Christiane Tramitz
Irren ist männlich Weibliche Körpersprache und ihre Wirkung auf Männer
Inhalt
Einleitung
9
Die ...
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Christiane Tramitz
Irren ist männlich Weibliche Körpersprache und ihre Wirkung auf Männer
Inhalt
Einleitung
9
Die Körpersprache
13
Körpersprache ausdrücken und erkennen Das Gesicht Der Körper Der gute und der schlechte Sender Wie gut erkennt man die Körpersprache? Die selektive Wahrnehmung
13 14 17 20 22 25
Die Signale 28 Signale der Freundlichkeit und der Ablehnung Signale des Flirts: Signale der Dominanz und der Unterwerfung 32 Sexuelle Signale 36
Die Täuschung Wer ist ein guter Betrüger? Woran erkennt man Täuschungen? Täuschungen im Werbeverhalten
39 40 42 46
Mißverständnisse zwischen Mann und Frau?
50
Unser Experiment: Wie wirkt die weibliche Körpersprache auf den Mann?
53
Die Fragestellung Die Versuchsbeschreibung Der Versuchsablauf bei den Männern Der Versuchsablauf bei den Frauen
53 54 62 64
Ist irren männlich? Die Ergebnisse unseres Experiments
65
Erster Versuch: Die Kontaktanbahnung
65
Die Entscheidung Die Wirkung weiblicher Körpersprache bei einer Kontaktanbahnung Die Zurückweisung Die Männertypen Selbstbewußte und schüchterne Männer Wie sehen Frauen die Unbekannte an der Bar? Fazit
69 75 80 81 91 96 101
Zweiter Versuch: Die Wartesituation mit dem Lockvogel
106
Wie entsteht der erste Kontakt? Weibliche Körpersprache und männliche Schlußfolgerungen Mißverständnisse der Männer Die Wartesituation im Film Sympathie gewinnen und verlieren Eine Gegenprobe: Weibliche Körpersprache und weibliche Schlußfolgerungen Fazit
107
142 145
Ernste Folgen Verbale Aggression, körperliche Übergriffe Date Rape Statistische Angaben Ursachen der Gewaltanwendung Täterbeschreibung »Gute« Argumente? Sexualität und Aggression: Die Wirkung auf die Frau Welche Frau ist gefährdet? Bewertung
147 148 149 151 153 170 172 174 177 178
Schlußwort Anhang Danksagung Interviews mit Männern und Frauen
183 187 189 191
118 128 131 132
Einleitung Der Psychologe Bernard I. Murstein erklärt die Entstehung einer Beziehung zwischen Mann und Frau am Bild eines Filters. Zwei Menschen treffen sich und »filtern« in mehreren Schritten Informationen übereinander, je nach ihren wechselseitigen Eindrücken, Erwartungen und Hoffnungen. Sie »filtern« Informationen hinsichtlich ihres Aussehens, ihres Verhaltens, ihrer Weltanschauung, ihres Charakters. Wenn sie sich nach diesem Durchlauf noch gefallen, werden sie gute Bekannte, Freunde, Geliebte, womöglich auch Ehepartner. Die erste »Filterstufe« betrifft lediglich gewisse äußere Reize. Man wird aufgrund besonders auffallender Äußerlichkeiten auf jemanden aufmerksam, beobachtet ihn, will ihm näherkommen und mehr über ihn erfahren. Das ist der Beginn einer Kontaktanbahnung; nun gilt es, die physische Distanz zum anderen zu verringern und ein Gespräch zu beginnen. Nicht selten bleibt es allerdings beim bloßen Wunschdenken. jemand gefällt mir, und dennoch bin ich nicht in der Lage, mich ihm oder ihr zu nähern. Wer kennt nicht all die Hemmungen und Ängste, die den ersten Schritt begleiten und dann meist auch vereiteln? Mutig, wer die Zweifel beiseite schieben kann und das erste Wort wagt. Dann befindet er sich nach Mursteins »Filtertheorie« in der zweiten Phase, in der die Frage der Werturteile in den Vordergrund rückt: Mit was für einem Menschen habe ich es da zu tun? Wie verhält er sich? Gefällt mir seine Art zu sprechen, sich zu bewegen? Teile ich seine Meinungen, haben wir gar ähnliche Interessen? Um mehr über die neue Bekanntschaft in Erfahrung zu bringen, verabredet man sich zu einem Rendezvous, zu einem »Date«, einem Treffen. Meist sind zahlreiche Rendezvous nötig, bis die Eindrücke klar umrissen sind und das Werturteil gefestigt ist. Nur wenige neugeknüpfte Beziehungen werden diese engmaschige »Filterstufe« überstehen. Wie selten wird aus einer Bekanntschaft eine feste Beziehung! Die letzte »Filterungsebene« nennt Murstein »role« (engl. Rolle). Hier wollen die geweckten Erwartungen in einer festen Bindung bestätigt werden. Wie zuverlässig spielt der andere seine Rolle, die ich ihm aufgrund meiner vielen Eindrücke innerlich zugedacht habe? Rendezvous sind also äußerst wichtige Schritte auf dem Weg zu einer engeren Beziehung. Sie dienen der Erkundung darüber, wer als fester Partner in Betracht kommen könnte. Sie ermöglichen Erfahrungen und Vergleiche. Vor allem für junge Menschen bedeuten sie einen beachtlichen Erfahrungszuwachs, da sie sich je nach Erfolg oder Mißerfolg - auch auf das Selbstwertempfinden nachhaltig auswirken. Sie beeinflussen also nicht nur das spätere zwischengeschlechtliche Verhalten, sondern geben auch über den eigenen »Marktwert« Auskunft. Dafür spielt die Frage des Begehrtwerdens eine ebenso wichtige Rolle wie die Frage der Ehrlichkeit. Wie aufrichtig sind die gezeigten Gefühle, sind all die Sympathiebeteuerungen? Die ersten Rendezvous sind in der Regel eher unverbindlich. Frauen treffen sich genauso mit verschiedenen Männern wie Männer mit verschiedenen Frauen. Noch lautet die Devise: Potentielle Konkurrenten müssen ausgestochen werden. Die erste Regel dafür heißt: Gekonnt täuschen! Vorgeben, was man nicht ist! Stärker, schöner, mächtiger wirken als die »Gegner« desselben Geschlechts! Aber es bleibt nicht beim innergeschlechtlichen Wettbewerb. Rendezvous sind voller Täuschung, so verlangt es jedenfalls der »Kampf der Geschlechter«. Wenn dabei Männer
gegen Frauen und Frauen gegen Männer taktieren, dann ist natürlich auch die letzte romantische Vorstellung von der Harmonie bei Kerzenlicht dahin. Schon ihre Ziele sind unterschiedlicher Natur. Männer verfolgen »psychobiologische« Ziele, Frauen »psychoaffektionale«, schreibt Boyd McCandless.' Im Klartext heißt das: Männer suchen in erster Linie sexuelle Beziehungen, Frauen zunächst seelische. Die Geschlechter geraten unweigerlich in Konflikt! Streben die Ziele auseinander, dann tragen Strategien dafür Sorge, daß wenigstens die eigenen Absichten verwirklicht werden können. Deswegen wird manipuliert und getäuscht - auf beiden Seiten. Sind Rendezvous also zwischengeschlechtliche Lug-undTrug-Treffen? Sind sie unscheinbare Plattformen für Taktik und Kalkül im Wettbewerb von Mann und Frau? Dem Anschein nach könnte man es so zusammenfassen, auch wenn es ein wenig zynisch klingt. Das vorliegende Buch taucht ein in einen Bereich des zwischengeschlechtlichen Geschehens, der dem Alltagsblick gewöhnlich mehr oder minder verborgen bleibt: in die Strategien der Körpersprache. Wie vermitteln und regeln die körpersprachlichen Informationen die spezifischen Interessen von Männern und Frauen aneinander? Wie sind die Strategien in der Anfangsphase eines Kennenlernens ausgerichtet - und mit welchem Ergebnis? Wir haben dazu ein Experiment angestellt und sind dabei auf einige sehr interessante Ergebnisse gestoßen. Eines davon lautet, etwas schlagwortartig: Irren ist männlich. Dazu später mehr. Körpersprache ist ein raffiniertes Produkt der Evolution, ein Panoptikum von Verhaltensweisen voller Nuancen, ein Füllhorn für Spekulationen und zudem ein äußerst unwegsames Forschungsfeld. Sie zeigt sich sehr deutlich im Gesicht eines Menschen und im Verhalten seines Körpers. Ihre Grammatik kann von Männern und Frauen recht unterschiedlich angewendet und verstanden werden. Dem Individuum sagt sie etwas über den anderen, der Forschung sagt sie etwas über den Menschen. Wir wollen uns in diesem Buch vor allem mit den Mißverständnissen beschäftigen, die durch die Körpersprache entstehen und sich zuweilen in Kombination mit anderen Faktoren sehr folgenschwer entwickeln können. In den ersten Kapiteln muß der bisherige Forschungsstand kurz zu Wort kommen: eine lohnende, weil oft sehr amüsante Lektüre, die in die grundlegenden Begriffe und Funktionsweisen einzelner körpersprachlicher Verhaltensweisen einführt und deren Signalwirkung auf den Empfänger erläutert. Besondere Berücksichtigung verdient in diesem Zusammenhang der Aspekt der Täuschung, also der mehr oder minder bewußten Manipulation unseres Gegenübers. Im Mittelpunkt des Buches steht unser eigenes Experiment, das wir 1992 in München mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft durchführten. Es ging - kurz gesagt - um die Wirkung weiblicher Körpersprache auf Männer. Erstmals wurde in diesem Versuch die Frage gestellt, welche »inneren Regungen« Männer beim Anblick spezifisch weiblichen Verhaltens verspüren. Wir bedienten uns einer ungewöhnlichen Methode und hatten es mit einem recht komplexen Versuchsablauf zu tun, konnten aber unsere Fragestellung mit der allgemein gebotenen wissenschaftlichen Sorgfalt sehr gut erschließen. Durch seinen Pilotcharakter war unser Unternehmen überdies selbst zum methodischen Prüfstein für weitere Experimente dieser Art geworden. Es wurden ja keine bereits von anderen Autoren gewonnenen Einsichten überprüft. Als wir mit der Durchführung der Versuche begannen, wußten wir noch nicht, ob alles so funktionieren würde, wie wir es
uns auf dem Papier ausgemalt hatten. Um so erfreulicher waren für uns die Ergebnisse sosehr sie auch zum Nachdenken stimmen. Sie konnten nicht nur bestätigen, daß unser methodisches Vorgehen funktionierte, wir erhielten auch Auskunft über einen körpersprachlichen Bereich, der bislang unerforscht geblieben ist wohl aufgrund methodischer Probleme. Die Ergebnisse beleuchten einige unvermutete Querverbindungen und Aspekte im unterschwelligen Kampf der Geschlechter bis hin zu den wirklich üblen, aggressiven Formen, den Vergewaltigungen. Wie kommt es eigentlich, daß die weibliche Körpersprache mit ihrem ungeheuren Repertoire an auffordernden und zurückweisenden Signalen das Befinden von Männern so zu beeinflussen imstande ist? Und was ist die Ursache dafür, daß Männer diese Signale immer wieder mißverstehen? Warum wissen Frauen letztlich so wenig über die Wirkung ihrer Körpersprache auf Männer?
Die Körpersprache
Körpersprache ausdrücken und erkennen Sie sei ein ausgeklügelter und heimlicher Komplex, der nirgendwo geschrieben stehe, den niemand kenne, den aber alle verstünden, schrieb der Anthropologe Edward Sapir über die Körpersprache.' Es ist eine Sprache, deren Entstehungsgeschichte weit vor der Werdung des Menschengeschlechts datiert, eine Sprache, die sich im Laufe der Evolution mit komplexen Mechanismen herausgebildet hat. Ihre Grundelemente müssen nicht erlernt werden, der Mensch trägt sie von Geburt an in sich. Ihre Regeln sind ungeschrieben, und doch werden sie von allen Menschen in ähnlicher Weise beherrscht: Die Körpersprache ist das »Transportmittel« der Emotionen, der Bote von Angst, Trauer, Freude, Ekel und vielem mehr. Sie ist nicht nur »Begleitprodukt« der gesprochenen Sprache, ihre Ausdruckskraft wird vielmehr in manchen Situationen von keinen Wörtern dieser Welt übertroffen. Zum Teil wird die Körpersprache im Umgang mit Mitmenschen intuitiv übernommen, wesentliches Ausdrucksverhalten gilt jedoch als angeboren. Vor allem die grundlegenden Emotionen wie Freude, Trauer, Furcht, Ekel und Angst spiegeln sich im menschlichen Verhalten wider, ohne daß ein Lernvorgang vorausgegangen ist. Emotionale »Grundausdrücke« lassen sich in allen Kulturen in ähnlicher Weise beobachten: Bei Schreck werden die Schultern zum Schutz der empfindlichen Halsregion gehoben. Auch die Kopfschutzreaktion, bei der die Arme schützend über den Kopf gelegt werden, tritt kulturunabhängig auf. Bei Freude wird gelächelt, bei Wut werden die Zähne zusammen gebissen, bei Trauer die Mundwinkel nach unten gezogen; diese Liste läßt sich fast beliebig erweitern. So tragen Angehörige aller Kulturen ein verbindendes Erbe in sich, das die gegenseitige Verständigung über zumindest grundlegende Emotionen ermöglicht.'
Michael Argyle, einer der wichtigsten Erforscher der nichtsprachlichen Kommunikation, sieht die Bedeutung der Körpersprache in ihrer Direktheit.' Körperlich wird unmittelbarer und daher unverfälschter auf Reize reagiert als mit Wörtern, die zumeist im Dienste konkreter und bewußter Ziele stehen. Der Körper verrät, wie man sich fühlt, wie Erlebtes aufgenommen
wird, aber auch, wie man zu seinen Mitmenschen steht. Antipathie, körpersprachlich ungehemmt zum Ausdruck gebracht, wird von jedem richtig verstanden: Der Blick ist abgewandt, der Körper verschlossen und weggedreht, ein freundliches Lächeln unterbleibt. Genausowenig läßt der körpersprachliche Ausdruck von Sympathie Zweifel offen: Man lächelt, der Körper ist dem anderen zugewandt und »geöffnet«.
Das Gesicht Am deutlichsten spiegeln sich Gefühle und Empfindungen im Gesicht wider. Dreiundzwanzig Muskelstränge ermöglichen es, Teile der Gesichtsflächen unabhängig voneinander und sogar gegeneinander zu bewegen. Der so unterschiedliche Gesichtsausdruck zeigt nicht nur an, um welche Emotionen es sich handelt um Wut, Trauer, Zufriedenheit oder Glück - , er drückt auch die Intensität der empfundenen Gefühle aus. Jeder Emotion stehen nicht nur eine, sondern Dutzende, manchmal sogar Hunderte von Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung. Inzwischen weiß man, welche Gesichtsmuskeln bei den jeweiligen Emotionen im einzelnen aktiviert werden. Seit den Schriften von Charles Darwin über den Ausdruck und das Erkennen von Emotionen im Gesicht haben sich zahlreiche Wissenschaftler dieses Themas angenommen.' Pionierarbeit in der Erforschung mimischer Ausdrucksbewegungen leistete in der jüngeren Vergangenheit der Anatom Carl-Herman Hjortsjö, der als erster die Wirkung der einzelnen Muskelkontraktionen beschrieb.' Auf seinen Erkenntnissen aufbauend, entwickelten Paul Ekman und Wallace Friesen ein ausgeklügeltes System, mit dem sie Gefühle im Gesicht gleichsam meßbar machten, und nannten es »Facial Action Coding System«6: Sie lernten, ihre Gesichtsmuskeln derart zu beherrschen, daß sie schließlich in der Lage waren, beinahe alle Muskelstränge willentlich zu bewegen. Als Kontrolle dienten ihnen Elektroden, die sie sich in die entsprechenden Muskelstränge stecken ließen. Nach aufwendigen Lernvorgängen konnten die beiden Wissenschaftler einzig aufgrund der Faltenbildung und anderer Änderungen der Gesichtsflächen eindeutig erkennen, welche Muskeln gerade aktiviert waren. Sämtliche Muskelaktionen wurden schließlich mit Nummern versehen, so daß alle erdenklichen Empfindungen und Gefühle für die Forschung zu einfachen Zahlenkombinationen wurden. Der unwillkürliche, spontane Gesichtsausdruck sei ein Produkt der Evolution, stellt Ekman fest und weist darauf hin, daß viele menschliche körpersprachliche Ausdrucksweisen mit denen, die man auf den Gesichtern nichtmenschlicher Primaten beobachten könne, identisch seien. Der Verhaltensforscher Irenäus EiblEibesfeldt hat viele Erdteile bereist und sich bei seinen kulturvergleichenden Beobachtungen auch auf den mimischen Ausdruck der Menschen konzentriert. Es sei überraschend, wie weitgehend die Gesichtsbewegungen in den verschiedenen Kulturen und bei verschiedenen Rassen einander glichen, obwohl die Ausdifferenzierung der Gesichtsmuskulatur große rassische Unterschiede aufweise, resümiert der Forscher in seinem Grundlagenwerk zur Biologie des menschlichen Verhaltens.' Mit einiger Berechtigung läßt sich daher die Behauptung aufstellen, daß die wesentlichen emotionalen Ausdrucksweisen wie Glück, Angst, Zorn, Ekel, Trauer und Besorgtheit universal sind und unabhängig von Rasse, Kultur, Geschlecht und Alter gleichermaßen auftreten. Und einige Wissenschaftler haben sogar überprüft, aus wieviel Meter Entfernung der Gesichtsausdruck für andere noch wahrnehmbar ist: aus bis zu fünfundvierzig Metern.'
Für unsere Untersuchung ist aber vor allem wichtig, daß Emotionen, die über das Gesicht verraten werden, beim Gegenüber entsprechende Reaktionen auslösen. Negativer Ausdruck wie Trauer, Ekel, Wut führt den anderen ebenfalls in eine ungute Stimmungslage; umgekehrt verhält es sich mit positiven Emotionen.' Verrät die Mimik negative Gefühle, leidet die Gesamtausstrahlung so erheblich darunter, daß man als wesentlich unattraktiver eingeschätzt wird als in Momenten, in denen man sich entweder in einer emotional neutralen oder aber in einer glücklichen und zufriedenen Gefühlslage befindet."
Der Körper Auch.am körperlichen Verhalten lassen sich Empfindungen ablesen, wenngleich in einer weitaus weniger differenzierten Form. Im Gegensatz zur Mimik, die sich bis zum fünften Lebensjahr unabhängig von Erfahrungen jeder Art kaum ändert, unterliegt das körperliche Ausdrucksverhalten, das heißt Körperhaltung und Gestik, auch kulturellen Einflüssen. Treffen Menschen aufeinander, geben Körperbewegungen und -haltungen Auskunft über ihre Gefühle füreinander. Nehmen wir als Beispiel die Sitzpositionen zweier Gesprächspartner. Sind die beiden einander zugeneigt, den Oberkörper leicht nach vorn gebeugt, ist dies in der Regel ein untrügliches Zeichen für gegenseitige Sympathie." Noch weiter ins Detail gehen die Erkenntnisse von Karl Grammer." Er untersuchte im wesentlichen Körperhaltungen, die Männer und Frauen einnehmen, wenn sie sich begegnen. So sei auch die ausgestreckte Beinhaltung Kennzeichen für ein hohes gegenseitiges Interesse. Oberschenkel auf Oberschenkel gelegt, bedeutet beim Mann ein Sichverschließen, ein Abwehren einer an ihm interessierten Frau. Liegt jedoch der Unterschenkel des Mannes auf seinem Oberschenkel, befindet er sich in einer Situation, in der beide Partner füreinander positive Gefühle hegen. Andere Untersuchungen konzentrierten sich ebenfalls auf die Aussagekraft von Körperhaltungen bei Gesprächspartnern." Danach sind neutrale Gefühle an einer direkt zugewandten Körperhaltung erkennbar, bei empfundener Ablehnung wendet man den Körper vom Gesprächspartner in einem Winkel von ungefähr neunzig Grad ab. Merkmal für Zuneigung ist eine gemäßigte Wendung des Körpers zum anderen hin. Auch die Armhaltung läßt Aussagen über die Einstellung zu. Bei Frauen verraten geöffnete Arme Sympathie, verschränkte Arme sind ein Hinweis für Ablehnung. Bei Männern ließ sich ein ähnlicher Zusammenhang nicht feststellen. Sympathiefördernd ist also nicht nur ein bestimmter Gesichtsausdruck, auch die Körperhaltung kann beim Betrachter positive Gefühle bewirken. Eine offene Armhaltung etwa erweckt beim Gegenüber einen wohligen Eindruck." Eine entspannte, offene und nach vorn gerichtete Sitzhaltung bei Frauen ruft Sympathie hervor. Männer wirken dann freundlicher, wenn sie zwar leicht nach vorn geneigt, insgesamt jedoch geschlossen sitzen." Als wichtig für den sympathischen Eindruck hat sich auch die offene Armhaltung beim Sitzen erwiesen. Übrigens ermitteln wir über das körperliche Verhalten auch den Status, den die jeweiligen Gesprächsteilnehmer innehaben. Je entspannter Körper- und Sitzhaltung sind, desto höherer Status wird angenommen.` Der Körper ist während des Kontakts mit anderen bei den meisten Menschen in ständiger Bewegung. Man gestikuliert und wippt mit den Beinen, man hält sie geschlossen, über Kreuz
oder geöffnet. Der Oberkörper wird zurechtgerückt, nach vorn, auf die Seite oder nach hinten gelehnt. Man verschränkt die Arme, um sie alsbald wieder zu öffnen. Diese Bewegungsflut, dieses Bündel von Ausdrucksweisen bewußter und unbewußter innerer Regungen ist nicht zufällig. Vielmehr handelt es sich um eine richtiggehende »Grammatik« der Körpersprache, resümiert Kirsten Kruck, nachdem sie ungefähr zehntausend »Bewegungseinheiten« beschrieben und analysiert hat." Wir drücken mit unserem Körper vor allem unsere Reaktionen auf Mitmenschen aus. Dabei kommt es zu einer wechselseitigen Beeinflussung. In einer beinahe geheimen Sprache kommunizieren die Körper ihre Empfindungen, sie imitieren und synchronisieren sich, einem Tanz gleich, der feinfühlig aufeinander abgestimmt ist. Noch mit bloßem Auge und einiger Aufmerksamkeit läßt sich ein körperliches Phänomen entdecken, das Norbert Bischof als die niedrigste Organisationsstufe der zwischenmenschlichen Koordinierung bezeichnet: die Imitation.` In einem zeitlich überschaubaren Rahmen wird die Körperhaltung oder Bewegung zweier Menschen mittels Imitation einander angeglichen: Beide strecken die Arme aus, beide berühren das Gesicht, beide nehmen dieselbe Sitzposition ein - als wollten sie kundtun, daß sie ähnliche Empfindungen verspüren. Imitationen übertragen Stimmungen, stecken Gefühle an" und treten erwartungsgemäß besonders häufig in jenen Momenten auf, in denen sich zwei Menschen sympathisch finden .
Komplexer und für das bloße Auge kaum wahrnehmbar ist die körpersprachliche Synchronisation. Unterschiedliche Bewegungen treten in einem zeitlich aufeinander abgestimmten Rhythmus auf, auch hier einer tänzerischen Verflechtung gleich. Man denke an einen feurigen Tango oder an einen temperamentvollen Rock'n'Roll, bei dem die Tanzpartner immer wieder in gänzlich verschiedenen Schritten, Biegungen und Sprüngen auseinanderdriften und dennoch, in ihren Bewegungen stimmig aufeinander eingespielt, ein harmonisches Bild abgeben. Synchronisation ist ein Ausdruck von Zusammengehörigkeit. Von den Medlpa, einem Volksstamm in Neuguinea, weiß man zu berichten, daß ein ritualisierter Werbetanz der Paarfindung dient. Das Gelingen der körperlichen Synchronisation in ritualisierter Form wird zum Maßstab gegenseitiger Sympathie und dafür, ob das Paar zusammenpaßt. »Tanim Hed« nennen die Medlpa diesen Tanz, der von Gesang begleitet und stimuliert wird. Den Rhythmus jedoch bestimmen die Paare, die sitzend mit wippendem Oberkörper im wechselnden Zyklus ihre Gesichter aneinanderreiben. Sie wählen ihr eigenes Tempo und stimmen ihre Körper und ihre Gesichter vollendet aufeinander ab. Synchronisation drückt Harmonie aus; je schneller und sicherer sich Mann und Frau im geregelten Rhythmus bewegen, desto besser passen sie zusammen.` Bei diesem Volk gewinnt die Synchronisation den Status eines Rituals, das im Dienste zwischenmenschlicher Bindungen steht . Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen, vor allem aber bei Erstkontakten erfährt die körperliche Synchronisation ihre feinste Ausprägung. Nur mit Hilfe eines ausgeklügelten Computersystems wurde es möglich, dieser höchsten Form zwischenmenschlicher Koordination auf die Spur zu kommen .23 In vielen zunächst scheinbar unkoordinierten und unterschiedlichen Körperbewegungen der Gesprächspartner wurden gewisse Regelmäßigkeiten erkennbar, die aufeinander abgestimmt sind: Sie öffnet die Arme, er in der Folge seine Beine, sie spielt mit den Haaren, er kratzt sich alsbald am Arm, sie schlägt die Beine übereinander, kurz darauf lehnt er seinen Oberkörper zurück. Sobald diese oder ähnliche Verhaltensmuster in gegenseitiger Beeinflussung des öfteren auftauchen, werden sie vom Computer als Regelmäßigkeit erkannt und entsprechend als Synchronisation definiert . Der gute und der schlechte Sender Die Wissenschaft spricht von guten und schlechten »Sendern« wenn sie erforscht, wie spontan und angemessen, also für andere richtig erkennbar, der Mensch seine Emotionen körperlich nach außen trägt. Gute Sender vermitteln ihre Empfindungen unmittelbarer; ihre Gefühle unterliegen einer weniger stark durch den Verstand gesteuerten Zensur. Sie verhalten sich unmißverständlicher; ihre Körpersprache ist ausgeprägter als die der schlechten Sender. Auf der Suche nach den möglichen Ursachen dieser unterschiedlichen Fähigkeit, Empfindungen zu vermitteln, stießen zahlreiche Forscher auf den Faktor »Attraktivität«.
Gutaussehende Menschen erleben in ihren sozialen Begegnungen angenehmere Erfahrungen als unattraktive, folglich entwickelt sich bei ihnen ein Vertrauen in das eigene Verhalten, vor allem in den körperlichen Ausdruck. Außerdem haben attraktive Menschen meistens auch ein stärkeres Selbstbewußtsein. So ist es kein Wunder, daß selbstsichere Menschen auch die besseren Sender sind .25 Wenig positive Rückkoppelung vom Mitmenschen hingegen bewirkt Unsicherheit. In der Hoffnung, zu gefallen und nichts falsch zu machen, beginnt man, das Verhalten bewußter zu kontrollieren. Schlechtes Senden ist die Folge. Ein Vergleich zwischen den Geschlechtern zeigt übrigens eindeutig, daß Frauen ihre Gefühle spontaner und deutlicher über die Körpersprache zu erkennen geben als Männer .2' Menschen mit ehrlicher und ausdrucksvoller Körpersprache kommen bei anderen gut an! Die Forscher Ronald Sabatelli und Michael Rubin vermuten gar, eine ausdrucksstarke Körpersprache kompensiere ein weniger attraktives Aussehen.` So ist attraktiv, wer sich zu bewegen weiß. Erklärt wird dieser Zusammenhang übrigens mit dem Argument, daß Menschen durch ihre ausgeprägte Körpersprache auch entsprechend klare Informationen über sich selbst vermitteln. Diese wiederum fördern unweigerlich die Sympathiebildung, schließlich vermindert man durch seine größere Durchschaubarkeit die Unsicherheit des anderen. Dieser Effekt kommt insbesondere bei Erstkontakten zur Geltung.
Wie gut erkennt man die Körpersprache? Die Entschlüsselung der Körpersprache - das »Dekodieren«, wie man in Fachkreisen sagt - ist keine schwer erlernbare Kunst, immerhin handelt es sich um eine Sprache, die sich gerade aus der Notwendigkeit, einander zu verstehen, herausgebildet hat. Benötigte man dazu ein Anwendungsbuch, einen »Dechiffrierkode«, verlöre die körpersprachliche Kommunikation unweigerlich an Bedeutung. Bereits zweiundsiebzig Stunden nach seiner Geburt kann der Mensch Teilbereiche der Körpersprache beziehungsweise der Mimik erkennen, und schon nach zwölf Tagen beginnt das Imitieren selbst verhältnismäßig unauffälliger Gesichtsbewegungen, wie zum Beispiel das Heben der Augenbrauen." Wie genau Körpersprache erfaßt, wahrgenommen und interpretiert werden kann, ist strittig. Es sei nur eine leise Ahnung, die die Interpretation begleite, eine Ahnung, die sich nicht mit Worten erfassen lasse, sondern auf einer eher intuitiven Ebene ablaufe, vermutet etwa Edward Sapir." Eine andere Hypothese besagt, daß die passenden Worte schlicht und einfach fehlten, der Mensch sei daher nicht in der Lage, die körperlichen Ausdrucksweisen auf sprachlichem Weg angemessen zu kommentieren.` Erschwerend kommt hinzu, daß man sich während eines Zusammentreffens mit einem anderen Menschen beinahe ständig in Bewegung befindet, und alle körperlichen Regungen kontinuierlich mittels Wörtern zu erfassen ist allein schon aus zeitlichen Gründen kaum möglich. Systematische Untersuchungen der Wahrnehmung spezifischer Körperbewegungen durch die Gesprächspartner sind mit wenigen Ausnahmen 32 daher verhältnismäßig rar. Einfacher wird es, sobald man sich bei seinem Urteil lediglich auf bestimmte Körperhaltungen zu konzentrieren hat. In unterschiedliche Haltungen interpretiert man
verschiedene Emotionen. Aufgrund der im Verhältnis zur Mimik relativ geringen Aussagekraft des körperlichen Verhaltens verfährt man hier beim »Entschlüsseln« jedoch nach vergleichsweise groben Kategorien. Zwar erahnt man, ob es sich jeweils um negative oder positive Empfindungen handelt. Wie intensiv diese über den Körper vermittelt werden, darüber bleibt man jedoch meistens im unklaren.` Die Fähigkeit, Körpersprache zu entschlüsseln, unterliegt individuellen Schwankungen. Die wenigen bisher vermuteten Ursachen dafür sind jedoch eher spekulativer Art als wissenschaftlich begründet. Psychologische, genetische und physiologische Gründe werden gleichermaßen diskutiert. Als relativ gesichert gilt die These, daß maßgeblich die kognitiven Fähigkeiten, allen voran die Intelligenz, für die »Dekodierfähigkeit« verantwortlich sind .34 Der qualitative und quantitative frühkindliche Umgang mit den Eltern wird ebenfalls für bedeutungsvoll gehalten. Und man vermutet, die charakterlichen Merkmale, die Motivationen, die geistige Beschaffenheit sowie die jeweiligen äußeren Umstände seien an der »Dekodierfähigkeit« beteiligt." Einsamen Menschen beispielsweise schreibt die Forschung eine mangelnde Sensibilität in der Wahrnehmung des körperlichen Ausdrucksverhaltens zu." Schlechte Wahrnehmu,ig bescheinigen Psychologen auch attraktiven Menschen, die aufgrund ihres Aussehens ohne große Anstrengung zu einem angenehmen sozialen Status gelangt sind. Keinen sozialen Aufwand zu betreiben bedeutet unter anderem, sich nicht auf andere Menschen einstellen zu müssen, infolgedessen deren Körpersprache auch weniger sensibel zu registrieren." Die Wahrnehmung körperlichen Verhaltens ist außerdem mit dem eigenen emotionalen Zustand eng verknüpft. Glückliche Menschen tendieren dazu, im nichtsprachlichen Verhalten anderer eher Zufriedenheit zu sehen. Ängstliche Menschen vermuten vorschnell Unsicherheit, aggressive Menschen wiederum erkennen bereitwillig aggressives Verhalten. Und Verliebte werden mit hoher Wahrscheinlichkeit sämtliche Zeichen körpersprachlicher Zuneigung erkennen wollen. Darauf werde ich später ausführlich eingehen. Zunächst einmal wollen wir eine wichtige Erkenntnis betrachten: Frauen erkennen die Körpersprache besser als Männer. Dieser Geschlechtsunterschied offenbart sich sehr früh. Bereits im Vorschulalter erweist sich das männliche Geschlecht in dieser Hinsicht dem weiblichen gegenüber als unterlegen. Daran ändert sich später nichts mehr. Frauen sind die besseren »Dekodierer«." Die beiden Wissenschaftler Mark Costanzo und Dane Archer präsentierten ihren männlichen und weiblichen Versuchsteilnehmern Filme, die Personen in unterschiedlichen sozialen Situationen zeigten." Einzig aufgrund deren nichtsprachlichen Verhaltens sollten die Teilnehmer angeben, welche der gezeigten Personen ihrer Meinung nach zum Beispiel Sieger eines Tennismatches oder Mutter eines bestimmten Kindes sei. Frauen schnitten bei diesem Experiment deutlich besser ab und neigten weniger zur Selbstüberschätzung als Männer, die ihre - häufig falschen Beurteilungen mit besonders großer Überzeugung vortrugen. Andere Forscher testeten die Wahrnehmungsfähigkeit ihrer Versuchsteilnehmer mittels Fotos, auf denen aussagekräftige Körperhaltungen zu sehen waren. Stets erwiesen sich die Frauen auch hier als die zuverlässigeren und kompetenteren »Dekodierer«.40 Frauen bemühen sich, umsichtiger, sorgfältiger auf die Körpersprache ihres Gegenübers einzugehen, wobei sie sich, im Gegensatz zu Männern, mehr auf mimische Ausdrucksformen verlassen als auf die körperlichen Verhaltensweisen. Frauen vermeiden nicht nur vorschnelle
Urteile, sie werten das körperliche Verhalten ihrer Mitmenschen zudem freundlicher und argloser .41 So wissenschaftlich gesichert dieser Unterschied in der Beurteilungskompetenz auch ist, so spekulativ ist dessen Erklärung. Einige Wissenschaftler suchen die Erklärung in einer sozial und emotional wichtigeren Rolle der Frauen. Andere sehen die Ursache in der Mutterrolle, die ja bekanntlich Einfühlungsvermögen erfordere. Abenteuerlich mutet die Erklärung an, Frauen hätten es als die gesellschaftlich »Rangniedrigeren« schlicht und einfach nötiger, dem dominanten Mann die Wünsche quasi von den Augen abzulesen, um durch ihr - somit stärker entwickeltes Einfühlungsvermögen trotz der benachteiligten sozialen Stellung doch noch zu einem gewissen gesellschaftlichen Vorteil zu gelangen.` Eine überaus starke Identifizierung mit einer übersteigerten Form des Feminismus ist hier vonnöten, will man die Aussage nicht ausschließlich mit einem süffisanten Schmunzeln kommentieren.
Die selektive Wahrnehmung Mit einem anderen Menschen zu kommunizieren bedeutet auch, aus einer Vielzahl von möglichen Informationen das wirklich Relevante herauszufiltern. Man stelle sich eine Autofahrt vor, die einen vom Ort A zum Ort B führen soll. Unermeßlich viele Eindrücke würde jeder gefahrene Kilometer in uns hinterlassen, wenn wir uns auf jeden passierten Kilometerstein, jedes Auto, jedes Haus, jeden Baum und vieles andere konzentrieren würden. Daher filtert man aus der großen Menge von Reizen diejenigen heraus, die nötig sind, um sein Ziel zu erreichen - in unserem Beispiel diejenigen, die uns sicher nach B bringen. Ähnlich verfahren wir während eines Kontakts, während eines Gesprächs. Meistens verfolgen wir mit unserem Handeln und unseren Worten bestimmte Ziele. Wir wollen verstanden werden und andere in ihrem Verhalten derart beeinflussen, daß es uns zum Nutzen gereicht. Kommunikation kann folglich Ausdruck sowohl von Kooperation als auch von Konkurrenz sein. Einerseits bemühen wir uns um ehrliche Verständigung, andererseits beherrscht Manipulation unsere zwischenmenschlichen Kontakte. Erst bestimmte Signale ermöglichen es uns, wichtige Informationen von unwichtigen zu unterscheiden. Sind sie auffällig und heben sie sich vom sonstigen Verhalten deutlich ab, erwecken sie unsere Aufmerksamkeit. Je komplizierter Aufbau und Gestaltung eines Signals sind, desto häufiger wird es wiederholt. Signale wollen gesehen und möglichst schnell und eindeutig verstanden werden. Ein wesentliches »Ziel« hatte die Evolution im Auge, als sie die Entwicklung der Signale vorantrieb: die Kunst des Täuschens und des Manipulierens. Um nur ein Beispiel zu nennen: die Übertreibung als eine bedeutsame Strategie des Sichbehauptens. Eine wichtige Aufgabe der Signale ist insbesondere beim männlichen Geschlecht, sich als Sender kräftiger, stärker und dominanter erscheinen zu lassen, als er in Wirklichkeit ist. Als Folge wird er einen höheren Status erreichen, der ihm sowohl im innergeschlechtlichen als auch im zwischenmenschlichen Wettbewerb zu mehr Erfolg verhelfen kann. Modische Raffinessen sollten diese Absicht zu allen Zeiten unterstützen. Die künstliche Hervorhebung der Schulterpartie läßt den Träger von Uniformen größer und imposanter erscheinen. Irenäus Eibl-Eibesfeldt erinnert in diesem Zusammenhang an das Aufstellen der Nackenhaare, durch das viele Tiere in bedrohlichen Situationen dieselbe Wirkung erzielen .13
Auch Verhaltensweisen können Signalcharakter haben. Ethologen sprechen dann von »Ausdrucksbewegungen«. Sie helfen, soziales Verhalten zu koordinieren. Immer dann, wenn es für den Sender von Signalen von dringendem Vorteil ist, daß seine spezielle Botschaft vom anderen sofort wahrgenommen und verstanden wird, erfährt das Signal, das diese Botschaft vermitteln soll, eine derartige Umgestaltung, daß es besonders deutlich, prägnant und unverwechselbar wird. Diesen Veränderungsprozeß nennt man »Ritualisierung«." Auf der einen Seite befindet sich also der Sender, der seine Wünsche, Ziele und Regungen erkennbar macht, er »enkodiert«. Ihm gegenüber steht der Empfänger, dieser »dekodiert«, nimmt die Signale auf, die er für wichtig erachtet, und interpretiert sie entsprechend. In erster Linie sieht man jedoch das, was man sehen muß oder will, und ignoriert, was nicht gefällt; man sondert aus. Dekodierungsprozesse laufen auf einer selektiven Ebene ab. Jeder hat seine eigenen Beurteilungsdimensionen und Maßstäbe. jeder konzentriert sich auf diejenigen Kriterien und Signale, die für ihn momentan von besonderer Bedeutung sind. Soldaten werden beim Gegenüber zunächst auf den Rang achten; Epauletten sind für sie Signalträger. Ein Modeschöpfer sieht die Kleidung, ein Friseur die Haartracht, ein Psychotherapeut die Ausdrucksbewegungen, ein Verliebter die Flirtsignale. Die Wahrnehmung des Empfängers der Signale ist also durch deren subjektive Gestaltung eingeschränkt. Vor allem in jenen Momenten, in denen man sich zum erstenmal mit einer fremden Person konfrontiert sieht, kommt diese eingeschränkte Wahrnehmung zum Tragen, denn das Umgehen miteinander basiert auf selektiv wahrgenommenen Signalen. Signale, vor allem diejenigen der Täuschung, gelangen hier zur höchsten Wirksamkeit. Man läßt sich anlocken, blenden - und täuschen.
Die Signale Konzentrieren wir uns auf einen eingeschränkten Bereich körpersprachlicher Signale: auf Ausdrucksbewegungen der Kontaktaufforderung, des sexuellen Interesses, der Zurückweisung und der Abblockung, kurzum auf diejenigen Signale, die sowohl in unserem Forschungsprojekt als auch in der anschließenden Auswertung im Mittelpunkt stehen. Signale der Freundlichkeit und der Ablehnung Blicke haben untrüglich den einflußreichsten Signalcharakter. Mit gezieltem Blickverhalten lassen sich Kontakte ebenso anbahnen wie abblocken. Mit Blicken kann man schmeicheln und verletzen. Blicke können ebenso Bewunderung wie Verachtung ausdrücken, Schüchternheit wie Selbstsicherheit verraten. Sie signalisieren Freundlichkeit, Gleichgültigkeit und Ablehnung. Blickverhalten richtig interpretieren bedeutet, es in seinem sozialen Rahmen zu sehen. Monica Moore beobachtete in Diskotheken die sogenannten »Dartingblicke« (dart, engl. Wurfpfeil), Blicke, die kurz, aber zielgerichtet immer wieder an eine bestimmte Stelle wandern.` Sie sind wesentliche Signale dafür, daß das Interesse an einer gewissen Person geweckt worden ist. »Dartingblicke« kündigen sozusagen ein erstes Kontaktbestreben an. Intensivere Blicke, die länger als drei Sekunden andauern, werden eher bei Liebespaaren beobachtet und signalisieren dann
Vertrautheit und Zuneigung. Wenn man jemanden allerdings allzulang mit den Augen fixiert, hat das leicht eine negative Wirkung, das gilt zumindest bei Begegnungen zwischen Fremden." Um das Blickverhalten im sozialen Kontext zu beurteilen, muß man auch den Gesprächsinhalt berücksichtigen. Sprechen zwei Menschen über Unangenehmes, rufen längere Blicke eher Unbehagen hervor, bei einem angenehmen Thema wirken sie sympathiefördernd.41 Der Zusammenhang zwischen Sympathie und Blickverhalten ist komplex. Derjenige, der attraktiv und sympathisch ist, wird häufig angesehen, und umgekehrt. Wer dem anderen ein freundliches und interessiertes Blickverhalten zeigt, gewinnt an Sympathie. Dieser positive Zusammenhang zwischen Sympathie und Blicklänge wurde vor allem bei Frauen ermittelt. 41 Überhaupt scheint die Signalwirkung von Blicken bei Männern und Frauen von unterschiedlicher Ausprägung zu sein. Frauen reagieren nicht nur sensibler auf Blickkontakt, sie sehen ihre Gesprächspartner auch länger und häufiger an, als Männer es zu tun pflegen.` Wissenschaftler konnten überdies nachweisen, daß Männern weibliche Blicke schmeicheln. Frauen, die sich ohnehin von männlichen Blicken verfolgt fühlen, ist es angenehmer, wenn Männer mit ihren Blicken »wohldosiert« umgehen." Anders verhält es sich in Situationen, die sich nicht nur auf die Begegnung von Mann und Frau beschränken. Einige Untersuchungen beschäftigten sich beispielsweise mit der Signalwirkung von Blicken im Zusammenhang mit körperlicher Distanz. Ort der Beobachtungen waren die jeweilig gewählten Plätze in einem Aufzug. Männer hatten weniger Probleme, sich in unmittelbare Nähe einer Person zu begeben, die sie nicht anschaute. Frauen hingegen bevorzugten als Standort einen Platz in der Nähe eines Menschen, der lächelte und Blickkontakt aufnahm." Für Frauen, darauf weist zumindest dieses Ergebnis hin, haben Blicke im allgemeinen positiven Signalcharakter, sie sind daher für sie wichtiger: Sie suchen visuelle Kontakte. Anders jedoch verhält es sich beim direkten Kontakt mit Männern. Dabei werden männliche Blicke schnell als unangenehm und lästig empfunden. So deutlich längere und häufige Blicke Freundlichkeit ausdrücken, so unmißverständlich wird Ablehnung durch Blickvermeidung gezeigt. Hochgradige Antipathie signalisiert das leicht abgewandte und ausdruckslose Gesicht: Die Augen bleiben beinahe starr und verraten keinerlei Emotionen. Vor allem Männer ignorieren auf visueller Ebene ihr Gegenüber, sobald sie Ablehnung empfinden." Die Weigerung, mit dem anderen in Blickkontakt zu treten, kann und darf jedoch nicht ausschließlich auf abweisende Gefühle reduziert werden. Vielmehr kommen auf diese Weise auch Scham- und Schuldgefühle zum Ausdruck; mangelnder Blickkontakt gilt zudem als Hinweis auf ungenügende Erfahrung im sozialen Umgang. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie versuchte man, einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Rendezvous, Geübtheit im Umgang mit dem anderen Geschlecht und dem Blickverhalten nachzuweisen." Die hundertvierunddreißig männlichen und weiblichen Studenten wurden in zwei Gruppen eingeteilt: in »Daters« und »Nicht-Daters«, das heißt solche, die sich häufiger, und andere, die sich selten mit jemandem treffen. Schon den ausgefüllten Fragebögen konnte man entnehmen, daß Daters im Umgang mit anderen geschickter, das heißt sozial kompetenter waren als Nicht-Daters. Bei den anschließend arrangierten Begegnungen von jeweils einem Mann und einer Frau konnten die Forscher klar erkennen, daß neben dem Sprach- auch das Blickverhalten bei Daters und Nicht-Daters unterschiedlich geprägt war: Daters sahen ihren Gesprächspartner nicht unbedingt länger an als Nicht-Daters, aber sie setzten ihr Blickverhalten effektiver ein, indem es ihnen stets gelang, den Gesprächspartner zu häufigem Blickkontakt zu motivieren. Von den NichtDatern
unterschieden sie sich auch durch einen intensiveren Blickkontakt, während sie selbst sprachen. Dies ist eine besonders erfolgreiche Strategie, um den Gesprächsverlauf besser kontrollieren zu können, lassen sich doch die jeweiligen Reaktionen des Gegenübers nur über Blicke erfassen. Die Vermeidung von Blickkontakt ist auch ein wesentliches Merkmal für Unsicherheit und Unterlegenheitsgefühle, wie wir bei eigenen Studien zu Kontaktanbahnungen zwischen Männern und Frauen beobachten konnten.` Vor allem unsere männlichen Versuchsteilnehmer waren unfähig, ihre Unsicherheit zu verbergen und die Gesprächspartnerin wenigstens ab und zu anzuse hen. Fast alle schüchternen Männer wandten sich nach wenigen Sekunden ab und blockierten jeglichen Kontakt. Viele der mit diesen Männern konfrontierten Frauen waren offensichtlich persönlich gekränkt, vermuteten hinter dem scheuen Verhalten Zurückweisung und reagierten infolge dieses Mißverständnisses ebenfalls ablehnend. Die korrekte Interpretation von Blickverweigerung erweist sich somit als schwierig, sie erfordert ein gutes Einfühlungsvermögen. Ein weiteres ausgesprochen soziales Signal ist das Lächeln. Meistens stimmt es freundlich und beschwichtigend. Kein Wunder, daß es zu den wirkungsvollsten Signalen im zwischenmenschlichen Umgang zählt. Lächeln kann sich anbahnende Konflikte im Keim ersticken. Es erhöht das Wohlbefinden des Gegenübers, es schmeichelt und berührt uns angenehm. Natürlich verbinden sich auch mit dem Lächeln unterschiedliche Absichten. Paul Ekman beschreibt siebzehn verschiedene Formen des Lächelns, wobei er annähernd die Hälfte davon als Signale im Dienste der Konversation verstanden wissen will." Es seien im wesentlichen Formen des Lächelns, die das Gespräch regeln und in Gang halten. Das Lächeln des Zuhörers etwa signalisiert, daß dieser verstanden hat, vergleichbar mit der Funktion eines bestätigenden Lautes oder Nickens. Eine große Ausnahme in der ansonsten freundlich stimmenden Signalgebung stellen das ironische und das schadenfrohe Lächeln dar, deren Ursprung Eibl-Eibesfeldt im Bereich der Aggression ansiedelt. Wer kennt nicht dieses äußerst wütend stimmende Grinsen, das eine ohnehin ungute Lage verschlimmert! Allgemein gesehen begleitet Lächeln nicht nur angenehme Situationen. Im Gegenteil, bisweilen lächeln wir in unangenehmen Momenten sogar häufiger als in erfreulichen. Vor allem Frauen die, nebenbei gesagt, häufiger lächeln als Männer - tendieren dazu, Momente sozialer Erniedrigung und Ängstlichkeit sowie allgemeinen Unwohlseins mit einem Lächeln zu kompensieren. Das Lächeln der Männer hingegen ist meist ein Ausdruck von Verbindlichkeit.56 Wenn gelächelt wird, bedeutet das also nicht automatisch: Hier hat jemand gute Laune, hier fühlt sich jemand wohl. Zusammen fassend kann jedoch gesagt werden: Lächeln ist ein ausgesprochen soziales Signal.` Das laute Lachen entspringt einer anderen Wurzel als das Lächeln. Diese These vertritt zumindest der bekannte Primatenforscher Jan van Hooff.58 Die Funktionen des Lachens sind vielschichtig und wie beim Lächeln situationsabhängig. Eibl-Eibesfeldt beschreibt es als
»draufgängerisch-freundlich aggressiv«;` als aggressiv deshalb, weil das Lachen zwei verbindet, die gemeinsam über einen Dritten lachen." Trotz seiner aggressiven Grundkomponente hat es also durchaus eine verbindende Funktion - sehr zum Leidwesen des ausgelachten Dritten. Freundlichere Funktionen hat das Lachen, wenn es Gefühle der Ablehnung verbirgt oder allgemein zu einem freundlichen Kontakt, zum Spiel, zum Flirt anregen soll. Karl Grammer untersuchte die Lachfrequenzen bei Unterhaltungen von Männern und Frauen und gelangte dabei zur Überzeugung, Intensität und Häufigkeit des Lachens seien insbesondere bei Frauen Gradmesser für deren Einstufung des Gesprächspartners. Je attraktiver sie ihn findet, desto mehr lacht sie, das gilt zumindest für den Erstkontakt. Umgekehrt verhält es sich bei Männern. Diese scheinen das Lachen zu unterdrücken, sobald sie mit einer attraktiven Frau konfrontiert sind." Frauen, in deren Gegenwart Männern nicht zum Lachen zumute ist, schmeicheln sicher diese Erkenntnisse! Häufiges gemeinsames Lachen verbindet jedoch Mann und Frau, und unweigerlich scheint bei »humorvollen« Begegnungen die allgemeine Bereitschaft der Frau, mit ihrem Gesprächspartner in näheren Kontakt zu treten, zu wachsen."
Signale des Flirts: Signale der Dominanz und der Unterwerfung Beinahe jede zwischenmenschliche Begegnung führt irgendwann auch zu einer gegenseitigen Abschätzung der »Rangordnung«. Vor allem zwischen Mann und Frau spielt die Machtfrage eine nicht unerhebliche Rolle, die mit ihren Konsequenzen bereits die Kontaktanbahnung beeinflußt. Fühlt man sich gleichwertig, überlegen oder unterlegen? Diese Einschätzung wird binnen weniger Sekunden nach dem ersten Blick vollzogen und entscheidet letztlich die Frage, ob und wie man einen Kontakt herzustellen versucht." Wer während einer Begegnung oder eines Gesprächs den dominanten Part einnimmt, verrät bekanntlich vor allem das Blickverhalten der Beteiligten." Dasselbe gilt für Menschen mit unterschiedlichen Stellungen zum Beispiel in einem Unternehmen. Der Unterlegene wendet seine Augen alsbald ab und vermeidet im weiteren Verlauf des Zusammenseins längeren visuellen Kontakt. Der Dominierende hält den Blicken seines Gegenübers länger stand. Mit seinen Augen vermag er die Dominanzstruktur sogar zu festigen. Wenn Blicke zu lange auf jemandem ruhen, wirken sie nämlich einschüchternd, bisweilen gar bedrohlich. Dieses sogenannte Drohstarren werde bisweilen bewußt als aggressives Machtmittel eingesetzt, weiß Eibl-Eibesfeldt aufgrund seiner Beobachtungen zu berichten." Den Austausch dominanter und unterwürfiger Signalgebung finden wir insbesondere beim Flirt- und Werbeverhalten. Männer bemühen sich in ihrem Ausdrucksverhalten allgemein um einen dominanten, starken Eindruck. Frauen hingegen geben sich körpersprachlich überwiegend unterlegen und unterwürfig, in der Fachsprache nennt man dieses Verhalten »submissiv«. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, daß sich Frauen insbesondere während der ersten Minuten einer zwischengeschlechtlichen Begegnung in ihrem körpersprachlichen Verhalten an das der Männer anlehnen, es sozusagen synchronisieren." Die unterwürfigen Elemente der weiblichen Körpersprache nehmen dabei um so mehr zu, je dominierender der Mann sich verhält. Bei eher unterlegenen und unsicher wirkenden Männern hingegen verhalten sich Frauen körpersprachlich dominierend. Auf diese
Weise sorgen sie quasi für eine Ausgeglichenheit zwischen den Geschlechtern - zumindest während des ersten Kontakts. Sehr eingehend wurden von Verhaltensforschern diejenigen Signale untersucht, die beim Gegenüber angeborenermaßen Bedürfnisse von Betreuungshandlungen auslösen: Signale, die an Kindlichkeit erinnern. Kindliches Verhalten und Aussehen wir ken beschwichtigend und besänftigend, sie sind fern jeglichen Dominanzstrebens, im Gegenteil, ihre wesentlichen Elemente sind unterwürfiger Natur. Auf eine kindliche Erscheinung sowie auf nichtsprachliches Verhalten, das Kindlichkeit signalisiert, reagieren wir in der Regel äußerst positiv. Entsprechend starke Emotionen ruft vor allem das Gesicht hervor, wenn es wesentliche Merkmale des Kindchenschemas aufweist: große Augen, Schmollmund, kleine Nase, schmales Kinn. Aber auch typisch kindgemäßes Verhalten hat Signalcharakter, so beispielsweise das Verlegenheitslächeln, dessen Erkennungsmerkmal die Mundwinkel sind. Beim »gewöhnlichen« Lächeln wendet man sich von seinem Gegenüber - wenn überhaupt - erst dann ab, wenn die Mundwinkel ihre maximale »Ausdehnung« schräg nach oben und zur Seite hin erreicht haben. In Verlegenheitsmomenten jedoch geschieht die Abwendung bereits zu einem früheren Moment." Diese Art zu lächeln beginnt im frühen Kindesalter, ist kulturunabhängig und läßt sich einerseits als Ausdruck echter Verlegenheit interpretieren. Andererseits kann auch ein kleines Täuschungsmanöver vorliegen. Vor allem dann, wenn wir gefallen und an das Gefühl des anderen appellieren wollen, lächeln wir verlegen. Vorgetäuschte Kindlichkeit finden wir insbesondere in der Körpersprache weiblichen Flirtens. Beschützerinstinkte im Mann zu wecken, gleichzeitig auf unverfängliche Art Unterlegenheit vorzuspielen - bewußt oder unbewußt -, ist ein generelles Merkmal weiblichen Werbe- und Flirtverhaltens. Das Nackenpräsentieren etwa gilt in der Verhaltensforschung als ein deutliches Signal der Unterwerfung, handelt es sich dabei schließlich um die Darbietung der empfindlichen Halsschlagader. Als Ausdruck von Unterwürfigkeit und Unsicherheit gelten auch das Schulterzucken sowie jede Art von Selbstberührung im Gesicht, an den Haaren, an den Armen oder ein Herumzupfen an der Kleidung, bei dem nicht vorhandene Faltenwürfe »glattgestrichen« oder Flusen »entfernt« werden. Diese Verhaltensweisen sind bei Frauen häufiger zu beobachten als bei Männern." Auch die nach vorn geneigte, dem Mann zugewandte Oberkörperbewegung gilt als unterwürfiges Verhalten und ist kennzeichnend für weibliches Flirten.` Neben all diesen submissiven Elementen in der weiblichen Flirtsprache kennt man aber auch Ausdrucksweisen der Dominanz, zum Beispiel den sogenannten »Head Toss«. Erkennbar ist dieses Verhalten an dem ruckartigen Zurückwerfen des Kopfes, bei dem das Kinn nach vorn geschoben wird und die Augenbrauen leicht hochgezogen werden. Ein unmißverständlicher Ausdruck von Dominanz ist auch das »Plus Face«, das Gail Zivin bei Kindergartenkindern beschrieben hat .'° In Konfliktfällen läßt diese aufrechte Kopfhaltung mit trotzig-stolzem Gesichtsausdruck den Sieger im voraus erahnen. Dennoch spielt die Frau selbst in Momenten, in denen sie die Begegnung eindeutig kontrolliert und der Mann den unterlegenen Part einnimmt, ihre dominante Rolle zumindest auf körpersprachlicher Ebene bei weitem nicht so aus, wie der Mann es zu tun pflegt." Der Mann will imponieren. Seine Signale zielen auf die Zurschaustellung von Kraft und Dominanz ab. Mit kocherhobenem Arm fährt er sich durch die Haare, seine Kopfhaltung
bleibt erhaben. Muskelspiele, bei denen Arme oder Beine gestreckt werden, sollen auf männliche Stärke aufmerksam machen. Auffällig ist auch das Verschränken der Arme hinter dem Kopf - ein Sichgrößermachen als Ausdruck von Dominanz verhilft zu »eindrucksvollem« Aussehen.` Die Beine spreizen, sich breit machen und möglichst viel Platz einnehmen, im Sitzen wie auch im Stehen, zählen ebenfalls zu den typisch männlichen Signalen.` Die breite Beinstellung wird übrigens als ein Genitalpräsentieren interpretiert." Männer zeigen sich in ihrem Werben kaum jemals unterwürfig. Die wenigen submissiven Elemente ihrer Flirtsprache beschränken sich auf das Verlegenheitslächeln sowie auf »Automanipulationen« - dazu gehören zum Beispiel die schon beschriebenen Berührungen oder das Entfernen nicht vorhandener Fusseln - vor allem am Körper und der Kleidung." An dieser Stelle sei erwähnt, daß die Verteilung von Dominanz und Unterwürfigkeit in der Körpersprache beim Flirten von homosexuellen Männern eine ähnliche Verhaltensstruktur aufweist wie bei heterosexuellen Männern und Frauen. Derjenige, der den »weiblichen« Part der homosexuellen Beziehung übernimmt, verhält sich in seiner Flirtsprache in gleicher Weise unterwürfig wie eine Frau.'' Alles in allem bewegen sich Männer während einer zwischengeschlechtlichen Begegnung deutlich weniger als Frauen. Männer wollen mit Worten und Taten gefallen, weniger durch eine ausdrucksstarke Körpersprache. Die starke, auf Dominanz abzielende männliche Selbstdarstellung scheint in der Tat eine effektive Strategie zu sein. Sie zieht nämlich weibliches Interesse an. Zumindest in Versuchssituationen konnten Wissenschaftler beobachten, daß Frauen ihren dominierenden männlichen Gesprächspartnern mehr Aufmerksamkeit schenkten als den eher unterwürfigen." Sexuelle Signale Frauen senden in ihrer Körpersprache mehr Signale aus, die sexuelle Sinne ansprechen sollen, als Männer. Während letztere laut Umfragen ihren Sex-Appeal auf Kleidung und »große Worte« beschränken, findet man in der weiblichen Flirtsprache viele Verhaltenselemente, die erogene Zonen betonen sollen, beispielsweise die Lippen? Beim »Lip Pout« werden die Lippen leicht zusammengepreßt nach vorn geschoben, um voller zu wirken. Beim »Lip Lick« oder Züngeln gleitet die Zunge über die leichtgeöffneten Lippen sachte hin und her. Immer wieder zu beobachten ist auch das Hervorheben des Brustbereichs. David Givens meint, dies sei als eine Einladung zu weiterem Kontakt zu verstehen. Auffordernden Charakter hat auch das »Öffnen der Beine«. In der Regel achten Frauen beim Sitzen auf eine geschlossene Beinhaltung, um so mehr läßt sich das Spreizen der Beine als sexuelle Reizung verstehen.` Monica Moore, deren Beobachtungen im wesentlichen zu der Katalogisierung weiblicher Flirtsignale geführt haben, schreibt auch der weiblichen Gangart sexuellen Signalcharakter zu." Überall dort, wo Frauen männliches Interesse wecken wollen, »paradieren« sie. Dabei werden in ziemlich übertriebener Art mit hocherhobenem Kopf die Hüften geschwungen, der Bauch wird eingezogen, und die Brüste werden hervorgehoben. Eine Betonung des Brustbereichs erfährt der Körper auch durch den »Head Akimbo«, eine Armverschränkung hinter dem Kopf. Was bei Männern bekanntermaßen Ausdruck von Dominanz ist, will Karl Grammer bei Frauen als sexuelles Signal interpretiert wissen. Grundlage für die hier beschriebenen Signale sind Beobachtungen, die zu erfassen versuchten, was sich körpersprachlich zwischen Menschen abspielt. Nur bei wenigen Untersuchungen kamen die Betroffenen selbst zu Wort, meistens wußten sie nicht einmal, daß sie »Opfer« wissenschaftlichen Interesses geworden waren. Will man
zumindest einen Teilbereich der Empfindungen, die die scheinbar »Flirtenden« haben, begreifen und sie dann zu dem jeweiligen körpersprachlichen Verhalten in Beziehung setzen, liegt es nahe, Begegnungen in einem experimentellen Rahmen stattfinden zu lassen. Mit Hilfe von Fragebögen ist der Verhaltensforscher bei der Interpretation bestimmter Signale nicht mehr ausschließlich auf seine Beobachtungsgabe angewiesen. Kirsten Kruck, Karl Grammer und ich selbst haben ein solches Experiment durchgeführt, bei dem über hundertachtzig Schülerinnen und Schüler, im durchschnittlichen Alter von achtzehneinhalb Jahren, in einer vermeintlichen Wartesituation jeweils zu zweit in einen separaten Raum gebeten wurden. Dort blieben sie zehn Minuten lang allein und wurden ohne ihr Wissen mit einer versteckten Kamera gefilmt. Bei allen Begegnungen handelte es sich ausschließlich um Erstkontakte. Ein anschließender Fragebogen sollte unter anderem über das gegenseitige Interesse Aufschluß geben. Eine besonders aufwendige Analyse des körperlichen Verhaltens betrieb Kirsten Kruck. Sie setzte sämtliche ausgewerteten Bewegungen mit dem von den Versuchsteilnehmern selbst angegebenen Interesse in Beziehung. Dabei verglich sie das Verhalten von Frauen mit geringem Interesse mit dem von Frauen, die starkes Gefallen am Gesprächspartner angaben. Ihren Ergebnissen zufolge war bei Frauen das eindeutige Signal für ein Interesse das Kleiderrichten. Sie zupften den Ärmel hoch, zogen den Pullover gerade, strichen sich über Hosenfalten. Ausdruck von starkem weiblichen Interesse war auch das häufige Gestikulieren während des eigenen Sprechens. Entgegen anderen Beobachtungen und Theorien stellte sich bei diesen Analysen heraus, daß das Axillapräsentieren, der »Head Akimbo«, nicht als sexuelles Signal interpretiert werden kann. Vielmehr registrierte Kruck diese Körperposition häufiger bei denjenigen Frauen, die geringes Interesse verspürten, als bei Frauen mit hohem Interesse. Dagegen gab es verhältnismäßig wenige statistisch bedeutsame Unterschiede im körperlichen Verhalten von Männern, die an der Frau interessiert beziehungsweise desinteressiert waren. Lediglich eine breite Sitzhaltung - die Oberarme auf der Lehne ruhend, den Oberkörper aufgerichtet - ist Kirsten Kruck zufolge als »männliches Flirtsignal« einzustufen. Männer mit besonders geringem Interesse halten die Beine geschlossen.
Die Täuschung Wenn die Forschung körperliche Bewegungen in meßbare und überschaubare Raster und Konzepte einzuordnen sucht, steht einerseits die wissenschaftliche Neugierde dahinter, Regeln, die Menschen im Umgang mit anderen intuitiv befolgen, zu erkennen; andererseits geschieht das aus der Erkenntnis, daß der Mensch seine Emotionen zu verbergen weiß und sogar zur körpersprachlichen Manipulation und Lüge fähig ist. Lügen und Manipulationen sind bei weitem keine Strategien, die ausschließlich dem Menschen eigen sind. Diese Täuschungsmanöver haben sich im Laufe der Evolution bei einer Reihe von Lebewesen als unumgängliche Überlebensstrategien entwickelt. Den anderen derart zu täuschen, daß man als Sender Nutzen daraus zieht, so definiert Mitchell den Begriff der Täuschung. Das kann bewußt, aber ebenso unbewußt geschehen. Viele Biologen sind der Überzeugung, selbst Pflanzen seien zum Betrug fähig. R' Vorgeben, etwas zu sein, was man nicht ist, beginnt im einfachsten Sinne bereits mit einer geschickten Tarnung, wenn etwa der Steinfisch für Feinde von seiner Umgebung nur schwer zu unterscheiden ist. Einen komplexeren und aufwendigeren Betrug praktizieren jene Organismen, die Mimikry
betreiben. Eine Art Signalfälschung sorgt für eine derartige Ähnlichkeit mit anderen Organismen, daß seine »Verstellung« dem Betrüger unweigerlich zum Vorteil gereicht. So ahmt etwa eine Fangheuschrecke, »Teufelsblume« genannt, eine Blume nach und lockt auf diese Weise Insekten an. Argumenten, die Täuschungsmanöver, die der Mensch zu betreiben pflegt, seien im Gegensatz zu denen des Tierreichs bewußt und willentlich eingesetzt, ist entgegenzuhalten, daß auch die nichtmenschlichen Primaten offenbar zur gezielten Lüge fähig sind. Schimpansen etwa sind in der Lage, mit ihrer Mimik Regungen zu heucheln." Und den beiden Gorillas Koko und Michael ist eine einfache Zeichensprache beigebracht worden, die diese auch zur gezielten Lüge einsetzten." Charles Bond und Michael Robinson gelangten in Anbetracht der evolutionären Entwicklung des Phänomens der Täuschung zur Überzeugung, die Neigung des Menschen zu Fälschung und Betrug entstamme seinem Erbgut. Täuschungsmanöver gereichten dem Menschen auch zu biologischem Nutzen. Sie untermauerten ihre These mit vergleichenden Untersuchungen von Zwillingen, einer Methode, die am deutlichsten Auskunft über genetisch weitergegebenes Verhalten gibt. Ist die Tendenz zu lügen bei eineiigen Zwillingen in ähnlichem Maß ausgeprägt wie bei zweieiigen? Die Resultate sprechen in der Tat für eine Erblichkeit von Täuschungsverhalten." Das bedeutet freilich nicht, daß ein bestimmtes Gen den Menschen zum Lügner bestimmt, vielmehr handelt es sich um eine Disposition, die sich im Laufe der Entwicklung, vor allem während der Kindheit, in Abhängigkeit von der Umwelt mehr oder weniger stark bildet. Aber welchen biologischen Nutzen zieht der Mensch aus seinen Täuschungsmanövern überhaupt? Gespielte Hilflosigkeit oder vorgegaukelte Freundschaft vermag die Nächstenliebe des anderen auszubeuten, um nur ein Beispiel zu nennen." Als Betrug im Dienste der Partnerwahl - einer biologisch elementar wichtigen Komponente - ließe sich auch das Flirtverhalten interpretieren. Darauf werden wir später noch eingehen.
Wer ist ein guter Betrüger? »Wir wählten die schlimmsten Filme aus, die wir finden konnten. Vorstudien hatten gezeigt, daß ein Film, der schwere Verbrennungen zeigte, einige Leute völlig aus der Fassung brachte, weil sie wußten, daß bei Verbrennungen die Schmerzen des Opfers mit Medikamenten kaum gelindert werden können. Andere gerieten mehr beim Betrachten einer Amputationsszene aus der Fassung, zum einen, weil sie das viele Blut herausströmen sahen, zum anderen aber auch, weil sie daran dachten, wie sich die Person wohl nach der Operation fühlen würde, wenn sie aus der Narkose erwacht und ihr klargeworden ist, daß ihr ein Glied fehlt. Wir montierten diese beiden Filme zusammen, so daß es aussah, als hätte das Verbrennungsopfer auch eine Amputation zu ertragen. Mit Hilfe dieser schrecklichen Filme war es uns möglich, herauszufinden, wie gut Leute in der Lage sind, ihre sehr, sehr starken Emotionen zu verheimlichen, wenn sie es wollen oder müssen. Mit einem derart gewagten Experiment der Fähigkeit zur Täuschung auf die Spur kommen zu wollen, dafür benötigt man freilich geeignete Versuchspersonen. Paul Ekman, der sich zusammen mit seinen Kollegen Friesen und O'Sullivan die harten Versuchsbedingungen
ausgedacht hatte, wählte zu diesem Zweck angehende Krankenschwestern aus. Bevor diesen der eben beschriebene Film gezeigt wurde, sahen sie sich einen anderen, heiteren Film mit farbenprächtigen Bildern an. Einem Interviewer, der diese Filme nicht sehen konnte, sollten die Versuchsteilnehmerinnen beschreiben, welche Sequenzen sie gerade sahen. Während der Betrachtung des grauenhaften Filmes wurden sie jedoch gebeten, den Interviewer zu täuschen und ihn glauben zu machen, es handle sich hierbei ebenfalls um angenehme und schöne Szenen. Es galt also, in Momenten, in denen schreckliche Emotionen geweckt wurden, nach außen hin positive Gefühle zu vermitteln. Für Ekman zeigte das Experiment, daß die Fähigkeit, andere zu täuschen, beim Menschen unterschiedlich ausgeprägt ist. Während manche der Teilnehmerinnen ihre Emotionen geschickt und überzeugend verbergen könnten, »scheiterten« andere in dieser Testsituation »kläglich«. Ekman begann nach möglichen Unterschieden zwischen den »geborenen« und den »ungeschickten« Lügnern zu suchen. Diverse Persönlichkeitstests konnten keinerlei Besonderheiten aufzeigen. Interviews im unmittelbaren sozialen Umfeld, bei Eltern, Freunden und Lehrern, führten jedoch zu einem deutlichen Merkmal, in dem sich die »Naturtalente des Täuschens« allesamt glichen: Wann immer es ihnen danach war, führten sie ihre Mitmenschen erfolgreich - das heißt ungestraft an der Nase herum. Dabei verspürten sie keinerlei Angst, womöglich entlarvt zu werden. Was den gekonnten Lügner oder Täuscher ausmacht, ist einerseits die Fähigkeit, eine Täuschungsstrategie zu planen, und andererseits das Vermögen, diese während der unmittelbaren Begegnung mit einer anderen Person auch erfolgreich umzusetzen. Manchen Menschen ist es gleichsam in die Wiege gelegt, jemandem etwas vormachen zu können - einzig aufgrund ihrer arglos wirkenden Mimik und Attraktivität. Einem Unschuldsgesicht unterstellt man ebenso wie einem schönen Gesicht kaum »böse Absichten«. Auch die Art und Weise des Sprechens beeinflußt das Gelingen von Täuschungsmanövern. Wer sich sprachlich schwertut, ins Stottern gerät, lügt auch eher, so lautet ein Vorurteil. Mit einem gutem Sprachstil läßt sich dagegen viel leichter manipulieren." Einen nicht unerheblichen Einfluß übt zumindest bei beabsichtigten Täuschungsmanövern das Schuldgefühl aus. Menschen, die unter ihren Betrügereien moralisch in keiner Weise leiden, lügen auch besser." Einige Biologen vertreten übrigens die Ansicht, daß Männer eher zu Täuschungen neigen als Frauen, weil sie einem unerbittlichen Wettbewerb um das wählerische weibliche Geschlecht unterlägen. Zahlreiche Untersuchungen untermauern diese These: Männern fallen Verstellungen sowohl sprachlicher als auch nichtsprachlicher Art wesentlicher leichter als Frauen, die vor allem in ihrer Körpersprache mehr Ehrlichkeit und Spontaneität walten lassen.90 Woran erkennt man Täuschungen? »Es gibt keine Anzeichen für die Täuschung an sich - keine Geste, keinen Gesichtsausdruck, kein Muskelzucken, wodurch unmißverständlich zum Vorschein käme, daß jemand lügt.«9' Kopfbewegungen, Mimik, Gestik, Tonfall, Erröten, Erbleichen, Schwitzen - es stünde uns wahrlich eine Vielzahl möglicher Informationsquellen zur Verfügung, die uns Auskunft über Ehrlichkeit oder Lüge geben könnten. Nach Ekman sind wir aber wegen deren Vielzahl nicht in der Lage, alle Informationen schnell genug dahingehend zu verarbeiten, ob getäuscht wird oder ob Ehrlichkeit vorliegt.
Viele Forscher bemühten sich bislang, mit präzisen Beobachtungen und ausgeklügelten Methoden menschlichen Täuschungsmanövern auf die Spur zu kommen. Erwartungsgemäß konzentrierten sie sich dabei auf die methodisch einfacher zu prüfenden Bereiche, wie etwa »Körperillustratoren« - Bewegungen der Hände oder Arme während des Sprechens - oder Sprechfehler. Die Suche nach etwaigen verräterischen Spuren in der Mimik verlangt indes die Erarbeitung aufwendigerer Meßmethoden. Wieder waren es die beiden Mimikspezialisten Ekman und Friesen, die hier nach nahezu zehnjähriger Arbeit eine brauchbare Meßmethode für Täuschungshinweise entwickelten: »Facial Action System«, was soviel bedeutet wie »System der Gesichtsmuskelbewegungen«.92 Ekman beschreibt das Gesicht als »duales System«, das sowohl bewußt als auch unbewußt spontan auftretende Ausdrücke widerspiegelt. Von Kindheit an sind wir auf Darbietungsregeln »Mach nicht so ein böses Gesicht, schau ein bißchen freundlicher!« getrimmt. Bald sind wir somit in der Lage, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Unser Willen beherrscht das Gesicht. In seinem Auftrag vermittelt die Mimik vorgegebene Empfindungen. Unser komplex ablaufendes Sozialgefüge verlangt nachdrücklich diese Fähigkeit. Wie sähe das Zusammenleben aus, würde jeder seine Empfindungen, allen voran Ablehnung, Ärger und Wut, in sämtlichen nur erdenklichen Situationen freien Lauf lassen? Aus der Fähigkeit der willentlichen mimischen Kontrolle wird jedoch auch einseitig Nutzen gezogen, wenn der Sender einzig aufgrund seiner mimischen Manipulation dem Empfänger gegenüber im Vorteil bleibt. Wir sprechen von einem »undurchdringlichen Gesicht«, von einem »versteinerten Antlitz«, das keinerlei Informationen preisgibt. Gesichter ohne erkennbare Emotionen flößen Angst ein, sind nicht angreifbar, wirken aber auch unsympathisch. Menschen, die immer und ewig ein freundliches Lächeln aufgesetzt haben, erzielen den Eindruck, grundsätzlich freundlich zu sein. Frauen, deren Mienenspiel Flirtsignale ausschickt, sobald auch nur ein Mann in der Nähe ist, werden auf das andere Geschlecht immer anziehender wirken als Frauen mit einem ehrlichen Gesichtsausdruck, in dem sich auch ungute Gefühle widerspiegeln. Will man sich als »Entlarven« solcher Täuschungen bemühen, gilt es, jene Bereiche des Gesichts zu beobachten, die sich einer bewußten Kontrolle weitgehend entziehen. Dazu gehören beispielsweise die Augenbrauen. Das hat bereits Charles Darwin erkannt und jenen Muskelstrang, der für das Herunter- und Zusammenziehen der Brauen verantwortlich ist, den »muscle of difficulty« (engl., wörtlich übersetzt: Muskel der Schwierigkeit) genannt. Tritt dieser in Aktion, befindet sich der Betreffende in einer schwierigen Situation, er ist konzentriert, steht vor einer problematischen Frage oder ist verblüfft. Ein Heben der Brauen gilt als Ausdruck für Verwunderung oder Ungläubigkeit, gleichzeitig aber auch als freundlich gemeintes Signal des Erkennens." Als verhältnismäßig schwer zu kontrollierender Bereich wird auch die Lippenregion angesehen. So gilt als zuverlässiger Hinweis für Zorn das Schmalerwerden der Lippen. Viel Zeit und Aufwand widmeten Ekman und Friesen einem besonders effektiven Täuschungsmanöver: dem Lächeln, der bekanntlich wirkungsvollsten Ausdrucksweise, auf andere freundlich, aggressionshemmend und beschwichtigend einzuwirken." Die beiden Forscher entdeckten, daß eine genaue Betrachtung der Gesichtszüge durchaus verraten kann, wann dem Lächeln wirklich positive Gefühle zugrunde liegen und wann es aufgesetzt ist. So gilt das asymmetrische Lächeln, bei dem der Muskelstrang einer bestimmten Gesichtshälfte stärker beteiligt ist als der andere, als zuverlässiger Hinweis für falsches Lächeln. Bei dieser Art zu lächeln fehlt überdies die Aktivierung des orbicularis oculi, jenes Muskels, der für die
Krähenfüße an den Augenwinkeln verantwortlich ist. Statt dessen werden andere Muskelstränge bewegt, die beim echten Lächeln nicht in Aktion treten, zum Beispiel die der unteren Gesichtshälfte. Auch gibt die exakte Analyse des zeitlichen Zusammenspiels der betroffenen Muskelpartien, insbesondere des zygomaticus major, des die Mundwinkel nach oben ziehenden Muskels, Auskunft über die Ehrlichkeit des Lächelns - eine Methode, die freilich nur geübten Beobachtern vorbehalten bleibt. Da die körpersprachliche Ausdruckskraft des Gesichtes am größten ist, bemüht man sich sowohl bewußt als auch unbewußt, bei Täuschungsmanövern vor allem diesen Bereich seines körpersprachlichen Verhaltens zu kontrollieren.` Erstaunlich ist daher, daß der Mensch ausgerechnet dort - meistens vergeblich - nach verräterischen Anzeichen sucht. Es bedarf schon einer genauen und geübten Beobachtungsgabe, will man in einer halbwegs gekonnt verstellten Mimik Anzeichen von Täuschung erkennen. Deutlicher manifestieren sich Lügen im körperlichen Verhalten selbst, etwa in den »Illustratoren«. Diese sprachbegleitenden Armund Handbewegungen gelten als verhältnismäßig zuverlässige Indikatoren für die Aufdeckung von Täuschungsmanövern, vorausgesetzt, man weiß um den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Bewegungen und den dahinter verborgenen inneren Regungen. In erster Linie dienen diese Illustratoren dazu, unseren Gedanken quasi auf die Sprünge zu helfen, indem sie in unterstützender Weise nach den fehlenden Wörtern suchen. Unsere Ausdrucksfähigkeit ist indes abhängig von unserem emotionalen Zustand: Je aufgewühlter und erregter wir sind, desto mehr leidet unsere Sprechweise darunter - und desto mehr Illustratoren werden beobachtbar. Deshalb verrät sich derjenige, der Begeisterung oder Interesse heuchelt, dabei aber »vergißt«, seine Illustratoren entsprechend einzusetzen. Auch wenn jemand besonders konzentriert und bewußt entscheidet, was er sagen möchte, wenn er im Sprechen also wenig Spontaneität walten läßt, erfährt die Anzahl seiner Illustratoren eine deutliche Abnahme. Selbstberührungen gelten ebenfalls als heimliche Anzeichen für Unsicherheit. Ekman mahnt jedoch zur Vorsicht. Nicht selten erfüllen Selbstberührungen tatsächlich einen bestimmten Zweck. Man entfernt einen Flusen, der wirklich vorhanden ist, man kratzt sich an der Nase, weil sie juckt . . . Diese zweckgebundenen »Automanipulationen« sind außerdem meist nur von kurzer Dauer und können nicht als Ausdruck von Unsicherheitsgefühlen gewertet werden. Arten sie jedoch in Gewohnheiten aus, »juckt« die Nase alle paar Sekunden, schleicht sich immer wieder ein neuer Flusen auf den Pullover, dann werden Selbstberührungen zum unzweifelhaften Ausdruck für Nervosität, Unruhe, Unsicherheit und Unbehagen. Da Ekman dies vor allem auf Momente einer Erstbegegnung bezogen wissen will,96 wählten wir die Häufigkeit der Selbstberührungen auch in unserem Experiment als ein Kriterium für Unbehagen beziehungsweise Unsicherheit unserer Versuchsteilnehmer. Körperhaltung und Körperbewegung geben dagegen kaum Auskunft über Täuschungsmanöver. Zwar gibt es entsprechende Körperhaltungen, die Interesse, Begeisterung, Angst oder Wut bekunden. Einem gekonnten Lügner fällt die bewußte Steuerung seiner Körperhaltung in Momenten der Täuschung jedoch relativ leicht?' Allgemein gilt: Je größer die Motivation ist, ein Täuschungsmanöver glaubhaft durchzuführen, desto verkrampfter und übertriebener geht man vor, und desto offensichtlicher wird es für andere." In einem Experiment bat eine Gruppe von Wissenschaftlern ihre Versuchspersonen, sich mittels kleiner Lügereien bei anderen Personen einzuschmeicheln. Handelte es sich um eine attraktive Person, die zu umgarnen war, wurden die Versuchsteilnehmer weitaus leichter durchschaubar als in denjenigen Testsituationen, in denen es galt, einem unattraktiven Gegenüber Sympathie glaubhaft zu machen. Diese Erkenntnisse sind in ihren Konsequenzen auch auf Flirt- und Werbesituationen übertragbar.
»Profis«, die den Flirt als reines Spiel betrachten, die sich in der Fähigkeit, gefallen zu wollen, ständig üben, »Profis«, die flirten, um sich selbst zu beweisen, daß sie wirken, zeigen sich selten unsicher. Gekonnt spulen sie ihre Erfolgsrezepte, ihre Täuschungen und Manipulationen herunter, die erst in jenen Momenten ins Wanken geraten, in denen sie mit einer von ihnen wirklich begehrten Person zusammentreffen. Dann plötzlich fehlen die passenden Worte, versagen die Blicke, beginnt der Körper Unruhe und Unsicherheit zu verraten.
Täuschungen im Werbeverhalten Wenngleich Wissenschaftler zahlreiche Merkmale, an denen Täuschungsmanöver erkennbar sind, beschrieben haben, bleibt die »Aufklärungsrate« zumindest bei unerfahrenen Beobachtern verhältnismäßig gering. Zu spezifisch, subtil und undifferenziert sind die Anzeichen. Ausgesprochene Sensibilität, Wahrnehmungsschärfe und Einfühlungsvermögen sind erforderlich, wenn man erkennen will, ob der andere Täuschungsmanöver anstrebt." Diese Erkenntnis basiert allerdings auf künstlichen Versuchsbedingungen, bei denen ausschließlich die mimischen, absichtlich durchgeführten Lügen zu beurteilen waren. Täuschungen in Flirt- und Werbesituationen sind nicht mit bewußtem Lügen gleichzusetzen. Eher sind sie als ein Taktieren und Manipulieren anzusehen. Dieses aufzudecken fällt allgemein leichter. Vor allem Frauen scheinen männlichen Täuschungsversuchen beim Flirt mit empfindsamem Gespür schnell auf die Schliche zu kommen. Die Natur will es offensichtlich so. Die soziobiologische Erklärung dieses Phänomens ist ebenso interessant wie einleuchtend und erfordert einen kleinen Exkurs. Überall im Tierreich, aber auch beim Homo sapiens ist das Werbeverhalten von Täuschungsmanövern durchdrungen. Sie sind das Resultat geschlechtsspezifischer Fortpflanzungsstrategien. Meist muß das Weibchen viel in die Nachkommen investieren, indem es sie kraft- und energieaufwendig austrägt und großzieht, während das Männchen nach vollzogener Begattung sich alsbald fortschleichen kann, um sein Erbgut an andere Weibchen weiterzugeben. Da jedes Individuum danach trachtet, die eigenen Gene möglichst wirkungsvoll und langlebig weiterzuvererben, werden Weibchen eher als Männchen darauf achten, daß die verhältnismäßig geringe Anzahl ihrer Nachkommen auch mit entsprechend gutem Erbmaterial ausgestattet ist. Ermöglicht wird dies durch ausgesprochen wählerisches Vorgehen bei der Wahl des Partners. Vor allem dann, wenn die tatkräftige und zuverlässige Unterstützung des Männchens das Großziehen des Nachwuchses optimiert, wird das Weibchen besonders umsichtig bei der Partnerwahl vorgehen, postuliert der Soziobiologe Robert Trivers.100 Der Partner muß zuverlässig sein, er soll stark genug sein, um den Nachwuchs zu verteidigen, um für ausreichende Nahrung zu sorgen. Ein Männchen, das blufft, Stärke und Dominanz nur vorgibt, sich in Wirklichkeit unter seinesgleichen aber kaum durchzusetzen vermag, dessen Gene taugen nichts. So liegt es in der Natur der Dinge, daß Weibchen - quasi evolutiv gezwungen - besser in der Lage sind, Täuschungsmanöver der Männchen im Frühfeld zu erkennen, als Männchen, die ohnehin mit dem allgemein weniger zur Täuschung neigenden weiblichen Geschlecht konfrontiert sind.'°' Weibliches wählerisches Verhalten und eine grundlegende Zurückhaltung dem männlichen Geschlecht gegenüber finden sich auch beim Menschen. Das ist allseits bekannt. Ebenso wissen wir, daß beim Homo sapiens das männliche Geschlecht im Gegensatz zum weiblichen zur Promiskuität neigt und sexuell draufgängerisch ist. Die Interessen beider Geschlechter sind bei der Partnerwahl und während des Werbeverhaltens also auch beim Menschen
unterschiedlich. Manipulationen auf beiden Seiten sind die Folge, wobei die von den Frauen betriebenen Täuschungen schneller und einfacher durchschaut werden können, da sie in erster Linie optischer Natur sind. Um sich als guter Partner in den Vordergrund zu stellen, manipulieren beide Geschlechter jene Stellen, von denen sie sich höchste Effektivität versprechen. Sie konzentrieren sich auf diejenigen Attribute, von denen sie der Überzeugung sind, daß sie besonders positiv auf das andere Geschlecht wirken: Männer stellen sich in übertriebener Form als ehrlich, freundlich sowie finanziell und sozial gut gesichert dar. Frauen versuchen vor allem mit ihrer körperlichen Erscheinung zu wirken, wobei sowohl das Aussehen selbst als auch das Ausdrucksverhalten eine Rolle spielen. Frauen manipulieren mit ihrem Körper, Männer mit Worten.'°Z Um die männlichen Manipulationen im Vorfeld erkennen zu können, benötigen Frauen Zeit. So verlangen sie »Vorleistungen«, indem sie sich erst nach längeren Werbephasen zu einer engen Bindung mit Kinderwunsch entscheiden. Zurückhaltendes Verhalten scheint Frauen stets zu begleiten. Sogar bei unverfänglichen Erstkontakten, wie sie von einem kleinen Kreis wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle für Humanethologie experimentell inszeniert worden waren, stellte sich heraus, daß Frauen offensichtlich empfindsam auf männliche Täuschungen - maßlose Übertreibungen und Selbstdarstellungen - reagieren?" So beeindruckte Frauen weniger die Attraktivität des Mannes, schon gar nicht seine großen Worte, sondern vielmehr dessen Umgangsart. Anziehend waren sein interessierter, offener Blick, die Anzahl seiner Fragen, sein Wunsch, möglichst viel über die Gesprächspartnerin zu erfahren, seine Fähigkeit, auf sie einzugehen. Die noch so attraktiven Männer hatten bei Frauen »keine guten Karten«, sobald sie ausschließlich über sich sprachen, sich als auffallend tüchtig, sportlich oder intelligent in den Vordergrund stellten. Manipulationen wurden hier schnell erkannt und mit Ablehnung quittiert. Die anscheinend angeborene Fähigkeit, Täuschungen zu erkennen, bescheinigen Untersuchungen den Frauen auch auf körpersprachlichem Sektor. Frauen erkennen nicht nur schneller und sicherer, wann ihr Gegenüber auf körpersprachlichem Weg falsche Informationen zu vermitteln beabsichtigt,'°^ sie können darüber hinaus auch die den Täuschungsmanövern zugrundeliegenden wahren Absichten besser erahnen als Männer.` Frauen lassen sich bei ihrer Einschätzung mehr Zeit, sie vertrauen auf mehr Informationen und auf mehr körpersprachliche Zeichen als Männer, welche eher intuitiv und spontan entscheiden, ob jemand täuscht oder nicht. 106 Wissenschaftler beschreiben jedoch eine Form des Täuschens, deren Aufdeckung Frauen Schwierigkeiten bereitet. Wir haben dies vor allem in jenen zwischengeschlechtlichen Begegnungen beobachtet, in denen eine unausgewogene Dominanzstruktur deshalb vorherrschte, weil der Mann sich unterlegen fühlte. Erkennt ein Unterlegener von vornherein seine ungünstige Ausgangsposition, tut er gut daran, wenn er nach dem sogenannten Verhüllungsprinzip verfährt. Ein Beispiel aus dem Tierreich soll dies verdeutlichen: Eine Kröte, die nicht in der angemessenen Lautstärke quaken kann, quakt erst gar nicht, gilt unter diesen Tieren doch die Lautstärke als Maß für Kraft und Rang. Wesentliche Grundlage für das Auftreten dieses Verhüllungsprinzips ist die Annahme, Dinge oder Verhaltensweisen, die nicht unbedingt in eine positive Kategorie passen, fielen automatisch in die negative - folglich sei es besser, überhaupt keine Information weiterzuleiten.
Unsere männlichen Versuchsteilnehmer erahnten bereits wenige Sekunden nach dem ersten Blickkontakt, wer bei dieser Begegnung den dominierenden Part einnehmen würde. Fühlten sich die Männer eindeutig unterlegen, lautete ihre Täuschungsstrategie ähnlich derjenigen schwach quakender Kröten: verhüllen! Sie zogen sich gänzlich zurück, ihre Körper verrieten möglichst wenige ihrer wirklichen Empfindungen. Diese körperliche Bewegungslosigkeit nennt man »Einfrieren«. Ihnen kam kein Wort mehr über die Lippen, die Augen blieben abgewandt. Die Männer konnten mit Unsicherheit allgemein weniger gut umgehen als die Frauen, sie versteckten sich hinter einem Schutzschild nach außen arrogant wirkender Gleichgültigkeit, wohlwissend, daß Unsicherheit ihre soziale Akzeptanz beeinträchtigt.'°' Frauen empfanden dieses hilflose, zurückweisende Verhalten keineswegs als Ausdruck von Unsicherheit. Ihre - falsche - Interpretation lautete meistens: Er mag mich nicht, er ist arrogant, er ist desinteressiert. Als Folge dieses Mißverständnisses zogen auch sie sich zurück. Mißverständnisse zwischen Mann und Frau? Anfang der achtziger Jahre führte die Psychologin Antonia Abbey ein Experiment durch, bei dem sich herausstellte, daß Männer bei Frauen voreilig verführerisches Verhalten sehen wollen und sich allzu schnell sexuell aufgefordert fühlen. Nachfolgende Versuche, mehrheitlich von Frauen durchgeführt, erhärteten dieses Phänomen. Lance Shotland fühlte sich indessen bemüßigt, dieser ausschließlich von Frauen aufgestellten These auf den Grund zu gehen.'°8 Männer könnten sehr wohl die Unterscheidung zwischen einer rein freundschaftlichen und einer eher sexuellen Beziehung vornehmen, verkündete er. Die Verteidigung männlicher Objektivität steht allerdings auf wackeligen Beinen, hatten seine Versuchspersonen doch lediglich den Status eines Beobachters und waren bei diesem Experiment nicht selbst mit einer Frau konfrontiert. Anders als Frauen wollen Männer zwischengeschlechtliche Begegnungen nur ungern auf einer rein »platonischen Ebene« belassen. Das ist bei weitem kein Vorurteil aggressiv angehauchter, männerfeindlicher Feministinnen. Zahlreiche Interviews untermauern nämlich dieses Phänomen: Männer werten nicht nur sämtliche Äußerlichkeiten wie freizügige Kleidung, Alkoholkonsum und Zigarettengenuß sexuell auffordernder als Frauen, sie unterstellen auch entsprechend körpersprachlichem Verhalten verführerische Absichten.109 Längere Blicke, eine geringe physische Distanz und ein paar kurze Berührungen genügen, um die männliche Wahrnehmung in erotische Bahnen zu lenken."° Bezeichnend für die männliche Voreiligkeit sind auch die Beobachtungen, die Clark an öffentlichen Plätzen gemacht hat: Wird hier der erste Blickwechsel zwischen Mann und Frau von beiden noch als Zufälligkeit (»zivil inattention«) empfunden, avanciert der zweite Blick für viele Männer zum Signal der Kontaktaufforderung."' Es sei ein grundsätzliches Phänomen unserer Gesellschaft, Mann und Frau bei einem noch so unverfänglichen Zusammentreffen sexuelles Interesse aneinander zu unterstellen, meint Sandra Bein lakonisch."Z Wenn Männer weibliche Freundlichkeit mißverstehen, dann sei dies auf die stärkere sexuelle Orientierung des Mannes zurückzuführen, behauptet dagegen Antonia Abbey.113 Der Psychiater Albert Scheflen bietet einen tiefergreifenden Ansatz zur Klärung dieses Phänomens."4 Anläßlich seiner therapeutischen Sitzungen konnte er beobachten, daß viele seiner Klientinnen körpersprachlich mit ihm flirteten. Er bezog dieses Flirten aber nicht auf seine Person. Statt dessen beschrieb er das körpersprachliche Gebaren ganz objektiv in seinem situativen Kontext. Nicht jede Frau sei während allen Sitzungen durchgehend in ihren Therapeuten verliebt, ihre Signale dienten folglich nicht dazu, ihn sexuell zu reizen. Aber fast alle Frauen würden eine möglichst angenehme und entspannte
Stimmung anstreben, und genau hierin sieht Scheflen die Aufgabe jener freundlich stimmenden Körpersprache, die gemeinhin »Flirtsprache« heißt. Unter dem Begriff »Quasicourtship« (engl. Quasi-Werbeverhalten) rückte er das Klischee zurecht, Flirten diene in erster Linie der sexuellen Reizung, indem er betonte, daß Flirten vielmehr für die Herstellung einer angenehmen, freundlichen und herzlichen Stimmung innerhalb einer sozialen Gruppe, etwa auf einer Party oder bei einem Geschäftsgespräch, sorgen solle. Körperliche Flirtsignale lassen sich somit nicht auf den Umgang von Liebenden oder angehende Liebschaften beschränken. Die überwiegend unterwürfigen Elemente dieser Körpersprache wirken durch ihre beschwichtigende und aggressionshemmende Ausstrahlung auf die Gruppenmitglieder harmonisierend. Dennoch ist nicht auszuschließen, daß ein derart »Flirtender« aus seinem Verhalten auch den entsprechenden Nutzen ziehen will und kann. Auf submissiv-freundliches Verhalten ablehnend zu reagieren, sind wir meist nicht in der Lage. Menschen, die auf diese Weise positiv auf andere wirken, können eigene Ziele auch besser durchsetzen. Quasi-courtship ist nicht nur ein äußerst effektives strategisches Mittel zur Machtgewinnung, sondern auch ein sozialer Ausdruck des Bittens, Besänftigens und Beschwichtigens. Scheflen beobachtete bei gruppentherapeutischen Sitzungen, daß stets derjenige, der sich von den anderen Gruppenmitgliedern ausgeschlossen fühlte, mit Verhaltensweisen des Flirts wieder Anschluß an das Gruppengeschehen gewinnen wollte. Flirtverhalten gerät somit zur Manipulation und Täuschung, welche zu erkennen und aufzudecken ein Mindestmaß an Objektivität und Sensibilität erfordert. Das ist nicht immer einfach, schon gar nicht für Männer. Diese fühlen sich in Gegenwart einer flirtenden Frau geschmeichelt, und ihre Wahrnehmungsschärfe wird um so mehr abnehmen, je größeres Interesse in ihnen wachgerufen worden ist. Es gibt mehrere Ursachen dafür, daß gerade Männer häufiger in die Fallen des Flirtgebarens tappen als Frauen. Zur Diskussion stehen ihre allgemeine Unterlegenheit in der Entschlüsselung der Körpersprache, ihre Spontaneität und Unüberlegtheit, aber auch ihre Intuition, die ihnen die geheimen Wünsche souffliert: Männer sehen das, was sie sehen wollen. Ein weiterer möglicher Grund liegt in der allgemein ausgeprägteren weiblichen Körpersprache, die den Mann mit freundlichen und beschwichtigenden Signalen ständig »bombardiert«, sind doch die vielen unterwürfigen Elemente nicht nur Merkmale der Flirtsprache, sondern ohnehin wesentliche Kennzeichen der weiblichen Körpersprache. Kruck beobachtete, wie schon erwähnt, daß Frauen selbst unter ihresgleichen körpersprachlich flirten. Sie zeigen untereinander nicht merklich weniger »Hair Flips«, »Head Akimbos« und Gesichtsberührungen als in Gegenwart von Männern.
Unser Experiment: Wie wirkt die weibliche Körpersprache auf den Mann?
Die Fragestellung Wenn Flirtverhalten nicht unbedingt als solches verstanden werden kann, wenn hinter all den positiven, anregenden oder gar erregenden Verhaltensweisen auch Manipulation und Täuschung verborgen sein können, wenn hier womöglich ein Spiel mit Gefühlen gespielt wird, das schließlich zur Ausbeutung der so erweckten Sympathien führt, erhebt sich die Frage nach den Folgen. Mißverständnisse zwischen Mann und Frau scheinen programmiert zu sein, die, wie im letzten Kapitel zu lesen sein wird, für beide Geschlechter äußerst unangenehme Erfahrungen bedeuten. Zumindest einen Teilbereich dieser Mißstimmigkeiten aufzudecken und dadurch zu helfen, diesen vorzubeugen, war das Ziel unseres Experiments. Wir fragten uns, ob Frauen wissen, wie ihre Körpersprache auf das männliche Geschlecht wirkt, und inwiefern sie ahnen, welche ihrer Verhaltensweisen von Männern als auffordernd empfunden werden. Wir wollten in Erfahrung bringen, welche weiblichen Verhaltensweisen überhaupt von Männern als auffordernd registriert werden, ob und in welchem Maße diese sie zum Kontakt ermutigen. Außerdem wurde von uns zum erstenmal untersucht, ob die in der Fachliteratur beschriebenen Flirtsignale tatsächlich - und gegebenenfalls in welcher Weise auf den Mann wirken. Welchen Einfluß haben dabei die persönlichen Merkmale des Mannes? Spielen beispielsweise seine Schüchternheit oder die Häufigkeit seiner Rendezvous eine Rolle? Steigert das Maß männlichen Interesses an der Frau die Wahrnehmung ihrer Körpersprache? Wollen erotisch angesprochene Männer mehr Signale der Aufforderung erkennen als Männer, die die Frau eher unattraktiv und unerotisch finden? Schließlich versuchten wir herauszufinden, wie Männer mit körperlichen Signalen des Abblockens umgehen und ob sie diese überhaupt wahrnehmen oder eher ignorieren. Die Beantwortung aller dieser Fragen ist aufgrund methodischer Schwierigkeiten nicht einfach zu bewerkstelligen. Beobachtungen unter natürlichen Bedingungen haben den Vorteil, daß erforscht wird, wie sich der Mensch in ungezwungener Atmosphäre verhält. Diese sogenannten Feldstudien weisen indes Lücken auf. Ein Wissenschaftler, der beispielsweise Kontaktanbahnungen in einer Bar erforscht, weiß nach seinen Beobachtungen zwar zu berichten, wie sich eine Frau verhält und ob beziehungsweise wann und nach welchen von ihm beobachteten Signalen eine Annäherung durch den Mann stattfindet. Verborgen muß ihm jedoch die Wirkung der einzelnen Signale bleiben. Die meisten inneren Regungen des beobachteten Mannes kann er nicht erkennen. Und er wird nie in Erfahrung bringen, ob sein eigener Maßstab, seine Signale, seine für wichtig erachteten Verhaltensweisen letztlich auch maßgebliche Ermutigungen für die Annäherung des anderen Mannes waren. Die Klärung dieser Fragen erfordert ein Experiment, dessen Aufbau und Gestaltung eine systematische Beziehung zwischen weiblichem Signal und männlicher Reaktion herstellen lassen.
Die Versuchsbeschreibung Die Qualität einer wissenschaftlichen Untersuchung steht und fällt mit der Methode, durch die Daten gewonnen werden. Besonders dann, wenn das Verhalten von Menschen erforscht werden soll, ist es nicht immer leicht, ein Verfahren zu entwickeln, das brauchbare Daten liefert. Zwar ist es im Prinzip den Forschern freigestellt, wie sie zu ihren Ergebnissen gelangen. Doch gibt es gewisse Bedingungen und Einschränkungen, denen alle Forschung unterschwellig oder ausdrücklich - unterliegt. Zum einen gibt es innerhalb der Forschungsrichtungen Traditionen oder »Schulen«, die im Laufe der Zeit bestimmte Standards entwickelt haben. Ihnen kann sich kein Forscher so ohne weiteres entziehen. Zum anderen gilt in allen Forschungsbereichen das Gesetz der »intersubjektiven Überprüfbarkeit«; das bedeutet, daß Forschungsergebnisse für andere Forscher überprüfbar sein müssen. So ist weniger die Genauigkeit oder Unfehlbarkeit eines Experiments für dessen allgemeine Anerkennung ausschlaggebend. Vielmehr entscheidet der kritische Konsens - meist konkurrierender - Wissenschaftler darüber, ob eine bestimmte Methode sich bewährt hat. Zwei dieser gemeinhin anerkannten Methoden sind das Experiment und die Statistik. Den Laien interessieren gleichwohl die Ergebnisse stärker als der Weg, der zu ihnen führte. Die methodischen Schwierigkeiten etwa in der fortgeschrittenen biochemischen oder physikalischen Forschung sind ohnehin viel zu undurchsichtig, als daß sie der Nichtfachmann verstehen könnte. Anderes gilt hinsichtlich menschlichen Verhaltens. Hier scheint es, als ob jeder dank seiner eigenen Erfahrung auch seine eigenen Forschungen betreiben könne; hier hält der berühmte Volksmund seine oft zutreffenden Spruchweisheiten parat,' und oft stößt man auf grundsätzliche Skepsis: Wozu etwas erforschen, was ohnehin schon jeder weiß? Gegen diesen Zweifel läßt sich allerdings einiges einwenden. Er unterschätzt den Unterschied zwischen wissenschaftlichem und alltäglichem Wissen. Alltägliches Wissen ist ein bunter Garten voller Gestrüpp wissenschaftliches Wissen will dagegen ein planmäßig angelegter Versuchsgarten sein, in dem unter kontrollierten Bedingungen gearbeitet wird. Wenn dennoch manche Ergebnisse der Humanforschung den Verdacht der Banalität erwecken, so liegt das eher an einer zu einfachen Fragestellung als an der Nüchternheit einer statistischen Erhebung.
Die Versuchspersonen Geeignete Teilnehmer für wissenschaftliche Untersuchungen zu gewinnen ist nicht gerade einfach. Jede Forschungsoder Universitätseinrichtung, die sich in medizinischer, psychologischer oder soziologischer Hinsicht mit dem Menschen befaßt, sucht meistens händeringend Freiwillige, die sich für möglichst wenig Geld möglichst unverdrossen der Wissenschaft zur Verfügung stellen. Unser Antrag, im Mensagebäude der Münchener LudwigMaximilians-Universität Versuchsteilnehmer anzuwerben, wurde freundlicherweise genehmigt. Um aufzufallen, ließen wir Flugblätter drucken, auf denen, wie im Comic üblich, die etwas übertrie bene Zeichnung einer Frau mit starker Signalwirkung, vor allem auf Männer, für unser Projekt werben sollte, sehr zum Leidwesen einiger Feministinnen, die in dem Bild allen Ernstes einen Angriff auf die Würde der Frau sahen und mit allen Mitteln versuchten, einer weiteren Verbreitung dieser Flugblätter entgegenzuwirken. Dieses Flugblatt hängten wir an mehreren Stellen im Eingangsbereich der Mensa aus und verteilten überdies davon mehr als tausend Exemplare.
Das Interesse an dem Forschungsprojekt war vor allem bei den Männern erfreulicherweise so groß, daß wir nach drei Tagen über hundert Männer und dreiunddreißig Frauen als Versuchspersonen gewonnen hatten.
Der Versuchsraum Beinahe jeder, der das wissenschaftliche Geschehen ein wenig mitverfolgt, kennt diese Methode: Hinter einem Einwegspiegel verfolgen neugierige Wissenschaftler die Vorgänge im Beobachtungsraum. Die verspiegelte Wand eignet sich vor allem für Beobachtungsstudien an Kindern, die arglos eben nur einen Spiegel sehen. Erwachsene jedoch lassen sich kaum noch täuschen, und da sich gerade unsere Versuchsteilnehmer darüber im klaren waren, daß sie an einem Experiment der Verhaltensforschung teilnehmen würden, waren wir gezwungen, die verräterische Einwegscheibe zu verstecken. So ließen wir sie hinter einem mit Aktenordnern und allerlei unverdächtigen Gegenständen beladenen Regal verschwinden. Die Rückseite der Scheibe verklebten wir bis auf einen kleinen Spalt für die Kamera mit schwarzem Papier. Den Beobachtungsraum selbst funktionierten wir zu einem ganz gewöhnlichen Wartezimmer um. Ein entsprechendes Hinweisschild an der Tür sollte die Täuschung noch glaubhafter machen. Im Raum stellten wir zwei Sessel um einen kleinen Tisch, unter dem auch das Mikrophon versteckt wurde. Weitere Accessoires wie Pflanzen und Poster gestalteten das Zimmer nicht nur freundlicher, sondern sollten auch von der auffällig grellen Deckenbeleuchtung ablenken, die für das Filmen notwendig war. Um unserem Lockvogel ein nur für ihn sichtbares Signal für seine Verhaltensänderung geben zu können, versteckten wir ein kleines Lämpchen hinter Pflanzen, das wir vom Aufnahmeraum aus betätigen konnten. Aus Qualitätsgründen wurde mit zwei Aufnahmegeräten im S-VHS-Format aufgezeichnet; eine fertige Demokassette benötigten wir für den zweiten Versuchsabschnitt. Die übrigen Requisiten für unseren Versuch standen in einem dritten Raum bereit: eine VideoProjektionswand und das Meßgerät, ein an einem Computer angeschlossener Handhebel.
Das Meßverfahren Das Meßverfahren verdient eine genauere Beschreibung. Die Vorteile des Handhebels liegen in der präzisen Erlebnisbeschreibung, also der unmittelbaren Aufzeichnung spontaner Reaktionen. Dabei wird das Erleben eines Versuchsteilnehmers nicht durch andere, in der Psychologie und Medizin gängige physiologische Verfahren wie die Messung des Hautwiderstandes oder des Pulses gestört. Der wesentliche Vorteil des Hebels ist jedoch die nichtsprachliche Vermittlung der zumeist intuitiv ablaufenden inneren Regungen, die bekanntlich mit Worten kaum erfaßbar sind. Mit ihm können sowohl die Latenzzeit, die Dauer bis zu einer bestimmten Reaktion auf einen Reiz, als auch Stärke und Dauer einer Reaktion gemessen werden. Der Handhebel läßt sich von einer fühlbaren Nullstellung aus nach vorn oder nach hinten bewegen, wobei die Positionsänderungen mit einer frei wählbaren Abtastrate im Computer gespeichert werden. Auf diese Weise lassen sich Reaktionen im Sekundenbereich erfassen. Wolfgang Vehrs maß
bei seinen Untersuchungen eine zeitliche Verzögerung von nur 0,2 bis 0,6 Sekunden auf die dargebotenen Reize. Die motorische Reaktion hält sich somit im Rahmen einer zeitlichen Überschaubarkeit des Zusammenhangs von Reiz und Reaktion. Mehrere Forscher haben die wissenschaftliche Brauchbarkeit des Handhebels bereits erfolgreich untersucht. John Wincze, Wolfgang Vehrs und Jay Feierman beispielsweise untersuchten die Zuverlässigkeit des Hebels, indem sie die Handbewegungen ihrer Versuchspersonen mit diversen physiologischen Messungen (Hautwiderstand, Puls, vaginale Vasomotion, das ist die Durchblutung der Vagina, und Peniserektion) in Beziehung setzten.' Sie stellten signifikante Übereinstimmungen fest. Es zeigte sich sogar, daß der Handhebel noch unmittelbarer imstande war, die Reaktion auf die jeweiligen Reize wiederzugeben. Die Versuchsteilnehmer selbst beurteilten die motorische Umsetzung ihrer inneren Gefühlszustände mit einem Hebel stets als angemessene Methode. Der Barfilm Als Drehort für unseren Barfilm wählten wir ein Münchener »InLokal«, in dem sich junge Leute im Alter zwischen achtzehn und dreißig Jahren treffen. Innenausstattung und Preisgestaltung ließen vermuten, daß als Klientel die zahlungskräftigere, vor allem studentische, Mittel- und Oberschicht angesprochen werden sollte. Hier findet man des öfteren kontaktbereite »Singles«; eine Frau, die allein an der Theke sitzt, ist somit nichts Ungewöhnliches. Die Schauspielerin Esther wurde vor den Dreharbeiten eingehend mit der Thematik der Kontaktaufforderung konfrontiert. Zwar könnte man meinen, für eine Schauspielerin sei es nicht schwer, in die Rolle zu schlüpfen, die eine Frau ohnehin des öfteren spielt. Mit planlosem Augenaufschlag allein ist es aber nicht getan. Um mit dem Film eine brauchbare und zuverlässige wissenschaftliche Analyse der männlichen Signalwahrnehmung durchführen zu können, mußte Esther bestimmte Signale in vorgegebener Reihenfolge sekundengenau »senden«: erster Blick, dann den Oberkörper wenden, schließlich »Hair Flip« gekoppelt mit einem Nackenpräsentieren und ähnliches. Da ein kontrolliertes und zeitlich vorgegebenes körperliches Verhalten schnell gekünstelt wirkt, trainierten wir den Ablauf der Flirtsignale vorher ein. Nach einigen Probeläufen schließlich hatte die gleichermaßen geschickte wie attraktive Schauspielerin ihre Rolle so gut einstudiert, daß ihr Verhalten nicht mehr gekünstelt wirkte. Um die abendliche Atmosphäre einfangen zu können, begannen wir erst bei Einbruch der Dunkelheit zu drehen. Gegen Ende unserer Filmarbeiten hatte sich das Lokal merklich gefüllt. Der Kameramann nutzte die Gelegenheit und fing - für den Beginn des Barfilms - die typische Atmosphäre eines Samstagabends ein, damit sich unsere Versuchsteilnehmer dann später in einer halbwegs angemessenen Stimmung mit der weiblichen Körpersprache befassen könnten. Der Film dauert insgesamt sechs Minuten. Nach einer kurzen Einführung in die Barszene schwenkt die Kamera auf Esther, die allein an der Theke sitzt. Vor ihr steht ein Glas Sekt, daneben liegt ein Päckchen Zigaretten. Das Bild ist nur eine Halbtotale, es zeigt sie also vom Oberkörper an aufwärts, zunächst mit dem Betrachter zugewandtem Rücken. Ihre körpersprachlichen Signale »sendet« sie direkt in die Kamera, damit sich die Versuchspersonen später so realitätsgetreu wie nur möglich angesprochen fühlen können. Das Verhaltensspektrum der Schauspielerin reicht von Signalen der Abweisung - Wegdrehen des Oberkörpers und des Kopfes bis hin zu Signalen der Zuwendung und Aufforderung. Dazu
gehören Blicke unterschiedlicher Länge, Lächeln, »Hair Flip«, Nackenpräsentation und Automanipulation, besonders an den Haaren. Im Abstand von durchschnittlich fünfundvierzig Sekunden wendet sie sich für ungefähr fünfzehn Sekunden völlig ab, um den Männern nicht voreilig die Sicherheit einer eindeutigen Kontaktaufforderung zu suggerieren. Die erste und dritte beziehungsweise die zweite und vierte Minute ähneln sich vom Ablauf her weitgehend, um bei der Auswertung eine Kontrolle der Signalbeurteilung zu gewährleisten. Die letzten beiden Minuten schließlich zeigen die eindeutigsten Signale der Kontaktaufforderung: bei stetig zugewandtem Oberkörper lange Blicke und ein freundliches, aufforderndes Lächeln.
Der Fragebogen Der Fragebogen ist in drei Teile aufgeteilt, die während der unterschiedlichen Versuchsabschnitte ausgefüllt werden sollten. Auf einer Skala von 1 bis 7 konnten die Versuchsteilnehmer ihre Bewertungen in gradueller Abstufung vornehmen. Der Mittelwert 4 bedeutet entweder Unschlüssigkeit oder Neutralität, 1 und 7 Verneinung beziehungsweise Zustimmung zur jeweiligen Fragestellung. Die Fragen sollten uns einen Aufschluß über die Einschätzung der Wartesituation und des Lockvogels sowie der Schüchternheit und der allgemeinen Gehemmtheit gegenüber Frauen liefern. Der Fragebogen, den wir unseren weiblichen Versuchsteilnehmern vorlegten, mußte sich freilich in einiger Hinsicht von demjenigen der Männer unterscheiden, wobei darauf zu achten war, daß er mit dem von den Männern ausgefüllten Bogen vergleichbar blieb (Fragebögen siehe Anhang S. 269). Der Versuchsablauf bei den Männern Wir arbeiteten anfänglich zu dritt. Mit einiger Routine bewältigten später zwei Versuchsleiter mühelos die Situation: Der eine war für die Filmaufnahmen verantwortlich, der andere wies die Teilnehmer in das Experiment ein. Die Versuchsteilnehmer erschienen jeweils im halbstündigen Abstand und wurden zusammen mit dem bereits anwesenden Lockvogel Petra unter einem Vorwand in das Wartezimmer gebeten. Petras Show während der fünfminütigen Wartezeit mit der ahnungslosen Testperson hatten wir genau abgesprochen und mehrfach geübt. In den ersten zweieinhalb Minuten sollte sie sich besonders freundlich verhalten, was sie durch »einschlägige« Flirtsignale wie Lächeln, Blickkontakt und ähnliches zum Ausdruck brachte. Auf das erwähnte diskrete Lichtzeichen erfolgte dann ein unfreundlicher Verhaltensumschwung seitens Petras, die sich von nun an kaum noch um die verdutzte Versuchsperson kümmerte und abweisend wirkte. In anderen Testsituationen erfolgte Petras Verhalten in umgekehrter Reihenfolge: erst unfreundlich, dann freundlich. Der Versuchsleiter beendete schließlich die Wartezeit, bat Petra zur Fortsetzung des Experiments in einen anderen Raum und begleitete dann den Versuchsteilnehmer in das Zimmer, in dem das Meßgerät bereitstand und der erste Teil des Fragebogens vor lag. Es folgte eine Übungsphase, in der sich der Teilnehmer mit dem Handhebel vertraut machen konnte. Ein kleiner Probefilm, der eine Frau an einer Theke zeigte, sollte auf die folgende Fragestellung vorbereiten:
»In dem nun folgenden Film sehen Sie eine Frau an der Theke, deren körperliches Verhalten Sie bitte mit diesem Handhebel bewerten. Versuchen Sie auf alle für Sie wichtigen Signale zu achten, und beantworten Sie diese mit einer entsprechenden Bewegung - nach vorn, in gradueller Abstufung, wenn Sie der Meinung sind, es handele sich hierbei um ein freundlich gestimmtes, einladendes Signal, nach hinten, ebenfalls in gradueller Abstufung, wenn Sie sich zurückgewiesen fühlen.« Inzwischen lag die im Wartezimmer versteckt gefilmte Szene vor. Wir klärten die Versuchspersonen darüber auf, daß sie heimlich gefilmt worden seien, und baten um eine schriftliche Einwilligung, diese Aufnahmen für wissenschaftliche Zwecke verwerten zu dürfen. Keiner der Männer äußerte sich negativ über die heimliche Beobachtung. Alle gaben ihr Einverständnis. Im nun folgenden Versuchsabschnitt galt es, sich bei der Betrachtung der soeben erlebten Wartesituation ausschließlich auf das Verhalten der Gesprächspartnerin Petra zu konzentrieren und mit dem Hebel Freundlichkeit, gegebenenfalls auch Anzeichen des Flirtens sowie Signale der Zurückweisung zu bewerten. Während die Teilnehmer nach diesem Testabschnitt den zweiten Teil des Fragebogens beantworteten, legte der Versuchsleiter den Barfilm ein. Sie sollten sich dazu folgende Situation vorstellen: »Sie sind Samstag abend allein unterwegs, gehen in diese Bar und werden auf jene Unbekannte aufmerksam, die Sie jetzt gleich im Film zu sehen bekommen werden.« Mit einem Druck auf einen seitlich am Hebel sitzenden Knopf sollten die Männer angeben, sobald sie sich absolut sicher seien, daß die Unbekannte Interesse an näherem Kontakt mit ihnen bekunde. Der Knopfdruck stoppte den Film, der sofort zum Anfang zurückgespult wurde, damit die Männer das Verhalten der Unbekannten von nun an mit dem Hebel auf gewohnte Weise beurteilen konnten. Den Abschluß des Experiments schließlich bildete der letzte Teil des Fragebogens. Der Versuchsablauf bei den Frauen Unseren weiblichen Teilnehmerinnen zeigten wir drei Filme zur Bewertung. Zwei Filme zeigten beide Verhaltensmuster des Lockvogels: freundlich - unfreundlich und unfreundlich freundlich; der dritte war der Barfilm. Bei der Auswahl der Lockvogelfilme achteten wir darauf, daß hier alle zu beurteilenden weiblichen Signale auch deutlich zum Ausdruck kamen. Die Aufgabenstellung ähnelte im wesentlichen derjenigen der Männer. Die Teilnehmerinnen sollten sich auf das körpersprachliche Verhalten der Frau konzentrieren und mit dem Handhebel beurteilen, welche Interpretation in deren körperliche Ausdrucksweisen zu legen sei. Die Beurteilung des Barfilms sollte unter dem Eindruck geschehen, man sei abends ausgegangen und sitze zufällig neben einem Mann, der von jener Unbekannten nonverbal angesprochen werde. Wir fragten nach der Einschätzung des Interesses an diesem Mann und dem Maße der Kontaktaufforderung.
Ist irren männlich? Die Ergebnisse unseres Experiments
Erster Versuch: Die Kontaktanbahnung Sich einer fremden Person zu nähern, um mit ihr in Kontakt zu treten, versetzt den Menschen leicht in einen Zustand von Unsicherheit und Erregung. In einer solchen Situation bieten die verschiedenen Arten körpersprachlicher Signale oft die einzige Informationsquelle, um sich ein Bild über den anderen zu machen. Die anfängliche Unsicherheit ist auf mehrere Gründe zurückzuführen. Zunächst verspürt der Mensch Fremden gegenüber eine angeborene Scheu. Als ontogenetischen Baustein für diese Reaktion betrachtet Eibl-Eibesfeldt die Achtmonatsangst bei Säuglingen, die in allen bisher untersuchten Kulturen gleichermaßen zu beobachten ist.' Sie tritt plötzlich und ohne vorangegangene negative Erfahrungen auf. Diese Scheu wechselt in zyklischem Prozeß mit dem Bedürfnis nach Kontakt und Annäherung. Auch als Erwachsene werden wir mit diesem mehr oder weniger unangenehmen Gefühl vor allem bei Erstbegegnungen konfrontiert. Viele Menschen leiden darüber hinaus unter einer sogenannten sozialen Hemmung.' Sie erleben einen Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach Annäherung und dem nach Distanzierung, einen Konflikt, bei dem positive Gefühle wie etwa Neugierde und Interesse von negativen Empfindungen wie Angst und Unsicherheit überschattet werden. Geschürt wird die soziale Hemmung durch die Angst, bei einer Begegnung aufgrund unangemessenen Verhaltens zu versagen oder den erwünschten Eindruck beim Gegenüber nicht vermitteln zu können. Eng verbunden ist die anfängliche Unsicherheit auch mit der Unberechenbarkeit des Gegenübers. In dieser ersten Phase der Begegnung ist noch schwer abzuschätzen, wie der andere auf eine Kontaktinitiative reagieren wird: freundlich oder abweisend, umgänglich oder anspruchsvoll? Das erste Ziel wird nun sein, diese Unberechenbarkeit zu beseitigen, denn je zuverlässiger und besser wir den anderen einschätzen, desto effektiver können wir Strategien einsetzen, um zu erreichen, was wir uns vorgenommen haben - etwa Sympathie zu gewinnen oder einen Gefallen zu erbitten.' Von anderen Menschen zurückgewiesen zu werden schmerzt jeden. Vor allem wenn hinter unserem Vorstoß freundliche Absichten stecken, empfinden wir eine Abweisung als Gesichtsverlust. So stellt die Angst vor Gesichtsverlust eine weitere und besonders erschwerende Komponente der Anbahnungsversuche von Kontakten dar. Schon bei kleinen Kindern beobachteten Wissenschaftler zahlreiche Strategien, die offenbar einer möglichen Zurückweisung vorbeugen sollen.' Die Furcht, das Gesicht zu verlieren, sitzt tief in uns. Vor allem im verhältnismäßig kontaktunfreudigen Deutschland scheinen ungeschriebene Gesetze einen offenen und freundlichen Umgang unter Fremden auf ein Minimum zu reduzieren. In anderen Ländern herrschen andere Sitten - glücklicherweise. In den USA etwa wird auf das Ansprechen auf offener Straße mit weniger Aggression und Zurückweisung reagiert als hierzulande. Oder nehmen wir Italien als anderes Beispiel: Lautstarke, »anonyme« Kommunikation beherrscht dort das Straßenbild. Angesprochen wird, wer gefällt, und keine Frau fühlt sich persönlich gekränkt, wenn ihr die Männer auf dem Korso hinterherpfeifen oder auf andere Weise Kontakt knüpfen wollen. Dort treten die Männer meist in »Rudeln« auf und geben einander Unterstützung, wenn sie sich in die unmittelbare Nähe einer Frau begeben. Einer muß dann den sogenannten »Sprecher« machen und auf die Auserwählte zugehen. Bei unseren Beobachtungen am Marienplatz in München war es meist ein verhältnismäßig
Rangniedriger, der für den »Gruppenchef« den »Kopf hinhalten« mußte.' Wurde er zurückgewiesen, dann hatte er wirklichen Gesichtsverlust nicht zu befürchten, da er ja nur als Stellvertreter agierte. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, welch ausgetüftelte Strategien vor allem junge Männer entwickeln, um sich die schwere Prozedur einer Annäherung zu erleichtern. In der Phase der »Erprobung«, in der der Umgang mit Frauen beziehungsweise Mädchen noch ungeübt und bisweilen tolpatschig abläuft, tauchen Männer gerne in Gruppen auf. Die Annäherung findet dann eher indirekt statt, indem die jugendlichen lautstarken Wettbewerb untereinander betreiben. Im Spiel werden Kräfte gemessen, kleine Boxkämpfe zur Schau gestellt, laute Witze gerissen, und dabei wird Schritt für Schritt und »rein zufällig« die physische Distanz zu ihr verringert. Diesen Aufwand, dieses Kräftemessen, diese Show finden wir auch im Tierreich, denn nicht nur beim Menschen ist die Annäherung an das andere Geschlecht ausgesprochen konfliktträchtig. Bei den meisten Lebewesen verfolgen Männchen wie Weibchen bei ihren Anbahnungsversuchen - deren Ziel die Paarung ist drei wesentliche aufeinanderfolgende Strategien: Anlockung, Aggressionshemmung und Synchronisation der Partner.' Bei einem Vergleich verschiedener heterosexueller Annäherungsstrategien von Tieren stellte sich heraus, daß die Intensität und Komplexität der Kontaktversuche um so mehr zunehmen, je unterschiedlicher die zeitliche und energetische Investition in den Nachwuchs bei Männchen und Weibchen ist.' Wer in der Brutpflege weniger zu tun hat, ist bei der Kontaktanbahnung der Aktivere; meist sind das die Männchen. Das Verhältnis läßt sich auch umkehren: Da sie in den meisten Fällen die Hauptlast der Brutpflege tragen, verhalten sich die Weibchen bei der Kontaktanbahnung wählerischer, abwartender und zurückweisender. Der Mensch ist hinsichtlich dieser Rollenverteilung bekanntlich keine Ausnahme. Kontaktanbahnungen zwischen Mann und Frau sind durch geschlechtsspezifische Verhaltensweisen gekennzeichnet, welche die Soziobiologen auf den unterschiedlichen Aufwand der Eltern bezüglich der Pflege und Betreuung ihres Nachwuchses zurückführen. Natürlich spielen auch die gesellschaftlichen und kulturellen Normen eine maßgebliche Rolle. Es ist aber noch nicht wirklich geklärt, inwiefern die Entwicklung dieser Normen und Regeln mit den biologischen Gegebenheiten zusammenhängt. Ambivalenz, soziale Hemmung, Angst vor dem Gesichtsverlust und einige psychobiologische Voraussetzungen sind somit die wesentlichen Faktoren, die eine heterosexuelle Kontaktanbahnung beeinflussen. Angesichts all dieser größtenteils hemmenden Faktoren scheint es eher unwahrscheinlich zu sein, daß es überhaupt jemals zu einem Kontakt kommt, gäbe es da nicht das wirkungsvolle Medium der Körpersprache. Sie ist freilich kein Allheilmittel für ausweglose Situationen. Vielmehr sind auch die äußeren Bedingungen zu berücksichtigen, unter denen eine Anbahnung vollzogen wird. Bernard Murstein unterscheidet die Situation des sogenannten »open field« von der des »closed field«. Beim »open field« ist das Kennenlernen ausschließlich auf die Initiative der Betreffenden zurückzuführen, etwa bei einem großen Fest, in einer Diskothek oder in einer Bar; beim »closed field« funktioniert es manchmal ohne aktives Dazutun der Beteiligten, zum Beispiel in kleineren Seminaren, Arbeitsgruppen, auf Partys im kleinen Rahmen, in Schulklassen und so weiter. Genauer: In »Open-field«-Situationen wird die Wahl des Partners durch das Maß der Aufmerksamkeit gesteuert, das man dem anderen aufgrund dessen Attraktivität zukommen läßt. Zunächst einmal spielt das äußere Erscheinungsbild, hinter dem man gewisse persönliche Eigenschaften vermutet, die maßgebende Rolle.' So tendieren wir allgemein dazu, gutes
Aussehen mit positiven und unvorteilhaftes Aussehen mit negativen charakterlichen Eigenschaften zu assoziieren.' Wie wir schon wissen, liegen jedoch auch im körpersprachlichen Verhalten starke Reize verborgen. Freundliche, aber auch sexuelle Signale erregen Aufmerksamkeit und ermutigen zum Kontakt. Timothy Perper hielt sich mehr als dreihundert Stunden lang in Diskotheken auf, um zu beobachten, wie Männer und Frauen auf das andere Geschlecht zugehen, um Kontakt zu knüpfen. Seine Resultate mögen so manchen überraschen: Wenngleich die Männer meist das erste Wort wagen und damit den Kontakt aktiv initiieren, so spielen doch die Frauen indirekt die Hauptrolle bei den Kontaktanbahnungen. Sie sind es nämlich, die auffordern und ermutigen, indem sie Blicke werfen und lächeln, kurz: Sie nehmen durch dieses körpersprachlich einladende Verhalten den Männern die schlimmste Angst vor einer Zurückweisung. Das gängige Klischee der passiv-unbeteiligten Frau und des aktivwerbenden Mannes kann bei genauerer Betrachtung nicht voll bestätigt werden. »Giving men the come-on« nennt Debra Walsh diese Signalgebung." Die Psychologin ließ eine sehr attraktive Frau in einer Bar an einem Tisch Platz nehmen und ausgewählte Männer an den Nebentischen mehrmals allein mit Blicken, abwechselnd auch kombiniert mit einem Lächeln, »kontaktieren«.. Ohne diese Aufforderungssignale versuchte keines der männlichen »Versuchsopfer« mit dem schönen Lockvogel ins Gespräch zu kommen. Männer (ebenso wie die Männchen bei nichtmenschlichen Primaten) sind folglich vor ihren Kontakteröffnungen von weiblichen Aufforderungssignalen, zum Beispiel Lächeln und Blickkontakt, unbedingt abhängig. Eine wesentliche Aufgabe unseres Experiments bestand in der Erforschung dieser weiblichen Signalgebung. Nehmen wir einmal an, hundertunddrei Männer gehen Samstag abend in eine Bar und sehen eine attraktive Frau. Hoffen wir, die Mehrzahl dieser Männer findet die Frau anziehend, so daß ihre Aufmerksamkeit ganz im Banne dieser Unbekannten steht. Genauso legten wir unser Experiment an: Die schöne Schauspielerin Esther sollte auf unsere männlichen Probanden die notwendige Ausstrahlung haben. Was wir uns erhofft hatten, bestätigte später die Statistik: Esther, im folgenden »die Unbekannte« genannt, fand bei fast allen Männern großen Anklang.
Die Entscheidung Wie schnell vermuten Männer, daß eine Frau Interesse an ihnen zeigt? Wie viele Blicken reichen aus, wie oft muß gelächelt werden, um männliche Zweifel aus dem Feld zu räumen? Wenn es sich dabei um eine zeitlich nachvollziehbare Entscheidung handelt, müßte dieser Moment, in dem ein Mann glaubt, die Frau sei an einem Kontakt interessiert, auch experimentell erkennbar sein. Für unsere Testzwecke war ein kleiner, an der Seite des Hebels befindlicher Druckknopf vorgesehen, bei dessen Betätigung die Männer angeben sollten: Jetzt ist alles klar; die Frau fordert zum Kontakt auf. 'Z Die nun folgenden Abbildungen wurden dem Film entnommen, den unsere Versuchsteilnehmer zu sehen bekamen.
Die Ergebnisse des Experiments zeigen deutlich, wie sehr sich Männer bei ihrer Entscheidung, ob eine Frau zum Kontakt auffordert, von deren körpersprachlichen Signalen leiten lassen. Die grundlegende Funktion der Signale, nämlich durch Auffälligkeit und Eindeutigkeit schnell und unmittelbar Reaktionen herbeizuführen, scheint somit bei der Mehrzahl unserer Versuchspersonen entsprechende Wirkung gezeigt zu haben.
Alles in allem sind sich Männer jedoch nicht darüber einig, ab wann sie bei einer Frau wirkliches Interesse vermuten können. Es gibt Voreilige, die bereits nach dem ersten Blick Kontaktbereitschaft vermuten. Es gibt Zaudernde, die in ihrer Unsicherheit möglichst viele Signale der Aufforderung benötigen, bis sie überzeugt sind, daß eine Frau zum Kontakt auffordert. Wodurch unterscheiden sie sich? Wir teilten die Männer je nach Zeitpunkt ihrer Entscheidung in mehrere Gruppen ein. Gruppe 1 reagierte auf den ersten Blick, Gruppe 2 auf den zweiten Blick und so fort. Obwohl wir leichte Unterschiede zwischen den Gruppen erkennen konnten, stellte sich nur ein einziger Faktor als signifikant und daher als wirklich relevant heraus: die Schüchternheit im Umgang mit Frauen. Männer, die bereits nach dem ersten zugeworfenen Blick ein eindeutiges Interesse vermuteten, bezeichneten sich im Fragebogen als verhältnismäßig ungehemmt gegenüber Frauen.
Auffallend war, daß siebenundzwanzig Prozent der Männer nicht unmittelbar und spontan auf die weiblichen Signale reagierten, sondern irgendwann zwischen den Blicken und sonstigen körperlichen Gesten. Wir stellten uns die Frage, ob diese Männer weibliche Signale etwas anders - bewußter und durchdachter verarbeiteten als jene Männer, die signalbezogen reagierten. Wodurch unterschieden sich die »unspontanen« von den »spontan« reagierenden Männern? Wir verglichen beide Gruppen bezüglich sämtlicher im Fragebogen angegebenen Antworten und fanden interessante Zusammenhänge: Ältere Männer ließen sich eindeutig weniger spontan von weiblichen Signalen leiten als jüngere. Auch schien die Gruppe der »Unspontanen« weniger kontaktfreudig beziehungsweise kontaktfähig zu sein. Diese Männer gingen seltener abends aus und gaben an, größere Hemmungen zu haben, eine Frau anzusprechen, als die Männer der Gruppe der »Spontandrücker«. Im übrigen beeinflußte auch die weibliche Anziehungskraft die männliche Reaktion auf Signale. Verallgemeinert heißt das: Je attraktiver, interessanter und erotischer eine Frau für einen Mann ist, desto unmittelbarer und spontaner reagiert dieser auf ihre Signale. Zudem weiß man inzwischen, daß die Art und Weise, wie der andere gesehen wird, vom eigenen emotionalen Zustand gefärbt ist." Robert Levine beschreibt diesen Wahrnehmungsvorgang als »autistischen« Prozeß, bei dem ein aufgewühlter Gefühlszustand zu einer extrem übersteigerten Sichtweise führt."
Ein ebenso einfaches wie eindrucksvolles Experiment verdeutlichte diesen Zusammenhang.` Versuchsgegenstand war eine einfache Geldmünze. Deren Durchmesser wurde von den Versuchsteilnehmern um so größer eingeschätzt, je bedeutsamer Geld für sie war. Ein Kontrollgegenstand, der aus einer einfachen Scheibe bestand, führte nicht zu dieser übersteigerten Wahrnehmung. Mit unserem Experiment konnten wir die enge Abhängigkeit der Wahrnehmung von eigenen Empfindungen voll und ganz bestätigen. So lautet die Schlußfolgerung: Männer, die von einer Frau begeistert sind, scheinen geblendet und fixiert zu sein auf alles, was sie in ihrer Hoffnung auf Erwiderung des eigenen Interesses bestärken könnte.
Die Wirkung weiblicher Körpersprache bei einer Kontaktanbahnung Ziel des nächsten Versuchsabschnitts war nun, zu klären, wie die Wirkung weiblichen Verhaltens in Momenten einer Kontaktanbahnung im einzelnen aussieht. Wie gut können Männer das körperliche Ausdrucksverhalten von Frauen wahrnehmen, wie interpretieren sie diese Gesten, und in welchem Maß vermag die weibliche Körpersprache den Mann davon zu überzeugen, daß eine Frau Interesse an ihm hat? Ein zweites Mal tauchten unsere Männer über das Medium »Film« in die Atmosphäre einer Bar mit all den typischen Geräuschen und visuellen Eindrücken ein. Höchste Konzentration beherrschte die nun folgenden sechs Minuten. Die Unbekannte zog die Männer in ihren Bann; der Hebel des Erfassungsgeräts wurde pausenlos bedient. Bereits während der Datenerhebung konnten wir erkennen, daß sich die Männer um die Wahrnehmung jeder nur erdenklichen Regung der Frau bemühten. Vor allem gegen Ende des Films, als die Unbekannte ihre deutlichsten Aufforderungssignale gab, reagierten die Männer sehr vehement. Ein Theologiestudent warf den Hebel sogar fast vom Hocker. Einige Männer ließen sich während des Films zu Kommentaren wie »Ist ja irre« oder »Die geht aber ran« hinreißen, vielen entlockte das Verhalten von Esther lediglich ein ebenso begeistertes wie verblüfftes »Hey, ahhh, oh«. Bei der Auswertung der Hebelbewegungen konnten wir deutlich erkennen, wie unmittelbar und spontan alle Männer auf das Verhalten der Unbekannten reagiert hatten: Die zeitliche Verzögerung der Hebelbewegung auf ein wahrgenommenes Signal schwankte nur zwischen 0,5 und 1,5 Sekunden. Die Auswertungskurve bot ein klares Bild, das - verallgemeinert besagt: Männer sehen in allen nur erdenklichen körperlichen Regungen einer Frau eine Aufforderung zum Kontakt! Die Hauptsignale mit den stärksten Reaktionen waren, wie nicht anders zu erwarten, Blicke und Lächeln. Aber selbst die subtilsten körperlichen Gesten und leisesten Abweichungen von der Ruhestellung empfanden die Männer als aufforderndes Signal: eine leichte Oberkörperbewegung, ein Schrägstellen des Halses, ein verlegenes Durchfahren der Haare, ein Zupfen am Kleid sowie sämtliche Selbstberührungen. Blicke riefen mit Abstand die heftigsten Reaktionen hervor. je mehr Blicke ein Mann erhielt, desto unzweifelhafter sah er in ihnen ein positives Signal, desto weniger reagierte er auf anschließende Signale der Abblockung. Besonderen Signalcharakter erhielten Blicke dann, wenn sie kombiniert mit anderen Aufforderungssignalen - einem Nackenpräsentieren oder einem »Hair Flip« - auftraten.
Negativ zu interpretierende Verhaltensweisen, wie das allmähliche beziehungsweise gänzliche Wegdrehen des Kopfes oder des Körpers, registrierten sie zwar durchaus als Abweisung, schienen diese jedoch nicht besonders ernst zu nehmen. Denn obwohl sich die Unbekannte nach ein paar flüchtigen Blicken vom Betrachter für geraume Zeit gänzlich abwandte, ließen sich die Männer zu keinem Zeitpunkt mehr davon überzeugen, daß hier womöglich Desinteresse an ihnen vorliegen könnte. Der Hebel wanderte, von kleinen Abweichungen abgesehen, von der Nullstellung aus beständig in den oberen Bereich, der angab, daß die Frau Kontakt wünscht.
Die Zurückweisung Hat sich bei einem Mann die Meinung erst einmal gefestigt, eine Frau habe Interesse an ihm, läßt er sich von dieser Überzeugung kaum mehr abbringen. Wenige kurze Blicke, die von einer Frau womöglich ganz zufällig in seine Richtung gingen, reichen da schon aus. Durchsetzt eine Frau ihr Verhalten mit ambivalenten Signalen der Freundlichkeit und Abblockung, muß sie damit rechnen, daß Männer die positiven Signale mehr werten als die negativen. Körpersprachliche Zurückweisung wird zwar erkannt, jedoch von Mal zu Mal weniger ernst genommen. Die Unbekannte in unserem Film drehte sich in regelmäßigen Abständen vom Betrachter gänzlich weg und zeigte ihm für geraume Zeit den Rücken. Während das erste Abwenden, das nach drei vorangegangenen kurzen Blicken vollzogen wurde, von den Männern noch als eine halbwegs ernsthafte Zurückweisung aufgefaßt wurde, reagierten sie bei dem zweiten Abblockungsversuch der Frau nur noch halbherzig. Das dritte Abwenden schließlich nahmen die Männer äußerst verzögert wahr. Nur ganz langsam begannen sie, am eindeutigen Aufforderungscharakter des Verhaltens der Frau zu zweifeln als wollten sie es einfach nicht glauben, daß die Frau nach soviel Freundlichkeit es sich plötzlich anders überlegt hat. Es ist ein grundlegendes Phänomen beim Menschen, daß er Antipathie weniger gern Beachtung schenkt als Sympathie. Von Mitmenschen, die man mag, erwartet man beinahe selbstverständlich die Erwiderung der eigenen Gefühle. Löst eine Frau Begeisterung im Mann aus, so will dieser von etwaigen Signalen der Zurückweisung und Abblockung nichts wissen. Seine Wahrnehmung ist von vornherein beeinflußt und stets auf mögliche Hinweise für Freundlichkeit und Sympathie ausgerichtet. Die Bedeutung positiver Signale überdeckt hier die Bedeutung negativer Signale. Ein weiterer möglicher Grund für die geringe Wertigkeit negativer Signale liegt in der allgemeinen Geschlechterrolle. Noch immer geht vor allem in den männlichen Köpfen der Spuk von der Frau um, die ja meint, wenn sie nein sagt. Von diesem Mythos wird weiter unten noch zu sprechen sein.
Die Männertypen Männer fühlen sich von einer Frau auf unterschiedliche Weise angezogen. Eine Frau kann rein optisch gefallen, was jedoch nicht besagt, daß sie auch männliches Interesse weckt. Interesse zu haben wiederum heißt noch lange nicht, daß die Frau auch äußerlich gefällt.
Zweifelsohne spielt zudem die erotische Komponente eine Rolle. Sex-Appeal löst andere Regungen aus als eine nur freundliche Erscheinung. Die meisten unserer Versuchsteilnehmer unterschieden sehr wohl, ob sie sich für die Unbekannte nur interessierten, sie nur schön oder nur erotisch fanden. Manche stuften sie beispielsweise als attraktiv, aber uninteressant ein. Andere fanden sie zwar interessant, dafür aber weniger erotisch und so weiter. Verhältnismäßig einig waren sich die Männer in einem Punkt: Die Unbekannte ist äußerst erotisch. Dennoch: Bei weitem nicht alle der Versuchsteilnehmer hätten sie in einer Bar auch wirklich angesprochen. Neunundfünfzig Männer würden sich zu einem Kontaktversuch hinreißen lassen, dreiundvierzig jedoch gaben Zurückhaltung an. Die Kontaktfreudigen unterschieden sich von den Zurückhaltenden dadurch, daß sie abends häufiger ausgingen und die Unbekannte zudem interessanter und attraktiver fanden. Was sie denn überhaupt abgehalten habe, die Unbekannte zu kontaktieren, wollten wir nun wissen, wobei wir zwei Gründe zur Auswahl stellten: 1. mangelndes Gefallen, 2. die Befürchtung einer Zurückweisung. Und hier stellte sich ein wirklich interessanter Zusammenhang heraus. Viele tappten in eine Falle des Fragebogens. Diejenigen Männer nämlich, die die Unbekannte aufgrund deren angeblich geringer Attraktivität nicht ansprechen würden, hatten kurz zuvor angegeben, sie fänden sie nicht nur besonders attraktiv, sondern auch äußerst interessant.` Welch ein Widerspruch! Es sind Ergebnisse, die zeigen, wie sehr Männer (womöglich auch Frauen, hätte man einen entsprechenden Gegentest zur Verfügung) »vermutete Niederlagen« zu verleugnen versuchen. Anders lassen sich diese Resultate kaum interpretieren. Schüchterne Männer erwiesen sich bei dieser Fragestellung übrigens als ehrlich: Als Grund für die Weigerung, mit dieser Frau ein Gespräch zu beginnen, gaben sie die Angst vor einer etwaigen Zurückweisung an. Die weibliche Körpersprache erregt Männer. Bei unserem Experiment gaben die Hebelbewegungen darüber verräterisch Auskunft. Fast schon wie ein Lügendetektor zeigten sie an, wie hoch das männliche Interesse war, wie stark die Erotik wirkte, wie sehr das weibliche Aussehen beeinflußte. In unserer Statistik unterteilten wir die Versuchsteilnehmer nach den im Fragebogen angegebenen Antworten in mehrere Gruppen: Männer, die an der Unbekannten hochgradig beziehungsweise wenig interessiert waren, Männer, deren erotische Empfindungen stark beziehungsweise weniger stark angesprochen wurden, Männer, die ausschließlich visuelles Gefallen ohne weiteres Interesse kundgaben. Sie alle werden im folgenden vorgestellt. Männer, die interessiert sind »Ich interessiere mich für dich, weil ich ahne, daß auch ich dich interessiere.« Oder: »Du magst mich, weil du merkst, daß ich dich mag.« - Wir wissen, daß Gefühle des Interesses ähnlich wie die der Sympathie mit der Annahme einer Gegenseitigkeit verbunden sind. So
gehen wir davon aus, daß unsere Empfindungen vom Gegenüber geteilt werden. Unsere Statistik bestätigte diese Regel: Ein Mann, der an einer Frau in hohem Maße interessiert ist, zeigt sich überzeugt, daß sein Interesse erwidert wird. Korrelationen geben jedoch nur über rechnerische Zusammenhänge Auskunft, ohne die Ursachen erklären zu können. Spekulativ bleibt also die Frage, ob unsere Männer gerade deswegen an der Unbekannten interessiert waren, weil sie sich in der Gewißheit gewiegt haben, ihr Gefühl werde erwidert. Die immer gegenwärtige Befürchtung, zurückgewiesen zu werden, ist bei der Annahme eines Vorhandenseins wechselseitiger Gefühle gering. Interessierte Männer wollen möglichst viel von einer Frau erfahren, sie stellen viele Fragen persönlicher Art," sie initiieren häufig Blickkontakt, treiben das Gespräch voran und lassen kaum Pausen entstehen, vorausgesetzt, sie sind für diese Aktionen selbstbewußt genug. Interessierte Männer reagieren aber auch besonders sensibel auf die Körpersprache einer Frau. Begierig scheinen sie jedes nur mögliche körperliche Signal erkennen zu wollen, das ihnen vermittelt, auch die Frau sei an einem Kontakt interessiert. Interessierte Männer sehen im körperlichen Verhalten deutlich schneller die Aufforderung zum Kontakt als Männer, die weniger starkes Interesse empfinden. Vor allem die ersten Blicke lösten bei unseren interessierten Männern deutlich heftigere Reaktionen aus als bei den weniger interessierten. Der sogenannte „Hallo-Effekt" zeigte nun seine Wirkung. Hier bei genügt ein einziges Merkmal, ein einziges Signal, das die Beurteilung und Interpretation des darauffolgenden Verhaltens maßgeblich beeinflußt. Die Regressionskurve der stark interessierten Männer stieg von Anfang an deutlich steiler an als die der desinteressierten; das besagt, daß erstere schneller eine stärkere Kontaktbereitschaft bei der Frau vermuteten als letztere. Auslöser waren die ersten Blicke, die die Männer von der Unbekannten empfangen hatten. Männer, die auf Attraktivität ansprechen Männer, die eine Frau attraktiv finden, verlieren den Sinn für Realität, sie verstricken sich im irrationalen Wunschdenken (»irrational wishful thinking«), meinte John Berman einmal zu Recht. Psychologen vertreten die These, daß attraktive Menschen im zwischenmenschlichen Umgang wählerischer sind als unattraktive. Sie können weniger Menschen leiden und lassen sich insgesamt auf weniger Kontakte ein. Ihr selektives Verhalten bezieht sich natürlich auch auf das Gegengeschlecht. Einen schönen Mann für ein Rendezvous zu gewinnen ist nicht einfach. Noch schwerer läßt sich eine attraktive Frau dafür gewinnen. Das Aussehen wird hier zum Maßstab, an dem die Bereitschaft zum Treffen gemessen wird. Angelegt werde dieser Maßstab durch vorangegangene Erfahrungen.` Und Frauen denken wohl in der Tat so. Bei Männern jedoch sieht der Sachverhalt gänzlich anders aus. Unabhängig davon, welches Aussehen sie selbst zu bieten haben, sind Männer allzugern der Überzeugung, daß selbst die attraktivste Frau liebend gern mit ihnen ein Rendezvous verabreden würde. Zumindest in jenen experimentellen Situationen, in denen die Versuchsteilnehmer davon ausgehen konnten, daß sie ihr Urteil später in einer wirklichen Mann-Frau-Begegnung nicht unter Beweis zu stellen hatten, neigten Männer zu einer deutlichen Selbstüberschätzung, wie begehrenswert sie selbst sind - und begehrenswert ist, beim ersten Rendezvous allemal, wer attraktiv wirkt." Männer, das konnten wir anläßlich anderer Experimente feststellen, finden sich generell attraktiver, als sie von Frauen eingeschätzt werden. Frauen erwiesen sich übrigens in dieser Hinsicht als realistischer.
Auch unsere Versuchsteilnehmer waren mehrheitlich davon überzeugt, die schöne Unbekannte würde sich mit ihnen verabreden. Sehen wir uns jene Männergruppe etwas näher an, die vor allem auf das Aussehen der Unbekannten ansprach: Besonders großes Gefallen zeigten jene Männer, die abends häufig ausgingen, folglich nicht nur über bessere Vergleichsmöglichkeiten, sondern auch über mehr Erfahrungen im zwischengeschlechtlichen Bereich allgemein, und speziell bei Kontaktanbahnungen, verfügten als »Stubenhocker«. Diese Männer gaben im übrigen auch an, sie hätten die Frau angesprochen. Ausnahmen bildeten die schüchternen Männer, welche die Unbekannte zwar durchschnittlich attraktiver fanden als die selbstbewußten, aber die Frau nicht angesprochen hätten, da sie eine Zurückweisung befürchteten. Männer, die eine Frau attraktiv finden, nehmen deren Körpersprache besonders intensiv wahr. Das steht fest. Die Hebelbewegungen dieser Männer waren wild und heftig, wobei sich die starken Reaktionen sowohl auf die auffordernden als auch auf die abblockenden Verhaltensweisen bezogen. Betrachtet man die Kurvenverläufe, bemerkt man schnell, welch zwiespältige Gefühle Männer verspüren, wenn sie das körperliche Verhalten einer für sie attraktiven Frau bewerten. Im Vergleich zu der an der Unbekannten interessierten Männergruppe ließen sich die vom Aussehen geblendeten Männer von den Signalen der Zurückweisung mehr beirren. So kommt es, daß die Kurve der von weiblicher Attraktivität unbeeindruckten Männer beinahe genauso steil ansteigt wie die der beeindruckten. Vorsichtig interpretiert bedeutet das: Eine schöne Frau erweckt im Mann mehr Zweifel als eine interessante. Erst gegen Ende des Films, als die Unbekannte mit Lächeln und heftigen Kopf- und Oberkörperbewegungen besonders eindeutig zum Kontakt aufforderte, begannen jene Männer, die optisches Gefallen bekundet hatten, entsprechend stark zu reagieren. Männer, die eine Frau erotisch finden Generell übt die erotische Komponente den stärksten Einfluß auf die männliche Wahrnehmung aus. Männer, die von einer Frau in erotischer Hinsicht extrem beeindruckt sind, scheinen ein besonders starkes Risiko zu verspüren, von ihr zurückgewiesen zu werden. Diese Männergruppe nämlich gelangte signifikanterweise sehr viel später (durchschnittlich zwanzig Sekunden) zur überzeugung, die Unbekannte zeige Kontaktbereitschaft. Einen ähnlichen Zusammenhang konnten wir bei keinen anderen Kriterien der Einschätzung erkennen. Vorsichtig interpretiert bedeutet dies, daß Männer von einer auf sie sehr erotisch wirkenden Frau mehr Zurückweisung befürchten als von einer Frau, die sie für »nur« attraktiv und »nur« interessant halten. Besondere Reaktionen provoziert folglich auch das körperliche Verhalten einer erotisch wirkenden Frau. Positive Signale, die ersten Blicke etwa, lösen bei erotisch orientierten Männern noch stärkere Reaktionen aus als bei Männern, denen die Frau nur optisch gefällt. Überhaupt stellte sich der Unterschied zwischen erotisch stark und weniger stark angesprochenen Männern als besonders kraß heraus. Wie zu erwarten war, reagierten erstere intensiver, sowohl auf die freundlichen als auch auf die zurückweisenden Signale. Während die »erotisierten« Männer dann im Laufe der Kontaktanbahnung die weibliche Körpersprache immer intensiver und begieriger aufnahmen, riefen die Signale bei den sexuell weniger
angesprochenen nur noch geringe Reaktionen hervor. Sie nahmen weder die auffordernden noch die zurückweisenden Verhaltenselemente als besonders wichtig zur Kenntnis. Beeinflußt wurde somit auch die Wahrnehmung der vermeintlichen weiblichen Kontaktbereitschaft. Mit zunehmenden ansprechenden Körperbewegungen erhöhte sich bei sexuell angesprochenen Männern die Vermutung in extremer Weise, daß bei der Frau Interesse vorliegen könnte. Anzunehmen ist, daß erotische Gefühle eher durch körperliches Verhalten geweckt werden als durch das bloße Aussehen. Ob eine Frau optisch dem Geschmack entspricht, ist schnell zu beurteilen. Dafür sorgen innere Suchbilder, auch »Templates« genannt. Sie sind quasi innere Idealvorstellungen, an denen die Mitmenschen gemessen werden. Erotik hingegen wird in erster Linie durch bestimmtes Verhalten wachgerufen; dies braucht Zeit.
Männer, die abends häufig ausgehen und viele Erfahrungen mit Rendezvous haben Was sind das für Männer, die keinen Abend auslassen, sich Nacht für Nacht ins Abenteuer stürzen, Diskotheken und Bars besuchen - und das möglichst mit wechselnder weiblicher Begleitung? Ihnen haftet der Beigeschmack eines »Machos«, eines »Don Juan« an, vor allem dann, wenn sie allein kommen, jedoch zu zweit gehen. Wie sehr die eine oder andere »auf ihn stehe«, müssen sich Frauen gleichermaßen wie Männer anhören. Prahlerei mit zahlreichen Frauenbekanntschaften und häufigen Rendezvous zählt zum festen Bestandteil männlichen Werberepertoires. Häufige Dates steigern das Selbstbewußtsein, denn man glaubt, in gewisser Hinsicht beliebt zu sein. Die Fachliteratur unterscheidet deutlich zwischen »Häufig-Datern« und »WenigDatern«, denn die Möglichkeiten, ein Rendezvous einzugehen, sind bei weitem nicht gerecht verteilt. In zunehmendem Maße interessiert sich die Psychologie für die möglichen persönlichen und charakterlichen Unterschiede zwischen den »Don Juans« und den »Mauerblümchen«. Sind letztere schüchterner, introvertierter, an Frauen weniger interessiert, haben sie schlechtere Erfahrungen gemacht, oder aber sind sie im Umgang mit Frauen ungeschickter? Viele mögliche Gründe wurden diskutiert, und noch immer sind sich Psychologen und Psychiater nicht ganz einig, was letztlich die ausschlaggebenden Ursachen für zwischengeschlechtliche Kontaktfreudigkeit beziehungsweise -armut sind. Manche Forscher führen beispielsweise mangelnde Attraktivität bei WenigDater als Grund für deren nicht sehr zahlreiche Bekanntschaften an .23 Ein schöner Mann kann jedoch auch langweilen. Getestet wurden zudem andere, wie ich meine, wichtigere Faktoren wich Selbstbewußtsein, Einfühlungsvermögen sowie die Fähigkeit, ein Gespräch zu führen .24 Die männlichen und weiblichen Versuchsteilnehmer, die je nach Rendezvoushäufigkeit in zwei Gruppen aufgeteilt worden waren, konfrontierte man unter anderem mit gemischtgeschlechtlichen Begegnungen. Die Probanden kannten sich untereinander nicht, und ihre Aufgabe bestand darin, sich binnen zehn Minuten etwas kennenzulernen. Im Vergleich zu den Häufig-Datern verspürten Männer mit wenig Rendezvous während der Versuchssituation mehr Unsicherheit und Angst. Bei Frauen war übrigens die Anzahl ihrer Rendezvous weder für den Gesprächsverlauf noch für die Selbsteinschätzung von ausschlaggebender Bedeutung. Andere Untersuchungen bestätigen diese männerspezifischen Ängste auch auf physiologischem Sektor. Wenig-Dater befinden sich in Gegenwart von Frauen in einer extremen Streßsituation; das verrät der körperliche Zustand: Puls und Herzschlag sind beschleunigt, die Handflächen werden feucht .25
Nun ergibt sich die Frage, ob zwischen der Häufigkeit von Dates und der männlichen Fähigkeit, die Körpersprache von Frauen zu entschlüsseln, ein Zusammenhang besteht. Benötigen etwa Wenig-Dater mehr Signale der Zuwendung, brauchen sie mehr Bestätigung, interpretieren sie die körpersprachlichen Signale mit mehr Zweifel als Männer, die viel Umgang mit Frauen haben? Erkennen sie überhaupt Signale als solche an? Sind Männer mit vielen Rendezvous auf die weibliche Körpersprache am Ende gar unsensibel eingestellt, und kommen sie nur aufgrund ihrer überzogenen Wahrnehmung in den Genuß zahlreicher Frauenbekanntschaften? Einige Antworten auf diese Fragen konnten bereits andere Experimente geben. So wissen wir beispielsweise, daß die weiblichen Signale einer Kontaktaufforderung Männern mit häufigen Rendezvous vergleichsweise präsenter sind, indem sie diese spontaner nennen können. Bei ihrer Auflistung gaben sich diese Männer zudem selbstsicherer als Wenig-Daten' Charlene Muehlenhard versuchte, der vermeintlichen Sensibilität von HäufigDatern auf den Zahn zu fühlen. Sie führte ihren männlichen Versuchsteilnehmern mehrere Filme vor, in denen sich jeweils ein Mann und eine Frau unterhalten. Das Verhalten der Frau gegenüber ihrem Gesprächspartner variierte von Film zu Film. Mal war sie freundlich, mal abweisend. Die Forscherin bat ihre Probanden, nun zu beurteilen, ob und, wenn ja, wie sehr die gezeigten Frauen an einem Date mit ihrem Partner interessiert seien. Auch wollte sie wissen, wie sicher und zuverlässig die Versuchsteilnehmer ihr eigenes Urteil einschätzten. Beurteilen ließ Charlene Muehlenhard zudem die Angemessenheit diverser Einleitungsfloskeln. Zur Auswahl standen: »Hallo, hast du was dagegen, wenn ich mit dir spreche?« - »Hi, habe ich dich irgendwo schon einmal gesehen?« - »Ich möchte Leute kennenlernen, kannst du mir Tricks verraten, wie das am besten geht?« Die Unterschiede zwischen Häufig- und Wenig-Datern stellten sich hier als äußerst geringfügig heraus. Bezüglich der Eröffnungsszenen waren alle Männer einhelliger Meinung, wobei sie übrigens mit der weiblichen Kontrollgruppe übereinstimmten. Die ehrlichste und direkteste Anrede war die beliebteste: » Hallo, hast du was dagegen, wenn ich mit dir spreche?« Auch die Interpretation der weiblichen Körpersprache enthüllte keinerlei bedeutsame Unterschiede zwischen Häufig- und WenigDatern. Es ist also nicht der Fall, daß Männer, die sich oft mit Frauen treffen, deren Körpersprache auch besser entschlüsseln können. Im Gegenteil: WenigDater erwiesen sich bei Muehlenhards Experiment tendenziell als die sensibleren. Sie konnten die Anzeichen weiblicher Bereitwilligkeit besser einschätzen als Häufig-Dater. Letztere kamen also weniger aufgrund von Einfühlungsvermögen in den Genuß häufiger Rendezvous, vielmehr schienen hier Hartnäckigkeit, Hemmungslosigkeit und Unverfrorenheit ans Ziel geführt zu haben. Womöglich orientieren sich Häufig-Dater vor ihrer Aufforderung zu einem Rendezvous weniger an vorangegangenen Anzeichen weiblicher Bereitwilligkeit: Sie fragen einfach. Oder aber sie beziehen voreilig die weibliche Körpersprache in positiver Weise auf sich. Soziobiologen würden dieses Phänomen als »falschen Alarm« bezeichnen. Alle soeben zitierten Ergebnisse sind indes unter Vorbehalt zu diskutieren, da es sich hierbei stets um Versuchssituationen handelte, in denen die Männer nicht persönlich mit weiblicher Körpersprache konfrontiert waren. Die einzig mögliche Schlußfolgerung aus all diesen Untersuchungen lautet folglich: Männer mit wenigen Rendezvous beobachten und interpretieren den zwischengeschlechtlichen Umgang im großen und ganzen auf ähnliche Weise wie Männer mit vielen Rendezvous.
Anders sieht der Sachverhalt aus, wenn sich Männer ganz konkret mit weiblicher Körpersprache auseinandersetzen müssen. Auch wir fragten unsere Versuchsteilnehmer nach der Häufigkeit ihrer abendlichen oder nächtlichen Ausgehgewohnheiten, gleichgültig, ob sie allein, in einer Clique, mit einem Bekannten oder einer Freundin unterwegs sind. Wir vermuteten, daß Männer, die beinahe jeden Abend in eine Bar oder Diskothek ziehen, auch entsprechende Beobachtungen machen sowie viele Bekanntschaften schließen würden. Wir gingen also davon aus, daß diese Männer deutlich mehr Erfahrung im zwischengeschlechtlichen Umgang sammeln konnten als die sogenannten »Stubenhocker«. Unsere Versuchsteilnehmer sind einer Altersgruppe zuzuordnen, in der das Ausgehen eine besonders wichtige Rolle spielt. Unverheiratet, keine Familie, wenige soziale Verpflichtungen - ihr Charakteristikum ist ein verhältnismäßig ungebundenes Leben. Kontakte werden bei ihnen meist außerhalb der eigenen vier Wände angeknüpft und gepflegt, vorzugsweise an jenen Orten, deren Existenz nicht selten gerade auf diesem Bedürfnis beruht: Bars, Kneipen, Diskotheken und so weiter. Vorwegzunehmen sei, daß wir keinen statistischen Anhaltspunkt dafür finden konnten, daß Männer, die sich im Umgang mit Frauen als schüchtern bezeichneten, auch weniger häufig abends ausgingen als die selbstbewußten. Häufiges Ausgehen scheint also von anderen Faktoren abzuhängen, die an dieser Stelle jedoch nicht von Interesse sind. Männer, die häufig ausgehen, sprechen mehr auf Frauen an das läßt sich unseren Ergebnissen mit Vorsicht entnehmen. Diese Männergruppe stufte die Unbekannte nämlich als wesentlich attraktiver und erotischer ein als jene Männer, die abends weniger oft unterwegs waren. Womöglich ist es ihren Erfahrungen zuzuschreiben oder aber ihrem Wunschdenken: Häufig ausgehende Männer fanden die Unbekannte nahbarer als die »Stubenhocker«, verspürten darüber hinaus auch weniger Hemmungen, sie anzusprechen. Bei Männern, die abends häufig unterwegs sind, wurde leicht »falscher Alarm« ausgelöst. Sie gehörten nämlich zu jenen Männern, die bereits nach dem allerersten Blick, den sie von der Unbekannten empfangen hatten, der Meinung waren, daß hier zum Kontakt aufgefordert werde. Trotzdem konnten wir nur geringfügige Unterschiede zwischen Häufig- und Wenigausgehern feststellen zumindest die Beurteilung weiblicher Körpersprache betreffend. Tendenziell reagierten Häufigausgeher stärker auf Signale.
Selbstbewußte und schüchterne Männer Mangelndes Selbstwertgefühl ist nicht gleichbedeutend mit Schüchternheit und sozialer Gehemmtheit, und wenngleich wir der Fachliteratur genaue Definitionen der entsprechenden Begriffe entnehmen können, werde ich keine wesentlichen Unterscheidungen zwischen ihnen vornehmen. Denn sie beschreiben zumindest bei unserem Experiment das Gefühl der Verunsicherung, das bei zwischengeschlechtlichen Begegnungen für Unbehagen sorgt. Dieses Gefühl rührt von den bangen, meist unbewußten Fragen, ob man sich richtig verhält, ob man ankommt, ob man sich etwa blamiert, ob man unterlegen ist und ob etwaige Gefühle der Unsicherheit für den anderen erkennbar sind. So interessierte uns bei der Auswertung der Fragebögen nicht weiter, ob die fünfundzwanzig Prozent jener Versuchsteilnehmer, die sich selbst als schüchtern bezeichnet hatten, generell unter Schüchternheit litten oder ob dieses Gefühl nur in bestimmten Momenten auftauchte und folglich als »situative Gehemmtheit« zu betrachten wäre.
Männer scheinen - ebenso wie Frauen - ein verhältnismäßig festes, wenngleich stark subjektives Bild darüber verinnerlicht zu haben, wie begehrenswert sie in den Augen des anderen Geschlechts sind. Eine maßgebliche Rolle hierbei spielen neben anderen Faktoren wie Erziehung, Beziehung zu Eltern, Geschwistern und so weiter auch die Erfahrungen, die der zwischengeschlechtliche Umgang bislang mit sich brachte. Hat man erst wenige Zurückweisungen durch eine Frau/einen Mann erlebt waren die ersten Rendezvous also erfolgreich verlaufen, fühlte man sich dort ungezwungen, war man zufrieden, mit sich selbst und dem Verlauf der Begegnungen -, dann festigt diese allgemeine Zufriedenheit das Selbstvertrauen, und Unsicherheitsgefühle wirken sich kaum mehr störend aus. Negative Erfahrungen im zwischengeschlechtlichen Bereich, kombiniert mit einem schwachen Selbstwertgefühl, können jedoch schlimme Folgen haben. Psychologen beschreiben in diesem Zusammenhang ein psychisches Krankheitsbild, bei dem Menschen mit derartigen Unsicherheitsgefühlen jeden Kontakt zu anderen strikt verweigern.` Selbstbewußten Männern fällt es erwartungsgemäß leichter, Kontakt herzustellen und eine Frau anzusprechen, als unsicheren. Selbst bei experimentell in Szene gesetzten Begegnungen sprechen Männer nur dann das erste Wort, wenn sie selbstbewußt genug sind .21 Starkes Selbstbewußtsein kann sich auch störend auswirken. Selbstsichere Männer sind nämlich oft voreilig. Da diese auf das freundliche Verhalten einer Frau extremer reagieren als unsichere, fühlen sie sich verhältnismäßig schnell in einen vermeintlichen Flirt verstrickt und bitten um ein Rendezvous. Zu verdanken haben wir diese Erkenntnis dem Psychologen John Berman, der uns allerdings im unklaren darüber läßt, welche weiblichen Verhaltensweisen im einzelnen für die Männer als Maßstab ihrer Einschätzung dienten .Z9 Fest steht, daß körpersprachliches Verhalten dabei unberücksichtigt blieb. Unser Experiment bestätigt Bermans Erkenntnis auch auf diesem Sektor: Selbstbewußte Männer reagieren auf die Körpersprache von Frauen extremer als unsichere; das gilt für die Signale der Aufforderung ebenso wie für die der Abblockung. Unsichere Männer sehen im körperlichen Verhalten einer Frau weniger häufig freundliche Elemente als selbstbewußte. Unsere Versuchsteilnehmer reagierten auf manche Gesten, etwa auf die Oberkörperbewegungen, überhaupt nicht - und wenig Reaktion zu zeigen ist einer Kontaktanbahnung nicht unbedingt förderlich. Die Hemmung, sich einer Frau zu nähern, dürfte folglich bei schüchternen Männern unter anderem auch darin begründet liegen, daß deren Kontaktanbahnungen von weniger ermutigenden weiblichen Signalen begleitet werden, als es bei ihren selbstsicheren Geschlechtsgenossen der Fall ist, welche in allen weiblichen Regungen Anzeichen eines Kontaktinteresses sehen. Angenommen, es gibt eine innere Verrechnung der Signale, bei der Gefühle der Ambivalenz, des Hin- und Hergerissenseins, Kontaktanbahnungen einleiten oder verhindern, dann sorgen die zurückweisenden Signale bei schüchternen Männern für größeren Zweifel. So scheint abermals bestätigt zu werden, was Psychologen als ein grundlegendes Phänomen beschreiben: Menschen mit geringem Selbstwertgefühl nehmen alle Verhaltensweisen, egal, ob sprachlicher oder nichtsprachlicher Art, allzuschnell als Zurückweisung wahr." Die Befürchtung, von anderen negativ eingeschätzt, nicht genügend geliebt oder akzeptiert zu werden, dürfte ein wesentlicher Grund für geringe Selbsteinschätzung oder Schüchternheit sein." Als Folge dieses Gefühls, das einen Menschen während seiner sozialen Kontakte unweigerlich hemmt, wird auch die Körpersprache des anderen vor allem auf mögliche negative Signale »abgecheckt«. Sind objektiv gesehen kaum zurückweisende Verhaltensweisen erkennbar, wirken die eigenen Emotionen beim Entschlüsseln der Körpersprache richtungweisend: Man sieht Negatives selbst dort, wo es nicht vorhanden ist.
Menschen mit geringem Selbstwertgefühl machen es sich somit selbst schwer. Einschlägigen Veröffentlichungen ist zu entnehmen, daß gerade jene Menschen, die unter mangelndem Selbstbewußtsein leiden, besonders viel soziale Bestätigung brauchen. Bezogen auf Kontaktanbahnungen bedeutet diese Aussage, daß Schüchterne eine um so stärkere Abhängigkeit von positiven Signalen verspüren, sobald sie eine Anbahnung wagen wollen. Doch wenn sie freundlich gestimmte Körpersprache weniger wahrnehmen, akzeptieren oder auf sich beziehen können oder wollen, werden sie weibliches Aufforderungsverhalten mit besonders starkem Zweifel und großer Ambivalenz interpretieren und weibliche Kontaktinitiative als solche wohl kaum erkennen. Die Auswertung der Fragebögen zeigte, daß die Hemmung, mit einer Frau ins Gespräch zu kommen, nicht unbedingt auf Schüchternheit zurückzuführen ist. Und hier stießen wir auf ein interessantes Phänomen: Ausschließlich jene Männergruppe, die eigenen Angaben zufolge besonders starke Hemmungen hatte, eine Frau anzusprechen, wertete die weibliche Körpersprache gerade dort als abweisend, wo alle anderen Männergruppen, selbst die Schüchternen, aufforderndes oder zumindest neutrales Verhalten vermuteten. Eine bestimmte Oberkörperbewegung, bei der die Unbekannte sich kurz nach hinten lehnte, rief beispielsweise bei Männern mit Hemmungen negative Reaktionen hervor. Männer, die eine Frau nicht ansprechen würden, können oder wollen, sahen deren Körpersprache extrem pessimistisch. Nicht nur, daß sie die wenigsten Aufforderungssignale erkannten, sie reagierten auch am empfindlichsten auf zurückweisendes Verhalten. So läßt sich der Schluß ziehen, daß weniger die Schüchternheit als Persönlichkeitseigenschaft hemmend wirkt, als vielmehr die mangelnde Fähigkeit oder Bereitschaft, in der Körpersprache von Frauen stets Aufforderungssignale zu erkennen und auf sich zu beziehen. Es stellt sich die Frage, ob es sich bei diesen Männern nicht möglicherweise um knallharte Realisten handelt, die nur bei besonders eindeutigen Signalen eine Aufforderung erkennen. Erst bei gebündeltem Auftreten mehrerer Signale, etwa einem Nackenpräsentieren, kombiniert mit »Hair Flip«, Lächeln und Blickkontakt, waren sie sich sicher, daß Kontakt erwünscht sei. Weibliches Aufforderungsverhalten ist selten eindeutig. Die ambivalenten Gefühle einem Fremden gegenüber durchsetzen die Körpersprache auch stets mit abblockenden Verhaltensweisen. Die von schüchternen und unsicheren Männern benötigte überdeutliche und gänzlich unmißverständliche körpersprachliche Aufforderung zum Kontakt dürfte in der Realität wohl kaum gegeben sein. Bedeutend wird aber der Faktor »Zeit«. Schüchterne Männer brauchen, ebenfalls wie Männer mit Hemmungen und Ansprechschwierigkeiten, einfach länger, bis sie erahnen, daß eine Frau den Kontakt zu ihnen anstrebt. Wie die Abbildungen zeigen, unterschieden sich die Versuchspersonen gegen Ende, als die Unbekannte besonders zahlreiche und gemischte Signale übermittelte, in ihren Reaktionen in merkwürdiger Hinsicht: Die schüchternen Männer zeigten kaum mehr signalbezogene Reaktionen und schienen statt dessen das gesamtkörperliche Verhalten signalunabhängig als wenig kontaktauffordernd interpretiert zu haben. Beginnen schüchterne Männer irgendwann einmal zu »entscheiden«, bei einer Frau bestehe Interesse? Konzentrieren sie sich dann kaum mehr auf das eigentliche Körperverhalten? Oder aber sind sie bei einer derart einladenden Körpersprache überfordert? Letzteres scheint zutreffend zu sein. Während die Männer mit Ansprechproblemen einer extrem entgegenkommenden weiblichen Körpersprache noch gezielten Signalcharakter zuteilen konnten, verloren schüchterne Männer offensichtlich den Überblick. Fast könnte man meinen, sie seien von den Reizen weiblicher Körpersprache überflutet worden. Sie reagierten weder auf ein Lächeln noch auf Oberkörperbewegungen, noch auf Blicke. Frauen, die in Gegenwart eines schüchternen Mannes ihre »Flirtkunst« zur Höchstform bringen, werden diesen verwirren und in seiner Schüchternheit gar bestärken.
Wie sehen Frauen die Unbekannte an der Bar? Mit Ausnahme von fünf anderslautenden Aussagen (»zu aufdringlich«, »zu geübt«, »zu auffällig«, »zu offen«, »viele Frauen verhalten sich anders«) bezeichneten unsere Versuchsteilnehmerinnen das Verhalten der Unbekannten als typisch weiblich. Bei der Auswertung unserer Daten konnten wir somit von einer »vom weiblichen Geschlecht akzeptieren« Versuchsbedingung ausgehen. Was das Aussehen der Unbekannten anbelangte, waren sich Männer und Frauen weitgehend einig: attraktiv, erotisch, interessant. Spannend wurde es erst, als wir zu klären versuchten, wie nach Meinung von Frauen Männer das weibliche Geschlecht sehen. Unsere Ergebnisse stimmen mit denen anderer Untersuchungen überein:` Frauen unterstellen Männern größeres Gefallen an einer anderen Frau, als es der Tatsache entspricht. Dabei spielt die sexuelle Anziehungskraft eine wesentliche Rolle. Frauen vermuten, das männliche Interesse an Frauen werde maßgeblich von Erotik geleitet. Was im übrigen nicht ganz falsch ist! Unsere Versuchsteilnehmerinnen schätzten das männliche erotische Interesse an der Unbekannten jedoch noch wesentlich höher ein, als es die Männer selbst angegeben hatten. Wenn Frauen weibliche Körpersprache dahingehend beurteilen, wie auffordernd diese wohl auf Männer wirke, wäre eigentlich zu erwarten, daß sich die in der Fachliteratur beschriebenen Mißverständnisse zwischen Mann und Frau auch in diesem Punkt bemerkbar machten. Frauen dürften in ihrer Einschätzung zurückhaltender sein, zumal sie in Annäherungssituationen ohnehin vorsichtiger, wählerischer und abwartender vorgehen als Männer. Außerdem könnte man meinen, Frauen nähmen ihre eigene Körpersprache sensibler und genauer wahr als Männer, zum einen weil mehr Verständnis die Interpretation begleitet, zum anderen weil ihre grundsätzliche Überlegenheit in der Entschlüsselung der Körpersprache längst wissenschaftlich bestätigt worden ist. Folglich vermuteten wir, Frauen würden den Druckknopf, der das eindeutige Interesse der Unbekannten signalisierte, wesentlich später betätigen als Männer. In der Tat gab es, im Gegensatz zu etlichen Männern, keine einzige Frau, die im ersten Blick der Unbekannten irgendeine Kontaktbereitschaft wähnte. Ähnlich wie die männlichen Versuchsteilnehmer reagierten die Frauen zwar stets auf Blicke, in keinem Fall jedoch auf subtilere Flirtsignale wie das Nackenpräsentieren oder den »Hair Flip«. Entgegen unseren Erwartungen stellte sich heraus, daß sich weibliche und männliche Beobachter hinsichtlich ihrer Entscheidungen, ab wann bei einer Frau der Wunsch nach Kontakt vermutet werden darf, sonst nicht merklich unterschieden. So blieb die Frage zu klären, ob zwischen den Geschlechtern auch Übereinstimmung dahingehend besteht, wie das weibliche körperliche Verhalten im einzelnen zu beurteilen sei. Hier kristallisierte sich schließlich der zu erwartende Geschlechtsunterschied klar und deutlich heraus: Frauen sahen, obwohl sie Männern in der Entschlüsselung der Körpersprache weitaus überlegen sind, im Verhalten von Frauen dennoch wesentlich weniger auffordernde Verhaltenselemente als Männer. Sie registrierten zwar den »Hair Flip«, nahmen Oberkörperbewegungen wahr, erkannten ein Kleiderrichten, ein verlegenes Berühren der Haare. Diese Verhaltensweisen wollten oder konnten sie jedoch nicht als Flirt- und Kontaktsignale interpretieren. Es waren einzig die Blicke und das Lächeln, die Frauen als Schritte zwischengeschlechtlicher Annäherung akzeptierten. Betrachtet man die von den Versuchsteilnehmerinnen
durchgeführten Hebelbewegungen, möchte man meinen, hier hätte gar Desinteresse geherrscht. Die Ausschläge waren gering. Sogar die wenigen registrierten Signale, die Blicke, hoben sich nur unmerklich von dem allgemeinen Kurvenverlauf ab. Bei Frauen löste der Anblick weiblicher körpersprachlicher Reizung weniger heftige Empfindungen aus als bei den Männern. Eine mögliche Ursache wäre in der mangelnden »Begeisterung« für die Unbekannte beziehungsweise für den Vorgang der Kontaktanbahnung zu suchen. Dennoch, das geringe emotionale Engagement, das noch dazu einzig auf einer spekulativen Unterstellung beruht, erklärt nicht die Tatsache, daß die Frauen fast ausschließlich Blicken Signalcharakter zuordneten und überall dort, wo Männer klar umrissene Verhaltenselemente als auffordernd empfanden, »gelassen« reagierten. Ein leichtes Schrägstellen des Halses, ein leichtes Wippen mit dem Oberkörper, ein Spiel mit den Haaren - fast ausnahmslos stuften Frauen diese Verhaltensweisen in die Kategorie »neutral bis freundlich« ein; sie aber als Signal zu betrachten kam ihnen nicht in den Sinn. Auffallend ist, daß die Frauen bei unserem Experiment vor allem während der ersten beiden Minuten der Kontaktanbahnung kaum weibliches Aufforderungsverhalten zu erkennen meinten. Der erste Blick wurde, ebenso wie der zweite, nur äußerst geringfügig als einladendes Kontaktsignal bewertet. Vergleicht man hier die Reaktion beispielsweise mit der der erotisch angesprochenen Männer, wird besonders deutlich, wie unterschiedlich die ersten Blicke, die zwischen einem Mann und einer Frau hin- und herwandern, wahrgenommen werden. Er scheint in eine Alarmposition versetzt zu werden, sie hingegen empfindet den visuellen Kontakt mehr oder weniger als pure Zufälligkeit. Es ist dann kein Wunder, daß Frauen zwar registrierten, wie das Verhalten der Unbekannten stetig auffordernder wurde, den Grad des Anstieges jedoch als weniger stark empfanden als Männer.
Fazit Wie lassen sich diese eklatanten Geschlechtsunterschiede in der Bewertung weiblicher Körpersprache erklären? Männer sind stärker sexuell orientiert: Dieses Argument kennen wir. Lassen wir es als solches einfach stehen. Zu simpel ist dieser Ansatz. Männer können Körpersprache schlechter entschlüsseln: Diese Erklärung widerspricht eher dem Sachverhalt, als daß sie ihn erklärt, erwiesen sich die Männer doch als wesentlich »sensibler« in ihrer Beobachtungsgabe und nahmen feinfühliger Unterscheidungen in der weiblichen Körpersprache vor als die Frauen. Könnte eine etwaige mangelnde emotionale Beteiligung der Frauen schuld sein an ihrer undifferenzierteren Wahrnehmung? Ich meine, nein. Schließlich handelte es sich bei dem Experiment um eine Aufgabenstellung, deren Lösung auch von den Frauen mit Konzentration und einem gewissen Ehrgeiz in Angriff genommen wurde. Eine andere These könnte lauten: Frauen schauen Frauen weniger an, folglich können sie deren Körpersprache weniger gut entschlüsseln. Dieses Argument zu entkräften ist ebenfalls nicht schwierig. Frauen fechten, ebenso wie Männer, einen Konkurrenzkampf untereinander aus. Wer ist die Schönste, wer die Begehrteste? Was hat die andere, was man selbst nicht hat -
alles Fragen, die das weibliche Geschlecht von jeher sehr in Anspruch genommen haben. Genaueste Beobachtungen von potentiellen Konkurrentinnen beschränken sich bei weitem nicht auf das bloße Aussehen, auf die Figur, die Mode oder das Make-up. Körperliches Verhalten wird ebenso wie das sprachliche berücksichtigt. Eine verführerische, aufreizende Körpersprache, Flirten als wahre Kunst sehen wir im Film, im Fernsehen, sie wird in Büchern beschrieben - und bei der Arbeitskollegin, bei der Freundin und so weiter beobachtet. Die Frauen hatten das Verhalten der Unbekannten deutlich als Flirtverhalten identifiziert, die Signale dennoch nur geringfügig wahrgenommen. Um eine akzeptable Erklärung dafür zu finden, müssen wir uns abermals Sinn und Zweck von Signalen in Erinnerung bringen. Signale rufen durch ihre Auffälligkeit und Eindeutigkeit beim Empfänger Reaktionen hervor. Signale leben folglich unter anderem von der Wahrnehmung des Empfängers, und hätte dieser keine entsprechenden »Antennen«, wären Signale keine Signale. Über die notwendigen »Antennen« verfügt der Empfänger jedoch nur dann, wenn er auch entsprechenden Nutzen aus der Art seiner Wahrnehmung ziehen kann. So befinden wir uns wieder im soziobiologischen Argumentationsgeflecht, bei dem die Evolution der Kommunikation genau unter diesem Aspekt betrachtet wird: Welchen Nutzen zieht der Sender aus seiner Art zu senden, welchen der Empfänger aus der Art seines Empfangens, seiner Entschlüsselung, seiner Interpretation? Frauen sehen bei Kontaktanbahnungen im weiblichen Verhalten weniger Signalcharakter, empfinden weniger Verhaltenselemente als »außergewöhnlich« auffordernd, weil sie es schlicht und einfach nicht brauchen. Sie benötigen nicht die Wahrnehmungsschärfe eines Mannes, weil sie sich bei einem Annäherungsprozeß weniger von Signalen leiten lassen müssen, schließlich wird die Kontaktsuche meistens vom Mann aktiv vollzogen. Die »Aufgabe« von Frauen besteht in diesen sozialen Momenten in erster Linie im Senden, weniger im Empfangen. Sinn und Zweck dieses Sendens ist bekanntlich das erste Wegbereiten, quasi die Vorbereitung für eine zwischengeschlechtliche Annäherung. Die Beschaffenheit weiblicher Signalgebung erfüllt diese Aufgabe voll und ganz. Beim Homo sapiens wird somit fortgesetzt, was im Tierreich als Regel beschrieben wird. Signale der Beschwichtigung, der Aggressionshemmung entschärfen den Konflikt, der zwischengeschlechtliche Anbahnungen naturgegeben begleitet, und verleihen dem männlichen Geschlecht aufgrund dessen entsprechender Wahrnehmung Mut und Antrieb, sich dem weiblichen Geschlecht zu nähern. Zweifelsohne ziehen Männer - im soziobiologischen Sinne - Nutzen aus ihrer übersteigerten Wahrnehmung weiblicher Körpersprache, denn je mehr Signale der Aufforderung sie erkennen, desto eher wird ihnen die Hemmung genommen, und desto größer wird die Wahrscheinlichkeit eines Kontakts. So läßt sich auch erklären, warum Frauen Annäherungsschritte zwischen den Geschlechtern weniger ambivalent empfinden als Männer. Die Rolle der Abwartenden ist leichter zu spielen als die der Aktiven. Signale zu senden birgt nämlich ein geringeres Risiko des Gesichtsverlustes als eine konkrete Annäherung in Form einer Distanzschmälerung und einer Gesprächseröffnung. Das Wechselbad der Gefühle zwischen Aufforderung und Abblockung, dem Männer während ihrer Annäherungen unweigerlich ausgesetzt sind, können Frauen folglich auch nicht teilen. Zwar registrieren sie Signale der Abblockung, verleihen diesen dennoch zunächst geringere Bedeutung als Männer. Erst den späteren Abblockungsversuchen der Unbekannten maßen unsere Versuchsteilnehmerinnen entsprechende Bedeutung bei. Im Gegensatz zu den Männern bewerteten sie das Abwenden der Unbekannten selbst nach den vielen vorangegangenen freundlichen Signalen spontan als echte Zurückweisung. Es scheint, als prüften Frauen das Verhalten immer wieder auf neue und nähmen die einzelnen Verhaltensweisen separat als Maßstab, Männer hingegen verrechnen das eine Signal mit dem anderen - und wo soviel
Positives war, kann Negatives nicht mehr viel Einfluß haben. Für Männer wäre es wahrlich nicht sinnvoll, wenn sie sich immer wieder von zurückweisenden Signalen aus dem Konzept bringen ließen. Ihre Wahrnehmung scheint entsprechend eingleisig ausgerichtet zu sein. Kommunikation ist jedoch nicht einseitig auf den Profit des Empfängers ausgerichtet. Auch der Sender muß Nutzen aus der Art seines Sendens ziehen können, sonst wäre er dem Empfänger gegenüber stets im Nachteil. Die Evolution der Kommunikation duldet dieses Ungleichgewicht nicht. Was nützt es also Frauen, wenn Männer die weibliche Körpersprache so und nicht anders interpretieren? Wie kann es Frauen zum Vorteil gereichen, wenn Männer verhältnismäßig schnell und spontan dem weiblichen Ausdrucksverhalten Aufforderungscharakter unterstellen? Ursprünglich finden zwischengeschlechtliche Anbahnungen bei Tieren in der Regel nur zur Paarungszeit statt. Meistens sind es die Weibchen, die mittels unterschiedlicher Signalgebung, etwa Schwellungen im Genitalbereich, die Phase ihrer Fruchtbarkeit für die Männchen erkennbar machen. Der Konkurrenzkampf unter dem männlichen Geschlecht befindet sich während dieser Zeit erwartungsgemäß auf dem absoluten Höhepunkt. Beim Homo sapiens hingegen herrscht Verwirrung. Wie überhaupt kann hier verstärkter Wettbewerb unter Männern einen Sinn machen, wenn diese letztlich nicht wissen, ob sich der Aufwand auch lohnt? Fast könnte man meinen, die weibliche Körpersprache mit ihrem für den Mann einladenden und sexuell auffordernden Charakter habe die entsprechende Funktion der Wettbewerbssteigerung unter Männern übernommen. Ohne sich unbedingt darüber im klaren zu sein, erhöhen Frauen auf diese Weise die Qualität ihrer Auswahlmöglichkeiten bei der Partnersuche. Es ist erstaunlich, welche Aspekte im Rahmen derart »gewöhnlicher« menschlicher Momente wie einer zwischengeschlechtlichen Kontaktanbahnung berührt werden. Wir sind keine Tiere, wir sind im Besitz des wertvollsten sozialen Instruments, der Sprache, mit der wir uns eigentlich bequem über die Notwendigkeit des körpersprachlichen Austausches hinwegsetzen könnten. Mißverständnisse aufgrund spezifischer Signalgebung wären so leicht umgehbar. Wir könnten uns einfach dem anderen zuwenden und ihm sagen: »Hallo, ich möchte dich kennenlernen.« Dennoch tun wir es in der Regel nicht. Im Gegenteil, allzu häufig belassen wir es bei einem flüchtigen Blickwechsel, hinter dem die Sehnsucht nach näherem Kontakt verborgen bleibt. Wie oft sehen wir jemanden, der uns interessiert, gar fasziniert, und dennoch hüllen wir uns als sprechende und intelligente Wesen in eisernes Schweigen - meistens. Allzu vieles weist darauf hin, daß wir mit unserem Sozialverhalten ein uraltes evolutiv bedingtes Erbe in uns tragen. Auch bei unserer Partnerwahl gehen wir zum Teil nach stammesgeschichtlich geprägten Grundmustern vor." Kontaktanbahnungen stellen hier keine Ausnahme dar. Eines möchte ich jedoch klarstellen: All die beschriebenen Vorgänge einer zwischengeschlechtlichen Anbahnung ausschließlich soziobiologisch erklären zu wollen liegt mir fern, dennoch bin ich der Meinung, daß die Soziobiologie zur Klärung dieser sozial konfliktträchtigen Situationen einen ebenso originellen wie ein leuchtenden Beitrag zu leisten vermag und somit psychologische wie soziologische Thesen bereichern kann. Zweifelsohne erweckt die Soziobiologie auch Befremden, vor allem bei Laien. Schließlich wird hier unser ausgefeiltes Sozialverhalten, auf das wir manchmal so stolz sind, vor dem Hintergrund genetisch orientierter Rechenkalküle erbarmungslos »unromantisch« diskutiert. Wenn ich hier die Argumente von Soziobiologen anführe, dann mit dem unbedingten Hinweis, daß die oben beschriebenen Thesen ausschließlich auf jene
Situationen bezogen werden dürfen, in denen das Zusammentreffen von Männern und Frauen vor allem im Hinblick auf zwischengeschlechtliche Bindungen geschieht. Nicht jede Frau will, ob bewußt oder unbewußt, Männer ständig reizen. Und bei weitem nicht jeder Mann befindet sich in jeder Lebenslage auf der Suche nach sexuellen Partnerschaften. Wenn ich einen Mann auf der Straße anspreche, um den Weg zu erfragen, werde ich weder sexuelle Regungen noch Hemmungen und Ängste der Zurückweisung verspüren. Zwischengeschlechtliche Anbahnungen werden nur dann konfliktträchtig, wenn ernstere Absichten dahinterstecken. So finden wir die ausgesprochen signalgeladene Körpersprache insbesondere an jenen Ortlichkeiten, die für ein Kennenlernen und/oder Näherkommen geschaffen sind: in Bars, Diskotheken, bei Vereinstreffen und so weiter.` Die dort zu findende anonyme Geselligkeit fördert Kontakte, ohne sie zu erzwingen, und gerade das macht den Reiz aus. Hier kann man Akteur sein, sich zur Schau stellen, »wetteifern«, gleichzeitig aber auch nur als Beobachter Gefühle der Einsamkeit beiseite schieben. Insbesondere für junge Menschen, die sich im Zenit ihrer aktiven Partnersuche befinden, stellt diese Atmosphäre den geeigneten Hintergrund dar - und die meisten Beobachtungen, Beschreibungen und Veröffentlichungen von Anbahnungs- und Flirtmomenten konzentrieren sich auf diese Altersgruppe. So ist es wichtig, daß die zitierten und diskutierten Ergebnisse auch ausschließlich in diesem sozialen Kontext zu betrachten sind. Zweiter Versuch: Die Wartesituation mit dem Lockvogel Warten ist nur selten eine angenehme Beschäftigung. Denken wir an die typische Situation im Wartesaal einer Behörde, wo man sich die Zeit einzig mit der Beobachtung anderer vertreiben kann, die wiederum selbst gelangweilt nach Abwechslung Ausschau halten.
Auch unsere Versuchsteilnehmer mußten - im Dienste der Wissenschaft - warten. Der dafür vorgesehene Raum bot keine besondere Ablenkung, wohl aber unser Lockvogel Petra. Petra war keine auffällige Schönheit von der Art, wie sie auf den Titelseiten von Modezeitschriften locken, aber sie wurde von der Mehrzahl unserer Versuchsteilnehmer als durchaus attraktiv empfunden. Obwohl sie etwas älter war als der Durchschnitt der Männer, erschien sie so jung, daß sie für unsere »Versuchszwekke« geeignet war. Außerdem wirkten ihre gelassene Umgangsart und ihre angenehme Gesamterscheinung auf die Männer nicht einschüchternd. Das war wichtig. Unser letztes Experiment hatte nämlich gezeigt, daß bei zwischengeschlechtlichen Zusammenkünften eine überaus attraktive Frau aufgrund ihrer hervorstechenden Erscheinung den Mann derart einzuschüchtern vermochte, daß die Begegnung zum Scheitern verurteilt war." Für ihre Rolle als Lockvogel war Petra stets gleich gekleidet, gleich frisiert und gleich geschminkt. Ein ständig wechselndes Outfit hätte ihre Gesamterscheinung gewiß erheblich zu Lasten der Vergleichbarkeit der einzelnen Aussagen unserer Versuchsteilnehmer beeinflußt. Nicht zuletzt auch aus diesem Grund haben wir für Petra eine verhältnismäßig neutrale Kleidung gewählt. Unsere Inszenierung mit Petra schuf eine Ausnahmesituation für die Teilnehmer. Wann sonst sitzen ein Mann und eine Frau mit einem unsicheren und erwartungsvollen Gefühl gemeinsam an einem Tisch, noch dazu verhältnismäßig nahe, zusammen? Wann sonst sieht sich ein Mann völlig unverhofft mit einer ebenso unbekannten wie freundlichen/unfreundlichen Frau in ein lebhaftes/schleppendes Gespräch verwickelt - ohne eigenes Dazutun? Wie oft geschieht es, daß sich ein Mann mit einer derart plötzlichen und anscheinend unmotivierten Verhaltensänderung einer Frau auseinandersetzt - oder auch nicht?
Während der Wartezeit wurden die Männer manipuliert, sie wurden akzeptiert oder ignoriert, sie wurden in ihrem Selbstwertgefühl bestärkt oder gedrückt. Der Lockvogel war dazu in der Lage - sein wesentliches Mittel: die Körpersprache!
Wie entsteht der erste Kontakt?
Die romantische Begegnung Es mag befremdlich klingen, hier von »romantisch« zu reden. Doch den Psychologen ist es durchaus ernst damit, wenn sie die Faktoren ermitteln und analysieren, die bei einer Begegnung von Mann und Frau eine Rolle spielen. Neben den - hier vernachlässigten grundsätzlichen Motiven und dem äußeren Rahmen der Begegnung stehen vor allem auch die Persönlichkeitseigenschaften der Beteiligten im Blickfeld. Eine »romantische Beziehung« kann grundsätzlich im Rahmen von drei Größen eingeleitet oder behindert werden: Zunächst ist die generelle sexuelle Bereitschaft von Mann und Frau von Interesse. Die Psychologen nehmen in diesem Zusammenhang eine klare Trennung vor zwischen jenen Menschen, die sexuelle Affären eingehen, ohne dabei emotional involviert zu sein (unrestriktive Menschen), und denen, die vor sexuellen Begegnungen eine tiefere seelische Bindung entwickeln wollen (restriktive Menschen).` Eine Erstbegegnung zwischen Frau und Mann, bei der zumindest einer der beiden ein tiefer greifendes Interesse bekundet, bleibt von dieser sexuellen Grundhaltung nicht unbeeinflußt. Menschen mit einer sexuell unrestriktiven Haltung gehen zwischenmenschliche Kontakte schneller, spontaner und offener an als ihre restriktiven Mitmenschen, die zunächst einmal Vorsicht walten lassen. Die zwei weiteren Faktoren heißen »Extrovertiertheit« und »Selbstkontrolle«. Unter Extrovertiertheit verstehen Psychologen eine gewisse Offenheit für äußere und damit auch für soziale Reize. Ihre Reaktionen auf diese Reize versuchen extrovertierte Menschen weniger zu verbergen als die introvertierten, die nach innen gerichteten, verschlossenen Menschen. Personen mit hoher Selbstkontrolle sind ständig bemüht, ihr Verhalten im Griff zu haben. Gefühle der Unsicherheit dringen nur sehr vage nach außen. Menschen, die beide Eigenschaften in sich vereinen, sich sowohl extrovertiert als auch selbstkontrolliert geben, sind körpersprachlich ausdrucksvoller und werden daher von anderen bei Erstkontakten besonders positiv eingeschätzt." Eine ausgeprägte Körpersprache vermittelt schließlich viele Informationen. Und je mehr Informationen die Partner über sich preiszugeben bereit sind, desto schneller wächst die gegenseitige Vertrautheit. Das körperliche Verhalten ist somit in der Lage, den Grad der Intimität zwischen Mann und Frau zu regulieren, indem es je nach Situation intensivierend oder drosselnd wirkt. Die enorme Bedeutung der Körpersprache wird um so offensichtlicher, wenn man auf Ausdruck und Inhalt der Gespräche achtet, die Erstbegegnungen vor allem jüngerer Menschen
kennzeichnen.` Nach einem grundlegenden Informationsaustausch mit Worten wie: »Wie heißt du?«, »Woher kommst du?«, »Was machst du?« münden die Unterhaltungen nicht selten in ein Kauderwelsch, bei dem sich die Gesprächspartner gegenseitig ins Wort fallen, kaum einander richtig zuhören und statt dessen verbale Selbstdarstellung betreiben. Ob nun jemand extrovertiert, selbstkontrolliert und/oder sexuell restriktiv ist, wird für Psychologen anhand mehrerer Verhaltensindikatoren erkennbar. Sexuell restriktive Männer lächeln beispielsweise weniger in Gegenwart einer für sie attraktiven Frau. Auch wenden sie häufiger den Blick nach unten als die sexuell unrestriktiven. Übrigens werden letztere von Frauen im Durchschnitt als attraktiver eingeschätzt. Sexuell unrestriktive Frauen unterscheiden sich in einem körpersprachlichen Merkmal besonders stark von den restriktiven: Sie lehnen bei einem Gespräch ihren Oberkörper deutlich häufiger nach vorn und halten den Kopf länger und öfter geneigt. Mit anderen Worten: Frauen, die auf diese Weise körperlich extrem stark flirten, signalisieren so ihr sexuelles Interesse. Häufiges Lächeln sowie flirtende Blicke mit schräggehaltenem Kopf sind Ausdrucksweisen nicht nur der Männer, sondern vor allem auch der Frauen, die sich, extrovertiert, unter starker Kontrolle haben. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt bei zwischengeschlechtlichen Kontakten, wann und wie im einzelnen gelächelt wird. Lächeln ohne ein besonders flirtendes Blickverhalten verleiht der Beziehung lediglich den Touch von unverbindlicher Freundlichkeit. Lächeln in Verbindung mit flirtenden Blicken, die leichte Verlegenheit verraten, wird als Verlangen nach stärkerer Intimität und Gefühlen interpretiert. Für Frauen gilt als weiteres wesentliches Merkmal angestrebter emotionaler oder auch körperlicher Intimität das häufige Schräghalten des Kopfes." So gibt es offenbar einen engen Zusammenhang zwischen körpersprachlicher sexueller Reizung, Extrovertiertheit und Selbstkontrolle. Wo sich bei einer Frau körpersprachlich vermittelte Anreize mit einem Hauch von Arroganz und gleichzeitig gekonnter und kontrollierter Unnahbarkeit mischen, entsteht in seiner extremen Ausprägung das gefürchtete Objekt der Begierde vieler Männer: die »Femme fatale«. Treffen nun eine Frau und ein Mann aufeinander, die sich hinsichtlich der eben erwähnten Komponenten ähneln, wird diese Begegnung wahrscheinlich entsprechend positiv verlaufen: Zwei sexuell spontane, extrovertierte und selbstkontrollierte Menschen werden immer ein außerordentlich lebhaftes und verhältnismäßig spannungsgeladenes, weil intimes Gespräch führen. Nach der statistischen Erwartung werden sie viel zu lachen haben und sich in ihrer Lebhaftigkeit aufputschen. Zwei zurückhaltende, unspontane und restriktive Menschen wiederum werden ihre Begegnung weniger offen und humorvoll-verspielt gestalten. So können grundlegende Persönlichkeitseigenschaften zwischengeschlechtliche Begegnungen von vornherein mehr oder minder festlegen.
Die Taktik des Lockvogels Auch unsere Versuchsteilnehmer waren in vielerlei Hinsicht grundverschieden. Petra hatte sich jeweils auf extrovertierte, introvertierte, schüchterne, selbstbewußte, gesprächige oder stille Gesprächspartner einzustellen. Das war nicht immer leicht, zumal ihr ständig bewußt war, daß sie gefilmt wurde. Sie hatte sich mit der Rolle eines Lockvogels auseinanderzusetzen, und ihre Aufgabe bestand im versteckten Manipulieren. Sie mußte Begeisterung für Männer heucheln, die ihr oftmals gleichgültig waren. Gleichzeitig forderte sie das Lichtzeichen immer wieder zu einer unerbittlichen Zurückweisung des Mannes auf, die Petra besonders nach einer freundlichen Kontakteröffnung manchmal schwerfiel. Wenn sie flirtete und sich betont freundlich gab, signalisierte sie ihr Interesse nach allen Regeln der Kunst, wie es auch die Fachliteratur beschreibt und vorgibt: Sie lehnte sich immer wieder nach vorn, hielt die Arme ausgebreitet, gestikulierte, lächelte, forderte immer wieder zum Blickkontakt auf, strich sich während einer leichten Schräghaltung des Kopfes durch die Haare - und lachte geduldig, auch wenn ihr bei manchen der Männer gar nicht danach zumute war. Kurzum, sie versuchte, bei über hundert ihr unbekannten Männern das Zusammentreffen freundlich zu gestalten. Ab dem verabredeten Lichtzeichen, nach dem sie ständig unauffällig schielen mußte, zeigte sie sich konsequent und unerbittlich von ihrer ablehnenden Seite. Die Zurückweisung geschah in einer, zumindest für den Verhaltensforscher, offensichtlichen Eindeutigkeit: abruptes Wegdrehen des Oberkörpers, so daß dem Gesprächspartner nur noch die Körperseite zugewandt war, die Arme ebenso wie die Beine verschränkt, Kopf und Blick abgewandt. In ihrer extremsten Form der Zurückweisung stützte Petra ihren Kopf auf die Hände, so daß ihr Gesicht kaum mehr sichtbar war. Der plötzliche Wechsel von Zuwendung zu Abwendung vollzog sich auch auf der sprachlichen Ebene. Zunächst unterstrich Petra ihre Gesprächsbereitschaft durch Gesten wie häufiges bejahendes Nicken und konzentriertes Zuhören, zudem stellte sie viele Fragen und vermied längere Pausen. Dann aber gab sie sich wortkarg und bot ihrem Partner keinerlei weitere Gelegenheit, mit ihr ein halbwegs sinnvolles Gespräch zu führen. Petra war angewiesen worden, alle Männer auf dieselbe Weise zu behandeln unabhängig von ihren persönlichen Vorlieben für den einen oder anderen. Diese Standardisierung war eine wesentliche Grundbedingung für die statistische Gültigkeit späterer Ergebnisse. Einige Ausnahmen ließen sich jedoch nicht vermeiden. Ab und zu konnte sich Petra ein Lächeln nicht verkneifen, etwa als ein Teilnehmer plötzlich eine Banane auspackte und sie genüßlich zu verspeisen begann, während er gekrümmt in seinem Stuhl saß und dabei versonnen ins Leere blickte. Schwierigkeiten mit der Lockvogelrolle bereiteten ihr auch ein Theologe, der ihr aus der Bibel vorlas, sowie ein weiterer Proband, der unvermittelt eine Hühnerbrühe auftischte. Ein anderer lud Petra zu einem Wurfspiel für Kinder ein. Abweichungen von ihrem standardisierten Verhalten mußte Petra auch dann spontan vornehmen, wenn einer der Kandidaten im Begriff war, unsere versteckte Kamera zu entdecken. Sah er etwa mißtrauisch zum Regal hinüber oder stand er gar auf und wanderte im Raum umher, versuchte Petra auch in der Ablehnungsphase mit einem Gespräch abzulenken.
Das erste Wort Die Art der Gesprächseröffnung verrät mehr, als man annehmen möchte - vor allem bei Erstbegegnungen von Mann und Frau. Einige Spezialuntersuchungen zu diesem Thema haben ergeben, daß ein Gespräch eröffnet, wer sich emotional dafür verantwortlicher fühlt, eine Begegnung angenehm zu gestalten .4° Es sind dies oft Menschen, die es als grundsätzliche Aufgabe ansehen, eine Unterhaltung zu führen. Sie werden auch als »Architekten« des Gesprächs bezeichnet. Einen engen Zusammenhang zwischen Pflichtbewußtsein und der Fähigkeit, diesem auch entsprechend nachzukommen, sehen Forscher in einer hohen Intelligenz, aber auch im Charakter. Meist sind es die eher extrovertierten Persönlichkeiten, die ihre soziale Offenheit auch bei Begegnungen mit Fremden schnell nach außen tragen und das erste Wort sprechen. Die im allgemeinen auf Dominanz bedachten Männer versuchen in Gegenwart von Frauen meist das Gespräch zu kontrollieren," und als Mittel dazu sind ihnen neben zahlreichen Unterbrechungen und geschickten/ungeschickten Überleitungen zur eigenen Person und zu eigenen Interessensgebieten eben auch die Gesprächseröffnungen recht.` In einem früheren Experiment konnten wir feststellen, daß die Männer, die von einer Frau durchaus angetan waren, das Gespräch, wenn überhaupt, mit einer Frage einleiteten. Sprachen sie ihre Partnerin nicht direkt an, hielt sich auch ihr Interesse an der Frau in Grenzen. Wir betrachteten diesen Sachverhalt als einen wesentlichen Anhaltspunkt dafür, daß die Entscheidung, ob jemand gefällt, innerhalb weniger Sekunden vollzogen wird.^3 Eines steht fest: Damit sich Männer als Gesprächsarchitekten betätigen können, benötigen sie ein Mindestmaß an Selbstwertgefühl, andernfalls bleiben ihnen die Worte von Anfang an im Halse stecken. In unserem Experiment sollte Petra den Gesprächsbeginn den Männern überlassen. Den Schweigsamen durfte sie nach fünfzehn Sekunden ein wenig auf die Sprünge helfen. je nach Versuchsgruppe nahm Petra ihre Sitzposition ein. Lag die Abweisungsphase am Beginn der fünf Minuten Beobachtungszeit, hielt sie von der ersten Sekunde an die Arme verschränkt, Blick und Körper blieben abgewandt. Es herrschte dann eine recht unangenehme Atmosphäre im Raum. Offensichtlich sind Männer zu Beginn einer Begegnung sehr sensibel, bisweilen gar überempfindlich auf eine mögliche Zurückweisung eingestellt. Die Männer nämlich, die sich bei der Gesprächseröffnung im Wartezimmer auffällig zurückhaltend gezeigt hatten, waren nach ihren Angaben im Fragebogen - nicht gerade überzeugt, daß Petra mit ihnen einen Kaffee trinken gegangen wäre. Die hemmende Wirkung von Petras Körpersprache erwies sich auch darin, daß von den insgesamt dreiunddreißig anfangs unfreundlich behandelten Männern sich nur sieben zu einer Gesprächseröffnung entschließen konnten. Wie anders sah es aus, wenn die Wartezeit mit der freundlichen Phase begann! Das auffordernde körpersprachliche Verhalten unseres Lockvogels sollte ja die männliche Gesprächseröffnung erleichtern. Immerhin kamen hier einundzwanzig von insgesamt siebenunddreißig der körperlichen Aufforderung zum Gespräch nach. Dennoch hatten sechzehn Männer trotz aller gezeigten Freundlichkeit Schwierigkeiten, die Unterhaltung einzuleiten. Was waren die Gründe dafür? Ähnlich wie bei allen vorangegangenen von uns untersuchten zwischengeschlechtlichen Begegnungen konnten wir auch bei dieser Versuchssituation feststellen, daß weibliche Attraktivität auf die männliche Initiative hemmend wirkt. Denn es waren genau diese sechzehn Männer, die Petra besonders attraktiv und interessant fanden.
So läßt sich fast schon die Regel aufstellen: Attraktivität hemmt den Mann. Frauen, die attraktiv und interessant auf Männer wirken, werden weniger gern angesprochen - zu groß ist hier die Gefahr der Zurückweisung. Ausgesprochen einladend hingegen wirkt der Faktor »Freundlichkeit«, der auch im wesentlichen über das körperliche Verhalten vermittelt wird. Männer, die eine Frau als »nur« freundlich einstufen, nicht aber sonderlich attraktiv oder interessant finden, verspüren ihr gegenüber offensichtlich am wenigsten Hemmung. Dieser Zusammenhang ist übrigens hoch signifikant!
Die ersten dreißig Sekunden »Der erste Eindruck trügt selten« - so oder ähnlich urteilt der Volksmund. Und wissenschaftlich abgesichert ist dieser Ausspruch spätestens seit dem letzten, bereits mehrfach zitierten »Flirtprojekt«44 Hier konnten wir deutlich den ersten Eindruck, den Menschen voneinander bekommen, anhand ihres Verhaltens feststellen. Was jetzt bei dieser Untersuchung erstmals, mit Hilfe des Handhebels, herausgefunden werden sollte, war eine Antwort auf die Frage, ob und, wenn ja, inwiefern sich die Versuchspersonen bei der Aufnahme des ersten Eindrucks an der Körpersprache des Gegenübers orientieren. Mit anderen Worten: Wie schnell bilden sich Menschen eine Meinung über ihr Gegenüber aufgrund dessen Körpersprache? In unserem Fall standen wir bei der Frage nach der Bedeutung der ersten dreißig Sekunden vor dem Problem, daß die Männer, als sie die Körpersprache von Petra bewerteten, dies unter dem Einfluß der bereits, erlebten Erfahrung taten. Sie wußten ja, wie die Wartezeit abgelaufen war, und hatten in der Mehrzahl Petras Verhaltensänderung registriert. Wir befürchteten folglich, daß dieses Wissen die Versuchsbedingungen verfälschen könnte. Um so mehr erstaunten uns die Ergebnisse, denn sie verrieten trotz der ungünstigen Ausgangsposition, daß die weibliche Körpersprache zwei Faktoren gleich zu Beginn einer Begegnung klärt: Freundlichkeit und Nahbarkeit. Waren die Männer bereits während der ersten dreißig Sekunden des Zusammentreffens von Petras »Freundlichkeit« überzeugt unabhängig von ihrem tatsächlichen Verhalten -, dann stuften sie sie auch insgesamt überwiegend als freundlich ein. Ebenso wie sie Freundlichkeit äußerst schnell und sensibel erkannten, reagierten Männer auf körpersprachliche Unfreundlichkeit. Verschlossene und abweisende Körpersprache - wurde sie während der ersten dreißig Sekunden als besonders ablehnend empfunden - vereitelte bei den Männern auch bei nachfolgender Freundlichkeit eine Kehrtwende in der Einschätzung. Männer stuften nach ihrem ersten Eindruck die Gefahr einer möglichen Zurückweisung durch die Frau ein. Eng mit dieser Risikowahrnehmung verbunden war die registrierte Nahbarkeit. Auch dieser Faktor wurde während der ersten Sekunden der Begegnung wahrgenommen, innerlich verrechnet und vom weiteren Verlauf des Beisammenseins kaum mehr erschüttert. Wir können resümieren: Das Maß an Freundlichkeit und Nahbarkeit wird an der Körpersprache gemessen, wobei die Einschätzung dieser Faktoren gleich zu Beginn einer Begegnung erfolgt.
Der Kontakt Wir wollen keinem Mann unterstellen, er habe ernsthaftes und konkretes Interesse an Petra gehabt. Auch wenn im Fragebogen die Frage »Würden Sie Ihre Gesprächspartnerin gerne noch mal sehen?« von mehreren mit einem »Trifft sehr zu« beantwortet wurde, wollen wir annehmen, daß andere Motive die Männer zu dieser Antwort veranlaßten als die einer etwaigen sexuellen Bindung. Selbst wenn so manch einer der festen Überzeugung ist, zwischengeschlechtliche Begegnungen seien grundsätzlich sexuell gefärbt, gingen wir bei unseren Versuchssituationen davon aus, daß hier die sympathischen Gefühle bei den meisten Männern nur oberflächlicher Natur waren und von anderen Faktoren getragen wurden als von sexuellen. Insgesamt betrachtet schien die Wartezeit den meisten halbwegs gefallen zu haben. Einige Männer gaben an, ihre Wartezeit als »spannend« empfunden zu haben, lediglich elf Männer stuften sie als »unangenehm« ein. Männer verzeihen leicht - oder übersehen vieles, denn obwohl die meisten während der Hälfte ihres Wartens abweisend behandelt worden waren, stuften vierundneunzig Prozent ihre Gesprächspartnerin als überwiegend freundlich ein. Petras Attraktivität fand alles in allem durchschnittlichen Anklang. Zwei Männer erklärten sie für sehr attraktiv, drei für relativ unattraktiv. Auch das Interesse an ihr wurde mehrheitlich positiv gesehen, ebenso die empfundene Nahbarkeit. Selbstbewußte Männer fühlen sich als mögliche Rendezvouspartner allgemein begehrt, woraus folgt, daß sie anspruchsvoller werden. Bei Begegnungen mit Frauen brauchen sie eine entsprechend attraktive Partnerin, um Begeisterung zu spüren. Auch in unserer Studie konnten wir die männlichen Geschmäcker dem entsprechenden Grad an Selbstbewußtsein zuordnen. Unser Lockvogel gereichte den selbstbewußteren Männern kaum mehr zur Zufriedenheit. Sie fanden Petra nicht nur weniger attraktiv und weniger interessant, sie stuften auch die Wartezeit als unangenehmer und langweiliger ein als die schüchternen Männer. Daß selbstsichere Männer zumindest auf dem zwischengeschlechtlichen Sektor auch die wählerischeren und kritischeren sind, ist übrigens eine Erkenntnis, die auch andere Forscher schon beschrieben haben .45 Trotz dieser insgesamt positiven Gesamtbeurteilung äußerten nur dreiunddreißig Prozent der Männer den Wunsch, Petra nochmals zu sehen. Weitere neununddreißig Prozent konnten sich nicht entscheiden. Sieben Prozent lehnten ein Wiedersehen mit ihr gänzlich ab. Gemäß aller Erwartung neigten auch die Männer unseres Experiments zur außerordentlichen Selbstüberschätzung." Die meisten von ihnen waren nämlich der festen Überzeugung, Petra habe die Wartezeit mit ihnen genossen. Nur sechzehn Prozent überkam Zweifel - was eigentlich erstaunlich ist, waren sie doch alle energisch von Petra zurückgewiesen worden. Petras einladende Körpersprache verleitete die meisten Männer dazu, viel über sich selbst preiszugeben - übrigens ist das »Den-anderen-über-sichreden-Lassen« ein wesentliches Mittel zur Festigung der eigenen Dominanz. Zuhören ist, kommunikationsstrategisch gesehen, viel effektiver als Reden! Gesprochen wurde über allgemeine Dinge, über das Studium, den Wohnort, über München und das Studentenleben. Etliche spekulierten über den Versuch, an dem sie gerade teilnahmen. Einige Männer erzählten Petra von den Presseberichten über das frühere »Flirtexperiment«, bei dem mit versteckter Kamera gefilmt wurde, aber sie kamen nicht auf den Gedanken, daß ihnen das gerade selbst passierte.
Alles in allem gaben sich verhältnismäßig wenige Männer wortkarg. Die meisten sprudelten in ihrem Redefluß über und bestätigten somit eine typisch männliche Werbestrategie: verbale Selbstdarstellung. Meistens sprachen sie nämlich über sich selbst.
Weibliche Körpersprache und männliche Schlußfolgerungen Was wir bereits mit bloßem Auge erkannten: Petra konnte mit ihrer Körpersprache die Männer zu spezifischem Verhalten verleiten. Frauen lassen sich vom männlichen Verhalten übrigens deutlich weniger beeinflussen .41. Frauen, nicht die Männer sind somit als die »Architekten« eines zwischengeschlechtlichen Zusammentreffens zu bezeichnen, denn freundliche körperliche Zuwendung einer Frau lockt die Männer aus der Reserve. Mittels zugewandter und offener Körperhaltung, häufigen Blickkontakts und mehrfachen Lächelns konnte Petra die Männer dazu veranlassen, die verkrampfte und unsichere Körperhaltung aufzugeben, sich allmählich zu entspannen und sich ihr zuzuwenden, und zwar galt das für die Versuchssituationen, in denen Petra erst in der zweiten Hälfte freundlich wurde. Die Beurteilung der Körpersprache von Esther, der Unbekannten im Barfilm, erfolgte unter künstlichen, hypothetischen Bedingungen. Trotzdem zeigten sich die Männer bei dieser Aufgabenlösung als hypersensibel. Wenn es nun galt, die Körpersprache von Petra zu beurteilen, dann basierte diese Bewertung auf einem wirklich erlebten Ereignis. Wie empfindlich reagieren Männer auf das körperliche Verhalten einer Frau, wenn sie mit dieser in ein Gespräch verwickelt sind? So gestellt läßt sich diese Frage wohl kaum beantworten. Nur über einen Umweg kann man die männliche Sensibilität erforschen, wobei zu bedenken ist, daß dieser Weg in seiner experimentellen Form durchaus auch Nachteile hat. Wenn die Männer mit den Hebelbewegungen Signale als solche deklarierten, wenn sie bestimmte Verhaltensweisen als ablehnend, andere als freundlich einstuften, so bedeutete das noch lange nicht, daß sie auch während des Gesprächs die jeweiligen körperlichen Regungen entsprechend registriert und interpretiert hätten. Was vorher bei der leibhaftigen Begegnung mit Petra eher intuitiv, wenn überhaupt, zur Kenntnis genommen worden war, wurde bei diesem zweiten Versuch nun auf eine bewußte Ebene gehoben. Wir wollten nun erkennen, welche Verhaltensweisen im nachhinein als freundlich und welche als zurückweisend interpretiert wurden. Wir befanden uns sozusagen auf der Suche nach der etwaigen »internen« Verrechnung körpersprachlichen Verhaltens, die möglicherweise zu Gefühlen der Sympathie, Antipathie oder Gleichgültigkeit führt. Außerdem wollten wir die spezifische Feinfühligkeit von Männern erkennen und diversen, vom Fragebogen erfaßten Persönlichkeitseigenschaften gegenüberstellen. Vor allem aber wollten wir herausfinden, wie es um die in der Literatur beschriebenen Flirtsignale steht. Werden sie als solche erkannt, und wie werden sie bewertet? Körperliche Manipulationen und Täuschungen wurden nun groß und deutlich auf der Leinwand präsentiert. Vorgegebene Freundlichkeit ebenso wie gespielte Zurückweisung galt es nun, genau zu betrachten und zu beurteilen. Anders als bei der körpersprachlichen Bewertung der Unbekannten im Barfilm färbte bei diesem Experimentabschnitt freilich das Warteerlebnis selbst die Sichtweise. Der Barfilm erlaubte eine emotional verhältnismäßig unbeteiligte Bewertung weiblicher Körpersprache. Auch war dort die Beurteilung einfacher, die Signale, die die Unbekannte gesendet hatte, waren deutlicher und vom sonstigen
Verhalten schärfer abgegrenzt. Das galt insbesondere für das Blickverhalten. Der Lockvogel Petra hingegen befand sich beinahe ständig in Bewegung. Blickverhalten, Arm- und Beinbewegungen variierten schnell. Die grundlegenden Flirtsignale wie der »Hair Flip« oder »Head Akimbo«, wie die Oberkörperbewegungen nach vorn, das Lächeln und Lachen »absolvierte« sie jedoch in einer ausreichenden Eindeutigkeit. Gleichwohl verlangte die Beurteilung dieser rasch ablaufenden Körpersprache von den Männern nicht nur viel Sensibilität, sondern auch hohe Konzentration.
Reaktionen auf Signale Männer betrachten die Körpersprache einer Frau mit sehr unterschiedlicher Intensität und Feinfühligkeit. Viele unserer Versuchsteilnehmer reagierten auf jedes nur erdenkliche körpersprachliche Signal, andere wiederum schienen im weiblichen Verhalten keinerlei Auffälligkeiten erkannt zu haben. Sehen wir uns nun die Reaktionen auf die Signale im einzelnen an. Beginnen wollen wir mit der Kopfhaltung beziehungsweise der Blickrichtung. Blicke: Im Schnitt wandte sich Petra ihren Gesprächspartnern fünfunddreißig mal zu - die unfreundlichen Zeitabschnitte mit eingerechnet. Erstaunlich ist, wie unmittelbar und feinfühlig die Mehrzahl der Männer auf die Blicke ihrer Gesprächspartnerin reagierte. Was sich bereits bei der Unbekannten herausgestellt hatte, wurde hier nochmals bestätigt. Das Blickverhalten zählt im zwischenmenschlichen Bereich unumstritten zu den besonders wertvollen Indikatoren für Freundlichkeit, Zuwendung und Sympathie. Bereits bei unserem vorangegangenen »Flirtexperiment« konnten wir die enorme Wirkung von weiblichen Blicken auf Männer ausfindig machen. Visuelle Aufmerksamkeit ermutigt. Mit vielen Blickinitiativen können Frauen Männer zum Reden veranlassen. Schüchterne Männer verhindern jedoch längeren Blickkontakt, ebenso jene Männer, die Probleme haben, eine Frau anzusprechen. Die Länge von Petras Blicken hing nämlich vollständig von diesen beiden Faktoren ab. Diese Ergebnisse verraten übrigens, daß Männer mit Ansprechschwierigkeiten ihre Hemmungen offensichtlich auch dann noch verspüren, wenn das konkrete Ansprechproblem bereits überwunden ist. Abwenden des Blickes: Sehr sensibel nehmen Männer folglich auch wahr, wenn eine Frau ihren Kopf wegdreht. Seltene und kurze Blicke interpretieren Männer als untrügliche Hinweise darauf, daß sich eine Frau in ihrer Gegenwart langweilt. Aber auch die Männer empfinden Begegnungen mit einer Frau, die sie kaum ansieht, als ermüdend. Blickverweigerung der Frau läßt diese in den Augen der Männer unattraktiver werden. Außerdem sinkt die männliche Bereitschaft, sie wiederzusehen. Oberkörperbewegungen: Immer wieder stößt man in der Fachliteratur auf Ergebnisse, die häufige Oberkörperbewegungen nach vorn bei Frauen als eindeutige Hinweise für hohes Interesse an einem Mann beschreiben. Sender und Empfänger sind hier sozusagen einer Meinung. Auch Petra variierte ihre Position deutlich und unübersehbar: Mal hielt sie sich zum Mann nach vorne geneigt, mal setzte sie sich zurück. In der Tat riefen die Oberkörperbewegungen die heftigsten Reaktionen bei den Männern hervor. Kein anderes Signal wurde in so ausgeprägter Weise als freundlich und einladend empfunden. Männer nehmen diese Verhaltensweise in ihrer Aussagekraft angemessen zur Kenntnis.
Auch die Fragebögen enthüllten Aufschlußreiches: Je länger und je öfter Petra ihren Gesprächspartnern auf diese Weise zugeneigt war, desto weniger gaben die Männer im Fragebogen Schwierigkeiten mit Frauen an. Auch stand das Maß männlicher Schüchternheit in engem Zusammenhang mit Petras körperlicher Zuwendung. Es hat allgemein den Anschein, als könne die Frau durch einen entsprechenden Einsatz ihrer Körpersprache das männliche Selbstwertgefühl positiv beeinflussen. Bei Kontaktanbahnungen reagieren Männer am empfindlichsten auf die Blicke. Bei direkten Begegnungen mit einer Frau wird die Bedeutung des Blicks jedoch von Rang eins auf Rang zwei verwiesen. Blicke sind während eines Gesprächs mehr oder weniger Begleitprodukte. Die Funktionen sind nun anders gelagert. Blicke regulieren jetzt das Gespräch; sie signalisieren, daß man zuhört, daß man versteht - und daß man gewillt ist, die Unterhaltung weiterzuführen. Die Bedeutung des Blicks als Signal, als eine Art »seelischer Kick«, tritt folglich in den Hintergrund. Vorwärtsbewegungen hingegen verringern die physische Distanz, sie signalisieren ein absolutes Zuwenden, und verglichen mit dem Blickverhalten während eines Gesprächs, erfüllen nun die Oberkörperbewegungen alle Grundbedingungen eines Signals wesentlich stärker. Sie heben sich vom sonstigen Verhalten in besonderer Weise ab. Ohne sich über wissenschaftliche Ausführungen zur Signalgebung im klaren zu sein, bestätigten die Männer mit ihren Reaktionen auf das körperliche Verhalten einer Frau rundum ganz die ausgefeilten Theorien zur Signalwahrnehmung. Körperliches Abwenden: Sobald Petra ihre »unfreundliche Phase« einleitete, nahm sie ihren Gesprächspartnern gegenüber eine leicht abgewandte, schräge Körperposition ein. Wenngleich die Männer hier Anzeichen einer Zurückweisung wahrnahmen, geschah dies jedoch nur mit Einschränkung. Als wirkliche Zurückweisung mit den heftigsten »negativen« Reaktionen wurde erst das gänzliche körperliche Wegdrehen empfunden. Männer, so scheint es, benötigen äußerst klare und unzweifelhafte Signale der Zurückweisung, bis sie es wahrhaben wollen oder können, daß sie von einer Frau abgelehnt werden. Auch das Verschränken der Arme verstanden die Männer weitgehend richtig: Hier wird die Zurückweisung zum Ausdruck gebracht. Lächeln: Wir hatten das Lächeln als stärkstes und wirkungsvollstes soziales Signal beschrieben. Wir rechneten folglich mit eindeutigen Ergebnissen. Die Hebelbewegungen jedoch zeigten keinerlei Hinweise darauf, daß die Männer das Lächeln als Signal betrachteten. Im Gegensatz zu den Blicken schienen die Männer das Lächeln kaum zu bemerken. Ein Grund hierfür mag in der Konzentration auf das Blickverhalten liegen. Womöglich überfordert die gleichzeitige Reaktion auf Blicke und Lächeln (in der Regel tritt beides etwa zeitgleich auf) die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit des Betrachters. Daß das Lächeln von Petra dennoch einen gewissen Aussagewert für die Qualität der Begegnung hatte, enthüllte der Fragebogen: je länger und je öfter Petra ihre Gesprächspartner angelächelt hatte, desto attraktiver, freundlicher, vor allem aber interessanter war sie für die Männer. Diesen Zusammenhang konnten wir für die Länge der Blicke nicht finden. Häufiges und langes Lächeln steigerte im übrigen das männliche Bedürfnis, den Lockvogel nach dem Experiment zu einer Tasse Kaffee einzuladen. Lachen: Die Funktionen des Lachens und des Lächelns können unterschiedlicher Natur sein.
Wenngleich im Experiment die Hebelbewegungen auch hier keinerlei Anzeichen boten, daß das Lachen als Signal erkannt wurde, enthüllte der Fragebogen interessante Zusammenhänge: Lachte Petra Viel, vor allem aber lang anhaltend, empfanden die Männer die Wartezeit als spannend. Petra wurde durch häufiges Lachen in den Augen ihrer Partner zwar nicht attraktiver oder freundlicher, wie durch häufiges Lächeln, dafür aber interessanter. Lachen scheint eine zwischengeschlechtliche Begegnung anders zu beeinflussen als Lächeln. Beiden gemeinsam war indes der Effekt, daß sie die männliche Bereitschaft, Petra zu einem Kaffee einzuladen, steigerten. »Hair Flip«: Wenn sich eine Frau mit hocherhobenem Arm langsam und bedächtig durch die Haare fährt, den Kopf dabei in eine leichte Schräglage bringt, dann handelt es sich - nach der gängigen Meinung der Fachliteratur - eindeutig um den sogenannten »Hair Flip«, der von den Männern eigentlich grundsätzlich als Flirtsignal gewertet werden müßte. Die Ergebnisse unserer Untersuchung ergaben aber ein weitaus weniger deutliches Bild. Nur einundzwanzig Männer bewerteten den »Hair Flip« als positiv, vierundvierzig gar als negativ, und mehr als ein Drittel der Männer sah darin nicht einmal ein Signal! Womöglich bewerteten sie diese Bewegung als Automanipulation, als Ausdruck von Nervosität oder Verlegenheit. Wir versuchten nun zu klären, ob die Signalwahrnehmung irgendwie mit dem Grad der Begeisterung für Petra in Zusammenhang gebracht werden könnte - aber umsonst. Wir vermochten keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den diversen Persönlichkeitseigenschaften, dem Interesse an Petra und der Reaktion auf dieses Signal zu erkennen. Bei der Unbekannten hatten die Männer den »Hair Flip« noch eindeutig als Aufforderungsgeste interpretiert, bei Petra hingegen überwiegend als neutral, wenn nicht gar negativ eingestuft. »Head Akimbo«: Die Bedeutung des »Head Akimbo«, bei dem die Arme hinter dem Kopf verschränkt werden, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Zweifelsohne handelt es sich beim »Head Akimbo« um ein besonders deutliches Signal, das mehrere Funktionen haben kann. Durch das Anheben der Arme wird die körperliche Erscheinung vergrößert, der Brustbereich nach vorn geschoben, und gleichzeitig werden die Achselhöhlen freigelegt. Kirsten Kruck wertete den »Head Akimbo« als Versuch, sich damit aus Machtstreben größer machen und körperlich dominieren zu wollen." Das klingt zwar einleuchtend, aber gleichzeitig stellt dieses Armeverschränken hinter dem Kopf auch ein Öffnen des Brustbereichs dar, was nicht unbedingt der Machtgewinnung dient. Hier bieten sich vielmehr die sexuellen Aspekte als Erklärung an. Welche Rolle spielt die vieldiskutierte olfaktorische Komponente des »Head Akimbo«?49 Vor allem bei Männern sind in den beim »Head Akimbo« zutage tretenden Achselhöhlen jene Drüsen angesiedelt, die den Sexualduftstoff Androstenol abgeben. Soll auf diese Weise die eigene Duftmarke möglichst effektiv nach außen getragen werden? Geruch spielt trotz unseres relativ »verkommenen« Geruchssinns immer noch eine nicht unerhebliche Rolle im zwischenmenschlichen Bereich. Kaum etwas bleibt derart lang und intensiv in unserem Gedächtnis hängen wie eine Geruchsempfindung, und auf kaum einen anderen Reiz können wir mit so vielen Assoziationen reagieren, gleichgültig, ob es sich um angenehme oder unangenehme Gerüche handelt. Wenn der »Head Akimbo« jedoch olfaktorisch erklärt werden soll, dann gilt diese Art der Auslegung eher für Männer als für Frauen.
Was bislang kaum ein Verhaltensforscher in seine Überlegungen einbezogen hat, ist eine ganz naheliegende Erklärung: »Head Akimbo« streckt die Rückenmuskulatur und dient der Entspannung. Wie dem auch sei: Der »Head Akimbo« ist äußerst auffällig; wir alle üben ihn aus und konfrontieren unser Gegenüber weit aus öfter mit diesem körperlichen Gebaren, als wir uns bewußt sind. Wie wirkt der »Head Akimbo« - unabhängig von seiner Funktion - auf einen Mann? Die Frage ist mit einem Wort zu beantworten: uneinheitlich. Männer wissen offenbar ebensowenig wie die Verhaltensforscher, was sie von einem Verschränken der Arme hinter dem Kopf halten sollen. Einige empfinden es als einladendes und freundliches Signal. Andere, vor allem ältere Männer" werten es negativ. Eine ausgesprochen unangenehme Wirkung übt der »Head Akimbo« auf jene Männer aus, die von der Frau sonst recht angetan sind, sie also attraktiv und interessant finden. Womöglich interpretieren sie dieses körperliche Größerwerden als den erwähnten Wunsch nach Dominanz. Das will kein Mann! Als positives Signal interpretieren den »Head Akimbo« die Männer, die besonders deutlich auch auf alle sonstigen weiblichen Gesten reagieren. Auch aus der allgemeinen Einschätzung, wie Petra die Wartezeit wohl empfunden hat, lassen sich anhand der Fragebögen Rückschlüsse auf die Bewertung des »Head Akimbo« ermitteln. Männer, die davon überzeugt waren, Petra habe das Warten mit ihnen als angenehm empfunden, werteten dieses Signal als durchaus positiv und einladend. Männer, die in dieser Hinsicht Zweifel hegten, empfanden den »Head Akimbo« eher als Zurückweisung. Das alles läßt den Schluß zu, daß der »Head Akimbo« ähnlich wie der »Hair Flip« immer im Zusammenhang mit der jeweiligen Situation bewertet wird. Zusammenfassend können wir sagen: Was den einen begeistert, stößt den anderen zurück. Signale wirken situationsabhängig. Die Körpersprache funktioniert nicht wie ein festgelegtes Regelwerk oder wie eine Ampel, bei der die jeweilige Lichtfarbe stets die gleichen, streng festgesetzten Reaktionen auslöst. Flirtsignale sind nicht uneingeschränkt Flirtsignale!
Mißverständnisse der Männer Es wäre schön gewesen, wenn wir es bei den bisherigen Ergebnissen hätten belassen können. Was der Computer nach dem ersten Durchlauf an Daten ausgespuckt hatte, entsprach durchaus unseren Erwartungen: Einige Verhaltensweisen in der Körpersprache von Frauen haben für Männer Signalwirkung. Das Wegdrehen des Kopfes erkennen sie als Zurückweisung, das Hinwenden als Geste der Freundlichkeit. Besondere Aufmerksamkeit erwecken bei Männern die Oberkörperbewegungen nach vorn. Weitere Signale, vor allem die subtileren, werden je nach der Situation, in der sie auftreten, wahrgenommen. Im allgemeinen waren die Männer in der Lage, den Grundtenor von Petras Verhalten zu erkennen und adäquat einzuschätzen. Ferner fiel auf, daß die sozial aktiveren Männer das körperliche Verhalten von
Petra spontaner und richtiger einschätzten als die eher zurückgezogenen. Erfahrungswerte scheinen also eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen. So weit, so gut. Bei näherer Betrachtung tauchte eine gänzlich unerwartete Korrelation auf, deren Interpretation uns Kopfzerbrechen bereitete. Sie betrifft das eigentümliche Verhalten der Versuchsteilnehmer, je nachdem, ob Petra in der ersten oder in der zweiten Phase der Wartezeit ein unfreundliches Verhalten an den Tag legte. Sehr schnell reagierten die Männer mit Hilfe des Hebels, wenn die zweite Phase die freundliche war. Das leuchtete ein. Es stellte sich aber heraus, daß die Reaktion der Männer auf die plötzliche Verhaltensänderung von Petra im umgekehrten Fall kaum eine entsprechende Deutlichkeit aufwies. Nur sehr zögernd begannen nämlich die Versuchsteilnehmer, die doch recht abrupte und für den Verhaltensforscher überdeutliche Abwendung zu erkennen. Die unerwartet flach abfallende Reaktionskurve wurde zu einem Rätsel, hinter dem sich langsam unser Verdacht erhob, einem geradezu fundamentalen und daher enorm wichtigen Mißverständnis zwischen den Geschlechtern empirisch auf der Spur zu sein. Wie war es zu erklären, daß eine nicht unbeträchtliche Zahl unserer männlichen Versuchsteilnehmer das körperliche Verhalten Petras entweder nicht wahrnehmen wollte, konnte oder schlichtweg falsch einschätzte? Anders als bei der Bewertung des Barfilms, wo ein Überriß mit dem Handhebel allenfalls offenkundigen falschen Alarm bedeutete, der sich statistisch einordnen ließ, das Gesamtergebnis aber nicht beeinträchtigte, fanden wir nun eine verblüffende Trägheit der Reaktion auf die eindeutige Abweisung in der persönlichen Begegnung mit Petra vor. Von siebenundsiebzig Männern, die mit wechselndem Verhalten des Lockvogels konfrontiert worden waren, bewerteten fünfunddreißig Petras Verhalten richtig, zweiundvierzig Männer lagen mindestens einmal falsch, und zwar entweder in der ersten oder in der zweiten Hälfte der Wartezeit. Das ist mehr als die Hälfte! Vier Männer konnten oder wollten Petras plötzliche Freundlichkeit nicht wahrnehmen und fühlten sich abgewiesen. Die stärksten »Ausreißer« waren jedoch jene zwanzig Männer, die Petras abrupt zurückweisendes Verhalten überraschend als freundlich einstuften. Bei alledem ist noch zu bedenken, daß dreiunddreißig Männer erst in der zweiten Phase der Wartezeit unfreundlich behandelt worden waren. Wenn von diesen dreiunddreißig Männern zwanzig die Zurückweisung wie auch immer - übersahen, ignorierten oder falsch interpretierten, so ist das zumindest sehr auffällig. Was kennzeichnete diese Männer, die die weibliche Körpersprache offenbar mit einer Mischung aus Optimismus und Blindheit betrachteten? Leider konnten wir für diese Gruppe von »Falschheblern«, wie wir sie nannten, keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und ihren aus den Fragebögen ermittelten persönlichen Merkmalen feststellen. Weder waren es die extrem selbstbewußten noch die schüchternen, weder die jünge ren noch die älteren, weder die optimistischen noch die pessimistischen Männer, die bei der Bewertung weiblicher Körpersprache derart irrten. Damit mußten wir uns zunächst abfinden. Als vorläufige Erklärung für diesen eigenartigen Sonderfall konnten wir nur eines etwas resignierend festhalten: Was von Psychologen und Verhaltensforschern in mühevoller Kleinarbeit als einschlägiges Signalverhalten für Zurückweisung oder Hinwendung ermittelt und definiert wurde, ist offenbar nur mit gewissen Einschränkungen auf alle zwischengeschlechtlichen Beziehungen übertragbar. jedenfalls ist in kaum einer der diesbezüglichen Untersuchungen eine signalbezogene, subjektive Beurteilung durch Männer berücksichtigt worden. Das ist ein
möglicher Grund für die Ungereimtheit in unserem Versuch. Wenn man auf Anhieb auch nicht auf die Ursachen dieser Eigentümlichkeit stoßen kann, so lohnt sich vielleicht ein Blick auf die Folgen der verzerrten bis falschen männlichen Wahrnehmung. Wenn Männer die weibliche Körpersprache mißverstehen, bleibt das freilich nicht ohne Konsequenzen. Die erste Konsequenz liegt auf der Hand. Man kann unterstellen, daß den Männern der Sinn für die Realität fehlt. Unsere »Falschhebler«, die, optimistisch und opportunistisch, kaum eine Unterscheidung zwischen unfreundlichem und freundlichem Verhalten vornahmen, waren nach ihren Angaben im Fragebogen auch deutlich sicherer, daß Petra an einem nochmaligen Wiedersehen mit ihnen interessiert sei. Außerdem verspürten sie auch ein stärkeres Bedürfnis nach einem Wiedersehen bei Petra. Bei den »Richtigheblern« war das anders. Daraus könnte man die folgende Frage ableiten: Sehen Männer im körperlichen Verhalten einer Frau nur dann überwiegend freundliche Elemente, wenn sie ein besonders ausgeprägtes Kontaktbedürfnis zu ihr verspüren? Oder erkennen sie nur die körpersprachliche Freundlichkeit und wollen deswegen die Frau näher kennenlernen? Es scheint auf die alte Frage mit der Henne und dem Ei hinauszulaufen. Welches Motiv war vorher da? Wahrscheinlicher klingt die erste Interpretation - wenn man dabei an die Ergebnisse der Barfilmbewertung denkt, wo jene Männer, die von der Unbekannten besonders angetan waren, deren Körpersprache auch als entsprechend auffordernd und signalbetont einschätzten. Auch andere Möglichkeiten sind denkbar. Vielleicht sind beide Motive so miteinander verschränkt, daß sie sich dem analytischen Zugriff immer wieder entziehen. Eine vorläufige Schlußfolgerung läßt sich jedoch schon hier ziehen: Je nachdem, wie ein Mann die Körpersprache einer Frau wahrnimmt, schreibt er der Frau bestimmte Eigenschaften zu. Mit seiner Interpretation sinkt oder steigt seine Risikowahrnehmung, die Angst vor einer möglichen Zurückweisung. Nimmt er das körperliche Verhalten einer Frau überwiegend als freundlich wahr, kommt er schneller und unverrückbarer zur Überzeugung, sie sei an ihm interessiert - auf jeden Fall deutlicher als ein Mann, den selbst bei - oder trotz - noch so freundlichem Verhalten Zweifel überkommen.
Die Wartesituation im Film Weitere interessante Korrelationen ergab die statistische Verknüpfung der beiden Fragebögen mit den Hebelbewegungen. Wie beschrieben füllten die Männer ihren ersten Fragebogen unmittelbar nach der Wartezeit mit Petra aus. Nach der Wiederbegegnung mit Petra auf der Leinwand, die sie mit dem Hebel bewerteten, kam der zweite Fragebogen. So stellte sich nun die Frage, ob und, wenn ja, inwieweit sich das männliche Meinungsbild nach der intensiven und bewußteren Auseinandersetzung mit Petras gefilmtem Verhalten änderte. Nahmen die Männer nun vielleicht doch etwas zur Kenntnis, was ihnen während der wirklichen Begegnung entgangen war? Weit gefehlt! Offensichtlich beziehen Männer aus der weiblichen Körpersprache eine Menge Informationen, die, zumindest subjektiv gesehen, unerschüttert bleiben. Die Männer, die von Petra nach der Wartezeit äußerst angetan waren, interpretierten ihre Körpersprache als freundlicher und einladender als jene Männer, die nicht nur Petra, sondern auch dem Zusammentreffen selbst gegenüber distanzierter eingestellt waren. Die videotechnische Wiederholung der Begegnung im Wartezimmer vertiefte sogar
den einmal gewonnenen Eindruck: so etwa bei den Männern, die in der zweiten Hälfte des Wartens unfreundlich behandelt worden waren. Hier stießen wir auf einen aufschlußreichen Zusammenhang: Es schien, als ob die Männer Petra um so weniger gerne wiederbegegnen wollten, je deutlicher sie ihre Abweisung gespürt hatten. Unberührt jedoch blieb die Einschätzung der eigenen Attraktivität. Trotz der zweiten Konfrontation mit Petras ausgeprägter Unfreundlichkeit zweifelten die Männer in keiner Weise daran, daß Petra an einem Wiedersehen mit ihnen interessiert sei. Mit anderen Worten: Auch wenn Männern einmal bewußt wird, daß eine Frau sie im Laufe eines Zusammentreffens zurückweist, scheint das dennoch kaum ihr Ego zu berühren. Im übrigen überraschten die Ergebnisse kaum. Wer Petra von Anfang an eher unattraktiv eingeschätzt hatte, fühlte sich nach der Videovorführung in seinem ersten Urteil bestätigt. Männer, die Petra aufgrund geringer Attraktivität nicht mehr sehen wollten, bekundeten nach der Videobegegnung eine noch stärkere Ablehnung. Dieselbe Regel stellten wir für den Grad des Interesses fest. Fanden die Männer Petra interessant und wollten sie sie deshalb gerne wiedersehen, verstärkte sich dieser Wunsch, nachdem sie sich noch intensiver mit ihrer Körpersprache auseinandergesetzt hatten.
Sympathie gewinnen und verlieren Schweifen wir einmal ab: Es gibt etwas zwischen Männern und Frauen - einen Vorgang oder ein Moment im Zusammentreffen am Ende eines schwierigen Weges -, was so ergreifend ist, daß man es kaum in Worte fassen kann, ohne in kitschiges Pathos zu verfallen. Dieser Vorgang ist das Ferment jeder Liebesgeschichte, er rührt die Herzen von Lesern und Zuschauern nicht selten zu Tränen. Die französischen Liebesromane des neunzehnten Jahrhunderts lebten von ihm, Hollywood hat sich damit eine goldene Nase verdient. Und schon viel früher wußte man von ihm. Gleich, wie er dramaturgisch angelegt oder im Detail ausstaffiert ist, es geht im Prinzip immer wieder um dieselbe Sache: die Erfüllung. In etwas nüchterneren Worten: Eine Spannung liegt vor, die nach Entladung drängt, und wenn sich die beiden Akteure einer Liebesgeschichte zum unausweichlichen Happy-End in die Arme fallen, kann aufgeatmet werden. Aber um das Happy-End geht es gar nicht. Das wird stillschweigend vorausgesetzt. Der Reiz liegt im Weg dorthin, und von dem handeln auch meist die Bücher und Filme: Der glühende Verehrer versetzt Berge, um an seine Auserkorene heranzukommen, die ihn vor immer neue Aufgaben stellt. Und schließlich kann er sie doch noch überzeugen, obwohl erst alles dagegen sprach - das ist eine der einfacheren Varianten. Ein Liebespaar hingegen, das ohne Hindernisse zueinanderfindet, langweilt. Im Roman, im Kino, in der Realität. Das Verständnis für die Dramatik, sprich, die Tränen am Ende der Vorstellung hängt zusammen mit der Empathie, die wir zu empfinden vermögen, der Fähigkeit, uns in die Lage eines anderen zu versetzen und mitzufühlen. Die Fähigkeit zur Empathie ermöglicht uns aber nicht nur das Verständnis von großen Leinwanddramen, sondern führt auch direkt ins konkrete Alltagsleben - und in alle damit verbundenen zwischengeschlechtlichen Komplikationen. Eine davon wird im folgenden näher untersucht. Hat jemand ein Auge auf einen anderen Menschen geworfen und ist er daher sehr empfänglich für alle möglichen Reize und Signale des anderen, befindet er sich bald in einem Wechselbad von Spannungen, das man auch als »Ambivalenz« bezeichnen kann. Ambivalenz heizt die Gemüter an. Und es ist eine weibliche Spezialität, Ambivalenzen zu erzeugen und zu erhalten. Versteckt sich dahinter die überaus mächtige Dynamik der Beziehung zwischen den Geschlechtern?
Zwischen Großhirn und Gehirnstamm befindet sich das sogenannte limbische System. Von dort werden sowohl einige hormonelle Steuerungen als auch das vegetative Nervensystem beeinflußt. Die gefühlsmäßigen Reaktionen auf sämtliche Umweltreize haben hier ihren Ursprung. Daher wird diesem Bereich die grundlegende Verantwortung der Selbst- und Arterhaltung zugeschrieben. Der untere Teil des limbischen Rings ist vor allem für die Bereiche Flucht, Kampf und Kopulation zuständig. Ausdrucksweisen und Gefühlsreaktionen, die soziale Bindungen und Anpassungsfähigkeit fördern, werden vom oberen Bereich gesteuert. Bei der Aktivierung bestimmter Regionen des limbischen Systems werden beim Homo sapiens - wie auch bei anderen Lebewesen - unterschiedliche emotionale Regungen gleichermaßen ausgelöst, da die jeweiligen Aktivierungszentren dicht beieinanderliegen: Unruhe, freudige Erregung - aber auch sexuelles Interesses' Etliche Forscher haben sich schon bemüht, auf bisweilen wunderliche, aber dennoch effektive Weise diesen Zusammenhang experimentell zu erhellen. Die Resultate sind eindeutig: Männer sprechen ebenso wie Frauen auf das jeweils andere Geschlecht positiver an, wenn sie während oder vor der Begegnung auf irgendeine Art und Weise in einen Erregungszustand versetzt worden waren. Die Art der Erregung, ob Angst, Enttäuschung oder Wut, scheint dabei nur eine untergeordnete Rolle zu spielen.` Nun läßt sich diese Wechselwirkung von Emotionen und Erregung auch auf einen zeitlich beschränkteren Rahmen übertragen. Experimentell konnte nachgewiesen werden, daß ein plötzlicher Wechsel des Verhaltens beim Gegenüber entsprechende Sympathie zu wecken vermag, wie folgendes Beispiel zeigt: Ein männlicher Interviewer verhielt sich bei einem Versuch seinen weiblichen Befragten gegenüber zunächst unfreundlich, um sich dann nach zwei Minuten - höchst wirkungsvoll - von seiner liebenswürdigsten Seite zu zeigen. Andere Gespräche gestaltete er in umgekehrter Reihenfolge. Hier war er zunächst freundlich und setzte nach wenigen Minuten das Interview äußerst unfreundlich fort. Eine Kontrollgruppe wurde durchgängig wohlwollend behandelt. Nun zeigte sich, daß die Probandinnen der ersten Gruppe (unfreundlich, dann freundlich) für ihren Interviewer deutlich mehr Sympathie verspürten als die der zweiten Gruppe. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Frauen der ersten Gruppe hatten noch angenehmere Erinnerungen aus der Begegnung. Sie hatten es, nach ihrer subjektiven Meinung, fertiggebracht, den unsympathischen Interviewer freundlich zu stimmen. Die Versuchspersonen der zweiten Gruppe hingegen mußten sich mit der Frage plagen, was sie wohl falsch gemacht hatten, da sie plötzlich so unfreundlich behandelt wurden. Während die einen indirekt durch Gefälligkeit belohnt wurden, sahen sich die anderen eher einer sozialen Strafe ausgesetzt. Der wirklich aufschlußreiche und interessante Punkt dieses Experiments war jedoch das Resultat, daß die Kontrollgruppe den Interviewer weniger sympathisch fand als die erste Gruppe. Offenbar, so schlossen die Experimentatoren, fördern anfängliche Mißstimmigkeiten die Sympathie, sofern die Beteiligten die Chance haben, ihr ursprünglich gewonnenes Bild später zu revidieren - so wie es bei der ersten Gruppe der Fall war. Wie kann man sich diesen eigenartigen Unterschied erklären? Manche Psychologen meinen, eine gewisse Portion Stolz komme in uns allen auf, wenn wir durch ein bestimmtes Verhalten bei anderen Sympathie erwecken können. Verstärkt werden diese Empfindungen von Stolz natürlich, wenn wir sogar bei einem skeptischen, mißtrauischen und zurückweisenden Gegenüber freundliche Gefühle auszulösen vermögen. Dieser »Belohnungseffekt« wiederum ist sympathiefördernd. Im übrigen schließt dieser Ansatz die These der Erregungszustände nicht aus. Begegnen wir nämlich Menschen, die zunächst äußerst unfreundlich sind, dann geraten wir innerlich in Erregung darüber, womit wir die Unfreundlichkeit verdient haben.
Knüpfen wir damit wieder am Problem der Ambivalenz an. Es zeigte sich ja, daß sich der Zugewinn (engl. gain) an Sympathie bei vorangegangener Unfreundlichkeit in der Bilanz nicht gänzlich mit dem Verlust (engl. loss) verrechnen läßt. Es entsteht nämlich sozusagen ein Restwert an Sympathie - zumindest, wenn man die Kontroilgruppe aus dem oben erwähnten Beispiel mit einbezieht. Diesen Effekt bezeichnet man als »Gain-Loss-Effekt"«. Bei zwischengeschlechtlichen Begegnungen spielt er vermutlich eine wichtige Rolle, sind Zusammentreffen von Mann und Frau ohnehin meist konfliktgeladen. Der von einer Frau, die ihm noch dazu besonders gefällt, zurückgewiesene Mann wird in negativer Weise erregt, vielleicht frustriert. Seine Reaktion auf ihren plötzlichen Verhaltenswandel in Richtung Freundlichkeit müßte nach der Hypothese vom »Gain-Loss-Effekt« einen deutlichen Sympathiezuwachs für die Frau bedeuten. Im Zusammenhang mit der Ambivalenz heißt das: Die Zurücknahme von Sympathiebekundung zu Beginn einer Erstbegegnung bedeutet einen Zuwachs an Ambivalenz und ist daher wahrscheinlich auch eine effektvolle Strategie bei zwischengeschlechtlichen Erstbegegnungen. Wenngleich Elaine Walster lediglich nachweisen konnte, daß Männer wählerische Frauen (gemeint sind Frauen, die ihr wählerisches Verhalten mehr auf alle anderen als den »auserwählten« Mann selbst konzentrieren) bevorzugen 14 bin ich der Meinung, daß Frauen, die es Männern während der ersten »Werbephase« allzu leicht machen, ihr Ansehen beziehungsweise ihre Attraktivität aufs Spiel setzen. Auch wir wollten die Wirkung der Ambivalenz experimentell erforschen. Petras Ambivalenz war ihr Verhaltensumschwung nach zweieinhalb Minuten Wartezeit. Würden die Männer erwartungsgemäß reagieren? Folgendes kam dabei heraus: Petras Freundlichkeit wurde - am höchsten eingeschätzt, wenn sie durchgehend freundlich war, - am geringsten, wenn sie plötzlich unfreundlich wurde. Ihre Attraktivität war für die Männer - am höchsten, wenn sie durchgehend freundlich war, am geringsten, wenn sie unfreundlich wurde. Das männliche Interesse an ihr war - am stärksten, wenn sie durchgehend freundlich war, - am geringsten, wenn sie unfreundlich wurde. Ihre Nahbarkeit wurde - am stärksten empfunden, wenn sie durchgehend freundlich war, - am geringsten, wenn sie unfreundlich wurde. Der Wunsch nach einem nochmaligen Treffen mit Petra war - am höchsten, wenn sie durchgehend freundlich war, - am geringsten, wenn die Begegnung unfreundlich endete. Petra unterstellten sie Interesse an einem Wiedersehen - am ehesten, wenn sie plötzlich freundlich wurde, - am wenigsten, wenn sie unfreundlich wurde. Soweit einige Ergebnisse. Die These vom »Gain-Loss-Effekt« hat sich ein Stück weit bestätigen lassen. Aber nicht ganz. Bestätigt wurde sie insoweit, als der Mann der
ambivalenten Frau ein höheres Interesse an ihm unterstellt als der durchgängig freundlichen. Für jeden Mann mag diese Komponente von Bedeutung sein. Die Gewißheit des weiblichen Augenmerks senkt seine Risikowahrnehmung und schmeichelt seinem Ego, zugleich steigt sein Interesse an ihr. Nicht bestätigt hat sich die These in den anderen Korrelationen. Das heißt nicht, daß sie widerlegt ist. Unsere Fragebögen geben einfach keinen Aufschluß darüber. Daher lassen wir sie vorerst beiseite, ziehen nur die Aufzeichnungen des Computers heran und untersuchen sie in bezug auf Petras Verhalten. Wie reagierten die Männer mit dem Handhebel, wenn Petras Verhalten durchgehend freundlich war? Ganz einfach: Die Männer reagierten im Laufe der Zeit immer weniger, so als stumpften sie gegenüber dem Reiz der Freundlichkeit langsam ab. Vor allem die Blicke und die Oberkörperbewegungen, an sich die wichtigsten Signale, verloren ihre Effektivität im Verlauf der Begegnung vollständig. Der Gewöhnungseffekt tat seine Wirkung! Noch deutlicher wurde dieser Spannungsverlust am Bild der Regressionskurven. Während die Männer Petras Verhalten hier fast schon als neutral, das heißt langweilig, beurteilten - zu erkennen an der nur schwachen Steigung -, rief Petras plötzlicher Umschwung sofort Reaktionen hervor. Auch wenn die Unterhaltungen nett und freundlich verliefen, schienen sich Petra und die Versuchsteilnehmer nur in seltenen Fällen wirklich näherzukommen. Sicherlich trug die gekünstelte Atmosphäre der Wartesituation dazu bei, daß das notwendige Kribbeln zwischen den Gesprächspartnern nicht oder kaum aufkommen konnte. Dennoch: Beginnt eine zwischengeschlechtliche Begegnung mit einer starken männlichen Reaktion auf die weiblichen Signale, nimmt dann aber seine Aufmerksamkeit für ihre Körpersprache bereits nach wenigen Minuten deutlich ab, so erscheint mir das für die Beziehung fast schon als ein Armutszeugnis, denn dann paart sich anspruchslose Freundlichkeit mit aufkommender Langeweile. Freundlichkeit allein scheint nicht die Basis für eine »reizvolle« Begegnung von Mann und Frau zu sein. Aber es zeigten sich im Versuch auch Ausnahmen. So gab es zehn Männer, die die gesamte Begegnung hindurch in Petras Verhalten zunehmend freundliche Elemente erkannten. Warum? Die Fragebögen geben Auskunft. Diese zehn Männer fanden Petra nahbarer, freundlicher und interessanter. Sie waren stärker davon überzeugt, daß Petra an einer Tasse Kaffee mit ihnen interessiert sei, und bekundeten auch ein stärkeres Interesse an einem Wiedersehen. Obwohl diese Ergebnisse nur auf einer geringen Anzahl von Daten beruhen, sind sie dennoch aufschlußreich für mich. Damit ihre Körpersprache als durchweg freundlich und auffordernd empfunden werden kann und nicht im Laufe der Begegnung zu Desinteresse führt, ist ein Minimum an Begeisterung, an Interesse für die Frau vonnöten. Eine Frau, die einem Mann von Anbeginn auf irgendeine Weise gefällt, vermag mit ihrem körperlichen Verhalten diese Begeisterung zu steigern. Fehlt hingegen der erste »Kick«, dann übt auch eine ausdrucksstarke Körpersprache kaum noch einen positiven Einfluß auf die männliche Urteilsbildung aus. Unsere Wartezeit im Experiment dauerte fünf Minuten - eigentlich ein kurzer Zeitraum, aber doch lang genug, um eine anfängliche Spannung zwischen Petra und ihren Partnern verschwinden zu lassen. Im übrigen konnten wir eine weitere Korrelation ermitteln, die den »Gain-Loss-Effekt« indirekt bestätigt. Diejenigen Männer, bei denen Petra erst im zweiten Abschnitt der Wartezeit freundlich geworden war, gaben in den Fragebögen geringere Schwierigkeiten mit
dem Gegengeschlecht an als jene Männer, die durchgehend freundlich behandelt worden waren. Die größten Probleme hatten diejenigen Männer, die nach anfänglicher Freundlichkeit mit Zurückweisung aus der Wartesituation entlassen wurden. Es drängt sich der Eindruck auf, daß das männliche Selbstwertgefühl stark situationsabhängig ist und äußerst empfindlich auf das Verhalten einer Frau reagiert.
Eine Gegenprobe: Weibliche Körpersprache und weibliche Schlußfolgerungen Da die männlichen Versuchsteilnehmer sich generell nicht als Meister im Wahrnehmen und Erkennen von Signalen der subtilen Ermutigung, vor allem aber der Zurückweisung, erwiesen, stellt sich auch im Rahmen unserer eher auf Männer zugeschnittenen Versuchsanordnung die interessante Frage nach der weiblichen Beobachtungsgabe. Schätzen Frauen die körpersprachlichen Ausdrucksweisen einer Frau ähnlich ein wie Männer? Einige Hinweise hatten wir bereits bei der Auswertung ihrer Reaktionen auf die Unbekannte im Barfilm erhalten. Dort war aufgefallen, daß die dreiunddreißig Frauen der weiblichen Kontrollgruppe verhältnismäßig gering auf die einschlägigen Flirtsignale reagierten. Die Lockvogelfilme waren ebenfalls mit Hilfe von Fragebögen und mit dem Hebel von den Frauen danach zu beurteilen, ob Petras Verhalten den Männern gegenüber freundlich oder unfreundlich sei. Bereits die Antworten im Fragebogen zeigten, daß die Frauen auf Petras unfreundliche Phasen sehr deutlich reagierten. Auch stuften sie Petras Verhalten insgesamt als unfreundlicher und unnahbarer ein als die Männer. Dagegen werteten sie das Interesse von Petra in der Phase »unfreundlich - freundlich« wiederum ähnlich wie die Männer. Die Wahrscheinlichkeit, daß Petra Gefallen an der Begegnung mit dem Mann hatte und daß sie ihn wohl noch mal wiedersehen wollte, schätzten die Frauen, die die Phase »freundlich - unfreundlich« gesehen hatten, etwas geringer ein als die Männer. Diese Ergebnisse deuten auf den ersten Blick darauf hin, daß Frauen in ihrem Urteil stärker auf Signale der Abwehr ansprechen - entweder weil sie diese besser wahrnehmen oder weniger verdrängen. Es lohnt sich also ein genauerer Blick auf die einzelnen »Hebelergebnisse«. Weder Blicke noch Oberkörperbewegungen, geschweige denn ein »Hair Flip« oder ein »Head Akimbo« wurden von den Frauen der Kontrollgruppe als freundliche und einladende Signale bewertet. Während bei der Beurteilung des körperlichen Verhaltens der Unbekannten die Frauen immerhin einen gewissen Aufforderungscharakter erkannten, fiel ihnen am Verhalten von Petra überhaupt nichts Besonderes auf. Für die mögliche Funktion der Körpersprache als Sympathievermittlerin, als Trägerin von Flirtsignalen waren die Frauen erstaunlich unempfänglich, wenn nicht gar blind! Die weibliche Kontrollgruppe, welche die Bewertungen der Männer als entweder mangelhaft, übertrieben, untertrieben oder wie auch immer hatte entlarven sollen, verblüffte uns durch die Nüchternheit ihrer Einschätzung, denn die besagte schlicht: Hier sitzt eine Frau (Petra), die sich auf ganz gewöhnliche Weise mit einem Mann unterhält. Keine Spur von aufregendem Flirt! Sowenig die Frauen der Kontrollgruppe die überaus starke Sensibilität auf weibliche Signalgebung in den freundlichen Momenten mit den Männern teilten, so ausgeprägt und empfindlich reagierten sie auf die Signale der Zurückweisung. Sie maßen der
körpersprachlichen Abfuhr deutlich mehr Bedeutung bei als die Männer. An dieser Stelle zeigte sich, daß Frauen die weibliche Körpersprache signalbezogen wahrnehmen können. Auch hier überraschten die Ergebnisse. Denn nur in den ansonsten unfreundlichen Momenten registrierten sie sensibel Petras Blicke und Oberkörperbewegungen als freundliche Signale. Wenn es tatsächlich zutrifft, daß Männer einer körpersprachlichen Zurückweisung verhältnismäßig wenig Beachtung schenken, erhärtet sich angesichts dieser Kontrollergebnisse der Verdacht eines grundlegenden körpersprachlichen Mißverständnisses zwischen Männern und Frauen. Fast scheint es, als erwiesen sich die Frauen bei den Tests, wo es um die Bewertung von Verhaltensänderungen ging, wieder einmal als die besseren Entschlüsseler der Körpersprache ;'Sensibler und schneller erkannten sie, wenn Petra plötzlich freundlich wurde. Sie bewerteten den plötzlichen Umschwung zur Freundlichkeit gleich fünfmal positiver als die Männer. Zu bedenken ist jedoch, daß die Frauen nur im »trockenen« übten, ohne die unmittelbare Erfahrung einer Wartezeit mit dem Lockvogel. Sie waren daher auch nicht unmittelbar dem plötzlichen Verhaltensumschwung von Petra ausgesetzt, der etliche männliche Versuchsteilnehmer sehr beunruhigt hatte. Wir können also die allgemeinen Aussagen treffen: Sind Frauen Männern gegenüber zu Beginn einer Begegnung körpersprachlich freundlich und einladend, erweckt dieses Gebaren beim Mann, vor allem wenn er an der Frau interessiert ist, einen besonderen Reiz dadurch, daß er im weiblichen körperlichen Verhalten immer wieder Signale erkennt, die den auffordernden Charakter der Körpersprache steigern. Frauen sehen in anfänglicher Freundlichkeit einer Frau keinerlei ausgeprägten Aufforderungscharakter, der durch Signale vermittelt wird. Ihre Sensitivität ist vor allem auf das körpersprachliche Zurückweisen ausgerichtet.
Fazit Die bisherigen Befunde lassen sich mit den in solchen Fällen üblichen Einschränkungen auch verallgemeinern. Unsere Daten erlauben auf der einen Seite den Schluß, daß weibliche körpersprachliche Ambivalenz einen Mann zu der Annahme verleitet, die ambivalente Frau bekunde damit ein erhöhtes Interesse an ihm - sofern er ihre Ambivalenz für sich nutzen und ihre Sympathie erlangen konnte. Zu dieser Annahme gelangt er weniger, wenn die Frau gleichbleibend freundlich ist. Männer, die sich selbst als im Umgang mit Frauen unbeschwerter einschätzen, sprechen auf den Genuß des Belohnungseffekts durch die Verwandlung von Ambivalenz in Zuwendung deutlich stärker an. Auf der anderen Seite wird eine ambivalente Frau nicht deswegen unbedingt als attraktiver, freundlicher und interessanter eingestuft, wenn sie zunächst unfreundlich und dann freundlich ist, es sei denn, der Mann ist ohnehin von ihr höchst angetan. Der »Gain-Loss-Effekt«, so wie ihn die Fachliteratur beschrieben hat, scheint also lediglich unter dieser Bedingung seine sympathiefördernde Wirkung auszuüben.
Ernste Folgen Das Miteinander von Männern und Frauen kann ungeheuer kompliziert sein. Ständig liegen Mißverständnisse in der Luft, vor allem körpersprachliche. So gut die Körpersprache zwischen den Geschlechtern zu vermitteln vermag, so anfällig ist sie auch für den »Mißbrauch« durch Täuschung und Verschleierung. Allerlei Täuschungsstrategien finden wir bei der Partnerwahl - und alles spricht dafür, daß das körperliche Verhalten gerade in diesem Bereich für äußerste Spannung sorgt. Vor allem die ausdrucksstarke Körpersprache von Frauen bietet immer wieder Anlaß zu allerlei Mißverständnissen, da sie auf Männer wie ein »Kick« wirkt, sie direkt anspricht. Die männliche Wahrnehmung ist, anders als bei Frauen, signalbezogen und signalbetont, kurz: Männer reagieren viel stärker auf die Reize der Körpersprache. Was gemeinhin als »Machoverhalten« gilt Nachpfeifen auf der Straße, lüsterne Blicke -, hat wahrscheinlich weniger mit männlicher Überheblichkeit, als vielmehr mit dieser ausgeprägten Signalwahrnehmung, einer grundsätzlich männlichen Eigenschaft, zu tun. Gerade das scheinen viele Frauen nicht zu wissen oder nicht wissen zu wollen. Insgesamt gesehen stellt dieser Sachverhalt eine ungünstige Ausgangslage für die meisten sozialen Situationen dar, in denen Männer und Frauen miteinander umgehen. Denn wo Mißverständnisse auftreten, sind Konflikte nicht weit, die im zwischengeschlechtlichen Bereich nicht selten auf äußerst ungute Art und Weise ausgetragen werden. Wenn sich diese Mißverständnisse schon unter den harmlosen Bedingungen unseres Experiments überdeutlich abzeichneten, liegt die Vermutung nahe, daß sie sich unter »natürlichen Bedingungen« in ihrer nachteiligen Wirkung potenzieren. Unter »natürlichen Bedingungen« verstehen wir sowohl die »klassischen« Orte und Gelegenheiten der Partnersuche bei jungen Menschen, also Bars, Diskotheken, Partys, Feste, als auch die Orte des mehr oder weniger gezwungenen Zusammentreffens wie etwa Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Dort spielt nämlich ein Faktor eine wesentliche Rolle, der im Versuchsraum vernachlässigt bleiben mußte: die Sexualität. Verbindet man die Einsicht, daß praktisch jede zwischengeschlechtliche Begegnung für Männer eine deutliche sexuelle Komponente besitzt,' mit unseren Ergebnissen, dann haben wir eine brauchbare Grundlage dafür, einige der unerfreulichen Erscheinungen im Zusammenleben von Männern und Frauen wenigstens ansatzweise zu erklären.
Verbale Aggression, körperliche Übergriffe Zurückgewiesene Männer kompensieren ihre Enttäuschung nicht selten durch aggressive Handlungen verbaler oder körperlicher Art. Überall, wo die Geschlechter durch die äußeren Umstände enger miteinander interagieren, häufen sich die Berichte über »Unstimmigkeiten« aber das ist eher eine milde Umschreibung der Tatsachen. Aggressive Übergriffe geschehen meist am Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Die dort herrschenden Abhängigkeitsverhältnisse erleichtern so manchem ranghohen Chef den schnellen und kurzfristigen Ausstieg aus dem meist verschmähten Ehealltag. Schon der angeblich freundliche Klaps auf den Po der Sekretärin oder Kollegin ist eine Art sexueller
Stimulanz für den Mann und eine grobe Beleidigung für die meisten Frauen. Bei sexuellen Übergriffen in Büros und Betrieben spielen jedoch noch Faktoren mit, die wir im Rahmen dieser Untersuchung nicht ausführlich behandeln können, da sie mehr mit den spezifischen Sozialstrukturen innerhalb eines Betriebes zu tun haben und daher besser soziologisch erfaßt und interpretiert werden sollten. Für uns sind die Begebenheiten von Bedeutung, bei denen sich die Geschlechter auf einer freiwilligen Grundlage begegnen und sich von dem Zusammentreffen auch möglichst Angenehmes erhoffen. In unserem Kulturkreis spielen die zwanglosen Begegnungen an öffentlichen Orten wie zum Beispiel Bars eine wichtige Rolle.' Haben sich zwei Menschen, auf welche Weise auch immer, kennengelernt, bezeugen sie ihr Interesse aneinander in der Regel durch eine private Verabredung zum Essen, Trinken, Tanzen, Kino und so weiter. Das Rendezvous hat im großen und ganzen die Funktion, mit Hilfe bestimmter Strategien zu Entscheidungen bei der Partnersuche zu kommen. Damit ist es eine ideale Spielwiese für Eigenwerbung aller Art und besonders für fast das gesamte Repertoire der Körpersprache. Leider nehmen nicht alle Rendezvous einen für beide Beteiligten erfreulichen Verlauf. Für einen Mann mag es bisweilen eine herbe Enttäuschung bedeuten, wenn er statt der erhofften Zuwendung einen Korb erhält. Diese Erfahrung dürfte jedem Mann vertraut sein. Aber nur relativ wenige Männer werden sich in die Lage einer Frau versetzen können, die im Laufe eines Rendezvous vergewaltigt wurde.
Date Rape Aus den USA stammt der eigentümliche Begriff »Date Rape«. Er bedeutet soviel wie »Rendezvous-Vergewaltigung«; er läßt sich aber nicht sinnvoll eindeutschen, was vielleicht auch gut ist. Im nordamerikanischen Kulturkreis hat der Begriff »Date« eine etwas andere Bedeutung als die bei uns übliche »Verabredung«. Das Date zwischen heranwachsenden Amerikanern zeigt insgesamt einen verbindlicheren Charakter und ist stärker ritualisiert. Im allgemeinen wird Date Rape verstanden als die Vergewaltigung von Frauen, die zum Zeitpunkt der Tat zum Täter in einer noch oberflächlichen Beziehung standen, sich aber im Rahmen eines Date mit ihm verabredet hatten. Ein Date kann das Anzeichen eines wechselseitigen romantischen Interesses aneinander sein, muß aber nicht. In der Regel führt der Mann die Frau zum Essen oder ins Kino und dergleichen aus; wenn sie zusagt, bekundet sie dadurch ein Mindestmaß an Interesse. Auf jeden Fall bezieht sich der Begriff »Date Rape« zeitlich auf die Annäherungsphase einer romantischen Beziehung. Die Vergewaltigung einer »Bekannten« kann nicht als Kavaliersdelikt abgetan werden mit dem Argument, es habe ja eine romantische Verbindung bestanden, in der es früher oder später ohnehin zu sexuellen Handlungen gekommen wäre. Date Rapes werden oft mit höherer Gewaltanwendung begangen als die Überfallvergewaltigungen durch einen Fremden. Überdies gibt es keinerlei wissenschaftliche Bestätigung für den hartnäckigen Mythos, die psychischen Folgen bei einem Date Rape seien weitaus weniger schlimm und dauerhaft als bei einer Überfallvergewaltigung.' Date Rape ist gerade wegen der tendenziellen Verharmlosung ein äußerst bösartiges Phänomen. Während in den USA die Diskussion über Date Rape bereits zu einer Art Politikum geworden ist, gibt es darüber beispielsweise in der Bundesrepublik nach Auskunft eines Beauftragten des Bundeskriminalamtes allenfalls eine hohe Dunkelziffer.' Die Opfer schrecken meist vor einer Anzeige zurück. Zu häufig müssen sie sich schikanösen Verhören durch männliche
Beamte unterziehen, in deren Verlauf sie bald selbst wie Angeklagte behandelt werden. Hier sind die Behörden aufgefordert, neue Wege einzuschlagen. Und bald werden sich auch unsere Psychologen und Soziologen diesem Problembereich verstärkt zuwenden müssen, denn nicht anders als mit einfühlsamen Gesprächen wird man zumindest einen ersten Überblick über die Häufigkeit und Hintergründe dieser Vorfälle erhalten. Unterdessen gerät die Diskussion in den USA ins Fahrwasser der Polemik. Während die amerikanischen Feministinnen am Phänomen »Date Rape« die konsequente Mißachtung der Frauenwürde durch männliche sexuelle Gewalttätigkeit festmachen, provoziert die medienwirksame »Postfeministin« Camille Paglia dagegen mit der These, die Diskussion über Date Rape sei übertrieben und schade letztlich den Zielen des Feminismus. Gewöhnlicher Sex werde vor allem von hysterischen Collegeschülerinnen gleich zur Vergewaltigung stilisiert, wenn es nicht vorher zu einer juristisch gesicherten Vereinbarung gekommen sei, in der eine Vergewaltigung ausgeschlossen werde. Camille Paglia bescheinigt dem amerikanischen Feminismus sexuelle Prüderie, da er auf fahrlässige Weise einerseits die unausweichlichen sexuellen Bedürfnisse eines Mannes unterschätze und andererseits die biologisch festgelegten Strategien zur Befriedigung dieser Bedürfnisse ignoriere. Frauen hätten sich auf die drohende Gefahr einer Vergewaltigung angemessen einzustellen, indem sie etwa auf zu reizvolle Kleidung verzichten und ihren Alkoholkonsum kontrollieren. Nur umsichtiges Verhalten könne Männer von sexuellen Übergriffen abhalten. Die »Testosteron-Wüste voller stacheliger Kakteen und heißer Colts«' einer gewöhnlichen Studentenparty sei für eine unbegleitete Frau eine echte Gefahr, vor allem wenn sie sich sinnlos betrinke oder mit einem Mann »nach oben« gehe. Seitdem junge Frauen sehr früh aus dem Schutzverband der Familie entlassen und Vergewaltiger nicht mehr von der Todesstrafe bedroht würden, seien Frauen fortwährender sexueller Bedrohung ausgesetzt. Die Geschlechter befänden sich nun mal im Krieg, verkündet mit gekonnt respektloser Einfachheit Camille Paglia. Wenn es nur so einfach wäre . . . Wie immer ist die öffentliche Diskussion nicht gerade um Objektivität bemüht - aber kann man sich mit dem Thema »Vergewaltigung« überhaupt objektiv befassen? Zumindest versucht man es. Die Fachliteratur konzentriert sich nicht ganz grundlos beinahe ausschließlich auf den (männlichen) Täter, denn zahlreiche Untersuchungen haben bestätigt, daß es sich dabei fast immer um einen oder mehrere Männer handelt. Neben ihren Forschungen zu körperlichen Aggressionen begannen Psychologen und Soziologen seit Beginn der achtziger Jahre in zunehmendem Maße, auch Formen und Konsequenzen der psychischen Gewalt zu beschreiben. Dabei stellte sich heraus, daß psychische Repressionen mindestens ebenso verletzend - wenn nicht gar verletzender sein können wie körperliche.' Ein verbaler Schlagabtausch, durchsetzt mit knallhartem Zynismus, ungerechter Kritik, Drohung von Liebesentzug und handfesten Beleidigungen, ist nicht leicht zu verkraften, er verletzt und gräbt sich oft tief in die Seele ein.
Statistische Angaben Seelische Verletzungen schlagen nirgendwo zu Buche. Statistische Angaben zu aggressiven Handlungen bei Rendezvous, auf physischer oder psychischer Ebene, sind kaum zu erhalten. Bei amtlichen Stellen wird lediglich registriert, wer vergewaltigt oder sonstige körperliche Übergriffe begangen hat und angezeigt wurde. Man arbeitet mit Dunkelziffern. Nur ein Bruchteil der bei Rendezvous vergewaltigten Frauen sucht Hilfe bei der Polizei und begibt
sich in die amtliche Befragungsprozedur, bei der schon durch Fragen wie »Warum sind Sie mit ihm überhaupt in die Wohnung gegangen?« latent bis direkt oftmals eine Mitschuld an der Vergewaltigung unterstellt wird. Und die Richter, die gemäß der zynischen »Opferschuldtheorie« den vergewaltigten Frauen mit dem Hinweis eine Teilschuld zuschieben, sie hätten durch ihre kokette Art indirekt die Vergewaltigung herbeigeführt, mehren nicht gerade das Vertrauen in die Behörden. Fest steht, daß der Großteil aller Vergewaltigungen nicht abends auf einsamer Straße hinter einem Busch geschieht. Opfer und Täter kannten sich meist schon vor der Tat, waren oft sogar miteinander vertraut oder sind verwandt. Die vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden erstellten Statistiken über Vergewaltigungen berücksichtigen aber nicht, welche Art von Bekanntschaft zwischen Opfer und Täter bestand. Die Aussichten, etwas über Date Rape in der Bundesrepublik zu erfahren, sind also gleich Null. Die einzigen mir bekannten Statistiken zu Date Rape stammen aus den USA. Vorsichtigen Schätzungen zufolge bewegt sich der Prozentsatz der bei Rendezvous vergewaltigten Frauen zwischen dreizehn und dreißig Prozent.' Einer anderen Studie zufolge waren dreiundachtzig Prozent aller Studentinnen einer amerikanischen Universität während eines Date mit männlicher sexueller Aggression konfrontiert.' Auch Männer wurden befragt. Nach einer Statistik gaben 22,4 Prozent der befragten Männer den Versuch zu, mittels verbaler Aggression Geschlechtsverkehr zu erzwingen. Fünfunddreißig Prozent der befragten Männer gaben an, eine Frau zu vergewaltigen, wenn sie ungeschoren davonkämen. Gut zwanzig Prozent schlossen die Vergewaltigung nicht aus.' Immerhin: Die Vorstellung, eine Frau zu vergewaltigen, wirkt auf Männer stark erregend." Allerdings sind diese Zahlen nur mit großem Vorbehalt zu verwenden. Erstens sind Umfragen auf einem Universitätscampus nicht repräsentativ, und zweitens liegt es auf der Hand, daß die Täter kaum bereitwillig über ihre Straftaten Auskunft geben. Zudem sind die dürftigen amerikanischen Statistiken nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragbar.
Ursachen der Gewaltanwendung Um eines vorweg klarzustellen: Physische Aggression gegen Frauen, Vergewaltigung, ist niemals zu rechtfertigen, schon gar nicht zu entschuldigen! Auf den folgenden Seiten wird Vergewaltigung in einen Zusammenhang mit Körpersprache gerückt. Wer darin schon den Beginn einer Rechtfertigung von Vergewaltigung sieht, sollte seine Weltanschauung überdenken oder an dieser Stelle die Lektüre abbrechen. Es handelt sich bei Vergewaltigung um ein vieldimensionales Problem, für das keine Patenterklärungen existieren was nicht heißt, daß es dafür gar keine Erklärung gäbe. Verführen und Zurückweisen: Unterschiedliche Strategien Wie intim soll eine neue Beziehung werden, welche körperliche Nähe läßt man zu? Nicht immer sind zwei Menschen sich über den Grad der sexuellen Intimität einig. Vor allem in den Anfängen einer Beziehung treten in diesem Punkt Unstimmigkeiten auf. Um zu verführen oder sexuelle Annäherungen abzublocken, gibt es unterschiedliche Strategien: - Die Strategie der Belohnung: Man umschmeichelt den ande ren, gibt Geschenke, macht Komplimente.
- Die Strategie des Zwangs: Man übt Druck aus, droht mit Ent zug - von Ressourcen, Gefühlen, Freundschaft. - Die Strategie der Logik: Man pocht auf die Vernunft mit dem Argument, es sei nun, aus welchen Gründen auch immer, der gute beziehungsweise schlechte Zeitpunkt für Intimitäten. - Die Strategie der Information: Man sagt ehrlich seine Wünsche und erklärt, jetzt sei man bereit beziehungsweise nicht bereit, sexuellen Kontakt einzugehen. - Die Strategie der Manipulation: Man bringt das Gesprächsthema in eine bestimmte Richtung, schafft eine angenehme Atmosphäre, legt beispielsweise schöne Musik auf. - Die Strategie der Körpersprache: Man zeigt körperliche Signa le der Aufforderung beziehungsweise der Abblockung. - Die Strategie der Täuschung: Man lügt, um sexuelle Intimitäten zu erreichen beziehungsweise zu vermeiden, und behauptet zum Beispiel, angeblich seien keine Verhütungsmittel vorhanden. - Die Strategie der Moral: Die Frage nach dem bestehenden oder nicht bestehenden Recht einer sexuellen Verbindung wird thematisiert. - Die Strategie der Beziehung: Man spricht über die gegenwärti ge Lage der Beziehung und entscheidet, ob Sex stattfinden soll. - Die Strategie der direkten Verführung: Der andere wird plan voll durch sexuelle Stimulierung schrittweise verführt. Männer und Frauen wenden diese Strategien auf unterschiedliche Weise in unterschiedlichen Kombinationen an. Frauen verführen im Gegensatz zu Männern eher indirekt mit körperlich aufreizendem Verhalten oder durch Manipulation. Männer beschreiten den eher direkten Weg, indem sie relativ konkret äußern, was sie wollen - eine Vorgehensweise, die das gesellschaftliche Wertesystem Frauen bislang untersagte. Zur Direktheit gehört auch die konkrete Verführung als Mittel zum Zweck. Nicht selten aber bedeutet »konkrete Verführung« aus Männersicht das, was schon ins Umfeld der Nötigung und Vergewaltigung hineinreicht: Wo indirekte Manipulationen nicht mehr ausreichen, greift der Mann zur verbalen und körperlichen Bedrohung oder setzt die Frau mit Beschuldigungen (»Du bist selbst schuld, daß ich dir . . . «) und Verhöhnungen (»Du kannst ja nicht mal . . .«) unter Druck. Zumindest halten viele befragte Männer dieses Vorgehen für eine gute Art, die Frau zu sexuellen Handlungen zu veranlassen." Insofern haben diese Strategien der Männer nichts mit Verführung zu tun und sind als negative Strategien zu bewerten. Allgemein sind sich Männer als sexuell Fordernde ihrer Verführungsstrategien stärker bewußt als Frauen. Diese ziehen ihre Register erst, wenn es darauf ankommt, männlicher sexueller Zudringlichkeit auszuweichen. Abwehr, vor allem auf emotionaler Ebene, ist hierbei die wichtigste weibliche Strategie. Frauen weisen den Zudringlichen durch »Stimmungszersetzung« ab, das heißt durch Unfreundlichkeit, und sie hoffen darauf, den erhitzten Mann durch ein abkühlendes Gespräch wieder zur Besinnung zu bringen. Die Körpersprache wird von Frauen entweder als verhältnismäßig unwichtige Abblockungsstrategie angesehen, oder aber sie dient mehr oder weniger unbewußt als strategisches Beschwichtigungsmittel. Die Anthropologin Polly Wiesner vermutet, die Körpersprache wirke bei verbaler Zurückweisung zusätzlich ausgleichend.` Auf diese Weise trage das körperlich besänftigende Verhalten dazu bei, daß ein drohender Konflikt mit dem physisch klar überlegenen Mann sich nicht zuspitzt. Vor allem in der Anfangsphase männlicher Annäherungsversuche halten sich die Frauen in ihrem körpersprachlichen Abwehrverhalten zurück." Frauen verraten nicht konkret, wenn sie
sexuelle Wünsche haben, sie verhalten sich! Wenn Männer herausfinden wollen, wie intim eine Frau mit ihnen werden will, müssen sie auf unterschiedliche Zeichen achten. Das ist nicht leicht, denn die verräterischen Signale werden wechselweise auf zwei ganz unterschiedlichen Ebenen mitgeteilt und widersprechen sich zudem nicht selten." Je ernster die Lage für eine Frau angesichts steigender unliebsamer Zudringlichkeit wird, desto bestimmter wird die verbale Zurückweisung sein - möchte man meinen. Für die Mehrzahl der Frauen trifft dies in der Tat zu. Dennoch gibt es eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Frauen, die trotz wachsender physischer Bedrohung in ihrer Zurückweisung nicht bestimmter und resoluter werden. Es sind dies zumeist Frauen, die dem sogenannten »Vergewaltigungsmythos« tendenziell Glauben schenken.` Demnach muß ein Mann sich förmlich durch Zudringlichkeit bewähren; Frauen, die sich dagegen kaum zur Wehr setzen, sind aus Männersicht unglaubwürdig und schon daher als Opfer für männliche Übergriffe quasi prädestiniert. Reaktionen auf Zurückweisung Die Zahlen sprechen für sich: Nur dreiunddreißig Prozent der Männer akzeptieren das erste Nein einer Frau als Reaktion auf Zudringlichkeit, zehn Prozent würden dessenungeachtet weitermachen, und über die Hälfte der Männer gab an, die Taktik eher indirekt fortzusetzen.` Echten körperlichen und verbalen Zwang würden immerhin dreiundzwanzig Prozent ausüben, um ans »Ziel« zu gelangen. Einen nochmaligen Annäherungsversuch hätten über dreißig Prozent der Männer gewagt; sechsunddreißig Prozent gaben an, vor einem zweiten Versuch erst auf weitere Signale der Frau warten zu wollen. Der Rest hätte neue Annäherungen erst bei späteren Dates eröffnet. Die Männer, welche schon nach einer einzigen Zurückweisung ganz aufgegeben hätten, entsprechen kaum dem herkömmlichen Klischee vom »ganzen Mann«, sind also weniger dominierend und akzeptieren Frauen deutlicher als gleichberechtigt - und sie haben weniger sexuelle Erfahrungen als diejenigen Männer, die ihre weiteren Versuche noch am selben Abend fortführen würden.` Wenngleich die Studien nicht repräsentativ sind, zeigen sie dennoch die Tendenz des »Nichtglaubenwollens«, daß man zurückgewiesen wurde. Hier wird das Bild bestätigt, das auch unsere Untersuchung zeigte: Ablehnende Signale von Frauen werden zunächst weder erkannt noch akzeptiert. Das gilt für den körpersprachlichen Bereich ebenso wie für den sprachlichen. Nach eigenen Aussagen reagieren Männer eher auf eine sprachliche Abwehr als auf eine rein körpersprachliche Diese Haltung ist von mehreren Faktoren beeinflußt, darunter auch vom Bild, das der Mann durch das Verhalten und die Persönlichkeit der Frau gewinnt. Glaubt er, es mit einer nach dem klassischen Frauenbild fügsamen und unterwürfigen Frau zu tun zu haben, mißt er ihrer Abwehr weniger Bedeutung bei als bei einer selbstbewußten, dominanten und unkonventionellen Frau." Das Nein einer Frau wird vom Mann zudem in Abhängigkeit von der bereits eingegangenen Intimität bewertet. Je weiter diese fortgeschritten ist, desto eindeutiger klingt das Nein der Frau in den Ohren des Mannes wie ein »Versuch-es-späterwomöglich-noch-an-diesemAbend«, denn Necking oder Petting werden vom Mann fast schon als Garantie für späteren Geschlechtsverkehr angesehen. Folglich ist ein resolutes Nein am wirkungsvollsten gleich zu Beginn eines engeren Kontakts.
Unterschiedliche Erwartungen An beginnende Partnerschaften können unterschiedliche Erwartungen geknüpft sein. John Collins beschäftigte sich eingehend mit der Frage, ob Männer mehr sexuelle Aktivität von Frauen während der ersten Treffen erwarten als Frauen von Männern.» Dazu befragte er mehrere Altersstufen, Siebzehn- bis Neunzehnjährige, Zwanzig- bis Vierundzwanzigjährige und Fünfundzwanzig- bis Dreißigjährige. Am auffälligsten waren die Unstimmigkeiten in der jüngsten Altersgruppe. Hier erwarteten Männer nicht nur beim ersten, sondern auch bei den darauffolgenden Dates mehr sexuelle Bereitwilligkeit bei den Frauen als umgekehrt. Die beiden älteren Gruppen hingegen zeigten zumindest keine signifikanten Unterschiede, wenngleich Männer tendenziell mehr sexuelle Freizügigkeit erwarteten - und mit wachsender Anzahl der Rendezvous steigt die männliche Erwartungshaltung. Sexualität ist für Männer ein wichtiger Bestandteil der »Romantik«. Frauen sehen das anders. Unter allen als »romantisch« geltenden Handlungen spielt bei ihnen der Geschlechtsverkehr eine vergleichsweise untergeordnete Rolle .
Unehrliches Spiel »Quasi-courtship«, das taktisch spielerische Umgehen miteinander, ist als Manipulation zu bezeichnen. Ein Vorspielen falscher Tatsachen kann indes - unter ungünstigen Umständen böse in die Irre führen. Das ist dann der Fall, wenn »Quasi-courtship« nicht von sanfter Wechselseitigkeit geprägt ist, sondern einseitig verläuft. Flirtspiele, die letztlich nur der Bestärkung des eigenen Ego oder der Ausübung und Festigung einer Machtstruktur zu eigenen Gunsten dienen, sind durchdrungen von Unehrlichkeit und Berechnung. Werden Manipulationen dieser Art erkannt, läutern sie den so Getäuschten, mahnen ihn zur zukünftigen Vorsicht, oder aber seine Gefühle werden in Wut und Aggression umschlagen. Unerkannte Manipulationen führen jedoch zur falschen, weil getäuschten Wahrnehmung der Beziehung - und »courtship«, die Werbung, wird dann mit großer Selbstverständlichkeit als Wegbereiter sexueller Aktivitäten angesehen. Frauen, die einen Mann auf diese Weise manipulieren, sollten sich dessen bewußt sein. Der Mythos: Eigentlich meint sie ja, wenn sie nein sagt Die weibliche Sprödigkeit führt zu einer klaren Rollenverteilung: Frauen lassen zappeln, Männer fordern. Wählerische Frauen, die nicht jede Einladung zu einem Rendezvous annehmen, erhöhen dadurch in den Augen der Männer ihren »Marktwert«. Was nur schwer zu bekommen ist, wird um so begehrenswerter. Gespielte Zurückhaltung ist auch in sexueller Hinsicht eine typisch weibliche Strategie. Soziobiologen haben für dieses Phänomen eine Erklärung: Sexuelle Zurückhaltung hat evolutive Wurzeln. Weibchen, die stark in den wenigen Nachwuchs investieren müssen, achten bei der Partnerwahl auf »gute Gene«. Das hat einerseits wählerisches und zurückweisendes Verhalten gegenüber allen Männchen zur Folge. Sosehr sie dem Männchen durch Sprödigkeit Vorleistungen und Bemühungen abverlangen, sosehr gereicht es ihm andererseits auch zum Vorteil, da sich die Zurückweisung ja auf alle Konkurrenten bezieht. Das erfolgreichste Männchen läuft so weniger Gefahr, in ein »Seitensprungresultat«, ein »Kuckucksei« zu investieren. Diese »Gefahrenkomponente« wurde durch die innere Befruchtung eingeführt und beeinflußt seitdem den Kampf der Geschlechter - weiß doch schließlich nur das Weibchen, wessen Samen es empfangen hat. Elaine Walster konnte dieses »Gebot der Sprödigkeit« auch beim Menschen feststellen .22
Männer bevorzugen Frauen, die zunächst sexuell zurückweisend sind, natürlich nur gegen die jeweiligen Konkurrenten. So scheint sie naturgegeben zu sein, die Sprödigkeit, und sie wurde über Jahrtausende hinweg über den Weg der Moral kulturell gefestigt. Etlichen Untersuchungen zufolge beeinflußt das Phänomen der sexuellen Zurückweisung die Männer im Umgang mit Frauen. Die Vorstellung vom gekünstelten Widerstand verleitet sie nicht selten zur Vorstellung, auch mit physischer Gewalt sich ihr »Recht« nehmen zu dürfen. Mit Hilfe von Rollenspielen haben einige Psychologen versucht zu ermitteln, wie bewußt Männer weibliche Zurückweisung ignorieren. Gleichgültig, wie deutlich die Frau ihren Widerwillen gegen mehr Kontakt zeigte, die meisten Männer wollten nicht ausschließen, daß sich bei ihr tief im Inneren nicht doch die Bereitschaft zu Intimitäten verborgen halte." Leider gibt es kaum Untersuchungen, schon gar nicht im deutschsprachigen Raum, die sich mit der Frage beschäftigt haben, ob Frauen tatsächlich nein zu sexuellen Intimitäten sagen, selbst wenn sie sexuell gerne aktiv würden. Die an der Texasuniversität ermittelten Daten zeigen klar, daß vorgegebene sexuelle Zurückweisung durchaus ein Merkmal von Frauen ist, denn annähernd vierzig Prozent der sechshundertzehn befragten Frauen (Durchschnittsalter: neunzehn Jahre) gaben an, dem Mann mindestens einmal sexuelles Desinteresse vorgespielt zu haben. Interessant sind die Gründe für dieses Verhalten, sie reichten nämlich von moralischen Bedenken über Ängste vor Schmerzen, vor Geschlechtskrankheiten, über körperliche Unsicherheit und so weiter bis hin zu einer bewußten »Kriegsführung«, deren Ziel es ist, den Mann zu reizen, ihn zu beherrschen, ihn bitten, betteln - und physisch aggressiv werden zu lassen. Hier wird die sexuelle Zurückhaltung zur Manipulation. Die Ansichten derjenigen Frauen, die sexuelle Zurückhaltung als Macht- und Reizmittel einsetzten, unterschieden sich erwartungsgemäß von denen jener, die weniger nach dieser Strategie verfuhren: Erstere sahen in der gespielten Zurückweisung ein den Geschlechterkampf bezeichnendes allgemeines Phänomen. Auch wollten sie grundsätzlich im Zwischengeschlechtlichen eine ansatzweise feindliche Komponente erkennen. Physische Gewaltanwendung des Mannes mit sexuellen Zielen wurde von diesen Frauen nicht nur eher akzeptiert, sondern auch als angenehm empfunden. Ist es Ernst oder Spiel, handelt es sich um eine Verweigerung oder um gezielte Manipulation? Männer stehen vor einem Dilemma: Auf welche Kriterien können sie sich verlassen? Entsprechen die Signale der Abblockung überhaupt den verbalen Botschaften? Was ist, wenn eine Frau nein sagt und gleichzeitig alle erdenklichen Register einer körpersprachlichen Verführung zieht? Wie wird er sich verhalten in diesen Momenten - der Mann, dessen Ruf als Eroberer auf dem Spiel steht? Eine These lautet, daß viele Männer es einfach aufgäben, sich um die richtige Interpretation zu bemühen.` Date Rape wird in ihren Augen dann immer mehr zu einem gerechtfertigten Mittel. Es sind vor allem jene Männer, deren Vorstellung zwischengeschlechtlicher Beziehung besonders stark vom klassischen Rollenklischee geprägt ist: Der Mann tritt dominant, draufgängerisch, sexuell fordernd und aktiv auf, die Frau bleibt untergeordnet, sexuell zurückhaltend, passiv, aber dennoch hingebungsvoll .z5 Kompensation? Der Aspekt des mangelnden Selbstwertgefühls wurde bereits mehrfach angesprochen. Die männliche Selbsteinschätzung ist ein Faktor, der die zwischengeschlechtlichen Begegnungen erheblich beeinflußt. Unsichere Männer weiten ihre Unsicherheit auch auf die Wahrnehmung der weiblichen Körpersprache aus. Sie geben sich im Umgang mit Frauen sozial weniger
kompetent, sehen diese seltener an, ziehen sich zurück, als ob sie eine konkrete Auseinandersetzung mit der Frau scheuten. Die Unsicherheitsgefühle verschwinden nicht etwa nach der ersten Kontaktaufnahme, im Gegenteil. Befragungen zufolge plagen sich viele Männer mit der bangen Frage, ob sie den weiblichen Ansprüchen bei den ersten Rendezvous wohl gerecht werden könnten.` Männer sehen sich mit den Augen der angehenden Freundin oftmals in einem schlechten Licht. Der männliche Selbstschutz vor einer möglichen Zurückweisung durch die Frau funktioniert offensichtlich nicht immer so, wie es sich bei unserem Experiment herausgestellt hat. Der übersteigerte Glaube an die eigene Attraktivität kommt offensichtlich ins Wanken, sobald der Mann im Kontakt zu einer Frau harten Prüfungen unterzogen wird. Männer haben Angst vor weiblicher Stärke. Einige Umfragen weisen beispielsweise darauf hin, daß sich Männer nur ungern mit Frauen verabreden, die ihnen in intellektueller Hinsicht überlegen sind . Männer gehen mit ihrer Unsicherheit auf unterschiedliche Weise um. Sie ziehen sich in Gegenwart der Frau zurück, sie vermeiden gleich- und zwischengeschlechtliche Wettbewerbssituationen, zum Beispiel Diskussionen in größerer Runde. Unsicherheit mündet aber auch oftmals in eine übertriebene Selbstdarstellung. So als wolle man auf-diesem Weg sich selbst und ihr immer wieder aufs neue beweisen, daß keinerlei Kompetenzunterschiede bestehen. Machtkämpfe, die zur Herstellung einer Gleichwertigkeit oder gar Dominanz führen sollen, werden oft auf psychologischer Ebene geführt. Nicht selten sollen dann verbale Aggressionen den erhofften Eindruck erwecken. Verzweifelte Strategien der Machtgewinnung und »Bekämpfung« der quälenden Gefühle von Unterlegenheit werden jedoch auch mit körperlicher Gewalt in die Tat umgesetzt.`
Die unterschiedlichen Strategien der Partnerwahl Hinter einer gezielten Kontaktsuche stecken oft ganz unterschiedliche Absichten. Sie reichen vom flüchtigen »Quicky« bis zur auf Dauer angelegten Zweierbeziehung und können in ihrer Gegensätzlichkeit unerbittlich und scheinbar unvereinbar aufeinanderprallen. Manche Psychologen pathologisieren ein flatterhaftes Sexualverhalten als »Bindungsunfähigkeit«, andere eine starke sexuelle Zurückhaltung als »Verklemmtheit«. Soziobiologen betrachten den Sachverhalt nüchterner. Für sie existieren beim Homo sapiens zwei unterschiedliche Strategien der Partnerwahl. Partnerwahl kann kurz- oder langfristig orientiert sein. Die Strategie der Kurzfristigkeit ist auf Sexualität ausgerichtet. Langfristige Partnerwahlstrategien schließen den sexuellen Aspekt zwar nicht aus, dennoch überwiegen hierbei andere Faktoren. Männer und Frauen verfolgen, je nach individueller Vorliebe und Neigung, beide Strategien; von Männern ist jedoch eher zu erwarten, daß sie die Strategie einer kurzfristigen Partnerschaft anstreben. Die Biologie hat hierfür eine plausible Erklärung parat. Rufen wir uns die »Investment-Theorie« von Robert Trivers in Erinnerung (siehe Seite 47), dann wird klar, daß Männer mit ihrem verhältnismäßig geringen Aufwand hinsichtlich des Großziehens von Nachwuchs eine effektive Strategie beschreiten, wenn sie häufig die Partnerin wechseln, ihre Partnerwahl also auf kurze Zeit ausrichten. Wenngleich kurzfristige Partnerschaften für Männer auf den ersten Blick (fortpflanzungsgenetisch) effektiv sein mögen, sind sie mit einigen Nachteilen behaftet, denn alle sexuellen Taktiken sind sozusagen »kostenpflichtig«. Häufiger Partnerwechsel steigert nicht nur die Ansteckungsgefahr von Geschlechtskrankheiten, er schmälert auch die Aussichten, irgendwann als ernstzunehmender Partner für langfristige Beziehungen in Frage zu kommen.`
Je nachdem, welche Strategie die Partnerwahl bestimmt, wird auch die Suche angegangen. Männer und Frauen achten erwartungsgemäß auf unterschiedliche Merkmale. David Buss stellte mit einem Kollegen eine Liste derjenigen Auswahlkriterien zusammen, die auf grundlegende biologische Erfordernisse zugeschnitten sind." Für Männer gilt zum Beispiel bei kurzfristiger Partnerwahl: 1. Männer streben möglichst zahlreiche sexuelle Bekanntschaften an und wollen daher pro Einzelfall einen möglichst geringen Werbeaufwand betreiben. z. Am sinnvollsten und effektivsten ist es für Männer, ihre Auf merksamkeit jenen Frauen zuzuwenden, die sich sexuell freizü gig geben. Spröde Frauen sind für diese Männer uninteressant. 3. Männer verfahren unbewußt bei ihrer Partnersuche nach einer Art »versteckter Fruchtbarkeitsskala«: Bei welchen Frauen ist der sexuelle Akt, genetisch gesehen, am effektivsten? Mit zahlreichen Rechenmodellen erarbeiteten Soziobiologen eine Skala, bei der sich anhand bestimmter äußerlicher Merkmale das Alter, die Gesundheit und somit die Fruchtbarkeit einer Frau ablesen lassen." Männer scheinen sich ziemlich genau an dieser Skala zu orientieren. Junges Alter, gutes oder gesundes Aussehen, schöne Haut, volle Lippen, klare Augen, glänzendes Haar, ein möglichst symmetrisches Gesicht ;2 sind unzweifelhaft begehrenswerte Attribute; sie erreichen ihr Maximum an Wirkung genau dann, wenn die Fruchtbarkeit der Frau ebenfalls am höchsten ist. Als untrügliches Zeichen für Jugendlichkeit und Gesundheit werten die Autoren aber auch das körperliche Verhalten. Körpersprachliche Lebhaftigkeit ist ein Anzeichen für jugendliche Frische. Eine lebendige weibliche Körpersprache gilt somit in den Augen der Männer nicht nur als Ausdruck sexueller Bereitschaft, sie steigert auch erheblich die Attraktivität der Frau. Die erwähnte Liste von Buss sieht für Frauen ganz anders aus, unter anderem ist dort folgendes zu finden: 1. Frauen sollten binnen kürzester Zeit möglichst viel Profit aus den männlichen Ressourcen ziehen - den Mann sozusagen ausnehmen. 2. Bei kurzfristigen Affären sollten Frauen prüfen, ob der Mann unter Umständen auch für eine längerfristige Bekanntschaft in Frage kommt. Die Strategie der langfristigen Partnersuche zielt beim Mann weniger deutlich auf die schnelle sexuelle Vereinigung ab. Im Vordergrund stehen jetzt die Treue und die sexuelle Zurückhaltung der Frau gegenüber anderen Männern. Frauen streben bei ihren langfristigen Strategien eine Beziehung an, in der sie sicher sein können, daß der Mann treu ist und über genügend Mittel verfügt, die Nachkommen in angemessener Art und Weise großzuziehen. Mittels zahlreicher Interviews und unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse anderer Wissenschaftler konnten Buss und sein Kollege ihre Thesen rundum bestätigen: Frauen sind tendenziell mehr auf langfristige, Männer tendenziell auf kurzfristige Bindungen aus. Kehren wir zurück zur bereits angesprochenen Frage: Woran sind die eingeschlagenen Strategien - flüchtiges sexuelles Abenteuer oder ernsthafteres Interesse - zu erkennen? Welche Rolle spielt dabei die Körpersprache? Wenn eine lebhafte weibliche Körpersprache ein Indiz für sexuelles Interesse ist, kann man annehmen, daß die an sexuellen Abenteuern interessierten Männer besonders darauf ansprechen. Unsere Ergebnisse wiesen ja auch darauf
hin, daß vor allem diejenigen Männer, die abends oft unterwegs sind und die in erotischer Hinsicht von der Unbekannten angetan waren, sich allen körperlichen Gesten gegenüber sehr offen zeigen. Umgekehrt wirken erotisierende und auffordernde Frauen auf langfristig denkende Männer tendenziell negativ; sie fürchten die Gefahr des Seitensprungs, die von freizügigen und unberechenbaren Frauen stets ausgeht. Ein bestimmendes Merkmal jener Männer, die an kurzfristigen Bekanntschaften interessiert sind, ist ihre stets knappe Zeit. Möglichst schnell und ohne viel Aufwand zum Ziel kommen, so lautet ihre Devise." Schnell ist das Opfer ausgespäht - es gibt sich durch freizügige Kleidung und ausdrucksstarke Körpersprache zu erkennen -, schnell ist das Gespräch in die einschlägige Richtung gebracht, und schnell versucht der Draufgänger sich mit deutlichen »Handgreiflichkeiten«. Nicht jede Frau aber, die Spaß am offenherzigen Outfit hat und deren Körpersprache lebhaft ist, befindet sich unbedingt auf der Suche nach einem Partner für kurzzeitige Abenteuer. Wenn Männer und Frauen im wesentlichen unterschiedliche Bindungsformen anstreben, ist der Boden für Mißverständnisse bereitet. Psychoaffektionalen, restriktiven und langfristigen Bindungswünschen stehen psychobiologische, unrestriktive und kurzfristige Ziele gegenüber, kurz: Männliches sexuelles Interesse ist konfrontiert mit weiblicher Zurückhaltung. Die alten, gängigen Klischees können wissenschaftlich nicht entkräftet werden! Sexuelles Interesse Die eben genannte These ist inzwischen wissenschaftlich hinreichend bestätigt. Uneinigkeit besteht jedoch nach wie vor über die möglichen Ursachen. Soziobiologen bemühen sich ebenso wie zahlreiche Psychologen und Soziologen um eine Klärung der Hintergründe. Für Soziobiologen ist der Sachverhalt klar: Männer wollen - im Gegensatz zu Frauen möglichst viele Geschlechtspartnerinnen haben, um ihre Gene optimal weiterzugeben. Ihre sexuelle Orientierung ist folglich »naturerzwungen«. Naturgegeben ist auch die Tatsache, daß der Penis zwischen dem neunten und fünfzehnten Lebensjahr um das Doppelte wächst. Seine Länge wird unter Jugendlichen gerne als Gradmesser für Männlichkeit eingesetzt. Der Penis ist für sexuelle Manipulationen leichter zugängig als die weibliche Genitalregion. Aufgrund dieser frühen sexuellen Orientierung wird später dann die Anzahl der Geschlechtspartnerinnen im Rahmen des männlichen innergeschlechtlichen Imponiergehabes bedeutsam. So wertet Sex die Männlichkeit auf. Jugendliche werden folglich beinahe zur sexuellen Aktivität »gezwungen«, wollen sie konkurrenzfähig bleiben. Die Sexualmoral in unserer Gesellschaft fördert fast ausschließlich die männliche sexuelle Aktivität: Sex ist einfach »Männersache«. Sexuelle Freizügigkeit des Mannes gilt nicht als verwerflich, die der Frau schon. An dieser Stelle sei betont: Sexuelle Orientierung ist keinesfalls gleichbedeutend mit sexueller Erregbarkeit. Männer sind nicht generell schneller und leichter sexuell erregbar als Frauen, im Gegenteil, einige Ergebnisse weisen sogar auf eine stärkere Erregbarkeit der Frau hin. Sexuelle Erregung und Aggression beim Mann Sexualität hat zweifelsohne etwas mit Aggressivität zu tun. Beim Liebesspiel wird gebissen, gekratzt, gezwickt, und mitunter erreichen die »Zärtlichkeiten« die Schmerzgrenze. Davon ist hier nicht die Rede. Es geht vielmehr darum, was passiert, wenn jemand unfreiwillig zum Opfer von sexueller Aggression wird, wenn Leidenschaft in Brutalität umschlägt. Für Konrad
Lorenz ist der enge Zusammenhang von Aggression und Sexualität biologisch begründet." Ihm zufolge haben sich spezifische Formen der Aggression aufgrund des unerbittlichen sexuellen innergeschlechtlichen und zwischengeschlechtlichen Wettbewerbs, dem sich das männliche Geschlecht zu stellen hat, herausgebildet. Nur diejenigen Männchen, die sich vor allem im Kampf unter ihresgleichen als überlegen und siegreich erwiesen haben, halten dem kritischen Blick der Weibchen stand - und kommen für eine Begattung in Frage. Die im Dienste der Fortpflanzung stehenden Aggressionen dürfen freilich nicht kontraproduktiv sein; welcher Tierart nützt es, wenn sie sich durch allzu aggressive Auseinandersetzungen um erfolgreiche Begattungen selbst gefährdet? Biologische und kulturelle Einflüsse bewirken zwar, daß das enge Zusammenspiel von männlicher Aggression und Sexualität ritualisiert wird und daher abgeschwächt zum Ausdruck kommt; unter ungünstigen Umständen jedoch scheint kaum eine Instanz in der Lage zu sein, die Aggressivität eines Mannes zu dämpfen und abzubauen. Soweit die Theorien. Experimentell konnten Wissenschaftler nur einen indirekten Zusammenhang zwischen sexueller Erregtheit und sexueller Aggression erkennen. Sexuell erregte Männer werden dann sexuell aggressiv, wenn sie vorher in einen wütenden Zustand versetzt worden sind." In dem entsprechenden Versuch wurden die männlichen Teilnehmer mit leichten Elektroschocks in Wut versetzt - diese Methode ist aber kaum geeignet, die Situation während eines Rendezvous zu simulieren. Dennoch kann man sich gut vorstellen, daß auch eine Zurückweisung oder gar Erniedrigung und Kränkung vor allem im sexuellen Bereich den Mann in Rage bringen. Frustration, besonders sexuelle, verstärkt die enge Verknüpfung von Sexualität und Aggression. Belästigungen und Vergewaltigungen werden oft von sexuell frustrierten Männern begangen." Die Möglichkeit der sexuellen Befriedigung wirkt beruhigend, unterdrückte Sexualität jedoch hat Frustration zur Folge." Sexualität und Frustrationsaggression scheinen somit irreversibel verknüpft zu sein, vorausgesetzt, es ist in der Tat nur die Befriedigung der sexuellen Lust, die beider Vergewaltigung angestrebt wird. Das Argument der Frustrationsaggression kann aber nicht erklären, weshalb es nach erlebter sexueller Befriedigung bei Vergewaltigungen so oft zu fortgesetzter Gewalttätigkeit kommt.
Die Machtdemonstration Nachdem die sexuelle Aggression jahrelang als einziger Grund für Vergewaltigungen diskutiert worden war, konnte Susan Brownmiller mit ihrem Buch Against Our Will ihre wissenschaftlichen Kollegen dazu bewegen, auch nach anderen Ursachen zu forschen. Zu ihnen gehört Nicholas Groth, einer der wichtigsten Vertreter der »Nicht-Sex-Theorie«, der davon überzeugt ist, daß sexuelle Übergriffe ausschließlich als Ausdruck von Gewalt anzusehen seien, eine These, die vor allem im feministischen Lager Unterstützung findet. Auf die Frage, warum Vergewaltigungen nichts mit Sex zu tun haben sollen, liefern die »NichtSex-Theoretiker« viele Antworten, die allerdings vom biologisch argumentierenden »Gegenlager« wieder entkräftet werden. Die wichtigsten Argumente für und wider die »Nicht-Sex-Theorie« lauten kurz zusammengefaßt:
- Vergewaltigungen sind deswegen nicht sexuell motiviert, weil sie meistens vorgeplant wurden. Dem steht die Ansicht gegenüber, daß nicht jedes sexuelle Verhalten spontan ist (was die eben genannte These ja impliziert). Verführungen romantischer Art können ebenfalls genau durchdacht sein. - Vergewaltigungen sind deswegen nicht sexuell motiviert, weil sich die meisten Täter in einer festen Beziehung befinden. Die Gegenseite fragt zu Recht: Ist der Partner der einzige, den man sexuell begehrt? - Vergewaltigungen sind nicht sexuell motiviert, weil viele Männer während des gewaltsamen Aktes ohnehin keine Erektion bekommen. Die Gegenseite vermißt den Beweis, daß Männer bei liebevollen Zusammentreffen häufiger zur Erektion gelangen als bei gewaltsamen. - Vergewaltigungen sind nicht sexuell motiviert, weil ein hoher Prozentsatz der Opfer geschlagen, gebissen oder seelisch eingeschüchtert wird. Die Gegenseite stellt die Frage: Wird die Gewalt hier nicht instrumentell eingesetzt, um zum sexuellen Ziel zu gelangen? An dieser Stelle seien ein paar - vorsichtig formulierte - Gedanken angeführt: In der Tat gibt es Anhaltspunkte dafür, daß zwischen Dominanzstreben, Aggression und Sexualität ein Zusammenhang besteht. Es geht viel vor im menschlichen Körper, wenn Konflikte zu bewältigen sind. So bewirkt vor allem die Ausschüttung des Hormons Adrenalin eine Steigerung der allgemeinen Erregung. Es verleiht Kraft, macht aggressiv, bereitet sozusagen den »Kampf« vor. Das Männlichkeitshormon Testosteron sorgt nach »gewonnener Schlacht« für Genugtuung. Wissenschaftler konnten beim Mann einen Anstieg des Testosteronspiegels als Folge einer Erhöhung seiner Dominanzposition feststellen. Tennisspieler etwa weisen nach einem siegreichen Match einen deutlich erhöhten Plasmatestosteronspiegel auf.` Wird Testosteron im Körper ausgeschüttet, bewirkt es Euphorie und führt nicht selten zur sexuellen Erregung. Es ließe sich daraus folgern, daß männlich-aggressive Handlungen einer Frau gegenüber, die eng verbunden sind mit dem Streben nach Macht und Rang, nicht selten sexuelle Erregungszustände zur Folge haben. So gesehen werden beim Mann aggressive Handlungen hormonell »belohnt«. Das soll wohlgemerkt nur als behutsam formulierte Idee verstanden werden.
Der Drang zu besitzen? Neben sexuellen Bedürfnissen und Gewalt schlagen manche Wissenschaftler einen weiteren Motivkomplex für Vergewaltigung vor, der sich aus einem grundsätzlichen Drang, zu besitzen und zu kontrollieren, speist. Besitzdenken ist grundsätzlich nicht erlernt. Es gilt vielmehr als angeboren. Beim einen ist es mehr, beim anderen weniger ausgeprägt. Wir teilen den Drang nach Besitz mit anderen Lebewesen; er hat sich sozusagen evolutiv entwickelt." Wir verteidigen unseren Besitz genauso wie unser Territorium und unsere Nahrung, Familie und Kinder. Es liegt nahe, daß es eine Bereitschaft gibt, auch den Sexualpartner zu verteidigen. Zumindest für viele nichtmenschliche Primaten und andere Spezies ist eine solche Neigung ausführlich beschrieben worden .44 Im Hypothalamus, einem relativ kleinen, aber ungeheuer komplexen Gebiet des Hirns, aktivieren Sexualhormone, vor allem die männlichen Androgene, im wesentlichen zwei Triebe: den Sexualtrieb sowie den Trieb des Besitzens und Kontrollierens. Diese enge Nachbarschaft beider Triebe sorgt zweifelsfrei für eine starke gegenseitige Beeinflussung. Grund genug für Lee Ellis, sie als Erklärungsmoment
in seine Vergewaltigungstheorie einzubauen.` Er hat nämlich beobachtet, daß Ehefrauen, die von ihren Männern mißhandelt werden, zu diesen bisweilen eine besonders innige Bindung aufbauen. Die Bindung wird durch die erlebten Traumata also noch verstärkt .46 Ellis vermutet nun, daß ähnliche Mechanismen auch bei Vergewaltigungen in Gang gesetzt werden könnten, daß das Opfer also trotz erlittener sexueller Gewalt traumatisch verstärkte Gefühle für den Täter empfinde. Diese »Trauma-Bindungs-Hypothese« sollte sich am ehesten bestätigen lassen, wenn Opfer und Täter vor dem gewaltsamen Übergriff bereits gewisse Sympathien füreinander empfunden haben, was bei Rendezvous zweifelsfrei der Fall ist. In der Tat gibt es Hinweise darauf, daß Frauen, die bei einem Date vergewaltigt worden sind, hinterher für den Täter mehr Sympathie aufbringen konnten als jene Frauen, bei denen der Täter aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage war, die beabsichtigte Vergewaltigung durchzuführen. Neunundsechzig Prozent der in einer Studie befragten vergewaltigten Frauen setzten ihre Rendezvous mit dem Täter fort. Bei den Beinahe-Opfern waren es nur noch zwölf Prozent.` Bei einer anderen Befragung von sechstausend Collegeschülerinnen gingen zweiundvierzig Prozent der bei einem Date vergewaltigten Frauen gegenüber fünfunddreißig Prozent der Beinahe-Opfer mit dem Täter nochmals aus. Sexualität, emotionaler Streß und Bindung hängen offenbar eng zusammen. Wissenschaftler wollen diesen Gedanken vor allem für das weibliche Geschlecht verifizieren. So zum Beispiel Peter Hoon, der seinen Versuchsteilnehmerinnen einen Film vorführte, in dem ein schrecklicher Autounfall für die notwendige emotionale Erschütterung sorgen sollte." Während die Frauen anschließend einen hocherotischen Film anschauten, wurde zur Feststellung des Erregungsgrades der Anstieg der vaginalen Durchblutung gemessen. Bei den durch den Unfallfilm emotional aufgewühlten Frauen war dieser wesentlich höher als bei denen, die ausschließlich den erotischen Film zu sehen bekamen. Bestätigt wird die enge Verbindung von psychischem Streß und sexueller Erregung auch durch neurophysiologische Forschungsarbeiten." Zumindest für Date Rape konnte Lee Ellis seine Hypothese offenbar glaubhaft machen. Leider, so meint er zusammenfassend, scheint ein signifikant hoher Prozentsatz der Männer mit Hilfe von Vergewaltigungen Frauen an sich binden, besitzen und kontrollieren zu wollen.
Vergewaltigung als Fortpflanzungsstrategie Ein häufiges Argument zur allgemeinen Rechtfertigung von Vergewaltigung ist der Hinweis auf den ominösen »natürlichen Drang«. Und wo der Begriff »Natur« in die Diskussion geworfen wird, sind Evolutionstheoretiker und Soziobiologen nicht weit. Sie bieten im wesentlichen zwei unterschiedliche Gedankengänge an, die allerdings eines gemeinsam haben: Wenn überhaupt, dann ist ein Hauptmotiv von Vergewaltigung die Sicherung der männlichen Gentradierung. Ein Ansatz sieht in Vergewaltigungen eine Fortpflanzungsstrategie vor allem derjenigen Männer, die im innergeschlechtlichen Wettbewerb nicht gut abschneiden, deren Status und Ressourcen nicht ausreichend sind, um für eine Frau als attraktiver Partner in Frage zu kommen.` Der andere theoretische Zugriff ist weniger spezifisch. Er stellt die Vergewaltigung grundsätzlich neben die beiden anderen möglichen Strategien der Partnersuche. Die erste, als ehrlichste auch die aufwendigste Strategie ist das klassische Werben (»kooperative Bindung«), das für Männer in Betracht kommt, die sich selbst für ausreichend attraktiv halten und die ihre Chancen beim anderen Geschlecht entsprechend hoch einstufen. Die zweite Strategie kommt ohne »Mogelpackung« nicht mehr aus: Hier täuschen die buhlenden Männer positive Eigenschaften vor, die sie in
Wahrheit gar nicht besitzen. Die dritte Strategie verzichtet - wenn man so will - auf weitere Strategien und bedient sich der nackten Gewalt, der Vergewaltigung. Die Vertreter dieser Auffassung sind der Überzeugung, daß grundsätzlich alle Männer die drei Strategien potentiell zur Anwendung bringen würden, daß also alle Männer potentielle Vergewaltiger seien und dadurch sogar einen evolutiven Vorteil einheimsten." Für Soziobiologen besteht daran ohnehin kein Zweifel: Vergewaltigungen fördern die reproduktive Effektivität. Nach Befragungen führen immerhin bis zu neunzehn Prozent der Vergewaltigungen zur Schwangerschaft." Täterbeschreibung Seit Beginn der siebziger Jahre kamen die Wissenschaftler auf den neuen Gedanken, Vergewaltiger seien keinesfalls nur pathologische Kriminelle. Vielmehr begann man damit, auch im ganz gewöhnlichen Mann nach Elementen von sexueller Gewaltbereitschaft Ausschau zu halten. Zunächst war man sich sicher, diese Elemente mit natürlichem männlichen Verhalten in Verbindung bringen zu können." Oder man sah plötzlich im an sich harmlosen Mann von nebenan einen möglichen Täter." Viele Soziobiologen, Psychologen, Psychotherapeuten, Soziologen - und Feministinnen - scheinen hier einer Meinung zu sein. Trotzdem: Nicht alle Männer sind Vergewaltiger. Ob ein Mann irgendwann einmal zum Täter wird oder nicht, dürfte im wesentlichen von seiner Persönlichkeitsstruktur abhängen. Männer, die nicht restlos in der herkömmlichen Männerrolle aufgehen und es gelernt haben, eine Frau mit Respekt zu behandeln, neigen weniger zur Täterschaft als die klassischen »Machos«.56 Die Psychologie hat eine grundlegende charakterliche Eigenschaft bei potentiellen Tätern herauskristallisiert. Bei annähernd allen Täterstudien zeigte sich, daß diejenigen Männer, die Vergewaltigung zwar nicht generell als berechtigt ansehen, aber dennoch dazu tendieren, Gewaltanwendung mit weiblichem Fehlverhalten zu rechtfertigen, eher zur Täterschaft neigen als jene Männer, die Brutalität uneingeschränkt ablehnen. Experimentelle Untersuchungen zeigten überdies, daß potentielle Täter Frauen gegenüber generell schneller aggressiv werden. Das Alter der Täter, deren Vergewaltigungsdelikte in der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland statistisch erfaßt worden sind, bewegt sich zwischen vierzehn und vierzig Jahren. Drei Viertel der Männer waren jünger als einundvierzig. Michael Baurmann, der im Auftrag des Bundeskriminalamtes eine Längsschnittuntersuchung bei den Opfern angezeigter sexueller Gewalt durchführte, faßt zusammen: »Die Vorstellung vom senilen Lustgreis scheint unzutreffend zu sein und ist eher das Ergebnis einer selektiven Wahrnehmung. Der typische Täter scheint demgegenüber eher in den sogenannten >besten (Mannes-)Jahren< zu sein.«" Allerdings sind hier alle Vergewaltigungsdelikte zusammengefaßt, also auch Mißbrauch von Kindern, Vergewaltigungen in der Ehe und so weiter. Baurmanns Ergebnisse entkräften übrigens auch das klassische männliche Argument, im Alkoholrausch gehandelt zu haben. Nach Angaben der Opfer waren 14,7 Prozent der Täter zum Zeitpunkt des Vergehens alkoholisiert. Der Einfluß des Alkohols werde allgemein überbewertet, so deutet Baurmann diese Zahlen. Für Date Rape können auch diese Statistiken nicht uneingeschränkt geltend gemacht werden. > Gute« Argumente? Welcher Beweggrund auch immer, ob Aggression, Frustration, Begierde, Besitz- oder Gewaltdrang, zu sexuellen Übergriffen führt, das wissen wohl die Täter am ehesten zu beantworten möchte man meinen. Nicholas Groth, der zahlreiche Täter interviewte, interpretierte jedoch deren Aussagen nach einem vorab erstellten Schema." Aussagen wie
»Sie stand da, mit ihrem Neglige, durch das man alles durchsehen konnte, Brüste und Brustwarzen. Ich wußte, sie würden auf mich warten, die Versuchung war dann schlicht und einfach zu groß« oder »Ich wollte einfach Sex mit ihr haben, das war alles!« unterstellt er sofort »Machtund Gewaltorientierung«, schließlich hätten diese Männer »versäumt«, das für den Geschlechtsverkehr übliche Vorspiel abzuwarten. Dabei verraten gerade diese Aussagen sexuelle Motive. Gewaltorientierung läßt sich als Motiv für Date Rape mit dieser These nicht festschreiben, zumal bekannt ist, daß es im Vorfeld von Date Rape oft zu ausgedehntem Signalvorspiel kommt." Achtundachtzig Prozent der befragten Männer betonten, daß sie vor ihrer Gewaltanwendung verschiedene andere Strategien ausprobiert hätten, um bei der Frau sexuelle Bereitwilligkeit zu erreichen . Allerdings bezeichneten die Männer einer anderen Befragung süßliche Liebesbeteuerungen in Verbindung mit möglichst viel Alkoholkonsum durch die Frau als wesentliche Stimmungsmacher. Frauen seien eben verführerisch, ihre Zurückweisung könne man nicht ernst nehmen, haben doch auch sie sexuelle Bedürfnisse. Und würden sie erst einmal, notfalls gewaltsam, davon »überzeugt«, daß Geschlechtsverkehr nun angebracht sei, dann würden sie sich entspannen und es genießen. Überhaupt, anständige Frauen würden sowieso nicht vergewaltigt . Auch die weibliche Attraktivität wird demnach als schicksalhaft in die männliche Verteidigungsargumentation mit eingebaut. Attraktive Frauen würden vergewaltigt, weil sie begehrenswert seien, unattraktive wollten es nicht anders, im Gegenteil, sie würden gar dazu neigen, eine Vergewaltigung selbst zu provozieren.` Mit anderen Worten: Frauen sind selbst schuld, daß sie zu Opfern geworden sind. Camille Paglia läßt grüßen! Was hier in Interviews mit krankhaften und zu Gefängnisstrafen verurteilten Tätern hervorkommt, spiegelt in extremer Form wider, welche Sichtweisen in den Köpfen der Männer - und zum Teil auch der Frauen - herumspuken können. Gerade bei Date Rape spricht man schnell von der Eigenschuld der Frau. Verantwortlich gemacht werden - sowohl von Männern als auch von Frauen - weniger irgendwelche charakterlichen Eigenschaften des Opfers, sondern vielmehr dessen provokatives Verhalten und aufreizendes äußeres Erscheinungsbild . Vergewaltigte Frauen geraten bei beiden Geschlechtern vorschnell in den schlechten Ruf, promiskuitiv zu sein. Weniger böse Zungen meinen, vergewaltigte Frauen hätten ganz einfach irgendwann die Kontrolle über den Verlauf des Rendezvous verloren, dem Mann nicht schnell und eindeutig genug vermittelt, daß Geschlechtsverkehr unerwünscht sei. So geht der Mythos um, Frauen könnten Vergewaltigungen bei Rendezvous verhindern, wenn sie es nur wirklich wollten. Wenn sich Frauen kaum wehren oder wenn Männer mit einem für sie verhältnismäßig geringen Kraftaufwand den Geschlechtsverkehr durchsetzen können, tendiert man zur Argumentation, in Wirklichkeit habe auch die Frau ihre »Freude« an der Vergewaltigung gehabt. Vor allem jene Männer, die ihre Sexualität ohnehin aggressiv ausleben, sehen in diesem Argument eine willkommene Entschuldigung. Andere Erklärungsversuche laufen auf das Argument hinaus, daß vor der Vergewaltigung unter Bekannten in irgendeiner Form etwas investiert worden sei. In den USA ist es bei Rendezvous allgemein üblich, daß der Mann für das Vergnügen finanziell aufkommt. Er bezahlt den Eintritt ins Kino, das gemeinsame Abendessen danach und die Getränke in der Bar - Grund genug für ihn, eine Gegenleistung zu erwarten. Jetzt hätten sich die Frauen zu revanchieren, behauptet die sogenannte »Austauschtheorie«. Sex gegen Abendessen und Kino. Und wenn die Frau nicht mitmacht, wird sie vergewaltigt. So einfach ist das. Es gibt auch noch die Schutzbehauptung der emotionalen Probleme zur Tatzeit. Die Täter seien unglücklich gewesen, ihre momentanen Lebensbedingungen - privat und beruflich -
miserabel. Da hätten sie einfach etwas gebraucht. Immerhin waren es achtzig Prozent der bei einem Interview befragten Männer, welche die Schuld für ihre Gewaltanwendung auf diese unglücklichen Gefühlszustände schoben." Einige Wissenschaftler wollen die traditionellen Geschlechterrollen für die Häufigkeit von Date Rape verantwortlich machen. Die soziokulturellen Richtlinien hätten den Mann schon fast dazu verpflichtet, zum Initiator von sexuellen Handlungen zu werden. Die zitierten Studien und Interviews stammen aus den USA. Dort herrschen, gerade was Sexualität anbelangt, stellenweise ganz andere Bedingungen als hierzulande. Man muß die Untersuchungen und Thesen - auch die folgenden - mit Vorbehalt zur Kenntnis nehmen. Nicht alles läßt sich direkt auf deutsche Verhältnisse beziehen. Allerdings dürfte sich der Tenor der Rechtfertigungsversuche problemlos übertragen lassen. Viele Argumente klingen seltsam vertraut, beispielsweise die These von der Frau, die es nicht anders haben wollte. Die kennt man auch von deutschen Stammtischen. Sexualität und Aggression: Die Wirkung auf die Frau Über eine Frage wird gern und kontrovers diskutiert: Ist der gewaltsame männliche Zugriff für eine Frau erregend? Interessanterweise erhärten Veröffentlichungen vor allem von weiblichen Autoren dieses Bild. Ein Mann, dessen sexuelle Vorstellungen von weiblicher Begierde beispielsweise von Sheila Kitzingers Buch geprägt oder beeinflußt worden sind, sähe sich fortan veranlaßt, Romantik gegen sexuelle Aggressivität einzuwechseln, um sich als guter und erfolgreicher Liebhaber zu profilieren. Sexuelle weibliche Unterwerfung mit höchsten Lustgefühlen sehen wir im Fernsehen und im Kino. Pornokonsumenten gelangen über Darstellungen von Rollenklischees, bei denen die Frau »so richtig hergenommen wird«, in die ersehnte Erregung. Der starke, dominante Mann holt sich sein Recht, notfalls mit Gewalt. Die Frauen lieben es. Wenn nicht gleich, dann eben später. Frauen brauchen Brutalität, suggeriert die Filmwelt, die auf das männliche Denken einen nicht unerheblichen Einfluß ausübt." Ein Forscherteam zählte sämtliche in amerikanischen Seifenopern vorkommenden sexuellen Szenen zwischen Mann und Frau. Auf Platz zwei rangierten - nach erotischen Berührungen bei unverheirateten Paaren - aggressive sexuelle Handlungen." Sheila Kitzinger hat dafür eine Erklärung parat: Frauen fühlen sich begehrt und geschmeichelt, wenn sie erkennen, daß sie einen Mann außer sich bringen können - selbst wenn er dann zur Gewalt greift. Was ist dran an den angeblich masochistischen Vorstellungen und Wunschträumen vieler Frauen? Wie so oft wissen hier vor allem männliche Wissenschaftler eine Antwort. Hier nur eine Kostprobe: Die Sensibilität weiblicher Geschlechtsorgane sei nicht ausreichend, die Lustgefühle beim Geschlechtsverkehr seien daher zu gering. Einen Ausweg aus der mangelnden Empfindlichkeit biete der Schmerz; erst der Schmerz vermöge die gewünschten intensiven Gefühle der Verbindung zu vermitteln. Überhaupt, Frauen seien biologisch für körperliche Leiden bestimmt: Sie allein hätten es mit Menstruations-, Schwangerschafts- und Geburtsschmerzen zu tun. Nein, nicht de Sades Worte klingen hier an, vielmehr handelt es sich um krude Theorien über weibliche sexuelle Bedürfnisse, die wohl kaum ernst zu nehmen sind. Selbst wenn es masochistisch gefärbte Spielchen und Tagträume gibt - das ist dem persönlichen Geschmack überlassen -, so geht es in unserem Zusammenhang doch um den Ernstfall der versuchten oder vollzogenen Vergewaltigung, durch die die Integrität des Seelenlebens aufs tiefste verletzt wird. Die Folgen sind, einmal abgesehen von körperlichen
Schmerzen, schwere psychische Traumata, Schlafstörungen, Alpträume, gestörte Beziehungen zu Männern, nachhaltige Beeinträchtigung des Sexuallebens und vieles mehr . Das Forscherehepaar Nancy und Randy Thornhill, beide Soziobiologen, bezieht in aller Nüchternheit den seelischen Verletzungsgrad durch Vergewaltigung auf das Lebensalter zur Tatzeit. Für die Wissenschaftler dieser Disziplin steht bekanntlich die genetische Effektivität im Mittelpunkt. Frauen, die im fruchtbarsten Alter vergewaltigt worden sind, müßten nach dieser These am stärksten unter der Tat leiden. So teilten die Autoren ihre befragten Frauen in die »Reproduktionsgruppen« I (null bis elf Jahre), II (zwölf bis vierundvierzig Jahre) und III (fünfundvierzig bis achtundachtzig Jahre) ein. Die erste und die dritte Gruppe sind noch nicht beziehungsweise nicht mehr empfängnisfähig. Mit Hilfe eines Fragenkatalogs ermittelten die Autoren das vermutete Ergebnis: Die zur Gruppe II gehörigen Frauen litten eindeutig am stärksten unter der Vergewaltigung. Ihre Eß- und Schlafgewohnheiten waren negativ beeinflußt, sie hatten deutlich mehr Angst vor einem Aufenthalt auf einer Straße zur Nachtzeit, schätzten sich sexuell weniger attraktiv ein und betrachteten ihre zwischengeschlechtlichen Beziehungen fortan als besonders belastend. Die Eindeutigkeit der Ergebnisse von Gruppe II entstand allerdings aufgrund eines Kontrasts zu Gruppe 1. Mit anderen Worten: Sexuell mißbrauchte Kinder haben deutlich weniger sexuelle Folgeprobleme nach einer Vergewaltigung, das ergab die Auswertung der Fragebögen. Erstaunlich, wie unbekümmert die Autoren daraus Schlußfolgerungen ziehen: Die Frauen der Gruppe II, so lautet die haarsträubende These, litten unterschwellig unter der Befürchtung, ihre reproduktive Effektivität würde durch eine Vergewaltigung geschmälert. Zur »wissenschaftlichen« Untermauerung wurde zudem die Umfrage einer amerikanischen Zeitschrift herangezogen, aus der hervorging, daß Frauen den Tod einer Vergewaltigung vorziehen würden. Was man von solchen medienwirksamen Umfragen zu halten hat, ist wohl hinreichend bekannt. Vielleicht hätten sich die Autoren mehr Kopfzerbrechen über die Zuverlässigkeit ihres Fragenkatalogs bereiten sollen: Seit wann machen sich null- bis elfjährige Kinder Gedanken über ihre sexuelle Ausstrahlung auf das männliche Geschlecht? Auch sind Kinder bei weitem nicht so häufig zu einem nächtlichen Gang durch die Straßen gezwungen, wie das vor allem bei berufstätigen Frauen der Fall ist. Auch die angstbesetzte Vorstellung von einer zwischengeschlechtlichen Begegnung ist bei Kindern anders als bei erwachsenen Frauen. Kinder befinden sich gewöhnlich im familiären Umfeld - wo im übrigen die Mehrzahl der sexuellen Übergriffe auf Kinder geschieht. Wenn der Vater oder der Onkel, der Nachbar oder sonst ein Freund der Familie meist ungestraft zur sexuellen Nötigung schreiten kann - wie sollen Kinder die große Angst vor dem unbekannten Mann entwickeln? Die Untersuchung von den Thornhills ist geradezu ein klassisches Beispiel dafür, wie man in der wissenschaftlichen Arbeit die Methodik so lange verdrehen kann, bis ein gewünschtes Ergebnis herauskommt.
Welche Frau ist gefährdet? »Überzeugte« Vergewaltiger gaben zu Protokoll: »Mein Opfer sollte dem Idealbild einer Frau entsprechen: freundlich, jung, nett, hübsch . . . « Susan Brownmiller widerspricht: Jede Frau sei potentiell gefährdet. Es seien nicht unbedingt die attraktiven, die blonden, die schlanken, die sexuell reizvollen Frauen, die zu Opfern würden. Männer orientierten sich bei ihrer Auswahl kaum an optischen Außerlichkeiten, was
für Susan Brownmiller ein Hinweis darauf ist, daß sexuelle Gründe bei Vergewaltigungen eine nur untergeordnete Rolle spielen. Bei genauerer Betrachtung erweist sich aber, daß Männer offensichtlich ein Merkmal bei ihrer Opfersuche bevorzugen: das Alter. Junge Frauen um die zwanzig Jahre zählen im statistischen Mittel zu den häufigsten Opfern.'' Das Alter wiederum ist der maßgebliche Faktor für weibliche Attraktivität. So betrachtet läßt sich ein Zusammenhang zwischen Attraktivität und Alter sehr wohl herstellen. Oft wird argumentiert, daß junge Frauen schwächer seien, weniger selbstbewußt und daher leichter »einnehmbar« und verletzbar." Das sei der wahre Grund für die Bevorzugung dieser Altersgruppe. Was aber ist mit älteren, ebenfalls leicht verletzbaren Frauen? Nicholas Groth zufolge werden Vergewaltigungen nur bis zu etwa fünf Prozent an über fünfzigjährigen Frauen vollzogen, ein Hinweis darauf, daß weniger die Verwundbarkeit, als vielmehr die durch das Alter vermittelte Attraktivität die maßgebliche Rolle bei der Opfersuche spielt. Zahlreiche Forscher bemühten sich um die Beschreibung einer typischen »Opferpersönlichkeit«. Vor allem das feministische Lager führte die traditionelle Geschlechterrolle als Ursache ins Feld. Frauen, die dem klassischen Rollenklischee entsprächen, seien als Opfer prädestiniert: Ihnen sei schon früh der Glaube an die Vormachtstellung des Mannes indoktriniert worden, mit der sich eine Frau eben abzufinden habe. Solche Frauen seien dann auch nicht fähig, männliche Zudringlichkeit entschieden genug abzuwehren." Andere Autoren wiederum weisen darauf hin, »normabweichendes« Leben fördere die Gefahr, Opfer sexueller Gewalt zu werden: Es seien Frauen, die häufig abends allein ausgehen, die offen die Initiative zu einem Rendezvous ergreifen, die zahlreiche Männerbekanntschaften pflegen, die in sexueller Hinsicht provozieren und sich extrem sexy kleiden würden. Kurz: Frauen, die alles täten, um erotisch zu wirken." Auch Camille Paglia ortet den sichersten Platz für eine Frau offenbar hinter einem dezenten Schleier: ». . . trotzdem gehen junge Frauen im Madonna-Dreß auf Partys, trinken elf Tequilas, strecken ihre Brüste raus und wundern sich hinterher, wenn sie vergewaltigt werden. Das ist dumm. Generelle sexuelle Freizügigkeit wird ebenfalls als mögliche Opferdisposition in Betracht gezogen." Frauen, die sich mit zahlreichen Männern auf Intimitäten einlassen würden, liefen Gefahr, irgendwann auch einmal in »ungute« Situationen zu geraten. Was hier nach dem Motto »Gelegenheit schafft Opfer und Täter« erörtert wird, findet anderen wissenschaftlichen Studien zufolge jedoch keine uneingeschränkte Bestätigung.`
Bewertung Dem aufmerksamen Leser wird auf den letzten Seiten nicht entgangen sein, wie schwer sich die Wissenschaft mit dem » Gegenstand« Vergewaltigung tut - und wie leicht sie es sich damit manchmal macht. Schon darin spiegelt sich die Unzugänglichkeit des Themas für den wissenschaftlichen Zugriff; der brennende Punkt, das Entsetzliche einer Vergewaltigung ist die unwiderrufliche barbarische Erniedrigung des Opfers, ganz gleich, aus welchen Motiven und zu welchem Grad es geschieht. Alle wissenschaftlichen Versuche, selbst die wohlgemeinten unter ihnen, erwecken mit ihrem Vorhaben, Motivkomplexe für Vergewaltigung zu finden und zu beschreiben, den Verdacht der unangemessenen Rechtfertigung. Das gilt vor allem für die Soziobiologie, die Vergewaltigung als biologischen Indikator verwendet und ihr Vorkommen unter anderem als eine bestimmte Reproduktionsstrategie interpretiert - aus einer sehr abgehobenen, ungewöhnlichen, ja
befremdlichen Perspektive. Über den Sinn von Forschungsarbeiten wie jener des Ehepaars Thornhill und ihrer Fruchtbarkeitsskala kann man genauso streiten wie über den Sinn von Wissenschaft überhaupt. In unserer Darstellung haben wir das Thema »Vergewaltigung« eingeschränkt auf das Phänomen des Date Rape; der Verdacht drängte sich auf, daß Date Rape in einer sehr extremen Form etwas mit mißverstandener Körpersprache zu tun hat, und einige Hinweise können diesen Verdacht auch begründen. Körpersprache und die Fähigkeit, sie wahrzunehmen, sind zunächst einmal Produkte der Evolution. Sie entfalten ihre Bedeutung und Brisanz aber erst im Umfeld des kulturellen Daseins des einzelnen Menschen. Durch Kultur wird geregelt, wie die Menschen zueinanderkommen, wie sie zueinander stehen, in welcher Form sie ihre Triebe organisieren und so weiter. In der sogenannten westlichen Kultur bietet die Institution des Rendezvous zwei aneinander interessierten Menschen eine erlaubte Möglichkeit, individuell zusammenzutreffen. Nun stellte sich die Frage, wieso es bei diesen Rendezvous so häufig zu Vergewaltigungen kommt. Verschiedene Vermutungen standen zur Debatte. Erstens die biologisch bedingten unterschiedlichen Interessen und Dispositionen von Männern und Frauen. Daran kann nach allem, was man bis heute weiß, kein Zweifel bestehen. Zweitens die unterschiedlichen Strategien, mit denen die jeweiligen Interessen auf der Grundlage der Disposition durchgesetzt werden sollen. Hier offenbart die Feinanalyse die Bedeutung der Körpersprache während eines Rendezvous. Sie zeigt, wie der Mann einerseits vor dem Hintergrund seiner biologischen Disposition, andererseits - und viel zentraler - vor dem Hintergrund seiner soziokulturellen und individuellen Existenz die weibliche Körpersprache erlebt und interpretiert. Und wie er sich dabei irren kann. Oder irren will? Wenn er seine Rendezvouspartnerin vergewaltigt, hat das freilich mit Irrtum nichts mehr zu tun. Vergewaltigung ist ein Reizthema, soviel ist sicher. Es ist relativ einfach, Vergewaltigung zu verurteilen und für unzulässig zu erklären. Dadurch begibt sich niemand auf argumentatives Glatteis. Wohl kann man an der Art, wie in der Medienöffentlichkeit über Vergewaltigung berichtet wird, in der Tat einiges über die geistige und moralische Verfassung unserer Gesellschaft erfahren. Etwa dann, wenn in billigen Blättern in einem geradezu pornographischen Stil über eine Vergewaltigung süffisant berichtet wird. Oder wenn in juristischen Fachzeitschriften von Gelehrten über die sogenannte »Opferschuldtheorie« debattiert wird. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Als Thema ist Vergewaltigung nicht von den Bewertungen zu trennen. Als Beispiel mag das deutsche Strafgesetzbuch dienen, das in Paragraph 77 StGB Vergewaltigung eindeutig als Verbrechen definiert, das jedoch andere Tatbestände, die aus der Sicht der Betroffenen mindestens ebenso schrecklich sind, per definitionem als »sexuelle Nötigung« vom Grad der Verwerflichkeit und des angedrohten Strafmaßes her geringer bewertet. Dem Moment der Irrationalität kann man jedoch durch kein noch so ausgeklügeltes Definitionsverfahren beikommen. Man begnügt sich notgedrungen mit verschiedenen Ebenen, auf denen man den Begriff » Vergewaltigung« diskutiert: ethisch-moralische, soziokulturelle, rechtlichpolitische, biologische und so fort. Den Opfern hilft dadurch niemand; ihnen kann auf publizistischer Ebene ohnehin nie individuell, sondern nur allgemein und für die Zukunft dadurch geholfen werden, daß die Hemmschwelle für potentielle Vergewaltiger - wie auch immer - nicht noch weiter gesenkt wird. Doch solange die Medien mit dem Voyeurismus des Publikums ihr Geld machen, ist Besserung nicht in Sicht. Für die Wissenschaft taucht in diesem Zusammenhang wie auch bei anderen Fragen überdies ein altes ethisches Problem auf, nämlich das des Werturteils. Gerade die Humanwissenschaften bringen immer wieder Erkenntnisse zutage, die mit den gängigen ethischen und moralischen Vorstellungen unserer Gesellschaft nicht so leicht in Einklang zu bringen sind und daher schnell öffentlich angefeindet werden. Woran liegt das?
Grundsätzlich hat jede Wissenschaft mindestens zwei Schwachstellen, die man bei der Aufnahme ihrer Ergebnisse kritisch im Auge behalten sollte: ihre Erkenntnisziele und ihre Methoden. Beide haben sich im Laufe der Zeit entwickelt, und zwar unterschiedlich in den verschiedenen Fächern und Ländern. Selbst innerhalb der einzelnen Fächer gibt es oft ganz unterschiedliche Lehrmeinungen. Diese Unterschiede sind nicht zu unterschätzen, will man wissenschaftliche Ergebnisse halbwegs angemessen beurteilen. Was durch den Filter der großen Medien nach außen dringt, sind oft nur die spektakulären Funde, die dann ohne den nötigen Zusammenhang und das unentbehrliche Hintergrundwissen völlig falsch vermittelt werden In Verbindung mit dem wissenschaftlichen Thema »Vergewaltigung« wird das Vermittlungsproblem besonders deutlich. Soll man Empfehlungen aussprechen, wie eine Frau sich vor Vergewaltigungen schützen kann? Soll man ihr allen Ernstes raten, sich nicht allzu kokett anzuziehen und dunkle Straßen zu meiden? Oder soll man so tun, als wüßte man von nichts?
Schlußwort
Irren ist männlich. Unser Experiment hat gezeigt, welch starke Wirkung Frauen mit ihrer Körpersprache auf Männer auszuüben vermögen. Wie sie schon mit einem Lächeln auf eine Begegnung einwirken und mit wenigen Blicken Männer zu phantasievollem Wunschdenken veranlassen können. Mit ihrer Körpersprache sind Frauen in der Lage, Männern die Angst vor einer Zurückweisung zu nehmen. Sie können Männer anlocken - und bis zu einem gewissen Grad zurückweisen. Weibliche Körpersprache übt einen Einfluß auf das männliche Selbstwertgefühl aus. Sie vermittelt das Gefühl, akzeptiert zu sein, genauso wie die Befürchtung, unbeliebt, ignoriert und uninteressant zu wirken. Mit ihrer Körpersprache können Frauen oftmals erreichen, was sie mit Worten allein niemals schaffen würden. Wie bewußt und dabei so effektiv eine Fraul ihr körperliches Verhalten auf bestimmte Zwecke und Ziele einzustellen in der Lage ist, zeigte in unserem Experiment der Lockvogel Petra, die weder eine geübte Schauspielerin war noch ihre Rolle allzu lange und intensiv geprobt hatte. Zwar war ihre Motivation durch die Sondersituation im Versuchsraum künstlich erhöht, doch die Motivation ist bei Frauen generell hoch, wenn sie von einem Mann etwas erreichen wollen - wenn sie seine Zuneigung gewinnen wollen, wenn sie männliche Komplimente zur Steigerung ihres Selbstwertgefühls benötigen, wenn ihnen nach spielerischem Umgang mit Männern zumute ist, wenn sie männliche Dienste beanspruchen wollen und vieles mehr. Die zum Zweck einer Manipulation eingesetzte körpersprachliche Freundlichkeit, sogenanntes »Quasi-courtship«, wird von Männern wohl kaum als Manipulation erkannt - zu schnell ist der Geschmeichelte in seiner Eitelkeit geblendet. Männer stecken jedoch in einem Dilemma. Wie sollen sie die Körpersprache einer Frau interpretieren? Wann sind sie als Opfer weiblicher List mit »Quasi-courtship« konfrontiert, wann handelt es sich um ehrliche Zuwendung? Die weiblichen Täuschungsmanöver sind viel schwerer zu durchschauen als die der Männer, welche überwiegend mit Worten und Taten manipulieren und täuschen. Worte sind viel zu klar und eindeutig. Ihnen kann man glauben oder nicht. Gesprochenes läßt sich leichter auf Ehrlichkeit überprüfen als die Sprache des Körpers, bei der vor allem Intuition und Einfühlungsvermögen, aber auch Realitätssinn erforderlich sind, wenn man sie verstehen will. Aber gerade an diesen Eigenschaften scheint es vielen Männern zu mangeln. Mit überwältigendem Optimismus interpretieren sie die weibliche Körpersprache vorschnell bis falsch - zu ihren Gunsten, das versteht sich von selbst. Es zeigte sich im Experiment regelmäßig, daß die Männer dazu tendieren, voreilig Freundlichkeit und Interesse an sich zu erkennen. Bereits bei Kontaktanbahnungen von Mann und Frau scheinen somit die ersten Grundsteine für Mißverständnisse gelegt zu sein. Zwar wächst die Angst vor einer Zurückweisung mit der Begeisterung für die Frau, gleichzeitig aber wird diese Angst dadurch verringert, daß die Männer das körperliche Verhalten einer Frau in ihrem Interesse deuten. So hat es fast den Anschein, als kompensiere das Wunschdenken die Angst vor einer Zurückweisung. Im Verlauf des zwischengeschlechtlichen Kontakts kommt es ebenfalls immer wieder zu Interpretationsfehlern. Besonders aufschlußreich ist das Ergebnis, daß sich Männer mit einer plötzlichen Zurückweisung nach vorausgegangener Zuwendung nicht angemessen
auseinandersetzen. Entweder können sie nicht, oder sie wollen nicht. Die Ergebnisse führten unsere weiteren Überlegungen dahin, die Rolle der Körpersprache als verstärkendes oder auslösendes Element von Mißverständnissen genauer zu untersuchen. Nach der kurzen Einführung in die umfangreiche Literatur zum Thema »sexuelle Gewalt« kann man den Schluß ziehen, daß mißverstandene Körpersprache bei weitem nicht als einzige Ursache für sexuelle Gewaltakte anzusehen ist. Eines jedoch ist klar: Die männliche Wahrnehmung weiblicher Körpersprache entspricht nicht in vollem Umfang den beabsichtigten Botschaften, die eine Frau durch ihren Körper und ihre Signale vermitteln möchte. Viele Frauen, so lassen unsere Ergebnisse vermuten, sind sich der Wirkung ihrer Körpersprache nicht wirklich bewußt. Zwar wissen sie, welches Verhalten freundlich und welches unfreundlich wirkt. Die Körpersprache einer Frau ist für Frauen aber nicht - wie für den Mann - mit dem »Kickeffekt« durchsetzt. Sie sind sich der »Reizwirkung« ihrer Körpersprache auf den Mann offenbar nicht immer bewußt. Das bleibt nicht ohne Folgen. Körpersprachliche Kommunikation regelt vor allem den Beginn von Beziehungen, bei dem mit großem Interesse jede kleinste Information, alle Reize und Signale aufgesogen werden. Männer, die sich in die Vorstellung verbissen haben, eine Frau signalisiere Verführungsbereitschaft, sind nur noch schwer von dieser Wahrnehmung abzubringen. Viele Frauen mögen das begrüßen, aber bei weitem nicht alle. Immerhin sollten Frauen von diesem eingleisigen männlichen Denken wissen. Haben sie darüber hinaus den Ratschlag nötig, unauffällige Kleidung und dezentes Make-up zu tragen, sich geschlechtsneutral zu verhalten oder gar konsequent feministischem Lächelboykott zu folgen? Sollten sie am Ende überhaupt keine Initiativen zu zwischengeschlechtlichen Kontakten mehr ergreifen? Mitnichten. Denn hier werden Frauen Verhaltensweisen oktroyiert, die doch nur wieder in Abhängigkeit vom herkömmlichen männlichen Denken und Handeln stehen. Das hielte ich für einen grundlegenden Rückschritt in der Gleichberechtigung der Geschlechter. Ein wesentliches Ziel konnten wir erreichen. Es ist uns gelungen, eine der grundlegenden Verständigungsschwierigkeiten zwischen Männern und Frauen experimentell aufzudecken und zu beschreiben: Die Botschaften der weiblichen Körpersprache und ihre Wahrnehmung durch Männer stimmen nicht immer überein. Wer aus dieser Erkenntnis wirklich ernsthaft Nutzen ziehen will, dem wird es auch gelingen. Männer könnten oder sollten sich in mehr Wirklichkeitssinn üben. Frauen könnten oder sollten sich mit der Wirkung ihrer Körpersprache bewußter auseinandersetzen. Mit etwas gutem Willen könnten beide Geschlechter ihren Umgang mit größerem Verständnis füreinander gestalten. Das gilt für die sensiblen Bereiche einer zwischenmenschlichen Kontaktanbahnung ebenso wie für das erste Herantasten, für die ersten Rendezvous. Ich hoffe, dieses Buch trägt dazu bei, daß Männer und Frauen füreinander stärker und feiner sensibilisiert - das Aufkeimen von Unstimmigkeiten und Konflikten im Vorfeld erkennen können und entsprechend reagieren. Bis ins letzte Detail läßt sich eine Begegnung von Mann und Frau ohnehin niemals analysieren, durchschauen und schon gar nicht vorhersehen. Das ist auch gut so, denn letztlich sind es ja gerade die Unsicherheiten, die eine Begegnung so spannend, aufregend und schön werden lassen.
Anhang
Danksagung
An erster Stelle möchte ich meiner Schwiegermutter Monika Tramitz danken. Mit Liebe und Geduld versorgte sie meine Kinder und ermöglichte mir so, für das Projekt sowie das Buch die notwendige Zeit zu finden. Ohne die großzügige Unterstützung von ]Dr. Jens Asendorpf und dem Max-Planck-Institut für psychologische Forschung wäre die Durchführung des Projekts ebenfalls nicht möglich gewesen. Sie stellten die Versuchsräume sowie die technische Ausrüstung zur Verfügung. Besonderer Dank gilt meinem Statistiker Jörg Blumtritt, der sich erfolgreich durch den Datenberg kämpfte. Professor Irenäus Eibl-Eibesfeldt stellte mir an seiner Forschungsstelle für Humanethologie einen Arbeitsplatz zur Verfügung. Ihm gilt mein Dank für seine über viele Jahre andauernde Loyalität und Großherzigkeit. Die Interviews entstanden in enger Zusammenarbeit mit Ulrike Rottmann, die dem Projekt durch einfühlsames Fragen wichtige Erkenntnisse aus dem »wirklichen« Leben hinzufügen konnte. Susanne Bihr war während des gesamten Forschungsprojekts meine zuverlässige Mitarbeiterin. Sie war hilfreich tätig bei der Versuchsdurchführung, bei den Literaturrecherchen sowie bei diversen Auswertungsarbeiten. Für einen reibungslosen Versuchsablauf sorgten Dr. Angelika Weber und Dr. Martina Stoyanoff-Odoy. Lionel von dem Knesebeck ermutigte mich mit freundschaftlichem Rat zu diesem Buch. Für seelischen Ausgleich sorgte Monika Baruk, die meine Arbeitszeit täglich mit kulinarischen Köstlichkeiten versüßte. Mein Mann Christian Tramitz bekam meine berufsbedingten Unausgeglichenheiten zu spüren. Ihm danke ich von ganzem Herzen für sein Verständnis und seine Geduld. Besonders aber freue ich mich über die geschwisterliche Loyalität meines Bruders Philipp Doermer. In jeder Phase des Projekts stand er mir mit Rat und Tat zur Seite: Er drehte den »Barfilm«, half bei technischen Schwierigkeiten. Vor allem aber überarbeitete er mit bewährtem Engagement mein Buch. Dieses Forschungsprojekt wurde unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Max-Planck-Gesellschaft stellte weitere finanzielle Mittel zur Verfügung.
Interviews mit Männern und Frauen Die Humanwissenschaften neigen dazu, den Menschen auf eine statistische Größe zu reduzieren, womit sich viele nicht identifizieren wollen. Doch auch für die noch so hochsignifikanten statistischen Ergebnisse der Verhaltensforscher gilt der Satz: Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Notwendigkeit der Überprüfung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch individuelle Erfahrungen liegt auf der Hand. Die folgenden sechs Interviews sind keineswegs repräsentativ, die befragten Personen wurden zufällig ausgewählt. Drei Frauen und drei Männer beantworteten Fragen aus dem Umfeld des Experiments. An vielen Stellen wird der Leser bemerken, wie aussagekräftig - und lebensnah - die Resultate unseres Experiments sind, aber auch, wie sehr individuelle Ausnahmen die von uns als statistische »Regel« aufgestellten Erkenntnisse erfreulicherweise entkräften.
Männlicher Befragter, 27 Jahre alt Interviewerin: Du bist Student, hast eine Freundin. Wie oft in der Woche gehst du abends aus? Befragter: Durchschnittlich vielleicht einmal oder zweimal die Woche. 1: Hast du viele Freunde und Bekannte? B: Weibliche? I: Weibliche Bekannte, oder hast du eher Freunde? B: Gemischt. I: Zahlreiche Rendezvous hast du nicht, oder? B: Mit Freundin? - Selten oder nie! Also, eher nie. I: Zur Kontaktanbahnung: Bist du der Meinung, daß die Männer, wenn sie eine Frau kennenlernen wollen, die Frau ansprechen sollten? B: Schwierige Frage. - ja! I: Du meinst, Männer sollten die Frau ansprechen? B: Ja. - Konservativ. I: Bist du schon einmal von einer Frau angesprochen worden? B: Nein! I: Noch nie. Und - hast du schon einmal von dir aus eine Frau angesprochen? B: ja. I: Wie oft?
B: Selten. I: Und wenn du das gemacht hast, wie hast du angefangen? Was hast du gemacht, wie bist du auf sie zugegangen, was hast du gesagt? B: Hallo! - Also, das ist jetzt schwierig, weil ich ja schon lange eine Freundin habe, und da kann ich mich gar nicht mehr so daran erinnern, wie es vorher war. I: ja, waren das dann eher so Sachen, daß du zum Beispiel nach der Uhrzeit gefragt hast, oder bist du direkt auf sie zugegangen und hast gesagt B: Gehen wir Kaffee trinken, zum Beispiel. I: Also, du hast dann schon direkt gefragt. Und wie haben die Frauen darauf reagiert? B: Unterschiedlich. Also, meistens sehr angetan. I: Zum Beispiel an der Uni kommt es ja sicherlich auch öfter vor, daß du einfach so mit Kommilitoninnen Kaffee trinken gehst oder so. Da muß ja von irgendwem der erste Schritt getan werden B: ja, den tun immer die Frauen. I: Den tun die Frauen? B: ja, bei mir zumindest. I: Und wie reagierst du dann darauf? B: Das kommt auf die Frau an. I: Und wenn dir eine gefällt? B: Dann gehe ich mit ihr Kaffee trinken. I: War das für dich früher ein Problem, Frauen anzusprechen? War dir das unangenehm? B: Ja, ich bin eher schüchtern und gehemmt. I: Kam es oft vor, daß du eine Frau nicht angesprochen hast, weil du Angst vor einer Zurückweisung hattest? B: ja. I: Stell dir vor, du gehst abends in eine Bar und siehst dort eine Frau allein stehen. Sie gefällt dir, und du möchtest sie näher kennenlernen. Was machst du? Wie gehst du auf sie zu? B: Na, ich setze mich daneben. I: Und sprichst du sie dann an oder
B: Ich warte. I: Du wartest. Also, da wartest du dann doch, daß sie dich anspricht? B: Ich warte, was passiert. Und wenn nichts passiert, dann gehe ich wieder. ja, oder ich ergreife die Initiative. Würde ich tun, wenn ich in einer Bar sitzen würde. Es ist ja eine hypothetische Frage, weil ich nicht in Bars sitze. I: Du hast vorher gesagt, »wenn jetzt irgendwas passiert«. Also, was muß denn da passieren, daß du sie ansprechen kannst? B: Ja, sie sollte zumindest mal herschauen und grinsen. Und dann würde ich mir's überlegen. Kommt darauf an, nach was ich suche. I: Gibt es da noch irgendwelche Kriterien, auf die du achtest, bevor du eine Frau ansprichst? Sie soll dich anlächeln, also da muß schon irgendwas von der Frau auch kommen? B: Na ja, sie sollte mir eigentlich schon auch gefallen. Ich meine, ich würde nicht irgendeinen Besen anreden. I: Also hübsch soll sie sein? B: Also im subjektiven Sinne. Für mich hübsch. I: Du achtest doch sicherlich darauf, wie sie angezogen ist. Und auch auf irgendwelche äußeren Sachen. Auf was zum Beispiel? B: Tja, was gibt's denn da so: lackierte Fingernägel, geschminkt, ja dann gibt's noch . . . I: Lange Haare, ob die Haare offen sind B: Ja, also offene Haare gefallen mir besser; dann soll sie blond sein, 'ne gute Figur haben und eine entsprechende Ausstrahlung haben, die mir gefällt. I: Ja, kannst du das definieren, wie sich diese Ausstrahlung zeigt? B: Ja. Sie muß den Eindruck machen, daß sie es mir nicht Leichtmacht. I: Also, wenn eine Frau von vornherein total offen ist, dann ist das B: Dann weiß ich genau, was sie von mir haben will. - Denke ich zumindest. Und darauf gehe ich dann nicht ein. 1: Aha. Da ist sie dann schon weniger interessant. Achtest du von der Körperhaltung her noch auf andere Kriterien? Achtest du bewußt darauf, wie sie dasitzt oder wie sie sich hält? B: Ja. I: Und was gefällt dir da?
B: Na, an der Körpersprache kann man ja erkennen, ob man Chancen hätte oder nicht. Wenn ich sehe, daß es keinen Sinn hat, dann werde ich mich sicherlich von der, die zu meiner Linken sitzt, zu der, die zu meiner Rechten sitzt, hinwenden. Klar, bei dem Frauenüberangebot heute. I: Welche Frau fällt dir anzusprechen am schwersten? Eine Frau, die du einfach attraktiv findest, eine Frau, die du erotisch findest, oder eine Frau, die du interessant findest? B: Am leichtesten würde es mir fallen, eine anzusprechen, die interessant ist, dann eine, die erotisch ist, und dann eine, die attraktiv ist. Wobei ich natürlich die letzte am liebsten ansprechen würde. Wenn »attraktiv« so definiert ist, wie ich attraktiv verstehe. I: Wie definierst du das? B: Ja, daß sie eben gut aussieht und eine für mich ansprechende Ausstrahlung hat. I: Wie verhalten sich Frauen deiner Meinung nach, wenn sie Kontakte knüpfen wollen? Was machen sie, vor allem körperlich, wie halten sie sich, was haben sie für eine Mimik, was für Gebärden? B: Offene Gebärden oder Mimik. 1: Und was würdest du als »offen« definieren? B: Ja, die Hände zum Beispiel. Ob sie auf mich zuweisen oder nicht, ob sie auf Abwehr gestellt sind oder nicht, ob sie Körperkontakt suchen oder nicht. I: Spielt dein Alter eine Rolle? Warst du früher unbekümmerter im Umgang mit Frauen, im Vergleich zu heute? B: Nein. Jetzt bin ich unbekümmerter. I: Was meinst du, woher das kommt? B: Ich hab' ne Freundin. I: Es ist schon so, daß das irgendwie den Umgang mit anderen Frauen erleichtert? Weil das Verhältnis dann geklärt ist? B: Ja. Man hat vielleicht auch ein anderes Interesse an den Frauen als früher. Also, wenn ich mich jetzt mit Frauen unterhalte, ist meine Zielsetzung 'ne andere als früher. Das ist vielleicht auch, weil ich älter bin. Oder weil ich 'ne Freundin habe. I: Stell dir vor, du unterhältst dich mit einer Frau, die dir gefällt. Woran merkst du, daß die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht? Also, daß sie dich genauso sympathisch findet wie du sie? B: Sie reagiert positiv auf das, was ich sage. Kommt auf die Frau an. Die eine wird ständig widersprechen, um sich interessant zu machen, die andere wird mir immer recht geben. Also es müßte so in der Mitte sein.
1: Um dich zu bestätigen? B: Genau. So, daß ich sozusagen der Chef bin. Ein ausgewogenes Verhalten sollte die Frau haben, die ich interessant finde beziehungsweise attraktiv, um auf die Terminologie von vorher einzugehen. 1: Bei den Frauen, die dich so bestätigen, die dir recht geben: Welches Verhalten ist sonst noch damit verbunden, was machen sie? B: Sie berühren mich. 1: Sind sie eher ernsthaft dabei oder B: Sie zeigen vielleicht ernsthaft Interesse an mir, aber ich dann nicht mehr so an ihnen. 1: Welches körperliche Verhalten zeigt Sympathie? Da meintest du ja schon, »daß sie dich berührt«. Also, daß zum Beispiel die Knie zufällig aneinanderkommen oder B: Zum Beispiel. 1: Gibt es da auch so absichtliche Berührungen, also Berührungen, die wirklich absichtlich erscheinen, oder sind das eher unabsichtliche Berührungen? B: Unabsichtliche Berührungen. I: Und welches körperliche Verhalten findest du erotisch an Frauen? Wenn eine Frau dich wie unabsichtlich berührt, macht dich das an, oder ist dir das eher unangenehm? B: Das ist mir unangenehm. 1: Und woran merkst du, wenn eine Frau wenig Interesse an dir hat? B: Das fühle ich. Oder ich denke es zu fühlen, vielleicht stimmt's natürlich auch nicht. Deswegen habe ich auch wenig Erfahrung mit Frauen. Weil sie ja nicht so hinter mir herlaufen,weil ich es vielleicht immer falsch beurteile. Oder vielleicht habe ich es früher falsch beurteilt. I: Du sagtest vorher, daß manche Frauen, die bei dir interessant erscheinen wollen, dich bestätigen, dich bejahen, dir recht geben B: Die sind langweilig. I: Und die anderen Frauen, die auch interessant wirken wollen, widersprechen und machen sich dadurch interessant. Das kann doch aber genauso bedeuten, daß die Frau kein Interesse an dir hat und sich deswegen so verhält. Dir deswegen widerspricht und abblockt. Wo ist da der Unterschied im Verhalten? Wann kann man sagen: »Sie hat Interesse, und deswegen verhält sie sich so«? Und wann kann man sagen: »Sie ist nicht interessiert, und deswegen widerspricht sie mir«? B: Also, das müßte man jetzt real im Gespräch sehen, dann könnte man es vielleicht beurteilen. Aber ich nehme an, daß es daran liegt, ob man einen negativ angreift und vielleicht dabei noch persönlich wird. Dann ist vielleicht das Interesse nicht so groß. Oder ob man eine
sachliche Kritik übt und jetzt nicht versucht, den anderen dadurch zu treffen oder zu verletzen. 1: Das ist jetzt verbal. Und körperlich gibt es ja was Ähnliches: daß eine Frau sich ein bißchen abwendet oder wegdreht, weil sie Interesse wecken will. Oder aber, daß sie sich abwendet, weil sie wirklich keinen Kontakt mehr haben will. Fällt dir da was ein, wie man das unterscheiden kann? B: Also, ich würde sagen: Wenn sich eine Frau im Gespräch von mir abwendet oder mir die Schulter zeigt, dann ist das eigentlich schon eine Ablehnung. Ich würde mich daraufhin der Frau auf der anderen Seite zuwenden. I: Also, wenn sie sich körperlich abwendet, dann ist das auf alle Fälle ein Zeichen, daß sie keine Lust mehr hat, weiter zu reden? B: Außer sie dreht sich dann wieder um und schiebt mein Glas oder irgendwas. I: Welches sind die entsprechenden körperlichen Verhaltenswei sen? Fällt dir da noch was ein? B: Schlägt die Beine übereinander. 1: Auf welche Hinweise für Antipathie beziehungsweise Zurückweisung legst du mehr Wert: auf körperliche oder auf verbale, sprachliche? B: Gleich. 1: Wenn sich dir zum Beispiel eine Frau körperlich sehr offen zuwendet und auf der anderen Seite aber verbal sagt: »Ach, was willst du eigentlich, wieso kommst du jetzt her?«, was überwiegt dann? Auf was achtest du mehr? B: Auf körperliche Signale. I: Also, das Sprachliche ist dann nur eine Provokation, aber nicht so ernst zu nehmen? B: Wahrscheinlich, nehme ich mal an. Sonst würde sie sich mir ja nicht zuwenden. Ein Gespräch sind ja zwei Partner, die sprechen. Und wenn man immer das gleiche spricht, ist es vielleicht auch langweilig. I: Wie verführen Frauen deiner Meinung nach? Körpersprach lich? Und wenn ja, wie? B: Das weiß ich nicht. Ich bin noch nie von einer Frau verführt worden. Also, jetzt so an der Bar. 1: »Verführen« ist zu extrem ausgedrückt. Da ist eher gemeint: Wie ist der erste Kontakt? Wie entsteht das erste Gespräch? Wie machen das Frauen? Wie macht es eine Frau, die dich kennenlernen möchte? B: Sie setzt sich neben mich. Nehme ich an. Das wäre wahrscheinlich gar nicht dumm, denn auf zehn Meter Entfernung ist es immer schwierig.
I: Angenommen, du sitzt ihr zufälligerweise an einem Tisch gegenüber. Was meinst du, wie sie da Kontakt knüpft? B: Sie würde versuchen, mir in die Augen zu schauen. Oder sie könnte mich etwas fragen. Ob ich noch ein Glas Wein haben will - also, wenn das jetzt eine Gesprächsrunde beim Abendessen mit Bekannten ist. In einer Bar würde es wahrscheinlich etwas ungeschickt wirken. Da würde ich dann einfach etwas anderes vermuten. Wenn mich eine Frau auf einen Drink einlädt, das ist ein bißchen seltsam. Ich würde mich zumindest wundern. I: Du glaubst nicht, daß Frauen direkt sagen würden, daß sie dich kennenlernen wollen? Sondern eher auf einem Umweg, zum Beispiel, ob du noch ein Glas Wein willst oder ob du noch was zu essen willst oder so? B: Also, ich würde es ja auch so machen. Also gehe ich mal davon aus, daß es Frauen auch so machen. Ich würde ja auch nicht eine Frau auf der Straße fragen: »Hallo, willst du mit mir gehen?« oder so was. So was ganz Augenfälliges würde ich vielleicht nicht machen. Vielleicht gibt es auch Frauen, die das machen würden. Die modernen Frauen, zum Beispiel. I: Ist es dir schon mal passiert, daß du von einer Frau zurückgewiesen wurdest, mit der du noch gar nicht eng befreundet warst, weder in gefühlsmäßiger noch in sexueller Hinsicht? B: Ja. Das ist ja wohl normal. 1: Und wie hast du das empfunden? Warst du enttäuscht? B: Setzt das jetzt voraus, daß ich nur Interesse hatte oder daß ich verliebt war? I: Das ist nicht festgelegt. Stell dir einfach eine Situation vor, wo das mal so war, irgendwann. B: Das war früher, heute finden mich alle Frauen toll. I: Ja, klar. Weil du gebunden bist. Da finden dich natürlich alle toll. B: Ja, das war dann halt eine Enttäuschung. Und wahrscheinlich, je nachdem, was man an Gefühl vorinvestiert hatte, eine abgestufte Enttäuschung. I: Und wie hast du dann auf diese Enttäuschung reagiert? B: Ich habe mich dann halt bei der Frau bestimmt nicht mehr gemeldet oder mit der irgendwas unternommen. 1: Warst du eher traurig, oder hattest du das Gefühl, daß sie dich falsch verstanden hatte, in dem, was du von ihr wolltest? B: Ich war eher traurig. I: Aber du hattest nicht das Gefühl, daß sie dich irgendwie miß versteht, daß sie das irgendwie falsch aufgefaßt hat?
B: Das kann auch sein. Sicherlich beides. 1: Warst du eher traurig oder vielleicht doch aggressiv? B: Nein! I: Noch nie? B: Da müßte man »Aggression« definieren. Verbal oder körperlich? 1: Sagen wir mal verbale Aggressionen. B: Ja, sicher. 1: Und in welcher Situation? B: Im Streit. I: Und um was ging es bei dem Streit? B: Beziehungskrisen. 1: Also, einer hat sich vom anderen etwas erwartet, was nicht erfüllt wurde. B: Zum Beispiel. I: Und körperliche Aggression? B: Nein. 1: Fandest du deine Reaktion im nachhinein gerechtfertigt, oder konntest du es vor dir selber eigentlich nicht vertreten? B: Normalerweise kann ich es vertreten. Es sind ja immer zwei Partner. Normal ist der eine nicht aggressiv, ohne daß der andere auch aggressiv ist. Nur ist wahrscheinlich der eine zuerst aggressiv. Aber das ist sicherlich im nachhinein nicht mehr festzustellen. I: Kannst du verstehen, wenn Männer Frauen vergewaltigen? B: Nein. I: Date Rape. Das ist das, was ich dir vorher erzählte. Daß du dich mit einer Frau triffst und B: Ja, ich weiß, was du meinst. Nein, kann ich auch nicht verstehen. I: Kennst du einen Bekannten oder eine Frau, der so etwas schon mal passiert ist - oder so was Ähnliches? B: Nein. - Manche Frauen beschweren sich hinterher, daß sie nicht mit dem hätten ins Bett gehen sollen, aber das ist dann nicht auf einen Gewaltakt des Mannes zurückzuführen, sondern einfach, weil sie sich ärgern, weil es doch nicht der Richtige war.
I: Weil es keinen Spaß gemacht hat? B: Ja. Oder weil sie dachten, es wäre die große Liebe, und das war's dann doch nicht. Aber, daß eine mit Gewalt dazu gezwungen wurde . . . I: Das wurde auch nie so dargestellt? B: Nein.
Weibliche Befragte, 42 Jahre alt Interviewerin: Sind Sie verheiratet, oder haben Sie einen Freund? Befragte: Ich bin zweimal glücklich geschieden. Und ich habe nur lockere Beziehungen. Es darf jeder zur mir kommen, aber keiner läßt seine Zahnbürste, seine Stinksocken und seinen Rasierapparat bei mir. Das verbitte ich mir. I: Also bei »Freund« ein Fragezeichen? B. Was ist ein Freund? I: Ein Freund ist schon jemand, der über Nacht bleibt. B: Hab' ich einen. Ich habe aber dann noch einen. Der eine, der bleibt manchmal länger. Und der andere, der geht dann nach zwei bis drei Stunden, denn wenn seine drei Kinder aufwachen, muß der Papa da sein. I: Aha. Aber gleichzeitig kommen die nicht? B: Nein. 1: Abwechselnd. B: Wie es in meinen Terminkalender paßt. I: Gehen Sie öfter abends aus? B: Eigentlich jeden Abend, denn ich arbeite in einer Kneipe. Auf einem Sportplatz, in der Küche. I: Und so zum Spaß? B: Nein. Selten. Zweimal im Monat.
1: Haben Sie andere männliche Bekannte? B: Ungefähr vierzig. Also, lauter Freunde. Ganz normale Freundschaften. 1: Und mit denen treffen Sie sich auch ab und zu? B: Regelmäßig. Und dann quatschen wir über Ehekrisen und sonstiges. I: Hier geht es um Kontaktanbahnung. Sind Sie der Meinung, daß Männer das erste Wort sprechen sollten? B: Nein, denn sie stellen sich zu blöd an. 1: Also, das sollen Frauen übernehmen? B: Eigentlich schon, weil die Frauen mehr Gefühl haben. Mehr Gefühl für den Menschen, mehr Gefühl für die Situation. Wenn ein Mann anfängt zu reden, dann zerredet er schon wieder die Situation. Und das ist dann das, wo sie am Anfang schon wieder alles kaputtmachen. Dann sitzt die Frau da und denkt sich: »Halt doch bitte die Klappe.« Und er hält sie nicht und quatscht und quatscht. I: Was ist, wenn er nichts mehr sagt, wenn man dann dasitzt? B: Wir Frauen sind doch sehr einfallsreich. Wir sind doch froh, wenn die Männer den Mund halten. I: Sind Sie schon einmal von einem Mann angesprochen wor den? B: Öfter. I: Wie oft ungefähr? B: In welchem Zeitraum? I: Im letzten Jahr. B: Sechsmal. I: In der Kneipe passiert das wahrscheinlich ständig, oder? B: Nein, nicht in der Kneipe. Der eine, das war in einem Cafe. Das war ein heißer Typ. 1: Was war das für einer? B: Ich geh' in das Cafe, es war voll. An einem Zweiertisch saß ein Herr allein. Ich sagte: »Entschuldigen Sie, haben Sie noch Platz?« Er sagte: »Ja, trinken wir eine Tasse Kaffee!« Dann haben wir uns unterhalten. Dann hat er mich zu sich nach Hause eingeladen. Das habe ich auch angenommen. Ich bin hingefahren, und dann bin ich wieder gegangen und nicht mehr gekommen. Weil er die Situation zerredet hat. Er war sehr intelligent, mir weit an Intelligenz überlegen, aber in Situationen, das Leben betreffend, hilflos wie eines kleines
Kind. Obwohl ich da ein schönes Leben, eine sichere Zukunft gehabt hätte. Nie mehr wieder arbeiten . . . Lieber gehe ich putzen. I: Und wie reagieren Sie in der Regel, wenn Sie angesprochen werden? B: Ich warte, was auf mich zukommt. Meistens nichts Gescheites. I: Aber Sie blocken nicht ab? B: Nein, überhaupt nicht. I: Wundern Sie sich, wenn Sie angesprochen werden, oder ist das für Sie normal? B: Das ist für mich normal. Ich schaue ja nicht aus wie Frankenstein. I: Würden Sie sagen, daß das Ansprechen, die Annäherung, etwas mit Ihrem Verhalten zu tun hat? Oder glauben Sie, daß die Männer das einfach blind machen? B: Wenn mich ein Mann anspricht, sitzt er meistens da wie ein Häufchen Elend - weil ich die sogenannte »Helfersyndromantenne« ausgefahren habe. Ich bemühe mich zwar, daß die drin bleibt, aber . . . Wenn mich einer anspricht, ist es bestimmt ein Typ, der tausend Probleme hat und total im Abseits steht. Und ewig redet. Und er erzählt mir von der Geburt bis zum heutigen Tage alles. I: Haben Sie schon einmal einen Mann angesprochen? B: Ja, natürlich. Das war ein starker Typ. I: Was ist da passiert? B: Der hat mit gefallen, der hat mich gereizt, da habe ich dieses komische Kribbeln im Bauch gehabt. Dann habe ich ihn angesprochen, wir haben geplaudert, und dann sind wir gegangen. Am nächsten Tag hat er sich verabschiedet. Aber ich habe ihm nicht gesagt, wo ich wohne, wer ich bin. Ich habe ihm einen falschen Namen gesagt. Dann war das erledigt. I: Aber es war aufregend? B: Stark. Das möchte ich nie missen. Gott sei Dank, daß ich das gemacht habe. I: Warum ist das dann nicht weitergegangen? B: Mehr hat er mich nicht interessiert. I: Haben Sie Probleme oder Hemmungen, Männer anzuspre chen? B: Nein. I: Stellen Sie sich vor, Sie gehen abends in eine Bar, und da steht ein Mann, den Sie gerne kennenlernen wollen. B: Den schnapp' ich schon.
1: Und wie? Was tun Sie da? B: Entweder ich falle vor ihm hin, oder ich werde ohnmächtig, oder ich lasse meine Zigarettenschachtel fallen, oder ich schütte ihm mein Bier drüber. Irgendwas fällt mir schon ein. Das kommt auf die Situation an. I: Also, Sie machen eher was, als daß Sie ihn ansprechen? B: Kann auch sein, daß ich ihn direkt anspreche: »Entschuldigen Sie, haben Sie heute noch was vor? Sie riechen so gut, möchten Sie meine Adresse haben?« I: Wenn Sie körperlich die Aufmerksamkeit B: Ich flirte mit den Augen. I: Was meinen Sie, wie andere Frauen sich verhalten, wenn sie Kontakt knüpfen wollen? B: Das kann ich nicht sagen. Die Freundinnen, die ich habe, sagen, ich wäre extrem stark. Deshalb habe ich damit kein Problem. Aber sie haben damit Probleme. Aber ich habe das noch nicht erlebt. I: Aber wenn Sie zum Beispiel in einer Bar Frauen sehen, was für ein Gehabe sie gegenüber Männern haben B: Das finde ich kindisch. Normal hat das eine Frau nicht. Das ist lächerlich. I: Was machen die denn? Wie benehmen die sich da? B: Kindisch. Wie im Kindergarten buhlen sie, kokettieren. I: Und wie sieht dieses Kokettieren aus? Was tun die Frauen da? B: Sie lachen, reden, machen komische Bewegungen, kichern und . . . Ich passe da gar nicht mehr so auf, weil es immer nach dem gleichen Schema abläuft. Und der Mann fühlt sich wie der Oberpascha, und sie freut sich, daß er sie endlich bemerkt. I: Genau darum geht es. Was ist das für ein Schema? Was machen die Frauen da? B: Die Frauen führen sich so kindisch auf, daß der andere dann aufmerksam wird. Und durch den Blickkontakt ist ja dann klar: »Jetzt hat er mich entdeckt.« Jetzt dreht sie noch mal fünfzig Prozent auf oder hundert Prozent, das kommt auf den Typ Frau an. Und dann kokettiert sie weiter und schiebt ihr T-Shirt weiter runter, und dann kommt der Busen weiter raus, und dann gehen wir auf die Toilette, weil wir den Bund vom Rock noch dreimal umdrehen müssen . . . Lauter solche Spielchen laufen da ab. I: Und die Männer reagieren drauf? B: Die reagieren gerne drauf. Wenn der Rock zuerst so lang war, und dann ist er bloß noch so lang. Wenn die dann noch tolle Beine hat, dann paßt das doch.
I: Waren Sie früher Männern gegenüber unbekümmerter als jetzt, oder ist das eher andersrum? B: Jetzt bin ich unbekümmerter. Durch den Erfahrungswert. I: Meinen Sie, daß jüngere Männer leichter Kontakte knüpfen als ältere? B: Was ist ein junger Mann, was ist ein alter Mann? I: Ein junger Mann ist ein Zwanzig- bis Fünfundzwanzigjähri ger. B: Ich glaube, daß die noch ein bißchen Schwierigkeiten haben mit Kontakten knüpfen, weil sie ja noch nicht ausgereift sind. I: Und auf was achten die dann? Wenn es schwierig ist, dann wissen sie ja auch nicht, wie sie das Benehmen der Frau deuten sollen. B: Die stehen dann hilflos da. Da macht die Frau dann die Arbeit, packt ihn bei der Hand und geht mit ihm. Weil er weiß ja gar nicht, was mit ihm passiert. So ein junger Bursche mit fünfundzwanzig Jahren, der soll froh sein, daß er bis zehn zählen kann. Und daß sie nicht gleich schwanger wird. I: Stellen Sie sich vor, Sie unterhalten sich mit einem Mann, der Ihnen gefällt. Wie vermitteln Sie, daß Sie Interesse haben? Daß Sie ihn an dem Abend noch näher kennenlernen möchten? B: Es kommt auf die Situation an. Normalerweise sage ich das recht direkt. I: Sie sagen das. Aber man zeigt das wahrscheinlich auch kör perlich. B: Das weiß ich nicht. Da müßte ich jemanden fragen, der mich dabei beobachtet, wie ich das selber mache. Das kann ich nicht beurteilen. I: Meinen Sie, die Männer merken es, wenn man körperlich mit ihnen flirtet? B: Das glaube ich schon. Wenn ein Mann eine gewisse Reife hat, einen gewissen Erfahrungswert, dann auf alle Fälle. I: Stellen Sie sich vor, Sie wollen einen Mann - eine flüchtige Bekanntschaft - zurückweisen, ohne daß der gleich sauer wird. Wie machen Sie das? B: Wenn ich ihn zurückweise, dann ist mir das eigentlich egal, ob der sauer ist oder nicht. Dann sage ich: »Du, Moment mal, da drüben an dem Tisch wäre auch noch Platz. Laß mir meine Ruhe.« Ob der dann sauer ist oder nicht, das ist mir egal. Ich will ja mit ihm nichts zu tun haben. I: Sagen Sie das dann erst, oder drehen Sie sich einfach weg? B: Ich sage zuerst: »Bitte ein bißchen Abstand.« Und wenn der trotzdem keinen Abstand hält, dann sage ich: »Du, setz dich mal da rüber, sonst passiert was. «
I: Wie verführen Frauen Ihrer Meinung nach? Eher körperlich oder eher verbal? B: Sie zeigen es, sie sagen nichts. I: Und wie? B: Beim ersten Kontakt? I: Beim ersten Kontakt. B: Mit Kokettieren. Kommt auf die Reife der Frau an. Ich bin dafür schon zu alt. Ich mache das ganz anders, als zum Beispiel meine Tochter das machen würde. I: Und wie würde Ihre Tochter das machen? B: Keine Ahnung. Sie lebt ja in Würzburg. Ich kann ihr ja nicht zuschauen. I: Und Sie? Wie machen Sie das, daß Sie einem Mann eindeutig zeigen, was Sie von ihm wollen? Daß Sie zum Beispiel mit ihm schlafen wollen? B: Hingehen und es ihm sagen und nicht lange um den Brei rumreden. Mehr als nein kann er nicht sagen. I: Sie haben sicher schon einen Mann zurückgewiesen, der von Ihnen was wollte und den Sie nicht so gut kannten. Wie hat der Mann da reagiert? B: Der hat mir eine Flasche nachgeschmissen. Weil er es eine Frechheit fand: So was wie ihn weist man nicht zurück. Er war total sauer und hat vier Jahre nicht mehr mit mir geredet. Das war mir aber egal. 1: Und wie haben Sie reagiert? B: Ich habe mich geduckt, und die Flasche flog vorbei. 1: Haben Sie sich mißverstanden gefühlt? B: Nein, überhaupt nicht. Es ist ja so, daß das immer so kleine Vorspiele hat, und dann kommt irgendwann die entscheidende Frage. Und dann hat man sich aber vielleicht innerlich schon entschieden . . . »Tu' ich's, oder tu' ich's nicht?« Und ich habe halt gesagt: »Ich tu's nicht.« Und als er mich direkt gefragt hat, habe ich gesagt: »Nein, danke. Kein Bedarf.« Da ist er natürlich ausgeflippt. Weil er sich irgendwo gedacht hat, ich müßte dankbar sein, daß ich mit ihm ins Bett gehen darf. Aber dem war nicht so. Und er hat das nicht gecheckt. I: War ein Mann aufgrund Ihrer Zurückweisung schon einmal aggressiv? B: Ja. 1: Welche Art von Aggression? B: Körperlich und verbal. 1: Haben Sie die Reaktion von ihm verstanden?
B: Ich habe das schon verstanden. Weil der Typ Mann ja zu eitel ist, um eine Ablehnung zu akzeptieren. Da war mir schon bewußt, was ich anstelle, wenn ich nein sage. I: Ja, von seiner Sicht aus. Aber für Sie war das ja nicht gerecht fertigt, daß er so auf Sie reagiert. B: Für mich war das nicht gerechtfertigt, daß er so reagiert. Aber ich habe seine Reaktion verstanden. 1: Können Sie verstehen, daß Männer Frauen bei Rendezvous ver gewaltigen? B: Nein, überhaupt nicht. Da gibt es überhaupt keine Diskussion. 1: Kennen Sie jemanden, dem das schon mal passiert ist? Eine Frau? B: Ja. 1: Und wie ist es dazu gekommen? B: Die haben sich im »P1« kennengelernt. Und ich habe noch gefragt: »Fährst du mit mir?« Sie sagte: »Nein, ich fahre mit ihm heim.« Er stand hinten am Parkplatz. Und bis ich dann rauskam, war es fünf Uhr dreißig, und da stand das Auto immer noch da. Und sie lag neben dem Auto. Ich habe sie dann gleich in die Klinik gebracht. Sie kam dann auch in psychologische Behandlung. I: Und was hat sie gesagt, wie es dazu kam? B: Sie hat nein gesagt, dann bekam sie einen Kinnhaken und wurde vergewaltigt.
Weibliche Befragte, 27 Jahre alt Interviewerin: Gehst du abends häufig weg? Befragte: Ungefähr dreimal die Woche. I: Hast du viele männliche Bekannte? B: Ja. 1: Wie viele? B: Früher mehr, jetzt weniger. Etwa zehn. 1: Hast du Rendezvous? B: Manchmal. I: Wie oft? B: Im Monat vielleicht drei. 1: Bist du der Meinung, daß Männer dich ansprechen sollten? B: Nicht unbedingt. 1: Oder ist das auch Frauensache? B: Es ist auch Frauensache. 1: Also, es kann von beiden Seiten kommen, und du würdest es nicht festlegen? B: Ja. I: Bist du schon mal von einem Mann angesprochen worden? B: Ja. 1: Und wie oft in den letzten drei Monaten?
B: Mindestens täglich zweimal. Zum Beispiel gestern im Engli schen Garten viermal. Dann war ich auf dem Tollwood (ein Musikfestival). Da eh automatisch. I: Warst du allein da? B: Eigentlich nicht, aber in dem Moment schon. I: Wunderst du dich, wenn du angesprochen wirst, oder ist das für dich normal? B: Das ist normal. I: Besteht deiner Ansicht nach ein Zusammenhang zwischen dei nem Verhalten und ob du angesprochen wirst oder nicht? B: Es hat bestimmt was mit dem Verhalten zu tun. 1: Gibt es bestimmte Tage und Situationen, wo du genau weißt, daß du angesprochen wirst? B: Ja. I: Wann ist das am ehesten? B: Schwere Frage. Ich denke, wenn ich auf Leute offen wirke. 1: Hast du schon einmal einen Mann angesprochen? B: Ja. I: Wie? B: Ich habe oft schon jemanden angesprochen, weil er mir gefallen hat. 1: Und wie hast du das gemacht? B: Ich habe ihn mir angeschaut und habe ihm gesagt: »Du gefällst mir.« Oder: »Du schaust toll aus«. Aber ohne Hintergedanken, und bin dann auch weitergegangen. I: Aber du hast das nicht so gemacht, daß du dich da hingesetzt hast und um den Mann so rumgedrückt hast? B: Nein, habe ich eigentlich noch nie gemacht. Wenn, dann bin ich ziemlich direkt. Vielleicht mit Augenkontakt. Das erste ist Augenkontakt. 1: Was ist dann passiert? B: Meistens wollten die Männer gleich ein Gespräch. Sehr erfreut und geschmeichelt. 1: Hast du Probleme mit dem Ansprechen? B: Nein, überhaupt nicht. 1: Stell dir vor, du gehst abends in eine Bar und siehst dort einen Mann, der dir gefällt, den du gerne näher kennenlernen möchtest. Was machst du?
B: Erst mal gar nichts. Ich schaue ihn mir an, und meistens merkt er das. Irgendwann spricht er mich dann schon an. Und wenn er nicht kommt . . . 1: Sicher versuchst du ja, irgendwie seine Aufmerksamkeit zu erwecken. B: Ja. Bestell' ihm was zu trinken und . . . I: Wie versuchst du sonst noch, auf Umwegen auf dich aufmerk sam zu machen? B: Schwer. Weiß ich jetzt gar nicht. 1: Wie könntest du körperlich Aufmerksamkeit auf dich ziehen? B: Es ist schwer, weil ich nicht versuche, die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, sondern ich gebe mich einfach so. I: Du versuchst ja sicher, zum Beispiel Blickkontakt herzustel len. B: Ja. Blickkontakt auf alle Fälle. I: Also, ein Mann wird kaum herschauen, wenn du dich ganz steif hinsetzt und auf den Boden schaust. Was würdest du machen? B: Also, ich kann nur antworten: Ich würde mich natürlich geben. Sonst kann ich nichts sagen. Wenn ich mich erinnere: Ich sitze im Cafe allein am Tisch, und einer sitzt auch allein am Tisch. Und der gefällt mir, und ich habe was zu lesen. Ich schaue ihn an, aber ich bleibe bei mir, erst mal. Sonst würde ich mir echt albern vorkommen. 1: Was meinst du, wie andere Frauen, die einen Mann kennenlernen wollen, das machen? Wie fangen die an, Kontakt zu knüpfen? Die allerersten Sachen? B: Ich glaube, die poussieren. Mit Tanzen und . . . Ich weiß es nicht, wie Frauen sich da verhalten. 1: Spielt das Alter bei dir eine Rolle? Warst du früher Männern gegenüber unbekümmerter als jetzt? B: Nein, eigentlich nicht. 1: Meinst du, daß die Männer früher leichter Kontakte geknüpft haben als jetzt? B: Ich denke schon, daß das jetzt in unserer Zeit schwieriger geworden ist. 1: Warum? B: Weil die Frauen . . . 1: Glaubst du, daß die Frauen zurückhaltender oder vorsichtiger geworden sind?
B: Ja, vorsichtiger. Das glaube ich schon. 1: Stell dir vor, du unterhältst dich mit einem Mann, der dir gefällt. Wie vermittelst du ihm das? B: Ganz einfach: Augenkontakt. Und durch den Gesichtsausdruck lasse ich ihn das spüren. I: Wie machst du das, wenn dir jemand gefällt? Bestätigst du ihn eher und versuchst ihn zu verstehen und ihm zuzustimmen, oder meinst du, daß es auch interessant sein kann, wenn du abblockst, dich abwendest oder kritisch bist? B: Also, wenn er mir wirklich gefällt, im ersten Augenblick, dann versuche ich nicht, da so ein Spiel daraus zu machen. Ich würde ihm bestimmt zeigen, daß er mir gefällt, und dann, vielleicht . . . Aber auf Anhieb nicht, weil da könnte was verlorengehen. 1: Und wie würdest du das körperlich zeigen? Würdest du ihn auch wie zufällig berühren? B: Wenn ich erzähle, schlage ich oft den Leuten auf die Schulter - unabsichtlich. Wenn ich voll im Erzählen bin, dann passiert es mir schon, daß ich ihn dann berühre. 1: Was meinst du, wann Männer merken, wenn man körperlich mit ihnen flirtet? B: Ich weiß es momentan nicht. I: Stell dir vor, ein Mann, eine flüchtige Bekanntschaft, will, daß du mit ihm heimkommst. Du hast keine Lust und willst ihn zurückweisen, willst ihn aber auch nicht verletzen. Was machst du da? B: Ich sage ihm ganz direkt, daß ich keine Lust habe. Einfach vorsichtig sein, es verschieben. Klar sagen, was ich vorhabe, daß ich keine Zeit habe. Wenn ich Lust hätte, würde ich ja mitgehen. I: Wenn du das jetzt gesagt hast und dann trotzdem noch weiter mit ihm am Tisch sitzt, wie signalisierst du körperlich, daß du wirklich nichts von ihm willst? Was machst du da, wie bewegst du dich? B: Ich würde mich nicht abwenden. Es sei denn, es ist ein Typ, der einfach nervt. Dann schon. Dann würde ich auch gehen. Aber jemand, der mich nicht so sehr interessiert und den ich aber nicht verletzen möchte . . . Ich weiß nicht. Ich würde mich mit ihm unterhalten. Ich würde ihm das so sagen. Körpersprache, ich weiß nicht, Füße übereinanderschlagen, Zigarette in der Hand und ziemlich cool sein. 1: Also, auch nicht mehr hinlächeln? B: Nein. i: Wie verführen Frauen deiner Meinung nach? Eher körperlich oder verbal? B: Eher erst mal körperlich. I: Und wie zeigen Sie das?
B: Da fällt mir jetzt nichts ein. I: Hast du schon einmal einen Mann, den du noch nicht so gut kanntest, in sexueller Hinsicht zurückgewiesen? B: Ja. I: Wie hast du bei der Zurückweisung reagiert? B: Ganz gemein. Das ist mir eigentlich früher sehr oft passiert. Da war ich immer ziemlich gemein. So mit Schmusen und Kuscheln war ich eigentlich immer dabei, weil ich das auch gerne mochte, aber wenn es dann tiefer wurde und ich einfach keine Lust auf Sex hatte, dann habe ich ihn vor die Tür gestellt. Und habe gesagt: » So, und tut mir leid. « 1: Hast du ihm das gesagt, oder hast du ihn dann wirklich gepackt oder dich abgewendet? B: Ich war nicht böse. Ich habe mich abgewendet. Es war früher wirklich so, daß die Männer dann verletzt waren und vielleicht momentan auch nicht wußten: »Was will sie denn jetzt? Ich dachte, die will doch, und dann wiederum nicht.« Also, ich habe da immer so ein Spielchen draus gemacht. Es hat mir auch Spaß gemacht. 1: Und wie haben die Männer darauf reagiert? B: Die waren erst mal perplex. Ziemlich durcheinander. Ich hatte einen Fall, zum Beispiel, da war ich mit einem Jungen drei Monate zusammen und habe mit dem keinen sexuellen Kontakt gehabt. Und für den war das eine totale Herausforderung, mich endlich mal aufs Kreuz zu legen. Und mir hat das ja so Spaß gemacht dann, daß ich . . . Ja, es kam auch nicht mehr dazu. Wir haben uns dann getrennt. Das war vielleicht auch ein Grund. 1: Es ging eigentlich nur noch darum, daß »es« nicht stattfand? B: Ja, könnte sein. I: Ist es dir schon einmal passiert, daß ein Typ aggressiv gewor den ist, weil du ihn zurückgewiesen hast? B: Nein, eigentlich nicht. 1: Überhaupt nicht? Daß er weder verbal noch körperlich böse wurde? B: Ich hatte mal einen Fall, der ist sehr böse geworden. 1: Und was hat der gemacht? Wie war das? B: Der hat mich ins Bett gezogen. War ziemlich brutal. 1: Und konntest du das verstehen? Fandest du das gerechtfertigt? B: Ich konnte es verstehen, ja. Ich dachte dann immer: »Vielleicht war es meine Schuld.« Wir hatten vorher zusammen getanzt. Und ich habe schon gemerkt, der wird ziemlich heiß. Was
heißt: meine Schuld? Ich wollte dann gehen, und er ließ mich halt nicht mehr gehen und wurde dann ziemlich brutal. Das war alles. 1: Aber du hast es auch ein bißchen so gesehen, daß es auch an dir liegt? B: ja, könnte sein. Im nachhinein. Also, damals wußte ich es nicht. Aber jetzt, im nachhinein, wenn ich mir das überlege, schon. 1: Daß du ihn provoziert hast. Wenn du einen Mann zurückgewiesen hast, und er wurde sauer und hat das nicht sofort verstanden, fühltest du dich dann mißverstanden? Hattest du den Eindruck, die verstehen das dann falsch? B: ja, glaube ich schon. 1: Kannst du sagen, worin das Mißverständnis besteht? B: Ich glaube, daß die Männer einfach eine andere Erwartungshaltung haben als die Frauen. Bei denen ist der Punkt einfach viel früher da. Und die Frauen wollen die richtige Zeit. Und bei Männern ist die Zeit des Zusammenseins viel eher da, und bei Frauen dauert das länger. 1: Was glaubst du, was für Männer die auslösenden Faktoren sind, daß der Zeitpunkt gekommen ist, daß man zusammensein sollte? B: Wann der Zeitpunkt ist? 1: Ja. Du sagst, bei Frauen ist es später. B: Ja, denke ich. 1: Was macht es bei Frauen aus, daß es später ist, und wodurch kommt es bei Männern, daß die eher Lust haben, mit einer Frau zusammenzusein? Wodurch wird das ausgelöst? B: Das müßtest du alles die Männer fragen. Weil ich mich das auch schon oft gefragt habe. Ich weiß es nicht. 1: Kannst du es verstehen, wenn Männer Frauen bei oder nach Rendezvous vergewaltigen? B: Nein, eigentlich nicht. Es heißt ja immer: der männliche Trieb, daß es einfach sein muß. Der männliche Trieb, das ist ja nichts. Nein, ich kann es nicht verstehen. 1: Kennst du jemanden, dem so was schon mal passiert ist? B: Eine Vergewaltigung? Nein. Männlicher Befragter, 26 Jahre alt Interviewerin: Tätigkeit? Befragter: Taxifahrer und Musiker. 1: Freundin?
B: Nein. 1: Gehst du denn abends häufig aus? B: ja, ein- bis zweimal. Ich weiß nicht, ob das häufig ist. I: Hast du viele Freundinnen? Also weibliche Bekanntschaften? B: ja, schon. 1: Wie viele? B: Fünf. 1: Hast du oft Rendezvous? B: Nein. Überhaupt nicht oft. Vielleicht zweimal im Jahr. 1: Wenn du eine Frau kennenlernen willst, meinst du, daß Männer das inszenieren sollten, daß sie das erste Wort sprechen sollten? B: Natürlich nicht. 1: Dann die Frauen? B: Auch nicht. Völlig schwachsinnig, da irgendeine Art von Regelung, was sein sollte, aufzustellen. Was passiert, wird passieren. Ob jetzt der Mann oder die Frau sollte oder nicht sollte . . . Also, ich spreche keine Frau an. Und ich fände es schön, wenn mich Frauen ansprächen. Andere Frauen sprechen keine Männer an, und die fänden es schön, wenn die Männer sie ansprächen. Es werden sich schon die Leute finden, die zusammenpassen. Wie so ein Puzzle.
1: Und du sprichst keine Frau an? B: Na ja. Extrem selten. I: Und wenn sich jetzt eine Situation ergibt, wo man entspannt eine Frau ansprechen könnte? Also zum Beispiel, irgendwas fällt runter, oder irgendwas geschieht . . . B: Ja, dann schon. Aber dann ist es ein Prozeß der Gegenseitigkeit. Dann ist es schwer zu sagen, wer wen anspricht. Dann ist es Kommunikation, die einfach so anfängt. Aber ich gehe nicht auf eine Frau zu mit dem festen Willen, sie jetzt kennenzulernen. Entweder ich lerne sie kennen, oder ich lerne sie nicht kennen. Aber das passiert dann halt. Aber ich lasse kein Taschentuch fallen oder so. Oder wenn sie eines fallen läßt, dann hebe ich es nicht auf deshalb. I: Bist du schon mal von einer Frau angesprochen worden?
B: Ja, klar. Öfter. 1: Und wie? Was haben die gesagt oder gemacht? B: Ja, zum Beispiel auf Festen, besoffen. »Du bist der X, oder? Du spielst doch da in der Band? Du machst doch Musik? Du kennst doch den Y? « Irgendwie so. Also, irgendeinen Anhaltspunkt suchen, irgendeine Verbindung knüpfen. Ich glaube, das ist auch das Normale, wenn du jemanden versuchst anzusprechen. Du suchst nach irgendeinem Punkt, wo du was weißt und wo der andere auch was weiß. Und dann schaust du, ob du da irgendwie ein Gespräch zusammenbringst. I: Hast du schon mal eine Frau angesprochen? B: Sicher. Irgendwann mal. I: Weißt du das noch? B: Ja. I: Und wie? B: Ich glaube, das war, indem ich mit ihr über jemanden geredet habe, den wir beide gemeinsam kannten. Eine Frau, die wir gemeinsam kannten. Aber das, woran ich mich erinnern kann, das ist jetzt sicher zehn bis elf Jahre her. Und es war erfolgreich. Mit der war ich dann drei oder vier Wochen zusammen. I: Hast du Probleme damit, Frauen anzusprechen? B: Probleme habe ich damit eigentlich nicht. Ich tue es vielleicht nicht oft, aber ich glaube nicht, daß ich damit Probleme habe. Also, ich wälze mich nicht im Bett und denke: »Hätte ich doch, hätte ich doch, hätte ich doch.« 1: Du wartest eher die Situation ab, wo es sich ergibt oder wo die Frau vielleicht auf dich zukommt? B: Ja. Ich meine, wenn da was ist, wenn da was sein soll, dann wird das schon irgendwann so sein. Und meistens paßt es ja dann auch. Irgendwie und irgendwann und irgendwo. Oder es paßt nicht, aber dann ist das kein Grund, sich zu grämen. I: Wodurch weißt du, daß es paßt, daß du mit einer Frau in Kontakt kommen könntest? B: Das merkt man. Wenn irgendwelche Schwingungen in der Luft liegen. Ich meine, es gibt so Frauen, da kommt bei mir sofort das Gefühl auf: »Blöde Nuß.« Und es gibt Frauen, da kommt sofort das Gefühl auf: »Oh! Wow! Gut!« 1: Und durch was kommt das? B: Das ist so ein . . . Ja, sämtliche Signale, die halt ein Mensch so ausstrahlt. I: Was sind das für Signale?
B: Augen, Blick, Bewegungen. Was ich sehr wichtig finde, ist der Klang der Stimme. Wie die Frau redet. So ein hysterisches Kreischen die ganze Zeit ist mühsam zu ertragen und erzeugt auch keine liebevollen Gefühle bei mir. All das zusammengenommen. Manchmal auch, wenn man gar nicht geredet hat, sondern einfach nur schaut. Ich schaue mich um in einem Raum, und ich sehe eine Frau, und ich denke mir: »Das ist sicher 'ne liebe Frau.« Und meistens stimmt das dann auch. Meistens ist es dann nicht so weit daneben. Auch wenn ich das über zehn Meter beurteile. I: Das ist aber doch an irgendwelchen äußeren Dingen festzumachen. Was sie ausdrückt, was sie signalisiert und wie sie das signalisiert. Mag sein, daß es für dich interessant erscheint, wenn eine Frau sich sehr zurückhaltend und schüchtern gibt. Und das siehst du ja an bestimmten Dingen, zum Beispiel, wie sie sich hinsetzt. Was sind das für Dinge, die dich dazu bringen, daß du dich für eine Frau interessierst? Konkreter: Du gehst in eine Bar und siehst dort eine Frau sitzen, die dir gefällt und die du gerne kennenlernen möchtest. Wie sollte sie dasitzen, wie sollte sie schauen, wie sollte sie sich dir gegenüber benehmen? B: Aber das ist genau das Ding. Ich komme nicht zurecht mit dem »sollte«. Also, mit diesem Vorher-einen-Maßstab-Aufstellen, was ist. Ich kenn' so viele verschiedene Frauen, die ich wirklich gerne mag und die für mich eine gute Ausstrahlung haben, die aber auch völlig verschieden sind. Also, sich sowohl verschieden kleiden als auch völlig verschiedene Figuren haben, als auch verschiedene Frisuren haben, verschiedene Augen, Blicke, Arten zu schauen. Es ist vielleicht so eine Art Intelligenz im Blick, in der Art, in der Ausstrahlung. Ja. Irgendwie so was. Das ist wichtig. Intelligenz. Eine selbstbewußte Ausstrahlung. 1: Du gehst in eine Bar und willst eine Frau ansprechen. Wie würdest du das machen? Zum Beispiel: Du bist im Ausland und bist seit drei Wochen allein unterwegs. Du möchtest dich endlich mal mit jemandem unterhalten, ünd du siehst eine Frau, die irgendwie ansprechend auf dich wirkt. B: Es ist viel leichter, wenn die Situation eine ungewohnte ist. Also gerade im Ausland, gerade auf Reisen. So Urlaubsliebschaften sind wesentlich leichter herzustellen als Liebschaften hier - finde ich, für mich. Da ist es relativ einfach, weil man außerhalb seiner üblichen Lebenszusammenhänge steht. Mir fällt es wesentlich leichter, zu erzählen, wenn ich lauter neue Eindrücke habe. Wenn ich irgendwas zu erzählen habe. Wenn ich glaube, daß mir im Moment was Interessantes passiert, dann fällt mir das relativ leicht, das auch mitzuteilen, wenn ich unbedingt will. Und wenn dem so sein soll, dann wird das eine Frau sein. 1: Gehst du dann einfach hin und erzählst ihr, was dir vor einer halben Stunde passiert ist? B: Nein, wahrscheinlich nicht. Aber du nimmst Kontakt auf mit Blicken, schaust, flirtest. Wenn es offensichtlich nicht funktioniert, dann werde ich eine Frau auch nicht ansprechen. 1: Und was muß die Frau dabei leisten? Was muß sie dabei an Entgegenkommen bringen, daß du sie ansprichst? B: Das Gefühl, daß irgendeine Art von nonverbaler Kommunikation da ist. Also nicht, daß sie das blockiert. Wenn sie es blockiert, dann werde ich sie hoffentlich nicht ansprechen. Also, wenn sie offensichtlich nicht will.
1: Und wie verhalten sich Frauen, die Kontakt zu dir haben wollen? Was machen die? Sie nehmen Blickkontakt auf, sagtest du vorher schon. B: Möglicherweise. 1: Wäre es denn auch möglich, daß eine Frau den Blickkontakt absichtlich meidet, obwohl sie an dir interessiert ist? B: Schüchtern auf den Boden schaut und hofft, daß sie erobert wird? - Ich weiß es nicht. Mag sein. Es könnte eine Art Provokation sein, wenn eine Frau nicht herschaut. Daß sie einen reizen und herausfordern will. Könnte sein. Das könnte auch für mich als Mann eine Herausforderung sein. Um mich zu beweisen. Ich weiß nicht. Ich denke mir, wenn eine Reaktion kommt, dann ist die Reaktion hoffentlich zuzuordnen für mich. Also, wenn eine Frau reagiert, daß ich es auch einschätzen kann, was es bedeutet, und ich damit dann hoffentlich auch recht habe. Ich denke mir, daß solche Muster nicht so kompliziert sind, daß man das Gegenteil von dem, was passiert, annehmen muß, nur damit man es richtig versteht. Das glaube ich nicht. Und wenn dem so ist, dann ist das schon neurotisches Verhalten. Also, wenn du das Gegenteil von dem ausstrahlst, was du eigentlich willst. I: Meinst du nicht, daß das auch eine ganz übliche Reaktion ist, um sich bei einem Mann interessant zu machen? Daß man ihn zuerst anzieht, ihn bestätigt, ihm irgendwie zu verstehen gibt, daß man ihn interessant findet - und sich dann abwendet, um mal zu schauen, was er jetzt macht? Das ist ja ein Spiel, das oft auch funktioniert. B: Also, ich würde es wahrscheinlich eher so verstehen, daß es ein Spiel war. Du flirtest, und das ist ein Spiel, und die Frau wendet sich ab und gibt mir zu erkennen, daß das Spiel beendet ist. Das denke ich mir jedenfalls. Ich hoffe, daß meine Reaktion auch so ist. Es mag auch nur Feigheit sein bei mir. Es mag Schüchternheit sein oder irgendwelche Art von Hemmungen oder so was. Aber ich weiß nicht, warum das so kompliziert sein sollte. Wenn es so kompliziert ist, wenn es Frauen gibt, die das so machen, dann werden sie mich nicht kennenlernen auf die Art. Ganz einfach. 1: Bei welcher Frau fällt es dir am schwersten, sie anzusprechen: eine Frau, die du attraktiv findest, eine Frau, die du erotisch findest, oder eine Frau, die du interessant findest? B: Eine Frau, die ich erotisch finde. I: Und dann? Eine Frau, die du interessant, oder eine, die du attraktiv findest? B: Da verstehe ich den Unterschied nicht ganz. »Interessant« und »attraktiv« ist für mich dasselbe. Sehr ähnlich zumindest. »Attraktiv« und »erotisch« ist ja auch sehr ähnlich. I: Ich denke, »interessant« ist halt eher eine Frau, mit der du zum Beispiel studierst, und sie gibt so gute Statements ab, daß du sie interessant findest. Und eine Frau, die attraktiv ist, ist halt eine, wo du immer hinschaust. B: Das ist möglicherweise die Frau, die erotisch ist. Die Frau, wo ich immer hinschaue. Wahrscheinlich in der Reihenfolge: erotisch - attraktiv - interessant. I: Warst du früher unbekümmerter als jetzt? Bezüglich Frauen, Frauen ansprechen?
B: Nein. Das war schon immer ein sehr ähnliches Ding. I: Stell dir vor, du unterhältst dich mit einer Frau, die dir gefällt. Woran merkst du, daß die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht? B: Wenn es kein Problem bereitet zu reden. Wenn das Gespräch keine Anstrengung kostet. I: Welches körperliche Verhalten zeigt ihre Sympathie? B: Das ist hart. Also, ich kenne eine Frau, die neigt dazu, wenn man mit ihr redet, nah an einen heranzukommen. Das könnte man als Zeichen für Sympathie deuten. Aber das haut nicht hin. Da, finde ich, ist es fast unmöglich, was zu sagen. Manche Leute schauen einem halt aus Prinzip ständig in die Augen, wenn sie mit einem reden. Das ist eigentlich auch kein Zeichen. Das könnte Interesse zeigen. Es kann auch eine Art Waffe sein. - Wenn man jemandem in die Augen schaut, schafft man auch so eine Art Unverletzbarkeit, daß du den anderen auf Distanz hältst und dir keine Blöße gibst. Aber es ist kein Zeichen für Sympathie. Es könnte eines sein. Ich glaube, da gibt es haufenweise verschiedene Kommunikationsmuster, die ständig mißverstanden werden. Andauernd. Und daß Leute glauben, sie werden angemacht von jemandem, und das ist eigentlich nur eine Gewohnheit. - Ich habe keine Ahnung. Es gibt da kein Zeichen. Das merkt man dann schon. 1: Welches körperliche Verhalten findest du erotisch? Wenn du dich mit einer Frau unterhältst? B: Keine Ahnung. Fällt mir jetzt nichts Konkretes ein. Es gibt Frauen, die finde ich erotisch, wenn ich mit ihnen rede, und es gibt welche, die finde ich nicht erotisch. Aber ich kann es nicht an einem bestimmten Verhalten festmachen. Wenn ich ein Frau erotisch finde, dann ist es ziemlich egal, was sie tut. I: Woran merkst du, daß eine Frau wenig Interesse an dir hat? B: Das ist auch total komisch. Ich bin Frauen begegnet, wo ich dachte, die mögen mich nicht. Und nach einem halben Jahr redet man zum erstenmal miteinander, und das stimmt alles überhaupt nicht. Das ist so wie dieser ganze Fragenkomplex. Ich habe mich da so oft geirrt, daß ich nicht genau weiß . . . Ich dachte, daß es ein ablehnendes Verhalten ist, und es war nur ganz normales Verhalten oder ein unsicheres Verhalten oder so. So, wie ich halt auch, wenn ich mich unsicher fühle, ruhig werde und auf Distanz gehe. I: Du weißt es nicht. Und du kannst auch nicht so genau sagen, wie sie sich da dir gegenüber verhalten haben - in den Fällen, wo sich später herausstellte, daß du dich getäuscht hast? B: Wenn ich es so gedeutet habe, dann war das schon immer so ein . . . Zum Beispiel dieses Nichtgrüßen. Du kommst in einen Raum, wo jemand sitzt. Und dann wenigsten kurz in die Augen schauen, zum hallo sagen oder ein kurzes Hallo. Aber es gibt halt Leute, die das nicht machen. Aus irgendwelchen Gründen. Es gibt Menschen, die grüßen nicht. Heben nicht mal den Kopf. Und so was lege ich dann sofort als Antipathie aus. Gerade wie die Leute als erstes auf einen zukommen. Wenn mir jemand um den Hals fällt, dann nehme ich einfach an, das ist ein Zeichen für Sympathie. Wenn jemand seinen Kopf nicht hebt, dann nehme ich an, das ist ein Zeichen für Antipathie. Aber das ist auch irgendwie nicht zuverlässig.
I: Auf was legst du mehr Wert, wenn du rausfinden willst, ob dich jemand mag oder nicht mag: auf die verbalen Äußerungen oder auf die körpersprachlichen? B: Eigentlich mehr die Körpersprache. Es kommt so dermaßen selten vor, daß dir jemand wirklich sagt, daß du ein Arsch bist, und wenn du mit jemandem soweit bist, daß er dir sagt, daß du ein Arsch bist, dann stimmt es ja wieder nicht. Ich habe es noch nie erlebt, daß ein wildfremder Mensch mir aus irgendeinem Grund sagen würde: »Du Trottel, du Depp.« Und dann weiß ich: »Ah, ja, verbale Äußerung, ich bin ein Depp - der mag mich nicht.« Sondern das sind dann meistens die Situationen unter Freunden, oder wenn du dich schon lange kennst, und du machst irgendwas falsch, dann kommen da verbale Äußerungen. Aber das ist nicht wichtig, weil die Leute dich eigentlich mögen oder du befreundet bist mit denen. Ansonsten eigentlich nur das Nonverbale wie vorhin das mit dem Grüßen oder Nichtgrüßen. I: Wenn man jemanden nicht so gut kennt - die subtilen Äuße rungen, die kommen, sind dann eher körpersprachlich, oder? B: Ja, das ist so eine Kombination. Wie die Sachen gesagt werden. Der Klang einer Stimme, der Tonfall. Die Information ist eigentlich sehr unwichtig. Weil die Information selten ehrlich ist. Also, ich bin nicht in der Lage, jemandem, den ich nicht kenne, auf Anhieb ins Gesicht zu sagen, was ich von ihm halte. I: Wie verführen Frauen deiner Meinung nach? Körpersprach lich oder verbal? B: Körpersprachlich. I: Und wie? B: Also, ich denke, die subtilste Form der Annäherung ist, daß du deine nonverbalen Äußerungen angleichst an das Verhalten des anderen. Das passiert unbewußt. Also, daß du perfekterweise zum Beispiel die Atmung angleichst, daß der Herzschlag gleich ist. Wenn beide völlig aufgeregt sind, weil sie sich so ineinander verliebt haben, haben beide wahrscheinlich einen flachen Atem und Herzklopfen. Und wenn das gegenseitig ist, dann ist das wahrscheinlich die perfekteste Anmache. I: Ja, aber das sieht man ja nicht. B: Aber das merkt man. Das merkt man stärker, als man glaubt. Das ist wahrscheinlich bedeutender als das bewußte »Jetzt schau' ich, daß ich mich erotisch bewege« oder so. I: Glaubst du, das läuft so bewußt ab? B: Nein, ich glaube nicht, daß es bewußt abläuft. Aber ich glaube, das Erfolgsgeheimnis einer Frau, die gut anmachen kann, ist, daß sie sich auf diesen Typen gut einstellt und praktisch mit dem synchron läuft. Und auch umgekehrt ist es genau dasselbe. I: Von den Bewegungen her, meinst du? B: Ja. Von den Bewegungen, den Blicken. Wenn du miteinander redest, daß du auf dieselbe Art und Weise über dieselben Sachen redest. Das ist jetzt das Verbale. Daß das Gespräch am laufen bleibt. Es gibt verschiedene Arten zu denken, verschiedene Arten zu sehen, verschiedene Arten zu hören. Daß du dich auf die Art des anderen einstellen kannst. Du mußt
nicht dieselbe Art pflegen. Aber einfach, daß du weißt, wie der Mensch drauf ist, und daß du das benutzen kannst für dich. Diese Art von Sicheinstellen ist wahrscheinlich das wichtigste. I: Ist es dir schon mal passiert, daß eine Frau, mit der du noch nicht eng befreundet warst, dich zurückgewiesen hat? In emotionaler oder sexueller Hinsicht? B: Ich kann mich an so eine Situation nicht erinnern. Wahrscheinlich ist mir das schon passiert. Irgendwie eigentlich ständig, aber das ist ja dann nicht offen. Ich denke mir: »Die ist lieb, die ist hübsch, mit der würde ich gern schlafen.« Und dann kann ich mir das denken, aber das braucht die Frau überhaupt nicht zu interessieren. Sie würde mich zurückweisen, bevor ich ihr das klarmachen kann. Denn um ihr das klarzumachen, müßte ich sie ja schon wieder besser kennen. Dann bin ich mit ihr schon eher befreundet. Dann werde ich ihr das sagen, und dann gebe ich ihr 'ne Chance, mich zurückzuweisen. I: Das ist dir dann schon mal passiert? B: Ja. I: Hast du dich da mißverstanden gefühlt? B: Nein. Was heißt »mißverstanden«? Ich meine, das ist ja eigentlich ein ganz einfaches Ding. »Ich möchte mit dir schlafen, ich möchte mit dir befreundet sein« - was gibt es da mißzuverstehen? 1: Wie hast du da reagiert? Und wie würdest du generell reagie ren? B: Keine Ahnung. Ich ziehe mich halt zurück und lasse das auf sich beruhen. Also, ich kämpfe nicht drum. Ich kämpfe um keine Frau. Das habe ich noch nie gemacht. I: Es gibt ja auch andere Möglichkeiten. Zum Beispiel, daß du den Kontakt nicht abbrichst oder ein gewisses Entgegenkommen zeigst. B: Ja. Aber das ist ja nicht kämpfen. Das ist ja irgendwo vernünftig. Wenn ich 'ne Frau mag, dann wäre es ja blöd, nur weil man nicht mit ihr schläft, den Kontakt abzubrechen. Selbst wenn man in eine Frau verliebt ist, dann ist auch das etwas, was kommt und geht - wie alle Dinge. 1: Warst du schon einmal einer Frau gegenüber aggressiv? B: Meiner Mutter gegenüber bin ich sehr aggressiv. Das ist ja auch eine Frau. I: Verbal oder körperlich? B: Immer verbal. 1: Und anderen Frauen gegenüber? B: Ich kann mich nicht erinnern. Aber vielleicht schon. Vielleicht habe ich es nur verdrängt, weil ich nicht so sein mag. I: Kannst du verstehen, wenn Männer Frauen vergewaltigen?
B: Ja, schon. 1: Warum? B: Warum ich das nachvollziehen kann? Weil ich aus Träumen das Gefühl kenne, daß Gewalt und Sex . . . Überhaupt, es paßt ja eh zusammen. Also, tendenziell passen Gewalt und Sex irgendwo zusammen. Also nicht nur in Träumen, sondern auch real. Es ist nicht etwas scharf Getrenntes. Es ist nicht die böse Gewalt und die zärtliche, liebevolle Sexualität. Sondern das spielt irgendwo ineinander, und der Sprung ist, glaube ich, oft . . . Vor allen Dingen für Männer, die es gewöhnt sind, das zu bekommen, was sie haben wollen. Für die ist die Ablehnung der Frau erotisch. Ich kenne das, daß es erotisch ist, wenn . . . Also, vorhin war diese Frage, wenn eine Frau sich umdreht und abweisendes Verhalten zeigt, daß das als Aufforderung aufgefaßt werden könnte weiterzumachen. Klar, logisch. Aber nur dann, glaube ich, wenn man ziemlich egoistisch ist und relativ unreflektiert durchs Leben geht. Dann interpretiert man vielleicht auch so. Haufenweise Leute wollen unbedingt haben, was sie begehren. Dann kommt noch dazu, daß Gewalt einfach geil sein kann. Und die Kombination von beidem . . . Also mit einem Egomanen, der unbedingt haben will, was er will, und der das dann auch noch erotisch findet, wenn sie sich wehrt, das gibt dann einfach eine Vergewaltigung. I: Aber für dich kannst du dir das nicht vorstellen? B: Nein. 1: Kennst du eine Frau, der so was schon mal passiert ist? B: Ja. I: Und wie kam es dazu? B: Sie hat nur irre ungern darüber geredet. Sie hat das auch als Entschuldigung benutzt für viele Sachen. Also, sie hat eine unglaubliche erotische Ausstrahlung. Sie ist einfach mit einem Typen mitgegangen, der sie eingeladen hat. In Italien, am Strand, im Urlaub. Und der hat sie dann vergewaltigt. Und es war das erste Mal, daß sie Sex hatte mit einem Mann, und seitdem hat sie keinen Spaß mehr am Sex. Sie hat keine Freude, mit Männern zu schlafen. Sie macht das, aber . . . Also, ich habe mit ihr geschlafen, und das war unschön, total komisch. Das haben wir auch nur einmal gemacht. Sie macht das, weil es erwartet wird. I: Aber du sagtest, sie hat eine erotische Ausstrahlung. Sie vermittelt praktisch, daß sie Lust drauf hätte, mit jemandem zu schlafen. B: Das ist so. Ich kenne noch eine Frau, die von ihrem Onkel vergewaltigt wurde. Auch sehr früh. Ich glaube, das war auch das erste Mal. Und bei der ist es haargenau das gleiche. Die hat auch eine unglaublich erotische Ausstrahlung. Und zwar betont erotisch. Also bei beiden. Und beide haben keine große Freude am Sex. Und trotzdem diese Ausstrahlung. Also, ich fand das völlig auffallend. Es paßt überhaupt nicht zusammen. Ich kann das nicht richtig interpretieren. Ich weiß nicht, warum das so ist. Weibliche Befragte, 31 Jahre alt Interviewerin: Freund?
Befragte: Momentan nichts Festes. 1: Wie oft in der Woche gehst du abends aus? B: In ein Lokal oder überhaupt irgendwie weg? 1: Beides. B: In der Woche momentan bestimmt fünfmal. I: Hast du viele männliche Bekannte oder Freunde? B: Ja. I: Wie viele? B: So vom Anteil bestimmt halbe-halbe. I: Und von der Zahl her, wie viele hast du, mit denen du regel mäßig telefonierst und Kontakt hast? B: Dann würde ich sagen: einen. 1: Hast du öfter Rendezvous? B: Zur Zeit schon. Aber nicht so gezielt. Es ergibt sich so. Aber es ist nicht so, daß ich auf der Pirsch bin. Das ist eigentlich dann mehr freundschaftlich. 1: Und wie oft triffst du dich abends mit einem Mann, der nicht unbedingt ein alter Freund ist? B: Vielleicht einmal in der Woche. Wo ich sage »gezielt«. I: Meinst du, daß Männer das erste Wort sprechen sollten, wenn sie eine Frau kennenlernen wollen oder wenn gegenseitiges Interesse besteht? B: Also nein. Erst mal sowieso nein. Und auch ergibt sich das meist gar nicht. Ich meine, in der Regel ist das nicht so, daß ich bewußt überlege: »Darf ich den Mann jetzt ansprechen oder nicht?« Sondern entweder sprudelt es aus mir raus, oder es ist irgendeine Situation, die das so ergibt. I: Findest du, daß der Mann da den ersten Schritt machen sollte? B: Nein. I: Bist du schon oft von Männern angesprochen worden? B: Ja. Eigentlich dann mehr von anderer Seite als von mir aktiv. I: Das geht dann doch meistens von den Männern aus?
B: Ja. Das liegt vielleicht an meinem Typ. Aber im Prinzip ist es so, daß ich mir das eigentlich schon aussuchen möchte und dann auch tue. 1; Wie oft wirst du ungefähr von Männern angesprochen? B: In der Woche oder im Jahr oder wie? - Hm, finde da mal einen Schnitt. Das ist ja wohl etwas ungewöhnlich. - Also, im Schnitt ist das schwer einzuschätzen. Manchmal, da gibt es Phasen, da bin ich selber gut drauf und locker. Und dann ist es eher so, daß ich angesprochen werde. Und dann gibt es so Phasen, wo du total introvertiert bist und das gar nicht registrierst. I: Ja, aber es gibt zum Beispiel sicherlich Frauen, die werden einmal im Jahr angesprochen . . . B: Also, so gesehen bin ich in den letzten drei Monaten bestimmt zehnmal angesprochen worden. 1: Und wie reagierst du da normalerweise drauf? B: Wenn er mir sympathisch ist, dann ganz offen. Und auch so, daß ich ihm signalisiere, ich fände es gut, wenn er sich irgendwie melden würde. Oder irgendwie gebe ich zu erkennen . . . So, daß ich vielleicht scherzhaft dann frage: »Wie ist es denn jetzt?« Er könnte ja mal vorbeikommen und ein Stück Kuchen mitbringen. So als Dankeschön. Oder so was Ähnliches. Ich denke da jetzt an ein konkretes Beispiel. Weil eben auch jemand hier war und mit mir telefoniert hat. Also, das war ein Kunde, den ich hier kennengelernt habe und wo ich das Gefühl hatte: »Das ist wirklich nett.« Ich habe zwar jetzt nicht bewußt an was Spezielles gezielt gedacht, aber wo ich mich gefreut hätte, wenn man irgendwie den Kontakt aufrechterhalten würde. Wo ich mich gefreut hätte, wenn man nicht nur geschäftlich, sondern auch privat ein bißchen kommunizieren würde. Und da habe ich das zwar scherzhaft hingeschmissen, aber das war schon ein Wink mit dem Zaunpfahl, daß ich das gesagt habe. 1: Und wenn dir jemand nicht gefällt, dir nicht so sympathisch ist? B: Dann blocke ich ab. Dann bin ich zwar freundlich, weil ich ja selber verstehe, wie das ist, wenn man verschossen ist oder interessiert ist oder wahnsinnig gerne was möchte. Daß man schon ein bißchen auch die Gefühle von dem anderen registriert. Egal, ob das ein Marokkaner auf der Straße ist, es ist ja immer wieder ein Auf-mich-Zugehen. Ob ich den nun mag oder nicht. Wo ich halt finde, daß man das schon honorieren sollte, daß jemand den Mut hat. Selbst wenn es ein Typ ist, der ein Aufreißer ist und der es vielleicht aus einem bestimmten Grund nötig hat, finde ich das trotzdem Scheiße, wenn man dann sagt: »Hey, du Arsch, verzieh' dich.« Ganz kraß. Außer, er würde wirklich ganz ordinär zu mir sein oder sich in einer Tonlage an mich wenden, wo ich sage: »Das entspricht nicht meinem Wert.« Dann wäre das was anderes, dann würde ich vielleicht auch ganz böse werden und vielleicht auch ganz ordinär zurückreagieren. Weiß ich nicht. Das hatte ich noch nicht so kraß. Aber da bin ich viel unmißverständlicher in dem, daß ich das nicht will, als wenn das jemand ist, der freundlich auf mich zugeht. Da würde ich immer versuchen, auch irgendwie liebevoll mit ihm umzugehen. Und ihm versuchen zu signalisieren: »Ich freue mich und finde das auch ganz nett, aber . . .« I: Wunderst du dich, wenn du angesprochen wirst? B: Inzwischen nein.
I: Meinst du, es besteht ein Zusammenhang zwischen deinem Verhalten, wie du dich fühlst und wie oft du angesprochen wirst? B: Ja. Auf alle Fälle. Wenn ich nicht offen bin, dann passiert mir auch nichts. Und ich merke auch an meinem Blick, daß der sich verändert. Wenn ich niedergeschlagen bin, habe ich festgestellt, dann ist mein Blick ganz anders. So mehr nach unten gerichtet und auch von der Mentalität so ein bißchen »Rühr mich nicht an«. Ich habe festgestellt, daß man teilweise unterschwellig den Wunsch hat: »Du möchtest in Kontakt treten, und du sehnst dich nach jemand anderem, weil du alleine bist.« Und wenn dann wirklich jemand auf mich zugeht, dann schaue ich auf einmal ganz schnell weg. Ich habe immer das Gefühl, daß die Augen eigentlich auch ganz stark mit so ein Ausdrucksmittel sind. Also nicht nur die Körperhaltung, sondern auch die Augen. Das ist wirklich diese Kontaktschwelle zu anderen. I: Daß die auch jemandem die Möglichkeit bieten, wiederum auf dich zuzugehen, meinst du? B: Ja, genau. Wenn ich so Phasen habe, wo ich denke: »Ich wün sche Kontakt«, und ganz innerlich wünsche ich mir es eigentlich nicht, und jemand reagiert, daß ich dann plötzlich so nach unten schaue oder wegschaue. Ganz verkrampft werde, die Atmung wird ganz anders und: »O Gott, o Gott. Hoffentlich nicht. Hoffentlich läßt er mich in Ruhe.« Gar nicht so locker. Und mir da selber auch jede Chance nehme. Daß da auch gar nichts mehr passieren kann. Deshalb denke ich, daß es mit einem selber auch zusammenhängt. Und wenn einer nur einmal im Jahr angesprochen wird, daß das auch vom Typ her so ein Mensch ist, der . . . I: Also, du glaubst, daß es in erster Linie davon abhängt, wie du dich gibst? B: Ja. Wie ich mich fühle und was ich will. Wenn ich das nicht will, wenn ich »zu« bin für andere und nur mit mir sein will, dann kommt auch keiner. I: Hast du schon mal einen Mann angesprochen? B: Ja. I: Und wie bist du auf ihn zugegangen? B: Also, man muß schon eines berücksichtigen: Wenn ich auf den zugegangen bin, habe ich erst mal geschaut, ob da überhaupt eine Resonanz da ist. Also, ich bin nicht hingegangen und habe gesagt: »Hey, Junge, hier bin ich, und wie ist es denn . . .« Zum Beispiel jetzt am Samstag auf einer Party bin ich ganz gezielt zur Theke, und es steht ein Mann dort, der ist mir vorher schon aufgefallen. Und ich frage: »Guten Abend, gibt es hier auch was zu trinken, wie funktioniert das hier?« Und dann schaue ich erst mal, ob da so ein Resonanzboden ist. 1: Und wie merkst du das? B: Ich merke das an dem, wie er redet, wie er sich gibt und ob er mich anschaut. Und ob er sich vom Körper her mir zuwendet oder ob er die Hände in den Hosentaschen hat. Ob sein Blick auf mich gerichtet ist oder ob er immer abschweift. Also daran sieht man das. Oder man flachst ein bißchen herum, und dann geht es nicht weiter. Und dann weißt du: »Okay, der will
nicht, der will für sich sein.« Und dann ist das auch gut, und ich konzentriere mich wieder auf mich. Oder ich unterhalte mich weiterhin mit ihm. Aber ich würde mich jetzt nicht aufdrängen. Ich würde nicht sagen: »Ich finde es total interessant, daß ich dich kennengelernt habe« oder »Können wir nicht was machen?«, wenn er mir so Signale schickt, daß er das eigentlich nicht will. 1: Und wie war das jetzt bei dem Mann am Samstag? B: Wir haben uns unterhalten, und es war auch ganz nett, aber ich bin dann irgendwann gegangen. Weil ich fand: »Jetzt ist es gut. Ich will nicht mehr, es hat mir gut gefallen, aber jetzt reicht's.« Ich habe zwar noch gedacht: »Vielleicht hätte ich da noch länger bleiben müssen, um mit dem Mann, der mir schon interessant und sympathisch erschien, näher in Kontakt zu kommen.« Aber dann habe ich mich entschieden: »Das will ich jetzt nicht.« Ich habe meines getan. Wenn er nicht will - okay. Und ansonsten ergibt sich da bestimmt eine Möglichkeit. Und damit war es gut. Weil das ein bißchen zäh war. Es war zwar nett, aber da wußtest du jetzt nicht: »Ist der offen, oder ist der nicht offen? Was will er eigentlich? « I: Das ist aber nicht der, den du morgen mitbringst? B: Doch. Komischerweise habe ich doch Kontakt zu ihm. 1: Hast du Probleme oder Hemmungen, jemanden anzuspre chen? B: Also, ich merke, daß es Unsicherheitsfaktoren gibt bei mir. Ganz schön viele auch. Aber Probleme habe ich weniger. Es kann zwar sein, daß ich über das Ziel hinausschieße, das habe ich bei so einer Schulung gemerkt. Daß das dann vielleicht verkehrt war. Oder ich höre dann den falschen Ton. Daß ich dann sage: »Das war jetzt nicht gut. Das wollte ich eigentlich nicht.« Das ist aber dann aus einer Unsicherheit heraus entstanden. Aber daß ich schon eher lossprudele. Es gibt solche Momente. Aber eigentlich würde ich sagen: achtzig zu zwanzig. Also achtzig Prozent, daß ich keine Hemmungen habe. Ich bau' das auch immer mehr ab. Das merke ich so mit dem Kundenkontakt. Das ist ja im Prinzip genau das gleiche. Da sitzt einer, und ich merke, der ist total reserviert mir gegenüber und der will sich von mir überhaupt nichts erzählen lassen. Und da ist dann so eine Unsicherheit da, und ich denke: »Ja, kann ich dem überhaupt was entgegensetzen?« Dann versuche ich in aller Ruhe, bei mir zu bleiben und zu sagen: »Das, was ich weiß, sage ich - und jetzt ganz sachlich und ganz neutral.« Und ich lasse ihm die Möglichkeit, selber zu entscheiden, und den Raum. Weil das ja auch immer ein bißchen was mit Zugehen und Zurücknehmen zu tun hat. Und ich stelle dann fest, wenn ich mich abgrenze, wenn ich merke, der ist reserviert und glaubt mir nicht, daß es dann plötzlich umkippt. Also, daß der dann plötzlich auf mich zukommt und mir das glaubt, was ich sage. Weil ich ihm Raum gelassen habe und weil ich mich ihm gegenüber abgegrenzt habe und weil ich nicht mit aller Gewalt versucht habe, ihn für mich einzunehmen. In dem Moment, wo ich sage: »Okay, ich lasse ihn jetzt, ich bleibe bei mir, und wenn er nicht will, dann will er nicht, dann ist das sein Problem«, also in dem Moment, wo ich merke, daß ich nicht unbedingt jemandem gefallen will . . . Denn das ist ja im Prinzip auch Überzeugungsarbeit, so in der Ausstellung . . . I: Stell dir vor, du gehst abends in eine Bar und siehst einen Mann, der dir gefällt und den du gerne kennenlernen würdest. Was machst du da? Bevor du ihn ansprichst? B: Schauen.
1: Und was machst du noch? B: Ich habe mir noch nie so darüber Gedanken gemacht. Aber wenn ich was will, dann funktioniert das. Verrückt. 1: Warum? B: Weil ich Signale aussende. I: Was für Signale? B: Wenn er mir gefällt, sende ich das Signal aus, daß er mir sympathisch ist. I: Wie? B: Ja, indem man halt so schaut. Aber nicht nur so anschauen: »Ah, ich finde dich toll, ich muß dich jetzt kennenlernen«, sondern ich schaue, wie er reagiert. Ich achte schon darauf, daß es nicht nur von mir ausgeht, sondern ob von dem anderen etwas zurückkommt. Das sieht man ja. 1: Wenn er dir zuerst aufgefallen ist, mußt du ja irgendwie seine Aufmerksamkeit auf dich ziehen. Und allein durch Blicke ist das vielleicht manchmal schwierig. Was glaubst du, was es für eine Frau für Möglichkeiten gibt, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? B: Ich weiß, wo du mich hinhaben möchtest. So nach dem Motto: »Ich lass' das Taschentuch fallen.« So, wie man das früher gemacht hat. 1: Das wirst du jetzt nicht machen, aber du hast doch deine Möglichkeiten. B: Tja. Was würde ich machen? Was ich schon mal gebracht habe: Ich gehe zur Theke, stelle mich genau daneben und versuche beim Kellner was zu bestellen. Oder ich gehe an eine Stelle, wo ich Blickkontakt habe und den anderen sehen kann. Also so, daß ich in irgendeiner Art und Weise in sein Blickfeld komme. I: Würdest du ihn ansprechen? B: Nein, jetzt schaue ich erst mal, wie das denn so ist. Das beste ist natürlich immer, wenn einer an der Bar steht, wenn der dich überhaupt noch nicht gesehen hat. Also, die Erfahrung ist, daß du eher zu jemandem hinkommst, der dir gegenübersitzt. Also nicht daneben. Daneben ist eigentlich schlecht, denn das heißt nicht unbedingt, daß er herschaut. Also, ich würde erst mal schauen, wie es geht vom Kontakt her, und dann würde ich mir halt was einfallen lassen. Wenn ich merke, der andere möchte auch, aber irgendwie ist er ein bißchen gehemmt, dann würde ich ihm so weit entgegenkommen, daß ich mir was einfallen lasse, wo die Möglichkeit entsteht, daß beide in Kontakt kommen. Also zum Beispiel mit Claude. Da habe ich mich von der Gruppe abgeseilt, bin weggegangen und wollte mir ein Buch holen und mich dann so hinsetzen, daß ich ihm offen zugewandt bin und dort auch alleine sitze. Um ihm die Möglichkeit zu geben, zu schauen, zu kommen oder sich danebenzusetzen. Ich bin dann zur Rezeption gegangen, nehme meinen Schlüssel, und er kommt hinter mir her, weil er auch darauf gewartet hat. Er sagt hallo, wir unterhalten uns ein bißchen, und er fragt, was ich denn so vorhabe. Ich sage: »Ich möchte mir ein Buch holen«, und ich merke, er möchte eigentlich noch mehr sagen. Es ist dann schon so, daß ich darauf warte, daß er etwas sagt, aber daß ich
mich schon so verhalte, daß er die Chance hat, noch was zu sagen. Ich hätte ja auch ganz schnell weggehen können. Ich warte so lange, weil ich spüre, daß er was sagen will. Er sagt dann: »Kann ich dich einladen?« Und ich sage: »O ja, find' ich prima!« 1; Also, du baust die Möglichkeit auf, daß er dich ansprechen kann, und er soll dann den ersten Schritt tun? 13: Ja. Es hätte ja auch anders sein können. Ich habe mir das gewünscht und erhofft, aber es hätte ja auch genausogut sein können, daß er überhaupt nicht interessiert ist. Meine Mutter hat zwar immer gesagt: »Der schaut her«, aber ich habe das nicht registriert. Weil ich das wollte, habe ich mir überlegt: »Wie mache ich das am geschicktesten, daß das zustande kommt? « I: Was glaubst du, wie Frauen das überhaupt machen? B: O! Es gibt bestimmt auch Frauen, die sind noch viel selbstverständlicher mit ihrem Selbstwert - so, daß die gleich hingehen und sagen: »Hallo, Junge!«, ohne vorher zu checken, ob er will oder nicht. Wie so ein Panzer: Drüber hinwegrollen, ohne zu schauen: »Was will eigentlich der andere?« 1: Das ist die eine Art. Aber was meinst du, wie Frauen das machen, die den Mann nicht unbedingt ansprechen, sondern die auch vorbauen? Wie die das körperlich oder nicht allein durch Sprache ausdrücken? So eine Situation schaffen? B: Also, zum einen denke ich mir mal: Wenn jemand dort steht und Hände verschränkt oder Hände in den Hosentaschen oder Blick nach unten, dann signalisiert der schon von Haus aus, daß er überhaupt nicht will. Es gibt ja so Leute, die sitzen an der Theke, trinken ihren Kaffee und wollen gar nicht. Oder wenn Frauen zu zweit ausgehen. Wenn die da sitzen und nur sich anschauen, dann wollen die auch nicht. Aber du merkst, nach einer gewissen Zeit haben die sich ausgelabert, dann läßt das Ganze so ein bißchen nach, sie fangen an zu rauchen, drehen sich so vom Tisch weg, Beine übereinander, und der Blick schweift so durch den Raum. So nach dem Motto: »Mensch, wir haben keine Zigaretten mehr, wer kann uns jetzt helfen?« oder so. 1: Du meinst jetzt die Situation, wenn zwei Freundinnen sich treffen? B: Ja. Weil ich glaube, das ist immer noch eher so, als daß eine Frau alleine weggeht. Das gibt es zwar, aber immer nur in dem Moment, wenn sie auf jemanden wartet. 1: Also die Situation, daß zwei oder mehr Freundinnen zusammen weggehen und nach einiger Zeit, wenn das Gespräch nicht mehr so intensiv ist, sich dann umschauen nach den Männern? B: Genau. Daß dieser Zweck . . . Es gibt auch andere, die verstehen sich so gut, die haben keinen Blick für irgend jemand anderen und sind nur genervt, wenn irgend so ein Typ . . . 1: Warst du früher Männern gegenüber unbekümmerter als jetzt? B: Also, ich war früher unbekümmert, zwischendrin nicht mehr unbekümmert, und jetzt bin ich wieder unbekümmert. Ich merke das zum Beispiel auch daran, daß ich, wenn ich jemanden kennenlerne, keine Lust habe, dem zu erzählen: »Ach, was sie mir alles angetan haben!« und »Wie die Männer mit mir umgesprungen sind! « Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist. Aber es ist auf einmal so. Wo ich denke, das ist zwar ein Teil meines Lebens, und
wenn einer danach fragt, dann kann ich ihm das erzählen. Aber das ist nicht mehr so wichtig, daß ich das zu meiner Selbstdarstellung brauche, daß der auch weiß, daß er nicht so mit mir umgeht. Weil entweder, er tut das nicht, und ich merke das dann, und dann ist es gut. Und sonst . . . Es ist nicht mehr so, daß ich Opfer bin. I: Glaubst du, daß Männer früher, also als sie jünger waren, einfacher Kontakte geknüpft haben als jetzt? B: Ich glaube, wenn das so Typen sind, die sich auch so ein bißchen als Opfer fühlen, ganz bestimmt nicht. Und wenn die dann so sechzehn, siebzehn waren, dann war es zwar häufig die rüdeste Art, aber einfach drauflos, aufs Ziel und dann . . . Nach dem Motto: »Der Jäger geht los, um das Wild zu schlagen. « Und entweder geht das gut oder nicht. I: Du meinst, jetzt haben sie schon soviel abbekommen, daß die da irgendwie ein bißchen voreingenommen sind? B: Also, ich glaube, daß Männer, sagen wir mal, über Dreißig, die auch schon Beziehungen hatten, genauso Herzschaden erlitten haben. Daß die ihre Wunden lecken und auch eher mal schauen: Was ist da los? Wie reagiert der andere? Und nicht einfach so drauflos. Vorsichtiger. I: Wenn du dich mit einem Mann unterhältst, der dir gefällt, wie verhältst du dich da? B: Zum Beispiel mit Claude. Ich habe mir gesagt, okay, ich habe getan, was ich wollte, habe ihn angerufen und eine Nachricht hinterlassen, und er hat sich nicht gemeldet. Und da muß ich davon ausgehen, es kommt keine Reaktion zurück. Dann hat er mir eine Postkarte geschrieben. Das war neutral, aber trotzdem so formuliert, daß mir klar war, daß er mir zugetan ist und was von mir hören möchte. Daraufhin habe ich wieder angerufen. Also auch nicht diese Mentalität: »Jetzt wart' ich ab.« Ich habe ihn erreicht, und er hat sich total gefreut. Es war eine Resonanz da und trotzdem ein gewisses Zurückhalten. Und ob ich jetzt weitermache von mir aus oder sage, ich warte ab . . . Es ist merkwürdig, weil durch dieses Gespräch machst du mir klar, daß es auch andere Möglichkeiten gibt, als abzuwarten. Sowieso. Ich hatte früher mal einen Ziehvater, der sagte: »Nichts Schlimmeres als eine Frau, die immer so tut: >Der Mann muß den ersten Schritt machen.< Wir sind heute in einem anderen Zeitalter.« Ich meine, das stimmt natürlich auch. Und wenn jemand natürlich nicht will . . . Was ich halt auch immer so sehe, ist, daß du ein Gegenüber hast, und wenn der verschreckt ist und vielleicht Zeit braucht, dann kannst du den nicht überfallen. Also so wie: »Jäger schlägt Wild. Hauptsache, es ist dann alles tot.« Es ist ja irgendwie auch ein bißchen Spiel. Gerade so zu Anfang. I: Die Frage ist, ob man sich nicht interessant machen kann, dadurch, daß man sich zurückzieht. B: Genau. 1: Du unterhältst dich mit einem Mann, der dir gefällt. Wie zeigst du ihm, daß du ihn sympathisch findest? B: Also, ich schaue ihn an. Und wenn ich wirklich offen bin, dann passieren so Sachen automatisch wie: Er trinkt, und du trinkst. Daß das synchron läuft. Oder auch bei der Körperhaltung. Wenn der andere zum Beispiel so bequem dasitzt und ich den sympathisch finde, dann fällt es mir wahnsinnig schwer, richtig gerade dazusitzen. Weil plötzlich wachse
ich über ihn hinaus, und meine Augen haben keinen Bezug mehr zu ihm. Ich schaue ja dann eigentlich über ihn hinweg. I: Würdest du sagen, daß das so eine Anpassung ist? Dem Mann gegenüber? B: Früher mehr als heute. Also zum Beispiel - und das läßt sich auch übertragen -, wenn es mir guttut, daß ich geradesitze, dann bleibe ich auch dabei. Unerheblich, ob er mir gefällt oder nicht. Entweder er zieht dann mit oder nicht. Also, ich bin auch nicht mehr bereit, um mich ihm total hinzugeben, alles mögliche zu tun, und ich sitze unbequem dabei, und mir ist ungemütlich. Wo ich dann auch sage: »Das find' ich nicht gut« oder »Das gefällt mir nicht.« Also es ist nicht mehr die totale Zuwendung. 1: Du kennst das auch anders? B: Ich kenne das auch anders. Ich weiß nicht, ob ich da mal wieder hinkomme. Kann sein. So mit totaler Hingabe, und du merkst dann irgendwann: »Dein Lächeln ist schon total verkrampft - merkt er das nicht? « Also, das kenne ich auch. Und heute wäre es halt so, daß ich sagen würde: »Ich bin jetzt müde, ich gehe jetzt nach Hause.« 1: Aber so tendenziell vermittelst du Zuneigung dadurch, daß du dich zum Beispiel zuwendest? B: Du wendest dich zu, lächelst ihn an, vielleicht berührst du mal seine Hand oder legst mal die Hand auf seinen Arm. Man berührt sich zufällig. Da gibt es ja immer Möglichkeiten. An dem Glas von dem anderen rumspielen, so gedankenverloren . . . 1: Meinst du, daß Männer das merken, wenn man ihnen das so signalisiert? B: ja. Logisch. Da gibt es auch Männer, die merken überhaupt nichts. Die merken dann auch nicht, wenn man überhaupt nicht will. Weil die nur sich selber sehen und die Mentalität haben: »Ich will zum Erfolg und zum Ziel kommen.« Da bin ich dann als Wesen, als Mensch, nicht wichtig. Sondern die wollen dann einfach nur eine Frau, irgendeine. 1: Und die reagieren weder auf positive noch auf negative Signa le? B: Genau. Die wollen es einfach nur loswerden. Das war zum Beispiel auch das mit dem Marokkaner. Der setzt sich zu mir an den Tisch, obwohl ich wirklich so schaue, daß ich keinen bei mir haben will. Ich schweige auch und schaue in eine andere Richtung und will nicht. Ich signalisiere ständig: »Ich will nicht, ich möchte meine Ruhe haben«, und ihm ist das völlig egal, er versucht ständig, mich in ein Gespräch einzubinden. Das lief dann ganz kraß darauf hinaus, daß er fragt, wo ich arbeite, und ich sage, das will ich ihm nicht sagen. Und er redet trotzdem weiter und weiter. Das war eigentlich eine ganz klare Absage. 1: Wie oft passiert dir so was? B: Das gibt es immer wieder. Das hat dann weniger was mit mir zu tun. Außer vielleicht damit, daß ich offen bin. I: Wenn du einen Mann, den du nicht so gut kennst, zurückwei sen willst und ihn aber nicht verletzen willst, was machst du?
B: Ich denke, es fängt damit an, daß du nicht mehr konzentriert zuhörst, daß dein Redefluß einschläft. Ich werde dann spröde und zurückhaltend und bin dann überhaupt nicht mehr willig, darauf einzugehen. I: Und wie zeigst du das körpersprachlich? B: Ich glaube, ich fange dann an, mich festzuhalten. Auch so Arme verschränken, Hände in die Hosentaschen, Körper dreht sich weg. Der Blick gleitet ab. 1: Wie verführen Frauen deiner Meinung nach? B: Ich glaube, daß sie damit anfangen, daß sie irgendwas anbieten. Das hängt vielleicht auch mit meiner Einstellung zusammen. Ich merke, es tendiert dahin, daß ich mir meines Wertes bewußt bin. Daß ich merke, es ist nicht nötig, daß ich mich anbieten muß. Aber ich glaube schon, daß viele das so machen. Sonst würden sie es nicht »verführen« nennen. In meinem Kopf läuft dieses Verführen eines Mannes und einer Frau irgendwie anders ab. Ich kann es nicht genau erfassen. Zum Beispiel in Italien. Die Frauen verführen nicht. Sie verführen zwar irgendwo schon, aber sie verführen, weil du spürst, sie sind eine Frau und daß sie auch Lust daran haben, eine Frau zu sein. Aber sie verführen nicht in dem Sinne, daß sie sagen: »Ich biete mich jetzt an.« Sondern sie wissen, sie sind jemand und daß sie auch irgendwo was darstellen. Und auch umworben werden möchten. Sie verführen auf eine ganz andere Art, als wie das teilweise deutsche Frauen machen. Hier läuft das immer so ein bißchen dahin: »Ich habe dir was zu bieten, ich gebe dir was.« Sie tendieren immer dahin, daß sie irgendwas anbieten wollen, was . . . Daß sie über ein Mittel versuchen, sich anzubieten, sich schmackhaft zu machen. Aber weniger darüber, daß sie sagen: »Ich bin so, wie ich bin, und ich kann auch Forderungen stellen, und entweder du machst es, oder du machst es nicht.« Sondern, daß sie sagen: »Ich gebe dir das«, und über dieses Mittel versuchen, an den anderen ranzukommen. Das spüre ich häufiger bei Frauen. Daß sie zum Beispiel sagen: »Ich kann toll kochen.« Oder: »Ich würde dich gerne mal zu mir nach Hause zum Essen einladen.« Und dann denke ich mir: »Warum wollen sie ihm jetzt unbedingt beweisen, wie toll sie kochen können? « I: Du hast vorher von den italienischen Frauen gesprochen. Wo das unvermittelter läuft. Was glaubst du, wie die sich körperlich verhalten, wie die sich geben? B: Also, italienische Frauen wirken von Haus aus ein bißchen stolzer. Auch kühler und reservierter. Sie lassen sich auch nicht von jedem ansprechen. Und das wird auch ganz klar signalisiert. Allein durch den Ausdruck, daß sie viel mehr Frau sind, haben sie viel mehr Kühle, wo auch immer noch mal so eine Hemmschwelle da ist. Die deutschen Frauen sind immer so locker, flockig und souverän, burschikos, also eigentlich ein bißchen männlich. Und: »Ich nehme mir das jetzt, und ich tue das jetzt, und ich mache das jetzt.« 1: Du meinst also, daß es verführerischer wirkt, wenn Frauen stolz sind, wenn sie eine gewisse Hemmschwelle bieten für den Mann? B: Ja, genau. Daß sie sich im ersten Moment zurückhalten. Du spürst irgendwie, daß ein totales Feuer dahinter brennt, aber so im ersten Moment . . . Es ist differenzierter. Ich kann das schlecht in Worte fassen, aber was ich so beobachte . . . Also, italienische Frauen in Italien werden nie so plump angesprochen wie teilweise deutsche Frauen. Das läuft nicht so. Dieses »Mal eben einfach blöde anquatschen, und die findet das dann ganz in Ordnung«. Da ist erst mal so eine gewisse Reserviertheit, und da muß sich der Mann schon was einfallen
lassen, wie er da rankommt. Wo du wirklich spürst, wenn sie sich ihm zuwendet, dann meint sie das auch so, und es ist für ihn ein Geschenk. 1: Also, was letztendlich eine Frau interessant macht, ist nicht, daß sie offen und locker ist, sondern daß sie eher stolz und zurückhaltend ist? B: Ich weiß nicht, ob das interessant ist . . . Ich finde, es spricht eine Menge für Natürlichkeit. Und da ist einfach zu unterscheiden, ob du eine Natürlichkeit an den Tag legst und für jeden da bist oder ob du auch vermittelst, daß du schon genau weißt, wen du dir aussuchst. Daß für den anderen klar ist, daß das nicht jedem so offenbart wird. I: Ist es dir schon mal passiert, daß du einen Mann, mit dem du noch nicht so eng befreundet warst, zurückgewiesen hast? B: Ja. I: Wie hast du da reagiert? B: Ich habe mit ihm gesprochen und habe ganz klar gesagt, was ich möchte. Ich habe gesagt: »Ich möchte nicht mit dir schlafen.« Ich habe es ganz klar gesagt. Es gibt ja auch die Mentalität: »Ich möchte ja nicht, bitte tu' mir nichts.« Ich glaube, das ist auch der Unterschied. Weil es mir ja auch schon mal passiert ist, daß ich das gesagt habe und daß es nicht respektiert worden ist. 1: Hast du dich schon einmal mißverstanden gefühlt? Wenn du jemanden zurückgewiesen hast und dachtest, es müßte an sich klar sein, daß du nicht willst? B: Ja, klar. Ganz früher. Aber seitdem es für mich klar ist, daß ich sagen kann, was ich möchte, und daß ich das nicht jedem geben möchte und daß ich da auch ganz klar Unterscheidungen mache, seitdem wird das respektiert. I: Also, es hängt in erster Linie mit deinem Verhalten zusammen? Früher war es anders, weil du dich anders verhalten hast? B: Ja, genau. 1: Wenn du jemanden zurückgewiesen hast, und es wurde dann mißverstanden, ist es dir da schon mal passiert, daß ein Mann aggressiv reagiert hat? B: Ja, die mich versucht haben, psychisch unter Druck zu setzen. 1: Körperliche Aggression nicht? B: Was ist körperliche Aggression? Also, ich finde, es ist auch eine Aggression, wenn jemand dich psychisch so fertigmacht. Daß er anfängt zu schmollen. Oder er sitzt mit dir an einem Tisch und spricht plötzlich nicht mehr mit dir, macht dieses Bestrafungsprinzip. Das ist auch ganz schlimm. Also, das tut auch weh, da muß man nicht erst einen schlagen. Oder die Stimme wird laut und erhebt sich gegen dich. I: Ist dir das öfter passiert?
B: Ja. I: Und konntest du das nachvollziehen? B: Sagen wir mal so: Du kannst ja sagen, du verstehst es, aber du findest es unfair. Früher habe ich es halt ertragen und habe gedacht, ich mach' was falsch, und hatte ein schlechtes Gewissen. Und heute wäre es halt so, daß ich sage: »Okay, wenn du damit nicht umgehen kannst - ich gehe jetzt. « 1: Kannst du es verstehen, wenn Männer Frauen vergewaltigen bei Rendezvous? Wenn so eine Situation entsteht, die vielleicht auch mißverständlich ist? Also, eine Frau trifft sich mit einem Typen und geht noch mit ihm nach Hause oder so? B: Ich kann es verstehen, weil es mir selber auch passiert ist. Und ich weiß heute auch, woran es gelegen hat. Also, das soll jetzt kein Freifahrschein sein, daß ich das befürworte. Sondern es hat was damit zu tun, wie so eine Geschichte abläuft, wie sich beide verhalten. Du bist dir als Frau nicht klar, was da eigentlich abläuft, und dem Mann ist nicht klar, was die Frau eigentlich will. Der hat nur sein Ziel vor Augen und geht eben darauflos. Ohne Rücksicht auf Verluste. Das meine ich mit dieser »Jägermentalität«. Dann ist vielleicht gar nicht wichtig, was für eine Frau das ist, sondern er sucht einfach. Und die Frau ist vielleicht in sich nicht so klar, daß sie das sieht, und sieht nur ihn und sieht eigentlich auch nicht ihn. Und merkt das nicht, daß sie ihm durch ihr Verhalten vielleicht zu verstehen gibt . . . Also für ihn - er sieht ja nur das eine. Und die Frau will eigentlich was ganz anderes. Und dadurch entsteht dann plötzlich ein Mißverständnis. Die Frau will ihn vielleicht erst mal kennenlernen und bietet aber irgendwas an, um dort hinzukommen, daß er sie vom ganzen Wesen her mag und nicht nur das rein Körperliche, und merkt gar nicht, daß er nur darauf hinsteuert. Wie so was passieren kann, kann ich mir schon vorstellen. Aus einer schlechten Kommunikation miteinander heraus. Er interpretiert ihr Verhalten ganz anders, als sie sich verstanden zu fühlen meint. Daß sie zum Beispiel sagt: »Komm doch noch auf eine Tasse Kaffee rauf, und wir unterhalten uns noch ein bißchen« und das auch wirklich nur so meint, aber sie hat vielleicht vorher irgendwas gemacht, daß das unklar für ihn war, und er meint das jetzt so . . . Vielleicht ist er da schon über diese Hemmschwelle hinaus. Also, das ist keine Rechtfertigung. Das auf keinen Fall. Aber ich kann verstehen, wie so etwas passieren kann. I: Was glaubst du, aufgrund von was für Mißverständnissen so etwas passieren kann? B: Der Punkt liegt in der Kommunikation. Sie will was anderes als er. Jeder steckt in seiner eigenen Welt und sieht den anderen gar nicht. Und ist nur daran interessiert, sein Ziel zu verfolgen. Und das haben Menschen ja eigentlich häufig, ich finde, heute so in der Gesellschaft sowieso sehr stark. Du willst für dich selber auf was hinaus und schaust gar nicht, was mit dem anderen los ist. Wenn sie es vielleicht gesehen hätte, daß er jetzt nur dieser »Jägertyp« ist, der unbedingt das braucht und jemanden erlegen will, dann hätte sie es vorher schon gemerkt und hätte ihn vielleicht gar nicht zu einer Tasse Kaffee eingeladen. Um das klarer abzugrenzen. Also, ich will ihr jetzt nicht die Schuld zuweisen . . . I: Wie merkt man das denn, daß ein Mann diese »Jägermenta lität« hat? B: Also, so im Gespräch. Da sondiert man doch, was der für eine Einstellung hat, auch von wegen Aids. Das sind ja so Gespräche, die heutzutage so laufen . . . Wenn man sich so kennenlernt. Es ist schwer zu sagen, weil jeder ist da natürlich auch anders. Ich kenne immer
noch Freundinnen, die sagen: »Kondome? Nee, was soll das? Es stört mich.« Und andere, die sagen: »Um Gottes willen, ohne den gar nicht.« Und vielleicht merkt man daran schon, wie ein Mann reagiert, wie er sich äußert. Wie es sich halt entwickelt. Man kann das nicht so pauschal sagen, ob man das daran unbedingt feststellen kann. I: Allein das Gespräch kann ja schon ein Signal für sexuelles Interesse sein. B: Ja. Und daß er das so versteht, daß du dir darüber Gedanken machst. I: Noch mal zu der Situation. Du hast vorhin gesagt, daß dir so was Ähnliches schon mal passiert ist. Wie kam es zu dieser Situation? B: Ich habe zwar gesagt: »Ich möchte nicht mit dir schlafen«, aber das kam so zögerlich. Eigentlich schon, daß ich durch meine Art, wie ich da gewesen bin . . . So diese »HascherlMentalität« . . . Daß ich von mir aus . . . Das fing so mit Momenten an wie: »Ich will nach Hause.« Und lasse mich dann von dem anderen noch breitschlagen: »Ach, bleib' doch noch ein bißchen.« Ich will aber eigentlich nach Hause. Oder dieses Fummeln: »Nein, das möchte ich jetzt nicht, jetzt aber Schluß.« - »jaja, ich mach' ja auch nicht mehr.« Und du läßt dann doch mehr mit dir machen. Und irgendwann ist einfach wirklich der Punkt . . . Weil ich halt immer wieder eine Grenze gesetzt habe und noch eine Grenze und noch eine Grenze. Und daraus ist das eigentlich entstanden. So daß er wirklich angenommen hat: »Die will eigentlich mehr«, und ich wollte nicht mehr. Und dadurch ist das entstanden. Und in dem Moment, wo das passiert ist, war auch für den Typen überhaupt nicht wichtig, ob ich jetzt ich bin, sondern: »Hauptsache, Frau«, und er hat seine Bestätigung. Der ist vorher nämlich enttäuscht worden von einer Frau und verlassen worden, und der hat das gebraucht, um sich selbst wieder sein Selbstwertgefühl zu geben. Und er hat nicht kapiert, daß er damit bei mir eine Menge kaputtgemacht hat. Weil ich wollte es wirklich nicht. Für mich ist damit eigentlich eine Welt zusammengebrochen, weil meine ganzen Wertvorstellungen da durcheinandergebracht worden sind. Aber es lag wirklich an mir. Ich will damit nicht sagen, daß der Mann keine Schuld hat, aber das lag an meiner Entwicklung. Weil ich nicht an meinen Grenzen festgehalten habe. Und nicht vielleicht auch vorher schon gesagt habe: »Der Mann ist nichts für mich, wir passen nicht zusammen.« Das heißt jetzt auch nicht, daß ich heute nicht sage: »Ich will« und mich voll darauf einlasse. Aber dann auch wirklich, weil ich will. Daß ich nicht sage: »So, ich spiele mit dem Mann jetzt Mäuschen und lasse das nicht zu. « Sondern daß ich dann schon frage: »Will ich das jetzt, oder will ich es nicht?« Das kann auch ganz spontan passieren, am ersten Abend. Aber wirklich, weil ich das weiß und das dann auch will. i: Und wenn du das willst, dann zeigst du das direkt? Oder machst du so Sachen, daß du dich abwendest oder vielleicht einfach Raum brauchst? B: Ich glaube, es ist schon wichtig, daß ich mich zwischendurch abgrenze, um in mich hineinzuhorchen, was ich will. Das schon. Also bei meinem letzten aktuellen Erlebnis war das wirklich so, daß ich zwischenzeitlich gesagt habe: »Also nein. Das will ich nicht.« Da habe ich mich erst mal zugemacht. Weil ich mir klar sein wollte: »Will ich den Mann oder nur einen Mann? Geht es dir primär um die Befriedigung deiner Triebe, also irgendeinen Mann, oder ist es der Mann? Geht es um den, und geht es um mich?« Daß ich da zumache, mir das überlege und dann schon wieder auf den anderen zugehe, wenn ich das geklärt habe und das will.
1: Aber du erwartest dann nicht, daß er auf dich zugeht? B: Nein. Ich will dann auch nicht von dem angebaggert werden, sondern ich will die Zeit und den Raum haben, das selber zu entscheiden und dann zu sagen: »Ja, okay, ich geb' dir das Signal.« Wenn er dann natürlich nicht will, weil er beleidigt ist, dann muß ich das akzeptieren. Dann tut es nur leid, und es ist schade drum. Aber ich will ja auch nicht an ihm rumarbeiten, wenn er gar nicht will. Männlicher Befragter. Tätigkeit: Bauschlosser, 29 Jahre, mit Freundin Interviewerin: Wie oft gehst du ungefähr aus pro Woche ? Befragter: Etwa vier- bis fünfmal. I: Hast du viele weibliche Freunde und Bekannte? B: Ja. Schon. I: Hast du mehr Freundinnen oder Freunde? B: Das hält sich die Waage. 1: Bist du der Meinung, daß Männer das erste Wort sprechen sollten? B: Nicht grundsätzlich. 1: Es ist abhängig von der Situation? B: Nein. Von dem Typ. Also, nicht jeder Mann muß so drauf sein, daß er irgendwie . . . I: Und du? Wenn du eine Frau kennenlernen willst, wartest du ab, bis sie etwas macht, oder sprichst du sie an? B: Also, ich mach' eigentlich schon immer was. 1: Bist du schon einmal von einer Frau angesprochen worden? B: Ja. I: Du hast ja sicherlich schon öfter Frauen angesprochen. Wie hast du das gemacht? B: Das sind halt meistens Situationen, die sich ergeben. Also jetzt nicht: »Die ist aber schön, was lass' ich mir da jetzt einfallen? « Das ergibt sich aus Situationen heraus irgendwie. 1: Und wenn du jetzt eine bestimmte Situation herausgreifst. Was hast du da gesagt? Wie bist du auf sie zugegangen? B: Da kann ich echt nichts dazu sagen. 1: Wie reagieren Frauen im allgemeinen darauf, wenn du sie ansprichst oder wenn du irgendwie auf sie zugehst?
B: Im allgemeinen ist das ja so, wenn sich zwei Leute irgendwie kennenlernen, daß man sich gegenseitig füreinander interessiert. 1: Demnach haben die Frauen auch nicht überwiegend ableh nend reagiert? B: Nein. 1: Dann hast du wahrscheinlich auch nicht soviel Grund, ge hemmt zu sein, Frauen anzusprechen? B: Nein, eigentlich nicht. 1: Kam es oft vor, daß du eine Frau nicht angesprochen hast, weil du Angst hattest, daß sie dich zurückweisen könnte? B: Nein. I: Also, bei dir war es eigentlich immer so, daß es sich ergeben hat? Da war gar nicht das Problem »Zurückweisung« oder »wie ansprechen« oder so? B: Es ergibt sich alles irgendwie. Und wenn es bloß ein kurzer Blickkontakt ist. Aber schon immer eine Situation, die sich ergibt. Also nie, daß ich jetzt eine Situation heraufbeschworen habe, um damit irgendwas zu erreichen. I: Stell dir vor, du gehst abends in eine Bar und siehst eine Frau, die du kennenlernen möchtest. Was tust du? B: Gibt es nicht. Ich will keine Frau kennenlernen, die ich bloß sehe. Also entweder, ich lerne sie irgendwie kennen . . . Weil, das interessiert mich nicht. Bloß ein Bild von einer Frau interessiert mich nicht. I: Und wenn sie dir jetzt irgendwie zeigt, daß du sie interessierst? Schaut dich an, du bekommst vielleicht ein paar Gesprächsfetzen mit, die du ganz witzig findest . . . Jetzt könnte ja entweder sie auf dich zugehen, oder du machst was. Aber es ist schon klar, daß sie dir gegenüber auch aufgeschlossen ist. Was machst du da? B: Ich mische mich halt einfach ein. I: Auf was achtest du da, bevor du auf sie zugehst? Muß die Frau sich irgendwie verhalten, daß du sie ansprechen kannst? B: Ja, so eine gewisse Offenheit ist schon Voraussetzung. Wenn mir irgend jemand den Rücken zukehrt oder sich völlig desinteressiert zeigt, warum soll ich mit der reden? Ist ja kein Grund dafür da. 1: Welche Frau fällt dir am schwersten anzusprechen: eine attraktive Frau, eine erotische Frau oder eine Frau, die du interessant findest? B: Erotisch. Weil, da gibt's eigentlich wenig zu reden.
1: Wie verhalten sich Frauen, wenn sie dich kennenlernen wollen? Wenn sie jetzt nicht auf dich zugehen und dich ansprechen, sondern vorher, sagen wir mal, balzen? B: Versuchen, irgendwie auf sich aufmerksam zu machen. Indem sie mich zum Beispiel auffallend oft anschauen. Man merkt halt einfach Blicke. Du merkst einfach, daß dich jemand anschaut. Daß sie sich sofort angesprochen fühlen, sobald eine Situation sein könnte, wo sie angesprochen wären. I: Spielt dein Alter da eine Rolle? Warst du früher unbeküm merter im Vergleich zu jetzt? B: Nein. Eher andersrum. I: Warum? B: Übung macht den Meister. I: Stell dir vor, du unterhältst dich mit einer Frau, die dir gefällt. Woran merkst du, ob die Sympathie auf Gegenseitigkeit beruht? B: Das merkt man halt einfach . . . Man merkt irgendwie schon, ob man auf Interesse stößt. Eine gewisse Offenheit. I: Also wahrscheinlich schon irgendwie im Gespräch. - Ob sie nachfragt, ob sie dir zuhört, ob sie dich anschaut dabei. Solche Sachen. B: Ja. I: Das merkt man aber nicht nur durch das Gespräch, sondern auch durch andere Dinge. Was für ein Verhalten ist da verräterisch dafür, ob sie dich sympathisch findet? B: Also erst mal viel Blickkontakt. Ob man sich wirklich anschaut. Dann allein die Körpersprache. Die Sitzhaltung. Wie man sich gegenübersitzt. Ob man sich steif irgendwie die Worte aus der Kehle zieht oder ob man sich ganz normal . . . I: Also, das war jetzt eher Sympathie. Welches körperliche Ver halten einer Frau findest du erotisch? B: In welchem Zusammenhang? I: Es gibt ja verschiedene Situationen. Es kann ja zum Beispiel sein, daß du dich mit einer Frau unterhältst, mit der du einfach befreundet bist. Oder wo es ganz klar ist, daß es im Vordergrund steht, daß du die Frau, »den Menschen dahinter«, kennenlernen möchtest. Oder aber es ist eine Frau, mit der du vielleicht gar nicht so lange sprechen möchtest, die du einfach erotisch findest. Körperlich anziehend findest. Und deshalb bleibst du da. B: Also, das merkt man im Sitzen meistens gar nicht so. Das merkt man am Gang und . . . Also im Sitzen ist eigentlich keine Frau wirklich erotisch. Die wirklich erotische Ausstrahlung, die ist in der Bewegung. Das ist keine statische Sache. I: Und was sind das dann für Bewegungen?
B: Der Gang. Handbewegungen schon auch. I: Und woran merkst du, daß eine Frau wenig Interesse hat? B: Indem sie mir nicht zuhört. Indem das halt alles relativ oberflächlich läuft . . . I: Gibt es da auch entsprechende körperliche Verhaltensweisen, an denen du merken könntest, daß eine Frau dich ablehnt? B: Klar. Wenn sie sich körperlich zurückzieht, zumacht. I: Auf welche Hinweise für Antipathie oder Zurückweisung legst du mehr Wert: ob eine Frau dir das sagt oder ob sie das zeigt? B: Ach, das merk' ich dann schon. - Auf körperliche. I: Also, du legst auf körperliche Hinweise für Sympathie oder Antipathie mehr Wert. - Wie verführen Frauen deiner Ansicht nach? Körperlich? Also, wenn sie einen Mann verführen wollen, welches Verhalten zeigen sie dann? B: Sie versuchen, ihre Vorzüge herauszukehren. (: Wie? B: Mehr so auf die »Versehentliche«. Also, unauffällige Berührungen . . . Oder dann auch durch ganz klares Arschwackeln oder Busenrausstrecken. I: Und verbal? B: Ganz verschieden. I: Machen Frauen das überhaupt verbal oder eher körperlich? B: Verbal eigentlich selten. Das sind dann eigentlich mehr die Derben. Wo man dann eigentlich nicht mehr von Verführung reden kann. 1: Ist es dir schon einmal passiert, daß eine Frau, mit der du noch nicht so eng befreundet warst, dich zurückgewiesen hat? Vor allem auch in sexueller Hinsicht? B: ja. 1: Hast du dich da falsch verstanden gefühlt? Hast du das Ge fühl gehabt, daß sie dein Verhalten falsch interpretiert hat? B: Nein, eigentlich nicht. I: Und wie hast du darauf reagiert? B: » ja, dann halt nicht.« - Also, wie soll man da reagieren? 1: Du warst dann nicht sauer oder so?
B: Nein. Enttäuschung, sicherlich. Aber nicht sauer. Wieso soll ich da sauer sein? 1: Warst du schon mal in der Situation, daß du wirklich dachtest und dich auch darauf gefreut hast, daß eine Frau was von dir will - und dann hat sie kurz vorher abgeblockt? Wie hast du das dann aufgefaßt? Wie ist es dir ergangen? Wie hast du darauf reagiert? B: Wie es mir ergangen ist? Na ja, man ist halt schon extrem triebgesteuert. Dann mußt du halt erst mal schauen, daß du deine Triebe wieder irgendwie auf die Reihe kriegst. Weil in dem Moment ist ja dann das Hirn eigentlich schon mehr weg. Dann mußt du halt schauen, daß du das wieder ein bißchen mehr in den Vordergrund kriegst. Ja, und dann redet man halt. I: Oder man geht halt dann? B: Also, gehen muß man ja auch nicht gleich - so beleidigt abziehen. Das kann man ja auch akzeptieren. I: Warst du schon einmal aggressiv einer Frau gegenüber? B: Ja. I: Welcher Art? Hast du mit ihr gestritten, oder hast du sie geschlagen? B: Gestritten. I: In welcher Situation? B: Beziehungskisten. I: Hast du schon einmal eine Situation erlebt, wo du einer Frau gegenüber aggressiv warst und das im nachhinein nicht gerechtfertigt gefunden hast? B: Was heißt »nicht gerechtfertigt«? - Wenn ich in dem Moment 'ne Wut habe und 'ne Aggression habe, dann habe ich sie halt einfach. Da gibt es eigentlich keine Rechtfertigung dafür. I: Kannst du verstehen, wenn Männer Frauen vergewaltigen? Date Rape? B: Das kann ich dann verstehen, ja.