Jürgen Budde · Ingelore Mammes (Hrsg.) Jungenforschung empirisch
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Jürgen Budde · Ingelore Mammes (Hrsg.) Jungenforschung empirisch
Jürgen Budde Ingelore Mammes (Hrsg.)
Jungenforschung empirisch Zwischen Schule, männlichem Habitus und Peerkultur
Bibliografische Information der deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Monika Mülhausen VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16683-4
Inhaltsverzeichnis
Ingelore Mammes/Jürgen Budde Einleitung ...............................................................................................................................7 Theoretische Grundlinien Jürgen Budde/Ingelore Mammes Positionen und Perspektiven von Jungenforschung .............................................................15 Maria Anna Kreienbaum Die aktuelle ‚Jungen-Debatte’ – bildungspolitisch gewendet ..............................................25 Ingelore Mammes Jungenkatastrophe und Alphamädchen? – Diskurse und Fakten zu Einflussfaktoren von Geschlechterdifferenzen in der Schule ..........................................................................35 Empirische Befunde aus dem deutschsprachigen Raum Ruth Michalek Gruppendiskussionen mit Grundschülern ............................................................................47 Jürgen Budde Perspektiven für Jungenforschung an Schulen .....................................................................73 Hannelore Faulstich-Wieland „Jungenverhalten“ als interaktive Herstellungspraxis ..........................................................91 Andreas Krebs „Wir Jungs sind halt nicht so eine Gemeinschaft“. Personzentrierte Jungenforschung als Zugang zum psychosozialen Erfahrungswissen jugendlicher Schüler..........................103 Heike Großkurth/Birgit Reißig Geschlechterdimensionen im Übergang von der Schule in den Beruf ...............................115 Internationale Perspektiven von Jungenforschung Margrit Stamm Underachievement von Jungen in der Schule ....................................................................131 5
Ann Phoenix/Rob Pattman/Rosaleen Croghan/Christine Griffin/Janine Hunter Consuming Masculinities: Intersections of Gender and Peer Culture in Everyday School Practices .................................................................................................149 Mary Jane Kehily Peer Culture, Masculinities and Schooling ........................................................................163 Stephen Frosh/Ann Phoenix/Rob Pattman Struggling towards Manhood: Narratives of Homophobia and Fathering .........................175 Wayne Martino/Goli Rezai-Rashti Relationships between Boys, Teachers and Education ......................................................191 Harriet Bjerrum Nielsen New Boys? A Nordic Perspective ......................................................................................205 Hisao Ikeya Jungenprobleme im heutigen Japan – „Gewaltkultur” und soziale Exklusion in Schule und Familie. ............................................................................................................219 Claudia Schneider Jungen im österreichischen Bildungssystem und die Bedeutung männlicher Lehrkräfte ..233 Autorinnen und Autoren.....................................................................................................247
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Einleitung Ingelore Mammes/Jürgen Budde
Die aktuelle Diskussion um Geschlechtergerechtigkeit in der Schule wechselt ihre Perspektive. Galten bis in die 1990er Jahre hinein Mädchen als das benachteiligte Geschlecht, so scheinen jetzt Jungen Opfer einer Bildungsbenachteiligung zu sein. Dabei wird etwa der hohe Anteil an Schülern in Hauptschulen oder ihr geringerer Prozentsatz an den Gymnasien argumentativ angeführt und parallel der höhere Anteil der Mädchen an Gymnasien und ihre besseren Leistungen im Lesen dagegen gehalten. Dadurch erfährt der öffentlich geführte Diskurs eine Polarisierung, die eher einen „Geschlechterkampf“ zu fördern scheint, statt eine geschlechtergerechte Bildungsoffensive zu initiieren. Die Datenlage weist dagegen auf Geschlechterdifferenzen und Benachteiligungen beider Geschlechter hin. Mädchen zeigen zwar bessere Leseleistungen, Jungen liegen aber mit ihren physikalischen Leistungen vor denen der Mädchen. Es scheint daher notwendig, polarisierte Perspektiven zugunsten einer Chancengleichheit zu hinterfragen und problembesetzte Wirkmechanismen auf der individuellen, unterrichtlichen, schulkulturellen und strukturellen Ebene zu ergründen, um so intervenierend Unterstützung bei der Ausbildung von Chancengleichheit gewähren zu können. Dafür ist es notwendig, die bisherige wissenschaftliche Durchdringung der Problematik zu ergänzen und den Fokus vor allem auf die Jungen zu richten. Soviel Aufmerksamkeit das Thema „Jungen und Bildung“ in den Medien auch genießt, so wenig durchdrungen scheint jedoch das Forschungsgebiet. Hat sich in den letzten Jahren, ausgehend vom englischsprachigen Raum, zwar auch in Deutschland eine stetig wachsende Forschungslandschaft zum Thema Männlichkeit und Bildung entwickelt, so fehlt bislang ebenso eine institutionelle Verankerung von Jungenforschung, wie eine Vernetzung der unterschiedlichen Aktivitäten. Auch mangelt es aktuell noch an theoretischer Fundierung; da sich die vorherrschenden Bezüge auf das Konzept hegemonialer Männlichkeit von Connell angesichts der Transformationen innerhalb der Ordnung der Geschlechter als zunehmend unpräzise erweisen. Des Weiteren fehlt Jungenforschung häufig ein systematischer Bezug auf die institutionelle Rahmung durch die Schule. In zahlreichen, meist rekonstruktiven Studien werden Freundschaftsbeziehungen, Peer-Interaktionen, Berufsorientierung und Heteronormativität ausgeleuchtet, inwieweit die institutionelle Rahmung, die Didaktik, die spezifische soziale Situation in der Schule und die Geschlechterkonstrukte von Lehrkräften Einfluss auf das Bildungsverhalten von Jungen haben, ist jedoch noch weitestgehend unerforscht. Der vorliegende Band will auf diese Forschungsdesiderate eingehen, indem er mit den versammelten Beiträgen Perspektiven von Jungenforschung im Anschluss an das Habituskonzept aufzeigt und empirische Bezüge zwischen Schule, Jungen und Peerkultur herstellt. Die nationale Perspektive wird dabei um eine internationale ergänzt, um dadurch einerseits einer längeren Tradition der Jungenforschung in anderen Ländern Rechnung zu tragen und andererseits nach Parallelen, Differenzen und Lösungen über die eigene Perspektive hinaus 7
zu fragen. Daher erfolgt in einem ersten Teil eine theoretische Rahmung, welche in einem zweiten Teil durch empirische Grundlegung anhand von Studien zur Jungenforschung in Deutschland ergänzt wird. Im dritten Teil des Buches wird die Perspektive dann international ausgeweitet, in dem Beiträge aus Großbritannien, Schweiz, Kanada, Österreich, Norwegen und Japan die jeweilige Situation des Geschlechterdiskurses in ihren Ländern vorstellen. Die Beiträge innerhalb der einzelnen Teile sind dabei auf einander abgestimmt geordnet. Der Beitrag von JÜRGEN BUDDE und INGELORE MAMMES konzentriert sich auf die aktuelle Diskussion um Jungenforschung und die darin fehlende theoretische Fundierung. Sie kritisieren, dass zahlreiche Publikationen verkürzt bleiben und der gängigen Perspektive einer männlichen Benachteiligung auf der Basis dargelegter Daten und Fakten folgen. Für Jungenforschung ist es aber unabdinglich, Forschungen vor dem Hintergrund eines Männlichkeitskonzepts zu betreiben. Aus diesem Grund setzt sich der Beitrag kritisch mit dem Konzept hegemonialer Männlichkeit auseinander und votiert für einen stärkeren Bezug auf das Kapitalienkonzept bei Bourdieu. MARIA ANNA KREIENBAUM hinterfragt in ihrem Beitrag die Gültigkeit des aktuellen Geschlechterdiskurses und seine Polarisierung auf Jungen als Verlierer des Bildungssystems. Dabei kritisiert sie die durch internationale Schulleistungsvergleichstests argumentierende Perspektive auf die Benachteiligung der Jungen als Verschleierung einer tieferliegenden Problematik. So diskutiert die Autorin unterschiedliche Ursachen als Hintergründe des vorherrschenden männlichen Habitus und skizziert dabei vor allem die Lehrerbildung und ihre Konsequenzen als an diesem Prozess beteiligt. INGELORE MAMMES setzt sich in ihrem Beitrag mit der Verschiebung der Perspektiven im Geschlechterdiskurs und ihrer Berechtigung auseinander. Dabei geht sie von einem historischen Rückblick in die Genderdiskussion aus und versucht mittels aktueller Daten die Ansprüche eines Perspektivwechsels kritisch zu beleuchten. Einflussfaktoren auf die Ursachen von Geschlechterdifferenzen werden erklärt, welche gleichzeitig die Basis der Frage nach geschlechtergerechtem Unterricht bilden. RUTH MICHALEK eröffnet die Darstellung empirischer Befunde aus dem deutschsprachigen Raum und kritisiert in ihrem Beitrag das Fehlen einer Tradition der Jungenforschung sowie einen daraus resultierenden Mangel grundlegender Studien. Dabei leistet die Autorin selbst einen Beitrag zur Behebung dieses Missstandes, indem sie ergründet, welche Geschlechtervorstellungen Jungen im Grundschulalter haben. Hierfür verwendet sie das Verfahren der Gruppendiskussion, in dem je vier bis sechs Schüler als Experten befragt werden. Innerhalb des Beitrags stellt Ruth Michalek zwei Gruppen und die aus der Gruppendiskussion ermittelten Ergebnisse vor. JÜRGEN BUDDE greift die theoretische Rahmung des Bandes mit seinem Beitrag wieder auf und kritisiert eine fehlende theoretische und empirische Grundlegung für die These der Jungen als Bildungsverlierer. Gleichzeitig hinterfragt er, inwieweit die aktuell vorherrschende Schulkultur Einfluss auf die Ausbildung eines traditionellen männlichen Habitus nimmt und stützt seine Ausführungen dabei auf Ergebnisse einer ethnographischen Untersuchung. Der Autor argumentiert, dass sich tradierte Männlichkeitspraktiken zwar im Kontext Schule je nach Feld als nachteilig erweisen können, aber an anderen Orten positiv bewertet werden. HANNELORE FAULSTICH-WIELAND thematisiert in ihrem Beitrag die Rolle der männlichen Lehrkräfte in der Konstruktion von Geschlecht bei Jungen. Fußend auf der aktuellen 8
Diskussion um fehlende Lehrer als Vorbilder für Schüler, hinterfragt sie am Beispiel einer Studie deren Vorbildwirkung. Dabei erhebt sie die Konstruktion von Geschlecht innerhalb der Interaktionen im Klassenzimmer, indem sie mit Hilfe von ethnographischen Protokollen den Unterricht dokumentiert. Die Ergebnisse zeichnen ein interessantes Bild bezüglich der Geschlechterkonstruktion in Beziehung zu männlichen Lehrkräften. ANDREAS KREBS diskutiert in seinem Beitrag die sozialen Erlebnisse von Jungen mit schulischen Peers und ihr damit einhergehendes inneres Erleben in der Bedeutung für ihr psychisches Wohlbefinden. Dabei kommen in einer qualitativ-empirischen Studie vielfältige persönliche Erfahrungen zur Sprache, die subjektiv beeinträchtigend-belastende bzw. wohltuend-entlastende Wirkung haben. Es zeige sich, dass Ärger, Verunsicherung oder Unbehagen in negativen Gruppensituationen und schwierigen zwischenmenschlichen Kontakten mit Peers für Jungen schulalltägliche Erfahrungen sind. Sie führen zu schulischsozialem Stress, dessen Bewältigung für Jungen als geschlechtsspezifische Aufgabe erachtet wird. Positive psychosoziale Erfahrungen, die ihr schulisches Wohlbefinden stärken, machen Jungen vor allem mit ihren Schulfreunden. Damit regt der Autor an, das entwicklungsförderliche Potenzial von Jungenfreundschaft stärker zu berücksichtigen. HEIKE GROßKURTH und BIRGIT REIßIG fokussieren in ihrem Beitrag den Übergang von der Schule in die Arbeitswelt. Dabei gehen sie davon aus, dass Benachteiligungen der Geschlechter Auswirkungen auf die Arbeitsmarktpräsenz haben und fragen nach spezifischen weiblichen oder männlichen Übergangswegen von der Schule in den Beruf. Dafür rekrutieren sie Daten aus dem Übergangspanel des deutschen Jugendinstituts, welches längsschnittlich angelegt ist. Die Ergebnisse werfen weitere Forschungsfragen auf. MARGRET STAMM eröffnet die internationalen Beiträge. Sie diskutiert die Frage nach dem Underachievment von Jungen im Schulsystem. Dabei kritisiert sie das Fehlen hinreichender Literatur zum Thema Schulversagen und verweist in Anlehnung an Großbritannien, Australien und Kanada auf eine Begriffsverwendung, die in diesen Ländern nicht wie in Deutschland das Versagen in der Schule dem Lernenden anlastet, sondern Schüler dann als Underachiever bezeichnet werden, wenn sie von der Schule nicht entsprechend ihren Möglichkeiten gefördert oder aufgrund einer Risikogruppenzugehörigkeit an ihrer Entwicklung gehindert werden. Daher will die Autorin mit spezifischem Blick auf die deutschsprachige Debatte in ihrem Beitrag hinterfragen, ob es ein typisches Schulversagen bei Mädchen und Jungen gibt und vor allem, welche Kontextfaktoren eine Rolle spielen, um so die Komplexität des Schulversagens bei Jungen zu unterstreichen. Der Beitrag von ANN PHOENIX, ROB PATTMANN, ROSALEEN CROGHAN, CHRISTINE GRIFFIN und JANINE HUNTER führt weiter in die internationale Perspektive ein und untersucht, inwieweit Konsum auf der symbolischen Ebene zentral für die Herstellung und Ausgestaltung von Männlichkeit ist. Basierend auf einer britischen Interviewstudie mit SchülerInnen im Alter von elf bis 18 Jahren zeigen die AutorInnen, dass Jungen Konsum benutzen, um sich von Mädchen und anderen Jungen abzugrenzen und so ihre Inklusion in normative Männlichkeit sicherzustellen. Jungen wie Mädchen sind an der Aufrechterhaltung von Geschlechterdifferenzen in Bezug auf Konsum beteiligt. Jungen arbeiten hart daran, um sich in Opposition zu Mädchen zu konstruieren. Allerdings zeigt die Diskussion um Konsum ebenfalls, dass Jungen bei der Aufrechterhaltung der Distinktionen in prekäre Positionen geraten können. MARY JANE KEHILY fragt in ihrem Beitrag vor dem Hintergrund internationaler Schulleistungsvergleichsstudien danach, wie sich Männlichkeit in schulischen Peer-Kulturen 9
manifestiert. Dabei zeigt die Autorin auf, welche Elemente diese Männlichkeit generieren. Sie führt neben Humor und Konkurrenzspielen auch Homophobie an. Die durch diese Elemente angereicherte Männlichkeit verweist aber auch gleichzeitig auf die Fragilität des Männlichkeitskonstrukts, welches daher durchgängig in der Peer-Kultur geltend gemacht werden muss. STEPHEN FROSH, ANN PHOENIX und ROB PATTMANN betrachten in ihrem Beitrag die Ausbildung verschiedener männlicher Identitäten aus der Perspektive der psychotherapeutischen Arbeit mit jungen Männern und führen ihre Entwicklung im Wesentlichen auf ein Spannungsverhältnis aus sozialem und persönlichen Diskurs zurück. Dabei scheinen zwei Aspekte für die Autoren wesentlich bei der Ausbildung einer männlichen Identität zu sein. Daher verweisen sie einerseits auf die Beziehung der Söhne zu ihren Vätern und andererseits auf den Einfluss des sozialen Diskurses über Homosexualität. Auch in Kanada zeichnen Politik und Medien ein Bild der Jungenkrise. Bildungspolitische Forderung ist daher, einerseits Lehrpläne und Curricula jungenfreundlicher umzusetzen und andererseits mehr männliche Lehrkräfte in den Schulen zu implementieren, um dadurch die ‚Feminisierung der Schule’ zu durchbrechen. Anliegen von WAYNE MARTINO und GOLI REZAI-RASHTI als Autoren dieses Beitrags ist es daher, zu hinterfragen, welchen Einfluss das ‚role modeling’ auf die Ausbildung von Geschlechteridentitäten hat. Dabei beziehen sie sich auf die zu diesem Sachverhalt bestehende Literatur und rekrutieren Daten aus einer in Toronto von ihnen durchgeführten Studie. Insgesamt zeichnen sie ein sehr differenziertes Bild vom Einfluss des ‚role modelings’ insbesondere unter Berücksichtigung von Ethnizität. HERIETT BJERRUM NIELSEN zeigt eine norwegische Perspektive auf. Ihr Beitrag fokussiert den Einfluss des „Nordic gender equality regime” auf die Entwicklung von Geschlecht, insbesondere Männlichkeit. Dabei beschreibt die Autorin Einflüsse der veränderten Familienstrukturen durch Aufbrechen der bisher traditionellen Rollenverteilungen auf Kinder und Jugendliche. Hierzu rekrutiert sie Daten aus einer von ihr durchgeführten Langzeiterhebung, in der sie Kinder vom ersten Schuljahr an neun Jahre regelmäßig beobachtet und interviewt hat. Die Datenlage zeigt ein differenziertes Bild. HISAO IKEYA stellt in seinem Beitrag die Probleme der Jungen im heutigen Japan da. Dabei bezieht er sich auf wesentliche Problemfelder der japanischen Jugendkultur. Er benennt die Kultur der Gewalt, die durch bildungspolitische Bestrebungen noch Unterstützung findet, sowie die Verunsicherung der männlichen Jungendlichen durch die Konstruktion verschiedener Männlichkeiten. Aber auch die Aneignung notwendiger Kompetenzen für den Umgang in der Peer Kultur versteht der Autor als Problem der Ausbildung einer stabilen Männlichkeit. CLAUDIA SCHNEIDER schließt den Band ab. Sie diskutiert in ihrem Beitrag die Gültigkeit der aktuell auch in Österreich geführten Diskussion um Jungen als Bildungsverlierer und Mädchen als Bildungsgewinner. Dabei hinterfragt die Autorin den aus dieser Diskussion entlehnten Anspruch auf die Forderung nach einer Erhöhung des Anteils männlicher Lehrkräfte. Sie eröffnet unter Einbeziehung zahlreicher empirischer Studien besonders aus dem anglo-amerikanischen Raum eine neue Perspektive auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit männlicher Lehrkräfte und schließt ihren Beitrag mit einem österreichischen Beispiel des „undoing gender“. Insgesamt leisten alle Beteiligten einen wichtigen Beitrag zur Zielsetzung des Buches und erweitern damit bestehende Perspektiven in der Jungenforschung. Wir möchten uns 10
daher bei allen AutorInnen für eine differenzierte Fortführung des Genderdiskurses bedanken. Auch gilt unser Dank Barbara Schneider für die Unterstützung besonders bei Übersetzungen, Franziska Spörl für die Hilfe bei der Erstellung des Layouts sowie dem VS Verlag für die kompetente und geduldige Beratung. Besonderer Dank geht an Sonja und Ole für all die Unterstützung sowie anregenden Diskussionen und an den kleinen Juri für die spannenden Ablenkungen von der Arbeit an diesem Buch. Halle, Juni 2009
Ingelore Mammes und Jürgen Budde
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Theoretische Grundlinien
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Positionen und Perspektiven von Jungenforschung Jürgen Budde/Ingelore Mammes
Abstract “Positions and Perspectives of Research on Boys” This contribution focuses on the current debate on research on boys in which a theoretical discussion is missing. Numerous studies on gender contain an abbreviated discourse. Thus, research on boys still has to develop its own profile. In addition to that, the authors show the need for a theoretical conception of masculinity as a basis for research on boys. Einleitung Drei Jahre ist es her, seit der Band „Kinder: Geschlecht männlich. Pädagogische Jungenforschung“ erschienen ist, der zumindest begrifflich den Startpunkt für Jungenforschung als Teildisziplin der erziehungswissenschaftlichen Geschlechterforschung in Deutschland markiert. In der Einleitung formulierten die AutorInnen den Anspruch, mit Jungenforschung den Blick auf „die Innenperspektive“ von Jungen zu richten und weisen auf mehrere problematische Annahmen von Jungenforschung hin, die auch heute noch aktuell erscheinen (vgl. Schultheis et al. 2006: 7). Erstens kann der Blick auf die Unterschiede von Jungen gegenüber Mädchen Gemeinsamkeiten verschleiern. Zweitens ist es problematisch, wenn sich Jungenforschung nur auf die Defizite von Jungen konzentriert und drittens besteht die Gefahr, Jungen als Gruppe zu homogenisieren. Dabei hat gerade die Zuspitzung des Diskurses um die Jungen als die Bildungsverlierer diese Problematiken noch verschärft (vgl. Lenzen 2009). In den letzten Jahren hat Jungenforschung größere Verbreitung gefunden, von einer Etablierung in Form von Geldern oder Stellen an Universitäten kann jedoch noch keine Rede sein. Auch wird eine theoretische Auseinandersetzung bislang noch kaum geführt. Zwischen hoch elaborierten Gender Studies, dem verkürzenden Diskurs um Jungen als Bildungsverlierer, den Erwartungen aus der schulischen Praxis und der Forderung nach einem heterogenitäts- und intersektionalitätsorientierten Ansatz ist Jungenforschung erst dabei, ihr eigenes Profil zu erarbeiten. Werden jedoch die vorliegenden Arbeiten zur Jungenforschung gesichtet, können mehrere Punkte als gemeinsame Basis angenommen werden: x x x x
die Annahme der sozialen Konstruktion von Geschlecht und Männlichkeit und die Zurückweisung ontologisierender Konzeptionen, die Priorisierung rekonstruktiver Forschungsverfahren und damit der Blick auf Individuen, Interaktionen und Praktiken, die Annahme von unterschiedlichen Männlichkeiten, sowie ein (macht-)theoretischer Bezug auf Connells Konzept hegemonialer Männlichkeiten und Bourdieus Überlegungen zum männlichen Habitus.
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Auffällig ist jedoch, dass vielen Beiträgen bislang eine unscharfe und verkürzte theoretische Konzeption von Männlichkeit zugrunde liegt und dieses für die Weiterentwicklung von Forschung und Praxis zunehmende Schwierigkeiten aufwirft. Zugespitzt wird dies durch die aktuellen Transformationen in der ‚Ordnung der Geschlechter’, die neben dem Verlust vermeintlich selbstverständlicher Privilegien – wie z.B. höhere Schulabschlüsse – vor allem zu einem Wegbrechen des stabilsten Fundaments von Männlichkeit in den westlichen Industrienationen führt – nämlich dem männlichen Alleinernährermodell – und deren Konsequenzen u.E. in der Jungenforschung, aber auch in der Männlichkeitsforschung sowie in der pädagogischen Praxis überhaupt nicht hinreichend berücksichtigt werden. Denn die zunehmende Erosion des Normalarbeitsverhältnisses als zentrale Definitionsbastion von Männlichkeit zieht eine Reihe von Veränderungen in der Konzeptionierung von Männlichkeit nach sich, die bislang noch kaum reflektiert werden. Problematisch – und in der bisherigen Jungenforschung kaum aufgelöst – sind vor allem zwei Aspekte. Zum einen ist ungeklärt, wie plurale und vielfältige Formen von Männlichkeiten mit einer einheitlichen Vorstellung von Männlichkeit zusammengebracht werden kann. Die Ambivalenz von Pluralität und Eindeutigkeit fordert auch die Jungenforschung heraus. Zum anderen stellt sich zunehmend die Frage, welche Konzeption von Macht zugrunde gelegt wird. Die Analyse, dass Männlichkeit Zugriff auf Privilegien heißt und Männer deswegen die Profiteure im Geschlechterverhältnis sind, verträgt sich zunehmend weniger mit aktuellen gesellschaftlichen Transformationen, welche die Dominanz hegemonialer Männlichkeit zunehmend in Frage stellen. Theoretische Grundlagen von Jungenforschung Theoretischer Hauptreferenzpunkt der Jungenforschung sind die Arbeiten von Raewyn Connell, in denen sie die Binnenrelationen zwischen unterschiedlichen Konzepten von Männlichkeit beleuchtet, indem sie zwischen hegemonialer, komplizenhafter, untergeordneter und marginalisierter Männlichkeit unterscheidet (vgl. Connell 1999; Budde 2005). Wichtig ist es ihnen, ontologische Bestimmungen von Männlichkeit zurückzuweisen: „Über Männlichkeit als ein und dasselbe Wesen quer durch die Unterschiede von Ort und Zeit zu reden“, so hat Connell bereits 1995 festgestellt, „bedeutet einen Abstieg ins Absurde“ (Connell 1995: 30). Die Praktiken, mit denen Jungen die Binnenrelation zwischen diesen Handlungsmustern herstellen, lassen sich als „doing masculinity“ (Budde 2006) beschreiben. Was dabei jeweils hegemoniale Männlichkeit ausmacht, ist keineswegs festgeschrieben, sondern immer Produkt gesellschaftlicher Kämpfe und insofern instabil. Entsprechend finden sich viele Untersuchungen, die die Konstruktion von hegemonialer Männlichkeit in ihren unterschiedlichen Arenen rekonstruieren. Dies können Männlichkeiten beispielsweise in unterschiedlichen männlichen Milieus (Meuser 1998), in Männerbünden (vgl. Blazek 1999), beim Militär (Klein 2003) oder in Fußballstadien (Spitaler/Kreisky 2006) sein. Andererseits richtet sich der Blick des Öfteren auf die konträren Kategorien der marginalisierten oder untergeordneten Männlichkeit, wie „die neuen Männer“ (Pech 2002) oder „Männlichkeit und Migration“ (Bohnsack 2001). Unterbelichtet bleiben die Herstellungsmechanismen „in der Mitte“ von Männlichkeit, also jene Interaktionsprozesse, die der Herstellung von komplizenhafter Männlichkeit dienen.
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Pierre Bourdieu prägte den Begriff des Habitus, der in der Jungenforschung ebenfalls breit aufgegriffen wird. Der Habitus ist nach Bourdieu eine Art „gesellschaftlicher Orientierungssinn“ (Bourdieu 1982: 728), der situationsangemessenes Verhalten ermöglicht, ohne dieses permanent bewusst zu reflektieren. Der Habitus stellt eine Vermittlungsinstanz zwischen gesellschaftlichen Strukturen und der subjektiven oder kollektiven sozialen Praxis dar. Habitusformen wirken als „strukturierte und strukturierende Strukturen“ (Bourdieu 1976: 165). Je nach Feld finden sich dabei unterschiedliche Habitus. Anhand seiner Untersuchungen in Algerien argumentiert Bourdieu, dass sich der männliche Habitus in erster Linie auf die Dichotomizität von Geschlecht stützt. So ist Geschlecht bei den von ihm untersuchten Kabylen die zentrale Kategorie zur sozialen Unterscheidung, wobei hier die strikte Dichotomie von Männlichkeit (hart, außen, hoch) und Weiblichkeit (weich, innen, unten) nach Bourdieu eine Art Präzedenzfall für Geschlechterverhältnisse darstellt (vgl. Bourdieu 2005; Brandes 2002; Meuser 1998). Pluralität und Eindeutigkeit Die Bezugnahme auf Männlichkeit in der Jungenforschung erweist sich als problematisch: Handelt es sich bei dem Konstrukt einerseits um ein soziologisch-abstraktes Konzept, welches sich wissenschaftlich rekonstruieren lässt, so ist Männlichkeit andererseits auf der individuellen Ebene der Subjekte entscheidend, weil jede Person unter anderem durch vergeschlechtlichende Prozesse konstituiert wird und die Annahme einer ‚männlichen Identität’ in geschlechtlichen Sozialisationsprozessen Sicherheit und Orientierung bietet. Diese doppelte Verwendung bereitet Probleme bei der Analyse. Ist Herstellung von Männlichkeit gleichzusetzen mit dem, was Jungen/Männer tun? Diese Vorstellung ist einleuchtender Weise unhaltbar, da das individuelle Verhalten von Jungen ebenso variationsreich ist wie das von Mädchen und somit nicht zur Beschreibung von „doing masculinity“ taugt. Oft wird aus diesem Grund auf Facetten wie Sportlichkeit, Technikbeherrschung, Heterosexualität (vgl. Jösting 2005), Homosozialität (vgl. Meuser 2002), Humor, Statussymbole und Hart-sein (vgl. Phoenix/Frosh 2005), Junge-Sein, über Mädchen sprechen und Sport (vgl. Michalek 2006), oder Souveränität (vgl. Budde 2005) Bezug genommen. Allerdings kann auch so das Dilemma nicht gelöst werden, durch die zugrunde gelegten Analysefacetten eine Definition von Männlichkeit quasi „vorweg“ zu nehmen. Meist rekurrieren die Facetten auf Aspekte hegemonialer Männlichkeit, die den Jungen dazu dienen, ihre Männlichkeit abzusichern. Nicht berücksichtigt wird jedoch, dass es eine ganze Reihe von Jungen gibt (vermutlich sogar die Mehrzahl), die sich nicht an diesen Bildern orientieren wollen oder können oder für die ganz andere Vorstellungen von Männlichkeit gültig sind. Unberücksichtigt bleibt auch, dass Jungenleben mehr ausmacht als die Herstellung von Männlichkeit. Aus der dekonstruktivistischen Richtung kommt deswegen der Vorschlag, den Begriff Männlichkeit als Analysebegriff aufgrund seiner theoretischen Unterfundierung zugunsten der Kategorie Heteronormativität fallen zu lassen, da diese relationales Denken zulasse. Die Beschränkungen von Männlichkeit als analytisches Konzept lassen sich beispielhaft anhand der Bedeutung von und dem Umgang mit Schmerz bei schlagenden Korpsstudenten, Transsexuellen sowie SM-Praktizierenden aufzeigen (vgl. Degele 2007). Bei all diesen Gruppen steht das Erleben von körperlichen Schmerzen konstitutiv für hegemoniale Männlichkeit. Gleichzeitig findet sie in allen Gruppen Äußerungen von Schmerz, die auf ein männlich17
keitskritisches Potential verweisen, beispielsweise die offene Trauer eines schlagenden Studenten über den Tod seiner Mutter oder die passive Rolle eines heterosexuellen SMpraktizierenden Mannes. Dies kann kontrastiert werden durch die Überlegung, dass das Aushalten des Geburtsschmerzes gerade als konstitutives Element von Weiblichkeit fungiert. Entsprechend plädiert Degele dafür, „Männlichkeit als forschungsleitenden Begriff zu verabschieden. […] Männlichkeit ist ein deskriptiver Begriff des Alltagswissens, der die Last der binären Differenzierungen und Hierarchisierungen mit sich trägt. Er eignet sich, um Klischees zu reproduzieren und nicht genau hinzuschauen. Als theoretischer Bezugspunkt eignet sich der Begriff der Heteronormativität besser“ (Degele 2007: 39). Judith Butler hat in diesem Zusammenhang den Begriff der „heteronormativen Matrix“ (1995) geprägt, der verdeutlicht, dass die Bezogenheit der beiden legitimen Geschlechter als (meist diskrete und unsichtbare) Norm funktioniert. Das heißt in der Konsequenz, dass Männlichkeit nicht vorauszusetzen ist, sondern entgegengesetzt aus den jeweiligen Kontexten – den „Feldern“ wie mit Bourdieu formuliert werden könnte – zu rekonstruieren ist. Macht und patriarchale Dividende Auch die in der Jungenforschung zumeist zugrunde liegende Konzeption von Macht im Anschluss an das Konzept der hegemonialen Männlichkeit von Connell ist nicht unproblematisch. Einerseits wird nach wie vor zu Recht angenommen, dass Männlichkeit Zugang zu gesellschaftlichen Privilegien verspricht: die vergeschlechtlichte Einkommensschere sowie der Anteil der Männer in Führungspositionen sprechen hier nach wie vor für die Gültigkeit diese Annahme. Andererseits zeigt in herausragender Weise der Diskurs um die Zusammenhänge von Bildungsmisserfolg und Geschlecht, dass dies längst nicht für alle Jungen und männlichen Jugendlichen gilt, bzw. dass sich die Orientierung an hegemonialen Leitbildern sogar als Bildungsnachteil erweisen kann (vgl. Budde 2009). Andererseits lernen viele Jungen in der Schule durchaus etwas fürs Leben – beispielsweise Selbstbewusstsein, Solidarität, Humor, Durchsetzungsfähigkeit oder Konkurrenzverhalten –, mit Bourdieu lässt sich formulieren, dass sie unter Geschlechterperspektive einen männlichen Habitus erwerben, der dazu führen kann, dass junge Männer im Übergang von der Schule in den Beruf im Durchschnitt tendenziell Vorteile haben. Vor allem mittel- und gut qualifizierte junge Männer wählen Berufswege, die bessere Verdienst- und Karrieremöglichkeiten bieten als die Berufswege von ähnlich qualifizierten jungen Frauen, wie sich z.B. an den gewählten Studiengängen zeigt. Anders sieht dies im unteren Qualifizierungssegment aus. Zwar herrscht auch hier bislang eine traditionelle Berufswahl vor, die damit zusammenhängende Orientierung auf Handwerk und Industrie kann sich jedoch perspektivisch als Nachteil für Jungen erweisen, da die Jobs in diesen Sparten an Bedeutung verlieren. Da der Habitus nach Bourdieu vor allem die Fortpflanzung sozialer Ungleichheit beschreibt, ist auch sein Erklärungsgehalt für die Erklärung von Brüchen und Transformationen deutlich eingeschränkt und aus diesem Grund für die Analyse der aktuellen Geschlechterverhältnisse einerseits unterkomplex und andererseits reifizierend. Denn die dichotome Geschlechtertrennung der kabylischen Gesellschaft taugt sicherlich als Präzedenzfall für Geschlechtergrenzen, als Analysemodell für die aktuellen sozialen und ökonomischen Transformationen und den damit einhergehenden Wandlungen in der Ordnung der Ge18
schlechter ist die Erklärungskraft deutlich geringer. Zwar ist Meuser zuzustimmen, dass von einer Krise der Männlichkeit in einer strengen Definition aktuell nicht die Rede sein kann (vgl. Meuser 2002), gleichzeitig sind die Veränderungen der Geschlechterordnung in den industrialisierten Ländern nicht zu übersehen, die dazu führen, dass die Konzeption der patriarchalen Dividende, wie sie Connell noch Ende der 1990er formuliert hat, heute fragwürdig erscheint. Welche patriarchale Dividende können Jungen ohne Schulabschuss einfahren? Auf welcher Ebene ist Männlichkeit für junge, gering qualifizierte Männer in ländlichen Regionen Ost- (und West-)Deutschlands ein Erfolg versprechendes Konzept? Hängen der berufliche Erfolg und die individuelle Souveränität von Jungen aus der so genannten Oberschicht mit Vergeschlechtlichungen zusammen, oder viel eher mit dem Milieu? Diese aktuellen Transformationen bedeuten keinesfalls, dass sich der Zusammenhang von Macht und Geschlecht heutzutage umgedreht hätte und nun Frauen die dominanten Positionen besetzten. Die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, die vergeschlechtlichten Karrierewege oder die symbolische Geringerwertigkeit weiblich kodierter Tätigkeiten belegen deutlich, dass männliche Hegemonie nach wie vor existent ist. Sie ist allerdings erstens nicht mehr unhinterfragbar, sie ist zweitens nicht in jedem Falle Erfolg versprechend und sie steht – dies ist für die Theoretisierung besonders kompliziert – drittens auch Frauen tendenziell offen, wenn diese beispielsweise im Beruf oder der Politik ‚ihren Mann stehen’. Unseres Erachtens lässt sich die These formulieren, dass einerseits noch gesellschaftliche Strukturen an Bedeutung gewonnen haben, die männlich geprägt sind, diese sich aber andererseits von Geschlechterzuschreibungen tendenziell entkoppeln. Zu den männlich geprägten Strukturen gehören Aspekte wie Konkurrenz, Autonomie und damit einhergehend soziale Entpflichtung, Mobilität, Flexibilität sowie Durchsetzungsfähigkeit, deren Verbreitung eng mit der Transformation des Wirtschaftsystems zu einem deregulierten marktökonomischen Modell zusammenhängen. In diesem Sinn kommt es nicht zu einem Abbau, sondern zu einer Verschärfung der Erwartungen. Gleichzeitig blieben diese Transformationen nicht ohne Auswirkungen auf den männlichen Habitus. Da Männlichkeit in traditionellen hegemonialen Verständnis u.a. im deutschsprachigen Raum nicht allein mit Erwerbsarbeit, sondern mit der spezifischen Form der Vollerwerbstätigkeit als Familienalleinernährer definiert wird, kann vermutet werden, dass die aktuellen Umbrüche – die nicht zuletzt durch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise weiter verschärft werden dürften – und die damit einhergehende fortschreitende Unrealisierbarkeit dieses Modells gravierende und noch nicht abschätzbare Folgen auch für die Konzeption von Männlichkeiten haben wird. Sicherlich ist gerade die Berufsorientierung und -wahl stark von Geschlechterstereotypen beeinflusst, aber zum einen mehren sich die Anzeichen, dass auch auf dem Arbeitsmarkt Transformationen zuungunsten von Männern einsetzen und zum anderen können kapitalienstarke Frauen ebenfalls berufliche Karriere machen und ihren beruflichen Plänen nachgehen. Connell hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die „transnational business masculinities“ (2000: 52) als neue globalisierte hegemoniale „configuration of practice“ (Handlungsmuster) anzusehen sind, die auch für gut ausgebildete Frauen aus höheren sozialen Milieus attraktiv (und/oder erwartet) sind. Karriere hemmend erweist sich die Notwendigkeit, Verantwortung für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu übernehmen. An diesem Punkt verstärken sich traditionelle Geschlechterarrangements. Anders sieht dies in unteren gesellschaftlichen Milieus aus. Während einige Männer aus pragmatischen Grün19
den familiäre Tätigkeiten übernehmen, findet sich bei vielen marginalisierten Männlichkeiten eine Tendenz zur Re-Maskulinisierung und zur Überbetonung des Familienernährermodells trotz (oder gerade wegen) der prekären Lebenssituation (vgl. Scholz 2007). Gleichfalls entsprechen nicht alle Jungen und Männer dem tradierten hegemonialen Leitbild, sondern viele stehen diesem distanziert gegenüber, da in ihren spezifischen Habitus prägenden Kulturen andere, evtl. subtilere Formen von hegemonialer Männlichkeit wirken. Die bisherige Engbindung hegemonialer Männlichkeit an Körper gebundene Attribute wie Stärke, Gewalt, Raumdominanz etc. fokussiert vor allem auf die so genannten Unterschichten, während in höheren sozialen Schichten der Manager und im Akademikerkreisen möglicherweise der „scharfgeistige Intellektuelle“ als Leitfigur hegemonialer Männlichkeit gilt. Für die Männlichkeitsentwürfe in den alternativen Milieus mit hohem kulturellem Kapital wiederum kann angenommen werden, dass sich diese gerade durch ihre Distinktion vom hegemonialen Typus „alter Schule“ auszeichnen. Der Verzicht auf personale Gewalt bedeutet aber nicht, dass diese Positionen deswegen machtlos wären. Im Gegenteil, die Gleichsetzung von Männlichkeit mit der Zur-Schau-Stellung Körper gebundener Attribute kann gerade dazu führen, die angesprochenen subtileren Machttechniken außer Acht geraten zu lassen. Somit sollten zukünftig je nach Feld und sozialem Milieu höchst unterschiedliche hegemoniale Männlichkeiten angenommen werden. Perspektiven Aus diesem Grund ist eine intersektionale Betrachtung von Männlichkeiten in der Jungenforschung unerlässlich (vgl. Busche/Cremers 2009). Die Vorstellungen von dem, was jeweils hegemoniale Männlichkeit ausmacht, sind milieuspezifisch aufgefächert. Es geht darum, die Verwobenheit von Männlichkeiten mit weiteren Kategorien sozialer Ungleichheit theoretisch wie empirisch stärker in den Blick zu nehmen (vgl. Lutz/Leiprecht 2005). Durch den Blick auf weitere soziale Kategorien kann die angesprochene Gefahr der Vereindeutlichung von Männlichkeit ebenso minimiert werden, wie eine problematische Gleichsetzung von hegemonialer Männlichkeit mit körperlicher Dominanz und personalem Profit. Zur Analyse werden Kriterien diskutiert, die in besonderer Weise relevant sind. Zu diesen werden meist sexuelle Orientierung, Milieu, Ethnizität und Gesundheit gezählt. Dabei ist Intersektionalität nicht als Aufaddierung unterschiedlicher Privilegien und Benachteiligungen zu verstehen, sondern als interpendente Relation. So stehen gerade jungen Männern aus der so genannten Unterschicht meist kaum mehr Ressourcen zur Verfügung, um Männlichkeit auszugestalten als ihr Körper. Auch Behinderungen und Männlichkeiten stehen in einem komplexen Verhältnis zueinander. Fokussierung auf Intersektionalität aus der Perspektive der Jungenforschung bedeutet auch, offen zu sein für Situationen und Kontexte, in denen Geschlechterdimensionen möglicherweise keine Rolle spielen, sondern andere Kategorien „oben auf“ liegen. So können Distinktionspraktiken von Gymnasiasten durch Statussymbole (vgl. Budde 2005, Phoenix/Frosh 2005) zwar der Herstellung von Männlichkeit dienen, ebenso plausibel erscheint jedoch die Interpretation im Sinne von „doing class“. Welche Dimensionen „oben auf“ liegen, sollte u.E. sorgfältig und zurückhaltend interpretiert werden, um nicht reifizierend zu wirken. So hängen territoriale oder schuloppositionelle Praktiken einiger männlicher Jugendlicher mit türkischem Hintergrund, nicht mit ethnisierten, sondern mit milieuspezifischen Habitusausprägungen zusammen (vgl. Potts/Kühne20
mund 2008). Im Vordergrund rekonstruktiver Jungenforschung sollten Bezugnahmen des Feldes und/oder der Akteure selber stehen. Zur theoretischen Untermauerung des Intersektionalitätsansatzes eignet sich u.E. vor allem das Kapitalienkonzept von Bourdieu in herausragender Weise. Das Kapitalienkonzept ist deswegen besonders geeignet, da mit ihm soziale Ungleichheiten analysiert werden können, ohne das Privilegien oder Nachteile aufgrund fester Kategorien vorausgesetzt werden müssen. Anstatt von einer Benachteiligung der Jungen oder von einer patriarchalen Dividende der Männer auszugehen, kann so soziale Ungleichheit in konkreten Situationen in den Blick geraten. Bourdieu versteht unter Kapital Vermögen, welches die Individuen mobilisieren können, wobei Vermögen hier in einem doppelten Sinne verwendet wird. Einerseits wird das Vermögen bezeichnet, welches jemand besitzt; andererseits auch das Können (im Sinne von: Jemand vermag, eine bestimmte Handlung zu vollziehen). Bourdieu unterscheidet vier verschiedene Kapitaliensorten, das ökonomische, das soziale, das kulturelle und das symbolische Kapital und schreibt dazu: „Das ökonomische Kapital ist unmittelbar und direkt in Geld konvertierbar und eignet sich besonders zu Institutionalisierung in der Form des Eigentumsrechts; das kulturelle Kapital ist unter bestimmten Voraussetzungen in ökonomisches Kapital konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in Form von schulischen Titeln; das soziale Kapital, das Kapital an sozialen Verpflichtungen oder ‚Beziehungen’, ist unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls in ökonomisches Kapital konvertierbar“ (Bourdieu 1992: 52f.).
Ähnlich wie bei unterschiedlichen Währungen gelten in verschiedenen Feldern unterschiedliche Wechselkurse. Für die Her- und Darstellung von Männlichkeit ist vor allem das symbolische Kapital von entscheidender Bedeutung. Nach Bourdieu bildet gerade dieses Kapital die Basis für die Geschlechterordnung, da diese vor allem symbolisch abgesichert werden muss. Das symbolische Kapital ist eine Form, in der die anderen Kapitalsorten zur Geltung kommen (Bourdieu 1998: 174). Der Besitz symbolischen Kapitals zeigt an, dass man ‚sich etwas leisten’ kann, es ist eine Art Vertrauensvorschuss, ein Zugeständnis an die Kreditwürdigkeit. Wer über genügend symbolisches Kapital verfügt, gilt als zugehörig zur hegemonialen oder komplizenhaften Männlichkeit. Als Perspektive für die Jungenforschung votieren wir aus diesem Grund für einen Bezug auf das Habituskonzept unter stärkerer Berücksichtigung des Kapitalienansatzes (vgl. Koller 2008). Die Stärke des Habituskonzeptes liegt in seiner „Brückenfunktion“ zwischen subjektiver und gesellschaftlicher Seite, es bietet aus diesem Grund einen hervorragenden Zugang zu den Lebensweisen und Deutungsmustern von Jungen und kann so die Positionierung im sozialen Raum von Jungen (oder Mädchen) erklären. Der soziale Raum ist dabei als mehrdimensionales Kräftefeld zu verstehen, in dem jedem Akteur bzw. jeder Gruppe von Akteuren eine bestimmte Position zukommt, die sich – unabhängig von ihren Intentionen und Selbstdeutungen – aus der jeweiligen Verteilung der verschiedenen Kapitalsorten ergibt (vgl. Bourdieu 1985). So eignet sich das Habituskonzept in hervorragender Weise für eine intersektionale Perspektive, da es erklärt, wie die Erfahrungen aufgrund der sozialen Lage zu einem inkorporierten Teil der eigenen Person und damit auch der vergeschlechtlichten Identität werden. Durch diese Überlegungen gelingt es, Männlichkeitspraxen in zweierlei Hinsicht durch Kontextbezüge zu differenzieren und so die Gefahr der Reifizierung zu minimieren: Zum ersten ergibt sich eine Kontextualisierung durch Fokussierung auf Habitus und Kapi21
talien. So können männliche Handlungsmuster zwischen individueller Disposition und gesellschaftlicher Positionierung vor dem Hintergrund sozialer Ungleichheiten verstanden und die aktuellen gesellschaftlichen Transformationen systematisch analysiert werden, und die soziale Hervorbringungsmacht unterschiedlicher Habitus in unterschiedlichen Milieus berücksichtigt werden. Zum zweiten ist eine Kontextualisierung innerhalb des konkreten sozialen Raums sinnvoll, da gravierende Unterschiede bestehen, je nachdem ob Jungen in ihrer Schule, in ihren Peers oder in ihren Familien erforscht werden. Die Betonung unterschiedlicher Männlichkeiten bedeutet somit auch, dass wir uns von der Vorstellung einer einzigen kohärenten Männlichkeitskonzeption in der gleichen Person verabschieden müssen. Der gleiche Junge kann (und wird) sich gegenüber seinen Geschwistern anders verhalten und andere Männlichkeitsinszenierungen für angemessen halten als gegenüber seinen FreundInnen, seinen Kontrahenten, dem Pfarrer, dem Iman oder seinen Großeltern, wenn diese ihren 80sten Geburtstag feiern. Entsprechend können Männlichkeitskonzeptionen nur verstanden werden, wenn sie in Bezug auf den Habitus und das konkrete Feld analysiert werden. Literatur Blazek, H. (1999): Männerbünde. Eine Geschichte von Faszination und Macht. Berlin: Links-Verlag. Bohnsack, R. (2001): Der Habitus der ‚Ehre des Mannes’. In: Döge, P./Meuser, M. (Hrsg.): Männlichkeit und soziale Ordnung: neuere Beiträge zur Geschlechterforschung. Opladen: Leske + Budrich. S. 49-71. Bourdieu, P. (1992). Die verborgenen Mechanismen der Macht. Hamburg: VSA-Verlag. Bourdieu, P. (1976): Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Bourdieu, P. (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Bourdieu, P. (1985): Sozialer Raum und Klassen. In: ders. (Hrsg.): Sozialer Raum und Klassen. Leçon sur la leçon. Zwei Vorlesungen. Frankfurt/Main: Suhrkamp. S. 9-45. Bourdieu, P. (1998): Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Bourdieu, P. (2005): Die männliche Herrschaft. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Brandes, H. (2002): Der männliche Habitus, Teil 2. Opladen: Leske + Budrich. Budde, J. (2005): Männlichkeit im gymnasialen Alltag. Bielefeld: Transcript. Budde, J. (2006): Doing gender – Doing masculinity. Männlichkeiten in schulischen Interaktionen. In: Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien, Jg. 23, H. 4, S. 68–78. Budde, J. (2009): Herstellung sozialer Positionierungen. Jungen zwischen Männlichkeit und Schule. In: Pech, D. (Hrsg.): Jungen und Jungenarbeit – eine Bestandsaufnahme des Forschungs- und Diskussionsstandes. Schneider-Verlag: Hohengehren. S. 153-165. Busche, M./Cremers, M. (2009): Jungenarbeit und Intersektionalität. In: Pech, D. (Hrsg.): Jungen und Jungenarbeit – eine Bestandsaufnahme des Forschungs- und Diskussionsstandes. SchneiderVerlag: Hohengehren. S. 13-30. Connell, R.W. (2000): Die Wissenschaft von der Männlichkeit. In: Männlichkeitsentwürfe. Wandlungen und Widerstände im Geschlechterverhältnis. Frankfurt/Main: Campus. S. 17–28. Connell, R.W. (1995): The Social Organization of Masculinities. In: dies (Ed.): Masculinities. Berkeley: University of California Press. P. 67-86. Connell, R.W. (1999): Der gemachte Mann. Opladen: Leske + Budrich.
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Die aktuelle ‚Jungen-Debatte’ – bildungspolitisch gewendet Maria Anna Kreienbaum
Abstract “The Current Debate on Boys – A Diversionary Tactic?” This contribution compares the current educational system in India to the 1960ies state of the German school system with regard to females. The author criticises that the current perspective on gender discussion on the basis of international studies seems to be a diversionary tactic claiming that it covers up the real reasons for the performance of boys. In her contribution Maria Anna Kreienbaum discusses various problems of the educational system for example teacher education and its consequences for school practice. Einleitung Eine Reise nach Indien im September/Oktober des Jahres 2008 war für mich zugleich eine Reise zurück in die 1960er Jahre meiner Kindheit, eine Reise in die Zeit als in Deutschland eine (räumliche) Trennung der Geschlechter allgegenwärtig war und dies einherging mit der Zuweisung unterschiedlicher Rollenstereotype, Lebenswege und -muster. In der Hauptstadt des Bundesstaats Jharkhand, in Ranchi, besuchte ich zahlreiche Schulen, Colleges und Kirchen. Eine Aufteilung der Sphären nach Geschlechtern ist überall sichtbar. Das Kirchenschiff teilt sich in eine Männer- und eine Frauenseite, die Schule ist entweder nur für Jungen oder Mädchen ausgerichtet – oder der Klassenraum weist eine Jungen- und eine Mädchenseite aus. Auch bei Besuchen in den Familien, wenn alle um einen Tisch sitzen, zeigt sich die Geschlechtertrennung: In den meisten Fällen essen die männlichen Familienmitglieder mit den Gästen, die Frauen nicht, sie bedienen. Entsprechend dem in der Kolonialzeit geprägten und immer noch am englischen Modell orientierten Bildungssystem werden hier Schuluniformen getragen, angepasst an die traditionelle Kleidung, z.B. weiße Hemden und grüne Hosen für Jungen, weiße Chassubles, weiße Hosen und grüne Schals für Mädchen. Nur sehr gelegentlich finden sich Mädchen in Jeans und T-Shirt, ab und zu auch mit kurzen Haaren, im Jahr 2008 allerdings deutlich mehr als bei meinem früheren Besuch im Jahr 2001. Indien ist ein Land mit vielen Gesichtern auf dem Weg, die Gleichberechtigung, die auch hier in der Verfassung verankert ist, im Alltagsleben zuzulassen. Wie war das in den 1960er Jahren in Deutschland? Vor dem Hamburger Abkommen gab es Volksschulen, wie sie bis ca. 1967 hießen. Vielerorts führten diese die Klassen sieben und acht nach Geschlechtern getrennt. Realschulen und Gymnasien waren vielfach, wenn auch nicht durchgängig, Mädchen- oder Jungenschulen. Zahlenmäßig kamen auf eine Mädchenschule zwei bis drei Jungenschulen. In den 1960er Jahren war die Abiturrate von Mädchen deshalb faktisch auf ein Drittel aller Abiturienten begrenzt. Mit der Bildungsexpansion änderte sich vieles: Gesamtschulen wurden eingeführt, beinahe alle öffentlichen
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Schulen wurden koedukativ1, die Veränderungen zeigten sich an vielen Orten des öffentlichen Lebens, in den Kirchen, den Medien wie in der Politik. Während Mädchen und Frauen in den Bildungsinstitutionen allmählich aufholten, gilt dies für die Berufsorientierung noch nicht in gleichem Maße. Lange und bis in die Gegenwart wählten und wählen Mädchen Berufe aus einer eingeschränkten Palette von etwa zehn Ausbildungsberufen: Verkäuferin, Bürokauffrau, Erzieherin, Bankkauffrau, Krankenschwester, Friseurin, Gehilfin für Anwälte oder Ärzte oder strebten eine Verwaltungslaufbahn an (vgl. Lemmermöhle 1994; Lemmermöhle et al. 1991-94; Lemmermöhle et al. 1996). Allmählich gelang es Frauen, die öffentlichen Räume mit zu besetzen. Im TV waren sie nicht mehr nur Vicco Torrianis Assistentin, sondern wie Wibke Bruhns erste Tagesschau-Sprecherin oder wie zunächst Gabriele Krone-Schmalz und später Sonia Mikisch Auslandskorrespondentinnen in Moskau. Kompetente Frauen in den Medien zu erleben, ist heute selbstverständlich: Sandra Maischberger, Marietta Slomka, Monika Lierhaus, Anne Will, sie und andere begegnen uns dort regelmäßig. Ihr Feld ist die Politik ebenso wie der Sport und die Kultur. In großen Wirtschaftsunternehmen und bei politischen Gipfeltreffen sind sie allerdings noch nicht in gleichem Maße sichtbar. Wie wurde dieser Wechsel erreicht? Wie gelang es, dass Gleichberechtigung keine Forderung, Ausnahme oder Bedrohung mehr ist, sondern weitgehend Normalität? Die sozialen Bewegungen, die in den 1960er Jahren aufblühten, brachten vielfältige Veränderungen mit sich. Spannten bislang die soziale Schicht, in die jemand hineingeboren wurde, sowie das Geschlecht und die ethnische Herkunft den Rahmen, in den ein Mensch hineinwachsen konnte, so wurden nun tradierte Rollen hinterfragt und mit neuen Mustern experimentiert. Neben der Frauenbewegung sind hier insbesondere die Behinderten- und die Integrationsbewegung zu nennen (vgl. Prengel 1993). Für die soziale Schicht hingegen ist hier kaum eine Veränderung eingetreten. Da diese Umbrüche im internationalen Kontext zu sehen sind und überall eine neue Zeit ausgerufen wurde, befruchteten sich die Ideen gegenseitig. Die Frauenbewegung in den 1970er und 80er Jahren lässt sich auch als Bildungsbewegung, als Experimentierfeld und als Entwicklungsagentur beschreiben: Als erst einmal Korsettstangen verbrannt und Schwangerschaftsabbrüche eingestanden waren, galt es so vieles nachzuholen: Frauen organisierten sich dezentral und vielfältig. In ihren Aktivitäten und Angeboten spiegelte sich die Bandbreite an Interessen und Talenten innerhalb der eigenen Geschlechtsgruppe wider: Organisiert wurden Kurse, um Autoreparatur und Fotoentwicklung zu lernen oder Massage. Politische Debattierzirkel, Theorie- und Schreibe-Gruppen, Ringvorlesungen und Tanzabende wurden veranstaltet, Buchläden, Beratungsstellen und Frauenhäuser eingerichtet, Publikationen verabredet und Redaktionskonferenzen abgehalten. In solchen Aktivitäten zeigte sich, dass Frauenleben viel mehr sein konnte als die bis dahin postulierten Tugenden von Anpassungsbereitschaft und geringem Aufstiegswillen zuließen. Lehrerinnen wurden davon ebenso erfasst wie Mütter, Studentinnen und Professorinnen. So gelang es, lange wirksame Bildungsschwellen und Vorurteile gegen Mädchen und ihre intellektuellen Potenziale allmählich zu überwinden. Damit einher ging die Akzeptanz der Gleichheit von Männern und Frauen. Die defizitorientierte Vorstellung, dass der Mann die Norm und die Frau das davon abweichende 1 Darstellungen der Entwicklung des Bildungswesens sind zahlreich erschienen (vgl. Metz-Göckel/Nyssen 1990, Kreienbaum/Urbaniak 2006, Kreienbaum 2008).
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‚Mindere’ oder ‚Andere’ sei, wurde zunächst abgelöst von differenztheoretischen Einschätzungen: Frauen und Männer sind unterschiedlich, aber gleichwertig. Erst allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass Individuen Eigenschaften besitzen und Vorlieben entwickeln, die sich in das zweigeschlechtliche Raster nicht einsortieren lassen. Menschen vorwiegend anhand ihres Geschlechts zu charakterisieren, ist unzulässig, weil es einen weiblichen oder männlichen Sozialcharakter nicht gibt (vgl. Bilden 2005). In den 1980er und 90er Jahren war die Zeit reif für die Gleichberechtigung. Alte Vorurteile wurden überwunden, Mädchen erschlossen sich neue Welten, holten auf, erreichten die Quoten der Bildungsabschlüsse der Jungen, überholten sie sogar. Die Emanzipation der Mädchen hatte mehrere ‚Motoren’. Hatten Männer bis dahin die Emanzipation der Ehefrauen nur halbherzig unterstützt und sie bei den häuslichen Pflichten nur zögerlich entlastet (vgl. Metz-Göckel/Müller 1986), so unterstützten jetzt die Väter ihre Töchter, nahmen Diskriminierungen wahr und traten gegenüber Lehrpersonen als Anwälte der Töchter auf. Zudem war die Emanzipation der Schülerinnen auch die Emanzipation der Lehrerinnen – zwischen diesen beiden Entwicklungssträngen gab es Wechselwirkungen, ein dynamisches Zusammenspiel und ein gegenseitiges Befruchten. Der ‚heimliche Lehrplan’ der Geschlechtererziehung, wie ihn zahlreiche empirische Studien (vgl. Stanworth 1983, EndersDragässer/Fuchs 1990) nachgewiesen haben, wurde mit ‚Empowerment’ überwunden. Davon künden die gut besuchten Tagungen der „Frauen und Schule – Bewegung“ (vgl. Kreienbaum/Urbaniak 2006) und nicht zuletzt die Leitungsaspirationen der Lehrerinnen. Die Devise der Frauenbewegung „Alles ist möglich“ erreichte auch sie. Die Aufstiegsbereitschaft von Schulleiterinnen, wie sie zuletzt von Mechthild von Lutzau (2008) untersucht wurde, zeigt sich darin, dass Frauen diese Aufgaben und Herausforderungen anstreben und gerne ausfüllen. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen möchte ich im Folgenden die aktuelle Debatte um Jungen als Bildungsverlierer und Männer als notwendige professionelle Begleiter aufgreifen und akzentuieren. Wenn wir heute alarmiert sind, weil Jungen im Bildungssystem nicht mehr nur die vorderen, sondern vermehrt die hinteren Plätze einnehmen und sogar ‚Verlierer’ zu sein scheinen, wird immer wieder die Vermutung geäußert, dass die Gleichberechtigung dazu geführt habe, dass die Jungen ins Hintertreffen geraten sind. Mädchen profitierten heute von dem ‚Vorurteil’, potenziell gute Schülerinnen zu sein, und die Tatsache, dass aktuell der Frauenanteil in den Schulkollegien den der Männer übertrifft, führe dazu, dass den Jungen männliche Vor- und Leitbilder fehlten (vgl. Beuster 2006 und, kommentierend, die Beiträge in diesem Band). Hier wird das Geschlecht oder das Geschlechterverhältnis zur Differenzlinie zwischen Bildungsgewinnern und Bildungsverlierern gemacht. Diese Problemanalyse greift zu kurz. Ich halte diese Zuspitzung, Jungen sind die Verlierer, für nicht zutreffend und möchte im Folgenden diese Position begründen. Mir erscheint die Debatte auch als Ablenkungsmanöver. Statt die vordringlichen gesellschaftlichen Ursachen in den Blick zu nehmen, wird erneut die Geschlechterfrage gestellt. Ich sehe den Forschungsbedarf eher auf anderem Gebiet. Will man tatsächlich den Schulerfolg aller verbessern, muss auf die Selektivität des Bildungswesens, auf die didaktischen Kompetenzen und das Professionsverständnis der Lehrkräfte sowie auf deren Rekrutierung und Ausbildung geschaut werden. Dies möchte ich im Folgenden tun und damit das Spektrum der Argumente erweitern.
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Die aktuelle Debatte um Jungen als Bildungsverlierer und der implizite Vorwurf an Frauen, daran mit Schuld zu sein, ist eine Rolle rückwärts in defizitorientiertes Denken (vgl. Kreienbaum 2007). Die Geschlechter werden dabei als einheitliche Gesamtgruppen entworfen, die sich von Grund auf unterscheiden. Nicht alle Jungen sind Verlierer – sie gehören immer auch zu den Besten. Beim Blick auf den Jungenanteil unter denen, die in der Schule scheitern und ohne Abschluss die Schule verlassen, sowie auf diejenigen, die bei Tests wie PISA nur die Kompetenzstufe I erreichen, wird oft übersehen, dass der Jungenanteil in den Gruppen der Erfolgreichen zugleich deutlich vorhanden ist. Knapp 50 Prozent eines jeden Abiturjahrgangs sind männlich. Im Studium sind Männer wie Frauen zahlenmäßig etwa gleich stark vertreten (bei durchaus sichtbaren Unterschieden in der Wahl der Studienfächer). Unter denen, die das Studium abschließen, liegen Männer vorn, bei den höheren akademischen Qualifikationen Promotion und erst recht bei der Habilitation sind sie deutlich in der Mehrheit. Auf attraktive und gut bezahlte Stellen werden sie immer noch eher berufen als Frauen. Auch die Ergebnisse der letzten PISA- und der IGLU-Studie zeigen, dass Jungen nicht pauschal Verlierer sind: x
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„Mädchen rechnen schlechter als Jungen. Mädchen lesen zwar besser als Jungen, aber in Mathematik werden sie von ihren Mitschülern immer noch abgehängt. Das trifft auf alle OECD-Staaten zu, allerdings ist der Abstand zwischen den Geschlechtern im Mathematikunterricht nur in Japan und Österreich größer als in Deutschland. In Island, Schweden und Frankreich rechnen Mädchen hingegen fast gleich gut wie Jungen“ (Taffertshofer 2007). Lesekompetenzen von Mädchen und Jungen im Vergleich: Bei einem Vergleich der Ergebnisse der beiden Erhebungszyklen von IGLU zeigt sich, dass sowohl Mädchen als auch Jungen im Jahr 2006 vergleichsweise bessere Leistungen aufweisen als im Jahr 2001. Mädchen in Deutschland können sich in IGLU 2006 um sechs Punkte verbessern. Jungen erreichen in IGLU 2006 insgesamt elf Punkte mehr als im Jahr 2001 (Bos et al. 2006: 28).
Es ist üblich, das Geschlecht als Merkmal anzuführen, um (Leistungs-)Unterschiede zu erklären. Auf den ersten Blick scheint sich eine Differenz so zu einem guten Teil aufzuklären. Der genauere Blick zeigt, dass diese vordergründige Annahme sich nicht bestätigt, und dass der Komplexität der Situation damit nicht Rechnung getragen wird. Die Grundschule ist besonders in die Kritik geraten, weil hier zu annähernd 90 Prozent Frauen unterrichten. Zugleich ist diese Schulform erfolgreicher in der Jungenförderung als weiterführende Schulen. Die Leistungen von Mädchen und Jungen driften hier noch nicht auseinander. Die Dominanz weiblicher Lehrkräfte an dieser „Gesamtschule“ führt offensichtlich nicht dazu, dass in den Leistungen von Mädchen und Jungen Schieflagen entstehen. Wenn also das Geschlechterverhältnis nur bedingt oder gar nicht als Verursacher taugt – wie lässt sich dann erklären, dass Jungen in der Schule scheitern oder unterdurchschnittliche Leistungen erbringen? Wenden wir uns anderen möglichen Ursachen zu. 28
Wie bedeutsam sind Unterrichtsqualität und Schulkultur? Könnte es sein, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen den didaktischen Kompetenzen der Lehrer und Lehrerinnen und dem Schulerfolg ihrer Schülerinnen und Schüler? Die Forschungen von Helmke (1989; 2007) legen das nahe. Allerdings fokussiert er nicht auf die wenig erfolgreichen Lehrkräfte, sondern auf die Besten: Anhand der Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler identifiziert er die leistungsstärksten zehn Prozent und charakterisiert sie bzw. ihren Unterrichtsstil. Er spricht hier von „Optimalklassen“. Die Veröffentlichung und Diskussion dieser Daten soll in der Praxis anregend wirken. Die Kehrseite, also die ‚glanzlosen’ oder defizitär geführten Klassen hingegen, werden bislang selten in den Blick genommen. Dabei ist anzunehmen, dass es neben den bestmöglichen und den durchschnittlichen auch die inakzeptablen gibt. Es ist zu vermuten, dass geringe didaktische Kompetenzen von Lehrpersonen dazu führen, dass die so unterrichteten Schülerinnen und Schüler weniger Förderung erfahren und – nicht zuletzt deshalb – eher scheitern. Die Grundschulen gelten als Schulen, in denen innovative Unterrichtskonzepte selbstverständlicher eingesetzt werden. Das bezeugt nicht zuletzt die Vergabe des Deutschen Schulpreises an die Grundschule Kleine Kielstraße in Dortmund 2006 und an die WartburgGrundschule in Münster 2008. In den weiterführenden Schulen divergieren die Leistungen sichtbarer. Hier scheitern vor allem Schülerinnen und Schüler aus niedrigen sozialen Schichten und solche mit Migrationshintergrund. Dass die ethnische Herkunft auf die Schulleistungen Einfluss hat, zeigen alle Bildungsstudien. Insbesondere wenn die Familiensprache nicht der Landessprache entspricht, wenn mehrere Schülerinnen und Schüler mit gleicher Herkunftssprache in einer Klasse zusammenkommen, miteinander türkisch, russisch oder arabisch sprechen, die Freizeit- und Medienwelten ebenfalls kein ‚Sprachbad’ in der Zielsprache zulassen, führt dies dazu, dass die deutsche Sprache mehr oder weniger ausschließlich im Unterricht zur Anwendung kommt und daher nicht auf dem Niveau beherrscht wird, das für den Schulerfolg notwendig ist. Die Maßnahmen, die in den letzten Jahren eingeführt wurden – etwa die Sprachkompetenzmessung bei den Vierjährigen, die Förderung der Sprachkompetenz vor Schuleintritt oder Pflichtkurse für alle angehenden Lehrerinnen und Lehrer in ‚Deutsch als Zweitsprache’ – werden erst auf längere Sicht zum Erfolg führen. So lange wird das Unterrichten dieser Schüler-Gruppe von vielen Lehrpersonen als Problem empfunden. Diehm und Radtke definieren Probleme als „Situationen, für die es (noch) keine Lösungen gibt“ (1999: 51f).. Wie gut sind Lehrerinnen und Lehrer auf ihre Aufgaben vorbereitet? Es mag also an den Standards der Ausbildung liegen, die lange auf eine entsprechende Qualifizierung angehender Lehrerinnen und Lehrer verzichtet hat, und an der Tendenz, das Problematische an der Situation zu ‚verdrängen.’ Das selektive Schulsystem bietet ein Schlupfloch. Wer nicht aus akademischen Familien kommt, wird schnell in die Hauptschule sortiert. Wer in Gymnasium und Realschule nicht mitkommt, wird von Nicht-Versetzung oder Abschulung bedroht. Die Statistik zeigt es deutlich: Die Quote derjenigen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, die in Förderschulen unterrichtet werden, ist 29
höher als die der Gymnasiasten (vgl. Geißler 2006). Der Mechanismus der Homogenisierung durch Klassenwiederholungen wird dabei nicht nur auf Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund angewandt, sondern auch auf diejenigen, die als anstrengend empfunden werden, und das sind häufiger die Jungen. Wenn Lehrerinnen und Lehrer Jungen, Kinder mit Migrationshintergrund oder anders sozial gefährdete Kinder als schwierig oder als Problem empfinden, wirft das Fragen danach auf, wie gut Lehrerinnen und Lehrer auf die Herausforderungen ihres Berufs vorbereitet sind und ob die Auswahl geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten gelingt. Der Lehrberuf hat aktuell Konjunktur. Viele junge Menschen entscheiden sich für ein Lehramtsstudium. Nicht wenige reizen der sichere Beamtenstatus, die guten Verdienst- und die Vereinbarkeitsmöglichkeiten mit Familienpflichten, die relative zeitliche Flexibilität und die Gestaltungsfreiheit. Nicht selten erfolgt diese Studienwahl aber auch, ohne Alternativen in den Blick zu nehmen. Prüft sich jede und jeder bei der Studienaufnahme selbstkritisch daraufhin und sondiert, ob er oder sie sich der hohen Anforderungen, die dieser Beruf stellen wird, bewusst ist? Legt er oder sie sich darüber Rechenschaft ab, ob die entsprechenden Persönlichkeitsmerkmale und die nötige Belastungsfähigkeit vorhanden sind? Die meisten Lehramtsstudiengänge können ohne Einschränkungen aufgenommen werden. Manche Abiturienten weichen auf das Lehramtsstudium aus, wenn die Abiturnoten für den Traumberuf nicht reichen. Der diffuse Wunsch, mit jüngeren Kindern zu arbeiten, die seit der Schulzeit gesammelten ‚pädagogischen Erfahrungen’ (Babysitten, Nachhilfe, Betreuung an offenen Ganztagsgrundschulen etc.) sowie Praktika, in denen die Studentinnen und Studenten scheinbar leicht einen guten Kontakt zu den Kindern herstellen können, führen dazu, dass im Studium nur wenige Angebote genutzt werden, die auf eine breitere theoretische Fundierung abzielen. Die Schweizer Erziehungswissenschaftler Oser (2003) und Reichenbach (2005) sprechen in diesem Zusammenhang von ‚pädagogischem Kitsch’. Damit charakterisieren sie die Haltung in der Lehrerausbildung, z.B. Praktika als Lerngelegenheiten zu gestalten, in denen man nicht scheitern kann. Und weil man nicht scheitern kann, kann man sich auch nicht bewähren. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die ehemalige eigene Schule als Übungsschule ausgewählt wird oder eine Schule, an der Mutter, Vater oder Cousine arbeiten. Der Kontext ist vertraut, das Nest bereitet, die pädagogischen (Spiel-)Situationen gelingen – aber das ist keine Garantie, dass es auch unter schwierigen Bedingungen klappt. Wenn dann im Referendariat oder beim Berufseinstieg der Fall eintritt, dass mit dem bisherigen Handlungs- und Verhaltensrepertoire keine konzentrierte Unterrichtsatmosphäre hergestellt werden kann, ist eine wichtige Chance vertan. Die harte Realität schockiert und führt nicht selten dazu, in alte Muster zurückzufallen. Wer schlecht auf den Beruf vorbereitet ist – sich aufgrund der eher belanglosen Vorerfahrungen aber für gut geeignet hält – wird schnell zum Choleriker oder zur enttäuschten Zynikerin und zu jemandem, der Fehler nicht bei sich selbst sucht, sondern andere verantwortlich macht. Überforderung ist der Nährboden für Vorurteile, gerade denjenigen gegenüber, die nach Medienberichten oder im ‚common sense’ für ihre schlechten Schulleistungen selbst verantwortlich sind. Diehm und Radtke schildern, wie Lehrerinnen und Lehrer im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen miteinander abklären, dass man da nichts machen könne, statt sich gegenseitig aufzuklären und über entsprechende Hilfestellungen zu beraten. Sie nennen dieses Phänomen die „Harmonie der Täuschungen“ (Diehm/Radkte 1999: 39).
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„Nur wer brennt, kann ausbrennen!“ – diese These wurde in der Burnout-Forschung lange vertreten (vgl. Gudjons 1989). Neuere Studien zeigen, dass Burnout nicht nur dann auftritt, wenn trotz hoher Leistungsbereitschaft und Engagement die eigenen Ressourcen erschöpft sind, sondern andere Ursachen haben kann. x
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Schaarschmidt/Fischer u.a. (2001) haben in ihrer Studie zum arbeitsbezogenen Verhalten, Erfahrungen und Motivation (AVEM) gezeigt, dass die vier Grundmuster (G wie gesund, S wie Schonhaltung, Risikomuster A/Selbstüberforderung und Risikomuster B/Überforderung und Resignation, Burnout) sich bereits bei Studienanfängern zeigen – und somit das Risiko für Erschöpfung und Ausbrennen nicht erst im Beruf erworben wird. Die Forschungsergebnisse von Rauin (2008) gehen in eine ähnliche Richtung: Etwa 25 Prozent der Studierenden im Lehramt zeigen ein wenig berufsgeeignetes Bild: Sie wollen sich nicht anstrengen, lernen nicht genug, wollen vor allem auf bequemem Weg ihre Leistungspunkte erwerben und sind – wenn sie in die Schule kommen – nicht gut vorbereitet und fühlen sich schnell überfordert. Nach seinen Befunden beträgt die Quote derjenigen, die mit dieser Haltung in den Schuldienst einmünden, 17 Prozent. Sind sie diejenigen, an denen bestimmte Schüler scheitern? Das ist eine lohnende Forschungsfrage.
Über Studium und Referendarzeit sollen Lehrerinnen und Lehrer Experten für das Lernen werden. Als solche erkennen sie bei den Kindern in ihren Lerngruppen, woran es liegt, wenn etwas nicht verstanden wurde oder nicht angewandt werden kann. Die Lernprozesse der Heranwachsenden zu planen, anzuregen und herauszufordern, dabei achtsam zu sein und, wo es nötig ist, Brücken zu bauen, das ist die zentrale Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern. Wo nur wenig Expertise vorhanden ist, besteht wie gesagt die Gefahr, dass die Schuld für geringe Lernfortschritte bei den Schülern gesucht wird. Hier schließt sich der Argumentationskreis. Es ist gut möglich, dass davon heute Jungen stärker betroffen sind als Mädchen. Hat man den Mädchen früher Lernfähigkeit und besonders naturwissenschaftliche Kompetenz wenig zugetraut, so gelten Jungen heute als schlechte Leser, als unkonzentriert etc. Die feministische Schulforschung hat in zahlreichen Studien in den 1980er und 90er Jahren nachgewiesen, dass die Haltung der Lehrpersonen (entsprechend des common sense in der Gesellschaft) Mädchen gegenüber nicht offen, sondern durch Stereotype verstellt war. Der Zugang zu den Lernwelten mancher Mädchen wurde nicht gesucht, Vorurteile über ihre Unbildbarkeit waren schnell bei der Hand. Sich mit den Individuen auseinanderzusetzen, ihre Stärken herauszufordern und sichtbar zu machen, über Erfolge helfen, Selbstvertrauen aufzubauen und den Ehrgeiz zu wecken, das ist ein mühsames Geschäft. Eine (qualitative) Forschung, die aufzuklären versucht, inwieweit heute Stereotype die Wahrnehmung und die Unterrichtsprozesse beeinflussen, ist ein Desiderat an die Bildungsforschung.
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Selektion produziert Verlierer Unser selektives Schulsystem verleitet eben nicht dazu, das Beste aus den Schülerinnen und Schülern herauszulocken. Statt zu fördern und zu unterstützen, wird immer wieder scheinbar Homogenität hergestellt. Wer das Klassenziel nicht erreicht, muss wiederholen oder die Schulform wechseln. Die Androhung des möglichen Sitzenbleibens erhöht den Druck und verhindert eine Konzentration auf die Sache, um die es beim Lernen eigentlich gehen sollte. Die Forschungslage zu Schulversagen zeigt eindeutige Ergebnisse (vgl. SchreiberKittl/Schröpfer 2002; Scheunpflug 2008). Wiederholen und Abschulen sind ineffektive Maßnahmen. In den seltensten Fällen gelingt es, auf diesem Wege die betroffenen Schülerinnen und Schüler zu besseren Leistungen anzuspornen. Viel häufiger werden so Bildungskarrieren eingeschränkt. Die Möglichkeit ‚auszulesen’ verführt Lehrerinnen und Lehrer dazu, sich nicht genug zu bemühen. Wenn ich diejenigen ‚abschreiben’ kann, die mir Mühe machen und die mir den Spiegel meines Unvermögens vorhalten, so sind nicht wenige dazu bereit, diesen ‚Ausweg’ zu gehen. Fehlende interkulturelle Kompetenz und eine nicht mehr zeitgemäße Auffassung der Berufsrolle tragen mit dazu bei, dass unsere Schulen Verlierer produzieren. Wenn davon heute Jungen stärker betroffen sind als Mädchen, so liegt das vermutlich auch an Rollenstereotypen. Die Meinung, dass Jungen aktuell wenig leistungsfähig sind, wird in den Medien und in eher populär-wissenschaftlichen Veröffentlichungen transportiert. Die Schuld wird in der Feminisierung der Schule entdeckt – und damit nicht im selektiven Bildungssystem, im Homogenisierungswahn, in der Ausbildung und im Professionsverständnis der Lehrerinnen und Lehrer. Das Geschlecht der Lehrperson als Ursache heranzuziehen und für die Missstände verantwortlich zu machen, ist zugegebenermaßen eine Erklärung, die in unserer Gesellschaft schon oft herangezogen wurde. Ich möchte dagegen halten, dass hier ein Stellvertreterkonflikt ausgetragen wird. Die Frage: „Schadet die Frauenschule den Jungen?“ führt nicht nur zurück in differenz- oder sogar defizitorientiertes Denken, sie lenkt auch ab von den eigentlichen Fragen und den Herausforderungen, die seit langem bestehen. Wir brauchen hoch professionelle Lehrpersonen, die wirklich Experten für das Lernen sind und die Vielfaltskompetenz besitzen (Prengel 2007), eben solche, die nicht achselzuckend mit Hoffnungslosigkeit argumentieren. Gerne dürfen das auch schon früh, in Kita und Grundschule, Männer sein. Männer, die sich als Entwicklungshelfer oder als Anwälte für Jungen und ihre Interessen verstehen, kann die Schule und die Gesellschaft gut brauchen. Frauen, die einen Blick für die Zusammenhänge haben, aber genauso gut. Literatur Baumert, J. (Hrsg.) (2001): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich. Bellenberg, G. (1999): Individuelle Schullaufbahnen. Weinheim: Juventa. Beuster, F. (2006): Die Jungenkatastrophe. Das überforderte Geschlecht. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Bilden, H. (2002): Geschlechtsspezifische Sozialisation. In: Ulich, D./Hurrelmann, K. (Hrsg.): Handbuch Sozialisationsforschung. Weinheim: Beltz. S. 279-302.
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Bos, W./Hornberg, S./Arnold, H.-H./Faust, G./Fried, L./Lankes, E.-V. (Hrsg.) (2007): IGLU 2006. Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann. Diehm, I./Radtke, F.-O. (1999): Erziehung und Migration. Eine Einführung. Stuttgart: Kohlhammer. Enders-Dragässer, U./Fuchs, C. (Hrsg.) (1990): Frauensache Schule. Aus dem deutschen Schulalltag: Erfahrungen, Analysen, Alternativen. Frankfurt: Fischer-Taschenbuch-Verlag. Geißler, R. (2006): Die Sozialstruktur Deutschlands. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Bilanz zur Vereinigung. Wiesbaden: VS Verlag. Gudjons, H. (Hrsg.) (1993): Entlastung im Lehrberuf. Hamburg: Bergman + Helbig. Helmke, A. (1989): Unterrichtsqualität und Schulleistungen. Ergebnisse eines empirischen Forschungsprojekts. In: Tillmann, J. (Hrsg.): Was ist eine gute Schule? Hamburg: Bergmann + Helbig. S. 77-94. Helmke, A. (2007): Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern. Seelze: Kallmeyer. Kreienbaum, M. A./Urbaniak, T. (2006): Jungen und Mädchen in der Schule. Konzepte der Koedukation. Berlin: Cornelsen. Kreienbaum, M. A. (2007): Schadet die „Frauenschule“ den Jungen? In: Schüler 2007. Jungen. Seelze: Erhard Friedrich Verlag. S. 94-95. Kreienbaum, M. A. (2006): Rolle rückwärts in der Koedukationsdebatte. In: Haushalt & Bildung, Jg. 84, H. 1. Hohengehren: Schneider. S. 16-22. Lemmermöhle, D. (1996): Die eigene Biografie entwerfen und gestalten. In: Kaiser, A. (Hrsg.): FrauenStärken ändern Schule. 10. Bundeskongress Frauen und Schule. Bielefeld. S. 137-145. Lemmermöhle, D./Bueren, B./Berhorst, B./Dokter, A./Höke, C./Müller, R/Wendt, E./Arndt, S. (1991-1994): „Wir werden, was wir wollen!“, Band 1-6, Düsseldorf: Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes Nordrhein-Westfalen. Lemmermöhle-Thüsing, D./Dokter, A. (1994): „Meine Zukunft? Kinder und Beruf. Aber das ist eben fast unmöglich.“ Berufsorientierung im Spannungsfeld widersprüchlicher Lebensentwürfe. Band 6 der Reihe „Wir werden, was wir wollen!“ Düsseldorf: Ministerium für die Gleichstellung von Frau und Mann des Landes Nordrhein-Westfalen. Lutzau, M. v. (2008): Schulleiterinnen. Zusammenhänge von Biographie, Aufstiegsbereitschaft und Leitungshandeln. Opladen: Barbara Budrich. Metz-Göckel, S./Nyssen, E. (1990): Frauen leben Widersprüche. Zwischenbilanz der Frauenforschung. Weinheim: Beltz. Metz-Göckel, S./Müller, U. (1986): Der Mann. Die Brigitte-Studie. Weinheim: Beltz. Oser, F. (2003): Professionalisierung der Lehrerbildung durch Standards. Eine empirische Studie über ihre Wirksamkeit. In: Die Deutsche Schule, 7. Beiheft. S. 71-82. Prengel, A. (1993): Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheit und Gleichberechtigung in interkultureller, feministischer und integrativer Pädagogik. Wiesbaden: VS Verlag. Prenzel, M./Baumert, J./Blum, W./Lehmann, R./Leutner, D./Neubrand, M./Pekrun, R./Rolff, H.-G./Rost, J./Schiefele U. (Hrsg.) (2004): PISA 2003. Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs. Münster: Waxmann. Rauin, U. (2008): Studierverhalten und Eignung für den Lehrberuf. Kann man riskante Karrieren prognostizieren? In: Schulverwaltung NRW 11/2008. S. 313-316. Reichenbach, R. (2003): Pädagogischer Kitsch. In: Zeitschrift für Pädagogik, 49, H. 6. S. 775-789. Schaarschmidt, U./Fischer, A.W. (2001): Bewältigungsmuster im Beruf. Persönlichkeitsunterschiede in der Auseinandersetzung mit der Arbeitsbelastung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Scheunpflug, A.: Sammelrezension: Schulabsentismus. In: ZfE 3/2008. S. 492-498. Schreiber-Kittl, M./Schröpfer, H. (2002): Abgeschrieben? Ergebnisse einer empirischen Untersuchung über Schulverweigerer. München: Verlag Deutsches Jugendinstitut. Stanworth, M. (1983): Gender and Schooling: A Study of Sexual Divisions in the Classroom. London: Hutchinson. Taffertshofer, B. (2007): Zentrale Pisa-Ergebnisse. Eine Chance für junge Entdecker. Verfügbar unter: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/775/426532/text/ (15.01.2009).
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Jungenkatastrophe und Alphamädchen? – Diskurse und Fakten zu Einflussfaktoren auf Geschlechterdifferenzen in der Schule Ingelore Mammes
Abstract “Boys Disaster and Alpha Girls? – Discourses and Facts to Factores of Influence on Gender Differences in School” This contribution focuses on the change of perspective in the gender discourse of the educational sector. Up to the publication of the results of international studies such as PISA girls were regarded as being discriminated against boys. Now this perspective has changed. The results show that boys, for instance, have deficits in comparison to girls with regard to reading literacy. Thus, boys seem to be the discriminated gender based on wrong socialisation in the educational system. This article analyses this perspective on the basis of facts and figures and raises the question of a need for a neutral perspective on gender. Einleitung In der aktuellen Diskussion um Chancengleichheit im Bildungssystem, die vor allem durch internationale Schulleistungsvergleichsstudien neu entfacht wurde, scheint sich ein Perspektivwechsel abzuzeichnen. So machte die OECD in ihrer PISA-Studie 2001 auf eine mögliche Jungenproblematik aufmerksam: „Bislang galt die Besorgnis über geschlechtsspezifische Unterschiede überwiegend den schwächeren Leistungen von Mädchen. Da die Mädchen […] die Jungen in vielen Bildungsbereichen sodann überflügelt haben, fällt die Aufmerksamkeit zunehmend auf die Leistungsdefizite bei Jungen“ (OECD 2001: 144).
Bezug nehmend konstatiert Allan Guggenbühl (2006) in seinem Buch „Kleine Machos in der Krise“ die Benachteiligung von Jungen ebenso wie Frank Beuster (2006) in der Publikation „Die Jungenkatastrophe“. Mädchen gelten dagegen als die Gewinnerinnen des Bildungssystems. Die öffentliche Perspektive auf Bildung scheint damit jetzt die Position der durch verschiedene Einflussfaktoren des Bildungssystems benachteiligten Jungen einzunehmen und hat die Perspektive um die Benachteiligung der Mädchen abgelöst. Der nachfolgende Beitrag soll die Berechtigung dieses Perspektivwechsels hinterfragen und die Sinnhaftigkeit polarisierender Perspektiven in Frage stellen. Die Perspektiven auf Geschlechterdifferenzen Der Diskurs um Geschlecht und Bildung war im ausgehenden 19. Jahrhundert zunächst feministisch orientiert. Demnach schien der Zugang zu Bildung die Gleichstellung der Frauen zu garantieren. Für eine solche Gleichstellung engagierten sich sowohl Vertreterin35
nen der bürgerlich-radikalen Frauenbewegung als auch der bürgerlich-gemäßigten. Während die letztere Bewegung die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten für Frauen und damit einhergehend die Gleichwertigkeit der Frauen bei gleichzeitiger Anerkennung der Differenz anstrebte, forderte die bürgerlich-radikale Bewegung die Veränderung der patriarchalischen Gesellschaftsordnung durch Anerkennung der Gleichartigkeit. Dabei versprach gleiche Ausbildung von Mädchen und Jungen auch Gleichstellung, die vor allem durch die Koedukation erreicht werden sollte. Dieser feministischen Bewegung wurde entgegnet, dass Gleichberechtigung aufgrund der biologischen Unterschiede der Geschlechter nicht möglich sei und die Koedukation eine Verweiblichung der Schule zur Folge habe (vgl. Faulstich-Wieland/Horstkemper 1996). Diese Perspektive des Diskurses skizziert den Mann als dominierend und privilegiert, während die Frau dominiert und weitgehend ausgeschlossen aus Bildungs- und damit auch Gesellschaftsprozessen ist. In den 1960er Jahren flammte das Engagement um die Förderung der Mädchen und Frauen vor dem Hintergrund einer allgemeinen Bildungskrise erneut auf. Dabei sollten den Frauen als unterrepräsentierte Gruppe gleiche Bildungschancen durch koedukative Bildung zukommen. Eben jene Koedukation kritisieren in den 1980er Jahren Studien zur schulischen Interaktion. Sie konstatieren eine geschlechtsspezifische Sozialisation in der Koedukation und verweisen auf einen heimlichen Lehrplan neben den formalen Lehrplänen, der das männliche Geschlecht bevorzugt (vgl. Frasch/Wagner 1982). Damit stand die Monoedukation als Maßnahme zur Ausbildung von Gleichstellung im Zentrum der Diskussion. Diese Perspektive des Diskurses skizziert die Männer nach wie vor als privilegiert und dominierend, während die Frauen dominiert und benachteiligt sind. Die dritte Welle der Emanzipation im Bildungswesen ist eine gegenläufige. Ausgehend von den Ergebnissen aktueller Schulleistungsvergleichsstudien scheint nun die Chancengleichheit von Männern im Zentrum der emanzipatorischen Bewegung zu stehen. Die Feminisierung der Schule mit der Verweiblichung der Lehrkräfte und der Überrepräsentanz der Mädchen im gehobenen Bildungsniveau scheinen zur Benachteiligung der Jungen zu führen. Nun werden koedukative und monoedukative Ansätze zur Jungenförderung fokussiert. Damit scheint ein Perspektivwechsel vorzuliegen, der nun die Männer als dominiert und benachteiligt und die Frauen als dominierend und privilegiert zeichnet. Wurde noch in der ersten und zweiten Welle der Emanzipation das Naturargument herangezogen um Geschlechterdifferenzen zwischen Mädchen und Jungen zu begründen, so wird heute vor allem die Sozialisation als Erklärung für das Verhalten der Jungen verantwortlich gemacht. Statistische Befunde zu Geschlechterdifferenzen Die Berechtigung dieser Perspektive gilt es im Folgenden zu hinterfragen. Dabei zeichnen aktuelle statistische Befunde zum Bereich Bildung und Schule folgendes Bild (vgl. Statistisches Bundesamt 2005; Cornelißen 2005): x x 36
Eingeschult an Grundschulen werden in etwa ebenso viele Jungen (51,5 Prozent) wie Mädchen (48,5 Prozent). Einschulungen an Sonderschulen zeigen ein anderes Bild. Hier sind etwa zwei Drittel der Erstklässler männlich (66,4 Prozent).
x x x x
Vorzeitig eingeschult werden dagegen häufiger Mädchen (w = 9,5%/ m = 6,2%), während Jungen entsprechend häufiger zurückgestellt werden. Auch bei den Schuljahrwiederholungen ist der Anteil der Schüler (5,8 Prozent) etwas größer als der der Schülerinnen (4,3 Prozent). Bei den Schulabschlüssen sind die Mädchen (53,1 Prozent) im Vorteil. Bei der Verteilung der Geschlechter auf die unterschiedlichen Schulformen fällt auf, dass am Gymnasium ein stetiger Anstieg des Mädchenanteiles bis auf aktuell 54 Prozent zu verzeichnen ist. Entsprechend dem gestiegenen Anteil der Mädchen sinkt der Anteil der Jungen (44 Prozent). Ihre Bildungsdomäne ist dagegen die Hauptschule (57 Prozent).
Die aufgeführten Daten scheinen das Bild der benachteiligten Jungen zu bestätigen. Auch die internationalen Schulleistungsvergleichsstudien konstatieren Leistungsvorsprünge. Allerdings zeigen sie, dass diese in den erhobenen Basiskompetenzen sehr unterschiedlich zu Gunsten des einen oder anderen Geschlechts ausfallen. Zeigen die Mädchen in der PISA-Erhebung 2000 signifikant bessere Leistungen in der Lesekompetenz, sind die Jungen vor allem in Mathematik signifikant besser, auch wenn der Punkteunterschied nicht so groß ausfällt wie der der Mädchen im Lesen. Für die Naturwissenschaften werden im internationalen Test keine signifikanten Leistungsvorsprünge konstatiert. Dort liegen die Jungen nur um durchschnittlich drei Punkte vor den Mädchen. Innerhalb der signifikant unterschiedlichen Basiskompetenzen werden auch noch einmal anforderungsspezifische Geschlechterunterschiede ermittelt. So zeigen sich weniger stark ausgeprägte Geschlechterunterschiede bei der Lesekompetenz vor allem in der Subskala „Informationen ermitteln“, während der Unterschied zwischen den Mädchen und Jungen in der Subskala „Reflektieren und Bewerten“ mit elf Punkten etwa zwei Drittel einer Kompetenzstufe beträgt. Auch in den Arten der Texte sind die Geschlechter unterschiedlich leistungsfähig. Bei nicht-kontinuierlichen Texten, wie z.B. Sachtexten oder Anleitungen, fallen die Unterschiede gering aus, während bei kontinuierlichen Texten, wie etwa Erzählungen, die Mädchen deutlich besser abschneiden. Auch ist ihre Lesegeschwindigkeit schneller, ihr Interesse am Lesen größer und ihr verbales Selbstkonzept besser. In der mathematischen Kompetenz verhält es sich etwas anders. Hier zeigen die Jungen Leistungsvorsprünge vor allem im Problemlösen, Mathematisieren und rechnerischem Modellieren, während die Mädchen vor allem bei Aufgaben mit innermathematischem Kontext Stärken zeigen. Eine Schwäche der Mädchen im Bezug auf ihre mathematische Kompetenz ist ihr geringes mathematisches Selbstbild. Entsprechend die Ergebnisse in den Naturwissenschaften: Zeigt der internationale Vergleichstest keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern, verändert sich dieser Sachverhalt im nationalen Test. Hier sind die Geschlechterdifferenzen durchaus signifikant. Werden die einzelnen Teildisziplinen betrachtet, ist festzustellen, dass die Mädchen in Biologie höhere Werte erzielen als die Jungen, dies jedoch nicht auf signifikantem Niveau. Dagegen zeigen die Jungen signifikant bessere Leistungen in Chemie und vor allem Physik (vgl. OECD 2001). Die Statistiken zeichnen also ein durchaus differenziertes Bild. Verschiedene internationale Schulleistungsvergleichsstudien haben Geschlechterdifferenzen ermittelt. Je nach Schwerpunkt und Aufgabenstellung variieren die Ergebnisse zwischen den Studien. Tendenziell ist jedoch in nahezu allen Studien festzustellen, dass die Jungen Stärken in den 37
Naturwissenschaften und Mathematik besitzen, während die Mädchen vor allem in der Lesekompetenz stark sind (vgl. OECD 2001; 2004; 2007). Diese Stärken der Geschlechter scheinen sich auch in der Präferenz der Lernbereiche wiederzuspiegeln. So verweisen vor allem die Leistungskurswahlen auf Vorlieben der Geschlechter für Disziplinen. Hier ist deutlich zu erkennen, dass der Leistungskurs Mathematik fast doppelt so häufig von Jungen gewählt wird. Im Fach Deutsch wählen die Mädchen dagegen den Leistungskurs doppelt so häufig. Das Fach Physik wird von den Jungen dagegen etwa siebenmal häufiger angewählt als von den Mädchen. Kunst und Musik werden dagegen eher von den Mädchen favorisiert. Diese Präferenz setzt sich auch in der Ausbildung fort. Dabei unterscheidet sich das Ranking zwischen Mädchen und Jungen deutlich. Gibt es insgesamt nur eine Berufsausbildung, die bei beiden Geschlechtern gleichhäufig zu finden ist (Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel), so werden naturwissenschaftlich-technische Ausbildungsberufe von Jungen und Männern favorisiert, während sie von Mädchen und Frauen kaum oder gar nicht gewählt werden. Bei ihnen zeichnet sich dagegen nach wie vor eine frauentypische Berufswahl ab. Sie bevorzugen Ausbildungen in vor allem sozialorientierten Berufen wie etwa Arzthelferin, Büroangestellte und Verkäuferin (vgl. Cornelißen 2005). Auch bei der Wahl von Studiengängen zeigt sich ein geschlechtstypisches Bild. Dabei wird der Studiengang der Betriebswirtschaftslehre von beiden Geschlechtern am häufigsten gewählt. Drei weitere Studiengänge wie Rechtswissenschaften, Medizin und Wirtschaftswissenschaften werden von beiden Geschlechtern etwa gleichhäufig gewählt. Während aber fünf der zehn meist gewählten Studiengänge bei den Männern naturwissenschaftlich-technisch sind, ist es bei den Frauen nur der Studiengang Biologie. Bei den Männern ist kein sozial-orientierter oder sprachlich-orientierter Studiengang in den TopTen zu finden (vgl. Cornelißen 2005). Die berufliche Entwicklung zeigt eine eigene Dynamik der Geschlechterverhältnisse. Gut zu verdeutlichen ist dies am Beispiel der Daten universitärer Karrieren. Ist der Anteil der Frauen, die ein Studium beginnen, noch etwa ebenso hoch wie der der Männer und bleibt dieses Verhältnis auch bis zum Abschluss des Studiums konstant, so bricht der Anteil der Frauen mit zunehmender Qualifikation ein und sinkt stetig ab. So liegt der Anteil der C4-Professoren aktuell bei etwa acht Prozent. Diese akademische Stufe steht stellvertretend für Führungspositionen. Aktuelle Zahlen zum Frauenanteil an Führungspositionen in Unternehmen weisen einen Prozentsatz von 3,5 Prozent auf (vgl. Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration NRW 2006) Insgesamt zeigt das Datenmaterial, dass Kurs- und Berufswahlen nach wie vor geschlechtsspezifisch orientiert sind. Frauen wählen weitgehend sozial oder sprachlich orientierte Berufe, während die Männer in naturwissenschaftlich-technische Berufe streben. Mit dieser Geschlechtsspezifik grenzen sowohl Frauen als auch Männer bestimmte Berufsgruppen und Lebensperspektiven aus ihrer Lebensplanung aus und schränken vielfältige Lebenschancen ein. Erklärungsansätze geschlechtsspezifischer Befunde Verschiedene Disziplinen, wie etwa die Psychologie, die Medizin, die Neurobiologie oder auch die Pädagogik, versuchen die Ursachen solcher Unterschiede zu erklären. Dabei werden disziplinübergreifend der biologische Erklärungsansatz und der sozialisationstheoretische Erklärungsansatz kontrovers diskutiert. Der biologische Erklärungsansatz führt dabei 38
Geschlechterdifferenzen auf Veranlagung zurück, während der sozialisationstheoretische Erklärungsansatz die Geschlechter und ihre Differenzen als konstruiert begreift. Der biologische Ansatz geht dabei von naturgegebenen Differenzen in vier verschiedenen Bereichen aus: x x x
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Einerseits wird die unterschiedliche Verteilung der Chromosomen genannt. XY für Männer und XX für Frauen. Neben diesem Merkmal verweist vor allem Kimura (1994; 2002) auf die Bedeutung der Hormone für Geschlechterdifferenzen. In diesem Zusammenhang wird vor allem immer die Bedeutung des Testosterons genannt. Rubner (1996) verweist auf die unterschiedliche Gehirnlateralisation, in der sie besonders auf die Bedeutung des Corpus Collosum (Nervenfasernbündel, welches beide Gehirnhälften miteinander verbindet) für die sprachliche Entwicklung aufmerksam macht und Versuche mit dem CT anführt. Auch das unterschiedliche Reifungstempo (die Mädchen sind den Jungen mit dem Eintritt in die Pubertät um etwa ein bis eineinhalb Jahre voraus) wird als möglicher Einflussfaktor auf Geschlechterdifferenzen gesehen.
Die Erkenntnisse entsprechender Untersuchungen zu den vier hier genannten Bereichen verweisen demnach auf existente biologische Unterschiede. Inwieweit diese aber Auswirkungen auf das Geschlechterverhalten haben, wird konträr diskutiert. Kritisiert werden in der Diskussion dabei vor allem die Ergebnisse der Untersuchungen, bei denen der Unterschied zwischen den homogenen Geschlechtergruppen (von z.B. Mann zu Mann) wesentlich größer ist als zwischen den Geschlechtern (Mann/Frau) an sich. Auch werden Versuchsaufbauten sowie Stichprobenprobleme kritisch angeführt (vgl. Kasten 1998; Kimura 1994; 2002; Quaiser-Pohl 1998). Der sozialisationstheoretische Erklärungsansatz nennt verschiedene Sichtweisen zur Erklärung der Geschlechterdifferenzen. x x x
Aus der Psychoanalyse wird Freuds Ansatz der Geschlechterkonstruktion durch Ablehnung und Identifikation mit den Elternteilen erklärt. Die kognitive Entwicklungstheorie erklärt die Geschlechterkonstruktion durch die Selbstkategorisierung der Kinder in Verbindung mit unterschiedlichen Entwicklungsstufen und die lerntheoretische Sichtweise erklärt die Geschlechterkonstruktion vor allem durch die Bekräftigung bzw. Bestrafung, durch Imitation geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen sowie Identifikation (vgl. Bast 1991; Bilden 1996; Enders-Dragässer 1993; Focks 2002; Schultheis et al. 2006). Dabei kommt vor allem der lerntheoretischen Sichtweise und der kognitiven Entwicklungstheorie sowohl in der sekundären und schulischen Sozialisation als auch in der primären Sozialisation Bedeutung zu.
Besonders Kucklich (1994) verweist in ihrer Untersuchung auf den Einfluss vor allem der elterlichen Sozialisation auf die Herausbildung der Differenzen im Bereich Naturwissenschaft und Technik sowie dem sozial-sprachlichen Bereich. Sie eruiert, dass Mädchen vorrangig musisch-künstlerisch sowie sprachlich gefördert werden und weniger mit techni39
schem Spielzeug in Berührung kommen. Hannover et al. (1992) bestätigen diese Befunde und konstatieren, dass Mädchen seltener durch die Eltern angeregt werden, sich mit Technik zu befassen oder auch einen technischen Beruf zu ergreifen. Kreienbaum und MetzGöckel (1992) weisen darauf hin, dass Mädchen ermutigt werden, mit Puppen zu spielen und sich Personen und Tieren zuzuwenden, also sozial motiviert werden. Jungen kommen, Hoffmann et al. (1998) zufolge, eher mit technischem Spielzeug in Berührung und werden nach Kreienbaum und Metz-Göckel auch ermutigt, sich mit Naturwissenschaften und Technik zu befassen. Die Erziehungsziele von Frauen, die Faulstich-Wieland 1995 für eine deutsche Frauenzeitschrift erhoben hat, verdeutlichen noch einmal die unterschiedliche Ausrichtung der Primärsozialisation bei Mädchen und Jungen. Sind bei den Erziehungszielen für Mädchen unter den ersten fünf „Zärtlichkeit“, „Hilfsbereitschaft“ und „Haushaltsführung“ zu finden, so werden diese bei den Jungen ersetzt durch „Ehrgeiz“, „Flexibilität“ und „Wissensdurst“. Auffällig ist auch, dass der Erwerb eines technischen Verständnisses bei den Mädchen auf Platz 20 und damit als letztes Erziehungsziel genannt wird, während er bei den Jungen auf Rang acht rangiert. Damit wird deutlich, dass die primäre Sozialisation vor allem durch das Elternhaus zu einer Konstruktion der Geschlechter beiträgt und somit eine Disposition vor der schulischen Sozialisation bereits vorhanden ist. Inwieweit aber unterstützt Schule Geschlecht als Konstruktionsprozess? Eine Vielzahl von Studien, wie etwa Hoffmann et al. (1998), Horstkemper (1992) oder Baumert und Geiser (1996), konstatieren Befunde zur geschlechtsspezifischen Sozialisation durch Schule, von denen hier nur einige und besonders solche genannt werden, die Einfluss auf die Ausrichtung der Geschlechter im Bezug zu Naturwissenschaften versus dem sozialsprachlichen Bereich haben. x
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So werden Mädchen bei gleicher Leistung in den Naturwissenschaften schlechter bewertet, obwohl sie sonst bessere Zensuren bekommen. Ihnen werden durch die Lehrkräfte hohe verbale Fähigkeiten, aber ein geringes räumliches Vorstellungsvermögen ebenso zugeschrieben, wie geringere Fähigkeiten für Naturwissenschaften und Technik. Als besonderes Problem sehen Hannover und Bettge (1993) die fehlenden Vorbilder für Mädchen, da kaum Frauen in diesem Bereich unterrichten. Dadurch wirken ihres Erachtens die Naturwissenschaften wie eine Männerdomäne. Gute Leistungen werden bei Mädchen auf Fleiß und Sorgfalt zurückgeführt und sie werden entsprechend als gewissenhaft, fleißig und sauber beschrieben. Auch haben Mädchen besondere Zugänge zu naturwissenschaftlichen Themen. Z.B. sind sie über Sachgebiete wie Umweltschutz oder Technik im Haushalt besser für eine Auseinandersetzung mit Natur und Technik zu motivieren. Horstkemper (1992) konstatiert generell ein schlechteres schulisches Selbstvertrauen der Mädchen.
Der schulische Beitrag zur Konstruktion des Männlichen sieht dabei etwas anders aus. x
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Frasch und Wagner (1982) konstatierten in ihrer Studie, dass Jungen in der schulischen Interaktion häufiger aufgerufen und gelobt, aber auch getadelt werden. Dennoch bezeichnen sie auch Tadel als Zuwendung. Insgesamt bekommen dadurch die Jungen etwa zwei Drittel der Aufmerksamkeit der Lehrkraft.
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Kaiser (1996) konnte feststellen, dass bei Gruppenarbeiten diese Aufmerksamkeit sogar bei ca. 80 Prozent liegt. Im Gegensatz zu den Mädchen werden die Jungen als intelligent, interessant und kreativ beschrieben. Gute Leistungen werden bei ihnen nicht auf Fleiß und Sorgfalt, sondern auf vorhandene Fähigkeiten zurückgeführt. Lehrkräfte schätzen die Jungen auch als begabter in den Naturwissenschaften ein und geben ihnen auch bessere Zensuren in diesen Fächern. Hoffmann et al. (1998) stellen unterschiedliche Zugangsgebiete der Jungen im Gegensatz zu den Mädchen fest. Jungen interessieren sich demnach für Sachgebiete wie Elektronik oder Bewegung von Fahrzeugen. Im Gegensatz zu den Mädchen haben sie ein besseres Selbstvertrauen und schätzen ihre Leistungen deutlich besser ein als die Mädchen. Dabei schätzen die Jungen ihre Noten sowohl im Fach Deutsch wie auch in Fremdsprachen, Physik und Mathematik mehrheitlich gut ein, während es bei den Mädchen in Physik nicht einmal 20 Prozent, in Deutsch aber über 80 Prozent sind. Alle Studien verweisen dabei auf einen Anteil der Schule an der Konstruktion von Geschlecht. Kritisch werden aber auch hier die Ergebnisse diskutiert. So sind die Studien zum Teil sehr alt, so dass neuer Forschungsbedarf angemeldet werden muss, auch werden Stichprobenprobleme genannt und Messverfahren kritisiert.
Wurden die bisherigen Nennungen als Bestandteile von Studien verifiziert, so müssen neuere Aussagen zur geschlechtsspezifischen Sozialisation in der Schule zunächst noch überprüft und daher im Folgenden als Hypothesen bezeichnet werden. x x
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Dabei wird der Erfolg der Mädchen ihrem schulangepassteren Verhalten zugeschrieben. So übernehmen Mädchen nach Weischke-Meißner (1990) eher unangenehmere Arbeiten und nehmen leichter Anweisungen und Regeln entgegen. Sie passen sich nach Birmily et al. (1991) eher an und ordnen sich eher unter. Nach Ansicht verschiedener Autoren, wie z.B. Budde (2006) und Schultheis et al. (2006), scheint eben dieses schulangepasste Verhalten jedoch nicht karriereförderlich, was das Stagnieren in der Berufslaufbahn erklären könnte. Jungen lesen eher zielorientiert und finden Freizeitlesen eher weibisch (vgl. MüllerWalde 2005). Sie bevorzugen entsprechend Sach- oder Fantasybücher oder Biographien. Das Fehlen männlicher Vorbilder besonders in der Anfangszeit der schulischen Sozialisation wird ebenfalls moniert (vgl. Guggenbühl 2006). Im Kindergarten liegt der Prozentsatz der Erziehenden bei 95 Prozent Frauen, in der Grundschule bei 81 Prozent. Auch werden die von vielen Jungen gezeigten typischen Verhaltensweisen eher negativ bewertet, womit sie kein schulangepasstes Verhalten zeigen.
Das deutsche PISA-Konsortium ermittelte dagegen 2001 Unterschiede zwischen den Geschlechtern in verschiedenen Bereichen der Kooperation und Kommunikation, die auch auf das schulische Verhalten Auswirkungen haben. x
So übernehmen Schülerinnen z.B. eher die Perspektive anderer, sind empathiefähiger als Jungen, unterstützten andere eher, übernehmen eher Verantwortung gegenüber anderen. 41
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Einzig bei der sozialen Wirksamkeitsüberzeugung liegen Jungen und Mädchen im Mittelwert etwa gleich auf.
Insgesamt zeigen die Daten zur schulischen Sozialisation, dass Schule einerseits zur Konstruktion von Geschlecht beiträgt, indem sie geschlechtsspezifische Ausrichtungen noch unterstützt (z.B. die Ablehnung der Mädchen des Bereichs Natur und Technik) und andererseits die Konstruktionen von Geschlecht kaum verhindert, dadurch dass sie nicht intervenierend eingreift. Zur Bedeutung für die Schule Im aktuellen Diskurs um Geschlecht und Bildung zeigt die Datenlage folgendes Bild: Die öffentliche Diskussion um Chancengleichheit im Bildungswesen ist polarisiert. Sie propagiert die Förderung von durch Sozialisationsprozesse benachteiligten Jungen. Die Analyse statistischen Datenmaterials zeigt aber Geschlechterdifferenzen zu Ungunsten beider Geschlechter. Dadurch grenzen Mädchen und Jungen bestimmte Lebensbereiche und Perspektiven aus ihrem Möglichkeitshorizont aus. Einflussfaktoren auf die Ausbildung solcher Unterschiede sind neben der Primärsozialisation auch die schulische Sozialisation. Sie trägt aktiv und passiv zur Konstruktion der Geschlechter und deren Ungleichberechtigung bei. Sie bildet einerseits geschlechtsspezifische Verhaltensweisen und Konformitäten aus und trägt andererseits nicht zur Auflösung bei Schuleintritt bereits bestehender Geschlechterstereotype bei. Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes fordert aber die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Schule als staatliche Institution muss daher Diskriminierungen entgegenwirken und so die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen, Männern und Frauen fördern und auf eine Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken. Aus der veränderten Perspektive um Chancengleichheit, die sowohl Mädchen als auch Jungen benachteiligt sieht, darf Schule daher nicht mädchengerecht oder jungengerecht sein, sondern muss geschlechtergerecht wirken. Sie muss Stereotype, soziale Konzepte und Konstruktionen bewusst machen, um Fremd- und Selbstkategorisierungen zu verringern oder sogar zu verhindern. Sie muss sich am Individuum orientieren und damit an seinen Potentialen und Ressourcen ansetzende Entwicklungswege aufzeigen. Dabei darf jedoch nicht die Chancengleichheit vergessen werden, die teilweise Intervention notwendig machen kann. Wesentliche Anforderungen an Schule sind dabei vor allem, Vorurteile und damit einhergehende Benachteiligungen zu vermeiden. Dies erfordert eine Selbst- und Fremdreflexion der Lehrkräfte, die z.B. über die Geschlechtsneutralität von Themen und Aufgaben im Unterricht reflektieren müssen. Als intervenierende Maßnahme kann dagegen der Abbau von Barrieren gesehen werden. Hier geht es darum, die innere Ablehnung oder ablehnende Haltungen durch das Aufzeigen geeigneter Modelle zu verändern. Wesentlich scheint aber eine Differenzierung im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit aller Schülerinnen und Schüler. Monoedukation kann zwar als zufällige Trennung hilfreich sein, jedoch sollte der Unterricht nicht an der Bildung homogener Gruppen, sondern am Individuum orientiert arbeiten. Da es aus schulpraktischen Gründen eventuell nicht immer möglich ist, allen Individuen gleichzeitig gerecht zu werden, ist es umso wichtiger, eine Balance zu halten und Ausgewogenheit der z.B. vielfältigen Interessenvertretungen zu 42
schaffen. Gelingt eine solche geschlechtergerechte Bildung, ist ein polarisierender Geschlechterdiskurs im Bildungssektor überflüssig. Literatur Bast, C. (1991): Weibliche Autonomie und Identität. Untersuchung über die Probleme von Mädchenerziehung heute. München: Juventa. Baumert, J./Geiser, H. (1996): Alltagserfahrungen, Fernsehverhalten, Selbstvertrauen, sachkundiges Wissen und naturwissenschaftlich-technisches Problemlösen im Grundschulalter. Crosstel: North Carolina. Beuster, F. (2006): Die Jungenkatastrophe. Hamburg: rororo. Bilden, H. (1996): Sozialisation und Geschlecht – Ansätze einer theoretischen Klärung. In: Warm, U./Valtin, R. (Hrsg.): Frauen machen Schule. Frankfurt a.M. Grundschulverband e.V. Birmily, E./Dablander, D./Rosenbichler, U./Vollmann, M. (Hrsg.) (1991): Die Schule ist männlich. Wien: o.V. Budde, J. (2006): Jungen als Verlierer? Anmerkungen zum Topos der „Feminisierung von Schule“. In: Die Deutsche Schule, Jg. 98. H. 4. S. 488-500. Cornelißen, W. (2005): Gender-Datenreport. 1. Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesrepublik Deutschland. München: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.) (2001): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske+Budrich. Enders-Dragässer, U./Fuchs C. (1989): Interaktion der Geschlechter. Sexismusstrukturen in der Schule. Weinheim: Juventa. Faulstich-Wieland, H./Horstkemper, M. (1996): 100 Jahre Koedukationsdebatte – und kein Ende. In: Ethik und Sozialwissenschaften. Heft 4. Focks, P. (2002): Starke Mädchen, starke Jungs. Freiburg, Basel & Wien: Herder. Frasch, H./Wagner, A. (1982): „Auf Jungen achtet man eigentlich mehr“ Eine empirische Untersuchung zu geschlechtsspezifischen Unterschieden im Lehrer/innenverhalten gegenüber Jungen und Mädchen in der Grundschule. In: Brehmer, Ilse (Hrsg.): Sexismus in der Schule. Der heimliche Lehrplan der Frauendiskriminierung. Weinheim: Beltz. S. 260-278. Guggenbühl, A. (2006): Kleine Machos in der Krise. Freiburg, Basel & Wien: Herder. Hannover, B./Scholz, P./Laabs H.-J. (1992): Technikerfahrungen und mathematischnaturwissenschaftliches Interesse bei Mädchen und Jungen. Ein Vergleich zwischen Jungendlichen aus den alten und neuen Bundesländern. In: Zeitschrift für Entwicklungspychologie und pädagogische Psychologie. Band XXIV. H. 2.S. 115-128. Hannover, B./Bettge, S. (1993): Mädchen und Technik. Göttingen: Hogrefe. Hansen, K.-H./Klinger, U. (1998): Interessenentwicklung und Methodenverständnis im Fach Naturwissenschaften. Kiel: IPN. Hoffmann, L,/Häußler, P./Peters-Haft, S. (1998): Die IPN- Interessenstudie Physik. Kiel: IPN. Horstkemper, M. (1992): Neue Mädchen – neue Jungen. Schule, Geschlecht, Selbstvertrauen. In: Glumper, E. (Hrsg.): Mädchenbildung, Frauenbildung. Bad Heilbrunn. S. 178-187. Kasten, H (1998): Geschlechterunterschiede. In: Rost, D. (Hrsg.): Handwörterbuch der Pädagogischen Psychologie. Weinheim: Beltz. S. 157-162. Kimura, D. (1994): Weibliches und männliches Gehirn. In: Singer, W. (Hrsg.): Gehirn und Bewusstsein. Heidelberg: Suhrkamp. S. 78-87. Kucklich, C. (1994): Entwicklung von Förderinstrumenten für Mädchen und Frauen im naturwissenschaftlich-technischen Studium/Beruf. In: Kucklich, C. (Hrsg.): Unternehmen Zukunft, Frauen erobern die Naturwissenschaft und Technik. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Müller-Walde, K. (2005): Warum Jungen nicht mehr lesen. o.O.: Campus.
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Empirische Befunde aus dem deutschsprachigen Raum
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Gruppendiskussionen mit Grundschülern Ruth Michalek
Abstract “Group Discussions with Primary Schoolboys” The tradition of research on the issue of boys in Germany is not a very long one. Thus, a lack of essential studies can be identified. For this reason Ruth Michalek wants to examine today’s primary schoolboys’ constructions of masculinity. In an empirical study small groups of four to six male students were interviewed as experts on being a boy. In this article two of these groups are presented. The author analyzes the boys’ forms of interaction and the groups’ diverse concepts of masculinity. The concepts are connected to the groups’ attitude towards school. Finally, the author outlines consequences for pedagogical research about the issue of boys. Einleitung Die internationale Jungenforschung kann auf eine relativ lange Tradition zurückblicken. Die gesellschaftliche Diskussion um die Situation von Jungen in der Schule setzte beispielsweise in Großbritannien bereits in den ausgehenden 1990er Jahren ein (vgl. Skelton 2001: 176). Die deutschsprachige Forschungslandschaft kann nicht auf eine solch lange Tradition zurückgreifen. So finden sich bislang keine Studien zu Geschlechtervorstellungen von Jungen im Grundschulalter – diese Lücke schließt die vorliegende Studie, deren zentrale Ergebnisse ich hier erläutern möchte. Die Untersuchung geht der Frage nach, welche Geschlechtervorstellungen Jungen im Grundschulalter haben. Zudem soll in den Blick kommen, wie diese Vorstellungen unter Jungen interagiert werden. Im folgenden Abschnitt stelle ich die Studie vor und skizziere Forschungszugang und Methode. Die anschließende Darstellung der zentralen Ergebnisse beginnt mit einem Umriss identifizierter Inszenierungsformen von Jungen. Am Beispiel zweier Gruppen werden dann Geschlechterkonzepte rekonstruiert und anschließend mit den Haltungen der Gruppen gegenüber Schule in Beziehung gesetzt. Der Artikel schließt mit der Darstellung von Konsequenzen für die pädagogische Jungenforschung. Das Forschungsprojekt Der Studie liegt die Perspektive des doing gender zu Grunde, die Frage nach den sozialen Praktiken, der interaktiven routinisierten Konstruktion von Geschlecht. Im Anschluss an die Peer-Culture-Forschung werden dabei die Interaktionen unter Gleichaltrigen als ein zentrales Moment kindlicher Entwicklungs- und Lernprozesse betrachtet. Kinder werden als Akteure und Experten ihrer Lebenswelt untersucht, die in Interaktionen ihre soziale Welt konstruieren und interpretieren. Hierzu gehören für Jungen auch die Vorstellungen darüber, was es bedeutet, ein Junge zu sein. Sie lernen somit in der Interaktion mit Gleichaltrigen, wie Jungesein adäquat dargestellt wird (vgl. Krappmann/Oswald 1995). Dies geschieht vor 47
allem durch Beobachtung und das ständige Erproben von Verhalten, das durch Gleichaltrige beurteilt und akzeptiert oder abgelehnt wird. Ein Junge lernt damit von anderen, in welchen Formen Jungesein möglich ist und beurteilt gleichzeitig die Darstellungsformen der anderen. In neun Gruppendiskussionen wurden jeweils vier bis sechs Jungen in der Schule als Experten des Jungeseins befragt (zur Methode siehe Michalek 2006a). Zu Gesprächsbeginn wurde diese Expertenrolle betont. Die Transkripte weisen darauf hin, dass das Expertentum den Jungen in den Diskussionen vor Augen stand. Damit können die Gesprächssituation mit Goffman (1996) als ‚dramatisiert’ bezeichnet und die Interaktionen in den Gruppen als Geschlechterinszenierungen betrachtet werden. Das bedeutet nicht, dass alle Erzählungen der Jungen sich explizit auf Jungesein beziehen. Die Jungen handeln jedoch miteinander Vorstellungen dazu aus, was Jungesein in einer geschlechterdramatisierten Situation bedeuten kann. Die Inszenierungen von Jungesein lassen sich auf zwei Ebenen rekonstruieren (vgl. Fuhr 2006): Einerseits über die Inhalte der Gespräche unter den Jungen. Die Jungen sprechen explizit davon, was es für sie bedeutet, ein Junge zu sein; bei anderen Gesprächsinhalten (z.B. im Gespräch über Mädchen) können implizite Orientierungen der Gruppen analysiert werden. Andererseits geschieht das Einweisen in das Jungesein auch über die Form der Interaktion. Hier zeigt sich, welche Interaktionsformen für Jungen möglich sind, in welcher Form Jungesein inszeniert werden kann. Die Rekonstruktion erfolgte mit der dokumentarischen Methode (vgl. Bohnsack 2007). Die beiden im Folgenden vorgestellten Gruppen stammen aus einer Klasse; sowohl der Gruppe „Rock’n’Roll AG“ – die Gruppen gaben sich selbst Namen – als auch der Gruppe „Tigerkralle“ gehören vier Schüler an. Nachfolgend sollen zunächst die vorgefundenen Interaktionsformen als mögliche Formen des Jungeseins erläutert werden. Interaktionsformen Generell muss festgestellt werden, dass sich die aufgezeichneten Gruppendiskussionen nicht mit Gesprächen unter Erwachsenen vergleichen lassen. Die Jungen sind sehr lebhaft, es wird viel geredet, auch parallel, die Jungen fallen einander ins Wort. Dennoch schließen die Redebeiträge aneinander an, die Jungen sprechen miteinander, obwohl vieles parallel gesprochen wird und viele Sequenzen auf den ersten Blick unübersichtlich wirken. Die Jungen nehmen auch aufeinander Rücksicht, erteilen Rederecht und übernehmen phasenweise die Gesprächsleitung. Billmann-Mahecha (2001: 14) nennt drei Typen der Gesprächsorganisation: Beeinflussung einzelner, Zurücknehmen von Meinungen auf Grund von Argumenten und ko-konstruierende Gesprächsentfaltung. Es konnte ein zusätzlicher Typ identifiziert werden: die Jungen lassen einander widersprechende Meinungen stehen und vermeiden eine Konfrontation. Die festgestellten Merkmale der Interaktion weisen auf eine hohe kommunikative Kompetenz hin. Über diese allgemeinen Merkmale hinaus konnten Interaktionsformen identifiziert werden, die sich als Formen der Herstellung gemeinsamen Jungenseins interpretieren lassen.
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Humorkonversation Die Jungen nutzen die Möglichkeiten der Humorkonversation, um sich gemeinsam als einheitliche Gruppe zu inszenieren (vgl. Kotthoff 1998). Sie lachen gemeinsam und sind witzig; sie albern miteinander, machen Späße mit und vor der Kamera, erzählen lustige Geschichten und zeigen Wortwitz. Auch die Geschichten erzählen immer wieder von gemeinsamen spaßigen Erlebnissen. Das Necken führt jedoch auch dazu, dass zeitweise einzelne Jungen ausgeschossen werden. Der Modus des Witzes erlaubt jedoch eine anschließende Inklusion ohne Gesichtsverlust. Auch der Interviewer wird in den beiden hier vorgestellten Gruppen zeitweise ausgeschlossen. Die Jungen nutzen hier die Form der Ironie: 961 I: 962 Tobias: 963 Paul: 964 Felix: 965 I: 966 Paul: 967 Tobias: 968 Paul:
Hast du denn wär es manchmal schöner n Mädchen zu sein? Nö Nein: @Uäh@ Aber in der Schule Ja im langsam sein @Ah:@ nd im viele Fehler machen, und gern mal was schlechteres als eine drei schreiben, s wird mir langweilig. 969 Tobias: Hä s mir wird’s auch langweilig andauernd nur zwei bis drei zu schreiben. 1 (FR 01, 961–969)
Paul stimmt dem Interviewer scheinbar zu, schnell wird jedoch klar, welche Form der Humorkonversation er anstimmt und die anderen steigen ebenfalls ironisierend ein. Die Gruppe inkludiert ihre Mitglieder über die gemeinsame Form und exkludiert damit den Interviewer. Es zeigt sich, dass kreative und humorvolle Gesprächsbeiträge dem Sprecher zu Ansehen bei den anderen Jungen verhelfen. Nilan beschreibt dies auch für Jungen der secondary school – Schlagfertigkeit und Comedy verhelfen zu Respekt: „Tom gained respcect in the rough and tumble of the playground through verbal repartee and comedy“ (Nilan 2000: 66) Übertrumpfen Es finden sich – in den Gruppen unterschiedlich häufig – Sequenzen, in denen die Jungen in einer Form interagieren, die wir übertrumpfen genannt haben. Sie versuchen sich gegenseitig in den Redebeiträgen zu übertreffen. 512 David: apa soll dann n Luxus513 Armin: Ich nich. 514 David: auto kaufen. Hey gell s gibt n Auto s gibt n Auto da is n Swimming-Pool drin 515 Philipp: Du hey, so n ganz großes Auto. 516 Armin: Nee aber s gibt n Auto wo hinten drauf en en Hubschrauberlandeplatz is. Das gibt s glaub ich. (FR 02, 512-516) 1 Zitate verwende ich im Folgenden nur, um die Ausführungen zu illustrieren. Für ausführliche Interpretationen verweise ich auf Michalek 2006.
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Die Jungen treten in einen spielerischen Wettbewerb miteinander. Alle können einen kreativen Beitrag zum Gespräch leisten. Die Form ist zunächst inkludierend, kann aber in einen hierarchisierenden Wettbewerb kippen, in dem unterlegene ausgeschlossen werden können. Die von Keddie (2003: 293) beschriebene Steigerung des Übertrumpfens, indem nicht beteiligte Jungen zunehmend diskreditiert werden („he is a ‚dickhead’, ‚dork’, ‚jerk’, ‚girl’“), um das eigene Prestige zu vergrößern, findet sich in den von uns aufgezeichneten Gruppendiskussionen nicht. Widersprechen – Zurechtweisen – Opponieren Studien verweisen immer wieder darauf, dass Jungen häufig Befehle geben (vgl. Maccoby 2000). In unseren Gruppendiskussionen finden wir Passagen, in denen Jungen sich zum Teil sehr harsch belehren und zurechtweisen. Verschiedene Jungen tun dies, sie werden von den anderen aber nicht kommentiert. Diese klaren Stellungnahmen scheinen für die Jungen akzeptabel und normal zu sein. In anderen Sequenzen widersprechen die Jungen sich sehr behutsam. Schließlich gibt es auch Passagen, in denen einzelne Jungen in Opposition zur Gruppe treten oder geraten. Dies führt jedoch nicht dazu, dass einzelne dauerhaft ausgegrenzt oder untergeordnet werden. Vielmehr findet sich ein sehr vielschichtiges Geflecht an Interaktionsebenen, die sowohl hegemoniale als auch nicht-hegemoniale Strukturen (vgl. Connell 2000) zeigen und die von den Gruppen unterschiedlich genutzt werden (vgl. Michalek/Fuhr 2008). Konflikt Die Gruppendiskussionen sind geprägt von einem wertschätzenden und freundlichen Umgang der Jungen miteinander; auch das Necken wird nie abwertend. Dennoch finden sich einige wenige Konfliktsituationen. Das Gegenüber wird aber auch hier nicht abgewertet, um die eigene Position herauszustellen. 594 Lukas:
Ja und dann einmal im Sport, da hat da hat unser Lehrer gesagt nicht hoch schießen und dann hab ich genommen den Ball genommen hoch geschossen, er hat mich gesehen und er hat gesagt ne Strafarbeit, ich so na toll. 595 [FELIX KICHERT] 596 Lukas: Nein morgen fällt Sport aus dann hab ich (ges) dann haben oder ne Strafarbeit oder morgen fällt Sport aus. Dann haben alle gesagt, [AB HIER GANZ HOHE STIMME] machsch die Strafarbeit 597 Felix: Strafarbeit 598 Lukas: Und der hat am (mei) am meisten [ZEIGT AUF FELIX] 599 Felix: Hä: 600 Lukas: Am meisten gemeckert 601 Felix: Ich:? 602 J: [MEHRERE] Ja: 603 Lukas: Ja du. Auch beim Fußball meckerst du die ganze Zeit. 604 Tobias: Ja, ja 605 Felix: Ja wenn du mich foulst gell wenn du mich foulst [ZEIGT AUF LUKAS] 606 Tobias: Ja und er meckert und 607 Lukas: @Ja ja@
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608 Tobias: allein wenn die Gegner zwei Punkte Vorsprung haben. Dann weinst du. 609 Tobias: Hey dann gibt’s dann herrisch erst greifst du alle hoch und machst dann so kick 610 Lukas: Weißt du wo ich ey komm du Blödian echt du foulst dich selber und 611 Felix: und wenn du eigene Foul 612 Lukas: Oah: ja gell so blöd 613 Felix: dabei is gell beim eigenen Foul dann immer dich oder mich oder oder mich 614 Lukas: Ja: ja du bist *2* du bist beim Fechten. 615 Paul: Ja genau (FR 01, 594–615)
Diese Erzählung reiht sich ein in vorangehende zum Thema „Strafe“. Im Gesprächsverlauf scheint es beinahe prestigeträchtig zu sein, eine Strafarbeit zu bekommen. Lukas erinnert sich insbesondere an das Verhalten von Felix in der erzählten Situation und kritisiert diesen hart. Lukas und Tobias grenzen Felix mit Vorwürfen aus, die zusammen mit der zuvor betonten Bedeutung von Sport schwer wiegen. Dennoch verläuft der Konflikt moderat. Während Lukas Felix verbal ausgrenzt, stellt er nonverbal Nähe her und beugt sich zu ihm hin. Zudem beendet Lukas auch den Konflikt durch einen plötzlichen Themenwechsel. Das anschließende Gespräch zeigt, dass Felix durch diesen Konflikt nicht dauerhaft aus der Gruppe ausgegrenzt wird. Er beteiligt sich wie die anderen und diese akzeptieren es. Die Jungen gehen in der Konfliktpassage wertschätzend miteinander um, der Streit beschädigt das Image der Kontrahenten nicht – dies ist eine große soziale Leistung. Goffman (1971) nennt diese Form der Interaktion, die auch Goodwin (1990) beschreibt, „Charakterwettkampf“. Ziel eines solchen Wettkampfes, bei dem sich die Beteiligten gegenseitig herausfordern, ist nicht die Ermittlung von Sieger und Besiegten. Vielmehr geht es darum, auch in einer Situation der Bedrängnis Haltung zu bewahren und Charakter zu beweisen. Es scheint für die Jungen normal zu sein, einen Konflikt in dieser Form auszutragen. Er gehört zu ihren Formen der Inszenierung von Jungesein. Für außenstehende Beobachtende zeigt sich der wertschätzende Modus dieser Interaktionsform jedoch erst bei genauem Hinsehen. Geschlechterkonzepte Nachdem ich zentrale Formen der Interaktion und damit der Inszenierung von Jungesein vorgestellt habe, möchte ich nun zu den Inhalten der Gespräche übergehen. Ich beziehe mich im Folgenden auf die beiden oben eingeführten Fälle – zwei Jungengruppen aus der gleichen dritten Grundschulklasse. Die Gruppen zeigen deutlich unterschiedliche Geschlechtervorstellungen. Diese werden im Hinblick auf die dominanten Gesprächsthemen ausgeführt: zunächst einmal an den direkten Aussagen zum Junge- und Mannsein, dann zu den ebenfalls in den Gesprächen behandelten Themen Mädchen und Sport. Anschließend werden die rekonstruierten Geschlechterkonzepte zusammenfassend gegenüber gestellt und zu Orientierungen über Schule in Bezug gesetzt.
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Die „Rock’n’Roll AG“ Gesprächssequenzen zu den Themen Jungesein und Mannsein wurden in beiden Gruppendiskussionen initiiert. Zentral in den Vorstellungen der „Rock’n’Roll AG“ von Jungesein ist ‚Überlegenheit’. Diese kann durch Leistung und Sportlichkeit erlangt werden. 936 I: 937 Paul: 938 Felix: 939 Tobias: 940 Felix: 941 Tobias: 942 Felix:
Ja jetzt reden wir noch mal über die Jungs, wie die so sind und Die sin geil Die sin perfekt Erstmal fähig Mmm: Die sin die sin Weil wir ham was hier [ZEIGT AUF SEINEN KOPF]
943 Lukas: [KLATSCHT] 944 Paul: Voll konkret 945 Tobias: Jungs sind halt schlauer als Mädchen 946 Paul: Affengeil 947 [GELÄCHTER] 948 Lukas: Affengeil 949 Tobias: @Typisch@ [ZU PAUL] 950 I: Also Jungs sein, ihr seid alle keine Jungs oder? 951 Paul: Doch 952 Felix: Wir sind richtige Jungs 953 Paul: Wir sind ziemlich die besten Jungs aus der Klasse in der Gruppe. 954 Lukas: Ja. Es fehlt nur einer hier. 955 Paul: Ja 956 I: Is es manchmal auch blöd n Junge zu sein? 957 Tobias: Mm nee: 958 Felix: Nööö 959 Tobias: Jungs sind schlauer, sportlicher und noch andere Sachen. (FR 01, 934–949)
Der Interviewer fordert die Gruppe auf, Stereotype zu Jungen zu reproduzieren. Die Jungen tun dies, indem sie Zuschreibungen von typischen Eigenschaften vornehmen: Perfektion, Schlauheit und Sportlichkeit erscheinen zentral. Die Eigenschaften werden dichotom gedeutet und Mädchen als negativer Gegenhorizont genannt. Innerhalb der Gruppe der Jungen wird entlang der Kategorie Leistung differenziert: die Jungen der Gruppe sind die besten der Klasse, sie sind richtige Jungen, die Gruppe grenzt sich nach außen ab. Damit deutet sich eine hegemoniale Vorstellung an, die diejenigen Jungen unterordnet, die weniger Leistung zeigen, sowie pauschal alle Mädchen. Pattman et al. (2005) kommen für die von ihnen in Interviews befragten elf- bis 14Jährigen zu einem ähnlichen Ergebnis: „Being strong physically and emotionally and being good at sport and even fighting were raised by many of the boys as defining characteristics of boys and as what boys aspired to be.” (ebd.: 555). Die hier erwähnte emotionale Stärke drücken die Jungen der „Rock’n’Roll AG” in ihren Erzählungen ebenfalls aus. Lukas berichtet beispielsweise, wie er als Fünf- oder Sechsjähriger im Auto spielt und dieses plötzlich losfährt – folgende Sequenz schließt an: 52
420 Lukas: 421 I: 422 Lukas: 423 I: 424 Tobias: 425 Lukas: 426 Tobias: 427 Lukas: 428 Tobias:
Dann kam mein Vater un batsch: [DEUTET OHRFEIGE BEI FELIX AN] so au:: Echt hat er dir eine gegeben oder? Ja Mhm Kann ich noch mal eine haben Nee ich nicht [LACHT] Na ja das war so (hell) Aber das war fest aber das war so fest, dass ich das gar nicht gespürt habe. Grad nur so [JETZT DEMONSTRIEREN DIE DREI ANGEDEUTET AN LUKAS GESICHT, WIE DER SCHLAG WAR] 429 Felix: Ja un dann bumm ha 430 Tobias: [GANZ HOHE STIMME] Darf ich auch mal 431 Paul: Es war so: fest aber hat nur so: weh getan. 432 Lukas: Äh: 433 Paul: Aber hat nur 434 Tobias: So: 435 Paul: So: weh getan 436 [GELÄCHTER] (FR 01, 420–436)
Die Jungen entwerfen hier Jungesein im Bild des stoischen Helden. Die empfundenen Schmerzen werden entweder nicht ausgedrückt oder Schmerzen werden erst gar nicht empfunden. Obwohl der Junge in der Erzählung eigentlich in einer unterlegenen Situation geschildert wird, wird er durch die in der Interaktion der Gruppe demonstrierte Unempfindlichkeit zum Überlegenen – die Strafe verpasst ihr Ziel. Gefühle werden nur an einer weiteren Stelle angesprochen, der Tenor ist der gleiche. Überlegenheit inszenieren die Jungen an vielen weiteren Passagen. Sie nutzen sogar traditionell weibliche Fertigkeiten wie das Knüpfen, um männliche Überlegenheit zu demonstrieren: 880 I: 881 Markus: 882 Tobias: 883 Paul: 884 J: 885 Paul: 886 Tobias: 887 Paul: 888 Markus: 889 Tobias: 890 Felix: 891 Tobias: 892 Paul: 893 Tobias: 894 Paul: 895 Tobias: 896 Felix: 897 Paul: 898 Markus:
Freundschaftsbänder gell? Ja das is schön das is schön leicht. Genau Ja das is leicht Ja Ich hab mindestens schon hundert Ich hab na: du doch erst eins. Jawohl ich erst zwei hab du auch [LACHT] @Hundert@ Ich schaff so n ganzes Bild voll gell? Ok mach Ok. Guck ein durchsichtiges Ja guck mal ich hab so ein großes uiah: Die Leonie mit ihrem Gürtel. Ja gell Häaa: Dreißig Fäden Dreißig Stück *3*
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899 Tobias:
Schafft sie nich mal morgen *2* Die schafft das nicht in einem Jahr das schafft die nicht in ihrem Leben die aber die die 900 Felix: Die kann das doch überhaupt nicht (FR 01, 894–900)
In diesem Beispiel zeigt sich zudem die parallele Inszenierung von Überlegenheit in Inhalt und Form der Interaktion: die Darstellung als überlegener Knüpfer geschieht in der Form des Übertrumpfens, einer häufigen Form bei dieser Gruppe. Zudem fällt bei dieser Gruppe auf, dass die Jungen sich oft zueinander beugen, viele Körperkontakte haben und so den Interviewer aus ihrem Kreis ausschließen und untereinander Intimität und Beziehung herzustellen. Die nonverbale Inszenierung entspricht somit ebenfalls der im Gespräch ausgeführten Abgrenzung als Gruppe nach außen. Sehr ausführlich entfalten die Jungen der „Rock’n’Roll AG“ ihre Vorstellungen vom Mannsein im Zusammenhang mit Sport (siehe unten). Sportlichkeit ist zentrales Kennzeichen eines Mannes. Mannsein wird konnotiert mit Reichtum, Sportlichkeit und Ansehen (der Fußballer), eine Differenzierung unterschiedlicher Männlichkeiten wird nicht vorgenommen, Frauen kommen nicht vor. Auffallend ist auch, dass Väter in dieser Gruppe ebenfalls nicht genannt werden. In den Gruppendiskussionen beider Gruppen finden sich Passagen, in denen das Thema Mädchen bearbeitet wird. Beide Gruppen sprechen über ein Fangenspiel mit den Mädchen in der Pause. Die Zugehörigkeit zur Genusgruppe bestimmt hier die Einteilung der Gruppen – Geschlecht wird als Strukturkategorie aktualisiert (vgl. Thorne 1993: 86). Breidenstein und Kelle (1998) beschreiben dieses Pausenspiel als Form des Kontakts zwischen Jungen und Mädchen. Dass in den beiden Gruppen sehr unterschiedlich über das Spiel erzählt wird, verweist auf unterschiedliche Geschlechtervorstellungen: Beide Gruppen greifen in den Rollen des Spiels auf die gesellschaftlich gegebene dichotome Strukturkategorie Geschlecht zurück, füllen dies jedoch unterschiedlich. Das Gespräch der „Rock’n’Roll AG“ dreht sich relativ häufig um Mädchen. Es zeigt sich in diesen Passagen eine hohe Aktivität und Beteiligung aller: es gibt häufige parallele Wortbeiträge, gemeinsames Lachen und gemeinsame Bewegung. Die Inszenierung wirkt äußerst homogen, die Jungen interagieren oft als „in-group“ und sprechen nur in Andeutungen. Dabei werden Mädchen kollektiv negativ konnotiert. Sie werden verniedlicht und damit lächerlich gemacht, Kompetenzen werden ihnen abgesprochen und es wird die These aufgestellt, dass Mädchen Gegengewalt provozierten. In der Beschreibung ihrer Eigenschaften werden Mädchen stilisiert: sie sprächen mit hoher Stimmlage, seien schreckhaft, kindlich und unsportlich. Insbesondere letzteres wird deutlich betont: 696 Paul: 697 Felix: 698 Tobias: 699 Paul: 700 Felix: 701 Tobias: 702 Paul: 703 Felix: 704 Paul: 705 Markus: 706 Paul:
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Wenn wir Mädchen fangen Buben spieln gehen alle auf mich Dann gehen dann gehen die alle auf einen, alle auf einen Alle auf mich oder Paul Ja ja Und wir können immer zugucken he?. Ja, ja langweilig. Für mich nich Ja ja und dann reißen tsss: [ZEIGT AUF TOBIAS] Da muss man sich ja fast nich. Höö: Bewegen
707 I: 708 Paul: 709 Tobias: 710 Paul: 711 Felix: 712 Markus: 713 Tobias: 714 Paul: 715 Felix: 716 Markus: 717 Felix: 718 Paul:
Können wir Bei denen muss bei denen muss Nö Bei denen muss man ja nicht mal rennen. Ja gell, da kann man joggen. Auch wenn man sich Da kann man Wenn man sich Man muss sich nur zehn mal Was? Im Kreis drehn dann dann dann Gell so schau wenn ich lauf zehnmal im Kreis dreh dann hat ma die schon @abgeschüttelt@. 719 Felix: @Ja gell@ ja ja ühü 720 Paul: Da muss man gar nicht rennen, ich brauch nur zwei Meter um um denen zu entkommen wenn die zu zehnt auf mich losgehen. (FR 01, 688–720)
Hier deutet sich die Orientierung „Kontakt mit Mädchen wird abgelehnt“ an, die sich in anderen Erzählungen ebenfalls zeigt. Mögliche Gemeinsamkeiten mit Mädchen werden vertuscht (z.B. gleiche Strategien). Die Jungen dichotomisieren, indem sie eine Gemeinsamkeit untereinander beschwören. Die unterschiedlichen Spielanteile der Jungen werden schnell überdeckt. Auf der anderen Seite klingt ein gewisser Stolz der ‚beliebten Opfer’ an. Ihr Status scheint sich durch die Beliebtheit zu heben. Wieder wird diese Möglichkeit der gruppeninternen Differenzierung jedoch nicht genutzt. Mögliche Unterschiede werden verwischt, alle scheinen häufig gejagt zu werden. Dass hier gemeinsam mit Mädchen gespielt wird, somit Kontakt und Nähe stattfinden, wird abgewertet, indem abschließend alle zu dem Schluss kommen, das Spiel fordere sie nicht heraus. So wird die strikte Dichotomie aufrechterhalten, obwohl sich, von außen betrachtet, durchaus Gemeinsamkeiten, Kontakt und Nähe finden lassen. In der Beschreibung machen Jungen den Unterschied der Rollen im Spiel jedoch groß. Dass dies zu Widersprüchen führt, scheint die Gruppe nicht zu stören. Die sportlichen und strategischen Fähigkeiten von Mädchen werden im Beispiel abgewertet und lächerlich gemacht (ab 704). Mädchen werden hier und in anderen Passagen als körperlich und geistig unterlegen geschildert und dienen als negativer Gegenhorizont eigener positiver Selbstbeschreibungen. Auch die individuelle Abwertung einzelner Mädchen, wie im Beispiel zu den geknüpften Gürteln, geschieht entlang der Kategorie Fähigkeit. Die Jungen sind vor diesem Horizont überlegen, stark und heldenhaft. Diese Strategie der Selbstdarstellung findet sich auch in anderen Studien (vgl. Pattman et al. 2005: 557). In den Orientierungen der Jungen dieser Gruppe steht die Konstruktion von Mädchen als duale Andere im Vordergrund – Frosh et al. (2002: 62) halten dies für die von ihnen in London untersuchten 11-bis-14-Jährigen ebenfalls fest: „The dual Others to normative hetersexual masculinities in schools are girls/women and non-macho boys/men. It is against these that many boys seek to define their identities.” Innerhalb der Genusgruppe der Mädchen wird nur entlang der Kategorie Alter differenziert: es gibt eine Erzählung, in der die Jungen sich als einem größeren, älteren Mädchen unterlegen schildern. Innerhalb der Genusgruppe Mann werden Differenzierungen entlang der Kategorien Leistung sowie Alter vorgenommen. Verhalten gegenüber Mädchen und 55
Frauen wird hierbei als altersabhängig dargestellt: ältere Jungen verhalten sich anders als die Jungen der Gruppe (haben z.B. Kontakt zu Mädchen) und die – zwar gleich typisierten – erwachsenen Männer verhalten sich ebenfalls anders als Jungen. Jungenverhalten wird somit als Kategorie gefasst, die sich im Verlaufe der Zeit wandelt. Die Gesprächssequenzen zum Thema Sport haben in den Gruppen unterschiedliche Funktionen: Die „Rock’n’Roll AG“ stellt Sport explizit in den Rahmen Männlichkeit, das Thema ist im Diskursverlauf bedeutsam. Insbesondere Fußball erweist sich als geeignetes Feld der Inszenierung von Männlichkeit (vgl. Keddie 2003). „Popular masculinity involves ‘hardness’, sporting prowess, ‘coolness’, casual treatment of schoolwork and being adept at ‘cussing’” (Frosh et al. 2002: 10). Frosh et al. nennen hier unter anderem sportliche Fähigkeiten als Kennzeichen populärer Maskulinität. Die Gesprächsformen der Sequenzen, in denen die „Rock’n’Roll AG“ über Sport spricht, weisen bereits auf den Inhalt der Inszenierungen: die Jungen übertrumpfen sich in den Sequenzen, in denen sie sportlichen Wettbewerb und Anerkennung durch Sport ausführen. Deutlich wird Gemeinsamkeit demonstriert, wenn gemeinsam gelacht wird und erzählte Geschichten parallel durch Geräusche und Bewegungen illustriert werden. Die Jungen signalisieren so ihr Mitwissen und die geteilte Erfahrung. 1017 I:
Können wir uns wie soll man denn so sein, wenn man n Mann ist? Also über Beruf haben wir jetzt schon gesprochen und sonst? 1018 Paul: Also man soll sportlich sein, auf jeden Fall. 1019 Tobias: Ja 1020 Felix: Ja: 1021 Lukas: Ja (FR 01, 1017–1021)
Sportlichkeit ist, so bestätigen alle Pauls Aussage, eine zentrale männliche Eigenschaft. Nun könnte Sport als Kultur des Umgangs mit dem eigenen Körper in den Blick rücken. Die Jungen entfalten das Thema im Folgenden jedoch nicht auf der Ebene des Körpererlebens. Der Handlungsaspekt bleibt im Hintergrund, Fähigkeiten, Üben, das Erlernen von Fertigkeiten werden kaum angesprochen. Sportlichkeit drückt sich bei dieser Gruppe aus in der Anzahl der ausgeübten Sportarten – Sport erscheint als Besitz, eine Sportart „hat“ man. Die Jungen versuchen sich dabei gegenseitig zu übertrumpfen. Es scheint, als gelte der als am sportlichsten, der die meisten Sportarten ausübt. Die Frage nach den individuellen Fähigkeiten der Jungen in den ausgeübten Sportarten wird nicht behandelt. Auf diese Weise wird die Möglichkeit der Unsportlichkeit überdeckt. Grundlegend ist das gezeichnete Bild von Sport verknüpft mit einer Orientierung auf soziales Ansehen: viele Sportarten zu „haben“ verschafft Ansehen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Jungen auch Mannschaftssportarten betreiben (v.a. Fußball), taucht der Gemeinschaftsaspekt von Sport nicht auf. Mit der Grundorientierung auf Ansehen steht das Bild des einsamen Helden im Vordergrund. Für die Zukunft wird ein hohes soziales Ansehen erträumt: 956 I: 957 Paul: 958 I: 959 Felix:
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Ihr habt ja bestimmt Pläne für die Zukunft Hai ho [SPIELT MIT DEM HAUSSCHUH VON FELIX] Wenn ihr mal größer seid Ja: ich will Fußballer werden
960 I: Du willst Fußballer werden. 961 Felix: Ja 962 Lukas: Ja ich auch 963 Felix: Nein ich 964 Lukas: Erstens da wird man ähm berühmt 965 Paul: Und bekommt voll viel Geld 966 Lukas: Und ja voll viel Geld 967 Paul: Ey da verdient man sau viel wenn man n Profi is 968 Lukas: Und und und 969 Felix: Und s macht Spaß 970 Lukas: Und s macht Spaß und du bist sportlich. 971 Felix: Hmm 972 Tobias: Ich will lieber Arzt werden. 973 Paul: Ich werd ich werd auch Fußballer, un dann mhm Fechter und Tennisstar und: (FR 01, 956–973)
Das soziale Prestige eines Fußballers drückt sich über den Verdienst aus. Die Formulierungen verweisen auf den Rahmen, in dem das Thema „Fußballer“ behandelt wird: „wird man“ (964) und „bekommt“ (965) sind passiv. Das aktive Tun des Sportlers gerät aus dem Blick. Auch die folgenden Gesprächsbeiträge enthalten keine sachliche sportbezogene Explikation: weder Vereine und Positionen noch eigene Vorlieben werden genannt. Nicht Fitness oder Erbauung sondern geldorientierte Kommerzialisierung bilden den Gesprächsrahmen. Lukas bestätigt den von Felix genannten Aspekt „Spaß“ (969). Hier blitzt für einen einzigen kurzen Moment die Freude an der Betätigung als Motivation für eine Handlung (einen Beruf) und damit die Erfüllung durch diese auf. Fußball spielt, folgt man Frosh et al. (2002: 12), eine bedeutende Rolle in der Konstruktion von Maskulinität: „Football was a key motif in the boys’ constructions of masculinities […]. Football talk was an important resource drawn upon in the construction of gendered identities, even for those young people who expressed antipathy to football.” Im Wettbewerb um Sportlichkeit und Ansehen lässt sich Profifußball scheinbar nicht durch eine andere Sportart überbieten – es sei denn, sie wird gleichzeitig ausgeübt (973). Wie unrealistisch diese Zukunftsperspektive ist, scheint die Jungen nicht zu stören – im Spiel des „schneller, höher, weiter“ ist sie nur folgerichtig. Die Jungen entwickeln hier im Gespräch über Sport (Fußball) Perspektiven einer traditionellen Männlichkeit, die verknüpft ist mit beruflichem Erfolg und gesellschaftlichem Ansehen. Nur ganz am Rande klingen emotionale Erfüllung („Spaß“, 969f.) und Lebensqualität durch sportliche und berufliche Betätigung an. Doch auch für die Gegenwart versuchen die Jungen, Ansehen zu erlangen, indem sie von überstandenen Gefahrensituationen und Verletzungen erzählen. Die Folgen eines Umgang mit dem eigenen Körper auch über dessen Belastbarkeit hinaus – Schürfwunden oder Narben – werden zu Zeichen für männliche Überlegenheit und Stärke (vgl. Endrikat 2001: 47). Der Sportler hat so die Möglichkeit, Stärke und Kraft zu demonstrieren, er wird zum einsamen Helden. Physische Stärke und Sportlichkeit werden zu Kennzeichen von Männlichkeit (vgl. Pattman et al. 2005: 555), in ihnen drückt sich überlegene Männlichkeit aus. Kontrastierend beschreibe ich nun im Folgenden die zweite ausgewählte Gruppe.
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Die „Tigerkralle“ Viele angelsächsische Studien (z.B. Swain 2003) kommen zu dem Schluss, dass Jungen, die nicht einer vorherrschenden hegemonialen Maskulinität entsprechen wollen oder können, in Schwierigkeiten geraten: „boys who stray or contest the hegemonic ideal [...] can incur high social and emotional costs and be subjected to a number of Othering practices in which their deviation from hegemonic norms are subordinated and pathologized” (Renold 2004: 249). Daher ist es erstaunlich, dass wir in unserer Studie zwei Gruppen in einer Klasse vorgefunden haben, die sehr unterschiedliche Geschlechtervorstellungen konstruieren. Während die „Rock’n’Roll AG“ Männlichkeit klar hegemonial orientiert interagiert, zeigt sich bei der „Tigerkralle“ ein völlig anderes Bild. Auffallend ist zunächst, dass die Gruppe, auch wenn sie dazu aufgefordert wird, keine Typisierungen vornimmt: 275 I: 276 J: 277 Richard: 278 I: 279 Philipp: 280 I: 281 Philipp: 282 I: 283 J: 284 Philipp: 285 I: 286 Philipp: 287 I: 288 A: 289 Philipp: 290 A: 291 J:
Und uns interessiert wie Jungs so sind. *2* und wie man ein Mann was man machen muss um ein Mann zu werden aus eurer Sicht? * wie sind denn Jungs so? Philipp Erwachsen werden! Kommst du wieder? Ja da da stand grad Pause. Dann kannst du (mit) dann kannst du mitsprechen. Hm? Hm. Ja aber was denn. Hm komm doch mal. Komm mal wieder her, sonst kannst du gar nicht mitsprechen. Vielleicht hat er auf Ich drück auf den roten Knopf. [KICHERN] Hast du hast du auf was gedrückt! Nö. Ah ja gut Ja. Ja was? Auf Pause Uah. [GELÄCHTER]
292 Richard: Auf n Platz gehst du. Also wir Jungs sind meistens fies, [LACHEN] 293 David: Nöö: 294 J: Überhaupt nich. 295 Philipp: Ähm die Jungs sin erst mal gemein, hinterlistig mm: 296 David: Hinterlistig manchmal, aber gemein nicht (FR 02,275-296)
gemein,
Es fällt auf, wie schwer den Jungen das Typisieren fällt. Sie versuchen es immer wieder, relativieren aber sofort und entwerfen so ein differenziertes Jungenbild mit vielen Facetten. In dieser Sequenz zeigt sich die Parallelität von Form und Inhalt der Inszenierung von Jungesein deutlich: während die Jungen verbal um eine Differenzierung ringen, ist Philipp aufgestanden, zur Kamera gegangen, hat den Pausenknopf gedrückt und zeigt so eine zu den anderen alternative Art des Jungeseins, die eher typisch anmutet – er verlässt die gewünschte Gesprächsrunde, ist neugierig, spielt mit der Technik, setzt sich über unscharfe Grenzen hinweg, schwindelt und spielt den Ahnungslosen. Als sein Übertritt durch die 58
Assistentin (A) festgestellt wird, honorieren die anderen Jungen dies mit Gelächter, zugleich weist Richard ihn wieder in die Schranken. Ebenso differenziert wird das Thema Gefühle bearbeitet. Je nach Setting können Gefühle gezeigt werden: in einer Geisterbahn darf ein Junge nicht ängstlich sein, über ein gestorbenes Haustier kann jedoch getrauert werden. Die von Keddie (2006: 529) beschriebenen „social processes of masculinity that endorse control, domination and non-emotion” finden sich bei der „Tigerkralle” nicht. Jungesein wird als Verhalten von Jungen diskutiert. Die Konstruktionen der Gruppe bewegen sich auf der Ebene der Geschlechterdarstellung und -wahrnehmung, stereotype Wesensmerkmale finden sich nicht. Im Zentrum steht eine sehr individualisierte Vorstellung vom Jungen-Sein.Als einzige Grenze für die Vielfalt der möglichen Verhaltensweisen werden gesellschaftlich gesetzte Verhaltensnormen angeführt. Entfaltet wird dies vor allem im Bezug auf das Mannsein: 1113 I: Wie wie sollte man denn so sein als Mann eurer Ansicht nach hm? 1114 David: Also man sollte nicht immer so Mädchen, hallo Mädchen komm mal her, [LACHEN] oder nicht so Mächen lauf mal über meinen Fuß ja, damit du hinfallen kannst. oder so. 1115 Philipp: Ähm 1116 David: Also erst lieber lieb zu Mädchen oder so. 1117 I: Mhm 1118 David: Also s heißt ja nicht dass die dann einen so verbrüdern dürfen oder so @das mein ich mal nich@ also nich so ja duffduffduffduff [ANGEDEUTETE SCHLÄGE IN RICHTUNG DER ANDEREN JUNGEN ]
[…]
1126 Richard: Oder er hat sie auch eine hat er mal so *2* hat er einfach so im: Einkaufszentrum ist zu ihr gelaufen und hat sie dort erschossen. 1127 I: Mhm. 1128 Richard: Und alle ham ihn dann gejagt. (FR 02, 1113-1128)
Die Jungen der „Tigerkralle“ differenzieren Mannsein – und durch die fehlende Differenzierung zwischen Frau und Mädchen auch Jungesein – mit Hilfe von Verhaltensnormen: Sie unterscheiden Verhaltensweisen gegenüber Mädchen und Frauen. Soziales Verhalten, ausgeführt am Verhalten gegenüber Frauen und Mädchen, ist die gemeinsame Bezugsgröße für die Unterscheidung. Unerwünschtes Verhalten wird zum negativen Gegenhorizont. Die gesetzte Norm gilt für alle, an ihr werden Jungenverhalten und das Verhalten von Männern gemessen. Andere dürfen nicht geärgert oder verletzt werden. Hier wird eine Grenze zu negativ beurteiltem Jungesein und Mannsein gezogen. Erwünscht sind – so führen die Jungen später aus – Hilfsbereitschaft und Höflichkeit. Die Jungen treffen keine klare Generationenunterscheidung zwischen Mann und Junge beziehungsweise Frau und Mädchen. Mann-Werden wird als Prozess angesehen, wie dies auch Nilan für den „secondary classroom“ (Nilan 2000: 55) festhält („masculinity as a process of endless ‚becoming’„ [ebd.]). Als Differenz wird von der Gruppe einzig angeführt, dass das Erwachsenenalter ein anderes Verhalten mit sich bringt als das Jungenalter. Hier liegt eine Parallele zur „Rock’n’Roll AG“. Bei der Frage nach der eigenen Zukunft entfalten die Jungen ihre Vorstellungen zum Mannsein ausführlich im Hinblick auf berufliche Vorstellungen und vor allem im Wunsch nach einer Familie und Kindern. Die Jungen entwerfen ein breites Spektrum an prestige59
trächtigen, zukunftsweisenden und innovativen Berufen. Der Beruf eines Vaters wird in einer Erzählung ausgeführt, zudem wird auch eine Frau als Vorbild für den Wunschberuf genannt. Zentral ist jedoch das Gespräch über Kinder – auf die Frage des Interviewers, „was ihr euch vorstellt für die Zukunft“ (307), antwortet Richard: 311 Richard: 312 J: 313 I: 314 David: 315 Armin: 316 David: 317 Armin: 329 I: 330 Philipp: 331 I: 332 Richard, 333 I:
Kinder kriegen. des geht halb. Ja.“ Kinder willst du haben? Ja ich auch Vielleicht. Ich auch. Vielleicht später.[…] Ja, also der Richard hat gerade gesagt, dass er gerne Kinder kriegen würde. Nein ich will Kinder kriegen. Genau. David, Armin: [DURCHEINANDER] Ich auch. Ich auch. Ich auch Erzählst du noch ein bisschen weiter, was du noch * wie du dir deine Zukunft vorstellst? 334 Richard: Hm. Versorgen halt die Kinder, ein Haus kaufen, hm: 335 Armin: Ich weiß 336 I: Was meinst du mit Versorgen? 337 Richard: Essen geben 338 Philipp: Um sie kümmern 339 Richard: Äh um sie kümmern, dann Kleidung kaufen kann mir nen Laptop nicht leisten. 340 [LACHEN] (FR 02, 329-340)
Die Jungen variieren traditionelle Vorstellungen – später folgen Ausführungen zum Heiraten – und verbinden ihre Männlichkeitskonstruktionen mit traditionell eher weiblich konnotierten Aspekten der Fürsorge. Auch Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden ausführlich diskutiert. Die Jungen entwerfen ein flexibles, offenes Jungen- und Männlichkeitsbild. Deutlich zeigt sich eine grundlegende Orientierung auf Heterogenität. Interessanterweise verwendet die Gruppe nie den Begriff „Mann“, was wieder auf die fehlende Differenzierung zwischen Junge und Mann hinweist. Die in den Gesprächen zum Mannsein dargestellte Fürsorge wird ebenfalls als vereinbar mit dem aktuellen Jungesein entworfen. Richard berichtet, wie er seinem achtmonatigen Cousin ein Fläschchen gibt und Windeln wechselt. Das Thema „Mädchen“ wird bei der „Tigerkralle“ eher nebensächlich angesprochen. Obwohl das Gesprächsthema einige Male im Raum steht, werden keine Typisierungen oder Abwertungen vorgenommen. Philipp versucht zwar, Mädchen als typisierten negativen Gegenhorizont zu entwerfen – die anderen gehen jedoch nicht darauf ein oder widersprechen seinen Dichotomisierungen. Das Gespräch über Mädchen wird nicht dazu genutzt, die Kategorie Geschlecht zu konturieren. Die generelle Orientierung der Gruppe auf Heterogenität bleibt erhalten. 42 I: 43 Richard:
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Ich will einfach wissen, wie das zur Zeit ist mit Jungs, wie Jungs sich fühlen, was sie denken Mädchenjagen
44 [GELÄCHTER] 45 I: Was da 46 Philipp: Mädchenjagen 47 David: Also auf die Idee kommsch nur du. 48 Philipp: Tobias hats gesagt. (FR 02, 42-48)
Im Gegensatz zur „Rock’n’Roll AG“ bezeichnet die „Tigerkralle“ das Pausenspiel als „Mädchenjagen“. Es bleibt offen, wer hier wen jagt. Richard setzt mit dem Verweis auf „Mädchen“ als Gegenhorizont – wie in unserer Gesellschaft üblich – den Rahmen eines dichotomen Geschlechtermodells für die Bearbeitung des Themas „Jungen“. David geht auf Distanz und weist darauf hin, dass Mädchenjagen eine individuelle Idee ist. Philipp beruft sich auf einen anderen Jungen („Tobias hats gesagt“, FR 02, 48) und schafft so Gemeinsamkeit in der Gruppe, indem er sich wieder einschließt. Kurz darauf wiederholt sich die Szene: 297 Philipp: Wir jagen gerne Mädchen. 298 [LACHEN] 299 David: Nöö. (FR 02, 297–299)
Wieder lehnt David die pauschale Feststellung über Jungen ab und beendet damit das Thema. Zugleich differenziert er damit innerhalb der Genusgruppe der Jungen. Die Jungen konstruieren vielfältige Aspekte des Jungeseins. Geschlecht wird dabei auf der Ebene des Verhaltens (Mädchen jagen – nicht jagen) entworfen. Jungenverhalten wird auch im weiteren Verlauf in Abgrenzung zu negativ eingeschätztem Verhalten von Jungen (z.B. Aggression, Gewalt) beschrieben. Negativ etikettierte Verhaltensweisen dürfen nicht einmal als Witz genannt werden. Innerhalb dieser Grenzen ist jedoch Vielfalt möglich: Philipps abweichende Meinung wird zwar untergraben, er wird jedoch nicht ausgegrenzt. Eine offene Konfrontation bleibt aus. Weichen die Jungen generellen Dichotomisierungen stets aus, so wird eine individuelle Abgrenzung gegenüber individuellen Mädchen nachdrücklich vorgenommen: 930 David:
Also mal hatte die Laura hatte mal fünf Striche und ne Strafarbeit, und dann gleich am nächsten Tag hat sie wieder n Strich gekriegt. 931 Richard: Ja so wie Armin. 932 Philipp: Ja so wie Armin 933 David: Hähä ja @genau@ [LACHT] 934 Philipp: Weil er hat am gleichen Tag er hat am gleichen Tag n Strich gekriegt. 935 David: Ja weiß irgendwie sind die beiden, irgendwie ham die beiden was zusammen. 936 Philipp: Ja die sollten dann später heiraten. (FR 02, 930-936)
Gemeinsam beginnen die Jungen hier die Geschichte einer Gemeinsamkeit von Armin mit einem Mädchen zu erzählen. Diese lässt sich der von Breidenstein (1997) als „Diskurs der Verliebtheit“ benannten unter Kinder geläufigen Gesprächsform zuordnen, in der eine frei assoziierte Verliebtheit Anlass zum gegenseitigen Necken wird. Die entwickelte Proposition der Heirat, Nähe und Beziehung zu einem Mädchen stellt eine Provokation dar: auf das 61
Stichwort „heiraten“ (936) hin, bricht ein Tumult aus. Selbst die von außen betrachtete nebensächliche Gemeinsamkeit der „Striche“ geht bereits zu weit. Die Norm, die für das Verhalten von Jungen grundgelegt ist, wird hier deutlich: eine zu große Nähe zu Mädchen ist nicht erlaubt. Kotthoff (1998:120) benennt Necken als eine Möglichkeit des Kontakts zwischen Jungen und Mädchen, die auch die Geschlechtergrenze aktualisiert. In dieser Gruppe werden jedoch nicht, wie bei der „Rock’n’Roll AG“, typisierende Dichotomien konstruiert. Es bleibt bei der individuellen Abgrenzung. Auch in Bezug auf Mädchen wird Geschlecht auf der Ebene des Verhaltens bearbeitet, wieder in der Abgrenzung gegen unerwünschtes Verhalten. Die Grenze für Jungen und auch für Mädchen ist „verbrüdern“ (FR 02, 1118), also zu große Nähe. Hier klingt latent eine Dichotomisierung an, da Nähe als Kategorie für angemessenes Verhalten nur in Bezug auf Mädchen thematisiert und implizit somit von angemessenem Verhalten gegenüber Jungen abgegrenzt wird. Unter Jungen sind, so zeigen die Aufzeichnungen, Nähe und Körperkontakt möglich. Mit der Frage, wie der Umgang mit Mädchen nicht sein sollte, differenzieren die Jungen verschiedene Möglichkeiten des „Jungeseins“ aus und rekonstruieren so ein biplurales Geschlechtermodell. Eine generelle Grenzziehung zu Mädchen (vgl. Thorne 1993) scheint eine untergeordnete Rolle zu spielen. Nähe ist zwar in einem bestimmten „formalen Rahmen“ (Spiel) möglich, eine individuelle Abgrenzung erweist sich jedoch als notwendig. Hier scheinen die Jungen der beiden Gruppen das gleiche Spiel unterschiedlich zu funktionalisieren. Ich möchte darauf hinweisen, dass damit keineswegs geklärt ist, wie die Jungen der Gruppen im Alltag tatsächlich in Kontakt zu Mädchen stehen. Rekonstruiert wird die gemeinsame Orientierung einer Gruppe: In beiden Gruppen wird die Orientierung konstruiert „(individuelle) Nähe oder Kontakt zu Mädchen sind für uns als Jungen abzulehnen“. Sport thematisieren die Jungen der „Tigerkralle“ nie explizit im Zusammenhang mit Männlichkeit. Zudem nimmt dieses Thema im Gespräch keinen großen Raum ein, Sport und Sportlichkeit scheinen daher für die Vorstellungen vom Junge- bzw. Mannsein nicht zentral zu sein. Dennoch lässt sich aus den Gesprächen ein Bild ihrer Körperpraxen skizzieren. Geht man davon aus, dass diese in unserer Gesellschaft immer zugleich geschlechtlich konnotiert sind (vgl. Hartmann-Tews 2003) – insbesondere im Zusammenhang mit Sport, wie oben festgestellt – so zeigt sich hierin ein Aspekt des Jungeseins. Im Gegensatz zur „Rock’n’Roll AG“ können in diesem Fall keine expliziten Einschätzungen der Jungen der „Tigerkralle“ herangezogen werden. Den Referenzrahmen bilden hier gesellschaftliche Konnotationen. Die Jungen der Gruppe sprechen Sport vor allem im Zusammenhang mit Schule an. Hier erzählen alle, dass Sport zu den Lieblingsfächern zählt. In einer Gesprächspassage wird auf ein körperliches Bedürfnis nach Bewegung verwiesen. Diesem Bedürfnis wird der „normale“ Schulalltag nicht gerecht. Sport wird so zum notwendigen Ausgleich. David schildert sein Bedürfnis nach Bewegung nach allzu langem Sitzen. Es zeigt sich, dass der eigene Körper und seine Signale aufmerksam beobachtet werden, eine individuelle Perspektive auf Sport wird eingenommen. Zugleich wird auch der Gemeinschaftsaspekt aufgegriffen: „wir treffen uns“ (629) verweist auf die Gruppe der Sporttreibenden, Sport als soziale Praxis wird als weiterer Rahmen benannt.
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1001 Richard: Seit ich bei Herr Köhler war, hab ich bei Frau Seeger gelernt, n so zwei Schritte auf der Wand zu laufen. 1002 Philipp: Das weiß ich. 1003 I: Mhm 1004 David: Ja: 1005 Richard: Zwei Schritte auf der Wand. 1006 David: Gell: des kann ma 1007 Philipp: Ich kann drei Schritte 1008 David: Hey mach mal mach mal 1009 Philipp: Ich kann drei Schritte 1010 Armin: S kann er nich, des kann ma nur auf Holzwand zeigen 1011 David: Hey, hey mach mal wenn er die 1012 Philipp: Wenn man den Tisch kurz wegmacht kann man ihnen zeigen. *2* (FR 02, 1001-1012)
Richard nennt zwei Personen, die ihm das „Wandlaufen“ beigebracht haben. Das Training ist ebenfalls ein gemeinschaftliches Geschehen (1001): Es gibt da einerseits Personen, die eine sportliche Kompetenz haben oder zumindest weitergeben können. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die diese neue Fähigkeit erlernen (wollen). Sportliche Fähigkeiten sind somit nicht statisch. Sie können vermehrt und intensiviert werden. Mit dem Blick auf Training, Üben, Erlernen steht das Handeln im Zentrum, die Lernprozesse im Umgang mit dem eigenen Körper. Dadurch ist eine Möglichkeit der Differenzierung und Hierarchisierung grundgelegt: Personen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer verschiedenen sportlichen Fähigkeiten. Die Hierarchie der Fähigkeiten ist jedoch eine flexible, da sie durch Übung verändert werden kann. In obiger Gesprächssequenz kommt die Hierarchie durch die unterschiedliche Anzahl der Schritte, die ein Junge an der Wand gehen kann, zum Ausdruck. Doch das Reden über sportliche Fertigkeiten allein genügt nicht, die Hierarchie hinsichtlich der Fähigkeiten untereinander zu klären. Die Kompetenz muss demonstriert werden. Sport lebt vom Ausüben – die Jungen machen das oben deutlich: David fordert auf, die Schritte an der Wand zu demonstrieren (1008) und die Jungen tun dies. David begibt sich hinter die Kamera und wird zum Reporter. Hier dokumentiert sich ein weiterer den Jungen geläufiger Rahmen für Sport: Sport findet oft in der Öffentlichkeit statt. Kameras fangen Bilder von Sportlern ein, Reporter kommentieren, Zuschauer sehen anderen beim Wettbewerb zu. Damit erhält Sport einen gemeinschaftlichen Zusammenhang. Die Jungen differenzieren unterschiedliche Verhaltens- oder Handlungsoptionen: aktiv beteiligen, (passiv) zusehen, berichten, vorbereiten (Trainer). Im Zentrum stehen der Aspekt der gemeinsamen Handlung sowie der Prozess des Erlernens bzw. Beibringens. Das Bild von Sport, das die Gruppe hier und in weiteren Passagen zeichnet, ist deutlich geprägt vom derzeitigen Erleben der Kinder: Sport soll Spaß machen, die mit Sport verbundene Bewegung ist ein grundlegendes körperliches Bedürfnis. Zudem ist Sport ein Geschehen in Gemeinschaft: als Lehr-Lern-Feld, durch das gemeinsame Ausüben und durch die Öffentlichkeit. Die hier gezeigten sportlichen Fähigkeiten führen zu sozialer Anerkennung über die gezeigte Leistung. Ein Scheitern ist jedoch auch möglich – und es ist durchaus normal. Unterschiedliche Leistungen verweisen auf eine Rangfolge, eine Hierarchie unter Sportlern. Sport, so wie die Jungen der „Tigerkralle“ ihn entwerfen, steht im Spannungsfeld zwischen Hierarchie und Gemeinschaft. Dies scheint die Jungen nicht zu stören, es gibt keine Rivalität untereinander, auch eine Leistungshierarchie wird nicht ex63
plizit ausgehandelt (es wird nicht kommentiert, wer nun die meisten Schritte gelaufen ist). Das Verbindende des Sports steht im Mittelpunkt. Die Jungen dieser Gruppe entfalten ein individuelles Bild von Sport. Eine Sammlung „männliche[r] Eigenschaften“ (Neuwirth1996) findet sich nicht. Die Jungen dieser Gruppe scheinen einen unmittelbaren Bezug zum eigenen Körper zu haben. Sportlichsein als ein Aspekt ihres Jungeseins erweist sich als weniger wichtig. Im Spannungsfeld zwischen gemeinschaftlicher Aktivität und Hierarchisierung entwerfen die Jungen der „Tigerkralle“ mögliche Spielarten von Jungesein. Dabei bleibt dem individuellen Jungen überlassen, wie er seine Beziehung zu Sport gestaltet (z.B. Demonstration in der Öffentlichkeit durch Richard und Philipp, beobachtende Zurückhaltung bei Armin, Reportage durch David). Die Orientierung auf Offenheit und Vielfalt zeigt sich auch hier im Gespräch über Sport und im Verhalten der Jungen. Gegenüberstellung der Geschlechterkonzepte Nachdem ich in den obigen Ausführungen die Geschlechtervorstellungen beider Gruppen skizziert habe, möchte ich diese im Folgenden zusammenfassend gegenüberstellen. Die Gruppen haben eine grundlegend verschiedene Perspektive auf die Kategorie Geschlecht. Während die „Rock’n’ Roll AG“ Jungesein, Mannsein und Mädchensein überwiegend über Eigenschaften der Genusgruppen definiert, rekonstruiert die „Tigerkralle“ ihre Geschlechtervorstellungen entlang des Aspekts Verhalten. Dies hat Auswirkungen auf Möglichkeiten zur Typisierung und Differenzierung: Die „Rock’n’Roll AG“ beschreibt typisierende Eigenschaften und Kompetenzen von Jungen. Sie folgt einer dichotomen Einteilung der Genusgruppen und nutzt Mädchen als negativen Gegenhorizont, um das positive Profil der Gruppe der Jungen zu schärfen. Sie präsentieren sich als geschlossene Gruppe und nutzen die Abgrenzung nach außen (z.B. gegenüber Mädchen) als eine Strategie, dies zu demonstrieren und Konflikt untereinander zu vermeiden. Unterschiede innerhalb der Gruppe werden verdeckt. Zentraler Fokus der „Rock’n’Roll AG“ ist die Abgrenzung. Sie zeigen Aspekte komplizenhafter Männlichkeit (vgl. Connell 2000) und erhöhen den eigenen Status über die Mitgliedschaft in der Gruppe. Eine weitere Differenzierung findet nur innerhalb der männlichen Genusgruppe statt: es gibt richtige Jungen und solche, die untergeordnet werden. Hier finden sich wieder klare Hinweise auf eine hegemoniale Orientierung. Eine zweite Unterscheidung wird entlang des Alters zwischen Jungenhaftigkeit und Männlichkeit vorgenommen. Es finden sich kleine Brechungen in dem sonst dichotom und typisiert entworfenen Geschlechterbild: traditionelle weibliche Fertigkeiten werden auch zur Demonstration männlicher Überlegenheit genutzt. Bei der „Tigerkralle“ finden sich hingegen keine Typisierungen. Eine grundlegende Orientierung der Gruppe auf Heterogenität lässt diese nicht zu. Auch wenn der Interviewer nach Typisierungen fragt, zeigt die Gruppe Offenheit und Differenzierungen. Innerhalb der eigenen Genusgruppe wird ebenfalls differenziert: Entlang der Verhaltensnorm „richtiges“ sozial erwünschtes Verhalten wird eine Unterscheidung getroffen. Innerhalb dieser Grenzen ist Verhalten jedoch plural. Es gibt keine klaren Abgrenzungen der Genusgruppen. Einzig eine Abgrenzung auf individueller Ebene gegenüber Mädchen wird deutlich. Dies kann als Abwehren von Verweiblichung, als Abwehr eines möglichen Homosexualitätsverdachts innerhalb hegemonialer Gesellschaftsstrukturen interpretiert werden, da Schwulsein aus 64
Sicht der hegemonialen Männlichkeit leicht mit Weiblichkeit gleichgesetzt wird (vgl. ebd.: 99). Es ist der einzige deutliche Anhaltspunkt für ein hegemoniales Geschlechterbild in dieser Gruppe. Im Hinblick auf die Frage nach Differenz und Kontinuität in den Geschlechtervorstellungen spielt die Kategorie Alter bei beiden Gruppen eine bedeutsame Rolle. Bei den Vorstellungen der „Rock’n’Roll AG“ zum Jungesein und Mannsein findet sich eine enge Kombination von Differenzen und Kontinuitäten. Typisiert zugeschriebene Eigenschaften wie Überlegenheit und Sportlichkeit weisen auf Kontinuität hin, die durch eine Unterscheidung hinsichtlich körperlicher Veränderungen zum Mannsein eine leichte Einschränkung erfährt. Differenz zeigt sich jedoch in den als legitim angesehenen Verhaltensweisen (z.B. Kontakt zu Mädchen). Hier wird eine Unterscheidung zwischen Jungenhaftigkeit (als Verhalten von Jungen) und Männlichkeit (als Verhalten von Männern) vorgenommen. Ebenfalls kontinuierlich findet sich eine Orientierung auf Hegemonie. Wie diese jedoch erreicht werden kann, wird je nach Alter unterschiedlich entworfen – hier zeigt sich wieder Differenz. Schließlich führt die kontinuierliche Orientierung auf Überlegenheit und Stärke zur Unterordnung anderer. Es finden sich jedoch Brüche, da die Jungen sich in unterlegenen Situationen gegenüber älteren Mädchen erleben; dies verweist wieder auf eine Differenz entlang des Alters. Bei der „Tigerkralle“ zeigt sich eine deutliche Kontinuität in der Orientierung auf Heterogenität und legitimes Verhalten, wobei Verhaltensänderungen als kontinuierlicher Prozess aufgefasst werden. Eine sehr unscharfe Differenz zeigt sich bezüglich der Kategorie Geschlecht. Die klarer konturierte Differenz bezüglich der Kategorie Generation wird ebenfalls wieder aufgeweicht durch undifferenzierte Begrifflichkeiten. Zudem verhindert der Entwurf des Erwachsen-Werdens als kontinuierlichen Prozess klare Differenzierungen. Es finden sich einige Hinweise in angelsächsischen Studien, dass Männlichkeitsvorstellungen und die Haltung von Jungen gegenüber Schule eng zusammen hängen „doing boy and doing pupil were inseparable“ (Benjamin 2001: 42). Frosh et al. (2002: 198) weisen auf sehr spezifische Erwartungen hin, die durch eine Hierarchie populärer Maskulinität entstehen, und die das Benehmen von Jungen in der Schule lenken. Versuchen Jungen diesen Erwartungen zu entsprechen, so geraten sie schnell in Widerspruch zu den pädagogischen Zielen der Schulen (vgl. Benjamin 2001: 42). Nach Keddie (2006: 527) sind die Diskurse zum Jungesein und Schülersein konfliktär, Connolly (2004) zeigt in einer ethnographischen Studie jedoch Differenzierungen auf. Abschließend möchte ich daher mögliche Hinweise auf Zusammenhänge von Schulorientierungen mit den Geschlechtervorstellungen skizzieren. Haltung gegenüber Schule 435 I: 436 Tobias: 437 Paul: 438 Markus: 439 Paul: 440 Markus: 441 I:
Also jetzt geht’s um die Schule. Uäh Um die Schule uäh Uäh Schule uuuuh Nee ne oder ne he ich meld mich krank ich bin krank Ich bin krank [GELÄCHTER] Also ich merke schon, es gibt bestimmt Sachen, die euch ärgern und dann gibt’s auch was was euch gefällt.
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442 Paul: Klar Mädchen 443 Tobias: Hausaufgaben 444 Paul: Mädchen 445 Markus + Tobias: Hausaufgaben 446 Felix: klar 447 Paul: Schule Schule überhaupt die ganze Schule 448 Felix: Ja 449 Tobias: Ja überhaupt die Lehrerin das das tollste 450 Paul: Ja 451 Felix: Ja 452 I: Also 453 Felix: Die Lehrerin is doch gar nicht 454 Tobias: Die is eklig 455 Paul: Wenn man in den Ferien die Schule sieht 456 Tobias: Ja 457 Markus: Mhm 458 Felix: Uäh: 459 Tobias: Lebensgefährliches Gerät die Schule 460 Paul: Mhm kann man einen mit umbringen. Und ich hasse es, wenn wenn so kleine Erstklässler n Feueralarm auslösen. (FR 01, 435-460)
Die „Rock’n’Roll AG“ betrachtet Schule als Ort sozialer Beziehungsstrukturen (vgl. Michalek 2004). Die Jungen sprechen beispielsweise nicht über Lehrinhalte, sondern erläutern auch beim Sprechen über inhaltliche Aspekte von Schule (z.B. Strafarbeit, Monotonie, Schwierigkeit von Aufgaben) immer soziale Zusammenhänge. Verhältnisse zu Gleichaltrigen aber auch zu Lehrpersonen stehen im Zentrum. Hinzu kommt ein Vergleich in der Gruppe (Übertrumpfen). Das Sprechen über soziale Beziehungsstrukturen ist verknüpft mit der Artikulation starker pauschalisierend festgestellter Emotionen: Mädchen ärgern, die Lehrerin ist eklig, die Erstklässler rufen Hass hervor, so die Äußerungen der Jungen. Die einzelnen Beurteilungen werden von den anderen Jungen schnell bestätigt, die Jungen entwickeln eine pauschale gemeinsame ablehnende Einschätzung von Schule. Auf dieser grundlegenden Orientierung aufbauend entwirft die Gruppe Schule als Ort vorhersehbarer Abläufe und Regeln (z.B. wiederkehrende Hausaufgaben, Regelung der Krankmeldung). Im Hinblick auf die Zusammenhänge von Schule mit anderen Lebensbereichen entwickeln die Jungen einen Rahmen, der Schule in ihren begrenzenden Auswirkungen auf das Leben außerhalb beschreibt. Schule wird hier verknüpft mit „Lebensgefahr“, Schule erscheint als Bedrohung. In den Gesprächspassagen über Schule dokumentiert sich eine Distanz gegenüber Schule und ihren Anforderungen und Routinen. Die Äußerungen sind überwiegend negativ: Hausaufgaben, das Lernen, das frühe Aufstehen und das Zuhören müssen „nerven“. Die Jungen sprechen dabei ausschließlich von angeordneten Tätigkeiten, die scheinbar begrenzend wirken und auf Unterordnung hinweisen. Sogar in den Gesprächspassagen darüber, wo Schule Spaß macht, wendet sich nach kurzer Zeit die Stimmung und alle bekräftigen, wie außerordentlich langweilig alles ist und gehen damit wieder auf Distanz, zeigen Ablehnung: 524 Paul: 525 Tobias:
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Mathe Mathe is gut weil das is immer so schön einfach, Einfach
526 Paul: Ja heute nur drei Arbeitsblätter 527 Felix: Aber 528 Paul: Und wir hatten 45 Min. Zeit, 529 Tobias: Böäh 530 Paul: Also das is ja wirklich echt langweilig (FR 01, 524-530)
Diese Distanz zu Schule und ihren Anforderungen lässt sich gut in das von der Gruppe konstruierte Bild vom Jungesein integrieren. Es lassen sich Abgrenzung und Überlegenheit demonstrieren. Im Gespräch über das Verschlafen sowie über Strafarbeiten erlangen die bestraften Jungen Prestige durch den Ärger mit Lehrpersonen. Das Übertreten von schulischen Regeln entspricht und unterstützt ein erfolgreich inszeniertes Jungesein – kommt jedoch mit einem nach schulischen Kriterien erfolgreichen Schülersein in Konflikt. In der Aufzählung guter Noten zeigt sich jedoch eine deutliche Leistungsorientierung, die erfolgreichem Schülersein entspricht. Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei den Jungen der „Tigerkralle“. Die Gesprächspassagen über Schule sind ebenso differenziert wie die oben aufgeführten Positionierungen zu Junge- und Mannsein: 815 I: So wisst ihr was als nächstes wollt ich mal über die Schule mit euch reden. 816 ALLE: Oh: [GELANGWEILT; GENERVT] 817 J: Juhu 818 J: Über die Schule 819 Richard: Ich hab 820 Armin: Ich liebe sie manchmal und hasse sie (FR 02, 815-820)
Die Jungen beginnen das Gespräch über Schule mit differenzierenden Aussagen zu den individuellen Gefühlen in Bezug auf Schule. Dies verweist auf die zentrale Orientierung der Gruppe zu Schule: Schule wird aus individueller Perspektive betrachtet. Zentral sind eigene Einstellungen oder Gefühle gegenüber Unterrichtsfächern, Unterrichtsinhalten und Leistungseinschätzungen. Die Jungen versuchen nicht, allgemeine Aussagen zu treffen. Sie lassen die unterschiedlichen eigenen Positionierungen nebeneinander stehen. Es fällt auf, dass die Gleichaltrigen in den Erzählungen keine Rolle spielen. Die Jungen positionieren sich individuell zu Unterrichtsfächern, deren Inhalten (z.B. Spiele im Sportunterricht) und deren Bedeutung für den Einzelnen (z.B. Bewegungsbedürfnis). Durch obigen Einstieg in das Gespräch über Schule veranlasst, entwickeln die Jungen differenziert ihre Perspektiven: sie nennen Noten, die sich über das ganze Spektrum erstrecken, sie nennen einzelne Fächer, die sie gut finden – differenzieren jedoch auch hier, wo die negativen Punkte liegen. Ein Ausklammern vermeintlich weiblich konnotierter Unterrichtsfächer wie Textiles Werken (Handarbeit) findet nicht statt. Ausführlich unterhalten die Jungen sich darüber, was sie an der Schule mögen. 892 Philipp: Die Schule find ich immer ganz gut, wenns Deutsch und Mathe gibt, 893I: Mhm. 894Philipp: Und Hus und Sport *1* und TW. @Mhm@. Wenns statt Französisch Englisch wär, wärs besser. 895 Armin: Nein.
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896 Philipp: Doch 897 Armin: Oh ich hab vergessen Französich find ich auch gut. 898 J: Uah: 899 I: Findst de auch gut 900 Armin: Ja weil mein Vater is Franzose. (FR 02, 892-900)
Hier findet sich keine einseitige der Schule oder einzelnen Fächern gegenüber distanzierte oder oppositionelle Haltung. Jeder zählt seine Vorlieben auf – es wird nicht in Frage gestellt, dass jeder bestimmte Fächer mag. Armins Erläuterung, dass er Französisch gut finde, da sein Vater Franzose ist, kann als Hinweis darauf betrachtet werden, dass eine positive Verbindung zwischen Schule (hier einem Unterrichtsfach) und Ausschnitten des Lebens außerhalb von Schule (hier die Familie) hergestellt werden kann. Die Orientierung der Gruppe zum Jungesein, die Orientierung auf Heterogenität bewährt sich in Bezug auf Schule und Schülersein. Da Jungesein offen und plural gedacht wird, sind Inszenierungen erfolgreichen Schülerseins problemlos integrierbar. Plurales Jungesein steht einem pluralen Schülersein nicht im Wege. Die individualisierte Perspektive auf Schule verhindert einen Vergleich untereinander und mögliche Über- und Unterordnungen zwischen den Jungen. Hegemoniale Strukturen lassen sich nicht feststellen. Ausblick Swain (2003: 210) kommt zu dem Schluss, dass die hegemoniale Männlichkeit je nach Schule unterschiedlich aussehen kann. Dies muss mit den vorliegenden Ergebnissen erweitert werden. Es ist möglich, so zeigen die Daten, dass sich sogar innerhalb einer Klasse unterschiedliche Männlichkeitskonzepte etablieren. Und diese müssen nicht einmal hegemonial ausgerichtet sein. Renold (2004: 254) stellt fest, dass Distanz zur hegemonialen Männlichkeit nur möglich ist, so lange man in irgendeiner Form hegemonialer Männlichkeit engagiert ist. Auch dies muss mit der vorliegenden Studie relativiert werden. Es scheint für eine Forschung, die das Konzept der hegemonialen Männlichkeit zugrunde legt, schwer zu sein, den Blick auch für nicht-hegemoniale Strukturen zu öffnen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Differenzierungen beider Gruppen in Bezug auf die Kategorie Alter stellt sich generell die Frage, ob Connells Ansatz überhaupt auf Kinder ausgeweitet werden kann oder wie dieser gegebenenfalls entsprechend modifiziert werden muss. Die Rekonstruktionen weisen darauf hin, dass sich Feinheiten und Unterschiede in den Geschlechterkonstruktionen häufig erst auf den zweiten Blick zeigen. Hierzu trägt sicher bei, dass die Jungen in Formen interagieren, die für Erwachsene ungewohnt sind und schnell als unorganisiert oder unfreundlich eingestuft werden. Für die Forschungspraxis bedeutet dies, dass genau hingesehen werden muss, um den Feinheiten der Interaktionen auf den Grund zu kommen (vgl. Fuhr 2004). Für die pädagogische Praxis lässt sich folgern, dass geschulte Wahrnehmungs- und Deutungskompetenzen von PädagogInnen notwendig sind, um einerseits nicht vorschnell den Gewohnheiten entsprechend zu urteilen und andererseits Differenzen in Geschlechtervorstellungen erkennen zu können. In der Untersuchung zeigen sich große Differenzen innerhalb einer Klasse. Dies stellt meiner Ansicht nach eine Chance für pädagogisches Handeln dar. Vorhandene Unterschiede können aufgegriffen und die Kinder in ihrer Suche nach möglichen Formen des Junge68
seins bestärkt werden. So kann ihr Handlungsspektrum für unterschiedliche Situationen und Anforderungen erweitert werden: „Embedded within wider structures, each localized setting affords boys with a number of different opportunities to construct different masculinities that draw on the resources and strategies available, and so there is diversity within settings as well as between them” (Swain 2005: 77). Ziel pädagogischen Handelns muss sein, Jungen dabei zu unterstützen, ihre Handlungsperspektiven und Männlichkeitskonstruktionen zu differenzieren und so ihre vorhandenen Ressourcen und Strategien zu erweitern. Hierfür bedarf es bei pädagogischen Fachkräften eines geschärften Blicks für die Heterogenität unter Jungen. Es konnte skizziert werden, wie unterschiedliche Orientierungen des Jungeseins mit schulischen Orientierungen zusammenkommen. Von der Schule erwartetes Schülersein kann dabei mit den Vorstellungen zum Jungesein in Konflikt geraten – etwa im Hinblick auf schulische Leistungsorientierung. Dies stellt eine Herausforderung für die Gestaltung von Schule und Unterricht dar. Hier bedarf es weiterer Forschungen, die das Zusammenspiel der beiden Orientierungen Jungesein und Schülersein bei Grundschülern näher in den Blick nehmen. Transkriptionszeichen und Zitierweise . stark fallende Intonation , schwach steigende Intonation betont betonte gesprochene Worte laut in Relation zur jeweiligen normalen Sprechstimme laut gesprochen [SEUFZT] Kommentare gleichzeitig gleichzeitig Gesprochenes @echt@ lachend Gesprochenes J nicht identifizierbarer Junge : gedehnt gesprochen *3* drei Sekunden Pause Namen und Orte wurden anonymisiert, die Gesprächsbeiträge einer Gruppendiskussion sind durchnummeriert. Literatur Benjamin, S. (2001): Challenging Masculinities: disability and achievement in testing times. In: Gender and Education, Jg. 13, H. 1. S. 39-55. Billmann-Mahecha, E. (2001): Soziale Aushandlungsprozesse im Kindesalter – ein qualitativer Zugang über das Gruppendiskussionsverfahren. In: Mey, G. (Hrsg.): Qualitative Forschung in der Entwicklungspsychologie. Potentiale, Probleme, Perspektiven. Forschungsbericht aus der Abteilung Psychologie im Institut für Sozialwissenschaften der Technischen Universität Berlin. S. 1218. Bohnsack, R. (2007): Rekonstruktive Sozialforschung: Einführung in qualitative Methoden. Stuttgart: UTB. Breidenstein, G./Kelle, H. (1998): Geschlechteralltag in der Schulklasse. Ethnographische Studien zur Gleichaltrigenkultur. Weinheim: Juventa-Verlag.
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Perspektiven für Jungenforschung an Schulen Jürgen Budde
Abstract “Perspectives of Research on Boys in Schools” The contribution focuses on the changing gender discussion where boys seem to be the discriminated gender. A theoretical and empirical reassessment which carries this thesis is currently missing. Also missing is a debate about the influence of school culture. On the basis of empirical data Jürgen Budde discusses orientations of boys with regard to traditional masculinity and their disadvantageous impact on school culture. Einleitung Im englischsprachigen Raum wird bereits seit längerem ein „Boys turn“ in der Diskussion um den Zusammenhang von Schulerfolg und Geschlecht attestiert (vgl. Martino/Meyenn 2001; Weaver-Hightower 2003; Fuhr/Michalek 2009). Auch in Deutschland wird mittlerweile breit darüber nachgedacht, inwieweit Jungen aufgrund ihres Abschneidens in internationalen Vergleichsstudien als neue Bildungsverlierer anzusehen sind (vgl. z.B. Aktionsrat Bildung 2009; Rose/Schmauch 2005; Budde 2008a). Allerdings ist bislang ungeklärt, ob die These von den „Jungen als Bildungsverlierer“ überhaupt Bestand hat. Es fehlt bislang eine theoretische und empirische Ausarbeitung dieser Annahme durch die Jungenforschung (vgl. Budde/Mammes; Keienbaum in diesem Band). Ebenso wird in der deutschsprachigen Jungenforschung bislang der Bezug zum institutionellen Kontext Schule nur selten thematisiert. Inwieweit Schule als Institution systematisch durch die Schulkultur, durch die Lehrkräfte oder durch die Unterrichtsgestaltung Einfluss auf Bildungserfolge oder Geschlechterkonzepte hat, ist bislang nur wenig erforscht. Um diese Lücken zu schließen, diskutiert der Beitrag die These, dass ein Teil der Jungen aufgrund ihrer Orientierung an tradierten und stereotypen Männlichkeiten Kapitalien zum Einsatz bringen, die im Feld Schule ungünstige Auswirkungen haben können, sich jedoch in non-formalen oder informellen Feldern durchaus als gewinnbringend erweisen können. Zu fragen ist nach der Passung zwischen Habitus (von Jungen und Lehrkräften), Interaktion und Institution. Der Beitrag rückt somit Männlichkeitspraxen und ihre schulische Bewertung ins Zentrum. Zuerst werden unterschiedliche Kriterien für Bildungserfolg unter Genderperspektive dargestellt und anschließend diskutiert, inwieweit dies auf eine „Feminisierung von Bildung“ zurückzuführen sei. Dem entgegengesetzt wird vorgeschlagen, Bildungs(miss-)erfolg von Jungen unter theoretisierendem Rückgriff auf den männlichen Habitus zu erklären. Anschließend wird anhand von empirischem Material aufgezeigt, dass Jungenverhalten im schulischen Alltag einer negativen Bewertung unterliegen kann. Im Fazit plädoyiert der Beitrag für einen erweiterten Bildungsbegriff und skizziert Perspektiven für die Jungenforschung an Schule.
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Jungen als Bildungsverlierer? Kriterien für die Diagnose der Bildungsverlierer Die Diskussion darüber, inwieweit Jungen als „die neuen Bildungsverlierer“ angesehen werden, stützt sich auf ganz unterschiedliche Kriterien (vgl. Budde 2008a). So stellt sich die Frage, ob der Erfolg im Verhältnis zu den früheren Leistungen der Jungen beurteilt wird. Geht es um Kompetenzen, um Abschlüsse? Oder geht es bei der Beurteilung, ob Jungen die neuen Bildungsverlierer sind, darum, was sie später aus den erworbenen Abschlüssen machen? Wird die vermeintliche Verliererposition an den früheren Leistungen der Jungen gemessen, dann stellt man fest, dass Jungen auch schon früher schlechtere Leistungen hatten als ihre Mitschülerinnen, dies aber deswegen nicht aufgefallen ist, weil Jungen in größerer Zahl auf den höheren Schulen vertreten waren (vgl. Rodax/Hurrelmann 1986). Das Kriterium der Kompetenzrückstände wiederum wird oft als Kronzeuge für die Diagnose der Bildungsbenachteiligung von Jungen herangezogen, hier spiegelt sich die Dominanz des PISA-Diskurses wieder. Denn Bildungserfolg wird seit dem Jahr 2000 oftmals mit einem guten Platz in nationalen oder internationalen Rankings gleichgesetzt. Entsprechend wird auch die Frage des Abschneidens von den Jungen oder den Mädchen bisweilen gehandhabt wie ein Fußballspiel: Sieg oder Niederlage. Mit der PISA-Studie 2000 ist es zwar gelungen, Bildungsungleichheiten in Deutschland auch auf soziale Kategorien zurückzuführen und so zum allgemeinen Thema zu machen, gleichzeitig bestehen seither jedoch Tendenzen, soziale Ungleichheit im Bildungssystem auf Kompetenzdifferenzen in den PISA-relevanten Fächern zu reduzieren. Die Grundschule betreten Jungen und Mädchen mittlerweile mit ähnlichen sprachlichen und numerischen Voraussetzungen (vgl. Schwenck/Schneider 2003, Tiedemann/Faber 1994), auch am Ende der vierten Klasse sind die Kompetenzdifferenzen noch moderat. Die aktuelle TIMS-Studie berichtet für Grundschulkinder zwar von einem im internationalen Vergleich großen Leistungsvorsprung der Jungen (531 Punkte) in Mathematik gegenüber den Mädchen (519 Punkte), auch in den Naturwissenschaften liegen sie mit 535 Punkten um 15 Punkte über ihren Mitschülerinnen (vgl. Bos et al. 2008a), die IGLU-Studie belegt hingegen, dass die Unterschiede zwischen Jungen (544 Punkte) und Mädchen (551 Punkte) im Lesen in den letzten Jahren geringer geworden sind (vgl. Bos et al. 2008b). Eine Verschärfung tritt vor allem beim Übergang in die weiterführenden Schulen auf, hier verstärken sich „Geschlechterterritorien“ (Kelle 2003: 187), nach denen Mathematik, Physik oder Informatik als männliche, und sprachliche sowie künstlerische Fächer als weibliche Domänen gelten (vgl. Prenzel et al. 2007). So liegen in der PISA-Studie von 2006 die durchschnittlichen Leistungen der Jungen in Mathematik um 20 Punkte über denen der Mädchen, in Lesekompetenz schneiden die Mädchen um 42 Punkte besser ab. In Naturwissenschaft finden sich keine signifikanten Unterschiede. Zusätzlich wird die Leistungsschere zwischen Jungen und Mädchen in Deutschland über die drei Messzeitpunkte entgegen dem internationalen Trend eher größer und zwar sowohl im Rechnen als auch im Lesen. Des Weiteren zeigt die Erhebung von 2003, dass die Streuung der Werte bei Jungen größer ist als bei Mädchen: Jungen sind in der Gruppe der kompetenzschwächsten Schüler mit fast zwölf Prozent um zwei Prozentpunkte häufiger vertreten als Mädchen, aber auch knapp zwölf
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Prozent der Jungen erreichen die obersten Kompetenzstufen, dies sind immerhin 1,5 Prozentpunkte mehr als Mädchen. Die Geschlechterterritorien finden sich übrigens in den Einstellungen von Lehrkräften, der SchülerInnen und Eltern gleichermaßen wieder, die oftmals durch tradierte Stereotype geprägt sind. So halten beispielsweise Mathematik- und Physiklehrkräfte Jungen in diesen Fächern für kompetenter und richten höhere Erwartungen an sie (vgl. Ziegler et al. 1998). Im Fach Deutsch sieht es umgekehrt aus, hier halten Lehrkräfte Mädchen für kompetenter, Jungen hingegen für desinteressierter, weniger engagiert und fachlich weniger geeignet. Generell werden Jungen bei positiven Leistungen eher als „genial“ beschrieben, Mädchen eher als „fleißig“ (vgl. Thies/Röhner 2002: 141ff). Die Kompetenzen sagen jedoch nur bedingt etwas über die tatsächlich erhaltenen Schulnoten aus. Vergleicht man nämlich die Noten von Jungen und Mädchen mit gleichen Kompetenzen, dann stellt man fest, dass Jungen durchschnittlich schlechtere Noten erhalten – und zwar in allen getesteten Bereichen (vgl. Budde 2008a). Zieht man als ein anderes Kriterium die Schulabschlüsse heran, dann liegen Jungen im Durchschnitt hinter den Mädchen. Sie besuchen geringer qualifizierende Schulformen und beenden die Schullaufbahn öfter ohne Abschluss, vor allem Förderschulen werden überproportional häufig von Jungen besucht. Gemessen an diesem Kriterium sind vor allem jungen Frauen in den ostdeutschen Ländern die bildungserfolgreichste Gruppe (vgl. statistisches Bundesamt 2005/2006).1 Hinzu kommt, dass die Bildungsverläufe von Jungen durchschnittlich weniger geradlinig sind. Sie werden später eingeschult, bleiben häufiger sitzen und müssen öfter auf geringer qualifizierende Schulformen wechseln. Als weiteres Kriterium kann die Verliererposition daran gemessen werden, was die Jugendlichen später aus den erworbenen Abschlüssen machen. Viele Jungen lernen in der Schule durchaus etwas fürs Leben – beispielsweise Selbstbewusstsein, Solidarität, Humor, Durchsetzungsfähigkeit oder Konkurrenzverhalten –, sie erwerben unter Geschlechterperspektive das, was Pierre Bourdieu als männlichen Habitus beschreibt (vgl. Bourdieu 2005) und der dazu führen kann, dass junge Männer im Übergang von der Schule in den Beruf im Durchschnitt Vorteile haben. Vor allem mittel- und gut qualifizierte junge Männer wählen Berufswege, die bessere Verdienst- und Karrieremöglichkeiten bieten als die Berufswege von ähnlich qualifizierten jungen Frauen. Die oben bereits angesprochenen Geschlechterreviere bilden sich hier wieder ab. Die am stärksten männerdominierten Studienfächer sind Elektrotechnik mit 95 Prozent, Informatik und Maschinenbau mit 85 Prozent sowie Physik mit 78 Prozent männlicher Studierender, in Psychologie, Erziehungswissenschaft sowie Germanistik werden im Gegenzug nur ca. 25 Prozent der Studienplätze von Männern belegt. Anders sieht dies im unteren Qualifizierungssegment aus. Zwar herrscht auch hier bislang eine traditionelle Berufwahl vor, junge Männer gehen öfter in handwerkliche und industrielle Berufe, Mädchen verstärkt in soziale und Dienstleistungsberufe. Diese Orientierung auf Handwerk und Industrie kann sich jedoch perspektivisch als Nachteil für einen Teil dieser Jungen erweisen, da die Beschäftigungszahlen in diesen Sparten gerade für gering Qualifizierte rückläufig sind (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008; Cremers 2007; Cremers/Budde 2009).
1 Allerdings heißt dies nicht, dass die Jugendlichen ihr Leben lang ohne Abschluss bleiben. Im Alter von 22 Jahren haben nur noch 2,1 Prozent der jungen Frauen und 2,7 Prozent der jungen Männer keinen Abschluss, weil diese durch erfolgreiche Ausbildungen und weiteren Schulbesuch nachgeholt werden (vgl. Valtin et al. 2006).
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Die unterschiedlichen Kriterien bieten verschiedene Blickwinkel auf die Frage der Benachteiligung aufgrund von Geschlecht. Eine weitere Differenzierung kommt ins Spiel, wenn sozialer Status und Migrationhintergrund hinzugezogen wird. Hier bildet sich zwar die gleiche Geschlechterrelation ab – Jungen mit Migrationshintergrund haben geringen schulischen Erfolg als Mädchen mit Migrationshintergrund, können aber beim Übergang von der Schule in Beruf und Ausbildung profitieren – Jungen wie Mädchen mit Migrationshintergrund bleiben aber zurück hinter den Erfolgen, die deutsche Jugendliche erzielen. Auch hier muss allerdings differenziert werden, da vor allem Jungen und Mädchen, deren Eltern aus so genannten Gastarbeiterfamilien stammen und die nur über geringe Bildungsabschlüsse verfügen, zu der Risikogruppe gezählt werden können. Entscheidender wirkt sich die Milieuzugehörigkeit aus, die stärker noch als Migrationshintergrund oder Geschlecht den Bildungserfolg beeinflusst. Dabei gibt es enge Überschneidungen, weil viele Jungen (und Mädchen) mit Migrationshintergrund zu den unteren sozialen Schichten gehören. Für den Bildungserfolg ist die soziale Lage entscheidender als kulturalisierende Gründe (vgl. Weber 2009). Somit muss differenziert werden, dass nach den bisher diskutierten Kriterien nicht die Jungen die Bildungsverlierer sind, sondern vor allem jene Schüler mit einem gering qualifizierenden oder ohne jeden Abschluss. Gleichzeitig wird verschleiert, dass es ebenfalls sehr erfolgreiche Jungen gibt, während längst nicht alle Mädchen zu den Bildungsgewinnerinnen gezählt werden können. Diskurse über Gründe für Bildungsmisserfolg Auf der Suche nach Gründen für die schlechteren schulischen Leistungen eines Teils der Jungen wird aktuell vor allem die „Feminisierung von Schule“ genannt. Damit ist zumeist gemeint, dass die Schule „verweiblicht“ sei, wie es die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Uta Erdsiek-Rave (2006) ausdrückt. Zum ersten wird in diesem Zusammenhang der Überhang weiblicher Lehrkräfte diskutiert, der dazu führe, dass Jungen männliche Vorbilder zur Identifikation fehlten. Damit einher geht die Klage, dass auch in der familialen Erziehungssituation Männer unterrepräsentiert sind, sodass trotz aller Veränderungen (beispielsweise durch das neue Elterngeld) die Faustformel gilt: Je jünger die Kinder, je höher die pflegerischen Anteile, je niedriger das Prestige und das Gehalt, desto geringer die Zahl von Männern. Allerdings weisen die meisten Forschungsergebnisse eher darauf hin, dass die Bedeutung des Geschlechts der Lehrkraft für den Bildungserfolg oder -misserfolg von Jungen nicht allzu hoch angesetzt werden sollte (vgl. Faulstich-Wieland im gleichen Band). So hat eine englische Studie Leistungsunterschiede in Abhängigkeit vom Geschlecht der Lehrkraft überprüft und summiert: „…the results gave little support for those who advocate recruitment drive with role models in mind” (Carrington et al. 2008: 315). Eine deutsche Untersuchung findet eine signifikante Korrelation zwischen dem Anteil weiblicher Grundschullehrkräfte und den Schulabschlüssen von Jungen (vgl. Diefenbach/Klein 2002), eine österreichische Studie hingegen kann keinen Effekt nachweisen, was den Zusammenhang zwischen Grundschullehrerinnen und männlichen Gymnasiasten angeht. Die gleiche Studie stellt aber für die Sekundarstufe fest, dass „Buben schlechtere Noten [erzielen], wenn sie einen männlichen Klassenvorstand haben“ (Bacher et al. 2008: 152). Zusätzlich fallen die Leistungsdifferenzen zwischen Jungen und Mädchen in Deutschland an jenen Schulformen besonders gering 76
aus, an denen viele Frauen arbeiten: an den Hauptschulen und insbesondere an den Grundschulen (vgl. Neutzling 2005). Zum zweiten wird beklagt dass „jungentypische Lernzugänge“ zu wenig Berücksichtigung fänden und die Didaktik nicht „jungengerecht“ sei, als Ausweg wird die Berücksichtigung jungengerechter Texte in sprachlichen Fächern und (fächerunspezifisch) bewegungsorientierten Methoden vorgeschlagen. So führen Bos et al. das gute Abschneiden der deutschen SchülerInnen bei der IGLU-Studie von 2008 unter anderem darauf zurück, dass die Leseleistung der Jungen gesteigert werden konnte, weil in der Grundschule zunehmend mehr Texte behandelt werden, die Jungen ansprechen (vgl. Bos et al. 2008b). So begrüßenswert abwechslungsreiche Lernzugänge sind, es kann die Gefahr bestehen, Geschlechterstereotype zu verstärken. Lautet die Forderung, dass Jungen „die Wilden Kerle“ lesen sollen, wird ihnen qua Geschlecht unterstellt, Interesse an Fußball und Kampf zu haben, werden auf diese Weise sowohl erwartungswidrige Schüler ausgeblendet, als auch die Tatsache, dass im Jahre 2002 Harry Potter bei Jungen wie Mädchen zwischen zehn und 18 Jahren die beliebteste Lektüre war (vgl. Bischof/Heidtmann 2002: 252). Zudem rekurrieren beide Argumentationslinien auf eine dramatisierende Verstärkung von Männlichkeit und Geschlechterdifferenzen aufgrund ontologisierender Zuschreibungen und neigen aus diesem Grund zu einer problematischen Verstärkung von Geschlechterdifferenzen (vgl. Budde 2008a). Herstellung von Männlichkeit unter Schülern Ein überzeugenderer Grund für schulischen Misserfolg eines Teils von Jungen kann hingegen m.E. auf der tiefer liegenden Ebene von Männlichkeitspraxen gesehen werden. In der Tat kann sich die Orientierung an Leitbildern hegemonialer Männlichkeit als nachteilig erweisen. Paul Willis hat bereits in den 1970er Jahren beschrieben, wie männliche Jugendliche aus dem proletarischen Milieu in England durch die Hochstilisierung schwerer körperlicher Arbeit und der Entwertung von Schule als „unmännlich“, aktiv dazu beitragen, in der Schule zu scheitern und früh ins Berufsleben wechseln (vgl. Willis 1979). Hinweise auf entsprechende Zusammenhänge zwischen Männlichkeitspraxen und Bildungsmisserfolg können auch aktuell in Deutschland gefunden werden. So sind Jungen durchschnittlich „performanzorientierter“ (Finsterwald/Ziegler 2002), d.h. ihnen sind die sozialen Dynamiken in der Klasse wichtiger als ihren Mitschülerinnen, die sich tendenziell stärker für den fachlichen Verlauf des Unterrichts interessieren. Mädchen scheinen durchschnittlich den sozialen und den fachlichen Kontext von Unterricht besser miteinander vereinbaren zu können, während für Jungen die Peer-Group eine zentrale – und unterrichtsverhaltenbeeinflussende – Bedeutung hat. Entsprechend stehen Unterrichtsbeiträge stärker unter der Frage, wie sie bei den Mitschülerinnen und Mitschülern ankommen, als dies bei Mädchen der Fall ist. Auch lässt sich bei vielen Jungen zunehmend „Underachievment“ beobachten (vgl. Stamm im gleichen Band), also die Tatsache, dass sie in der Schule weniger Leistung zeigen, als aufgrund ihrer Kompetenzen zu erwarten wäre. Ein Hauptgrund liegt hier darin, dass Jungen Sorge davor haben, bei guten Leistungen ausgegrenzt zu werden. Sicherlich gibt es auch Ausnahmen, in bildungsambitionierten Milieus kann sich Männlichkeit gerade durch besonders herausragende schulische Leistung auszeichnen (vgl. Phoenix 2005). In vielen männlichen Peer-Kulturen allerdings gilt schulischer Erfolg als Angelegenheit der Mädchen und entsprechend als „unmännlich“. Im Underachievment kann sich Protest und 77
Rebellion gegen institutionelle Vorgaben durch eine distanzierte Haltung zu schulischem Erfolg ausdrücken. Damit wird deutlich, dass auch der schulische Kontext, der spezifische Erwartungen und Anforderungen – dazu gehört ein bestimmtes soziales Verhalten, der Auftrag der Wissensvermittlung oder die Bewertungsdimension – an die Beteiligten stellt, eine wichtige Rolle bei der Herstellung von geschlechterstereotypen Vorstellungen spielt. Auch Lehrkräfte sind durch die Gestaltung der Interaktionen, durch geschlechterstereotype Erwartungshaltungen und Fähigkeitszuschreibungen oder durch die Wahl der Unterrichtsinhalte ebenfalls an Geschlechterkonstruktionen beteiligt. Die individuellen Ursachen für den Bildungserfolg oder -misserfolg können bei Jungen wie Mädchen zwar höchst unterschiedlich sein: Einstellung der Eltern oder der Freunde zur Schule, eine subjektiv höhere Bedeutung informeller Lernorte etc. Für Aussagen über den Zusammenhang von Bildungserfolg und Geschlecht jedoch muss auf die tiefer liegenden vergeschlechtlichten und vergeschlechtlichenden Prozesse unter der Frage fokussiert werden, inwieweit die Aushandlung und Darstellung von Männlichkeit Einfluss auf Erfolg und Misserfolg von Jungen im Feld der Schule nehmen kann. Das Konzept hegemonialer Männlichkeit von Connell ermöglicht es, die Praktiken, mit denen Jungen die Binnenrelation zwischen hegemonialen, komplizenhaften, untergeordneten und marginalisierten Handlungsmustern herstellen, als „doing masculinity“ zu beschreiben (vgl. Budde 2005b). Was den in diesen Praktiken geformten männlichen Habitus ausmacht, ist keineswegs festgeschrieben, sondern immer Produkt gesellschaftlicher Kämpfe und insofern instabil. Die Positionierung hängt eng mit den Kapitalien zusammen, die im Feld mobilisiert werden können (vgl. Budde/Mammes in diesem Band). Männlichkeit erweist sich dabei als Zugehörigkeitsproblem, da Jungen in ihren Interaktionen untereinander durch Ein- und Ausschluss den jeweiligen Status aushandeln können. Besonderes Ausgrenzungspotenzial im „Kampf um geschlechtliche Anerkennung” kommt symbolischen Verweiblichungen zu, wie sie z.B. in dem Vorwurf, schwul zu sein, zum Ausdruck kommen, und die darauf abzielen, dem Gegenüber Männlichkeit abzusprechen. Dem ausgegrenzten Jungen wird auf diese Weise signalisiert, dass er nicht als legitimer Mann gilt, der Ausgrenzer selber stellt seine Überlegenheit – und damit seine Männlichkeit – unter Beweis. Aus diesem Grund ist es auch verfehlt, das problematische und grenzverletzende Verhalten einiger Jungen lediglich unter dem Fokus der Normabweichung oder der Devianz zu betrachten, da diesem Handeln häufig Sinnhaftigkeit aufgrund der Herstellung eines männlichen Habitus zukommt. Das heißt nicht, dass alle Jungen permanent dem nacheifern, was Raewyn Connell als hegemoniale Männlichkeit beschreibt, aber viele Jungen stellen ihren männlichen Habitus in Auseinandersetzung mit diesen hegemonialen Bildern her, ihnen kommt eine zentrale Orientierungsfunktion zu. Empirische Befunde zu Männlichkeitspraxen im Kontext Schule Im Folgenden werden Beobachtungen aus einem DFG-finanzierten ethnographischen Forschungsprojekt herangezogen, um die Funktionsweisen von Männlichkeitspraxen und ihre Bewertungen im Kontext Schule zu diskutieren. In dem Forschungsprojekt wurden vier fünfte Klassen in ihrem ersten Jahr an dem für sie neuen – sich geschlechtersensibel verstehenden – Gymnasium „Zimmerbreite“ drei Monate lang mit ethnographischen Methoden begleitet (im September, im Januar und im Juni). Alle Klassen wiesen einen höheren Mäd78
chenanteil auf. Beobachtungen wurden vor allem in Deutsch, textilem und technischem Werken, einem schulspezifischen Fach (KoKoKo) sowie teilweise in Mathematik, Englisch, Sport und Religion durchgeführt. Zusätzlich wurden Lehrkräfte und relevante Personen, wie die Direktorin, die GenderkoordinatorInnen usw., interviewt. Insgesamt liegen 244 Unterrichtsprotokolle und 54 Interviewtranskripte vor. Abgerundet wurde das Sample durch die Erhebung der Zeugnisnoten, durch zwei Leistungstests, einige Fragebögen für die SchülerInnen und Schulmaterialien wie Flyer, Jahrbuch, Homepage etc. (vgl. Budde et al. 2008; auch Faulstich-Wieland im gleichen Band). Zentral ist dabei die Erforschung dessen, was Helsper et al. unter Schulkultur verstehen: „Schulkultur wird […] als Ergebnis der kollektiven und individuellen Auseinandersetzungen und Interaktionen der schulischen Akteure mit äußeren Vorgaben und damit als die über Handlungen einzelschulspezifisch ausgeformte, regelgeleitete Struktur konzipiert, die ihrerseits wiederum konstitutiv für die schulischen Mikroprozesse ist […]. Daraus kann wiederum die Institutionalisierung transformierter Regeln und Strukturen für schulisches Handeln resultieren“ (Helsper et al. 1998: 45).
Interaktionen unter Jungen Schaut man in den schulischen Alltag, stellt man fest, dass viele Jungen – im Gegensatz zur Benachteiligungsthese – hohes Selbstvertrauen und ein positives Selbstkonzept zeigen. Die Schule stellt für viele von ihnen einen wichtigen sozialen Ort dar. Hier verbringen sie einen großen Teil ihrer Zeit, schließen Freundschaften, verlieben sich, haben Konflikte, riskieren Grenzverletzungen, erleben Konkurrenz und Solidarität. Um zu beschreiben, wie Männlichkeitspraxen im Kontext Schule funktionieren, werden im Folgenden Auszüge aus einem Beobachtungsprotokoll aus dem technischen Werkunterricht zitiert. Eine der beobachteten Klassen hat ihre erste Stunde in diesem Fach, es geht um die Werkordnung. „Dann geht Herr Klose nach vorn und will an der Tafel anschreiben, was die SchülerInnen aufgeschrieben haben zum Thema Werkordnung. Er bittet um Beispiele, was im Unterricht noch nicht gemacht werden soll. Alex ruft dazwischen: „Man soll nicht mit spitzen Gegenständen kämpfen“. Die Jungen an seinem Tisch lachen. Es entbrennt ein kleiner Schaukampf zwischen Antonius und Pavel. Herr Klose übernimmt ‚kämpfen’ in die Nicht-Liste. Antonius fragt provokativ, ob er alles abschreiben soll. Der Lehrer bejaht das, woraufhin Antonius sagt, dass er alles im Kopf behalte, weil er so ein Genie sei. Alex (unvermittelt): ‚Sie schreiben nicht sehr schön!’ Lehrer (ironisch): ‚Danke!’ Schüler: ‚Nicht wie unsere Mathelehrerin, die schreibt sehr schön:’ Lehrer: ‚Ich will gar nichts über andere Kollegen hören.’ Dann wird der Umgang mit Verletzungen diskutiert. Antonius fragt was zu Verletzungen mit der Motorsäge. In etwa geht es darum, was man tun soll, wenn man sich mit der Motorsäge ins Bein schneidet. Markus meldet sich und möchte dazu einen Beitrag bringen. Ich finde, es wirkt so, als ob er sich ernsthaft beteiligen will, weil er sich meldet und nicht wie Antonius und Pavel grinst. Allerdings meldet sich dann auch Pavel und feixt bei der Meldung. Markus sieht das und nimmt daraufhin seinen Arm wieder runter. Pavel sagt: ‚Dann muss man mit der Motorsäge den Verletzten köpfen’. Antonius und Pavel lachen. Der Lehrer reagiert nicht.“
Der Lehrer möchte mit den SchülerInnen die Werkordnung besprechen. Pavel, Antonius und Alex nutzen diese Situation allerdings für performanzorientierte Praktiken. Die Schüler 79
chargieren gekonnt zwischen doing gender und doing student. So kann der Beitrag „nicht kämpfen“ ebenso wie die Frage nach Unfällen mit der Motorsäge entweder als Unterrichtsbeitrag oder als Provokation gewertet werden. Dass es sich vermutlich eher um Provokationen handelt, wird in der Kritik an der Schrift sowie am Vorschlag des „Köpfens“ deutlich. Grundlage der Provokationen ist vor allem der Einsatz von Humor und Ironie, die sich exemplarisch als gute Möglichkeiten zur Ausgestaltung des Grenzgangs zwischen Performanz und Unterrichtsbeteiligung erweisen. In der gekonnten Handhabung von Ironie steckt die Darstellung von Mut und Risikobereitschaft, von Schlagfertigkeit und Selbstbewusstsein (vgl. Phoenix im gleichen Band). Ironie trägt zur Auflockerung des Unterrichts bei und ermöglicht so, Anerkennung für gelungene Scherze zu gewinnen. Die Peer-Group ist zentral, denn witzige Sprüche sind darauf angewiesen, dass sie als witzig empfunden werden, sonst „kippt” die Interaktion und kann auch bei den Mitschülern als „nervig” gelten. In diesem Sinne vollziehen die drei einen gekonnten Balanceakt. Aus Perspektive der Jungen rückt die Kategorie der komplizenhaften Männlichkeit in den Mittelpunkt. Sie fungiert als Resonanzboden in Form eines kollektiven Anerkennungsraums für Männlichkeitspraxen. Hier wird soziales Kapital verhandelt und die Legitimität des symbolischen Kapitals im Modus von Männlichkeit bestätigt oder verworfen. (vgl. Jösting 2006; Budde 2005; Michalek im gleichen Band). Gleichzeitig erhalten Antonius, Pavel und Alex durch die gesteigerte Aufmerksamkeit des Lehrers für ihr Treiben zwar eine Bühne, auf der sie ihre Beiträge aufführen können, zu einer besonderen Anerkennung ihres Wissens durch den Lehrer führt dies jedoch nicht. Soweit zu den Aushandlungen einiger Jungen. Was geschieht, wenn diese Interaktions- und Darstellungsformen mit schulischen Bewertungsmaßstäben zusammenkommen? Welchem Wechselkurs unterliegen diese Interaktionsformen? Ich möchte die These aufstellen, dass die Kapitalien, die viele Jungen ins Spiel bringen, wenn sie sich an einem stereotypen männlichen Habitus orientieren, im Feld der Schule zu einem ungünstigen Wechselkurs gehandelt werden können. Sie verfügen zwar über soziales und symbolisches, oft auch über ökonomisches Kapital, häufig jedoch nicht in der Form, in der es in der Schule in kulturelles Kapital (beispielsweise in Form von Noten oder Zeugnissen) umsetzbar ist, das aber in anderen Kontexten durchaus eine gute Rendite erzielen kann. Vergeschlechtlichte Bewertungen aus LehrerInnenperspektive Einen Hinweis zur Untermauerung der These des ungünstigen Wechselkurses lässt sich in jenen Bundesländern finden, in denen so genannte Kopfnoten vergeben werden (vgl. Beutel 2005). Da Jungen im Durchschnitt schlechtere Kopfnoten erhalten als Mädchen, kann vermutet werden, dass „typisches Jungenverhalten“ in der Schule einer ungünstigeren Bewertung durch Lehrkräfte unterliegt als „typisches Mädchenverhalten“ (vgl. Budde 2008b). Den Lehrkräften kommt bei der Beurteilung des Verhaltens eine zentrale Rolle zu, indem sie Normen und Erwartungen setzen, die Interaktionen in ihrem Unterricht gestalten und dadurch mitbestimmen, welche Kapitalien und welche Wechselkurse gelten. Dies wird besonders deutlich in jenen Situationen, in denen Schule als sozialer Lernort funktionieren soll und die „soziale Seite von Schule“ explizit im Vordergrund steht. Solche sozialkompetenzorientierten Maßnahmen können der Klassenrat, die Projektwoche, der Gewaltpräventionskurs, der Morgenkreis, das soziale Lernen o.ä. sein (vgl. ebd.). Hier treten Vorstellungen über Geschlecht oft besonders deutlich zu Tage oder werden sogar 80
direkt zum Thema gemacht, wie im Folgenden anhand eines Beispiels aus dem KoKoKoUnterricht erläutert wird. KoKoKo steht für Kooperation, Kommunikation und Konfliktlösung und ähnelt Projekten wie dem Klassenrat oder den Klassengemeinschaftsstunden. KoKoKo steht am Gymnasium „Zimmerbreite“ für alle neuen fünften Klassen mit einer Stunde pro Woche auf dem Stundenplan. Es ist formal dem Deutschunterricht zugeordnet und wird dementsprechend von den Deutschlehrkräften unterrichtet. Anhand von Neujahrsvorsätzen wird deutlich, dass einige Beiträge von Jungen und Mädchen „mit unterschiedlichen Maßen“ gemessen werden, das Protokoll stammt aus der gleichen Klasse wie die Beobachtung aus dem Werkunterricht. „Nun sollen die Schülerinnen und Schüler sagen, was sie sich so vorgenommen haben. Thorsten: ‚weniger Geld ausgeben’ Antonius: ‚weniger Magic-Karten’ Berthold: ‚mehr Gameboy spielen’ Die Lehrerin Frau Caspari fragt, was daran der Vorteil sei. Paula: ‚mehr lesen’ Lehrerin: ‚Super!’ Ricardo: ‚mehr Lego spielen’. Es gibt ein wenig Gelächter. Antonius: ‚später schlafen gehen’. Das finden viele gut. Pavel: ‚mehr Fußball spielen’ Lehrerin: ‚Mehr Bewegung, dass ist gut’ Dann fordert sie die Mädchen auf, auch etwas zu sagen. Paula böse: ‚Aber ich habe doch was gesagt!’ Eine Schülerin sagt: ‚nicht schlampig sein’ Lehrerin: ‚Gut’ Jenny: ‚mehr mit kleiner Schwester spielen’ Peer: ‚mehr klettern’ Alex: ‚mehr Geld für Videospiele’ Lehrerin fragt, was daran gut sei. Imela: ‚mikroskopieren’ Carmen: ‚Katze’ Die Lehrerin sagt, dass das ein Wunsch und kein Vorsatz sei. Pamela: ‚weniger bubenfeindlich sein’ Die Lehrerin fragt nach, weil das spannend sei. Sie sei doch eine große Denkerin, was sie damit meine. Pamela überlegt, es scheint ihr nun etwas peinlich, auf jeden Fall sagt sie, dass sie das gerade nicht so genau weiß. Larissa: ‚putzen helfen’ Lehrerin: ‚Sehr gut’ Alex sagt, dass er sich vornimmt, mehr Fußball zu spielen, eine eigene Meinung zu haben und die auch äußern und nicht vor Erwachsenen zurückzustecken.“
Das Beispiel macht deutlich, dass Vorsätze, wie „mehr sauber machen“, „mehr lesen“ oder „mehr um die Geschwister kümmern“, von der Lehrerin positives Feedback erhalten und von Mädchen geäußert werden. Auch Pavels Idee, mehr Fußball zu spielen wird positiv gewertet – nachdem sie in „mehr Bewegung“ umdefiniert wurde. Kritische Nachfragen erhalten die Vorsätze „mehr Gameboy spielen“ und „mehr Videospiele kaufen“, die von Jungen geäußert werden. Keine lobende Erwähnung findet beispielsweise der Vorsatz von Alex, die eigene Meinung zu vertreten und das Hinterfragen von Autoritäten; obwohl dies
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kein schlechter Vorsatz ist, sondern vermutlich eher einer, der den Vorstellungen der Lehrerin nicht entspricht. Vergegenwärtigen sollte man sich, dass der Arbeitsauftrag nicht lautet: „nennt Neujahrsvorsätze, die ich gut finde“, sondern „was sie sich so vorgenommen haben“. In der Kritik an Bertholds Äußerung wird eine normative Haltung der Lehrerin deutlich, die unterschiedliche Maßstäbe anlegt, denn ihre kritische Nachfrage bezieht sich vermutlich nicht auf den Vorsatz des Spielens an sich (sonst hätte auch Jenny für den Vorsatz, mit der Schwester spielen zu wollen, kritisiert werden müssen), sondern auf die Tatsache, dass er mehr Gameboy spielen möchte. Damit beurteilt die Lehrerin aus ihrer Position heraus ein alterstypisches Spielzeug als negativ, wertet so Bertholds Freizeitbeschäftigung ab und verweigert auf diese Weise seinem potenziellen Vermögen (bspw. ein guter Gameboyspieler zu sein) die Anerkennung. Insgesamt erfahren in dem Beispiel eine Reihe von Vorsätzen, die von Jungen vorgebracht werden, keine Anerkennung, sondern wertendkritisierende Nachfragen, allerdings kann bei einigen der Statements vermutet werden, dass sie als performanzorientierter und provozierender Natur sind, so die Nennung „mehr Geld für Videospiele“. Auch die Nennung von Pamela, „weniger bubenfeindlich“ zu sein, kann als Provokation gemeint sein, sie erhält allerdings von der Lehrerin eine positive und verstärkende Nachfrage. Die Ablehnung der Lehrerin gegenüber den Beiträgen einiger Jungen kann männlichkeitsverstärkend wirken, denn durch ihre Kritik wird die Provokation gleichzeitig herausgehoben und der jeweilige Schüler außerhalb der Gruppen derjenigen Lehrenden gestellt, die im Sinne der Lehrerin positive Vorsätze äußern. Sie werden als Provokateure positioniert, obwohl die Beispiele von Berthold oder Pavel zeigen, dass unterschiedliche Blickwinkel auf die Neujahrsvorsätze denkbar sind. Die Tatsache, dass nur Jungen von negativen Sanktionen betroffen sind, verleiht der Situation eine vergeschlechtlichende Komponente. Als Reaktion bleibt den Jungen entweder die Möglichkeit, ihre Neujahrsvorsätze zurückzunehmen, damit würden sie aber einen Gesichtsverlust vor ihren Mitschülern riskieren, oder sie teilen die Interpretation der Lehrerin, dass es sich um eine (in diesem Licht gelungene) Provokation handelt und können sich so Anerkennung für mutiges und riskantes Auftreten sichern. Zwar haben sie dann auf der fachunterrichtlichen Ebene aus Sicht der Lehrkraft falsch geantwortet, auf der Ebene von Männlichkeitsinszenierungen unterstreicht die Zurückweisung der Lehrerin jedoch ihr symbolisches Kapital. Auch für Schülerinnen haben die geschlechtsstereotypen Deutungsmuster der Lehrerin negative Effekte, da sie zum ersten einfach ignoriert werden. Die Wahrnehmung der Lehrerin, dass die Schülerinnen sich nicht beteiligen, übersieht den Beitrag von Paula, die dann „böse“ richtig stellt, dass sie sehr wohl etwas gesagt hat. Zum zweiten werden sie für tradierte Klischees wie putzen, helfen etc. gelobt. Deutlich wird, dass die Lehrerin unterschiedlich wertend vorgeht: (provozierende, performanzorientierte) Beiträge von Jungen werden kritisiert oder umgedeutet, Beiträge von Mädchen werden für geschlechterstereotype Wünsche gelobt und somit qua Geschlecht unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Positionen im Feld Welche Bedeutung hat dies für die Positionierung und Bewertung? In Interviews, die im Rahmen des Forschungsprojektes mit den Lehrkräften geführt wurden, die in den beobachteten Klassen unterrichteten, sollten diese sich u.a. zu den einzelnen Kindern äußern. Aus 82
den Aussagen der Lehrkräfte lassen sich unterschiedliche Geschlechterpositionen in Form einer Vier-Felder-Tafel darstellen, für die in der Schule relevante Variablen herangezogen werden (vgl. Abbildung 1). Auf der x-Achse befinden sich positive bzw. negative Beurteilungen sowohl des sozialen Verhaltens als auch der schulischen Leistungen. Als Kriterien für eine positive schulische Leistung dienen beispielsweise Lob im Unterricht, heraushebende Erwähnung des Arbeitstempos, der Zuverlässigkeit oder des Interesses. Als positives soziales Verhalten werden Zuschreibungen wie „hilfsbereit“, „lieb“ oder „fröhlich“ gewertet. Als Kriterien für negative schulische Leistungen gelten entgegengesetzt mangelndes Engagement oder geringes Arbeitstempo. Negatives soziales Verhalten wird durch Begriffe wie „Unreife“, „unruhig“, „Aggressivität“ u.ä. angezeigt. Die Größe der Kreise gibt die Zuschreibungen – und damit die Wahrnehmung – durch die Lehrkräfte wieder und nicht die Anzahl von SchülerInnen, die sich einer Gruppe zuordnen lassen. Die y-Achse differenziert, ob die SchülerInnen als auffällig oder unauffällig eingeschätzt werden. Im oberen linken Viertel sind demnach Kinder und ihre Verhaltensweisen angeordnet, die in hohem Maße positiv auffällig sind. Insbesondere eine gute Unterrichtshaltung wird bei Jungen wie Mädchen gleichermaßen häufig geschildert. Besonders günstig werden starke und selbstbewusste Mädchen beschrieben, die auf der Aufmerksamkeitsskala weit oben rangieren. Es gibt ebenfalls eine ganze Reihe von Jungen, die positiv auffallen. Dabei wird in den meisten Fällen das soziale Verhalten, Hilfsbereitschaft oder die Beteiligung am Unterricht gelobt. Allerdings überwiegen in diesem Quadranten in der Wahrnehmung der Lehrkräfte die Mädchen, wie die Größe der Kreise anzeigt. Ein weiterer Unterschied ist darin zu sehen, dass die hier platzierten Mädchen von den Lehrkräften als Vorbilder geschildert werden, die Jungen hingegen als bemerkenswerte Ausnahmen. Im oberen rechten Feld befinden sich Beschreibungen von Kindern, die negativ auffallen, hier dominieren die Jungen deutlich, an denen tradiertes männliches Verhalten wie „cool sein wollen“ kritisiert wird. Des Weiteren werden freche Sprüche, Aggressivität, Verweigerung der Arbeitsleistung, Egoismus, Mädchenärgern und Rücksichtslosigkeit als störende Verhaltensweisen genannt. Hier befinden sich auch einige negativ eingeschätzte Mädchen, die als „Zicken“ beschrieben werden, sowie eine kleine Gruppe sehr negativ wahrgenommener „frecher Mädchen“. Während bei Mädchen hauptsächlich negatives soziales Verhalten gegenüber Lehrkräften (und gegenüber Mitschülerinnen) kritisiert wird, unterliegt bei Jungen auch das schulische Verhalten öfter einer Negativwertung. Zwischen positiver und negativer Einschätzung bei hoher Auffälligkeit sind ambivalente Jungen positioniert, die meist als „Clown“ beschrieben werden und positive und negative Züge aus Sicht der Lehrkräfte vereinen. Dem rechten unteren Quadranten sind Beschreibungen von Kindern zugeordnet, die zwar wenig im Fokus der Aufmerksamkeit stehen, aber negativ gesehen werden; bei Jungen wie Mädchen liegt die Sorge um schlechte schulische Leistungen oben auf. Auffällig ist ebenfalls, dass diese Schüler und Schülerinnen oft als isoliert beschrieben werden. Dies bezieht sich auf eine kleine, inhomogene Gruppe von Jungen, die eine Lehrerin als „Quengelkinder“ charakterisiert. Ebenfalls negativ und unauffällig wird eine Gruppe von Mädchen geschildert, die als „Häschenmädchen“ gelten und als besonders ängstlich und hilflos wahrgenommen werden. Zu ruhige bzw. zu schüchterne Kinder beiderlei Geschlechts werden von den Lehrkräften kritisch gesehen.
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Abbildung 1:
Genderpositionen im Feld (dunkel = Mädchen, hell = Jungen; die Pfeile geben ambivalente Nennungen an). auf
„… sehr sozial, hat sich sehr bemüht “
fällig Freches Mädchen
„Clown“
„Ganz tolle
Mädchen“
„..dass die Buben so ein bisschen cool sein wollen“
„Zicke“
positiv
„ausgezeichnete Mädchen, die net so auffallen…“
Verhalten & Leistung
negativ
„die sind sehr still…“ „Quengelkind“ Liebes, schlechtes Mädchen „ganz entzückende Buben“
unauf
„Häschenmädchen“
fällig
Im unteren linken Quadranten befinden sich Jungen wie Mädchen, die positiv, aber unauffällig geschildert werden. Besonders hervorgehoben werden gute Leistungen, gutes Arbeitsverhalten sowie ein positives, rücksichtsvolles und soziales Verhalten. Die Beschreibungen für Jungen und Mädchen gleichen sich in diesem Feld qualitativ, nicht jedoch quantitativ, da hier wesentlich mehr Mädchen eingruppiert werden. Eine weitere große Gruppe der Mädchen wird als „ausgezeichnet“, aber unauffällig wahrgenommen. Bei den Mädchen erfolgt die Beurteilung als unauffällig relational, d.h., dass stille Mädchen positiv gesehen werden und lediglich zu stille Mädchen als schüchtern gelten. Bei Jungen unterliegt stilles Verhalten schneller einer negativen Beurteilung. Dies hängt bei ihnen damit zusammen, dass sie gegen das Gebot hegemonialer Männlichkeit verstoßen und diesen Mangel auch nicht durch „nettes“ oder „soziales“ Verhalten wettmachen können. Sie verhalten sich aufgrund des Mangels an Selbstbewusstsein, Charme oder performanzorientierter Praktiken (also dem Mangel von symbolischem Kapital) unmännlich. Die Lehrkräfte berichten bei den „leisen Jungen“ nicht von Strategien, wie sie besser zu integrieren wären, sondern kritisieren deren Hilflosigkeit. Während Jungen vor allem im Quadranten negativ/auffällig beschrieben werden, nehmen die Lehrkräfte Mädchen vor allem im entgegengesetzten Quadranten positiv/unauffällig wahr. 84
Zieht man als Außenkriterien die Zeugnisnoten2 und das Abschneiden der Schülerinnen und Schüler in ebenfalls durchgeführten Leistungstest3 heran, dann können Aussagen dazu präzisiert werden, welche Jungen von negativerer Bewertung durch die Lehrkräfte betroffen sind. Denn es fällt auf, dass die Zeugniszensuren bei den Mädchen im Feld positiv/unauffällig kaum Zusammenhänge mit den Leistungen im Test aufweisen, unabhängig von ihren Leistungen erhalten sie durchweg gute Noten. Bei den Jungen, die von den Lehrkräften im Feld negativ/auffällig positioniert werden, zeigt sich die gegenläufige Tendenz, sie erhalten schlechtere Zeugnisnoten, als aufgrund ihrer Testleistung zu erwarten wäre. Der gleiche Effekt (nämlich die Sanktionierung von negativ wahrgenommenen Verhalten durch schlechte Noten) zeigt sich noch verstärkt bei den „frechen Mädchen“, die sowohl aus der schulischen als auch aus der geschlechtlichen Rolle fallen, die Erweiterung des Handlungs- und Inszenierungsspektrums bei Mädchen ist somit begrenzt. Die Positionierungen im Feld haben einen entscheidenden Einfluss darauf, welche Bewertungen damit einhergehen. Während Jungen für „jungentypisches Verhalten“ sanktioniert werden, werden Mädchen für „mädchentypisches Verhalten“ prämiert. Fazit Jungen handeln und tauschen – so zeigt das Beispiel aus der Werkstunde – in der Schule spezifische Kapitalien; soziales, symbolisches und ökonomisches Kapital werden zum Einsatz gebracht, um die symbolische Zugehörigkeit zu hegemonialer oder komplizenhafter Männlichkeit abzusichern oder herzustellen. Am Beispiel aus dem KoKoKo-Unterricht wird jedoch deutlich, dass bei den Lehrkräften andere Aspekte im Vordergrund stehen können als diejenigen, welche die Schüler aushandeln. Gerade auf der „sozialen Seite von Schule“ werden Aspekte favorisiert, die sich mit den Stichworten „Wohlfühlen“ und „Reden“ (Budde et al. 2008: 238) bündeln lassen, die eine Reihe von Mädchen eher zeigen, die ihnen aber auch eher zugetraut werden. Bei Jungen hingegen wird eher störendes Verhalten erwartet – und ihre Handlungen und Beiträge werden eher als störend interpretiert. Daraus resultiert für viele Jungen ein unauflösbarer Widerspruch: Denn einerseits wird gefordert, dass sich Schüler im Kontext Schule adäquat verhalten, andererseits wird ihnen aufgrund ihres Geschlechts unterstellt, genau dieses nicht zu können. Auf diese Art besteht die Gefahr, dass „mit zweierlei Maß“ gemessen wird. Somit können der institutionelle Kontext der Schule und die Interaktionen von Lehrkräften mit für den Bildungsmisserfolg einiger Jungen verantwortlich sein, indem sie an der Herstellung eines stereotypen männlichen Habitus Anteil haben. Ähnliches gilt zugespitzt noch für geschlechterunkonforme Mädchen. Eine spezifische Habitusausprägung kann somit eine ungünstige schulische Passung bedeuten. Zu überprüfen wäre, wie dieses Zusammenspiel an anderen Schulformen aussieht. Inwieweit dies mit einer eingangs diskutierten Feminisierung von Bildung zu tun hat, ist m.E. offen. Unsere Beobachtungen zeigen, dass sowohl weibliche als auch männliche Lehrkräfte ähnliche Zuschreibungen vornehmen. Allerdings lässt sich vor dem Hintergrund
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Für diese Auswertung wurden die Fächer Deutsch und Mathematik herangezogen. Der durchgeführte HST 4/5 (Hamburger Schulleistungstest für 4. und 5. Klassen) misst mathematische und sprachliche Kompetenzen. 3
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der hier dargestellten Ergebnisse die Schlussfolgerung ziehen, dass tradierte Männlichkeitskonzepte im schulischen Sinne weniger Erfolg versprechend sein können. Hier fehlt eine Debatte darüber, welche fachlichen und sozialen Kompetenzen in der Schule mit welcher Didaktik vermittelt werden sollen. Sicherlich ist eine auf Vielfältigkeit und individuelle Ressourcen abzielende Didaktik und eine wertschätzende Haltung, die es ermöglicht, Schülern wie Alex oder Berthold Könnens-Erfahrungen statt Disziplinarspiralen anzubieten, auch aus der Genderperspektive zu begrüßen. Auch die Tatsache, dass sich viele Schulen zunehmend um soziale Kompetenzvermittlung bemühen (bspw. durch Streitschlichterprogramme o.ä.), ist durchaus positiv zu bewerten. Der Ausbau sozialer Kompetenzen könnte sich auch im Übergang von der Schule in den Beruf durchaus als positive Ressource herausstellen, denn gerade im sich ausweitenden Dienstleistungsbereich entstehen neue Beschäftigungsverhältnisse, die für niedrig qualifizierte junge Männer eine Alternative zu der bisherigen Orientierung in industrielle und handwerkliche Berufe darstellen könnten, bei denen soziale Kompetenzen meist wichtige Einstellungsvoraussetzung sind. Perspektivisch bieten die hier angestellten Überlegungen Anlass, die Diskussion um Bildungs(miss-)erfolg von Jungen im Kontext Schule breiter anzulegen und neue Perspektiven für die Jungenforschung zu eröffnen. Für die Schule lassen sich anhand der hier angestellten theoretischen wie empirischen Überlegungen drei Schlussfolgerungen ziehen. x
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Wenn es erstens so ist, dass viele Jungen zwar im schulischen Kontext weniger erfolgreich sind, trotzdem aber günstigere Übergänge in den Beruf aufweisen, könnte dies daran liegen, dass diese ihr schlechteres Abschneiden in der formalen Bildung durch non-formale und informelle Bildung kompensieren können. So eignen sich Jugendliche beispielsweise Computerkompetenz kaum in der Schule an, sondern überwiegend in informellen Lernprozessen, bei denen Jungen deutliche Vorsprünge gegenüber Mädchen haben (vgl. Deutsches PISA-Konsortium 2004). Diese Vorsprünge könnten mit für den höheren Anteil männlicher Studierender im Fachbereich Informatik verantwortlich sein. Deswegen sollte die Diskussion um Bildungserfolge und -misserfolge nicht nur formale Bildungsabschlüsse im Sinne von Kompetenzniveaus oder Abschlüsse berücksichtigen, sondern einen umfassenderen Bildungsbegriff zugrunde legen. Dies könnte wiederum Impulse für die Schule bieten, wenn non-formale und informelle Bildung stärker und systematischer berücksichtigt wird. Als zweites ist m.E. ebenfalls zu überlegen, ob die geringeren Investitionen einiger Jungen in kulturelles Kapital dadurch wettgemacht werden können, dass sie ihr soziales Kapital beispielsweise in performanzorientierten Praktiken vermehren. Gerade in den oberen und den unteren Gesellschaftsschichten entscheiden Netzwerke und Beziehungen mehr über Lebensperspektiven als formale Bildungsabschlüsse. Eine Investition in die Peer-Group könnte unter einer solchen Perspektive für viele Jungen aus den unteren sozialen Schichten eine langfristig sinnvollere Investition sein als ein Hauptschulabschluss, da hier die schmalen Ressourcen in Form von Ausbildungsplätzen, Gelegenheitsjobs, guten Beziehungen u.ä verteilt werden. Inwieweit diese These Bestand hat, müsste empirisch weiter überprüft werden. Für exklusive Gesellschaftsschichten wiederum kann vermutet werden, dass der Zugang zu „old boys network“ eine wichtigere Zugangsvoraussetzung zu Spitzenpositionen darstellt als ein Abitur. Dies würde bedeuten, auch die Frage nach der vermeintlichen Verliererposition empirisch vielschichtiger zu stellen. Durch die Möglichkeit, soziales Kapital zu aktivieren, kann
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möglicherweise ein Teil der Jungen Einbußen bei Zeugnissen und Schulabschlüssen kompensieren. Für Schule und die darin tätigen Pädagoginnen und Pädagogen könnte dies bedeuten, sich vom Stereotyp der sozial weniger kompetenten Jungen zu verabschieden und gerade die Bedeutung, die Freundschaften und Peers für viele haben, als positive und notwendige Ressource anzuerkennen. Zum dritten kann unter Fokussierung auf Männlichkeitspraxen vermutet werden, dass sich Schwierigkeiten für Jungen vor allem dann stellen, wenn der milieuspezifische männliche Habitus nicht in Passung mit der jeweiligen Bildungsinstitution und der dort herrschenden Schulkultur steht. Dieses kann sowohl am Gymnasium als auch an der Hauptschule gelten. Legt eine Schule in ihrer „Schulkultur“ (Helsper et al. 1998) Wert auf soziale Kompetenzen, dann stellen sich größere Schwierigkeiten für jene Jungen, die diesem oppositionell gegenüberstehen. Wie das Beispiel zeigt, existieren gerade an dem geschlechtergerechten Gymnasium „Zimmerbreite“ besondere Schwierigkeiten für diejenigen Jungen (und Mädchen), die sich an einem tradierten männlichen Habitus orientieren. An anderen Schulen mit einer anderen Schulkultur kann dies anders aussehen: in einer früheren Untersuchung ergeben sich z.B. Hinweise auf die Verstärkung von Männlichkeit in den Interaktionen zwischen Lehrkräften und Jungen durch die gemeinsame Orientierung an Konkurrenz und Ironie (vgl. Faulstich-Wieland et al. 2004; Budde 2005). Der Zusammenhang zwischen Schulkultur und lokalen Männlichkeitspraxen wäre zukünftig stärker in den Fokus zu nehmen.
Die Gestaltung der Schulkultur ist damit als zentrale Herausforderung benannt. Eine aus Geschlechterperspektive sinnvolle Perspektive liegt dabei erstens in der Entdramatisierung von Männlichkeit und Geschlechterdifferenzen in der Schule, um Jungen (wie Mädchen) die Möglichkeit zu bieten, sich auch jenseits von Stereotypen zu entwickeln. Dies betrifft nicht nur die Lehrkräfte in der Gestaltung des Unterrichts, sondern zielt auf die Umgestaltung der Schulkultur im heterogenitätsbejahenden und fehlertoleranten Sinne und der Schaffung eines wertschätzenden sozialen Klimas, um Alternativen zum Leitbild hegemonialer Männlichkeit zu ermöglichen. Zweitens geht es um die pädagogische Schaffung von Anerkennungsräumen für formale, non-formale und informelle Bildung durch eine systematische Kooperation zwischen Schule und Jugendarbeit in unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Belangen. Unter dem Stichwort „Ganztagsbildung“ lassen sich hier positive Ansätze erkennen. Drittens liegen Perspektiven in der Gestaltung einer abwechslungsreichen und individualisierenden Didaktik. Hier weist die aktuelle Unterrichtsentwicklung mit jahrgangsübergreifendem und fächerübergreifendem Projektunterricht in eine positive Richtung. Literatur Aktionsrat Bildung (2009): Geschlechterdifferenzen im Bildungssystem. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaft. Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): Bildung in Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss an den Sekundarbereich I. Bielefeld: Bertelsmann. Beutel, S.-I. (2005): Zeugnisse aus Kindersicht. Weinheim/München: Juventa.
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„Jungenverhalten“ als interaktive Herstellungspraxis Hannelore Faulstich-Wieland
Abstract “Behavior of Boys as an Interactive Practice of Construction” The current discussion about boys as losers of the German educational system focuses on the role of male teachers in this system. Male teachers are underrepresented especially in primary schools and this causes a lack of exemplary male behavior for boys. But do male teachers really provide a modern example for male students? This contribution deals with the issue of gender construction by analyzing a study on classroom behavior. Einleitung In den aktuellen Debatten um die vermeintliche Benachteiligung von Jungen wird häufig auf die fehlenden Lehrer verwiesen, die verhinderten, dass Jungen männliche Vorbilder hätten. Die Sicht von Jungen als „Problemfälle“ habe u.a. etwas damit zu tun, dass ihr Verhalten falsch bewertet würde. Ulf Preuss-Lausitz bringt das folgendermaßen auf den Punkt: „Zugleich hat jedoch die ‚Feminisierung der Erziehung’ mit einem immer höheren Frauenanteil in der Lebenswelt von Jungen dazu geführt, dass expressives, ungebärdiges, vorlautes oder raues Jungenverhalten zunehmend als unsozial, ja als verhaltensgestört wahrgenommen wird. Wir brauchen also mehr Männer in Vorschule und Schule, auch, um zwischen der überholten ‚alten Männlichkeit’ und dem falschen braven Knaben reale moderne Männlichkeiten erfahrbar zu machen“ (Preuss-Lausitz 2006).
Es geht ihm also darum, Formen von männlichem Verhalten zu finden, die zwar eine Zähmung von Expressivität und Rauheit darstellen, aber nicht in Bravheit münden. Allerdings ist dieses Bild nicht neu, sondern entspricht m.E. den Anforderungen an Jungen, wie sie Lehrkräfte in der Regel im Kopf haben. Zugleich stellen sie immer eine Gratwanderung dar, weil sie widersprüchlich sind (vgl. Faulstich-Wieland 2007): Einerseits wird Jungen mehr Zutrauen in ihre Fähigkeiten entgegengebracht – wodurch u.U. Leistungsdefizite nicht rechtzeitig erkannt und behoben werden. Denn Leistungsfähigkeit wird von den Lehrkräften eher bei Schülern vermutet, die sich ‚provokant’ zeigen oder ein ‚Bluff’-Verhalten an den Tag legen, und nicht bei unauffälligen Kindern. Ein solches, eher ‚lautes’ Verhalten, sichert zudem generell Aufmerksamkeit, und es wird von Lehrkräften auch durchaus geschätzt, bringt es doch Witz und Abwechslung in die Routinen und trägt so auch positiv zum Unterrichtsgeschehen bei. Andererseits kann diese Wertschätzung leicht kippen und zur Sanktionierung führen. Für die Jungen handelt es sich folglich um eine Gratwanderung zwischen ‚Shooting Star’ sein und Problemfall werden. Dabei haben sie es nur bedingt in der Hand, sich auf dem schmalen Grat der positiven Anerkennung halten zu können, denn die Definitionsmacht über Regelverletzungen liegt bei den Lehrkräften. Insofern sind diese entscheidend als Akteure an der Produktion von Problemen beteiligt.
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Wie das Zusammenspiel zwischen Jungen und Lehrkräften funktioniert und Störungen des Unterrichts ermöglicht, soll in diesem Beitrag am Beispiel einer Doppelstunde im Technikunterricht gezeigt werden. Das empirische Feld: Fünfte Klasse eines österreichischen Gymnasiums Es handelt sich dabei um ethnografische Beobachtungen aus einem DFG-Forschungsprojekt zur Geschlechtergerechtigkeit in der Schule (vgl. Budde et al. 2008). Vier Klassen eines ersten Gymnasialjahrgangs in einem österreichischen Gymnasium wurden während des Schuljahres 2005/06 in jeweils etwa vierwöchigen Feldphasen zu Beginn, in der Mitte und am Ende des Schuljahres begleitet. Neben einer Vielzahl an teilnehmenden Beobachtungen im Unterricht wurden auch Interviews mit Lehrkräften, Gespräche mit Schülerinnen und Schülern, Dokumentenanalysen und vieles mehr durchgeführt. In der folgenden Auswertung wird nur der Unterricht in den ersten beiden Stunden im Technik-Werkunterricht in einer der vier Klassen vorgestellt und analysiert. Der Werkunterricht umfasst die Schwerpunkte Technik und Textil. Anders als in anderen österreichischen Schulen werden in der begleiteten Schule alle Kinder in beide Schwerpunkte eingeführt. Das geschieht durch die Halbierung der Klasse, sodass im ersten Halbjahr eine Gruppe Technik, die andere Textil erhält, im zweiten Halbjahr der Schwerpunkt gewechselt wird. Die Schule will geschlechtshomogene Gruppen bilden, da die Klassen jedoch einen deutlichen Mädchenüberhang haben, werden eine Mädchengruppe und eine koedukative Gruppe gebildet. Der Unterricht des ersten Halbjahres beginnt immer mit der Einteilung der Gruppen. In der Klasse C, um die es im Folgenden geht, sind elf Jungen und 17 Mädchen. Insofern sollen drei Schülerinnen in die koedukative Werkgruppe wechseln, damit jede Gruppe aus 14 Kindern besteht. Da sich vier Schülerinnen melden, wird ausgelost, wer von ihnen bei den Mädchen bleibt. Danach stellt sich die Frage, welche Gruppe erst Technik, welche Textil haben will. Im Protokoll heißt es: „Die Mädchen aus der Mädchengruppe rufen Textil, die Jungen – bzw. Antonius – Technik. Frau Steinhammer erklärt zu Antonius, ‚du bist zwar lautstark, aber in der Minderheit’. Dennoch erhält die gemischte Gruppe Technik als erstes“ (C050916WtPH)4. Obwohl Frau Steinhammer, die Textillehrerin, eigentlich will, dass in den Klassen die Mädchengruppen zunächst Technikunterricht erhalten, wird hier dem (geschlechtsstereotypen) Wunsch der Kinder entsprochen. Antonius wird dabei sofort als Wortführer identifiziert, der zwar von der Textillehrerin als „Minderheit“ charakterisiert wird, aber durch seine explizite Ansprache den Erfolg der Aufteilung durchaus für sich verbuchen kann.
4 Der Beleg setzt sich aus der Bezeichnung der Klasse, hier C, dem Datum der Beobachtung, dem 16.9.2005, dem Fach, Werken-Technik, der Art des Dokumentes, P für Protokoll, und der Ethnografin, H für Hannelore FaulstichWieland, zusammen. Da im folgenden nur die Protokolle aus der ersten Doppelstunde verwendet werden, ist dies die Bezeichnung des ersten Protokolls, die zweite Doppelstunde wurde von Jürgen Budde protokolliert, d.h. die Quelle lautet hier C050916PWtJ. Die Protokollstellen werden zwar in Anführungsstriche gesetzt, aber nicht jeweils wieder mit dem Beleg gekennzeichnet.
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Sitzordnung und Beginn des Unterrichts: Material und Regeln Im Folgenden geht es nur noch um die koedukative Gruppe, die im Technikraum verbleibt, in dem auch die Aufteilung vorgenommen wurde. Die Kinder suchen sich einen Platz an vier von fünf Tischen (vgl. Abb. 1): Direkt an der Tür entsteht ein Vierertisch mit Jungen, davor sitzt Berthold allein an einem Tisch, vor der Tafel sitzen die drei Mädchen. An der Wandseite haben fünf Jungen einen Tisch besetzt, wobei Pavel und Alex jeweils an den Außenseiten sitzen, während Markus, Antonius und Julio die „richtigen“ Plätze einnehmen. Die Ethnografin sitzt hinten an Tisch II. Abbildung 1:
Sitzordnung zu Beginn des Technikunterrichts Tafel Pult
Pavel
Tisch III Markus Antonius Tisch II HFW
Julio
Tisch V Larissa Petra Tisch IV Berthold
Irmela
Alex Tisch I Gerrit Ricardo
Eugen Thorsten Tür
Der Techniklehrer, Herr Klose, beginnt die Stunde, indem er sich vorstellt und die Kinder Namensschilder aufstellen lässt. Er kündigt an, am Anfang sei viel zu regeln und er werde erst mal viel reden müssen, später dürften sie aber auch. Als es um den Materialbeitrag geht, den alle bezahlen sollen, beginnen Zwischenrufe, vor allem von Antonius und Pavel. Herr Klose rechtfertigt sich bei jedem Zwischenruf. Als die Kinder das Mitteilungsbuch herausholen sollen, wird Antonius von Alex wegen irgendwas ermahnt: „Du kannst gleich auf dem Klo weitermachen“. Berthold, der allein am Nebentisch sitzt, bestärkt das. Allerdings beteiligen sich neben Antonius Alex und ab und zu auch Ricardo an den Kommentierungen zu allem, was der Lehrer sagt oder fragt. Der Lehrer bespricht nun das benötigte Material. Im Protokoll wird vermerkt: „Herr Klose steht so, dass er den Mädchentisch gar nicht und die beiden anderen Jungentische auf der linken Seite nur bedingt im Blickfeld hat. Auf die Frage nach dem Schleifpapier ist es aber Larissa gelungen, zu Wort zu kommen. Von da an stellt der Lehrer sich hinter sein Pult, so dass er auch die Mädchen sehen kann. Antonius kennt sich bei den Nummern des Schleifpapiers gut aus und dokumentiert dies durch lautes Reinrufen. L (= Lehrer) bittet darum, dass sich gemeldet wird. Er nimmt Thorsten dran. Da dies bei Antonius, Alex und Pavel nichts nutzt, ermahnt er Alex: ‚Alex, ich bitte dich, ruhig zu sein und aufzuzeigen’. Antonius ruft weiterhin rein, während Alex erst mal ruhig ist. Kurze Zeit später beteiligt sich Alex aber wieder am Reinrufen. L ermahnt Antonius, indem er seinen Namen nennt. Er bittet, dass alle aufschreiben sollen, welche Dinge sie brauchen. […]
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L sagt, es gäbe Spielregeln, die hätten sie doch sicher in der Volksschule auch schon gehabt. Pavel ruft: ‚ja, viel essen hat die Lehrerin immer gesagt.’ L: ‚Pavel, kann ich dich bitten, dich immer zu melden. Spaß ist okay, aber nicht immer.’ Er führt dann länger aus, dass es nicht schlimm sei, wenn man mal einen Spaß mache. Petra erklärt, wie es in der Grundschule war, Larissa ergänzt. Da der Tisch von Antonius jedoch mittlerweile sehr laut ist, kann ich davon nichts verstehen. L ermahnt Antonius, fängt dann an, Regeln zu erklären. 1. Wenn die Stunde beginnt, sollt ihr zur Türe reinkommen. Er fragt, ob sie den Stundenplan für nächste Woche schon hätten – was bejaht wird. Damit steht fest, dass sie schon im Schulhaus sein werden und entsprechend in den Keller kommen sollen. L ermahnt Alex: ‚Wenn es anders nicht geht …’, Pavel schlägt vor ‚Pyramide’ – dies weist der Lehrer jedoch zurück, sagt stattdessen, ‚wir können alles schriftlich machen’. Antonius erklärt sich bereit, ruhig zu sein – was aber keine Minute anhält. L: ‚Wenn ihr eure Späße macht, geht das auf meine Kosten, auf Kosten des Unterrichts und eurer Mitschüler und Mitschülerinnen. Ich habe nichts dagegen, wenn ihr Spaß habt, aber es gibt Spielregeln – die sind auch Teil der Werkordnung. Dazu gehört, wenn jemand redet, dass man den aussprechen lässt und nicht stört. Können wir das vereinbaren?’ Tisch von Antonius sagt ‚Ja’.“
Der Unterrichtsbeginn mit der Ankündigung, dass erst mal viel geregelt und geredet werden müsse, bietet vor allem Antonius, aber auch den anderen Jungen an seinem Tisch eine Gelegenheit, sich durch Zwischenrufe und Kommentare zu inszenieren. Alex scheint zunächst an einer Mitarbeit interessiert und weist Antonius zurecht, beteiligt sich dann aber selbst an den Kommentierungen. Es handelt sich dabei weniger um ein Desinteresse, sondern um die Gelegenheit, selbst aktiv am „vielen Reden“ beteiligt zu sein. Die Mädchen sind nicht im Blick des Lehrers, ebenso wenig wie die ruhigen Jungen an den anderen Tischen. Dies ändert sich, als es einer Schülerin gelingt, dass ihre Antwort auf eine Lehrerfrage gehört wird. Antonius bringt dann ebenfalls sein Wissen ein, allerdings durch Reinrufen. Das greift der Lehrer nicht auf, sondern bittet um Meldung, nimmt dann einen anderen Schüler dran. Antonius erhält also auf seine Demonstration inhaltlichen Wissens und konstruktiver Mitarbeit keine positive Reaktion, sondern wird mit dem allgemeinen Hinweis auf die Notwendigkeit, sich zu melden, übergangen. Da Alex, Antonius und Pavel weiterhin ihre Beiträge rein rufen, wird erst Alex – kurzfristig erfolgreich –, dann Antonius explizit ermahnt. Der Lehrer ändert danach seine Strategie und wendet sich statt dem Material direkt den Regeln zu, wohl in der Hoffnung, dadurch nicht Einzelne disziplinieren zu müssen. Pavel nutzt jedoch die Frage nach den Regeln in der Grundschule zu einer zwar „legitimen“, aber nicht erwünschten Antwort, weshalb der Lehrer sich genötigt sieht, zu erklären, dass er durchaus Sinn für Spaß und Humor habe. Dies tut er jedoch durch die Aufforderung an Pavel, sich zu melden – was seine Antwort keineswegs geändert hätte –, d.h. der Lehrer vermischt hier die Disziplinregel mit der Frage danach, wann Spaß und Auflockerung des Unterrichts sinnvoll sein können. Zudem bleibt sehr unklar, was denn Spaß sei: Die Aussage des Lehrers qualifiziert Pavels Antwort durchaus als Spaß, der nur in diesem Moment nicht erwünscht sei. Damit aber bleibt unklar, warum er jetzt nicht und wann er denn gut wäre. Zwei Schülerinnen bieten dann unterrichtsdienliche Antworten an, der Tisch um Antonius allerdings bleibt laut und arbeitet nun wohl nicht mehr mit. Dennoch fängt der Lehrer an, die Regeln zu benennen, die für den Werkunterricht wichtig sind. Er muss dies je94
doch unterbrechen, um Alex Konsequenzen für sein Verhalten anzudrohen. Dabei lässt er offen, welche das sein könnten und bietet Pavel so die Möglichkeit, auf die Pyramide – ein Instrument an der Schule, Zuwiderhandlungen zu dokumentieren und mit einer Bestrafung zu ahnden – hinzuweisen. Dieses Instrument wird vom Lehrer nicht unterstützt, sodass er stattdessen „anbietet“, sie könnten alles schriftlich machen. Zum einen ist es eine Konsequenz, die nicht wirklich nachvollziehbar ist, da sie Unterrichtsstörungen nicht verhindert, zum anderen rückt sie schriftliche Aufgaben in den Bereich von Sanktionen, was eigentlich nicht Sinn der Sache sein kann. Der Lehrer ergänzt seinen Vorschlag durch erneuten Verweis auf sein Verständnis für Humor, der erlaubt sei, wenn man sich ansonsten an die Regeln halte. Dazu will er explizit von den Jungen an Antonius Tisch Zustimmung erhalten, die er auch bekommt. Auch hierbei handelt es sich jedoch um eine Vereinbarung – jemand ausreden lassen –, deren Anwendung im konkreten Fall sehr unklar bleibt: Eigentlich erlaubt sie nämlich auch keine Ermahnung auf ein Reinreden, da dieses dadurch unterbrochen wird. Die Unterrichtsstörungen halten an, so dass Herr Klose tatsächlich dazu übergeht, die Regeln aufschreiben zu lassen. Die Jungen am anderen Tisch (Thorsten, Eugen, Ricardo und Gerrit) beschweren sich, dass sie nun etwas aufschreiben müssten – sie haben die Zuordnung von Aufschreiben zu Strafe deutlich verstanden. Das bietet den Jungen zugleich die Chance für eine interne Auseinandersetzung: „Antonius: ‚Das tut uns echt leid, wenn wir eure Gefühle verletzt haben’. Pavel lacht. Er fragt nach einer Tintenpatrone. Berthold erklärt, er hätte eine, die Pavel aber nicht kriegen würde. L geht zu dem Tisch und erklärt, es säßen zu viele daran, eigentlich sollten nicht mehr als vier an einem Tisch sitzen. Pavel: ‚Markus soll gehen’. Alex erklärt, er würde freiwillig wechseln. Er setzt sich an den Tisch von Berthold. Julio geht ebenfalls dorthin, woraufhin Antonius auch wechseln will, Julio pfeift ihn aber zurück. L erklärt noch mal, das solle keine Strafe sein, sondern hätte damit zu tun, dass ‚wirklich’ nur vier an einem Tisch sitzen sollten. Antonius demonstriert seinen Widerstand nun aber noch massiver, indem er fragt ‚Herr Professor, was sollen wir jetzt aufschreiben?’ und immer wieder erklärt, er wisse nicht, was er tun solle. L erklärt ihm geduldig immer wieder, worum es gehe.“ Der Lehrer nutzt den Streit zwischen den Jungen, um über die Sitzordnung Disziplin herzustellen. Allerdings setzt er nicht einfach jemanden um, sondern erklärt, es dürften nur vier Schüler an einem Tisch sitzen – eine Regel, die bisher nicht aufgestellt worden war. Pavel will daraufhin Markus ausgrenzen, der sich an den Störungen nicht beteiligt hatte. Alex sieht offenbar eine Chance, aus dem Kreis der „Störer“ auszusteigen, Julio, der ebenfalls wenig an den Aktionen beteiligt war, schließt sich ihm an. Daraufhin will auch Antonius an den anderen Tisch, womit aus dem Einsertisch ein Vierertisch und aus dem Fünfertisch ein Zweiertisch geworden wäre. Julio sorgt jedoch dafür, dass Antonius an seinem Platz bleibt, sodass an beiden Tischen nunmehr drei Jungen sitzen. Herr Klose beteuert erneut, dass es sich nicht um eine Strafaktion handeln würde – eine wenig überzeugende Reaktion, insbesondere da die Jungen vermutlich eine Disziplinierung erwartet haben. Vielleicht deshalb verweigert vor allem Antonius jetzt eine Mitarbeit, in dem er so tut, als verstünde er nicht, was er machen solle. Auch hier gibt der Lehrer ihm offenbar keine eindeutige Anweisung, sondern rechtfertigt sich durch Erklärungen. Die Arbeitsanweisung scheint nämlich auch an den anderen Tischen unklar: Sie bemühen sich darum, zu klären, wie die Werkordnung aussehen könne – wissen aber zumindest nicht, ob sie aufschreiben sollen, was sie dürfen oder was sie nicht dürfen. Antonius hat dann eine kreativ-provozierende Lösung gefunden, er verkündet: „Herr Professor, ich schreibe einfach, was ich mache“. Das tut er und liest laut vor, was er geschrieben hat:
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„Ich gehe zum Werkraum“. Er wiederholt es auf englisch: „I go to the Werkraum.“ Dann: „Ich bin im Werkraum, was tue ich jetzt. Ich beachte das Regal und tue meinen Werkkoffer rein“. Da ihn mittlerweile niemand mehr beachtet, empört er sich erneut, er wisse nicht, was er schreiben soll. Der Lehrer sortiert inzwischen vorne Papiere und reagiert nicht mehr auf die Unterhaltungen und Störungen. Einige Zeit später macht er den Vorschlag, zu sammeln, was den einzelnen eingefallen ist. Antonius erneutes Klagelied, er wisse nicht, was er machen solle, beantwortet Herr Klose mit dem Vorschlag: „Du könntest an die Tafel schreiben.“ Das Protokoll vermerkt dann weiter: „Antonius geht nach vorne. Petra meldet sich und kommt dran. Larissa erklärt, es solle keine Unterhaltungen im Unterricht geben. L will nicht, dass das gleich angeschrieben wird. Antonius spielt mit der Kreide, L schickt ihn mit der Bemerkung wieder auf seinen Platz, er wolle doch nur Spaß haben. Antonius tut total beleidigt, fängt aber sehr schnell wieder an zu stören. Thorsten meldet sich und beschwert sich beim Lehrer, die anderen Jungen an seinem Tisch würden die ganze Zeit nur quatschen. L kommt auf Larissas Vorschlag zurück und erklärt, dass Gespräche durchaus akzeptabel seien, wenn sie nicht zu laut seien und es eine gute Atmosphäre wäre – angesichts dessen, was gerade in der Klasse abläuft, eine etwas paradoxe Regel. L erklärt, es wäre störend, wenn dadurch andere von der Arbeit abgehalten würden. Er sagt: ‚Formulieren wir es so: Wenn der Lehrer etwas erklärt, dann wird nicht gesprochen’ – das schreibt er an die Tafel.“
Herr Klose macht einen normalerweise erfolgreichen Versuch, Antonius konstruktiv in den Unterricht einzubeziehen, indem er ihm die exponierte Rolle zuweist, die Sammlung der Regeln an die Tafel zu schreiben. Allerdings hält er das nicht durch, da er die Äußerungen der Schülerinnen nicht anschreiben lässt und Antonius unverrichteter Dinge wieder an seinen Platz schickt. Das versieht er zudem mit dem Vorwurf, Antonius wolle nur seinen Spaß haben – nachdem er kurz vorher erklärt hatte, dass Spaß möglich und erwünscht sei. Die von Larissa geäußerte Regel, es solle im Unterricht keine Unterhaltungen geben, will der Lehrer nicht festgehalten wissen. Dahinter steckt seine Vorstellung, dass es beim Werken durchaus möglich und auch förderlich sein kann, wenn man sich leise unterhält. Die Protokollantin vermerkt aber die Problematik, angesichts seiner Versuche, Unterhaltungen in dieser Stunde zu unterbinden, ausgerechnet jetzt auf ihre Legitimität zu verweisen. Kurz darauf läutet es zur Pause. In der Pause erklärt der Lehrer, dass er den Tisch, an dem die Schülerinnen sitzen, eigentlich als Vorführtisch benötigen würde, d.h. die Schülerinnen sich an den Tisch II setzen sollten, der von der Protokollantin belegt war. Zu Beginn der zweiten Stunde erfolgt deshalb eine Veränderung der Sitzordnung, indem die drei Mädchen an den Tisch II wechseln, der Protokollant seitlich vorne sitzt. Werknote und Unterrichtsatmosphäre Danach beginnt Herr Klose mit der Erläuterung der Werknote, die sich aus drei Teilen zusammensetzen würde. Ein entsprechendes Diagramm hängt im Werkraum und wird von Alex korrekt erläutert. Der Lehrer erklärt, dass es neben dem Werkstück auch um das Verhalten gehe, da dieses unter Umständen fehlende „Begabung“ kompensieren könne. Zum Verhalten rechnet er Ordnung, wie z.B. seinen Werkkoffer gut zu pflegen. Anschließend hebt er erneut die Atmosphäre im Unterricht hervor, betont, wie wichtig sie sei, „weil bei 96
guter Atmosphäre auch die schönsten Werkstücke entstehen.“ Zusammenarbeit ist das dritte Stichwort für gutes Verhalten. Der Protokollant vermerkt: „Während er das erklärt, unterhalten sich Antonius und Pavel ziemlich auffällig und ungeniert. Ich glaube, der L kriegt das mit, er schaut auch öfter zu ihnen, reagiert aber nicht, sondern erklärt weiter was zu der Notenzusammensetzung. L fragt: ‚Seid ihr einverstanden?’ (Mit der Notenzusammensetzung). Er erhält breite Zustimmung. ‚ja!’ ‚okay’ usw. Pavel ruft ‚hundertprozentig’, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er das ironisch meint. Dann will L mit der Werkordnung weitermachen. Irmela meldet sich. Da er ihr Namensschild nicht lesen kann, weil es zusammengefallen ist, geht er zu dem Tisch und richtet es wieder auf. Antonius, der direkt vor dem Tisch sitzt, dreht sich um, nimmt das Schild, zieht die Falznähte mit dem Fingernagel nach und sagt: ‚So muss man das machen.’ Er stellt es auf den Tisch zurück. L sagt, dass es bei seiner Methode auch schon gestanden hätte, aber dass es trotzdem eine gute Idee von Antonius gewesen sei. Er lobt Antonius und sagt dann: ‚So geht Werken. Es gibt ein Problem und dann denkt man sich eine technische Lösung aus.’“
Während die meisten Schüler und die drei Schülerinnen offenbar nach der Pause aktiv mitarbeiten oder zumindest nicht stören, setzen Antonius und Pavel ihre Unterhaltung fort, ohne vom Lehrer diszipliniert zu werden. Der Versuch, Zustimmung zu den Regeln zu erhalten, erfolgt demonstrativ, auch von Pavel. Damit dokumentiert er jedoch zugleich, dass die Regeln wenig wert sind, denn sein permanenter Verstoß dagegen bleibt ja folgenlos. Antonius greift ins Unterrichtsgeschehen ein, indem er das vom Lehrer wieder aufgestellte Namensschild von Irmela „nachbessert“ und so zugleich eine Konkurrenz zum Lehrer herstellt. Auf diese lässt sich der Lehrer ein, indem er seine Methode als richtig hinstellt, aber Antonius lobt und sein Verhalten als angemessen für den Umgang mit Technik herausstellt. D.h. mit dem Lob hat er zugleich Antonius Provokation positiv sanktioniert, mit dem Verweis darauf, dass eine Nachbesserung nicht nötig gewesen wäre, aber seine inhaltliche Leistung trotzdem entwertet. Das Missverhältnis zwischen Unterrichtsvorstellung und Unterrichtsrealität setzt sich fort: Der Lehrer schreibt verschiedene Regeln an die Tafel, die ihm von den Kindern genannt werden. Alex ruft dazwischen: „Man soll nicht mit spitzen Gegenständen kämpfen“. Die Schüler an seinem Tisch lachen. Es entbrennt ein kleiner Schaukampf zwischen Antonius und Pavel. Der Lehrer übernimmt ‚kämpfen’ in die Liste der Dinge, die man nicht tun soll, er unterbindet jedoch nicht das Verhalten der beiden. Die Schüler am Tisch I vergnügen sich mittlerweile damit, ihre Namensschilder umzupusten, später bauen sie aus ihren Stiften Waffen, bekämpfen sich damit und spielen Star Wars. Die Schülerinnen schreiben ordentlich mit, was der Lehrer an die Tafel schreibt. Alex beteiligt sich viel, sorgt aber auch für Unruhe. Antonius nächste Provokation besteht in der Frage, ob er aufschreiben solle, was an der Tafel steht, um dann – als Herr Klose dies bejaht – genau dies zu verweigern. Geschickterweise tut er das mit dem Verweis auf sein „Genie“: Er würde das alles im Kopf behalten, deshalb sei ein Aufschreiben überflüssig. Das Protokoll vermerkt weitere Aktionen in dieser Art: Der Lehrer lässt sich durch provokative, aber „legitime“ Fragen oder Aussagen immer wieder zu Appellen an Atmosphäre und Stimmung verleiten, richtet seine Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf die beiden Tische III und IV, von denen die aktiven Störungen ausgehen, ignoriert damit die Aktionen am Jungentisch I sowie die Mitarbeit und später die Unterhaltung der Mädchen. Auch Markus Intervention bleibt unkommentiert, als er sich 97
meldet und laut sagt: „Ich kann mich nicht konzentrieren“, dann seine Sachen nimmt und sich so an den Tisch IV setzt, dass er wieder mit dem Rücken zur Tafel sitzt. Der Protokollant vermerkt seine Irritation über das Unterrichtsgeschehen: „Ich wundere mich, dass sich der L das so gefallen lässt. Er interveniert auch selten bei den Störungen von Antonius und Pavel, zumindest nicht erfolgreich. Er appelliert an eine ‚gute gemeinsame Stimmung, die doch für einen guten Unterricht wichtig sei. Und auch dafür, dass man was schafft im Unterricht.’ Dazu merkt Alex an: ‚Richtig, sonst macht es ja gar keinen Spaß’. Auch die Nichtmitarbeit von Tisch I spricht er nicht an.“
Der Lehrer klärt hier nicht, dass zwischen seiner Auffassung von „guter gemeinsamer Stimmung“ und der von den Schülern offenbar erhebliche Diskrepanzen bestehen. Sein Hinweis darauf, dass man sonst im Unterricht nichts „schaffen“ würde, bietet Alex eine erneute Vorlage für eine „legitime“ Provokation: Bisher ging es vor allem um Regeln, der Spaß für die Jungen war es, diese zu durchbrechen, d.h. die Definition von „guter Stimmung“ ist zwischen dem Lehrer und den Schülern offensichtlich unterschiedlich. Während die Schüler dokumentieren, was ihnen Spaß macht, bleibt der Lehrer bei verbalen Ankündigungen, d.h. er löst nicht ein, was für ihn Spaß ausmacht. Im weiteren Verlauf der Stunde macht der Lehrer einen erneuten Versuch, Antonius zur Mitarbeit in seinem Sinne zu bewegen: „Der L weist Antonius noch einmal an, die Anschrift von der Tafel auf sein Blatt Papier zu notieren. Antonius sagt, dass sein Blatt verknickt sei, er sich auch verschrieben habe und er das deswegen nicht abschreiben könne. Der L schlägt ihm vor, die Rückseite zu nehmen. Darauf sagt Antonius wieder, dass er die Sache sowieso in seinem Kopf behalten würde. Mich wundert, dass der L so auf Antonius eingeht und seine Provokationen ernst beantwortet.“
Der Lehrer versucht hier, Antonius ernst zu nehmen, was zweifellos ein wichtiges Grundprinzip für das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist. Allerdings setzt er damit an der falschen Stelle an, denn Antonius will nicht überzeugt werden, die Regeln aufzuschreiben – ihn ernst nehmen hätte erfordert, ihn seine Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen zu lassen, nämlich die Regeln im Kopf zu behalten. Allerdings wäre das in dieser Situation kaum möglich gewesen, weil die Regeln selbst noch unklar und der Lehrer auch nicht fertig mit seinen Besprechungen war. Er setzt den Unterricht nämlich fort, indem er die Nutzung verschiedener Werkzeuge anspricht, u.a. die Frage, ob sie die Standbohrmaschine allein benutzen dürften, was er selbst sofort verneint. Auf eine – zumindest für den Protokollanten – plötzliche Aktion von Antonius reagiert der Lehrer: „Antonius ruft laut in die Klasse ‚Booaahh!’ Ich habe nicht mitgekriegt, wieso. Darauf der L: ‚Antonius! Du fällst mir schon die ganze Zeit auf.’ Dann appelliert er wieder an die gemeinsame Arbeitsatmosphäre, die so nicht entstehen könne.“
Man hätte erwarten können, dass der Lehrer nun (endlich) Antonius klar und deutlich auffordern würde, zu schweigen. Seine Aussage beinhaltet jedoch wiederum eine Doppelbotschaft: Natürlich weiß man eigentlich, dass der Hinweis, man würde die ganze Zeit auffallen, nichts positiv Gemeintes ist, sondern als Disziplinierung dienen soll. Explizit ist er das aber nicht, sondern lässt sich auch als „Auszeichnung“ verstehen: Man geht nicht unter, 98
sondern man ragt heraus, man fällt auf! Antonius kriegt damit gesagt, was er hören wollte: Ich habe dich wahrgenommen, du bist etwas Besonderes. Werkstücke – Ruhe und Interesse Der Lehrer ändert danach seinen Unterricht und fordert alle Kinder auf, an den vorderen, nun leeren Tisch zu kommen. Es dauert eine Weile, bis alle das mitgekriegt haben, da vor allem die unbeachteten Tische mit ihren eigenen Aktivitäten beschäftigt waren – die Mädchen mit Unterhaltungen über Füller und Handys, die Jungen mit Fechtspielen mit ihren Stiften. Der weitere Verlauf der Stunde ist folgendermaßen protokolliert: „L sagt: ‚Das erste, was wir machen ist ganz einfach.’ (Endlich ist Ruhe, die Schülerinnen und Schüler hören zu!) Es soll etwas mit Draht gebogen werden. Der L hat als Beispiel eine Drahtbrille mitgebracht. Pavel fragt: ‚Darf ich die mal haben?’ L: ‚Normalerweise nicht, aber die schon.’ […] L erklärt, worauf es beim Werken ankommt: ‚Man braucht ein paar gute Ideen und ein bisschen Geduld. Nicht alles klappt beim ersten Mal.’ Dann kündigt er an, dass er in der nächsten Stunde die Drahtzange zeigen werde, diese Stunde noch nicht, da sollen die SuS (= SchülerInnen) erst mal ‚rumexperimentieren’. (Dazu wird es nicht mehr kommen, Anm. J. Budde). Dann zeigt er weitere Sachen, die die SuS herstellen werden. Nun hören sie zu und drängeln sich um den Tisch. Er zeigt ein Holzpuzzle. Dabei sei es wichtig, dass man die Größe der Puzzelteile gut plane. Wenn man es zu groß macht, ist es nicht interessant, wenn man es zu klein macht, hat man ‚sauviel Arbeit’. Dann holt er einen Magneten mit einer Holzplatte drauf aus seiner Schachtel. Es ist ein rosa Hase. Ich höre von den SuS ‚cool’ und ‚süß’. Er hängt ihn an die Tafel und holt weitere Figuren. Die SuS kommentieren die anerkennend. Er sagt, diese Magneten seien ganz einfach. ‚Comics hat jeder zuhause. Die malt man ab oder paust sie durch. Dann kann man sie aus Holz aussägen und dann einfach auf einen Magneten kleben’. Inzwischen hat Larissa die Drahtbrille und stupst Petra an, damit die mal schaut, wie ihr die steht. Die Brille sieht veralbernd aus und Larissa zieht auch eine lustige Fratze. Später hat Irmela auch noch eine andere Brille auf und die Schülerinnen stupsen sich immer gegenseitig an, um sich zu zeigen, wie ‚deppert’ sie mit der Brille aussehen. Dann erklärt L, dass sie auch noch mit Ton arbeiten werden. Er zeigt eine Fledermaus aus Ton, die er mal auf dem Flohmarkt gekauft hat. Auch die finden die SuS gut. Er sagt, dass solche Sachen einfach herzustellen seien. Die Fledermaus sei ein gutes Beispiel für Sachen, die nicht schwierig sind und trotzdem gut aussehen. Nun zeigt er eine Schale. Die SuS loben die. ‚Cool’, ‚sieht sehr professionell aus’, ‚Haben Sie die gemacht?’, ‚Toll’ usw. Alex sagt: ‚Sieht klasse aus’. L erklärt, dass man mit Weihnachtssternformen Sterne aus Ton ausstechen kann. Die könne man dann weiß anmalen und an den Tannenbaum hängen, das sähe wirklich toll aus. Das sei ‚einfach und gut. Die einfachsten Ideen sind oft die besten’ sagt er. Dann zeigt er noch einen Bilderrahmen aus Ton. … Zum Ende des Semesters möchte er mit den SuS noch eine Kugelbahn bauen. Dann zeigt er auf einige Holzmodelle (‚Modelle alternativen Wohnens’), die auf dem Regal stehen und sagt, dass sie so etwas in der sechsten Klasse bauen werden. Larissa kommentiert mit ‚cool’.“
Der Lehrer zeigt den Schülerinnen und Schülern nun Beispiele von Arbeiten, die im Technikunterricht hergestellt werden (können). Damit hat er nahezu durchgängig ihre Aufmerksamkeit, denn der Protokollant vermerkt sowohl, dass „endlich Ruhe“ sei, wie auch keine 99
Störungen von den bisherigen Provokateuren. Allerdings hält die Spannung nach dieser Phase nicht, weil die Kinder entgegen der Ankündigung nicht mehr mit Draht experimentieren dürfen, da die Stunde gleich zu Ende sei. Stattdessen öffnet der Lehrer einen der Schränke, um Werkzeuge zu zeigen. Da diese nicht von allen gut zu sehen sind, gibt es Drängeleien. Zwar sind die Kinder durchaus interessierter bei der Sache als vorher, als es um die Regeln ging, dennoch bietet die Situation Möglichkeiten für Ablenkung und Streit um den besten Platz. Dann klingelt es und der Lehrer bricht den Unterricht ab. Die Kinder holen ihre Sachen, wobei einige Schüler schnell fertig sind, aber noch nicht gehen dürfen, sondern warten müssen, bis alle eingepackt haben. „Natürliches“ Jungenverhalten wird interaktiv hergestellt Die Beispiele von Unterrichtsstörungen vor allem durch die drei Schüler Antonius, Alex und Pavel zeigen, wie die Art der Unterrichtsgestaltung bzw. die Interaktionen mit dem Lehrer dazu beitragen, den Unterricht „lebhaft“ bis undurchführbar zu machen. Eine Reihe von Aktionen besteht darin, in legitimer, aber unangebrachter Form auf die Fragen bzw. Aussagen des Lehrers einzugehen – wie dies z.B. Kabarettisten bei Wortspielen tun. Pavels „Essensregel“ aus der Grundschule ist dafür ein Beispiel, aber auch Alex Bestätigung der Wichtigkeit von Atmosphäre für Spaß. Antonius ist weniger geschickt in seinen Provokationen, aber auch bei ihm handelt es sich um eine gemeinsame Konstruktion: Der Lehrer lässt ihn erfolgreich Kommentare abgeben, indem er darauf durch Rechtfertigungen eingeht; er würdigt dagegen seine inhaltlichen Bemühungen nicht, wie bei der Frage nach dem Schmirgelpapier; er lobt seine Aktion mit dem Namensschild, womit er zugleich die damit verbundene Provokation lobt. Deutlich zeigt sich an den beiden Stunden auch, dass ein Beginn mit „viel reden“ in einem Unterrichtsfach, in dem „handeln“ erwartet wird, ungünstig ist. Wenn dieses Reden dann obendrein die Vereinbarungen von Regeln betrifft, deren Übertretung im gleichen Moment erfolgreich demonstriert werden kann, ohne dass dies Konsequenzen hat, so führt dies zu einer Spirale von Störungen. Im Augenblick, als der Lehrer herzustellende Produkte zeigt, hat er die Aufmerksamkeit und das Interesse der Kinder. Herr Klose ist sehr bemüht, auf die Kinder einzugehen; er möchte, dass sie Freude am Werken entwickeln und will in seinem Unterricht auch Spaß ermöglichen. Allerdings erklärt er dies verbal und als Regel, ohne es praktisch zu zeigen. So hätte er z.B. Pavels „Essensregel“ mit Lachen bestätigen und zugleich deutlich machen können, dass er andere Regeln im Kopf hat. Das hätte Pavels Verhalten akzeptiert, seinen Stellenwert nicht zu hoch gehängt und die Richtung der gewünschten Antworten geklärt. Ein Interview, welches wir im Rahmen des Forschungsprojektes mit Herrn Klose geführt haben, zeigt, dass er die problematischen Verhaltensweisen der Jungen als „typisch“ ansieht – womit er ihnen Legitimation verleiht. So sind ihm Eugen, Thorsten und Gerrit (die Jungen von Tisch I): „immer wieder auch einmal durch irgendwelche Bubenscherze, irgendwelche Blödeleien aufgefallen. Ich meine, es sind, in gewisser Hinsicht sind’s zum Teil Kopflosigkeiten, wenn sie halt das Werkzeug nehmen und damit spielen, da sprich Lineal wird zum Schwert und da tut man halt ein bissel miteinander, da ist nix Böses dahinter, aber es ist halt Spiel und macht Spaß und es ist wahrscheinlich auch nicht gegen mich als Lehrperson, sondern einfach dieser Spieltrieb,
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und vielleicht auch das Problem, dass sie sich auch nicht so konzentriert auf die Arbeit einlassen. Aber bei denen, da sind immer wieder ganz gute Phasen dazwischen drin, also das, da kommt schon wieder mal auch die positive Seite zum Vorschein.“ (Interview 1/2006 – Interviewer Jürgen Budde).
Die Störungen dieser Jungen sind für ihn dem „Spieltrieb“ geschuldet, also „natürlich“ und da sie nicht durchgängig erfolgen, hält er sie auch nicht für ein Problem. Alex sieht er grundsätzlich positiv: „Der ist mir gleich am Anfang sehr, sehr positiv aufgefallen, er hat sich auch so mit’m Bubenstreich, wenn mal was gewesen ist, bissel hineinziehen lassen, und der ist dann nach der Stunde zu mir gekommen und hat gesagt, es tut ihm jetzt leid, dass er sich da halt mitreißen hat lassen. Also ich hab das überhaupt nicht erwartet, dass der das reflektiert und das anspricht. Das’ höchst selten einmal.“ (ebd.)
Alex ist ein sehr guter Schüler, der das Spiel mit den legitimen Störungen, die zur Auflockerung des Unterrichts geeignet sind, sehr gut beherrscht und eben deshalb vom Lehrer auch wertgeschätzt wird. Da er es zudem offenbar versteht, sich für Grenzüberschreitungen zu entschuldigen, wird er von Herrn Klose nur positiv gesehen. Antonius dagegen ist ein Klassenwiederholer, dessen Leistungen ihm weniger Handlungsspielraum geben als Alex, sich positiv in Szene zu setzen. Herr Klose sieht ihn folglich als Problemfall: „Der ist gleich mal aufgefallen, so... enorme Zuwendungsbedürfnisse, also hat sich (unverst.) mit irgendwelchen Sprüchen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, also, der ist für mich dann nicht ganz so mit der Gruppe verwachsen, also, da wird’s sicherlich ein Problem geben, ihn soweit zu integrieren, dass der nicht die ganze Aufmerksamkeit auf sich nimmt, auch sein Nachbar, der Pavel, der ist ein bissel ein Mitläufer, der muss sich da auch profilieren. … Na ja ... negativ sicherlich, ... wie gesagt, der Antonius zum Beispiel, der irgendwie’ zuerst versucht mit Schmäh (freche Sprüche – HFW) Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dann einfach, erst dann nicht hinhören, nicht wirklich mitmachen, eigenes Programm durchziehen, eigentlich rücksichtslos ... zum Rest der Klasse sein.“ (Interview 9/2005 – Interviewerin Hannelore FaulstichWieland)
Auch Pavel gehört nicht zu den Spitzenschülern, von Herrn Klose wird er hier als Mitläufer eingeschätzt und damit auch eher der Problemgruppe zugewiesen. In allen Fällen allerdings stellt der Lehrer keinen Zusammenhang her zu seinem Jungenbild und seiner Praxis im Umgang mit den Jungen. Dadurch kann er nicht erkennen, wie er interaktionell an der Konstruktion von Männlichkeit beteiligt ist. Das wäre jedoch notwendig, wenn nach Vorbildern für ein verändertes männliches Verhalten gefragt wird. Literatur Budde, J./Scholand, B./Faulstich-Wieland, H. (2008): Geschlechtergerechtigkeit in der Schule. Weinheim: Juventa. Faulstich-Wieland, H. (2007): Eine Bühne für Inszenierungen. Doing Gender im Schulalltag. In: Jungen. Schüler 2007. Seelze-Velber: Friedrich Verlag. S. 90–93. Preuss-Lausitz, U. (2006): Arme Kerle! In: Psychologie heute, H. 11, S. 68–72.
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„Wir Jungs sind halt nicht so eine Gemeinschaft“. Personzentrierte Jungenforschung als Zugang zum psychosozialen Erfahrungswissen jugendlicher Schüler Andreas Krebs
Abstract „We boys just aren’t that close…”. Exploring the Psychosocial Know-How of Adolescent Schoolboys by Using Person-Centered Qualitative Research This contribution discusses the social experiences of boys with peer-groups in school and its meaning for their mental well-being and their social know-how. Therefore, Andreas Krebs is using data of a qualitative-empirical study. One-on-one interviews prove that difficult interpersonal contacts between boys and their peers are everyday experiences. They contribute to stress at school and its handling is regarded as a typical task for boys. Encounters between male schoolmates create positive experiences. Thus, it would be useful to put more emphasis on the potential that male friendships have on the development of boys. Einleitung „Die Mädchen sind mehr eine Gemeinschaft als die Jungs“ – diese Erfahrung aus seiner Klasse schildert ein Fünfzehnjähriger im Verlauf eines Gesprächs. „Es gibt natürlich immer Ausnahmen und so, aber größtenteils verstehen sich alle Mädchen gut, und so haben sie auch dieselben Ansichten. Und wir Jungs sind halt immer, ja, ein bisschen anders. Wir sind halt nicht so, na ja, eine Gemeinschaft“ (Krebs 2008a: 218). Seine Wahrnehmungen und Erlebnisse, die in diese bedauernde Einschätzung münden, sind Aspekte seines sozialen Erfahrungswissens als Schüler. Er teilt es mit anderen Jugendlichen, die ebenfalls unter Mädchen mehr zwischenmenschliche Zugewandtheit und soziale Unterstützung erlebt haben als untereinander. Der Begriff „Erfahrungswissen“, wie er hier verwendet wird, entstammt der personzentrierten Psychologie. Rogers (1986: 70) bezeichnet damit das Lernen und Wissen einer Person aus ihren alltäglichen Erfahrungen und die innenweltlichen Phänomene, welche die Entstehung dieses Wissens begleiten (Sinneswahrnehmungen, Gefühle, Gedanken, Bewertungen). Für Way und Chu gilt das Erfassen authentischer Erlebens- und Sichtweisen von Jungen als vorrangige Aufgabe wissenschaftlicher Jungenforschung: „In order to understand boys’ development, it is important to start with boys’ own perspectives and to learn what they view as the main issues, key obstacles, and central concerns in their lives. What do they value and hope for? What do they want? What are the sources of pressure and support in their lives? How do they cope with challenges? How do they experience their peers, romantic partners, family members, and school community?” (Way/Chu 2004: 2)
Antworten auf diese Fragen zu finden heißt, das Erfahrungswissen von Jungen zusammenzutragen. Diesem Anliegen ging die Untersuchung nach, aus der im vorliegenden Beitrag 103
berichtet wird (Krebs 2008a). Ein Ziel der Studie war, sowohl Quellen von Stress und Belastung als auch Quellen von Wohlbefinden und Entlastung im schulischen Alltag heranwachsender Jungen zu erfassen. Dazu sollten die Innenwelten der Schüler und die Vielfalt ihrer Erlebensweisen möglichst unverstellt erkundet werden. Erwartungsgemäß lag der Schwerpunkt ihrer Erfahrungsschilderungen auf den Interaktionen der Schüler/innen untereinander (weitere Themenfelder waren Unterricht, Lernen, Beziehungen zu Lehrkräften, Freundschaften sowie Wirkung von Schule aufs Lebensgefühl). So gehe ich in diesem Beitrag einerseits der Frage nach, welche negativen Gruppenerlebnisse und zwischenmenschlichen Erfahrungen zur Entstehung von schulisch bedingtem psychischen Stress bei Jungen führen können. Zum anderen erkunde ich die psychosozialen Erfahrungen der Jungen nach Bereichen, die Potenziale für psychische Entlastung und Stärkung des Wohlbefindens bedeuten. Im Folgenden skizziere ich zunächst den gewählten Forschungsansatz. Anschließend werden einige Bereiche von negativen psychosozialen Jungenerfahrungen vorgestellt. Der vierte Abschnitt greift das schulische Stresserleben von Jungen auf und diskutiert ihn als eine jungenspezifische Herausforderung. Danach gehe ich auf positive psychosoziale Jungenerfahrungen ein und erörtere die besondere Bedeutung von Schulfreunden für das schulische Wohlbefinden von Jungen. Personzentrierte Jungenforschung Für die Gesprächsstudie waren adoleszente Schüler eingeladen, in einem vertraulichen Einzelgespräch von schulischen Erlebnissen, von ihren inneren Vorgängen und Eindrücken zu erzählen. Diese Herangehensweise basiert auf der personzentrierten Psychologie von Carl R. Rogers, dem US-amerikanischen Reformpädagogen und Begründer der bei uns so genannten Gesprächspsychotherapie. Ausgehend von dessen Grundhaltungen, die im Laufe mehrerer Jahrzehnte Forschung, Beratung und Psychotherapie entstanden waren (vgl. Rogers 1973; 1983), entwickelte Langer (1985; 2000) den psychologischen Forschungsansatz des Persönlichen Gesprächs. In früheren Untersuchungen erwies sich diese qualitative Methode auch bei Jugendlichen (z.B. Krebs 2000; 2002; Langer 1994) als fruchtbar im Hinblick auf Offenheit, Vielschichtigkeit, Authentizität und Praxistransfer von individuellen Erfahrungsbeschreibungen. Die personzentrierten Prinzipien konkretisieren sich im Persönlichen Gespräch insbesondere in folgenden Punkten: x x x x
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Wertschätzung der Forschenden für die befragten Personen und Offenheit für jede Art und Weise ihres geschilderten Erlebens; Bereitschaft der Forschenden, sich im Gespräch echt (authentisch) zu verhalten und kein soziales Gefälle aufzubauen, das beim Gegenüber zu Verunsicherung führt; Einfühlung in die erzählenden Personen und Mitgehen in Erzählrichtungen, die aus ihrer Sicht bedeutsam sind, im zweiten Schritt gefolgt von Nachfragen und Thematisieren weiterer Aspekte durch die Wissenschaftlerin, den Wissenschaftler; Selbstbestimmtheit der befragten Personen im Forschungsprozess, insbesondere im Umgang mit Deutungen und Interpretationen ihrer Erzählungen, umgesetzt über eine kommunikative Validierung der Gesprächsauswertung;
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Gestaltung der Erhebungssituation als angenehmes, vertrauliches Gespräch, das die mitwirkende Person würdigt.
Auch in der vorliegenden Studie war die aufrichtige Bereitschaft des gesprächsleitenden Wissenschaftlers, den teilnehmenden Jungen offen zu begegnen und ihre Erlebensweisen als jeweilige innere Wirklichkeit zu würdigen, ein wesentliches Element. Bei jugendlichen Gesprächspartnern und ihren zuweilen widersprüchlichen Impulsen und Schutzmustern (z.B. Abwertung anderer) kann das eine Herausforderung sein. Zugleich kommt es darauf an, als Erwachsener im Gespräch echt und ohne „Alltagsfassaden“ präsent zu sein. Gerade in Forschungsgesprächen mit männlichen Schülern hat diese Art von Situations- und Beziehungsgestaltung gezeigt: Wertschätzung für den Jungen, Einfühlung in sein Erleben und Authentizität als Gegenüber schaffen ein Vertrauensklima, das ihm hilft, angenehme wie unangenehme Erfahrungen anzusprechen, über die verschiedenartigen Seiten seiner Person laut nachzudenken und auch Unsicherheiten zu beschreiben. In der ersten Phase der Studie wurden personzentrierte Fallstudien von zwanzig Schülern im Alter von 14 bis 18 Jahren erstellt. Sie enthalten eine Vielzahl thematisch geordneter Zitate und Ergebnisaussagen. Jeder Schüler bekam die ihn betreffende Einzelstudie zur Gültigkeitsprüfung vorgelegt. Er bestätigte oder präzisierte die Darstellung und gab sie für die weitere wissenschaftliche Verwendung frei. Für die anschließende Gesamtauswertung wurden die Ergebnisse nach Themenfeldern (z.B. „Erleben von Klassengemeinschaft“) zu einem Erfahrungspanorama zusammengestellt. Für jede prägnante Erlebensweise wurde eine Aussage formuliert, die diese tatsächlich vorgefundene Erfahrung als eine Erlebensmöglichkeit beschreibt, ohne über die geschilderten Kontexte hinaus zu verallgemeinern, z.B.: „Es kann vorkommen, dass die Klassengemeinschaft im Erleben eines heranwachsenden Schülers nur unzureichend als sozialer Raum wirkt, der ihm Sicherheit, Halt, Zusammengehörigkeit vermittelt.“ Die Formulierung als Möglichkeit („Es kann vorkommen…“) bedeutet, dass Jugendliche aus einem ähnlichen Klassenverband auch andersartige Erfahrungen machen können; es ist eine Aussage über das kontextbezogene persönliche Erleben, nicht über die soziale Gegebenheit dieser Klasse oder über eine „typische“ Erfahrung. Jede Aussage wird durch wörtliche Gesprächausschnitte belegt (alle folgenden Schülerzitate aus Krebs 2008a). Negative psychosoziale Jungenerfahrungen Die Schüler sprachen vielfach von zwischenmenschlichen Ereignissen, auf die sie mit Ärger, Unbehagen, Irritation oder Verunsicherung reagierten. Solche Erlebensweisen stehen eng in Zusammenhang mit der Zunahme von schulbedingtem Stress und psychischer Belastung, die zu den häufigsten Belastungsfaktoren im Alltag von Kindern und Jugendlichen gehören (vgl. Paulus 2004; Tausch 2005). Die hier geschilderten Erlebnisse lassen sich drei Bereichen zuordnen: Erfahrungen zu miterlebten Interaktionen, Erfahrungen zum schulischen Klima sowie Erfahrungen, in die Männlichkeitsvorstellungen einfließen.
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Umgang der Jugendlichen untereinander Belastende psychosoziale Erfahrungen machen Jungen, die einen Mangel an Gemeinschaftlichkeit im Klassenverband wahrnehmen oder respektloses, abwertendes Diskussionsverhalten miterleben. Besonders bemerkenswert erscheint, dass manche Jungen bei Mitschülern, bei Freunden und teils auch bei sich selbst, eine starke Verfremdung erkennen, insofern „man“ sich in der Schule unfreundlicher, cooler, weniger respektvoll gibt als außerhalb von Schule. Einige Jungenstimmen: „Eine richtige Klassengemeinschaft ist es wohl auch nicht bei uns, weil wir haben so ‘n paar, die setzen sich ab und sagen irgendwie, sie sind jetzt die Tollen und so. (...) Also das gefällt mir einfach nicht so, dass die jetzt sagen können: ,Du und du mach das und das!’ Find’ ich nicht so toll. Oder dass sie ihre Meinung aufdrängen...“ (Nils, 16) – „In einem Klassengespräch vor ‘ner Woche haben wir ein Thema aufgegriffen, was wir eigentlich als Einheit, als Klasse als Problem angesehen haben und das auch beheben wollten. Und dann ist es eben so gelaufen, dass wir uns gegenseitig ausgelacht haben, dumme Bemerkungen gemacht haben – und auch verletzende Bemerkungen, die waren gar nicht mehr witzig. Einer von uns hat sich ziemlich aufgeregt und hat zum Schluss auch geweint. (...) Das hat mich ziemlich mitgenommen, weil ich fand es einfach unmöglich, dass wir da nicht zusammen irgendwas aufstellen können und dass sich da immer noch welche ‘n Spaß draus machen, dass ein anderer eben Gefühle zeigt oder eben einfach offen ist.“ (Peter, 15) – „Ich schaff’ es manchmal, die ganze Klasse auf mich zu hetzen. Zum Beispiel im Gemeinschaftskundeunterricht. Da hat man immer seine Meinung, und ich sag’ meine Meinung, und dann flippen alle aus. Oder einige zumindest. Und dann geht’s eigentlich ganz heftig zu.“ (Thilo, 18) – „Ich selbst merke auch oft, dass ich in einer Gruppe albern, manchmal auch vollkommen unrational bin. (...) Ich merke auch oft, dass ich denke: ,Das ist jetzt eigentlich ziemlich blöd gelaufen, eigentlich wollt’ ich das nicht so.’ Aber ich hab’ oft nicht den Mut zu sagen: ,Das ist einfach nicht so, ich möchte das nicht.’ (...) Man muss sich ja auch in der Gruppe darstellen, ein gewisses Image muss man auch haben.“ (Tobias, 16) – „Ich weiß nicht, ob ich auch so verletzend bin, da müsste man vielleicht mal meine Mitschüler fragen, aber es ist so, dass ich das versuche halt nicht zu sein. (...) Ich hab’s einmal schon bei mir gemerkt: Ein netter Kerl, super sympathisch, aber von den anderen eben nicht akzeptiert. Also er wird ausgelacht von allen und so. Und dann erwisch’ ich mich dabei, wie ich teilweise mitmache.“ (Peter, 15)
Soziale Atmosphäre Jungen fühlen sich auch durch ein verunsicherndes schulisches Klima beeinträchtigt. Sie machen das an ihren Beobachtungen von Feindseligkeit gegen MitschülerInnen fest, an dem Wunsch, bestimmten Mitschülern lieber aus dem Weg zu gehen oder die eigene Meinung zurückhalten, teilweise verbunden mit der Wahrnehmung von Gewaltbereitschaft. „Mit denen ich nicht so klarkomme oder die ich nicht so mag, (...) da mach’ ich dann einen Bogen drum.“ (Ben, 15) – „Sie meinen dann einfach, sie müssten denn das hier so bestimmen. Und wer nicht zu ihnen gehören will, der hat selber Schuld. Und wenn man Pech hat, könnte man da sogar ziemlich Probleme mit denen kriegen. (...) Die fahren ja auch an andere Schulen und suchen sich dann einen bestimmten Jungen, den sie haben wollen und so. (...) Also, ich habe solche Probleme eigentlich nicht, weil man macht möglichst immer ‘n großen Bogen um die.“ (Enno, 16) – „Es sind an sich immer so drei oder vier Gruppen, die immer gegeneinander hetzen. Das ist relativ lustig, weil ich immer unbeteiligt bin. Ich halt’ mich da grundsätzlich ‘raus. Also
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ich seh’ da keinen Sinn drin, mich jetzt irgendwie zur Sau machen zu lassen.“ (Torsten, 15) – „Manche fühlen sich cool, weil sie ‘n Messer dabei haben oder ‘ne Waffe oder sonst was. (...) Also der achte Jahrgang ist das ja – die verhandeln da über Waffen, pff, als ob’s sonst was wär’. Auf’m Schulhof stehen die da: ,Ja, was willst du haben?’, so ungefähr, und dann geht das los. Oder, ähm, die schießen mit Waffen auf’m Schulhof rum, in die Luft und so, das kriegt bloß kein Lehrer mit, ne?“ (Udo, 14)
Männlichkeitsbezogene Verunsicherungen Manchmal bringen Jungen die Kategorie Geschlecht und ihre Männlichkeitsvorstellungen zur Sprache. Dann geht es vor allem darum, dass sie unter sich, den Jungen, erheblich weniger soziale Unterstützung und Zugewandtheit erleben, als sie es bei den Mädchen beobachten. Einige nehmen eine ständige Konkurrenz um Anerkennung unter Jungen wahr, auch unter Freunden. Manche erzählen vom Druck, als Junge in der Schule keine Schwäche zu zeigen, sondern sich immer „stark und cool“ zu geben. Einige finden, dass Jungen in der Schule nur über Leistungen in Sport etwas für ihr persönliches Ansehen tun können. „Ich kann jetzt Olaf oder so nennen, mit dem kann ich dann zwar mal über was reden, aber (…) ich würde mich nicht mit ihm treffen oder was weiß ich, aber wir können in der Klasse mal so ein paar Sätze reden und so, aber nicht sehr viel mehr. Und bei den Mädchen ist das eher, die können viel mehr reden und vertrauen sich viel mehr.“ (Emilio, 15) – „Ich denk’ auch, dass Mädchen nicht so ‘ne Fassade haben wie Jungs. (...) Ich denke, Jungs tun so cool, weil sie nicht so auf sich aufmerksam machen wollen. Weil sie was verstecken wollen. (...) Weil wenn sie Probleme haben oder wenn sie Stress haben oder so, dass sie immer cool sind, und eigentlich haben sie hinter der Fassade doch Probleme mit sich selbst. (...) Ich denke, für’n Jungen ist es schwierig, sich zu beweisen und so. Erst mal muss er sich in einer Jungengruppe beweisen und dann schon bei den Mädchen. (...) Ich hab’s ja selbst erlebt. Also dass man in Sport gut ist, wird verlangt. War ich früher nicht so. Dass man immer auf’m neusten Stand ist mit Musik, Klamotten und so materielle Dinge.“ (Thilo, 18) – „Konkurrenz besteht auf jeden Fall. Das hängt auch viel mit Sport zusammen, also bei Jungs vor allem jetzt auch in diesem Alter. Sport und vielleicht auch wie man sich in der Gesellschaft gibt. Auch wenn es irgendwie ungewollt ist, also von mir aus gibt es trotzdem Konkurrenz irgendwo. (...) Es gibt zum Beispiel so was, dass in der Klasse ein Klassenbester ist in Sport. Also Florian treibt sehr viel Sport, und gerade diese sportliche Aktivität, die gibt ihm sehr viel Selbstvertrauen, und das spiegelt sich auch wider. Durch diesen Sport hat er auch mehr Erfolg, was Mädchen betrifft, dass er viele Leute kennt, dass er also auf mehr Parties ist und so.“ (Donald, 17) – „Vielleicht kriegt man da mehr Ansehen bei den Jungs, wenn man gut Fußball spielen kann oder gut Basketball spielen. Aber sonst trägt da eigentlich nichts zu bei. Wenn man halt immer gute Noten schreibt, dann erst recht nicht; nämlich dann denken gleich alle, du bist ein Streber.“ (Jakob, 15)
Schulischer Stress als jungenspezifische Herausforderung Wie jeder Stress sind auch schulische Stresserfahrungen mit steigender psychischer Spannung verbunden, die der betroffene Junge bewältigen muss (vgl. Fend 2001; Krebs 2008b; Langer/Langer 2005; Seiffge-Krenke/Lohaus 2007; Tausch 2005). Wie Auinger et al. ausführen, sind derartige Spannungs- und Stresserlebnisse für einen Jungen oft deshalb besonders schwierig, weil sie mit dem Gefühl von Hilflosigkeit einhergehen – einer Empfindung, die für viele Jungen nicht zu ihrem männlichem Selbstgefühl zu passen scheint: 107
„Stress ist damit ein kritischer Zustand, d.h. eine Situation, der habhaft zu werden nicht möglich ist. Jugendliche überkommt ein Gefühl der Hilflosigkeit, das sie aber, zur gleichen Zeit wie es aufkommt, bekämpfen und von sich abspalten wollen. Gerade männliche Jugendliche können schwer diese Hilflosigkeit aushalten und zu sich kommen. Sie haben Angst vor dieser Hilflosigkeit und versuchen sie wegzudrücken.“ (Auinger et al. 2002: 72)
Unter Stress verhalten sich Jungen dann erst recht auf eine Weise, die sie handlungsmächtig zeigen und mit ihrem Männlichkeitsbild in Einklang stehen soll. Die Erfahrungen der Jungen bekräftigen allgemeine Erkenntnisse zur schulbedingten Entstehung von Stress und eingeschränkter seelischer Gesundheit bei Schülerinnen und Schülern (vgl. Beyer/Lohaus 2007; Krebs 2008b; Lohaus et al. 2004; Paulus 2004; Tausch 2001; 2005). Mit ihrer selbstkritischen Wahrnehmung bestätigen die Schüler auch geschlechtsspezifische Befunde zur Stressbewältigung (Coping) bei Jugendlichen. Demnach tun sich Jungen offenbar schwerer damit, hilfreiche Coping-Strategien anzuwenden, z. B. Analyse und Reflexion des Problems (vgl. Fend 2001; Seiffge-Krenke 1985; 1990). Sie verlassen sich seltener als Mädchen auf ein unterstützendes soziales Netzwerk und neigen dazu, ihre Probleme unabhängig von Eltern und Freunden zu lösen (vgl. Seiffge-Krenke 2007). Darüber hinaus lassen sich anhand der Ergebnisse aus den Jungengesprächen für das Stressgeschehen bei männlichen Schülern drei allgemeine Ebenen unterscheiden: Zum einen haben sie es mit einem einschränkenden Männlichkeitsgebot zu tun, das ihnen das authentische Ausdrücken von Unzulänglichkeiten und Problemen, von vermeintlichen „Fehlern“ und „Schwächen“ verbietet (Sozialisationskontext). Zum anderen verfügen sie tendenziell über weniger Coping-Fähigkeiten, um sich bei persönlichen Problemen effektive Unterstützung und Entlastung zu holen (Performanz). Und zum dritten gibt es unter ihnen ein Bewusstsein für diese Problematik, denn einige Jugendliche können die jungenspezifische psychosoziale Belastungslage explizit beschreiben (Reflexion). Bislang bleibt offen, ob diese Erkenntnis für sie eher eine Aufforderung darstellt, sich intensiver um gegenseitige soziale Unterstützung zu bemühen, oder ob es das subjektive Belastungsempfinden noch verschärft. Positive psychosoziale Jungenerfahrungen Gute zwischenmenschliche Erlebnisse unter Schülern können den sozialen Zusammenhalt stärken, das psychische Wohlbefinden eines Jungen verbessern und so seine Persönlichkeitsentwicklung im Rahmen von Schule fördern. Sie sind gleichsam ein Gegenwicht zu seinen psychosozialen Belastungen. In den Gesprächen nahmen sie weniger Raum ein, wobei die Schwerpunkte auf folgenden Bereichen lagen: Erfahrungen mit Schulfreunden, Erfahrungen im Klassenverband und Erfahrungen zum Thema „Respekt“.
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Schulfreundschaften In der Schule Freunde zu haben, das ist für Jungen nicht selten die wichtigste positive Seite von Schule. Schulfreunde geben sich auf verschiedene Weise zwischenmenschliche Unterstützung und sozialen Halt. Auch das Erleben von Freundschaft als solches ist äußerst positiv: Es kann den heranwachsenden Jungen Selbstvertrauen, Wert und Sinn vermitteln. „Freundschaft ist auch das Wichtigste für mich so ... wichtiger als Schule, als alles einfach. (...) Wohlfühlen tu’ ich mich eigentlich immer, wenn die richtigen Leute dabei sind. (…) Den einen treff’ ich hier ab und zu auf dem Schulhof, ,Ja, hi!’, zack, dann gehen wir weiter. Und wenn wir alleine zusammensitzen, dann sind wir die besten Freunde. (...) Und zu ihm geh’ ich eigentlich auch hin, wenn ich was loswerden will.“ (Chris, 17) – „Natürlich ist es in der Schule enger, weil die Freunde kennt man länger oder besser. Und dann sind es natürlich auch mehr Freunde. – Beim Sport sieht man sie auch meistens nur zwei oder vier Stunden in der Woche, und in der Schule eben sieben Stunden täglich.“ (Torsten, 15) – „Ich hab’ früher, so fünfte, sechste, siebte Klasse, mit den Jungen gar nicht so das gute Verhältnis gehabt (...) Das hat sich irgendwie geändert, seitdem Stefan in der Klasse war. Und da hat sich das Verhältnis zu Mädchen ein bisschen verschlechtert, weil das eben vorher so gut war, und zu den Jungen verbessert.“ (Eric, 16) – „(Am wichtigsten ist,) dass hier halt meine Freunde sind. (...) Mein Freund, der wohnt hier ja gleich um die Ecke, und ich geh’ dann da oben zum Bus, da gehen wir dann immer hin, kann man sich noch kurz über den Schultag unterhalten und so.“ (Nils, 16) – „Wir sprechen, ja, über alles: Oft ist das Thema Mädchen, das ist ganz klar, (…) manchmal auch über Schüler unserer Klasse. Aber das soll nicht heißen: lästern, sondern konkretisieren und unsere Meinungen austauschen, wie man mit denen umgeht.“ (Matthias, 16) – „Mit dem ich jetzt in der Schule wirklich oft zusammen bin, das ist eigentlich auch ein sehr guter Freund von mir. Wir treffen uns regelmäßig, wir reden über ganz private Sachen eigentlich. (…) Es ist eben so, dass es in der Schule genauso wie zuhause ist. Also einfach wie wir reden. Und wir akzeptieren uns gegenseitig richtig, so dass wir auch über diese Sachen reden können. (...) Da bin ich eigentlich auch froh drüber, weil man das selten sieht, dass man mit einem über alles reden kann.“ (Peter, 15) – „Ich denk’, darin liegt auch der Sinn von Freundschaft einfach, (…) dieses Gefühl, dass er mir wirklich helfen will und dass ich ihm auch was erzählen kann und ich weiß, dass der- oder diejenige dann eben auch das nicht irgendwie in der Klasse ‘rumerzählt. Sondern das eben auch versucht zu verstehen. Nicht drüber sich einen abschmunzelt oder so.“ (Tobias, 16) – „Seit der Grundschule sind wir zusammen, und mit Ingo versteh’ ich mich sozusagen am allerbesten. Wir kennen uns jetzt seit Schulbeginn, seit zehn Jahren.“ (Norman, 16)
Gemeinschaft im Klassenverband Förderliche psychosoziale Erfahrungen machen Jungen, die sich in ihrer Klassengemeinschaft aufgehoben fühlen, sich in der Ordnung ihrer Klasse auskennen und einen sicheren Platz darin haben. Die Bedeutung dieser Gruppe für das Wohlbefinden eines Jungen ist auch deshalb groß, weil es vor allem dort Chancen für reale, tragende zwischenmenschliche Kontakte gibt – über Klassenerlebnisse, gemeinsame Interessen oder auch einfach die miteinander verbrachte Zeit. „Es gibt so verschiedene Cliquen, aber eigentlich so zusammen sind wir ‘ne große Gemeinschaft. (...) Wir sind, was ich hier so aus den anderen Zehnten kenne, die beste Klassengemeinschaft. So ‘ne Klassengemeinschaft hab’ ich wirklich noch nie erlebt. (...) Wir verstehen uns eben einmalig in der Klasse – ich wiederhol’ mich immer wieder.“ (Eric, 16) – „Ich hab’ zu der ganzen Klasse soviel Vertrauen – ich könnte da ‘nen Tausender auf den Tisch legen, und wenn jeder weiß, dass der mir gehört, dann liegt der da immer noch, wenn die Stunde zu Ende ist! (…)
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Das hat sich einfach so aufgebaut. Ich hab’ einfach zu den Leuten ‘ne engere Beziehung. Das kann man halt nicht in einem Jahr aufbauen, weil das mit irgendwelchen Sachen, die wir zusammen gemacht haben, verbunden ist. (…) Ich kenn’ die Leute jeweils immerhin so gut, dass ich immer weiß: So, das ist die Marotte, die er jetzt wieder hat. (...) Die sind eigentlich ganz nett, nur man muss sich dann halt mit denen alleine hinsetzen und nicht mit zwanzig anderen Leuten noch dazu, und dann geht das auch alles.“ (Chris, 17) – „Es gibt wahrscheinlich immer noch ein paar Cliquen in der Klasse, aber jetzt zwischen den Jungen verstehen wir uns schon viel besser, und es wird auch ganz normal geredet. (…) Es ist besser für die Klassenatmosphäre, dass sich eben alle verstehen und so. (...) Zwischen den Jungen und Mädchen, das ist auch besser geworden, da redet man auch wieder lockerer und so. Früher war es ja immer sehr schüchtern.“ (Emilio, 15) – „Wir haben eigentlich ein gutes Verhältnis zu den Mädchen aus unserer Klasse. (...) Wir wollen auch nicht so als Jungen-Mädchen, so getrennt eben von irgendwelchen Lehrern gesehen werden, sondern als Klassengemeinschaft.“ (Eric, 16) – „Aber ich mag sie. Also ich würde um keinen Preis der Welt jetzt die Klasse wechseln. (...) Man weiß, wie die sind, und eigentlich jeder gehört zu der Klasse, egal wie nicht-akzeptiert oder wie akzeptiert der ist.“ (Peter, 15) – „Klar, mit meinen Tischnachbarn versteh’ ich mich eben um einiges besser, da hab’ ich sieben Stunden Zeit, mit denen zu reden. Das fällt natürlich ins Gewicht.“ (Torsten, 15)
„Respekt“ Gegenseitige Achtung, Nicht-Verletzen, Aufrichtigkeit miteinander zu erleben und als Wert zu verfolgen, das kann eine kraftvolle, selbstermutigende Orientierung für Jungen sein. Wenn die respektvolle Haltung sich bei Streit und Auseinandersetzungen im Schulalltag bewährt, erleben Schüler das als besonders positiv. „Ich glaube, wenn es so ist, dass sie Respekt haben vor mir – dann ist es deswegen, dass ich halt versuche, die meisten Mitschüler einfach selber zu respektieren und nicht, wie einige andere, sie zu beleidigen. (…) Es geht nicht immer, aber man kann sein Bestes versuchen. (…) Mittlerweile respektieren sich die Menschen weder in der Politik noch untereinander, vom eigenen Volk, vom eigenen Land, die anderen Länder, keiner respektiert sich mehr. Also nur jeder, wenn er Lust darauf hat und so. Und ich finde das schlimm. Also ich kann niemanden respektieren, wenn er mich hasst und wenn er mich überhaupt nicht respektiert, dann ist es natürlich schwer. Und, okay, es ist für mich auch wichtig, dass Menschen zuhören oder dass man einander zuhört“ (Andi, 15) – „Man muss andere Leute, auch wenn man diese Meinung nicht teilt oder sie eigentlich, ja, für ziemlich blöd hält oder sie nicht mag, man muss trotzdem ‘n gewissen Respekt davor haben, dass sie ‘ne eigene Meinung haben dürfen. Und ich finde, da liegt die Gefahr, dass hier eben die Ellbogen zu doll eingesetzt werden. Man muss die Ellbogen mit Respekt einsetzen. (…) Ich rede höflich mit ihm, also ich brüll’ ihn nicht an oder beleidige ihn oder so, aber man merkt schon, daß ich einfach keine Beziehung zu ihm habe. Oder nicht einfach so sage: Hey, das ist ‘n toller Typ, oder das ist so das Bild vom Mann, was ich mir so vorstelle. Sondern alle wissen genau, das ist nicht mein Weg. Oder meine Idee. (...) Wenn er mich was fragt oder mich um Hilfe bittet, weil er irgendwas nicht versteht oder so, dann helf’ ich ihm. Und wenn ich irgendwie Hilfe will, dann hilft er mir auch. Das ist so dieses Selbstverständliche, dieses Bekannte. Man kennt sich, aber weiter ist da nichts. Und das ist auch, find’ ich, ganz gut so. (…) Das ist so ’n Gefühl von: Die Leute kennen mich und die Leute respektieren mich und mögen mich auch; und ich würde denen auch fehlen, wenn ich nicht da wär’. Also das ist einfach so ‘ne Bestätigung für sich selbst. Und das ist auch einfach ‘n schönes Gefühl, wenn man hier durch die Schule geht, und an jeder Ecke grüßt einen irgendjemand.“ (Tobias, 16) – „Ich kann’s auch ab, wenn man über mich lästert, so spaßeshalber. Und als Strafe dessen läster’ ich zurück. Auch nur so spaßeshalber. Dann gibt es meistens ein lustiges Beschimpfen. Aber das bleibt dann immer so im freundschaftlichen Bereich, dass man sich hinterher kaputtlacht.“ (Iggy, 15)
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Schulfreunde – wesentlich für schulisches Wohlbefinden von Jungen Freundschaftsbeziehungen spielen für die adoleszente Entwicklung beider Geschlechter eine herausragende Rolle (vgl. z.B. Kracke 1993; Langer/Langer 2005; Rendtorff 2003), wobei die Qualitäten von Freundschaft sehr unterschiedlich sein können (vgl. Fend 2001). Demnach differenzieren auch Jungen zwischen auf den eigenen Vorteil bedachten „Scheinfreundschaften“ und „echten“ Freunden – und zeigen damit, dass reziproker Austausch und Intimität in Jungenfreundschaften relevant sind. Studien zur geschlechtstypischen Gestaltung von Peer-Freundschaften beschreiben einen allgemeinen Geschlechterunterschied: Jungen leben Freundschaft tendenziell mehr in Gruppen und stärker an Aktivitäten orientiert als Mädchen; diese suchen bei Freundinnen eher engere Sozialbeziehungen und Intimität (vgl. z.B. Jösting 2005; 2007; Oerter/Dreher 2002). Doch gelten Freunde auch für Jungen als nicht zu ersetzende „Entwicklungshelfer“, z.B. beim Umgang mit Trauer und Aggression (Emotionsregulierung), bei zwischenmenschlichen Abgrenzungs- und Wiedergutmachungsschritten (Konfliktbewältigung) sowie bei der „Konturierung der männlichen Identität“; weiterhin haben Jugendliche, die in der Präadoleszenz mindestens einen dauerhaften und gegenseitigen engen Freund hatten, als junge Erwachsene ein positiveres Selbstkonzept (vgl. Seiffge-Krenke/Seiffge 2005). Damit steht die Unterstützung durch Freunde in direkter Beziehung zum Wohlbefinden und puffert die Belastungen durch Stress, die sich z.B. in Selbstwertbeeinträchtigung und geringerem Wohlbefinden zeigen. Auch unsere Jungengespräche ergaben ein breites Erfahrungsspektrum sowohl in Bezug auf die Sozialstrukturen von Freundeskreisen als auch auf die Freundschaftsqualitäten. Insgesamt waren Freundschaften mit Mitschülern die positivsten schulischen Erfahrungen der Jungen, mit denen wir gesprochen haben. Einige Jungen betonten die Gelegenheiten zum offenen Austausch unter Freunden, die gemeinsamen Aktivitäten ihnen bieten. Nach ihren Erfahrungen verabredete man sich oft deshalb zu einer Aktivität, um dabei miteinander zu sprechen: „Das geht nicht so um die Tätigkeit selbst, sondern um das, was man dann redet“ (Tobias, 16). So stellen Aktivitäten und Gespräche keine Gegensätze dar, sondern sind sich ergänzende Elemente von Jungenfreundschaft. Das freundschaftsbezogene Erfahrungswissen von Jungen muss umso deutlicher benannt werden, wenn man in Betracht zieht, dass Jungenfreundschaft nicht nur als „Entwicklungshelfer“ diskutiert wird, sondern auch als Entwicklungsrisiko. So gilt aus sozialisationstheoretischer Sicht der Einfluss von Freunden beim Herausbilden der „Männlichkeit“ eines Jungen als Risiko, insofern althergebrachte Männlichkeitsmuster unter Freunden verstärkt reproduziert werden (vgl. Jösting 2005). Teil einer Freundesgruppe zu sein würde nach Jösting stets bedeuten, „sich seinen Platz in der Gruppe zu erarbeiten über spezifische, als männlich anerkannte Kompetenzen und Praxen wie z. B. ein guter Sportler zu sein, ein versierter Computerfachmann, ein geschickter Treckerfahrer oder ein von Mädchen begehrter Junge“ (ebd.: 313f.). Eine männliche Profilierungsdynamik, die den einzelnen Jungen in seinem persönlichen Ausdruck und Erleben auch gegenüber „Freunden“ beeinträchtigt, findet sich in einigen Schülergesprächen wieder. Auch die Erfahrung, dass Schule sehr wenige (und noch dazu gesellschaftlich vorbestimmte) Quellen der Anerkennung für Jungen bereithält, korrespondiert mit Jöstings kritischer Darstellung. Diese trifft sich jedoch mit solchen Jungen-
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erfahrungen, die sich nicht auf enge, sondern auf lose befreundete schulische Peers beziehen. Die Möglichkeit der „Verführung“ zu vermeintlich männlichem (antisozialem, gesundheitsschädlichem und riskantem) Verhalten durch „Freunde“ aus den Peer-Gruppen ist fraglos ernst zu nehmen (vgl. Kracke 1993; Seiffge-Krenke/Seiffge 2005). Zur Verbesserung der schulischen Situation von Jungen sollten jedoch ihre Schulfreundschaften mit ihrem psychisch und sozial förderlichen Potential nicht außer Acht gelassen werden. Das bedeutet auch, sie angemessen zu differenzieren und nicht voreilig unter den Begriff „geschlechtshomogene Gemeinschaft“ (Jösting 2005: 316) zu subsumieren. Vielmehr ist dem Expertenwissen von Schülern zu trauen: Es vermag zu unterscheiden zwischen guter, unterstützender Freundschaft (mit Innigkeit, Nähe und Gegenseitigkeit des Austauschs) und irritierenden, verunsichernden, auch inakzeptablen Erlebnissen mit Mitschülern, die nicht zu den eigentlichen Freunden, sondern lediglich zu den schulischen Peers gehören. Schulfreundschaften erweisen sich im Erfahrungswissen von Jungen als eine positive Dimension, die erhöhte Aufmerksamkeit verdient. Sie führt empirisch zu einer Seite von Schule, bei der Jungen etwas Positives, Gelingendes, Wohltuendes erleben können. In der Literatur wird diese Seite von Jungenleben kaum behandelt (vgl. Winter 2004). Von wenigen Ansätzen abgesehen – z.B. bei Wysozki (2005), der ausdrücklich auch die „richtig guten“ Verhaltensweisen von Jungen betrachtet – herrscht dort immer noch die Thematisierung von problematischen, veränderungsbedürftigen Aspekten im Auftreten und den „Lebenslagen“ männlicher Kinder/Jugendlicher vor (zum defizitären Jungenbild im öffentlichen Diskurs vgl. Rose/Schmauch 2005). Der Verschiedenartigkeit männlich-jugendlichen Erlebens gewahr sein Schulische Erfahrungen von Jungen lassen sich in persönlichen Gesprächen alltagsnah erkunden. Es zeigte sich, dass Schüler vielschichtig von sich selbst erzählen können. Die Dokumentation der Jungenstimmen, die in diesem Beitrag aufs Exemplarische verkürzt wiederzugeben waren, lässt insgesamt eine große Selbstmitteilungsbereitschaft erkennen. Die Schüler selbst überprüften im Zuge der kommunikativen Validierung die Einzelauswertungen auf Stimmigkeit. Dieses Vorgehen unterscheidet sich von anderen Formen qualitativer Interviewforschung, insbesondere von hermeneutisch-interpretativ angelegten Verfahren, die das empirische Material als Text ansehen, dessen Bedeutung durch den Wissenschaftler, die Wissenschaftlerin erst noch zu erschließen sind. Eine solche Herangehensweise verfolgt z.B. die Untersuchung von Phoenix und Frosh (2005) über Männlichkeitsvorstellungen und -ideale in der Adoleszenz. In ihren Interviews mit Londoner Schülern realisierten sie in der Erhebungssituation einerseits eine „kooperative Atmosphäre“, indem sie etwa eine „betont lockere Haltung“ einnahmen (ebd.: 19). Zur Auswertung, d.h. Interpretation des Erzählten griffen sie jedoch auf eine narrationsanalytische Methode zurück und schlossen damit die interviewten Jungen vom weiteren Deutungsgeschehen aus. Diese Studie ist für einen methodischen Vergleich auch deshalb interessant, weil dort ein Männlichkeitskonzept („hegemoniale Männlichkeit“) in die theoretische Anlage und die zentrale Fragestellung einfloss. Eine Chance für das interdisziplinäre Feld der Jungenforschung liegt m.E. in der gegenseitigen Ergänzung unterschiedlicher wissenschaftlicher Ansätze und einer intensiven Methodendiskussion. 112
Schließlich ist festzustellen, dass in den persönlichen Gesprächen eine erhebliche Verschiedenartigkeit an inneren Vorgängen und Erlebensweisen heranwachsender Jungen zur Sprache kam, sowohl intraindividuell als auch interindividuell. Hier trifft sich personzentrierte Jungenforschung mit einem sozialwissenschaftlichen Anliegen (vgl. z.B. Budde 2005; Winter 2004), das auf pädagogische wie geschlechterpolitische Notwendigkeiten zurückgeht: dafür zu sorgen, dass wir keine vereinheitlichenden Bilder von „den Jungen“ fortschreiben, sondern die reale Vielfalt von Jungen in ihrem individuellen Sosein als männliche Personen konkret erfassen und vermitteln. Für Connell liegt darin eine der wesentlichen bildungs- und friedenspolitischen Herausforderungen: „Making boys and men aware of the diversity of masculinities that already exist in the world, beyond the narrow models they are commonly offered, is an important task for education“ (Connell 2000: 225). Literatur Auinger, H./Böhnisch, L./Dickinger, P./Ecker, N./Holzhacker, C./Krisch, R./Nemeth, P./Schauer, A. (2002): Männliche Sozialisation und geschlechtsspezifische Arbeit mit Burschen – zwischen Theorie und Praxis. Ein Handbuch zur Jugendarbeit. Wien: Verein Wiener Jugendzentrum. Beyer, A./Lohaus, A. (2007): Konzepte zur Stressentstehung und Stressbewältigung im Kindes- und Jugendalter. In: Seiffge-Krenke, I./Lohaus, A. (Hrsg.): Stress und Stressbewältigung im Kindesund Jugendalter. Göttingen: Hogrefe. S. 11–27. Budde, J. (2005): Männlichkeit und gymnasialer Alltag. Doing Gender im heutigen Bildungssystem. Bielefeld: Transcript. Connell, R.W. (2000): The men and the boys. Berkeley. Los Angeles: University of California Press. Fend, H. (2001): Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Opladen: Leske + Budrich. Jösting, S. (2005): Jungenfreundschaften. Zur Konstruktion von Männlichkeit in der Adoleszenz. Wiesbaden: VS Verlag. Jösting, S. (2007): Tatkraft, Zuneigung und Positionskampf. Was Freundschaften für Jungen bedeuten. Schüler: Jungen. S. 18–19. Kracke, B. (1993): Pubertät und Problemverhalten bei Jungen. Weinheim: Beltz PVU. Krebs, A. (2000): Persönliche Gespräche mit jugendlichen Gesprächspartnerinnen und -partnern. In: Langer, I. (Hrsg.): Das Persönliche Gespräch als Weg in der psychologischen Forschung. Köln: GwG-Verlag. S. 106–139. Krebs, A. (2002): Sichtweisen und Einstellungen heranwachsender Jungen. Ergebnisse einer Befragung an Hamburger Schulen. Hamburg. Verfügbar unter: http://www.sub.uni-hamburg.de/ epub/volltexte/2007/34. Krebs, A. (2008a): Jungen erleben Schule. Personzentrierte Jungenforschung: Methodik, Ergebnisse und Perspektiven für schulische Jungenarbeit. München: Meidenbauer. Krebs, A. (2008b): Seelische Gesundheit von Jungen: Beeinträchtigung und Förderung aus personzentrierter Sicht. In: Becker, M./v. Carlsburg, G.-B./Wehr, H. (Hrsg.): Seelische Gesundheit und gelungenes Leben. Frankfurt/M.: Peter Lang. S. 115–127. Langer, I. (1985): Das persönliche Gespräch als Weg in der psychologischen Forschung. Zeitschrift für personenzentrierte Psychologie und Psychotherapie, Jg. 4, H. 4. S. 447-457. Langer, I. (1994): Überlebenskampf im Klassenzimmer. Was Schüler und Eltern gegen den Gewaltterror tun können. Freiburg i. Br.: Herder. Langer, I. (Hrsg.) (2000): Das Persönliche Gespräch als Weg in der psychologischen Forschung. Köln: GwG-Verlag. Langer, I./Langer, S. (2005): Jugendliche begleiten und beraten. München: Reinhardt.
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Geschlechterdimensionen im Übergang von der Schule in den Beruf Heike Großkurth/Birgit Reißig
Abstract “Dimensions of Gender in the Transition between School and Vocational Training” This contribution focuses on gender differences in the transition between school and vocational training. On the basis of international studies such as PISA boys seem to be the discriminated gender in the educational system. Because of these results this article questions the professional opportunities of boys, their preferred choice of job and their careers in contrast to girls. Therefore, the article employs results of the longitudinal study of DJItransition panel which shows differences but also common grounds between boys and girls. Einleitung Die Frage nach der Benachteiligung im deutschen Bildungssystem hat in der aktuellen Bildungsdebatte eine andere Richtung eingeschlagen. So gelten nicht mehr junge Frauen wie einstmals die „katholischen Arbeitermädchen vom Lande“ (vgl. Peisert 1967) als die personifizierte Form von Bildungsbenachteiligung. Vielmehr ist es der „Migrantensohn aus bildungsschwacher Familie“ (Geißler 2005: 95), der den ehemals gängigen Kunstbegriff von Peisert „abgelöst“ hat. An der Verschiebung des Fokus’ auf männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund wird deutlich, dass der Benachteiligungsdiskurs in Bezug auf Bildung in der Geschlechterforschung neu aufgerollt und empirisch validiert werden muss. Jungen gelten im aktuellen Diskurs als Benachteiligte des Bildungssystems. Es ist davon auszugehen und wurde auch z.T. bereits durch die Bildungsforschung belegt, dass dieses Faktum Auswirkungen auf den Übergang Jugendlicher von der Schule in die Arbeitswelt hat (vgl. Baethge et al. 2007). Somit kann die Frage aufgeworfen werden, ob im Übergang von der Schule in den Beruf nach Geschlecht differente Unterschiede beschrieben werden können. Kann ggf. von einem weiblichen und einem männlichen Übergangsweg von der Schule in den Beruf gesprochen werden? Wenn ja, wie gestalten sich diese? Und wo zeigen sich möglicherweise Nachteile für männliche Jugendliche im Vergleich zu ihrem weiblichen Pendant? Ziel unseres Beitrages soll es somit sein, auf der Grundlage des als Längsschnitt angelegten DJI-Übergangspanels geschlechtsspezifische Dimensionen am Übergang Schule-Beruf für die Gruppe der strukturell benachteiligten Jugendlichen mit Hauptschulbildung zu diskutieren. So beschäftigt sich der erste Teil des Beitrages mit einer kurzen theoretischen Einbettung der Thematik. Im Anschluss folgt eine Beschreibung des Übergangspanels des Deutschen Jugendinstitutes und in einem deskriptiven Analyseteil werden wichtige Ergebnisse der Längsschnittuntersuchung zu den Geschlechterdimensionen vom Übergang Schule-Beruf präsentiert. Diese Ergebnisse werden in einem abschließenden Fazit an die eingangs vorgestellten theoretischen Überlegungen rückgebunden und weitere Forschungsfragen aufgeworfen. 115
Theoretische Rahmung Eingebettet in die aktuelle Diskussion zur Benachteiligung junger Männer formulieren Baethge et al. das „neue Elend der männlichen Jugendlichen“ (ebd.: 44), welches besonders junge Männer mit geringer schulischer Bildung betrifft. Die Gründe für den Wandel im Benachteiligungsdiskurs scheinen vielfältig: Zum einen erzielen Mädchen im Vergleich zu Jungen durch einen längeren Schulbesuch eine höhere Qualifizierung, wodurch ihnen häufiger Optionen zu weiteren Bildungsgängen offen stehen (vgl. Reißig et al. 2008: 67). Zum anderen wird bei den männlichen Jugendlichen ein Festhalten am traditionellen Rollenverständnis des männlichen Familienernährers attestiert. Zudem findet – und das ist nach Baethge et al. der maßgeblichste Grund – ein Wandel von der Produktions- zur Dienstleistungsgesellschaft statt. Dieser Umbruch bringt in dem vergangenen Jahrzehnt einen Rückgang der Ausbildungsberufe im technisch-gewerblichen Bereich mit sich, welche vornehmlich von jungen Männern mit einfachem Schulabschluss gewählt werden. Baethge et al. validieren diese These mit der Aussage, dass in den Bundesländern mit deutlichem Rückgang an Ausbildungsplätzen im gewerblich-handwerklichen Sektor wesentlich mehr junge Männer im Übergangssystem zu finden sind als vergleichsweise junge Frauen. Zudem sind junge Frauen durch ihre im Vergleich höhere Aufnahme schulischer Berufsausbildungen zu einem geringeren Teil im Übergangssystem wieder zu finden (vgl. Baethge et al. 2007: 47). Nach Baethge sind junge Frauen durch diese Form der Berufsausbildungen weniger von Konjunkturströmungen abhängig und es gelingt ihnen somit wesentlich häufiger, direkt einen Ausbildungsplatz zu finden, als jungen Männern. Baethge grenzt sich hiermit deutlich von den von Krüger (1991) aufgestellten Thesen zum Berufsbildungssystem ab. Krüger richtet in ihrem Aufsatz den Fokus auf die Benachteiligung junger Frauen durch das Berufsbildungssystem. Dennoch eignet sich diese Analyse auch für einen jungenspezifischen Diskurs, weil Krüger ein generelles doing gender im Berufsbildungssystem beschreibt, das folglich die Lebenssituation beider Geschlechter tangiert. Zudem ist Krügers Vermittlungsversuch zwischen Mikro- und Makroebene, zwischen individueller Handlungsdimensionen einerseits und Eingebundensein in sozialstrukturelle Kontexte andererseits, in diesem Diskurs äußerst erwähnenswert. Krüger stellt eine Dreifachstruktur mit geschlechtsspezifischem Charakter des Berufsbildungssystems fest, die das duale Ausbildungssystem, die vollzeitschulisch „qualifizierenden Moratorien“ und die Schulberufsausbildungen umfasst (Krüger 1991: 145). So sind männliche Auszubildende vermehrt in Ausbildungsgängen des dualen Systems wiederzufinden, weibliche Auszubildende in Relation häufiger in schulischer Ausbildung anzutreffen. Zudem belegt Krüger, dass das deutsche Berufsbildungssystem in seinem Aufbau männliche und weibliche Formen des Übergangs von der Schule in den Beruf generiert. Das Berufsbildungssystem beinhaltet eine „eigene geschlechtsspezifische Übergangsstruktur, jenseits von Subjektleistungen und Arbeitsmarkt“ (ebd.: 139). Hiermit nimmt Krüger im Vergleich zu Baethge et al. eine andere Schwerpunktsetzung vor: Krüger verweist u.a. auf eine systemimmanente, strukturelle Herstellung von Geschlechterdifferenzen beim Übergang Schule – Beruf, während Baethge et al. z.T. auf der Ebene konjunktureller Analysen verbleiben. Generell zeichnen sich Krügers Arbeiten durch „die Suche nach empirischen Vermittlungsprozessen durch Sozialstruktur, Kultur und Handeln“ (Krüger 2002a: 66) aus. Sie beschreibt Institutionen – und darunter ist auch das Berufsbildungssystem zu fassen – als eine „intermediäre Schnitt116
stelle zwischen sozialisatorisch-subjektiv vermitteltem gesellschaftlichen Kontext der Orientierung und materialisierten Standardisierungen des Handelns“ (ebd.). Um die These, dass an Geschlecht gebundene Unterschiede auch durch das Berufsschulsystem generiert werden, zu stützen, beschreibt Krüger eben dieses Spannungsverhältnis zwischen Mikro- und Makroebene, zwischen Sozialstruktur, Kultur und subjektiven Handeln. Demnach manifestieren sich geschlechtsspezifische Traditionen nicht nur durch „motivationale Verarbeitungsmuster auf der individuellen Ebene“ (Krüger 1991: 141), sie haben vielmehr auch Einfluss auf Handlungsüberlegungen und Situationsinterpretationen der Individuen und verfestigen sich in den Institutionen, die die Gesellschaft strukturell gestalten wie bspw. im Berufsbildungssystem. Es zeigen sich deutliche Unterschiede in der Berufsqualifikation, der Gliederung der Fachabschlüsse, der Hierarchisierung der Abschlüsse, des Tarifssystems und der monetären Investition von Berufsausbildung, die einerseits junge Frauen und andererseits junge Männer wählen. Exemplarisch soll an dieser Stelle Bezug auf die Ausbildungsvergütung genommen werden. So erhalten Jugendliche, die eine Ausbildung im dualen System vornehmen – dies sind in Relation mehr junge Männer (vgl. Berufsbildungsbericht 2008: 115) – eine Ausbildungsvergütung. Im Vergleich dazu haben Jugendliche im Schulberufssystem weiterhin den SchülerInnenstatus inne und müssen gegebenenfalls Schulgeld entrichten. Dies betrifft in Relation häufiger junge Frauen (vgl. Berufsbildungsbericht 2008: 190). Zudem zeigt sich, dass das Berufswahlspektrum männlicher Jugendlicher im Vergleich zu dem weiblicher Jugendlicher deutlich breiter gestreut ist. So schließen die zehn von den männlichen Jugendlichen am häufigsten gewählten Ausbildungsberufe 37 Prozent aller männlichen Auszubildenden ein. Bei den jungen Frauen ist diese Zahl mit 53 Prozent deutlich höher, was bedeutet, dass über die Hälfte der weiblichen Auszubildenden in zehn Ausbildungsberufen „klumpen“ und somit bei den jungen Frauen ein vergleichsweise deutlich geringeres Berufswahlspektrum erkennbar ist (vgl. Berufsbildungsbericht 2008: 115). Ein weiteres Kriterium, in dem Krüger Geschlechterdifferenzen auf struktureller Ebene generiert sieht, sind die Differenzierungsmöglichkeiten innerhalb der Berufe, die von männlichen Jugendlichen präferiert werden. Hier sind bspw. marktrelevante Differenzierungen möglich, wodurch eine weitere Spezifizierung auf dem gewählten Arbeitsgebiet denkbar ist. Die Schulberufe, die deutlich häufiger von jungen Frauen wahrgenommen werden, gelten als „Monoberufe“ (Krüger 1991: 150), bei denen inhaltlich wenig spezifiziert wird. Zudem präzisiert Krüger, dass die Investition in die Dauer der Ausbildungen sich maßgeblich nach Geschlecht unterscheidet. Vergleichsweise investieren männliche Jugendliche weniger Zeit in ihre Ausbildung bspw. in Form eines weiteren Schulbesuches oder einer zeitintensiveren Ausbildung als weibliche Jugendliche. Diese These wurde auch an anderen Stellen empirisch bestätigt (vgl. Reißig et al. 2008: 67; Baethge et al. 2007: 44). Es kann nun die Frage aufgeworfen werden, inwiefern sich das von den Mädchen angehäufte Bildungskapital am Ende ihrer Ausbildungsphase rentiert, sprich sie dadurch schneller in Erwerbsarbeit gelangen und qualifizierte Arbeiten ausführen. Baethge et al. sehen in der Investition in (Aus-)Bildung einen klaren Vorteil der Mädchen gegenüber den Jungen was die Integration auf dem Arbeitsmarkt anbelangt (Baethge et al. 2007: 44). Krüger (2002b) führt eine demgegenüber diametrale These an. Sie konstatiert, dass es „die geschlechtsspezifische Segmentierung, also strukturelle Muster der Geschlechterungleichheit sind, die Frauen trotz gleich hoher Allgemeinbildungsabschlüsse auf Berufe mit geringem Marktwert verweisen“. Die Rede ist hier von „unterschiedlichen Verwertungschancen 117
von Bildungsressourcen“, die maßgeblich nach Geschlecht trennen und eine „Kumulation von ungleicher arbeitsmarktrelevanter Ausgangspositionen und Zukunftschancen“ implizieren (Krüger 2002a: 72). Krüger schließt sich der eingangs zitierten Sichtweise Baethges et al. an, dass durch den Sektorenwandel ein bestimmter Prozentsatz der männlichen Jugendlichen als Verlierer aus diesem Wandel herausgehen. Sie sieht hierin einen politischen Handlungsbedarf, denn „[s]olange die alte Geschlechterordnung in jenem Berufsbildungssystem ‚gefroren’ ist, über das sich der unterschiedliche Marktwert von Lehrlingsausbildung und Vollzeitschulausbildung in die Beschäftigungsstruktur hinein reproduziert, unterliegen auch männliche Jugendliche der hier vorliegenden weiblich konnotierten Institutionenlogik“ (Krüger 2002a: 79).
Im Folgenden wird zunächst das DJI- Übergangspanel in seinem als Längsschnitt angelegten Konzept expliziert. Auf Grundlage dessen werden zu den dargestellten theoretischen Überlegungen empirische Forschungsergebnisse unseres Panels gespiegelt. Datenbasis und Stichprobe – das DJI-Übergangspanel Mit dem seit 2004 durchgeführten DJI-Übergangspanel wurde eine Längsschnittuntersuchung gestartet, in der die Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbswege von Jugendlichen mit Hauptschulbildung im Fokus stehen. Mit diesem Blick auf bildungsbenachteiligte Jugendliche kann der Studie ein besonderer Status beigemessen werden, da in bisherigen repräsentativen Untersuchungen diese Gruppe von Jugendlichen eher marginal behandelt wird. Durch die längsschnittliche Anlage der Untersuchung ist es möglich, individuelle biographische Verläufe von Jugendlichen nachzuzeichnen und Wege gelingender bzw. auch gescheiterter Übergänge von der Schule in die Arbeitswelt zu identifizieren. Zudem kann Einsicht in die Wirksamkeit von Fördermaßnahmen im Übergangssystem erlangt werden. Die Basiserhebung fand im März 2004 als Fragebogenerhebung im Klassenverband statt (vgl. Abb. 1). Die Jugendlichen befanden sich zu der Zeit im letzten Schulbesuchsjahr der Hauptschule (bzw. in Hauptschulzweigen von Gesamtschulen und anderen Sekundarschulen). Im Juni 2004 wurde eine erste Folgeerhebung per CATI (Computer Assisted Telphone Interviewing) durchgeführt. Die Jugendlichen besuchten zu der Zeit noch die Schule, wurden aber für das Interview telefonisch kontaktiert. Ab dem ersten Übergangsjahr (November 2004) fanden die Befragungswellen im halbjährlichen Abstand, ab dem dritten Übergangsjahr (November 2007) finden sie jeweils jährlich statt. Das für die Längsschnittuntersuchung entwickelte CATI-Instrument bildet primär eine sequentielle Abfolge von Episoden im Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbsverlauf ab. Zeitdaten (Beginn und Ende einer Episode) werden monatsgetreu erfasst. Untersuchungspopulation für das Panel sind Schülerinnen und Schüler aus Hauptschulen sowie aus Hauptschulzweigen von Schulen mit mehreren Bildungsgängen1. Demzufolge bilden Schulen den Zugang zur Gewinnung der Untersuchungspopulation.
1 Zu den Schulen mit mehreren Bildungsgängen zählen Gesamtschulen, Mittelschulen (Sachsen) und Sekundarschulen (Sachsen-Anhalt).
118
Abbildung 1:
„Anlage des DJI-Übergangspanels“
Die Auswahl der Schulen erfolgte nicht zufällig, sondern nach Kriterien von Zugängen und Förderkonzepten. Es beteiligten sich 126 Schulen an der Befragung. An der Basiserhebung nahmen bundesweit 3.922 Jugendliche teil. Für die Folgebefragungen wurde das Einverständnis der Jugendlichen zur weiteren Teilnahme eingeholt. In der ersten Folgebefragung konnten 2.414 Interviews realisiert werden. An der siebten Welle (November 2006) beteiligten sich insgesamt 1.688 Jugendliche. Der größte Verlust an Teilnehmenden erfolgte zwischen der Basiserhebung der ersten Folgebefragung. Bis zur siebten Welle konnten so noch 43 Prozent der Ausgangsstichprobe erreicht werden. Aufgrund der Panelmortalität gab es leichte Verzerrungen der Stichprobe: So verließen mehr Jungen als Mädchen und mehr Jugendliche deutscher Herkunft als Jugendliche mit Migrationshintergrund die Untersuchung (vgl. Kuhnke 2008: 212). Ein Erfolgsbias konnte zur siebten Interviewwelle noch nicht konstatiert werden (vgl. ebd.: 223). Geschlechterdimensionen im DJI-Übergangspanel Die Vorbereitung auf den Übergang Die Frage der Geschlechterdimension am Übergang Schule – Beruf wird von uns mit dem Blick auf Jungen und Mädchen mit Hauptschulbildung betrachtet. In Hauptschulen und Hauptschulzügen finden wir im Vergleich zu anderen schulischen Bildungsgängen mehr Jungen und mehr Jugendliche mit einem Migrationshintergrund. Das gilt auch für das DJIÜbergangspanel, in dem über die Hälfte Jungen sind und weit mehr als 50 Prozent einen Migrationshintergrund aufweisen. Zunächst wollen wir uns der Frage widmen, wie gut sich Jungen und Mädchen auf den Übergang vorbereiten, welche Erwartungen und Pläne, aber auch Sorgen sie bezogen auf ihren weiteren Bildungs- und Ausbildungsweg haben. Formale Bildungsvoraussetzungen, wie Schulabschlüsse und Schulnoten, spielen für die erfolgreiche Platzierung auf dem Ausbildungsmarkt für Hauptschülerinnen und Hauptschüler eine wichtige Rolle. Die Ergebnisse des Übergangspanels belegen, dass Jungen am Ende der Pflichtschulzeit durchschnittlich schlechtere Noten aufweisen. Bei der Frage nach den Noten in 119
den Hauptfächern Deutsch und Mathematik sind die Unterschiede besonders im Fach Deutsch auszumachen, wo die Mädchen deutlich besser abschneiden. Jungen mussten zudem häufiger eine Klasse wiederholen (44 Prozent der Jungen und 34 Prozent der Mädchen) und gehen weniger gern zur Schule als die Mädchen (59 Prozent der Jungen und 69 Prozent der Mädchen2). Ihre Pflichtschulzeit beendeten 17 Prozent der befragten Mädchen, aber 28 Prozent der befragten Jungen ohne Schulabschluss. Insofern gehen die Jungen mit schlechteren formalen Voraussetzungen auf die erste Schwelle zu. Betrachtet man die Hoffnungen auf einen gelingenden Übergang in Ausbildung und Arbeit und gleichfalls die Sorgen dabei, sind Jungen dennoch die optimistischere Gruppe. Insgesamt realisieren Hauptschülerinnen und Hauptschüler durchaus die zu erwartenden Schwierigkeiten ihres weiteren Bildungs- und Ausbildungsweges. Von einer Reihe möglicher Problembelastungen (von Krankheit, über Auseinandersetzungen im Elternhaus bis hin zu finanziellen Problemen) nennt die größte Anzahl der Jugendlichen (39 Prozent) in unserem Sample die Sorge und Unsicherheit darüber, was später aus ihnen werden wird. Jungen sind hier etwas weniger sorgenvoll als Mädchen (36 zu 42 Prozent). Jungen rechnen sich deutlich bessere Chancen bei der Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aus. 54 Prozent der Jungen sind sich sicher, dass sie einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz erhalten werden, bei den Mädchen sagen das nur 47 Prozent. Ähnlich zeigt sich der Unterschied bei der Einschätzung der persönlichen beruflichen Zukunftsaussichten. 71 Prozent der Jungen sehen ihrer beruflichen Zukunft optimistisch entgegen, während es bei den Mädchen 66 Prozent sind. Diese unterschiedlichen Zukunftserwartungen betreffen nicht nur den Bereich Ausbildung und Beruf. Mädchen zeigen sich allgemein weniger zukunftsoptimistisch als die Jungen. Welche Pläne haben aber nun die Hauptschülerinnen und Hauptschüler für die Zeit nach der Schule? Befragt nach ihren Berufswünschen, können wenige Monate vor Beendigung der Schule 56 Prozent der Jungen und 44 Prozent der Mädchen klare Vorstellungen nennen. In beiden Gruppen zeigt sich eine relativ geringe Varianz bei den gewünschten Berufen. So entfallen 35 Prozent der Antworten der Jungen und 36 Prozent der Antworten der Mädchen auf fünf Berufe (vgl. Tabelle 1). Die Tabelle der Berufswünsche der Jungen und Mädchen am Ende ihrer Pflichtschulzeit verdeutlicht stark geschlechtergetrennte Vorstellungen. Außer der Kauffrau bzw. dem Kaufmann im Einzelhandel dominieren „typische“ Männerberufe (u.a. Mechatroniker, KFZ-Mechatroniker) und Frauenberufe (u.a. Arzthelferin, Friseurin). Auch die Kriterien dafür, einen Beruf zu wählen, fallen zum Teil zwischen den jungen Männern und jungen Frauen recht verschieden aus (vgl. Abb. 2).
2 Es wurde über eine vierstufige Antwortskala gefragt, in welchem Ausmaß die Jugendlichen gern zur Schule gehen. Die hier vorgestellten Daten erfassen die Antwortkategorien „stimmt genau“ und „stimmt eher“.
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Tabelle 1:
„Berufswünsche im März 2004“
Rang Berufswünsche der Mädchen (36% der Antworten)
Berufswünsche der Jungen (35% der Antworten)
1
Kauffrau im Einzelhandel
Mechatroniker/Systemelektroniker
2
Arzthelferin
Kaufmann im Einzelhandel
3
Friseurin
Industriemechaniker
4
Bürokauffrau
Elektroanlagenmonteur
5
Kinderpflegerin
KFZ-Mechatroniker/Fahrzeugkommunikationstechnik
Abbildung 2:
„Kriterien für die Berufswahl“
Insbesondere dem Umgang mit Technik, der Arbeit im Freien und dem Ansehen eines Berufes messen Jungen augenfällig mehr Bedeutung bei als Mädchen. Gleichermaßen wichtig für die Berufswahl erachten Jungen und Mädchen Kriterien, die eine gewisse Sicherheit bieten. So halten es beide Gruppen für wichtig, dass der Beruf die Chance auf einen Ausbildungsplatz und später einen sicheren Arbeitsplatz bietet. Aber auch die Möglichkeit der Vereinbarkeit von beruflichen und familialen Verpflichtungen ist für beide Geschlechter bei der Berufswahl sehr wichtig. Zum Zeitpunkt März 2004 zeigen sich deutliche Unterschiede in den Plänen der Jungen und Mädchen (vgl. Abb. 3)
121
Abbildung 3:
„Pläne für die Zeit nach der Schule“ einfügen
Während die Jungen sehr stark auf den direkten Übergang in eine Ausbildung orientiert sind, ist zu diesem Zeitpunkt der Plan eines weiteren Schulbesuchs bei den Mädchen fast gleichwertig zur Ausbildung. Eine berufsvorbereitende Maßnahme anzuschließen spielt sowohl bei den Jungen, als auch bei den Mädchen eine untergeordnete Rolle. In den wenigen Wochen zwischen März 2004 und Juni 2004 haben sich die Pläne deutlich verschoben (vgl. Abb. 3). Die Umorientierung besteht vor allem in dem vermuteten oder bereits erfahrenen Wissen, nicht direkt in eine Ausbildung münden zu können. Bei Jungen wie Mädchen verringert sich der Anteil derer, die am Plan des unmittelbaren Ausbildungsbeginns festhalten, um ca. 10 Prozent. Die angestrebte Alternativoption bildet in beiden Gruppen der weitere Schulbesuch und nicht die berufsvorbereitende Maßnahme. Dennoch dominiert am Ende der Pflichtschulzeit bei den Jungen der Wunsch, ohne weitere Zwischenschritte in eine Ausbildung zu münden.
122
Die Übergänge sowie Bildungs- und Ausbildungsverläufe Die tatsächlichen Platzierungen im November 2004 zeigen, dass nur eine Minderheit der Jungen und Mädchen unmittelbar eine Ausbildung aufnehmen kann (vgl. Abb. 5). Dabei gelingt das den Jungen noch etwas häufiger (30 Prozent) als den Mädchen (23 Prozent). Mädchen gehen erwartungsgemäß zu höheren Anteilen in eine vollzeitschulische Ausbildung (Mädchen: 31 Prozent; Jungen: 15 Prozent), während Jungen öfter eine duale Ausbildung beginnen (Jungen: 82 Prozent; Mädchen: 67 Prozent). Für beide Gruppen gilt, dass der weitere Schulbesuch die wichtigste Anschlussoption darstellt. Der Anspruch, Schulabschlüsse nachzuholen oder zu verbessern ist bei Mädchen und Jungen vorhanden. Abbildung 4:
„Schulabschlüsse bis 2007“
123
Bis zur Befragung drei Jahre später im November 2007 zeigt sich allerdings, dass es Mädchen besser gelingt, höhere schulische Zertifikate zu erlangen (vgl. Abb. 4). Die Entwicklung der Platzierung in Bildung und Ausbildung zeigen im November 2007, dass sich die Jungen immer noch zu einem größeren Anteil in Ausbildung befinden als die Mädchen. Dafür gehen etwas mehr Mädchen als Jungen weiter zur Schule. Die Anteile an Unversorgten sind in beiden Gruppen etwa gleich und es gehen gleich viel Jungen und Mädchen arbeiten. Hierbei wird jedoch in den längsschnittlichen Analysen sichtbar, dass ein geringerer Anteil der Jungen im Anschluss an eine Ausbildung in Arbeit wechselt (vgl. Abb. 5). Abbildung 5:
„Platzierung November 2004 und 2007“
Bei den Berufswünschen fiel die geringe Varianz auf, bei der sich ca. ein Drittel der Jungen und Mädchen auf fünf Wunschberufe verteilte. Betrachtet man nun die Ausbildungsberufe, die die Hauptschulabsolventinnen und -absolventen tatsächlich erlernen, wird bei den Jungen ein breiteres Spektrum sichtbar als bei den Mädchen. So verteilen sich 39 Prozent der 124
Mädchen auf fünf Ausbildungsberufe; bei den Jungen sind es lediglich 28 Prozent. Die starke Geschlechterspezifik, die sich bereits bei den Wünschen offenbarte, wird bei den tatsächlich erlernten Berufen bestätigt. Die Jungen lassen sich zum Elektroniker, Maler/Lackierer oder Koch ausbilden, während die Mädchen sich in Ausbildungen zur Medizinischen Fachangestellten, zur Friseurin oder zur Verkäuferin befinden. Einzig die Kauffrau bzw. der Kaufmann im Einzelhandel steht bei beiden Geschlechtern weit oben in der Liste der besuchten Ausbildungen. Insgesamt zeigt sich, dass die Jugendlichen in etwa die Berufe erlernen, die sie kurz vor Beendigung der Schule auch angestrebt hatten. Das heißt, dass die Wünsche zu diesem Zeitpunkt einen hohen Realitätsgehalt ausweisen. Zum Schluss möchten wir den Blick auf die Bildungs- und Ausbildungsverläufe der Jungen lenken. Haben wir bislang den aktuellen Status zum Zeitpunkt November eines Jahres betrachtet, möchten wir nun die längsschnittliche Perspektive einnehmen und zeigen, wie sich Wege der befragten Jungen durch die wichtigsten Stationen (Schule, Ausbildung, Berufsvorbereitung und Unversorgtheit) gestalten (vgl. Abb. 6). Abbildung 6:
„Bildungs- und Ausbildungswege von Hauptschulabsolventen“
Bisher wurde aufgezeigt, dass im November 2004 32 Prozent der Jungen eine weiterführende Schule besuchten, 30 Prozent eine Ausbildung begonnen hatten, 27 Prozent in einem berufsvorbereitenden Angebot und 8 Prozent unversorgt geblieben waren. Wohin führt der 125
Besuch dieser ersten Station nach Beendigung der Pflichtschulzeit die Jungen auf ihrem Bildungs- und Ausbildungsweg? Betrachten wir zunächst die Station „weiterer Schulbesuch“, die die zahlenmäßig wichtigste Anschlussoption für die Jungen darstellte. Im Verlauf der nächsten Jahre bis 2007 zeigt sich, dass dieser Weg auf Langfristigkeit angelegt ist. So verbleiben im November 2005 noch immer über die Hälfte der Jungen in der Schule. Das angestrebte Ziel, das damit verbunden wird, ist das Nachholen oder Verbessern von Schulabschlüssen. Auch drei Jahre nach Beendigung der Pflichtschulzeit befindet sich ein Teil der Jungen nach wie vor in einer Schule. Einem Viertel der Jungen gelingt es, nach einem Jahr des weiteren Schulbesuchs im November 2005 eine Ausbildung aufzunehmen. Das ist im Vergleich zu dem einjährigen Zwischenschritt in der Berufsvorbereitung (40 Prozent) ein deutlich geringerer Anteil. Haben die Jungen, auch mit Zwischenschritten den Weg in eine Ausbildung gefunden, verbleiben sie größtenteils stabil in dieser Episode. Das gilt auch für diejenigen, die gleich nach der Schule eine Ausbildung aufgenommen hatten. 91 Prozent sind ein Jahr später immer noch in der Ausbildung. Nach drei Jahren (November 2007) sind noch 52 Prozent in der Ausbildung; 33 Prozent haben nach der Ausbildung eine Arbeit aufgenommen. Heterogener gestalten sich die Wege für die Jungen, die zunächst in eine Berufsvorbereitung gehen. Wie bereits gesehen, schaffen es 40 Prozent von ihnen nach einem Jahr in eine Ausbildung zu gelangen. Hier hat sich der Anspruch der besuchten Maßnahmen, auf die Aufnahme einer Ausbildung vorzubereiten, verwirklichen lassen. Immerhin gut ein Viertel jedoch befindet sich ein Jahr nach Verlassen der Schule in einer weiteren Schleife der Berufsvorbereitung und ein kleiner Teil der Jungen verbleibt bis November 2007 ununterbrochen in berufsvorbereitenden Maßnahmen. Diese Maßnahmekarrieren führen die Jungen immer weiter weg vom Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Ähnliches gilt auch für diejenigen, die nach einem Jahr Berufsvorbereitung unversorgt bleiben. Auch ein Teil von ihnen bleibt anschließend bis 2007 ausbildungs- und arbeitslos. Berufsvorbereitende Maßnahmen haben für die Jungen also ambivalente Auswirkungen für den weiteren Übergangsweg und es wird Ziel zukünftiger Untersuchungen sein, zu prüfen, welche Maßnahmen für welche Jungen (und auch Mädchen) positive Effekte haben. Differenziert stellen sich auch die Wege aus der Unversorgtheit dar. Insgesamt konnten im November 2004 8 Prozent keine Ausbildung oder Arbeit aufnehmen und waren auch sonst unversorgt geblieben. Der größte Teil dieser Jungen (44 Prozent) befindet sich im Folgejahr wieder in der Schule. Einem kleineren Teil (27 Prozent) gelingt nach diesem Jahr Wartezeit im November 2005 der Sprung in eine Ausbildung, die sich dann wiederum als sehr stabile Station darstellt. Eine Gruppe Jungen bleibt jedoch über einen langen Zeitraum ausbildungs- und arbeitslos. Hier sind beginnende Exklusionstendenzen sichtbar, die u.U. nur schwer rückgängig zu machen sind. Zusammenfassung und Ausblick Unsere Analysen des DJI-Übergangspanels unter dem Fokus geschlechtsspezifischer Unterschiede ergeben, dass Jungen im letzten Schulbesuchsjahr der Hauptschule (oder an Schulen mit Hauptschulzweigen) im Durchschnitt schlechtere Schulleistungen erbringen als vergleichsweise Mädchen und zudem zu höheren Anteilen die Schule ohne einen Schulabschluss verlassen. Somit erzielen Jungen rein formal betrachtet schlechtere Voraussetzungen beim Übertritt an der ersten Schwelle. Jedoch rechnen sich junge Männer merklich 126
bessere Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aus als junge Frauen: Mehr als die Hälfte der Jungen planen sicher mit einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz; bei den Mädchen sind es hingegen etwas weniger als die Hälfte. Bei detaillierter Betrachtung der Berufswünsche der Jugendlichen zeigt sich – wie u.a. Krüger (2002) konstatiert – ein sehr stereotypes Bild. Jungen wünschen sich an erster Stelle Mechatroniker und Systemelektroniker zu werden, Mädchen präferieren den Beruf der Einzelhandelskauffrau und den der Arzthelferin. Interessant ist hierbei die geringe Varianz beider Gruppen, denn auf die meistgenannten fünf Berufe entfallen bei den Jungen 35 Prozent und bei den Mädchen 36 Prozent der Wünsche. Kontrastiert man die angegebenen Wünsche mit den erlernten Ausbildungsberufen, so zeigt sich, dass sich die Jungen in einem deutlich breiteren Spektrum an Ausbildungsberufen bewegen als die Mädchen. Somit kann die von Krüger 2002 aufgestellte These des schmaleren Berufsausbildungsfeldes bestätigt werden. Nur 28 Prozent der Jungen, jedoch 39 Prozent der Mädchen „klumpen“ sich auf fünf Ausbildungsberufe, welche wiederum die Geschlechtsspezifika der Wünsche in ihrer Stereotypie bestätigen. Die von Baethge et al. 2007 aufgestellte These, dass Mädchen im Vergleich zu den Jungen eher schulorientiert sind und mehr in schulische Bildung investieren, kann mit unseren Daten bestätigt werden. Für Mädchen ist die Option, weiter zur Schule zu gehen, kurz vor Beendigung der Pflichtschulzeit der am häufigsten angegebene Plan. Jungen hingegen sind sehr ausbildungsorientiert und ihnen gelingt auch häufiger der direkte Übergang in Ausbildung. Die These, dass Jungen in Relation häufiger in Ausbildungen des dualen Systems, Mädchen hingegen in schulischen Ausbildungen anzutreffen sind, bestätigen auch die Analysen des DJI-Übergangspanels. Interessant ist es darüber hinaus, die längsschnittliche Dimension einzufangen, sprich die Verlaufswege der Jungen vom Zeitpunkt des Verlassens der Schule bis drei Jahre danach zu beschreiben. In diesem Untersuchungsbereich haben unsere Analysen u.a. ergeben, dass Jungen, die weiterhin beabsichtigen, die Schule zu besuchen, dieses Ziel über eine lange Zeit hin verfolgen. Als sehr stabil erweist sich die Episode Ausbildung: Jungen, die einmal eine Ausbildung begonnen haben, setzten diese zu einem sehr großen Teil auch fort. Für diejenigen Jungen, die nach der Schule in eine Berufsvorbereitung münden, gestalten sich die Verlaufswege heterogener. Dem größten Teil dieser Gruppe glückt nach einem Jahr jedoch der Übertritt in Ausbildung. Der Beitrag nimmt die besondere Gruppe der Jugendlichen mit Hauptschulbildung in den Blick. Auf dieser Basis lassen sich sicher nur beschränkt Aussagen für das gesamte deutsche Bildungssystem treffen. Dennoch konnte gezeigt werden, dass Jungen die Hauptschule mit tendenziell schlechteren Voraussetzungen verlassen als die Mädchen. Nichtsdestotrotz gelingt ihnen im Vergleich zur Gruppe der Mädchen der direkte Eintritt in eine (vor allem duale) Ausbildung besser. Zwar gilt sowohl für die Gruppe der Mädchen als auch der Jungen, dass sie zu hohen Anteilen weiter zur Schule gehen und dies zumeist auch langfristige Strategie angelegt ist. Unsere Daten zeigen jedoch auch, dass es bislang den Mädchen besser gelungen ist als den Jungen höhere Schulabschlüsse zu erlangen. Inwieweit sich solche Bildungsungleichheiten am Beginn des Ausbildungs- und Erwerbsweges fortsetzen oder im weiteren Verlauf zumindest teilweise egalisiert werden, kann zum aktuellen Zeitpunkt der Studie noch nicht beantwortet werden, wird aber in den folgenden Untersuchungen thematisiert. Dabei gilt es, weitere Rahmenbedingungen und Faktoren neben dem Geschlecht in die Auswertungen einzubeziehen. Das gilt vor allem für strukturelle Bedingungen der Region, für den Migrationshintergrund oder für den familiären Kontext.
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Literatur Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): Bildung in Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss an den Sekundarbereich I. BMBF. Baethge, M./Solga, H./Wieck, M. (2007): Berufsbildung im Umbruch. Signale eines überfälligen Aufbruchs. Netzwerk Bildung. Friedrich-Ebert-Stiftung. Geißler, R. (2005): Die Metamorphose der Arbeitertochter zum Migrantensohn. Zum Wandel der Chancenstruktur im Bildungssystem nach Schicht, Geschlecht Ethnie und deren Verknüpfungen. In: Berger, Peter A./Kahlert, H. (Hrsg.): Institutionalisierte Ungleichheiten. Wie das Bildungswesen Chancen blockiert. Weinheim und München: Juventa Verlag. S. 71-100. Krüger, H. (1991): Doing Gender – Geschlecht als Statuszuweisung im Berufsbildungssystem. In: Brock, D./Hantsche, B./Kühnlein, G./Meulemann, H./Schober, K. (Hrsg.): Übergänge in den Beruf. Zwischenbilanz zum Forschungsstand. Weisbaden: DJI Verlag. S. 139-169. Krüger, H. (2002a). Gesellschaftsanalyse: der Institutionenansatz in der Geschlechterforschung. In: Knapp, G.-A./Wetterer, A. (Hrsg.): Soziale Verortung der Geschlechter. Gesellschaftstheorie und feministische Kritik. Münster: Westfälisches Dampfboot. S. 63-90. Krüger, H. (2002b): Ungleichheit und Lebenslauf. Wege aus den Sackgassen empirischer Traditionen. In: Heintz, B. (Hrsg.): Geschlechtersoziologie. Sonderheft Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. S. 512-537. Kuhnke, R. (2008): Stichprobenausschöpfung und Panelmortalität. In: Reißig, B./Gaupp, N./Lex, T.: Hauptschüler auf dem Weg von der Schule in die Arbeitswelt. Übergänge in Arbeit, Band 9. Wiesbaden: DJI-Verlag. S. 199-225. Peisert, H. (1967): Soziale Lage und Bildungschancen in Deutschland. München: Piper Verlag. Reißig, B./Gaupp, N./Lex, T. (2008): Übergangswege von Hauptschulabsolventinnen und -absolventen aus der Schule in Ausbildung. In: Reißig, B./Gaupp, N./Lex, T.: Hauptschüler auf dem Weg von der Schule in die Arbeitswelt. Übergänge in Arbeit, Band 9. Wiesbaden: DJI-Verlag. S. 58-81.
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Internationale Perspektiven von Jungenforschung
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Underachievement von Jungen in der Schule Margrit Stamm
Abstract “Underachievement of Boys in Schools” This contribution focuses on the underachievement of boys in schools on the basis of international studies such as PISA. One perspective of underachievement is to regard boys as not being encouraged enough in contrast to girls within the school system. The author critically discusses the phenomenon of underachievement in the German school system. Thus, on basis of various studies the author analyses whether there are typical structures for underachievement of boys or girls and which factors are accelerating underachievement of both boys and girls. Einleitung Jungen geben in fast allen industrialisierten Ländern Anlass zur Sorge, weil sie schulisch hinter ihren intellektuellen Möglichkeiten zurückbleiben. Sie zeigen jedoch auch mehr Entwicklungsprobleme als Mädchen und neigen verstärkt zu exzentrischem Verhalten, welches von grosser Zurückhaltung bis zu aggressivem Verhalten reicht. Es überrascht deshalb nicht, dass die PISA-Studien, die für unsere Länder einen Anteil von ca. 20 Prozent vorwiegend männlicher Jugendlicher mit schlechten Fachleistungen nachwies, Jungen zur „Risikogruppe“ erklärte (Stanat/Schneider 2004). Fachliteratur zum Schulversagen von Jungen gibt es jedoch kaum, obwohl ein breiter Forschungskorpus zur Jungenthematik vorliegt (vgl. Horstkemper 1987; Kampshoff 2001; 2006; Hannover 2004; Cornelißen 2004; Preuss-Lausitz, 2005; Rose/Schmauch 2005; Allemann-Ghionda 2006; Budde 2006). In anderen Ländern – insbesondere in Großbritannien, Australien und Kanada – wird dieses Phänomen unter dem Begriff ‚Underachievement’ schon seit einigen Jahren sowohl auf medialer als auch auf wissenschaftlicher Ebene intensiv diskutiert und als eines der grössten gegenwärtigen Bildungsprobleme bezeichnet (vgl. Lingard et al. 2002; Frank et al. 2003). Zur Thematik liegen vielfältige Erkenntnisse vor (vgl. Epstein et al. 1998; Bouchard et al. 2003; Mahoney 2003; Smith 2003; Weaver-Hightower 2003; Titus 2004; Connolly 2005; Francis/Skelton 2005). Von besonderem Interesse ist dabei, dass in diesen Ländern Schüler dann als Underachiever bezeichnet werden, wenn sie von der Schule nicht ihren Möglichkeiten entsprechend gefördert oder als Angehörige einer Risikogruppe an der Entwicklung ihres Potenzials gehindert werden. Underachievement wird dort somit nicht als ein lediglich in der Verantwortung des Individuums liegendes, sondern auch als ein von der Schule mitverantwortetes Problem verstanden. Die Diskursmuster sind unterschiedlich, doch lassen sich in internationaler Perspektive einige Gemeinsamkeiten herausschälen und zwei Perspektiven zuführen: Während die erste Perspektive die Nachteile der Jungen lediglich als die kurzfristigen Kosten ihrer langfristigen Vorteile darstellt und keinen Bedarf auf eine forcierte Konzentration auf die Jungen formuliert, drängt die zweite Perspektive auf eine solche ‚Jungenwende’. Sie basiert auf der Argumentation, wonach sich die Bildungschancen der Mädchen derart verbessert hätten, 131
dass sie heute sogar erfolgreicher in der Schule seien als die Jungen. Deshalb dränge sich nicht nur die Frage auf, wer an dieser Entwicklung Schuld trage, sondern ebenso die Forderung, den Jungen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Diese Argumentationsmuster sind für mich Anlass, das Phänomen des Underachievements von Jungen, hierzulande auch Minderleister genannt, aus einer wissenschaftlichen Perspektive zu beleuchten und zu kommentieren. Mit spezifischem Blick auf die deutschsprachige Debatte muss dabei beachtet werden, dass der Begriff ‚Underachievement’ im Zusammenhang mit generellem Schulversagen der Jungen hierzulande neu ist und bislang fast auschliesslich für hochbegabte Minderleister gebraucht (vgl. Hanses/Rost 1998; Stamm 2007) und auf Abschlussquoten und Fachleistungen verengt worden ist, während wichtige Erkenntnisse der geschlechterorientierten Schulforschung ausgeblendet geblieben sind (vgl. Popp 2002; Hannover 2004; Budde/Faulstich-Wieland 2005; Crotti 2006). Des Weiteren implizieren solche Argumentationsmuster eine falsche Dichotomisierung gemäss dem Schema ‚früher die Mädchen – jetzt die Jungen’ (vgl. Jones/Myhill 2004). Auf dieser Basis lege ich meinem Aufsatz zwei erkenntnisleitende Fragen zu Grunde: 1. 2.
Gibt es in Bezug auf das Schulversagen (Underachievement) eine Mädchen- und eine Jungentypik? Welche Kontextfaktoren spielen eine Rolle, und welche Bedeutung kommt dabei der Schule zu?
Ziel ist es, diese beiden Fragen anhand der vielfältigen Forschungsbefunde kritisch zu beantworten und aufzuzeigen, dass es sich bei Underachievement von Jungen um ein komplexes Phänomen handelt. Der statistische Blick auf das Underachievement von Jungen In Ländern, in denen nationale Leistungstests Tradition haben, lässt sich das Phänomen des Underachievements statistisch rahmen, weil eine Abbildung der Leistungsentwicklung im Längsschnitt möglich wird. Neben Australien und Kanada hat vor allem in England der Fokus auf den Gendergap dazu geführt, dass der seit den neunziger Jahren zu beobachtende Leistungsabfall der Jungen zum Katalysator für eine bildungspolitische Jungenwende geworden ist. So weisen die Testbefunde beispielsweise nach, dass bis 1985 auf 100 Mädchen 95 Jungen kamen, die in den staatlichen Leistungsexamen (General Certificate of Secondary Education [GCSE]; Prüfungen zum Erwerb der Hochschulreife) fünf und mehr GCSE A erreichten, während es nach 1985 nur noch 80 Jungen auf 100 Mädchen waren (vgl. Connolly 2005). Für Deutschland und die Schweiz lassen sich auf der Basis der PISA-Ergebnisse von 2001 und 2003 keine eindeutigen Schlüsse ziehen, und auch ein vertiefter Blick in die Bildungsstatistiken gibt keine Antwort auf das Ausmaß des Underachievements von Jungen. Während in der Lesekompetenz Differenzen zu Gunsten der Mädchen festgestellt werden konnten, ergaben sich keine Unterschiede in der naturwissenschaftlichen Bildung (vgl. Stanat/Kunter 2003; Bundesamt für Statistik [BFS] und Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren [EDK] 2002), wobei dies in Deutschland für die Auswertung nicht zutraf. In der Mathematik basierte der Leistungsvorsprung der Jungen vor allem 132
auf der Spitzenleistung einer relativ kleinen Gruppe, während die Geschlechterverteilung im mittleren Leistungssegment ausgeglichen und im unteren Segment signifikant stärker zuungunsten der Jungen ausfiel. Insgesamt streuten ihre Leistungen somit weit stärker als diejenigen der Mädchen. Ein Blick in die statistischen Daten der Bildungsforschung fördert zwar ein ebenso gemischtes Bild zu Tage, doch gilt allgemein: Je geringer qualifizierend die Schulform, desto höher der Jungenanteil (vgl. Bundesamt für Statistik 2006; Statistisches Bundesamt 2006). So sind Jungen in allen deutschsprachigen Ländern an Gymnasien unter-, an Hauptund Sonderschulen hingegen überrepräsentiert. Jungen gehören deutlich öfter als Mädchen zu den Schulschwänzern und zu Schulabbrechern, weshalb ‚Dropout’ als männliches Phänomen bezeichnet wird (vgl. Stamm 2007). Von den 1,08 Millionen Jugendlichen, die im Jahr 2005 in Deutschland ihre berufliche Ausbildung vorzeitig abbrachen, waren zwei Drittel junge Männer, wobei diejenigen mit Migrationshintergrund doppelt so oft vertreten waren (vgl. Statistisches Bundesamt 2006; Bundesministerium für Bildung und Forschung 2008). Gleiches gilt für die 7,9 Prozent der Jugendlichen, welche die allgemeinbildende Schule im Jahr 2006 verließen: 70 Prozent waren Jungen. Auch der Bildungsbericht (2008) verdeutlicht die erhöhten Scheiternsrisiken von Jungen und jungen Männern im Übergang von der allgemeinbildenden Schule in eine Ausbildung, wobei es vor allem Jungen aus dem unteren schulischen Vorbildungsniveau, insbesondere diejenigen mit Migrationshintergrund betrifft. Gemischt ist das Bild insofern, als auch Frauen in verschiedener Hinsicht benachteiligt sind. Zunächst gilt dies für ihren Berufsabschluss, obwohl sie in höheren Bildungsgängen übervertreten sind. Von den unter 20-jährigen Frauen verfügen im deutschsprachigen Europa zwischen zwölf und 18 Prozent über keinen allgemeinbildenden Abschluss, während es bei den jungen Männern lediglich zwischen fünf und neun Prozent sind. Des Weiteren sind Frauen auch stark von Jugendarbeitslosigkeit betroffen. Von den 15- bis 24-jährigen sind in Deutschland durchschnittlich 15 Prozent, in der Schweiz 4,6 Prozent und in Österreich 9,8 Prozent arbeitslos (vgl. EUROSTAT 2004). Auch ihre Arbeitslosenquote liegt um ein gutes Drittel höher (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung 2006). Ferner nehmen Frauen nur in sehr eingeschränktem Maße berufliche Spitzenpositionen ein (vgl. Cornelißen 2004; Cornelißen/Gille 2005). Schließlich sind ihre Saläre immer noch wesentlich tiefer als diejenigen von Männern. In der Schweiz beispielsweise verdienten Frauen im Jahr 2005 ca. 80 Prozent des Jahreseinkommens eines Mannes, in Deutschland waren es 75 Prozent, wobei allerdings die Einkommensnachteile zu einem großen Teil auf das Konto der Berufsunterbrechung gingen (vgl. Stutz 2006). Spezifische Benachteiligungen finden sich jedoch auch bei Männern. Jungen haben bekanntlich eine deutlich höhere Säuglings- und Kindersterblichkeit, bekommen dreimal häufiger das ADHS-Syndrom diagnostiziert und begehen viermal häufiger Selbstmord als Mädchen. Männer sterben zudem im Durchschnitt sieben Jahre früher als Frauen (vgl. Statistisches Bundesamt 2006). Besonders problematisch ist ferner, dass sich Benachteiligungen teilweise bereits früh in der Schullaufbahn zeigen. So werden Jungen häufiger Sonderund Sprachheilschulen zugewiesen als Mädchen und auch bei der Einschulung häufiger zurückgestellt (vgl. Helsper/Hummrich 2005), während diese wiederum vermehrt früh eingeschult werden (vgl. Stamm 2005). Mit Blick auf die gesamte Schulzeit – und ganz besonders auf das Gymnasium – weisen Jungen höhere Klassenwiederholungsraten auf (vgl. Bless et al. 2004; Stürzer 2005; Budde 2008) und erhalten beim Übergang in die Se133
kundarstufe I bei gleicher Leistung wie die Mädchen von ihren Lehrpersonen negativere Leistungseinschätzungen (vgl. Lehmann et al. 1997). 35 Prozent der Jungen weisen eine verzögerte Schullaufbahn auf, aber nur 24 Prozent der Mädchen (vgl. Stanat/Kuntner 2003). Jungen erzielen zudem häufiger drittklassige oder unklassifizierte Schulabschlüsse (vgl. Imdorf 2005). Dass Bildung zudem weiterhin vererbt wird, zeigt sich bei den Jungen besonders deutlich: An den Gymnasien hat nur ein Fünftel der Schülerschaft einen bildungsfernen Hintergrund, wobei er bei den Jungen deutlich höher ist als bei den Mädchen (vgl. Budde 2008). Dazu kommt, dass es bildungsfernen Eltern offenbar nicht gelingt oder sie auch nicht willens sind, ihre Söhne fürs Gymnasium zu motivieren (vgl. Hillmert 2004). Motivations- und Einstellungsvariablen der Jungen erweisen sich im Vergleich mit denjenigen der Mädchen ebenfalls als ungünstiger: Aus der Logik- und Scholastik-Studie von Weinert und Helmke (1997) wissen wir, dass sich die Selbsteinschätzung von Mädchen und Jungen unterschiedlich entwickelt. Während sich beide Geschlechter bei Schuleintritt ungefähr gleich einschätzen, nimmt vor allem das Leistungsselbstkonzept der Mädchen mit zunehmendem Schulalter ab, so dass sich diese in der Sekundarstufe I insgesamt – trotz besserer Schulleistungen – deutlich skeptischer als Jungen beurteilen. Möglicherweise unterstützt die Schule diese geringe Selbsteinschätzung der Mädchen zusätzlich durch ihre Kommunikations- und Feedbackkulturen. Aber mit Blick auf die hier verfolgten Fragestellungen wäre auch zu prüfen, inwiefern die frühe Selbstgewissheit der Jungen ihre Lernbereitschaft beeinträchtigt. Der Grund könnte darin liegen, dass sie ihre Erfolge selbstbewusst internal, ihre Misserfolge jedoch external attribuieren und infolgedessen Prüfungen minimaler vorbereiten und schlechte Schulleistungen eher in Kauf nehmen (vgl. Kirschmann/Röhm 1991; Dresel et al. 2005). Solche Verhaltensmuster dürften einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Entwicklung des Underachievements leisten. Dies steht aber im Widerspruch zu den neuesten Ergebnissen der Shell-Studie (vgl. Jugendwerk der Deutschen Shell 2006), die zum Schluss kommt, dass Jungen Leistung und insbesondere Wettbewerb positiver als Mädchen sehen. Gelingt es der Schule somit möglicherweise nicht, die Jungen so herauszufordern, dass sie solche Einstellungen positiv nutzen können? Zwar lässt sich in vielen industrialisierten Ländern die Überrepräsentanz der Jungen in negativ besetzten Bereichen nachweisen. Gleiches gilt allerdings auch für positive Extremgruppen (vgl. Benbow/Stanley 1980; 1983). Jungen verfügen in diesem Segment gegenüber den Mädchen über bedeutsame Vorteile. Benbow und Stanley (1980; 1983) ermittelten im Rahmen ihrer Talentsuchen konstant bessere Ergebnisse der Jungen im mathematischen Denken. Das Verhältnis von 12- und 13jährigen Jungen und Mädchen mit einer besonderen mathematischen Befähigung verteilte sich bei einem SAT-M-Score (Scholastic Aptitude Test in Mathematics) von 500 zu 2:1, von 600 zu 5:1 und von 700 zu 13:1. Auf dieser Basis erstaunt es kaum, dass Jungen öfter und früher als hochbegabt identifiziert, deutlich häufiger begabungsfördernden Massnahmen zugewiesen und privat auch stärker gefördert werden als Mädchen. Auch Lehrpersonen bezeichnen Jungen in der Regel als talentierter als Mädchen, auch wenn sie über das gleiche Begabungspotenzial verfügen. Jungen gehören auch häufiger zu den Klassenüberspringern und profitieren ausgeprägter von akzelerativen Begabungsfördermaßnahmen (vgl. Heinbokel 2001; Stapf 2003; Stamm 2005). In akademischen Exzellenzprogrammen sind junge Männer ebenfalls stärker vertreten als Frauen (vgl. Schweizerische Studienstiftung 2004). Es gibt somit innerhalb der Jungen- als auch der Mädchengruppe große Streuungen. Das bedeutet, dass nicht alle Jungen benachteiligt sind, sondern, dass es Subgruppen gibt, 134
die gute, sehr gute oder sogar ausgezeichnete Leistungen erbringen. Insbesondere Jungen aus bildungsnahen Familien sind kaum Benachteiligungen ausgesetzt, was sie allerdings noch nicht vor Underachievement schützt. Ähnliches gilt für die Mädchen. Während Mädchen aus bildungsnahen Familien zu über 80 Prozent einen anspruchsvollen Schulabschluss erwerben (vgl. Cornelißen 2004), trifft dies für Migrantinnen nur zu 33 Prozent zu, während 13 Prozent sogar ohne allgemeinbildenden Abschluss bleiben. Mit solchen prekären Bildungsvoraussetzungen starten nur drei Prozent der deutschen und aber zehn Prozent der ausländischen jungen Männer ins Berufsleben (vgl. Weisshuhn/Rövekamp 2002). Ungeachtet solcher Analysen, die auf die verschiedenen Gruppen sehr erfolgreicher Jungen verweisen, konzentriert sich die mediale Diskussion weitgehend auf den benachteiligten Jungen als Schulversager. Im nachfolgenden Kapitel wird diese mediale Rhetorik deshalb etwas näher beleuchtet. Underachievement als moralische Panik Historisch gesehen waren die Jungen immer schon Gegenstand der Sorge unserer Gesellschaft. Das ‚neue’ Phänomen ist somit schon sehr alt. Hinweise auf Rebellion, Leistungsund Verhaltensprobleme finden sich von der griechischen Antike bis zu den Teddy Boys der 1960er und den Rockern der 1980er Jahre. Immer aber war das grundlegende Vertrauen handlungsleitend, dass es sich dabei um eine entwicklungstypische Form oppositionellen oder Autonomie suchenden Verhaltens der Jungen handelt und in diesem Sinne ‚normal’ ist. Der aktuelle Trend zeichnete sich in den USA bereits vor fast zwanzig Jahren ab, als medienwirksame Bücher wie „How schools shortchange girls“ der American Association of University Women (1992) oder „Reviving Ophelia“ von Pipher (1994) die öffentliche Diskussion anheizten. Im deutschsprachigen Raum waren es Publikationen wie „Die Schule ist männlich“ von Birmily et al. (1991) oder „Schule im Patriarchat – Schulung fürs Patriarchat?“ von Brehmer und Biermann (1991). Angeklagt waren damit die Schule und ihre be- oder verhindernden Kräfte, welche die Potenzialentfaltung der Mädchen blockierten und zur niedrigen Beteiligung derselben im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich im Sinne eines Ausschlusses von männlichen Domänen beitrugen (vgl. Beerman et al. 1991; Hannover 2004). Der „Boy turn“ (Weaver-Hightower 2003) entpuppte sich in den 1990er Jahren als Botschaft, um dem Schulversagen der Jungen in einigen (Australien, Neuseeland, USA) oder in nahezu allen Leistungsbereichen (England) eine Strategie entgegenstellen zu können. Verbunden mit einer Art „moralischer Panik“ (Smith 2003) wurde die Jungenwende zu einem emotional diskutierten und viel beachteten Medienthema, dessen Bedeutung auch in den Headlines zahlreicher Artikel abgelesen werden kann, so etwa in der Times Educational Supplement („Teachers mark down bad boys“ [TES 2004a] oder „Keep bad boys busy“ [TES 2004b]). Auch hierzulande sprach der SPIEGEL erstmals von einer „Jungenkatastrophe“ (Thimm 2004), aber auch aktuell zeigen sich die Medien von der Thematik angetan (vgl. Spiewak 2007). Auch die populärwissenschaftliche Literatur boomt. Geht es nach Preuschoff (2007), dann belegt die Geschlechterforschung, dass kleine Jungen anders sind, sensibler, langsamer und liebesbedürftiger als Mädchen. Nitsch (2002) wiederum ist der Ansicht, dass Männer schon als Babys anders ticken, weshalb Eltern ihren Jungen helfen müssten, den richtigen Weg einzuschlagen, damit diese dereinst glückliche erwachsene 135
Männer werden können. Die Krise der Männlichkeit und die daraus resultierende Panik, welche diese Literatur anspricht, bewegt auch die Eltern, welche sich über die Zukunft ihrer Söhne Sorgen machen. Ausdruck solcher Sorgen sind die zahlreichen Elternbriefkästen oder Elternforen in Medien und Elternzeitschriften, die regelmäßig solchen Themen gewidmet sind. Auch im wissenschaftlichen Diskurs gelten die Jungen zunehmend als Verlierer und die Mädchen als „Gewinnerinnen der Bildungsexpansion“ (Klemm/Rolff 2002: 22), und es wird gefragt, ob sich die Gesellschaft zu lange nur um die Förderung des weiblichen Nachwuchses gekümmert habe (vgl. Kleff 2002). Allerdings stammen die wesentlichen Muster zur Erklärung des Schulversagens der Jungen aus dem anglo-amerikanischen Raum, während die aktuelle deutschsprachige Forschung diesen Diskurs nur am Rande aufgenommen hat. Im nächsten Kapitel werden deshalb die wesentlichsten Argumentationslinien zusammengetragen und mit Blick auf die beiden leitenden Fragestellungen des Aufsatzes diskutiert. Woher kommt das Underachievement der Jungen? Zwar mangelt es auch hierzulande nicht an Erklärungsversuchen, weshalb die Jungen in der Schule versagen und zu den Bildungsverlierern geworden sind. Doch sind die Gründe meist einseitig und entweder auf nativistische Motive bezogen oder als antifeministische Plädoyers formuliert. Ein Blick in die anglo-amerikanische Fachliteratur fördert jedoch eine ganze Reihe an Argumenten zu Tage. Sie reichen von Mustern, welche den Misserfolg auf einer rein biologischen Argumentationsbasis diskutieren und die ‚poor boys’ bemitleiden (vgl. Biddulph 1997; Boaler 1998; Mahoney 2003), das Anti-Lerner-Verhalten der Jungen hervorstreichen (vgl. Martino 1999; Francis 2000; Renold 2001; Frosh et al. 2002), die Feminisierung der Schule beklagen (vgl. Arnot et al. 1998; Diefenbach/Klein 2002) über die ‚failing schools’ und ihre schlechte Unterrichtsqualität (vgl. Stoll/Myers 1997; Hannan 1999; Ediger 2004) bis hin zu Argumenten, welche die feministischen Errungenschaften für die aktuelle Situation der Jungen generell verantwortlich zeichnen (vgl. Hoff Sommers 2000). Erklärungsmuster Biologische Differenzen Beispiele für an solchen Perspektiven orientierte Argumentationsstrukturen sind auflagenstarke und medienpräsente Publikationen wie „Söhne erziehen“ (Elium/Elium 1994), „Raising Boys“ (Biddulph 1997) oder „Real Boys“ (Pollack 2001) – Publikationen, die lange auf den Bestsellerlisten in Australien und Großbritannien standen und seit 1998 auch im deutschsprachigen Raum beispielsweise unter dem Titel „Jungen! Wie sie glücklich heranwachsen“ erhältlich sind. Sie basieren auf evolutionspsychologischen und sozio-biologischen Perspektiven, welche versuchen, menschliche Handlungsweisen im Hinblick auf die evolutionäre Entwicklung zu verstehen und die biologischen Grundlagen jeglicher Formen des Sozialverhaltens zu erforschen. Entsprechend erachten sie verhaltensbezogene Ge136
schlechtsrollendifferenzen als angeborene und in vorhistorischer Zeit konfigurierte Unterschiede zwischen Mann und Frau. Folgt man Biddulphs (1997) pauschalisierender Argumentation, dann sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern ein unvermeidliches und natürliches Ergebnis ihrer Hormone und die Leistungsunterschiede das Ergebnis unterschiedlicher Hirnstrukturen. Darauf aufbauend schließt er, dass Jungen anders als Mädchen erzogen werden müssten und deshalb ein neues Verständnis für Jungen nötig sei, damit sie zu glücklichen und selbstbewussten Männern heranwachsen können. Seine Aussagen sind zwar umgehend kritisiert und mit dem Vorwurf belegt worden, dass die diesbezüglichen Erkenntnisse mehr als ungesichert seien (vgl. Martino 1999; Hutchison 2004). Trotzdem haben sie angesichts der großen öffentlichen Aufmerksamkeit den Diskurs zur Jungenwende stark beeinflusst, übernahmen doch Nitsch (2002) oder Preuschoff (2007) Biddulphs Argumentationsmuster fast vollständig. Biologistische Argumentationen können viele, aus sozialwissenschaftlicher Sicht relevante Fragen nicht beantworten: Zwar spricht die Tatsache, dass nicht nur deutsche, japanische, ungarische oder neuseeländische Mädchen bei PISA besser abschnitten, beinahe für eine naturgegebene Überlegenheit des weiblichen Geschlechts. Wie jedoch lässt sich die Tatsache erklären, dass der Leistungsvorsprung der Mädchen in den letzten Jahren stetig zugenommen hat? Und, wenn die Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen so klar biologisch gesteuert wären, wie ließen sich dann die unterschiedlichen Leistungen verschiedener Subgruppen innerhalb der Jungen- resp. Mädchenpopulation erklären? Warum übertreffen beispielsweise die Mittelschicht-Jungen die Mädchen aus der Arbeiterklasse in Deutsch in signifikanter Weise (vgl. Deutsches PISA-Konsortium Deutschland 2005)? Wie ist es möglich, dass Ergebnisse aus der Begabungsforschung in den deutschen Bundeswettbewerben eine nach Bestleistungen aufgeschlüsselte Überrepräsentation der Jungen im Fremdsprachenbereich belegen können (vgl. Stütz/Enders 1999)? Selbstverständlich ist nicht zu verneinen, dass unser Alltagsverhalten und unsere intellektuelle Kapazität zumindest teilweise von biologischen Faktoren beeinflusst werden. Aber das Alltagsverhalten ist nicht von Natur aus gegeben. Eher repräsentiert es ein kumulatives Abbild unserer vorangehend geformten und ausgebildeten Erfahrungen. Gerade weil biologische und kulturelle Faktoren so stark miteinander verflochten sein dürften, macht es wenig Sinn, genetische und soziale Vererbungsmuster gegeneinander auszuspielen. Zudem sind solche Argumente gefährlich, weil sie auf der Vorstellung der vorgegebenen Unterschiedlichkeit von Mädchen und Jungen basieren und die Akzeptanz dieser unterschiedlichen Verhaltensweisen als einzig verfügbare Option postulieren. Mit Bezug zur schulischen Ausbildung würde dies bedeuten, dass nur Schule und Unterricht verändert werden können, nicht jedoch die Verhaltensweisen der Jungen selbst. Der medienvermittelte Männlichkeitstypus Ein Typ des Jungen als Modernisierungsverlierer findet sich im medienvermittelten Männlichkeitskulttypus des coolen Anti-Lerners, in Großbritannien unter dem Label ‚Lads’ subsumiert. Folgt man Martino (1999), Francis (1999), Renold (2001) oder Frosh et al. (2002), dann handelt es sich bei diesem Typ um junge Männer, die in eine auf körperliche Stärke, Mut und Kameradschaft ausgerichtete Peer-Group eingebettet sind, maskulin basierte oder bewertete Interessen verfolgen (Fußball, Autorennen), trotz abwertendem Weiblichkeitsbild 137
eine ausgeprägte Orientierung an sexuellen Aktivitäten zeigen und gegenüber Autoritäten eher rebellisch und unangepasst sind. Wenn Leistung uncool, der Coolnessdruck jedoch vorhanden ist, wenn Väter nicht verfügbar sind, wohl jedoch die elektronischen Medien, dann werden Stars wie Michael Schuhmacher, Rapper Eminem, Stefan Raab oder Bastian Schweinsteiger zu Vorbildern. Hierzulande wurden solche Antilerner im Zuge der PISA-Untersuchungen als männliche Jugendliche mit schlechten Schulleistungen und einer verstärkten Tendenz „zur aggressiven Cliquenbildung“ (Baumert et al. 2001: 500) umschrieben und mit der spezifischen Inszenierung von Maskulinität erklärt. Da solche Jugendliche aufgrund der in unserer Gesellschaft nach wie vor vorherrschenden „patriarchalen Dividende“ (Connell 2002: 100) auf eine Koalition unter Männern zählen können, bekommen sie sowohl von Eltern (vgl. Faulstich-Wieland 1995) als auch von Lehrpersonen (vgl. Lehmann et al. 1997; Krohne et al. 2004) Hilfe. Damit würde sich der Zusammenhang von Underachievement und forciertem „doing masculinity“ erklären lassen. Wenn gemäss King (2005) dieser Zusammenhang verstärkt bei Jungen mit Migrationshintergrund beobachtet werden kann, dann ist dies ein Hinweis auf die Gruppeninhomogenität der Underachiever. Gemäß den Denkansätzen von Connell zur „hegemonialen Männlichkeit“ (1995) und von Bourdieu (1982; 1997) zum „männlichen Habitus“, wonach Männlichkeit und Weiblichkeit nicht als biologisch begründeten Entitäten, sondern als soziale Konstrukte aufgefasst werden müssen, gibt es kultur- und milieubedingt unterschiedliche Ausprägungsformen oder Muster von Männlichkeit. Die Lads stellen somit kein markantes Erklärungsmuster für eine Subgruppe und nicht per se das Underachievement der Jungen dar. Das Bildungssystem in Frauenhand Das Bildungssystem ist weitgehend in Frauenhand. Diese Überrepräsentanz zeigt sich sowohl auf der Grundschulstufe (85 Prozent) als auch auf der gymnasialen Stufe (etwas mehr als 50 Prozent). Andererseits sind lediglich ca. 20 Prozent der Schulleitungen weiblich besetzt, was auf nach wie vor intakte traditionelle Geschlechterhierarchien im Schulbereich verweist. Was liegt näher, als zwischen diesen Phänomenen und dem Schulversagen der Jungen Assoziationen herzustellen? Diefenbach und Klein (2002) tun dies für den deutschsprachigen, Hannan (1999) oder Arnot et al. (1998) für den angelsächsischen Raum. Sie argumentieren, dass Jungen bei der Beurteilung ihrer Leistungen durch Lehrerinnen benachteiligt würden. Weil diese, am Maßstab der eigenen geschlechtsspezifischen Sozialisation orientiert, den Jungen weniger Verständnis entgegenbringen und geringere Erwartungen an sie richten würden als Lehrer, würden sie Jungen auch seltener für Schulen mit höherem Anspruchsniveau empfehlen. Holstein (2004) weist zusätzlich darauf hin, dass die Fortsetzung der häuslichen Mutterdominanzerfahrung Jungen dazu führe, ihren Widerstand gegen die Schule als weibliche Bastionen mit ihrer Motorik und Renitenz auszudrücken. Dieser Widerstand würde von Lehrerinnen jedoch häufig falsch verstanden und als männliches Dominanzverhalten ausgelegt. Wenn Lehrerinnen zudem den Unterricht stärker auf selbstverantwortetes und projektorientiertes Lernen ausrichten als Lehrer, dann berücksichtigen sie gemäß Brozo (2002) auch stärker Lernstile und Lernbereitschaft der Mädchen. Folgt man Boaler (1998) oder Hannan (1999), dann wird die Schule für die Jungen jedoch zu einer fremden Umgebung. 138
Tragen somit die Lehrerinnen einen entscheidenden Anteil an der Benachteiligung von Jungen? Diefenbach und Klein (2002) legen damit eine brisante, jedoch bislang ungeprüfte Hypothese vor, die im Rahmen jugendlicher Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen überprüft werden müsste (vgl. Budde 2006). Vor dem Hintergrund der in diesem Aufsatz kritisch zu beantwortenden Fragen nach dem Underachiever und der Bedeutung von Kontextfaktoren ist zumindest davon auszugehen, dass diese These zu pauschalisierend ist. Zum einen erscheint es unwahrscheinlich, dass die Überrepräsentanz an weiblichen Lehrkräften direkt mit dem Underachievement der Jungen in Beziehung gesetzt werden könnte. Männliche Lehrkräfte sind in der Primarschule bekanntlich schon immer unterrepräsentiert gewesen. Zum zweiten erscheint es plausibel, dass nur solche Jungen ein Frauen abwertendes Weiblichkeitsbild internalisiert haben, die verstärkt mit Schulproblemen konfrontiert werden und ihr kultureller Hintergrund keine Gleichberechtigung der Geschlechter zulässt, währenddessen solche mit guten Schulleistungen und einem egalitären Frauenbild genauso viel von ‚weiblichem’ Unterricht profitieren. Dazu kommt, dass diese These impliziert, jede Lehrerin würde Jungen benachteiligend unterrichten und jeder Lehrer automatisch positive Effekte auf schulische Geschlechtergerechtigkeit derart erzeugen, dass er die Leistungsfähigkeit von Jungen stärken und ihr Underachievement positiv beeinflussen kann (vgl. Budde/Faulstich-Wieland 2005). Forderungen nach einer Rückkehr zu traditionellen Unterrichtsmethoden, zu strukturierterem Unterricht, kürzeren Unterrichtslektionen oder einer ausgeprägteren Wettbewerbsorientierung erweisen sich vor diesem Hintergrund als zu oberflächlich (vgl. Hannan 1999). Schlechte Schulen Seit den flächendeckend eingeführten Evaluationssystemen in England oder Australien sind die „failing schools“ zu einem vieldiskutierten Begriff geworden. Zwei offizielle Evaluationsberichte, derjenige der englischen Schulaufsichtsbehörde Ofsted (vgl. Office for Standards in Education 2003a; b) und derjenige der australischen Regierung (vgl. House of Representatives Standing Committee on Education and Training 2002), assoziieren „failing schools“ und Underachievement der Jungen, indem sie den Grund für ihr Schulversagen in erster Linie in der schlechten Unterrichtsqualität der Schulen orten. Die Verifizierung dieses Befundes dürfte allerdings einen schweren Stand haben, liegen bislang doch kaum empirisch glaubwürdige Untersuchungen vor, welche schlechte Unterrichtsqualität als einzige Ursache für schlechte Schulleistungen ausweisen (vgl. Good/Brophy 1999; Weinert 2001; Ediger 2004). Viel versprechender ist der Blick auf schulorganisatorische und curriculare Merkmale. Neben dem bereits beschriebenen ‚Gendering in der Schule’, das sich durch die Überrepräsentanz weiblicher Lehrkräfte bei gleichzeitig männlich besetzten Schulleitungen als traditionelle Geschlechterhierarchie auszeichnet, sind es Schulethos und Schultradition, welche einen besonderen Einfluss auf die Ausbildung der schulischen Geschlechterrollen haben. Hoff (2005) stellt fest, dass auch männlich besetzte Schulleitungen in dieser Hinsicht viel erreichen können, wenn sie sich zusammen mit dem ganzen Kollegium um ein Schulethos bemühen, das die Gesamtheit der geschlechterparitätischen Werte und Grundsätze enthält, welche von den Lehrkräften als verbindlich angesehen werden. Schließlich geht es um curriculare Merkmale. Sie spiegeln sich beispielsweise darin, wie und wie oft Männer und Frauen in Schulbüchern abgebildet werden. So belegen zwar neuere Analysen, dass die 139
Präsenz der Mädchen in den Schulbüchern in quantitativer Hinsicht fast gleich hoch ist wie die der Jungen und die Darstellung von Frauen nicht nur auf ihre häusliche Arbeit beschränkt bleibt, sondern auch auf die berufliche Tätigkeit ausgerichtet ist. Damit solche Bilder jedoch den gesellschaftlichen Wandel repräsentieren könnten, müssten sie gemäß Hunze (2003) traditionelle Geschlechtsrollenvorstellungen weit stärker als bis anhin problematisieren. Feminismus und Mädchenförderung Nachdem in den 1970er und 80er Jahren festgestellt worden war, dass die Mädchen in der Schule benachteiligt waren, wurden viele Strategien und Programme entwickelt, um ihre Bildungschancen zu verbessern, die Schulen und ihre Curricula mädchenfreundlicher zu gestalten und sicherzustellen, dass sie im Klassenzimmer gleich viel Aufmerksamkeit bekommen wie Jungen. Zwanzig Jahre feministische Pädagogik lassen heute eine erfolgreiche Bilanz ziehen: Mädchen wählen anspruchsvollere Ausbildungswege und sind erfolgreicher in der Schule als Jungen. Ausgehend von dieser Bilanz konzentriert sich dieses Erklärungsmuster auf Aussagen wie die von Halbright (1998), Arnot et al. (1998) oder Diefenbach und Klein (2002), wonach es zwar als common sense gegolten habe, dass Mädchen gegenüber Jungen benachteiligt seien, hingegen als politisch inkorrekt, wenn Gleiches für die Jungen angenommen wurde. Deshalb seien die kontinuierlichen Leistungsverschlechterungen der Jungen in den letzten Jahren gar nicht zur Kenntnis genommen worden. Connolly (2005) hat diese These der unbemerkten Leistungsverschlechterungen der Jungen mittels einer Re-Analyse der Testleistungen von 15-jährigen Schülern seit 1985 untersucht. Er konnte dabei nachweisen, dass die Schulleistungen der Jungen im Zeitverlauf immer auf einem ähnlichen Niveau lagen und erst die Leistungsverbesserung der Mädchen eine Diskrepanz herbeiführte. Er erachtet deshalb diese Differenzen in erster Linie als ein Ergebnis feministischer Mädchenförderung. Die Mädchen seien von Barrieren befreit worden, die ihre Potenzialentwicklung verhindert hätten. Sozialisation und Förderung von Mädchen hätten sich grundlegend verändert, währenddessen sie für die Jungen fast die gleichen geblieben seien. Die Erklärungsmuster im Lichte der Fragestellungen So verschieden die Erklärungsmuster auf den ersten Blick scheinen, so offensichtlich ist eine sie verbindende, vierfache Problematik: 1.
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Sie erwecken den Eindruck, auf stereotypen, d.h. unveränderbaren Vorstellungen von Geschlechterdifferenz zu beruhen. Damit folgen sie tendenziell der Logik der biologischen Perspektive und blenden die soziale und psychologische Perspektive im Sinne einer gesellschaftlich gespiegelten, geschlechtstypisierenden Selbstkonstruktion der Identität aus (vgl. Hannover 2005). Sie unterlassen es, bestehende Maskulinitätsmuster und -konzepte zu hinterfragen. Mehr oder weniger ausgeprägt zeichnen sie alle Jungen als entmachtete Opfer der Feminisierungsprozesse und als die großen Verlierer unseres Bildungssystems. Sie postulieren zwischen den Leistungen der Jungen und der Mädchen einen unvermeidlichen Zusammenhang. In der Diskussion der internationalen Leistungsergebnisse
von Mädchen und Jungen kommt dies dort deutlich zum Ausdruck, wo der Erfolg der einen Gruppe jeweils auf den Misserfolg der anderen Gruppe zurückgeführt wird. Solche Zusammenhänge sind jedoch nicht neu. Lemmermöhle (1996) hat in den neunziger Jahren bereits darauf hingewiesen. Welcher Männlichkeitstyp und welche Art von Rollenmodellen sollen in der Schule für Jungen (und auch Mädchen) gewünscht werden? Diese Frage wird von keinem der Erklärungsmuster beantwortet. Würde sie eine bildungspolitisch diskutierte Angelegenheit, dann ist anzunehmen, dass Merkmale wie Individualität, Sensitivität und Responsivität, Leistungsfähigkeit, Flexibilität, Motivation oder Fleiß genannt würden. Dies sind in erster Linie Merkmale, die Wirtschaft und Industrie als ‚soft skills’ und Schlüsselkompetenzen von Schulabgängern fordern. Gleichzeitig können sie als Indikatoren zu Veränderungen in Ökonomie und Arbeitswelt gelesen werden. „Die Kultur des neuen Kapitalismus“ (Sennett 2005) bringt als soziologisches Ganzes mit sich, dass Arbeitsplatz, Sozialstaat und Gemeinschaftsleben als Bezugsrahmen einem immer rascheren Wandel unterworfen sind und von den Menschen andere Arbeit erfordert. Die Vergrößerung des Dienstleistungssektors geht mit einer verstärkten Betonung von Kommunikation, Teamarbeit und Partizipation einher und gewichtet daher traditionell weibliche Werte besonders stark. Wenn anstatt Muskelvermehrt Hirnkraft, anstatt Hand- vermehrt Kopfarbeit gefordert wird und aus Fabrikarbeit Serviceleistungen werden sollen, dann erwachsen Jungen, die gemäß Budde (2008) nach wie vor traditionell männliche Berufe wählen, vermehrt Nachteile. Die Frage nach der neuen Maskulinität könnte deshalb nur im Kontext vielfältiger sozialer Prozesse und gesellschaftlicher Anforderungen untersucht und diskutiert werden und nicht nur auf der quantitativen Basis von Leistungsergebnissen resp. der Überrepräsentanz weiblicher Lehrkräfte im Lehrerberuf. Wie lassen sich vor diesem Hintergrund die beiden eingangs gestellten Fragen beantworten und bilanzierend diskutieren? x
Die erste Frage untersuchte die Jungen- und Mädchentypik im Hinblick auf das Underachievement. Als erstes Hauptergebnis lässt sich festhalten, dass die gegenwärtige medial geführte Debatte fälschlicherweise von einer Dichotomie ‚früher die Mädchen – jetzt die Jungen’ ausgeht. Damit zementiert sie eine Gruppenhomogenität innerhalb der Geschlechter, blendet jedoch substanziellere Differenzen, die sich aufgrund von Ethnie oder sozialer Herkunft ergeben, aus. Die Literaturübersicht hat detailliert nachgezeichnet, dass es sich als falsch erweist, Mädchen und Jungen generell miteinander zu vergleichen. Underachievement ist nicht ein generelles Jungenproblem. In allen sozialen Schichten gibt es Jungen, die weniger leisten als Mädchen, aber auch Gruppen von Jungen mit überdurchschnittlichen Leistungen. Genauso gibt es Mädchengruppen, die Unterdurchschnittliches leisten. Letztlich sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht besonders groß und nicht konstant. Die Unterschiede innerhalb einer Jungen- und Mädchengruppe können sogar größer sein als zwischen den Geschlechtern. Bemerkenswert sind auch die Effekte der sozialen Herkunft und der Ethnizität. Die größten Underachiever sind Jungen aus sozio-ökonomisch benachteiligten Milieus und randständigen ethnischen Gruppen, die durchweg schlechter abschneiden als die Mädchen in ihrer Gruppe. Solche Befunde verweisen darauf, dass das Underachievement auf bestimmte Jungengruppen beschränkt ist und eine Stigmatisierung der Jungen 141
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insgesamt unstatthaft ist. Werden Jungen lediglich als einheitliche Gruppe dargestellt, dann wird unterschlagen, dass es privilegierende Elemente von Männlichkeit gibt, welche einige Jungengruppen gegenüber anderen und auch gegenüber Mädchengruppen bevorzugen. Die zweite Frage suchte nach relevanten Kontextfaktoren und der Rolle der Schule. Dabei ließ sich aufzeigen, dass die Diskussion um das Underachievement der Jungen milieuspezifische und jugendkulturelle Hintergründe ausblendet – gerade weil sie sich nahezu ausschließlich auf die Schule konzentriert. Möglicherweise ist dies einer der Gründe, weshalb die aktuelle Bildungsforschung kaum eine Differenzierung zwischen ungünstigen und günstigen Bildungsverläufen von Jungen und Mädchen innerhalb der einzelnen sozialen und kulturellen Milieus vornimmt. Damit trägt sie zur einseitigen und stark verkürzten Debatte um die Jungen als generelle Bildungsverlierer bei, weil sie die Genderdifferenzen übertreibt und gleichzeitig die substanzielleren Schulleistungsdifferenzen in Bezug auf Sozialklasse, ethnische Zugehörigkeit und jugendkulturelle Verankerung nicht berücksichtigt. Damit verschleiert sie auch, dass Geschlecht und Männlichkeit nicht als naturgegebene Fakten verstanden werden können, sondern als sozial konstruierte Tatsache. Es sind in erster Linie gesellschaftliche und kulturelle Strukturen und das alltägliche Doing Gender, welche jungenspezifische Verhaltensmuster und damit auch Underachiever-Verhalten beeinflussen.
Was bleibt? ‚Underachievement von Jungen an Schulen’ – eine Thematik, die unterschiedlicher nicht behandelt werden könnte: So stehen große und viel beachtete, jedoch fast durchgehend auf abstrakte Rhetorik beschränkte Mediendebatten einem Fachdiskurs gegenüber, der sich bislang zu wenig Gehör verschafft und noch wenig zur Klärung der komplexen und diversen Thematik beigetragen hat. Derartige Polaritäten machen deshalb eine wissenschaftliche Betrachtung besonders notwendig. Aus dem deutschsprachigen Raum liegen dazu wichtige Beiträge vor, wie sie beispielsweise in der Expertise von Budde (2008) zu den Bildungs(miss)erfolgen von Jungen, im Themenheft „Gender und Bildung“ in der Zeitschrift für Pädagogik (2006), Cornelißen (2004) oder Preuss-Lausitz (2005) aufscheinen. Zusammen mit den Fachbeiträgen aus dem angloamerikanischen Raum (vgl. Mac an Ghaill 2000; Epstein et al. 1998; Frank et al. 2003; Connolly 2005; Francis/Skelton 2005) befassen sie sich theoretisch fundiert und in kritischer Absicht mit Postulat der Jungenwende. Ihre Vorzüge liegen des Weiteren darin, dass sie die dominante Konstruktion von Geschlecht, Ethnie und soziale Schicht kritisch hinterfragen und damit alltagspsychologische Analysen über Jungen unterbrechen. Was bleibt? Welche Überlegungen müsste die Forschung aufnehmen, damit ihr nicht ein ähnliches Schicksal droht wie anderen medienvermarkteten Fragestellungen wie die Frühförderung, die Best-Practice-Schulen oder die Super-Lerntricks aus der Hirnforschung? Zwei analytische Differenzierungen sind es, welche als Perspektive einer forschungsleitenden Heuristik verstanden werden können. x 142
Die erste Perspektive rückt von der Mädchen- und der Jungentypik ab und lenkt den Diskurs auf die differenzierten Befunde innerhalb der Geschlechter. Ein solcher Per-
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spektivenwechsel hält zwar das Kontinuum an Differenzen aufrecht, nimmt jedoch insgesamt eine andere Forschungsperspektive ein, weil er auf die Koexistenz von Nachund Vorteilen sowohl für die Jungen als auch für die Mädchen fokussiert. Was genau das Underachievement bei einem Teil der Jungenpopulation ausmacht, bedarf einer gründlichen Forschung. Gleiches gilt für die Subgruppen der Mädchen, die wenig erfolgreich auf dem Weg in die berufliche Ausbildung sind oder vielversprechende berufliche Ausbildungswege abbrechen. Auch die zweite Perspektive verändert ihren Fokus. Das Underachievement von Jungen kann nicht auf die Schule beschränkt bleiben. Zu viele Faktoren deuten darauf hin, dass das Schulversagen von Jungen und Mädchen nicht nur einen schulischen, sondern auch einen milieuspezifischen und jugendkulturellen Hintergrund hat. Solche ausserschulischen Faktoren spielen in der Fachliteratur bislang jedoch eine marginale Rolle. Schulische, milieuspezifische und jugendkulturelle Einflüsse sind nicht für alle die gleichen. Lässt man jedoch solche unterschiedlichen Wirkungen auf Jungen und Mädchen unberücksichtigt, dann können die Antworten nur plakativer Art sein. Das männliche Geschlecht ist keine gute Erklärungsvariable für das Underachievement von Jungen.
Der spezifische Fokus auf die Mädchen ist am Verblassen. Möglicherweise ist für die feministische Forschung damit ein alarmierender Trend verbunden – möglicherweise aber auch eine positive Wirkung auf unser Verständnis von Geschlecht, Schule und Gesellschaft. Der entlastende Blick auf die Mädchen kann unsere Erkenntnis stärken, dass Geschlechterungleichheit weniger ein Defizit der Mädchen ist, sondern eines der Wahrnehmung, dass nicht das Geschlecht einen Hauptbeitrag zur Benachteiligung der Jungen liefert. Vielmehr sind es soziale, psychologische, ökonomische und kulturelle Faktoren, die bestimmen, welche Jungen bevorzugt und welche benachteiligt sind und deshalb mehr oder weniger von Underachievement betroffen sein können. Ein solcher Blick ist entlastend, denn er leistet einen Beitrag zur Relativierung des Underachievements von Jungen. Literatur Allemann-Ghionda, C. (2006): Klasse, Gender oder Ethnie? Zum Bildungserfolg von Schüler/innen mit Migrationshintergrund. Von der Defizitperspektive zur Ressourcenorientierung. In: Zeitschrift für Pädagogik, H. 3. S. 350-362. American Association of University Women (1992): How schools shortchange girls. Washington: American Association of University Women Educational Foundation. Arnot, M./David, M./Weiner, G. (1998): Closing the gender gap. Cambridge: Wiley. Baumert, J./Klieme, E./Neubrand, M./Prenzel, M./Schiefele, U./Schneider, W./Stanat, P./Till mann, J./Weiß, M. (Hrsg.) (2001): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich. Beerman, L./Heller, K.A./Menacher, L. (1991): Mathe – nichts für Mädchen? Begabung und Geschlecht am Beispiel von Mathematik, Naturwissenschaft und Technik. Bern: Huber. Benbow, C./Stanley, J. (1980): Sex differences in mathematical ability: Fact or artifact? In: Science, Vol. 210. P. 1262-1264. Benbow, C./Stanley, J. (1983): Sex differences in mathematical reasoning ability: More facts. In: Science, Vol. 222. P. 1029-1031. Biddulph, S. (1997): Manhood: An action plan for changing men’s lives. Sydney: Finch.
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Consuming Masculinities: Intersections of Gender and Peer Culture in Everyday School Practices Ann Phoenix, Rob Pattman, Rosaleen Croghan, Christine Griffin and Janine Hunter
Abstract „Konsumkultur und Männlichkeiten: Überschneidungen von Gender und PeerKulturen in alltäglichen Schulroutinen“ The contribution work out that consumption is symbolically central to the ways in which masculinities are constructed and performed. Based on a British interview study with pupils aged from 11 to 18, the authors show, that boys used consumption to differentiate themselves from girls and some groups of boys and to make claims to inclusion in normative masculinity. Both boys and girls were invested in constructing and maintaining gendered differences in consumption. Boys often worked hard to ensure that they constructed boys in opposition to how they constructed girls. The discussion of consumption frequently put boys into troubled subject positions that they had to negotiate in order to maintain the distinctions they were careful to establish between themselves and girls. Introduction It has become commonplace to recognise that consumption is central to the construction of identities since, particularly in ‘consumer cultures’, the things people consume are related to how they see themselves. Dittmar (2004: 209) suggests that ‘[T]his idea of people as identity-seekers is captured in the consumer slogan … ‘ „I shop, therefore I am” ‘. Since the 1980s, many theorists have argued that there has been a ‘masculinarization of consumption’ (Mort 1996), partly in response to a ‘crisis of masculinity’ produced as the jobs traditionally available to men have reduced within current employment markets (Kimmel and Tissier-Desbordes 1999). Not surprisingly then, consumption is symbolically central to the ways in which masculinities are constructed and performed and to masculine identity projects (Beynon 2002; Holt and Thompson 2004; Osgerby 2001). Various studies have found that consumption of items as diverse as meat, sport, fashion and sex are important to the ways in which masculinities are constructed (Buerkle 2009; Edwards 2006; McGinnis et al. 2003; Nixon 1996; Osgerby 2001). Consumption of sports, for example, is often performed in ways that reinforce gendered distinctions and establish authenticity as masculine (Fischer and Gainer 1994). The very ubiquity of consumption means that it is a site where masculinity can be negotiated, contested and/or resisted by all boys. Indeed, since hegemonic masculinity is unattainable for most boys and men (Connell 2009), consumption allows a mundane way for boys to negotiate their inclusion in normative masculinity. It is clear, however, that consumption is experienced and performed in multiple ways as it (re)produces normative masculinities (Gill et al. 2005). Consumption can thus produce tensions because, for boys, it 149
serves to establish claims to normative masculinity by excluding girls, women and other boys from authentic, normative or hegemonic masculinities (Edwards 1997; Miles 2002). This chapter considers how young people aged 12-18, interviewed in a study of consumption and identities (Croghan et al. 2006; 2008) talk about the ways in which boys use consumption to negotiate their positioning in normative masculinities. It thus focuses on young people’s everyday talk about the practices of consumption as an everyday resource for the negotiation of masculine identities. It first discusses young people’s accounts of boys’ consumption and then focuses on their narratives of the gendering of consumption and, hence, how boys’ consumption practices differ from those of girls. The chapter argues that boys were invested in constructing and maintaining gendered differences in consumption in ways that fit with Judith Butler’s (2004) notions of performativity and of claiming ‘livable lives’. The Study This chapter is informed by a study of the relationship between consumption and young people’s identities. The study investigated young consumers’ cultural practices, consumption identities and negotiations within their households for resources to be used for consumption1. It took an intersectional perspective that paid attention to consumption as sets of practices through which aspects of identity that cut across axes of class, gender, and sexuality are performed. Following de Certeau (1984), the study was based on the assumption that consumption is likely to provide an ever-changing repertoire of practices through which identity can be constructed and displayed. The study was conducted in 19 schools in Birmingham, Milton Keynes and Oxford, England. The areas in which the schools were located were chosen to highlight similarities and differences in the consumption practices of young people in different locations, and comprised a large 19th century conurbation, an older University city and a 20th century planned urban environment. Young people were recruited from schools in city centre, suburban, new town and semi-rural areas in order to investigate the potential impact of differential access to retail outlets on their relationship to consumption. All the Birmingham schools were upper schools, taking pupils aged 11 to 18, but in Oxford and Milton Keynes a three tier system operated, taking students from 9-13 in middle schools and those aged 14 to 18 in upper schools. Where this system operated 13 -14 year old students were the oldest in their ‘middle’ schools, and year 12s, that is 16-18 year olds attended the corresponding upper school. Most of the participating schools were mixed gender state schools, with a predominantly working class intake. Pseudonyms have been adopted for all schools. The study employed a range of research methods. First, questionnaires were completed by 1354 students in years 8 (12-13-year-olds) and 12 (16-18 year olds). These explored the meanings young people associated with products that they considered important to them and their reasons for buying the last three products they considered important to their sense of self. Second, 60 group discussions were held with young people in 15 of the schools, exploring the issues covered in the questionnaires in greater depth. Disposable cameras 1
ESRC grant number R0002392871 awarded to Christine Griffin and Ann Phoenix, with Rosaleen Croghan and Janine Hunter being the Research Fellows on the project. Rob Pattman assisted with analyses of accounts of gender practices in consumption.
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were offered to young people at the end of the interviews and 26 participants used the cameras to photograph objects that were particularly meaningful to them, as well as many friends and family members (Croghan et al. 2008). Third, 20 interviews with parents, and 16 with individual young people (their teenage children), were conducted to explore parents and children’s negotiations over household resources for young people’s consumption. The interviews covered the young people’s spending, earning and saving habits, and focused on the personal significance of commodities in their lives. They followed a semi-structured format, but were geared towards encouraging the young people to express themselves in ‘narrative’ terms – as freely as possible, elaborating on issues of importance to them. All interviews were tape recorded and fully transcribed and researchers wrote full field notes after each visit. The final element of the study consisted of eleven ethnographic case studies, mainly involving visits to local and city centre shopping centres with groups of young people (Hunter et al. 2005). „The analyses conducted for the study suggest that consumption is a key practice in the construction of identities for young people, especially as a means of negotiating relationships and social positions with their peers. It could be argued that the focus on consumption produced accounts which reiterated the researchers’ concerns. However, the way in which issues of style were discussed in the interviews suggests that consumption was also important to the participants. An enquiry about personal style or style groups within a focus group usually sparked a lengthy discussion, in which participants not only presented an account for the researcher’s benefit, but also hotly debated the authenticity of particular aspects of style display, the means of maintaining the ‘right’ style identity and how particular styles were viewed. This fits with the findings of other studies, where consumption frequently emerges as an important topic in young people’s talk, even when researchers do not ask questions directly on this issue” (Frosh et al. 2002).
The group interviews were coded thematically using a qualitative coding scheme devised from the researcher’s repeated readings of the interview transcripts in order to capture the participants’ meanings. The research team then applied the codes to a subset of the interviews and together agreed the nuances of coding before the two Research Fellows (Rosaleen Croghan/Janine Hunter) continued the coding of the data set with frequent discussions and joint coding to ensure consistency . Data were then analysed across codes and the connections between codes were examined. The thematic organisation of the analysis was built up from these connections across codes. Rob Pattman conducted further analyses on gender practices in discussion with Ann Phoenix. All the analyses paid attention to psychosocial processes. This chapter draws primarily on interview data taken from the group discussions in 15 schools in Birmingham, Oxford and Milton Keynes and are from groups of predominantly, but not exclusively, working class students. The young people’s access to economic resources within their households varied, with their levels of personal disposable income ranging from nothing, to more than 50 pounds per week. Gendering narratives of consumption Anderson (2004) suggests that teenagers are more likely than adults to ‘read’ identities from the brands on other people’s clothes and possessions. This may be due to differences 151
in their development, but is also likely to be that teenagers are growing up in a period in which brand-name goods have become more prominent than when their parents were growing up. While brands are recognized as semiotically important by most young people, there are gendered differences in how important brand names are considered to be. In the study reported here, boys and young men were more likely than young women to say that brands are important to them. Of the more than 1300 who completed a questionnaire on the last three items they had bought, 12-13-year-old boys were the most likely to say that they had bought items because of the brand name (66%). This compares with less than half of the 12-13-year old girls (45%). While fewer 16-18-year olds reported that brands had been important to them in their last three purchases, there was still a significant gender difference in that 45% of young men said this, compared with a third of young women (32%). This age/gender intersection may result because younger boys, at the start of secondary schooling, find themselves having to ‘jockey for position’ more often than older boys, who have often already established hierarchies of masculinity (Frosh et al. 2002). It is important to note that, regardless of gender and age, young people were more likely to identify quality as a reason for their choice of item (more than 80%) and that half of them (whatever their age and gender) said that their own style influenced their choice. Galilee (2002) used such findings to argue against the ‘masculinarization of consumption thesis’. For the 35 middle class former students he interviewed, fashion was not the prime motivating factor for clothes styles and value, for example, was said to be more important. However, the differences between what young women and young men reported in the study that informs this paper, indicate that consumption is of importance to masculinities. There were also gender differences in questionnaire answers to what were the last three items, of importance to them, that participants had bought. Boys and young men were much more likely to say that they had bought electronic games and, again, 12-13-year olds were more likely than older young men to say that they had bought such items. By way of contrast, girls and young women were more likely to say that they had bought clothing. These questionnaire answers were given substance in the group discussions and individual interviews. Boys consistently said that girls bought a great many things and always had to have new clothes, while girls consistently suggested that boys were poor shoppers. In the extract below from a single sex boys’ discussion group, the discussion starts with an explanation of why cycles of fashion consumption are short lived before moving on to a discussion of gender differences initiated by the interviewer. In the transcription conventions used in the extracts that follow, the full stop in brackets indicates a short pause, while a number in brackets times a pause in seconds and the equal signs indicate overlapping talk. John: Question: Charlie: Edward: Question: Edward: Question: William:
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When you see a few people wear (.) people you know are persuaded by it and then (.) people all our age get it then the next thing you know is it’s gone round so And then it’s no good is it? Then you have to start another one (.) and then (1) and then that goes fashion goes on for about a week and then another fashion will start (inaudible) (1) fashion just seems to go round (1) so quick so They don’t last long And is it the same for girls? (1) I mean= =I’d say girls are worst Worse? Yeah (1) they’d spend more money on stuff
John:
If they go to a party and that they have to go out and buy a new outfit just to go to one party (1) when they’re never going to go to another party like that or whatever they still have to wear an outfit for Question: Just to be – Tom: They go out on a Friday they go out on a Saturday and they buy an outfit for each day (.) every week Tony: And perfumes William: And perfume they need a bottle of perfume just to go out. It can’t smell like it did last week Question: They should smell different should they as well as look different? Edward: so (1) that boy might recognise it kind of thing one of you (.) so they (1) I reckon they would spend more money than us Tony: I think they’re probably influenced more by celebrities [some transcript omitted here] Where I would like (inaudible) (1) I’d say get a couple of different kinds of jeans maybe (1) and then I would have a (1) black pair of shoes to go with it (.) I would just have one pair of black shoes and polish ‘em up (.) but they but they’ll have about three or four) this one has got to match this trouser. These shoes have got to match this trouser and this top (.) it’s everything has got to match you’ve got to have a new outfit for everything. I’d say girls are a bit worse when it comes (.) to spending money. (Boys’ group interview 17 year olds).
In the extract above, the boys in the group interview together construct a canonical narrative of young women as trivial in their consumption practices because of their determination to have new ‘outfits’ and perfumes frequently and to have clothes that match. It is noteworthy that, while the six boys who speak agree on an account and construct it together, there are more pauses in the narrative that might be expected for the construction of a stereotyped canonical narrative. This may be because the interviewer’s question potentially puts the boys into what Margie Wetherell (1998) calls a ‘troubled subject position’ by asking them if what they have been saying about fast-changing fashions ‘is the same for girls’. Since the construction of masculinity requires differentiation from girls and femininity (Connell 2009), to answer ‘yes’, would be to risk constructing themselves as not normatively masculine. Yet, the account that they give and that is consistent with what other boys say, is that girls also have short cycles of consumption. The response, therefore, requires careful crafting in order to ensure that girls are clearly identified as different from boys and, further, are rendered other to boys’ more reasonable behaviour. In keeping with this, John’s narrative that ends the extract switches from the general talk that has characterized these few conversational turns to comparing himself (personally) with girls in general. The effect of this is to underline his difference from a stereotypical femininity and, hence, to enhance his claim to independence and normative masculinity. His many pauses are thus indicative of how he is negotiating his way out of the troubled subject position produced by the interviewer’s question. Psychosocially then, the above extract illustrates a carefully crafted defence against the threat of exclusion from normative masculinity that might result in a group situation if young men accepted that there are similarities between their practices and those of young women. The contrast that was sometimes drawn in the group discussion was between boys’ clothes as limited and utilitarian in contrast to girls’ clothes which were characterised as varied and constantly changing as fashions change. As has been found in other research, 153
boys were able to mobilize such constructions to present themselves in a positive light as emotionally strong and individualistic in comparison with girls (Wetherell/Edley, 1999). In the following extract from a mixed-gender interview with 12-13-year olds, a girl, Caroline provides a detailed account (naming her best friend) of the influence of others over what she wears, while Ian radically distinguishes himself from her account, indicating that he is so unconcerned about other people’s opinions of his appearance that he will wear things which he knows ‘look a mess’. Although he speaks in the first person, he presents himself as representative of boys in general, making it clear that he considers that the concern Caroline expresses about how others view her appearance is not shared by boys in general. Thus, when the interviewer asks, ‘Does everyone agree with that’ he says ‘No’, then ‘Not for boys’ in response to the follow-up invitation to give his view. Caroline: Sometimes yeah ‘cos I mean you wanna like fit into the crowds and in a sense depends what person it is if it’s like your close friend like if Claire said to me ‘oh you look a mess’ or ‘don’t wear that again’. Now if people as you get along with says something I wouldn’t care. Question: Does everyone agree with that? Ian: No. Question: What do you think? Ian: Not for boys (.) Like say if I look a mess really I’m gonna wear it tomorrow.
Ian’s claim to difference from girls serves the subsidiary function of protecting him from potential exclusion from hegemonic masculinity if a peer suggests that he is a ‘style failure’ (Croghan et al. 2006). Claims to hegemonic masculinity require not only differentiation from girls and women, but also from other boys and men who are not sufficiently masculine (Connell 2009). Since consumption is centrally about drawing distinctions from other groups (Miles 2000), it provides an important way in which boys in consumer cultures can construct themselves as normatively masculine, ally themselves with some groups of boys and distinguish themselves from others. From his research in US schools, Murray Milner (2004) suggests that the reason that young students are concerned with their status in the eyes of their peers is because they have relatively little economic and political power. They therefore create their own status systems that are different from those their parents and teachers promote. According to Milner, peer relationships and cultures become important because young people spend so much time together. Dress is an important (although not the only) means of gaining and maintaining status for young people and so of negotiating identity as an acceptable member of the peer group. There is, therefore, a general pressure on young people to conform to ‘rules’ about what they should wear. In addition, Milner suggests that, in order to maintain status, young people have to restrict the range of people with whom they are prepared to associate. They are concerned with how others think of them and, since youth styles are continually changing and individuals can easily fail to dress appropriately to fit into their style group, many young people expend a great deal of energy on ensuring that they wear the right clothes and listen to appropriate music. Those in high-status groups attempt to keep other people out in order to maintain their exclusive high status. Associating with ‘low-status’ peers reduces young people’s status. Consumption is, therefore, very much about the development and maintenance of identities, group relations and youth styles. 154
Since consumption has symbolic value and can be creative, the meanings of brands are never simply contained in the manufactured object itself, but are co-consttucted with the individual as well as with other people. This is what is meant by meanings being negotiated between advertising, the brand, the consumer and social networks over time (Higgins/Smith 2002) and in a global context (Lury 2004). At the same time, brands allow the achievement of consistency in a changing world since branded products sell themselves on the idea of consistent quality. In many countries, the most popular brands symbolize the same identities. From his survey analyses, Lagree (2002) suggests that affluent young people in any country are more like each other than like the poor in their own countries. Brands also allow the avoidance of products associated with identities that people wish to avoid (the ‘undesired self’ – Hogg/Banister 2001). For those young people who are determined to avoid commercialism, consuming branded goods would produce the ‘undesired self’. Mary Bucholtz (2008) suggests that, while branding is not inherently gendered, the styles that young people claim ‘are closely bound to gendered youth identities (like male hip hop fans). Thus branding is a flexible interactional resource for gendered and other kinds of identity work in the local context of American high schools’. This link between branding and gendered identity was commonplace in the consumption study reported here. Question: Is it important to have logo stuff? Many voices: Yeah James: Because if you haven’t got like names people will take the mickey even boxers and stuff they have got to be Calvin Klein Owen: Yeah because everyone will take the mickey otherwise James: Because like the expensive stuff for boys like the boxers you are supposed to buy Owen: About 100 quid James: They’re like a tenner a tenner a pair of boxers (Mixed sex group discussion with 12-13 year olds)
In the discussion group from which the extract comes, (but not presented here) the girls respond to these boys’ claims that brand names are crucially important by suggesting that it is less important for them. They thus highlight the gendered division that James made explicit when he mentioned boys and that was implicit from the start of the extract in the discussion that even boys’ underwear ‘boxers’ have to be branded if boys are not to be teased (have ‘the mickey’ taken). The participants to the group discussion thus ‘do gender’ in ways that are consistent with the responses from the large questionnaire study, which suggest that boys are more committed to brands than are girls This short extract is fast paced, with no pauses suggesting that, unlike the extract discussed earlier, it is a more wellworn narrative that is not defensive. The boys’ talk establishes that brand names are important to status in relation to masculinity and to being able to live a ‘livable life’ (Butler, 2004) as normatively masculine. It also highlights how economic resources are interlinked with normative masculinity. The cost of items is of central importance, even though Owen’s claim that the boxers cost £100 demonstrates that he could never have bought any himself. The notion of cost as crucial to non-shameful consumption is exemplified in the following extract that comes from a single-sex discussion group with 12-13-year old boys. Andrew: Coz, it’s not just a skateboard is it? You have got to have the right one
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Peter:
= The one which costs like (.) from (1) eighty to a hundred fifty pounds for a decent one Andrew: = And then when you are out on it, it’s like, oh dear. Peter: = Yeah, I’ve been accused of having a crappy skateboard.
The group of boys quoted above identify as members of the style group ‘Skaters’. A few girls and young women in the study did also identify as ‘Skaters’ but, unlike boys, they did not skate, but followed and watched the boys, who were the trendsetters for the style. A discussion of the costs of skateboards as items of consumption and display is thus implicitly gendered. In their mostly fast-paced and overlapping talk, the boys’ account indicates that items such as skateboards serve as markers of inclusion or exclusion and so cannot be cheap versions if boys are to construct themselves as included within normative masculinity. They underline the intersection of economic positioning and successful claims to authentic masculinity since ‘authentic’ labels were viewed as crucial to ‘authentic masculinity’. This is particularly the case since Skater style is expensive and cheap Skater consumption was constructed and policed as a sign of style error and failure (Croghan et al. 2006), which is implicitly simultaneously gendered failure. The distinction (in earlier extracts) between girls buying clothes more frequently than boys and yet that boys need to keep up with fast-changing trends, is reconciled in boys’ accounts by narratives that suggest that boys are more concerned with brand names and designer labels for clothing and trainers (which they reported more often as having bought in their last three items). Girls, on the other hand, were more likely to report that they bought clothes from clothing chains. For boys, brands were powerful markers of popularity, serving to differentiate them from other boys and, along with footballing and fighting prowess, came to signify hegemonic masculinity. This is presumably why boys were generally said to be interested in ‘designers’ even though not all boys wore them or could afford them and some wore ‘better’ designers than others. Boys who identified as Skaters, Goths and Grebos were critical of boys who wore and liked brand names and wore baggy clothes. Yet, they sometimes bought expensive and branded items that, particularly for Skaters, other insiders could recognize as expensive. In this study and in an earlier study of masculinities in 11-14-year-old boys (Frosh et al. 2002), hegemonic masculinity frequently intersected with economic positioning and social class and was racialised (with African Caribbean boys frequently being constructed as more hegemonic). Overall then, boys’ and girls’ accounts indicate that consumption is a gendered process that is central to inclusion within normative masculinity. The group discussions suggest that boys put time and effort into ensuring that they differentiate themselves from girls. An invitation to compare themselves with girls thus potentially puts them into troubled subject positions (Wetherell 1998) and means that they have to work hard to defuse the psychosocial threat that results in order to construct themselves as normatively masculine. Everyday, routine consumption is thus central to boys’ claim to ‘livable lives’ (Butler 2004) within their schools and provides one reason that most boys (as well as girls) pay close attention to brands and processes of inclusion and exclusion within consumption. The section below explores the ways in which boys and young men constructed their negotiation of shopping as a gender differentiated set of practices.
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Shopping as gendered consumption practices Discussions of shopping as consumption practices reproduced the gendered distinctions that boys implicitly and explicitly established about consumption in general. Shopping was often constructed by both boys and girls as an activity that interested girls, but not boys. In the accounts of some for 12-13-year old boys, this narrative was sustained by associating shopping with going into clothes shops and not with going into the games shops that boys go into. Question: Do you think in the things you spend money on do you think it is different for boys and girls? Kylie: Boys don’t buy so many clothes. Sharon: Yeah boys don’t usually go in um clothes shops they just buy erm games and things. Question: Yeah. Michael: We mostly just go and buy games and go down the arcade or something when we are in town. Sharon: Girls like going shopping (inaudible) like my brother every time he has money he goes and gets a play station game. He never spends it on anything else. Keith: Apart from food. (Group of 12-13-year old girls and boys)
In the above extract, both girls and boys joined together to construct a narrative that minimised boys’ engagement with shopping in comparison with girls. Sharon and Michael both used the word ‘just’ to refer to boys’ consumption practices: ‘they just buy games and things’, ‘We mostly just go and buy games.’ Sharon suggests that buying things is a rather limited activity for boys, asserting that her brother ‘every time he has money… goes and gets a play station game. He never spends it on anything else’. Both Michael and Sharon treat consumption of games in arcades as distinct from ‘shopping’ and, in doing so, maintain a gendered divide between buying clothes, which was associated by Kylie and Sharon with girls and contrasted with boys’ buying of games. A further distinction made in many interviews was that boys treat shopping instrumentally, whereas girls view it as an activity in itself. Keith’s mention of food is also important in that many of the young people spoke of spending on food as something that boys (but not girls) frequently did. In a mixed interview with 16-17-year-olds, the interviewer asked if girls’ greater interest in shopping required more money for their shopping needs. The boys disputed this and one elicited laughter by pointing out that he needed more food. Eating as a preoccupation of boys not girl, also emerged in a single-sex interview with young women, when discussion of how much more money boys spent on lunch compared with girls elicited laughter: ‘They [boys] eat more’ (laughter). In a mixed-gender interview with 16-18-year-olds, one of the boys linked boys’ interest in food with skating, saying: ‘And when you skate and stuff you get tired and you need more food and stuff.’ Skating or skateboarding was constructed as something that boys and not girls did, and, indeed as the focal interest of particular kinds of boys. None of the girls who were interviewed said they skated, (at least not on a regular basis) though some girls identified as skaters. Constructing skateboarding as a male pursuit and food as fuel for skateboarding served to position boys as more active and tougher than girls.
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Talk about shopping constructed boys and girls as essentially different from each other. Masculinity tended to be associated with an instrumental orientation to shopping and femininity with a focus on the pleasures of shopping itself. These differences were illustrated by girls and boys as distinctions between girls’ interest in shopping for clothes and make up and boys’ interest in buying games and food. While boys were constructed as having limited shopping interests and practices, they constructed themselves as shopping for things that were non-trivial in comparison with girls’ clothes and make up. Rather than describing boys as ‘just’ buying games, as the girls did in the extract from the group discussion above, they claimed that girls ‘just want the clothes and make up,’ and ‘just like get what they want, they get clothes.’ In addition, some boys constructed their own shopping as individual, free and spontaneous because it focused on a wide variety of goods, ‘I buy that and then I buy anything else that I have my eye on.’ Robert:
A lot of their money my mum and dad’s money goes into buying me stuff I ask for loads more than my sisters. They just like get what they want. They get clothes they want and that they that stops-- and if I am walking round the shops or something they pick what they want and they get that but I pick what I want and then I buy that and then I buy anything else that I have my eye on. I think boys want more than girls don’t they? Jason: Girls--girls they just want the clothes and make up and boys they want games and electronic things Question: It’s expensive Martin: You don’t want as much more as boys do you? Carol: Yeah. We want loads of things Martin: No you want the same amount but you want different stuff. So you want make up and clothes and we want electronics and games Robert: If I buy more it just makes me feel bigger as compared with my sisters. It just makes me want more like more expensive things it just make me feel better like if I have got more and they have just got what they want.
Robert’s assertion that ‘boys want more than girls,’ and that he asks for ‘loads more [pocket money] than my sisters’ led Martin to seek confirmation by asking: ‘You don’t want as much more as the boys do you’? Carol, the only girl who speaks in the extract above then protests that girls ‘want loads of things.’ By implication, Martin seems to be suggesting that wanting more is a sign of masculine gender superiority, so Carol’s assertion both denies that girls have limited desires for consumption and also resists Martin’s implied hierarchy. Martin seems to take on board Carol’s point, and shifts the grounds to construct the genders as equal, but different: ‘No you want the same amount but you want different stuff.’ Robert, however, resists the notion of gender equality in consumption and amplifies the theme of boys wanting and spending more than girls, adding that this makes him feel better and ‘bigger compared with my sisters.’ Some 12-13-year old boys, interviewed in a single sex group, were highly critical of the amount of time girls and women spend shopping. They were particularly disparaging about having to go shopping with their mothers and how boring they found this. Richard: All girls spend about two hours just looking at one dress Jack: I know yeah I know yeah... (Inaudible) Question: How long would it take you to buy something then?
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Richard: ...by the time you’d be like asleep in the changing rooms (Laughter and inaudible) Jack: No boys just go in and say oh that’s alright buy it and walk out Joe: When I go shopping with my mom it takes me ten hours just to get out the shop Question: Coz your mum likes...? Joe: No, with my mom everything has to be perfect Richard: I know when you go shopping with parents it’s like ‘ohh this is nice’. Jack: I know yeah you have to buy um. Richard: Yeah. Jack: And look come out with big bags like above your head (Laughter) Interviewer: Laughter Gordon: Walking round with about eight of em… Richard: Like she has to go into a girls’ shop and then you have to wait outside Jack: Well yeah no well I have to go in (laughs). Richard: You’ll be looking at all the bras Jack: No that’s you. You’ll be trying them on. (12-13-year old boys’ discussion group)
The above passage describes what boys see as the tribulations of shopping with their mothers, and shopping here (as in other examples above) is about buying clothes. Mothers were presented as if they were older versions of girls, and, in this sense, as the opposites of their sons. The boys construct instantly recognisable and canonical accounts of their boredom with their mothers’ shopping for clothes that are so fluent that they seem almost orchestrated. The discussion of shopping with their mothers thus allows them to differentiate themselves from their mothers and to bond together in presenting themselves as rational males, who are able to be jocularly patronizing, discussing their shopping experience in stereotypic ways that are culturally sanctioned for boys and men. Mothers were presented, however, not just as similar to girls, but as figures of authority. In the extract above, the boys constructed themselves as having no choice but to shop with their mothers. Richard, for example, said ‘you have to wait outside,’ implying that this was a common experience for boys. However, after initially appearing to corroborate this, Jack pointed out that this was not his experience (‘I have to go in’). His laughter after he says this appears to be negotiating masculine positioning in two ways. First, it indicates that he may go shopping with his mother, but not from choice and considers it trivial. It also, however, makes light of the compulsion that lack of choice indicates since being forced by a mother does not indicate a hegemonically masculine position. Laughter thus allows Jack to work his way out of a potentially ‘troubled subject position’ (Wetherell, 1998). His laughter at this point also opens up a space for other boys to joke about their common experience of shopping with their mothers. Richard and Jack, for example, tease each other about looking at bras and trying them on. This humour turned on constructions of bras as the ultimate signifiers of femininity and allowed boys to take an ironic distance from the prospect of wearing feminine clothes and so to present themselves as ‘proper’ males while both displaying and denying fascination with objects that also signify sexuality. The ways in which boys constructed shopping thus underlined gender differences. At the same time, it constructed masculinity as higher in status than femininity.
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Conclusions The discussion above indicates that boys used consumption to differentiate themselves from girls and some groups of boys and to make claims to inclusion in normative masculinity. Both boys and girls were invested in constructing and maintaining gendered differences in consumption in ways that fit with Judith Butler’s (2004) notions of performativity and of claiming ‘livable lives’. In group discussions, boys often worked hard to ensure that they constructed themselves, and boys in general, in opposition to how they constructed girls. In particular, they constructed girls as spending a lot of time, shopping (as did their mothers). In contrast, they exempted games shops from being categorised as shopping and so were able to construct themselves as not concerned with shopping. The discussion of consumption frequently put boys into troubled subject positions (Wetherell 1998) that they had to negotiate in order to maintain the distinctions they were careful to establish between themselves and girls. Boys’ accounts of gendered shopping practices were often well worn and allowed them to bond in producing canonical narratives of girls and women as spending hours shopping for clothes and boys as more purposive shoppers who, particularly for younger boys, concentrated on buying games and food. Accounts of shopping, as opposed to consumption more generally, did not seek to differentiate boys from each other. However, boys sometimes had to work hard in order to negotiate potentially troubled subject positions produced, for example, in accounts of shopping with their mothers. The avoidance of style failure and so exclusion from appropriate masculinity require the spending of significant amounts of money on branded items. The construction of masculinity through consumption thus necessarily intersects with the economic resources available to boys (as it does with racialisation and sexuality, see Frosh et al. 2002; Phoenix 2005). As such, consumption constituted a psychosocial resource for the construction of masculinities and was simultaneously coercive in boys’ everyday practices at school. References Anderson, N. (2004): Brands, identity and young people – Ongoing research’. In: Dittmar, H.: ‘Are we a nation of shoppers?’ In: The Psychologist, vol. 17, no. 4. P. 206-210. Beynon, J. (2002): Masculinities and culture. Buckingham: Open University Press. Bucholtz, M. (2008): Gender, consumption, and interaction among American youth. Journal. Look at: http://www.gencat.cat/llengua/noves. Buerkle, W. C. (2009): Metrosexuality can stuff it: Beef consumption as (heteromasculine) fortification. In: Text and Performance Quarterly, vol. 29, no. 1. P. 77 – 93. Butler, J. (2004): Undoing Gender. New York: Routledge. de Certeau, M. (1984): The Practice of Everyday Life, translated by Steven Rendall. University of California Press: Berkeley. Connell, R. (2009): Gender: Key concepts. Cambridge: Polity Press. Croghan, R./Griffin, C./Hunter, J./Phoenix, A. (2006): ‘Style Failure: Consumption, Identity and Social Exclusion’. In: Journal of Youth Studies, vol. 9, no. 4. P. 463-478. Croghan, R./Griffin, C./Hunter, J./Phoenix, A. (2008): ‘Young people’s constructions of self: notes on the use and analysis of the photo-elicitation method.’ In: International Journal of Social Research Methodology, vol. 11, no. 4. P. 345-356. Dittmar, H. (2004): ‘Are you what you have?’ In: The Psychologist, vol. 17, P. 206–209.
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Peer Culture, Masculinities and Schooling Mary Jane Kehily
Abstract „Peer-Kultur, Männlichkeit und Schule“ On the basis of empirical, school-based studies this paper explores the contours of young masculinities in peer groups within educational environments. The author explains the different elements that constitute masculinity. Apart from humour and competitive gameplaying, homophobia plays a key role in the development of masculinity. This concept of masculinity charged with these elements simultaneously presents itself as a tough yet fragile construction that has to be constantly reconstructed within the peer group. Introduction This paper reflects upon the position of young men in school. Largely based on empirical, school-based studies in the UK, the paper explores the contours of young masculinities as manifest in peer group affiliations within educational settings. Studies of youthful masculinity suggest that young men engage in hierarchically organised peer group cultures in which the demonstration of heterosexual masculinity is both a requirement and a resource (Willis 1977; Connell 1989; Mac/Ghaill 1994). A pre-requisite for understanding schoolbased peer group masculinities lies in the observation that schools are not egalitarian spaces. Despite the discourse of equality to be found in most school-based policies, schools are hierarchically structured. Struggles for power and privilege are an endemic feature of school life – for teachers and for students. Teacher hierarchies are commonly structured in terms of seniority with head-teachers at the top, followed by senior staff, classroom teachers and support staff. Ethnographic observations also point to the existence of several other symbolic hierarchies within the teaching body: hard subject teachers v. soft subject teachers; liberals v. authoritarians; career teachers v. committed practitioners. In some schools where you sit in the staffroom can be symbolically important in defining an identity as a teacher. Myths, survival stories and tales of resilience constitute teacher cultures and student cultures, though differently configured and serving different purposes. Among the student body, hierarchies take on power struggles among students themselves: boy v. girl; age based hierarchies; being popular or unpopular; conformist or rebel become significant in establishing and maintaining peer group hierarchies. Structural inequalities remain embedded in the school site and become interwoven into the feelings and practices of the institution, as documented by successive generations of school ethnographers (Willis 1977; Corrigan 1979; Mac an Ghaill 1994; Kehily 2002). Recognising the school as a site of structural inequality may suggest a top down approach to power in which students are always bottom of the pile. A Foucaultian perspective offers an alternative version of power-as-everywhere (Foucault 1976; 1977). Within this framework power can be seen as a dynamic that may be hierarchically structured but, within local practices, can be constantly reworked and renegotiated. Foucault in his later work remarked that people are ‘freer than they feel’ (Foucault 1988). Observing young men 163
in school it is possible to see this freedom being realised in everyday actions that reconfigure or turn the tables on existing power structures. In keeping with many other educationalist and feminist researchers, this paper works with the idea of gender as relational; masculinities and femininities being defined in relation to each other and forged in particular social contexts. The paper is divided into four sections which take a roughly chronological approach to the exploration of school-based masculinities. The first section considers the emergence of the masculine subject in empirical studies of schooling that emerged in the UK with the ‘new’ sociology of education of the 1960s – 70s. This work is marked by an in-depth focus on the everyday experience of school and the significance of informal student cultures. The deliciously detailed studies of this period documented the routines of school life and their function in young men’s lives. Section two draws upon ethnographic data to take a close look at the practices of masculine peer cultures, documenting and exploring the humour, competitive game-playing and camaraderie and homophobia that routinely feature in the lives of young men in school. These features of school life for young men can be shared by teachers and contribute to a dominant version of masculinities as hegemonic. The third section of the paper considers the experience of young men who do not conform to the hegemonic idea. Subordinate masculinities point to intra-gender tensions and also suggest the dominant versions of masculinity, despite all the assumed power, occupy a fragile status that is constantly in need of support. The final section of the paper considers the changing landscape of masculinities in late modernity. Widespread social and cultural change provides new templates for the reconfiguration of gender relations and sexuality. The potential for change is largely overlooked by young men in school who continue to invest conservative forms of masculine dominance which appear increasingly out-of-step with processes of globalisation and ‘new times’. A much posited response to young men’s role in the contemporary period is to suggest that masculinities are ‘in crisis’. The paper concludes by discussing the limitations of this idea, suggesting rather that psycho-social perspectives may offer a productive way of understanding the conservatism and the contradictions of school-based male peer group cultures. The emergence of the masculine subject in school Over thirty years ago Paul Willis (1977) spoke of the ‘caged resentment’ – students felt as a response to being subject to the authority of teachers. John Beynon (1969) captured the resentment of the student body in the term ‘symbolic violence’ – referring to the door slamming, under the breath insolence, infringements in the wearing of uniform and the subversion of other regulatory measures. Terms such as ‘symbolic violence’ and ‘caged resentment’ both capture the routine and everyday conflict between teachers and students produced through everyday school processes. Young men, in particular, appear attuned to the basic injustices of school experience that create a ‘them and us’ battleground between teachers and students. Inequalities emerging in school are commonly conveyed in three ways: 1.
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the affective domain, generating powerful feelings often translated into attitudes or action;
2. 3.
embodied experience; and social practices, routines that establish a culture, value systems, seemingly commonsense arrangements and ways of operating.
Conflict between teachers and students is not the only form of confrontation taking place in school. Intra-group conflicts between students remain a key feature of school experience. Unlike teacher-student interactions, student conflicts are not readily marked by clear battle-lines and open warfare. In this context interactions may be styled through a range of more subtle strategies and resources. The use of humour can be seen as a generative and pliable resource that is commonly drawn upon by students, particularly young men. At the risk of sounding tautological, it’s important to take humour seriously because it’s doing some serious work. Humour plays a part in consolidating male peer group cultures and is imbued with social significance, despite its seemingly non-serious intent. In everyday interactions among young men in school, humour plays a significant part in the ways they relate to each other and can be seen to serve a variety of purposes beyond the obvious sharing of a joke. Humour provides young men with a repertoire for conveying masculine identities. An obvious feature of this repertoire is the spirit of camaraderie that pervades everyday social contact between men. These exchanges are commonly punctuated by moments of humour, often expressed in an exchange of banter resembling verbal tennis. Such exchanges can be seen as an expression of friendship, signalling support for one another and commonality – the recognition of a shared world-view. Like other social practices, humour is context-specific and inevitably shaped by dynamics of social class, gender and ethnicity. In the field of masculinities, humour is most apparent in studies that focus upon adolescent males and young men. School-based researchers have long noted the importance of humour to young men. Peter Woods (1976) described laughter as an ‘antidote to schooling’, claiming that it provided students with a form of escapism and a coping strategy that mitigated against the boredom, drudgery and harsh realities of life within educational institutions. Willis’ (1977), enduring ethnography of working-class young men identified two groups of boys in school – the non-conformist ‘lads’ and the conformist ‘ear’ oles’. ‘Having a ‘laff’ was the most important feature of school life for the ‘lads’, giving them status and authority within their peer group: „the laff is a multi-faceted implement of extraordinary importance in the counter school culture… the ability to produce it is one of the defining characteristics of being one of the lads – ‘we can make them laff but they can’t make us laff’. But it is also used in many other contexts: to defeat boredom and fear, to overcome hardship and problems – as a way out of almost anything. In many respects the laff is the privileged instrument of the informal as the command is of the formal’” (Willis 1977: 29).
Willis argued that the counter-culture of resistance and humour developed by the ‘lads’ existed as a form of preparation for working-class jobs. The rough humour and horseplay of the lads was also a feature of shop-floor culture in the factories and manual trades that the lads moved into after school. From this perspective, having a ‘laff’ was instrumental and purposeful; a way of learning to labour that ensured an important point of class-cultural reproduction. A further study elaborating upon some of Willis’ themes (Dubberley 1993), suggests that students use humour to resist the dominant culture of the school through forms of parody and subversion. 165
In a study of schoolboy humour carried out with Anoop Nayak in the same region as Willis’ study, though twenty years later (Kehily/Nayak 1997), we argued that humour is not an outcome or effect of working-class masculinity, but, rather, is constitutive of these very identities. Our study suggested that heterosexual masculinities were organised and regulated through humour. We observed humour as a style drawn upon by young men to consolidate heterosexual masculinities through game-playing, story-telling and the practice of insults. We noted that although male peer group humour may contain moments of subversion (aimed at teachers, bourgeois values, compulsory education), it can also be seen as a compelling mode of sex-gender conformity. While humour remained a resistance to the authority of teachers and the school system, young men’s humorous performances had oppressive effects upon other students. Significantly, young women were targets for male humorous insults, while young men who did not conform to dominant heterosexual codes of masculinity were also subject to adverse consequences. The regulatory effects of humour among young men were most evident in relation to homosexuality. A rich vein of homophobic humour and accompanying gestures were used to enact a hyper-masculine identity that treated homosexuals as both fearful and laughable. Many features of homophobic humour were ritualistically rehearsed and performed, sometimes several times a day. We argued that these homophobic performances suggested the instability of gender categories wherein masculinity was asserted and could only be sustained through repeated struggle. Our study concluded that masculine identities were sustained through fraught exhibition, in which the highly dramatised performance is, in itself, evidence of the insecurity and splittings within the male psyche (Nayak/Kehily 1995). Competitive game-playing and camaraderie We found that one of the devices through which the current of masculinities could be transmitted was in the combative arena of ‘cussing matches’, locally known as ‘blowing competitions’. ‘Blowing competitions’ are hotly contested verbal duals that tended to occur usually between two male protagonists, in break periods, at the edges of the official school, away from the gaze of teachers. Based on the ‘dozens’, the black vernacular wordplay and rhyming games of urban America, these forms of ritualized abuse are a means of displaying a masculine dexterity with words to humiliate an opponent. A display of masculine power is inscribed in the number of insults thrown, some of which may be carefully rehearsed, elaborated or invented for the immediate context. A feature of this game-play is the deployment of family insults and sexist language frequently directed at an opponent’s mother. Comments we heard included, ‘Your mum’s been raped so many times she puts a padlock on her fanny [i.e. vagina]’ or ‘Your mum’s got so many holes in her knickers, you can play Connect Four’. As Lyman’s (1987) study of an American male fraternity demonstrates the ‘dozens’ perform a number of functions. In the all-male context, sexist banter operates to consolidate the bonds of an ‘in-group’ through the mutual hostility of an ‘out-group’. In these exchanges the ability to keep control of your emotions in the face of a barrage of abuse is a method of achieving group acceptance through the demonstration of a competent, socially validated masculinity. Whereas ‘cussing matches’ may perform a specific role in the context of British mixed Secondary Schools, it is also evident that the production of masculine power is a vital com166
ponent of these interactions. Here Mr. Carlton, a Craft, Design and Technology teacher in the school, reflects on the venom of these exchanges and their impact upon masculinity. „Mr. Carlton: We get things like, we use to have, ‘Your mum’s a dog’. What does that mean, y’know? [laughs]. ‘Your mum’s a sweaty armpit’. It is purely an insult and kids had competitions here called ‘blowing competitions’ to see who could give the worst insult, right. Now, we’ve managed to stamp it out, but my God, you should have heard some of the things that were said. And it was always about their mother right, because this is the one thing that everyone has in common. They all know their mother and that’s very personal. They know where they come from, very personal and it hurts. And you get all these brash kids who’ve been reduced to tears by some of the comments that have been thrown at them”.
As Mr. Carlton indicates, the ‘blowing competition’is a stage for the production and enactment of male peer group hierarchies. It involves the performance of masculinity through the ability to absorb ‘very personal’ comments with seeming indifference and to respond sharply by drawing upon an arsenal of insults for successful verbal jousting. The term ‘blowing competition’serves as a metaphor for the manner in which masculine status can be inflated or punctured in these routines. This entails an ability to reduce ‘brash kids’ to tears by rupturing an opponent’s ego whilst simultaneously asserting one’s own superior masculinity. As with fighting, ‘blowing competitions’have the effect of creating clear-cut masculine identities, crystallizing who is ‘hard’ or ‘soft’ through the public exposition of power and vulnerability. As Tolson (1977: 32) recognizes, these exchanges form a part of the ‘complex boyhood culture of mutual challenge’. They are also embedded within the institutional apparatus of schooling and shaped in the architecture and relationships between teachers and students. Although Mr. Carlton spoke of the institutional attempt to ‘stamp out’ these volatile exchanges it appeared that milder versions of the game could still have a place within the official culture of the school. Smithy: Shane: Smithy: Jason: Anoop: Jason: Clive: Jason:
Some teachers treat you like a mate, dayn’t ay? Like Carlton. Me and Carlton ‘ave cussing matches. And Mr Wilson _ _ _ . He [Mr Carlton] calls me mum a slag he does. Me and Carlton, we ‘ave a laugh man. He called your mum a slag? Aye. We ‘ave big arguments, mess about like. He’s a bugger. We take the mickey out of him.
A more subtle form of masculine display may then operate within the classroom when deployed by male teachers who seek to establish bonds with other male students through the strategic use of ‘wind-ups’. This shared male discourse enables certain teachers to elevate their masculine status in the classroom where they are occasionally seen as ‘mates’ and people who ‘ave a laugh’. This serves to distinguish them from women and other teachers who may be less competent at male banter. An example of this shared banter occurred during a conversation about an impending school trip to France and the sexual opportunities the excursion could afford to male staff and students alike. Jason remarked that this year Mr. Carlton would be attending, adding, ‘He thinks he’s gonna pull while he’s over there, 167
so I says, „I’m gonna tell your missus”. He says, „You can’t tell my missus nothing, she already knows!” ‘ This type of masculine camaraderie was something Mr. Carlton himself recognized as a feature of his teaching, a form of identity work that earned him respect from at least some male students. The ‘wind-up’ is also an established part of apprentice work-based cultures and connects with this particular teacher’s affective class history and biographical selfpresentation. He admitted, „I have in the past said something I totally disagreed with. I wind people up quite a lot and I’m pretty good at it. I can get people going and I upset them a bit. I bet most of the people you’ve spoken to who say they can relate to me are boys.”
The potential of humour to emphasise the power of dominant versions of masculinity has been explored in a number of studies. A striking feature of these studies is the overlap between the use of humour and verbal abuse leading to highly competitive forms of denigration as documented by Lyman’s (1987). A similar practice can be found in Labov’s (1972) study of black vernacular among young men in urban USA. Labov describes ‘sounding’ as a form of verbal duelling, involving the trading of ritualistic insults for prestige within the peer group. Those most skilled at employing sophisticated insults achieved higher status in the group. Significantly, most insults were based around the verbal abuse of an opponent’s mother. The invocation of a boy’s mother in the male peer group taps into the contradictory ‘private’ emotions of maternal affection and the public disavowal of the feminine. Despite the importance of humour to masculine identities, little attention has been paid to the humorous practices of subordinate males. Subordinate masculinities and the fragility of hegemonic masculinities In Willis’ (1977) study, it appears significant that we do not hear from the ‘ear’oles’. Rather, Willis focuses upon crafting an intimate and up-close encounter with the lads, whose exploits and preoccupations fuel the development of the study. The conformist boys in school who listen to teachers and submit to the authority of teachers and the ‘lads’ are not given a voice within the ethnography as a whole. We know little of how their social relationships work, or what activities they engage in inside or outside the classroom. The silencing of subordinate masculinities remains a recurrent feature of everyday school life that is reproduced in many ethnographic accounts. Commonly drawn to the spectacular and the most vocal, ethnographies of school life can be seen to breathe life into to the dominant forces that cohere to produce hegemonic masculinities (Connell 1995). Accounts of homosexual boys’ experiences of schooling may be difficult to glean through an ethnographic lens, suggesting that they occupy a marginal status akin to the ‘ear’oles’. The pain of being young and gay at school is often only discernable in reflective accounts when individuals look back on the process of growing up with a sense of difference from other boys. The ‘coming out’ story can become a vehicle for articulating school-based experiences of homophobia alongside a burgeoning awareness of homosexual identity. In Telling Sexual Stories, Ken Plummer (1995) reminds us that while same sex attraction may be universal across time and space, the homosexual is a modern Western concept invented by a Belgian doctor, c.1867. Prior to Stonewall and the Gay Liberation movement 168
of the mid-twentieth century, homosexuality was criminalised, forced into clandestine spaces and subterranean existence, so the story goes. A changing social climate makes the ‘coming out’ story tellable to an audience that is ready to hear it. In the new sexual climate, homosexual culture can come out of the closet and individuals can tell their personal story of being gay. Coming out heralds the ‘end of a long silence’ of guilt, shame and resistance and the emergence of a gay identity that can be, for the first time, out and proud. ‘Coming out was the critical life experience of lesbians and gays during the 1970s and 1980s’ writes Plummer (1995: 57), that served both as a way of organising politically and a personal narrative of self. Coming out stories can be viewed as a specific genre of story-telling that obeys certain conventions within a specific temporal sequence. The story begins in childhood. The gay adult recalls that he/she was different and had trouble fitting in. Childhood was an unhappy time accompanied by feelings of guilt and shame not to mention the hurt of homophobic abuse and alienation. Later, usually in early adulthood, there is a realisation that other gay people also exist. The ‘finding’ of a community marks the emergence of a more confident self that prioritises sexual identity. Plummer cites many examples of coming out stories from a range of sources, marked by familiar leitmotifs of isolation, resolution and beautifully remembered detailed: „I was fascinated by the pictures of nude male torsos. There was something about smooth, headless torsos, the irisless eyes of ephebes that made me stop flipping through pages and touch the papers where these things were depicted. By the time I was twelve I understood that my fascination was rooted in my sexual nature. One day walking to school, clutching my books to my chest, girl-style, I heard myself say, ‘I’m a queer’” (Michael Nava, cited in Plummer: 85).
In contemporary schooling relations homophobia appears to have retained its status as central to the structuring of normative masculinities in school. Masculine hierarchies continue to invoke the constant display and performance of a pumped up masculinity, reliant on humour, competitive game-playing and homophobia. Male peer groups provide a performative space for the negotiation of masculine hierarchies. However, they also demonstrate the fragility of masculinities, having to be constantly re-enacted and re-established but never entirely stabilised or fully assured. Male peer group cultures in school are generally marked by the conservatism of traditional gender relations despite widespread social change effecting sexuality; gender relations and schooling. In musing on why student cultures remain so conservative, my research in this field (Kehily 2002) points to the significance of building and sustaining a masculine identity in the face of the emasculating experience of unemployment. Deindustrialisation and processes of globalisation have signalled widespread social change in the landscape of working class lives. In the absence of factories and manufacturing industries young men in school are no longer learning to labour in the reproductive mode of class relations that Willis espoused. Yet the school based practices of young men remain relatively unchanged. For young men in school, humour, game-playing and homophobia endure as important strategies for the exercise of autonomy and agency within the confined space of the school. Within the disempowering environment of joblessness, education imperatives and external control, male peer group cultures become imbued with significance as adult-free and education-free zones where young men can negotiate what is acceptable and desirable on their own terms. The collective activities of young men exist in tension with the individualising culture of contemporary education practice. The regulatory and circumscribed behaviour of young men asserts the power of the collective over indi169
viduals and individualising processes while simultaneously challenging adult conceptualisations of sexuality as the preserve of adulthood. Male peer group cultures signal a protest against egalitarian structures and middle class sensibilities, self consciously challenging equal opportunity practices and the ideal of liberal tolerance and sexual diversity. But can the conservatism of male peer group cultures be sustained in the face of widespread social change? The changing landscape of masculinities Processes of globalisation characterised by the shrinking of time and space, and the compression of world relations into a single market form the economic back-drop to young people’s lives. The ideal of global citizenship promised by high capitalism conjures up a planet of possibilities for young people as they work, play and learn across multiple social sites. Global citizenship however, is unlikely to be available to all. Whereas the industrial period privileged working-class masculinity as constitutive of a labour aristocracy that made capitalism work, the post industrial era suggests that masculinity is ‘in crisis.’ Cinematic explorations of masculine themes such as Falling Down and Fight Club depict the erosion of male privilege and desperate attempts of individual men to realise a coherent masculine identity in ‘new times’. Young men in school may also be represented as the recently dispossessed, pale shadows haunting a late modern landscape that no longer holds a place for them as workers or ‘breadwinners’. The most common expression of this way of looking can be found in the ‘failing boys’ discourse of contemporary educational practice (Epstein at al. 1998). Within this discourse it is assumed that young men are losing confidence: disenfranchised, de-motivated and underachieving. Media discourses and popular sources suggest that there is growing evidence to support the idea of masculinities in crisis, reflected through a range of social indices: young men’s performance in literacy, public examinations and higher education; increasing suicide rates, drug use and ill-health (Nayak/Kehily 2008). Alongside the ‘going down’ narrative is a parallel story of girls unprecedented success in school and the job market as the ideal neo-liberal subjects who, unlike their male counterparts, are prepared to be flexible, mobile and motivated (Aapolo et al. 2005). There are, of course, limits to the notion of ‘masculinities in crisis.’ An obvious difficulty lies in the homogenisation of young men as all subject to processes of decline and displacement in the same way. Under closer scrutiny, intra-gender distinctions are clearly discernable. In the UK boys’ underachievement appears to disproportionately affect working-class and ethnic minority young men whose access to good quality state education may be limited. There is little evidence to suggest that middle-class boys are the fall-guys of feminisation and ‘new times’. Secondly, it is important to make a distinction between the sexed body of young men and masculinities (Nayak/Kehily 2008). Following poststructuralist insights, it is possible to suggest that masculinity does not exist in ‘object’ form. Rather, masculinity can be generatively understood as an empty sign, a social construct with no tangible essence beyond the enactment of gender (Butler 1990). Finally, does social change necessarily spell ‘crisis’ for young men? It could be argued that the fragmentation of old-style masculine hegemonies prepare the way for more equitable gender relations in which roles and responsibilities can be negotiated between men and women in intimate relationships (Beck/Beck-Gernsheim 1995; 170
Giddens 1992). The possibilities for a more progressive styling of gender relations in late modernity characterised by the ‘pure relationship’ and new practices of intimacy have had apparently little impact upon school-based peer group cultures. In ethnographic observations the sexual cultures of young men in school appear curiously retrogressive in the light of big changes in the ways in which sexuality is represented and lived in urban spaces. Within the boundaries of many secondary schools in the UK ‘gay’ has become a more widespread and prevalent term of abuse used to describe anything that is uncool and not of the moment. No longer reserved for boys who do not fit in, school students can brand candles and pastel colours as ‘gay’ one week and primary colours and stripes as ‘the new gay’ the next week. While this may relieve some of the anxieties of subordinate males in school, the seemingly arbitrary and regulatory power of term still resides with the old style structures and meanings associated with homophobia. Within mainstream culture, however, gay appears to have emerged from the margins as an identity and a life-style that conveys flair, taste and ‘cool’. Gay pubs and clubs can be found at the epi-centre of city nightlife, patronised by gays and straights in search of a fun-filled night out, unfettered by inhibitions and the constraints of straight spaces (Bell/Jayne 2004). Sexual diversity within this context can be celebrated rather than struggled over. Brian McNair (2002) expands upon this observation by adding that despite the intimate nature of sexuality, struggles for the expression of sexual diversity have taken place in public and are increasingly part of the public domain. The coming out story no longer holds the same cache in the media saturated world of celebrity culture, reality TV and soaps where queer is commonplace, existing alongside many other forms of sexual expression. The personal makeover programme Queer Eye for the Straight Guy, for example, moves beyond the cliché of coming out to suggest that queer culture embodies an aesthetic that straight guys can learn from – an exemplar of how to dress, how to live and how to date (men or women). McNair’s analysis suggests that the post war period in the West has been characterised by the commodification of desire, witnessed in the increased sexualisation of culture across a range of local and global media. Central to McNair’s argument is the role of the media and particularly new media technologies. McNair suggests that new media technologies have aided the growth of a more commercialised, less regulated and more pluralistic sexual culture, promoting, in his terms ‘a democratisation of desire’ (2002: 11). For McNair, the ‘democratisation of desire’ describes the present period in which there is popular and widespread access to diverse forms of sexual expression, the availability of pornography through the internet for example, and simultaneously there are more ways of being a sexual subject within Western cultures. As an illustration of his argument, McNair documents and discusses the ways in which pornography and homosexuality no longer have subterranean or subordinate status; they now exist as part of mainstream media culture. Gay bars and clubs flourish in city centre night spots to be enjoyed by a gay and straight clientele while ‘porno chic’, as McNair terms it, is ubiquitous in popular culture. Viewed in the light of changes in popular culture and urban living, the regular and repeated game-playing and homophobic rituals of young men in school appear as matter-outof-place, behaviour that transgresses the boundaries of liberal tolerance and acceptability in the world beyond the institution. While all young men may not necessarily be in crisis, the lads of late modernity enact an obsolescent masculinity that, in metaphoric terms, leaves a rusty trail as the residual reminder of an industrial era they have prepared for but never inhabited. How can the enduring practices of young men in school be understood and theo171
rised? Redman (2005) argues for a stronger engagement with psycho-social perspectives in educational research, particularly in studies of masculinities and schooling. Outlining the psycho-social traditions likely to have purchase in educational settings, Redman suggests that recognition of a ‘psychic reality’ that has consequences for ways of being in the external world offers a productive starting point for an exploration of contemporary masculinities. Through viewing the unconscious and the social as mutually constituted and constantly in an encounter with one another it is possible to capture the generative potential of psycho-social perspectives that blur the boundaries between categories such as ‘individual’ and ‘society’. Rather, it is possible, following Frosh (2003), to regard conventionally distinguished entities as ‘thought of together, as intimately connected or possibly even the same thing’ (Frosh 2003: 1547). Productively applied to the practices of young men in school, it is possible to view their seemingly retrogressive activities as expressions of unconscious fantasy that bespeak inner anxieties as Redman explains: „From a psychoanalytic point of view, the prevalence within school-based cultures of masculinity of homophobia, misogyny, racism, physical violence and the disparagement of that which is perceived to be ‘effeminate’, suggest profound levels of unconscious anxiety and confusion and, in consequence, a desperate attempt to split off and locate within others that which feels too painful to tolerate” (Redman 2005: 535).
A recognition of these dynamics has, as Redman points out, important implications for pedagogic practice as the disciplinary measures open to staff and mobilised by school processes are unlikely to prove effective in addressing the depth of feeling generated by defensive states. Concluding comments This paper has explored and documented many of the key features that characterise male peer group cultures in schools in the UK. The activities of young men in schools provide a rich insight into the construction of masculinities in educational settings and the power relations involved in the constant re-drawing of the boundaries that constitute and define masculine identity. The paper begins with the observation that schools are not egalitarian spaces. Within the context of inequitable power relations, male peer group hierarchies can be seen as a response to the authority of teachers and regulatory school processes and simultaneously an attempt to redefine power within the terms of peer generated heterosexual masculinities. The paper discusses the emergence of the masculine subject in school through early ethnographic studies that provided powerful illustrations of masculinity at work that was, in itself, a preparation for work. Humour, competitive game-playing and homophobia shaped the contours of school-based masculinities and were creatively drawn upon by young men as a resource for establishing peer group hierarchies and intra-gender difference. Despite widespread social change in the labour market, gender relations and popular culture, school-based male peer group cultures have remained conservative and resistant to change. The retrogressive styling of contemporary school-based masculinities can be seen as a response to the erosion of male privilege in late modernity, however, the prevailing ‘failing boys’ discourse may not be helpful in developing an understanding masculinities in this context. The paper concludes that young masculinities could be further 172
explored through the lens of psycho-social perspectives that generatively point to the intertwined relationship between the inner landscape of feelings and investments and the lived experience of social relationships and being in the world. References Aapolo, S./Gonnick, M./Harris, A. (2005): Young Femininity, girlhood, power and social change. Basingstoke: Palgrave. Beck, U./Beck-Gernsheim, E. (1995): The Normal Chaos of Love. Cambridge: Polity Press. Bell, D./Jayne, M. (2004) City of Quarters: Urban Villages in the Contemporary City. Aldershot: Ashgate. Beynon, J. (1969): ‘A school for men’: an ethnographic case study of routine violence in schooling. In: Walker, S./Barton, L. (eds.): Politics and the Process of Schooling. Milton Keynes: Open University Press. P. 191-217. Butler, J. (1990): Gender Trouble, feminism and the subversion of identity. London: Routledge. Connell, R. (1995): Masculinities. London: Routledge. Corrigan, P. (1979): Schooling the Smash Street Kids. London: Macmilllan. Dubberley, W. S. (1993): Humour as resistance. In Woods, P./Hammersley, M. (eds.): Gender and Ethnicity in Schools: ethnographic accounts. London: Routledge. Epstein, D./Elwood, J./Hey, V./Maw, J. (eds.) Failing Boys? Issues in gender and achievement. Buckingham: Open University Press. Foucault, M. (1976): The History of Sexuality, vol 1. Harmondsworth: Penguin. Foucault, M. (1977): Discipline and Punish, the birth of the prison. Harmondsworth: Penguin. Foucault, M. (1988): Technologies of the self. In: Martin, L./Gutman, H./Hutton, P. H. (eds.): Technologies of the Self: a seminar with Michel Foucault. London: Tavistock. Frosh, S. (2003): Psychosocial studies and psychology: is a critical approach emerging? In: Human Relations, vol. 56, no. 12. P. 1545-1567. Giddens, A. (1992): The Transformation of Intimacy, sexuality, love and eroticism in modern societies. Cambridge: Polity Press. Kehily, M. J. (2002): Sexuality, Gender and Schooling, shifting agendas in social learning. London: Routledge. Kehily, M. J./Nayak, A. (1997): ‘Lads and laughter’: humour and the production of heterosexual hierarchies. In: Gender and Education, vol. 9, no. 1. P. 69-87. Labov, W. (1972): Language in the Inner City: studies in black English vernacular. Pennsylvania PA: University of Pennsylvania Press. Lyman, P. (1987): The fraternal bond as a joking relationship: a case study of sexist jokes in male group bonding. In: Kimmel, M. (ed.): Changing Men. London: Sage. Mac an Ghaill (1994): The Making of Men, masculinities, sexualities and schooling. Buckingham: Open University Press. McNair, B. (2002): Striptease Culture, sex, media and the democracy of desire. London: Routledge. Nayak, A. /Kehily, M. J. (1995): Playing it straight, masculinities, homophobia and schooling. In: Journal of Gender Studies, vol. 5, no. 2. P. 211-230. Nayak, A./Kehily, M. J. (2008): Gender, Youth and Culture, young masculinities and femininities. Basingstoke: Palgrave. Plummer, K. (1995): Telling Sexual Stories, power, change and social worlds. London: Routledge. Redman, P. (2005): Who cares about the psycho-social? Masculinities, schooling and the unconscious, In: Gender and Education, vol. 17, no. 5. P. 531-538. Tolson, A. (1977): The Limits of Masculinity. Suffolk: Tavistock Publications. Willis, P. (1977): Leaning to Labour, how working-class kids get working-class jobs. Farnborough: Saxon House.
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Struggling towards Manhood: Narratives of Homophobia and Fathering Stephen Frosh, Ann Phoenix and Rob Pattman
Abstract „Der schwere Weg zur Männlichkeit: Erzählungen über Homophobie und Vaterschaft“ From the perspective of psychotherapists involved in working with young men, it is particularly interesting to consider ways in which boys may construct versions of their masculinities through an amalgam of social and personal discourses. Amongst the issues relating to young masculinities to arise systematically in research studies and in psychotherapeutic work, two are of particular interest for emerging understanding of the emotional consequences of new structures of masculine identities. These are the relationships boys have with their fathers, and the impact of social discourses on homosexuality. Introduction Amongst the many elements in the construction of a ‘moral panic’ around masculinity, the behaviour of teenage boys is particularly resonant. Media and government, teachers and police, focus on boys mainly as potential threats in a range of areas from delinquency to sexual abuse perpetration (Farrington 1995; Vizard et al 1995; Emerson/Frosh 2001), with their apparent underachievement at school and the escalation of street crime being current examples of ‘control’ problems. Many researchers in the area of gender and identity have also drawn attention to an apparent ‘crisis’ in contemporary forms of masculinity, marked by uncertainties over social role and identity, sexuality, work and personal relationships, and often manifested in violence or abusive behaviours towards self and others (Frosh 1994; 2000; Jukes 1993). This both reflects and contributes to the production of a parallel developmental ‘crisis’ for boys, engaged in the process of identity construction in a context in which there are few clear models and in which images of masculinity are complex and confused. More generally, changes in employment and in normative gender relations mean that boys and young men are required to forge new, more flexible masculine identities. Developing an understanding of the ways in which they manage this task is made especially complex by the fact that masculinities are racialised and expressed through social class positions (Back 1994; Edley/Wetherell 1995; Pattman et al. 1998; Frosh et al. 2002). In response to concerns over this supposed crisis in masculinity, various researchers have addressed questions relevant to the understanding of how boys and men are dealing with social changes. Many assume the existence of a general problem with masculinities and have suggested a variety of (sometimes contradictory) explanations, including the absence of adult male role models in the classroom (Pollack 1998), boys’ problematic behavioural styles (Jackson 1998; Salmon 1998) and the impact of feminism (Kryger 1998). In particular, Connell’s (1987) notion of ‘hegemonic’ masculinity has been drawn on to sug175
gest that the construction of young masculinities takes place within a discursive context in which adherence to rules such as those defining traditional ‘macho’ culture (hardness, resistance to authority, physicality and more recently stylishness) is more-or-less compulsory for those who do not wish to be defined as feminine or ‘gay’ (Connell 1995; Phoenix/Frosh 2001). Hegemonic masculinity is especially powerful in being inflected with issues of class and ‘race’, so that, for example, in Britain the images attached to African-Caribbean boys reflect different, more hegemonic modes of ‘masculinity’ than those attached to their South Asian peers (Frosh et al. 2002). While the literature is agreed on the importance of hegemonic masculinity to boys’ cultures and the construction of their identities, much less is known about how boys negotiate the constraints it imposes, and the freedoms it allows, in their everyday life. It is clear, however, that many boys are worried that they cannot attain hegemonic masculinity and have to find ways of demonstrating that they are sufficiently masculine (Frosh et al. 2002). Jackson (2002) calls the ‘laddishness’ that boys display in this context a ‘self-worth protection strategy’. How then do boys negotiate the emotionally charged contradictions that are part of current ways of ‘doing boy’ within the context of their everyday lived experience? Potentially, psychoanalysis has much to contribute to this area. Psychoanalytic approaches to teenage boys have in recent years drawn on some of the contemporary research to move away from relatively fixed notions of normative identity construction or resurgence of Oedipal impulses. Instead, there is more recognition of the ‘open systems’ nature of adolescent experience, with consideration of the psychopolitical realities of growing up in postmodern globalised societies, subjected to rapid technological change, collapse of traditional categories of work, and fluid identity positions (Briggs 2002). This work challenges assumptions concerning the necessary outcomes of particular family configurations, and also the implied teleology of developmental norms. That is, psychoanalytic theorising and its related psychotherapeutic practice have become noticeably more sensitive to the social context of adolescent development and in particular to the complex ways in which young people construct their identities under the sway of powerful societal discourses. In particular, more subtle analyses of the impact of fathers on sons have become available, as part of a general increase of interest in fathering (Davids 2002). However, there is still remarkably little work that describes the experience boys and young men have as they grapple with the governing hegemonic modes of masculinity, and lays it out in such a way as to be helpful for psychotherapists faced with these sometimes ‘normative’, yet often exquisitely painful, struggles. This paper is an attempt to make a contribution in this area, showing how these ‘struggles’ occur and the kind of impact they can make on young men’s emerging identity positions. The trend towards greater social awareness in psychoanalytic theorising on adolescence, coupled with more openness amongst social psychologists to investigations of ‘meaning’ (for example, through discourse and narrative analysis – Emerson/Frosh 2004) and to the potential of psychoanalysis as a conceptual and methodological tool (Kvale 2003; Wetherell 2003; Frosh et al. 2003), make it ever easier to envisage collaboratively ‘binocular’ accounts in which the concepts and procedures of both traditions might be brought to bear on psychological material. The ‘new’ social psychology, with its roots in social constructionism, Foucauldian critique and methodologically scrupulous qualitative research (Potter/Wetherell 1987; Henriques et al. 1998), offers a grounded way in which to 176
articulate the psychosocial bases around which personal and social accounts of experiences and beliefs are constructed. This has led, for example, to persuasive discursive psychological demonstrations of how people deploy linguistic resources to achieve rhetorical aims (Edwards/Potter 1992) and discourse analytic accounts of how subjects are positioned by powerful, cultural interpretive repertoires (Edley/Wetherell 1995). The possible contribution from psychoanalysis derives from the sophistication of its ideas about emotional investment and fantasy, which can offer a ‘thickening’ or enrichment of interpretive understanding brought to bear on personal narratives, especially those arising out of interview situations. In particular, because of its concern with the ‘split’ subject (Frosh 1999), psychoanalysis might supply a framework and methodology through which subject positions can be explored without necessarily having recourse to assumptions concerning the stability of selfhood or the separate sphere of the ‘personal’. Instead, the investment subjects have in certain discursive positions can be seen to intertwine with the constructive power of discourses to produce the kinds of fluid and complex texts characteristic of in-depth narrative research. Put crudely, psychoanalytic interpretive strategies may be able to throw light on the psychological processes, or perhaps the conscious and unconscious ‘reasons’, behind a specific individual’s investment in any rhetorical or discursive position. This may offer a more complete (because more individualised as well as emotion-inflected) interpretive redescription of interview material with helpful links to clinical perceptions and practices. A caveat here is that, whilst discursive social psychology has grown up around the interpretation of texts, psychoanalysis is reliant on the possibilities inherent in the clinical situation to test the potential of its interpretations (for example, by reference to the response of the analysand), possibilities absent when what is being analysed is ‘dead’ transcript material (Frosh/Emerson 2005). Amongst the specific issues relating to young masculinities to arise systematically in studies and in psychotherapeutic work, two are of particular interest for emerging understanding of the emotional consequences of current ways of ‘doing’ masculinity and associated identities. These are the relationships boys have with their fathers, and the impact of social discourses on homosexuality. On the former, a considerable amount of work has shown that fathers’ engagement with their sons has a significant impact on educational achievement and social development; while on the latter it is clear that many aspects of boys’ behaviour are driven by the felt need to avoid the opprobrium of being labelled as ‘gay’ – which in many respects is tantamount to being seen as ‘girl’, with one’s masculinity denied (Lewis/Lamb 2003; Phoenix et al. 2003). From the perspective of psychotherapists, what is particularly interesting here is to consider ways in which teenage boys may construct versions of their masculinities through the amalgam of cross-cutting social and personal discourses –perhaps understood broadly as ‘messages derived from experience’- in the light of these especially important issues. That is, in addition to documenting the correlations between certain experiences and outcomes (father-loss with delinquency), or the power of specific social attitudes to affect development (the impact of homophobia on mental health outcomes), exploring the processes whereby these issues are negotiated may be of practical use for therapists and others engaged in work with adolescent boys. The nature of psychotherapeutic work means that the focus is on relatively detailed examination of individual ‘cases’ rather than on the broader statistical connections between variables. This makes qualitative research studies of especial use, because of their capacity to explore ways in which meanings are generated by individual actors, and in particular to detail possible responses to significant events. In the work from which the material de177
scribed later in this paper derives, we interviewed 11-14 year old boys from across twelve London schools on various aspects of their lives (relationships with peers and parents, ethnic identifications, relationships with girls, etc) and were able to present detailed and variegated accounts of what it meant to be a young teenager growing up in London in the late 1990s (Frosh et al. 2002). Here, however, in line with the psychotherapeutic focus on ‘depth’, we want to take only one boy whose interview material reveals a number of problematic encounters around both the discourse on being ‘gay’ and on fathers, and explore what this might have to say about the contemporary conditions governing young masculinities as they may be enacted in psychotherapeutic contexts. In summary, this paper aims to contribute to understanding of how boys draw on their life experiences to construct themselves as masculine in relation to their fathers and to homophobic discourses. The Study The boy described below participated in an interview-based study of 11-14 year old boys in London schools carried out in the late 1990s. The twelve schools in the study comprised four in the private (‘independent’) and eight in the state education sector, four of which were boys’ schools and eight co-educational. We conducted 45 group interviews on the topic of ‘growing up as a man’ with groups usually of 4-6 young people (and a range from 4-8). Thirty of these group interviews were with boys in single sex groups and nine interviews were with mixed groups of boys and girls. Seventy-eight volunteers from the boys who had taken part in the groups were selected for individual interviews. The design of the study was for a follow-up to the individual interview approximately two weeks after the first interview and 71 boys were given a second interview. (In seven cases, boys were either away from school when we returned or suspended.) The individual interviews were ‘interviewee centred’ with the interviewer taking a facilitative role, picking up on issues the boys raised and encouraging them to develop and reflect upon these and to provide illustrative narrative accounts. These interviews were not ‘psychotherapeutic’, but were conducted in a ‘clinical style’ (Hollway/Jefferson 2000) encouraging openness and exploration of contradictions and emotionally marked material. This makes such narrative interviews particularly suitable for investigation of young people’s ‘accounting procedures’ as they strive to make sense of their developmental context, and for this reason it is a methodology that can help to take forward the developments in psychotherapy discussed above. The interviews addressed issues of self-definition as male/masculine, identificatory models, relationships with boys and with girls, intimacy and friendship, attitude towards social and media representations of masculinity, and so on. The second interview explored repetitions, contradictions and gaps in the material from the first interview, allowed more focused investigation of specific points relating to the research questions and offered the respondent the opportunity to reflect and comment on the process of the interview itself. The interviewer in all cases was the researcher on the project (Rob Pattman; RP in the transcripts below), a white man in his early forties. All the interviews took place in schoolrooms allocated for the purpose by the teaching staff and lasted about an hour. Interviews were all transcribed and subjected to thematic and narrative analysis, described fully elsewhere (Frosh et al. 2002). 178
This paper focuses on the analysis of material from the second interview with one boy, who we call Alan. He was a 12-year-old white boy from a two-parent working class family; he had a younger sister (aged 9) and attended a mixed-sex state school. Alan’s narrative was particularly full and throughout demonstrates engagement with psychological themes that preoccupy him and that arise from his experiences with his father and with homophobia. His account makes particularly clear the ways in which he is struggling to forge what he views as satisfactory masculinity in order to become a ‘good man’. Alan is not being presented as ‘representative’ in any way, but rather because the themes raised in his material are common in the sample, even though his way of addressing them is unique to him; and the issues they bear on have pronounced relevance for psychotherapeutic concerns. Trials of the Male Alan starts his second interview rather unusually. In response to a standard question, ‘I wonder if you could define a boy? Like, say someone who hadn’t experienced a boy before, like from another planet. Erm, what would you say a boy was? How would you define a boy?’ he talks about the difficulties of managing male genitals.1 Alan: RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan:
I suppose (.) it would be my body, sort of. That’s awkward Your body? Yeah, like when you’re doing PE sort of your underwear catches you and it hurts and you feel embarrassed cos you want to do something and you can’t cos everyone’s lookin’ at you Oh right. So you have to go to another room and sort yourself out. What do you mean by that? Cos girls haven’t got nothing there and it doesn’t hurt as much, or I don’t think it would Right. Where like in PE, you can’t exactly jump up an’ down on a balance thing and you fall and you hit it. Yeah, yeah. I get worried sometimes. Do you, yeah? Yeah, if I’m like on a balance thing, then I tend to take it very carefully. Right. So I don’t hurt myself.
Alan’s idea that at the essence of ‘being a boy’ there is something vulnerable links masculinity with physicality, but in a way that opposes it to the hegemonic mode of asserting masculinity through physical prowess. Whereas most boys told us that to be a boy means being good at physical things –especially football and fighting- Alan defines it in terms of physical fragility and embarrassment. This does not mean that he is rejecting the dominant 1
Transcription Conventions (.) indicates brief pause; longer pauses are timed, for example (2) means ‘two second pause’. ... indicates omitted text. [] indicates an interpretive comment about tone (e.g. [shocked tone])
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image of acceptable masculinity, but rather that he is exquisitely sensitive to its potential casualties. In line with rather classical psychoanalytic notions of castration anxiety, Alan is attuned to the dangers of damage to his sensitive genitals (defined conventionally as ‘something’ to girls’ ‘nothing’) and hence to the risks rather than the security of masculine identity. This worry about hurting himself is generalised to all boys (the question was about defining a boy) and then is translated directly into an account of boys’ embarrassment at their failure to meet the physical ideal. His account demonstrates the tension between hegemonic masculinity and dislike and fear of personal vulnerability. Alan: RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan:
RP: Alan: RP: Alan:
I mean, some boys seem ashamed that they are a boy. Yeah Some boys just walk around and they don’t care. Some boys seem ashamed? Why’s that? Yeah – I dunno. I think it’s cos people bully sometimes cos people are overweight they seem, they seem to change with their top on and sort of wear two tops at once. Oh do they? So you just take your shirt off and you got your T Shirt on underneath. Right. What, so you mean, the other boys can’t see Yeah How fat they are? Yeah. Especially in PE. It doesn’t bother me, but there’s this boy – he’s he’s overweight, but we tend not to take the mick. But he was in another changin’ room an’ they all took the mick cos he was overweight. None of us have a shower -cos we got showers – none of us wanna shower, cos we all embarrassed. I ain’t bothered cos I have a shower with my friends at rugby club, but some people „Nah, why should I show you and all of this”, cos you’re gay an all of that. Oh really. Yeah, yeah. Some boys really hide theirselves. Yeah, yeah. Like, I know this boy, he’d be wearin’ his PE kit under his school uniform, so all he has to do is take it off and he’s ready. That’s what he would do, every PE lesson. No matter, if someone pushes into him, he’s always quiet and cos he knows he’ll get called fat or somethin’ so he jus keeps hisself to hisself and his friends.
Alan is distinguishing here between those boys who ‘walk around and don’t care’, and presumably who are amongst those who tease others, and those for whom he seems to have most sympathy –the fat or quiet ones, those who suffer in the showers. Alan’s discourse constructs masculinity as a site of vulnerability and shame for some other boys who fail to fit the hegemonic ideal. His use of exculpatory discourse („I ain’t bothered“) shows how eschewing the notion that he is ashamed to shower in front of other boys is psychologically significant for his identity work. An additional theme here is the normative nature of the reluctance to shower: although ‘some boys’ hide themselves, „none of us wanna shower, cos we all embarrassed“. What is this embarrassment about? Not only that one’s body might be inspected and found wanting, but also because the closeness to other boys in the shower raises the most threatening spectre of boys’ life, the spectre of being thought ‘gay’. In other papers arising out of this research, we have discussed the issues involved generally in succumbing to or resisting the discourses of homophobia and ‘being gay’ in these boys’ talk (Frosh et al. 2003; Phoenix et al. 2003). We point out there that Alan’s account of resisting homophobic discourses seems to be linked to his efforts to become a different 180
type of man from what he perceives as a destructive norm –one that is associated with his father, as will be seen below. At the beginning of this interview, however, what he focuses on is the extent to which managing homophobic discourses is a key requirement of young masculinity. Alan:
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RP:
Alan:
If I was to have a shower, like in PE, now, me and my friends, and say another – the other half of the changin’ room come in and say, „OOh, look at ‘em lot, gays in the shower, havin’ a shower together ‘an all of that”. And most of the time it is coloured people that say that. It hurts, cos you jus havin’ a good time an you’re not. It’s not gay and there’s nothin’ wrong with it – you’re jus’ showerin’ Right It’s jus’ with your friends. You havin’ a joke, throwin’ sponges at each other and havin’ a laugh Yeah And then all of a sudden, people come in and say „OOh, you’re gay“ an’ all of dis, „Look at you, playin’ with each other” It’s black boys that say that? Most of the time, yeah. It hurts because [clears throat] (.) I know I’m not gay, and even if I was, it’s nothin’ to be ashamed of -it’s what you are. Mmm My uncle’s gay – I’m not bothered. Right, yeah But he hasn’t told. I found out in an accident cos my dad had a joke and he said, like „Don’t be like your Uncle Colin, gay” and we all stood in silence my sister still doesn’t know cos he doesn’t want her to know, so I’m the only cousin that knows -I mean, nephew, so, I keep it to myself. What did you think about it then when you found about your uncle? I was shocked at first, then I thought it was a joke and then I realised it wasn’t. An’ then after ten minutes it didn’t seem any different. If it was a stranger, it doesn’t bother me if they’re gay or not. Mmm If they’re a friend or an uncle. Right, is it because you’re in the shower then that other people say that you’re gay. Is that right? Is it because they think you’re gay, or? Say you’re havin’ a shower, yeah, there’s you and your friends all in the shower and then I come in and because you’re naked in the shower with your friends, they go, „Oh, you’re gay, you’re playin’ with each other” and all of dis. Right. You mentioned in your last interview that you have a good laugh with your friends and some people interpreted that as a gay relationship. It annoyed me, and then after a while, I just thought they’re jealous or they just got something about being gay. If my friend’s gay, or he thinks I’m gay, I’d tell him, I’m not gay, but I’d still be your friend, but I’m not gay, yeah. I’d make that clear to him, but I still wouldn’t stop being friends, the way I am. But it doesn’t really affect me now. When you said that erm the black boys that come in and see you in the shower with other boys, they say, „Oh, you’re gay”, is that then something that happened in the past that doesn’t happen any more, because you said, you know, you no longer want to have a shower? But they still call you gay, because you may be walking around the changing room without your top on and your friend is throwing a shoe over the other side and you’re
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walkin’ over to get it and you’ve not got your top on, and then you bump into someone and they say, „Ohhh, they’re bummin’ each other” or somethin’. It’s really stupid they’re stupid things that get on your nerves and keep buildin’ up. I mean you can get called gay, just by lookin’ at each other.
Alan’s account of the variegated way in which accusations of ‘being gay’ operate amongst boys is quite intensely felt and also subtle. The main thrust of it is the impossibility of doing even ‘innocent’ things with other boys without the discourse of gayness applying – getting too close, having fun, being even partially undressed all signify homosexuality and are to be avoided. Nominations for gayness seem always to be open, with the scrutinising eye of the heterosexual norm operating continuously to mark out boundaries even where a rational observer –as Alan presents himself to be- would not find them. Using Rich’s (1980) terminology, one can see here that ‘compulsory heterosexuality’ is very much the norm, and that it is enforced through rigorous policing of every aspect of boys’ behaviour with one another, as well as in other spheres (our data shows, for example, that working too hard at school or being weak at football can lead a boy to be designated as ‘gay’ or ‘girl’; see Frosh et al. 2002). Many of the boys we interviewed were critical of this mode of hegemonic masculinity -sometimes similarly to, and sometimes in different ways from, Alan- for example by idealising girls in implicit and explicit opposition to boys, or constructing boys as insensitive, immature and lacking autonomy. Alan’s intense opposition to homophobia and his ‘acceptance’ of gays mark him as different, but the feeling that the boundaries of masculinity are restrictive was expressed by a number of boys (including some ‘popular’ boys), notably in individual interviews. It is also noteworthy that racialised themes are visible in Alan’s account. Homophobic teasing of the kind he mentions was commonly reported in the study, but not generally identified as done by ‘coloured’ boys. It may be, of course, that black boys particularly pick on him or that in his class white boys do not engage in homophobic name-calling. Regardless of what ‘really happens’, however, he demonstrates that racialisation is a feature of this issue and has significance for him. In addition to scornfully establishing that he thinks other boys’ obsession with (not) being gay is ridiculous, Alan makes a move that is very unusual in our data: he states that it does not matter whether one is gay or not. This assertion is made from a position both of distance and closeness to homosexuality: for himself, if he had a gay friend (which he implies he has not), „I’d tell him, I’m not gay, but I’d still be your friend, but I’m not gay, yeah.“ His position as heterosexual having been staked out, he then adopts a liberal attitude that whether the other is gay or not is of no significance. However, there is also a concrete personal reference in talking about his uncle: his uncle is gay, accidentally ‘outed’ by Alan’s father, and this is the specific evidence that it does not matter. That is, Alan’s claim that being gay is a trivial aspect of experience is warranted by his actual knowledge of his uncle: although he was „shocked at first, then I thought it was a joke and then I realised it wasn’t. An’ then after ten minutes it didn’t seem any different.” Being ‘shocked at first’ is an important element in the rhetoric here, as it establishes that Alan had not foreseen that his uncle might be gay; but Alan’s recovery here to discover that it did not matter (even though he had to keep the knowledge secret) is what enables him to speak with authority on the insignificance of gayness. Despite all this, the pervasiveness of homophobic rhetoric in boys’ culture is painful for Alan: it constrains him as well as others, and it makes him the butt of others’ jibes. 182
RP: Alan:
Why do you think it is that you get picked on and get called gay? Er cos me and my friend don’t stick up for ourselves really, cos I know, really what I can do, and it jus’ seems waste of time hittin’ someone an’ hurtin’ over a name, so we just let it like die and they still carry on and on and they get a teacher and they call us stitches, it’s stupid.
Alan’s appearance of not ‘sticking up for himself’ (which in fact is embedded in a more complex narrative of how he has developed karate skills and restrains his aggression in case he hurts someone) again distances him in others’ eyes from the norms of hegemonic masculinity and leads to him being nominated as gay. He claims that it is a „waste of time hittin’ someone an’ hurtin’ over a name“, but it is clear from this passage and others –and generally from the energy with which, and the extent to which, he centres his narrative on the issue of gayness- that he is very exercised by the difficulties this leads him into when constructing a viable masculine identity. However much Alan himself repudiates the homophobia so endemic to the definition of young masculinity, he cannot escape its effects; the consequence is what comes over as a rather despairing sense that he is positioned as strongly in this discourse as are his peers, even though he is conscious of its ridiculous and constraining nature. Becoming a Good Man After this section of the interview, Alan is asked whether he can talk to his parents about ‘growing up in a sexual way’. He answers that he can talk to his mother, but not to his father, who would turn his questions into a joke –a not uncommon response amongst the boys we spoke to. Unusually, however, Alan then moves on with very little prompting to give a highly emotional account of the difficulties that he has relating to his father at all. What he describes, in considerable detail, is a father ‘lost’ to him, who gives him nothing, who bullies and demeans him, and who he hates. The story of this relationship is given in exceptionally full detail in one of the longest connected narratives produced by any of the boys we interviewed, perhaps reflecting the intensity of Alan’s feelings about his situation and the importance of his anger and sorrow. Alan begins this passage with an account of how his father, who „thinks the world revolves around him“ accuses him of being selfish over little things; that this is not just another description of a father’s ordinary immaturity rapidly becomes obvious: the father is a bully, relying on his size („He’s a big man and he reckons you’re never gonna hurt him“); but Alan establishes right at the start that he is not frightened by him, just disgusted. He will at some point fight back, because of what his father does. This portrayal of the father as a teasing, provocative bully is unusually powerful: „He’s goin’, „D’you know what, son, no matter how old you are, be, you’re never gonna hit me or hurt me”, the father demeans Alan, „act hard an’ be a man for once“, calls him wimp and weed, verbally abuses his sister and -worst of all, it seems- his mother. Alan’s response to all this is to produce a discourse of his own comparative maturity which enables him to survive his father’s attacks in the knowledge that he is better than his father makes him out to be. This is partly because there is no alternative, but it is also because Alan judges his father to be a no-hoper, pathetic, not to be bothered with. Sometimes his anger gets on top of him, for instance when his father „comes out with really nasty things, like, „I don’t know why I married you” and all of this“ towards his mother, but even 183
then Alan just takes himself out of the situation in the end, sometimes seething, sometimes with sadness („I just go out the back near my shed and just sit down an’ watch the birds“). He takes refuge in the idea that one day he might fight back against his father: „I really do feel like hittin’ him sometimes, and really layin’ into him, but I know now, if my dad was to hit me and beat me up properly, but when I’m older, and when I’m capable, if I was provoked, I would, and I wouldn’t stop.“ However, rather than this being a descent on Alan’s part to the level of his father’s violence, it is presented as part of something else, a more secure awareness of himself that is impervious to the father’s assaults: „I am growin’ up an I’m gonna be a man an’ I’m gonna be a good man.“ How Alan maintains an image of himself as potentially a good man is a bit of a mystery in the light of most theoretical accounts of boys’ identification with their fathers, which historically have presented boys’ masculinity as a construction based around the internalisation of aspects of their father (Target/Fonagy 2002, for a critical review). In Alan’s case, his confidence in his future masculinity seems to be connected to the strength of his bond with his mother: „She understand what I’m feelin’, and I understand what she’s feelin’.“ Certainly Alan does not think he has ever had a good relationship with his father -he has never been involved, never interested enough to play with the children. This has got worse in the last few years in that his father’s illness, introduced as „He’s had cancer twice“ is seen as one cause of his decline and as having changed the father’s personality: „ever since he’s had this illness, sort of changed him“. However, it is not the illness as such which has damaged their life together, but the father’s lack of ability to deal with it. In his own mind, Alan can make a distinction between what might be legitimate worry or depression in the face of life-threatening illness, and what is illegitimate, part of the general inadequacy of his father as a man: „My dad keeps wantin’ to be young again. He’s had cancer twice, he’s nearly died. Fair enough. I understand him sometimes being a bit grouchy, but all the time?” And, says Alan, „Now, to think he’s my dad, sometimes it makes me feel sick.“ Surprisingly, given this extraordinarily negative portrayal of his father, Alan feels not that he has never had a father, but somehow that he has lost one. This becomes clearer in a slightly later passage which, in terms of its quite nostalgic and grateful version of what life was like before the father’s illness, is at odds with the material just quoted. The interviewer asks Alan about „a time when [he] felt quite sad about something.“ Alan: RP: Alan:
RP: Alan: RP: Alan:
(2) Yeah. When my dad was ill. Right I was so frightened I’d lose ‘im cos we’d never really had an argument and I hadn’t been that old to realise what an argument was, fully, an’ there I was -I was like (.) six, and my dad jus’ lyin’ there in a hospital bed, with a line goin’ through his skin. An’ I’m like, ‘Whas that dad?’ Mmm There I am, lookin’ at my dad layin’ there, practically dead, that hurt. Right. An’ I think that me and my mum and sister had been worryin’ for ‘im and now all he wants to do is argue with us -it’s not a dad, is it?
The sad memory is of the lost, longed-for father with whom he had ‘never really had an argument’; Alan and his sister and mother all worried for him and in a sense he died, returning only as ‘and now all he wants to do is argue with us -it’s not a dad, is it?’ – the 184
rhetorical question perhaps serving to draw the interviewer in and support Alan’s construction of an alternative vision of fatherhood. Oddly, though, even this ‘non-father’ might be better than nothing: Alan goes on to comment that when he talks to his girl friends about his troubles with his father (again, characteristically for the boys we interviewed, it is girls with whom they have discussions about problems, not boys): „They say, „Try, try be nice to him. Try and play his game” and all of this, cos most of ‘em have lost dads through other things and it makes me realise that I’m quite lucky, although he is arguing, and he’s really quite out of order, that I’m still lucky to have a dad. And that’s the sort of thing still makes me care for him in a way. To realise I’m so lucky to have a dad.”
Given what Alan has said previously, it seems unlikely that the memory here is of a ‘real’ loving father, although probably he was more available before his illness than afterwards. But what Alan seems to be working on is a notion of fathering which might once have been available to him and might, in some debased way, still be of use. Possibly there is some responsiveness to the interviewer in this (Alan defines the interviewer as ‘you seem so nice and you’re kind of what I would like to be, you’re a nice man’), which encourages the fantasy of the nurturing father, a point we return to later. In any event, it does not last long. Shortly afterwards in the interview there is the following exchange. RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan:
RP: Alan:
RP: Alan: RP: Alan: RP: Alan: RP:
Right. (.) Do you look forward to the future, do you have any anxieties or worries? I have worries in the fact that one day I know I’m gonna die and one day I’m gonna have children -hopefully- and a wife an’ I worry that I won’t turn, I’ll turn out like my dad. Do you, yeah? Yeah, an’ that’s what I don’t wanna do. Right. All my friends have dads that build tree houses with them and play with ‘em. (.) I can’t build nothing. (.) ‘Can I borrow your hammer dad?’, ‘As long as you put it back afterwards’, ‘Do you wanna come an’ help me dad?’ , ‘No, I’m cooking.’ Other dads would just, ‘Yeah, come on I’ll help you hammer that in’ or somethin’. ‘Okay then.’ You be pleased for your dad to help you. Like me -my friends say, ‘Why isn’t your dad helpin’ you?’ Like my friend, Lewis, ‘Why ain’t you dad helpin’ you?’ ‘Oh, er (.) he’s cookin’.’ You make up excuses cos you know your dad wouldn’t, he’s probably layin’ on the sofa. Mmm It upsets me when I go round my friend Lewis’s house, cos he’s had trees, and his dad’s bought a tree all the way from Epping Forest that was on sale, and put it in and it’s taken well, and he’s built a tree house in it and it’s really upsettin’ for me that his dad helped him build a tree house and my dad won’t even help me put a radio together. (.) Or (.) even play with me. (.) It hurts. Right. (.) To know that (.) really, I don’t think I’ve got a dad. Mmm I know it sounds cruel, but to me, all a dad is, to make me (.) and put food on our plate. I mean (.) that’s all a dad seems to me. Mmm I mean I know you’re meant to love your dad, but (.) [quietly] I haven’t found a reason to love my dad. Right.
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Alan:
I mean he hasn’t done nothing with me, has he?
There are many compelling things about this interchange, which draws on a very concrete fantasy of the father doing something with his son, a kind of generational transfer or masculine rite of building, as well as a symbolic set of connections with making a home. But for Alan it is not just that his father fails in the traditional masculine tasks, that he cooks instead of hammers. It is rather that he hasn’t „found a reason to love [his] dad“, his dad does nothing with him, is not a father to him. What this produces, it seems, interspersed with the anger, is despair. The oppositions presented in Alan’s talk have become overlaid with one another: the bad and abusive father is also one who is not bothered about his son; Alan longs for something from him and is troubled as much by his father’s withdrawal as by his aggressive outrages. By implication, the alternative ‘good man’ and ‘good father’ being projected through Alan’s talk is one who can be involved in the building rites of boyhood (a romantic and in some ways old-fashioned image of doing ‘natural’ things together) and hence symbolise a constructive presence rather than an aggressive one. Both in the familial and in the peer environment, the base state experienced by this boy is one of hostility; his aspiration is that it might be possible to be relationally involved with others (boys, his father and, in the future, his own wife and children) without something vicious intruding, but this has eluded him so far. A further interpretive turn can be made here through more explicit reference to the explanatory structures of clinical psychoanalysis, in the spirit of the ‘binocular’ vision described in the Introduction.2 Faced with the discrepancy between Alan’s view of his father and his own aspirations both to be a ‘good man’ and also to contest elements of hegemonic masculinity as he experiences it at home and amongst his peers, psychoanalysis firmly directs attention towards his use of his relational context as a vehicle for his psychodynamic struggles. This approach allows us to link the two elements of Alan’s narrative discussed in this paper, the homophobic discourse of hegemonic masculinity and the question of the ‘bad/lost father’. Alan has dwelt on the foolishness of most boys’ bullying attitude towards non-hegemonic, supposedly ‘gay’ masculinities, producing along the way a reformulation of this homophobia as defensive, signalling the bullies’ insecurity in their own masculinity („I just thought they’re jealous or they just got something about being gay.“). In his family situation, Alan has a bullying father who he also recognises as hurt („jus’ lyin’ there in a hospital bed, with a line goin’ through his skin“) and who cooks rather than doing ‘masculine’ father-son activities, such as helping him hammer together a tree house. Alan is also close to his mother, emphasising how well they know each other’s feelings, and he has a sympathetic response to the discovery of his gay uncle. Taken together with his clearly expressed sense of loss in relation to his father, and his advocacy of what is conventionally experienced as a ‘softer’ mode of masculinity, one might argue that there is evidence of Alan having an unconscious sense of his father as gay, and as adopting the conventional (projective) defence against this homosexual impulse through being a bully. That is, Alan’s fantasy might be that his father is ‘really’ gay, soft and insecure and that he deals with this –like the school bullies- through acting tough; he is, therefore, a hurt man. Using the conventions of psychoanalytic discourse, this suggests that Alan’s apparently counterhegemonic masculinity is based partly on his unconscious appreciation of his father’s situa2
We wish to thank Karl Figlio for his helpful suggestions concerning the overlap with clinical psychoanalytic thinking at this point.
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tion, supported by his alliance with his mother; that is, he is in a triumphal Oedipal position. This in turn evokes guilt in Alan, contributing to the process whereby he becomes ‘softer’, a good young man, as he works his way through the Oedipal storm. As noted earlier, the difficulty with this interpretive move is the impossibility of testing it out retrospectively in the encounter with Alan; in the clinical situation, however, the manner in which societal discourses such as homophobia can be used as vehicles for developmental struggles can be a significant point of leverage for psychotherapeutic work. Discussion The boy presented here is not to be taken as ‘representative’ of all boys of his age, and indeed in some ways he is exceptional, both in his resistance to homophobia and in being one of only two boys in our sample who described a clearly destructive relationship with his father. On the other hand, many boys expressed some forms of resistance to the constraints imposed upon them by hegemonic masculinity, for instance in explicitly denying that they fitted the hegemonic ideal, or in expressing admiration for girls, who they considered to be more ‘mature’ than boys. Many boys also complained about their fathers in one way or another, for example that they were unavailable to them emotionally or actually absent; but most boys claimed to get on well with their fathers and to like them, finding them to be fun. However, what Alan’s material reveals in a very lucid way is how actively boys’ identities are constructed through the process of wrestling with societal discourses on what constitutes acceptable or attractive masculinities. Even at the age of twelve, boys are immersed in a set of expectations and normative constraints policed by the fear of being subjected to the opprobrium of being called ‘gay’ – this signifying not ‘just’ homosexuality, but also a distance from masculinity that calls identity itself into question. Alan is unusually robust in his attempts to ‘do boy’ differently here, in that he seems to go further than simply parrot a liberal discourse on how being gay doesn’t really matter. This is evidenced in his scathing criticism of his peers for their over-sensitivity to anything that could be construed as ‘gay’, and also in his willingness to risk exclusion through his own behaviour with other boys. His relative openness to homosexuality also seems to be connected to his knowledge that his uncle is gay. Nevertheless, the struggle to become something other than the hegemonic ideal in this regard is a difficult one for him to sustain without suffering. Alan’s account of his relationship with his father is of great interest, especially from the perspective of issues that might arise in psychotherapeutic work with boys of this age. Despite all his negativity, the strongest emotional sense that is conveyed by his material is not anger but disappointment, a sense of the loss involved in having to relinquish the hope that there might be a good father available to him. Presumably, it is Alan’s capacity to imagine the possibility of this good father, albeit in quite stereotyped ways (cf. the image of building a tree house), that also enables him to hold onto the conviction that he will become a ‘good man’ himself one day –although he is also troubled by the fear that he might turn out like his father. Possibly, as Alan hints, his earlier relationship with his father was good enough to give him the foundations of a positive relational sense; more likely, his devotion to his mother has perpetuated that capacity within him –he knows what it is like to love and care for someone. To help him hold on to the prospect of being a future ‘good man’, with its implied ‘good father’ aspect, Alan seems to look around for possible models, and to be 187
very tuned in to whatever possibilities present themselves. Thus, even though he knows little about the research interviewer and only talks to him for about two hours, he is willing to warrant at the end of that time that he is „nice and you’re kind of what I would like to be, you’re a nice man“; transferentially, Alan is calling out for a good masculine object with whom he can identify. Indeed, psychoanalytically one could argue that Alan’s lack of knowledge about the interviewer coupled with the intimate character of their conversation encourages a ‘split’ transference in which his fantasies about a ‘good (lost) father’ are projected into the interviewer, whilst the ‘bad father’ (in both his bullying and his hurt aspects) becomes located in Alan’s actual father. In research terms, exploration of both transferential and countertransferential components of Alan’s response might have produced an even more vivid account, possibly taking both interviewee and interviewer further in their understanding of how fathering is being constructed in this interview; this use of transference to guide and ground narrative interviews is beginning to be evident in some social psychological work (Hollway/Jefferson 2000; 2005). Clinically, of course, it is precisely out of an exploration of transference as it materialises in the interview, that one would expect a deepening and ‘thickening’ of both relationship and evidence to arise. The psychotherapeutic implications of this material centre on the very active way in which boys and young men have to construct their masculinities in the face of potent social discourses of hegemonic masculinity as hard and homophobic, and of intense personal struggles, which intertwine with one another. These social discourses, for instance around being gay and around what constitutes a good father, are not just templates that can be drawn on by individual boys. Rather, they are dynamic forces in their own right, constructing and policing certain modes of masculinity and inhibiting others. Because of the agentic nature of human subjectivity, these discourses do not hold absolute sway: they can be resisted and commented upon. Alan forges his masculine identity through opposition – to the idea that boys who shower together are gay and that homosexuality is problematic as well as to his father’s brutality. This opposition arguably allows him to present himself as properly masculine, despite his revelation of his vulnerability at the start of the interview. Nevertheless, the social discourses of masculinity are material in their effects and very powerful, so much so that even when a boy is self-consciously trying to create something new and different – a non-homophobic mode of masculine being, a good man out of a bad experience of a father – he will be constantly pulled back by the force of these particular social and historical renderings of what it means to be male. Psychotherapeutic work might benefit from being sensitive to these constraints: boys’ attitudes towards themselves and others are neither just conscious ideas nor directed solely by unconscious wishes; they also represent attempts to find themselves within a confusing and coercive set of ideological structures. Psychotherapists working with young people tend to be sensitive to the familial and peer contexts in which their clients live, and to understand the significance of peer acceptability and the pressures to conform to group norms. What is perhaps less commonly focused upon is the way these ‘norms’ and contexts are themselves implacably part of the construction of consciousness – they are the stuff out of which masculine (and other) identities are made. Boys like Alan – all boys, really – may become troubled by the emergence of desires and by experiences at odds with the hegemonic identity norms. These desires and experiences, as well as sometimes enabling them to see more clearly than is usual the process of discursive construction as it applies to them, can also make them vulnerable and 188
primed to seek out identificatory figures and safe contexts in which to explore what is happening to them. Psychotherapy clearly has an important potential here in allowing this exploration to proceed safely; realising this potential requires as a first step an appreciation of just how interpenetrated are personal and social discourses. References Briggs, S. (2002): Working with Adolescents London: Palgrave. Connell, R. (1987): Gender and Power: Society, the Person and Sexual Politics. Cambridge: Polity. Connell, R. (1995): Masculinities Cambridge: Polity. Davids, F. (2002): Fathers in the Internal World: From Boy to Man to Father. In Trowell, J./Etchegoyen, A. (eds) The Importance of Fathers. London: Brunner Routledge. Edley, N./Wetherell, M. (1995): Men in Perspective – Practice, Power and Identity. London: Harvester Wheatsheaf. Edwards, D./Potter, J. (1992): Discursive Psychology London: Sage. Emerson, P./Frosh, S. (2001): Young Masculinities and Sexual Abuse: Research Contestations. In: International Journal of Critical Psychology, no. 3. P. 72-93. Emerson, P./Frosh, S. (2004): Narrative Analysis in Psychology. London: Palgrave. Farrington, D (1995): The development of offending and antisocial behaviour. In: Journal of Child Psychology and Psychiatry, no. 36. P. 929-964. Frosh, S. (1994): Sexual Difference, Masculinity and Psychoanalysis. London/New York: Routledge. Frosh, S. (1999): The Politics of Psychoanalysis. London: Macmillan. Frosh, S. (2000): Intimacy, Gender and Abuse: The Construction of Masculinities. In: McCluskey, U./Hooper, C. (eds): Psychodynamic Perspectives on Abuse: The Cost of Fear. London: Jessica Kingsley. Frosh, S./Emerson, P. (2005): Interpretation and Over-Interpretation: Disputing the Meaning of Texts. Qualitative Research, forthcoming. Frosh, S./Phoenix, A./Pattman, R. (2002): Young Masculinities: Understanding Boys in Contemporary Society. London: Palgrave. Frosh, S./ Phoenix, A./Pattman, R. (2003): Taking a Stand: Using Psychoanalysis to Explore the Positioning of Subjects in Discourse. In: British Journal of Social Psychology, no. 42. P. 39-53. Henriques, J./ Hollway, W./Urwin, C./Venn, C./Walkerdine, V. (1998): Changing the Subject: Psychology, Social Regulation and Subjectivity. London: Routledge. Hollway, W./Jefferson, T. (2000): Doing Qualitative Research Differently. London: Sage. Hollway, W./Jefferson, T. (2005): Panic and Perjury: A Psycho-social Exploration of Agency. In: British Journal of Social Psychology, forthcoming. Jackson, C. (2002): ‘Laddishness’ as a self-worth protection strategy. In: Gender and Education, no. 14. P. 37-51. Jackson, D. (1998): Breaking out of the binary trap: boys’ underachievement, schooling and gender relations. In: Epstein, D./Elwood, J./Hey, V./Maw, J. (eds): Failing Boys?Issues in gender and achievement. Buckingham: Open University Press. Jukes, A. (1993): Why Men Hate Women. London: Free Association Books. Kryger, N. (1998): Teachers = understanding and emotions in relation to the creation of boys = masculine identity. In: Katz, Y./Menezes, I. (eds): Affective Education: A comparative view. London: Cassell. Kvale, S. (2003): The Psychoanalytical Interview as Inspiration for Qualitative Research. In: Camic, P./Rhodes, E. (eds): Qualitative Research in Psychology: Expanding Perspectives in Methodology and Design. Washington, DC: American Psychological Association. Lewis, C./Lamb, M. (2003): Fathers’ influences on children’s development: The evidence from twoparent families. European Journal of Psychology of Education, vol. 18. P. 211-228.
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Relationships between Boys, Teachers and Education Wayne Martin/Goli Rezai-Rashti
Abstract „Das Verhältnis zwischen Jungen, Lehrkräften und Erziehung“ Also in Canada policy markers and media draw attention to underachieving boys. Educational policy postulates curricula with a stronger focus on boys and the implementation of more male teachers in schools to break down the feminisation. Thus, the authors discuss the influence of role-modelling on the construction of gender identity. Therefore, Martino & Rezia-Rashti make use of literature and data of a study conducted in Canada. Finally, they demonstrate various views on role-modelling particularly by integrating ethnicity and race. Introduction: The context of moral panic about the ‘boy crisis’ In countries of the global North and specifically in the Australia, North America and the United Kingdom, policy makers and the media continue to draw attention to the plight of the „underachieving boy” (Lingard et al. 2009; Weaver-Hightower 2009; Mills et al. 2007). In 2006, Newsweek in the United States featured a group of fourth and fifth graders on its glossy front cover with the glaring headline, ‘The Boy Crisis’, followed by this by-line: „At every level of education, they’re falling behind. What to do?” (Tyre 2006). Common sense understandings about biological sex differences often accompany such assertions about ‘failing boys’ and are frequently invoked by journalists and policy makers, who convey a deep sense of moral panic and urgency about the need for schools, and explicitly teachers, to cater more effectively to boys’ educational and social needs (Epstein et al. 1998; Titus 2004; Martino/Kehler 2006 for a critique of such debates). For example, Tyre (2006) asserts: „Boys are biologically, developmentally and psychologically different from girls – teachers need to learn to bring out the best in every one” (47). There is a sense that teachers are neglecting boys’ special learning needs and, as we illustrate in this chapter, this is often attributed to the feminization of schooling and the curriculum as the source of the problem (Carrington/McPhee 2008). Our concern is to highlight how such discourses impose specific limits on building requisite knowledge and understanding about the sort of pedagogical relationships that are conducive to addressing the educational needs of boys and girls in schools. In short, defining the problem in terms of the detrimental effects of feminization leads to the assertion that schools favor girls’ behavior and learning styles: „In elementary school classrooms – where teachers increasingly put an emphasis on language and a premium on sitting quietly and speaking in turn – the mismatch between boys and school can become painfully obvious. ‘Girl behavior becomes the gold standard’, says Raising Cain coauthor Thompson. ‘Boys are treated like defective girls’” (Tyre 2006: 48).
In fact, such views about the potential feminization of schooling to harm boys’ educational achievement and social development translate into advocating for a re-masculinization of schooling, both in terms of the curriculum and in terms of the need for more male role 191
models, especially in elementary schools where there is a dearth of male teachers (Martino 2008). These sorts of ideological positions, however, are not always based on sound scientific evidence and have implications for setting limits to how relationships between boys, teachers and education more broadly can be understood or conceived. As Mead (2006) argues: „Unfortunately, the current boy crisis hype and the debate around it are based more on hopes and fears than on evidence. This debate benefits neither boys nor girls, while distracting attention from more serious educational problems – such as large racial and economic achievement gaps – and practical ways to help both boys and girls succeed in school” (Mead 2006: 4).
This sort of problematic erasure of racial and economic factors impacting on minority students in schools – from both public media coverage and policy related discussions about the ‘boy crisis’ – is particularly worrisome, given the literature highlighting the black-white test score gap in Canada and the United States (Jencks/Phillips 1998; AAUW 2008; TDSB Research Report 2006). Sources such these raise serious questions about the evidential basis of arguments about the impact of feminization on boys’ lives in schools. Thus, our primary aim in this chapter is to illustrate the limitations of framing the ‘boy crisis’ in terms of a tendency to identify feminization and the failure of schools to accommodate boys’ learning styles as the source of the problem afflicting their engagement with schooling and their pedagogical relationship with teachers. Such positions rely on a tendency to homogenize boys and eschew important equity considerations related to issues of race, ethnicity, sexuality, aboriginality, cultural background and economic disadvantage for specific groups of boys and girls. This has resulted, we argue in this chapter, in establishing certain truths about the sort of pedagogical conditions and relationships that are supposedly conducive to facilitating boys’ engagement with schooling (Mead 2006; Martino/Kehler 2006). In order to provide a more informed understanding about the relationships between boys, teachers and education, firstly we provide a review of relevant literature in the field, which raises questions about the supposed positive impact of male role models on boys’ learning and achievement in schools. Secondly, we refer to some of our recent research in urban schools in Toronto to raise further critical questions about the homogenizing impulse of gender and racial affiliation as a necessary basis for investing male teachers as role models with a particular transformative capacity for enhancing boys’ academic achievement and social development in schools. Does the gender of the teacher matter? There is a significant body of literature and research which raises questions about the limitations of role modeling as an adequate explanatory framework for making sense of the pedagogical relationship between boys and male teachers in terms of the latter’s capacity to transform the former’s engagement with schooling. Such theories are used to invest male teachers with a particular capacity for turning disaffected boys around in terms of being able to enhance their motivation and to facilitate their active engagement with schooling. This appears to be based on the male teacher’s innate capacity to identity with boys merely on the basis of their gendered affiliation. However, as Brtizamn (1993), has cogently articulated, there are problems with sex-role socialization theories in that they treat the develop192
ment of a positive self-image or concept too simplistically in terms of an individual’s capacity to imitate a role: „Neglected in this simple version is the fact that idealized identities do not lend insight into the mobile and shifting conditions that make identity such a contradictory place to live” (Brtizamn 1993: 25). Britzman also points to ‘the normative force of gender’ that underscores the use of role models in educational contexts, which translates into gender being reduced to the category of sex-role stereotyping (Brtizman 1993: 26). The effect of employing such explanatory frameworks is to cast the teacher-student relationship in essentialist terms which eschew any consideration of the „deep emotional investments people make in normative actions and in committing themselves to living traditional roles, or deep conflict that emerges when one attempts to live these roles” (Brtizman 1993: 35). Such a critique is also provided by feminists such as Segal (1990) who argues that role modeling is limited in terms of its capacity to account for the ‘complex dynamics of gender identity’: „Sex role theory fails to explain either the passion or the pain of rigid adherence to dominant gender stereotypes of some, resilient resistance to them on the part of others, or confused or contradictory combinations of the two in yet others” (Segal 1990: 69). This is also consistent with the position articulated by Connell (1996) who asserts that: „Role theory is notoriously unable to grasp issues of power, to grasp the diversity of race and class. Though ‘sex-role’ language remains the most common way of talking about gender in schools it is fundamentally inadequate as a conceptual framework” (Connell 1996: 212).
As Britzman (1993) argues, resorting to role modeling treats gender „as if it could be understood outside of history and as if it could be unencumbered by the conflictive meanings of race, class, and sexuality” (37). We examine such issues in greater depth later in the chapter. The point here is that there is sufficient critique of role modeling in the field to call into question its capacity for enhancing conceptually our understanding of the significance of gender alignment in pedagogical relationships between male teachers and boys in schools. Research conducted by Carrington et al. (2007) in the UK provides further support for these concerns about the limits of role modeling, especially within the context of boys’ education and debates about male teacher shortage. These researchers are adamant that „simplistic and unsupported claims about the benefits of gender matching should have no place in driving either education policy or practice” (412). They claim that male teacher recruitment drives in the UK have been underscored by certain problematic assumptions related to concerns about the impact of the increasing feminization of the teaching profession on boys’ engagement with schooling. They charge that policy makers have justified such drives on the basis of „unsubstantiated claims” and „unwarranted generalizations” about the positive effects of same-gender matching (398). Carrington et al. (2007) interviewed more than 300 elementary/primary school students in England (aged 7-8 years old) in order to examine the extent to which the children perceived the gender of the teacher to be a factor in their academic engagement with the curriculum and motivation to learn. They also conducted classroom observations. The focus for this research was motivated by what these researchers identified as a problematic gap in both the policy’s evidence-base and the government’s uncritical acceptance of the position that the presence of more male role models in elementary schools would lead to enhancing boys’ academic achievement. On the basis of their research, Carrington et al. (2007) argue that the gender of the teacher, from the children’s standpoint, was not a factor identified as impacting on their learning. In 193
fact, while relatively few boys regarded their teachers as a role model, those who did construct their teachers in these terms referred to both female and male members of staff as being influential in their lives at school. Moreover, when asked explicitly about whether having a male or a female teacher made any difference, the majority of the children indicated that the gender of the teacher was irrelevant. Furthermore, while boys were more likely to be unruly and disruptive in class, there was no sense that such behavior was diminished in classes taught by male teachers. These findings, based on both interviews and classroom observations, lead Carrington et al. (2007) to conclude that the factors identified by children as impacting positively on their engagement with schooling pertain more to a teacher’s pedagogical skills and effectiveness than to a question or notion of role modeling based on same-gender matching. However, there appear to be questions related to the race/ethnicity of teachers and students that are left unanswered in this study. For example, Carrington et al. (2007) found that proportionately fewer black students than white or South Asian tended to respond affirmatively when asked about whether their teacher treated them fairly. This finding does suggest that black students may feel that they are discriminated against or treated differently on the basis of their race as other research in the field has found (Solomon 2004; Verdugo 2002). Other studies, such as those conducted by Lahelma (2000) in Finland and by Lingard et al. in Australia (2002) also corroborate Carrington et al.’s conclusion regarding the influence of a teacher’s gender on student engagement with schooling. Lahelma, for example, interviewed 90 school students aged 13-14 and conducted follow-up interviews four years later in an effort to document their perception of effective and successful teachers. She found that the teacher’s gender seemed to be unrelated to their definitions of what constituted an effective teacher. Both boys and girls identified traits such as fairness, having a sense of humour, considerateness and being firm as central to their construction of the effective teacher. They also talked about their past teachers in personal, passionate and emotional terms and commented on their capacity to show understanding and empathy. Lahelma concludes that for students, it was teachers’ competence that seemed to matter most, not their gender (184). His conclusion is also consistent with the research undertaken by Lingard et al. (2002) in Australian schools who surveyed 641 boys and girls about their learning experiences. These researchers found that the gender of the teacher „did not merge as a significant factor in determining positive outcomes for students” (4). Like the students in Lahelma’s study, they identified particular teacher traits and characteristics, unrelated to gender, such as the capacity to relate in a warm and friendly manner, enthusiasm for teaching; the ability to make the content relevant and interesting; the capacity to create a safe learning classroom environment by demonstrating both firmness and friendliness in dealing with classroom management. Thus it was the ability to relate in a warm and friendly manner, coupled with pedagogical knowledge and expertise in terms of a capacity to deliver the curriculum in stimulating and engaging ways that constituted effective teaching for these Australian students irrespective of the gender of the teacher. While students do not appear to consider the gender of the teacher to be a factor influencing their engagement with learning, other research has revealed that teachers’ stereotypical beliefs about boys’ learning styles significantly impacts on their pedagogical practices. For example, teachers in research conducted by Lingard et al. (2009) justified the 194
implementation of single single-sex classes and a so-called boy-friendly curriculum in terms of catering for what they considered to be boys’ distinctive learning styles. This entailed constructing boys as more active than girls in their approach to learning. One of the effects of such accommodations was that it actually led to a „dumbing down” of the curriculum, given the belief that it was not possible for boys to sit down and concentrate for any length of time. Carrington/McPhee (2008) also noted that lesson content and delivery were influenced by some teachers’ stereotypical beliefs about boys’ innate capacity for competitiveness, which clearly led them to modify their teaching style. Thus while the gender of the teacher does not appear to be a factor in determining students’ academic achievement from the students’ point of view, other research has illustrated that a certain knowledge about gender can certainly impact on the delivery of the curriculum in ways that are not always in the best of interests of either boys or girls. In fact, Francis/Skelton (2005), explicitly state that simply accommodating traditional masculinity in the classroom does not produce better educational or social outcomes for boys (129). They refer to a study by Warrington et al. (2006), which examined strategies for raising boys’ achievement, to conclude that „it is in schools where gender constructions are less accentuated that boys produce higher attainment [and] that it is strategies which work to reduce constructions of gender difference which are most effective in facilitating their achievement” (149). This is further supported by Carrington/McPhee (2008), who also claim that their research „points to the dangers of treating boys and girls as monolithic and undifferentiated entities in the classroom, with mostly pre-defined and homogenous interests” (117ff). For these sorts of reasons Hutchins et al. (2008) argue that „there is a need for both male and female teachers who are gender aware” and who are willing to challenge stereotypical constructions of masculinity and femininity, with the view to providing alternatives through their pedagogical practices and relationships with students in schools (153). The role of hegemonic masculinity in defining relationships between male teachers and boys While there has been a tendency to reinforce traditional notions of masculinity in advocating for the need to address the feminization of schooling and its impact on boys’ academic achievement, significant literature in the field has tended to highlight the constraints imposed by such attempts at remasculinization in terms of their capacity to foster the development of productive relationships with boys in schools. Roulston/Mills (2000), for example, provide evidence to suggest that male teachers regularly reinforce dominant constructions of masculinity through their pedagogical relationships with boys in schools. They focus on accounts given by two Canadian male music teachers about their approaches to working with boys. For these male teachers music was constructed as a feminized activity and this association with the feminine, with all of its implications for emasculation, was identified as driving their compulsion to assert hegemonic heterosexual masculinity. For example, one male music teacher defined himself as ‘different’ from other music teachers – he considered himself to be attuned to contemporary youth culture and to the music young people listened to; he chose heavy metal songs to use with his students and did so in ways that left unexamined how such music reinforces hegemonic masculinity. In fact, the researchers illustrate how his very teaching practices and approach to working with students 195
ironically served to validate that he was ‘one of the boys’. In a similar vein, the other male music teacher made a point of asserting that he was ‘not a fairy’ to counteract the association of singing with homosexuality. He also announced that he coached floor hockey and basketball and was emphatic about his involvement in these male sports as a means by which to counteract any implied association of music teaching with being feminine or gay. Subscribing to hegemonic masculinity for these male teachers, therefore, was deeply implicated in a need to distance themselves from femininity and the threat of emasculation. This influence of the policing of hegemonic masculinity in terms of its capacity to define the limits of certain pedagogical relationships with boys is something that is also highlighted by research undertaken by Martino/Frank (2006). This study focuses on two male teachers in a single-sex school in an Australian city who felt compelled to present themselves as appropriately masculine by demonstrating or asserting their heterosexuality in order to gain approval and legitimacy from their male students. For example, the art teacher felt that there was added pressure placed on him to prove his masculinity, given the devalued feminized status that boys’ attributed to this subject. This teacher talked about how the boys’ initially questioned his masculinity and sexuality, but indicated that their doubts were assuaged once he became involved in coaching the football team, which functioned as a masculinity confirming and heterosexualizing practice (Renold 2005). This focus on the effect of hegemonic masculinity on male teachers’ pedagogical styles and relationships with boys is also confirmed by research undertaken by Skelton (2001) and Francis/Skelton (2001) who also document the extent to which some male teachers feel compelled to exaggerate „various aspects of masculinity” in order to establish their legitimacy and authority as men, especially given the perception of elementary school teaching as women’s work (Williams 1993). Kimmel (1993) adds a further dimension to the masculinizing aspects of such relationships between male teachers and boys in schools. He highlights parents’ investment in enforcing gender normalization and, in turn, how this relates to the expectations that are placed on male teachers to counteract expressions of effeminacy in their male students. As a graduate student teaching at a local nursery school, Kimmel recalls how overjoyed the parents of one boy were when they learned that their son, Brad, would have a male teacher for the first time. Brad was a quiet, shy boy who was different from his peers. While other boys rushed to play trucks in the play area, he preferred to paint, using the easels which had been set up in another part of the classroom. When Kimmel first met Brad’s parents, he remembers them imploring him to divert their son’s attention from painting to more masculinizing activities such as playing trucks. As a male teacher, they believed that he would be able to rescue their son from „a life of gender nonconformity” (Kimmel 1993). This vignette highlights the extent to which fears about the potential feminization of boys and its association with homosexuality function to ensure that at least the semblance of hegemonic masculinity is maintained. This heteronormative policing and regulation of masculinities have implications for both boys and male teachers who risk being subjected constantly to the scrutiny and moral judgment of others. It is in this sense that failed masculinity for male teachers becomes a signifier of homosexuality, with all of its associations of deviancy and pedophilia, especially for those men teaching in elementary schools. As King (1997) argues: „The success of appropriating sexual orientation as a lever for social control depends on creating and intensifying the criminality as well as the feminization of homosexuality. Such homophobic
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practices are most certainly oppressive to gay men, but … their more pervasive influences are in regulating the behavior of all men” (245).
The effects of such homophobic surveillance are also highlighted by Sargeant (2005) who remarks that negative constructs such as „homosexual” and „pedophile” „are used to structure the gendered nature of teaching” (254). This regulatory function of hegemonic masculinity for male teachers is further highlighted by Burn (2001) who claims that „the man who wants to teach young children is simultaneously positioned as ‘wimp or pervert’ as well as ‘hero and sportsman’” (8). Questions of race and ethnicity in the male teacher debate Concerns about the plight of urban Black and Hispanic boys in the United States have also received some attention in the literature; with calls for the need to address both structural and cultural factors that constitute barriers to learning for these targeted populations (Cooper/Jordan 2003; Noguera 2008; Solomon/Levine-Rasky 2003, Dei 2003). The Toronto District School Board has also released a report which identifies students born in Englishspeaking Caribbean, Central and South America/Mexico, and Eastern Africa as being most at risk of dropping out of school and notes that it is Black boys living in urban locations of concentrated poverty who are particularly vulnerable (Brown 2006). Within this context of discussions about the plight of Black boys, however, similar strategies for addressing the problem such as more Black male teachers and single-sex schooling have been advocated. For example, Hopkins (1997) advocates the „infusion” of African American male role models, „gender separation” and the incorporation of Afrocentricity in the curriculum” (102). For Hopkins, there is definitely a sense that Black male teachers are better able to accommodate or create the classroom conditions that are conducive to supporting the learning styles of inner-city black males. He quotes a fourth grade Black male teacher who asserts that teachers who expect inner-city Black boys to „sit-up straight, look at them, focus, don’t talk, have his pencil, smile, write, read, sit quietly, get up, eat lunch, sit back down” are quite clearly „living in a fairy tale” (97). Scholars such as Hopkins believe strongly that Black male teachers can play an important role in urban black boys’ lives, particularly given the perpetuation of stereotypes about Black men in the media as dominating and violent. He believes that Black men are better able to serve as role models for Black boys in the sense of „destroying these stereotypes of African American men” (100). King (1993) also argues for more representation of African American teachers in general and in drawing on a range of literature in the field. He argues that there are indeed educational benefits in matching teachers and students on the basis of their racial backgrounds. For example, she makes reference to research undertaken in the field to claim that African American teachers are more culturally responsive to students of a similar racial background and have both cultural understandings and a communicative competency to involve students in pedagogical exchanges that are potentially empowering in terms of facilitating their engagement with schooling. In other words, King supports the view that African American teachers are more willing and able to implement a culturally responsive pedagogy and to have high expectations of African American students. The potential influence of minority teachers in this respect cannot be dismissed. In fact, as Griffiths (2006) argues, there is no question that both boys and girls in schools would benefit from increas197
ing diversity within the profession in terms of „having both men and women in all of their cultural diversities” (388). However, Griffiths is quick to add that a necessary precondition is the need for a culture to be created in schools and within the profession that „values difference” (388). She suggests that racial and gender affiliation is not enough and, as McCarthy (1998) has highlighted, risks promoting „racial homogenization” (15) and problematic notions of culture as „reified and essentialist” (155). Such concerns about the ‘homogenizing impulse’ within the context of these debates in education have been expressed by scholars in the field. Bonnett and Carrington (2000), for example, caution that such racial matching can slip easily into homogenizing and essentializing blackness (Hinton 1991). Moreover, such racial matching, fails to recognize the flexible modes of identification that are organized around axes of gender, sexuality, class, race, ethnicity, disability etc. in terms of how they combine to impact differentially on the pedagogical relationship between teachers and students. Allen (2000), in fact, argues: „Being a minority group member is neither necessary nor sufficient for being a role model to minority students”. Moreover, Carrington and Skelton (2003) argues that matching on the basis of gender and/or ethnicity within the context of male recruitment drives to attract more ethnic minority entrants to the profession runs the risk of unintentionally reinforcing problematic stereotypes. Furthermore, they claim that such policies have been legitimated uncritically on the basis of woolly thinking that is grounded in unreflective and ‘commonsense notions about the salience of ‘role models in socialization” (253). Such a position is also supported by Odih (2002) who specifically draws attention to how the increasing call for male role models and mentors from within the black community has been motivated by concerns about the underachievement of Afro-Caribbean boys in the UK. The cause of the problem, she claims, has been attributed to the prevalence of female teachers’ so called ‘soft’ pedagogical practices and matriarchal families in these boys’ lives and is motivated by anti-feminist sentiments. This expression of moral concern has led, Odih asserts, to a failure to acknowledge the „dynamic and relational properties of gender” and indeed, she claims, has provided the very conditions „for the promotion and legitimation of hegemonic forms of masculine identity” (91). Moreover, Odih claims that while black male role models are considered to be more capable of addressing the needs of Black male youth, such discourses are often complicit in perpetuating „unproblematised notions of masculinity” and eschew any consideration of the structural and economic conditions that contribute to Black male disaffection in the first place. Our research on the influence of male and female teachers Our research with elementary school teachers in Toronto supports the concerns about mentoring and role modeling raised by specifically Odih (2002) and others in the field such as Carringtonand Skelton (2003). We have interviewed over 70 elementary school teachers in Toronto and have conducted classroom observations in ten classrooms1. We have visited teachers in four Public schools and one private boys’ school. The four public inner city schools served a multi-racial/ethnic population, with children in three of these schools from 1 This research is funded by the Social Sciences and Humanities Research Council of Canada (SSHRC) and is entitled: The influence of male elementary school teachers as role models (410-2006-115381).
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economically disadvantaged backgrounds. The boys’ school, however, was a private school located in a very affluent area of the city. We have interviewed equal numbers of male and female teachers and have been conscious of including minority voices. Our aim in conducting the research was to learn more about (i) whether gender, sexuality and ethnicity mediate teachers’ perceptions of their approaches to teaching students and particularly boys; (ii) whether matching students and teachers by gender or race/ethnicity makes a difference. Here we provide a brief overview of themes that emerged from this research, particularly as they relate to illuminating and providing further insights into the relationships between boys, teachers and the politics of education more broadly. Male privilege Despite the portrayal of male elementary school teachers as a ‘dying breed’ and as ‘under seize’ in a female dominated profession, many teachers in our study presented a very different picture. The discourse of male teachers as role models for boys was so entrenched that many teachers, administrators and parents actively sought out male teachers and supported male teacher recruitment. This was attributed to a belief that male teachers would be better able to deal with ‘problem boys’ and to serve as role models for boys more generally. In addition, they talked at length about the ways in which male teachers, as a minority in terms of their numbers, were treated differently by parents and the administration. Because there were so few male teachers, they were sought after by both the administration and parents. The extent to which gender impacted on teachers’ perception of their professional identities was also significant. At one school 10 of the teachers referred specifically to a ‘boys’ club’, which they felt was endorsed by the principal and vice-principal who were both males. The female teachers felt that the men who were a part of this ‘club’ were definitely privileged and supported in terms of being primed for accelerated promotion. One female teacher believed that she did not have the same authority or influence as her male colleagues who were a part of this ‘club’. For example, she claimed that the same request by a female teacher would not have the same currency. As a consequence, if any lobbying or advocacy was needed to secure the support of the principal, this teacher would always ask one of her male colleagues, with whom she had a good working relationship, to deal directly with the principal. Past experience had taught her that dealing directly with principal as a female teacher did not produce the same results. Several women were resentful of their male colleagues because they believed that they were given preferential treatment and were not held to same standards of professional conduct. These teachers also felt that their male colleagues were not as rigorous as their female colleagues in terms of the academic expectations that they set for students. Several male teachers, however, felt that their female colleagues were repressive, obsessively task oriented and too authoritarian in their approach to teaching. These men also claimed that their level of commitment to the children differed vastly from that of female teachers who promptly left school as soon as classes were over at the end of the day, while it was the men who tended participate and run the extra-curricula after-school activities involving sports coaching. Two female teachers at this school presented a very different construction. They claimed that many of the female teachers had young children and were not able to invest the same amount of time in afterschool activities. 199
There were also important issues of class and masculinity related to male teachers’ experiences in inner city schools. There were clear classed dimensions to the way in which some men embodied their masculinity and how they used it as a cultural resource to assert their privilege over female teachers. For example, the men above who claimed that they were more committed to teaching than their female counterparts, were more concerned with sporting and other social activities rather than committed to facilitating academic learning. As one female teacher reiterated, this would certainly not be tolerated in the middle class school where her partner was teaching. Middle class parents, she believed, would not tolerate such a lack of emphasis on academic learning. Intersections of race and class also emerged in our research as they pertain to male privilege. For example, one black male teacher claimed that while some people may be surprised to see a black male teacher in an elementary school, for the most part they are „very positive about it and happy to see you there”. However, several black teachers in our study felt that they were strategically recruited to teach in economically and racially diverse school communities to address the perceived needs of minority students. It is important to point out that this privilege appears to be limited to the context of teaching in an economically disadvantaged and racially diverse school community and may not necessarily extend to teaching in a predominantly white middle-class school community. These insights from both female and male teachers point to systemic issues related to the manifestation of subtle forms of sexism, misogyny, racism and social class which are embedded in hierarchical relationships that are built on the exaltation of male authority in schools. Such male authority was central to the validation, legitimation and institutionalization of hegemonic masculinity as a core organizational principle governing the nature of relationships in schools in terms of teachers’ engagement with one another, the parent community, the administration and the role of male teachers in disciplining boys. Race and teaching It is important, however, not to just focus on gender as a singular identity category because there are racialized dimensions to gender relations in elementary school teachers’ lives. Several minority teachers believed that they were recruited explicitly to address the needs of disadvantaged minority groups in the school community. For example, one minority teacher talked about her experience of being „the only black female teacher in the school” and felt that she was being used, in a tokenistic sort of way by the administration, to abnegate responsibility for addressing the need for a whole school approach to dealing with racism: „You have that kind of tokenism piece that happens and a lot of the other teachers kind of feel, ‘Okay we’ve got a black teacher now and so she will take care of all of the black students and if we ever have an issue with a black student or a black parent, then that’s the person that we go to’ […] There’s no idea like it’s all of our responsibility.”
In this sense, some teachers felt that there was a tendency to homogenize blackness in terms of understanding the nature of teachers’ racial affiliation with minority students. There was also a sense in the inner city schools where we conducted our research that Black male teachers were also be sought after over their female counterparts. It was perceived that black male teachers would be better able to deal with and ‘discipline’ problem 200
black boys. For example, one of the black male teachers we interviewed felt that black male students were deliberately placed in his class because of belief in his capacity to be able to turn these students around. This was attributed to both his gender and racial affiliation with these minority students. Representation versus role modelling While much of the literature in the field has raised serious concerns about claims regarding the supposed impact of gender and race based role modeling on student engagement with schooling, several minority teachers in our study raised important questions about need for representation for minority students to see themselves reflected in positions of authority. Two black male Caribbean teachers who teach in urban school communities believed strongly that as Black men, they were in a position to provide alternatives for boys to the perpetuation of racist and narrow constructions of Black men as either violent or simply invested in sporting pursuits such as basketball. These teachers believed that their influence could not be underestimated and believed that Black men had a particular role to play in demonstrating to boys a commitment to academic learning and to assisting them to develop a broader understanding of masculinity. One of these men was particularly adamant about refuting the tendency to cast Black men as saviors of poor urban Black boys and rejected the whole notion of role modeling which he believed eschewed a consideration of the structural economic conditions impacting on minority students’ engagement with schooling. This insight, however, did not diminish his understanding about the political significance of the need for representation of minority teachers in urban schools. Moreover, he demonstrated both an awareness of the need to challenge racist stereotypes of Black men and a commitment to motivating minority students to engage academically with the curriculum. In this sense, addressing issues of representation need to be disarticulated from a discourse about the influence of male teachers as role models which has a limited evidence base. In short, a teacher’s influence cannot be explained in terms of role modeling which fails to take into consideration the complexity of identity formation and the impact of structural inequalities on the lives of both teachers and students in urban school communities. Thus, we believe that concerns about the lack of evidence to support claims about the capacity of teachers as role models to influence the academic achievement and social development of children need to be disentangled from discussions about the importance and political significance of representation on the basis of both gender and race/ethnicity within the teaching profession. For example, as Warin (2006) argues, „The greater involvement of men in the care, and education of young children has the potential to transform gender relations”. As we have intimated here, however, there are also racial and class related dimensions to this involvement that need to be taken into consideration. But there can be no question that male teachers can and do need to play an important role in combating „the hegemonic forces that undermine attempts to develop alternative masculinities” for boys in schools (Warin 2006: 523). A case in point is exemplified recently here in Canada with media coverage of the calls to ban fighting in the NHL (National Hockey League). Sports commentators have been referring to such a ban as potentially resulting in a ‘pansification’ of the NFL because they believe that it would ‘soften’ the image of the league (Housten 2009). The role of male teachers and sports coaches in addressing such issues of homophobic violence and masculinity in schools cannot be underestimated, particularly in terms of 201
boys being able to witness male educators challenging such exalted forms of hegemonic masculinity. Conclusion Our focus in this chapter has been on reviewing significant literature in the field related to unraveling important issues about the relationship between boys, teachers and education. We have also referred to our own research in schools in Toronto to provide further understanding about the influence of male and female teachers. While it has been established that there are indeed limits to the conceptual framing of teacher influence in terms of role modeling, with little or no evidence to support claims that a teacher’s gender actually makes a difference, we believe, however, that issues pertaining to the politics of representation of minority and male teachers in schools cannot be dismissed. The recent events in the United States with the election of Barrack Obama as president attest to the political significance of visibility of minorities in positions of authority, particularly given the history of slavery in the United States and the evolution and emergence of new forms of racism (McCarthy et al. 2005). This emphasis on the political significance of representation is not about treating the ‘race’ of the teacher „as a stable, measurable deposit of category” (McCarthy 1998: 80) as is the case with appeals to discourses of role modeling. In this sense, we acknowledge that the question of teacher identity is much more complex than either appeals to role modeling or representation can provide or explain. A singular focus on either the teacher’s race or gender fails to take into consideration the complex ways in which gender intersects with race and other factors such as sexual orientation, socioeconomic status, disability and geographical location (Rezai-Rashti 2005). In this chapter, therefore, we have been conscious of the need to draw on research which problematizes role modeling as a basis for explaining the significance of pedagogical relationships with boys in schools, while not denying the political significance of representation, particularly for minority students in urban school communities. Moreover, we have been concerned to draw attention to the limits of the essentialist arguments about learning styles as a basis for justifying gender reform strategies in schools which rely on misperceptions about the source of the problem for boys as being located in the impact of feminization of schooling. References AAUW (American Association of University Women) (2008): Where the girls are: The facts about gender equity in education. Washington, DC. Look at: http://www.aauw.org/research/where GirlsAre.cfm. Allen, A. (2000): The role model argument and faculty diversity. Look at: http://onlineethics.org/ abstracts/facdiverse.html. Britzman, D. (1993): Beyond rolling models: Gender and multicultural education. In: Biklen, S. K./Pollard, D. (Eds.): Gender and education. Chicago: The University of Chicago Press. P. 25-42. Brown, L. (2006): Dropout, failure rates linked to language, The Toronto Star, June 23. Look at: http://www.arts.yorku.ca/soci/goldring/clippings/dropout__rates_link_language.pdf. Burn, E. (2001): Do boys need male primary teachers as positive role models? Paper presented to the British Educational Research Association Conference, University of Leeds, 13.-15. September.
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New boys? A Nordic Perspective Harriet Bjerrum Nielsen
Abstract „Neue Jungen? – Eine nordische Perspektive“ This contribution focuses on the development of gender and particularly on how Middleclass masculinities may have been influenced by the „Nordic gender equality regime”. Harriet Bjerrum Nielsen discusses the influence of the changing family structures on children, especially on boys. She uses data from a longitudinal study in which a school class was followed with annual observations and interviews from first and until the ninth grade and again after high school was completed. The findings indicate a complex picture of continuities and changes in what it means to be a boy in school today. Introduction In the late 1980s the interest in Nordic educational research for quiet and suppressed girls in the classroom was more or less replaced by a focus on „new girls”: girls in school who were outspoken, self-confident, ambitious, but still retained their relational competences (Drotner 1993; Kleven 1992; Nielsen 2003; Nielsen/Rudberg 2006; Öhrn 2000; Schultz Jørgensen 1990). The new girls have often been understood as embodiments of modern „reflexive individualisation” along the lines of Beck and Giddens (Beck et al. 1994; Giddens 1992). In contrast to this, boys have been given less attention. A certain timelessness seems to be attached to boys: In the celebrations of the new modernised girls, the boys are often given the position of the unmodern and never-changing backdrop. Concern about the widening gaps in favour of girls regarding school performance, marks, and participation in higher education have fed into this, overlooking the fact that the ”boy problem” is mainly a social-class problem, and indirectly an ethnicity problem because of the way ethnic background intersects with social class (Bakken et al. 2008; Epstein 1998; Markussen et al. 2006). Gender differences in school performances do exist, especially in regard to the need for special education, reading competence, and marks in some subjects, but most of these differences are small, and they are not new (Bakken et al. 2008; Öhrn 2002). What is new is that middle-class girls do not give up their ambitions in adolescence which means that middle-class boys cannot overtake them at this age as easily as they did before. Still, there has been a conspicuous resistance to include a class perspective in the public discourse on boys. Boys are rather seen as a generic group of male children who have lost their natural role models, and it has been frequently warned that equality politics may go astray and result in a situation where the boys become the new losers. Worries about the boys even tend to draw the otherwise celebrated girls into this timeless universe of gender, for example when the school system is blamed for rewarding dutiful and conform girls (which they, according to research no longer are) and punishes autonomous and creative boys. The image of girls inside and boys outside time in the post-industrial society is in many ways peculiar when compared to the gendering of the ”old” modernity where men 205
were seen as the bearers of the new times whereas women represented the static and premodern; see for instance Marshall Berman’s analysis of how Faust and Gretchen embody the mismatch between pre-modernity and modernity (Berman 1982). This peculiarity is also to some degree reflected in masculinity research itself. Whereas there are many historical studies of changing masculinities in light of changing structures and requirements for work and family in the early phases of modernity (Kimmel 1996; Lorentzen 1998; Lorentzen/Ekenstam 2006; Tjeder 2003), few examine this kind of societally framed change concerning men in more recent periods, and almost none ask what this phase of modernisation does to boys. Masculinity studies today certainly talk about masculinities in the plural, but the different masculinities are primarily understood as a result of power dynamics between men, as for instance in Connell’s concepts of hegemonic, subordinated, marginalised, and complicit masculinities (Connell 1995), which are often related to wider social structures, but more unclearly linked to processes of societal change. The dimensions considered in these studies are usually social class, ethnicity and sexual orientation, which are important, of course, but they are not thereby automatically situated in specific societal contexts and processes. Thus, a more or less universal opposition between certain groups of men or boys may arise, for instance middle-class masculinities (ear’oles, cyrils, Real Englishmen, wimps or masculinities ”organised around careers”) versus working-class masculinities (lads, bloods, Macho Lads, cool guys, etc.) (Connell 2000; Mac an Ghaill 1994; Willis 1977). In this eternal world of men opposing and challenging each other, but still joined in their fear and denigration of the feminine, change is connected to political action by the men themselves (following the model of the Women’s Movement – see for instance Connell 2000), not to what society does to them, how societal change influences their lives at different psychological and social levels. Most masculinity researchers evidently and frequently refer to the ”historical and social character” of different kinds of masculinities, but this is more a consequence of the general constructivist position, less a substantive point of analysis. Gendered motivations in change In order to situate masculinities in a context of changing societal structures, my question in this article will be in what ways the Nordic gender equality regime may have influenced the lives of Norwegian middle-class boys. Compared with gender research in other countries, new practices, especially in the family, have been a centre of attention in Nordic gender research. ”New men” (Holter/Aarseth 1993; Holter et al. 2008), „flexible fathers” (Andersen 2003; Brandt/Kvande 2003), „modern families” (Aarseth 2008a; Andenæs 1996) have been scrutinised. Only a few of these studies, however, ask what these changes mean for children and the way they live and experience gender. The efforts and effects of changing the gender arrangement of care and work in the families are mainly investigated from the adult perspective. It is quite evident, however, that the changes described in the new families also represent basic changes in the lives of children. The famous „father-quota” – the social security system in Norway which reserves six weeks2 parental leave for the father if the mother of the baby goes back to work – has resulted both literally and emotionally in 2 From 2009 extended to 10 weeks. The government agencies have plans to add four more weeks (making it 14 weeks in total), but they have not yet decided when the change will take effect.
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much more „present” fathers who also gain increasing competence in the nitty-gritty of daily care work (Aarseth 2008a; Brandt/Kvande 2003; Haavind 2006) Thus, the symbolic gender of care and provision is undermined in the family. A further question concerns at what psychological levels such basic changes in gender-relations work – for adults as well as for children. For instance, how do new biographical experiences with gender interact with behaviour, attitudes, subjectivities, motivations, and constructions of what gender means, at different ages or life phases? In a new study of changing intimacies and joint „identity projects” in egalitarian middle-class families in Norway today, Helene Aarseth argues that societal changes in the labour market and family have an impact on men’s motivation for change. Her claim is that the men of the new families have changed, not because of political or moral pressure (for instance, from their more or less feminist wives), but as a consequence of specific structural changes in the daily lives of middle-class people, which also restructure the very basis of the psychological motivation for change. Inspired by Annette Lareau she labels these new life forms „concerted cultivation” (Laureau 2002: 12). Aarseth describes it as a self-accelerating involvement, which has a potential to transgress symbolic gendering of discourses and practices. She also describes how this „concerted cultivation” between fathers (and mothers) and children implies a mutual „calibration” between the desires, interests and projects of the parent, and the desires, interests and projects of the child, changing and „cultivating” both parts in a concerted interplay. These kinds of changing intimacies seem to thrive in a special fertile soil in the interface between the Nordic equality ideal and the new demands for emotional and social competence and consumerist lifestyles in the post-industrial economy (Aarseth 2008b). Processes like these, in combination with a gender-neutral family and child policy, represent a considerable change in the socialisation, including the gender socialisation, of (at least) middle-class children today, which does not combine well with the assumed antimodern timelessness of boyhood. How class patterns interfere with these changes is not yet clear however. Boys in change – a longitudinal study Can the effects of these changes be seen in the way children do gender today, not only the girls, but also the boys? Instead of asking how and why boys fail, I will rather ask how they change. To identify some answers I will examine the school situation of a group of mainly middle-class Norwegian boys, with a specific view on how gender is configured in their ways of doing and talking and in what respect this indicates that masculinities might also be in a process of change. The source I rely on is a longitudinal study where I followed one school class (which later in secondary school was extended to two, comprising approximately 40 pupils) through nine years of compulsory school starting when the pupils were seven-year-olds in first grade in an Oslo school in 1992.3 The class was chosen to maximise the chance of detecting the kind of change that the Nordic equality regime may have had directly and indirectly for children’s socialisation: Almost all children came from families where both parents worked full-time, and the majority of parents – but not all – had a 3 A school reform in 1997 introduced 10 years of compulsory school meaning that these students completed the tenth grade in their ninth school year. Here I am following the old grade numbers for the simplicity of the matter, calling tenth grade the ninth grade, etc.
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higher education. From the start there were only a few children who came from minorityethnic families, but it rose to approximately 35 percent during the nine years of school (most of them were from Eastern Europe or Asia). The head teacher was competent and well experienced, and the class was girl-dominated (2/3 girls). I spent a full week of observation in the class and the playgrounds each of the nine years, and also interviewed all the pupils in the fourth and eighth grades. After they had completed upper secondary school in 2004, and later in 2008, at that time approaching their mid-twenties, I checked on their educational status and family situation (Nielsen in press). The advantage of combining interviews with fieldwork is the access it gives, not only into what children say about gender, but also how they behave. These sources of information may often contradict each other – the „gender of discourse” is often more sharply and dichotomously constructed than the „gender of practice”, but some aspects of gender in practice may also evade conscious reflections in interviews. In my study the general picture of how the different girls and boys developed though the first nine years of school indicates an intriguing mixture of „old” and „new” gender patterns. For most of the girls the patterns included both a recognisable competence and interest in relational issues, especially towards other girls and grown-ups and, at the same time, a much more autonomous, active and self-reliant behaviour. If this kind of behaviour was perceived as too individualistic by the teachers, it was responded to in a much more negative way than the equivalent type of behaviour of the boys. The teachers in general were very aware of the boys’ minority position in class and quite keen on giving the boys their share and often more than that (for instance, by being very careful to ask a boy and a girl every second time). As with the girls, the boys displayed an interesting mixture of recognisable and new ways of handling gender. I will give some examples of this subtle interplay between change and continuity in the following four paragraphs. Old hierarchies with new contents The five boys in first grade represented a minority in the class, but they also seemed to be less prepared for the demands of school compared to the majority of the girls. Whereas many of the girls knew the letters or could even read when school started, none of the boys could. Moreover, the boys’ relational competence appeared to be more limited: „On the very first day of school – with all the proud parents present – the teacher introduces a toy animal called Rufse to the children. She says that Rufse is going to attend class and has written a letter to the class opening with: „Dear classmates”. The teacher pauses, looks at the class and asks: „Who are Rufse’s classmates? Can anyone who is a classmate of Rufse raise their hand? ” Immediately all thirteen girls raise their hands smiling. None of the five boys do; they look puzzled, sitting with open mouths, staring at the teacher and at the hands raised around them. It is quite obvious that they do not grasp the question. It seems that they cannot, in contrast to the girls, see themselves in this situation from another person’s perspective.” (Observation/first grade)
Their small number and the differences in development and competence initially led to a certain kind of marginalisation of the boys. They are placed one by one in groups with active and self-assertive girls who mainly ignore them. When one day the teacher tells them 208
about the old days with separate boys’ and girls’ classes, one boy remarked: „But this is almost a purely girls’ class!” Given a chance, they desert their groups and find each other; their play and laughter then become very evident: „At the lunch table Halvor and Ola are seated next to each other while the teacher is reading a story to the class. The children are supposed to listen and eat their lunch quietly. The two boys are occupied with writing on Halvor’s lunchbox, and Ola also dips his lunch paper in his juice. Both boys laugh, thrilled about how disgusting this is. Then Halvor writes more on his lunchbox and they giggle and laugh a lot. Ola trumps this by writing on the thermos to Halvor. This is going too far, Halvor looks annoyed and wants to tell the teacher. Ola tells him not to do so. Halvor says to another boy regarding Ola: „He became a little frightened – „Don’t say it, he said!” Ola now tries a more successful trick: He takes the salami slice of his bread and puts it on the piano keys and writes on it with his pencil! Halvor laughs his head off. Now together they engage in poking everything with their pencils: the salami slices, the bread slices and the lunch paper! Some of the girls start to make disapproving comments. The teacher stops reading and reprimands all of them collectively.” (Obeservation/first grade)
No established hierarchy, but the noisy efforts to establish one, characterised their interaction in these situations: One boy is a bit bigger and more mature than the other four. The others fight to sit next to him. Their modes of conflict are direct, often lingering on the border of play. When I came back one year later the hierarchy was established between the now six boys in a way that provided me with the main clue to most of their behaviour and reactions. At the same time this hierarchy had made the boys’ group quite calm and harmonious (except for the occasional fights between the two lowest ranked boys, but no more salami-slices-on-the-piano-keys type of behaviour). As long as no teacher tried to split the group or organise it differently, they were content and happy (if the teachers did, fights could break out). The boys had now been allowed to sit together, and in this group there was always cosy „small talk”. This situation was quite different from the constant quarrels about borrowing pencils and erasers noted in the girls’ groups. Occasionally the boys engage in typical boys’ competition: I got one, I got two, I got a 100! However, mostly they talked together in a friendly manner about activities in and out of school. The tone was relaxed, matter-of-fact and slightly humorous. The two dominant boys (one of them was Halvor) were friendly and social minded, and they seem to set the tone. The boys can praise each other’s work, they are concerned about friends who hurt themselves, even if they are girls, they help each other, they do not tease their classmate when the mother of one boy enters the class and gives her son a kiss before she leaves. What we see here is a traditional and well-recognised way for boys to organise and communicate, which they still seem to find comfortable. However, it also simultaneously seems to convey somewhat different values. The rank of a boy is not reduced by behaviour traditionally categorised as „feminine” – which probably tells us that it is in fact not categorised as such either. A new Swedish study (Nordberg 2008) has noted some of the same tendencies, and it represents a somewhat different picture compared, for instance, to the one offered by Frosh et al. about boys of approximately the same age and cohort in the UK, where the boys felt that they had to be „hard” and „masculine” in the company of other boys, meaning that they could not talk about feelings (Frosh et al. 2002). This absence of the fear of feelings is seen in my study also as the boys grow older:
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„Four boys are working together on their essay drafts about their first memories of school (next year they will advance to the secondary level). Ola reads his texts. It is about the loneliness he felt during the first days, and how he was teased by a boy from another class who had said something ending with „...hard-on”. The other boys shiver with compassion for Ola, „but luckily I managed quite well,” Ola continues. A recurring theme is that he gets new friends. After he has finished Halvor starts the response process by saying: „I think it was good that you wrote about your feelings, how you felt about it”. Alek says he could also write about which new pupils came to the class, and who left. Kim says he thinks the essay is really good.“ (Observation/sixth grade)
Gender of childhood, gender of experience The gender segregation of childhood has been widely described in the research literature (Maccoby 1998; Whiting/Whiting 1988), and this class was no exception. The pattern was, as Barrie Thorne (1993) has suggested, much stronger in school that outside where, for instance, a girl and boy who were neighbours could be best friends. In school this situation was maintained rather strictly, but not with much direct teasing or aggression. The two genders just tended to stay with their own kind, and to appreciate their own group’s special modes of communicating and playing. Gradually some kind of „border work” (Thorne 1993) evolved, from withdrawal in second grade, verbal teasing and cap-snatching in third grade, to more formally organised cross-gender tag and chase games in the fourth and fifth grades. The boys are a bit worried by the fact that they are so few, and describe the situation almost as two opposite teams in the class: „I think there should be one more boy in our class, and that they shouldn’t... not long ago they got another girl, and we did not get a boy! We were supposed to get a boy, but he didn’t come. We lost a boy! They also lost a girl, but they got one back. They lost two girls, by the way.” (Interview with Ola/fourth grade)
This gender of childhood, however, had to be negotiated with these children’s actual and modern experiences of gender. This became quite clear one day in third grade when the teacher taught a lesson on gender roles. She first encouraged the pupils to write down individually how they would describe girls and boys, and then tell the class: „Nora speaks first: „Boys are violent, crazy, afraid of showing anything”. Emily protests: „My little brother is not like that!” Nora modifies: „Well, it might not apply to everyone”. The teacher writes Nora’s suggestions on the blackboard. Astrid trumps this remark saying: „Boys are stupid, goofy, weird, nutty and silly”. Halvor and Alek look a bit perplexed. Halvor adds, with a little smile on his face: „Boys are cool, nice and kind”. „Some boys or all boys?” some of the girls ask. „All boys,” he says, still smiling. „Do you agree?” the teacher asks. „NO!” the girls yell. Kaja does NOT think that all boys are cool, nice and kind! Nora: „Only the little ones”. Lisa: „Girls are nice, but some girls are stupid”. Emily: „Right, many girls are stupid!” Alek thinks boys are tough, cool and nice.” (Observation/third grade)
The task given by the teacher elicits stereotypes, but stereotypes that have a function in the border work of the children. However, this is not attuned to their other experiences. The children are split between the fun of border work and their actual knowledge of gender. When I interview them in the fourth grade, they repeat how different girls and boys are – 210
„girls and boys have different opinions,” they say. There is an asymmetry in the way they describe each other and their own group. The girls have detailed opinions of the boys; they give them some credit for being fun to play with, but are otherwise harsh in their critique of their noisiness, childishness, etc. However, they are also critical to their own gender, as we saw in the episode above: Some girls are stupid, and girls generally gossip too much. The boys do not see anything negative with their own gender and actually do not have many opinions about the girls either, as long as they do not bother them directly. As Ola says: „I can sit next to girls, I don’t care, they are human beings after all”. Girls are a fact of life, at times annoying, but the boys do not try to interpret or understand the girls’ opinions and situation as the girls do about the boys’. Frosh et al. (2002) study from the UK reports similar patterns in how boys and girls talk about each other; however, they find more negative demarcations from boys towards girls than I do. Different work styles The discourse of failing boys may indicate some challenges in the interface of gender, the educational system, and the job market in contemporary society. Is it such that qualifying for modern citizenship entails new types of knowledge and competence that are easier to grasp for more girls than boys? As the years go by, a general view has been established by both parties in the class that girls are better in school than boys: The girls are hard workers; the boys try to find an easy way out. The girls are on the alert towards teachers who praise boys for less work than the girls have to do to get the same response. The only area where the boys excel is in sports and in ball-playing games in the schoolyard. „They don’t have any sensible opinions! (laughs). When you have to cooperate, like right now in our group, Halvor, he doesn’t know anything, he just sits there! And then we are expected to decide everything and that’s rather boring. Girls are better at drawing and like to find out about things. Boys like to do things simple, very, very simple – they just jot down some notes and that’s it. Quick and easy and they’re finished.” (Interview with Emily/fourth grade)
There are in fact quite different work styles in the boys’ group and the girls’ groups. The boys are more relaxed and laid back. They never miss a recess or a lunch break to refine their work as the girls do. When preparing a group presentation in the fifth grade most of the girls use hours to discuss and prepare every detail (and those girls who preferred to take a break were forced not to do so by the others girls in their groups), whereas the boys in fact do it „very, very simple”. In the end, the teacher cheats with the order of presentation so the boys are actually given a week more to finish their work, something that contributes to conceal the different work pace of the groups. In the sixth and seventh grades the girls also overtake the boys in physical growth, and they now take an even more firm grip on the academic lead. In project work the boys are definitely on the margins when they are in groups with girls. They are told to find pictures on the net or do other practical things, while the girls take care of more advance tasks like scanning or writing texts. The interesting point is that both genders agree on this point as a matter of fact. An agreement on girls’ competence and boys’ entertainment value has evolved: 211
”I think you get better marks if you work together with only girls, but with only boys it is more fun! Because boys, they sort of have more humour, you can tease and mess around and have fun, and sometimes it turns out really well because while we are messing around we find out something good, you know. But when it is with the girls, it is just work all the time, so you can’t.because girls work harder.” (Interview with Alek/eighth grade) „They don’t work so well, like creatively, really. Girls are more creative. The boys don’t have many ideas, they just sit there. Otherwise they may work all right. With girls there is more discussion, the project gets better (...) But if there is sketch it can be an advantage to have boys in the group, because they are often a lot of fun in sketches. For instance, if they have guts to wear a skirt or a wig with long hair, then the group gets a better mark because it is so funny. If we wear boys’ clothes it is like nothing.” (Interview with Emily/eighth grade)
Not exactly boys „organising their lives around careers” (Connell 2000: 163) – but not antischool either, just lagging a bit behind the clever girls in a way that reflects the small average difference in marks.4 When it concerns sports, the boys are eager to emphasise their lead, like most other studies of boys also indicate (Connell 2000; Frosh et al. 2002); however there is also something different going on: The girls in the class establish their own football team in the sixth grade and keep it until the end of eighth grade „when everybody suddenly wanted to become models” as the teacher laconically describes the end of the, until then, quite successful girls’ team. In their attitude to the girls’ football team there is a marked difference between the majority-ethnic and the minority-ethnic boys. Whereas several of the latter find it ridiculous and extremely unfeminine when girls play football, most of the former have no arguments against it, even if they do carefully emphasise that boys are better. When I ask, for instance, Halvor in the interview in eighth grade what he thinks of the girls organising their own football team he says: „I think it is quite cool really”. This improved egalitarian approach in what has been named one of the main „masculinity vortices” in school (Connell 2000: 157) is also reflected in their visions of their future families: In the interviews in eighth grade almost all the majority-ethnic boys envision a dual career family and want to stay home for a period of time with their children, whereas many of the minority-boys find it an unnatural arrangement for a man to stay at home while the woman goes to work.
4 In tenth grade the average difference between boys and girls in my class was exactly the same as in national statistics (0.3 point in a scale from 1 to 6 (Bakken et al., 2008)), but on a rather high level, reflecting the social class composition of the class: 4.0 for the girls, 3.7 for the boys.
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Body and heterosexuality as jokers Between the sixth and seventh grades – at the same time as they are strengthening their grip on the academic lead – some of the girls virtually transform themselves from strong sportsgirls to ultra feminine babes, including serious loss of weight. Some of them still stay in power, however, by shifting strategies from fight to flirt. Their training in fights and conflicts throughout childhood, and also their knowledge and competence within traditional boy-areas, give them a solid basis for this strategy: „Outside the classroom I see Astrid holding Alek in an iron grip. He takes revenge and she screams and laughs. She sends him a big beaming smile (I have never seen that before!). Alek continues to attack her while she descends the stairs to the canteen. She smiles and hits back, but in a somewhat lazy and flirting way. In the canteen she continues lazily play-fighting with more boys, all the time with a big smile. She sits down, rocks gently to the music, looks at Håkon, their eyes meet, she nudges him gently. He seems very attracted to her, looks at her continuously. She has developed into a master of flirting, using her eyes, her smile, her comments, both actively and seductively. Mastering both the boy’s culture and the code of sexuality certainly gives her quite a lot of power. „Did you say anything about me,” she says in a husky voice –“did you say some shit about me?” (Observation/eighth grade)
At this point in time some of the boys find another method to position themselves: They comment on the girls’ bodies in denigrating and sexualised ways. I did not actually see much of this behaviour in class, but the girls talked extensively about it in the interviews. Fantasies and experiences may feed into each other here: the boys’ collective approach to heterosexualisation, combined with many of the girls’ ambivalent fascination of cool and „bad“ boys and the age-characteristic sensibility and exaggeration of what other people may think of you. The girl’s responses to what they perceive as the boys’ gaze and commenting on their bodies are mixed. The popular girls find it childish, but also fun to get the attention. The less popular girls hate it and draw on a feminist vocabulary in their critique: „Alek and Chris, and Håkon also, are quite obsessed with standard girls. Like such super-supersuper-babes, you know they have such tight jeans that they can hardly walk, and such tight tops that they can hardly breathe, and then they have to have big tits, and then they have to be very slender, and then they have to have long blond hair, and then they are supposed to walk around and just smile and just look at them with admiration and say: „You are so hot! You are so hot!” [with a doll-like voice]. Oh, I get so fed up! I think it is so discriminating!” (Interview with Tuva/eighth grade)
Some of them try to pay back by teasing the boys about the size of their penises, but it does not work in the same way, for different reasons. One is that the body still has different cultural meanings for girls than for boys. Another is that the boys’ form of organisation makes them operate as a group – even if it is only the dominant boys who, according to the girls, actually do the teasing: „They behave like a little group of wolves. There is the boss, and there are all the others who just follow and do the same stuff. So if Alek or Chris are mad at you, then all the other boys are automatically mad at you too.” (Interview with Sara/eighth grade)
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Even Astrid feels vulnerable and angry in spite of her active flirting. She finds it difficult to stay in control and she finds the conditions of fighting for control uneven. Moreover, she cannot include ‘all of herself’ in her new feminine and sexualised performance. In the interview she says: „I know I have also talked bullshit, but you just get it back twice as hard. So then it becomes a bit hopeless. I don’t always feel that I can be me, and say exactly what I want, because I’m afraid that they will throw in a cheeky comment, but (…) Most of the boys in our class have not yet really understood what discrimination of women is all about. They don’t care.” (Interview with Astrid/eighth grade)
The girls’ demands on the boys are quite contrary too. On the one hand boys who prefer babes are outrageously stupid; on the other hand, boys should not be too nice either: „I broke up with him [sighs]. He wasn’t really my type. Because I like boys who are a bit mysterious, and boys who are more party animals and such things. He was very nice and all that. He was kind, but it became boring. You need one with a bit humour.” (Interview with Julie/eighth grade)
These all too well-known, heterotraditional gender games, however, have to be negotiated with other aspects of gender. It is a bit like the wavering in third grade between the fun of border work and the actual experiences of gender. There is the fun (for some girls and boys) of the heterogame. However, there is also the other side of reality: Girls have kept their ambitions and academic lead; the „babe” does not really fit with their feminist engagement, nor with the quite egalitarian views which are held by most of the boys. In this field of contradictions, gender and ethnicity intersect in new ways: Some of the popular girls, who keep up their academic performances and feminist engagement in class, reserve the fun of gender for the most attractive and traditionally masculine minority-ethnic boys. There are certainly dilemmas in this choice. One is as described by Dorthe Staunæs from a Danish study (Staunæs 2004) wherein these girls risk being labelled as cheap girls by the minority boys they adore (and whom they also defend against racist slurs), in sharp contrast to the virtuous minority-girls the minority-boys expect to marry when the time comes. Another is the latent conflict of different views on gender equality in family, work and sports. However, who will give in here? Only time will tell: When I interview these boys at 18 – after upper secondary – most of them in fact use the same Nordic equality discourse as the majority-ethnic boys, and housewives are never mentioned. Connecting personal development and cultural modernisation The longitudinal study shows that the question of change and continuity in gender patterns is not an either-or question. In some respects the findings in this project indicate that „children will be children” and that „boys will be boys”. The gender segregation of childhood in formal social settings appears not to have been affected much by more gender equal arrangements in family and society. The patterns of gender-specific behaviour in childhood regarding preferred modes of play and ways to organise the peer group, and the heterogame and display of gender stereotypes in adolescence, are recognisable from many older studies 214
from 30-40 years ago (Hartup 1979; Lever 1976; Minuchin 1977; Nielsen/Rudberg 1989). They do not apply to every child, boy or girl, nor to all children in every situation, but the dominant patterns are nevertheless evident. However, this striking continuity does not mean that things are just the same as they have always been and always will be. It is also quite clear from the findings that the motivations for engaging in these patterns are slightly different from before, and so are the outcomes because the social and cultural settings in which they emerge attach different meanings to them, and thus affect their further development. We have seen that the boys’ preference for hierarchical organisation and their enjoyment of loud and physical play do not necessarily bring with it „hard” or traditional masculine values. On the contrary, in this type of formalised social organisation as well, the boys may express feelings and show compassion for each other – and even extend it across the gender divide to include girls. This is a new trait, compared to older studies. Furthermore, the line of gender segregation is to a very limited degree constructed through repudiation and aggression from the boys’ side – it evolves more as a result of the different ways of doing things each group establishes based on what they feel comfortable with. The boys willingly accept – as a matter of fact – that girls are better than them in all school subjects, except sports. Thus sports become an important arena for masculinity-construction, but for that reason they do not reject the presence of girls in sports and may even compliment their performance (as long as it is lower than their own). When it concerns the boys’ sexist gaze at the girls’ bodies and the girls’ contradictory demands of the boys in secondary school, it does in fact look quite traditional. However, these traditional gender patterns still have to be negotiated in relation to the girls’ academic lead. The positions of bimbos and „dumb blonds” have moved to popular culture – where they are actually not just confirmed, but also contested, by the many contradictory images of gender – and cannot seriously be applied to the classrooms of today. The heterogame must also be negotiated in relation to the girls’ higher degree of feminist awareness and the boys’ own inclination towards egalitarian ideals. One conclusion may be that the traditional form of masculinity we see in these boys’ behaviour does not look like the ”defensive” one which feeds off denigration of and demarcation from girls/women and which is described extensively in the research on boys (from Connell, Mac An Ghaill to Frosh et al.) It appears more self-contained, as a way of being, corresponding with (other) held desires and motivations. This diminishing need to dominate girls and women or show aggression – while still wanting to live in a boys’ world – could be related to the social-class composition of this particular group, but it could also be due to a more emotionally present generation of Norwegian fathers. For instance, compared with the study by Frosh, Phoenix and Patman that concluded that there is „something missing emotionally in the lives of boys” (Frosh et al. 2002: 259) and related this to the impoverished emotional contact the boys often report to their fathers, my findings may be an effect of changed family arrangements where the traditional gender split between care and provision has been considerably weakened. As a consequence, the need for a psychological gender polarisation may have been weakened too. As I did not study the family situation and the upbringing of the boys, this remains speculation, but it might be a reasonable way to connect the phenomena of a modernised life form, „new families”, „new fathers” and „new boys” (and girls).
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A plea for a more integrative approach in the study of children Yet why do the children stick so stubbornly to their way of doing things? Why, for instance, does gender have such significance in their internal organisation at a time when the cultural meaning of gender is waning? It is not unlikely that some of the more resistant gender patterns are multiply determined (Maccoby 1998: 187). There may be some biological components in them – for instance, average sex differences in rates of growth and maturity, arousability and prenatal hormonal priming (Maccoby 1998) – even though such average patterns, of course, would not explain the individual performance, nor the interaction of group patterns with cultural frames and meanings. Another possible source of gender conservatism may be related to the well-known cognitive theory of self-socialisation based on children’s early acquirement of gender-category labelling (Maccoby 1998: 153). Finally, the patterns may also reflect different rates of societal change, for instance, that changes of individual desires and motivations follow a somewhat different track than the changes of social structures and cultural attitudes. Most developmental theories today work with extended understandings both of individual variation and the interaction between organism, development and environment (Damasio 2000; Murray/Trevarthen 1985). Thus, to include a perspective of biological and psychological development in understanding children does not mean that one also has to buy into a universal model of human development, nor return to an outdated dichotomous model of what is „universal” or „biological” and what is „historical” or ”social”. In newer child research, however, this dichotomy is surviving as long as a constructionist understanding of children as active, interpreting and negotiating is constructed as incompatible with not only biological and psychological developmental theories, but also theories of socialisation focussing on the formative and emotional dimensions of lived life (Davies 1993; Gulbrandsen 200; James et al. 1998; Jenks 1996; Staunæs 2004). This construction of an incompatible theoretical „other” might have been a necessary intervention in order to break through dominating and reductive paradigms of the time, but in my opinion these lines of demarcation now block a more integrative understanding of children’s’ lives and possible lines of developments. This has become particularly clear for me through this longitudinal study where the same children were followed over many years. The „pure” constructivist studies have certainly provided important insight in how children negotiate with each other in specific settings and how power relations are established through processes of interpretation, inclusion and marginalisation. However, the wider societal and personal context of such situational negotiations, and their actually effect on different children’s further development over time, most frequently fall outside the inquiry (Halldén 2007; Yates 1999). The growing child is reduced to the image of a universal negotiating agent. No matter where or when, basically the same kind of processes and power games are taking place. I would say „yes” – children do interpret and construct, and they do negotiate and act – but where did they come from, and where do they go? How do their biographically shaped motivations interfere with the ways they take part in social construction processes with their peers, and what consequences do such constructions have for their further development? There are forces in their bodies, minds and biographies that they do not understand explicitly nor control, and there are outcomes that may lead in unexpected directions and include more than distribution of power and the establishment of cultural regimes of normality. There are certainly intersections and individual variations within any think216
able dimension, but there are also patterns of gender-related behaviour and motivations which should not be ignored if we want to understand children’s’ lives. As the findings presented here indicate, the gender patterns appear to be related in complex ways to different motivational formations that gradually emerge and change, to different rates of maturity, and to ongoing constructions of meaning in the peer group. To grasp the subtle interaction between these different processes, which together produce a specific and historical version of gender relations, we need a deconstruction of the dichotomy between the universal and the historical – or between development, socialisation and construction – in child research, educational research, and gender research. What is needed, in my opinion, is a better understanding of the ways biological, physical, cognitive, emotional and social growth feed into each other at specific historical moments, how they interact with and are socially constituted within historically constructed patterns of meaning, and how children themselves contribute actively in these processes by which they grow, individually and together with their peers. References Aarseth, H. (2008a): Hjemskapingens moderne magi Institutt for sosiologi og samfunnsgeografi, Universitetet i Oslo. Aarseth, H. (2008b): Samstemt selvskaping: Nye fedre i ny økonomi. Tidsskrift for kjønnsforskning, H. 2. S. 4-21. Andenæs, A. (1996): Foreldre og barn i forandring. Oslo: Pedagogisk forum. Andersen, A. (2003): Menn skaper rom for foreldreskap og familie. Farsskapets betingelser i en heteronormativ kultur. Trondheim: NTNU. Bakken, A./Borg, E./Hegna, K./Backe-Hansen, E. (2008): Er det skolens skyld? En kunnskapsoversikt om skolens bidrag til kjønnsforskjeller i skoleprestasjoner. Oslo: NOVA. Beck, U./Giddens, A./Lash, S. (Eds.) (1994): Reflexive Modernization. Cambridge: Polity Press. Berman, M. (1982): All that is solid melts into air. New York: Verso. Brandt, B./Kvande, E. (2003): Fleksible fedre. Oslo: Universitetsforlaget. Connell, R.W. (1995): Masculinities. Cambridge: Polity Press. Connell, R.W. (2000): The Men and the Boys. Sydney: Allen & Unwin. Damasio, A. (2000): The feeling of what happens. London: Vintage. Davies, B. (1993): Shards of Glass. Sydney: Allen & Unwin. Drotner, K. (1993): Unge kvinner og dobbeltblikket på det moderne. In: Drotner, K./Rudberg, M. (eds.): Dobeltblikk på det moderne: Unge kvinners hverdagsliv og kultur i Norden. Oslo: Universitetsforlaget. Epstein, D.,/Elwood, J./Hey, V./Maw, J. (Eds.) (1998): Failing Boys? Issues in Gender and Achievement. Buckingham: Open University Press. Frosh, S./Phoenix, A./Pattman, R. (2002): Young masculinities. Understanding boys in contemporary society. Basingstoke: Palgrave. Giddens, A. (1992): The Transformation of Intimacy. Oxford: Polity Press. Gulbrandsen, L.M. (2006): Fra småjenter til ungjenter: Heteroseksualitet som normativ utviklingsretning. Tidsskrift for kjønnsforskning, H. 4. Haavind, H. (2006): „Midt i tredje akt?“ Fedres deltakelse i det omsorgsfulle foreldreskap. Tidsskrift for Norsk Psykologforening, H. 43. S. 683-693. Halldén, G. (2007): Den moderne barndommen och barns hverdagsliv (Modern childhood and children’s everyday life). Stockholm: Carlssons Bokförlag. Hartup, W.W. (1979): Peer Interaction and Social Organization. In: P.H. Mussen (Ed.): Carmichael’s Manual of Child Psychology. New York: Wiley.
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Jungenprobleme im heutigen Japan – „Gewaltkultur” und soziale Exklusion in Schule und Familie
Hisao Ikeya
Abstract “Problems of Boys in Japan – Culture of Violence and Social Exclusion in Schools and Families” This contribution focuses on the situation of boys in Japan who have various problems developing their masculinities. One of these problems for example is the culture of violence. It is built up firstly by the Ministry of Education, by passing zero tolerance rules against mobbing and violence and secondly by the youth movement. The author discusses diverse problems and analyses them with an emphasis on the development of masculinities in Japan. Einleitung Für Jungen im heutigen Japan stellen sich vor allem zwei große Probleme. Erstens verinnerlichen sie im Laufe ihrer Sozialisation eine „Gewaltkultur”, die negative Auswirkungen auf ihre persönliche Entwicklung hat und zweitens sind sie durch die sozialen Transformationen von „Männlichkeiten” verunsichert. So existieren sowohl in der Gesellschaft als auch in der Schule nicht mehr nur traditionelle Männlichkeiten, sondern auch moderne, wie zum Beispiel Metrosexualität. Zusätzlich zu diesen beiden Problemen fällt es vielen Jungen schwer, sich die sowohl in der Dienstleistungsgesellschaft Japans als auch in den Peer Groups der Jungen zunehmend gefragten sozialen und kommunikativen Kompetenzen anzueignen. Im Folgenden soll zuerst die Politik des „Monbukagakushô“ des japanischen Ministeriums für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie als Reaktion auf den PISA-Schock und auf schulische Gewalt vorgestellt werden. Anschließend soll die Struktur von Freundschaften in der Schulklassen, „Ijime“ (Mobbing), „Futôkô“ (Schulabsentismus) und „Hikikomori“ (Zurückziehen) geschildert werden. Darüber hinaus, als Hintergrund von „Hikikomori“, soll die Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen betrachtet werden. Zum 1 Ende werden die Aspekte herausgearbeiter, unter denen junge Männer „Dating violence“ ausüben.
1 „Dating violence“ bezeichnet sexuelle Übergriffe, die innerhalb von Liebesbeziehungen ausgeübt werden und sich von häuslicher Gewalt dadurch unterscheiden, dass die PartnerInnen lediglich in einer relativ losen Beziehung zueinander stehen.
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Zur Situation von Jungen in Bildungspolitik und Schule Zwei Kontrollstrategien Gewalttätigkeiten von Schülern nehmen mehr und mehr zu (vgl. Tabelle 1), dabei tritt vor allem „Ijime”, hier als Mobbing unter Schülern und Schülerinnen verstanden, häufiger auf als noch vor einigen Jahren (vgl. Tabelle 4). Nach Untersuchungen des japanischen Bildungsministeriums (vgl. Monbukagakushô 2008) zeichnet isch die Struktur jugendlicher Gewalttätigkeiten darurch aus, dass erstens 91 Prozent der Täter männlich sind (vgl. Tabelle 2), dass zweitens die Gewalttätigkeit eher innerhalb der Schule als außerhalb der Schule, vor allem aber in der Grundschule zunimmt und dass drittens Täter nicht Gruppen sondern Individuen sind, und sich Gewalttätigkeiten nicht vorrangig gegen Gruppen sondern gegen einzelne Personen richten. Tabelle 1: Gewalt innerhalb und außerhalb der Schule (Monbukagakushô 2008) Jahr Grundschule Mittelschule Oberschule Gesamt
97 1.432 21.585 5.509 28.526
99 1.668 28.077 6.833 36.578
01 1.630 29.388 7.213 38.231
03 1.777 27.414 6.201 35.392
05 2.176 25.796 6.046 34.018
07 5.214 38.803 10.739 52.756
Tabelle 2: Täter und Täterinnen (Monbukagakushô 2008).
Als Gegenmaßnahme versucht das Bildungsministerium einerseits, die bisherige disziplinarische Kontrolle (Foucault’sche Kontrolle) zu verstärken. Es empfiehlt daher, so genannte japanische „Null-Toleranzregeln“ („zero tolerance rules“) gegen Schüler und Schülerinnen anzuwenden (vgl. Kokuritsu kyôiku seisaku kenkyûsho Seitoshidô kenkyû sentâ 2006). Diese empfehlen Lehrerkräften, Schüler und Schülerinnen, die die Schulvorschriften nicht befolgen, strikt zu bestrafen. Andererseits übt das Bildungsministerium mit dem Material für den Moralunterricht „Kokoro no nôto“ („Heft über die Seele“) und mit Hilfe von Schulpsychologen Kontrolle im Deleuze’schen Sinne aus. Damit lassen Schule und Lehrkräfte die Schüler und Schülerinnen sich selbst kontrollieren. Das Bildungsministerium bezeichnet diese beiden Maßnahmen als „negative” und „positive” Seiten von Schülerleitung und beurteilt die Idee, welche der Nulltoleranzregel zugrunde liegt, d.h. die „Klärung der Bestrafungsmaßstäbe und ihre gerechte Anwendung“ als sinnvoll (vgl. Tsubota 2006). In beiden Fällen jedoch werden die Subjektivität und das Recht der Schüler und Schülerinnen nicht abgesichert, 220
sodass in japanischen Schulen die allgemeinen Menschenrechte nicht gelten. Das kann zu einer „Gewaltkultur” auf Seiten der Schülerinnen und Schüler führen. Diese „Gewaltkultur“ wird noch durch weitere Faktoren beeinflusst, beispielsweise durch die Veralltäglichung von Leistungskonkurrenz in der Schule. Die Ergebnisse von PISA 2003 lösten im Bildungsministerium einen starken Schock aus. Zwar belegten japanische Schüler und Schülerinnen im Kompetenzbereich Naturwissenschaften in den PISAStudien von 2000 und 2003 im internationalen Vergleich den zweiten Platz, aber ihre mathematische Kompetenz sank vom ersten Platz auf den sechsten und die Lesekompetenz vom achten auf den vierzehnten Rang. Angesichts dieser Entwicklungen orientiert sich das Bildungsministerium seit 2003 an der „Politik der Leistungsverstärkung”. Seit 2007 führt das Bildungsministerium daher jährlich zentrale Leistungserhebung zur Lesekompetenz und mathematischen Kompetenz durch („Zenkoku gakuryoku/gakushû jôkyô chôsa”, Zielgruppe: sechste und neunte Jahrgänge) und veröffentlicht diese Leistungsergebnisse je Landkreis. So setzten alle kommunalen Bildungsausschüsse die Schüler und Schülerinnen unter Leistungsdruck, um ihre Leistungen damit zu verstärken. Daher sind japanische Schülerinnen und Schüler permanent im Leistungsstress. Geschlechterdifferenzen in den Leistungen Werden die Ergebnisse der PISA-Studien unter der Gender-Perspektive betrachtet, so gibt es in der mathematischen Kompetenz wie auch der naturwissenschaftlichen Kompetenz kaum Differenzen zwischen Mädchen und Jungen (vgl. Tabelle 3). Allerdings erzielen die Jungen in der mathematischen Kompetenz etwas höhere Punktwerte als die Mädchen. Aber diese Differenz ist nicht größer als bei der Lesekompetenz und darüber hinaus nicht signifikant. Tabelle 3: Kompetenzniveuas der japanischen SchülerInnen in den PISA-Studien, * = signifikant (Kokuritsu kyôiku seisaku kenkyûsho 2002; 2004; 2007) Kompetenzbereich Mathematik Naturwissenschaft Lesen
PISA 2000 f. 553 557 537*
m. 561 547 507
PISA 2003 f. 530 546 509*
m. 539 550 487
PISA 2006 f. 513 530 513*
m. 533 533 483
Aus diesen Ergebnissen ergeben sich zwei Herausforderungen. Die erste Aufgabe besteht darin, die mathematische Kompetenz von Mädchen ebenso wie die naturwissenschaftliche weiter zu fördern. Eine zweite Aufgabe besteht dagegen darin, die Lesekompetenz von Jungen zu fördern. Wie bei einer weiteren japanischen Leistungsuntersuchung (vgl. Kariya et al. 2002) konstatiert wurde, haben die Schüler und Schülerinnen im Japanischunterricht Schwächen im Verstehen von längeren Texten und der Grammatik, sie können also schlecht die Inhalte des Japanischen verstehen. Dabei schneiden die Jungen schlechter ab als die Mädchen. Das Bildungsministerium verweist jedoch nicht auf diese Aufgaben.
221
Freundschaften unter Bedingungen der Konsumkultur Der Kontext Schule kann auch auf der Ebene der Peer-Beziehungen zu Problemen für die japanischen Jungen führen. Dazu gehört vor allem die Hierarchie in der Klasse, die „Bildung für oder mit Konsumkultur” und die „Klassenpyramide”. Abbildung 1:
„Schulisches Kastensystem“ (Gakkô Kâsuto).
Schüler und Schülerinnen müssen den „Habitus” oder die „Codes”, die der heutigen modischen Jugendkultur innewohnen, wahrnehmen und verkörpern, um einen anerkannten Platz innerhalb des sozialen Klassengefüges einzunehmen. Sie müssen z.B. aktuelle Frisur- und Kleidermode verwenden. Das ist für sie ein anderes Wissen als die schulische Bildung, nichtsdestotrotz auf der peer-kulturellen Ebene außerordentlich bedeutsam. Darüber hinaus müssen sie die soziale Umgebung, in der sie sich bewegen, wahrnehmen und kommunikative Beziehungen zu ihrem sozialen Umfeld pflegen. Zentraler Gradmesser für diese Form der „Bildung für und mit Kosumkultur” sind die beiden Einordnungen „iketeru (super sein)“ und im Gegensatz „iketenai (nicht super sein)“, anhand derer eine Position in der Klasse zugewiesen wird. Diese „heimliche” schulische Hierarchie, die so genannte „Klassenpyramide“ (Kurasu piramiddo) oder auch das „schulische Kastensystem“ (Gakkô Kâsuto) ist eine andere Hierarchie als die öffentliche, die die Lehrkräfte unter den Schülern und Schülerinnen zu implementieren versuchen, und die aus der institutionalisierten Hierarchiepyramide „Klassenführer“, „Klassensprecher“ und „Gruppenführer“ resultiert. Dabei nehmen die Lehrkräfte die informelle „Klassenpyramide” kaum wahr. Jungen werden dabei in drei Gruppen eingestuft: in „Ikemen“ (schön aussehender Mann), „Futsumen“ (normal aussehender Mann)” und „Kimomen“ (schlecht oder eklig aussehender Mann). Eine andere Unterteilung differenziert in A-Gruppe, B-Gruppe und C-Gruppe (vgl. Asahi Shinbun Weekly AERA 2007). Zur A-Gruppe gehören die Jungen, die z.B. Mitglieder des Fußballklubs, Basketballklubs oder Baseballklubs sind, oder humorvolle Jungen. Zur B-Gruppe gehören die Jungen, die z.B. Mitglieder des Volleyballklubs oder Tennisklubs sind, und zur C-Gruppe gehören die Jungen, die Mitglieder des Tischtennisklubs oder kulturellen Klubs 222
sind, oder als „Otaku“ (insbesondere männliche Jugendliche, die sich in die Heldin eines Mangas oder Animationsfilms verlieben) angesehen sind (vgl. Abbildung 1). Häufig sind diese sozial isoliert und verfügen über wenig stabile Freundschaftsnetzwerke. Diese drei Gruppen grenzen sich voneinander ab und interagieren kaum miteinander. Dabei werden die Jungen in der unteren Gruppe vom Rest der Klasse diskriminiert und ausgeschlossen. Wenn ein Junge einmal zur unteren Gruppe gehört, dann ist es schwer für ihn, in eine anerkanntere Position aufzusteigen. Kommunikation über „Neta“ und „Kyara” Auch innerhalb jeder Gruppe benützen Jungen (auch Mädchen) „Neta“ (Scherzkommunikation) und „Kyara“ (Abkürzung für Charaktere insbesondere in Mangas oder Animationsfilms), um ihre Position innerhalb einer Gruppe sicherzustellen. Das heißt, sie versuchen beispielsweise über spaßhafte Scherzkommunikation andere zum Lachen zu bringen und so Freundschaften aufrecht zu erhalten. Dabei fingieren und spielen sie einen Charakter, der von den anderen anerkannt wird. Diese Charaktere bilden ebenfalls eine Hierarchie, z.B. „Ijiri Kyara“ (foppenden Charakter) und „Ijirare Kyara“ (gefoppten Charakter). Wenn nun die Jungen innerhalb einer Gruppe keinen stabilen Charakter entwickeln können, erwerben sie keine „ontologische Sicherheit” (Giddens 1991: 35), weil sie sich nicht anerkannt fühlen. Indem die Jungen ihren Charakter in geschickter und taktischer Weise nach den Orientierungen innerhalb der Gruppe darstellen (und entsprechend deformieren), nehmen sie eine anerkannte Position innerhalb ihrer jeweiligen Gruppe ein. Das heißt, sie müssen sich permanent den Situationen entsprechend verhalten, was zu tendenzieller Selbst-Verleugnung führt. Diese Jungen benützen als Strategie das „heuchelnde Selbst” und „Jibun wo yatsusu komyunikeishon“ (sich verkleidende Kommunikation) (vgl. Kashimura 2007: 241). Das bedeutet, dass sie sich je nach der Situation sich selbst täuschen müssen, um ihre Identität abzusichern und auszubilden. Zum Beispiel müssen sie in ihrem Klub Persönlichkeit A, in der Klasse Persönlichkeit B und in den Freundschaften Persönlichkeit C spielen und zugleich eine Persönlichkeit bleiben (vgl. Abbildung 2). Abbildung 2:
Multiple Persönlichkeiten
P.A
P.D
P
P.B
P.C
Daraus resultiert ein schwieriger Prozess der Identitätsbildung, der von Identitätskrisen begleitet werden kann. Denn die Jungen schalten je nach sozialer Situation um und müssen zugleich ihre multiple Persönlichkeit als Einheit erhalten und aushalten. Wenn ihnen diese 223
Strategie nicht gelingt, fallen sie in die C-Gruppe oder ziehen sich in sich selbst zurück. Sie verstecken ihr „wahres“ Selbst, beanspruchen keine eigene Meinung und leben still, damit sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. So gibt es allgemein formuliert zwei polare Typen von Jungen. Einerseits Jungen, die sich meistens performativ und aktiv verhalten („performativer Akteur”) und andererseits Jungen, die sich in sich selbst zurückziehen („Hikikomori in sich selbst”) (vgl. auch Saitô 2007). Allerdings gibt es auch einen mittleren Typ. Beide Typen, performative und sich in sich selbst zurückziehende Jungen, erleben in ihren sozialen Beziehungen unterschiedliche Risiken. Für erstere Jungen ist die Selbstdarstellung riskant, da die Gefahr droht, die Anerkennung der anderen Schüler zu verlieren. Denn die Selbstdarstellung zugleich heißt, anderen wahres Selbst auszustellen. Letztere Jungen versuchen hingegen, aktive Beziehungen zu anderen zu vermeiden, sie „steigen aus dem sozialen Leben aus“. Die heutige Informations- und Konsumgesellschaft erleichtert dies durch Instrumentarien wie z.B. Computerspiele oder Chat-Räume, sodass diese Jungen keine unmittelbaren Beziehungen aufbauen müssen. Diese „sich in sich selbst zurückziehende” Welt erweitert sich zunehmend. Hier bewegt sich die männliche Jugend, die als „Otaku” bezeichnet wird. Sie befriedigen ihre sozialen Bedürfnisse nicht in direkten sozialen Aushandlungsprozessen, sondern streben nach sofortiger virtueller sinnlicher Befriedigung (vgl. Azuma 2001: 135). „Ijime“ und „Hikikomori“ „Ijime” und „Futôkô“ Die oben beschriebenen schulischen Strukturen und die prekären sozialen Beziehungen begünstigen die Zunahme von „Ijime” (Mobbing) unter den Schülern und Schülerinnen. Die Statistik weißt für das Jahr 2007 40.038 Fälle auf, davon am häufigsten in der Mittelschule mit etwa vier Fällen pro Schule (vgl. Tabelle 4). Dabei gibt es zweimal mehr Mobbingopfer als Gewalttäter und Gewalttäterinnen, wobei die Dunkelziffer von Mobbing sehr viel höher liegt als die erfassten Zahlen. Tabelle 4: Mobbing in der Schule (Monbukagakushô 2008).
224
Mobbing als Psychoterror (inklusive körperlicher Gewalt) entsteht in allen Schularten, dabei gibt es etwas mehr männliche Mobbingopfer als weibliche. Die am häufigsten auftretende Mobbingart sind mit 64,3 Prozent Beschimpfung oder Neckereien, wie z.B. „kimoi“ (eklig) oder „mukatsuku“ (sich ekeln). Es folgt körperliche Gewalt, wie Schlagen, Stoßen mit 24,2 Prozent und Mobbing wie Ausschließen, Ignorieren mit 22,6 Prozent. Da jede und jeder vom Mobbing betroffen sein kann, haben alle Schüler und Schülerinnen Angst davor, Opfer zu werden. Eindeutige Ursachen von „kimoi“ oder „mukatsuku“ sind nicht auszumachen, oft eskaliert Mobbing aus Spaßsituationen. Häufig ist nicht vorhersehbar, wann und ob er (oder sie) vom Mobbing betroffen sein wird. Allerdings sind Mitglieder der C-Gruppe oder „Kimomen“, jene die nur geringe kommunikative Kompetenz aufweisen, häufiger vom Mobbing betroffen. Im Jahr 2006 begingen mehrere Schüler und Schülerinnen aufgrund von Mobbing Selbstmord. Mobbing löst im familiären und schulischen Alltag der Schüler und Schülerinnen Stress und Angst aus. Einerseits herrscht ein starker Konformitätsdruck vor (durch die oben erwähnte „Klassenpyramide“), der sich z.B. in Kleidung, Frisur, Kommunikationsstil usw. ausdrückt. Vor allem Jungen äußern Angst davor, in die C-Gruppe abzufallen und ausgeschlossen zu werden. Andererseits haben vor allem Jungen aufgrund des starken Leistungsdrucks in Form von alltäglichen Leistungsprüfungen und Aufnahmeprüfungen in die Oberschulen noch weitere Stress- und Angstbelastungen. Dabei nehmen sie seitens ihrer Eltern höhere Leistungserwartungen wahr. Nach Benesse (2007) glauben mehr Schüler (23,4 Prozent) als Schülerinnen (20,6 Prozent) aus dem achten Jahrgang, dass ihre Eltern besonders hohe Leistungserwartungen an sie richten. Aus diesem Grund müssen sie sich gegenüber ihren Eltern, vor allem aber ihren Müttern, so verhalten, als seien sie „gute“ Schüler und Schülerinnen. Dies führt letztendlich dazu, dass manche Jungen Mobbing an ihren Kameraden, beziehungsweise Jungen aus der C-Gruppe verüben. Auch plötzliche Gewalt gegen die Eltern oder anderen Menschen, wie z.B. Obdachlose oder Behinderte, kann die Folge sein. Gemobbte Schüler und Schülerinnen ziehen sich dagegen sozial und räumlich zurück, um sich selbst zu schützen. Sie werden häufiger „Futôkô“ (Schulverweigerer). Ihre Zahl nimmt von Jahr zu Jahr zu, und belief sich im Jahr 2007 auf etwa 130.000 (vgl. Tabelle 5). Tabelle 5: Schulverweigerer2 (Monbukagakushô 2008). Gesamt Grundschule Mittelschule Gesamt
23.926 105.328 129.254
m
f 12.163 51.170 63.333
11.763 54.158 65.921
2 Als Schulverweigerer werden jene Schüler und Schülerinnen bezeichnet, die während eines Jahres über 30 Tage aus verschiedenen Gründen in der Schule fehlen.
225
„Futôkô“ und „Hikikomori“ Im Unterschied zu der oben erwähnten „Hikikomori in sich selbst”, werden als „reale Hikikomori” diejenigen Jugendlichen bezeichnet, die sich zu Hause in ihr Zimmer zurückziehen und außer zu ihren Familienmitgliedern dauerhaft (mindestens über sechs Monate) keinen Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen. Sie ähneln den so genannten „Nesthockern“ in Deutschland. Ihre Zahl beläuft sich vermutlich auf etwa 1.000.000. Auch hier sind es mehrheitlich junge Männer, man geht von einem Anteil von etwa 80 Prozent aus (vgl. Saito 2003: 55ff). Es gibt in Bezug auf „Hikikomori“ mehrere wichtige Faktoren: „Hikikomori“ steht im engen Zusammenhang mit Mobbing („Ijime“) und „Futôkô“ in der Schule. Nach Gendaikyôiku kenkyûkai (2001) sind etwa 16,7 Prozent der Schulverweigerer fünf Jahre lang nach dem Abschluss der Mittelschule keiner Ausbildung oder Beschäftigung nachgegangen. 22,8 Prozent der Schulverweigerer gehen weder in die Schule, noch arbeiten sie. Das lässt vermuten, dass etwa 20 Prozent der Schulverweiger zu „Hikikomori“ werden. Nach einer Untersuchung von Saito waren 90 Prozent der „Hikikomori“ Schulverweigerer (Saito 1998: 39). Insofern ist Schulverweigerung ein wichtiges Indiz für „Hikikomori“. Weil „Ijime“ und misslungene Freundschaften zwei Anlässe für Schulabsentismus sind (insgesamt 21,9 Prozent als Anlass für Schulabsentismus), sind Schulverweigerer in der Klasse meistens ausgeschlossen. Manche dieser Jungen üben Gewalt an ihren Familienmitgliedern aus, vor allem Mütter sind davon betroffen, beispielsweise wenn diese versuchen, ihre Söhne zum Schulbesuch oder zur Arbeit zu zwingen. Die Jungen haben dann das Gefühl, als ob ihre Familien „einen Teil ihres Körpers“ (vgl. Saitô 1998: 116) sind, es handelt sich also um eine innerfamiliäre Überidentifikation. Daher sind ihre Familienmitglieder ein Teil der eigenen Identität, ein Schutz, und keine „Anderen“. Wenn ihre Mitglieder den Jungen dennoch als „Andere“ erscheinen (z.b. indem Mütter ihre Söhne zum Schulbesuch zwingen), dann reagieren sie mit Ratlosigkeit und zur Kompensation mittels Gewalt. Andererseits verharren sie in dem Glauben, dass ihre Eltern, (insbesondere ihre Mutter) dauerhafte Sorgefunktion für sie übernimmt. Hier liegt ein weiterer wichtiger Faktor von „Hikikomori“ verborgen, nämlich innerfamiliäre, soziale Abhängigkeitsbedingungen, die verhindern, dass sich junge Männer verselbstständigen. Soziale Unselbstständigkeit Im heutigen Japan haben junge Leute, insbesondere junge Männer Schwierigkeiten, sich am sozialen Leben zu beteiligen. Dies liegt an vier Faktoren. Ein erster Faktor ist, wie oben genannt, die Furcht vor sozialen Kontakten. Zweitens hat die japanische Gesellschaft derzeit kaum soziale Instrumente, um junge Leute im Prozess des Erwachsen-Werdens zu begleiten. Drittens wissen viele Jungen nicht, welche Einstellung sie zu den aktuellen sozialen Transformationen von „Männlichkeiten” haben sollen. Viertens gibt es in manchen sozialen Milieus, ein Ko-Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mutter und Sohn. Im Folgenden werden vor allem der zweite, dritte und vierte Faktor dargestellt.
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Männliche Adoleszenz im heutigen Japan Seit Mitte der 1990er Jahre verändern sich die Arbeitsvertragsbedingungen großer Unternehmen von den bisher traditionellen (Einstellung von neuen Absolventen, lebenslange Anstellung, und Anciennitätsprinzip) zu flexiblen und stark von Leistung geprägten Bedingungen. Das heißt, dass in Unternehmen bisherige tradierte Eigenschaften japanischer Männlichkeit (wie Treue und Engagement) nicht mehr benötigt werden. Gleichzeitig wird den Jugendlichen und jungen Männern der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert, weil die tradierten Anstellungssysteme abgeschafft werden, welche den Übergang von Schule zum Beruf bislang relativ stabil abgesichert haben. Die Jugendlichen können somit nicht mehr eine hekömmliche Lebensplanung mit den Schritten Schule – Beruf – Heirat – Pensionierung entwerfen. Während bisher ältere Männer die jüngeren Männer im Unternehmen ausgebildet haben (on the job training), sind Zweitgenannte nun selbst für ihre Qualifikation und ihre Kompetenzen verantwortlich. Das heißt, dass die nach dem zweiten Weltkrieg etablierte männliche Sozialisationsphase in der beruflichen Ausbildung mittlerweile an Bedeutung verliert (vgl. Inui 2000). Bislang waren die Unternehmen neben der Schule eine wichtige Sozialisations- und Integrationsinstanz für junge Männer. Durch die neoliberale Politik der japanischen Regierung und der Unternehmen löst sich diese Bedeutung zunehmend auf. Gleichzeitig existieren in der japanischen Gesellschaft keine alternativen sozialen Wege, die es jungen Männern ermöglichen, sozial selbstständig zu werden. Daher haben sie aktuell kaum Zugang zu sozialen Ressourcen, zu sozialem Leben. Sie werden ohne Ausbildung plötzlich in das berufliche Leben ‚geworfen’ und scheitern häufig daran. Das führt auch zu einer sozialen (und räumlichen) Isolation. Andererseits erschwert die Arbeitsflexibilisierung aber auch, die bisherige traditionelle Geschlechterrollenverteilung in der Familie aufrecht zu erhalten. Viele junge Männer können die Anforderung an das Alleinernährermodell nicht erfüllen (vgl. Noguchi 2004). Dennoch orientieren sich viele (junge) Männer noch immer am Modell des „male bread winners“ und suchen entsprechend als Idealbild der Ehepartnerin eine gehorsame und zärtliche Frau, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass alternative Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder in Japan bislang kaum verbreitet sind (vgl. Ôkubo et al. 2006: 137). Womit aber versuchen die japanische Regierung und die Unternehmen stattdessen, Jungen sozial zu integrieren? Was ist ihre Strategie? Einerseits werden Jungen durch eine Revidierung des Jugendgesetzes exkludiert, welches zu strengerer Bestrafung bei kleinen Vergehen führt. Damit hängen „Null-Toleranzregeln“ zusammen. Andererseits wird versucht, Jungen mittels Verstärkung des Nationalismus zu inkludieren. Tatsächlich führte das vor zwei Jahren durch die japanische Regierung eingeführte Basisgesetz für Bildung „Kyôiku Kihonhô“, zu einer Verstärkung des Patriotismus in der Bildung. Männlichkeitsentwürfe in der neoliberalen Wirtschaftswelt Es gibt noch einen weiteren Faktor dafür, dass junge Männer zögern, sich am sozialen Leben zu beteiligen. Viele junge Männer wissen nicht, welche Einstellung sie zur sozialen Transformation von Männlichkeiten haben sollen. Einerseits erleben sie sowohl in der Gesellschaft als auch in der Schule nicht nur traditionelle Männlichkeiten, sondern auch moderne, wie z.B. Metrosexualität. Zusätzlich sind auch in der Dienstleistungsgesellschaft und in den Peer Groups zunehmend soziale und kommunikative Kompetenzen gefragt. 227
Zusammenfassend werden in der japanischen Wirtschaft folgende „Männlichkeiten“ erwartet (vgl. Ikeya 2006). Erstens bedarf es einer „flexiblen Männlichkeit“, analog zu Connells Begriff der „transnational business masculinity“ (Connell 2000: 52), die insbesondere von hochrangigen Mitarbeitern in Leitungspositionen gefordert wird. Dies bedeutet Subjektivität, Selbstverantwortung, kreatives Denken und kommunikative, gefühlssensible und globale Kompetenz (global literacy). Andererseits bedürfen Unternehmen so genannter „marktzentrierte Männlichkeit“. Diese Männlichkeit wird vor allem von den abhängig Beschäftigten erwartet. Denn in der neuen Marktgesellschaft, d.h. der neoliberalen Gesellschaft, werden vor allem jene Männlichkeiten erwartet, welche die Disziplinen oder Spielregeln der neuen Marktgesellschaft strikt befolgen, in ständiger Konkurrenz zueinander stehen und keine Kritik an dieser Form der Unterordnung üben. Drittens ist auch eine so genannte „Metrosexualität“ für die Unternehmen nötig. Vor allem in der zunehmenden Dienstleistungsgesellschaft gilt die bisherige traditionelle Männlichkeit nicht mehr als erfolgversprechend, sondern eher Metrosexualität, welche keine Gefühle von Kunden und Klienten verletzt. Dies sind die drei Hauptsäulen von Männlichkeitsentwürfen, die sich in der aktuellen Arbeitswelt herausbilden. Allerdings gibt es ebenso traditionelle Männlichkeiten und auch marginalisierte Männlichkeiten. Zur letzteren gehören z.B. „Otaku“ und „Okama“, d.h. Männer, die nicht homosexuell sind, aber sich verhalten wie Frauen, Homosexuelle, Transsexuelle oder Intersexuelle usw. Unter diesen drei Hauptsäulen von Männlichkeitsentwürfen gibt es jedoch große Widersprüche. Erstens zwingen einerseits Unternehmen Männer zur dauerhafter Konkurrenz und höheren Leistungen, andererseits fordern sie zugleich von ihnen Flexibilität, vor allem im Kontakt mit den Kunden und im Zeitmanagement. Unternehmen erwarten also sowohl traditionelle als auch flexibilisierte Männlichkeiten. Zweitens fordern sie höhere kommunikative und soziale Kompetenzen. Heute sind Männer mit diesen vielfältigen Forderungen konfrontiert und müssen darin ihre eigene Form von „Männlichkeit“ entwickeln. Zusätzlich fordert der japanische Staat aufgrund der Globalisierung und im weltweiten „alltäglichen“ Kriegszustand nach dem 11. September 2001 eine stärkere und härtere Männlichkeit, d.h. „militärische Männlichkeit“ von den Männern. Ko-Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mutter und Sohn Auch in Japan stellt sich das Problem der sogenannten „abwesenden Väter“. Zwar äußern viele Väter den Wunsch, sich auch an der Hausarbeit zu beteiligen, allerdings wird dies durch mehrere Gründe verhindert: x
x 228
japanische Männer (und auch Frauen) sind nach wie vor in den klassischen Geschlechterrollen verhaftet: Auf die Frage nach der Verteilung „Mann als Ernährer der Familie und die Frau soll zu Hause sein“ antworten 46,5 Prozent der japanischen Männer und 36,8 Prozent von japanischen Frauen mit „stimme zu“, bzw. „stimme weitestgehend zu“. Dem gegenüber beträgt der Anteil der Zustimmung zu dieser Frage bei deutschen Männern 24,0 Prozent und bei deutschen Frauen 14,5 Prozent. Aufgrund der extrem langen Arbeitszeiten haben Männer kaum Zeit für Hausarbeit und Kindererziehung, z.B. arbeiten etwa 20 Prozent der 30-jährigen männlichen Vollzeitar-
x
beiter über 60 Stunden pro Woche (vgl. Sômushô tôkeikyoku 2007). Durchschnittlich werden etwa 90 Prozent der Hausarbeit von Frauen geleistet (vgl. Naikakufu danjokyôdôsankakukyoku 2004).Väter und auch ihre Söhne verfügen daher kaum über Fähigkeiten, die notwendig sind, um einen Haushalt zu führen, z.B. die Zubereitung von Mahlzeiten, gerade ein Teil der Jungen wartet darauf, dass sie versorgt werden. Darüber hinaus wird eine Beteiligung der Männer an der Familienarbeit durch die Lohndiskriminierung der Frauen verhindert.
Viele Frauen müssen daher ohne Unterstützung der Väter ihre Kinder erziehen und die Verantwortung übernehmen. Dazu kommt vor allem bei Familien der Bildungsmittelschicht die Verantwortung für die Schulleistungen ihrer Söhne, denn viele Eltern (insbesondere Mütter) erwarten von ihren Söhnen bessere Leistungen als von ihren Töchtern (vgl. Tabelle 6). Hintergrund bildet die ungenügende und unterfinanzierte Altersversorgung in Japan, die dazu führt, dass Söhne in jedweder Form zur Versorgung ihrer Eltern im Alter beitragen müssen. Tabelle 6: Bildungserwartung von Jungen und Mädchen ( NHK 2004)
Dies führt weiter dazu, dass Mütter ihre Söhne kontrollieren oder zu „lenken“ versuchen, damit aus ihrem Kind ein „guter Sohn“ wird. Aufgrund des hohen Stellenwerts der Familie bemühen sich auch die meisten Söhne darum, ein „guter Sohn“ zu werden, um den Erwartungen ihrer Mütter zu genügen. Deshalb haben manche Jungen wenig Gelegenheit, sich von ihren Müttern zu emanzipieren. Diese intensive Beziehung dauert oft dann noch an, wenn die jungen Männer einen eigenständigen Beruf ausüben und eine eigene Familie gründen. Das ist m.E. eines der zentralen und japanspezifischen Problemlagen für Jungen und männliche Jugendliche, denn die meisten von ihnen haben aus diesem Grund kaum eine Chance, mündig und selbstständig zu werden. Dagegen haben die jungen Frauen bessere Möglichkeiten, unabhängig zu werden, weil der Erwartungsdruck ihrer Eltern nicht so hoch ist. In manchen Fällen versuchen Mütter, ihre Erziehungsvorstellungen mit Hilfe der Autorität der Väter gegenüber ihren Kindern durchzusetzen. So drohen Mütter häufig mit der Bestrafung durch den Vater. Insofern sind auch solche Väter am häuslichen Erziehungsprozess beteiligt, jedoch wissen sie nicht, wie sie sich gegenüber ihrem Sohn verhalten sollen, wenn dieser Probleme macht, da japanische Väter oft im Alltag nur wenig mit ihren Kindern interagieren. Wenn aus dem Sohn z.B. ein „Schulverweigerer“ oder „Hikikomori” wird, dann üben sie plötzlich Gewalt gegen ihn aus, um ihn zur Schule oder zur Arbeit zu zwingen. Dies ist jedoch kontraproduktiv, da die Angst der Jungen vor dem sozialen Leben so verstärkt wird, gerade wenn die Eltern, zu denen die beschriebene Überidentifikation besteht, plötzlich als Kontrahenten begriffen werden und nicht mehr als Beschützende.
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Aufgrund der engen familiären Bindung können sich Jungen und junge Männer nicht von ihrer Mutter distanzieren, sondern gehen gehorsam den Weg, den sie ihnen weist. Andererseits jedoch werden von ihnen die traditionelle Männlichkeit durch Massenmedien und Peer-Gruppe gefordert. Die Ausgestaltung dieses Widerspruchs obliegt den jungen Männern allein, es fehlt an Orientierungsmöglichkeiten. Geschlechterhierarchie in den Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen Dieser Widerspruch manifestiert sich auch in den Beziehungen von Jungen zu ihren Freundinnen. Augenscheinlich sind in der heutigen japanischen Gesellschaft die Mädchen stark und die Jungen zurückhaltend. Aber in den (sexuellen) Beziehungen herrscht nach wie vor eine Geschlechterhierarchie. Während viele Mädchen weit gefächerte Vorstellungen von ihrem Selbstbild haben und neben tradierten weiblichen Attributen wie zart und gehorsam gleichzeitig auch alternative Attribute wie willensstark anstreben, erwarten Jungen von ihren Freundinnen nach wie vor traditionelle Weiblichkeitsbilder, die zart, gehorsam und hübsch sind, aber die Willensstärke ausschließen. Jungen charakterisieren andererseits ihr eigenes Selbstbild neben dem weiblichen Attribut ‚zart’, mit traditionellen männlichen Attributen wie willensstark, ruhig und kräftig. Auch Mädchen erwarten von ihrem Freund diese Form von Männlichkeiten (vgl. Inoue et al. 1994). Bei diesem „untereinander ergänzenden Prinzip“ (Ikeya 2000: 214) stärken sich die Männlichkeiten von Jungen zunehmend. Während sich Jungen daher kaum im Widerspruch in der Beziehung zu ihrer Freundin fühlen, geraten Mädchen in den Konflikt zwischen traditionellen und modernisierten Weiblichkeitsbildern. Vor diesem Hintergrund fällt es vielen Mädchen in Beziehungen schwer, Grenzen zu ziehen und sich selbst zu behaupten, wenn ihr Freund sexuelle Kontakte von ihnen erwartet oder ihnen Gewalt antut. Darin besteht ein Faktor von Beziehungsgewalt (Dating violence). Dating Violence ist Gewalt zwischen einem jungen Paar (heterosexuellem oder homosexuellem), die in einer losen Liebesbeziehung zueinander stehen. Zu Dating Violence zählt z.B. körperliche Gewalt, verbale Gewalt, Beziehungszwang und Kontrollausübung. Nach einer Befragung durch die Stadt Yokohama bei OberschülerInnen und StudentInnen (2008) sind 38,8 Prozent junger Frauen von Dating Violence betroffen, aber „nur“ 27,5 Prozent der jungen Männer. Nach einer Untersuchung von der Stadt Kôbe (2008) an OberschülerInnen sind 38,0 Prozent der jungen Frauen und dagegen 28,7 Prozent der jungen Männer Opfer von Dating Violence. Insgesamt sind also mehr junge Frauen als junge Männer betroffen. Warum üben junge Männer Dating Violence aus? Erstens glauben viele, dass sie als Mann in sexueller Hinsicht die dominierende Rolle zu spielen haben, Vorbildfunktion hat hier die Pornographie. Insofern halten sie an der traditionellen Männlichkeit fest. Aus diesem Grund haben viele Angst vor einer sexuellen Beziehung, weil sie davon ausgehen, sich anhand tradierter Männlichkeit verhalten zu müssen. Die ‚Verpflichtung zur sexuellen Dominanz’ erscheint vielen jungen Männern gleichzeitig als Überforderung. Ein weiterer Punkt ist, dass viele Jungen überzeugt sind, dass Frauen (inklusive ihrer Freundin) sich um ihre Männer kümmern und für sie sorgen sollen, hier dient die eigene Mutter als Rollenvorbild, da sie kaum andere gleichberechtigte Beziehungen kennen als die zu ihrer Mutter. Wenn ihre Freundin daher nicht gehorsam für sie sorgt, dann können sie das nicht dulden,
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sondern beginnen, Beziehungsgewalt gegen ihre Freundin auszuüben, um ihre Dominanz auf diesem Wege herzustellen. Fazit Fasst man die geschilderten Problemlagen zusammen, die sich Jungen und jungen Männern in der heutigen japanischen Gesellschaft stellen, ergeben sich mehrere zentrale Punkte. Erstens führen die parallele Exklusions- und Inklusionsstrategie des Bildungsministeriums und die zusätzliche Leistungskonkurrenz zu zahlreichen Einschränkungen. Zweitens leiden viele Jungen in der Schule unter der hierarchischen vertikalen Klassenpyramide, die auch dazu führt, dass in den horizontalen Freundschaften Angst und Furcht vor sozialer Ausschließung präsent ist. Drittens haben Jungen auch in Bezug auf die gesellschaftlichen Verhältnisse Angst davor, aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, beispielsweise, in dem sie zu „Hikikomori“ werden. Unter den „gewalttätigen“ Umständen sind Jungen geistig sowie physisch zur „Hikikomori“ geneigt. Viertens können Jungen wegen der starken Erwartung vor allem ihrer Mütter nicht aus der Abhängigkeit heraustreten, noch wird dadurch ihre soziale Mündigkeit gefördert. Darum müssen die Jungen den Widerspruch zwischen dem starken Anspruch, als Männer selbstständig und konkurrenzfähig zu sein, und der abhängigen familiären Wirklichkeit aushalten. Wie kann man diesen Kreislauf von scheinbar ontologischer Angst durchbrechen? Zunächst einmal ist es nötig, vielfältige Räume zu schaffen, in denen Jungen ihre Angst und Furcht ohne Sorge ausdrücken können. Zweitens bedarf es Erwachsener, die den Jungen zuhören und die ihnen vielfältige Entwürfe von Männlichkeit oder Weiblichkeit zeigen können. Drittens sollte das Recht auf Teilhabe am schulischen und sozialen Leben abgesichert werden. Literatur Asahi Shinbun Weekly AERA (2007): Asahi Shinbun Weekly AERA 19.11. Azuma, H. (2001): Dôbutsuka suru posutomodan.Otaku kara mita nihon shakai (Vertierende Postmoderne. Japanische Gesellschaft unter der Perspektive von Otaku). Kôdansha gendai shinsho. Benesse (2007): Dai 4 kai gakushû kihonchôsa hôkokusho: Chûgakusei (Der vierte Bericht der Grunduntersuchung über Lernen: Mittelschule). Connell, R. W. (2000): The Men and The Boys. Cambridge: Polity Press. Gendaikyôiku kenkyûkai (2001): Futôkô ni kansuru jittaichôsa (Untersuchng zum Stand des Schulabsentismus). Giddens, A. (1991): Modernity and Self-Identity. Self and Society in the Late Modern Age. Cambridge: Polity Press. Ikeya, H. (2000): Kodomo to sekushuarithî (Jugendliche und Sexualität). In: Kadowaki, K./ Kudomi, Y. (Hrsg.): Genzai no kodomo ga wakaru hon (Handbuch – Verstehen heutige Kinder). Gakuji shuppan. S. 206-228. Ikeya, H. (2006): Ima naze dansei ga mondai nanoka? – dansei no jendâ to sekushuarithî wo megutte (Warum haben nun Männer „Trouble“? – Um Gender und Sexualität von Männern). In: Yuibutsuron kenkyû (Jahrbuch für Materialismus-Studien), Nr.11, S. 139-168. Inui, A. (2000): „Sengoteki seinenki“ no kaitai (Abbau der männliche Adoleszenz nach dem Krieg). Kyôiku (Pädagogik), Nr.3, 15-22.
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Jungen im österreichischen Bildungssystem und die Bedeutung männlicher Lehrkräfte Claudia Schneider
Abstract “Boys in the Austrian School System and the Meaning of Male Teachers” This contribution focuses – on the basis of empirical, school-based studies – male teachers, especially in primary schools. Thus, the author refers to the current discussion of failing boys and winning girls in which male teachers are claimed as a solution for the underachieving boys. Criticising this as a „doing gender organisation”-perspective, Claudia Schneider analyses the situation of boys and girls in school at first and disusses afterwards the real usefulness of male teacher for school socialisation by employing facts and figures. At last she presents an example for undoing gender in school. Einleitung Seit mehreren Jahren wird in einigen (Print-)Medien in Österreich und im deutschsprachigen Raum die Diskussion geführt, wer denn nun im Schulsystem mit der herkömmlich praktizierten Koedukation die wahren GewinnerInnen oder die eigentlichen VerliererInnen seien (vgl. Larcher/Schafroth 2004; Thimm 2004; Brinck 2004; Ernst 2004). Ihre Grundaussagen lassen sich auf zwei einander ergänzende Standpunkte reduzieren: Die Mädchen sind die Gewinnerinnen! Sie weisen die besseren Leistungen auf, haben die Burschen bildungsmäßig „überholt“. – Die Buben sind die Verlierer! Für sie bedeutet Schule die „größere Qual“, sie werden „allein aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert“ bzw. benachteiligt und können nicht so gute Leistungen erbringen. „Differenzen-Kampf“ Ich denke, die Frage nach GewinnerInnen oder VerliererInnen ist falsch gestellt und in dieser Polarisierung und Pauschalierung nicht zielführend: Viele Kinder und Jugendliche finden in der Institution Schule nicht die Verhältnisse vor, unter denen sie gut und erfolgreich lernen können, und es gelingt der Schule nicht, zu einer Geschlechtergleichstellung beizutragen. Es stimmt, dass die Mädchen statistisch gesehen die erfolgreicheren SchülerInnen sind – auch in Österreich: Das zeigt sich bei ihren Schulerfolgen in Form von Noten, bei den Sonderschulquoten und bei den Aufstiegsberechtigungen (d.h. es „fallen“ weniger Mädchen „durch“). Der Anteil junger Frauen an Reifeprüfungen im Jahr 2007 betrug 58,2 Prozent (vgl. Statistik Austria: Bildungsabschlüsse; eigene Berechnungen). Die Anzahl weiblicher Studierender an österreichischen Universitäten hat sich im Zeitraum von knapp 30 Jahren von 39,6 Prozent (1980/81) kontinuierlich bis auf 53,7 Prozent (2007/08) erhöht (vgl. Statistik Austria: Hochschulstatistik; eigene Berechnung), und im Studienjahr 2006/07 233
betrug die Frauenquote bei den Abschlüssen an österreichischen wissenschaftlichen Universitäten 53,9 Prozent (vgl. Statistisches Taschenbuch 2007; eigene Berechnung). Was viele Mädchen im Rahmen der herkömmlich praktizierten Koedukation jedoch nicht lernen, ist, wie sie ihre nachweisbar besseren Leistungen im Berufsleben als erwachsene Frauen erfolgreich verwerten können. Merkmale der Berufswelt sind nach wie vor ein geschlechtsspezifisch segregierter Arbeitsmarkt, niedrigere Fraueneinkommen1 und weniger Frauen in Spitzenpositionen2 . Um diesen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern entgegen zu wirken, bietet die Schule als Sozialisationsinstanz offenbar nicht ausreichend Lernmöglichkeiten. Immer noch wird in der Schule zu wenig wahrgenommen, „wie die Begabung und Wissbegierde von Mädchen als ‚weiblicher Fleiß’ fehlinterpretiert wird, wie sehr Mädchen in manchen Fällen unterfordert werden, wie sie lernen, zu verlieren, sich zurückzunehmen, gute Miene zu machen gegenüber Abwertungen ihrer Person und sexuellen Übergriffen, um nicht als Spielverderberinnen dazustehen“ (Popp 1997: 209).
Und es stimmt weiter: Buben bleiben gefangen in einem Netz aus Selbstüberschätzung, Körperfeindlichkeit, Zwang nach Kontrolle und dem Druck, immer „cool“ sein zu müssen. Sie erhalten von den Lehrkräften einen „Geniebonus“, der es „Jungen durchaus nahe legt, sich schulisch distanziert zu inszenieren. Zwar schadet es objektiv mittlerweile vielen Jungen – betrachtet man sich die Bildungsbeteiligung. Subjektiv aber durchbricht dies nicht die Geschlechterhierarchie, erlaubt es den Jungen in weit höherem Maße, ein ungebrochenes Bild von sich selbst aufrecht zu erhalten“ (Faulstich-Wieland 2002: 10).
Die patriarchale Dividende (Connell 1999) lukrieren sie allemal. Was sie im herkömmlichen Schulsystem nicht lernen ist, wie sie mit Verunsicherungen, Kränkungen und Ängsten umgehen können. Was Jungen im österreichischen Schulsystem offenbar nach wie vor lernen: institutionelle (Kleinkind-)Erziehung und Bildung sind Frauensache und häusliche Kindererziehung großteils ebenso. Der geschlechtsspezifisch geteilte Erwerbsarbeitsmarkt – horizontal wie vertikal – wird ungebrochen ergänzt bzw. ermöglicht durch das geringe Engagement österreichischer Männer in den Bereichen Sorge-, Pflege- und Subsistenzarbeit; im Februar 2009 betrug der Männeranteil an den KindergeldbezieherInnen 4,1 Prozent (Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend; zit. nach diestandard, 13.3.2009).
1 In Österreich beträgt aktuell der gender pay gap 25,5 Prozent – um so viel liegen die durchschnittlichen Fraueneinkommen unter denen der Männer; EU-weit beträgt der gender pay gap 17 Prozent (vgl. European Commission 2009). 2 Im österreichischen Finanzsektor beträgt der Frauenanteil knapp 4 Prozent (vgl. diestandard, 6.3.2009).
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Jungen als Schüler – Männer als Lehrer Die aktuellen medialen Diskussionen zeigen, dass die seit über drei Jahrzehnten vorliegenden und immer weiter ausdifferenzierten Befunde der koedukationskritischen Forschung (vgl. Schneider 2001; 2002; Schneider et al. 2009) nicht länger ignoriert werden. Im öffentlichen Diskurs fällt die einhellige Wahrnehmung der Buben als „Opfer“ oder „Verlierer“ auf. In den zahlreichen Artikeln über die im Schulsystem „benachteiligten Buben“ wird die „Feminisierung“ der Schule bzw. das Fehlen von Lehrern als eine der Begründungen für die problematische Jungensituation und das Scheitern der Schüler angeführt. Das beinahe Fehlen von männlichen Lehrpersonen in den österreichischen und deutschen Grundschulen wird fast durchwegs als problematisch angesehen, wobei – gestützt auf alltagsweltliches Geschlechterwissen – relativ undifferenziert und unbelegt folgende Gründe für den geringen Männeranteil aufgezählt werden (vgl. Schneider/Tanzberger 2005): das Image und der geringe gesellschaftliche Status des Berufs (Grundschul-)Lehrer, der geringe Lohn im Vergleich zu anderen „Männerberufen“, fehlende Karrieremöglichkeiten und die Tatsache, dass der Lehrberuf gut mit dem traditionellen Frauen- und Familienbild vereinbar sei. Doch zunächst zurück zu den Buben in der Schule. Raewyn Connell, australische Soziologin, formuliert aus der Perspektive der kritischen Männerforschung: „ […] the gender difference […] is not a measure of boy’s ‚disadvantage’, but an index of the short-term cost of maintaining a long-term privilege” (Connell 1996: 223). Und weiter: „On almost any measure of resources – whether wealth and income, cultural authority, levels of education, political influence, control of organizations – and in all parts of the world, men are the advantaged group in gender relations. […] These advantages come with certain costs, and if one focuses only on the costs, an appearance of disadvantage can be produced” (Connell 1996: 222; Hervorhebung im Original).
An diesem Punkt lassen sich folgende Fragen anschließen: Was lernen Buben in der Institution Schule, dass sie – trotz schlechterer Schulleistungen – im späteren Erwerbsleben mehr Erfolg haben können? Wie lernen sie das und was trägt die Institution Schule ihrerseits dazu bei? Was lernen junge Menschen über Geschlechterverhältnisse dadurch als Individuen, in Gruppen, in Interaktionen innerhalb schulischer Organisationsstrukturen? Die Schule ist männlich In konsequenter Weiterführung der Ansätze geschlechtssensibler Pädagogik liegt im Folgenden der Schwerpunkt auf der Schule als Organisation: „thinking institutionally“ (vgl. Hansot/Tyack 1988) bedeutet, die Notwendigkeit zu erkennen, dass „Gender“ nicht etwas ist, was nur SchülerInnen – und LehrerInnen – „haben“, sondern dass auch Institutionen bzw. Organisationen wie die Schule ein Geschlecht (Gender) haben. Ausgegangen wird also von der Annahme, dass Institutionen nicht geschlechtsneutrale Konstrukte sind, die von „Kollektivneutralen“ bevölkert werden, sondern dass sie per se vergeschlechtlicht sind. Im Gegensatz zur weitgehend verbreiteten Annahme der Geschlechtsneutralität von Organisationen werden sie in unserer Alltagswahrnehmung ohnehin geschlechtsspezifisch strukturiert erlebt: Die Geschlechtszugehörigkeit der Organisationsmitglieder prägt die Kommu235
nikation und die Organisationskultur, bestimmt unterschiedliche organisationsinterne Funktionen und Positionen, Karrieremöglichkeiten und Entlohnungsniveaus. „Innerhalb und außerhalb von Organisationen werden entscheidend vom Geschlecht geprägte Strukturen als geschlechtsneutrale behandelt [...]. Die sexuell-körperlichen und emotionalen Attribute von Weiblichkeit werden zur Quelle von Benachteiligungen von Weiblichkeit, da sie den abstrakten Anforderungen von Arbeitsplätzen und damit der abstrakten Arbeitskraft weniger gut entsprechen sollen. Die überall im Organisationsalltag gepflegte Annahme einer abstrakten Arbeitskraft, die eher noch als entleiblichte Arbeitskraft vorzustellen ist, basiert in Wirklichkeit auf einer idealisierten Vorstellung hegemonialer Männlichkeit, ausgestattet mit männlichem Körper, männlicher Sexualität, kontrollierter Emotionalität und minimaler Verantwortung für Haushalt, Familie und Kinder. Das ‚doing organization’ ist auf diese Weise eng verflochten mit den täglichen Prozessen des ‚doing gender’“ (Küchler 2001: 629).
Organisationen werden aus dieser Perspektive als Foren angesehen, in denen kulturelle Bilder von Geschlecht erzeugt und reorganisiert werden („doing gender“). In der Schule erfolgt dies über die herkömmlichen männerdominierten Lehrinhalte, die Kommunikationsund Interaktionsformen (von SchülerInnen, LehrerInnen, anderen Schulverantwortlichen), die Unterrichtsorganisation, -methodik, -didaktik; darüber hinaus manifestiert sich „gendered organization“ Schule aufgrund ihrer historischen Entwicklung in ihren formalen Organisationsstrukturen und in den informellen Organisationskulturen. Entwicklungen im österreichischen Bildungssystem – Erfolgsgeschichte oder Stagnation? Mit der fünften Schulorganisations-Novelle wurde 1975 in Österreich die gesetzlich verankerte Geschlechtertrennung an öffentlichen Schulen aufgehoben. Doch die Koedukation war bereits vor 1975 verbreitet (so wurden 1974/75 ca. 85 Prozent der VolksschülerInnen und ca. 24 Prozent der GymnasialschülerInnen koedukativ unterrichtet; vgl. Bachmann 1991: 560), großteils aus organisatorischen Gründen. Wiewohl in den vergangenen Jahrhunderten und Jahrzehnten Mädchenbildung, die angebliche „Wesensverschiedenheit“ der Geschlechter und der Kampf um Gleichstellung immer wieder Themen waren, erfolgte die Einführung der Koedukation 1975 ohne besondere politische Auseinandersetzungen: „Keine Bildungsreform hat so viele Schülerinnen und Schüler betroffen und keine wurde so wenig evaluiert. Als die Koedukation in österreichischen Schulen eingeführt wurde, beschränkte man sich häufig auf das Problem, ob es genug Toiletten gebe“ (Salomon 1991: 557).
In den letzten 30 Jahren trugen Novellen dazu bei, die formale Gleichstellung zwischen Mädchen und Buben weiter auszubauen.3 Ab 1979 erfolgte ein gemeinsamer Werkunterricht für Buben und Mädchen in den Volksschulen, ab 1985 war „Geometrisches Zeichnen“ nicht nur für Buben, sondern auch für Mädchen ein Pflichtfach in den Hauptschulen. Zwei Jahre später wurde „Hauswirtschaft“ (ab dem Schuljahr 1997/98 umbenannt in „Ernährung und Haushalt“) auch für Buben zum Pflichtfach in der Hauptschule. Im Weiteren kam es zur Beseitigung geschlechtsspezifischer Schulbezeichnungen. So wurden z.B. 1982 die 3
Der folgende Überblick zusammengefasst aus: www.bmukk.gv.at/schulen/bw/ueberblick/frauenzeittafel.xml.
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„Bildungsanstalten für Kindergärtnerinnen“ in „Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik“ umbenannt und durch eine Matura (ein Abitur) aufgewertet. Kuriosum am Rande: Obwohl kaum Schüler diese Schule besuchten, war fortan in den Lehrplänen nur mehr von Schülern die Rede. Die „Lehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe“ wurde zur „Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe“. An der Realität, dass dieser Schultyp vor allem von Mädchen besucht wurde, änderte das wenig. Im Schuljahr 2007/08 betrug österreichweit der Burschenanteil in den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik 3,5 Prozent. In den technischen, gewerblich höheren Schulen betrug der Schülerinnen-Anteil im selben Schuljahr 25,1 Prozent – eine erkennbare Steigerung im Vergleich zu 9,8 Prozent im Schuljahr 1980/81 (vgl. Statistik Austria: Schulstatistik; eigene Berechnungen). Von 1987 bis 1993 kam es zu Änderungen bezüglich des Werkunterrichts an Hauptschulen und Gymnasien. Anstatt wie bisher Werkerziehung für Knaben und Handarbeiten für Mädchen anzubieten, wurden die Fächer in „Technisches Werken“ und „Textiles Werken“ umbenannt und konnten gewählt werden. Im Schuljahr 2006/07 wählten 6,7 Prozent der Mädchen in Hauptschulen und 14,7 Prozent in allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) Technisches Werken. Buben hingegen wählten Textiles Werken in der Hauptschule zu 8,7 Prozent und in der AHS zu 1,9 Prozent (vgl. Rohdaten aus der BilDokDatenerhebung öffentl. Schulen 2007; zur Verfügung gestellt vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur). An der geschlechtertypischen „Wahl“ hat sich also nicht viel geändert. Ein verpflichtendes Parallelangebot beider Fächer für alle SchülerInnen – wie in einigen Wiener Schulen praktiziert – oder die Kombination textiler und technischer Inhalte in einem Unterrichtsfach „Werken“ würde eine geschlechtergerechte Veränderung forcieren. Im österreichischen dualen System mit der Lehrausbildung bildet sich über die letzten Jahrzehnte ebenfalls nahezu unverändert ein Gender Gap ab: Im Jahre 2008 sind in den Top Drei der Lehrberufe von Burschen mit Kfz-Technik (7,5 Prozent), Elektroinstallationstechnik (5,6 Prozent) und Maschinenbautechnik (5,3 Prozent) knapp ein Fünftel aller männlichen Lehrlinge zu finden; hingegen finden sich annähernd die Hälfte aller Mädchen in Lehrausbildungen in den Lehrberufen Einzelhandelskauffrau (24 Prozent), Bürokauffrau (12,5 Prozent) und Friseurin und Perückenmacherin (12 Prozent) (vgl. Wirtschaftskammer Österreich: Lehrlingsstatistik 2008). Von den Auszubildenden zurück zu den Ausbildenden: Der Männeranteil in der Organisation Schule ist relativ gering: in den Volksschulen 10 Prozent, in den Hauptschulen 31 Prozent, in den Sonderschulen 24 Prozent, in den polytechnischen Schulen 48 Prozent und den allgemeinbildenden höheren Schulen 40 Prozent. In der Leitungsebene hingegen sind Männer im Vergleich dazu sehr häufig vertreten: mit 50 Prozent in den Volksschulen, 78 Prozent in den Hauptschulen, 39 Prozent in den Sonderschulen, 78 Prozent in den polytechnischen Schulen und 77 Prozent in den AHS (vgl. Guggenberger 2007: 10f.).
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Gender-Diskurse in der Schule: Abstinenz geschlechtertheoretischer Überlegungen oder theoriegeleitete Professionalität? Mit unserem alltagsweltlichen Geschlechterwissen nehmen wir immer wieder eine „Sortierung der Menschen in zwei soziale Gruppen [vor], die als verschieden gelten, für die unterschiedliche Positionen vorgesehen sind, die Verschiedenes tun und können, die unterschiedliche Potentiale haben und unterschiedliche Orientierungen“ (Wetterer 2005: 10).
Differenz wird so vorausgesetzt und wahrgenommen – wie geschlechtsspezifisch unterschiedliche Fähigkeiten und Präferenzen, so genannte „weibliche“ und „männliche“ oder geschlechtstypische Potentiale – auch in der Schule, von Eltern, LehrerInnen, Kindern und Jugendlichen selbst. Die Übereinstimmung von Sex/Gender/Begehren – die Zuweisung zweier Geschlechter als erotisch aufeinander bezogene Gruppen – wird im Alltagsverständnis als unhinterfragte Norm angenommen. Diese Übereinstimmung erscheint den meisten Menschen als „natürlich“, wird als beständig wahrgenommen, ist durch einen extrem hohen Grad der Institutionalisierung abgesichert, muss allerdings immer wieder konstruiert werden, so auch in der Schule implizit und explizit durch den „heimlichen Lehrplan“ (vgl. Markom/Weinhäupl 2007). Wie Wetterer und Knapp herausgearbeitet haben, können Gleichheitsansätze durch eine vorschnelle Gleichbehandlung von Ungleichen Ungleichheit verstärken, wohingegen Ansätze der Gleichstellungspolitik, die die Differenz der Geschlechter hervorheben, in der Gefahr stehen, Geschlechterstereotypen fortzuschreiben (vgl. Wetterer 2003: 146ff.). Knapp nennt das die „Vereigenschaftung der Differenz“ (2004: 155). Um diese Dilemmata aufzulösen, kann die Kombination mit dekonstruktivistischen Ansätzen zielführend sein, da sie versuchen, pauschalierende und kohärente Identitätskonstruktionen zu vermeiden und die Konstruktion von Gruppeneigenschaften kritisieren. Es wird dann nicht mehr über „Schüler“ im System Schule gesprochen, sondern gefragt: Was haben der Schüler aus einer Hauptschule in einem Wiener ArbeiterInnen-Bezirk, der Gymnasiast mit Geburtsort im Kosovo, der schwule Mechatronik-Lehrling in der Berufsschule, der Sonderschüler, der Rollstuhl fahrende Schüler und der 16-jährige Kippa tragende, jüdische Schüler gemeinsam? Ein offener Gender-Begriff meint daher auch Geschlecht in der Vielfalt all dieser sozialen Ausprägungen. Dies erfordert ein Denken in Komplexität und Kontinuen anstatt in Binarität und Fixierung. Um der Gefahr der neuerlichen Stereotypisierung, Naturalisierung und Festschreibung der Zweigeschlechtlichkeit zu entrinnen, kann es darüber hinaus hilfreich sein, andere Modelle von Kompetenzen, Potenzialen oder Entwicklungsfeldern zu verwenden, wie es z.B. Reinhard Winter und Gunter Neubauer für die Jungenarbeit vorschlagen. Sie entwickelten ein dynamisches Modell von acht Variablenpaaren: Konzentration – Integration, Aktivität – Reflexivität, Präsentation – Selbstbezug, kulturelle Lösung – kulturelle Bindung, Leistung – Entspannung, heterosozialer Bezug – homosozialer Bezug, Konflikt – Schutz, Stärke – Begrenztheit (vgl. Winter/Neubauer 2006). Schule aus Genderperspektive zu analysieren, bedeutet, „alle pädagogischen Gestaltungen daraufhin zu durchleuchten, ob sie die bestehenden Geschlechterverhältnisse eher stabilisieren, oder ob sie eine kritische Auseinandersetzung und damit Veränderung fördern“ (Faulstich-Wieland/Horstkemper 1996).
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Für die Analyse von Schule sind vor allem folgende Bereiche bedeutsam: die vermittelten Unterrichtsinhalte und Themen; die verwendeten Lehrmittel und Schulbücher; die Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden; schließlich die schulischen formalen Organisationsstrukturen und ihre informellen Organisationskulturen (vgl. Schneider 2002). Schule als „gendered institution“ (Acker 1991) manifestiert sich zum Beispiel in Folgendem. Die in Österreich verbreitete Einrichtung von Halbtagsschulen weist darauf hin, dass es der Schule als Organisation immer noch schwer fallen dürfte, „Frau“ mit „Erwerb“ zu vereinbaren. Viele Mütter oder ihre StellvertreterInnen – andere Familienmitglieder, Tagesmütter, Großmütter – erfüllen mit ihrer (außer)schulischen Unterstützung (z.B. am „Buchstabentag“, bei Faschingsfesten) und ihrer Mithilfe in Form von Hausaufgabenbetreuung die Rolle von „Hilfslehrerinnen“. Vor allem für die österreichische Grundschule ist der über zehn Jahre alte Befund der deutschen Erziehungswissenschafterin Uta EndersDragässer immer noch zutreffend: „Die frauenfeindliche schulische Praxis liefert Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen [...] am lebenden Modell der Mütter immer wieder neu und höchst anschaulich die Vorstellung davon, wie eine ‚normale’, ‚gute’ Mutter eigentlich zu sein und welchen Ansprüchen sie zu genügen hat“ (Enders-Dragässer 1996: 54).
Nach Connell lässt sich das schulische „Gender-Regime“ (1996) an den Machtverhältnissen festmachen und drückt sich in Symbolisierungen aus: dazu gehören sog. vergeschlechtlichte Reviere des Wissens, die Festlegung von bestimmten Fächern im Curriculum als „männlich“ und als „weiblich“, z.B. durch Bezeichnungen wie „harte“ und „weiche“ Wissenschaften. So wird Technik im Alltagsdiskurs als „harte“ Wissenschaft bezeichnet. Dabei beschreibt der androzentrische Technikbegriff keineswegs objektiv bestimmte Tätigkeiten, sondern dient vielmehr als Maßstab für ihre geschlechtshierarchische Bewertung. Wie durch aktive strukturverändernde Maßnahmen und Veränderung der Fachkulturen einer technischen Ausbildung diese für alle Lernenden an Attraktivität gewinnen kann, untersuchte das Projekt „GiL – Gender in die Lehre“ an der Technischen Universität Wien (vgl. Knoll/Ratzer 2007). Die unreflektierte alltägliche Konstruktion von Gender drückt sich u.a. in Erwartungshaltungen und Begabungskonzepten von Lehrenden sowie in Interaktionen von Lehrenden und Lernenden aus. Daraus resultieren Geschlechterdifferenzen in Leistungsselbstkonzept und Erfolgszuversicht (vgl. Schneider 2002). Die Schule ist somit ein Ort, dem Symbole, Bilder und Metaphern von Weiblichkeiten und Männlichkeiten eingeschrieben sind und in dem diese reproduziert werden. Vergeschlechtlichung von Berufsarbeit Die soziale Konstruktion des Geschlechts der Arbeit ist auch selbst ein Stück „Arbeit“. Diese muss immer wieder neu geleistet werden und bringt immer wieder neu die Geschlechterdifferenz als alltagsweltlich plausible Erscheinungsform der Geschlechterhierarchie hervor. Die „Feminisierung“ von Berufs- und Arbeitsfeldern geht stets einher mit einer Statusminderung, deren „Vermännlichung“ ist stets verbunden mit Statusgewinn oder zumindest Statuskonsolidierung (vgl. Wetterer 1995: 208). Gerade wenn in der ethnomethodologischen Genderforschung davon ausgegangen wird, 239
„dass Geschlecht nichts ist, was man hat, sondern etwas, was man tut, gewinnt der Bereich der Arbeit und Berufsarbeit zentrale Bedeutung für die Bestimmung dessen, was die Zugehörigkeit zum einen oder anderen der zwei uns bekannten Geschlechter einer bestimmten Gesellschaft bedeutet. Wie Frauen ‚sind’ und wie Männer ‚sind’, was die einen eher können und was den anderen eher entspricht, was jeweils als ‚männlich’ oder als ‚weiblich’ gilt, wird ja ganz entscheidend strukturiert und mitbestimmt durch das, was Frauen und Männer arbeiten oder: was ihnen als Arbeits- und Berufsfeld zugewiesen bzw. zugestanden wird. Prozesse der Vergeschlechtlichung von Arbeit sind in dieser Perspektive also integraler Bestandteil der sozialen Konstruktion von Geschlecht. Und sie sind dies nicht allein auf der interaktiven Ebene, auf der ‚doing gender’ und ‚doing one’s job’ untrennbar miteinander verwoben sind. Sie sind dies auch auf der strukturellen und institutionellen Ebene, die in den Blick rücken, wenn es um die Geschlechtszugehörigkeit nicht von Personen, sondern von Berufen und Arbeitsbereichen geht. [...] ‚Doing gender’ ist [...] immer auch ‚doing male dominance’ und ‚doing female submission’„ (Wetterer 1995: 201).
Männer im System (Grund-)Schule Gender-theoretisch fundierte erziehungswissenschaftliche Untersuchungen zur Situation von (Grundschul-)Lehrern liegen für den deutschen Sprachraum kaum vor, weshalb an dieser Stelle Forschungsergebnisse aus dem anglo-amerikanischen Raum herangezogen werden. Sie identifizieren folgende hemmende Faktoren und Erklärungsansätze für ihre Unterrepräsentanz (vgl. Schneider/Tanzberger 2005): x
x x x x
der in der Gesellschaft und im Berufsstand weit verbreitete Glaube, dass Männer nicht so fähig sind, sich um kleine Kinder zu kümmern bzw. sie zu erziehen; diese Annahmen finden ihren Niederschlag in Anstellungsentscheidungen, in Lehrerausbildungsprogrammen und in der Berufsberatung; die sozialen und psychologischen Konflikte, z.B. als role-model gesellschaftlich gewünscht zu sein und gleichzeitig eine „typische Frauenarbeit“ zu verrichten; die Angst, als pädophil bezeichnet zu werden; individuelle und gesellschaftliche Vorurteile von SchulleiterInnen; schließlich die Etikettierung von Grundschullehrern, homosexuell oder „keine richtigen Männer“ zu sein.
Burschen und Männer, die diese vorherrschenden Vorstellungen brechen, werden negativ beurteilt und verdächtig: Sie werden stigmatisiert. Diese Stigmatisierung ist die Essenz von Heterosexismus (vgl. Sargent 2000: 417). So wirkt Homophobie als soziale Kontrolle. Lehrer müssen permanent aushandeln zwischen „being a real man“ und „being a real teacher“. Richtige Männer machen nichts „Weibliches“. Je niedriger jedoch die Schulstufe, umso „weiblicher“ wird das Unterrichten gedacht (vgl. Sargent 2000: 418). Männliche Rollenvorbilder werden vor allem in Verbindung mit zunehmenden Alleinerzieherinnen-Familien oder Familien erwartet, in denen Väter wenig Kontakt mit ihren Kindern haben. Jim Allan kommt in seiner Untersuchung aus den USA zu dem Eindruck, dass oft nach der Devise gehandelt werde: „Stellen wir einen Mann ein und vielleicht wird das wunderbarerweise dazu beitragen, die Dinge zu verbessern“ (1993: 122) – womit ge240
meint ist, dass Kinder von AlleinerzieherInnen ärmer seien, mehr emotionale und mehr Disziplinprobleme in der Schule hätten. Nahezu alle interviewten Lehrer in der Untersuchung von Allan identifizierten „männliches Rollenvorbild“ als ungeschriebene aber ausschlaggebende Komponente ihrer Jobbeschreibung, eine weitgehend verbreitete Erwartung und ein Kriterium für ihren Erfolg. Viele Männer waren unsicher bei der Frage, wie sie männliches Vorbild sind, bis auf „tun, was Männer tun“. Sie fühlten die konfligierenden Definitionen von anderen in Bezug auf das männliche Rollenvorbild: der disziplinierende Ersatzvater, der ausschließlich in unweiblichen Aktivitäten engagiert ist, oder der feminine, fürsorgliche, empathische Begleiter von Kindern. Nach Allan werden bestimmte Konstrukte verwendet, um die vergeschlechtlichte Beschaffenheit von Unterrichten und Lehren zu strukturieren. So wird z.B. durch das Konstrukt „Mutter“ viel von LehrerIn-SchülerInInteraktion definiert; andere, negative Konstrukte, wie ‚homosexuell’ und ‚pädophil’, funktionieren wie ein sozialer Kontrollmechanismus, um die Zahl von Lehrern auf einem Minimum zu halten. Nach Sargent (2005) kann das „männliche Rollenvorbild“ gesehen werden als soziales Konstrukt und Artefakt der vergeschlechtlichten Struktur von Erziehung und Grundschule. Das Bild des „männlichen Rollenvorbilds“ schafft und rechtfertigt die Geschlechtertrennung und ist damit ein Teil des Sets von Prozessen, die gendered organizations erschaffen und aufrechterhalten. Sargent übernimmt die Analyse und die Systematisierung von gendered organizations von Acker (1991) und listet als Strukturmerkmale von vergeschlechtlichten Organisationen weiter auf: das unterschiedliche strukturelle Vorhandensein von Frauen und Männern in der Organisation („women teach and men administer“; Hansot/Tyack 1988), die mentale Arbeit von Individuen bei der bewussten Konstruktion ihres Verständnisses der vergeschlechtlichten Organisationsstruktur (z.B. in Form von kompensatorischen Aktivitäten von Lehrern, indem sie Geschlecht so ‚tun’, dass die patriarchale Geschlechterordnung schlussendlich reproduziert wird) und die Interaktionen von Individuen, die sich in geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung ausdrücken (Lehrer als Disziplinierer, als die Starken,...) (vgl. Sargent 2005). Nach der Untersuchung von Sargent machten die Mütter, die explizit nach einem Lehrer fragten klar, dass sie einen traditionellen Mann wollen – wobei traditionell gleichzusetzen ist mit stereotyp. Männer sollten nicht an Kunst und Literatur interessiert sein, sie sollten sportlich interessiert, Disziplinierer und Autoritätsfigur sein. Die Vorstellungen von Lehrern als Vaterersatz und Autoritätsfigur für Buben und als Chance, den Mädchen eine alternative Form von Männlichkeit und ein positives Männerbild (im Gegensatz zu ihren Vätern, die nachlässig sind) zu zeigen – was als Begründungen für ihre Anstellung in der Grundschule vorgetragen wird – machen klar: es ist problematisch, alle diese Erwartungen erfüllen zu wollen – sowohl stereotype als auch nicht stereotype Bilder gleichzeitig. Eine der Erklärungen für die Bemühungen der westlichen Länder, mehr Grundschullehrer anzuwerben und die Zahl der Lehrer zu erhöhen ist es, der „Feminisierung“ der Grundschule zu begegnen. Die Annahme, die dieser Strategie zu Grunde liegt, basiert auf „Sex Role Socialisation Theories“, die von differenzierteren und komplexeren Verständnissen bzgl. Geschlechteridentitäten abgelöst worden sind. „Die Idee, dass eine Veränderung in der Geschlechterverteilung der ‚feminisierten’ Natur des Grundschulbereichs beikommt, ist naiv. [...] Ein Hauptproblem für die laufenden Initiativen [Hebung des Männeranteils, C.S.] ist, dass sie nicht auf Forschungsergebnisse aufbauen und ihnen daher eine klare Ausrichtung fehlt“ (Skelton 2003: 207).
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Auch andere Autoren betonen den gleichen Aspekt: „Die Diagnose einer ‚weiblichen Schule’ mit den Knaben als Verlierern des Schulsystems ist [...] wenig ergiebig. Solche Aussagen gehen von essentialistischen und ahistorischen Prämissen aus, sind polarisierend und pauschal. Dadurch werden differenzierte Fragen ausgeblendet und Diskussionen verkürzt, die die tatsächliche Grundproblematik der sozialen Konstruktion von Geschlecht in schulischen Kontexten und Interaktionen mit den möglichen Auswirkungen auf Schulqualität, Klassenführung und Bildungserfolg in [...] Schulsystemen thematisieren“ (Larcher/Schafroth 2004).
Es ist problematisch, Strategien für den Umgang mit Problemen und Nachteilen von Grundschullehrern zu entwickeln und zu implementieren, weil die meisten von ihnen ihre Ursache in gesellschaftlichen und medial transportierten Einstellungen haben, denen sehr schwierig entgegen gewirkt werden kann. Folgende Strategien zur Bearbeitung des Themas „Lehrer in der Grundschule“ könnten hier hilfreich sein: 1.) Auf die Erfahrung von Lehrern hören (Qualitative Untersuchungen sind für den deutschen Sprachraum nicht vorhanden). 2.) Erarbeiten von klaren Richtlinien, wie Lehrer sich vor der unbegründeten Gefahr, für den Beruf nicht geeignet zu sein, schützen können. 3.) Realistischere und differenziertere Berichterstattung über Lehrer in den Medien, vor allem um den Mythos zu entlarven, dass LehrerInnen Ersatzeltern sind. 4.) Klarheit darüber erlangen, warum mehr Lehrer gebraucht werden, welche Probleme sie lösen sollen und wie ihre Anwesenheit helfen soll. „Undoing Gender“ Ein Beispiel für schulische Gleichstellungsarbeit und Gender Mainstreaming-Prozesse an österreichischen Schulen stellt im Folgenden die Hertha-Firnberg-Schule für Wirtschaft und Tourismus, eine berufsbildende höhere Schule in Wien, dar. Marlies Ettl, die GenderBeauftragte der Schule, berichtet: „Einmal wöchentlich tagt das Leitungsteam der Schule. Die Direktion und die Genderbeauftragte sind Mitglieder dieses Gremiums und berichten regelmäßig über die wichtigsten Aktivitäten im Implementierungsprozess von Gender Mainstreaming an der Schule: Die Verantwortlichen der mittleren Management-Ebene geben Feedback und sind somit in den Prozess eingebunden, tragen ihn formal mit, was das Funktionieren der Strategie der Top-down-Implementierung von Gender-Mainstreaming garantieren sollte“ (Kriehebauer/Ettl 2007: 7).
Die Steuergruppen der LehrerInnen und SchülerInnen und die Genderbeauftragten in den Klassen treffen sich zweimal monatlich oder öfter. Externe ExpertInnen werden herangezogen, die Expertise der Unterrichtenden an der Schule wird genutzt. „Das Bestreben nach numerischem Ausgleich zwischen Mädchen und Burschen stand zu Beginn des Projekts nicht auf unserer Prioritäten-Liste. Mittlerweile beobachten wir, wie die Burschen bei uns an der Schule der Ausbildungsschiene „Career Promotion Klasse – Begabungsförderung im Bereich Sprachen und Wirtschaft“ zuströmen, eine Ausbildungsschiene, die mit drei Sprachen (Englisch, Französisch und Spanisch) bisher mehrheitlich Mädchen ansprach. Außerdem liegt der Burschenanteil bei den Anmeldungen aktuell bei einem Drittel.
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Wir verbuchen diese Entwicklung als Ergebnis unserer Genderarbeit und analysieren sie so, dass die positive, leistungsorientierte Schulkultur Burschen wie Mädchen befreit, weiblich konnotierte Fächer für sich ‚abzuwählen’. [...] Ein Bursche war Bester in Spanisch und beim bilingualen Wettbewerb in Englisch und Französisch beim heurigen österreichischen Sprachencontest. Aber Mädchen können auch Burschen ausstechen, was die PC-Expertise betrifft: Ein Mädchen wurde zweite bei der vorjährigen Computerolympiade, wo sie sich gegen männliche Mitbewerber, die Jungen einer HTL mit Informatik-Schwerpunkt waren, behaupten konnte“ (Kriehebauer/Ettl 2007: 6).
Ausblick Im November 2008 gab es erstmalig einen österreichweiten Boy’s Day – veranstaltet vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz –, „der Buben und männliche Jugendliche unterstützen soll, ein breites Feld an Berufen kennen zu lernen“. Die Pädagogische Hochschule Wien (hier werden Lehrkräfte für die Pflichtschulen ausgebildet) präsentiert am 19. März 2009 ihre Studienangebote unter dem Motto „Männer in den Lehrberuf“. Damit wird bereits im Vorfeld des Boys’ Day (23.4.2009), der wie der „Girls’ Day“ eine festgefahrene Vorurteilsstruktur zu lockern versucht, „für den vermehrten Einstieg von Männern in das feminisierte Berufsfeld geworben, um mittelfristig eine Gender-Balance zu erreichen“ (diestandard: 11.3.2009). Es bleibt abzuwarten, wie die Bestrebungen zur Hebung des Männeranteils an Österreichs Pflichtschulen inhaltlich und strukturell aufgesetzt sind. Die österreichische Schule ist im Frühjahr 2009 ein heiß umkämpftes Feld. Um nur einige Themen zu nennen: Bildungsministerin Claudia Schmied ist angesichts angekündigter Maßnahmen, die in Zeiten einer allgemeinen Wirtschaftskrise (Stichwort: Sparmaßnahmen) Bildungsreformen ermöglichen sollen (z.B. kleinere Klassen, mehr Tagesbetreuung, mehr Kleingruppenunterricht, mehr Sprachförderkurse), mit vehementen Protesten und Widerstand eines Großteils der LehrerInnengewerkschaften konfrontiert. Außerdem: Über 40 Jahre nach den ersten großen Anwerbeaktionen von sogenannten „GastarbeiterInnen“ nach Österreich werden SchülerInnen mit Migrationshintergrund großteils als Problem behandelt4. Fehlende Integrationspolitik drückt sich u.a. darin aus, dass Mehrsprachigkeit – auch in der Schule – selten als Ressource, oft als Stigma gesehen und Migration zunehmend als Bedrohung, vor allem der Geschlechterverhältnisse, wahrgenommen wird. Das soziale Phänomen männlicher Gewalt wird hier von einem Großteil der Mehrheitsgesellschaft allzu schnell projiziert auf Migranten, und es wird ein „diffuses Konvolut von ‚Kultur, Tradition und Religion’“ (Scheibelhofer/Pollak 2009: 11) als Ursache von Gewalt proklamiert, statt es in Bezug zu gesellschaftlicher Dominanz der Männer insgesamt zu setzen. „Anstatt zu fragen, wie und unter welchen Bedingungen Jugendliche (mit oder ohne Migrationshintergrund) Männlichkeitsentwürfe entwickeln können, die nicht auf Dominanz basieren, bedient sich die Diskussion nationalistischer und kulturalistischer Ideologieschablonen, um die ‚rückständigen Fremden’ von ‚uns Fortschrittlichen’ zu unterscheiden und von ‚ihnen’ Unterwerfungsgesten und Anpassungsleistungen einzufordern“ (Scheibelhofer/Pollak 2009: 11). 4 Vgl. die Pressemeldungen anlässlich der zahlenmäßigen Präsenz von SchülerInnen mit Migrationshintergrund in österreichischen Schulen im Schuljahr 2007/08, z.B.: „Immer mehr Schüler mit Migrationshintergrund“. In: Der Standard, 30.3.2009.
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Die Zeiten für Veränderung stehen günstig. Die österreichische Schule ist – bedingt durch innere und äußere Faktoren – in der Krise. Der Leidensdruck wächst. Alle Politikfelder, so auch die Bildungspolitik und die Pädagogik, waren und sind immer „Geschlechterpolitik“, auch wenn dieses doing gender und die daraus resultierende Etablierung von geschlechtsspezifischen Strukturen und Institutionen in der Regel den AkteurInnen nicht bewusst ist. Es ist zu hoffen, dass dringende notwendige Weiterentwicklungen des österreichischen Schulsystems nicht erneut in bipolare Deutungsmuster verfallen und althergebrachte Weiblichkeits- und Männlichkeitsbilder resouveränisieren. Literatur Acker, J. (1991): Hierarchies, Jobs, Bodies: A Theory of Gendered Organizations. In: Lorber, J./Farrell, S. (Eds.): The Social Construction of Gender. Newbury Park, California: Sage Publications. P. 162-179. Allan, J. (1993): Male Elementary Teachers. Experiences and Perspectives. In: Williams, C.L.: Doing „Women’s Work“. Men in non-traditional Occupations. Newbury Park. California: Sage Publications. Bachmann, H. (1991): Anmerkungen zur sukzessiven Aufhebung der Geschlechtertrennung im österreichischen Schulwesen. In: Erziehung und Unterricht, H. 7/8. S. 559-566. Bissuti, R./Wagner, G./Wölfl, G. (2002): STARK! Aber wie? Methodensammlung und Arbeitsunterlagen zur Jungenarbeit mit dem Schwerpunkt Gewaltprävention. In: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Zusammenarbeit mit White Ribbon (Hrsg.): Österreich. Verfügbar unter: www.bmukk.gv.at/medienpool/7653/starkaberwie.pdf (14.3.2009). Brinck, C. (2004): Auf Jungenfang. In: Die Zeit, H. 19. Budde, J. (2005): Männlichkeit und gymnasialer Alltag. Bielefeld: transkript Verlag. Buchmayr, M. (Hrsg.) (2008): Geschlecht lernen. Innsbruck/Wien/Bozen: StudienVerlag. Connell, R. W. (1996): Teaching the Boys. New Research on Masculinity, and Gender Strategies for Schools. In: Teachers College Record, vol. 98, no.2. P. 206-235. Connell, R. W. (1999): Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. Opladen: Leske + Budrich. Connell, R. W. (2002): Gender. Cambridge: Polity Press. Enders-Dragässer, U. (1996): Alptraum Hausaufgaben. Der Missbrauch der Mütter. In: Die Grundschulzeitschrift, H. 94. S. 52-55. Ernst, M. (2004): Sorgenkinder Buben. In: Profil, H. 12. European Commission (2009): Gender Pay Gap. Key figures on equality between women and men at work in relation to the gender pay gap; Look at: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId= 685&langId=en (14.3.2009). Faulstich-Wieland, H. (2002): Welchen Beitrag leisten Bildungsinstitutionen zur Entwicklung von Geschlechtsidentität und Geschlechterdemokratie? Verfügbar unter: http://www.rennerinstitut.at/download/texte/ fraubldg.pdf (14.3.2009). Faulstich-Wieland, H./Horstkemper, M. (1996): 100 Jahre Koedukationsdebatte – und kein Ende. In: Ethik und Sozialwissenschaften, H. 4. S. 509-520. Guggenberger, D. (2007): Geschlechterdifferenzen an österreichischen Schulen. In: Geschlechtssensible Schule. Forschung und Praxis im Dialog. Dokumentation des 1. österreichweiten Gender Day für Schulen. Hrsg.: BMUKK. Wien. S. 10-28. Hansot, E./ Tyack, D. (1988): Gender in American Public Schools. Thinking Institutionally. In: Signs. Journal of Women in Culture and Society, vol.13, no.4. P. 741-760.
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Autorinnen und Autoren
Jürgen Budde, Dr., wissenschaftlicher Assistent am Zentrum für Schul- und Bildungsforschung (ZSB) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutschland. Arbeitsschwerpunkte: kritische Männlichkeitsforschung, Gender und Bildung, qualitative Bildungsforschung, Sozialkompetenzen. Hannelore Faulstich-Wieland, Prof. Dr., Sektion Allgemeine, Interkulturelle und International vergleichende Erziehungswissenschaft, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft, Universität Hamburg, Deutschland. Arbeitsschwerpunkte: Sozialisations- und Genderforschung. Stephen Frosh, Professor of Psychology and Pro-Vice-Master, School of Psychosocial Studies Birkbeck College, U.K., Research interests: Psychoanalysis, psychotherapy and cultural processes; critical psychology; contemporary identities; psychosocial research methods. Heike Großkurth, Dipl. Soz., Deutsches Jugendinstitut e.V., Deutschland, Forschungsschwerpunkt: „Übergänge in Arbeit“. Hisao Ikeya, Professor für Philosophie an Nihonfukushi, Japan. Arbeitsschwerpunkte: Erziehungsphilosophie, Gender- und Männerstudien, Kinderheits- und Jugendforschung. Mary Jane Kehily, Dr., is Senior Lecturer in Childhood and Youth Studies at the Open University, U.K., Research interests: gender and sexuality, narrative and identity and popular culture. Books include: Gender, Sexuality and Schooling, shifting agendas in social learning (Routledge 2002) and, with Anoop Nayak, Gender, Youth and Culture, young masculinities and femininities (Palgrave 2008). Andreas Krebs, Dipl.-Psych., Dr. phil., Supervisor (DGSv). Arbeitsschwerpunkte: Männlichkeitsentwicklung, Männer- und Jungenberatung. Ingelore Mammes, Priv.-Doz. Dr., Lehrstuhl für Schulpädagogik der Otto-FriedrichUniversität Bamberg, Deutschland. Arbeitsschwerpunkte: Unterrichtsforschung und Geschlechterfragen. Maria Anna Kreienbaum, Prof. Dr., Fachbereich Bildungs- und Sozialwissenschaften an der Bergischen Universität Wuppertal, Deutschland, Lehrstuhl für Theorie der Schule/Allgemeine Didaktik. Arbeitsschwerpunkte: Interkulturelle Bildung und Geschlechterfragen über die Lebensspanne und im internationalen Vergleich.
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Wayne Martino, Professor of Education in the Faculty of Education at the University of Western Ontario, Canada. Research interests: masculinities, queer studies, gender, equity and social justice education. Ruth Michalek, Dr., Institut für Erziehungswissenschaft (Erwachsenenbildung/ Weiterbildung) der Pädagogischen Hochschule Freiburg, Deutschland. Arbeitsschwerpunkte: Jungenforschung, Elternbildung, Familienpädagogik, Kindheitsforschung, qualitative Forschungsmethoden. Harriet Bjerrum Nielsen, professor in Gender Research, director of the Centre for Gender Research at the University of Oslo, Norway. Research interests: gender among children and adolescents, gender, subjectivities and social change. Rob Pattman, Associate Professor, Sociology, University of KwaZulu-Natal, South Africa. Research interests: Young people and social identities, focusing especially on race, gender and sexuality, HIV/AIDS in Southern Africa and education, self reflexive methodologies. Ann Phoenix, Professor, Institute of Education, Thomas Coram Research Unit, Faculty of Children and Health, University of London, U.K., Research interests: social identities, masculinities, femininities, young people and consumption, childhood, motherhood, parenting, transnational families, narrative methodology. Goli M. Rezai-Rashti, Associate Professor in the Faculty of Education, University of Western Ontario, Canada. Research interests: broadly in the field of sociology and critical policy study in education. It engages specifically with race, gender, class sexuality and schooling. She has published extensively in scholarly journals and books. Birgit Reißig, Dr. phil., Deutsches Jugendinstitut, Außenstelle Halle, Arbeitsschwerpunkte: Jugendforschung, Bildungs- und Ausbildungsverläufe benachteiligter Jugendlicher, soziale Exklusion Claudia Schneider, Mag.a, Mitarbeiterin von EfEU (Verein zu Erarbeitung feministischer Erziehungs- und Unterrichtsmodelle), Wien, Österreich. Systemische Organisationsberaterin, zertifizierte Beraterin für „Managing Gender und Diversity“. Arbeitsschwerpunkte: Forschung, Beratung und Aus- und Fortbildung zu gender- und diversitysensibler Pädagogik, Evaluation von gendersensiblen Schulprojekten, Gender-Mainstreaming, Managing Diversity in Bildungsorganisationen. Margrit Stamm, Ordentliche Professorin für Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Sozialisation und Humanentwicklung an der Universität Fribourg, Schweiz. Lehrstuhlinhaberin des Departements Erziehungswissenschaften, Philosophische Fakultät. Arbeitsschwerpunkte: Frühkindliche Bildungsforschung; Bildungslaufbahnen vom Vorschulalter bis zur Berufseinmündung; Begabungsforschung; abweichendes Verhalten im Jugendalter (Schulabsentismus und Schulabbruch); Berufs- und Sozialpädagogik des Jugendalters.
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