Interview mit Robert A. Heinlein aus
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Interview mit Robert A. Heinlein aus
ROBERT A. HEINLEIN Ein Gespräch mit einem der populärsten, vielseitigsten, aber auch in sich widersprüchlichsten Autoren der SF-Scene (aus ANDROmeda 96, 1978) Als Neil Armstrong neun Jahre alt war, begann Robert A. Heinlein bereits moderne Science Fiction zu schreiben. Dreißig Jahre später wiederum beobachtete dieser, wie Armstrong über die Oberfläche des Mondes ging, über die felsigen Ebenen und Krater, die er, Heinlein, für Millionen von Lesern so vertraut wie ihre nähere Umgebung gemacht hatte. Mehr als jeder andere – mit Ausnahme der Astronauten selbst – hat Heinlein, einer der bekanntesten und meistgelesenen Autoren spekulativer Literatur, den Mond „in Besitz“ genommen. Heinlein selbst würde sich zuletzt als ‘umstrittenen Autoren’ oder als ‘Rätsel’ bezeichnen, und doch scheint er ein wenig von beidem zu sein. Robert A. Heinlein wurde 1907 in Butler, Missouri, als eines von sieben Kindern geboren. Er ging in Kansas City zur Schule und wurde später auf die University of Missouri nach Annapolis geschickt. 1929 schloß er seine Ausbildung in Marinewissenschaften ab und erwarb sich zusätzlich noch den Titel eines Fechtmeisters. Bis 1934 diente er als Linienoffizier auf Zerstörern und Flugzeugträgern; eine Erfahrung, die ein Flair an Realismus in seine Beschreibungen
des Lebens an Bord von Raumschiffen der Zukunft brachte, welches stets Parallelen zur Marine erkennen ließ. Mit dem Rang eines Leutnants nahm er 1939 seinen Abschied von der Marine und begann SF zu schreiben. Seine erste Story („Lifeline“) wurde von ASTOUNDING SCIENCE FICTION (heute das marktführende Magazin ANALOG) sofort angenommen. Innerhalb weniger Ausgaben wurde Heinlein zu einem der wenigen ständigen Autoren. Mit der seltenen Begabung, beschreiben zu können, wie die Zukunft wohl aussehen, schmecken, fühlen und riechen wird, sind Heinleins Varianten zur Voraussage der Zukunft unschlagbar. Eine seiner Geschichten („Blow-ups Happen“), geschrieben 1940, erzählt von dem psychologischen Streß und der Belastung bei der Arbeit in einem atomaren Kraftwerk. Sie erschien Jahrzehnte vor den ersten Protesten von Bürgern, in deren unmittelbarer Nachbarschaft solche Kernkraftwerke gebaut werden. „Solution Unsatisfactory“, publiziert 1941, nahm das Manhatten-Projekt vorweg (!), die Entwicklung der ersten Atombome im zweiten Weltkrieg und prophezeit ein nukeares Gleichgewicht mit der Sowjetunion! In Heinlen’s Story „Waldo“ werden 1942 mechanische Hände beschrieben, die über eine Reihe von Servo-Mechanismen die Bewegung des Operateurs nachvollziehen. Ein paar Jahre später werden diese Geräte auch tatsächlich gebaut, um radioaktive
Materialien zu handhaben und man gab diesen mechanischen Händen in der Fachwelt international den Spitznamen „Waldo“ in Anerkennung der Idee in Heinlein’s Story! Heinlein’s schriftstellerische Karriere wurde durch den zweiten Weltkrieg unterbrochen, den er als Luftfahrtingenieur an dem Philadelphia Marineflugmaterialerprobungscenter verbrachte. Als er das Schreiben wieder aufnahm, zählte er zu den ersten ‘modernen’ SF-Autoren und verkaufte sofort eine Reihe von Geschichten an die SATURDAY EVENING POST. Er begann, SF-Jugendbücher zu schreiben und faßte mit diesen – was nicht einfach war – Fuß bei ‘seriösen’ Verlagen, die bisher nur sehr selten SF publiziert hatten. Seine wohl umstrittenste Geschichte ist „Stranger in a Strange Land“ (Fremder in einem fremden Land, bei Heyne). Das Buch wurde häufig als ein Loblied der freien Liebe und der Freiheit überhaupt angesehen und ‘avancierte’ Jahre nach dem Erscheinen zur ‘Bibel’ der Hippie-Bewegung. Heinlein meinte dazu, der Zweck des Buches sei, die Hauptwerte der westlichen Kultur zu untersuchen, nach ihrem Sinn zu fragen, sie in Zweifel zu stellen und zu versuchen, die Umkehrung unserer traditionellen Werte als mögliche, vorstellbare und sogar erstrebenswerte Lebensform darzustellen. In diesem Buch findet die zweite Marsexpedition einen einsamen Überlebenden der ersten Expedition, Valentine Michael Smith, 25 Jahre alter Sohn des Schiffs-
piloten und einer Frau der Besatzung. Michael wurde nach Art der marsianischen Eingeborenen aufgezogen und betrachtete sich selbst als einen von ihnen. Als er dann zur Erde gebracht wird, wird für ihn das Verstehen der menschlichen Rasse zu einem schwierigen und gefährlichen Unternehmen. Im letzten Drittel der Geschichte statuiert Michael eine neue Religion, in der Sex, allgemeine Liebe und Metaphysik sehr wichtige Rollen spielen und wird schließlich zum Märtyrer – aber wird er das wirklich? Zum Ärger mancher Kritiker, die dadurch, daß dieses Buch wie eine Abkehr von dem erscheint, was Heinlein bisher geschrieben hatte, ebenso verwirrt wurden, wie durch den unkonventionellen erotischen Inhalt, sind die umstrittensten Stellen jene, in welchen Michael zu verstehen versucht, was die menschliche Gemeinschaft ist. Heinlein seziert auf eine bitterböse Art die menschlichen Schwächen und prägt auf diesem Weg einen neuen Wortschatz, der später von der HippieKultur übernommen wurde: „To grok“ (was ungefähr bedeutet, einer Sache oder einem Ereignis umfassend bewußt zu werden) „Wasserbruder“ (eine Art Seelenbruder), „Wasser teilen“ (die Kommunion von Michael’s Religion); und „Thou art god“ – „Du bist Gott’ der formelle Gruß von Michael’s Anhängern. Die Religion selbst war so anziehend, daß mehr als eine Kirche in den USA sie in der im Buch beschriebenen Art prakti-
zierte. Es war natürlich ungünstig, daß nach Meinung der Presse der verrückte Massenmörder Charles MANSON ein Gruppe gegründet hatte, deren Vorbild angeblich Valentine Michael Smith’s Religion war. Heinlein weigerte sich ebenso zur MansonEpisode Stellung zu nehmen, wie er es schon immer absolut verneint hat, über seine eigenen Werke oder die anderer bekannter SF-Autoren zu diskutieren. Diese Abneigung eines Autoren, sich selbst zu beweihräuchern, ist in Literaturkreisen sehr selten und hat uns animiert, das folgende Interview unter diesem Gesichtspunkt zu machen.
FRAGE: Mehr als die meisten Bücher der letzten zehn Jahre hat „Stranger in a Strange Land“ Aufmerksamkeit und heftige Debatten hervorgerufen. Dazu noch Diskussionen über die Begriffe „to grok“ und „Thou art got“. Würden Sie bitte deren Bedeutung näher definieren? HEINLEIN: Also ich würde; „Stranger …“ am liebsten überhaupt nicht diskutieren; trotzdem möchte ich eines dazu sagen: Die Hauptfigur – und nicht ich – versucht in ihrem Bemühen, die englische Sprache zu lernen, die alle Götter umfassenden Erkenntnisse der fiktionellen marsianischen Religion durch die Phrase „Du bis Gott“ auszudrücken. Aber es gibt keine solchen Marsianer und auch keine Wesen vom Mars. Er ist nur ein Charakter in einer Geschichte.
FRAGE: Sie sprechen wie Sir Arthur Conan DOYLE, der immer wieder von Leuten bedrängt wurde, die sich den Glauben an die tatsächliche Existenz von Sherlock Holmes nicht nehmen ließen. ANTWORT: Bei mir gibt es keinen Sherlock Holmes. Es gibt nur mich, und ich schreibe meine Geschichten. FRAGE: Nach „Stranger …“ ist „Starship Troopers“ Ihre am meisten umstrittene Erzählung. Das Buch beschreibt detailliert das Leben eines Infanteristen der Zukunft. Einige Kritiker sagen von ihm, es sei militaristisch und rechtsfreundlich. Diese Kritiker konnten in der Folge auch nicht glauben, daß „Stranger …“ mit seinen liberalen Obertönen und „Starship …“ vom selben Autor stammen. ANTWORT Tatsächlich wurden diese Bücher sogar zur gleichen Zeit geschrieben! Es gab in mir nie einen Konflikt zwischen diesen beiden Büchern. Beide Bücher sind sehr harte Aussagen über den derzeitigen Stand unserer Gesellschaft und haben dasselbe Basisproblem; daß ein Mensch, um wirklich menschlich zu sein, zu allen Zeiten ohne Zögern bereit sein muß, sein Leben für seinen Nächsten hinzugeben. Beide basieren auf dem Zwillingskonzept von Dienst und Liebe, wie dies mit dem Überleben unserer Rasse verbunden ist. FRAGE: Manche Kritiker haben gesagt, daß die Charaktere Ihrer späteren Geschichte nicht mehr so stark dazu in der Lage sind, mit dem Leben und dessen Problemen fertig zu werden, als die in Ihren
früheren Geschichten. Ist dies eine Reflexion, daß Sie den Glauben an die Möglichkeiten des Menschen, seine Probleme zu lösen, verloren haben? HEINLEIN: Die meisten meiner früheren Geschichten waren Kurzgeschichten. Und eine Kurzgeschichte hat ein so begrenztes Gesichtsfeld, da kann man nicht mit der universellen menschlichen Situation kommen. Die Story enthält für gewöhnlich ein simples Problem, und ist zu Ende, wenn dieses Problem gelöst ist. Ein Roman, und das ist es, was ich in den letzten Jahren geschrieben habe, muß eine wirkliche Geschichte sein, nicht nur einfach eine erweiterte Kurzgeschichte. Notwendigerweise nimmt man dazu die menschliche Allgemeinsituation, und falls Sie der Meinung sind, daß die menschliche Situation als Ganzes im Moment in keinem sehr schlechten Zustand ist, müssen Sie sich nur einmal umsehen. Was die Hauptcharaktere in meinen Geschichten betrifft, das sind keine Defaitisten, das sind keine Menschen, die gegen etwas sind, das sie nicht verstehen können und mit dem sie nicht fertig werden. Sogar in „Starship Troopers“ und „Stranger in a Strange Land“ war der Zentralcharakter so: der eine wurde getötet, der andere war dabei, getötet zu werden. Nichtsdestoweniger hatte sich jeder erfolgreich mit seiner Umwelt unter Bedingungen, die ihm genehm waren und für Ziele, die für ihn sinnvoll waren, auseinandergesetzt. Sie waren keine Defaitisten!
FRAGE: In gewissem Sinne haben Sie in „Stranger in a Strange Land“ den Kult der Hippies und viele gegenwärtige soziale Veränderungen vorausgesehen. Wir scheinen uns immer mehr zu pragmatisieren im Leben. Die Wichtigkeit von Geldpositionen u. a. scheint zu schwinden. Sexuelle Moral wird lockerer – obwohl möglicherweise ‘realistisch’ das bessere Wort wäre. In der Zukunft werden sich diese Werte vielleicht noch mehr ändern, wie Sie selbst in Ihrem letzten Buch „I will fear no evil“ (Heyne: Das geschenkte Leben) aufzeigen. HEINLEIN: Für mich sieht es so aus, daß jede Generation die Krisen ihrer politischen und historischen Periode reflektiert, zur Zeit der Depression reichte es, am Leben zu bleiben, denn dies war schon schwierig genug. Heute zu Überleben ist leicht, faktisch erlaubt einem die Regierung gar nichts anderes, als am Leben zu bleiben. Die heutige Einstellung ist nicht die während der Depression, noch die während der Prohibition in den 20er Jahren, noch die romantische des ersten Weltkriegs oder jener des ruhigen Agrarzeitalters vor dem ersten Weltkrieg. Wir haben heute einige Krisen, aber die menschliche Rasse hatte immer ihre Krisen und die Menschen in diesen Zeiten reflektieren sie. FRAGE: Sie waren einer der Vielen, die den Flug von Apolle 11 beobachteten. Wie waren Ihre Gefühle, als Sie den Start verfolgten, wo Sie doch die Spekulation über die Zukunft seit 30 Jahren zu Ih-
rem Beruf gemacht haben? HEINLEIN: Es war der größte Tag und die größte Erfahrung in meinem Leben. FRAGE: Was war Ihre Reaktion, als Armstrong die Leiter herunterschritt und die Oberfläche des Mondes betrat? HEINLEIN: Es gab viele von uns, die davon geträumt haben. Und – Stories darüber geschrieben zu haben und es dann wirklich zu sehen …. – nun, es war eine Erfüllung! FRAGE: Hat diese Mondlandung Ihr Vertrauen in die Raumfahrt gerechtfertigt? HEINLEIN: Oh ja. Ich habe darauf gewartet, wirklich, 50 Jahre darauf gewartet. Ein halbes Jahrhundert wurde ich wie ein Verrückter behandelt, weil ich an etwas glaubte, was praktisch vor unserer Nase lag, seit Isaac Newton. FRAGE: Ein Hauptgrund für die Kürzung des NASA-Budgets war, daß man sich wieder zu den nationalen Problemen zurückorientieren wollte und dem Raumfahrtprogramm weniger Wert beimaß. Das Problem wurde dann aus einer mehr oder weniger alltäglichen Sicht her gesehen. Kurz nach der ersten Mondlandung publizierte Senator Mansfield seine Theorie: Was der Mensch braucht, ist die Erde. Senator Kennedy und Robert Finch, damaliger Haushaltssekretär, unterstützten ihn dabei. Es ist undenkbar, daß S i e mit dieser Meinung konform gehen. Und was sind Ihre Gründe dafür? HEINLEIN: Unglücklicherweise ist das Land voll
von Schwachköpfen, die wirklich nicht wissen, worum es sich bei dem Raumfahrtprogramm handelt. Andere Programme sollten in derselben Diskussion nicht einmal erwähnt werden. Sie haben nicht dieselbe Klasse. FRAGE: Der Mond ist die erste Stufe auf dem Weg in den Weltraum. Aber viele Laien möchten wissen, ob er Wert für uns hat. Hat es wirklich einen Sinn, das ganze Geld hinauszuwerfen, nur um ihn zu erreichen? HEINLEIN: Das erinnert mich stark an einen frühen englischen Physiker, der einen Vortrag bei der Königlich Britischen Gesellschaft über die statische Elektrizität hielt. Nach der Vorlesung kam eine Dame auf ihn zu und frage ihn: „Professor, das war sehr interessant, aber welchen Nutzen haben wir davon?“ Der Wissenschaftler sah sie an und sagte: „Gnädige Frau, welchen praktischen Nutzen hat ein neugeborenes Kind?“ Welchen praktischen Nutzen hat es für uns, Fernsehsatelliten am Himmel zu haben? Was nützt es uns, historische Ereignisse, die weit entfernt geschehen, live zu sehen? Und wieviel Menschenleben haben Wettersatelliten gerettet, nur weil sie uns voraussagten, wie sich das Wetter entwickelt? Wieviel Schiffe konnten ihren Kurs noch wechseln, weil eine Schlechtwetterfront vor ihnen lag und ein Satellit sie warnte? Wieviele Menschenleben hätten wir ohne diese Satelliten in den letzten Jahren verloren? Und welchen Wert setzen Sie für ein Men-
schenleben, das gerettet wurde? Und wenn die meteorologischen Satelliten erst einmal soweit sind, daß sie uns für mehrere Tage im voraus eine Wettervorhersage liefern können, könnte das allein unserem Land Milliarden von Dollar im Jahr sparen helfen. Ich habe daheim in meinem Arbeitszimmer einen Stapel von NASA-Dokumenten. Bei weitem nicht alle Dokumente, die die NASA veröffentlicht hat. Die technologische Abteilung der NASA hat mehr als 3000 Abfallprodukte des Raumfahrtprogramms verzeichnet, die nun für die Öffentlichkeit von Nutzen sind. Das schließt Farben ein, um ein Haus anzustreichen, die bis 1.300 Grad Fahrenheit aushalten, gefriergetrocknete Nahrungsmittel wie Kaffee, einen marschierenden Stuhl für behinderte Kinder, Sensoren zum Blutdruckmessen, Flüssigplastik, das offenen Wunden schließt, neue Plastikarten, die so hart wie Stahl sind aber neunmal leichter als dieser, neue Flüssigenergiezellen, neue Methode für die elektronische Verkleinerung, das Meiste über Superkältetechnik, und das alles ist veröffentlicht worden, dieses Know How zum Gebrauch für Sie, für mich, für jedermann. Es ist nicht patentiert. Es ist da und man kann es benutzen. Sogar in hundert Jahren kann noch keiner errechnen, wieviel diese technischen Dokumente wirklich wert sind. Ich muß dem zustimmen, was Dr. Wernher von Braun sagte, daß der Tag kommen wird, an dem wir die Wunder ermessen können,
die uns das Raumfahrtprogramm gebracht hat. FRAGE: In Ihrem Roman „The Moon is a Harsh Mistress“ (Heyne: Revolte auf Luna) beschrieben Sie die politischen Probleme, die zwischen der Erde und einer Mondkolonie entstanden. Glauben Sie wirklich, daß eine Mondkolonie nach mehreren Generationen gegen eine Regierung, die 384,000 km entfernt ist, rebellieren könnte? HEINLEIN: Der Science Fiction Autor Frederic POHL sagte in seinem Playboy-Interview vor einigen Jahren, er wüßte nicht, wer es sein würde, der den Mond kolonisiert. Aber er wüßte eines, die, die auf dem Mond leben würden, wären Mondbewohner, nennen wir sie Lunarianer. Die USA wurden von Schweden, Holländern, Franzosen, Deutschen, Engländern, Spaniern und vielen vielen anderen kolonisiert. Aber sie sind nun alle Amerikaner. Und die Menschen, die auf dem Mond geboren werden und dort leben werden, werden keine Chinesen, Amerikaner oder Russen sein, sie werden Lunarianer sein. Und es wird unabwendbar genau dasselbe passieren, was mit alle anderen Kolonien geschah: Die Lunarianer werden sich befreien. FRAGE: Die Chance einer sich selbst versorgenden Mondkolonie beruht auf der Anwesenheit von weiblichen Kolonisten. Bis heute hat jedoch die USA noch keine Frau unter den mehr als 50 Astronauten. Warum nicht? HEINLEIN: Die Vorschriften für Astronauten mö-
gen oder mögen sich nicht auf das Geschlecht beziehen, aber die Bedingungen sind so streng, daß sich nicht viele Frauen dafür qualifizieren könnten. Wenn Sie meine persönliche Meinung hören wollen: Frauen wurden deswegen nicht ins Raumfahrtprogramm aufgenommen, weil die Leute, die es beschlossen und verabschiedet haben, voreingenommen waren. Ich würde mich wirklich freuen, wenn einige Frauen die NASA unter Berufung auf das Gleichheitsgesetz von 1964 treffen würden. Sie sind dazu berechtigt, mitzufliegen, sie zahlen auch die Hälfte der Steuern. Es ist genauso ihr Programm wie es unseres ist. Wie, in Gottes Namen, konnte die NASA vergessen, daß die Hälfte der menschlichen Rasse weiblich ist? Ich weiß es nicht. FRAGE: Wie denken Sie über die Probleme der sexuellen Beziehung bei langen Raumfahrtexpeditionen? Glauben Sie, man wird nur Ehepaare aussenden? HEINLEIN: Obwohl wir glauben, daß die Gesetze unseres Stammes die der gesamten Menschheit sein sollten, so waren die sexuellen Moralvorstellungen zu verschiedenen Zeiten und Orten niemals dieselben. Menschliche Wesen haben unendlich viele Möglichkeiten in der Variation ihrer sexuellen Beziehung und haben alle davon durchprobiert, von Gruppensex bis Frauentausch. Der Homo Sapiens hat es stets verstanden, sexuelle Regeln für spezielle Situationen zu schaffen, und genauso wird es bei der Raumfahrt sein.
FRAGE: Wernher von Braun sagte einmal, daß Fliegen von und zum Mond eines Tages genauso normal sei wie heute ein Atlantikflug. HEINLEIN: Ich glaube auch, daß es so kommen wird. Und zwar sehr schnell, sodaß jeder, der sich ein Ticket kaufen kann, zum Mond fliegt. Wenn wir Amerikaner es verschlafen, kann es ziemlich schwierig werden, durch den russischen oder gar chinesischen Zoll zu kommen. Aber ich glaube, wir werden uns die Tickets kaufen können. Und vielleicht wird es genauso billig und einfach sein, wie heute nach Australien zu fliegen. FRAGE: Sind Sie bereit, eine Voraussage zu treffen, wann wir unsere erste, interstellare Sonde entsenden? HEINLEIN: Ich glaube, daß wir innerhalb der nächsten Generationen ein bemanntes Sternenschiff losschicken. Und die Menschen, die sich an Bord des Schiffes befinden, werden von vornherein mit dem Gedanken vertraut sein, daß sie vermutlich nicht mehr zurückkehren werden. Genauso wie die Passagiere der MAYFLOWER nicht damit rechneten. FRAGE: Um wieviel schwieriger wird für uns die Erforschung des interstellaren Raumes sein als der unseres Sonnensystems? HEINLEIN: Es ist sicher schwieriger, die Sterne zu erreichen. Der nächste z. B. Proxima Centauri, ist 4,3 Lichtjahre entfernt – was bedeutet, daß die Rakete, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, 4,3 Jahre benötigen würde. Theoretisch könnten
wir die Sterne mit einem Initialimpuls erreichen, der den für die Mondreise nur wenig übersteigt – nur würde es 1000 Jahre dauern; um die Reise in einem vernünftigen Zeitraum durchzuführen, würde es eines kontinuierlichen Antriebs, der die Reisegeschwindigkeit von Sekunde zu Sekunde – wenn auch nur um ein Geringes – steigert, bedürfen. FRAGE: Und wenn wir verschiedene Planeten kolonisiert und erkundet haben, glauben Sie, daß wir irgendwann einmal anderes Leben entdecken? HEINLEIN: Nach meiner Meinung ist das Leben allgegenwärtig. Zum großen Teil beinhaltet die Antwort darauf eine philosophische oder gar religiöse Ansicht. Ich habe viel Schwierigkeiten damit, mir das Universum – das Milliarden von Lichtjahren groß ist und Milliarden von Sternen enthält – als etwas vorzustellen, das nur eine einzige mikroskopische Stelle mit Leben beinhaltet. Ich könnte damit falsch liegen, aber es sieht für mich so aus, daß, wenn Leben eine Rarität wäre, Gott mit seinem Platz mehr als verschwenderisch umgegangen wäre – soviel Hinterhof für sowenig Mieter zu schaffen. Ich glaube, daß das Leben, wie wir es kennen, im ganzen Universum zu finden sein wird, und zwar unter allen Bedingungen, welche die Bildung von großen Molekülen erlauben. Was Leben, wie wir es nicht kennen, betrifft, so existiert von Seiten der Wissenschaft die stille Annahme, daß die Verteilung der chemischen Elemen-
te im ganzen Universum jener der Erde entspricht – aber es gibt keinen wirklichen Grund, daß es so sein muß. Genauso ist es mit der – von keinem auch nur im Geringsten angezweifelten – Annahme, daß die Naturgesetze überall gleich sind – doch auch das ist eine bloße, aus der Vereinfachung entspringende Annahme. Zum Beispiel könnte sich Leben unter anderen Bedingungen auf Schwefeloder Siliziumbasis entwickeln, genauso wie unseres auf der Kohlenstoff-Chemie aufgebaut ist. FRAGE: Fachleute meinen, daß fremdes Leben ungefähr menschenähnlich sein könnte. Es liegt schließlich eine bestimmte Logik in der menschlichen Form: Die Sinnesorgane sind dicht beim Gehirn, das durch eine dicke knochige Schicht geschützt ist. Und der Mensch hat ein Minimum an Gliedern, um Fortbewegung und Handlungen auszuführen. Glauben Sie, daß Fremde ungefähr wie wir aussehen oder möglicherweise in ihrer Erscheinungsform sogar verbessert sind? HEINLEIN: Lassen Sie mich den Schluß zuerst beantworten. Schönheit ist keine subjektive Erscheinung, sondern eine rassische. Ich bin mir ganz sicher, daß eine Warzenschweindame für ein männliches furchtbar hübsch aussieht, andernfalls hätten wir keine Warzenschweine, oder? Die Form einer Kreatur, wie sie auch aussehen mag, ist zum Großteil durch ihre Umweltbedingungen beschränkt. Zum Beispiel die Lebewesen, die Hal CLEMENT
beschrieb. Auf einem Planeten hatte die intelligenteste Rasse Beine von der Form einer Raupenkette. Sie mußte so gebaut sein, sehr flach und sehr niedrig, denn sie lebte auf einem Planeten mit superhoher Schwerkraft. Leute, die sich die imaginären Marsbewohner z. B. vorstellen, die auf einem Planeten mit – im Vergleich zur Erde – geringer Schwerkraft leben, malen sich diese mit langen Gliedern und einem faßförmigen Oberkörper aus. Dr. Olaf STAPLEDON stellt in Fiktionen seiner philosophischen Standpunkte (Starmaker) verschiedene fremde Lebensformen vor, die gar nicht mehr als Lebewesen zu erkennen sind. Seine Marsianer z.B. waren Gruppeneinheiten, die wie Gas aussahen. Eine Anzahl dieser spekulativen Denker wie Stapledon, Dr. Jack Williamson, Prof. Fred Hoyle u. a. gingen sogar soweit, daß sie Sterne und Milchstraße als Lebewesen zu deuten suchen. Was uns betrifft: Wir haben eine Form, die unserer Umgebung sehr gut angepaßt ist. Aber wir haben auch Fehler in unserer Konstruktion, die auf unsere evolutionischen Vorfahren zurückgehen, z. B. unsere Haare. Sie sind nicht sehr schön, zumindest bei Männern, und es ist außerdem zweifelhaft, ob es ein Überlebensmerkmal ist, da es z. B. Parasiten förmlich einlädt. Soweit es Fremde betrifft, sehe ich keinen Grund, warum es glotzäugige Ungeheuer, die sehr intelligent und nach ihren eigenen Maßstäben schön sind, nicht geben soll. Man könnte sich bei
uns schon einige anatomische Verbesserungen vorstellen und ich selbst bevorzuge die menschliche Form gebe aber zu, daß das Lokalpatriotismus ist. FRAGE: Aber wie können wir Intelligenz in fremden Lebewesen erkennen, die nicht nur anders aussehen sondern auch anders denken als wir? HEINLEIN: Ich denke, daß wir Intelligenz an einigen Charakteristiken erkennen, wie z. B. Greifwerkzeugen und Organen, mit denen sie mit anderen – auch abstrakt – kommunizieren können. Das heißt aber nicht, daß es unbedingt eine Sprache sein muß und unbedingt Hände sein müssen, aber eben bestimmte Handlungsorgane. Sie müssen in der Lage sein, ihre Umwelt zu manipulieren und wenigstens miteinander zu kommunizieren. Aber es gibt da noch eine andere Möglichkeit: Die Fremden können so fremd sein, daß sie uns nicht als intelligente Wesen erkennen und selbst, wenn sie uns als intelligent erfassen, mag ihre Psychologie so fremdartig sein, daß es für sie völlig uninteressant wäre, mit uns in Kontakt zu treten. Wir haben auf unserem Planeten viele Tiere, deren Intelligenz von der unseren gar nicht so weit entfernt ist, doch erst in dieser Generationen unternehmen wir echte Versuche, mit diesen Tieren Verbindung aufzunehmen. Ich meine natürlich die flachnasigen Delphine. In diesem Zusammenhang wurde die Möglichkeit erörtert, daß die Ufos wassergefüllte Raumschiffe seien, und daß sie nicht auf festem Boden, sondern auf dem Wasser landen
und unter der Oberfläche verschwinden, so daß sie uns gar nicht richtig bemerken. FRAGE: Was meinen Sie: Würden diese fremden Lebewesen von den gleichen Urtrieben geleitet werden wie wir: Liebe, Haß, Hunger, Angst, Sex, Gier, usw. oder wäre ihre Psychologie total anders? HEINLEIN: All diese Dinge, die Sie eben erwähnt haben, sind Variationen eines Themas: Überleben. Wenn sie verzerrt werden, wird es zum NichtÜberleben. Werden sie ‘normal’ gebraucht, führen sie zum Überleben. Haß, sachgemäß eingesetzt, kann eine Überlebenscharakteristik haben, Liebe, unsachgemäß gebraucht, wird zum Nichtüberlebensfaktor. Die Motivationen, die es anderen Wesen erlauben zu überleben, können sehr verschieden sein, selbst bei anderen Bedingungen. Ich habe einmal eine Story geschrieben, die sich mit der Idee befaßte, daß es durchaus intelligente Kreaturen geben könnte, die, nichtsdestoweniger, in streng logischer Befolgung des Überlebenstriebes es in bestimmten Situationen zulassen, daß sie getötet und gegessen werden. Selbst das kann Sinn haben. Der springende Punkt ist das rassische Überleben. Eine intelligente Rasse muß immerhin ziemlich lang bestehen, um diesen Intelligenzgrad zu erreichen. FRAGE: Lassen Sie uns einmal annehmen, die Menschheit breitet sich über die ganze Galaxis aus. Können Sie sich eine Zukunft vorstellen, in
der die Erde als rückständiger Planet angesehen wird? Nicht mehr als ein kleiner Hinterhofplanet, der nach dem Startsprung der Menschheit total vergessen wurde? HEINLEIN: Im Moment sind wir nichts anderes als ein kleiner Hinterhofplanet, der eine kleine, zweitklassige Sonne umkreist und sich in einer relativ unbewohnten Ecke der Milchstraße befindet. Wir sind draussen in den Vororten. Wir sind weit entfernt vom Zentrum der stellaren Bevölkerung dieser Galaxis. Und daß die Erde als Heimat der Menschheit vergessen wird, haben schon Dr. Asimov und viele andere Autoren in ihren Geschichten beschrieben. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Nämlich dass w i r vielleicht schon längst unsere ursprüngliche Heimat vergessen haben. Wir haben keinen Beweis dafür, daß die menschliche Rasse auf diesem Planeten entstand. Aber es gibt Beweise, die uns zeigen, daß wir nicht von hier stammen. FRAGE: Was für eine Art von Beweisen? HEINLEIN: Bei dieser Entfernung von der Sonne würde der Mensch schon nach wenigen Stunden durch die normale Sonneneinstrahlung getötet werden. Wir können kein normales Sonnenlicht vertragen. Sicher, wir nehmen Sonnenbäder, aber nicht oft. Normalerweise tragen wir Kleider und gehen nicht in das direkte Sonnenlicht. Und das sieht nicht nach Anpassung in dieser Art von Umgebung aus. Das ist ein Hinweis. Ein anderer ist
die Schwerkraft. Sie ist so stark, daß sie unsere Füße ruiniert. Wieviele Menschen haben Ärger mit ihren Füßen? Oder Rückenschmerzen? Man sollte meinen, daß eine Evolution von Millionen von Jahren uns mit Füssen oder Wirbelsäulen ausgerüstet hätte, die dieser Beanspruchung gewachsen sind. Die Paläontologen und Anthropologen wollen uns weismachen, daß sie den Weg der Entstehung des Menschen mit einer Kiste voll Knochen beweisen können. Sicher, es gibt viele Parallelen zwischen uns und anderen Säugern, aber wenn es um den direkten Beweis des frühesten Ursprungs geht, müssen sie passen. Man sollte auch nicht übersehen, daß in vielen Bereichen der menschlichen Rasse Mythen und religiöse Geschichten existieren, wo es heißt, daß wir vom Himmel kommen. Dieser Gedanke geht durch viele Religionen, sogar die christliche Religion schließt sich nicht aus: Von Adam und Eva wird nicht behauptet, daß sie hier entstanden. Sie wurden ja vom Garten Eden verbannt, wo immer das auch sein mag und hier abgesetzt. Religiöse Geschichten dieser Art ziehen sich durch die gesamte Menschheit. Nur, Wissenschaftler ignorieren sie normalerweise. FRAGE: Die Apollo-Flüge haben Sie tief bewegt. In allem was Sie sagten, schwang eine gewisse Besorgnis in Hinsicht auf die Dringlichkeit der Weltraumerkundung mit, warum? HEINLEIN: Die Zeit läuft ab. Ich hoffe, daß das soge-
nannte „Rennen um den Weltraum“ wirklich eines ist. Ich hoffe, daß Rußland uns weiterhin im Weltraum bedrängt und hoffe, daß wir Rußland bedrängen. Und ebenso hoffe ich, daß China keine Zeit verschwendet und uns beiden im Weltraum Gesellschaft leistet. Die Menschheit braucht diesen Konkurrenzkampf. Sie braucht ihn sogar sehr dringend, um der endgültigen Katastrophe zu entkommen. Die gesamte Menschheit hat eine Situation vor Augen, die gleichzeitig die niederschmetterndste und hoffnungsvollste in ihrer Geschichte ist. Wir können uns für einen Weg entscheiden: Zu den Sternen! – und uns der unbegrenzten Möglichkeiten und Gelegenheiten erfreuen, eine endlose Evolution und ewiges rassisches Überleben finden. Wir können diese Herausforderung auch abschlagen und bleiben wo wir sind – und sterben. Weder heute noch in der voraussehbaren Zukunft besteht Aussicht, auch nur den täglichen Bevölkerungszuwachs unseres Planeten umzusiedeln. Aber es ist möglich, einige Tausende oder gar Millionen zu transportieren und Kolonien anderswo zu errichten – auf Mond, Mars, Venus oder sogar auf Planeten anderer Sterne und damit die Zukunft unserer Rasse zu sichern. Aus all dem kann etwas für alle Menschen geschöpft werden – – Hoffnung!