Maximilian II. wie Rudolf II. diente die Firma «Marx Fugger und Gebrüder» weiterhin mit hohen Krediten, und auch hier waren die Einnahmen aus den spanischen Maestrazgos entscheidende Basis für die Fuggersche Finanzkraft. Die Schulden Maximilians II. bei den Fuggern etwa beliefen
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Dazu ausführlich Häbler: Spanien. Vgl. im dritten Teil Kap. IV. A., S.174–198. Anteile, Organisation und Wandel der Jenbacher Gesellschaft ausführlich bei Scheuermann: Montanindustrielle, S. 132–237, zum rechtlichen Verhältnis zwischen Gesamtfirma, Propriohandel und Jenbacher Gesellschaft bes. 160f. Vgl. Häberlein: Fugger, S. 110. Ausführlich zum Tiroler Montanwesen der Fugger nun Spranger: Metall- und Versorgungshandel. Dazu Scheuermann: Montanindustrielle, S. 238–241. – Großzügige, teilweise zinslose Darlehen an Funktionsträger am Innsbrucker Hof, mit denen die Fugger teilweise auch familiär verbunden waren, sollten die Beziehungen zur Tiroler Regierungszentrale zusätzlich befestigen, vgl. Spranger: Metall- und Versorgungshandel, S. 40–77, bes. 42–64.
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sich im Jahr 1573 auf gut 225.000 fl, obwohl vorher schon mehrfach Abschlagszahlungen erfolgt waren.43 Eine enorme Belastung der kaiserlichen Finanzen wie auch der unmittelbar betroffenen Erbländer bedeuteten die exorbitanten Kosten für die Abwehr der Osmanen, besonders nach Ausbruch des «Langen Türkenkriegs» (1593–1606), und auch hier mußte die Fuggersche Familiengesellschaft mit hohen Beträgen beispringen: Im Jahr 1594 wurden Rudolf II. zu zwei Terminen Kredite in einer Höhe von insgesamt 340.000 fl bewilligt, ausdrücklich für die Finanzierung des Krieges gegen die Osmanen.44 Daß Hans Fugger also ebenso wie dem schon erwähnten niederländischen Kriegsschauplatz auch den Kämpfen gegen die Türken allein schon aus wirtschaftlichen Interessen heraus hohe Aufmerksamkeit schenken mußte, ist klar – die Briefe seiner aigen Korrespondenz geben davon beredtes Zeugnis.45
C. Die Fugger zwischen Patriziat und Adel Bereits im 15. Jahrhundert, so zumindest ein Urteil der städtischen Chronistik, fielen die Fugger im Vergleich zu anderen führenden Familien der Stadt aus dem Rahmen: Von adeligen Sitten, die sich bei der Hochzeit Fugger-Thurzo schon 1497 manifestiert hätten, war da in der Chronik des Kaufmanns Wilhelm Rem kritisch die Rede, also zu einer Zeit, in der die Erhebung der Familie in den Adelsstand noch lange nicht vollzogen war, dazu von hoffart, die so gar nicht in das städtische Normensystem passen wollte.46 Im Gegensatz zur Nobilitierung, die Jakob Fugger 1511 bzw. 1514 zur Beendung lehnsrechtlicher Querelen erreichte und die 1526 auch seinen Neffen Anton, Raymund, Hieronymus zuteil wurde, erfolgte die Auf-
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Vgl. Reinhard Hildebrandt: Der Kaiser und seine Bankiers. Ein Beitrag zum kaiserlichen Finanzwesen des 16. Jahrhunderts. In: Friedrich Edelmayer u.a. (Hg.), Finanzen und Herrschaft. Materielle Grundlagen fürstlicher Politik in den habsburgischen Ländern und im Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert. Wien, München 2003 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 38), S. 234–245, hier 240f. Zusammenfassend Häberlein: Fugger, S. 107. Vgl. FA 48.5 Schuldsachen des Hauses Habsburg (außer Spanien): Die im Januar 1594 vereinbarte Darlehenssumme belief sich auf 300.000 fl, im Dezember 1594 kamen weitere 40.000 fl hinzu. Vgl. hierzu ausführlich im dritten Teil Kap. IV., B.: Die Türkenkriege, S. 198–234. So Wilhelm Rem: Cronica newer geschichten (1512–1527). In: Die Chroniken der schwäbischen Städte, Bd. 5. Leipzig 1896, ND Stuttgart 1966 (Die Chroniken der deutschen Städte 25), S. 3–265. Vgl. auch Mörke: Sonderstruktur, S. 147. – Die Kontrastierung von Perspektiven auf die Fugger inner- und außerhalb der Stadt bei Wolfgang Wüst: Das Bild der Fugger in der Reichsstadt Augsburg und in der Reiseliteratur. In: Johannes Burkhardt (Hg.), Augsburger Handelshäuser im Wandel des historischen Urteils. Augsburg 1996 (Colloquia Augustana 3), S. 69–86. Zur Chronik Rems und dem von ihm betonten, durch die aufwendige Fuggersche Repräsentation bewirkten Normenwandel in der Stadt Häberlein: Fugger, S. 166–169.
nahme ins Augsburger Patriziat erst 1538.47 Gerade die offene Prachtentfaltung, die bezeichnenderweise von protestantischen Chronisten besonders heftig angefeindet wurde, entwickelte sich zu einem langlebigen Motiv der Fugger-Kritik, das genauso noch in der Chronik Georg Kölderers im späten 16. Jahrhundert aufschien und als repräsentativer Ausdruck einer Zeitstimmung gewertet wurde, der Gottsforcht und Tugendt nicht mehr viel gelte.48 Im Fuggerschen Selbstverständnis allerdings standen städtische und adelige Existenz nebeneinander; Olaf Mörke hat im Zusammenhang mit seiner These von der «Sonderstruktur» darauf hingewiesen, daß Vertreter der Familie sich gerade in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in hohen Ratsämtern engagierten: Hans Jakob Fugger als Bürgermeister, Marx Fugger, Hans’ Bruder also, und Octavian Secundus Fugger als Stadtpfleger. Im Zusammenhang mit Fuggers Briefen zum Kalenderstreit wird an die städtische Verortung der Familie nochmals anzuknüpfen sein.49 In ihrer familiären Orientierung suchten die Fugger – im Gegensatz zu den Welsern etwa – jedoch im 16. Jahrhundert auch ganz gezielt das Konnubium mit dem Adel: Die von Anton Fugger betriebene Heiratspolitik setzte die um 1500 begonnenen Vernetzung mit dem Reichsadel konsequent fort und mündete in zahlreiche Verbindungen insbesondere mit dem Adel in Süddeutschland und den österreichischen Erbländern, was Katarina Sieh-Burens als «geopolitischen Aspekt» in der verwandtschaftlichen Verflechtung durch Anton Fugger wertete; die Koinzidenz mit geschäftlichen Schwerpunkten der Fugger ist dabei schlagend. Auch Hans Fuggers Eheschließung mit Elisabeth aus dem Turniergeschlecht der Nothafft von Weißenstein ist in dieser Linie zu verorten. Vertreter dieser Adelsfamilien hatten gleichzeitig vielfach wichtige Positionen am bayerischen Hof sowie in den erbländischen Zentralbehörden bzw. am Kaiserhof inne; durch die enge verwandtschaftliche Verflechtung unter bayerischen wie erbländischen Amtsträgern erweiterten sich die Fuggerschen Kontakte über Verschwägerungen zusätzlich.50 Es wird noch davon die Rede sein, wie Hans Fugger sich diese familiären Verbindungen im Rahmen seiner Korrespondenz zunutze machen konnte. Zugleich aber ist mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß die Fuggersche memoria in Gestalt des «Ehrenbuchs der Fugger» die Herkunft aus Handwerker- und Kaufmannsstand
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Hintergrund der Erhebung in den Adelsstand war der Erwerb der Grafschaft Kirchberg und der Herrschaften Pfaffenhofen, Weißenhorn und Wullenstetten 1507: Der landsässige Adel verweigerte Jakob Fugger als Angehörigem eines niedrigeren Standes die Anerkennung, so daß die Nobilitierung (1511 Reichsadel, 1514 Grafenstand) dieses Problem lösen sollte. So Nebinger: Standesverhältnisse, S. 267–269. Vgl. Mauer: Geschrey, S. 101–106, Zitat S. 103. – Zur Chronistik der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Mörke: Sonderstruktur und Häberlein: Fugger, S. 164–175. Die Amtszeiten der Bürgermeister und Stadtpfleger bei Sieh-Burens: Oligarchie, S. 347. Zu Marx als Stadtpfleger Lutz: Marx Fugger, S. 456f.; Hans Jakob Fuggers Positionen und Politik im Rat bei Kellenbenz: Hans Jakob Fugger, S. 57–74. – Zum Kalenderstreit vgl. im dritten Teil Kap. IV. D., S. 251–283. Zur Heiratspolitik Sieh-Burens: Oligarchie, S. 93–98, Zitat S. 95.
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nicht leugnete, sondern explizit einband und den ehrenwerten, gottgefälligen Aufstieg der Familie betonte.51 Der umfangreiche Grundbesitz der Fugger, dessen Anfänge bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückreichen und der sich schließlich um 1600 im Raum zwischen Ulm, Donauwörth, Augsburg und Memmingen auf 50 Grundherrschaften mit rund 100 Dörfern summiert hatte,52 vermochte mehreren Zielsetzungen zu dienen: Wie für andere Handelsfirmen auch, waren Grundbesitz und Grundherrschaft Möglichkeiten der Kapitalanlage und der langfristigen Sicherung erworbenen Vermögens. Damit Hand in Hand ging jedoch auch die Positionierung in der Adelsgesellschaft: Nobilitierung war die Voraussetzung für die wirksame Anerkennung und Ausübung von Herrschaftsrechten, wie schon Jakob Fugger erfahren hatte; Grundherrschaft war zugleich das Signum adligen Lebensstils.53 Mandrou betonte das «beharrliche Festhalten am Land»54 und die engagierte Verwaltung des Besitzes als Fuggersche Spezifika, während andere Handelsfamilien den Grunderwerb flexibler betrachteten, im Wechsel an-, aber auch wieder verkauften. Anton und die Söhne Raymund Fuggers dagegen hatten sich schon 1546 auf die Unveräußerlichkeit des Grundbesitzes und auf die männliche Erbfolge verständigt.55 Den engagierten Ausbau des Grundbesitzes durch Anton, der insbesondere eine Reihe von Grundherrschaften erwarb, setzten Marx, Hans und Jakob nach der 1575 erfolgten Erbteilung des väterlichen Vermögens in erster Linie durch den Kauf von Eigengütern, weniger von Grundherrschaften, fort. Hans fielen bei der Erbteilung durch Los Kirchheim, Glött, Mickhausen, Stettenfels, Schmiechen zu, selbst erwarb er neben Eigengütern 1587 Reinhartshausen nahe Kirchheim
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Vgl. die grundlegende Erschließung des «Ehrenbuchs» durch Gregor Rohmann: Das Ehrenbuch der Fugger. Darstellung – Transkription – Kommentar. Augsburg 2004 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft Reihe 4; 30/1 = Studien zur Fuggergeschichte 39/1). Vgl. Mandrou: Grundbesitzer, S. 37. Die Grundherrschaften der Fugger sind Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Studien und Überblicksdarstellungen. Neben Mandrou sind in Auswahl noch besonders hervorzuheben: Thea Düvel: Die Gütererwerbungen Jakob Fuggers des Reichen (1494–1525) und seine Standeserhöhung. Ein Beitrag zur Wirtschafts- und Rechtsgeschichte. München, Leipzig 1913 (Studien zur Fuggergeschichte 4), Gerhart Nebinger: Die Standesherren in Bayerisch-Schwaben. In: Pankraz Fried (Hg.), Probleme der Integration Ostschwabens in den bayerischen Staat: Bayern und Wittelsbach in Ostschwaben. Sigmaringen 1982 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft 7), S. 154–216, Adolf Layer: Die Besitzungen der Gräflichen und Fürstlichen Familie Fugger. In: Max Spindler (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. III/2. München 1979, S. 994–998, Pankraz Fried: Die Fugger in der Herrschaftsgeschichte Schwabens. München 1976 (Schriften der Philosophischen Fachbereiche der Universität Augsburg 9). Grundlegend zum Bürgerbesitz auf dem Land: Rolf Kießling: Die Stadt und ihr Land. Umlandpolitik, Bürgerbesitz und Wirtschaftsgefüge in Ostschwaben vom 14. bis ins 16. Jahrhundert. Köln, Wien 1989 (Städteforschung A 19). Mandrou: Grundbesitzer, S. 64. Mandrou: Grundbesitzer, S. 35, 197. Anton erwarb bis 1560 Glött, Babenhausen, Dorndorf, Beuren, Roth, Pleß, Boos, zusammen mit den Söhnen Raymunds die Herrschaft Kirchheim, dazu noch zahlreiche Eigengüter. Dazu Mandrou: Grundbesitzer, S. 50–54.
und 1593 Pestenacker bei Schmiechen.56 Hans’ Gütererwerb und -verwaltung kann im Rahmen dieser Arbeit nicht umfassend aufgearbeitet werden; die Archivalien hierzu sind noch weitgehend unerschlossen und bedürften einer eigenen Untersuchung.57 Mandrou hat aber im Rahmen der Kreditgewährung an Bauern bereits auf die ausgesprochen ertragsorientierte Verwaltung durch Hans Fugger hingewiesen.58 Der von Mandrou erschlossene forcierte Grunderwerb seit Anton, seine sorgfältige Verwaltung, parallel dazu die entschieden betriebene konnubiale Verbindung mit dem Hochadel, kann insgesamt, wie Stephanie Haberer formuliert, als «bewußter Schritt im Prozeß der Aristokratisierung der Familie»59 bezeichnet werden. Die Brücke vom Grundherren Hans Fugger zum Briefschreiber, wie er uns im aigen copierbuech begegnet, kann so manches Mal geschlagen werden, wenn Fugger mit den Pflegern seines Besitzes zumindest vereinzelt Informationen zum Umgang mit Untertanen der Herrschaften, zu Baumaßnahmen oder zur Vorbereitung der Landsitze auf Besuche Fuggers und seiner Familie austauschte. Christl Karnehm hat bereits darauf hingewiesen, daß derartige Briefe vermutlich nur deshalb im Konvolut dieser Kopierbücher auftauchen, weil die Schreiber der aigen Korrespondenz ihre Kollegen, die mit dem Schriftverkehr zur Güterverwaltung betraut waren, fallweise vertraten. Für die spätere Zeit der Kopierbücher sind Briefe an Pfleger und Bedienstete der Herrschaftssitze gar nicht mehr nachzuweisen, möglicherweise ebenfalls ein Hinweis auf eine neue oder zumindest klarer strukturierte Aufgabenverteilung unter den Fuggerschen Sekretären.60 Das Verhältnis zur Verwaltungskorrespondenz ist allerdings nicht der einzige Punkt, der Fragen zu Intention und Anlage von Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech aufwirft; anknüpfend an Christl Karnehms grundsätzliche Überlegungen hierzu wird das folgende Kapitel daher zentrale Fragen zur Kopierbuch-Erstellung anhand ausgewählter Beispiele aus der überlieferten Korrespondenz zu klären versuchen.
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Der Überblick bei Mandrou: Grundbesitzer, S. 55. Vgl. auch den Hinweis bei Karnehm: Regesten I, S. 18*. Vgl. Mandrou: Grundbesitzer, S. 183–186. In der Fuggerchronik von 1599 wurde denn auch der Erhaltung und Bewahrung seines Grundbesitzes noch mehr Platz eingeräumt als etwa dem Neubau von Schloß Kirchheim, vgl. Meyer: Chronik der Fugger, S. 78–80. Haberer: Ott Heinrich, S. 153. Vgl. dazu Karnehm: Regesten I, S. 18*.
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Abb. 1: Hans Fugger (1531–1598). Hans von Aachen, um 1590, Fuggermuseum Babenhausen
Abb. 2: Grabmal Hans Fuggers, Schloßkirche Kirchheim. Alexander Colin nach einem Wachsmodel von Hubert Gerhard. 1589/87
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II. Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech: Entstehung und Überlieferung
Die vorliegende Untersuchung der auslaufenden Briefe Hans Fuggers basiert auf den 4676 Briefen, die als Kopierbucheinträge in Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech aus den Jahren 1566 bis 1594 im Fürstlich und Gräflich Fuggerschen Familien- und Stiftungsarchiv in Dillingen/Donau überliefert sind.1 Der Begriff des aigen Buch zeigt bereits an, daß es sich hier nicht um eine Sammlung der Kopien auslaufender Briefe aus der Überlieferung des Fuggerschen Handels dreht, sondern um eine Korrespondenz, die Hans Fugger zunächst einmal als von den Geschäften der Firma getrennt verstanden wissen wollte. Inwieweit diese Unterscheidung dann tatsächlich durchgehalten wurde bzw. sich durchhalten ließ, wird die Differenzierung der Themenfelder im zweiten Teil dieser Arbeit zeigen. Ergänzt wurden die Kopierbuch-Briefe für die vorliegende Untersuchung durch 35 Briefe Fuggers aus dem Geheimen Hausarchiv München an Herzog Wilhelm V. von Bayern, die bereits in die Regestenausgabe der Briefe übernommen wurden,2 sowie um 139 Schreiben Fuggers, vornehmlich an Wilhelm V. und Albrecht V. von Bayern, die bei weiteren Recherchen im Geheimen Hausarchiv bzw. im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München eruiert werden konnten und nicht in die Kopierbücher eingetragen waren.3 Sie setzen mit den ersten Beispielen schon vor der Kopierbuchüberlieferung, nämlich 1563 ein, wurden jedoch zusätzlich in die Analyse der Kopierbuchbriefe einbezogen, da sich der Briefwechsel Fuggers mit
Bestand: FA 1.2.5 bis FA 1.2.16d. Der erste Brief der erhaltenen Kopierbuch-Sammlung datiert vom 20.08.1566 (FA 1.2.5 H. 5), der letzte vom 06.04.1594 (FA 1.2.16d H. 93). – Die ersten Hefte der Sammlung sind im Zuge der Erarbeitung der Regesten foliiert worden, ab Heft 12 wurde eine Paginierung vorgenommen. Diesen Angaben folgen auch die Zitatnachweise der vorliegenden Arbeit, im übrigen wird bei wörtlichen und sinngemäßen Briefzitaten außer Adressat, Datum, Archivsignatur, ggf. Paginierung/Foliierung auch die Band- und Briefnummer der Regesten Christl Karnehms angegeben. Bei wörtlichen Zitaten, die nicht den Regesten entnommen wurden, erfolgte die Transkription in durchgehender Kleinschreibung (ausgenommen Eigennamen, Nomina sacra und Abkürzungen) mit Schreibung von u, v, w je nach Lautwert. 2 GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger II. Die Briefe dieser Sammlung sind nicht foliiert. 3 Überliefert unter GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I (102 Schreiben Hans Fuggers, nicht foliiert, 1572–1579), GHA Hofhaushaltsakten 15 (5 Briefe Hans Fuggers, nicht foliiert, 1571–1573), BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 4851 (27 Briefe, foliiert, 1563/64, 1568), BayHStA Fürstensachen 361 (1 Schreiben, foliiert, 1572), BayHStA Fürstensachen 426/I, Nr. 15 (1 Brief, 1572), BayHStA Fürstensachen 439 (2 Briefe, foliiert, 1584/85). 1
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den bayerischen Herzögen im Laufe der inhaltlichen Analyse der Fuggerbriefe als ein zentraler Teil der Korrespondenz erwies, der eine möglichst vollständige Erschließung der Schreiben Fuggers an die Herzöge nahelegte. Auch ein einzelner Brief Fuggers an Philipp Ludwig, Pfalzgraf von Neuburg, der in Abschrift in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg erhalten ist, wurde aufgrund seiner hervorragenden Bedeutung und der inhaltlichen Parallelität zu den Kopierbuch-Briefen mit in diese Untersuchung aufgenommen. Die Kopierbuchserie im Fuggerarchiv umfaßt heute noch 58 zur Zeit Hans Fuggers angelegte und numerierte Hefte, das Deckblatt jeweils versehen mit dem handschriftlichen Titel Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech, ergänzt um Jahreszahl und Datum des ersten Eintrags. Für den Zeitraum von 1566 von 1594 existieren mehrere Überlieferungslücken: Die größte umfaßt mit der Zeit von 1587 bis 1591 fünf Jahre, alle anderen beschränken sich auf jeweils wenige Monate eines Jahres. Bis zum Frühjahr 1594, in dem die Überlieferung endgültig abbricht, sind wohl 32 Hefte verloren, die ursprüngliche Kopierbuch-Sammlung umfaßte also noch etliche hundert Briefe mehr. Ursprünglich bestand die Sammlung aus mindestens 93 Heften: Die heutige Überlieferung setzt mit Heft 5 im August 1566 ein und bricht mit Heft 93 im April 1594 ab. Georg Lill, dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch mehr Hefte vorgelegen haben müssen, datierte das erste Heft auf das Jahr 1564 und bestimmte die Zahl der Briefe auf rund 5.000 Schreiben. Die Hefte für 1587–1593 waren schon zu seiner Zeit verloren; daneben erwähnt er nur kleinere Überlieferungslücken. Stellt man auf der Basis von Durchschnittswerten vollständig überlieferter Brief-Jahrgänge eine – freilich notgedrungen recht spekulative – Schätzung für die nicht überlieferten Kopierbuch-Briefe an, so dürfte die Kopierbuchsammlung von 1564 bis 1594 ursprünglich zwischen 7.000 und 8.000
SuStBA 4° Cod. Aug. 150, Nr. 21: Coppia des andern messiff schreibens, so herr Hans Fugger, an pfalzgraff Phillips Ludwig auf Johan Baptista Hainzels und Christoff Welser der jungen gegenberichts stellen lassen, und zuegeschickt hat, den 16. Septembris ao 1585. Beispielsweise nach dem folgenden Muster für Heft 20, FA 1.2.7 H. 20: Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech, angefangen den ersten decembris, obsteendts 1574. jars, N: 20. Für das Jahr 1570 sind nur 13 Briefe in den Kopierbüchern überliefert, weil Hans Fugger in diesem Jahr eine Romreise unternahm. Vgl. dazu Karnehm: Regesten I, S. 17*. Es fehlen die Hefte 1–4, 6 und 7, 10, 33, 41, 47, 50, 52, 56 und 57, 62, 67–84, 89, 92. Bei den fehlenden Heften 6 und 7 handelt es sich vermutlich nur um einen zeitgenössischen Schreibfehler, da zwischen dem letzten Eintrag in Heft 5 und dem ersten Eintrag in Heft 8 nur wenige Tage liegen. Vgl. Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, um den 08.12.1567 [Datum unleserlich, aus vorangehenden Briefen in etwa erschlossen], FA 1.2.5 H. 5 (I 155) und Hans Fugger an Lienhart Peer, 13.12.1567, FA 1.2.5 H. 8 (I 156). Für das fehlende Heft 47, das nur sechs Wochen umfaßt hätte, ist dasselbe anzunehmen, vgl. Hans Fugger an einen unbekannten Adressaten, 05.03.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2300) sowie an Philipp von Rechberg, 19.04.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/ 2301). Warum Lill: Hans Fugger, S. 12, Anm. 1 von 34 verlorenen Heften spricht, ist mir nicht ersichtlich, zumal ihm die Hefte 1–4 wohl noch vorgelegen haben. Vgl. Lill: Hans Fugger, S. 12, Anm. 1.
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Briefen umfaßt haben. Berücksichtigt man zusätzlich die Fuggerschen Eintragungs-Gewohnheiten für das aigen copierbuech, so braucht Hans Fuggers Korrespondenz vom Umfang her betrachtet den Vergleich mit einem großen Briefschrei ber der Reformation, Philipp Melanchthon, und dessen rund 7.000 überlieferten Briefen nicht zu scheuen.10
Anzahl der Briefe pro Jahr
Jahre
Grafik 1: Briefe der Kopierbücher pro Jahr, ergänzt um die Überlieferung aus GHA, BayHStA, SuStBA (4851 Schreiben; Jahresangaben im Zweierschritt: keine Überlieferung für 1565, 1587–1591).
Die Hefte umfassen unterschiedlich lange Zeiträume, je nach Umfang der Korrespondenz, die im jeweiligen Abschnitt eines Jahres anfiel. Aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv sind eigenhändige Briefe Hans Fuggers an Albrecht V. von Bayern aus dem Jahr 1563 überliefert, die nicht im Kopierbuch verzeichnet sind, aber thematisch dort gut einzugliedern wären, was den ungefähren Beginn der Kopierbuch-Führung 1563/64 nach den Angaben Lills stützt.11 Ob Fugger sein aigen copierbuech bis in die letzten Monate seines Lebens unvermindert weiterführte, läßt sich ebenfalls nicht mehr erschließen. Offensichtlich versehentlich eingebunden
Die Zahl der Briefe pro Heft schwankt (je nach Korrespondenzaufkommen und Brieflänge), daher ist eine Schätzung des gesamten Kopierbuchbestandes bis 1594 mit großen Unsicherheiten behaftet; das zugrundegelegte durchschnittliche Briefaufkommen von rund 250 Briefen wurde errechnet für die vollständig überlieferten Kopierbuch-Jahrgänge (1567, 1568, 1571–1573, 1574–1578, 1580, 1582, 1586). 10 Vgl. Heinz Scheible (Hg.): Melanchtons Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe. Stuttgart, Bad Cannstatt 1977ff. – Die für das Unternehmen des Francesco Datini di Marco überlieferten rund 140.000 Briefe können nicht als Vergleichs-Maßstab für Hans Fugger gelten, handelt es sich hier doch zum größten Teil um Schriftverkehr zwischen den verschiedenen Niederlassungen des Datini-Handels in Italien, Frankreich und Spanien. Die privat geführte Korrespondenz Datinis umfaßte dennoch um die 11.000 Briefe. Vgl. Origo: Datini, S. 7f. 11 Christl Karnehm geht von einem Überlieferungsbeginn 1563/64 aus, vgl. Karnehm: Regesten I, S. 17*.
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wurden bei der Banderstellung wenige Hefte zur Güterverwaltung. Diese Schriften zu den Herrschaften stellen an sich einen eigenen Überlieferungsstrang dar, der bislang noch nicht untersucht worden ist.12 Die Anlage von Kopierbüchern war in Fuggers Zeit eine häufig gepflegte Form der Archivierung ausgehender Briefe gerade im kaufmännischen Bereich, die sich seltener auch auf Briefe ohne geschäftlichen Inhalt erstreckte.13 Die Art der Bindung der Fuggerschen Kopierbücher belegt, daß die Hefte bereits beim ersten Eintrag als noch leeres, gebundenes Konzeptbuch bereitlagen und Briefkopien also nicht nachträglich zusammengebunden wurden, wie dies beispielsweise bei den Originalbriefen der Fuggerzeitungen des Philipp Eduard und des Octavian Secundus Fugger, einer Sammlung von einlaufenden Briefen bzw. Nachrichtenbeilagen, der Fall war.14 Die Zusammenfassung der überlieferten Hefte in heute 19 Bände – überwiegend nach Jahren gegliedert – wurde in der Zeit zwischen Jahrhundertwende und Zweitem Weltkrieg vorgenommen.15 Wie schon Christl Karnehm betont hat, handelt es sich bei den Briefen der Kopierbücher um Diktate Hans Fuggers, ganz überwiegend an zwei Sekretäre, wie aus den Handschriften der Kopierbücher zu erschließen ist.16 Bis auf einen italienischen Brief aus der Frühzeit der Kopierbücher sind alle Briefe auf deutsch verfaßt, ansonsten finden sich allerdings häufig lateinische und italienische Zitate oder Phrasen eingestreut.17 An der Überlieferung der an Wilhelm V. abgesandten Briefe im Geheimen Hausarchiv München läßt sich die variable Praxis bei der Erstellung der Kopierbucheinträge nachvollziehen: In den Korrespondenzakten Wilhelms V. sowie in den Fürstensachen des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, die Briefe Hans Fuggers betreffen, sind etwa zur Hälfte des dort aufgefundenen Bestandes eigenhändig verfaßte Fuggersche Schreiben überliefert, die in den Kopierbüchern 12
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Es handelt sich hierbei um zwei Hefte, die sich unter den Kopierbüchern zu den Jahren 1577 und 1578 finden. Sie sind nicht unter die Regesten aufgenommen und werden auch in der vorliegenden Arbeit nicht einbezogen. Vgl. dazu die Hinweise bei Christl Karnehm: Regesten II/1, 497, 563, Anm. 1 zu II/1 1315. Nach Reininghaus stellen Briefkopierbücher der auslaufenden Briefe den Großteil der heute noch erhaltenen kaufmännischen Korrespondenzen dar, vgl. Wilfried Reininghaus: Kaufmännisches Schriftgut im «Hinterland» von Amsterdam. Das Beispiel der Kompanie J. C. Harkort und der Iserlohner Kaufleute (1684–1819). In: Jochen Hoock, Wilfried Reininghaus (Hg.), Kaufleute in Europa. Handelshäuser und ihrer Überlieferung in vor- und frühindustrieller Zeit. Dortmund 1997 (Untersuchungen zur Wirtschafts-, Sozial- und Technikgeschichte 16), S. 51–60, hier S. 57. Ein Beispiel für private Aufzeichnungen in Kopierbüchern im Sinne eines persönlich-intimen Charakters gibt Beer: Private Correspondence, S. 1 (Kopierbuch des Lienhard Tucher). Über die Bindung auch Karnehm: Regesten I, S. 17*. Zur Entstehung der Fuggerzeitungen vgl. Fitzler: Fuggerzeitungen. Unterlagen, die eine zeitlich engere Bestimmung zuließen, sind im Fuggerarchiv nicht überliefert; die hier gegebene Einschätzung nach der freundlichen Mitteilung des Archivars im Fuggerschen Familien- und Stiftungsarchiv, Franz Karg. Zur Entstehung der Kopierbücher auch Karnehm: Regesten I, S. 17*f. Karnehm: Regesten I, S. 17*f. Fuggers Brief an Robert von Brederade, 02.09.1566, FA 1.2.5 H. 5 (I 5), ist in italienischer Sprache abgefaßt.
nicht verzeichnet sind. Briefe, die im Kopierbuch notiert sind und sich auch unter den Korrespondenzakten der Herzöge finden, wurden in erster Linie von Fuggers Schreibern erstellt und von Fugger eigenhändig unterzeichnet.18 Ebenso finden sich im Geheimen Hausarchiv auch einige von den Sekretären geschriebene Briefe, zu denen kein Kopierbucheintrag vorliegt.19 Wie auch Christl Karnehm betont, muß Fugger also in unbekannter Anzahl eigenhändig Briefe verfaßt haben, die nicht in der Kopierbuchüberlieferung zu greifen sind. Sie werden dort allerdings nur zum Teil als inhaltliche ‹Leerstellen› faßbar, wenn Fugger explizit auf Briefe verweist, die im Kopierbuch nicht aufgeführt sind oder wenn der thematische Zusammenhang von zwei Briefen an denselben Adressaten nur unvollständig ermittelt werden kann, so daß in einem solchen Fall ein eigenhändiger Brief Fuggers zu vermuten ist, der in der Zwischenzeit verfaßt wurde.20 Es läßt sich allerdings nicht belegen, daß Hans Fugger Schreiben innerhalb der Familie mit persönlich-intimem Inhalt grundsätzlich nur mit eigener Hand und ohne Kopierbuch-Eintrag verfaßt hätte. Fugger entschuldigte sich zwar häufig gerade gegenüber Familienmitgliedern, daß er wegen einer Unpäßlichkeit einen Brief nicht eigenhändig verfaßt habe, doch es existieren auch zahlreiche Schreiben in den Kopierbüchern, die an engste Familienmitglieder gingen, ohne daß Fugger ein Wort darüber verlor, daß er diese Briefe ausnahmsweise nicht selbst schreibe. Von daher belegt der Eintrag eines Briefes ins Kopierbuch nicht hinreichend, daß die Reinschrift nicht auch häufiger durch Fugger selbst vorgenommen wurde.21 Auf jeder der Kopierbuchseiten wurde linksseitig ein Rand stehengelassen, auf dem neben dem Beginn eines jeden Briefs in Marginalie meist der Name des Briefempfängers und/oder dessen Aufenthaltsort angegeben wurden. Briefe mit dem Randvermerk Wien beispielsweise gingen, wie dann meist auch die
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109 der 260 Briefe im Geheimen Hausarchiv und Bayerischen Hauptstaatsarchiv waren von Sekretären Fuggers geschrieben, zwei Briefe lagen als Briefkopie aus der herzoglichen Kanzlei vor (Briefkopien: BayHStA, Fürstensachen 439, fol. 12 und fol. 13: Hans Fugger an Wilhelm V., 26.04.1584 und 08.05.1585). Insgesamt 33 Briefe, die Fugger bis auf eine Ausnahme (Hans Fugger an Wilhelm V., 30.04.1576, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I) eigenhändig unterzeichnete. Vgl. Hans Fugger an Simon Eck, 01.12.1573, FA 1.2.6b H. 17 (I 1231): Fugger verweist auf seinen Brief an Trautson, der im Kopierbuch nicht nachzuweisen ist; im Brief an Balthasar Trautson, 23.12.1578, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1426) bezog Fugger sich auf ein früheres Schreiben über die Familie Hoyos, über die jedoch im Briefwechsel mit Trautson keine Informationen enthalten sind. Vgl. als Beispiele: Hans Fugger an Hans Gaudenz von Spaur, 24.04.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1932): Hans Fugger kann wegen eines Podagra-Anfalls nur diktieren; Hans Fugger an Konrad von Bemelberg, 16.01.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3120): Fugger berichtet über eine Geschwulst an der Hand, wegen der er nicht selbst schreiben könne. An beide Verwandte – Spaur war Fuggers Schwager, Bemelberg sein Schwiegersohn – gingen jedoch auch Kopierbuch-Schreiben, die keine Entschuldigung wegen einer Ausfertigung durch einen Sekretär enthalten, vgl. Hans Fugger an Hans Gaudenz von Spaur, 11.11.1581, FA 1.2.11 H. 42 (II/1 1987) sowie an Konrad von Bemelberg, 15.02.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3146).
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namentliche Anrede im Schreiben zusätzlich klärt, also häufig an den dortigen Faktor, im Wiener Fall an Gabriel Geizkofler, oder einen der Handelsdiener in der Faktorei.22 Es gibt mehrere Belege dafür, daß wir mit diesen Kopierbüchern nicht Abschriften der Endversion ausgehender Briefe vorliegen haben, sondern ein erstes Diktat der Briefe, das bei Bedarf vor der Reinschrift einer Überarbeitung unterzogen wurde. Stichproben haben ergeben, daß Briefe an Wilhelm V., die sowohl im Geheimen Hausarchiv als auch über die Kopierbücher überliefert wurden, textidentisch waren – bis auf kurze, eigenhändige Zusätze Hans Fuggers, die am Ende eines ansonsten vom Sekretär abgeschriebenen Briefes noch angefügt wurden, weil Fugger kurz vor Versand des Schreibens eine weitere Information in den Brief einbringen wollte. Beispiele sind Anmerkungen zu Waren, die Fugger an Wilhelm V. weitersandte oder knappe Erläuterungen, um die Intention des Fuggerschen Briefes klarzustellen.23 Beleg ist auch ein Empfehlungsschreiben an Wilhelm V., das Fugger auf Bitten des herzoglichen Arztes Paulo Giudelli verfaßte: Vom Kopierbuch weicht allein ein Zusatz ab, den Fugger im versandten Brief links neben seine eigenhändige Unterschrift plazierte: Der Herzog möge bedenken, daß Fugger die Bitte Giudellis nur weiterleite und nicht aus eigenem Antrieb äußere: E.[uer] F.[ürstliche] G.[naden] wellen gedenkhen quod rogatus rogo.24 Wie zahlreiche Beispiele verdeutlichen, handelt es sich bei den eigenhändigen Ergänzungen in den versandten Briefen jedoch nicht um Einträge, die nach einer Abschrift ins Kopierbuch vorgenommen wurden, denn im Kopierbuch wurden Korrekturen des Brieftextes auf dem freien linken Rand oder zwischen den Briefzeilen und häufig auch Art und Zeitpunkt der Briefdatierung nachgetragen. Auch wurden Briefe komplett durchgestrichen und wurden daher vermutlich nie abgeschrieben und versandt.25 Dies markiert wiederum den Status der Kopierbücher als Sammlung der ersten Briefdiktate. Umfangreiche Überarbeitungen häufen sich insbesondere in den ersten überlieferten Kopierbüchern, was wir wohl als Hinweis darauf werten dürfen, daß Fuggers wachsende Routine im Schriftverkehr eine nachträgliche Optimierung des Brieftextes immer seltener nötig machte. Markante Exempel für die nachträgliche Korrektur des Brieftextes und den Konzeptstatus der Kopierbucheinträge liefern die frühesten Kopierbuch-Briefe aus dem Jahr 1566: Gegenüber Albert von Kuenring war Fugger bemüht, ein Kreditgesuch
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Ein Beispiel für diese Anführung des Aufenthaltsorts in der linksseitigen Adressaten- bzw. Ortsmarginalie ist der Brief an Gabriel Geizkofler in Wien, 05.04.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 212). Trotz der vorliegenden Konzeptüberlieferung ist also der Quellenwert der Kopierbucheinträge angesichts verhältnismäßig knapper zusätzlicher Anmerkungen im abgesandten Brief fast genauso hoch wie der des Originals, vgl. grundlegend auch Rolf Köhn: Zur Quellenkritik kopial überlieferter Korrespondenz im lateinischen Mittelalter, zumal in Briefsammlungen. In: MIÖG 101 (1993), S. 284–310, bes. S. 297f. Hans Fugger an Wilhelm V., 22.10.1574, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. Durchgestrichen wurde der Brief an Gabriel Geizkofler in Wien, im März 1573 [undatiert], FA 1.2.6a H. 14 (I 947), ebenso das Schreiben an Peter Schirmbeck, 02.12.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1786).
möglichst überzeugend abzuwehren, und diktierte daher, daß Kreditsummen unter den derzeitigen Umständen auf dem Kapitalmarkt weder umb billichs christlichs, oder unchristlichs interesse26, nit also leicht, wie man gedencken möcht, zubekomen27 seien. Im nachhinein mag Fugger diese Formulierung, die ja als Zweifel an Kuenrings Sachverstand in Finanzdingen ausgelegt werden konnte, zu hart erschienen sein, weshalb er sich entschloß, den Nebensatz wie man gedencken möcht im Kopierbuch komplett streichen zu lassen. Auch zu große Vertraulichkeit gegenüber manchen Briefpartnern war nach einigem Nachdenken offensichtlich nicht mehr angebracht, denn beim Söldnerführer Hans von Park entschloß sich Fugger, die Anrede lieber freund der von Parckh zu streichen und mit dem unverbindlicheren lieber haubtman der von Parckh zu ersetzen.28 Solche Korrekturen, die auf vorsichtige oder unverbindliche Äußerungen gegenüber dem Adressaten bedacht waren, finden sich genauso auch noch in späteren Briefen, beispielsweise in der Korrespondenz mit Wilhelm V. von Bayern.29 Ein weiterer wichtiger Hinweis auf den Entwurfstatus der Kopierbuch-Einträge sind die Chronologie und handschriftliche Form zahlreicher Briefdatierungen. Obwohl die Briefe innerhalb eines Kopierbuch-Heftes fortlaufend nacheinander eingetragen sind, wird die Chronologie bei der Datierung der Briefe nicht durchgängig eingehalten. Teilweise sind die Differenzen zwischen vorausgehendem und nachfolgendem Datum sogar beträchtlich: Datierte beispielsweise Hans Fugger einen Brief an Hieronimus von Lodron, einen Heerführer im Einsatz gegen die Türken, auf den 27. September 1572, so trug der nachfolgende Brief an Francesco Ciurletta, einen Trientiner Adligen, das Datum vom 23. September.30 Zahlreiche weitere Datierungen gegen die Chronologie der Kopierbucheinträge legen nahe, daß der Vermerk der Absendetage vielfach nachträglich eingefügt wurde. Eine genauere Betrachtung von Handschrift und Tinte, mit der die Datumsangaben jeweils ganz am Ende der Briefe angefügt sind, bestätigt diese Vermutung: Ein Datum den... ist oft noch ausgeführt, doch häufig unterscheiden sich dann sowohl die Schwärze der Tinte als auch die Handschrift der Datierung ganz deutlich von Tinte und Schrift des übrigen Briefes. Gerade die veränderte Handschrift – sichtlich derselbe Schreiber, aber in deutlich größeren oder kleineren Buchstaben als beim vorhergehenden Brieftext – ist wohl aussagekräftiges Indiz dafür, daß hier nicht nur frische Tinte für den Briefschluß benötigt wurde, sondern daß es sich in diesen Fällen um Nachdatierungen handelt, die nicht sofort mit dem Eintrag des Brieftextes
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Interesse steht für den Zinssatz. Vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch IV, II, Sp. 2147. Hans Fugger an Albert von Kuenring, 31.08.1566, FA 1.2.5 H. 5, fol. 4r (I 3). Hans Fugger an Hans von Park, 14.09.1566, FA 1.2.5 H. 5, fol. 6v (I 9). Beispielsweise im Brief Fuggers an Wilhelm V. vom 26. 03.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 385), wo Fugger den Brieftext so umformte, daß eine stornierte Bestellung von Hüten bei einem Handwerker nicht als (das vermutlich faktische) Verschulden des Herzogs präsentiert wurde. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 27.09.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 845) sowie an Francesco Ciurletta, 23.09.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 846).
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vorgenommen wurden.31 Dies erhärtet die These, daß die Kopierbucheinträge keine Abschriften der bereits ausgefertigten und – wie man annehmen kann – datierten Briefe darstellen, sondern Erstdiktate der Briefe. Es liegt nahe, die Begründung für diese Datierungspraxis in der Korrespondenzund Postorganisation zur Zeit Fuggers zu suchen: Da sich die Absendedaten der Briefe bei bestimmten Wochentagen häufen, in erster Linie am Mittwoch und am Samstag, hat Christl Karnehm auf feste Tage geschlossen, an denen Hans Fugger in Abstimmung auf die wichtigsten Postlinien den Großteil seiner Korrespondenz erledigte.32 Hans Fugger selbst gibt den entscheidenden Hinweis: In einem auf Sonntag, 8. März 1573 datierten Brief an Herzog Wilhelm V. von Bayern entschuldigte er sich, daß er dem Herzog eine erbetene Aufstellung noch nicht zusenden konnte: dan weill gesstern schreibtag gewesen und ich auf mein widerkhunfft allerlaj occupationes zu hauß gefunden, hab ich den bewissten uberschlag nit machen khonden.33 Damit bestimmte Fugger den vorhergehenden Samstag als schreibtag, an dem er umfangreiche Korrespondenz zu bewältigen hatte, und ebenso wie der Mittwoch war dieser Wochentag einer der Abgangstage für wichtige Post- bzw. Botenlinien.34 Es ist also anzunehmen, daß Fugger an diesen Schreibtagen seinem Sekretär fortlaufend Briefe an verschiedene Adressaten ins Kopierbuch diktierte, die entweder sofort datiert wurden oder deren Datum kurz vor bzw. nach der Reinschrift der Briefe nachgetragen wurde. Die spätere Datierung könnte damit zusammenhängen, daß Fugger sich zum Zeitpunkt des Diktats noch nicht im klaren war, wann der Brief abgesandt werden sollte und daher erst ein Datum eintragen ließ, als dieser Tag feststand. So war sich Hans Fugger beim Diktieren wohl sicher, daß er Briefe an Hieronimus von Lodron nach Spanien und an Herzog Ottheinrich zu Braunschweig, auf den 24.Oktober 1582 datiert, mit dem gleichen Postreiter am Mittwoch, dem Abgangstag der Taxis-Post in die Niederlande, losschicken
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Vgl. als besonders deutliche Beispiele: Hans Fugger an Anton von Montfort, im Februar 1583 [undatiert], FA 1.2.12a H. 43, pag. 51 (II/2 2061), ebenso den Folgebrief an Ludwig Haberstock, 14.02.1582, FA 1.2.12a H. 43, pag. 53 (II/2 2062). Im Falle Montforts ist gerade die fehlende Datierung Indiz für die zumindest teilweise nachträgliche Datierung der Schreiben. – Eine deutlich kleinere Schrift just beim Datumseintrag auch beim Brief an Hans von Montfort, 18.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 273 (II/2 2370) sowie beim nachfolgenden, aber schon auf den 16.07.1583 datierten Brief an Christoph Ott, FA 1.2.12b H. 49, pag. 277 (II/2 2371). Bei der Datierung des Schreibens an Ott ist zudem als Tagesangabe in der großen Schrift des übrigen Briefes eine 18 durchgestrichen, bevor in kleiner Schrift mit einer 16 und der restlichen Datumsangabe fortgefahren wird. So Christl Karnehm: Regesten I, S. 19*. – 1503 aller ermittelbaren Absendedaten Hans Fuggers lauten auf einen Mittwoch, 1316 auf einen Samstag. Für den Freitag sind nur noch 501 Datumsangaben zu erschließen, für die anderen Wochentage noch weniger (Wochentagsermittlung durch das Softwareprogramm Microsoft Access Me). – Die Kalenderreform Gregors XIII. wurde miteinbezogen und für die Erschließung der Fuggerschen Datierungen, in etwa entsprechend der Übernahme in Augsburg, auf den 15. Februar 1583 gesetzt. Dazu ausführlich im dritten Teil Kap. IV., D., S. 251–255. Hans Fugger an Wilhelm V., 08.03.1573, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. Vgl. zu Post und Nachrichtenverkehr ausführlich im dritten Teil Kap. I., A. bis D.
würde;35 für die Briefe an Simon Tänzl von Tratzberg in Burgau und an Christoph Permathin in Innsbruck, die im Kopierbuch nachfolgten, mußte aber möglicherweise noch die Entscheidung über den zu nutzenden Postdienst getroffen werden, jedenfalls erhielten sie nachträglich das Datum vom 20. Oktober, einem Samstag.36 Ob der Samstag aber in diesem Fall auch wirklich Fuggers schreibtag war, ist ungewiß. Auf jeden Fall war eine korrekte Briefdatierung für die Erstellung des Kopierbuchs wichtig, denn das aigen copierbuech stellte weit mehr als nur eine private Erinnerungshilfe dar: Fugger erbrachte über seine Korrespondenz, auch wenn er sie allein schon über den Eintrag in ein aigen Buch vom Fuggerhandel trennte, eine ganze Reihe an ‹Dienstleistungen›: Gefälligkeitsdienste, zu denen unter anderem auch die Weiterleitung von Briefen an Dritte gehörte, die seine Korrespondenzpartner in ihre Schreiben an Fugger einlegten. Diese Leistung wurde 1572/73 von Fuggers Korrespondenzpartner Balthasar von Stubenberg in Anspruch genommen, der über Fugger seinen Söhnen in Padua und ihrem Präzeptor auf diese Weise Briefe, Geld, Wertgegenstände zukommen ließ. Als Stubenberg monierte, daß aus Padua keine Antwort auf seine Briefe erfolge und Fugger wohl nicht alles ordnungsgemäß weitergeleitet habe, konnte dieser anhand seines Kopierbuchs exakt die Briefe samt Datierung angeben, die er nach Padua gesandt hatte – das Kopierbuch fungierte demnach auch als Registratur, die vor Reklamationen schützte.37 Die sorgfältige Anlage im Hinblick auf das Datum war natürlich bei weitem nicht alles, was es für die Niederschrift eines Briefes zu beachten gab; die volkssprachliche brieftheoretische Literatur des 16. Jahrhunderts bot hierzu ein sehr konkretes Formenarsenal an. Zu Hans Fuggers Umgang mit diesen epistolaren Vorgaben sollen daher im folgenden einige Grundlinien skizziert werden.
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Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 24.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2202) und an Ottheinrich von Braunschweig, 24.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2203). Zum Mittwoch als Abreisetag der Post in die Niederlande vgl. im dritten Teil Kap. I., C., S. 126. Die Niederlande als Station für die Post nach Spanien nach Behringer: Merkur, S. 115. Vgl. Hans Fugger an Simon Tänzl von Tratzberg, 20.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2204) sowie an Christoph Permathin, 20.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2205). Vgl. Hans Fugger an Andreas Pühler, 29.05.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1021) sowie an Balthasar von Stubenberg, 29.05.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1022).
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III. Fugger und die zeitgenössische Brieftheorie
Was ist ein Brief? Die erste faßbare brieftheoretische Bestimmung aus dem ersten Jahrhundert vor Christus hat nichts von ihrer Aktualität verloren: ein Brief ist ein «halbierter Dialog», so Artemon, der Herausgeber der Aristoteles-Briefe. Diese knappe Bestimmung umreißt die Spannung zwischen Adressaten- und Selbstbezug, die für das Medium Brief bestimmend ist, resultierend aus der Kommunikation in einer Fernbeziehung. Als schriftliche Mitteilung an einen Abwesenden, als Mittler in einem Kommunikationsvorgang mit dem ihn kennzeichnenden «Phasenverzug» von Senden und Empfangen steht der auf einen Partner hin orientierte Brief zwischen der Unmittelbarkeit eines Gesprächs und der durch die Schriftlichkeit bedingten Distanz und unausweichlich monologischen Äußerung. Mit der kommunikativen Bestimmung tritt die mediale Funktion des ‹Tragens› und ‹Übertragens› in den Vordergrund – und damit der Brief als «Zweckform», pragmatisch auf eine
Zu der bei Demetrios überlieferten Wesensbestimmung des Briefs durch Artemon und zur Datierung vgl. Klaus Thraede: Grundzüge griechisch-römischer Brieftopik. München 1970 (Zetemata 48), S. 17–25. Peter Bürgel: Der Privatbrief. Entwurf eines heuristischen Modells. In: DVJS 50 (1976), S. 281–297, hier 287. Vgl. dazu Regine Metzler: Zur Textsorte Privatbrief in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: Rudolf Grosse (Hg.), Untersuchungen zur Pragmatik und Semantik von Texten aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Berlin 1987 (Linguistische Studien, Reihe A. Arbeitsberichte 168), S. 1–74, hier bes. S. 39–44. – Siehe auch Nickisch: Brief, S. 9–12. Zur Diskussion der verschiedenen Medien-Begriffe und -Definitionen zusätzlich zur hervorgehobenen Speicher- und vor allem Vermittlungsfunktion (z.B. Medien als Trägerstoffe, etwa Papier bzw. Bücher, als elektronische Geräte, als Zeichensysteme) vgl. die Zusammenfassungen der wichtigsten terminologischen Annäherungen bei Werner Faulstich: Einleitung: Das Wort «Medium». In: Ders., Medientheorien. Einführung und Überblick. Göttingen 1991, S. 7–17 sowie insbesondere Merten: Kommunikationswissenschaft, S. 133–143. Für die kommunikationshistorische Forschung vgl. auch die pragmatische Umsetzung des Medienbegriffs entsprechend dem zentralen Aspekt der Vermittlung bei Benedikt Mauer, Franz Mauelshagen: Einleitung. In: Dies. (Hg.), Medien und Weltbilder im Wandel der Frühen Neuzeit. Augsburg 22001 (Documenta Augustana 5), S. 9–31, hier 12–14. Jan-Dirk Müller: Gebrauchsliteratur. In: Gert Ueding (Hg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 3. Tübingen 1996, Sp. 587–604, Zitat Sp. 602. – Auf die Literarisierung von Briefen und die literaturwissenschaftliche Forschungstradition kann hier nicht weiter eingegangen werden; dazu sei auf die knappen Hinweise und die Literaturangaben in der Einleitung verwiesen.
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Vielzahl von möglichen Inhalten ausgerichtet, die der raschen Weiterleitung bedürfen. Bei dem Versuch, die oben angedeutete große inhaltliche Spannweite der Briefe Fuggers auf einen gemeinsamen begrifflichen Nenner zu bringen, wird man von der quellenkundlichen Forschung auf den «Privatbrief» verwiesen. Aus der Definition dieses Begriffs wurde der behördliche Schriftverkehr ausgeschlossen, nicht aber die Briefe der Kaufleute. Kaufmannsbriefe galten auch schon Georg Steinhausen zumindest als besondere Gruppe der Privatbriefe, auch wenn er mit seiner «Geschichte des deutschen Briefes» und der Sammlung «Deutsche Privatbriefe des Mittelalters» Ende des 19. Jahrhunderts einen Kanon von Privatbriefen vornehmlich persönlich-intimen Inhalts in den Vordergrund stellte. So fremd diese Einbeziehung von geschäftlichen Briefen heute anmutet, weil der Geschäftsbriefwechsel im 20. Jahrhundert verstärkt eine Entwicklung hin zu unpersönlichen Verkehrsschriftstücken gemacht hat, so sehr entspricht sie, wie auch Mathias Beer betont, der frühneuzeitlichen Lebens- oder besser: Briefrealität, in der Geschäftliches und Persönliches in ein- und demselben Schreiben ganz selbstverständlich vereint wurden. Auch für die Briefe Fuggers ist diese gemeinschaftliche Thematisierung kaufmännischer und persönlicher Belange eine Grundkonstituente, auch hier haben wir es mit einer Mischung von Inhalten zu tun. Fugger und seine Zeitgenossen konnten sich von zwei brieftheoretischen Richtungen inspirieren lassen, wenn sie Hilfe bei der Abfassung eines Schreibens suchten: Von einer pragmatischen, auf die wichtigsten alltäglichen Schreibanlässe der meisten Schreibkundigen konzipierten volkssprachlichen Brieflehre, und – sofern man des Lateinischen mächtig war – von der humanistischen Konzeption des Briefes, die den vertrauten, freundschaftlichen Austausch und die ausgesuchte, individuelle Gestaltung der Schreiben in besonderem Maße betonten. Briefkommunikation sollte nach diesen beiden epistolaren Traditionen auf zwei verschiedenen Wegen erfolgreich geführt werden können: Den deutschsprachigen Brieflehren zufolge gestützt auf ein festes Gliederungsschema des Briefs und ausgerüstet mit einem Arsenal von Brieffloskeln, nach humanistischer Tradition in eloquenter Handhabung argumentativer Grundmuster und unter Verzicht
Die Privatbriefdefinition bei Heinrich Otto Meisner: Archivalienkunde vom 16. Jahrhundert bis 1918. Göttingen 1969, S. 75, 78, Steinhausen, Georg: Deutsche Privatbriefe des Mittelalters, 2 Bände. Berlin 1899/1907, hier Bd. 1, S. VIIf., Bd. 2, S. VIIIf. Ferner Steinhausen: Brief. – Die von Meisner vorgeschlagene Unterscheidung der Privatbriefe in Geschäftsbriefe und objektive/subjektive Mitteilungsbriefe hat sich nicht bewährt, vgl. hierzu die ausführliche Begriffsdiskussion bei Beer: Eltern und Kinder, S. 44–55. Irmtraut Schmid hat die Entwicklung im geschäftlichen Schriftverkehr zwar richtig gezeichnet, ihre rigorose, auf dem persönlichen Verhältnis zwischen Briefschreibern beruhende Differenzierung zwischen Brief und Aktenschriftstück wird hier aber nicht weiter berücksichtigt. Vgl. Irmtraut Schmid: Was ist ein Brief? Zur Begriffsbestimmung des Terminus «Brief» als Bezeichnung einer quellenkundlichen Gattung. In: editio 2 (1988), S. 1–7, hier 3f. Vgl. Beer: Eltern und Kinder, 47f.
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auf wiederkehrende sprachliche Versatzstücke. Das fünfgliedrige Aufbauschema des Briefs, dem sich die deutschen Brieflehren in der Zeit Fuggers ausnahmslos verpflichtet fühlten, hatte die mittelalterliche ars dictaminis in Anlehnung an die antike Rhetorik kreiert, in erster Linie für den offiziell-administrativen Schriftverkehr des herrschaftlichen Kanzleiwesens: salutatio – exordium – narratio – petitio – conclusio.10 Bei der salutatio, dem eröffnenden Gruß, drohten allerdings bereits die ersten Fallstricke, mußte doch der ständischen Verortung des Briefpartners Rechnung getragen werden. Fabian Frangk, Verfasser einer der bekanntesten Brieflehren des 16. Jahrhunderts, betonte etwa, daß ein jder so mit seinem schreiben odder reden ungelimpff verhueten will/ auff gebürliche titel/ nicht klein [wenig, d. Verf.] acht geben muß11. Dementsprechend prägten bei den Verfassern epistolarer Lehrwerke lange Listen mit den korrekten Grußformeln für Angehörige aller Stände, fein differenziert entsprechend auch innerhalb des Adels nach Fürsten, Grafen, Freiherrn, Rittern etc. den Aufbau der Brieflehren.12 Die Untersuchung der Briefanreden in der Fuggerkorrespondenz zeigt, daß Hans Fugger sich deutlich an die briefstellerischen Muster seiner Zeit anlehnte: Seine typische Briefanrede an Wilhelm V. von Bayern beispielsweise – Durchleuchtiger hochgeborner fürsst, E.[uern] F.[ürstlichen] G.[naden] sein jeder zeit mein underthenige ganzwillige dienst zuvor13 – ist mit den exemplarischen Vorgaben der gängigen Brieflehren seiner Zeit zu vergleichen. Es wäre Fugger wohl auch kaum möglich gewesen, zu sehr von der allerorts gepredigten Norm abzuweichen, ohne zumindest bei seinen höhergestellten Adressaten, wie auch Frangk zu bedenken gab, zumindest einen unangenehmen Eindruck zu hinterlassen und sich damit selbst zu schaden. Allerdings fällt schon hier auf, daß Fugger weniger zur Häufung von Adjektiven der Ehrerbietung neigte, als dies beispielsweise die Formularien Alexander Hugens und auch Mauritius Breunles vorschrieben, die den dienst zusätzlich noch als gepürlich und vnuerdroßen präsentiert haben wollten.14
Die Gegenüberstellung humanistischer lateinischer Epistolartheorie und volkssprachlicher Brieflehre und der gemeinsame Rückgriff auf antike Topoi bei Metzler: Privatbriefe, bes. S. 363–368. 10 Ein konziser Überblick zur Entwicklung der ars dictaminis bzw. ars dictandi bei Franz Josef Worstbrock: Die Antikerezeption in der mittelalterlichen und der humanistischen Ars dictandi. In: August Buck (Hg.), Die Rezeption der Antike. Zum Problem der Kontinuität zwischen Mittelalter und Renaissance. Hamburg 1981 (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 1), S. 187–207. – Die beste Zusammenfassung zu den deutschen Brieflehren des 16. Jahrhunderts bietet immer noch Nickisch: Stilprinzipien, S. 21–45. 11 Frangk: Cantzley und Titel buechlin, S. [A2v]. 12 Eine besonders ausführliche Abhandlung der Anreden findet sich bei Hugen: Rhetorica, fol. VIIv–XVIr. – Die allgemeine Tendenz zur peinlichen Beachtung der Konventionen für Anrede- und Ehrwörter betont Nickisch: Stilprinzipien, S. 37. 13 Vgl. etwa Hans Fugger an Wilhelm V., 24.07.1572, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I (nicht foliiert). 14 Vgl. Mauritius Breunle: Ain kurtz Formular vnd Cantzley buechlin/darinn begriffen wirdt/ wie man ainem yeklichen/ was Standts/ Wirde/ Eren/ vnd wesen er ist/ schreiben soll [...]. O. O. 1546 [=VD16 B 8077], fol. 12v, sowie Hugen: Rhetorica, fol. XIIIr.
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Bei Persönlichkeiten von nicht ganz so hohem oder sogar niederem Rang wurde auch in den Brieflehren entsprechend weniger rhetorischer Aufwand betrieben, so daß es hier keine nennenswerten Unterschiede zwischen epistolarer Theorie und Fuggerscher Praxis zu konstatieren gibt.15 Recht pragmatisch mutet an, daß für Fuggers Briefe kein exordium nachzuweisen ist: Diese Hinleitung zum Briefanlaß, die mit der captatio benevolentiae gleichzusetzen ist, konnte in den zeitgenössischen Brieflehren recht umfängliche Formen annehmen;16 allerdings tolerierten schon diese Formelbücher die fallweise Auslassung des exordiums und nahmen auch solche Beispiele unter ihre Exempelsammlungen auf.17 Regine Metzler hat in Briefen korrespondenzerfahrener Schreiber des 16. Jahrhunderts (Pfarrer, Lehrer, Kanzleischreiber) dieselbe Tendenz festgestellt, ohne Umschweife zum eigentlichen Anliegen zu kommen – die brieftheoretischen Vorschläge wurden also vermutlich von einer erheblichen Zahl von Briefschreibern schlicht ignoriert.18 Für die narratio, die Darstellung des Briefanlasses, existierten in den deutschsprachigen theoretischen Vorgaben und Exempelsammlungen entsprechend der thematischen Offenheit des Briefes keine festgefügten Formeln, nur die Schreibgrundsätze der Kürze und der Deutlichkeit wurden dem Briefeschreiber anempfohlen, teilweise mit dem Hinweis auf den unterschiedlich ausgeprägten Einsatz rhetorischer Figuren je nach Briefanlaß – Stilgrundsätze, die schon die antike Brieftheorie in den Vordergrund stellte.19 Hier sprang jedoch die humanistische Epistolartheorie ein: Während Erasmus von Rotterdam in seiner berühmten Brieflehre De epistolis conscribendis (1521) ausufernde Häufungen von Ehrwörtern nach einem festen Muster vermieden wis15
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Vgl. etwa Fuggers Briefanrede für Hieronimus von Lodron, 28.06.1572, FA 1.2.6a H. 13, pag. 180 (I 782): Wolgeborner sonnder lieber herr dem herrn sein mein gannz willige dienst jederzeit zuvoran. – Vom Zeichen der Vertrautheit (sonnder lieber) abgesehen, entspricht dies weitgehend dem Muster bei Hugen: Rhetorica, fol. VIIIr: Wolgeborner lieber Herr/ euch sind mein willig dienst allzeit zuouor. – Ähnlich auch im Brief an Sebastian Roll, 18.07.1592, FA 1.2.16 H. 88, pag. 242 (II/2 3281): Edler gestrenger, euch sein mein f: willig dienst zuvor, lieber herr obrist. Die Entsprechung bei Hugen: Rhetorica, fol. VIIv: Edler strenger lieber herr/ euch oder ewer strengkeit/ sind mein willig dienst allzeit zuouor. Ein Beispiel bei Saur: Penus notariorum, S. 29 zur Bitte um Kredit bei einem Verwandten: Günstiger Herr Schwager/ wie nach dem gemeinen Sprichwort gesagt wirdt/ daß ein Mensch deß andern Gott sey/ das ist/ daß eins beym andern Trost/ Raht/ Hülff vnnd Fürderung suchen/ auch empfinden/ vnd also einer deß andern not sich annemen sol/ vnd solches von allen in gemein gesagt/ sol noch billicher vnnd mehr bey verwandten Freunden statt haben. – Die Gleichsetzung von exordium und captatio benevolentiae findet sich unter dem Aspekt der «Empfangsorientierung» prägnant erklärt bei Jürgen Herold: Empfangsorientierung als Strukturprinzip. Zum Verhältnis von Zweck, Form und Funktion mittelalterlicher Briefe. In: Karl-Heinz Spieß (Hg.), Medien der Kommunikation im Mittelalter. Wiesbaden 2003 (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte 15), S. 265–287, hier 269f. Vgl. die Beispiele bei Nickisch: Stilprinzipien, S. 35–38. Vgl. Metzler: Privatbriefe, S. 374. Zur narratio die Zusammenfassung bei Nickisch: Stilprinzipien, S. 28–34.
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sen wollte, wies er der Ausgestaltung der narratio höchste Bedeutung zu, stellte hier je nach Briefanlaß ein ganzes Arsenal argumentativer Strategien vor, das auf den individuellen Einzelfall angepaßt werden konnte. Erasmus’ Beispielbriefe zeigen deutlich, daß er sich an den rhetorisch Gebildeten wandte, während die deutschen Brieflehren die ‹Basisversorgung› stellten.20 Schon die Brieflehren realisierten die Forderungen nach Einfachheit und Verständlichkeit höchst unterschiedlich, und so sind auch bei Hans Fugger – ohne daß die Briefe insgesamt einer stilkritischen Analyse mit empirisch verwertbaren Angaben unterzogen worden sind – je nach der brieflich geschilderten Sachlage stilistische Unterschiede zu erkennen. Insgesamt ist sein Stil als klar und eingängig zu bezeichnen, längere hypotaktische Satzperioden suchte er zu vermeiden. Ein Beispiel, das im Vergleich zu Extrembeispielen briefstellerischer Exempla noch recht klar wirkt, jedoch schon zu den komplexer gefügten Fuggerschen Satzperioden gehört, sei hier angeführt. Fugger versuchte in diesem Brief an Wilhelm V. von Bayern, dessen Fürsprache für die Verpfändung oder Verkauf von Besitz des notorisch verschuldeten Christoph Rosenbusch abzuwehren: So hab ich im [ihm, d.h. Rosenbusch] auch hin und wider, wa ich khindt, befürderung unnd fürleichen21 gethon, unnd hab nit unbillich bedennckhen, mich umb die stuckh [Wertgegenstände], dauon er also dunckhell meldt, unnd dern ich gar khainen bericht, weitter einzulassen, wie er auch aus obgemelltem seines nithalltens [cf. seiner Versprechungen] nit ursach, mit merem anleihen mich anzuesuechen oder zu beschweren.22
Die Analyse von Bitten und Empfehlungen im vierten Teil der vorliegenden Untersuchung wird noch mehrfach Gelegenheit zur Erschließung der argumentativen bzw. rhetorischen Gestaltung der Fuggerbriefe geben. Hier war der Ort, an dem deutschsprachige und humanistisch-lateinische Brieflehre zusammenfließen konnten: Die deutschen Brieftheoretiker sahen hier den Hauptanlaß jeglichen Briefeschreibens, und bei Erasmus kamen Bitte und Empfehlung unter vielen anderen Briefanlässen, für die etwa Trost-, Trauer- oder Scherzbriefe geschrieben werden konnten, immer noch eine gewichtige Stellung zu.23 Bei petitio und conclusio, der gegebenenfalls anzufügenden Bitte an den Adressaten und dem Briefschluß, orientierte Fugger sich dann ganz augenscheinlich wieder am Formenarsenal der Brieflehren: Die Standardformel der freundlichen bitt24 für die petitio findet sich in seinen Briefen ebenso wie in einigen Variationen die brieftheoretisch korrekte conclusio als Versicherung, er wolle sich dankbar erweisen und um seinen Gönner zuverdienen, wa ich kahn nit underlas-
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Erasmus: De conscribendis epistolis, S. 210–221. Fürleichen tun: Kredit geben. Hans Fugger an Wilhelm V., 17.01.1574, GHA Korrespondenz-Akten Fugger I (nicht foliiert). Die Gewichtung von Briefanlässen in beiden briefstellerischen Traditionen resümiert Metzler: Privatbriefe, S. 365–367. Zur freundlichen Bitte vgl. die Beispiele bei Hugen: Rhetorica, fol. IVv, ebenso auch Saur: Penus notariorum, S. 29.
sen.25 Anzumerken ist hier wiederum, daß Fugger meist recht schlichte Varianten für Bitte und Dienstangebot wählte und auf weitschweifige Formulierungen, wie sie die Brieflehren gleichwohl zur Auswahl anboten, für gewöhnlich verzichtete – auch gegenüber Herzog Wilhelm V.: Während Fugger es bei seiner Fürsprache für seine Neffen Montfort wegen einer Lehenssache bei einem schlichten das werden nit allain obgemelte meine vetter, sonder ich will es auch umb E.[uer] F.[ürstliche] G.[naden] jeder zeit in underthenikhait verdienen26 beließ, konnte sich die conclusio in der Brieflehre Alexander Hugens schon merklich ausweiten: Dann wo wir euch inn dergleich/ minderm oder mererm fruchtbarlich vnnd gefellig willfaren vnd gedienen künden/ solten wir vns ganz vngespart/ vnuerdrossen vnnd geflissen haben.27 Von wenigen bezeichnenden Ausnahmen, bei denen jedoch auch Fugger größeren rhetorischen Aufwand betrieb und für die auch noch einmal Erasmus’ Empfehlungen heranzuziehen sind, wird im Zusammenhang mit der ‹sozialen Leistung› der Fuggerkorrespondenz noch zu handeln sein.28
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Das Dienstangebot als conclusio in einer Fülle von ähnlich lautenden Varianten bei Hugen: Rhetorica, fol. Vr. – Obige Zitate sind dem Brief Hans Fuggers an Hans Gaudenz von Spaur entnommen, 05.01.1577, FA 1.2.8b H. 27, pag. 539 (II/1 1020). – Nicht selten begegnete die Formel des Dienstangebots auch in folgender Einkleidung: Das bin ich [...] in underthenigkheit zuverdienen urbittig, so im Brief an Wilhelm V., 07.09.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 540 (II/2 2640), fast identisch auch Hans Fugger an Juan Manrique de Lara, 27.04.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 40 (I 984). Hans Fugger an Wilhelm V., 25.06.1576, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I [nicht foliiert]. Hugen: Rhetorica, fol. Vr. Vgl. dazu den vierten Teil: Soziale Leistung der Korrespondenz.
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IV. Methode: Die Verbindung von Inhalt und Interaktion
A. Die Korrespondenz als Netz: Netzwerkanalyse und Fuggerkorrespondenz Das Brief-Netz Hans Fuggers scheint zunächst – ungeachtet der Fülle von Briefen und der großen Zahl von Korrespondenten – von seiner Struktur her ein recht simples zu sein: Akteure in diesem Netz sind neben Fugger alle, die mit ihm brieflich in Verbindung standen. Im Zentrum unserer Aufmerksamkeit steht also Hans Fugger, den Briefe und Gegenbriefe mit seinen Korrespondenzpartnern verbinden; von seiner Person aus ist dieses Netz strukturiert. In der Terminologie der sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse haben wir also ein sogenanntes ego-zentriertes Netzwerk vor uns, mit Fugger als dem fokalen Ego und seinen Adressaten als den Alteri dieses Netzes: A A
A
A
A
HF
A
A A
Grafik 2: Grundschema des ego-zentrierten Korrespondenznetzes (A = Alteri, HF = Hans Fugger).
Zum ego-zentrierten Netzwerk vgl. Dorothea Jansen: Einführung 79–85. Sowie Stanley Wasserman, Katherine Faust: Social Network Analysis. Methods and Applications. Cambridge 1994, S. 41–43. Andere Netzwerke ohne eine fokale Person werden in der Forschung als «Gesamtnetzwerke» bezeichnet, vgl. Jansen: Einführung, S. 66f.
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Damit ist zumindest vorläufig nur die Rede von den Beziehungen zwischen Fugger und seinen einzelnen Adressaten. Dem alltagsweltlichen und im Grunde auch dem soziologischen Verständnis nach spricht man von einem «Netzwerk» im eigentlichen Sinne allerdings für gewöhnlich erst dann, wenn nicht nur die Beziehungen zwischen Ego und Alteri, also zwischen Fugger und seinen Korrespondenzpartnern, sondern auch die zwischen den Alteri, in unserem Fall also zwischen den Adressaten, erschlossen werden. Die Existenz eines Briefkontakts – Abgrenzungskriterium für das Korrespondenznetz Fuggers – zwischen seinen Adressaten kann zwar in etlichen Fällen tatsächlich nachgewiesen werden, ist aber entweder nur selten mit einiger Vollständigkeit rekonstruierbar oder würde den Rahmen dieser Studie unbezweifelbar sprengen bzw. ihr Hauptanliegen, einen Überblick zur Leistungsfähigkeit Fuggerscher Korrespondenz zu bieten, aus den Augen verlieren. Die Erforschung des Fuggerschen Beziehungsnetzes als Korrespondenznetz arbeitet also – bewußt – an den Rändern der Netz-Begrifflichkeit, da diese ego-zentrierte Beziehungsstruktur lediglich «einen minimalen netzwerkanalytischen Zugang zur Realität» bedeutet, wird doch nur ein kleiner Ausschnitt aus dem tatsächlichen Beziehungsgeflecht der Akteure sichtbar, bedingt durch die Struktur der vorliegenden Quellen des Fuggerschen Kopierbuchs. Durch die im folgenden darzustellende methodische Orientierung an den Grundschritten der soziologischen Netzwerkanalyse behauptet die vorliegende Studie dennoch die Verwendung eines Netzbegriffs, der über bloße Metaphorik hinausgeht, auch wenn das umfangreiche Methoden-Set der Netzwerkanalyse hier nur in sehr begrenzten Umfang genutzt werden kann. Das abgebildete Strukturschema des Fuggerschen Korrespondenznetzes, ein «Stern» oder «Rad», ist als Bild einer Beziehungsstruktur bereits Ausgangspunkt zahlreicher Untersuchungsschritte und Fragen, die wesentlich vom Frageraster der Netzwerkanalyse angeleitet sind: Wie groß war das Netz, d.h. wie viele Adressaten umfaßte es? Um wen handelte es sich bei diesen Personen? Wo hielten sich diese Adressaten auf? Wie kam der Kontakt zu Fugger zustande? Angesprochen ist mit diesen Fragen also zunächst einmal die Erhebung prosopographischer Kerndaten zur Biographie der Korrespondenzpartner, die klären sollen, ob es neben dem oben schematisch dargestellten Beziehungsmuster auch ein spezifisches ‹Rekrutierungs-
Vgl. Jansen: Einführung, S. 58, 235. Ein Beispiel für die Abweichung vom Untersuchungsziel wie auch für die Überschreitung des möglichen Arbeitsaufwands gleichermaßen wäre die Aufarbeitung der Korrespondenz zwischen Herzog Albrecht V. von Bayern und seinem Sohn Wilhelm V., die zu den wichtigsten Briefpartnern Fuggers überhaupt zählen. – Einige Anmerkungen zum Briefwechsel zwischen den Herzögen im vierten Teil, S. 381f. Jansen: Einführung, S. 73. Aus soziologischer Sicht skeptisch äußerte sich Trezzini: Theoretische Aspekte, vgl. auch Carola Lipp: Struktur, Interaktion, räumliche Muster. Netzwerkanalyse als analytische Methode und Darstellungsmittel sozialer Komplexität. In: Silke Göttsch, Christel Köhle-Hezinger (Hg.), Komplexe Welt. Kulturelle Ordnungssysteme als Orientierung. 33. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde in Jena 2001. Münster u.a. 2003, S. 49–63. Eine Übersicht zu den graphischen Darstellungen von Netzwerken und ihren Bezeichnungen bieten Schenk: Soziale Netzwerke, S. 35 sowie Jansen: Einführung, S. 124.
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muster› für die Adressaten Fuggers gab. Wolfgang Reinhard hat in seinem basalen Aufsatz zu Verflechtungsstudien in der historischen Forschung vier grundlegende Beziehungstypen aufgeführt, die auch in der vorliegenden Arbeit ihre Rolle spielen werden, um die Relationen Fuggers zu seinen Korrespondenzpartnern und die Basis dieser Verbindung genauer zu charakterisieren: Verwandtschaft, Freundschaft, Landsmannschaft, Patronage. Für den spezifisch kaufmännischen Kontext, in dem sich zahlreiche Briefe Fuggers bewegen, ist hier noch der Relationstyp ‹Geschäfts- bzw. Dienstbeziehung› einzubringen. Vielfach waren Fugger und seine Korrespondenzpartner durch mehr als eine Beziehungsart miteinander verbunden; so war Hans Fugger beispielsweise mit seinem Briefpartner Christoph Tanner von Tann nicht nur verwandt, sondern pflegte mit ihm auch Geschäftsbeziehungen und tauschte Nachrichten mit ihm aus. Diese Kombination von Relationen belegt die Netzwerkforschung mit dem Begriff der Multiplexität einer Beziehung und verbindet mit ihr unter anderem die Vorstellung von einer größeren sozialen Kontrolle zwischen zwei Beziehungspartnern. Inwieweit dies auch auf Fuggersche Beziehungen zutrifft, wird im Verlauf dieser Studie noch zu klären sein. Auf die Erschließung der Personen folgt die Analyse der Interaktionen im Korrespondenznetz: Für den brieflichen Austausch zentral sind die Anzahl der Briefe pro Adressat (gemessen an Umfang und Dauer der gesamten Korrespondenz), ihre Richtung (an Hans Fugger gerichtet oder von ihm ausgehend) und ihre Symmetrie bzw. Asymmetrie (Einseitigkeit/Gegenseitigkeit der brieflich erbrachten Leistungen oder Inhalte). Kategorien wie Richtung und Symmetrie mögen zunächst verwundern, liegen als Quellen doch nur die auslaufenden Schreiben Hans Fuggers vor. Weil aber Fugger in seinen Briefen nicht nur die Datierung eingegangener Briefe seiner Adressaten verzeichnete, sondern auch in mehr oder weniger großem Umfang auf die Inhalte der ihm gesandten Schreiben Bezug nahm, ist es uns möglich, auch Informationen über das briefliche Handeln der Fuggerschen Korrespondenzpartner zu erlangen – freilich aus der Sicht Hans Fuggers. Zudem lassen sich auf diese Weise für bestimmte Adressaten bzw. Adressatengruppen auch Interaktionsmuster im Briefverkehr mit Fugger erarbeiten, die in Verbindung mit den prosopographischen Daten zu den jeweiligen Gruppen Aufschluß z.B. über stände-, professions- oder themenspezifische Ausprägungen brieflicher Kommunikationskultur in der Fuggerkorrespondenz geben kann. In einem dritten Schritt schließlich sind die Inhalte der Briefe einzubringen. Grundlage ist die Verzeichnung und prozentuale Gewichtung der einzelnen Brief themen auf der Basis einer Typologie der Inhalte, die in der Fuggerschen Korrespondenz berührt werden. Beziehungen sind die ‹Kanäle›, also die Anknüpfungs-
Eigenschaften und Merkmale der Akteure sind oftmals in der Literatur unscharf von Beziehungstypen (Relationen) differenziert; Relationen lassen sich gerade auch im umgangssprachlichen Verständnis auch leicht als Eigenschaften auffassen (z.B. Verwandtschaftsverhältnisse). Eine klare Differenzierung, auch terminologisch, gibt Jansen: Einführung, S. 47–52. Vgl. hierzu: Reinhard: Verflechtung als Konzept, S. 35–41. Dazu allgemein Jansen: Einführung, S. 98f.
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möglichkeit oder die Kontaktbasis, über die Transaktionen verschiedenen Inhalts im Netz abgewickelt werden.10 Ein grobes Raster für die Interaktionsinhalte, wie es etwa der Soziologe Michael Schenk mit den vier Bereichen Gefühl/Sympathie – Einfluß/Macht – Information – Güter/Dienste entworfen hat, kann als mögliche Leitlinie für eine derartige Klassifikation dienen.11 In Anlehnung an text- und kommunikationsanalytische Forschungen sowie in Abgleichung mit dem zeitgenössischen Verständnis spezifischer Briefthemen soll hier ein Inhaltsraster der Tätigkeits- und Wissensbereiche erarbeitet werden, das auf die spezifischen Koordinaten des Fuggerschen Korrespondenznetzes zugeschnitten ist. An diese Typologie wird sich eine ausführlichere Analyse der Brieftexte insbesondere im Bereich des Informations- bzw. Wissenstransfers anschließen, wie sie dann im Dritten Teil der Arbeit auf dem prominenten Sektor der Nachrichtenübermittlung vorgenommen wird. Noch eine Ebene ‹unter› der Netzperspektive liegen zunächst die Feststellung der Nachrichtenschwerpunkte sowie die Überprüfung der Nachrichtenmeldungen Fuggers auf die korrekte Wiedergabe historischer Ereignisse. Mit der Bestimmung von Nachrichtenproduzenten und -rezipienten sowie der Geschwindigkeit der Nachrichtenübermittlung findet die Analyse wieder zur Netzperspektive zurück, soll doch geprüft werden, wie die Beziehungsstruktur des Netzes den Informationstransfer regulierte, inwieweit also die je spezifische Verbindung Fuggers zu seinen Adressaten Einfluß auf das Handeln im Netz, hier also auf den Nachrichtentransfer, hatte. Zu fragen ist hier insbesondere, ob bestimmte Nachrichten nur einem Teil der Adressaten zugänglich gemacht wurden, und welche Netzakteure regelmäßig und zuverlässig Nachrichten liefern konnten. Betrachtet werden darüber hinaus die Kommentierung sowie die argumentativ-rhetorische Formung der Mitteilungen. Aufgrund der Quellensituation kann sich die Analyse in diesem qualitativen Untersuchungsabschnitt zwar nur mit der sprachlichen Struktur der Fuggerschen Nachrichtenmitteilungen befassen und damit in erster Linie seine Rolle als Kommentator der europäischen Nachrichtenereignisse präzisieren, nicht die seiner Korrespondenzpartner. Durch die Prüfung der Fuggerschen Aussagen auf Differenzen der Präsentation je nach Adressat der Nachrichtenmitteilungen erfolgt allerdings auch hier die Rückbindung an die Netzperspektive: Über die Frage, welche Wirkung Fugger, unterstützt durch spezifische sprachliche Strategien, bei welchen Akteuren des Netzes durch seine Aussagen erzielen wollte, geraten die verschiedenen Rollen seiner Kommunikationspartner und damit die Gesamtstruktur des Korrespondenznetzes wieder in den Blick.12 Vgl. Wasserman, Faust: Social Network Analysis, S. 4. Vgl. Schenk: Soziale Netzwerke, S. 250. 12 Zur Untersuchung textlicher Strukturen im Rahmen historischer Fragestellungen vgl. die neuere Zusammenfassung bei Achim Landwehr: Geschichte des Sagbaren. Einführung in die historische Diskursanalyse. Tübingen 2001 (Historische Einführungen 8), bes. S. 114– 130. – Ein Plädoyer für die qualitative Erfassung historischer Netzstrukturen, das allerdings die Chancen quantifizierender Instrumentarien vorschnell verkennt, bei Ylva Hasselberg, Leos Müller, Niklas Stenlås: History from a Network Perspective. Three Examples from Swedish Early Modern and Modern History. Uppsala 1997 (CTS Working Paper 1997, 1), bes. S. 2f. 10 11
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Diese Verbindung von quantifizierender Prosopographie, Interaktions- und quantitativ wie qualitativ verfahrender Inhaltsanalyse soll auf der Basis der zentralen Nachrichtenereignisse der Korrespondenz – der niederländischen Erhebung, der Türkenkriege und politisch-konfessioneller Konflikte wie Kölner Krieg und Augsburger Kalenderstreit – ein Urteil über die informationelle Leistungsfähigkeit der Fuggerkorrespondenz und damit verbunden auch über die infrastrukturelle Leistungsfähigkeit des Brieftransports im Reich und in Europa liefern, die zumindest in Teilbereichen durch die Auswertung von Transportzeiten (Datumsangaben) und Erschließung verwendeter Botensysteme neueste Forschungserkenntnisse ergänzen kann.13 Netzwerke werden «relationsspezifisch» erhoben: Verschiedene Formen der Verbindung zwischen ausgewählten Akteuren, etwa durch Nachrichtentransfer, durch geschäftliche Beziehungen usw. werden also zunächst getrennt voneinander auf die Interaktion zwischen den einzelnen Personen untersucht.14 ‹Übereinandergelegt› ergeben solche Geschäfts-, Nachrichten- und sonstigen Netze – mit Überlappungen oder auch deutlichen Unterschieden – dann den Gesamteindruck von den Beziehungen im jeweiligen Netz, mit unterschiedlichen Bedingungen und Nutzungsmöglichkeiten je nach Akteur und Relationsinhalt. Das Schlagwort «Multiplexität» ist bereits gefallen; inwiefern und zu wessen Nutzen die Überlagerung von Beziehungsebenen für Fugger und seine Korrespondenzpartner besonders produktiv war, wird an den beiden Hauptthemen informationelle Leistung – soziale Leistung im Verlaufe der Untersuchung wiederholt thematisiert. Angesichts des spezifischen Überlieferungsbefundes der Fuggerschen Kopierbücher scheiden Untersuchungen zum Zentralitätsgrad verschiedener Akteure oder zur Dichte des Korrespondenznetzes, für die in der Soziologie umfangreiche mathematische Verfahren entwickelt wurden, von vorneherein aus, da Verbindungen zwischen den Alteri nicht in zureichendem Umfang untersucht werden können.15 Die Untersuchung folgt daher über weite Strecken einem qualitativen Ansatz, was allerdings die quantifizierende Beschreibung der Ego-Alter-Beziehungen im Korrespondenznetz nicht ausschließt, wie insbesondere der sich anschließende Teil zu den «Umrissen des Korrespondenznetzes» zeigt.16 Was jedoch hinsichtlich der Relationen zwischen den Alteri Fuggers – im Gegensatz zur Intensität von Briefbeziehungen – für gewöhnlich recht zuverlässig eruiert werden kann und in direktem Zusammenhang mit dem Anliegen der vorliegenden Arbeit steht, das ist die Existenz oder Nicht-Existenz sonstiger Relationen zwischen den Alteri, insbesondere Verwandtschafts- und Geschäfts- bzw. Dienstbeziehungen. Diese sind von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten der Netzakteure auch in der Beziehung zu Hans Fugger; zahlreiche Studien zur Verflechtung bzw. Patronage in der Frühen Neuzeit haben auf diesen Zusammenhang mit Nachdruck
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Vgl. Behringer: Merkur. Jansen: Einführung, S. 52f. Ausführlich: Wasserman, Faust: Social Network Analysis. Vgl. im zweiten Teil v.a. Kap. I., Kap. II. A. bis C.
hingewiesen.17 Daten der quantitativen Erhebungen sollen im Fuggerschen Zusammenhang die Folie und die Kriterien (z.B. Häufigkeit des Briefkontakts) liefern, auf der in qualitativer Hinsicht genauer zu betrachtende Interaktionsbeispiele die richtige Einordnung und Gewichtung erfahren. Häufig wurden Kontakte zwischen den Adressaten gerade durch Hans Fugger auf dem Briefweg vermittelt; Fugger schuf damit in der Terminologie der sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse indirekte Beziehungen zwischen bestimmten Regionen seines Korrespondenznetzes. Auch bei der Weiterleitung von Nachrichtenmeldungen mit Fugger als Vermittler zwischen der Nachrichtenquelle in seinem Netz und einem anderen Adressaten als Rezipient der Nachrichten stellte Fugger als Makler solche indirekten Beziehungen her. Was er also bewirkte, war eine VerNetzung seiner Korrespondenzpartner, demnach die Verwirklichung von Relationen, die nur durch seine Aktion im Briefnetz bewerkstelligt werden konnte. A A
A indirekte Beziehung
A
A
HF
indirekte Beziehung
A
A A
Grafik 3: Das Korrespondenznetz, ergänzt um indirekte Beziehungen.
Diese Tätigkeit als Makler, wie wir sie aus der Forschung zu Patronageverhältnissen kennen,18 ist ein wichtiges Thema der Korrespondenz und zentral für die Einschätzung insbesondere ihrer ‹sozialen› Leistungsfähigkeit, also ihrer Gestaltungskraft bei der Etablierung und Erhaltung sozialer Beziehungen. Die zahlreichen Empfehlungs- und Bittbriefe, die Fugger in diesem Zusammenhang verfaßte, wenn er selbst als Vermittler – in seiner Diktion als intercessor – tätig wurde oder sich einen
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Grundlegend die Ausführungen bei Reinhard: Verflechtung als Konzept. – Daneben können in Schlaglichtern nur einzelne Studien der Frühneuzeit-Forschung als Beispiele herausgegriffen werden, so die einflußreiche Studie von Kettering: Patrons, für die Augsburger Kaufmannsfamilie Weyer: Häberlein: Brüder, für den höfischen Kontext Asch: Hof Karls I., Verflechtung an der Kurie: Emich: Bürokratie und Nepotismus. – Weitere Literatur im vierten Teil der Untersuchung. Zur Terminologie vgl. die konzise Definition bei Kettering: Patrons, S. 56f. Verwiesen sei auch auf die Ausführungen und genannte Literatur im vierten Teil der vorliegenden Studie.
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Makler mit Durchsetzungskraft suchte, müssen hier noch stärker als die Nachrichtenmeldungen der Fuggerbriefe auf ihre argumentative und rhetorische Gestaltung untersucht werden, existierten doch in den zeitgenössischen volkssprachlichen wie auch humanistischen Brieflehren zuhauf Empfehlungen für diese Art der Korrespondenz. Der Grad der Umsetzung solcher briefstellerischer Vorlagen bei Hans Fugger kann nicht nur Aufschluß über sein sprachliches Geschick als Vermittler oder Bittsteller geben, sondern auch Interaktions- und Kommunikationsregeln oder -barrieren im Verhältnis zu bestimmten Adressaten aufdecken helfen, ist also wieder rückzubinden an die spezifische Adressaten- und Beziehungsstruktur seines Korrespondenznetzes. Über die Korrespondenzbeziehungen Hans Fuggers hinaus wird die Analyse aber auch – natürlich in wesentlich geringerem Umfang – Ausschnitte aus den Beziehungsnetzen seiner Adressaten einbringen, also sogar Personen in die Darstellung einbeziehen, die nicht mit Fugger korrespondierten. Dies natürlich nur, soweit ihre Verbindung zu einem Adressaten Auswirkungen auf das brieflich manifestierte Verhältnis zu Fugger hatte oder sogar durch ihn mitbegründet wurde. Es werden hier also durch die Analyse indirekter Beziehungen zwischen Fuggers Alteri und durch ausschnitthafte Ausblicke auf deren Beziehungsgeflecht tatsächlich Strukturen eines «Netzwerks» untersucht, wobei natürlich eine quantifizierende Darstellung der Kontakte zwischen den Alteri und ihren Bezugspersonen außerhalb des Netzes entfallen muß. Ein gutes Beispiel im Zusammenhang mit Hans Fuggers Korrespondenz, das noch ausführlich zur Darstellung kommen wird, ist die enge Beziehung zwischen Hans Jakob Fugger, einem prominenten Vetter Hans’, und Herzog Albrecht V. von Bayern, wichtiger Korrespondenzpartner Fuggers, die im Briefkontakt zwischen dem Herzog und Hans Fugger mehrfach für Irritationen sorgte.19 A
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Person außerhalb des Korrespondenznetzes Fuggers
indirekte Beziehung
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indirekte Beziehung
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Grafik 4: Korrespondenznetz mit indirekten Beziehungen und Verbindung zu Personen außer halb der Korrespondenz.
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Vgl. dazu im vierten Teil S. 363–382.
Das Netzwerk, oder vielmehr: die Gesamtheit der Beziehungsstrukturen, die hier also untersucht werden, wächst über die Grenzen dessen hinaus, was allein aus den Briefen Fuggers an seine Adressaten rekonstruiert werden könnte. Der oben eingeführte Begriff «Korrespondenznetz(werk)» definiert jedoch immer in erster Linie – begründet durch die Quellenlage dieser Korrespondenz – aus der Perspektive Hans Fuggers auf der Basis von Ego-Alter-Kontakten die Handlungsmöglichkeiten, die Fugger und seinen Adressaten auf der Grundlage dieses Briefwechsels zur Verfügung standen. Beziehungen unter den Adressaten werden entweder durch Fuggersche ‹Briefarbeit› begründet oder in ihrer Bedeutung durch die Inhalte der Briefe erschließbar. Mit den angesprochenen Vermittlertätigkeiten, die auch Fugger häufig auf sich nahm, läßt sich eine Brücke schlagen zum Begriff des «sozialen Kapitals», der für gewöhnlich in erster Linie mit den Forschungen des Soziologen, Ethnologen und Philosophen Pierre Bourdieu verbunden wird, jedoch auch durch die soziologischen Arbeiten von Coleman, Putnam, Burt und Lin wichtige Impulse erhalten hat.20 Bourdieu definiert Sozialkapital in einer mittlerweile bereits als klassisch anzusprechenden Formulierung als «Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen [...] verbunden sind».21 Gerade Patronage- und Broker-Verhältnisse als wichtiger Beziehungstyp in geschichtswissenschaftlichen Netzwerk- bzw. Verflechtungsanalysen bauten ja im Tausch von Leistungen unter Klient, Vermittler und Patron auf das Beziehungsband, die «institutionalisierten Beziehungen» zwischen den beteiligten Personen, das zum (ungleich gewichteten) Vorteil aller Beteiligten geknüpft und gepflegt wurde. Der vierte Teil der Studie wird unter diesen Prämissen insbesondere anhand von Fuggerschen Bitt- und Empfehlungsschreiben versuchen, das ‹soziale Kapitalguthaben› einzelner Akteure im Fugger-Netz sichtbar zu machen und individuelle Strategien des Kapitalaufbaus und der Kapitalsicherung zu verfolgen. Als wichtiges Instrument zum Erhalt und Ausbau sozialen Kapitals nennt Bourdieu die Pflege von Beziehungen bzw. «Beziehungsarbeit»,22 die Beziehungsstabilität und Vertrauen zwischen den Interaktionspartnern garantieren soll. Mit dem Vertrauensbegriff im Rahmen der Fuggerkorrespondenz wird ein Aspekt einbezogen, der auf der Basis der Analysen zu den Themenfeldern und insbesondere zur informationellen wie zur sozialen Leistung der Korrespondenz die Beziehungsgrundlagen in den Fuggerbriefen beleuchtet.23 Als Geste, die – neben anderen Funktionen – die Wertschätzung eines Gegenüber zum Ausdruck bringt und so eine vertrauensvolle Beziehung festigen oder gar etablieren kann, ist insbesondere in den letzten Jahren die Überreichung von Geschenken in mannigfaltigen Kontex20
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Einführend zu den Grundfragen der Forschung zum sozialen Kapital Schuller: Social Capital. Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Arbeit ist neben den Forschungen Bourdieus (s.u.) die Arbeit von Lin: Social Capital. Zu weiterer Literatur vgl. auch im vierten Teil der Arbeit. Bourdieu: Kapital. – Eine kurze Bewertung der Konzepte Bourdieus im Hinblick auf die Netzwerkanalyse nimmt Trezzini: Theoretische Aspekte, S. 531–536 vor. Bourdieu: Kapital. Vgl. im dritten Teil Kap. VI.
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ten von Historikern untersucht worden. Unverzichtbarer Ausgangspunkt war und ist dabei Marcel Mauss’ berühmter Essai sur le don.24 Auch in der Fuggerkorrespondenz spielten Geschenke eine gewichtige Rolle, die in ihrer Bedeutung für die Erhaltung sozialen Kapitals auf der Basis des gegenwärtigen Forschungskontextes kurz zu bewerten sein wird.25 Da sich anhand des beachtlichen Überlieferungszeitraums der Fuggerschen Briefe auch die sukzessive Weiterentwicklung der (Brief-)Beziehung zwischen Fugger und einigen Adressaten sehr anschaulich verfolgen läßt, gewinnt die von Bourdieu entwickelte These einer wechselseitigen Transformation verschiedener Kapitalarten für die Korrespondenz Fuggers besondere Bedeutung. Ökonomisches Kapital (Reichtum), kulturelles Kapital (Bildung, Titel und verdinglichte ‹Bildungsnachweise›, z.B. Gemäldesammlungen) sowie soziales Kapital (Beziehungsgefüge) können Bourdieu zufolge ineinander überführt werden. In den Fuggerbriefen spielen all diese Kapitalarten eine bedeutende Rolle – ein passendes Studienobjekt also, um die Aussagekraft des Bourdieuschen Konvertierungskonzeptes ein weiteres Mal an einem Mitglied der Augsburger Elite zu überprüfen, wie Mark Häberlein dies generationenübergreifend am Beispiel der Geschichte der Welser im 16. und 17. Jahrhundert vorgeführt hat und wie dies jüngst von Stephanie Haberer für Ott Heinrich Fugger unternommen wurde.26 Von dieser Seite her soll damit eine Abrundung der kombinierten Inhalts- und Interaktionsanalyse der Fuggerschen Korrespondenz erfolgen.
B. Zur Kategorisierung der Inhalte Von den Akteuren und Aktionsformen fehlt nun noch der Schritt zu den Inhalten der Interaktion. Bislang wurde hier nur eine kleinschrittige inhaltliche Ausdifferenzierung (Nachrichten, Kreditgeschäfte, Medizin usw.) grob angerissen, die unter Einbeziehung von Ordnungsbegriffen des 16. Jahrhunderts noch in größere Gruppen zusammengefaßt werden kann, wie dies im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit unternommen wird. Will man aber Inhalte der Korrespondenz auch über ihre kommunikative Funktion näher beschreiben, was die die dialogische Struktur des Briefes als Mittel der ‹Fernkommunikation› nahelegt, so wird ein Ordnungsmodell attraktiv, wie es der Literaturhistoriker Reinhard M. G. Nickisch explizit auf die Analyse von Briefen angewandt hat. In diesem Modell und einer hier einzubringenden 24
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In der deutschen Übersetzung als Mauss: Gabe. – Unter den neueren Beiträgen von Historikern zu dieser Thematik seien hier genannt: Davis: Schenkende Gesellschaft, Groebner: Geschenke, Algazi: Gift. Vgl. im vierten Teil S. 357–362. Vgl. Mark Häberlein: Die Augsburger Welser und ihr Umfeld zwischen Karolinischer Regimentsreform und Dreißigjährigem Krieg: Ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital. In: Ders., Johannes Burkhardt (Hg.), Die Welser. Neue Forschungen zur Geschichte und Kultur des oberdeutschen Handelshauses. Berlin 2002 (Colloquia Augustana 16), S. 382–406; Haberer: Ott Heinrich.
Erweiterung finden sich auch die in der Einleitung beschriebenen grundlegenden Wirkungen von Kommunikation wieder: Informationstransfer und Beziehungsregulation. Angelehnt an Traditionen der Kommunikations- bzw. Sprachtheorie seit Karl Bühler27 faßt Nickisch Informationsübermittlung, Appell und Selbstäußerung als Grundfunktionen des Briefes.28 Ergänzend ist dem Bereich der Selbstäußerung hier noch der Beziehungsaspekt anzufügen, insofern im Brief auch – bewußte oder unbewußte – Mitteilungen über die Beziehung zwischen Sender und Empfänger gemacht werden.29 Eine dieser kommunikativen Funktionen kann einen Brief dominieren, doch für gewöhnlich handelt es sich, und so auch bei den Briefen Hans Fuggers, um Mischformen, denn ein spezifisches Thema, z.B. eine politische Nachricht, die Hans Fugger weitergibt, kann durchaus in eine Selbstäußerung zur privaten Situation Fuggers überleiten, in der er von seinem persönlichen Empfinden berichtet, und schließlich kann in demselben Brief auch noch ein Appell untergebracht sein, wenn Fugger seinen Adressaten zur Tilgung der fälligen Kreditrate auffordert. Sind Selbstäußerungen und Appelle recht simpel zu identifizieren, so muß doch dem vielschichtigen Terminus «Information» in diesem Zusammenhang noch ein Mehr an Aufmerksamkeit gelten. Der Informationsbegriff, der hier verwendet wird, ist eng verbunden mit der «Nachricht», die «idealtypisch die Informationsfunktion von Kommunikation»30 verkörpert. Im Gegensatz zu einer weiten Definition von «Information», die sich bis zur Information als Eigenschaft jeglicher Materie erstreckt,31 ist in der vorliegenden Arbeit zunächst ausschließlich an die Weiterleitung von Information im interpersonellen Kontakt gedacht, wie er hier in erster Linie im Rahmen des Briefverkehrs untersucht wird.32
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Vgl. Karl Bühler: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache, ungekürzter Neudruck der Ausgabe Jena 1934. Stuttgart 1982 (UTB 1159). Vgl. Nickisch: Brief, S. 12f. – Die Funktionen Appell und Selbstäußerung sind weitgehend dem Beziehungsaspekt beizuordnen. Einbezogen ist dieser Aspekt etwa im bekannten «Nachrichtenquadrat» von Friedemann Schulz von Thun, bestehend aus den Elementen Sachinhalt – Appell – Beziehung – Selbstoffenbarung, die nach Schulz von Thun jede Mitteilung kennzeichnen. Vgl. Friedemann Schulz von Thun: Miteinander Reden. Bd. 1: Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek 1994. – Mit kommunikativen Funktionen hat sich insbesondere auch die Linguistik beschäftigt. Eine Kritik an Bühlers Grundmodell und einen Überblick zur Fortentwicklung der Bestimmung von Textfunktionen (und deren Problemen) bietet zusammenfassend Klaus Brinker: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. Berlin 52001 (Grundlagen der Germanistik 29), S. 102–124. Vgl. Merten: Kommunikationswissenschaft, S. 149, 305. Beispiele für diesen weiten Informationsbegriff bieten u.a. Michael Giesecke: Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. Frankfurt/M. 1991, S. 37, sowie Strohner: Information, S. 209–214. Davon abzugrenzen wäre die «Information in der Welt», also – grob gefaßt – Ereignisse der Umwelt, die Menschen selbstredend ebenfalls als Information verarbeiten können, ohne dafür auf die vermittelnde Kommunikation mit einer anderen Person angewiesen zu sein. Hans Strohner illustriert dies am Beispiel von Blitz und Donner, vgl. Strohner: Information, S. 213f. – Ebenfalls zur interpersonellen Kommunikation zählt die Beziehungsstabilisierung durch Gabentausch, vgl. im vierten Teil S. 357–362.
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Der Neuigkeitswert der Mitteilung ist konstituierendes Merkmal von Information: sie soll den «jeweiligen Kenntnisstand [...] des Empfängers erweiter[n]»33 bzw. «Ungewißheit beseitig[en]»34. Ob all das, was von Hans Fugger als Information in seinen Briefen angeboten wird – also das, was in seinen Augen für seine Adressaten neu sein könnte – für den Empfänger auch tatsächlich in jedem Fall bislang unbekannt war, muß dahingestellt bleiben. Der Neuigkeitswert, der sich auch mit unserem alltagsweltlichen Verständnis von Information verbindet, war jedenfalls schon bei Fugger entscheidend für die Beurteilung des Informationsgehalts: Sein Verzicht etwa auf die Weiterleitung von Nachrichten, die einem Adressaten schon bekannt sein könnten, zeigt dies deutlich an, ebenso seine gelegentlichen Bemerkungen gegenüber Nachrichtenlieferanten, ihre Nachrichten habe er schon gekannt.35 (Nachrichten-)Information hatte eben Neues zu transportieren – bereits Bekanntes, das nicht mehr aktuell war, in Fuggers Worten alte historij, verfügte nur noch über einen sehr begrenzten Informationswert.36 Dies zeigt aber auch, daß wir «Information» hier in zuverlässiger Weise nur anhand der Informationsintention ‹dingfest› machen können. Der Terminus newe zeittung, den Fugger zeittypisch für seine Nachrichten verwendete, ist in diesem Zusammenhang klarer Indikator für die intendierte Funktion der Mitteilung. Aufs engste mit dem Begriff der «Information» verknüpft ist «Wissen». Relevant wird diese Verbindung für die Analyse der Fuggerbriefe in zweierlei Hinsicht: Zu klären ist zum einen das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander. Hier hat Peter Burke nach Lévi-Strauss mit seiner Trennung zwischen «raw» (Information) und «cooked» (Wissen) ein anschauliches Bild zur Unterscheidung weiter aufgegriffen.37 Wissen ist demnach ‹verarbeitete› Information: Daten werden nach ihrer Aufnahme interpretiert und auf der Basis bereits vorhandenen Wissens in ein individuelles Ordnungssystem eingegliedert, bewertet und dort gespeichert.38 Der Terminus «Information» – und das erleichtert die Absetzung vom Wissensbegriff – bleibt eng an den Übertragungsprozeß gebunden, nur durch ihre Weitergabe werden «Informationen»
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Roland Burkart: Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Sozialwissenschaft. Wien u.a. 42002, S. 402. So die einflußreiche Definition bei Fred Attneave: Informationstheorie in der Psychologie. Bern 1965, S. 13. Vgl. etwa Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 06.11.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 238). So Hans Fugger über die gegenwärtig desolate Nachrichtensituation zu den Türkenkriegen im Jahr 1594, vgl. Hans Fugger an Engelhart Kurz, 01.04.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3443). Ausnahmen machte Hans Fugger bestenfalls dann, wenn ältere, aber dafür detailreichere Nachrichten ihm nachträglich eine bessere Einordnung des Nachrichtengeschehens ermöglichten. Vgl. dazu Hans Fugger an Johann Lyresius, 04.05.1574, FA 1.2.7 H. 18 (II/1 97). Vgl. Burke: Knowledge, S. 11. Dazu auch Wessling: Information, S. 21: «Inhalt des Wissens ist die Vorstellung eines Menschen von der realen oder abstrakten Welt. [...] Information ist die Abbildung von Phänomenen der realen und abstrakten Welt im Wissen eines Menschen.»
überhaupt faßbar.39 Wissen bzw. Wissenserweiterung bezeichnet also den Zielpunkt eines Informationsvorgangs, denn «Ergebnis des Prozesses ‹Information› ist stets die Veränderung des Wissens einer Person»40. Mit dem Angebot von Information, über deren Inhalte wir im Anschluß handeln werden, werden also in der Korrespondenz Fuggers Möglichkeiten zum Ausbau individuellen Wissens geschaffen. Gleichzeitig aber – und dies ist die zweite Dimension des Wissensbegriffs – kann erworbenes Wissen selbst wiederum durch seine Weitergabe als neu, demnach als Information, Inhalt eines weiteren Kommunikationsprozesses werden. Da interpersonale Kommunikation ohne den Rückbezug der Kommunikationspartner auf ihr jeweiliges Wissens- bzw. Wertungssystem kaum möglich erscheint, kann sie «nie bloße Informationsübermittlung»41 sein. So müssen auch Nachrichtenmeldungen vor ihrer Weitergabe in einen individuellen Verstehens- und Wertehorizont eingeordnet werden, und der anschließende Nachrichtentransfer an eine andere Person wird nie ganz von der eigenen persönlichen Disposition des Verstehens unbeeinflußt sein. Daher ist auch in meiner Verwendung des Begriffs «Informationsangebot» die Vermittlung von Wissensbeständen mitgemeint. Als weitere Quelle des Wissens neben der Information durch andere ist hier – auch wenn diesem Moment in den Fuggerbriefen insgesamt eine weniger große Bedeutung zukommt – die Kategorie «Erfahrung» einzubringen, die statt der Rezeption, der Informations-Aufnahme, zumindest ergänzend Selbsttätigkeit, die Aktion, und eine darauf aufbauende Erweiterung bzw. Modifikation von individuellen Wissensbeständen bedeutet.42 Diese Erkenntnisse, umgangssprachlich als «Erfahrungswerte» bezeichnet, können als Information wiederum anderen Personen zugänglich gemacht werden. Faßbar wird die Weitergabe dieses «Erfahrungswissens» auch bei Fugger, so im Zusammenhang mit medizinischen Informationen, die er aufgrund eigener Krankheits-Erfahrung weitergeben kann.43 Wie bereits im Zusammenhang mit der Informationsintention angesprochen wurde, ist aber auch im Bezug auf den Aufbau neuen Wissens beim Empfänger einer Information nicht oder nur selten (über eine Rückmeldung, die in den Quel-
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Die Vorstellung von Information als einem Prozeß wird ganz dezidiert betont bei Wess ling: Information, S. 18–30. Obwohl Wessling ergänzend den Begriff der ‹Daten› als «Repräsentationen von Sachverhalten» einführt, läßt er in Anlehnung an den allgemeinen Sprachgebrauch ‹Informationen› für übermittelte Datenbestände «zur Verdeutlichung ausnahmsweise» gelten, vgl. ebenda v.a. S. 19, 28 Anm. 60. – Entgegen Wesslings Verzicht auf «Informationen» zugunsten von «Daten» werden allerdings «Informationen» in vorliegender Untersuchung weiterhin durchweg in ihrer konventionellen Bedeutung gebraucht. Wessling: Information, S. 19. Strohner: Information, S. 223. Vgl. dazu auch Burke: Knowledge, bezogen auf interpersonale Kommunikation, S. 11: «The distinction [between ‹information› and ‹knowledge›, R.D.] is only a relative one, since our brains process everything we perceive.» Zur Verortung von «Erfahrung» in der Diskussion um den Wissensbegriff vgl. etwa Johannes Fried, Johannes Süßmann: Revolutionen des Wissens. Von der Steinzeit bis zur Moderne. München 2001 (Beck’sche Reihe 1450), S. 7–20, hier S. 9. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm Vogt, 20.09.1580, FA 1.2.10 H.37 und 29.01.1581, FA 1.2.11 H.39 (II/1 1708, II/1 1845) [Rezept gegen Ischias].
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len sichtbar wird) nachzuvollziehen, ob er sie tatsächlich, vollständig und nach Meinung des Senders sachlich richtig als Basis zur Erweiterung seines Wissensbestandes heranzieht. Wissensvermittlung im ‹1:1-Verhältnis› ist dementsprechend auch eine Vorstellung, von der sich die neuere Kommunikationswissenschaft verabschiedet hat.44 Wenn nun also in der Fuggerkorrespondenz kaum nachvollziehbar wird, ob eine angebotene Information bzw. Wissen vollständig und den Vorstellungen des Senders entsprechend korrekt rezipiert wurde, so erscheint doch zumindest eine grobe Charakterisierung des Rezeptionsangebots über eine einfache inhaltliche Bestimmung hinaus wünschenswert. Überprüfbarkeit und Gültigkeit des Angebots bilden dabei Kriterien für die nähere Bestimmung zweier Gruppen von Informationsangeboten: Sach- und Fachwissen auf der einen, Beziehungswissen auf der anderen Seite. Vertraut erscheint zweifellos der Bereich des Sach- und Fachwissens: Hier sind Wissensbestände versammelt, die schon in der Frühen Neuzeit in mehr oder minder großem Umfang verschriftlicht vorliegen bzw. zur Verschriftlichung anstehen, also langfristig tradiert werden. Die Bezeichnungen der Einzelbereiche orientieren sich entsprechend auch an zeitgenössischen Termini, wie sie etwa in Bibliotheksordnungen verwendet wurden. Hierzu zählen die Bereiche Oeconomica, also alles, was zum rechten Wirtschaften im Haus gehört, und Mercatoria, das Fachwissen des Kaufmanns, die im Folgekapitel näher expliziert werden, daneben die Zeittungen, also Meldungen zum aktuellen Nachrichtengeschehen, die ‹Rohmaterial› für die Geschichtsschreibung (Historia) darstellen und also bei Fugger in der frühesten Phase ihrer schriftlichen Aufzeichnung – der brieflichen Nachrichtenweitergabe – faßbar werden und erst am Anfang ihrer selektiven Tradierung stehen. Bei diesen Inhalten handelt es sich entweder um ‹buchförmiges› Wissen, das schon zur Zeit Fuggers aus seiner dauerhaften Verschriftlichung seine Autorität erhält, oder, wie bei manchen Bereichen der frühneuzeitlichen Ökonomie, um Erfahrungswissen, das Fugger aus den eigenen oder aus den Lebenszusammenhängen ihm gut bekannter Personen bezieht. Diese Wissensbestände gelten als dauerhaft sicher, als ‹wahr›.45 Als ‹wahr› gelten im Prinzip auch Zeittungen, werden sie doch zumindest unter dem Vorbehalt einer relativen Sicherheit weitergegeben, da sie
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Vgl. hierzu ausführlich die Kritik zu Transfermodellen von Kommunikation bei Merten: Kommunikationswissenschaft, S. 61–82. – Zu den Konsequenzen für Wissensvermittlung und Bildungsbegriff vgl. Dieter Lenzen: Lösen die Begriffe Selbstorganisation, Autopoiesis und Emergenz den Bildungsbegriff ab? In: Zeitschrift für Pädagogik 43 (1997), S. 949–967. – Eine vermittelnde Position zwischen Transfermodellen und konstruktivistischen Vorstellungen bezieht Günter Bentele in einer resümierenden Überblicksdarstellung, vgl. Günter Bentele, Klaus Beck: Information – Kommunikation – Massenkommunikation. Grundbegriffe und Modelle der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. In: Otfried Jarren (Hg.), Medien und Journalismus 1. Eine Einführung. Opladen 1994 (Fachwissen für Journalisten), S. 16–50, hier 30–33. Zu ‹Wahrheit› und ‹Gewißheit› im Zusammenhang mit dem Wissensbegriff vgl. Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine
zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung dem aktuellen ‹Nachrichtenwissen› ihres Senders entsprechen, auch wenn sie vom Informationsstand weiterer Gewährsleute abhängen. Eine unsichere Nachricht wird zumindest von Fugger häufig als solche gekennzeichnet,46 repräsentiert aber ex negativo wiederum den gegenwärtig aktuellsten Wissensstand – sicher ist in so einem Fall, daß es (noch) keine Gewißheit über ein bestimmtes Ereignis gibt. Die momentane Nachrichtensituation war schließlich die einzige Orientierungshilfe, die Fugger und seine Korrespondenzpartner vorläufig hatten. Der Unvollkommenheit ihres Wissens waren sie sich bewußt, wie eine Äußerung Fuggers gegenüber einem Adressaten zeigt, mit dem er regelmäßig Nachrichten tauschte: Ich möcht euch villeicht auch nit alzeit das Evangelium zuschreiben, wir müessen uns aber getrösten, das wir nit evangelisten seien, sonndern die wahrheit geben inn dem werth, wie wirs von andern haben.47 Es gibt mehrere Bereiche speziellen Zuschnitts, die hier dem ‹Sach- und Fachwissen› lose angegliedert werden sollen. Hierzu zählen zum einen Nachrichten persönlichen Charakters: Im Gegensatz zu neuen zeittungen, dem Begriff für Neuigkeiten aus Politik, Gesellschaft etc., sind Mitteilungen Fuggers und seiner Adressaten über ihre persönlichen Verhältnisse bzw. über ihr verwandtschaftliches Umfeld, z.B. über Geburt und Tod, Krankheit, Hochzeiten zwar auch «Nachricht», jedoch zunächst einmal nur für die Übermittlung an den jeweiligen Adressaten des Briefes vorgesehen und keine Meldung für ein breiteres Publikum, für die «Öffentlichkeit». Unabhängig davon konnten familiäre Feste wie etwa Hochzeiten der Fugger mit hohem repräsentativem Aufwand betrieben und zum Teil – etwa anläßlich des Einritts der Gäste – gezielt zu einem öffentlichen Ereignis gemacht werden, das für Außenstehende den Rang einer neuen zeittung erlangen konnte, wie der zeitgenössische Augsburger Chronist Georg Kölderer mit seinen ‹Gesellschaftsberichten› zeigt.48 Die Familie der Fugger – schillerndes Mitglied der Augsburger Oberschicht – stand schließlich im Lichte der städtischen Aufmerksamkeit.49 Heute würde man vermutlich von ‹öffentlichen Personen› sprechen, und es darf daher kaum verwundern, daß ein glaubwürdig Geschray [...], das Hanns Fugger unsynnig worden, Kölderer für das Jahr 1585 immerhin einen ganzen Absatz seiner
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Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt/M. 51997 (Originaltitel: The Social Construction of Reality, New York 1966), S. 1–3. Vgl. als Beispiele insbesondere Hans Fugger an Albrecht V., 14.08.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 477a); Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 23.12.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3318); Hans Fugger an Wolf Oberhofer, 12.03.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3180); Hans Fugger an Sebastian Roll, 23.01.1593, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3328). Hans Fugger an Sebastian Roll, 13.06.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3259). Zitiert nach Christl Karnehm. – Das Evangelium meint in diesem Zusammenhang die für Fugger unumstößliche Wahrheit der christlichen Offenbarung – ganz im Gegensatz zur ‹Wahrheit› der Nachrichten. So etwa die Beschreibung von Fuggerhochzeiten beim Augsburger Chronisten Georg Kölderer. Zur Darstellung und Bewertung der Fugger bei Kölderer vgl. Mauer: Geschrey, S. 101–103. Zur Stellung der Fugger innerhalb des städtischen Patriziats sowie des Reichsadels vgl. im ersten Teil Kap. I., C., S. 20–23.
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Chronik wert war.50 Doch dies präsentiert, wie gesagt, eine andere Ebene als den privaten Briefverkehr, über den auch ganz persönliche Ängste und Befürchtungen, etwa anläßlich von Krankheitsfällen in der Familie, ausgetauscht werden konnten und wo definitiv nicht an das Familienereignis als ‹gesellschaftliches Ereignis› gedacht war.51 Von den Inhalten her zum Sach- und Fachwissen zu rechnen sind auch Wissensbestände, die sehr rasch wieder ihre Gültigkeit verlieren können, da sie eng an eine spezifische Situation gebunden sind: Informationen z.B. im Zusammenhang mit einem Besorgungsauftrag, etwa zum Umfang einer Warenlieferung oder auch zum aktuellen Preisniveau, haben nur bis zur endgültigen Erledigung dieses Auftrags Gültigkeit und müssen nicht – außer es gibt Anlaß zu Beanstandungen der Ware oder zur Wiederholung eines Auftrags – auch später noch in vollem Umfang erinnert werden. Erinnert werden müßten allenfalls die längerfristigen Rahmenbedingungen, die zu den Mercatoria gezählt würden, z.B. wer diese Aufgabe auf welchem Transportweg erfolgreich meisterte, und wann die Jahreszeit für Einkauf und Transport günstig war, aber nicht, wie groß die angeforderte Warenmenge nun genau war und zu welcher Uhrzeit sie an ihrem Bestimmungsort eintraf. Gleichwohl sind diese ‹ephemeren› Informationen, die den reibungslosen Ablauf z.B. von Warengeschäften erst ermöglichen, sehr häufig Gegenstand von Briefen, so auch in Fuggers Korrespondenz.52 Nur bedingt langfristig verschriftlicht ist auch ein Wissensbereich in den Briefen Fuggers, den ich mit dem Begriff ‹Beziehungswissen› umschreiben möchte. Diese Bezeichnung verwende ich in demselben Bedeutungszusammenhang, den auch den Terminus der «Beziehungsarbeit» bei Pierre Bourdieu umreißt, der damit die Bemühungen um den Aufbau und Erhalt sozialen Kapitals umschreibt. Ein besonders augenfälliges Beispiel für diese Beziehungsarbeit sind Versuche, eine vorhandene Beziehung für ein Patronageanliegen zu nutzen oder eine solche Patronagebeziehung neu aufzubauen. Unter dem Begriff der ‹sozialen Leistungsfähigkeit› der Fuggerkorrespondenz werden die zahlreichen Patronageanliegen in den Briefen Fuggers gesondert untersucht. Für diese Beziehungsarbeit ist nach Bourdieu «eine besondere Kompetenz – nämlich die Kenntnis genealogischer Zusammenhänge und reeller Beziehung sowie die Kunst, sie zu nutzen» –, notwendig.53 Eben diese Kenntnisse und Fertigkeiten bezeichne ich als Beziehungswissen: Zu wissen, an wen konkret man sich in einem bestimmten Anliegen, etwa auf der Suche nach einer gut dotierten geistlichen Pfründe,54 am ehesten wenden kann, ebenso, in welcher Form dies zu geschehen hat, welche Fallstricke im Kontakt mit einflußreichen Persönlichkeiten gemieden werden müssen – all das sind Kenntnisse, die ganz wesentlich auch auf Lebenserfahrung und auf den Zugang zu den machtvollen Kreisen
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Zitiert nach Mauer: Geschrey, S. 53. Vgl. etwa Fuggers Ängste bei der Erkrankung seines Sohnes Christoph, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 23.12.1573, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. Vgl. dazu im zweiten Teil Kap. II., A. So Bourdieu: Kapital, S. 193. Vgl. dazu im vierten Teil S. 346–350.
aufbauen, die einem den erhofften Vorteil gewähren können.55 Aufgrund eben dieser Voraussetzungen konnte Fugger seine Funktion als Broker erfüllen, als Vermittler z. B. in Patronageverhältnissen, wovon noch ausführlich zu handeln sein wird. Daß ein allgemeiner ‹Grundbestand› dieses Beziehungswissens, sofern er in die Form allgemeiner Ratschläge eingekleidet werden konnte, auch verschriftlicht war, zeigen zum einen die bereits erwähnten Brieflehren, die sich ausführlich mit der korrekten Argumentation und Formulierung von Bittgesuchen befaßten und damit die Basis für den Erfolg durch Wahrung der entsprechenden schriftlichen Formen legten, aber natürlich über wichtige Personenkonstellationen und Handlungsstrategien, die je nach individuellem Fall ganz verschieden sein konnten, keine Auskunft gaben.56 Die seit dem 16. Jahrhundert im Gefolge von Castigliones «Il libro del Cortegiano» (1528) immer zahlreicher erscheinenden Traktate zum erfolgreichen Bestehen bei Hofe, zum Teil auch für ein spezifisch städtisches Publikum formuliert, machten ganz dezidiert Interaktionsideale bzw. kommunikative Techniken zu ihrem Thema, gerade auch für die erfolgreiche mündliche Kommunikation mit einflußreichen Gönnern, und reichten bis zu den Präsenten, die dem Aufstiegswilligen den Weg nach oben erleichterten.57 Den oben bereits knapp umschriebenen brieftheoretischen Anweisungen soll in dieser Untersuchung im Hinblick auf ‹soziale Leistung› beziehungsweise Protektion allerdings besondere Aufmerksamkeit gelten, da hier die Briefstrategien Fuggers im Zentrum stehen. Mit ihrer langen Tradition machen sie zugleich deutlich, daß auch im Bereich des Beziehungswissens im rhetorisch-argumentativen Sinne bei Fugger recht dauerhafte Wissensbestände weitergegeben werden bzw. zur Anwendung kommen.
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In der Entwicklungspsychologie und Psychotherapie wird der Begriff des Beziehungwissens als Grundlage für adäquates Handeln gemäß den Bedürfnissen eines Gegenübers in Momenten der face-to-face-Interaktion verwendet. Vgl. den Begriff des «implicit relational knowing» bei Daniel N. Stern: The Present Moment in Psychotherapie and Everyday Life. New York 2004 (Norton Series on Interpersonal Neurobiology). Der hier von mir gebrauchte Begriff ist also verwandt, bezieht sich aber auf einen spezifischeren Anwendungsbereich. Vgl. etwa bei Fabian Frangk das Kapitel Ein gemein und grundlich bericht einer Supplication, in: Frangk: Cantzley und Titel buechlin. Vgl. Baldesar Castiglione: Das Buch vom Hofmann. Übersetzt, eingeleitet und erläutert von Fritz Baumgart, Bremen 1960 (Sammlung Dieterich 78). Die Rezeptionsgeschichte bei Peter Burke: The Fortunes of the Courtier. The European Reception of Castiglione’s Cortegiano. Cambrigde 1995. Für das bürgerlich-städtische Publikum konzipiert war Della Casas «Galateus» (1588), vgl. die deutsche Ausgabe: Giovanni della Casa: Das Büchlein von erbarn / höflichen und holdseligen Sitten, verdeutscht von Nathan Chytraeus. Frankfurt/M. 1607 (ND Tübingen 1984 = Deutsche Neudrucke: Reihe Barock 34). Zu Ratschlägen für Präsente Davis: Schenkende Gesellschaft, S. 108f. Die Entwicklung von Konversationstechniken ab dem 16. Jahrhundert bei Karl-Heinz Göttert: Kommunikationsideale. Untersuchungen zur europäischen Konversationstheorie. München 1988.
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Zweiter Teil Umrisse des Korrespondenznetzes
I. Adressatengruppen in der Fuggerschen Korrespondenz
494 Personen sind es, an die sich die hier ausgewerteten 4851 Briefe Hans Fuggers richteten. Um einen Überblick über die personelle Struktur des Fuggerschen Korrespondenznetzes zu gewinnen, wird zunächst eine erste grobe Einteilung der Adressaten nach verschiedenen Kategorien vorgenommen, gewonnen aus zentralen Elementen prosopographischer Analyse. Die vorliegende Untersuchung profitiert entscheidend von biographischen Recherchen Christl Karnehms zu den Adressaten Fuggers, die stellenweise erweitert und um einige Details ergänzt wurden. Auf die Vorarbeiten Christl Karnehms wird hier mit Nachdruck verwiesen. Um die prosopographischen Analysen nicht unnötig auszudehnen, konzentriert sich diese Arbeit auf die wichtigsten Kriterien, die für den Fortgang der Untersuchung eine Rolle spielen. Verwandtschaftliche Beziehungen sind hier besonders prominent, denkt man an die große Bedeutung auch noch entfernter Verwandtschaft in der Frühen Neuzeit und an die gezielte Heiratspolitik vor allem seit Anton Fugger, die auf die familiäre Integration in den Adel abzielte. Freundschaft, Landsmannschaft, aber auch die Bekanntschaft von Hofaufenthalten her, die häufig nur vermutet werden kann, ebenso geschäftliche Kontakte und die Funktion Fuggers als Dienstherr der Adressaten sind weitere wichtige Möglichkeiten der Differenzierung. Soweit möglich, wird auch die konfessionelle Zugehörigkeit der Briefpartner Fuggers mit aufgeführt. Wie stark und auf welchen Kontakt-Grundlagen insbesondere adlige Adressaten in Fuggers aigen Korrespondenz eingebunden sind, wird im folgenden auch zu fragen sein, wenn es darum geht, in Fuggers Briefen Hinweisen auf den Grad der Integration der Fuggerfamilie vor allem in den Hochadel des Reiches nachzuspüren. Weiters von hoher Bedeutung ist die Profession der Adressaten, also ihr Broterwerb oder ihre Dienst- bzw. Herrschaftsfunktion, bestimmte sich doch danach ganz wesentlich, auf welchen Handlungsebenen sie mit Hans Fugger interagieren konnten, welche Möglichkeiten sich auch für Hans Fugger aus der Verbindung zu ihnen eröffnen konnten. Hier sind Handwerker genauso aufgeführt wie Fuggersche
Zur Prosopographie als Methode vgl. den konzisen Überblick bei Lawrence Stone: Prosopography. In: Daedalus 100 (1971), S. 46–79. Über die Bedeutung von Verwandtschaft resümierend Sieh-Burens: Oligarchie, S. 53–56, über Fuggersche Heiratspolitik ebenda, S. 93–98. – Zu Heiratspolitik und Verortung im reichsstädtischen Kontext vgl. auch Mörke: Sonderstruktur, Nebinger: Standesverhältnisse. Zu den Problemen der zuverlässigen Bestimmung konfessioneller Zugehörigkeit im 16. Jahrhundert Reinhard: Eliten, S. XIX sowie, bezogen auf den bayerischen Adel: Lanzinner: Fürst, S. 165 Anm. 182.
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Angestellte, seien es nun einfache Diener, Verwalter Fuggerschen Landbesitzes, Handelsdiener beziehungsweise Faktoren sowie Agenten der Firma; Kaufherren finden hier ebenso ihren Platz wie all diejenigen, die Hof- bzw. Verwaltungsämter landesherrlicher oder reichischer Administration ausfüllten, die Landesherren selbst oder landsässiger Adel, der sich der Verwaltung seiner Güter widmete. Auch Familienangehörige Fuggers dürfen nicht fehlen; vielfach können manche mit Fugger korrespondierende Frauen, die im Gegensatz zu anderen Geschlechtsgenossinnen in keinem Dienstverhältnis standen, kein (höfisches) Amt bekleideten oder Herrschaftsfunktionen ausübten, ihrer Stellung in der frühneuzeitlichen Gesellschaft entsprechend nur über ihre Zugehörigkeit zu einem Familienverband bzw. in ihrer Funktion als Hausherrin erfaßt werden.
A. Verwandte als Korrespondenten Hans Fuggers 106 Adressaten, mehr als ein Fünftel der Briefempfänger Fuggers, konnten als Verwandte der Fuggerfamilie identifiziert werden. Hier wurden auch entfernte Verwandtschaftsverhältnisse bzw. Verschwägerungen einbezogen, um möglichst alle Kontaktlinien zum Haus Fugger zu berücksichtigen. Unter die Verwandten eingerechnet wurden also beispielsweise auch ‹angeheiratete Verwandte›, etwa Philipp von Haldermanstetten, verheiratet mit einer Schwester Elisabeth Fuggers, der Ehefrau Hans Fuggers, oder Hans Khevenhüller, kaiserlicher Botschafter am Hof zu Madrid, dessen Bruder mit Fuggers Nichte Sibylla von Montfort verheiratet war, ebenso Vertreter der Nebenlinien adliger Häuser, die mit den Fuggern verwandt waren, beispielsweise der Herren von Wolkenstein. Damit folgt die Auswertung dem Usus Fuggers,
Über die Handelsangestellten und ihre Hierarchie grundlegend Hildebrandt: Diener und Herren. Katharina von Montfort beispielsweise, Hans Fuggers Schwester, war Hofmeisterin der Erzherzogin Maria am Grazer Hof und verwaltete nach ihrem Ausscheiden aus dem Hofdienst in den 1580er Jahren bis zu ihrem Tod stellvertretend für ihre Söhne die Herrschaft Tettnang am Bodensee. Vgl. dazu Karnehm: Regesten II/1, S. 46 (Anm. 1 zu II/1 89). Grundlegend zu den Rollen von Frauen in der frühneuzeitlichen Gesellschaft und ständischen Hierarchie Heide Wunder: «Er ist die Sonn’, sie ist der Mond». Frauen in der Frühen Neuzeit. München 1992. Zu Haldermanstetten Karnehm: Regesten I, S. 201 (Anm. 1 zu I 466). Vgl. Detlev Schwennicke: Europäische Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten, Neue Folge, Bd. V. Marburg 1988, Tf. 37. Carl von Wolkenstein-Rodenegg war seit 1576 verheiratet mit Johanna Fugger, der Tochter Marx Fuggers des Älteren. Kaspar und Melchior Hannibal von Wolkenstein, aus der Linie Wolkenstein-Trostburg, werden hier ebenso unter die Verwandten Hans Fuggers gezählt; Melchior Hannibal war zudem mit Genoveva Christina von Spaur (†1573) verheiratet – Hans Fuggers Schwester Veronika hatte sich 1566 mit Hans Gaudenz von Spaur vermählt. Zu den Wolkenstein vgl. Constant von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 58. Wien 1889 (Tafeln Wolkenstein).
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der in anderen Quellen auch von Katarina Sieh-Burens vielfach beobachtet wurde, in seinen Briefanreden auch noch entfernte Verwandtschaftsverhältnisse anzuführen.10 Etliche dieser verwandtschaftlichen Verbindungen waren schon in den Generationen vor Hans Fugger etabliert worden: Mitglieder der Familie Arzt, aus der die Frau Jakob Fuggers des Reichen, Sibylla, stammte,11 gehörten ebenso dazu wie die in erster Linie hochadligen Vertreter des Reichsadels, in die Anton Fuggers Söhne und Töchter, Neffen und Nichten einheirateten. So gelang etwa noch zu Antons Lebzeiten die Verbindung mit den Tiroler Trautson über Hans’ Schwester Susanna, deren Schwiegervater und Schwager höchst einflußreiche Ämter am Kaiserhof innehatten.12 Mit Sibylla von Eberstein hatte Hans’ Bruder Marx die Angehörige eines angesehenen schwäbischen Adelsgeschlechts geehelicht,13 und auch Marx’ Kinder ‹erheirateten› seit den 1570er Jahren die direkte verwandtschaftliche Verbindung mit den Madrutz oder Palffy, des etablierten Hochadels also.14 Hans Jakob Fugger hatte 1540 in erster Ehe eine geborene von Harrach geheiratet, und auch Hans Fuggers Kinder gingen Verbindungen mit den alten Adelsgeschlechtern der Rechberg, der Zollern und der Schwarzenberg ein.15 Für die familiären Verbindungen zum Tiroler Adel – die wirtschaftlichen Bedeutung des Erzherzogtums für den Fuggerschen Handel spricht hier für sich – konnte Carolin Spranger jüngst mehrfach die Befestigung der Beziehungen durch teilweise nicht unbeträchtliche Darlehenssummen nachweisen.16
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Hier sollen als Beispiele gegeben werden: Hans Fugger an Leonhart von Harrach, 14.03.1579, FA 1.2.9b H. 32 (II/1 1468): Wolgeborner f:[reundliche]r insonders vertrauter liebr herr schwager und bruder [...]. Die Verwandtschaft zu den Harrach existierte seit 1540 über die Ehefrau Hans Jakob Fuggers, des Vetter Hans Fuggers, vgl. Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 9a sowie Sieh-Burens: Oligarchie, S. 97f. Daneben das Schreiben an Hans Khevenhüller, 04.04.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2737): Wolgeborner sonders günstiger und hoch vertrauter lieber herr und schwager [...]. – Vgl. hierzu auch die Beobachtungen von Sieh-Burens: Oligarchie, S. 53f. Vgl. Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 2b. 1555 heiratete Susanna Fugger Balthasar Trautson; dessen Vater Hans war unter Maximilian II. Obersthofmeister, noch unter Rudolf II. Geheimer Rat; sein Sohn Paul Sixt, der als Reichshofratspräsident fungierte, wurde bis zu seiner Entlassung im Jahr 1600 unter die engsten Vertrauten Rudolfs II. gezählt. Vgl. hierzu Hadriga: Trautson, S. 54–57, 63–82. Zu den Eberstein vgl. den Überblick bei Hefner-Alteneck: Adel 1, S. 385. Vgl. Sieh-Burens: Oligarchie, S. 95. Über die Ehe Georg Fuggers mit Helena Madrutz Schad: Frauen Fugger, S. 138–145. – Die bereits vor dieser Eheschließung von 1583 exisitierenden weitläufigeren Verwandtschaftsbeziehungen und ihre Bedeutung erläutert der vierte Teil der Arbeit. Über die Heiratsverbindungen mit dem Adel und ihre Konsequenzen für das Beziehungsnetz der Fugger Sieh-Burens: Oligarchie, S. 91–98. Die verwandten Adressaten konnten als Angehörige des Adels ermittelt werden. Auch die Ehinger, aus dem Patriziat zu Ulm stammend, und die frühere Patrizierfamilie Pflügel waren bereits in den Adel aufgestiegen, vgl. dazu die Angaben bei Karnehm: Regesten II/1, S. 142, 224 (Anm. zu II/1 326, 538), sowie: Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels, Band VII. Neustadt/Aisch 1961, S. 304 (Pflügel von Goldenstein, Ehinger von Balzheim). So etwa für Balthasar von Trautson 1576 (3.000 fl). Vgl. Spranger: Metall- und Versorgungshandel, S. 67–77.
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Wurden die Heiratsverbindungen erst in Hans Fuggers Generation geknüpft, so ist zu beobachten, daß briefliche Kontakte zu Vertretern der jeweiligen Familien mit wenigen Ausnahmen erst dann in den Kopierbüchern überliefert sind, wenn durch Eheversprechen oder Heirat die verwandtschaftliche Beziehung etabliert war. Es ist also anzunehmen, daß es tatsächlich in vielen Fällen auch die familiäre Bindung war, die den persönlichen schriftlichen Austausch initiierte und die Aufnahme sonstiger Kontakte, etwa geschäftlicher Natur, anbahnte. Ausnahmen sind bei den Familien Rechberg und Bemelberg zu finden, in die Fuggers Tochter Anna Maria in erster und zweiter Ehe einheiratete; diese sind aber recht leicht dadurch zu erklären, daß beide Geschlechter Amtsträger der bayerischen Herzöge stellten. Wie bei der Darstellung der ‹sozialen Leistung› der Korrespondenz noch ausführlich zu zeigen sein wird, waren die Beziehungen der Fugger zum Hof der Wittelsbacher nicht nur durch Elisabeth Fuggers ehemaligen Dienst als Hoffräulein schon seit geraumer Zeit als ausgesprochen eng anzusehen.17 Zu den Rechberg bestanden überdies schon seit den 1560er Jahren briefliche Kontakte.18 Doch auch in diesem Fall sind Kredite Hans Fuggers aus seinem Privatvermögen für die Schwiegersöhne Philipp von Rechberg und Konrad von Bemelberg erst seit der Verheiratung mit Anna Maria nachgewiesen.19
B. Tätigkeitsbereiche der Korrespondenzpartner Die Interessen, die Fuggers Adressaten mit der Korrespondenz verbanden, aber auch die Kontakt-Möglichkeiten, die sich für Hans Fugger aufgrund des jeweiligen Tätigkeitsbereichs seiner Briefpartner ergaben, hingen ganz wesentlich von der Profession eines Adressaten ab. Dies zeigt sich besonders deutlich an hohen kaiserlichen Funktionsträgern, die als Gelehrte dem Bürgerstand entstammten, eben die ersten Stufen der Adelshierarchie erstiegen und bereits hohen politischen Einfluß hatten. Beste Beispiele im Zusammenhang mit der Fuggerkorrespondenz sind die Reichsvizekanzler unter Maximilian II. und Rudolf II. Sie leiteten als Vertreter
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Über Elisabeth Fugger am bayerischen Hof Karnehm: Regesten I, S. 9*. Bemelbergs Tätigkeit als bayerischer Pfleger in Wemding bei Lanzinner: Fürst, S. 298, über die Rechberg ebenda S. 210, 386f. sowie Karnehm: Regesten I, S. 444 (Anm. 1 zu I 1015). Hans Fugger erledigte für Georg von Rechberg, den Vater seines späteren Schwiegersohns Philipp, kleinere Besorgungsdienste, beispielsweise die Weiterleitung von Briefen an seinen Sohn Ernst, und übermittelte auch Nachrichten, vgl. neben anderen Briefen insbesondere den Brief Hans Fuggers an Georg von Rechberg, 01.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 279). Hans Fuggers Tochter Anna Maria war mit Rechberg in erster (seit 1579), mit Bemelberg in zweiter Ehe (seit 1588) verheiratet. Vgl. Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 24. Zu den privaten Krediten an die Schwiegersöhne: FA 1.2.17: Schuldregister ab 1574: Fol. 10, Eintrag Nr. 38, vermerkt ein Darlehen von 3.000 fl an Rechberg im Jahr 1584, fol. 24 weist für das Jahr 1588 einen Kredit an Bemelberg von 6.000 fl aus, 1594 (fol. 60) folgte ein weiterer Kredit über 2.000 fl (alle Darlehen ohne die Erhebung von Zinsen).
des Reichserzkanzlers die Reichskanzlei und nahmen, wie Gross formulierte, als «erster kaiserlicher Minister» eine zentrale Rolle in der Innen- wie auch Außenpolitik des Reiches bzw. der Erblande ein.20 Die Reichsvizekanzler Johann Baptist Weber, Johann Ulrich Zasius, Sigmund Vieheuser und Jakob Kurz von Senftenau entstammten allesamt bürgerlichen Geschlechtern und hatten ihren Aufstieg über die Gelehrtenkarriere begonnen. Als Adressat Hans Fuggers in der aigen Korrespondenz faßbar ist allerdings allein Vieheuser, doch zu Zasius, Weber und Kurz bestanden nachweislich persönliche Kontakte.21 Daß sie über familiäre Bande allesamt enge Kontakte zur Augsburger Oligarchie hielten, wird in der vorliegenden Untersuchung noch mehrfach eine gewichtige Rolle spielen.22 Amtsträger in Hof- und Reichsdiensten – die Reichsvizekanzler sind hier nur Beispiele von vielen – bilden bei der Ordnung nach den Professionen mit 27% aller Adressaten die größte Gruppe unter Fuggers Korrespondenten. Dazu zählen auch andere hohe Würdenträger am Kaiserhof, etwa mehrere Reichshofräte, so Fuggersche Verwandte wie der bereits erwähnte Paul Sixt Trautson, ab 1582 Reichshofratspräsident, oder der Reichshofrat Dr. Johann Tonner von Truppach, der ehemalige Präzeptor Hans Fuggers,23 weiter der Obersthofmeister Adam von Dietrichstein, einer der Vertrauten Kaiser Rudolfs II. Mit Fuggers Neffen Hans von Montfort und Hans Fuggers Sohn Marx stellte die Familie auch zwei Reichskammergerichtspräsidenten.24 Zu dieser Gruppe im Hof- und Reichsdienst zählen aber ebenso Hofdiener an erzherzoglichen und herzoglichen Höfen, z.B. in Innsbruck und vor allem am Hof in München. Zu den bayerischen Herzögen, insbesondere zu Wilhelm V., unterhielt Hans Fugger besonders rege Briefkontakte, und viele Schreiben an herzogliche Höflinge stehen mit dieser ‹Herzogskorrespondenz› in Zusammenhang. Ein Beispiel sind die Briefe an Paul von Eiß, der als Sekretär des Erbprinzen Wilhelm V. in Landshut fungierte.25 Hinzu kommen die Inhaber von Verwaltungsämtern
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Vgl. Gross: Reichshofkanzlei, S. 97–99, Zitat S. 98. Grüße an Zasius läßt Hans Fugger im Schreiben an Nikolaus Mameranus ausrichten, 20.11.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 142); über den Fuggerschen Agenten am Kaiserhof, Hans Gartner, verhandelte Hans Fugger mit Weber, vgl. Hans Fugger an Hans Gartner, 28.06.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 544). Zur Betroffenheit Fuggers angesichts von Kurz’ Tod 1594 vgl. Hans Fugger an Daniel Ott, 23.03.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3440). Die Verflechtung der Reichsvizekanzler des 16. Jahrhunderts mit der Augsburger Elite beleuchtet Steuer: Außenverflechtung, S. 102–108: Weber war seit 1555 mit Sibylla Langenmantel verheiratet, Zasius ehelichte Katharina Herbrot, Viehäuser war in erster Ehe mit Sabina Welser, in zweiter mit Felizitas Rehlinger verheiratet, und Kurz schließlich war der Sohn des ehemaligen Fuggerfaktors Sebastian Kurz. Zu den Kurz vgl. Bosl: Biographie, Ergänzungsband, S. 96. Über Tonner Lill: Hans Fugger, S. 15 sowie Hausenblasová: Hof Rudolfs, S. 210, 214 (Reichshofrat ab 1573). Über die Brüder Montfort und ihre Karriere ausführlich im vierten Teil, S. 338–352 (dort auch weiterführende Literatur). An Paul von Eiß gingen von 1570 bis 1577 52 Briefe Fuggers. Vgl. das Adressatenverzeichnis in Karnehm: Regesten I, S. 114. Bei Karnehm nicht aufgeführt ist ein Brief aus der Überlieferung des GHA München, Korrespondenz-Akten 607, Fugger I [nicht foliiert] vom 05.07.1572.
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der landesherrlichen Administration, etwa eine Reihe von herzoglichen Pflegern, darunter Hans Fuggers Schwager Burkhart Nothafft, Pfleger in Rottenburg an der Laaber und später in Braunau,26 ebenso hohe Beamte mit unmittelbarem Einfluß auf die Regierung des Landes. Prominente Beispiel sind Simon Thaddäus Eck, Kanzler Albrechts V. von Bayern, und Ottheinrich Graf von Schwarzenberg, ab 1581 Obersthofmeister Wilhelms V.27 Den Verhältnissen der Zeit entsprechend entstammten die meisten dieser Korrespondenten dem Adel, wie überhaupt mehr als die Hälfte der Adressaten Fuggers dem Adel angehörten.28 32, also rund ein Drittel der mit Fugger korrespondierenden Verwandten konnten zumindest für bestimmte Zeitspannen des Briefwechsels als fürstliche oder gar kaiserliche Amtsträger verortet werden. Auf unteren Ebenen wie etwa in Pflegerämtern waren Verwandte aus dem bayerischen Landadel, so die Fuggerschen Schwager Nothafft und Rosenbusch, tätig; über die Verbindung mit den Montfort und den Ilsung reichten die Beziehungen bis zu den Ämtern eines Reichskammergerichtspräsidenten und Reichspfennigmeisters. Die erwähnten Mitglieder der Familie Trautson und Khevenhüller bekleideten einflußreiche Posten in unmittelbarer Nähe zu den Kaisern Maximilian II. und Rudolf II., und über entferntere Verwandtschaftsbeziehungen lief schließlich der familiäre Kontakt zum Reichsvizekanzler Dr. Sigmund Vieheuser. Dominierte der Adel in den angeführten Ämtern schon deutlich, so zählten weitere 14% der Fuggerschen Briefpartner ebenfalls zum Adel – eine eigene Gruppe, weil für diese Personen keine Übernahme von Funktionen im Fürsten- oder Reichsdienst nachzuweisen ist. Bei diesen Adressaten handelte es sich um den Adel, der sich nachweislich, oder, weil anderslautende Zeugnisse fehlen, mutmaßlich mit der Verwaltung seines Besitzes befaßte, wie dies beispielsweise ab 1585 auch für Fuggers Neffen Jörg von Montfort zutraf, der sich nach einigen Jahren als kaiserlicher Mundschenk, Kämmerer und Reichshofrat auf seinen Herrschaftssitz in der Grafschaft Tettnang am Bodensee zurückzog.29 Der Fall Jörgs von Montfort weist uns zugleich darauf hin, daß bei dieser statistischen Auswertung eine Person durchaus in zwei Funktionen auftauchen und gezählt werden kann, je nach Lebensphase oder Karriereverlauf. Eine weitere wichtige Gruppe mit wahrhaft tragender Funktion für Hans Fugger und seine Korrespondenz waren die Angestellten im Fuggerschen Handel, in der Güterverwaltung und im Haushalt, daneben Beauftragte mit ‹Spezialgebieten›, beispielsweise der Fuggersche Syndikus Matthias Laymann oder Hans Gartner,
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Die von Nothafft bekleideten Ämter sind verzeichnet bei Karnehm: Regesten I, S. 9 (Anm. 1 zu I 16). Über Schwarzenbergs Wirken am bayerischen Hof ausführlich Lanzinner: Herrschaftsausübung, bes. 85–94, zur Karriere Schwarzenbergs und Ecks Lanzinner: Fürst, S. 328, 402f., passim. 252 Adressaten Fuggers waren zweifelsfrei als Adlige zu identifizieren. Im Februar 1585 meldete Jörg von Montfort die Ankunft zusammen mit seiner Ehefrau in seiner Herrschaft Tettnang, vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 23.02.1585, FA 1.2.14a H. 58 (II/2 2703). – Die Karriere Montforts am Kaiserhof und Hans Fuggers Unterstützung ausführlich im vierten Teil, S. 338–345.
Interessenvertreter der Fugger am Kaiserhof.30 16% aller Adressaten gehören dieser Gruppe an. In der Hierarchie an erster Stelle zu nennen sind hier die Faktoren als Leiter der Fuggerschen Niederlassungen, hoch qualifizierte Wirtschaftsfachleute mit recht großer Selbständigkeit. Weniger an die Firma gebunden waren die sogenannten Agenten, selbständige Kaufleute, über die Fuggersche Geschäfte abgewickelt wurden, wenn an einem Ort keine Fugger-Faktorei existierte.31 Die wichtigsten Vertreter für diese Gruppe sind die Ott, eine aus Ulm stammende Kaufmannsfamilie in Venedig, die unter anderem Wechselgeschäfte für die Fugger tätigten.32 Bei den zahlreichen Besorgungsdiensten Fuggers für andere Adressaten, von denen noch die Rede sein wird, waren ihm Faktoren und Agenten, aber auch weitere Handelsdiener der Niederlassungen, z.B. Buchhalter und Schreiber, wichtige Helfer. Als Stellvertreter des Regierers Marx besprach Fugger mit dieser Gruppe aber auch dezidiert geschäftliche Themen, so die Tilgung von Großkrediten.33 Eine Adressatengruppe, von der im Zusammenhang mit den Nachrichtentransfer in der Fuggerkorrespondenz noch häufig die Rede sein wird, bilden die Briefpartner im Militärdienst, insbesondere Obristen und Hauptleute Philipps II. von Spanien oder des Kaisers.34 Unter diesen 8% der Korrespondenten befanden sich erfahrene, verdiente Militärs wie Hieronimus Graf von Lodron, der noch in den 1590er Jahren als Stellvertreter des Markgrafen Carl von Burgau, Sohn Erzherzog Ferdinands von Tirol, an der Ostgrenze gegen die Türken im Einsatz war. Mit 100 Briefen Fuggers an Lodron seit 1572 zählt dieser Heerführer zu den von Fugger am häufigsten kontaktierten Korrespondenzpartnern.35 Die Obristen mußten als Truppenführer gleichzeitig auch die Ausrüstung der ihnen anvertrauten Soldaten vorfinanzieren und beschaffen; ihren Finanzbedarf deckten sie über Kredite, auch durch die der Firma Fugger. Hans Fugger leitete ihre Ordern für Waffen und sonstige Ausrüstung an Augsburger und Nürnberger Handwerker weiter und überwachte zusammen mit den Angestellten des Fuggerschen Handels auch deren Fertigung.36 Überdies sind auch Darlehen an die Kriegsleute privat, teilweise sogar aus Hans Fuggers eigenem Vermögen, Thema der Korrespondenz.37
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Zu Laymann Karnehm: Regesten I, S. 166 (Anm. 2 zu I 379), über Hans Gartner ebenda, S. 30*. Über die Agenten informiert Hildebrandt: Diener und Herren, S. 153. Vgl. zu den Ott: Backmann: Firma Ott. Die wichtigsten Korrespondenten Fuggers aus dieser Gruppe auch bei Karnehm: Regesten I, S. 25*–38*. Zu ihrer Bedeutung für die Korrespondenz auch Karnehm: Regesten I, S. 42*–46*. Bei Karnehm: Regesten I, S. 43 Anm. 129 wird die Zahl von 101 Briefen genannt, da dort ein Brief an einen weiteren Lodron, Graf Kaspar (I 1125), einbezogen ist. Zu den finanziellen Aspekten und der Ausrüstung vgl. Karnehm: Regesten I, S. 44*–46*. Über Anwerbung und Finanzierung von Söldnern Reinhard Baumann: Landsknechte. Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg. München 1994, S. 92f. – Beispiele für Kredite an Offiziere auch bei Häberlein: Fugger, S. 108. Hierzu geben die überlieferten Schuldbücher Hans Fuggers Aufschluß: Ein Beispiel aus dem Jahr 1592 ist ein Darlehen an Hauptmann Hans Anton Zinn von Zinnenburg über 2.250 fl, vgl. FA 1.2.17, fol. 50. Über die teilweise Tilgung dieses Darlehens der Brief Fuggers an Zinn, 23.01.1593, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3332).
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Weitere 5% der Briefpartner Fuggers sind enge Angehörige der Familie Fugger, hier Hans’ Verwandte bis zum zweiten Grad, die Ehepartner jeweils eingeschlossen, soweit sie nicht über ihre offiziellen Funktionen, z.B. in Hofämtern, erfaßt werden können. In dieser Gruppe sind insbesondere die Frauen der Familie Fugger vertreten, so Hans Fuggers Schwestern, die Eheverbindungen mit dem schwäbischen und erbländischen Hochadel eingegangen waren, und seine Tochter Anna Maria.38 Sie bildeten unter den nur 7% der Adressaten, die weiblichen Geschlechts waren (35 Frauen), die größte Gruppe – sonst wurden nur noch vereinzelt Kreditnehmerinnen, etwa Anna von Molart,39 Bedienstete wie Anna Gaugenrieder,40 oder eine Dienstleisterin wie die Gastwirtin Stenglin41 angeschrieben. Hier mit aufgenommen sind auch Fuggers Söhne und Neffen, solange sie noch in der Ausbildung waren oder ihre Karrieren bei Hof oder in der Kirche noch nicht begonnen hatten. Kleriker, darunter auch Hans Fuggers jüngster Sohn Jakob, sind mit 5% der Adressaten in der Korrespondenz vertreten. Angehörige des Jesuitenordens, zu dem die Fugger eine ausgesprochen enge Beziehung pflegten, gehören dazu, beispielsweise Gregor Rosephius SJ, der Petrus Canisius’ Stelle als Domprediger in Augsburg übernahm und zeitweise das Augsburger Jesuitenkolleg leitete.42 Dr. Nikolaus Elgard, im Auftrag des Augsburger Bischofs und des Papstes als Visitator im Reich unterwegs und späterer Weihbischof von Erfurt, stand mit Fugger in regem geschäftlichen und Nachrichten-Kontakt.43 Auch einfache Priester der Fuggerschen Herrschaften, beispielsweise Hans Winterhalter, Pfarrer zu Schmiechen, oder Christoph Gail, Pfarrer in Babenhausen, waren Empfänger von Fuggerbriefen.44 Nur noch 4% der Adressaten stellen hohe Reichsfürsten und deren unmittelbare Familienangehörige. An erster Stelle zu nennen sind die Vertreter des Hauses Wittelsbach: Die Herzöge Albrecht V. und Wilhelm V., dessen Brüder Ernst, ab 1583 Kurfürst von Köln, und Ferdinand, daneben auch die Herzoginnen Jakobäa Maria, Anna und Renata von Bayern sowie Erzherzogin Maria von Innerösterreich, die
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Vgl. Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 16. – Fuggers ältere Tochter Maria Jakobe erscheint nicht als Adressatin, da sie mit Octavian Secundus Fugger in Augsburg lebte. Vgl. Hans Fugger an Anna von Molart, 30.11.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2229): Anna von Molart untersagte Fugger weitere Kredite auf ihre Kosten zugunsten ihres Sohnes Ernst, weil sie Kapital für den Erwerb liegender Güter benötigte. Anna Gaugenrieder versah in Schmiechen das Hauswesen und wurde angeschrieben, wenn sie bei Besuch Gästezimmer und ähnliches vorbereiten sollte, vgl. Hans Fugger an Anna Gaugenrieder, 26.05.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 838). Vgl. Hans Fugger an Barbara Stenglin, 22.10.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/ 1750). Fugger bestellte Quartier für eine Reise. Vgl. Bosl: Biographie 1, S. 643. – Briefe, die Hans Fugger an Petrus Canisius schrieb, erscheinen nicht in den Kopierbüchern. Von ihnen zeugt jedoch Canisius’ Nachlaß. Eine kurze Charakterisierung der Briefinhalte findet sich bei Pölnitz: Canisius, S. 382f. Über die Beziehungen der Familie Fugger zum Jesuitenorden auch S. 388f. Elgards Karriere ist kurz nachgezeichnet bei Karnehm: Regesten I, S. 12 (Anm. 1 zu II/1 21). Vgl. Hans Fugger an Christoph Gail, 12.11.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 871) sowie an Hans Winterhalter, 16.04.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 797).
Schwester Wilhelms V.45 Von den Erzherzögen finden wir nur Ferdinand von Tirol in der Korrespondenz Fuggers,46 Briefe an Kaiser Maximilian II. oder Rudolf II. sind dagegen nicht überliefert. Entweder wurden sie nicht als Bestandteil der aigen Korrespondenz oder wegen eigenhändiger Abfassung ohne Kopierbuch-Konzept in die Sammlung aufgenommen; vermutlich oblag der geschäftlich geprägte Briefverkehr mit ihnen ohnehin in erster Linie Marx Fugger als dem Leiter der Handelsgesellschaft. Des weiteren hervorzuheben sind Briefe an Herzog Ludwig von Württemberg sowie die Pfalzgrafen Wolfgang und Philipp Ludwig von Neuburg, alle drei entschiedene Lutheraner.47 Unter den hohen Kirchenfürsten, die abgehoben vom sonstigen Klerus hier mit einbezogen sind, verdienen Kardinal Otto Truchseß von Waldburg,48 Bischof von Augsburg, Johann Jakob Khuen von Belasy, Erzbischof von Salzburg, sowie der Brixener Bischof Johann Thomas von Spaur noch besondere Erwähnung.49 Rund 3% Adressaten hatten als Hofmeister oder Angehörige von Lehrberufen (Präzeptoren, Hochschullehrer) pädagogische Aufgaben zu versehen – dazu zählen die Erzieher der Kinder Fuggers und seiner Verwandten ebenso wie beispielsweise ein Andreas Pühler, der die Söhne des Balthasar von Stubenberg während ihres Studiums in Frankreich betreute und mit Fugger wegen der Überweisung von Geldgeschäften und wegen Nachrichtentransfers in Kontakt stand.50 Weitere 3% sind als Angestellte Dritter zu kennzeichnen, beispielsweise als Verwalter verwandter Adelsfamilien.51 Nur 3% können dem Kaufmannsstand zugeordnet werden, darunter der ältere Bruder Marx Fugger. Zu beachten ist hier allerdings, daß Angestellte und Agenten des Fuggerschen Handels, die ja auch häufig der Augsburger Kaufleutestube angehörten,52 bereits oben separat über ihre Dienste bei den Fuggern erfaßt sind. Nur wenige der Briefpartner Fuggers, ebenfalls 2%,
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Eine erste Charakterisierung des Briefwechsels mit den bayerischen Herzögen bei Karnehm: Regesten I, S. 46*–54*, jüngst dazu auch Lietzmann: Hans Fugger. Vgl. Hans Fugger an Erzherzog Ferdinand, 28.01.1584, FA 1.2.12b H. 51 (II/2 2451) sowie an denselben, 08.11.1586, FA 1.2.14b H. 66 (II/2 3087). Vgl. z. B. Hans Fugger an Wolfgang, Pfalzgraf zu Neuburg, 24.03.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 50), an Ludwig, Herzog zu Württemberg, 23.02.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 377) sowie an des Pfalzgrafen Sohn Philipp Ludwig, 15.06.1574, FA 1.2.7.1 H. 18 (II/1 139). – Der bei Karnehm: Regesten I, S. 65* angeführte König Johann III. von Schweden wickelte zwar seine Briefsendungen und Finanztransfers über die Fugger ab, doch an ihn ist in den Kopierbüchern kein Schreiben Hans Fuggers überliefert. Die Beziehung zu Waldburg knapp bei Karnehm: Regesten I, S. 93*. Vgl. Hans Fugger an Johann Khuen von Belasy, 22.11.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1225) sowie an Johann Thomas von Spaur, 24.09.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1720). Zu den Präzeptoren und Lehrern Karnehm: Regesten I, S. 38*–41*. Dazu gehörte beispielsweise Dr. Wilhelm Vogt, Obervogt zu Mindelheim, vgl. Hans Fugger an Wilhelm Vogt, 14.02.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2069). Auch Sebastian Zäch, langjähriger und verdienter Mitarbeiter in der Fugger-Firma, gehörte der Kaufleutestube an, vgl. Reinhard: Eliten, Nr. 1508 sowie Karnehm: Regesten II/1, S. 238 (Anm. 1 zu II/1 568).
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sind als Handwerker oder sonstige Gewerbetreibende53 und als Künstler anzusprechen, beispielsweise der Augsburger Baumeister Jakob Eschay54, der berühmte Maler Friedrich Sustris55, der Musiker Melchior Neusidler56 oder der Augsburger Goldschmiedemeister Jacob Rüttel57. Unter ‹sonstige Ämter und Berufe› (2%) ist schließlich noch eine Gruppe von Personen zusammengefaßt, die ihr Brot als Ärzte oder Juristen verdienten, beispielsweise der Augsburger Stadtarzt Dr. Christoph Heuberger oder der Reichskammergerichtsassessor Dr. Johann Klöpfer.58
A ngestellte Anderer 3%
Handw erker Handwerker 2%
sonstige Ämter 2%
unbekannt 8% Hof- und Reichsdienst 27%
Kaufmannschaft 3% Hofmeister/Lehrer 3% Landesherren mit Familien 4%
Fuggersche Diener 16%
Klerus 5% FamilienangeFamilienangehörige hörigeFugger Fugger 5%
Militär 8%
Adel ohne Amtsfunktion Amtsfunktion 14%
Grafik 5: Die 494 Adressaten Fuggers, geordnet nach ihrer Profession.
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Einbezogen sind hier auch Gastwirte wie zum Beispiel Barbara Stenglin, Wirtin in Fürstenfeldbruck, vgl. Hans Fugger an dieselbe, 22.10.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1750). Vgl. Hans Fugger an Jakob Eschay, 05.07.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1970). Zu Sustris’ Beziehung zu Hans Fugger Karnehm: Regesten I, S. 92*–95*. Über Neusidlers Verbindung zu den Fuggern berichtet Franz Krautwurst: Melchior Neusidler und die Fugger. In: Musik in Bayern 54 (1997), S. 5–24. 1580 ist er auch als Kreditnehmer bei Fugger nachzuweisen, vgl. Hans Fugger an Melchior Neusidler, 28.12.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1810). Vgl. zu Rüttel die Kurzbiographie bei Karnehm: Regesten II/2, Anm. zu Brief II/2 2716. Vgl. Hans Fugger an Christoph Heuberger, 14.09.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 945) sowie an Johann Klöpfer, 13.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2549). Über Heuberger auch Gensthaler: Medizinalwesen, S. 87, 103. – Bei 8% der Adressaten konnte der Tätigkeitsbereich aufgrund unzureichender prosopographischer Information nicht eindeutig erschlossen werden (geführt als «unbekannt», vgl. Grafik 5). Es handelt sich entweder um Korrespondenzpartner, die nur mit vereinzelten Briefzeugen in der Korrespondenz Fuggers vertreten sind, oder um Adressaten, deren Karrieren nur bruckstückhaft nachzuvollziehen sind (Mehrfachnennungen möglich).
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C. Konfessionelle Verortung der Fuggerschen Adressaten Anzuschließen ist die Frage nach der Konfession der Adressaten, denn Fugger hielt treu an der Papstkirche fest, wie in den folgenden Kapiteln noch mehrfach darzustellen sein wird; sein durch Philipp Eduard Fugger überlieferter Beschluß, nurmehr katholische Hausangestellte zu akzeptieren, ist einer von vielen Belegen, ebenso eine – allerdings nicht allein – religiös motivierte Romreise Hans Fuggers zusammen mit Ursula Fugger, verheiratet mit dem Vetter Georg Fugger.59 Um so wichtiger ist es zu erfahren, in welchem Umfang Hans Fugger brieflich Umgang mit Protestanten pflegte, und vor welchem Hintergrund dies geschah. Schon Anton Fugger war ja stets bemüht gewesen, trotz der Orientierung auf das Haus Habsburg auch Kontakte mit protestantischen Fürsten zu pflegen.60 Die Eruierung von Kontaktgrundlagen und Tätigkeitsbereichen ermöglicht schon einige Vorannahmen für die konfessionelle Struktur des Korrespondenznetzes. Daß nur für 24 Lutheraner der Briefkontakt mit Hans Fugger sicher nachgewiesen werden konnte, bedeutet ohne Zweifel eine deutlich katholische Prägung seines Korrespondenznetzes, selbst wenn man berücksichtigt, daß aufgrund der problematischen Forschungslage zur konfessionellen Verortung im 16. Jahrhundert möglicherweise noch einige Protestanten unberücksichtigt geblieben sind.61 Geschäftskontakte finden wir zu bereits erwähnten lutherischen Fürsten, so zu Herzog Ludwig von Württemberg und zu den Pfalzgrafen von Neuburg. Ein Briefkontakt mit Calvinisten ist für Fugger nicht zu eruieren; die nachfolgenden Untersuchungen zu den Nachrichtenmeldungen Hans Fuggers werden jedoch noch einiges zu Fuggers Position gegenüber dem Calvinismus anfügen. Die große Zahl von Verwandten und hohen Amtsträgern in Hof- und Reichsdiensten, mit denen Hans Fugger korrespondierte, läßt den kleinen Anteil lutherischer Adressaten als höchst plausibel erscheinen. Die Fugger heirateten ja vornehmlich in katholische Familien ein – Ausnahmen bildeten die Ortenburger, protestantisch seit 1563,62 oder die Grafen von Eberstein –, und insbesondere in Bayern war es durch eine «Säuberungsaktion» in bayerischen Hof- bzw. Verwaltungsämtern schon seit den 1560ern enorm
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Philipp Eduard Fugger über die Konfession der Hausangestellten Hans Fuggers nach Sieh-Burens: Oligarchie, S. 189. Neue Hintergründe zur Romreise in den Beiträgen von Karnehm: Malvezzi 1, sowie Karg: Malvezzi 2. – Zur Deutung von religiösen Implikationen der Romreise Schad: Frauen Fugger, S. 55–58. Vgl. zusammenfassend Götz Freiherr von Pölnitz: Die Fugger. Tübingen 61999, S. 191– 214. Vgl. Reinhard: Eliten, S. XIX. Hilfreich zur Identifizierung adliger Anhänger des Luthertums im Herzogtum Bayern ist nach wie vor die Untersuchung von Brigitte Kaff: Volksreligion und Landeskirche. Die evangelische Bewegung im bayerischen Teil der Diözese Passau. München 1977 (Miscellanea Bavarica Monacensia 69), bes. S. 352–368. Zur Heiratsverbindung mit den Ortenburg Schad: Frauen Fugger, S. 71–103. Der Konflikt zwischen Joachim von Ortenburg und Albrecht V. von Bayern nach dem Übertritt zur Reformation, mit einer Charakterisierung der Forschungsgeschichte, jüngst bei Ullmann: Lange Bank, S. 177–194.
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schwierig, trotz eines Bekenntnisses zum Utraquismus in herzoglichen Diensten zu bleiben.63 Am Kaiserhof wurde es gerade nach dem Herrschaftsantritt Rudolfs II. 1576 ebenso zunehmend problematisch, eine hohe Position am Hof mit der Anhängerschaft an die lutherische Lehre zu verbinden.64 Die nähere Betrachtung der lutherischen Korrespondenzpartner macht allerdings deutlich, daß ungeachtet der katholisch orientierten Fuggerschen Heiratsund Beschäftigungspolitik trotzdem keine Neigung Fuggers bestand, Kontakte zur zweiten reichsrechtlich anerkannten Konfession, wo immer es ging, gezielt auszusortieren. So nannte Hans Fugger auch mit allem Nachdruck Lutheraner aus dem Augsburger Patriziat seine Freunde: Hans Honold, der zu seinen Briefpartnern zählte, und Philipp Stamler etwa, wurden jeweils von ihm als sonder guter Freund65 bezeichnet. Und auch für die Geschäfte des Handels mochten die Fugger nicht auf qualifiziertes protestantisches Personal verzichten: Der protestantische Syndikus Matthäus Laymann, ein Lutheraner, wirkte jahrzehntelang erfolgreich für die Interessen der Familie,66 und die Brüder Michael, Raphael und Gabriel Geizkofler wahrten als Rentmeister, Jurist bzw. Faktor zuverlässig Fuggersche Interessen. Vom Juristen Raphael Geizkofler wissen wir sogar, daß Hans Fugger ihn für erfolgreiche Verhandlungen in familiären Erbschaftsfragen und im Zusammenhang mit der Erlangung der Herrschaft Mindelheim mit Geldgeschenken reich belohnte.67
D. Häufigkeit des Briefkontakts Zieht man nun die Häufigkeit in Betracht, mit der die hier vorgestellten Adressatenkreise brieflich kontaktiert werden, so ergibt sich ein Bild, das in einigen Punkten in bemerkenswerter Weise von den Werten abweicht, wie sie Grafik 5 präsentiert, wenn nur – wie im vorausgehenden Kapitel geschehen – der Anteil der jeweiligen Gruppe an der Gesamtzahl aller Adressaten ermittelt wird:
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Lanzinner: Fürst, S. 150–166, Zitat S. 159. Vgl. Hausenblasovà: Hof Rudolfs, S. 115–117. Hans Fugger an Jörg von Etzdorf, 31.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2583) sowie an Thomas Miller, im November 1580 [kein Tagesdatum], FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1761). Zitiert nach Christl Karnehm. – Zur Konfession der Familie Stamler vgl. auch Paul von Stetten: Geschichte der adelichen Geschlechter in der freyen Reichs=Stadt Augsburg [...]. Augsburg 1762 (ND Neustadt/Aisch 1999), S. 238. Über Laymanns religiöse Haltung vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 24.11.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2227). Zu den Geizkoflern im Dienste der Familie Fugger Friedrich Blendinger: Michael und Dr. Lukas Geizkofler. In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 8. München 1961 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für Bayerische Landesgeschichte = Veröffentlichungen, Reihe 3), S. 108–138, bes. 113–133.
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Grafik 6: Häufigkeit des Briefkontakts zu den Adressatengruppen (geordnet nach ihrer Profession)
Nicht mehr die Korrespondenzpartner in Hof- und Reichsdiensten, sondern die Fuggerschen Diener dominieren den Brieftransfer: Mehr als ein Drittel aller Briefe ging an sie, wobei die Faktoren und Agenten in dieser Gruppe einen deutlichen Vorsprung hatten.68 Rein quantitativ betrachtet korrespondierte Fugger also in erster Linie mit Personen, die mit den Angelegenheiten der Firma direkt befaßt waren oder sich der Erhaltung und Verwaltung des Fuggerschen Besitztums widmeten. Auch hier deutet sich also wieder an, daß die aigen Korrespondenz Hans Fuggers nur bedingt mit persönlich-intimen Inhalten verbunden werden kann – an diesen Hinweis wird bei der Aufarbeitung der Themenfelder in den Fuggerbriefen anzuknüpfen sein. Mit 22% erhielten jedoch die Amtsträger für Fürsten, Kaiser und Reich immer noch ein gutes Fünftel aller Schreiben. Deutlich an Gewicht gewinnt die Gruppe der Landesherren und ihrer Familienangehörigen. Sie stellten nur 4% der Adressaten, erhielten aber 14% der Briefe, was insbesondere auf Fuggers rege Korrespondenz mit Wilhelm V. zurückzuführen ist: Er erhielt mit Abstand die meisten Fuggerbriefe überhaupt.69 Bei den restlichen 26% der Korrespondenz treten mit dem größten Anteil noch die Militärs hervor. 8% aller Briefe für sie entspricht ihrem Anteil an der Gesamtheit der Adressaten. Was die übrigen noch aufzuführenden Gruppierungen angeht, so ist erwähnenswert allein noch, daß Familienangehörige dagegen häufiger kon-
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An Faktoren und Agenten gehen nahezu 23% aller Briefe (1099 Schreiben), an alle Fuggerschen Diener und die Agenten zusammen 38%. An Wilhelm V. sandte Fugger insgesamt 447 Briefe.
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taktiert werden, als dies anhand der Adressatenstruktur zu ersehen wäre und daß insbesondere Adlige, die nicht gleichzeitig ein Amt verwalteten, verhältnismäßig selten angeschrieben wurden – Fuggers briefliche Verbindung zum Adel konzentrierte sich also ausgesprochen deutlich auf Amtsträger mit politisch-administrativen oder auch judikativen Funktionen. Betrachtet man diese Gruppen nun in verschiedenen Phasen der Korrespondenz, so stellt man fest, daß sich besonders für die Gruppe der Fuggerschen Bediensteten und Angestellten, für die Personen, die Fugger geschäftlich verbunden waren, und für Familienmitglieder deutliche Verschiebungen feststellen lassen: Während der Anteil der ersten beiden Gruppen ab den achtziger Jahren stetig abnahm, wurden Familienmitglieder immer stärker in die Korrespondenz einbezogen. Diese Entwicklung findet ihre Entsprechung in den noch zu besprechenden Themenfeldern der Briefe.
E. Besondere Adressaten nach der Häufigkeit des Briefkontakts Entsprechend den Befunden zur Verteilung der Briefe auf die hier vorgestellten Professions-Gruppen entstammen die zehn Adressaten Fuggers, mit denen er am häufigsten korrespondierte, den drei größten Adressatenkreisen: Die 447 Schreiben an Wilhelm V. von Bayern stehen mit großem Abstand an der Spitze – die ‹Herzogskorrespondenz› bildet auch den Schwerpunkt des zweiten Hauptteils der Untersuchung. Mit 217 bzw. 205 Schreiben folgen in einem recht deutlichen Abstand die beiden Faktoren Gabriel Geizkofler in Wien und Philipp Römer in Antwerpen bzw. Nürnberg. David Ott, der Fuggersche Agent in Venedig, schließt sich mit 194 Schreiben an. 114 Schreiben an Herzog Albrecht V. von Bayern unterstreichen die hohe Bedeutung des Hauses Wittelsbach für das Fuggersche Korrespondenznetz. An sechster Stelle ist der erste Verwandte Fuggers unter den Hauptkorrespondenten zu verzeichnen: Jörg von Montfort, für die meiste Zeit seines Briefverkehrs mit dem Augsburger Onkel unter den Hofämtern geführt, erhielt 102 Schreiben. Nur zweimal weniger empfing Hieronimus von Lodron Fuggersche Schreiben aus Augsburg – er ist der einzige Heerführer in dieser Spitzengruppe, und von seiner hervorgehobenen Position in der Korrespondenz wird bei der Analyse der Nachrichtenbriefe noch ausführlich zu handeln sein. Auf Lodron folgen wieder zwei Handelsdiener, Hans Keller in Antwerpen und Carl Heel in Nürnberg mit 95 bzw. 91 Briefen. Der zehnte und letzte Hauptkorrespondent, der hier noch aufgenommen werden soll, ist schließlich Burkhardt Nothafft, Bruder von Fuggers Frau Elisabeth, der 91 Schreiben erhielt, genauso viele wie Heel. Diese 1656 Schreiben an zehn Briefpartner bilden allein 34% aller überlieferten Einträge ins Kopierbuch bzw. aller aufgefundenen Originalbriefe, wobei die Briefe an Handelsdiener nochmals eindrücklich unterstreichen, wie intensiv auch die Verbindung Hans Fuggers zu den Angestellten der Fugger-Firma war, obwohl er für den hier greifbaren Zeitraum nie dauerhaft die Geschäfte führte. Ob sich dieses 72
Ergebnis mit umfangreichen geschäftlichen Aktivitäten Hans Fuggers auch im Rahmen seiner aigen Korrespondenz, eigentlich getrennt von geschäftlichen Belangen, verbinden läßt, wird eines der Themen der nachfolgenden Kapitel sein.
F. Grundlegung der Briefbeziehung zu Hans Fugger Auf welcher Grundlage der Briefkontakt zu Hans Fugger zustandekam, kann häufig nicht mit Bestimmtheit geklärt werden; Fuggers Briefe geben nur höchst selten Aufschluß darüber, ob und woher er seine Korrespondenten bereits kannte, oder ob etwa der überlieferte erste Brief Hans Fuggers tatsächlich auch den ersten Kontakt zu einer Person bedeutete. Vergleichsweise unproblematisch läßt sich diese Frage noch für alle Verwandten Fuggers beantworten, war doch, wie bereits erwähnt, ein Verwandtschaftsverhältnis in den meisten Fällen schon hergestellt, bevor Fugger und der betreffende Adressat nachweisbar in Briefkontakt zueinander traten. Die zweitgrößte Gruppe unter den Adressaten, bei der die Entstehung des schriftlichen Austauschs mit Hans Fugger zweifelsfrei geklärt werden kann, sind gegenwärtige oder ehemalige Bedienstete Hans Fuggers, Angestellte bzw. Gehaltsempfänger des Handelshauses, die Agenten, Erzieher und Lehrer eingeschlossen, ebenso das Verwaltungs- und Dienstpersonal der Fuggerschen Haushalte in Augsburg und auf den Landsitzen. Bei diesen 89 Personen bildeten die Männer, die für das Handels- und Bankhaus Fugger Dienst taten, also Handelsdiener, Faktoren und Geschäfts-Agenten, die größte separate Gruppe von 32 Personen. Hier einbezogen sind auch diejenigen, die ihre Karriere in Fuggerschen Diensten begannen, jedoch im Anschluß zeitweilig oder dauerhaft andere Funktionen wahrnahmen. Zu nennen sind insbesondere ehemalige Präzeptoren: Johann Tonner, der Hans Fugger und seine Brüder unterrichtet hatte, wurde 1569 Präzeptor des späteren Kaisers Rudolfs II. und stieg 1573 in den Reichshofrat auf;70 Dr. Lorenz Sifanus, ehemals Fuggerscher Hauslehrer, wirkte seit 1569 auf Vermittlung Hans Fuggers und seiner Brüder hin als Professor an der Universität Ingolstadt.71 In die Gruppe von Adressaten, die mit 77 Personen die viertgrößte ist, was die Kontaktbasis zu Fugger angeht, sind Personen eingeordnet, die Hans Fugger aller Wahrscheinlichkeit nach durch ihre Tätigkeit am oder ihre Nähe zum Münchener bzw. Landshuter Herzogshof72 kennengelernt hatte. Dabei handelte es sich zum
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Zur Biographie Tonners jüngst Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 312. Vgl. Karnehm: Regesten I, S. 40*f. Wilhelm V. von Bayern residierte nach seiner Verheiratung bis zum Beginn seiner Regentschaft Ende 1579 auf der Burg Trausnitz bei Landshut. In Landshut selbst befand sich überdies eine Stadtresidenz der bayerischen Herzöge, vgl. Hilda Lietzmann: Die Landshuter Stadtresidenz unter den Herzögen Albrecht V. und Wilhelm V. (1550–1597). In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern 122–123 (1996/97), S. 139–173.
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einen um die Träger höfischer Ämter, die im Auftrag der Herzöge Bestellungen von Warengütern oder Ähnliches an Hans Fugger weiterleiteten. Bei den anderen Hofoder Verwaltungsbeamten der Herzöge, die wegen anderer Anliegen mit Fugger korrespondierten, kann die Bekanntschaft durch den Hof häufig nicht mit letzter Sicherheit erschlossen werden, doch ist sie die wahrscheinlichste, wenn keine Hinweise auf Verwandtschaft oder schon länger existierende geschäftliche Beziehungen vorliegen; Hans Fugger und zahlreiche andere Mitglieder seiner Familie waren schließlich auf den Festen und Jagden der Herzöge gern gesehene Gäste und durch die Verwandtschaftsbeziehungen zum bayerischen Adel, etwa zu den Ortenburg, den Nothafft, den Rechberg in die Kreise um den bayerischen Herrscher integriert, von den geschäftlichen Kontakten zum Herzogshaus einmal abgesehen. Zudem ist für Hans Fugger 1560 bis zu seiner Eheschließung im Mai diesen Jahres ein Aufenthalt am Münchener Hof bezeugt, ohne daß aber Näheres hierzu bekannt ist – doch kann er schon in dieser Zeit in unbekanntem Umfang persönliche Kontakte geknüpft haben.73 Auf persönliche Bekanntschaften schon aus der Zeit vor der Verheiratung 1560 sind sicher auch etliche Korrespondenzbeziehungen zu Würdenträgern des Kaiserhofes in Wien und Prag zurückzuführen, da Fugger vor seiner Tätigkeit in der Antwerpener Faktorei 1557 ja einige Zeit am Hof Kaiser Ferdinands verbrachte.74 Wieder sind einige Briefbeziehungen direkt durch (Finanz-)Dienstleistungen für den Herrscher zu erklären; Geschäftsbeziehungen zu den Habsburgern und Verwandtschaftskontakte zu den etablierten Adelsfamilien, beispielsweise den Trautson, taten zweifellos ein übriges, um einen Briefwechsel entstehen zu lassen, so auch mit den Höfen der habsburgischen Erzherzöge Ernst und Ferdinand. Auf diese Hofkontakte in die Erblande muß daher nochmals der briefliche Kontakt mit 25 Personen zurückgeführt werden. Weitere 25 Adressaten kannte Fugger wohl aus seinem Augsburger Umfeld, wenn sie etwa Kaufmannsgeschlechtern entstammten oder Dienste beim Augsburger Bischof versahen wie beispielsweise dessen Jägermeister Marquard vom Stein.75 Auch Augsburger Domherren und in der Reichsstadt tätige Jesuiten wie Fuggers Beichtvater Rosephius SJ sind darunter, daneben der Stadtarzt Dr. Christoph Heuberger. 26 Personen waren bei anderen Firmen oder in Adelshäusern in den unterschiedlichsten Funktionen angestellt und korrespondierten meist auch in dieser Eigenschaft mit Hans Fugger. Eine ‹indirekte› Bekanntschaft ergab sich ebenfalls, wenn Fuggersche Korrespondenten ihre Verwandten oder Bekannten in die Korrespondenz einführten, wie dies bei 19 Personen der Fall war. Der Briefkontakt zwischen Hans Fugger und Francesco Ciurletta beispielsweise erschöpfte sich darin, daß Fugger über Francesco Briefe an dessen Bruder Giovanni Ciurletta wei-
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Über den Aufenthalt in München Lill: Hans Fugger, S. 6f. Auch hierzu Lill: Hans Fugger, S. 6. Zur Bedeutung für die Korrespondenz Karnehm: Regesten I, S. 7*f. Vgl. die biographische Kurznotiz zu Marquard vom Stein bei Karnehm: Regesten II/1, S. 709 (Anm. 1 zu II/1 1635).
terleitete, der in Diensten Herzog Wilhelms von Bayern stand, und Francescos Briefe an Ciurletta weiter nach München oder Landshut schickte, wenn dieser sich bei Hof aufhielt.76 Bei 11 weiteren Personen ließ sich entweder eine längerfristige Bekanntschaft mit Fugger aus den Briefen rekonstruieren, ohne daß der genaue Zeitpunkt ihrer ersten Begegnung ermittelt werden konnte, oder es handelte sich um Freunde wie der erwähnte Hans Honold oder um den Medizinstudenten Christian Juda, dessen Studium Hans Fugger finanziell unterstützte.77 Für 89 weitere Adressaten ließen sich nur geschäftliche Verbindungen in Gestalt von Kreditbeziehungen oder über die Besorgung bestimmter Waren durch Fugger nachweisen. Vornehmlich handelte es sich dabei um adlige Amtsträger oder gar Fürsten wie die bayerischen Herzöge. Eine kleine Gruppe von 10 Adressaten stand zumindest nach Auskunft der Fuggerkorrespondenz mit Fugger in Kontakt, weil sie sich von ihm Protektion in einem bestimmten Anliegen erhoffte.78 17 Adressaten allerdings konnten in keine dieser Kategorien eingeordnet werden; dabei handelt es sich um einmalige Briefkontakte, wie zum Beispiel beim Brief des Victor Welze, dessen Sohn sich wohl kurzfristig in Fuggers Haus aufhielt.79
G. Mehrfachbeziehungen 44% der Korrespondenten80 Hans Fuggers waren mit ihm über mehrere Beziehungsebenen verbunden – die Verbindung zu ihnen war, um mit der netzwerkanalytischen Terminologie zu sprechen, multiplex. Quelle sind hier wiederum vorrangig die Briefe Hans Fuggers, ergänzt durch Hinweise aus den Arbeiten zur Fuggerschen Genealogie und die Fuggerschen Schuldbücher bzw. Bilanzauszüge.81 Die Differenzierung, die hier vorgenommen wurde, entspricht weitgehend derjenigen zur Kontaktbasis: Neben der familiär-verwandtschaftlichen Beziehungsebene werden einbezogen das Angestelltenverhältnis, die Geschäftsverbindung im Sinne von Kreditleistungen und schließlich der Bereich von Dienstleistungen, also die Besorgung von verschiedenen Waren, ebenso auch der Transfer von Nachrichten. Die verwandtschaftliche Beziehung zu Fugger scheint dabei 76
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Vgl. als Beispiel den Brief Hans Fuggers an Francesco Ciurletta, 23.09.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 846). Über Giovanni Ciurletta ausführlich im vierten Teil S. 392–396. Zu Juda vgl. die biographische Kurznotiz bei Karnehm: Regesten I, S. 348 (Anm. 1 zu I 791). Vgl. Hans Fugger an Endriß Frank, 25.11.1581, FA 1.2.11 H. 42 (II/1 2000): Frank, für den sonst keine Kontakte zu Fugger nachweisbar sind, bat Fugger um eine Empfehlung an die Ott, um in deren Schreibstube angestellt zu werden. Vgl. Hans Fugger an Victor Welze, 22.06.1585, FA 1.2.14a H. 60 (II/2 2818). Das entspricht 218 Adressaten. Die Schuldbücher Hans Fuggers unter FA 1.2.17–18, 38–39, 41 (1574–1600); die Bilanzauszüge 1569–1630 unter FA 2.1.26.
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die wichtigste Basis für eine derartige Mehrfachbeziehung gewesen zu sein: Bei 89 von 218 Korrespondenzpartnern mit multiplexer Beziehung handelt es sich um Personen, die mit Fugger verwandt waren, und bis auf wenige Ausnahmen bestand die verwandtschaftliche Beziehung schon, bevor die Verbindung nachweislich um andere Beziehungstypen, beispielsweise geschäftliche Transaktionen, ergänzt wurde.82 Bezeichnend ist bei den Fuggerschen Verwandten, daß Finanzbeziehungen in Gestalt von Darlehen dabei noch am seltensten Gegenstand einer Mehrfachbeziehung zu Hans Fugger waren, wenigstens, soweit dies aus seiner Korrespondenz und den Schuld- bzw. Geschäftsbüchern hervorgeht. Weitaus am häufigsten nämlich wurden konkrete Dienstleistungen bei Hans Fugger ‹nachgefragt›, also die Besorgung bestimmter Waren und die Erledigung von Geldüberweisungen.83 Nur in seltenen Fällen gab es auch Gegen-Dienstleistungen an Fugger, und hier sind insbesondere Fuggers Neffen Jörg, Hans und Anton von Montfort zu nennen, die von ihm nicht nur Nachrichten zum politischen Geschehen erhielten, sondern auch fleißig lieferten;84 Jörg von Montfort, Höfling Rudolfs II. in Prag, tat sich zudem als Beschaffer edler Pferde für seinen Onkel hervor. Ebenfalls mehr Gewicht als Finanzbeziehungen hatten Patronageanliegen, die im vierten Teil der Untersuchung ausführlich diskutiert werden sollen. Fugger war hier Förderer und Geförderter zugleich, er konnte zum Beispiel auf die Einflußmöglichkeiten seiner Verwandten in Hof- und Reichsdiensten zurückgreifen. Die große Gruppe der Angestellten und Bediensteten Fuggers war nicht unbedingt die natürliche Klientel für Kreditgeschäfte und private Besorgungen von Luxuswaren. Wenn Angestellte für Fugger Warenbesorgungen erledigten, 82
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Zu diesen Ausnahmen zählt Georg Ilsung d.Ä., doch dieser Kontakt scheint eher Ilsungs Position als habsburgischer Finanzagent geschuldet gewesen zu sein, vgl. Hans Fugger an Georg Ilsung, 16.02.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 188). Hinzu kommen Georg, Christoph und Ernst von Rechberg, mit denen Fugger seit den 1570ern Briefkontakte verbanden, noch bevor 1579 seine Tochter Anna Maria Philipp von Rechberg heiratete. Unter anderem verbanden Hans Fugger mit den Rechberg gemeinsame Finanzinteressen, gehörten doch auch sie zu den Gläubigern des stark verschuldeten Hans Jakob Fugger, vgl. Hans Fugger an Ernst von Rechberg, 22.11.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 261). Auch Finanzdienstleistungen wie Überweisungen und Nachrichtentransfers Fuggers insbesondere für Georg von Rechberg sind häufiger nachzuweisen, vgl. Hans Fugger an Georg von Rechberg, 01.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 279) sowie an denselben, 02.12.1570, FA 1.2.5 H. 11 (I 488). – Eine jahrzehntelange Bekanntschaft, die auch mit Besorgungsdiensten Fuggers einherging, verband Hans schließlich mit Carl Graf von Zollern, bevor 1589 Marx Fugger d. J. dessen Tochter Anna Maria heiratete, vgl. Hans Fugger an Carl von Zollern, 13.12.1567, FA 1.2.5 H. 8 (I 157). Vgl. dazu Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 24. Zur Bedeutung von Multiplexität vgl. Sieh-Burens: Oligarchie, S. 123. Finanzbeziehungen sind nur für 38 der 89 verwandten Korrespondenten mit Mehrfachbeziehung nachzuweisen, dagegen aber wurden für 65 der Verwandten auch Dienstleistungen erledigt. 44 Briefpartner mit familiären Beziehungen zu Hans Fugger waren ihm schließlich durch Patronageinteressen verbunden. Zum Nachrichtenaustausch mit den Brüdern Montfort vgl. den zweiten Teil der Dissertation über den Nachrichtentransfer in der Fugger-Korrespondenz.
so war dies Teil ihrer Aufgaben, nicht eine gesonderte Beziehungsebene. Multiplexe Verbindungen zu ihnen sind also eher die Ausnahme. Bei den Adressaten ‹von Stand› jedoch verbanden sich Darlehenswünsche, Patronageanliegen und Warenbesorgungen recht häufig miteinander. Betrachtet man die Beziehungen zum nicht mit Fugger verwandten Adel insgesamt, so standen die Dienstleistungen klar vor allen anderen Beziehungsebenen. Beschränkt man sich jedoch auf den Adel außerhalb von Fuggers Familie, so fällt auf, daß die verschiedenen Beziehungsebenen bei der Mehrfachbeziehung zu Fugger fast gleichauf lagen. Insbesondere Protektionswünsche Fuggers und seiner Adressaten traten stärker in den Vordergrund. Wie diese verschiedenen Beziehungsebenen ineinandergreifen konnten, wird ebenfalls im vierten Teil der Untersuchung zur Sprache kommen.85
H. Aufenthaltsorte der Korrespondenzpartner Wie bereits bei der Darstellung der Charakteristika Fuggerscher Kopierbucheinträge vermerkt wurde, ist für die einzelnen Briefe nicht immer der Bestimmungsort des Schreibens, somit der gegenwärtige Aufenthaltsort des Briefempfängers angegeben. Statt einer umfassenden Statistik der Bestimmungsorte aller Briefe können hier also nur Zahlenwerte für die zweifelsfrei in den Kopierbüchern angegebenen oder die aus den Schreiben mit einiger Sicherheit erschließbaren Orte angeführt werden. Die Erhebung übernimmt hier im wesentlichen die Ergebnisse Christl Karnehms, für die Korrespondenz mit Herzog Wilhelm V. erweitert um das Itinerar des Erbprinzen nach Berndt Ph. Baader und die Eingangsvermerke der herzoglichen Schreiber auf den herangezogenen überlieferten Originalschreiben im Geheimen Hausarchiv.86 Wilhelm wechselte allein zwischen den Residenzen in Landshut und München, von anderen Reisen ganz zu schweigen, so häufig hin und her, daß eine genaue Ortsbestimmung auch bei Heranziehung anderer Quellen häufig nicht möglich ist.87 Für etliche weitere Adressaten sind ebenfalls nur begründete Vermutungen über die Aufenthaltsorte anzustellen, wenn in den Kopierbüchern kein Empfangsort verzeichnet wurde. So kann manches Mal nur angegeben werden, daß die Briefempfänger sich in Spanien oder Italien aufhielten, da 85
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Wird nicht nach Mehrfachbeziehungen differenziert, so verbanden Fugger mit seinen adligen, nicht mit ihm verwandten Korrespondenten 85 Dienstleistungs-, 62 Geschäfts- und 59 Patronagekontakte. Berücksichtigt man nur die adligen Adressaten mit einer multiplexen Beziehung zu Fugger, so finden sich nur noch 52 Dienstleistungs- gegenüber 42 Geschäftsund schließlich 47 Patronagekontakten. Bei Mehrfachkontakten mit dem Adel hatten also insbesondere Protektionsanliegen einen deutlichen höheren Stellenwert, verglichen mit den anderen Beziehungstypen. Über die Eingangsvermerke der herzoglichen Kanzlei und Wilhelms Itinerar handelt Baader: Renaissancehof, S. 324–343. Baader: Renaissancehof, S. 324–329.
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die Aufenthaltsorte häufig wechselten bzw. die Adressaten viel unterwegs waren. Neben Wilhelm V. traf dies vor allem auf die Kriegsleute zu, die mit Hans Fugger korrespondierten.88 Für 3477 Briefe89 sind die Aufenthaltsorte der Empfänger entweder von den Sekretären notiert worden oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit ermittelbar. 884 von diesen Schreiben gingen an Korrespondenzpartner, die sich außerhalb des Reiches aufhielten, insbesondere in Italien und in Spanien: Die Ott als Fuggersche Agenten in Venedig und die Handelsdiener der Firma in Spanien, insbesondere in Madrid, waren dort die häufigsten Ansprechpartner.90 Wurde die Mehrheit der Briefe also innerhalb des Reiches versandt,91 so behauptete hier ganz klar Wien mit 413 Schreiben den Spitzenplatz der Empfängerorte, noch vor Antwerpen (333), Prag (244), München (226) und Nürnberg (217). Politische und wirtschaftliche Zentren des Reiches dominierten hier also ganz klar, wobei allerdings für Wien zu beachten ist, daß die meisten Briefe nicht an Korrespondenzpartner am kaiserlichen oder erzherzoglichen Hof gingen, sondern an den Fuggerschen Faktor Gabriel Geizkofler.92 In Frankreich existierten keine Fuggerschen Handelsniederlassungen, und entsprechend zu dieser wirtschaftlichen Schwerpunktsetzung finden sich auch nur 25 Schreiben, die nachgewiesenermaßen nach Frankreich gingen; die meisten Belege entfallen hier noch mit neun Briefen auf Paris.93 Lassen sich also die geographischen Eckpunkte der Korrespondenz auch mit Tunis im Südwesten und mit Krakau im Nordosten angeben, so konzentrierte sich der Austausch im Fuggerschen Korrespondenznetz doch sehr deutlich auf die wirtschaftlichen und politischen Kernzonen des Reichs, Spaniens und Italiens. Nicht zuletzt durch den steten Austausch mit den bayerischen Herzögen, insbesondere mit Wilhelm V., erhielt aber der Briefverkehr mit Korrespondenzpartnern in einem schwäbisch-bayerischen Viereck zwischen Ulm, Tettnang am Bodensee, München und Regensburg eine nicht zu vernachlässigende Rolle: 824 Briefe gingen an Korrespondenzpartner in diesem Raum, wobei allein schon auf München 226, auf die Residenz in Landshut 152 Schreiben entfielen. Der 88
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Hieronimus von Lodron zum Beispiel wurden Fuggers Briefe im Laufe von mehr als 20 Jahren gemeinsamer Korrespondenz nach Messina, nach Lissabon oder auch nach Agram (heute: Zagreb) geschickt, je nach Lodrons gegenwärtigem Einsatzort im Dienste der Habsburger in Spanien oder im Reich. Vgl. als Briefbeispiele insbesondere Fuggers Schreiben an Lodron vom 10.01.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 899) [Messina], vom 24.04.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2122) [Lissabon] und vom 23.12.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3318) [Agram]. Das entspricht rund 72% aller hier analysierten Briefe. Nach Venedig gingen allein 319 Briefe, nach Spanien insgesamt 156 Briefe (79 davon nach Madrid). Als Empfängerorte in Italien sind insbesondere noch Genua (91 Briefe), Rom (83 Briefe), Mailand (27) und Padua (26) hervorzuheben. Die Niederlande und die Schweiz sind hier entsprechend der reichsrechtlichen Lage bis 1648 noch miteinbezogen. Geizkofler erhielt von den 319 Schreiben nach Wien allein 217. Nach Paris wurde insbesondere noch Tournai mit sieben Briefen etwas häufiger angeschrieben.
Schwerpunkt der Korrespondenz – oder besser: der erschließbaren Aufenthaltsorte – lag also im Reich, aber mit rund einem Drittel der Empfangsorte außerhalb des Reichs behauptete die ‹Fernkommunikation› doch einen gewichtigen Platz.
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II. Who says what to whom? – Ausgewählte Briefinhalte und ihre Träger
Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit den wichtigsten Tätigkeits- und Wissensbereichen in der Fuggerschen Korrespondenz. Die verkürzte Lasswell-Formel der Überschrift zeigt bereits an: Hier sollen die verschiedenen Themenfelder nur knapp charakterisiert werden, um einen Überblick zu den Inhalten der Fuggerbriefe zu schaffen. Aus der Analyse ausgespart wurden zum einen Briefe, in denen die Verwaltung der Güter Fuggers zur Sprache kommt: Schreiben mit dieser Thematik umfassen nur rund 3% der gesamten Briefüberlieferung; außerdem sind diese Briefe, wie schon Christl Karnehm betont hat und wie oben nochmals hervorgehoben wurde, im Grunde einem schon zur Zeit Fuggers vom aigen copierbuech getrennten Überlieferungsstrang zuzuordnen. Ebenfalls nicht einbezogen wurden kurze Hinweise insbesondere zu Personen aus dem Fuggerschen Haushalt, beispielsweise zu deren gegenwärtigem Aufenthaltsort; Mitteilungen also, die über die Augenblicksinformation hinaus keinen besonderen Informationswert darstellten. Ausführlich präsentiert werden in gesonderten Teilen der Arbeit Nachrichtenmeldungen und der Bereich des Beziehungswissens, umgesetzt bei der Förderung von Bittstellern und der Formulierung von Patronageanliegen. Dort sollen dann auch verstärkt die Interaktion der Korrespondenzpartner im Netz sowie Strategien und Auswirkungen der Vernetzung untersucht werden. Die hier vorzustellenden Wissensbereiche wechseln ab mit Tätigkeitsbereichen, die in Fuggers Korrespondenz sichtbar werden: Bankgeschäfte und Dienstleistungen zeigen zum Beispiel kaufmännisches Wissen (Mercatoria) bei seiner aktuellen Umsetzung. Ferner wird die Diskussion persönlich-intimer Themen im Brief aufgegriffen, ihr Umfang und ihre Anlässe – auch um zu klären, in welcher Hinsicht der Begriff des Selbstzeugnisses auf die Fuggerbriefe anzuwenden ist. Charakterisiert werden für jedes der Briefthemen die Gewichtung innerhalb der Gesamtkorrespondenz, die wichtigsten Adressaten oder Adressatengruppen, die jeweils Briefe zu diesem Thema erhielten, sowie die (zeitliche) Entwicklung dieser inhaltlichen Bereiche. Für die angeführten Zahlenwerte ist zu betonen, daß der Inhalt der Briefe häufig bunt gemischt war; es konnten also mehrere verschiedene Themen in ein- und demselben Brief vereint sein. Die jeweils angegebene Anzahl von Briefen und die Pro zentwerte gelten also nicht allein für Schreiben, deren Inhalt ausschließlich von einem bestimmten Tätigkeits- oder Wissensbereich geprägt gewesen wäre, sondern beziehen alle Briefe ein, in denen das jeweilige Thema auch nur eines unter vielen war.
Die Kategorisierung und Auswertung erfolgte wie schon bei der Erfassung der Adressatengruppen in einer Datenbank unter Verwendung von Microsoft Access Me.
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A. Bankgeschäfte und sonstige Dienstleistungen In 2229 der überlieferten Briefe, also rund 46% aller Schreiben, werden Dienstleistungen Fuggers und der Fuggerschen Handelsdiener für Adressaten oder Dritte thematisiert – von der Kreditvergabe bis hin zu Warenkauf und Briefversand –, jedoch nur 26% der Gesamtkorrespondenz widmen sich den privaten Besorgungen Fuggers für sich oder seinen Haushalt. Allein schon dieser statistische Wert zeigt an, daß zumindest nur ein kleinerer Teil der von Hans Fugger für diese Korrespondenz aufgewendeten Zeit für die persönliche Anschaffung von Kunst- und Antiquitäten, die hier mit aufgelistet sind, aufgewendet wurde – ein deutlicher Kontrast zu dem Bild, das Lill zeichnete. Überdies nahm der Anteil dieser Besorgungen an der Gesamtüberlieferung nach einem Höhepunkt in den frühen 1570er Jahren für die letzten Jahre der Kopierbuch-Korrespondenz zusehends auf einen Anteil von ein Viertel oder weniger aller Briefe ab; vielleicht, weil Hans Fugger solche Aufgaben zusehends delegierte, möglicherweise auch, weil sich seine Interessensschwerpunkte verlagert hatten.
Anteil an der Gesamtüberlieferung in %
Jahre
Grafik 7: Anteil von Briefen mit Bankgeschäften und Dienstleistungen an der Gesamtkorrespondenz pro Jahr in Prozent (Jahre im Zweijahres-Schritt angezeigt; keine Überlieferung für 1564, 1587–1591). Die hohen Werte für die Jahre 1563 (91%) und 1564 (100%) sind dadurch bedingt, daß für diese Jahre kaum Briefe überliefert sind (1563 23 Briefe, 1564 2 Briefe). Von diesen Höchstwerten sinkt der Anteil auf den niedrigsten Wert von 20% im Jahr 1594.
1. Anschaffungen für Hans Fugger und den Fuggerschen Haushalt Unter den privaten Besorgungen Fuggers einzuordnen sind die Anwerbung von Künstlern, die Bestellung kunsthandwerklicher Produkte (Schmuck, sakrales Kunsthandwerk), der Kauf von Antiquitäten, Gemälden und Plastiken. Eingeklei
1285 Briefe von 4851. Damit waren 58% aller Besorgungen und Dienstleistungen in der Korrespondenz für Fugger, seine Frau oder seine Kinder.
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det sind diese Themen zumeist in die brieflichen Besorgungsaufträge, die in erster Linie an Fuggersche Diener, Faktoren und Agenten gingen, häufig auch an die Inhaber von herzoglich-bayerischen bzw. kaiserlichen Hofämtern oder auch an Militärs mit entsprechenden Kontakten für den Erwerb seltener oder besonders begehrter Güter. Insbesondere David Ott und sein Sohn und Nachfolger Christoph, die als Agenten der Fugger in Venedig arbeiteten, kümmerten sich um die Erfüllung solcher Wünsche – Kosten wurden auf einem Konto Fuggers bei den Ott zur Abrechnung vermerkt. Über den künstlerischen Sektor hinaus bestellte Hans Fugger, zumeist über die Handelsdiener in den Fuggerschen Handelsniederlassungen, brieflich eine Vielzahl von Produkten, die den Repräsentationspflichten und der adligen Lebensführung des Herrn von Kirchberg und Weißenhorn angemessen schienen: Erlesene Kleidung, die in Form von Stoffen, Schuhen, Strümpfen etc. zum Beispiel aus Spanien oder den Niederlanden eingeführt wurde, teure Nahrungsmittel, etwa Südfrüchte oder frutti di mare aus Italien, aber auch seltene Pflanzen für die berühmten Fuggerschen Gärten, in großer Zahl die unverzichtbaren Pferde – Transportmittel und Repräsentationsobjekt zugleich – ebenso wie edle Hunde und Tiere für die Gehege der Fuggerschen Landsitze oder die Nutzviehhaltung auf der Schwaige Hardt, die von Fuggers Frau Elisabeth beaufsichtigt wurde. Auch Medizinprodukte, etwa Chinawurzeln oder die berühmten Bezoarsteine aus der Neuen Welt, waren Objekt seiner brieflichen Bestellvorgänge. Nicht zuletzt die Besorgung von Druckschrif-
Hans Fuggers Neffe Jörg von Montfort, Hofmann in Prag, wurde von Fugger z.B. um böhmische Hetzhunde angegangen, vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 04.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 870); über Simon Tänzl von Tratzberg, Forst-, später Stallmeister Erzherzog Ferdinands in der Markgrafschaft Burgau, versucht er Habichte zur Jagd zu erhalten, vgl. das Schreiben an Tänzl vom 27.06.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 862). Kriegsleute konnten häufig beim Kauf von Pferden behilflich sein, unter den zahlreichen Beispielen vgl. Hans Fugger an Hans von Park, 19.04.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 58). Am Jahresende erfolgte dann die Abrechnung, für die von den Ott die Aufstellung der Kosten in einer Kontoübersicht nach Augsburg geschickt wurde, worauf Fugger sie nach Durchsicht erstatten konnte. Vgl. hierzu anschaulich Hans Fugger an Christoph Ott, 02.12.1581, FA 1.2.11 H. 42 (II/1 2006). Über die Ott – ursprünglich eine Kaufmannsfamilie aus Ulm – informiert Backmann: Firma Ott, S. 175–197. Angestellte der Fuggerfirma in verschiedenen Positionen entsprechend dem zeitgenössischen Begriff; vgl. Hildebrandt: Diener und Herren, S. 149–174. Eine ‹Warenpalette› bei Karnehm: Regesten I, S. 30*–33*. Zu Selbstverständnis, Lebensführung und Repräsentation bei den Fuggern vgl. Dana Koutná-Karg: Feste und Feiern der Fugger im 16. Jahrhundert. In: Renate Eikelmann (Hg.), «lautenschlagen lernen und ieben.» Die Fugger und die Musik. Anton Fugger zum 500. Geburtstag, Augsburg 1993, S. 89–98, Dies.: Die Ehre der Fugger. Zum Selbstverständnis einer Familie. In: Johannes Burkhardt (Hg.), Augsburger Handelshäuser im Wandel des historischen Urteils. Berlin 1996 (Colloquia Augustana 3), S. 87–106. Zur Begehrtheit von Bezoarsteinen vgl. Renate Pieper: Papageien und Bezoarsteine. Gesandte als Vermittler von Exotica und Luxuserzeugnissen im Zeitalter Philipps II. In: Friedrich Edelmayer (Hg.), Hispania – Austria. Bd. 2: Die Epoche Philipps II. (1556– 1598). Wien, München 1999 (Studien zur Geschichte und Kultur der Iberischen und Iberoamerikanischen Länder 5), S. 215–224, bes. 221–223. – Zur Bestellung von Me
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ten und Büchern verschiedensten Inhalts – gerade in der Druckmetropole Antwerpen – wurde über Fuggers Korrespondenz abgewickelt. Damit bieten diese Briefe eine Fülle von Informationen über das alltägliche Leben in den Fuggerhäusern – Eßgewohnheiten erschließen sich ebenso wie verschiedene Moden der Kleidung, die Anlage der Gärten oder die Praktiken frühneuzeitlicher Medizin. Sakrale Kunstwerke und die humanistische Sammelleidenschaft berühren mentalitätsgeschichtliche Forschungsgebiete. Unter diesen vielfältigen privaten Besorgungen, die in ihrer Gesamtheit nur etwa ein Viertel der Fuggerschen Korrespondenz ausmachen, nimmt sich der Anteil der Aufträge, die sich mit dem Erwerb von Kunstobjekten und der Ausgestaltung der Fuggerschen Wohnsitze beschäftigen, allerdings nun wahrhaft bescheiden aus: Nur in einem einzigen Jahr behaupteten sie die Spitzenstellung unter all den Erwerbungen zum persönlichen Bedarf: 1569 waren 18 von 68 privaten Besorgungsaufträgen Kunst und Kunsthandwerk gewidmet – aber damit auch in diesem Jahr ‹nur› mit einem Anteil von gut 25%. Sogar in den 1570er Jahren, in denen die privaten Anschaffungen weitaus häufiger waren als zuvor und danach, fiel der Anteil der ‹Kunst-Aufträge› unter diese Spitzenmarke. Dem ‹künstlerischen› Sektor können allenfalls noch Briefe zugerechnet werden, die sich auf die Bautätigkeit auf seinen Herrschaftssitzen, insbesondere in dem ab 1578 umgebauten und prächtig ausgestatteten Schloß Kirchheim, beziehen. Sie fallen in den Zuständigkeitsbereich der Fuggerschen Verwalter, werden aber im aigen copierbuech nur höchst selten thematisiert, sind vielmehr Gegenstand der erwähnten Archivalien zur Güterverwaltung.10 Auf die gesamte Korrespondenz berechnet, machen die Kunst-Aufträge Fuggers also nicht einmal 10% aus; die größten ‹Eindizinprodukten vgl. mit weiterer Literatur das Kapitel «Oeconomica – das weite Feld des häuslichen Alltags», S. 99–104 sowie beispielhaft Hans Fugger an Thomas Miller, 17.01.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1831) [Bezoare] und Hans Fugger an Philipp Römer, 29.03.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2953) [Chinawurzeln]. – Vgl. auch im zweiten Teil Kap. II., B., S. 94–99. Mit Hans Gartner, dem Fuggerischen Beauftragten am Kaiserhof in Wien, und mit Dr. Lorenz Sifanus, ehemals Fuggers Präzeptor und später Professor in Ingolstadt, diskutierte Fugger 1572 beispielsweise den möglichen Ankauf der Bibliothek des kaiserlichen Historiographen Johannes Sambucus, vgl. Hans Fugger an Hans Gartner, 17.05.1572, FA 1.2.5 H. 12 (I 757) sowie Hans Fugger an Lorenz Sifanus, 30.05.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 767). – Von Hans Fuggers Bibliothek, die mit dem Sammlungskabinett im Fuggerhaus untergebracht und wohl schon im 17. Jahrhundert nur noch bruchstückhaft vorhanden war, besitzen wir nicht einmal mehr ein Inventar. Zu einzelnen Funden und den kargen Rekonstruktionsmöglichkeiten vgl. Lehmann: Fuggerbibliotheken 1, S. 263–265 sowie Diemer: Sammlungskabinette, S. 18, 31. – Auch die Hinweise auf die Käufe von Büchern bzw. Druckschriften in den Kopierbüchern sind insgesamt so spärlich, daß hieraus mitnichten der Umfang und Inhalt der Bibliothek erschlossen werden kann (insgesamt nur 82 Belege, wobei Besorgungen z.T. auch für andere Personen, z.B. für Fuggers Söhne, einbezogen sind). Sogar im Jahr 1572, als private Besorgungen in mehr als der Hälfte der Briefe zur Sprache kamen, betrug der Anteil der Kunst-Besorgungen an allen Besorgungsaufträgen nicht einmal 20%. 10 Hierzu ausführlich Lill: Hans Fugger.
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zelposten› unter den Einkäufen für den eigenen Bedarf bilden vielmehr der Erwerb neuer Pferde und Bestellungen von Nahrungsmitteln und Kleidung. Zumindest in einem erheblichen Teil seines Briefwechsels, als den wir die Sammlung aigen copierbuech wohl doch ansehen dürfen, spielte seine persönliche Leidenschaft für die Kunst also eine deutlich untergeordnete Rolle.
2. Kreditvergabe und Abwicklung von Bankgeschäften Rund 24%11 der Briefe hingegen stellen den Geschäftsmann Fugger in den Vordergrund und beschäftigen sich mit finanziellen Fragen ganz unterschiedlicher Art. Deutlich mehr als die Hälfte12 der Briefe in dieser Themengruppe handelt von Krediten – entweder von ihrer Vergabe auf die Bitte der Korrespondenten Fuggers hin, oder von ihrer Rückzahlung, über die Fugger entweder mit Angestellten der Firma brieflich verhandelte oder die er in Schreiben an die Schuldner anmahnte – mehr oder weniger direkt, mehr oder weniger energisch. Zu den eifrigsten Kreditnehmern zählten neben den bayerischen Herzögen, wie schon vermerkt, etliche Militärs, insbesondere Hieronimus von Lodron, Juan Manrique de Lara und Christoph Tanner.13 Meist drehen sich die Briefe um Darlehen, die der Gemeine Handel ausgegeben hatte, teilweise jedoch auch um private Kredite Hans Fuggers, wie aus seinen Schuldbüchern zu ersehen ist.14 Den ‹zweiten Platz› belegen mehr als 300 Finanztransaktionen, die Fugger gewöhnlich als Dienstleistung für seine Korrespondenzpartner erbrachte. Es handelt sich hier – im heutigen Sprachgebrauch – um Überweisungen: Fugger wurde gebeten, an eine bestimmte Person, z.B. in Venedig, im Auftrag eines Briefpartners eine Geldsumme auszahlen zu lassen. Einen solchen Zahlungsauftrag leitete er dann brieflich an die Fuggerschen Vertreter vor Ort weiter, im Falle Venedigs also an den Fugger-Agenten David bzw. Christoph Ott, der die Auszahlung an den Empfänger tätigte. Die Geldsumme nahm Fugger in Augsburg vom Auftraggeber direkt ein oder verbuchte sie auf des Auftraggebers Konto bei den Fuggern. Nicht selten waren solche Überweisungen mit Wechselgeschäften verbunden, bei denen Geldbeträge von der Währung des Auszahlenden in die vom Empfänger gewünschte Währung transferiert wurden. Entscheidend für den Gewinn oder Verlust, der bei dieser Transaktion entstand, war der Wechselkurs.15 Je nach der Endsumme, die der Empfänger für sich erhoffte, konnte dieses Geschäft für den Fuggerschen Handel 11 12 13 14
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1174 von 4833 Briefen. 726 von 1174 Briefen. Vgl. im zweiten Teil Kap. I., B., S. 65. Vgl. FA 1.2.17 (1574), 1.2.18 (1575), 1.2.38 (1581), 1.2.39 (1586–1600), 1.2.41a (1599). Die Fortführung der Schuldbücher nach Fuggers Tod 1598 zeigt an, daß zahlreiche Forderungen noch ausstanden. – Zu den Schuldbüchern bereits S. 62, 65. – Vgl. als Beispiele Briefe Fuggers an Hieronimus von Lodron, 30.10.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 213), an Christoph Tanner, 31.01.1579, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1444) und an Don Juan Manrique de Lara, 30.09.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 971). Vgl. dazu Denzel: Cambiatura.
und seine Agenten eine undankbare Aufgabe sein. Ein prominentes Geschäft dieser Art war der Transfer eines Kredits des toskanischen Großherzogs an den bayerischen Thronfolger Wilhelm in den 1570er Jahren, den Fugger zum Teil über die Ott als Wechselstelle organisierte.16 Die Ott am zentralen Finanzplatz Venedig waren häufigster Adressat für Finanztransfers auf der Seite der Ausführenden. Bei den Auftraggebern/Empfängern führte Wilhelm V. von Bayern mit großem Abstand die Liste an, so daß sich auf die Ott und Wilhelm V. allein schon mehr als ein Drittel aller Transfers insgesamt belaufen. Häufige Adressaten für diese Geschäfte waren des weiteren die ausführenden Faktoreien bzw. Agenten in Antwerpen und Wien sowie Auftraggeber und Empfänger, deren Geldtransfers Hans Fugger sich anscheinend bevorzugt selbst annahm – einsichtig bei prominenten Kunden wie den bayerischen Herzögen, aber auch geleistet bei den Überweisungen des Balthasar von Stubenberg an Andreas Pühler, den Präzeptor von dessen Söhnen in Frankreich, oder für Geldangelegenheiten des oben bereits erwähnten Dr. Nikolaus Elgard, Visitator mitteldeutscher Diözesen in päpstlichem Auftrag und ab 1578 Weihbischof von Erfurt. Über die Motive für diese persönliche Erledigung geschäftlicher Routinevorgänge durch den zweiten Mann des Handelshauses nach dem Regierer Marx wird später noch zu handeln sein. Schlußlicht im Bereich ‹Finanztransfer› sind Briefe, welche die Ausstellung, Ausfertigung und Versendung von Rechnungen und Kontoauszügen betreffen. Ein Teil bezieht sich auf Fuggersche Ausgaben – Bestellungen zum Beispiel, die über die Ott in Venedig getätigt und von diesen auf ein Fugger-Konto geschrieben wurden, dessen Stand sie dann zur Begleichung übermittelten.17 Auch Ausgaben für den Lizentiaten Christian Juda, dessen Ausbildungskosten zum Mediziner Hans Fugger übernahm, bedurften einer regelmäßigen Kostenaufstellung. Vorgänge der Rechnungslegung betrafen aber insbesondere Wilhelm V. von Bayern, der zahlreiche Besorgungsaufträge für Kunstwerke, Pferde, Nahrungsmittel, Kleidung und vieles mehr auf Kredit über Fugger abwickeln ließ, so daß sich auf den von Fugger übersandten Kontoauszügen und Rechnungen erhebliche Summen ansammelten.18 Auch für etliche andere Korrespondenzpartner Hans Fuggers, häufig Verwandte wie seine Schwester Katharina von Montfort, wurden Besorgungen erledigt, die entsprechenden Rechnungen erstellt und zusammen mit Fuggers Briefen versandt.19 Mit in diesen Bereich einzubeziehen sind schließlich Mitteilungen Fuggers zur Lage der Familiengesellschaft. Auch hier zeigt sich wieder, wie stark Hans Fugger neben seinem Bruders Marx in die Geschäfte der Firma eingebunden war. Die Briefe gehen an Kunden und an Mitarbeiter des Fuggerschen Handels oder an Marx Fugger und betreffen entweder die gegenwärtige Geschäftssituation oder die Fi-
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Vgl. dazu Hans Fugger an David Ott, 23.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 428). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus Ott, 16.07.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1654). Vgl. hierzu im vierten Teil, S. 365–370. So im Brief an Katharina von Montfort, 04.02.1577, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 1042).
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lialorganisation des Handelshauses, die für die Weiterleitung von Überweisungen20 von großer Bedeutung war. Insbesondere Briefe an die Angestellten des Handels zeigen Hans Fugger als engagierten Teilhaber, der um die Optimierung interner Kommunikation im Unternehmen und um die Anleitung kompetenten und zuverlässigen Personals sehr bemüht war.21 Hans Fugger stellte die Lage der Firma gegenüber seinen Kunden durchweg als schwierig dar, geprägt von hohen Ausgaben bzw. Forderungen und einer risikoreichen gesamtwirtschaftlichen bzw. gesamtpolitischen Lage. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Konsolidierung der Familiengesellschaft, wie sie durch Marx Fugger betrieben wurde, sind diese Aussagen durchaus als begründet anzusehen. Kredite an Spanien bzw. an das Kaiserhaus, der Erwerb oder die Pacht von Herrschaften und nicht zuletzt die Auslösung von Familienmitgliedern aus der Gesellschaft – Hans Fugger nannte hier insbesondere die Georg Fuggerischen Erben – wurden von Fugger als konkrete Belastungen der Firma angeführt. Daß Fugger diese Probleme so offen betonte, darf nicht verwundern, denn sie dienten ihm gleichzeitig zumeist auch als Schutz, um seinen Kunden – beispielsweise Herzog Ferdinand von Bayern – keine zusätzlichen Kredite gewähren zu müssen oder die Einhaltung der Tilgungsfristen um so energischer fordern zu können.22 Ob Fugger dabei in manchen Fällen die Geschäftssituation noch ein wenig düsterer zeichnete, als sie sich ihm in Wahrheit darstellte, kann freilich auf der Basis des gegenwärtigen Forschungsstands zum Fuggerschen Handel nach 1560 nicht entschieden werden. Auf Fuggers starke Eingebundenheit in die Angelegenheiten der Firma weisen immer wieder Briefe hin, in denen er auf seine Stellvertreter-Tätigkeit für seinen Bruder Marx zu sprechen kam – wenn Marx außer Haus weilte, konnte Hans vor allem in geschäftlich schwierigen Situationen Augsburg nicht verlassen, weil er vor Ort den Gang der Geschäfte überwachen mußte.23 Einige Briefe an die Faktoren deuten zudem Hans Fuggers Engagement in der Personalpolitik des Handelshauses an, insbesondere im Zusammenhang mit dem Einsatz fähiger Mitarbeiter in Spanien,24 sowie seine Beschäftigung mit dem Tiroler Handel. Für die Haug, mit denen die Fugger im Jenbacher Handel verbunden waren, versuchte er, einen vorteilhaften Quecksilber-Verkauf zu vermitteln – wohl im Vorfeld des Konkurses der Firma
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Überweisungen waren nur an diejenigen Zielorte rasch und für die Auftraggeber kostenlos zu tätigen, an denen die Fugger über Handelsniederlassungen verfügten. Andernfalls mußten zusätzliche Mittelsmänner eingeschaltet werden, die anscheinend auf Gebührenbasis tätig wurden. Vgl. z.B. Hans Fugger an Nikolaus Elgard, 17.08.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 919) und am 22.09.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 958). Vgl. mit Schwerpunkt beim Fuggerschen Handel Dauser: Interne Kommunikation. Vgl. etwa Hans Fugger an Herzog Ferdinand von Bayern, 02.11.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1208) oder Hans Fugger an Ludwig Haberstock, 28.11.1586, FA 1.2.14b H. 66 (II/2 3105). Vgl. Hans Fugger an Anton Meiting, 04.03.1576, FA 1.2.8a H. 24 (II/1 746), ähnlich an Wilhelm V., 07.05.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1101). Vgl. hierzu insbesondere Hans Fuggers Brief an Thomas Miller, 15.07.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1359).
Haug-Langnauer.25 Vereinzelt, womöglich wieder in Vertretung seines Bruders, war er auch mit den Tilgungsproblemen der habsburgischen Kunden des Hauses, also wahrhaft mit Großkrediten befaßt, gab etwa Anweisungen für Verhandlungen mit der böhmischen Finanzkammer26 oder suchte 1585 seine Briefkontakte nach Mailand zu nutzen, um bei dortigen Bankiers Fremdmittel für weitere Fugger-Kredite an Philipp II. aufzutreiben. Um das Kind nit gar uß der Wiegen [zu] werffen, so Fugger, müßten sie selbst Darlehen aufnehmen, damit sie den spanischen König zufriedenstellen könnten, der stets gleich Millionenbeträge von ihnen fordere.27 Derartige Briefbelege sind im Kopierbuch nur selten, weil diese Art von Korrespondenz wohl hauptsächlich über den regulären Handelsschriftverkehr verlief, wie Fugger selbst in einem Schreiben an den Handelsdiener Mang Lutzenberger in Spanien andeutete.28 Insgesamt werfen die Briefe zum Finanzsektor ein bezeichnendes Licht auf die geschäftlichen Tätigkeiten Fuggers, die Eingang in sein aigen copierbuech fanden: Es waren vorwiegend die Darlehen an eine ganz bestimmte Kundengruppe, die Hans hier bearbeitete: Truppenführer der spanischen oder österreichischen Habsburger wie Hieronimus von Lodron, Christoph Tanner von Tann oder Juan Manrique de Lara.29 Am häufigsten von allen Adressaten aber erhielt Wilhelm V. von Bayern Briefe bezüglich Zins und Tilgung – hier handelte es sich um eine ganz besondere Beziehung, die noch ausführlich dargestellt werden soll.30 Bezeichnend für alle hier genannten Personen ist, daß sie, wie noch zu zeigen sein wird, mit Fugger in mehrfacher Weise brieflich verbunden waren, also eine sogenannte multiplexe Beziehung zu ihm aufrechterhielten.
3. Besorgungen für Fuggersche Korrespondenten Rund 20%31 der gesamten Korrespondenz handeln von Besorgungsaufträgen, die Fugger von seinen Korrespondenten erhielt, wobei ein einzelner Auftrag von seinem Empfang bis zu seiner endgültigen Erledigung häufig mehrmals in den Briefen diskutiert wurde, und dies auch in den Schreiben Fuggers an Faktoren und 25
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Vgl. Hans Fugger an Carl Heel, 06.03.1574, FA 1.2.6b H. 17 (II/1 39), an denselben am 19.03.1574, FA 1.2.7 H. 18 (II/1 53). Zum Jenbacher Handel und den Haug-Langnauer Scheuermann: Montanindustrielle, S. 132–237. Vgl. Hans Fugger an Jakob Saurzepf, 03.09.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 591). Vgl. Hans Fugger an Pompeio Lombardo, 15.05.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2782). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. Hans Fugger an Mang Lutzenberger, im September 1586 [keine Tagesangabe], FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3056). Hieronimus von Lodron erhielt 23 Briefe zu diesem Thema, Manrique de Lara 15, Christoph Tanner 14. Insbesondere Juan Manrique de Lara erwies sich als ein äußerst problematischer Kreditkunde, gegen den wegen ausbleibender Tilgung schließlich sogar ein Prozeß angestrengt wurde, vgl. Hans Fugger an Balthasar Trautson, 18.10.1578, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1396). Vgl. im vierten Teil S. 365–382. 983 Briefe.
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andere Handelsdiener, die ihn bei diesen Dienstleistungen unterstützten. Die hier aufgeführten Zahlen von Briefen beziehen daher all diese Erwähnungen mit ein. Da sich die Fuggersche Familiengesellschaft schon aus dem aktiven Warenhandel zurückgezogen hatte, müssen wir hierin eine Gefälligkeit Fuggers für seine Briefpartner sehen: Es existieren keine Hinweise in den Briefen, die eine regelmäßige, sozusagen von Fugger ‹tarifierte› Vergütung dieser Leistungen und des damit verbundenen Zeitaufwands belegen könnten. Zur zusätzlichen Überprüfung herangezogen wurden hier Abrechnungen für die Warensendungen an Wilhelm V. von Bayern, die stets nur Kosten für Waren und Transport auflisteten, die jeweils an dritte Personen, also Händler und Fuhrunternehmer bzw. Boten zu entrichten waren.32 Solche Besorgungsleistungen etwa für Kunstwerke, Goldschmiedearbeiten, Musikalien, Wein etc. lassen sich für die Firma auch zu Zeiten Anton Fuggers gut nachweisen;33 Hans Fugger setzte insofern eine familiäre Tradition innerhalb der Beziehungen zu bestimmten Kunden fort. Inwiefern mit solchen Leistungen eine Beziehung zukunftsträchtig gestaltet werden konnte, wird im vierten Teil der Untersuchung am Beispiel der Korrespondenz mit den bayerischen Herzögen noch genauer zu analysieren sein. Zu vermuten ist aber auch, daß diese Besorgungen nicht allein ein ‹Plus› für einen langjährigen Geschäftspartner war, sondern daß sich eine Vergütung dieser Leistungen nicht mehr mit dem Fuggerschen Selbstverständnis vereinbaren ließ: Bei dem schlechten Leumund, den die Kaufmannstätigkeit, vor allem der Warenhandel zu geringen Summen, in Adelskreisen genoß, wäre eine ‹kleinkrämerische› Bezahlung dieser Leistungen für die Position der Fugger in der Adelsgesellschaft eher kontraproduktiv gewesen.34 Durch die fehlende Entlohnung fällt Hans Fugger entsprechend auch aus dem Muster des ‹normalen› Agenten heraus, selbst wenn dieser ein ähnliches Tätigkeitsspektrum aufwies.35 Das Spektrum der angeforderten Waren bzw. Leistungen ist identisch mit dem des privaten Fuggerschen Bedarfs: Von exotischen Vögeln für die Voliere über edle Stoffe, Nahrungsmittel, Reitpferde und schließlich kostspielige Kunstwerke findet sich alles versammelt, was höchsten Ansprüchen genügen konnte. Fugger verfügte durch seine Geschäftsverbindungen bzw. das Fuggersche Faktoreiennetz und durch seine persönlichen Repräsentationsbedürfnisse ja schließlich auch über das nötige Knowhow für Warenangebote, Herstellungsverfahren, Preise und Transportbedingungen, um selbst ausgefallene Wünsche, etwa nach Waren aus Übersee, zuverlässig erfüllen zu können. Überdies konnte die Firma die vorläufige Begleichung
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Geprüft wurden in diesem Zusammenhang: FA 48.4: Abrechnung 1574/75 für Francesco Bonaventura in Neapel (Seidenstoffe); BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 1976, fol. 5r–19r: Schuldsachen Wilhelms V.: Fuggersche Abrechnung für Herzog Wilhelm V., 1568–1574; GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I: Abrechnung 12.08.1574 Neapel, Francesco Bonaventura (italienisches Original und deutsche Übersetzung). Vgl. die Beispiele bei Lieb: Kunst, S. 130–137, Beispiele S. 392, 400. Vgl. hierzu Barbara Stollberg-Rilinger: Ehre, sowie dies.: Handelsgeist und Adelsethos. Zur Diskussion um das Handelsverbot für den deutschen Adel vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. In: ZHF 15 (1988), S. 273–309. Vgl. dazu Keblusek: Agent. Der berühmte Augsburger Kunstagent Philipp Hainhofer wurde mit Pauschalsummen für seine Dienste bedacht, vgl. Roeck: Unternehmer, S. 24.
von Warenrechnungen übernehmen und auf gegebenenfalls vorhandene Konten der Kunden verbuchen: für die Auftraggeber sicherlich angenehm, für Fugger manchmal ein Ärgernis, wenn sich die Begleichung seiner Forderungen in einigen Fällen über Jahre hinzog.36 Für 123 seiner Korrespondenzpartner übernahm Hans Fugger diese Dienste, die sich auch auf Verhandlungen mit beauftragten Handwerkern, z.B. Waffen- oder Goldschmieden, und mit bekannten Künstlern wie Friedrich Sustris erstreckten, wobei Aufträge zur Besorgung von Kunsthandwerk bzw. Kunstwerken oder die Anwerbung von Künstlern den größten ‹Einzelposten› unter den Aufträgen bildeten, danach noch besonders der Ankauf von Tieren (einschließlich Pferden), Stoffen bzw. Kleidung, (Heil-)Pflanzen und Waffen. Nur wenige Personen nahmen die Besorgungsdienste Fuggers regelmäßig in Anspruch, aber dies in signifikanter Häufigkeit: Mehr als ein Viertel aller Besorgungsaufträge an Fugger, die in den Briefen besprochen werden, sind in Briefen an Herzog Wilhelm V. von Bayern genannt; insbesondere vor seinem Regierungsantritt 1579 verwandte Wilhelm immense Summen auf den Ausbau und die künstlerische Verschönerung seines Wohnsitzes, der Burg Trausnitz bei Landshut, und auf eine prunkvolle Hofhaltung – was in einen hohen Schuldenberg, auch bei den Fuggern, mündete.37 Ebenso handelte die Korrespondenz Hans Fuggers mit Hofbeamten und engen Vertrauten Wilhelms, etwa mit Paul von Eiß und Giovanni Ciurletta, zu einem guten Teil von den herzoglichen Besorgungswünschen. Die zahlreichen Briefzeugen für Bankund Dienstleistungen in den 1570er Jahren sind daher in erster Linie der Korrespondenz mit Wilhelm V. geschuldet. Zwar beschäftigte Wilhelm selbst mehrere Agenten,38 v.a. in Italien, mit der Besorgung von Luxusgütern und Kunstwerken; dennoch war die Besorgung durch Fugger ihm besonders wichtig – auch aus finanziellen Gründen, die im vierten Teil der Untersuchung noch ausführlich beleuchtet werden. Neben den insgesamt 240 Briefen mit Besorgungsaufträgen für Wilhelm nehmen sich die 44 seines Vaters Albrecht V. geradezu bescheiden aus, auch wenn man die Dienste berücksichtigt, die vor allem über den Licentiaten der Theologie Ludwig Miller, Mitglied von Albrechts Hofstaat, bei Fugger eingefordert wurden. Allerdings ist hier anzumerken, daß Albrecht, als Kunstkenner und -sammler berühmt, viele Aufträge zur Besorgung von Kunstwerken und Antiquitäten auch an Hans’ Bruder Marx schickte,39 sich überdies von seinem Intimus, dem Fuggerschen
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Vgl. hierzu im vierten Teil S. 365–370. Ebenda. Zu den Agenten Wilhelms V., insbesondere den Visconti in Mailand, vgl. Baader: Renaissancehof, S. 96–100. Zeugnis dafür sind nicht nur Kopierbuch-Briefe, die Hans ausdrücklich als Vertreter von Marx verfaßte, sondern auch Archivalien des Bayerischen Hauptstaatsarchivs. Unter der Signatur: Kurbayern Äußeres Archiv 4851/I verwahrt der erste Band der Libri Antiquitatum Herzog Albrechts nicht nur Schreiben Hans Fuggers an Albrecht V., sondern auch zahlreiche Briefe Marx Fuggers über den Erwerb von Kunstgegenständen für den regierenden Herzog.
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Vetter Hans Jakob Fugger, beraten ließ,40 und ebenfalls Kunstagenten wie Jacopo Strada und Niccolò Stoppio beschäftigte.41 An dritter Stelle folgt Hieronimus Graf von Lodron, Söldnerführer in spanischen Diensten aus Südtiroler Adel, der über Hans Fugger ganz überwiegend Waffen und Rüstungen der Augsburger Waffenschmiede bzw. Plattner für die Ausrüstung seiner Fähnlein bestellte, deren Fertigung Fugger dann vom Auftrag bis zum Versand der Ware betreute.42 Hervorzuheben sind auch noch häufigere Besorgungen Fuggers für Herzog Ferdinand von Bayern, Wilhelms jüngeren Bruder, für seinen Schwager Burkhardt Nothafft und für Georg «Jörg» Graf von Montfort, Sohn von Fuggers Schwester Katharina, der wiederum im Auftrag Hans’ am Kaiserhof und in Spanien – er war kaiserlicher Hofmann43 – nach Pferden Ausschau hielt, insbesondere für Herzog Wilhelm.44 Neben der Aufnahme der Aufträge durch Fugger und die Rückmeldung an die Auftraggeber bezüglich der Preise, Fertigungsdauer, Versand usw. steht die Weiterleitung der Aufträge durch Hans Fugger. In erster Linie waren hier Faktoren und sonstige Handelsdiener in den Faktoreien als Einkäufer für die verschiedensten Produkte gefragt, auch als Agenten für die Anwerbung von Musikern oder Malern. Ab und an wurden Verwandte in besonders günstigen Positionen um Mithilfe gebeten wie der erwähnte Jörg von Montfort oder Hans Trautson, Bruder eines Fuggerschen Schwagers45 und Obersthofmeister Erzherzog Maximilians von Tirol. Mit großem Vorsprung Antwerpen, dann aber auch Nürnberg, Venedig und Wien waren die Orte, über die Fugger vorrangig die Wünsche seiner Adressaten zu erfüllen suchte, wenn die Augsburger Produktpalette, die insbesondere Waffen und Goldschmiedearbeiten zu bieten hatte, nicht mehr hinreichte.46 Fuggers stetiger Kontakt zu diesen Metropolen, die wiederum Verbindungen nach ganz Europa, dem Osmanischen Reich und nach Übersee eröffneten, war die Voraussetzung für die Erfüllung auch ausgefallener Wünsche und damit auch für das, was wir heute wohl «Kundenzufriedenheit» nennen würden. Inwieweit Fugger diese Zufriedenheit für sich nutzen konnte, wird im Verlauf der Arbeit noch zu thematisieren sein.
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Zur Rolle Hans Jakob Fuggers vgl. Maasen: Hans Jakob Fugger. Vgl. Baader: Renaissancehof, passim. Vgl. hierzu Karnehm: Regesten I, S. 44*f. Als Beispiel: Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 14.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 934). Dort auch der Verweis Christl Karnehms auf weitere Briefe zu diesem Thema. Zunächst Mundschenk, später Reichshofrat und Kämmerer. Vgl. dazu ausführlich im vierten Teil, S. 338–345. Vgl. z.B. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 18.08.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 925). Balthasar von Trautson, Bruder Hans’ von Trautson, war seit 1555 mit Hans Fuggers Schwester Susanna verheiratet. Vgl. Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 16. – Zu den Trautson insgesamt Hadriga: Trautson. Zum Augsburger Gewerbe im 16. Jahrhunderts vgl. Hermann Kellenbenz: Wirtschaftsleben der Blütezeit. In: Gunther Gottlieb (Hg.), Geschichte der Stadt Augsburg von der Römerzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 21985, S. 258–301, sowie Roeck: Augsburg, S. 406–432.
4. Hans Fugger als «Postmeister»47 Gut ein Zehntel48 aller Briefe beschäftigt sich mit der Weiterleitung von Briefen bzw. Paketen durch Hans Fugger. Seltener brachten sich einige der insgesamt 168 Adressaten, für die wir briefliche Belege zu dieser Art von Besorgung haben, als solche Postdienstleister ein, insbesondere Fuggersche Faktoren.49 Diese Dienstleistung hat ihren Hintergrund im zeitgenössischen Entwicklungsstand des europäischen Post- und Botenwesens:50 Augsburg war der wichtigste Knotenpunkt der Taxispost im Reich auf der Postachse zwischen den Niederlanden und Italien, und Schreiben, die durch die Postreiter der Taxisschen Reichspost oder die leistungsfähigen Augsburger Boten51 an ihren Bestimmungsort inner- wie außerhalb des Reichs transportiert werden sollten, mußten dort gesammelt werden. Von daher bot es sich an, in die Briefe, die ein Korrespondent an Hans Fugger sandte, auch diejenigen Schreiben einzulegen, die ohnehin nach Augsburg gesandt werden mußten – in erster Linie wohl an das Augsburger Posthaus der Taxis. Hans Fugger übernahm dann die Weiterleitung an das Posthaus bzw. den Augsburger Botendienst, z.T. auch an die sogenannten Metzgerboten;52 zweifellos hatten Fuggersche Bedienstete an allen Posttagen, an denen Boten abritten, umfangreichere Sendungen des Fuggerschen Handels zum Posthaus zu bringen. Häufig wurden den Schreiben an die Fuggerschen Faktoreien auch Briefe Dritter durch Hans Fugger beigelegt – die Faktoren mußten dann für die Bestellung an die Empfängeradresse sorgen.53 Mehrfach gibt Fugger den Hinweis, er werde Briefsendungen seiner Korrespondenten unter der Fugger copert54 weiterleiten. Gemeint ist damit, daß Briefe Dritter so versandt wurden, daß sie als Fuggersche Schreiben galten: Der Absendervermerk auf dem copert bzw. der coperta (davon heute: Kuvert) lautete auf die Fugger. Es handelt sich hier vermutlich um den Versand in Briefbündeln, in die Briefe Fuggerscher Korrespondenzpartner dann integriert werden konnten. Umgekehrt galt diese Art der Beförderung auch für Briefe Dritter, die von Fugger an seine Korrespon-
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So Fuggers Selbstbezeichnung in einem Brief an Christoph Ott, 12.11.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1770). 523 Briefe. In 260 Briefen ist die Weiterleitung durch Adressaten angesprochen. Vgl. dazu ausführlich im dritten Teil Kap. I. Vgl. Kränzler: Augsburger Botenanstalt. Zum Einsatz der Metzgerboten, die auf ihren Reisen zum Viehkauf auch Briefsendungen transportierten, vgl. Dallmeier: Thurn und Taxis, S. 338f. [mit weiterführender Literatur]. Ein Beispiel sind Briefsendungen Herzog Wilhelms und seiner Schwiegermutter, der Herzogin Christine von Lothringen, an den Herzog von Alba bzw. an den lothringischen Botschafter am Kaiserhof, vgl. Hans Fugger an Jakob Mair [Faktor in Antwerpen], 07.02.1572, FA 1.2.5 H. 12 (I 667). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 06.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3360). Zitiert nach Christl Karnehm.
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denzpartner weitergeleitet wurden – so besorgte er z.B. häufig die Weiterleitung von Briefbündeln aus Italien an Herzog Wilhelm.55 Leider ist aus den gelegentlichen Verweisen Hans Fuggers auf diese Art der Beförderung nicht mehr zu eruieren, ob sie bei seinen Post-Dienstleistungen Standard war, oder ob Fuggersche Diener mitgesandte Schreiben lediglich zum separaten Weiterversand ins Posthaus brachten. Immerhin aber können die Gründe angegeben werden, aus denen man das Verfahren des Versandes unter Fuggerschem Namen wählte: Zum einen konnten Fuggers Korrespondenzpartner auf diese Weise Kosten sparen: Was als Fuggerpost im Umlauf war, hatten Hans’ Briefpartner allem Anschein nach nicht zu bezahlen. Fugger erwähnte nämlich keinerlei Kosten, die für seine Adressaten durch diese Dienste anfielen. Ein Brief Hans Fuggers an Dr. Nikolaus Elgard, für den ebenfalls Post weiterversandt wurde, scheint die Begründung zu sein: Dort gab Hans an, den Postmeistern jährlich Pauschalsummen für den Transport sämtlicher Fuggerbriefe zu bezahlen, weshalb durch die zusätzlichen Elgardschen Briefe – wohl unter Fuggerscher coperta – keine Mehrkosten entstünden.56 Möglicherweise hatte Elgard sich vorher nach den Kosten für den Fuggerschen Post-Service erkundigt. Eine weitere, wichtige Motivation war allem Anschein nach auch der Sicherheitsaspekt: Simon Tänzl von Tratzberg, Burgauischer Stallmeister des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, hatte den Verlust einer Briefsendung von Burgau nach Innsbruck zu beklagen und bat darauf 1584 Hans Fugger, unter Fuggers copert eine Sendung über den Fuggerschen Angestellten in Innsbruck an Tänzls Adressaten Hopfer weiterzuleiten, wozu Fugger sich gerne bereiterklärte – sehr verständnisvoll, denn auch er hatte mit dem Brieftransport nach Innsbruck schon schlechte Erfahrungen gemacht. Tänzl nahm also offenbar an, der Brieftransport würde sicherer, wenn Fuggers Name auf der Sendung stünde. Unklar ist allerdings, ob er sich vom Namen der Augsburger mehr oder doch weniger Aufmerksamkeit für seine Sendung erhoffte – immerhin bekleidete Tänzl ein erzherzogliches Hofamt. Neben dem Vorteil, keinen eigenen Boten zum Augsburger Posthaus schicken zu müssen, spielte die größere Unauffälligkeit der Fuggerbriefe vermutlich auch bei der Briefweiterleitung für das bayerische Herzogshaus eine Rolle. Wilhelm V. von Bayern stand unter den Adressaten Fuggers mit der Inanspruchnahme der Briefweiterleitung unangefochten an der Spitze; auch sein Vater Albrecht V. und sein Bruder Ernst von Bayern nutzten in den 1560er und 1570er Jahren nicht selten die Fuggerschen Post-Dienste.57 Martin Dallmeier hat die verdeckte Briefweiterleitung für Könige und Kaiser durch Kaufleute kürzlich wieder für die Zeit Karls V. her-
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Vgl. z.B. Hans Fugger an Wilhelm V., 02.02.1572, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger II. Vgl. Hans Fugger an Dr. Nikolaus Elgard, 15.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 412). Dazu auch Karnehm: Regesten I, S. 19*f. 161 Briefe Fuggers zeugen von der Weiterleitung von Schreiben durch Fugger von oder an die Herzöge. Das sind gut 30% aller Briefe zum Thema «Weiterleitung über Hans Fugger». Für Wilhelm V. allein lassen sich in den Schreiben Fuggers für die Zeit von 1569–1586 122 Belege für die Briefweiterleitung über Hans Fugger finden.
vorgehoben58, und in diese Tradition lassen sich also möglicherweise auch etliche Postdienste Hans Fuggers einordnen. Als ‹Deckadresse› konnte Fugger zumindest nachweislich dann dienen, wenn Wilhelm V. vor seinem Vater den Kauf von teuren Luxusgütern verbergen wollte.59 Der Umfang, in dem dieser Service bei Fugger geleistet wurde, und der sicher zentral mit seinem Wohnsitz Augsburg als Postknotenpunkt zu tun hatte, läßt auch hier auf eine echte, wenn auch wohl weitgehend kostenlose Dienstleistung schließen. Nur wenige weitergeleitete Briefe hingen mit firmeninternen Vorgängen zusammen; Nutznießer unter den Adressaten Fuggers waren nicht in erster Linie Angestellte oder enge Freunde Fuggers, sondern zumeist Geschäftskunden wie die bayerischen Herzöge, aber auch viele Hofbedienstete und zahlreiche, z.T. ranghohe Landsknechtsführer. Jedenfalls scheinen sie ein großes Vertrauen in die seriöse Bestellung der Briefe gehabt zu haben, waren doch unter den Personen, zu denen der Briefkontakt mit Fuggers «Transporthilfe» aufrechterhalten wurde, so illustre Persönlichkeiten wie die Kaiserin Maria, Witwe Maximilians II., Elisabeth, Königin von Frankreich, oder gar Kaiser Rudolf II.60 Insgesamt jedoch war die Briefzustellung für Fugger kein problemloses Unterfangen, gab es doch zuweilen Beschwerden seiner Korrespondenzpartner, daß Sendungen nicht korrekt weitergeleitet wurden, durch wessen Verschulden auch immer.61 Hinzu kamen – in deutlich geringerem Umfang – Briefe an oder von Fugger persönlich, die in erster Linie von den Faktoren und Agenten an ihren Bestimmungsort weitergeleitet wurden. Damit ergibt sich für die Fuggerkorrespondenz folgendes Bild: Dienstleistungen und Finanzgeschäfte wurden in 72% Prozent aller Briefe thematisiert,62 wobei Besorgungen und Aufträge, die nachweisbar für Hans Fugger und seinen Haushalt erledigt wurden, nur rund ein Viertel der untersuchten Gesamtkorrespondenz in Anspruch nahmen. Mehrheitlich also beschäftigte sich der Dienstleistungs- und Finanzsektor der Briefe mit den Bedürfnissen der Fuggerschen Briefpartner, weniger mit Fuggers persönlichen Wünschen – in einer Korrespondenz, die sich von ihrer eigenen Charakterisierung her als Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech und eben nicht als Geschäftskorrespondenz ausweist, verdient dieser Befund eine besondere Betonung. Auch wenn wir davon ausgehen müssen, daß diese Dienste wohl als kostenlose Gefälligkeit erbracht wurden, gerierte Fugger sich in einem ganz erheblichen Teil der Korrespondenz als Dienstleister. Selbstbezeichnungen als
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Vgl. Martin Dallmeier: Großreich und Kommunikation. In: Alfred Kohler u.a. (Hg.), Karl V. 1500–1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee. Wien 2002 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse: Historische Kommission: Zentraleuropa-Studien 6), S. 223–244, hier S. 241. Vgl. beispielsweise Hans Fugger an Wilhelm V., 18.05.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1008). Vgl. Hans Fugger an Hans Khevenhüller, 02.05.1585 (II/2 2769). Vgl. Hans Fugger an Balthasar von Stubenberg, 29.05.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1022). 46% der Briefe behandeln die Aufträge der Kunden, 26% die Besorgungen Fuggers.
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postmaister63 oder gar als ain willig vleissige[r] factor64 sind im jeweiligen Briefkontext mit Sicherheit nicht ohne ironischen Unterton zu verstehen, zeigen aber doch an, daß Fugger in dem deutlichen Bewußtsein stand, Dienste der genannten Professionen – unterhalb seiner gesellschaftlichen Position eines Freiherrn von Kirchberg und Weißenhorn – zu verrichten. Betrachtet man den im folgenden beschriebenen Nachrichtensektor genauer, so sind auch weite Teile dieses Bereichs noch zu den Dienstleistungen zu rechnen, und es drängt sich natürlich die Frage auf, ob bei dem immensen Zeitaufwand, der mit dieser Beschäftigung zum Nutzen anderer verbunden war, das noch reichlich unspezifische Wort «Gefälligkeit» zur Charakterisierung ausreicht. Die multiplexe Verbindung Fuggers zu vielen Adressaten, die von seinen Dienstleistungen profitierten, eröffnet hier Wege zu einer weiterführenden Interpretation, die in der Verbindung zu genuin Fuggerschen Interessen insbesondere im dritten und vierten Teil der Untersuchung begangen werden sollen.
B. Mercatoria – Kaufmannswissen: Nachhilfe und Erläuterung im Bedarfsfall Fuggers kaufmännisches Wissen tritt nicht nur in seiner praktischen Anwendung in Erscheinung, wie die oben angeführten Beispiele seiner geschäftlichen Tätigkeit gezeigt haben. Vielmehr gab er bestimmte Elemente seiner Kenntnisse auch als Informationsangebot an seine Adressaten weiter – als theoretischen Wissensbestand demnach, von den Adressaten auf ihre praktischen Bedürfnisse anzuwenden. Diese Mercatoria – der Begriff ist abgeleitet vom lateinischen mercator und mercatura für ‹Kaufmann› und ‹Kaufmannshandel›65 – waren in ihrer großen thematischen Fülle in erster Linie Spezialwissen für den Händler und Bankier und wurden für diesen Adressatenkreis schon im Mittelalter in standar-
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Hans Fugger an Christoph Ott, 12.11.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1770). Hans Fugger an Ott von Eberstein, 10.02.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 185). Zitiert nach Christl Karnehm. Für den Bereich des Kaufmannswissens bzw. der Handelsliteratur gibt es keinen Begriff, der in der Wissenschaft ähnlich gut eingeführt wäre wie der Begriff der Ökonomie bzw. Altökonomik für das rechte Wirtschaften im Haus und auf dem Feld (vgl. dazu die Ableitung Oeconomica für das altökonomische Wissen). Das hier verwendete substantivierte Adjektiv Mercatoria lehnt sich an die oben erwähnten Bezeichnungen im Lateinischen bzw. im Italienischen an, entstanden doch in Italien seit dem späten 13. Jahrhundert die ersten Kaufmannshandbücher (Literatur dazu unten). Auch das umfangreiche bibliographische Projekt zur kaufmännischen Literatur der Frühen Neuzeit verwendet entsprechend der zeitgenössischen Begrifflichkeit die hier genutzte Adjektivform, vgl. Jochen Hoock, Pierre Jeannin, Wolfgang Kaiser: Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns, 1470–1820. Eine analytische Bibliographie in 6 Bänden. Bd. 1–3, Paderborn u.a. 1991–2001.
disierter Form aufgezeichnet und bald auch gedruckt.66 Fuggers Briefe allerdings beleuchten nicht nur die Weitergabe von kaufmännischem Wissen innerhalb der Welt der merchant-bankers, so etwa vom Gesellschafter Fugger an einen Faktor oder Handelsdiener, sondern auch die Vermittlung spezifischer wirtschaftlicher Zusammenhänge, z.B. zu Bedingungen des Wechseltransfers, an Briefpartner, die solche Dienstleistungen als Kunden in Anspruch nahmen. Damit sind Fuggers Schreiben Beispiele für die Art und Weise, wie kaufmännisches Wissen und die Dienstleistungen des Fuggerschen Handels an fachfremde Kreise vermittelt und präsentiert wurden. Nach dem Vorbild der Bibliographie Jochen Hoocks und Pierre Jeannins zur frühneuzeitlichen ‹Ars mercatoria› soll allerdings auch hier differenziert werden zwischen der «Ebene des ‹savoir-faire›», auf der am konkreten Fall kaufmännische Arbeitsschritte, z.B. die Verbuchung bestimmter Posten, erklärt werden, und dem «Feld bloßer Kenntnisse», wo es etwa um bestimmte rechtliche Voraussetzungen oder Handelsbräuche geht, oder ganz einfach um die Qualität und den Preis bestellter Waren.67 Vom Umfang her gesehen ist dieser Wissensbereich der kleinste der überlieferten Korrespondenz. Lediglich 124 Briefe können hier als Belege angeführt werden – das sind weniger als 3% der gesamten Korrespondenz. Am mangelnden Interesse Fuggers für kaufmännische Angelegenheiten liegt das, wie bereits gezeigt wurde, nicht: wichtiger war vielmehr eindeutig die konkrete Ausführung kaufmännischer Transaktionen durch Fugger und die Angestellten des Handels. ‹Nachhilfe› in Sachen Kaufmannswissen war für die Handelsdiener unter den Briefpartnern Fuggers sicher nur in Ausnahmefällen nötig. Im brieflichen Kontakt mit den Auftraggebern geschäftlicher Dienstleistungen, die ihren Auftrag durch Dritte ausgeführt sehen wollten, stand – deren Interessen entsprechend – die Vermittlung theoretischer
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Im universitären Kanon formierte sich die «Handlungswissenschaft» als eigenes Fach allerdings erst ab dem 18. Jahrhundert, vgl. dazu Johannes Burkhardt: Der Begriff des Ökonomischen in wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive. In: Norbert Waszek (Hg.), Die Institutionalisierung der Nationalökonomie an deutschen Universitäten. Zur Erinnerung an Klaus Hinrich Hennings (1937–1986). St. Katharinen 1988, S. 55–76, ferner ders.: Die Entdeckung des Handels. Die kommerzielle Welt in der Wissensordnung der Frühen Neuzeit. In: Reinhard Blum (Hg.), Wirtschaft in Wissenschaft und Literatur. Drei Perspektiven aus historischer und literaturwissenschaftlicher Sicht von Johannes Burkhardt, Helmut Koopmann und Henning Krauß. Augsburg 1993 (Augsburger Universitätsreden 23), S. 5–28. – Einen konzisen Überblick zu kaufmännischen Wissensfeldern und ihrer Verschriftlichung in Kaufmannshandbüchern liefern Hoock, Jeannin: Einleitung, S. VII–XXV. – Ergänzend mit einem Schwerpunkt bei den sogenannten «Handelspraktiken» der Beitrag von Denzel: Handelspraktiken. Zitate und Erläuterung der Differenzierung bei Hoock, Jeannin: Einleitung, S. IXf. – Auch Angaben Fuggers zu Warenqualität, -herkunft, Preisen und Herstellungsdauer sind hier unter die Mercatoria gerechnet, waren sie doch integraler Bestandteil von Kaufmannshandbüchern, wie etwa das Meder’sche Handelsbuch mit seinen Einträgen zum Venedigerhandel. Vgl. Hermann Kellenbenz (Hg.): Handelsbräuche des 16. Jahrhunderts. Das Meder’sche Handelsbuch und die Welser’schen Nachträge. Wiesbaden 1974 (Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit 15), hier S. 136.
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Kenntnisse zu Kaufmannsgeschäften in Fuggers aigen copierbuech ebenfalls im Hintergrund. Fuggers Engagement insbesondere in Kredit- und Wechselgeschäften war nur möglich durch das profunde Wissen, das er sich seit seiner Jugend angeeignet hatte – es sei hier an seinen Einsatz in der Faktorei Antwerpen während der Örtel-Krise erinnert. Einer aus Italien übernommenen kaufmännischen Praxis folgend, führte das Fuggersche Handelshaus zudem nachweislich seit den 1490er Jahren standardisierte handschriftliche Aufzeichnungen über Handelsplätze, «Münzen, Maße, Gewichte, Transportwesen, bargeldlosen Zahlungsverkehr und Handelsinstitutionen (vor allem Messen)»,68 wie eine handschriftliche Handelspraktik aus dem Besitz des Philipp Eduard Fugger belegt. Ähnliche Aufzeichnungen zu solch unentbehrlichen Informationen oder vielleicht eine Kopie der erwähnten Handelspraktik, zumindest aber Faktorenberichte vor allem zu Wechselgeschäften dürften auch Hans Fugger vorgelegen haben. Die Entwicklung dieses Wissensbereichs im Lauf der Jahrzehnte ist nicht weiter überraschend: Entsprechend zu einem deutlichen Höhepunkt brieflicher Fuggerscher Finanz- und Warendienstleistungen insbesondere in den 1570er Jahren69 sind für die Mercatoria in diesen Jahren die meisten Belege in den Briefen zu finden – insbesondere die Erläuterungen an die Kunden, die parallel zu den vermehrten Dienstleistungen notwendig wurden, sorgten hier für den deutlichen Anstieg. Von 52 Adressaten, die mit Fugger über Mercatoria korrespondierten, gehörten allein fünfzehn der Gruppe Fuggerscher Faktoren, Agenten und Handelsdiener an, und an diesen Personenkreis gingen rund 40%70 aller kaufmännischen Ratschläge. Jedesmal handelte der Brief von einem Problem der laufenden Geschäfte. Fugger gab Anweisungen, wo nach einer bestimmten Ware – seien es türkische Teppiche oder Edelsteine71 – zu optimalem Preis und Qualität zu fragen sei, behandelte aber auch die korrekte Verbuchung von Personalkosten auf das richtige Konto,72 die Bedingungen und die Organisation von Wechselgeschäften73 oder die Absicherung der Kredittilgung, etwa bei Zahlungsunwilligkeit des Schuldners.74 Insbesondere 68
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Zu Inhalt und Erstellung der Fuggerschen Handelspraktik – wohl durch den Hauptbuchhalter Matthäus Schwarz (1497–1574) – vgl. Denzel: Werkstattbericht, Zitat S. 143. Vgl. dazu Grafik 7, S. 81. 51 von 124 Briefen. Als Beispiele vgl. etwa Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 19.04.1572, FA 1.2.5 H. 12 (I 736) oder Hans Fugger an Hans Schedler, 02.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2252). Vgl. Hans Fugger an Philipp Römer, 31.08.1573, FA 1.2.6b H. 6 (I 1117). Vgl. Hans Fuggers Anweisungen zu Wechselkursen im Brief an Hans Heinrich Mundtprot, 21.08.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 928) oder auch seine Bedenken bezüglich eines Wechselgeschäfts über Lübeck nach Schweden, vgl. Hans Fugger an Philipp Römer, 02.01.1580, FA 1.2.10 H. 34 (II/1 1494). Ein Fall, der Fugger lange Zeit beschäftigt hielt, waren die Schulden Don Juan Manrique de Laras, Oberst in spanischen Diensten, der die Tilgung eines Kredits zur Finanzierung seines Regiments von Jahr zu Jahr hinauszögerte, was zu ausgedehnter Korrespondenz zwischen Fugger und seinem Agenten Rechseisen führte, der die Schuld in Italien einzutreiben hatte. In diesem Zusammenhang sind die brieflichen Anweisungen Fuggers zu sehen, wie
bei Verhandlungen mit einem Behördenapparat wie der kaiserlichen Finanzkammer konnten schon einmal ein vertröstung oder verehrung75 angemessen erscheinen, um eine verzögerte Zahlung von Tilgungsraten zu vermeiden. Prekär war der Fall des vorzeitigen Tods eines Kreditnehmers, weshalb Fugger insbesondere bei Krediten an Söldnerführer mehrfach bei den Faktoren Maßnahmen anmahnte, um auch im Todesfall die gewährten Summen wieder zurückzuerhalten.76 Entsprechend diesen Aufgaben der Handelsdiener bewegt sich das hier transferierte Wissen also hauptsächlich im Bereich des ‹savoir-faire›, war ergänzende Anweisung von seiten der stellvertretenden Geschäftsleitung, zumeist in brisanten Angelegenheiten.77 Die fachmännischen Auskünfte an Kunden des Hauses und an Verwandte, die Besorgungsaufträge an Fugger weitergegeben hatten, als Kreditnehmer auftraten oder sich seinen fachmännischen Rat in ihren Finanzgeschäften mit Dritten einholten, sind im Grunde ergänzend zur Sphäre der persönlichen Fuggerschen Dienstleistungen zu rechnen. So informierte Fugger beispielsweise über die erforderlichen Unterlagen, die für ein erfolgreiches Kreditgesuch bei der Fuggerschen Familiengesellschaft notwendig waren.78 Nicht selten nahmen seine Ratschläge sogar juristischen Charakter an, etwa im Fall der Regina Arzt, der als Gläubigerin David Paumgartners ein finanzieller Verlust drohte – Hans Fugger riet zu einem Zusammenschluß der Gläubiger, um über eine kaiserliche Kommission zumindest einen Teil ihres Geldes zu retten.79 Auch der briefliche Austausch mit Regina Arzt vertritt damit also nochmals das Feld der Handlungsanweisungen bzw. des ‹savoirfaire›.
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Rechseisen auf die Verzögerungstaktik Manriques zu antworten habe, dazu insbesondere Hans Fugger an Matthias Rechseisen, 30.09.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 970). – Vgl. auch die Empfehlungen zur Schuldeintreibung an den Nürnberger Faktor Philipp Römer, vgl. Hans Fugger an Philipp Römer, 22.12.1582, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2251). Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 13.07.1585, FA 1.2.14a H. 60 (II/2 2831). Zitiert nach Christl Karnehm. Zu Fuggers Anweisungen für eine weitgehende Minimierung des Kreditrisikos vgl. etwa Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 04.02.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1849) an denselben auch am 21.04.1581, FA 1.2.11 H. 40 sowie 14.02.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/1 1929, II/2 2067). Ein Beispiel für die Übermittlung von bloßen Handels-Kenntnissen an einen Beauftragten Fuggers stellt Fuggers Brief an Matthias Rechseisen dar. In diesem Brief erläutert Fugger, daß erst dann wieder (vom Schuldner Manrique eingenommene) Gelder von Venedig ins Reich transferiert werden könnten, wenn die Frankfurter Herbstmesse beendet sei. Vgl. Hans Fugger an Matthias Rechseisen, 17.09.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 615). So z. B. Hans Fugger in einem Brief an Carlo Magno, 07.09.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2663). Vgl. Hans Fugger an Regina Arzt, 29.10.1568, FA 1.2.5 H.8 (I 314). – Vgl. auch Hans Fuggers Beratung für seinen Kreditkunden Don Juan Manrique de Lara, der seinen säumigen Schuldner Serbelloni zur Rückzahlung bewegen wollte; dazu Hans Fugger an Juan Manrique de Lara, 20.12.1567, FA 1.2.5 H. 8 (I 158). – Noch weiter in den juristischen Bereich hinein führen Ratschläge zum Erbschaftsrecht für Fuggers Schwager Burkhart Nothafft, vgl. Hans Fugger an Burkhart Nothafft, 05.12.1566, FA 1.2.5 H. 5 (I 26).
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Zumeist aber ging es in den Briefen an Kunden und Verwandte um erklärende Zusätze Fuggers zu Besorgungs- und Finanzdienstleistungen, die vom ihm selbst bzw. vom Fuggerschen Handel erbracht wurden. Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang waren Wechselgeschäfte, die betreffenden Wechselkurse und die damit verbundenen Kosten.80 Wie Fugger immer wieder betonte, konnte die Fuggergesellschaft bargeldlosen Zahlungsverkehr zwischen verschiedenen Orten inner- wie außerhalb des Reiches nur dann mit minimalem Aufwand gewährleisten, wenn an dem betreffenden Ort eine Fuggersche Faktorei bzw. ein Kontor oder Agent der Firma vorhanden war.81 Die Übermittlung solcher Informationen durch Fugger, die wir im Bereich der Handelgebräuche und damit in der Terminologie von Hoock/Jeannin unter den ‹Kenntnissen› verorten können, machte die Dauer der Erledigung mancher Geschäfte, die Forderung zusätzlicher Belege bzw. Sicherheiten82 oder gar die Ablehnung bestimmter Aufträge durch Fugger für den Kunden transparent. Im Zusammenhang mit mancher konkreter Handlungsanweisung war der Übergang zwischen Wissensvermittlung und Handlungsanleitung zweifellos manches Mal fließend.83 So dienten sie also nicht zuletzt auch dazu, überzogene Vorstellungen der Adressaten von der Reichweite Fuggerscher Geschäftsbeziehungen oder von der raschen Erledigung eines Auftrags84 zu korrigieren. Als lukratives Geschäft galten diese Aufträge Fugger und seinen Bediensteten nämlich nicht, wie ein Brief an den Antwerpener Faktor Hans Heinrich Mundtprot nahelegt, in dem Fugger sich heftig über unzureichende Unterlagen seiner Adressaten bei Wechselgeschäften beklagte, die nicht den von den Kunden unterstellten beträchtlichen Gewinn85 des Bankhauses, sondern nur hohen Arbeitsaufwand ver-
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Ein prominentes Beispiel für Fuggers Erläuterungen zu Wechselgeschäften ist der Kredit des Großherzogs von Florenz an Wilhelm V., der gegen Fuggers Rat in Goldkronen ins Reich gewechselt werden sollte, weshalb er Wilhelm gegenüber ausdrücklich auf die dadurch entstehenden Wechselverluste hinwies. Vgl. dazu Hans Fugger an Wilhelm V., 07.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 402). – Zur Wechselthematik auch Hans Fugger an Albrecht V., 11.07.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1134). So z. B. Hans Fugger an Nikolaus Elgard, 17.08.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 919) sowie an denselben, 22.09.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 958). Ebenso: Hans Fugger an Wolf von Stubenberg, 24.09.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1178). In diesen Briefen weist Fugger auch mit Nachdruck darauf hin, daß nur die Überweisung durch seine eigenen Leute, nicht der Wechseltransfer durch Dritte, kostenlos abgewickelt werden könne. Vgl. etwa Hans Fugger an Maximilian Fugger, 31.01.1576, FA 1.2.8 H. 24 (II/1 712) zur Stellung einer Bürgschaft. So etwa im Brief Hans Fuggers an Johann Öxlin, 24.09.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1177). Hans Fugger informierte hier nicht nur über Wechselgebräuche, sondern auch über die konkrete Anfertigung des schriftlichen Begehrens nach bargeldloser Überweisung. Charakteristisch auch ein Brief an Wilhelm V.: Fugger erklärte, daß die vom Herzog bestellte Seide – laut Auskunft seiner Handelsdiener – nur in Spanien auf Bestellung angefertigt werde und daher frühestens in einem halben Jahr eintreffen könne, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 16.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 422). Gewinne beim Wechselgeschäft flossen (neben einer möglichen Provision für den Dienstleister) in erster Linie aus der Nutzung von Wechselkursdifferenzen (Arbitragegeschäft). Dazu Denzel: Cambiatura, S. 91.
ursachten: Dise leutt mainen, man gewinn vil an inen, da man doch nur unrhue und arbait vonn irnwegen hat.86
C. Oeconomica – das weite Feld des häuslichen Alltags Ein ausgesprochen breit gefächertes Wissensgebiet, mit dem sich Fuggers Briefe beschäftigen, stellt die frühneuzeitliche Ökonomie dar. Sie umfaßt eine Reihe von Spezialgebieten des rechten Wirtschaftens im Haus, in denen Hausväter wie Hausmütter sich auszukennen hatten, und schließt auch die rechte Form des Zusammenlebens von Vater, Mutter, Kindern und Gesinde mit ein. Die gedruckten frühneuzeitlichen Hausbücher informierten insbesondere seit dem späten 16. Jahrhundert zusammenfassend über all die Aufgaben von Kindererziehung über Nutzpflanzenanbau, Nahrungsmittelbereitung und Tierzucht bis hin zur Hausmedizin. Aber auch zahlreiche Publikationen zu den Einzeldisziplinen gelangten aus der Druckerpresse auf den Markt.87 Unter der Rubrik Oeconomica fanden diese Fachbereiche Eingang in zeitgenössische Systematiken des Wissens und in Bibliotheksordnungen.88 Zugeschnitten waren diese Publikationen in erster Linie auf einen Haushalt mit Gesinde und Gutsbesitz; im frühen 17. Jahrhundert wird auch explizit der Landadel als Adressat angesprochen.89 Als Vorstand des Haushalts war der «Hausvater» – im 16. Jahrhundert noch «Haushalter» bzw. «Hauswirt»90 – zumindest in überwachender Funktion mit den oben genannten Aufgaben des rechten Wirtschaftens befaßt. Mit den vielfältigen 86
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Vgl. Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 21.08.1576, FA 1.2.8b H. 26, pag. 347 (II/1 928). Zu Umfang und Geschichte des Begriffs Oeconomia/Oeconomica vgl. Wolf Hagen Krauth: Wirtschaftsstruktur und Semantik. Wissenssoziologische Studien zum wirtschaftlichen Denken in Deutschland zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert. Berlin 1984 (Soziologische Schriften 42), bes. S. 86–98. Vgl. auch den Überblick bei Johannes Burkhardt, Birger P. Priddat (Hg.): Geschichte der Ökonomie. Frankfurt/M. 2000 (Bibliothek der Geschichte und Politik 21 = Bibliothek deutscher Klassiker 173), bes. S. 649–651 sowie die Kommentare zu den Hausbüchern Colers und Hohbergs, S. 691–699 und 759–767. Über den Druck altökonomischer Literatur am Beispiel Augsburgs vgl. Burkhardt: Altökonomik. – Die ältere Forschung, die entsprechend den Hausbuch-Titeln des 18. Jahrhunderts von ‹Hausväterliteratur› sprach, bei Otto Brunner: Hausväterliteratur. In: Erwin von Beckerath u.a. (Hg.): Handwörterbuch der Sozialgeschichte, Bd. 5. Stuttgart 1956, S. 92f., ders.: Das «ganze Haus» und die alteuropäische «Ökonomik». In: Ders., Neue Wege der Verfassungsund Sozialgeschichte. Göttingen 21968, S. 103–127. Vgl. Burkhardt: Altökonomik, S. 430. Zum Zielpublikum der altökonomischen Literatur seit dem Spätmittelalter vgl. Trude Ehlert: Die Rolle von «Hausherr» und «Hausfrau» in der spätmittelalterlichen volkssprachigen Ökonomik. In: Dies. (Hg.), Haushalt und Familie in Mittelalter und früher Neuzeit. Sigmaringen 1991, S. 153–166, hier 156 sowie in demselben Band Manfred Lemmer: Haushalt und Familie aus der Sicht der Hausväterliteratur, S. 181–191, hier 183f. Die Entwicklung der Begrifflichkeit bei Burkhardt, Priddat: Ökonomie, S. 696.
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hausväterlichen Aufgaben in Haus- und Gutsverwaltung vertraut zeigt sich auch Hans Fugger, der sein gesammeltes Wissen hierzu gerne brieflich weitergab. Fugger erweist sich in diesen Schreiben als vielseitig interessierter Zeitgenosse, für den gartenbauliche Experimente, etwa der Anbau von Blumenkohl,91 Tulpen92 oder von Momordica, einer Heilpflanze,93 aber auch die Sammlung und Erprobung von exotischen Heilmitteln bzw. -rezepten Zielpunkt eines zeitweise schon als wissenschaftlich anzusprechenden Erkenntnisdrangs waren. Ganz der adligen Lebensführung gemäß war seine Leidenschaft für die Jagd94 und vor allem für edle Pferde – eine Passion, die er ganz augenscheinlich mit seinem Bruder Marx teilte, der als Autor des Buchs von der Gestüterey ein mehrfach aufgelegtes Werk zur Pferdezucht und -heilkunde verfaßt hatte.95 In Fuggers Ratschlägen zur Tiermedizin, die er seinen Korrespondenten bereitwillig erteilte, erhielt die Behandlung kranker Pferde so einen besonders prominenten Platz.96 Mit 5% Anteil an der gesamten Korrespondenz nehmen sich die 259 Briefe, die sich Oeconomica widmen, zwar relativ bescheiden aus. Aber sie geben zu erkennen, daß Fugger auch hier – gerade für die Bereiche Pflanzenbau, Pferdehaltung und Medizin – wieder in der Rolle eines leidenschaftlichen Experten agierte, mal als kompetenter väterlicher Ratgeber, mal als kundiger Dienstleister. Von den mehr als 100 Personen, mit denen Fugger in all den Jahren über Oeconomica korrespondierte, treten als häufigste Adressaten Herzog Wilhelm von Bayern und Hans’ ältester Sohn Marx d. J. (an Wilhelm 13, an Marx zehn Briefe), ferner verschiedene Familienangehörige sowie einige Faktoren bzw. Agenten des Handels und Fuggersche Bedienstete hervor. Weitere ‹Kunden› sonstiger Fugger-
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Blumenkohlsamen mußte für die Aussaat aus Zypern eingeführt werden und erwies sich als schwierig zu kultivieren, vgl. Hans Fugger an Christoph Rhem, 17.05. und 17.07.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1106, II/1 1140). Vgl. Hans Fugger an Hans Meichsner, 18.05.1592, FA 1.2.15b H. 87 (II/2 3238). Momordica (bei Fugger: montvortica bzw. moncordica), wohl identisch mit dem Jerusalemsapfel (Kürbisgewächs), war seit dem späten Mittelalter als Therapeutikum bekannt, vgl. Josef Domes: Momordica-Traktat. In: Kurt Ruh u.a. (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 6, Berlin, New York 1987, Sp. 645f. Dazu Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 17.04.1568, FA 1.2.5 H.8 (I 217) sowie an Jörg Wettle, 05.05.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 819). Vgl. als Beispiele Fuggers Anforderung von Sperbern und Habichten (Jagdvögel) und die zahlreichen Anweisungen zur angemessenen Haltung von Jagdhunden, so etwa Hans Fugger an Hans Nachtrueb, 21.06.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 79) oder an Hans Winterhalter, 17.08.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 918). Marx Fugger: Wie und wa man ein Gestüt von gutten edlen Kriegsrossen auffrichten, underhalten, die jungen von einem jar zu dem anderen erziehen soll, biß sy einem Bereytter zum abrichten zu undergeben, und so sy abgericht, langwirrig in guttem gesundt zu erhalten: Allen liebhabern zu ehren und gefallen gestelt. O. O., o. J. – 1584 erschienen als: Von der Gestüterey. Das ist gründliche Beschreibung wie unnd wa man ein Gestüt von guten und edlen Kriegsrossen auffrichten [...] soll. Frankfurt am Main 1584. [= VD16 F 3333]. Vgl. dazu: Günter Andres: Marx Fugger und die deutsche Pferdezucht und -heilkunde. Diss. Berlin 1937. Ein besonders ausführliches Beispiel findet sich im Brief Hans Fuggers an Hans von Montfort, 04.09.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1382).
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scher Dienstleistungen wurden für gewöhnlich nur mit einmaligen Auskünften in vereinzelten Briefen bedacht. Während bei den Faktoren, Agenten und Bediensteten oft konkrete Anweisungen für Dienste im Fuggerschen Auftrag transferiert wurden, etwa zur korrekten Haltung von Hunden, zur Krebszucht, oder zu den Qualitätsmerkmalen einzukaufender Blumenzwiebeln,97 standen für Verwandte, den Herzog und Kunden Fuggers akute persönliche Fragen und Probleme im Vordergrund. Als ein Beispiel von vielen mögen die Fehlgeburten dienen, die Fuggers Schwiegertochter Anna Maria mehrfach erlitt. Hans Fugger und sein Sohn Marx bemühten sich eifrig um Therapien, etwa eine Badekur, oder um eine besonders kompetente Hebamme.98 Fuggers Kompetenz für die Lösung unterschiedlichster medizinischer wie landwirtschaftlicher Probleme war seiner Lebens- (bzw. Krankheits-)erfahrung,99 seinen breiten Interessen und seiner bemerkenswerten humanistischen Sammel- und Experimentierfreude geschuldet, mit der er beispielsweise verschiedene Heilsubstanzen an Patienten seines Augsburger Verwandten- bzw. Bekanntenkreises testete, deren Reaktionen leider nur indirekt über Hans Fugger überliefert sind.100 Inwieweit er zur Komplettierung seiner Kenntnisse aus seiner oder aus seines Bruders Bibliothek schöpfte, kann aus seinen Briefen allerdings nicht erschlossen werden.101 Insbesondere die Informationen und die Beschaffung von Seltenem und Innovativem jedoch, seien es nun fremdländische Pflanzen und Tiere oder neuartige Therapieformen bzw. Heilmittel, waren ihm möglich durch Zur Aussetzung von Flußkrebsen zur Zucht vgl. den Brief an Jacob Prendlar, den Pfleger von Schmiechen, am 11.06.1575, FA 1.2.8a H. 22 (II/1 499); detailliert über die Aussaat von Tulpenzwiebeln an Hans Meichsner, 18.05.1592, FA 1.2.15b H. 87 (II/2 3238). 98 Vgl. dazu Hans Fugger an Marx Fugger d. J., 27.02.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3166) (Diskussion einer Badekur und des geeigneten Kurorts auf Vorschlag von Augsburger Ärzten), zu demselben Thema auch (nebst weiteren Briefen) an Anna Maria Fugger, 04.04.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3197) sowie an Marx Fugger d. J., 26.04.1592, FA 1.2.15b H. 87 (II/2 3210). 99 Medizinische Therapieratschläge begründete Hans Fugger häufig mit Erfahrungen bekannter oder verwandter Personen, etwa seines Vaters Anton, oder mit eigenen, erfolgreich kurierten Leiden. Vgl. als Beispiele Hans Fugger an Jakob Mair, 10.02.1574, FA 1.2.6b H. 15 (II/1 26) sowie Hans Fugger an Marx Fugger d.J., 16.03.1592, FA 1.2.15b H.86 (II/2 3182). 100 Als ‹Versuchspersonen› seiner erfolgreichen Therapie gegen Steinleiden bezeugt Hans Fugger Maria Rehlinger und Dr. Lucas Stenglin in Augsburg, vgl. Hans Fugger an Christoph Tanner, 06.04.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2748). – Zum Transfer medizinischer Exotica über die Fuggerkorrespondenz und deren Erprobung durch Hans Fugger vgl. Dauser: Stainlin. 101 Da Hans Fuggers Bibliothek verloren ist (vgl. Lehmann: Fuggerbibliotheken 1, S. 263– 265), kann zur ansatzweisen Illustration nur auf die Bibliothek seines Bruders Marx zurückgegriffen werden, die seit ihrem Verkauf im 17. Jahrhundert Teil der OettingenWallersteinschen Bibliothek (heute Universitätsbibliothek Augsburg) ist. Ein ausgesprochen umfangreicher Teilbestand von Marx’ Bibliothek widmet sich der Humanmedizin, mehrfach auch Heilmitteln aus der Neuen Welt, und umfaßt natürlich auch mehrere Werke zur Pferdezucht bzw. -heilkunde (unter den eigenen Rubriken Medici Varij und Fraena equorum, et medicina eorum). Für die gewährte Einsicht in das Librorum omnium [...] Inuentarium des Marquard Fugger als zentrales Aufstellungs- und Bestandsverzeichnis danke ich Dr. Paul B. Rupp. 97
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seine internationalen (Handels-)Kontakte – also durch: sein Korrespondenznetz. So konnte Fugger beispielsweise peruanische Bezoare und auf Vermittlung seines Korrespondenzpartners Tanner weitere Heilsteine gegen Nieren- und Gallenleiden beschaffen, mit deren Wirkung er sogar die Augsburger Ärzteschaft verblüffte und zu weiteren Versuchen anregte. Fuggers Korrespondenzkontakte erwiesen sich also hier sogar als Quelle medizinisch fortschrittlicher Therapien.102 Fugger wußte da rüber hinaus noch zahlreiche weitere fremdländische Therapeutika wie MechiacanWurzeln, Chinawurzeln oder Sassafras-Gras zu beschaffen, wußte zumeist auch über Dosierung und Qualitätsunterschiede zu berichten.103 Die Faktorei in Spanien, ebenso die Kontakte nach Nürnberg und Hamburg waren für die Beschaffung von Medizinprodukten aus Amerika und Asien von zentraler Bedeutung.104 Die traditionelle Verbindung zur Handelswelt trug also auch für ‹außerwirtschaftliche› Bedürfnisse immer noch Früchte, genauso aber die ganz privaten Briefverbindungen: Fuggers vielfach selbst erprobtes Rezept gegen Ischias, zu dem ein gegerbtes Hundefell als Verband und eine Substanz namens Oxicrocium gehörten, hatte er von einem Kriegsmann aus dem Geschlecht derer von Madrutz erhalten und geizte auf dem Briefwege nicht mit seiner Weitergabe.105 Sein Beziehungsnetz ermöglichte ihm den Zugang zu dem medizinischem Sachverstand, den er in Augsburg immer wieder vermißte.106 Italienische Ärzte genossen einen besonders guten Ruf; und so konnte er beispielsweise über den Präzeptor seiner Söhne in Padua, Martin Prenner, brieflich von einem dort ansäs-
Tanner und die spanischen Faktoren des Handels waren die Hauptquelle für Bezoare (Magensteine des Lamas) und Achate gegen Steinleiden. Vgl. als Beispiele Hans Fugger an Mang Lutzenberger, August 1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2394) sowie Hans Fugger an Christoph Tanner, 23.03.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2729). Ein Fuggerscher Therapieversuch wird geschildert im Brief Hans Fuggers an Christoph Tanner, 06.04.1585, FA 1.2.14a H. 59, pag. 304f. (II/2 2748). Dazu auch Dauser: Stainlin (mit weiterführender Literatur). 103 Als Beispiele: Zur Anwendung der Mechiacan-Wurzel vgl. Hans Fugger an Jakob Truchseß von Waldburg, 09.05.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1329), über die Chinawurzel im Brief an Johann Baptist von Guidobon, 31.07.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3014) und zum Sassafras-Gras, von dem Fugger erst über seinen Korrespondenten Georg von Negrol mehr erfuhr, vgl. an Negrol, 27.12.1582, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2255) sowie an Carlo Magno, 24.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2281). 104 Vgl. die von Fugger angeleitete Recherche der Fuggerschen Handelsdiener nach Heilmitteln aus Südamerika und Asien: Hans Fugger an Thomas Miller, 15.10.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1192) [Beschaffung des sogenannten Perubalsams für Albrecht V. von Bayern] sowie Hans Fugger an Philipp Römer, 08.03.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2929) [Einkauf von Chinawurzeln]. 105 Das Rezept wurde beispielsweise weitervermittelt an Giovanni Ciurletta, Schatzmeister Herzog Wilhelms, und an den Söldnerführer Albrecht Schenck, vgl. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 06.02.1572, FA 1.2.5 H.12 (I 661) sowie Hans Fugger an Albrecht Schenck, 26.2.1577, FA 1.2.9a H.28 (II/2 1054). 106 Zu Fuggers teilweise heftigen Invektiven gegen die Augsburger Ärzteschaft vgl. etwa Hans Fugger an Christoph Ott, 27.07.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2845), ähnlich auch Hans Fugger an Matthias Talmann, 27.07.1585, FA 1.2.14a H.61 (II/2 2846): [...] medicis ab qui ex caligis curant et non ex arte Galleni. Fugger war demnach Anhänger der galenischen humores-Lehre und vermißte deren Berücksichtigung durch die ortsansässigen Ärzte. 102
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sigen Arzt ein consilium, also einen «individuellen therapeutischen Ratschlag in Traktatform»107, ausstellen lassen, von dem er sich Aufklärung und Hilfe gegen sein eigenes Ischiasleiden erwartete. Dieses consilium nun reichte er bereitwillig in Kopie an den ebenfalls ischiaskranken Dr. Wilhelm Vogt, Obervogt zu Mindelheim, weiter, zusammen mit seinem erwähnten eigenen Spezialrezept. Dr. Vogt, der übrigens in diesem Zusammenhang erstmals im aigen copierbuech erscheint, profitierte also direkt von den Fuggerschen Kontakten nach Padua und bedankte sich später auch für die erfolgreiche medizinische Hilfe.108 Bei der Suche nach versierten Medizinern bewährte sich die gute Beziehung zu Herzog Wilhelm, dessen Leibärzte mehrfach bei ernsthaften Erkrankungen Fuggerscher Familienmitglieder, etwa 1573 im Falle von Fuggers Sohn Christoph, mit herzoglicher Erlaubnis tätig wurden.109 Wenn nun umgekehrt Wilhelm V. sich über Fugger Medikamente kommen ließ und auf die medizinischen Rezepte, beispielsweise gegen die Ruhr, vertraute, die Fugger schriftlich aufgezeichnet verwahrte, so scheint mir dies das beste Zeugnis für die hohe Qualität medizinischer Erkenntnisse und Produkte zu sein, die Fugger vermittelte.110 Daneben griff Wilhelm insbesondere in Gartenbaufragen, v.a. im Zusammenhang mit den neu zu gestaltenden Gartenanlagen seiner Burg Trausnitz,111 gern auf den Rat des leidenschaftlichen Gärtners Hans Fugger zurück, der die gewünschten Pflanzen durch seine vielfältigen Kontakte nicht nur beschaffen, sondern über ihr Gedeihen im oberdeutschen Klima, z.B. bei der Kultivierung italienischer Weinstöcke, bereits eigene Erfahrungsberichte abgeben konnte.112 Die ausgedehnten Fuggerschen Gärten, in denen so manch Erlesenes und Exotisches, z.B. Artischocken,113 angebaut wurde, waren sogar dem reisenden Michel de Montaigne Anlaß zu So die Definition der medizinischen Konsilien bei Gundolf Keil: Der Hausvater als Arzt. In: Trude Ehlert (Hg.), Haushalt und Familie in Mittelalter und früher Neuzeit. Sigmaringen 1991, S. 219–243, hier 225. 108 Vgl. Hans Fugger an Martin Prenner, 20.08.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1676) sowie Hans Fugger an Wilhelm Vogt, 20.09.1580, FA 1.2.10 H.37 und 29.01.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1708, II/1 1845). 109 Zur Erkrankung Christoph Fuggers vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 23., 24.12.1573, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. Vgl. auch die maßgebliche Unterstützung durch den herzoglichen Leibarzt bei einem Schlaganfall von Fuggers Schwiegersohn Octavian Secundus Fugger, vgl. Hans Fugger an Christoph Ott, 27.07.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2845). Derselbe Brief an Ott belegt auch Fuggers Bemühungen, einen fähigen Arzt deutscher Abstammung aus Italien nach Augsburg zu holen. Dazu auch Hans Fugger an Matthias Talmann, 27.07.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2846). 110 Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 16.08.1575, FA 1.2.8a H. 22 (II/1 540) sowie am 29.10.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1202) und am 18.03.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2944). 111 Vgl. hierzu ausführlich Lietzmann: Renaissancegarten. 112 Vgl. Hans Fuggers Beratung zum Ankauf italienischer Rebsorten im Brief an Wilhelm V., 19.10.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1197). 113 Gartenfrüchte, z.B. Blumenkohl und Artischocken, wurden der Herzogsfamilie nach ihrer Ernte mehrfach zum Geschenk gemacht, vgl. Hans Fugger an Albrecht V., 22.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 293) sowie Hans Fugger an Wilhelm V., 02.10.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 304). Ferner auch Hans Fugger an Wilhelm V., 04.10.1579, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. 107
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rühmender Hervorhebung gewesen114 und spiegelten ein Moment adliger Lebenskultur.115 Verfolgt man die Entwicklung des Wissensbereichs Oeconomica über den gesamten Zeitraum der Korrespondenz, so fällt zwar eine eindeutige Steigerung ab der Mitte der 1570er Jahre auf. Sie ist aber nicht darauf zurückzuführen, daß nur wenige Personen nun in signifikanter Weise besonders intensiv um Rat in Fragen rund um das rechte Haushalten bzw. Gesundheitspflege gesucht hätten – die intensive Diskussion von 1592 mit Marx Fugger d.J. um die Schwangerschaften von dessen Frau bilden hier eine Ausnahme. Vielmehr summieren sich die Einzelnachfragen an Fugger durch die beschriebenen Adressatengruppen – es handelte sich um eine Hilfe von Fall zu Fall, orientiert an akuten Einzelproblemen. Mit der Verbindung von verfeinerter adliger Lebensführung und traditioneller ‹Hausväterlichkeit›, die sich in Fuggers Briefen zu den Oeconomica zeigt, offenbaren sich zum einen Ausschnitte aus der Alltagswirklichkeit des ‹Hausvaters› Fugger; zum anderen wird ein weiteres Mal die Funktion seiner Korrespondenzbeziehungen als Wissens- und Ressourcen-‹Kanäle› sichtbar, die nicht nur zu seinen persönlichen Zwecken und zu denen seiner Familienangehörigen, sondern auch erneut zum Vorteil von ausgewählten Kunden, insbesondere Wilhelms V. von Bayern, wirksam werden konnten, ergänzt durch die Kontakte zu den wichtigsten europäischen Handelsplätzen: Das z.T. hochspezielle altökonomische Wissen, das Fugger im Laufe seines Lebens und seiner Korrespondenz grenzüberschreitend ansammelte, war nicht nur für den Privatmann Fugger da, sondern auch für jene, die ihm aus persönlichen wie geschäftlichen Motiven verbunden waren.
D. Persönliches und ‹Privates› als Thema der Korrespondenz Gerade subjektive Bekenntnisse und emotionale Äußerungen zur eigenen Person und den nächsten Angehörigen, die vielen nach wie vor als konstituierendes Merkmal der Textsorte ‹Brief› überhaupt gelten,116 seien, so wird vielfach insbesondere in der literaturwissenschaftlichen Forschung hervorgehoben, in frühneuzeitlichen privaten Briefen vor dem 17./18. Jahrhundert äußerst rar gewesen.117 Für das 15. Vgl. Michel de Montaigne: Tagebuch einer Reise durch Italien, die Schweiz und Deutschland in den Jahren 1580 und 1581. Frankfurt/M. 1988. Die Fuggerschen Gärten befanden sich z.T. innerhalb der Stadt mitten in Wohngebieten – nicht zur Freude aller Bürger, da Wohnraum knapp war. Der Unmut gegen diese Fuggersche Grundstücksnutzung entlud sich dann auch in konkreten Protesten während des Augsburger Kalenderstreits. Vgl. dazu Roeck: Augsburg, S. 136. 115 Vgl. dazu Lietzmann: Renaissancegarten sowie Wilfried Hausmann: Gartenkunst der Renaissance und des Barock. Köln 1983. 116 Vgl. etwa Maurer: Briefe, S. 371. 117 Vgl. Vellusig: Schriftliche Gespräche; mit wenigen Einschränkungen für das frühe 16. Jahrhundert auch Nickisch: Brief, S. 34–55. 114
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und die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts hat Mathias Beer eine große Zahl von Belegen gesammelt, die Selbstthematisierung und einen engagierten Austausch innerhalb von Familien – gerade auch zu persönlichen Themen wie Ehe, Kindererziehung, Ausbildung – belegen.118 Gleichwohl mußte auch Beer feststellen, daß Briefe mit persönlich-intimen Inhalt wesentlich seltener überliefert sind, nicht zuletzt wohl deswegen, weil Briefkopierbücher für private Schreiben recht selten angelegt wurden.119 Die ursprüngliche quantitative Gewichtung von Briefen persönlichen Inhalts im Vergleich zu Gesamtkorrespondenzen ist von daher kaum zu bestimmen. Wie bereits im Zusammenhang mit der Anlage und Überlieferung des aigen copierbuechs angemerkt wurde, sind eigenhändige, aber auch diktierte Briefe Hans Fuggers nicht immer ins Kopierbuch aufgenommen worden. Wie hoch der Prozentsatz der dadurch nicht vorliegenden Briefe intimen Inhalts ist, kann nicht zuverlässig bestimmt werden, zumal beispielsweise auch Briefe ausgesprochen banalen geschäftlichen Inhalts an Herzog Wilhelm V. nicht ins Kopierbuch aufgenommen wurden.120 Der nun folgende Überblick über persönliche Themen in der Kopierbuchkorrespondenz steht zwar unter der Voraussetzung, daß etliche Briefe ähnlichen Inhalts verloren sind, doch gilt diese Einschränkung grundsätzlich auch für Briefe mit anderen Themenschwerpunkten. Erfaßt werden hier Briefe, die das persönliche Geschick Hans Fuggers, seiner Familie und seiner Adressaten außerhalb der Sphäre des Geschäftslebens oder des Berufes thematisieren, ‹private› Mitteilungen also. Damit nicht automatisch identisch ist eine Sphäre der Privatheit im Sinne eines persönlichen bzw. familiären Raumes, abgeschieden von ‹der› Gesellschaft und dem Arbeitsleben, wie Beer sie zum Teil schon aus Familienbriefen des 16. Jahrhunderts rekonstruiert hat.121 Vielmehr wird gerade bei Hans Fugger wie bei seinen Briefpartnern immer wieder aufs Neue deutlich, daß persönliches Geschick und gesellschaftliche Existenz eng miteinander verwoben waren, insbesondere innerhalb der Adelsgesellschaft. Eingeordnet werden hier demnach neben den üblichen Familiennachrichten über Krankheit, Geburt, Tod, Hochzeit etc. auch Briefe, die den Ausbildungs- und Karrieregang der Kinder Fuggers und seiner Briefpartner beleuchten. Und hier ging es nicht allein um Begleitumstände wie zum Beispiel Berichte über den Ausbildungsstand, die Ausbildungsmaximen und die Reisen der Zöglinge, oder um den Blick der Eltern, Vormünder, Verwandten auf spezifische Charaktereigenschaften, Befähigungen und ständische bzw. finanzielle Voraussetzungen der Kinder.122 Die konkrete Förderung über Vermittler bzw. Patrone, also briefliches ‹networking›, wurde häufig in demselben Schreiben eingebracht, und damit die Perspektive auf die gesellschaftliche Verortung und die Einflußmöglichkeiten der Familie. Sämtliche dieser VermittVgl. Beer: Eltern und Kinder. So Beer: Eltern und Kinder, S. 58–63. 120 Zwei Beispiele unter vielen zu Warenbesorgungen sind die Briefe Hans Fuggers an Wilhelm V. vom 01.04.1573 und vom 06.02.1574, beide GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. 121 Vgl. Beer: Eltern und Kinder, S. 345. 122 Zu Erziehung und Ausbildung als Themen der Korrespondenz: Karnehm: Regesten I, S. 38*–41*, 66*–76*. 118 119
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lungs- oder Patronageanliegen wurden jedoch noch einmal separat auch außerhalb des privaten Kontextes behandelt und werden im Abschnitt zur sozialen Leistung der Fuggerkorrespondenz eingehend beleuchtet. Mit knapp einem Viertel der Briefe123 erscheint der Bereich des persönlichen Austauschs über die persönlichen Belange beziehungsweise die der eigenen Familie oder des Adressaten auf den ersten Blick dennoch nicht schwach besetzt, wenn auch für eine aigen Correspondenz nicht gerade stark ausgebaut, wenn man bedenkt, daß mehr als die Hälfte der Kopierbuchschreiben Dienstleistungen thematisieren.
1. Schreiben über die eigene Person Betrachten wir zunächst die Äußerungen Fuggers näher, die von seiner eigenen Person handeln. Die Rede soll hier von insgesamt 420 «Selbstzeugnissen» Fuggers sein, die, einer nützlichen Begriffsdifferenzierung Benignas von Krusenstjern folgend, «zentralen wie mehrheitlichen Bezug auf das Ich [haben], das über sich selbst schreibt», also zumeist Etappen von Fuggers Lebensweg schildern.124 Dies entspricht nicht einmal 9% der gesamten Korrespondenz; Fugger ergriff also nicht eben häufig die Gelegenheit, von seinem privaten Ergehen zu sprechen. Bei näherer Betrachtung wird überdies schnell deutlich, daß in einem Großteil dieser Briefe Privates einen deutlich instrumentellen Charakter erhält. In rund der Hälfte dieser Briefe dient seine Mitteilung persönlicher Befindlichkeiten der Entschuldigung: Private Aufenthalte außerhalb Augsburgs, etwa auf Fuggerschen Besitzungen wie Schmiechen, werden von Hans Fugger vielfach angeführt, um die verzögerte Antwort auf einen Brief zu erklären, und nicht, um ausschließlich von seinem auswärtigen Aufenthalt zu berichten. Ebenso verhält es sich mit Gesundheitsproblemen Fuggers: Zumeist stehen seine Meldungen, er befinde sich gerade nicht wohl oder mache eine Kur, nicht für sich allein, sondern dienen als Begründung dafür, warum er insbesondere engen Familienmitgliedern oder hochgestellten Persönlichkeiten wie Wilhelm V. nicht eigenhändig schreibt, sondern einem Fuggerschen Schreiber diktiert.125 Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum ausgerechnet Wilhelm V. – und nicht ein Mitglied der Familie – die Einzelperson ist, an die mit 35 Briefen von 420126 die meisten Mitteilungen Fuggers zu seinem privaten Befinden, also zu Reisen, Gesundheit und Krankheit gehen: Diese Meldungen Fuggers wurden gegenüber Wilhelm nahezu ausschließlich als Begründungen für die verspätete oder nicht eigenhändige Beantwortung von Briefen, für abgelehnte Einladungen an den Hof 1154 Briefe. Von Krusenstjern bezeichnet diese Selbstzeugnisse als «Typ A» – abzuheben von einem «Typ B» von Selbstzeugnissen, in denen auf bestimmte Ereignisse, z.B. auf Kriegsgeschehen, und den persönlichen Standpunkt des Autors dazu verwiesen wird. Dazu und zur weiteren Typologie Krusenstjern: Selbstzeugnisse, bes. 464–467, Zitat S. 464. 125 Vgl. als Beispiele: Hans Fugger an Hans Gaudenz von Spaur, 09.07.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1646), an Balthasar Trautson, 25.05.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2505), an Wilhelm V., 01.02.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 4323). 126 35 Briefe. 123 124
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oder zur Jagd angeführt.127 Eine Auskunft Fuggers über seinen Gesundheitszustand außerhalb des Kontexts einer Entschuldigung hat im Briefwechsel mit Wilhelm nur dreimal kurz nacheinander stattgefunden: Vermutlich geschah dies auf herzogliche Nachfrage hin, da Wilhelm anscheinend aus den vorangehenden Briefen von der länger andauernden Erkrankung Fuggers wußte.128 Aus den ‹unscheinbaren› Belegen heraus ragt ansonsten noch Fuggers Dank für eine herzogliche Jagdgenehmigung, von der er mit großem Vergnügen Gebrauch gemacht habe.129 Unter den insgesamt 135 Adressaten für die 420 Briefe zu Fuggers eigener Person treten – wenig überraschend – neben Herzog Wilhelm nur noch Familienmitglieder und enge Bekannte besonders hervor. Dazu gehören, geordnet nach Verwandtschaftsgraden, Hans’ ältester Sohn Marx und seine Neffen Jörg und Anton von Montfort, wobei Fugger insbesondere an Jörg von Montfort von 1580–1585 häufig in persönlichen Dingen berichtete.130 In diese Gruppe einzuordnen sind ferner Fuggers Schwäger Balthasar von Trautson, Burkhart Nothafft sowie Hans Gaudenz von Spaur.131 Als erstes Nicht-Familienmitglied fällt schließlich Dr. Johann Tonner auf, Reichshofrat in Wien – der enge Kontakt erklärt sich wohl daraus, daß Fugger seinen ehemaligen Präzeptor von Jugend auf kannte und bis ins hohe Alter hinein als vertrauten und ausgesprochen konstanten Korrespondenzpartner schätzte.132 Alle Genannten gehören zugleich zu den rund 10% aller Adressaten Fuggers, mit denen er am häufigsten Briefkontakt hatte. Während diese Korrespondenten noch bis zu zehn Briefe Fuggers zu seinen persönlichen Angelegenheiten erhielten, ist eine weitere Gruppe enger Verwandter oder häufiger Briefpartner mit 9-5 Briefen vertreten, darunter auch Frauen der Familie: Fuggers Tochter Anna Maria von Rechberg sowie seine Schwestern Veronika von Spaur und Katharina von Montfort.133 Die Reihe der Verwandten wird fortgesetzt mit Konrad von Bemelberg, als zweiter Ehemann von Anna Maria seit
Hier nur wenige Beispiele unter vielen: 1573 betonte Fugger, daß sein krankes Bein ihn an der Teilnahme an der herzoglichen Jagd in Starnberg gehindert habe, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 07.07.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1069). 128 Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 02.01.1580, sowie an denselben 07.01.1580 und 19.01.1580, alle FA 1.2.10 H. 34 (II/1 1492, 1498, 1508). – Die sichere Beurteilung wird in diesem Fall dadurch erschwert, daß die unmittelbar vorausgehenden Briefe vom Dezember 1579 verloren sind (es fehlt die gesamte Kopierbuch-Korrespondenz aus H. 33, April–Dezember 1579). 129 Hans Fugger an Wilhelm V., 29.08.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1694). 130 Jörg von Montfort starb zwar erst 1590, doch aufgrund der Überlieferungslücke der Kopierbücher von 1587–1591 können keine Angaben gemacht werden, wie sich die Beziehung zu Hans Fugger ab 1586 entwickelte. 131 Trautson war mit Fuggers Schwester Susanna verheiratet, Spaur war Ehemann von Fuggers Schwester Veronika. Burkhart Nothafft war der Bruder Elisabeth Fuggers, Hans Fuggers Ehefrau. Vgl. Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 16. 132 Die Anzahl der Briefe mit privatem Inhalt an die jeweiligen Korrespondenten: 1. an Jörg von Montfort 22, 2. an Balthasar von Trautson 16, 3. an Burkhart von Nothafft 15, 4. an Marx Fugger d. J. 13, 5. an Anton von Montfort 11, 6. an Hans Gaudenz von Spaur und an Dr. Johann Tonner jeweils 10. 133 Nebinger: Stammtafeln, Tf. 16, 24. 127
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1588 Hans’ Schwiegersohn, mit dem Neffen Hans von Montfort und schließlich Christoph Tanner von Tann, über die Raymunds-Linie mit Hans Fugger verwandt und mit Fugger seit 1573 durch relativ regelmäßigen Briefkontakt verbunden.134 Dr. Lorenz Sifanus, Fuggers ehemaliger Präzeptor, der Kriegsmann Sebastian Roll, der mit Fugger ab 1592 einen regen Briefwechsel unterhielt, sowie Simon Tänzl von Tratzberg, jahrzehntelanger Korrespondent Fuggers, müssen hier ebenso eingeordnet werden wie die Fuggerschen Faktoren bzw. Agenten David Ott und Philipp Römer sowie zwei Hofbedienstete Wilhelms V., dessen Finanzagent Giovanni Ciurletta135 und Wilhelms Sekretär Paul von Eiß.136 Insbesondere bei den Briefen an Paul von Eiß sowie an Ott und Römer muß beachtet werden, daß sie zumeist in engem Kontakt mit dem jeweiligen Dienstauftrag des Adressaten stehen: An Eiß gingen häufig Entschuldigungen Hans Fuggers, wenn er einen Termin beim Herzog nicht wahrnehmen konnte, und an Römer und Ott schrieb Fugger mehrfach über private Vorlieben und Erfahrungen in Zusammenhang mit den von ihm bestellten Gütern, deren Versand die beiden bearbeiten.137 Zu beachten ist insbesondere bei Hans Fuggers Tochter Anna Maria und seinen Schwestern, die außerhalb Augsburgs verheiratet waren, daß sie in Fuggers copierbuech weitaus seltener als Adressatinnen eingetragen sind als z.B. Jörg von Montfort oder Balthasar von Trautson, die nach der Auszählung mehr Briefe mit privatem Inhalt bekommen. Auch Römer oder Ott werden um ein vielfaches häufiger von Fugger angeschrieben. Unter Berücksichtigung der Gesamtzahl der Briefe pro Adressat ist jedoch die Übermittlung privater Informationen an die Frauen der Familie entgegen dem ersten Eindruck als ausgesprochen häufiges Briefthema zu veranschlagen – bezeichnend für die ‹Zuständigkeiten›, die Frauen in der Fuggerkorrespondenz zugeschrieben waren.138 Auch bei den Adressaten aus dem Familien- und Bekanntenkreis muß betont werden, daß die Mehrzahl der Briefe wieder das Muster einer Verquickung von
Zur Verwandtschaft mit Tanner vgl. Hans Fugger an Don Juan Manrique de Lara, 04.04.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 958). 135 Zu Ciurletta vgl. ausführlich im vierten Teil S. 392–396. 136 Kurzbiographien der genannten Personen (mit weiteren Literaturangaben) bei Karnehm: Regesten I, S. 211 (zu I 489: Eiß), S. 423 (zu I 964: Tänzl), 295 (zu I 672: Sifanus); Regesten II/1, S. 12 (zu II/1 22: Römer); Regesten II/2, S. 1430 (zu II/2 3124: Roll). Zu Ott vgl. Backmann: Firma Ott. – Die Zahl der Briefe gestaltet sich in dieser Gruppe wie folgt: 1. an Veronika von Spaur sowie Dr. Lorenz Sifanus jeweils 9 Briefe, 2. an Anna Maria von Rechberg, Paul von Eiß, Sebastian Roll und Philipp Römer je 8 Schreiben, 3. an Konrad von Bemelberg und Christoph Tanner von Tann jeweils 7 Schreiben, 4. an Simon Tänzl von Tratzberg, Giovanni Ciurletta und David Ott je 6, 5. an Katharina und Anton von Montfort je 5 Briefe. 137 Vgl. Hans Fugger an Paul von Eiß, 05.08.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 811), an David Ott, 04.02.1576, FA 1.2.8 H. 24 (II/1 715), an Philipp Römer, 29.01.1584, FA 1.2.12b H. 51 (II/2 2444). 138 Zur Illustration möge ein Beispiel genügen: Hans Fugger schreibt an Jörg von Montfort insgesamt 101 Briefe, davon 22 auch mit Bezug auf seine eigene Person (d.h. knapp 22% aller Briefe an Montfort), während an Anna Maria von Rechberg im copierbuech 19 Briefe überliefert sind, davon acht mit persönlichem Bezug (42% aller Briefe an Anna Maria von Rechberg). 134
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Krankheits- bzw. Reisemeldung und Entschuldigung aufnimmt. Allerdings sind die Krankheitsmeldungen Fuggers hier mehrfach bereits zu einer ausführlicheren Schilderung seiner Beschwerden ausgebaut, beispielsweise gegenüber Katharina von Montfort und Veronika von Spaur oder in Briefen an Balthasar von Trautson und Dr. Johann Tonner.139 Außerdem ist bei den beiden genannten Gruppen eine zusätzliche Qualität zu beobachten: Immer wieder flicht Fugger Äußerungen zur eigenen Person anders als etwa in der Korrespondenz mit Wilhelm V. auch ‹um ihrer selbst willen› ein, d.h., sie stehen für sich, nicht eingebunden in eine Begründung für ausbleibende Briefe etc. Vielfach legen Fuggers Formulierungen hier, ähnlich wie in den genannten Briefbeispielen an Wilhelm V., mehrfache Nachfragen einzelner Korrespondenzpartner nach seiner privaten Situation, etwa nach seinem Gesundheitszustand, nahe.140 Wo solche Textsignale fehlen, ist davon auszugehen, daß es Fugger entweder selbst ein Bedürfnis war, von sich selbst zu sprechen, oder daß er bei den Adressaten ein entsprechendes Interesse an seinem persönlichen Geschick vermutete.141 Dies ist insbesondere bei Schilderungen seiner häufigen Erkrankungen der Fall, die vor allem in den neunziger Jahren stark zunahmen – die Podagra, die zu erheblich eingeschränkter Mobilität führte, sowie eine drastische Verminderung des Augenlichts machten ihm in erster Linie zu schaffen und fanden manchmal auch in Briefe an weniger vertraute Personen Eingang.142
Vgl. Hans Fugger an Veronika von Spaur, 31.05.1582, FA 12a H. 44 (II/2 2149), an Balthasar von Trautson, 12.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2267), an Katharina von Montfort, 24.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2277), an Johann Tonner, 12.03.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2932). 140 Vgl. z.B. Hans Fugger an Lorenz Sifanus, 02.08.1573, FA 1.2.6b H. 16, pag. 250 (I 1103): [...] und [habe,] dz ir meiner schwachait halben nit nur ain so treus mitleiden tragen, vernomen, des thue ich mich bedanckhen. Ähnlich an Jörg von Montfort, 01.02.1580, FA 1.2.10 H. 34 (II/1 1522), 23.07.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1661), 23.04.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2303). – Solche Nachfragen legen auch Briefe außerhalb des engsten Familienund Freundeskreises nahe, z.B. an den Münchener Hofrat Erasmus Fend, 19.12.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/2 1803). 141 So etwa Hans Fugger an Hans Gaudenz von Spaur, 24.09.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 225) [Bericht über eine Reise] oder Hans Fugger an Anna Maria von Rechberg, 28.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2328) [Äußerungen zu seinem Gesundheitszustand]. Deutlich auch bei einem Schreiben an Ernst von Molart, 27.07.1585, FA 1.2.14a H. 60 (II/2 2838), der seit Jahrzehnten mit Fugger Briefe in vertrautem Ton Briefe wechselte und in den Diensten von Erzherzog Ernst stand: Ich khan abr nit underlassen, meinem herrn sun treulich zu khlagen dz ich jez bej 3. tagen her grosse schmerzen im lingkhen fues leide, und derhalben gar zu beth mich halten mueß (pag. 602). 142 Es kann nur vermutet werden, daß die zunehmende Thematisierung von Krankheiten in den Jahren 1592 und 1593 auch auf Nachfragen etlicher, auch der weniger vertrauten Adressaten nach Fuggers Gesundheitszustand basierte. Fuggers dauerhaft labile Gesundheit dürfte zu diesem Zeitpunkt wohl zahlreichen Korrespondenten bekannt gewesen sein. Vgl. hierzu etwa das Thema Krankheit auch in Briefen an Hans Khevenhüller, 06.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3357), an Johann Rümelin, 15.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3353) und an Hans Meichsner, 27.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3369). – Zum Gesundheitszustand Fuggers in den letzten Lebensjahren vgl. Karnehm: Regesten I, S. 15*. 139
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Hans Fuggers Trauer um engste Familienmitglieder allerdings war dann bereits wieder ein Anlaß, bei dem sich Privates und Öffentliches miteinander verquickten: Beileidsschreiben Außenstehender konnten schließlich nicht unbeantwortet bleiben, und hier gab Fugger den Kondolierenden seine Betroffenheit zu erkennen: Giovanni Ciurletta, der seinen Posten bei Wilhelm V. maßgeblich Hans Fugger verdankte, schilderte er 1573 die psychischen Belastungen durch den unerwarteten Tod seines Bruders Hieronymus: da sein ez nit so gäch [plötzlich] gewest, khindt ich es desto leichter vergessen;143 Dionys von Rost dankte er 1582 ausdrücklich für das Trostschreiben zum Tod seiner Frau Elisabeth Fugger – es habe ihm sehr geholfen, doch Inn Summa: nun ist mein zeitliche Wo[h]lfa[h]rt mir alles vergangen.144 Nicht unberücksichtigt darf hier allerdings bleiben, daß der angemessene Ausdruck persönlicher Trauer um engste Angehörige gesellschaftlich natürlich erwartet wurde. Dafür gab es sogar gedruckte Briefexempel. Abraham Saur empfahl in seiner Brieflehre von 1553 folgende Worte als Antwort auf ein Kondolenzschreiben zum Tod der Ehefrau: Mein Hoffnung vnd mein Leben/ darinn leichtlich all mein vergangen widerwertigkeit hinschiede/ ist von dieser zeit abgeschieden vnnd todt/ Ich weiß deß keinen trost noch ergetzlichheit auff diser Erden zusuchen/ dann allein zu dier/ als meinem aller treuwesten Freunde/ der du meines kummers Mitträger bist/ zu fliehen.145
Nur weil Fugger also hier Emotionen zum Thema seiner Briefe machte, dürfen wir diese Äußerungen, so eindrucksvoll sie wirken, angesichts der Existenz solcher Serien-Vorlagen mit ganz ähnlichen Wendungen hier nicht ohne weiteres als unverstellten Ausdruck seiner Gefühle werten, wenn wir ihm echte und aufrichtige Trauer auch keinesfalls absprechen sollten. Die Verwendung vorgeprägter Wendungen wird im Kontext von Bitt- und Empfehlungsschreiben noch weiter zu thematisieren sein. Von einer weniger ausgeprägten ‹Filterung› seiner persönlichen Empfindungen dürfen wir bei einem Brief an seine Tochter Anna Maria von Rechberg ausgehen, ebenfalls kurz nach dem Tod Elisabeth Fuggers verfaßt: Sein jüngster Sohn Christoph, damals 16 Jahre alt, hatte Anna Maria geschrieben, Gott wöll seiner Muter armen Seel gnedig und barmherzig sein, und sein Vater meinte, er habe über diese Briefstelle wol lachen mügen.146 Hans Fuggers Reaktion dürfen wir wohl auf die gravitätische Ausdrucksweise seines Sohnes, der da von der armen Seele Elisabeths sprach, zurückführen; ein bitteres Lachen also, aber möglicherweise auch ein Hinweis auf Fuggers Bewußtsein um die Häufigkeit und Vorgeprägtheit solcher Formeln. Wie sich an den wenigen Schreiben zum Tod von Elisabeth Fugger besonders gut zeigen läßt, darf jedoch im Zusammenhang mit solchen höchst privaten briefliHans Fugger an Giovanni Ciurletta, 30.10.1573, FA 1.2.6b H. 17 (I 1197). Vgl. Hans Fugger an Dionys von Rost, 13.08.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2174). Zitiert nach Christl Karnehm. 145 Saur: Penus notariorum, S. 205. – Zur Problematik jüngst Nolte: Familie, S. 365f. 146 Hans Fugger an Anna Maria von Rechberg, 10.09.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2184). Zitiert nach Christl Karnehm. 143 144
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chen Äußerungen die Überlieferungssituation nicht vernachlässigt werden: Es sind zwar in den Kopierbüchern nur Fuggers Antworten auf die Kondolenzschreiben des oben erwähnten Dionys von Rost, des Fuggerschen Angestellten Hans Besch und des kaiserlichen Kämmerers Christoph Poppel von Lobkowitz erhalten.147 Doch Fugger erwähnte im Brief an Besch auch die Trostschreiben seiner Schwester Katharina und ihres Sohnes Hans von Montfort148, und zweifellos haben zahlreiche weitere Verwandte und Freunde schriftlich kondoliert, so daß eine briefliche Antwort Fuggers erfolgen mußte, die jedoch nicht ins Kopierbuch niedergeschrieben wurde. Ganz abgesehen davon wird Fugger wohl auch, ähnlich wie Jahre zuvor, als sein Bruder Hieronymus verstarb, die Todesnachricht zumindest teilweise schriftlich weiterverbreitet haben, wofür sich aber ebenfalls kein Beleg findet.149 Diese Briefe wurden also ganz offensichtlich nicht diktiert – zumindest nicht in die bereits vorgebundenen Copierbuech-Hefte –, und so bleiben uns vermutlich weitere Zeugnisse für eine intime Aussprache Hans Fuggers zum Tod seiner Frau vorenthalten. Wahrhaft auffallend aber ist, daß Fuggers eigene Person nur in ganz wenigen Fällen ausschließliches Briefthema wird; nur 15 von den 420 Schreiben zu Fuggers persönlichen Belangen sprechen allein von ihm; alle anderen Briefzeugen betreffen mindestens einen weiteren Sachverhalt.150 Und auch in diesen Briefen ist sein persönliches Empfinden und Befinden nur selten Gegenstand des Briefes; vielmehr bezeichnen gerade sie häufig relativ nichtige private Anlässe, wie sie sich in vielen anderen Briefen an wenig exponierter Stelle befinden: So geht es in acht von diesen Schreiben um Feste, zu denen er den Adressaten einladen bzw. deren Einladungen er ausschlagen wollte und zum Beispiel Vertreter für seine Patenschaft auf einer Taufe oder für die Teilnahme an einer Hochzeit suchte.151 Zwei Briefe handeln von der Organisation seines Witwerhaushalts nach Elisabeth Fuggers Tod.152 Heraus
Vgl. Hans Fugger an Hans Besch, 26.07.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2167) sowie an Christoph Poppel von Lobkowitz, 10.09.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2185). 148 Vgl. Hans Fugger an Hans Besch, 26.07.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2167). 149 Fuggers Briefe über Hieronymus’ Tod gingen an Balthasar Trautson, 16.09.1573 (I 1135), an Joachim von Ortenburg, 16.09.1573 (I 1136), an Ulrich von Ortenburg, 16.09.1573 (I 1137), an Giovanni Ciurletta, 16.09.1573 (I 1139), an David Ott, 19.09.1573 (I 1140) und an Jakob Mair, 22.09.1573 (I 1145), alle FA 1.2.6b H. 16, also an Verwandte, Geschäftspartner und an einen Handelsdiener. 150 69 Schreiben betreffen insgesamt zwei Sachverhalte, und die Mehrheit von 336 Briefen führt drei und mehr Themen auf. 151 Vgl. als Beispiele Hans Fuggers Einladungen an Christoph Rehlinger, 29.08.1576, FA 1.2.8b H. 36 (II/1 936); ebenso an Jörg von Montfort, 09.07.1583, FA 1.2.14a H. 60 (II/2 2820); an Anna Maria von Rechberg, 11.07.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3003); an Johann Achilles Ilsung, 11.07.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3004). – Zur Vertretung bei Festen vgl. Hans Fugger an Burkhart Nothafft, 26.09.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1180), an Anton von Spaur, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3302), an Jörg Pfister, 07.01.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3411). Eine ausgeschlagene Einladung Herzog Wilhelms V. in Fuggers Brief an Wilhelm V., 18.06.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1634). 152 Vgl. Hans Fugger an Philipp von Rechberg, 02.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2194) und an Ernst von Rechberg, 21.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2198). 147
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ragen noch die oben zitierten Briefe an Wilhelm V. als Dank für die erteilte Jagderlaubnis und die Antwort auf das Kondolenzschreiben an Dionys von Rost anläßlich des Todes von Elisabeth Fugger. In einem Brief tauschte Fugger 1583 Höflichkeiten mit Jakob Truchseß von Waldburg aus, der Schloß Kirchheim gelobt hatte.153 Ein durchaus emotional ausgetragener privater Konflikt, der einen Brief ganz auszufüllen vermochte, fällt absolut aus der Reihe: Fuggers Streit mit Dr. Lorenz Sifanus, seinem ehemaligen Präzeptor, für dessen Professur an der Universität Ingolstadt Fugger sich gegenüber Herzog Albrecht V. stark gemacht hatte.154 Das Verhältnis zu Sifanus war 1572–1575 ein recht persönliches gewesen, konnte jedoch nach einem Zerwürfnis, das nur durch zwei Briefe Fuggers überliefert ist, nicht mehr so recht gekittet werden: Fugger hatte sich während einer Zecherei in Ingolstadt durch Äußerungen Sifanus’ aufs höchste gedemütigt gefühlt; Näheres ist aus den Briefen nicht zu erfahren. Nach einigermaßen versöhnlichen Tönen endete zumindest nach der Überlieferung des copierbuechs der Briefkontakt 1575.155
2. Briefe über die Familie Fugger und persönliche Angelegenheiten der Adressaten Als Briefthema stärker ausgebaut erscheint der Bereich «Familie Fugger», der vor allem ab den 1580er Jahren ein stärkeres Gewicht erhält – es gab nun insbesondere von den Kindern Fuggers, die erwachsen wurden, mehr zu berichten. Hier zusammengefaßt sind alle Mitteilungen Fuggers, die das Geschick seiner Familienmitglieder bzw. der engeren Verwandtschaft betreffen – von den typischen Familiennachrichten bis hin zu Ausbildung, Karriere, Erbteilung. Auffällig an diesen 515 Briefen an 126 Adressaten ist, daß Familienangelegenheiten noch stärker als Hans Fuggers eigenes Geschick ‹Männersache› sind: Erst an zehnter Stelle ist unter den häufigsten Adressaten Fuggers Tochter Anna Maria von Rechberg mit 13 Briefen einzuordnen. Mag sein, daß hier ebenfalls das oben angesprochene Problem, daß wohl nicht alle Briefe an Familienmitglieder ins copierbuech aufgenommen wurden, eine Rolle spielt. Sicher hängt dieser Befund jedoch mit dem oben erwähnten besonderen Zuschnitt dieses Themengebiets zusammen: Vielfach nämlich versuchte Fugger, auf dem Briefwege ‹Familienpolitik›, zum Teil sogar Geschäftspolitik anzustoßen, wenn er Informationen über die verschiedensten beliebten wie auch unbeliebten Familienmitglieder lancierte bzw. durch seine ausgedehnten Kontakte einzuholen versuchte. Die Schwerpunkte dieser Fuggerschen ‹Familien-Informations-Politik› waren: der Konflikt der Erben Antons mit Hans Jakob Fugger; die Ausbildung und
Vgl. Hans Fugger an Jakob Truchseß von Waldburg, 11.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2356). 154 Zur Förderung Sifanus’ vgl. im vierten Teil, S. 385. 155 Zum Zerwürfnis vgl. Hans Fugger an Lorenz Sifanus, 05.10.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 217). Die letzte Antwort auf einen Brief Sifanus’ ist dann Fuggers Schreiben vom 22.01.1575, FA 1.2.7 H. 20 (II/1 333). 153
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Karriereplanung von Hans’ Söhnen; die Auslösung der Georg Fuggerschen Erben aus dem Gesamthandel; die Schadensbegrenzung im Falle Fuggerscher ‹Sorgenkinder›, zunächst in den Angelegenheiten seines Bruder Hieronymus, dessen Konflikt mit der Bologneser Familie Malvezzi erhebliche Kreise zog,156 aber auch im Fall der aus dem Kloster geflohenen Nonne Anna Jakobäa Fugger, Schwester von Hans’ Vetter und Schwiegersohn Octavian Secundus Fugger. Dies ist der Hintergrund dafür, warum Wilhelm V. nach Jörg von Montfort als zweithäufigster Adressat für diese Thematik zu verzeichnen ist: Gerade Wilhelm war ein wichtiger Partner, wenn Fugger seine familiären Projekte auf den richtigen Weg bringen wollte.157 Die Handelsangestellten und Agenten der Fuggerfirma wurden ebenfalls häufig mit derartigen familiären Problemen konfrontiert; gingen insgesamt 40% dieser Briefe an Verwandte Fuggers, so erhielten sie immer noch rund ein Fünftel der Schreiben – an ihren jeweiligen Einsatzorten war sie zusammen mit Fugger bemüht, familiäre Angelegenheiten, so auch den eben angesprochenen Konflikt Hieronymus Fuggers mit den Malvezzi, in Hans Fuggers Sinne zu regeln.158 Auf diese Weise erklärt sich auch, warum Johann Tonner und Faktoren bzw. Agenten wie Gabriel Geizkofler, David Ott, Hans Gartner und Christoph Furtenbach zu den Adressaten zählten, die mehr als zehnmal mit Angelegenheiten der Fuggerschen Familie konfrontiert wurden. Johann Tonner nämlich hatte verläßliche Berichte aus Wien und damit ein wachsames Auge auf Hans’ ältesten Sohn Marx am dortigen Hofe Erzherzog Ernsts; er konnte so zuverlässig von Konflikten Marx’ mit anderen Hofdienern berichten und Aufstiegschancen auskundschaften; ebenso förderte er die Karriere der Grafen Montfort, Neffen Hans Fuggers.159 Ein Spiegelbild zum thematischen Spektrum der Nachrichten zur Fugger-Familie sind die Mitteilungen der Adressaten Fuggers zu ihren persönlichen Verhältnissen: In rund 10% der Briefe bestimmen also auch hier Gesundheit, Krankheit, Hochzeit, Geburt und Tod, Karrierechancen und -hindernisse das Bild und geben reichen Anlaß zum Austausch von Bewertungen, Einschätzungen, Mitgefühl. Ganz deutlich stehen hier Nachrichten von Personen im Vordergrund, die mit Fugger verwandtschaftlich verbunden waren: Auf sie entfallen nahezu zwei Drittel all dieser Briefe; Bedienstete Fuggers und Handelsangestellte, sodann Adressaten, die Fugger durch Kredite verbunden waren, kontaktierten Fugger in dieser Hinsicht schon sehr viel seltener.160 Auch hier gab es in den späteren Jahren ab etwa 1580 tendenziell mehr zu besprechen; dies hängt insbesondere damit zusammen, daß
Karnehm: Malvezzi 1, Karg: Malvezzi 2. Vgl. auch Karnehm: Regesten I, S. 13*, 35*. Zur Auslösung der Neffen siehe oben im ersten Teil Kap. I., A. Alle anderen hier geschilderten Beispielfälle werden noch ausführlich im vierten Teil der vorliegenden Arbeit thematisiert. 158 David Ott beispielsweise war häufig mit Fuggers Schreiben zur Sache Malvezzi konfrontiert, vgl. etwa Fuggers Schreiben an Ott, 16.12.1570 (I 496), 06.01.1571 (I 500) sowie 07.04.1571 (I 521). 159 Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 27.06.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2984), an denselben, 19.07.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3007). 160 8% dieser insgesamt 486 Briefe entfielen auf die Bediensteten und Handelsangestellten, 7% auf die Geschäftspartner. 156 157
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gerade Fuggers Neffen Montfort, die mit in diese Kategorie einbezogen sind, eifrig mit dem Onkel über die Ereignisse in ihrer Familie, die Sicherung ihrer Ansprüche auf die Herrschaft Tettnang am Bodensee und ihre Karriere an Fürstenhöfen bzw. im Kirchendienst korrespondierten, welche sie zusammen mit Hans Fugger und mit dessen kontinuierlichem Beistand planten. Fuggers persönliche Einstellungen offenbaren sich natürlich bei weitem nicht nur in Briefen zu intimen Angelegenheiten; «Selbstzeugnisse» können auch noch solche Texte sein, die anderes Geschehen, beispielsweise Nachrichten, thematisieren und dabei trotzdem durch Kommentare und das Einbringen persönlicher Erlebnisse die Persönlichkeit ihres Autors aufscheinen lassen.161 Auch die in Fuggers Korrespondenznetz verbreiteten Meldungen zu den großen politisch-konfessionellen Nachrichtenereignisse seiner Zeit, die im nächsten Hauptteil der vorliegenden Arbeit im Zentrum stehen sollen, werden viel über die persönlichen Einstellungen und Perspektiven Fuggers auf seine Zeit offenbaren – und über die Art und Weise, wie er und seine Adressaten dieses Briefnetz auf dem Gebiet der Nachrichtenübermittlung zu nutzen verstanden.
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Je nach dem Grad, in dem «Anteile von Welt» und «Anteile von Ich» in diesen Texten vorherrschen, gruppiert von Krusenstjern diese Art von Selbstzeugnissen in die Typen B und C. Vgl. Krusenstjern: Selbstzeugnisse, S. 464f.
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III. Resümee: Adressatenstruktur und Themen
Die statistische Analyse legt wesentliche Konstituenten des Netzes frei: Fuggers briefliche Verbindungen, soweit sie sich durch die Überlieferung des aigen copierbuechs fassen lassen, waren stark durch im weitesten Sinne kaufmännischökonomische sowie familiäre Beziehungen geprägt; aus diesen beiden Wurzeln resultiert auch ganz wesentlich die vielfache Vernetzung mit adligen Amtsträgern an verschiedenen Fürstenhöfen bzw. dem Kaiserhof oder der direkte Kontakte mit den Landesherren selbst, so im Falle des bayerischen Herzogshauses. Dementsprechend nehmen politische und wirtschaftliche Zentren eine Vorrangstellung bei der erschlossenen geographischen Ausdehnung des Korrespondenznetzes ein, ergänzt durch einen – im erweiterten Sinne – als regional anzusprechenden bayerischschwäbischen Schwerpunkt, der neben der familiären Verortung nochmals ganz klar den hohen Stellenwert des Briefwechsels mit den Wittelsbachern dokumentiert. Mit diesem insgesamt ausgewogenen Verhältnis zwischen Nah- und Fernbeziehungen verbinden sich wiederum die beiden themengebundenen Hauptuntersuchungsfelder der Korrespondenz, Nachrichtentransfer wie Patronagekontext. Bemerkenswert für die Ergebnisse der Themenstruktur ist die hohe Anzahl von Schreiben, die Dienstleistungen Fuggers und der Fuggerschen Angestellten für Dritte in den Blick bringen, sei es im Bereich des Warentransfers oder des Kreditgeschäfts. Die Fülle von Banktransaktionen, Besorgungsaufträgen und Spezialanfragen v.a. nach Luxusgütern bildet zweifellos einen wichtigen Grundton für die gesamte Fuggersche Korrespondenz. Angesprochen sind damit auch klassische Aktionsfelder des frühneuzeitlichen Agenten im Fürstendienst. Die Verbindung des Agenten-Begriffs mit der Person Hans Fuggers soll in der Untersuchung explizit zum Thema gemacht werden, um sich dem Fuggerschen Selbstverständnis und damit auch den Zielpunkten seiner Korrespondenz weiter zu nähern. Die Verlagerung der Hauptuntersuchungsfelder auf andere Briefinhalte, die einen etwas geringeren Prozentsatz der Korrespondenz bestimmen, entspringt jedoch keinesfalls einer Marginalisierung des Güter- und Geldtransfers bei der Erfassung der Fuggerbriefe. Vielmehr soll in den folgenden Kapiteln gerade auch die Verknüpfung des kaufmännisch fundierten Güter- und Kapitalsektors mit den Ebenen
Zum Agentenbegriff vgl. Keblusek: Agent. Besorgungs- und Finanzdienste für Dritte erfassen insgesamt ca. 44% der Korrespondenz, Nachrichten und Protektionsanliegen zusammengenommen rund 41% (Die statistischen Werte berücksichtigen die Vereinung mehrerer Themen in einem Schreiben – die mehrmalige Aufnahme eines Briefs in verschiedenen Kategorien ist möglich).
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von Nachrichtentransfer und ‹Beziehungsarbeit› thematisiert werden, insbesondere mit der Postulierung einer von Fugger gezielt genutzten ‹Vehikel›-Funktion der ‹materiellen› Ebene für einen – zunächst einmal – ‹immateriellen› Bereich. Gerade für den Nachrichtensektor liegt dieser Zusammenhang auf der Hand: Das System von Faktoreien und die Zusammenarbeit mit beauftragten Agenten ermöglichte zusammen mit dem geschäftlichen Briefverkehr eine regelmäßige briefliche Nachrichtenübermittlung aus wirtschaftlichen und politischen Zentren. Zur angesprochenen Vehikel-Funktion paßt die große Zahl multiplexer Beziehungen in Fuggers Korrespondenz. Zu klären ist nun im Verlauf der Untersuchung, inwieweit von einer gezielten Verknüpfung verschiedener Beziehungsebenen bzw. einer kausalen Verbindung oder Abfolge dieser Ebenen gesprochen werden kann, oder ob von einer parallelen Anlage verschiedener Interaktionsanlässe ausgegangen werden sollte. Die bislang vorgestellten Wissensbereiche haben bislang insbesondere die wirtschaftlichen und familiär-hausväterlichen Beschäftigungen Fuggers umrissen. Sie dokumentieren auch von dieser vorrangig praktisch orientierten Sphäre her, daß der Transfer von Wissen und Kenntnissen für die Fuggersche Korrespondenz ein nicht zu vernachlässigender Faktor war. Gerade durch seine noch durchaus kaufmännische Sozialisation und seine weitgespannten Verbindungen konnte er in diesen Bereichen, ganz besonders natürlich im Kredit- und Warenhandel, einen Expertenstatus beanspruchen. Doch auch auf dem medizinischen Sektor verdienen seine Kenntnisse um Therapiemöglichkeiten, eng mit der kaufmännischen Beschaffung exotischer Naturheilmittel verknüpft, einigen Respekt. Hier zeigt sich anschaulich, wie sich Fuggers eigenes Wissen schrittweise durch den Informations- und Realientransfer in seinem Netz vergrößerte. Informationsübermittlung und Praxis werden ebenfalls die Analyse von Nachrichtenkorrespondenz und Patronagekontext in den beiden Hauptteilen prägen. Beide Untersuchungsfelder zeichnet jedoch vor den anderen hier bislang präsentierten Themenbereichen zum einen aus, daß sie über die hier sehr viel mehr im Vordergrund stehende sprachlich-rhetorische Präsentation von Mitteilungen und persönlichen Zielsetzungen, insbesondere über die Verknüpfung und Selektion von Information verstärkt Aufschluß geben können, weshalb diesen Teilen der Analyse auch ein stärkerer mediengeschichtlicher Fokus zugrundeliegt.
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Dritter Teil Informationelle Leistung der Fuggerkorrespondenz am Beispiel der Nachrichtenübermittlung
I. Bedingungen des Informationstransfers im 16. Jahrhundert
Der Transfer von Nachrichten durch Hans Fugger an seine Korrespondenten und umgekehrt durch die Adressaten zurück nach Augsburg bildet den ersten thematischen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit, für den anhand der Briefe außer einer quantifizierenden Darstellung eine ausführliche qualitative Auswertung anhand einzelner Nachrichtenereignisse vorgenommen wird: Damit sollen der Informationstransfer im Netz schrittweise verfolgt und insbesondere Differenzen in der Nachrichtenpräsentation je nach Briefpartner und geschildertem Sachverhalt erschlossen werden. Diese Einzelanalysen gewähren darüber hinaus auch zahlreiche Einblicke in die politisch-konfessionelle Vorstellungswelt Hans Fuggers als Mitglied der katholischen Elite Augsburgs ebenso wie als Angehöriger des Reichsadels und Gesellschafter eines europaweit agierenden Unternehmens. Das einleitende Kapitel zum Nachrichtentransfer präsentiert zum einen die grobe Struktur des Nachrichtennetzes innerhalb der Fuggerschen Korrespondenz: Wer versandte, wer empfing Nachrichten, und in welchem Umfang? Wie genau wurden Quellen angegeben? Der Wert einer Nachricht jedoch hing nicht zuletzt auch von der Geschwindigkeit ab, mit der sie vom Sender zum Empfänger transportiert werden konnte; alte historij waren für Fugger kaum von Interesse. Die Auseinandersetzung mit den Nachrichten im Fugger-Netz gibt also Gelegenheit, die Transportmöglichkeiten für Briefe zur Zeit Fuggers anhand der Forschung zu rekapitulieren und durch Briefdatierungen Rückschlüsse auf Beförderungszeiten und Versandtage der Fuggerschen Schreiben zu ziehen, aber ebenso auf die Verwendung verschiedener Botensysteme und den Umgang mit Transportproblemen und -hindernissen. Auch eine Positionierung von Briefen im Spektrum der zeitgenössischen Nachrichtenmedien soll hier vorgenommen werden, um den Status des brieflichen Nachrichtentransports zu bestimmen, der als wahrhaft Fuggersche Tradition gesehen werden kann: Nicht nur die Faktoren hatten die Aufgabe, von ihren Niederlassungen aus regelmäßig Nachrichten an die Augsburger Zentrale zu senden; schon Jakob der Reiche berichtete in seinen Briefen neben geschäftlichen Transaktionen häufig auch Nachrichten, wie Pölnitz’ Edition von Nachrichtenbriefen an die Wettiner eindrucksvoll belegt. Für Jakob konstatierte Pölnitz, daß er seinem jeweiligen Nachrichtenempfänger «einen so weiten Teileinblick verschaffen [wollte], als er
Hans Fugger an Engelhart Kurz, 01.04.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3443). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. Schiele: Aufschlüsse, S. 79f.
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zweckmäßig war, um seine Unterstützung in der jeweils erstrebten Richtung zu genießen». Ob derartige tendenziell manipulativen Praktiken auch noch bei Hans Fugger aufzuspüren sind, oder ob er ein anderes Selbstverständnis als Nachrichtenübermittler besaß, wird eine der zentralen Fragen der folgenden Ausführungen sein. Als Überblick zur Infrastruktur soll hier zunächst ein Abschnitt zu Post- und Botenwesen, ihrer anhand von Fuggers Briefen feststellbarer Leistungsfähigkeit und zu den Möglichkeiten von Nachrichtenpräsentation im 16. Jahrhundert stehen, um Fuggers Nachrichtenkorrespondenz vor diesem Hintergrund besser verorten zu können.
A. Briefverkehr im 16. Jahrhundert: Infrastrukturelle Voraussetzungen Für die Zeit, in der Hans Fugger seine Briefe innerhalb Europas versandte, durfte die an sich noch junge Stafetten-Post der Taxis bereits als etabliertes Transportmittel im Brief- und Warenverkehr Europas gelten. Augsburg spielte im Streckennetz der Taxis schon früh eine besondere Rolle: Die Stadt an Lech und Wertach beherbergte so oft Kaiser Maximilian I. und seit der Wende zum 16. Jahrhundert auch den Reichstag in ihren Mauern, daß die vom Kaiser 1490 initiierte Postverbindung von Tirol in die Niederlande schon früh im 16. Jahrhundert, als noch keine fest eingerichtete Postroute existierte, recht häufig über Augsburg verlief. Spätestens seit 1520 hatte sich dann eine stetige Verbindung über die Reichsstadt etabliert. Augsburg lag nicht nur günstig für die Habsburger zwischen Erb- und Vorlanden, sondern auch praktisch für die Kaufleute zwischen Antwerpen und Venedig. Augsburg entwickelte sich so «zum Zentrum des deutschen Postwesens», von dem aus in der Folge auch Post- bzw. Boten-Strecken nach Prag und in die näher gelegenen wichtigen Reichs- und Residenzstädte Nürnberg und München abzweigten. Für Jakob Fugger ist die finanzielle Unterstützung des vom Kaiser initiierten und finanzierten Unternehmens in seiner Frühphase gut belegt. Selbstredend gehörte schon Jakob ebenso wie seine Nachfolger in der Firma zu Nutzern der Taxispost, für die sich ein wöchentlicher Beförderungsrhythmus mit festen Poststationen zum Boten- und Pferdewechsel eingespielt hatte. Unklar ist, in welchem Ausmaß und zu welchen Konditionen zu dieser Zeit eigens engagierte Boten für das Haus Fugger
Vgl. Götz Freiherr von Pölnitz: Jakob Fuggers Zeitungen und Briefe an die Fürsten des Hauses Wettin in der Frühzeit Karls V. 1519–1525. In: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse (1941), S. 89–160, Zitat S. 103. Die Anfänge der Taxis-Post und die Entwicklung Augsburgs zum Postzentrum bei Behringer: Merkur, S. 59–76, Zitat S. 75.
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eingesetzt wurden. Seit 1501 wurde die Taxis-Post im Reich aus niederländischen Geldern der Habsburger subventioniert. Als durch den zweiten spanischen Staatsbankrott 1565 Zahlungen der spanischen Habsburger für den Erhalt des Postkurses durch das Reich ausblieben, geriet das Postsystem in eine schwere Krise; Unregelmäßigkeiten bei der Beförderung, mehrfache Arbeitsverweigerung der Posthalter und Postreiter sowie die Etablierung und darauffolgende Bekämpfung konkurrierender Botensysteme waren über Jahrzehnte hinweg die Folge. Erst um 1600 sollte das Postwesen als «Netz der Netze», dessen Posttage den Geschäftsablauf in den fürstliche Kanzleien wie in den Schreibstuben der Kaufleute strukturierten, wieder weitgehend störungsfrei seinen Dienst tun.
B. Hans Fugger und die Krise des Postwesens Ab 1577 nahm sich Rudolf II. des kränkelnden Postwesens an; eine Kommission zur ‹Postreformation› sollte Konflikte zwischen Posthaltern und den Taxis schlichten und die Finanzierung der Post auf eine solide Basis stellen. Nicht zufällig wurden prominente Augsburger zu Postkommissaren bestellt: Verschiedene Mitglieder der Familie Ilsung, Christoph Rehlinger und auch Hans und Marx Fugger wurden mit dieser schwierigen Aufgabe betraut. Die Kommissionsarbeit zog sich über Jahre bis 1597 hin. Streit war nicht nur zwischen den Taxis und ihren Posthaltern, sondern auch in der Familie Taxis selbst entbrannt; konkurrierende Botenlinien, wie etwa die von Augsburger Kaufleuten initiierte Verbindung nach Köln, sollten zur Einstellung gezwungen werden. Die komplexe Geschichte des Reformprojekts soll hier nicht noch einmal rekapituliert werden; Wolfgang Behringer hat sie jüngst ausführlich dargestellt. Vielmehr gilt es, anhand der Fuggerschen Briefe zu Postreformation und Botenwesen insgesamt seine Position in der jahrzehntelangen Auseinandersetzung um ein stabiles Postwesen und seine Leitung in ihren Grundzügen zu beleuchten. Fuggers Tätigkeit als kaiserlicher Kommissar seit 1579 wird in der Kopierbuch-Korrespondenz 1581 erstmals thematisiert; seine Briefe belegen den engen Austausch, in dem
Für diese Beförderungsdienste durch eigens engagierte «Boten der Fugger» gibt es in der Rezeption durch Dritte zahlreiche Transportbelege, etwa für Italien um 1500 bei Marino Sanuto oder für Spanien in der zweiten Hälfte durch Hans Khevenhüller. Zu Sanuto jüngst noch einmal Zwierlein: Discorso, S. 257 sowie Khevenhüller: Geheimes Tagebuch, passim. Allgemein Behringer: Merkur. Zur Postkrise und zur Phase der sog. «Postreformation» die neueste Darstellung bei Behringer: Merkur, S. 130–176. Der Begriff in Analogie zur Bezeichnung des Internet und seine Implikationen bei Behringer: Merkur, S. 106. Vgl. Behringer: Merkur, S. 143–176.
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er mit Schlüsselfiguren des damaligen Postwesens – Seraphin, Alfonso und Innocentio von Taxis, daneben Jakob Henot – stand. Im Zusammenhang mit Fuggers Bemühungen, dem Postwesen zu Stabilität zu verhelfen, entwickelte sich insbesondere der Briefkontakt mit Jakob Henot, dem Postmeister von Köln, der mit den Taxis in Konkurrenz um die Erlangung des «Reichspostgeneralats» bei Rudolf II. stand.10 Fugger versorgte Henot zunächst 1583/84 insbesondere mit Informationen über die Pläne der Taxis und bestätigte ihm großes Engagement bei den Postreformen.11 Doch noch 1584 brach der Kontakt zu Henot – zumindest nach dem Zeugnis der Kopierbücher – ab. Im darauffolgenden Jahr machte Fugger gegenüber seinem Kölner Faktor Cron gar Henot für Unregelmäßigkeiten auf dem Postkurs Köln-Augsburg verantwortlich. Höchst aufschlußreich für Fuggers Einstellung zur Postreformation ist die Anweisung, die er Cron in demselben Brief gab: Der Faktor solle angesichts der Mißstände bei der regelmäßigen Postzustellung in Zukunft öfter Metzgerboten für die Übermittlung von Nachrichten heranziehen – gemeint waren die Metzger, die auf ihren Reisen zum Einkauf von Schlachtvieh auch Briefe von Privatleuten gegen ein vergleichsweise geringes Entgelt beförderten.12 Weiterhin aber, so Fugger zu Cron, solle immer wieder auch die Ordinari, also die Wochenkurse der Taxispost genutzt werden – die Stellung Hans’ und Marx’ als Postkommissare erfordere dies.13 Hier kollidierten bei Fugger die Interessen des Geschäftsmannes mit denen des Postkommissars: Die Abschaffung von Botensystemen wie auch der Metzgerposten, die durch einen Ausbau ihrer Leistungen mit der Taxispost um Kunden konkurrierten und der Auffassung von einem kaiserlichen Postregal entgegenstanden, war mit ein Ziel der Reformpolitik Rudolfs II., und Henot versuchte besonders engagiert deren Umsetzung;14 gleichzeitig wollte ein auf Effizienz und Stetigkeit des Postverkehrs pochender Hans Fugger nicht auf diejenigen Brieftransporteure verzichten, die den Die Überlieferung zur Postreformation im Fuggerarchiv ist recht spärlich: FA 1.2.19 ¼ umfaßt nur wenige Akten mit Kopien der offiziellen Verlautbarungen der Postkommissare zur Unterstützung Jakob Henots oder zur Bezahlung ausständiger Besoldungen der Posthalter; FA 2.2.1a verzeichnet Aufträge Rudolfs II. zur Postorganisation, vgl. dazu den kurzen Abriß bei Karnehm: Regesten I, S. 19*. 10 Zu Henot vgl. Behringer: Thurn und Taxis, S. 65–72 sowie die ältere Monographie von Goller: Henot. 11 Vgl. insbesondere Hans Fugger an Jakob Henot, 12.05.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2493), an denselben auch der Brief vom 25.08.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2624). 12 Zu den Metzgerposten, also Metzgern, die auf ihren Reisen zum Einkauf von Vieh regelmäßig weite Strecken zurücklegten und gegen Entgelt auch Postsendungen mitbeförderten, vgl. Martin Dallmeier: Thurn und Taxis, S. 338f. [mit weiterführender Literatur]. Auch für Briefe Wilhelms V. an seinen Bruder Ernst, den Kurfürsten von Köln, nutzte Fugger 1583 die Metzgerposten zur Weiterleitung, da sie seinen Worten nach einen sicheren Transport gewährleisteten, während der Kurs der Taxis-Stafetten unterbrochen sei. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 13.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2367). 13 Vgl. Hans Fugger an Carl Cron, undatiert [April 1585], FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2750). Der Begriff Ordinari war, wie dieser Brief an Cron neben vielen anderen belegt, sowohl für die Taxis-Linie wie auch für Botenlinien in Gebrauch, vgl. dazu auch S. 127. 14 Zur Abschaffung der Nebenposten, zum Postregal und der Rolle Henots vgl. den Überblick bei Behringer: Merkur, S. 140–144.
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Informationstransfer im Reich aufrechterhalten konnten und während der Postkrise eine besondere Blüte erlebten. Auch gegenüber Ludwig Haberstock, dem bayerischen Gesandten Herzog Wilhelms V. in den Niederlanden, äußerte sich der Postkommissar Fugger höchst ungehalten darüber, daß den Kaufleuten der Gebrauch der Taxispost vorgeschrieben werden solle, wo sie doch durch privat organisierte Kurierdienste Geld und Briefe effizienter transportieren könnten; auf Haberstocks Zustimmung konnte er wohl rechnen, denn das Vorgehen gegen die sogenannten «Nebenposten» zog auch Postsysteme in Zweifel, die von Reichsfürsten, u.a. auch von den bayerischen Herzögen, für ihre Territorien aufgerichtet worden waren.15 1586 sprach Fugger sich im Sinne einer Stabilisierung – entsprechend den Plänen, die übrigens Henot prononciert vertreten hatte – für eine Eigenfinanzierung der Post durch Portogebühren aus.16 Einblicke in seine konkrete Tätigkeit als Postkommissar gibt er in den Kopierbüchern kaum, sieht man ab von seinen Unterstützungs angeboten für Henots Postreformen,17 Verhandlungen mit Augsburger Kaufleuten wegen alternativer Transportsysteme18 und der Auszahlung von ausstehenden Geldern durch die Fugger an die «Postboten», d.h. die Verwalter der einzelnen Poststationen.19 Nach 1586 äußerte Hans Fugger sich in den Kopierbuch-Briefen nicht mehr zur Postreformation; die Regelung der Reichspostsachen in den Jahren 1596 und 1597 und ihr Abschluß durch die Ernennung Leonhards von Taxis zum Generalpostmeister im Reich und endgültige Verkündung eines kaiserlichen Postregals liegen bereits außerhalb des Überlieferungszeitraums der Fuggerschen Kopierbücher.20
C. Transport- und Bearbeitungsdauer der Briefe Je nach Herkunftsort der Nachrichten und der Person, die sie übermittelte, läßt die Fuggerkorrespondenz große Unterschiede in der Regelmäßigkeit der Berichterstattung erkennen. Dafür sind weniger die langen Transportzeiten beispielsweise zwi-
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Vgl. Hans Fugger an Ludwig Haberstock, 26.09.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2893). Zu den fürstlichen Postsystemen vgl. Behringer: Merkur, S. 148f. Vgl. Behringer: Thurn und Taxis, S. 66. Vgl. Hans Fugger an Jakob Henot, 24.12.1583, FA 1.2.12b H. 51 (II/2 2417) und 09.06.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2520). Vgl. Hans Fugger an Ludwig Haberstock, 06.02.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2918). Goller: Henot, S. 43 berichtet solche Gespräche auch für das Jahr 1579, wobei Hans Fugger derjenige Postkommissar gewesen sei, der noch das meiste Verständnis für die Post-Interessen der Kaufleute aufgebracht habe. Vgl. Hans Fugger an Carl Cron, 27.02.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2924). Zur Begrifflichkeit Behringer: Merkur, S. 172. Zum Abschluß der Postreformation Behringer: Merkur, S. 171–176.
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schen Madrid und Augsburg21 verantwortlich – auf allen großen Postrouten existierte für gewöhnlich ein wöchentlicher Kurs –, sondern weit eher die Tatsache, daß die Übermittlung von Nachrichten nur bei der Minderheit der Briefe auch der einzige Anlaß zum Schreiben war, wie am Beispiel Lodrons gezeigt wurde. Nachrichtenmeldungen, die in größeren Zeitabständen ankamen, sind also nicht zwangsläufig ein Indiz dafür, daß von einem Nachrichtenort nur schwer aktuelle Neuigkeiten zu erhalten waren; ein seltener Briefkontakt konnte genauso dadurch begründet sein, daß gerade mit einem bestimmten Korrespondenzpartner, etwa einem Kriegsmann, kein Briefaustausch wegen Waffenlieferungen nötig war und so auch die Weiterleitung von Nachrichten unterblieb. Überdies ist zu beachten, daß längere Bearbeitungszeiten auch nicht unbedingt auf Versäumnisse der Post zurückzuführen sein müssen: In einigen Fällen, in denen Fuggers Antwort auf sich warten ließ, entschuldigte er sich mit einem längeren Aufenthalt außerhalb Augsburgs;22 daneben mag es noch Anlässe und Briefpartner gegeben haben, bei denen eine Entschuldigung bei verzögerter Antwort nicht notwendig schien. Grundlage für die Beurteilung von Beförderungszeiten und Effizienz der Transportsysteme sind die Datumsangaben von Briefen Fuggers und seiner Adressaten, daneben seine Hinweise zu den benutzten Transportmöglichkeiten. Über das Datum sind die Wochentage erschließbar, und weil Post wie auch städtische Botendienste feste Abgangstage hatten, wurden auch die Briefe auf den Posttag oder den vorhergehenden Tag datiert.23 Ausdrückliche Anmerkungen Fuggers zur Beförderung seiner Briefe und der seiner Korrespondenzpartner – möglich wären die Taxissche Ordinari, städtische Botendienste, Metzgerboten, private Fuhrunternehmen und eigens engagierte Briefboten,24 persönlich bekannte Reisende oder Boten aus dem eigenen Haushalt bzw. fürstliche Boten – sind ausnehmend selten, nur in ca. 3% der Briefe haben wir Angaben über die von Fugger genutzten Beförderungssysteme; Fuggers Notizen zu den von seinen Adressaten beauftragten Transporteuren liegen etwas höher bei 7%.25 Wolfgang Behringer hat die seltene ausdrückliche Nennung der Infrastruktur einleuchtend als Zeichen dafür gewertet, daß der geregelte Postverkehr bereits zu einem hohen Grad eine Selbstverständlichkeit war und
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Briefe von und nach Spanien waren manchmal zwei Wochen, meistens aber einen Monat oder noch länger unterwegs, vgl. z.B. Hans Fugger an Hans Khevenhüller, 02.05.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2769) [Transportdauer von 14 Tagen mit eigenem Boten], Hans Fugger an Hans Frick, 05.07.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2994) [Transportzeit 33 Tage]. Vgl. z.B. Hans Fugger an Hans Keller, 20.08.1566, FA 1.2.5 H. 5 (I 1). Vgl. Behringer: Merkur, S. 78. – Über Quellen zu den genutzten Transportsystemen und ihrem Erkenntniswert derselbe, S. 87f. – Zur Pauschalsumme, die den Taxis von den Fuggern für den Brieftransport gezahlt wurde, vgl. oben im zweiten Teil Kap. II., A. 4., S. 92. Solche Briefboten außer der Reihe hat Fugger anscheinend auch des öfteren für die Sendungen nach München engagiert, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., im April 1576 [nicht datiert], FA 1.2.8b H. 25 (II/1 790). 159 Briefe enthalten Informationen zu den von Fugger genutzten Transportmöglichkeiten, 335 Schreiben enthalten Angaben zu den von Adressaten verwendeten Botensystemen.
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von der genutzten Beförderungsmöglichkeit erst dann wieder die Rede war, wenn sie vom Normalgebrauch abwich.26 Tatsächlich wurde das Transportsystem auch bei Fugger häufig zum Thema, wenn etwa aufgrund von Kriegswirren, aber auch wegen schlechten Wetters die normalen Brieflaufzeiten nicht eingehalten werden konnten, somit beispielsweise der Acht-Tage-Rhythmus der Taxis-Ordinari aus den Niederlanden unterbrochen war und deshalb Nachrichtensendungen verzögert eintrafen.27 Nur bedingt geeignet zur Erschließung der Transportzeiten sind Fuggers teilweise lückenhafte Datumsangaben: Er vermerkte zwar in den meisten Fällen das Briefdatum oder die Briefdatierungen seiner Adressaten und datierte bis auf wenige Fälle auch seine Briefe jeweils am Ende des Schreibens, doch machte er relativ wenig exakte Angaben darüber, wann er jeweils die Sendungen seiner Korrespondenzpartner erhalten hatte. Was also beim Großteil der überlieferten Briefe erschlossen werden kann, ist nicht in erster Linie die Transportzeit der Briefe durch den Vergleich zwischen Absendedatum des Adressaten und Empfangsdatum Fuggers, sondern vielmehr die Bearbeitungszeit der Briefe, also der Zeitraum zwischen Versendung durch die Adressaten laut Briefdatum und datierter Antwort Hans Fuggers. In Kombination mit den relativ seltenen Eingangsvermerken Fuggers können dann erst für etliche Strecken der Briefbeförderung die ungefähren Transportzeiten ermittelt werden.28 Die empirische Basis für eine exakte Angabe der Transportzeiten ist anhand der überlieferten Daten also insgesamt recht schmal.
1. Antwerpen – Augsburg Insgesamt verdanken wir Fuggers Briefen dennoch Hinweise auf einige zentrale und besonders leistungsfähige Nachrichtenverbindungen: An erster Stelle zu nennen ist als Fernverbindung der Hauptkurs der Taxis-Post: die Nord-Süd-Verbindung von Italien in die Niederlande über den Knotenpunkt Augsburg. Über deren Effizienz informieren die Briefe insbesondere deshalb so ausführlich, weil zum einen der häufige Briefwechsel Fuggers mit der Antwerpener Faktorei sehr viele auswertbare Briefdaten liefert – 230 Schreiben mit ausreichender Datierung –, zum anderen, weil Hans Fugger den erwähnten regelmäßigen Transfer von niederländischen Nachrichten an die bayerischen Herzöge übernahm und dabei häufig die
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Vgl. Behringer: Merkur, S. 107. Vgl. z.B. Hans Fugger an Albrecht V., 16.11.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 319) [Verzögerung der Ordinari aus den Niederlanden durch Truppenbewegungen], an Sebastian Zäch, 16.09.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 950) [Behinderung der Ordinaristrecke durch die Brabanter Stände], an Albrecht V., 18.01.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 351) [Verspätung der niederländischen Ordinari wegen schlechten Wetters]. Bei 1820 Briefen (rund 37% der ausgewerteten Korrespondenz) war auch eine Bestimmung der Bearbeitungszeit nicht möglich, da in diesen Fällen das Absendedatum der Adressaten, seltener dasjenige Fuggers (19 Fälle) nicht im Schreiben aufgeführt war. – Empfangsdatierungen Fuggers sind immerhin in 377 Briefen überliefert.
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Weiterleitung der soeben aus Antwerpen eingetroffenen Meldungen beteuerte.29 Für die Strecke Antwerpen-Augsburg nannte Fugger nur viermal ein Empfangsdatum. Die kürzesten daraus zu errechnenden Transportzeiten betrugen im Juni 1573 acht Tage,30 bei zwei Bearbeitungsdaten 1568 und 1577 sieben – Fugger muß fast unmittelbar nach Empfang der Briefe geantwortet haben, da die Ordinari-Taxispost unter normalen Bedingungen sechs Tage von Antwerpen nach Augsburg benötigte.31 Fast die Hälfte aller errechenbaren Bearbeitungszeiten für die Briefe nach Antwerpen beläuft sich auf eine Zeitspanne von 10 Tagen. Es verstrich also, die Regelzeit von 6–7 Transporttagen angelegt, nur wenig Zeit, bis Fugger auf einen Brief aus den Niederlanden antwortete: exakt die Tage bis zum Abgang der niederländischen Post in Augsburg, die jeweils dienstags von der Lechstadt aus nach Norden aufbrach, wie Fuggers Datierungen nahelegen.32 Zusammen mit Bearbeitungszeiten von 7–9 oder 11 Tagen kann auf diese Weise ermittelt werden, daß 65% der Briefe wohl weitgehend in der Regel-Transportzeit übersandt werden konnten. Diese Aussage gilt vornehmlich für die Jahre bis 1577; für die spätere Zeit ist kaum noch direkter Briefverkehr Hans Fuggers mit Antwerpen überliefert, da die Faktorei nach der Plünderung Antwerpens 1576 nach Köln verlegt wurde.33 Das Ergebnis ist trotz dieser zeitlichen Einschränkung beachtlich, wenn man bedenkt, daß in den Niederlanden nahezu ununterbrochen Krieg geführt wurde. Bestätigt wird dies auch dadurch, daß fast drei Viertel der ermittelten Absendedaten der Antwerpener Faktorei dem regulären wöchentlichen Abgangstag der Ordinari in der Scheldestadt entsprachen.34 Für die Taxispost gab es auf der Nord-Süd-Route jedoch auch erhebliche und noch dazu ausgesprochen leistungsfähige Konkurrenz, was Quellen aus der Firma 29
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Vgl. die Weiterleitung von niederländischen Nachrichten nach München im Wochenrhythmus laut der Briefe Hans Fuggers an Albrecht V. vom 18.07.1568, 26.07.1568, 01.08.1568, 08.08.1568, 14.08.1568, 22.08.1568, 29.08.1568, alle FA 1.2.5 H. 8 (I 265, 274, 278, 286, 287, 294, 295). Vgl. auch Hans Fugger an Wilhelm V., undatiert [Februar 1583], FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2288). Vgl. Hans Fugger an Jakob Mair, 16.06.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1041). Mairs Schreiben war laut Fugger auf den 31.05. datiert, erhalten hatte er es in Augsburg am 8. Juni. Vgl. Behringer: Merkur, S. 105. Die Abgangs- und Ankunftszeiten der niederländischen Ordinari waren für die 1550er Jahre bei Behringer: Merkur, S. 105, Samstag (Antwerpen) und Dienstag (Augsburg). Von den 329 ermittelten Abgangsdaten bei Fugger entfielen 275 auf einen Dienstag, 24 auf einen Mittwoch, 15 auf einen Montag. Da Fugger jedoch in einem Brief an Albrecht V., 19.01.1578, FA 1.2.9a H. 30 (II/1 1270) ausdrücklich den Mittwoch als Abgangstag der Post in die Niederlande nannte und außerdem Fugger schon seit 1567 immer wieder seine Post in die Niederlande auf einen Mittwoch datierte, wäre entweder an eine (zeitweise) Umstellung des Posttags oder an die Nutzung eines alternativen Botensystems wie in den 1570er Jahren zu denken, vgl. dazu die folgenden Ausführungen über die Briefkopien der niederländischen bzw. Kölner Faktoren. Über die Verlagerung der Antwerpener Faktorei nach Köln: Hans Fugger an Hans Sigmund von Preysing, 31.12.1577, FA 1.2.9a H. 30 (II/1 1255). 230 Absendedaten aus Antwerpen sind anhand der Kopierbücher ermittelbar. 167 von ihnen entfallen auf den Freitag oder Samstag (Samstag war in den 1560er Jahren Abgangstag laut Behringer: Merkur, S. 108).
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«Georg Fuggerische Erben» nahelegen, die den Postverkehr zwischen Augsburg und Köln für die Jahre 1578 bis 1580 überliefern. Wie bei Marx Fugger und dessen Brüdern war auch für deren Vettern Philipp Eduard und Octavian Secundus die große Handelsstadt Köln nach der Plünderung Antwerpens Zentrale für die Geschäfte in den Niederlanden. Wolfgang Behringer hat für seine Untersuchungen bereits auf die Handels-Kopierbücher der Erben Georg Fuggers zurückgegriffen, an ihnen die Regelmäßigkeit des Postverkehrs zwischen Augsburg und Köln demonstriert, und auch auf Kritik an der Unzuverlässigkeit der Taxis-Post und die Nutzung einer konkurrierenden Botenlinie, der tractanten oder tractanten ordinari hingewiesen.35 Diese tractanten sind als die Botenlinie zu identifizieren, die, von Kaufleuten organisiert, ebenfalls einen wöchentlichen Postkurs Augsburg-Köln unterhielt, der von den Beauftragten der Taxis mit Hilfe kaiserlicher Patente heftig bekämpft wurde.36 Wie das erwähnte Kopierbuch belegt, war bei diesem Zweig der Fugger-Familie die Kaufmannspost ausgesprochen beliebt: Elfmal erwähnte ihr dortiger Faktor Hans Fritz die ordinari oder tractanten ordinari 1579/80 ganz ausdrücklich als Beförderungsmittel ab Köln; der Begriff tractanten ordinari zeigt bereits an, daß hier die Kaufmannspost als die regelmäßige galt und deswegen im damaligen Sprachgebrauch als «Ordinari» benannt werden konnte, während die Post der Taxis durchgehend als die itallianisch post bezeichnet wurde.37 Erst recht interessant wird der Befund, wenn man aus den Briefdatierungen des Kölner Faktors Hans Fritz auf die Wochentage schließt: Während die Briefe mit der Kaufmannspost regelmäßig – mit nur einer Ausnahme – an einem Donnerstag Köln verließen, wechselten die Absendedaten für die Taxis-Post häufig, die eben nicht nur Samstag und Sonntag, sondern schon auch des öfteren an den anderen Tagen der Woche abging.38 Auch für weitere Absendedaten ohne dezidierten Verweis auf die Kaufmannspost läßt sich der Donnerstag als Absendetag erschließen.39 So zeigt sich, mit welch großer Berechtigung die Post der Kaufleute für Hans Fritz ordinari hieß.
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Vgl. Behringer: Merkur, S. 88. – Der Quellenbestand: FA 2.1.21b. Zum Augsburger Botenprojekt und dessen Zentralfigur Konrad Rot vgl. Behringer: Merkur, S. 138–150. Dazu Behringer: Merkur, S. 133. In FA 2.1.21b ausdrücklich als ordinari- bzw. tractanten-Post bezeichnet und am Donnerstag abgesandt: Hans Fritz’ Briefe vom 29.01.1579 (Nr. 6, fol. 20r), 05.02.1579 (Nr. 7a, fol. 22v), 12.02.1579 (Nr. 9, fol. 24v), 19.02.1579 (Nr. 10, fol. 25r bzw. Nr. 11, fol. 26r), 05.03.1579 (Nr. 12, fol. 28v bzw. Nr. 13, fol. 29r), 12.03.1579 (Nr. 14, fol. 30r), 21.05.1579 (Nr. 23, fol. 38v), 05.06.1579 (Nr. 24, fol. 40v bzw. Nr. 25, fol. 41v), 15.10.1579 (Nr. 47, fol. 69v bzw. Nr. 48, fol. 70r), 11.02.1580 (Nr. 68, fol. 90v), 18.02.1580 (Nr. 69, fol. 91r). Behringer kennzeichnet leider den Unterschied zwischen ordinari-(Kaufmanns-)Post und itallianischer post nicht und strukturiert die Botenleistungen nicht nach Wochentagen, doch die Gegenüberstellung ist in der Quelle klar, so z.B. im Brief von Hans Fritz vom 12.02.1579, FA 2.1.21b, Nr. 9, fol. 24v, wo er erklärt, er habe auf 5ten diß durch die ordinarj, und auf 7ten diß durch die itallianisch posst geschrieben. Ähnlich auch der Brief vom 26.02.1579 (Nr. 11, fol. 26r): am 19.02. versandte Fritz über die tractanten ord.o, unnd auf 22ten dito mit der it.a posst.
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Inwieweit war nun auch Hans Fuggers Postpraxis von dieser neuen Entwicklung im Botenwesen beeinflußt? In der Zeitspanne, die das erwähnte Kopierbuch der Georg Fuggerischen Erben umfaßt, existieren für einen direkten Vergleich nur wenige Briefbelege Hans Fuggers für die Postverbindung mit Köln, auch fehlen vergleichbare Angaben zur Beförderung, wie Fritz sie machte. Signifikant jedoch erscheinen vier Absendedaten der Handelsangestellten in Köln, die bei Marx Fugger und Gebrüdern Dienst taten: Im Dezember 1579 und Januar 1580, also noch zur Überlieferungszeit der Briefe des Hans Fritz, gingen ihre vier Briefe aus Köln an Hans Fugger direkt nacheinander jeweils an einem Donnerstag ab, während bei den Briefdaten zuvor die Absendetage wechselten, wie wir dies von der Taxis-Post aus Fritz’ Zeugnissen kennen.40 Die Schlußfolgerung liegt also nahe, daß auch Hans Fugger, der kaiserliche Postkommissar, und sein Bruder Marx mehr Kaufleute als Politiker waren, wenn es um eine effiziente Postbeförderung ging. Von hier aus wird Fuggers Entrüstung über das angestrebte Verbot der sogenannten Nebenposten parallel zu den Taxis-Stafetten erst so recht verständlich: Noch stärker, als seine Briefe konkret bezeugen können, scheinen er, sein Bruder und die Angestellten der Fuggerfirma Nutzer dieser konkurrierenden Botenlinien gewesen zu sein.
2. Venedig – Augsburg Zentral in ihrer Bedeutung war zweifellos auch die Strecke nach Venedig, dem herausragenden Handels-, Finanz- und Informationszentrum. Fuggers Briefe spiegeln hier sogar noch eine größere Verläßlichkeit als für den Weg nach Antwerpen, war doch die Strecke nach Venedig nicht von kriegerischen Ereignissen betroffen, die Verzögerungen bedeuten konnten. Für den Brieftransport standen hier wiederum gleich zwei Beförderungssysteme zur Verfügung: Zum einen natürlich die Taxispost, zum anderen aber auch die sogenannten «Venediger Boten» der Stadt Augsburg, für die 1555 eine Botenordnung erlassen wurde.41 Für beide Botenlinien, die Stafettenpost der Taxis und die Reiter des Augsburger Botenwesens, war jeweils der Samstag Tag der Abreise in Augsburg und Ankunft in Venedig. Fuggers Briefe spiegeln eine hohe Regelmäßigkeit und Verläßlichkeit im Briefverkehr mit den Adressaten in der Serenissima – in erster Linie Vertreter der Familie Ott, der Fuggerschen Agenten in Venedig. Die Zeitspanne von acht Tagen läßt sich am häufigsten als Bearbeitungszeit für venezianische Sendungen an Fugger erschließen: rund 74% aller auswertbaren Fälle wurden in diesem Zeitraum beantwortet. Fugger ließ also seine schriftliche Erwiderung meist recht prompt folgen, hatte er so doch nur maximal einen Tag Zeit, für die entsprechende Entgegnung zu sorgen. Da für rund 93% der ermittelbaren Absendedaten Fuggers der Samstag als «Posttag» einwandfrei
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Vgl. die Angaben in den Briefen Hans Fuggers nach Köln an: Hans Frick, 11.01.1580 (II/1 1497), Hans Heinrich Mundtprot, 11.01.1581 (II/1 1504), Hans Frick, 19.01.1580 (II/1 1507) und an denselben am 25.01.1580 (II/1 1515) – alle FA 1.2.10 H. 34. Zur Taxispost nach Venedig vgl. Behringer: Merkur, S. 108f, 117f.; für die Augsburger Botenlinie vgl. Kränzler: Augsburger Botenanstalt, S. 660f.
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zu ermitteln ist, schlägt eine eindeutige Identifizierung des von Fugger genutzten Botendienstes – Taxis oder Augsburger Boten – allein durch die Wochentage fehl.42 Fugger selbst erwähnte für die eigenen Briefsendungen nie die Taxispost als Transporteur seiner Sendungen, notierte aber immerhin in acht Fällen für seine Adressaten und sich in den 1570er und 1580er Jahren die «Ordinari» oder «venezianische Boten» als Beförderungsmittel. Bei den Briefen, in denen diese «Ordinari» erwähnt wird, läßt sich für die Adressaten überwiegend der Freitag als Absendedatum eruieren, und auf diesen Wochentag datierten 87% aller Briefe aus Venedig. Freitag aber war der Abreisetag der Augsburger Boten in Venedig, die als regelmäßige Botenlinie im damaligen Sprachgebrauch – wie beim Beispiel Köln – Augsburg – auch als «Ordinari» bezeichnet werden konnten.43 Die Taxis-Ordinari dagegen ging zumindest bis Anfang der 1560er Jahre jeweils an einem Samstag in Venedig ab.44 Im Zusammenhang mit Beförderungsempfehlungen für seine Adressaten äußerte sich Fugger auch direkt zu den Augsburger Boten. 1575 schrieb er Giovanni Ciurletta, der einen Brief mit der Taxis-Post (italienische Ordinari) aus Venedig gesandt hatte: Eur schreiben von 7 diß aus V:[enezi]a hab ich vergangnen afftermontag [Dienstag, d. Verf.] durch die italianisch ordinari empfangen, und weil durch disen weg mir offt brieff send verloren worden, so wer mir am liebsten, da ir mir hinfüran schreiben wolten, dz es durch die venedigischen potten geschech, da khummen mir die brief am sichersten zue.45
Entsprechend auch ein Jahr später der Rat an Herzog Wilhelm V., sein Beauftragter Dornberg in Venedig möge doch in Zukunft alle Sendungen an den Herzog über den Fuggerschen Agenten Ott weiterleiten, der augenscheinlich alles an Fugger über die Augsburger Boten verschickte, dann die hie[s]igen Ordinarj Potten send vil richtiger als die Post.46 Bislang von der Forschung ausgewertete Quellen über die tatsächlichen Beförderungszeiten insbesondere der «Venediger Boten» Augsburgs wiesen auf häufige
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284 von 314 ermittelbaren Absendedaten Fuggers fallen auf einen Samstag, 8 auf einen Freitag. Dazu Behringer: Merkur, S. 133. Vgl. auch den Sprachgebrauch der Augsburger Stadtoberen für die Augsburger Boten in den bei Kränzler: Augsburger Botenanstalt, S. 660f. zitierten Auszügen aus der Botenordnung. Vgl. Mummenhoff: Nachrichtendienst, S. 72. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 21.05.1575, FA 1.2.8a H. 22, pag. 195 (II/1 1739). – Tatsächlich sandten Fugger und Ciurletta einander dann mit dem Venediger Boten im Jahr 1577 Briefe zu, vgl. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 23.03.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1071). Zitiert nach Karnehm: Hans Fugger an Wilhelm V., 23.03.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 767). Genannt finden wir die Augsburger Boten auch in einem weiteren Brief Fuggers – als Transporteure einer Sendung, die er für den Jesuitenprovinzial Hoffaeus nach Venedig zu schicken hatte: Fugger betont hier, daß er nicht die «Post», also die Taxis-Reiter beauftragt habe, sondern den Venediger-Boten Singer, weil Hoffaeus’ Buchsendung anscheinend etwas zu sperrig für die Beförderungsrichtlinien der Taxis war. Vgl. Hans Fugger an Paulus Hoffaeus SJ, 08.04.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1904).
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Verspätungen derselben hin.47 Um so wichtiger sind hier Fuggers Hinweise, zeigen sie doch, daß der Augsburger Botendienst – zumindest für die Zeit der überlieferten Briefe, also Mitte der 1570er bis Anfang der 1580er Jahre – ein Plus an Zuverlässigkeit zu bieten vermochte und von Fugger daher ganz klar bevorzugt wurde.48 An Geschwindigkeit kamen die Augsburger Reiter der Taxispost ja ganz offensichtlich trotz einzelner Verspätungsmeldungen insgesamt weitgehend gleich, denn die errechneten Transportzeiten für den häufigsten ‹Posttag› Freitag – und damit allem Anschein nach für den Augsburger Botendienst – lagen nicht unter der Übermittlungsgeschwindigkeit der Reichspost. Weitere Briefe Fuggers belegen, daß in Venedig dann für die Weiterleitung von Briefen nach Rom ein Umsteigen auf die Ordinari der Taxis erfolgen konnte, so wie umgekehrt die Augsburger Boten Sendungen für Fugger nach Augsburg von der römischen Ordinari in Venedig übernahmen.49 Dennoch scheinen Fugger und seine Korrespondenzpartner die Augsburger Boten nicht ausschließlich für italienische Sendungen beauftragt zu haben, erwähnte Fugger doch 1581 auch Probleme seines Venezianer Agenten Ott mit der Taxis-Ordinari.50 Ein Beleg für die Leistungsfähigkeit der in der neueren Postgeschichte eher vernachlässigten städtischen Botensysteme ist auch die Nutzung eines weiteren Alternativkurses von Italien nach Augsburg durch Fuggers Korrespondenzpartner Sebastian Roll in Genua. Zumeist versandte Roll zwar, wie Fugger vermerkte, seine Briefe über Venedig nach Augsburg, doch mehrfach begegnet uns die Angabe Fuggers, er habe Rolls Briefe über Lindau erhalten. Damit war Roll unzweifelhaft Nutzer der städtischen Botenlinie, die von der Reichsstadt Lindau durch die Schweiz nach Mailand führte: ein wöchentlicher Kurs, auf dem die Strecke nach Mailand innerhalb von 5½ Tagen bewältigt werden konnte.51
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Behringer: Merkur, S. 116f. gibt als Beispiel die Reise des Ulmer Kaufmanns Kiechel mit dem Augsburger Boten von Venedig nach Augsburg: die Reise dauerte zehn Tage. Mummenhoff: Nachrichtendienst, S. 76f. bringt weitere Einzelbelege für Verspätungen und Beschwerden darüber, erwähnt aber auch die stetige Beauftragung der Augsburger Boten durch den englischen Agenten in Venedig 1560–1562, ebenda S. 77. Von Bernd Roeck ausgewertete Postakten der Stadt Augsburg belegen vielmehr, daß zumindest zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Taxis-Post von Italien nach Augsburg mit Verspätungen zu kämpfen hatte, weil in der Posthalterei verspätete Taxis-Boten abgewartet wurden, vgl. dazu Roeck: Reisende, S. 186. Vgl. Hans Fugger an Michel Lienhart Mair, 08.01.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 346) sowie an Paulus Hoffaeus SJ, 08.04.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1904). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 27.05.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1952). Auch die Beauftragung der «welschen Ordinari» für Sendungen Wilhelms V. in Neapel 1582 deutet auf die Nutzung der Taxis-Post hin, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 14.11.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2218). Die Botenlinie Lindau – Mailand ist von der Literatur recht gut erschlossen; in Auswahl: Angela Heilmann (Hg.): Mailänder Bote – Lindauer Bote. Auf den Spuren des historischen Verkehrsweges. Lindau 1989, bes. S. 5–24. – Die Erwähnung der Verbindung über Lindau bei Fugger: Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 09.01.1593, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3324) sowie an Roll, 06.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3338) und 20.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3368).
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3. Wien – Augsburg Wien war noch vor Antwerpen wichtigster Zielort Fuggerscher Briefe, insbesondere die dortige Faktorei unter Gabriel Geizkofler.52 Auch die Strecke nach Wien war durch einen Ordinari-Postkurs der Taxis erschlossen und konnte innerhalb einer Woche bewältigt werden;53 der Briefverkehr Fuggers mit Wiener Adressaten liegt für die Zeit von 1566 bis 1593 vor. Als Transportzeit lassen sich für die Fuggerkorrespondenz tatsächlich vereinzelt gar sechs Tage belegen.54 Die Befunde für die Bearbeitungszeit sind hier allerdings nicht so einfach zu interpretieren wie im Falle Antwerpens: Die am häufigsten zu erschließenden Bearbeitungszeiten liegen hier in einem recht weiten Spektrum von 7–14 Tagen.55 Fugger gibt in seinen Schreiben keinen Aufschluß über diese Spannweite; wenige Male ist der Transport der Briefe aus Wien an Fugger durch Gelegenheitsboten erwähnt, die als Reisende nach Augsburg kamen,56 doch die Belege hierfür sind zu selten, um die häufig weit über eine Woche andauernde Bearbeitungszeit der Briefe aus Wien zweifelsfrei erklären zu können. Auf die Ordinari als Transporteur wird in keinem der Briefe Fuggers explizit hingewiesen. Als am häufigsten genannter Absendetag der Korrespondenten in Wien konnte der Samstag mit 98 Nennungen erschlossen werden; doch für 119 weitere Briefe werden verschiedene andere Wochentage genannt. Dem entspricht auch das Ergebnis für die Briefdatierungen Fuggers: Die Datierung auf Samstag ist die häufigste, hält sich mit der Summe genannter anderer Wochentage jedoch die Waage.57 Daß es sich hier um die Abgangstage der Taxis-Ordinari für die Strecke Wien-Augsburg handelte, bestätigt die ältere Forschung zur Postgeschichte.58 Augsburg war auf dem Kurs aus den Niederlanden nach Italien im Reich ja gerade durch seine Abzweigungen nach Wien und Prag zentraler Postknotenpunkt; daß die Briefe aus Norden nach Augsburg und wieder zurück den Rhythmus der Absendetage weitgehend halten konnten, haben die ermittelten Abgangstage des Antwerpener
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Als sicherer Bestimmungsort Fuggerscher Schreiben ist Wien in 368 Fällen zu bestimmen; bei 44 weiteren Briefen ist Wien als Ziel wahrscheinlich (in die Bestimmung von Transport- und Bearbeitungszeiten jedoch nicht einbezogen). 216 dieser Briefe nach Wien gingen an Faktor Geizkofler. Vgl. Behringer: Merkur, S. 108. Vgl. Hans Fugger an Hans Gartner, 16.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 419) [Absendedatum Gartner: 10.04.] sowie an Gabriel Geizkofler, 01.03.1585, FA 1.2.14a H. 58 (II/2 2710) [Absendedatum Geizkofler 22.02., Empfang Fugger 28.02.]. 125 der 215 zu erschließenden Bearbeitungszeiten, also gut die Hälfte, verteilen sich über diese Zeitspanne. Über Gelegenheitsboten, die Sendungen aus Wien an Fugger überbrachten, äußert er sich in lediglich 11 Briefen: So fungierte Erasmus Gotthart, der für Fugger Hunde nach Augsburg transferierte, als Briefbote für den Wiener Fuggerfaktor, vgl. Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 23.07.1575, FA 1.2.8a H. 22 (II/1 543); einen Brief Ernsts von Molart überbrachte Hans Fuggers Sohn Marx, vgl. Hans Fugger an Ernst von Molart, 29.03.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2952). 183 Nennungen entfallen auf den Samstag, 182 insgesamt auf die übrigen Wochentage Montag bis Sonntag. Vgl. Mummenhoff: Nachrichtendienst, S. 83f.
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Briefverkehr Fuggers gezeigt. Zumindest die vom Samstag bzw. dem vorhergehenden Freitag abweichenden Briefdatierungen Fuggers könnten sich daher zum einen – wenigstens teilweise – durch die Nutzung alternativer Beförderungsmöglichkeiten von und nach Wien erklären lassen. Fugger selbst jedoch gibt keine Hinweise auf weitere Transporteure, abgesehen von einem Beleg für die Beauftragung eines eigenen Boten zur Bestellung einer wichtigen Sendung an den päpstlichen Nuntius in Wien.59 Daß die Datierung auf andere Wochentage vielleicht durch eine von Fall zu Fall spätere Abreise der Taxis-Boten bedingt war, läßt sich aus der Korrespondenz nicht erschließen, erscheint allerdings angesichts der Befunde, die Bernd Roeck für die italienische Postpraxis eruiert hat, nicht als unwahrscheinlich.60 Die Hinweise aus dem niederländischen Kopierbuch Philipp Eduards und Octavian Secundus’ zur Abfertigung der Post an unterschiedlichen Wochentagen deuten in dieselbe Richtung. Neben der Verwendung weiterer Beförderungsmöglichkeiten, z.B. durch eigene Boten, reisende Bekannte oder auch Fuhrleute kommt so als weitere Erklärung noch am ehesten in Betracht, daß Briefe möglicherweise nicht immer streng auf den eigentlichen Posttag oder den vorangehenden Wochentag, sondern schon einige Tage vor Abreise der Stafettenreiter datiert wurden.
4. Prag – Augsburg Ebenfalls von Augsburg zweigte auf dem Taxis-Postkurs die Strecke nach Prag ab: Rudolf II. hatte die Stadt zu seinem Residenzort gemacht, und entsprechend wichtig wurde nach 1576 die postalische Verbindung an den Kaiserhof. Eine funktionierende Anbindung an die Ordinari aus den Niederlanden, die am Samstag in Augsburg eintraf, ist auf der Basis der Korrespondenz einleuchtend, da rund 61% der Briefe Fuggers nach Prag auf einen Samstag, oder seltener, Freitag datiert sind. Für die übrigen 39% der Briefe, für die keine klare Präferenz der Absendetage zu erschließen ist, bietet die Praxis des erbländischen Hofpostwesens, dem in der Zeit der Postreformation verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt wurde, zumindest zum Teil einen Lösungsansatz. 1596 sollte die Anbindung von Prag nach Italien und in die Niederlande durch eine strengere Einhaltung der Posttage verbessert werden. In diesem Zusammenhang erwähnen die Quellen die Ankunft von Prager Posten zweimal pro Woche in Augsburg, idealerweise pünktlich zum Abgang der Post nach Italien (Samstag) und Richtung Antwerpen (Mittwoch).61 Mit diesen 39% verhält es sich ähnlich wie mit den Briefdatierungen für die Schreiben nach Wien: Sie verweisen wohl wiederum auf alternative Transportmöglichkeiten, die Verschiebung von Posttagen oder auf eine frühzeitige Datierung,
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Vgl. Hans Fugger an Hans Gartner, 30.06.1574, FA 1.2.7.1 H. 18 (II/1 157). Mummenhoff bringt einen Beleg für 1562, daß verspätete Sendungen an den jeweiligen Poststationen nicht zum Weitertransport abgewartet wurden und daher eine Woche liegen blieben, vgl. Nachrichtendienst, S. 90. – Die italienischen Beispiele für das frühe 17. Jahrhundert bei Roeck: Reisende, S. 186. Vgl. Goller: Henot, S. 121.
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ohne daß Notizen in Fuggers Briefen darüber explizit Aufschluß geben. Eine signifikante Verschiebung der Posttage durch die Krise des Postwesens insbesondere Mitte der 1570er Jahre ist an den Briefdaten ebenfalls nicht nachzuvollziehen, ebensowenig wie bei den Briefen von und nach Wien. Für seine Adressaten erwähnt Fugger neunmal, sie hätten ihre Briefe von einem Bekannten oder Diener befördern lassen62 – möglicherweise eine Gelegenheit, die von diesen Briefpartnern öfters in Anspruch genommen wurde, was also einen Erklärungsansatz für die verschiedenen Wochentage der Adressaten-Datierungen böte. Auch für die Adressaten läßt sich ein Wochentag erschließen, nämlich der Dienstag, der deutlich häufiger erscheint als alle anderen. Doch zusammengenommen mit dem vorangehenden Montag ergibt sich auch hier nur ein Wert von rund 48% aller erschließbaren Datierungen. Der Dienstag aber war genau auf den Ordinari-Postkurs abgestimmt: Aus Fuggers Briefen läßt sich mehrfach eine Transportzeit von 3–4 Tagen für Prag-Augsburg erschließen, und zumindest in einem Fall ist ersichtlich, daß Fugger einen Brief, der in Prag auf den Dienstag datiert wurde, am darauffolgenden Samstag – vier Tage später also – mit Datum vom Samstag beantwortete;63 damit wäre Fuggers Brief also sofort zum erneuten Versand nach Prag bereit gewesen, wie dies bei den Briefen von und nach Venedig der Fall war.64
D. Transporthindernisse, Briefgeheimnis und Zensur Wie die unterschiedlich langen Beförderungszeiten auf ein- und derselben Strecke belegen, gab es auf dem Weg eines Briefes bis an seinen Bestimmungsort eine ganze Reihe von Faktoren, die eine bestimmungsgemäße Ankunft des Schreibens verhindern konnten. Als Beispiele bereits genannt wurden Witterungsverhältnisse und Streiks der Postreiter, wenn ihre Besoldung wieder zu lange ausgeblieben war.65 Auch Pest-Quarantänen sorgten für die Umleitung von Postsendungen auf 62
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Hans Graf Kinsky etwa übermittelte einen Brief zusammen mit Hetzhunden durch einen Diener, vgl. Hans Fugger an Hans Kinsky, 23.08.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 209), Fuggers Schwager Balthasar Trautson ließ sein Schreiben zu Besorgungen im Auftrag der Kaiserinwitwe Maria durch deren Sekretär Westernacher überbringen, vgl. Hans Fugger an Balthasar Trautson, 06.01.1578, FA 1.2.9a H. 30 (II/1 1258). Vgl. Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 06.05.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1945) [Empfangsdatum: 06.05. am Morgen, Briefdatum Breitschwerdts: 02.05.]. – Am Samstag empfangen und beantwortet wurde auch ein Prager Brief Jörgs von Montfort, vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 04.02.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1853) [Empfangsdatum: 04.02. am Morgen; Briefdatum Montforts: 28.01.]. Die Verlegung von Ankunfts- und Abgangstag auf denselben Wochentag entsprach wohl einem allgemeinen Trend zur beschleunigten Beförderung, der sich auch in der späteren Verlegung des Posttags für die Strecke Augsburg-Antwerpen vom Dienstag auf den Samstag nachvollziehen läßt, vgl. dazu Behringer: Merkur, S. 105. Vgl. zu den Streiks Hans Fugger an Ludwig Haberstock, 26.09.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2893); zum Streik der Postreiter auch Behringer: Merkur, S. 145.
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ungewohnte Routen: Zum Jahreswechsel 1576/77 war Rom wegen einer Epidemie nicht über Mailand und Venedig, sondern nur auf einem Umweg über Lyon und Genua brieflich zu erreichen.66 Einige Poststrecken galten von vornherein als unsicher, etwa die Postverbindung in die Niederlande zur Zeit des Krieges mit Spanien67 oder die Route durch Frankreich, die zur Zeit der französischen Religionskriege für häufige Überfälle der Postreiter von und nach Spanien bekannt war, wie Hans Fugger immer wieder bestätigte.68 In solchen Fällen verschickte er denselben Brief in zwei Ausfertigungen zu verschiedenen Postterminen, damit wenigstens einer heil beim Empfänger ankam – eine Maßnahme, die er auch immer wieder seinen Korrespondenten anriet, wenn sie unsichere Postverbindungen benutzten.69 Die im Zusammenhang mit Fuggers Dienstleistungen bereits angeführte Versendung unter der coperta der Fugger stand in der Tradition kaufmännischer Deckadressen wohl tatsächlich unter dem Zeichen einer möglichst unauffälligen Versendung: Metzgerboten nämlich gab Fugger unter seinem Namen Post Wilhelms V. in der Zeit des Kölner Krieges 1583 an seinen Bruder, den Erzbischof Ernst, nach Köln mit: das sei sicher, schnell und eine zusätzliche Verehrung zahle man auch – wenn Fugger nicht gerade Sonderkonditionen bei den Metzgerboten hatte, so konnte die Verheimlichung des wahren Absenders angesichts der brisanten politischen Lage nur durch Sicherheitsaspekte bestimmt sein.70 Allerdings war die unversehrte Ankunft eines Briefes nicht nur durch organisierte Überfälle gefährdet: Auch von den Verwaltern der Postämter argwöhnten Fugger und seine Korrespondenzpartner wohl nicht ganz zu Unrecht wieder und wieder die Öffnung von Briefsendungen und Paketen. Als notorisch unzuverlässig scheint hier die Taxis-Ordinari aus Italien gegolten zu haben, denn Fugger erklärte Wilhelm V. von Bayern 1577 freundlich, es käme recht oft vor, daß Briefe und Mitgesandtes voneinander getrennt und die Briefbündel in Innsbruck auf dem Postamt geöffnet würden, manche Briefe auch ganz verlorengingen; deshalb empfehle er ja auch die Augsburger Boten für die Strecke nach Venedig.71 Als Jakob Henot, der Köl-
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So Hans Fugger an Nikolaus Elgard, 15.01.1577, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 1025). – Zu möglichen Behinderungen des Postverkehrs durch eine Epidemie auch der Brief an Wilhelm V., 01.09.1576, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 16.03.1581, FA 1.2.11 H. 39, pag. 185f. (II/1 1885): Aus Antwerpen seien vor acht Tagen keine Nachrichten gekommen, weil freibeutter der niederländischen Stände dem Ordinari-Postreiter zwischen Köln und Antwerpen alle Briefe abgenommen hätten. Vgl. Hans Fugger an Hans Jörg von Gumppenberg, 24.05.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 234) sowie an Wilhelm V., 01.10.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1731), an denselben am 18.01.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1830) sowie an Hieronimus von Lodron, 06.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3360). Ermahnungen Fuggers zur zweifachen Versendung beispielsweise in den Briefen an Nikolaus Elgard, 22.05.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 831) [nach Rom], an Sebastian Zäch, 30.09.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 969) [nach Spanien], an Wilhelm V., 14.01.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1828) [nach Spanien], an Christoph Ott, 11.03.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1880) [nach Jerusalem]. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 13.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2367). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 23.03.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 767).
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ner Postmeister, Fugger 1584 berichtete, sein Brief aus Augsburg sei nur mit einer Schnur verschlossen bei ihm angekommen – also mit erbrochenem Siegel –, da fiel Fuggers Verdacht sofort auf das Postamt Rheinhausen, das auf dem Weg zu Henot passiert werden mußte.72 Immerhin war Fugger kaiserlicher Postkommissar, und Henot konkurrierte mit den Taxis um das Amt des Reichspostmeisters. Nicht nur Fugger mißtraute den Posthaltern der Taxis-Ordinari: Da sie in letzter Konsequenz den Habsburgern verpflichtet waren, argwöhnten viele Zeitgenossen zu Recht, ihr Schriftgut sei bei den Beauftragten der Taxis nicht unbedingt in den sichersten Händen: Erzherzog Ferdinand von Tirol etwa sprach sich auch deswegen gegen eine von Kaufleuten organisierte Post aus, weil dann die Möglichkeiten zur Entdeckung geheimer Machenschaften nicht mehr gegeben sei; umgekehrt fürchtete Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz, bei Benutzung der Taxis-Post ausspioniert zu werden.73 Wenn Fugger also Briefe seiner Korrespondenzpartner unter Fuggerscher coperta und mit Hilfe seiner Faktoren an Dritte weiterleitete, so hatte dies, wie im Zusammenhang mit Fugger Post-Dienstleistungen bereits thematisiert, auch einen gewichtigen Sicherheitsaspekt.74 Ob Fugger seinem bekannt guten Verhältnis zu den Taxis überhaupt einen Vorteil im Sinne einer spürbaren Schutzwirkung beimaß, ist aus den Quellen nicht zu erschließen.75 Wenn man einen vertrauenswürdigen Reisenden finden konnte, der denselben Zielort hatte wie der Brief, war man besonders froh: Hans Fugger gab erleichtert wichtige Dokumente für einen Fuggerschen Rechtsstreit in Rom an Giovanni Battista Bernerio, den Sekretär des kaiserlichen Botschafters in Rom, weiter, damit sie sicher an den Fuggerschen Vertrauensmann, den römischen Bankier Olgiati, gelangten.76 Auch aus Spanien scheinen von den Fuggern immer wieder eigens beauftragte Boten nach Augsburg unterwegs gewesen zu sein, wie das Tagebuch des kaiserlichen Botschafters Khevenhüller in Madrid ausweist, der diese Transportmöglichkeit für seine Briefe nach Wien nutzte.77 Der Unterschied zwischen Überfall, aufgehaltener Briefsendung, Verletzung des Briefgeheimnisses und vielleicht sogar Briefzensur war ein fließender, und Fugger hielt sich tatsächlich mehrfach mit der Äußerung seiner persönlichen Meinung zurück, weil sie einem Brief nicht anzuvertrauen sei. Es sei ja schließlich bekannt, so schrieb er 1576 an seinen Schwager Balthasar Trautson, den Obersthofmeister der 72
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So Fuggers Vermutung im Brief an Jakob Henot, 25.08.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2624). Die Stellungnahmen zum Briefgeheimnis bei Behringer: Merkur, S. 149, 173. Vgl. dazu oben im zweiten Teil Kap. II. A. 4., S. 92f. Das Versenden von Post über kaufmännische ‹Deckadressen› beschreibt auch Droste: Letter, S. 145f. Zweifelsohne jedoch war ein gutes Verhältnis zu ortsansässigen Postmeistern grundsätzlich wichtig für die korrekte Durchführung der Post-Dienste, vgl. die Beispiele bei Droste: Letter, S. 146. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 03.02.1579, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1447). Bei dem Rechtsstreit handelte es sich um den Konflikt mit der Bologneser Familie Malvezzi. Dazu, Karnehm: Malvezzi 1, Karg: Malvezzi 2. Vgl. Belege ab den 1580er Jahren bei: Khevenhüller: Geheimes Tagebuch, S. 129 ([…] bei einer aignen stafette, so die Fugger expediert), S. 235 (bei ainem andern fuggerischen curier), S. 251 (unter der Fugger copert geschrieben), S. 264 (bei ainem aignen Fuggerischen curier geschriben).
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Kaiserinwitwe Maria, daß Briefe aufgehalten und auf ihren Inhalt überprüft würden, weshalb Vorsicht angeraten sei.78 Auch über die Einhaltung des Briefgeheimnisses im Herzogtum Bayern war sich Hans Fugger nicht ganz sicher: Er zog daher die Konsequenzen und bedeutete Dr. Lorenz Sifanus, den er durch seine Protektion als Professor in Ingolstadt untergebracht hatte, er wolle gar nicht erst über die ewigen Rechtsstreitigkeiten mit dem ungeliebten Vetter Hans Jakob Fugger schreiben, da der Brief in falsche Hände geraten könne. Das lief auf die Befürchtung hinaus, daß vom Briefinhalt etwas an Herzog Albrecht V. gelangte, dessen Günstling Hans Jakob war.79 Daß zeitweilig die handgeschriebenen Neuigkeiten gewerbsmäßiger Nachrichtenschreiber von offizieller obrigkeitlicher Zensur betroffen waren und nicht nur Druckerzeugnisse, wie das auch in Augsburg schon lange Usus war,80 hemmte den Nachrichtenfluß zeitweise auch nach Fuggers Auskunft heftig. Als Pius V. 1572 ein Dekret erließ, um den angeblich verräterischen und lügnerischen Nachrichtentransfer römischer Zeitungsschreiber, der Novellanten, zu verhindern, war Hans Fugger seinen Korrespondenten um so dankbarer, weil sie diese künstliche Informationslücke durch ihre Schreiben ausgleichen konnten. Dem Kriegsmann Hans Jörg von Preysing, der vom Mittelmeerraum aus gegen die Türken eingesetzt wurde, dankte er im Mai 1572 daher ausdrücklich für die übersandten Nachrichten, denn damit habe er Fugger ain grosse Freundtschafft gethan, dann bej unns hört man solliche Sachen gar nicht und umb sovil destoweniger, weill der verstorben Bapst [Pius V.] neue Zeittungen bei hoher Straff verbotten gehabt.81 Noch 1587 wurde unter Sixtus V. ein römischer Zeitungsschreiber hingerichtet, um ein Exempel zu statuieren; avvisi innocenti, also Nachrichten, die von der Kurie nicht als ‹verleumderisch› eingestuft wurden, durften danach aber wieder kursieren.82
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Vgl. Hans Fugger an Balthasar Trautson, 20.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 884). Vgl. Hans Fugger an Lorenz Sifanus, 10.04.1572, FA 1.2.5 H. 12 (I 723) sowie an denselben am 30.05.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 767). Über das Verhältnis zu Hans Jakob Fugger und dessen Position am bayerischen Herzogshof vgl. ausführlich im vierten Teil S. 363–382. Einen gerafften Überblick über das Augsburger Zensurwesen und die Beziehungen zur reichsrechtlichen Regelung der Druckzensur bietet Büchler: Zensur, bes. S. 75–79. Hans Fugger an Hans Jörg von Preysing, 31.05.1572, FA 1.2.5 H. 12 (I 766). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. den Überblick zur päpstlichen Nachrichtenpolitik bei Behringer: Merkur, S. 339f., Zitat 340 sowie Zwierlein: Discorso, S. 266–271.
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II. Formen der Nachrichtenpräsentation im 16. Jahrhundert
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war es bereits möglich, auf ein differenziertes Spektrum von schriftlichen Nachrichtenmedien zurückzugreifen, um sich über Neuigkeiten aus dem Reich wie aus ganz Europa und Übersee zu informieren. Das älteste unter ihnen – und auf der Basis der Verkehrsinfrastruktur das aktuellste – war zweifellos der Brief. Die Forschung zur Kommunikations- und Pressegeschichte zeichnet eine (idealtypische) Stufenfolge hin zur Etablierung der Wochenund Tageszeitungen im 17. Jahrhundert. Ausgangspunkt waren demnach zunächst Nachrichtenmeldungen, im zeitgenössischen Sprachgebrauch (neue) zeittungen, als eigene Briefrubrik (Zeitungsbriefe) am Briefende, wie sie schon für mittelalterliche Briefe zahlreich nachzuweisen sind. Die Entwicklungslinie wird weitergezogen zu gesonderten Nachrichtenbeilagen, die den Briefen beigelegt wurden (Briefzeitungen), zu den sogenannten handgeschriebenen bzw. «handschriftlich vervielfältigten» Zeitungen, mit denen die Produkte der gewerbsmäßigen Nachrichtenschreiber, der Novellanten, bezeichnet sind, aber auch Meldungen von Nachrichtenagenten, die z.B. Fürsten noch mit anderen Leistungen dienten – etwa mit Krediten, wie wir dies auch von Hans Fugger kennen. Lore Sporhan-Krempel hat für die Reichsstadt Nürnberg ab dem 15. Jahrhundert etliche frühe Nachrichten-Agenten im Fürstendienst, die neben ihrer eigentlichen Beschäftigung regelmäßig Nachrichtenbriefe schrieben, ausfindig gemacht. Venedig wurde zum ersten großen Zentrum der Novellanten bereits früh im 16. Jahrhundert mit der Entwicklung der typischen avvisi in der Form unkommentierter Nachrichtenbeilagen, doch auch im deutschen Sprachraum etablierten sich seit dem späten 16. Jahrhundert insbesondere in Handels- und Residenzstädten professionelle Nachrichtenschreiber. Cornel Zwierlein hat anhand der überlieferten Nachrichten für die Brüder Ulrich Fugger und Hans Jakob Fugger ab den 1550er Jahren die Rezeption der italienischen avvisi-Tradition bis in die Textstruktur übersetzter italienischer Nachrichten hinein nachverfolgt – auch von dieser Seite ergibt sich eine Vorreiterrolle der Familie Fugger für die Übernahme des italienischen Informationssystems nördlich der Alpen. Für die gewerbliche Aufnahme der Zeitungs-Produktion im deutschen Sprachraum hat Wolfgang Behringer die Bedeutung der Augsburger Novellanten betont: Auf der Basis der exzellenten Anbindung
Die Stufenfolge in schematischer Übersicht bei Werner: Nachrichtenwesen, S. 43f. Vgl. Sporhan-Krempel: Nürnberg, Kapitel E. Vgl. Zwierlein: Discorso, bes. S. 574–580.
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Augsburgs an Verkehr und Handel, die für die kontinuierliche Lieferung aktueller Nachrichten sorgte, konnte sich der junge Berufsstand des Zeitungsschreibers besonders kräftig entwickeln – Augsburger Nachrichten, so Behringer, erhielten gar den «Charakter eines Markenprodukts». Auf die Dienste der Augsburger Zeitungsschreiber Jeremias Crasser und Jeremias Schiffle griffen nachweislich auch Philipp Eduard und Octavian Secundus Fugger zurück, möglicherweise sogar für ihre Sammlung der Fuggerzeitungen. An der Wende zum 16. Jahrhundert trat neben die Nachrichtenübermittlung von Hand die gedruckte Nachricht in Form von Einblattdrucken und Flugschriften. Politische Nachrichten wurden ebenso aufgegriffen wie in den Briefen, doch auch Sensationsmeldungen, etwa zu Wunderzeichen, fanden hier ihren reichen Niederschlag, unterstützt durch oft recht drastische Bilddarstellungen. Die Nachrichtentexte wurden oft in Reim- und Liedform präsentiert, eingängig für ein breiteres Publikum formuliert und z.T. noch lange nach dem eigentlichen Ereignis nochmals nachgedruckt, wenn ein spektakulärer Inhalt weiterhin guten Absatz versprach. Vielfach kamen Stereotype zum Einsatz; polemische Formulierungen machten die Drucke, häufig als «Neue Zeitungen» bezeichnet, zu propagandistischen Erzeugnissen. Übernommenen Textsignale belegen, daß Briefe häufig als Nachrichtenquelle oder gar direkte Textvorlage dienten. Wie Winfried Schulze zumindest für die Berichterstattung zu den Türkenkriegen konstatierte, läßt sich allerdings ab dem späten 16. Jahrhundert ein Trend zu einer sachlicheren Berichterstattung in diesen Druckerzeugnissen feststellen. Neue und seriösere Formen der gedruckten Nachrichtenaufbereitung boten die Serienzeitungen, die in unregelmäßigen Abständen mehrfach zu einem bestimmten Nachrichtenthema erschienen, sowie die Meßrelationen des Michael von Eitzing, Vgl. Behringer: Merkur, S. 329–336, Zitat 330. Zur Kontroverse um die Entstehung der Fuggerzeitungen und die Rolle Crassers und Schiffles als Nachrichtenlieferanten vgl. jüngst zusammenfassend Behringer: Merkur, S. 328–330. Zu den Fuggerzeitungen immer noch einschlägig: Fitzler: Fuggerzeitungen. Für 1502 ist zum ersten Mal der Titel «Neue Zeitung» für eine Flugschrift belegt, vgl. Karl Schottenloher: Flugblatt und Zeitung. Ein Wegweiser durch das gedruckte Tagesschrifttum, neu herausgegeben, eingeleitet und bearbeitet von Johannes Binkowski. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Jahre 1848. München 1985, S. 157f. Hierzu grundlegend Schilling: Bildpublizistik, S. 91–140. Vgl. auch den knappen Überblick mit Literaturübersicht bei Werner Faulstich: Medien zwischen Herrschaft und Revolte. Die Medienkultur der frühen Neuzeit (1400–1700). Göttingen 1998 (Die Geschichte der Medien 3), bes. S. 117–125, 152–164, 182–192. Vgl. hierzu Wolfgang Adam: Textelemente des Briefes auf illustrierten Flugblättern der Frühen Neuzeit. In: Wolfgang Harms, Alfred Messerli (Hg.), Wahrnehmungsgeschichte und Wissensdiskurs im illustrierten Flugblatt der Frühen Neuzeit (1450–1750). Basel 2002, S. 341–370. – Auch für die Fuggerzeitungen konnte an Einzelbeispielen die Übernahme eines handgeschriebenen Berichts in einen Flugblattext nachgewiesen werden, dazu Michael Schilling: Zwischen Mündlichkeit und Druck. Die Fuggerzeitungen. In: Hans-Gert Roloff (Hg.), Editionsdesiderate zur Frühen Neuzeit. Beiträge zur Tagung der Kommission für die Edition von Texten der Frühen Neuzeit. Zweiter Teil. Amsterdam, Atlanta 1997 (Chloe. Beihefte zum Daphnis 25), S. 717–727, hier 722. Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 25.
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die als Relationes Historicae nach ihren Anfängen 1583 ab 1588 sogar halbjährlich zu den Terminen der Frankfurter Messe erschienen. Insbesondere mit Eitzings Nachrichten war ein periodisches Nachrichten-Produkt auf hohem Niveau geschaffen, das etliche Nachahmer fand. Eitzing hatte eine Schwester Hans Fuggers, Maria, geheiratet und widmete Hans gar eine Meßrelation. Wie Behringer betont, ist aber nicht zu beweisen, daß Eitzing die Fuggerschen Nachrichtenquellen für seine Relationes nutzte; auch in Hans Fuggers Korrespondenz finden sich dazu keinerlei Hinweise.10 Durch ihr unregelmäßiges bzw. auf zwei Zeitpunkte im Jahr beschränktes Erscheinen waren Serienzeitungen und Meßrelationen insbesondere hinsichtlich der Nachrichtenaktualität nicht mit Nachrichtenbriefen zu vergleichen. Auch Einblattdrucke, die ja erst auf die geschriebenen Nachrichtenquellen zurückgreifen mußten, konnten nicht mithalten. Eine (Teil-)Konkurrenz erwuchs dem Brief als Nachrichtenmedium erst durch die Wochenzeitung, deren Anfänge auf das Jahr 1605 zurückgehen. Jüngst wurde allerdings mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß geschriebene Nachrichten – im privaten, eigenhändigen Brief wie in der handgeschriebenen ‹unpersönlichen› Zeitung – auch im 18. Jahrhundert noch lange nicht der Bedeutungslosigkeit anheimgefallen waren, sei es als Korrespondentennachricht für den Zeitungsdruck, als Information aus besonders berufenen Kreisen oder als Möglichkeit zur Umgehung der Druckzensur. Die von der traditionellen Pressegeschichte postulierte Chronologie geht daher nicht in ihrem vermeintlich eindeutigen Zielpunkt ‹Tageszeitung› auf.11 Für Fuggers Lebzeiten und noch lange darüber hinaus haben wir es also bei brieflich übermittelten Nachrichten grundsätzlich mit dem Schriftmedium zu tun, das zweifellos am raschesten aktuelle Meldungen über weite Distanzen zu transportieren vermochte, und dies unter anderem durch die Taxispost nochmals mit erheblich gesteigerter Effizienz.
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Vgl. Behringer: Merkur, S. 312–320. – Die erwähnte Widmung an Hans Fugger datiert von 1597, vgl. dazu Felix Stieve: Ueber die ältesten halbjährigen Zeitungen oder Messrelationen und insbesondere über deren Begründer Freiherrn Michael von Aitzing. München 1881 (Abhandlungen der königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften, III. Classe, XVI. Band, I. Abtheilung), S. 41, Anm. 163. Vgl. Mauelshagen: Netzwerke.
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III. Allgemeine Charakteristika der Nachrichtenübermittlung bei Hans Fugger
Anteil an Gesamtüberlieferungen in %
Mit 1074 Schreiben an 169 Adressaten bildet der Anteil der Briefe mit Nachrichten an der gesamten ausgewerteten Korrespondenz gut ein Fünftel. Dabei variiert der ‹Nachrichtenanteil› in den einzelnen Jahre beträchtlich. Bezeichnend ist der eigentliche Einstieg Fuggers in die Nachrichtenkorrespondenz: Von bescheidenen Anfängen in den Jahren 1566 und 1567 schnellt der Umfang der Berichterstattung 1568 und 1569 – zur Zeit der Eskalation des militärischen Konflikts in den Niederlanden – auf 22% bzw. 23% der Briefe dieser beiden Jahre hoch. Erreicht werden diese Werte nach einer Pause von rund zehn Jahren erst wieder im Jahr 1580. Von da an bewegt sich der Nachrichtenanteil bis 1586 zwischen 20% und 40%, um dann schließlich nach der Überlieferungslücke von 1587 bis 1591 mit einem gewaltigen quantitativen Sprung für die Jahre 1592 bis 1594 auf mehr als die Hälfte der Briefe pro Jahr zu klettern. 60 56 53
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Grafik 8: Anteil der Nachrichtenbriefe an der Gesamtüberlieferung pro Jahr in Prozent, 1563–1594. Der Wert von 50% im Jahr 1564 kommt allein dadurch zustande, daß für dieses Jahr nur zwei Briefe überliefert sind, einer davon ist ein Brief mit Nachrichten.
1566 waren es nur zwei Briefe mit Nachrichten gewesen (von 37 überlieferten Briefen insgesamt), 1567 waren es 17 (von 133).
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Diese deutliche Steigerung ab den 1580er Jahren steht in Kontrast zu einer entschiedenen Verringerung der in den Briefen thematisierten Dienstleistungen insbesondere für die letzten drei überlieferten Jahre der Korrespondenz. Ob diese Verlagerung der Themenschwerpunkte damit zu tun hat, daß Hans Fugger sich in den 1590er Jahren bewußt von der Bestellung und Vermittlung von Waren zurückgezogen, diese möglicherweise an Handelsdiener delegiert und sich mehr der Nachrichtenkorrespondenz verschrieben hat, oder ob von seinen Korrespondenzpartnern diese Besorgungsdienste nun seltener nachgefragt wurden, ist nicht zweifelsfrei zu ermitteln – Fugger selbst nennt keine Anhaltspunkte, und der Bruch in der Überlieferung nach 1586 erschwert die Erforschung der Ursachen für die 1592 abrupt zu konstatierende Veränderung im Themenspektrum zusätzlich. Inwieweit diese Entwicklung mit der politischen Situation der letzten Überlieferungsjahre der Kopierbücher korrespondiert, wird Thema der folgenden Kapitel zu den Nachrichtenschwerpunkten sein.
A. Nachrichtensender und -empfänger Über den Zeitraum von rund 30 Jahren hinweg, für den uns Fuggersche Briefe erhalten sind, gingen – wie erwähnt – an 169 Korrespondenzpartner Schreiben, die Nachrichtenmeldungen aus zwei Richtungen thematisierten: Zum einen begegnet uns Fugger als der Sender, oder richtiger: als Vermittler aktueller Neuigkeiten vornehmlich aus der europäischen Politik der Zeit; ebenso aber dankte er häufig in seinen Schreiben für Nachrichten, die ihm seine Korrespondenten hatten zukommen lassen. Auch wenn Fugger sich ‹nur› für übermittelte Neuigkeiten bedankte, ohne daß wir aus seinen Zeilen den Inhalt dieser Meldungen rekonstruieren können, werden diese Zeugnisse für einen Nachrichtentransfer an Fugger in die Analyse miteinbezogen, sind sie doch wichtiger Maßstab für die Gegenseitigkeit einer Austauschbeziehung mit dem jeweiligen Korrespondenzpartner. Bezogen auf die Gesamtkorrespondenz war es jedoch in erster Linie Hans Fugger, der aktuelle Nachrichtenberichte in den Briefaustausch einbrachte, deutlich seltener seine Korrespondenten. Im Hinblick auf den besonderen Schwerpunkt der politischen Nachrichten gab Fugger sogar fast doppelt so häufig Nachrichtenmeldungen in seinen Briefen weiter, als er von seinen Korrespondenzpartnern erhielt. Natürlich existierten entsprechend den vielfältigen Tätigkeits- und Lebensbereichen erhebliche Unterschiede zwischen den Fuggerschen Adressaten, von denen anhand ausgewählter Nachrichtenereignisse noch ausführlich zu handeln sein wird. Zudem muß hier berücksichtigt werden, daß Hans Fugger zweifellos von den Nachrichten profitierte, die nachweislich von den Faktoren und Agenten der Firma «Marx Fug
Vgl. dazu Grafik 8, S. 140. Fugger selbst leitete in 736 Briefen politische Nachrichten weiter, während dies für seine Korrespondenten nur in 385 Schreiben nachzuweisen ist.
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ger und Gebrüder» an die Augsburger Zentrale weitergeleitet wurden – als Teil der geschäftlichen Korrespondenz mit den Leitern des Handels. Zeugnis von diesen Meldungen legen nicht nur Erwähnungen in den Briefen Hans Fuggers, sondern auch die Kopierbücher der Faktoreien ab, die nur in geringem Umfang erhalten sind, aber klar den regelmäßigen Nachrichtentransfer der Faktoren nach Augsburg belegen. Damit konnte Fugger von den Faktorei- bzw. Agenten-Standorten Straßburg, Antwerpen bzw. Köln, Nürnberg, Prag, Wien, Venedig, Madrid auf regelmäßige Berichte rechnen. Überliefert sind so beispielsweise in den Abschriften der Agenten-Briefe Berichte aus Wien über den böhmischen Landtag oder den Waffenstillstand zwischen Kaiser und Türken. Diese Informationen wurden, sofern es keine separate Nachrichtenbeilage gab, für gewöhnlich an das Ende eines Briefes gestellt, dem verbreiteten Brauch der Zeitgenossen folgend. Fugger bezeugt auch den Nachrichtentransfer zwischen den einzelnen Faktoreien, so zwischen denen in Antwerpen und Madrid. Nur 25 der 169 Partner für die Nachrichtenübermittlung erhielten zehn oder mehr Briefe von Fugger, die vom Eingang oder der Versendung aktueller Meldungen handelten. Zum größten Teil waren diese Mitteilungen nicht einziger Brief inhalt, sondern mit den vielfältigen anderen Themen der Korrespondenz, wie sie bereits vorgestellt wurden, in ein einziges Schreiben integriert. Von den 94 Briefen Fuggers an Hieronimus von Lodron, die von Nachrichten handelten, konzentrierten sich nur 22 Schreiben allein auf Nachrichten; in allen anderen Fällen wurde mindestens ein weiteres Thema, beispielsweise Kredite oder Waffenlieferungen, verhandelt.
Besonders deutliche Beispiele zur Mitsendung der zeittungen über die Faktorenkorrespondenz sind Hans Fuggers Briefe an Hans Heinrich Mundtprot, 01.07.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1352) [welsche und niederländische Nachrichten] und an Carl Cron, ohne Datum [April 1585], FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2750) [Anweisungen für den regelmäßigen Transport der zeittungen nach Augsburg]. Nach der Plünderung der Fugger-Faktorei Antwerpen im Jahr 1576 im Rahmen des niederländisch-spanischen Krieges zog die Niederlassung dauerhaft nach Köln um. Zu den Fuggerschen Niederlassungen vgl. Pölnitz, Kellenbenz: Anton Fugger, S. 391f. sowie Karnehm: Regesten I, S. 25*–33*. Kopialbücher mit Faktorenbriefen insbesondere aus Wien und Prag sind noch im Fuggerarchiv erhalten: Die unter FA 2.1.21a archivierten Briefe der Jahre 1571–1575 belegen, daß Nachrichtenmeldungen in der regelmäßig, z.T. mehrmals pro Woche geführten Korrespondenz mit der Augsburger Zentrale zu den Aufgabenbereichen der Faktoren bzw. Agenten gehörten. Vgl. FA 2.1.21a, IX Nr. 5, Hans Gartner an Marx Fugger und Gebrüder, 17.01.1573, fol. 3v (Vorbereitung des böhmischen Landtags) sowie FA 2.1.21a, XII, Hans Gartner an Marx Fugger und Gebrüder, 22.11.1574, fol. 21v (Waffenstillstand mit den Osmanen). Vgl. Hans Fugger an Thomas Miller, 07.05.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1100). Vor allem bis zum Ende der 1570er Jahre ging es in den Briefen an Lodron häufig gleichzeitig um finanzielle Transaktionen oder Waffenlieferungen; die Nachrichten standen variabel am Ende oder auch einmal am Anfang, vermutlich je nach Lodrons eigener Situation (z.B. konkreter Einsatz im Kampf gegen die Türken). Vgl. als Beispiele Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 27.09.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 845), an denselbem am 31.03.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 777).
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Bezeichnend sind die beruflichen Positionen der Briefpartner, die mit Fugger am häufigsten über Nachrichten korrespondierten: Durchweg handelt es sich hier um Männer, die entweder politische Funktionen in Reich oder Territorien innehatten – ganz an der Spitze gar als Landesherren die bayerischen Herzöge Albrecht V. und Wilhelm V. –, des weiteren um ranghohe Militärs insbesondere in habsburgischen Diensten und schließlich um wirtschaftliche Fachkräfte, Faktoren und Agenten des Hauses Fugger. Auch ein kirchlicher Würdenträger, der spätere Weihbischof von Erfurt, Dr. Nikolaus Elgard, befand sich unter den bevorzugten Adressaten von Briefen mit Nachrichten. Ganz besonders treten unter diesen Personen jedoch zwei Kriegsleute hervor, Hieronimus von Lodron und Sebastian Roll, daneben Dr. Johann Tonner, Reichshofrat in Prag und Fuggers ehemaliger Präzeptor. Fast in jedem Brief Fuggers an seinen früheren Lehrer kamen auch Nachrichtenmitteilungen zur Sprache, seien es die Fuggers oder diejenigen Tonners.10 Der bereits erwähnte Lodron gehörte zu den häufigsten und langjährigsten Briefpartnern Hans Fuggers überhaupt; 94 der 100 Briefe Fuggers an ihn handeln auch von Nachrichtenereignissen. Der Briefkontakt zu Sebastian Roll, der uns nur für die Jahre 1592 bis 1594 überliefert ist, war mit 46 Schreiben Fuggers sehr intensiv, und hier sprach gar jeder der Briefe von aktuellen Nachrichten aus Politik oder Wirtschaft.11 Wie aus Fuggers häufigem Dank für Nachrichtenmitteilungen zu erschließen ist, taten sich Lodron wie Roll und Tonner bei der Sendung von derartigen Meldungen an Fugger ganz besonders hervor – 55% der Briefe an Tonner und Lodron zeugen von deren kürzlich erfolgter Nachrichtenübermittlung an Fugger, bei Roll sind es sogar 75%.12 Häufig fügte Fugger für bestimmte Nachrichtenempfänger noch handgeschriebene Zeitungsbeilagen an, die nie – beziehungsweise nur in einer Ausnahme im Bayerischen Hauptstaatsarchiv13 – in Kopierbücher aufgenommen und auch nicht in gemeinsamer Überlieferung mit Fuggers Briefen erhalten, sondern, sofern erhalten, in Nachrichtensammlungen getrennt archiviert sind.14 Besonders bei seinen Nachrichtenbeilagen über den Kampf der niederländischen Provinzen mit Spanien läßt sich die handschriftliche Fertigung im Fuggerhaus an zahlreichen Belegen nachvollziehen. Fugger sprach hier nicht nur häufig von den Nachrichten, die mit 10 11
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63 der 69 Briefe an Tonner haben Nachrichtenmeldungen zum Thema. Aus wirtschaftspolitischer Sicht interessierten beim Kontakt mit Roll vor allem die Getreidelieferungen der Hanse nach Italien im Jahr 1592, vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 01.02.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3132), an denselben am 04.03.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3192). – Der Korntransfer war ein wichtiges Nachrichtenthema der Zeit und spiegelt sich auch in den Fuggerzeitungen, vgl. Kempter: Fuggerzeitungen, S. 16–18. In 36 von 46 Briefen Fuggers an Roll dankt Hans Fugger für kürzlich übersandte Nachrichten Rolls; beim Briefwechsel mit Lodron wird dieser Dank immerhin noch in 55 von 100 Briefen ausgesprochen, bei Dr. Tonner sind es 38 von 69 Briefen. Vgl. BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 4851, fol. 369: Extract aines brieffs von Antorff des datum 3 jenner 1568 – als Beilage zum Brief Hans Fuggers an Albrecht V., 11.01.1568 (fol. 368). Zu den erhaltenen Nachrichtenbeilagen verschiedener Mitglieder der Fuggerfamilie v.a. in Münchener Archivbeständen vgl. die Untersuchung von Zwierlein: Discorso, bes. S. 577, 592, 598.
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der letzten Ordinari-Post – und damit in wöchentlichem Rhythmus – geschrieben worden seien und jetzt von ihm weitergeleitet würden, sondern bezeichnete diese Nachrichten auch häufig als extract oder copia der Meldungen aus den Provinzen. Wir dürfen hier, wie bereits angesprochen, davon ausgehen, daß die Sendungen der Faktoren aus Antwerpen die vorrangige Quelle für diese Nachrichtenextrakte und -kopien bilden.15 Fugger selbst bezeugt, welch hohen Stellenwert die wöchentliche Berichterstattung aus Antwerpen in der Augsburger Zentrale hatte, denn in einem Kopierbuch-Brief, den er anscheinend hauptsächlich in seiner Funktion als Gesellschafter des Fuggerschen Handels schrieb, da als Absender Anthony Fugger und Brüeders Sön16 vermerkt sind, beklagte er sich bei Bechler und Römer, den Angestellten in der dortigen Faktorei, weil sie vergangene Woche nicht geschrieben hätten – selbst wenn es wenig zu berichten gebe, müsse man das in Augsburg wissen.17 Auch wenn Fugger solche Nachrichtenzusammenfassungen mitsandte, ging er doch im Brieftext nochmals eigens auf Meldungen ein, teilte also zum Beispiel Neues vom niederländischen Kriegsschauplatz mit, obwohl er eine Nachrichtenbeilage zum Konflikt Philipps II. mit seinen abtrünnigen Provinzen an den Adressaten schickte.18 Angesichts der Fülle von regelmäßigen Nachrichteneingängen, die er in seinen Briefen erwähnt, griff er offenbar im Brieftext selbst nur diejenigen Neuigkeiten auf, die ihm besonders bemerkenswert oder eines eigenen Kommentars würdig erschienen; häufig beließ er es auch bei persönlichen Einschätzungen zum geschilderten oder in Beilagen genauer beschriebenen Ereignissen. Diese Fuggerschen Nachrichtenabschnitte und -kommentare werden, gleichsam als ‹geprüfte› und in Hans’ Augen besonders mitteilenswerte Meldungen im Zusammenhang mit einzelnen, näher zu betrachteten Nachrichtenthemen noch ausführlich behandelt, um Fuggers persönliches ‹Nachrichtenbild› und Berichtsschwerpunkte zu erschließen. Daß auch einige seiner Briefpartner regelmäßig diesem Beispiel folgten, zeigt der häufige Dank Fuggers für mitgeteilte19 zeittungen, also zusammen mit einem Brief übersandte Nachrichtenanhänge. Dabei versandte Fugger zwar nach Auskunft seiner Briefe insgesamt mehr Zeitungsbeilagen, als er erhielt, doch im Vergleich zur Einbindung von Nachrichten in den Brieftext erscheint das Verhältnis insge-
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Vgl. Hans Fugger an Albrecht V., 05.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 254), an denselben am 18.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 265) sowie am 26.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 274), am 01.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 278) und am 14.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 287), 28.02.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 380). – Von einem sonndern [d. h. gesonderten, d. Verf.] extract spricht Fugger auch in einem Brief an Hieronimus von Lodron, 01.11.1572, FA 1.2.6a H. 13 (I 866). Hans Fugger an Hans Bechler und Philipp Römer, 08.06.1574, FA 1.2.7 H. 18 (II/1 124). Zitiert nach Christl Karnehm. Hans Fugger an Hans Bechler und Philipp Römer, 08.06.1574, FA 1.2.7 H. 18 (II/1 124), pag. 311 (I 866). Vgl. Hans Fugger an Carl Welser, 30.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 296), ähnlich auch in Briefen an Hieronimus von Lodron, 26.07.1575, FA 1.2.8a H. 22 (II/1 550) und an Sebastian Roll, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3296). Zu mitteilen auch Baufeld: Wörterbuch, S. 172.
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samt weit ausgeglichener: 194 Zeitungsbeilagen der Korrespondenten stehen hier 227 beigefügte Mitteilungen Hans Fuggers gegenüber. Es fällt auf, daß Fugger zum einen diejenigen Briefpartner besonders oft mit solchen Zeitungsbeilagen bedachte, die häufig als Nachrichtenlieferanten in Erscheinung traten und ihrerseits in ihren Schreiben mit zusätzlich beigegebenen Nachrichten aufwarten konnten. Gerade Lodron und Roll konnten hier profitieren; Tonner schickte gar mehr Beilagen, als er selbst von Fugger zugesandt erhielt.20 Man kann also für diese Gruppe, ähnlich wie bei den Nachrichten im Brieftext, von einem Austauschverhältnis sprechen, wie das auch auf die Nachrichtenkorrespondenz Hans Fuggers mit seinen Neffen Jörg, Hans und Anton von Montfort zutraf, die gleich nach den erwähnten ‹Spitzenkorrespondenten› Fuggers in Sachen Nachrichten wichtige Zeitungs-Korrespondenten darstellten.21 Dieses Prinzip der Gegenseitigkeit im Nachrichtentransfer, das in zahlreichen frühneuzeitlichen Korrespondenzen zu beobachten ist, wurde schon als «ungeschriebene Spielregel»22 bezeichnet; für Fuggers Briefwechsel ist zu betonen, daß er diesen Tausch über gelegentlich eingestreute Erinnerungshilfen immer wieder von neuem anzumahnen wußte: Seine Versicherung, neueste Meldungen getreulich weiterzuleiten (was volgen wirdt zeit offenbaren, und [wird] dem herrn unverhalten23 bleiben24) war immer wieder, auch gegenüber langjährigen Nachrichten-Korrespondenten, mit der Aufforderung zur Fortsetzung des Transfers verbunden: Bitt so sich was ferrers [Weiteres] schrifft würdigs begiebt, mirs vergebelich auch mitzutheilen25 – ein Zeichen für die Bedeutung, die er dem Nachrichtentransfer durch seine Korrespondenzpartner beimaß. Zum anderen aber sind einige Fälle ausgesprochenen Ungleichgewichts zu konstatieren, in denen der Nachrichtentransfer bei Fugger – vergleichbar mit der Tätigkeit von professionellen Nachrichtenschreibern – einseitigen Dienstcharakter aufweist, wie er auch von Fuggers Nachrichtenagenten bekannt ist:26 So ließ sich Hans Fugger von den Agenten Niclas Heller und Christoph Furtenbach von Italien aus mehrfach mit Nachrichtenbeilagen beliefern.27 In anderer Richtung verlief der
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Tonner schickte 21 Beilagen nach Augsburg, erhielt von Fugger aber nur 6; Lodron sandte 26 und erhielt 50, Roll übermittelte 26 und erhielt 36. Die Hälfte oder noch mehr der Briefe an die Brüder Montfort handelten von Nachrichten. Über die Montfort, insbesondere Hans und Anton, noch detaillierter im vierten Teil, S. 338–352. Mauelshagen: Netzwerke, S. 409. Im Sinne von ‹unverschwiegen›, also durch Fugger zu gegebener Zeit übermittelt. Vgl. Baufeld: Wörterbuch, S. 237f. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.05.1575, FA 1.2.8a H. 22, pag. 213 (II/2 482). Hans Fugger an Hans von Montfort, 07.05.1582, FA 1.2.12a H. 44, pag. 285 (II/2 2136). Zu vergebelich im Sinne eines ‹von sich aus mitteilen› vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch XII,II, Sp. 1210. Über Nürnberger Nachrichtenagenten informiert Sporhan-Krempel: Nürnberg. Vgl. auch die zahlreichen Beispiele im Sammelband Cools: Humble Servant. Von Furtenbach empfing Fugger 7 Beilagen, von Heller gar 9; von diesen beiden Adressaten erhielt einzig Heller einmal auch eine Nachrichtenbeilage von Fugger über den Krieg in den Niederlanden.
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Nachrichtentransfer bei Fuggers Korrespondenz mit den bayerischen Herzögen: Hier war Fugger derjenige, der allein Nachrichten und Nachrichtenbeilagen versandte, ähnlich seinem Vetter Hans Jakob Fugger, der bereits seit den 1550er Jahren umfangreiche Beilagensendungen, gerade aus Italien, an Albrecht V. weitergeleitet hatte.28 Bei den Herzögen ist der Fuggersche Nachrichtentransfer als Facette einer Reihe von Gefälligkeitsdiensten zu sehen, die noch andere Dienstleistungen Fuggers wie etwa die Besorgung von Antiquitäten ausgesprochen häufig in Anspruch nahmen. Über Fuggers Nachrichtendienste für die Herzöge wird in Zusammenhang mit den Berichten über die spanisch-niederländischen Kämpfe, aber auch im Kontext von Patronage noch ausführlicher zu handeln sein.29 Anzufügen ist hier, daß zumindest für bestimmte Adressaten Fuggersche Angestellte routinemäßig den Zeitungsversand übernahmen, erwähnte doch Hans Fugger gegenüber seinen Neffen Anton, Jörg und Hans von Montfort 1583–1586 häufig, daß Hans Besch, schon zu Anton Fuggers Zeiten im Dienste der Familie, Nachrichtenberichte, insbesondere zu den Niederlanden, noch gesondert an sie schicken werde.30 An Sebastian Zäch, der seit Jahrzehnten als Buchhalter für den Gemeinen Handel arbeitete,31 erging 1581 von Kellmünz aus Hans Fuggers briefliche Anweisung, so wellen des neuen zeittungen schreiben bis uff unser hineinkhunfft [die Rückkehr von Hans und Marx, d. Verf.] einstellen, was durch die Abwesenheit der Brüder entschuldigt werden könne.32 Wie Christl Karnehm bereits feststellte, läßt sich daraus erschließen, daß zumindest Besch und Zäch oder noch mehr Angestellte des Hauses Fugger regelmäßig mit Abschrift und Versand von Zeitungsmeldungen beschäftigt waren, die ganz augenscheinlich von den Brüdern Fugger kontrolliert wurden, bevor man sie verschickte.33 Auf diese Weise läßt sich also erklären, daß Fugger gegenüber manchen Korrespondenzpartnern die regelmäßige Übermittlung von Nachrichten an sie betont, ohne daß wir in seinen Kopierbüchern
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Aus Fuggers eigenen Briefen sind allein an Albrecht von Bayern 31 Nachrichtenbeilagen, an seinen Sohn Wilhelm sogar 37 beigelegte Zeittungen zu erschließen. Dazu ausführlich im dritten Teil, Kap. IV. A. 3. S. 170–173. – Über die Zeittungen Hans Jakob Fuggers an Albrecht V. Zwierlein: Discorso, S. 577f. Dritter Teil, Kap. IV. A. Als Beispiele: Hans Fugger an Anton von Montfort, 30.04.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2310) und an denselben 04.05.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2477), an Hans von Montfort, 05.07.1585, FA 1.2.14a H. 60 (II/2 2826) sowie an Jörg von Montfort, 05.07.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2997). – Eine biographische Kurznotiz zu Besch bei Karnehm: Regesten II/1, S. 193. Vgl. die Ausführungen zu seiner Biographie bei Karnehm: Regesten I, S. 113. Karnehm gibt an, daß Zäch später in den Dienst Wilhelms V. von Bayern gewechselt sei; mit Hilda Lietzmann ist allerdings davon auszugehen, daß es sich beim herzoglichen Diener Zäch oder Zech und beim Fuggerschen Handelsangestellten Zäch um zwei verschiedene Personen handelte, vgl. Hilda Lietzmann: Valentin Drausch und Herzog Wilhelm V. von Bayern. Ein Edelsteinschneider der Spätrenaissance und sein Auftraggeber. München/Berlin 1998 (Kunstwissenschaftliche Studien 75), S. 185 Anm. 11. Hans Fugger an Sebastian Zäch, 21.07.1581, FA 1.2.11 H.40 (II/1 1978). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. Karnehm: Regesten I, S. 54*.
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ausreichend Zeugnisse für entsprechende Nachrichtenbeilagen finden, so auch im Falle des Neuburger Pfalzgrafen Wolfgang.34 Für manche Empfänger handgeschriebener zeittungen aus den Fuggerhäusern, etwa für Erzherzog Ferdinand von Tirol oder für Rudolf II., ist über Fuggers Korrespondenz gar kein direkter Briefkontakt in Sachen Nachrichten zu erschließen – die Weiterleitung war auf mehrere Hände verteilt.35 Wie das Verbot der Nachrichtenweiterleitung bei Abwesenheit der Gebrüder zeigt, fand die Versendung auch durchaus unabhängig vom Schriftverkehr der Firmenleitung statt, wie wir dies für Hans Besch belegt sehen. Zudem trafen ganz augenscheinlich die Brüder Fugger eine Auswahl aus dem zur Verfügung stehenden Nachrichtenmaterial. Es gab also kein ‹Gießkannenprinzip› bei der Weiterleitung dieser Beilagen, vielmehr wurde eine sorgfältige Auslese getroffen, an wen welche Berichte weitergegeben wurden. Nach welchen Kritierien dies erfolgte, ist in Fuggerschen Briefen expressis verbis nicht überliefert, doch Fuggers Nachrichtenpraxis, die anhand seiner Berichte zu ausgewählten politischen Ereignissen besprochen werden soll, kann dazu einige Anhaltspunkte liefern. In welchem Umfang Fugger über seine Nachrichtenkorrespondenz eine Verbreitung der Nachrichten, die bei ihm einliefen, gezielt zu befördern suchte, geht aus den Briefen nicht klar hervor. Nur selten findet sich ein Hinweis über ein gezieltes Weitertragen außerhalb des brieflichen Kontextes: Als 1582 Gerüchte in Augsburg laut wurden, Hauptleute des Obristen Hieronimus von Lodron hätten das rechtzeitige Eintreffen zweier Fähnlein zu einer Schlacht im Rahmen des portugiesischen Thronstreites verhindert, da sah Fugger, der von Lodron informiert war, sich zu Gegenmaßnahmen genötigt, vermutlich in seiner direkten Augsburger Umgebung: Es hat dise sach bej uns hieaussen allrlej selzame reden abgeben, die weil aber wenig den grund gewisst hab ich etliche des herrn schreiben so er mir deßhalben gethan, leßen lassen, die leut des grunds zu informiren, verhoff ich habe daran bej herrn nit unrecht gethan.36
Auch die gute Nachricht, daß Lodron 1592 unter Markgraf Karl von Burgau nach Kroatien ziehen solle, um den Türken Einhalt zu gebieten, hatte Fugger, wie er
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1567 betonte Fugger dem Pfalzgrafen gegenüber, er wolle weiterhin alle ‹schriftwürdigen› Nachrichten übermitteln, ohne daß sich in den Kopierbüchern ein Hinweis auf weitere Nachrichtensendungen finden ließe. Vgl. Hans Fugger an Wolfgang Pfalzgraf von Neuburg, 31.03.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 53). Zusammen mit noch erhaltenen Nachrichten Marx Fuggers an Wolfgangs Nachfolger Philipp Ludwig ergibt sich damit eine bemerkenswerte Kontinuität des Nachrichtentransfers an die Pfalzgrafen. Zu den Berichten an Philipp Ludwig vgl. Zwierlein: Discorso, S. 591f. Vgl. einen entsprechenden Bericht des Fuggerdieners Hans Merer an Stephan Fugger, einen Ratsdiener zu Regensburg, über die Empfänger der Fuggerschen Nachrichten, zu denen auch die Reichsstadt gehörte. Die Regensburger Sammlung ist in der Bayerischen Staatsbibliothek, München, erhalten, und wurde identifiziert von Schottenloher, vgl. Karl Schottenloher: Handschriftliche Briefzeitungen des 16. Jahrhunderts in der Münchener Staatsbibliothek. In: Archiv für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik 65 (1928), S. 65–73. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 22.11.1582, FA 1.2.12a H. 45, pag. 543 (II/2 2224).
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dem Obristen schrieb, gleich under die Leut gebracht.37 Gegenüber Wilhelm V. merkte er sogar ausdrücklich an, daß der Herzog jederzeit Kopien der Fuggerschen Nachrichten anfertigen dürfe, was man als Einwilligung in die Weitergabe der Meldungen werten kann: Die niderlendische zeittungen haben E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] hiemit die mag jederzeit copia davon nemen lassen, versteh ich von allen zeittungen, so [...] ich uberschickh.38 Fugger sah die Nachrichten, die er an Wilhelm schickte, demnach nicht als vertrauliches Material an; vieles erhielt der Herzog sicher auch von anderen Nachrichtenkorrespondenten in ähnlicher Weise, so wie andere Handelsfirmen am Nachrichtenknotenpunkt Augsburg, etwa die Welser, durch eigene Niederlassungen und Korrespondenz ebenfalls über reiche Informationen zum Nachrichtengeschehen außerhalb Augsburgs verfügt haben dürften.39 Auch in die Nachrichtenkorrespondenzen der Fürsten untereinander gingen Kaufmannsnachrichten, wie Zwierlein insbesondere auch für die Fugger eruieren konnte, zu einem hohen Prozentsatz ein.40 Gleichwohl gab es Meldungen, die Fugger bzw. seine Korrespondenten als vertraulich erachteten und deren Weitergabe ausdrücklich untersagt wurde.41 Daß Meldungen, die bei den Fuggern einliefen, ihren Weg zu anderen Augsburgern fanden, bezeugt die Chronik Georg Kölderers. Nachweislich hatte er Zugang zu den Fuggerzeitungen, aus denen er Berichte in seine Aufzeichnungen einarbeitete, doch auch eine Nachricht, als deren Quelle er Hans Fugger betitelte, wurde von ihm aufgenommen.42 Es ist anzunehmen, daß ebenfalls die Fuggerschen Handelsdiener, die mit der Vervielfältigung der Nachrichten verfaßt waren, Neuigkeiten nach draußen trugen; Kölderer erwähnte wohl nicht umsonst seine gute Bekanntschaft mit Hans Bechler, seit 1578 Hauptbuchhalter bei den «Georg Fuggerischen Erben», und so ist zu vermuten, daß die Angestellten von «Marx Fugger und Gebrüder» Meldungen in ihrem Bekanntenkreis weiterberichteten.43 Fuggers zeittungen war wohl in der Mehrheit nicht geheim; da allerdings die Hinweise auf die Verbreitung der Fugger-Nachrichten über Hans’ Korrespondenz hinaus so spär-
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Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 11.07.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3278). Zitiert nach Christl Karnehm. Hans Fugger an Wilhelm V., 28.05.1573, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. Zu den Nachrichtenkorrespondenten der bayerischen Herzöge, zu denen unter vielen anderen auch Emanuel Welser zählte, vgl. Kleinpaul: Nachrichtenwesen, S. 65–85. – Zur Einschätzung der Informationslage in Augsburg auch Mauer: Geschrey, S. 45f. Vgl. Zwierlein: Discorso, S. 595f., ebenda die Grafik S. 603. Beispiele hierfür im Kapitel zum ‹Vertrauens-Aspekt› in der Fuggerkorrespondenz, vgl. im dritten Teil, S. 303–312. Vgl. Mauer: Geschrey, S. 45. Die Nachricht Hans Fuggers zum Tod des polnischen Königs, auf die Kölderer sich bezog, ist anhand der Kopierbücher wegen einer Überlieferungslücke zwischen dem 12.12.1586 und dem 04.01.1592 nicht nachzuweisen. – Mehr über die Fuggerzeitungen als Nachrichtenquelle Kölderers ist von der bevorstehenden Edition der Kölderer-Chronik durch Dr. Silvia Strodel, Augsburg, zu erwarten. Zur Bekanntschaft Kölderer – Bechler vgl. Mauer: Geschrey, S. 45. – Über Hans Bechler vgl. Hildebrandt: Diener und Herren, S. 171f., Anm. 69.
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lich und in ihrem Rezipientenkreis höchst unscharf sind, läßt sich schlecht über den Grad an «Öffentlichkeit» spekulieren, den sie erreichten.44 Nur weniges kann über die Quellen der im Brieftext Fuggers erwähnten Nachrichten über die Faktorensendungen hinaus gesagt werden. Auch bei den Zeitungsbeilagen gibt er nur sehr selten konkrete Quellen seiner Meldungen an, etwa Bekannte, die direkt aus einem Krisengebiet kamen, oder Boten auf dem Weg zu einem Fürstenhof.45 Meist werden die Beilagen dagegen nur grob mit ihrem Hauptthema umrissen, zum Beispiel als zeittungen über die Niederlande oder die Kämpfe gegen die Türken.46 Angaben zu einzelnen Städten als Herkunftsort der Nachrichten, etwa Antwerpen, Wien, Prag oder Venedig, findet man allerdings bisweilen noch als Quellenangabe zum Nachrichtentext der Briefe.47
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Es erscheint daher auch nicht sinnvoll, hier in Bezug auf die Nachrichtenkorrespondenten Fuggers von einer «Teilöffentlichkeit» zu sprechen, wie dies etwa in den Konzeptionen von Öffentlichkeit bei Körber und Scribner vorgeschlagen wird, vgl. Esther Beate Körber: Öffentlichkeiten der frühen Neuzeit. Teilnehmer, Formen, Institutionen und Entscheidungen öffentlicher Kommunikation im Herzogtum Preußen von 1525–1618. Berlin 1998 (Beiträge zur Kommunikationsgeschichte 7), sowie Robert W. Scribner: Mündliche Kommunikation und Strategien der Macht in Deutschland im 16. Jahrhundert. In: Helmut Hundsbichler (Hg.), Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Wien 1992 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse. Sitzungsberichte 596 = Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 15), S. 183–197, hier 184. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 02.01.1574, FA 1.2.6b H. 17, pag. 548 (II/1 1): Herr Jörg von Freundsperg ist dieser tag auf der posst aus dem Niderlanndt herauf khumen, der zaiget an daz der herzog vonn Alba auf 18 pass:[a]to nach Namur verruckht [...]. Ein berittener Hofbeamter war die erste Quelle für die Plünderung Antwerpens 1576, vgl. Hans Fugger an Joseph de Calepio, 23.11.1576, FA 1.2.8b H. 27, pag. 403 (II/1 1001): [...] dergleichen böße zeittungen hat der lottringisch hof diener am durch reitten alhie auch ausgeben. – Ein seltenes Beispiel für den Herkunftsort einer Zeitungsbeilage im Brief an Anton von Montfort, 05.03.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 788 (II/2 2297): Was sonst des herzog von Anjou halben von Antt:o [Anttorf, d. h. Antwerpen] und Cöln geschickht wirdt, vernemmt ir diß copia. Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 24.12.1577, FA 1.2.9a H. 30, pag. 494 (II/1 1246): Ir habt hiemit von 2 novellanten was uß It:[ali]a mit jungsten posten unns geschriben worden. – Ähnlich Hans Fugger an Anton von Montfort, 03.06.1583, FA 1.2.12b H. 48, pag. 117 (II/2 2233): Die niderlendischen zeittungen werden ir [...] ob ich schon nit hier gewest bin, erh:[alten] haben. Hans Fugger an Hieronimus Graf von Lodron, 28.03.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 494 (I 948): Vonn der Rö:[mischen] Kai:[serlichen] Mt: [Maiestät]. hof schreibt man [...]; ähnlich auch im Brief an Hans Fugger an Niclas Heller, 20.01.1581, FA 1.2.11 H. 39, pag. 27 (II/1 1833): Mit den gestrigen brieffen von V:[enezi]a wirdt geschriben [...].
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B. Geschriebene Zeitungen und Drucke als Nachrichtenbeilagen In einem nicht mehr zu eruierenden Ausmaß griff Fugger auf Produkte der Novellanten als professionelle Zeitungsschreiber zurück. Namentlich als Beschaffer von Nachrichten angeführt wurden in einem Schreiben an den Fugger-Agenten in Venedig, David Ott, die italienischen Novellanti Acconzaioco und Donato, daneben Marx Hörwart, Patriziersohn aus Augsburg.48 Briefe Hans Fuggers an sie sind nicht überliefert; wieder ein Hinweis dafür, daß Hans die Nachrichtenquellen nutzte, derer sich das Handelshaus Fugger bediente – im Fall von Novellanten gegen bare Münze. Auch David Ott, der Fugger zufolge die Zeitungen Acconzaiocos vermittelte, taucht in Hans’ Briefen nur vereinzelt im Zusammenhang mit Nachrichten auf, so daß er diese wohl an den Handel und nicht an Hans Fugger als Privatperson sandte.49 Jedenfalls aber wird den Faktoren und Agenten vor Ort wie im Falle von Ott eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der Novellanten zugekommen sein. Acconzaioco und Hörwart waren nachweislich auch Nachrichtenlieferanten für die ‹Fuggerzeitungen› Philipp Eduards und Octavian Secundus Fuggers; ob Hans Fugger wie seine Vettern auf Relationen der Augsburger Nachrichtenschreiber Jeremias Crasser und Jeremias Schiffle zurückgriff, ist aus seinen Briefen nicht zu erschließen.50 Interessanterweise war der Beruf des gewerbsmäßigen Zeitungsschreibers bei Hans Fugger nicht sonderlich angesehen, für Hörwart zumindest hat er ihn als deutlichen Abstieg gewertet.51 Philipp Hainhofer, Patrizier und berühmter Nachrichtenlieferant, zunächst für Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin tätig, lehnte ausdrücklich eine gesonderte Entlohnung für die Versendung von Nachrichten ab, die über die Erstattung von Unkosten für Papier etc. hinausging. Behringer, der die ökonomisch mißliche Lage etlicher Augsburger Zeitungsschreiber untersucht hat, wertet die Haltung Hainhofers treffend als Beleg für die «soziale Differenziertheit des Nachrichtenhandels».52 Anhand eines Vergleichs von Fuggerzeitungen mit Nachrichten Hans Fuggers die inhaltliche Nähe der dort überlieferten Novellantenberichte zu überprüfen, stellt
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Über die Zuverlässigkeit der Nachrichten Acconzaiocos äußerte Hans Fugger sich höchst kritisch; daß Hörwart sein Geld durch Zeitungsschreiben verdiente, erschien ihm wohl nicht ganz angemessen. Die betreffenden Zitate sind aufgenommen bei Behringer: Merkur, S. 327f. Vgl. Hans Fugger an David Ott, 15.11.1572, FA 1.2.6a H. 14 (I 872) [Hans Fugger über türkische Eroberungen im Mittelmeer] sowie an denselben, 05.01.1577, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 1018) [Kritik an Acconzaiocos Nachrichtensendungen]. Zu den Quellen der Fuggerzeitungen vgl. Fitzler: Fuggerzeitungen. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 28.10.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1752): Nun, der Menschen Na[h]rung ist manicherlaj umbs Brot zugewinnen, muß diser [gemeint: Hörwart] auch ein U[e]bung thun. Zitiert nach Christl Karnehm. Behringer: Merkur, S. 335–339, Zitat S. 338. – Roeck: Unternehmer, S. 24, führt mit Berufung auf Gobiet Pauschalhonorare für Hainhofer an, die seine gesamten Dienstleistungen, vor allem aber die Besorgung von Kunst und Kunsthandwerk betrafen.
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für die Erforschung der Quellen Fuggerscher Nachrichten noch ein Desiderat dar.53 Fugger war darauf bedacht, die Fülle verschiedener Nachrichtenmedien so weit wie möglich auszuschöpfen – wobei das skriptographische Medium aufgrund seiner Möglichkeiten zu höchster Aktualität das Leitmedium schlechthin blieb. Unter den Beilagen der Fuggerschen Briefe – und teilweise unter denen seiner Adressaten – befanden sich nämlich auch Druckwerke und Abschriften zum aktuellen Nachrichtengeschehen: Darunter waren Abschriften offizieller Reden und Verlautbarungen, etwa der spanischen Statthalter an die niederländischen Stände,54 oder Drucke angeblicher abgefangener Briefe der Führer im niederländischen Aufstand.55 Fugger versandte gar die Abschrift des (vermeintlich) letzten Schreibens Graf Egmonts an König Philipp II. vor seiner Hinrichtung, das die Antwerpener Faktorei beschafft hatte.56 Hinzu kamen Flugschriften bzw. Einblattdrucke, die Fugger im Original oder notfalls in Kopie versandte, und die polemisch Bezug auf bestimmte Personen nahmen, so etwa eine Gegenschrift zur Apologie Wilhelms von Oranien,57 ein Lied auf den abgesetzten Kölner Kurfürsten Gebhard Truchseß von Waldburg58 oder Propaganda gegen den Hauptexponenten der Kalendergegner im Augsburger Kalenderstreit, Dr. Georg Miller.59 Authentische Berichterstattung von den Reichstagen konnte Fugger in Form eines Auszugs (extract) aus der Reichstagsproposition oder einzelner Artikel des Reichstagsabschieds 157660 liefern, forderte auch entsprechende Materialien bei seinen Bediensteten an oder erhielt sie von Nachrichtenkor-
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Auf der Basis der Edition ausgewählter Fuggerzeitungen durch Victor Klarwill (Hg.): Fugger-Zeitungen. Ungedruckte Briefe an das Haus Fugger aus den Jahren 1568–1605. Wien u.a. 1923 ist ein solcher Vergleich nicht möglich, da die Edition quantitativ wie thematisch nur einen sehr begrenzten Ausschnitt bietet und wissenschaftlichen Anforderungen nicht genügt. – Für den Hinweis auf einen Nachrichtenbrief in den Fuggerzeitungen, in dem Hans Fugger als Quelle für Nachrichten aus Prag genannt wird (Christoph Winkelhofer, 12.08.1595, ÖNB Cod. 8968, fol. 663r), danke ich Oswald Bauer, Augsburg. Bezeichnenderweise handelt es sich bei den nicht näher bezeichneten Nachrichten zum ‹Langen Türkenkrieg› um einen Bericht des Reichspfennigmeisters an Hans Fugger. Hans Fugger an Albrecht V., 16.04.1569, FA 1.2.5 H. 9, fol. 38v (I 415): Copia des begerns so der herzog von Alba an die stadas derselbenn lannd [der Niederlande, d. Verf.] gethan, haben Eur F:[ürstlichen] Gn:[aden] hiemit transferiert in teutsch es ist gleichwol ain franzosische teutsch. – Vgl. auch Hans Fugger an Johann Tonner, 02.01.1580, FA 1.2.10 H. 34 (II/1 1493) [Botschaft eines Abgesandten Don Juans d’ Austria an die niederländischen Stände]. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 20.08.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1678) sowie an Wilhelm V., 05.11.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1764). Vgl. Hans Fugger an Hans Frick, 24.09.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1172) sowie an Wilhelm V., 11.11.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1218). Hans Fugger an Johann Tonner, 09.06.1581, FA 1.2.11 H. 50, pag. 385 (II/1 1959): [...] hiemit abschrifft eines getruckhten tractetlin wider des prinzen von Orangien apologia so zu Mons ausgangen. Ich hab dz original nit allein ein abschrifft davon bekhumen khinden. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 09.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2354). Vgl. Hans Fugger an Johann Rümelin, 15.09.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2646). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 14.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 881) und an denselben am 15.10.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 979).
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respondenten zugeschickt, z.B. zum bayerischen Landtag und seinen Beschlüssen61 oder zum ungarischen Landtag.62 Wichtig erschien es Fugger in der Tat auch, sich im wörtlichen Sinne ‹ein Bild von der Lage› zu machen, denn die handgeschriebenen Nachrichten seiner Korrespondenz waren zwar höchst aktuell, konnten jedoch aufgrund ihres schriftlichen Charakters Nachrichtenereignisse nicht immer ‹anschaulich› genug übermitteln. Er legte daher Wert darauf, auch mit aktuellen bildlichen Druckerzeugnissen informiert zu werden, und so mußte etwa Hans Keller, Fuggerischer Sekretär in Antwerpen, schon einmal eine briefliche Rüge über sich ergehen lassen, weil er Fugger das neu im Druck erschienene Porträt des Herzogs von Alba nicht geschickt hatte.63 Auch Darstellungen von Schlachten oder Befestigungsbauten halfen, die Perspektive auf ein Ereignis zu komplettieren oder die Erinnerung an ein wichtiges Geschehen wachzuhalten. Hier konnte Fugger seine speziellen Kontakte zu Kriegsleuten nutzbar machen: Über den Obristen Hieronimus von Lodron suchte er 1573/74 ein Bild der Seeschlacht von Lepanto, die schon drei Jahre zuvor stattgefunden hatte.64 Was Fugger erhalten konnte, ließ er auch seinen bevorzugten Nachrichtenkorrespondenten zukommen, um aktuelle Informationsbedürfnisse zu stillen – beispielsweise den Druck über die Palisadenbauten des Herzogs von Parma vor Antwerpen 1585, den er an Dr. Johann Tonner in Prag weitersandte,65 oder die Abbildung der ungarischen Grenzfestung Fileck für Hieronimus von Lodron, der ja selbst in führender Position im Türkenkrieg engagiert gewesen war.66
C. Informationsqualität Angesichts der nicht selten wochenlangen Transportzeit der Briefe mit Nachrichtenmeldungen, beispielsweise der Schreiben aus Spanien, mußte ihrer Verläßlichkeit ein besonders hoher Stellenwert zukommen:67 Unter Umständen dauerte es wieder Wochen, bis man bei zweifelhaften Mitteilungen durch eine Nachfrage beim Absender am Ereignisort Klarheit erhalten konnte. Aus diesem Grund hatte natürlich auch die Beiziehung verschiedener Nachrichtenquellen zu ein- und demselben
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Vgl. Hans Fugger an Melchior Greißlin, 10.01.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 900). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 31.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2108). Vgl. Hans Fugger an Hans Keller, 26.06.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 542). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 30.10.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 231). Der erste Kontakt des Bildes wegen datierte von Anfang 1573, vgl. den Brief am Lodron vom 10.01.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 904). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 06.04.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2746). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, im April 1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3449). Zu den Nachrichtenwegen von Spanien ins Reich der geraffte Überblick bei Pieper: Neue Welt, S. 58f.
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Geschehen – z.B. der Rückgriff auf Meldungen der Handels-Faktoren und anderer Fuggerscher Korrespondenten, etwa in Prag – besondere Bedeutung. Auch ein Hans Fugger war nicht davor gefeit, Falschmeldungen und Gerüchten aufzusitzen oder nicht auf dem aktuellen Stand zu sein, den man aufgrund der gewöhnlichen Laufzeiten der Nachrichten hätte erwarten können. Daß er sich dieser Tatsache bewußt war, zeigt seine bereits zitierte Auffassung, daß er und seine Nachrichtenkorrespondenten nit evangelisten seien, die unumstößliche Wahrheiten verbreiteten, sondern lediglich die Mitteilungen ihrer Informanten weitergeben könnten.68 Gerade auf den europäischen Kriegsschauplätzen war es, wie auch zeitgenössisch reflektiert wurde, im Widerstreit der Parteien und angesichts der raschen Folge von Ereignissen an verschiedenen Orten höchst problematisch, aktuelle und zuverlässige Informationen zu erlangen.69 Ausschlaggebend war für Hans Fugger daher, vertrauenswürdige Mittelsleute für die Übersendung aktueller Informationen zu haben. Wer ihm in dieser Hinsicht nicht zuverlässig genug erschien, dessen Meldungen wurden nicht mehr als ernstzunehmend herangezogen: Die Avvisi des bereits erwähnten italienischen Novellanten Acconzaioco bestellte Fugger bei David Ott in Venedig kurzerhand ab, nachdem sich dessen Berichte mehrfach als unhaltbar erwiesen hatten.70 Sein persönliches Korrespondenznetz bot ihm für solche Fälle Ausweichmöglichkeiten: Wenn er merkte, daß die bei ihm eingehenden Nachrichten aus Wien nicht mehr Aktuelles boten, dann forderte er bei Hauptmann Engelhard Kurz eben Türkenkriegsberichte direkt von der Front in Kroatien an;71 wenn ihm aus Ulm zum Straßburger Bischofskrieg nur Siegesmeldungen der protestantischen Partei zukamen, die von den Ulmern unterstützt wurde, so mußte Sohn Marx in die Bresche springen, damit sein Vater Nachrichten von allen Seiten und damit Munition im Streit der Meinungen erhielt: wann dir von disem lumppen krieg ferer was schrifftlichs zukhimt, so wellst mirs communicirn, damit ich etlichen schreyern alhie dz maul stopfen khindt.72 Und wenn eine Nachricht absolut unglaublich schien, weil sie einfach nicht wahr sein durfte – wie 1576 die Meldung von der Plünderung Antwerpens durch Soldaten Philipps II. – so mochte Fugger zunächst nicht so recht der frühesten Nachricht eines durch Augsburg reitenden lothringischen Hofdieners glauben, sondern traute erst den Schilderungen des Joseph de Calepio, Posthalter zu Scheppach und zentrale Gestalt im Konflikt zwischen den Taxis und ihren Posthaltern zur Zeit der
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Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 13.06.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3259). Ein schönes Beispiel für die Reflexionen eines hochgestellten Nachrichtenübermittlers sind die Briefe des Don Giovanni de’ Medici an seinen Halbbruder Ferdinando, den regierenden Großherzog der Toskana: Trotz seiner unmittelbaren Nähe zu den Kriegsschauplätzen in den Niederlanden 1604 beklagte Don Giovanni, vielfach nur parteiliche Informationen zu erhalten und deshalb nur das übermitteln zu können, was er selbst erlebt oder von absolut vertrauenswürdigen Personen erfahren habe. Vgl. hierzu Dooley: Brokerage, S. 92f. Vgl. Hans Fugger an David Ott, 05.01.1577, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 1018). Vgl. Hans Fugger an Engelhard Kurz, 01.04.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3443). Hans Fugger an Marx Fugger d.J., 05.12.1593, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3308).
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Postkrise.73 Ein wichtiges Kriterium für die Qualität der eingehenden Nachrichten war außerdem, in welchem Umfang sie Details zum berichteten Ereignis enthielten. Selbst wenn diese Details später eintrafen als erste Informationen zu einem Ereignis, so wollte Hans Fugger doch nicht auf sie verzichten, wie er einem seiner Angestellten in Spanien mitteilte: Er lege großen Wert auf dessen Nachrichten – darunter fielen auch Ereignisse, die Fugger schon bekannt waren –, denn sie seien unerreicht ausführlich, so daß Fugger sie nicht missen wolle. Augenscheinlich war es Hans Fugger also auch um die Möglichkeit zu tun, schon bekannte Ereignisse anhand der ihn später erreichenden Details sachgerecht einordnen zu können.74 Seine hohen Qualitätsstandards in Sachen Nachrichten machte Hans Fugger, was das Nachrichtensystem seines Hauses anging, ausgesprochen selbstbewußt: Falschmeldungen kamen gelegentlich vor und taten – da war er sich sicher – dem hohen Niveau der von ihm eingeforderten und weitergeleiteten Meldungen keinen Abbruch. Dieselbe Haltung empfahl er seinem Neffen Anton von Montfort, der an seinem Dienstort Rom ganz augenscheinlich Kritik für Nachrichten geerntet hatte, die von seinem Augsburger Onkel kamen: Ich verhoff Ir werden sovil wahrhaffte particularia [Einzelheiten] durch disen weeg als von khein andern ort nit haben, gleichwol khan ichs auch nit so gar für authentico geben. Ich laß die italianischen spizfindigen köpff darieber discuriren, die mügen auch feelen [sich irren]. Genug ist wan einer schreibt, daz ist fürgangen, so sein es die gewisesten zeittungen. [Hervorhebung durch d. Verf.]75
Eine Nachricht, die das Fuggerhaus passierte, hatte als wahr zu gelten, bis sich das Gegenteil erwiesen hatte. Auch wenn obiges Zitat aus der Defensive heraus formuliert ist, gab es aus pragmatischen Gründen fast keine andere Möglichkeit, als dem, was an Meldungen eintraf, nach Abgleich mit dem eigenen Vorwissen und mit anderen Quellen Glauben zu schenken. Schließlich bemühte Fugger sich stets um seriöse Nachrichtenlieferanten und legte durchaus Qualitätsmaßstäbe an, wie der Fall Acconzaiocos zeigt. Wahrheitsgetreue Darstellung (wahrhaffte particu-
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Hans Fugger an Joseph de Calepio, 23.11.1576, FA 1.2.8b H. 27, pag. 505 (II/1 1001): Eur schreiben von 12 diß betreffent die blünderung oder mer zu sagen zerstörung Antto: [Anttorffs, d.h. Antwerpens] hab ich gestern vormittag erhalten und mit sonderm mitleiden vernomen, dergleichen böße zeittungen hat der lottringisch hof diener am durch reitten alhie auch ausgeben. Es hat im aber niemandt geglaubt, und waiß schier selb nit (weil ichs nit gern glaub) ob ichs auch für war halten soll oder nit. – Über Calepios Biographie Behringer: Merkur, S. 144. – Zwierlein: Discorso, S. 583 hat diese Nachrichtenvergleiche zur Feststellung von Qualität und Verläßlichkeit zutreffend als «Empirie im neuzeitlichen Sinne» charakterisiert. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm Locher, 29.03.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2951), an denselben, 05.07.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2980). Über Detailfreudigkeit als Kriterium für Qualität und Wahrheitstreue von Nachrichten auch Dooley: Brokerage, S. 93 anhand von Beispielen aus der Korrespondenz des Giovanni de’ Medici. Hans Fugger an Anton von Montfort, 03.06.1583, FA 1.2.12b H. 48, pag. 117 (II/2 2333). – Christl Karnehm schlägt für die gewisesten zeittungen die Übertragung «die gewiß echten Zeitungen» vor.
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laria) war das eine; grundlegend für Fuggers Qualitätsverständnis war zweifellos jedoch ebenso die Aktualität der Nachrichten, also, wie bereits einmal zitiert, mit den Nachrichtensendungen keine alte historij präsentiert zu bekommen, außer sie ermöglichten im nachhinein durch Zusatzinformationen die Einordnung des bereits Bekannten.76 Daß die Fuggerschen Nachrichten auch in wohlinformierten Kreisen im Zweifelsfall als entscheidende Quelle galten, zeigt ein Schreiben von Hans’ Bruder Marx an den Erbprinzen Wilhelm von Bayern, der augenscheinlich von den Fuggern Klarheit zu erlangen versuchte, ob er den in München eingetroffenen Meldungen vom spanischen Königshof trauen könne: Auf Nachrichten zur Reaktion König Philipps II. auf die osmanische Eroberung der Mittelmeer-Festung La Goletta befragt, konnte Marx im Februar 1575 die Auskunft geben, dz ich mit allem fleiß vor diser zeit nachgefragt hab, wie sich der khunig auß Spania gehalten, [...] aber dz es also sy zuogangen, wie E. F. G. davon melden, ist weitt.77 Ein Bericht über die Lage in Spanien nach Auskunft Fuggerscher Quellen schloß sich unmittelbar an. Natürlich vertrauten die Fugger den bei ihnen einlaufenden Meldungen nicht blind – daher gab Hans Fugger häufig Neuigkeiten nur unter Vorbehalt oder mit deutlicher Distanz wieder, zweifelte sie gar explizit an. Dennoch war auch er nicht vor Falschmeldungen sicher. Bezeichnend für die Qualität der bei ihm ein- und auslaufenden Nachrichten ist aber, daß für hier näher untersuchte, langfristig berichtete Nachrichtenereignisse, nämlich für den spanisch-niederländischen Krieg, die Türkenkriege, Kölner Krieg und Augsburger Kalenderstreit – also insgesamt für 515 Nachrichtenmitteilungen – lediglich rund 30 auf der Basis der ausgewerteten Quellen in der Forschungsliteratur als absolute Falschmeldungen nachzuweisen waren.78 Dies kann nur eine Stichprobe mit schmaler Datenbasis darstellen, zumal sich unter den 515 Meldungen auch Einschätzungen der Lage durch Fugger befinden, die nicht als Nachrichtenfaktum im herkömmlichen Sinn gelten können und daher nicht in einen Vergleich mit der heutigen Quellenkenntnis einbezogen 76
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Vgl. Hans Fugger an Engelhart Kurz, 01.04.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3443), sowie Hans Fugger an Johann Lyresius, 04.05.1574, FA 1.2.7 H. 18 (II/1 97). Zitiert nach Christl Karnehm. – Zu Aktualität als entscheidendem Qualitätsmerkmal für Nachrichten in den Augen Hans Jakob Fuggers ein schöner Quellenbeleg bei Zwierlein: Discorso, S. 580. Vgl. Marx Fugger an Wilhelm V., 25.02.1575, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger II. Etwas großzügiger wurde verfahren, wenn Fuggers Berichte über Truppenstärken nicht extrem von den heute zur Verfügung stehenden Quellen abwichen oder wenn auch noch in der gegenwärtigen Forschung verschiedene Versionen eines Geschehens als glaubhaft gehandelt werden. Vgl. etwa Hans Fugger an Johann Rümelin, 15.07.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3279): Fugger gab 400 Reiter als Hilfstruppen des Markgrafen von Brandenburg zu Ansbach im Straßburger Bischofskrieg an, bei Ziegler: Straßburg, S. 41 sind 500 Mann verzeichnet. – Über die Ursache des Todes des spanischen Statthalters in den Niederlanden, Don Luis de Requesens, existieren heute noch verschiedene Angaben, vgl. die Vermutungen bei Parker: Strategy, S. 143 und Hans Fugger an Albrecht V., 12.03.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 754). – Zu den Falschmeldungen vgl. die Übersicht im Anhang, S. 444–448.
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werden können. Auch greifen die Briefe Fuggers, wie bereits dargelegt wurde, nur einen kleinen Teil der in den Fuggerhäusern eingegangenen Nachrichten heraus. Unter diesen Prämissen haben sich in der Stichprobe aber immerhin weniger als 7% dieser Nachrichten also als definitiv unwahr herausgestellt. Abweichungen in der Datierung von Ereignissen, etwa um ein oder zwei Tage, sind hier ebenso einbezogen wie grobe Irrtümer, beispielsweise die Nachricht von der Ermordung Wilhelms von Oranien bereits 1582 – der Attentatsversuch schlug fehl und der Oranier fiel erst zwei Jahre später einem Mordanschlag zum Opfer79 – oder die «Vordatierung» des Sieges türkischer Truppen bei Karlstadt, den Fugger schon einen Tag vor dem tatsächlichen Ereignis berichtete.80 Gerade der angebliche Tod Wilhelms von Oranien ist jedoch auch ein gutes Beispiel, daß Fugger versuchte, erhaltene Nachrichten in ihrem Wahrheitsgehalt durch Plausibilitätserweise abzusichern: Daß Oranien wirklich tot sei, hielt er nicht zuletzt deswegen für eine gesicherte Nachricht, weil er keine Meldungen über eine Stellungnahme Wilhelms zur Erhebung seines politischen Partners in den Niederlanden, Franz von Anjou, zum Herzog von Brabant vorliegen hatte.81 Zurückliegende Falschmeldungen scheinen ihn allerdings generell vorsichtiger gemacht zu haben, so daß er beispielsweise dem Gerücht über den Tod Gebhards Truchseß von Waldburg 1584 nicht ganz Glauben schenken wollte (Gott geb dz die zeutung wahr, dz Gebhardus erschlagen82). Etliches, was noch nicht sicher war und von dem vorerst nur der ruef ging, wurde von Hans Fugger entsprechend gekennzeichnet, beispielsweise Anzeichen für neue und heftigere Kämpfe mit den Türken.83 Oftmals konnte er auch nur bloße – aber als solche gekennzeichnete – Mutmaßungen weitergeben, wie etwa Spekulationen über die Auftraggeber des Mordes an Oranien.84 Bei allzu zweifelhaften Nachrichten blieb als letzte Konsequenz schließlich im Extremfall nur der Verzicht auf deren Weiterleitung: So schrieb er an seinen Neffen Wolf von
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Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 24.04.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2122) sowie an Johann Tonner, 24.04.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2124). – Daß der Mordversuch fehlschlug, wußte Fugger erst rund fünf Wochen nach der Tat mit Sicherheit, vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 30.04.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2133). – Über den tatsächlichen Tod Wilhelms dann Hans Fugger an Hans von Montfort, 03.08.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2584). Vgl. Hans Fugger an Wolf von Montfort, 18.07.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3280). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 24.04.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2124). Hans Fugger an Hans von Montfort, 18.05.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 93 (II/2 2497). Vgl. als Beispiele Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 11.07.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3278) (pag. 223: sonderlich weil der ruef geet, Ir F[ürstlichen]: G[naden]: sollen wider den Türggen hinab gen Gräz ziehen) sowie an Konrad von Bemelberg, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3298) (pag. 86: und soll der beglerbeg [Großgouverneur, d. Verf.] uß Grecia 80 U [U=Tausend, d. Verf.] man sterkh heraus khummen). – Ähnlich auch Fuggers vorsichtige Angabe von Truppenstärken im Straßburger Bischofskrieg an Johann Rümelin, 15.07.1592, FA 1.2.15b H. 87 (II/2 3279), pag. 233: dan dem [...] episcopus sollen von marggraf Georg Friedrich 400 pferd zu hilff zukh:[emmen]. (Hervorhebungen durch d. Verf.). Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 03.08.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2584).
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Montfort 1592, die Berichte aus Frankreich seien so widerwertig und ohne Grund, daß ich mir den Spott nit will uffthun, euch damit zu bemhüen.85 Einiges, was uns bei Hans Fugger als irrtümliche Meldung auffällt, ist über die Forschungsliteratur zu den jeweiligen politischen Ereignissen als unter den Zeitgenossen verbreitetes Gerücht zu erschließen, beispielsweise Fuggersche Meldungen über den angeblichen Eintritt Erzherzog Ferdinands von Tirol und Herzog Ludwigs von Württemberg in den Straßburger Bischofskrieg.86 Angesichts der vielfach verwickelten politischen Konstellationen – im Bischofskrieg beispielsweise war der Württemberger Herzog tatsächlich von der Stadt Straßburg um Waffenhilfe angegangen worden – war vielfach nicht zu differenzieren, ob das, was von Nachrichtenlieferanten als ‹wahr› ausgegeben wurde, den Tatsachen entsprach oder mit Vorsicht beurteilt werden mußte. Die Unterbrechung des kontinuierlichen Nachrichtenstroms durch Kriegsläufte war eine weitere, häufig beklagte Ursache.87 Nicht auszuschließen ist wegen fehlender Quellenbelege freilich, daß Fugger selbst manchmal aus seiner persönlichen Einschätzung heraus in seinen Schreiben eine Nachricht als sicherer präsentierte, als sie von seinem Informanten gekennzeichnet war. Manches Mal konnte Fugger es auch nicht besser wissen: Die Brieflaufzeiten, auch die Verspätungen der Postreiter oder Boten, machten eine Weiterleitung korrekter Meldungen von Zeit zu Zeit unmöglich. Wiederum bietet der Straßburger Bischofskrieg ein Beispiel: Hans Fugger berichtete am 14. November 1592 an Sebastian Roll, es herrsche Ruhe auf dem Straßburgischen Schauplatz, und vermutete den Rückzug der Truppen ins Winterlager.88 Daß jedoch schon am 7. November wieder Kämpfe ausgebrochen waren, hatte er wohl nur aufgrund der räumlichen Distanzen noch nicht erfahren, da die Brieflaufzeit zwischen Straßburg und Augsburg rund eine Woche betragen konnte.89 Dennoch bleiben etliche unzutreffende Nachrichten, deren Zustandekommen nicht so deutlich auf der Hand liegt wie in den eben geschilderten Fällen. Im nach-
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Hans Fugger an Wolf von Montfort, 10.04.1592, FA 1.2.15b H. 87 (II/2 3199). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 18.07.1592, FA 1.2.15b H. 87 (II/2 3281). Die Richtigstellung bei Ziegler: Straßburg, S. 47. – Als Gerücht kolportiert und bei Fugger als Nachricht weitergeleitet wurde 1585 auch die angebliche Flucht Philipps von Marnix, einer der führenden politischen Köpfe des niederländischen Aufstands neben Wilhelm von Oranien, vor den Spaniern aus Antwerpen, vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 14.06.1585, FA 1.2.14a H. 40 (II/2 2809). – Die Richtigstellung bei Wagenaar: Niederlande, S. 498f. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 08.04.1578, FA 1.2.9a H. 30 (II/1 1314). Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 14.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3293). – Dazu Ziegler: Straßburg, S. 89–91. Die Brieflaufzeiten zwischen Straßburg und Augsburg konnten zwar bei Einsatz eigener Boten auf 3–4 Tage reduziert werden, lagen nach Informationen der Fuggerkorrespondenz aber auch mehrfach bei rund acht Tagen, vgl. etwa Hans Fugger an Andreas Pühler, 29.04.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 992), an Rupert Lar, 17.08.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 200) [achttägige Beförderung bzw. Bearbeitung] sowie an Johann Rümelin, 27.04.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2771) [viertägige Laufzeit durch eigenen Boten].
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hinein können nur Vermutungen über ihre Herkunft angestellt werden: Hatte Fugger sich ganz schlicht auf einen wenig kompetenten Übermittler verlassen, waren er und seine Informanten gezielt gestreuten getürkten Berichten aufgesessen? Hatten Korrespondenten zu vorschnell und zu undifferenziert berichtet?
D. Außen vor: Nachrichten – nicht thematisiert oder nie geschrieben Mit gutem Grund war bislang nur von politischen Nachrichten die Rede: Sie bilden unbestreitbar den Schwerpunkt der Fuggerschen Meldungen. In ihrem gesamten Spektrum können sie nicht in die Analyse von Nachrichtenereignissen eingehen, die mit dem Unabhängigkeitskampf der niederländischen Provinzen und den Türkenkriegen die beiden besonderen Schwerpunkte der Berichterstattung Fuggers und seiner Korrespondenten behandelt. Mit den zusätzlich einbezogenen Briefen zum Kölner Krieg und zum Augsburger Kalenderstreit läßt sich verfolgen, wie die Konfliktherde immer weiter an Fugger heranrückten – bis zu seiner unmittelbaren Betroffenheit. Die Nachrichten Fuggers zur politischen Lage Polens, insbesondere zum polnischen Thronstreit, zu den französischen Religionswirren, zum Kampf Philipps II. um die Erlangung der Herrschaft in Portugal und schließlich zum Straßburger Bischofskrieg müssen hier weitgehend ausgeklammert werden, um den Rahmen der Untersuchung nicht zu sprengen. In einem eigenen Kapitel mit teilweise resümierender Funktion wird hingegen Fuggers Berichterstattung zu den Reichstagen, zur Arbeit des Reichskammergerichts und zur kaiserlichen Politik insgesamt aufgenommen. Keine Berücksichtigung dagegen finden ‹punktuelle› Nachrichtenereignisse, die Biographiefragmente aus dem Leben hochgestellter kaiserlicher Würdenträger oder bekannter Höflinge in München oder Prag spiegelten, also Eheschließungen, Todesfälle, auch Hoffeste und ähnliches.90 Ein Bereich, der über die Kommunikationsgeschichte hinaus zweifellos eine wichtige Quelle zur Umwelt- und Medizingeschichte darstellt, sind Klimabeobachtungen Fuggers, persönlich erstellte ‹Wetterberichte› sozusagen, die auch Meldungen zu den Konsequenzen für die Ernteerträge enthalten, sowie die Nachrichten zur Verbreitung von Epidemien, die er mit seinen Korrespondenzpartnern austauschte.91 Ungünstige Witterung beeinflußte ja nicht nur den Verkehr und damit auch Warenverkehr und Brieftransport, sondern hatte insbesondere durch Mißernten gewaltige
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Beispiele sind der Bericht über den Tod des Hans Truchseß von Waldburg, vgl. Hans Fugger an Jörg von Monfort, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1158) oder die Hochzeit des herzoglich bayerischen Stallmeisters Johann Baptist von Guidobon, dazu Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 19.11.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1773). Klimatische Beobachtungen liegen in 91 Briefen vor, zu Epidemien finden sich Nachweise in 71 Briefen. Zu den Epidemien, etwa der Pest, und dem Nachrichtenwert insbesondere für Kriegsleute auch kurz Karnehm: Regesten I, S. 43*f.
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wirtschaftliche Auswirkungen, über die Fugger mehrfach berichtete.92 Durch die Verhängung von Quarantänezeiten, welche die Krankheitsverbreitung eindämmen sollten, wurden Reise-, Güterverkehr und Wirtschaftsleben ebenfalls immer wieder stark behindert.93 Eine nähere Betrachtung im Rahmen dieser Arbeit mußte jedoch ebenfalls unterbleiben. Berichte über die Wirtschaftslage im Reich und in Europa sind in nur etwas mehr als 1% aller überlieferten Briefe enthalten und somit ausgesprochen selten; auch wenn man den Anteil von wirtschaftlicher Berichterstattung allein an den Nachrichtenbriefen Fuggers errechnet, ergibt sich mit einem Anteil von knapp 5% eine deutliche Nachordnung hinter politischen Nachrichten (72% der Nachrichtenbriefe) und Personennachrichten (47%).94 Berücksichtigt man allerdings den Adressatenkreis, der mit Fugger in erster Linie über Nachrichten korrespondierte, so ist es verständlich, wenn zeittungen zur Wirtschaftslage nur ein Randphänomen darstellen: Faktoren und Agenten des Fuggerschen Handels rangierten unter den wichtigsten Nachrichtenkorrespondenten als Gruppe erst weit hinter den Militärs und den Inhabern von Hof- und Reichsämtern, an die zusammen nahezu ein Drittel aller Schreiben mit Nachrichten als Briefinhalt ging.95 Wie bereits angemerkt, war die Korrespondenz des aigen copierbuechs nicht schwerpunktmäßig mit den Angelegenheiten des Fuggerschen Handels beschäftigt und von der Geschäftskorrespondenz im engeren Sinn getrennt. Von daher entfiel beispielsweise für Fugger und seine Adressaten die Notwendigkeit, sich in größerem Umfang über aktuelle Wechselkurse auszutauschen, wie sie beispielsweise in den Fuggerzeitungen des Philipp Eduard und Octavian Secundus Fugger notiert wurden.96
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So etwa Hans Fugger 1586 über witterungsbedingte Ernteausfälle und steigende Preise an Wilhelm Locher, 05.07.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2980) sowie an Veronika von Spaur, 28.06.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2986). Ein Beispiel ist die rigorose Seuchenpolitik Bayerns 1592, durch die der Warenverkehr zwischen Augsburg und dem Herzogtum ins Erliegen kam, vgl. Hans Fugger an Konrad von Bemelberg, 11.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3292) und an Anton von Montfort, 04.12.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3306). – Über Quarantänemaßnahmen bzw. Gebietsabsperrungen, insbesondere in Italien, berichtete Fugger mehrfach, so auch an Hans von Sologast, 14.09.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2886) sowie an Bernhart Mezger, 26.12.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3321). Insgesamt waren nur 51 Nachrichten zur Wirtschaftslage zu eruieren. – Anmerkungen Fuggers, daß einem Kreditgesuch nicht stattgegeben werden könne, weil die (wirtschaftlichen) Zeiten gerade so schlecht seien, waren nicht eben selten, ausgesprochen allgemein formuliert und eng mit der Zielsetzung verbunden, einen Darlehenswunsch abzuwehren, weshalb sie hier nicht zur wirtschaftlichen Berichterstattung gezählt werden. Beispiele hierzu im Kapitel «Mercatoria», zweiter Teil, Kap. II., B., S. 94–99. 310 Nachrichten-Briefe gingen an die Personen in Hof- und Reichsdiensten, 251 an Kriegsleute und 129 an Faktoren und Agenten. Angehörige der Kaufmannschaft, die nicht beim Fuggerschen Handel angestellt waren, erhielten lediglich 16 Briefe, in denen von zeittungen die Rede war. Zu Anlage und Bestimmung der Kopierbücher vgl. im ersten Teil Kap. II. Zu Kursberichten in den Fuggerzeitungen Kempter: Fuggerzeitungen, S. 95–98.
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Nachrichten der Kopierbücher zur wirtschaftlichen Lage waren zumeist in die allgemeine Berichterstattung zu bestimmten Schauplätzen eingebettet, so etwa in Fuggers Meldungen zur Erhebung der Niederlande gegen Philipp II., da der Krieg Handel und Geldgeschäfte – auch mit Auswirkungen für die Fuggerfirma – bald empfindlich beeinträchtigte,97 oder sie bildeten eine erklärende Zusatzinformation, wenn Hans Fugger in geschäftlichen Angelegenheiten seiner Adressaten um Rat angegangen wurde.98 Wenn Fuggers Korrespondenzpartner Neuigkeiten zu Handel und Gewerbe beizusteuern hatten, so handelte es sich um Personen aus dem Wirtschaftsleben, zum Beispiel David Ott in Venedig oder um hohe Funktionsträger. Auch der Oberst Sebastian Roll in Genua konnte durch seine Meldungen über Geschehnisse direkt vor Ort, vor allem mit seinen Neuigkeiten über Kornlieferungen der Hanse nach Italien im Jahr 1592, zur Information Fuggers beitragen.99 Entsprechend der oben erwähnten Struktur des Adressatenkreises agierte allerdings meist Fugger als Sender von Wirtschaftsmeldungen. Mit der Orientierung Fuggers an den Informationsbedürfnissen seiner Korrespondenzpartner läßt sich eine Beobachtung zum Themenspektrum der Nachrichtenbriefe allerdings nicht so ohne weiteres verbinden: Nur 23 Briefe insgesamt handeln von Meldungen, die in den Bereich der Wundernachrichten oder Sensationsberichte eingeordnet werden können. Zu den spektakulärsten Beispielen gehören die Briefe über eine portugiesische Nonne mit den Wundmalen Christi,100 oder Berichte über Kometen und andere Himmelserscheinungen, die den zeitgenössischen Vorstellungen entsprechend als göttliche Zeichen für bevorstehendes
Beispiele hierfür sind die Briefe Hans Fuggers an Wilhelm V., 19.02.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 917) sowie an Herzog Ernst von Bayern, 10.12.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 1011) [beide zur wirtschaftlichen Lage in den Niederlanden], genauso ein Schreiben an Johann Tonner, 06.12.1586, FA 1.2.14b H. 66 (II/2 3108) [Teuerung und Verarmung der Augsburger Bevölkerung]. 98 Vgl. Hans Fugger an Christoph Rosenbusch, 10.06.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1033) [Fuggers Einschätzung zum Verkauf von Silberwaren Rosenbuschs] oder sein Brief an Christoph Tanner, 14.06.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1341) [Fuggers Ratschläge zur Wahl von Kapitalanlagen zu möglichst hohen Zinssätzen bei der derzeitigen Entwicklung auf dem Kapitalmarkt]. 99 Vgl. Hans Fugger an David Ott, 12.05.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 822) [Nachrichten Otts zur Situation auf dem italienischen Finanzmarkt]. Unter den Briefen an Roll zum Korntransfer nach Italien sind insbesondere hervorzuheben die Schreiben Fuggers vom 01.02.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3132) und vom 04.03.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3192). Besonders der Brief an Roll vom Februar belegt, wie sich verschiedene Nachrichtenquellen Fuggers ergänzten, da der Oberst in Genua ganz offensichtlich nicht der einzige war, von dem Fugger über die Getreidelieferungen wußte, weshalb er im Brief die Nachrichtenmeldungen seiner verschiedenen Quellen kontrastierte. 100 Von der stigmatisierten Nonne handeln allein sieben Briefe (II/2 2980, 2982, 2984, 2993, 2994, 2995, 3007); Fugger sammelte Nachrichten von verschiedenen Orten, beispielsweise von seinem Angestellten Wilhelm Locher in Spanien, und gab diese Neuigkeiten an Wilhelm V. von Bayern und Johann Tonner in Prag weiter. Vgl. v.a. Hans Fugger an Wilhelm Locher, 05.07.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2980) sowie an Wilhelm V., 25.06.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2982). 97
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Unheil gedeutet wurden.101 Auch Berichte über aufsehenerregende Kriminalfälle, beispielsweise im Zusammenhang mit der Hinrichtung des vorgeblichen Goldmachers Marvedis bei München, haben im Briefwechsel Fuggers Seltenheitswert.102 Die geringe Zahl derartiger Funde in der Korrespondenz des Augsburger Kaufherren ist bemerkenswert, und gerade im Blick auf die angenommenen göttlichen Zeichen, die Fuggers Zeitgenossen nicht eben selten entdeckten oder zu entdecken meinten, und die auch in der zeitgenössischen Druckliteratur äußerst stark rezipiert wurden, ist dies hervorzuheben, zumal die typische religiöse Ausdeutung derartiger Erscheinungen grundsätzlich auch von Hans Fugger geteilt wurde.103 Fugger gibt in seinen Briefen keinen Hinweis darauf, daß derartige Meldungen häufiger Gegenstand seiner Nachrichtenbeilagen waren und deshalb nicht eigens von ihm in seinen Schreiben erwähnt werden mußten. Bei der Vielzahl und dem unterschiedlichen Hintergrund seiner Korrespondenzpartner ist allerdings auch nicht damit zu rechnen, daß er mit Rücksicht auf die spezifischen Interessen seiner Adressaten auf die Mitteilung solcher Nachrichten verzichtete. Vielmehr liegt der Schluß nahe, daß ihm die Weiterleitung solcher Neuigkeiten kein zentrales Bedürfnis im Rahmen seines Nachrichtentransfers war, daß also die Berichterstattung zu politischen Themen im Vordergrund zu stehen hatte und Sensationelles nur in Ausnahmefällen seinen Platz hatte. Eine Bemerkung gegenüber Herzog Wilhelm V. kann in die Richtung einer solchen Rangfolge deuten: ein gedruckht tractettlen des jezigen cometen schickte er dem Herzog 1573 in gebrech anderer zeittungen – weil er also sonst nichts zu berichten hatte und also wohl zumindest ‹irgendetwas› an den Herzogshof liefern wollte, behalf er sich mit einem Kometentraktat, das aus Paris an ihn gelangt war.104 Vielleicht war im Zusammenhang mit den oftmals berichteten spektakulären Naturerscheinungen auch des öfteren gesunde Fuggersche Skepsis im Spiel, wollte er doch zunächst Meldungen über ein Mirakel zu Wittenberg angesichts der Existenz verschiedener Ereignis-Versionen nicht für bare Münze nehmen; als dann jedoch sein ehemaliger Präzeptor Tonner ebenfalls darüber berichtete, hielt er das Geschehen für ausreichend beglaubigt.105 Es zeigt sich also
1573 sandte Fugger Wilhelm V. ein Traktat aus Paris über den jüngst beobachteten Kometen, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 23.01.1573, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. 1578 berichtete er über eine Himmelserscheinung in Berlin, so im Schreiben an Nikolaus Elgard, 28.07.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1377). 102 Über Marvedis Fuggers Berichte in den Briefen an Sebastian Roll, 14.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3293) sowie an Konrad von Bemelberg, 20.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3295). 103 Bezeichnend ist hier ein Brief Fuggers an Christoph Tanner vom 29.12.1578, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1427): Tanner hatte allem Anschein nach einen Druck über die Erscheinung eines Regenbogens zusammen mit drei Sonnen geschickt, was Fugger mit der Bemerkung kommentierte, Gott schicke doch täglich solche Zeichen, ohne daß sich die Menschen besserten. – Zum allgemeinen Interpretationsrahmen vgl. Delumeau: Angst, bes. S. 313–356, sowie Lorraine Daston, Katharine Park: Wunder und die Ordnung der Natur 1150–1750. Frankfurt/M. 2002 (Originaltitel: Wonders and the Order of Nature 1150–1750. New York 1998.), bes. S. 214f. 104 So Hans Fugger an Wilhelm V., 23.01.1573, GHA Korrespondenz-Akten Fugger I. 105 Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 05.02.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2916). 101
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hier insgesamt eine recht pragmatische, auf nüchterne Themen ausgerichtete Art der Berichterstattung, die vor Aspekten des Wunder- und Prodigienglaubens, der Fugger gleichwohl nicht fremd war, die Oberhand behielt.
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IV. Zentrale Nachrichtenthemen, ihre Präsentation und ihre Rezipienten
A. Der niederländische Aufstand in den Briefen Hans Fuggers 1. Das Interesse am niederländischen Aufstand als Nachrichtenthema Von Beginn an war der «Achtzigjährige Krieg» mehr als ein lokal zu begrenzender Konflikt zwischen Landesherr und Untertanen. Dafür sorgte zum einen die Reichszugehörigkeit der niederländischen Provinzen: Waren sie auch ein ‹Randbezirk›, der nicht an die Rechtsprechung des Reichskammergerichts angebunden und auch nicht in den Augsburger Religionsfrieden einbezogen war, so hielten sie doch zahlreiche politische, dynastische und ökonomische Verbindungen ins Reich. Zusammen mit den militärischen Auswirkungen des Konflikts – Truppenwerbungen und -durchmärsche, Flüchtlingsbewegungen, sogar Einquartierungen, Kämpfe und Plünderungen auf Reichsgebiet – sorgte dies dafür, daß der Aufstand in den Niederlanden für die Bewohner des Reiches von unmittelbarer Bedeutung war, nicht zuletzt wegen der konfessionellen Problematik, die den Konflikt seit seinen Anfängen wesentlich mitbestimmte. Von daher verwundert auch nicht der reiche publizistische Nachhall, den die Rebellion in deutschsprachigen Flugblättern und Flugschriften fand. Für die Fugger bedeuteten die Kämpfe in den Provinzen eine enorme Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Interessen; mit 378 Briefen, die über den Konflikt berichten oder zumindest Nachrichtenbeilagen hierzu weiterleiten, handelt es sich um das mit Abstand am häufigsten besprochene Nachrichtenthema der
Zur Verbindung Niederlande und Reich vgl. Arndt: Reich und Niederlande, bes. S. 32–41, Mout: Niederlande und Reich, Press: Wilhelm von Oranien, hier S. 681–685. Vgl. dazu Arndt: Reich und Niederlande, S. 97–110. Zur Bedeutung der konfessionellen Frage im Niederländerkrieg vgl. die zusammenfassende Darstellung von Olaf Mörke: ’Konfessionalisierung’ als politisch-soziales Strukturprinzip? Das Verhältnis von Religion und Staatsbildung in der Republik der Vereinigten Niederlande im 16. und 17. Jahrhundert. In: Tijdschrift voor Sociale Geschiedenis 16 (1990), S. 31–60. – Zur Publizistik vgl. zusammenfassend Arndt: Reich und Niederlande, S. 213–293. Ein Einzelbeispiel der Publizistik im Reich bei Walter Stempel: Zeitungen aus Wesel unterstützten den Aufstand der Niederlande. Ein Beitrag zur Geschichte des Weseler Buchdrucks im 16. Jahrhundert. In: Monatshefte für evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 37/38 (1988/89), S. 363–371.
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gesamten Korrespondenz. Antwerpen, Zentrum des europäischen Handels- und Bankenwesens, war mehrfach hart umkämpft und wurde im Jahr 1576 Opfer des Plünderns und Mordens spanischer Söldner. Diese berüchtigte «Spanischen Furie» fiel auch in die dortige Fuggersche Niederlassung ein. Marodeure preßten der Faktorei 11.000 Kronen ab, und der eigene Verwandte Carl Fugger, Offizier Spaniens in den Niederlanden, spielte in diesem Zusammenhang eine äußerst unrühmliche Rolle. Die insbesondere für die Tätigung von Wechselgeschäften so wichtige Fuggerfaktorei an der Schelde mußte aufgegeben und nach Köln verlegt werden. Verkehr und Handel wurden aber bereits vor 1576 durch die Unsicherheit der Straßen in den Kriegs- und Aufmarschgebieten, durch Blockaden und Raubzüge der Aufständischen zur See sowie Handelsverbote durch Alba (mit England) nachhaltig gestört. Noch schwerer wogen die direkten finanziellen Belastungen, die sich für das Bankhaus durch Kredite an Philipp II. bzw. an seine Heerführer ergaben. Die chronische Finanznot der spanischen Monarchie wurde durch die jahrzehntelange militärische Auseinandersetzung mit den aufständischen Provinzen drastisch verschärft: Die oftmals nur schleppend und mit langer Verzögerung erfolgende Versorgung der Truppen und Auszahlung des Soldes war ein entscheidender Faktor für die Meutereien und Plünderungen der angeworbenen Landsknechte. Je länger also der Konflikt andauerte, desto höher wurden auch die Lasten für die Fuggersche Familiengesellschaft. Ein recht frühes Beispiel zeigt, wie sehr Hans und Marx Fugger sich auf Spaniens Wohl und Wehe und damit auch auf die kontinuierliche Berichterstattung über das Geschehen in den Niederlanden angewiesen sahen: Hans schrieb 1569, also noch in der ersten Aufstandsphase an Marx, der sich wegen persönlicher Verhandlungen mit dem Kaiser 1569 in Wien aufhielt: [...] derweil du daniden [in Wien] etwa nit so wol, als ich hioben die leuff wissen kannst, müsse Hans ihm über die aktuellen Entwicklungen im Krieg Spaniens gegen seine aufständischen niederländischen Provinzen berichten – die Lage gestatte den Brüdern keine zusätzlichen Kredite. Nicht nur der erwähnte Informationsvorsprung am Standort Augsburg, sondern auch die umgehende Umsetzung
Die Türkenkriege, das Nachrichtenereignis, das am zweithäufigsten thematisiert wurde, wurden dagegen nur in 169 Briefen behandelt. Die Rolle Antwerpens in der europäischen Wirtschaft des 16. Jahrhunderts zusammenfassend dargestellt bei Michael North: Kommunikation, Handel, Geld und Banken in der frühen Neuzeit. München 2000 (Enzyklopädie deutsche Geschichte 59), S. 14. Vgl. die grundlegende Charakterisierung bei Israel: Dutch Republic, S. 116–119. Zur Plünderung der Faktorei durch die «Spanische Furie» in Antwerpen vgl. Ehrenberg: Fugger, S. 181 sowie Häbler: Spanien, S. 166. Vgl. hierzu Häbler: Spanien, S. 172. Vgl. Mout: Niederlande und Reich, S. 158, zusammenfassend zum Handel sowie speziell zum englisch-niederländischen Handelsverbot George Daniel Ramsay: The Queen’s Merchants and the Revolt of the Netherlands. Manchester 1986 (The End of the Antwerp Mart 2). Vgl. Hans Fugger an Marx Fugger, 09.04.1569, FA 1.2.5 H. 9, fol. 36v (I 411).
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der Nachrichten in wirtschaftliche Entscheidungen erfahren hier eine deutliche Bestätigung.10 Schon 1572 hatte Philipp II. um ein Darlehen über eine Million Dukaten nachgesucht, und ab 1575 verschlechterte sich die finanzielle Lage der Krone nochmals erheblich: Philipp erklärte zum zweiten Mal nach 1557 den Staatsbankrott – gleichzeitig war er dringend auf ‹frisches Geld› zur Erledigung der ausstehenden Soldzahlungen angewiesen. Die drohende Einbeziehung in den Staatsbankrott vor Augen, halfen die Fugger aus und leisteten allein von Oktober 1575 bis März 1577 Zahlungen von über einer Million Escudos. Hierbei handelte es sich um kurzfristig aufzubringende Wechselsummen, für die der Gemeine Handel selbst unter schwierigen Bedingungen Kredite aufnehmen mußte.11 Nicht zuletzt, weil die Pacht der Maestrazgos und Quecksilbergruben von der Krone Spaniens unverzichtbare Einkünfte des Fuggerschen Handels ausmachten, schien es geraten, den Wünschen der Krone weiterhin nachzukommen.12 Gleichzeitig geriet das Bankhaus von 1578 bis 1584 durch die Ausbezahlung der Söhne Georg Fuggers in beträchtliche finanzielle Schwierigkeiten.13 Wie die Briefe Hans Fuggers belegen, war die Familiengesellschaft dem spanischen Königshaus mit erheblichen Summen kontinuierlich weiter zu Diensten, z.B. mit Krediten in die Niederlande für das Heer des spanischen Gouverneurs Alexander Farnese in den 1580er Jahren.14 Recht persönliche Beziehungen zum niederländischen Kriegsschauplatz schufen über die Faktorei in Antwerpen hinaus Fuggers Kontakte zu Philipps Heerführern in den Niederlanden, die sich nicht nur auf Carl Fugger beschränkten, mit
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Von dieser Beobachtung aus, die im Kapitel zu den Türkenkriegs-Nachrichten durch vergleichbare Belege ergänzt werden soll (S. 216, 229), scheint es mir erforderlich, bei handgeschriebenen Nachrichten der Fugger sorgfältig die Interessen der verschiedenen Mitglieder der reich verzweigten Familie zu unterscheiden. Für handgeschriebene Zeitungen Ulrich und Hans Jakobs Fuggers hat die Auffassung, die Nachrichten der Fugger hätten nicht primär wirtschaftlichen Belangen gedient, ihre Berechtigung (vgl. Zwierlein: Discorso, S. 607). Für Hans und Marx Fugger gelten aufgrund ihres geschäftlichen Engagements andere Bewertungsmaßstäbe. Von den Forschungen Oswald Bauers, Augsburg, wird weiterer Aufschluß über die Funktion der Wiener Fuggerzeitungen Philipp Eduard und Octavian Secundus Fuggers zu erwarten sein (Dissertationsprojekt). Vgl. im ersten Teil Kap. I., B. und Fuggers Brief an Pompeio Lombardo, 15.05.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2782). Vgl. hierzu Häbler: Spanien, S. 159–167 sowie Ders.: Die Finanzdecrete Philipps II. und die Fugger. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 11 (1894), S. 276–300, hier 287–290. S. auch Ehrenberg: Fugger, S. 179–181 sowie Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 56, 69. Vgl. hierzu Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 57. Vgl. etwa die detaillierten Angaben im Brief an Leonhart von Harrach, 14.03.1579, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1468) [279.000 fl für Spanien]; gegenüber Carlo Magno gestand Fugger den Einsatz des Privatvermögens der Fugger zur Finanzierung der Kredite an Philipp II. ein, vgl. den Brief vom 22.11.1586, FA 1.2.14b H. 66 (II/2 3102), bei Ludwig Haberstock trieb Fugger die Kredittilgung mit dem Hinweis auf den nächsten Großkredit für Spanien ein, vgl. den Brief vom 19.11.1586, FA 1.2.14b H. 66 (II/2 3097).
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dem Hans wegen finanzieller Streitigkeiten ohnehin in Konflikt stand.15 So war Ott Graf von Eberstein, ebenfalls Obrist in spanischen Diensten, der Bruder einer Schwägerin Hans Fuggers.16 An der Lage von Obristen und Hauptleuten mußte Fugger allein schon deswegen interessiert sein, weil er häufig ihr Gläubiger war bzw. den Kauf von Waffen vermittelte. Darüber hinaus konnten Kontakte zu ihnen unter Umständen auch erstrangige Informationen bedeuten.
2. Nachrichtenpraxis und Nachrichtenspektrum a) Schwerpunkte der Berichterstattung Um einen Überblick zu den berichteten Ereignissen zu schaffen, wurde, inspiriert durch die Methode der Inhaltsanalyse, für die Darstellung von Kriegsereignissen in der Fuggerkorrespondenz eine Einteilung in insgesamt zwölf Ereigniskategorien vorgenommen.17 Bei der Differenzierung der Ereignisse in einzelne Kategorien, die wir aufgrund der Quellenlage stets nur aus den Briefen Fuggers erschließen, lassen sich Mehrfachzuordnungen, etwa zur Kategorie «Lagebericht» und «Personennachricht» gleichzeitig, nie völlig vermeiden; dennoch wurde versucht, die Einteilung so klar wie möglich vorzunehmen und doppelte Nennungen eines Ereignisses gering zu halten. Unter den insgesamt zwölf Ereigniskategorien gibt es eine sehr deutliche Hierarchie: Von den gut 40018 berichteten Ereignissen gehören mehr als 20% zur Kategorie der Kampfhandlungen; zusammen mit den Berichten über Rüstungsmaßnahmen und Truppenbewegungen machen Nachrichten über militärische Maßnahmen damit 40% aller Ereignisberichte aus. Wenn man nun einbezieht, daß auch die ca. 20% Lageberichte, die den Entwicklungsstand des Konflikts – z.B. die momentanen Gebietsgewinne auf beiden Seiten – manches Mal eng mit militärischen Maßnahmen zusammenhängen, so sind Fuggers Meldungen zum niederländischen
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Vgl. hierzu Hans Fugger an Carl Fugger, 01.06.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 438): Carl Fugger bat Hans um Kredite, was dieser aber mit Hinweis auf die Familienzwistigkeiten mit dessen Vater Hans Jakob Fugger abschlug. Zu Eberstein vgl. die biographische Notiz bei Karnehm: Regesten I, S. 83 (zu I 185). Seinen Dienst für Philipp beleuchtet Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 45f. Die Kategorien im einzelnen: 1) Kriegsrüstung, 2) Truppenbewegung, 3) Kampfhandlung, 4) Koalitionen, 5) Verhandlungen, 6) Lagebericht, 7) Personennachricht, 8) Krieg und Wirtschaft, 9) Krieg und Zivilbevölkerung, 10) Söldnerschicksal, 11) Ständeversammlung, 12) Innenpolitik der kriegführenden Mächte. Der Zuschnitt der Kategorien hat von der Inhaltsanalyse der ersten Zeitungen durch Thomas Schröder profitiert, vgl. Ders.: Die ersten Zeitungen. Textgestaltung und Nachrichtenauswahl. Tübingen 1995, S. 143–167. – Zu den Grundlagen der Inhaltsanalyse vgl. Norbert Ohler: Quantitative Methoden für Historiker. Eine Einführung. München 1980 sowie Werner Herkner: Inhaltsanalyse. In: Jürgen Koolwijk, Maria von Wieken-Mayser (Hg.), Techniken der empirischen Sozialforschung, Bd. 3. München, Wien 1974, S. 158–191. Ein Brief umfaßt unter Umständen eine ganze Reihe von Einzelmeldungen, die jeweils verschiedenen Ereigniskategorien angehörten. Daher übersteigt die Anzahl der Einzelmeldungen die Anzahl der Briefe zur niederländischen Erhebung.
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Aufstand deutlich von der militärischen Perspektive auf das Geschehen dominiert. Hinzu kommen 12% der Meldungen, in denen einzelne Personen im Mittelpunkt stehen, von ihrer Tendenz her eher abgelöst vom militärischen oder politischen Handeln. Hierher gehören z.B. Berichte über Albas Abschied von den Niederlanden oder die Reise des neuen Statthalters Erzherzog Ernst nach Brüssel, solange sie nicht unmittelbar in eine Bewertung der politischen Situation eingebettet sind. Gut 8% der Ereignisberichte widmen sich Verhandlungen zwischen Aufständischen und Spaniern, z.B. auf den Konferenzen zu Breda 1575/76. Die restlichen knapp 20% aller Berichte verteilen sich auf Meldungen über die verschiedenen Koalitionsmöglichkeiten und Bündnisse während des Kriegs, insbesondere auf der Seite der Aufständischen, auf das Schicksal der permanent unterbezahlten und unterversorgten Söldner, auf Auswirkungen des Krieges auf Zivilbevölkerung und Wirtschaft, und schließlich Versammlungen der niederländischen Stände und innenpolitische Einzelereignisse. Die folgende nähere Untersuchung der Kommentare Fuggers zum niederländischen Aufstand und seinen Protagonisten sind daher von dieser Schwerpunktsetzung der militärischen Perspektive dominiert.
b) Kommentierung von Nachrichten Fuggers Zugang zu den Nachrichten vom niederländischen Aufstand ist ausgesprochen engagiert. Für die inhaltliche Analyse wurde den angesprochenen Hauptkategorien als Unterkategorie Vorhandensein und Art der Kommentierung zugeordnet.19 Etwa 60% aller Meldungen in seinen Briefen sind kommentierte Nachrichten, die mehr wiedergeben als bloße Fakten. Rund zwei Drittel dieser Kommentare entfallen auf kritische Stellungnahmen zu den Maßnahmen der Kriegsparteien. Hans Fugger war es also um eine Wertung des Geschehens, nicht nur um die nüchterne Weitergabe von Tatsachen zu tun; er sah sich insgesamt nicht nur als den Lieferanten von Neuigkeiten, sondern präsentierte und repräsentierte auch Meinungen. Diese Haltung zeugt von einem souveränen Umgang mit dem Nachrichtenmaterial – wer kommentiert, ist eben, wie noch zu zeigen sein wird, zum einen mehr als der neutrale Dienstleister und Nachrichtenagent, und muß zum anderen auch auf den persönlichen Standpunkt seiner Adressaten, auf deren Position in ihren eigenen Beziehungsnetzen, Rücksicht nehmen. Kennzeichnend für Fuggers Weltverständnis ist der überaus häufige Bezug auf göttliches Wirken im Zusammenhang mit dem Geschehen in den Niederlanden, und dies durchaus schon in der Frühzeit des Aufstands. Das Spektrum reicht von der Ergebung in den göttlichen Willen – Der Allmechtig schick ferrer was gut und zu seinem lob mecht sein20 – über die Hoffnung auf himmlischen Beistand – Gott
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Zur Kategorisierung vgl. Winfried Schulz: Inhaltsanalyse. In: Elisabeth Noelle-Neumann u.a. (Hg.): Publizistik, Massenkommunikation. Frankfurt/M. 51999, S. 41–63, hier 57. Hans Fugger an Ludolf Halver, 04.08.1568, FA 1.2.5 H. 8, fol. 69r (I 282).
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verleih gnad auff unnser seitten21 – und sein Zutun zu einem baldigen Kriegsende: Gott der Herr wöll hernach [...] disen khrieg schier ain ennd geben.22 Die Spanier träten schließlich für das rechte creuz23 ein, und so wird auch das, was auf den ersten Blick der spanischen Sache nicht günstig erscheint, als Teil eines göttlichen Plans interpretiert, der auf jeden Fall der Partei Philipps II. gewogen sei. Ein Beispiel ist ein fehlgeschlagenes Attentat auf Wilhelm von Oranien im Jahr 1582: Der prinz von Orangien soll wider gerathen, den will unser Herrgott villeicht noch zu merer straff vorbehalten haben.24 Mit der Auffassung vom göttlichen Eingreifen und dem steten Walten des göttlichen Plans im täglichen Leben ist Fugger ganz ein Kind seiner Zeit – wenn auch vielleicht nicht in so ausgeprägtem Maße wie Philipp II. von Spanien, dessen Glaube an das göttliche Wirken und seine Rolle als «God’ s lieutenant»25 nach Geoffrey Parker Selbstbild und Politik des spanischen Königs maßgeblich geprägt hat. Zugleich sind diese emotional gefärbten Ausrufe auch Hinweis auf die lebendige Sprache, die noch in zahlreichen Briefzitaten begegnen wird: Angereichert mit Vergleichen und Metaphern, ohne eine bewußte Stilisierung wurden hier die nach Fugger zentralen Ereignisse des niederländischen Konflikts dargestellt – allerdings bei weitem nicht ohne Bezug auf die eigene Situation und die des Handels, die hier ja empfindlich mitbetroffen waren.26
3. Fuggers Hauptkorrespondenten zum niederländischen Aufstand Trotz der Dominanz der militärischen Perspektive war der briefliche Kontakt zu Militärs als Fuggers Informationsbasis für den Krieg in den Niederlanden nicht ausschlaggebend: Überhaupt erwähnt Fugger nur in 23 von seinen 378 Briefen über den Aufstand in den Provinzen, daß die jeweiligen Nachrichten von seinen Korrespondenzpartnern stammten. In erster Linie war es nämlich Hans Fugger, der Meldungen über den aktuellen Stand im niederländisch-spanischen Konflikt an seine Adressaten weitervermittelte. Was also in seiner Korrespondenz an Nach21
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Hans Fugger an Herzog Albrecht von Bayern, 16.04.1569, FA 1.2.5 H. 9, fol. 38v (I 415). Hans Fugger an Ludolf Halver, 07.04.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 521 (I 963). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 08.11.1572, FA 1.2.5 H. 13, pag. 318 (I 868) sowie Hans Fugger an Johann Tonner, 20.04.1585, FA 1.2.14a H. 59, pag. 329 (II/2 2755). Hans Fugger an Anton von Montfort, 07.04.1582, FA 1.2.12a H. 44, pag. 212 (II/2 2110). Parker: Strategy, S. 113. Zur «messianic vision» Philipps II. und der Einbettung dieser Haltung in das frühmoderne Denken insgesamt vgl. insbesondere Geoffrey Parker: The World is Not Enough. The Imperial Vision of Philip II of Spain. Waco 2001 (Charles Edmondson Historical Lectures 22), bes. S. 28–37. Vgl. hierzu auch Delumeau: Angst, S. 313–356. Zur Charakterisierung der Sprache Fuggers auch Karnehm: Regesten I, S. 21*f. Karnehms generelles Urteil von einer unstilisierten Sprache Fuggers ist allerdings im Hinblick auf die Anwendung brieftheoretischer Formeln zu widersprechen; dazu ausführlich im vierten Teil, S. 323–329.
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richten über die Kämpfe in den Provinzen faßbar ist, sind ganz überwiegend die Nachrichten, die er aus anderen Quellen auf dem Briefweg an die Personen seines Korrespondenznetzes weiterverteilte. Zu den wenigen Informanten unter seinen Korrespondenten, für die allesamt nur vereinzelte Informationen an Fugger nachweisbar sind, gehörten nur zwei Kriegsleute, nämlich Albrecht von Lodron und Cornelius von End, Heerführer Spaniens in den Niederlanden und damit zweifellos bestens über die Lage vor Ort informiert.27 Auch fürstliche Räte und Gesandte steuerten einige Nachrichten bei: Dr. Ludolf Halver, bayerischer Rat und zeitweise in politischer Mission in den Niederlanden, war ein Nachrichtenlieferant ersten Ranges, empfing er doch Pensionszahlungen vom spanischen König und pflegte ein vertrautes Verhältnis mit wichtigen Amtsträgern Philipps II.28 Ludwig Haberstock, herzoglich bayerischer Sekretär und 1585 bis 1587 in den Niederlanden, gab ebenso Informationen an Fugger weiter.29 Mit Camillo Caetano, päpstlicher Nuntius und Bischof von Vercelli, stand Fugger nachweislich in Briefkontakt, der jedoch nicht in den Kopierbüchern verzeichnet ist.30 Einen Brief Caetanos, der sich nach Auskunft Fuggers 1586 bei Alessandro Farnese in den Niederlanden aufhielt, nennt Fugger gegenüber Johann Tonner sogar als Beleg für Berichte über strategische Pläne des Herzogs von Parma gegen die Aufständischen.31 Punktuell konnte der Fuggersche Syndicus Dr. Lucas Geizkofler von Wien aus über eine neue kaiserliche Friedensinitiative berichten32 und der Posthalter Joseph de Calepio, der durch sein Amt ja stets Boten mit den neuesten Nachrichten begegnete, bestätigte Nachrichten über die «Spanische Furie» in Antwerpen.33 Aus der eigenen Umgebung konnte Fugger schließlich selbst manche Neuigkeiten zur Aushebung von Truppen für die Niederlande beisteuern. Im Herzogtum Bayern, oft in unmittelbarer Nähe von Augsburg, wurden mehrfach Musterungen für neue Söldner Spaniens durchgeführt,34 und so wußte Hans Fugger rasch über die Stärke der auszuhebenden Truppen, die befehlshabenden Obristen bzw. Hauptleute und Probleme der Finanzierung oder Werbung Bescheid. Wenn Fugger vermerkt, daß Obristen und Hauptleute zur Musterung «hier» gewesen seien, so dürfte es sich
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Vgl. Hans Fugger an Albrecht von Lodron, 16.09.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 115) sowie an Cornelius von End, 15.03.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 379). Zu Halver und seiner Verbindung zur spanischen Krone vgl. Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 136f., 141f. Der Brief Fuggers an Halver datiert vom 07.04.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 963). Vgl. Hans Fugger an Ludwig Haberstock, 30.01.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2909). Vgl. Hans Fugger an Carl Cron, 27.02.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2926). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 19.07.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3007). Vgl. Hans Fugger an Lucas Geizkofler, 05.03.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3431) sowie Hans Fugger an Sebastian Roll, 05.03.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3432). Vgl. Hans Fugger an Joseph de Calepio, 23.11.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 1001). Zu Calepio, Posthalter von Scheppach, hatte Fugger also anscheinend schon vor seiner Tätigkeit als kaiserlicher Kommissär für die ‹Postreformation› ab 1579 guten Kontakt; zur Biographie Calepios vgl. Behringer: Thurn und Taxis, S. 54–60, 63, 69. Vgl. dazu Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 134f., 138f., 237.
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oftmals auch um einen persönlichen Kontakt gehandelt haben, da er als Gläubiger und Vermittler von Waffenlieferungen eifrig tätig war.35 Die Versendung von Faktorennachrichten über die Geschäftspost bestätigt folgender Befund: Hans Heinrich Mundtprot, seit 1574 Fuggerscher Faktor in Antwerpen und später in Köln,36 lieferte nur viermal niederländische Nachrichten an Hans Fugger, obwohl doch Dutzende von Schreiben zwischen den beiden hin und her gingen37 und Mundtprot als Fuggerscher Faktor ganz dicht am Kriegsgeschehen arbeitete, das für seine Dienstherren von so großer Bedeutung war. Die Erklärung hierfür liegt in der Archivierungsstrategie der Fuggerschen Korrespondenz, die von den Angelegenheiten des Handels getrennt war, und so haben Nachrichten aus der Feder Mundtprots über die Versendung von Nachrichten-Beilagen hinaus nur vereinzelt Eingang in Hans Fuggers aigen copierbuech gefunden, wenn Hans spezielle Aufträge zu vergeben hatte oder besondere Informationen wünschte.38 Wer aber waren nun die 75 Korrespondenzpartner, die von Fugger Briefe zum Thema «Niederlande» erhielten und von den Nachrichten aus den Provinzen profitierten, die Fugger an sie verteilte? Es heben sich vier Gruppierungen ab, die mit vier oder mehr Personen vertreten sind: Gleichauf liegen mit jeweils 17 Adressaten Kriegsleute (Obristen, Hauptleute) und Fuggersche Handelsdiener. 16 Korrespondenten waren Amtsträger in landesherrlichen bzw. reichischen Ämtern, so etwa Johann Tonner als Reichshofrat in Wien. Mit gewaltigem Abstand folgen fünf regierende Fürsten: Die bayerischen Herzöge Albrecht V. und Wilhelm V. sowie Herzog Ernst von Bayern, Erzbischof von Köln, Herzog Ludwig von Württemberg sowie Pfalzgraf Wolfgang von Neuburg. Von größerer Bedeutung in Fuggers KopierbuchKorrespondenz zu den Niederlanden ist unter den Fürsten jedoch nur der Briefkontakt zu den Herzögen Albrecht und Wilhelm. Mit Neuburg und Württemberg sind weitere wichtige Empfänger Fuggerscher Nachrichten bezeichnet, die zwar in Hans Fuggers Korrespondenz nicht signifikant hervortreten, jedoch nach den Recherchen Zwierleins zu einem ganz erheblichen Teil politische Fern-Nachrichten aus regelmäßigen Sendungen des Hauses Fugger bezogen.39 Mehr als die Hälfte der Adressaten übte also politische oder militärische Ämter aus – von daher können wir für sie grundsätzlich ein erhebliches Interesse am niederländisch-spanischen Konflikt annehmen. Auch diejenigen Personen, die dem Umkreis des Fuggerschen Unternehmens bzw. der Kaufmannschaft angehörten, mußten aufgrund der bereits aufgezeigten engen Verbindung zwischen dem Schicksal des Bankhauses und dem des spanischen Königshauses dem niederländischen Aufstand besondere Aufmerksamkeit widmen. 35
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Ein Beispiel für einen solchen persönlichen Kontakt liefert ein Brief Hans Fugger an Sebastian Roll, 15.05.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3399), der den Besuch eines Hauptmanns aus Brüssel und dessen Neuigkeiten aus den Niederlanden berichtet. Zu Mundtprot die biographische Angabe zum Brief Hans Fuggers an Hans Heinrich Mundtprot, 07.12.1574, FA 1.2.7 H. 20 (II/1 282). Fugger sandte 54 Schreiben an Mundtprot, und laut der bei Hans Fugger erwähnten Briefe Mundtprots schrieb dieser mindestens 37 Briefe an Hans Fugger. Zum Nachrichtentransfer der Faktoren vgl. im zweiten Teil Kap. III., A., S. 141–146. Vgl. Zwierlein: Discorso, bes. S. 594–599.
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Nur die wenigsten dieser Korrespondenzpartner aber erhielten regelmäßig mit copierbuech-Briefen Nachrichten über die Lage in den Niederlanden, und alle kamen sie aus den eben aufgeführten Hauptgruppen der Adressaten: An der Spitze insgesamt und auch in der Gruppe der Kriegsleute stand Hieronimus von Lodron, Obrist Philipps im Mittelmeerraum, um 1592 in Frankreich, also in unmittelbarer Berührung mit dem niederländischen Konflikt, und ab Ende 1592 im Kriegsdienst für den Kaiser in Kroatien: 70 von insgesamt 100 Briefen an ihn berühren Kriegsgeschehnisse in den Niederlanden – also ein ganz deutlicher Schwerpunkt in der Korrespondenz mit Fugger. An zweiter Stelle folgte Herzog Albrecht V. mit 37 Briefen (von insgesamt 114), dann Johann Tonner, der 35 Schreiben erhielt. Auch für Sebastian Roll, einen Hauptmann in genuesischen Diensten, ergibt sich bei 34 ‹Niederlande-Briefen› ein zentraler Stellenwert dieser Thematik, bezogen auf die Gesamtbriefzahl; 24 Schreiben zu diesem Thema gingen an Herzog Wilhelm von Bayern, die meisten davon allerdings erst in seiner Zeit als regierender Herzog ab 1579. Mit 20 Briefen vertreten ist Christoph Tanner von Tann, den Fuggern verwandtschaftlich verbunden und ebenfalls in habsburgischen Kriegsdiensten. In dieser ‹Spitzengruppe› der Niederlande-Korrespondenten besetzen also die Obristen bzw. Hauptleute eine herausragende Position; ein besonderes Interesse gerade an der niederländischen Frage verbindet jedoch alle soeben aufgeführten Hauptkorrespondenten. Für keinen von ihnen erwähnt Fugger, daß er Meldungen vom niederländischen Schauplatz von ihnen erhalten habe, und meist wäre es ihnen schon aufgrund der Distanz ihres Aufenthaltsorts von den Niederlanden nicht möglich gewesen, schneller als Fugger an die betreffenden Nachrichten zu gelangen.40 Auswertungen der Briefe, die in den folgenden Nachrichtenkapiteln dargestellt werden sollen, können zeigen, daß jedoch all diese Hauptkorrespondenten in der Tat fleißige Nachrichtenlieferanten Fuggers waren, nur eben für andere Themen als die Niederlande41 – bis auf zwei große Ausnahmen, die vor dem Hintergrund der neueren Forschung nicht mehr sehr überraschen: die bayerischen Herzöge. In keinem seiner Briefe erwähnt Fugger Nachrichtensendungen von Seiten Wilhelms oder Albrechts. Gleichzeitig hat er an Albrecht zumindest zeitweise (v.a. 1568/69) und dann besonders an Wilhelm (vor allem ab 1580) die neuesten Wochen-Meldungen aus den Niederlanden geliefert. Bereits Kleinpaul hat für den bayerischen «Hofnachrichtendienst» 1573–1575 Nachrichtensendungen durch Anton, Christoph (beide Raymunds-Linie) sowie durch Marx und Hans Fugger verzeichnet.42 Jüngst wurde Hans Jakob Fuggers bedeutsame Rolle als Nachrichtenlieferant Albrechts V. beleuchtet, basierend vor allem auf regelmäßigen Sendungen von Nachrichtenagen-
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Allein für Tonner könnte gelten, daß sich unter seinen Nachrichtenmeldungen nach Augsburg, die Fugger leider oftmals nicht genauer spezifiziert, auch Nachrichten über die Niederlande befanden, die am Prager Hof kursierten. Vgl. hierzu die folgenden Kapitel B. bis E. Vgl. Kleinpaul: Nachrichtenwesen, S. 80f. Als Fuggerschen Angestellten erwähnt Kleinpaul auch Niclas Heller, der 1571–1579 von verschiedenen Orten, auch aus Italien, Nachrichten an den Herzogshof sandte.
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ten Hans Jakobs.43 Christl Karnehm hat auf Oberst Carl Fuggers Berichte aus den Niederlanden an Herzog Wilhelm von 1568 bis 1579 hingewiesen.44 Im Jahr 1580 schließlich schrieb Hans Fugger an den nun bereits regierenden Wilhelm V., er wolle ihm jede Woche die neuesten niederländischen Nachrichten zusenden.45 Möglicherweise geschah dies auf einen ganz konkreten herzoglichen Auftrag hin. Diesen Transfer müssen im Fuggerhaus ganz wesentlich, wie bereits dargestellt, die Angestellten aufrechterhalten haben, denn obwohl Hans Fuggers Copierbuech-Briefe nach 1580 nicht streng im Wochenrhythmus datiert sind, beteuerte er 1581–1583, Wilhelm habe die Wochensendungen stets ordnungsgemäß erhalten, außer wenn ein Ausfall der Ordinari-Post aus den Niederlanden dies verhindert habe,46 während Fugger laut den Kopierbucheinträgen in diesem Zeitraum nur noch neunmal selbst niederländische Zeitungen an den Herzog weiterleitete.47 Der letzte briefliche Nachhall für wöchentlich nach München übersandte niederländische Nachrichten findet sich dann 1585 in einem Schreiben an Hans Anton Zinn von Zinnenburg.48 Da es keinen Anlaß gibt, Fuggers Angaben zu diesen Nachrichten-Dienstleistungen in Frage zu stellen, müssen wir angesichts eines mindestens sechs Jahre währenden wöchentlichen Zeitungs-Transfers Herzog Wilhelm als denjenigen ansehen, der nach Auskunft von Fuggers aigen copierbuech mit Abstand die meisten Nachrichten zu den Niederlanden erhalten hat – ohne daß die Mehrheit dieser Sendungen direkt über Fuggers Kopierbuch-Briefe weitergeleitet wurde, sondern offensichtlich unter die routinemäßige Vervielfältigung und Versendung von Zeitungsbeilagen über die Fuggersche Schreibstube zu rechnen
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Hierzu grundlegend Zwierlein: Discorso, S. 575–587. Vgl. auch schon den Hinweis auf die Zahlungen an Hans Jakobs Schreibstube bei Kellenbenz: Hans Jakob Fugger, S. 82. GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger II. Vgl. Hans Fugger an Christoph Hörmann, 25.01.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 356), Anm. 1. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 12.03.1580, FA 1.2.10 H. 34, pag. 188f. (II/1 1560): Was dise wochen abermal neus uß dem Niderlandt khumen, vernemen E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] hiemit, also will ich wochenlich continuirn, und E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] jederzeit underthenig, wie es herauf geschriben wirdt, mittheilen. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 16.03.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1885) sowie an denselben, 20.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2197) und im Februar 1583 [ohne Datumsangabe], FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2288). Vermutlich war es der oben erwähnte Handelsdiener Hans Besch, der nicht nur an Verwandte wie die Montforts die Berichte aus den Niederlanden weitersandte, sondern auch an den Herzogshof. Vgl. II., A., S. 146f. – Ob dieser Nachrichtendienst in ähnlichem Umfang auch schon für Albrecht V. bestanden hat, ist nicht nachzuweisen, bleibt aber durchaus denkbar, da Fugger in den Jahren 1568/69 mehrfach Albrecht gegenüber beteuerte, er werde ihn über die Lage in den Niederlanden auf dem laufenden halten. Vgl. etwa Hans Fugger an Albrecht V., 16.11.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 319) sowie am 06.08.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 477). Vgl. Hans Fugger an Hans Anton Zinn von Zinnenburg, im Januar 1585 [ohne Datums angabe], FA 1.2.15a H. 58 (II/2 2674). Zinn wird bei Fugger 1583 als Kastellan angesprochen, in dessen ‹Obhut› sich auch das Frauenzimmer – wohl des bayerischen Hofes – befinde. Vgl. hierzu Karnehm: Regesten II/2 2360, S. 1066 Anm. 1.
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ist.49 Die Dauerhaftigkeit und Regelmäßigkeit des Transfers spiegelt wiederum die zentrale Bedeutung, die Nachrichtensendungen der Familie Fugger für den bayerischen Herzogshof hatten, auch wenn Albrecht V. und Wilhelm V. noch auf weitere Informanten zurückgreifen konnten.50 Angesichts der Häufigkeit der Nachrichtenlieferungen und der seriellen Ausfertigung als Nachrichtenbeilagen zumindest an Wilhelm V. ist davon auszugehen, daß hinter dem Zeitungs-Transfer an die Herzöge im Gegensatz zu den anderen genannten Gruppen doch eine Art Dienstverständnis steckte. Eine reguläre Bezahlung dieser Nachrichtensendungen beziehungsweise eine Aufwandsentschädigung an die Fuggersche Schreibstube geht allerdings weder aus der Korrespondenz noch aus der Überprüfung von Hofzahlamtsrechnungen des Herzogshofs für 1566–1572 und 1580–1582 hervor.51 Im vierten Teil dieser Studie wird zu untersuchen sein, ob ein Ausgleich für diese Leistungen womöglich auf andere Weise erfolgte. Der Nachrichtentausch mit den Militärs, Amtsträgern und Handelsdienern läßt sich hingegen zunächst einmal als Gegenleistung für empfangene Mitteilungen bzw. als freundliche Geste deuten. Den Gedanken an einen Nachrichtentausch erwähnt Fugger jedenfalls solchen Korrespondenten gegenüber mehrfach, so auch 1568 anläßlich der Sendung niederländischer Nachrichten an den bayerischen Rat Dr. Ludolf Halver: So ir waz daz sich schreiben lasen hetten, bitt ich mirs etwan vergebennlich mitzutailen, das thun ich auch.52 Zu beachten ist allerdings, daß Fugger mit diesen Hauptkorrespondenten nicht nur über Nachrichten verbunden war: mit den Kriegsleuten zusätzlich über Kredite, mit Johann Tonner durch ein früheres Dienstverhältnis, mit Anton von Montfort, seinem Neffen am Hof des Kardinals von Trient, durch eine Verwandtschaftsbeziehung ebenso wie über eine finanzielle Verbindung.53 Es läßt sich kein expliziter Beleg dafür erbringen, daß Fuggers Kreditnehmer vielleicht versuchten, das Verhältnis zu ihrem Geldgeber durch aufmerksame Nachrichtendienste zu befestigen, doch der Befund, daß gerade hier konstante multiplexe Beziehungen vorlagen, läßt zumindest die Vermutung nicht ganz unbegründet.
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Zwierleins Recherchen in Münchener Archivbeständen machen angesichts dieser Belege für kontinuierliche Nachrichtendienste die hohen Verluste an geschriebenen Zeitungen deutlich, vgl. Zwierlein: Discorso, S. 577 Anm. 64, S. 586 Anm. 98. Der Beginn der Übermittlung von Zeitungsbeständen durch Hans und Marx Fugger ist angesichts der ersten Nachrichten über die Niederlande an Albrecht V. wohl noch etwas früher als bei Zwierlein: Discorso, S. 587, also etwa um 1568 anzusetzen. Vgl. Zwierlein: Discorso, S. 599, sowie Weis: Pays-Bas, S. 166, 169 u.ö. Vgl. BayHStA Kurbayern Hofzahlamt 11–17 (1566–1572), 26–28 (1580–1582). Hans Fugger an Ludolf Halver, 04.08.1568, FA 1.2.5 H. 8, fol. 69r (I 282). – Ähnlich auch Hans Fugger an Hans Jörg von Preysing, 28.06.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 783) und an Hieronimus von Lodron, 27.09.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 845). Über Anton von Montfort ausführlich im vierten Teil.
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4. Das Bild des niederländischen Aufstands bei Hans Fugger a) Der Verlauf des Konflikts bis 1594 in den Briefen Fuggers – ein Schwanken zwischen Siegesgewißheit und Depression Der Transfer politisch-militärischer Nachrichten über die Niederlande beginnt im November 1566 – um dann bis zum Ende der überlieferten Korrespondenz 1594 fortzudauern. Entsprechend der Aktualitätsforderung,54 der auch Fuggers Kommentare zum Nachrichtengeschehen verpflichtet sind, werden Ereignisse vor dem Einsetzen der Niederlande-Korrespondenz, wie etwa der Bildersturm vom Sommer 1566 und die Niederschlagung der Unruhen auf Befehl Margarethes von Parma nur noch in wenigen Andeutungen thematisiert. Fuggers Briefe sind insgesamt ein ausgesprochen getreuer Spiegel des wechselhaften Kriegsgeschehens in diesem Achtzigjährigen Krieg. Übermittlungs- bzw. Bearbeitungszeiten von Briefen aus Antwerpen von gewöhnlich sieben bis zehn Tagen ermöglichten zeitnah zu den jeweiligen Ereignissen in den Provinzen die Bildung des Fuggerschen Urteils. Entsprechend zu der baldigen Niederschlagung der Unruhen im ‹Wunderjahr› 1566 und der Unterdrückung jeglicher Opposition durch Albas Terrorregime zeichnete Hans Fugger zunächst das Bild einer beherrschbaren Revolte: Auch angesichts der Rüstungen Wilhelms von Oranien zeigte er sich zuversichtlich, die spanische Militärmacht werde die Lage in den Griff bekommen. Oraniens anfänglicher Mißerfolg 1568 schien dieser Auffassung recht zu geben: Fugger müßte sich nur Sorgen machen, wäre ihm das spanisch wesen nit so wol bekannt.55 Die Niederschlagung des Aufstands und die Abwehr der oranischen Invasion war in seinen Worten hinreichend motiviert: Zu erwartende Hinrichtungen kommentierte er mit den Worten, es gehe gegen jene, die Kirchen geplündert und dem Prinzen [Wilhelm] von Orange [Oranien] wider dem Künig [Philipp II.], Irm natürlichen Herrn, Beistand gethan.56 Die Wiederherstellung von religiöser Einheit und Gehorsam gegenüber der höchsten politischen Instanz, dem Landesherrn, sind hier eng miteinander verbunden, und dieser Konnex entspricht ganz der Herrschaftsauffassung Philipps und auch Albas Sicht auf die Lage der Dinge.57 Die Arbeit von Albas «Conseil des Troubles», des vielzitierten «Blutrats» also, erscheint damit bei Hans Fugger als begründete Strafmaßnahme des
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Vgl. im ersten Teil Kap. IV., B. Zitiert nach Karnehm: Hans Fugger an unbekannten Adressaten, 31.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 298). Ähnlich auch: Hans Fugger an Georg von Rechberg, 03.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 253). – Allgemein zu den frühen Jahren des Aufstands Parker: Strategy, S. 120–124 sowie Parker: Aufstand, S. 98–137. Vgl. Hans Fugger an Jörg von Rechberg, 03.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 253). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. Maltby: Alba, S. 153: «He [Alba, d. Verf.] meant to exstinguish opposition, whatever its source, to royal authority, and since neither he nor Philip could conceive of royal authority without religious unity his target included not only noble malcontents and rioters but [...] all those whose religious beliefs seemed to imply opposition to the Crown.»
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legitimen Landesherrn. Fuggers Parteinahme ist von Beginn seiner Briefe zu den Niederlanden klar; die spanische Partei bezeichnete er nicht selten als unnser seitten58 – sie blieb es auch, als er sich später als durchaus kritischer Beobachter der königlichen Politik erwies. Fuggers Zuversicht änderte sich rasch, als 1569 ein Kriegseintritt Englands möglich erschien. Nun fürchtete er den grossen krieg,59 der dazu führe, daß zuletst [...] alles ubers Teutschland ausgeen60 werde. Fugger stellte sich auf einen langfristigen und kostspieligen Konflikt ein, da die Opposition gegen Philipp einfach zu entschieden sei: Es ist in summa daz spanisch regiment in [ihnen, d.h. den Niederländern] dermas zuwider, und solls Ir Mt. [Maiestät] mit gewalt erhalten müessen, wirt es [...] mer cösten als was ir Mt. mainth. Wir dörftten auff ain duzet jar aines kaiser Carls.61 Sehr treffend schätzte Fugger in dieser Situation – Alba war Herr im Land, der Aufstand vorerst unterdrückt – die zukünftige Entwicklung des Konflikts ein. Damit aber nicht genug: Die Lage erschien ihm derart bedrohlich, daß er sich Karl V. zurückwünschte – was in der Konsequenz nichts anderes hieß, als daß er der gegenwärtigen Führung Spaniens die Lösung dieser gewaltigen Aufgabe nicht zutraute.62 Festzuhalten ist hier nicht nur die Deutlichkeit, mit der Fugger seine Zweifel an der Kompetenz der spanischen Führung zum Ausdruck brachte, sondern auch der Adressat dieser Äußerung: Es handelte sich um Christoph Hörmann, Faktor in Madrid, ein enger Mitarbeiter des Handels also, bei dem man wohl Loyalität auch angesichts kritischer Äußerungen erwarten durfte. Als im Gefolge der Eroberung Den Briels durch die Wassergeusen im Frühjahr 1572 die zweite Aufstandsphase begann – nicht zuletzt verursacht durch Albas Terrorregime und seine als rigide empfundene Steuerpolitik –, da mehrten sich wiederum die Ängste Fuggers, die teutschen fürsten, Engellandt und Frankhreich63 könnten in den Konflikt verwickelt werden. Angesichts der späteren Bündniskonstellationen verwundert es kaum, daß Hans Fugger hier England und Frankreich ins Feld führte; die Einbeziehung der deutschen Fürsten jedoch bedarf der Erklärung. Schließlich hatte Wilhelm von Oranien seit 1568 nur geringe Unterstützung unter den protestantischen Reichsfürsten gefunden – auch wenn Philipp II. im Reich eine ausgesprochen schlechte ‹protestantische Presse› hatte, wollten doch nur wenige eine Gefährdung des Religionsfriedens, den dezidierten Aufstand gegen einen rechtmäßigen Landesherrn, die aktive Unterstützung von Calvinisten oder gar die Ausdehnung der religiösen Toleranzforderung der Aufständischen auf das eigene
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So Hans Fugger an Albrecht V. von Bayern, 16.04.1569, FA 1.2.5 H. 9, pag. 38v (I 415). Hans Fugger an Christoph Hörmann, 25.01.1569, FA 1.2.5 H. 9, fol. 11v (I 356). Ebenda, fol. 12r. Hans Fugger an Christoph Hörmann, 25.01.1569, FA 1.2.5 H. 9, fol. 12r (I 356). Die Idealisierung der Herrschaft Karls V. – gerade in den Niederlanden – war übrigens auch eine Tendenz der aufständischen niederländischen Propaganda, vgl. Arndt: Reich und Niederlande, S. 242f. sowie Pieter A. M. Geurts: De nederlandse opstand in de pamfletten 1566–1584. Nijmegen 1956 (ND Utrecht 1983), S. 158–161. Hans Fugger an Georg von Preysing, 28.06.1572, FA 1.2.5 H. 13, pag. 183 (I 783).
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Territorium in Kauf nehmen.64 Die beharrlichen Bestrebungen der Aufständischen aber, im Reich – gerade auch auf Reichstagen – Unterstützung gegen Spanien zu erwirken, erklären die Atmosphäre des Mißtrauens und des Belauerns, die den Briefen Fuggers zufolge in dieser Frage zwischen den Konfessionen geherrscht haben muß.65 So scheiterte auch die von Philipp II. gewünschte Einbeziehung der Niederlande in den Landsberger Bund an der Besorgnis der Bundesmitglieder, auf diese Weise in den Konflikt hineingezogen zu werden.66 Die Gefahr der Erweiterung des Konflikts ging zwar vorüber; dennoch blieben die Aufständischen noch einige Zeit erfolgreich. Als Alba jedoch seine Politik der kalkulierten Grausamkeit67 einleitete, wendete sich das Blatt gegen die Rebellen, und der Sieg schien für Spanien nach ungemein verlustreichen Kämpfen in greifbarer Nähe – Hans Fugger sah im November 1572 Städte Gelderns und sogar Hollands mit Alba um ihre Übergabe verhandeln: Die werden nun den unlust mit gellt ablegen müessen. Und möchte sie der 10de Pfenig [die dem Herzog Alba verweigerte Steuer] den sie nit bezallen wöllen, noch theur gnug costen.68 Im Sommer 1573 hoffte Fugger noch auf ein baldiges Kriegsende, sobald das von Spanien belagerte Haarlem fallen würde – nicht zuletzt, weil durch den Friedensschluß mit England Oranien einer wichtigen Unterstützung beraubt erschien.69 Da die Aufständischen sich jedoch weiter halten konnten, hatte Alba angesichts der ungeheuren 64
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Zu England und Frankreich vgl. Parker: Aufstand, S. 161f. Über die Haltung protestantischer Reichsfürsten informieren Schmidt: Vaterland, S. 223–239, hier 234f. sowie Press: Wilhelm von Oranien, S. 685–690. – Zur protestantischen Auffassung von Philipp II. im Reich vgl. Peer Schmidt: Das Bild Philipps II. im Reich und in der deutschsprachigen Historiographie. In: Friedrich Edelmayer (Hg.), Hispania – Austria. Bd. 2: Die Epoche Philipps II. (1556–1598). Wien, München 1999 (Studien zur Geschichte und Kultur der Iberischen und Iberoamerikanischen Länder 5), S. 11–56. Vgl. Mout: Niederlande und Reich, bes. S. 157–166. – Auch Hans Fugger berichtete 1578 von Gerüchten über Truppenwerbungen Philipps gegen die Protestanten im Reich an Hans Heinrich Mundtprot, 22.04.1578, FA 1.2.9b, H. 31, pag. 199–201: Dann nachdem die fürsten und stett der neuen religion […] und der künig lauter catholische obristen begert, die Stadas [niederländische Stände, d. Verf.] aber von der neuen religion, so lassen sie sich schon vermerckhen, es sej der Sp:er [Spanier] intention vil mer daz Teutschland zu ubrziehen [mit Krieg zu verheeren] als die Niderlandt inn gehorsamb zu bringen. [...] Es ist des sagenns gar vil, daz der pabpst unnd all italianische fürsten vil volckh heraus schickhen, die Niderlandt zu subiungiren, daz versteet der merer thail im reich, daz im gelten möcht. Zu den Gerüchten über einen antiprotestantischen Feldzug vgl. auch Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 114f., 226. Vgl. dazu Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 41. Die englischsprachige Geschichtsschreibung formuliert Albas Strategie als «policy of selective brutality» (vgl. González: Strategy, S. 227) oder «deliberate frightfulness» (Maltby: Alba, S. 238). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 08.11.1572, FA 1.2.5. H. 13, pag. 318 (I 868). Zur Kriegssituation 1572/73 vgl. Maltby: Alba, S. 225–261, Parker: Strategy, S. 124– 134. – Zu den Friedenshoffnungen Fuggers vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 09.05.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 67–69 (I 996), Hans Fugger an Niclas Heller, 20.06.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1044), Hans Fugger an Niclas Heller, 27.06.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1054), Hans Fugger an an Hieronimus von Lodron, 04.07.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 163 (I 1062).
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Summen, die ein brutal geführter Krieg ohne Sieg bis 1573 verschlungen hatte, bei Philipp II. verspielt; noch im selben Jahr trat sein Nachfolger Requesens y Zuñiga das Gouverneursamt an, um eine Politik des Kompromisses einzuleiten.70 Nach der erfolglosen Verkündung eines Generalpardons durch den König unterstützte Fugger mit Nachdruck die anlaufenden Friedenssondierungen, die 1575 in den Verhandlungen von Breda mündeten. Fugger fürchtete bei einem noch längeren Konflikt nicht nur die weitere Eskalation durch eine general revolta,71 sondern sah als Gläubiger der spanischen Krone auch keinen Grund zur Beschönigung ihrer realen finanziellen Verhältnisse: Man ist auf beeden thailen des khrieges mied, ir Mt: [Maiestät] dermassen erschöpfft, daz sie die ausgaben nit mer erschwingen khinden.72 Der permanente Geldmangel Philipps, die damit zusammenhängenden Meutereien der Truppen und wiederholten militärischen Rückschläge bilden zusammen mit dem Bedürfnis nach Frieden die Fuggerschen Konstanten im wechselhaften Kriegsverlauf der folgenden Jahre; die Plünderung Antwerpens durch Söldner Spaniens 1576 ließ es ihm gar möglich erscheinen, daß dieselben fürtrefflichen guts und schons land zu grund geen müessen.73 Ab 1583 deutete sich zunächst mit den großen kriegerischen Erfolgen unter dem Generalgouverneur Alessandro Farnese, Herzog von Parma, nochmals eine Entscheidung zugunsten Spaniens an – zumal der größte Feind Philipps, Wilhelm von Oranien, am 10. Juli 1584 einem Attentat zum Opfer fiel. Die rasche Entscheidung blieb jedoch aus, Philipp II. intervenierte vielmehr ab 1590 auf dem französischen Kriegsschauplatz, und Hans Fugger resümierte nun bitter, daß aufgrund der ständigen Finanzknappheit bei allen Parteien uß dem kriegen [Kriegführen] ein raubereien, und landt verderbung uß not volgen müessen.74 Gegen Ende der Überlieferung seiner Korrespondenz dominierte Düsternis das Bild;75 Hans Fugger beobachtet ein Kriegsgeschehen, das mit völlig unzureichenden Mitteln doch nur immer wieder auf die spanisch regell,76 den Versuch der gewaltsamen Niederschlagung, hinauslaufe, anstatt in einen Friedensschluß zu münden.
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Die Ablösung Albas und ihre Hintergründe 1573 bei Maltby: Alba, S. 252–266. – Zu den Kriegskosten vgl. Parker: Strategy, S. 135, 142f. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 30.10.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 327 (II/1 231) und an denselben 06.11.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 341 (II/1 238). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 05.02.1575, FA 1.2.7 H. 20, pag. 563f. (II/1 353). Hans Fugger an Joseph de Calepio, 23.11.1576, FA 1.2.8b H. 27, pag. 505f. (II/1 1001). Hans Fugger an Sebastian Roll, 10.03.1592, FA 1.2.14b H. 65, pag. 285 (II/2 3174). Zur militärischen Entwicklung vgl. Parker: Aufstand, S. 248–276. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 17.04.1593, FA 1.2.16c H. 91, pag. 191f. (II/2 3380), Hans Fugger an Johann Rümelin, 05.05.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3390). D.h. Gewaltanwendung: Hans Fugger an Sebastian Roll, 26.02.1594, FA 1.2.16d H. 93, pag. 126 (II/2 3430).
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b) Die erste Phase der Rebellion und die Herrschaft Albas (1566–1573) Mit der Ankunft Albas in Genua im Mai 1567 sind Fuggers erste Äußerungen zur Rechtfertigung des Militäreinsatzes überliefert: Alba habe die Aufgabe, inns Niderland [zu] ziehen unnd die selben underthanen wider in ihres herrn rechten gehorsam [zu] bringen.77 Wurde hier die Notwendigkeit und Legitimität des Zugs in die Niederlande durch die Einforderung des rechten Gehorsams gegen den Landesherrn auch klar herausgestellt, so meldete Hans Fugger doch zehn Tage zuvor, daß angesichts der gegenwärtig befriedeten Situation in den Niederlanden78 die von Philipp II. angeworbenen Truppen gar an einen anderen Zielort verfrachtet werden könnten: Denn weil sich der sachen im Niderland von selb zu des Künigs bösst anlassen, werde man vielleicht kein fremdes Kriegsvolk in den Niederlanden brauchen und die angeworbenen Soldaten zögen auf Geheiß Albas eventuell nach Genf oder gar übers Mittelmeer zum Einsatz gegen die Türken.79 Die Berechtigung des Eingreifens durch Alba und die Etablierung seines gefürchteten Regimes wurden bei Hans Fugger auch in den nun folgenden Jahren bis 1573 nicht in Frage gestellt. Daß Alba eine Gewaltherrschaft etablieren würde, erschien frühzeitig als ausgemacht – und wurde lakonisch verbrämt: Nun sei, so Fugger einen Monat nach dessen Eintreffen in Brüssel und einer ersten Verhaftungswelle an den kaiserlichen Oberst von Madrutz, der anfang also gemacht, und nun werde der pettltanz taglich hernach volgen.80 Der Begriff pettltanz ist hier wohl nicht allein in seiner übertragenen Bedeutung ‹Kampf›,81 sondern auch in seinem weiteren historischen Kontext zu betrachten und muß hier vermutlich auch auf die Geusen (von frz. les gueux, ‹Bettler›) bezogen werden, also auf die Partei des niederen Adels und deren Anhänger, die den Aufstand maßgeblich trugen.82 In dem Wissen um Albas drakonische Maßnahmen bekommt die Vorstellung vom ‹Betteltanz› auf diese Weise ihren ganz eigenen Sinn – der Tanz wird darin bestehen, daß Alba die oppositionellen Geusen ‹über die Klinge springen› läßt. Auch Fuggers Kommentar zur Exekution adliger Unterstützer des Aufstands im Juni 1568 erscheint 77 78
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Hans Fugger an Hans von Park, 06.06.1567, FA 1.2.5 H. 5, fol. 41r (I 76). Zur Einschätzung der militärischen Situation vgl. Maltby: Alba, S. 258. Die Auswirkungen der rigorosen Politik Albas angesichts einer Lage, die bereits wieder unter Kontrolle war, bei Woltjer: Moderates, S. 190. Hans Fugger an Hans Jörg von Preysing, 27.05.1567, FA 1.2.5 H. 5, fol. 38 (I 71). Gerade wegen der angespannten Lage im Mittelmeer jedoch war von Philipp II. und Alba von Beginn an ein hartes Durchgreifen geplant, um die Truppen im Norden nicht zu lange zu binden, vgl. Israel: Dutch Republic, S. 155. Hans Fugger an Hans Friedrich von Madrutz, 26.09.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 124). Zum den ersten Maßnahmen Albas nach Eintreffen in den Niederlanden vgl. Maltby: Alba, S. 153–158. Vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch I, Sp. 1732f. Der Begriff «Geusen» wurde zur Selbstbezeichnung der niederen Adelspartei, da Charles de Berlaymont, Mitglied des Staatsrats, der Statthalterin Margarete von Parma gegenüber den oppositionellen niederen Adel öffentlich als Bettler bezeichnet haben soll: «Et comment, Madame, votre Alteza a-t-elle crainte de ces gueux?» – Zitiert nach Maltby: Alba, S. 130, dort auch Literatur.
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in seiner Kühle geradezu als zynisch: Aus der mitgesandten Nachrichtenbeilage könne sein Adressat, der bayerische Hofrat Hans Jörg von Preysing, vernemen, daß es zu Brüssell Ko[e]pff abgeben.83 Die Ursachen für religiös wie politisch motivierten Widerstand blendete Fugger in seinen Kommentaren zur Frühphase des Aufstands weitgehend aus: Verdrängung des Adels aus der Regierung der Provinzen, Neuorganisation der Bistümer und Ketzerverfolgung wurden mit keinem Wort erwähnt.84 Beschrieben wurde nur die Ablehnung, die der spanischen Herrschaft entgegenschlug. Sie galt für Albas im Spätsommer 1567 einmarschierende Truppen, die nach einem Bericht des in die Niederlande mitziehenden Obristen Albrecht von Lodron – zusammengefaßt durch Fugger – in den Augen der Bevölkerung besser anderer ort weren,85 und wurde auch im Jahr 1569 noch nicht viel konkreter ausgedrückt: Es ist in summa daz spanisch regiment in [ihnen, d.h. den Niederländern] dermas zuwider [...].86 Das Vorgehen gegen den Ungehorsam der Untertanen erhielt mit den Feldzügen Oraniens 1568/69 sowie 1572/73 natürlich eine ganz besondere Berechtigung – Alba war in der Defensive, mußte sich nun gegen den Prinzen und seine wenigen Verbündeten im Reich wappnen.87 Daß Alba für diesen Zweck mit dem Einfall ins reichische Emden auch Reichsrecht brach, nach heutiger Beurteilung eine «Strafaktion»,88 wurde mit der militärischen Sicherung von Friesland begründet, obgleich Hans Fugger den Rechtsbruch klar konturierte: Wiewol die statt Embden und dieselb graffschafft under dem reich gelegen, so will ers doch einnemen, damit im von daraus in Friesland kunfftiger zeit desto weniger schaden geschehen müg. 89 Daß Fugger sich als treuer Parteigänger Spaniens erwies, verwundert kaum. Seine oben dargestellten Befürchtungen angesichts einer möglichen Ausweitung des Konflikts auf weitere europäische Mächte demonstrieren jedoch, daß mit dieser Parteinahme keine Verkennung der militärischen und finanziellen Risiken einherging. Unter dem maßgeblichen Einfluß einer gegnerischen Hofpartei verdichtete sich jedoch der Unmut gegen Albas insgesamt erfolglose Politik der harten Hand ab 1572 mehr und mehr. Fugger meldete erstmals 1571 Unregelmäßigkeiten unter der
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Zitiert nach Christl Karnehm: Hans Fugger an Hans Jörg von Preysing, 12.06.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 241). Angesichts des Briefdatums könnte es sich bei den Exekutionen um die Hinrichtung Adliger am 01.06., eventuell sogar um die Enthauptung der Grafen Egmont und Hoorn am 05.06. handeln. Auf den Tag der Hinrichtung ist tatsächlich Post aus der Antwerpener Faktorei an die Fugger datiert, aber es läßt sich weder eine Übermittlung der Todesnachricht noch ein rechtzeitiges Eintreffen in Augsburg nachweisen, um die Meldung am 12.06. an Preysing weiterzugeben. – Angesichts des gewaltigen Medienechos und der Entrüstung, die angesichts des Schicksals von Egmont und Hoorn nicht nur auf der Seite der Rebellen losbrach, bekäme Fuggers Distanz einen noch übleren Nachgeschmack. Vgl. hierzu Maltby: Alba, S. 164. Zum Ursachenkomplex und seiner Bewertung vgl. zusammenfassend Lademacher: Niederlande, S. 82–102. Hans Fugger an Albrecht von Lodron, 02.09.1567, FA 1.2.5 H. 5, fol. 58v (I 108). Hans Fugger an Christoph Hörmann, 25.01.1569, FA 1.2.5 H. 9, fol. 12r (I 356). Vgl. Hans Fugger an Jörg von Rechberg, 03.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 253). Vgl. Arndt: Reich und Niederlande, S. 103. Hans Fugger an Georg von Rechberg, 01.08.1568, FA 1.2.5 H. 8, fol. 67v (I 279).
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Herrschaft Albas. Hier war Philipps Statthalter zunächst nur mittelbar betroffen, als Fugger von Hans Keller, dem Sekretär der Antwerpener Faktorei, Aufklärung erbat, ob die Gebrüeder90 – gemeint waren hier vermutlich Albas Söhne Fadrique und Hernando,91 beide Heerführer in den Niederlanden – tatsächlich vom Hof für ihr Regiment in Antwerpen gerügt wurden. Die von Alba ab September 1572 geübte Politik der kalkulierten Grausamkeit wurde von Hans Fugger zunächst keineswegs kritisch hinterfragt, die Massaker an der Zivilbevölkerung seit der Eroberung von Mechelen fanden nicht einmal Erwähnung: Was Eindruck machte, war der (kurzzeitige) strategische Erfolg, den Alba mit dieser Strategie feierte, und der den Sieg – auch den der katholischen Religion – nahe erscheinen ließ, da aus Geldern auch Hollandt die abgefallnen stett zu Ir Exzellenza [Alba] schickhten umb perdon [Verzeihung]. Verhoffenlich dieselben lanndt inn khurz zum rechten † [Kreuz] zubringen.92 Hans Fugger scheint in diesem Brief an den Söldnerführer Lodron ganz der militärischen Perspektive verpflichtet – um ihm gerecht zu werden, muß hier allerdings betont werden, daß Fugger an anderer Stelle mehrfach die Leiden der Zivilbevölkerung beklagte, so im Zusammenhang mit der Belagerung Haarlems 1573.93 Doch der wachsende Unmut gegenüber Alba am Hof zu Madrid94 schlug sich ab 1573 schließlich auch in Fuggers Korrespondenz nieder. Ansprechpartner für diese Thematik war Hieronimus von Lodron, also Fuggers wichtigster Austauschpartner für den Niederländerkrieg und als Söldnerführer Philipps ein zweifellos interessierter Adressat dieser Nachrichten. Leider geben Fuggers Briefe keine Anhaltspunkte, um Lodrons persönliche Auffassungen zu Alba und der niederländischen Politik zu rekonstruieren, denn selbst wenn Lodron in seinen Schreiben zu Fuggers Nachrichten Stellung genommen hat, so wurden sie doch nicht von Hans Fugger in seinen Folgebriefen aufgenommen. Was Alba angeht, so blieb Fugger zunächst noch der neutrale Berichterstatter: Er leitete Nachrichten vom Konflikt Albas mit seinem designierten Nachfolger Medinaceli weiter95 und zeigte sich der unguten Konsequenzen dieser Auseinandersetzung wohlbewußt, denn es sei bekannt, daz man mit ungleich oxen nit wol ackhert.96 Noch zog sich Hans Fugger mit seiner Kritik hinter unbekannte Gewährsleute zurück, doch aus seinen Briefen
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Hans Fugger an Hans Keller, 23.10.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 595). Nach Maltby: Alba, S. 272, geriet Albas Sohn Don Fadrique v.a. durch seine Grausamkeit während der Kriegshandlungen 1572–1573 in Holland in besonderen Verruf. Vgl. Hans Fugger an Hans Keller, 23.10.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 595), Anm. 1 sowie Maltby: Alba, S. 142, 172. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 08.11.1572, FA 1.2.5 H. 13, pag. 317f. (I 868). Das im Zitat verwendete Wort kreuz ist im Kopierbuch durch sein graphisches Symbol wiedergegeben. Vgl. etwa Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 08.11.1572, FA 1.2.5 H. 13, pag. 319 (I 868) und Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 10.01.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 395 (I 904). Vgl. Maltby: Alba, S. 248–255, Parker: Strategy, S. 130–132. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 10.01.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 394 (I 904). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.02.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 449 (I 925).
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wird klar, daß Alba und sein Anhang mittlerweile stark unter Beschuß geraten waren, denn wie man schreibt [Hervorhebung durch d. Verf.] so halt don Fadrique gar ain bös unordenlichs regiment welliches dann auch ursach ist, daz die sachen so übell vonn statt geen.97 Im Herbst 1573 schließlich, nur wenige Wochen, bevor Albas tatsächlicher Nachfolger Requesens in den Niederlanden eintraf, kennzeichnete Fugger seine Äußerung nicht mehr wie vorher als Auffassung Dritter: Got welle der ennden aniest [jetzt] die sachen [in den Niederlanden] zu guettem schickhen. Aber zubesorgen so lanng der herzog von Alba alda, werde es (weil Ir F:[ürstlichen] Gn:[naden] bei menigelich so hefftig verhasst) schwerlich geschechen.98 Diese freiere Aussprache war, auch gegenüber einem königlichen Heerführer geäußert, zu diesem Zeitpunkt schon eine relativ risikolose Feststellung: Requesens galt als Exponent eines neuen, vom König gebilligten politischen Kurses, der zumindest vorübergehend Konzessionen an die Aufständischen vorsah; seine Ernennung war schon am 30. Januar 1573 erfolgt. Albas Scheitern war bereits mehr als deutlich. Philipp hatte ihn fallengelassen, und so konnte Hans Fugger bis zu Albas Abreise aus den Niederlanden im Dezember 1573 den ehemaligen Statthalter nochmals gefahrlos als Bremsklotz für eine Beruhigung der Lage bezeichnen: Solange er im Land sei, bleibe die Bevölkerung gegenüber dem neuen Statthalter mißtrauisch.99 Albas Abzug Richtung Spanien wurde von Fugger gar offen im Ton der Erleichterung kommentiert: Gott wöll in [ihn, d.h. Alba] belaitten [auf seinem Weg geleiten], und nit wider bringen.100 In deutlichen Kontrast dazu gesetzt werden die ersten Amtshandlungen seines Nachfolgers, von dem Fugger meinte, es sei zuverhoffen er werde mit clementia mehr bej dieser Nation als der ander [Alba] mit rigor erhallten.101 Wagte Fugger sich erst dann mit seiner wahren Meinung aus der Deckung, als Alba endgültig auf verlorenem Posten stand, oder gab er wirklich erst in der zweiten Jahreshälfte 1573 Albas Politik keine Chance mehr? Vorher gerierte er sich jedenfalls nur als der Vermittler von Nachrichten, deren Tendenz er nicht zu verantworten habe. Ob wir dies allerdings darauf zurückführen müssen, daß Fugger gegenüber Lodron kein Risiko eingehen wollte, läßt sich nicht rekonstruieren. Auf jeden Fall bleibt Fuggers Kommentarverhalten innerhalb der Grenzen, die bei politisch heiklen Themen die Aufrechterhaltung der Beziehung zu Lodron garantieren – wie auch immer dessen persönliche Auffassung zu Alba gefärbt gewesen sein mag. Deutlich wird aus den Fuggerschen Nachrichten immerhin, daß in Augsburg Meldungen aus unterschiedlichen ‹Lagern› der spanischen Seite gesammelt wurde: Insbesondere die frühen Meldungen über Kritik am Verhalten Don Fadriques – der später geradezu zum Sündenbock für die fehlgeschlagene Politik wurde – legen
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Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.02.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 449 (I 925). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 03.10.1573, FA 1.2.6b H. 16, pag. 368 (I 1160). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 19.12.1573, FA 1.2.6b H. 17, pag. 534 (I 1247). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 02.01.1574, FA 1.2.6b H. 17, pag. 548 (II/1 1). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 02.01.1574, FA 1.2.6b H. 17, pag. 549f. (II/1 1).
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nahe, daß Fuggers Quellen Kontakt zur Gegenpartei Albas hatten, möglicherweise über Vermittlung der spanischen Faktorei.102 Alba blieb auch in der langfristigen Erinnerung Hans Fuggers ein Gescheiterter, wie er rückblickend 1586 hervorhob, als Alexander von Parma aufständischen Städten gegenüber mehr Milde angedeihen ließ: Het der herzog von Alba den 10. theil solcher clementia gebraucht so weren die sachen zu solchen verderben nie khomen.103
c) Wilhelm von Oranien (1533–1584) und die Partei der Aufständischen Erst nach Beginn des zweiten niederländischen Aufstands ab 1572 reflektierte Fugger in seinen Briefen wieder vereinzelt die Ursachenproblematik der Rebellion104 – das religiöse Motiv stand hier zunächst wieder im Vordergrund, denn Hans Fugger hoffte auf die Rückkehr der abgefallenen Städte zum ‹rechten› Kreuz.105 Diese konfessionelle Begründung des Aufstands scheint auch auf, als 1585 Antwerpen in Verhandlungen mit dem spanischen Generalgouverneur Alessandro Farnese Religionsfreiheit forderte und Fugger gar die Rückkehr zum Katholizismus für möglich hielt, sobald die Niederlande keine Aussicht mehr auf französische Unterstützung hätten.106 Gerade mit der Person Farneses verbindet sich die konfessionelle Problematik ganz besonders, da er durch Konzessionsbereitschaft in der Religionsfrage eine schrittweise Rückgewinnung abgefallener Städte versuchte.107 Als zweiten Motivationsstrang nannte Hans Fugger erst 1574 und auch nur in Zusammenhang mit einer spanischen Verhandlungsinitiative die Probleme, die sich aus den frühabsolutistischen Reformmaßnahmen Philipps II. ergaben: So bot Spanien nun die confirmation der privilegien so die Niderlanndt von allter her gehabt.
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Zur Kritik an Fadrique vgl. Hans Fugger an Hans Keller, 23.10.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 595), Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.02.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 449 (I 925). Zur Beurteilung Fadriques vgl. Parker: Strategy, S. 129, 341 Anm. 50. – Die betreffende Korrespondenz mit den spanischen Faktoren ist Gegenstand eines großen laufenden Editionsprojekts (Wilhelm von den Driesch, fortgeführt von Rolf Walter) und wird daher für meine Forschungen nicht herangezogen. Hans Fugger an Johann Tonner, 19.07.1586, FA 1.2.14b H. 65, pag. 422 (II/2 3007). Zur Verwendung des Begriffs «Rebellion» statt «Revolution» im Zusammenhang mit dem niederländischen Aufstand vgl. Rowen: Dutch Revolt, sowie Rolf-Ulrich Kunze: ‹Vader des vaderlands›, Protorevolutionär oder toleranter Fürst? Zur Rolle Wilhelms von Oranien im Aufstand der Niederlande, 1566–1584, in: AKG 82 (2000), S. 93–119, hier 107–114. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 08.11.1572, FA 1.2.5 H. 13, pag. 318 (I 868). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 04.01.1585, FA 1.2.14a H. 58 (II/2 2661) sowie an denselben, 20.04.1585, FA 1.2.14a H. 59, pag. 329f. (II/2 2755): In summa wan disen loßen leutten die hoffens uff Frankhreich benommen werdt sie bald zum rechten † [Hans Fugger verwendet hier das graphische Symbol für ‹Kreuz›, d. Verf.] derkhennen. Pikanterweise schrieb Fugger an Tonner, einen Lutheraner, vom rechten Kreuz – für die Calvinisten hatte womöglich auch der Reichshofrat Tonner nicht viel übrig. Vgl. hierzu Parker: Aufstand.
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Item daz die stadas wie von alter her regieren sollen;108 das sollte nun königliches Erfolgsrezept zur Befriedung der Provinzen sein, hatte Philipp vorher doch auf Zentralisierung und Professionalisierung in der Regierung der Niederlande und damit auf die Beschneidung ständischer Mitspracherechte gesetzt.109 Die Leiden der Bevölkerung im Krieg wurden von Hans Fugger zwar mehrfach, und wie es scheint, aufrichtig bedauert,110 doch gleichzeitig ist klar, daß Fugger den Aufständischen die Rechtmäßigkeit ihrer Motive an keiner Stelle zubilligte. Aufständische galten ihm gar als gottlos,111 und ihre Weigerung, sich Spanien wieder zu unterwerfen, bewertete er als irrational und uneinsichtig, weshalb sie ihr Schicksal in letzter Konsequenz verdient hätten. Ein Beispiel von 1584: In summa diese leit sein ser verstockht, und werden zu grund geen also muß man in gleich darzu helffen.112 Hans Fuggers Urteil über Wilhelm von Oranien, den Führer des Aufstands, stand von Anfang an fest: Er war derjenige, welcher sich gegen König Philipp erhoben und eine Reihe von Anhängern um sich geschart hatte, gegen die Alba wieder den Gehorsam gegen den Landesherrn habe herstellen müssen.113 Fuggers Zuordnung ist genauso klar wie die spanische Position: Ein Edikt Philipps vom 19. Januar 1568 hatte Oranien des Hochverrats angeklagt. Zu dem bei Fugger nicht näher ausgeführten Ungehorsam, den Alba nun auf seine Weise zu tilgen versuchte, tritt eine Diskreditierung anderer Art: Wilhelm konnte zur Finanzierung seiner im Reich angeworbenen Truppen nur auf kärgliche Mittel zurückgreifen, die noch während seines ersten Feldzugs in die Niederlande 1568 zur Neige gingen. Plünderungen durch die unbezahlten und unterversorgten Söldner waren sehr bald die Folge und für Hans Fugger der Anlaß zu einem entrüsteten Bericht über die Verheerung des Landes durch Oraniens Marodeure: Seine Soldaten hätten gehaust wie die Türken – daher habe Gott ihr Unternehmen auch scheitern
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Hans Fugger an an Hieronimus von Lodron, 17.04.1574, FA 1.2.7 H. 18, pag. 62 (II/1 80). Vgl. hierzu Lademacher: Niederlande, bes. S. 71, 82–88, 91. Vgl. Hans Fugger mehrfach an Hieronimus von Lodron: 10.01.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 395 (I 904); 19.12.1581, FA 1.2.11 H. 42, pag. 544f. (II/1 2012); 30.10.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 328 (II/1 231); 19.12.1581, FA 1.2.11 H. 42, pag. 544f. (II/1 2012). Vgl. Hans Fugger an Herzog Wilhelm von Bayern, 08.08.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1672). «Verstocktheit» konstatierte Hans Fugger schon 1572, vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 27.09.1572, FA 1.2.5 H.13 (I 845), ebenso Hans Fugger an Anton von Montfort, 25.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 477f. (II/2 2622). Ähnlich schon an Christoph Tanner, 16.01.1582, FA 1.2.11 H. 42, pag. 624f. (II/2 2040) (Dieselben leut wellen mit willig wejß sich selb verderben, und kriegen da sie doch weder gelt noch andr gelegeheit darzu haben.) und an Anton von Montfort, 14.07.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 260 (II/2 2554) (Diese putterfresser wellen inn [...] verderben sein, dazu muß man in nun helffen.), Hans Fugger an Johann Tonner, 20.04.1585, FA 1.2.14a H. 59, pag. 329f. (II/2 2755) (Clementia so inen der prinz von Parma [Alessandro Farnese, d. Verf.] erzeigt, sein sie nit wertech [würdig].) Vgl. oben zu Alba, sowie Hans Fugger an Hans von Park, 06.06.1567, FA 1.2.5 H. 5, fol. 41r (I 76), Hans Fugger an Jörg von Rechberg, 03.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 253).
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lassen.114 Oraniens Desavouierung durch das zügellose Verhalten seiner Truppen erscheint bei Hans Fugger im Jahr 1572, in dem der Aufstand von neuem aufflammte, auf die gesamte Widerstandsbewegung ausgedehnt. Fugger berichtete vom Plündern und Morden der Söldner115 bzw. der Geusen, und schließlich wurde die Unbarmherzigkeit der Kriegsführung gar explizit auf den Calvinismus bezogen – lautete Fuggers Kommentar zu den Kriegshandlungen der calvinistischen Stadt Vlissingen doch: [...] die inn Flissingen thuen grossen schaden, mit rauben und blindern, wie es denn ir religion nit anderst gibt.116 Deutlich ist hier wiederum die Entsprechung zur Position Philipps und dessen enger Verknüpfung von religiöser Abweichung und politischer Widersetzlichkeit. Mit hinein spielte wohl auch die Sorge um das Reich, denn das verderbliche Treiben der Marodeure war insbesondere am Rhein und im niedersächsichen Reichskreis zu spüren.117 Das Terrorregime Albas und die durchaus vorhandenen Übergriffe spanischer Truppen auf die Bevölkerung wurden in dieser Zeit, um dies nochmals zu wiederholen, an keiner Stelle kritisiert; erste Stellungnahmen zum Plündern und Morden spanischer Truppen gab es bei Fugger erst seit der «Spanischen Furie» in Antwerpen 1576 – zu einer Zeit, als das Wüten der Plünderer erstmals Fuggerschen Besitz, die Faktorei Antwerpen, geschädigt hatte.118 Berichte über die Verheerung des Landes durch die Spanier gab er auch 1580 weiter.119 Fuggers Briefe waren also lange Zeit von Schwarz-Weiß-Malerei beherrscht, die noch dazu den Calvinismus 114
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Vgl. Hans Fugger an Hans Jörg von Preysing, 10.12.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 332). Der Vorwurf, die gegnerische Seite habe gehaust wie die Türken, war zu Zeiten der Türkenkriege ein beliebter stereotyper Vorwurf, um die Gegenseite in einem Konflikt in ein schlechtes Licht zu rücken, vgl. hierzu Grothaus: Erbfeind.– Zum Finanzierungs- und Disziplinproblem in Oraniens Heer vgl. Vetter: Oranien, S. 100–102 sowie Maltby: Alba, S. 161, 175, 177. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 08.11.1572, FA 1.2.5 H. 13, pag. 318 (I 868). – Dieser Brief konnte Hans Fugger als besonders schlagendes Beispiel dienen, wie wenig Oranien seine Truppen im Griff hatte, beschrieb er doch, daß Wilhelm sich mangels Sold von seinen unbezahlten Truppen auf dem Rückzug ‹absetzte› und die Söldner sich daraufhin an seinem bei den Truppen zurückgelassenen Besitz plündernd schadlos hielten. Hans Fugger an Hans Jörg von Preysing, 20.08.1572, FA 1.2.5 H. 13, pag. 234 (I 818). Zu den Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung vgl. Arndt: Reich und Niederlande, S. 97–110. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 16.12.1576, GHA Korrespondenz-Akten Fugger I: Sy [Wilhelm] werden aber ohn zweifl wie die Spanier zu Antorff gehausst, vor disem vernomen haben. Vgl. Hans Fugger an Joseph de Calepio, 23.11.1576, FA 1.2.8b, H. 27, pag. 505f. (II/1 1001). – Vgl. die Nachrichten des Jesuitenpaters Toledo über große Verwüstungen durch spanisches Kriegsvolk, die Hans Fugger weitergab, vgl. Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 18.04.1580, FA 1.2.10 H. 35, pag. 258 (II/1 1584) sowie an Johann Tonner, 16.04.1580, FA 1.2.10 H. 35 (II/1 1587). Daß Fuggers Kritik an der niederländischen Politik Philipps II. nach 1580 durch die Berichte des Paters tatsächlich wesentliche Impulse erhalten hat, wie Christl Karnehm urteilt, ist in meinen Augen nicht sicher, da Fugger Padre Toledos Argumente zumindest teilweise auch entkräftete, wenn er an dessen Urteilskompetenz in Kriegsdingen zweifelte, vgl. dazu Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 09.05.1580, FA 1.2.10 H. 35, pag. 327 (II/1 1611): [...] abr dise gaistliche leut versteen etwa derglichen sachen nit.
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als religiöses Bekenntnis miteinbezog. ‹Versöhnlich› wurde Fugger da nur einmal, wohl weil der Ende des Aufstands Anfang November 1572 ausgemacht erschien und Oraniens Bruder Ludwig – fälschlicherweise – als tot galt: Gott verzeichs baiden [Wilhelm und Ludwig von Oranien], daz sie inn Niderlandt sovil armen leuth gemacht.120 Das einseitige Bild Wilhelms von Oranien wurde noch weiter ausgebaut. 1581 fand Fugger gleich mehrere Ansatzpunkte für seine Kritik: Oraniens Treue zur Sache der Aufständischen wurde in Frage gestellt;121 niederländische Opposition gegen das Projekt, den Bruder des französischen Königs als Oberherrn der aufständischen Provinzen auszurufen und damit die Absetzung von Spanien zu sichern, hob Fugger in den Vordergrund.122 Einen unbezweifelbaren Höhepunkt bedeutet jedoch die Veröffentlichung der «Apologie» Wilhelms von Oranien. Im März 1580 hatte Philipp II. den Bann gegen Oranien ausgesprochen, der sich darauf mit einer Streitschrift, der «Apologie», verteidigte, die im Februar 1581 in Antwerpen publiziert wurde. Oranien rechtfertigte hierin nicht nur seinen Kampf gegen Spanien, sondern warf Philipp auch Ehebruch, Inzest und Mord an seinem Sohn Carlos vor – Elemente der vielzitierten «Schwarzen Legende».123 Dieser Angriff auf Philipp trug Oranien bei den Fürsten des Reiches scharfe Kritik ein. Im Reich existierten nur die niederländische und lateinische Fassung, um die Distribution in der breiten Öffentlichkeit zu vermeiden.124 Der hochbrisante Inhalt ließ vermutlich auch Hans Fugger im März 1581 davon absehen, dem Reichshofrat Johann Tonner eine Abschrift an den Kaiserhof zu schicken. Ich hab diese tag ein tractat oder Apologia von prinzen von Orangien gesehen, wider die proscription oder thalia125 so uff in geschlagen. Daz ist aber [...] so schmehlich wider den künig von Sp:[ani]a und dieselb ganz nation daz ich euchs nit hab lannicirn [zusenden] weln. Ich mag daz bekennen, daz ich die tag meins lebens nichts schedtlichers [...] gesehen.126 Fugger wollte sich trotz seiner vielfach ausgedrückten Treue zu Spanien wohl gar nicht erst in den Verdacht bringen, Propagandaschriften Oraniens zu besitzen127 oder gar unter seinen Korrespondenten zu verbreiten. Da er im Vorfeld durchaus nicht davor zurückschreckte, politische Pamphlete der Aufständischen als Nachrichtenbeilage weiterzuleiten,128 erschien ihm die Apologie daher wohl wirklich als zu gefähr-
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Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 08.11.1572, FA 1.2.5 H. 13, pag. 319 (I 868). Anlaß war Oraniens Versuch, die Herrschaft Vlissingen durch Kauf zu erwerben, vgl. Hans Fugger an Niclas Heller, 07.01.1581, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1818). Vgl. Hans Fugger an Heinrich Erb, 29.10.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1755). Vgl. dazu Parker: Aufstand, S. 244. Vgl. dazu Pollmann: Natürliche Feindschaft. Vgl. hierzu Vetter: Oranien, S. 167 sowie Arndt: Reich und Niederlande, S. 248. Im Sinne von ‹öffentliche Ächtung›, lat. proscriptio. Vgl. Georges: Handwörterbuch 2, Sp. 2024. Hans Fugger an Johann Tonner, 13.03.1581, FA 1.2.11 H. 39, pag. 179 (II/1 1882). Fugger formulierte ganz deutlich, er habe die Apologie nur gesehen, sprach nicht davon, sie zu besitzen. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 11.05.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1335), ebenso an Herzog Wilhelm von Bayern, 05.11.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1764).
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liches Material. Unverfänglich war dagegen die Weiterleitung der gegnerischen Position, und so übermittelte Fugger im Juni an Tonner eilfertig die Abschrift eines niederländischen Traktats gegen die Apologie.129 Fuggers Kommentare zum mißglückten Attentat auf Oranien durch Juan Jaureguy im Jahr 1582 verwundern vor diesem Hintergrund kaum: Groß war seine Enttäuschung, als sich herausstellte, daß Oranien überlebt hatte – Hans Fugger gab der wenig ausgereiften Waffentechnik des Attentäters die Schuld: Der Biscayer [Jaureguy] so in getroffen, hat die püxen nit wol regieren khinden. Da er die kugel uff teutsch gespickht und prepariert, wer ein sollich monstrum uff der statt gebliben.130 Noch bedeutender als die drastische Sprache Fuggers, in der Oranien gar zum unmenschlichen monstrum wurde, war die Auffassung von der Bedeutung des Prinzen für den Aufstand, die hinter diesem Zitat steht. Ganz in Einklang mit der spanischen Position war auch für Fugger Oranien der wahre Kopf des Aufstands; er sei es, der die Niederlande ins Verderben geführt habe.131 Entsprechend die Logik der mehrfachen Attentats-Versuche auf spanische Initiative hin: Fehle erst einmal der ‹Kopf›, dann breche der Aufstand in sich zusammen.132 Daß Oranien sich schließlich 1583 vehement dagegen stemmte, Anjou wieder ziehen zu lassen und damit die Unabhängigkeit der Vereinigten Provinzen zu gefährden, paßte natürlich gut in Fuggers Bild: Oraniens Einfluß bringe es fertig, daß es zu keiner Friedenslösung komme.133 Entsprechend große Hoffnungen knüpfte Hans Fugger dann schließlich an die Ermordung Wilhelms durch Balthasar Gérard am 10. Juli 1584, denn so erzeigt sich unser Herrgott in dem Niderlandt gar gut spanisch.134 Sufficit daz er hin ist,135 das war seine Meinung zu den zahlreichen Gerüchten über den Mordkomplott. Unangesehen, daz der prinz von Orangie hin,136 führte die von Fugger beschriebene Ratlosigkeit und Verwirrung in der Bevölkerung jedoch nicht zu einem raschen 129
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Hans Fugger an Johann Tonner, 09.06.1581, FA 1.2.11 H. 40, pag. 385 (II/1 1959). Der Traktat gegen die Apologie Oraniens, als dessen Druckort Hans Fugger Mons angibt, ist wohl identisch mit der in der SuStBA unter 2° Lw 417 überlieferten Flugschrift des Joh. Clavius: Ode in Guilielmum a Nassav Regis Catholici in inferiori Germania vasallum Perduellem [...]. Montibus 1581, gedruckt bei R. Velpius. Hans Fugger an Anton von Montfort, 30.04.1582, FA 1.2.12a H. 44, pag. 276 (II/2 2133). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 19.12.1581, FA 1.2.11 H. 42, pag. 544f. (II/1 2012). Vgl. hierzu Arndt: Friedensvermittlungen, S. 171f. sowie Anm. 33, ebenso Parker: Strategy, S. 134f. sowie Koenraad W. Swart: William the Silent’s Statecraft. In: Theo Hermans, Reinier Salverda (Hg.), From Revolt to Riches. Culture and History of the Low Countries, 1500–1700. International and Interdisciplinary Perspectives. London 1993 (Centre for Low Countries Studies, Series Crossways 2), S. 65–73, hier 71. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 05.03.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2295) sowie an Anton von Montfort, 05.03.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2297). Zum ‹Anjou-Projekt› Oraniens vgl. Parker: Aufstand, S. 246f., Schmidt: Vaterland, S. 236–238. Hans Fugger an Anton von Montfort, 28.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2578). Zitiert nach Christl Karnehm. Hans Fugger an Anton von Montfort, 28.07.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 349 (II/2 2578). Hans Fugger an Anton von Montfort, 25.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 477 (II/2 2622).
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Friedensschluß, was er sechs Wochen nach dem Attentat auf die ‹Verstocktheit› der Niederländer zurückführte und ihr Verderben prophezeite.137 Wie konnte es zu dieser Fehleinschätzung kommen? Im Gegensatz zur Position der früheren Forschung wurde insbesondere seit den 1950er Jahren verstärkt darauf hingewiesen, daß Wilhelms Rolle im Aufstand nicht überschätzt werden dürfe, da sich bereits in der Zeit von 1572 bis 1584 das Prinzip ständischer Souveränität bei gleichzeitiger Beschränkung der Exekutive entwickelt habe.138 Nach außen jedoch gerierten sich Stände und Oranien «als Einheit im Aufstand, den der Prinz nominell leitete»,139 insbesondere als militärischer Führer. In dieser Außensicht verharrten also Hans Fugger und auch die Mehrheit der Berater des spanischen Königs.140 Entsprechend selten sind in Fuggers Nachrichten Hinweise auf einen Dissens zwischen Oranien und den Ständen,141 wiewohl dieser mehrfach virulent war.142 Die Stände selbst – diejenigen der einzelnen Provinzen wie auch die Generalstaaten – geben bei Fugger eher ein blasses Bild ab: Mehrfach betonte er seit den späten 1570ern ihre angebliche Unfähigkeit zur Regierung143 der Provinzen sowie ihre Uneinigkeit, die für ihn ein halbes Jahr vor der Begründung der Union von Arras und der Union von Utrecht die Teilung der Niederlande aufscheinen ließ.144 Aufmerksam verfolgte er 1581 auch die ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber den Generalstaaten.145 Daß mit dem Tod Wilhelms aber im Hinblick auf die ständische Regierung sehr rasch neue Zeiten angebrochen waren, zeigt allerdings auch Fuggers Korrespondenz nur allzu deutlich. Wilhelms Sohn Moritz von Nassau, seit 1585 Statthalter in Holland, wird in den verbleibenden fünf Jahren der Korrespondenz146 nur ein einziges Mal im
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Ebenda. – Anfang September erschien die Hoffnung Fuggers auf ein Ende des Aufstands nach Oraniens Tod schon recht gedämpft, vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 06.09.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 511 (II/2 2635): Gott geb, daz durch sein todt die sachen im Niderlandt besser werden, dan wie sich der reden die sachen ansehen lassen, so ist dieselb khue noch nit im rechten stall. Die verschiedenen Forschungsmeinungen resümiert Kunze: Rolle Wilhelms, bes. S. 100– 102, 105–114. – Über diesen Gegenstand handelt ausführlich Lademacher: Statthalter. Vgl. auch zusammenfassend Lademacher: Niederlande, S. 113–121. Vgl. hierzu Lademacher: Statthalter, S. 174f. Eines der seltenen Beispiele für die Zweifel an einem Ende des Aufstands nach dem Tod Oraniens gibt Parker: Strategy, S. 135. Am ehesten greifbar erscheint dieser Dissens bei den unterschiedlichen Auffassungen zu Anjou als Regent. Vgl. dazu auch den zeitgenössischen Historiographen Meteren: Historia, S. 314f. Vgl. hierzu Lademacher: Statthalter. Vgl. Hans Fugger an Hans von Welsperg, 01.03.1578, FA 1.2.9a H. 30 (II/1 1298), an Christoph Tanner, 31.01.1579, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1444). Vgl. Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 10.06.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1339). Eine knappe Zusammenfassung zum schwierigen Verhältnis der einzelnen Provinzen und den Unionsgründungen liefert Lademacher: Niederlande, S. 134–137. Vgl. Hans Fugger an Niclas Heller, 07.01.1581, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1818). Zur Haltung der niederländischen Bevölkerung gegenüber den Generalstaaten vgl. Parker: Aufstand, S. 238. Die Jahre der fehlenden Überlieferung 1587–1591 sind hier abgezogen.
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Zusammenhang mit der Einnahme von Steenwijk (1592) erwähnt147 – ein Zeichen dafür, daß das Statthalteramt sich nach 1584 zu einer «ständisch-republikanischen Beamtenstellung»148 entwickelte.
d) König Philipp von Spanien Die Rechtsposition Philipps II. lag für Hans Fugger, wie bereits zitiert, auf der Hand: Spaniens König war der rechtmäßige Herr der Niederlande und hatte damit das Recht, gegen all diejenigen vorzugehen, die seine Autorität antasteten.149 Dennoch übte Fugger ab 1574 zusehends Kritik an der königlichen Strategie, und wiederum war in erster Linie Hieronimus von Lodron sein Ansprechpartner. Im wesentlichen sind es drei Problemkomplexe, die Fugger immer wieder als Basis der spanischen Mißerfolge in den Niederlanden thematisierte: Der Mangel an Finanzmitteln, die Setzung politischer Prioritäten, die Verweigerung weitreichender Konzessionen. Hatte Hans Fugger schon 1569 düstere Prognosen über die Kosten für die Truppen in den Niederlanden gewagt,150 so wurde die Finanzproblematik des spanischen Königs ab 1574 zu seiner immer wiederkehrenden Klage. Philipps chronischer Geldmangel hatte in der Tat verheerende Folgen für seine Flandrische Armee: «through misery and prolonged suffering to mutiny, massive desertion and military collapse».151 Für die Zeitgenossen waren die spanischen Finanzierungsnöte kein Geheimnis; entsprechend viele Klagen gibt es von spanischen Heerführern und königlichen Beratern, die dauerhafte militärische Erfolge auf dieser Basis als unmöglich ansahen.152 So wurde auch Hans Fugger nicht müde, gegenüber den militärischen Experten unter seinen Adressaten die Auswirkungen ausbleibenden Soldes zu brandmarken, so z.B. auf einem der Krisenhöhepunkte 1576: Im Niderlandt [...] steet die sachen der empörungen und meuterejen halben etwas geferlich, aber also geet es, wann man kriegen [Krieg führen] will und khein gelt hat, verderbt ain herr in sein land nun selb.153 Gut fünfzehn Jahre später konnte er nur noch resignierend den ewigen Geldmangel als gesamteuropäische Plage darstellen, die alle Herrscher 147 148 149
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Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 18.07.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3281). Lademacher: Statthalter, S. 174. Vgl. dazu Hans Fugger an Hans von Park, 06.06.1567, FA 1.2.5 H. 5, fol. 41r (I 76) sowie Hans Fugger an Jörg von Rechberg, 03.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 253). Vgl. Hans Fugger an Christoph Hörmann, 25.01.1569, FA 1.2.5 H. 9, fol. 12r (I 356). Vgl. die ausführliche Darstellung bei Parker: Army of Flanders, S. 139–157, Zitat 157. Vgl. Parker: Strategy, S. 123f., 143, 282. Vgl. auch Maltby: Alba, S. 228f. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 17.08.1576, FA 1.2.8b H. 26, pag. 329 (II/1 922). Da die spanische Finanzkrise bei Fugger ausgesprochen häufig erwähnt wird, sollen hier nur noch wenige ausgewählte Beispiele aufgeführt werden: Hans Fugger an Engelhard Kurz, 19.03.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3438), Hans Fugger an Sebastian Roll, 01.05.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3389), Hans Fugger an Sebastian Roll, 20.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3368), an denselben am 15.02.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3143; an Hans Gaudenz von Raitenau, 09.01.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3119), an Christoph Tanner, 16.01.1582, FA 1.2.11 H. 42 (II/2 2040).
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betreffe – mit verheerenden Auswirkungen: Und ist inn summa [...] mit dem krigs fierenn dahin khumen, daz khein herr mer inn der christenheit krieg fiern [...] khinden, also daz uß dem kriegen ein raubereien, und landt verderbung uß not volgen müessen.154 Daß gerade in den drei letzten Jahren der Kopierbuchüberlieferung diese finanzielle Frage im Mittelpunkt steht, ist vermutlich begründet durch die drastische Reduzierung finanzieller Mittel für den Niederländerkrieg durch Philipp II. im Jahr 1592 – mehrfache Meutereien der dezimierten Truppen waren die Folge.155 Unmittelbar mit der finanziellen Argumentation verbunden sind Fuggers Reflexionen, welche Stellung die Niederlande in Philipps gesamtpolitischen Konzept einnehmen sollten. In der Forschung wurde vielfach betont, daß die militärischen Auseinandersetzungen mit den Osmanen bis 1577, in Portugal 1580, mit England seit 1585 und in Frankreich seit 1589 wiederholt den Kampf gegen die aufständischen Provinzen entscheidend behinderten. Immer wieder wurden Gelder und Soldaten für andere Schauplätze gebraucht, anstatt in die Niederlande zu gelangen, wo Spanien in den Jahren 1568, 1572, 1575 und 1585–1588 den Sieg unmittelbar vor Augen hatte – um ihn dann wieder entgleiten zu sehen.156 Fernando González de León und Geoffrey Parker vertreten als eine der Ursachen dezidiert eine «hierarchy of territorial priorities»,157 in der die Niederlande erst an dritter Stelle158 gestanden hätten. Aus Fuggers Briefen läßt sich zwar keine klare Hierarchie der verstreuten spanischen Territorien erschließen, doch eine Nachordnung der Niederlande war in seinen Augen wohl tatsächlich gegeben. Zumindest gab er einer solchen Auffassung um die Jahreswende 1581/82 Ausdruck: Behutsam formulierend streute er in einem Brief an Lodron die Hoffnung ein, Gott der herr wellen ir Mt: [Maiestät]
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Hans Fugger an Sebastian Roll, 10.03.1592, FA 1.2.14b H. 65, pag. 285f. (II/2 3174). Philipp II. war seit 1589 im französischen Bürgerkrieg engagiert und ließ daher einen Zweifrontenkrieg gegen die aufständischen niederländischen Provinzen und Heinrich von Navarra führen, was den Rebellen zu zahlreichen militärischen Erfolgen verhalf. Aufgrund schwerwiegender Differenzen mit seinen niederländischen Generalgouverneur Alexander Farnese entschloß Philipp sich zur Reduzierung der ohnehin knappen Mittel für die Flandernarmee, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden war. Vgl. hierzu Parker: Army of Flanders, S. 244–247. Vgl. hierzu Parker: Strategy, S. 2, Abb. 1. Die Problematik des Vorhandenseins mehrerer Kriegsschauplätze unterstreicht auch Rowen: Dutch Revolt, S. 581. Paul Kennedy hat in diesem Zusammenhang von einem «strategical overstretch» gesprochen, der den Niedergang Spaniens bedeutet habe. Vgl. Paul Kennedy: The Rise and Fall of the Great Powers. Economic change and Military Conflict from 1500 to 2000. New York 1987, S. 48. Fernando González de León und Geoffrey Parker haben minutiös aufgelistet, wann den Niederlanden durch andere Schauplätze jeweils militärische Unterstützung bzw. die königliche Aufmerksamkeit entzogen wurde. Vgl. González: Strategy, passim, zusammenfassend S. 231. Zitate aus den Briefen Philipps und Albas zu diesem Hierarchie-Problem liefert Parker: Strategy, S. 120, 123f., 134. González: Strategy, S. 217. Nach der Iberischen Halbinsel und Amerika, Italien und dem Mittelmeerraum. Vgl. González: Strategy, S. 217.
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inspirieren daz sie etwas mit merern ernst disen krig treiben.159 Vier Wochen später präzisierte er in einem Brief an Christoph Tanner, in der kritischen Tendenz noch deutlicher: Einmal werden ir Mt: denselben krieg mit merern ernst als sein zeit her geschehen fürenn müessen,160 wolle Philipp die Provinzen gegen die Rebellen und die sie unterstützenden Franzosen behaupten. Der Hinweis auf die Versäumnisse in der Vergangenheit läßt sich auf die schon in den Jahren vorher beklagte dünne Finanzdecke beziehen, könnte aber in Einklang mit der Vorstellung von einer territorialen Hierarchie auch als Rückbezug auf die Aufmerksamkeit gedeutet werden, die Philipp dem Geschehen im Mittelmeer wie auch der Thronfolge in Portugal widmete. Bezeichnenderweise wird der Vorwurf mangelnden «Ernstes» im Jahr 1593 nochmals aufgenommen, auf einem Höhepunkt der Finanzkrise und während des spanischen Engagements im französischen Bürgerkrieg.161 Die Verwendung spanischer Gelder im Frankreich-Konflikt stieß im übrigen auch bei der spanischen Regierung der Provinzen in Brüssel auf Widerstand.162 Auf die Bedrohung der spanischen Herrschaft an mehreren Fronten und deren Wechselwirkung, auf die gleichfalls Parker und González hinweisen, hatte Fugger schon Jahre vorher, während der Kämpfe mit den Osmanen, Bezug genommen.163 Mit dem Scheitern Albas war nicht nur das finanzielle Desaster in den Gesichtskreis Fuggers getreten. Konzessionsbereitschaft gegenüber den Aufständischen, die vorher in seinen Briefen keine Bedeutung hatte, schien ihm in den noch 1574 angestrengten Friedensverhandlungen unbedingt vonnöten, um Schlimmeres zu verhindern. Wenn Philipp die Niederlande weiter per forza halten wolle, so wurdt ehr lang ain general revolta volgen, und Ir Mt: [Maiestät] zubesorgen die land gar verlieren [...]. Gott der allmechtig schickhs zum bessten, und erleicht [erleuchte] ir Mt: räth daz sie es bas als bisher treffen.164 Fuggers recht deutliche Verurteilung einer Politik per forza ist unverfänglich eingekleidet: Der Rekurs auf Philipps Räte, die eben bessere Arbeit leisten müßten als bisher, ermöglicht Kritik, ohne den König direkt zu treffen. Der Einsatz dieses «Berater-Topos» begegnet übrigens bis 1581 auch in der antispanischen Propaganda – sozusagen eine überkonfessionelle
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Hans Fugger an Hieronimus von Lodron,19.12.1581, FA 1.2.11 H. 42, pag. 544 (II/1 2012). Hans Fugger an Christoph Tanner, 16.01.1582, FA 1.2.11 H. 42, pag. 626 (II/2 2040). Entsprechend nochmals Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 24.04.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2122). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 20.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3365). Vgl. Parker: Aufstand, S. 274–276. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 04.12.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 414 (II/1 274): [...] und stehen inn der warhait die spannischen sachen überal seer mißlich, zu besorgen die türggisch armada werde auf khinfftig jar was attendiren unnd nit erwarten bis die resolution ob man sich wöhren oder nit weren wöll aus Sp:a [Spania] khumb. – Die Verbindung zum Krieg mit den Türken und der antitürkischen Liga im Mittelmeer zieht auch Fuggers Kommentar zur möglichen Ausweitung des Konflikts 1572: Hans Fugger an Georg von Preysing, 28.06.1572, FA 1.2.5 H. 13, pag. 183 (I 783): Daz der angefangenen liga zu grossen nachthaill raichen mag. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 30.10.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 327f. (II/1 231).
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Argumentationsstrategie.165 Fugger wählte dieses Verfahren mehrfach und umging entweder die Ursachen der gegenwärtigen Lage ganz166 oder suchte die Schuld bei Philipps Räten bzw. ‹kollektiv› bei den spanniern.167 Anläßlich konkreter Friedensgespräche formulierte Hans Fugger die Verantwortlichkeit dann ganz und gar unpersönlich: Es komme nun nur darauf an, wie sollicher frid mit Ir Mt: reputation gemacht werde. Solliche reputation solte man [Hervorhebung durch d. Verf.] lengst bedacht und nit dem vaß gleich von anfang den poden haben ausgestossen.168 Insbesondere letzteres Zitat ließ Fuggers Adressat Hieronimus von Lodron geradezu die Wahl: Zielte Hans Fugger mit man auf Philipp oder deutete er zurück auf das Gewaltregime Albas, das nun die Einigung erschwere? Der von Fugger verwendete Begriff der reputation169 des Königs läßt aufhorchen. Die neuere Forschung hat das Streben nach Erhalt der Reputation für Philipp und sein Reich als eines der religiösen bzw. ideologischen Kernprinzipien des Königs bezeichnet, das hinsichtlich der Niederlande insbesondere Überlegungen Philipps und seiner Berater auch im Vorfeld möglicher Friedensverhandlungen beeinflußte.170 Fugger scheint ganz im Bewußtsein dieser Forderung spanischer Politik zu stehen – um sie angesichts der ernsten Lage in den Niederlande als leitendes Prinzip nicht (mehr länger) zu akzeptieren.171 Ähnlich wie bei der Beurteilung Albas wurde Fugger in seinen Aussagen im Laufe der Zeit zunehmend deutlicher. Die Hintergründe für diesen Wandel sind allerdings nicht eindeutig zu rekonstruieren: Zunächst einmal erscheint es denkbar, daß Hans Fugger aus dem Unmut über den jahrzehntelang erbittert ausgetragenen Konflikt heraus seinen persönlichen Überzeugungen entschiedener Ausdruck gab. Möglicherweise war auch das Vertrauen zu einem Korrespondenzpartner wie Hieronimus von Lodron gewachsen, so daß es Fugger ab 1574 möglich schien,
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Vgl. hierzu Pollmann: Natürliche Feindschaft, S. 84, 88–91 sowie Arndt: Reich und Niederlande, S. 241f., 261. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 06.11.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 341 (II/1 238). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 04.12.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 415 (II/1 274). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 05.02.1575, FA 1.2.7 H. 20, pag. 564 (II/1 353). Fugger benutzte den Begriff auch schon wenige Wochen vorher: Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 04.12.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 415 (II/1 274): Da wollte man geen dem künig vil reputation erhallten, die die spannier selb Ir Mt:[Maiestät] verloren. Vgl. González: Strategy, S. 216f., 228. Vgl. dazu auch die weiteren Belege bei Parker: Strategy, S. 89, 134, 330, 343. – Eng mit dem Problem der Reputation und dem Anspruch auf eine spanische Universalmonarchie verbunden war Philipps Selbstdarstellung als Schutzherr der rechtgläubigen Christenheit. Hierzu Franz Bosbach: Monarchia universalis. Ein politischer Leitbegriff der frühen Neuzeit. Göttingen 1988 (Schriften der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 32), S. 64–86 sowie Burk hardt: Dreißigjähriger Krieg, S. 35–42. Über die Auffassung der königlichen Ratgeber Álava und Granvelle, die Konzeption der niederländischen Politik 1574 gegen die Maxime der Reputation zu ändern, informiert Kamen: Philip, S. 153.
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Defizite in der Politik des spanischen Königs auch direkt anzusprechen.172 Bezeichnenderweise aber – wir erinnern uns an den Ruf nach Karl V. – ist es wieder ein Handelsdiener, diesmal Faktor Miller in Madrid, gegenüber dem Fugger in ausgesprochen deutlicher Weise Versäumnisse Philipps II. benannte: Es haben die Sp:er [Spanier] mit iren [...] regiment die sachen dahin bracht, daz wa ir Mt: [Maiestät] nit clementia brauchen wirdt sie die land gar verliren. [...] Da Ir Mt: vor 10 jarn [...] mittel der clementia gebraucht wie sie jezo erzeigen, wern die sachen so [...] nit khumen.173 Die Position, die Hans Fugger 1577 mit clementia umschrieb, vertrat er schon, als Philipp II. sich in der militärisch wie finanziell bereits ausgesprochen prekären Lage der Jahre 1573–1575 aus schierer Not verhandlungsbereit zeigte.174 Wie Fugger die Milde des christlichen Herrschers jedoch realisiert sehen wollte, führte er – vielleicht ganz bewußt? – nicht in aller Deutlichkeit aus. Allerdings läßt sich seine Position aus Indizien zumindest erahnen: Fuggers im Jahr 1574 geäußerte Ablehnung einer Politik per forza steht im Zusammenhang mit Forderungen der Generalstände für einen Kompromiß: Neben den ursprünglichen Privilegien der Provinzen verlangten sie den Abzug der spanischen Truppen sowie religiöse Toleranz. Die Forderung Hans Fuggers, Philipp müsse hier comparisiern,175 um die general revolta176 zu vermeiden, läßt offen, ob er hier auch im hochbrisanten konfessionellen Bereich an Zugeständnisse dachte. Zu den Friedensgesprächen in Breda 1575, die an der konfessionellen Frage scheiterten, bezog er keine eindeutige Position.177 Immer wieder erneuerte Hans Fugger seine Friedenshoffnungen, besonders als in den Jahren 1577 bis 1579 intensive Verhandlungen anstanden oder die gewaltigen militärischen Erfolge Alexander Farneses gegen die Aufständischen in den 1580er Jahren den spanischen Sieg noch einmal in greifbare Nähe rückten. Als Philipp
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So z.B. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 17.08.1576, FA 1.2.8b H. 26, pag. 329 (II/1 922): Aber also geet es, wann man kriegen will, und khein gelt hat, verderbt ain herr inn sein land nun selb. An denselben, 05.06.1582, FA 1.2.12a H. 44, pag. 339 (II/2 2151): [...] wirdt also ein notturft sein, der künig mit merern ernst inn sachen thue. Hans Fugger an Thomas Miller, 12.10.1577, FA 1.2.9a H. 29, pag. 375f. (II/1 1192). Vgl. Parker: Strategy, S. 142. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 06.11.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 341 (II/1 238). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 30.10.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 327 (II/1 231) sowie Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 06.11.1574, FA 1.2.7 H.19, pag. 341 (II/1 238). Hans Fuggers Brief an Hieronimus von Lodron, 26.07.1575, FA 1.2.8a H. 22 (II/1 550) wird bei Christl Karnehm dahingehend gedeutet, daß die Spanier die Gespräche hätten scheitern lassen. Die hier vorgeschlagene Transkription legt eine andere Interpretation nahe: Es geet aber die bösst zeit zum kriegen dahin, und lauffen dem künig grossen uncosten auf [...]. Wie sich die fridstraction im Niderland gar zerschlagen, und dz man sich am selben ort zu beeden thailen wider zur wöhr richt, wirdt der herr aus copi hieneben vernemmen. (pag. 325f.) Nach Arndt: Friedensvermittlungen, S. 165–168 war das Scheitern durch die unnachgiebige Haltung der Aufständischen verursacht; so auch schon die Forschung des 18. Jahrhunderts, vgl. Wagenaar: Niederlande, S. 247.
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1578 durch seinen Unterhändler de Selles eine Einigung vorschlagen ließ, die den religiösen Status quo der Niederlande zur Zeit Karls V. anbot, lehnten die Rebellen natürlich ab. Fugger bezeichnete dieses Angebot hier noch als das Äußerste, was Philipp zugestehen könne – gingen die Aufständischen darauf nicht ein, wollten sie anscheinend ihren eigenen Untergang.178 Philipp verurteilte auch noch 1585 Alexander Farneses Zugeständnis des ius emigrandi an mehrere von ihm eroberte Städte und großzügig gehandhabte Übergangs- bzw. Abzugsfristen für die Calvinisten, die z.T. in den eroberten Städten geduldet werden sollten, solange die öffentliche Ausübung ihrer Religion unterblieb.179 Nicht so aber Hans Fugger: Die clementia des Prinzen von Parma wurde 1581–1586 mehrfach als erfolgversprechende Strategie für die Befriedung der Provinzen gelobt180 und galt Hans Fugger rückblickend genauso wie schon einmal 1577181 als diejenige Maßnahme, die gleich am Beginn des Konfliktes, noch unter Alba, zu einer raschen Befriedung geführt hätte.182 Ob wir aus derartigen Äußerungen Fuggers freilich schließen können, er sei dezidiert für eine Tolerierung des Calvinismus in einigen Städten auf unbestimmte Zeit gewesen, wie Farnese es 1585 in einem Memorandum dem König vorschlug, muß dahingestellt bleiben.183 Jedenfalls bleibt zu konstatieren, daß trotz des Fuggerschen Wunschbilds einer Rückkehr der Niederländer zum Katholizismus, das auch noch 1585 aufscheint,184 in seinen Augen eine pragmatische konfessionspolitische Lösung, wie Farnese sie vorexerzierte, das Mittel der Wahl war, um den Konflikt zu einem Ende zu führen. Schließlich war Fugger Bürger einer Reichsstadt, in der trotz wiederholter heftiger Konflikte Katholiken und Protestanten unter dem Zeichen der Parität zusammenlebten. Zwischen dem Vorschlag Parmas und damit also zumindest grob auch dem Fuggers, der entsprechend dem Modell des Augsburger Religionsfriedens Philipps konfessionspolitische Kompetenz als Landesherr noch einigermaßen unangetastet ließ, und der von den Generalstaaten geforderten Freistellung klaffte
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Vgl. Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 04.03.1578, FA 1.2.9a H. 30 (II/1 1295). Vgl. Parker: Aufstand, S. 266f. sowie Ders.: David or Goliath? Philipp II and His World in the 1580s. In: Ders., Empire, War and Faith in Early Modern Europe. London u.a. 2002, S. 16–38, hier 33. – Zu den religionspolitischen Vereinbarungen Farneses mit den eroberten Städten vgl. die ausführliche Darstellung bei Meteren: Historia, S. 360, 374, 408–412, 425, 473. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 19.12.1581, FA 1.2.11 H. 39, pag. 544 (II/2 2012), ebenso Hans Fugger an Johann Tonner, 20.04.1585, FA 1.2.14a H. 59, pag. 329 (II/2 2755). Vgl. Hans Fugger an Thomas Miller, 12.10.1577, FA 1.2.9a H. 29, pag. 375f. (II/1 1192). Hans Fugger an Johann Tonner, 19.07.1586, FA 1.2.14b H. 65, pag. 422 (II/2 3007). Zu diesem Vorschlag Farneses, den Philipp II. dann 1590 als Basis für Friedensverhandlungen übernahm, vgl. Parker: Aufstand, S. 266–268. Henry Kamen vertritt im Gegensatz zu Parker die Auffassung, Philipp hätte der begrenzten Tolerierung des Calvinismus bereits 1585 nicht mehr ablehnend gegenübergestanden, vgl. dazu Kamen: Philip, S. 295f. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 20.04.1585, FA 1.2.14a H. 59, pag. 330 (II/2 2755).
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jedoch immer noch ein gewaltiger Abstand.185 Wie ist also Fuggers Haltung zur Konfessionspolitik zu beurteilen? Zwar kann man Hans Fugger durch sein unbedingtes Drängen auf Frieden und den konstanten Willen zu religionspolitisch gemäßigten Zugeständnissen aus realpolitischen Gründen nach Juliaan Woltjers Einteilung wohl noch zur Partei der politisch Gemäßigten rechnen, die gleichwohl nicht der religiösen Mitte angehörten.186 Doch wie die Forderungen der Aufständischen bei den diversen Friedensgesprächen seit 1574 zeigen, war dieser Kompromißansatz keine Lösung, die einen dauerhaften Frieden hätte garantieren können.187
5. Hans Fuggers Korrespondenz zur niederländischen Erhebung: Resümee der Inhalte und Bezug zur Adressatenstruktur Fuggers Briefe zum niederländischen Aufstand waren in erster Linie Instrument und vielfach auch ‹Begleittext› der Nachrichtendistribution: Seine Meldungen gingen an einen kleinen Kreis seiner Korrespondenzpartner, die überwiegend selbst wieder als Nachrichtenlieferanten zu anderen Themen fungierten – der Austausch wurde von Fugger häufig direkt angesprochen bzw. erbeten. Die Informationen waren in erster Linie an Militärs und Mitglieder regierender landesherrlicher Dynastien bzw. deren Amtsträger gerichtet, und entsprechend waren die inhaltlichen Schwerpunkte eindeutig bei militärisch-strategischen Gesichtspunkten gesetzt. Im Auf und Ab des jahrzehntelangen Kriegsverlaufs wechselten bei Fugger Hoffnung auf Frieden und düstere Zukunftsprognosen einander ab, in Entsprechung zum schwankenden Kriegsglück Spaniens. Seine persönlichen Einschätzungen der Kriegslage entsprachen ganz überwiegend und sehr zeitnah der tatsächlichen Situation – untrüglicher Hinweis für die Qualität der Nachrichten, die ihn wöchentlich aus den Niederlanden erreichten, aber auch für seinen politischen Pragmatismus. Fuggers Sicht war eindeutig standortgebunden, und die Legitimität der spanischen Position wurde niemals von ihm bezweifelt. Dennoch vertraute er schon bald der militärischen Macht Philipps II. nicht mehr blind: Fugger war nicht nur bestens mit Nachrichten versorgt, das Augsburger Bankhaus gehörte zu den wichtigsten Bankiers des Königs, war mit hohen Kreditsummen unmittelbar von den Kämpfen in den Niederlanden betroffen und wurde selbst mehrfach vom Staatsbankrott bedroht. Aus Fuggerscher Perspektive war daher völlig zutreffend schon 1575 – im Jahr des zweiten spanischen Staatsbankrotts – Ir
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Zur Beurteilung der Fuggerschen Position muß betont werden, daß die Politik Farneses, insbesondere hinsichtlich der Auslegung des ius emigrandi, durch die spanische Verhandlungsposition auf dem Pazifikationskongreß zu Köln 1579 schon weitgehend vorgezeichnet und damit nichts grundstürzend Neues war, in der praktischen Umsetzung aber erhebliche Erfolge zeitigte. Vgl. Arndt: Friedensvermittlungen, S. 174f. Vgl. Woltjer: Moderates, S. 198. Vgl. hierzu Arndt: Friedensvermittlungen.
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Mt: [Maiestät] dermassen erschöpftt, daz sie die ausgaben nit mer erschwingen khinden.188 Parallel zu etlichen engen Beratern des Königs plädierte auch Fugger daher, dem niederländischen Kriegsschauplatz mehr Aufmerksamkeit zu widmen bzw. einen Strategiewechsel Philipps einzuleiten, nämlich die Reputation zugunsten von mehr Konzessionen (clementia) an die Aufständischen zu vernachlässigen. Aus der Sicht Fuggers waren also die Mißerfolge Spaniens auf das Versagen der politischen Konzeption Philipps II. zurückzuführen. In gleicher Weise betont die neueste Forschung mittlerweile diesen Hintergrund mehr als die ‹klassische› Auffassung von der Weite des von Philipp beherrschten Raumes, die einen dauerhaften Erhalt der spanischen Macht unmöglich gemacht habe.189 Ebenso wie die Vertreter der spanischen Politik befreite sich jedoch Fugger nachweislich bis in die 1580er nicht von der Vorstellung, die Niederlande könnten zum katholischen Glauben zurückgeführt werden – eine Hoffnung, die illusorisch blieb und der man auch nicht mit den begrenzten konfessionspolitischen Zugeständnissen nach Farneses Muster näherkam. Bei einer stärkeren Rückbindung der Analyse inhaltlicher Aussagen Fuggers an die Adressatenstruktur fällt auf, daß einzelne Teilnehmer entsprechend ihrer Nähe zu Fugger bzw. ihrer Eingebundenheit in andere Beziehungsnetze unterschiedlich intensiv an den Kommentaren zum Aufstand in den Provinzen teilhatten. Die bereits erwähnte direkteste Aussprache der Versäumnisse Philipps II. gegenüber Fuggerschen Faktoren scheint mit deren Position im Netz vereinbar, da bei ihnen aufgrund der Dienstbindung an den Fuggerschen Handel Loyalität und Stillschweigen zumindest mit einiger Sicherheit vermutet werden darf, während Fugger bei einem Obristen Spaniens wie Hieronimus von Lodron durch ein Zuviel an Kritik vielleicht sogar eine geschäftliche Bindung gefährdet hätte.190 Für Lodron ist jedoch zumindest eine kritische Haltung gegenüber der spanischen Politik anzunehmen, angesichts der erheblichen Probleme, die Fugger zusehends unverhüllter ansprach. Bezeichnend ist jedoch ein Befund für das Kommentarverhalten, der hier noch ausführlicher beleuchtet werden soll: die Vermeidung von Bewertungen des Geschehens gegenüber den bayerischen Herzögen. All die angeführten kritischen Anmerkungen Fuggers zur spanischen Politik umgehen den Adressaten, der vermutlich die meisten niederländischen Nachrichten erhalten hat, völlig: Herzog Wilhelm V. von Bayern. Die angedeutete Abstimmung unterschiedlicher ‹Kritik-Niveaus› auf wechselnde Adressaten je nach politischer Grundhaltung bzw. zu erwartender Loyalität, am deutlichsten zu sehen bei der sehr direkten Aussprache gegenüber den Faktoren, gewinnt noch mehr an Evidenz, wenn man Fuggers Nachrichtenübermittlung an das Herzogshaus untersucht. Kritische Kommentare zur spanischen Füh-
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Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 05.02.1575, FA 1.2.7 H. 20, pag. 563f. (II/1 353). Zu den Kriegsausgaben Spaniens vgl. die Übersicht bei Parker: Strategy, S. 135. Den Staatsbankrott beleuchtet Albert W. Lovett: The Castilian Bankruptcy of 1575. In: The Historical Journal 23 (1980), S. 899–911. Die Diskussion alternativer Forschungsmeinungen bei González: Strategy, S. 215f., 230– 232. Zur multiplexen Beziehung zu Lodron vgl. im zweiten Teil Kap. I., S. 65.
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rung, wie wir sie eben kennengelernt haben, blieben gegenüber Wilhelm V. wohl nicht nur deswegen völlig aus, weil hier der Nachrichtentransfer den Charakter einer Dienstleistung angenommen hatte und häufig wohl vom Fuggerschen Personal ausgeführt wurde. Ein Blick auf die politische Orientierung des Herzogtums Bayern macht noch einen anderen Hintergrund wahrscheinlich: Friedrich Edelmayer hat in seiner Studie zum Netzwerk Philipps II. im Reich unterstrichen, welch herausragende Rolle das bayerische Herzogshaus in diesem Netzwerk spielte. Philipp wie auch Albrecht V. und seine Söhne suchten ihre Verbundenheit zu gegenseitigem Nutzen durch regelmäßigen brieflichen Austausch, Botschafterbesuche, Geschenke, Patenschaften und die Verleihung von Pensionen zu stärken. Philipp hoffte auf eine herzogliche ‹Imagepolitik› im Reich zu Spaniens Gunsten, auf erleichterte Truppenwerbung im bayerischen Reichskreis und einen Beitritt der Niederlande zum Landsberger Bund,191 dessen Bundeshauptmann Albrecht V. war. Bayern wiederum war nicht nur durch die Aussicht auf Pensionszahlungen, sondern vor allem auch durch seine bistumspolitischen Ambitionen hochmotiviert für eine Zusammenarbeit mit Spanien, was sich im Falle der Bistümer Lüttich und Köln 1581 bzw. 1583 für Herzog Ernst von Bayern schließlich auszahlte.192 Angesichts dieser Konstellation konnte es Hans Fugger in der Tat geraten erscheinen, auf Kritik an der spanischen Kriegführung, wie wir sie aus anderen Briefen kennen, vorsichtshalber zu verzichten und beispielsweise nicht die erwähnte Kritik des Jesuitenpaters Toledo am spanischen Regiment zu kommentieren, wie er es recht zeitnah zu einem Schreiben an Wilhelm gegenüber anderen Adressaten tat. Die bereits erwähnte regelmäßige Korrespondenz zwischen Philipp, seinen Amtsträgern und dem bayerischen Herzogshof wirft jedoch ein zusätzliches Licht auf Hans Fuggers Nachrichtendienste für Albrecht V. und Wilhelm V.: Zumindest für Albrecht V. haben Edelmayers Archivrecherchen gezeigt, daß der Herzog bereits ab 1567 zahlreiche Zeitungen über die Niederlande empfing, so von Alba und auch durch Vermittlung des Reichsvizekanzlers Zasius, der Relationen, häufig aus dem Spanischen übersetzt, an Albrecht weitersandte.193 Die Qualität auch der Nachrichten aus Wien ist sicher als ausgesprochen hoch anzusetzen; wenn aber Albrecht sich nachweislich in den Jahren 1567–1569 und wohl noch darüber hinaus regelmäßig die Berichte der Fugger aus Augsburg zuschicken ließ, so steigert dies die Bedeutung des Fuggerschen Nachrichtendienstes beträchtlich. Dies nicht nur, weil Albrecht durch Meldungen aus verschiedenen Quellen ein möglichst umfassendes Bild von der Lage in den Provinzen erhalten konnte, sondern weil Fuggersche Nachrichten mutmaßlich häufig aktueller waren als diejenigen über den Wiener Umweg, auch wenn eventuell Eilkuriere an den Kaiserhof unterwegs waren. Schließlich kamen Nachrichten an Fugger direkt auf der Ordinari-Route
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Zum Ziel der spanischen Regierung, sich enger mit katholischen Reichsständen zu verbinden («liga defensiva»), und zum Projekt der Aufnahme in den Landsberger Bund vgl. die Darstellung bei Lanzinner: Friedenssicherung, S. 209–216. Vgl. Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 110–146. Vgl. Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 113, auch Weis: Pays-Bas, passim.
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nach Augsburg und von dort auch zügig nach ihrem Eingang per Boten zum Aufenthaltsort des Herzogs.194 Die in den Briefen ans Herzogshaus ausgesparte kritische Position Fuggers weist insgesamt deutliche Parallelen zu der Mehrheitsauffassung unter den Reichsständen auf, die unter allen Umständen eine Eskalation des Konflikts und insbesondere eine noch stärkere Einbeziehung des Reichs in die spanisch-niederländische Auseinandersetzung vermeiden wollte. Auch Fugger betonte ja mehrfach dezidiert die Gefahr der Ausweitung des Konflikts auf das Reich bzw. die Verheerungen durch die Söldnerheere, die mehrere Reichskreise betrafen. Fuggers Nachrichten, die spanische Defizite deutlich aufdeckten und in seinen Kopierbuech-Briefen auch an Leute wie Johann Tonner in Prag und an Lodron, also an Angehörige der politischen und militärischen Elite gingen, arbeiteten einer solchen Position in die Hände.195 Welches Potential die in diverse fürstliche Nachrichtensammlungen eingegangenen Fuggerschen Nachrichtenbeilagen, etwa an den Herzog von Württemberg oder an den Pfalzgrafen von Neuburg, im Bezug auf niederländische Nachrichten aufwiesen – vielleicht auch im Kontrast mit den bayerischen Nachrichten –, müßte erst durch weitere Forschungen geklärt werden.196 Daß die Fugger dieses Wissen um die spanischen Erfolgsschancen in den Niederlanden zumindest in ihrer Kreditpolitik nicht im Verhältnis eins zu eins umsetzen konnten, zeigen die wiederholten Darlehen197 und insbesondere auch Wechselgeschäfte, die z.T. gegen den Willen der Augsburger Zentrale durch Druck des spanischen Hofes auf den Faktor vor Ort getätigt wurden.198 Auf die Tatsache, daß die Fugger durch die Pacht der Rittergüter und Quecksilberminen auf Geschäfte mit der spanischen Krone angewiesen waren, wurde bereits hingewiesen. Die Fugger hatten also alle Informationsmöglichkeiten an der Hand, um ein sicheres und manchmal erstaunlich hellsichtiges Urteil über die spanische Politik zu treffen – was Hans Fugger, den konfessionellen Sektor vielleicht ausgenommen, auch tat. Er trug damit zur optimalen Information seiner Korrespondenzpartner bei, die diesen Dienst zu schätzen wußten, wie gerade die wöchentlichen Nachrichtensendungen an die bayerischen Herzöge zeigen. Wie die Konsolidierung des Handels unter der Ägide Marx Fuggers zeigt, gelang es den Fuggern trotz der angeführten hohen
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Vgl. die obigen Angaben zu den Transport- bzw. Bearbeitungszeiten auf den Strecken Antwerpen-Augsburg und Augsburg-München (resp. Herzogshof). Ein Indiz für eine längere Zeitspanne zwischen einem Nachrichtenereignis in den Niederlanden und der Weiterleitung ab Wien liefert Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 113, Anm. 19: Zasius schickte am 13.05.1568 Nachrichten über einen Sieg gegen Oranien ab, der am 24.04., also 19 Tage vorher stattfand. 10–14 Tage zwischen einem Ereignis in den Niederlanden und seiner Weiterleitung durch Fugger waren in dessen Korrespondenz jedoch keine Seltenheit. Vgl. hierzu Lanzinner: Friedenssicherung. Vgl. die Erschließung des Fuggerschen Nachrichtentransfers an Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg und der Abgleich mit dessen Nachrichtenaustausch mit anderen Fürsten bei Zwierlein: Discorso, S. 590–596. Einen Überblick über die Kredite an Spanien seit 1572 geben die Rechnungsabschlüsse der spanischen Schulden, FA 44.7. Vgl. dazu ausführlich Häbler: Spanien, S. 159–167.
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Kredite, erhebliche Summen aus Spanien ins Reich zu transferieren und zu sichern. Wenn also nicht in der unmittelbaren Darlehenspolitik, so konnten sie – und dies wohl nicht zuletzt mit ihrer exzellenten Nachrichtenbasis als Entscheidungsgrundlage – doch zumindest teilweise ihre Lehren aus der aktuellen spanischen Politik ziehen.199
B. Die Türkenkriege 1. Die militärische und publizistische Auseinandersetzung mit dem «Erbfeind» im 16. Jahrhundert Unter den großen Nachrichtenereignissen in der Korrespondenz Hans Fuggers nehmen die Türkenkriege nach der niederländischen Erhebung den zweiten Platz ein – 169 Briefe künden von der Bedeutung dieser Thematik, sei es durch Ereignisberichte und Kommentare, sei es durch die Erwähnung entsprechender Nachrichtenbeilagen, die Fugger oder seine Korrespondenten ihren Schreiben beigefügt haben. Die Kämpfe christlicher Heere mit dem Osmanischen Reich – oder, in der Sprache Hans Fuggers und seiner Zeitgenossen: mit dem Türggen – waren schon im Mittelalter «immer mehr als ein Krieg gegen einen anderen Feind».200 Dieser Feind, der im 16. Jahrhundert sowohl im Süden auf dem Mittelmeerschauplatz als auch im Osten Europas seine gewaltige Militärmacht zum Einsatz brachte, war zugleich der «Erbfeind christlichen Namens», eine Bezeichnung, die sich ab dem 15. Jahrhundert für den expansionistischen osmanischen Gegner etablierte.201 Krieg mit ihm zu haben, das bedeutete für Christen seit dem Mittelalter immer zugleich religiöse Auseinandersetzung. Unter dem Begriff des Dschihad war jedoch auch auf der Gegenseite die Vorstellung vom Glaubenskrieg ungeheuer wirkmächtig: Kriegsgebiet sollte auch islamisches Gebiet werden. «Diese Verpflichtung zum Glaubenskrieg (Dschihad) stellt eine für expansive Bestrebungen äußerst geeignete Ideologie dar, von der auch der Osmanenstaat eifrigst Gebrauch machte.»202 Seit dem ausgehenden Mittelalter sah sich das christliche Europa durch triumphale Siege von Muslimen bedroht: Adrianopel 1361, das Amselfeld 1389, Konstantinopel 1453, Mohács 1526 bezeichneten Etappen der osmanischen Herrscher auf dem Weg nach Westen, und 1529 schließlich entging Wien nur knapp der Eroberung durch Süleyman den Prächtigen.203
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Vgl. Karg: Regierer. Karl Otmar Freiherr von Aretin: Die Türkenkriege als Traditionselement des katholischen Europa. In: Wilfried Barner (Hg.), Tradition, Norm, Innovation. Soziales und literarisches Traditionsverhalten in der Frühzeit der deutschen Aufklärung. München 1989 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 15), S. 19–29, Zitat S. 19. Zur Begriffsgeschichte vgl. Fritz Behrend: Im Kampf mit dem Erbfeind. In: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 25 (1915), S. 6–17. Matuz: Osmanisches Reich, S. 5. Vgl. den konzisen Überblick bei Matuz: Osmanisches Reich, S. 36–83, 115–120.
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Die Belagerung Wiens nährte die Angst vor einem osmanischen Vorstoß ins Herz Mitteleuropas ganz entscheidend. An der Ostgrenze des Reiches wurde die sogenannte Militärgrenze aufgebaut, ein Gürtel von Wachtposten und Grenzfestungen von Kosice bis Senj, wo Grenztruppen aufgestellt und freie Wehrbauern angesiedelt wurden.204 In diesem Grenzbereich spielte sich seit den 1520er Jahren von beiden Seiten aus ein nahezu ununterbrochener Kleinkrieg ab. Die lokalen Befehlshaber der benachbarten osmanischen Verwaltungseinheiten konnten mit kleinen Truppenverbänden, deren Mobilität und rasche Konzentration gefürchtet waren, immer wieder aufs Neue Vorstöße auf die Militärgrenze wagen – ihre Streifzüge, die oft mit Verschleppung und Brandschatzung einhergingen, waren gefürchtet.205 Mehrfach versuchten die Habsburger, ihrerseits durch größere Kampagnen Boden gut zu machen. Für die Überlieferungszeit der Copierbüecher sind hier Kaiser Maximilians II. recht kläglicher Feldzugsversuch 1566 und schließlich die Zeit gesteigerter Konfrontation zu Beginn der neunziger Jahre zu erwähnen, als die Auseinandersetzungen trotz der mehrfach geschlossenen bzw. verlängerten Waffenstillstandsverträge immer heftiger wurden. Der christliche Sieg bei Sissek im Juni 1593 hatte schließlich die Kriegserklärung aus Istanbul zur Folge, die in den «Langen Türkenkrieg» von 1593 bis 1606 führte.206 Dem Ausbau der osmanischen Position im Mittelmeer, insbesondere durch die Eroberung von Rhodos, Chios und Zypern, setzte schließlich eine Heilige Liga aus den Seestreitkräften Venedigs, des Papstes und Spaniens eine mächtige christliche Armada entgegen, die in der Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571 triumphierte. Don Juan d’ Austria, der Führer der christlichen Flotte, war der strahlende Held, gefeiert in Wort und Bild. Doch der Sieg wurde weder nachhaltig ausgenutzt, noch führte er zur erhofften andauernden Schwächung des Gegners auf dem Mittelmeerschauplatz, von dem sich die zentralen Kontrahenten, der spanische König und der Sultan, erst durch den Waffenstillstand von 1580 verabschiedeten.207
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Den aktuellen Forschungsstand zur Militärgrenze präsentiert Pálffy: Preis. Zentral die Untersuchung von Rothenberg: Militärgrenze, bes. S. 15–58. Vgl. weiters Winfried Schulze: Die österreichische Militärgrenze. Ein Literatur- und Forschungsbericht. In: Militärgeschichtliche Mitteilungen 5 (1971), S. 187–196. Zu den Angriffen der «Renner und Brenner» vgl. Rothenberg: Militärgrenze, S. 33, 42. Der komprimierte Überblick bei Matuz: Osmanisches Reich, S. 119f., 125f., 139, 141f. Den Feldzug Maximilians 1566 behandelt Klaus Schönherr: Kaiser versus Sultan. Der militärische Konflikt Maximilians II. mit Suleyman 1564–1566. In: Militärgeschichte NF 8 (1998), S. 3–11. Über den «Langen» bzw. «Dreizehnjährigen Türkenkrieg» informiert zusammenfassend Leitsch: Rudolph II. Besondere Berühmtheit erlangt hat Braudels Werk vom Mittelmeer, das im dritten Band die Kämpfe im Mittelmeerraum schildert. Vgl. Braudel: Mittelmeer 3. Unverzichtbar ist bis heute die Fülle des von ihm zusammengetragenen Materials, wenn auch die jüngere Forschung in der Bewertung der historischen Ereignisse, so zu Lepanto, Wesentliches zu ergänzen hatte. Zu Lepanto vgl. daher neben Fernand Braudel: Bilan de bataille. In: Gino Benzoni (Hg.): Il mediterraneo nella seconda metà del ’500 alla luce di Lepanto. Firenze 1974, S. 109–120 zusätzlich Hess: Lepanto. – Zur Verherrlichung des Siegs von Lepanto in Publizistik und bildender Kunst vgl. den Überblick bei Göllner: Turcica 3, S. 148–153.
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Für die Menschen, die in den unmittelbaren Grenzregionen in Osteuropa und im Mittelmeerraum von den Streifzügen der berittenen türkischen Verbände bzw. von den Überfällen der osmanischen Schiffe ganz direkt bedroht wurden, war die Gefahr durch den «Erbfeind christlichen Namens» buchstäblich mit Händen zu greifen. Der «Türkenschrecken»208 jedoch wurde jedoch schon seit dem späten 15. Jahrhundert als gesamteuropäische Bedrohung gedeutet,209 erfaßte vor allem seit den 1520er Jahren über diese Grenzgebiete hinaus das Reich in noch viel größerem Umfang und manifestierte sich in einer gewaltigen publizistischen Produktion, die bis ins 18. Jahrhundert hinein nicht mehr versiegen sollte. Wilhelm Kühlmann hat in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Türkenfrage für die Ausbildung literarischer Öffentlichkeit hervorgehoben.210 Und Augsburg, das frühe Zentrum des volkssprachlichen deutschen Druckes, lag auch bei der Türken-Publizistik, die sich in die verschiedensten Gattungen einkleidete, ganz an der Spitze.211 In der Flut von Neuen Zeitungen, Türkenkriegsreden und -epen, von Türkenpredigten, -gebeten, -liedern, Reiseberichten, Briefsammlungen, politischen wie militärischen Denkschriften, religiösen Visionen und Mahnschriften, die im 16. Jahrhundert auf den Markt drängten, wurde jedoch nur allzu oft das besonnene Urteil, die differenzierte und nüchterne Einschätzung des muslimischen Feindes von dem überlagert oder zumindest untergründig begleitet, was die Forschung mit den Begriffen der «Türkenstereotypen»212 und des «Erbfeindsyndroms»213 belegte. Auf der Basis des mittelalterlichen Bildes vom Islam und vom Heiden überhaupt kristallisierte sich seit etwa dem Ende des 15. Jahrhunderts in allen Bevölkerungsschichten ein Feindbild heraus, in dem die konkret faßbare militärische Bedrohung mit einer dezidiert religiösen, ja teilweise eschatologischen Ausdeutung verschmolzen war. Entsprechend der konkreten Bedrohungssituation, entsprechend der Bevölkerungsgruppe und Konfession hatte dieses Feindbild je besondere Akzente, doch ein gemeinsames Arsenal an Grundvorstellungen ist auszumachen: «Der Türke» war
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Der Begriff bei Weber: Türken, S. 59. Die Vorstellung von einer Gefährdung des gesamten christlichen Europa wurde maßgeblich durch Enea Silvio Piccolomini (den späteren Pius II.) formuliert, erstmals in seiner berühmten Rede vor der Reichsversammlung 1454, dazu Dieter Mertens: Europäischer Friede und Türkenkrieg im Spätmittelalter. In: Heinz Duchhardt (Hg.), Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Köln, Wien 1991 (Münstersche Historische Forschungen 1), S. 45–90, sowie Johannes Helmrath: Pius II. und die Türken. In: Bodo Guthmüller, Wilhelm Kühlmann (Hg.), Europa und die Türken in der Renaissance. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit 54), S. 79–137. Kühlmann: Poet und Reich, S. 193. Zurückhaltung ist dann allerdings doch bei der Auffassung geboten, es sei die Türkenfrage gewesen, die das entscheidende Stimulans zur Ausbildung einer «literarischen Öffentlichkeit» dargestellt habe. Vgl. die Bewertung des Öffentlichkeitsbegriffs im Rahmen der Reformationsgeschichte bei Burkhardt: Reformationsjahrhundert, bes. S. 55–60. Vgl. hierzu Göllner: Turcica 1, S. 17 sowie Zorn: Augsburg und die Türken, S. 141. – Durch die Vielfalt der Turcica-Gattungen führt in einem souveränen Überblick Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 21–46. Kühlmann: Poet und Reich, S. 197. Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 52.
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nicht nur muslimischen Glaubens, als «Inbegriff des Bösen» wurde er sogar zum Antichristen mit keinerlei Respekt vor dem Heiligen stilisiert, der als hochmütig, treulos, wortbrüchig und lüstern zu gelten habe und mit beispielloser Eroberungsgier und Grausamkeit – hier sei nur an den oftmals vorgebrachten Topos des Kindermords erinnert – dem Christenmenschen nach Leib und Leben trachte.214 Aus der religiösen Perspektive ist als Vorstellung mit immenser Wirkkraft dagegen das Bild vom Türken als der Geißel Gottes anzuführen: Das Wüten der osmanischen Heere war demnach nichts anderes als die göttliche Strafe für die Sündhaftigkeit der Christen, ohne deren Reue und Umkehr an dauerhafte militärische Erfolge gegen die Türken nicht zu denken war. Martin Luther war ein besonders prominenter Prediger dieser Lehre, doch Nicht-Protestanten hingen ihr genauso mit der größten Überzeugung an.215 Direkt dieser Vorstellung verpflichtet waren landesherrliche Mandate insbesondere in den Erblanden, die Einschränkung von Tanzvergnügen, Alkoholverbote, Wallfahrten etc. vorsahen – ein ‹sittliches› Verhalten sollte Gott versöhnen, und zugleich arbeitete man somit der Obrigkeit in die Hand, die mit solchen Maßnahmen der Sozialdisziplinierung Gehorsam einforderte.216 Ein vorwiegend protestantisches Phänomen schließlich war die eschatologische Ausdeutung: Die Türken galten vielfach, und so schallte es oftmals von den Kanzeln, als Vorboten des Jüngsten Gerichts, das nach furchtbaren Heimsuchungen über die Menschheit hereinbrechen würde.217 Daß die Betonung dieser Vorstellungen der kaiserlichen Propaganda in akuten Kriegsphasen in die Hände arbeitete, muß hier nicht eigens betont werden.218 Inwiefern prägen also Elemente dieses Feinbildes, das angesichts seines hohen Verbreitungsgrads in einer Formulierung von Maximilian Grothaus geradezu 214
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Aus den zahlreichen Publikationen zur Türkenfrage und den Topoi bzw. Stereotypen bei der Darstellung und Bewertung der Türken seien herausgegriffen: Schulze: Reich und Türkengefahr, hier bes. S. 52–64, sowie Grothaus: Erbfeind, bes. S. 100–103. Konzise und mit eindrücklichen Beispielen Michael Schilling: Aspekte. Auf Reiseberichte fokussiert die ertragreiche Studie von Almut Höfert: Den Feind beschreiben. «Türkengefahr» und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450–1600. Frankfurt/M. 2003 (Campus Historische Studien 35). In Luthers Augen waren die Mißstände in der Papstkirche der allererste Grund für den göttlichen Zorn und die türkischen Einfälle als Strafe. Buße müßten die Christen also tun und die Mißstände in der Kirche beseitigen, anstatt zu glauben, der Türke könne zuvorderst auf dem Schlachtfeld bekämpft werden. Zu Enstehung und Modifikation dieser Position sei aus der reichen Literatur zu Luthers Türkenbild hier stellvertretend verwiesen auf Brecht: Luther. Zu diesem Zusammenhang vgl. Grothaus: Gefahr, S. 596–604 sowie Schilling: Aspekte, S. 56f. Zusammenfassend zur Verknüpfung von Türkenkrieg und Weltende Ulrich Andermann: Vom Amselfeld nach Wien. Osmanische Kriegsdrohung, Apokalypse und Geschichtsdeutung vom späten Mittelalter bis zum Konfessionellen Zeitalter. In: Dietrich Beyrau (Hg.), Der Krieg in religiösen und nationalen Deutungen der Neuzeit. Tübingen 2001, S. 41–60, bes. S. 51–55. – Allgemein zu eschatologischen Vorstellungen in der Frühen Neuzeit Delumeau: Angst, bes. S. 313–328, 340–356. Dazu knapp Schilling: Aspekte, S. 56f. sowie mit umfangreichen Belegen Vocelka: Propaganda Rudolfs, S. 268f.
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als «fester Bestandteil der Soziokultur der frühen Neuzeit»219 gelten kann, Fuggers schriftliche Äußerungen zu den Türkenkriegen? Fanden Ausbrüche gegen den wortbrüchigen, grausamen, lüsternen Türken Eingang in den Nachrichtenteil seiner Briefe, oder blieben bei ihm Nachrichten «als Nachrichten erhalten»,220 wie Winfried Schulze eine zunehmende Tendenz in der gedruckten Türkenkriegsberichterstattung des späten 16. Jahrhunderts beschrieben hat? Zunächst wird hier einmal auszuloten sein, inwieweit Fugger von der Türkenkriegsproblematik selbst betroffen war. Der zweite Schritt muß dann derjenige zu den Bezugspunkten seiner Korrespondenz sein – den Interessen der Fuggerschen Adressaten.
2. Die Verquickung Fuggerscher Interessen mit den Türkenkriegen Schon vor Beginn des 16. Jahrhunderts erstreckten sich die Fuggerschen Interessen bis in Territorien an den Grenzen des osmanischen Herrschaftsbereichs oder gar bis ins Reich des Sultans hinein. Von dort kam zum einen die Baumwolle, welche für die im Verlag bis in die Zeit Anton Fuggers betriebene Barchentweberei aus osmanischen Gebieten bezogen wurde, zum anderen – eher auf dem Sektor privater Liebhabereien – auch noch in der Zeit Hans Fuggers eine Reihe exotischer Gemüsepflanzen, die nach Eroberung ihrer Herkunftsgebiete durch die Türken genauso wie Korallen teilweise nicht mehr erhältlich waren.221 Von Fugger über seine Faktoren und Korrespondenzpartner wurden besonders zahlreich die begehrten türkischen Pferde bestellt, genauso wie ausgesprochene Exotica, auch türkische Teppiche oder Gebrauchswaren.222 Bereits 1495 hatte die Familiengesellschaft durch die geschäftliche Verbindung mit den Thurzo ihren Ungarischen Handel und die Faktorei in Ofen begründet. 1535 folgte die Erhebung in den ungarischen Adelsstand. Das zunächst über Jahrzehnte hinweg ausgesprochen einträgliche Engagement im slowakischen Metallbergbau erbrachte jedoch in den 1540er Jahren immer geringere Gewinne, zudem hielten rechtliche Streitigkeiten an, weshalb Anton Fugger 1546 den Ungarischen Handel auflöste.223 Dennoch verschwand diese Grenzregion damit nicht aus dem Fuggerschen Blickfeld: 1535 hatten die Fugger die Herrschaft Bibersburg nahe Preßburg erworben. Da diese Herrschaft bis zu ihrem Verkauf im Jahr 1583 in Fuggerschem
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Grothaus: Gefahr, S. 604. Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 25. Hans Fugger an Veronika von Spaur, 21.03.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 473 (I 940: Kaine artichiokj [Artischocken] noch kaulifior [Blumenkohl] samen kan ich dir heur schickhen, man bringts aus Alexandria und Cipro [Zypern]. Weill der khrieg der ennden und nichts geen Venedig kumbt, mueß ich ir diß jar selbs gerathen [muß ich darauf verzichten, d. Verf.]. Zur schwierigen Beschaffung von Korallen vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 08.08.1571, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger II. Vgl. z.B. Hans Fugger an Marx Fugger d. J., 03.10.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2899). Dazu und zur Einordnung des Fuggerschen Engagements im Zusammenhang der Beziehungen Augsburgs zu den Türken vgl. auch Zorn: Augsburg und die Türken, bes. S. 140, 143.
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Besitz blieb,224 waren die Fugger Herren über ein Gebiet, das an der Grenze zum Osmanischen Reich zeitweise direkt den Überfällen türkischer Verbände ausgeliefert war; so zum letzten Mal 1539/40, als zumindest ein Dorf der Herrschaft durch Streifscharen verwüstet und Teile der Bevölkerung verschleppt wurden.225 Die Bedrohung durch türkische Überfälle war also für die Fugger zumindest bis 1583 eine Gefahr, die ihre eigenen Besitzungen unmittelbar betraf. Auch Böhmen sah sich als Grenzgebiet im 16. Jahrhundert von türkischen Übergriffen bedroht, und mit der Übertragung von Einkünften böhmischer Herrschaften auf die Fuggersche Familiengesellschaft regelte Kaiser Maximilian II. 1574 die Abzahlung seiner Schulden von mehr als 200.000 fl.226 Aufmerksamkeit für den Kriegsschauplatz insbesondere im Osten des Reiches war aber auch durch die dort gelegenen Güter Fuggerscher Verwandter gegeben. Der Besitz von Hans Fuggers Neffen Montfort, für die er bis zu ihrer Mündigkeit die Vormundschaft innehatte, erstreckte sich bis in die Steiermark, weshalb Fugger sich 1583 auf Basis der Nachrichten von beständigen bewaffneten Konflikten an der Militärgrenze veranlaßt sah, Jörg von Montfort zur Veräußerung seiner steirischen Besitzungen zu raten, zuvor und ehr der Türgg einest der enden weitter einreiß.227 Genauso wie im Falle Spaniens waren die Fugger natürlich am politischen Schicksal der österreichischen Habsburger, die sie immer noch mit beträchtlichen Summen finanzierten, stets interessiert. Schon seit 1526 brachte die Fuggersche Familiengesellschaft hohe Kreditsummen für den Abwehrkampf gegen die Osmanen auf, von anderweitigen Darlehen ganz zu schweigen.228 Gerade die militärischen Maßnahmen gegen die Türken, sei es in konkreten Feldzügen oder durch Ausbau und Erhalt der Militärgrenze, verschlangen immense Summen, zu denen wiederholt auch die Fugger beisteuerten,229 und spätestens seit dem Beginn der 1590er Jahre erwies sich die Finanzlage – oder besser: die Schuldensitutation – des Kaisers aufgrund der rasant angestiegenen Verteidigungskosten als geradezu desolat.230 1594 schließlich, im zweiten Jahr des «Dreizehnjährigen Türkenkriegs», bewilligten die Brüder Marx, Hans und Jakob Fugger in zwei Verträgen eine gewaltige Summe von insgesamt 340.000 fl zur Führung des Türkenkriegs.231
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Zum slowakischen Metallbergbau und der Herrschaft Bibersburg vgl. Kalus: Slowakei, S. 230–268. Hierzu Kalus: Slowakei, S. 240, 255. Vgl. dazu FA 48.4. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 24.01.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 715 (II/2 2279). Vgl. die Übersicht bei Karl Oberleitner: Österreichs Finanzen und Kriegswesen unter Ferdinand I. vom Jahre 1522 bis 1564. In: Archiv für österreichische Geschichte 22 (1860), S. 1–231, bes. S. 27, 32, 37, 74, 80. So überliefert das Fuggerarchiv unter FA 48.4 einen Brief Erzherzog Ferdinands von Tirol an Marx und Hans Fugger, datiert auf den 26.07.1572, mit der Bitte um einen Kredit, um Kriegsvolk zur Verteidigung von Land und Untertanen anwerben zu können. Prägnante Zusammenfassungen zu den Kosten für die Verteidigung gegen das Osmanische Reich bieten Pálffy: Preis, sowie Rauscher: Reichstürkenhilfen. S. dazu FA 48.5.
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Doch schon vor Gewährung dieses Kredits hatten Hans Fugger und seine Brüder ganz besonderes Engagement für den Kampf gegen die Türken gezeigt: 1592/93 übernahmen sie für ein eigenes Fähnlein die Kosten für Ausrüstung und Besoldung. Diese Männer zogen zusammen mit erbländischen bzw. kaiserlichen Truppen nach Kroatien, wo sich zu dieser Zeit im Vorfeld des «Langen Türkenkriegs» die Kämpfe auszuweiten begannen. Hans Fugger bezifferte die Kosten dafür in seiner Korrespondenz auf stattliche 24.000 fl.232
3. Nachrichtenpraxis und Nachrichtenspektrum Ähnlich wie schon im Fall der niederländischen Erhebung haben wir also ein ganzes Bündel an Motiven für Fugger, sich für die Kämpfe gegen die Türken zu interessieren, ja zu engagieren. Noch mehr im Vordergrund der Geschehnisse als bei den Niederlanden steht hier allerdings die militärische Sicht auf die Ereignisse. Rund ein Drittel der berichteten Ereignisse bezieht sich auf Kampfhandlungen, knapp ein weiteres Drittel thematisiert Rüstungsmaßnahmen, je an die 15% haben Truppenbewegungen und Verhandlungen bzw. die Verlängerung von Waffenstillständen zum Inhalt. Mehrfach sind Belege für die Diskussion der wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegsgeschehens zu finden. In diesen Fällen geht es zum einen um die Auswirkungen massierter Truppenwerbungen auf das Preisniveau von Rüstungsgütern, da Fugger wiederholt in die Tätigung solcher Geschäfte im Auftrag seiner Korrespondenten, insbesondere Lodrons und Manrique de Laras, einbezogen war.233 Zur Mangelware wurden durch die Kämpfe gute Pferde, da sie für den Krieg gebraucht wurden. Und schließlich wurden von Zeit zu Zeit zumindest die Handelsverbindungen durch Kriegsläufte gestört, so daß Waren, die aus umkämpften Gebieten stammten, nicht mehr ihren Weg nach Augsburg nehmen konnten. Die recht hohe Zahl von Belegen zu Friedensverhandlungen erklärt sich durch die Tatsache, daß der österreichisch-türkische Frieden von 1567/68 immer wieder aufs Neue verlängert wurde, so auch beim Wechsel eines Herrschers. Nur vereinzelte Meldungen jedoch entfallen auf einzelne Personen, die im Mittelpunkt einer Handlung stehen, auf Mitteilungen zum gegenwärtigen Frontverlauf oder auf Informationen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Kriegshandlungen. Damit spiegelt die Ereignisstruktur der Fuggerschen Türkenkriegs-Briefe genau den Befund, den uns die Forschung von den kriegerischen Ereignissen und von der Stimmung in der Publizistik der Zeit bietet: Die Schreiben über die Türkenkriege schildern die Situation einer permanenten Bedrohung, wobei besonders in den Hoch-Zeiten der Auseinandersetzung, vor allem 1592 bis 1594, quasi ständig das Auslaufen der osmanischen Flotte befürchtet, die Sichtung türkischer Verbände ge-
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So im Brief an Christoph Tanner, 13.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3345). – Weitere briefliche Äußerungen zum Fuggerschen Fähnlein an denselben, 12.12.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3309). Vgl. Hans Fugger an Carl Heel, 12.03.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 375).
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meldet, der Ausgang kleiner Scharmützel an der Grenze berichtet wurden. Auch in den Wintermonaten, während derer das osmanische Heer für gewöhnlich aufgrund des zu hohen logistischen Aufwands die Kriegführung einstellte,234 formulierten Meldungen, was die Türken auf khinfftig jar [...] attendiren,235 und mit wieviel Mann sie gegen die Christenheit anrücken wollten, sozusagen ein Kontinuum der Bedrohung. Diese Situation findet sich auch in der Kommentierung der Nachrichten durch Fugger wieder: Noch häufiger als im spanisch-niederländischen Konflikt, nämlich bei nahezu 75% der Ereignisse, liegt eine Kommentierung vor, und am deutlichsten im Vordergrund steht dabei die religiös-emotionale Komponente der Meinungsäußerung. Wieder und wieder wird der Allmechtig angerufen,236 der den Christen doch helfen müsse, ohne den alle Bemühung vergebens sei, und, als Höhepunkt, der mit den Türken wohl ein sondere straff237 für die Christenheit gesandt habe. Luthers altbekannte Zuchtruten und die kaiserliche Propaganda von der Notwendigkeit sittlicher Besserung also auch hier! Die kritische Bewertung der berichteten Vorgänge, etwa im Sinne der Beurteilung strategischer Mängel, erscheint dagegen mit weniger als einem Drittel aller Kommentare sehr viel geringer ausgeprägt, als dies noch bei Fuggers niederländischem Haupt-Nachrichtenthema der Fall war. Ob wir diese Haltung jedoch als Ausdruck einer weniger rationalen Auseinandersetzung mit dem christlich-osmanischen Konflikt zu bewerten haben, bei der gar althergebrachte Türkenstereotypen die Auseinandersetzung mit dem Geschehen dominierten, muß erst eine genauere Analyse der Nachrichten zeigen.
4. Hauptkorrespondenten zu den Türkenkriegen Noch deutlicher als bei den Briefen Fuggers über die Niederlande stehen hier Kriegsleute als Korrespondenzpartner im Vordergrund – wer hätte auch eher von der laufenden Bedrohung berichten und wissen wollen als sie? Zudem waren sie durch Kreditgeschäfte langfristig an Fugger gebunden; es gab also genug Anlässe für den Briefverkehr.238 Wiederum ist es Hieronimus von Lodron, der unter den insgesamt 50 Türkenkriegs-Korrespondenten die Spitzenstellung einnimmt: Gut ein Viertel aller Briefe mit ‹Türken-Thematik›, 46 an der Zahl, geht an ihn, und auf Lodron folgen erst mit deutlichem Abstand Sebastian Roll und Christoph Tanner, ebenfalls aus den Schreiben zu den Niederlanden als wichtige Korrespondenten
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Vgl. Murphey: Ottoman Warfare, S. 20. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 04.12.1574, FA 1.2.7 H. 20, pag. 414 (II/1 274). Vgl. als Beispiele: Hans Fugger an Albrecht Graf von Lodron, 16.09.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 115), an Hieronimus Graf von Arco, 29.09.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 575), Hans Fugger an Niclas Heller, 20.01.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1833). Hans Fugger an Sebastian Roll, 19.12.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 172 (II/2 3311. Remediren hier im Sinne von ‹heilen, zum Besten wenden›. Vgl. dazu im zweiten Teil Kap. I.
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bekannt.239 Mehr als 50% der 169 Türkenkriegs-Briefe sind insgesamt an diese drei Adressaten gerichtet. Und die Rangfolge wird mit sechs Schreiben an einen weiteren Kriegsmann, Engelhard Kurz, fortgesetzt, bevor an fünfter Stelle schließlich Herzog Wilhelm V. von Bayern folgt – mit nur fünf Sendungen Fuggers an ihn. Unter eine Reihe von Korrespondenten, für die immerhin noch dreimal oder öfter die Erwähnung der Türkenkriege nachzuweisen ist, gehören nochmals drei Kriegsleute, dann drei Handelsdiener bzw. Agenten Fuggers und schließlich drei Familienmitglieder: Anton von Montfort und die beiden Fugger-Söhne Marx d. J. und Jakob.240 Für 36 der 50 Adressaten von Türkenkriegs-Briefen – darunter nochmals einige Militärs, des weiteren Hofbeamte, Handelsdiener, Angehörige von Fürstenfamilien und Familienmitglieder – sind schließlich nur noch ein bis zwei Briefe zum Thema nachzuweisen; für diese Personen ist der Kampf mit den Osmanen zumindest in der Fuggerkorrespondenz also nur ein Randthema.241 Aber nicht nur diese Dominanz der militärischen Befehlshaber ist im Vergleich zu den Niederlande-Briefen neu: Im Gegensatz zu dem weitgehenden Informationsmonopol Fuggers, das beim niederländischen Krieg gegenüber seinen CopierbuechKorrespondenten zum Tragen kam, kann hier zumindest für die Korrespondenten Lodron, Tanner und Erb ganz klar von einem echten Nachrichtentausch gesprochen werden. Briefe Fuggers an die Genannten oder an andere Korrespondenten, in denen er explizit auf die ihm zugesandten Nachrichtenmeldungen und ihren Inhalt Bezug nimmt, belegen dies ganz deutlich – möglicherweise ließen ihm Lodron, Tanner und Erb sogar noch öfter Neuigkeiten zukommen, denn in etlichen Briefen ist die Herkunft der Türkenkriegsmeldungen nicht mehr klar zu erschließen. Für diesen Tausch hatten die drei Kriegsleute die optimalen Voraussetzungen, war doch Lodron zunächst von 1572 bis 1576 als Obrist Philipps II. im Mittelmeerraum gegen die Türken im Einsatz und konnte Fugger von Messina, von Korfu oder von Neapel aus mit Neuigkeiten aus dem Kampfgebiet versorgen. In recht hohem Alter schließlich diente er in der Eskalationsphase vor dem Langen Türkenkrieg unter Markgraf Karl von Burgau 1592 und 1593 als Stellvertreter des Markgrafen im Oberkommando über ein Regiment zur Abwehr der Türken in Kroatien, das nach der Sammlung bei Agram im Herbst/Winter 1592/93 jedoch ohne Feindberührung wieder nach Tirol zurückbeordert wurde. Auch in dieser Zeit versorgte er Fugger mehrfach mit Informationen aus erster Hand. Lodron blieb 1593 noch in beratender Funktion bei Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich tätig.242 Chri-
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Insgesamt 46 Briefe schrieb Hans Fugger an Lodron, 27 an Sebastian Roll und 12 an Christoph Tanner. Im Kriegsdienst standen Don Juan Manrique de Lara, Heinrich Erb und Hans von Park. Gabriel Geizkofler, Niclas Heller und Matthias Rechseisen standen Fugger in Handelsdingen zur Seite. Insgesamt 18 der 50 Adressaten sind zu den Kriegsleuten zu zählen, an zweiter Stelle stehen die Inhaber von Hof- und Reichsämtern (12 Adressaten), dann folgen – in einer Gruppe zusammengefaßt – Faktoren, Agenten und Fuggersche Verwalter (acht Adressaten), Landesherren und deren enge Familienangehörige (sechs), und schließlich eine kleine Restgruppe von Familienmitgliedern Fuggers, Bekannten unter Bürgerschaft und Adel. Vgl. dazu Hirn: Ferdinand, S. 298–300.
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stoph Tanner von Tann diente, allerdings nur im Rang eines Hauptmanns, 1592 und 1593 in Kroatien und konnte von dort nachweislich mindestens siebenmal anscheinend recht detaillierte Berichte an Fugger absenden.243 Der Obrist Engelhard Kurz schließlich war schon so etwas wie eine Ausnahmeerscheinung in der Korrespondenz, denn er lieferte im Vergleich zu den übrigen bislang genannten Korrespondenzpartnern sogar mehr Nachrichten, als er insgesamt von Fugger erhielt: Von den sechs Briefen, die an Kurz zur Türkenthematik überliefert sind, verzeichnen vier Kurz’ Nachrichten von der Front an Fugger.244 Aufgrund der Vielzahl von Schauplätzen an der Militärgrenze war Fugger für die Heerführer an ihren Einsatzorten weiterhin als Nachrichtenlieferant nützlich, da er sie, beispielsweise über seine Quellen in Prag, mit Meldungen über die Lage an anderen Frontabschnitten auf dem laufenden halten konnte.245 Für fast alle anderen, hier nicht weiter genannten Adressaten Fuggers jedoch ist festzustellen, daß sie nahezu ausschließlich von den von ihm gesammelten Informationen profitierten und selbst nichts zur Information Fuggers über den Kampf gegen die Osmanen beitragen konnten. Wie bei manchen Adressaten zur niederländischen Erhebung, so bat Fugger seine Haupt-Informanten zu den Türkenkriegen häufig ganz ausdrücklich um Nachrichten vom Kriegsschauplatz, um seine Nachrichtenquellen zu ergänzen. Bei Hieronimus von Lodron appellierte Fugger 1572 zu Beginn der gegenseitigen copierbuech-Korrespondenz an so etwas wie eine familiäre Tradition des Nachrichtentransfers: bitt den herr er woll unbeschwerdt sein, mir dergleichen was sich inn Levante begibt, mitzuthaillen, dann also hat der edel graf Albrecht von Lodron
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Vgl. hierzu Hans Fugger an Christoph Tanner, 21.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3294), an denselben auch am 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3303), 12.12.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3309), 09.01.1503, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3323), 30.01.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3334), 13.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3345), 13.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3363). – Nach den Forschungen Antonio Liepolds war ein Christoph Tonner zwei Jahre später, im Feldzug von 1595, als Obristleutnant im Einsatz. Es ist gut möglich, daß es sich hierbei um Christoph Tanner handelt. Vgl. dazu Antonio Liepold: Wider den Erbfeind christlichen Glaubens. Die Rolle des niederen Adels in den Türkenkriegen des 16. Jahrhunderts. Frankfurt/M. u.a. 1998 (Europäische Hochschulschriften, Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 767), S. 439. Vgl. Hans Fugger an Engelhard Kurz, 14.12.1593 (II/2 3402), des weiteren Fugger an denselben am 26.02.1594 (II/2 3429), 19.03.1594 (II/2 3438), 01.04.1594 (II/2 3343) (alle FA 1.2.16d H. 93). Kurz findet sich gar in einer Flugschrift über die Belagerung von Gran im Jahr 1594 durch die kaiserlichen Truppen wieder – als Obrist eines Regiments von 4800 Mann: Fünfferley Warhafftige Newe Zeyttung. / Die Erste auß Vngern. / Wie das die Türcken in / Vngern mit etlichen Schiffen auf der Donaw auß-/gestanden, vnnd einen träfflichen Scharmützel mit den vnserigen, / zwischen Kockorn vnd Gran gethan haben [...] Erstlich getruckt zu Prag, durch Hans Schumann, Anno M.D.LXXXXV. Ausführlich zitiert bei Vocelka: Propaganda Rudolfs II., S. 251. Dies belegen z. B. Briefe an Hieronimus von Lodron und Christoph Tanner: Lodron berichtete von den Kämpfen im Mittelmeer, Tanner aus Kroatien, während Fugger Neues aus seinen Quellen am Kaiserhof über Waffenstillstandsverhandlungen und die Lage in Ungarn schrieb, vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 06.11.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 238) sowie an Christoph Tanner, 13.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3363).
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seliger auch gethon, ann dessen statt will ich dem herrn jederzeit nit weniger alls im [ihm, d. h. Albrecht] dienen.246 Bisweilen verlieh er seinem Anliegen durch die Darstellung einer unzureichenden Informationslage in Augsburg besondere Dringlichkeit, so 1580 in einem Brief an Leutnant Heinrich Erb, der ihn ebenfalls bisweilen mit Kriegsmeldungen von der ungarischen Front versorgte,247 und schließlich 1594 in einer seiner prägnanten Formulierungen in einem Schreiben an Engelhard Kurz: Hier habe man von den Türkenkriegen nur zahlreiche Gerüchte und veraltete Nachrichten aus Wien, die man weniger neue zeittungen, sondern vielmehr alte historj nennen müsse.248 Ungeachtet des Ärgers, den die schleppende Berichterstattung aus Wien anscheinend von Zeit zu Zeit verursachte, stammte nachweislich ein großer Teil von Fuggers an Dritte vermittelten Informationen, wie er selbst schrieb, von Wien,249 z.T. von der Rö:[mischen] Kai:[serlichen] Mt: [Maiestät] hof,250 der dann unter Rudolf II. nach Prag zog. Tatsächlich waren Wien und Prag Informationsquellen erster Güte für die Geschehnisse insbesondere auf dem östlichen Kriegsschauplatz – zum einen natürlich wegen der räumlichen Nähe, besonders allerdings, weil dort der kaiserliche Hofkriegsrat seinen Sitz hatte, bei dem fortwährend die neuesten Meldungen von der Front einlaufen mußten.251 Und mit dem Fuggerschen Faktor in Wien, Gabriel Geizkofler bzw. seinem Nachfolger Hans Meichsner, saß sogar ein Vertreter der Firma vor Ort, daneben war Hans Gartner am Kaiserhof in den 1570er Jahren für die Fugger tätig. In dem umfangreichen Briefwechsel Hans Fuggers mit diesen drei Personen spielte – von wenigen Belegen für Gartner abgesehen – die Übermittlung von Nachrichten keine Rolle, doch die erwähnten Kopierbücher zur Geschäftskorrespondenz mit Wien und Prag belegen, daß die Faktoren in ihrer regelmäßigen geschäftlichen Korrespondenz mit der Augsburger Zentrale Nachrichtenberichte abzuliefern hatten, die dann Hans Fugger für sich 246 247
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Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 27.09.1572, FA 1.2.6a H. 13, pag. 279 (I 845). Hans Fugger an Heinrich Erb, 13.06.1580, FA 1.2.10 H. 35, pag. 383f. (II/1 1627): ir thun mir fürwar ein sonder gefalen, wan etwas dergleichen fürgeet, dz ir mich desselben vergebens bericht, den bej uns waist man schier minder als nichts von sachen was daniden [in Ungarn, d. Verf.] fürgeet. Ähnlich über die Nachrichtensituation in Augsburg auch an Hieronimus von Lodron, 23.12.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3318). Vgl. auch die Bitten um Nachrichtensendungen im Brief Hans Fuggers an Hieronimus von Arco, 29.09.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 575), an Wernher Breitschwerdt (am Kaiserhof zu Wien), 09.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2265), an Christoph Tanner, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3303). Hans Fugger an Engelhard Kurz, 01.04.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3443). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. etwa Hans Fugger an Ludolf Halver, 07.04.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 963), ebenso an Hieronimus von Lodron, 30.01.1574, FA 1.2.6b H. 17 (II/1 17), an Christoph Reitter, 12.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3291). Vgl. z.B. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 948), ebenso an Andreas Pühler, 28.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 950), an Christoph Tanner, 13.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3363), an Sebastian Roll, 08.05.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3396). Ein Schreiben aus Prag zitiert Hans Fugger im Brief an Hieronimus von Lodron, 17.04.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3376). Vgl. hierzu Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 23.
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nutzen konnte.252 Mehrfach erwähnte Hans Fugger auch Venedig als Quelle seiner Türkenkriegs-Berichte, da von dort aus Nachrichten aus dem Osmanischen Reich selbst, aus Konstantinopel, nach Westen weitergeleitet wurden. Venedig war zudem wichtiger Handelspartner für den östlichen Nachbarn.253 Auf diese Weise drangen nicht nur Frontberichte, sondern auch Meldungen über innenpolitische Ereignisse im Reich des Sultans sowie über dessen Kriegspläne und -vorbereitungen nach Augsburg.254 Innerhalb von rund sechs Wochen hatte Fugger über diese Informationsquelle Nachricht vom Bosporus,255 und andere Quellen dokumentieren, daß dort die Nachrichten aus Ungarn und Siebenbürgen teilweise sogar rascher eintrafen als in Prag.256 Allerdings können wir aus Fuggers Kopierbüchern heraus keine Informanten bestimmen, die Zeitungsbriefe nach Augsburg schrieben – von den Ott, den zweifellos häufigsten Korrespondenzpartnern in Venedig, sind bei Hans Fugger keine Nachrichtenmeldungen überliefert, doch wäre der Informationstransfer durch sie ohne weiteres denkbar, ebenso durch die nachweisbar für die Fugger tätigen italienischen Novellanten.257 Rom als Nachrichtenquelle bezeugt schließlich ein Briefbeispiel über die Kooperation zwischen dem Papst und Philipp II. im Kampf gegen die Osmanen im Mittelmeer.258 Zahlreich sind die Angaben Fuggers, was man aus Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien etc. Neues vom Kriegsschauplatz gehört habe.259 Hinter diesen Äußerungen stehen wohl zum Teil die Frontberichte der oben erwähnten Informanten; so bezog Fugger sich in einem Brief an Sebastian Roll bei seinen Nachrichten uß Krabatten [Kroatien, d. Verf.] ausdrücklich auf einen Brief Lodrons.260 Vermutlich aber wird man es hier häufig ‹nur› mit der Bezeichnung des
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S. dazu FA 2.1.21a. Vgl. Matuz: Osmanisches Reich, S. 124f., 138. Vgl. hierzu z.B. Hans Fugger an Ludolf Halver, 23.12.1567, FA 1.2.5 H. 8 (I 164) [Pest zu Konstantinopel und Auswirkung auf osmanische Rüstungsaktivitäten], ebenso an Niclas Heller, 13.06.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1038) [differierende Meldungen über die Lage nach den türkisch-venezianischen Frieden], an Niclas Heller, 20.01.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1833) [Schlaganfall des Sultans und türkische Niederlage in Persien], an Christoph Tanner, 13.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3363) [türkische Kriegspläne für den Sommer]. Zur Transportdauer vgl. z.B. Hans Fugger an Wolfgang Pfalzgraf von Neuburg, 24.03.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 50): Am 08.02. gingen Nachrichtenbriefe von Konstantinopel nach Venedig ab, wo am 14.02. über deren Inhalt nach Augsburg berichtet wurde. Am 24. gab Fugger die Nachrichten an den Pfalzgrafen weiter. So die Aussage spanischer Gesandter in Venedig, vgl. hierzu Alexander Randa: Pro Republica Christiana. Die Walachei im «Langen» Türkenkrieg der katholischen Universalmächte. München 1964 (Acta Historica 3), S. 67f. Vgl. oben Kap. III. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 17.03.1571, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger II (I 516). Vgl. etwa Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 10.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 878) [Ungarn]. Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 06.02.1593, FA 1.2.16c H. 91, pag. 33 (II/2 3338). – Vgl. auch die Nennung Lodrons als Quelle im Brief an Christoph Reitter, 12.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3283).
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ursprünglichen Ereignisorts zu tun haben, während die Berichterstatter, die nach Augsburg schrieben, in Wien oder Prag saßen.261 All diese Herkunftsnachweise zeigen noch weitaus deutlicher als bei den Nachrichten zu den Niederlanden, daß die Kopierbücher eine ‹Informationsdrehscheibe› abbilden: Hans Fugger war der Nachrichtenvermittler, man könnte sagen, der Nachrichtenmakler, der aktuelle Meldungen, auch diejenigen der KopierbuchAdressaten, sammelte und dann wieder an ausgewählte Interessenten weitergab. Lodron und Tanner, zwei der Hauptkorrespondenten zu den Türkenkriegen, waren unter den Adressaten der Fuggerbriefe zugleich die Hauptlieferanten der TürkenNachrichten, wobei in ihrem Fall ein in etwa ausgeglichenes Verhältnis von Geben und Nehmen zu konstatieren ist: Fugger sandte an sie mindestens genauso oft Türkenkriegsmeldungen wie er umgekehrt solche Berichte von Lodron und Tanner erhielt262 – Fugger konnte entweder mit Zusatzinformationen aus anderen Nachrichtenquellen dienen, oder er versorgte sie mit Nachrichten, wenn sie momentan gar nicht oder an einem anderen Schauplatz gegen Verbände der Osmanen eingesetzt waren.263 Die Verteilung der Nachrichten erfolgte dabei natürlich in Abstimmung auf die Informationslage der Adressaten. Aktuelle Berichte von der Militärgrenze hatten einen verhältnismäßig kurzen Weg zum Reichshofrat Johann Tonner am Kaiserhof in Prag, doch Fugger erwähnt nur einmal ausdrücklich eine Information Tonners über einen gefangenen osmanischen Würdenträger, die Hans Fugger jedoch schon bekannt war.264 Womöglich verbargen sich hinter den nicht genauer spezifizierten Nachrichten, die Tonner häufig
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Die Angaben sind vielfach nicht eindeutig, so daß hier nur Vermutungen angestellt werden können, so z.B. über Hans Fugger an Marx Fugger d. J., 10.07.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3276) [Berichte aus der Steiermark], an Hieronimus von Lodron, 11.07.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3278) [Zeittungen aus Graz], an Sebastian Roll, 27.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3352) [Nachrichten aus Kroatien], an Marx Fugger d. J., 06.04.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3451) [Meldungen aus Ungarn]. Klar nachzuweisen sind je sieben Nachrichten von den Türkenkriegen von Tanner an Fugger und umgekehrt; 17 Türkenkriegsmeldungen gingen von Lodron an Hans Fugger und 27 Türken-Nachrichten von Fugger an Lodron. Heinrich Erb ist ein Sonderfall: Er berichtete 1580 viermal von der Front über die Türken, ohne daß Fugger sich dafür bei Erb, der im folgenden Jahr starb, revanchieren konnte. Zusatzinformationen konnte Fugger z.B. bei Lodron einbringen, als der Obrist eine Falschmeldung von einer angeblichen Kriegserklärung des Sultans im Frühjar 1593 erhielt, Fuggers Quellen in Prag aber nichts dergleichen verlauten ließen (die Kriegserklärung erfolgte erst Juni 1593). Vgl. dazu Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 17.04.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3380). – Vor Lodrons Einsatz gegen die Türken an der östlichen Front hielt Fugger ihn schon ab Mitte der 1570er Jahre bis 1584 mit wiederholten Berichten von der Situation an der Militärgrenze auf dem laufenden, ebenso 1578–1582 Tanner, der für Philipp II. um 1580 in Portugal kämpfte. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 26.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2570). Dies ist zugleich auch der einzige Brief an Tanner, in dem explizit auf die Türkenkriege Bezug genommen wird. Tonner könnte also möglicherweise in den Jahren 1583, 1584 und 1586 Berichte vom Hof über die Türken gesandt haben, da Fugger selbst nachweislich Informationen zum Kampf gegen die Osmanen erhielt und weitergab. Doch weil Fugger meist nur summarisch für die Zeittungen Tonners dankte, sind hier nur Spekulationen möglich.
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an Fugger sandte, ab und an Mitteilungen zu den Türkenkriegen, ohne daß Fugger sie in seinen Antwortbriefen nochmals hervorhob. Auch die Seltenheit von Nachrichtensendungen an den bayerischen Herzogshof darf bei diesem Thema nicht verwundern: In seiner Untersuchung zum Nachrichtenwesen der deutschen Fürsten hat Johannes Kleinpaul die zahlreichen Zeitungsschreiber aufgeführt, die vom Kaiserhof und von vielen anderen Orten aus, nicht selten direkt von den Kriegsschauplätzen, in gewaltigem Umfang über alle anfallenden Ereignisse schrieben, unter anderem natürlich über die Türkenkriege. Hans Fugger konnte also wohl nur selten, z.B. durch Nachrichten aus Konstantinopel über Venedig, mit einem (zeitlichen) Informationsvorsprung berichten. Fugger und sein Bruder Marx übernahmen sogar die Weiterleitung der Briefe eines solchen herzoglichen Zeitungslieferanten: Nachrichtenbriefe Lodrons aus dem Mittelmeerraum an Wilhelm V. gingen mehrfach nachweislich über das Haus Fugger weiter an den Herzog.265 Daß die Zahl der Briefe Fuggers, die Nachrichtenmeldungen durch den Adressaten des jeweiligen Schreibens bezeugen, im Falle der Türkenkriege deutlich höher ist als noch im Fall der Niederlande, darf über eines nicht hinwegtäuschen: Letzten Endes war es doch wiederum in erster Linie Fugger, der in den Kopierbüchern als Verteiler der Nachrichten in Erscheinung trat – insbesondere für die vielen Korrespondenten, an die nur gelegentlich oder gar nur einmal ein Brief zur Türkenthematik gerichtet wurde. Immerhin in rund 20% der Briefe über die Türkenkriege sind die Adressaten Fuggers die Nachrichtenlieferanten, von Fugger jedoch stammen immer noch 65%.266
5. Die Kriege gegen das Osmanische Reich im Spiegel der Fuggerbriefe a) Die Kämpfe im Mittelmeerraum Für die Briefe Fuggers zu den Türken insgesamt gilt, daß sie – abgesehen von wenigen Perioden mit intensiver, sehr regelmäßiger Berichterstattung, so vor allem über die Anfangsphase des «Langen Türkenkriegs» – häufig nicht sehr viel mehr
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In den Briefen Hans Fuggers an Albrecht V. spielt das Türken-Thema keine Rolle, und auch an Wilhelm V. gehen ja nur fünf Briefe zur Türkenthematik, so z.B. über die Kriegsvorbereitungen im Mittelmeer 1571 auf Basis römischer Nachrichten, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 17.03.1571, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger II. – Zur Weiterleitung von Briefen Hieronimus’ von Lodron über die Konfrontation im Mittelmeer an Wilhelm V. 1573 und 1574 vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 10.01.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 899), an denselben 05.10.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 216) sowie 20.11.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 259). – Johannes Kleinpaul führt Lodron als Nachrichtenlieferant für den bayerischen Hof für die Jahre 1572–1577 auf. Dazu und allgemein zum Nachrichtenwesen am bayerischen Hof Kleinpaul: Nachrichtenwesen, S. 31–35, 80–82. Bei den restlichen 15% der Briefe konnte aufgrund des Wortlauts nicht klar entschieden werden, von wem die besprochene Nachricht stammte. – Im Falle der Niederlande trat nur in 5% der Briefe der Adressat als Nachrichtensender auf (23 von 423 Briefen), vgl. oben Kap. IV., A.
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sind als Momentaufnahmen. Sie liefern noch weniger als die Briefe zu den Niederlanden eine kontinuierliche Ereigniskette, und diesem schlaglichtartigen Charakter wird daher auch die Darstellung in diesem Kapitel verpflichtet bleiben. Schon Fuggers früheste Briefe von 1567/68 über die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Osmanen an den Küsten und um verschiedene Inseln des Mittelmeeres sind von einer Stimmung geprägt, die für seine gesamte Berichterstattung bezeichnend ist und die ebenso den Tenor der Türkenkriegspublizistik trifft: Ruhe war immer nur die Ruhe vor dem Sturm. So war 1568 der Frieden zwischen Genua und den Türken in der Diktion Fuggers eine vorläufige Gegebenheit,267 ein Hinweis darauf, daß das Osmanische Reich und die christlichen Staaten der Frühen Neuzeit ihrem Selbstverständnis nach nicht so ohne weiteres nebeneinander existieren konnten.268 Bereits 1568 berührte Fugger ein Argument, warum der Kampf gegen die Türken so schwierig sei: Konflikte unter den Christen, so etwa in den Niederlanden, verschafften den Türken durch den Abzug von Soldaten und Mitteln strategische Vorteile.269 Diese Kritik an der mangelnden Einigkeit, im Reich dezidiert auf Querelen unter den Reichsständen gemünzt, zog sich als concordiaTopos gerade in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch vielerlei Beispiele der Turcica-Literatur, so durch die humanistischen Türkenreden, durch Türkenpredigten ebenso wie durch politisch-militärische Denkschriften – und ebenso durch die Briefe Fuggers.270 Langwierige Verhandlungen zwischen Spanien, dem Papst und Venedig vor dem Abschluß der Heiligen Liga 1571 nährten daher auch bei Fugger Befürchtungen, das Bündnis werde scheitern und Venedig somit zu Verhandlungen mit dem Sultan gezwungen.271 Doch die Liga wurde tatsächlich geschlossen und die christliche armada wider den erbfeind272 erlebte ihren Triumph in der Seeschlacht von Lepanto am 7. Oktober 1571. Angesichts des großen publizistischen Echos, der Triumphfeiern, Dankgebete und Gemälde, die zur Verherrlichung dieser
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Vgl. Hans Fugger an Florian Griespeck, 20.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 269) sowie an den Herrn von Bernstein, 20.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 270). Bezeichnend hierfür ist auch das osmanische Verständnis von ‹Friede› und ‹Waffenstillstand›: Frieden konnte es von der osmanischen Seite her schon deswegen nicht geben, weil die christliche Herrschaft niemals die rechtmäßige sein konnte. Dementsprechend schloß die Pforte Waffenstillstände ab. Vgl. hierzu Hans Joachim Kissling: Rechtsproblematiken in den christlich-muslimischen Beziehungen, vorab im Zeitalter der Türkenkriege. Graz 1974 (Kleine Arbeitsreihe des Instituts für europäische und vergleichende Rechtsgeschichte an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz 7), sowie Karl Vocelka: Fehderechtliche «Absagen» als völkerrechtliche Kriegserklärungen in der Propaganda der frühen Neuzeit. In: MIÖG 84 (1976), S. 378–410. Vgl. Hans Fugger an Carl Welser, 30.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 296). Einen Überblick zur Verwendung des concordia-Topos gibt Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 51, 61–66. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 17.03.1571, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger II. – Zu den langwierigen Liga-Verhandlungen und den vielfachen Konflikten zwischen den Verhandlungspartnern vgl. zusammenfassend Braudel: Mittelmeer 3, S. 258–263. Hans Fugger an Ludwig Herzog von Württemberg, 06.11.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 604), fol. 63r.
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Schlacht überliefert sind,273 war Fuggers einziger überlieferter Kommentar vier Wochen nach dem Ereignis schon recht gedämpft, schrieb er doch an Herzog Ludwig von Württemberg, den er mit einer Nachrichtenbeilage zu Lepanto versorgte: Es ist in wahrhait ain grosse victoria, die auff der christen seiten auch nit ohne schaden, unnd groß pluetvergiessen abgangen.274 Zugleich mit dem Sieg blieben bei Fugger also die erheblichen Verluste auf der Seite der Liga im Blick, für die er sich gegenüber dem Herzog auf seine Nachrichtenbeilage berufen konnte. Daß Lepanto das Selbstbewußtsein der christlichen Mächte gegenüber der osmanischen Heeresmacht entscheidend gestärkt habe, wie noch in Braudels berühmter Darstellung zu lesen ist,275 davon zeugt Fuggers Brief ebensowenig wie seine Notizen zum weiteren Kriegsgeschehen im Mittelmeer.276 Strategisch gesehen hatte Lepanto keine Vorteile gebracht;277 Don Juan d’ Austria als militärischem Führer der Liga gelang es zwar noch, die osmanische Flotte 1572 im Kampf zu stellen, wie Fugger sich durch Hieronimus von Lodron berichten ließ – allerdings ohne ein entscheidendes Treffen.278 Gerade durch seinen Kontakt zu den Kriegsleuten Lodron und Don Juan Manrique de Lara war Fugger über die Werbungen und Rüstungen Spaniens für die Armada immer gut informiert;279 angesichts der fortgesetzten spanischen Bemühungen um eine Verbesserung der Position gegenüber der türkischen Flotte wirkte da für Venedigs Verbündete der Friedensschluß der Signoria mit dem Sultan im Jahr 1573 als gewaltiger Schock. Der «Verrat», von dem sogleich in der geplatzten Liga die Rede war, wurde denn auch von Fugger hochemotional kommentiert: zu clagen ja wol zubewainen [sei], dz der laidig unchristlich friden zwischen dem Venediger unnd dem türggen ervolgt, und Venedig wünschte er, der Teuffel geb inen den verdienten
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Hierzu Göllner: Turcica 3, S. 148–153. Nachrichtendrucke über die Schlacht von Lepanto entstanden auch in Augsburg, so bei den Druckern Rogel, Manger und Kriegstein, vgl. Göllner: Turcica 2, Nr. 1403, 1404, 1448, 1478, 1479. Hans Fugger an Ludwig Herzog von Württemberg, 06.11.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 604), fol. 63r. Vgl. Braudel: Mittelmeer 3, S. 279f. S. dazu auf der Basis von Publizistik bzw. literarischer Verarbeitung Göllner: Turcica 3, S. 148f. Ausgesprochen kritisch, auch unter Heranziehung türkischer Quellen, äußert sich zu diesem Urteil Hess: Lepanto, S. 70f. Daß Fugger sich in den überlieferten Briefen nur einmal zu Lepanto äußerte, mag auch daran liegen, daß die Kopierbücher für die ersten Wochen nach dem Sieg der Liga keine Schreiben an Fuggers Hauptkorrespondenten für die Türkenkriege verzeichnen – es fehlte also womöglich auch ganz einfach an der Gelegenheit, dieses Ereignis in Briefen an die einschlägigen Interessenten zu erwähnen. Vgl. Hess: Lepanto. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 27.09.1572, FA 1.2.6a H. 13 (I 845). Die ergebnislose Rückkehr der Flotte im Winter erwähnt Fugger im Brief an Andreas Pühler, 22.11.1572, FA 1.2.6a H. 14 (I 877). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 10.01.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 904), an denselben 25.04.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 974). Durch Werbungen Manriques u.a. im Augsburger Umland hatte Fugger zeitweise auch vor Ort in Augsburg eine gute direkte Basis für aktuelle Nachrichten, die er dann wieder an Lodron im fernen Messina weitergeben konnte, so z.B. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 948) sowie an denselben, 25.04.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 974).
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lon, Amen!280 Noch mehr als sechs Wochen später wünschte er in seinen Briefen Venedig Strafe wahlweise durch göttliche oder teuflische Macht.281 Verständlich wird dies aus seiner Bewertung dieses Friedens: Er befürchtete inn der gannzen christenhait grosse ennderung [gewaltige Umwälzungen, d. Verf.],282 und selbst wenn die großen dramatischen Geschehnisse ausblieben, so ist doch richtig, daß Spanien ohne den Bündnispartner Venedig keine größeren Operationen gegen die Türken mehr möglich sein sollten.283 Und um hier noch einmal auf die Nachwirkungen Lepantos zurückzukommen: ein neues christliches Selbstbewußtsein gegenüber den Türken sprach zumindest aus diesen Briefen Fuggers wahrlich nicht. Auch der weitere Kriegsverlauf war nicht dazu angetan, übermäßigen Optimismus zu bestärken. Hier erweist sich wieder einmal die Qualität des Fuggerschen Informationsnetzes: Höchst zeitig, vermutlich noch Ende Juni, erfuhr er von den in Italien gehegten Vermutungen, die Türken würden im Sommer 1573 keine Angriffe wagen, ebenso vom Rätselraten um das Angriffsziel Spaniens an der nordafrikanischen Küste zum Schutz der Grenze gegen die mittelfristig zu erwartenden türkischen Operationen. Über die Stärke der spanischen Armada war er durch Berichte aus Messina – wohl von Lodron – ebenfalls recht gut und ausgesprochen früh orientiert.284 Tatsächlich gelang es Don Juan, im Oktober 1573 Tunis zu erobern, doch hier handelte es sich nur um einen Etappensieg. Im Vorfeld erneuter Kämpfe wird nun deutlich, daß sich ein Hans Fugger in seinem Augsburg, fernab der Kriegsschauplätze, mit seinem weitausgreifenden Korrespondenznetz vor einem Kriegsmann wie Lodron, und das heißt vor dem Informationssystem der spanischen Militärmacht, wahrhaftig nicht verstecken mußte: Ende Januar 1574 erhielt Fugger von Lodron mit Datum vom 8. Januar aus Neapel Nachricht, sein Mittelmeer-Regiment werde wohl demnächst bezahlt und abgedankt. Eine Woche nach Absendung seines Briefes mußte Lodron am 16. Januar diese Nachricht mit neuen Meldungen von türkischen
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Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 25.04.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 14 (I 974). – Zur Bewertung des venezianisch-türkischen Übereinkommens und den vitalen Handels interessen, die Venedig auf diese Weise zu schützen versuchte vgl. Braudel: Mittelmeer 3, S. 307–309 sowie Daniel Goffman: The Ottoman Empire and Early Modern Europe. Cambridge 2002 (New Approaches to European History 24), S. 162–164. So auch noch im Brief an Peter Rosmarin, 09.05.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 70 (I 997): Gott geb inen iren verdienten lon darumb; ähnlich an Niclas Heller, 13.06.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 128 (I 1038): der teuffl vergelts denen die ursach daran sein. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 09.05.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 65 (I 996). Vgl. dazu das Urteil von Anderson: Naval Wars, S. 57. Vgl. Hans Fugger an Wolf Sigmund von Auersperg, 04.07.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1063). – Hans Fugger nennt in diesem Brief ausdrücklich einen Bericht aus Messina vom 04.06.1573 als Quelle, von Lodron ist ein Brief vom 05.06.1573 aus Messina nachzuweisen; in seiner Antwort auf diesen Brief nimmt Fugger allerdings nicht auf die Kriegsvorbereitungen Bezug. Die bei Fugger erwähnten Daten zur Stärke der spanischen Armada entsprechen weitgehend den Zahlen, die Braudel: Mittelmeer 3, S. 303 für den Herbst 1572 gibt. Die Unklarheit über das tatsächliche Ziel der Offensive hielt bis in den Juli hinein an, wie auch Braudels Analyse der diplomatischen Korrespondenz zeigt, dazu Braudel: Mittelmeer 3, S. 313. – Allerdings muß hier auch betont werden, daß die besonders günstige Nachrichtenverbindung von Augsburg nach Italien den schnellen Transfer entscheidend begünstigte.
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Angriffsplänen zur See – die ja Abdankungsplänen entgegenliefen – ergänzen, doch diese Mitteilung traf bei Fugger erst recht verspätet Anfang März ein.285 Aus der Antwort Fuggers auf Lodrons ersten Brief vom 8. Januar wissen wir, daß er in Augsburg spätestens am 30. Januar aus ungarischen und Wiener Quellen wußte, daß die Türken zur Wiedereroberung von Tunis rüsteten. Fugger hatte also etwa zwei Wochen nach Lodron, der sich ja unmittelbar an der Nachrichtenquelle befand, von den Plänen der Osmanen erfahren. Und die zunächst von Lodron angekündigte Abdankung der Truppen fand er deswegen doch ein wenig voreilig.286 Hier zeigt sich das Erfolgsrezept des Fuggerschen Informationsnetzes: Eine Vielzahl von Nachrichtenquellen an den zentralen Nachrichtenplätzen Europas bot selbst dann, wenn Meldungen eines Nachrichtenpartners – zum Beispiel durch Verzögerungen beim Brieftransport – ausfielen, weiterhin die Sicherheit zuverlässiger, wenn auch entfernungsbedingt vielleicht nicht ganz so rascher Benachrichtigung über den aktuellen Stand der Dinge. Das von Don Juan eroberte Tunis ging 1574 schon wieder verloren, vorher noch die nahegelegene, strategisch äußerst bedeutsame spanische Festung La Goleta – über ihre Belagerung hatte Lodron mehrmals aus Neapel zu berichten. Der Fall von La Goleta nährte bei Fugger sofort die schlimmsten Befürchtungen, die Türken könnten nun zu einer Großoffensive übergehen – eine Befürchtung, die übrigens die politisch Verantwortlichen in Spanien und Italien absolut teilten.287 Ganz bezeichnend ist das Rezept Fuggers gegen weitere osmanische Erfolge: Gott der Herr [...] verleich der christenhait gnad, das sie sich mer zusamen thue und dißen möchtigen feind widerstee.288 Gemünzt ist dieser Einsatz des concordia-Topos natürlich wieder in erster Linie auf Venedig, das der Papst vergeblich wieder in die Liga zu holen versuchte.289 Gleichzeitig gibt dieses Zitat Argumentation und Stimmung der Zeit zuverlässig wieder; insbesondere in Fuggers Briefen zu den Kämpfen an der Militärgrenze werden wir dieser Argumentation noch oft begegnen. Ziemlich rasch aber änderte sich die Situation auf dem Kriegsschauplatz wieder, und dies hatte seine Auswirkungen auch auf die Geschäfte der Fugger: Im Dezember 1574 noch erwartete Hans Fugger für das Folgejahr neue Angriffe der türggisch armada, und er ließ daher Lodron gegenüber durchblicken, daß er das spanische Vorgehen dagegen für zu lax halte.290 Christl Karnehm hat bereits auf
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Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 30.01.1574, FA 1.2.6b H. 15 (II/1 17) [Antwort auf Lodrons Brief vom 08.01.] sowie an denselben, 04.03.1574, FA 1.2.6b H. 15 (II/1 36) [Antwort auf das Schreiben Lodrons vom 16.01.]. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 30.01.1574, FA 1.2.6b H. 15 (II/1 17). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 06.11.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 238). – Über die Befürchtungen, die der Verlust von La Goleta und von Tunis weckten, handelt ausführlich Braudel: Mittelmeer 3, S. 326–328. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 30.10.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 231). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. Braudel: Mittelmeer 3, S. 327. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 04.12.1574, FA 1.2.7 H. 20, pag. 414 (II/1 274): und stehen inn der warhait die spannischen sachen überal seer mißlich, zu besorgen die türggisch armada werde auf khinfftig jar was attendiren und nit erwarten bis die resolution ob man sich wöhren, oder nit weren [wehren, d. Verf.] wöll aus Spa: [Spania] khumb.
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die Bedeutung der im Fuggerhaus einlaufenden Nachrichten für die Vermittlung von Waffenkäufen für Adressaten Fuggers hingewiesen,291 und in diesem Zusammenhang soll dieses Beispiel hier kurz rekapituliert werden: Im Januar 1575 nahm Hans Fugger einen Auftrag des spanischen Obersten und Korrespondenzpartners Don Juan Manrique de Lara an, in Nürnberg das Angebot von Rüstungen für ein Regiment deutscher Landsknechte zum Kampf im Mittelmeer prüfen zu lassen. Über den Nürnberger Fugger-Faktor Carl Heel wurden die betreffenden Rüstungen reserviert und dann schließlich von Manriques Hauptleuten in Nürnberg abgeholt. Geheimhaltung des Auftraggebers, günstige Preise und eine möglichst rasche Tätigung des Geschäfts waren die Vorgaben, die Fugger seinem Faktor machte, denn Manrique war Fugger um einen Kredit zur Finanzierung des Kaufs angegangen, und bei den zunehmenden Gerüchten um die Werbung deutscher Landsknechte fürchtete Hans Fugger – den Gesetzen des Marktes entsprechend – steigende Preise bei den Plattnern und damit für sich eine höhere Kreditbelastung.292 In dieser Situation nun trafen in Augsburg neue Meldungen aus Italien ein, daß der Sultan in diesem Jahr keine kriegerischen Aktivitäten im Mittelmeer plane, sondern lediglich Schiffe zum Schutz seiner Handelsflotte aussende. Hans Fugger spekulierte nun, daß Manrique und sein Regiment unbesoldet wieder zurückkehren müßten, eine finanzielle Unterstützung der Rüstungskäufe wurde damit zum größten Risiko, und deshalb sein Befehl an Carl Heel: darumb ist sich desto minder einzulassen, meld ich euch per aviso.293 Dieses Beispiel zeigt nur allzu deutlich: Aufgrund ihres vielfältigen finanziellen Engagements war die Sammlung von Nachrichten für die Fugger mehr als nur das Bedürfnis, über die «politische Weltlage» auf dem Laufenden zu sein – Aktualität der Information war bittere geschäftliche Notwendigkeit, Versäumnisse konnten Hans Fugger teuer zu stehen kommen. Übrigens: Don Juan bereitete sich zwar weiterhin auf neue Kampfhandlungen vor, doch das ganze Jahr 1575 über kam es im Mittelmeer zu keinen größeren Aktionen mehr, im Gegensatz zu den Befürchtungen, die von der spanischen Seite nach dem Verlust von Tunis gehegt wurden. Fuggers italienische Quellen, die von ihm leider nicht genauer spezifiert sind, im September 1575 aber durch einen Bericht seines Agenten Matthias Rechseisen aus Italien nochmals bestätigt wurden, hatten also recht behalten.294 291 292
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Vgl. Karnehm: Regesten I, S. 45*. Zu dem hier geschilderten Geschäft vgl. Hans Fugger an Juan Manrique de Lara, 22.01.1575, FA 1.2.7 H. 20 (II/1 334) sowie an denselben, 12.03.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 376). Der Austausch mit Heel in Nürnberg in den Briefen an denselben, 12.03.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 375), 07.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 404) sowie 10.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 408). In der Korrespondenz mit Carl Heel sind inhaltliche Lücken zu bemerken; sie ist entweder nicht lückenlos ins Kopierbuch eingetragen oder sie wurde nicht allein über Hans Fugger geführt, sondern entweder über Marx oder Handelsdiener in Augsburg. Hans Fugger an Carl Heel, 26.04.1575, FA 1.2.8a H. 21, pag. 128 (II/1 438). Vgl. Hans Fugger an Carl Heel, 26.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 438). Zur noch nicht gegebenen Kreditzusage Hans Fugger an Carl Heel, 10.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 408). Zu Truppenwerbungen und Kriegsvorbereitungen Spaniens 1575 vgl. auch die Briefe Hans Fuggers an Hieronimus von Lodron, 28.05.1575, FA 1.2.8a H. 22 (II/1 482) sowie an denselben, 26.07.1575, FA 1.2.8a H. 22 (II/1 550). Der Bericht Rechseisens nach Hans
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Bezeichnenderweise nimmt der Brief an Rechseisen zum letzten Mal in Fuggers Korrespondenz das Mittelmeer als Schauplatz der Türkenkriege auf – über dem Mittelmeerraum verlöschen nun auch in Fuggers Briefen, wie Braudel metaphorisch formulierte, die Scheinwerfer.295 Krieg gegen die Osmanen ereignete sich in seinen Briefen ab jetzt ausschließlich an der Militärgrenze der Erblande, wie der schriftliche Austausch mit Lodron mit Nachdruck bestätigt: obwohl dieser sich noch bis 1576 in Italien aufhielt, war in den Briefen Fuggers ausschließlich vom Schauplatz an der Ostgrenze des Reiches die Rede. Auch wenn vielleicht Lodrons bis Mitte 1576 von Italien aus gelieferte Nachrichten, für die Fugger sich bedankte, Nachrichten von Kämpfen im Mittelmeer enthielt, so schafften sie es nicht mehr in die ‹Schlagzeilen› der Fuggerschen Antworten auf die Meldungen des Obristen.296 Für beide Großmächte, Spanien wie das Osmanische Reich, war es Zeit für eine Umorientierung: der Sultan wandte sich Marokko und Persien zu, Philipp II., der 1575 den zweiten Staatsbankrott erklärte, sah sich nach wie vor mit dem niederländischen Schauplatz beschäftigt und ließ Verhandlungen mit den Türken führen, die schließlich in den Waffenstillstand von 1581 mündeten.297 So wie es unter den europäischen Mächten insgesamt keinen Protest gegen dieses Abkommen gab wie damals im Falle Venedigs, so schwieg auch Fugger zum Waffenstillstand – gab es in den Briefen dieser Zeit keinen Anlaß oder war ihm die Sache bereits nicht mehr wichtig genug?298
b) Im Osten nichts Neues? Waffenstillstand und Kleinkrieg Bis zur Eskalation des Kampfgeschehens in den 1590er Jahren folgen Fuggers Briefe dem Muster, das uns auch die Geschichtsschreibung für den Kampf gegen die Osmanen an der östlichen Grenze des Reiches überliefert: Begrenzte Überfälle von beiden Seiten kennzeichnen einen mühsamen Kleinkrieg, der an der Grenze hohe Verteidigungskosten für die Habsburger bedeutete und der trotz der immer wieder aufgenommenen Verhandlungen um einen Waffenstillstand und dessen tatsächlicher Verlängerung kein Ende nahm.299
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Fuggers Brief an Matthias Rechseisen, 24.09.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 622). – Über die spanischen Ängste vor neuen Angriffen handelt mit vielen Beispielen administrativer bzw. diplomatischer Korrespondenz Braudel: Mittelmeer 3, S. 326–329. Anderson charakterisiert die Zeit nach dem Fall von Tunis als «period of comparative calm in the Eastern Mediterranean», die in erster Linie von kleineren Überfällen, nicht von Operationen mit klarem strategischen Hintergrund geprägt war, vgl. Anderson: Naval Wars, S. 57f. Vgl. Braudel: Mittelmeer 3, S. 386. Vgl. Fuggers Briefe an Lodron, in denen er sich ausdrücklich für Lodrons Nachrichten bedankt: 23.10.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 633), 31.03.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 777), 16.04.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 800), 02.06.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 844), 10.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 878), 28.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 892). Eine konzise Zusammenfassung hierzu bei Hess: Lepanto, S. 66–69. Zu den (ausbleibenden) Reaktionen auf den spanisch-türkischen Waffenstillstand einmal mehr Braudel: Mittelmeer 3, S. 357f. Einen brillanten Überblick liefert Vocelka: Propaganda Rudolfs, S. 219–222.
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An Fuggers Ausführungen zur Einhaltung des Waffenstillstands lassen sich sehr schön die charakteristischen unterschiedlichen Rechtsvorstellungen der christlichen und der türkischen Seite aufzeigen. Nach dem Verständnis der osmanischen Kriegsführung galten die typischen Überfälle türkischer Streifscharen – häufig tatarischer Hilfstruppen300 – mit bis zu 4000 Mann und ohne Artillerie nicht als Vertragsbruch.301 Fugger hingegen argumentiert angesichts ausgedehnter Streifzüge, die auch die Eroberung von Plätzen einschlossen, wiederholt mit einem Bruch des Waffenstillstands und stellt einmal sogar türkische und christliche Rechtsauffassung direkt gegenüber: die Türggen straiffen inn Ungern und Zips starkh, und nemmen ain schloß nach dem andern ein, will doch der wascha302 von Ofen den namen nit haben, als sei der anstand [Waffenstillstand, d. Verf.] gebrochen.303 Mit dieser Anprangerung türkischer Wortbrüchigkeit greift Fugger den vielfach in der Türkenkriegsliteratur verwendeten perfidia-Topos304 auf. Auch die Herrschaft der Osmanen als Despotentum ist mit seiner Auffassung, der Türgg als tirann305 wolle die Christen under sein joch,306 seinen dienstbalhen307 [Dienstbalken, synonym zu Joch, d. Verf.] bringen, klar als gewaltsame Unterdrückung gekennzeichnet. Zumindest in diesen – auf den Umfang der Türkenkriegs-Korrespondenz bezogen – vereinzelten Belegen reiht Fugger sich ein in die Tradition der topischen Darstellung der Osmanen.308 Der Vorwurf unerhörter Grausamkeit auch gegen die Zivilbevölkerung durch Mord, Verschleppung, Brandschatzung, der beispielsweise mit dem alten, auf die Türken übertragenen Kindermord-Topos ein gängiges Motiv der zeitgenössischen Einblattdrucke war und propagandistisch in den grellsten Farben ausgemalt wurde, taucht dagegen bemerkenswert selten und nur mit kurzen Erwähnungen in Fuggers Briefen auf: Sebastian Roll vernahm von Fugger 1592 trotz horrender Opferzahlen 300
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Tataren als Ausführende der plötzlichen Überfälle werden bei Fugger, der sonst meist von den Türggen spricht, teilweise auch als solche identifiziert, vgl. dazu Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 23.10.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 633) sowie an Sebastian Roll, 26.03.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3441). Zu den Tataren als türkische Hilfstruppen, die meist selbständig Überfälle im Feindesland verübten und durch Raub Versorgungsprobleme des osmanischen Heeres verminderten, vgl. Murphey: Ottoman Warfare, S. 150. Zur osmanischen Interpretation Vocelka: Auswirkungen, S. 15. Die osmanische Sicht präsentiert auch ein aktuelles Werk zur osmanischen Kriegführung, das die Zeit von 1568 bis 1649 – den «Langen Türkenkrieg» ausgenommen – als «a series of extended and littledesturbed truces» charakterisiert. Vgl. Murphey: Ottoman Warfare, S. 1. Gemeint ist hier der Bascha (Pascha) von Ofen, also der militärische Oberbefehlshaber. Zur Terminologie vgl. Matuz: Osmanisches Reich, S. 25, 89. Hans Fugger an Matthias Rechseisen, 27.08.1575, FA 1.2.8a H. 23, pag. 418 (II/1 583). Ganz ähnlich auch Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 892). Über den perfidia-Vorwurf handelt Wiegand: Türkenkriegsepik, S. 183. Hans Fugger an Niclas Heller, 20.01.1581, FA 1.2.11 H. 39, pag. 28 (II/1 1833). Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 01.07.1578, FA 1.2.9b H. 31, pag. 276 (II/1 1352). Hans Fugger an Christoph Tanner, 12.12.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 155 (II/2 3309). Zum Vorwurf des Despotentums vgl. Grothaus: Vorbildlicher Monarch, bes. S. 189f.
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nur kurz, daß die Türken in Kroatien vil 1000 armer christen und 42 dörffer mit den brand weckh genommen309 hätten, und Christoph Tanner berichtete er über die Leiden der Grenzbevölkerung 1593 knapp, die Türken hätten dz volckh weckhgefiert, und dz landt jemerlich verderbt.310 Diese Mitteilungen waren während der Türkeneinfälle zweifellos ausgesprochen häufig zu hören;311 bei denen, die nicht betroffen waren, hatte daher möglicherweise eine gewisse Gewöhnung an solche Nachrichten eingesetzt. Dennoch ist hier mit Nachdruck zu vermerken, daß Fugger trotz der Betroffenheit, die er angesichts der osmanischen Gebietsgewinne immer wieder an den Tag legte – die häufige Anrufung Gottes um Hilfe ist ein Indiz dafür –, keinen Anlaß sah, hier zu Invektiven über mordlüsterne Türken auszuholen. Der private Charakter seiner Korrespondenz hätte dies ja durchaus gestattet. Über die Hintergründe dieses Verhaltens kann man allerdings nur Vermutungen anstellen: Daß er es nicht allein deswegen bei recht knappen Schilderungen beließ, weil seine Nachrichtenbeilagen noch Näheres auszuführen hatten, belegt der schon zitierte Brief an Roll über mehrere Tausend Opfer türkischer Überfälle; hier führte Fugger nur eine Nachrichtenbeilage aus den Niederlanden auf.312 Entweder verbanden sich also ausgebaute Schilderungen von Greuelszenen nicht mit seinem Verständnis einer angemessenen Weiterleitung von Nachrichten, oder er schenkte allzu monströsen Berichten keinen Glauben und wollte sie deshalb nicht weiterleiten. Recht ausführlich konnte Fugger hingegen werden, wenn es darum ging, Kritik an Schwächen der christlichen Verteidigung in diesem Krieg gegen den erbfeind zu üben: Schon vor dem «Langen Türkenkrieg» fand Fugger auf der Seite der Christen – und dies nun in viel stärkerem Ausmaß, als es bei der Beurteilung des Mittelmeer-Schauplatzes geschah – eine Reihe von Versäumnissen. Ihre Anprangerung zeigt, wie sehr dieser Krieg, seine Erfolge und Mißerfolge, in Fuggers Augen auch Menschenwerk waren. In Verbindung mit seinem erwähnten Rekurs auf die göttliche Allmacht ist Hans Fuggers Haltung damit, wie Vocelka im Bezug auf die Türkenkriegspropaganda treffend umschreibt, Ausdruck der «unauflösbaren Antinomie von religiöser Umdeutung und politischer Realität».313 Als Vorwurf schon bekannt ist uns die Kritik an der Uneinigkeit der Christen, die sich nicht auf ihren wahren Feind besännen, sondern sich lieber, wie etwa in den Niederlanden, gegenseitig bekriegten: Wir christen hetten ein grossen gelegenheit disen tirannen jezo gar zu undertruckhen, wir haben aber under uns selbs zuthun, dz einer den andern verderb, der Allmechtig schickh es alles mit gnaden.314 Höchst bedenklich erschien Fugger,
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Hans Fugger an Sebastian Roll, 30.10.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 12 (II/2 3283). Hans Fugger an Christoph Tanner, 13.03.1593, FA 1.2.16c H. 91, pag. 124 (II/2 3363). – Zum Topos des grausamen Türken und der darstellerischen Mittel der Drucke des 16. Jahrhunderts vgl. Schilling: Bildpublizistik, S. 175–177. Vgl. Schilling: Bildpublizistik, S. 175–177. Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 30.10.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3283). Vocelka: Propaganda Rudolfs, S. 262. So Hans Fugger an Niclas Heller, 20.01.1581, FA 1.2.11 H. 39, pag. 28f. (II/1 1833). Weitere Belege in den Briefen Hans Fuggers an Carl Welser, 30.08.1568, FA 1.2.5 H. 8, fol. 76v, 77r (I 296) sowie an Hans Heinrich Mundtprot, 01.07.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1352), pag. 275f.
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daß – seinem Eindruck nach – der Krieg gegen die Türken in der öffentlichen Diskussion vor der Phase der Eskalation, so etwa um 1580, zumindest zeitweise sogar in Vergessenheit geriet, obwohl man es doch mit dem Erbfeind zu tun habe, denn hir wirdt nun von den niderlendisch auch jezo von portugösisch315 krieg gesagt, was wider den Türgg aber der christenheit erbfeindt fürgenomen wirdt, dauon schweiget man gar, als ob am selben ort316 guter rhue und frid wer.317 Ein solches zeitweiliges Abflauen des Interesses am Türkenkrieg – die Bedrohung war ja nur in den Grenzregionen wirklich konkret erfahrbar – bildete nach dem Urteil der Forschung auch der Hintergrund für forcierte propagandistische Aktionen der Kirche bzw. des frühneuzeitlichen Staates.318 Relativ dezent, aber dennoch eindeutig fällt in diesem Zusammenhang Fuggers Kritik an der mangelnden Beteiligung der Reichsstände bei der Türkenabwehr aus. Nach der Verweigerung der Türkenhilfe auf dem Reichstag 1582 schrieb Fugger an den militärischen Experten Lodron in der typischen gemischten säkular-religiösen Erwartungshaltung auf einen positiven Ausgang des Deputationstags, bei dem Gott seine Hände hilfreich im Spiel haben möge: der Allmechtig verleih vil guts, denn angesichts der politischen Lage habe man kriegs in Ungern zu besorgen, der [...] leider gar ubel gestaffirt [ausgerüstet319] ist.320 Mit der unzureichenden Ausstattung des Grenzkriegs gab Fugger das Stichwort für einen weiteren Kritikpunkt, der ihn von den 1570er Jahren bis zum Ende der überlieferten Kopierbuch-Korrespondenz nicht mehr losließ.321 Die Verteidigung der Militärgrenze war ein ausgesprochen teures Unternehmen, mußten doch zahlreiche Festungen oder zumindest befestigte Plätze erhalten und die Grenztruppen ausgerüstet, verproviantiert und besoldet werden. Der jährliche Aufwand dafür belief sich in den 1590er Jahren auf weit über eine Million Gulden,322 die in erster Linie über Steuermittel in den Erblanden aufgebracht werden mußten, was eine nicht unerhebliche Erhöhung des Steuerdrucks und die Aufnahme zusätzlicher Kredite
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Gemeint ist der Kampf Philipps II. um die Krone Portugals 1580. Am Kriegsschauplatz in Ungarn. Hans Fugger an Heinrich Erb, 13.06.1580, FA 1.2.10 H. 35 (II/1 1627). Zur zeitweise indifferenten Haltung unterer Schichten vgl. Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 55, 59. Vgl. auch Delumeau: Angst, S. 406, der auch das unter Karl V. eingeführte tägliche Läuten der «Türkenglocken» in diesen Zusammenhang einreiht, sowie Grothaus: Vorbildlicher Monarch, S. 190. Zur sog. «Türkenhoffnung», die mit der indifferenten Haltung der Bevölkerung in engem Zusammenhang steht, weiter unten. Vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch IV,I,4, Sp. 530f. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 24.10.1582, FA 1.2.12a H. 45, pag. 478 (II/2 2202). Beispiele zu Fuggers Kritik am unzureichenden Schutz der Grenzen (bis in die 1580er Jahre) liefern die Briefe an Hieronimus von Lodron, 28.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 948), an Matthias Rechseisen, 27.08.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 583), an Hieronimus von Lodron, 10.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 878), an Heinrich Erb, 11.01.1581, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1820), an Jörg von Montfort, 24.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2279). Dazu die Angaben bei Rauscher: Reichstürkenhilfen, S. 77 sowie Vocelka: Propaganda Rudolfs, S. 221.
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bedeutete.323 Und trotz erheblicher finanzieller Anstrengungen blieb die Ausstattung der Militärgrenze höchst unbefriedigend, wie sich dann insbesondere ab den 1590er Jahren schmerzlich herausstellen sollte.324 Kriegstreiberisch war Fuggers Haltung deswegen aber gewiß nicht, vielmehr war sie ganz klar von dem Gefühl bestimmt, man befinde sich in permanenter Defensive gegen einen unablässig herandrängenden Feind. Aufmerksam verfolgte er daher auch die kaiserlich-türkischen Verhandlungen 1567/68, die mehrfachen Verlängerungen des Waffenstillstands und die Absendung der jährlichen sogenannten «Türkenverehrung» nach Konstantinopel, einer Summe von 30.000 Dukaten, die der Kaiser, ergänzt durch wertvolle Pretiosen, insbesondere Kunsthandwerk und Uhren, seit dem Waffenstillstandsvertrag von 1548 jährlich an den Sultan zu leisten hatte.325 Der von Fugger herbeigesehnte Erfolg dieser Maßnahmen sollte die Gewähr dafür sein, daß aus dem kleinen Grenzkrieg nicht ein großer wurde. Auch wirtschaftliche Aspekte verbanden sich mit diesem ‹relativen› Frieden: So konnten die begehrten türkischen Pferde auf diese Weise leichter erworben werden, was angesichts des permanenten Mangels an guten Pferden in Kriegszeiten nicht unwichtig war.326 Während der Kämpfe im Mittelmeer hatten die Kriegshandlungen bzw. territorialen Gewinne der Osmanen auch Einschränkungen im Handel mit Frugalien und Korallen bedeutet.327 Die Frage der Türkenverehrung war ganz besonders mit Augsburg verbunden. Für die berühmten Augsburger Goldschmiede und Automatenmacher, die stark für die Fertigung der Geschenke herangezogen wurden, bedeuteten sie eine Einnahmequelle, auch wenn sie nicht unbedingt jährlich, wie vertraglich festgelegt, nach Konstantinopel abgesandt wurden.328 Diametral zueinander standen aber die jeweilige Interpretation dieser ‹Geld- und Warensendung› auf der kaiserlichen und auf der osmanischen Seite: Hervorgegangen war diese Leistung aus einem Verhandlungsangebot Kaiser Ferdinands 1545, gegen den Verzicht des Sultans auf bestimmte Forderungen für einen Waffenstillstand eine jährliche Zahlung an die Pforte zu bewilligen. Der Sultan nahm das Angebot an und interpretierte die jährliche Entrichtung der Summe fortan als Tributleistung des Kaisers. Für das kaiserliche Selbstverständnis schien es natürlich nicht opportun, sich offen als tributpflichtig 323
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Hierzu auf dem neuesten Stand Pálffy: Preis. Anschaulich am Beispiel der Steiermark argumentiert Franz Pichler: Die steuerliche Belastung der steirischen Bevölkerung durch die Landesdefension gegen die Türken. In: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 35/36 (1986), S. 71–104. Vgl. Rothenberg: Militärgrenze. Zur Türkenverehrung ausführlich Petritsch: Tribut. Listen mit den Pretiosen der Türkenverehrung an den Sultan und hohe Würdenträger seines Reiches publiziert für 1590 und 1592 Loebl: Türkenkrieg 1, S. 116–121. Vgl. Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 19.04.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 57), an Hans von Park, 19.04.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 58), an Gabriel Geizkofler, 17.05.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 64) sowie an denselben, 22.03.1579, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1473). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 08.08.1571, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger II (I 557) [Korallen], an Veronika von Spaur, 21.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 940) [Artischocken, Blumenkohl]. Vgl. hierzu Petritsch: Tribut, S. 51f.
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zu bekennen, und daher wurde dieser Begriff im Sprachgebrauch des Hofes bzw. der Diplomaten nicht verwendet: hier nannte man dieselbe Leistung unverfänglich «Präsent», «Verehrung»329 oder «Ehrengeschenk». Bezeichnenderweise wurde diese offizielle Sicht auf die Dinge aber nicht von jedermann auf der christlichen Seite geteilt: Zeitgenössische Kenner des Osmanischen Reiches wie Salomon Schweigger oder Reinhold Lubenau schrieben offen davon, daß diese «Präsente» in Wahrheit Tribute seien und ihr eigentlicher Charakter nur verschleiert würde.330 Hans Fugger nun stellte sich mit seiner Terminologie ganz auf die Seite der kaiserlichen Interpretation, obwohl er vom türkischen Verständnis der Zahlungen und Wertgegenstände sehr genau wußte: Die verehrung (so die Türggen gleich wol tribut nennen)331 trat bei ihm auch in weiteren Briefen höchstens noch in der ebenfalls offiziellen Variante des Präsents auf.332 Zwar ist Fugger nicht nachzuweisen, daß er sich quasi wider besseres Wissen gegen den Begriff «Tribut» stellte, aber aufgrund seiner deutlichen Kritik auch an den herrschaftlichen Versäumnissen in puncto Grenzverteidigung ist zu vermuten, daß er sich nicht allein aus Gründen der Rücksichtnahme oder aus Vorsicht der Begrifflichkeit des Reichsoberhaupts anschloß. Jedenfalls betonte er in seinen Briefen an die Kriegsleute Lodron und Roll die Chance, mit dieser «Verehrung» das Reich vor größeren Offensiven zu schützen.333
c) Der Weg in den «Langen Türkenkrieg» Noch im Jahr 1586, nach dem die Überlieferung der Kopierbücher bis zum Jahresende 1591 abbricht, war der östliche Schauplatz alles andere als ein erstrangiges Nachrichtenthema. Nur in zwei Briefen an Ludwig Haberstock334 nahm Fugger im Januar 1586 auf die Osmanen Bezug, einmal mit der türkischen Niederlage gegen Persien bei Täbris – Mißerfolge der Osmanen im türkisch-persischen Krieg waren für Fugger natürlich stets ein Grund zur Freude –, zum ande329
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Verehrung ist im frühneuzeitlichen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit dem Geschenk, das einer Person überreicht wird, vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch XII,1, Sp. 271. Zur gesamten Problematik ausführlich Petritsch: Tribut, bes. S. 54–58. Hans Fugger an Ludwig Haberstock, 30.01.1586, FA 1.2.14b H. 63, pag. 41 (II/2 2909). Vgl. Hans Fugger an Hans Gartner, 19.01.1572, FA 1.2.6a H. 22 (I 643), an Hans Jörg von Preysing, 02.02.1572, FA 1.2.6a H. 22 (I 659), an Hieronimus von Lodron, 04.12.1574, FA 1.2.7 H. 20 (II/1 274), an Niclas Heller, 19.12.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1805), an Christoph Tanner, 20.12.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1807), an Hieronimus von Lodron, 24.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2202), an Sebastian Roll, 10.04.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3376). So dezidiert im Brief an Hieronimus von Lodron, 24.10.1582, FA 1.2.12a H. 45, pag. 478 (II/2 2202): dan solte die verehrung deren usstendig khünftig ine nit geen Constantinopel gebracht werden, hat man sich der verlängerung des anstands nit zu getrösten. Ganz ähnlich an Sebastian Roll, 10.04.1593, FA 1.2.16c H. 91, pag. 168f. (II/2 3376): wir müssen uß der not ein tugent machen, die verfallne present fortschickhen, und nach den schaden, was wir an landt verloren, mit gedult uffnemmen. Zu Haberstock vgl. Lanzinner: Fürst, S. 355.
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ren mit der anstehenden Türkenverehrung.335 Im Jahr 1592 wurde dann die neue Qualität sichtbar, die der bisherige Kleinkrieg mit den osmanischen Verbänden erreicht hatte: Mit 18 Briefen, verfaßt allein in den Monaten Juli-Dezember, erreichte das Thema Türkenkrieg eine Präsenz in der Korrespondenz Fuggers wie in keinem Jahr zuvor.336 Die Tendenz setzt sich fort für die Jahre 1593/94, für die nur zehn Monate in den Kopierbüchern überliefert sind, die jedoch 44 Briefe zur Türkenthematik bringen.337 In den 1590er Jahren wuchs sich der alltägliche Kleinkrieg, der die 70er und 80er Jahren geprägt hatte, wie die Zahl der Briefe Fuggers zuverlässig anzeigt, zu einer größeren Konfrontation aus, die mit der ‹Kriegserklärung› Sultan Murads III. im Juni 1593 nach der Eroberung Sisseks durch kaiserliche Truppen nun auch offiziell als «Türkenkrieg» von beiden Seiten geführt wurde.338 Eine neue Intensität erreicht in dieser Zeit auch die Betroffenheit, die aus Fuggers Briefen spricht. Bei den Kämpfen im Mittelmeer, wo spanische, päpstliche und venezianische Verbände gegen die Osmanen antraten, wurden die beiden gegnerischen Seiten von Fugger noch als die christen bzw. die christenheit zum einen, die Türggen, der Türgg oder auch der erbfeind bezeichnet. Dies entspricht dem Vokabular der zeitgenössischen Flugschriften.339 Angesichts der Kämpfe in Ungarn und Kroatien bezog Fugger schon vor den 1590er Jahren von Fall zu Fall seine eigene Person mit ein, wenn er 1578 etwa davon sprach, daß es schließlich der Türken Ziel sei, uns zu unterjochen. Auch das ist kein ungewöhnlicher Befund, wenn man vergleichend anti-osmanisches Schrifttum der Zeit heranzieht, war es doch vielfach Ziel der Publizistik, die Kämpfe im Osten des Reiches als authentisches Bedrohungspotential für die gesamte Reichsbevölkerung darzustellen.340 Zudem war der Kriegsschauplatz an der Militärgrenze verhältnismäßig nah, und das Reichsoberhaupt und die Erzherzöge waren die Kriegsgegner der Osmanen. Auffällig ist aber dennoch, wie stark sich Fuggers Verwendung der ersten Person Plural – wir, uns, unser seiten, die unsern – ab 1592 häuft. Dieses Kollektiv, das Fugger hiermit bezeichnete, war nicht nur dasjenige der hilflosen
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Hans Fugger an Ludwig Haberstock, 23.01.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2900), an denselben 30.01.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2909). Zu Fuggers gelegentlichen Berichten über den türkisch-persischen Krieg vgl. auch die Briefe an Niclas Heller, 20.01.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1833), an Christoph Tanner, 20.01.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1834), an Wernher Breitschwerdt, 03.02.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2286) sowie an Ottheinrich, Herzog von Braunschweig, 30.06.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2536). Das Jahr 1573 hatte mit 16 Briefen zum Krieg im Mittelmeer und an der Militärgrenze bis dahin den Höchstwert markiert. 28 Briefe im Jahr 1593 (mit einer Überlieferungslücke von Juni-November), 16 Briefe 1594 (die Kopierbuchüberlieferung endet mit dem Monat April). Eine offizielle Kriegserklärung des Sultans gab es nicht; die im Druck kursierenden Absagebriefe sind Erzeugnisse der Propaganda, hierzu ausführlich Vocelka: Absagen. Das Herauswachsen des Türkenkriegs aus den kleineren Grenzscharmützeln beschreiben Leitsch: Rudolph, sowie Murphey: Ottoman Warfare, S. 1f. Beispiele bei Göllner: Turcica 2, passim. Vgl. Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 01.07.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1352).
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Bedrohten, sondern einbezogen wurden, zumindest in seinen spätesten Briefbeispielen, auch die kämpfenden Truppen: Gebietsgewinne und -verluste waren die Erfolge und Niederlagen aller. Verhoffen wir [Hervorhebung d. Verf.] bald Ofen wieder zu bekh[ommen], weil man ußgibt, die unsern sollen mit großer maht darfür ruckhen,341 so gab Hans Fugger im März 1594 bekannt. Wenige Tage später äußerte er anläßlich des Bündnisses zwischen Rudolf II. und Báthory gegen den Sultan: Da man vor 50. jarn solches gethon, hetten wir [Hervorhebung d. Verf.] villeicht Ungern noch.342 Ein Brief an Sebastian Roll, verfaßt kurz nach der Eroberung der ungarischen Festung Fülek durch kaiserliche Truppen, zeigt verschiedene Facetten dieses WirGefühls: [...] und helt es Gott der herr mit der christenheit der ennden gar gnedig, dz sie uns sovil stattliche victorien so bald nacheinander verliehen, wellichs dann dem reich unnd menigelich zue hilff anreizens gibt, und bemhiet sich Ir Ka:[iserliche] Mt: [Maiestät] allein disem feind den vorstraich abzugewinen, und den krieg zu dirigiern, da sie wellen, welches nit geschehen khindt, wann er vor uns ins veld khem, da müessten wir hinziehen, wa er den kopff hinstreckhen.343
Das göttliche Wirken kam hier also – ganz ohne Einschränkung – der Christenheit (Z. 1) insgesamt zugute, denn Gott hatte ihr mehrere Siege zuteil werden lassen (uns, Z. 2). Das Reich, gemeint sind in diesem Fall wohl die Reichsstände, die Hilfstruppen schicken sollten, repräsentierten einen Teil dieser Christenheit, der in Fuggers Augen noch mehr zu ihrer Verteidigung tun konnte. Auf eine Identifikation mit den kämpfenden Truppen zielt dann die zweimalige Verwendung des Personalpronomens am Ende des Zitats (Z. 6). Von einer ‹reichischen› Identität im Zusammenhang mit der Türkenfrage kündet dieses Zitat also, wenn man die kritische Reflexion der konkreten Reichs-Hilfe betrachtet, eher nicht, wohl aber von einem Gemeinschaftsgefühl derer, die sich dem Kampf gegen die Osmanen verpflichtet fühlten. Die gesteigerte Betroffenheit Fuggers läßt sich nicht allein damit begründen, daß die bewaffneten Auseinandersetzungen insgesamt heftiger wurden. Auch angesichts des Zustands der Militärgrenze war eine erhöhte Besorgnis nur allzu begründet, konnte doch die kaiserliche Finanzlage im Jahr 1592 nicht anders denn als desaströs bezeichnet werden. Schließlich hatten die Erblande trotz Türkensteuern und Baugeldern der Reichsstände seit Jahrzehnten die Hauptlast bei der Grenzverteidigung zu tragen, und schon der Unterhalt allein der Grenztruppen verschlang nach Angaben des kaiserlichen Hofkriegsrats fast anderthalb Millionen Gulden im Jahr.344 Der Zustand der Militärgrenze war trotz der enormen finanziellen Aufwendungen ein denkbar schlechter, und die Klagen des wohlinformierten Hans Fugger über diesen unzureichenden Schutz reichen in verein-
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Hans Fugger an Dr. Daniel Ott, 23.03.1594, FA 1.2.16d H. 93, pag. 165f. (II/2 3440). Hans Fugger an Sebastian Roll, 26.03.1594, FA 1.2.16d H. 93, pag. 168 (II/2 3441). Hans Fugger an Sebastian Roll, 08.12.1593, FA 1.2.16d H. 93, pag. 6f. (II/2 3400). Alle Hervorhebungen durch die Verfasserin. Hierzu Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 79f., 85–88, 90, 98.
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zelten Belegen schon bis in die 1570er Jahre zurück.345 Kein Wunder also, daß die Truppen der Osmanen 1591/92 in Ungarn und Kroatien mehrere wichtige Grenzfestungen erobert hatten, ohne daß kaiserliche Truppen dem Entscheidendes entgegensetzen konnten.346 Angesichts dieser kontinuierlichen türkischen Erfolge kam bei Fugger schon Verzweiflung auf, denn da es an (Kriegs-)volckh ebenso wie am gelt fehlte, sah er nit, wie man disem gewaltigen feind widerstandt thun möcht.347 Teilweise mochte er nicht einmal mehr über die Meldungen vom Kriegsschauplatz schreiben, weil die zeitungen so bekhümerich [kummervoll, d. Verf.] und bös348 seien, und vor seinem geistigen Auge zogen die Türken immer weiter ins Reich, ja über Graz und Wien hinaus gar bis nach Sachsen:349 über 3. 4. jar khimbt er, und nimbt das übrig auch ein.350 So erwartungsvoll Fugger daher die Entsendung von Truppen unter Pálffy, Nádasdy, Kutassy und unter dem Markgrafen von Burgau noch im Jahr 1592 begrüßte, so schnell folgte die Ernüchterung – und dies wohl insbesondere, weil er vor allem durch Lodrons und Tanners Nachrichten vom Einsatzgebiet Kroatien aus erstklassige Informationen hatte: Hier beweist das Fuggersche Informationsnetz wiederum seine besondere Leistungsfähigkeit durch die Kontakte zu Kriegsleuten, die mit ihren Verbänden direkt an der Front operierten. Zunächst hatte Fugger Lodron noch geschrieben, seine Entsendung an den kroatischen Kriegsschauplatz im Herbst 1592 als Nachricht weiterzuverbreiten – hoffnungsfroh, wie es scheint.351 Doch schon im November berichtete Hans Fugger an seinen Schwiegersohn Konrad von Bemelberg, in Kroatien stehe dz kriegs wesen altem gebrauch nach, in unordenlichem verderblichen wesen, zert grosse uncostten auf, und wirdt doch nichts ußgericht, ist weder profiant, noch guete ordnung verhanden.352 Es lag also nicht allein am Geldmangel, sondern es fehlte auch die guete ordnung, die rechte Kompetenz in der Kriegführung also. Woher diese Auffassung kam, ist klar: direkt aus dem Heerlager der kaiserlichen Truppen. Wir finden sie erstmals als Antwort Fuggers auf ein Schreiben von Christoph Tanner, aus dessen Bericht vom Oktober 1592 Fugger erfahren mußte, dz
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Vgl. hierzu Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 948), an denselben, 05.10.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 216), an Matthias Rechseisen, 27.08.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 583), an Hieronimus von Lodron, 24.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2202). Zur desolaten Ausstattung Rothenberg: Militärgrenze, S. 51f. Ausführlich zu dieser Phase des Konflikts die detailreiche Darstellung bei Hirn: Ferdinand, S. 290–299. Hans Fugger an Wolf von Montfort, 18.07.1592, FA 1.2.16a H. 88, pag. 236 (II/2 3280). Hans Fugger an Marx Fugger d.J., 10.07.1592, FA 1.2.16a H. 88, pag. 213f. (II/2 3276). Ähnlich auch der Brief an Hieronimus von Lodron, 11.07.1592, FA 1.2.16a H. 88, pag. 223 (II/2 3278). Vgl. Hans Fugger an Wolf von Montfort, 18.07.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3280). Hans Fugger an Sebastian Roll, 30.10.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3283). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 11.07.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3278). Hans Fugger an Konrad von Bemelberg, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 84 (II/2 3298).
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euch ein recht geschaffens haubt mangelt.353 Fugger fühlte sich gleich an ähnliche Probleme bei der früheren Grenzverteidigung in Ungarn erinnert.354 Auch Hieronimus von Lodron – immerhin Stellvertreter Karls von Burgau – machte in den Briefen an Fugger seinem Unmut mehrfach Luft, und Fugger referierte ihn mit den Worten, dz inn nichten einige provision [vorausschauende Planung, d. Verf.] der behör355 nach geschehen.356 Da Lodron als Obristleutnant noch zum engeren Kreis der Befehlshaber gehörte, ist seine Kritik an der wenig planvollen Vorbereitung des Feldzugs nicht nur ein Zeichen für sein Vertrauen zu Fugger, sondern auch Anzeichen für ganz erhebliche Mißstände in der Osmanenabwehr. Die von Fugger aufgezeichneten und fleißig an Adressaten wie Sebastian Roll, Konrad von Bemelberg und Anton von Montfort weitergeleiteten Nachrichten über die Defizite der Kriegführung decken sich ganz mit dem, was die historische Forschung aus anderen Archivalien zusammengetragen hat.357 Hans Fugger befand sich nach wie vor in Untergangsstimmung: Es sicht im [dem Türken, die Verf.] inn Sa: [Summa] gleich, als werde diser der christenheit erbfeind, uns zu letst gar fressen, die religion und gehorsamb mit den säbel umbs maul streifen, Gott wöll michs nit erleben lassen.358 Während der Kriegsmann Tanner anscheinend noch ein eigenes Konzept ersann, wie die geschilderten Probleme behoben werden könnten,359 fand Fugger mit Nachdruck, daß man sich in dieser verfahrenen Lage nicht mehr allein auf menschliche Fähigkeiten berufen solle. Wenn schon unter den kaiserlichen Militärs keiner den Oberbefehl in rechter Weise
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Hans Fugger an Christoph Tanner, 21.11.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 59 (II/2 3294). Ebenda. Der behör nach: ‹so, wie es sich eigentlich gehört›, vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch I, Sp. 1342. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 23.12.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 199 (II/2 3318). Lodron war also der Meinung, daß der Feldzug nicht ordentlich vorbereitet (provision der behör nach) gewesen sei. Ähnlich auch die Kritik Lodrons laut Fuggers Briefen vom 28.11.1592 (II/2 3299), und vom 08.01.1593 (II/2 3322), beide FA 1.2.16b H. 90. S. hierzu zusammenfassend Evelyne Webernig: Der «Dreizehnjährige Türkenkrieg» (1593–1606) und seine Auswirkungen auf Kärnten. In: France M. Dolinar u.a. (Hg.): Katholische Reform und Gegenreformation in Innerösterreich 1564–1628. Graz u.a. 1994, S. 449–458, bes. 452 sowie Helfried Valentinitsch: Die Windische Grenze und das steirische Proviantwesen vom letzten Viertel des 16. bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Siedlung, Macht und Wirtschaft. Festschrift Fritz Posch zum 70. Geburtstag. Graz 1981 (Veröffentlichungen des steiermärkischen Landesarchivs 12), S. 512–532. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3299). – Die auf den ersten Blick seltsam anmutende Formulierung, der Türke wolle die Christen «fressen», begegnet in antiosmanischen Äußerungen noch öfter und ist im Kontext des Topos vom barbarischen, ‹nimmersatten› Türken zu verorten. Weitere Beispiele etwa in der Türkenkriegsepik und auch in Verlautbarungen des sächsischen Kurfürsten August. Vgl. Wiegand: Türkenkriegsepik, S. 190 sowie Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 134. Vgl. Hans Fugger an Christoph Tanner, 09.01.1593, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3323).
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übernehme, so möge der Allmechtig [...] dz haubt sein, und die sachen uns zum bössten mit gnaden richten.360 Zu allem Übel hinzu kamen konfessionelle Konflikte. Die erforderliche Zustimmung der protestantischen erbländischen Landstände zur Finanzierung der Verteidigungsmaßnahmen hatte schon in den 1570er Jahren konfessionelle Zugeständnisse der habsburgischen Landesherren notwendig gemacht. Da sich die Protestanten jedoch nach wie vor drohenden gegenreformatorischen Maßnahmen ausgesetzt sahen, nahmen sie Zuflucht zur «Türkenhoffnung» – ein ‹verbum horribile› in den Ohren der Habsburger. Diese «Hoffnung» knüpfte an die Tatsache an, daß Christen jeglicher Konfession wie auch Juden als «Schriftbesitzer», d.h. als Angehörige einer schriftlich fixierten Offenbarungsreligion, gegen Zahlung einer Kopfsteuer im Osmanischen Reich geduldet wurden, ohne daß sie zum muslimischen Glauben übertreten mußten. Protestanten, die sich in ihrer Konfession bedroht sahen, fühlten sich daher zeitweise ebenso von der Vorstellung einer türkischen Oberherrschaft angezogen wie von ihren Grundherren geplagte Bauern, denn eine Feudalherrschaft im herkömmlichen Sinne existierte unter den Türken nicht.361 Es kann wohl kaum einen Zweifel geben, auf wessen Seite Fugger sich stellte, als dieser Konflikt Ende 1592 in der Steiermark bzw. in Kroatien362 aufbrach. Hatte Lodron schon von der Gleichgültigkeit der Bevölkerung angesichts der drohenden Gefahr berichtet,363 so kamen die ausführlichsten und für Fugger empörendsten Berichte im November von Tanner: Die landschafft dort meine, die hilff 364 so inen geschikt sei mer angesehen, ir fünfttes euangelium365 underzutrukhen, als den Türggen zuvertreiben, und die predigkhanten würden sollihe calumnien366 offentlich uff
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Hans Fugger an Christoph Tanner, 21.11.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 60 (II/2 3294). Das Motiv, Gott möge die Truppen führen, findet sich auch in der zeitgenössischen Publizistik, dazu Vocelka: Propaganda Rudolfs, S. 263f. Die Anrufung Gottes findet sich zu derselben Zeit gehäuft in Fuggers Briefen an Christoph Reitter, 12.11.1592 (II/2 3291), an Sebastian Roll, 28.11.1592 (II/2 3296), an Konrad von Bemelberg, 28.11.1592 (II/2 3298), an Christoph Tanner, 28.11.1592 (II/2 3303) [alle FA 1.2.16b H. 90]. Vgl. hierzu Vocelka: Auswirkungen, S. 23, 30 sowie Hans Joachim Kissling: Türkenfurcht und Türkenhoffnung im 15./16. Jahrhundert. Zur Geschichte eines «Komplexes». In: Südostforschungen 23 (1964), S. 1–18, hier S. 13f., 16 und Grothaus: Erbfeind, S. 104. Zunächst sprach Fugger gegenüber Tanner, 21.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3294) von der Steiermark, in den folgenden Briefen jedoch versah er seinen Bericht mit der Ortsangabe inn Crabatten, vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3296) oder sprach von den Landständen, vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 04.12.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3306). So gab Fugger einen Bericht Lodrons im Brief an Christoph Reitter wieder, 12.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3291). Der entsprechende Brief Lodrons, vermutlich im Oktober verfaßt, taucht in den Angaben der Kopierbücher nicht auf. Falls es zu diesem Brief einen Antwortbrief Fuggers überhaupt gab, so wurde er nicht ins Kopierbuch eingetragen. Aufgebotene Hilfstruppen aus Salzburg und Tirol. Mit dem «fünften Evangelium» bezeichnet Fugger den aus seiner Sicht irrigen protestantischen Glauben (der also etwas Neues sei und nichts mit den überlieferten vier Evangelien zu tun habe). Lat. calumniae für ‹Schmähung, Verleumdung›. Vgl. Georges: Handwörterbuch 1, Sp. 938.
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den canzlen [...] predigen.367 Eine Woche später hatte Fugger an Roll noch mehr von diesen Prädikanten zu berichten, die Quelle ist wohl immer noch Tanner: Sie verbreiteten in der Predigt, es sei vil besser dem gewissen nach under dem Türggen, als under dem papst zusein.368 Die Argumentationslinie der «Türkenhoffnung» ist unverkennbar und ist unter dem Schlagwort «Eher türkisch als päpstisch» noch in die Flugschriftenliteratur des 17. Jahrhunderts eingegangen.369 Hans Fugger war da für radikale Methoden, um dieses Problem zu lösen: Er wunderte sich, daß man die Prediger nicht gleich aufgehängt habe, und schlug vor, weil sie dann lieber under dem Türggen als under der catholischen religion sein wellen, so sei es besser, man laß sie gleich zum teuffel fahren, wan sie wellen. Gottes Strafe sei ihnen gewiß.370 Durch die hier vorgenommene Parallelisierung zwischen Türke und Teufel knüpfte Fugger gleich noch an die tradierte Vorstellung vom Türken als Verkörperung des Bösen schlechthin an.371 Den Bericht über die für ihn unerhörte Einstellung dieser protestantischen verblenten [Verblendeten, d. Verf.],372 die irs unglückhs stiffter und steurer sein,373 und über die schlechte Vorbereitung des Zuges nach Kroatien insgesamt gab Hans Fugger als aktuelle Lageeinschätzung gleich noch weiter an Roll, an Bemelberg und Montfort.374 Diese Nachrichten gelangten also entlang der Fuggerschen Netzverbindungen von Kroatien über Augsburg bis in die Herrschaft Genua, wo Roll sein Brot verdiente. Besonders prekär an der Lage war, daß die Landbevölkerung wie auch die ritterschaft375 die Truppen nicht mit Proviant unterstützen wollten.376 Auch für das Frühjahr 1593 wußte Fugger aus Agram zu berich-
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Hans Fugger an Christoph Tanner, 21.11.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 57f. (II/2 3294). Hans Fugger an Sebastian Roll, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 76 (II/2 3296). Vgl. hierzu Weber: Türken, S. 60, Anm. 9. – Mit Beispielen aus dem Dreizehnjährigen Türkenkrieg hat jüngst Claire Norton in Anknüpfung an die militärhistorische Forschung auf Überläufertum und Dienst christlicher Einheiten in osmanischen Festungen an der Militärgrenze und auf die Integration nicht-islamischer Bevölkerung in das Konzept ‹osmanischer› Identität aufmerksam gemacht, vgl. Claire Norton: «The Lutheran is the Turks’ luck». Imagining Religious Identity, Alliance and Conflict on the Habsburg-Ottoman Marches in an Account of the Sieges of Nagykanizsa 1600 and 1601. In: Marlene Kurz u.a. (Hg.), Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie. Akten des internationalen Kongresses zum 150-jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Wien, 22.–25. September 2004. Wien 2005 (MIÖG Ergänzungsband 48), S. 67–81. Hans Fugger an Christoph Tanner, 21.11.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 58 (II/2 3294). Nochmals aufgenommen wird diese Parallelisierung im Brief an Sebastian Roll, 05.12.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3304). Vgl. hierzu den Überblick bei Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 54–56 sowie bei Grothaus: Erbfeind, S. 101f. Das Bild des teuflischen Türken war ein konfessionsübergreifendes, wie auch die Schriften Luthers zeigen. Zur Einordnung sei verwiesen auf Brecht: Luther, S. 17. Hans Fugger an Sebastian Roll, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 76 (II/2 3296). Hans Fugger an Sebastian Roll, 05.12.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 118 (II/2 3304). Vgl. Hans Fugger an Konrad von Bemelberg, 28.11.1592 (II/2 3298), an Sebastian Roll, 05.12.1592 (II/2 3304), an Anton von Montfort, 04.12.1592 (II/2 3306), alle FA 1.2.16b H. 90. Ebenda, pag. 117. Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 28.11.1592 (II/2 3296), an Konrad von Bemelberg, 28.11.1592 (II/2 3298), an Sebastian Roll, 05.12.1592 (II/2 3304), an Anton von Montfort, 04.12.1592 (II/2 3306), alle FA 1.2.16b H. 90.
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ten, daß die dortige Bevölkerung die Besatzung Karls von Burgau vertrieben hätte, daß die steiermärkischen Protestanten nach wie vor unruhig seien und deswegen eine Kollaboration mit den Türken befürchtet werden müsse. Quellenrecherchen Joseph Hirns bestätigen einen derartigen Konflikt in Agram.377 Die Sammlung der einzelnen Truppenteile in Agram erwies sich als außerordentlich langwierig, die schon eingetroffenen Verbände verharrten in Tatenlosigkeit, und als schließlich noch ungünstige Witterung hinzukam, wurde der Beschluß gefaßt, diesen Winterfeldzug abzubrechen, ohne ernsthaft gegen die türkischen Verbände vorgegangen zu sein.378 Dank Tanner war Fugger wieder einmal frühzeitig informiert: Erst am 8. November war Karl von Burgau mit seinen Tiroler Truppen in Agram eingetroffen. Tanners Nachricht, daß der Abzug beschlossen wurde, datierte vom 27. November und erreichte Fugger dann noch in der ersten Dezemberhälfte – lange vor dem 9. Januar, an dem diese Entscheidung des Kriegsrats um den Markgrafen von Burgau durch die offizielle Abberufung des Kaisers bestätigt wurde.379 Hans Fugger wußte nun zwar Bescheid, aber im Grunde war es schon zu spät, denn die Fugger hatten mit dieser Entscheidung einen beträchtlichen materiellen Verlust erlitten. Das von ihnen ausgerüstete und unterhaltene Fuggersche Fähnlein, das im September unter unsern haubtman Peter Schaller380 ebenfalls nach Agram gezogen war,381 sollte ohne jeden Kampfeinsatz ebenfalls abziehen, und das, obwohl die Herren Fugger Ir Kai:[serlichen] Mt: [Maiestät] allunderthenigst bewilligt, sie nachlengs zubesölden und underhalden.382 Jeder Tag, den ihr Fähnlein tatenlos zubrachte, steigerte also für die Augsburger Unternehmer die Kosten, und als schließlich nach dem Rückzug die endgültige Abdankung des Fähnleins für März anstand, war Hans Fugger schon fast wieder erleichtert, daß die Sache nun ein Ende habe. Ihre Lehre hatten die Brüder Fugger, die in Augsburg zwar Finanziers, aber doch nur Beobachter sein konnten, aus diesem Ereignis allerdings gezogen: [...] wellen wir inn dem namen Gottes, unsern fendlen landtskhnecht auch [...] abdankhen lassen, dz wirdt uns bis uff dieselb zeit nit weniger als fl 24 U [d.h. fl 24.000, d. Verf.] cossten, weil wider den erbfeind so gar nichts ußgericht, ist diser wie alle uncossten, wie hingeworffen. Zu achten, ein anders mal wellen wir uns bas bedenckhen, und andern mit dergleichen hilffen vahen [fangen], denen wir dismal gleich wol unbedechtlich, aber doch guter meinung vorgeloffen383 sein.384
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Hans Fugger an Sebastian Roll, 27.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3352). Vgl. dazu Hirn: Ferdinand 2, S. 300f., Anm. 4. Vgl. hierzu ausführlich Loebl: Türkenkrieg 2, S. 107–124. Zur Chronologie der Ereignisse vgl. Hirn: Ferdinand, S. 298f. Hans Fugger an Christoph Tanner, 12.12.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 157 (II/2 3309). So Loebl: Türkenkrieg 2, S. 112. Hans Fugger an Christoph Tanner, 12.12.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 156f. (II/2 3309). Vorlaufen: hier in der Bedeutung ‹als Vorbild vorangehen›, vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch XII,II, Sp. 1260. Hans Fugger an Christoph Tanner, 13.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3345), pag. 66f. Die Klage über die hohen Kosten für das Fuggerische Fähnlein, welchs uns dan im beuttel zimblich schneidt, auch schon im Brief an Christoph Tanner, 30.01.1593, FA 1.2.16b H. 90, pag. 11 (II/2 3334).
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Fuggers Stimmung in Sachen Türkenkrieg war um die Jahreswende 1592/93 am absoluten Tiefpunkt angelangt. Alle Anzeichen deuteten für das neue Jahr auf einen offen krieg,385 doch angesichts der Zustände, die auf christlicher Seite in Kroatien herrschten, sah es für Hans Fugger so aus, als wollten sich die Christen freiwillig under dises gewaltigen feindes dienstbalhen386 und joch ergeben.387 Eine Erklärung für das gehäufte Versagen im Jahr 1592 fand Fugger schließlich auch im göttlichen Willen: scheint als sei es ein sondere straff von unserm Hergott der wöll es remediren.388 Tatsächlich also taucht hier, in bedrängter Situation, bei Fugger das alte Motiv von den Türken als der Geißel Gottes auf, der Zuchtrute, von der insbesondere die Türkenpredigten so wortgewaltig zu berichten wußten. Ohne göttliche Hilfe, so betonte Fugger wieder einmal mit Nachdruck, gehe es nunmal nicht, denn das Urteil, das er über die menschlichen Fähigkeiten in diesem militärischen Konflikt zu fällen hatte, war hart. Das trug er auch ohne jede Schönfärberei Hieronimus von Lodron vor, der ihm mit seinen Berichten von strategischen und logistischen Versäumnissen genug Material für sein Urteil geliefert habe: Man könne nur auf Frieden hoffen, weil wir zum kriegen so gar weder verstandt, lusst, noch gelegenhait haben, der Allmechtig welle uns wider disen gewaltigen feind bejstendig sein. Amen.389 Die hier aufgezählten Probleme – eine unzureichende Vorbereitung und Führung der Truppen (verstandt), ungenügendes Engagement, auch in der Bevölkerung (lusst), und schließlich eine strategisch ungünstige Ausgangsposition bzw. ein übermächtig erscheinender Feind (gelegenheit) – bestanden fort, wie Fugger zu klagen nicht müde wurde.390 Angesichts von Meldungen aus Venedig bzw. Konstantinopel, daß die Osmanen in Kroatien und Siebenbürgen für 1593 eine heftige Offensive planten, kamen Fugger die angestrengten Verhandlungen mit der Gegenseite in Kroatien391 gerade recht und wurden von seiner Mahnung begleitet, die Türkenverehrung für das vergangene Jahr endlich abzusenden und, was wir an landt verloren, mit gedult uff[zu]nemmen.392 Diese ‹friedliche› Haltung Fuggers aber – und anders konnte es kaum sein – entsprang reinem Pragmatismus. Sobald sich auf dem Kriegsschauplatz das Blatt zu 385
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Hans Fugger an Konrad von Bemelberg, 28.11.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 85 (II/2 3298). Dienstbalken, synonym zu Joch. Hans Fugger an Christoph Tanner, 12.12.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 165f. (II/2 3309). Hans Fugger an Sebastian Roll, 19.12.1592, FA 1.2.16b H. 90, pag. 172 (II/2 3311). Remediren hier im Sinne von ‹heilen, zum Besten wenden›. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 08.01.1593, FA 1.2.16b H. 90, pag. 217 (II/2 3322). Vgl. dazu beispielsweise die Briefe an Christoph Tanner, 09.01.1593, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3323), an Sebastian Roll, 09.01.1593, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3324), an Sebastian Roll, 06.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3338), an Christoph Tanner, 13.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3345), an Sebastian Roll, 27.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3352), an Christoph Tanner, 13.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3363). Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 03.04.1593 (II/2 3368), an denselben am 10.04.1593 (II/2 3376) sowie am 08.05.1593 (II/2 3396) [alle FA 1.2.16c H. 91]. Hans Fugger an Sebastian Roll, 10.04.1593, FA 1.2.16c H. 91, pag. 168f. (II/2 3376).
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wenden begann, traten auch die alten Ängste in den Hintergrund: Waren die Türken für Fugger im Februar 1593 noch ein so mächtige[r] feind, der uns inn allem weit überlegen,393 so hatte Fugger im April für Lodron schon Nachrichten aus Prag über Disziplinprobleme im türkischen Heer.394 Im Mai berichtete er Roll, dz er Türgg zum krigen [Kriegführen, d. Verf.] nit fast [d.h. sehr] lustig,395 und im Dezember hieß es nach der glücklichen Eroberung der ungarischen Festung Fileck dann, daß die Türggen gar khlein laut396 seien. Nach der erfolgreichen Kampagne des Jahres 1593, das mit der Eroberung Sisseks durch die Verbände des Kaisers den Beginn des ‹eigentlichen› «Langen Türkenkriegs» brachte, verkehrte sich bei Fugger das tradierte Stereotyp vom kriegslüsternen Türken geradezu in sein Gegenteil. Anfang 1594 zeigten sich, so Fugger an Roll, die Türken je lenger je verzagter,397 und er konstatierte bei ihnen ein soliche forcht, daß 100 Türken vor fünf Husaren geflohen seien, weil sie letztere als Vorhut eines starken Heeres vermutet hätten.398 Das herz zum Kriegführen sei ihnen abhanden gekommen,399 und für die Eroberung von Gran machte Fugger im April – dem letzten Monat, für den das aigen copierbuech überliefert ist – gute Chancen aus, weil [...] die Türggen so schwach und die forcht inn inen.400 Wie nun mit diesen Aussagen Fuggers umgehen? Steckte Substanz dahinter, beispielsweise Augenzeugenberichte seiner Korrespondenten, oder waren sie nur geboren aus der momentanen Siegeseuphorie? Bei genauerem Hinsehen ergibt sich eine recht komplexe Gemengelage: Betrachtet man Stichproben aus der zeitgenössischen Flugblattproduktion, so stößt man auch in den frühen 1590er Jahren auf Druckzeugnisse, in denen die Rede davon ist, daß ein kleines Häuflein von Christen, einmal gar ein einzelner Geistlicher, gegen eine türkische Übermacht gesiegt habe, die das Herz zum Kämpfen ganz verloren habe.401 Angesichts der dort eindeutigen Übertreibung von Opferzahlen unter den Türken – der Geistliche etwa 393 394
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Hans Fugger an Sebastian Roll, 06.02.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3338). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 17.04.1593, FA 1.2.16c H. 91, pag. 189 (II/2 3380): Und scheint als hab dz ottomanisch kriegs volckh den respetto gegen iren herrn fest verloren, dz möhte der christenheit auch zu guten kh:[ommen]. Hans Fugger an Sebastian Roll, 15.05.1593, FA 1.2.16c H. 91, pag. 285 (II/2 3399). Hans Fugger an Sebastian Roll, 08.12.1593, FA 1.2.16d H. 93, pag. 7 (II/2 3400). – Für die Zeit zwischen Mai und Dezember 1593 fehlt das entsprechende Kopierbuch-Heft in der Überlieferung. Hans Fugger an Sebastian Roll, 29.01.1594, FA 1.2.16d H. 93, pag. 85 (II/2 3418). Hans Fugger an Sebastian Roll, 12.02.1594, FA 1.2.16d H. 93, pag. 114f. (II/2 3426). Hans Fugger an Daniel Ott, 23.03.1594, FA 1.2.16d H. 93, pag. 166 (II/2 3440). Hans Fugger an Sebastian Roll, 02.04.1594, FA 1.2.16d H. 93, pag. 193 (II/2 3447). Vgl. Wolfgang Harms (Hg.): Die Sammlungen der hessischen Landes- und Hochschulbibliothek in Darmstadt, Kommentierte Ausgabe. Tübingen 1987 (Deutsche Illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts 4), S. 71: Warhaffter kurtzer Bericht/ wie es sich in der Schlacht/ so im obern Kraiß Hungern/ das Teutsch und Hungerische Kriegsvolck [...] mit dem Erbfeind Christliches Namens/ dem Türcken [...] vor Sixo [...] gehalten [...] (München o. J. bei Adam Berg), S. 98 sowie IV, 75: Warhaftige Zeitung aus Krabatn/ was massen ein Türckischer wasch [...] bey dem Kloster und Vestung Zisekh ankomen/ dasselbe vermeitn ein zu nemen/ welches vorhaben ihm Gott lob mißlungen [...] (Wien 1592 bei Wolfgang Halbmaister), S. 104.
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habe durch eine herbeigeführte Explosion 500 Türken auf einmal getötet – mag man nun auch Hans Fuggers Meldungen in Zweifel ziehen, so treffsicher und wohlinformiert er zuvor noch über die strategischen Defizite und mißglückten Vorstöße der christlichen Truppen berichtet hat. Die Geschichtsschreibung verzeichnet zwar teilweise resümierend Disziplinprobleme unter osmanischen Verbänden, schweigt aber zu eventuellen spektakulären Problemen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.402 Diesen Meldungen kann also ein – vermutlich eher bescheidener – wahrer Kern nicht von vornherein abgesprochen werden, da auch die osmanische Seite in diesem Krieg nur mit kleineren Verbänden unzureichender Stärke operierte, denen ein rascher Rückzug von Fall zu Fall möglicherweise angeraten schien.403 Viel spricht daher dafür, daß der Befund von der aufsehenerregenden türkischen Schwäche, der quasi ex negativo nochmals an die frühere Stärke des vor kurzem noch so mächtigen feinds404 erinnert, aus den christlichen Erfolgen und damit neu erwachten Gefühlen militärischer Macht geboren war, und daß diese Bewertung so ihren Weg zu Hans Fugger gefunden hat. Leider reicht die Überlieferung der copierbüecher nicht über das Jahr 1594 hinaus, so daß wir Fuggers Reaktion auf neue Rückschläge nicht mehr überprüfen können.
6. Hans Fuggers Korrespondenz zu den Türkenkriegen – ein Resümee Obwohl uns der Ausklang der Türkennachrichten im Jahr 1594 nochmals demonstriert hat, wie nahe verfälschte ‹Information› und weitgehend abgesicherte Meldungen auch in der Korrespondenz eines Hans Fugger nebeneinander liegen konnten, so ist doch das Urteil zu fällen, daß die Fuggerschen Schreiben insgesamt einen nüchternen und treffsicheren Eindruck von den Kämpfen gegen das Osmanische Reich vermitteln. Die Ausgangslage dafür war denkbar günstig: Fuggers Nachrichtenkanäle sind als diejenigen zu identifizieren, die aus Messina, Neapel, Genua, Venedig, Prag, Wien und schließlich aus Agram entweder direkt aus den umkämpften Gebieten oder aus den nächstgelegenen Machtzentren die aktuellsten und umfassendsten Nachrichten weiterleiten konnten, die zur damaligen Zeit verfügbar waren. Insbesondere der direkte Kontakt mit den Kriegsleuten sicherte für Fugger zumeist eine realistische Einschätzung der Lage, die für sein finanzielles Engagement, z.B. hinsichtlich der Organisation und Finanzierung von Rüstungskäufen, von ho402
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Die Recherche bei dem sonst so detailfreudigen Joseph Hammer: Geschichte des Osmanischen Reiches, Bd. 2. Pesth 21834, verlief negativ. – Allerdings berichtet Nicolae Jorga für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts allgemein, allerdings ohne Beispiele, vom beginnenden Zerfall der osmanischen Machtstellung, der sich auch durch Verfallserscheinungen in Disziplin und Gehorsam des Heeres bemerkbar gemacht habe. Vgl. dazu Nicolae Jorga: Geschichte des Osmanischen Reiches, Bd. 3. Gotha 1910 [ND Frankfurt/M. 1990: Eichborn, Sammlung Historica], S. 312. Zur osmanischen Kriegführung 1593–1606 allgemein Leitsch: Rudolph, passim. Hans Fugger an Sebastian Roll, 06.02.1594, FA 1.2.16c H. 91, pag. 35 (II/2 3338).
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her Bedeutung war, monetäre Fehlschläge – auch die Entsendung des Fuggerschen Fähnleins muß man als einen solchen betrachten – aber nicht unbedingt verhindern konnte. Damit waren die Faktorenberichte als Nachrichtengrundlage Fuggers ganz entscheidend ergänzt. Die mehrfache Verbindung zu Leuten wie Lodron, Kurz und Tanner über Kredite und verwandtschaftliche Beziehungen neben der Nachrichtenverbindung vermochte den regelmäßigen Erhalt von Neuigkeiten aus den Kriegsgebieten sicher entscheidend zu befestigen, da Fuggers Korrespondenzpartner ihm auf diese Weise dauerhaft verpflichtet blieben. Wenn also auch, wie oben betont, in erster Linie Hans Fugger als der Vermittler von Türkenkriegs-Berichten an seine Briefpartner fungierte, so waren gerade die Heerführer unter seinen Korrespondenten, wie der intensive Briefkontakt zu ihnen belegt, für ihn zweifellos wichtige Zuträger und Diskussionspartner, die nicht nur für seine persönliche Meinungsbildung, sondern ebenso für finanzielle Entscheidungen Fuggers eine wichtige Rolle spielten. Die überwiegend militärisch-strategisch wie finanzpolitisch geprägte Perspektive vermag jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, daß Fuggers Perspektive auf den Konflikt mit den Osmanen nicht ganz von schablonenhaften Bewertungsmaßstäben frei war. Die althergebrachten und mündlich wie im Druck fleißig weiter kolportierten Türkenstereotypen – unbezähmbare Eroberungsgier, grausame Verschleppung und Brandschatzung, Wortbrüchigkeit angesichts nicht eingehaltener Waffenstillstandsverträge – scheinen auch in der Fuggerkorrespondenz immer wieder auf; gruselige Höhepunkte wie «der Türke», der die Christen fressen wolle, oder die grausame straff Gottes, als die das osmanische Heer erscheine, fehlen in diesem traditionellen Arsenal nicht. Noch bedeutsamer als der Befund, daß diese Elemente des «Erbfeindsyndroms» in Fuggers Briefen auftauchen, muß aber zweifellos die Feststellung ihrer Gewichtung im Gesamtkontext des Schreibens über die Türken sein: Als durchweg vereinzelte Belege werden diese Topoi stets nur anzitiert, sie schwingen zwar als geistiger Hintergrund der Zeit Fuggers mit, doch sie gewinnen niemals die Oberhand. Nie baute Fugger Nachrichten etwa über die Verschleppung und Brandschatzung der Grenzbewohner aus, obwohl ihm aus geschriebenen wie gedruckten Nachrichten dazu mit Sicherheit mehr als genug Details vorgelegen haben, nie finden sich grauenvolle Martern und Kultbildschändungen, wie sie Flugschriften auszumalen wußten, bei Fugger angeführt. Seine Bestellungen türkischer Rara, etwa von Zelten, Lederflaschen oder besonderen Roßdecken lassen viel eher schon etwas von der Exotismus-Bewegung, der Faszination von einer fremden Kultur, erahnen, die sich im ausgehenden 17. Jahrhundert in der Oberschicht durchzusetzen begann.405 Trotz der unzweifelhaft religiösen Prägung seines Weltbilds war es Fugger nicht darum zu tun, endzeitliche Kämpfe auszufechten oder Propaganda gegen den Erbfeind zu betreiben. Er mußte nicht die Bevölkerung zur bereitwilligen Zahlung der Türkensteuern oder zur Einhaltung der landesherrlichen Policey-Gesetzgebung motivieren, hatte nicht auf den Absatz von Druckerzeugnissen durch spektakuläre Berichte zu achten, sondern begriff zusammen mit seinen Hauptkorrespondenten 405
Vgl. zu dieser Entwickung Grothaus: Erbfeind, S. 108ff.
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die vordringliche Aufgabe darin, der Bedrohung durch die osmanische Großmacht unter kalkuliertem Einsatz militärischer und finanzieller Mittel die Stirn zu bieten. Und um diesem Ziel näherzukommen, wurde in der Kritik militärisch-strategischer Versäumnisse auch kein Blatt vor den Mund genommen. Fugger betrieb also, insbesondere zusammen mit den Militärs unter seinen Korrespondenten, Ursachenforschung, warum die christlichen Truppen lange Zeit so schlecht gegen den erbfeind ankamen. Dies hebt seine Nachrichten ganz entscheidend vom propagandistischen Diskurs gewöhnlicher Flugschriften-Erzeugnisse ab;406 Fugger war vielmehr Mitglied einer Informationselite, die auf der Basis ausgedehnter Korrespondenz überwiegend auf sachliche, aktuelle Informationen zurückgreifen konnte, die sich dann im ausgehenden 16. Jahrhundert, wie Schulze betont hat, zunehmend nicht nur mehr in handgeschriebenen Nachrichten, sondern auch im Druck finden ließen. Fugger gehört damit unter die Diskutanten strategischer Versäumnisse an der Wende zum 17. Jahrhundert, er steht in einer Reihe z.B. mit Nikolaus Reusner, der mit Herrscher- und Reichskritik im Zusammenhang mit der Türkenabwehr seine Briefsammlung Epistolae turcicae (1598) eröffnete.407 Fuggers briefliche Diskussion blieb aber nicht auf den Austausch mit den Militärs beschränkt; durch seine Vermittler-Funktion in seinem Netz gelangte diese Position zu den Türkenkriegen in Rezipientenkreise, die von der TürkenkriegsProblematik durch ihre Profession oder ihren Aufenthaltsort nicht direkt betroffen waren. Gegenüber diesen Korrespondenzpartnern, beispielsweise gegenüber Anton von Montfort oder Niclas Heller, war zweifellos die Diskussion der TürkenkriegsProblematik im Vergleich zur informierenden Funktion der Fuggerbriefe von untergeordneter Rolle. Auch wenn die Rezeption der Fuggerschen Berichte bei seinen Briefpartnern nicht geprüft werden kann, so ist Hans Fugger doch zumindest als potentieller Multiplikator einer vergleichsweise sachlichen Perspektive auf den militärischen Gegner aus dem Osten zu sehen, als einer der Exponenten für ein anderes Sprechen über die Türken, als es die gedruckte Turcica-Literatur vielfach vorführte. Seine Korrespondenz gibt damit zugleich Hinweise darauf, daß bei der Erforschung frühneuzeitlicher Fremdheitsstereotypen handschriftliche Überlieferungen jenseits propagandistischer bzw. öffentlichkeitswirksamer Kontexte noch weitaus stärker als bisher herangezogen werden müßten, um die verschiedenen möglichen Perspektiven auf ‹den Fremden› in der Frühen Neuzeit zuverlässiger beurteilen zu können.408
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Der Tenor zusammengefaßt bei Schilling: Bildpublizistik, S. 175–177. Dazu allgemein sowie zur Bewertung Reusners vgl. Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 25, 62 sowie Weber: Türken, S. 62f. Bezeichnenderweise war es ja auch die militärisch-diplomatische Korrespondenz des ausgehenden 16. Jahrhunderts, die erste Wahrnehmungen für den beginnenden Niedergang des Osmanischen Reiches überliefert, vgl. dazu Grothaus: Vorbildlicher Monarch, S. 182.
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C. Der Kölner Krieg 1. Historische Einordnung des Konflikts und Relevanz im Fuggerschen Nachrichtennetz Angesichts eines bewaffneten Konflikts, der über seine ‹heiße Phase› 1583/84 hinaus bis in die 1590er Jahre hinein andauerte und wohl mehrere Tausend Menschenleben kostete,409 angesichts der nach wie vor vielfach zitierten Bewertung des Kölner Kriegs als Element eines «historiographischen Krisenkanons»410 und Etappe auf dem Weg in den Dreißigjährigen Krieg erstaunt es immer wieder, daß die Kämpfe um Kölner Erzstift und Kurwürde in der Geschichtsschreibung nur zu wenigen umfassenden Untersuchungen angeregt haben, deren letzte bereits geraume Zeit zurückliegt.411 Auch die recht überschaubare Zahl der Fuggerschen Briefe zum Kölner Krieg scheint zunächst einmal eine Marginalisierung des Konflikts schon bei den Zeitgenossen zu spiegeln. «Bayerns Weg nach Köln», so der Titel einer grundlegenden Monographie Ernsts von Lojewski, hatte schon Ende der 1560er Jahren begonnen. Die bayerische Bistumspolitik412 Albrechts V. speiste sich aus konfessionspolitischen Motiven der Reichspolitik Bayerns ebenso wie aus Überlegungen zur Macht- und Reputationssteigerung des Hauses Wittelsbach. Das Projekt, Ernst von Bayern, der in seiner Hand vor Erlangung des Kölner Erzstifts bereits die Bistümer Freising, Hildesheim und Lüttich vereinigte, zur Kurwürde zu verhelfen, bedeutete zweifellos einen immensen Ausbau der wittelsbachischen und damit der katholischen Machtposition im Reich.413 Unterstützt wurden die Wittelsbacher dabei nicht zuletzt von Spanien, das die bayerischen Herzöge als wichtigen Verbündeten im Reich zu fördern versuchte, im Verlauf des niederländischen Konflikts auch immer mehr durch geostrategische Überlegungen motiviert.414 1577 jedoch, beim Rücktritt des Kölner Erzbischofs Salentin von Isenburg, hatte das Domkapitel für Gebhard Truchseß von Waldburg, und nicht für Ernst entschieden; die Appellation Herzog Albrechts bei der Kurie blieb erfolglos.415
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Allein bei der Eroberung und Plünderung von Neuss durch die Spanier im Jahr 1586 sollen 2000 Menschen ihr Leben verloren haben, vgl. Sikora: Kurköln, S. 75. Burkhardt: Reformationsjahrhundert, S. 197. Lossen: Kölnischer Krieg, Lojewski: Bayerns Weg. – Zur Beurteilung der Forschungslage vgl. Sikora: Kurköln, S. 50. Als Begriff bereits bei Gustav Wolf: Die bayerische Bistumspolitik in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit besonderer Rücksicht auf Salzburg. In: Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte 6 (1900), S. 145–173, 193–216. Zur Diskussion der verschiedenen Phasen der Bistumspolitik Albrechts V. vgl. Heil: Reichspolitik Bayerns, S. 418–420, 613–619. Die Beweggründe Bayerns auch knapp umrissen bei Ziegler: Bayern, S. 100–102. Zu den spanischen Interessen vgl. zusammenfassend Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 143–146. Hierzu ausführlich Lojewski: Bayerns Weg, S. 240–289.
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Gebhard aber, der zunächst vorbildlich als Reformbischof nach tridentinischen Vorstellungen agierte, schuf im Dezember 1582 neue Fakten. Statt eine nicht eben unübliche klandestine Ehe zu führen, kündigte er die offizielle Verheiratung mit Agnes von Mansfeld an, gab seinen Übertritt zur Augsburgischen Konfession bei gleichzeitiger Beibehaltung der Herrschaft und die Freistellung des Bekenntnisses in seinem Herrschaftsgebiet bekannt. Ernsts zweite Chance war damit gekommen.416 Der offenkundige Bruch des Augsburger Religionsfriedens durch Verletzung des Reservatum Ecclesiasticum und durch das Zugeständnis der freien Konfessionswahl417 war nicht der erste Verstoß gegen die Ordnung von 1555. Doch Kurköln befand sich «gewissermaßen auf der konfessionellen Scheidelinie [...] quer durch Deutschland»;418 es bildete den letzten starken katholischen Vorposten in Nordwestdeutschland, der nun verlorenzugehen drohte. Und mehr noch: Das Erzstift war Kurfürstentum, und der Übergang an einen Lutheraner hätte die katholische Mehrheit im Kurkolleg zunichte und damit in der Zukunft gar einen protestantischen Kaiser – wer wußte schon, mit welchen Folgen – möglich gemacht. Angesichts der Nähe zum niederländischen Kriegsschauplatz nährte Gebhards Konversion überdies Spaniens Befürchtungen vor einem gestärkten Protestantismus in Nordwestdeutschland.419 Die Kurie sandte eilig, aber ohne Erfolg Nuntien aus, der vom Domkapitel einberufene Landtag entschied auf die vorläufige Verwaltung erzstiftischer Interessen durch das Kapitel, Rudolf II. schickte kaiserliche Kommissare zur Vermittlung, Bayern warb erfolgreich für eine katholische Reichsopposition, die Ernst als neuen alten Kandidaten auf den Schild hob. Spanien schließlich ließ unter Karl von Arenberg bei Aachen Truppen aufmarschieren.420 Noch im Februar 1583 setzten die Kampfhandlungen ein; Bonn war schon im Dezember von truchsessischen Truppen besetzt worden, zügig hatte das Domkapitels als Gegenpartei Truppen geworben, und Gebhard war in sein Herzogtum Westfalen abgezogen.421 Auch nach seiner Exkommunikation im März und der Wahl Ernsts von Bayern im Mai 1583 gab der Truchseß den Kampf um das Erzstift nicht auf, doch von protestantischer Seite konnte er nur auf die Hilfe Adolfs von Neuenahr, Johanns von Nassau, des Bruders Wilhelms von Oranien, und Pfalzgraf Johann Casimirs – allesamt calvinistische Herren kleiner Territorien – rechnen;
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Auf die Kontroversen um Gebhards Beweggründe kann hier nicht weiter eingegangen werden; für ein möglichst umfassendes Bild vgl. Lojewski: Bayerns Weg, S. 348–354 sowie den neueren Beitrag von Klueting: Freistellung, bes. S. 99–103. Komprimiert mit den wichtigsten Grundzügen bei Bosbach: Köln, bes. S. 74–76. Im Vest Recklinghausen und in Westfalen allerdings kam es unter Gebhard später auch zu Zwangsmaßnahmen, um die Verbreitung des Protestantismus zu befördern, vgl. den Überblick bei Bosbach: Köln, S. 76. Roberg: Kölnischer Krieg, S. 39–44, Zitat S. 39. Die Auswirkungen auf das Kurkolleg und die damit verbundenen Weiterungen besonders herausgearbeitet bei Sikora: Kurköln, S. 59f. sowie Ziegler: Bayern, S. 95. – Zu Spanien Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 143–146. Die Vorgänge komprimiert bei Sikora: Kurköln, S. 60–70, ausführlich bei Lossen: Kölnischer Krieg, S. 60–191. Vgl. dazu Lossen: Kölnischer Krieg, S. 100–103, 127f., 169.
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die Hilfe des (lutherischen) pfälzischen Kurfürsten Friedrich fiel recht bescheiden aus. Insbesondere Kursachsen und Kurbrandenburg aber verweigerten sich strikt einer Parteinahme für Gebhard; sie wollten den Religionsfrieden nicht gefährden. Nach der Einnahme Bonns im Januar 1584 drangen die von Bayern geworbenen Truppen rasch immer weiter in Westfalen vor, Gebhard Truchseß von Waldburg mußte in die Niederlande ziehen, wo Wilhelm von Oranien ihn aufnahm.422 Trotz der eindeutigen bayerischen Erfolge aber dauerten die Kriegshandlungen an, denn Ernsts neuer Herrschaftsbereich wurde durch Angriffe aus den Niederlanden Schauplatz eines «Raub- und Brandkriegs»423 der Generalstaaten, ohne daß Gebhards Ansprüche dabei im Vordergrund gestanden hätten. Bis in die 1590er Jahre wurde die Bevölkerung des Erzstifts mit Truppendurchzügen, Gefechten, Plünderungen, Kontributionen belastet. Für Bayern jedoch war das Ergebnis trotz der hohen finanziellen Belastungen langfristig ein glänzendes: Hier konnte dauerhaft eine wittelsbachische ‹Sekundogenitur› in einem Kurfürstentum etabliert werden, und unter Ferdinand von Bayern, den Ernst schon 1595 als Koadjutor einsetzte, begann dort ein entschieden gegenreformatorischer Prozeß.424 Fuggersche Interessen waren durch den Konflikt um Kurköln in ähnlicher Weise betroffen wie durch den Kampf um die Niederlande oder die Türkenkriege. Auch in Köln befand sich eine wichtige Fugger-Faktorei, die ja seit der Aufgabe Antwerpens 1576 den Kontakt in die Niederlande aufrechterhalten mußte, im Brennpunkt des Geschehens, und auch hier unterstützte der Fuggersche Handel mit seinen Krediten die katholische Seite: 1583 bewilligten Marx und Hans Fugger einen Kredit von 20.000 fl an Wilhelm V. bzw. seinen Bruder, den neugewählten Kölner Erzbischof und Kurfürsten Ernst von Bayern. 1584 kam die kleinere Summe von 4.000 fl hinzu, und 1585 wurden Ernst nochmals vom Gemeinen Handel 15.000 fl übergeben. Darüber hinaus trat Hans persönlich als Kreditgeber auf, als er 1584 5.000 fl, 1585 10.000 fl als Darlehen zum Erhalt der bayerischen Truppen bewilligte. Hier war also gar seine Privatschatulle betroffen. Auch die Firma der «Georg Fuggerischen Erben» brachte insgesamt 36.000 fl für die Finanzierung des Kölner Kriegs auf.425 Für das Kölner Unternehmen sollte Wilhelm V. nach eigener Rechnung insgesamt mehr als 700.000 Gulden ausgeben.426 422 423
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Hierzu Sikora: Kurköln, S. 66–73. Ziegler: Bayern, S. 97. Über den Kriegseintritt der Niederlande und deren Motivation auch Roberg: Kölnischer Krieg, S. 47. Zu Ergebnissen des Kölner Kriegs für Bayern und das Erzstift unter Ferdinand von Bayern vgl. Bosbach: Köln, S. 78–81. Die Kredite 1583 und 1585 bei Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 105, 107f. Die Darlehen von 1584 laut den Schuldbuch-Einträgen Hans Fuggers, vgl. FA 1.2.17, fol. 11, No. 42, vgl. Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 108. – Wie Hildebrandt (105) ausführt, versuchte Hans Fugger gegen die 10.000 fl Darlehen eine Versicherung auf die Herrschaft Mering zu erhalten, doch dieser Versuch schlug fehl, mußte Hans Fugger doch im Mai 1585 Wilhelm V. um einen Termin zur offiziellen Rückübertragung der Herrschaft an den Herzog bitten, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 08.05.1585, BayHStA Fürstensachen 439, fol. 13r. Die Angaben bei Lossen: Kölnischer Krieg, S. 311, Anm. 1, vgl. auch Lojewski: Bayerns Weg, S. 441.
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2. Hans Fuggers Korrespondenz zum Kölner Krieg – eine Umgruppierung des Adressatenkreises? Im Gegensatz zu den militärischen ‹Großereignissen› des niederländischen Aufstands und des Türkenkriegs handelt es sich beim Kölner Krieg nicht nur um ein Geschehen mit einem einigermaßen genau umgrenzten Ereignisschwerpunkt von ‹nur› zwei Jahren, nämlich 1583 und 1584,427 dessen Dimensionen sich mit den Kämpfen in den Provinzen und an der östlichen Reichsgrenze beziehungsweise im Mittelmeer nicht vergleichen ließen. Von den 44 überlieferten Briefen Fuggers zum Kölner Krieg stammen bezeichnenderweise nur fünf aus den Jahren 1585, 1586, 1592, wobei allerdings mitzubedenken ist, daß aufgrund der Überlieferungslücke 1587–1591 wohl einige weitere Briefzeugnisse der Kopierbücher zum Kölner Krieg verloren sind. Bei diesen relativ wenigen Briefen zum Kölner Krieg liegen Berichte über die Verhandlungsaktivitäten im Vorfeld des offenen Kriegsausbruchs, Kampfhandlungen, Rüstungsmaßnahmen und Nachrichten über einzelne Protagonisten des Konflikts in etwa gleichauf. Die Adressatenstruktur für die Briefe zum Kölner Krieg jedoch weist im Vergleich zu den Berichten über die niederländische Erhebung und die Kämpfe mit den Türken deutliche personelle Unterschiede auf, denn die drei wichtigsten Korrespondenzpartner zu diesem Konflikt sind bei der bisherigen Betrachtung der Nachrichtenbriefe noch nicht besonders stark hervorgetreten: Fuggers Neffen Anton und Hans von Montfort, daneben Reichshofrat Dr. Johann Tonner, der 1577 die kaiserliche Obödienzgesandtschaft nach Rom geleitet hatte.428 Anton befand sich im Rahmen der Vorbereitung seiner kirchlichen Laufbahn in der Entourage Kardinal Ludwigs von Madrutz in Rom und Trient, Hans amtierte seit 1578 als Reichskammergerichtspräsident in Speyer.429 Zusammen erhielten sie mehr als die Hälfte der 44 Briefe Fuggers über den Kölner Krieg; 13 andere Adressaten neben ihnen haben nur vereinzelt noch Briefe zu diesem Thema empfangen.430 Im Gegensatz zur Berichterstattung über die Niederlande und über den osmanischen Kriegsschauplatz liegt hier also zum ersten Mal eine Korrespondenz Hans Fuggers zu einem militärischen Konflikt vor, ohne daß Kriegsleute die hauptsächlichen Empfänger dieser Schreiben waren. Betrachtet man allerdings das Wirkungsfeld und die Kontakte der Brüder Montfort sowie Tonners genauer, so zeigt sich, daß sie für den zeittungs-Transfer im Grunde dieselben Voraussetzungen mitbrachten wie etwa die Heerführer Lodron und Tanner, die für den Nachrichtentransfer zum niederländischen und osmanischen Schauplatz eine hohe Bedeutung hatten: Die Montfort und Tonner konnten zwar zu den Kölner Ereignissen keine
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Die Hefte des copierbuechs, die den Zeitraum Oktober bis Dezember 1584 umfaßten (H. 56, 57), sind nicht überliefert. Zu Tonner vgl. Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 312 mit weiterführender Literatur. Zum Karriereweg der Brüder Montfort und deren Förderung durch Hans Fuggers Netzkontakte vgl. ausführlich im vierten Teil S. 338–352. An Anton gingen zehn Briefe, an Hans von Montfort acht, Tonner schließlich erhielt noch sechs Briefe.
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Berichte ‹direkt vom Schlachtfeld› liefern, hatten aber dennoch eine räumliche und/oder berufliche Nähe zu den Entscheidungs- respektive Informationszentren des Kölnischen Konfliktes vorzuweisen. Anton befand sich bei Kardinal Madrutz nicht nur im unmittelbaren päpstlichen Umkreis in Rom, wo schon bald nach den ersten Gerüchten um Gebhards bevorstehende Verheiratung und Konversion eilige Aktivitäten entfaltet wurden, um den Truchseß von seiner Entscheidung abzuhalten bzw. dann später möglichst effizient auszuschalten; Madrutz selbst war als Kardinalprotektor des Reiches431 in die Beratungen über die Kölner Vorgänge, auch über seine Korrespondenz mit Wilhelm V. von Bayern, schon früh eingebunden, und sein Sekretär Minutio Minucci wurde noch im Dezember 1582 mit Breven Gregors XIII. an den Truchseß nach Deutschland entsandt.432 Anton von Montfort, der sich nach dem Rat Hans Fuggers ohnehin schon in seiner ersten Zeit bei Madrutz mit Minucci wegen der Erlangung einer Pfründe ins Benehmen hatte setzen sollen, brachte also gute Voraussetzungen für Informationen von der Kurie in die Briefbeziehung zu seinem Onkel ein.433 Beim Kammergerichtspräsidenten Hans von Montfort können wir zumindest die räumliche Nähe zum Konfliktherd veranschlagen. Speyer war den Kriegsschauplätzen im Erzstift schon recht nahe und verfügte über eine solide Postanbindung,434 so daß ein verhältnismäßig rascher Briefaustausch, z.B. über Truppenbewegungen – bei einer minimalen Beförderungszeit von etwa einer Woche – gewährleistet war. Natürlich schenkte man auch am Kaiserhof, von dem Reichshofrat Tonner, selbst romerfahren, berichten konnte, den Kölner Vorgängen sofort große Aufmerksamkeit; einer der Kollegen Tonners im Reichshofrat, Jakob Kurz von Senfftenau, wurde noch im Dezember 1582 zusätzlich zu Dr. Andreas Gail als kaiserlicher Gesandter nach Köln geschickt. Von seinen anfänglichen Vermittlungsbestrebungen zur Erhaltung des Reichsfriedens wechselte Rudolf II. noch im April 1583 zur klaren Unterstützung der katholischen Partei über.435 Da Fugger für gewöhnlich summarisch für die Nachrichten Tonners vom Hof dankte, ohne Inhalte zu nennen, kann nur vermutet werden, daß der Reichshofrat auch zur Kölner Sache nach Augsburg schrieb. Fuggers Nachrichten über den Konflikt um das Erzbistum waren ihm wohl eine wertvolle Ergänzung zur Nachrichtenlage am Kaiserhof, die möglicherweise zusätzliche Perspektiven auf den Konflikt verschaffte. Stets zu beachten ist auch, daß die Postverbindung von Köln nach Prag noch über Augsburg lief – Fuggers Nachrichten waren also wohl ebenso aktuell wie diejenigen, über die Tonner sonst noch in Prag verfügen
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Die Kompetenzen und Funktionen bei Bernhard Steinhauf: Giovanni Ludovico Madruzzo (1532–1600). Katholische Reformation zwischen Kaiser und Papst. Das Konzept zur praktischen Gestaltung der Kirche der Neuzeit im Anschluß an das Konzil von Trient. Diss. Bamberg 1989, S. 139–146. Zur Rolle des Kardinals Madrutz und seines Sekretärs Minucci vgl. Lojewski: Bayerns Weg, S. 359–364, 373–376, 385–397 u.ö. Zur Pfründensuche Antons von Montfort vgl. ganz besonders im vierten Teil S. 345– 352. Vgl. Behringer: Merkur, S. 143, 180. Zusammenfassend zur Position Rudolfs Sikora: Kurköln, S. 69f.
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konnte, wenn nicht gerade Eilboten eigens die neuesten Informationen von Köln nach Prag brachten.436 Warum aber tauchen die Kriegsleute Lodron und Tanner in dieser Zeit weder als Nachrichtenlieferanten noch als regelmäßige Nachrichtenempfänger auf? An Lodron sind aus den Jahren 1583/84 ohnehin nur zwei Briefe überliefert, wobei Fugger in einem davon den Kölner Krieg durchaus erwähnte. Lodron hielt sich zu dieser Zeit auf der Iberischen Halbinsel auf, der portugiesische Thronstreit, in dem er Philipp II. gedient hatte, war aber bereits zu Ende. Bei den fünf Briefen an Tanner, der zu dieser Zeit allem Anschein nach auf seinen heimischen Gütern in Tirol weilte, lieferte Fugger im selben Zeitraum nur einmal politische Neuigkeiten;437 weder von Lodron noch von Tanner sind für diese Zeit Nachrichtenmeldungen nachzuweisen. Es liegt nahe, die Erklärung in der damaligen Adressatensituation zu suchen: Fugger hatte genug Nachrichten, die er jederzeit liefern konnte, aber Lodron wie auch Tanner konnten vermutlich, da nicht aktiv im Dienst, nicht mit den von Fugger so geschätzten aktuellen Berichten dienen.438 Es drängt sich also die Vermutung auf, daß gegenüber diesen beiden Adressaten der Versand Fuggerscher Nachrichten nur eine Leistung auf Gegenseitigkeit war, wie sie für Nachrichtennetze häufig zu beobachten ist; für enge Familienmitglieder hingegen sind Nachrichtenmeldungen aus Augsburg, delegiert an den Fuggerschen Angestellten Hans Besch, auch dann nachzuweisen, wenn sie eine Entscheidungszentrale wie etwa einen Fürstenhof verlassen hatten.439 An die bayerischen Protagonisten des Konflikts, Herzog Ernst und Herzog Wilhelm, ist jeweils ein Brief Fuggers zum Kölner Krieg überliefert – angesichts der mehrfachen Kredite an die Wittelsbacher wiederum ein Hinweis darauf, daß etliche Briefe, so auch über den Kölner Krieg, nicht in die Kopierbücher eingegangen sind oder sich unter den verlorenen Kopierbuch-Beständen befinden. Der Brief an Ernst, noch vor dem aktiven Eingreifen Bayerns in den Konflikt verfaßt, versprach die Mitteilung von Neuigkeiten, die im weiteren Zusammenhang des Briefes auf die Kölner Vorgänge bezogen werden kann; in den Kopierbüchern sind danach nur noch zwei Briefe an Ernst – ohne Kölner Bezug – überliefert, doch eine Übermittlung von Nachrichtensendungen könnte, ähnlich wie bei Wilhelm V. für den niederländischen Aufstand, auch durch Fuggersches Personal ohne einen Kopierbuch-Brief
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Über den Postkurs nach Prag über Augsburg Behringer: Merkur, S. 148. Vgl. Hans Fugger an Christoph Tanner, 04.06.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/ 2330). Fugger unterrichtete Tanner, der eben vom Militäreinsatz in Portugal zurückgekehrt war, über die Rückkehr König Philipps II. nach Madrid. Die Transportzeiten der Briefe Tanners an Fugger von jeweils wenigen Tagen und die zweifache Ortsnennung Innsbrucks machen einen Tiroler Aufenthalt Tanners, der wenige Jahre zuvor noch unter Philipp II. in Portugal gedient hatte, wahrscheinlich, vgl. II/2 2330, 2457, 2513, 2618, 2654. In Brief vom 22.09.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2654) wünschte Fugger Christoph Tanner viel Glück zur bevorstehenden Weinlese. Die Belege für die Nachrichtensendungen an die Brüder Montfort durch Hans Besch oben in Kapitel III., A., S. 146f.
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Hans Fuggers bewerkstelligt worden sein.440 Im Brief an Wilhelm V. bezog Fugger sich ganz konkret auf das 1583 gewährte Darlehen von 20.000 fl und beteuerte, daß für diesen Kredit von Fuggerscher Seite aus alle behörliche mügliche ordnung gegeben worden441 sei. Da die Nachrichten aus Köln und aus den Niederlanden denselben Weg nach Augsburg hatten und Fugger mehrfach Nachrichten über Köln gar als solche uß dem Niderlandt442 deklarierte, ist es nicht ganz abwegig, daß unter den Nachrichten aus den niederländischen Provinzen, die Fugger nachweislich bis in die 1580er Jahre hinein an Wilhelm V. senden ließ, auch Neuigkeiten aus Köln waren, wenngleich der Herzog zweifellos nicht auf Fuggers Nachrichten aus dem Kurfürstentum seines Bruders angewiesen war. Weiteren Kontakt zu Personen, die in das Geschehen um Köln näher eingebunden waren, hatte Hans Fugger nur vereinzelt: Zu nennen sind hier Ludwig Haberstock, bayerischer Rat, den wir schon als Informant zu den Niederlanden kennen443 und der 1584 einmal auch Cöllnische zeittungen an Fugger schickte,444 daneben Hauptmann Hans Anton Zinn von Zinnenburg, den Wilhelm V. als Heerführer nach Köln gesandt hatte und der Fugger 1584 Nachrichten von seinem gegenwärtigen Standort Arnsberg in Westfalen sandte.445 Für Jakob Henot, immerhin Postmeister zu Köln, mit dem Fugger wegen der Postreformation in Kontakt stand, gibt es keinen zuverlässigen Nachweis über Sendungen zum Kölner Krieg. Er schickte zwar 1584 zweimal Nachrichten, doch Fugger machte bei seinem Dank dafür keine weiteren Angaben zu ihrem Inhalt.446 Zu beobachten ist neben der veränderten Rezipientenstruktur der Fuggerbriefe auch eine Verlagerung der Ereignisschwerpunkte in der Berichterstattung: Kampfhandlungen erhalten nicht mehr den herausragenden Stellenwert unter den Ereignissen des Konflikts, der ihnen noch bei der Schilderung des Kriegs in den Niederlanden und gegen die Türken zugekommen war. Sie liegen vielmehr weitgehend gleichauf mit Nachrichten zu Verhandlungen, Einzelpersonen des Geschehens in Köln, Kriegsrüstungen. Ob dieser Befund mit den Tätigkeitsbereichen der Adressaten zum Kölner Krieg zusammenhängt, ist nicht zweifelsfrei zu klären. Allerdings liegt es zumindest nahe, daß Fugger sich insbesondere mit jemandem wie Anton von Montfort, der vor allem über aktuelle finanzielle und diplomatische Einzelheiten berichten konnte und dem Kriegshandwerk recht fern stand, nicht un-
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Vgl. Hans Fugger an Herzog Ernst von Bayern, 30.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2284). – An Ernst von Bayern sind allerdings nach Kopierbuch-Befunden auch in den Vorjahren keine Fuggerschen Nachrichtensendungen dokumentiert. Hans Fugger an Wilhelm V., 13.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2365). Hans Fugger an Johann Tonner, 14.06.1585, FA 1.2.14a H. 60 (II/2 2809); mit vergleichbarer Herkunftsangabe auch die Nachrichten Hans Fuggers an Anton von Montfort, 29.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2383). Vgl. im dritten Teil Kap. IV.A.3., S. 169. Hans Fugger an Ludwig Haberstock, 18.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2557). Vgl. Hans Fugger an Hans Anton Zinn von Zinnenburg, 18.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2559). Über Zinn vgl. Lossen: Kölnischer Krieg, S. 470, Anm. 2, S. 506, 518. Vgl. die Schreiben Hans Fuggers an Jakob Henot vom 13.01.1584, FA 1.2.12b H. 51 (II/2 2442) und vom 12.05.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2493).
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bedingt schwerpunktmäßig über militärische Einzelheiten austauschen wollte, über die er mit Sicherheit durch die Kölner Faktorei unterrichtet war.
3. Hans Fugger und der Kampf um Köln a) Der Apostat – Gebhard Truchseß von Waldburg als Gegner [...] wie man uns von Cöln schreibt, so hat sich Ir Chf: G: [Kurfürstliche Gnaden, d.h. Gebhard] vor disem schon erkhlert, die will in S:[umm]a zum teiffel, und sich des 5. evangelij theilhafftig machen, und apostatiern.447 Fuggers Bewertung der Konversion Gebhards, hier als Apostasie, als Abfall vom rechten Glauben, gekennzeichnet, ist unmißverständlich: mit seiner Abwendung von der katholischen Kirche verfalle Gebhard der irrigen Lehre eines unbiblischen «fünften» Evangeliums.448 Fuggers recht kompromißlose Meinung über Protestanten und insbesondere Reformierte ist im Zusammenhang mit dem niederländischen Aufstand bereits deutlich geworden. Interessanter ist allerdings die rasche Umwertung, die er in den frühen Tagen des kölnischen Konflikts für die Person Gebhards Truchseß von Waldburg, den ehemals von Rom lobend anerkannten Reformbischof, vornimmt.449 Einen matten Schimmer der einstigen Vorbildlichkeit Gebhards erkennt man noch in Fuggers Mitteilung an Jörg von Montfort, datiert auf den 4. Januar 1583, sollche leihtfertigkeit450 het im [ihm, d.h. Gebhard] niemandt zutraut.451 Noch als auf dem Reichstag 1582 ein erster Verdacht auf eine Konversion des Erzbischofs aufkam, hatten die kurkölnischen Reichstagsabgesandten ja mehrfach seine Treue zur Papstkirche beteuert.452 In einem Brief an Hans von Montfort, ebenfalls Anfang Januar 1583 verfaßt, fiel das Urteil jedoch ganz anders aus: diser herr ist sein lebenlang ein übler, hoffertiger leichtfertiger man gewesen, auch etlich mal nit wol bej sinnen.453 Welches Urteil über Gebhard – Verwunderung über seine Tat oder geringe
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Hans Fugger an Anton von Montfort, 04.01.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 641f. (II/2 2259). Bent Jörgensen, Augsburg, danke ich für den Hinweis, daß Fugger mit dem «Fünften Evangelium» möglicherweise auch ganz konkret und polemisch die Konkordienformel als lutherisches Einheitsbekenntnis im Auge hatte. Über das Ansehen, das Gebhard lange Zeit bei den Nuntien und in Rom genoß, berichtet Lojewski: Bayerns Weg, S. 347f. Leichtfertig und leichtfertigkeit hatten in der frühen Neuzeit eine Bedeutungsspanne von ‹Rechtsbruch› bis hin zu ‹sexueller Ungezügeltheit›. In obigem Zusammenhang dürfte eher allgemein das im Grimmschen Wörterbuch beschriebene «von gebot und sitte abweichende[ ] treiben» gemeint sein, vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch VI, Sp. 644. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 04.01.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 647 (II/2 2261). Vgl. Lossen: Kölnischer Krieg, S. 28f. Hans Fugger an Hans von Montfort, 07.01.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 635 (II/2 2257). Der Brief an Hans von Montfort ist, obwohl er später datiert als der oben zitierte an Jörg von Montfort, vermutlich zur selben Zeit verfaßt worden, denn er ist im Kopierbuch noch vor dem Schreiben an Jörg eingetragen.
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Überraschung angesichts seines Vorlebens – war denn nun das zutreffende?454 Allem Anschein nach hatte Fugger sich noch kein festes Bild über den Erzbischof machen können, zu widersprüchlich waren die kursierenden Berichte über Gebhard: Die einst nach außen vorbildliche Amtsführung Gebhards, wie sie auch nach Rom berichtet wurde, und seine Beteuerungen bis kurz vor der Konversion waren die eine Seite der Medaille, die es zunächst unwahrscheinlich machte, daß der Kurfürst mit der römischen Kirche brechen würde. Die andere Seite jedoch hatte ihre Basis in Berichten seit Beginn der 1580er Jahre über das moralisch höchst anfechtbare Leben des Kurfürsten, so über Gelage und Liebschaften, seinen Jähzorn, daneben über seine Epilepsie, auf die wohl die Anmerkung, er sei zeitweise nit wol bej sinnen gewesen, anspielt.455 Bezeichnenderweise finden wir bei Hans Fugger keine Invektiven wegen Gebhards Beziehung zu Agnes von Mansfeld, abgesehen von der Anspielung auf leichtfertiges Verhalten, das bei Fugger in seinen beiden Bedeutungen – ‹promiskuitiv› genauso wie ‹wenig verantwortungsvoll› – verwendet wird, und abgesehen von dem ‹Männerwitz›, Gebhard habe zur Strafe für seine Eheschließung als Kleriker gleich zwei Ehefrauen verdient.456 Man kann diese Ausklammerung der Beziehung zu Agnes von Mansfeld zweifellos als weiteren Beleg für Fuggers sachlich-nüchternen Berichtstil werten; gleichzeitig ist aber zu bedenken: das eigentliche Skandalon im Fall Gebhards war ja die offizielle Eheschließung, nicht so sehr das Zusammenleben mit einer Frau.457 Seit geraumer Zeit konnte man gegen Gebhard ins Feld führen – ein bekanntes Argument Albrechts V., das nun wieder Gültigkeit erhielt –, daß der Noch-Kurfürst sich mit Lutheranern und Calvinisten umgab. Schon seine Wahl zum Erzbischof hatte Gebhard Truchseß von Waldburg nur mit der Hilfe von evangelischen beziehungsweise calvinistischen Kapitelmitgliedern durchsetzen können; frühzeitig existierten Verbindungen zum Wetterauer Grafenverein, zu Wilhelm von Oranien und den Generalstaaten.458 Hans von Montfort wußte seinem Onkel binnen kürzester Zeit mit einem verzeichnus von Gebhards Entourage zu dienen. Hans Fugger entdeckte darin die Namen bekannter Personen, die mer zu verderben als uff zu pauen
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Der Brief vom 07.01. ist im Kopierbuch vor dem Schreiben vom 04.01. eingetragen. Die Briefe wurden nachdatiert, was an abweichender Schrift und Tinte der Datierung zu erkennen ist. Zu den Gerüchten über Gebhards Lebenswandel noch vor seiner offenen Konversion vgl. Lossen: Kölnischer Krieg, S. 33f. Ob Fugger mit seiner milderen Version der Verurteilung auch auf Jörgs von Montfort Position am Kaiserhof Rücksicht genommen hat, wo die Wahl Gebhards auf den Kölner Bischofsstuhl 1577 nachdrücklich begrüßt worden war, ist nicht festzustellen. Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 07.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2257) sowie an Anton von Montfort, 23.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2278). Anders verhielt es sich mit dem niederen Klerus – hier war Fugger in seinen Herrschaften auf eine Einhaltung der tridentinischen Vorgaben äußerst bedacht, wie ein Brief an seinen Pfleger Egid Benz zeigt – da war auch von Entlassung die Rede, wenn Priester weiterhin mit einer Frau zusammenleben wollten, vgl. Hans Fugger an Egid Benz, 08.02.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3138). Vgl. hierzu Lojewski: Bayerns Weg, S. 259, 262, 285f., 350f.
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geneiget,459 und leitete diese Namensliste unverzüglich an Johann Tonner in Prag weiter, wo der Verweis auf die mer caluinisch als lutterisch Konfession etlicher Getreuer des Kurfürsten eigentlich schon genügte, um die bedrohliche Lage ausreichend zu skizzieren. Fugger tat aber ein übriges und übermittelte dem Reichshofrat eine angebliche Prophezeiung von Gebhards Vorgänger im Erzbischofsamte, Gebhard werde nach Amtsantritt innerhalb von zehn Jahren sterben, verderben oder von landt und leutten verjagt werden – angesichts der aktuellen Lage sah Hans reelle Chancen, daß die Vorhersage sich bewahrheiten würde.460 War Gebhard durch seinen Lebenswandel, den Abfall vom ‹rechten› Glauben und den Bruch des Religionsfriedens, der bei Fugger freilich explizit nicht als solcher formuliert wird, wahrlich schon diskreditiert, so konnten seine Vorbereitungen zur Kriegführung das Feindbild nur noch verstärken: Aus dem Brühler Schloß hatte er Gold und Silber, aus dem Stiftsarchiv wichtige Urkunden entfiren461 lassen und sich von Westfalen nach Hessen aufgemacht, um bei Landgraf Wilhelm Unterstützung zu suchen. Was Reinhard Hildebrandt für Philipp Eduard und Octavian Secundus Fugger konstatierte, trifft angesichts dieser Befunde auch für Hans Fugger zu: Die Finanzverbindungen zu den Wittelsbachern, man denke hier auch an Hans’ Kredite aus seinem Privatvermögen, basierten ähnlich wie auch beim Finanz engagement im Niederländerkrieg «nicht zuletzt gerade auf den gemeinen religiösen Überzeugungen und Zielen»462. Fuggers Informationen zur Suche Gebhards nach Verbündeten bestätigen wieder einmal anschaulich die Leistungsfähigkeit seines Faktorei-Nachrichtensystems: Die zugrundeliegende Nachricht aus Köln datierte er auf den 14. Februar (Absendedatum), und aus der Literatur geht hervor, daß Gebhard nicht vor dem 11. Februar zu Landgraf Wilhelm aufbrach – höchst zeitig also wurden die aktuellen Nachrichten an die Augsburger Dienstherren weitergeleitet. Über das Eintreffen des bewußten Kölner Briefes in Augsburg haben wir keine Nachricht, bei Veranschlagung durchschnittlicher Beförderungszeit durch Taxis-Reiter dürfte der Brief aber um den 21. Februar im Fuggerhaus angekommen sein.463
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Hans Fugger an Hans von Montfort, 19.01.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 672 (II/2 2272). – Über die hier angeführten Personen kann, da genanntes Verzeichnis nicht überliefert ist, anhand der Informationen der Forschung zumindest spekuliert werden: Es handelte sich womöglich um Pfalzgraf Johann Casimir und die zum engeren Kreis um Gebhard gehörenden Adolf von Neuenahr, Hermann Adolf von Solms sowie Georg von Wittgenstein. Zu ihrer Rolle vgl. Lossen: Kölnischer Krieg, S. 40f. Hans Fugger an Johann Tonner, 19.01.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 682f. (II/2 2274). Hans Fugger an Anton von Montfort, 05.03.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 786 (II/2 2297). Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 110. Leider ist die genaue Transportzeit selten zu eruieren, da Hans Fugger nur ausnahmsweise auch das Eingangsdatum der Briefe aus Köln (zusätzlich zum eigenen Absendedatum und dem des Adressaten) vermerkt. Die Spitzenwerte liegt jedoch bei fünf Tagen Transport (Januar 1586), als Bearbeitungszeit lassen sich häufig 7–9 Tage errechnen. Eine dauerhafte Beeinträchtigung der Postverbindung durch die Kriegsläufte ist aus den bei Fugger genannten Briefdaten nicht zu erschließen.
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b) Die Motivation der Partei Gebhards Hatte Hans Fugger zu Beginn des Kölner Kriegs mehrfach die Möglichkeit angesprochen, daß die Auseinandersetzungen um das Erzstift wegen der geringen Unterstützung für Gebhard immer noch ohne einen großen bewaffneten Konflikt ausgehen könnten, 464 so sah er den Frieden im Reich etwa ab Mai 1583 doch ernstlich bedroht. Ich sorg, so schrieb er an Hans von Montfort, inn warheit es werde ehe lanng, der teuffel bej uns gar abbt werden.465 Der durch Anton von Montfort übermittelten Auffassung des Kardinals von Madrutz, Gebhards Unterstützer hätten nicht das Potential, Entscheidendes zu bewegen, hielt Fugger bildreich die Anfänge des Fürstenaufstands gegen Karl V. entgegen: dagegen ist zu consideriren, dz die magern muggen etwa hörter beisen, als die feissten, dz hat man an marggraf Albrecht von Brandenburg und andern verdorbnen fürsten mer als zuvil gesehen.466 Albrecht von Brandenburg, die ‹magere Mücke mit dem festen Biß›, hatte nicht nur seit 1550 mit Herren kleinerer Territorien wie Hans von Küstrin und Johann Albrecht von Mecklenburg die Opposition gegen den Kaiser geplant, an deren Ende der Passauer Vertrag und schließlich der Augsburger Religionsfrieden standen, sondern hatte Jahrzehnte zuvor erfolgreich den eigenen Wechsel vom Hochmeister über das Deutschordens-Territorium Preußen zum protestantischen Landesherrn über das Herzogtum Preußen vollzogen – Fugger führte hier sozusagen einen ‹Präzedenzfall› für Gebhard Truchseß von Waldburg an, der sich allerdings lange vor dem Augsburger Religionsfrieden ereignet hatte.467 Gefahr also drohte nach Fuggers Meinung auch von den weniger mächtigen Herren, die Gebhard unterstützten, und von den Werbungen respektive den eifrigen Bündnissondierungen der truchsessischen Partei außerhalb des Reiches und in der Schweiz.468 Hier erwies sich Hans von Montfort mit seinen Speyerer Nachrichten wieder als wichtiger Gewährsmann, den Fugger zur regelmäßigen Mitteilung all dessen anhielt, was sich weitter verlaufft, und sich schreiben lasst.469 Der weitere Fortgang des Krieges aber, und das hat Hans Fugger sehr wohl erkannt, mußte davon abhängen, ob Gebhard Unterstützung von den protestantischen Kurfürsten bekam. Die Forschung wird hier – zu Recht – nicht müde, insbesondere
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Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 19.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2274) sowie an Anton von Montfort, 30.04.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2310). Hans Fugger an Hans von Montfort, 16.05.1583, FA 1.2.12b H. 48, pag. 71 (II/2 2319). Hans Fugger an Anton von Montfort, 07.05.1583, FA 1.2.12b H. 48, pag. 44f. (II/2 2313). Der Bedeutung ‹Mücken› für muggen ist hier wohl vor Christl Karnehms Übertragung in II/2 2313 (‹Semmeln›) der Vorzug zu geben, vgl. Baufeld: Wörterbuch, S. 174, Fischer: Schwäbisches Wörterbuch 4, Sp. 1775f. Zu dieser Parallele auch Klueting: Freistellung, S. 96. Über Herzog Albrecht, die Reformation Preußens und den Fürstenaufstand vgl. den Überblick bei Rabe: Reich, S. 224, 284f. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 09.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2354), an Hans von Montfort, 25.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2381). Hans Fugger an Hans von Montfort, 25.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 311 (II/2 2381).
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Kursachsens wie auch Kurbrandenburgs Willen zur Erhaltung des Reichsfriedens zu betonen.470 Obwohl auch Fugger nichts davon hörte, daß die Herren Kursachsens, Brandenburgs und der Kurpfalz für Gebhard vil sättel ufflegen,471 also Truppenhilfe leisteten, so fand er doch, daß man sich dieser Friedensliebe nicht so ganz sicher sein könne: In seinen Augen bestand immer noch die Möglichkeit, daß die obgemelten 2 herrn nemblich Sachsen und Brandenburg sottomanu [it. ‹unter der Hand›] under der döckhin [Decke] mitspiln472 und doch zu Gebhard hielten. Für diesen Fall aber zeichnete Hans Fugger geradezu ein Greuelszenario für die Katholiken im Reich: Sonst ist zu besorgen die der neuen religion möhten sich uns catholische zu undertruckhen und also dz papstumb uß ganz Teutschlandt zubringen sich understeen, dz wirde mit groß blut vergiessen, und ruinierung473 ganzes Teutschlands müessen geschehen.474 Insbesondere über Pfalzgraf Johann Casimir argwöhnte Fugger nur das Schlimmste, denn diser unrüebig475 herr wirdt uns noch in Teutschlandt allerlej movirn,476 wa nit Gott der Allmechtig ime solch sein fürnemen bricht.477 Aus der heutigen Rückschau mutet Hans Fuggers Befürchtung fast schon hysterisch an. Bei Betrachtung der Stellungnahmen weiterer Zeitgenossen wird allerdings klar, daß Fuggers Einschätzung nicht gänzlich aus der Luft gegriffen war. Bei der Kurie mahnten Kardinalstaatssekretär Como und der Nuntius Bonomi, daß «dem ganzen deutschen Katholizismus der Untergang drohe».478 Und auch Heinrich von Navarra, durch den Religionskrieg im eigenen Lande freilich an einem Eingreifen im Erzstift gehindert, bestätigte in der Tendenz diese Einschätzung, beurteilte er den Kölner Konflikt doch als die beste Möglichkeit zu einem Schlag gegen das Papsttum, die es seit Jahrhunderten gegeben habe.479 Zieht man schließlich neben den umfangreichen Werbungen Gebhards und Johann Casimirs480 und dem grundsätzlichen Mißtrauen Fuggers gegen alle Fürsten der neuen religion noch
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Vgl. Lojewski: Bayerns Weg, S. 399f., auch Burkhardt: Reformationsjahrhundert, S. 198. Hans Fugger an Anton von Montfort, 09.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 207 (II/2 2354). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 14.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 249 (II/2 2364). Ruinieren ist sowohl in wörtlicher (‹zur Ruine machen›) als auch in übertragener Bedeutung überliefert (‹zugrunde richten›), vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch VIII, Sp. 1475. – Im gegebenen Zusammenhang ist wohl aufgrund des militärischen Kontextes (vgl. auch groß blut vergiessen) die wörtliche Bedeutung vorzuziehen. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 14.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 249f. (II/2 2364). D.h. ‹unruhig›, ‹aufgeregt›, vgl. Fischer: Schwäbisches Wörterbuch 6, Sp. 212. Movieren, also ‹bewegen› im übertragenen Sinn ‹Unruhe stiften›. Hans Fugger an Hans von Montfort, 15.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 265 (II/2 2368). So Lojewski: Bayerns Weg, S. 356, 362. Die Äußerungen Comos und Bonomis stammten vom September und Dezember 1582. Zur Position Heinrichs IV. vgl. Roberg: Kölnischer Krieg, S. 47 sowie Ziegler: Bayern, S. 93. Über die Truppenstärken informiert Lossen: Kölnischer Krieg, S. 336, 338, 658.
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die drohenden Konsequenzen für Kurfürstenkolleg und Kaiserwahl in Betracht, dann werden Ängste vor einem übermächtigen Protestantismus im Reich plötzlich nachvollziehbar. Auf einer Linie befanden sich Hans Fuggers konfessionell-defensive Anschauungen auch mit denen seiner prominenten Kreditnehmer. Von ihren machtpolitischen Ambitionen einmal abgesehen, fühlten sich die bayerischen Wittelsbacher «in Verteidigungsstellung, sowohl für die Religion wie für das Reich».481 In der Krisensituation 1583, fast 30 Jahre nach Abschluß des Religionsfriedens, war für Fugger das Nebeneinander der Konfessionen im Reich immer noch ein nur vorläufiges, das rasch wieder in ein Gegeneinander münden konnte. Fugger unterschätzte hier die Haltung der meisten protestantischen Fürsten, die Gebhard um Unterstützung für sein Vorhaben anging, ganz eindeutig; insbesondere die abwehrende Haltung Sachsens und Brandenburgs sollte die Niederlage des Truchsessen mit besiegeln, und schließlich warf auch Pfalzgraf Johann Casimir noch 1583 das Handtuch.482 Die weitere Korrespondenz kann allerdings zeigen, daß die Fuggerschen Befürchtungen hinsichtlich einer reichsweiten Zuspitzung des konfessionellen Konflikts nicht von Dauer waren. Hans von Montfort hatte im Juli 1583 augenscheinlich von einem heftigen Schreiben Johann Casimirs an das Reichskammergericht berichtet, und Fugger schloß an, es sei wol zu erbarmen, daß es im Reich niemanden gebe, der sich i[h]m opponier, denn Johann Casimir werde zweifellos noch für einigen Konfliktstoff im Reich sorgen.483 Ein Jahr später – Johann Casimir hatte sich inzwischen aus dem Kampf um das Erzstift zurückgezogen – bewegte Fugger sich jedoch ersichtlich auf der Linie von Kardinal Madrutz, die er vor Jahresfrist gegenüber dem Neffen Anton von Montfort noch fast als politisch naiv abgetan hatte: Sicher, es könne von Neuem Unruhen im Reich geben, doch dz khan aber auch nit lanng wehren [währen, d. Verf.], denn schließlich fehlten den politischen Unruhestiftern im Reich die finanziellen Mittel, und die mächtigeren Fürsten würden sich für deren Ziele nicht hergeben und ihr Geld lieber behalten.484 Wenn er also insbesondere die Aktivitäten Johann Casimirs als veritable Bedrohung für das gesamte Reich auffaßte, so paßte es wohl spätestens seit 1584 langfristig doch nicht mehr in Fuggers Vorstellungswelt, daß dadurch der Bestand des Reiches als Ganzes, dessen grundsätzliche Ordnung, tiefgreifend gestört werden könnte. Der Konsens der reichspolitisch wichtigsten Fürsten hinsichtlich der Friedensordnung des Reiches hatte sich als stabil erwiesen. Ungeachtet dessen bestand jedoch weiterhin die Gefahr regionaler konfessionell bedingter Unruhen: Daß Fugger sich auch im bikonfessionellen Augsburg von potentiellen Bundesgenossen Gebhards umlagert sah, ist wohl der beste Beleg, daß der Friede zwischen den Konfessionen für Fugger ein brüchiges Gebilde war. Noch
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Ziegler: Bayern, S. 102, dazu auch Heil: Reichspolitik Bayerns, S. 617f. Vgl. Lojewski: Bayerns Weg, S. 400–402. Zur Auflösung des Heeres von Johann Casimir Lossen: Kölnischer Krieg, S. 600. Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 15.07.1583, 1.2.12b H. 49 (II/2 2368). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 17.05.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 77f. (II/2 2492).
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im Mai 1584 fürchtete er angesichts von Gerüchten über neue Werbungen Johann Casimirs, es könnten die hie zue Augsburg auch [cf. auf Gebhards Seite, d. Verf.] springen, wie die unser gemain alhie fest schweigt, und gern etwaz neus sehen wolt, wie ungefarlich in fürsten krieg.485 Erinnerungen an das Jahr 1552, als die Stadt den protestantischen Truppen die Tore Augsburgs öffnete, Interim und karolinische Verfassung beseitigte,486 wurden hier also wiederum wach, und damit erneut das Schreckgespenst einer militärischen Bedrohung des Katholizismus im ganzen Reich. Die von Fugger angedeutete Parteinahme von Augsburgern für Gebhard ist zweifellos in Zusammenhang mit dem Augsburger Kalenderstreit zu sehen, heizte sich doch gerade in den ersten Monaten des Jahres 1584 die Stimmung gegen die päpstliche Kalenderreform und die katholische Mehrheit im kleinen sowie Geheimen Rat unter den Protestanten der Stadt zusehends auf, bis es dann im Juni zur Eskalation kam. Die Furcht vor einem Sturz des Ratsregiments in der Stadt, von der noch ausführlich die Rede sein wird, hat also wohl das Urteil Fuggers über den Kölner Konflikt und seine möglichen Konsequenzen verschärft.487
c) Immer wieder Geld: Fuggers Adressat für Nöte der Kriegsfinanzierung Entsprechend dem Fuggerschen Finanzengagement flossen Klagen über den Geldmangel im Krieg, die uns aus den Berichten über den niederländischen Aufstand und die Türkenkriege nur zu gut vertraut sind, auch in Fuggers Briefe zum Kölner Krieg ein. Neu aber ist, daß alle Nachrichten über die unzureichenden finanziellen Mittel der bayerischen Seite – abgesehen von einem Brief an Christoph Tanner – immer wieder an ein- und dieselbe Person gingen: an den Neffen Anton von Montfort bei Kardinal Madrutz in Rom. Aus etlichen Briefen geht hervor, daß Anton an Fugger römische Einschätzungen zur aktuellen Kölner Lage lieferte, beispielsweise die Ansichten Madrutz’ zur Koalition Gebhards mit mindermächtigen deutschen Fürsten und Grafen, von denen nach Ansicht des Kardinals nicht viel zu befürchten sei.488 Die in Rom zu erwartende Häme angesichts einer gescheiterten Vermittlungsmission Kardinal Andreas’ von Österreich nach Köln tadelte Hans Fugger im Mai 1583 mit harten Worten – wer in Rom so schlau rede, ohne die brisante Situation im Reich zu kennen, könne sein Glück ja versuchen.489 Wer aber die gel[e]genheit unsers Teutschlands waist, und die leuff versteet,490 müsse
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Hans Fugger an Hans von Montfort, 18.05.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2497). Über Augsburg im Fürstenaufstand von 1552 vgl. Heinrich Lutz: Augsburg und seine politische Umwelt 1490–1555. In: Gunter Gottlieb u.a. (Hg.), Geschichte der Stadt Augsburg. 2000 Jahre von der Römerzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart 21985, S. 413–433, hier 429. Zum Kalenderstreit vgl. ausführlich Kap. D. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 07.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2313). Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 21.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2318). Hans Fugger an Anton von Montfort, 21.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2318), ähnlich auch an denselben am 07.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2313) und in einem Brief an Hans von Montfort, 16.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2319).
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die Gefahren, die von Gebhard ausgingen, ernster beurteilen. Angesichts dieser Versuche Fuggers, die in seinen Augen stattfindende Verharmlosung der Situation richtigzustellen, drängt sich bereits hier die Vermutung auf, er habe über seinen Neffen in Rom ein wenig ‹Aufklärungsarbeit› betreiben wollen. Über fast ein Jahr hinweg aber – von Juli 1583 bis Juni 1584 –war in den vier sich nun anschließenden Briefen, die Fugger in dieser Zeit zum Kölner Krieg an Anton sendete, immer auch von der unbefriedigenden bayerischen Finanzlage die Rede. Fugger setzte am 9. Juli 1583 mit dem Hinweis ein, daß er Anton über die Kölner Vorgänge nur wenig zu berichten wisse: Der new erwöhlt churfürst herzog Ernst von Bayrn [...] ist mit gelt ser schlechtlich versehen, könne also Bonn nicht erobern, während Gebhard ganz Westfalen in der Hand habe, dort die lutherische Religion einführe und, von den Kurfürsten Sachsens und Brandenburgs abgesehen, starcken beistandt erhalte, auch von außerhalb des Reiches.491 Fugger wußte wahrscheinlich, daß Ernsts Gesandter Trivio Mitte Juni in Rom angekommen war, um neben der Konfirmation des neuen Erzbischofs auch weitere Geldhilfen vom Papst zu erlangen. Trivio aber mußte mit leeren Händen die Rückreise nach Köln antreten.492 Von dieser wenig erfolgreichen Mission hatte Anton von Montfort augenscheinlich nach Augsburg berichtet, und Fugger hob nun Ende Juli dem Neffen gegenüber an, die Bedrohung aller Katholiken im Reich zu beklagen; nur wenn Ernst mer hilff und bejstand erhalte oder unser Hergott sondere mittel darwider schickht, könne es noch Abhilfe geben.493 Das Signal an Rom war deutlich, in Hans Fuggers Augen aber wohl noch nicht deutlich genug, denn acht Tage darauf tat er nicht weniger, als im nächsten Brief an den Neffen die Urteilskompetenz des Papstes und seiner Umgebung in Sachen Kölner Krieg anzuzweifeln: [...] und mag Ir Hay: [Ihre Heiligkeit, der Papst] auch andere herrn in Rom die sach wol für schlecht [einfach, d. Verf.] halten, und sagen der new erwöhlt churfürst habe vil bistumb, sej stattlich, ein herzog von Bairn, und herzog Wilhelm von Bayrn bruder der kind [...] in nit lassen, abr für war khürzlich davon zu reden, so ist khein gelt verhanden, ohne welches lesst es sich nit khriegen.494
In der Tat – für die bayerische Kriegführung war das Geld schon 1583 ausgesprochen knapp, der Unmut unter den geworbenen Truppen groß.495 Wilhelm V., der seinen Bruder mit enormen Summen unterstützte, war chronisch verschuldet, und das nicht zuletzt bei Marx Fugger und Gebrüdern, die sich ausmalen konnten, wer
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Hans Fugger an Anton von Montfort, 09.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 206f. (II/2 2354). – Über die militärische Lage im Juli 1583: Lossen: Kölnischer Krieg, S. 329–344. Dazu Lossen: Kölnischer Krieg, S. 306f. Hans Fugger an Anton von Montfort, 29.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 321f. (II/2 2383). Hans Fugger an Anton von Montfort, 06.08.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 375f. (II/2 2401). Von den ersten Problemen mit unbesoldeten Truppen, die durch Fuggersche Zahlungen im Juli zumindest teilweise befriedigt werden konnten, berichtet Lossen: Kölnischer Krieg, S. 340.
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als nächster um eine neue Kreditsumme angegangen würde, wenn sich die Kurie nicht zu weiteren Zahlungen bereiterklärte.496 Dasselbe Spiel wiederholte sich im Frühjahr 1584, als der bayerische Gesandte Barvitius in Rom eintraf. Fugger vermutete die Bitte um Hilfsgelder als Ziel der Mission und bat Anton, sich in dieser Sache zu informieren.497 Max Lossen verzeichnet nach Auswertung der Archivalien eine zugestandene Summe von 25.000 fl, und dies scheint Anton auch Hans Fugger mitgeteilt zu haben, der aber angesichts der Höhe dieser Subsidien nicht gerade überschwenglich reagierte. Er wußte von den Meutereien, die beiden Parteien die Kriegführung sehr erschwerten: Dz der bayrisch gesandt so wenig gelt hilff bej Ir Hayt: [Heiligkeit] erlangen soll ist mir laid, denn man ist dern wol bedürftig, aus wesenh[eit] dz kriegs volckh on bezalung (die dan nit verhanden.) nit ferer [d. h. weiter, d. Verf.] will.498 Dieser Brief war zugleich der letzte an Anton, in dem Fugger den Kölner Krieg thematisierte; im August 1584 schickte Anton letztmalig Nachrichten – unbekannten Inhalts – aus Rom nach Augsburg, und schon im Dezember schrieb er aus Trient. Madrutz hatte also die Machtund Informationszentrale Rom verlassen und war in sein Bistum zurückgekehrt. Zweifellos schätzten Onkel und Neffe einander als wichtige Informanten über die Vorgänge in Rom und im Reich, nachweislich gingen gerade in Antons römischer Zeit die «mitgeteilten Zeitungen» hin und her. Nie hat Hans Fugger in seinen Briefen direkt die Bitte ausgesprochen, Anton möge doch in seiner Umgebung die Bewertung des Kölner Kriegs, dazu die bayerischen und damit indirekt auch die Fuggerschen Finanzsorgen ins rechte Licht rücken. Brauchte es aber diesen Hinweis überhaupt, damit der Neffe in Rom anklingen ließ, wie die berühmten Augsburger Bankiers die monetäre Ausstattung Herzog Ernsts und die daraus zu erwartenden Folgen beurteilten? Wäre es nicht geradezu fahrlässig gewesen, hätte der Montforter diese Einschätzungen, die unverfänglich privaten Charakter trugen, aber deutlich genug eine höchst brisante Lage schilderten, seiner römischen Umgebung vorenthalten? Auf der Basis dieser Überlegungen erscheint es wahrhaft nicht abwegig, daß Hans Fugger mit bescheidenen, unauffälligen Mitteln in Rom eine Stimmungslage zu befördern suchte, die nicht nur den Bayernherzögen und ihrem Krieg gegen Gebhard, sondern auch den Kreditgeschäften der Fugger von Nutzen sein konnte. Vielleicht kalkulierte er sogar die Möglichkeit ein, daß Anton die Briefe des Onkels Dritten zu lesen gab – die Nachrichten aus Augsburg zumindest erzählte der Neffe ja erwiesenermaßen weiter, wie im Zusammenhang mit der Einschätzung Fuggerscher Nachrichtenqualität deutlich wurde.499 Von daher wäre 496
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Zu Wilhelms Finanzen der Überblick bei Dieter Albrecht: Das konfessionelle Zeitalter. Zweiter Teil: Die Herzöge Wilhelm V. und Maximilian I. In: Max Spindler, Andreas Kraus (Hg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. 2. München 21988, S. 322–292. Wilhelm selbst stellte für die Jahre 1583–1587 die Rechnung auf, er habe mehr als 500.000 fl für den Kölner Krieg aufgebracht. Die Zahlen bei Lossen: Kölnischer Krieg, S. 311 Anm. 1. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 04.05.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2477). Hans Fugger an Anton von Montfort, 02.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 121f. (II/2 2511). Vgl. Hans Fuggers Stellungnahme zur Kritik an seinen Nachrichten durch Antons römisches Umfeld, Kap. III. D., S. 154.
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es seiner Zielsetzung wohl eher abträglich gewesen, die Finanzinteressen der Fugger in den Briefen allzu offen zu formulieren, da sie Hans’ ökonomische Interessen allen potentiellen Lesern vor Augen geführt hätten. Erstmals in der vorliegenden Untersuchung der Fuggerkorrespondenz haben wir also hier über eine adäquate Beurteilung der politischen bzw. finanziellen Lage auf der Basis eines fortwährenden Nachrichtenaustauschs hinaus auch Anhaltspunkte für einen Versuch Fuggers, mit der Schilderung von Nachrichten einer in seinen Augen fehlgehenden Einschätzung – in diesem Fall der Auffassung der Kurie über die bayerische Finanzkraft – entgegenzuwirken. Die Mittel zum Zweck eröffnete dabei die Struktur seines Beziehungs- und Korrespondenznetzes: Der Aufenthalt Montforts bei Kardinal Madrutz gab Hans Fugger erst die entsprechende Perspektive zur Einflußnahme.
D. Der Augsburger Kalender- und Vokationsstreit 1. Hintergründe des Konflikts Von der europäischen politischen Bühne, auf der auch der Kölner Krieg seine Rolle gespielt hatte, lenkt das letzte große hier zu beleuchtende Nachrichtenereignis der Fuggerkorrespondenz den Blick zurück nach Augsburg: Der Augsburger Kalenderstreit, ausgelöst durch die vom Rat der Stadt verfügte Einführung des neuen Gregorianischen Kalenders und gefolgt vom sogenannten Vokations- oder Prädikantenstreit, fand seinen bedrohlichen Höhepunkt in der Zusammenrottung von angeblich mehreren Tausend Einwohnern gegen den Rat der Stadt am 4. Juni 1584. Eine Eskalation konnte gerade noch abgewendet werden. Die Ungenauigkeit des traditionellen Julianischen Kalenders wurde seit geraumer Zeit von katholischer wie protestantischer Seite kritisiert, gerade auch unter astronomischen Fachleuten wie Nikolaus Kopernikus. Papst Gregor XIII. versuchte daher, in einer Kalenderreform mit dem einmaligen Überspringen von zehn Tagen im Oktober 1582 wieder eine Übereinstimmung des Kalenderjahrs mit dem Sonnenjahr zu erreichen. Der durch eine päpstliche Bulle verkündeten Kalenderneuerung setzten jedoch Protestanten vielfach Widerstand entgegen – in ihrer Argumentation bedeutete die Übernahme des ‹päpstischen› Kalenders und der damit verbundene Eingriff in die protestantische Feiertagsregelung auch die Akzeptanz der päpstlichen Jurisdiktion und eine unzulässige Belastung ihres protestantischen Gewissens. Der neue Kalender geriet für die Protestanten zu einem neuerlichen Beweis des päpstlichen Machtanspruches.500 Vor diesem Hintergrund stellten Kalender- und Vokationsstreit, «die gefährlichste konfessionspolitische Krise, die 500
Zur Kalenderreform und den argumentativen Positionen von Gegnern und Befürwortern immer noch Felix Stieve: Der Kalenderstreit des sechzehnten Jahrhunderts in Deutschland, in: Abhandlungen der Historischen Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 15, III. München 1880, S. 1–98. Zur Argumentation in der protestantischen Publizistik vgl. jüngst Tschopp: Kalenderstreit.
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Augsburg zwischen der Zeit des Interims und dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges erlebte»,501 in den Jahren 1583–1591 nach den Konflikten der Reformationszeit und der Etablierung des Religionsfriedens aufs Neue die Frage nach dem Zusammenleben der beiden Konfessionen in der Stadt.502 Für die Zeit vor der Einführung des neuen Kalenders erfahren wir aus Fuggers Briefen nichts von Auseinandersetzungen oder schwerwiegenden Verstimmungen zwischen den Katholiken in der Stadt und der Bevölkerungsmehrheit Augsburgischer Konfession. Lediglich an der von Fugger in ihren Anfängen geschilderten Begründung des Kollegs von St. Anna, als Reaktion auf die Schaffung des Augsburger Jesuitenkollegs initiiert, läßt sich das Konkurrenzverhältnis der beiden Konfessionen in der Stadt ablesen; hier finden sich bis 1583 die einzigen Hinweise auf tiefgründende Gegensätze: Spöttisch bemerkte Hans Fugger 1581, wegen der erforderlichen Finanzmittel könne es noch dauern, bis die Protestanten ihr Kolleg hätten – Fugger nannte es diffamierend die Sinagog –, dann wann es ans Ußgeben khumbt, so ist Ir Eifer etwas khiel.503 Angesichts des jahrelangen Engagements der Fugger für die Etablierung des Jesuitenkollegs in Augsburg mag hier auch Ärger über das ‹Konkurrenzprojekt› Fugger die Feder geführt haben.504 Zu beachten ist allerdings: Zwar wollte Fugger unter seinem Hauspersonal keine Protestanten dulden, insbesondere natürlich keine protestantischen Präzeptoren für die Erziehung der Kinder, doch gehörten schließlich zu engen Bekannten und Korrespondenzpartnern Fuggers auch Protestanten, etwa Johann Tonner in Prag, Fuggers ehemaliger Präzeptor, oder die Augsburger Patrizier Hans Honold und Hans Sigmund Stamler.505 Fuggers Briefe zum Kalenderstreit informieren also nur aus der Situation des akuten Konflikts zwischen den Konfessionen heraus, und dies in Abstimmung auf die Interessen seiner Adressaten und ihre Position in seinem Beziehungsnetz, wie noch 501
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Roeck: Augsburg, S. 125–189, Zitat S. 179. Roeck beleuchtet insbesondere die demographischen, ökonomischen und verfassungspolitischen Hintergründe des Konfliktes. Heranzuziehen sind als basale Forschungsliteratur ferner: Kaltenbrunner: Kalenderstreit, Naujoks: Vorstufen, Warmbrunn: Zwei Konfessionen, S. 360–375, Sieh-Burens: Oligarchie, S. 187–207, Stetten: Augspurg, Steuer: Außenverflechtung, S. 147–185, Ders.: Konflikt. Die Sicht des Augsburger Chronisten Kölderer auf den Kalenderstreit analysiert eingehend Mauer: Geschrey, S. 163–198 sowie Ders.: Kalenderstreit und Krisenstimmung. Wahrnehmungen von Protestanten in Augsburg am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. In: Benigna von Krusenstjern, Hans Medick (Hg.), Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe. Göttingen 1999 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 148), S. 345–356. Zur konfessionellen Entwicklung Augsburgs vgl. den Überblick bei Immenkötter, Wüst: Augsburg, bes. S. 14–30. Zitate: Hans Fugger an Wilhelm V., 20.04.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1923) [Sinagog] sowie an Nikolaus Elgard, 24.02.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1868). Zitiert nach Christl Karnehm. Fuggers Rolle bei der Begründung des Jesuitenkollegs St. Salvator beleuchtet im vierten Teil S. 388f. Zur Konfession von Hauspersonal und Erziehern vgl. Sieh-Burens: Oligarchie, S. 189 sowie Karnehm: Regesten I, S. 39*. – Die Verbindung zu Honold und Stamler bei Christl Karnehm, Regest zum Brief Hans Fuggers an Jakob Prendlar, 08.09.1573, FA 1.2.6b H. 16 (I 1132), vgl. dort auch Anm. 1.
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mehrfach zu zeigen sein wird. Während die zur Erforschung des Kalenderstreits stark herangezogene städtische Chronistik der Zeit ganz überwiegend auf protestantische Autoren zurückgeht,506 präsentiert Fuggers Korrespondenz als Kontrapunkt die Perspektive eines Angehörigen der katholischen Oberschicht – gleichwohl außerhalb der offiziellen, katholisch dominierten politischen Sphäre, die durch Verlautbarungen des Rates dokumentiert ist, und auch jenseits katholischer Flugschriftenagitation. Für die Zeit zwischen 1548 und 1583 sind nicht nur entsprechend dem Befund der Kopierbuch-Überlieferung, sondern auch nach anderen verfügbaren Quellen in der Tat keine anhaltenden Auseinandersetzungen größeren Umfangs zwischen den Katholiken und Protestanten der Stadt nachzuweisen, und dem Besucher, der nach Augsburg kam, mußte das Zusammenleben der Konfessionen auf den ersten Blick als geglückt erscheinen.507 Doch Konfliktpotential und reale kleinere Differenzen waren gleichwohl vorhanden, wie dies etwa Kontroverspredigten und zeitgenössische protestantische Chroniken, die eine eindeutige Abgrenzung der Konfessionen vornehmen, über Beleidigungen und kleinere Übergriffe berichten, zum Teil verbunden mit massiver religiöser Polemik.508 Auch die städtischen Strafbücher und Urgichten bezeugen konfessionell gefärbte Zusammenstöße zwischen den Bürgern, Schmähungen des Klerus der anderen Religion, Verstöße gegen geltende konfessionelle obrigkeitliche bzw. reichsrechtliche Regelungen.509 Die Ratspolitik insgesamt war auf den Ausgleich zwischen den Konfessionen bedacht, um den Frieden in der Stadt zu sichern. Seit den 1560er Jahren verschlechterte sich das Klima zwischen Katholiken und Protestanten in der Stadt jedoch zusehends. Das offensive religiöse Wirken der Jesuiten, die zu Beginn der 1560er Jahre spektakuläre Konversionserfolge feierten, wurde von der protestantischen Bevölkerung vielfach mit großem Unmut verfolgt; Hetzpredigten beider Seiten beeinträchtigten das konfessionelle Nebeneinander zusätzlich.510 Jesuitische Agi-
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Über die konfessionelle Verortung der Augsburger Chronisten des 16. Jahrhunderts Mauer: Geschrey, S. 3f. Zur Bewertung der Zeit vor 1583/84 vgl. Sieh-Burens: Oligarchie, S. 183, Bernd Roeck: Das Augsburger Konfessionsproblem als Herausforderung und seine Lösung. In: Johannes Burkhardt, Stephanie Haberer (Hg.), Das Friedensfest. Augsburg und die Entwicklung einer neuzeitlichen Toleranz-, Friedens- und Festkultur. Berlin 2000 (Colloquia Augustana 13), S. 61–71, hier S. 61–63 (auch anhand des Reiseberichts Michels de Montaigne über seinen Aufenthalt in Augsburg). Zur Bewertung der Konfessionen und ihres Zusammenlebens in Augsburg bei Augsburger Chronisten und inbesondere in der Chronik Georg Kölderers vgl. Mauer: Geschrey, S. 111–162. Über Kontroverspredigten handelt Wolfgang Wallenta: Kontroverstheologisches Schrifftum in Augsburg um 1600. In: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 36 (2002), S. 517–529, bes. S. 519–522. Vgl. Hoffmann: Konflikte. Vgl. Lotte Schiller: Das gegenseitige Verhältnis der Konfessionen in Augsburg im Zeitalter der Gegenreformation. München, Augsburg 1933 (uveröffentlichte Zulassungsarbeit, SuStBA), S. 19–28. Für Schillers Ausführungen ist allerdings zu beachten, daß sie sich bei der Präsentation ihrer Materialien in großem Umfang auf Schriften aus der Feder Georg Millers, des Hauptexponenten der Kalenderopposition stützt, denen eine klar propagandistische Stoßrichtung wohl kaum abzusprechen sein dürfte.
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tation wurde in der Zeit des Kalenderstreits von Protestanten denn auch für die aufgeheizte Stimmung in der Stadt verantwortlich gemacht.511 Ratsmitglieder aus dem Umkreis der Fugger und der katholischen Welser förderten zudem seit den siebziger Jahren «eine einseitige Stärkung des Katholizismus in Augsburg».512 Ein besonders augenfälliges Symbol hierfür ist die erfolgreiche Eröffnung des Jesuitenkollegs St. Salvator im Jahr 1582, unterstützt insbesondere durch die Fugger, Ilsung und Rehlinger. Die intensive Fuggersche Förderung der Jesuiten, entscheidend mitbeeinflußt durch die Konversion mehrerer protestantischer Fuggerscher Ehepartner – darunter auch Hans’ Ehefrau Elisabeth – unter dem Einfluß des Petrus Canisius, wird im Zusammenhang mit Fuggers Briefkontakt zu den bayerischen Herzögen noch ausführlicher behandelt. Von protestantischer Seite war jedenfalls der Vorwurf zu hören, die Societas Jesu wolle der protestantischen Lehre in Augsburg ein Ende bereiten.513 Warmbrunn und Roeck betonen trotz der Zunahme konfessioneller Spannungen vor 1583, daß ein Nebeneinander der Konfessionen zwar insgesamt funktionierte,514 dennoch ist, wie Carl Hoffmann mit eindrücklichen Quellenbeispielen dargestellt hat, eine «alltägliche und weitverbreitete Konfliktbereitschaft zwischen Katholiken und Protestanten bzw. die Virulenz konfessioneller Antagonismen in der Bürgerschaft auch bereits vor dem Kalenderstreit»515 zu belegen. Wir dürfen für gesichert annehmen, daß ein Nährboden für den gewaltsamen Austrag von Gegensätzen zwischen Parteien der beiden Konfessionen vorhanden war, auch wenn deren Ausmaß vor 1583/84 nicht sicher einzugrenzen ist. Wie die Aufarbeitung der Kalender-Unruhen durch eine kaiserliche Kommission 1584 zutage brachte, herrschte unter nicht wenigen Augsburger Protestanten massive Unzufriedenheit mit der Machtverteilung in der Stadt: angesichts eines Ratsregiments, in dem Katholiken die Mehrheit und damit den größten politischen Einfluß in einer überwiegend protestantischen Stadt innehatten, wurden gar Rufe nach der Veränderung der zugrundeliegenden Karolinischen Wahlordnung von 1548 laut. In die Kritik gerieten auch die von Katarina Sieh-Burens eingehend untersuchten engen, insbesondere verwandtschaftlichen Verbindungen zahlreicher Ratsmitglieder, so in dem von ihr rekonstruierten Fugger-Netz, dessen Mitglieder nach 1548 zentrale Positionen im Rat besetzten.516 511 512
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Vgl. Sieh-Burens: Oligarchie, S. 195f., sowie Roeck: Augsburg, S. 165f. Vgl. Sieh-Burens: Oligarchie, S. 182–197, 203–210, Zitat S. 210. Vgl. Roeck: Augsburg, S. 230f. Vgl. Mauer: Geschrey, S. 146. Vgl. Warmbrunn: Zwei Konfessionen, S. 391f., Roeck: Augsburg, S. 93. Roeck betont insbesondere, daß die konfessionell motivierten Konflikte in dieser Zeit nur einen verschwindend geringen Prozentsatz unter den überlieferten aktenkundigen Delikten einnehmen. – Vgl. auch das Resümee bei Mauer auf Grundlage der reichsstädtischen Chronistik. Mauer: Geschrey, S. 160–162. Hoffmann: Konflikte, S. 112. Zu den Straftatbeständen laut Strafbüchern und Urgichten vgl. ebenda, S. 110–117. Zu den Gerichtsbüchern als Beleg für konfessionelle Zusammenstöße auch Warmbrunn: Zwei Konfessionen, S. 392. Zu den protestantischen Kritikpunkten und dem zahlenmäßigen Konfessionsverhältnis vgl. Roeck: Augsburg, S. 87, Warmbrunn: Zwei Konfessionen, S. 134–137. Über die Bedeutung von Welser-, Fugger-, Seitz- und Herbrot-Netz vgl. Sieh-Burens: Oligarchie,
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Seit den 1570er Jahren kam verschärfend die wirtschaftlich-soziale Problematik hinzu, wie Naujoks und insbesondere Roeck hervorgehoben haben: Bei steigenden Lebensmittelpreisen ist gleichzeitig eine massive Absatzkrise in dem für Augsburg so zentralen Textilsektor zu konstatieren – bezeichnenderweise stellten die Weber zusammen mit den Metzgern das Gros der Aufständischen in der Revolte vom 4. Juni 1584. Parallel hatten große Teile der Angehörigen anderer Gewerke mit massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Reduzierung städtischer Ausgaben zur Konsolidierung des städtischen Haushalts konnte nur verschärfend wirken. Gerade Mitte der 80er Jahre erreichte diese Krise ihren Höhepunkt.517 Verbunden mit dem speziellen konfessionellen Movens für die Gegner der Kalenderreform hatte der Aufstand von 1584 somit nach dem Urteil der Forschung als Basis also einen «Komplex sozio-ökonomischer, politischer und konfessioneller Voraussetzungen».518 Bevor wir allerdings Hans Fuggers briefliche Stellungnahmen zu den skizzierten Hintergründen der Revolte in Beziehung setzen, soll ein knapper Überblick zu den zentralen Ereignissen im Kalender- und Vokationsstreit die Orientierung innerhalb der Argumentation Fuggers erleichtern.
2. Ereignisgeschichtlicher Abriß Wie die breite Forschung zum Augsburger Kalenderstreit gezeigt hat, strahlte der Augsburger Konflikt durch die «Außenverflechtung» der gegnerischen Parteien weit über die Stadtgrenzen aus, versuchten doch Kalendergegner wie Rat, auswärtige Unterstützer in der Auseinandersetzung zu mobilisieren.519 So steht die enge Verbindung der Ratsführung zum bayerischen Herzog am Beginn der Einführung des Gregorianischen Kalenders in Augsburg, kam doch der Rat im Januar 1583 mit der Annahme der Kalenderreform einer konkreten Aufforderung Wilhelms V. nach und betonte die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die den Beschluß erforderlich gemacht hätten. Mit dem Protest von vier protestantischen Ratsherren (der drei Kirchenpfleger und Ulrich Hörwarts), die in diesem Entscheid einen Verstoß gegen
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S. 123–132, 207–213; speziell zum Fugger-Netz, dem insbesondere die Familien Artzt, Baumgartner, Ilsung und Rehlinger angehörten, vgl. ebenda, S. 91–108. Vgl. Naujoks: Vorstufen, S. 46f. sowie Roeck: Augsburg, S. 140–169. Zu den Webern in Augsburg vgl. Claus-Peter Clasen: Die Augsburger Weber. Leistungen und Krisen des Textilgewerbes um 1600. Augsburg 1981 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg, Schriftenreihe des Stadtarchivs Augsburg 27). Vgl. die Einschätzungen bei Dietrich Blaufuß: Das Verhältnis der Konfessionen in Augsburg 1555 bis 1648. Versuch eines Überblicks. In: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 10 (1976), S. 27–56, hier S. 32 sowie Roeck: Augsburg, S. 168. Zu den relevanten auswärtigen Verbindungen vgl. insbesondere Sieh-Burens: Oligarchie, S. 187–207, Steuer: Außenverflechtung, S. 147–185 sowie Steuer: Konflikt. – Die folgenden Ausführungen zum Kalenderstreit orientieren sich in erster Linie an Kaltenbrunner: Kalenderreform, und Warmbrunn: Zwei Konfessionen, S. 360–375. Zusätzlich herangezogene Literatur ist jeweils angegeben.
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Religionsfrieden und Religionsfreiheit sahen, und mit dem Beginn der Agitation durch die Prädikanten begann die Auseinandersetzung um den neuen Kalender. Schon hier erscheint die Verfassungsproblematik, die in den Folgejahren so bedeutsam werden sollte, gaben doch die Kirchenpfleger an, sich nicht einfach der katholischen Majorität im Rat beugen zu wollen.520 Ein von den vier Ratsherren beim Reichskammergericht erwirktes Pönalmandat gegen die Einführung des Gregorianischen Kalenders brachte die Mehrheit des Kleinen Rats der Stadt im März 1583 nicht von ihrem eingeschlagenen Kurs ab. Bis zum Entscheid über die angestrengte Revision des Urteils, für die sich auch Rudolf II. einsetzte, sollte der alte Kalender noch für die Feiertage der Protestanten gelten dürfen. Im Mai 1584 wurde das Urteil gegen die vollständige Einführung des Gregorianischen Kalenders dann tatsächlich revidiert.521 Eine ganz wesentliche Rolle bei der sukzessiven Zuspitzung des Konflikts spielten die protestantischen Prädikanten, die nicht müde wurden, gegen den neuen Kalender zu polemisieren, ihn aus Gewissensgründen als für die Protestanten unannehmbar darzustellen und Ängste vor einer Gegenreformation durch den Rat zu schüren. Ein auf Geheiß des Herzogs von Württemberg erstelltes Gutachten der Universität Tübingen stützte die Auffassung, daß die Protestanten in Glaubensfragen nicht von der katholischen Mehrheit des Kleinen Rats überstimmt werden dürften.522 Die Existenz zweier verschiedener Kalender schuf im alltäglichen Leben Augsburgs eine irrwitzige Situation; der Festtag des einen wurde zum Arbeitstag des anderen und umgekehrt – mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen. Schmähungen des Rates und Lästerschriften, die dem Rat mehr oder minder deutlich mit einer Revolte drohten, taten das ihrige, um den Rat von der Brisanz der Lage zu überzeugen. Die Anwerbung von zusätzlichen Söldnern Ende 1583 signalisierte dessen Krisenbewußtsein ebenso wie Anfang 1584 die Wiederaufnahme des seit 30 Jahren nicht mehr geübten Rechts des Rates, die Prädikanten zu berufen, und nicht mehr nur – wie nach 1552 üblich – die Personalentscheidungen des protestantischen Kirchenministeriums zu bestätigen. Die Anstellung weiterer Prädikanten, die durch ihre Agitation gegen den Kalender die Unruhe in der Bevölkerung wachhielten, sollte so verhindert werden. Die vom Rat berufenen neuen Prediger jedoch wurden von ihren Augsburger Kollegen nicht anerkannt. Damit war die Basis gelegt für den Vokations- oder Prädikantenstreit, für den erst 1591 ein Kompromiß gefunden werden sollte – wieder war eine im Kern verfassungsrechtliche Frage angeschnitten. Der Versuch, Dr. Georg Miller (Mylius), den Superintendenten und zugleich wortmächtigsten Gegner des nun seit Mai 1584 allgemein gültigen Kalenders, der Stadt zu verweisen, brachte am 4. Juni 1584 die Eskalation des Konflikts. Eine aufgebrachte Menge von angeblich rund 4000 Menschen rottete sich vor dem Rathaus
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Zu den Fragen der städtischen Verfassung vgl. insbesondere Naujoks: Vorstufen, S. 49f., Roeck: Augsburg, S. 126f. Zum Engagement Rudolfs II. Steuer: Außenverflechtung, S. 166. Vgl. Warmbrunn: Zwei Konfessionen, S. 363.
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zusammen, nachdem sie sich z.T. im Zeughaus bewaffnet hatte; doch das entschiedene Auftreten der von der Stadt angeworbenen Truppen und die Besänftigung der Menge durch die herbeigeholten Prädikanten konnte die Menge zur Auflösung bewegen. Sicher ebbte der Aufruhr auch deswegen schnell ab, weil es keine eigentlichen Anführer des gewaltsamen Protests gegeben hatte.523 Gesandte der protestantischen Nachbarn Ulm und Württemberg vermittelten eine Befriedung, die jedoch die Konflikte nicht dauerhaft zu lösen vermochte. Noch Ende Juli trat daher auf Empfehlung des Reichshofrats in Wien eine kaiserliche Kommission ihren Dienst an, wenn auch nicht in der ursprünglich vom Reichshofrat beabsichtigten konfessionell gemischten Besetzung.524 Die Kommissäre sollten in Verhandlungen mit Ausschüssen der Konfliktparteien bzw. mit dem Rat nicht allein den Kalenderkonflikt beilegen, sondern auch einen ordnungsgemäßen Verlauf der Ratswahlen nach der von protestantischer Seite angezweifelten Karolinischen Ordnung ermöglichen. Langwierige Verhandlungen mit Bürgerausschüssen erbrachten jedoch keinen Kompromiß, dem die protestantische Seite zugestimmt hätte; diese sah ihren im Religionsfrieden garantierten Schutz in der bikonfessionellen Reichsstadt Augsburg verletzt.525 Die Ratswahlen konnten dennoch ungestört durchgeführt werden und führten zu keiner Veränderung des konfessionellen Kräfteverhältnisses im Rat.526 Insbesondere der fortgesetzte Konflikt um die Berufung neuer Prädikanten – von anhaltendem, zumeist passiven Widerstand gegen den neuen Kalender ganz abgesehen – brachte vor den Ratswahlen 1585 und 1586 erneut kaiserliche Kommissionen in die Stadt, besonders hartnäckige Gegner der Ratspolitik wurden der Stadt verwiesen. 1586 wies der Rat gar alle Prädikanten als Unruhestifter aus, zahlreiche Kalendergegner befanden sich vor allem in Ulm im Exil. Die protestantische Bevölkerung schalt die neu vom Rat angestellten Prediger vielfach als «Mietlinge» und boykottierte deren Gottesdienste.527 Beide Seiten versuchten immer wieder aufs Neue, ihre auswärtigen Verbündeten zum Einsatz zu bringen: die katholischen Ratsmitglieder insbesondere Bayern und den Kaiser, die Protestanten Württemberg und Ulm; auch der Pfalzgraf von Neuburg, die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen wurden um Fürsprache angegangen und setzten sich bei Kaiser und Stadt für die protestantische Partei ein. Anhand von Quellen
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Zur Problematik der Anführerschaft insbesondere Roeck: Augsburg, S. 167. Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, betont mit Nachdruck, daß zunächst in der Tradition der bisherigen Reichshofratskommissionen auch eine protestantische Besetzung der Kommission geplant war, die durch die Ablehnung des Pfalzgrafen von Neuburg dann nicht zustande kam. Für die vorangehende Zeit Maximilians II. hat Sabine Ullmann jüngst noch einmal die paritätische Besetzung der Kommissionen bei konfessionellen Streitfragen und damit die entschiedene Bestätigung der Ordnung von 1555 hervorgehoben, vgl. Ullmann: Lange Bank, bes. S. 296. Ein diesbezüglich bei Rudolf II. vorgebrachter Protest blieb erfolglos, vgl. Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 200. Zu den Reichshofratskommissionen Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 198–200. Hierzu und zur damit verbundenen Problematik des verringerten Almoseneinkommens über die Spenden in den Kirchen vgl. Roeck: Augsburg, S. 169–180.
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zum Reichshofrat betonte jüngst Stefan Ehrenpreis, daß der Rat der Stadt den verwandtschaftlich eng mit Augsburg verbundenen Reichsvizekanzler Kurz von Senftenau, ebenso den Fuggerschen Verwandten, Reichshofratspräsidenten und Vertrauten Rudolfs II., Paul Sixt Trautson, mehrfach direkt mit Suppliken zum Kalenderstreit angingen, anstatt den offiziellen Weg über den Kaiser als obersten Richter zu wählen.528 Angestoßen durch den Reichsvizekanzler wurde der Kalender- und Vokationsstreit auch unter Umgehung des Reichshofrats im kaiserlichen Geheimen Rat behandelt.529 Nach langem Ringen konnte schließlich 1591 mit Unterstützung protestantischer Städte eine gemeinsame Regelung der Vokation gefunden werden, die eine weitgehende Selbständigkeit des protestantischen Kirchenministeriums bei gleichzeitiger Betonung «formeller obrigkeitlicher Rechte»530 ermöglichte.
3. Ausgangsbedingungen für die Fuggersche Position im Kalenderstreit Daß der überzeugte Katholik Fugger ein Verfechter der Gregorianischen Kalenderreform war, wird niemanden verwundern; durch einen kurzen Blick auf seine persönlichen Voraussetzungen und sein familiäres wie städtisches Umfeld seien die wesentlichen Bedingungsfaktoren seiner Position hier kurz rekapituliert: Die wirtschaftspolitische Perspektive, auf die der Rat der Stadt Augsburg so großen Wert legte, um die Einführung des neuen Kalenders zu rechtfertigen, war für den Geschäftsmann Hans Fugger zweifellos ein schlagendes Argument, obwohl er in seinen Nachrichten über den Kalenderstreit die Position, dz es [die Annahme des neuen Kalenders, d. Verf.] nemblich ein politisch werkh, und vom bapst gar nit gebotten sei,531 lediglich einmal als Verlautbarung der ersten Vermittlungskommission im Juni 1584 referierte. Die Aussicht auf die Einführung der Kalenderreform im Herzogtum Bayern und in der Markgrafschaft Burgau, die als direkte Nachbarn die nächstgelegenen Handelspartner der Reichsstadt waren, ebenso die Akzeptanz des neuen Kalenders in den für Augsburg wirtschaftlich so bedeutenden südeuropäischen Ländern, können tatsächlich als wichtige Weichenstellung für die Ratsentscheidung zur Einführung der Gregorianischen Reform gelten.532 Ab wann genau Fugger selbst nach dem neuen Kalender datierte, ist nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Er stellte aber vermutlich gemäß des obrigkeitlichen Entscheids, der den neuen
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Vgl. Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 200f., so auch schon Steuer: Konflikt, S. 128. – Zu den Verwandtschaftsbeziehungen Kurz’, Vieheusers und Trautsons vgl. S. 63. Die Rolle Trautsons im Reichshofrat und als Berater Rudolfs kurz gefaßt bei Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 105, 313f. So Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 201. Ehrenpreis betont jedoch gleichzeitig gegen Steuer, daß die Weiterleitung gegnerischer Eingaben an den Rat zur Kenntnis und Replik Usus des Reichshofrats und keine Besonderheit dieses Falls gewesen sei. Naujoks: Vorstufen, S. 60 sowie zusammenfassend Roeck: Augsburg, S. 179. Hans Fugger an Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, 16.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 162 (II/2 2524). Dazu Roeck: Augsburg, S. 125f.
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Kalender ab Februar 1583 verfügte, im Laufe dieses Monats seine Korrespondenz um, wohl weitgehend parallel mit der Umstellung im Hochstift Augsburg.533 Im aigen copierbuech existieren nämlich für die Zeit zwischen dem 9. und dem 25. Februar keine Einträge: Da uns die Briefe keine explizite Begründung für diesen relativ langen Zeitraum ohne Korrespondenz liefern, liegt die Erklärung nahe, daß Fugger in dieser Zeit den Sprung des neuen Kalenders von 10 Tagen nachvollzog und so vermutlich am 9. Februar noch nach dem alten, am 25. aber bereits nach dem neuen Kalender datierte. Auch erwähnte er Anfang März in einem Brief an Anton von Montfort erstmals eine Datierung nach altem Kalender – vorher hatte er diese Unterscheidung nicht vorgenommen.534 Die Beschlüsse des erwürdigen rhats waren in der Zeit von 1576–1585 stets Entscheidungen, die ein Mitglied der Familie Fugger am oberen Ende der städtischen Ämterhierarchie in der Öffentlichkeit Augsburgs und darüber hinaus zu vertreten hatte: Marx Fugger, einer der beiden Stadtpfleger, überließ jedoch allem Anschein nach die Führung der Amtsgeschäfte – auch in der Zeit des Kalenderstreits – zumeist seinem Amtskollegen und Vetter Anton Christoph Rehlinger, den sich die Kalendergegner in der Stadt zum Feindbild erkoren.535 Dennoch stand Marx mit an der Spitze der Ratsmehrheit, die den neuen Kalender gegen die Proteste der Prädikanten wie der Gemeinde unbedingt durchzusetzen gewillt war. Hans Fugger – und damit seinen Korrespondenzpartnern – garantierte das Amt seines Bruders, der ja im selben Haus wohnte und nach seinem Rücktritt als Stadtpfleger weiter dem Geheimen Rat angehörte, eine optimale Informationsbasis hinsichtlich der Entscheidungen des Rats und der Arbeit in den eingesetzten Schlichtungskommissionen.
4. Fuggers Adressaten zu Ereignissen des Kalender- und Vokationsstreits Zum Kalender- und Vokationsstreit liegen Fuggersche Briefe aus den Jahren 1583– 1586 vor; die Fortdauer des Konflikts bis hin zum Kompromiß über die Prädikantenberufung 1591 kann also aufgrund von einigen fehlenden Kopierbuch-Heften für 1583 und 1584536 und wegen der Überlieferungslücke der Jahre 1587–1591 anhand der Fuggerkorrespondenz nicht für den gesamten Zeitraum nachverfolgt werden. Vermutlich gäbe es auch bei breiterer Überlieferung für die Jahre nach 1586 ohnehin nur wenige Briefzeugen, liegt doch Fuggers Berichtsschwerpunkt 533 534
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Vgl. Zoepfl: Augsburg 1, S. 119. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 03.03.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2297). – Bei Fuggers Antwort auf ein Schreiben Christoph Otts im November 1582 wird die alte Zeitrechnung Fuggers noch sehr deutlich: Ott datierte in Venedig bereits neu auf den 12.11., Hans Fugger seine Antwort auf dieses Schreiben dagegen auf den 10.11. (nach dem Gregorianischen Kalender der 20.11.). Vgl. FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2214). Über Marx Fugger ausführlich Lutz: Marx Fugger, hier bes. S. 457f., Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 532. Zu Rehlinger vgl. auch Mauer: Geschrey, S. 174. Nicht überliefert sind die Hefte für September bis November 1583 (H. 50) sowie für Oktober bis Dezember 1584 (H. 56, 57).
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mit 43 von insgesamt 53 überlieferten Briefen zu diesem Augsburger Konflikt ganz klar im Jahr 1584. Der Kreis von 15 Adressaten, an die Briefe zum Kalenderstreit gerichtet sind, bleibt recht überschaubar, die Häufigkeit des Briefkontakts zu ihnen ist ausgesprochen signifikant: Wir treffen hier einige von Fuggers Hauptadressaten für den im wesentlich zeitgleich ablaufenden Kölner Krieg wieder, steht doch Hans von Montfort mit 10 Briefen zu den Augsburger Ereignissen an der Spitze, dicht gefolgt von Johann Tonner, Jörg und Anton von Montfort. Bei der Betrachtung der verschiedenen Briefthemen läßt sich insbesondere bei den Schreiben an Hans von Montfort, Johann Tonner und an den Kriegsmann Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, der ebenfalls noch sieben Briefe zum Kalenderstreit erhielt, feststellen, daß Fuggers Berichterstattung an diese Personen im Rahmen eines gegenseitigen Nachrichtentauschs zu verschiedenen Schauplätzen vor sich ging.537 Auch dürfte insbesondere bei Fuggers Neffen wie bei seinem ehemaligen Präzeptor ein gesteigertes Interesse an den Unruhen in der Heimatstadt ihrer Mutter und ihrer Onkel bzw. der ehemaligen Schüler anzunehmen sein. Für Jörg und Anton von Montfort wurde der Nachrichtentransfer jedoch noch fortgesetzt, als sie nicht mehr an den Höfen in Prag bzw. Trient und Rom Dienst taten.538 Nicht unlieb konnte es Hans Fugger sein, daß Tonner am Kaiserhof in Prag, Montfort als Präsident des Reichskammergerichts in Speyer in einflußreichen Positionen tätig waren. Gerade das Reichskammergericht war ja durch die Appellation der Kalendergegner und den folgenden Einspruch des Augsburger Rates gegen das erwirkte Pönalmandat ganz zentral mit den Augsburger Vorgängen befaßt, und möglicherweise wußte Fugger von den bereits angeführten engen verwandtschaftlichen Beziehungen Hans Ulrich Hörwarts nach Speyer. Die Liste der einflußreichen Persönlichkeiten läßt sich aber noch fortsetzen: Werner Breitschwerdt, Reichshofkanzleitaxator539 in Prag, erhielt zweimal von Fugger Nachricht über die Augsbuger Vorgänge, und auch Herzog Ferdinand von Bayern, 1584 als Feldherr im Erzstift Köln engagiert, um seinem Bruder das Kurfürstentum zu sichern, wurde im Juni 1584, unmittelbar nach dem Aufstand gegen den Rat, von Hans Fugger einmalig informiert. Den Briefen an diese beiden Adressaten wird noch besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein.
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Im Falle Ottheinrichs von Braunschweig waren dies, seinem militärischen Einsatzort entsprechend, insbesondere Nachrichten vom niederländischen bzw. nordfranzösischen Kriegsschauplatz. Vgl. hierzu Hans Fugger an Ottheinrich zu Braunschweig, 24.10.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2203), Karnehm: Regesten II/2, S. 987 mit biographischer Kurznotiz. Vgl. die Berichte Hans Fuggers an Jörg von Montfort, 11.08.1585, 28.08.1585, beide FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2862, 2876) sowie 27.08.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3039) und an Anton von Montfort, 02.07.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2991). Bei Sieh-Burens: Oligarchie, S. 199 wird Breitschwerdt irrtümlich als Reichsvizekanzler geführt, dagegen seine zweifelsfreie Identifikation als Reichshofkanzleitaxator, der für die Erhebung der Gebühren für die ausgestellten Schriftstücke der Kanzlei zuständig und über den dortigen Schriftverkehr gut informiert war, bei Hausenblasová: Hof Rudolfs, S. 84.
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5. Bewertungslinien und Perspektiven auf den Konflikt a) Kalendergegner und -befürworter aus der Perspektive Hans Fuggers Bereits die erstmalige Erwähnung von Protesten gegen den neuen Kalender in Fuggers Korrespondenz ist bezeichnend: In einem Brief an Hans von Montfort bewertete Fugger das Speyerer Urteil vom März 1583, das die Einführung des Kalenders in Augsburg vorläufig stoppte, dem Präsidenten des Gerichts gegenüber gar als übel [...] mandat,540 die vorangegangene gerichtliche Klage der Kalendergegner war ihm Beleg dafür, dz man under dem schein der religion alle schelmereien döckhen will.541 Von Beginn an finden wir bei Fugger die Position der Kalendergegner also eindeutig diskreditiert. Die religiöse Interpretation der protestantischen Seite, der neue Kalender diene der Unterwerfung unter päpstliche Jurisdiktion und müsse aus Gewissensgründen abgelehnt werden, wird als schein abgetan. Mit den schelmereien als wahrem Grund unter dem religiösen Deckmäntelchen stellt Hans Fugger die Gegner der obrigkeitlichen Kalenderpolitik als soziale Unruhestifter dar, kriminalisiert sie geradezu. Längst war durch die Anzweiflung der Entscheidungsgewalt einer Ratsmajorität von seiten der Kalendergegner die verfassungspolitische Dimension des Kalenderstreits offenbar geworden.542 Mit den gesteigerten Unruhen um die Jahreswende 1583/84 – der Rat hatte inzwischen schon zusätzlich Landsknechte geworben543 – setzen die Meldungen zu Augsburg nach der mehrmonatigen Überlieferungslücke wieder ein, und sie passen ganz in das Schema der eben geschilderten schelmereien: Verwegen bueben hätten den Katholiken allerlej insolatia544 [...] bewisen,545 und vil böse schnäbl ließen sich mit allerlej böser reden wider die oberkheit546 vernehmen. Fugger präsentierte einen entschlossenen Rat, der mit Gefängnishaft, Ausweisung, Züchtigung gegen die Übeltäter vorging.547 Doch Fuggers Briefe werden beherrscht vom Gefühl einer Ruhe vor dem Sturm: Gegenüber Hans von Montfort wie auch gegenüber Ottheinrich Herzog von Braunschweig ließ Fugger sich Ende Januar 1584 vernehmen, daß khein uffrhur noch bis her548 und 540 541 542
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Hans Fugger an Hans von Montfort, 02.05.1583, FA 1.2.12b H. 48, pag. 30 (II/2 2308). Hans Fugger an Hans von Montfort, 02.05.1583, FA 1.2.12b H. 48, pag. 30 (II/2 2308). Vgl. die Zusammenfassung und Bewertung bei Roeck: Augsburg, S. 126f. sowie Naujoks: Vorstufen, S. 49f. Über die Unruhen zu Beginn des Jahres 1584 und die Maßnahmen des Rats auch Stetten: Augspurg, S. 664. Insolatia steht hier vermutlich irrtümlich für lat. insolentia, also ‹Unverschämtheiten›. Vgl. hierzu Georges: Handwörterbuch 2, Sp. 316. Hans Fugger an Hans von Montfort, 06.01.1584, FA 1.2.12b H. 51, pag. 531 (II/2 2435). Hans Fugger an Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, 31.01.1584, FA 1.2.12b H. 51, pag. 616f. (II/2 2459). Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 06.01.1584 (II/2 2435) und 27.01.1584 (II/2 2448) sowie an Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, 31.01.1584 (II/2 2459) – alle FA 1.2.12b H. 51. Hans Fugger an Hans von Montfort, 27.01.1583, FA 1.2.12b H. 51, pag. 577 (II/2 2448), ähnlich an Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, 31.01.1584, FA 1.2.12b H. 51, pag. 616 (II/2 2459).
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keine offene Gewalt stattgefunden habe – das noch zeigt nur zu deutlich, daß in Hans Fuggers Augen die Eskalation nur eine Frage der Zeit und, wie er Montfort gegenüber betonte, bislang nur durch die vom Rat verordnete starckh wacht549 verhindert worden war. Es möcht noch geschehen, fürchtete Fugger, und die Begründung für einen drohenden Aufstand hatte er ebenfalls parat: die fructus der neuen religion geben es nit anderst.550 Angesichts der Funktion Montforts als Reichskammergerichtspräsident deutet sich hier die Möglichkeit an, daß Fugger auf seine Weise der erhofften Kassation des Pönalmandats, die auch Rudolf II. und Wilhelm V. als Unterstützer des Rats forderten, den Weg bereiten wollte. Die Gegenseite hatte schließlich ebenso verwandtschaftliche Beziehungen genutzt, um das Urteil eines vorläufigen Aufschubs der Kalendereinführung in Speyer zu erwirken.551 Die Argumentation, religiöse Motive seien eine reine Schutzbehauptung, waren zusammen mit der Gefahr eines Aufstands gegen das rechtmäßige Ratsregiment in den Augen des Montforters möglicherweise schlagende Beweggründe für eine Aufhebung des früheren Urteils. Wie Bernhard Ruthmann an anderen Beispielen des 16. Jahrhunderts gezeigt hat, lag die Beeinflussung der Kammerrichter – etwa unter Ausnutzung alter Klientelbindungen – den Zeitgenossen Fuggers durchaus nicht generell fern.552 Als schließlich selbst nach dem Entscheid des Reichskammergerichts für die Durchführung der Kalenderreform der Protest nicht abebbte, spiegelt Fuggers Korrespondenz wenige Tage vor dem bewaffneten Aufstand am 4. Juni 1584 die Entschlossenheit des Rates zur Durchsetzung: wer mit lieb nit will, dem würt man ein ander latein ufgeben.553 In seinen Briefen vom 5. bis 17. Juni berichtete Hans Fugger an Tonner und Breitschwerdt nach Prag, an Jonas von Heisperg am Hofe Erzherzog Ernsts in Wien, an Ottheinrich von Braunschweig und schließlich an Wolf von Montfort vom Aufstand: Wegen des neuen calenders bzw. der versuchten Ausweisung Mylius’ habe sich die ganz gemain gestern zusamen gethon, und sind armata manu inn der statt wie unsinnig umbgeloffen.554 Nur die Zurückhaltung der Bürgerstuben habe ein Blutvergießen verhindert. Nicht nur von der Anzahl der Beteiligten her – die ganz gemain oder auch der gemain man werden von Fugger zumeist als Handelnde genannt555 –, sondern auch zur Zielsetzung des Aufruhrs baute Fugger insbesondere in Briefen an Tonner und Ottheinrich von Braunschweig ein gewaltiges Gefahrenpotential auf: nit allein die catholischen
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Hans Fugger an Hans von Montfort, 27.01.1584, FA 1.2.12b H. 51, pag. 577 (II/2 2448). Hans Fugger an Hans von Montfort, 27.01.1584, FA 1.2.12b H. 51, pag. 578 (II/2 2448). Dr. Johann Hartlieb, Beisitzer am Reichskammergericht, erwirkte auf Betreiben seines Schwagers Haintzel, der mit den drei Kirchenpflegern im Rat gegen die Einführung des Kalenders opponiert hatte, das Pönalmandat vom März 1583. Vgl. hierzu Steuer: Konflikt, S. 119. Vgl. die Beispiele bei Ruthmann: Reichskammergericht, bes. S. 3–5, 12–15, 22f. Hans Fugger an Hans von Montfort, 01.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 119 (II/2 2509). Hans Fugger an Johann Tonner, 05.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 147 (II/2 2519). Vgl. Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 05.06.1584, pag. 140 (II/2 2518), an Johann Tonner, 05.06.1584, pag. 147 (II/2 2519), an Ottheinrich von Braunschweig, 09.06.1584, pag. 152 (II/2 2521) – alle FA 1.2.13 H. 53.
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sonder alle die etwas haben,556 seien von diesem Aufstand bedroht gewesen, blünderung inn der statt557 habe gedroht. Damit betonte Fugger die sozialen Hintergründe, wie sie in der Forschung insbesondere durch Bernd Roeck ausgeleuchtet wurden, und ließ gleichzeitig eine Gefährdung auch für die wohlhabende protestantische Bevölkerung aufscheinen – damit war laut Fugger das Gemeinwesen als Ganzes bedroht. Der neue Kalender erscheint hier als Auslöser für einen Aufruhr, der in einen Affront gegen die gesamte reiche Oberschicht mündet; Fugger hatte armb volckh558 als Masse der Aufständischen ausgemacht. Gleichzeitig war dieser soziale Aufruhr wieder dazu angetan, einer «Diskriminierung der Motive der Aufständischen» das Wort zu reden, wie Bernd Roeck auf der Basis der inhaltlich gleichlautenden Zeugenbefragung Hans Fuggers vor der später eingesetzten ersten kaiserlichen Kommission betonte. Nach Fugger waren hier eben nicht konfessionelle Bedenken im Spiel, vielmehr zielte die neue religion für ihn nur auf Gewalt und Unruhe.559 Auf diese Weise bekräftigen Fuggers Briefe seine Aussage im Zeugenverhör und verleihen im Grunde auch einer Stellungnahme des protestantischen Kaufmanns David Weiß im Rahmen dieser Zeugenbefragung erhöhte Bedeutung: Die vergleichsweise niedrigen Steuern, die Mitglieder der Familie Fugger trotz ihres hohen Vermögens entrichteten, hätten in der Bevölkerung ebenso Unmut erregt wie die Fuggerschen Häuserkäufe zum Abriß und zur Errichtung von Gärten in der Stadt, wo doch Wohnraum so knapp sei: dardurch [seien] den armen burgern ire underkommen geschmelert unnd entzogen.560 Weiß führte also ebenfalls explizit die materiell bedrängte Lage eines Teils der Bürgerschaft an, freilich mit ‹Anti-Fuggerscher› Spitze. Derartige Vorwürfe an die Fugger – auch eine Vernachlässigung der Amtsgeschäfte durch Marx Fugger wurde angeführt561 – waren in Fuggers Briefen natürlich nicht Thema, obwohl sie ihm sicher nicht verborgen geblieben sind: Eine solche Nachricht in seinem Korrespondentenkreis hätte ja geradezu als Eingeständnis gewertet werden können, daß den Fuggern als Exponenten der katholischen
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Hans Fugger an Johann Tonner, 05.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 148 (II/2 2519). Hans Fugger an Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, 09.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 152 (II/2 2521). Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 05.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 141 (II/2 2518). Bei dem Zeugenverhör im Sommer 1584 nannte Fugger muetwill unnd armuet anstatt religiöser Motivation als wahre Hintergründe der Eskalation im Juni. Die Bewertung bei Roeck: Augsburg, Zitat S. 134. Das Verhörprotokoll in StAA Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 27 (nicht foliiert, Verhör vom 02.08.1584; Weiteres zur Befragung Fuggers s.u.). Vgl. Stetten: Augspurg, S. 676, Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 532, Roeck: Augsburg, S. 136. – Das Zitat aus Weiß’ Zeugenaussage nach StAA Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 27. – Über Fuggersche Gartenanlagen auf Stadtgebiet auch Sieh-Burens: Oligarchie, S. 107 (mit weiterführender Literatur). So Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 532. Dieser Vorwurf wiederum bei Weiß, StAA Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 27.
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Oberschicht eine Mitschuld an der Gärung in der Stadt zugeschoben werden müsse.562 Doch wer die eigentlichen Hintermänner waren, daran bestand für Fugger kein Zweifel: Wieder und wieder rekurrierte er auf die predigcanten (die den gemainen man ganz und gar an sich gehenckht),563 in vorderster Front natürlich Mylius, dessen Rolle noch gesondert untersucht wird. In Fuggers Berichten zu den nun folgenden Verhandlungen der kaiserlichen Kommissare mit den Bürgerausschüssen stellte er sehr stark die Zielsetzung heraus, daß die nechste rhats wahl wol und mit friden abgee.564 Noch vor dem Kalender-Konflikt rückt so der Verfassungsdissens in den Vordergrund und damit die wahren Ängste der katholischen Oberschicht Augsburgs um die Wahrung ihrer Position. Tatsächlich waren von protestantischer Seite in den Verhören der Kommission nach anfänglichen Treuebekundungen zur gegenwärtigen Ordnung Forderungen nach Änderung der Karolinischen Wahlordnung von 1548 laut geworden.565 Hans Fugger war diese Haltung Anlaß, gegenüber den Brüdern Montfort und – im folgenden Zitat – gegenüber Johann Tonner die Wankelmütigkeit und die in den Augen der katholischen Machtelite horrenden Forderungen mit schärfsten Worten zu geißeln: Die Kay:[serlichen] Comissarien sten jezo inn der 3. wochen alhie, ich khan euch aber khein grund [hier: Ende, d. Verf.] inn handlung anzeigen, dan sich die pertheyen dermassen variable erzeigen, dz was heut ja morgen nain [...]. Man will in S:[umm]a kheine catholische hie mer gedulden, sonder die predikhanten wie zu Ulm und inn Wirttemberg ales regiren, solten wir nun alhie einmal die catholisch religion verliren, ist wol zusorgen, khein kaiser Carl würde die so bald mer restauriren, und zu letst dise statt auch darob zu grund geen, und ehr lang dz gras uff dem weinmarckht wachsen. Gott wöll es alls zum besten wenden, der khan allein die mittel schicken, die khein vernunfft endecken [sic!] khan.566
Deutlich wird hier nicht nur die heftige Kritik an der protestantischen Seite wegen des Rückzugs der Prädikanten von einem kurz zuvor mit den Kommissaren ausgehandelten Kompromiß,567 sondern auch die Furcht der katholischen Elite vor einer protestantischen Dominanz, die nicht mehr, wie noch unter Karl V., zurückgedreht werden könnte. Eindeutig werden hier den Predigern politische Ambitionen unterstellt. Wertvoll macht dieses Zitat aber zugleich der Ausdruck hohen Selbstbewußtseins der katholischen Machtelite: Augsburg müsse ohne die Katholiken zugrunde
Freilich ordnet sich diese Kritik am ‹unsozialen› Verhalten der Fugger gut in die Vorbehalte ein, die auch von einigen Augsburger Chronisten gegen Fuggersche Prunkliebe und Fuggerschen Dünkel vorgebracht wurden und damit in der Stadt weiter verbreitete Ressentiments gegen die sichtbar erfolgreiche und entsprechend exponierte Fuggerfamilie spiegelten. Vgl. den Überblick bei Mörke: Sonderstruktur, S. 146–152 sowie Mauer: Geschrey, S. 101–106. 563 Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 05.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 142 (II/2 2518). 564 Hans Fugger an Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, 11.08.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 384 (II/2 2596). 565 Vgl. hierzu Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 532. 566 Hans Fugger an Johann Tonner, 16.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 438f. (II/2 2611). 567 Vgl. Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 534f. 562
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gehen, und der Weinmarkt, Ort wirtschaftlicher Aktivität wie auch öffentlicher Zeremonien während der Reichstage,568 damit Symbol für die Bedeutung der Stadt und nicht zuletzt der Platz, an dem bis heute die Fuggerhäuser stehen, würde ohne sie wüst und leer – kein Augsburg also ohne die Katholiken, in Fuggers Augen die einzig wahren (und fähigen) Herren der Stadt! Gleichzeitig wirft dieses Zitat Licht auf das Fuggersche Selbstverständnis: Hier machte sich wieder die doppelte Verortung als Bürger Augsburgs und Stand des Reichs bemerkbar. In welchem Ausmaß allerdings auch hier politisches Kalkül Fugger die Feder führte, sei dahingestellt – Johann Tonner, der hier Angesprochene, war eben nicht nur ehemaliger Präzeptor Fuggers, sondern auch Reichshofrat und überdies ehemaliger Präzeptor des Kaisers mit einer anhaltend guten Beziehung zum Herrscher.569 Echt aber war die Entrüstung über die Kehrtwende der protestantischen Konfliktpartei zweifellos – Fugger klagte Mitte August in Briefen an Jörg, Hans und Anton von Montfort bitter über die hailosen leut,570 die unbestendig und wankhelmütig auch inn dem begern so unverschambt [seien], ut nihil supra.571 Weder über ehre noch erberkeit [Ehrbarkeit] verfügten sie, wa sie ein ding schon zugesagt, ja darübr ein aid geschworen, so sagen sie befinden in irm gewissen nit, dz sies halten sollen.572 Hier zeigt sich wieder, wie rasch Fugger neueste Entwicklungen weiterzuleiten vermochte: Lehnten die Prädikanten den Kompromißvorschlag der kaiserlichen Kommissäre am 16. August ab, so nahm Fugger nahezu zeitgleich brieflich darauf Bezug. Bezeichnenderweise glaubte Hans Fugger nicht mehr, daß die Stadt aus eigener Kraft zu einer Beendigung des Konflikts gelangen könne: Hatte er bei Eintreffen der kaiserlichen Kommission Ende Juli 1584 noch gehofft, nach erfolgter Ratswahl werde, wan ein Er:[würdiger] rhat [...] etlihe köpff wekh reisst,573 eine Beruhigung eintreten, so erwartete er rund drei Wochen später angesichts der verfahrenen Lage nur noch eine Bereinigung durch kaiserliche Gewaltmaßnahmen: und sorg wol wan die Rö:[mische] Kai:[serliche] Mt: [Maiestät] nit etlihe fendlen574 [...] uff der bürger costen herein verordnen, werde man die ungehorsamen zu kheinr zucht bringen khinden.575 Ein derart entschlossenes Eingreifen des Kaisers, das gleichwohl nie erfolgte, hätte freilich aufs schönste den harten Kurs der Augsburger Ratsführung bestätigt. Das Engagement Ludwigs von Württemberg dagegen fand Fugger weniger angebracht – kein Wunder, der Herzog und seine Tübinger Universität, an der die Augsburger Prädikanten ausgebildet worden waren, hatten sich schon von Beginn 568
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Vgl. den Überblick bei Günther Grünsteudel: Art. «Maximilianstraße». In: Ders. u.a. (Hg.), Augsburger Stadtlexikon, Augsburg 21998, S. 642. Zu Tonner: Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 312. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 17.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 447 (II/2 2613). Hans Fugger an Hans von Montfort, 16.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 453 (II/2 2615). Hans Fugger an Anton von Montfort, 18.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 461 (II/2 2617). Hans Fugger an Johann Tonner, 26.07.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 305 (II/2 2570). Ähnlich auch im Brief an Jörg von Montfort, 03.08.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 314 (II/2 2582). Fähnlein, d.h. Abteilungen mit Landsknechtstruppen. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 17.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 447 (II/2 2613).
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des Konflikts an als verläßliche Unterstützer der Kalendergegner gezeigt.576 Der von Ludwig als Kreisobrist ausgeschriebene Kreistag nach Aurach, der sich den hirigen lutherischen zu guten577 mit der Kalenderfrage beschäftigen sollte, wurde von Fugger nur als weitere verhinderung578 gewertet, die der Beilegung des Konflikts im Wege stand. Zu Fuggers Erleichterung aber zeitigte diese Initiative keine Ergebnisse.579 Doch die kaiserliche Kommission setzte die Ratswahl ohne Konsens der Konfliktparteien durch, und Fugger konnte eine Besserung, wenn auch nicht Lösung der Lage melden.580 Erst in dieser Zeit thematisierte Fugger den Vokationsstreit, obwohl dieser schon in früheren Verhandlungen der Kommission mit den Prädikanten virulent geworden war.581 Vermutlich subsumierte er vorher diese Problematik unter der Frage, wer die Macht in der Stadt beanspruche. Es ist kaum verwunderlich, daß er – ohne auf die Zwischenphase der veränderten Berufungspraxis seit 1552 einzugehen – die Argumentation des Rates wiedergab, daß nämlich die Prädikanten die presentation, und dz annemens der predikanten wellen erhalten582 – eine Befugnis also, die sie in Fuggers Formulierung zugestanden haben wollten, aber nicht von Rechts wegen innehatten. Folgen konnte daraus, und dies war ganz die obrigkeitlich-katholische Perspektive, nur teglich neue lermen und uffrhur.583 Wie der Konflikt um die Vokation hatte auch diese Perspektive Fuggers weiterhin Bestand. Ein Jahr später, im August 1585, wetterte Fugger wieder gegen die Prädikanten, weil sie das Vokationsrecht beanspruchten – die Differenzierung, daß der Rat nach Jahrzehnten anderweitiger Praxis sein Recht erst wieder 1584 geltend gemacht hatte, war aus Fuggerscher Perspektive wahrhaft nicht nötig.584 Es war Gefahr im Verzug, und wieder einmal stand in Fuggers Augen nicht weniger auf dem Spiel als das Heil der gesamten Stadt: [...] solte man den predigkanten denen nachgeben, dz sie und nit ein Er:[würdiger] rhat predigkanten anzunemen macht hetten, so hetten wir ehe 20 tag vergangen, den .D.[octor] Millr wider hie, und ehe .3. jar wird im ganzen Rö:[mischen] reich khein predigkhant so uffrüerig nit sein, den sie nit alher wirden berueffen, [...] und wird zu letst khein ehrlich mann vor disen geschmeiß hir sich wern khinden. Inn suma sie mehten in khurzen jarn uß diser herlichen stat ein spelunca [machen], ich meins theils wolt sicherer und lieber an der ungherischen greniz als hie sein.585
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Dazu Steuer: Konflikt, bes. S. 119–127. Hans Fugger an Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, 18.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 442 (II/2 2613). Hans Fugger an Jörg von Montfort, 03.08.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 344 (II/2 2582). Vgl. Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 529. Vgl. z.B. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 07.09.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2638). Vgl. Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 533–535. Hans Fugger an Anton von Montfort, 15.09.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 546f. (II/2 2642). Hans Fugger an Anton von Montfort, 15.09.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 546f. (II/2 2642). Zur Beanspruchung des Vokationsrechts vgl. Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 527. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 11.08.1585, FA 1.2.14a H. 61, pag. 704f. (II/2 2862).
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Weiter ließ Fugger erneut anklingen, daß unter den Unterstützern der Prädikanten soziale Problemfälle – fast khlein leut586 – waren, und unverändert galt ihm die Gegenpartei als wortbrüchiges, wahrhaft teuflisches Gesindel, als geschmeiß, das Religion als Scheingrund für Aufruhr gegen die Obrigkeit angab. Die drohende Verwandlung der blühenden Stadt in eine spelunca ist eine weitere wortmächtige Variante zum öden, grasbewachsenen Weinmarkt.587 Schon früher hatte Hans Fugger die drei Kirchenpfleger und Hörwart als teuffelhefftig588 bezeichnet. Drastisch auch die Schlußfolgerung: Hatte Fugger schon 1584 im Zeugenverhör betont, bei einer Regimentsänderung würde er am liebsten die Stadt verlassen,589 so meinte er jetzt, an der ungarischen Grenze, also Auge in Auge mit dem türkischen Erbfeind, würde er sich noch sicherer fühlen; eine Reminiszenz an die zeittypische konfessionspolemische Formel, der Kontrahent anderer Religion sei ebenso schlimm oder gar noch schlimmer als die Osmanen.590 Auch noch 1586 führte Fugger als angebrachtes Mittel die uns bekannte Militärmacht von kaiserlichen Gnaden an, flankiert von der erfolgten Ausweisung der störrischen Prädikanten und ihrer Anhänger – das raben gesind mußte weg, wenn nötig, mit Gewalt.591 Konsensprinzip galt hier keines mehr, denn die städtische concordia war für Fugger, und mit ihm wohl für die gesamte katholische Oligarchie, durch die Agitation der Kalendergegner tiefgreifend zerstört. Fuggers Briefe sind damit ein weiteres beredtes Zeugnis, daß der Kalenderstreit «für die Augsburger Führungsschicht ein traumatisches Erlebnis darstellte».592 Die Lösung des Konflikts durch die Vereinbarung von 1591 und ihre Bewertung durch Hans Fugger können wir anhand der überlieferten Kopierbuch-Korrespondenz nicht mehr nachvollziehen – sie fällt in die Überlieferungslücke des Fuggerschen Briefwerks.
b) «Außenverflechtung» als politische Chance in der Korrespondenz Hans Fuggers Auf der Basis der bislang angeführten Briefbeispiele zum Kalenderstreit konnte nur vermutet werden, daß Fugger die Meinungsposition von Korrespondenzpartnern in ‹strategisch günstigen› Positionen, etwa Johann Tonner, Hans und teilweise Jörg von Montfort in Prag und Speyer, zu beeinflussen oder sie als Multiplikatoren seiner ratstreuen Auffassung zu gewinnen suchte. Zu sehr waren diese drei Adres586
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Vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 11.08.1585, FA 1.2.14a H. 61, pag. 703 (II/2 2862). Vgl. ebenda. Hans Fugger an Anton von Montfort, 25.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 475 (II/2 2622). Vgl. Verhörprotokoll Fuggers in StAA Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 27: [...] da die oberkeit anderst angestellt werden sollt, wollt er alhie nit bleiben. Zu dieser Argumentation der Überblick von Brecht: Luther. Hans Fugger an Anton von Montfort, 02.07.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2991), wörtliches Zitat pag. 359. Roeck: Augsburg, S. 127.
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saten in den regelmäßigen Nachrichtentausch oder auch in den familiär-vertrauten Umgang mit Fugger eingebunden, um hier von eindeutigen Belegen für eine versuchte Einflußnahme sprechen zu können. Die Beweislage aber verbessert sich deutlich bei drei Briefpartnern, die bislang nicht signifikant als Adressaten für politische Nachrichten aufgetreten sind: Herzog Ferdinand von Bayern, Werner Breitschwerdt in Prag und schließlich als Sonderfall Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg. Es ist höchst bezeichnend, wen Fugger frühzeitig über die mutmaßlichen Motive des protestantischen Ministeriums informierte, die auf die verfassungspolitischen Konflikte der Folgezeit vorauswiesen: Knapp vierzehn Tage nach der Revolte des 4. Juni schrieb er an Herzog Ferdinand von Bayern, den jüngeren Bruder des regierenden Wilhelm V. von Bayern, daß die hirigen predicanten [...] ein calvinischen prozeß halten wellen, und die catholischen nit allein uß dem regiment sonder auch aus der statt zutreiben und gern geplündert gesehen hetten.593 Tatsächlich war im Rat die Furcht vor einem Umsturz des gegenwärtigen Stadtregiments und vor einer Vertreibung der Katholiken verbreitet; im Kopierbuch wird dieser Vorwurf hier zum ersten Mal von Hans Fugger explizit erhoben.594 Fugger erwähnte zwar auch, daß der Aufruhr durch die würtembergische und ulmische gestilt worden sei – tatsächlich war am 14. Juni ein Vergleich durch diese Schlichtungskommission zustandegekommen595 –, doch bestehe die Gefahr weiter: Dieser calvinische prozeß, hier zu verstehen als diffamierende Umschreibung für den angeblich angestrebten politischen Einfluß der Prediger im Rat und eine protestantische Dominanz im Rat überhaupt,596 könne nur mit Hilfe von außen abgewendet werden: wa die Rö:[mische] Kai:[serliche] Mt: [Maiestät] nit fürsehens thut, so wirdt ein achisch regiment oder villeicht noch örger daraus werden.597 Mit dem Verweis auf das achisch regiment – gemeint ist hier zweifellos der gegenwärtige Zustand des Stadtregiments in der Reichsstadt Aachen – legte Fugger die Karten auf den Tisch: So wie in Aachen seit den 1570ern die katholische Übermacht im Rat gebrochen wurde und seit 1580 ein Konflikt um die freie Ausübung des lutherischen und reformierten Gottesdienstes ausgetragen wurde, befürchtete er, daß mit dem Kalenderstreit und seinen Folgen der Anfang vom Ende des von einer katholischen Ratsmehrheit getragenen Regi-
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Hans Fugger an Ferdinand von Bayern, 16.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 169 (II/2 2527). Vgl. Naujoks: Vorstufen, S. 50. Vgl. Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 525. Angesichts der konfessionellen Struktur Augsburgs – eine Mehrheit der Bevölkerung hing der Augsburgischen Konfession an, die Minderheit war katholisch – ist das calvinische regiment also nicht allzu wörtlich zu nehmen, die Augsburger Prediger hatten zudem ihre Ausbildung im eindeutig lutherischen Tübingen erhalten (S. dazu Steuer: Konflikt). – Zwinglianische Strömungen waren bis zum Augsburger Religionsfrieden für die Augsburger Reformation prägend gewesen, und darauf konnte Fugger hier rekurrieren, vgl. dazu den Überblick bei Immenkötter, Wüst: Augsburg, S. 14–23. Hans Fugger an Ferdinand von Bayern, 16.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 170 (II/2 2527).
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ments über Augsburg gekommen sein könnte – und damit das Ende für den politischen Einfluß des Fugger-Netzes in der Reichsstadt.598 Warum eine derartige Äußerung in einem Brief an Herzog Ferdinand? Weil, so Fugger, die hier beschriebene mögliche Entwicklung den benachbarten [Territorien, d. Verf.] mit der zeit auch zu unstatten khumen mag.599 Gemeint war hier das Herzogtum Bayern, in dessen Auftrag Ferdinand gerade im Erzstift Köln als Feldherr operierte, um seinem Bruder Ernst den Kurfürstenhut zu sichern – auch dort im Kampf gegen protestantische, ja mehr noch, zum großen Teil dezidiert calvinistische Gegner. Damit hatte Fugger für bayerische Verhältnisse zweifellos ein entscheidendes Reizwort gewählt.600 Bezeichnend ist, daß Fugger zu diesem Zeitpunkt nur im Schreiben an Ferdinand die Gefahr des achischen regiments an die Wand malte. In drei weiteren Briefen, die an Hans von Montfort, Ottheinrich Herzog zu Braunschweig und den Kölnischen Postmeister Jakob Henot gerichtet und allesamt auf denselben Tag datiert waren wie der Brief an den bayerischen Herzog, wurde zwar jedesmal das Engagement der württembergischen und Ulmer Gesandten für den Vergleich erwähnt, aber keine konkreten Anzeichen für ein erneutes Aufflackern des Konflikts oder gar für ein notwendiges Eingreifen des Kaisers genannt.601 Den bayerischen Partnern der politischen Führung Augsburgs konnte Fugger also auf diese Weise verstärkend einen dezenten Hilferuf zukommen lassen, und dies abseits der offiziellen politischen Korrespondenz der Stadtväter, die bei Wilhelm V. Rat und Unterstützung fanden.602 Betont wird die Sonderstellung des Briefes zusätzlich dadurch, daß Fugger sonst im Briefkontakt mit Ferdinand gar keine Nachrichten, sondern meist Wareneinkäufe und Postsendungen übermittelte, und auch hier war der aus Fuggers Antwort einzige ersichtliche Briefanlaß allein der herzogliche Wunsch nach Weiterleitung eines Briefes gewesen. Daß es sich in diesem Zusammenhang tatsächlich um gezielte Fuggersche Informationspolitik entsprechend der Möglichkeiten seines Korrespondenznetzes handelt, belegen drei weitere Briefe, die zwei Wochen nach dem Brief an den Herzog abgesandt wurden. So schrieb Hans Fugger am 30. Juni in Briefen an Anton wie an Hans von Montfort, daß gegenwärtig wieder Ruhe in der Stadt eingekehrt sei; gegenüber Hans, dem Reichskammergerichtspräsidenten, zeigte sich Fugger gar glücklich, wie es unser Herrgott so wunderbarlich geschikht, und alle sachen
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Zu den Vorgängen in Aachen vgl. den Überblick bei Rabe: Reich, S. 378–380. Über die Präsenz des ‹Falls Aachen› im Augsburger Rat Naujoks: Vorstufen, S. 49f., 60f. Hans Fugger an Ferdinand von Bayern, 16.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 170 (II/2 2527). Über Ferdinands Rolle im Kölner Krieg vgl. Lossen: Kölnischer Krieg, S. 218f. Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 16.06.1584 (II/2 2523), an Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, 16.06.1584 (II/2 2524), an Jakob Henot, 16.06.1584 (II/2 2526) – alle FA 1.2.13 H. 53. Über die Korrespondenz des Rats mit dem Kaiserhof in Prag und dem Herzogshof in München vgl. Stetten: Augspurg, S. 669. Zu der von Wilhelm V. gewährten Unterstützung für die Ratsführung auch Steuer: Außenverflechtung, S. 166, 168.
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(dem sej lob und dankh) zu friden gericht der welle uns darin lange erhalten.603 Zufriedenheit also nach dem Vergleich, den die Gesandten Württembergs und Ulms zustande gebracht hatten – anerkannt von Hans Fugger, der zunächst deren Parteilichkeit befürchtet hatte?604 Der Brief an den kaiserlichen Reichshofkanzleitaxator Werner Breitschwerdt in Prag, auf exakt denselben Tag datiert und im Kopierbuch direkt vor dem Brief an Hans von Montfort eingetragen, spricht eine völlig andere Sprache: Unser calender krieg ist gleich wol gestillt, wann abr Ir Kai:[serliche] Mt [Maiestät] uns mit irer authoritet nit etwas hilfft, sorg ich die sachen möchten ehr lang örger als zuvor werden, und zu letst ein calvinisch exitus werden.605 An unauffälliger Stelle – der Brief an Breitschwerdt bespricht ansonsten nur private (Finanz-)Angelegenheiten und Fuggersche Patronage für einen Juden aus Tannhausen – rückte Hans Fugger also die im Moment wohl verhältnismäßig ruhige Lage dennoch in ein kritisches Licht, eine Möglichkeit, an der Schaltstelle kaiserlicher Macht fortgesetzt Aufmerksamkeit für den Schauplatz Augsburg zu erhalten und das ‹Eisen› der kaiserlichen Unterstützung, auf die der Rat angewiesen war, weiter zu schmieden. Ganz im Gegensatz zu den Briefen an die Neffen, denen man eine unmittelbar drohende Zuspitzung keinesfalls hätte verschweigen müssen, war hier dramatisierend gar vom calender krieg die Rede und von der dringend benötigten Hilfe des Kaisers, wolle man den calvinisch exitus, den direkten politischen Einfluß der Prädikanten und die Änderung des Ratsregiments, noch abwenden. Im Briefkontakt mit Breitschwerdt wird übrigens der Kalenderstreit nur noch ein weiteres Mal angesprochen; wie das Schreiben an Herzog Ferdinand fällt er also recht deutlich aus dem Schema des ‹normalen› Nachrichtenaustauschs, wie Fugger ihn etwa mit Tonner oder den Brüdern Montfort pflegte. Die Briefe an Ferdinand wie auch an Breitschwerdt dürften schlagende Beispiele dafür sein, daß Fugger ein- und dieselbe Sachlage in ganz klar abweichender Form berichtete – gemäß den Chancen, die sein Netz ‹privater› Korrespondenz zur politischen Einflußnahme bot. Auf den 16. September 1585 ist ein Schreiben Hans Fuggers zu datieren, das nicht über die Kopierbücher überliefert, jedoch von seiner Inhaltsstruktur her durchaus mit den Schreiben der aigen Überlieferung vergleichbar ist. Hier ist es nachweislich nicht Hans Fugger, sondern sein Briefpartner, Pfalzgraf Philipp Ludwig von Neuburg, der den Augsburger Konflikt zum Briefthema machte: Als Coppia des andern messiff schreibens, so herr Hans Fugger, an pfalzgraff Phillips Ludwig auf Johan Baptista Hainzels und Christoff Welser der jungen gegenberichts stellen lassen, und zuegeschickt hat, den 16. septembris Ao etc. 1585, erscheint Fuggers Brief in einem der Codices Augustani der Staats- und Stadtbi603
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Hans Fugger an Hans von Montfort, 30.06.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 215 (II/2 2541). Ähnlich mit demselben Datum an Anton von Montfort (II/2 2538). Zur Rolle der Ulmer und Württemberger Gesandten vgl. die Briefe Fuggers an Hans von Montfort, 16.06.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2523), an Ottheinrich Herzog zu Braunschweig, 16.06.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2524), an Wolf von Montfort, 17.06.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2528). Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 30.06.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 213f. (II/2 2540).
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bliothek Augsburg über den Kalenderstreit.606 Fuggers Brief ist hier eingeordnet unter eine Vielzahl von Schriftstücken, die entweder Supplikationen, Verhandlungen und Verlautbarungen der Vertreter der Konfliktparteien oder deren publizistischen Schlagabtausch dokumentieren. Anlaß des Schreibens war, wie aus der zitierten Überschrift der Kopie hervorgeht, eine Beschwerde Johann Baptist Haintzels und Christoph Welsers beim Pfalzgrafen. Haintzel und Welser hatten mit 16 weiteren Bürgern einen Protest gegen die Berufung der Prädikanten durch den Rat unterzeichnet und waren im August 1585 zusammen mit Christoph Rosenberger der Stadt verwiesen worden.607 Es war der Pfalzgraf gewesen, der den Kontakt zu Fugger in der Sache des Kalenderstreits gesucht hatte: Ein im Stadtarchiv Augsburg überlieferter Brief Philipp Ludwigs vom 12. August 1585, gefolgt von einem zweiten vom 30. August, markiert den Beginn des Austauschs zum Augsburger Konflikt.608 Die Archivalien belegen, daß der eben erwähnte Brief Fuggers schon der zweite Antwortbrief an Philipp Ludwig war; der erste ist nicht überliefert.609 Der Pfalzgraf und Fugger kannten sich zu dieser Zeit wohl schon an die zwanzig Jahre: Hans Fugger hatte für dessen Vater, Pfalzgraf Wolfgang, Kopierbucheinträgen zufolge Pferdekäufe erledigt, Nachrichten übersandt und war nachweislich 1567 an dessen Tafel in Neuburg zu Gast geladen, wo er vermutlich den 1549 geborenen Philipp Ludwig kennengelernt haben dürfte.610 Für Marx Fugger sind umfangreiche, regelmäßige Nachrichtensendungen an Philipp Ludwig in der Form von zeittungs-Beilagen mindestens seit den 1570er Jahren nachweisbar.611 Offenbar wurden die Briefbeziehungen der Brüder Fugger zum Pfalzgrafen aufgeteilt, wobei Marx die briefliche Begleitung des Nachrichtentransfers übernahm, denn 1574 korrespondierte Hans Fugger seinem Kopierbuch zufolge mit dem jungen Pfalzgrafen wegen eines Kredits; höchstwahrscheinlich war Fugger sogar zu Philipp Ludwigs Hochzeit im selben Jahr eingeladen.612 Von
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SuStBA 4° Cod. Aug. 150, Nr. 21 (nicht foliiert). Vgl. Warmbrunn: Zwei Konfessionen, S. 336. StAA Reichsstadt, Literaliensammlung 1585, pag. 119–121 (12.08.1585), pag. 217–218, 221–226 (30.08.1585). Beide Briefe sind nach altem Stil datiert. Auf zusätzliche Abschriften der pfalzgräflichen Briefe in den Kalenderstreitsakten verweist deren Register StAA Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 43. Der entsprechende Akt, in dem sich auch Abschriften des Fuggerbriefs aus der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg sowie des ersten Briefes Fuggers an Philipp Ludwig befanden, ist nicht erhalten. Vgl. die zwei im Kopierbuch überlieferten Briefe Fuggers an Pfalzgraf Wolfgang vom 24. und 31.03.1567 (FA 1.2.5 H. 5, I 50, I 53), dazu zwei an Wolfgangs Vogt Thomas Renz vom November desselben Jahres über Pferdekäufe (FA 1.2.5 H. 5, I 144, I 148). – Fuggers briefliches Versprechen an den Pfalzgrafen vom 31.03.1567, ihm auch weiterhin alle neuesten Nachrichten mitzuteilen, deutet ebenso wie der Aufenthalt am Neuburger Hof auf einen engeren Kontakt hin, der sich anscheinend nicht weiter in Kopierbuchbriefen niedergeschlagen hat. Vgl. jüngst Zwierlein: Discorso, S. 591–593. Vgl. Hans Fugger an Philipp Ludwig Pfalzgraf zu Neuburg, 15.06.1574, FA 1.2.7.1 H. 18 (II/1 139). – An seinen Schwager Burkhart Nothafft schrieb Fugger am 17.08.1574 von seinem möglichen Erscheinen bei der Hochzeitsfeier Philipp Ludwigs, was ohne Einladung nicht vorstellbar sein dürfte, vgl. FA 1.2.7 H. 19 (II/1 201).
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Nachrichtensendungen sprach Fugger in der Korrespondenz mit dem Pfalzgrafen nicht. Im Kalenderstreit hatte Philipp Ludwig als benachbarter Reichsstand schon 1583 und 1584 eine mäßigende Position bezogen;613 Räte an des Pfalzgrafen Hof hatten verwandtschaftliche Beziehungen nach Augsburg, und die Neuburger Kirchenräte erstellten schließlich gar ein Gutachten, das den Anspruch des Rates auf die Vokation negierte.614 Was der Neuburger nun von Hans Fugger verlangte, war angesichts der zu ihm gelangten Nachrichten von Ausweisungen, Arretierungen und der Anwerbung von Kriegsknechten nicht weniger, als das du beneben deinem brudern herr Marxen [...] die sachen dahin unnd auff solche mittel unnd wege richten unnd befürdernn helffen wöllest, damit gevarliche weitterung unnd unruhe genzlich verhüetet, auch alle thätliche handlung eingestellt 615 würden. Wenn der Pfalzgraf sich mit diesem Anliegen nicht direkt an Marx Fugger wandte, der zu dieser Zeit noch Stadtpfleger und damit einer der beiden obersten Repräsentanten der Stadt war,616 so kann dies zum einen bedeuten, daß Philipp Ludwig in der aufgeheizten Stimmung nicht an einen offiziellen Repräsentanten der Stadt herantreten, sondern informelle Kontakte zu nutzen versuchte. Gleichzeitig erweist die Kontaktaufnahme zu Hans Fugger jedoch ebenso eine stabile Verbindung Philipp Ludwigs zu den Fuggern über Hans’ Person, dem vielleicht nicht in erster Linie, aber wohl doch auch zu einem erheblichen Teil die Kontaktpflege mit dem Neuburger Hof oblag. Und dieses Verhältnis nun scheint Hans Fugger nach allem, was wir über die Beziehungen zu den Pfalzgrafen wissen, in erster Linie durch Dienstleistungen wie Kredite und Warenlieferungen befestigt zu haben. Ein solcher Befund muß für die noch zu analysierende soziale Leistung der Fuggerkorrespondenz im Gedächtnis behalten werden. Auch ohne ein offizielles Amt im Stadtregiment war Hans nun durch Philipp Ludwig quasi zu einem politischen Vermittler befördert worden.617 Fuggers Erwiderung auf das erste pfalzgräfliche Schreiben können wir nur indirekt in Umrissen aus dem Folgebrief Philipp Ludwigs erschließen. Fugger hatte ihm allem Anschein nach einen Druck mit der Rechtsposition des Rates geschickt, doch Philipp Ludwig mochte sich damit nicht einverstanden erklären: diese Regelung sei
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Vgl. Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 514. – 1584 schickte Philipp Ludwig Vermittler zur Beilegung des Konflikts, die vom Rat jedoch mit höflichem Dank wieder zurückgeschickt wurden, da zu diesem Zweck bereits Ulmische und Württembergische Gesandte in der Stadt waren. Vgl. StAA Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 26, fol. 94r–96v. Hierzu Steuer: Konflikt, S. 118f. Philipp Ludwig an Hans Fugger, 12.08.1585, StAA Reichsstadt, Literaliensammlung 1585, pag. 120. Marx legte sein Amt am 5. September 1585 nieder, vgl. Lutz: Marx Fugger, S. 458. Hans Fugger sollte noch in einem zweiten Fall zu einer Vermittlung aufgefordert werden: Als er 1593 vom Reichshofrat offiziell zur Übernahme einer Kommission zusammen mit Graf Eitel Friedrich von Hohenzollern aufgefordert wurde, um einen Konflikt zwischen den Konfessionsparteien in Weil der Stadt zu schlichten, lehnte Fugger diese Aufgabe jedoch mit Hinweis auf sein Alter und seine Beschäftigung mit der Kommission zur Postreformation ab. Vgl. dazu Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 217–220.
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mit dem Religionsfrieden nicht in Einklang zu bringen;618 wenn aber die evangelische burgerschafft bey den religionfriden gelassen, unnd ihnen wider ihr gewissen nichts zuegemuettet werde, so zweifle er nicht, das bey ihnen fried unnd ainigkait beneben dem schuldigen gehorsamb unnd underthenigkait wol zuerhallten sei. Im übrigen könne seinen Informationen zufolge – hier spielte der Pfalzgraf wohl auf die ausgewiesenen Bürger an – von aktivem Ungehorsam gegen die Augsburger Obrigkeit gar keine Rede gewesen sein.619 Auch meldete der Pfalzgraf Zweifel an, ob Fugger von der Anwerbung von Landsknechten tatsächlich nichts gewußt habe, höre er doch täglich mehr davon, ohne als benachbarter Territorialherr durch den Augsburger Rat benachrichtigt worden zu sein.620 In seinem erwähnten messiff schreiben vom 16. September war Fugger nun mit einer durch und durch defensiven Strategie um Schadensbegrenzung bemüht. Haintzel und Welser hatten dem Pfalzgrafen gegenüber wohl vehement Hans Fuggers Version der Ereignisse widersprochen, und Fugger berief sich nun auf den rath der verstendigen – vermutlich die juristischen Experten des Rats –, um dem Herzog die Position der Obrigkeit zu erläutern.621 Es kann kaum ein Zweifel bestehen, daß Hans Fugger hier in enger Abstimmung mit der Ratsführung handelte, waren doch seine Briefe ebenso wie die Philipp Ludwigs unter die eigens angelegten Kalenderstreitakten des Rates aufgenommen worden, und die unter den Codices Augustani überlieferte Abschrift des Fuggerbriefs spricht ebenfalls Bände hinsichtlich der Bedeutung, die man von seiten der Stadtführung dem Kontakt zwischen Fugger und dem Pfalzgrafen beimaß. Getreu der Ratsauffassung erläuterte Fugger nun in juristischer Ausführlichkeit und unter Anführung etlicher Briefbeilagen, daß die Augsburger Berufungspraxis nicht den Religionsfrieden tangiere, sich auf hergebrachte Grundlagen und Rechte des Rats berufen könne und auch andernorts in vergleichbarer Weise gehandhabt werde. Außerdem sei das Kirchenministerium durch die Prüfung der Kandidaten in die Entscheidung miteinbezogen. Gegen einen nachvollziehbaren Einspruch von dieser Seite werde kein neuer Prädikant von den Stadtpflegern angestellt; somit seien auch Vorwürfe, man wolle auf diesem Weg sukzessive den Katholizismus befördern, haltlos: ein jedlicher verstendiger werde aus Fuggers Anführungen und mitgesandten Schriftstücken erkennen, wie auffrecht und redlich es dises orths mit
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Philipp Ludwig an Hans Fugger, 30.08.1585, StAA Reichsstadt, Literaliensammlung 1585, pag. 217f. Philipp Ludwig an Hans Fugger, 30.08.1585, StAA Reichsstadt, Literaliensammlung 1585, pag. 222. Philipp Ludwig an Hans Fugger, 30.08.1585, StAA Reichsstadt, Literaliensammlung 1585, pag. 223. Vgl. Hans Fugger an Pfalzgraf Philipp Ludwig, 16.09.1585, SuStBA 4° Cod. Aug. 150, Nr. 21 (nicht foliiert). Der Fuggersche Advokat Matthäus Laymann arbeitete 1583 zusammen mit dem protestantischen Kollegen Georg Tradel und Adam Zech ein Gutachten zur Widerlegung der Kalendergegner aus. Tradel war auch 1585 mit der Verteidigung der Ratsposition beschäftigt, zudem war seine Ausbildung von den Fuggern finanziell unterstützt worden (Sieh-Burens: Oligarchie, S. 193f.). Es ist also zu vermuten, daß insbesondere Tradel und/oder Laymann Fugger bei der Abfassung des Schreibens berieten.
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erhaltung in dieser statt der religion auspurgerischer confesion gemeind [gemeint] werde.622 In seinem Bestreben, dem Pfalzgrafen eine ‹wasserdichte› Argumentation zu liefern, kalkulierte Fugger sorgfältig dessen politische Position ein; Philipp Ludwig war überzeugter Lutheraner und trat lange Zeit auch auf Reichsebene dezidiert dem Calvinismus entgegen.623 Folgende Beweisführung floß Hans Fugger zweifellos alles andere als selbstverständlich aus der Feder, doch sie entsprach exakt der Argumentation des Rates, und Fugger dürfte sie situationsbedingt für unschlagbar gehalten haben: Die Stadtpfleger müßten darauf achten, daß keine lermen prediger624 den Frieden in der Stadt störten. Deshalb müsse der Rat weiterhin das Recht haben, Prädikanten, die für Unruhe sorgten, zu entlassen. Sogar D.[octor] Lutter (.wie ich bericht worden.)625 habe der Obrigkeit dieses Recht zugestanden! Daß Luther dabei nicht die spezifische Augsburger katholisch-protestantische Machtkonstellation vor Augen hatte, steht natürlich auf einem anderen Blatt – das Fugger aber nicht beilegte. Der Rat und also auch sein Sprachrohr Hans Fugger versuchten demnach, die Protestanten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.626 Eine unfehlbare Wirkung beim Pfalzgrafen erhoffte Fugger mit Sicherheit, wenn er zu bedenken gab, dz man dem calvinismo keine gelegenheit lassen kan, damit derselbe abermal einreisse.627 Genau so aber sei es dort gekommen, wo man dem protestantischen Ministerium das Recht zur Berufung der Prädikanten eingeräumt habe. Die calvinistische Gefahr, schon gegenüber Ferdinand von Bayern und Johann Tonner in Stellung gebracht, sollte also auch beim streng lutherischen Pfalzgrafen für das nötige Gewicht
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Hans Fugger an Pfalzgraf Philipp Ludwig, 16.09.1585, SuStBA 4° Cod. Aug. 150, Nr. 21. Vgl. den Überblick bei Reinhard H. Seitz: Reformation und Gegenreformation im Fürstentum Pfalz-Neuburg. In: Ausstellungskatalog «475 Jahre Fürstentum Pfalz-Neuburg». München 1980, S. 43–66, hier S. 54. – Ausführlich zu den Positionen Philipps Ludwigs in der Reichspolitik Erika Kossol: Die Reichspolitik des Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg (1547–1614). Göttingen 1976 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 14), bes. S. 2f., 16–38. Lermen prediger: Prediger, die den Aufruhr (lermen) gegen die Obrigkeit entfachen. – In der Polemik gegen die oppositionellen Prädikanten wurde der Begriff häufiger verwendet. Vgl. Georgius Pomerius [Georg Pomer]: Bedencken Eines Euangelischen Christens/ vonn dem Leben/ Wandel/ Sitte vnd Lehre D. Georgij Milij [...]. Ingolstadt 1607. Pomerius führt hier eine Reihe von Vorwürfen gegen Miller als Der Hern Pfleger vnnd geheymen Räth deß H. Reichs Stadt Augspurg [...] Zeugknuß an, darunter mehrfach das Lermenpredigen, vgl. ebenda, 5, 24, 26. [Exemplar: SuStBA 4° Cod. Aug. 153, Nr. 20]. Hans Fugger an Pfalzgraf Philipp Ludwig, 16.09.1585, SuStBA 4° Cod. Aug. 150, Nr. 21. Die Argumentation des Rats mit Luther und Aussagen anderer protestantischer Theologen zum obrigkeitlichen Kirchenregiment betont Stefan Ehrenpreis auf Grundlage der Akten des Reichshofrats: Fernere conclusiones der herrn pfleger, burgermeister und eines ehrbarn rats der statt Augsburg contra der kirchenpfleger daselbst jungst ubergebene vermainte replicas [1586], HHSTAW, RHR, APA 1, o. D. Vgl. Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 200. Hans Fugger an Pfalzgraf Philipp Ludwig, 16.09.1585, SuStBA 4° Cod. Aug. 150, Nr. 21.
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der Fuggerschen Argumente sorgen. Zweifellos war dies nicht der schlechteste Versuch, die Kalendergegner und ihr angeblich unbestendiges geschrey628 zusätzlich zu diskreditieren. Möglich gemacht wurde der Vorwurf durch die Beanspruchung von tatsächlichen oder vermeintlichen Ratsrechten durch die Prediger, deren Exponenten Mylius auch in der Publizistik wohl spätestens 1586 nachgesagt wurde, er lehre [...] wie ein ErtzCaluinist.629 Bis zum Ende seines Briefes – und dies belegt die Bedeutung, die Fugger dieser Korrespondenz mit dem Pfalzgrafen unterlegte – hielt Fugger den gewaltigen argumentativen Aufwand durch: Nachdem er auch noch die höchst unangenehmen pfalzgräflichen Vorhaltungen einer ungerechten Abstrafung der ausgewiesenen Bürger und einer unzulässigen Aufstockung der städtischen Söldner ‹abgearbeitet› hatte – Fugger gab zu letzerem Punkt tatsächlich an, von einer Aufstockung der Truppen nichts gewußt zu haben –, mußte dringend ein versöhnlicher Schluß folgen: Was wäre besser geeignet gewesen als eine captatio benevolentiae? [...] wir wolten auch alhie nichts liebrs gewinscht haben, dan das E.[uer] F.[ürstliche]n G.[naden]n selbst, sich zue der commission (.wie erstlich an sy begert worden.) heten gebrauchen lassen, so mecht villeicht dise unriebigkheit [Unruhe, d. Verf.], und widersezlichkheit vil besser besteurt und alle sachen zue einem gueten frid wessen gebracht worden sein.630
Tatsächlich war Philipp Ludwig schon 1584 von Rudolf II. aufgefordert worden, sich einer Schlichtungskommission für den Kalenderstreit anzuschließen, doch der Neuburger hatte abgelehnt.631 Zweifellos wollte Fugger mit dieser Erinnerung ausdrücken, daß Philipp Ludwigs Einsatz für den Frieden zwischen den Augsburger Konfliktparteien grundsätzlich willkommen war und man ihm die Schlichtung durchaus zugetraut hätte, daß aber die Sachlage durch den fortgesetzten Konflikt mittlerweile eine andere war. Hans Fugger hatte sich also durch seine bisherigen Kontakte zum Pfalzgrafen eine Position erwerben können, die ihn zur Diskussion dieser brisanten politischen Fragen ermächtigte. Und damit war er wohl gerade für den Rat, dem sein Bruder Marx nun, am Ende des nachweisbaren Briefkontakts mit dem Pfalzgrafen, seit kurzem nicht mehr als Stadtpfleger vorstand, ein besonders wertvoller Mittler, hielt er doch die Verbindung zu den Ansprechpartnern der Gegenseite und bewegte sich damit zwischen den konfessionell separierten Unterstützerlagern, die nach dem Urteil der Forschung die Außenkontakte der streitenden Parteien dominierten.632 Gleichzei628 629
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Hans Fugger an Pfalzgraf Philipp Ludwig, 16.09.1585, SuStBA 4° Cod. Aug. 150, Nr. 21. In einer weiteren Schrift des Georg Pomer wird dies aufgeführt unter: Gründtlicher Bericht der jetzigen Euangelischen Predicanten in der Stadt Augspurg/ von Doctor Müller. Anno 1586, in: Pomerius: Continuation, S. 10. Hans Fugger an Pfalzgraf Philipp Ludwig, 16.09.1585, SuStBA 4° Cod. Aug. 150, Nr. 21. Vgl. Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 514. Diesen ersten Anlauf des Reichshofrats, wie gewöhnlich eine Kommission mit Vertretern beider Konfessionen zu bilden, betont besonders Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit, S. 198; erst durch die Ablehnung des Pfalzgrafen wurden allein die katholischen Reichsstände Bayern und Oettingen-Wallerstein mit der Kommission beauftragt. Vgl. hierzu insbesondere Steuer: Konflikt, sowie Sieh-Burens: Oligarchie, S. 198–200.
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tig sehen wir hier bestätigt, daß Hans Fugger durch seine vielfältigen, brieflich aufrechterhaltenen Kontakte in den Augen der politischen Führung Augsburgs wie auch in der seines hochgestellten Briefpartners mehr war als nur der zweitgeborene Sohn Anton Fuggers, der seine Zeit mit minder wichtigen Beschäftigungen zubrachte.
c) Fast schon ein Teufel im Predigergewand – Hans Fugger über Georg Miller Superintendent Georg Miller, der unbestrittene Exponent der innerstädtischen Kalenderopposition bis zum Juni 1584, wurde regelrecht zur Symbolfigur des Widerstandes gegen die päpstliche Reform, auch über seine kurz nach dem Tumult erfolgte Flucht hinaus. Angesichts von Gerüchten, bei der verhinderten Ausweisung und Flucht Millers hätten gar höhere Mächte zugunsten des Predigers gewirkt, ist nachgerade von einer «Mystifizierung»633 Millers durch seine Anhänger zu sprechen. Er spielt natürlich auch in Fuggers Korrespondenz eine Sonderrolle – mehr noch, das Fuggersche Briefnetz wird hier sogar an zentraler Stelle zum Findemittel für ‹Propagandamaterial› gegen den Superintendenten. Obwohl Miller schon seit 1583 in seinen Predigten heftig gegen den neuen Kalender agitiert hatte,634 wird seine Person bei Fugger erst mit seiner mißglückten Ausweisung und dem sich anschließenden Aufruhr am 4. Juni 1584 zum Nachrichtenereignis für die Korrespondenzpartner. Bei der ersten Erwähnung des Predigers in einem Brief an Breitschwerdt, geschrieben am Folgetag des Aufstands, präsentierte Fugger klar die als rechtlich unstrittig gekennzeichnete Position des Rats: Trotz des Speyerer Urteils zugunsten des Rats und der Einführung des neuen Kalenders habe D.[octor] Millr aber predicant bej St. Anna sich darwider hefftig gesezt, und seines ungehorsambs und truzs halben uß der statt sollen gewisen werden. Dies habe dann den Aufstand des gemeinen Mannes in der Stadt ausgelöst.635 Miller ist eindeutig als Rechtsbrecher charakterisiert, desgleichen in einem Brief an Johann Tonner vom selben Tag.636 Religiöse Motivationen spielten auch hier in Fuggers Argumentation keine Rolle, denn Kalenderopposition war für ihn nichts anderes als Aufstand gegen den Rat, und so bestand ihm Millers Schuld darin, wider solchen calender und per consequies637 wider die obrigkheit
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So auf der Basis reicher Quellenstudien das Urteil Mauers: Geschrey, S. 169. – Ein angebliches Himmelszeichen bei der versuchten Ausweisung oder die angebliche Erscheinung eines Engels in Kindsgestalt sind die spektakulärsten Beispiele, vgl. ebenda. Zu Parallelen zu den Leiden Christi bzw. christlicher Märtyrer auch Tschopp: Kalenderstreit, S. 248. Vgl. Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 510f. Vgl. Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 05.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 139–141, Zitat pag. 140 (II/2 2518). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 05.06.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2519). Anzunehmen ist ein Hörfehler des (lateinunkundigen?) Schreibers: gemeint war wohl per consequens für ‹folglich› von lat. consequens, ‹Folge›. Vgl. dazu Georges: Handwörterbuch 1, Sp. 1515. – Für sachkundigen Rat bei der Auflösung lateinischer Textstellen und Verballhornungen sei an dieser Stelle Dr. Marion Gindhart herzlich gedankt.
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geprediget638 zu haben. Obwohl auch die Agitation der anderen Prädikanten von Fugger angeführt wird, so ist in seiner Korrespondenz Miller doch der gefährlichste Störenfried, nach dessen Flucht aus der Stadt mehr Ruhe zu erwarten sei.639 In der späteren Befragung durch die kaiserliche Kommission am 2. August unterstrich Fugger die politische Zielsetzung Millers nur noch, wußte er doch über den Theologen zu sagen, er hab den einen fueß ufm rhathaus, den anndern uf der cantzel wölln haben.640 Derselbe Vorwurf findet sich in einer auf 1584 datierten katholischen Schmähschrift gegen Miller.641 Ins Auge stach Hans Fugger da natürlich die Unterstützung der Nachbarstadt Ulm für Miller, der sich dort ebenso wie zahlreiche Gegner des neuen Kalenders aufhielt, damit er obgemelten rhats wahl desto näher sej 642 – das Bedrohungspotential wartete sozusagen mit Unterstützung der benachbarten Reichsstadt vor den Toren Augsburgs, um erneut zu erstehen. Zudem war ein Brief Millers abgefangen worden, in dem er der Gemeinde das Recht zugestand, den Rat abzusetzen.643 Gegen den Prädikanten mußte also gehandelt werden. Schmähschriften gegen ihn wurden bis ins frühe 17. Jahrhundert publiziert,644 und Hans Fugger nutzte die Möglichkeiten seiner Korrespondenz, um ‹belastendes Material› zu sammeln: Was lag da näher, als in Millers Vergangenheit zu stochern? Fugger schrieb daher in inquirienda [sic!] genealogia D. Georg Millrs an Erasmus Fend, seit 1554 Archivar Wilhelms V.,645 zu dem er schon ab 1567 sporadischen Briefkontakt unterhielt.646 Fugger teilte mit, daß Millers Vater zuverlässigen Quellen zufolge alhie huren wirth gewest sei, zwei Schwestern
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Hans Fugger an Ottheinrich Herzog von Braunschweig, 09.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 151f. (II/2 2521). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 19.06.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2532) sowie das Schreiben an Anton von Montfort, 30.06.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2538). StAA Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 27: Prothocollum der hanndlung, zwischen einem E: Rat der Statt Augspurg, vnd etlichen Ratsuerwanten burgern vnd Predicanten, anno 1584. durch die Kay: Comisarien furgenomen vnd verrichtet. (nicht foliiert). Vgl. SuStBA 4° Cod. Aug. 149, Nr. 7b: Ein Lied zw Ehrn Doctor Georgen Miller (nicht foliiert). Hans Fugger an Hans von Montfort, 21.07.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 281 (II/2 2561). Vgl. Leonhard Lenk: Augsburger Bürgertum in Späthumanismus und Frühbarock (1580– 1700). Augsburg 1968 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 17), S. 62. Vgl. auch Mauer: Geschrey, S. 168. Vgl. insbesondere die Bestände der SuStB Augsburg unter 4° Cod. Aug. 149–154: Kalenderstreit zu Augsburg, 1583–1607, daneben auch StA Augsburg Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 42, Nr. 6–8. Laut Otto Hartig wurde Fend erstmals 1554–1564 zum herzoglich-bayerischen Archivar in München bestellt, fungierte daneben auch als Geheimsekretär der Herzöge und übernahm 1575–1585 wiederum die Archivleitung. Vgl. Otto Hartig: Die Gründung der Münchener Hofbibliothek durch Albrecht V. und Johann Jakob Fugger. In: Rupert Hacker (Hg.), Beiträge zur Geschichte der Bayerischen Staatsbibliothek. München 2000 (Schriftenreihe Bayerische Staatsbibliothek 1), S. 13–52 (erstmals in: Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 28, 3 (1917), S. 1–55, 96–104, hier S. 25–27. Von 1567 bis 1584 sind in den Kopierbüchern insgesamt 17 Briefe Fuggers an Fend überliefert.
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Millers als Prostituierte gearbeitet hätten und der Prädikant selbst vor Antritt seines Tübinger Studiums khupplet, es seinem Vater also gleich getan habe.647 Millers uräni 648 soll zu Meringen hundschlager [Abdecker]649, der äni scherg [Gerichtsdiener]650 gewest sein. Mit diesen Betätigungen seiner Vorfahren, die entweder als eindeutig amoralisch zu gelten hatten oder doch zumindest unter die unehrlichen Berufe651 eingeordnet werden mußten, wurde Miller wahrhaft ein wenig reputierliches Paket geschnürt. Über die Meringer Vorfahren jedoch hatte Fugger keine sicheren Quellen, weshalb er sich nun hilfesuchend an Fend wandte, den Hüter der herzoglichen Archivalien: Fend könne bestimmt einen Rat geben, wie man sichere Nachricht über die Familie des Superintendenten in Erfahrung bringe – uff der camer inn den alten Möringischen ampts rechnungen müßte doch hierzu etwas zu finden sein, und Herzog Wilhelm werde gewiß nichts gegen Fends Hilfe in diesem Fall haben.652 Zwar gibt es kein Zeugnis über eine Antwort Fends; auch ohne diesen Nachweis wird jedoch klar, daß Fugger sein Informationsnetz diesmal nutzte, um Munition im Kampf um den neuen Kalender zu sammeln – und damit in der Auseinandersetzung um die Macht in der Stadt. Erstmals erscheint Fuggers Briefwechsel damit nicht nur als Vehikel möglichst rascher und treffender Nachrichtenübermittlung, sondern bei Bedarf ebenso als Quelle eindeutig propagandistisch verwertbarer Fakten, deren Potential nutzbar war gegen jene, die die katholische und damit Fuggersche Vorrangstellung in Augsburg zu gefährden drohten. Daß den Fuggern die verdeckte Informationsbeschaffung zu Ungunsten der Kalendergegner durchaus zugetraut wurde, zeigt ein im Augsburger Weberhaus 1584 aufgefundener anonymer Brief, der die Vertreter der Kalendergegner vor Spionen in den eigenen Reihen warnte, die den Fuggern alle Pläne zutrügen.653 Wie bereits gesehen, war Fugger – zumindest verbal – durchaus ein Freund radikaler Lösungen, und so hoffte er während der schwierigen Verhandlungen
Zur hier eindeutigen Konnotation von khupplen Grimm: Deutsches Wörterbuch V, Sp. 2776–2781 (zu kuppeln und Kuppler). 648 Urahn, hier also Urgroßvater, entsprechend äni: Großvater. Vgl. Robert R. Anderson u. a. (Hg.): Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, Bd. 1. Berlin, New York 1989, Sp. 1062. 649 Vgl. Baufeld: Wörterbuch, S. 133. 650 Vgl. Baufeld: Wörterbuch, S. 205. 651 Zu den unehrlichen Berufen vgl. den Überblick bei Paul Münch: Lebensformen in der frühen Neuzeit, 1500–1800. Frankfurt/M. 1992, S. 107, sowie Jutta Nowosadtko: Scharfrichter und Abdecker. Der Alltag zweier «unehrlicher Berufe» in der Frühen Neuzeit. Paderborn u.a. 1994, bes. S. 118–125. 652 Vgl. Hans Fugger an Erasmus Fend, 21.07.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 293–296 (II/2 2568). 653 SuStBA 4° Cod. Aug. 149, Nr. 32a, c: Coppy von dem rechten original und haubt brief, so im weber hauß gefunden worden Ao 1584 (unfoliiert): Ir auschus geben guete acht, dan alles was von euch wirt gemacht, Beratschlagt und in gehaimb solt bleiben, thuet man beim Fugger alles aufschreiben, ohn eur wissen sicherlich. [...] Über weitere pamphletische Literatur der Parteien im Kalenderstreit informiert Radlkofer: Kalenderstreit. 647
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der ersten kaiserlichen Kommission wieder einmal auf einen starken kaiserlichen Arm, der allem Streit ein Ende machen würde: da wer zuverhoffen wan Ir Kay:[serliche] Mt: [Maiestät] denen von Ulm mandieret, dz sie D.[octor] Millr uff einem schifflen wie den Silvester Raitn [...] hinab geen Wien stellten, und Ir Mt: [Maiestät] in nachmaln ließ ertrencken, sonst haben wir zu ewigen zeiten böse pratiken und kein rhue.654 Ulm hatte sich übrigens trotz eines kaiserlichen Mandats geweigert, Miller aus der Stadt zu weisen.655 Der Hinweis auf Sylvester Raid ist hier bezeichnend: Der ehemalige Fuggersche Handelsdiener war 1558 wegen Beteiligung an einem Raubüberfall auf den Augsburger Venediger Boten verhaftet und zum Prozeß nach Wien überstellt worden, wo er in Wiener Neustadt hingerichtet wurde. Durch die Parallelisierung mit Raid wurde Miller nicht nur kriminalisiert, vielmehr wünschte Fugger dem Gegner gar den Tod durch den Arm des Gesetzes an den Hals.656 Auch Gerüchte über Heiratssondierungen Millers in Ulm konnten von Fugger als verunglimpfende Details gemeldet werden, verschaffe die mögliche Vereheli chung mit einer Ulmer Predigertochter doch recht durchsichtig eine Predigerstelle in dieser Stadt.657 Ob indes Fugger seine einschlägigen Informationen über Millers Vergangenheit gezielt in den publizistischen Kampf um Kalender und Vokation einbrachte, ist weder aus seiner Korrespondenz noch aus einschlägigen Pamphleten der katholischen Seite sicher zu beantworten. Zu den Druckschriften über den Kalenderstreit, die Fugger an seine Korrespondenzpartner versandte, zählte ein Flug blatt über Miller, das neben seinem Porträt eine inscription enthält, was er in schilt firet.658 Auf dem Postweg verteilte er die Drucke an Johann Rümelin, Sekretär des Hochstifts Straßburg, der von Millers kurzem Aufenthalt in Straßburg berichtete, schickte sie an Johann Tonner am Kaiserhof und schließlich an Anton von Montfort, der zusammen mit Kardinal Madrutz noch in Rom weilte.659 Just dieser Einblattdruck, dessen Text und Abbildung mehrfach überliefert sind, wirft Miller nun
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Hans Fugger an Jörg von Montfort, 03.08.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 345f. (II/2 2582). Vgl. Kaltenbrunner: Kalenderstreit, S. 522 Anm. 1. – 1586/87 kam es zwischen der Augsburger und Ulmer Stadtführung gar zu Auseinandersetzungen wegen der fortwährenden Aufnahme von Augsburger Kalendergegnern durch die Ulmer, vgl. Steuer: Außenverflechtung, S. 184. Über Sylvester Raid: Häberlein: Brüder, bes. S. 207–222, 256–259. Vgl. Hans Fugger an Johann Rümelin, 15.09.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2646) und an Johann Tonner, 15.09.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2647). – Tatsächlich blieb es beim Gerücht der Verheiratung mit der Predigertochter. Veronika Weiß, die Miller in Ulm heiratete, war aber Cousine der entschiedenen Augsburger Kalendergegner Narziß und Daniel Weiß, vgl. Steuer: Außenverflechtung, S. 155. Vgl. Hans Fugger an Johann Rümelin, 15.09.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 562 (II/2 2646). Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 15.09.1584 (II/2 2642), an Johann Rümelin, 15.09.1584 (II/2 2646), an Johann Tonner, 15.09.1584 (II/2 2647) – alle FA 1.2.13 H. 55. – Weitere Drucke an Anton von Montfort, vgl. Hans Fugger an denselben, 02.07.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2991).
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unter anderem vor, ein Buler660 zu sein. Die Parallelität zu Fuggers Anschuldigung der Kuppelei ist evident. Da aber die Gerüchte über Millers Vergangenheit möglicherweise in einem größeren Kreis kursierten, muß Hans Fugger diesen Vorwurf nicht lanciert haben. Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts wurden nämlich Anschuldigungen laut, um des Supertintendenten sittliches Verhalten habe es nicht zum besten gestanden: Millers fortgesetzter Einfluß hätte in Augsburg ein wüst/ wild/ Sodomitisch vnd Epicurisch Leben661 bedeutet; er sei ein süßmundiger Weibertröster gewesen und habe, wie die große Zahl seiner Kinder zeige, ein nicht eben enthaltsames Leben geführt.662 Anspielungen auf die in Millers Familie angeblich ausgeübten Berufe, die Fugger im Brief an Fend aufzählte, tauchen allerdings nirgends in der katholischen Pamphletistik auf.663 Das Tendenzschrifttum beider Seiten im Kalenderstreit hatte es schwer – so rettete Hans Fugger das Pamphlet gegen Miller nach eigener Auskunft in einigen Exemplaren von einer Briefkramerin, die wegen des Vertriebs dieser Schrift durch etliche weber [...] gar übel tractiret664 wurde. Über die Schriften Millers jedoch, die er gegen den neuen Kalender und die Augsburger Obrigkeit auf den Markt warf, verhängte der Augsburger Rat die Zensur.665 Für einen Hans Fugger war diese Informationssperre jedoch leicht zu umgehen: Er schrieb 1586 kurzerhand an den Faktor Philipp Römer in Nürnberg mit der Anweisung, über einen von Römers Korrespondenten auf der bevorstehenden Messe den send und trost brieff Millers an die Augsburger sowie dessen Traktat gegen den Augsburger Rat zu erstehen. Zumindest der Sendbrief wurde tatsächlich binnen weniger Tage vom Faktor versandfertig gemacht.666 Fugger wollte sich umfassend informiert sehen – obrigkeitlichen Verboten zum Trotz –, denn schließlich hatte Millers Propaganda, wie Hans Fugger
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StAA Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 26, zwischen fol. 42 und 43. – Verzeichnet auch bei Radlkofer: Kalenderstreit, S. 52f. – Wie Textzitate in der Chronik belegen, hat zweifellos das gleiche Flugblatt auch der Chronist Georg Kölderer zitiert, vgl. Mauer: Geschrey, S. 172, leider jedoch ohne näheres Eingehen auf das Flugblatt. Pomerius: Continuation, S. 11. Vgl. Pomerius: Epitaphium, S. 18. Pomerius führt in seinem Epitaphium an, Millers Vater sei ein Zimmermann gewesen, und spielt des weiteren mit Millers Namen, der gleichzeitig eine Berufsbezeichnung ist (Müller). Beide Berufe dienen Pomer in Anspielung auf des Predigers große Kinderschar allerdings zur Ausführung einer recht deutlichen Sexualmethaporik (zimmern, mahlen), weshalb der Beruf des Zimmermanns hier wohl kaum einen sicheren historischen Hintergrund hat. Vgl. Pomerius: Epitaphium, S. 8, 18. Hans Fugger an Anton von Montfort, 15.09.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 548 (II/2 2642). – Auch Radlkofer: Kalenderstreit, S. 52, vermeldet einen Tumult wegen des Verkaufs des Flugblatts. Und auch Zeitgenosse Kölderer meldete Attacken auf einen Krämer, der den illustrierten Anti-Miller-Druck vertrieb, dazu Mauer: Geschrey, S. 171f. Über die Zensurpolitik in Augsburg Büchler: Zensur. Zu protestantischen Drucken über den Kalenderstreit vgl. Tschopp: Kalenderstreit. Vgl. Hans Fugger an Philipp Römer, 07.09.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3049) sowie an denselben am 17.09.1586 (II/2 3058). Römers Antwort auf Fuggers ersten Brief datierte vom 13.09. – er hatte also nur wenige Tage benötigt, um den Millerschen Sendbrief zu beschaffen, denn die Post von Augsburg nach Nürnberg war etwa zwei Tage unterwegs.
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konstatierte, durchschlagenden Erfolg und hielt die Bevölkerung vom Besuch der Gottesdienste der vom Rat neu eingestellten Prädikanten ab.667 Nicht nur zur Information, auch zur erneuten Propaganda gegen Miller konnte Fugger dessen Schrift umgehend verwenden, schickte er doch Millers Sendbrief in Abschrift gleich an Johann Tonner weiter, nicht ohne den Hinweis, daß dieses Machwerk weder hend noch fies habe, ja eine höchst ungelehrte Schrift sei.668 Eine neue Möglichkeit also, den ehemaligen Senior von St. Anna in ein schlechtes Licht zu rücken. Tonner gegenüber gab Fugger vor, lediglich eine Abschrift von einem gut freund vertreulich zugeschickht669 bekommen zu haben, da gedruckte Exemplare derzeit nicht erhältlich seien. Bei Römer aber hatte er sich ausdrücklich für die Übersendung von zwei Druckexemplaren bedankt.670 Entweder wollte er die Druckexemplare für sich behalten, oder er wollte sich dem Verdacht entziehen, von der Obrigkeit verbotenes Schrifttum in Umlauf zu bringen.671 Die Gelegenheit jedoch, gegen Miller mit dessen eigenen Worten Stimmung zu machen, wollte er sich ganz augenscheinlich keinesfalls entgehen lassen.
6. Fugger und der Kalenderstreit – Zusammenfassung Die von Hans Fugger im Kalenderstreit vertretene Position ist zweifellos diejenige der katholischen Machtelite der Stadt. Im unerschütterlichen Bewußtsein der Angemessenheit und juristischen Rechtmäßigkeit der Kalenderreform scheint in seinen Briefen frühzeitig diejenige Argumentation auf, die der katholischen Ratsmehrheit sicherlich am wirksamsten erschien, um die protestantische Opposition in Verruf zu bringen: under dem schein der religion gehe es in Wahrheit ausschließlich um einen Aufstand gegen die Obrigkeit, und damit gegen eine von Kaiser Karl V. gesetzte Ordnung, war doch die Karolinische Verfassungsreform Basis für die Machtverhältnisse in der Stadt. Ansatzpunkte für diese Interpretation lieferten die Kalendergegner in ihren Pasquillen nicht selten selbst, und insbesondere Georg Miller mit seinem abgefangenen Brief zur Absetzung des Ratsregiments hat dieser Interpretation Vorschub geleistet. Dementsprechend rückte in den Fuggerbriefen bei der Ankunft der ersten kaiserlichen Kommission sofort die Durchführung der Ratswahlen in den Vordergrund, die zur Erleichterung Fuggers die Machtverhältnisse in der Stadt bestätigten.
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Vgl. Hans Fugger an Philipp Römer, 17.09.1586 (II/2 3058) sowie an Johann Tonner, 20.09.1586 (II/2 3059) – beide FA 1.2.14b H. 65. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 20.09.1586, FA 1.2.14b H. 65, Zitat pag. 586 (II/2 3059). Der Vorwurf der Ungereimtheit und Ungelehrtheit auch schon im Brief an Römer, 17.09.1586 (II/2 3058). Hans Fugger an Johann Tonner, 20.09.1586, FA 1.2.14b H. 65, pag. 586 (II/2 3059). Vgl. Hans Fugger an Philipp Römer, 17.09.1586, FA 1.2.14b H. 65, pag. 577 (II/2 3058): Eur schreiben von 13 diß sambt .2. getrukhten D. Millrs send und trostbrieff hab ich empf:[angen]. Für erstere Erklärung spräche allerdings, daß er Tonner am 06.12.1586 schrieb, er sende ihm keinen neuen Druck Millers zu, da Tonner vermutlich ohnehin schon über die Schrift verfüge (FA 1.2.14b H. 66, II/2 3108).
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Rat wie Kalendergegner mobilisierten im Konflikt von Beginn an ihre auswärtigen Partner, wobei der Rat mit der Unterstützung Rudolfs II. und Wilhelms V. von Bayern langfristig die besseren Karten hatte.672 Daß diese Kontakte jedoch nicht nur über die ‹offizielle Schiene› liefen, zeigen Fuggers an sich ‹private› Briefe. Kontakte etwa zum Reichshofrat Tonner und zum Reichskammergerichtspräsidenten Montfort lancierten neben den Verlautbarungen des Augsburger Rates die Sicht der katholischen Elite auf den Konflikt; die oben ausführlich zitierten Schreiben insbesondere an Ferdinand von Bayern und Werner Breitschwerdt – anders ausgedrückt: an die Unterstützer des Rats in München und Prag – belegen mit der Sonderstellung ihrer Adressaten im Nachrichtenaustausch die gezielte sorgfältige Bearbeitung der Ereignisdarstellung durch Fugger, wenn man sie mit den identisch datierten Briefen an andere Adressaten vergleicht, die ein wesentlich weniger dramatisches Bild der Augsburger Verhältnisse zeichnen. Deutlich wird das Bestreben Fuggers, über eine gezielte Informationspolitik den innerstädtischen Konflikten Aufmerksamkeit und weitere Unterstützung durch Kaiser und Herzog zu sichern. Auch mit den Erfordernissen des Propaganda-Sektors zeigte Fugger sich vertraut: Während die Kalendergegner und allen voran Miller ihren Protest in Wort und Schrift öffentlich artikulierten, verschickte Fugger nicht nur die katholischen Gegenschriften ebenso wie offizielle Verlautbarungen des Rats und der kaiserlichen Kommission an seine Korrespondenzpartner, sondern versuchte selbst, seine Kontakte für die Suche nach Fakten zu nutzen, welche die Exponenten der Kalenderopposition belasteten: Die Bitte an den herzoglichen Archivar Fend zur Sammlung kompromittierender Biographiefragmente Millers belegt, daß Hans Fugger hier ganz konkret sein Korrespondenznetz zur Beschaffung von Propagandamaterial einsetzte; alte, wenn auch z. T. selten genutzte Verbindungen konnten hier wieder einmal nutzbringend aktiviert werden. Ob Fugger seine Informationen über die angebliche frühere Kupplertätigkeit Millers an den Autor des Einblattdrucks weiterleitete, der Miller als Buler 673 beschimpfte, oder ob dieser Vorwurf andere Quellen hatte, ist allerdings nicht nachzuweisen. Fuggers hier gezeigter Einsatz und die von ihm mehrfach anempfohlene Härte im Vorgehen gegen die Kalenderopposition hängen zweifellos eng damit zusammen, daß er bei einem Ende der katholischen Vorherrschaft in Augsburg für sich und seine Familie in dieser Stadt keinen Platz mehr sah. Von daher bestätigt sich auch nochmals die Tiefe des Mißtrauens, das zwischen den Konfessionen in Augsburg herrschte, eine Distanz, die von Fugger selbst ganz wesentlich als Tiefe der sozialen wie der politischen Gräben akzentuiert wurde. Was Fuggers Beziehungsnetz für die Ratsführung besonders wertvoll machen sollte, war die Einbindung protestantischer Korrespondenzpartner. Von der bisherigen Forschung wurden interkonfessionelle Vermittlungsversuche außerhalb der offiziellen Verhandlungen mit dem Rat bislang nicht thematisiert. Mit seinen Diensten für den pfalzgräflichen Hof hatte Fugger erreicht, daß Philipp Ludwig ihn – sicher auch aufgrund der politischen Position seines Bruders Marx – als Vermittler für eine Deeskalation im Jahr 1585 erachtete. Fuggers Antwort auf die pfalzgräfli672 673
Vgl. Steuer: Konflikt. StAA Reichsstadt, Kalenderstreitsakten Nr. 26, zwischen fol. 42 und 43.
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chen Briefe zeigt die in der aktuellen Problematik unnachgiebige Position des Rats, der keine weiteren Konzessionen machen wollte – Hans wurde in seinen Briefen Sprachrohr des Rats und bemühte sich mit einigem argumentativen Aufwand, durch den persönlichen Kontakt die obrigkeitliche Auffassung für einen Unterstützer der Gegenseite plausibel zu machen. Insgesamt wird hier für die gesamte Nachrichtenkorrespondenz Fuggers am deutlichsten und unter Nutzung ganz unterschiedlicher Netzkontakte aufgezeigt, daß ihm der Transfer aktueller Meldungen noch sehr viel mehr sein konnte als eine reine Dienstleistung für hochgestellte Kunden oder eine Gegenleistung für langjährige Nachrichtenlieferanten. Waren schon beim niederländischen und beim Türkenkrieg die Geschäftsinteressen des Hauses ein deutliches Movens, die im Fall des Kölner Kriegs in recht eindeutiger Absicht an den Neffen Montfort als Multiplikator in Rom kommuniziert wurden, so sah Hans Fugger durch den Kalenderund Vokationsstreit gar die Verfaßtheit seines unmittelbaren Lebensraums bedroht; das zweimalige Bekenntnis, bei einer Änderung des Regiments nicht mehr in seiner Heimatstadt leben zu wollen, spricht Bände. Gleichzeitig waren aber auch hier durch die parallelen Interessen der katholischen Elite Augsburgs, des Kaiser- und des bayerischen Herzogshofs erheblich verbesserte Einflußchancen gegeben, anders als etwa im Fall der kriegerischen Unternehmungen Rudolfs II. und Wilhelms V., bei denen die Erfordernisse der Kriegführung den finanziellen Interessen der Fugger zuwiderliefen.
E. Kaiser, Reich und Reichsstände Immer wieder kam in den vorausgegangenen Kapiteln zum Nachrichtentransfer die kaiserliche Politik und die Arbeit der wichtigsten Institutionen des Reiches, insbesondere des Reichstags, zur Sprache, ohne jedoch im Zentrum der Betrachtung zu stehen. Was die Hauptadressaten zu dieser Thematik angeht, gibt es hier keine Überraschungen, korrespondierte Fugger doch auch hier wieder mit den Hauptnachrichtenempfängern unter den Militärs und den Adressaten in Hof- und Reichsdiensten: Hieronimus von Lodron steht einsam an der Spitze, dann folgt eine Reihe von Fuggerschen Korrespondenten in hohen kaiserlichen Hof- und Reichsämtern, nämlich Jörg und Hans von Montfort, Johann Tonner, Anton von Montfort, Werner Breitschwerdt, Kriegsleute wie Christoph Tanner und Sebastian Roll.674 Entsprechend ihrer Position und ihrem Aufgabengebiet traten die Hof- und Reichsbeamten Montfort, Tonner und Breitschwerdt besonders als Nachrichtenlieferanten hervor, während ansonsten insgesamt klar Fugger als Sender von Informationen über Kai-
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Auf Lodron entfallen 51 Briefe, auf Jörg von Montfort 18, Hans von Montfort erhielt 15, Tonner ebenfalls, an Anton von Montfort gingen 13 Schreiben, an Werner Breitschwerdt 12, für Christoph Tanner waren 11 Briefe, auf Sebastian Roll entfielen noch sieben.
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ser und Reich dominierte.675 Im Gegensatz zur Adressatenstruktur aber sind die gewählten Perspektiven auf das Reich und insbesondere die Frequenz der Berichterstattung in mehreren Fällen doch einigermaßen überraschend. Eingebunden in eine Darstellung der wichtigsten Einzelthemen bzw. -institutionen werden daher im folgenden die Hauptakzente des Fuggerschen Bildes vom Reich und seiner Diskussion im Korrespondenznetz resümierend nachgezeichnet.
1. Kaiser, Kaiserhof und Erblande Bei Fugger gab es, wenn auch eher selten, ‹Hofberichterstattung› zu Erkrankungen und Reisen des Kaisers. In den Jahren bis 1576 waren es schwerere Krankheiten Kaiser Maximilians II., die immer wieder neu zum Nachrichtenereignis wurden – mit besonderer Brisanz natürlich, solange sein Sohn Rudolf noch nicht zum Römischen König gewählt war. Das Risiko eines Interregnums aufgrund ungeklärter Nachfolge und damit die Gefahr einer Destabilisierung des Reichs wurde dann schließlich mit dem Wahltag von Regensburg 1575, über den Fugger vor diesem Hintergrund mehrfach berichtete, endgültig abgewendet.676 Zum Tod Maximilians während des Regensburger Reichstags am 12. Oktober 1576 schließlich wußte Fugger gar drei Tage später schon über die Obduktionsergebnisse an Hieronimus von Lodron zu berichten.677 Der dynastischen Interessen des habsburgischen Hauses wurde insbesondere in den 1570er Jahren, als die polnische Krone in greifbarer Nähe schien, in Fuggers Briefen ausführlich gedacht – nicht nur der Machtausbau der kaiserlichen Familie spielte hier allerdings eine Rolle, sondern zum einen die Vorteile, die durch eine Erlangung des polnischen Throns im Kampf gegen die Türken zu erwarten waren,678 ebenso aber die Spannungen, die durch eine erfolgreiche französische Kandidatur dem Reich von Osten her drohten.679 Als dynastisches Dauerprojekt der Habsbur-
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254 Briefe sind in die thematische Kategorie ‹Kaiser und Reich› eingeordnet (eingerechnet ist hier Berichterstattung über die Landtage und habsburgische Bemühungen um die polnische Königskrone, Berichte über den Reichstag). Sie gingen an insgesamt 67 verschiedene Adressaten. 38 dieser Briefempfänger erhielten jedoch nur ein Schreiben zu dieser Thematik. – Fugger lieferte fast fünfmal so viele Nachrichten zum Thema (192 Meldungen), als er von seinen Adressaten erhielt (53 Meldungen). Bei einigen Briefen konnte der Sender der Nachricht nicht zweifelsfrei ermittelt werden. Vgl. dazu insbesondere die Briefe Fuggers an Hieronimus von Lodron, 03.10.1573, FA 1.2.6b H. 16 (I 1160) und an Wilhelm Bastyus, 12.11.1575, FA 1.2.8 H. 24 (II/1 658). – Zur Bewertung und zu den Vorbereitungen der Königswahl vgl. Albrecht P. Luttenberger: Kurfürsten, Kaiser und Reich. Politische Führung und Friedenssicherung unter Ferdinand I. und Maximilian II. Mainz 1994 (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches 12), S. 146–165. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 15.10.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 979). Vgl. Hans Fugger an Hans Jörg von Preysing, 06.09.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 840). Vgl. Hans Fugger an Niclas Heller, 20.06.1573, FA 1.2.6b H. 14 (I 1044). – Ausführlich zur Frage der polnischen Thronkandidatur die Untersuchung von Almut Bues: Die habs-
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ger, das 1585 bis 1592 immer wieder in den Briefen Fuggers auftauchte, erwies sich auch die angestrebte Verbindung zwischen Rudolf II. und der spanischen Infantin Isabella Klara, die gleichwohl nie zustandekam.680 Eindeutiger auf direkte Fuggersche Interessen verweisen die Berichte über Landtage in den Erblanden, mußten die Stände doch auch die Summen bewilligen, die der Kaiser und die Erzherzöge unter anderem zur Tilgung ihrer Schulden bei den Fuggern einsetzten. Die Aufmerksamkeit für die Landtagspropositionen, insbesondere Böhmens, war daher bei Fugger natürlich groß, und der Fortgang der Beratungen wurde rege verfolgt. Gerade die Mitarbeiter des Fuggerschen Handels, der Faktor Hans Heinrich Mundtprot zum Beispiel, wurden von Fugger mit solchen Nachrichten, die sich direkt auf die Finanzkraft der Firma auswirken konnten, immer wieder versorgt.681 Fallweise bezog Fugger in seine Korrespondenz zur allgemeinen Nachrichtenlage politische Ereignisse ein, die größere Aufmerksamkeit beanspruchten, z.B. einen Bauernaufstand in der Krain bzw. Steiermark 1573682 oder die kaiserliche Religionspolitik in Böhmen, die Fugger wieder einmal Anlaß gab, sich gegen die Freistellung auszusprechen: In den Erblanden Maximilians II. habe eine nachgiebigere Haltung nur zu confusion geführt, und es gebe dort – horribile dictu – schier sovil religiones als heuser.683 Daß die 1590er Jahre in konfessionspolitischer Hinsicht nochmals besonders das Augenmerk Fuggers auf sich zogen, da in der Steiermark im Zusammenhang mit den Türkenkriegen die protes tantische «Türkenhoffnung» für Zündstoff sorgte, wurde im Kapitel zum Kampf gegen die Osmanen bereits ausgeführt – das Interesse Fuggers war hier sicherlich zusätzlich dadurch befördert, daß seine Neffen Montfort Güter in der Steiermark besaßen und Hans von Montfort seit 1586 steirischer Landeshauptmann war.684
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burgische Kandidatur für den polnischen Thron während des Ersten Interregnums in Polen 1572. Wien 1984 (Dissertationen der Universität Wien 163). Vgl. neben anderen Briefen: Hans Fugger an Hans Schedler, 07.02.1585, FA 1.2.14a H. 58 (II/2 2686) und an Christoph Reitter, 12.11.1592, FA 1.2.16b H. 90 (II/2 3291). Vgl. z.B. über den böhmischen Landtag Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 26.03.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 388) sowie an Jakob Saurzepf, 03.09.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 591), auch 1578 an Hans Heinrich Mundtprot, 10.06.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1339). – Zur Berichterstattung über den ungarischen Landtag vgl. z.B. Hans Fugger an Christoph Permathin, 10.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2091) sowie an Johann Tonner, 31.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2108). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 28.02.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 925) sowie an Andreas Pühler, 28.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 950). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 02.04.1575, FA 1.2.8a H. 21, pag. 75 (II/1 399). – Für einen gedrängten Überblick zur Konfessionspolitik in den Erblanden vgl. Markus Reisenleitner: Frühe Neuzeit, Reformation und Gegenreformation. Darstellung – Forschungsüberblick – Quellen und Literatur. Innsbruck u.a. 2000 (Handbuch zur neueren Geschichte Österreichs 1), S. 109f. Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 27.06.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2985) sowie Hermann Kellenbenz: Die Fugger als Grund- und Herrschaftsbesitzer in Vorderösterreich. In: Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 103 (1985), S. 63–75, hier S. 68, Eva Moser: Die Besitzungen in der Steiermark. In: Bernd Wiedmann (Hg.), Die Grafen von Montfort. Geschichte und Kultur. Friedrichshafen 1982 (Kunst am See 8), S. 133–138.
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2. Reichstage und weitere Reichsversammlungen Recht eindeutig verteilt auf Fuggers Nachrichten-Hauptkorrespondenten sind die meisten seiner 93 Briefe zu Reichstagen und weiteren Reichsversammlungen, auch zu Kurfürstentagen: Hieronimus von Lodron steht mit mehr als einem Fünftel aller Briefe zu diesen Themen wieder einmal an der Spitze, und Anton, Jörg und Hans von Montfort, allesamt in Hof- oder Reichsdiensten, sind hier wieder als Korrespondenzpartner vertreten, genauso wie Johann Tonner.685 Insbesondere Reichskanzleitaxator Werner Breitschwerdt, der in diesem Themenfeld als Korrespondent an Bedeutung gewinnt, konnte durch seine langjährige Tätigkeit am Prager Hof nachweislich so manch nützliche Neuigkeit liefern. Als Nachrichtenempfänger zählte Christoph Tanner ebenso noch zu den häufigeren Gesprächspartnern, und hier dürfte wie bei Lodron der Kriegsdienst mit seinen häufigen Ortswechseln die Ursache gewesen sein, weshalb Fugger sie über die Geschehnisse auf den Reichstagen auf dem laufenden hielt.686 Erstaunlich unspektakulär muten viele dieser 93 Briefe mit Nachrichten zum Reichstag an, und für den langen Überlieferungszeitraum der Kopierbücher wirkt die Berichterstattung zunächst einmal recht spärlich. Doch der Augsburger Reichstag 1566 war zu Ende, bevor die Überlieferung der Fuggerschen Kopierbücher einsetzt;687 auf den Speyerer Reichstag 1570 nahm Fugger nur Jahre später im Hinblick auf die damaligen Beschlüsse zur Anwerbung von Söldnern im Reich Bezug.688 Über weitere Briefzeugnisse zu diesem Reichstag wissen wir nichts, denn für die Zeit von dessen Ausrichtung ist das betreffende Kopierbuch verloren.689 Übergangen wird in der Fuggerschen Berichterstattung die oberste Reichsversammlung 1567 zu Regensburg, die sich allein mit der Türken- und Exekutionssteuer befaßte.690 Der erste Reichstag, von dem überhaupt zeitgleich bei Fugger mit 13 Briefen berichtet wird, ist derjenige von Regensburg 1576, bei dem Fugger wegen Verhandlungen um die Schulden des verstorbenen Hans Jakob Fugger persönlich zugegen war.691 Knapp erwähnt wird in nur zwei Schreiben – trotz Überlieferung von Briefen für das gesamte Jahr – der Reichstag von Worms 1578.
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Auf Lodron entfallen 20 Briefe, auf Anton von Montfort 11, auf seinen Bruder Jörg neun. An Werner Breitschwerdt gingen acht Schreiben, an Christoph Tanner sechs, an Reichshofrat Johann Tonner fünf und an Hans von Montfort vier Schreiben. So informierte Breitschwerdt Hans Fugger 1580 mehrfach über den Fortschritt kaiserlicher Planungen zu einem Reichstag in Nürnberg, der jedoch nicht realisiert wurde, vgl. z.B. Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 18.11.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1774). Breitschwerdt hatte in dieser Sache auch schon einen Brief des Reichsvizekanzlers Vieheuser an Fugger übermittelt, vgl. Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 20.08.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1682). Der erste überlieferte Kopierbuch-Brief datiert auf den 20.08.1566, FA 1.2.5 H. 5 (I 1). Vgl. Hans Fugger an Christoph Tanner, 31.01.1576, FA 1.2.8a H. 24 (II/1 711). Für das Jahr 1570 ist nur das Kopierbuch FA 1.2.5 H. 11 überliefert, das vorangehende Heft 10 fehlt in der gebundenen Sammlung. Vgl. Lanzinner: Friedenssicherung, S. 217f. Vgl. Karnehm: Regesten I, S. 47*f.
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Die Ausrichtung des Reichstags von 1582 in Augsburg bedeutete für den Fuggerschen Informationstransfer an sich die allerbesten Voraussetzungen. So reich jedoch mit 34 Schreiben Fuggers die Briefzeugnisse über diesen Reichstag vorliegen, für den der Fuggersche Wohnkomplex am Weinmarkt wie schon bei früheren Reichstagen als Kaiserlogis diente, so rar sind die Stellungnahmen zu konkreten politischen Entscheidungen in lediglich acht von diesen Briefen: Ausführlicher als die politischen Verhandlungen berichtete Fugger seine persönlichen Belastungen im Vorfeld durch den zeitweisen Auszug aus seinem Haus und die umfangreichen ‹technischen› Vorbereitungen in der Stadt,692 daneben die zu erwartende anhaltende Teuerung693 und insbesondere die Konflikte mit Konrad von Pappenheim, der mit seinen Forderungen als kaiserlicher Quartiermeister vielfach in Gegensatz zu den Vorstellungen der Stadtoberen geriet.694 Sogar einem Johann Tonner in Prag, sonst zweifelsohne über Reichstagsgeschäfte stets hervorragend informiert, konnte Fugger so als Berichterstatter vor Ort mit Neuigkeiten dienen.695 Warum diese Zurückhaltung? Zwar ist Fuggers Korrespondenz 1582 in den ersten drei Juliwochen – am 16. Juli verstarb seine Frau – unterbrochen, doch von Ende des Monats an lief der Briefwechsel weiter, am 23. Juli berichtete Fugger an Hans Graf von Salm die Verlesung der Proposition.696 Dies erklärt allerdings nicht die spärliche Berichterstattung zu den übrigen Reichstagen. Schienen also die Beratungen und Entscheidungen der höchsten Reichsversammlung etwa nicht wichtig genug, verglichen mit den Kriegsereignissen in den Niederlanden und dem Kampf gegen die Osmanen? Oder sah Fugger Diskretion hier als besonders angeraten an? Zunächst einmal kommt hier sicher zum Tragen, daß der Reichstag in den Jahren, für die uns Fuggers Korrespondenz überliefert ist, nur viermal tagte; im Gegensatz dazu herrschte auf den Schauplätzen der europäischen Großkonflikte der Zeit nahezu niemals Stillstand. Und dadurch, daß Fugger teilweise die Abschriften bzw. Auszüge der Reichstagspropositionen oder der Reichstagsbeschlüsse versandte, wie dies für die Korrespondenz mit Lodron 1576 nachzuweisen ist, dürfte er sich zumindest umfangreiche Nacherzählungen der wichtigsten Anträge und Ergebnisse im Brieftext mehrfach erspart haben.697 Es kann hier nur vermutet werden, daß Berichte zum Reichstag eventuell vielen von Fuggers Korrespondenten im Reich ohnehin relativ gut zugänglich waren und Fugger nur bei ausgewählten Personen
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Vgl. neben anderen Belegen insbesondere Hans Fugger an Anton von Montfort, 03.02.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2061) sowie an Jörg von Montfort, 03.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2080). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 22.02.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2076). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 31.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2108). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 22.02.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2076) sowie an denselben, 31.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2108). Zum Tod Elisabeth Fuggers vgl. Hans Fugger an Hans Besch, 26.07.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2167). – Der Bericht an Salm im Brief vom 23.07.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2166). Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 14.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 881) und 15.10.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 979).
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ausführlicher berichten zu müssen glaubte, wie das bei Lodron und Tanner anzunehmen ist.698 Zum anderen läßt sich die recht spärliche Berichterstattung und der augenscheinlich geringe Informationsbedarf der Korrespondenten über die Beratungen des Reichstags schlicht als Erfolgsgeschichte der Reichsordnung nach 1555 lesen: Abgesehen vom Reichstag 1570, auf dem die Friedensordnung des Reiches im Mittelpunkt stand, gelten die Reichstage zwischen 1566 und 1613 gemeinhin als «Türkenreichstage», vom Kaiser ganz auf die Bedrohung durch das Osmanische Reich und die erforderlichen Reichshilfen zur Abwehr ausgerichtet.699 Die Religionsproblematik spielte lange Zeit eher eine Nebenrolle, wiewohl natürlich – die vorausgegangenen Kapitel belegen dies ja – die konfessionelle Konfliktlage nicht vollständig entschärft war und dann ab 1583 über den niederländischen Dauerkonflikt hinaus im Reich zu bewaffnetem Kampf Reichsstand gegen Reichsstand führte. Erst 1582 wurde die Religionsfrage wieder zum brisanten Diskussionspunkt.700 Der Reichstag war also insbesondere in der Zeit Kaiser Maximilians (1564–1576), so auch das Urteil bei Lanzinner, nicht der Ort erbitterter politischer Kämpfe, denn die konfessionelle Frage führte auf den Reichstagen in dieser Zeit zu keinen größeren politischen Irritationen.701 Und wenn auf dem Reichstag ‹business as usual› herrschte und für das Reich keine ernsthaften Gefährdungen berichtet werden mußten, war ein Hans Fugger dazu einer ‹Nachrichtenpflicht› weitgehend enthoben. Die wenigen Anmerkungen Fuggers zur politischen Agenda der Reichstage dokumentieren diesen Befund einer zumindest unter Maximilian II. andauernden ‹innenpolitisch› ruhigen Periode: In den Jahren bis 1580 stand bei Fugger die Bedrohung des Reiches von außen im Vordergrund: 1576 war es der Antrag auf Türkenhilfe, der Fugger Hieronimus von Lodron gegenüber als besonders berichtenswert erschien; 1578 beanspruchten in den Briefen an Hans Heinrich Mundtprot, den Kölner Faktor mit besonderer Nähe zum niederländischen Schauplatz, die Beratungen um eine Befriedung des Konflikts Spaniens mit seinen niederländischen Provinzen vorrangig die Aufmerksamkeit.702 Auch der erwähnte Rekurs auf die Beschlüsse zur Werbung von Truppen durch ausländische Machthaber im Reich, getroffen zu Speyer 1570, hatte seine Wurzel in den Kämpfen, die an den Grenzen des Reiches tobten. Hier zeigte Fugger allerdings eine der Schwächen der Reichs-
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20 der 93 Briefe zum Thema ‹Reichstag› gingen an Lodron. Vgl. dazu Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 78 sowie Lanzinner: Friedenssicherung, S. 318. Zur konfessionellen Problematik auf dem Reichstag von 1582, insbesondere im Zusammenhang mit dem Magdeburger Sessionsstreit, auch Severino Vareschi: La legazione del cardinale Ludovico Madruzzo alla dieta imperiale di Augusta 1582. Chiesa, Papato e Impero nella seconda metà del secolo XVI. Trento 1990 (Collana di monografie 47), bes. S. 105–126. Zur Einordnung vgl. Lanzinner: Konfessionelles Zeitalter, S. 176. Lanzinner: Friedenssicherung, S. 527. – Zur Freistellungsproblematik Gudrun Westphal: Der Kampf um die Freistellung auf den Reichstagen zwischen 1556 und 1576. Diss. Marburg 1975. Vgl. Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 22.04.1578 und 12.05.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1321, 1332). Vgl. dazu auch Arndt: Reich und Niederlande, S. 52ff.
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ordnung an, auf die noch weiter einzugehen sein wird: Zwar sah er die Speyerer Regelungen, die eine verstärkte kaiserliche Kontrolle ausländischer Werbungen im Reich beabsichtigten, als wichtige Maßnahmen an, allein es fehlte an ihrer Durchsetzung, oder, wie Fugger es formulierte: aber es gehöret darzu, dz man auch mit merern ernst darauf helt.703 Tatsächlich hatte sich nämlich an der Werbungspraxis ausländischer europäischer Herrscher im Reich nichts geändert.704 Erst 1582 sehen wir die konfessionelle Dimension in Fuggers Berichterstattung zum Reichstag einziehen. Die Aussicht, daß ein päpstlicher Legat auf dem Reichstag erscheinen könnte, ließ ihn eine Verschlechterung des Klimas für die Verhandlungen insgesamt befürchten: [...] ich in meiner einfalt sich [sehe, d. Verf.] sovil, dz eines pepstlichen legats presentia uff ein reichstag grosse contribution zu erhalten ehr hinderlich als fürderlich sein wirdt, und werden unsere teutsche fürsten besorgen, ir Hay:[ligkeit] wird in religions sachen vil neus attendiren, und darduch zu contribution desto unlusstiger sein.705
Bezeichnenderweise wird hier also noch einmal der äußere Druck auf das Reich angeführt, mit der Erwartung einer Behinderung der Beratungsarbeit der Reichsstände, sogar für die Bewilligungen des Reichstags für die Türkenkriege (contribution), um deren Bedeutsamkeit Fugger ja nur zu gut wußte. Teilweise erschien ihm wohl auch die Diskussion unter den Fürsten selbst wenig ergiebig, wußte er doch zu berichten, daß nach Abreise der Kurfürsten die Verhandlungen unter den Räten besser vonstatten gingen als unter den Augen ihrer Herren.706 Kurz vorher schrieb Fugger aus Augsburg von verhinderungen und beschwerungen, die eine zügige Bewilligung der vom Kaiser geforderten Reichskontribution verzögerten.707 Damit ordnen sich die Fuggerschen Äußerungen in die häufigen zeittypischen Vorwürfe schleppender und ineffizienter Reichstags-Arbeit ein.708 Eingeweihte wüßten schon die tieferen Gründe, warum die Stimmung nach dem Ende des Reichstags so
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Hans Fugger an Christoph Tanner, 31.01.1576, FA 1.2.8a H. 24, pag. 715 (II/1 711). Vgl. Lanzinner: Friedenssicherung, S. 366. Hans Fugger an Anton von Montfort, 03.03.1582, FA 1.2.12a H. 43, pag. 118 (II/2 2083). Vgl. Hans Fugger an Hans Schedler, 13.09.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2183). Vgl. Hans Fugger an Hans Graf von Salm, 23.07.1582, FA 1.2.12a H. 44, pag. 377f. (II/2 2166). – Im Brief an Salm findet sich auch dasjenige Zitat Hans Fuggers, das seit Leonhard Lenk gerne als Beleg für den schrittweisen Niedergang Augsburgs in der zweiten Jahrhunderthälfte angeführt wird. Zu beachten ist jedoch, daß dieses Zitat in Fuggers kritische Berichte vom mäßigen Fortgang des Reichstags eingebunden ist und der Vergleich mit dem dörfflin, das Fugger nun anstelle der ehemals grossen statt sah, syntaktisch, möglicherweise mit metaphorischer Komponente, auf den Reichstag bezogen ist: Wan der herr disen reichstag solte besuchen, und sehen gegen den so ao: [anno] 48. und 49. gewest, so würd in gedunckhen, er seh jezo ein khlein dörfflin, da damaln ein grosse statt gewest. Es ist inn sa: [summa] alles in abnemmen, und erzeigen sich laider alle sachen mer zue böserung als zue besserung. Der auch bei Roeck hergestellte Bezug auf den politischen Bedeutungsverlust der Stadt Augsburg erscheint mir daher nicht als zwingend, vgl. dazu Roeck: Augsburg, S. 201. Dazu Gotthard: Säulen, S. 267.
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schlecht sei, doch man äußere sich besser nicht schriftlich darüber, so Fugger an seinen Schwager Balthasar Trautson.709 Just mit diesem Reichstag erstattete Fugger auch Bericht über den konfessionspolitischen Dissens auf dem Reichstag: Die geistlichen Fürsten und der Kardinallegat Madrutz, so Fugger an Hieronimus von Lodron, würden den protestirenden710 an irm fürnemen in religions sachen nit wenig verhinderung geben711 – damit waren in denkbar kürzester Form der Magdeburger Sessionsstreit und die Aachener Händel in die Fuggersche Berichterstattung eingeführt, auf die auch die eben angeführten Behinderungen der Beratungen um die Reichstürkenhilfe zurückzuführen sind.712 Die bewilligten Römermonate für die Türkenabwehr wußte Fugger als Erfolg zu verbuchen; viele weitere Fragen würden jedoch auf den nächstfolgenden Reichsdeputationstag verschoben.713 Die Verlagerung von Tagesordnungspunkten auf Deputationstage erscheint bei Fugger in einem recht kritischen Licht – in dem wachen Bewußtsein, daß die angedeutete Schwerfälligkeit der Beratungen auf dem Reichstag und die dadurch ausgelöste «schleichende Substituierung»714 durch andere Beratungsformen nicht unbedingt eine Lösung für die drängenden Probleme gewährleistete, denn die Abgesandten für die Deputationstage verrichten wenig sonder verschiebens noch weitter, nemblich uff khünfttige reichstäg.715 Was Fugger im Grunde an den Deputationstagen zu monieren hatte, war die Scheu, sich Problemen zu stellen und tragfähige Handlungsgrundlagen auszuarbeiten. Daß die reichsständische Verantwortung, die hinter diesen Deputierten-Versammlungen stand, nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen würde, hatte Fugger schon zwei Jahre zuvor anläßlich eines für Nürnberg 1580 geplanten Kurfürstentages kritisiert, der dann niemals stattfand. Die Probleme erschienen in diesem Jahr wahrhaft drängend, da ein Übergreifen des niederländischen Konflikts auf weitere Reichsterritorien am Niederrhein drohte. Fugger brachte die Verbindung mit der reichischen Konfessionspolitik ein, befürchteten doch Calvinisten und Philippisten von einem Kurfürstentag die Gleichsetzung von Augsburgischer Konfession und Konkordienformel, was sie aus dem Reichsfrieden ausgeschlossen hätte.716 Und Fugger selbst betonte wiederum, wie wir im 709 710
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Vgl. Hans Fugger an Balthasar Trautson, 24.09.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2193). Die Formulierung ist wohl zurückzuführen auf die ‹protestierenden Stände›, gemeint sind zweifellos Lutherische und Reformierte. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 15.08.1582, FA 1.2.12a H. 45, pag. 420 (II/2 2177). Christl Karnehm schlägt in ihrem Regest eine andere Lesart vor. Zu Sessionsstreit und Aachener Konflikt und ihrem Einfluß auf die Beratung zur Kontribution vgl. knapp Rauscher: Reichstürkenhilfen, S. 77 sowie Schulze: Reich und Türkengefahr, S. 79f. So Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 15.08.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2177). Winfried Schulze: Der deutsche Reichstag des 16. Jahrhunderts zwischen traditioneller Konsensbildung und Paritätisierung der Reichspolitik. In: Heinz Duchhardt, Gert Melville (Hg.): Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und früher Neuzeit. Köln 1997 (Norm und Struktur 7), S. 447–461, hier S. 455 (Zitat). Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 15.08.1582, FA 1.2.12a H. 45, pag. 418 (II/2 2177). Dazu Gotthard: Säulen, S. 264.
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Zusammenhang mit seinen Berichten zum Niederländerkrieg bereits gesehen haben,717 den Calvinismus als Wurzel von Aufruhr gegen die Obrigkeit, wie man es jetzt in Frankreich und den Niederlanden sehe.718 Um so enttäuschender war ihm die mehrfache Verschiebung, von der er zeitnah und zuverlässig insbesondere durch Werner Breitschwerdt und Johann Tonner aus Prag unterrichtet wurde.719 Wichtiger als andere Interessen, etwa des brandenburgischen Kurfürsten, hätten Fugger zufolge die anstehenden Probleme und die Aussicht auf erfolgreiche Beratungen sein müssen!720 Fugger forderte hier ein, daß die Kurfürsten ihre Verantwortung für das Reich im Ganzen wahrnahmen – doch gerade die Tatsache, daß sie «eben auch und vor allem Territorialherren waren»,721 brachte nach dem Urteil der neueren Forschung neben Diskussionen um die Angemessenheit der Versammlungsform das Aus für den Kurfürstentag von 1580: War den rheinischen Kurfürsten die Gefahr aus den Niederlanden so nah, daß sie ihre Territorien für ein Treffen mit den anderen Kurfürsten nicht verlassen wollten, so war der Konfliktherd von den Kurfürsten im Osten des Reiches zu weit entfernt.722 Noch drängender muß aber die Frage erscheinen, wie die Stände des Reiches mit Konflikten umgingen, die nicht mehr an der Reichsperipherie lokalisiert waren – und wie Fugger hier die Haltung der maßgeblichen politischen Kräfte bewertete.
3. Reichsgerichtsbarkeit im Dienste der Reichspolitik Als politische Kraft mit maßgeblichem Einfluß auf die Reichspolitik erscheint bei Fugger das Reichskammergericht, zusammen mit dem Reichshofrat in Wien die oberste Judikative des Reiches, weit über den Entscheid individueller Rechts- und Streitfragen hinaus. Schon Fuggers Stellungnahme zur Personalpolitik des Speyerer Gerichts bringt dies zum Ausdruck: Eine Stärkung der katholischen Position erhoffte Fugger sich 1583, wie ein Brief an den Reichskammergerichtspräsidenten Hans von Montfort belegt, durch die kaiserliche Berufung eines neuen Präsidenten,
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Vgl. S. 184f., 193f. Hans Fugger an Heinrich Erb, 05.08.1580, FA 1.2.10 H. 36, pag. 515f. (II/1 1665): Uff 22 diß verruckht die Rö: Kai: Mt: von Prag nah Nüerbg [Nürnberg] alda dem churf:[ürsten] tag bej zu wonen, die maist deliberation wirdt sein, wie man der calvinischen religion begegnen möcht, damit dieselb nit uber hand nemb, und inn Teutschland auch empörung, wie inn Frankh:[reich] und im Niderland verursacht. – Vgl. dazu die Berichterstattung zum Kampf in den niederländischen Provinzen, Kap. IV., A., S. 163–198. Vgl. Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 20.08.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1682) sowie am 23.09.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1710) und 08.10.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1734). Vgl. Hans Fugger an Philipp Römer, 07.09.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1699) und an Johann Tonner, 28.10.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1752). Gotthard: Säulen, S. 266. So der Erklärungsansatz bei Gotthard: Säulen, S. 263–266.
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denn Rudolf II., so Fugger, müsse eine protestantische Mehrheit der Richter verhindern.723 Was die Besetzung des Reichskammergerichts für Fugger so interessant machte, waren zum einen eigene Rechtsverfahren, die in Speyer geführt wurden. Hier argwöhnte er konfessionell motivierte Intrigen gegen die Fugger, die er zum Teil für die zeitgenössisch viel beklagte lange Verfahrensdauer der Prozesse verantwortlich machte.724 Fuggers Klage, daß die Rechtsprechung im Reich auf Stelzen gehe,725 hat wohl in solchen Erfahrungen der Prozeßdauer und des Mißerfolgs ihre Basis. Grund für die Beobachtung der Konfession der Kammerrichter war 1583 jedoch auch die ganz konkrete Sorge um die Lage seiner Heimatstadt: Mit Spannung erwartet wurde der Entscheid des Gerichts über den Antrag der Augsburger Kalendergegner, die vom Rat verfügte Einführung des Gregorianischen Kalenders auszusetzen – in dieser Situation erschien jede protestantische Richterstimme als Gefahr. Wie im Zusammenhang mit dem Kalenderstreit bereits angeführt wurde,726 war den Zeitgenossen die Vorstellung, auf die oberste Reichsgerichtsbarkeit entlang der Linien von Verwandtschaft, Klientel und Konfession auf gerichtliche Entscheidungen Einfluß zu nehmen, durchaus nicht fremd, und in diesem Vorstellungskreis bewegte sich also auch Fugger.727 Konsequent erscheint daher Fuggers Reaktion auf richterliche Kritik an der Politik des Augsburger Rats, der für seine allgemeine Einführung des neuen Kalenders – abgesichert durch eine Urteilsrevision des Kammergerichts – mit dem Aufruhr vom 4. Juni seine Quittung erhielt: Hans von Montfort hinterbrachte seinem Onkel, daß
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Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 09.02.1583 sowie 03.03.1583, beide FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2289, 2298). So Fugger an Ludwig Haberstock, 29.04.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1938). – Die lange Prozeßdauer wird von der neueren Forschung im Sinne der Konflikt-Pazifikation und -Kommunikation auch positiv bewertet, vgl. dazu Bernhard Diestelkamp: Das Reichskammergericht im Rechtsleben des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Wetzlar 1985 (Schriften der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung 1), S. 10, 18f. Fugger fand allerdings, daß das Gericht so langsamb [sei], das kheiner das Endt erleben kann. So Hans Fugger an Hans von Montfort, 25.12.1581, FA 1.2.11 H. 42 (II/1 2018). Zitiert nach Christl Karnehm. – Verzeichnisse der Reichskammergerichtsakten geben einen Überblick zu den zahlreichen Rechtshändeln, die Hans Fugger und seine Brüder insbesondere wegen der Wahrnehmung von Herrschaftsrechten mit verschiedenen Parteien, vor allem den Augsburger Bischöfen, vor dem Reichskammergericht ausfochten. Dazu Hörner, Ksoll-Marcon: Reichskammergericht, bes. Nr. 3734–3844. Die gerichtlich ausgetragenen Konflikte um die Herrschaft Kirchheim datieren auf spätere Jahre, vgl. dazu Barbara Gebhardt: Lehenrechtliche Probleme in einem Reichskammergerichtsprozeß des ausgehenden 16. Jahrhunderts mit Anmerkungen zum vorgelegten Beweismaterial. Auseinandersetzung um die Gültigkeit der Belehnung mit der Herrschaft Kirchheim zwischen Bischof Markward von Augsburg und den Reichsgrafen Fugger (1586–1611), in: Bernhard Diestelkamp (Hg.): Forschungen aus Akten des Reichskammergerichts. Köln, Wien 1984 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 14), S. 141–157. Zitiert nach Christl Karnehm: Hans Fugger an Hans von Montfort, 19.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2272). Vgl. S. 262. Vgl. Ruthmann: Reichskammergericht.
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die Kammerrichter die Kassation des ursprünglichen Mandats gegen die Kalenderreform in Augsburg lieber noch uffgehalten hätten, bis sich die pertheyn mit einander selbst verglichen, wenn sie die Einführung des neuen Kalenders ohne clementia geahnt hätten. Das war Fugger nun zu viel: Also zu laviren und die Publikation eines Rechtsspruchs derart offen politischen Erwägungen unterzuordnen, das fand er unerhört; das sei bedenklich für alle, die in Speyer ihr Recht suchten und bringe dem Gericht schlechte reputation. Hätten die Richter gleich zugunsten des Rats entschieden, so Fugger, dann wäre die Situation so gar nicht entstanden.728 Gab es einen besseren Beweis für die zeitgenössisch anerkannt hohe Relevanz des Reichskammergerichts für politische Fragen – und gleichzeitig für das Engagement der Richter für die Friedenswahrung im Reich, wenn auch von Fugger hier negativ ausgelegt?
4. Die Ordnung von 1555 in der Bewährung – Reichsstände im Konflikt Der Kölner Krieg als erster großer bewaffneter Konflikt zwischen den Konfessionsparteien im Reich seit dem Fürstenaufstand war eine entscheidende Probe für die Haltung des Kaisers in dieser Auseinandersetzung. Bezeichnenderweise taucht in der Fuggerschen Korrespondenz über den Kölner Konflikt Rudolf II. als aktiv Handelnder nur am Rande auf – um die Jahreswende 1582/83 durch seine Sendung von Reichshofrat Jakob Kurz nach Köln, um zu vermitteln, und später im Zusammenhang mit der Aberkennung der Kurfürstenwürde Gebhards Truchseß von Waldburg.729 Daß Fugger sich aber vom Reich als politischer Organisation und vom Reichsoberhaupt in diesem Konflikt mehr erhoffte, brachte er klar zum Ausdruck, als Nachrichten über die Anwerbung fremden Kriegsvolks durch Pfalzgraf Johann Casimir kursierten: [...] es ist inn der warheit zu erbarmen, dz die Kai:[serliche] Mt: [Maiestät] die chur und fürsten als zusehen sollen, dz pfalzgraf Hans Casimir Franzosen Schweizer und dergleihen frembs volckh, wider alle constitutiones und abschid der reichstäg soll ins landt bringen, wann der new churfürst halb sovil spanisch hilff gebrauchte, so würde jamer und not sein.730
Schön zusammengefaßt finden wir hier zum einen die ‹Führungsebene› des Reiches entsprechend der kurialen Gliederung des Reichstags: Reichsoberhaupt, Kurfürsten und Fürsten.731 Diese Träger aller constitutiones und abschid der reichstäg, die den
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Der Brief an Montfort mit den angeführten Zitaten stammt vom 16.06.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 155–157 (II/2 2523). Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 04.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2259) sowie an Hieronimus von Lodron, 14.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2364). Hans Fugger an Hans von Montfort, 25.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 311f. (II/2 2381). Bezeichnenderweise werden hier die Städte – als weitere Kurie des Reichstags – nicht erwähnt: Sie hatten auf dem Reichstag kein volles Stimmrecht und waren somit offenbar auch von Fugger nicht als vollgültiges Mitglied der reichischen Legislative gewertet.
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Einsatz fremden Kriegsvolks de iure verboten, sahen den Werbungen Johann Casimirs trotz des Verstoßes gegen Reichsrecht untätig zu. Warum keine nennenswerten Maßnahmen ergriffen wurden, beleuchtet Fuggers Nachsatz: Es werde, so sein Vorwurf, mit zweierlei Maß gemessen, denn bei ähnlich umfangreicher spanischer Hilfe für Ernst von Bayern hätte es seiner Meinung nach mit Sicherheit Protest gegeben. Worauf Fugger uns kritisch hinweist, ist nichts anderes als die politische Spaltung der Reichsstände, die dazu führte, daß unter Voranstellung der Macht- und Konfessions-Interessen einzelner Landesherren der Bruch von Reichsrecht in Kauf genommen wurde – im übrigen von protestantischer ebenso wie von katholischer Seite, spricht doch die Anführung spanischer Hilfstruppen in diesem Kontext Bände.732 Zwar erhoffte Fugger sich von übergeordneter Reichsebene jeweils nichts weniger als die Stärkung der katholischen Position; doch sein Bewußtsein, daß derzeit niemand die einschlägigen reichsrechtlichen Regelungen einzuhalten und einfordern trachtete, kommt klar zum Ausdruck. Auch die Spitzen des Reiches waren nun einmal Partei; Rudolf hatte noch 1583 angesichts von Gebhards unbeugsamer Konflikthaltung seine Vermittlungsbemühungen aufgegeben. Daß Fugger sich einen machtvoll auftretenden Kaiser zur Unterstützung der katholischen Partei im Reich wünschte, belegen die Briefe zum Kalenderstreit mit besonderem Nachdruck. Seine authoritet733 solle Rudolf in die Wagschale werfen, um die Protestanten in Augsburg in die Schranken zu weisen, und noch besser, einige Fähnlein Soldaten in die Stadt legen, da man sonst die ungehorsamen zu kheinr zucht bringen khinden.734 Rudolf aber, der sich immerhin 1583 beim Reichskammergericht für die Revision des ersten Urteils zugunsten der Kalendergegner ausgesprochen hatte, überließ die Beilegung des Konflikts weiterhin der Arbeit seiner Kommissare bzw. den Augsburger Parteien in diesem Streit. Aufmerksam wurde von Fugger registriert, daß manche der kaiserlichen Maßnahmen, wie etwa die Anweisung an den Rat von Ulm, Miller aus der Stadt zu schaffen, wirkungslos verpufften.735 Hans Fugger scheint sich recht klar darüber gewesen zu sein, daß Rudolf nie der entschlossen für die katholische Konfession eintretende Kaiser sein würde, den er sich wohl schon bei dessen Königswahl 1575 gewünscht hatte:736 Für den Fall, daß die Katholiken in Augsburg weiter unter Druck gerieten, fürchtete er, khein kaiser Carl würde die [ cf. katholische Religion,
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Tatsächlich hatte es Anfang des Jahres 1583, als spanische Truppen auf das Erzstift zurückten, rasch Proteste von protestantischer Seite gegeben, vgl. Lossen: Kölnischer Krieg, S. 173. Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 30.06.1584, FA 1.2.13 H. 54, pag. 213 (II/2 2540). Hans Fugger an Jörg von Montfort, 17.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 447 (II/2 2613), ähnlich auch an Anton von Montfort, 02.07.1586, FA 1.2.14a H. 61, pag. 360f. (II/2 2991). Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 21.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2561). Nach der Krönung Rudolfs zum Römischen König gab Fugger gegenüber seinem Korrespondenten Wilhelm Bastyus der Hoffnung Ausdruck, das Reich werde nun einen frommen katholischen König bekommen haben – die irenischen Neigungen Maximilians II. waren den Zeitgenossen schließlich bekannt. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm Bastyus, 12.11.1575, FA 1.2.8 H. 24 (II/1 658).
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d. Verf.] so bald mer restauriren.737 Die Zeiten des Geharnischten Reichstags, in dessen Folge der Katholizismus in Augsburg wieder restitutiert und die katholische politische Dominanz in der Stadt etabliert wurden, waren ihm endgültig vorbei.738 Fuggers im Jahr 1583 ausgesprochene Befürchtung, Reformierte und Evangelische könnten sich zur Vernichtung des reichischen Katholizismus verbünden und ganz Deutschland in Schutt und Asche legen, spricht ebenso gegen eine Auffassung vom Kaiser als einer starken Schutzmacht – ein entschiedener Vertreter der katholischen Konfession argumentierte hier ganz aus der Defensive.739 An der mehrkonfessionellen Reichsrealität war nicht mehr ernsthaft zu rütteln. Schon 1569, in der frühen Phase des niederländisch-spanischen Krieges, als er die Ausweitung der Kämpfe auf das Reich fürchtete, hatte Hans Fugger Karl V. nachgetrauert740 – ein Gegenbild also ebenso zu Maximilian II., der für seine konfessionell ausgleichende Politik bekannt war, wie zu Rudolf II. und zu Philipp II., der seine nördlichsten Provinzen nicht unter Kontrolle brachte.741 Bezeichnend für die Fuggersche Interpretation der politisch-konfessionellen Lage des Reichs in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist der Angelpunkt, auf den er in seiner Argumentation wiederholt zurückkehrte: Der Fürstenaufstand und schließlich der Passauer Vertrag von 1552 waren ihm Menetekel, wenn seit den 1580er Jahren protestantische Fürsten Koalitionen gegen die katholischen Gegenspieler eingingen: Wenn Johann Casimir für Gebhard Truchseß ausländisches Kriegsvolk erhalte, könne das schier ein sach wie im fürsten krieg werden,742 eine Erinnerung, die er im Zusammenhang mit den Vorgängen im Erzstift noch zweimal brieflich aufleben ließ.743 Und im Zusammenhang mit dem Straßburger Kapitelstreit, von dem in diesem Kapitel noch zu reden sein wird, brachte Fugger 1593 angesichts der noch unklaren Aufteilung des Bistums zwischen katholischem und protestantischem Administrator wieder den passauische[n] vertrag744 ins Spiel, der am Ende stehen und also – aus seiner Sicht – wieder die Katholiken benachteiligen könnte.
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Hans Fugger an Johann Tonner, 16.08.1584, FA 1.2.13 H. 55, pag. 439 (II/2 2611). Zur konfessionspolitischen Entwicklung in Augsburg bis 1547/48 vgl. Immenkötter, Wüst: Augsburg, S. 15–21. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 14.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 249f. (II/2 2364) sowie die Ausführungen im Kapitel zum Kölner Krieg, IV., C., S. 245–248. Vgl. Hans Fugger an Christoph Hörmann, 25.01.1583, FA 1.2.5 H. 9 (I 365). Zusammenfassend zu Maximilians konfessionell ausgleichender Haltung Burkhardt: Reformationsjahrhundert, S. 192. Über irenische Kreise am Wiener Hof zur Zeit Maximilians informiert Howard Louthan: The Quest for Compromise. Peacemakers in CounterReformation Vienna. Cambridge 1997 (Cambridge Studies in Early Modern History), dort S. 85–87 resümierend zur Haltung Maximilians. Hans Fugger an Ottheinrich Herzog von Braunschweig, 18.05.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 89 (II/2 2495). Vgl. auch Hans Fugger an Anton von Montfort, 07.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2310) sowie an Hans von Montfort, 18.05.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2497). Hans Fugger an Marx Fugger d. J., 05.05.1593, FA 1.2.16c H. 91, pag. 247 (II/2 3392).
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Anzeichen für die Einnahme einer katholischen Defensivhaltung gab es bei Fugger allerdings bereits in den 1570er Jahren: Als Pfalzgraf Johann Casimir und Kurfürst August von Sachsen Söldner zur Unterstützung der aufständischen Niederländer in den Norden des Reiches führen ließen, war Hans Fugger zufolge nur Übles aus einer weiteren Stärkung des Calvinismus zu erwarten, der politisch am aggressivsten zweifellos durch Johann Casimir im Reich vertreten wurde. Auch im Kölner Krieg figurierte ja Johann Casimir, wie wir gesehen haben,745 in der Fuggerkorrespondenz als der ‹böse Bube›, hier aber schon im Verein mit denen der neuen religion,746 also in einer Koalition mit Lutheranern, der Fugger als Ziel die Vernichtung des Katholizismus im Reich unterstellte.747 Die Vorstellung von einer besonderen Gefährlichkeit der Calvinisten hatte Fugger bereits im Zusammenhang mit dem Aufstand in den Niederlanden und den ihn tragenden calvinistischen Kräften gewonnen.748 Daß viele auf der protestantischen Gegenseite in Augsburg und im Reich überhaupt von den Katholiken dasselbe argwöhnten, muß hier nicht eigens betont werden.749 Wie im Kapitel zum Kalenderstreit bereits angesprochen, mag diese Auffassung durch die zeitgleichen Vorgänge in Augsburg – auch dort hat man den Protestanten vorgeworfen, sie wollten die Katholiken aus der Stadt vertreiben – noch verstärkt worden sein. Gleichzeitig hatte Fugger aber seit 1584 vertreten, daß die Belastung, die unter anderem Johann Casimirs Politik für das Reich bedeutete, nicht zu grundlegenden Erschütterungen der Reichsordnung führen würde.750 Dies hing – insbesondere aus der fachmännischen Bankiersperspektive – mit der Einschätzung zusammen, daß Johann Casimir nicht genug Unterstützung und damit finanzielle und militärische Macht im Reich hinter sich versammeln konnte, um ernsthaft gegen eine Koalition der katholischen Reichsstände auftreten zu können; dann unsre teutschen chur und fürsten, so gelt haben, wölln davon [vom Geld, d. Verf.] nit schaiden.751 Doch der konfessionelle Antagonismus verlor deshalb in den Druckerzeugnissen, wie Fugger sie 1586 beispielsweise von Johann Tonner zugesandt bekam, nichts von seiner Schärfe, und so schloß Fugger aus den carmina so wider die päpstischen neulich zu Lünenburg vergeben752 worden [...] dz wir catholische wenig guts in den neuen 745 746
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Vgl. S. 246f. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 14.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 249 (II/2 2364). Ähnlich auch der Vorwurf im Brief an Anton von Montfort, 29.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2401). Vgl. Hans Fugger an Hans Heinrich Mundtprot, 01.07.1578, FA 1.2.9b H. 31, pag. 274f. (II/1 1352): […] weil dann die calvinisch religion der massen wie vor augen, uber handt nimbt, so khan nichts gutes volgen, und wirdt dise sect zuletst auch inn Teutschlandt über hand nemmen, und dz feur noh weitter khummen. Allgemein zur Situation im Reich: Georg Schmidt: Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit. 1495–1806. München 1999, S. 123f. – Beispiele aus der Augsburger Chronistik bei Mauer: Geschrey, S. 238f. Vgl. dazu das Kapitel zum Kalenderstreit, IV., D., S. 251–283. So Hans Fuggers Einschätzung im Brief an Hieronimus von Lodron, 17.05.1584, FA 1.2.13 H. 53, pag. 78 (II/2 2492). Im Sinne von ‹ausgeben›, vgl. Fischer: Schwäbisches Wörterbuch 2, Sp. 1134.
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religions verwenten753 zuerachten haben. Dern bös fürnemen welle unser Hergott fürkhemen.754 Daß Fugger dies gerade Tonner schrieb – einem Lutheraner also – weist wie schon bei der Korrespondenz zum Kalenderstreit darauf hin, daß er dem Reichshofrat und langjährigen Vertrauten in Sachen Reichspolitik fast schon eine ‹überkonfessionelle›, am Ziel des Reichsfriedens orientierte Einstellung zuschrieb. Unter den wenigen nachgewiesenen Protestanten im Korrespondenznetz war es, wenn man vom Sonderfall der Korrespondenz mit dem Neuburger Pfalzgrafen über den Kalenderstreit absieht, ohnehin nur Tonner, mit dem Fugger Nachrichten zur Reichspolitik austauschte. Auch die Ära eines Johann Casimir hatte ein Ende: Daß den Pfalzgrafen 1592 der Teuffl oder die Apoplexia [Schlaganfall] hingenommen, das seien doch dem Teutschlandt zu merer Rhue und Friden gute Zeittungen755 – für Hans Fugger eine göttliche Fügung, die zusammen mit dem Tod Kurfürst Christians I. von Sachsen, der dem Calvinismus und der Politik des Pfalzgrafen nahegestanden hatte, die Situation im Reich zumindest teilweise entschärfte.756 Die territoriale Begrenzung des zeitgleich 1592 eskalierenden Konflikts in Straßburg, grundgelegt durch die Wahl konkurrierender Bischofskandidaten durch katholische und protestantische Kapitulare, sah Fugger als Folge davon an, daß Pfalzgraf und Kurfürst nicht mehr in diese Auseinandersetzung eingreifen konnten.757 Die Straßburger Ereignisse werden in der Reichsgeschichtsschreibung zumindest als Ausdruck der zunehmenden «Polarisierung»758 der Reichsstände gewertet oder gar wie der Kölner Krieg dem vielzitierten «historiographischen Krisenkanon»759 zugerechnet, der in den Dreißigjährigen Krieg gemündet habe. Fugger gab sich hier erstaunlich zurückhaltend: So sprach er nicht mehr wie angesichts des niederländischen und des Kölnischen Kriegs oder des Augsburger Kalenderstreits davon, daß Lutheraner und Calvinisten den Katholiken den Garaus machen wollten – die in Fuggers Augen entschiedensten Exponenten einer solchen Politik waren schließlich nicht mehr da –, vielmehr klingt auch hier, in den letzten Überlieferungsjahren der Korrespondenz, wieder eine Argumentation an, die basal ist für Fuggers Auffassung vom Reich: Der ‹Sprengstoff› für den Kampf Reichsstand ge753 754 755
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Gemeint: die Anhänger der ‹neuen› Religion. Hans Fugger an Johann Tonner, 18.10.1586, FA 1.2.14b H. 66, pag. 628f. (II/2 3072). Hans Fugger an Sebastian Roll, 01.02.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3132). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. die Einschätzung bei Rabe: Reich, S. 393. Dazu auch Johannes Arndt: Die Niederlande und die protestantischen Fürsten im Reich 1566 bis 1621 – Hoffnungen und Hilfeleistungen. In: Friedrich Beiderbeck u.a. (Hg.), Dimensionen der europäischen Außenpolitik zur Zeit der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Berlin 2003 (Innovationen. Bibliothek zur Neueren und Neuesten Geschichte 10), S. 85–127, hier S. 104f. Hans Fugger an Sebastian Roll, 30.05.1592, FA 1.2.15b H. 87, pag. 88 (II/2 3253): […] dz bösst an der sach ist, dz Casimirus und der Sachs uffgebarhet, da die inn leben, würd es diß jar nit allein übr Straßburg sonder mer geen. Lanzinner: Konfessionelles Zeitalter, S. 172, zum Straßburger Konflikt 175f. Burkhardt: Reformationsjahrhundert, S. 197. Zur Neubewertung der Krisenerscheinungen und ihrer Bewältigung in den letzten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts vgl. ebenda, S. 197f.
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gen Reichsstand war ohne Zweifel in der unentwirrbaren Gemengelage von konfessionellen Konflikten und Machtinteressen einzelner Reichsstände angelegt. Den Faktor aber, der die aktuelle Situation erst wahrhaft bedrohlich machte und die ‹Explosion› befürchten ließ, den sah Fugger stets jeweils von außen kommen. Schon in der Frühphase des Niederländerkriegs fürchtete er angesichts des drohenden englischen und französischen Engagements, daß nun das Reich in den Konflikt gezogen würde,760 und auch im Kölner Krieg ahnte Fugger Schlimmes angesichts der Werbungen Johann Casimirs in Frankreich.761 Und jetzt wieder in Straßburg: Im Reich fehlten die großen Gegenspieler, aber Frankreich, Lothringen, Spanien streckten ihre Fühler aus, und wieder einmal war im Haus am Weinmarkt eine Zeit lang die Befürchtung zu Gast, uß disem khleinen funckhen könne noch ein groß feur762 werden. Auf das Krisenmanagement des Reichsoberhaupts und weiterer Reichsstände setzte Fugger auch diesmal, ähnlich wie im Augsburger Fall, seine Hoffnungen. Es könnten, so Fugger 1592 in einem Bericht an Roll in Genua, ob Gott will die sachen von der Rö:[mischen] Kai:[serlichen] Mt: [Maiestät] und den teutschen fürsten (die sich dann dern fast [d.h. sehr, d. Verf.] annemmen,) accommodirt werden.763 Kaiserliche Schlichtungsbemühungen, denen sich weitere Reichsstände anschlossen, trugen zwar nicht ausschließlich zur Einstellung der Kampfhandlungen im Jahr 1593 bei – vielmehr waren die finanziellen Ressourcen der Stadt Straßburg erschöpft und Lothringen militärisch stark in Bedrängnis –, aber in den anschließenden Verhandlungen waren es in der Tat wieder die kaiserlichen Kommissäre, von denen die Gespräche zur geteilten Administration des Bistums im Vorfeld des Straßburger Friedens 1593 geleitet wurden.764 Hans Fugger konstatierte so manche Schwächen in der Führung des Reiches: die unzureichende Umsetzung reichsrechtlicher Vorgaben aufgrund von Interessenskonflikten der Reichsstände, schwerfällige und zögerliche Beratungsarbeit auf den Reichstagen, die mangelnde Akzeptanz der kaiserlichen Autorität, Zweifel am ausreichenden Engagement des Kaisers für katholische Belange. Im Streit der konfessionellen Lager gab Fugger sich klar als Vertreter einer Partei zu erkennen, die einem starken Kaiser und einer machtvollen reichischen Exekutive das Wort redete und entschiedenes Eintreten gegen ein weiteres Erstarken des Protestantismus erhoffte.765 Dennoch muß man aber insgesamt den Eindruck gewinnen, daß Fugger sich in einer lebens- und auch überlebensfähigen Reichsordnung aufgehoben sah,
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Vgl. die Bewertung eines drohenden englischen Kriegseintritts in den niederländischen Konflikt und seine Auswirkungen auf das Reich im Brief Hans Fuggers an Christoph Hörmann, 25.01.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 256). Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 25.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2381). Hans Fugger an Johann Rümelin, 15.07.1592, FA 1.2.15b H. 87, pag. 234 (II/2 3279). Hans Fugger an Sebastian Roll, 14.11.1592, FA 1.2.15b H. 87, pag. 52 (II/2 3293). Vgl. dazu detailliert immer noch Ziegler: Straßburg, bes. S. 72–74, 97, 101–112. Auf dem Reichstag war ein Reformkonzept zum Ausbau der Exekutive zuletzt 1570 Thema gewesen – dem Reformvorschlag Lazarus’ von Schwendi zugunsten eines exekutiv gestärkten Monarchen war jedoch kein Erfolg beschieden. Vgl. dazu die Gesamtbewertung bei Burkhardt: Reformationsjahrhundert, S. 195f.
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in der sich die konfessionell und politisch adversativen Kräfte die Waage halten konnten – wenn nicht Koalitionen mit anderen europäischen Mächten dieses labile Gleichgewicht der Kräfte veränderten. Dieses Bild vom Reich, das Fugger in seinen Briefen zeichnete, wurde in erster Linie an die Kriegsleute vermittelt, die an wechselnden Standorten Dienst taten und durch Fugger die Möglichkeit hatten, den Anschluß an die politische Entwicklung jenseits der aktuellen Brennpunkte an den Randbezirken des Reiches nicht zu verlieren. Bei Fuggers recht punktueller Berichterstattung zum Reichstag, die im Schwerpunkt an Heerführer ging und deren Aussetzen als Indikator für Phasen der relativen Normalität des Reichsgeschehens zu werten ist, zeigt sich dies besonders deutlich. Vom Umfang her nachgeordnet, aber für Hans Fugger zweifellos unverzichtbar war der Austausch mit den höfischen und reichischen Funktionsträgern, die Fugger aktuell mit Neuigkeiten zur politischen Konstellation im Reich und zu Planungen am Kaiserhof versorgen konnten. Über den Nachrichtentransfer hinaus erscheint hin und wieder, beispielsweise im Austausch mit Hans und Anton von Montfort, die Korrespondenz als eine Art Diskussionsforum, woraus sich, wie vor allem die Briefe zum Kalenderstreit nahelegen, manchmal auch Ansatzpunkte für Meinungsbeeinflussung und Multiplikatoreffekte ergeben konnten. Getragen wurde diese Ordnung von Kaiser und Reichsfürsten zusammen. Insbesondere Rudolf II. wurde mehrfach in seiner Funktion als oberster Krisenmanager beschrieben, mit der Entsendung von Kommissionen bemüht, die reichischen Konfliktparteien zu einem Kompromiß zu bewegen. Fugger sah zwar Ruhe und Frieden im Reich durch den macht- und konfessionspolitischen Dissens mehrfach schwer bedroht, so durch den niederländischen Unabhängigkeitskampf oder den Kölner Krieg, doch von einem auseinanderbrechenden Reich ist nicht die Rede, schon gar nicht von umfassendem gegenreformatorischem Revanchismus – seine Position war ganz klar eine defensive. Die Existenz dreier Konfessionen im Reich war Alltag, und es gibt kein Anzeichen, daß Fugger eine Veränderung dieses Zustands für das Reich in seiner Gesamtheit ernsthaft in Betracht gezogen und somit alle politischen Realitäten negiert hätte. Der Religionsfrieden von 1555 war die – wenn auch manchmal angezweifelte und schwer bedrohte – Existenzbasis des Reiches: das erfuhr Fugger in Augsburg jeden Tag.
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V. Nachrichten in Hans Fuggers Korrespondenz – zentrale Aspekte Fuggerscher Informationskultur
Was bedeutete es im Rahmen der Fuggerschen Korrespondenz, informiert zu sein? Und was bedeutete es, einen anderen zu informieren? Qualitätskriterium für Nachrichten war zuvorderst ihre Aktualität und Zuverlässigkeit: Als Nachrichtenlieferant konnte Fugger hier auf die Organisation des Handels mit seinen Faktoreien oder Agenten an zentralen Nachrichtenplätzen – Antwerpen, Wien, Prag, Venedig, Madrid –, auf die regelmäßige Berichterstattung der Handelsangestellten und Geschäftspartner als Grundlage seines Informationssystems bauen. Daß dieses Informationssystem ein dezidiert europäisches war, verstand sich angesichts der geschäftlichen Engagements der Firma und der europäischen Konfliktlage von selbst, und der Ausbau von Post- und Botensystemen gewährte, insbesondere in die Niederlande und nach Italien, eine relativ stabile Anbindung an die großen Ereigniszentren. Soweit die Post- und Botendienste einigermaßen verläßlich arbeiteten, zeichnete dieses System eine hohe Regelmäßigkeit aus, wie insbesondere an den wöchentlichen Mitteilungen aus den Niederlanden gut nachzuvollziehen ist. Laufende Berichte der Faktoren an die Firmenzentrale in Augsburg, wo ein kontinuierlicher Eingang überwacht und gegebenenfalls angemahnt wurde, gehörten zum Geschäftsalltag, von dem Fugger als Nachrichtenlieferant für seine Adressaten profitierte, da er stets Neues zu berichten wußte. Dagegen konnte Fugger bei den Korrespondenzpartnern, die ihm Nachrichten sandten, nur bedingt von einer regelmäßigen Berichterstattung ausgehen – wie das Beispiel Hieronimus von Lodrons gezeigt hat, vergingen unter Umständen Monate, bevor der Oberst wieder Neuigkeiten von seinem aktuellen Einsatzort meldete. Daß Fugger jedoch den Berichten Lodrons zweifellos eine hohe Bedeutung zumaß, lag an der Expertenfunktion des Kriegsmanns: Er garantierte ebenso wie alle anderen Militärs unter den Nachrichtenkorrespondenten Fuggers, ebenso wie Hans von Montfort als Reichskammergerichtspräsident oder Ludwig Haberstock als diplomatischer Gesandter, Mitteilungen erster Güte, direkt an den Orten des Geschehens gesammelt und mit sachkundigen Einschätzungen versehen. Kam ihren Nachrichten also allein von der quantitativen Seite her eher eine ergänzende Bedeutung zu, so garantierten Fuggers Nachrichtenkorrespondenten durch ihre Zusatzinformationen doch einen ‹Quellenmix› von besonderer Qualität, wie auch die geringe Anzahl offensichtlicher Falschmeldungen darlegt. Das Expertentum seiner Mitarbeiter und Korrespondenten ging auf einer zweiten Ebene als Charakteristikum auf die Fuggerschen Nachrichten über. Erfolg und Effizienz dieser Nachrichtendienste für und an Fugger hingen überdies mit der deutlichen Zielgruppenorientierung des Nachrichtentransfers zusammen. Nachrichten wurden, egal ob sie von Hans Fugger kamen oder von seinen 300
Briefpartnern, nicht nach dem ‹Gießkannenprinzip› verteilt, sondern auf die speziellen Informationsbedürfnisse des Empfängers, auf seine Position als Söldnerführer etwa, abgestimmt. Und dementsprechend wurden Nachrichten eingefordert: Hans Fugger fragte beispielsweise Hieronimus von Lodron gezielt nach Neuigkeiten von der Front in den Türkenkriegen, und es spricht einiges dafür, daß Fuggers Adressaten genauso klar ihre Wünsche äußerten – so erklären sich auch die regelmäßigen Sendungen mit Berichten aus den Niederlanden an den bayerischen Herzogshof, konnte doch die Fuggersche Faktorei in Antwerpen besonders rasch und regelmäßig mit unmittelbaren Berichten zur Lage dienen. Mit dieser Zielgruppenorientierung eng verbunden war der Praxisbezug der Nachrichten: Der Versand von Neuigkeiten war auf die vordringlichsten Bedürfnisse der Aktionspartner im Netz abgestimmt. Zwar hatten beispielsweise Fuggers Nachrichten über Fürstenhöfe und Hoffeste sowie deren Teilnehmer neben ihrer Bestandsaufnahme der Rangfolge und der gegenwärtigen Stimmung bei Hof auch einen gewissen ‹Unterhaltungswert›, doch es dominierte klar die politisch-militärische Berichterstattung, die insbesondere durch die Bedürfnisse der Kriegsfinanzierung auch eng mit den Interessen des Fuggerschen Handels verbunden war und die Fuggers aigen Korrespondenz mit großen Nachdruck vertrat. Auch die mitgesandten Nachrichtenexzerpte legen durch Fuggers summarische Verweise auf ihren Inhalt diesen Schluß nahe. Dieser Praxisnähe verdanken beispielsweise Fuggers Schreiben über die Türkenkriege eine bemerkenswerte Distanz zu den verbreiteten Stereotypen – Fugger klinkte sich aus dieser Diskussion aus, da sie für seine Interessen nicht von Belang war. Wiewohl es nach der Gesamtüberlieferung vorwiegend Fugger war, der Nachrichtenmitteilungen an Interessierte weitergab, so hatte sich für die wichtigsten Nachrichtenkorrespondenten – Lodron, Tonner, Hans und Anton von Montfort, Tanner, Roll – doch im großen und ganzen eine wechselseitige Berichterstattung, ein Informationsaustausch mit Fugger etabliert. Zu beachten ist aber, daß die Beziehung zu den genannten Personen sich nie in der aktuellen Berichterstattung erschöpfte: es war entweder eine Finanzverbindung zu konstatieren, ein früheres Dienstverhältnis oder eine Verwandtschaftsbeziehung – manchmal trafen auch mehrere Faktoren zusammen, wie im Hinblick auf die Brüder Montfort später nochmals hervorzuheben sein wird. Es fehlt zwar an expliziten Belegen in der Fuggerkorrespondenz, daß Fugger die zusätzlichen Beziehungsebenen, die Multiplexität der Verbindung zu seinen wichtigsten Nachrichtenpartnern gezielt ausnutzte, beispielsweise über die im Hintergrund stehende finanzielle Abhängigkeit von den Fuggerschen Finanzmitteln; ebenso gibt es keine Belege dafür, daß seine Adressaten durch fleißige Berichte nach Augsburg das Wohlwollen des Bankiers oder allgemein ihres Förderers zu sichern versuchten. Auffällig ist aber, daß die Brüder Montfort die einzigen Verwandten Fuggers waren, die in nennenswertem und vergleichsweise regelmäßig Umfang Nachrichten an Fugger lieferten, obwohl er doch beispielsweise durch die Trautson, mit denen er durch seine Schwester Susanna verbunden war, sicher zahlreiche Informationen direkt vom Kaiserhof hätte erhalten können. Aber nur die Montfort waren, wie in dem folgenden Teil der Untersuchung ausführlich gezeigt werden kann, in mehrfacher Weise auf Hans Fugger angewiesen.
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Es häufen sich außerdem die Indizien, daß Fugger sorgfältig die jeweilige Position der Empfänger seiner Berichte in ihren jeweiligen Beziehungsnetzen einkalkulierte. Sein Blick ging vielfach über die Grenzen des eigenen Korrespondenznetzes hinaus auf andere Netze, in die ihrerseits die Fuggerschen Korrespondenzpartner eingebunden waren: So lassen sich nicht nur die unterschiedlichen Kritikniveaus bei der Bewertung der Politik Philipps II. in den Niederlanden erklären, sondern auch die stete Betonung der prekären bayerischen Finanzsituation im Kölner Krieg gegenüber Anton von Montfort und die sorgfältige Bearbeitung von Informationen zum Kalenderstreit, wenn damit Multiplikatoren der Fuggerschen Position oder sogar politisch Handelnde erreicht werden konnten. Von dieser Seite soll damit nochmals – vor allem für Hans Fugger gesprochen – die These der deutlichen Interessengebundenheit der Nachrichtenkorrespondenz Hans Fuggers betont werden, über ein simples Informationsbedürfnis oder die bereitwillige Nachrichtenlieferung eines reinen ‹Nachrichtendienstleisters› hinaus.
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VI. Gestuftes Vertrauen und kultiviertes Mißtrauen – einige Überlegungen zur ‹Vertrauensbasis› der Fuggerschen Korrespondenz
Das Resümee zur Fuggerschen Nachrichtenpraxis hat die strukturellen Faktoren eines erfolgreichen Nachrichtentransfers aufgelistet. Mehrfach allerdings ist bei der Präsentation verschiedenener Nachrichtenthemen angeklungen, daß die Analyse dieser Konstituenten des Nachrichtentransfers allein nicht ausreicht, um den Informationsaustausch zwischen Hans Fugger und seinen Nachrichtenpartnern hinreichend zu beschreiben. Diese Beobachtung gilt auch für die ‹soziale› Leistung der Fuggerkorrespondenz, die, wie zu zeigen sein wird, sich ebensowenig allein durch strukturelle Bedingungen und die Beschreibung der wichtigsten Interaktionsmuster erfassen läßt. Zurück zum Nachrichtensektor: Die Sammlung und der Vergleich von Nachrichten aus verschiedenen Orten und Quellen ermöglichte zwar vielfach die Kontrolle eingehender Meldungen, reichte aber nicht aus, um eine absolute Verläßlichkeit zu gewährleisten. Genug ist wan einer schreibt, daz ist fürgangen, so sein es die gewisesten zeittungen. Fuggers bereits angeführte Verteidigung seiner Nachrichten gegenüber Angriffen aus der römischen Umgebung Antons von Montfort reklamierte trotz der Gefahr, ein Nachrichtenkorrespondent könne einmal feelen [fehlgehen], vom Neffen eine bestimmte Grundhaltung: Vertrauen. In demselben Briefzitat machte Hans Fugger deutlich, daß er kein blindes, unbegründetes Vertrauen forderte, wies er doch den Montforter darauf hin, daß dieser wohl aus Augsburg sovil wahrhaffte particularia [...] als von kein andern ort nit haben könne. Zuverlässigkeit und Genauigkeit zeichne also die Fuggerschen Nachrichten vor allen anderen aus. Die unerfüllbare Forderung, Nachrichten stets für authentico nehmen zu können, oder, wie Fugger in einem anderen Schreiben notierte, als unhinterfragbares evangelium zu betrachten, wurde durch einen pragmatischen Umgang mit dem Risiko einer Falschmeldung ersetzt, falls qualitätssichernde Maßnahmen einmal versagten. Daß Nachrichten gegebenenfalls unverzüglich in konkretes kaufmän-
Hans Fugger an Anton von Montfort, 03.06.1583, FA 1.2.12b H. 48, pag. 117 (II/2 2333). Vgl. das erweiterte Zitat auf S. 154. Vgl. Hans Fugger an Sebastian Roll, 13.06.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3259), pag. 110f.: Uß eurm schreiben von ult[im]:o pt:o [passato] hab ich allerlej zeittungen zu sonderm dankh vernomen, bitt ir wellen mit comunicirung derselben also continuiren, und euch nit anfechten lassen, wann schon sich nit ales also befindet, ich möcht euch villeicht auch nit alzeit dz evangelium zuschreiben, wir müssen uns abr getrösten, dz wir nit evangelisten seien, sonder die na[chric]ht geben inn dem werth, wie wirs von andern haben. [Hervorhebungen d. Verf.]
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nisches Handeln umgesetzt werden mußten, wurde bereits im Zusammenhang mit Meldungen über den Aufstand der Niederlande und über die Türkenkriege belegt. Im geschäftlichen Sinn erhielt sich damit das Haus Fugger durch den skizzierten pragmatischen Umgang mit Nachrichten als europaweit agierendes Unternehmen nichts weniger als seine Handlungsfähigkeit, war es doch auf Meldungen aus fremder Hand angewiesen, wenn es sich nicht selbst blockieren wollte. Auf der Ebene der aigen Korrespondenz Hans Fuggers war sein und seiner Briefpartner Vertrauen in die größtmögliche Zuverlässigkeit der ausgetauschten Meldungen Voraussetzungen für einen langfristigen Informationstransfer. Fugger war demnach auf der einen Seite derjenige, der seinen Nachrichtenquellen Vertrauen entgegenbringen mußte, auf der anderen Seite von seinen Korrespondenzpartner jedoch auch wieder Vertrauen forderte, sich selbst demnach als Vertrauensperson auswies. Diesen unterschiedlichen Rollen Fuggers als Vertrauender und Vertrauensperson soll präzisierend anhand seiner Nachrichtenbriefe und mit einem kurzen Ausblick auf Vertrauen im Geschäftsleben und Vertrauen im Patronagekontext nun noch weiter nachgegangen werden. Seit einigen Jahren erfreut sich «Vertrauen» als Forschungsthema interdisziplinär großer Beliebtheit, parallel zum gehäuften Auftauchen des Begriffs in der Alltagssprache. Angesichts der Dehnbarkeit und vielfachen Nuancierung des Begriffs, der mit recht unterschiedlicher Reichweite der Differenzierung in Gebrauch ist, wurden in jüngster Zeit allerdings Bedenken gegen ein Etikett «Vertrauen» als «a concept too many» angemeldet. Bei der Anwendung des Vertrauensbegriffs auf die Fuggerkorrespondenz wird hier der Versuch unternommen, in Anlehnung an Kategorisierungen der soziologischen Forschung verschiedene, terminologisch tragfähige Vertrauenskontexte zu umschreiben und voneinander abzugrenzen. Explizit verbalisierte Belege für unterschiedliche Formen von Vertrauensverhältnissen sind in der Korrespondenz nur vereinzelt anzutreffen; ergänzt werden sie daher vielfach durch Rückschlüsse aus dem (Korrespondenz-)Verhalten Fuggers und seiner Briefpartner, die sich zum Teil auch durch den offenkundigen Ausdruck von Mißtrauen ergeben, dem Gegenteil und «funktionalen Äquivalent» von Vertrauen. Vertrauen soll hier – in enger Anlehnung an Luhmann – umschrieben werden als die Erwartung, daß Personen oder Institutionen in einer für den Vertrauenden wichtigen Angelegenheit in dessen Sinne handeln, ohne daß es hierfür völlige Sicherheit gäbe. Vertrauen ist daher als «riskante Vorleistung» zu betrachten. Der in Bezug auf die Fuggersche Korrespondenz gebrauchte Vertrauensbegriff wird Zitat: Guinnane: Trust. – Zum allgemeinen Forschungskontext vgl. die in den folgenden Fußnoten zitierte Literatur. Luhmann: Vertrauen, S. 92. Vgl. Luhmann: Vertrauen, bes. S. 9–38 sowie Annette C. Baier: Vertrauen und seine Grenzen. In: Martin Hartmann, Claus Offe (Hg.), Vertrauen. Die Grundlage des sozialen Zusammenhalts. Frankfurt/M. 2001, S. 37–84. Die Bewertung der wichtigsten (soziologischen) Forschungspositionen bei Martin Endreß: Vertrauen. Bielefeld 2002 (Einsichten). Luhmann: Vertrauen, bes. S. 27–38. Zusammenfassend auch: Schweer, Thies: Glaubwürdigkeit, S. 48f.
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hier, vor allem im Hinblick auf weniger eng gestaltete soziale Beziehungen, nicht gebraucht als absoluter Gegensatz zum Begriff der Kontrolle, wie dies zum Teil in der wirtschaftssoziologischen Forschung geschieht. Kontrolle ist dann nicht als unvereinbar mit Vertrauen zu denken, wenn sie am Beginn einer Vertrauensbeziehung zu einer Mehrung des Vertrauens führt und – in Absetzung von beständig gehegtem Mißtrauen – in einen Akt der Vergewisserung des Vertrauenden oder besser: der Bestätigung «gerechtfertigten Vertrauens» (Pelzmann) übergeht. Die Erwartung, daß Vertrauen enttäuscht wird, ist nicht per se mit dem Akt der Vergewisserung verbunden. Eng mit dieser Problemlage verknüpft ist angesichts der Vielzahl von Beziehungskonstellationen und damit angesichts der verschiedenen potentiellen Ausprägungen von Vertrauensbeziehungen die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Vertrauen und rationalem Kalkül. Damit zusammen hängt die Wertung von Vertrauen als Emotion. Dem komplexen und sich immer wieder unter veränderten Umständen ereignenden Geschehen der Vertrauensbildung wird die Auffassung, daß Kalkül ebenso wie nicht rationale und emotionale Faktoren in eine Vertrauensentscheidung eingehen, wohl am ehesten gerecht. Von daher wird auch für Hans Fugger in unten vorzustellenden Beispielen geschäftlicher Beziehungen, die offensichtlich mit rationalem Kalkül verbunden sind, von Vertrauensverhältnissen gesprochen. Wie in Luhmanns vielzitierter Darstellung zur Vertrauensthematik erreichte auch bei Fugger Vertrauen die «Reduktion von Komplexität», indem es bestimmte Ereignisoptionen aus einer Fülle von Möglichkeiten der Geschehensentwicklung ausblendete und auf diese Weise Entscheidungsfindung und Handeln ermöglichte und, wie zu zeigen sein wird, den Aktionsradius nicht unwesentlich erweiterte. Angesichts eventuell unzutreffender Nachrichten wies beispielsweise dieses Fuggersche Vertrauen in Nachrichten offensichtlich einen Spielraum auf, der eine Falschmeldung innerhalb eines gewissen Toleranzbereichs akzeptieren ließ, ohne das Vertrauensverhältnis aufzulösen.10
Zu Vergewisserung und dem in diesem Zusammenhang geprägten Begriff des «gerechtfertigten Vertrauens» Linda Pelzmann: Vertrauen in Geschäftsbeziehungen. In: Martin Held u.a. (Hg.), Reputation und Vertrauen. Marburg 2005 (Jahrbuch Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik 4), S. 207–229. Entsprechend argumentiert auch Luhmann, der in Abhebung von bedingungslosem Vertrauen «nach Art einer Rückkopplungsschleife» die laufende Kontrolle von Vertrauensschwellen und ihrer möglichen Verletzung als konstitutiv für ein Vertrauensverhältnis sieht. Dazu Luhmann: Vertrauen, S. 36f. Im Gegensatz dazu läßt Williamson: Calculativeness, Vertrauen unter einem sehr eingeschränkten Fokus lediglich als bedingungsloses Vertrauen gelten. Als Extrempositionen stehen sich der Rational Choice-Ansatz, der Vertrauen als Produkt rationalen Kalküls in den Vordergrund stellt (vgl. etwa James S. Coleman: Foundations of Social Theory. Cambridge/Mass. 1990), und die Auffassung von Williamson: Calculativeness, daß Vertrauen nicht mit Kalkül verbunden sein könne, gegenüber. Luhmann: Vertrauen, bes. S. 27–38. Zusammenfassend auch Schweer, Thies: Glaubwürdigkeit, S. 48f. 10 Zu den «Schwellen» in einer Vertrauensbeziehung vgl. Luhmann: Vertrauen, S. 36f.
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Für den Fuggerschen Nachrichtentransfer ist in Anlehnung an Kategorisierungen Luhmanns und Simmels je nach Nachrichtenpartner von unterschiedlichen Formen der Vertrauensbeziehung auszugehen. Bezeichnenderweise mit Beispielen aus dem kaufmännischen Milieu hat Georg Simmel für professionelle Beziehungen eine mittlere Vertrauensebene identifiziert, die sich mit den Verhaltenserwartungen an eine Person gemäß ihrer beruflichen Rolle verbindet und nicht die Kenntnis der ganzen Person erfordert. Bekannt ist also «über den Partner genau das, was zu wissen für die zu knüpfende Beziehung erforderlich ist».11 Auf dieser Ebene ist auch die emotionale Komponente, die für die Anwendung des Vertrauensbegriffs vielfach als konstitutiv angesehen wird, nur von geringer Bedeutung. Allerdings wird kaum eine klare Trennung zwischen dem Vertrauen in das Handeln einer individuellen Person und dem Vertrauen in die rollenkonforme Ausführung von Aktionen im Rahmen eines bestimmten Berufsbildes durch einen Vertreter dieser Profession vollzogen werden können.12 Eine Vertrauensbeziehung dieser Art spiegelt in der Nachrichtenkorrespondenz Fuggers am ehesten die Verbindung zu einzelnen Novellanten, von denen – möglicherweise auf Empfehlung eines Dritten oder häufig auf Vermittlung der Faktoren und Agenten hin – Hans Fugger die Mitteilung möglichst aktueller, umfangreicher und wahrheitsgetreuer Meldungen erwarten konnte, ohne deswegen in ein tieferes persönliches Vertrauensverhältnis einzutreten. Allzu weit reichte dieses professionalisierte Vertrauen auch niemals– wiederholte Falschmeldungen, die durch Nachrichtenvergleiche oder nachfolgende, widersprechende Mitteilungen eruiert werden konnten, führten zum Entzug des Vertrauens und damit zum Entzug des Berichtsauftrags. Beispiel hierfür ist der Fall des italienischen Novellanten Acconzaioco, dessen Avisi Fugger nach mehreren unzutreffenden Meldungen kurzerhand abbestellte.13 Zwar gehörten Nachrichtenvermittlung und -übermittlung zum Berufsbild der Handelsangestellten und Agenten der Fugger, doch erscheint hier die Annahme einer rein professionellen Vertrauensebene nicht mehr ausreichend. Kontrolliert wurden allerdings auch die Angestellten und Agenten in ihrer Berichtspflicht, wie das bereits zitierte Nachhaken bei den Antwerpener Handelsdiener Römer und Bechler und die Forderung Hans Fuggers zeigte, daß auch dz selb wenig geschriben werden müsse, das sich im Laufe der Woche in Antwerpen ereignet habe.14 Indirekt lassen sich auch aus den kopierten Briefen der Handelsdiener und Agenten im Fugger-
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Vgl. Simmel: Soziologie, S. 394. Mit dieser mittleren Vertrauensebene hat Simmel schon früh einen Weg aus der Pauschalisierung des Vertrauensbegriffs aufgezeigt, die gerade in neueren Forschungsbeiträgen und besonders im Zusammenhang mit dem Vertrauen in die Erfüllung bestimmter Rollenbzw. Berufsbilder kritisch beleuchtet wird, vgl. etwa Williamson: Calculativeness, auch Guinnane: Trust. Vgl. Hans Fugger an David Ott, 05.01.1577, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 1018). Zu Acconzaioco vgl. entsprechend im dritten Teil der Untersuchung: Kap. III. C. Informationsqualität, S. 153. Vgl. Hans Fugger an Hans Bechler und Philipp Römer, 08.06.1574, FA 1.2.7 H. 18 (II/1 124).
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archiv Belege für die energische Einforderung von Nachrichten erschließen, so aus der Rechtfertigung Hans Gartners für ausbleibende Meldungen vom Wiener Kaiserhof.15 Im Gegensatz zu gewerbsmäßigen Produkten der Novellanten jedoch waren diese Nachrichten, so sie über die Weiterleitung von Nachrichtenbeilagen hinausgingen, spezifisch auf Fuggersche Bedürfnisse zugeschnitten, nicht zuletzt natürlich im Hinblick auf geschäftliche Erfordernisse. Von Anfang an allerdings war durch die Auswahl der Beschäftigten durch die Firmenleitung oder sogar durch die Ausbildung im Fuggerschen Unternehmen ein – in der Diktion Luhmanns – «persönliches Vertrauen» nötig, erforderlich auch angesichts der Interna, mit denen gerade die Handelsdiener in leitenden Positionen befaßt waren. Ein persönliches Vertrauensverhältnis ist schließlich auch für die Nachrichtenlieferanten anzusetzen, die in den vorangegangenen Kapiteln als Experten für bestimmte Nachrichtenschwerpunkte vorgestellt wurden und zu denen sich im Laufe der Zeit, parallel etwa zu fortgesetzten geschäftlichen Verbindungen, teilweise ein geradezu freundschaftliches Verhältnis entwickelte, wenn nicht sogar ein verwandtschaftliches bestand wie im Falle der Brüder Montfort. In der Korrespondenz fand diese Vertrauensbeziehung insbesondere dann ihren Niederschlag, wenn – in umgekehrter Richtung – das Vertrauen der Korrespondenten in die Person Hans Fuggers gefordert war. Von Vertrauensbeweisen dieser Korrespondenten darf sicher gesprochen werden, wenn sie Details weitergaben, die ihren Dienstherren wenig gefallen konnten, etwa im Hinblick auf die eklatanten logistischen wie auch strategischen Defizite in der Abwehr der Osmanen, wie sie Lodron und Tanner berichteten.16 Im Falle Albrechts von Lodron, der 1567 nur vertreulich an Fugger weitergab, daß die Bevölkerung in den Niederlanden Alba und seine Truppen schon kurz nach ihrer Ankunft zu Teufel wünschte, war die Grenze zur Geheimhaltung bereits berührt,17 und Ludwig Haberstock, dem herzoglich bayerischen Gesandten in den Niederlanden, mußte Fugger gar zusichern, mitgeteilte Nachrichten nach Lektüre zu verbrennen, um jeglichem Mißbrauch vorzubeugen.18 Daß Männer wie die Grafen von Lodron oder Haberstock angesichts ihrer jeweiligen Position arglos und unreflektiert brisante Meldungen an Hans Fugger weitergaben, kann ausgeschlossen werden; auf der Kombination welcher Austauschebenen nun die Einstufung Fuggers als vertrauenswürdige Person im Einzelfall beruhte, darüber kann es nur Vermutungen geben. Die Rolle multiplexer Beziehungen wurde bereits im voran-
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Vgl. Hans Gartner an die Herren Fugger, 15.12.1571, FA 2.1.21a (V), Nr. 18, fol. 15r. Uff euer gnaden begern, welle ich dieselben gern verstendigen waz zue hoffe neues wär, es wirdt aber solliches wa waz schrifftwürdigs und gewiß fürfäldt yhn gehaim gehaldten. Sonsten daz gemain geschray [Gerüchte] endren sich täglich und ist sich uff dasselb nit zuverlassen wann mir aber etwaz zue wissen komt, will ich solliches euren genaden yeder zeit anzaigen. Vgl. hierzu im dritten Teil der Untersuchung Kap. IV. B., S. 225–230. Vgl. Hans Fugger an Albrecht von Lodron, 02.09.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 108). Vgl. Hans Fugger an Ludwig Haberstock, 20.03.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2946), die Zusicherung der Geheimhaltung der Mitteilungen Haberstocks auch schon im Brief vom 08.06.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2337).
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gehenden Nachrichten-Resümee diskutiert.19 Deutlich wird damit von dieser Warte aus, daß die Qualität und Exklusivität der mitgeteilten Nachrichten und Bewertungen wesentlich von der Intensität der Vertrauensbeziehung – hier eines persönlich ausgeprägten Vertrauens – abhing. Da Hans Fugger in seiner Korrespondenz, wie bei der statistischen Auswertung der Nachrichtenbriefe dargestellt wurde, überwiegend als Nachrichten-Sender oder besser: -vermittler in Erscheinung trat, stand zweifellos das Vertrauen seiner Korrespondenzpartner in die von ihm empfangenen Nachrichten im Vordergrund.20 Bester Beleg für die hohe Qualität, die Fuggers Nachrichten zugesprochen wurde, sind die jahrelangen Nachrichtenlieferungen an die bayerischen Herzöge, angefangen mit den Meldungen über die Frühphase des spanisch-niederländischen Krieges für Albrecht V. bis zu den Nachrichtenmitteilungen an Wilhelm V. in den 1580er Jahren. Angesichts der langfristigen Lieferungen an die Herzöge und andere hochgestellte Nachrichtenpartner, die Fuggersche zeittungen auch direkt anforderten,21 muß den Fuggerschen Meldungen also tatsächlich ein ausgesprochen hohes Ansehen zugekommen sein.22 Überdies liefert ein Kopierbuch-Brief einen äußerst sprechenden Hinweis für den Status von Exklusivität, der den Fugger-zeittungen an Kaiser Rudolf II. zukam: Als Hans Fugger seinem Neffen Jörg von Montfort 1580 Nachrichten an den Kaiserhof nach Wien sandte, ermahnte er ihn eindringlich, er solle diese Neuigkeiten bej dir bleiben lassen und niemandt communiciern, uß der folgenden ursach, daz wirs der Kai:[serlichen] Mt: [Maiestät] gleichermassen zugeschriben. Wenn sich nun herausstellte, daß die Nachrichten für Rudolf II. an einen gewöhnlichen Hofbeamten versandt würden, so fürchtete Fugger, möcht es uns nit wol ußgelegen werden.23 Waren dieser sorgsam gehütete Ruf der Exklusivität, die ausgefeilte Nachrichtenorganisation und sorgfältige Auswahl der Quellen jedoch nicht nur Elemente zur Herstellung einer professionalisierten mittleren Vertrauensebene für die Nachrichtenempfänger Fuggers, wie sie eben noch für sein eigenes Verhältnis zu den Novellanten geltend gemacht wurde? Schließlich hat die wenige persönlich geführte Nachrichtenkorrespondenz Fuggers mit den bayerischen Herzögen gezeigt, daß er sich hier ‹dienstleistungskonform› kaum zu persönlichen Bewertungen der poli-
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An Albrecht von Lodron sind zwar nur zwei Kopierbuch-Briefe vom September 1567 überliefert, doch gegenüber dessen Verwandten Hieronimus von Lodron hob Hans Fugger 1572 den früheren Nachrichtenaustausch mit Albrecht hervor, vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 27.09.1572, FA 1.2.6a H. 13, pag. 279 (I 845): [...] bitt den herr er woll unbeschwerdt sein, mir dergleichen was sich inn Levante begibt, mitzuthaillen, dann also hat der edel graf Albrecht von Lodron seliger auch gethon. – Die Bekanntschaft mit Haberstock resultiert vermutlich aus dessen jahrelangem Dienst am bayerischen Herzogshof, vgl. Lanzinner: Fürst, S. 355. Zu Lodron und Tanner vgl. die Angaben im dritten Teil der Untersuchung, Kap. IV. A. und B. sowie V. Vgl. im dritten Teil Kap. III. A. Vgl. außerhalb von Hans Fuggers Korrespondenz auch ein Beleg für Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg bei Zwierlein: Discorso, S. 604. Vgl. dazu im dritten Teil Kap. IV. A.5., S. 195–197. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 04.07.1580, FA 1.2.10 H. 36, pag. 445f. (II/1 1643).
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tischen Situation hinreißen ließ und der zeittungs-Transfer weitgehend standardisiert über die Nachrichtenkopisten der Fuggerschen Schreibstube lief, wenngleich von den Brüdern Fugger stets überwacht.24 Zumindest Hans Fugger selbst jedoch, so die These, rechnete nicht nur mit einem Vertrauen seiner Korrespondenten in eine professionelle Nachrichtendienstleistung, sondern darüber hinaus mit einer vertrauensvollen Erwartungshaltung seiner Nachrichtenadressaten in die Person Hans Fugger, dem seine Adressaten häufig durch weitere Ebenen der Interaktion – multiplex – verbunden waren. Indizien hierfür bietet Fuggers Darstellung von Geschehnissen im Zusammenhang mit dem bereits behandelten Augsburger Kalender- und Prädikantenstreit. Zumindest in zwei Fällen versuchte er hier, sein Korrespondenznetz – als Ausschnitt eines weitverzweigten Beziehungsgeflechts – in seiner Funktion als Vertrauensnetz zu aktualisieren. In Fuggers Berichterstattung zum Kalenderstreit an Werner Breitschwerdt und Herzog Ferdinand von Bayern konnten durch den Vergleich mit Nachrichtensendungen an andere Korrespondenzpartner Strategien der Informationsbearbeitung eruiert werden, die lediglich gegenüber diesen beiden Briefpartnern in die Darstellung einer höchst instabilen politischen Lage Augsburgs mündeten, während er anderen Adressaten sogar von einer Beruhigung der Lage berichtete.25 Der Hintergrund für die Dramatisierung der Konflikte um die Einführung des Gregorianischen Kalenders ist im Beziehungsnetz der beiden Adressaten zu sehen: Bei Breitschwerdt als Reichshofkanzleitaxator konnte Fugger mit einer Verbreitung seiner Meldungen am Prager Hof rechnen, während der Kontakt mit Herzog Ferdinand die Weiterleitung Fuggerscher Befürchtungen an Wilhelm V. als regierenden bayerischen Herzog wahrscheinlich machte. Dieser Versuch Fuggers, Meinungsbildung zu betreiben, macht nur dann Sinn, wenn er damit rechnete, daß seine Korrespondenten Nachrichten aus seiner Hand für bare Münze nahmen. Anders formuliert: Hans Fugger setzte offensichtlich voraus – er vertraute darauf –, daß Herzog Ferdinand und Werner Breitschwerdt ihm als Person, die als Bürger Augsburgs selbst unmittelbar an den Geschehnissen teilhatte, in dieser Sache Vertrauen entgegenbrachten und seine Version der Ereignisse nicht hinterfragten. Diese Ereigniskonstellation deckt sich mit Luhmanns Beschreibung von «Vertrauen in Vertrauen»: Fugger ließ sich darauf ein, seine «Handlungspläne auf fremdes Vertrauen zu stützen, [...] um es zu enttäuschen».26 Diese Haltung war insofern riskant, als Hans Fugger seine Glaubwürdigkeit bei beiden Adressaten nicht mit absoluter Sicherheit kalkulieren konnte und auch gewärtig sein mußte, daß Nachrichten aus anderen Quellen seiner Darstellung widersprachen. Gemildert wurde dieses Risiko allerdings dadurch, daß eine abweichende Bewertung mit der zweifellos geraume Zeit unruhigen und unübersichtlichen Lage in der Reichsstadt erklärt werden konnte. Fuggers Verhalten lotete hier die Optionen seines individuellen Handlungsspielraums innerhalb eines persönlichen vertrauensvollen Austauschs bis an seine Grenzen aus. 24 25 26
Vgl. die Ausführungen im dritten Teil Kap. III. A. Vgl. im dritten Teil Kap. IV.D.5.b), bes. S. 268–270. Vgl. Luhmann: Vertrauen, S. 89–92, Zitat S. 91.
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Zumindest ein kurzer Ausblick sei noch auf Fuggersches Vertrauen im Rahmen von Geschäftsbeziehungen gewagt, wenngleich auch hier eine Beschränkung auf wenige Beispiele erfolgen muß. Schließlich hat insbesondere die Neue Institutionenökonomik in den letzten Jahren Vertrauen als wichtiges Element zur Senkung von unternehmerischen Transaktionskosten entdeckt.27 Vornehmlich aus Hans Fuggers Korrespondenz über innerbetriebliche Problemlagen im Verhältnis von Handelsherren und Angestellten lassen sich Indizien für – in der Diktion Niklas Luhmanns – «persönliches Vertrauen» in die Handelsdiener eruieren, insbesondere in die Faktoren als Inhaber leitender Positionen innerhalb der Firma, denen mit der Verwaltung auswärtiger Niederlassungen ein hohes Maß an Selbständigkeit und finanzieller Entscheidungsbefugnis anvertraut war. Angesichts der zum Teil gewaltigen Entfernungen zwischen Zentrale und Faktorei war eine Zusammenarbeit mit den auswärtigen Angestellten ohne einen Vertrauensvorschuß nicht denkbar; lückenlose Kontrolle und sofortiges Eingreifen der Firmenleitung waren angesichts der räumlichen Distanzen nicht zu realisieren.28 Wie die bekannte Affäre um Anton Fuggers Faktor Matthäus Örtel 1557 in Antwerpen gezeigt hatte, konnte ein Fehlverhalten eines Faktors die Firma in erhebliche Bedrängnis bringen, wenn der Herr nicht mehr auf die Kreditvergabe des Faktors nach Anweisung vertrauen konnte.29 Erfolgreiche, der Erwartungshaltung des Vertrauenden entsprechende Interaktion festigt die Vertrauenshaltung – unter dieser Prämisse muß ein langjähriger Austausch, der die Werthaltungen des Vertrauenden wie der Vertrauensperson einander näher bringt, als solide Grundlage eines stabilen Vertrauensverhältnisses gelten.30 Diese Absicherung reflektierte Hans Fugger, wenn bei der Suche nach geeignetem Personal für die Faktoreien Angestellte bevorzugt wurden, die im Fuggerschen Unternehmen ihre Ausbildung erhalten hatten. Die geplante Versetzung des Faktors Hans Frick nach Spanien im Jahr 1583 begründete Fugger dem zurückhaltend reagierenden Angestellten gegenüber folgendermaßen: Die Fugger hätten uß unseren leutten kheinen besundern, der zu einem sollchen taugenlicher als ir, und schließlich würde für das wichtige spanische Geschäft khein[er] taugen als der unser crea-
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Vgl. etwa Tanja Ripperger: Ökonomik des Vertrauens. Analyse eines Organisationsprinzips. Tübingen 1998 (Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften 101). So auch der Sammelband von Martin Held u.a. (Hg.): Reputation und Vertrauen. Marburg 2005 (Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik 4). Einen Überblick zur Vertrauensforschung im Bereich der Neuen Institutionenökonomik liefert Martin Fiedler: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist teuer. Vertrauen als Schlüsselkategorie wirtschaftlichen Handelns. In: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), H. 4: Neue Institutionenökonomik als Historische Sozialwissenschaft, S. 576–592. Vgl. Dauser: Interne Kommunikation. Grundlegend Rudolf Ortner: Der Handlungsgehilfe, im besonderen der Faktor des süddeutschen Kaufmanns im 15. und 16. Jahrhundert. München 1932, S. 7f. Vgl. auch Mark Häberlein: Handelsgesellschaften, Sozialbeziehungen und Kommunikationsnetze in Oberdeutschland zwischen dem ausgehenden 15. und der Mitte des 16. Jahrhunderts. In: Carl A. Hoffmann, Rolf Kießling (Hg.), Kommunikation und Region. Konstanz 2001 (Forum Suevicum 4), S. 305–326, bes. S. 312. Zu Örtel, der 1556/57 ohne Erlaubnis Anton Fuggers enorm riskante Kredite an Spanien vergab, Pölnitz, Kellenbenz: Anton Fugger, S. 98–100, 118–134. Vgl. Luhmann: Vertrauen, S. 20–24.
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tura, und unsern sachen wie wir wiß und verstee.31 Vertrauensvoll zusammenarbeiten konnte man also mit der eigenen creatura – in bezeichnender Übereinstimmung mit der zeitgenössischen Patronage- und Lehensterminologie umschrieb diese Wendung im positiven Sinn den bereits lange im Unternehmen tätigen, seinem Herrn eng verbundenen Handelsdiener.32 Die Fuggerschen sachen zu behandeln wie wir, das deutet allerdings nicht nur auf eine adäquate kaufmännische Ausbildung hin, sondern ebenso auf die Erwartung, der Faktor werde die Interessen der Firma und die Werthaltungen seiner Herren zu seinen eigenen machen; hier war, wie Simmel formulierte, «das Fundament persönlicher Qualitäten» berührt, das ein persönliches Vertrauensverhältnis ausmachte.33 Nicht umsonst schrieb Hans Fugger weiter, die Erfüllung der Dienstpflichten werde auch Fricks eigenen Vorteil befördern (Es wirde auch ein solche dienst euch ob er wol was müesam doch nüzlich sein […]).34 Fuggers briefliche Reflexionen auf das internationale Finanzgeschäft bieten allerdings auch ein ungemein schlagendes Beispiel für das Umschlagen von Vertrauen in Mißtrauen, ohne daß eine Beziehung aufgekündigt werden könnte: an die Stelle vertrauensvollen Gebens und Nehmens traten Abhängigkeit und Zwang. Wie Hans Fugger gegenüber einem seiner Faktoren 1583 formulierte, ist uns inn der warheit an disem hoflager [in Madrid] samb all unser zeitliche wolfart gelegen.35 Konsequenz war, daß die Firma den Kreditwünschen des spanischen Königs nicht nur deshalb nachgab, weil man sich eine ordnungsgemäße Tilgung der Schuld erwartete und die Summen problemlos aufbringen konnte, sondern weil die Ängste manifest waren, Spanien würde sich angesichts einer Ablehnung bei horrenden Fuggerschen Außenständen aus der Geschäftsbeziehung völlig zurückziehen.36 Enttäuschtes geschäftliches Vertrauen läßt sich genauso auf einer finanziell vergleichsweise harmlosen Ebene festmachen: Don Juan Manrique de Lara hatte über Jahre hinweg Fuggersche Darlehen in Anspruch genommen, deren Rückzahlung jedoch so lange verschleppt, bis die Fugger sich nur noch mit einem gerichtlichen Verfahren zu helfen wußten.37 Hans Fugger hatte den Kontakt zu Manrique, mit dem sich ein freundschaftlicher Austausch aufgebaut hatte, maßgeblich gepflegt, und tatsächlich scheint das Finanzgebaren des spanischen Obersten Fugger tief getroffen zu haben, klagte er doch 1577 seinem Bruder Marx, keinem Kriegsmann mehr Geld leihen zu wollen – außer Hieronimus von Lodron, dessen Zahlungsmoral er mehrfach rühmte.38 Schrittweise Enttäuschungen durch Manrique hatten Mißtrauen kultiviert, das sich durch die Verlegung auf eine gerichtliche Eintreibung der Schulden manifestierte. ‹Kultiviert› könnte man Mißtrauen wie das gegenüber dem
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Hans Fugger an Hans Frick, 11.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 222f. (II/2 2357). Zum Begriff der creatura vgl. Reinhard: Verflechtung als Konzept, bes. S. 303. Simmel: Soziologie, S. 393. Vgl. Hans Fugger an Hans Frick, 11.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 223 (II/2 2357). Dazu ausführlich Dauser: Interne Kommunikation. Hans Fugger an Hans Frick, 11.07.1583, FA 1.2.12b H. 49, pag. 223 (II/2 2357). Vgl. Hans Fugger an Pompeio Lombardo, 15.05.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2782). Vgl. Hans Fugger an Balthasar Trautson, 18.10.1578, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1396). Vgl. Hans Fugger an Marx Fugger, 20.03.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1065).
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spanischen Hof jedoch auch nennen, weil es – wenn überhaupt – je nach Adressat nur in engen Grenzen vorsichtig verbalisiert werden konnte. Die Fuggersche Korrespondenz bezeugt also verschiedene Stufen sowie Richtungen des Vertrauens; zwar war auch hier die Fortführung und Qualität einer Beziehung, z.B. auf informationellem Sektor, entscheidend ein «Problem der Generierung und Kontinuierung von Vertrauen».39 Jedoch hing – entgegen einer pauschalisierenden Verwendung des Vertrauensbegriffs – die entgegengebrachte Erwartungshaltung, auch die Investition emotionaler Momente, wesentlich von der Art der verhandelten Relation, von den Rollen der Akteure und der Bedeutung der Interaktion für das persönliche Fortkommen ab. «Vertrauen in Vertrauen» erscheint auch für eine andere Seite der Korrespondenz als tragfähiges Modell, um Fuggers Haltung zu beschreiben, nämlich im Hinblick auf die im folgenden vierten Teil der Untersuchung zu besprechende soziale Leistung der Fuggerkorrespondenz auf dem Gebiet von Patronageanliegen. Im folgenden wird an ausgewählten Beispielen für Bittgesuche Fuggers wie auch von Korrespondenten, die auf ihn als Vermittler bei potenten Gönnern zählten, darzulegen sein, daß Fuggers Handeln bis in die Diktion seiner Briefe hinein nicht zwangsläufig im personalen Vertrauen auf einen möglichen Patron gegründet war, sondern als überlegtes, «durchschauendes Vertrauen»40 in bestimmte, langfristig und im allgemeinen funktionierende gesellschaftliche Spielregeln interpretiert werden kann, mit dem er eventuelle Rückschläge verkraften konnte, ohne grundsätzlich an den Möglichkeiten des Patronagesystems zu zweifeln oder in Mißtrauen zu verfallen.41 Nur mit einer erheblichen Anzahl von verläßlichen, vertrauensvollen Beziehungen konnte Fugger durch sein Netz auch einen weiten Aktionsradius erschließen; wurden Beziehungen nicht gepflegt oder waren sie nicht von erfolgreicher Interaktion geprägt, so geriet auch eine möglicherweise im Entstehen begriffene oder bereits vorhandene Vertrauensbasis wieder ins Wanken. In der sich nun anschließenden Analyse von Protektionsbemühungen im Rahmen der Fuggerschen Korrespondenz werden von daher wiederum Fuggers Möglichkeiten und Strategien, vertrauensvolle Beziehungen stabil zu halten, von besonderem Interesse sein. Vertrauen in ein System erfolgreichen wechselseitigen Austauschs war gerade im Patronagekontext gefordert, denn Patronagebeziehungen unterlagen keiner rechtlichen Verpflichtung, sondern einem Ehrenkodex – der auch verletzt werden und damit Vertrauen enttäuschen konnte.42
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Mauelshagen: Vertrauen, S. 120. Luhmann: Vertrauen, S. 89. Zur Rolle des Vertrauenskonzepts im Patronagekontext jüngst differenziert Emich u.a.: Patronageforschung. Vgl. jüngst resümierend Droste: Erziehung, S. 23–44.
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Vierter Teil Soziale Leistung der Korrespondenz: Briefe als Instrumente von Beziehungsarbeit – vom Nutzen und Nachteil multiplexer Beziehungen
I. Grundprinzipien der Beziehungsarbeit und ihre Anwendung in der Fuggerschen Korrespondenz
Die vorausgegangenen Ausführungen zu den Fuggerschen Nachrichtenbriefen haben gezeigt, wie bedeutsam die Nutzung ganz bestimmter Netzkontakte für Fugger war, um Spezialinformationen zu erlangen und um Interessen, die über den Nachrichtentransfer hinausgehen konnten, möglichst wirkungsvoll bei entscheidenden Adressaten zu plazieren. Eine besonders sorgfältige Auswahl der Ansprechpartner war bei einem weiteren wichtigen Einsatzfeld Fuggerscher Korrespondenz Basis für den gewünschten Erfolg: Es handelt sich um Anliegen Fuggers und seiner Adressaten, die als Erlangung bestimmter Ressourcen durch Unterstützung eines einflußreichen Förderers umschrieben werden können. Meist ging es um Beistand in Rechtsfragen oder die Verleihung von Privilegien und ganz besonders um den Antritt angesehener Posten im Hofdienst. Gerade hier handelt es sich um das früheste Einsatzgebiet dezidiert netzwerkanalytisch basierter historischer Forschung, wurde der individuelle Aufstieg im Kontext von Fürstendienst und frühneuzeitlicher Staatsbildung doch «vor allem durch personenspezifische Interaktion im sozialen Netzwerk der Elite wie des Kandidaten gesteuert». Dieser Bereich nun war das Einsatzgebiet für Fuggersches Beziehungwissen im Dienste der Pflege und Nutzung hilfreicher Verbindungen zu einflußreichen Persönlichkeiten. Rund 16% der ausgewerteten Korrespondenz befassen sich mit der Protektion von Anliegen Fuggers, seiner Adressaten oder von Personen, für die Fugger bzw. seine Korrespondenten vermittelnd tätig wurden. Fuggers Briefe hierzu gingen an 199 verschiedene Adressaten – 89 von ihnen erhielten jedoch nur ein einziges Schreiben zu diesem Themenfeld. Einbezogen sind hier auch Briefe, in denen ein Anliegen Dritter nur besprochen wurde, zum Beispiel mit einem Faktor, der den Bittsteller in Zukunft unterstützen sollte. Die Gruppen von Briefempfängern, die Fugger dabei am häufigsten kontaktierte, prägen die Gliederung dieses zweiten in Wolfgang Reinhard: Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 1999, S. 189f. Zur Kommunikation im höfischen Kontext vgl. auch allgemein Rudolf Schlögl: Der frühneuzeitliche Hof als Kommunikationsraum. Interaktionstheoretische Perspektiven der Forschung. In: Becker, Frank (Hg.), Geschichte und Systemtheorie. Exemplarische Fallstudien. Frankfurt/M. 2004 (Campus Historische Studien 37), S. 185–225. Insgesamt 763 Briefe. Hans Meichsner beispielsweise, Fuggerischer Beauftragter in Wien, sollte Maria Schorer, die Tochter von Fuggers verstorbenem Freund Hans Honold, bei der Eintreibung einer finanziellen Forderung in Linz unterstützen, vgl. Hans Fugger an Hans Meichsner, 27.03.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3369).
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haltlichen Schwerpunkts der vorliegenden Arbeit: Auf Herzog Wilhelm von Bayern folgen Fuggers Neffen Jörg und Anton von Montfort, Christoph Tanner von Tann und schließlich Giovanni Ciurletta, ein Höfling Wilhelms V. Wir sehen somit den bayerischen Herzogs- und auch den Kaiserhof, an dem Jörg von Montfort Dienst tat, und damit die herzogliche und kaiserliche Verfügung über Ämter und bestimmte Privilegien als wichtige Ziele der potentiellen Protegés, und wir erkennen schon hier die große Rolle, welche die Förderung von Verwandten spielte. Auch die Bedeutung von brieflicher Unterstützung zur Beförderung einer Militärkarriere läßt sich durch die starke Einbindung Christoph Tanners zumindest erahnen. Mehrheitlich waren die Empfänger Fuggerscher Unterstützung Adlige im Hof- oder Militärdienst, die Verwandten eingeschlossen; außerhalb dieser Gruppe wurde am ehesten noch Faktoren und anderen Bediensteten des Fuggerschen Handels oder aus Fuggers Haushalt die Förderung durch ihren Dienstherrn zuteil. In der Tendenz nahm der Anteil der Briefe an der Gesamtkorrespondenz, in denen Fugger sich mit der Beförderung familiärer oder fremder Anliegen beschäftigte, insbesondere ab 1578 deutlich zu, 1580/81 machten diese Schreiben gar ein Viertel der jährlichen Korrespondenz aus. Der Anstieg ist nur teilweise darauf zurückzuführen, daß ab 1580 eher mehr Personen Fuggers Unterstützung suchten; in manchen Jahren war er mit den Angelegenheiten bestimmter weniger Personen auch schlicht häufiger beschäftigt als sonst.
Anteil an der Gesamtüberlieferung in %
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Ao
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15 77 Ao
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Ao
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15 67 Ao
Ao
15 63
0
Jahre
Grafik 9: Anteil der Briefe über Patronage bzw. Protektion an der gesamten hier analysierten Korrespondenz nach Jahren, 1563–1594. Der geringe Wert für 1579 erklärt sich auch dadurch, daß für dieses Jahr insgesamt nur 72 Briefe überliefert sind (Zeitleiste im Abstand von zwei Jahren beschriftet; keine Befunde für die Jahre 1564, 1565; Überlieferungslücke 1587–91).
Wilhelm V. erhielt 58 Briefe, Jörg von Montfort 47, sein Bruder Anton 34. 24 Schreiben gingen an Christoph Tanner von Tann, 21 an Giovanni Ciurletta. Die Briefe, die Fugger direkt mit den Bittstellern wechselte, gingen in erster Linie an Inhaber von Hofämtern (25 Personen), sodann an weitere Adlige ohne Amt (12), Heerführer (8) und erst an vierter Stelle Faktoren und Agenten des Handels (4).
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Bitt- bzw. Empfehlungsbriefen, oder zeitgenössisch, der fürschrifft und der recommendation, kam eine zentrale Position zu, wenn ein Anliegen einen Förderer brauchte; zugleich sind derartige Briefe für den Historiker die wichtigste Quelle zur Erschließung von Existenz und Funktion von Klientelstrukturen im frühneuzeitlichen Europa, die insbesondere seit den 1970er Jahren durch zahlreiche Forschungsvorhaben erschlossen werden. Volkssprachliche wie lateinische Brieflehren widmeten diesem Briefanliegen ausführliche Abhandlungen. Wie Hans Fugger sich je nach aktueller Sachlage mit solchen Vorgaben auseinandersetzte – es wurde ja im Kapitel zur Brieftheorie bereits auf die recht deutliche Einhaltung der briefstellerischen Konventionen durch Fugger bei Anrede und Dienstangebot hingewiesen –, sollen in Ergänzung zu diesen Ausführungen nunmehr Hinweise auf das gängige rhetorische Arsenal der Briefmuster erweisen. Fugger wird dabei in seinen Briefen nicht nur als Autor und Empfänger von Bitten und Empfehlungen greifbar, sondern widmete zahlreiche Schreiben auch der Vorbereitung und Besprechung solcher Anliegen, so daß wir vielfach Einblick in begleitende Überlegungen und Strategien erhalten. Nach einer Klärung der wichtigsten, jüngst wieder mehrfach diskutierten Termini zum Themenfeld ‹Patronage› sollen anhand der Fuggerschen Briefe Fuggers Grundprinzipien, Ziele und Strategien auf diesem Handlungsfeld geprüft werden, ebenso das spezifische, oben schon kurz definierte Beziehungswissen, das hier zum Einsatz gebracht werden mußte, um erfolgreich agieren zu können.
A. Patronage, Nepotismus, Brokerage – Bemerkungen zur Begrifflichkeit Bitte und Fürsprache konnten in recht variablen Personenkonstellationen und für eine Vielzahl unterschiedlichster Anliegen zum Einsatz kommen – genau darin liegt ein jüngst wieder diskutiertes terminologisches Problem der historischen Forschung begründet, das hier klärend zur eigenen Positionsbestimmung angeführt werden muß. Als Kern des Patronagebegriffs bzw. der Vorstellung von Patron-Klient-Beziehungen hat sich insbesondere seit den 1970er Jahren eine enge Definition herauskristallisiert, die das Patron-Klient-Verhältnis als eine dyadische, also eine Zweier-Beziehung zwischen Personen mit unterschiedlichem sozioökonomischen
Zu Stellenwert und Kritik der Quellen vgl. Wojciech Tygielski: A Faction Which Could not Lose. In: Antoni Mczak (Hg.), Klientelsysteme im Europa der Frühen Neuzeit. München 1988 (Schriften des Historischen Kollegs: Kolloquien 9), S. 177–201, Reinhard: Amici, S. 328, Reinhardt: Macht und Ohnmacht, S. 48f. – Neben den bereits genannten Studien seien hier noch erwähnt: Papenheim: Karrieren, Ulrich Vonrufs: Die politische Führungsgruppe Zürichs zur Zeit von Hans Waldmann (1450–1489). Struktur, politische Networks und die sozialen Beziehungstypen Verwandtschaft, Freundschaft und Patron-Klient-Beziehung. Bern u.a. 2002 (Geist und Werk der Zeiten 94). Vgl. S. 36–39.
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Status definiert – mit dauerhaftem Charakter, ohne offizielle Institutionalisierung und zum Zwecke, bestimmte Ressourcen auszutauschen, etwa die Erlangung eines Hofamtes gegen politische Gefolgschaft. Doch auch wenn in einem Verhältnis von Förderung und Austausch die Bestimmung dieser idealtypischen Merkmale nicht gelingt, insbesondere für die Dauer der Beziehung und ihre Hierarchisierung, oder im Fall der Beiziehung des schon erwähnten Vermittlers, wird häufig weiterhin auf die Bezeichnungen «Patron» und «Klient» rekurriert. Diese unscharfen ‹Ränder› der begrifflichen Bestimmung sind, wie Mark Hengerer betont hat, ebenso in den Quellen zu finden, wo für Beispiele des 17. Jahrhunderts etwa deutlich ein strategischer Gebrauch der Anrede als «Patron» zur Erlangung informeller Stützung jenseits einer Patronagebeziehung im engen Sinne festzustellen ist. Umstritten ist also die Gewichtung der als essentiell bewerteten Merkmale dieser Sozialbeziehung; was als Gemeinsamkeit bleibt, ist die Unterstützung eines Bittstellers zur Erlangung einer Ressource, die ihm ohne die Hilfe einer Persönlichkeit mit dem erforderlichen Einfluß bzw. der notwendigen Entscheidungsbefugnis vermutlich verwehrt bliebe. Im Bewußtsein, sich am Rande der Definition des Phänomens zu bewegen, werden daher ‹besondere› Fälle von Patronage ergänzend umschrieben: Ronald G. Asch hat für kurzfristige, «punktuelle» Maßnahmen der Unterstützung im Gegensatz zu einer langandauernden Patronagebeziehung dem Terminus der «Benefizialpatronage»10 geprägt. Andreas Pear behilft sich für die Funktion des Vermittlers, der etwa bei Hofe mitunter sehr direkten Einfluß auf die Besetzung gewisser Ämter erlangen konnte, mit dem Begriff der «Maklerpatronage».11 Der Vermittler, in der Literatur auch als Makler oder Broker12 bezeichnet, kann von einem Patron insofern deutlich unterschieden werden, als ihm die letzte Kontrolle über die vom Klienten erstrebten Ressourcen fehlt und er sich beim Patron – selbstverständlich mit je unterschiedlichem Gewicht – lediglich dafür einsetzen kann, die erbetene Gunst zu gewähren.13 Jenseits einer engen Anwendung nur auf
Über enge und weite Begriffsdefinitionen in einer der basalen Publikationen zur Patronageforschung Nolte: Patronage, bes. S. 11f. – Vgl. auch die Begriffskritik bei Droste: Patronage, S. 567–569, 585f. Eines der jüngsten Beispiel für den definitorischen Dissens ist die Rezension Katrin Kellers zur Untersuchung Andreas Pears über den Adel am Hof Karls VI., vgl. Katrin Keller: Rezension von: Andreas Pear: Die Ökonomie der Ehre. Höfischer Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711–1740). Darmstadt 2003. In: sehepunkte 4 (2004), Nr. 4 [15.04.2004], URL: http://www.sehepunkte.historicum.net/2004/04/4733. html (26.07.2004). Vgl. Hengerer: Amtsträger, S. 77f. 10 Asch: Hof Karls I., S. 289. Davon abgesetzt ist bei Asch die «Protektionspatronage» im Sinne eines langdauernden Klientelverhältnisses, vgl. ebenda. 11 Pear: Ökonomie, S. 102. 12 Der Begriff des Brokers bzw. der Brokerage, zweifellos durch die starke anglo-amerikanische Forschung zu Patronage und Klientel geprägt, hat spätestens in den 1980er Jahren auch Einzug in die deutschsprachige Patronageforschung gehalten, vgl. dazu Nolte: Patronage, S. 4 u.ö. Von daher ist die Schreibweise des Begriffs hier auch der deutschen Orthographie angepaßt. 13 Eine klare Abgrenzung des Brokers vom Patron und eine konzise Darstellung seiner wichtigsten Merkmale präsentiert James C. Scott: Patron-Client Politics and Political Change
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Patronageverhältnisse kann die Makler-Position noch allgemeiner als Möglichkeit einer indirekten Verbindung zwischen ansonsten nicht miteinander kommunizierenden Partnern charakterisiert werden. Diese weniger spezifische Definition entspricht auch den generellen Vorstellungen der soziologischen Netzwerkanalyse zu den Vermittlern indirekter Beziehungen, die strategisch günstige Positionen in einem Netz – oder zwischen zwei Netzen – besetzen und daraus Profite ziehen können.14 Basis für die erfolgreiche Tätigkeit des Vermittlers ist sein Einfluß, seine Fähigkeit, einem Bittsteller Kontakte erst zu ermöglichen, anders ausgedrückt: sein soziales Kapital. Allgemein und damit breit anwendbar kennzeichnet Pierre Bourdieu, wie im Methodenteil schon einmal angeführt, soziales Kapital als «Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind».15 Güter materieller oder immaterieller Art – Reichtum und Besitz ebenso wie Ehre und Ansehen – können, und dies ist das Bezeichnende sozialen Kapitals, durch die Aufrechterhaltung bestimmter sozialer Beziehungen erlangt werden, sie sind sozusagen in diese spezifischen Relationen zu ganz bestimmten Personen «eingebettet».16 Die hier zugeschriebene zentrale Rolle des Beziehungsnetzes für den Aufbau sozialen Kapitals erklärt dessen frühzeitig erfolgte Einbeziehung in den Gesichtskreis netzwerkanalytischer Forschungen.17 Dezidiert betont die Forschung zum sozialen Kapital neben dem Beziehungsnetz als Basis des Sozialkapitals den «unmittelbaren Nutzen»18 dieser Beziehungen für die Durchsetzung individueller Ziele.19 Für die Aufrechterhaltung sozialen Kapitals bzw. der zugrundeliegenden Beziehungen sind zweifellos die Einhaltung gemeinsamer Normen und Vertrauen von essentieller Bedeutung, wie neben Bourdieu jüngst insbesondere der Soziologe Putnam hervorgehoben hat.20
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in Southeast Asia. In: The American Political Science Review 66 (1972), S. 91–113, bes. 95f. Grundlegend zur Position des Brokers auch Boissevain: Friends, S. 147–169, zu den Profiten des Brokers bes. S. 159. Vgl. Boissevain: Friends, S. 147f., Jansen: Einführung, S. 29f., 187f. Vgl. Bourdieu: Kapital, hier S. 190. Entsprechend auch die Definition in der umfassenden Arbeit von Lin: Social Capital, S. 19. Dazu auch im ersten Teil der Untersuchung: Kapitel IV. B.: Zur Kategorisierung der Inhalte, S. 54f. So die klaren Ausführungen bei Lin: Social Capital, S. 25: «Resources embedded in social networks accessed and used by actors for actions.» Die Entwicklung der soziologischen Forschung skizziert Jansen: Einführung, S. 26–34. Vgl. Bourdieu: Kapital, S. 192. Einen brauchbaren Überblick zu den Grundfragen und gegenwärtig wichtigsten Vertretern der Forschung zum sozialen Kapital bieten Schuller u.a.: Social Capital, S. 1–38. Putnam führt die drei Elemente, die für seinen Begriff vom sozialen Kapital essentiellen Charakter haben – Netzwerke, Normen, Vertrauen – allgemein unter «features of social life», vgl. Robert D. Putnam: Bowling Alone. The Collapse and Revival of American Community. New York 2000, S. 73. Pierre Bourdieu hat bereits in seinem Beitrag von 1983 auf die hohe Bedeutung von Gruppenehre – also die Geltung gemeinsamer Normen – und dauerhafte Verpflichtung durch subjektive Gefühle hingewiesen, unter die erweiterend auch Vertrauen als Gefühls- bzw. Erwartungshaltung einbezogen werden könnte. Vgl. Bourdieu: Kapital, S. 193f.
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Den Vermittler, der solches Sozialkapital besitzt, unterscheidet zwar von einem simplen Abgesandten oder Übermittler einer Botschaft der Besitz von Ressourcen, die ihm unter Umständen erhebliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die erfolgreiche Etablierung der Patron-Klient-Beziehung verschaffen. Der Broker ist also alles andere als eine Persönlichkeit ohne Einfluß, hat oft auch eigene Klienten. Aber er verfügt nicht für alle an ihn herangetragenen Anliegen über die ganz spezifischen Güter oder Kompetenzen, die ein Bittsteller erstrebt und die dann ein anderer als Patron für den Klienten einsetzen soll.21 Diese Differenzierung verschwimmt allerdings häufig bei Brokerage an den großen Fürstenhöfen der Frühen Neuzeit, wo die Vermittler fast schon die Kompetenzen des Patrons besaßen, da der Herrscher Aufgaben, darunter zum Teil die Besetzung von Ämtern, delegierte. Auch frühneuzeitlicher Sprachgebrauch könnte den Verzicht auf den Begriff des Vermittlers nahelegen, konnten doch auch offensichtliche Broker von Klienten brieflich als Patrone angesprochen werden.22 Die strukturelle Beschreibung der Aktivitäten der beteiligten Personen, die Analyse eines Vermittlungsvorgangs also, steht gegen die Perspektive des Bittstellers, der die Vorstufe der Erfüllung seines Anliegens durch die Unterstützung eines makelnden ‹Patrons› in den Vordergrund stellt. Daß diese Beobachtungen am Quellenmaterial nicht zur Verallgemeinerung taugen, werden die Fuggerbriefe zeigen. Ein Verzicht auf den Maklerbegriff, wie er im Zusammenhang mit der Patronage am Hof vorgeschlagen wurde, ist für das Phänomen in der Breite seiner Erscheinungsformen daher nicht in Betracht zu ziehen.23 Den Einsatz für Verwandte unter dem Begriff der Patronage zu fassen, ist ebenfalls problematisch, und dies nicht nur, weil hierfür der Begriff des Nepotismus zur Verfügung steht. Immer wieder hat die Forschung mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß der vermittelnde Einsatz für Verwandte häufig anderen Gesetzen unterlag: Aufgrund der sozialen Verpflichtung, einem Angehörigen des eigenen Familienverbandes zu helfen, konnten die Wünsche eines Verwandten nach Förderung, auch wenn seine Qualifikation unzureichend und sein Betragen zweifelhaft erschienen, nicht immer ohne weiteres abgelehnt werden, wie dies einem Patron ohne verwandtschaftliche Bindungen, soweit ihn nicht andere Erwägungen an den
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Die Begriffe «Broker», «Makler» und «Vermittler» werden hier synonym verwendet. – Auf die Möglichkeit zur Mobilisierung eigener Ressourcen, die den Broker von einem Abgesandten oder Übermittler unterscheidet, verweist mit Nachdruck Kettering: Patrons, S. 56f. Die feinen terminologischen Differenzierungen, die Kettering im Englischen gebraucht, können im Deutschen nicht eindeutig nachgebildet werden. Die hier gebrauchten Begriffe Broker/Makler/Vermittler sind jedoch im Sinne der oben angeführten Broker-Definition nach Kettering verwendet. Beispiele aus dem Umkreis des Kaiserhofes im 17. Jahrhundert bei Hengerer: Amtsträger, bes. S. 70–72. Vgl. die Ausführungen Heiko Drostes zum Verzicht auf die Einführung der Broker-Position im Zusammenhang mit höfischer Patronage. Droste: Patronage, S. 585f. – Erfreulich klar dagegen die Gewichtung der Vermittler-Position als essentielle Leistung im Patronagekontext bei Emich: Patronageforschung, S. 245: «Broker sind Mittler zwischen Zentrum und Peripherie, sie schaffen Vertrauen dort, wo noch keine Vertrautheit existiert.»
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Klienten oder Bittstellern festhalten ließen, freigestellt war.24 Auch für Fugger stellte die Protektion Verwandter so manches Mal ein Problem dar – seine individuellen Lösungsstrategien werden in diesem Teil der Untersuchung betrachtet. Für Fuggers Briefe empfiehlt sich auf der Basis der hier angeführten Begriffsdiskussion ein vorsichtiger Umgang mit den Begriffen «Patron» und «Klient», und dies nicht nur, weil Fugger selbst keinen dieser Begriffe verwendete. Greifbar ist Fugger in den hier ausgewerteten Schreiben, pointiert auch in seiner Selbstbezeichnung, als Vermittler, nicht als Person, die über die vom Bittsteller angestrebten Ressourcen, etwa ein spezielles Hofamt oder ein kaiserliches Privilegium, verfügen konnte. Die Gewährung von Darlehen, die in der Literatur zeitweise für Patrone angeführt wird,25 oder die Verlängerung von Tilgungsfristen, um die Fugger immer wieder brieflich gebeten wurde, fällt aus dem Schema der Patronageverbindung zu deutlich heraus, handelte es sich doch dabei ganz offen um eine geschäftliche Verbindung zwischen Bankier und Kunden, dem womöglich aufgrund besonderer Bedingungen oder Verpflichtungen eine Erleichterung der Kredit-Konditionen eingeräumt wurde. Kreditgeschäfte umfaßten für beide Seiten klar definierte Rechte und Pflichten und waren keine Leistung im Rahmen einer informellen Beziehung. Daß eine existierende oder ehemalige Geschäftsverbindung zwischen Fugger und einem Kreditnehmer jedoch instrumentalisiert werden konnte, um den Kreditnehmer für bestimmte Anliegen zu sensibilisieren, steht auf einem anderen Blatt. In seinen Briefen verwendete Fugger für den Vermittler, Makler oder Broker, also für die Rolle, die er selbst häufig einnahm, in seinen Briefen aber auch für andere formulierte, den gerade auch zeitgenössisch für den Kontext der Abfassung eines Empfehlungsschreibens verwendeten Begriff des intercessors26 – ein Begriff, der die Zwischenstellung des Maklers zwischen dem Bittsteller und dessen ‹Zielperson› treffend umschreibt, oder netzwerkanalytisch formuliert: ein Terminus, der die indirekte, über den intercessor erst hergestellte Beziehung zwischen Klient und Patron zum Ausdruck bringt.27 Konsequent setzte Fugger diese Begrifflichkeit fort und sprach von der intercession28 als der Aktivität des Maklers oder – als Verbum – vom intercediern.29 Im folgenden wird deshalb häufig Fuggers eigene Begrifflichkeit für die Analyse zur Verwendung kommen – auch, weil sie ein nachdrückliches Beispiel für die zeitgenössische, saubere Differenzierung zwischen Vermittler und Patron darstellt.
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Vgl. Droste: Patronage, S. 567–569. Vgl. Pfister: Klientelismus, S. 45. So z.B. Hans Fugger an Wilhelm V., 22.10.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 316 (II/1 226), auch im Schreiben Hans Fuggers an Paul von Eiß, undatiert [1572], FA 1.2.6 H. 13, pag. 309 (I 865) u.ö. Zur Begrifflichkeit vgl. Art. «Interzessionalschreiben» bis «Interzessionsschrift». In: DRW 6 (1961–1972), Sp. 301. Hans Fugger an Wilhelm V., 25.10.1572, FA 1.2.6 H. 13, pag. 298 (I 859), ebenso Hans Fugger an Christoph Rosenbusch, 01.02.1580, FA 1.2.10 H. 34, pag. 74 (II/1 1519) u.ö. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 16.04.1576, FA 1.2.8b H. 25, pag. 89 (II/1 801), ebenso im Brief an Wilhelm V., 07.05.1577, FA 1.2.9a H. 28, pag. 113 (II/1 1102) u.ö.
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Vorzuziehen ist der Begriff der Vermittlung bzw. intercession für Fuggers Engagement dem Patronagebegriff nicht zuletzt deshalb, weil er weder von vorneherein an die Vorstellung von einer dauerhaften Protektion gebunden noch auf einen bestimmten Personenkreis als Begünstigte bezogen ist. Er kann also für Unterstützung eingesetzt werden, die von Hans Fugger nur punktuell gewährt wurde – in Entsprechung zur erwähnten Benefizialpatronage bei Asch – und nicht in eine nachweisbare langfristige Förderung mündet, sowie für Fuggerschen Einsatz zugunsten Verwandter. Dies entspricht auch der Fuggerschen Verwendung der angeführten Begriffe. Identisch mit den Elementen enger definierter Patronagebeziehungen bleiben auch bei Fugger die Intentionen der beteiligten Partner, also die Unterstützung beim Erwerb von bestimmten Ressourcen, und, wie wir sehen werden, der Erhalt von Gegenleistungen, ebenso die eingesetzten Handlungsstrategien und rhetorischen Traditionen, wie sie uns durch Brieflehren und durch Ergebnisse aus dem Bereich v.a. der englischsprachigen Patronageforschung vor Augen geführt werden.30 Es wäre daher wenig sinnvoll, die hier zu analysierenden Beziehungen Fuggers zu seinen Briefpartnern als eine Besonderheit vom Kontext frühneuzeitlicher Patronage zu scheiden, wenn nicht einmal der frühneuzeitliche Sprachgebrauch selbst – zum Teil aus beziehungsstrategischen Gründen – eine saubere Trennungslinie zog; bezeichnenderweise hat auch die neuere Forschung keinen adäquaten Begriff für diese ‹Randerscheinungen› im Umfeld von Patronage zu bieten.31 Dieser Teil der Untersuchung verortet sich daher dementsprechend als Beitrag zur Erforschung von Patronagestrukturen, oder vielleicht noch neutraler, von Protektionsmechanismen als Analyse einer Unterklasse dieser Art von Sozialbeziehungen – mit dem Schwerpunkt bei kommunikativen Strategien.
B. Fuggersche intercession außerhalb des engeren Familienkreises Fast viermal so häufig engagierte sich Fugger in seinen Briefen für andere, wie er selbst für die Belange der Firma und der Familie Fugger brieflich aktiv wurde.32 Dieser Befund zeigt, daß Hans Fugger als Vermittler ein gefragter Mann gewesen sein muß – Zeugnis für seinen Einfluß, oder anders ausgedrückt, für sein soziales Kapital. Gerade bei Fuggers Einsatz für Personen außerhalb des engeren Familien-
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Der rhetorischen Ausgestaltung von Patronagebeziehungen widmen sich insbesondere Peck: Court Patronage, bes. S. 12–29 sowie Neuschel: Word of Honor, bes. S. 20–25. Vgl. Asch: Hof Karls I., und Pear: Ökonomie, die beide über die erwähnten Begriffsbildungen (Benefizialpatronage, Maklerpatronage) an der traditionellen Terminologie des Patron-Klient-Verhältnisses festhalten. – Zum zeitgenössischen Sprachgebrauch Hengerer: Amtsträger, S. 77f. Bei 763 Briefen zur Thematik insgesamt widmen sich 561 den Anliegen von Personen, die nicht mit den Fuggern verwandt waren.
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kreises sind in den Kopierbüchern weitaus häufiger Empfehlungsschreiben diktiert als für seine unmittelbaren Verwandten – zumindest innerhalb des überlieferten Bestandes. Das mag mit der eigenhändigen Ausstellung solcher Empfehlungsschreiben zu tun haben, liegt aber auch daran, daß Hans und sein Bruder Marx Recommendations-Briefe für Verwandte häufig gemeinsam ausstellten, weshalb der Eintrag in Hans’ aigen copierbuech wohl nicht in Frage kam. Zudem wurde Marx wahrscheinlich in vielen familiären oder geschäftlichen Fällen ohne jede Beteiligung von Hans’ Seite durch eigene Schreiben aktiv. Vor allem die KopierbuchEmpfehlungsschreiben für Personen außerhalb des engeren Verwandtschaftskreises bieten also eine Basis für die Abgleichung Fuggerscher Briefrhetorik mit den Formeln der deutschsprachigen Brieflehren und den argumentativen Empfehlungen humanistischer Epistolartheorie. Meist ging es dabei um die Vermittlung in die Dienste angesehener Herren; seltener sollte sich Fugger für die Tilgung von finanziellen Forderungen der Bittsteller an Dritte oder für die Milderung einer Strafe für ein Vergehen engagieren. Im folgenden werden die hier zu schildernden Fälle Fuggerscher Tätigkeit als intercessor nicht nach der ‹Patronagegeschichte› einzelner Personen abgehandelt, sondern sie sollen als eine Art Einstieg in die Thematik nach den leitenden ‹Grundregeln› präsentiert werden, die sich aus Fuggers Briefen für sein Engagement als Makler ergeben. Entsprechend der quantitativen Befunde soll dabei zunächst die Fuggersche Vermittlungstätigkeit für diejenigen Bittsteller im Vordergrund stehen, die nicht dem unmittelbarsten Familienkreis angehörten.
1. Einhaltung brieftheoretischer und gesellschaftlicher Konventionen Größten Wert legte Hans Fugger auf die korrekte Ausfertigung eines Bitt- oder Empfehlungsschreibens. Das betraf Gattungskonventionen ebenso wie einen angemessenen Umgangston, und die umfangreichen Ausführungen der Brieflehren allein für die korrekte Anrede des Briefempfängers geben anschaulich Auskunft über die immense Bedeutung der ständisch wie gesellschaftlich korrekten Verortung des Anzusprechenden. Die Ausstellung einer Empfehlung in optima forma,33 wie Fugger es einmal nannte, war ihm daher unverzichtbar für eine erfolgreiche Anfrage; wer eine fürschrifft vorlegte, die unformlich gestelt34 war, wurde schon deswegen doppelt kritisch beäugt. Fugger scheint einigen Korrespondenzpartnern als ausgewiesener Experte für die Formulierung von Bittschreiben gegolten zu haben: Den Entwurf der Empfehlung, die Wilhelm V. 1572 an Papst Pius V. wegen der Begründung des Augsburger Jesuitenkollegs auf Fuggersches Betreiben hin verfaßte, schickte er zur Überprüfung an Hans Fugger, und Fugger gab mit dem Urteil, er habe solliche
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So Hans Fugger an Jakob Saurzepf, 03.09.1575, FA 1.2.8a H. 23, pag. 436 (II/1 591). Hans Fugger an Jörg von Montfort, 18.10.1578, FA 1.2.9b H. 31, pag. 388 (II/1 1395).
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fürschrifft gannz recht befunden,35 grünes Licht für die endgültige Ausfertigung und Versendung. Für den Kriegsmann Hans Gaudenz von Raitenau, den Fugger persönlich dem Großherzog von Florenz empfahl, betätigte sich Hans Fugger gar als ‹ghostwriter› und formulierte Raitenau die Antwort auf des Großherzogs erfolgtes Dienstangebot vor, die er noch durch ein Empfehlungsschreiben unter seinem eigenen Namen ergänzen wollte.36 Grundsätzlich folgte auch ein Bitt- oder Empfehlungsbrief den typischen Elementen, die mit der traditionellen Brief-Gliederung salutatio – exordium – narratio – petitio – conclusio vorgegeben waren: Selbstverständlich war eine sorgfältig gestaltete Anrede, die der ständischen Position des Adressaten und, je nach persönlicher Bekanntschaft, der Nähe der Beziehung zwischen Fugger und dem Brief empfänger geschuldet war. In den Ausführungen zur Realisation briefstellerischer Vorgaben bei Fugger wurde bereits auf die weitgehende Befolgung der brieflichen Konventionen der Zeit hingewiesen.37 Es folgte eine je nach Bittsteller mehr oder minder ausführliche Darstellung des Anliegens sowie ein Katalog von dessen Tugenden und besonderen Qualifikationen für die angestrebte Stelle oder den jeweiligen Gunstbeweis, so daß der Gebetene nur Nutzen von der Erfüllung der Bitte haben werde. Gegebenenfalls wurde dies ergänzt durch den Hinweis auf die Verwandtschaft mit dem Bittenden, die dem Empfänger eine Verpflichtung des intercessors zur Fürsprache, bisweilen vielleicht auch ein gewisses Maß an Sicherheit bedeutete. Die Bitte selbst mußte bescheiden vorgetragen werden und wurde häufig versehen mit dem Zusatz, der Gebetene möge wirklich nur nach seiner gelegenheit38 handeln. Die Empfehlung schloß für gewöhnlich mit der Ergebenheitsadresse und dem Dienstangebot des Vermittlers. In besonderer Ausführlichkeit ist diese Abfolge von Argumenten Erasmus’ De conscribendis epistolis zu entnehmen.39 Ein gutes Beispiel gibt ein Empfehlungsschreiben Hans Fuggers an den Obristen Don Juan Manrique de Lara für Christoph Tanner, in dem die typischen briefstellerischen Vorgaben auf kleinem Raum realisiert werden:
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Hans Fugger an Wilhelm V., 22.12.1572, FA 1.2.6a H. 14, pag. 365 (I 886). – Zur Vermittlertätigkeit Fuggers und weiterer Familienmitglieder für das Augsburger Jesuitenkolleg vgl. S. 388f. Vgl. Hans Fugger an Hans Gaudenz von Raitenau, 24.01.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3128). Vgl. im ersten Teil Kap. III. Vgl. als Beispiele Hans Fugger an Nikolaus Elgard, 10.11.1575, FA 1.2.8a H. 24, pag. 603 (II/1 651): also bitt ich noch maln, sovil mir zu bitten gebürt (. E.[uer] Er.[würden] gelegenhait inn allem vorbehalten.) oder auch Hans Fugger an Balthasar Trautson, 12.01.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 656 (II/2 2267): ich hab im [Paulo Giudelli, d. Verf.] gleich sein begern nit abschlagen sonder als der gebetten für in bitten wellen, du magst aber hirin nach deiner gelegenheit handlen. Vgl. Erasmus: De conscribendis epistolis, S. 210–215.
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Zaiger diß40 Christoff Tanner vonn Thann hat lannge zeit graf Albrechten vonn Lodron seligen gedient auch nochmaln inn khriegs sachen nach seinem [Lodrons] ableiben (.anderst waiß ich nit) [sich] als wie ainen ehrlichen vonn adel gebrauchen lassen, unnd gehallten. Weil du mir dann hie zuvor offeriert unnd geschriben, da ich dir jemanden zu weisen und recomendiren würde, dz du in wöllest in g.[nädigem] bevelch haben, unnd er Christoff vonn Thann der frawen Georg Fuggerin schwester son ist, so hab ich dem allem nach nit umbgeen khinden, ime mit disem fürschrifft brieflin bej dir verhilflich zusein, freundtlich bittent, du wellest ine zu ehrlichen bevelh gebrauchen unnd diser meiner fürschrifft geniessen41 lassen. Dz verdien ich inn mererm umb dich.42
Fugger konnte hier also bei den Qualifikationen Tanners auf dessen Dienst bei dem verstorbenen Albrecht von Lodron,43 einem Obersten Philipps II., verweisen, hatte mit Manriques früherer Bitte, ihm geeignete Kriegsleute zu nennen, auch einen optimalen Schreibanlaß und einen Verweis auf Manriques eigene Interessen, und erklärte seine Fürsprache für Tanner auch noch mit der Verwandtschaft zu Ursula Fugger, einer geborenen Gräfin von Lichtenstein.44 Formeln wie Dz verdien ich inn mererm umb dich45 oder ausführlicher in einem anderen Beispiel: dz will ich zu andern guthathen so du mir erzaigest vleisig ufmerkhen, und umb dich zuverdienen, wa ich kahn nit underlassen,46 rundeten mit der Bereitschaft zur Gegenleistung die Bitte gemäß den briefstellerischen Vorgaben gelungen ab und entsprechen teilweise nahezu wortwörtlich Mustern der deutschsprachigen Briefliteratur, etwa bei Alexander Hugen.47 Für seine anderen Empfehlungsschreiben, von denen etliche noch in Ausschnitten angeführt werden sollen, griff Fugger ebenfalls auf die Grundmuster zurück, die zeitgenössische Brieflehren bereitstellten – charakteristisch ist auch hier wieder, wie in den allgemeinen Ausführungen zu Fuggers Briefstil48 schon erwähnt wurde, Hans Fuggers Neigung zu möglichst schlichten, unkomplizierten Formen. So wurde für Bitt- oder Empfehlungsschreiben in der zeitgenössischen Fachliteratur häufig das exordium, also eine captatio benevolentiae, als Briefelement nach dem eröffnenden Gruß vorgeschlagen49 – eine Möglichkeit, die Fugger in den hier ausgewerteten Schreiben nicht aufgriff. Lieber sprach er mit klaren, aber gewählten 40
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Zaiger diß[es briefs] meint den Überbringer eines Schreibens. Tanner war also zu Manrique gereist, um ihm das Empfehlungsschreiben Fuggers persönlich zu überreichen. D.h.: ‹einen Nutzen davon haben›. Vgl. Baufeld: Wörterbuch, S. 106. Hans Fugger an Don Juan Manrique de Lara, 04.04.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 512f. (I 958). Zur Biographie Lodrons vgl. Karnehm: Regesten I, S. 50 (Anm. 1 zu I 108). Vgl. Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 5. Hans Fugger an Don Juan Manrique de Lara, 04.04.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 513 (I 958). Hans Fugger an Hans Gaudenz von Spaur, 05.01.1577, FA 1.2.8b H. 27, pag. 539 (II/1 1020). Vgl. eines von Hugens Beispielen für die conclusio in einem Empfehlungsscheiben: Das wöllen wir umb euch vnd die ewern/ inn dergleich und mererm gern verdienen. Vgl. Hugen: Rhetorica, fol. IIIr. Vgl. im ersten Teil Kap. III. Vgl. ein Exordium-Beispiel bei Hugen: Rhetorica, fol. IIIr: Nach dem vnzweifenlich ewer bewert weißheit /inn üebungen gebürlicher ding mit gerechtigkeit außzuorichten überflüssig ist. Darauf folgte die Schilderung des eigentlichen Anliegens.
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Worten gleich den vorliegenden Sachverhalt an, versuchte, mit konkreten Fakten, etwa den Qualitäten und Verdiensten der empfohlenen Person, zu überzeugen. Für die conclusio, den Ort für Dankesformel und Dienstangebot, griff Fugger ebensowenig auf die manchmal recht ausufernden Beispiele der Brieflehren zurück.50 Dank und Dienst konnten zwar einmal ausführlicher und mit mehr Höflichkeit formuliert werden, wie das eben angeführte zweite Beispiel für eine Schlußformel Fuggers zeigt, wurden aber nicht zu rhetorischen ‹Ungetümen› ausgebaut. Daß ein Verstoß gegen die Konventionen des Bittschreibens den Empfänger aufs höchste provozieren konnte, belegte Fugger selbst 1578 als Adressat einer Supplik Dr. Paulo Giudellis, Arzt am Hofe Wilhelms V., als dessen Unterstützer Alexander Secundus Fugger auftrat, Sohn des 1575 verstorbenen Hans Jakob Fugger: Wie Hans Fugger dem Vetter berichtete, habe Giudelli sein Anliegen nicht mit der modestia und bescheidenheit [...] gethon, wie er on zweifel von euch in bevelh gehabt, sondern überdies noch ein spitzig schreiben51 nachgeschoben; Fugger sehe den Vetter zwar als entschuldigt an – Alexander Secundus schickte auf Hans’ Klage hin ein bedauerndes Schreiben52 –, aber für die Zukunft bat Hans den Verwandten doch, da ir uffs künfftig wz an mich zubringen, ir wöllen es durch leut thun, die minder presumption53 und mehr bescheidenheit brauchen.54 Giudelli war sich seiner Sache wohl schon zu sicher gewesen und hatte damit die oben genannte Grundregel mißachtet, daß ein möglicher Patron von der Grundanlage der Klientelbeziehung her erst einmal keine bindende Verpflichtung zur Unterstützung eines Bittstellers hatte. Anders sah es allerdings aus, wenn jemand im Rahmen einer langdauernden Verbindung schon Vorteile aus einer Beziehung gezogen hatte, ohne sich durch eine entsprechende Gegenleistung erkenntlich zu zeigen. Juan Manrique de Lara gehörte nach Ausweis der Kopierbücher schon seit den 1560er Jahren zu den Kreditkunden der Fugger, die ihm seit der Aufnahme eines Obristenamts unter Philipp II. 1573 auch bei der Finanzierung seiner Söldnertruppen behilflich waren.55 Manrique hatte die Fugger im Frühjahr um die Vermittlung fähiger Kriegsleute gebeten, und tatsächlich hatten Hans und Marx Fugger ihm Matthias Rechseisen, der gegenwärtig noch für die Fugger arbeitete, für den Posten eines Hauptmanns empfohlen. Der
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Vgl. ebenda. Hans Fugger an Alexander Secundus Fugger, 27.06.1578, FA 1.2.9b H. 31, pag. 278 (II/1 1354). Vgl. Hans Fugger an Alexander Secundus Fugger, 19.07.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1371). Von lat. praesumptio, ‹Dreistigkeit›, ‹Vermessenheit›. Vgl. dazu Georges: Handwörterbuch 2, Sp. 1889. Hans Fugger an Alexander Secundus Fugger, 27.06.1578, FA 1.2.9b H. 31, pag. 279 (II/1 1354). Der erste Kopierbuch-Brief Hans Fuggers an Manrique de Lara datiert vom 01.08.1567 (FA 1.2.5 H. 5, I 95) und erwähnt schon hier eine finanzielle Forderung der Fugger an den Adressaten. Die Finanzierung der Fähnlein Manriques erwähnt Fugger gegenüber Manrique im Brief vom 25.07.1573, FA 1.2.6b H. 16 (I 1092).
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gewünschte Erfolg dieser recommendation56 blieb jedoch aus, wie Hans Fugger recht ungehalten in einem Schreiben an den Obristen vermerkte: Wolgeborner sonnder vertrauter lieber herr schwager und brueder [...]. Noch haben wir dir Rechseisen vor disem recomendiret und dich gebetten ime dein haubtmanschafft zu geben, und ob uns wol gutte vertröstung beschehn, so befinden wir doch (unangesehen du seider noch anndr 2 fendlin aufgericht) das solliche unser recomendation unnd fürschrifft khain ansehen gehabt, weill du dieselben haubtmanschafften anndern geben. Des wir uns gleichwol nit versehen, und vermaint, hetten umb dich ain sollichs (on ruem zumelden.) wol verdient, langt demnach nohmaln an dich unser f.[reundlich] und hochvleissig bitt, du wellest obgemelten Rechseisen ain haubtmanschafft auf diß unnser für bitt mitthaillen, und khain entschuldigung nit brauchen, das sendt wir umb dih zuverdienen urbittig.57
Schon das angeführte gekürzte Zitat des Briefs verdeutlicht, wie geschickt Fugger hier ausgesuchte Freundlichkeit, die eine fürschrifft verlangte, mit dem fordernden Auftreten verband, zu dem er sich berechtigt fühlte. Ein Briefbeginn, der mit der Einführung einer fiktiven Verwandtschaft gegen alle genealogischen Zusammenhänge Nähe herstellte (sonnder vertrauter lieber herr schwager und brueder) und dem zunächst die – hier ausgelassene – Abhandlung der gemeinsamen Geschäfte folgte, mündete in die Aufforderung, Versprechungen wahrzumachen und die Bittschrift der Brüder endlich ernstzunehmen, da die Fugger sich dies bei Manrique doch wol verdient hätten. Was Fugger hier formulierte, war nichts weniger als ein Anspruch auf die Gewährung der Bitte: Abgesichert war dieser Anspruch in Hans’ Augen nicht nur durch die Wohltaten der Fugger für Manrique, sondern auch dadurch, daß Manrique allem Anschein nach keinerlei Begründungen liefern konnte, weshalb er die Anstellung Rechseisens für nicht opportun hielt. Manrique hatte es also versäumt, das ‹Konto› gegenseitiger Wohltaten auszugleichen und den Fuggern ihr geschäftliches Entgegenkommen zu vergelten. Trotz aller Entschiedenheit Fuggers wurde aber die übliche Rhetorik der Supplik nicht aufgegeben, so daß die Form der f.[reundlich] und hochvleissig bitt gewahrt blieb, ebenso wie das formelhafte abschließende Dienstangebot Fuggers – auch wenn Fugger in Bezug auf Rechseisen khain entschuldigung Manriques mehr akzeptieren wollte. Den Einsatz von Verwandtschaftsbezeichnungen zur Signalisierung von Nähe hat schon Dale Kent für die Medici im 15. Jahrhundert ausfindig gemacht.58 So konnte Fugger zwar in einem anderen Brief sagen, daß fürschrifften, wie er sie selbst für Rechseisen ausgestellt hatte, nicht obligiern,59 hatte man als Makler doch keinen Einfluß auf die Handlungsweise des Patrons. Der Fall lag aber anders, wenn sich der eigene
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Das Empfehlungsschreiben ist vermutlich wegen der gemeinsamen Ausstellung durch Marx und Hans Fugger nicht in den Kopierbüchern überliefert, seine Ausstellung ist aber durch die Erwähnung in den Kopierbüchern gesichert. Hans Fugger an Don Juan Manrique de Lara, 27.04.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 36–40 (I 984). Vgl. Dale Kent: The Rise of the Medici. Faction in Florence, 1426–1434. Oxford 1978, S. 84–87. Auch Linda Levy Peck hat die flexible Verwendung von Briefanreden zur Herstellung von Nähe zum Briefpartner für französische Briefbeispiele aus dem 16. Jahrhundert herausgestellt, vgl. Peck: Court Patronage, S. 128f., Anm. 41. Vgl. Hans Fugger an Marx Fugger d. J., 07.03.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3172).
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Wohltäter zum Fürsprecher eines Dritten machte, und die Bitte ohne stichhaltige Gründe abgelehnt wurde, denn das konnte so ausgelegt werden, als ob man sich nicht bereiterklären wollte, sich für empfangene Gunsterweise – und dies konnten eben auch empfangene Darlehen und die Geduld des Gläubigers sein – zu revanchieren. Eine offizielle Geschäftsbeziehung konnte also zur Basis für Entgegenkommen gegenüber einem Fuggerschen Schutzbefohlenen umfunktioniert werden. Damit liefert Fugger selbst den wichtigen Hinweis, daß bei der «Interaktionsgeschichte»60 zwischen ihm und seinen Adressaten selbst unscheinbare Finanzangelegenheiten durchaus als Grundlage für die Ausweitung der Beziehung auf andere Interessen gewertet werden können. Dies funktionierte auch umgekehrt, und daher versuchte Fugger, Folgen abzuschätzen, die sich für ihn persönlich aus der Protektion einer bestimmten Person unter Umständen ergeben könnten. Sich für die Entlohnung des Nürnberger Plattnermeisters Wolf Kern durch den Obristen Hannibal von Ems zu engagieren, wollte Hans Fugger nicht nur deswegen als wenig opportun erscheinen, weil er mit gemelten graven von Embs nie zu thun gehabt, im auch seiner p[er]son halben nie gesehen oder erkhant; seine Empfehlung wäre daher recht unvermittelt bei von Ems eingegangen. Die Entscheidung, Wolf Kerns Ansuchen um Unterstützung glimpflich ab[zu]schlagen, hing allerdings auch damit zusammen, daß der Obrist in Fuggers Engagement die Chance zum Erhalt einer Gegenleistung in Form eines Darlehens zur Bezahlung der von Kern an Ems gelieferten Rüstungen hätte sehen können: da ich ain sollchen favor brief 61 von mir gebe, so het er alsbald ursach an mich zu begern, ich wolte umb die rüstungen guet werden.62 Angesichts seiner Erfahrungen mit der schleppenden Kredittilgung durch Söldnerführer gedachte Fugger jedoch ein derartiges finanzielles Engagement tunlichst zu vermeiden.63 Selbst als Makler also wurde Fugger in den Kreislauf von Leistung und Gegenleistung einbezogen; mit der Dienstformel, die den Abschluß eines Empfehlungsschreibens bildete, konnte er beim Wort genommen werden – dies um so mehr, als er sich in Kerns Fall ausgerechnet als Bankier für die Begleichung einer materiellen Schuld stark machte und sein Eintreten für den Plattner unglaubwürdig geworden wäre, hätte er den Kredit an Ems, der ja Kern zugute gekommen wäre, abgelehnt. Vielerlei Beziehungsebenen waren also für die Einforderung einer Gegenleistung nutzbar: Nicht nur Protektion, für die man Dank schuldete, sondern auch geleistete Kredite wie im Falle Manriques; umgekehrt war es grundsätzlich möglich, die Gewährung einer Bitte wie der Kerns wieder in geldwerte Vorteile ‹umzumünzen›, indem man dessen Makler Fugger – berechtigt durch sein Empfehlungsschreiben als schriftliches Zeugnis – in die Pflicht nahm. Nach dem Schema Bourdieus haben wir hier also den Beleg für die Transformation verschiedener Kapitalien: ökonomisches Kapital konnte in soziales verwandelt werden und umgekehrt.
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Der Begriff bei Endreß: Vertrauen, S. 69. Empfehlungsschreiben, von lat. favor, ‹Begünstigung›, vgl. Georges: Handwörterbuch 1, Sp. 2707. Hans Fugger an Philipp Römer, 25.02.1577, FA 1.2.8b H. 27, pag. 590f. (II/1 1048). Vgl. ebenda.
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Daß Fugger sich aus seinem Engagement für Bittsteller persönlich durchaus Vorteile erhoffte, zeigt ein recht deutliches Briefzitat im Zusammenhang mit der Förderung Hans Gaudenz’ von Raitenau: Fugger hatte ihn, wie er an Hieronimus Ott nach Venedig berichtete, dem Großherzog von Florenz angetragen und hoffte, er werde mit seiner person wol besteen64 – ein deutlicher Hinweis darauf, daß auch Fugger selbst sich aus der Empfehlung Raitenaus ein Mehr an Reputation erhoffte. Im folgenden werden uns Hinweise auf die persönliche Motivation Fuggers für seine intercession noch mehrfach begegnen.
2. Vermeidung der Kollision mit Fuggerschen Interessen Auf welcher Grundlage entschied Hans Fugger, wen er durch seine Fürsprache fördern wollte, und bis zu welchem Grad? Ganz ausdrücklich legte er in seinen Briefen fest, daß die Eigeninteressen der Familie und des Handels nicht durch das Engagement für eine andere Person beeinträchtigt werden durften: Dies leitete Fugger auch als Gebot an seinen Faktor Hörmann in Spanien weiter, als der gebeten wurde, für einen Kriegsmann wegen dessen ausstehender Besoldung am spanischen Königshof zu intervenieren: Dieweil wir dann verhoffen, solhes müge one verhinderung unserer handlungen leichtlih beschehen, so mügen ir ime von Gumpenberg65 willfaren, doch anderst nit, als was mit guter gelegenhait, geschehen kan.66 Fuggers Einschränkung, Hörmann müsse eine gute gelegenhait finden, zeugt außerdem davon, daß für dieses Engagement zugunsten des Herrn von Gumppenberg auch die passende Sachlage abgewartet werden mußte – das erforderte vom Faktor zusätzlich die sachgerechte Einschätzung der Lage vor Ort. Eine Ablehnung der Intervention in prekären Fällen mußte auch dem betreffenden Bittsteller kommuniziert werden, beispielsweise Hieronimus von Lodron, der ebenfalls um Hilfe bei der Durchsetzung seiner Soldauszahlung bat. Fugger entwarf für sich und seinen Faktor Schedler eine gemeinsame Sprachregelung und setzte sie gleich in einem persönlichen Brief an Lodron um. Geschickt nahm er zunächst einmal den Standpunkt des Obristen ein: Lodrons Anliegen sei natürlich ganz und gar rechtmäßig, aber erstens werde die spanische Finanzverwaltung wohl kaum die FuggerFaktorei in der Sache der Soldzahlungen kontaktieren, und zweitens hätten Fuggers Angestellte strikte Anweisung, sich in derartige Geschäfte nicht einzumengen.67 Diese Grundregel, mit der Fürsprache für einen Bittsteller nicht gegen die eigenen Belange zu arbeiten, ließ sich ohne weiteres aus dem grundlegenden Charakter 64 65
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Hans Fugger an Hieronimus Ott, 07.02.1592, FA 1.2.15b H. 85, pag. 85 (II/2 3134). Hans Jörg von Gumppenberg diente als Oberst Philipps II. von Spanien, vgl. Hans Fugger an Christoph Hörmann, 01.05.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 525). Hans Fugger an Christoph Hörmann, 01.05.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 525). – Gumppenbergs Idee, die Soldauszahlung über die Fugger zu erreichen, kam nicht von ungefähr, denn auch Pensionsgelder für Getreue des spanischen Königs wurden über die Fugger ausbezahlt. Vgl. Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 270. Vgl. Hans Fugger an Hieronimus von Lodron, 22.11.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2224) sowie an Hans Schedler, 22.11.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2223).
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des Verhältnisses zwischen Klient und Patron bzw. zwischen Klient und Makler ableiten: Zwar handelte es sich hier um ein Tausch-Verhältnis, in dem der Vermittler seinen Einfluß, manchmal zusätzlich seine materiellen Ressourcen für den Klienten einsetzte, um dann von diesem mit politischer Unterstützung oder der Festigung seiner Reputation u.a. entschädigt zu werden,68 aber man hatte es hier nicht mit einem Vertrag zu tun, in dem der intercessor eine bindende Verpflichtung eingegangen wäre, sich ungeachtet der Umstände für den zu Empfehlenden einzusetzen. Diese Auffassung empfahl Hans Fugger auch seinem Sohn Marx, der in den 1590er Jahren als Reichskammergerichtspräsident mit den Angelegenheiten Fuggerscher Schutzbefohlener konfrontiert wurde: […] und sollst inn diser und dergleichen sa[c]hen, wan ich den leutten schon fürschrifften an dich mitthail nit mer thun, als was du mit ehrn und guter gelegenheit thun khanst, man sagt hof suppen und fürschrifften obligiern69 nit, darumb sein sie auch wolfail, bei dem es dann meint halben auch bleibt.70
Die Abwägung eigener Interessen kommunizierte Fugger bisweilen ganz offen dem betreffenden Bittsteller, obwohl oder vielleicht sogar weil es sich in diesen Fällen tatsächlich um Fuggersche Verwandte handelte: So etwa gegenüber Christoph Rosenbusch, dem Schwager seiner Frau Elisabeth, im Jahr 1573, verbrämt allerdings mit dem geschickten Hinweis, daß Fuggers persönliche Bitte in diesem Fall ohnehin nicht viel nützen würde.71 Auch Christoph Tanner mußte 1592 erfahren, daß Hans Fugger sich wegen seiner Person nicht auf riskante Unternehmen einließ: Tanner ersuchte ihn um eine Empfehlung auf den Posten des Wiener Stadthauptmanns, bevor sicher war, daß diese Stelle durch die Beförderung ihres Inhabers Engelhard Kurz frei würde. Engelhard Kurz aber verbanden mit den Fuggern nicht nur Kreditgeschäfte, sondern er war auch der Bruder des Reichsvizekanzlers Jakob Kurz, und beide waren Söhne des ehemaligen Fuggerfaktors Sebastian Kurz – nur zu verständlich, daß Fugger nicht den Eindruck erwecken wollte, er wolle den Bruder eines so einflußreichen Mannes durch seine Empfehlung für Tanner aus dem Amt ‹jagen›: [...] soll ich nun eurethalben, wie irs begeren, die sa[c]h anbringen, zuvor und ehe die statthaubtmanschafft zu Wien ledig, so würd ich eurthalben nit allein niht[s] erhalten, sonnder vil mer beede herrn Kurzen offendiren72. [...] dann euch wer ja wenig geholffen, dz ich euch nichts [ver]müget, und dise leut, wie oben gemelt, uff mich liede.73
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Vgl. Nolte: Patronage, S. 1. Im Sinne von ‹verpflichten›, lat. obligare, vgl. Georges: Handwörterbuch 2, Sp. 1248. Hans Fugger an Marx Fugger d. J., 07.03.1592, FA 1.2.15b H. 85, pag. 267f. (II/2 3172). Rosenbusch war mit der Schwägerin Hans Fuggers, Dorothea geb. Nothafft, verheiratet. Vgl. die biographische Kurznotiz bei Karnehm: Regesten II/1, S. 17 (zu II/1 32). Hans Fugger an Christoph Rosenbusch, 10.06.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 119 (I 1033): Dann solte ich darinn benent werden, so würd ich euch dz spil nit allain verderben, sonnder mir selbß auch nit wenig mißcredito machen. Von lat. offendere, ‹beleidigen, kränken›. Vgl. Georges: Handwörterbuch 2, Sp. 1326. Hans Fugger an Christoph Tanner, 24.06.1592, FA 1.2.16a H. 88, pag. 178f. (II/2 3272). Liede (neuhochdeutsch gebräuchlich: lüde) ist hier die Konjunktivform zu laden.
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Zu Recht wird in der Patronageforschung die Vermittlungstätigkeit für Verwandte als besondere Verpflichtung hervorgehoben, der man zeitweise nur schwer entkommen konnte.74 Diese Beispiele aber zeigen, daß ein intercessor wie Fugger den eigenen Verwandten und ihren Bedürfnissen deswegen nicht ausgeliefert war. Sogar im Konflikt seiner Vettern Philipp Eduard, Octavian Secundus und Raymund Fugger untereinander und mit Erzherzog Ferdinand um die Herrschaft KirchbergWeißenhorn – Octavian war immerhin sein Schwiegersohn – lehnte Fugger gegenüber etlichen Briefpartnern eine Einmischung ab, um nicht zwischen die Fronten zu geraten, oder, wie er recht deutlich gegenüber Johann Tonner formulierte: nicht nur, um Familienzwist zu vermeiden, sondern auch, um die Beziehung zum Erzherzog, mit dem die Fugger insbesondere durch die Tiroler Erzgruben geschäftlich eng verbunden waren, nicht zu gefährden.75
3. Aussonderung unbekannter oder risikoträchtiger Bittsteller Wie bei dem Anliegen Wolf Kerns schon gezeigt wurde: ein Empfehlungsschreiben bedurfte einer Beziehungsbasis, sowohl im Verhältnis zwischen Bittsteller und Vermittler wie auch in der Beziehung zwischen Vermittler und Patron. Insbesondere die Fürsprache für einen gänzlich unbekannten Klienten war ein gewaltiges Risiko, verbürgte man sich doch mit einer fürschrifft für die Rechtmäßigkeit seines Anliegens. Konsequent war es da nur, wenn Hans Fugger 1576 beispielsweise der Bitte eines Hans Ollinger, sich bei Hieronimus von Lodron wegen der Rückzahlung einer Schuld stark zu machen, nicht nachkam: Er kannte Ollinger nicht, und der eigentlich angekündigte Sebastian Gilg als Ollingers Abgesandter hatte sich auch nicht bei Fugger vorgestellt; Ollinger mußte sich daher damit begnügen, daß Fugger dessen Anliegen lediglich bei Lodron bekannt machte und die Weiterleitung der Reaktion des Obristen an Ollinger versprach.76 Was ohne die persönliche Bekanntschaft mit den Bittstellern zumindest vorliegen mußte, war ein Empfehlungsschreiben durch eine dem Makler bekannte Person. Ein bezeichnender Fall ist die Vermittlung des Brixener Arztes Ulmo an Fuggers Schwager Hans Gaudenz von Spaur im Jahr 1577. Ulmo, Hans Fugger vorher nicht bekannt, wandte sich nicht direkt an ihn, sondern suchte sich seinerseits einen Makler, wie Fugger seinem Schwager Spaur berichtete: Und so hat er mih ansprechen lassen, ime bej dir mit ainer fürschrifft damit er die selb ställ und dienst bekhumen khind zu erscheinen. Seine Referenzen waren nicht nur ein medizinischer Traktat,
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Vgl. Droste: Patronage, S. 567–569. Droste lehnt den Begriff der Patronage für die Förderung von Verwandten nicht zuletzt wegen der besonderen Verpflichtung gegenüber einem Verwandten ab. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 05.02.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2916). – Über seinen Unwillen zu jeglicher Einmischung auch Hans Fugger an Christoph Tanner, 05.02.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2915) sowie an Hans Gaudenz von Raitenau, 06.02.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2917). Vgl. Hans Fugger an Philipp Römer, 17.08.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 921).
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der eben in Augsburg gedruckt worden war, sondern etliche Empfehlungen an Fugger, insbesondere von Dr. Christoph Heuberger, einem der Augsburger Stadtärzte. Eben darum konnte Fugger guten Gewissens versichern, dz ich inn khainen zweifell stell er werde inn seiner facultet77 den sachen reht thun.78 Zahlreiche weitere Personen empfahl er auf die Fürsprache von Bekannten, Verwandten oder Geschäftspartnern hin – ein Patronageanliegen hatte zeitweise mehrere Vermittler-Stationen, sozusagen die Stufen einer ‹Maklerhierarchie› zu überwinden, bis es beim eigentlichen Wohltäter angekommen war: Das eigene Sozialkapital, die Verbindung zu potentiell hilfreichen Persönlichkeiten, entschied, über wie viele Stationen der Weg zum Patron bzw. zum künftigen Dienstherrn führte.79 Mit einer Empfehlung auf verlorenem Posten zu stehen, weil die Erfüllung der Bitte unmöglich war, wollte Fugger auch bei ihm persönlich bekannten Personen nicht riskieren. Daher lehnte er die Bitte des Simon Tänzl von Tratzberg, Stallmeister des Markgrafen von Burgau ab, für dessen Diener Schwarzkopf, der einen Totschlag begangen hatte, Fürsprache bei den Angehörigen des Toten und beim Rat der Stadt Augsburg einzulegen. Schwarzkopf war früher sogar in Fuggers Diensten gestanden, und, wie Hans betonte, durchaus zu seiner Zufriedenheit. Schwarzkopfs Tötungsabsicht und Schuld waren allerdings nach den von Hans Fugger eingezogenen Informationen so eindeutig, daß es Fugger seiner Meinung nach nit gebüren will, bei sein des entleibten freunden [hier: Verwandten], vil weniger ainer ober khait [gemeint: Rat der Stadt] alhie vil zu moviren, oder seiner aussönung halben fürzubringen, als der [gemeint: Schwarzkopf] wol waist, dz umb sunst sein würdt.80 Sich für einen unzweifelbar Schuldigen einzusetzen wäre, von der Erfolglosigkeit des Unternehmens abgesehen, für Fugger selbst wenig reputierlich gewesen, selbst wenn er dies nicht expressis verbis als seine Motivation bei Tänzl bekannt machte. Bezeichnend aber ist, wie Tänzl und Fugger um die Wahrung der rhetorischen Tradition von Bitte und Empfehlung – und damit auch um den Erhalt ihres beiderseitigen guten Einvernehmens! – bemüht waren: Tänzl hatte offensichtlich seine Bitte um Unterstützung mit umfänglichem Dank für die bereits durch das Haus Fugger erwiesenen Wohltaten eingeleitet – dies war ein Topos der Brieflehre, wie ihn etwa Erasmus anführte.81 Hans Fugger quittierte dies ebenso formvollendet mit
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Gemeint: ‹in seinem Beruf, Metier›. Vgl. Georges: Handwörterbuch 1, Sp. 2671: lat. facultas, ‹Befähigung›. Hans Fugger an Hans Gaudenz von Spaur, 05.01.1577, FA 1.2.8b H. 27, pag. 538f. (II/1 1020). – Zu Heuberger vgl. Gensthaler: Medizinalwesen, S. 87, 103. Vgl. z.B. Hans Fugger an Vinciguerra Graf von Arco, 19.05.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 529) [Supplik für einen Feldwebel Hans Georgs von Preysing], ähnlich an Hieronimus von Lodron, 19.02.1575, FA 1.2.8a H. 21 [Empfehlung für Sigmund von Hornstein], an Veit von Pappenheim, 23.08.1576, FA 1.2.8b H. 26 [Supplik für Heinrich von Ellrichshausen], an die Handelsfamilie Prechter, 04.04.1580, FA 1.2.10 H. 35 (II/1 1575) [Empfehlung eines Neffens Hans Grebners], an Gabriel Geizkofler, 03.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2081) [Empfehlung Octavian Tirols]. Hans Fugger an Simon Tänzl von Tratzberg, 12.04.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 525 (I 964). Vgl. Erasmus: De conscribendis epistolis, S. 210f.
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dem Hinweis auf die Geringfügigkeit der erwiesenen Fuggerschen Gunstbeweise.82 Konsequenterweise versäumte Fugger es nun nicht, das bisherige anscheinend recht enge, durch die Anführung einer fiktiven Verwandtschaft bekräftigte Verhältnis zu mein[em] son trotz der aktuell abgelehnten Bitte zu befestigen, nämlich mit einem Dienstangebot für die Zukunft: was aber mein son von unns bisher nit [erlangt hat] [,] dz möcht etwan hernach inn fürfallenter sachen noch geschehen.83 Während Fugger Tänzl gegenüber die Maklertätigkeit noch offen ablehnen konnte, war diese Option gegenüber anderen Korrespondenzpartnern nicht so einfach zu verwirklichen. Hier behalf sich Fugger mit einer Option, die schon Erasmus in seiner Brieflehre als Ausweg präsentiert hatte: Er stellte zwar eine fürschrifft aus, gab deren Adressat aber deutlich zu verstehen, daß er eigentlich nicht hinter dem empfohlenen Anliegen stand, sondern auf Druck des Bittstellers hin oder zumindest nicht mit voller Überzeugung gehandelt hatte.84 In ihrer milderen Form begegnet uns diese Strategie in einem Brief an Hans Fuggers Schwager Balthasar Trautson: Dr. Paulo Giudelli, Leibarzt am bayerischen Hof, hatte Fugger um Fürsprache bei Trautson gebeten – das Anliegen geht aus Fuggers Brief leider nicht hervor, da es in einer nicht überlieferten Briefbeilage vermerkt wurde. Fugger brachte seine Distanz zur Bitte Giudellis deutlich zum Ausdruck, denn er habe lediglich als der gebetten für in bitten wellen – diese Wendung wird von ihm durchaus öfters formelhaft gebraucht85 –, und so riet er Trautson, du magst hirin nach deiner gelegenheit handlen, mir aber verzeihen, dz ich dich also importunire.86 Deutlicher äußerte sich Fugger in einem solchen Fall gegenüber seinem venezianischen Agenten David Ott und stellte diesem die Erfüllung oder Ablehnung der Wünsche Wolfgangs von Wildenstein frei, den er nur empfohlen habe, um sein des von Wildenstains freunden [hier: dessen Familie], dise freuntschafft zuerzaigen.87 Mit einem solchen Doppelspiel wahrte Fugger gegenüber der Familie Wildensteins sein Gesicht, ohne seine Beziehung zu Ott zu gefährden – und wenn Ott der Bitte Wildensteins nicht entsprach, konnte Fugger dafür schließlich nicht verantwortlich gemacht werden. Im Jahr zuvor hatte diese Quasi-Rücknahme der Empfehlung sogar für die Fuggersche Unterstützung des bayerischen Erbprinzen gegolten: Herzog Wilhelm V. hatte höhere Geldsummen aus Italien ins Reich zu wechseln. Sie beruhten auf einer zwischen Wilhelm und seinem Vater Albrecht V. höchst umstrittenen Anleihe beim Großherzog der Toskana; auch Hans Fugger
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Hans Fugger an Simon Tänzl von Tratzberg, 12.04.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 526 (I 964): [...] dz sich sunst mein sun [Sohn] der erzaigten unser guettwilligkhait so hoch belobt dz geschiht mer aus seiner angebornen höflichait, als dz die dienst dankhens werth sendt. Hans Fugger an Simon Tänzl von Tratzberg, 12.04.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 526 (I 964). Erasmus: De conscribendis epistolis, S. 220. Weitere Beispiele im vierten Teil, S. 324, 397. Vgl. Hans Fugger an Balthasar Trautson, 12.01.1583, FA 1.2.12a H. 46, pag. 657 (II/2 2267). Importuniren hier im Sinne von ‹belästigen›, vgl. Georges: Handwörterbuch 2, Sp. 109: lat. importunitas, ‹Rücksichtslosigkeit, Unverschämtheit›. Hans Fugger an David Ott, 16.06.1575, FA 1.2.8b H. 25, pag. 187 (II/1 855).
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war in dieses Projekt involviert gewesen und hatte sich damit am Hof nicht unbedingt Freunde gemacht.88 Von daher also der Rat an Ott, Fuggers Empfehlung für Wilhelm V. gar nit an[zu]sehen, sondern allein nach seiner gelegenhait zu handeln.89 Drei Wochen später sah Fugger sich gemüßigt, dies nochmals zu betonen: die Empfehlung für den Herzog an Ott sei lediglich pro forma [...], solt ir dahin versteen, dz ir euch mügt gebrauchen lassen, oder aber entschuldigen. Zu eurer gelegenhait, dann uns mit dem ainen oder andern weder geben noch genomen wirdt.90 Mit dem Hinweis, daß aus Otts Verweigerung der Unterstützung für die herzoglichen Geschäfte keinerlei Nachteile für Hans Fugger entstünden, sollte also der rein formale Charakter der Empfehlung nochmals wirksam unterstrichen werden.
C. Aufstieg und Bewahrung: Hans Fugger als Sachwalter familiärer Interessen 1. Für Handel und Familie: Hans Fugger auf der Suche nach Unterstützung Ein Dauerproblem für die Fugger war die Zahlungsmoral ihrer Kreditkunden, und dies insbesondere am Kaiserhof und am königlichen Hof zu Madrid. Daher tat Hans immer wieder das Seine, um Unterstützer für die Einbringung von Schulden zu gewinnen. Carl Welser, der Landvogt der Markgrafschaft Burgau und Bruder der Philippine Welser, verheiratet mit Erzherzog Ferdinand von Tirol, stellte 1575 eine fürschrifft zugunsten der Fugger aus, um ihnen Gelder aus der Bewilligung des böhmischen Landtags für die Tilgung von Außenständen bei Rudolf II. zu verschaffen. Da Welser sich, wie Fugger an seinen Handelsdiener Saurzepf berichtete, augenscheinlich Mühe bei der Formulierung des Schreibens gegeben und es sogar eigenhändig ausgestellt hatte, maß Hans dieser Empfehlung hohe Bedeutung zu; insbesondere die eigenhändige Ausfertigung galt als Zeichen für besonderes Engagement des Fürsprechers, mithin als deutliches Signal an den Empfänger des Bittschreibens, hier also die kaiserliche Finanzkammer.91 Der Fuggersche Beauftragte am Kaiserhof, Gartner, sollte diese Supplik daher unbedingt weiterleiten, auch wenn aus den von den böhmischen Ständen zugestandenen Summen nur kleine Beträge zu erwarten waren.92 Fugger war Welser schon seit den 1560er Jahren
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Zu den Umständen dieser Anleihe und der Fuggerschen Geschäftsverbindung zum Herzogshof vgl. S. 365–370. Vgl. Hans Fugger an David Ott, 23.04.1575, FA 1.2.8a H. 21, pag. 116 (II/1 428). Hans Fugger an David Ott, 14.05.1575, FA 1.2.8a H. 21, pag. 166f. (II/1 459). Über die Eigenhändigkeit bzw. den eigenhändigen Zusatz eines Vermittlers als ‹Qualitätsausweis› eines Empfehlungsschreibens vgl. Reinhard: Patronage, S. 139. Vgl. Hans Fugger an Jakob Saurzepf, 03.09.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 591).
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mehrfach mit Nachrichtenlieferungen zu Diensten gewesen,93 und die gegenseitige Unterstützung bei der Eintreibung von Forderungen hatte zwischen den beiden großen Handelsfamilien schon seit der Zeit um 1500 Tradition, ebenso wie gemeinsame Wechselgeschäfte, Großkredite an die Habsburger und gegenseitige Darlehen sowie Geschäftseinlagen; über die Patrizierfamilie Rehlinger, der Hans Fuggers Mutter Anna enstammte, existierten verwandtschaftliche Verbindungen.94 Wie Fuggers Briefe überdies belegen, transportierten Welsersche Boten des öfteren Briefsendungen an die Fugger mit, und Angestellte des Welserhandels waren bei der Recherche nach bestimmten Handelsgütern behilflich.95 Für die Beförderung Fuggerscher finanzieller Anliegen in Madrid konnten die Fugger, wie Hans mehrfach erwähnte, auf die Fürsprache des kaiserlichen Botschafters Hans Khevenhüller vertrauen, mit dem er seit seiner Jugend bekannt war, möglicherweise aus Fuggers Zeit am Kaiserhof.96 Seit 1576 bestand zudem ein verwandtschaftliches Verhältnis, hatte doch Fuggers Nichte Sibylla von Montfort in diesem Jahr Moritz Christoph Khevenhüller, Hans Khevenhüllers Bruder, geheiratet.97 Obwohl uns nur sechs Briefe Fuggers an ihn von 1582 bis 1594 über-
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Vgl. Hans Fugger an Carl Welser, 12.06.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 240), an denselben auch am 30.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 296) sowie am 15.02.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 371). – Zur Biographie Welsers vgl. Raiser, Johann N. von: Markgraf Carl von Burgau. In: ZHVS 13/14 (1849), S. 19–40. Die Verwandtschaftsbeziehungen der Fugger bei Sieh-Burens: Oligarchie, S. 91–98, hier bes. S. 92f. Über die vielfache Zusammenarbeit zwischen Fuggern und Welsern informiert Häberlein: Fugger und Welser. Gerade im Jahr 1575, aus dem das Welsersche Empfehlungsschreiben für die Fugger stammt, zeigte sich wieder einmal die enge Verknüpfung der Interessen beider Familien: Die Eintreibung Fuggerscher Außenstände mußte den Welsern auch deswegen ein Anliegen sein, weil damals Marx Fugger aktuell mehr als 65.000 flämische Gulden Schulden bei der Welser-Faktorei in Antwerpen hatte, vgl. Häberlein: Fugger und Welser, S. 236. – Über andere Formen der Fugger-Welser-Kooperation vgl. Hans Fugger an Thomas Miller, 04.01.1575, FA 1.2.7 H. 20 (II/1 310) [Einkauf von spanischen Kerzen mit Hilfe des Welserschen Handelsdieners Penz], Hans Fugger an Marx Fugger d. Ä., 24.07.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 889) [Briefe aus Spanien über die Welser erhalten], Hans Fugger an Hans Schedler, 18.06.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2159) [Nutzung eines Welserschen Kuriers für Briefe aus Spanien], Hans Fugger an Leonhart von Harrach, 04.05.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2479) [Fuggers Empfehlung der Welser für eine Geldeinlage Harrachs], Hans Fugger an Mang Lutzenberger, 04.04.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2736) [Welsersche Unterstützung bei der Versendung von Handelswaren aus Spanien nach Augsburg]. Vgl. Karnehm: Regesten I, S. 7*f. zu Hans Fuggers Ausbildung; Fuggers Erwähnung der langjährigen Bekanntschaft im Brief an Hieronimus Ott, 07.03.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3171). – Über Khevenhüllers Botschaftertätigkeit neuerdings Arno Strohmeyer: Diplomatenalltag und die Formierung internationaler Beziehungen. Hans Khevenhüller als kaiserlicher Botschafter am Hof Philipps II. von Spanien (1574–1598). In: Friedrich Beiderbeck u.a. (Hg.): Dimensionen der europäischen Außenpolitik zur Zeit der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Berlin 2003 (Innovationen. Bibliothek zur Neueren und Neuesten Geschichte 10), S. 129–159. Vgl. dazu Fuggers Brief an Katharina von Montfort, 15.02.1576, FA 1.2.8 H. 24 (II/1 726).
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liefert sind, scheint das Verhältnis ein überaus herzliches gewesen zu sein. Fugger, der Khevenhüller seinen Herrn Schwagher98 nannte, bat ihn 1585, er möge die Fuggerschen Angelegenheiten wie bisher [...] under sein protection nemmen,99 und schon 1582 hatte er dem Fuggerschen Kreditkunden Khevenhüller für seine Unterstützung in Spanien gedankt.100 Khevenhüller schickte gar spanische Pferde als Geschenke an die Brüder Fugger101 und galt Hans Fugger schließlich 1592 als treuer Unterstützer, mit dem er vertreulich102 Umgang pflege – Khevenhüller lasse seinen spanischen Haushalt in seiner Abwesenheit sogar vom Fuggerfaktor Lutzenberger überwachen. Inwieweit Khevenhüller sich etwa für die Tilgung Fuggerscher Forderungen durch Philipp II. oder für eine Schonung bei den mehrfach erklärten Staatsbankrotten einsetzte, kann womöglich die in Arbeit befindliche Edition der Fuggerschen Korrespondenz mit den Faktoren in Spanien zeigen;103 Khevenhüller selbst merkte in seinem Tagebuch an, er habe die Fugger 1591 bei der Erlangung einer Darlehenstilgung durch den spanischen König unterstützt.104 Auf eine langjährige Kreditverbindung konnte Hans Fugger auch bei einem höchst prominenten Fürsprecher in Spanien bauen – Kardinal Antoine Perrenot de Granvelle, Berater spanischer Politik seit den 1560er Jahren und von 1579 an erster Minister Philipps II., wurde in Fuggerschen Bilanzauszügen als Schuldner geführt.105 In den Kopierbüchern ist kein Brief Hans Fuggers an Granvelle überliefert, doch die Stellungnahme Fuggers zu Granvelles Tod 1586 belegt dessen Bedeutung für die Förderung Fuggerscher Geschäfte nur zu deutlich: uns entgeet fürwar durch disen todtlichen abgang ein treuer freindt, dessen favor106 wir uns nit wenig inn allen bilhen [billigen, d. h. berechtigten] sachen prevalirt107 [...] haben.108 Schon
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Zitiert nach Christl Karnehm: Hans Fugger an Hans Khevenhüller, 21.08.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2868). – Zum Einsatz von Verwandtschaftsbezeichnungen vgl. im vierten Teil S. 327, 333. Hans Fugger an Hans Khevenhüller, 02.05.1585, FA 1.2.14a H. 59, pag. 361 (II/2 2769). – Ähnlich auch schon im Brief an Khevenhüller, 04.04.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2737). Vgl. Hans Fugger an Hans Khevenhüller, im Januar 1582 [nicht datiert], FA 1.2.11 H. 42 (II/2 2031). – Zu weiteren Kreditgeschäften seit den 1570er Jahren vgl. Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 19.08.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 821), an Christoph Tanner, 04.06.1583, FA 1.2.12b H. 48, Hans Fugger an Hans Khevenhüller, 12.02.1594, FA 1.2.16d H. 93 (II/2 3425). Vgl. Hans Fugger an Hans Khevenhüller, 21.08.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2868). Zitiert nach Christl Karnehm, Hans Fugger an Hieronimus Ott in Venedig, 15.02.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3144). Wilhelm von den Driesch, Rolf Walter: Edition der Fuggerkorrespondenz mit Spanien in der Zeit von 1560 bis 1600. Vgl. Khevenhüller: Tagebuch, S. 188. Vgl. FA 2.1.26: Hauptbuch Bilanzen 1569–1630, Nr. 27–29. – Zur Position Granvelles vgl. Walter L. Bernecker, Horst Pietschmann: Geschichte Spaniens. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart u.a. 1993, S. 102f., 106. Im Sinne von ‹Gunst›, vgl. lat. favor: Georges: Handwörterbuch 1, Sp. 2707. Vgl. Georges: Handwörterbuch 2, Sp. 1901: lat. praevalere: ‹die Oberhand behalten›. Hier im Sinne von: ‹sich die Unterstützung Kardinal Granvelles versichert zu haben, auf sie vertrauen zu können›. Hans Fugger an Johann Tonner, 18.10.1586, FA 1.2.14b H. 66, pag. 626 (II/2 3072).
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diese wenigen Beispiele zeigen, daß die jeweils angesprochenen Unterstützer Fuggerscher Interessen seit langem durch persönliche oder zumindest geschäftliche Kontakte dieser Familie verbunden waren; die Protektion erstand auf der Basis einer langjährigen erfolgreichen Interaktion, zu der Hans Fugger mit seinen Briefen beigetragen hatte, und die so zu einer multiplexen Verbindung, einer Mehrfachbeziehung, ausgebaut wurde. Solche etablierten Beziehungen waren auch zu nutzen, wenn die Reputation, aber ebenso das Vermögen Hans Fuggers und seiner Brüder durch das Verhalten einzelner Mitglieder des großen Familienverbands gefährdet schienen. Dies galt insbesondere für den Vetter Hans Jakob Fugger. Zwischen ihm und den Söhnen Anton Fuggers hatte sich über seine Auslösung aus dem Handel 1564 hinaus ein Dauerkonflikt um die an Hans Jakob auszuzahlenden Summen etabliert, in dem mehrfach der Prozeßweg beschritten wurde. Wenn sich nun Hans Jakob 1567 am Kaiserhof aufhielt, so zweifelte Hans Fugger nicht daran, daß er allerlaj wider uns praticirn, und hanndlen wird. So bat er einen weiteren Brief- und Geschäftspartner, den kaiserlichen Kämmerer Don Juan Manrique de Lara, der durch sein Amt ja stetig persönlichen Zugang zu Maximilian II. hatte, alles, was Hans Jakob mit unwharhait und ungrund gegen die Brüder Fugger vorbringe, nicht nur an Hans nach Augsburg zu berichten, sondern auch dafür zu sorgen, daß der Kaiser sich nicht vorschnell eine Meinung bilde, bevor er die Gegenposition Marx und Hans Fuggers dazu gehört habe. Manrique konnte Hans Fugger in dieser Sache ansprechen, da letzterer mit nicht unbeträchtlichen Summen bei den Fuggern verschuldet war109 und mit Fugger wohl damals schon auf recht vertrautem Fuße stand.110 Hans Gartner, Fuggerscher Agent am Kaiserhof, war noch Jahre später damit beauftragt, Hans Jakob am Hof zu beobachten, Nachricht zu geben und durch Klarstellungen, etwa beim Reichsvizekanzler Dr. Weber, den fortbestehenden Rechtsstreit unter den Fuggern in das – nach Hans’ Meinung – rechte Licht zu rücken.111 Sogar Hans Fugger selbst mußte 1575 in die Bresche springen, um in Regensburger Verhandlungen mit Albrecht V. von Bayern und kaiserlichen Räten wegen der Übernahme von Schulden des kürzlich verstorbenen Hans Jakob finanziellen Schaden von sich und seinen Brüdern abzuwenden.112 Wenig reputierlich für die ganze Familie war auch die spektakuläre Flucht der Nonne Anna Jakobäa Fugger aus dem Katharinenkloster in Augsburg im Jahr 1582 – ausgerechnet zum protestantischen Vetter Ulrich Fugger nach Heidelberg, wo man, wie Fugger sarkastisch bemerkte, wohl juble, daß dem Teuffel ein Seel uß dem 109
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Im August 1567 stand Manrique mit mehr als 3.000 fl bei den Fuggern in der Kreide, und Hans Fugger gab einer fristgerechten Rückzahlung nur geringe Chancen, vgl. Hans Fugger an Juan Manrique de Lara, 01.08.1567, FA 1.2.5 H. 5 (I 95). Hans Fugger an Juan Manrique de Lara, 13.10.1567, FA 1.2.5 H. 5, fol. 70r, v (I 128). – Manrique übte das Kämmereramt nur noch für wenige Jahre aus und trat dann als Obrist in die Dienste Philipps II. ein, vgl. die biographische Angabe bei Karnehm: Regesten I, S. 44, Anm. 1 zu I 95, sowie Edelmayer: Söldner und Pensionäre, S. 238, 252, 254. Vgl. Hans Fugger an Hans Gartner, 28.06.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 544). Zu den Verhandlungen in Regensburg demnächst ein Beitrag Christl Karnehms (in Vorbereitung), dazu knapp auch Karnehm: Regesten I, S. 47*f.
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Rachen genommen worden.113 Hans Fugger, seit der Eheschließung seiner Tochter Maria Jakobe mit Octavian Secundus im Jahr 1579 den Söhnen Georg Fuggers noch enger verbunden, machte diese Sache zu der seinen und aktivierte seine Kontakte zum Kaiserhof: Wohl über Reichsvizekanzler Vieheuser, dem Fugger seinen besonderen Dank ausrichten ließ, hatte Hans kaiserliche Schreiben an Kurfürst Ludwig VI. von der Pfalz, Pfalzgraf Johann Casimir und Ulrich Fugger erwirkt. Mit Vieheuser stand Fugger den Kopierbüchern zufolge spätestens seit 1579 in Kontakt, sie empfahlen einander gegenseitig Personen, und Fugger erledigte Dienstleistungen wie Pferdekäufe für Vieheuser.114 Peter Steuer hat die Verbindung Vieheusers zu Augsburg herausgestellt: über seine Heirat mit Felizitas Rehlinger war er zugleich den Fuggern verwandtschaftlich verbunden.115 Hans und seine Vettern stellten die Flucht Anna Jakobäas als ‹Raub› gegen ihren Willen hin – eine Version, die sie aber nicht bestätigte.116 Daß Anna Jakobäa dem Kloster weiter fern blieb, konvertierte und schließlich Heinrich von Ortenburg heiratete, konnten die Augsburger Verwandten nicht verhindern, auch wenn sie in der Sache sogar das Reichsoberhaupt kontaktierten.117
2. Hans Fugger als Mentor der Grafen von Montfort Wie man an Fuggers Engagement nach der Flucht Anna Jakobäas sehen kann, waren Eigeninteressen Hans Fuggers und des Fuggerschen Familienverbands fast nicht zu trennen: Alle, die der Großfamilie angehörten, waren auch ihre Repräsentanten; Erfolge wie Mißerfolge eines Familienmitglieds, die gesellschaftlich Aufsehen erregten, konnten das Ansehen der Familie erhöhen, ebenso gut aber ihre Reputation beschädigen.118 Von daher galt dem Wohl und Wehe insbesondere der
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Zitiert nach Christl Karnehm: Hans Fugger an Wilhelm V., 13.11.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2217). Zu Fuggers Dank an Vieheuser in der Angelegenheit um Anna Jakobäa vgl. Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 15.12.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2242) sowie am 03.02.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2286). Zur Korrespondenz mit Vieheuser selbst vgl. Hans Fugger an Sigmund Vieheuser, 31.01.1579, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1445), des weiteren am 10.11.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1768) und am 17.05.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2146). Dazu Steuer: Außenverflechtung, S. 161f. Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 19.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2272). Ausführlich zur Biographie Anna Jakobäa Fuggers Schad: Frauen Fugger, S. 111–131, hier besonders S. 116, 121. Zu den Briefen Rudolfs II. in dieser Sache Schad: Frauen Fugger, S. 121f. – Hans Fuggers alles andere als zartfühlenden brieflichen Auslassungen über die angeblich wenig anziehende Erscheinung Anna Jakobäas zeugen davon, wie vergiftet das Klima zwischen der ehemaligen Nonne und ihren Augsburger Verwandten seit der Flucht aus dem Kloster war, vgl. Hans Fugger an Werner Breitschwerdt, 15.12.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2242) sowie an Hans von Montfort, 07.01.1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2257). Zu Reputation und Standesehre vgl. Stollberg-Rilinger: Ehre (mit Forschungsüberblick) sowie aus den zahlreichen Publikationen von Martin Dinges: Die Ehre als Thema der Stadtgeschichte. Eine Semantik im Übergang vom Ancien Régime zur Moderne. In: ZHF 16 (1989), S. 409–440.
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engeren Familienmitglieder natürlich bei Hans Fugger ein ganz besonderes Augenmerk. Wie bereits erwähnt, sind in den Kopierbüchern die Empfehlungsschreiben Hans Fuggers für Familienmitglieder, gemeint sind hier die Verwandten bis zum zweiten Grad und deren Ehepartner, nur selten aufgezeichnet. Durch die brieflichen Beratungen über die Förderung von Verwandten jedoch sind immerhin gut 200 Briefzeugnisse auszuwerten. Wichtigstes Beispiel für die engagierte Förderung von Verwandten ist die Unterstützung von Hans Fuggers Neffen, den Grafen von Montfort: Hans’ Schwester Katharina hatte 1553 Jakob von Montfort aus der Bregenz-Beckacher Linie des Grafenhauses geheiratet und damit eine der frühesten verwandtschaftlichen Beziehungen der Familie zum etablierten Reichsadel begründet;119 geschäftliche wie private Beziehungen zwischen den Familien Fugger und Montfort bestanden jedoch schon seit den 1530er Jahren.120 Hans’ Vater Anton hatte im dritten Kodizill zu seinem Testament ausführliche Anordnungen für die Erziehung und finanzielle Ausstattung seiner beiden ältesten Montforter Enkelsöhne, Georg, von Hans Fugger nur Jörg genannt, und Hans, aufgezeichnet: Sollten sie doch nach einer sorgfältigen Erziehung und Studium in Frankreich und Italien121 nach ires herren vaters und meines öltisten suns guetbedünken an kayserliche, könicliche oder fürsten höf komen, daselbsten dienen und sich erhalten mögen.122 Auch für die Finanzierung hatte er ein Deputat ausgesetzt, dessen Verwaltung und Auszahlung testamentarisch Marx Fugger übertragen wurde. Wiewohl nur Marx Fugger im Kodizill als Verwalter und neben den Eltern als Ratgeber und Förderer für die weitere Karriere der Brüder Montfort namentlich genannt wurde, so hat der ältere Bruder in der Praxis diese Aufgabe zu einem guten Teil an Hans Fugger delegiert. Wie schon Christl Karnehm notierte, wurde Hans Fugger mit seinem Engagement für die Belange der Neffen geradewegs zu einem «Vaterersatz»,123 denn deren Vater Jakob von Montfort verstarb noch 1573. Von da an wurde die Förderung der Brüder Jörg, Hans, Anton und Wolf124 von Montfort
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Dazu Nebinger: Standesverhältnisse, hier S. 270. – Zu einem zeitgenössischen Panegyricus auf die Verbindung der beiden Familien der Beitrag von Markus Völkel: Der alte und der neue Adel. Johannes Engerds panegyrische Symbiose von Fugger und Montfort. In: Johannes Burkhardt (Hg.), Augsburger Handelshäuser im Wandel des historischen Urteils. Berlin 1996 (Colloquia Augustana 3), S. 107–117. Vgl. Weiß: Montfort, S. 26f. Zur Ausbildung der Brüder auch Karnehm: Regesten II/1, S. 336 (Anm. 1 zu II/1 768). Vgl. Preysing: Fugger-Testamente, S. 160 sowie Weiß: Montfort, S. 28. Karnehm: Regesten I, S. 12* Anm. 36. Ein vierter Sohn Katharinas von Montfort, Sigmund, starb 1580 noch in seiner Studienzeit, vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 13.06.1580, FA 1.2.10 H. 35 (II/1 1628), dort auch die biographische Notiz von Christl Karnehm mit weiterer Literatur. – Für die Töchter Katharinas, die in der Korrespondenz kaum Erwähnung finden, stand zumindest in den Briefen Hans Fuggers die Suche nach einem aussichtsreichen Heiratskandidaten und ihre Hochzeit im Vordergrund, vgl. z.B. Hans Fugger an Christoph Hörmann, 03.08.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 190) [Hochzeitsgeschenk für Nichte Katharina d. J. von Montfort], Hans Fugger an Katharina von Montfort, 15.02.1576, FA 1.2.8 H. 24 (II/1 726) [Verheiratung der Sibylla von Montfort].
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ein Thema, das in der Fuggerschen Kopierbuch-Korrespondenz von 1574 bis 1592 seinen steten Niederschlag fand; über Hans Fugger liefen auch die finanziellen Zuwendungen an die jungen Grafen, als sie im Hof- oder Reichsdienst standen.125 Das seit den 1570er Jahren wichtigste Projekt der jungen Grafen Montfort aus der Linie Bregenz-Beckach, der steirischen Linie ihres Geschlechts, war die Belehnung mit der Grafschaft Tettnang am Bodensee nach dem Tod ihres Verwandten Ulrich von Montfort-Tettnang. Gegen die Einziehung dieses Lehens zugunsten Erzherzog Ferdinands von Tirol und gegen konkurrierende Erbansprüche anderer Vertreter des Hauses Montfort führten nun zusammen mit der verwitweten Katharina ihre beiden ältesten Brüder Marx und Hans als Stellvertreter der unmündigen Grafen langwierige Verhandlungen. Hans Fugger beteuerte seiner Schwester gegenüber, die Brüder Fugger wollten für sie und ihre Söhne als so nahe Verwandte handeln als inn unsern selb aignen sachen;126 noch 1582 sprach Hans Fugger gegenüber Hans von Montfort im Zusammenhang mit den Montforter Eigentumsstreitigkeiten von ‹unserer› Sache.127 Tatsächlich wurde, nicht zuletzt mit tatkräftigem Einsatz unsers advotaten128 [sic!] Dr. Matthäus Laymann, die Einigung mit dem Erzherzog (1577) und den Montfortischen angemasten aigenthumbs erben129 (1587) erreicht und der Weg in die Herrschaft Tettnang frei. Ausschlaggebend waren hier allerdings zweifellos nicht nur die juristische Beratung Laymanns, die Familienstammbäume und Teilungsverträge, die im Verlauf der Auseinandersetzungen um Tettnang – auch vor dem Reichskammergericht130 – von den Grafen von Montfort-Beckach ins Feld geführt wurden. Vielmehr hatten Katharina und ihre Söhne bei der Suche nach machtvollen Patronen mit Hilfe der Brüder Fugger wohl doch die besseren Karten: sie konnten Hans Fuggers Beziehungs- und Briefnetz für sich nutzen. Mit Hans Trautson, Schwiegervater von Fuggers Schwester Susanna131 und Obersthofmeister Maximilians II., unter Rudolf II. Geheimer Rat, konnte Hans Fugger anläßlich des Regensburger Wahltags 1575 kurz vor Trautsons Rückreise an den Kaiserhof die Sache Montfort besprechen, mit dem Ziel, Jörg von Montfort bei ir M[aiestä]t: die audienz [zu] erlangen.132 Während seines Jugendaufenthalts am Kaiserhof hatte
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Dies belegt beispielsweise die Korrespondenz mit Anton von Montfort, der 1582 seinen Bedarf an einer Kutsche bei Hans Fugger anmeldete. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 17.02.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2072). Hans Fugger an Katharina von Montfort, 17.07.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 217 (II/1 176). Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 17.12.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/1 2244). Hans Fugger an Katharina von Montfort, 17.07.1574, FA 1.2.7 H. 19, pag. 215 (II/1 176). Hans Fugger an Jörg von Montfort, 18.10.1578, FA 1.2.9b H. 31, pag. 387 (II/1 1395). Zum Urteil zugunsten der Linie Montfort-Beckach 1582 vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 17.12.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2245). – Die Ereignischronologie bei Weiß: Montfort, S. 13f. Susanna Fugger (geb. 1539) heiratete 1555 Balthasar Freiherr von Trautson, unter Kaiser Maximilian II. Oberststallmeister und später Oberhofmeister der Kaiserin Maria. Zu Biographie und Heirat vgl. Hadriga: Trautson, S. 51f. Hans Fugger an Marx Fugger d.Ä., 25.10.1575, FA 1.2.8a H. 23, pag. 550 (II/1 641). Christl Karnehm liest hier ainderung statt audienz.
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Fugger bei Trautson gelebt, der seine Hofkarriere unter Karl V. begonnen hatte; Fuggers Briefanrede gegenüber Trautson – wolgeborner sonder gnediger Herr und Vatter133 – bestätigt das enge Verhältnis noch lange Jahre später; ebenso erledigte Hans Fugger noch Gefälligkeitsdienste für Trautson.134 Ebenso konnte er seine Kontakte zu Ottheinrich Graf von Schwarzenberg am Kaiserhof aktivieren, als die Montforter Supplikation an Kaiser Maximilian II. zur Erlangung Tettnangs abgesandt war: Nicht nur die Bittschrift aus der Ferne, auch das gesprochene Wort sollte den Kaiser für die Montforter einnehmen, forderte Hans doch Schwarzenberg, der noch 1576 zum Obersthofmarschall und Reichshofratspräsidenten ernannt wurde135 – hier gegen reale genealogische Verhältnisse als mein herr brueder tituliert – höflich auf, wa es sich etwan die gelegenhait begibt, helffen darzu dz bösst [zu] reden, damit die gnad mit uns werde.136 Schwarzenberg war nicht nur Studienkollege von Fuggers Vetter und späterem Schwiegersohn Octavian Secundus Fugger gewesen, sondern dürfte Fugger, der Briefanrede entsprechend, durch seine Zeit am bayerischen Hof bestens bekannt gewesen sein.137 Im Zusammenhang mit der Besprechung von Fuggers Korrespondenz mit den bayerischen Herzögen wird die Fürsprache Wilhelms V. in der Sache Montfort nochmals eigens Erwähnung finden.138 Überdies pflegte der Fuggersche Syndikus Laymann nach Hans Fuggers Aussagen ein gutes Verhältnis zu den kaiserlichen Hofräten, die ebenfalls mit dem Erbstreit befaßt waren, und Hofrat Andreas Gail sicherte Fuggers Agenten am Kaiserhof, Hans Gartner, 1576 seine Unterstützung im Fall Montfort zu.139 Der umsichtigen Steuerung bedurfte auch die vom Großvater Anton Fugger gewünschte Etablierung der Montforter Grafen an fürstlichen Höfen oder in Diensten des Reiches. Jörg von Montfort war als dem ältesten 1576 der Sprung ins Amt des Mundschenken am Kaiserhof gelungen, und durch diesen Aufwartdienst, der für den Hochadel reserviert war, gelangte er in die direkte Nähe des Reichsober-
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Hans Fugger an Hans Trautson, 08.03.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 384). Zitiert nach Christl Karnehm. Fugger betonte in einem Brief an seinen Agenten am Kaiserhof, Hans Gartner, er sei in seiner Wiener Zeit bei Trautson wie das Kind im Hauß gewest, vgl. das Schreiben an Gartner vom 27.08.1573, FA 1.2.6b H. 16. Zitiert nach Christl Karnehm, vgl. auch Dies.: Regesten I, S. 7*. – In den 1560er Jahren mühte Fugger sich redlich und über Jahre hinweg, mit Hilfe seiner Handelsangestellten einen fähigen jungen Sänger in den Niederlanden anzuwerben, den Trautson einzustellen wünschte, vgl. Hans Fugger an Hans Keller, 24.12.1566, FA 1.2.5 H. 5 (I 36) sowie an denselben, 01.08.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 473). Zu Schwarzenberg: Lanzinner: Herrschaftsausübung. Hans Fugger an Ottheinrich von Schwarzenberg, 04.02.1576, FA 1.2.8a H. 24, pag. 725 (II/1 714). Vgl. die biographische Kurznotiz bei Karnehm: Regesten II/1, S. 714, Anm. 1, Lanzinner: Fürst, S. 402f. 1587 wurden die Fuggerschen Beziehungen zu Schwarzenberg durch die Heirat von dessen Sohn mit Marx Fuggers Tochter Anna Sibylla gekrönt, vgl. Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 21. Vgl. S. 387f. So berichtete Hans Fugger an Jörg von Montfort, 16.06.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 853).
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haupts.140 Kein Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen, selbst wenn die Mission nach Spanien und Portugal, mit der Jörg 1579 vom Kaiser betraut wurde, als Auszeichnung verstanden werden darf. Auftrag in Portugal war nach dem Bericht des kaiserlichen Botschafters in Spanien, Hans Khevenhüller, ein Kondolenzbesuch anläßlich des Todes des portugiesischen Königs, vorher hatte Jörg Audienz bei Philipp II.141 Um Montfort die Position eines kaiserlichen Kämmerers zu verschaffen, engagierten sich Hans und Marx Fugger ab 1578 auf mehreren Ebenen: Die Initialzündung lieferte von Prag aus Dr. Johann Tonner, der Marx auf eine freie Kämmerer-Stelle aufmerksam machte. Hans Fugger ergriff laut brieflichem Bericht an Jörg die Gelegenheit einer persönlichen Begegnung mit Wolf Sigmund Rumpf Freiherr von Wielroß und Freiherr Adam von Dietrichstein, um über einen Aufstieg Jörgs im Hofdienst zu sprechen.142 Dietrichstein war seit Jahrzehnten ein hochgeschätzter Diener des Kaiserhofes in vielfältigen politischen Missionen und Obersthofmeister Rudolfs II., also «nach dem Herrscher der höchste Würdenträger bei Hof».143 Möglicherweise kannte Fugger ihn schon aus seiner eigenen Zeit in Wien oder durch dessen Sendung an den spanischen Hof. Zudem stand Dietrichstein dem Kaiser als sein ehemaliger Erzieher recht nahe.144 Und mit Wolf Rumpf, dem Oberstkämmerer und langjährigem Vertrauten des Kaisers, hatte man nicht nur vom Kämmerer-Amt her den richtigen Ansprechpartner gewählt.145 Rumpf war nach Ausweis der Kopierbuchkorrespondenz schon in den 1560er Jahren Bankkunde des Hauses Fugger gewesen, so daß sich hier ein günstiger Anknüpfungspunkt für die Fuggersche Bitte nach Unterstützung des Neffen ergeben konnte.146 Auch Reichsvizekanzler Dr. Sigmund Vieheuser sagte bei einem Augsburger Aufenthalt die Förderung Jörgs zu.147 Die Fugger kannten Vieheuser zweifelsohne schon lange aus seiner Zeit als herzoglich bayerischer Rat; die erwähnte Anwesenheit Vieheusers in 140
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Das Amt des Mundschenken war dem hohen Adel vorbehalten, vgl. Hans Ottomeyer, Michaela Völkel (Hg.): Die öffentliche Tafel. Tafelzeremoniell in Europa 1300–1900. Wolfratshausen 2002, S. 200, 250. König Sebastião war 1578 gestorben; sein Großonkel, Kardinal Henrique, regierte nun das Land, bis 1580 nach seinem Tod ein Thronstreit entbrannte, den Philipp II. von Spanien militärisch für sich entschied. Dazu António H. de Oliveira Marques: Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs. Stuttgart 2001 (Kröners Taschenausgabe 385), S. 218– 223. Zur diplomatischen Mission vgl. Khevenhüller: Tagebuch, S. 103f. Khevenhüller datierte äußerst exakt Montforts Ankunft in Spanien auf den 2. Juli 1579, die Weiterreise nach Portugal auf den 10. August, Rückkunft nach Spanien und nochmalige Audienz beim König am 2. bzw. 19. Oktober, die Heimreise über Paris auf den 26. Oktober. Vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 28.06.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1356). Hausenblasová: Hof Rudolfs, S. 65. Zur Position Dietrichsteins am Kaiserhof vgl. Friedrich Edelmayer: Ehre, Geld, Karriere. Adam von Dietrichstein im Dienst Kaiser Maximilians II. In: Friedrich Edelmayer, Alfred Kohler (Hg.), Kaiser Maximilian II. Kultur und Politik im 16. Jahrhundert. München 1992 (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 19), S. 109–142. Über die Rolle Rumpfs am Hofe Rudolfs und das Amt des Oberstkämmerers – das zweithöchste am Kaiserhof – zusammenfassend Hausenblasová: Hof Rudolfs, S. 94–96. Vgl. Hans Fugger über Kredit- bzw. Überweisungsgeschäfte an Wolf Sigmund von Rumpf, 13.07.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 257) sowie am 31.07.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 184). So Hans Fugger an Jörg von Montfort, 28.06.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1356).
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Augsburg wird sich wohl auf die kurz zuvor ausgehandelten Verträge mit den Georg Fuggerischen Erben wegen ihrer Auslösung aus der Firma bezogen haben, bei deren Abschluß just Vieheuser vermittelnd gewirkt hatte. Nicht zu vergessen ist die Verwandtschaft der Fugger zu Vieheuser über die Rehlinger.148 Zweifellos wußten Hans und Marx Fugger Vieheusers Position als Chef der Reichshofkanzlei, damit seinen Überblick über den reichischen Schriftverkehr und seinen hohen Einfluß im Geheimen Rat und auf die politischen Leitlinien des Kaisers – und auf dessen Personalpolitik – zu schätzen.149 Doch diese anbahnenden Gespräche waren nur erste Schritte: Jörg bekam von Hans Fugger den Auftrag, sich vor Ort in Prag um ein gutes Verhältnis zu Vieheuser zu bemühen und seine Bewerbung offiziell zu machen; auch ein Pferd, das Fugger in Augsburg als Geschenk für den Vizekanzler besorgt hatte, hatte Vieheuser gefallen.150 Fuggers nächste Empfehlung, sich doch lieber an Wolf Rumpf als den Oberstkämmerer zu halten, weil eigentlich nur er die entscheidenden Kompetenzen für Jörgs Beförderung habe, scheint schon wieder auf neuen Informationen zu beruhen, die Fugger eigens eingeholt hatte.151 Des weiteren sollte ein Fuggersches Empfehlungsschreiben die einmal aufgenommenen Kontakte befestigen: Gesandt wurde Jörg ein Schreiben der Brüder Fugger an Wolf Rumpf, dem wir dich [...] zum höchsten recommendieren;152 doch vom Plan, in dieser Sache auch Dietrichstein nochmals schriftlich zu erinnern, nahm Fugger Abstand, um Dietrichstein nit zuoffendiren,153 und villeicht die sach nit mehr dardurch zuverhindern als zubefürdern154 – Maklertätigkeit war ganz offensichtlich ein sensibles, höchst situationsabhängiges Geschäft, das Fingerspitzengefühl verlangte, zumal gegenüber einer so einflußreichen Persönlichkeit wie Dietrichstein. Schon früher hatte Hans Fugger Christoph Tanner die Bitte abgeschlagen, sich mit 148
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Zu Vieheuser am bayerischen Hof vgl. Lanzinner: Fürst, S. 336f. Das Engagement des Reichsvizekanzlers in den Fuggerschen Auslösungsverhandlungen bei Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 62. – Über die Verflechtung mit Augsburgern Steuer: Außenverflechtung, S. 106f. Über die Funktion des Reichsvizekanzlers handelt Gross: Reichshofkanzlei, S. 97–99. Zur Person Vieheusers dort insbesondere S. 317–319: Laut Gross war er «zu den ständigen Beratern des Kaisers» zu zählen, ebenda S. 318. Vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 28.06.1578 (II/1 1356) und 26.07.1578 (II/1 1376), beide FA 1.2.9b H. 31. Vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 26.07.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1376). Hans Fugger an Jörg von Montfort, 30.08.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1380). – Das Empfehlungsschreiben an Rumpf ist nicht überliefert. Von lat. offendere, ‹beleidigen, kränken›. Vgl. Georges: Handwörterbuch 2, Sp. 1326. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 30.08.1578, FA 1.2.9b H. 31, pag. 352 (II/1 1380). – Auf 1576 datieren die ersten gemeinsamen Überlegungen Hans Fuggers und Jörg von Montforts wegen des Amts des Kämmerers. Ob ein damals schon anvisiertes Schreiben an Dietrichstein in die Tat umgesetzt wurde, läßt sich auf der Basis der Fuggerkorrespondenz jedoch nicht entscheiden. Vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 07.06.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 849). Vielleicht resultierte die Entscheidung von 1578, kein Empfehlungsschreiben abzusenden, ja aber auch aus negativen Erfahrungen eines ersten Versuchs bei Dietrichstein. – Eine knappe Überschau zum Gang der Verhandlungen um das Montfortische Erbe auch bei Weiß: Montfort, S. 13f., 27f.
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einer Empfehlung für einen Hauptmannsposten an Don Juan d’ Austria, den natürlichen Sohn Karls V. und berühmten Feldherrn im Dienste Philipps II. zu wenden, die weill ich solliche grosse herrn mit dergelichen nit gern überlauff.155 Diese Maxime schaffte es auch noch in die Ratgeberliteratur des 17. Jahrhunderts: In Graciáns berühmtem «Hand-Orakel» finden wir den Hinweis, «große Gönner» seien nur «für die großen Gelegenheiten».156 Vielleicht befürchtete Fugger auch bei Dietrichstein, diese Bitten, in die er ja selbst als Makler verwickelt war, könnten als ‹Belästigung› aufgefaßt werden. Zwischendurch hatten Jörg und seine intercessores gar Zweifel, ob das Kämmereramt auch das richtige und ob nicht eine Stelle im Hofrat besser für das Fortkommen des Montforters sei. Möglicherweise gab es hier finanzielle Erwägungen, denn die Stellen im Reichshofrat waren höher besoldet als die Kämmererposten.157 Tatsächlich hatte Jörg von Montfort sicher seit Oktober 1581 eine Position im Reichshofrat erlangt, womöglich mit Hilfe Vieheusers;158 erst seit 1582 finden wir ihn als Kämmerer Rudolfs II.159 Warum es nahezu vier Jahre dauerte, bis Jörg an das Ziel eines höheren Postens gelangt war, geht aus der Fuggerkorrespondenz nicht hervor. Möglicherweise ist die fast einjährige Abwesenheit Montforts vom Hof durch die erwähnte Mission nach Spanien und Portugal 1579 bzw. ein Zwischenfall auf dieser Reise der Hintergrund, denn Jörg befürchtete bei seiner Rückkehr aufgrund von Meldungen Johann Tonners anscheinend Ressentiments bei Hof.160 Montfort quittierte übrigens 1585 den Hofdienst und widmete sich der Verwaltung der Montforter Herrschaft.161 Es zeichnet sich hier ab, daß sowohl die richtige Wahl des Vermittlers und persönliche Bemühungen des zu Befördernden als auch mündliche wie schriftliche Anstrengungen seiner Makler, demnach ein ganzes Maßnahmenbündel, als angemessener Weg zum Erfolg gesehen wurden. Fugger hatte hierzu tragfähige Kontakte, die genutzt werden konnten: durch Verwandte (Trautson), Geschäftskunden (Rumpf), langjährige Bekannte im Hofdienst (Schwarzenberg, Vieheuser). Doch
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Hans Fugger an Christoph Tanner, 04.04.1573, FA 1.2.6a H. 14, pag. 511 (I 957). Baltasar Gracian: Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit [1647], übertragen von Artur Schopenhauer. Leipzig 1982 (Insel-Bücherei 423), S. 79. Jaroslava Hausenblasová weist in ihrer Analyse der kaiserlichen Hofordnung 1576 das durchschnittliche Jahresentgelt für Reichshofräte mit durchschnittlich 745,9 fl aus, während im Kämmereramt nur 480 fl im Jahr zu verdienen waren, vgl. Hausenblasová: Hof Rudolfs, S. 172, 177. Zumindest erwog Fugger eine solche Unterstützung im Brief an Jörg von Montfort, 17.12.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1798). Vgl. Oswald von Gschließer: Der Reichshofrat. Bedeutung und Verfassung, Schicksal und Besetzung einer obersten Reichsbehörde von 1559 bis 1806. Wien 1942 (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte des ehemaligen Österreich 33), S. 143. Zum Kämmereramt Hausenblasová: Hof Rudolfs, S. 396, 400. Vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 01.02.1580, FA 1.2.10 H. 34 (II/1 1522) sowie am 05.03.1580, FA 1.2.10 H. 34 (II/1 1549). Zu Jörgs Abschied vom Hof vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 28.04.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2473) und an Jörg von Montfort, 07.09.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2638).
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schon bei Jörgs langem Weg zum Amt des Reichshofrats und Kämmerers wird deutlich, wie steinig diese Patronage-Wege waren: Absichtserklärungen einflußreicher Mittler bedeuteten keine Garantien, wie Hans Fugger seinem Neffen – wohl angesichts erster Enttäuschungen – mit auf den Weg gab: Was der herr Rumpff dir für befürderung zum bewüsten dienst geben, wirdt zeit offenbaren, du waist nun mehr den hofbrauch, dz man gute wort, und schlechte werk, außgibt.162 Die Beziehungen der Gebrüder Fugger zu hohen kaiserlichen wie kirchlichen Würdenträgern und Vertrauten mußten zeitgleich auch für Jörgs Brüder Hans und Anton mobilisiert werden. Für Graf Hans plante seine Familie noch im März 1578, einen der Präsidenten-Ränge am Reichskammergericht zu erlangen, und hier kam wiederum die Verbindung zu Reichshofrat Johann Tonner zum Einsatz, der um seine Vermittlung am Hof zu Prag angegangen wurde. Gleichzeitig schrieben Hans und Marx zusammen an den Reichsvizekanzler Vieheuser und forderten Jörg von Montfort zur Mobilisierung seiner Hofkontakte auf, wie Fuggers Briefe an Tonner und Jörg von Montfort belegen.163 Diesmal war den Fuggerschen Makler-Bemühungen rascher Erfolg beschieden: Die Präsidentenstelle, die durch den Rücktritt des Carl Truchseß von Waldburg frei wurde, war schon im Mai für Hans von Montfort bewilligt.164 Ein ‹Dauerkunde› für Fuggersche Vermittlungsbemühungen wurde hingegen Fuggers Neffe Anton. Wieder mußten persönliche Kontakte ein geeignetes Klima schaffen: Bei einem Aufenthalt in Tirol sprach Marx Fugger 1577 selbst beim Erzherzog Ferdinand vor, um für Anton die Kämmererstelle am Hof des Kardinals Andreas von Österreich, Ferdinands Sohn, zu erlangen.165 Zusätzlich wurde hier also die mündliche Unterredung eingesetzt, um ans Ziel zu gelangen. Über das Tiroler Bergbauunternehmen der Fugger und rege Kreditgeschäfte mit dem Erzherzog existierte nach Innsbruck schon lange eine enge Verbindung.166 Sechs Monate später wußte Anton seine Ankunft in Rom und den Antritt seines Diensts als Kämmerer beim Kardinal zu berichten. Grund genug für Hans Fugger, den Neffen mit weiteren Karrierestrategien zu präparieren: Er möge sich an den Hofmeister von Heudorff halten, dem wir dich dann hiemit [mit einem beigelegten Schreiben, d. Verf.] sonderlich recomendirn, des weiteren böß gesellschafft meiden. Denn dz du mit der zeit weitter khumest, das war schließlich das Ziel, um dessentwillen die Augsburger Verwandtschaft sich für ihre Neffen ins Zeug legte und ihre Kontakte einsetzte, und
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Hans Fugger an Jörg von Montfort, 18.10.1578, FA 1.2.9b H. 31, pag. 390 (II/1 1395). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 11.03.1578, FA 1.2.9a H. 30 (II/1 1299) sowie an Jörg von Montfort, 11.03.1578, FA 1.2.9a H. 30 (II/1 1300). – Zu den Präsentationsrechten vgl. die Übersicht bei Ruthmann: Reichskammergericht. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 08.05.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1330). – Zu Studium und Präsidentschaft am Reichskammergericht auch Weiß: Montfort, S. 39, 41f. Aus der Fuggerschen Korrespondenz ergibt sich zweifelsohne eine Amtszeit von 1578 bis 1586, vgl. Fuggers Glückwünsche an Hans zum Dienstantritt in Speyer, 04.09.1578, FA 1.2.9b H. 31 (II/1 1382) sowie Hans’ neuen Dienst als Landeshauptmann der Steiermark laut Fuggers Brief an Hans von Montfort, 27.06.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2985). Vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 11.11.1577, FA 1.2.9a H. 29 (II/1 1219). Zum Tiroler Handel vgl. im ersten Teil Kap. I., B., S. 19.
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dafür hatte sich natürlich auch Anton selbst durch entsprechende Ausfüllung seines Dienstes zu engagieren.167 Als sich Anton von Montfort jedoch für den geistlichen Stand und damit eine klerikale Karriere entschied, setzte eine langwierige Suche nach einer geeigneten Pfründe ein, denn wie seine Brüder war Anton darauf angewiesen, sich durch sein Amt einen Lebensunterhalt zu verschaffen. Die schrittweise Veräußerung Montfortischen Besitzes am Bodensee wie in der Steiermark ab 1581 war Ausdruck einer seit langem bestehenden Finanzmisere, in der die Unterstützung durch die Familie Fugger natürlich eine besondere Bedeutung hatte.168 Hier waren nun ganz besondere Experten für die kirchliche Laufbahn gefragt: ein wichtiger Schritt war zweifellos Antons Aufenthalt bei Ludwig von Madrutz, dem Kardinal von Trient, denn als protector nationis Germaniae habe der Kardinal als erster Überblick über alle deutschen Benefizien, und mit Hilfe von dessen Sekretär Minucci müsse es also – so Fugger – gelingen, ein faisten boccon, eine, oder besser: mehrere der begehrten ‹fetten Pfründen›, zu ergattern.169 Das Versorgungs-Ziel definierte Fugger sogar noch genauer: Beneficia cum titulo et sine cura animarum170 sollten es sein – unwiderruflich verliehen und nicht mit seelsorgerischen Pflichten verbunden.171 Auch die Kleidung mußte mit Antons Vorhaben in Einklang stehen: Fugger lobte das lange Habit, das Anton von nun an trug, als seinen Zielen absolut angemessen.172 Den Weg zu Madrutz hatte wiederum ein Empfehlungsschreiben von Marx und Hans geebnet, und der Kardinal hatte seine Hilfsbereitschaft für die Pfründensuche erklärt. Nie ist davon die Rede, daß Anton beim Kardinal ein bestimmtes Amt ausgefüllt hätte, vielmehr bezeichnete Fugger Madrutz’ Hof nur als eine Art ‹Durchgangsstation› auf dem Weg zur päpstlichen Gunst und einer geistlichen Pfründe: Beim cardinal von Trient alias Madrutsch soll sich [...] graf Anthonj seider uffhalten, bis man bessere und merer gelegenheit hat ine zu Ir papstl.[lichen] Hay:[ligkei]t zu promoviren.173 Mit den Madrutz bestand von zwei Seiten der Familie Fugger eine verwandtschaftliche Beziehung: an erster Stelle zu nennen ist die Verbindung durch Fuggers Schwester Susanna, die 1555 Balthasar II. Trautson, den Sohn einer geborenen Madrutz, heiratete. Außerdem war die Ehefrau Georg Fuggers, Ursula, eine geborene Gräfin von Lichtenstein, eine Cousine des Kardi-
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Hans Fugger an Anton von Montfort, 08.05.1578, FA 1.2.9b H. 31, pag. 215f. (II/1 1330). Zu den Montfortischen Finanzproblemen und Verkäufen vgl. Weiß: Montfort, S. 14f., 58. Hans Fugger an Anton von Montfort, im Februar 1582 [nicht datiert], FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2061). Zitiert nach Christl Karnehm. Hans Fugger an Anton von Montfort, 03.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2083). Zitiert nach Christl Karnehm. Zur Begrifflichkeit vgl. ‹Benefizium›. In: Eugen Haberkern, Joseph Friedrich Wallach: Hilfswörterbuch für Historiker. Mittelalter und Neuzeit. Erster Teil: A–K. München 32001, S. 68. Ebenda. Hans Fugger an Hans von Montfort, 15.12.1581, FA 1.2.11 H. 42, pag. 549 (II/1 2013).
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nals gewesen.174 Für das Ziel, Anton im päpstlichen Kammerdienst unterzubringen, wurde der römische Bankier Olgiati, langjähriger Fuggerscher Geschäftspartner, als bewährter Makler ins Auge gefaßt – er hatte schon den Söhnen Hans Jakob Fuggers Benefizien vermittelt.175 Fugger selbst aber engagierte sich weiter von Augsburg aus für Anton: Einmal durch die Beiziehung des Marquard vom Stein, der schon damals in Diensten des Bischofs von Augsburg gestanden zu haben scheint und Fugger 1583 nach mündlichen Unterredungen schriftliche Ratschläge für Anton zum Erwerb einer Propstei zukommen ließ.176 Mehrfach nämlich bekannte Hans seinem Neffen, daß er allein schlicht zu wenig Kenntnisse über die Vergabe von Pfründen und den Aufstieg in kirchlichen Diensten habe, um ohne die Hilfe anderer Anton wirkungsvoll unterstützen zu können.177 Dies ist ein wichtiger Beleg dafür, daß Beziehungswissen, wie es hier zum Einsatz kommen sollte, eine Sache qualifizierter Experten mit der entsprechenden Nähe zur klerikalen Vergabepraxis war und nicht automatisch zur Verfügung stand. Auch Anton selbst wurde von seinem Onkel mehrfach aufgefordert, sich am Hofe des Kardinals von Madrutz, insbesondere bei dessen Sekretär Minucci, nach dem geeigneten Vorgehen zu erkundigen.178 Fugger selbst betonte, daß seine Kontakte zur Geistlichkeit nicht ausreichend genug ausgebaut waren, um als einer der ersten von einer freien Pfründe für Anton zu erfahren – eine persönliche Einschätzung der kommunikativen Reichweite seines Korrespondenznetzes.179 Doch die Möglichkeiten Hans Fuggers, über ein ausgedehntes Beziehungsnetz die ersten Kontakte zu Kardinal Madrutz ebenso wie zur Entourage des Augsburger Bischofs durch Marquard vom Stein zu knüpfen und damit zumindest eine Ausgangsbasis zu schaffen, waren für Montfort nach wie vor natürlich höchst wertvoll. Noch im Jahr 1583 versuchte Fugger seine guten Verbindungen zum regierenden bayerischen Herzog zu nutzen: Ein über Wilhelm V. gestarteter Versuch, die Propstei Altötting für Anton zu sichern, war jedoch ergebnislos. Auch die Propstei
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Über die Trautson und ihre Verwandtschaft zu den Madrutz informiert Hadriga: Trautson, S. 51f. Zu den Verwandtschaftsbeziehungen Fugger – Madrutz über Ursula Fugger vgl. Schad: Frauen Fugger, S. 30. Überdies waren, wie die Stammtafel ausweist, auch die Adelsfamilien Trautson und Wolkenstein, zu denen verwandtschaftliche Beziehungen der Fugger existierten, mit den Madrutz verwandt. Vgl. hierzu Laura Dal Prà (Hg.): I Madruzzo e l’ Europa, 1539–1658. I principi vescovi di Trento tra Papato e Impero. Florenz, Mailand 1993, S.102f. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 03.03.1582 sowie 24.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2083, 2097). Zu den Olgiati vgl. auch Karnehm: Regesten I, S. 26*f. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 30.04.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2310). Mit Marquard vom Stain blieb Fugger wegen einer Propstei gar monatelang im Gespräch, vgl. auch Hans Fugger an Anton von Montfort, 10.12.1583 sowie 24.12.1583, beide FA 1.2.12b H. 51 (II/2 2405, 2419). Zu Stain vgl. die biographische Kurznotiz bei Karnehm: Regesten II/1 1635 (mit Literatur). Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 03.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2083), an denselben, 30.04.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2310). Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 30.04.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2310). So Hans Fugger an Anton von Montfort, 17.02.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2072) sowie 24.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2097).
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Ellwangen blieb 1584 unerreichtes Ziel, weil die freie Wahl dort den Einfluß der Gönner Antons begrenzte. Erste Verhandlungen wegen einer Stelle als Koadjutor des Fürstabts von Kempten, wobei sogar der Augsburger Stadthauptmann Hans Gaudenz von Raitenau als Vermittler im persönlichen Gespräch eingeschaltet wurde, verliefen allem Anschein nach im Sande.180 Seit 1585 richtete sich Fuggers Augenmerk nach Köln. Doch auf Madrutz’ ehemaligen Sekretär Minucci, der noch 1585 den Posten eines bayerischen Agenten in Rom einnahm, vorher schon als Vertrauter des Kölner Kurfürsten Ernst von Bayern agierte,181 war nicht viel Verlaß – Anton selbst war zudem längere Zeit krank gewesen –, und so zerschlug sich die erste Hoffnung, Minuccis Propstei in Köln abzulösen.182 Über Ernst von Bayern, Kurfürst zu Köln, sollte dann der Versuch laufen, die Propstei St. Maria am Gestade zu erlangen – nun schlug wieder die Stunde Fuggers, und er stand zusammen mit dem Kölner Faktor Carl Cron in eifrigem Briefkontakt mit dem Kurfürsten183 und dessen Kammermeister Valentin Waldtmann, der ehemals in Diensten Marx Fuggers gestanden war.184 Hans Fugger war Ernst von Bayern immerhin jahrzehntelang mit Dienstleistungen wie der Weiterleitung von Briefen und insbesondere mit Krediten für den Kölner Krieg zu Diensten.185 Hier sind die für die Montfort-Förderung Fuggers insgesamt seltenen Schreiben der Kopierbücher mit empfehlendem Charakter erhalten, in denen Fugger gegenüber Waldtmann wieder die rhetorischen Register zog, auf die er so großen Wert legte. Auch Waldtmann wurde gebeten, zusätzlich auf den Kurfürsten, der seine Bereitschaft zur Förderung Antons schon signalisiert habe, Einfluß zu nehmen; der Fuggersche Dank – obligatorische Wendung – sei Waldtmann gewiß, und Hans vergaß natürlich nicht, am Schluß die Tugenden des Bittstellers zu zitieren: Antons Anlage zu einem rechtgeschaffen frumen pfaffen.186 Die Wendungen für Bitte, Dank und Dienstbarkeit mußten auch dann wieder zum Einsatz gelangen, als die erstmalige Fürsprache des Kurfürsten in Rom wegen der Propstei St. Maria am Gestade zu spät gekommen war, um eine erneute Empfehlung durch den Kurfürsten für Anton in Rom sichern.187 Wie die zu spät ausgefertigte Empfehlung Ernsts für Montfort zeigt: selbst wenn durch jahrelange Verbindungen der Fugger zu einem potentiellen 180
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Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 14.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2316). Zu Ellwangen Hans Fugger an Anton von Montfort, 21.04.1584 sowie 18.05.1584, beide FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2467, 2498), über Kempten Hans Fugger an Jörg von Montfort, 24.07.1585, FA 1.2.14a H. 60 (II/2 2834). – In der Zeit, als Stadthauptmann Raitenau in der Angelegenheit Montfort eingesetzt wurde, war Marx Fugger d.Ä. noch Augsburger Stadtpfleger. Über Minuccis Karriere in wittelsbachischen Diensten Lanzinner: Fürst, S. 376. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 23.02.1585, FA 1.2.14a H. 58 (II/2 2701) sowie an denselben, 28.03.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2733). Die Briefe Fuggers an den Kurfürsten in dieser Sache sind nicht in den Kopierbüchern überliefert – vermutlich, weil Fugger sie eigenhändig ohne Kopierbuch-Konzept verfaßte. Die biographische Notiz Waldtmanns bei Christl Karnehm, vgl. Hans Fugger an Valentin Waldtmann, 25.08.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2621). Vgl. das Kapitel zum Kölner Krieg, im dritten Teil Kap. IV., C., S. 235–251. Vgl. Hans Fugger an Valentin Waldtmann, 22.01.1586, FA 1.2.14b H. 63, Zitat pag. 17 (II/2 2902). Hans Fugger an Valentin Waldtmann, 27.02.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2927).
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Förderer scheinbar gute Chancen bestanden, war der Erfolg eines Vermittlungsvorhabens immer noch ungewiß, zumal die Vergabe von Propsteien selbst für Fugger, wie er mehrfach anmerkte, ein Terrain mit vielen Unwägbarkeiten war, auf dem große Konkurrenz zwischen den einzelnen Kandidaten herrschte. Und zudem ist zu beachten, daß Fugger hier nur selten direkt als intercessor wirken konnte – vielmehr war er der Makler, der wiederum einen anderen Makler ansprach; sein Einfluß auf den tatsächlichen Patron war also nur ein mittelbarer, die Situation unübersichtlich. In Ernst von Bayern setzte Fugger nach eigener Auskunft nur begrenzte Hoffnungen.188 Und wie die Person des Sekretärs Minucci zeigt, konnte man sich über die wahren Motive der Vermittler nie völlig sicher sein – Empfehlungen waren keine Verpflichtungen, und auch ein Hans Fugger konnte sich daher hintergangen und mit guten worten uffgehalten189 fühlen. Solche Erfahrungen hielten Hans Fugger keineswegs davon ab, immer wieder aufs neue sein Glück als intercessor zu versuchen – hier sei noch einmal der Rekurs auf die Vertrauensthematik gewagt, wie sie insbesondere bei Luhmann formuliert wurde: Vertrauen konnte angesichts der nicht wenigen Enttäuschungen hier kaum als Vertrauen in eine bestimmte Person, etwa den Patron oder einen seiner Mitarbeiter, gelten. Vielmehr kommt hier wieder «Vertrauen in Vertrauen» ins Spiel, insofern Fugger sich der Schwächen und Risiken des Patronagesystems wohl bewußt war, aber zusammen mit seinen Interaktionspartnern an der grundsätzlichen Funktionsfähigkeit der angewandten Strategien des sozialen Aufstiegs festhielt.190 Gegenstand des Vertrauens war also weniger die Person, auf deren Unterstützung man im Kontext von Bitte und Empfehlung angewiesen war, sondern vielmehr der Erfolg dieses sozialen Interaktionsmodells als solches inklusive der damit verbundenen Rollenerwartungen. Daher erscheint auch die in der Patronageforschung vielfach geführte Diskussion um Täuschung und Lüge in den Bitt- und Empfehlungsschreiben, die von ewiger Treue, Verpflichtung und Unterstützung sprechen, vor dem Hintergrund einer ent-emotionalisierten Vertrauensbeziehung des «durchschauenden Vertrauens» in einem klareren Licht.191 Als tragfähiger als die Kölner Verbindung erwies sich Fuggers jahrzehntelanger Kontakt zu Herzog Wilhelm, denn er verschaffte Anton nach all den vergeblichen Anläufen für eine Pfründe noch im selben Jahr eine Stelle in Ingolstadt als Obersthofmeister der bayerischen Prinzen.192 Die Überlieferungslücke der Kopier-
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Vgl. Hans Fugger an Carl Cron, 27.02.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2926). Hans Fugger an Carl Cron, 13.03.1586, FA 1.2.14b H. 63, pag. 156 (II/2 2933): Minucci hatte augenscheinlich die attraktivste Propstei in Köln schon anderweitig vergeben, ohne Fugger und Montfort zu informieren. Vgl. Luhmann: Vertrauen, S. 89–92. Zum Vertrauenskontext und seinen Implikationen jüngst noch einmal Emich: Patronageforschung, bes. S. 239–242, 259–262. Zur Anwendung der Luhmannschen Begrifflichkeit vgl. auch S. 303–312. Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 27.06.1586, FA 1.2.14b H. 64 (II/2 2985) sowie an Anton von Montfort, 08.09.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3047). – Über Antons Funktion in bayerischen Diensten Aron Tänzer: Die Geschichte der Juden in Hohenems und im übrigen Vorarlberg. Meran 1905 (ND 1982), S. 13.
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bücher gibt keinen Aufschluß darüber, wie Hans Fugger sich nach 1586 weiterhin für Anton engagierte, denn die Propstei-Wünsche waren nicht ad acta gelegt. Daß sie dann doch noch in Erfüllung gingen, belegen Briefe des Jahres 1592: Bezeichnenderweise war es die Propsteistelle des Chorherrenstifts St. Moritz in Augsburg, die Anton nun einnehmen konnte.193 Das Präsentationsrecht für Predigerstelle und Pfarrei der zugehörigen Kirche St. Moritz lag seit 1518 bei niemand anderem als den Herren Fugger.194 Fugger bot sofort seine Hilfe an; es ist wohl kaum zu zweifeln, daß die Augsburger Verwandten samt Kardinal Madrutz, den Fugger in diesem Zusammenhang erwähnt, ihren Einfluß geltend machten.195 Mehr als zehn Jahre war Hans Fugger also damit beschäftigt, Anton eine angemessene Position zu verschaffen; Briefeschreiben war wie schon bei Jörg von Montfort nur eines der Erfordernisse, denn auch hier mußten wiederum persönliche Gespräche geführt werden, so mit Wilhelm V. als Förderer oder mit Marquard vom Stein als Sachverständigem in Sachen Pfründenerwerb. Ebenso wurde versucht, die Verwandtschaft, so zu den einflußreichen Madrutz, genauso aber Fuggersche Geschäftskontakte zum römischen Bankier Olgiati und den bayerischen Herzögen Wilhelm und Ernst als Sprungbrett zu nutzen. Bezogen auf die Verwandtschaft zu den Trautson und Madrutz könnte man daher sagen, daß Anton Fuggers Heiratspolitik, eine Generation vorher angestoßen, hier nun ihre Früchte zeitigte, gerade in ihrer Konzentration auf den bayerischen und erbländischen Adel.196 Daß Hans Fugger in dieser Hinsicht seinem Vater ein gelehriger Schüler war, zeigte er insbesondere mit dem Schachzug, seinen jüngsten Sohn Christoph mit einer Schwarzenberg zu verheiraten, die Erbansprüche auf die begehrte Herrschaft Mindelheim mit in die Ehe brachte.197 Es stellt sich nun die Frage, was Hans Fugger und sein ebenfalls involvierter Bruder Marx als Gewinn aus all diesen Anstrengungen verbuchen konnten. Sicher, die zu Beginn des Kapitels198 erwähnte Reputation für den Familienverband wurde mit der Ausübung angesehener Ämter durch die Neffen zweifellos erhöht; auch die finanzielle Absicherung der Brüder Montfort durch ihre Besoldungen war angesichts ihrer von Haus aus schmalen finanziellen Basis für Hans Fugger sicherlich ein zentraler Aspekt. Für die Förderung von Patronageangelegenheiten konnten die Montforter ebenfalls nützlich sein; Hans von Montfort etwa unterstützte offensichtlich die Bewerbung
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Das Kanonikat Antons von Montfort ist verzeichnet bei Albert Haemmerle: Die Canoniker der Chorherrnstifte St. Moritz, St. Peter und St. Gertrud in Augsburg bis zur Säkularisation. Augsburg 1938, S. 86. Montfort hatte die Propstei bis zu seinem Tod 1595 inne. Zur Prädikatur zu St. Moritz vgl. Frank A.Karg: Weil sie viel mit kirchlichen Benefizien und dem Kaiser zu tun haben. St. Moritz und die Fuggersche Prädikaturstiftung. In: Gernot Michael Müller (Hg.), Das ehemalige Kollegiatstift St. Moritz in Augsburg (1019–1803). Geschichte, Kultur, Kunst. Lindenberg 2006, S. 231–238. Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 24.01.1592, FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3126). Zur Heiratspolitik Anton Fuggers resümierend Sieh-Burens: Oligarchie, S. 94f. Die Vorgänge um Mindelheim und die Eheschließung Fugger-Schwarzenberg bei Haberer: Ott Heinrich, S. 35–43. Vgl. S. 337f.
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des Johann Klöpfer um eine Assessorenstelle in Speyer, nachdem sein Onkel Hans Fugger sich für Klöpfer mit einem Empfehlungsschreiben stark gemacht hatte.199 Doch die vorausgehenden Kapitel zum Nachrichtentransfer im Rahmen der Fuggerkorrespondenz haben gezeigt, daß die Neffen Hans Fugger auch noch in einer anderen ‹Währung› Dank für die Förderung ihrer Karriere abstatten konnten: Schließlich zählten Jörg, Hans und Anton von Montfort zu Fuggers engagierten Nachrichtenlieferanten, und aufgrund ihrer Amtsgeschäfte und Aufenthaltsorte konnte Fugger hier zuverlässige Information aus erster Hand erwarten. Zwar ist aus der Korrespondenz mit den Montfortern niemals explizit zu erschließen, daß Fugger wie auch seine Neffen die zeittungen als konkrete Gegenleistung bezeichnet oder eingefordert hätten. Daß Nachrichten aber zweifellos als ‹Tauschwährung› funktionierten, zeigen andere frühneuzeitliche Beispiele von Protektion, ausdrücklich auch ein Brief aus dem Schweden des 17. Jahrhunderts, die ganz klar die regelmäßige Zusendung von Nachrichten als Dienst des Klienten für seinen Patron bezeichneten, der mit entsprechender Förderung beantwortet werden sollte.200 Für Fugger waren die Brüder Montfort als ideale Multiplikatoren anzusehen, wie sich ja mit Fuggers Nachrichten zum Kalenderstreit und mit den Briefen über die bayerische Finanzschwäche im Kölner Krieg zeigen ließ, die wohl eben nicht zufällig immerzu an Anton geleitet wurden – in der Entourage Madrutz’ in Rom sicher eine gute Adresse für die Bekanntmachung dieser Finanznöte. Wie am Beispiel des jüngsten Montfortischen Sprosses, Wolf Graf von Montfort, dargelegt werden kann, verbanden sich insbesondere mit dem Präsidentenamt am Reichskammergericht in Speyer ganz dezidierte Erwartungen Hans Fuggers. Von dem Vorschlag des Reichsvizekanzlers Kurz,201 nach dem Ausscheiden Hans’ von Montfort einen weiteren der Montfort-Brüder 1592 als Präsident ans Reichskammergericht zu bringen, war Fugger sofort höchst angetan. Wolf aber, der die Güter der Familie in der Steiermark verwaltete, sträubte sich. Fugger war deswegen ungehalten, und so schrieb er an Wolf ganz offen wegen der ausgeschlagenen Chance: [...] ich het es für war sonst auch mein und meiner brüeder halben sonderlich gern gesehen, weil mein son Marx sein zeit [am Reichskammergericht] gar nach het ußgedient, und andere gelegenheit vor im hat, dz uß den dreien presidenten zu Speir einer unserer freundtschafft [hier: Verwandtschaft, d. Verf.] wer, zu dem wir und inn unsern rechtfertigungen gnug heten versehen khinden.202
Die Besetzung des Amtes mit einem Verwandten hatte also auch ganz simpel mit juristischen Interessen der Familie zu tun, und in der Tat gab es mit Hans Fuggers Sohn Marx d. J. gegenwärtig noch einen weiteren Reichskammergerichtspräsidenten aus 199 200
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Vgl. Hans Fugger an Johann Klöpfer, 13.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2549). Vgl. Droste: Erziehung, S. 29: Der schwedische Reichskanzler de la Gardie betonte 1664 in einem Brief an den Agenten Kruse, er werde die Nachrichtenkorrespondenz, so Kruse sie fortführe, mit einer weiteren Beförderung seiner Karriere honorieren. Zur Nachricht als Gabe auch Zwierlein: Discorso, S. 232. Mit Kurz und dessen Bruder, dem Obristen Engelhard Kurz, waren die Fugger geschäftlich und über die Tätigkeit ihres Vaters als Fuggerfaktor verbunden, vgl. dazu Hans Fugger an Johann Rümelin, im Februar 1592 [undatiert], FA 1.2.15b H. 85 (II/2 3150). Hans Fugger an Wolf von Montfort, 10.04.1592, FA 1.2.15b H. 87, pag. 414 (II/2 3199).
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den Reihen der Fugger. Mit der ‹familiären Sedisvakanz› in Speyer sah Hans schlicht die Zukunft Fuggerscher Positionen vor Gericht gefährdet; aktuell hatte er wohl die langwierige gerichtliche Auseinandersetzung um das Erbe der Herrschaft Mindelheim im Auge.203 Seine Argumentation gegenüber Wolf, dieser Dienst sei doch rüemblich unnd ehrlich, hatte also anscheinend nicht verfangen, ebensowenig Vizekanzler Kurz’ hohe Meinung von den Montfortern.204 Gegenüber seinem Agenten in Prag, Rümelin, gab Fugger an, er wisse von der geringen Attraktivität des Reichskammergerichts für Adlige, da sie sich schier schemen, under und bej Doctores zu sein205 – womöglich hatte Wolf dies beim Onkel offen angesprochen. Hans Fugger bedauerte nun, daß sein Sohn Marx in seiner frühen Zeit als Präsident sich nicht engagiert einen geeigneten – und fuggertreuen! – Nachfolger herangezogen hatte.206 Jedenfalls macht dieses letzte Beispiel zur Karriereförderung der Montfort nochmals deutlich, daß nicht nur die Interessen des Bittstellers, sondern auch diejenigen des Maklers Fugger, der seine verwandtschaftlichen und geschäftlichen Kontakte virtuos einsetzte, immer mitgedacht werden müssen: Eine geschickte Positionierung der Schützlinge wurde auf diese Weise zu einer Investition, die sich für die Informations-, Geschäfts- und Familieninteressen allgemein auszahlen konnte – allerdings immer als eine Investition ins Ungewisse, waren doch der Faktoren zu viele, die nicht beeinflußt werden konnten, wie insbesondere die Suche nach einer Pfründe für Anton zeigt.
3. Ein Fuggersohn auf Stellensuche War die gezielte Nutzung von Kontakten zu hohen kaiserlichen Würdenträgern, zum Tiroler Erzherzog oder wichtigen Kirchenmännern für die Neffen recht, so war sie für die eigenen Söhne billig. Am deutlichsten läßt sich dies für Fuggers Sohn Marx nachverfolgen. Während Jakob eine kirchliche Laufbahn anstrebte, durchlief Hans’ Ältester Marx einige klassische Stationen der adeligen Ausbildung. Die Kontaktmöglichkeiten, die Fugger zur Förderung seines Sohnes nutzte, waren dieselben wie bei den Montfort, deshalb erfolgt hier weitgehend nur ein kurzes Resümee. Marx’ Dienst als Kämmerer Erzherzog Ernsts sollte 1584 dessen erste Erfahrungen an einem Fürstenhof ermöglichen und Sprungbrett für den kaiserlichen Hofdienst sein.207 Mit Johann Tonner diskutierte Hans die anzusprechenden Vermittler, so daß sich hier noch einmal eine ganze Liste potentieller Fürsprecher in kaiserlichen Diensten ergibt. Doch Adam von Dietrichstein, der Geheime kaiserliche Rat 203
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Zu dem Zusammenhang mit Mindelheim und der Besetzung des Präsidentenpostens durch Verwandte vgl. Karnehm: Regesten I, S. 58*. – Über Mindelheim Haberer: Ott Heinrich, S. 35–39. Hans Fugger an Wolf von Montfort, 03.03.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3170). Zitiert nach Karnehm: Hans Fugger an Johann Rümelin, 02.05.1592, FA 1.2.15b H. 87 (II/2 3216). Vgl. Karnehm: Regesten I, S. 58* zu Hans Fugger an Marx Fugger d.J., 04.04.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3196). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 02.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2542).
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Leonhart von Harrach,208 Hans Fugger persönlich bekannt und bis zum Vorjahr Obersthofmeister des Erzherzogs,209 Hans von Trautson als Verwandter und Geheimer kaiserlicher Rat und der oben schon erwähnte kaiserliche Oberstkämmerer Wolf Rumpf wurden allesamt als Makler verworfen – aus seinem eigenen früheren Leben bei Hofe210 sah Fugger die direkte Einflußnahme auf das Personal des erzherzoglichen Hofes als angeraten an. Hier zahlte sich nun die seit einigen Jahren bestehende, durch zahlreiche Briefe dokumentierte Beziehung Hans Fuggers zu Ernst von Molart, dem erzherzoglichen Oberstkämmerer, aus. Sie war nicht nur rein geschäftlicher Natur (über Fuggersche Kredite für Molart211), sondern hatte zu größerer Vertrautheit geführt: Fugger betonte Tonner gegenüber, daß Molart sich dann auch mein Son nennt.212 Die Umschreibung der Beziehung durch ein Verwandtschaftsverhältnis konnte nun nutzbar gemacht werden; wer sich ‹Sohn› nannte, durfte sich nicht wundern, wenn der ‹Vater› ihn in die Pflicht nahm. Zusammen mit der bereits angeführten Anrede ‹Bruder› für Ottheinrich von Schwarzenberg, die Fugger für den potentiellen Vermittler verwendete, liegt hier also wiederum ein Beleg für die gezielte Nutzung einer Briefanrede vor, die durch einen fiktiven verwandtschaftlichen Grad die Nähe der Beziehung umschreibt und so eine zusätzliche Verpflichtung des Angesprochenen aufzurufen versucht.213 Mit der zusätzlichen Fürsprache Jörgs von Montfort bei Molart und der Vermittlungstätigkeit eines erzherzoglichen Höflings, Jonas von Heisperg nämlich, mit Tonner verwandt und mit Fugger durch dessen Besorgungsdienste für den erzherzoglichen Hof verbunden, glückte dieses Karriereprojekt binnen weniger Monate, zumindest für eine Mundschenken-Position Marx’.214 Bei der Ankunft am
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Zu den Harrach existierte ein Verwandtschaftsverhältnis über die Raymund-Linie der Fugger: Hans Jakob Fugger verheiratete sich 1540 mit Ursula Freiin von Harrach, vgl. Sieh-Burens: Oligarchie, S. 94 sowie Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 9a. Zu Harrach Maximilian Lanzinner: Geheime Räte und Berater Kaiser Maximilians II. (1564–1576). In: MIÖG 102 (1994), S. 296–315. Vgl. auch Hans Fugger an Leonhart von Harrach, 14.03.1579, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1468) sowie am 30.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2389). Zur Ausbildung Hans Fuggers vgl. im ersten Teil Kap. I. A., S. 13. Vgl. Hans Fugger an Ernst von Molart, 28.04.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1934) sowie die ausführliche biographische Notiz Christl Karnehms zum Regest, auch über die Vermittlung Marx’ in den Hofdienst. – Molart hat Hans Fugger möglicherweise hoch angerechnet, daß dieser die Bitten um eine bessere finanzielle Ausstattung bei seiner Mutter, Anna von Molart, verständnisvoll unterstützte, vgl. hierzu Hans Fugger an Anna von Molart, 05.05.1582, FA 1.2.12a H. 44 (II/2 2137) sowie an Ernst von Molart, 30.11.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2230). Zitiert nach Karnehm, Hans Fugger an Johann Tonner, 07.05.1584, FA 1.2.13 H. 53 (II/2 2483). Vgl. auch Beobachtungen Hengerers zur «moralischen Verpflichtung» durch die Anrede als ‹Verwandter› in: Amtsträger, S. 71. Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 02.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2542). Die Mundschenken-Position, die ja einen niedrigeren Rang bedeutete als die des Kämmerers, wurde vom Erzherzog damit begründet, daß die Stufenfolge der Ämter beim Eintritt in den Hofdienst eingehalten werden müsse; die Option auf den Kämmerer-Posten wurde Marx jedoch offen gehalten. Vgl. Hans Fugger an Jörg von Montfort, 27.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2573) sowie an Johann Tonner, 26.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2570).
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erzherzoglichen Hof ebneten Marx zudem väterliche Empfehlungsschreiben an Leonhart von Harrach, Ernst von Molart, Jonas von Heisperg und Niklas von Palffy, kaiserlichen Rat und Kämmerer und mit Marx’ Cousine Maria Fugger verheiratet,215 den Weg: Fugger bat um Unterstützung und Ratschläge für den im Hofleben noch unerfahrenen Sohn.216 Natürlich blieben auch die väterlichen Ermahnungen für ein angemessenes Verhalten bei Hofe nicht aus.217 Marx Fuggers Wechsel ans Reichskammergericht im Jahr 1588 und die unzweifelbar vom Vater aktivierten Kontakte lassen sich brieflich aufgrund der Überlieferungslücke in den Kopierbüchern nicht nachvollziehen; höchst aufschlußreich für das Fuggersche Selbstverständnis und die Probleme, denen sich diese ‹Aufsteigerfamilie› immer noch ausgesetzt sah, ist die Option auf die Landvogtei Ensisheim oder Hagenau für Marx im Dienst des Kardinals Andreas von Österreich, die sich 1592 eröffnete. Hans Fugger hatte Verhandlungen mit Erzherzog Ferdinand und seinem Sohn, dem Kardinal, angebahnt, doch Marx’ Schwiegervater, Karl II. von Hohenzollern-Sigmaringen, verhandelte gegen Hans Fuggers Willen mit; seinen Einfluß scheint Fugger für die Forderung eines zinslosen Darlehens durch den Kardinal verantwortlich gemacht zu haben.218 Wie Hans seinem Sohn erläuterte, war nicht die erkleckliche Summe von 20.000 fl das Problem, sondern der Wunsch nach einem Kredit ohne Zins: Dieser Verstoß gegen die Gepflogenheiten des Bankiersgeschäfts – noch dazu bei einer solchen Summe – konnte der Firma nach Hans’ Worten nur Spott einbringen, und es het das Ansehen, als het man dir disen Dienst mit Gelt erkaufft.219 Die reichen Fugger kaufen ihre Sprößlinge in den Hofdienst ein – diesem potentiellen Vorwurf, die reichen Parvenüs wüßten sich nur mit Geld in der Welt des Adels zu behaupten und könnten sich von den alten Gewohnheiten des Kaufhandels nicht lösen, wollte Fugger sich unter keinen Umständen aussetzen. Nicht über ausreichende finanzielle Mittel zu verfügen, um an den fürstlichen Höfen mithalten und sich ein Hofamt ‹leisten› zu können, war also, wie z.B. bei den weniger gut
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1583 heirateten Niklas Palffy, Freiherr zu Ondekh, und Maria Fugger, Tochter Marx Fugger d.Ä. Vgl. Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 21. Zur Karriere Palffys im kaiserlichen Dienst vgl. Hausenblasová: Hof Rudolfs, S. 395, 399f. Vgl. auch die biographische Notiz bei Karnehm: Regest II/2 2303. Vgl. Hans Fugger an Mathias Talmann, 07.08.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2591). – Die Empfehlungsschreiben selbst sind in den Kopierbüchern bis auf das an Heisperg nicht überliefert, vgl. Hans Fugger an Jonas von Heisperg, 07.07.1584, FA 1.2.13 H. 54 (II/2 2594). Daß Heisperg dieser Bitte tatsächlich nachkam, belegt Fuggers Brief an Heisperg, 06.04.1585, FA 1.2.14a H. 59 (II/2 2749). Vgl. Hans Fugger an Marx Fugger d.J., 15.09.1584, FA 1.2.13 H. 55 (II/2 2645). 1586 scheint der Wechsel ins Kämmerer-Amt vollzogen gewesen zu sein, da Hans Fugger den erzherzoglichen Oberstkämmerer Molart nun als Vorgesetzten seines Sohnes bezeichnete, Marx also wohl schon Dienst in der Kammer tat, vgl. Hans Fugger an Ernst von Molart, 08.03.1586, FA 1.2.14b H. 63 (II/2 2928). Vgl. Hans Fugger an Marx Fugger d.J., 16.03.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3182). Zitiert nach Karnehm, Hans Fugger an Marx Fugger d.J., 26.04.1592, FA 1.2.15b H. 87 (II/2 3210).
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ausgestatteten Montforts, das eine Problem;220 Geld zur Karriereförderung einsetzen zu können und damit womöglich Klischees der zeitgenössischen Ständeliteratur zu entsprechen war das andere.221 Angesichts der Kriegswirren im Elsaß durch den Straßburger Bischofskrieg jedoch äußerte sich Hans Fugger schließlich sogar zufrieden, daß sich die Aussicht auf eine Landvogtei dort noch 1592 zerschlagen hatte.222 Betrachtet man nun die Personen, die vermittelnd im Interesse der Fugger und ihrer engen Verwandten tätig wurden bzw. tätig werden sollten, so ist festzustellen, daß wir es nur zum Teil mit Förderern zu tun haben, mit denen Hans Fugger eine nicht nur langjährige, sondern auch enge Beziehung aufrechterhielt, wie dies zum Beispiel für Hans Trautson als Verwandten oder Johann Tonner als ehemaligen Lehrer und beständigen Korrespondenten zu konstatieren ist. Vielmehr war es notwendig, auf ‹schwache› Verbindungen auszugreifen, beispielsweise auf den Kontakt zum kaiserlichen Oberstkämmerer Wolf Rumpf oder zum Vizekanzler Vieheuser, die nicht zum bedeutendsten Kreditkunden-Stamm bzw. nicht zur engsten Verwandtschaft gehörten, auch nur ganz selten brieflich kontaktiert wurden. Wir können also zum einen grundsätzlich als Vorzug des Fuggerschen Briefnetzes verbuchen, daß er überhaupt in brieflichen Kontakt mit diesen maßgeblichen Personen am Kaiserhof treten konnte und auf diese Weise als intercessor indirekte Beziehungen etwa zwischen Jörg von Montfort und Wolf Rumpf etablieren konnte. Gleichzeitig ist zu konstatieren, daß er sich aber auf die engeren Kontakte innerhalb seines Beziehungsnetzes nicht allein verlassen wollte, vielleicht gar nicht verlassen konnte. Dieser Befund läßt sich mit Ergebnissen der sozialwissenschaftlichen Erforschung von Karrierestrategien des 20. Jahrhunderts parallelisieren: In einer mittlerweile klassischen Studie hat Granovetter untersucht, welche Vermittler bei der Suche nach einem Arbeitsplatz die hilfreichsten Informationen liefern konnten: Es waren vor allem Personen, zu denen nur ‹schwache› Verbindungen, «weak ties», existierten, während die «strong ties» zu nahen Verwandten und Freunden wesentlich weniger produktiv waren.223 In Entsprechung dazu kann man formulieren, daß Fuggers Leistung darin lag, die entsprechenden «weak ties» für Bittsteller verfügbar zu machen. Entscheidend für die Bereitstellung dieser Beziehungen war die Existenz einer Beziehungsgrundlage, sei sie geschäftlicher oder verwandtschaftlicher Natur oder durch Bekanntschaft von gemeinsamen Hofaufenthalten her bedingt. Auf dieser Kontaktbasis, die Fugger im Falle Don Juan Manriques oder 220
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Über monetäre Probleme beim Eintritt in den Fürstendienst, der häufig mit großen finanziellen Aufwendungen bzw. Vorleistungen (für Gesandtschaftsreisen etc.) verbunden war, handelt am Beispiel des Geschlechts der Fürstenberg Esteban Mauerer: Südwestdeutscher Reichsadel im 17. und 18. Jahrhundert. Geld, Reputation, Karriere: Das Haus Fürstenberg. Göttingen 2001 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 66), S. 251f., resümierend S. 372. Vgl. zu diesem Kontext Stollberg-Rilinger: Ehre. Vgl. Hans Fugger an Marx Fugger d.J., 21.05.1592, FA 1.2.15b H. 87 (II/2 3241). Vgl. Mark Granovetter: Getting a Job. A Study of Contacts and Careers. Cambridge/Mass. 1974.
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auch bei Hannibal von Ems explizit als Ausgangspunkt für ein Patronageanliegen angab, konnte er schließlich eine multiplexe, eine Mehrfachbeziehung anstreben: Geschäftskontakte wie die zu Rumpf wurden brieflich wie mündlich durch die Bitte um Vermittlung erweitert. Fuggers Briefe offenbaren allerdings einen Nachteil der «weak ties», den die moderne Sozialwissenschaft ebenfalls anführt: Die schwach ausgeprägte Bindung führt dazu, daß soziale Normen in der gegenseitigen Beziehung an Bedeutung verlieren.224 Fugger betonte mehrfach den wenig bindenden Charakter der Empfehlung und die Ungewißheit des Ausgangs seiner Vermittlungsversuche. Sein Ärger über das undurchsichtige Spiel des einflußreichen Minutio Minucci bei der Pfründensuche für Anton von Montfort ist eines der deutlichsten Beispiele. Dieses Engagement Fuggers für die engere Familie, wie er es beispielsweise bei den Brüdern Montfort vielfach an den Tag legte, ist sicher als Kern seiner Bemühungen als Vermittler zu sehen, auch wenn die statistische Auswertung ergibt, daß er brieflich insgesamt weitaus häufiger für die Anliegen von Personen tätig war, die nicht familiär mit ihm verbunden waren. Wichtiger als zahlreiche punktuelle Einzelengagements, beispielsweise auch für ‹kleine Leute› wie Gabriel Petit, den Mundkoch der Herzogin Christine von Lothringen,225 war jedoch die Häufigkeit, mit der Fugger sich für die Karriereziele etwa eines Jörg oder eines Anton von Montfort einsetzte. Was die Ziele der hier dargestellten Vermittlungsversuche angeht, ist die Orientierung auf habsburgische oder Reichsdienste ausgesprochen deutlich: Nur für Anton von Montfort wurde zeitweise ein Dienst am bayerischen Herzogshof angestrebt. Ämter am Kaiserhof oder am Reichskammergericht waren also offensichtlich der Karriereweg, welcher der nächsten Generation der Fugger-Familie am meisten Prestige verhieß, zumindest in der Anton-Linie – ganz im Gegensatz zu Hans Jakob Fugger und seinen Söhnen, die sich auf der Basis einer besonders vertrauten Beziehung zwischen Hans Jakob und Albrecht V. auf die Karriere am Münchner Hof konzentrierten.226 Doch dies bedeutet nicht, daß der bayerische Hof, mit dem Hans Fugger die schon erwähnten zahllosen Dienstleistungen und hohe Kreditforderungen verbanden,227 im Patronagekontext keine Relevanz für
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Dazu dezidiert Dorothea Jansen: Theoretische Annäherungen an den Netzwerkbegriff. In: Rolf G. Heinze, Heiner Minssen (Hg.), Regionale Netzwerke – Realität oder Fiktion? Bochum 1998 (Diskussionspapiere aus der Fakultät für Sozialwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum, 98-4), S. 41–54, hier S. 51. Fugger war Petit dabei behilflich, seinen Sohn als Handelsdiener unterzubringen, vgl. Hans Fugger an Philipp Römer, 09.11.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 246). Hans Jakob Fugger hatte dem Herzog 1568 seinen Ratseid abgelegt und bekleidete seit 1572 bis zu seinem Tod 1575 das Amt des Hofkammerpräsidenten. Seine Söhne Severin, Alexius, Joachim, Albrecht und Constantin waren ebenfalls im bayerischen Hof- bzw. Verwaltungsdienst, Joachim stieg bis zum Hofratspräsidenten auf. Vgl. hierzu Lanzinner: Fürst, S. 343f. sowie Steuer: Außenverflechtung, S. 189, 191, 194f., 199 und Nebinger: Fugger-Stammtafeln, Tf. 9a, 9b. Vgl. oben die Kapitel zu Dienstleistungen und Finanzgeschäften, erster Teil, Kap. II. A, S. 84–94.
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Hans Fugger zugekommen wäre; eine ausführliche Analyse der ‹Beziehungsarbeit› im Rahmen der Korrespondenz mit Albrecht V. und Wilhelm V. wird vielmehr die anders gelagerten Fuggersche Interessen aufzuzeigen versuchen. Gerade am Fürstenhof, aber beileibe nicht nur dort, kam im Kontext von Beziehungsarbeit eine besondere Form des Realientauschs zum Tragen, der nicht allein stabilisierend wirken konnte, sondern auch ein «Unruhe- und Innovationspotential» in sich barg: der Gabentausch als Versprechen wie auch Einforderung von Reziprozität.228
D. Geschenktes Vertrauen: Geschenke werden Geschäfte Bevor die Kontakte Fuggers zum bayerischen Herzogshof und in diesem Zusammenhang auch der Gabentausch anhand gegenseitiger Geschenke betrachtet wird, sollen einige grundlegende Beobachtungen zur Thematisierung von Gabentausch in der Fuggerkorrespondenz und seiner Einordnung als Beziehungsstrategie vorangestellt werden. Zwischen Bittstellern und ihren Gönnern, zwischen Klienten und Patronen gingen auch im Kontext Fuggerscher Beziehungspflege immer wieder Geschenke hin und her. Edle Pferde, die Wilhelm V. an Hans Fugger und Marx Fugger verschenkte, gehörten dabei mit Sicherheit zu den großzügigsten Gaben.229 Erforscher von Patronagestrukturen, so Sharon Kettering, haben auf der Grundlage zahlreicher Beispiele betont, daß dieser Geschenketransfer in der Frühen Neuzeit ein typischer Bestandteil von PatronKlient-Beziehungen war, konnten diese Gaben doch als Versprechen und Verpflichtung gegenüber dem Anderen fungieren, als «tangible expressions of the courtesies and compliments in the accompaying letters».230 Briefe begleiteten also Geschenke oder formulierten Dank für das empfangene Präsent, reflektierten aber auch gegenüber Dritten die Vorbereitungen und näheren Umstände des Transfers. Dabei werden vielfach spezifische Problemlagen des Gabentauschs und seiner Semantik deutlich. Über den engeren Patronagekontext hinaus haben mehrere Studien der vergangenen Jahre den frühneuzeitlichen Gabentausch ins Zentrum ihrer Betrachtungen gestellt, Typologien für Geschenkanlässe erarbeitet und die Bedeutung von Geschenken für die soziale Interaktion in unterschiedlichen Konstellationen beleuchtet. Den Bezugs- oder besser: Kontrastpunkt bildete dabei stets der berühmte ethnologische Essai Marcel Mauss’, der dem Gabentausch als basalem Interaktionsmodell gesell-
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Zitat: Davis: Schenkende Gesellschaft, S. 189. Vgl. dazu im vierten Teil S. 374f., 377. Kettering: Gift-Giving, S. 138. Die Rolle von Geschenken auch bei Reinhardt: Macht und Ohnmacht, S. 320–322.
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schafts- und friedstiftende Funktion zuwies.231 Schon Simmel und später Bourdieu, und aus historischer Perspektive insbesondere Natalie Zemon Davis haben dabei auf spezifische Probleme hingewiesen, die der Gabe innewohnten: So war sie zwar kostenlos, also «eine Sache, deren Eigenthum man dem andern ohne Vergeltung überläst»,232 wie es Zedlers Universallexikon formulierte, doch vom Beschenkten forderte sie Dankbarkeit. In Davis’ Beispielen aus dem Frankreich der Renaissance steigerte sich diese Dankbarkeits-Erwartung zu einer «verdichtete[n] Kultur der Verpflichtung», also zum Zwang einer angemessenen Erwiderung des Geschenks, teilweise sogar zur «Verpflichtungsangst».233 Ganz besonders betroffen waren alle Beziehungen, die zum individuellen Fortkommen einer Person beitragen sollten und also vom Wohlwollen des Gönners abhingen;234 dahser sollen auch bei der Analyse der Rolle von Geschenken in der Korrespondenz Hans Fuggers nicht so sehr kleine familiäre Geschenke, z.B. an Fuggers Kinder, im Vordergrund stehen, sondern vielmehr der Gabentausch zwischen Personen in Abhängigkeits- oder hierarchischen Verhältnissen. Die oben erwähnten Pferde, die Wilhelm V. den Brüdern Fugger zum Geschenk machte, sind hierfür nur ein Beispiel. Im Bereich des Schenkens stand Fugger natürlich in einer familiären Geschenke-Tradition: Schon für Jakob Fugger den Reichen, ebenso für Anton Fugger hat die Literatur auf die zahlreichen Geschenke hingewiesen, die sich auch in den geschäftlichen Unterlagen Faktoreien oder der Augsburger Zentrale als Ausgaben nachweisen lassen – vielfach recht deutlich als Investitionsstrategie erkennbar, wenn Jakob etwa seine Kontakte rund um den ungarischen und Tiroler Bergbau zu festigen versuchte oder Anton Fugger eine kostbare Schaumünze für Karl V. anfertigen ließ, aber auch in weniger offensichtlichen Zusammenhängen im Kontext von Hochzeiten oder Geburten.235 Ein ganz spezielles Geschenk stand stets buchstäblich am Anfang einer Beziehung, nämlich das Kindbettgeschenk, das auch Hans Fugger Wöchnerinnen zu
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Vgl. Mauss: Gabe, Davis: Schenkende Gesellschaft, Groebner: Geschenke, Ders.: Liebesgaben. Zu Geschenken, Freiwilligkeit und Abhängigkeit zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert. In: traverse 9 (2002), H. 2: Soziale Beziehungen im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, S. 39–51. Vgl. auch Algazi: Gift. Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, Welche bißhero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden […], Bd. 10. Halle 1735, Sp. 1218. Davis: Schenkende Gesellschaft, S. 99–112, Zitate S. 100, 106. – Georg Simmel spricht in diesem Zusammenhang von einem «seelischen Imperativ [...], Zwang, der das innere Äquivalent des rechtlichen Zwanges der Gesellschaft ist». Vgl. Georg Simmel: Dankbarkeit. Ein soziologischer Versuch. In: Ders., Schriften zur Soziologie. Eine Auswahl, hg. von Heinz-Jürgen Dahme und Otthein Rammstedt. Frankfurt/M. 1983 (stw 434), S. 210–218, Zitat S. 215. Vgl. auch Pierre Bourdieu: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt/M. 1987 (Originaltitel: Le sens pratique. Paris 1980), bes. S. 180–185, 194, 205f., 229. Vgl. Davis: Schenkende Gesellschaft, S. 106. Zu Geschenken in der Zeit Jakobs des Reichen und Anton Fuggers vgl. Götz Freiherr von Pölnitz: Jakob Fugger. Kaiser, Kirche und Kapital in der oberdeutschen Renaissance, Bd. 2. Tübingen 1949, S. 127, 346, 446 u.ö.; Lieb: Kunst, S. 142–146, S. 399.
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verehren pflegte, für deren Neugeborenes er zum Paten gebeten worden war. Ulrich Pfister hat die Patenschaften in die «Nachbarschaft» der Patron-Klient-Beziehungen eingeordnet, bedeutete doch die sogenannte spirituelle Verwandtschaft, die Paten und Patenkinder miteinander eingingen, eine lebenslange Verbindung, in der Protektion und Loyalität ähnlich ausgetauscht werden sollten wie in einem Patronageverhältnis.236 Die Bitte um Übernahme der Paten- bzw. Gevatterschaft war Ausdruck für das soziale Kapital des Paten und bedeutete gleichzeitig die Erwartung konkreter, ganz traditioneller materieller Leistungen, im Extremfall die Sorge um das Patenkind bei einem vorzeitigen Tod der Eltern.237 Auch Agnès Fine betont in ihrer Untersuchung zur Geschichte der Patenschaft in Europa nicht nur die hohe Bedeutung der Geschenke, die der Pate oder die Patin dem Patenkind traditionell zu machen hatten, sondern ebenfalls die Patenschaft als Instrument zur Hervorbringung eines Netzes von Unterstützern, die meist schon mit den Eltern in engem Kontakt standen, sei es geschäftlicher Natur oder im Rahmen eines Protektionsverhältnisses.238 Daß es den Korrespondenzpartnern, die Fugger um die Übernahme der Patenschaft für ihr jüngstes Kind baten, nicht so sehr auf die Ermöglichung persönlicher Kontakte zwischen Pate und Patenkind ankam, erweist schon die Tatsache, daß Christoph Tanner und Carlo Magno, die mit diesem Anliegen an Fugger herantraten, in Tirol bzw. in Prag lebten, während wir von Fugger wissen, daß er nur recht wenig reiste. Daher ließ er sich jeweils von einem Vertrauten oder Verwandten vor Ort vertreten und vergaß nicht, den Eltern seines Patenkindes jeweils die baldige Übersendung des Kindbettgeschenks brieflich zuzusichern.239 Bis zum Eintreffen des Geschenks war die Patenschaft also eine Zusicherung auf dem Briefpapier; durch die Kindbettverehrung gewann sie eine neue, greifbare materiale Realität. Bei Tanner, für den Fugger ja schon seit den 1570er Jahren als intercessor wie auch als Kreditgeber agierte, ist ebenso wie für Magno, Hofdiener Rudolfs II. in Prag,240 der ebenfalls zu den Fuggerschen Schuldnern zählte und der in späteren Jahren auf Fuggers Hilfe bei der Erlangung des Hofpostmeisteramts baute, genau das beschriebene Muster für die spirituelle Verwandtschaft zu konstatieren, deren Übergänge von oder zur Protektion bzw. intercession fließend sind: Schon die El-
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Vgl. Pfister: Klientelismus, S. 56f. Über die Ehre, zum Gevatter gebeten zu werden, und über die Strategie insbesondere ärmerer Schichten, durch mehrere Paten und ihre Gaben Mehraufwendungen und Verdienstausfall im Zuge der Geburt auffangen zu können, handelt Eva Labouvie: Andere Umstände. Eine Kulturgeschichte der Geburt. Köln u.a. 22000, S. 221–224. Agnès Fine: Parrains, marraines. La parenté spirituelle en Europe. Paris 1994, bes. S. 44– 46, 130f. – Daß die Traditionslinien dieses «transaktionalen Charakters» der Patenschaft über die Frühe Neuzeit bis in die Gegenwart reichen, betont der Beitrag von Christian Giordano: Von der Familie zur Klientel. Die Aktivierung personalisierter Netzwerke in mediterranen Gesellschaften. In: traverse 3 (1996), H. 3: Starke Bande. Verwandtschaft, Arbeit und Geschlecht, S. 33–51, bes. S. 39f., Zitat S. 40. Vgl. Hans Fugger an Christoph Tanner, 06.12.1578, FA 1.2.10 H. 32 (II/1 1412) sowie an Carlo Magno, 26.08.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3036). Über die Position Magnos bei Hofe Hausenblasová: Hof Rudolfs, S. 256.
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tern standen in einer Beziehung, in der sie auf die Unterstützung Hans Fuggers bauen konnten, und versuchten nun, diese Vorteile weiter zu befestigen und auf die nächste Generation auszudehnen.241 War das Geschenk ans Kindbett, über dessen Umfang Fugger sich nie näher äußerte, Ausdruck für die Festigung einer vorhandenen und Anerkennung einer neuen Beziehung zur nächsten Generation, so bekannte er gegenüber seinen Angestellten bisweilen recht deutlich seine Motivation, eine Verbindung durch Geschenke auf dem gegenwärtig zufriedenstellenden Stand zu erhalten, auch ohne ersichtlichen Rekurs auf einen Patronagekontext: Einem Dr. Hahn, der ihm Bäume verkaufte oder vielleicht eher bereits geschlagenes Holz – aus dem Brief geht dies nicht klar hervor – plante er, ein Trinkgeschirr zu schenken, damit er Fugger beim Transport der Bäume weiterhin unterstützte.242 Und Johann Reismair, dem Propst zu Dießen, befahl er, wie von Reismair erbeten, ein Junges seiner besten niederländischen Jagdhündin zuzueignen, da der Propst ihm schon in anderen Angelegenheiten behilflich gewesen sei.243 Aus einer anderen Briefbeziehung ist zu schließen, daß Fugger den möglichen Konnex von Geschenk und Hoffnung auf Erwiderung, hier durch einen neuen Kredit, nur zu deutlich sah. Als der Söldnerführer Hans Ferenberger im Jahr 1581 Fugger zwei Pferde und Hunde verehrte, ließ Hans Fugger – ungeachtet der Tatsache, daß die Tiere bei weitem nicht seinen Qualitätsanforderungen entsprachen244 – schnell den Wiener Faktor Gabriel Geizkofler nach einer passenden Gegengabe suchen: Nun wolt ich mich aber gegen in herrn Ferenberger gern dankhbar halten, und mich uß allerlej beweglichen ursachen gern eines anlehens (.welliches er villeicht hernach an mich begern möcht.) excusiren, hab der sachen vil nachgedacht, aber nichts gedencken khinden, dz im angenem sein möcht [...], also werden ir nun mit gelegenheit euch erkhundigen müeßen, wa mit ich im wol kheme.245
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Zu erinnern ist hier an die Fürsprache für Tanner bei Manrique de Lara und Hieronimus von Lodron, vgl. Hans Fugger an Juan Manrique de Lara, 04.04.1573 (I 958) sowie an Hieronimus von Lodron, 04.04.1573 (I 959), beide FA 1.2.6a H. 14, zum Kredit für Tanner der Brief Hans Fuggers an Christoph Tanner, 27.04.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/2 1094). Die Tilgung der Schuld Carlo Magnos erwies sich als ausgesprochen schwieriges Unterfangen, vgl. insbesondere Hans Fugger an Carlo Magno, 09.09.1586, FA 1.2.14b H. 65 (II/2 3051) sowie an denselben, 16.12.1586, FA 1.2.14b H. 66 (II/2 3117). Die Fürsprache wegen des Hofpostmeisteramts in Prag delegierte Hans Fugger an seinen Syndikus Dr. Lucas Geizkofler, dazu die Schreiben Hans Fuggers an Lucas Geizkofler, 24.02.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3162) sowie an Carlo Magno, 24.02.1592, FA 1.2.15b H. 86 (II/2 3163). Natürlich war das Gewicht der Fürsprache auf diese Weise gemindert. Vgl. Hans Fugger an Hans Miller, 23.07.1575, FA 1.2.8a H. 22 (II/1 542). Vgl. Hans Fugger an Hans Miller, 18.08.1576, FA 1.2.8b H. 26 (II/1 926). Gegenüber Geizkofler monierte Fugger, daß eines der Pferde schon recht alt sei, das andere kaum auf offener Straße zu reiten sei, da es leicht scheue und seinen Reiter gefährde. Vgl. Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 04.01.1581, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1815). Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 04.01.1581, FA 1.2.10 H. 38, pag. 344f. (II/1 1815).
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Ferenbergers Finanzgebaren schätzte Fugger nämlich als recht unsolide ein (der mann [...] spart wenig hinder sich246), und so fürchtete er, ein eventuelles Darlehen nicht fristgemäß getilgt zu sehen. Fugger ließ jedoch Vorsicht walten: Da ihm die Beschaffung von Pferden durch Ferenberger grundsätzlich nicht unlieb war, sollte Geizkofler eine Gegengabe wählen, die dem Kriegsmann gefalle, um ihn bei gutem Willen247 zu halten. Aus den Briefen wird nicht ganz klar, ob das Gegengeschenk noch rechtzeitig erfolgte – der Ferenbergerschen Anleihe entkam Fugger nämlich nicht, sondern mußte vier Wochen später tatsächlich dem alten, guten Freund einen Kredit über 4.000 fl genehmigen, auch wenn er es, wie er gegenüber Geizkofler zugab, nicht gerne tat. Die brieflich angestrengte Vorsichtsmaßnahme war also umsonst gewesen; die von Fugger vermutetete Strategie Ferenbergers, den Geschäftsmann durch ein Geschenk in Zugzwang zu versetzen, war aufgegangen.248 In diesem letzten Beispiel tritt der oben angesprochene Zwang, seine Dankbarkeit für ein Geschenk sichtbar zu erwidern, deutlich zutage; Michel de Montaigne, einer von Natalie Zemon Davis’ Kronzeugen für die als drückend empfundene Verpflichtung zur Erwiderung, hat eben dieser Problematik in seinen Essais Ausdruck gegeben.249 Das System des Marktes, das Montaigne mit der Bevorzugung käuflicher Dienste einführte, hatte auch Ferenberger in die Geschenk-Beziehung eingebracht, indem er – zumindest in Fuggers Augen – mit seinem Geschenk den Boden für einen Kredit, ein Geschäft also, bereiten wollte. Bei Ferenberger hatte Fugger den Dankbarkeitserweis nicht umgehen können, bei Carlo Magno jedoch konnte er andere Maßnahmen ergreifen: Zwar lehnte er Pferde Magnos als Geschenk nicht ab, was ein offener Affront gewesen wäre,250 aber er überführte es in eine Kauf- situation, indem er ausdrücklich seinen Faktor Wolf in Prag beauftragte, der Carlo Magno die vier Pferde, die er Fugger verehren wollte, bezahlte. Von dergleichen leutten, also solchen wie Magno, der ja aktuell bei der Familiengesellschaft hoch verschuldet war, wolle er nämlich keine geschenkhte roß.251 Wie Steven Shapin betont hat, war Glaubwürdigkeit auch ein Produkt der situativen Bedingungen: Magnos Glaubwürdigkeit im Bezug auf ein Schenken ohne Hintergedanken hatte durch seine persönlichen Umstände – seine Verschuldung – stark gelitten; Hans Fugger sah sich veranlaßt, ihm mangelnde Aufrichtigkeit zu unterstellen und das Geschenk abzulehnen.252 Auf diese Weise blieb Fugger von jeder Verpflichtung, etwa einem Aufschub bei der Schuldentilgung, frei. Wenn Geschenke, wie Hel-
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Ebenda, pag. 345. Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 25.02.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1867). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. Hans Fugger an Gabriel Geizkofler, 24.03.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1890). Zitiert nach Christl Karnehm. Vgl. Davis: Schenkende Gesellschaft, S. 110. Vgl. Kettering: Gift-giving, S. 133. Vgl. Hans Fugger an Erhart Wolf, 30.08.1586, FA 1.2.14b H. 65, pag. 538 (II/2 3045). Vgl. Steven Shapin: A Social History of Truth. Civility and Science in Seventeenth-Century England. Chicago, London 1994 (Science and Its Conceptual Foundations), bes. S. 86.
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muth Berking formuliert, den «aktuelle[n] Kurswert der jeweiligen Beziehung»253 anzeigen, dann notierte Hans Fugger diesen Kurs anders, als Magno dies sehen wollte. Bei den Geschenken Ferenbergers und Magnos wird klar, daß Fugger sich immer wieder genötigt sah, die Interessen und Hintergedanken seiner Korrespondenzpartner einzukalkulieren, Strategien der Dissimulation, wie sie zeitgenössisch insbesondere für den Umgang bei Hofe diskutiert wurden, aufzudecken.254 Was Hans Fugger sich also nicht leisten konnte und wollte, war – und dies nimmt die Vertrauensperspektive, die bereits mehrfach eingebracht wurde, wieder auf – uneingeschränktes Vertrauen, hier insbesondere aus geschäftlichen Motiven heraus. Auch im Umgang mit den bayerischen Herzögen erwiesen Geschenke sich nicht allein als Vertrauensbeweise, sondern auch als Prüfsteine der Beziehung.
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Berking: Schenken, S. 19. Zur Dissimulation, den Geschenken bei Hofe und der zeitgenössischen Diskussion vgl. Davis: Schenkende Gesellschaft, S. 108f. sowie Berking: Schenken, S. 190–199.
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II. Im Schnittpunkt der Interessen: Hans Fugger und das bayerische Herzogshaus
A. Verbindungen der Familie Fugger zu den bayerischen Herzögen Die Korrespondenz Fuggers mit Angehörigen des bayerischen Herzogshauses nimmt eine Sonderstellung innerhalb der Fuggerschen Korrespondenz ein – allein schon durch den Befund, daß Wilhelm V. von Bayern der Korrespondenzpartner war, der mit 293 Schreiben mit weitem Abstand die meisten Fuggerbriefe erhielt, die über das aigen copierbuech überliefert sind. Nimmt man aus den Beständen des Geheimen Hausarchivs und des Bayerischen Hauptstaatsarchivs München weitere Bestände hinzu, die zu einem kleineren Teil in die Edition der Briefe Fuggers aufgenommen sind, so zählt man schließlich 447 Schreiben an Wilhelm, also nahezu 10% der gesamten hier ausgewerteten Korrespondenz. Auch Wilhelms Vater Albrecht V. sowie die Brüder Ferdinand und Ernst von Bayern zählten zu den 50 am häufigsten kontaktierten Adressaten Fuggers, und natürlich führten die Herzöge von der ständischen Ordnung her – zusammen mit Erzherzog Ferdinand von Österreich – die lange Reihe der Korrespondenzpartner Fuggers an. Darüber hinaus können gerade an der Korrespondenz mit den Herzögen die Konturen eines von Fugger geknüpften brieflichen Beziehungsnetzes besonders deutlich herausgearbeitet werden, verbinden sich hier doch in signifikanter Weise verschiedene Themenfelder der Korrespondenz wie verschiedene Korrespondentengruppen. Die Beziehung Hans Fuggers und seiner Brüder zum bayerischen Herzogshaus – insbesondere zu Wilhelm V. – war recht vielgestaltig und nicht unwesentlich von familiären Konflikten unter den verschiedenen Linien der Fugger beeinflußt. Wie in diesem Kapitel zu zeigen sein wird, prägte dieser familiäre Rahmen die Korrespondenz mit Albrecht und Wilhelm deutlich, weshalb seine Grundlinien hier zumindest kurz umrissen werden sollen. Die persönliche Beziehung zum Herzogshaus war schon vor dem Tod von Hans’ Vater Anton Fugger recht eng, hatte doch Hans 1560 einige Zeit am bayerischen Hof zu München verbracht, wo am 27. Mai 1560 auch seine Hochzeit mit dem bayerischen Hoffräulein Elisabeth Nothafft von Weißenstein begangen wurde. Auch hielt die Firma enge geschäftliche Beziehungen zu Vgl. hierzu S. 370–399. An Albrecht V. gingen noch 114 Briefe (86 davon in den Kopierbüchern, 28 über das BayHStA überliefert), an Ferdinand immerhin 43 und an Herzog Ernst von Bayern, ab 1583 Erzbischof von Köln, 27 Briefe. Nur selten hatte Fugger brieflichen Kontakt zu den Herzoginnen Renata (Ehefrau Wilhelms V., 7 Briefe), Anna (Gemahlin Albrechts V., 6 Briefe) und Jacobäa Maria von Bayern (Witwe Wilhelms IV., 3 Briefe). Vgl. im ersten Teil Kap. I. A.
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Albrecht V. und stand ihm mit zahlreichen Darlehen über Jahrzehnte hinweg zur Seite. Bei seinem Tod bezifferte das Fuggersche «Hauptbuch Bilanzen» für 1579 die noch ausstehenden Schulden Albrechts mit rund 52.000 fl. Schon in seiner Erbprinzenzeit griffen die Fugger auch Wilhelm V. finanziell mit erheblichen Summen unter die Arme. Auch in der Regierungszeit Wilhelms V. blieb die Firma «Marx Fugger und Gebrüder» ein beständiger Finanzpartner des Herzogshauses. Problematisch wurde – zumindest nachweislich aus Hans’ Sicht – die Beziehung der Antonssöhne zu Herzog Albrecht durch das Zerwürfnis Hans Fuggers und seiner Brüder mit ihrem Vetter Hans Jakob Fugger, der schon 1552 dem kaiserlichen Vizekanzler Zasius als Albrechts «Intimus» galt und ihm in politischen bzw. konfessionellen Angelegenheiten wie auch in Fragen der Kunst zur Seite stand. Von 1560 bis 1563 hatte Hans Jakob Fugger zusammen mit Hans’ Bruder Marx das Familienunternehmen gemeinsam, aber ohne Fortune geleitet und sich gleichzeitig privat so weit verschuldet, daß er trotz erheblicher Finanzhilfen Albrechts V. 1563 seinen privaten Konkurs anmelden mußte. Im gleichen Jahr entbrannte um die Generalrechnung des Unternehmens zwischen den Söhnen Anton und Raymund Fuggers ein heftiger Streit, in dem schließlich Herzog Albrecht als Vermittler zwischen Hans Jakob und seinen Vettern angerufen wurde. Selbst nach dem Ausscheiden Hans Jakobs aus der Firma durch einen Vergleich 1564, bei dem ihm mehr als 230.000 fl ausbezahlt werden mußten, gingen die Feindseligkeiten weiter; jede der beiden Parteien – Hans und seine Brüder auf der einen, Hans Jakob auf der anderen Seite – fühlte sich übervorteilt und versuchte, der anderen Nadelstiche zu versetzen, wo sie nur konnte; weitere Prozesse folgten. Hans Jakob aber – immer hoch verschuldet – wurde als Vertrauter Albrechts V. für verschiedene Tätigkeiten im Auftrag des Herzogs eingesetzt, bis Albrecht ihn schließlich 1573 zum Präsidenten der neugegründeten Hofkammer, also pikanterweise zum Chef der obersten herzoglichen Finanzbehörde machte. Seit diesen schwerwiegenden Differenzen standen Hans Jakob und sein Sohn Carl bei den Brüdern Marx und Hans unter dem Generalverdacht, beim Bayernherzog wie am Kaiserhof gegen sie zu intrigieren – wie einige Beispiele zeigen, nicht unbegründet. Diese permanente Gefahr, wie Vgl. dazu FA 2.1.26, Nr. 26, fol. 1v (Hauptbuch Bilanzen 1579). Vgl. die im «Hauptbuch Bilanzen 1569–1630» verzeichneten Anleihen: FA 2.1.26, Nr. 26ff. (ab 1579). Zitiert bei Kellenbenz: Hans Jakob Fugger, S. 82. Vgl. auch Maasen: Hans Jakob Fugger, S. 46. Vgl. hierzu Maasen: Hans Jakob Fugger, bes. S. 31–35, 38–50 sowie Kellenbenz: Hans Jakob Fugger, bes. S. 76–90. Zum Verhältnis zwischen Albrecht V. und Hans Jakob Fugger auch Lanzinner: Fürst, S. 71–74. Durch das Zeugnis Wilhelms V. belegt ist ein Verleumdungsversuch durch Carl Fugger im Jahr 1573, der Hans und Marx wegen angeblich mangelnder Unterstützung für die Werbung von Truppen bei Kaiser Maximilian II. in Mißkredit zu bringen versuchte. Vgl. dazu Hans Fugger an Wilhelm V., 27.06.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1055) sowie an Marx Fugger d.Ä., 03.07.1563, FA 1.2.6b H. 15 (I 1059). – Auf Tatsachen beruht wohl auch der Bericht über eine Intrige Hans Jakob Fuggers am Herzogshof 1575, in der Fuggers Vetter herzogliche Diener bzw. Vertraute gegen seine Augsburger Verwandten einzunehmen versuchte, vgl. Hans Fugger an Sebastian Zäch, 23.10.1575, FA 1.2.8a H. 23 (II/1 632).
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konkret sie auch immer gewesen sein mag, gilt es für das Verhältnis zwischen Hans Fugger und Herzog Albrecht im Gedächtnis zu behalten.
B. Hans Fugger als Adressat für herzogliche Besorgungsaufträge zwischen Vater und Sohn Etwa die Hälfte der Briefe an Albrecht bzw. Wilhelm, für Albrecht insgesamt 50, für Wilhelm 238, befaßt sich mit der besonderen Sammelleidenschaft und Liebe zur Kunst Albrechts V. und seines Sohnes – ein ganz deutlicher inhaltlicher Schwerpunkt für die Korrespondenz mit beiden Herzögen also. Insbesondere Antiquitäten sowie kostbare Goldschmiedearbeiten waren es, die Albrecht durch Hans Fuggers Vermittlung – über die Fuggerschen Faktoren, Agenten und weitere Geschäfts- und private Verbindungen – beschafft sehen wollte. Des alten Herzogs Kunstverstand und Sammelfreude waren weithin bekannt. Aber schöne Dinge verursachten schon damals gewaltige Kosten, und bereits bei Albrecht V. war die bayerische Landschaft jedesmal wenig erbaut, wenn sie vom Herzog wieder einmal gebeten wurde, durch Steuern für seine Schulden aufkommen zu müssen, die er auch durch seine Liebe zu Kunst und Antiquitäten angehäuft hatte. Wie schon die weitaus höhere Zahl an Briefen über Besorgungsaufträge Wilhelms vermuten läßt, war der Thronfolger noch eher geneigt, über seine Verhältnisse zu leben. Wilhelm V. residierte nach seiner Verheiratung mit Renata, Herzogin von Lothringen, von 1568 bis 1579 zumeist auf der Burg Trausnitz bei Landshut, auf deren Ausstattung, unter anderem durch den Maler und Baumeister Friedrich Sustris, er hohe Summen verwendete. Wichtig waren ihm daneben unter anderem edle Kleinodien – Wilhelm war erstklassiger Kunde der Augsburger Goldschmiede –, Kunstgegenstände und nicht zuletzt ein neuer, aufwendig angelegter Garten mit einer Menagerie exotischer Tiere.10
Die frühesten nachweisbaren Aufträge an Hans Fugger datieren von 1563 und sind im ersten Band der Libri antiquitatum Albrechts erhalten, vgl. z.B. Hans Fugger an Albrecht V., 24.05.1563, BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 4851, fol. 48r. – Diese Briefe sind zur Gänze in die vorliegende Untersuchung einbezogen. Über Albrechts Antikensammlung handeln Dorothea und Peter Diemer: Das Antiquarium Herzog Albrechts V. von Bayern. Schicksale einer fürstlichen Antikensammlung der Spätrenaissance. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 58 (1995), S. 55–104; zur Beteiligung Fuggers an den Besorgungen für Albrechts Kunstkammer Katharina Pilaski: Wissen, Handel, Repräsentation – Exotica und lokale Monstrositäten in der Kunstkammer Albrechts V. von Bayern. In: Wolfgang E. J. Weber (Hg.), Wissenswelten. Perspektiven der neuzeitlichen Informationskultur. Augsburg 2003 (Mitteilungen des Instituts für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg, Sonderheft 2003), S. 181–199, bes. S. 193–195. Zur Finanzlage Albrechts vgl. Lanzinner: Fürst, S. 55–70. Vgl. Karnehm: Amazonensarkophag. 10 Zur Hofhaltung in Landshut Baader: Renaissancehof, sowie Lietzmann: Renaissancegarten.
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Für die Realisierung all dieser kostspieligen Wünsche erwies sich Hans Fugger als der ideale Erfüllungsgehilfe: Wenn es sein mußte, verbrachte Hans einen ganzen Vormittag bei Augsburger Goldschmieden, um ein Schmuckstück nach des Herzogs Wünschen zu finden, verhandelte mit Künstlern und gab seinen Handelsdienern in der Antwerpener oder Madrider Niederlassung brieflich die entsprechenden Anweisungen, wenn Wilhelm Haustiere, Handschuhe, kostbare Seidenstoffe, exotische Eßwaren etc. anforderte. Auch sein gesammeltes Wissen über Waren und die Bedingungen ihrer Beschaffung brachte Fugger zum Einsatz: Er wußte, welche Waren man wo in Europa in bester Qualität und zu welchem Preis erhalten konnte – ein idealer Ansprechpartner also für die Wünsche Wilhelms und Albrechts.11 So prächtig sich mit Hans Fuggers Hilfe Wilhelms Umfeld gestaltete, so unaufhaltsam wuchsen seine Ausgaben, für die natürlich unter anderen Gläubigern das Fuggersche Bankhaus mit seinem Kredit aufkam. An eine ordnungsgemäße Begleichung der Forderungen war nicht zu denken, und Wilhelm versuchte schon früh, seine immensen Ausgaben vor seinem Vater zu verschweigen. Das war natürlich nur effektiv, solange er Komplizen hatte – und zu diesen gehörte Hans Fugger, denn der versicherte schon 1571, Wilhelms Ausgaben seinem Vater gegenüber so zu präsentieren, daß Albrecht keinen Verdacht schöpfe,12 oder er wickelte 1573 Briefverkehr mit Handelsleuten, die in Italien Pretiosen für Wilhelm besorgten, unverdächtig über Augsburg ab – hier haben wir also die oben erwähnte ‹Deckadresse› für Wilhelm.13 Auch für die Mission eines Vertrauten Wilhelms zum Großherzog
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Aufgrund der Vielzahl der Belege müssen hier wenige Beispiele genügen: Hans Fugger an Wilhelm V. wegen der Bestellung von Kaninchen, 09.06.1571, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger II (I 536), wegen Seidenblumen, 30.11.1575, FA 1.2.8 H. 24 (II/1 676), wegen Wein, 26.02.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1055). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 16.11.1571, GHA Korrespondenz-Akten Fugger II (I 608). Ganz gezielt wurden z.B. Ausgaben Wilhelms für seinen Tiergarten als «Geschenk» Fuggers getarnt, so etwa eine Lieferung von Meerkatzen, vgl. dazu Hans Fugger an Wilhelm V., 03.10.1571, GHA Korrespondenz-Akten Fugger II (I 579) sowie Hans Fugger an Hans Keller, 05.12.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 615), S. dazu auch Karnehm: Regesten I, S. 253 (I 579), Anm. 2. – Ebenso wurde verfängliche Korrespondenz Wilhelms mit Niklas Heller, der für ihn in Genua Pretiosen besorgte, zumindest 1573 nach Aussage Fuggers zunächst an ihn geleitet, damit Albrecht keinen Verdacht schöpfte. Wenn Wilhelm außer Landes weilte, hielt Fugger Briefe sogar auf. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 18.05.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1008) sowie an denselben, 21.02.1576, FA 1.2.8a H. 24 (II/1 733). Hans Fugger an Wilhelm V., 18.05.1573, FA 1.2.6b H. 15, pag. 91 (I 1008): Hiemit ain schreiben von N.[icol]o Heller, an E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] dem hab ich geschriebn, dz er jederzeit die brief an E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] mir einschlagen [d. h.: unter die Sendung an Hans Fugger legen soll, d. Verf.], damit sy nit inn annder hend khomen. – Auch 1576 hielt Hans Fugger Briefe, die während einer Reise Wilhelms über die Fugger an den jungen Herzog weitergeleitet werden sollten, so lange zurück, bis er sie ihm wieder sicher zustellen konnte. Ein Zusammenhang mit den dargestellten Finanzproblemen ist nicht eindeutig nachzuweisen, ist aber sehr gut möglich. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 21.02.1576, FA 1.2.8a H. 24 (II/1 733). Vgl. zur Postbeförderung im zweiten Teil Kap. II., A. 4.
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von Toskana einer Geldanleihe wegen stand Fugger als treuer Berater zur Seite.14 Bald gestaltete sich das Verhältnis zwischen Hans und Wilhelm so eng, daß sie sich sogar die ganz privaten Sorgen, etwa die Erkrankung von Ehegatten oder Kindern, ausführlich mitteilten.15 Häufige Einladungen Wilhelms ebenso wie Albrechts zu Festivitäten an den herzoglichen Hof und Gegenbesuche der Herzöge in Augsburg sind ein weiteres Signal für eine enge Beziehung, desgleichen noch zu erwähnende Geschenke Wilhelms an Marx und Hans Fugger.16 Bei dieser erheblichen Nähe erscheint es allerdings interessant, daß sich Fugger in Briefen an den Antwerpener Faktor Jakob Mair wegen Besorgungsaufträgen im Namen Wilhelms fast rechtfertigte: Als Herzog Wilhelm 1572 den Auftrag gab, ein Mohrenpärchen zu besorgen, schrieb Fugger 1572 an Mair: Ich bemüehe euch mit dergleichen sachen gleichwol nit gern, ich khan aber dagegen ir F.[ürstlichen] D.[urchlaucht] auch dergleichen nit wol abschlagen.17 Ganz ähnlich hatte er sich gegenüber dem Faktor schon wegen der mühevollen Suche nach geeigneten Pferden für Herzog Wilhelm geäußert,18 und wegen eines Diamanten für Herzog Albrecht schrieb er schon 1569 an Mair, er könne diesen Dienst am Herzog ganz einfach nicht umgehen.19 Diese Briefbeispiele bekräftigen zum einen, daß solche Aufträge des Warenhandels definitiv nicht mehr zum Aufgabenbereich des Fuggerschen Hauses gehörten, sondern eine reine Gefälligkeitsleistung waren, die nicht zur normalen Tätigkeit eines Faktors zählten. Zum anderen zeigt sich hier auch, daß Fugger sich fast gezwungen sah, derartigen herzoglichen Anfragen nachzukommen, was eigentlich nichts anderes heißen kann, als daß er sich aus einer Ablehnung Nachteile, welcher Art auch immer, erwartete. Betrachtet man Fuggers zahlreiche Dienste für das Herzogshaus – auf die Nachrichtenlieferungen wurde bereits im Zusammenhang mit dem niederländischen Konflikt eingegegangen –, so drängt sich auf den ersten Blick eine Charakterisie-
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Dazu S. 393. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 23.12.1573, 24.12.1573, 28.12.1573, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I sowie an denselben, 27.12.1573, GHA Hofhaushaltsakten 15. Alle vier Briefe handeln von einer schweren Erkrankung von Fuggers Sohn Christoph. Im Brief an Wilhelm vom 14.06.1574, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I, berichtete Hans Fugger eine Fehlgeburt seiner Frau. – Wilhelm wiederum schrieb von Krankheitsfällen aus der eigenen Familie, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 28.05.1573, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. Vgl. Hans Fugger an Heinrich von Landau, 07.01.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 345) [Besuch Herzog Wilhelms mit seiner Frau Renata zu Morgenessen und Schlittenfahrt in Augsburg], an Paul von Eiß, 19.02.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 918) [Besuch Hans und Marx Fuggers bei den Herzögen in München], an Marx Fugger d.Ä., 03.07.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1059) [Einladung Herzog Albrechts nach Starnberg]. – Wilhelm schenkte gerne Pferde, die z.T. unter gehörigem Aufwand erworben werden mußten, vgl. etwa Hans Fugger an Wilhelm V., 02.02.1572, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I, an denselben 30.10.1574, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I sowie 30.09.1577, GHA Korrespondenz-Akten Fugger II. Vgl. Hans Fugger an Jacob Mair, 06.05.1572, FA 1.2.6a H.12, pag. 129f. (I 752). Vgl. Hans Fugger an Jacob Mair, 15.04.1572, FA 1.2.6a H. 12, pag. 111 ( I 732). Vgl. Hans Fugger an Jacob Mair, 10.05.1569, FA 1.2.5 H. 9, fol. 44v. (I 426).
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rung Fuggers als «Agent» Albrechts V. und Wilhelms V. geradezu auf. Kombinierte Dienstleistungen auf den Gebieten Informationsbeschaffung und Kunsthandel entsprechen ebenso dem klassischen Bild des Agenten wie Fuggers reiches kaufmännisches Spezialwissen, seine strategisch günstige Positionierung in Augsburg als Knotenpunkt für Wirtschaft, Post und Luxusbedarf sowie sein fein geknüpftes Kontaktnetz, das auf Basis der Firmenkontakte die Erfüllung der herzoglichen Wünsche sicherte. Auch die sehr persönliche Beziehung zum Auftraggeber ist insbesondere für Wilhelm V. sehr schön nachzuvollziehen.20 In einigen Aspekten unterschied sich Hans Fugger jedoch sehr deutlich von einem ‹professionellen› fürstlichen Agenten: Für die herzoglichen Besorgungen ist aus den Quellen – neben den Kopierbüchern wurden die zum Teil noch vorhandenen Abrechnungen der Fugger an die Herzöge sowie Hofzahlamtsrechnungen herangezogen – kein Beleg zu eruieren, daß Hans Fugger bzw. die Familiengesellschaft für die Recherche und Besorgung der Güter und Informationen ein Entgelt bekommen hätten; ihre Lösung vom Kaufmannsstand ist damit nochmals mit Nachdruck unterstrichen.21 Zwar war die reguläre Bezahlung ein allgemeines Problem, doch finden sich für zahlreiche Agenten Belege für ein vereinbartes Jahressalär. Fugger wäre auf eine Entlohnung ohnehin in keiner Weise angewiesen gewesen. Mit einem Adelstitel und der verbundenen Statuserhöhung, sonst ein klassisches Belohnungsmuster, konnten die Herzöge ebenfalls nicht locken.22 Auch wird zu zeigen sein, daß das Fuggersche Selbstverständnis in entscheidenden Momenten durchaus mit der Haltung eines Agenten als undertheniger diener kollidierte. Die Suche nach dem wie auch immer zu beschreibenden Gewinn Fuggers aus seinen Diensten für die Herzöge wird sich also im folgenden auf andere, weniger offensichtliche Bereiche der Entlohnung erstrecken. Hoch anzusetzen waren die Dienste Hans Fuggers allein schon aufgrund der Exklusivität der Waren, mit denen Hans Fugger aufwarten und damit auf eine Mehrung seiner Reputation am Hof hoffen konnte.23 Damit ist die Analyse noch sehr viel mehr als in einer ‹klassischen› Agenten-Karriere auf eine zu eruierende Reziprozität von weiteren Leistungen entsprechend einem Patron-Klient-Verhältnis verwiesen. Eine Möglichkeit, gefestigtes soziales Kapital bei den Herzögen ‹ausbezahlt› zu bekommen, ist bereits beim Eintreten für die Herrschaftsrechte der Brüder Montfort deutlich geworden. Daß Fugger durchaus mit Risiko in die Beziehung zu Wilhelm V. investierte, wurde verhältnismäßig schnell klar, denn auf Dauer konnten Albrecht V. die finanziellen Eskapaden seines Sohnes nicht verborgen werden: Wilhelm mußte 1575 in aussichtsloser Lage Schulden in der Höhe von fast 300.000 fl gestehen, wovon 20 21 22
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Die Charakterisierung des frühneuzeitlichen Agenten nach Keblusek: Agent, S. 9–15. S. dazu im zweiten Teil Kap. II. A., S. 88. Vgl. Keblusek: Agent, S. 12f. – Die direkte Entlohnung als Merkmal für einen professionellen Agenten betont als Merkmal nochmals Marika Keblusek: Book Agents. Intermediaries in the Early Modern World of Books. In: Hans Cools u.a. (Hg.), Your Humble Servant. Agents in Early Modern Europe. Hilversum 2006, S. 97–107, hier S. 106. Zur Exklusivität der besorgten Waren und dem zu erhoffenden Prestigegewinn auch Karnehm: Korrespondenznetz, S. 307f.
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100.000 fl auf das Konto bei den Fuggern entfielen.24 Die Maßnahmen Albrechts waren eindeutig: Im März 1575 betonte Hans Fugger Herzog Wilhelm V. gegenüber, daß Albrecht den Fuggern verboten habe, seinen Sohn weiter mit Krediten zu versorgen, und schlug Wilhelm eine erbetene finanzielle Hilfe konsequent ab.25 Begründet hat er dies in demselben Brief auch mit Angst vor Intrigen Hans Jakob Fuggers gegen ihn. Gemeint ist wohl, daß Hans Jakob – als Hofkammerpräsident von Wilhelm in die Schuldsache einbezogen – versucht sein könnte, bei Herzog Albrecht Stimmung gegen Hans und Marx Fugger zu machen. Um die volle Tragweite dieser prekären Lage für die Fugger ermessen zu können, soll hier ein Brief Marx Fuggers an Albrecht V. vom Januar 1575 angeführt werden – er ist heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zu finden:26 Marx bezog sich in seinem Schreiben darauf, daß von seiten des entrüsteten herzoglichen Vaters ihm, Marx, und seinem brueder will zugemessen werden, als solten wir ire F.[ürstliche] G.[naden] [Wilhelm] zu sollichem [zur Anhäufung von Schulden, d. Verf.], mit unserm zuvill guettwilligem fürleichen, nit wenig verursacht haben.27 Albrecht warf Marx und Hans also vor, durch ihre fortgesetzten Kredite Wilhelm in seinem finanziellen Leichtsinn bestärkt zu haben. Marx’ Entgegnung darauf führte zunächst die Zwänge auf, denen sich die Fugger im Fürstendienst ausgesetzt sahen: Lieber hätten sie ja, so Marx, die Wilhelm geliehenen Summen an anderer Stelle mit höherem Gewinn und zur Mehrung ihrer geschäftlichen Reputation eingesetzt.28 Doch da sie bei Ablehnung der Wünsche Wilhelms die ungnad des Thronfolgers riskiert hätten, seien sie eben – widerwillig – auf seine Bitten eingegangen. Einzeln genommen habe es sich bei den jeweiligen Ausgaben ja nur um kleine Summen gehandelt, die sich gleichwoll lestlich schier on unser wissen, oder nachgedenckhen, auf ain ansechliche summa, in sovill jarn, gehäufft.29 Ob Albrecht Marx und Hans die Furcht vor der Ungnade des Thronfolgers und die Rolle der finanziell Unbedarften oder Unbekümmerten, die sich nicht weiter um ihre Außenstände sorgten, wirklich abgenommen hat, sei dahingestellt. Jedenfalls geben Hans Fuggers Briefe klare Anhaltspunkte, daß die Brüder Fugger spätestens Ende 1573 sahen, wohin Wilhelms Finanzgebaren führen mußte. So schrieb Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, von Wilhelm eigens für die Verwaltung seiner finanziellen Angelegenheiten angestellt: Der Herzog verschulde sich immer mehr, des inn die Harr [auf Dauer] nit besteen khan, sunnder ausbrechen wirdt müessen.30 Ein bei Hilda Lietzmann zitierter Brief Fuggers an Kanzler Eck aus derselben Zeit ist von der Aussage her nahezu iden-
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Zur Schuldsache Wilhelms vgl. Lietzmann: Hans Fugger, S. 435–459, hier S. 450f. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 21.03.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 382). S. hierzu Lietzmann: Hans Fugger, S. 450f. sowie Baader: Renaissancehof, S. 149–162. Marx Fugger an Albrecht V., 23.01.1575, BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv, Nr. 1976, fol. 239r. Ebenda: so wir doch dessen [gemeint sind die Darlehen an Wilhelm] vill lieber entratten, unnd das unserig [Geld] in ander weeg, nit mit geringem nutz, oder doch zu störckung unsers trauen unnd glaubens, verwant hetten. Ebenda. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 04.12.1573, FA 1.2.6b H. 17 (I 1233).
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tisch.31 Es stellt sich natürlich die Frage, weshalb Hans und Marx Fugger sich dann so lange auf die immer wieder neuen Kreditwünsche Wilhelms einließen: Möglicherweise hatten sie zunächst keinen vollständigen Einblick in die Verschuldung Wilhelms bei anderen Kreditgebern, vielleicht setzten sie auch Hoffnung auf die noch ausführlicher darzustellende geplante ausländische Anleihe. Und Marx Fuggers Argumentation mit der gefürchteten Ungnade Wilhelms war sicher alles andere als vorgeschoben; zur Zeit der vor Albrecht geheimgehaltenen Anleihen konnten die Fugger nicht so ohne weiteres zurück.32 Die Verstimmung Albrechts aber demonstriert nur zu gut, daß sich Marx und insbesondere wohl Hans mit der Unterstützung Wilhelms – und seit 1571 nachgewiesenermaßen mit der wissentlichen Verschleierung seiner Ausgaben – ausgesprochen weit vorgewagt hatten, indem sie auf die Gnade Wilhelms spekulierten und nun Gefahr liefen, sich die Ungnade Albrechts einzuhandeln. Spätestens seit Hans Fugger die Planung einer florentinischen Anleihe aktiv durch seinen Rat unterstützte, muß ihm, wie aus einem Brief Wilhelms an Hans vom Dezember 1574 hervorgeht, der Schuldenstand Wilhelms bekannt gewesen sein33 – da war es aber mit Sicherheit zu spät, das Steuer herumzureißen und sich aus Loyalität zum dauerhaft kränklichen Albrecht 34 das Wohlwollen des zukünftigen Landesherrn Wilhelm zu verscherzen. Die gefährlichen Anleihen an Wilhelm gingen denn auch nach dessen erster großer Finanzkrise durchaus weiter, die Brüder hielten also sehr bewußt am Thronfolger fest. Daß den Fuggern diese jahrelange Bindung, die sie durch Kredite wie Besorgungen zu Wilhelm aufgebaut hatten, tatsächlich mehrfach nur allzu gelegen kam, soll im folgenden präzisiert werden.
C. Einbindung Fuggerscher Interessen in die ‹Herzogskorrespondenz› – Kombination und Transformation von Kapitalien Der drittstärkste thematische Posten nach den Dienstleistungen und den Nachrichtenlieferungen für die Herzöge waren Supplikationen in der Form von Bittbriefen oder Empfehlungsschreiben bzw. die Diskussion dieser Anliegen im weiteren Briefverkehr. Bei diesen immerhin rund 10% der Briefe an Albrecht und ca. 13% der Briefe Fuggers an Wilhelm (11 Briefe an Albrecht, 57 an Wilhelm V.) sind
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Vgl. Lietzmann: Hans Fugger, S. 448. Die detallierte Auflistung aller Ausgaben der Fugger für Wilhelm 1569–1575 in einem Fuggerschen Schuldverzeichnis, BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv Nr. 1976, fol. 5r–24r. 7.383 fl, die Wilhelm abbezahlte, stand eine Restschuld von 80.000 fl gegenüber. Vgl. Wilhelm V. an Hans Fugger, 12.12.1574, FA 48.4 (unfoliierte Sammlung von Abrechnungen und Briefen). Vgl. Baader: Renaissancehof, S. 123.
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mehrere Konstellationen zu unterscheiden: Sie drehten sich entweder – und das in erster Linie – um Bitten, die Fugger als Vermittler für Dritte bei den Herzögen vertrat, oder sie handelten von genuin Fuggerschen Anliegen, deren Verwirklichung mit herzoglicher Hilfe angestrebt wurde bzw. von der Fürsprache der Herzöge für bestimmte Personen bei Fugger.35 Abgesehen von der Korrespondenz mit den Herzögen geht es in 64 Schreiben Fuggers an andere Adressaten – häufig sind es die Bittsteller selbst – um derartige Anliegen, die von den Fuggern oder für die Fugger den Herzögen vorgetragen wurden. In Fuggers ‹Herzogskorrespondenz› ist die Position des Maklers von großer Bedeutung, also der Person, die sich vermittelnd zwischen Klient und Patron einschaltete, wenn etwa die soziale oder räumliche Distanz zwischen einem potentiellen Klienten und seinem möglichen Patron zu groß war. Was diese Vermittler-Funktion zweifellos voraussetzte, das war eine zumindest einigermaßen stabile Verbindung zwischen den Herzögen und Hans Fugger, denn nur in einem solchen Klima konnte es möglich sein, die Vorhaben unterschiedlichster Bittsteller wie der Fugger selbst überhaupt bei Albrecht und Wilhelm zu vertreten. Diese solide Verbindung kann auch umschrieben werden als Ausdruck des sozialen Kapitals, das Fugger durch seinen Kontakt mit den Herzögen ganz augenscheinlich aufgebaut hatte. Zunächst sollen hier jedoch Fuggersche Anliegen, die sie mit der Unterstützung der Herzöge zu verwirklichten suchten, im Mittelpunkt stehen. Auf die Korrespondenz Fuggers mit den Herzögen angewendet, gilt es zu fragen, wie und für welche Zwecke der Familie Fugger das hierfür erforderliche soziale Kapital gesammelt sowie aufrechterhalten wurde und wo es schließlich zum Einsatz kam. Bevor Hans Fugger mit der ersten Bitte, die wir aus den hier herangezogenen Schreiben erschließen können, 1563 an Albrecht V. und 1571 an dessen Sohn Wilhelm herantrat, bestand für beide Herzöge jeweils schon ein jahrelanger Briefkontakt zu Fugger. Mit zahlreichen Besorgungen wie mit Finanzdiensten, Krediten, Nachrichten hatte Fugger sich bereits als treuer und verläßlicher Diener erwiesen.36 Ob Fugger gezielt mit der Formulierung von Bitten abwartete, bis ihm die Beziehungsbasis dafür gefestigt schien, ist zwar nicht nachzuweisen, aber dennoch muß hier festgestellt werden, daß Hans sich im Vorfeld ohne Zweifel eine solide Grundlage geschaffen hatte, die er für die Formulierung seines Anliegens nutzen konnte. Wegen eines Rechtsstreits mit David Rehlinger, dessen Ursache angebliche Schulden des fallierten Hans Jakob Fugger waren, 37 bat Hans im Oktober 1563 Albrecht, daß die Brüder Fugger die Hilfe der herzoglichen Rechtsbeistände Hün-
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36 Briefe handeln von der Vermittlung Fuggers für Dritte, in 22 Briefen treten die Herzöge für andere ein, und in 17 Briefen ist von eigenen Anliegen Fuggers bzw. seiner Familie die Rede. Als Fugger Albrecht V. im Oktober 1563 mit der ersten Bitte anging, hatte er schon 15 – heute noch überlieferte – Briefe an den regierenden Herzog gerichtet, mindestens 9 vom Herzog erhalten und bereits etliche Dienstleistungen erbracht. Hans Jakob Fugger meldete im Sommer 1563 seinen privaten Konkurs an, vgl. Maasen: Hans Jakob Fugger, S. 33f.
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den und Bebinger in Anspruch nehmen dürften.38 Wie ein weiteres Schreiben Fuggers zeigt, scheint sich Albrecht im Gespräch mit Hans Jakob Fugger daraufhin persönlich dieser Sache angenommen zu haben.39 Die Verwicklung Hans Jakob Fuggers in diese Sache, bei der es laut Hans um die ergezung unser ehren40 ging, garantierte hier auch das nötige Interesse des Herzogs. In eigenen Anliegen bat Fugger bezeichnenderweise nur noch einmal 1569 Albrecht um eine Gefälligkeit, nämlich, als die Fugger den Priester Jakob Feicht aus Ingolstadt für die Pfarrei St. Moritz in Augsburg in seines und seines Bruders Marx Dienst nehmen wollten. Albrecht allerdings wollte Feicht nicht ziehen lassen und schlug die Bitte ab.41 In ausschließlich eigener Sache ging Hans Fugger Albrecht V. so gut wie nie an – und wenn, dann bezeichnenderweise nur über den Umweg eines Vermittlers: Da Herzog Albrecht für seine exzellenten Kontakte zum Antiquitätenhandel bekannt war, sah Fugger 1575 hierin eine Chance, der Vervollständigung seiner Sammlung von Papstmedaillen näherzukommen. Also wandte er sich an Ludwig Miller, Hofrat Albrechts V., ob Miller in diesem Vorhaben nicht bei Albrecht für die Unterstützung Fuggers werben könne.42 Auch was Hans Fugger eigentlich ‹gehörte›, konnte nicht so einfach gefordert werden. Zwerge und Narren galten als beliebte Unterhalter am Herzogshof, und Hans Fuggers Narr mit Namen Randel scheint besondere Qualitäten gehabt zu haben, weshalb sich Albrecht oftmals Randel ‹auslieh›. Auch im Februar 1575 war Randel am Hof Albrechts V., und Hans Fugger setzte so wenig Vertrauen in ein persönliches Bittschreiben an den Herzog wegen der Rückkehr des Narren, daß er Anton Meiting, einen verdienten Vertrauten Albrechts,43 darum bat, mündlich bei
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Vgl. Hans Fugger an Albrecht V., 06.10.1563, BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 4851, fol. 82. Vgl. Hans Fugger an Albrecht V., 09.10.1563, BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 4851, fol. 86. Hans Fugger an Albrecht V., 06.10.1563, BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 4851, fol. 82r. – Hintergrund war, daß David Rehlinger in Venedig dortigen Besitz der Firma «Anton Fugger und Bruders Söhne» hatte beschlagnahmen lassen, um eine Forderung an Hans Jakob Fugger eintreiben zu lassen, die dieser aber nach Hans’ Auskunft schon längst beglichen hatte. Die Fugger hatten daraufhin bei der Stadt Augsburg eine Klage gegen Rehlinger angestrengt. Vgl. Hans Fugger an Albrecht V., 10.05.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 425) sowie an Jakob Feicht, 23.05.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 433). Vgl. Hans Fugger an Ludwig Miller, 16.04.1575, FA 1.2.8a H. 21 (II/1 414). Anton Meiting (vor 1524–1591), Augsburger Handelsmann und Patrizier, war unter Anton Fugger Agent des Fuggerschen Handels in Spanien gewesen und besorgte für den Herzogshof über Jahrzehnte Luxusgüter und Kunstgegenstände, gab auch Kredite. Er scheint sich ausgesprochen häufig am Herzogshof aufgehalten und ein besonders gutes Verhältnis zu Albrecht gehabt zu haben, überbrachte z.B. auch Albrechts Einladung zur Fastnacht 1579 an die Fugger. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 25.01.1579, GHA KorrespondenzAkten 607, Fugger I sowie die dort eingelegte Briefkopie Albrechts V. an Marx, Hans, Octavian und Philipp Eduard Fugger, 17.01.1579. Vgl. auch Baader: Renaissancehof, S. 157, 160, Robert Steiner: Die Meuting in Augsburg. München 1978 (Genealogia Boica 3/I).
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Albrecht um Randels ‹Herausgabe› anzuhalten: der möchte mit seiner eloquentia etwa mündtlich mer als ich schriftlich ußrichten.44 Mit den Besorgungsaufträgen für Wilhelm seit 1568 bestand dann aber die Chance, sich im Thronfolger langfristig einen weiteren Förderer Fuggerscher Anliegen am Hofe aufzubauen, der nicht in so engem Kontakt mit dem Vetter Hans Jakob Fugger stand, ihn vielmehr, zumindest zeitweise, auch nicht besonders zu schätzen schien, wie Fugger 1573 zufrieden vermerkte: Daz E.[uer] F.[ürstliche] G.[naden] mit dem wasserman45 nit woll stehe, ist mir gleichwoll nit nit [sic!] sel zam, aber dennoch nit nit [sic!] unlieb.46 Eine Reihe kleinerer Gefälligkeiten gibt es, mit denen insbesondere Wilhelm V., der Fugger vor allem bis 1580 schier unausgesetzt mit Besorgungen beschäftigte, Hans seine Gnade erwies. Über die Jahre hinweg erzeigte sich Wilhelm als Erbprinz wie als regierender Herzog beispielsweise als zuverlässiger Aussteller von Paßbriefen mit herzoglichem Namen und Siegel, wenn Hans Fugger von weit her Pferde oder Hunde für den eigenen Bedarf heranschaffen ließ – so konnte Fugger die Transportkosten gering halten und die Sicherheit seiner Fracht besser gewährleisten.47 Auch Hilfe bei der Durchsetzung rechtlicher Ansprüche konnte Wilhelm geben, etwa wenn es darum ging, im Jahr 1573 von Fugger erwartete englische Hetzhunde, die der Gouverneur von Calais auf ihrem Transport schlichtweg einbehalten hatte, ihrem rechtmäßigen Besitzer zuzustellen. Die Abfolge von Leistung und Gegenleistung kommt hier einmal nicht wie sonst allein durch die Rhetorik von Bitte und Dienstversicherung zum Ausdruck, sondern durch die konkret in Aussicht gestellte Gegengabe: Wenn Fugger die Hunde wiederbekomme und sie dem Herzog gefielen, werde er sie Wilhelm gerne zum Geschenk machen – das noch heiß umkämpfte Gut wurde damit umgehend zum augenfälligen Beweis Fuggerscher Dankbarkeit umfunktioniert.48 Tatsächlich verfaßte Wilhelm wegen der Hunde, wie von Hans Fugger vorgeschlagen, einen Brief an seine Cousine, Königin Elisabeth von Frankreich49 – eigenhändig, damit es bej der kinigin desto
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Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 08.02.1575, FA 1.2.7 H. 20 (II/1 537). – Zitiert nach Christl Karnehm. «Wassermann» war der Spitzname Hans Jakob Fuggers, da er kaum Alkohol trank, dazu Kellenbenz: Hans Jakob Fugger, S. 53, sowie Helmut Zäh: Hans Jakob Fugger, der «Wassermann» in der Korrespondenz Hans Fuggers. In: Fuggerarchiv (Hg.): Die Welt des Hans Fugger, 1531–1598. Augsburg 2007 (Materialien zur Geschichte der Fugger 1). Hans Fugger an Wilhelm V., 04.02.1573, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. – Die zweimalige doppelte Verneinung im Zitat ist hier wohl im Sinne einer Verstärkung der Verneinung (also etwa: ‹gar nicht›) zu verstehen. Vgl. als Beispiele: Hans Fugger an Wilhelm V., 19.01.1572, GHA München Korrespondenz-Akten 607 Fugger II (I 647), an denselben, 09.03.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1878). – Zum Sicherheitsaspekt der herzoglichen Paßbriefe vgl. Hans Fugger an Jacob Mair, 19.05.1573, FA 1.2.6b H.15 (I 1006). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 24.03.1573, FA 1.2.6a H.14 (I 944). Königin Elisabeth von Frankreich, seit 1570 mit Karl IX. verheiratet, war die Tochter Kaiser Maximilians II. Dessen Schwester Anna wiederum war Gemahlin Herzog Albrechts V. von Bayern und Mutter Wilhelms V. Vgl. dazu Hamann: Habsburger, S. 54f., 87f.
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mer ansehen hab.50 Die Königin wiederum konnte ihren Gemahl, Karl IX., bewegen, an den Gouverneur von Calais den Befehl zur Herausgabe der Hunde ergehen zu lassen.51 Seine helfende Hand lieh Wilhelm auch, wenn es – angesichts seiner Schulden bei den Fuggern pikanterweise – darum ging, bei einem säumigen Schuldner Zins und Tilgung einzutreiben. Giovanni Battista Passalaqua, ehemals herzoglicher Bereiter,52 war augenscheinlich 1581 in den Dienst des Herzogs von Urbino gewechselt, ohne die Forderungen Hans Fuggers über 300 Scudi zu begleichen. Wilhelm entsprach wiederum der Bitte um ein klärendes Schreiben.53 Zumindest die Hälfte des Kredits konnte Hans Fugger anderthalb Jahre später noch retten.54 Gerade bei eher heiklen Angelegenheiten erschien es Fugger opportun, für sich Makler bei den Herzögen in Anspruch zu nehmen. Nur zu schnell nämlich konnte es geschehen, daß aus der herzoglichen Geneigtheit für Fuggersche Anliegen Entrüstung über ein ungebührliches Ansinnen wurde. Ein bezeichnendes Beispiel ist ein Brief Fuggers an den herzoglichen Sekretär Paul von Eiß im Jahr 1572. Wilhelm V. schenkte Fugger ein Pferd, und der Überbringer des Pferdes berichtete laut Fugger, das Roß sei Ir F. [ürstlichen] G.[naden] für ain sonder present verehrt worden, [und er habe] inn summa daz roß wie man sagt, uber den kirchenthurn hinaus gelobt. Dieweill es dann ir F. G. so angenemb und mir nit zugebrauchen gewest habs ichs im wider zugestellt, und bitt da es darzu kheme, ain gutter interceßor zu sein, damit es mir bej Ir F. G. nit zu ungnaden raich, dan ich Ir F. G. nichts beger zu benemmen, des ir fast lieb, wie ich vermerkht, dises roß sein soll, und ich habs Ir F. G. darums auch desto khekher wider zugeschickht, weill sie inn irm schreiben melden, da es nit für mich, so wöll sie mich mit ainem andern mit gnaden versehen.55 [Unterstreichung durch d. Verf.]
Obwohl Fugger also aus dem Brief des Herzogs wußte, daß Wilhelm selbst das Pferd sehr gut gefiel und Fugger es bei Nichtgefallen zurückgeben durfte, sicherte er sich mit Paul von Eiß56 als Fürsprecher ab – denn eigentlich gab man fürstliche Geschenke nicht so einfach zurück, auch wenn der Fürst selbst einen dazu ermuntert hatte. Die Zurückweisung eines Geschenks in der Beziehung zwischen Bittsteller und Gewährendem war, wie Sharon Kettering in ihren Forschungen zur 50
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Hans Fugger an Jacob Mair, 31.03.1573, FA 1.2.6a H.14 (I 952). Ob der Herzog tatsächlich, wie Fugger vorschlug, eine Überführung der Hunde in herzoglichem Auftrag angab, ist nicht bekannt, aber wahrscheinlich. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 24.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 944). Vgl. Hans Fugger an Jacob Mair, 19.05.1573, FA 1.2.6b H.15 (I 1006). Über das weitere Schicksal der Hunde sprechen die Briefe Fuggers nur undeutlich; auch ist unbekannt, ob sie tatsächlich Wilhelm V. zum Geschenk gemacht wurden. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 12.03.1580, FA 1.2.10 H. 34 (II/1 1560). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 30.12.1581, FA 1.2.11 H. 42 (II/1 2022) sowie an Christoph Ott, 17.03.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2093). Vgl. Hans Fugger an Christoph Ott, 07.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2312) sowie an denselben, 24.08.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2871). Hans Fugger an Paul von Eiß, im Oktober 1572 [keine Tagesangabe], FA 1.2.5 H. 13, pag. 309f. (I 865). Zu Paul von Eiß vgl. Lietzmann: Hans Fugger, S. 446.
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Patronage betont, identisch mit der Ablehnung einer persönlichen Beziehung zwischen Schenkendem und Beschenktem, gar ein Zeichen von Feindseligkeit – kein Wunder also, daß Fugger unter diesen sensiblen Umständen so umfassend als möglich Vorkehrungen traf, um Mißverständnissen vorzubeugen und nicht in Ungnade zu fallen.57 Schon im Umgang mit Wilhelm war Fugger also äußerst vorsichtig, und hatte er sich erst einmal die Verärgerung Albrechts V. zugezogen, dann konnte es wahrhaft nur noch helfen, daß er den Erbprinzen selbst um Vermittlung bei seinem Vater anging: Hintergrund des Konflikts mit Albrecht war eine Ohrfeige, die Hans Fugger seinem Vetter Anton Fugger58 1578 – wenn wir Hans’ Erzählung Glauben schenken – nach mehrfachen Beleidigungen öffentlich auf einem Bankett Albrechts, allerdings nicht im Beisein des Herzogs, im Schloß Friedberg verabreicht hatte. Von Anton angestiftet, stellte Albrecht Hans brieflich wegen dieser Ehrverletzung und der Mißachtung des Orts und der Person des Fürsten zur Rede, woraufhin Hans nicht nur in einem Brief an Albrecht höchst wortreich die Attacke, zu der er sich hatte hinreißen lassen, erklärte und entschuldigte,59 sondern auch unter Aufbietung der rhetorischen Mittel, die Brieflehren der Zeit für solche Fälle anboten, den Erbprinzen inständig um seine Vermittlung bat – er habe sozusagen Fuggers Zukunft in der Hand: [...] mich khümert diser handl [Streit] uber die maß [...], khan demnach khein rue haben, biß mir nit guette zeittung khombt, dz E.[uer] F.[ürstliche] G.[naden] [Wilhelm] mich außgesüenndt haben, darumb will ich E. F. G. gantz underthenig und zum höchsten gebetten haben, und stell hiemit all mein haill in E. F. G. hande [...].60
Tatsächlich gibt es einen Hinweis darauf, daß hier Wilhelms Einfluß wirksam wurde: Anfang März nämlich, nicht lange nach dem Fuggerschen Hilferuf an den Thronfolger, schrieb Albrecht seinem Sohn: Was nun dein L.[iebden] Hannsen Fuggers [...] halb melden, dabey thuet es also beleiben61 – eine Äußerung, die man als Reaktion auf einen Vorschlag Wilhelms zur gütlichen Beilegung werten könnte. Albrecht war einige Zeit noch Hans Fugger gegenüber recht kritisch eingestellt, 57 58
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Vgl. Kettering: Gift-Giving, S. 131. Anton Fugger (1552–1616) war ein Sohn des früh verstorbenen Georg Fugger aus der Raimund-Linie. Nicht nur Hans, sondern auch seine eigenen Brüder Philipp Eduard und Octavian Secundus Fugger brachte Anton immer wieder in Schwierigkeiten. Anton landete schließlich hoch verschuldet 1596 in Augsburger Haft, aus der er erst 1601 entlassen wurde. Dazu Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 71–74 sowie Meyer: Chronik der Fugger, S. 56–58. Der Brief ist uns in einer Abschrift eines Fuggerschen Schreibers als Beilage zu einen Brief Fuggers an Wilhelm vom 25.02.1578 überliefert, vgl. Hans Fugger an Albrecht V., 24.02.1578, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. Hans Fugger an Wilhelm V., 25.02.1578, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. – Vgl. für die Formulierungen die Sammlung von Wendungen, die Frangk: Cantzley und titel buechlin, bietet: Ist an E. k. m. [Eure kaiserliche maiestät] mein vndertanist/ vn demütigst/ dienstlich bit/ vleissigst/ ernstlichste/ anrueffen, mit/höchste ernst/ vffs aller ernstlichst/ [...] mein vntertenig hochvleissige bitt [...]. – Der Hinweis auf den drohenden Untergang bei unterlassener Hilfe (bei Fugger: all mein haill in E. F. G. hande) findet sich auch als rhetorische Strategie ausgeführt bei Erasmus: De conscribendis epistolis, S. 210f. Albrecht V. an Wilhelm V., 06.03.1578, GHA Korrespondenz-Akten 606/III.
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monierte etwa sofort die geringfügig verzögerte Ankunft des Narren Randel am Hof,62 doch auch hier hat Wilhelm auf Hans’ Klagen hin nochmals eingegriffen, bis Albrecht sich zufrieden gab.63 Die Ebene des Gabentauschs unterstreicht die Bedeutung, die beide Seiten, Fugger wie Herzöge, der Verbindung München – Augsburg auch über Irritationen hinweg beimaßen; das bereits erwähnte heikle Pferde-Geschenk ist nur ein Beispiel. Kleine, dafür seltene Gaben, hat mit brieflichem Beleg Hans Fugger auch Albrecht V. und Wilhelm V. zum Geschenk gemacht, etwa fremdländisches Gemüse wie Artischocken und Blumenkohl, das 1568 in den Fuggerschen Gartenanlagen gedieh: Wiewol Ich gedenckhen kann, daß Eur Fl:[ürstlichen] Gn:[naden] dero nit bedurffen, so bitt Ich doch underthenig, die in Gnaden anzunemmen.64 Ob Fugger mit diesen ausgesuchten Genüssen Herzog Albrecht vielleicht in Sicherheit wiegen wollte, während er zeitgleich den Transfer einer vom Herzog begehrten Antiquität, des Amazonensarkophags, für sich über David Ott in Venedig vorbereitete, läßt sich nicht sagen, die zeitliche Überschneidung allein reicht als Indiz hier nicht aus.65 Daß den Herzögen diese Sendungen aus Augsburg nicht unangenehm waren, zeigt allerdings Albrechts baldige Bitte um weitere Lieferungen.66 Von den Motiven her durchsichtiger auf die Erhaltung Fuggerschen Wohlwollens angelegt erscheinen etliche Geschenke Wilhelms V. an Hans und Marx Fugger. Als dezente Ermunterung, weiterhin Darlehen zu gewähren, könnte man die Geschenke des Erbprinzen in den 1570er Jahren werten, also in seiner akuten ersten Finanzkrise. Hier sind die zeitlichen Überschneidungen tatsächlich frappierend: Dem herzoglichen Geschenk von Rotwild-Geweih an Hans und Marx im Dezember 1571 war kurz zuvor Hans Fuggers briefliche Versicherung vorausgegangen, dem Herzog weiterhin treu zu Diensten sein zu wollen – und das hieß 1571 nicht zuletzt, weiterhin die Verheimlichung der exorbitanten Ausgaben Wilhelms vor Albrecht V. zu betreiben, wie die Briefe Hans Fuggers vom Oktober und November des Jahres zusicherten.67 1572, 1574 und 1577 machte Wilhelm Fugger edle Pferde zum Geschenk. Wieder ergibt sich eine zeitliche Parallelität mit den Finanzplänen des Wittelsbachers: Im November 1571 hatte Wilhelm von den Fuggern ein neues Darlehen über 7.000 fl empfangen – rund acht Wochen später lesen wir in einem Brief Fuggers vom Plan 62
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Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 16.03.1578, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. – Hans Fugger kommentierte den Zorn Albrechts über den geringfügigen Anlaß in diesem Brief recht deutlich: diser gestalt wird mir peccatum mortale [Todsünde] sein, das anderen weniger als veniale [läßliche Sünde] ist. Vgl. Albrecht V. an Wilhelm V., 17.03.1578, GHA Korrespondenz-Akten 606/III. Vgl. Hans Fugger an Albrecht V., 22.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 297) [zitiert nach Christl Karnehm] sowie im identischen Wortlaut Hans Fugger an Wilhelm V., 22.08.1568, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger II (nicht foliiert). Über die Geheimhaltung des Sarkophag-Kaufs durch Fugger vor dem Herzog vgl. die Briefe an David Ott, 12.06.1568 (I 239) und 24.07.1568 (I 272), beide FA 1.2.5 H. 8. Erst im November 1568 war der Sarkophag dann sicher bei Hans Fugger eingetroffen, vgl. den Brief an David Ott, 27.11.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 327). Dazu ausführlich: Karnehm: Amazonensarkophag. Vgl. Hans Fugger an Albrecht V., 31.08.1568, FA 1.2.5 H. 8 (I 297). Vgl. dazu S. 366, 370.
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des Herzogs, ihm ein Pferd zu verehren.68 Im Oktober 1574 kam ein türkisches Roß vom Herzogshof nach Augsburg gerade wieder zur rechten Zeit: Hans Fugger wurde als Berater für das Projekt der Anleihe in Florenz beigezogen, um die drückendsten Schulden durch neue zu lindern.69 Und 1577 schließlich bezeichnete das Jahr, in dem Wilhelms Schulden mit 106.000 fl einen neuen Höchststand erreichten.70 Auch wenn Fuggers schriftlich oder mündlich überbrachter Dank nicht überliefert ist, so dürfte es Wilhelm V. doch ausgesprochen recht gewesen sein, wenn sein Augsburger Finanzier die edlen Gaben nicht nur als besonderen Gunsterweis betrachtete, sondern sich auch weiterhin – dem oben geschilderten Geschenkbeispiel Hans Ferenbergers vergleichbar – zur finanziellen Unterstützung seines Schuldners veranlaßt sah. Was die konkrete Nutzung der engen Verbindung zum bayerischen Erbprinzen anging, so hatte Hans Fugger Wilhelm schon einmal in einem wichtigen Projekt zusammen mit seinen Brüdern darum gebeten, seinen Einfluß geltend zu machen: 1572 begannen sie die grafschafft Möringen betreffend71 [Mering bei Augsburg] mit Albrecht V. um eine Verpfändung zu verhandeln. Die intensiven Bemühungen Hans Fuggers um Mering legen nahe, daß die – von den Fuggern vorher geprüften – grundherrlichen Einnahmen als durchaus lukrativ eingeschätzt wurden, und bezeichnenderweise gab es einen Mitbewerber um die Verpfändung.72 Sich einen einflußreichen Mittler zu suchen, um seine Ziele durchsetzen, konnte daher durchaus als angeraten erscheinen. Da es kein Briefzeugnis gibt, in dem Hans Fugger die Bitte um Unterstützung für die Meringsche Sache formuliert, sondern vielmehr Briefe, in denen von der Rolle Wilhelms als Makler bereits ausgegangen wird, war der Ausgangspunkt dieser Vermittlung vermutlich ein persönliches Gespräch bei einem der zahlreichen gegenseitigen Besuche. Wie die Fuggersche Korrespondenz mit Wilhelm ausweist, war die Verpfändung Merings Gegenstand ausgesprochen zäher Verhandlungen – Herzog Albrecht und seine Unterhändler scheinen jede Gelegenheit genutzt zu haben, die Pfandsumme in die Höhe zu treiben und noch ein zinsgünstiges Darlehen als ‹Dreingabe› zu erlangen.73 Fugger sah sich schließlich
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Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 25.11.1571, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I (I 612) sowie an denselben, 02.02.1572, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I (nicht foliiert). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 30.10.1574, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I [Dank für das übersandte Pferd] sowie Wilhelm V. an Hans Fugger, 29.11.1574, FA 48.4 (unfoliiert). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 15.04.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1083). So der Registraturvermerk eines Briefes Hans und Marx Fuggers an Albrecht V., 26.10.1572, BayHStA Fürstensachen 361, fol. 171f., hier 171v. – Zu den Merinigischen Gütern und ihrem Umfang vgl. Sebastian Hiereth: Die Landgerichte Friedberg und Mering. Text und Karte. München 1952 (HAB, Teil Schwaben 1), S. 11–22. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 26.09.1572. GHA Hofhaushaltsakten Nr. 15. Am 26.09.1572 berichtet Hans Fugger an Wilhelm V., Albrecht habe zu einem Pfandschilling von 75.000 fl zusätzlich noch ein zinsgünstiges Darlehen in derselben Höhe gefordert, während die Fugger nach Prüfung der Einkünfte jedoch nur eine Summe von 52.000 fl entrichten könnten, einen höheren Pfandschilling früher auch stets unter Vorbehalt entsprechend hoher Einkünfte aus Mering in Aussicht gestellt hätten. Vgl. GHA München, Hofhaushaltsakten 15.
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gezwungen, bei Wilhelm mehrfach energischen Einspruch gegen die herzoglichen Forderungen einzulegen und wollte schließlich in der Zeit, in der Wilhelm auf Reisen war, nicht über Mering verhandeln. Fugger argwöhnte, daß ein ungleiche würffl im spill sei, und glaubte nicht, daz ohn E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] presentia [ohne die Gegenwart Wilhelms V.] was fruchtbars in diser sachen außzurichten74 sei. Frappierend sind zeitliche Überschneidungen zwischen der jahrelangen Dienstbeflissenheit und ‹Komplizenschaft› Fuggers mit Wilhelm und dem Anliegen Mering: Der Brief vom 29. August 1572 führt vor, wie die verschiedenen Ebenen der Beziehung zum jungen Herzog in einem einzigen Schreiben zusammenliefen: Nicht unbedingt ungünstig konnte es sein, wenn Hans eröffnend auf Wilhelms Dank für eine kürzlich geliehene Geldsumme antwortete und schrieb, es sei ihm vasst [sehr] lieb daz E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] mit dem gelt so woll gedient sei, um dann im nächsten Satz damit fortzufahren, daß die Fugger in der Sache Mering genauso handeln würden, wie Wilhelm es anempfohlen habe. Und schließlich kamen noch die Fuggerschen Besorgungen und die Komplizenschaft mit Wilhelm in diesem Brief aufs Tapet: Alle Briefe für Wilhelm aus Italien, wo dessen Agenten für Kunst- und Luxusgüter für den Thronfolger tätig waren, werde Fugger vleissig und zu aigen handen [Wilhelms – und damit vor den Augen des Vaters verborgen, d. Verf. –] bestellen, darumb dürffen E. F. G. khein sorg haben.75 Und es traf sich doch wahrhaft gut, daß Hans Fugger Wilhelm kurz darauf im Oktober, als die Verhandlungen über Mering sich noch in der heißen Phase befanden, zusichern konnte, einen Teil von Wilhelms Schulden nicht auf dessen Konto erscheinen zu lassen,76 auf daß sein Vater keinen Verdacht schöpfe. Auch ein Brief von Marx Fugger in dieser Zeit bestätigte zunächst, bestimmte Ausgaben nicht regulär zu verbuchen, und leitete dann im nächsten Satz auf des Erbprinzen gnedige intercession in der Sache Mering über.77 Hans und Marx Fugger zeigten sich hier also ganz als die treuen Diener. Und so wußte Hans sich unter bestmöglicher Ausnutzung der rhetorischen Konventionen seiner Zeit schon vor den Meringer Verhandlungen formvollendet vor Wilhelm zu präsentieren: mögen E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] mir auch mit gnaden zutrauen, und sich genzlich versehen, daz sy an mir ainen underthenigen getreuen und willigen khnecht haben, und die zeit meines lebens haben werden.78
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Hans Fugger an Wilhelm V., 26.09.1572, GHA München, Hofhaushaltsakten 15. – Hans Fugger betont mehrfach, die entscheidenden Verhandlungen während Wilhelms Abwesenheit ruhen zu lassen, vgl. auch Hans Fugger an Wilhelm V., 18.09.1572, GHA München, Korrespondenz-Akten 607, Fugger I; ebenso am 20.09.1572, FA 1.2.6 H.13, pag. 268 (I 842). So Hans Fugger an Wilhelm V., 29.08.1572, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 25.10.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 859). Vgl. Marx Fugger an Wilhelm V., 25.10.1572, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 20.03.1572, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. Zu den Kernbegriffen treu, underthenig, willig, an die Fugger hier in gesteigerter Form anknüpft, vgl. auch die Vorgaben bei Frangk: Cantzley und titel buechlin. – Auch Lietzmann: Hans Fugger, S. 438 Anm. 13 betont, daß wir es hier mit einer deutlichen Steigerung
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Schon seit Jahren hatten sich die Brüder Fugger und insbesondere Hans mit den ihnen zur Verfügung stehenden Kapitalien – Geld, fachmännisches Knowhow und Ratschläge, Handelskontakte – für Wilhelm seit 1571 unter größtmöglicher Geheimhaltung79 eingesetzt und somit ihre Loyalität gegenüber dem jungen Fürsten erwiesen. Auch die emotionale Seite der Beziehung war mit Fuggerschen Ratschlägen zur Gesundheit Wilhelms80 und Geschenken81 nicht zu kurz gekommen. Und die Bemerkungen gegenüber Faktor Mair im Frühjahr 1572, man könne Wilhelms Besorgungsaufträge nicht einfach abschlagen, machen von daher einen guten Sinn: Das Bemühen Hans Fuggers mußte darauf gerichtet sein, sich gerade angesichts des problematischen Verhältnisses zu Albrecht V. ein ‹Guthaben› sozialen Kapitals bei Wilhelm aufzubauen und damit im Sinne Bourdieus über das vorhandene ökonomische, kulturelle und soziale Kapital der Fugger ihren ‹sozialen Kontostand› zu vermehren, und, um bei der Begrifflichkeit Bourdieus zu bleiben, sich damit symbolisches Kapital, also Reputation zu erwerben.82 Hier war dies die Reputation des zuverlässigen, verschwiegenen Dieners. Daß in den Augen von Hans und Marx Fugger eine Ablehnung von Krediten an den Thronfolger die ungnad Wilhelms hätte bedeuten können, dieser Furcht hat Marx in seinem Rechtfertigungsbrief an Albrecht V. nachträglich deutlich Ausdruck gegeben. Fuggers Finanzdienste und Besorgungen sollten daher mit größerem Nachdruck, als dies bisher in der Fuggerforschung geschehen ist, als eine an den Quellen sehr konkret nachvollziehbare und tatsächlich genutzte Möglichkeit des langfristigen «networking» betont werden, bei dem sich die Multiplexität der Beziehung zu Wilhelm, also die Vereinung verschiedener Interaktionsebenen, als Gelegenheit erwies, den Thronfolger an sich zu binden.83
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einer Ergebenheitsfloskel zu tun haben. Allerdings dürfen wir auch bei Wilhelm die genaue Kenntnis der rhetorischen ‹Spielregeln› der Zeit voraussetzen. Vgl. zu dieser Problematik Heiko Droste: Habitus und Sprache. Kritische Anmerkungen zu Pierre Bourdieu. In: ZHF 28 (2001), S. 95–120, hier S. 110–114. Die Geheimhaltung wird auch betont von Lietzmann: Hans Fugger, S. 439. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 04.02.1573 und 15.03.1573: GHA München, Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 19.12.1571, GHA München Korrespondenz-Akten 607 Fugger I (I 624) sowie an denselben, 20.11.1572, FA 1.2.6a H. 14 (I 874). Vgl. Bourdieu: Kapital. – Die Einschätzung der gegenseitigen Nutzung von Diensten für anderweitige Vorteile auch bei Karnehm: Regesten I, S. 49*. Obwohl Hilda Lietzmann eine Einwirkung auf Wilhelm als Hans Fuggers Ziel darstellt, insbesondere in der Sache Mering gegen den Einfluß Hans Jakob Fuggers, hat sie außer der Geheimhaltung von Wilhelms Anschaffungen nähere Zusammenhänge nicht weiter verfolgt, vgl. Lietzmann: Hans Fugger, S. 439–441. An dieser Stelle sei Frau Dr. Lietzmann für die freundlichen Gespräche im Geheimen Hausarchiv und für die damit verbundenen Hinweise zur Quellenrecherche herzlich gedankt. – In seiner Untersuchung zu den «Georg Fuggerischen Erben» hatte Hildebrandt ausschließlich mit Bezug auf die Geldgeschäfte der Fugger bereits 1966 die Ansicht geäußert, mit Krediten in den 1570er und 1580er Jahren sollten die Wittelsbacher für die grundherrlichen Ambitionen der Fugger – im Zusammenhang mit Mering – geneigt gemacht werden, vgl. Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben, S. 105, Anm. 103.
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Die Auseinandersetzungen um die Höhe des Pfandschillings zogen sich hin, bis die Fugger schließlich im Oktober 1572 bereit waren, für den Zuschlag auf Mering eine Summe von 100.000 fl zu bezahlen und herzogliche Schulden in Höhe von 17.000 fl zinslos noch um ein weiteres Jahr zu stunden.84 Fugger witterte hinter den schwierigen Verhandlungen, wie er Wilhelm gegenüber mehrfach betonte, eine Intrige gegen ihn und seine Brüder, und nannte den Verdächtigen auch beim Namen: Ich sorg nun man [gemeint ist Albrecht V.] werde zu Daufkirchen ratt suechen, so geht und felt alles in brunnen.85 Im Schloß Taufkirchen residierte kein anderer als der verhaßte Vetter Hans Jakob Fugger, Intimus Albrechts,86 und es gibt wohl kaum einen Zweifel, daß in Hans’ Augen der Vetter hinter der Verärgerung Albrechts V. steckte, die auf das 100.000 fl-Angebot für Mering folgte. Gegenüber Wilhelm beklagte Hans Fugger sich drei Wochen später nämlich bitter, daß er ein so ungnedig zuentbietten87 – eine derart ungnädige Behandlung – durch Albrecht nicht verdient habe, auch wenn der Fürst mit dem bisherigen Angebot für Mering nicht zufrieden gewesen sei. Empört betonte Fugger, daß er sich dergleichen von kaiser, khönig, und andern potentaten (denen wir auch nit jederzeit mit gelt gnueg thuen khönden)88 nicht habe gefallen lassen müssen! Wenn nun aber das Wort von Verleumdern – wohl Hans Jakob – bei Albrecht mehr gelte als das seine, sei es am bessten Ir F. G. [Albrecht] behalten Meringen89 und tue damit, was er wolle. Wenn wir Hans Fugger nicht gerade blinde Wut unterstellen wollen, die ihm diesen eigenhändig verfaßten Brief diktiert hat, so werfen seine unerhört deutlichen Worte, die ganz und gar nicht mehr in das Schema unterwürfiger Herr-und-Diener-Rhetorik eines fürstlichen Agenten passen wollen, ein bezeichnendes Licht auf die ausgesprochen enge Beziehung zu Wilhelm, in der eine ungeschminkte Aussprache wohl möglich schien. Allzu großen Effekt hatte der Fuggersche Protest anscheinend nicht: Schon im empörten Brief an Wilhelm deutete Hans Fugger ein neues Angebot an dessen Vater an, ohne genauere Summen zu nennen. Schließlich landeten die Fugger mit Abschluß des Pfandvertrags im März 1573 immerhin bei einer Summe von 114.000 fl – der Pfandschilling betrug 60.000 fl, und bei den restlichen 54.000 fl scheint es sich um einen zusätzlich gewährten Kredit gehandelt zu haben.90 Der Fuggerschen Idealvorstellung entsprachen diese Summen ganz sicher nicht. Wenn man aber be-
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Vgl. Hans und Marx Fugger an Albrecht V., 26.10.1572, BayHStA München, Fürstensachen 361, fol. 170f. sowie Hans Fugger an Wilhelm V., 28.10.1572, BayHStA München, Fürstensachen 361, fol. 172f. Hans Fugger an Wilhelm V., 28.10.1572, BayHStA München, Fürstensachen 361, fol. 172r. Vgl. Kellenbenz: Hans Jakob Fugger, S. 83. Hans Fugger an Wilhelm V., 18.11.1572, GHA München, Fugger II. Ebenda. Ebenda. Zum Pfandschilling vgl. BayHStA München, Kurbaiern Hofzahlamt, Hofzahlamtsrechnung 18 (1573), fol. 18v sowie Hans Fugger an Christoph Rosenbusch, 10.06.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1033) und an Hans Gaudenz von Spaur, 04.07.1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 1064).
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denkt, daß der Herzog im September einen Pfandschilling von 75.000 fl und nochmals 75.000 fl als Darlehen gefordert hatte, so war auch der Herzog um etliche tausend Gulden hinter seinen Maximalforderungen zurückgeblieben.91 Hatte nun Wilhelm überhaupt seinen Einfluß beim Vater zugunsten der Fuggerschen Interessen geltend gemacht? Man könnte ja durchaus spekulieren, daß der Erbprinz sich die Fuggerschen Wohltaten – heimliche Besorgungen und Kredite – gerne gefallen ließ, in der Sache Mering aber keinen Finger für seine Augsburger Bankiers rührte. Grundlegendes Problem bei der Suche nach Indizien für Wilhelms Verhalten ist die Tatsache, daß nur ein Bruchteil dessen, was zwischen den Fuggern und den Herzögen über Mering ausgetauscht wurde, schriftlich niedergelegt war, vielmehr häufig das persönliche Gespräch als Verhandlungsmedium genutzt wurde. Genauso scheint es sich mit der Kommunikation zwischen Wilhelm V. und Albrecht V. verhalten zu haben. Aus dem Briefwechsel der Herzöge aber geht immerhin klar hervor, daß die Sache Mering mehrfach ein Thema zwischen Vater und Sohn war, und dies spätestens seit dem August 1572, als die Verhandlungen angelaufen waren. In einem Brief Albrechts an den Erbprinzen erscheint die Verpfändung Merings an die Fugger als eine Art gemeinsames Projekt: [...] es soll auch dem, wie wir D.r L. [Deiner Liebden, d. h. Wilhelm] hievor, der hanndlung des pfanndtschillings wegen geschriben, nachgeganngen werden.92 Auch im Oktober deutete nichts darauf hin, daß Wilhelm offen als Fürsprecher der Fugger aufgetreten wäre; er berichtete Albrecht von einem Gespräch mit Hans Fugger in Schloß Friedberg, aus dem er aber nit sovil mercken [konnte], das was daraus wirdt93. Die hohen Forderungen Albrechts, die im November 1572 Fuggers eben beschriebenen brieflichen Zornesausbruch verursacht hatten, sorgten bis in den Februar 1573 hinein für Irritationen, aber auch hier erscheint Wilhelm in seinen Briefen an den Vater eher als dessen Co-Unterhändler denn als Fuggerscher Broker: Er berichtete über weitere Unterredungen mit Hans und Marx, in denen er aber als zäher Verhandlungspartner agiert habe.94 Er gab zu bedenken, daß die Fugger sich bei den gegenwärtigen herzoglichen Bedingungen fast spreizen95 würden und meinte schließlich, Albrecht werde villeicht mit ainem wort selbs mer ausrichten, als ich unnd der cantzler [Simon Eck] die gannz zeit her gethan.96 91
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Nach Fuggers Brief an Wilhelm V., 26.09.1572, GHA Hofhaushaltsakten 15, forderte Albrecht V. wie folgt: [...] demnach Ir F.[ürstlichen] G.[naden] dahin entschlossen, unß obberuertt guett Meringen [...] umb fl 75 tausend auf ein anzall jar ervolgen zulassen, doch daz wir derselben uber solchen pfandtschilling noch fl 75 tausent umb obberürertte verzinsung darlehen [...]. Albrecht V. an Wilhelm V., 25.08.1572, GHA Korrespondenz-Akten 606/III. Wilhelm V. an Albrecht V., 23.10.1572, GHA Korrespondenz-Akten 597/V, fol. 135r–136v, hier 135v. Vgl. Wilhelm V. an Albrecht V., 02.01.1573, GHA Korrespondenz-Akten 597/V, fol. 157r–158v, hier 157v: [...] her Hannßen hett es schier verschmacht [mißfallen, d. Verf.], das ich im es nitt wolt lassen guett sein. D.h. ‹heftig zur Wehr setzen›: Wilhelm V. an Albrecht V., 29.01.1573, GHA Korrespondenz-Akten 597 V, fol. 173r–174v, hier 173v. Wilhelm V. an Albrecht V., 29.01.1573, GHA Korrespondenz-Akten 597/V, fol. 173r–174v, hier 173v.
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Sicher festhalten können wir auf der Basis dieser Quellen also nur, daß Wilhelm in die Verhandlungen um Mering involviert war. Seinem Vater gegenüber gab er sich nach Auskunft der zitierten Briefe als Sachwalter herzoglicher Interessen; ob seine Ausführungen über die ablehnende Haltung der Fugger und der Appell zu persönlichen Verhandlungen Albrechts schon als Parteinahme für sie zu werten sind oder ob er mündlich nicht doch unauffällig zu ihren Gunsten zu agieren versuchte, muß offen bleiben. Vielleicht war ja auch die Fuggersche Hartnäckigkeit, die der Erbprinz gegenüber seinem Vater anführte, letzten Endes ausschlaggebend für den Erfolg, den die Verpfändung Merings für Hans und Marx sicher darstellte. Eine zu deutliche Parteinahme für die Augsburger konnte Wilhelm sich wohl auch kaum leisten, wollte er bei Albrecht nicht in den Verdacht geraten, mehr den finanziellen Belangen der Fugger als denen des Herzogtums dienen zu wollen. Angesichts der erheblichen Summen, um die es in diesem Falle ging, war wohl jeder Schritt sorgfältig zu überlegen. Hans und Marx Fugger schienen Wilhelm zu trauen, und daß er sich in anderen Angelegenheiten der späteren Jahre, z.B. nach dem Eklat wegen Anton Fugger 1578, für Hans verwendete, spricht dafür, daß er trotz der finanziellen Kalamitäten 1575–1577 durchaus als verläßlicher intercessor bei Hofe agieren konnte. Die Frage nach einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Fuggerscher Investition und herzoglicher Gegenleistung ist nicht ohne weiteres zu beantworten: Ob nun die jahrelangen Nachrichtenlieferungen, an die hier nochmals erinnert sei, die Besorgungsdienste und Kredite mit unsicherer Aussicht auf Rückzahlung, die Geheimnisse vor Albrecht und damit die Gratwanderung zwischen dem Wohlwollen des Sohnes und dem Zorn des Vaters durch die zahlreichen kleinen Hilfen Wilhelms und durch die Unterstützung im Fall Merings abgegolten waren, darauf gibt Hans Fugger in seinen brieflichen Äußerungen keine Hinweise. Zu bedenken ist allerdings die Langzeitperspektive: Nach wie vor war Hans Jakob Fugger, von dem Hans und Marx nur das Schlechteste argwöhnten, bis zu seinem Tod 1575 enger Vertrauter Albrechts, und nach wie vor war dessen Gesundheitszustand dauerhaft prekär. Wilhelm aber war – und wer wußte, wie bald schon? – der zukünftige Regent des bayerischen Herzogtums, und damit nicht nur verwandtschaftlich eng mit Habsburg verbunden.
D. Hans Fugger als intercessor 1. Bittsteller und ihre Anliegen Von 27 Personen wurde Fugger laut den überlieferten Briefen als Vermittler bei den bayerischen Herzögen in ihrem Sinne gebeten. Angesprochen wurde er von diesen Korrespondenzpartnern also in seiner Funktion als Vermittler bzw. Makler, der durch seine Verbindung zum Herzogshaus für sie eine Kontaktaufnahme ermöglichte, die ihnen auf direktem Weg nicht möglich oder ratsam erschien. Wie bereits 382
angedeutet wurde, ist für Hans Fugger sein vielfältiges Vermittler-Potential zu betonen. Auch Bittstellern, die nicht unbedingt sehr engen persönlichen Kontakt mit Hans Fugger pflegten, dürfte die enge finanzielle Verbindung mit Albrecht V. und mit Wilhelm V., die zahlreichen Besorgungsaufträge und die häufigen persönlichen Einladungen an den Herzogshof zumindest ungefähr bekannt gewesen sein. Hans Fugger konnte also bei seinem Engagement für Anliegen Dritter eigene Ressourcen bei den Herzögen in die Wagschale werfen, die einem von ihm geförderten Anliegen möglicherweise besonderes Gewicht verliehen, so daß sich seine Position nicht allein darauf beschränkte, als Übermittler oder ‹Bote› Bittgesuche am Herzogshof abzugeben.97 Die Personen, für deren Belange Hans Fugger sich einsetzen sollte, decken nahezu das gesamte ständische Spektrum der Fuggerschen Adressaten ab. Zu finden sind hier einfache Lakaien wie Christoph Laug, angestellt bei Hans Fuggers Sohn Marx, Faktoren und Agenten, Gelehrte und Kleriker, herzogliche Diener, und schließliche etliche Verwandte Fuggers, damit Angehörige des Adels – angefangen von seinen Neffen, den Grafen von Montfort, bis hin zu Burkhart Nothafft, einem Bruder von Fuggers Frau Elisabeth, und Philipp Haldermanstetten, einem Schwager Elisabeth Fuggers. Nothafft war jahrzehntelang herzoglicher Pfleger in Rottenburg an der Laaber bzw. in Braunau am Inn, bekleidete also ein bayerisches Verwaltungsamt. Für einen Mann wie Nothafft ist durchaus zu vermuten, daß er Verbindungen zu mehreren potentiellen Fürsprechern am Herzogshof hatte. Wenn sich nun also auch er 1581 mit einem Anliegen wie der Einstellung eines eigenen Richters für seine bayerische Pflegschaft an Fugger wandte, um herzogliche Unterstützung zu erlangen, dann darf man davon ausgehen, daß er sich gerade von der Vermittlung Fuggers Erfolg für sein Unternehmen versprach und den Schwager als eine Person mit Einfluß bei Herzog Wilhelm schätzte. Fuggers soziales Kapital, seine Verbindung zu den Herzögen, wirkte also auf sein Ansehen, sein symbolisches Kapital zurück; beitragen hatten im Falle Nothaffts vielleicht auch schon erfolgreiche Vermittlungstätigkeiten Fuggers in der Vergangenheit, von denen noch die Rede sein wird: die Anzahl geglückter Makleraktionen konnte sich, wie auch Bourdieu betont, nur förderlich auf Fuggers Attraktivität als intercessor auswirken und war eine Möglichkeit, das eigene Beziehungsnetz weiter zu stärken beziehungsweise auszubauen.98 Vielfältig wie die Herkunft der Bittsteller waren auch die Anliegen, die Fugger zur Weiterleitung an die Herzöge vorgetragen wurden. Mit Abstand am häufigsten ist die Bitte um Vermittlung einer Anstellung bei Hof bzw. in der landesherrlichen Verwaltung.99 Mal sind es Musiker wie Augustino Reggio, dem Fugger auf
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Vgl. Kettering: Patrons, S. 56f. Vgl. Pierre Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt/M. 1976 (Originaltitel: Esquisse d’ une Théorie de la Pratique, précédé de trois études d’ ethnologie kabyle. Genève 1972), S. 348. Zwölf der insgesamt 27 Personen, die einmal oder mehrfach Hans Fugger um BrokerDienste baten, strebten den Dienst bei den Herzögen an oder sorgten sich – wie in einem Fall – um den Erhalt ihrer Stellung.
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Betreiben von Herzog Ferdinand 1569 ein Empfehlungsschreiben für Albrecht V. ausstellte, oder wie Hans Jakob Trechsel, kaiserlicher Kammermusiker, dessen Wunsch nach einem Wechsel an den Hof Wilhelms V. Hans Fugger 1582 brieflich anzeigte.100 Insbesondere seinen Verwandten war Fugger bei den Bemühungen um ein herzogliches Amt behilflich, so etwa 1580 im Fall seines Schwagers Hans Gaudenz von Spaur, der eine bayerische Pflegschaft anstrebte,101 oder für seinen Neffen Anton von Montfort, der 1583 von Herzog Wilhelm V. – allerdings vergeblich – die Verleihung der Propstei Altötting erhoffte.102 An zweiter Stelle steht die Erweiterung von Herrschafts- bzw. Amtsrechten, so etwa, wenn Fugger sich für die Gewährung des Jagdrechts für Herrschaften auf bayerischem Territorium einsetzte,103 den Erwerb einer Herrschaft zu befördern versuchte oder für die erwähnte Einstellung eines Richters für die Pflegschaft seines Schwagers Nothafft plädierte. Fuggers Einsatz für die Restitution der Güter Joachims von Ortenburg stellt hier den mit Abstand heikelsten Fall Fuggerscher Maklertätigkeit dar, der gesondert behandelt werden soll. Für Agenten bzw. Faktoren wie David Ott oder Christoph Hörmann versuchte Hans Fugger, die Entlohnung von Diensten für die Herzöge – insbesondere im Zusammenhang mit den Ankäufen von Kunst und Pretiosen – durch die Empfehlung für zusätzliche herzogliche vererungen104 zu verbessern.105 Schließlich wurde Fugger bei juristischen Problemen um Vermittlung bei Herzog Wilhelm angegangen. Anna Fugger hoffte auf Unterstützung in einer Erbschaftssache; sie bekam zwar keine direkte Hilfe von Hans, erhielt aber aus seinem reichen Beziehungswissen, wie man sich an wen zu wenden habe, klare Ratschläge, über eine Empfehlung von Herzog Wilhelm V. auf ein Verfahren am Kaiserhof zu dringen.106 Bei Christoph Laug, Diener von Hans Fuggers Sohn Marx, ging es noch um ernstere Angelegenheiten: Dieser Lakai hatte augenscheinlich 1585 in Regensburg einen Mann zu Tode gebracht – die Umstände gehen aus Fuggers Briefen nicht hervor – und saß in Regensburg im Gefängnis. Die Witwe des Toten erklärte sich mit der Zahlung eines ‹Schmerzensgelds› von 100 fl einverstanden, und Hans
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Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 20.11.1582, FA 1.2.12a H. 45 (II/2 2222). Trechsels Wechsel zu Wilhelm V. glückte; bis 1592 ist er als Zinkenist und Kammerdiener am bayerischen Hof nachgewiesen, vgl. ebenda. Vgl. Hans Fugger an Hans Gaudenz von Spaur, 09.07.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1646). Vgl. Hans Fugger an Anton von Montfort, 07.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2313) sowie an Wilhelm V., 14.05.1583, FA 1.2.12b H. 48 (II/2 2316). Vgl. Hans Fugger an Johann Tonner, 14.01.1581, FA 1.2.11 H. 39 (II/1 1829) [Erlangung des Jagdrechts für Gut Chieming von Wilhelm V.] sowie an Hans Honold, 04.05.1584, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1966) [Jagdrecht am Staffelsberg für Hans Honold]. Vererung hier im Sinne von ‹Geschenk›, vgl. Grimm: Deutsches Wörterbuch XII,I, Sp. 271. Zu Ott vgl. Hans Fugger an Albrecht V., 03.04.1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 409), zu Hörmann: Hans Fugger an Wilhelm V., 05.11.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1764). Bitten um Verehrungen für Besorgungen von Korallen u.ä. für die Herzöge stellte Fugger auch für die Agenten Niklas Heller und Christoph Rhem aus, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 09.08.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 814). Vgl. Hans Fugger an Anna Fugger, 20.05.1592, FA 1.2.16a H. 88 (II/2 3240) sowie an dieselbe, 16.04.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3383).
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Fugger übernahm es, Herzog Wilhelm um die Befreiung aus der Haft anzugehen, was schließlich auch geschah.107
2. Strategien des intercessors Aus der oben angeführten Vielzahl der Fälle, in denen Hans Fugger als Vermittler angerufen wurde, sollen nun wenige Beispiele ausführlicher dargestellt werden. Zum einen sind grundlegenden Strategien zu präsentieren, mit denen Fugger zu Werke ging, zum anderen soll demonstriert werden, daß Fuggersche Maklertätigkeit nur zu oft eine enge Verbindung mit genuin Fuggerschen Interessen einging – die Profite des intercessors sind also stets im Auge zu behalten. Für die Argumentation und Formulierung der jeweiligen Anliegen sollen wieder Erasmus’ De epistolis conscribendis für die humanistische Brieflehre sowie die bereits vorgestellten volkssprachlichen Brieflehren Wegweiser und Vergleichsobjekt für Fuggers Umsetzung von Bitte und Empfehlung sein. Zunächst mußte ein Anliegen, wie auch Erasmus betonte, natürlich gut begründet sein.108 Schlagendstes Argument war, wie bereits gesehen, die Qualifikation des Bittstellers. Ein Beispiel dafür bietet Fuggers Empfehlung für seinen ehemaligen Präzeptor, Dr. Laurentius Sifanus, auf eine Professur an der Universität Ingolstadt. Hans Fugger ließ 1569 in seinem Brief an Albrecht V. Sifanus’ Karriereweg nochmals in seinen wichtigsten Etappen aufscheinen: Mit der Tätigkeit als Fuggerscher Präzeptor, mit Auslandserfahrung und bisheriger Lehrtätigkeit konnte Fugger auf eine schöne Leistungsbilanz verweisen, und tatsächlich erhielt Sifanus die angestrebte Professur für Griechisch verliehen.109 Ausführliche Darstellungen Fuggers zu den Fähigkeiten der von ihm auf eine Stelle bei Hof Empfohlenen finden wir darüber hinaus in Briefen an Wilhelm V.,110 und nach demselben Muster verfuhr Fugger bei seinem Neffen Wolf von Montfort, für den er bei Herzog Ernst von Bayern ein Benefizium zu erreichen versuchte.111 Mit der Empfehlung einer wahrhaft geeigneten Person erwies sich Fugger quasi ein weiteres Mal als getreuer Diener seines Herrn; mangelhaft ausgeführte Tätigkeiten eines Fuggerschen Protegés aber konnten den Broker in Schwierigkeiten bringen, weshalb Hans Fugger sich schon im voraus gegen solche Risiken abzusichern versuchte: Allein mit verwandtschaftlicher Fürsorge sollten wir es nämlich nicht erklären, wenn Fugger seinem chronisch verschuldeten Schwager Christoph Ro107
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Vgl. Hans Fugger an Burkhart Nothafft, 26.07.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2849) sowie an Marx Fugger d.J., 03.08.1585, FA 1.2.14a H. 61 (II/2 2855). Erasmus: De epistolis conscribendis, S. 206 zur Begründung der Bitte: A re, si docebimus eam piam esse, iustam, honestam, nobis necessariam, illi [dem Gebetenen] facilem et honorificam. Vgl. Hans Fugger an Albrecht V., im August 1569, FA 1.2.5 H. 9 (I 482), vgl. auch Karnehm: Regesten I, S. 208, Anm. 4. Vgl. etwa Hans Fugger an Wilhelm V., 03.05.1574, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I [Empfehlung für Hans Ulrich von Stadion]. Vgl. Hans Fugger an Herzog Ernst von Bayern, 03.11.1576, FA 1.2.8b H. 27 (II/1 990).
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senbusch gegenüber 1580 anmerkte, einen Hof-Dienst, den ir nit khindten varsteen [verstehen], werde der Schwager mit Fuggers treuen intercession und underthenig fürbitt doch sicher nicht anstreben wollen, habe Rosenbusch davon allein menig spott zu befürchten.112 Auch wenn das Engagement für Verwandte als eine ganz besondere Verpflichtung gehandelt wurde, wie die Forschung zu Patronage und Nepotismus häufig hervorhebt,113 so sah Fugger sich den Wünschen des Schwagers nicht ausgeliefert; es ist anzunehmen, daß Hans Fugger hier nur zu klar sah, daß er bei einem Scheitern Rosenbuschs in Gefahr war, seine Reputation bei Hof zu beschädigen. Ex negativo funktionierte dasselbe Argument beim Schwager Nothafft, der, so Fugger gegenüber Wilhelm V., seinen vielen Verpflichtungen als Pfleger gar nicht ordnungsgemäß nachkommen könne, wenn er zur Entlastung nicht noch einen Richter einstellen dürfe.114 Und schließlich gliedert sich die Bitte um Verehrungen für Besorgungen ebenfalls diesem Muster an. Um seiner Bitte für Niklas Heller und Christoph Rhem besonderen Nachdruck zu verleihen, ergänzte Fugger sein Ansuchen bei Wilhelm V. 1572 um die kluge Erinnerung, daß der Erbprinz schließlich beider auch in Zukunft für derartige (verschwiegene) Dienste bedürfe.115 ‹Klassisch› im Sinne der Brieflehre war der Hinweis auf die persönliche Verpflichtung Fuggers einem Bittsteller gegenüber. Erasmus zählte hier besondere Vertrautheit, Gastfreundschaft, Verwandtschaft, Landsmannschaft, gemeinsame Studienzeit oder allgemein besondere Wertschätzung auf.116 Diese Verpflichtung galt dabei durchaus nicht nur für Familienmitglieder, sondern genauso für Freunde und verdiente Bekannte. Für seinen sonder guet freundt117 Georg Hopfer suchte Fugger 1573 Unterstützung bei Albrecht V., damit Hopfer mit des Herzogs Empfehlung an den Augsburger Bischof Höfe in Bobingen erwerben konnte. Und für den Gelehrten Dr. Jeremias Merz, der bei Herzogin Anna 1576 in Ungnade gefallen war, sollte sich schließlich Wilhelms jüngerer Bruder, Herzog Ferdinand, bei der Mutter verwenden, da Hans Fugger Merz durch ihre langjährige Bekanntschaft schließlich verpflichtet sei.118 Doch langjährige Bande, verwandtschaftliche eingeschlossen, reichten für ein wahrhaft überzeugendes Empfehlungsschreiben nicht immer aus. Bereits zitierte Briefe, unter anderem an David Ott, haben verdeutlicht, daß es durchaus angezeigt sein konnte, dem Gebetenen offen einzugestehen, daß man die Vermittlung nur unter Zwang unternehme,119 schon, um die eigene Position klarzumachen, auch im
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Hans Fugger an Christoph Rosenbusch, 01.02.1580, FA 1.2.10 H. 34, pag. 74 (II/1 1519). – Daß die Empfehlung von Kandidaten für den Broker bzw. Patron nicht unabhängig von der Qualifikation gesehen werden durfte, betont auch Papenheim: Karrieren, S. 270. Vgl. Droste: Patronage, S. 565–569. Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 13.12.1581, FA 1.2.11 H. 42 (II/2 1998). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 09.08.1572, FA 1.2.5 H. 13 (I 814). Vgl. Erasmus: De epistolis conscribendis, S. 210–212. Hans Fugger an Albrecht V., 26.11.1573, FA 1.2.9a H. 29 (II/2 1228). Hans Fugger an Ferdinand, 29.05.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 841). Vgl. Erasmus: De epistolis conscribendis, S. 220: quam hoc officium extorquetur a nobis.
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Sinne späterer Verantwortlichkeit. Ein hervorragendes Beispiel ist die ‹Fürsprache› im Fall des Georg Albrecht von Haldermanstetten, Sohn eines Fuggerschen Schwagers.120 Für Georg Albrecht, 17 oder 18 Jahre alt, bat sein Vater Philipp von Haldermanstetten um eine Aufnahme am Hofe des jungen Wilhelm in der Silberkammer bzw. als Edelknabe, und das Ergebnis seiner Bemühungen liest sich in einem Brief, den Hans und Marx Fugger gemeinsam abfaßten, wie folgt: Wir [Hans und Marx Fugger] haben auf starkh anhallten des edlen und vesten Philips von Haldermanstetten nit underlassen khinden, ime dise fürschrifft gegen E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] mitzuthaillen [hier: zu übergeben]. Wilhelm solle den Jungen jedoch nur aufnehmen, wenn er ihn wirklich gebrauchen könne, und den Fuggern die Fürbitte zu khainen ungnaden vermerken, quia rogati rogamus.121 Der gesamte Brief ist distanziert und knapp gehalten, von einer warmen Empfehlung, gar von der Anführung besonderer Qualifikationen, kann keine Rede sein. Vielmehr zogen sich die Fugger schon aus der Rolle des intercessors zurück, indem sie den Druck zur Ausstellung der Empfehlung betonten (auf starkh anhallten) und sich als Übermittler zeigten, die eine Bitte nur weitergaben, aber nicht aus eigener Überzeugung förderten (quia rogati rogamus). Auch Fuggers Schreiben an Wilhelm wegen der Indienstnahme des Musikers Trechsel ist ein Beispiel für die Abstufungen und Zwischentöne, die einem Broker zur Verfügung standen. Mit der Bemerkung, er wolle nur auf Trechsels Wunsch nach einer Anstellung bei Hof aufmerksam gemacht haben,122 bewegte Fugger sich ebenfalls am untersten Ende einer Skala, die mit «Empfehlung» überschrieben werden könnte. Eine eindeutige Parteinahme für Trechsel war aus dieser Äußerung ebensowenig abzulesen wie eine klare Ablehnung – Hans Fugger hielt sich aus der Sache geschickt heraus. Natürlich waren dem Herzog gegenüber bestimmte sprachliche Wendungen unerläßliche Zutat, wollte man einem Anliegen zum Erfolg verhelfen oder sich angemessen bedanken. Die Kernbegriffe der Brieflehren fielen auch bei Hans und Marx Fuggers Eintreten für ihre Neffen Montfort. Als besonders problematisch stellte sich der bereits erwähnte Herrschaftsantritt in der Grafschaft Montfort heraus. Gegen die von Kaiser Maximilian verfolgte Belehnung Erzherzog Ferdinands mit der Grafschaft machte nun die Fuggerverwandtschaft ihren Kunden Wilhelm V. mobil.123 Wilhelm V. fertigte eine entsprechende Supplik an Ferdinand aus und die Sache kam zum gewünschten Erfolg. Stilsicher, aufwendig und ganz im Einklang mit den Brieflehren der Zeit formulierten Hans und Marx den obligatorischen Dank und das damit verbundene Dienstangebot für sich und ihre Neffen:
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Haldermanstetten war Hofmeister des Klosters Seligenthal bei Landshut. Zur biographischen Notiz vgl. Karnehm: Regesten I, S. 201 (Anm. 1 zu I 466). Marx und Hans Fugger an Wilhelm V., 20.12.1572, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. Hans Fugger an Wilhelm V., 20.05.1582, FA 1.1.12a H. 45 (II/2 2222). Wilhelms Mutter Anna war die Schwester Erzherzog Ferdinands; Wilhelms Schwester Marie heiratete 1571 ihren Onkel, Erzherzog Karl von Innerösterreich. Vgl. dazu Hamann: Habsburger, S. 54f., 87f.
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[...] unnd thun von unnserer jungen vetter wegen, desgleichen für uns selbst, Eurer F.[ürstlichen] G.[naden] hievorigen, und jezigen erzaigten gnedigen befürderung, uns ganz underthenigelich bedanckhen, wellen auch gedachte unnsere vettern dahin weisen, das sy dieselben gnaden, die inen verhoffenlich zu aller wolfart gelangen werden, umb Eur F.[ürstlichen] G.[naden] zuverdienen sich gehorsamblich beflaissen, wie wir dann ebenmesig zu ainem sollichen inn unnderthenigkhait willig und berait sein.124 [Hervorhebung d. Verf.]
So vielfältig wie die Anliegen und Bittsteller präsentieren sich also auch Fuggers Überlegungen und Strategien, den Angelegenheiten Dritter bei den Herzögen Gehör zu verschaffen. Deutlich wird hier wiederum, daß Fugger die rhetorischen Strategien seiner Zeit unter Einbindung bekannter Formeln meisterhaft beherrschte. Wenn Fugger mit einem riskanten Vermittlungsversuch Gefahr lief, das Verhältnis zu den Herzögen und damit seine eigenen Interessen empfindlich zu beeinträchtigen, griff er durchaus je nach Fall zu mehr oder weniger deutlichen Worten, um seine eigene Verantwortlichkeit oder Motivation auch den Herzögen gegenüber klarzustellen. Interessensgleichheit bei Bittsteller und Herzog waren natürlich die beste Voraussetzung für die Vermittlungstätigkeit Fuggers. Von diesem Fall können wir bei der Etablierung des Jesuitenkollegs St. Salvator in Augsburg ausgehen, gehörten doch Albrecht V. und Wilhelm V. zu den entschiedenen Förderern des Ordens; seit 1556 lehrten die Jesuiten in Ingolstadt, 1563 war in München ein Jesuitenkolleg gegründet worden.125 Wie bereits im Zusammenhang mit dem Kalenderstreit kurz dargestellt, ging die Bedeutung der Gründung dieser jesuitisch geführten Bildungseinrichtung weit über erzieherische Aspekte hinaus: Sie sollte die katholische Position in der überwiegend protestantischen Reichsstadt weiter befestigen und ausbauen. Das Projekt wurde zwar schon seit den 1560er Jahren verfolgt, war aber immer wieder, insbesondere durch die Gegnerschaft des Domkapitels, das den jesuitischen Einfluß nicht dulden wollte, zu Fall gebracht worden. Ganz offen engagierten sich die Fugger für die Jesuiten, und dies nicht nur durch zahlreiche Schenkungen, etwa der Ursula Fugger, die unter Canisius’ Einfluß zum Katholizismus konvertiert war, sondern 1564 auch durch eine Petition an Kardinal Otto Truchseß von Waldburg, Bischof von Augsburg, die von Marx und Georg Fugger, Georg und Melchior Ilsung unterzeichnet war.126 In den Kopierbüchern ist ein Engagement Hans Fuggers für das zu gründende Kolleg erstmals im Jahr 1573 nachzuweisen.127 Aus demselben Jahr datiert seine erstmalige Bitte an Wilhelm V., er möge die Sache des Kollegs durch Empfehlungsschreiben an seinen Bruder Ernst von Bayern, Bischof von
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Hans und Marx Fugger an Wilhelm V., 03.11.1576, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. Vgl. zu Dank und Dienstangebot [Fruck, Ludwig:] Teutsch Formular vnnd Rhetoric/ In allen Gerichts händeln. Kunst vnd Regel der Notarien vnnd Schreiber. Tittel vnd Cantzley Büchlin […]. Frankfurt 1571, fol. 182r sowie Erasmus: De epistolis conscribendis, S. 214. Vgl. hierzu die prägnante Zusammenfassung durch Baer: Jesuitenkolleg. Zur Petition Baer: Jesuitenkolleg, S. 19. Über Ursula Fugger informiert Schad: Frauen Fugger, S. 32–39. Der erste Brief zum Kolleg, für das Fugger durch den Tod des Kardinals Waldburg 1573 zu Recht weitere Behinderung fürchtete, ging an Nikolaus Elgard, 15.04.1573, FA 1.2.6a H. 15 (I 966).
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Freising, und an den Augsburg Bischof Johann Eglof von Knöringen befördern. Bezeichnenderweise wollte Fugger, der in dieser Sache mit den päpstlichen Nuntien Gropper und Portia in Kontakt stand,128 sich 1573 in dieser Sache noch nicht zu sehr exponieren, bat er doch den Herzog, seinen Namen bei der Empfehlung nicht zu erwähnen.129 Fugger sah sich offenbar in der Rolle des Berichterstatters über den Stand der Dinge nach Rom; diese Tätigkeit geht allerdings nicht aus der Kopierbuch-Überlieferung hervor, war also vermutlich einem anderen Schreiber anvertraut oder beruhte weitgehend auf eigenhändiger Korrespondenz.130 Das Engagement der Bayernherzöge sollte dem Unternehmen des Kollegs mehr Gewicht verleihen, und so versuchte Fugger 1574 zusammen mit Portia, Wilhelm als Abgesandten seines Vaters zu gewinnen und umb meres ansehens willen131 beim widerspenstigen Domkapitel für die Jesuiten zu werben. Trotz der hochgestellten Fürsprecher und der Fuggerschen Bemühungen war die Etablierung des Kollegs erst ab 1580 auf der Basis einer Schenkung Philipp Eduard und Octavian Secundus Fuggers aus der Hinterlassenschaft des 1579 verstorbenen Christoph Fugger möglich; Herzog Wilhelm war überdies durch Stellung von Sicherheiten für die ausgestellte Summe zum Unterhalt des Kollegs behilflich,132 und Hans Fugger trug über die Finanzierung von Baumaterialien sein Scherflein zur raschen Errichtung der Jesuitenschule bei.133 Neben der herzoglichen Unterstützung für das Augsburger Jesuitenkolleg stellt der Konflikt zwischen Joachim von Ortenburg und den bayerischen Herzögen den einzigen Fall dar, in dem Fugger sich als intercessor in wahrhaft politischen Dimensionen betätigte. Ausgangspunkt des Konflikts waren 1563 die vergebliche Forderung nach Freigabe der Augsburgischen Konfession durch eine Adelsopposition unter der Führung Ortenburgs und die Einführung der Reformation in seiner Grafschaft gewesen – umgeben von bayerischem Territorium, weshalb Albrecht V. Gefahren für die konfessionelle Einheit seines Herzogtums wie für seine Herrschaft sah. Im Lauf des Konflikts waren Alten- und Neuenortenburg von bayerischen Truppen besetzt und die landsässigen Güter Joachims von Ortenburg eingezogen worden, worauf die Sache vor das Reichskammergericht bzw. vor den Kaiser kam. Auch der Verschwörung gegen den Herzog wurde Joachim bezichtigt.134
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Für den Kontakt zum Nuntius Gropper vgl. Hans Fugger an Nikolaus Elgard, 24.11.1573, FA 1.2.6b H. 17 (I 1227), von einer persönlichen Unterredung mit Nuntius Portia wegen des Kollegs zeugt Fuggers Brief an Wilhelm V., 28.12.1574, FA 1.2.7 H. 20 (II/1 304). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 28.07.1573, FA 1.2.6b H. 16 (I 1099). – Da Fugger seit Ende der 1560er Jahre mit Johann Eglof vor dem Reichskammergericht wegen strittiger grundherrlicher Rechte prozessierte, wollte er vermutlich auch deshalb eher im Hintergrund bleiben. Vgl. hierzu Hörner, Ksoll-Marcon: Reichskammergericht, Nr. 3740. Vgl. Hans Fugger an Vitus Müller, 24.04.1574, FA 1.2.7.1 H. 18 (II/1 87). Hans Fugger an Wilhelm V., 28.12.1574, FA 1.2.7 H. 20, pag. 475f. (II/1 304). Vgl. Baer: Jesuitenkolleg, S. 19. Lill: Hans Fugger, S. 26 führt für das Jahr 1582 eine Abrechnung Hans Fuggers an, laut der Baumaterialien im Wert von rund 2.800 fl zur Verfügung gestellt wurden. Vgl. jüngst Ullmann: Lange Bank, S. 173–194; Heil: Reichspolitik Bayerns, S. 258–267, 590–592, beide mit zahlreichen Literaturhinweisen.
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Von Hans’ Aktivitäten zugunsten des Verwandten – Joachim war verheiratet gewesen mit Hans’ Cousine Ursula Fugger (†1570), die gemeinsam mit ihrem Ehemann zum lutherischen Glauben übergetreten war – verlautet in seinen Briefen an Wilhelm V. interessanterweise keine Silbe. Da Fuggers Vermittlungstätigkeit nach dem Zeugnis seiner Briefe an andere Adressaten erst unmittelbar nach dem Tod Albrechts V. eingesetzt hat, besteht die Möglichkeit, daß eigenhändige Briefe Hans’ zu diesem Thema, die nicht in die Kopierbücher aufgenommen wurden, verschollen sind.135 Da aber in den immerhin 149 Kopierbuch-Briefen an Wilhelm ab 1580 die Sache Ortenburg nicht einmal en passant erwähnt wird, ist viel eher zu vermuten, daß diese brisante Angelegenheit nicht eine Sache des Briefverkehrs zwischen dem Herzog und Fugger war, sondern in persönlichen Unterredungen am Hof behandelt wurde. Bezeichnenderweise war nämlich das Thema Ortenburg in den Kopierbüchern gegenüber anderen Adressaten, etwa in Briefen an Joachim von Ortenburg selbst136 oder im Briefkontakt mit dem bayerischen Kanzler Elsenheimer137 keineswegs tabu, sondern wurde offen diskutiert. Doch finden sich in solchen Briefen bezeichnenderweise ausschließlich Hinweise auf mündliche Unterredungen Fuggers mit dem Herzog zu dieser Problematik.138 Die Inhalte waren in der Tat recht brisant, und so hat Fugger Ortenburg einmal mitgeteilt, daß er ihm nicht alles, was er in dieser Sache denke, auch schreiben könne.139 Insgesamt ist es wenig wahrscheinlich, daß Fugger Briefe namhafter Zahl an Wilhelm zu dieser Angelegenheit geschrieben hat, aber gezielt nicht ins Kopierbuch eintragen ließ. Einiges aus der Ortenburg-Korrespondenz der Kopierbücher soll hier dennoch aufgenommen werden, da sich zwar nicht direkt aus Briefen Fuggers an Wilhelm, aber zumindest indirekt durch Hans Fuggers Berichte an Dritte Hinweise auf seine generelle Verhandlungsstrategie ergeben, die für seine Person als höchst bezeichnend erscheinen. Um zu verhindern, daß Ortenburg seine bayerischen Besitzungen endgültig verlor und sich vor dem Reichskammergericht immer weiter in Prozesse verstrickte, sollte Graf Joachim sich in den Augen Fuggers seiner religiösen schwirmerej140 begeben und angesichts seiner verfahrenen Lage mehr nach dem real Erreichbaren als nach dem ordentlich recht141 sehen. In diesem Sinne hatte Hans Fugger seinen Aussagen zufolge auf einen Kompromiß mit dem Herzog hinwirken und 135
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Das BayHStA verzeichnet in seinen Repertorien zwar bei den Fürstensachen unter der Nr. «zu 441» Korrespondenz Wilhelms V. mit Hans und Octavian Fugger, 1572–1591, doch die Archivsignatur hat sich nach Prüfung als irreführend erwiesen (enthalten ist herzogliche Korrespondenz mit dem Abt von Kloster Tegernsee). Der Bestand muß nach freundlicher Auskunft der Fachbetreuer daher als verloren betrachtet werden. Vgl. dazu etwa Hans Fugger an Joachim von Ortenburg, 07.04.1580, FA 1.2.10 H. 35 (II/1 1577) sowie an denselben, 22.09.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1713). Elsenheimer war seit 1574 bis zu seinem Tod 1589 bayerischer Kanzler. Vgl. Lanzinner: Fürst, S. 330f. So Hans Fugger in seinen Briefen an Hans Gaudenz von Spaur, 09.07.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1646) sowie an Christoph Elsenheimer, 25.08.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1691). Vgl. Hans Fugger an Joachim von Ortenburg, 22.09.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1713). Hans Fugger an Johann Rümelin, 18.05.1592, FA 1.2.15b H. 88 (II/2 3237). Hans Fugger an Joachim von Ortenburg, 22.09.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1713).
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Ortenburg gar in die Regierung unter Wilhelm bringen wollen, sah seine Bemühungen jedoch durch Ortenburgs klare konfessionelle Haltung blockiert.142 Hans gab daraufhin in Absprache mit Joachim seine direkte Vermittlung beim Herzog für ihn auf, stand ihm aber später weiterhin mit seinem Rat zur Seite.143 Fuggers Unverständnis gegenüber der religiös unbeirrbaren Haltung Ortenburgs erinnert sehr an den konfessionellen Standpunkt, den wir schon aus seinen Nachrichten zu den Niederlanden und der protestantischen wie calvinistischen Partei im Reich kennen.144 Nicht umsonst hat er Joachim von Ortenburgs Position mit der ‹Sturheit› der calvinistischen Niederländer verglichen, die seiner Meinung nach lieber den Untergang der Provinzen riskierten, als sich auf einen in ihren Augen faulen konfessionellen Kompromiß einzulassen.145 Um so mehr ist es Fugger als Verdienst anzurechnen, daß er sich überhaupt für Ortenburg engagierte und das ‹heiße Eisen› in Unterredungen mit Wilhelm anfaßte – Ursula Fuggers Brüder, insbesondere Hans Jakob, hatten eine Intervention noch zu Zeiten Albrechts V. ganz klar abgelehnt, Hans Jakob verleugnete vor seiner Schwester gar seine Kenntnis der Sachlage.146 Nicht umsonst wagte sich wohl Hans erst mit dem Tod Albrechts Ende 1579 an dieses Unternehmen, da er augenscheinlich auf sein immer noch stabiles Verhältnis zu Wilhelm baute.147 Evident ist hier die Bedeutung der persönlichen, mündlichen Unterredung mit dem Herzog in einem besonders gelagerten Fall: Sicher mag Geheimhaltung hier ein Aspekt gewesen sein, doch sollte nicht vernachlässigt werden, daß ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht auch wichtige Vorteile zu bieten hatte: Im Gegensatz zum Phasenverzug als bestimmendem Merkmal des Briefs konnte im Gespräch ein aufkeimendes Mißverständnis sofort bereinigt werden und man konnte die aktuelle Gestimmtheit des Gegenübers erschließen – Vorteile, die sich wohl auch Hans Fugger zunutze gemacht haben dürfte. Ein weiterer Fall, in dem Hans Fugger mehrfach auf mündliche Verhandlungen verwies, war ein ausgesprochen heikler Vermittlungsfall Fuggers – hier sah sich Fugger in gewisser Weise sogar veranlaßt, sich vom Vorwurf einer Mitschuld an zweifelhaften Praktiken eines Höflings zu entlasten.
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Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 19.03.1580, FA 1.2.10 H. 35 (II/1 1564), an denselben auch am 25.07.1583, FA 1.2.14a H. 60 (II/2 2826). Vgl. Hans Fugger an Joachim von Ortenburg, 22.09.1580, FA 1.2.10 H. 37 (II/1 1713). Vgl. im dritten Teil Kap. IV. A. 4., S. 184. Vgl. Hans Fugger an Hans von Montfort, 25.07.1583, FA 1.2.14a H. 60 (II/2 2826). S. hierzu Maasen: Hans Jakob Fugger, S. 37f. Auch von hier aus scheint es zweifelhaft, ob das Verhältnis zwischen Wilhelm V. und Hans Fugger, in den Finanzaffären der Erbprinzenzeit merklich Schaden genommen haben soll, wie Lietzmann: Hans Fugger, S. 458f., meint – So kamen etwa Fuggers Interventionen in der Sache Ortenburg 1580 im Rahmen eines immerhin zehntägigen Aufenthalt Fuggers an Wilhelms Hof zur Sprache, vgl. dazu den Bericht Hans Fuggers an Hans Gaudenz von Spaur, 09.07.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1646).
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E. Einsatz und Gefährdung sozialen Kapitals – Hans Fugger als Makler in heiklen Fällen 1. Die Affäre Ciurletta Wie der Konflikt mit Albrecht V. gezeigt hat, verbanden sich mit dem finanziellen Rückhalt, den Marx und Hans Fugger dem bayerischen Thronfolger Wilhelm gewährten, auch erhebliche Risiken für die Fugger, die nicht allein finanzieller Natur waren. Vor diesem Hintergrund ist Hans Fuggers Vermittlung von Giovanni Ciurletta in den Dienst bei Wilhelm V. als Versuch zu sehen, Albrechts Sohn 1571 einen verläßlichen Beistand in Finanzdingen zu verschaffen. Hilda Lietzmann hat den ‹Fall Ciurletta› kürzlich auf der Basis umfangreicher archivalischer Recherchen nochmals aufgerollt, die hier um einige Ergänzungen zu Fuggers Maklertätigkeit und ihren Folgen erweitert werden sollen.148 Giovanni Ciurletta entstammte einem Trientiner Bürgergeschlecht, das von Karl V. in den Adelsstand erhoben worden war.149 Ciurletta hatte keinen optimalen Start am Hofe Wilhelms V., da vor dem Wechsel in bayerische Dienste sein konfliktträchtiges Verhältnis zum bisherigen Dienstherrn, dem Kardinal Ludwig von Madrutz, bereinigt werden mußte. Bei Erzherzog Ferdinand von Tirol hatte sich Ciurletta ebenfalls – aus nicht mehr näher zu bestimmenden Gründen – in ein schlechtes Licht gesetzt. Nachdem bei Kardinal und Erzherzog mit Hilfe Wilhelms letzte Unstimmigkeiten offiziell ausgeräumt waren, konnte Ciurletta nach den Gehaltsverhandlungen, in die Fugger brieflich eingeschaltet war, seinen Dienst als Finanzfachmann beim Herzog antreten. Hans Fugger, der Ciurletta nachdrücklich für seinen Posten empfohlen hatte und ihn für einen rechtgeschaffnen diener150 hielt, sah auch aufgrund der von ihm eingeholten Informationen über Ciurletta keinen Grund zu Mißtrauen.151 Ciurletta jedoch tat sich in den nächsten Jahren nicht eben als Sanierer der herzoglichen Finanzen hervor, erntete vielmehr beim Herzog mit der undurchsichtigen Verwaltung der herzoglichen Schulden und Gerüchten von der Anhäufung eines erheblichen privaten Vermögens zunehmend Mißtrauen,152 während Fugger ihm weiter die Stange hielt und hinsichtlich weiterer Projekte des Erbprinzen im Oktober 1572 an Wilhelm schrieb: souil ich vermerckh wirdt er sich nach E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] gefallen in allem prauchen lassen und hett E. F. G. vermanung bei im woll operiertt.153
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Vgl. Lietzmann: Hans Fugger, S. 443–457. Zu den mutmaßlichen Motiven für Ciurlettas Vermittlung vgl. ebenda, S. 445. Vgl. Hefner-Alteneck: Adel I, S. 234. Hans Fugger an Wilhelm V., 01.06.1571, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger II (I 533). Vgl. mit den entsprechenden Verweisen auf Briefe und Forschung Lietzmann: Hans Fugger, S. 443–445. Hierzu Lietzmann: Hans Fugger, S. 446f. Hans Fugger an Wilhelm V., 28.10.1572, BayHStA Fürstensachen 361, fol. 172v.
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Fugger mußte wiederholt als Vermittler für Ciurletta eingreifen: Ob es nun darum ging, daß Ciurletta 1571 einen Italien-Aufenthalt zu lange ausdehnte154 oder ob er 1573 wegen eines privaten, wiederum in Italien geführten Rechtsstreits Empfehlungsschreiben vom Herzog brauchte, die Fugger erbat und weiterleitete, oder ob er beim jungen Fürsten um Verständnis werben mußte, weil Ciurletta seine Rückkehr Monat für Monat hinauszögerte – immer wieder hatte dann Fugger vor Wilhelm V. für seinen Schützling einzutreten.155 Auch die Abrechnung Ciurlettas über seine Einnahmen und Ausgaben, die er schon 1571 aufstellen sollte156 und die Wilhelm im Frühjahr 1573 wieder forderte, blieb aus, den Ermahnungen Fuggers zum Trotz. So gutwillig Hans Fugger weiterhin blieb, so klar stellte er Ciurletta im Dezember 1573 schließlich mögliche Konsequenzen seiner Verzögerungstaktik vor Augen: Wenn Albrecht V. erst von den Schulden seines Sohnes erfahre, so werde man wissen wollen, wer das gellt manegiert157 und ausgeben het. Da trüeg ich sorg, möchten ir ins spyl khummen, des nit geschechen würdt, da ir die rechnung gethan hetten.158 Nun erst, im Frühjahr 1574, kehrte Ciurletta nach Bayern zurück, von der Einforderung der Abrechnung hören wir von da an nichts mehr.159 1574 erwies sich Ciurletta dann als ausgesprochen nützlicher Abgesandter Wilhelms am Hof des Großherzogs der Toskana, Francesco, erreichte er doch in Florenz die Zusage für einen Kredit von 100.000 Kronen. Auch die Fugger hatten angesichts der mittlerweile desaströsen Finanzsituation Wilhelms das Projekt entschieden unterstützt.160 Als sich jedoch Ciurletta 1575 wieder in Italien befand, um noch die letzte Teilsumme dieses Darlehens ins Reich wechseln zu lassen, nahm er endgültig die Gelegenheit wahr, sich ‹abzusetzen›. Zwar versuchten Albrecht V.
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Vgl. Hans Fugger an Francesco Ciurletta, 20.10.1571, FA 1.2.5 H. 11 (I 591) sowie an Wilhelm V., 22.10.1571, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger II. Vgl. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 19.02.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 919), an Paul von Eiß, 24.02.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 923), an Giovanni Ciurletta, 07.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 928), an denselben, 25.03.1573, FA 1.2.6a H. 14 (I 946) sowie an Ciurletta im April 1573, FA 1.2.6b H. 15 (I 990), an Paul von Eiß, 17.10.1573, FA 1.2.6b H. 17 (I 1181), an Giovanni Ciurletta, 17.10.1573, FA 1.2.6b H. 17 (I 1182). Zur Abrechnung 1571 vgl. Lietzmann: Hans Fugger, S. 447. Von it. maneggiare: ‹handhaben, wirtschaften mit›. Vgl. Macchi: Wörterbuch, S. 799. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 04.12.1573, FA 1.2.6b H. 17 (I 1233). Vgl. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 04.03.1574, FA 1.2.6b H. 15 (II/1 35). Zur Florentinischen Anleihe und ihrer Vorgeschichte vgl. Lietzmann: Hans Fugger, S. 446f., 449–455. – Lietzmann sieht in der deutlichen Abnahme handschriftlicher Briefe Fuggers an Wilhelm ab 1573 einen Indikator dafür, daß Fugger angesichts der erheblichen Schuldsummen, die von der Familiengesellschaft übernommen werden sollten, «den vertraut-privaten Umgangston zugunsten eines nüchtern-geschäftlichen zurückstellen» wollte (Lietzmann: Hans Fugger, S. 448). Ob Fugger in der ohnehin prekären Lage eine zusätzliche, auch äußerlich dokumentierte Distanz zum Erbprinzen einnehmen wollte, erscheint zumindest zweifelhaft; außerdem wurde nach wie vor auch Privates ausgetauscht, so über eine unglückliche Niederkunft Elisabeth Fuggers oder über gegenseitige Besuche in Augsburg und Friedberg, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 14.06.1574, an denselben auch am 25.06.1574 sowie am 17.07.1575 und 22.01.1576 [gegenseitige Besuche]. Alle Briefe GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I.
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und der Erbprinz, die Auslieferung zu erreichen, doch Ciurletta gelang die Flucht.161 Hintergrund war ein Vergehen, dessen man ihn am Hof schon lange verdächtigte, und das Hans Fugger schließlich 1577 und 1580 mitsamt einer konkreten Summe beim Namen nannte: von selbst eingenommene [...] 5000162 Scudi waren der Grund, also der Vorwurf, eine namhafte Summe Geldes unterschlagen zu haben.163 Wo aber stand nun Hans Fugger in diesem Konflikt? Zwischen den Fronten: Als vermeintlich zuverlässige Kraft hatte er Wilhelm einen Mann angedient, der seiner jahrelang eingenommenen Funktion eines Schatzmeisters164 zum Trotz keine ordentlichen Abrechnungen der verwalteten Gelder vorlegte, sich unerlaubt in Italien aufhielt und sich dann der herzoglichen Gewalt lieber entzog, als sich Vorwürfen wegen seiner Amtsführung zu stellen. Dennoch konnte oder wollte Fugger es sich nicht leisten, Ciurletta rasch fallenzulassen, denn damit hätte auch er sein Gesicht verloren. Zwar lehnte er es auf dem Höhepunkt der Finanzkrise Wilhelms 1576 ab, für Ciurletta Fürsprache bei Albrecht V. einzulegen, da dieser den Fuggern gerade ohnehin Kredite an Wilhelm V. verboten hatte und Wilhelm Hans Fugger nicht einmal mehr schrieb: Wilhelms afection und gnedige will, so folgerte Fugger, sei etwaz gegen uns [die Brüder Fugger] erkhalt.165 Zu mündlicher Fürsprache bei seinem nächsten Besuch, wie verhoffentlich inn khürz geschehen möht,166 erklärte er sich aber bereit. Wilhelms Verstimmung – vielleicht auch vorrangig die seines Vaters – scheint tatsächlich erheblich gewesen zu sein: Die in diesem Zusammenhang fast schon panisch und recht fadenscheinig anmutende briefliche Nachfrage Fuggers beim Thronfolger im März 1576, ob etwa die Boten zwischen Augsburg und Landshut nicht zuverlässig seien, zeigt uns deutlich, daß Fugger Wilhelms Schweigen sehr ernst nahm.167 In welchem Umfang in diese Verstimmung die Affäre Ciurletta hineinspielte, ist aus Fuggers Äußerungen nicht zu ersehen. Erst ab Dezember 1576 aber lassen sich aus Fuggers Briefen wieder regelmäßige Schreiben des Erbprinzen an Hans ersehen.168 Bei Fugger offenbart sich auch der Tathergang aus der Perspektive Ciurlettas: Die 5.000 Scudi seien ein Geschenk Wilhelms für die erfolgreiche Erlangung des Florentiner Kredits gewesen, und Hans Fugger selbst bestätigte, daß für diese Schenkung ursprünglich ain gnugsam schrifftlich schein existierte, den Fugger selbst gesehen habe und der aus G.[naden] verehrt [worden sei], für den dienst so
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Vgl. hierzu ausführlich Lietzmann: Hans Fugger, S. 455–457. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 17.03.1580, FA 1.2.10 H. 35 (II/1 1562). So auch schon Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 23.03.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1071) [als Referat des Briefes von Ciurletta]. Den Vorwurf der Unterschlagung nennt auch die Münchner Hofkammer im Schriftverkehr mit Hans Fugger, vgl. Lietzmann: Hans Fugger, S. 457. Die Unterschlagungssumme wird bei Lietzmann auf 15–20.000 Kronen beziffert, vgl. ebenda. Wie Lietzmann: Hans Fugger, S. 450 betont, ist für Ciurletta keine reguläre Bestallung nachzuweisen. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 16.04.1576, FA 1.2.8b H. 25, pag. 89f. (II/1 801). Ebenda, pag. 90. Hans Fugger an Wilhelm V., 30.03.1576, FA 1.2.8b H. 25 (II/1 774). Über die von Fugger angegebenen Daten der Briefe Wilhelms.
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ir derselben zu Florenz gethon169 – dessen offizielle Überreichung hatte Ciurletta wohl nicht abwarten wollen.170 Da aber Ciurletta immer noch keine Abrechnung für seine Tätigkeit beim Thronfolger gegeben hatte, riet Fugger nochmals eindringlich zu deren Einsendung, um alle Verdachtsmomente auszuräumen, und versprach für diesen Fall seine Unterstützung.171 Wie sehr Fugger zwischen den beiden Parteien lavierte, zeigt ein Brief an Wilhelm vom Mai 1577: Während Fugger im März trotz aller Ermahnungen gegenüber Ciurletta Verständnis zeigte und die Version von der Schenkung stützte, mußte er Wilhelm gegenüber wieder die herzogliche Position als die rechtmäßige darstellen. Entsprechend reduziert und von bekannten Vermittler-Strategien geprägt erscheint daher seine Fürsprache für Ciurletta: Den Ciurletta belangent, hab ich anderst nit, als wie ain gebettner für ine intercediert, und steet alle gnad bei seinem verbrechen, und Eur F. G. gnedigem guten willen.172 Nicht als Fürsprache, nur als Vermittlung wollte Fugger seine Position gekennzeichnet sehen, und mit der Formulierung von Ciurlettas verbrechen war Wilhelms Perspektive zumindest hier voll anerkannt. – Wie auch immer Hans Fugger zu Ciurlettas Taten stand und was er ihm versprach: Die mühsam reaktivierte Beziehung zu Wilhelm, die soeben trotz väterlichen Kreditverbots nun wieder durch ein kurz zuvor noch abgelehntes Darlehen173 befestigt worden war, durfte nicht noch einmal beschädigt werden. Ciurletta gab schließlich klein bei. 1580, drei Jahre später also, bat er Fugger wieder um Fürsprache, und der sicherte eine mündliche Unterredung zu.174 Wenig glücklich fand er es allerdings, daß Ciurletta sich entschuldigen wollte – dann erschienen die Vorhaltungen des Herzogs ja berechtigt.175 Und, zwischen den Zeilen zu lesen: dann wäre auch Fugger endgültig blamiert. Im persönlichen Gespräch176 sondierte Fugger bei Wilhelm, der inzwischen die Nachfolge Albrechts angetreten hatte, die Lage. Der Herzog bestand nach wie vor auf einer ordentlichen Auflistung aller verwalteten bzw. von Ciurletta beanspruchten Summen.177 Und nun konnte Fugger binnen kürzester Zeit dem Herzog Ciurlettas Abrechnung übersenden!178 Die Prüfung der Abrechnung zog sich hin, Wilhelms Diener fanden Hinweise darauf, daß die verrechneten die tatsächlich für den Herzog eingenommenen Summen überstiegen.179 Diese 169 170 171 172 173
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Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 23.03.1577, FA 1.2.9a H. 28, pag. 55 (II/1 1071). Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 23.03.1577, FA 1.2.9a H. 28, pag. 53–55 (II/1 1071). Vgl. ebenda. Hans Fugger an Wilhelm V., 06.05.1577, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. Vgl. hierzu Wilhelms Dank, ebenda. – Noch drei Wochen vorher hatte Fugger sich bei der Ablehnung des nun gewährten Kredits auf Albrechts Kreditverbot berufen, vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 15.04.1577, FA 1.2.9a H. 28 (II/1 1083). Vgl. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 17.03.1580, FA 1.2.10 H. 35 (II/1 1562). Vgl. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 17./19.05.1580, FA 1.2.10 H. 35 (II/1 1616). Zur besonderen Bedeutung der Besuche bei Hof für ein ‹gesundes› Verhältnis zum eigenen Gönner auch Kettering: Patrons, S. 48f. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 09.07.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1647). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 13.07.1580, FA 1.2.10 H. 36 (II/1 1653). Angesichts der raschen Übermittlung ist anzunehmen, daß Ciurletta die Rechnung an Fugger abgesandt hatte, noch bevor dieser ihn nach der Unterredung mit Wilhelm dazu aufforderte. Vgl. Hans Fugger an Giovanni Ciurletta, 19.11.1580, FA 1.2.10 H. 38 (II/1 1773).
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Mitteilung Fuggers an Ciurletta bezeichnet den letzten im Kopierbuch nachweisbaren Briefkontakt zwischen beiden. Man darf dieses Abbrechen der Überlieferung wohl als ein Abbrechen des Briefkontakts werten: Fugger wartete, wie er selbst an Wilhelm schrieb, auf die Entscheidung des Herzogs.180 Tatsächlich legte Ciurletta gegenüber Wilhelm anscheinend ein schriftliches Schuldeingeständnis ab, des Inhalts, die 5000 Scudi nicht unter Einhaltung aller Formalia einbehalten zu haben, obwohl immerhin ein Donationsschreiben des Herzogs auf diese Summe für Ciurletta existierte.181 Fuggers Reaktion war bezeichnend: weil ich in aber zu E.[uern] F.[ürstlichen] G.[naden] inn dienst befürdert, und ime der warheit in anderst erkhant, als er sich villeicht im derselben dienst sooft erzeiget haben, so kann ich weitter nit als E. F. G. seinthalben umb gnad bitten, und umb [...] desto mer, weil er sich jezo selbs gar diemietiget.182 Wiederum stellte Fugger als gehorsamer Diener Wilhelm die Entscheidung anheim.183 Hans Fugger sah sich als Broker Ciurlettas mitschuldig an den jahrelangen Querelen, und die Milde, die er jetzt für seinen Schützling forderte, erbat er im Grunde auch für sich wegen seines Mißgriffs. Deutlich wird hier wieder die Befürchtung, es sei langfristig doch ein Schatten auf die Beziehung Fuggers zum Herzog gefallen: ein Beleg dafür, wie anfällig dieses Beziehungsnetz, das die Korrespondenz hier abbildet, für Störungen doch war, und wie sich Irritationen – in der Realität oder auch nur in der Befürchtung der Akteure – in diesem Netz fortpflanzen konnten.
2. Der intercessor und sein Handlungsspielraum Die Vorgänge um Ciurletta zeigen, daß die Tätigkeit des Maklers mit erheblichen Risiken behaftet sein konnte: Das Fehlverhalten des Protegés konnte auf den Vermittler zurückfallen, und kritische Rahmenbedingungen wie die finanzielle Misere Wilhelms und das angespannte Verhältnis zu Albrecht V. taten das ihre, um die Situation weiter zu problematisieren. Doch auch Personen, die nicht wie Ciurletta ganz unmittelbar in diese komplizierte Sachlage verstrickt waren, bekamen die krisenhafte Konstellation am bayerischen Hof zu spüren. Den Personen, die hier im folgenden vorgestellt werden sollen, war aber zweierlei gemeinsam: Sie versuchten, bei den Herzögen Albrecht oder Wilhelm ein besonderes Anliegen durchzusetzen, und sie hofften dabei, die besonderen Kontakte des intercessors Hans Fugger nutzen zu können. Zu den zahlreichen näheren oder entfernteren Verwandten, die sich mehrfach hilfesuchend an Hans Fugger und seinen Bruder Marx wandten, zählte Philipp von Haldermanstetten, ein Schwager von Fuggers Frau Elisabeth. Haldermanstetten bat die Fugger 1572 um Vermittlung, um ein guett ambt184 am Hof Wilhelms in Landshut zu erhalten. Hans jedoch dachte an Wilhelms Finanznöte und an die Kri-
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Hans Fugger an Wilhelm V., 23.06.1581, FA 1.2.11 H. 40 (II/1 1965). Ebenda. Ebenda, pag. 399. Ebenda, pag. 400. Hans Fugger an Philipp von Haldermanstetten, 20.12.1572, FA 1.2.6a H. 14, pag. 354 (I 882).
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tik Albrechts am großen Hofstaat des Erbprinzen, dessen Besoldungskosten dem Vater ins Auge stachen.185 Und der Fuggersche Vorschlag für einen neuen Diener bei Hofe hätte zweifellos Grund für die Verärgerung Albrechts sein können. Daher die Antwort Fuggers an Haldermanstetten: so tragen wir doch fürsorg weill Ir F.[ürstlichen] G.[naden] noch nit inn regierung, da es hernach an den alten unsern G.[nädigen] fürsten und herrn herzog Albrecht gelanngen solt, es euch mer verhinderlich als fürderlich sein, uns auch bej irn F. G. leichtlich zu ungnaden geraichen, darumb wir solliche fürschrifft186 vermainen einzustellen.187
Ungnade Albrechts gegenüber den Fuggern, die Hans hier als mögliche Folge ins Feld führte, konnten sie freilich gerade jetzt nicht gebrauchen: Immer noch liefen die ohnehin schwierigen Verhandlungen wegen der Pfandschaft Merings, und die fragile Beziehung der Brüder Fugger zu Albrecht V. konnte gegenwärtig keine Störung vertragen. Die Empfehlung von Haldermanstettens Sohn als Edelknaben für die Landshuter Hofhaltung erschien Hans aber wohl weniger brisant, und so wurde diese erbetene Bittschrift auch prompt an Wilhelm V. verschickt.188 Als ausgesprochen hartnäckiger Bittsteller zur Unzeit erwies sich im Dezember 1574 Dr. Paulo Giudelli, Leibarzt Albrechts V., der sich von Albrecht unterbezahlt sah, weshalb Wilhelm V. ihm angeblich eine Gehaltsaufbesserung um 200 fl versprochen hatte. Da Giudelli ihn so gebeten habe, trat Fugger tatsächlich mit der Bitte für ihn ein, statt 200 fl gar 200 Kronen zu bezahlen, betonte aber, daß er keinen Einblick in die Sachlage habe. Zu bedenken wollte er allerdings geben, daß Giudelli Wilhelm in Italien nützlich sein könne und daß man ihn daher wohl halten sollte – ein Hinweis des Netz-Spezialisten Hans Fugger an Wilhelm, seine NetzVerbindungen nach Italien stabil zu halten.189 Als Zusatz neben die eigenhändige Unterschrift allerdings setzte Fugger vorsichtshalber sein uns mittlerweile als typische Strategie bekanntes E.[uer] F.[ürstlichen] G.[naden] wellen gedenkhen quod rogatus rogo.190 Wilhelm war wohl wegen dieser erhöhten Forderung nicht eben erbaut, und Fugger sah ein, daß es schlecht zusammenging, wenn er den Fürsten
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Schon Albrechts Instruktion für den Thronfolger von 1568 warnte vor zu hohen Ausgaben für das Hofpersonal; zum steten Anwachsen des Hofstaats vgl. Baader: Renaissancehof, S. 62f., 87–89. Gemeint: Bittschrift. Hans Fugger an Philipp von Haldermanstetten, 20.12.1572, FA 1.2.6a H. 14, pag. 354f. (I 882). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 20.12.1572, FA 1.2.6a H. 14 (I 883). Vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 22.10.1574, FA 1.2.7 H. 19 (II/1 226). Worin diese besondere Nützlichkeit Giudellis in Italien bestanden haben soll, wird nicht klar; möglicherweise hielt der Arzt Kontakt zu einflußreichen Persönlichkeiten. Hans Fugger an Wilhelm V., 22.10.1574, GHA Korrespondenz-Akten 607, Fugger I. – Der Brief ist unter FA 1.2.7 H. 19 (II/1 226) mit identischem Text auch in den Kopierbüchern verzeichnet, doch der zititerte Zusatz von der Hand Fuggers ist nur im Originalbrief im GHA überliefert. Dies ist wieder als einer der Belege dafür zu werten, daß die Kopierbucheinträge keine Abschriften der Originalbriefe sein können, sondern den Status von Konzeptfassungen hatten, wie auch die nachträglichen Korrekturen am Rand der Kopierbucheinträge belegen. S. dazu im ersten Teil Kap. II., S. 25–33.
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in seinen Finanznöten underthenig gebetten unser [die Fugger] mit merern anlehen [Darlehen ] zuverschonen und gleichzeitig für Giudelli ein höheres Gehalt zugestanden haben wollte. Die Bitte für den Mediziner habe er nur ausgesprochen, weil Giudelli mir aber so starckh angelegen, dz ichs gleich wider mein willen gewagt. Und was Fugger jetzt anriet, um sich nicht in ein schlechtes Licht zu setzen, kam angesichts von Wilhelms finanziellen Möglichkeiten einem totalen Rückzug gleich: E.[uer] F.[ürstlich] G.[naden] sollen darumb wider ir guette gelegenhait nicht thuen, noch von meiner fürbitt wegen sich in mer außgaben alargieren.191 Beide Fälle, derjenige Haldermanstettens wie der Giudellis, zeigen deutlich, wie sehr die Beziehungsstrukturen im Netz Fuggers die Handlungsperspektiven der einzelnen Personen einschränkten: Die Spannungen zwischen Albrecht V. und seinem Sohn wegen Wilhelms Finanzgebaren und die materiellen Motive, die Hans Fugger und Marx Fugger im Hinblick auf Mering verfolgten, prägten ganz klar auch Fuggers Verhalten gegenüber Personen, die rein äußerlich von diesen monetären Aspekten gar nicht betroffen waren: Bittsteller wie Haldermanstetten und der herzogliche Leibarzt konnten nicht mit der Fürsprache eines Brokers rechnen, der durch ihre Anliegen seine eigene Position gefährdet sah. Im Netz pflanzten sich also die Spannungen, die bei den Herzögen ihren Ausgangspunkt hatten, über Fugger bis hin zu Personen fort, die Fuggers Kontakte nutzen wollten – eine schöne Illustration für die netzwerkanalytische Grundvorstellung, daß die Netzstrukturen die individuellen Handlungschancen der Netzakteure prägen. Interessant allerdings waren dagegen die Fuggerschen Reaktionen, wenn die Rollen des Bittenden und des Gebetenen wechselten. Mehrfach nämlich legten Mitglieder des Herzogshauses als Broker in Finanzdingen bei Fugger Fürsprache für Dritte ein. Und es war durchaus nicht so, daß die Familiengesellschaft sich hier den Wünschen von Herzog Wilhelm, Herzog Ferdinand oder Herzogin Anna – von Albrecht sind solche Bitten nicht überliefert – automatisch gebeugt hätte: Zwar willigte Fugger durchaus ein, wenn Herzog Wilhelm ihn bat, einem gewissen Franz Großschedel bzw. dessen Erben behilflich zu sein, die vom spanischen König zugestandene Pension einzubringen oder dem herzoglichen Arzt Dr. Paulo Giudelli einen Kredit von 1.500 fl einzuräumen.192 Mit großer Entschiedenheit aber konnte Fugger solche Kreditvergaben ablehnen, wenn ihm der empfohlene Kreditnehmer nicht seriös erschien, wie z.B. im Hinblick auf Gabriel Örtel, bei dem im Fall eines Darlehens nach Fuggers Erfahrungen Herzog Ferdinand als Bürge in Gefahr gewesen wäre.193 Ebenso blieb Herzogin Annas Fürsprache für den bei Fugger seit langem in der Kreide stehenden Verwandten Christoph Rosenbusch zwecklos, hatte 191
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Hans Fugger an Wilhelm V., 27.10.1574, GHA Korrespondenz-Akten 607 Fugger I. Zu alargieren vgl. it. allargare: ‹großzügig, freigebig sein›, vgl. Macchi: Wörterbuch, S. 43. – Eine Überprüfung der erhöhten Besoldung durch Wilhelm V. ist nicht möglich, da die entsprechenden Rechnungsbücher seiner Landshuter Residenz nur für 1570–1573 sowie 1578 erhalten sind. Vgl. Baader: Renaissancehof, S. 60. Zu Großschedel vgl. Hans Fugger an Wilhelm V., 01.02.1574, FA 1.2.6b H. 17 (II/1 19) sowie Fuggers Schreiben an denselben, im Februar 1583, FA 1.2.12a H. 46 (II/2 2288). Vgl. Hans Fugger an Herzog Ferdinand in Bayern, 06.04.1593, FA 1.2.16c H. 91 (II/2 3374).
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Fugger doch nach seinen Angaben mit den vergebenen Krediten und Rosenbuschs finanziellen Fähigkeiten schon lange schlechte Erfahrungen gemacht.194 Auch Ott heinrich, Herzog von Braunschweig und Lüneburg, halfen seine hohe Abkunft und die Fürsprache Wilhelms 1583 nicht – Hans zog sich zunächst darauf zurück, daß er ohne Zustimmung seines Bruders Marx die hohe Summe von 2000 Scudi nicht leihen könnte, und sagte schließlich mit Hinweis auf die schlehten leuff [Zeitläufte] und die hohen Fuggerschen Außenstände schon drei Tage später endgültig ab.195 In jedem dieser Fälle setzte also Fugger auf die Schlagkräftigkeit seiner wirtschaftlichen Argumente und teilweise auf seine persönlichen Erfahrungen mit den jeweils unterstützten Personen. Und an Fuggers Kompetenz in finanziellen Fragen war für Mitglieder der Herzogsfamilie nur schwerlich zu rütteln. Bei aller Vorsicht, die Fugger im Verhältnis zu der Herzogsfamilie in VermittlerAngelegenheiten also walten ließ: Hilflos war er der Macht der Herzogsfamilie, und das hieß: der Macht seines Beziehungsnetzes, nicht ausgeliefert, argumentativ abgesicherte Freiräume blieben ihm – zumindest in den vergleichsweise kleineren Finanznöten der fürstlichen Protegés – auch weiterhin erhalten.
F. Zusammenfassung: Hans Fugger als undertheniger diener des Herzogshauses? Wie wir gesehen haben, war das Verhalten Fuggers den Herzögen gegenüber von zahlreichen Faktoren bestimmt: Familiäre Bedingungen wie das zerrüttete Verhältnis zu Hans Jakob Fugger spielten ebenso hinein wie finanzielle und grundherrschaftliche, und bis Ende 1579 gab die problematische Vater-Sohn-Beziehung zwischen regierendem Herzog und Erbprinzen den Hintergrund ab, vor dem Hans und natürlich genauso Marx Fugger ihren eigenen Handlungsspielraum immer wieder auf neue ausloten und gegebenenfalls neu kalkulieren mußten. Mit den Beziehungskonstellationen im Netz änderten sich also zum Teil «über Nacht» auch die Möglichkeiten, sich zueinander zu verhalten. Da die stabile Bindung zwischen Hans Jakob Fugger und Albrecht V. dauerhaft eine problematische Beziehung der Antonssöhne zum Herzog erwarten ließ, schien es zunächst nur konsequent, auf Wilhelm V. zu setzen, dem der Aufbau eines eigenen Hofes mit Sitz auf der Burg Trausnitz die Möglichkeit zu selbständiger finanzieller Gestaltung bot. Mit dem Knowhow seiner fernhändlerischen Beziehungen und Handelsniederlassungen, mit seinem Kunstverstand und der Fuggerschen Finanzkraft im Rücken entstand ein vertrauensvolles Verhältnis – dies ist unabhängig davon zu konstatieren, daß Fugger die Besorgungen für den Erbprinzen nicht durchweg mit
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Vgl. Hans Fugger an Herzogin Anna in Bayern, 31.01.1582, FA 1.2.12a H. 43 (II/2 2053). Hans Fugger an Wilhelm V., 13.07.1583 (II/2 2365) sowie an denselben, 16.07.1583, FA 1.2.12b H. 49 (II/2 2376).
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dem Kalkül erledigt haben muß, sich mit Wilhelm einen sicheren Interessenvertreter bei Hof zu erwerben. Mit der Geheimhaltung von Wilhelms Ausgaben taten Hans und Marx zunächst dem Erbprinzen, sicher auch ihrem ‹sozialen Kapitalguthaben› beim jungen Herzog trotzdem zweifellos einen Gefallen. Beleg dafür ist Wilhelms Einsatz in der Sache Mering, den die Fugger mit besonderen finanziellen Wohltaten und der eifrigen Versicherung ihrer Dienstfertigkeit flankierten. Weil sich dieses stille Einverständnis und die fortgesetzten Kredite aber langfristig gegen Albrecht V. richteten, hatte Hans, dem die intensive (briefliche) Kontaktpflege und die Erfüllung der herzoglichen Konsumwünsche in der Hauptsache oblagen, sich auf einen Drahtseilakt eingelassen, der schließlich mit dem Bekanntwerden der Schuldenmisere Wilhelms zu einer ernsthaften Verstimmung Albrechts führte. Fugger hatte erwiesenermaßen die finanzielle Katastrophe spätestens seit 1573 kommen sehen – ob er jedoch, z.B. über die Florentinische Anleihe, auf rechtzeitige Abhilfe hoffte, oder ob ihm das Ausmaß der Verschuldung Wilhelms bei anderen Geldgebern nicht rechtzeitig genug bekannt war, das läßt sich nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Wilhelm fallenlassen jedoch konnte man nicht, wie Marx Fugger gegenüber Albrecht V. 1575 klarstellte: die Fugger konnten sich die ungnade des zukünftigen Regenten nicht leisten. Selbst wenn die Situation einige Zeit ausgesprochen angespannt war – nachhaltig und wirklich tiefgreifend gestört scheint das Verhältnis zwischen den Herzögen und den Augsburger Fuggern damit nicht gewesen zu sein. Zumindest sprechen fortgesetzte Besorgungsaufträge, die 1577 einen neuen Höchststand der Verschuldung des Erbprinzen herbeiführten, und die weiteren Besuche bei Hof sowie die Bittgesuche, die Fugger auch noch nach 1575 erfolgreich an Herzog Wilhelm richten konnte, eine andere Sprache. Erinnert sei hier etwa an Wilhelms Hilfe in der Lehenssache Montfort 1576 und schließlich Hans Fuggers Engagement für Ortenburg 1580, das ohne eine stabile Beziehung zu Wilhelm wohl kaum möglich gewesen wäre. Trotz der Fürsprache für Ortenburg können wir Fugger sicher nicht als einen der politischen Berater Wilhelms ansprechen, der Großes bewegt hätte, sondern eher als seinen arbiter elegantiae, der er auch 1579 trotz einer verminderten Anzahl von Briefen und Besorgungsaufträgen bis zum Ende der Kopierbuch-Überlieferung blieb. Natürlich war die Finanzkraft der Familiengesellschaft ein zentrales Mittel, sich die Verbindung zum zeit seines Lebens kreditbedürftigen Wilhelm zu erhalten, doch Hans hatte, insbesondere durch die briefliche Pflege dieses Kontaktes auf verschiedenen, auch emotionalen Ebenen (kurz: durch eine multiplexe Beziehung) die Möglichkeit, den Fuggerschen Bedürfnissen und denen der Fuggerschen Schützlinge beim Herzog mehr Gewicht zu verleihen als denjenigen eines beliebigen Bankhauses. Daß damit aber nicht eine kompromißlose Befolgung aller Wünsche der herzoglichen Familie verbunden war, haben die abschließenden Ausblicke auf abgelehnte Darlehen fürstlicher Günstlinge gezeigt. In der Formel des underthenigen dieners, als den Fugger sich gerne gemäß dem Sprachgebrauch der Zeit bezeichnete, ging diese Beziehung nicht durchweg auf: Fugger hatte die Möglichkeit, Gegenleistungen für seine Dienstfertigkeiten zu erlangen und Zumutungen abzulehnen – und von dieser Möglichkeit hat er ja schließlich eloquent im Interesse seiner Familie Gebrauch gemacht. 400
Herrn Hannsen Fuggers aigen copierbuech – ein Resümee
Daß du ain willigen vleissigen factor an mir hast, wollte Hans Fugger in einem Brief an Ott Graf von Eberstein, den Bruder seiner Schwägerin Sibylla, 1568 mit Nachdruck unterstrichen haben. Tatsächlich – ein Großteil der Briefe aus Fuggers Korrespondenz bestand den Tätigkeiten, wenn auch nicht dem Entlohnungsmuster nach, aus Faktoren- bzw. Agenten-Diensten. Wie in einem großen papierenen Warenhaus war über den Briefwechsel mit Hans Fugger nahezu alles zu haben, was der verfeinerte Geschmack begehrte: Exotische Eßwaren, teure Pferde, erlesene Kleinodien und Antiquitäten; Finanztransfers wurden übernommen und Post weitergeleitet wie mit dem eben zitierten Brief an Eberstein, und schließlich konnten seine Adressaten größere wie kleinere Kreditgeschäfte und Tilgungszahlungen über Fuggers Briefe abwickeln, stets unterstützt von den Handelsdienern der Familiengesellschaft. Waren und Geld wurden nicht nur mit kaufmännischem Sachverstand vermittelt, das Fachwissen selbst wurde bei Bedarf auch mitgeliefert, egal ob es sich wie bei den Mercatoria um die Erklärung der Modalitäten beim Wechselverkehr oder im Bereich der Oeconomica um die beste Therapie für ischiasgeplagte Korrespondenzpartner handelte. Fuggersche Informationskultur war mit diesen auf den ersten Blick kaufmännischen Tätigkeiten eng verbunden, stellten doch die untersuchten Nachrichten, das wichtigste Gut im Fuggerschen Transfer von Sach- und Fachwissen, nach wie vor zunächst einmal unverzichtbare Informations- und Entscheidungsgrundlagen für das Fuggersche Unternehmen bereit. Die zusätzliche Weiterleitung an Interessenten wie etwa die bayerischen Herzöge führt wiederum in die Nähe der Dienstleistungen des Agenten, als Gefälligkeit ohne direkte Entlohnung aber auch schon wieder über sie hinaus. Die Nachrichtenbriefe Jakob Fuggers des Reichen zeigen deutlich, wie langfristig auch schon im Bereich des Nachrichtentransfers die Überschreitung der engeren ökonomischen Handlungsmuster angelegt war. Tradition und zugleich die Weichenstellung für adlige Karrieren, die spätestens unter Anton Fugger engagiert betrieben wurde, spiegeln sich nicht zufällig gerade in den Briefen des aigen copierbuechs in aller Deutlichkeit: Fuggers Korrespondenz und damit auch ihre inhaltlichen Schwerpunkte bauten auf der ererbten geschäftlichen Tätigkeit und Organisation, auf dem etablierten Geschäftsnetz des Handels und dem zusehends adlig geprägten Familien- und Kontaktnetz auf und stellte tradierte Fertigkeiten
Hans Fugger an Ott von Eberstein, 20.02.1568, FA 1.2.5 H. 8, fol. 19r (I 185). Zu Eberstein, einem Obersten in spanischen Diensten, vgl. Edelmayer: Söldner und Pensionäre, 45f.
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durch den Charakter kostenloser Gefälligkeiten in einem veränderten Kontext zur Verfügung. In ihrer Gesamtheit repräsentiert Hans Fuggers Korrespondenz mit ihrer Vielgestaltigkeit eine ‹Familienchronik› des sukzessiven Aufstiegs und der Erschließung zusätzlicher Aktionsfelder, die ebenso wie das Fuggersche «Ehrenbuch» in keiner Weise die Anfänge des Hauses und seine traditionellen Erwerbszweige verleugnete, auch gar nicht verleugnen wollte. Von den erbrachten Leistungen für die Korrespondenzpartner wiederum zu profitieren und die brieflich gepflegten Kontakte als soziales Kapital für ökonomische und im weiteren Sinne familiäre Interessen nutzbar zu machen, den eröffneten Handlungsspielraum möglichst weit auszudehnen, hing wesentlich von der kommunikativen Kompetenz Fuggers ab, die sich in verschiedene Aktionsfelder auffächerte. Die informationelle Leistung der Fuggerkorrespondenz lag entsprechend zunächst einmal in der virtuosen Kombination zeittypischer Strategien zur Optimierung der Informationsgewinnung. Größtmögliche Aktualität, Informationsdichte und Zuverlässigkeit wurden erreicht durch die Ausnutzung aller infrastrukturellen Möglichkeiten, die im Gebrauch verschiedener Botendienste und -strecken, vor allem aber in der Nutzung unterschiedlichster erstrangiger Informationsquellen bestanden – Faktoreiensystem der Firma, Geschäftskontakte zu befreundeten Firmen wie zu kenntnisreichen Kreditkunden, familiäre Verbindungen zum Adel in informationellen Zentren. Nur auf diese Weise konnten die Fugger als Mitglied einer europäischen Informationselite ein Nachrichtensystem mit gewisesten zeittungen etablieren, die dem Fuggerschen Unternehmen zum einen als Fundament für wirtschaftliche Entscheidungen dienten. Wohl nicht zufällig datiert auch die große Sammlung der Fuggerzeitungen aus dem späten 16. Jahrhundert, aus derjenigen Fugger-Generation, in der nach wie vor Familienmitglieder mit einem auch dezidiert auf Unternehmertum ausgerichteten Lebensentwurf vertreten waren. Zum anderen bargen die gesammelten Nachrichten das Potential, sich mit Nachrichten, die sorgfältig auf die Interessenslage der Adressaten abgestimmt waren, selbst bei den wohlinformierten bayerischen Herzögen und am Kaiserhof die Reputation eines hochwertigen, exklusiven Guts zu erwerben. Der Nachrichtentransfer der Faktoren und Agenten zeigte, daß auch ein etabliertes firmeneigenes System der Informationsbeschaffung Aufsicht und Kontrolle erforderte; noch intensiver mußten die Bemühungen sein, wenn kompetente Briefpartner, die sich an Nachrichten-Brennpunkten aufhielten, zu einer regelmäßigen Übermittlung von Neuigkeiten angehalten werden sollten. Die gezielte Bitte Fuggers um Nachrichten war der offensichtlichste Ausdruck dieser Bemühungen. Gerade die für Fugger ergiebigsten Austauschbeziehungen waren allerdings durch Multiplexität, die Kombination mehrerer Beziehungsebenen gekennzeichnet: Außer Nachrichten-Gegenleistungen auch Kreditbeziehungen, Besorgungsdienste, Protektion und nicht zuletzt Verwandtschaft – mehrfache Abhängigkeiten von Fugger und seinem Wohlwollen schufen offensichtlich ein günstiges Klima für den Informationstransfer. War schon in der Etablierung von Austauschbeziehungen, etwa mit dem Offizier Hieronimus von Lodron, die kommunikative Kompetenz Fuggers gefragt, so erbrachte ganz besonders die Weiterleitung von Nachrichten in Abstimmung 402
auf Grundhaltungen und Interessen der Korrespondenzpartner Leistungen, die mit der Beherrschung rein infrastruktureller Techniken des Informationstransfers allein nicht mehr zu beschreiben sind. Die Briefe zum Augsburger Kalenderstreit zeigen als ganz spezieller Leistungsausweis und Versuch gezielter Informationspolitik deutlich auf, daß mehrere Faktoren zusammenwirken mußten, um über eine Vermittlung von Nachrichten hinaus sogar auf eine Sensibilisierung geeigneter Multiplikatoren für Fuggersche Interessen abzuzielen: Aktualität, Regelmäßigkeit und Zuverlässigkeit, Expertentum, Multiplexität, Zielgruppenorientierung und Praxisbezug, die Qualitätsmerkmale Fuggerscher Informationskultur, waren als Grundlage eines über längere Zeit hinweg erfolgreich gepflegten Kontakts unerläßlich, aber eben auch das breite Fuggersche Beziehungswissen, das die persönliche Einstellung des Adressaten sowie dessen Beziehungsnetz und damit Einflußmöglichkeiten einkalkulierte, sowie das rhetorische Geschick, dieses Beziehungwissen in die richtigen Worte zu kleiden. Eine auf diese Weise erzeugte oder zumindest von Fugger ganz offensichtlich erwartete Vertrauenshaltung zur Person Hans Fuggers und seinen Nachrichten bedeutete eine zusätzliche Erweiterung des Handlungsspielraums, denn Fuggers «Vertrauen in Vertrauen», das sich in der wohlkalkulierten Lancierung politischer Nachrichten aus Augsburg ausdrückte, speiste sich aus der Gewißheit langfristig bewiesener und anerkannter Zuverlässigkeit im Nachrichtentransfer, aber auch auf allen anderen Beziehungsebenen, und gezielt genutztem Beziehungswissen. Die Möglichkeiten Hans Fuggers, als Regler eines Informationsflusses zu agieren, werden hier besonders deutlich. Auf diese Weise konnte Fugger die Leistungsfähigkeit des Briefmediums bis an seine Grenzen ausloten. Nachrichtenlieferungen besaßen als «kulturelles Kapital» auch das Potential, im Sinne einer Investition Beziehungen aufrechtzuerhalten, die für die soziale Leistung der Fuggerkorrespondenz bedeutsam werden konnten. Ebensowenig wie auf dem Sektor des Informationstransfers kamen Kapitaltransformationen ‹klassischen› Zuschnitts wie diejenige ökonomischen Potentials in soziales Kapital ohne die stete kommunikative Absicherung des eigenen Beziehungsnetzes aus. Solange insbesondere der untersuchte Aufstieg Fuggerscher Verwandter und Schutzbefohlener im Fürstendienst an den Aufbau und die Aufrechterhaltung von Beziehungsnetzen und Klientelbindungen geknüpft war, blieb soziale Leistung im Kontext der Korrespondenz wiederum ganz entscheidend auf Beziehungswissen und dessen kommunikative Umsetzung angewiesen. Zwar gaben gerade für Bitt- und Empfehlungsschreiben im Kontext höfischer Patronage die ersten Lehren für den Hofdienst und die volkssprachliche sowie humanistische Briefdidaxe der Zeit grundlegende Verhaltensleitfäden an die Hand, doch boten sie keinen ausreichenden Ersatz für Beziehungswissen als gewachsenes Wissen über den Hofdienst, für situativ einzusetzendes rhetorisches Geschick und das Wissen um die Struktur spezifischer Beziehungsnetze, in die eine Integration versucht werden sollte. Nicht jede ‹moralische› Verpflichtung zur Unterstützung, die gewissermaßen den sozialen Kontostand
Zum Vertrauenskontext und der Begrifflichkeit nach Luhmann vgl. S. 303–312. Zur Anwendung von Bourdieus Konzept der Kapitaltransformation auf die Fuggerkorrespondenz vgl. insbesondere S. 370–382.
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ausgleichen sollte, wurde faktisch umgesetzt, und es gehörte zum Fuggerschen Beziehungswissen, solche Erfahrungen vorausschauend einzukalkulieren (hof suppen und fürschrifften obligiern nit) bzw. sie als Teil eines sich immer wieder neu gestaltenden Verhältnisses von Eigen- und Fremdinteressen, wenn auch notgedrungen, zu akzeptieren. Gerade am Beispiel der Korrespondenz Fuggers mit den bayerischen Herzögen zeigt sich, wieviel Energie Hans Fugger auf den Aufbau und die Stabilisierung von Beziehungen und damit sozialen Kapitals verwenden mußte. Genau wie beim Aufbau von Nachrichtenbeziehungen außerhalb der Firmenorganisation galt es auch hier, durch vielerlei Beziehungsebenen Interaktion zu stabilisieren, um Kontakte im Bedarfsfall erfolgreich aktivieren zu können. Aus Fuggers Korrespondenz thematische Segmente zu ‹schneiden›, die den Patronagekontext ganz von den Geschäften und Dienstleistungen trennen, widerspricht auch hier nicht nur der Verbindung der unterschiedlichsten Bereiche in den einzelnen Briefen, sondern ebenso der vielschichtigen Verknüpfung der Beziehungsebenen selbst, die nicht ohne einander realisiert werden konnten und sollten. Beziehungswissen bedeutete hier auch, das Wissen um das gegenwärtig begehrteste Gut im Austausch gegenseitiger Wohltaten einzusetzen, etwa die geheime Weiterfinanzierung Wilhelms V. gegen den Willen des Vaters, und dies bei der gleichzeitigen Kommunikation eigener Anliegen. Eigeninteressen und der zu erhaltende Ruf als undertheniger diener waren miteinander zu vermitteln. An der problematischen Stellung Hans Fuggers zwischen dem Erbprinzen und dem regierendem Herzog erwies sich besonders deutlich, daß die Grenzen und die Belastbarkeit von Beziehungen vorsichtig ausgelotet werden mußten, um das durch vielerlei Dienste – Finanzgeschäfte, Besorgung von Luxusgütern, Nachrichtentransfers – erworbene soziale Kapital nicht zu entwerten. Dies galt um so mehr, als Fugger mit seinem prononcierten Auftreten als Vermittler, als intercessor, für Anliegen Dritter eintrat und also durch ein zu heftiges Bedrängen des potentiellen Patrons oder die Empfehlung eines ungeeigneten Kandidaten Gefahr lief, sich selbst in ein schlechtes Licht zu setzen. Aus dieser Perspektive erklärt sich auch Fuggers fortgesetztes Bemühen um Schadensbegrenzung für den in Ungnade gefallenen Hofdiener Ciurletta. Underthenige bitt und intercession erforderten nicht selten verbale Gratwanderungen, die ohne eine solide Beziehungsbasis, das entsprechende soziale Kapital, zum Scheitern verurteilt gewesen wären und auch dann nicht automatisch zum Erfolg führten. Fuggers Einsatz als intercessor oder als Bittsteller in eigener Sache ging jedenfalls konsequent den Weg, auf dem ihm Hans Jakob Fugger, allerdings in einer finanziellen Notsituation, schon ein Stück weit vorausgegangen war: Nicht nur die Fürsprache selbst als Ausweis des bereits erreichten Status entrückte Fugger ein Stück weit der rein kaufmännischen Sphäre, sondern auch die in den Bittschreiben so häufig dokumentierte, immer konsequentere Bindung vor allem der ihm nachfolgenden Generation an höfische bzw. klerikale oder doch zumindest adlig-grundherrlich orientierte Karriereoptionen. Allein schon der Umfang, die Intensität und das Engagement, mit denen er seine oftmals mit mühevollen Aufträgen verbundene Hans Fugger an Marx Fugger d.J., 07.03.1592, FA 1.2.15b H. 85, pag. 267f. (II/2 3172).
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Korrespondenz betrieb, weisen darauf hin, daß seine briefliche Arbeit zu einem wesentlichen Teil einer familiären Aufgabenstellung gewidmet war. Mit gutem Recht können wir Hans Fugger, und das gerade auch in Anbetracht seiner zahlreich erbrachten Agenten-Dienste, als ‹Unternehmer in Sachen Familie› bezeichnen. Die Entschiedenheit, mit der Fugger auf diesem Sektor ebenso wie in unmittelbaren ökonomischen Interessen, so im Fall Mering, verhandeln konnte, spricht dafür, daß er hier in einer familieninternen Aufgabenteilung ähnlich wie beim Nachrichtentransfer seinen spezifischen, auch seinen rhetorischen Fähigkeiten entsprechenden Bereich gefunden hatte, fallweise, wie etwa bei den Montforter Anliegen, von seinem Bruder mit der Autorität des ‹Regierers› unterstützt. Gleichzeitig belegen die ökonomischen Zielsetzungen der Fugger und die Auseinandersetzung mit Albrecht V. um die Pfandschaft Merings jedoch, daß auch im Kontext höfischer Patronage dezidiert kaufmännische Überlegungen und Fuggerscher Stolz auf die fortgeführte Tradition des Bankhauses ihren Raum hatten. Eine ‹Einbahnstraße› hin zu ausschließlich adligen Selbstkonzepten bedeuteten Transformationsprozesse zum Aufbau sozialen Kapitals also nicht. Die sozialen Rollen von Handelsherr und Adelsherr standen für Hans Fugger noch nebeneinander, nicht gegeneinander. Eine Vermittlerrolle kam Fugger daher auch in dieser Hinsicht zu: Kaufmännische Herkunft und der Anspruch auf neue Karrieren mußten so präsentiert werden, daß sie dem Selbstverständnis des etablierten Geblütsadels akzeptabel erschienen. Außerhalb der nach wie vor betriebenen Geschäfte des Fuggerschen Handels durfte Handeln und Verhandeln nicht den Eindruck erwecken, daß bürgerlich-ökonomische Erwägungen im Vordergrund stünden. Von daher erschien es Hans Fugger beispielsweise als inakzeptabel, sich ein Amt für den Sohn Marx mit einem hohen, überaus günstigen Kredit zu ‹erkaufen›. Vielmehr mußte es darum gehen, als regulärer Mitspieler im Wettbewerb um Karrierechancen akzeptiert zu sein. Interaktion und Kommunikation, dafür stand Hans Fugger ein, hatten den anerkannten Codes des jeweiligen Beziehungskontexts zu folgen, in der brieflichen Interaktion genauso wie bei der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, die sich über Rekurse auf Begegnungen am Hof oder durch Korrespondenz über Geschenk-Situationen ebenfalls in den Briefen spiegelte. Wohin sich Fuggers langfristige Perspektive für die Familie richtete, wird durch seine Vorkehrungen für die Prägung seiner eigenen memoria deutlich: Sein zu Lebzeiten entworfenes, von Alexander Colin gestaltetes Grabmal in der Kirchheimer Schloßkirche zeigt ihn in voller Rüstung, mit einem Signum des Adelsherren – das Andenken an ihn wurde somit noch einmal sichtbar mit dem ständischen Aufstieg des Hauses verbunden. Fuggers virtuose Handhabung von Kommunikationsstrategien war es, die das vermeintlich Unvereinbare, Adel und Handel, erfolgreich zusammenband: Immer noch erbrachte die Fuggerfirma, von Hans Fuggers An-
Zur Formulierung vgl. Bernd Roeck: Hainhofer (Untertitel: «Unternehmer in Sachen Kunst»). Zum «Pluralismus an Normen» jüngst Häberlein: Fugger, S. 186f. Vgl. im vierten Teil: Ein Fuggersohn auf Stellensuche: Die Bewerbung Marx Fuggers um die Landvogtei Ensisheim bzw. Hagenau, S. 354f. Vgl. hierzu auch Karnehm: Regesten I, 16*. Vgl. Abb. 2, S. 24.
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strengungen mitgetragen, beachtliche ökonomische Leistungen; Transformation der Kapitalien bedeutete keinen vollständigen Abschied von der unternehmerischen Sphäre, deren Handlungsfelder in Fuggers Korrespondenz der immer selbstverständlicheren Verankerung Fuggerscher Viten in adligen Lebensmustern dienstbar gemacht wurden. Im Kontext einer Vielzahl von sozialen Netz-Verbindungen realisierten sich sozialer Aufstieg und Konsolidierung einer Elitenstellung – undenkbar ohne die kommunikative Kompetenz, diese Netze zu verstetigen.
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Abkürzungsverzeichnis
AKG APA ARG Art. BayHStA DRW DVJS FA fl GHA H. HAB HHSTAW HZ it. lat. MIÖG ND NDB QFIAB RHR RUB StAA SuStBA UTB ZBLG ZHF ZHVS
Archiv für Kulturgeschichte Alte Prager Akten Archiv für Reformationsgeschichte Artikel Bayerisches Hauptstaatsarchiv Deutsches Rechtswörterbuch Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Fürstlich und Gräflich Fuggersches Familien- und Stiftungsarchiv rheinischer Gulden (Florin) Geheimes Hausarchiv Heft Historischer Atlas von Bayern Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Historische Zeitschrift italienisch lateinisch Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Neudruck Neue Deutsche Biographie Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Reichshofrat Reclams Universal-Bibliothek Stadtarchiv Augsburg Staats- und Stadtbibliothek Augsburg Universitäts-Taschenbücher Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Historische Forschung Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben
407
Verzeichnis abgekürzt zitierter Literatur
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Algazi, Gadi u.a. (Hg.): Negotiating the Gift. Pre-Modern Figurations of Exchange, Göttingen 2003 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 188).
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Arndt, Johannes: Die kaiserlichen Friedensvermittlungen im spanisch-niederländischen Krieg 1568–1609. In: Rheinische Vierteljahrsblätter 62 (1998), S. 161–183.
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Arndt, Johannes: Das Heilige Römische Reich und die Niederlande 1566 bis 1648. Politisch-konfessionelle Verflechtung und Publizistik im Achtzigjährigen Krieg. Köln u.a. 1998 (Münstersche Historische Forschungen 13).
Asch: Hof Karls I.
Asch, Ronald G.: Der Hof Karls I. von England. Politik, Provinz und Patronage 1625–1640. Köln u.a. 1993 (Norm und Struktur 3).
Baader: Renaissancehof
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Backmann: Firma Ott
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Dauser: Interne Kommuni kation
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Delumeau: Angst
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Denzel: Werkstattbericht
Denzel, Markus A.: Eine Handelspraktik aus dem Hause Fugger (erste Hälfte des 16. Jahrhunderts). Ein Werkstattbericht. In: Ders. u.a. (Hg.): Kaufmannsbücher und Handelspraktiken vom Spätmittelalter bis zum beginnenden 20. Jahrhundert. Stuttgart 2002 (Vierteljahrsschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte: Beihefte 163), S. 125–152.
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Droste: Patronage
Droste, Heiko: Patronage in der Frühen Neuzeit – Institution und Kulturform. In: ZHF 30 (2003), S. 555–590.
Edelmayer: Söldner und Pensionäre
Edelmayer, Friedrich: Söldner und Pensionäre. Das Netzwerk Philipps II. im Heiligen Römischen Reich. Wien und München 2002 (Studien zur Geschichte und Kultur der iberischen und iberoamerikanischen Länder 7).
Ehrenberg: Fugger
Ehrenberg, Richard: Das Zeitalter der Fugger. Geldkapital und Creditverkehr im 16. Jahrhundert, Bd. 1: Die Geldmächte des 16. Jahrhunderts. Jena 1896 (ND Hildesheim 1963).
Ehrenpreis: Gerichtsbarkeit
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Emich: Bürokratie und Nepotismus
Emich, Birgit: Bürokratie und Nepotismus unter Paul V. (1605–1621). Studien zur frühneuzeitlichen Mikropolitik in Rom. Stuttgart 2001 (Päpste und Papsttum 30).
Emich: Patronageforschung
Emich, Birgit u.a.: Stand und Perspektiven der Patronageforschung. Zugleich eine Antwort auf Heiko Droste. In: ZHF 32 (2005), S. 233–265.
Endreß: Vertrauen
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Fischer: Schwäbisches Wörterbuch
Fischer, Hermann: Schwäbisches Wörterbuch, Bd.1–6. Tübingen 1904–1936.
Fitzler: Fuggerzeitungen
Fitzler, Mathilde Auguste Hedwig: Die Entstehung der sogenannten Fuggerzeitungen in der Wiener Nationalbibliothek, Baden bei Wien 1937 (Veröffentlichungen des Wiener Hofkammerarchivs 2).
Frangk: Cantzley und Titel buechlin
Frangk, Fabian: Ein Cantzley und Titel buechlin/ Darinnen gelernt wird/ wie man Sendebriefe förmlich schreiben/ und einem idlichen seinen gebürlichen Titel geben sol. Orthographia Deutsch/ Lernt/ recht buchstäbig schreiben. Wittenberg 1531. ND Hildesheim, New York 1979 (Documenta Linguistica, Reihe IV.: Deutsche Grammatiken des 16. bis 18. Jahrhunderts).
Gensthaler: Medizinal wesen
Gensthaler, Gerhard: Das Medizinalwesen der freien Reichsstadt Augsburg bis zum 16. Jahrhundert mit Berücksichtigung der ersten Pharmakopöe von 1564 und ihrer weiteren Ausgaben. Augsburg 1973 (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 21).
Georges: Handwörterbuch
Georges, Karl Ernst: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Bd. 1–2. Gotha 81913 (ND Darmstadt 1992).
Goller: Henot
Goller, Engelbert: Jakob Henot, Postmeister von Cöln. Ein Beitrag zur Geschichte der sogenannten Postreformation um die Wende des XVI. Jahrh. Bonn 1910.
Göllner: Turcica
Göllner, Carl: Turcica. Bd. 3: Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im 16. Jahrhundert. Baden-Baden 1978 (Bibliotheca bibliographica Aureliana 70).
González: Strategy
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Gotthard: Säulen
Gotthard, Axel: Säulen des Reiches. Die Kurfürsten im frühneuzeitlichen Reichsverband. Bd. 1. Husum 1999 (Historische Studien 457/1).
Grimm: Deutsches Wörterbuch
Grimm, Jacob und Wilhelm: Deutsches Wörterbuch, Bd.1– 16. Leipzig 1854/1956.
Groebner: Geschenke
Groebner, Valentin: Gefährliche Geschenke. Ritual, Politik und die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit. Konstanz 2000 (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven 4).
Gross: Reichshofkanzlei
Gross, Lothar: Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei von 1559 bis 1806. Wien 1933 (Inventare des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs V/1).
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Grothaus: Erbfeind
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Guinnane: Trust
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Haberer: Ott Heinrich
Haberer, Stephanie: Ott Heinrich Fugger (1592–1644). Biographische Analyse typologischer Handlungsfelder in der Epoche des Dreißigjährigen Krieges. Augsburg 2004 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft: Reihe 4, 29 = Studien zur Fuggergeschichte 38).
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Häberlein, Mark: Brüder, Freunde und Betrüger. Soziale Beziehungen, Normen und Konflikte in der Augsburger Kaufmannschaft um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Berlin 1998 (Colloquia Augustana 9).
Häberlein: Fugger
Häberlein, Mark: Die Fugger. Geschichte einer Augsburger Familie (1367–1650). Stuttgart 2006.
Häberlein: Fugger und Welser
Häberlein, Mark: Fugger und Welser. Kooperation und Konkurrenz 1496–1614. In: Ders., Burkhardt, Johannes (Hg.), Die Welser. Neue Forschungen zur Geschichte und Kultur des oberdeutschen Handelshauses. Berlin 2002 (Colloquia Augustana 16), S. 223–239.
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Hadriga: Trautson
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Hamann: Habsburger
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Hausenblasová: Hof Rudolfs
Hausenblasová, Jaroslava: Der Hof Kaiser Rudolfs II. Eine Edition der Hofstaatsverzeichnisse 1576–1612. Prag 2002 (Fontes Historiae Artium IX).
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Hayez: Relation épistolaire
Hayez, Jérôme: La gestion d’ une relation épistolaire dans les milieux d’ affaires toscans à la fin du Moyen Age. In: Société des Historiens Médiévistes de l’ Enseignement Supérieur public (Hg.), La circulation des nouvelles au Moyen Age. Paris 1994 (Collection de l’École Française de Rome 190; Série Histoire Ancienne et Médiévale 29), S. 63–84.
Hefner-Alteneck: Adel
Hefner-Alteneck, Otto Titan von: Stammbuch des blühenden und abgestorbenen Adels in Deutschland, Bd.1–5. Regensburg 1860–1866.
Heil: Reichspolitik Bayerns
Heil, Dietmar: Die Reichspolitik Bayerns unter der Regierung Herzog Albrechts V. (1550–1579). Göttingen 1998 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften 61).
Hengerer: Amtsträger
Hengerer, Mark: Amtsträger als Klienten und Patrone? Anmerkungen zu einem Forschungskonzept. In: Brakensiek, Stefan, Wunder, Heide (Hg.), Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Köln 2005, S. 45–78.
Hess: Lepanto
Hess, Andrew C.: The Battle of Lepanto and its Place in Mediterranean History. In: Past and Present 57 (1972), S. 53–73.
Hildebrandt: Diener und Herren
Hildebrandt, Reinhard: Diener und Herren. Zur Anatomie großer Unternehmen im Zeitalter der Fugger. In: Burkhardt, Johannes (Hg.), Augsburger Handelshäuser im Wandel des historischen Urteils. Berlin 1996 (Colloquia Augustana 3), S. 149–174.
Hildebrandt: Georg Fuggerische Erben
Hildebrandt, Reinhard: Die «Georg Fuggerischen Erben». Kaufmännische Tätigkeit und sozialer Status 1555–1600. Berlin 1966 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 6).
Hirn: Ferdinand
Hirn, Joseph: Erzherzog Ferdinand II. von Tirol. Geschichte seiner Regierung und seiner Länder, Bd. 2. Innsbruck 1888.
Hoffmann: Konflikte
Hoffmann, Carl A.: Konfessionell motivierte und gewandelte Konflikte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Versuch eines mentalitätsgeschichtlichen Ansatzes am Beispiel der bikonfessionellen Reichsstadt Augsburg. In: Frieß, Peer, Kießling, Rolf (Hg.), Konfessionalisierung und Region. Konstanz 1999 (Forum Suevicum 3), S. 99–120.
Hoock, Jeannin: Einleitung
Hoock, Jochen, Jeannin, Pierre: Einleitung. In: Dies. (Hg.), Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns, 1470–1820. Eine analytische Bibliographie in 6 Bänden, Bd. 1: 1470–1600. Paderborn u.a. 1991, S. 7–25.
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Hörner, Ksoll-Marcon: Reichskammergericht
Hörner, Manfred, Ksoll-Marcon, Margit (Bearb.): Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht 9, Nr. 3228-3883 (Buchstabe F). München 2002 (Bayerische Archivinventare 50, 9).
Hugen: Rhetorica
Hugen, Alexander: Rhetorica unnd Formulare/ Teütsch/ dergleich nie gesehen ist/ durch Alexander Hugen/ vil järige(n) Stattschreiber zuo mindern Basel [...]. Tübingen 1540. [=VD16 H 5816]
Immenkötter, Wüst: Augsburg
Immenkötter, Herbert, Wüst, Wolfgang: Augsburg. Freie Reichsstadt und Hochstift. In: Schindling, Anton, Ziegler, Walter (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650, Bd. 6. Münster 1996 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 56), S. 8–35.
Israel: Dutch Republic
Israel, Jonathan: The Dutch Republic. Its Rise, Greatness, and Fall, 1477–1806. Oxford 1995.
Jansen: Einführung
Jansen, Dorothea: Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele. Wiesbaden 3 2006.
Kaltenbrunner: Kalender streit
Kaltenbrunner, Ferdinand: Der Augsburger Kalenderstreit. In: MIÖG 1 (1880), S. 497–540.
Kalus: Slowakei
Kalus, Peter: Die Fugger in der Slowakei. Augsburg 1999 (Materialien zur Geschichte der Fugger 2).
Kamen: Philip
Kamen, Henry: Philip of Spain. New Haven, London 1997.
Karg: Fugger
Karg, Franz: Die Fugger im 16. und 17. Jahrhundert. In: Eikelmann, Renate (Hg.), «lautenschlagen lernen und ieben.» Die Fugger und die Musik. Anton Fugger zum 500. Geburtstag. Augsburg 1993, S. 99–110.
Karg: Malvezzi 2
Karg, Frank A.: Malvezzi contra Fugger – der Affäre anderer Teil. In: Fuggerarchiv (Hg.), Die Welt des Hans Fugger. Augsburg 2007 (Materialien aus dem Fuggerarchiv 1) S. 109–116.
Karg: Regierer
Karg, Frank A.: Hans Fugger wird «Regierer» der Fuggerschen Firma. In: Fuggerarchiv (Hg.), Die Welt des Hans Fugger. Augsburg 2007 (Materialien aus dem Fuggerarchiv 1) S. 131–142.
Karnehm: Affäre Malvezzi 1
Karnehm, Christl: Malvezzi contra Fugger – eine Affäre. In: Fuggerarchiv (Hg.): Die Welt des Hans Fugger. Augsburg 2007 (Materialien aus dem Fuggerarchiv 1) S. 99–108.
Karnehm: Amazonen sarkophag
Karnehm, Christl, Danner, Peter: Quellen des 16. bis frühen 18. Jahrhunderts zum Wiener Amazonensarkophag, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Museums Wien 6/7 (2004/05), S. 9–25.
415
Karnehm: Korrespondenz netz
Karnehm, Christl: Das Korrespondenznetz Hans Fuggers (1531–1598). In: Burkhardt, Johannes, Werkstetter, Christine (Hg.), Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit (HZ Beiheft 41), S. 301–311.
Karnehm: Regesten
Karnehm, Christl: Die Korrespondenz Hans Fuggers von 1566–1594. Regesten der Kopierbücher aus dem Fuggerarchiv, Bd. I (unter Mitarbeit von Maria Gräfin von Preysing) 1566–1573; Bd. II/1 1574–1581; Bd. II/2 1582–1594. München 2003 (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, Abt. III, Privatkorrespondenzen).
Keblusek: Agent
Keblusek, Marika: Introduction: Profiling the Early Modern Agent. In: Cools, Hans u.a. (Hg.), Your Humble Servant. Agents in Early Modern Europe. Hilversum 2006, S. 9–15.
Kellenbenz: Hans Jakob Fugger
Kellenbenz, Hermann: Hans Jakob Fugger. Handelsherr, Humanist, Diplomat (1516–1575). In: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 12. Weißenhorn 1980 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für Bayerische Landesgeschichte: Veröffentlichungen, Reihe 3), S. 48–104.
Kempter: Fuggerzeitungen
Kempter, Kaspar: Die wirtschaftliche Berichterstattung in den sogenannten Fuggerzeitungen. München 1936 (Zeitung und Leben 27).
Kettering: Gift-Giving
Kettering, Sharon: Gift-Giving and Patronage in Early Modern France. In: French History 2 (1988), S. 131–151.
Kettering: Patrons
Kettering, Sharon: Patrons, Brokers, and Clients in Seventeenth-Century France. New York, Oxford 1986.
Khevenhüller: Tagebuch
Khevenhüller-Metsch, Georg (Hg.): Hans Khevenhüller. Geheimes Tagebuch 1548–1605. Graz 1971.
Kleinpaul: Nachrichten wesen
Kleinpaul, Johannes: Das Nachrichtenwesen der deutschen Fürsten im 16. und 17. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der geschriebenen Zeitungen. Leipzig 1930.
Klueting: Freistellung
Klueting, Harm: Freistellung der Religion. Zwischen Reservatum Ecclesiasticum und Religionsfreiheit – Gebhard Truchseß von Waldburg (1547–1601) in anderer Sicht. In: Faulenbach, Heiner (Hg.), Standfester Glaube. Festgaben zum 65. Geburtstag von Johann Friedrich Gerhard Goeters. Köln 1991 (Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 100), S. 95–128.
Kränzler: Augsburger Botenanstalt
Kränzler, Peter: Die Augsburger Botenanstalt. In: Archiv für Post und Telegraphie 4 (1876), S. 658–662.
Krusenstjern: Selbstzeug nisse
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Kühlmann: Poet und Reich
Kühlmann, Wilhelm: Der Poet und das Reich. Politische, kontextuelle und ästhetische Dimensionen der humanistischen Türkenlyrik in Deutschland. In: Guthmüller, Bodo, Kühlmann, Wilhelm (Hg.), Europa und die Türken in der Renaissance. Tübingen 2000 (Frühe Neuzeit 54), S. 193–227.
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Kunze, Rolf-Ulrich: ‹Vader des vaderlands›, Protorevolutionär oder toleranter Fürst? Zur Rolle Wilhelms von Oranien im Aufstand der Niederlande, 1566-1584. In: AKG 82 (2000), S. 93–119.
Lademacher: Niederlande
Lademacher, Horst: Die Niederlande. Politische Kultur zwischen Individualität und Anpassung. Berlin 1993 (Propyläen Geschichte Europas; Ergänzungsband).
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Lademacher, Horst: Die Stellung des Prinzen von Oranien als Statthalter in den Niederlanden von 1572 bis 1584. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte der Niederlande. Bonn 1958 (Rheinisches Archiv 52).
Lanzinner: Friedens sicherung
Lanzinner, Maximilian: Friedenssicherung und politische Einheit des Reiches unter Kaiser Maximilian II. (1564–1576). Göttingen 1993 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 45).
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Lill: Hans Fugger
Lill, Georg: Hans Fugger (1531–1598) und die Kunst. Ein Beitrag zur Geschichte der Spätrenaissance in Süddeutschland. Leipzig 1908 (Studien zur Fuggergeschichte 2).
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Loebl, Alfred H.: Zur Geschichte des Türkenkrieges von 1593–1606, Bd. 1. Prag 1899 (Prager Studien aus dem Gebiete der Geschichtswissenschaft 6).
Lojewski: Bayerns Weg
Lojewski, Günther von: Bayerns Weg nach Köln. Geschichte der bayerischen Bistumspolitik in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Bonn 1962 (Bonner historische Forschungen 21).
Lossen: Kölnischer Krieg
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Luhmann: Vertrauen
Luhmann, Niklas: Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion von Komplexität. Stuttgart 1989 (1968).
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Lutz, Georg: Marx Fugger (1529–1597) und die Annales Ecclesiastici des Baronius. Eine Verdeutschung aus dem Augsburg der Gegenreformation. In: De Maio, Romeo u.a. (Hg.), Baronio storico e la controriforma. Atti del Convegno internazionale di studi. Sora 6–10 ottobre 1979. Sora 1982 (Fonti e studi Baroniani 1), S. 422–543.
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Lutz, Elmar: Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften in der Zeit der Fugger, Bd. 1–2. Tübingen 1976 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte: Reihe 4, 16 = Studien zur Fuggergeschichte 25).
Maasen: Hans Jakob Fugger
Maasen, Wilhelm: Hans Jakob Fugger (1516–1575). Ein Beitrag zur Geschichte des XVI. Jahrhunderts. München, Freising 1922 (Historische Forschungen und Quellen 5).
Macchi: Wörterbuch
Macchi, Vladimiro (Hg.): Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache. Erster Teil: Italienisch-Deutsch. Wiesbaden u.a. 1970 (Die großen Sansoni Wörterbücher).
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Maltby, William S.: Alba. A Biography of Fernando Alvarez de Toledo, Third Duke of Alba, 1507–1582. Berkeley u.a. 1983.
Mandrou: Grundbesitzer
Mandrou, Robert: Die Fugger als Grundbesitzer in Schwaben 1560–1618. Eine Fallstudie sozioökonomischen Verhaltens am Ende des 16. Jahrhunderts. Göttingen 1997 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 136; Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für Bayerische Landesgeschichte Reihe 4, 26; Studien zur Fuggergeschichte 35) (Originaltitel: Les Fugger, propriétaires fonciers en Souabe 1560–1618. Étude de comportements socio-économiques à la fin du XVIe siècle. Paris 1969).
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Matuz, Josef: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 1985.
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Mauelshagen, Franz: Netzwerke des Nachrichtenaustauschs. Für einen Paradigmenwechsel in der Erforschung der «neuen Zeitungen». In: Burkhardt, Johannes, Werkstetter, Christine (Hg.), Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit. München 2005 (HZ Beihefte 41), S. 409–425.
Mauelshagen: Vertrauen
Mauelshagen, Franz: Netzwerke des Vertrauens. Gelehrtenkorrespondenzen und wissenschaftlicher Austausch in der Frühen Neuzeit. In: Frevert, Ute (Hg.), Vertrauen. Historische Annäherungen. Göttingen 2003, S. 119–151.
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Mauer, Benedikt: ‹Gemain Geschrey› und ‹teglich Reden›: Georg Kölderer – ein Augsburger Chronist des konfessionellen Zeitalters. Augsburg 2001 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft Augsburg: Reihe 1; Studien zur Geschichte des bayerischen Schwaben 29).
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Mauss: Gabe
Mauss, Marcel: Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Frankfurt/M. 21994 (stw 743) (Originaltitel: Essai sur le don. Paris 1950).
Merten: Kommunikations wissenschaft
Merten, Klaus: Einführung in die Kommunikationswissen schaft. Bd. 1/1: Grundlagen der Kommunikationswissenschaft. Münster 1999 (Aktuelle Medien- und Kommunikations forschung 1).
Meteren: Historia
Meteren, Emanuel: Historia oder eigentliche und warhaffte beschreibung aller kriegshändel unnd gedenckwürdigen geschichten so sich in Niderteutschland / auch beygelegenen und andern örtern / Franckreich / Engelandt / Teutschlandt / Hispanien / Italien / zugetragen haben unter der Regierung keysers Caroli des V. unnd Philippi II. königs in Hispanien / biß auff diese jetzige gegenwertige zeit [...]. S. I. 1596. [=VD16 M 4929]
Metzler: Privatbriefe
Metzler, Regine: Privatbriefe aus dem 16. und dem 18. Jahrhundert. Ein empirischer Vergleich zur Textsortengeschichte. In: Hertel, Volker u.a. (Hg.), Sprache und Kommunikation im Kulturkontext. Beiträge zum Ehrenkolloquium aus Anlaß des 60. Geburtstages von Gotthard Lerchner. Frankfurt/Main u.a. 1996, S. 359–381.
Meyer: Chronik der Fugger
Meyer, Christian (Hg.): Chronik der Familie Fugger vom Jahre 1599. München 1902.
Mörke: Sonderstruktur
Olaf Mörke: Die Fugger im 16. Jahrhundert. Städtische Elite oder Sonderstruktur? In: ARG 74 (1983), S. 141–162.
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Motley: Netherlands 2
Motley, John L.: History of the United Netherlands. From the Death of William the Silent to the Twelve Years’ Truce, 1609. Bd. 2. New York 1900 (The complete works of John L. Motley).
Mout: Niederlande und Reich
Mout, Nicolette: Die Niederlande und das Reich im 16. Jahrhundert (1512–1609). In: Press, Volker, Stievermann, Dieter (Hg.), Alternativen zur Reichsverfassung in der Frühen Neuzeit? München 1995 (Schriften des Historischen Kollegs; Kolloquien 23), S. 143–168.
Mummenhoff: Nachrich tendienst
Mummenhoff, Wilhelm: Der Nachrichtendienst zwischen Deutschland und Italien im 16. Jahrhundert. Dissertation Berlin 1911.
Murphey: Ottoman Warfare
Murphey, Rhoads: Ottoman Warfare 1500–1700. London 1999 (Warfare and History).
Naujoks: Vorstufen
Naujoks, Eberhard: Vorstufen der Parität in der Verfassungsgeschichte der schwäbischen Reichsstädte (1555–1648). Das Beispiel Augsburgs. In: Sydow, Jürgen von (Hg.), Bürgerschaft und Kirche. Sigmaringen 1980 (Stadt in der Geschichte 7), S. 38–66.
Nebinger: Fugger-Stamm tafeln
Nebinger, Gerhart, Rieber, Albrecht: Genealogie des Hauses Fugger von der Lilie. Stammtafeln. Tübingen 1978 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommisssion für Bayerische Landesgeschichte: Reihe 4, 17 = Studien zur Fuggergeschichte 26).
Nebinger: Standesver hältnisse
Nebinger, Gerhart: Die Standesverhältnisse des Hauses Fugger (von der Lilie) im 15. und 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur sozialgeschichtlichen Wertung von Titulaturen. In: Blätter des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde 49 (1986) Band XV, S. 261–276.
Neuschel: Word of Honor
Neuschel, Kristen B.: Word of Honor. Interpreting Noble Culture in Sixteenth-Century France. Ithaca, London 1989.
Nickisch: Brief
Nickisch, Reinhard M. G.: Brief. Stuttgart 1991 (Sammlung Metzler 260).
Nickisch: Stilprinzipien
Nickisch, Reinhard M.G.: Die Stilprinzipien in den deutschen Briefstellern des 17. und 18. Jahrhunderts. Mit einer Bibliographie zur Briefschreiblehre (1474–1800). Göttingen 1969 (Palaestra 254).
Nolte: Familie
Nolte, Cordula: Familie, Hof und Herrschaft. Das verwandschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440–1530). Ostfildern 2005 (MittelalterForschungen 11).
Nolte: Patronage
Nolte, Hans Heinrich: Patronage und Klientel. Das Konzept in der Forschung. In: Ders. (Hg.), Patronage und Kientel. Ergebnisse einer polnisch-deutschen Konferenz. Köln, Wien 1989 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 29), S. 1–17.
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Origo: Datini
Iris Origo: «Im Namen Gottes und des Geschäfts». Lebensbild eines toskanischen Kaufmanns der Frührenaissance. Francesco di Maro Datini 1335–1410. München 1985 (Originaltitel.: The Merchant of Prato. London 1957).
Pálffy: Preis
Pálffy, Géza: Der Preis für die Verteidigung der Habsburgermonarchie. Die Kosten der Türkenabwehr in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: Edelmayer, Friedrich u.a. (Hg.), Finanzen und Herrschaft. Materielle Grundlagen fürstlicher Politik in den habsburgischen Ländern und im Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert. Wien, München 2003 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 38), S. 20–44.
Papenheim: Karrieren
Papenheim, Martin: Karrieren in der Kirche. Bischöfe in Nord- und Süditalien, 1676–1903. Tübingen 2001 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 93).
Parker: Army of Flanders
Parker, Geoffrey: The Army of Flanders and the Spanish Road 1567–1659. The Logistics and Defeat in the Low Countries’ Wars. Cambridge 1972.
Parker: Aufstand
Parker, Geoffrey: Der Aufstand der Niederlande. Von der Herrschaft der Spanier zur Gründung der Niederländischen Republik 1549–1609. München 1979 (Originaltitel: The Dutch Revolt. London 1977).
Parker: Strategy
Parker, Geoffrey: The Grand Strategy of Philip II. New Haven, London 1998.
Pečar: Ökonomie
Pečar, Andreas: Die Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711–1740). Darmstadt 2003 (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne).
Peck: Court Patronage
Peck, Linda Levy: Court Patronage and Corruption in Early Stuart England. London u.a. 1990.
Petritsch: Tribut
Petritsch, Ernst Dieter: Tribut oder Ehrengeschenk? Ein Beitrag zu den habsburgisch-osmanischen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In: Springer, Elisabeth, Kammerhofer, Leopold (Hg.), Archiv und Forschung. Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv in seiner Bedeutung für die Geschichte Österreichs und Europas. Wien, München 1993, S. 49–58.
Pfister: Klientelismus
Pfister, Ulrich: Politischer Klientelismus in der frühneuzeitlichen Schweiz. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 42 (1992), S. 28–68.
Pieper: Neue Welt
Pieper, Renate: Die Vermittlung einer neuen Welt. Amerika im Nachrichtennetz des habsburgischen Imperiums 1493–1598. Mainz 2000 (Veröffentlichungen des Instituts für europäische Geschichte Mainz; Abteilung für Universalgeschichte 163).
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Pollmann: Natürliche Feindschaft
Pollmann, Judith: Eine natürliche Feindschaft: Ursprung und Funktion der schwarzen Legende über Spanien in den Niederlanden, 1560–1581. In: Bosbach, Franz (Hg.), Feindbilder. Die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik des Mittelalters und der Neuzeit. Köln u.a. 1992 (Bayreuther Historische Kolloquien 6), S. 73–93.
Pölnitz, Kellenbenz: Anton Fugger
Pölnitz, Götz Freiherr von, Kellenbenz, Hermann: Anton Fugger. Bd. 3, 1548–1560. Tübingen 1986 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für bayerische Landesgeschichte: Reihe 4, 20 = Studien zur Fuggergeschichte 29).
Pölnitz: Canisius
Pölnitz, Götz Freiherr von: Petrus Canisius und das Bistum Augsburg. In: ZBLG 18 (1955), S. 352–394.
Pölnitz: Generationen problem
Pölnitz, Götz Freiherr von: Das Generationenproblem in der Geschichte der oberdeutschen Handelshäuser. In: Rüdinger, Karl (Hg.), Unser Geschichtsbild. Der Sinn in der Geschichte. München 1955 (Das Bildungsgut der Höheren Schule: Geschichtliche Reihe 2), S. 65–79.
Pomerius: Epitaphium
Pomerius, Georgius [Pomer, Georg]: Epitaphium. Das ist: Lobreiche Grabschrifft/ vnd Memorial, deß vnuergleichlichen Mans/ D. Georgen Müllers [...]. Ingolstadt 1607. [VD17 12:112087B]
Pomerius: Continuation
Pomerius, Georgius [Pomer, Georg]: Continuation Deß Bedenckens eines Euangelischen vnd Protestirenden Christens vonn dem Leben/ Wandel/ Sitten vnd Lehre D. Georgij Mylij […]. Ingolstadt 1607. [VD17 12:110605H]
Press: Wilhelm von Oranien
Press, Volker: Wilhelm von Oranien, die deutschen Reichsstände und der niederländische Aufstand. In: Bijdragen en Mededelingen betreffende de Geschiedenis der Nederlanden 99 (1984), S. 677–707.
Preysing: Fugger Testamente
Preysing, Maria Gräfin von: Die Fugger-Testamente des 16. Jahrhunderts, Bd. 2: Edition der Testamente. Weißenhorn 1992 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für Bayerische Landesgeschichte. Reihe 4, 25 = Studien zur Fuggergeschichte 34).
Rabe: Reich
Rabe, Horst: Reich und Glaubensspaltung. Deutschland 1500–1600. München 1989 (Neue Deutsche Geschichte 4).
Radlkofer: Kalenderstreit
Radlkofer, Max: Die volkstümliche und besonders dichterische Litteratur zum Augsburger Kalenderstreit. In: Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte 7 (1901), S. 1–32, 49–71.
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Rauscher: Reichstürken hilfen
Rauscher, Peter: Kaiser und Reich. Die Reichstürkenhilfen von Ferdinand I. bis zum Beginn des «Langen Türkenkriegs» (1548–1593). In: Edelmayer, Friedrich u.a. (Hg.), Finanzen und Herrschaft. Materielle Grundlagen fürstlicher Politik in den habsburgischen Ländern und im Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert. Wien, München 2003 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 38), S. 45–83.
Reinhard: Amici
Reinhard, Wolfgang: Amici e creature. Politische Mikrogeschichte der römischen Kurie im 17. Jahrhundert. In: QFIAB 76 (1996), S. 308–334.
Reinhard: Eliten
Reinhard, Wolfgang (Hg.): Augsburger Eliten des 16. Jahrhunderts. Prosopographie wirtschaftlicher und politischer Führungsgruppen 1500–1620. Berlin 1996.
Reinhard: Patronage
Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen. Historische Anthropologie von Patronage-Klientel-Beziehungen. In: Freiburger Universitätsblätter H. 139 (März 1998), S. 127– 141.
Reinhard: Verflechtung als Konzept
Reinhard, Wolfgang: Freunde und Kreaturen. «Verflechtung» als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600. München 1979 (Schriften der Philosophischen Fachbereiche der Universität Augsburg 14).
Reinhardt: Macht und Ohnmacht
Reinhardt, Nicole: Macht und Ohnmacht der Verflechtung. Rom und Bologna unter Paul V. Studien zur frühneuzeitlichen Politik im Kirchenstaat. Tübingen 2000 (FrühneuzeitForschungen 8).
Roberg: Kölnischer Krieg
Roberg, Burkhard: Der Kölnische Krieg in der deutschen und europäischen Geschichte. In: Godesberger Heimatblätter 21 (1983), S. 37–50.
Roeck: Augsburg
Roeck, Bernd: Eine Stadt in Krieg und Frieden. Studien zur Geschichte der Reichsstadt Augsburg zwischen Kalenderstreit und Parität, Bd. 1. Göttingen 1989 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 37).
Roeck: Reisende
Roeck, Bernd: Reisende und Reisewege von Augsburg nach Venedig in der zweiten Hälfte des 16. und der ersten des 17. Jahrhunderts. In: Lindgren, Uta (Hg.), Alpenübergänge vor 1850. Landkarten – Straßen – Verkehr. Stuttgart 1987 (VSWG Beiheft 83), S. 179–187.
Roeck: Unternehmer
Roeck, Bernd: Philipp Hainhofer. Unternehmer in Sachen Kunst. In: Carlen, Louis/Imboden, Gabriel (Hg.), Kräfte der Wirtschaft. Unternehmergestalten des Alpenraums im 17. Jahrhundert. Brig 1991 (Veröffentlichungen des Forschungsinstituts zur Geschichte des Alpenraums Stockalperschloss Brig 2), S. 9–53.
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Rothenberg: Militärgrenze
Rothenberg, Gunther E.: Die Österreichische Militärgrenze in Kroatien 1522 bis 1881. Wien, München 1970 (Originaltitel: The Austrian Military Border in Croatia, 1522–1747. Urbana 1960; The Military Border in Croatia 1740–1881. Chicago 1966).
Rowen: Dutch Revolt
Rowen, Herbert H.: The Dutch Revolt: What Kind of Revolution? In: Renaissance Quarterly 43 (1990), S. 570–590.
Ruthmann: Reichskammer gericht
Ruthmann, Bernhard: Das richterliche Personal am Reichskammergericht und seine politischen Verbindungen um 1600. In: Sellert, Wolfgang (Hg.): Reichshofrat und Reichskammergericht: ein Konkurrenzverhältnis. Köln u.a. 1999 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im alten Reich 34), S. 1–26.
Saur: Penus notariorum
Saur, Abraham: PENVS NOTARIORVM. Das ist: Ein neuw außerlesen Formular vnd wilkomlich Notariat=Buch/ allerley Instrumenten/ Schrifften/ Brieffen/ vnd Acten. So in hohen Cantzeleyen der Keyser/ Chur/ Fürsten vnd Herrrn Höfe/ Auch anderer Stände vnd Stätte Schreibereyen/ Cantzeleyen vnd Consistorien, gefertiget vnd gestellt werden [...] Durch den Ehrnhafften / Wolgelahrten vnd Rechts erfahrnen/ M. Abraham Saurn/ deß Fürstlichen Hessischen Hofgerichts zu Marpurg verordneten Aduocaten vnd Procuratorn [...]. Frankfurt/M. 1580. [VD 16 S 1922]
Schad: Frauen Fugger
Schad, Martha: Die Frauen des Hauses Fugger von der Lilie (15.–17. Jahrhundert). Augsburg – Ortenburg – Trient. Tübingen 1989 (Schwäbische Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für Bayerische Landesgeschichte: Reihe 4, 22 = Studien zur Fuggergeschichte 31).
Schenk: Soziale Netzwerke
Schenk, Michael: Soziale Netzwerke und Kommunikation. Tübingen 1984 (Heidelberger Sociologica 20).
Scheuermann: Montan industrielle
Ludwig Scheuermann: Die Fugger als Montanindustrielle in Tirol und Kärnten. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts. München, Leipzig 1929 (Studien zur Fuggergeschichte 8).
Schiele: Aufschlüsse
Schiele, Hartmut: Betriebswirtschaftliche Aufschlüsse aus den Fugger-Veröffentlichungen von Götz Freiherrn von Pölnitz. In: Schiele, Hartmut, Ricker, Manfred, Betriebswirtschaftliche Aufschlüsse aus der Fuggerzeit. Berlin 1967 (Nürnberger Abhandlungen zu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 25), S. 5–110.
Schilling: Aspekte
Schilling, Michael: Aspekte des Türkenbildes in Literatur und Publizistik der frühen Neuzeit. In: Stefan Krimm, Dieter Zerlin (Hg.), Die Begegnung mit dem Islamischen Kulturraum in Geschichte und Gegenwart. München 1992 (Acta Hohenschwangau 1991), S. 43–60.
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Schilling: Bildpublizistik
Schilling, Michael: Bildpublizistik der frühen Neuzeit. Aufgaben und Leistungen des illustrierten Flugblatts in Deutschland um 1700. Tübingen 1990 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 29).
Schilling: Fuggerzeitungen
Schilling, Michael: Die Fuggerzeitungen. In: Pauser, Josef u.a. (Hg.), Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert). Ein exemplarisches Handbuch. Wien, München 2004 (MIÖG Ergänzungsband 44), S. 875–880.
Schmidt: Vaterland
Schmidt, Georg: Des Prinzen Vaterland? Wilhelm I. von Oranien (1533–1584) zwischen Reich, deutscher Nation und den Niederlanden. In: Melville, Ralph u.a. (Hg.), Deutschland und Europa in der Neuzeit. Festschrift für Karl Otmar Freiherr von Aretin zum 65. Geburtstag, Bd. 1. Stuttgart 1988, S. 223–239.
Schuller: Social Capital
Schuller, Tom, Baron, Stephen, Field, John: Social Capital. A Review and a Critique. In: Dies. (Hg.), Social Capital. Critical Perspectives. New York 2000, S. 1–38.
Schulze: Reich und Türken gefahr
Schulze, Winfried: Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung. München 1978.
Schweer, Thies: Glaubwür digkeit
Schweer, Martin K. W., Thies, Barbara: Vertrauen durch Glaubwürdigkeit – Möglichkeiten der (Wieder-)Gewinnung von Vertrauen aus psychologischer Perspektive. In: Dernbach, Beatrice, Meyer, Michael (Hg.), Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Interdisziplinäre Perspektiven. Wiesbaden 2005, S. 47–63.
Sieh-Burens: Oligarchie
Sieh-Burens, Katarina: Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Zur sozialen Verflechtung der Augsburger Bürgermeister und Stadtpfleger 1518–1618. München 1986 (Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg: Historisch-sozialwissenschaftliche Reihe, 29).
Sikora: Kurköln
Sikora, Michael: Krieg um Kurköln. In: Geschichte in Köln 29 (1991), S. 49–81.
Simmel: Soziologie
Simmel, Georg: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Frankfurt/M. 1992 (1908) (Georg Simmel: Gesamtausgabe 11).
Sporhan-Krempel: Nürnberg
Sporhan-Krempel, Lore: Nürnberg als Nachrichtenzentrum zwischen 1400 und 1700. Nürnberg 1968 (Nürnberger Forschungen 10).
Spranger: Metall- und Versorgungshandel
Spranger, Carolin: Der Metall- und Versorgungshandel der Fugger in Schwaz in Tirol 1560–1575 zwischen Krisen und Konflikten. Augsburg 2006 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft Reihe 4; 31; Studien zur Fuggergeschichte 40).
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Steinhausen: Brief
Steinhausen, Georg: Geschichte des deutschen Briefes. Zur Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Bd. 1–2. Dublin, Zürich 1889/1891 (ND Frankfurt 1968).
Stetten: Augspurg
Stetten, Paul von: Geschichte Der Heil. Röm. Reichs Freyen Stadt Augspurg/ Aus Bewährten Jahr= Büchern und Tüchtigen Urkunden gezogen/ Und an das Licht gegeben, Bd. 1. Frankfurt/M., Leipzig 1743.
Steuer: Außenverflechtung
Steuer, Peter: Die Außenverflechtung der Augsburger Oli garchie von 1500–1620. Studien zur sozialen Verflechtung der politischen Führungsschicht der Reichsstadt Augsburg. Augsburg 1988 (Materialien zur Geschichte des Bayerischen Schwaben 10).
Steuer: Konflikt
Steuer, Peter: Innerstädtischer Konflikt und oligarchische Verflechtung. Zur Bedeutung der auswärtigen Beziehungen der Augsburger Oligarchie während des Kalenderstreits. In: Fried, Pankraz (Hg.), Forschungen zur schwäbischen Geschichte. Mit Berichten aus der landesgeschichtlichen Forschung in Augsburg. Sigmaringen 1991 (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft bei der Kommission für Bayerische Landesgeschichte: Reihe 7 = Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens 4), S. 115–129.
Stollberg-Rilinger: Ehre
Stollberg-Rilinger, Barbara: Gut vor Ehre oder Ehre vor Gut? Zur sozialen Distinktion zwischen Adels- und Kaufmannsstand in der Ständeliteratur der Frühen Neuzeit. In: Burkhardt, Johannes (Hg.), Augsburger Handelshäuser im Wandel des historischen Urteils. Berlin 1996 (Colloquia Augustana 3), S. 31–45.
Strohner: Information
Strohner, Hans: Information, Wissen und Bedeutung. Eine Analyse systemischer Strukturen sprachlicher Kommunikation. In: Weingarten, Rüdiger (Hg.), Information ohne Kommunikation? Die Loslösung der Sprache vom Sprecher. Frankfurt/M. 1990, S. 209–226.
Stuber: Hallers Netz
Stuber, Martin u.a.: Albrecht von Hallers Korrespondenznetz. Eine Gesamtanalyse. In: Stuber, Martin u.a. (Hg.), Hallers Netz. ein europäischer Gelehrtenbriefwechsel zur Zeit der Aufklärung. Basel 2005 (Studia Halleriana 9), S. 3–216.
Toifl, Leitgeb: Türken einfälle
Toifl, Leopold, Leitgeb, Hildegard: Die Türkeneinfälle in der Steiermark und in Kärnten vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Wien 1991 (Militärhistorische Schriftenreihe, 64).
Trezzini: Theoretische Aspekte
Trezzini, Bruno: Theoretische Aspekte der sozialwissenschaftlichen Netzwerkanalyse. In: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie 24 (1998), S. 511–544.
Tschopp: Kalenderstreit
Tschopp, Silvia Serena: Konfessionelle Konflikte im Spiegel publizistischer Medien: der Augsburger Kalenderstreit. In: Hoffmann, Carl A. u.a. (Hg.), Als Frieden möglich war. 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden. Regensburg 2005, S. 243–252.
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442
Verzeichnis der Grafiken und Abbildungen
Grafik 1 Grafik 2 Grafik 3 Grafik 4 Grafik 5 Grafik 6 Grafik 7 Grafik 8 Grafik 9
Briefe der Kopierbücher pro Jahr, ergänzt um die Überlieferung aus GHA, BayHStA, SuStBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Grundschema des ego-zentrierten Korrespondenznetzes . . . . . . . . 40 Korrespondenznetz, ergänzt um indirekte Beziehungen . . . . . . . . 45 Korrespondenznetz mit indirekten Beziehungen und Verbindung zu Personen außerhalb der Korrespondenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Die 494 Adressaten Fuggers, geordnet nach ihrer Profession . . . . 68 Häufigkeit des Briefkontakts zu den Adressatengruppen (geordnet nach ihrer Profession) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Anteil von Briefen mit Bankgeschäften und Dienstleistungen an der Gesamtkorrespondenz pro Jahr in Prozent . . . . . . . . . . . . . . 81 Anteil der Nachrichtenbriefe an der Gesamtüberlieferung pro Jahr in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Anteil der Briefe über Patronage bzw. Protektion an der Gesamtkorrespondenz in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
Abb. 1: Abb. 2:
Hans Fugger (1531–1598). Hans von Aachen, um 1590, Fuggermuseum Babenhausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grabmal Hans Fuggers, Schloßkirche Kirchheim. Alexander Colin nach einem Wachsmodel von Hubert Gerhard. 1589/87. Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München (Fotografie Inge Vogel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
24
443
444
Andreas Pühler Karl IX. von Frankreich werde sich nicht in den nie- Parker: Aufstand, S. 161f.: Nach längerer Überderländischen Konflikt einmischen, der daher wohl zeugungsarbeit erwirkt ein Bote Ludwigs von Nassau bei Karl IX. 6.000 Mann als Hilfstruppen bald zu Ende sein werde. und verläßt am 12.07. Paris. Wihelm von Oranien habe seine Truppen nicht unter Parker: Aufstand, S. 163–165: Einfall Wilhelms Kontrolle. Orte in den Niederlanden, die sich selbst von Oranien in Brabant, Städte öffnen ihm die halten könnten, würden sich ihm nicht ergeben. Tore. Ein Großteil von Holland und Seeland fällt von Philipp II. ab.
Hans von Park
Hans Jörg von Preysing
Hieronimus von Lodron
Hieronimus von Lodron
06.06.1567
30.06.1572
20.08.1572
27.09.1572
08.11.1572
I 786 FA 1.2.5 H. 13
I 818 FA 1.2.5 H. 13
I 845 FA 1.2.5 H. 13
I 868 FA 1.2.5 H. 13
Ludwig von Nassau sei gestorben.
Vetter: Oranien, S. 40–42: Ludwig von Nassau starb 1574 in der Schlacht auf der Mooker Heide.
Wilhelm von Oranien sei noch im August bei Bergen Parker: Aufstand, S. 163–165: Wilhelm von Oraangekommen, um es von den Truppen Albas zu ent- nien kam am 09.09. in Bergen an. setzen.
Alba sei mit einer stattlichen Zahl von Kriegsleuten Maltby: Alba, S. 141, 144: Ankunft am 23.05. am 17.05. in Genua eingetroffen, um in die Niederlande zu ziehen.
Herzog Alba sei am 23.05. in Genua eingetroffen, Maltby: Alba, S. 141: Ankunft Albas in Genua am vermutlich würden für Philipp II. Landsknechte an- 24.05. geworben.
I 76 FA 1.2.5 H. 5
Hans Jörg von Preysing
Überprüfung anhand der Forschungsliteratur
27.05.1567
Nachricht Hans Fuggers
I 71 FA 1.2.5 H. 5
Adressat
Datum
Brief
Anhang: Übersicht zu den Falschmeldungen in der Nachrichtenkorrespondenz Hans Fuggers (vgl. S. 155)
445
Adressat
Niklas Heller
Hieronimus von Lodron
Hieronimus von Lodron
Hieronimus von Lodron
Hieronimus von Lodron
Matthias Laymann
Johann Tonner
Datum
10.06.1573
25.07.1573
19.12.1573
24.04.1574
30.10.1574
01.12.1576
08.04.1578
Brief
I 1033 FA 1.2.6b H. 15
I 1093 FA 1.2.6b H. 16
I 1247 FA 1.2.6b H. 17
II/1 88 FA 1.2.7.1 H. 18
II/1 231 FA 1.2.7 H. 19
II/1 1003 FA 1.2.8b H. 27
II/1 1314 FA 1.2.9a H. 30
Überprüfung anhand der Forschungsliteratur
Aus den Niederlanden gebe es nichts Neues; die Spa- Parker: Aufstand, S. 250: Don Juan d’ Austria nier streiften durch die gesamten Niederlande, und der erobert bis Mai/Juni 1578 Gembloux, Nivelle, Postverkehr sei durch die Kriegsläufte häufig gestört. Philippeville, Limburg, Falckenburg, Dalem.
Angeblich sei die Niederlassung der Fugger nicht ge- Ehrenberg: Fugger, S. 181: Plünderung der Faktoplündert worden. rei (vgl. auch die späteren Briefe Fuggers).
Leiden sei drei Monate von den Spaniern belagert Wagenaar: Niederlande, S. 221f.: Nur eine Mingewesen, die eine beabsichtigte bedingungslose Ka- derheit sei in Leiden zur Kapitulation bereit gewesen. pitulation aber nicht zugelassen hätten.
Am 16.4. haben spanische Truppen gegen Ludwig Vetter: Oranien, S. 40–42: Die Schlacht auf der von Nassau gesiegt. Mooker Heide fand am 14.04. statt.
Alba habe am 30.11. sein Kommando in den Nieder- Parker: Aufstand, S. 193: Die Übergabe des Komlanden an Don Requesens übergeben. mandos fand am 29.11. statt.
Haarlem sei am 13.07. von spanischen Truppen ein- Parker: Aufstand, S. 188: Haarlem wurde am genommen worden. 12.07. erobert.
Haarlem sei nach einer Niederlage zur See in einer Motley: Netherlands 2, S. 376f.: Haarlem strengte aussichtslosen Lage verhandlungsbereit. erst ab 01.07. Verhandlungen mit seinen Gegnern an.
Nachricht Hans Fuggers
446
Adressat
Hans Heinrich Mundtprot
Johann Tonner
Hieronimus von Lodron
Johann Tonner
Hieronimus von Lodron
Hans von Montfort
Datum
12.05.1578
17.11.1581
24.04.1582
24.04.1582
24.10.1582
17.12.1582
Brief
II/1 1332 FA 1.2.9b H. 31
II/1 1988 FA 1.2.11 H. 42
II/2 2122 FA 1.2.12a H. 44
II/2 2124 FA 1.2.12a H. 44
II/2 2202 FA 1.2.12a H. 45
II/2 2244 FA 1.2.12a H. 45
Nachricht Hans Fuggers
Überprüfung anhand der Forschungsliteratur
Der spanische Erbprinz Diego sei mit neun Jahren Karnehm: Regesten II/2, S. 1008, Anm. 2: Diego am 20.11. gestorben, sein älterer Bruder Philipp sei wurde erst 1575 geboren, war bei seinem Tod also ebenfalls erkrankt. sieben Jahre alt.
Es sei möglich, daß die Osmanen den Waffenstill- Hammer: Osmanisches Reich, S. 534: Die Osmastand mit dem Kaiser brächen, da drei Raten der Tür- nen mahnten im September 1582 eine ausstehende Rate der Türkenverehrung an. kenverehrung nicht gezahlt worden seien.
Wilhelm von Oranien müsse tot sein, sonst hätte er Parker: Aufstand, S. 244: Alençon wurde bereits auf die Ernennung Alençons zum Herzog von Bra- am 19.02. zum Herzog von Brabant ernannt; Motbant reagiert. ley: Netherlands 3, S. 430f.: Oranien war bei der Ernennung zugegen.
Wilhelm von Oranien werde nach einem Attentat hier Parker: Aufstand, S. 246. Das Attentat durch Juan für tot gehalten. Jaureguy mißglückte.
Der Herzog von Alençon sei mit seinen Truppen für Wagenaar: Niederlande, S. 409f.: Der Herzog von einen Entsatz von Tournai zu spät gekommen. Alençon sei am 01.11. in England angekommen und habe vor seiner Abreise die Garnison von Tournai verstärkt, dann seine Truppen abgedankt.
Angeblich sei auf dem Deputationstag in Worms eine Arndt: Reich und Niederlande, S. 62f.: Die kaigute Friedenslösung für die Niederlande gefunden serlichen Verhandlungsgrundlagen geben keine Perspektiven für eine Konfliktlösung; nach einer worden. Rede des Philipp von Marnix sagen die Deputierten ein Engagement für weitere Verhandlungen zu.
447
Anton von Montfort
Anton von Montfort
Hans von Montfort
Jakob Henot
Johann Tonner
Johann Tonner
Sebastian Roll
05.03.1583
06.08.1583
08.08.1583
12.05.1584
20.04.1585
14.06.1585
10.03.1592
II/2 2297
II/2 2401 FA 1.2.12b H. 49
II/2 2402 FA 1.2.12b H. 49
II/2 2493 FA 1.2.13 H. 53
II/2 2755 FA 1.2.14a H. 59
II/2 2809 FA 1.2.14a H. 60
II/2 3174 FA 1.2.15b H. 86
Adressat
Datum
Brief
Überprüfung anhand der Forschungsliteratur
Parker: Aufstand, S. 259: Nach der Absage Frankreichs beschließen die Generalstaaten am 12.05., England die Oberhoheit über die Utrechter Union anzubieten.
Der Herzog von Parma sei nur mit 6.000 Mann nach Parker: Aufstand, S. 273: Parma zog mit einem Frankreich gezogen. Heer von 20.000 Mann gegen Rouen.
Philipp von Marnix konnte den Spaniern entkommen Wagenaar: Niederlande, S. 498f.: Marnix hat Antund Antwerpen verlassen. werpen nicht verlassen.
Wenn die aufständischen niederländischen Provinzen keine Hoffnung auf französische Unterstützung mehr hätten, sei eine Rückkehr unter spanische Oberhoheit möglich.
Einem Gerücht zufolge hätten sich Gent und Brügge Parker: Aufstand, S. 255: Brügge ergab sich am den Spaniern ergeben. 24.05., Gent am 17.09.
Die Aufregung um Pfalzgraf Johann Casimir sei halt- Lossen: Krieg, S. 324: Johann Casimir brachte los. trotz Geldnot noch im August 1583 20.000 Mann ins Feld.
Pfalzgraf Johann Casimir habe kein Geld, um wirk- Lossen: Krieg, S. 324: Johann Casimir brachte sam in den Kölner Krieg eingreifen zu können. trotz Geldnot noch im August 1583 20.000 Mann ins Feld.
Kardinal Andreas d’Austria sei am 20.02. nach Köln Lossen: Krieg, S. 164. Die Abreise erfolgte am gereist (Kölner Krieg). 21.02.
Nachricht Hans Fuggers
448
Adressat
Wolf von Montfort
Sebastian Roll
Sebastian Roll
Sebastian Roll
Sebastian Roll
Sebastian Roll
Datum
18.07.1592
05.12.1592
05.12.1592
19.12.1592
09.01.1593
06.02.1593
Brief
II/2 3280 FA 1.2.16a H. 88
II/2 3304 FA 1.2.16b H. 90
II/2 3304 FA 1.2.16b H. 90
II/2 3311 FA 1.2.16b H. 90
II/2 3324 FA 1.2.16b H. 90
II/2 3338 FA 1.2.16c H. 91
Nachricht Hans Fuggers
Überprüfung anhand der Forschungsliteratur
Es werde immer noch auf die Ernennung eines neuen Parker: Aufstand, S. 274: Der Graf der Fuentes Gouverneurs für die Niederlande gewartet: Mansfeld war noch zu Lebzeiten Parmas als dessen Nachsei zu alt, Fuentes versuche, gegen Mißwirtschaft folger abgesandt worden. vorzugehen.
Philipp II. müsse in die Niederlande einen fähigen Parker: Aufstand, S. 274: Der Graf der Fuentes Gouverneur schicken, der Ruhe auf dem Schauplatz war noch zu Lebzeiten Parmas als dessen Nacheinkehren lasse. folger abgesandt worden.
Der Herzog von Parma sei am 02.12. in Arras gestor- Parker: Aufstand, S. 274: Der Herzog von Parma ben (im niederländischen Krieg). starb am 06.12. in Arras.
Der Graf de Fuentes sei dem Herzog von Parma zur Parker: Aufstand, S. 274: Fuentes war als AblöKontrolle auf den niederländischen Schauplatz beige- sung Parmas in die Niederlande geschickt worden. ordnet worden.
Karl von Burgau werde bereits am 06.12. von Kroa- Hirn: Ferdinand, S. 299: Die Abberufung Karls tien (Front gegen die Osmanen) nach Tirol heimkeh- von Burgau erfolgte am 09.01.1593. ren, das Heer der Tiroler Landschaft entlassen.
Die osmanischen Truppen rückten vor und hätten be- Toifl, Leitgeb: Türkeneinfälle, S. 20: Niederlage reits Karlstadt eingenommen. der kaiserlichen Truppen bei Karlstadt am 19.07.
Register
Die mit * gekennzeichneten Seitenzahlen verweisen auf die Fußnoten der jeweils angegebenen Seite. Kursivierungen bezeichnen im Sach- und Ortsregister verwandte Begriffe.
Orts- und Sachregister Aachen 268f., 290 Adelsstand (Fugger) 20–22, 82, 88, 104f., 405f. Adressatengruppen 66, 143, 159, 170f., 238f., 283, 285, 299–301, 316, 363, 383 s. auch Korrespondenznetz, Adressatenstruktur Agenten (für Kaufleute und Fürsten) 5, 65, 71, 73, 82, 84f., 88–90, 94, 96, 98, 100f., 113, 115f., 137, 141, 143, 150, 167, 206, 300, 306, 368, 380, 401f., 405 Antiquitäten 81, 89*, 364, 375 Antwerpen 13, 78, 83, 152–154, 164, 177, 184 Faktorei 72, 85, 90, 96, 125–127, 142, 144, 164, 184, 237, 365 Augsburg 4, 91, 93, 120, 127f., 131, 200, 247f., 368, 388 Botendienst (nach Venedig) 91, 127– 130, 134 Chronistik 20f., 253 Handwerk 65, 89f., 221, 255, 365 Hochstift 258, 292* Kalender- und Vokationsstreit 44, 151, 155, 248, 251–283, 292–294, 296f., 299, 302, 351, 403 Kaufleutestube 74 Patriziat 21, 63, 70, 263, 267, 269, 281f. Postzentrum 132, 137f., 164, 196, 239 Prädikanten 256–258, 264–267, 270f., 274, 277, 281 Rat der Stadt 15, 21, 248, 251, 253– 262, 264–270, 273, 276f., 281–283, 292 Reichstag 1547/48 295
Reichstag 1582 287, 289f. St. Anna-Kolleg 252, 276 St. Moritz 350, 372 Weinmarkt 264f., 267, 28 Augsburger Religionsfrieden 193, 236f., 244f., 247, 252, 256f., 273, 299 Avvisi 137 s. auch Neue Zeitungen «Badstuben» im Fuggerhaus (Sammlungskabinett) 83 Bayern, Herzogtum 169, 196, 249–252, 258, 269 Herzogshof (München) 14, 21, 62f., 69, 73f., 77, 82, 125, 282, 316, 356, 402, 404 Verschuldung der Herzöge 356, 364, 368f., 376–379, 392–396, 399 Beziehungswissen 52, 54f., 80, 116, 317, 347, 384, 403f. s. auch Wissen; Wissensbereiche Bezoar 82f., 102 Bibersburg (Ungarn) 202f. Böhmen 185, 334 Botenwesen 91, 119–124, 128–130 Brandenburg, Kurfürstentum 237, 246f., 249, 257, 291 Brief 34, 104, 137, 139, 391, 400, 405 Briefforschung 4–10, 48f., 317 Brieflaufzeiten 123–134, 157, 208 Brieflehre (historisch) 7, 10, 33–39, 46, 55, 110, 317, 322–327, 332–334, 348, 375, 385–387, 403 Brieftransfer (durch Fugger) 81, 91–93 Inhaltsanalyse 49–51, 142, 166, 317 Privatbrief 7, 35
449
sprachliche Gestaltung 35–39, 61, 317, 323–327, 332f., 348, 378–380, 387, 402f., 406 Burgau, Markgrafschaft 258
Calvinismus, Calvinisten 69, 175, 184, 193, 242–244, 246f., 268–270, 274f., 290f., 296, 391 Chinawurzel 82f., 102 Dienstleistungen 75–77, 85f., 94f., 97f., 106, 145, 348, 365–368, 371, 382, 399– 401, 404f. Finanzdienstleistungen s. unter Geldtransfer und Wechselgeschäfte Nachrichten 145, 173, 196, 308, 370 Warentransfer 81–84, 87–90, 101, 115f., 141, 269, 282, 338, 356, 364, 378–379, 401, 404 Druckschriften, Bücher 82f., 101, 151f., 233 Einblattdrucke, Flugschriften 138f., 151, 163, 223, 279 England 175f., 189, 298 Epidemien 158f. Ernährung 82–85, 88, 99, 101, 221, 401 Erzieher, Präzeptoren 73, 107, 252, 342, 385 Erziehung, Ausbildung 13, 67, 99, 105, 112f., 339 Exotica 82, 88f., 96, 101, 116, 202, 221, 233, 401 Faktoreien 13, 72, 78, 82, 85f., 88, 90f., 98, 102, 116, 142, 170, 197, 244, 300, 367, 402 Faktoren (Handelsdiener) 64f., 67, 71–73, 76, 78, 82, 86f., 90f., 96f., 100f., 113, 115, 119, 141, 143, 149f., 153, 173, 195, 206, 232, 306, 310, 315, 402 Familie, Verwandtschaft s. unter Fuggersche Familienbeziehungen Fileck (Festung) 152 Flugblätter, Flugschriften s. unter Einblattdrucke Frankreich 78, 85, 134, 157, 175, 189, 284, 291, 293, 298, 358 Religionskriege 134, 158, 177, 189 Freistellung 193, 236, 285, 288 Fuggerhäuser (Weinmarkt) 14, 287
450
Fuggersche Familienbeziehungen 66, 71–73, 75f., 105–114, 322, 334, 338f., 342–350, 353–356, 401, 405 Fuggerscher Handel 3, 10, 13–18, 24, 86, 112f., 141f., 159, 163, 304, 311, 337, 364, 401–406 s. auch Geldtransfer und Wechselgeschäfte Bergbau 18f., 86, 202, 331, 345, 358 Kreditwesen, Bankgeschäfte 19f., 65, 74f., 77, 80f., 84–89, 93, 96f., 115f., 142, 271, 301, 311, 321, 328, 334–337, 343–345, 348, 359–364 im Achtzigjährigen Krieg (Nieder lande) 164f., 170, 173, 194, 197f. in den Türkenkriegen 203, 205 im Kölner Krieg 237, 240f., 244, 248– 251 Kreditbeziehungen zum bayerischen Herzogshaus 362f., 365, 368–370, 376–382, 394f., 399–401 Fuggersches Türkenkriegsfähnlein 204, 229, 233 Fuggerzeitungen 5, 28, 138, 150, 159, 402 Fürstenaufstand 1552 245, 248, 293, 295 Fürstendiener, Fürstendienst 170, 173, 194, 238, 260, 283, 286, 299f., 315f., 339, 342–345, 353f., 356 Gartenkunst 82f., 100f., 103f. Geheimnis, vertrauliche Mitteilung 148, 307f. Geistlicher Vorbehalt (Reservatum ecclesiasticum) 236 Geldgeschäfte (Hans Fugger) 65, 75, 84 Geldtransfer und Wechselgeschäfte 76, 84–86, 93, 95f., 98, 115, 197, 333, 371, 401 Gelehrtenkorrespondenz 6, 8 Geschenke, Gabentausch 47f., 343, 357– 361, 367, 373–376, 379 Geusen 175, 178, 184 Grundbesitz, Grundherrschaft 22f., 86 Habsburg 285, 356 Handelspraktiken (Fachliteratur) 95*, 96 Haug-Langnauer, Handelsfirma 87 Heeresfinanzierung 65, 164, 166, 170, 173, 188f., 203, 205, 216, 229, 232, 237, 240, 248–250, 296 Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 175, 184, 197, 224, 247f., 293f., 298f.
Hunde 82, 360, 373 Information (Begriff) 49–52 Informationsqualität (Nachrichten) 152– 157, 196, 300–303, 402 Informationskultur (Fugger) 300–302, 401, 403 Ingolstadt, Universität 73, 112, 385 Innsbruck, erzherzoglicher Hof 63 intercessor (Vermittlerposition) 45, 321– 332, 343–345, 347–349, 355f., 359, 371, 374, 377f., 381–397, 400, 404 Italien 78, 89, 96, 102, 130, 258 Jesuiten 253f. Jesuitenkolleg St. Salvator, Augsburg 252, 254, 323, 388f. Kalenderreform 251 s. auch Augsburg, Kalenderstreit Kaiserhof Finanzkammer 97, 334 Geheimer Rat 258 in Prag 62f., 65, 70, 74, 82, 86, 90, 208, 239, 270, 282f., 286, 301, 309, 316, 334, 342, 356, 389, 402 in Wien 13, 20f., 62f., 65, 74, 82, 86, 208, 284, 301, 334, 337, 402 Verschuldung 203, 224 Kapitaltransformation 4, 48, 328, 370, 379, 403–406 Karolinische Regimentsordnung 248, 254, 264, 281, 295 Katholiken 168, 180, 182, 192f., 195, 242, 245–249, 252–255, 261–265, 280f., 289f., 294–298 Kaufmannsstand 88, 94f., 116, 354, 368, 399, 401, 404–406 Kempten, Fürstbistum 348 Kindbettgeschenk 358–360 Kirchberg-Weißenhorn 331 Kirchheim Herrschaft 22, 292* Schloß 14, 16, 83, 112, 405 Kleidung 82–85, 88f. Kleriker 346f. Klimabeobachtung 158 Konfessionszugehörigkeit (Korrespondenzpartner) 67–70 Konfessionskonflikt 227–229, 285, 288, 290, 292, 294–298, 388–390 Achtzigjähriger Krieg (Niederlande) 168, 174f., 179f., 182, 184, 192–195
Kölner Krieg 242, 246–249 Augsburger Kalenderstreit 252–254, 261–263, 267, 281 Konstantinopel 209, 211 Köln Erzstift 237 Faktorei 126–128, 142, 164, 237, 242 Reichsstadt 121f., 127 Kölner Krieg 44, 134, 155, 235–251, 260, 269, 283, 293, 296–299, 302, 348, 351 Kopierbuch 3, 23–33, 67, 71, 73, 77, 80, 83, 87, 93, 105f., 111f., 159, 170, 259, 323 Korrespondenznetz 8, 94 Adressatenstruktur 59–79, 194, 241 Ausdehnung 78, 102f., 115f. Forschung 6, 8 Methode 8, 40–47, 119 Krakau 78 Krankheit 106f., 109 Kunst 3, 16, 81, 83f., 88f., 399 Kunsthandel 3, 16, 81–85, 88f., 365, 368, 372, 376, 399, 401 Kunsthandwerk 81, 83, 88f., 365f., 401 Künstler 23f., 89f., 365, 405 Kurfürsten 289, 291, 293 Kurfürstentag 286, 290f. Landsberger Bund 176, 196 Landshut, Herzogshof 63, 73, 77f., 89 Landtage 285 Landvogteien 354f. Lasswell-Formel 80 Lepanto, Seeschlacht 1571 152, 199, 212f. Lindau 130 Luthertum, Lutheraner 67, 69f., 243f., 246f., 252, 254, 262, 265, 273f., 282, 290, 294, 296f., 390f. Luxuswaren 82, 88f., 96, 115, 377 Madrid 78, 142, 365 Maestrazgos (spanische Rittergüter) 18f., 165, 197 Magdeburger Sessionsstreit 288*, 290 Mailand 130 Makler, Vermittler 45–47, 317–321, 328, 332, 336f., 343, 345, 353, 371, 374, 377, 381f., 392, 398 Malerei 23f., 81, 68f. Medizin 82f., 100–104, 116 Mehrfachbeziehung s. unter Multiplexität Mercatoria 52, 54, 80, 88, 94–99, 365, 401
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Mering (bei Augsburg) 278, 377–382, 397f., 400, 405 Meßrelationen 138f. Metzgerboten 91, 122, 124, 134 Militärgrenze 199, 207, 217, 220f., 224– 226 Militärs, Heerführer 65, 71f., 78, 82*, 87, 93, 97, 165f., 168–170, 173, 188, 194, 205, 232–234, 260, 283, 286, 299f., 316, 328 Mindelheim, Herrschaft 70, 350 Montfort (Herrschaft) 340, 346, 400, 405 Multiplexität 42, 44, 75–77, 87, 94, 116, 173, 233, 276, 301, 307, 309, 315, 328, 337, 342, 355f., 363, 400, 402 München 14, 78, 120 Nachrichtenkommentierung 167, 179, 181, 191, 205 Nachrichtentransfer 43, 52f., 75, 80, 115f., 119f., 125, 136–162, 283, 300f., 306– 309, 351, 367, 371, 382, 401–403 s. auch Informationskultur; Nachrichtenwesen Achtzigjähriger Krieg (Niederlande) 169– 173, 196 Türkenkriege 208–211, 215, 232–234 Kölner Krieg 238f., 241, 248 Augsburger Kalenderstreit 251, 269, 271 Nachrichtenwesen, Nachrichtenorganisa tion 5, 9f., 137–139, 144, 146f., 240 Nepotismus 317, 320f., 386 s. auch Patronage Netzwerkanalyse 8f., 40–47, 319, 321, 355 s. auch Multiplexität, Reziprozität, weak ties Neue Zeitungen (Zeitungsbeilagen) 5, 137f., 143–146, 148–150, 208, 238, 250, 271, 301, 308 s. auch Nachrichtentransfer; Reziprozität Niederlande 82, 134 Achtzigjähriger Krieg 20, 44, 134, 140, 144, 146, 151f., 155, 160, 163–198, 205, 236, 283, 288, 290f., 295–299, 307f., 391 Niederländische Stände 183, 187f., 193 Novellanten 136–138, 145, 150, 209, 306, 308 Nürnberg 78, 120, 137 Faktorei 72, 90, 102, 142, 216, 280 Handwerk 65 Reichstag 286 Oeconomica, Ökonomie 52, 99–104, 116, 401 Ortenburg, Grafschaft 389f.
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Osmanisches Reich 90, 189, 198, 202f., 209, 217, 222, 227, 232, 267 s. auch Türkenkriege Padua 103 Pamphletistik 185, 201, 223, 228, 234, 253, 256, 277, 279–282 Paris 78 Passauer Vertrag 1552 295 Patenschaft 111, 359 Patronage 8–10, 47, 54, 75–77, 80, 105f., 112, 114f., 146, 262, 292, 311f., 326, 357–359, 368, 403f. Begrifflichkeit 315–322, 386 Pferde 76, 82, 84f., 89f., 100, 202, 204, 221, 271, 367, 373, 401 als Geschenk 336, 343, 357f., 360f., 373–376 Pflanzen 82, 89, 100f., 103, 202, 376 Pfründenerwerb 346–350, 356 Polen 158, 284 Portugal 147, 158, 189, 220, 240 Post, Postorganisation 32, 44, 81, 91–93, 116, 119f., 124–136, 157, 239, 244, 300, 335, 401f. s. auch Botenwesen, Brieflaufzeiten Postreformation 121–123, 132, 135 Taxispost 5, 91f., 120–135, 139, 144 Prag 78, 120, 131–133, 142, 208 Pretiosen, Schmuck 81, 88, 96, 366f. Preußen, Herzogtum 245 Regensburg 78 Kurfürstentag 1575 337 Reichstag 1567 286 Reichstag 1576 284, 286, 288 Wahltag 1575 284, 340 Reichsdeputationstag 290 Reichsfürsten 175 s. auch Kurfürsten, Reichstag Reichshofrat 265, 344 Reichshofratskommissionen 254, 257f., 266, 275, 279, 281, 294 Reichskammergericht 15, 63, 158, 238f., 247, 291–294, 330, 345, 351, 354, 356, 389, 390 Augsburger Kalenderstreit 256, 260– 262, 269, 282, 292 Reichspersonal 170, 173, 194, 238, 260, 283, 286, 299f., 345, 351, 354–356 Reichspost s. Post (Taxis)
Reichstag 151, 158, 176, 265, 283, 286– 290, 293, 298f. s. auch Augsburg, Regensburg, Speyer, Worms Religiosität 167f., 205, 227, 230, 233 Repräsentation 82f., 88 Reziprozität 326–328, 361, 368, 373–375, 382, 400, 404 Nachrichtenaustausch 145f., 171, 173, 206, 210, 240, 251, 301, 351 Sach- und Fachwissen 52–54 s. auch Wissen Sachsen, Kurfürstentum 237, 246f., 249, 257 Schmiechen Herrschaft 22f. Schloß 14, 106 Schwäbischer Reichskreis 266 Schwaige Hardt 82 Schwarze Legende 185 Schweiz 130, 293 Selbstzeugnisse 7, 80, 104–114 Soziale Unruhen 263, 267, 285 Soziales Kapital 47f., 319f., 322, 332, 359, 368, 371, 379, 383, 392, 400, 402–405 Spanien 78, 82, 86, 102, 188, 195, 214, 217, 236, 258 königlicher Hof 90, 180, 187, 312, 329, 334 Staatsbankrott 13, 18, 121, 165, 194, 336 Verschuldung der Krone 17–19, 164f., 177, 188, 192, 311, 335f. Speyer 239 Reichstag 1570 286, 288f. Stereotype 138, 183, 185, 200–202, 205, 218f., 228, 232–234, 301 Straßburg 142, 153, 157f., 279, 298 Kapitelstreit 295f., 355 Testament Anton Fugger 16, 339 Hans Fugger 3 Tettnang (Grafschaft Montfort) 64, 78, 114, 340f., 344, 387 Trausnitz, Burg (bei Landshut) 89, 103, 365 Tübingen, Universität 256, 265 Tunis 78 Turcica 200, 212, 218, 223, 230f., 233f. Türkenhilfe (Reich) 224, 286, 288, 290
«Türkenhoffnung» 227–229, 285 Türkenkriege 44, 65, 138, 147, 152f., 155f., 178, 198–234, 283f., 288–290 s. auch Turcica Friedensverhandlungen und Waffenstillstände 204, 221, 230 Kriegsführung 218–220, 224–226, 228, 230, 234 Langer Türkenkrieg 1593–1606 20, 199, 203f., 211, 219, 222f., 231 Mittelmeerraum 189, 198, 206, 211– 217, 223 Ungarn, Kroatien 198, 206–211, 217– 232, 285 Türkenverehrung 221f., 230 Ulm 78, 257, 268–270, 277, 279, 294 Ungarn s. unter Türkenkriege Venedig 72, 78, 84f., 90, 128–130, 142, 209, 211, 213–215 Verflechtung (Forschungskonzept) 8, 44, 317 Vertrauen 191, 303–312, 349, 362, 403 Ebenen und Formen 306–312 «Vertrauen in Vertrauen» (Luhmann) 309, 312, 349, 403 Verwaltung (Fuggersche Herrschaften) 70– 72, 80, 83 Waffen, Rüstungen 65, 89f., 142, 166, 170, 204, 216, 232 weak ties (Netzwerkanalyse) 355f. Wien 78, 131f., 208 s. auch Kaiserhof Faktorei 72, 85, 90, 131, 142 Wirtschaft 86, 159f., 167, 202, 204, 255, 258 Wissen (Begriff) 50–55 s. auch Beziehungswissen, Sach- und Fachwissen Wissensbereiche 94–104, 116, 368, 401 Wittelsbach 235, 237, 247 Worms, Reichstag 1578 286, 288 Wunderzeichen, Prodigien 160–162 Württemberg, Herzogtum 268–270 Zeitung (Serien-, Wochen-, Tageszeitung) 137–139 Zeitungsbeilagen 5 s. auch Neue Zeitungen Zeitungsschreiber s. Novellanten Zensur 136, 280
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Personenregister Aachen, Hans von 24 Acconzaioco (Novellant) 150, 153f., 306 Alba, Fadrique Alvarez de Toledo 180f. Alba, Fernando Alvarez de Toledo 164, 167, 174f., 178–181, 183f., 191, 307 Alba, Hernando Alvarez de Toledo 180 Albrecht V., Herzog von Bayern 25–27, 46, 63, 66, 72, 89, 92, 98*, 102*, 112, 136, 143, 170f., 173, 195–197, 235, 243, 308, 333, 337, 356f., 363–401, 404f. Albrecht, Markgraf von Brandenburg-Ansbach 245 Andreas von Österreich, Kardinal 248, 345, 354 Anna, Herzogin von Bayern, Gemahlin Albrechts V. 66, 398 Arzt, Augsburger Geschlecht 61 Arzt, Regina 97 August, Kurfürst von Sachsen 296 Báthory, Sigismund, Fürst von Siebenbürgen 224 Bechler, Hans 144, 148, 306 Belasy, Johann Jakob Khuen von 67 Bemelberg, Adelsgeschlecht 62 Bemelberg, Konrad von 62, 107, 225f., 228 Besch, Hans 111, 146, 240 Breitschwerdt, Werner 260, 262, 268, 270, 276, 283, 286, 291, 309 Breunle, Mauritius 36 Caetano, Camillo 169 Canisius, Petrus SJ 66, 254, 388 Calepio, Joseph de 153, 169 Castiglione, Baldesar 55 Christian I., Kurfürst von Sachsen 297 Ciurletta, Francesco 31, 74f. Ciurletta, Giovanni 74f., 89, 108, 110f., 129, 316, 369, 392–395, 404 Colin, Alexander 24, 405 Crasser, Jeremias 138, 150 Cron, Carl 122, 348 Dietrichstein, Adam von 63, 342 Donato (Novellant) 150 Eberstein, Adelsgeschlecht 61, 69 Eberstein, Ott Graf von 166, 401 Eck, Simon Thaddäus 64, 369
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Egmont, Lamoral von 179* Eiß, Paul von 63, 89, 108, 374 Eitzing, Maria von, geb. Fugger 139 Eitzing, Michael von 138f. Elgard, Nikolaus, Weihbischof von Erfurt 66, 85, 92, 143 Elisabeth, Königin von Frankreich, Gemahlin Karls IX. 373 Elsenheimer, Christoph 390 Ems, Hannibal von 328, 356 End, Cornelius von 169 Erb, Heinrich von 206, 208 Erasmus von Rotterdam 37–39, 324, 332f., 385f., 388* Ernst, Erzherzog von Österreich 74, 167, 262 Ernst, Herzog von Bayern, Erzbischof und Kurfürst von Köln 66, 92, 134, 170, 196, 235–237, 240, 260, 293f., 348f., 350, 363, 385, 388f. Farnese, Alexander 165, 169, 177, 182, 192f., 195 Feicht, Jakob 372 Fend, Erasmus 109*, 277f., 282 Ferdinand I., Kaiser 13, 19, 74, 221 Ferdinando I. de’ Medici, Großherzog von Florenz 324, 329 Ferdinand, Erzherzog von Österreich 19, 65, 67, 74, 135, 147, 157, 206, 331, 345, 354, 363, 387, 392 Ferdinand, Herzog von Bayern 66, 86, 90, 260, 268–270, 274, 309, 363, 384, 386, 398 Ferdinand, Herzog von Bayern, Koadjutor und Erzbischof von Köln 237 Ferenberger, Hans 360–362 Francesco I. de’ Medici, Großherzog der Toskana 85, 333, 366f., 393 Frangk, Fabian 36 Franz, Herzog von Anjou 156, 185 Frick, Hans 310 Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz 237 Fritz, Hans 127, 128 Fruck, Ludwig 388* Fugger, Alexander Secundus 326 Fugger, Anna, geb. Ilsung 384 Fugger, Anna Jakobäa 113, 337f. Fugger, Anna Maria, geb. Schwarzenberg 14, 101
Fugger, Anna Maria, verh. Rechberg 66, 107f., 112 Fugger, Anton 3f., 13f., 16f., 20–22, 59, 61, 68, 202, 310, 339, 350, 358, 363 Fugger, Anton d.J. 171, 375, 382 Fugger, Carl 164f., 172, 364 Fugger, Christoph 17 Fugger, Christoph d.J. 14f., 103, 171, 389 Fugger, Elisabeth, geb. Nothafft von Weißenstein 14, 21, 60, 62, 82, 110–112, 254, 287, 330, 363 Fugger, Georg 17f., 69, 388 Fugger, Hans Jakob 17f., 21, 46, 61, 90, 112, 136f., 165*, 286, 337, 347, 356, 364, 369, 371–373, 380, 382, 391, 399, 404 Fugger, Hieronymus 13, 20, 110f., 113 Fugger, Jakob der Reiche 17, 20, 119f., 358, 401 Fugger, Jakob (Fugger-Babenhausen) 14f., 17, 22, 206 Fugger, Jakob, Fürstbischof von Konstanz 14f., 66 Fugger, Maria Jakobe 14f., 338 Fugger, Maria, geb. von Schwarzenberg 15, 350 Fugger, Maria, verh. von Palffy 354 Fugger, Marx d.Ä. 3, 13–15, 17f., 21f., 61, 65, 67, 85f., 89, 100, 121, 155, 164, 171, 197, 211, 259, 263, 271, 275, 323, 339f., 345f., 350, 357, 364, 367, 369f., 372, 376–379, 382, 387f., 392, 398–400, 405 Fugger, Marx d.J. 14, 63, 100f., 104, 107, 113, 153, 206, 330, 351, 353f., 384, 405 Fugger, Maximilian 98 Fugger, Octavian Secundus 4f., 15, 17, 21, 28, 86, 113, 127, 138, 150, 159, 165, 237, 244, 331, 338, 341, 389 Fugger, Ott Heinrich 4, 48 Fugger, Philipp Eduard 4f., 17, 28, 86, 96, 113, 127, 138, 150, 159, 165, 237, 244, 331, 389 Fugger, Raymund 20, 331 Fugger, Sibylla, geb. von Eberstein 61 Fugger, Ulrich 137, 165*, 337f. Fugger, Ursula, geb. von Lichtenstein 69, 325, 346 Furtenbach, Christoph 113, 145 Gail, Andreas 239 Gartner, Hans 64, 113, 208, 307, 334, 337
Gebhard, Truchseß von Waldburg, Erzbischof und Kurfürst von Köln 151, 156, 235–237, 242–249, 293–295 Geizkofler, Gabriel 30, 70, 72, 78, 113, 131, 208, 360f. Geizkofler, Lucas 169 Geizkofler, Michael 70 Geizkofler, Raphael 70 Gérard, Balthasar 186 Giudelli, Paulo 30, 326, 333, 397f. Gracián, Baltasar 344 Granvelle, Antoine Perrenot de, Kardinal 336 Gregor XIII., Papst 239, 249–251, 258, 289 Haberstock, Ludwig 123, 169, 222, 241, 300, 307, 308* Hainhofer, Philipp 88*, 150 Haintzel, Johann Baptist 270f., 273 Haldermanstetten, Georg Albrecht von 387 Haldermanstetten, Philipp von 60, 383, 387, 396, 398 Halver, Ludolf 169, 173 Harrach, Adelsgeschlecht 61 Harrach, Leonhart von 353f. Heel, Karl 72, 216 Heinrich IV., König von Frankreich 246 Heisperg, Jonas von 262, 353f. Heller, Niclas 145, 234, 386 Henot, Jakob 122f., 134f., 241, 269 Heuberger, Christoph 68, 74, 332 Hohenzollern-Sigmaringen, Karl II. von 354 Hoorn, Philipp von 179* Hopfer, Georg 386 Honold, Hans 70, 252 Hörmann, Christoph 14, 175, 329, 384 Hörwart, Hans Ulrich 255, 260, 267 Hörwart, Marx 150 Hugen, Alexander 36, 39, 325 Ilsung, Augsburger Geschlecht 121, 254 Ilsung, Georg von 64, 388 Ilsung, Melchior 388 Isabella Klara, spanische Infantin 285 Jakobäa Maria, Herzogin von Bayern, Gemahlin Wilhelms IV. 66 Jaureguy, Juan 186 Johann, Graf von Nassau-Siegen 236 Johann Albrecht I., Herzog von Mecklenburg 245
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Johann Casimir, Pfalzgraf bei Rhein 236, 246–248, 293–298, 338 Juan d’Austria 199, 213–215, 334 Juda, Christian 75, 85 Karl, Markgraf von Burgau 65, 147, 206, 225f., 229 Karl V., Kaiser 175, 245, 264, 294f., 358 Karl IX., König von Frankreich 374 Keller, Hans 72, 180 Kern, Wolf 328, 331 Khevenhüller, Hans von 60, 64, 109*, 135, 335f., 342 Khevenhüller, Moritz Christoph von 335 Klöpfer, Johann 351 Knöringen, Johann Eglof von, Bischof von Augsburg 389 Kölderer, Georg 21, 53, 148 Kuenring, Albert von 30 Kurz, Engelhard 153, 206, 233, 330 Kurz, Sebastian 330 Kurz von Senftenau, Jakob 63, 239, 258, 293, 330, 351 Küstrin, Hans von 245 Laug, Christoph 383f. Laymann, Matthäus 64, 70, 340f. Lill, Georg 3, 26, 81 Lodron, Albrecht von 169, 179, 207f., 307, 325 Lodron, Hieronimus von 31f., 65, 72, 87, 90, 142f., 147, 152, 171, 180, 188f., 191, 195, 197, 204–210, 213–215, 217, 222, 225f., 231, 233, 238, 240, 283, 286, 288, 290, 300, 307, 311, 331, 402 Lubenau, Reinhold 222 Ludwig III., Herzog von Württemberg 67, 69, 157, 170, 185, 197, 213, 256f., 265 Ludwig VI., Kurfürst von der Pfalz 338 Luther, Martin 201, 274 Lutzenberger, Mang 336 Madrutz, Adelsgeschlecht 61, 102, 350 Madrutz, Hans Friedrich von 178 Madrutz, Ludwig von, Kardinal 238f., 245, 247f., 250f., 279, 290, 346f., 350f., 392 Magno, Carlo 359, 361f. Mair, Jakob 111*, 367 Mansfeld, Agnes von 236, 243 Manrique de Lara, Juan de 87, 96*, 204, 213, 216, 311, 324–328, 337, 355 Margarethe, Herzogin von Parma 174 Maria, Witwe Kaiser Maximilians II. 136
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Maria, Erzherzogin von Österreich 66 Maximilian, Erzherzog von Österreich 90 Maximilian I., Kaiser 120 Maximilian II., Kaiser 19, 62, 199, 284, 288, 295, 337, 341, 387 Medinaceli, Juan de la Cerda 180 Meichsner, Hans 109*, 208 Meiting, Anton 372 Merz, Jeremias 386 Minucci, Minutio 239, 346–349, 356 Miller (Mylius), Georg Dr. 151, 256, 262, 264, 266, 275–282, 294 Miller, Ludwig 89, 372 Miller, Thomas 192 Molart, Anna von 66 Molart, Ernst von 109*, 353f. Montaigne, Michel de 103, 361 Montfort, Adelsgeschlecht 39, 60, 113, 203, 285, 301, 307, 338–341, 350, 368, 383, 387 Montfort, Anton von 76, 107, 113f., 145f., 154, 173, 206, 226, 228, 234, 238f., 241, 245, 247–250, 260, 265, 279, 283, 286, 299, 302, 316, 339, 345–351, 356, 384 Montfort, Hans von 63f., 76, 108, 111, 113f., 145f., 238f., 242f., 245, 247, 260– 262, 265, 267, 269, 282f., 285f., 291f., 299f., 339, 345, 350f. Montfort, Jakob von 339 Montfort, Jörg (Georg) von 64, 72, 76, 82*, 90, 107, 113f., 145f., 260, 265, 267, 283, 286, 308, 316, 339, 340–342, 345, 350–353, 355f. Montfort, Katharina von, geb. Fugger 85, 90, 107, 109, 111, 339f. Montfort, Sibylla von 335 Montfort, Wolf von 156f., 262, 339, 351, 385 Moritz, Prinz von Oranien, Graf von NassauDillenburg 187 Mundtprodt, Hans Heinrich 98, 170, 288 Murad III., Sultan 217, 223f. Neuenahr, Adolf von 236 Neusidler, Melchior 68 Nothafft, Adelsgeschlecht 74 Nothafft, Burkhart von 64, 72, 90, 107, 383, 386 Olgiati, Bernardo 135, 347, 350 Örtel, Matthäus 310 Ortenburg, Adelsgeschlecht 69, 74 Ortenburg, Heinrich von 338
Ortenburg, Joachim von 111*, 384, 389f., 400 Ortenburg, Ulrich von 111* Ott, Christoph 82, 84, 130 Ott, David 72, 82, 84, 108, 111*, 113, 150, 153, 160, 333f., 376, 384, 386 Ott, Kaufmannsfamilie 65, 78, 85 Ottheinrich, Herzog von Braunschweig 32, 260–262, 269, 399 Otto, Truchseß von Waldburg, Kardinal und Bischof von Augsburg 67, 388 Palffy, Adelsgeschlecht 61 Palffy, Niklas von 354 Pappenheim, Konrad von 287 Park, Hans von 31, 82* Passalaqua, Giovanni Battista 374 Philipp II., König von Spanien 65, 87, 164f., 168, 174–177, 181–185, 188f., 191–196, 217, 235, 295, 302 Philipp Ludwig, Pfalzgraf von Neuburg 26, 67, 69, 147*, 197, 257, 268, 270f., 274f., 282, 297 Pius V., Papst 136, 323 Poppel von Lobkowitz, Christoph 111 Prenner, Martin 102 Preysing, Hans Jörg von 136, 179 Pühler, Andreas 67, 85 Raid, Sylvester 279 Raitenau, Hans Gaudenz von 324, 329, 348 Randel, Narr Hans Fuggers 372f., 376 Rechberg, Adelsgeschlecht 62, 74 Rechberg, Philipp von 62 Rechseisen, Matthias 216f., 326f. Rehlinger, Augsburger Geschlecht 254, 335, 343 Rehlinger, Christoph 121, 259 Rehlinger, David 371 Rem, Augsburger Geschlecht 20 Rem, Wilhelm 20 Renata, Herzogin von Bayern, Gemahlin Wilhelms V. 66, 365 Requesens, Luis y Zuñiga 177, 181 Reusner, Nikolaus 234 Rhem, Christoph 386 Roll, Sebastian 108, 130, 143, 160, 171, 205, 209, 218, 222, 224, 226, 228, 231, 283, 298, 303* Römer, Philipp 72, 108, 144, 280f., 306 Rosenbusch, Christoph 38, 64, 330, 385f., 398
Rosephius, Gregor SJ 66, 74 Rost, Dionys von 110–112 Rudolf II., Kaiser 19f., 62f., 70, 73, 93, 121f., 132, 147, 208, 224, 236, 239, 256f., 262, 265, 270, 275, 279, 282–285, 292–295, 298f., 308, 334, 338, 343 Rümelin, Johann 109*, 279 Rumpf, Wolf Sigmund von 342f., 345, 353, 355f. Salm, Hans von 287 Sambucus, Johannes 83 Saur, Abraham 110 Schedler, Hans 329 Schiffle, Jeremias 138, 150 Schwarzenberg, Ott Heinrich von 64, 341, 344, 353 Schweigger, Salomon 222 Sifanus, Lorenz 73, 83, 108, 112, 385 Sixtus V., Papst 136 Spaur, Hans Gaudenz von 107, 331, 384 Spaur, Johann Thomas von 67 Spaur, Veronika von, geb. Fugger 107, 109 Stamler, Hans Sigmund 252 Stamler, Philipp 70 Stein, Marquard vom 74, 347, 350 Stoppio, Niccolò 90 Strada, Jacopo 90 Stubenberg, Balthasar von 33, 67, 85 Süleiman I., Sultan 221 Sustris, Friedrich 68f., 365 Tanner von Tann, Christoph 42, 87, 102, 108, 171, 205–207, 210, 219, 225–227, 229, 233, 238, 240, 248, 283, 286, 288, 307, 316, 324f., 330, 343, 359 Tänzl von Tratzberg, Simon 33, 82*, 92, 108, 332f. Taxis, Adelsgeschlecht 135, 153 Taxis, Alfonso von 122 Taxis, Innocentio von 122 Taxis, Leonhard von 123 Taxis, Seraphin von 122 Thurzo, Adelsgeschlecht 20, 202 Trautson, Balthasar von 107, 109, 111*, 135, 333, 346 Trautson, Adelsgeschlecht 61, 64, 74, 301, 350 Trautson, Hans von 90, 353, 355, 340f. Trautson, Paul Sixt von 63, 258 Trautson, Susanna von, geb. Fugger 61, 346
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Trechsel, Hans Jakob 384, 387 Tonner von Truppach, Johann 63, 73, 107, 109, 113, 143, 145, 161, 170f., 173, 175, 197, 210, 238f., 244, 252, 260, 262, 264f., 267, 270, 274, 276, 279, 281–283, 286f., 291, 297, 342, 344f., 355 Ursula, Gräfin von Ortenburg, geb. Fugger 390f. Vieheuser, Sigmund 63f., 338, 342–344, 355 Waldburg, Jakob Truchseß von 112 Waldtmann, Valentin 347 Weber, Johann Baptist 63, 337 Weiß, David 263 Welser, Augsburger Geschlecht 17, 21, 48, 254, 335 Welser, Carl 334
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Welser, Christoph 270f., 273 Wildenstein, Wolfgang von 333 Wilhelm I., Prinz von Oranien 151, 156, 168, 174, 176f., 182f., 185–187, 237, 243 Wilhelm IV., Landgraf von Hessen 244 Wilhelm V., Herzog von Bayern 25f., 28, 30–32, 36, 38f., 63, 66, 71f., 75, 77f., 85, 87–90, 92f., 98*, 100, 103–107, 109, 112f., 129, 134, 143, 148, 155, 161, 170– 173, 195–197, 206, 237, 239–241, 249, 255, 257, 262, 269, 277f., 282f., 308f., 316, 323f., 334, 341, 348–350, 357f., 363–401, 404 Wolfgang, Pfalzgraf von Neuburg 67, 69, 147, 170, 271 Wolkenstein, Adelsgeschlecht 60 Zäch, Sebastian 146 Zasius, Johann Ulrich 63, 196, 364 Zinn von Zinnenburg, Hans Anton 241