Nr. 138
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Nr. 138
Jagd im Hyperraum Transition zu den oberen Welten der Kristallprinz sucht sein verlorenes Ich von Clark Darlton
Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die dem 9. Jahrtau send v.Chr. entspricht – eine Zeit also, da die in die Barbarei zurückgefallenen Erd bewohner nichts mehr von den Sternen oder dem großen Erbe des untergegange nen Lemuria wissen. Arkon hingegen – obzwar im Krieg gegen die Maahks befindlich – steht in voller Blüte. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III, ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII töten ließ, um selbst die Herrschaft übernehmen zu kön nen. Auch wenn Orbanaschol seine Herrschaft gefestigt hat – einen Mann hat der Impe rator von Arkon zu fürchten: Atlan, Sohn Gonozals, den rechtmäßigen Thronerben und Kristallprinzen des Reiches, der inzwischen zum Mann herangereift ist. Nach der Aktivierung seines Extrahirns hat Atlan den Kampf gegen die Macht Or banaschols aufgenommen und strebt den Sturz des Usurpators an. Doch Atlans Möglichkeiten und Mittel sind begrenzt. Ihm bleibt nichts anderes üb rig als der Versuch, seinem mächtigen Gegner durch kleine, gezielte Aktionen soviel wie möglich zu schaden. Der Weg, den der Kristallprinz dabei einschlägt, ist voller Abenteuer und Gefahren. Dies zeigt sich besonders kraß, als Atlan, der sich auf den Planeten der Bewußt seins-Forscher locken ließ, eine Jagd nach seinem duplizierten Ich beginnen muß – eine JAGD IM HYPERRAUM …
Jagd im Hyperraum
3
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Kristallprinz geht auf die Jagd nach seinem eigenen Bewußtsein.
Fartuloon - Atlans väterlicher Freund und Begleiter.
Skagos - Ein Chefwissenschaftler der Skinen von Tsopan.
Lateran - Chef einer Station im Hyperraum.
1. Allmählich gewöhnte ich mich an das Aussehen der Skinen, aber es fiel mir schwer. Sie hatten unser Schiff, die POLV PRON, mit energetischen Traktorstrahlen auf ihre Welt Tsopan geholt, um Experimen te mit uns anzustellen, und dabei war etwas schiefgelaufen. Sie hatten Eiskralle ins Schiff zurückge bracht, mich aber dabehalten. Fartuloon star tete natürlich nicht, obwohl ihn niemand daran gehindert hätte. Er konnte mich nicht im Stich lassen. Ich selbst aber sollte mit dem Problem fertig werden, mich selbst zu suchen und einzufangen – in gewissem Sinn. Denn mein Bewußtsein war doppelt vorhanden, und eins war zuviel. Ach ja, die Skinen … Sie sahen aus wie anderthalb Meter lange Füllhörner mit vier Beinen und zwei sehr beweglichen Tentakeln. Sämtliche Sinnesor gane saßen in der flachen Kopfscheibe, die einen halben Meter Durchmesser hatte. Was mich immer irritierte, war die Tatasche, daß der flache Kopf ständig pulsierte und die Farbe wechselte. Der Skine, der gerade sein Translatorgerät einschaltete, um mit mir zu sprechen, leuch tete zum Beispiel in fröhlichem Orange. Eigentlich waren sie harmlos – Gelehrte und Wissenschaftler, leidenschaftliche For scher und stille Philosophen. Aber bekannt lich können ja auch gute Eigenschaften übertrieben und damit gefährlich werden. Sie hatten mein Bewußtsein mit Hilfe ihres Bewußtseinsprojektors kopiert und gespei chert, nur hatte sich dann herausgestellt, daß sie plötzlich zwei Kopien von mir besaßen. Das eine entfloh, sprang einfach ohne tech
nische Hilfsmittel auf einen Skinen über und verschwand. Nun sollte ausgerechnet ich es wiederfinden. Noch hatte ich keine Ahnung, wie das ge schehen sollte. Aber der Skine würde es mir sicher verra ten. Seine steril klingende Stimme sagte: »Wir befinden uns hier in der Halle der Welt-Tore, und was du dort siehst, das sind die Tore zu den oberen Welten. Durch eines dieser Tore floh der Träger deines Bewußt seins. Wir werden auch dich hindurch schicken und hoffen, du bringst ihn zurück.« Das klang wenig verlockend. Ich hatte an dere und wichtigere Aufgaben zu lösen, als hinter einer Kopie meines Bewußtseinsin halts herzulaufen. Aber ich hatte keine ande re Wahl. Diese so harmlos wirkenden Wis senschaftler besaßen ungeahnte technische Mittel, und sie waren durchaus in der Lage, die POLVPRON für immer auf ihrer Welt festzuhalten. Also machte ich gute Miene zum bösen. Spiel. »Was sind die oberen Welten?« fragte ich, um Zeit zu gewinnen. Ich nahm natürlich an, es handle sich bei den »Toren« um eine Art Transmitter, und die oberen Welten konnten nur die anderen Planeten dieses Systems sein. Der Skine gab nicht sofort Antwort, und ich nutzte die Gelegenheit, mich intensiver als bisher umzusehen. Man hatte mich in eine kuppelartige Halle gebracht, die durch künstliches Licht hell er leuchtet wurde. Von der Decke herab hingen mehrere Dutzend röhrenförmige Gebilde mit trichterartigen Öffnungen, in und unter de nen ich ein fluoreszierendes Schimmern ge wahrte. Waren das die Tore zu den oberen Wel ten? Derartig konstruierte Transmitter hatte ich
4 noch nie zuvor gesehen, und ich begann mich zu fragen, ob es überhaupt Transmitter waren. »Mein Name ist Skagos«, sagte der Skine mir gegenüber, ohne meine ursprüngliche Frage zu beantworten. »Ich bin Chefwissen schaftler dieser Torhalle. Meine Aufgabe ist es, dein entflohenes Bewußtsein zurückzu bringen, und niemand anderer als du kannst mir dabei helfen. Ist das geschehen, kannst du zurück zu deinem Schiff und ohne Behin derung starten.« »Das ist sehr freundlich von euch«, gab ich sarkastisch zur Antwort. »Aber wer ga rantiert mir, daß es eine Rückkehr von den anderen Welten gibt?« »Das garantiere ich persönlich«, erwiderte Skagos, und ich mußte es ihm glauben. Bis her hatte mich noch kein Skine angelogen. »Sobald du den Träger deines Bewußtseins gestellt und energetisch isoliert hast, kannst du ihn hierher zurückbringen. Die Wissen schaftler der Empfangsstation helfen dir da bei. Sie werden informiert.« Das klang ja alles recht einleuchtend und ungefährlich, aber ich glaubte nicht mehr an die Unfehlbarkeit der skinischen Technik. »Warum sagst du mir nicht, was die obe ren Welten sind?« »Du wirst es erfahren, sobald du dort bist. Nur soviel: Es sind Welten wie unsere, man kann auf ihnen leben. Auf manchen kann man sogar sehr gut leben. Jene Welt, auf die der Träger deines Bewußtseins floh, ist eine seltsame und paradiesisch anmutende Welt ohne Technik. Es gibt auf ihr nur einige For schungsstationen meines Volkes, die zu dei ner Verfügung stehen. Man wird dir überall helfen, wenn es nötig erscheint.« Das klang nicht ganz so übel, konnte mich aber noch immer nicht überzeugen. Wenn ich wenigstens nicht allein dort wäre … Mir kam ein Gedanke. »Darf mich ein Mitglied meiner Besat zung begleiten, Skagos? Die Wahrschein lichkeit des Erfolgs unserer Mission würde verdoppelt, das kann nur in deinem Sinn sein.«
Clark Darlton Er überlegte. »Nun gut, ich gestatte es dir«, sagte Ska gos plötzlich, und ich wurde das Gefühl nicht los, daß er in der Zwischenzeit unbe merkt von mir mit seinen Vorgesetzten kon feriert hatte. »Du darfst jemanden aus dei nem Schiff mitnehmen, aber nicht diesen halb durchsichtigen Zauberer, der uns in Eis verwandeln kann.« Aha, Eiskralle wollten sie also nicht, der war ihnen zu unheimlich. Also kam ohnehin nur Fartuloon in Frage. Natürlich hätte ich auch den alten Haudegen Morvoner Sprangk wählen können, aber mit dem hätte es si cherlich Ärger gegeben. »Ich möchte Fartuloon, meinen alten Leh rer, als Begleiter.« »Ist das der Dicke mit dem Kahlkopf und Vollbart?« »Ja, das ist eine gute Beschreibung.« »Und warum soll gerade er dich beglei ten?« »Weil er uns am besten helfen kann. Das willst du doch, oder …?« »Ja, das will ich. Dann warte hier, ich werde ihn mit dem Fiktivtransmitter holen lassen.« Ich amüsierte mich bei dem Gedanken, was nun geschehen würde. Vielleicht stand Fartuloon gerade unter der Dusche, wenn das Ortungszentrum des Transmitterstrahls ihn fixierte und zu uns brachte. Oder er war gerade dabei, eine seiner Doppelmahlzeiten zu verzehren. Von einer Sekunde zur ande ren würde er sich in einer anderen Umge bung wiederfinden, umgeben von Skinen oder einer fremden Maschinerie, möglicher weise noch ohne jede Bekleidung. Skagos war gegangen. Natürlich ließ man mich nicht allein in der Halle der Tore zu den oberen Welten zurück. Überall sah ich Skinen herumkriechen, die mir unverständli chen Aufgaben nachgingen. Skagos kehrte mit Fartuloon zurück. Zum Glück trug er seine Bordkombinati on, aber natürlich keinen Schutzanzug. Auch sein Skarg hatte er nicht dabei. Als er mich sah, begann er über das ganze Gesicht zu
Jagd im Hyperraum strahlen und kam auf mich zu. »Eiskralle hat mir einiges erzählt, aber ich werde daraus nicht schlau. Warum hat man dich zurückgehalten? Und warum holt man mich mit dem Fiktivtransmitter?« »Das tun sie anscheinend gern«, erklärte ich und teilte ihm kurz mit, was inzwischen geschehen war. »Und nun soll ich den Ski nen suchen, der mit meinem KopierBewußtsein auf und davon ist. Das andere haben sie in ihren Speichern und werden es studieren. Hoffentlich erfahren sie dabei nicht zu viel. Ja, und du sollst mir bei der Suche helfen. Dort sind die Tore zu den obe ren Welten, und durch eines müssen wir hin durch. Gefällt dir das?« »Ganz und gar nicht.« »Mir auch nicht, aber wir haben keine an dere Wahl. Also, was ist? Kommst du mit mir?« Er betrachtete skeptisch die schimmern den Trichteröffnungen. »Du meinst, es sei ungefährlich? Sehr vertrauenserweckend sehen die Dinger ja gerade nicht aus.« »Ich glaube, das ist das kleinere Problem, Fartuloon. Aber Skagos hat mir mitgeteilt, daß wir auf einer ziemlich primitiven Welt herauskommen werden, und wir haben keine Waffen. Es könnte Raubtiere dort geben.« Skagos, der unserer Unterhaltung mittels Translator lauschte, mischte sich nun ein: »Keine Sorge, ihr werdet alles bekom men, was benötigt wird. Einen Translator, damit ihr euch mit den Skinen auf der obe ren Welt verständigen könnt, ein Funkgerät zur Kontaktaufnahme über größere Entfer nungen, und natürlich erhaltet ihr auch zwei Energieprojektoren, damit ihr euch eventuel ler Gegner erwehren könnt. Wir haben Ver trauen zu euch, sonst würden wir euch keine Waffen geben.« »Außerordentlich freundlich«, sagte ich spöttisch. »Da sind wir wenigstens nicht wehrlos, falls wir angegriffen werden. Hof fentlich behandeln uns die Skinen der obe ren Welt als Freunde.« »Sie wissen, daß noch nie ein Feind aus
5 einem Tor zu ihnen kam. Sie werden euch behilflich sein, sobald ihr ihnen erklärt habt, warum ihr kommt. Was danach geschieht, entzieht sich meiner Kontrolle. Ich kann nur dafür sorgen, daß die günstigsten Vorausset zungen für das Unternehmen geschaffen werden, mehr nicht.« »Dann bring uns die versprochenen Pro jektoren«, bat Fartuloon mit erstaunlicher Höflichkeit, die mir so verdächtig erschien, daß ich, nachdem Skagos gegangen war, warnte: »Keine Dummheiten, Fartuloon! Wir kön nen gegen sie überhaupt nichts ausrichten, wenigstens noch nicht. Nur Kooperation mit ihnen kann uns weiterhelfen. Unsere eigent liche Mission, den Mörder meines Vaters zu überführen und seiner gerechten Strafe zu zuführen, ist wichtiger als alles andere. Wir dürfen dieses Ziel nicht gefährden.« Fartuloon sah mich an, wie man ein unge horsames Kind betrachtet. »Du hältst mich wohl für ziemlich dumm, was?« »Natürlich nicht, aber ich kenne deine Im pulsivität. Die Skinen zwingen uns mit er staunlicher Freundlichkeit dazu, genau das zu tun, was sie wollen. Also werden wir ent sprechend reagieren: Wir werden mit eben solcher Freundlichkeit versuchen, unser ei genes Ziel zu erreichen.« »Ganz deiner Meinung«, erklärte Fartu loon. »Die werden sich noch wundern, wie freundlich wir sein können.« Skagos kam mit zwei anderen Skinen zu rück, die unsere Ausrüstung mitbrachten. Ein Translators ein kleines Funkgerät mit lichtschnellen Wellen, und zwei handliche Energie-Projektoren, ähnlich unseren eige nen Impulswaffen. Damit ließ sich schon et was anfangen. »Die Stunde ist gekommen«, sagte der Chefwissenschaftler. »Hoffentlich ist es nicht unsere letzte«, meinte Fartuloon. Über den Translator erwiderte Skagos: »Das hoffe ich auch.« Nun wurde es ernst. Noch einmal betrach
6 tete ich mir die trichterförmigen Öffnungen unter der Kuppeldecke. Sie reichten ziem lich weit herunter. Ich hatte das Gefühl, sie könnten alles aufsaugen, das sich unmittel bar unter ihnen befand. Den Mechanismus selbst verstand ich nicht. Auch Fartuloon nicht. »Folgt mir«, sagte Skagos. Wir nahmen die von ihm zur Verfügung gestellten Dinge an uns. Fartuloon den Translator und einen Strahler, ich ebenfalls einen und das Funkgerät. Dann gingen wir hinter ihm her, bis wir unter einem der Trichter standen. »Ihr müßt verstehen«, unternahm Skagos noch einmal den Versuch, die Handlungs weise der Skinen zu rechtfertigen, »daß wir der Sache auf den Grund gehen müssen. Noch niemals geschah es, daß ein gespei chertes Kopie-Bewußtsein entkam, daß es überhaupt von sich aus auf einen fremden Träger übersprang. Es ist uns unbegreiflich, wie das geschehen konnte. Wir müssen eine Antwort auf unsere Fragen finden. Und nur ihr könnt uns dabei helfen. Danach seid ihr frei.« »Sehr zuvorkommend«, kommentierte Fartuloon. »Und wie gelangen wir zurück, wenn wir den Träger erwischt haben? Wie überhaupt halten wir ihn fest und lassen das Bewußt sein nicht entkommen?« fragte ich. »Chefwissenschaftler Lateran wird euch helfen. Er leitet die Station auf der oberen Welt, zu der ihr geht. Mit Hilfe des Energie projektors könnt ihr eine Energiesperre um den Träger legen, damit das Bewußtsein nicht mehr fliehen kann. Je nach Einstellung kann man damit auch einen Gegner paraly sieren oder töten. Doch das wird, so hoffe ich, nicht notwendig sein. So, und nun bleibt ruhig stehen. Der Transmittereffekt wird eintreten, sobald ich die Energie einleite.« Mich überkam ein Gefühl des Mirkann-es-egal-sein, im wahrsten Sinne des Wortes. Jedes Auflehnen blieb zwecklos, das hatte ich inzwischen erfahren müssen. Die Skinen waren nur mit List und Intelli
Clark Darlton genz, aber niemals mit Gewalt zu schlagen. Hinzu kam die unbestreitbare Tatsache, daß sie es nicht einmal böse meinten. Es war nur ihr Drang nach den letzten Erkenntnissen, der sie so handeln ließ. Skagos legte einen seiner Tentakel auf einen Hebel. »Ich wünsche euch Erfolg«, sagte er über den Translator. »Es wird auch mein Erfolg sein. Danach steht euch das Universum of fen.« »Nun mach schon!« knurrte Fartuloon. Skagos drückte den Hebel nach unten. Das Flimmern über uns wurde stärker, und dann vermeinte ich, einen leichten Stromstoß zu spüren. Die Halle mit den Trichtern, Skagos, die langen Reihen der Schalttafeln, selbst Fartu loon neben mir, das alles begann vor meinen Augen allmählich zu verschwinden, als sen ke sich eine Nebelwolke auf uns herab. Dann zog mich etwas nach oben, blitz schnell und ruckartig. In diesem Augenblick erst entmateriali sierte ich.
* Niemand hätte später zu sagen Vermocht, wie lange die Reise dauerte. Für Fartuloon und mich waren es nur wie Bruchteile von Sekunden. Als der Abstrahleffekt erfolgte, standen wir unter einem von vielen Trich tern in der Halle von Xascat. Und in der gleichen Sekunde standen wir abermals un ter einem Trichter, dessen Flimmern lang sam schwächer wurde. Aber es war der ein zige Trichter, der unter dem transparenten Kuppeldach hing, hinter dem ich einen blei ernen Himmel erkannte. Ein Skine bewegte sich auf uns zu. Er trug keinen Translator, also schaltete ich den meinen ein, damit wir ihn verstehen konnte. »Skagos schickt uns«, sagte ich schnell. »Können wir herauskommen?« »Verlaßt den Erfassungsraum des Tores«, erwiderte er und machte Platz für Fartuloon. »Welche Botschaft hat Skagos euch mitge
Jagd im Hyperraum geben?« »Ein kopiertes Bewußtsein ist entflohen, wir sollen es finden und nach Tsopan zu rückbringen. Das Bewußtsein hat sich einen Skinen als Träger gewählt. Kurz bevor wir von Tsopan abgestrahlt wurden, floh dieser Skine. Skagos behauptet nun, er könne nur hierher geflohen sein. Stimmt das?« »Wenn Skagos es sagt, stimmt es auch«, sagte der Skine. »Es traf ein Skine hier ein, den wir nicht kannten. Er behauptete, in ei nem wichtig gen Forschungsauftrag zu han deln und verließ sofort unsere Station. Er muß draußen auf der Oberfläche von Sketan sein.« »Dieser Planet heißt Sketan?« vergewis serte ich mich. »Gehört er zum selben Sy stem wie Tsopan?« Der Skine war uns gefolgt. Wir standen am Rand der transparenten Kuppel. Wir blickten hinaus auf eine fremdartige Land schaft, die unter dem wolkenlosen, bleigrau en Himmel lag, der überall gleichmäßig hell zu sein schien. Ich suchte unwillkürlich zuerst nach ande ren Gebäuden und Vegetation, wurde aber enttäuscht. Alles, was ich erkennen konnte, waren schemenhafte Gebilde, die eine kri stalline Struktur zu besitzen schienen. Ein Stück entfernt, fast einen Kilometer etwa, bemerkte ich einen breiten Strom, der aus tausend verschiedenen Farben zusam mengesetzt war, die sich immer wieder un tereinander vermischten und so den Ein druck entstehen ließen, als fließe der Strom. Zugleich kam mir der Gedanke: warum soll te ein Strom eigentlich nicht fließen? Aber war es überhaupt ein natürlicher Strom? Gab es auf dieser Welt überhaupt etwas, das natürlich war? Endlich beantwortete der Skine meine Frage: »Ich bin Lateran, der Leiter dieser Station. Sketan ist kein Planet unseres Systems, son dern eine Welt, die im Hyperraum existiert.« »Im Hyperraum?« vergewisserte ich mich ungläubig. »Wie soll es möglich sein, daß
7 ein Planet außerhalb des normalen Univer sums existiert und Leben trägt?« »Warum sollte das nicht möglich sein? Es gibt viele Wunder im Universum, und es ist die Aufgabe meines Volkes, einige von ih nen zu erklären und ihre Natur zu erkennen. Früher einmal mag Sketan in einem anderen Raum gewesen sein, der Planet eines ganz normalen Sonnensystems mit richtigem or ganischen Leben, wie wir es kennen. Wir haben viele Theorien entwickelt, aber wir wissen nicht, welche auf Sketan zutrifft. Ge waltige Naturkatastrophen, die Entstehung einer Supernova zum Beispiel, können Di mensionsverschiebungen und Risse inner halb des Raum-Zeit-Kontinuums hervorru fen, durch die ein ganzer Planet und mehr in den Hyperraum geschleudert werden. Wir nehmen an, etwas in dieser Art geschah einst mit Sketan.« Ich mußte zugeben, daß sich diese Erklä rung recht plausibel anhörte, auch Fartuloon nickte zustimmend. Aber da war noch eine andere Frage, auf die ich gern eine Antwort gehabt hätte: »Wie ist es möglich, eine Welt im Hyper raum mit einem Materietransmitter zu errei chen?« Der Flachkopf des Skinen leuchtete oran ge. »Es handelt sich nicht um einen gewöhn lichen Materietransmitter, sondern um ein energetisches Tor besonderer Art. Der Ef fekt ist ein Geheimnis, das nur wenige ken nen, aber er dürfte mit der Arbeitsweise ei nes Überlicht-Antriebs verwandt sein. Der Translator, mit dem wir uns verständigen, würde dafür den Begriff ›Transition‹ setzen, und genau das trifft zu.« Auch das leuchtete mir ein. Noch eine letzte Frage beschäftigte mich: »Wie ist es euch gelungen, diese Welt im Hyperraum zu finden?« »Für einen solchen Zweck wurden die notwendigen technischen Mittel schon vor langer Zeit entwickelt. Die Entfernungen spielen keine Rolle dabei, aber Welten im Hyperraum sind nicht so zahlreich, wie du
8 vielleicht annimmst. Sie sind sogar äußerst selten und meist unbewohnbar. Anders Ske tan. Wir unterhalten hier eine Hauptstation und kleinere Stützpunkte, die auf der ganzen Oberfläche verstreut sind. Die Atmosphäre ist atembar, das Klima erträglich. Sketan be sitzt keine Sonne, aber ein strahlender Be standteil der Atmosphäre sorgt für Licht und Wärme. In regelmäßigen Abständen verdun kelt sich der Himmel, so daß es auch Nächte gibt. Wir vermuten, daß es sich um einen künstlichen Effekt handelt, den die Bewoh ner hervorriefen, als der Planet sich noch im Normalraum aufhielt. Es gibt diese Bewoh ner heute eigentlich nicht mehr.« Ich wurde aufmerksam. Auch Fartuloon hatte den Widerspruch bemerkt. »Es gibt sie eigentlich nicht mehr? Was soll das heißen?« fragte ich. Diesmal dauerte es fast drei Minuten, ehe der Skine antwortete: »Es ist nicht zu erklären, und einige unse rer Forschungen befassen sich auch mit die sem Phänomen. Ihr werdet es selbst erleben, wenn ihr die Station verlaßt, um euren Auf trag durchzuführen. Es werden schemenhaf te Gebilde auftauchen, die jedoch solange keine Gefahr darstellen, wie sie materielos bleiben. Wir wissen, daß sie nur für kurze Zeit Gestalt annehmen können, selbst aber keinen direkten Einfluß auf ihre Materialisa tion ausüben können. Es sind dimensionslo se Wesen, die jenseits von Raum und Zeit existieren. Vielleicht war Sketan einst ihre Heimatwelt, und sie verloren ihren festen Körper, als der Planet in den Hyperraum ge rissen wurde. Mehr wissen wir auch nicht.« »Habt ihr versucht, Kontakt mit ihnen aufzunehmen?« »Sicher haben wir das, aber es gelang nicht. Wir nennen diese Wesen ›Brons‹, aber keiner weiß, wie sie sich selbst bezeichnen.« Fartuloon, der bisher kein Wort gesagt hatte, meinte: »Wenn wir uns noch länger in der Station aufhalten, ist unser Freund mit dem gestoh lenen Bewußtsein über alle Berge, und wir finden ihn niemals mehr wieder. Kann er
Clark Darlton dort draußen überhaupt ohne Hilfsmittel län gere Zeit überleben? Gibt es Nahrungsmit tel? Wohin kann er sich gewendet haben?« Lateran behauptete, es gäbe genug Nah rungsmittel, und auch wir brauchten uns kei ne Sorgen zu machen. An manchen Stellen wüchsen Bäume mit eßbaren Früchten, und Wasser sei auch vorhanden, besonders in den Wäldern. Nur auf den Plateaus, so wie hier, wo die Station errichtet worden sei, gä be es seltsame Dinge, die keiner natürlichen Entwicklung entsprungen wären. Das alles war wenig ermutigend und vol ler Geheimnisse. Immerhin erschien mir die Aussicht auf Erfolg nicht so gering, als wenn wir auf einem Planeten mit hochent wickelter Technik und riesigen Städten ge landet wären. Dort wäre die Suche aus sichtslos gewesen. »Wo befindet sich die nächste Station der Skinen?« »Weit weg von hier, ihr könnt sie nicht zu Fuß erreichen.« Ich sah ein, daß es wenig Sinn hatte, wei tere Fragen zu stellen. Wir mußten versu chen, den entflohenen Skinen ohne fremde Hilfe zu finden. In unseren Taschen befan den sich auch noch Konzentrattabletten, so daß wir für einige Tage ohne Lebensmittel auskommen konnten, falls wir keine Früchte fanden. Lateran begleitete uns zum Ausgang. Er öffnete die Tür, und in der Tat strömte gute und warme Luft in unsere Lungen. Der Bo den war mit feinem, bunten Kies bedeckt, der in allen Farben leuchtete. »Ich wünsche euch Erfolg«, verabschie dete sich der Leiter der Station von uns. »Ihr könnt jederzeit Funkkontakt mit uns aufneh men, wenn es erforderlich sein sollte.« Er schloß die Tür, und wir standen vor der Kuppelstation im Freien. Vor uns aber lag eine unbekannte Welt.
* Nachdem wir den kristallinen Wald durchquert hatten, standen wir am Ufer des
Jagd im Hyperraum bunten Stroms, den wir von der Station aus gesehen hatten. Wie gebannt starrten wir auf die sich langsam vorbeischiebende bunte Masse, die im ersten Augenblick an ein Mosaik erinner te. Es war kein Wasser, das an uns vor beifloß, sondern ein Strom faustgroßer Kie sel, die in allen Farben schillerten. »Das ist doch nicht möglich!« staunte Fartuloon. »Ein Strom aus Kieseln! Welche geheimnisvolle Kraft schiebt das Zeug vor an?« Ich zuckte die Achseln. »Frag mich nicht, Fartuloon! Ich glaube, wir werden noch viel mehr Überraschungen erleben. Die Frage ist nur: wie kommen wir jetzt weiter? Ich habe keine Lust, in den Kieseln zu versinken.« Fartuloon setzte vorsichtig den rechten Fuß auf die langsam dahingleitende Masse und sank knapp einen Zentimeter ein. Er hielt meine Hände fest und holte den linken Fuß nach. Da stand er nun auf den bunten Kieseln, sank allmählich bis zu den Knö cheln ein und bewegte sich langsam »stromabwärts«. »Es geht, glaube ich«, rief er mir zu, im mer zum Sprung ans Ufer bereit. »Du bist viel leichter als ich …« »Vielleicht ist es in der Mitte tiefer.« »Die Dicke der Schicht spielt keine Rolle. Wir sollten es versuchen.« Mir war das Risiko dennoch zu groß. Ich zog Fartuloon ans Ufer zurück. Suchend blickte ich mich um. Es gab einige baumähnliche Gebilde, aber ich war mir nicht sicher, ob sie für meine Zwecke verwendbar waren. Ein Versuch konnte nicht schaden. »Was hast du vor, Atlan?« »Ein Floß, oder zumindest ein Stamm, der nicht in den Kieseln versinkt. Wir nehmen ihn als Rettungsanker mit.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist doch Unsinn, Atlan! Ich habe selbst auf den fließenden Kieseln gestanden und bin nicht eingesunken, nur ein bißchen. Wir dürfen nur nicht zu lange auf einem
9 Fleck stehenbleiben, sondern müssen versu chen, so schnell wie möglich auf die andere Seite zu gelangen. Immer einen Fuß nach dem anderen, ehe er einsinken kann. Das ist ganz gefahrlos, glaube mir.« Vielleicht hatte er recht, ich wußte es nicht. Immerhin näherte ich mich einem der Kristallbäume und versuchte, einen Ast ab zubrechen. Er brach in der Tat ab, zersprang aber in tausend Stücke. Damit ließ sich nichts anfangen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als Far tuloons Vorschlag anzunehmen, wenn wir den Fluß überqueren wollten. Und das muß ten wir, denn jenseits des Flusses, so hatte Lateran behauptet, gäbe es richtige Vegetati on. Jeder Flüchtling würde sich nur dorthin wenden, nicht aber in die Kristallwüste auf dieser Seite. Diesmal ging ich vor, Fartuloon blieb dicht hinter mir. Ich spürte, wie mein Fuß langsam einsank und ging weiter, ehe sich die Kiesel um ihn schließen konnten. Mein väterlicher Freund schien recht zu haben. Etwa in der Mitte des Stroms sanken wir tiefer ein. »Nach rechts, da scheint so etwas wie ei ne Insel zu sein«, rief Fartuloon mir zu und deutete mit der Hand. Wahrhaftig, aus dem Kieselstrom erhob sich ein flacher Buckel, auf dem verkrüppel te Bäume standen. Wenn es wirklich richtige Bäume mit Wurzeln waren, so fragte ich mich, woher sie ihre Nahrung und Feuchtig keit bezogen. Wir liefen jetzt, um nicht restlos einzusin ken. Völlig erschöpft erreichten wir die In sel, die aus kahlem Fels bestand. Vor ihr teilte sich der Strom der Kiesel. »Na, das wäre geschafft. Der Rest hat ei nige Minuten Zeit.« Fartuloon setzte sich unter die Bäume, de ren violette Blätter wie Pfeilspitzen aussa hen. Ich tastete die Rinde und Äste ab, und es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß alles aus Holz bestand. Es war die erste Spur von Vegetation, die wir auf Sketan entdeck ten.
10 Ich setzte mich ebenfalls, um neue Kräfte zu sammeln. Das andere Ufer war noch etli che hundert Meter entfernt. Mein Blick glitt über die seltsame Landschaft, und ich ver suchte mich zu erinnern, ob ich schon ein mal etwas Ähnliches in meinem Leben gese hen hatte. Eine Welt im Hyperraum! Es war un glaublich! In der flachen Mulde auf dem höchsten Punkt des Steinbuckels hatte sich ein wenig Erde angesammelt, die der Wind hierherge bracht haben mochte – wenn es überhaupt Wind gab. Und in der Erde bemerkte ich einen Abdruck. Es war der dreizehige Fußabdruck eines Skinen, und er war frisch. Fartuloon war nicht besonders überrascht, als ich ihm auf meine Entdeckung aufmerk sam machte. Er meinte ein wenig triumphie rend: »Wenigstens wissen wir jetzt, daß wir auf der richtigen Spur sind. Er wird ähnliche Schwierigkeiten wie wir gehabt haben, als er den Fluß überquerte. Am anderen Ufer wer den wir weitere Spuren von ihm finden.« Das hoffte ich auch. Wir ruhten uns fast eine Stunde aus, dann mahnte ich zum Aufbruch. Keiner wußte, wann die künstliche Nacht begann, und ich hatte keine Lust, den Fluß bei Dunkelheit zu überqueren. Es wurde fast eine Art Dauerlauf, aber wir erreichten das ersehnte Ufer ohne Zwischen fall. Das Ufer war sandig und feucht, obwohl ich keine Spur offenen Wassers entdecken konnte. Die Bäume, die hier wuchsen, waren kräftig und hoch, standen aber zum Glück nicht sehr dicht. Ich sah sogar eine Art von Gras zwischen den Wurzeln wachsen, die si cherlich tief reichten, um Feuchtigkeit auf saugen zu können. Fartuloon suchte das Ufer nach den Spu ren des Skinen ab, fand aber keine. »Irgendwo muß er ja an Land gegangen sein«, sagte er entmutigt. »Es hat wenig Sinn, wenn wir ziellos in den Wald eindrin
Clark Darlton gen und auf unser Glück oder den Zufall hoffen. Wenn es Spuren gibt, dann am Ufer! Ich gehe noch einmal los, du kannst die an dere Richtung nehmen. Wir treffen uns in ei ner Stunde hier an dieser Stelle wieder.« Ich fand auch nichts, so sehr ich meine Augen auch anstrengte. An manchen Stellen war das Ufer felsig. Ein Skine hätte hier kaum Fußeindrücke hinterlassen haben kön nen. Somit bestand die Möglichkeit, daß er schon weit im Landesinnern war, während wir vergeblich am Fluß nach seinen Spuren suchten. Das war auch der Grund, warum ich vor zeitig zum Lager zurückkehrte. Fartuloon war noch nicht da. Ich setzte mich auf eine starke Baumwur zel und überlegte, wie wir am besten weiter vorgingen. So aussichtslos es auch zu sein schien, auf einer unbekannten und merkwür digen Welt jemanden zu finden, von dem man nicht wußte, wohin er sich gewandt hat te, so sinnlos war es auch, jetzt aufgeben zu wollen. Die Frage war nur: was konnten wir tun, um die Chance eines Erfolges zu ver größern? Hinter mir war ein Geräusch. Zuerst glaubte ich, Fartuloon kehre zu rück und drehte mich in aller Ruhe um. Aber es war nicht Fartuloon. Es war – der Beschreibung Laterans nach zu urteilen – ein Bron. Er war fast zweieinhalb Meter groß und von klobiger Gestalt. An einigen Merkmalen erkannte ich sofort den Insektenabkömm ling. Seine Haut war braun und wie Leder, er trug keine Bekleidung. Haare konnte ich an seinem Körper nicht entdecken. Er hatte zwei Arme mit wuchtigen Händen und stand auf zwei säulenförmigen Beinen. Sein riesi ger Kopf war kugelrund, aber ich konnte nur Augen, jedoch weder Ohren noch eine Nase finden. Dafür einen dreieckigen Mund, der weit geöffnet war. Der Bron war unbewaffnet. Ich blieb sitzen, tastete aber nach der Si cherung meines Energie-Projektors, den ich von den Skinen erhalten hatte. Ich entsicher
Jagd im Hyperraum te die Waffe, hielt sie aber weiterhin nach unten. Der Bron schien ebenso erstaunt zu sein, wie ich. Er war stehengeblieben und starrte mich an. Bei einer seiner Kopfbewegungen konnte ich feststellen, daß er hinten noch zwei weitere Augen besaß. Vorläufig sah es nicht so aus, als habe der Bron feindselige Absichten. Vielleicht war es mir doch möglich, Verbindung mit ihm aufzunehmen und ihn zu fragen, ob er uns bei der Suche nach dem entflohenen Skinen behilflich sein wollte. Ich hatte Fartuloon das Funkgerät gegeben, er mir den Transla tor. Unbemerkt schaltete ich ihn ein. »Ich bin in Frieden gekommen und möch te mit dir sprechen. Kannst du meine Worte verstehen, Bron?« Zwar öffnete und schloß sich sein drei eckiger Mund mehrmals, aber kein vernünf tiger Ton kam daraus hervor. Es klang – auch über den Translator – etwa wie »Druuf« oder »Druffe«. Damit ließ sich ab solut nichts anfangen. Ich wiederholte meine Frage, aber noch während meine Worte aus dem Gerät dran gen, begann die Gestalt des Bron in ihren Umrissen zu verschwimmen. Das war es, wovon Lateran gesprochen hatte! Der Bron entmaterialisierte, ohne es zu wollen. Er hatte keinen Einfluß auf diesen seltsamen Vorgang, der ohne technische Hilfsmittel stattfand. Noch während ich hin sah, verschwand das Wesen vor meinen Au gen, aber seine mächtigen Fußabdrücke im Boden blieben. Sorgfältig untersuchte ich die Spuren des seltsamen Wesens, das im Hyperraum den materiellen Zustand nicht erhalten konnte. Es waren für meine Begriffe riesige Ab drücke, und sie zeugten von dem erstaunli chen Gewicht des Brons. Fartuloon kehrte zurück und schüttelte schon von weitem den Kopf. »Nichts zu finden. Er muß über die Felsen ans Ufer geklettert sein. Wenn schon, dann suchen wir im Wald weiter.«
11 Ich berichtete ihm von meiner Begegnung mit dem Bron. Zuerst wollte er mir nicht glauben, aber dann zeigte ich ihm die Spu ren. Wir verfolgten sie ein Stück in den Wald hinein, bis sie plötzlich einfach auf hörten. Das mußte die Stelle sein, an der er materialisiert war. Wenn er so schnell ge gangen war wie wir, hatte er seine Struktur fast zehn Minuten lang halten können. Fartuloon meinte nach einigem Überle gen: »Wir werden diesen Halbgeistern wahr scheinlich noch öfter begegnen, als uns lieb sein dürfte. Sehr friedlich sollen sie nicht sein, behauptet wenigstens Lateran. Wir werden uns also wehren müssen, wenn sie angreifen. Aber unsere erste Sorge sollte wieder dem Skinen gelten. Ich schlage vor, wir behalten die jetzt eingeschlagene Rich tung bei und warten, bis das Gelände wieder übersichtlicher wird. Dann suchen wir paral lel zum Flußlauf weiter.« »Was machen wir, wenn es dunkel wird?« »Dann pausieren wir, ganz einfach. Im Dunkeln finden wir keine Spuren.« Ich sah durch die Baumkronen hinauf in den bleiernen Himmel. Es waren keine An zeichen für eine beginnende Dämmerung zu bemerken. Wir marschierten weiter. Es gab ausgetretene Pfade mit älteren Spuren der Brons. Immer wieder »wuchsen« zwischen den Bäumen und Büschen, von de nen einige Früchte trugen, die bekannten kristallinen Gebilde, die bei einer hastigen Berührung sofort zerbarsten. Der Boden war dann wie mit Glassplittern übersät. Der An blick erinnerte mich an Eiskralle, wenn er in Funktion trat. Sein Opfer sah dann so ähn lich aus. Fartuloon probierte eine der Früchte und fand sie äußerst schmackhaft. Ich selbst ver spürte noch keinen Hunger, und er meinte sarkastisch, ich wolle wohl erst einmal ab warten, ob er es überlebe. All sich der Wald plötzlich lichtete, hatten wir an die fünf Kilometer zurückgelegt. Vor uns lag eine weite Ebene nur kärglich mit
12 niedriger Vegetation bedeckt und von Hü geln und flachen Tälern unterbrochen. Auch Fartuloon sah die flüchtigen Schat ten, die vor uns auftauchten und keine festen Formen annahmen. Ohne ein Wort zu sagen, entsicherte er seine Waffe und winkte mir zu, es ihm gleichzutun. Er deutete auf einige größere Felsbrocken, die fast einen Ring bil deten und Schutz boten. Der Platz war trocken, so daß wir uns set zen konnten. Ich machte den Translator be reit, denn ich hatte die Hoffnung nicht auf gegeben, zu einer friedlichen Verständigung mit den Brons zu gelangen, wenn Fartuloon auch anderer Meinung war. Die Schemen schienen zu tanzen. Manche von ihnen schwebten über dem Boden, nah men festere Gestalt an und sanken dann nach unten, aber sobald ihre Füße den Grund berührten, lösten sie sich wieder in Nichts auf. Deutlicher konnten sie nicht demon strieren, daß sie zu materialisieren wünsch ten, es aber nicht vermochten. »So etwas habe ich noch nie beobachtet«, flüsterte Fartuloon unwillkürlich. »Ich kann mir vorstellen, daß den Skinen viel daran liegt, das Geheimnis der Brons zu lüften. So ein Bewußtsein, in ihren Fallen gefangen, wäre ein Fressen für sie und ihren Forscher geist.« Ich sprang mit einem Satz auf, als mitten in unserer kleinen Festung ein Bron materia lisierte und seine Form behielt. Auch Fartu loon brachte sich in Sicherheit, denn der Riese hob den rechten Arm, als wolle er zu schlagen. Eine Waffe bemerkte ich nicht an ihm. Hastig sagte ich in den Translator: »Nicht angreifen, Bron! Wir brauchen eu re Hilfe!« Er zögerte, hatte mich also zumindest ge hört, wenn auch vielleicht nicht verstanden. Sein dreieckiger Mund öffnete und schloß sich, aber wieder war nur das rätselhafte »Druuf-druuf« zu hören, das keinen Sinn er gab. Und dann griff er an. Ich selbst hätte sicherlich noch gezögert,
Clark Darlton ihn gleich mit dem Energiestrahler zu emp fangen, aber nicht Fartuloon. Kaltblütig richtete er die Waffe gegen den heranstamp fenden Bron und feuerte. Niemand von uns beiden hätte zu sagen vermocht, was nun mit dem Angreifer ge schah. Kaum trafen ihn die scharfgebündel ten Energiestrahlen, da entmaterialisierte er, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Fartuloon ließ fassungslos den Projektor sinken. »Sie verschwinden einfach! Wieso denn das?« »Kannst du es dir nicht denken?« Er nickte zögernd. »Eigentlich schon. Die Energiebündel müssen im Hyperraum eine andere Wirkung haben als im Normalraum, wenigstens auf die Brons. Sie werden aus ihrem derzeitigen instabilen Kontinuum hinausgeschleudert. Vielleicht rematerialisieren sie auf einer an deren Welt.« Er lächelte flüchtig. »Eine sehr vage Theorie, muß ich allerdings hinzufü gen.« Draußen vor den Felsen standen plötzlich drei weitere Brons. Abermals versuchte ich, ihnen unsere friedlichen Absichten zu verdeutlichen, je doch wieder vergebens. Diesmal brauchten wir aber zum Glück die Waffen nicht einzusetzen, denn sie lös ten sich gleichzeitig in vage erkennbare Schatten auf, die aber nicht sofort spurlos verschwanden, sondern unschlüssig in unse rer Nähe verharrten. Jeden Augenblick, so mußten wir befürchten, konnten sie wieder ihre feste Struktur zurückerhalten. Ich sah nach oben in den Himmel und merkte, daß ich mich nicht getäuscht hatte. Es begann zu dämmern. Allerdings war es eine Dämmerung, die sich kaum mit jenen auf normalen Welten vergleichen ließ. Auf Sketan setzte die Dämmerung mit ei nem Schlag rund um den ganzen Planeten ein, weil die Leuchtsubstanz in der Atmo sphäre, überall gleichmäßig verteilt, ihre Kraft verlor. Zwar nicht plötzlich, aber doch
Jagd im Hyperraum relativ schnell und vor allen Dingen gleich mäßig. Es war, als lösche man stufenlos eine riesige, planetarische Lampe. »Ob wir nicht besser ein Feuer anzün den?« fragte ich Fartuloon. »Wenn wir genügend Holz finden, bin ich dafür.« Der Waldrand war nicht weit, und trockene Äste gab es in jeder Menge, so daß wir nur fünfmal gingen, um den Vorrat für einige Stunden einzusammeln. Leider hatten wir Lateran vergessen zu fragen, wie lange die Nacht auf Sketan dauerte. Mit Hilfe des Energieprojektors zündete ich die kleineren Äste an, und bald war das Innere unserer kleinen Festung hell erleuch tet. Fartuloon hatte einige Früchte aus dem Wald mitgebracht, die wir nun verzehrten. Sie schmeckten wirklich gut, sättigten je doch nicht sehr. Zur Sicherheit schluckte ich noch eine Konzentrattablette. Wasser hatten wir keins. Fartuloon lehnte sich gegen die vom Feu erschein angestrahlten Felsen. »Nun wollen wir doch mal versuchen her auszufinden, wie die Brons sich in der Nacht verhalten. Beobachten wir sie, damit wir später um so ruhiger schlafen können.« »Du meinst, eine Wache sei überflüssig?« »Das will ich ja eben wissen!« brummte er. Die Brons, so merkten wir bald, blieben in respektvoller Entfernung vom Feuer. Ihre dunklen Schatten waren in der Dunkelheit außerhalb der Festung kaum zu erkennen, nur wenn sie näher herankamen, sah man sie schemenhaft. Einmal materialisierte einer von ihnen, kam sofort herbei, blieb aber dann in fünf Metern Entfernung stehen und starrte mit seinen großen Augen in die Flamme. Sein Mund bewegte sich unaufhörlich, als wolle er seinen wartenden Gefährten einen Bericht übermitteln, doch es war kein Laut zu ver nehmen. Nur aus dem Translator kam das bekannte »Druuf-druuf«, mit dem wir nichts anzufangen wußten. Dann machte der Bron kehrt und ver
13 schwand in der Finsternis. Fartuloon seufzte befriedigt auf. »Na, da haben wir es ja! Sie kommen nicht näher, solange das Feuer brennt. Einer muß also doch wach bleiben, um Holz nach zulegen. Hoffentlich reicht es.« »Wenn wir sparsam damit umgehen, brennt es noch zehn Stunden.« Er rollte sich zusammen und schloß die Augen. Dann murmelte er: »Vielen Dank, daß du die erste Wache übernehmen willst.« Zehn Sekunden später schnarchte er be reits. Da saß ich nun, auf einer fremden und un heimlichen Welt im Hyperraum, zwischen Felsen und bösartigen Geisterwesen an ei nem Holzfeuer, den Strahler griffbereit stän dig meine Umgebung beobachtend, nur um einen Skinen zu finden, der mit meinem ko pierten Bewußtseinsinhalt durchgebrannt war. Wahrhaftig eine mehr als merkwürdige Situation.
2. Fartuloon berichtete, nachdem er mich hatte ausschlafen lassen, daß die Nacht un gefähr acht Stunden gedauert hatte. Dann sei es sehr schnell hell geworden, aber die Brons seien des Feuers wegen nicht näher an unsere Steinfestung herangekommen. Wir frühstückten und überlegten, in wel che Richtung wir uns nun wenden sollten. Dann wurden wir uns darüber einig, daß nur eine Suche am Waldrand entlang ein Ergeb nis bringen konnte. Ich begann mich zu fragen, warum der Skine überhaupt geflohen war, wenn er mit meinem Bewußtsein denken konnte. Seine Flucht erschien, mir unlogisch und unver nünftig. Fartuloon dachte ähnlich, aber wir fanden auch diesmal keine Erklärung. Immer mehr der schemenhaften Gestalten tauchten auf, und sie zogen sich nur dann zurück, wenn wir uns vom Waldrand ent fernten. Als uns das allmählich auffiel,
14 machten wir die Probe aufs Exempel und fanden dann mit Sicherheit heraus, daß die Brons versuchten, uns am Betreten des Wal des zu hindern. »Sie wollen, daß wir hier draußen blei ben«, knurrte Fartuloon. »Im Wald ist etwas, das sie vor uns verbergen.« »Was können Geister schon verbergen wollen?« wunderte ich mich. »Aber gut, zei gen wir ihnen unseren guten Willen und hal ten uns vom Waldrand fern.« Unsere Suche nach den Spuren des Ski nen wurde schließlich belohnt. Fartuloon deutete plötzlich vor sich auf den sandigen Boden. »Hier hat er den Wald verlassen. Die Spur führt in die Ebene hinein, wenn er die Rich tung beibehalten hat. Machen wir uns auf einen ausgedehnten Spaziergang gefaßt.« Als wir die Richtung änderten und vom Waldrand weggingen, blieben die meisten Brons zurück. Nur wenige folgten uns, meist im halbstofflichen und fast transparentem Zustand. Sie hielten sich in respektvoller Entfernung, und nur dann, wenn sie materia lisierten, griffen sie blitzschnell an. Fartuloon schickte mehrere von ihnen mit einem gutgezielten Energiebündel in das un bekannte Reich der Unsichtbarkeit. Wir wanderten durch ein breites und fla ches Tal, in dem zum Glück ein klarer Bach floß. Das Wasser war kalt und ohne Ge schmack. Wir löschten unseren Durst und stellten bei der Gelegenheit fest, daß auch der Skine an dieser Stelle Rast gemacht hat te. Er konnte also auch ermüden – das gab uns neue Hoffnung, ihn doch noch einzuho len, bevor es abermals finster wurde. Wir folgten dem Lauf des Baches talauf wärts. Rechts und links wurde der Wald wieder dichter, aber die Brons hinderten uns nicht daran, ihn an einer Stelle kurz zu be treten, um Früchte zu sammeln. Immer wieder fanden wir die Spuren des Skinen, denn meist war der Talgrund sandig und feucht. Nur manchmal trat Fels zutage. Die Zielsicherheit, mit der unser Freund vor anstrebte, ließ nur zu deutlich erkennen, daß
Clark Darlton ihm das Ziel seiner Flucht nicht unbekannt war. War er schon einmal auf Sketan gewe sen? Dann hätte Lateran ihn eigentlich ken nen müssen. Aber der Chef Wissenschaftler hatte behauptet, ihn noch nie zuvor gesehen zu haben. Nach weiteren vier Stunden Marsch blieb Fartuloon, der vorgegangen war, plötzlich stehen. Wir hatten das Ende des Tals er reicht und standen auf einem langgestreck ten Hügel, der in Marschrichtung sanft in ei ne Ebene hinabfiel. In der Ebene erblickte ich, als ich neben Fartuloon stand, eine Stadt. »Was sagst du dazu?« erkundigte sich Fartuloon ungläubig. »Da hat dieser Lateran uns aber einen Bären aufgebunden, als er be hauptete, es gäbe keine Ansiedlungen auf Sketan. Ob es eingeborene Sketaner gibt? Ich kann mir nicht denken, daß die Brons Häuser bauen.« Ich konnte die Häuser in der klaren Luft gut erkennen. In den Straßen sah ich nie manden. Nichts bewegte sich. Die Stadt war wie ausgestorben. »Dort lebt niemand«, sagte ich. »Es ist ei ne Geisterstadt. Gehen wir hin?« »Natürlich tun wir das. Die Spuren bewei sen, daß der Skine die Stadt kennt und zu ihr wollte. Wenn überhaupt, dann finden wir ihn dort.« Erst als wir näher herankamen, bemerkten wir die Schäden an den Häusern. Viele von ihnen waren halb verfallen oder gar einge stürzt. Schwarze und rechteckige Löcher waren alles, was von den Fenstern übrigge blieben war. Sie waren recht groß und paß ten im Größenverhältnis zu den Brons. Damit erhärtete sich meine Vermutung, daß wir uns auf der Heimatwelt der Brons aufhielten. Ihre Welt hatte sich nach der Ka tastrophe nur in einigen Faktoren verändert, war aber materiell geblieben. Nur das orga nische Leben war instabil geworden. Die Pflanzen hatten schneller zu dem ursprüngli chen Zustand zurückgefunden. Die Brons und ihre Tierwelt nicht. Als wir das an vielen Stellen geborstene
Jagd im Hyperraum Straßenpflaster der Ruinenstadt betraten, verloren wir die Spur des Skinen. Von nun an mußten wir uns auf das Glück verlassen. Es tauchten auch wieder Brons auf. Sie boten einen unheimlichen Anblick, wenn sie geisterhaft als kaum erkennbare Schatten durch ihre einstige Stadt schwebten oder plötzlich für kurze Zeit materialisierten. Mir fiel auf, daß sie uns nicht mehr soviel Auf merksamkeit schenkten wie vorher, sondern die kurzen Pausen der Materialisation be nutzten, die Häuser zu betreten. Wahr scheinlich war ihr Kontakt zur Realität doch größer, als Fartuloon und ich bisher ange nommen hatten. Sie waren zweifellos dabei, ihre Stadt wieder aufzubauen, wenn auch in unendlich mühsamer Kurzarbeit, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir untersuchten mehrere Gebäude in den Seitenstraßen, gelangten aber nur selten in die oberen Stockwerke, da die Treppen, de ren einzelne Stufen fast einen halben Meter hoch waren, meist eine Ansammlung aufein andergetürmter Trümmer darstellten. Noch schwieriger schien es, in die Keller vorzudringen. »Wir sollten uns mehr um das Zentrum der Stadt kümmern«, meinte Fartuloon. »Ich habe zwar keine Ahnung, was der Skine in dieser Steinwüste sucht, aber sicher sucht er es nicht in den Nebengassen. Die Brons ha ben vielleicht Dinge zurückgelassen, die in teressant sind. Wenn ja, dann werden sie dort besonders wachsam sein. Warum soll ten wir unseren Zwangsaufenthalt auf Ske tan nicht dazu verwerten, neue Erkenntnisse zu erwerben?« Ehrlich gesagt, interessierten mich die Brons nicht sonderlich, und ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß sie ein bemer kenswertes technisches Erbe hinterlassen hatten. Die Stadt jedenfalls gab zu einer sol chen Hoffnung kaum Anlaß. Trotzdem stimmte ich Fartuloon zu. Der »Betrieb« nahm wieder zu, als wir die Hauptstraße erreichten, die schnurgerade auf das Zentrum der Geisterstadt zuführte. Im
15 mer öfter erschienen stabile Brons und eilten in die Häuser. Nur wenige von ihnen be merkten uns, und nur jeder zehnte startete einen Angriff. Zwei dieser Angriffe mußten wir mit dem Strahler abwehren. Jedesmal verschwanden die Brons wieder spurlos im Nichts. Ich hätte gern gewußt, was mit ihnen geschah und ob sie jemals wieder zurück kehren konnten. Aber das war wohl eine Frage, die mir niemand beantworten konnte. Die Straße mündete in einen riesigen frei en Platz, der von noch gut erhaltenen Häu serfronten eingerahmt wurde. Der Boden un ter unseren Füßen war eben und fest, er erin nerte an Beton. In der Mitte des Platzes erhob sich ein quadratisch geformter Steinblock, zu dem einige Stufen hinaufführten. Was auf dem Block war, konnten wir nicht sehen. Aber wir sahen die schattengleichen Brons, die den Block umschwärmten. »Aha!« sagte Fartuloon. »Da ist etwas, das wichtig für sie zu sein scheint. Sehen wir uns das mal an.« Ich warf einen besorgten Blick hinauf zum Himmel. »Wann wird es dunkel werden?« »Keine Ahnung, aber wenn die Dämme rung einsetzt, dann wissen wir endlich, wie lange Tag und Nacht dauert. Leider werden wir hier kein Feuer haben, falls wir nicht doch noch Holz finden. Aber das halte ich für unwahrscheinlich. Los, verlieren wir kei ne Zeit mehr.« Ganz wohl war mir nicht zumute, als wir quer über den freien Platz auf den Block zu gingen. Die Brons umtanzten uns wie riesige Mücken, aber in ihrem Zustand konnten sie uns nichts anhaben. Fartuloon hielt seinen Strahler stets schußbereit, falls doch eins der Schattenwesen materialisierte und uns an griff. Dann standen wir vor den Stufen. »Ich gebe dir Deckung«, sagte Fartuloon. »Geh voran.« Es war mehr ein Klettern als ein Gehen, aber endlich hatte ich es geschafft. Ich stand auf dem Steinblock, der vielleicht fünf Me
16 ter hoch war. Er war eben und wurde nur von einem quadratischen Schacht in der Mit te unterbrochen, der senkrecht in die Tiefe führte. Brons kamen von oben und sanken in ihn hinab, ohne uns zu beachten. Es war, als sähen sie uns nicht. Aus der Tiefe drang Licht. Fartuloon nickte befriedigt. »Das ist eigentlich ein Beweis dafür, daß sie in der Dunkelheit nichts sehen können. Ich möchte nur wissen, ob künstliches Licht auch eine ähnliche abschreckende Wirkung auf sie hat wie Feuer. Aber wenn ja, würden sie den Schacht meiden.« Er blickte hinab in den Schacht. »Wir müssen wissen, was da unten ist. Aber leider sind wir keine Schat ten, die schwerelos herumschweben können. Und ich sehe keine Stufen.« Den Boden des Schachtes erkannte ich in zehn Meter Tiefe. Das war zu hoch für einen Sprung, außerdem wären wir da nie mehr heraufgekommen. Es mußte also eine andere Möglichkeit geben. Aberweiche? »Ich habe eine Idee!« behauptete Fartu loon plötzlich, nachdem er eine Weile nach gedacht hatte. »Wozu brauchen wir eigent lich das Funkgerät? Wenn es kaputt geht, werden wir auch überleben.« Er nahm es von der Schulter und ließ es am Riemen hin und her pendeln. Dabei beugte er sich über die Schachtöffnung. Ich ahnte, was er ausprobieren wollte und hinderte ihn nicht an seinem Vorhaben. Das Funkgerät konnten wir notfalls entbehren, wenn es wirklich verlorenging. Fartuloon ließ das Gerät in den Schacht fallen. Die Anziehungskraft des Planeten wirkte wie erwartet. Der Kasten beschleunigte mit den richtigen Werten, bis er plötzlich jäh oh ne ersichtlichen Grund abgebremst wurde. Von nun an sank er langsam in die Tiefe und landete sanft auf dem Boden, zehn Meter unter uns. »Antigravitation!« sagte ich, kaum über rascht. »Sehr richtig, Atlan. Wir werden also ein
Clark Darlton fach hinabspringen und gemütlich nach un ten schweben. Die Kraft wirkt in umgekehr ter Richtung, wenn das Feld uns von unten her erfaßt. Na los, worauf warten wir denn noch …?« »Und die Brons? Sie werden uns angrei fen, wenn wir hier eindringen. Der Schacht scheint eine besondere Bedeutung für sie zu haben.« »Sie greifen ohnehin an, also was soll's? Außerdem vermute ich, daß auch unser Skine da unten ist. Seine Zielstrebigkeit hätte damit eine Erklärung gefunden.« Er hatte natürlich recht. Ehe Fartuloon mir zuvorkommen konnte, trat ich einen Schritt vor und spürte, wie ich von dem An tigravfeld umschlossen wurde. Langsam sank ich in die Tiefe. Als ich nach oben blickte, sah ich Fartuloons große Füße un mittelbar über mir. Seine Körperfülle nahm fast den ganzen Schachtumfang ein. Drei oder vier Brons folgten uns. Sie fie len ein wenig schneller als wir und schweb ten regelrecht durch uns hindurch, so als wä ren wir nicht vorhanden. In Wirklichkeit wa ren sie nicht vorhanden, wenigstens nicht re al. Sanft landeten wir. Ich sprang noch schnell beiseite, damit Fartuloons Füße mich nicht zertrampelten, wenn die normale Schwerkraft wieder einsetzte. Wir standen in einer weiten Halle, in de ren Decke der Schacht mündete. Einige Brons schwebten in einen der vier Korridore hinein und verloren sich irgendwo in Seiten gängen. Einer verzichtete auf den Korridor und kürzte seinen Weg ab, indem er einfach in der Wand verschwand. »Warum tun sie das nicht immer?« fragte ich mich laut, und Fartuloon hatte wieder ei ne Erklärung zur Hand: »Sie können es jederzeit, aber da sie kei nen Einfluß auf den Zeitpunkt ihrer gele gentlichen Rematerialisationen haben, könn te es ihnen passieren, daß sie mitten in der Mauer real werden, und ich fürchte, das ist kein erfreuliches Erlebnis für sie. Darum be nutzen sie den Schacht und die Korridore,
Jagd im Hyperraum um an ihr Ziel zu gelangen. Lediglich die Wagemutigen gehen das Risiko ein, plötz lich von fester Materie eingeschlossen zu sein.« Wir standen eine Weile an der Rückseite der Halle und beobachteten die Brons, die uns völlig ignorierten. Mir war es so, als würden sie nicht mehr so oft materialisieren wie sonst. Und jetzt spürte ich auch das leichte Vibrieren unter meinen Füßen. Ir gendwo unter der Halle, tief in den Felsen des Planeten, liefen gewaltige Maschinen. Ich teilte Fartuloon meine Beobachtung mit. Er nickte, nachdem er einige Sekunden gelauscht hatte. »Man kann es auch hören, Atlan. Viel leicht entdecken wir das Geheimnis von Sketan, wenn wir der Sache nachgehen, während wir zugleich versuchen, den Skinen zu finden. Lateran scheint keine Ahnung von der Existenz dieser Ruinenstadt zu ha ben, unter der sich eine gigantische techni sche Anlage befindet. Wahrscheinlich stammt sie noch aus jener Zeit, in der Sketan sich im Normaluniversum befand. Aber ich möchte wissen, warum sich die instabilen Brons dafür interessieren. Welchen Korridor nehmen wir?« Die Frage kam etwas überraschend für mich, denn darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. »Die Frage ist, ob der Schacht der einzige Eingang zu der Anlage ist. Wenn ja, kann der Skine nur durch ihn hereingekommen sein, wenn er überhaupt hier ist. Wenn wir nun beide zusammen von hier fortgehen, kann er die Anlage unbemerkt verlassen und wir bemerken es nicht einmal und suchen weiter. Was also tun wir?« »Dann müßten wir uns trennen, was ich nicht für ratsam halte.« Mir war der Gedanke auch nicht ange nehm, allein hier zu warten oder durch end lose Korridore zu irren. Aber diesmal hatte ich eine Idee, nicht Fartuloon. Ich griff in meine Tasche und holte eine der weißen Wassertabletten daraus hervor.
17 Während ich sie zerbröckelte und zu Staub zerrieb, ging ich in die Mitte der Halle, bis ich wieder genau unter dem Schacht stand. Vorsichtig streute ich das entstandene Pul ver so aus, daß der Skine seine Spuren hin terlassen mußte, wenn er in den Bereich des Antigravfeldes geraten und die Anlage ver lassen wollte. Als ich zu Fartuloon zurückkehrte, grinste er mir wohlwollend entgegen. »Du bist ein guter Schüler, Atlan«, sagte er. Er konnte es nicht lassen, mich immer wieder daran zu erinnern, daß er schließlich mein Pflegevater gewesen war. »Nun brau chen wir uns nicht zu trennen und wissen bei unserer Rückkehr doch, ob der Skine das Weite gesucht hat – vorausgesetzt, er ist hier. Hoffentlich bemerkt er die List nicht.« »Kaum. Das Pulver ist sehr fein verstreut und kaum zu sehen.« »Na schon, damit kann ich meine Frage wiederholen: welchen Korridor nehmen wir?« »Den Rechten, dort sind die wenigsten Brons hineingeflogen.« »Dann ist es auch der falsche.« »Vielleicht nicht. Auch der Skine wird froh sein, wenn er von ihnen möglichst we nig belästigt wird.« »Richtig!« stimmte er zu. »Also, dann los …« Boden, Decke und Wände waren glatt und leuchteten von innen heraus. Energie mußte genügend vorhanden sein, denn es wurde nicht damit gespart. Wenn wir eine Stelle passiert hatten, erlosch das Licht nicht. Einmal kamen uns zwei Brons entgegen, zum Glück nur als halbmaterielle und fast durchsichtige Schemen. Ihr kurzes Zögern bewies, daß sie uns bemerkt hatten, aber dann schwebten sie weiter, mitten durch uns hindurch. Für einen Augenblick überkam mich die schreckliche Vorstellung, was geschehen würde, wenn sie in mir materialisierten. Blitzschnell verscheuchte ich die unange nehme Vision. Es war besser, nicht über der artige Dinge nachzudenken.
18
Clark Darlton
Ein anderes Mal sahen wir einen Bron materialisieren, der uns entgegenschwebte. Kaum stand er fest auf seinen Füßen, da griff er uns auch schon an. Fartuloon riß sei nen Strahler empor, aber er kam nicht mehr dazu, ihn zu benutzen. Der Bron war blitz schnell über ihm und rannte ihn nieder. Fartuloon stürzte zu Boden, während der Bron, vom eigenen Schwung getragen, noch weiterlief, sich aber sofort umdrehte und er neut Anlauf nahm, um auch mich niederzu trampeln. Es war gut, daß sie keine Waffen hatten. Ich erklärte mir das durch die Tatsache, daß sie keine materiellen Dinge bei sich tragen konnten, wenn sie als entstofflichte Wesen existierten. Fartuloon schoß im Liegen. Der Bron ver schwand, bevor er mich erreichen konnte. Ich half Fartuloon auf die Beine. Er schnaufte. »Das sind ja die reinsten Saurier! Wenn sie dich so erwischen, bist du hin! Schieß al so immer rechtzeitig.«
* Der Korridor endete in einer zweiten Hal le, die wesentlich kleiner war. Sie mußte ei ne Art Verteiler sein, denn es führten nicht nur Gänge in allen Richtungen weiter, son dern auch Antigravschächte nach unten. Far tuloon blieb vor einem von ihnen stehen. »Die Maschinenanlagen liegen unter uns, also müßten wir, wenn wir ihre Natur erkun den wollen, ebenfalls nach unten. Wenn das so weitergeht, vergessen wir den eigentli chen Zweck unseres Hierseins.« Wenn ich ehrlich sein soll, so muß ich ge stehen, daß mir in diesem Augenblick der Skine ziemlich gleichgültig geworden war. Das technische Geheimnis einer fremden Rasse, die ihre festen Körper verloren hatte und sich dennoch mit materiellen Dingen befaßte, begann mich zu faszinieren. Diesmal war Fartuloon schneller als ich. Vor mir ließ er sich in die Tiefe sinken, den Strahler schußbereit unter dem rechten Arm.
Als meine Füße wieder festen Boden be rührten, war das Vibrieren stärker geworden. Auch vernahm ich nun das gleichmäßige Geräusch laufender Maschinen und in Tätig keit befindlicher Aggregate. Es war wärmer geworden. Gleichmäßig brannte das indirek te Licht. Wir standen abermals in einer Halle, aber nur zwei Gänge führten in entgegengesetz ten Richtungen weiter. Als ich in den einen hineinblickte, zuckte ich unwillkürlich zusammen. Ganz an sei nem Ende, nur undeutlich zu erkennen, weil die Entfernung zu groß war, erblickte ich ei ne kleine, niedrige Gestalt am Boden. »Der Skine!« flüsterte ich und stieß Fartu loon an. »Da ist er!« Wir wichen ein wenig zur Seite, um nicht sofort gesehen zu werden. »Vielleicht kommt er hierher«, hauchte Fartuloon zurück. »Wenn wir den Gang be treten, sieht er uns sofort.« Wir verhielten uns ganz ruhig, immer in der Hoffnung, der Skine würde in unsere Richtung kommen, aber er tat uns nicht den Gefallen. Ohne einen Laut von, sich zu ge ben, verschwand er in einem der vielen Sei tengänge, und wir wußten nicht einmal, ob er uns bemerkt hatte. »Sollen wir ihm nach?« fragte Fartuloon ohne besonderen Eifer. Die Maschinengeräusche kamen aus dem anderen Korridor. »Wenn ich nur wüßte, ob er uns bemerkt hat. Wenn nicht, könnten wir ihm folgen, ohne aufzufallen. Die Maschinen haben Zeit.« »Der Skine auch«, brummte Fartuloon. Ich sagte mir, daß wir für die geheimnis volle Anlage der Brons noch mehr Zeit hät ten, wenn wir den Skinen erst einmal gefaßt und in ein Energiefeld gesperrt hätten. Erst jetzt zeigte es sich, wie schwer es war, den Gang zu bestimmen, den der Skine benutzt hatte. Es gab zu viele von ihnen, und alle lagen fast auf gleicher Höhe. Sie waren kahl und leer. Einige betraten wir, begegneten aber we
Jagd im Hyperraum der einem Bron noch dem Skinen. Mutlos geworden, gaben wir die Suche schließlich auf, nicht ohne die triumphierende Bemer kung Fartuloons: »Na also! Wir kehrten in die Halle zurück. Na schön«, meinte ich nun, »tun wir dir den Ge fallen und nehmen den zweiten Korridor. Sehen wir uns die Anlage an.« Hier begegneten uns wieder mehr Brons. Selbst als Schatten schienen sie über unser Eindringen besorgt zu sein, denn sie um schwirrten uns in Scharen. Ganz offensicht lich versuchten sie, uns von einem weiteren Vordringen abzuhalten. Vielleicht hofften sie auch, gerade jetzt zu materialisieren, um uns angreifen zu können. Wir drangen weiter vor, ohne uns um sie zu kümmern. Meiner Schätzung nach befanden wir uns etwa fünfzig Meter tief unter dem Zentral platz der Ruinenstadt. Der letzte Schacht war lang gewesen. Es führten von der Halle aus keine weiteren mehr in die Tiefe. Wir schienen die unterste Sohle erreicht zu ha ben. Der Korridor hatte keine Seitengänge und endete vor einer Metallwand, die jedoch ein fach zu bedienende Handgriffe aufwies. Die Brons fürchteten die geringe Dicke der Wand nicht, denn sie schwebten ohne Zö gern durch sie hindurch, hin und her. »Wir müssen sie wohl öffnen«, knurrte Fartuloon und zögerte. »Das kannst du tun, ich halte lieber den Strahler bereit.« Es fiel mir nicht schwer, den Mechanis mus zu begreifen. Ein Hebel war herabzu ziehen und gleichzeitig ein Knopf nach rechts zu drehen. Die Wand versank im Boden und gab den Blick auf einen runden Korridor frei, der er höht um eine kreisförmige Halle herumführ te, etwa in der Art einer Galerie. Korridor und Halle waren jedoch durch eine transpa rente Wand voneinander getrennt. Fartuloon schob mich weiter, bis wir in einer Nische ein Versteck fanden, wo uns selbst die Brons nicht bemerken konnten,
19 wenn sie nicht gerade an uns vorbeischweb ten. Ich wagte einen vorsichtigen Blick hinab in die Halle, deren Boden etwa noch zehn Meter tiefer lag. Zuerst sah ich nur lange Reihen von Maschinenblöcken, Aggregaten unbekannter Natur, riesige Schalttafeln und genau in der Mitte eine auf ihrer Fläche ru hende Halbkugel. Brons gingen zwischen den Maschinenan lagen hin und her, nicht hastig, sondern mit einer für sie ungewöhnlichen Ruhe und Ge lassenheit. Offensichtlich kontrollierten sie die reibungslose Funktion der einzelnen Ag gregate und ließen sich Zeit dabei. Wir sahen keinen einzigen instabilen Bron. Auf der einen Seite der riesigen Halle, de ren gewölbte Decke zwanzig Meter über uns war, hatten die unbekannten Erbauer eine Art Tribüne errichtet. Es war keine Zuschau ertribüne, sondern mehr ein großes Podium, von einem Geländer umgeben. Auf ihm standen Tische und Stühle, alle in Relation zu den bis zu drei Meter großen Brons. Da saßen sie an den Tischen, ließen sich von anderen Brons bedienen, tranken und aßen mit einer genüßlichen Ruhe, als könn ten sie niemals ihren festen Körper verlieren und wieder zu schattenhaften Geistern wer den. Langsam nur dämmerte uns die Erkennt nis des unglaublichen Geschehens. »Die Anlage …! Sie bewirkt, daß sie ver stofflicht bleiben!« Fartuloon nickte. »Nun wissen wir auch, warum sie hierher kommen. Sie haben es geschafft, die ehe mals sicherlich zu einem anderen Zweck konstruierte Anlage für ihre Zwecke umzu funktionieren. Hier können sie materialisie ren und den festen Zustand beibehalten. Wahrscheinlich haben sie dabei ein be stimmtes System, so daß jeder von ihnen einmal an die Reihe kommt. Eine Art Erho lungszentrum vom Geisterdasein. Phanta stisch!« »Aber wie machen sie das nur?«
20 »Keine Ahnung. Kraftfelder, Bestrahlung, Energieströmungen – was weiß ich? In die ser Halle jedenfalls dürfen uns die Brons nicht erwischen, sonst sind wir verloren. Ich möchte wissen, ob der Skine dahinter her war.« »Zumindest muß er es geahnt haben«, vermutete ich. Schweigend beobachteten wir noch eine Weile des Treiben auf der Tribüne. Die ma terialisierten Brons genossen den Zustand ihrer Realität und das Bewußtsein, nicht un willkürlich wieder in das gewohnte Reich der Instabilität zurückkehren zu müssen. Es gab auch einige verhangene Türen, die zu dahinter liegenden Räumen führten. Ab und zu verschwand ein Brons darin, oft von ei nem zweiten gefolgt. Fartuloon grinste, sagte aber nichts. Ich schrak zusammen, als ich Schritte hin ter mir vernahm. Ehe ich mich umdrehen konnte, packte eine Hand mit eisernem Griff zu und nahm mir den Energieprojektor ab. Gleichzeitig wurde. Fartuloon von einem zweiten Bron entwaffnet, der unbemerkt herbeigekommen war. Man ließ mir den Translator. Man schien demnach zu wissen, daß er lediglich ein Übersetzergerät war, keine Waffe. Fartuloon war so verblüfft, daß er keinen Ton hervorbrachte, als er unsanft auf die Beine gestellt wurde. Dann aber begann er leise zu fluchten. Während ich aufstand, schaltete ich den Translator ein. Wenn sich die Brons unterhielten oder uns ansprachen, mußten wir ihre Worte hören. Aber vorerst vernahm ich wieder nur das »Druuf-druuf« der seltsamen Wesen. Sie führten uns mit sanfter Gewalt eine Treppe hinab in die Halle, wo wir von ande ren Brons erwartet wurden, die uns neugie rig entgegenblickten. Es sah so aus, als hät ten sie uns erwartet. Als wir vor ihnen standen, kam plötzlich eine Stimme aus meinem Translator, zer stückelt und unartikuliert. Ich wußte sofort, was das war: der Versuch des automatisch arbeitenden Gerätes, eine praktisch nicht
Clark Darlton vorhandene akustische Mitteilung dennoch akustisch wiederzugeben. Demnach verstän digten sich die Brons untereinander telepa thisch oder durch Ultraschall, der für unsere Ohren unhörbar blieb. Die Stimme sagte sinngemäß: »Was sucht ihr auf unserer Welt und wo her kommt ihr?« Als niemand von uns sofort antwortete, fuhr die Stimme fort und fragte: »Wolltet ihr unsere ungeborene Königin stehlen?«
3. Es wurde höchste Zeit, daß wir unsere Fassung wiedergewannen, sonst waren wir verloren, das wurde mir jetzt klar. Sie hatten also eine Königin, dazu noch eine, die erst geboren werden mußte. Und sie nahmen an, wir wollten sie entführen. Wenn wir den Irr tum nicht so schnell wie möglich aufklärten, konnte alles mögliche passieren. »Man hat uns hierher geschickt, um einen Skinen zu fangen«, sagte ich und hoffte, die Brons würden wissen, was ein Skine war. »Wir wollen nichts von eurer Königin, die wir nicht einmal kennen. Laßt uns frei, wir kamen in Frieden.« Ich war erstaunt darüber, wie gut und plötzlich die Verständigung funktionierte. Die Antwort kam sofort und nicht mehr ganz so undeutlich. »Warum kamt ihr dann in die Stadt?« »Der Skine, den wir verfolgen, führte uns hierher. Er muß auch noch hier irgendwo sein. Übergebt ihn uns, dann gehen wir wie der und kehren nie mehr zurück. Wir wollen nur ihn, sonst nichts.« »Das ist nicht so einfach. Ihr habt unser Geheimnis entdeckt.« »Wir werden es wieder vergessen«, ver sprach ich. Es entstand eine kurze Pause. Fartuloon sagte ohne Rücksicht auf den noch einge schalteten Translator, der jedes seiner Worte in die Sprache der Brons übersetzte: »Inzwischen rennt uns der Skine davon,
Jagd im Hyperraum und wir erwischen ihn nie. Sie sollen uns die Waffen wiedergeben und laufenlassen. Es ist nur schade, daß man nicht vernünftig mit ih nen reden kann.« Ich machte ihm ein Zeichen, vorsichtig zu sein. Fartuloon war zwar ein kluger Takti ker, aber manchmal konnte er die Geduld verlieren, und dann verärgerte er den Ver handlungspartner. »Unser Schicksal könnt ihr niemals ver gessen, auch wenn ihr von einer anderen Welt kommt«, sagte einer der Brons, und da mehrere von ihnen den Mund bewegten, war nicht zu erkennen, welcher von ihnen zu uns sprach. Oben auf dem Podium standen die Neugierigen am Geländer und sahen zu uns herab. »Wir werden aber versuchen, wo wir seiner habhaft werden können. Bis dahin je doch seid ihr unsere Gefangenen.« Ich wußte, daß jeder Protest gegen diesen Beschluß sinnlos war, wollte aber doch noch einen Vorteil herausschlagen. »Gut, wir fügen uns«, sagte ich. »Ist es möglich, daß wir uns während unserer Ge fangenschaft mit euren Wissenschaftlern oder Technikern unterhalten? Vielleicht können wir euch helfen, denn wir kommen nicht nur von einer anderen Welt, sondern auch aus einem anderen Raum.« »Ich weiß, ihr kommt aus dem Raum, der auch einmal der unsere war. Ihr werdet Ge legenheit erhalten, ein wenig von dem zu er fahren, was unser Schicksal verursachte. Vielleicht ist es eine Warnung.« Das war immerhin ein Teilerfolg. Ohne Widerstand zu leisten, ließen wir uns von zwei Brons in eins der mit Vorhän gen verhängten Gemächer führen. Die bei den darin stehenden Betten erinnerten uns daran, daß wir viele Stunden nicht mehr ge schlafen hatten. Vielleicht war es oben in der Stadt schon wieder Nacht. Ich überzeugte mich davon, daß die bei den Brons vor dem Vorhang blieben und Wache standen, dann legte ich mich auf eins der Betten. »Sie sind nicht unfreundlich, Fartuloon,
21 obwohl wir doch einige von ihnen zumin dest von Sketan entfernten. Ich glaube und hoffe, wir werden uns mit ihnen einigen.« »Du kannst Gift darauf nehmen, daß ich das auch hoffe! Ich bin gespannt, ob sie uns den Skinen bringen. Außerhalb der Materia lisationsanlage, die ihre Struktur erhält, kön nen sie nicht viel anfangen, und ich kann mir auch nicht denken, daß sie es fertigbrin gen, den Skinen hierherzulocken. Denn das wäre ihre einzige Chance, ihn festzunageln.« »Ja, so wie uns«, grübelte ich. »Immerhin ist es schon mal von Vorteil, daß wir uns mit ihnen verständigen können. Wahrscheinlich aber nur hier, nicht außer halb der Anlage.« Da wir im Augenblick nichts tun konnten, streckten wir uns auf den Betten aus, die na türlich viel zu groß für uns waren, und ver suchten zu schlafen. Mir gelang es nicht so fort, aber Fartuloon begann bald zu schnar chen.
* Zwei Brons weckten uns. Sie brachten die bedauerliche Nachricht, daß der Skine noch immer nicht gefaßt wer den konnte, weil es nicht gelang, ihn in die Anlage zu locken. Er hielt sich jedoch noch immer in der unterirdischen Station auf und wurde ständig beobachtet. »Ihr wollt etwas über den Grund unseres Schicksals erfahren – stellt also eure Fra gen.« Ich nickte Fartuloon aufmunternd zu. »Wißt ihr, was geschehen ist?« fragte die ser. »Ich meine, habt ihr eine Erinnerung an die Ereignisse, die eure Welt – wir nennen sie Sketan – in den Hyperraum schleuder ten? Handelte es sich um eine Naturkatastro phe?« »Eine persönliche Erinnerung haben wir nicht, aber wir wissen, daß es keine Natur katastrophe war. Soweit die Aufzeichnungen vorhanden sind, läßt sich die Vergangenheit unserer Welt rekonstruieren, den Rest müs sen wir erraten. Nur soviel ist sicher: unse
22 ren jetzigen Zustand haben wir dem Überei fer einiger Wissenschaftler zu verdanken, die das Beste wollten und das Schlimmste erreichten.« »Was passierte?« fragte Fartuloon. »Der erste – Unfall ereignete sich, als un sere Vorfahren versuchten, unserer Welt ei ne bessere Stellung in unserem Sonnensy stem zu verschaffen. Wir waren ziemlich weit von unserem Zentralgestirn entfernt und benötigten sehr viel Energie, um ein er trägliches Leben zu führen. Natürlich hätten wir auch einfach auf einen anderen Planeten auswandern können, aber auf den meisten von ihnen lebten schon unsere Siedler und Kolonisten. Wir besaßen auch nicht genü gend Schiffe für einen Exodus. Also wurden alle Anstrengungen dafür verwendet, gewal tige Antriebsanlagen zu bauen, mit denen es ermöglicht werden sollte, unsere Welt aus ihrer Umlaufbahn herauszutragen und näher an die Sonne heranzubringen. Das Experiment mißlang. Unaufhaltsam trieben wir immer weiter von unserer Sonne hinweg und schließlich hinaus in den leeren Raum zwischen den Sternen. Nun durfte keine Energie mehr ver schwendet werden, wenn wir nicht sterben wollten. Die vorhandenen Anlagen ermög lichten die Schaffung einer leuchtenden At mosphäre, die zugleich Feuchtigkeit und Wärme spendete und eine künstliche Nacht einschaltete. Aber indessen wurde unsere Sonne zu einem kleinen, fernen Stern. Dann verloren wir sie aus den Augen.« Der Bron, der berichtet hatte, schwieg. Tief beeindruckt von dem Gehörten, brachten wir es nicht fertig, sofort weitere Fragen zu stellen. Aber nun war uns klar, warum Sketan die künstliche Atmosphäre besaß und das Leben auf ihm ohne Sonne möglich war. Doch damit war der jetzige Zustand der Brons noch immer nicht enträt selt. Stumm warteten wir, bis sie ihren Bericht fortsetzten: »Aber unsere Wissenschaftler gaben kei ne Ruhe. Wenn schon die normale Energie
Clark Darlton nicht ausreichte, unsere Welt zu einer Sonne zu bringen, folgerten sie in ihrer Vermessen heit, dann muß eben eine neue Energiequelle gefunden werden. Sie kamen auf die Idee, den Hyperraum anzuzapfen. Erneut wurden riesige Versuchsanlagen gebaut, meist unter der Oberfläche. Dies hier ist eine von ihnen. Mit ihnen, so hofften sie, würde man eines Tages die unerschöpfli chen Energievorräte der fünften Dimension erreichen und ausnutzen können. Es müssen Jahrhunderte vergangen sein, ehe der erste Versuch in dieser Richtung glückte. Die Aufzeichnungen darüber sind lückenhaft. Fest steht aber, daß von nun an noch mehr Mittel als bisher investiert wur den und die Wissenschaftler freie Bahn für ihre Experimente erhielten. Die warnenden Stimmen der mit dem bisher Erreichten Zu friedenen wurden überhört. Man lachte sie sogar aus. Und dann, eines Tages, sollte das ent scheidende Experiment stattfinden. Zu ei nem bestimmten Zeitpunkt wurden sämtli che Anlagen zugleich eingeschaltet. Die fünfdimensionalen Kontakttaster schickten ihre Zapfstrahlen aus, die unser Raum Zeit-Kontinuum durchbrachen und in den Hyperraum eindrangen. Niemand weiß, wie und warum es gesch ah, aber der erwartete Effekt kehrte sich um. Statt Energien aus dem Hyperraum abzulei ten, wurde unsere ganze Welt in den Hyper raum gerissen. Wir – das heißt also unsere Vorfahren – bemerkten es daran, daß plötzlich die Sterne vom Himmel verschwanden, denn zur Zeit des Versuchs herrschte gerade Nacht. Und noch während das geschah, entstofflichten wir, alle ohne Ausnahme. Unsere Füße fan den keinen festen Boden mehr, und manche von uns sanken haltlos in die Kruste des Pla neten und kamen nie mehr zum Vorschein. Wir anderen schwebten wie Geister über die Oberfläche dahin und versuchten, das Unglaubliche zu begreifen. Manchmal mate rialisierten wir und nahmen feste Formen an, aber nur für kurze Zeit. Und wir hatten kei
Jagd im Hyperraum nen Einfluß darauf. Unsere Welt hatte sich verändert. Seltsa me Dinge geschahen auf ihr, die mit den bis her gültigen Naturgesetzen nicht erklärt wer den konnten. Alle Tiere und Pflanzen waren verschwunden und kehrten auch nicht zu rück. Erst im Verlauf der Jahrhunderte ent stand eine neue Vegetation. Die Energieanlagen funktionierten, so daß unsere Atmosphäre erhalten blieb. Wir be nötigen sie, wenn wir materialisieren. So überlebten wir, denn wir brauchten kaum Nahrungsmittel. Und die wenigen Augen blicke der Materialisation genügten, unsere Rasse nicht aussterben zu lassen. Und dann hatte jemand von uns plötzlich eine Idee. Das geschah bereits zu meinen Lebzeiten.« Ich ahnte, was nun kommen würde, stellte also keine Frage. Auch Fartuloon schwieg. Es war ohnehin erstaunlich, daß die Brons uns alles so freimütig berichteten. Erhofften sie sich wirklich Hilfe von uns? »Im körperlosen Zustand ist es uns un möglich, Gegenstände zu berühren oder einen Einfluß auf sie auszuüben. Selbst das Öffnen einer Tür wäre nicht möglich. Aber wenn wir materialisierten, konnten wir Handgriffe vornehmen, die vorher genau ge plant und einstudiert wurden, um keine Zeit zu verlieren. So umlauerten wir jahrelang diese Station und warteten jeder auf seine Gelegenheit, den Plan in die Tat umzusetzen. Wozu man sonst ein paar Tage gebraucht hätte, dazu wurden nun Jahre benötigt. Es gelang uns, den Plan unserer Wissenschaftler zu ver wirklichen. Wir schufen in der runden Halle, die ihr bereits kennt, ein Hyperstrahlungs feld mit Materialisationseffekt. In seinem Bereich behalten wir die feste Körperform beliebig lange bei, und eines Tages, so hof fen wir, werden wir sie für immer zurücker halten. Zumindest aber sind wir nun in der Lage, in dieser Anlage pausenlos zu arbeiten und technische Geräte zu entwickeln, die uns eine beliebige Materialisation auch auf der Oberfläche erlauben, wenn wir ein sol
23 ches Gerät bei uns tragen.« Fartuloon sagte: »Wir wünschen euch dazu Erfolg und hoffen, daß ihr so euer unglaubliches Schicksal verbessern könnt. Wir sind selbst Flüchtlinge und relativ hilflos, sonst würden wir versuchen, euch zu helfen.« Ich überlegte, ob ich eine Frage bezüglich der erwähnten ungeborenen Königin stellen sollte, verzichtete aber dann darauf. Wenn sie ihren Verdacht vergessen hatten, um so besser für uns. »Werdet ihr uns freilassen?« fragte ich statt dessen. »Darüber entscheidet der Rat. Wenn fest gestellt wird, daß ihr keinen Schaden anrich ten könnt, wird man euch freilassen. Aber ihr solltet diese Skinen, die auf unsere Welt gekommen sind, den guten Rat geben, bald wieder zu verschwinden. Sie haben hier nichts zu suchen, und sie scheinen auch nicht die Absicht zu hegen, uns zu helfen. Wir mögen sie nicht.« »Sie sind auch nicht unsere Freunde«, teilte ich ihm mit. »Sie haben uns gegen un seren Willen hierhergeschickt.« Ich mußte mich erneut wundern, wie gut unser Translator übersetzte. Die unverständ lichen Laute der Brons wurden zu einer ge wählten Sprache, die gar nicht zu den klobi gen Monstren paßte. Die beiden Brons verließen uns, nachdem sie sich fast höflich verabschiedet hatten. Wir waren wieder allein. Fartuloon sah mich an. »Na, was sagst du dazu? Nun haben wir wenigstens eine Erklärung. Ich glaube sogar, daß sie stimmt. Hoffentlich halten sie uns nicht mehr zu lange fest, sonst müssen wir versuchen, uns selbst zu befreien.« »Das wird kaum nötig sein«, hoffte ich. Zwei Stunden später erschien ein Bron zwischen dem geteilten Vorhang und be trachtete uns forschend. Er war mindestens drei Meter hoch und mit einem farbigen Umhang bekleidet, der vermuten ließ, daß er einen besonderen Posten bekleidete. Viel leicht gehörte er zu dem bereits erwähnten
24 Rat. Dann würde er die Entscheidung brin gen. Unwillkürlich erhoben wir uns, damit wir nicht so klein vor ihm waren. Endlich sagte er: »Die Ältesten unseres Volkes haben lange beraten, was wir mit euch tun sollen, und der Entschluß ist uns nicht leichtgefallen. Ihr habt euch als friedlich und vernünftig erwie sen, und wir sind überzeugt, daß ihr intelli gent seid. Trotzdem können wir euch nicht erlauben, uns schon jetzt zu verlassen. Ihr müßt bleiben.« Fartuloon öffnete schon den Mund zum Protest, besann sich dann aber. Er nickte mir zu. Also sollte ich die Verhandlung führen. »Warum sollen wir bleiben, wenn wir kei ne feindlichen Absichten gegen euch he gen?« fragte ich beunruhigt. »Weil ihr uns helfen sollt. Wir brauchen euren Rat, und vor allen Dingen brauchen wir außerhalb der Station eure festen Kör per. Ihr werdet innerhalb der Station unter gebracht und von unseren Wissenschaftlern in die technischen Geheimnisse der Anlage eingeweiht werden. Je schneller wir zum Ziel gelangen, desto eher können wir euch die Freiheit zurückgeben.« »Und wenn wir uns weigern?« erkundigte ich mich vorsichtig. »Ihr könnt euch nicht weigern, in eurem eigenen Interesse.« »O doch, das können wir!« rief Fartuloon aufgebracht. Er hatte sich nicht mehr beherr schen können. »Wir wären sicherlich bereit gewesen, etwas für euch zu tun, vom Nor malraum aus. Aber wir lassen uns nicht zwingen. Ich jedenfalls werde die Hand nicht für euch rühren.« »Ich weigere mich ebenfalls«, pflichtete ich ihm bei, nachdem ich seine Taktik er kannt hatte. Der Bron zog sich bis zum Vorhang zu rück. »Ich kann eure Erregung verstehen, aber an unserer Entscheidung wird nichts geän dert werden. Sie ist endgültig. Die Wachen
Clark Darlton bringen euch nun in euer Quartier.« Er ging, und Sekunden später betraten die beiden Brons, die vor der Kammer gestan den hatten, den Raum. »Folgt uns!« sagte der eine von ihnen. Im Augenblick hatte es wenig Sinn, einen Fluchtversuch zu unternehmen. In der Anla ge waren zu viele Brons. Wir würden nicht weit kommen. Erst wenn wir den Bereich des Hyperstrahlungsfeldes verließen und die Brons nicht mehr willkürlich materialisieren konnten, waren wir einigermaßen in Sicher heit. Solange mußten wir warten. Sie führten uns an der Galerie entlang. Ich merkte mir genau die Stelle, an der wir die Anlage betreten hatten. Sie lag dem Erho lungspodium genau gegenüber. Wir gingen etwa zwanzig Meter weiter, bis wir vor einer anderen Tür standen, die sich leicht öffnen ließ. Dahinter führten wenige Stufen in einen größeren Raum, der ähnlich wie der erste eingerichtet war. »Ihr dürft das Quartier nur mit Erlaubnis verlassen«, sagte einer der Brons und zog sich zurück. Ich setzte mich und schaltete den Transla tor aus. »Das ist ja eine großartige Geschichte!« sagte ich dann laut. Auch Fartuloon setzte sich. »Sie hat aber auch einen großen Vorteil, Atlan. Bis eben noch hätte ich moralische Bedenken gehabt, den Brons ein Schnipp chen zu schlagen, jetzt habe ich sie nicht mehr. Wir werden fliehen, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet. Hast du gesehen, wo unsere beiden Strahler liegen?« »Nein.« »Keine dreißig Meter von hier entfernt in einem nicht verschlossenen Kasten. An der Ausgangstür vorbei, zehn Meter weiter. Wenn wir sie haben, müssen wir wieder zu rück und durch die Tür. Dann können sie uns nichts mehr anhaben.« »Und wann?« »Abwarten. Auf ein paar Stunden kommt es auch nicht mehr an. Zu dumm nur, daß wir noch immer nicht wissen, wie lange ein
Jagd im Hyperraum Tag auf Sketan dauert.« Da man uns nichts zu essen brachte, nah men wir einige Konzentrate zu uns. Unseren Durst stillten wir mit einer Wassertablette. Dann streckten wir uns auf den Betten aus, um Kräfte zu schonen. Kaum hatte ich die Augen geschlossen, da erschien ein Bron im Eingang. In der Hand trug er ein unförmiges Gerät, das er vorsich tig auf unseren Tisch stellte. Er sprach schon, während ich noch den Translator ein schaltete. »… Auftrag der Wissenschaftler mittei len, daß ihr diesen Apparat auf seine Funkti on untersuchen sollt. Betrachtet es als eine Art von Test. Ich werde in einer Zeitspanne wiederkommen, die ihr zwei Stunden nennt.« Er ging, ohne eine Antwort abzuwarten. Fartuloon stand auf und betrachtete den Ge genstand. Dann setzte er sich wieder. »Weißt du, was das ist?« fragte er mich. Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.« Fartuloon kletterte auf den viel zu hohen Stuhl, ließ die Beine baumeln und betrachte te den Apparat näher, den uns die Brons ge bracht hatten. Ich mußte die Geschicklich keit seiner Finger bewundern, die mit un endlicher Behutsamkeit und Vorsicht über Schalter, Hebel und Knöpfe dahinglitten. Das Ding erinnerte mich an einen tragbaren Scheinwerfer, aber mit Sicherheit war es et was ganz anderes. Nur fragte ich mich, wa rum die Brons auf die Idee gekommen wa ren, es uns als eine Art Test vorzulegen. Sie schienen in der Tat die Absicht zu haben, uns ihrem wissenschaftlichen Team einzu verleiben. Fartuloon sagte: »Es handelt sich um eine Art Energiepro jektor, aber er unterscheidet sich erheblich von den uns bekannten. Es gibt einige Schal tungen, die mir unsinnig erscheinen. Die Vorderseite des Kastens, in dem sich das Gerät befindet, dürfte nichts anderes als ein extrem weitwinkliger Hohlspiegel sein. Also
25 ein Projektor, der einen Erfassungsbereich von mindestens zweihundertfünfzig Grad besitzt. Diese Anordnung läßt darauf schlie ßen, daß das Gerät irgend etwas ausstrahlt – und die Anordnung verhindert, daß derjeni ge, der das Gerät bedient, von der Wirkung betroffen wird. Um den Test zu bestehen, müssen wir das Ding auseinandernehmen. Ich weiß aber nicht, ob ich es in der zur Ver fügung stehenden Zeit auch wieder zusam mensetzen kann. Was also sollen wir tun?« Ich erhob mich von meinem Lager und ging zu ihm. Nachdenklich betrachtete ich die Apparatur, konnte aber nicht viel mit dem anfangen, was ich sah. »Hat es eine eigene Energieversorgung?« fragte ich Fartuloon. Er nickte. »Im unteren Teil. Das steht fest. Aber ich müßte das Ding eben zerlegen, wie ich schon sagte.« »Gibt es keine andere Möglichkeit, die Funktion des Gerätes zu erproben? Schalte es doch einfach mal ein!« Zu meiner Überraschung begann er zu grinsen. »Eine ausgezeichnete Idee, Atlan. Außer dem haben wir keine andere Wahl, denn die Brons haben uns keinerlei Werkzeug zur Verfügung gestellt. Das läßt darauf schlie ßen, daß wir seine Arbeitsweise auch ohne zusätzliche Mühe enträtseln können.« Er drehte den Apparat so, daß die Projek torfläche auf die Wand zeigte, die der Tür gegenüberlag. »Die Frage ist nur, ob ich den richtigen Schalter finde, der das Gerät aktiviert.« Ich zog mich auf mein Bett zurück. »Hoffentlich explodiert das Ding nicht«, sagte ich. »Das wäre sicherlich nicht im Sinn seiner Erfinder«, beruhigte mich Fartuloon. Mit gemischten Gefühlen sah ich zu, wie seine Finger zögernd über das Instrumentari um der an der Rückseite angebrachten Schalttafel glitten. Ich sah auf meine Uhr. Eine halbe Stunde war vergangen, seit die Brons das Gerät gebracht hatten. Es blieben
26 uns also noch neunzig Minuten, sein Ge heimnis zu lüften. Ich begann mich zu fra gen, was uns das nützen würde. Auf keinen Fall war ich davon überzeugt, daß sie uns danach freiließen. Fartuloon schien endlich die richtige Schaltungskombination gefunden zu haben. Mehrmals nickte er mir zuversichtlich zu, drückte einen Hebel nieder und gleichzeitig zwei Knöpfe ein. Im gleichen Augenblick geschah etwas Unfaßbares: Aus dem Nichts heraus materialisierte ein Bron, der kaum anderthalb Meter groß war. Es mußte sich um ein sehr junges Exemplar handeln, das rein zufällig in diesem Augen blick in völlig entstofflichtem Zustand unter der Decke unseres Gefängnisses schwebte. Jedenfalls unterlag der junge Bron sofort den Schwerkraftgesetzen seines Planeten, stürzte in die Tiefe und schlug auf den har ten Boden. Da ich den Translator nicht eingeschaltet hatte, konnte ich sein Wehgeschrei nicht hö ren. Er blieb immerhin materiell und ver schwand nicht wieder. Fartuloon rief: »Da hast du den Beweis! Die Reichweite des stabilen Materialisationsfeldes der Anla ge reicht nur bis zur Hälfte des Raumes, in dem wir uns aufhalten. Was dahinter liegt, gehört bereits zum Hyperraum.« Ich erhob mich wieder von meinem La ger. »Mit dem Gerät ist es also möglich, Dinge aus der fünften Dimension in unseren Nor malraum zurückzuholen?« vergewisserte ich mich. »Genau! Das ist es, wovon die beiden Wissenschaftler sprachen. Mit Hilfe dieser Technik wollen sie erreichen, daß sie auch im Einflußgebiet des Hyperraums außerhalb dieser Station ihre feste Struktur erhalten und behalten. Sie haben es also geschafft! Nur scheint mir, daß dieser Apparat sehr un handlich und schwer ist, vielleicht nicht für die Brons, jedenfalls aber für uns. Dreimal darfst du raten, was sie von uns für sich er
Clark Darlton warten.« Die Antwort fiel mir nicht schwer: »Sie hoffen, daß wir ihnen dieses Gerät in verkleinerter Form konstruieren können.« Fartuloon nickte. »Ich habe die gleiche Schlußfolgerung ge zogen. Nun frage ich dich: sollen wir ihnen verraten, daß wir die Funktion des Gerätes herausfanden – oder sollen wir es nicht? Sie kennen das Prinzip, Dinge aus dem Hyper raum, selbst auf dieser Welt, die den Geset zen des Hyperraums unterliegt, nach Belie ben stabil zu materialisieren. Sie kennen wie gesagt das Prinzip, aber sie wissen noch nicht, wie man das entsprechende Gerät ver kleinert und sein Gewicht verringert, ohne die Wirkung zu vermindern. Sie wollen, daß wir ihnen dabei helfen. Ich frage mich nur, ob wir es tun sollen oder nicht.« Das war eine Frage, die ich mir selbst auch schon gestellt hatte. Wenn die Brons erst einmal wußten, daß wir ihnen helfen konnten, würden sie uns nicht mehr freilas sen. Das war eine logische Folgerung. Was aber würden sie mit uns machen, wenn wir die Unfähigen spielten? Würden sie uns die Freiheit geben – oder uns umbringen? Die Brons taten mir leid. Ich bedauerte sie und ihr Schicksal. Aber in ihrem Selbstmit leid gingen sie meiner Meinung nach zu weit. Selbstmitleid an der Grenze des Ver brechens war bereits ein Verbrechen. »Schalte den Apparat erst einmal ab«, for derte ich Fartuloon auf. »Außerdem erholt sich der junge Bron gerade von seiner Über raschung. Wenn der zuschlägt …« Fartuloon reagierte wesentlich schneller, als ich es erwartet hatte. Ich konnte von mei nem Lager aus nicht genau sehen, was er tat. Jedenfalls erlosch der schwache Schimmer, der von der Projektionsfläche des Apparates ausging. Im gleichen Augenblick wurde der Bron, der sich gerade mit drohender Gebär de vom Boden erheben wollte, unsichtbar und verschwand spurlos. Er war in den Hyperraum zurückgekehrt. Fartuloon lehnte sich zurück. »Die Funktion dieses Apparates ist also
Jagd im Hyperraum klar. Natürlich kann ich nicht so schnell her ausfinden, auf welcher Basis er arbeitet. Es steht fest, daß die Brons früher vom Normal raum aus in den Bereich des Hyperraums vordringen konnten. Umgekehrt ist es ihnen niemals gelungen. Die logische Folgerung daraus ist, daß die einmal in den Hyperraum verbannten Brons nur mit Hilfe technischer Mittel in den Normalraum zurückkehren und dort materialisieren können. Das aber wie derum nur so lange, wie die dafür entwickel ten Anlagen arbeiten. Eine dauerhafte Stabi lisierung scheint ihnen im Augenblick nicht möglich zu sein. Ich vermute, daß in dieser Hinsicht von uns eine Lösung verlangt wird. So leid es mir auch tut, ich kann sie ihnen nicht geben.« Ich mußte ihm beipflichten. Hinsichtlich der Struktur des fünfdimensionalen Raumes, der allgemein Hyperraum genannt wurde, hatten wir nur wenig oder gar keine Erfah rung. Die arkonidische Technik befaßte sich zwar mit den Überlichtantrieben, die mit Hilfe von Transitionen durch den Hyper raum die Überwindung gewaltiger Strecken ermöglichten, aber die Gesetze dieses frem den Kontinuums waren uns unbekannt. Vor allen Dingen schon deshalb, weil wir uns während einer Transition nur kurze Zeit in diesem Hyperraum aufhielten und seine Na tur nicht ergründen konnten. Im Hyperraum gab es für uns keine Stabilität, im Gegensatz zu den Brons, die in unserem normalen Uni versum keine Stabilität erhalten konnten, diese jedoch wünschten. Das ganze Problem lag also in der Um kehr der Verhältnisse. »Wir sollten ihnen die Wahrheit sagen«, schlug ich vor. »Natürlich, was sollten wir sonst tun? Hast du einen besseren Vor schlag?« »Leider nicht, Atlan. Aber das Ergebnis ändert sich dadurch wohl kaum.« Er rutschte von dem Stuhl und setzte sich auf sein Bett. »Sie werden uns behalten. Ihre ganze Zu kunft hängt davon ab, das Problem der stän digen Stabilisierung zu lösen. Die Frage ist nur, ob es ihnen auf einer Welt etwas nützt,
27 die sich im Hyperraum befindet. Im Augen blick sieht es so aus, als müsse jeder von ih nen in einem solchen Fall ein Verwand lungsgerät mit sich herumschleppen müssen, das handlicher sein sollte als jenes, das dort auf dem Tisch steht. Es ist sicherlich ihr Wunsch, daß wir bei der Konstruktion eines solchen Gerätes helfen. Deshalb halten sie uns fest und behandeln uns relativ gut.« Wie immer wir uns auch entscheiden wür den, mir wurde bei Fartuloons Worten klar, die Brons würden uns die Freiheit nicht so schnell zurückgeben. In ihrem eigenen Inter esse nicht, denn schließlich stammten wir aus dem Normaluniversum, in das sie zu rückkehren wollten. Wenn ihnen überhaupt jemand helfen konnte, dann wir! »Was würde geschehen«, fragte ich, »wenn wir ihnen wenigstens einen Tip gä ben? Das heißt, wenn du einen für sie hast?« Fartuloon betrachtete mich, wie man etwa einen Wurm betrachtete, den man versehent lich mit einem Spaten in zwei Hälften geteilt hatte. »Einen Tip? Du glaubst doch wohl nicht, daß sie damit zufrieden wären? Ich fürchte, da irrst du dich. Meiner Meinung nach ha ben sie die Absicht, uns für immer festzuhal ten. Schließlich sind wir für sie auch dann wertvoll, wenn wir ihnen technisch nicht helfen können. Wir könnten als Versuchsob jekte dienen. Und nur dann, wenn wir ihnen wirklich ein kleineres Modell lieferten, be stünde vielleicht die Möglichkeit, daß sie uns freiließen. Aber das würde Jahre dauern. Glaubst du wirklich, daß wir soviel Zeit ha ben?« Seine Frage war überflüssig. Ich glaubte es natürlich nicht. Wir mußten also eine an dere Lösung finden, so sehr ich auch die Be reitschaft in mir fühlte, den Brons helfen zu wollen. Aber wenn jemand Hilfe mit Gewalt zu erlangen suchte, verdarb er sich die Sym pathie jener, die freiwillig zu helfen bereit waren. Durch äußeren Zwang wurde die in nere Bereitschaft abgetötet. Und so erging es mir jetzt. Die Brons hatten meine Sympa
28 thie, weil sie an ihrem Unglück schuldlos waren. Es war nicht ihre Schuld, wenn in der fernen Vergangenheit Angehörige ihres Vol kes den ehrgeizigen Versuch unternommen hatten, die Naturgesetze zu überlisten. Aber nun sollten Fartuloon und ich er preßt werden. Soweit ich das beurteilen konnte, war Erpressung das schmutzigste al ler Geschäfte. Ich war von den Brons enttäuscht. Alle meine Überlegungen endeten mit ei nem Schlag, als der Bron mit dem bunten Umhang eintrat. Ich schaltete den Translator ein. Durch das Gerät klang seine Stimme neu tral, aber ich war fest davon überzeugt, daß in ihr eine gewisse Enttäuschung mit schwang, als er feststellte: »Ihr mögt eure eigene Methode haben, Dinge zu untersuchen und zu analysieren. Immerhin würde es den Rat interessieren, was ihr herausgefunden habt.« Mit seiner klobigen Hand deutete er auf das Gerät, das noch immer auf dem Tisch lag. »Was ist das?« Mit seinen zwei vorderen Augen sah er Fartuloon an. »Es genügt, wenn ihr mir Andeutungen macht. Und es genügt uns allen, wenn ihr uns danach sagen könnt, wie man dieses Gerät mit der glei chen Kapazität herstellen kann, ohne daß es mehr als die Hälfte wiegt. Das ist eure Auf gabe. Wenn ihr sie löst, seid ihr frei.« Fartuloon warf mir einen Blick zu, dessen Bedeutung ich nur zu gut kannte. Er wollte die Verhandlung führen. »Das benötigt sehr viel Zeit.« Fartuloon deutete auf das Gerät. »Wir haben die Funk tion erkannt. Wir wissen, daß mit diesem Apparat Gegenstände – auch Organismen – aus dem Hyperraum rematerialisiert werden können. Auch die Arbeitsweise ist uns klar. Es bedeutet jedoch jahrelange Forschungsar beit, einen derartigen fünfdimensionalen Projektor mit halbem Gewicht und gleicher Kapazität herzustellen. Wollen die Brons uns so lange als Gefangene betrachten?« Der Bron erwiderte:
Clark Darlton »Unsere Spezialisten haben mit der Lö sung dieser Aufgabe bereits begonnen. Sie wären jedoch für positive Anregungen und Verbesserungsvorschläge dankbar. Das ist der einzige Grund, warum wir euch festhal ten. Wir sind davon überzeugt, daß ihr uns helfen könnt, wenn ihr nur wollt. Und ihr werdet uns helfen, oder ihr werdet den Rest eures Lebens in dieser Station verbringen.« »Das ist Erpressung!« rief Fartuloon em pört. »Wir nennen es Selbsterhaltungstrieb«, berichtete der Bron. »Diese seltsamen We sen, die ihr Skinen nennt, wollten uns nicht helfen, und sie hätten es auch nicht gekonnt. Sie nennen sich zwar Forscher, Gelehrte und Wissenschaftler, aber in Wirklichkeit sind sie nur neugierig und leiden unter Langewei le. Sie leben im Normaluniversum. Sie sind materiell, sie können sich nach Belieben be wegen und vermehren, sie können alle Din ge greifen und begreifen. Aber sie sind un zufrieden. Sie sind deshalb unzufrieden, weil sie alles haben, was sie haben wollen. Nicht nur wir mögen erkannt haben, daß die se Tatsache der Ursprung des Untergangs technisch hochstehender Zivilisationen sein mag. Wir haben nichts gegen diese Skinen, aber wir wünschen, daß sie von unserer Welt verschwinden. Ihr solltet uns auch dabei hel fen.« Ehe Fartuloon antworten konnte, sagte ich: »Niemand hat auf einer Welt etwas zu su chen, die ihm nicht gehört. Das ist ein Ge setz des Universums, und jeder sollte dafür sorgen, daß es befolgt wird. Allein von der Moral her wären wir verpflichtet, euch zu helfen. Doch jede Moral läßt sich umkehren. Ihr habt den Weg der Erpressung gewählt. Ihr verlangt für den Preis der Freiheit, die je dem Individuum zusteht, daß wir euch hel fen, Gerechtigkeit zu erlangen. Wenn wir auf eure Forderung eingehen, so bleibt die Frage offen, ob die Gerechtigkeit, die ihr dann bekommt, wirklich gerecht ist. Trotz dem sind wir bereit, euch zu helfen. Aber wir sind nicht bereit, es unter Zwang zu
Jagd im Hyperraum tun.« Der Blick der vier Augen, von denen ich nur zwei deutlich erkennen konnte, war nicht zu deuten. Aber die Antwort war klar: »Wir müssen sicher sein. Es hätte wenig Sinn, euch die Freiheit zurückzugeben, die ihr durch eure eigene Schuld verloren habt. Selbst wenn ihr euer Wort gäbet, uns helfen zu wollen, würdet ihr es nicht halten kön nen. In jedem Individuum, das intelligent ist, ist der Selbsterhaltungstrieb zu groß. Nach den logischen Berechnungen des Rates zu urteilen, würdet ihr in erster Linie danach trachten, diese Welt im Hyperraum so schnell wie möglich zu verlassen. Unser Schicksal würde euch dabei gleichgültig sein. Aus diesem Grund nur sind wir ge zwungen, euren Aufenthalt hier mit einem gewissen Nachdruck zu verlängern. Wir ha ben Verständnis für euer Problem, den ge flohenen Skinen einzufangen. Aber dieses Problem ist nichtig gegen das unsere.« Immerhin, das war ein Standpunkt! Bei ein wenig Kooperation hätten wir gut mit den Brons auf einen Nenner kommen kön nen, aber so, wie es aussah, war das unmög lich. Sie mißtrauten uns, so wie wir ihnen mißtrauten. Ich fing einen warnenden Blick Fartulo ons auf – und schwieg. Er sagte: »Wir werden versuchen, euer Problem zu lösen. Sollte es uns nicht gelingen, so gibt es noch immer die Skinen, die ihr um Rat fra gen könnt. Sie haben eine direkte Verbin dung vom Normalraum zum Hyperraum, de ren Natur selbst uns nicht bekannt ist. Wir sind davon überzeugt, daß sie technisch in der Lage sind, euch eine Lösung anzubieten, wenn ihr sie darum bittet. Unser eigenes Schicksal jedoch hat weder mit dem euren noch mit dem der Skinen zu tun. Wir müs sen versuchen, es selbst in die Hand zu neh men und zu meistern. Niemand kann uns da bei helfen.« Der Bron fragte: »Was soll ich dem Rat mitteilen? Werdet ihr uns helfen – oder werdet ihr uns nicht
29 helfen?« Fartuloon erwiderte: »Wir wollen versuchen, eine gerechte Lö sung zu finden. Sie sollte so aussehen, daß wir euch helfen – und damit auch uns.« Ohne jede Entgegnung verließ der Bron den Raum. Fartuloon sah ihm nach. Dann meinte er: »Wenn wir ihnen helfen wollen, müssen wir in erster Linie erst einmal uns helfen. Und damit werden wir gleich anfangen …«
* Fartuloon ging zum Tisch, nahm den Hy perstrahlungs-Projektor hoch und wog ihn prüfend in den Händen. Dann stellte er ihn auf den Tisch zurück und wandte sich mir wieder zu. »Er ist verdammt schwer. Wenn wir den mit uns herumschleppen wollen, behindert er uns mehr, als er uns nützen könnte. Wir müssen also versuchen, an unsere Waffen heranzukommen. Ein Umweg von zwanzig Metern, mehr nicht. Das sollten wir schaf fen.« »Und wenn sie Wachen aufgestellt ha ben?« »Wir nehmen den Projektor mit, wenig stens bis zum Ausgang. Innerhalb dieser Halle herrschen normale Bedingungen, und jeden Bron, den wir anstrahlen, schicken wir in den Hyperraum. Bist du bereit?« Ich nickte. Der Projektor mochte etwa zwanzig Kilo gramm wiegen. Fartuloon nahm ihn mit ei ner Hand und hielt ihn so vor seinen Körper, daß er nicht von dem hyperenergetischen Feld erfaßt werden konnte. Ich mußte unmit telbar hinter ihm gehen, um ebenfalls ver schont zu bleiben, falls er das Gerät aktivier te. Draußen auf der Rundgalerie stand kein Posten. Wenn wir uns bückten, verdeckte uns das Gelände. Die Brons im unteren Teil der Halle konnten uns nicht sehen. Trotzdem durften wir uns nicht allzu sicher fühlen. Wir hatten keine Ahnung, wo sich der Ver
30 sammlungsraum des Rates befand. Viel leicht lag er unter der runden Halle, in Ge wölben, die noch von dem Stabilisierungs feld erfaßt wurden. Oder sie berieten unmit telbar neben unserem Gefängnis in einem anderen Raum. Der Erholungsbetrieb auf dem gegenüber liegenden Podium ging ungestört weiter. Als wir die metallene Tür erreichten, hielt Fartuloon an. Er setzte den schweren Projek tor ab und flüsterte mir zu: »Hol die beiden Strahler! Zehn Meter weiter, in dem offenen Kasten.« Immer noch gebückt lief ich weiter. Eben sowenig wie Fartuloon begriff ich, warum die Brons die uns abgenommenen Waffen so leichtsinnig deponiert hatten. Fast erweckte dieses Verhalten den Eindruck, als wolle man uns zur Flucht ermuntern. Ein Bron kam mir auf der Galerie entge gen. Inzwischen hatte ich den an der Innenwand befindlichen Kasten erreicht und duckte mich blitzschnell dahinter. Der Bron näherte sich sehr schnell mei nem Standort, und ich wagte kaum zu at men. Als er auf meiner Höhe war, hatte es den Anschein, als ginge er langsamer. Aber das war nur Einbildung. Er verschwand in einem der Antigravschächte, die zum unte ren feil der Halle führten. Vorsichtig erhob ich mich aus meinem Versteck und tastete nach den beiden Strah lern, die ich in meiner gebückten Haltung nicht sehen konnte. Ich spürte das kühle Me tall, das sich ungemein beruhigend anfühlte. Hastig nahm ich die beiden Waffen an mich und lief geduckt zurück zu Fartuloon, der mich ungeduldig erwartete. Er nahm seinen Strahler und schob gleich zeitig mit dem Fuß den großen Projektor der Brons beiseite. Ich öffnete die Tür, während ich aus den Augenwinkeln heraus sehen konnte, wie sich mehrere Brons von der Galerie her der Tür näherten. Sie mußten inzwischen unsere Flucht bemerkt haben. Noch ehe sie uns er reichen und am Verlassen der inneren Anla
Clark Darlton ge hindern konnten, hatte ich die Tür end gültig geöffnet. Mit zwei oder drei Sätzen hatten wir den Wirkungsbereich des Stabili sierungsfeldes verlassen und standen erneut in dem Korridor, der uns hierher gebracht hatte. Von dieser Sekunde an konnten uns die Brons nicht mehr angreifen, es sei denn, sie materialisierten für wenige Minuten. Wir verloren nun keine Zeit mehr und ha steten den Weg zurück, den wir gekommen waren, als wir den Skinen suchten. Vielleicht hatte der Skine die Anlage noch nicht verlassen und hielt sich irgendwo ver steckt. Nicht mehr lange, und wir würden auch das wissen. Der untere Antigravlift brachte uns in den oberen Teil der unterirdischen Anlage. Ohne Schwierigkeiten fanden wir den Weg zur großen Vorhalle unter dem runden Stadtplatz. Ich bedeutete Fartuloon zurückzubleiben, während ich vor bis zum Hauptschacht ging, um eventuelle Spuren des Skinen zu sichern. Ich bückte mich, um besser sehen zu kön nen. In der Tat war das weiße Pulver an mehreren Stellen verwischt worden, aber das hätten auch zufällig materialisierende Brons verursacht haben können. Meine Zweifel blieben bestehen, bis ich den Abdruck einer dreizehigen Klaue entdeckte. Damit stand fest, daß der Skine die Anlage verlassen hat te. »Oben ist es dunkel«, sagte ich und gab Fartuloon einen Wink. »Es ist also wieder Nacht. Da finden wir draußen keine Spuren mehr. Sollen wir hier unten übernachten, oder lieber oben in der Stadt? Was ist bes ser?« Fartuloons Gesicht drückte nur wenig Be geisterung aus. »Es ist völlig egal, wo wir die Nacht ver bringen. Vernünftig wäre es natürlich, even tuelle Spuren des Skinen von Anfang an zu verfolgen, aber ich bin fest davon überzeugt, daß er versuchen wird, zur Station Laterans zurückzukehren. Dort werden wir ihn erwi schen, wenn wir Glück haben.« Ein wenig unschlüssig stand ich unter
Jagd im Hyperraum dem Schacht. Ein weiterer Schritt würde mich in den Bereich des Antigravfeldes bringen. Da nahm Fartuloon mir die Ent scheidung ab. Kurz entschlossen gab er mir einen kleinen Stoß und folgte mir dann. Beinahe nebeneinander schwebten wir der dunklen Öffnung entgegen, die ständig grö ßer wurde, bis wir das Ende des Schachtes erreichten. Automatisch wurden wir von ei nem Prallfeld zur Seite geschoben und lan deten sanft auf dem Steinblock im Zentrum der Stadt. Es war Nacht. Selbst die Schatten der Brons waren nicht mehr zu erkennen. Ge meinsam kletterten wir die Stufen zum Platz hinab und gingen auf die Einmündung der Hauptstraße zu, über die wir hierher gelangt waren. Die Silhouetten der Ruinen hoben sich nur undeutlich vom dunklen Himmel ab. »Wir verlieren nichts«, sagte Fartuloon. »Hier gibt es ohnehin keine Spuren, und selbst bei Tageslicht würden wir nichts ent decken können. Wir können nur hoffen, daß unsere Vermutung stimmt und der Skine zur Station zurückkehrt. Vielleicht finden wir seine Spuren unterwegs. Bis zum Stadtrand können wir leicht gehen, ohne uns zu verir ren. Dort machen wir Rast, bis es wieder hell wird. Wir hätten übrigens die Zeit unse rer Gefangenschaft besser nützen und schla fen sollen. Ich bin müde.« Müde war ich auch. Vielleicht war es we niger die körperliche Anstrengung, die an meinen Kräften zehrte, als vielmehr die neu en Erkenntnisse, die auf mich eingestürmt waren. Ich hatte also nichts gegen Fartulo ons Vorschlag einzuwenden und folgte ihm wortlos. Die körperlosen Brons ließen uns in Ru he. Sie machten nicht einmal den Versuch, uns durch ihr Erscheinen zu erschrecken oder aufzuhalten. Wir brauchten eine Stunde, um den Stadt rand zu erreichen. Dann lagen die guterhal tenen Ruinen hinter uns – und vor uns mußte die Ebene liegen, dann der fünf Kilometer breite Waldstreifen bis zum Steinfluß, die
31 Kristallebene und die Station der Skinen. »Morgen werden wir dort sein«, tröstete Fartuloon, während wir einen trockenen La gerplatz suchten. »Hier geht es ein wenig bergauf. Ich nehme an, das ist der Hügel, über den wir kamen.« Wir fanden eine geschützte Mulde und versuchten, ein wenig zu schlafen.
4. Von einer Sekunde zur anderen begann die Dämmerung. Ich hatte nur schlecht geschlafen und glaubte, meine Knochen wären aus Blei. Mühsam nur raffte ich mich auf und weckte Fartuloon, der wie ein mittleres Kraftwerk undefinierbare Geräusche von sich gab. Als ich mich aufrichtete, sah ich den Bron, der am Rand der Mulde stand und auf uns herabblickte. Vor seiner Brust hing an Riemen befestigt der gleiche Projektor, den man uns zur Untersuchung in der Anlage übergeben hatte. Die Projektionsfläche war nach innen gerichtet, stabilisierte den Träger demnach für dauernd. Ich schaltete den Translator ein und weck te Fartuloon. »Wir haben Besuch …« Fartuloon entsicherte seinen Strahler, hielt aber die Mündung gegen den Boden gerich tet. »Ihr verfolgt uns?« fragte er und richtete sich auf. »Es war unser Recht, der Gefan genschaft zu entfliehen. Laßt uns in Ruhe. Ihr werdet selbst eine Lösung finden.« »Ihr hattet versprochen, uns zu helfen. Ihr habt euer Wort gebrochen.« »Nein, das haben wir auf lange Sicht nicht. Denn wir können euch nur dann lang fristig helfen, wenn wir in unseren Normal raum zurückkehren dürfen. Dort müssen die Mittel entwickelt werden, die euch zu rückholen – euch und diesen Planeten. Ich bin davon überzeugt, daß die Skinen technisch in der Lage sind, euch eine brauchbare Lö sung anzubieten. Schließlich sind doch sie es, die in ständiger Verbindung mit den
32 Welten im Hyperraum stehen.« »Die Skinen müssen unsere Welt verlas sen!« Fartuloon zuckte die Achseln. »Uns wollt ihr behalten, aber wir können euch nicht helfen. Die Skinen hingegen könnten euch helfen, und ihr fordert sie auf, eure Welt zu verlassen. Was soll an einer solchen Entscheidung logisch und vernünf tig sein?« »Kommt ihr mit mir zurück?« Ich hielt es nicht mehr länger aus. Die Sturheit der Brons ging mir auf die Nerven. »Nein!« rief ich wütend. »Wir werden nicht mit dir zurückgehen! Wir haben andere und für uns lebenswichtige Aufgaben zu lö sen, bei denen ihr uns auch nicht helfen wollt oder könnt. Immerhin werden wir dar über nachdenken, wie wir die Skinen dazu überreden können, etwas für euch zu tun.« »Ihr kommt mit mir!« Nun wurde es auch Fartuloon zuviel. Er richtete seinen Strahler auf den Bron. »Verschwinde, ehe mir die Geduld reißt! Du weißt, was mit dir passiert, wenn ich auf die schieße. Geh also, ehe ich es tue!« Der Bron rührte sich nicht von der Stelle. »Der Projektor schützt mich. Ihr könnt mir nichts anhaben. Es werden noch andere kommen, und sie werden euch erneut ein fangen. Kommt besser freiwillig, wenn ich euch raten darf …« »Bleib stehen!« warnte Fartuloon, als sich der Bron in Richtung auf uns zu in Bewe gung setzte. »Ich mache keinen Spaß! Und du irrst, wenn du glaubst, dein Projektor könne dich schützen. Er stabilisiert nur dei nen Körper im Hyperraum, mehr nicht. Die Energie meines Strahlers wird dich töten, und zwar für alle Zeiten. Geh also zurück …« Aber der Bron gehorchte nicht. Am Stadt rand sah ich jetzt zwei weitere strukturstabi lisierte Brons auf uns zukommen. Sie trugen ebenfalls Projektoren. Es würde höchste Zeit, ihnen zu demonstrieren, daß wir nicht hilflos waren. Fartuloon schoß mit verringerter Energie,
Clark Darlton als der Bron seiner Aufforderung keine Fol ge leistete. Die Wirkung war nur eine halb paralysierende, aber sie genügte. Das Monstrum verlor einen Teil seiner Gewalt über seinen Körper und dessen Funktion. So konnte es geschehen, daß der Projektor seinen Pranken entglitt und auf den Boden fiel. Vielleicht schaltete er sich durch den Aufprall automatisch ab, oder er wurde defekt, jedenfalls entmaterialisierte der halb betäubte Bron sofort und schwebte als kaum erkennbarer Schatten davon, seiner Stabilität beraubt und damit hilflos. »Bei Gelegenheit wird er sich in der An lage von seinem Schreck erholen können«, knurrte Fartuloon und sah in Richtung der Stadt. »Sie haben es gesehen und wissen nun, daß der Projektor sie nicht schützen kann. Von nun an werden sie vorsichtiger sein. Es ist trotzdem besser, wenn wir uns auf den Weg machen. Essen können wir spä ter, wenn wir den Wald erreichen.« Die beiden Brons blieben zurück, aber wir spürten die ständige Gegenwart der fünfdi mensionalen Lebewesen ohne Körper. Sie blieben immer in unserer Nähe. Unangefochten durchquerten wir das Tal und die Ebene, bis wir den Waldrand wieder vor uns sahen. Dahinter lag der Steinfluß, in der Ferne, am jenseitigen Ufer und ein we nig erhöht auf einem Hügel der Kristallebe ne, konnten wir die Station der Skinen er kennen. Es war noch immer hell, obwohl inzwi schen mehr als zehn Stunden vergangen wa ren. An manchen Stellen hatten wir die Spur unseres Skinen angetroffen, aber sie verlor sich stets kurz danach wieder auf trockenem Boden oder den Felsen. Ich blieb stehen. »Am Waldrand wimmelt es von Brons«, stellte ich beunruhigt fest. »Langsam sollten sie doch begriffen haben, daß wir nichts von ihnen wollen, sie höchstens von uns.« »Du vergißt, was sie bei unserer Gefan gennahme fragten«, erinnerte mich Fartu loon. »Ihre ungeborene Königin.« »Darunter kann ich mir überhaupt nichts
Jagd im Hyperraum vorstellen.« »Dann überlege doch mal! Sie sind offen sichtlich Insektenabkömmlinge, und Insek ten legen Eier.« Ich sah ihn verständnislos an. »Na schön, dann legen sie eben im Erho lungszentrum ihre Eier. Was hat das mit uns zu tun?« »Sie sagten, wir wollten ihre ungeborene Königin stehlen, also höchstwahrscheinlich ein Ei. In der Station unter der Stadt wäre das unmöglich gewesen, also müssen sich ihre Eier woanders befinden, und zwar in stabilem Zustand. Als Embryo sind die Brons demnach materiell. Sie werden erst nach der Geburt oder dem Ausschlüpfen vom Hyperraum erfaßt und entstofflicht. Demnach ist es möglich, daß die Eier vor uns im Wald liegen. Das würde auch ihre er höhte Aktivität dort erklären.« »Ziemlich weit hergeholt«, murmelte ich voller Zweifel. »Vielleicht wollen sie uns auch nur daran hindern, zu den Skinen zu gelangen.« »Warum denn das? Wir haben doch ver sprochen, die Skinen zur Hilfe zu überreden. Sie müßten also ein Interesse daran haben, daß wir zu ihnen kommen.« Ich schwieg, denn mir fiel keine vernünf tigere Begründung für das Verhalten der Brons ein. Da Fartuloon weitermarschierte, folgte ich ihm schweigend, den Strahler schußbereit, falls einer der herumschwirren den Schatten plötzlich materialisieren und angreifen sollte. Dann drangen wir in den Wald ein und pflückten die ersten Früchte, die wir sahen. Wir verzehrten sie im Gehen, um keine Zeit zu verlieren. Jeden Augenblick konnte die Dämmerung beginnen. Zweimal stürmten materialisierte Brons auf uns zu. Fartuloon, der voranging, erle digte sie mit seinem Strahler. Sie ver schwanden spurlos. Ich atmete auf, als wir das Ufer des lang sam vorbeiziehenden Kieselstroms erreich ten. Auf der anderen Seite sah ich eine flüchtige Bewegung, und als ich genauer
33 hinsah, erkannte ich einen Skinen, der in die Kristallebene vordrang, genau in Richtung der Station. Seine Eile zeugte davon, daß er auf der Flucht war. Wenn er den Planeten Sketan und seine Eigenarten nicht gekannt hatte, konnte ich seine Panik begreifen. Er floh weniger vor uns als vor den Brons. »Los!« rief Fartuloon mir zu und sprang auf die Kiesel. Ich folgte ihm, und diesmal schafften wir die Überquerung des unheimlichen Stroms ohne Pause auf der Insel. Wir erreichten das andere Ufer und hielten uns nicht damit auf, nach den Spuren des Skinen zu suchen. Wo die Station lag, wußten wir. Und der Skine hatte das gleiche Ziel wie wir. Aber wir waren schneller als er. Als wir den Buschwald aus Kristallgebil den hinter uns ließen und die Kuppelstation vor uns liegen sahen, erblickten wir auch den Skinen. Er hatte sich bis kurz vor den Eingang schleppen können und war dann zusammen gebrochen. Ein wenig verkrümmt versuchte er, weiterzukriechen. Seine Glieder zuckten, als habe er Schmerzen. Ich lief schneller als Fartuloon und bückte mich. Den Translator hatte ich eingeschaltet. »Was ist mit dir? Bist du verletzt?« Er mußte mich verstehen, aber er gab kei ne Antwort. Das flache Gesicht schimmerte dunkelblau, sicherlich keine Farbe, die Freu de ausdrücken wollte. Nur dreißig Meter entfernt öffnete sich der Eingang zur Station. Eine Skine kam heraus, und nach seinen ersten Worten wuß te ich, daß es Lateran war. »Ihr seid zurückgekommen? Ist das der Skine, den ihr sucht?« »Es scheint so«, gab ich zurück. »Dürfen wir ihn in die Station bringen?« »Sicher, denn auch ich habe einige Fragen an ihn zu richten.« Fartuloon, der inzwischen herbeigekom men war, half mir, den Skinen in die Station zu tragen. Er schien einen Schock erlitten zu haben. Das war bei den Verhältnissen auf
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Sketan weiter kein Wunder. Wir hatten ihn, das war die Hauptsache. Die anderen Skinen der Station kamen herbei, kehrten dann aber an ihre Arbeit zu rück. Fartuloon beschäftigte sich mit unse rem Gefangenen. Ich fragte Lateran: »Wir müssen zurück nach Tsopan, zusam men mit dem Träger meines Bewußtseins. Kannst du das Tor aktivieren?« »Bist du sicher, daß der Skine der Träger deines Bewußtseins ist? Ich meine: noch ist?« Der Schreck fuhr mir derart in die Glie der, daß ich für einen Augenblick unfähig war, Lateran zu antworten. Ich hatte ver säumt, das energetische Fesselfeld um den Skinen zu legen. Mein Bewußtsein hatte in zwischen genügend Zeit gehabt, sich einen neuen Träger zu wählen. Wenn das gesche hen war, begann die Suche von vorn. Hastig verstellte ich die Intensität meines Strahlers und hüllte den immer noch halb bewußtlosen Skinen in das energetische Feld. Dann erst untersuchte ich ihn mit Hilfe eines Assistenten von Lateran. Der Befund war eindeutig: Es war nur das sich langsam erholende Bewußtsein des Skinen vorhanden, von dem meinen gab es keine Spur. Die Frage blieb offen, wo es geblieben war. Wir standen genau wieder dort, wo wir vor zwei Tagen gestanden hatten.
5. Ich entsann mich der Worte des Chefwis senschaftlers auf Tsopan, Skagos. Er hatte behauptet, niemand könne ein fremdes Be wußtsein in sich aufnehmen, wenn er paraly siert war. Wenn ich rechtzeitig daran ge dacht hätte, wäre es meinem flüchtigen Be wußtsein unmöglich gewesen, den Träger zu wechseln. Jetzt aber konnte es in jedem der in der Station befindlichen Skinen sein. Mir blieb keine andere Wahl. Selbst Fartuloon konnte es nicht verhin dern, denn ich handelte für alle überra
schend und blitzartig. Mit meinem Strahler paralysierte ich nicht nur die Skinen, die La teran unter einem Vorwand in die Kuppel gerufen hatte, sondern auch den verblüfften Fartuloon. Mit Hilfe der mir inzwischen vertrauten Methode konnte ich sie nun einzeln untersu chen. Ich war fest davon überzeugt, mein Bewußtsein in einem von ihnen wiederzu finden. Auf mich konnte das Bewußtsein nicht überspringen, ohne sofort von meiner eige nen Persönlichkeit aufgesaugt zu werden. Die Untersuchung verlief negativ. Weder Fartuloon noch einer der auf Ske tan lebenden Skinen war der Träger meines entflohenen Bewußtseins. Ich schaltete das Paralysierungsfeld ab. Lateran erholte sich sofort und nahm meine Erklärung mit stoischer Ruhe entgegen. Dann sagte er: »Du hast richtig und logisch gehandelt. Nun wissen wir, daß dein Bewußtsein noch irgendwo dort draußen auf Sketan ist, viel leicht sogar in einem Bron.« Fartuloon hielt seinen Kopf mit beiden Händen fest. Die Blicke, die mir galten, wa ren alles andere als freundlich. »Du hättest mich warnen sollen. Fast hat te ich mir beim Hinfallen das Genick gebro chen.« »Es blieb keine Zeit«, entschuldigte ich mein Verhalten. »Wenn du der Träger gewe sen wärest, hätte das Bewußtsein Zeit ge habt, rechtzeitig erneut zu fliehen. Aber nun wissen wir ja, daß es nicht in der Station zu finden ist.« »Und wenn es in einem Bron ist?« fragte Fartuloon gedehnt. Ich sah ihn an. Schreck durchzuckte mich. »Du meinst, mein Bewußtsein könne von einem instabilen Bron gehalten werden? Wie sollten wir dann an es herankommen? Wenn wir ein energetisches Fesselfeld er richten, verschwindet der Bron. Wo bleibt das Bewußtsein dann?« Fartuloon wehrte mit beiden Händen ab. »Vermutungen, weiter nichts! Wir werden
Jagd im Hyperraum sehen, was passiert. Wichtig ist erst einmal, daß wir den Träger finden. Ich fürchte, wir haben wieder einen Fußmarsch vor uns.« Ich wandte mich an Lateran: »Was wissen die Skinen von den Brons? Warum besteht kein Kontakt? Kannst du mir darüber erzählen? Was ist mit ihrer Köni gin?« Lateran bemühte sich, uns einen Über blick zu geben. Es stellte sich heraus, daß sie einiges wußten, aber niemals Konsequenzen gezogen hatten. Die Brons waren ihnen gleichgültig, und nur dann, wenn sie in ma teriellem Zustand angriffen, wurden sie mit Energieschocks vertrieben. Die Brons legten Eier, die stabil blieben. Jeder Materielle konnte die Eier stehlen, oh ne daß er daran gehindert wurde. Die Skinen hatten nur in der Anfangszeit einige Eier aus dem Wald geholt, um Untersuchungen anzu stellen und mehr über die Brons zu erfahren. Sie waren auch dahintergekommen, daß ein ganz bestimmtes Ei mit besonderer Sorgfalt behütet und ausgebrütet wurde: Das Ei der Königin! Politisch schien diese Königin keine Rolle zu spielen, denn nach unseren Erfahrungen war der Rat der Wissenschaftler für die Ge schicke der Brons verantwortlich. Trotzdem besaß die Königin eine gewisse Bedeutung, wahrscheinlich mehr eine symbolische. Fartuloon, der Taktiker, meinte ruhig: »Na schön, dann haben wir einen An haltspunkt. Wir werden mit den Brons ge nauso umgehen, wie sie mit mir. Sie wollten uns erpressen, also werden auch wir ein we nig Druck anwenden, damit sie uns helfen.« »Wie meinst du das?« erkundigte ich mich. »Wir suchen das Ei der Königin und wir werden es den Brons nur dann wieder zu rückgeben, wenn sie uns den Träger deines Bewußtseins ausliefern.« Lateran war zu meiner Überraschung mit dem Plan durchaus einverstanden. Er schien froh darüber zu sein, den Brons eins auswi schen zu können. Mir blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls zuzustimmen.
35 Diesmal nahmen wir noch einige Ausrü stungsgegenstände mit, darunter auch Mes ser, einen zweiten Translator und einen großen Beutel, um notfalls das Ei der Köni gin transportieren zu können. Es sollte fast »ein Drittel Mannschatten« groß sein, also etwa einen halben Meter. Von den aufrichtigen Segenswünschen Laterans und seiner Skinen begleitet, verlie ßen wir abermals die Station. Unser erstes Ziel war der Wald jenseits des Kieselflusses.
* Es war, als ahnten die Brons unsere Ab sicht. Sie umschwärmten uns in schattenhaften Scharen, und immer dann, wenn einer von ihnen materialisierte, griff er mit erbitterter Wut an. Am Grad der Erbitterung konnten wir fast erkennen, in welcher Richtung das Ei der Königin lag – es sei denn, die Brons versuchten uns zu täuschen. Ich bemühte mich, Kontakt mit dem Translator aufzunehmen, aber damit hatte ich keinen Erfolg. Wir gaben den Versuch schließlich auf und folgten dem Flußlauf ein Stück, um dann in Richtung der Ruinenstadt abzubiegen. Die Angriffe verdoppelten sich. Wir wanderten durch ein Gebiet, das wir bisher noch nicht betreten hatten. Meiner Schätzung nach hielten wir uns etwa zehn Kilometer weiter westlich auf als bei der er sten Expedition und marschierten parallel zur ehemaligen Route. Auf diese Weise mußten wir die Stadt auf direktem Weg er reichen. Etwa drei Kilometer vom Flußufer ent fernt wurde der Boden plötzlich sandig und trocken. Es wuchsen auch keine Bäume mehr, dafür waren die kristallinen Gewächse zahlreicher geworden. Es gab sie in allen nur denkbaren Formen und Farben. Ihre Entste hung blieb mir ein Rätsel, auf keinen Fall konnten sie organischen Ursprungs sein. In diesem Teil des Waldes war es heller,
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da kein Blätterdach das atmosphärische Kunstlicht abschirmte. Gegen die gleichmä ßige Helligkeit von oben waren die Schatten halbstabiler Brons deutlich zu erkennen. Sie schwebten ständig über uns und warteten, bis sie materialisierten. Zum Glück geschah das nur selten. Fartuloon war stehengeblieben. Er deutete nach Norden. »Wir müßten eigentlich bald die Ebene erreichen. Falls es überhaupt einen organi sierten Kontakt der Brons untereinander gibt, ist der Rat gewarnt worden. Und es gibt für sie nur ein einziges Mittel, uns aufzuhal ten oder gefangenzunehmen: sie müssen mit ihren Projektoren kommen. Ich bin über zeugt, damit läßt sich ein energetisches Fes selfeld aufbauen, aus dem auch wir nicht entkommen können. Die Frage ist eben nur: sind sie in der Lage, organisatorisch zu den ken und handeln?« »Eigentlich müßte man das annehmen. Schließlich ist die Anlage unter der Stadt der beste Beweis dafür.« »Richtig! Also ist es besser, wir rechnen mit einem baldigen Angriff stabilisierter Brons.« Wir marschierten weiter. Mitten im Kristallwald kam es dann zu der befürchteten Auseinandersetzung.
* Sie waren plötzlich da und kamen von al len Seiten. Ich zählte etwa zwei Dutzend Brons, von denen jeder den bekannten Projektor auf der Brust trug. Die Reichweite schien nur gering zu sein, sonst wären wir von den Strahlungs feldern beeinflußt worden, aber das war of fensichtlich nicht der Fall. So schnell wir konnten, suchten wir Deckung in einer Mulde. Fartuloon hielt seine Waffe bereit, wäh rend ich den Translator einschaltete. »Wir suchen einen Bron, einen ganz be stimmten Bron. Wollt ihr uns dabei helfen oder nicht?«
»Druuf …!« war die Antwort. Das war al les. Sie wollten nicht mit uns sprechen – und sie griffen an. Fartuloon rief mir zu: »Gib deine vergeblichen Versuche end lich auf und sieh zu, daß wir sie uns vom Leibe halten. Wir dürfen sie nicht näher als zehn Meter heranlassen, sonst haben sie uns. Noch einmal werden sie uns nicht entkom men lassen.« Die Reichweite der skinischen Energie strahler war wesentlich größer als jene der Brons. Da sie absolut real vorhanden waren, wurden sie getötet, wenn sie von unseren Waffen getroffen und von den Energiebün deln erfaßt wurden. Ich wollte meinen Strah ler auf Betäubung stellen, aber Fartuloon sagte hastig: »Das ist sinnlos! Sie kommen in kürzester Zeit wieder zu sich und greifen erneut an. Wir müssen eine abschreckende Wirkung erzielen, sonst verbringen wir den Rest un seres Lebens auf diesem Planeten. Rücksicht ist jetzt nicht mehr angebracht …« Die Anwendung rücksichtsloser Gewalt widersprach meiner Natur, aber ich mußte einsehen, daß Fartuloon recht hatte. Die Brons mochten von Natur aus friedliche Ge schöpfe sein, aber ihr Schicksal hatte sie verbittert und ungerecht gemacht. Es war nicht mit ihnen zu reden. Sie beantworteten jeden Versuch mit Gewalt. Wir konnten den Angriff abschlagen. Drei oder vier Brons überlebten den Kampf und zogen sich zurück. Selbst Fartuloon verzich tete darauf, ihren Rückzug durch ein tödli ches Strahlenbündel zu unterbrechen. Sie entkamen im Gewirr des Kristallwal des. Fartuloon ließ die Waffe sinken, blieb aber in Deckung. »Sie können also doch organisiert den ken! Das bringt mich auf den Gedanken, daß sie uns lediglich ablenken wollen. Ich habe keine Ahnung, woher sie es wissen, aber ich möchte wetten, daß sie genau darüber orien tiert sind, was wir planen. Kann ja sein, daß
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sie im entstofflichten Zustand unsere Ge spräche unbeobachtet belauschen können. Ich halte es sogar für möglich, daß sie in der Station der Skinen waren, als wir dort mit Lateran unsere Pläne besprachen. Also wis sen sie auch, daß wir das Ei der Königin ha ben wollen, um sie damit zur Kooperation zu zwingen. Dies alles vorausgesetzt, müßte es uns nun gelingen, ihre Handlungsweise richtig und logisch zu beurteilen und so zu errechnen, wo wir dieses Ei finden. Oder eben jenen Bron, der mit deinem Bewußt sein auf Sketan herumsaust.« »Und wo, glaubst du, könnte das Ei sein?« Fartuloon wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Überall, nur nicht hier im Wald!« »Aber Lateran sagte doch …« »Natürlich, mußte er doch! Die anderen Eier wurden auch stets im Wald gefunden. Aber nicht das Ei der Königin! Ich gehe jede Wette ein, daß es in der Anlage ist, wenn auch nicht in jenem Teil, der im Einflußbe reich des Stabilisierungsfeldes liegt. Das hat verschiedene Gründe, würde ich annehmen. Vergiß auch nicht, daß das Ei nicht den Ge setzen des Hyperraums ausgesetzt ist. Es bleibt überall auf dieser Welt stabil. Sie kön nen es demnach überall verstecken. Und die Brons werden folgern, daß wir es zuerst im Zentrum der Anlage suchen. Nicht nur wir, sondern auch die Skinen, mit denen sie in der Vergangenheit einige schlechte Erfah rungen machen mußten.« »Also: auf zur Stadt?« vergewisserte ich mich. Er nickte.
* Wir ließen den Kristallwald hinter uns, durchquerten den natürlichen Wald bis zur Ebene und hielten an, weil es zu dämmern begann. Fartuloon sah auf die Uhr. »Wie ich vermutete: der Tag dauert fast doppelt so lange wie die Nacht. Eine ratio nelle Einteilung, würde ich sagen. Die Frage
ist nur: gehen wir weiter, oder übernachten wir hier am Waldrand, wo es genügend Holz für ein Feuer gibt?« »Ist die Zeit nicht zu kostbar?« befürchte te ich. »Zeit ist immer kostbar. Aber es hat we nig Sinn, wenn wir müde und erschöpft den Kampf mit den Brons aufnehmen. Wir soll ten frisch sein, wenn wir die Station betre ten. Aber in diesem Zusammenhang be schäftigt mich eine andere Frage: Glaubst du, daß es möglich sein wird, dem Bron, der Träger deines Bewußtseins ist, diesen Zu stand anzumerken? Ich meine damit: können wir ihn entdecken, ohne jeden einzelnen Bron untersuchen zu müssen?« »Ich weiß es nicht«, erwiderte ich unsi cher. »Wie sollen wir einen instabilen Bron un tersuchen?« bohrte Fartuloon weiter. »Dazu benötigten wir einen dieser Projektoren, der wahrscheinlich auch ein erneutes Übersprin gen des Bewußtseins verhindern könnte. Schon allein deshalb müssen wir zurück in die Anlage.« »Bei dem Gedanken daran ist mir nicht besonders wohl«, gab ich zu. »Mir auch nicht.« Er ging weiter. »Wir versuchen, zumindest den Rand der Stadt noch zu erreichen, dann ruhen wir uns aus. Wir können die Richtung kaum verfehlen.« Es wurde schnell dunkel, aber bevor wir nichts mehr sehen konnten, erreichten wir die langgestreckte Hügelkette vor der Stadt. Wir konnten ihre Silhouette am nahen Hori zont erkennen, dann wurde es finster. Feuer konnten wir keines machen, da kein Holz in der Nähe war. »Einer bleibt besser wach, und wenn so ein Bursche einen nächtlichen Überfall ver suchen sollte, wird er höchst überrascht sein«, sagte Fartuloon und setzte sich auf einen Stein. »Die acht Stunden vergehen auch. Vielleicht brechen wir schon vor der Dämmerung wieder auf. Der Weg ist nicht zu verfehlen.« Mir ging es nur darum, zwei oder drei Stunden zu schlafen. Daher war ich froh,
38 daß Fartuloon die erste Wache übernahm. Bequem war es gerade nicht, halb im Sitzen und halb im Liegen zu schlafen, aber besser als nichts. Einmal hörte ich das Zischen von Fartulo ons Strahler, aber er weckte mich nicht auf. Wahrscheinlich hatte nur ein einzelner Bron angegriffen. Ich fragte mich, was eigentlich geschehen würde, wenn ausgerechnet dieser Bron der Träger meines Bewußtsein war … Die letzten beiden Stunden vor dem Auf bruch spazierte ich um unser einfaches La ger herum, die Waffe schußbereit in der Hand. Aber nichts geschah. Zwei Stunden bevor es hell wurde, weckte ich Fartuloon, und wir brachen nach einem kurzen Konzen tratfrühstück auf. Trotz der Dunkelheit kamen wir schnell voran. Die Richtung kannten wir. Wir muß ten nur darauf achten, daß wir sie nicht ver loren. Als es dämmerte, wurde uns klar, daß wir die Stadt verfehlt hatten. Sie lag viel weiter rechts, und nur die Spitzen der höchsten Ge bäude waren zu erkennen. Wir waren zu weit westlich geraten. Ich blieb stehen. Fartuloon marschierte noch ein Stück weiter, bis er auf einem fla chen Hügel stand. Er winkte mir, ihm zu fol gen. »Da liegt eine Siedlung«, sagte er und deutete in die hinter dem Hügel liegende Ebene. »Eine kleine Siedlung, aber sie scheint bewohnt zu sein. Von den Brons, frage ich mich …« »Von wem sonst?« »Richtig, von wem sonst? Aber dann müßten sie auch dort ein Stabilisierungsfeld errichtet haben. Oder es gibt natürliche Um stände, die eine längere und vielleicht sogar gewollte Materialisation gestatten. Wenn das aber der Fall ist, wäre die Anlage unter der Stadt überflüssig. Also: was ist wirklich mit der Siedlung?« Ich zuckte die Schultern. »Gehen wir hin und sehen selbst nach.« Eigentlich hatte ich meinen schnell ausge sprochenen Vorschlag nicht ganz ernst ge
Clark Darlton meint, aber zu meiner Verwunderung stimmte Fartuloon sofort zu: »Genau, das werden wir auch tun! Zur Stadt können wir noch immer gehen, wenn wir in dem Dorf nichts finden. Mir scheint, es sind primitive Kleinhäuser, eigentlich mehr Hütten. Sie können also noch nicht sehr alt sein. Auf keinen Fall stammen sie aus jener Zeit vor der Transition des Plane ten in den Hyperraum. Also los, worauf war ten wir noch …?« Nun griffen die Brons wieder öfter an. Ich konnte nichts davon bemerken, daß sie häu figer und länger materialisierten als sonst, aber sie traten in ungeahnten Mengen auf. Die meisten von ihnen, nahm ich an, blieben unsichtbar. Nur jene, die als Schatten er schienen, blieben gefährlich, weil sie jeden Augenblick feste Formen annehmen und über uns herfallen konnten. Wenn das ge schah, half nur ein sofortiger und gezielter Beschuß. Dann verschwanden sie, und ich nahm an, daß sie für längere Zeit in den Hyperraum verbannt wurden, aber nicht starben. Die Siedlung kam näher. Und – das fiel sowohl Fartuloon wie auch mir auf: Die Zeitabschnitte der Materialisati on der Brons wurden größer. Dafür griffen sie nicht mehr so blindlings an wie zuvor. Fartuloon blieb stehen. »Ich neige doch mehr zu der Meinung, daß es natürliche Ursachen hat. Vielleicht befindet sich hier unter der Oberfläche ein energetisches oder magnetisches Feld, das den Effekt des Hyperraums für eine gewisse Zeit neutralisiert. Oder eine technische An lage, wie wir sie in der Stadt fanden. Aber warum in einer so lächerlich winzigen und unbedeutenden Siedlung mitten in der Ebe ne?« »Wer behauptet, sie sei unbedeutend?« stellte ich die Gegenfrage. Fartuloon warf mir einen forschenden Blick zu und schien meine Gedanken zu er raten. Er nickte. »Ja, du hast recht. Auch greifen die Brons
Jagd im Hyperraum jetzt nicht mehr an. Vielmehr habe ich den Eindruck, als würden sie uns erwarten. Aber das kann auch eine Falle sein. Sie haben festgestellt, daß sie uns im Kampf nicht überwältigen können, wenigstens nicht dort, wo ihnen ständig die Gefahr der Entstoffli chung droht. Aber wenn unsere Vermutun gen stimmen, ist das hier anders. Wir wer den also doppelt vorsichtig sein müssen. Ge hen wir weiter – aber wachsam bleiben! Laß keinen Bron näher als bis auf zehn Meter heran. Über den Translator ist eine Verstän digung bis zu fünfzig Meter möglich.« Das war auch ungefähr der Abstand, den die Brons hielten. Als wir uns der Siedlung näherten, erwar tete uns eine geschlossene Front der Mon stren, die jedoch unbewaffnet schienen. Auch trugen sie keine Projektoren, wie wir sie von der Stadt und von dem Überfall im Kristallwald her kannten. Sie standen ein fach da, wie eine lebendige Mauer. Abermals hielt Fartuloon an. »Nun müssen wir mit ihnen reden, denn wir können sie nicht einfach umbringen. Ich gebe dir Deckung, geh du ein Stück vor und versuche, etwas in Erfahrung zu bringen.« Das war leichter gesagt als getan. Wie sollte ich den Brons klarmachen, was wir suchten? Und wie sollten sie selbst feststel len, ob einer der Ihren ein fremdes Bewußt sein mit sich herumtrug? Trotz der geringen Erfolgschance ver suchte ich es. Nachdem ich die Bestätigung erhielt, daß sie mich verstanden, berichtete ich in kurzen Zügen, was geschehen war. Ich bat sie um ihre Unterstützung bei der Suche nach einem Bron, der sich offensichtlich seltsam be nahm und »besessen« zu sein schien. Weiter versicherte ich ihnen, daß ihrem Artgenos sen kein Leid zugefügt werden sollte, son dern daß es möglich sei, das gestohlene Be wußtsein mit Hilfe eines energetischen Fes selfeldes zu befreien und nach Tsopan zu bringen. Das Entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber ich nahm an, mir die Notlüge erlauben
39 zu können. Natürlich mußten wir den Bron mitnehmen, denn das Bewußtsein allein und ohne Träger ließ sich nicht transportieren. Die Brons reagierten negativ. Nachdrücklich forderten sie uns zum Rückzug auf. Ich warf Fartuloon einen fragenden Blick zu. Er nickte mir zu und meinte: »Verhandlungspause! Wir müssen bera ten.« Ich kehrte zu ihm zurück. Er hatte inzwi schen eine breite Bodenrille gefunden, die parallel zur Siedlung verlief. Hier waren wir einigermaßen sicher, selbst wenn die Brons mit Energiewaffen angegriffen hätten. Ich setzte mich auf einen mit Gras bewachsenen Vorsprung, so daß ich die wartenden Brons noch immer sehen konnte. »Was nun?« Fartuloon kam wieder in Wettlaune. »Mein Translator gegen deine Hose, daß der gesuchte Bron sich in der Siedlung auf hält!« bot er mir an. »Und die Brons wissen das! Wir werden also bis zur Nacht warten müssen und dann versuchen, in die Siedlung zu gelangen. Nur – wie finden wir den Bur schen dann?« Er hätte wissen müssen, daß es darauf kei ne Antwort gab. Ich fuhr fort: »Meiner Meinung nach können wir nichts anderes tun, als jeden einzelnen Bron, den wir erwischen, zu untersuchen. Der kleine Sensor, den mir Lateran gab, genügt. Aller dings muß dieser Bron mit einem Energie feld gehalten werden, sonst kann das Be wußtsein überspringen. Ich bin sicher, daß wir nur durch einen Zufall Erfolg haben können.« »Klar, weil wir ohne Methode arbeiten müssen«, gab Fartuloon entmutigt zu. Der Gedanke, einige tausend Brons wahllos ein fangen und untersuchen zu müssen, bereitete ihm wenig Freude. »Und wenn sie uns dabei überraschen, ist die Hölle los.« »Eben deshalb brauchen wir ja das Ei der Königin!« erinnerte ich ihn. »Es war dein ei gener Vorschlag, hast du das vergessen?
40 Wenn wir es haben, zwingen wir sie, sich untersuchen zu lassen.« »Wie bei einer Massenimpfung, nicht wahr?« kicherte er, hörte aber sofort damit auf, als sein Blick auf die schweigend war tenden Brons fiel. »Wie werden wir die erst einmal los?« Er überlegte, dann meinte er. »Wir haben beobachten können, daß sie sich etwa einen Kilometer zurück regelmä ßig wieder entstofflichen, damit haben wir einen ungefähren Hinweis auf die Reichwei te des natürlichen Energiefeldes, das ihre dauernde Stabilisierung verursacht. Ziehen wir uns bis zur Grenze zurück, dann haben wir einigermaßen Ruhe. Wenn sie eine Er klärung verlangen, gibst du keine Antwort. Sie haben ja auch nicht auf unsere Fragen reagiert.« »Trotzdem werde ich es noch einmal ver suchen. Sie sollen wenigstens wissen, worum es geht.« Ich stand auf und verließ den Graben. Dreißig Meter vor der Front der Brons blieb ich stehen und schaltete den Translator wie der ein. »Wir bieten euch abermals an, das Pro blem auf friedliche Weise zu lösen. Wir brauchen nur einen einzigen von euch, aber wir müssen ihn finden. Dazu ist eine harm lose Untersuchung notwendig. Gestattet uns diese Untersuchung, und wir können euch morgen schon wieder verlassen, in Frieden und Freundschaft.« Die Antwort war klar und deutlich: »Verlaßt dieses Gebiet sofort, oder wir werden euch töten. Ihr steht auf heiligem Boden.« »Heiliger Boden …? Das bestätigte unse re Vermutung, daß sich das Ei der Königin in der Siedlung befand und dort scharf be wacht wurde. Es würde nicht so einfach sein, an es heranzugelangen.« »Ihr nehmt unser Angebot nicht an?« »Nein! Ihr habt nur wenige Augenblicke, euch zurückzuziehen. Geht endlich!« Ich gab auf, schaltete den Translator ab und ging zu Fartuloon zurück, der alles mit
Clark Darlton angehört hatte. Es war unnötig, weitere Worte zu wechseln. Schweigend nahmen wir unsere Sachen auf und entfernten uns von der Front der Brons, die regungslos ab warteten, bis wir die unsichtbare Grenze überschritten. Fartuloon deutete auf einige Kristallbü sche am Rand einer Mulde. »Dort bleiben wir, bis es wieder dunkel wird. Von dort aus können wir außerdem die Siedlung und das Vorgelände bestens beob achten. Wenn wirklich vereinzelte Brons materialisieren, schicken wir sie in den Hyperraum. Jedenfalls können sie nur dann organisiert angreifen, wenn sie einen Projek tor trägen. Und von denen scheint es nicht zu viele zu geben.« Die Mulde bot eine gute Deckung nach allen Seiten. Bis zum Einbruch der Dunkel heit würden noch Stunden vergehen, aber wenn wir nicht zu oft belästigt wurden, konnten wir abwechselnd schlafen. Die zweite Ruhepause würde uns guttun. Trotzdem verging die Zeit unendlich langsam. Während meiner Wache näherte sich kein Bron unserem Lager, aber es war gerade diese Eintönigkeit, die mich zer mürbte. Dazu die tote Landschaft, wenn man von den instabilen Hyperwesen und der na hen Siedlung absah, in der ich hin und wie der Bewegung bemerkte. Ich war fest davon überzeugt, daß man uns scharf überwachte. Endlich aber begann es zu dämmern. Ich weckte Fartuloon auf, der wie üblich grauenhaft schnarchte. Obwohl wir nicht überzeugt sein konnten, ob uns die Brons in der Dunkelheit nun wirklich sahen oder nicht, fühlten wir uns in der Dunkelheit sicherer. Wir hielten die Waffen schußbereit, als wir die Mulde ver ließen und langsam auf den Rand der Sied lung zumarschierten. Wenig später tauchten die Umrisse der ersten Häuser vor uns auf, aber wir waren noch keinem Bron begegnet. Der Holzzaun, der als Schutzwall diente, bereitete uns keine Schwierigkeiten. Mühe los kletterten wir darüber und standen auf der holperigen Dorfstraße, ohne zu wissen,
Jagd im Hyperraum
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in welche Richtung wir uns zuerst wenden sollten. Aus einigen der Fenster drang Licht. Die Brons schienen sich innerhalb ihrer Palisa den geschützt zu fühlen. Ich begann mich zu wundern, warum nicht mehr von ihnen hier lebten. Oder war es nur das Privileg einiger Bevorzugten, ständig in diesem natürlichen Stabilisierungsfeld sein zu dürfen? Gab es auf dieser Welt noch andere sol cher Felder? Aber das waren jetzt nebensächliche Fra gen. Wir mußten den Bron mit meinem Be wußtsein finden – oder das Ei der Königin. Und wenn wir das hatten, galt es, so schnell wie möglich das Dorf wieder zu verlassen, um an einem sicheren Ort den Brons unsere Bedingungen zu diktieren. Fartuloon zog mich mit sich. »Wir müssen mehr in die Mitte der Sied lung«, flüsterte er. »Wenn es ihrer Meinung nach einen sicheren Platz für das Ei gibt, dann mitten im Dorf. Im Zentrum des Stabi lisierungsfeldes.« Seine Vermutung hatte einiges für sich. Wortlos folgte ich ihm. Manchmal erkannte ich hinter den be leuchteten Fenstern Bewegungen. Die Schatten waren die von Brons, daran konnte kein Zweifel bestehen. Hier lebten sie also wie damals, als ihre Welt noch im Normal raum existierte und sie niemals ihre feste Struktur verloren. Und hier würden sie auch an die Probleme ihrer Fortpflanzung denken und entsprechend handeln können. Damit kehrten meine Gedanken zum Ei der Königin zurück. Genau in diesem Augenblick blieb Fartu loon stehen. Fast hätte ich ihn umgelaufen. Er hauchte und deutete gleichzeitig nach vorn. »Dort, Atlan! Dort ist das Ei der Königin …!«
6. Zuerst sah ich überhaupt nichts, denn grelles Licht blendete mich. Es stammte von
einigen Scheinwerfern, die auf fünf Meter hohen Masten halbkreisförmig angebracht waren. Darunter erkannte ich einen dunklen, rechteckigen Schatten, der wie ein Haus mit flachem Dach aussah. Im Bereich des Lichtkranzes standen eini ge Brons, und diesmal trugen sie handliche Energiestrahler an Riemen über der Schul ter. Bei denen mußten wir vorsichtig sein. Wir duckten uns hinter die Veranda eines kleinen Hauses, in dem kein Licht mehr brannte. »Was nun?« fragte Fartuloon. »Da kom men wir nicht unbemerkt heran. Der ganze Platz ist angestrahlt.« »Aber nicht von der anderen Seite«, ent gegnete ich. »Von dort aus scheinen sie kei nen Angriff befürchten zu müssen. Warum nicht?« »Woher soll ich das wissen?« Er dachte nach, schien aber zu keinem befriedigenden Ergebnis zu gelangen. »Versuchen wir es, uns bleibt ohnehin nichts anderes übrig. Aber warte nicht zu lange mit dem Strahler, wenn sie uns entdecken. Betäubung dürfte in diesem Fall genügen.« Wir huschten seitwärts über einige ver wachsene Beete, um in den toten Winkel des Scheinwerferlichts zu kommen. Nun begrif fen wir auch, warum hier jeder Versuch, das Ei zu stehlen, zum Scheitern verurteilt war. Wir standen vor einer glatten, fugenlosen Wand. Von dieser Seite aus konnte niemand das Haus betreten. Wir berieten uns nahe der linken Ecke. »Wenn wir herumgehen, sehen sie uns so fort«, sagte Fartuloon leise. »Ich wundere mich, daß sie keine Patrouillen einsetzen. In stabile Brons gibt es jedenfalls nicht in der Siedlung.« »Wir müssen sie paralysieren, ehe sie Alarm schlagen können«, schlug ich vor. »Sicher, keine andere Möglichkeit. Und dann 'rein in das Haus! Wenn dort wirklich das Ei ist, müssen wir es finden, ehe die Po sten wieder aufwachen. Wir haben vielleicht eine halbe Stunde Zeit.«
42 Wir hatten die Strahler auf größte Betäu bungsintensität eingestellt, zudem auf Streu wirkung. Die Überraschung mußte auf An hieb gelingen, wenn wir schnell genug wa ren. Die Frage war nur: wann wurden die fünf Wachen abgelöst? Vorsichtig schlichen wir an der schmalen Seitenfront des bisher fensterlosen Hauses entlang, bis wir in den Bereich des Schein werferlichts gerieten. Gleichzeitig wurden auch die fünf Posten sichtbar, die immer noch reglos am selben Fleck wie zuvor stan den, ihre Energieprojektoren unter den mächtigen Armen. Fartuloon hob seinen Strahler und nickte mir zu. »Jetzt!« sagte er. Die fünf Brons kamen nicht einmal dazu, sich zu bewegen, bevor sie zusammensack ten und reglos liegenblieben. Leider lagen sie genau in den grellen Lichtkegeln, und wenn zufällig ein anderer Bron vorbeikam, mußte er sofort wissen, was geschehen war. Aber das war eins der Risiken, die wir auf uns nehmen mußten, wenn wir Erfolg haben wollten. Schnell rannten wir vor zum Eingang, den wir schon vorher ausgekundschaftet hatten. Die Tür war nicht verschlossen, wahrschein lich deshalb, damit der Pfleger des Eies oder der Eier jederzeit das Bruthaus betreten konnte. Wir verschwanden im dunklen Vorraum und schlossen die Tür wieder. Das Dunkel verwandelte sich schnell in ein rötliches Dämmerlicht. Wahrscheinlich eine Automatik, die auf Körperwärme oder Gewicht reagierte. Jedenfalls konnten wir nun wieder sehen. Eine offene Tür führte in einen schmalen Korridor, aus dem uns eine angenehme Wär me entgegenströmte. Brutwärme! dachte ich unwillkürlich. Wir waren demnach richtig! Rechts des Korridors lagen kleine, waben förmige Kammern, die mit einer transparen ten Scheibe verschlossen waren. Auch in ih nen glomm das rötliche Licht, aber auf den
Clark Darlton länglichen Schalenlagern konnte ich nichts entdecken, das einem Ei ähnlich sah. Die Wärme nahm zu, und sie wurde fast unerträglich, als wir die letzte – und unver schlossene – Kammer erreichten. Da lag das Ei der Königin, braun und un ansehnlich, einen halben Meter lang und mit einer lederartigen Schale umgeben! Als ich genauer hinsah, konnte ich bemer ken, daß sich die Haut manchmal zuckend bewegte. Das Junge würde bald ausschlüp fen. »Na los, schnapp es dir schon!« hauchte Fartuloon drängend. »Wir haben noch zwan zig Minuten, um von hier zu verschwinden.« Ich nahm den Sack von der Schulter und öffnete ihn. Dann trat ich vor und hob das Ei aus seinem künstlichen Nest. Es war zum Glück nicht sehr schwer und wirkte auch stabil genug, den Transport zu überstehen. Vorsichtig ließ ich es in den Sack gleiten, den Fartuloon schloß und mir auf die Schul ter zurückhob. Wir kehrten ohne ein weiteres Wort zum Ausgang zurück. Die Posten lagen noch immer betäubt vor dem Bruthaus. Kein anderer Bron war zu se hen. Hastig verschwanden wir hinter dem Haus und erreichten unangefochten den Holzzaun. Fartuloon half mir beim Überklet tern, dann folgte er mir. So schnell wir konnten, versuchten wir, das Dorf hinter uns zu lassen. Wir brauchten nicht zu befürch ten, das Ei könne entmaterialisieren. Lateran hatte gesagt, das sei noch niemals gesche hen. Niemand schien uns zu folgen, aber in der Finsternis ließ sich das nicht so genau fest stellen. Schließlich erreichten wir die Mulde, die außerhalb des Stabilisierungsbereiches lag. Erschöpft und völlig außer Atem, beschlos sen wir, hier den Rest der Nacht zu verbrin gen.
*
Jagd im Hyperraum Es war gut, daß wir am Tag einige Stun den geschlafen hatten, sonst wäre keiner von uns wach geblieben. So aber fiel es mir nicht schwer, die erste Wache zu übernehmen, während Fartuloon sich gegen den Hang lehnte und die Augen schloß. In der Finsternis war nichts zu sehen, nur einige wenige Lichter in der Siedlung verrie ten die Richtung. Jeden Augenblick mußte dort der Diebstahl des geheiligten Eies ent deckt werden, und dann würde sicher die Hölle los sein. Fartuloon war kaum eingeschlafen, als es geschah. An jener Stelle, an der die Scheinwerfer brannten, wurde es noch heller. Ich konnte die Schatten hin und her eilender Brons er kennen. Es war sinnlos, bei der großen Ent fernung den Translator einzuschalten, aber ich tat es doch. Vielleicht kam ein Suchtrupp mit Projektoren in unsere Nähe. Das Gerät würde die lautlose Sprache der Brons aku stisch wiedergeben und sie so verraten. Weitere Scheinwerfer flammten auf und bestrichen mit ihren grellen Bündeln die nä here Umgebung der Siedlung. Nur Fartuloon und ich kamen als Diebe des Eies in Frage, also wußten die Brons auch, wonach sie su chen mußten. Dann stellte ich fest, daß einige der Lich ter wanderten und die Siedlung verließen. Das mußten Brons sein, die unsere Spur ge funden hatten, denn die Lichter kamen di rekt auf unser Versteck zu. Ich weckte Fartuloon noch nicht auf. Mit vier oder fünf Brons konnte ich notfalls auch allein verhandeln. Lautlos entsicherte ich den Strahler und überzeugte mich davon, daß er noch auf Betäubung eingestellt war. Ich durfte keinen Bron mehr töten oder für immer in den Hyperraum verbannen, denn wenn er zufällig der Träger meines Bewußt seins war … Ich versuchte, nicht an diese Möglichkeit zu denken und mir die Folgen auszumalen. Die Skinen hatten da feste Grundsätze, an denen nicht zu rütteln war. Etwa hundert Meter von der Mulde ent
43 fernt hielten die Brons an. Wahrscheinlich hatten sie die Grenze des Stabilisierungsfel des erreicht und schalteten nun ihre Projek toren ein, falls sie welche bei sich trugen. Viel konnte ich nicht erkennen, da mich das Licht blendete. Auch zu hören war nichts. Es war, als bereite sich ein Trupp Ge spenster zum Sturm auf unser Versteck vor – aber diesmal waren es Gespenster aus Fleisch und Blut. Vorsichtig weckte ich nun Fartuloon und informierte ihn über das Geschehen. Er grunzte unwillig, nahm seinen Strahler und kroch bis zum Rand der Mulde vor. Pedan tisch zählte er die Lichter und meinte dann: »Fünf sind es, aber da hinten kommen noch mehr. Sie wissen also, daß wir hier sind und holen Verstärkung. Willst du nicht mit ihnen sprechen?« »Erst dann, wenn sie sich zuerst melden.« »Na schön, warten wir also noch …« Eine halbe Stunde später zählten wir zwanzig Lichter, aber es waren fast doppelt soviel Brons, die in der Dunkelheit lauerten und auf den Tag zu warten schienen. »Wir sollten aufbrechen«, schlug Fartu loon vor, als ich ihm meine Vermutung mit teilte. »Sie können uns nicht folgen. Wenn wir das Ei mitnehmen, werden sie unter al len Umständen versuchen, Kontakt mit uns aufzunehmen, aber das wäre in größerer Entfernung von ihrer Siedlung sicherer für uns.« »Und was ist mit dem Bron, der mein Be wußtsein trägt?« »Den werden sie uns freiwillig bringen, schätze ich. Ich frage mich nur, ob sie ihn finden.« »Früher oder später verrät er sich von selbst. Aber das kann lange dauern.« Ehe wir unsere Diskussion fortsetzen konnten, drang die Stimme eines Brons aus dem Translator. Sie sagte: »Wir wissen, wo ihr seid und daß ihr das Ei der Königin gestohlen habt. Gebt es uns zurück, sonst werden wir euch töten.« Das war kurz und deutlich.
»Wir tauschen das Ei gegen den gesuch
44 ten Bron ein«, rief ich zurück. »Gestattet die gestern vorgeschlagene Untersuchung. Mein Gefährte wird hier bei dem Ei bleiben, ich komme mit in die Siedlung.« Es entstand eine kurze Pause, in der sich die Brons berieten. Fartuloon flüsterte mir zu: »Du bist verrückt, freiwillig in die Sied lung zurückzugehen. Sie werden dich um bringen, während ich hier sitze und das Ei ausbrüten kann.« »Sie werden sich hüten, mir auch nur ein Haar zu krümmen. Wenn ich nach einer be stimmten Frist nicht zurückkomme, werde ich ihnen mitteilen, du zerstrahlst ihr Köni ginnen-Ei. Du wirst sehen, wie zahm sie dann sind.« »Hoffentlich!« murmelte Fartuloon skep tisch. »Wenn sie wirklich auf dein Angebot eingehen und es bald hell wird, dann führe bitte deine Sensor-Untersuchung auf dem Vorfeld durch, damit ich dich stets im Auge behalten kann.« Er richtete sich auf und blickte in Richtung des Dorfes. »Da kom men noch mehr Lichter.« Gleichzeitig sprach wieder der Bron: »Einer von euch darf im Dorf den Bron mit dem fremden Bewußtsein suchen, aber wir wollen das Ei sofort zurück haben. Die junge Königin erleidet Schaden, wenn dem Ei die gewohnte Wärme fehlt. Sie könnte sterben.« »Das Ei bleibt hier. Je schneller ich den gesuchten Bron gefunden habe, desto eher könnt ihr es haben. Es liegt also an euch, ob die Königin stirbt oder nicht.« Es fiel mir schwer, eine derartige Bedin gung zu stellen, aber ich sah keine andere Möglichkeit. Die Reaktion der Brons be wies, daß meine harte Taktik richtig war. »Die Dämmerung beginnt gleich. Einer von euch kann mit uns gehen – aber unbe waffnet.« Ich zögerte, aber dann hörte ich Fartuloon flüstern: »Du wirst den Strahler nicht brauchen, aber ich vielleicht zwei. Gib ihn mir …« Ich behielt nur den Translator und den
Clark Darlton Sensor. Er war in einem kleinen Kasten un tergebracht, an dessen Rückseite ein winzi ger Bildschirm das Ergebnis einer Bewußt seinsuntersuchung anzeigte. Fand ich den Bron, der Träger meines Bewußtseins war, würde ich das sofort wissen. Langsam kletterte ich aus der Mulde und ging den wartenden Brons entgegen. Ich überquerte die unsichtbare Grenze zum Sta bilisierungsfeld und erreichte die Brons, die mich schweigend in ihre Mitte nahmen. Noch während wir auf die Siedlung zuschrit ten, setzte am ganzen Himmel die schnelle Dämmerung ein …
7. Kurz vor der Palisade hielt ich an. »Hier!« sagte ich und deutete auf den Sensor. »Sämtliche Bewohner des Dorfes sollen einzeln zu mir kommen, damit ich das Gerät auf sie richten kann. Es dauert nur we nige Augenblicke und ist ungefährlich. So bald ich den Bron, den wir suchen, gefunden habe, bringe ich ihn zu den Skinen, denn nur sie können ihn von dem zweiten Bewußtsein befreien. Dann ist er wieder frei und kann zu euch zurückkehren.« »Und das Ei der Königin?« »Ihr erhaltet es, sobald ich den Bron über die Grenze des Stabilisierungsfeldes ge bracht habe.« Inzwischen war es Tag geworden. Ich konnte Fartuloon in tausend Meter Entfer nung am Rand der Mulde stehen sehen. Im Arm hielt er seinen Energiestrahler. Mit der freien Hand winkte er mir. Ich gab ihm ein Zeichen, daß bei mir, alles in Ordnung sei. Nur drei Brons blieben bei mir, während die anderen in die Siedlung zurückkehrten, nachdem ich sie untersucht hatte. Kurz dar auf wurde es im Dorf lebendig. Einer nach dem anderen kamen die Brons zu mir. All mählich bildete sich eine lange Schlange, und für mich gab es keine Möglichkeit, einen Bron von dem anderen zu unterschei den. Ich konnte also nicht wissen, ob sich wirklich alle der Überprüfung stellten. Aber
Jagd im Hyperraum das konnte ja nur in ihrem eigenen Interesse liegen, wenn sie das Ei der Königin zurück haben wollten. Immer wieder die gleiche Prozedur: Ich drückte den Kasten mit dem Sensor gegen die breite Brust eines Brons und sah auf den kleinen Bildschirm. Der Zeiger rührte sich nicht. Der nächste … Es wurde Mittag. Ich schätzte, daß bisher mehr als fünfhundert Brons an mir vorbei marschiert waren. Die drei Wachtposten, die mit ihren Waffen immer in meiner Nähe blieben, wurden abgelöst. Ich hatte Hunger und Durst, aber niemand dachte daran, mir Wasser oder wenigstens ein paar Früchte zu bringen. »Wieviel von euch leben in der Sied lung?« fragte ich den Bron, den ich gerade untersuchte. Der Translator übersetzte den unverständ lichen Zahlenbegriff: »Zweitausend – oder mehr. Wir wissen es nicht genau.« Also war erst ein Viertel der Bewohner untersucht worden. Der Tag würde nicht ausreichen, denn er dauerte nun schon acht Stunden. In weiteren acht Stunden wurde es wieder Nacht. Bis dahin war ich halb verdurstet und ver hungert. Sollte ich eine Pause einlegen? Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich das Aufblitzen seitlich von mir. Fartu loon, auf den ich längere Zeit nicht geachtet hatte, feuerte auf vier mit Projektoren ausge rüstete Brons, die ihn offensichtlich angrif fen, um sich das Ei der Königin zu holen. Ich wollte mich an meine drei Wachtposten wenden und sah ihre Waffen, die in unmiß verständlicher Absicht auf mich gerichtet waren. Die Brons würden mich töten, wenn es ihnen gelang, Fartuloon das Ei abzuneh men. Fartuloon seinerseits nahm nun auch kei ne Rücksicht mehr. Er betäubte die Angrei fer nicht, wie wir es geplant hatten, sondern er tötete sie. Da sie durch ihre Projektoren
45 auch außerhalb des stabilen Feldes eine feste Struktur behielten, starben sie den Energie tod. »Nun?« wandte ich mich an die Brons mit den Waffen, die sie nun langsam wieder senkten, als ihr Plan fehlgeschlagen war. »Was zögert ihr, mich zu töten? Dann hätte mein Gefährte wenigstens allen Grund, eu rem Ei einzuheizen. Vielleicht schlüpft dann die Königin sofort aus – allerdings wird sie dann nicht mehr sehr gesund aussehen.« Als sie keine Antwort gaben, rief ich dem näch sten wartenden Bron zu: »Los, der nächste …!« Sechshundert, siebenhundert. Der Uhr nach zu urteilen, mußte es später Nachmittag sein, als endlich der Zeiger aus schlug. Und genau in dieser Sekunde wußte ich, daß ich abermals eine Unterlassungssünde begangen hatte.
* Es war unverzeihlich, auf die Forderung der Brons eingegangen zu sein, keine Waffe mitzunehmen. Ich besaß nun kein Mittel, ein energetisches Fesselfeld zu errichten, damit mein Bewußtsein nicht abermals übersprang und die Suche von neuem begann. Als ich einen der Wachter bat, mir seinen Projektor zu geben, reagierte dieser überhaupt nicht. Der Bron vor mir war der Träger meines Bewußtseins. Ohne den Sensor hätte ich das niemals herausfinden können. Er benahm sich völlig normal und so wie alle anderen Brons. So freundlich wie möglich sagte ich zu ihm: »Würdest du mich bitte begleiten? Es darf noch jemand mitkommen, um das Ei in Empfang zu nehmen. Du selbst brauchst dich nicht zu fürchten, du wirst bald wieder ein freier Bron sein. Laß dir einen Stabilisie rungsprojektor geben, denn wir gehen über die Grenze.« Einer der Wachtposten gab ihm das un handliche Gerät, dann folgte er mir. Nie
46 mand hielt uns auf. Als wir die Hälfte der Strecke zurückge legt hatten, drehte ich mich um. Die Brons kehrten in die Siedlung zurück, lediglich die drei Bewaffneten schickten sich an, uns nachzugehen. Wahrscheinlich hatten sie den Auftrag, das Ei in Sicherheit zu bringen. Was danach geschehen würde, war mir klar: Sie würden mit allen Mitteln versuchen, sich für die Niederlage zu rächen. Sie mußten uns für den begangenen Frevel bestrafen, und diese Strafe konnte nur unser Tod sein. Aber noch besaßen wir das Ei! Fartuloon empfing uns am Rand der Mul de. Schnell berichtete ich, nachdem ich den Bron mit meinem Strahler, den ich hastig vom Boden aufgerafft hatte, in ein energeti sches Fesselfeld gelegt hatte. Nun konnte mein Bewußtsein nicht mehr entkommen. Fartuloon schielte in Richtung des Sackes mit dem Ei. »Was ist damit? Geben wir es ihnen zu rück?« Ich bemerkte, daß nicht nur drei, sondern bereits zwanzig bewaffnete Brons sich der Mulde näherten. Von der anderen Seite ka men etwa fünfzig von ihnen, ebenfalls alle schwer bewaffnet. Eine starke Delegation, fand ich. Der Bron im Fesselfeld begann plötzlich zu sprechen. Der Translator gab nur ein sinnloses Gestammel wieder, aus dem weder Fartuloon noch ich schlau wurden. Erst als der Bron halb bewußtlos zusammenbrach und reglos liegenblieb, kam mir ein schreck licher Verdacht. Hastig bückte ich mich und setzte den Sensor gegen seine Brust. Der Zeiger schlug nicht aus. Mein Bewußtsein war abermals geflohen, aber wohin? Ich richtete mich wieder auf. Weit konnte es nicht gesprungen sein, das wußten wir aus Erfahrung. Fartuloon fuhr zusammen, als ich ihm ohne ein Wort der Erklärung das Gerät gegen die Brust hielt. Aber auch bei ihm rührte sich der Zeiger nicht. Dann kam nur einer der Brons in Frage,
Clark Darlton die auf die Mulde zumarschierten und ihre Waffen zur Feuereröffnung senkten. Ich glitt in die Mulde hinab, holte das Ei der Königin aus dem Transportsack und stieg auf den Rand zurück. Mit beiden Hän den hielt ich das braune Ding mit der Leder haut in die Höhe. »Worauf wartet ihr noch? Tötet eure zu künftige Königin und dann uns!« Die Brons blieben stehen. Ihre Waffen senkten sich. Sie waren siebzig gegen uns. Wir hatten kaum eine Chance. Fartuloon sagte leise: »Nur sieben oder acht haben diese Projek toren, die sie stabil erhalten. Wenn wir nur hundert Meter weiter von der Grenze fort wären, hätten wir das Problem gelöst. Glaubst du, das wir das in einem Schnellauf schaffen, ehe sie das Feuer eröffnen?« Die Brons konnten sich nicht sehr schnell bewegen, das hatte ich schon festgestellt. Ich war sicher, daß wir ihnen davonlaufen konn ten. »Gut, nimm meinen Strahler, ich trage das Ei. Es ist so gut wie eine Lebensversiche rung.« In guter Sichtdeckung verpackte ich das Ei wieder und bereitete mich auf den Blitz start zu. Fartuloon war schon fertig. Er be obachtete die Brons, die bei der Grenze stan den und nicht weitergingen. Die Reichweite ihrer Strahler genügte noch, uns zu erledigen. »Los!« rief Fartuloon und begann zu ren nen. Es war wirklich erstaunlich, wie schnell er trotz seiner Körperfülle laufen konnte. Ich hatte alle Mühe, ihm dicht auf den Fersen zu bleiben und das Tempo zu halten. Trotzdem sah ich mich um. Die Brons schienen so überrascht über un sere plötzliche Flucht zu sein, daß sie vorerst nicht reagierten. Vielleicht befürchteten sie aber auch, das Ei zu treffen. Jedenfalls ver langsamten wir nach dreißig Sekunden unse ren Lauf und hielten an. Ich setzte mich auf einen durchsichtig
Jagd im Hyperraum schimmernden Stein von der Größe eines ausgewachsenen Mannes. Den Sack mit dem Ei hielt ich vorsichtig auf dem Schoß. Trans lator und Sensorkasten baumelten vor mei ner Brust. »Sie müssen über die neue Situation erst beraten«, berichtete Fartuloon, der die Brons beobachtete. Ich atmete noch heftig. Ein Blick zurück zeigte mir, daß der ehemalige Träger meines Bewußtseins, der stammelnde Bron, aufge standen war und zur Siedlung zurückwankte. Und dann fiel mein Blick zufällig auf den Bildschirm des Sensors, der von meiner Brust gegen den Sack mit dem Ei gedrückt wurde. Der Zeiger schlug kräftig aus. Fast eine endlos lange Sekunde brauchte ich, um zu begreifen, daß mein Bewußtsein in den Körper der noch ungeborenen Königin der Brons geschlüpft war, dann rief ich Fartu loon zu: »Den Strahler – schnell! Fesselfeld ein stellen!« Er reagierte, ohne Fragen zu stellen. Zwei Sekunden später lag der Strahler zu sammen mit dem Ei in dem Transportbeutel, der von einem energetischen Feld eingehüllt wurde, aus dem es für mein Bewußtsein kein Entkommen mehr gab. »So, und nun nichts wie weg hier!« for derte ich Fartuloon auf. »Die acht Brons mit den Projektoren ha ben die Grenze überschritten und folgen uns. Wir müssen sie erledigen, oder willst du ih nen die Geschichte mit dem Ei erklären?« Ich verneinte, und er schlug vor, daß ich schon mal gehen solle, während er den Vor marsch der Angreifer stoppte. Da die Reich weite unserer Waffen größer war als die der Brons, war das Risiko für ihn nicht zu groß. Ich stimmte also zu, ließ mir den Transport beutel von ihm umhängen und marschierte los, auf den fernen Waldrand zu, den wir in einigen Stunden erreichen konnten. Ich drehte mich nicht um, als ich das Zi schen des Energieprojektors hörte. Den Translator hatte ich längst abgeschaltet. Falls sich also Fartuloon noch mit den Brons
47 unterhielt, hätte ich es nicht mehr hören kön nen. Auf einem Hügel hielt ich an. Fartuloon war etwa dreihundert Meter hinter mir, als ich mich nach ihm umblickte. Er war allein. Drüben bei der Mulde sah ich die verkohlten Projektoren der Brons liegen, von ihnen selbst war keine Spur mehr zu se hen. Außerhalb des Stabilisierungsfeldes waren sie nach einem Energietreffer im Hyperraum verschwunden, weil ihre Geräte ausgefallen waren. Fartuloon schnaufte wie ein Walroß. »Schöne Strecke, die vor uns liegt, aber ich glaube, die Brons lassen uns ungescho ren, denn bis sie neue Projektoren haben, sind wir schon im Wald. Aber leider sind wir damit noch nicht in der Station Later ans.« »Mit den zufällig Stabilen werden wir fer tig«, versicherte ich. »Die Hauptsache ist, wir haben mein Bewußtsein. Und jetzt kann es nicht mehr fliehen, denn das Fesselfeld ist absolut zuverlässig.« »Hoffen wir es«, meinte Fartuloon und deutete nach vorn. »Auf zu den Früchten des Waldes, ich habe einen verdammten Hun ger!«
* Während der Abenddämmerung erreich ten wir den Waldrand. Wir hatten uns beeilt, denn in dieser Nacht wollten wir nicht ohne das schützende Feuer rasten und vielleicht auch schlafen. Fartuloon ging gleich los, als wir einen ge eigneten Lagerplatz gefunden hatten. Er brachte Holz und Früchte. Das Feuer sollte noch einen weiteren Zweck erfüllen: Das Ei durfte nicht noch einmal der nächtlichen Kühle ausgesetzt werden, wenn ich auch annahm, daß es von dem ständigen energetischen Fesselfeld ge nügend isoliert wurde. Aber wenn die Köni gin vor ihrer Geburt starb, war mein Be wußtsein verloren. Ein Bron, der dicht bei uns materialisierte,
48 wich vor dem Feuer zurück, wie wir es er wartet hatten. Ich versuchte vergeblich, mich mit ihm zu verständigen und zur Über mittlung einer Botschaft zu bewegen, aber als Antwort hörte ich nur wieder das be kannte »Druuf«, mit dem wir nichts anfan gen konnten. Dann verschwand er im Dunkel der Nacht und kehrte nicht mehr zurück. Einigermaßen gesättigt übernahm Fartu loon die erste Wache, während ich mich dicht neben das Feuer niederlegte, um zu schlafen. Das Ei wurde von der Ausstrah lung der Glut gleichmäßig gewärmt. Wenn es irgendwie möglich war, sollten die Brons unbeschädigt zurückerhalten. Dann wachte ich bis zum Morgengrauen. Als ich Fartuloon weckte und wir dann aufbrachen, drehte er sich noch einmal um, ehe wir in den Wald eindrangen. Dann beeil te er sich, mich einzuholen. Erst nach einer Weile, als wir schon tief im Wald waren, teilte er mir mit: »Es sind zehn Brons, die uns verfolgen. Sie müssen Projektoren tragen und kommen aus der Ruinenstadt. Der Rat steht also mit der Siedlung in Verbindung. Wenn dem so ist, müssen wir noch mit weiteren Angriffen rechnen. Hoffentlich können sich Lateran und seine Wissenschaftler verteidigen, denn schließlich haben wir ihnen diese Suppe ein gebrockt.« Da war ich aber anderer Meinung, und ich sagte es Fartuloon auch. Wenn sich hier je mand eine Suppe eingebrockt hatte, dann die Skinen selbst. Skagos war es schließlich ge wesen, der uns zur oberen Welt geschickt hatte. Fartuloon brummte und marschierte wei ter. Wir gingen schneller, um einen größeren Vorsprung zu erhalten. Es war unser Glück, daß die uns verfolgenden Brons nicht ent stofflichen könnten, solange sie den Projek tor bei sich hatten. Zwar wären sie dann schneller vorangekommen, hätten aber nicht mehr nach Belieben materialisieren können. Ohne Zwischenfall durchquerten wir den
Clark Darlton Kristallwald, in dem es von Bronsschatten nur so wimmelte. Ihren Bewegungen nach zu urteilen, waren sie wütend und ungehal ten. Nur wenige von ihnen materialisierten und griffen an. Die meisten entstofflichten, ehe sie eine solche Absicht durchführen konnten. Ohne Aufenthalt marschierten wir weiter, bis wir endlich mit einer unbeschreiblichen Erleichterung das Ufer des Kieselflusses er reichten. Wir überquerten ihn, ohne etwas von unseren Verfolgern bemerkt zu haben. Vielleicht hatten sie aufgegeben und waren in die Ruinenstadt zurückgekehrt. Lateran empfing uns mit seiner gewohn ten sachlichen Freundlichkeit und drückte sein Erstaunen darüber aus, daß wir noch am Leben waren. Als er sich erkundigte, was in dem vorher leeren Transportbeutel war, sag ten wir es ihm. »Das Ei der Königin? So habt ihr es doch gewagt, den Wahrheitsgehalt einer Legende zu ergründen? Wenn ich ehrlich sein soll, so muß ich zugeben, nie so recht an die Ge schichte geglaubt zu haben. Die Brons ha ben euch nicht dafür getötet?« Wir erklärten ihm, wie alles gekommen war und daß nun das gesuchte Bewußtsein im Körper der ungeborenen Königin gefan gen sei, solange das Fesselfeld aktiv bliebe. Die Frage blieb offen, wie die Skinen auf Tsopan das Bewußtsein aus dem Ei holten, ohne es nochmals entkommen zu lassen. »Ihr werdet so schnell wie möglich nach Tsopan zurückkehren wollen. Für uns hier kann ich nur hoffen, daß wir nicht von den Brons angegriffen werden, sobald sie genü gend dieser Projektoren hergestellt haben, um eine ganze Armee zu stabilisieren. Wir haben nicht genügend Waffen. Vielleicht kann Skagos uns welche schicken.« »Wir werden ihm die Lage jedenfalls schildern«, versprach ich. Er brachte uns in den Raum, wo der Trichter von der Decke herabhing. Mit we nigen Handgriffen aktivierte er das flim mernde Kraftfeld. Einige andere Skinen kontrollierten die Schaltanlagen, während
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Lateran sagte: »Die Verbindung zu Tsopan ist herge stellt. Sobald es Skagos gelungen ist, dein Doppelbewußtsein aus dem Ei zu holen und zu isolieren, soll er mir das Ei zurücksenden. Ich werde dafür sorgen, daß es den Brons zurückgegeben wird, um den Frieden mit ih nen zu erhalten.« Die flache Scheibe seines Kopfes leuchte te in hellem Blau, als er den Haupthebel um legte. Fartuloon stand dicht neben mir unter dem Trichter, dessen Öffnung plötzlich hel ler strahlte. Den Beutel mit dem Ei hielt ich fest an mich gepreßt. Fast spürte ich, wie der Trichter uns auf saugte, dann entmaterialisierten wir.
* Wir standen wieder in der Halle der Tore. Skagos – ich nahm wenigstens sofort an, daß er es war – drehte sich um, nachdem er unser »Tor zu den oberen Welten« ausge schaltet hatte. Mein Translator war einge schaltet, aber ich vernahm nur einen Ausruf der Überraschung, mehr nicht. Gleichzeitig fühlte ich einen kräftigen Stoß gegen die Brust. In dem Beutel, den ich festhielt, bewegte sich etwas mit einer Heftigkeit, die mich er schreckte. Der Stoff zerriß, lederartige Eier schalen fielen auf den Boden der Halle. Ih nen folgte der Körper der soeben geborenen Königin. Zum Schluß polterte der Energie strahler vor die Füße Skagos'. Fartuloon sprang zur Seite, als sich der junge Bron aufrichtete und eine drohende Haltung einnahm. Er war nicht ganz einen Meter groß, mußte also zusammengerollt im Ei gelegen haben. Seine Arme und Beine waren relativ kräftig, und ich war davon überzeugt, daß er bereits jetzt schon ein ge fährlicher Gegner sein konnte. Ich begriff überhaupt nichts mehr, und in meiner verständlichen Verwirrung beging ich in diesen Sekunden mehr als nur einen Fehler. Fartuloon aber auch, so daß er mir später keinen Vorwurf machen konnte.
Skagos hob den Strahler vom Boden, und seine ersten Worte waren: »Er ist eingeschaltet, auf Sperrfeld.« Er schaltete ihn aus. Jetzt erst kam mir zum Bewußtsein, was er tat. Ich sprang zu Fartuloon und wollte dessen Projektor nehmen, als mir einfiel, daß er den seinen Lateran zurückgegeben hatte. Also lief ich hinter Skagos her und riß ihm den Strahler aus den Klauen. Hastig schaltete ich das Fesselfeld wieder ein und ging auf den jungen Bron zu, der mich ruhig erwartete. Zwar wußte ich nicht, ob der Neugeborene mich bereits verstehen konnte, aber es hätte mich nicht gewundert, wenn es der Fall ge wesen wäre. Jedenfalls sagte ich in beruhi gendem Tonfall: »Nur eine Vorsichtsmaßnahme, es wird dir nichts geschehen.« Fartuloon sprach meine eigenen Befürch tungen aus: »Der Bron war mehrere Sekunden ohne Sperre, dein Bewußtsein kann längst erneut übergesprungen sein. Prüfe das sofort nach!« Der Zeiger des Sensors rührte sich nicht. Ich war so enttäuscht und wütend, daß ich Skagos den Strahler vor die Füße warf. Aber dann schämte ich mich meiner Ungerechtig keit und erklärte ihm: »Verzeih, Skagos, aber nun war alles um sonst. Das Fesselfeld hätte nicht abgeschal tet werden dürfen. Mein Bewußtsein war in diesem Bron. Es muß auf einen der hier an wesenden Skinen übergewechselt sein. War te …!« Es waren mit Skagos insgesamt sieben Skinen anwesend. Einer von ihnen war jetzt der Träger meines Bewußtseins. Damit es nicht wieder überspringen konnte – wer weiß wohin –, mußten sie sofort paralysiert werden. Zum zweiten Mal rannte ich hinter dem Strahler her, hob ihn auf und schaltete ihn auf Betäubung. Dann richtete ich ihn gegen die Anwesenden – allerdings um den Bruch teil einer Sekunde zu spät.
50 Noch während ich mich nach dem Strah ler bückte – so berichtete mir Fartuloon spä ter –, war einer der Skinen in schnellstem Tempo unter einen der Trichter gelaufen, den er vorher Unbemerkt aktiviert hatte. Ehe er von dem energetischen Lähmungsfeld er faßt werden konnte, entmaterialisierte er. Auch ohne den Sensor in Anspruch zu nehmen, wußte ich, daß er der neue Träger meines Bewußtseins war. Er war in einem anderen Tor verschwun den. Zum dritten Mal warf ich den Strahler weg, diesmal endgültig. Fartuloon schob den unschlüssigen Bron unter den Trichter, der das Tor zu Sketan darstellte. Zu Skagos sagte er: »Wir müssen ihn zurückschicken, und zwar sofort. Lateran benötigt ihn als Faust pfand gegen die Brons.« Wenig später war die Königin verschwun den. Inzwischen war mir klar geworden, was während unseres Transportes von Sketan nach Tsopan geschehen war. Im Hyperraum war das energetische Fesselfeld unwirksam geworden, gleichzeitig hatte die Belastung durch die Transition das Zerbrechen des Ei es bewirkt. Immerhin wäre es vielleicht nicht zu einem erneuten Überspringen mei nes Bewußtseins auf einen anderen Träger gekommen, wenn Skagos das nach der Tran sition wieder wirksame Feld nicht abge schaltet hätte. Ich hätte ihm jetzt gern meine Faust in das flache Scheibengesicht gesetzt, aber ich be herrschte mich. Es hatte wenig Sinn, sich gegen die Skinen aufzulehnen, die uns völlig in ihrer Gewalt hatten. Skagos sagte: »Damit steht fest, daß ihr abermals ein Tor zu den oberen Welten benutzen müßt, um die Aufgabe zu lösen. Zum Glück wis sen wir, durch welches der Träger deines Bewußtseins verschwand. Die Suche wird nicht schwierig sein, hoffe ich …« »Das hoffe ich auch«, erklärte ich ihm mit unterdrückter Wut. »Aber vorher wollen wir
Clark Darlton dir noch mitteilen, was Lateran uns auftrug. Die Station auf Sketan befindet sich in großer Gefahr, denn die dortigen Eingebore nen werden bald versuchen, jeden Skinen von ihrer Welt zu vertreiben. Sie haben ent sprechende Geräte entwickelt. An deiner Stelle, Skagos, würde ich mich darum küm mern.« »Das werden wir auch, aber im Augen blick scheint mir wichtig zu sein, das Be wußtsein wieder einzufangen. Ein solches Bewußtsein hat es in unserer wissenschaftli chen Praxis noch nie gegeben. Wir müssen sein Geheimnis ergründen, was immer es auch kosten mag.« »Es kann uns das Leben kosten«, meinte Fartuloon sarkastisch. »Aber das wird den Skinen egal sein.« »Nicht ganz egal, aber immerhin ein Preis, den wir zu zahlen bereit sind.« »Ihr?« rief ich ungläubig aus. »Schließlich ist es doch unser Leben, wenn ich nicht irre!« Skagos' Flachgesicht schimmerte violett. »Trotzdem wäre euer Tod ein Verlust für uns.« Fartuloon sah so aus, als wolle er platzen, aber diesmal war ich es, der zur Besonnen heit riet. Es hatte wirklich keinen Sinn, die Skinen zu verärgern. Sie konnten uns für im mer auf Tsopan festhalten, wenn sie das wollten. Skagos kroch zu den Kontrolltafeln. »Macht euch bereit!« tönte es aus dem Translator. Fartuloon protestierte: »Können wir wenigstens erst einmal aus schlafen und uns satt essen? Wir haben Durst! So sehr eilt es doch nun auch wieder nicht mit der Suchaktion. Auf einen Tag mehr oder weniger kommt es nicht an.« Zu meiner Überraschung willigte Skagos ein. »Gut, ich gewähre euch eine kurze Rast, aber dann wartet das Tor auf euch. Die obe re Welt, zu der ihr kommen werdet, hat kei ne Gefahren für euch bereit. Es ist eine gute Welt, auf der kein Platz für Krankheiten ist.
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Vielleicht wird es euch leichtfallen, den Trä ger zu finden. So, nun zieht euch zurück. Ich werde dafür sorgen, daß Getränke und Spei sen gebracht werden.« Immerhin etwas, dachte ich verbittert. Na türlich wäre ich viel lieber an Bord der POLVPRON zurückgekehrt, aber ich wagte es im Augenblick nicht. Skagos darum zu bitten. Er schien ebenfalls wütend zu sein. Ein anderer Skine führte uns in einen spärlich ausgestatteten Raum, der zum Glück mit einem dicken Teppich ausgelegt war. Wir setzten uns also einfach auf den Boden und warteten, bis uns die versproche nen Speisen gebracht wurden. Ich sah Fartuloon an. »Findest du nicht auch, daß wir in einer verteufelten Zwickmühle stecken? Die het zen uns von einem Planeten zum anderen, bloß um einem Phantom nachzujagen. Was ist denn mein kopiertes Bewußtsein anderes als ein Phantom, ein nicht greifbarer Schat ten?« Fartuloon versuchte zu grinsen. »Was heißt Schatten? Immerhin ein un sterblicher Schatten. Auch dann, wenn du tot bist, wird dein zweites Bewußtsein im Spei cher der Skinen weiterleben. Ist das viel leicht kein Trost?« »Doch, ein sehr schöner«, gab ich sarka stisch zu.
»Na bitte!« knurrte Fartuloon. »Sehen wir uns also jene Welt an, auf der angeblich kein, Platz für Krankheiten ist. Muß ja ein gesunder Planet sein.« »Die Skinen reden oft in Gleichnissen«, warnte ich ihn vor allzu großem Optimis mus. Er zuckte die Schultern. »Warten wir es ab. Wir werden jetzt essen und trinken, dann werden wir ein paar Stun den schlafen. Und dann, im Namen aller Götter des Universums, werden wir eben durch eins der Tore zu den oberen Welten gehen. Orbanaschol muß warten, und wenn er wüßte, wie sehr ihm die Rache auf den Fersen ist, würde er froh über jeden Tag sein, den er noch lebt.« Orbanaschol – Imperator von Arkon und Mörder meines Vaters! Ja, er würde noch warten müssen. Zwei Skinen brachten unser Essen. Das lenkte mich von meinen Gedanken und Sorgen ab. Später streckte ich mich einfach auf dem Boden aus und schloß die Augen. Das letzte, was ich noch vernahm, war das furchtbare Schnarchen Fartuloons. Dann versank ich in einen tiefen Schlaf.
E N D E
ENDE