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Seewölfe 36 1
John Roscoe Craig 1.
Mac Dundee sprang brüllend zur Seite, als er das Rauschen über sich hörte und mit einem kurzen Blick nach oben feststellte, daß die Kettenkugel der Spanier die Fallen der Großrah zerschossen hatten. Die schwere Spiere taumelte. Die Backbordnock verfing sich für einen Moment in den Webleinen der Wanten, dann riß sie sich los, und die mächtige Rah schlug mit ohrenbetäubendem Krachen aufs Deck. Das Splittern des Holzes mischte sich mit dem Schreien der Männer. Mac Dundee sah, wie drei seiner Kameraden von der Spiere regelrecht erschlagen wurden. Das angeschlagene Großsegel färbte sich vom Blut eines Mannes innerhalb von Sekunden dunkelrot. Ein Mann mit blutüberströmtem Gesicht taumelte an ihm vorbei. Ein anderer hockte auf den Knien und versuchte verzweifelt, den armlangen Holzsplitter, der in seiner Brust steckte, herauszuzerren. Mac Dundee warf einen kurzen Blick zu den beiden spanischen Galeonen hinüber, die in der Bucht von Puerto de Caldera ankerten und das angreifende Piratenschiff mit einem Hagel von Kugeln und griechischem Feuer überschütteten. Mac Dundee wurde vom Tod seiner Kameraden nicht berührt. Er starrte nur haßerfüllt hinauf zum Quarterdeck. Seine rechte Hand, in der er ein Enterbeil hielt, zuckte. Am liebsten hätte er es dem größenwahnsinnigen Araber, der dieses Schiff befehligte, entgegengeworfen und ihm den Kopf mit seinem lächerlichen Turban gespalten. Eine Kugel der Spanier sägte die Marsstenge des Großmastes in zwei Teile. Der Araber auf dem Quarterdeck brüllte sinnlose Befehle, auf die niemand mehr hörte. Die Piraten hatten nur noch den Wunsch, sich vor den herabkrachenden Spieren in Sicherheit zu bringen. Das Großmarssegel, das im auflandigen Wind flatterte, seit dieser Idiot von Araber das Schiff hatte beidrehen lassen, senkte sich über den Großmars. Kreischend zerriß
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die Segelleinwand. Zum Glück hielt das Großmarsstag und verhinderte, daß auch noch die Marsrahe aufs Deck krachte und das Chaos vergrößerte. Die Geschützmannschaften an Backbord wurden durch die Trümmer der Großrah stark behindert. Eine Kanone war mitsamt der Lafette umgekippt, und zehn Männer bemühten sich vergeblich, sie wieder aufzurichten. Mac Dundee nahm seinen haßerfüllten Blick von dem tobenden Araber. Jetzt ging es um ihrer aller Leben. Er packte die Axt in seiner rechten Faust fester und sprang den Männern bei den Backbordkanonen zur Hilfe. Wie ein Berserker begann er auf die Spieren und Taue einzuhacken, und nach wenigen Augenblicken hatte er es geschafft, die eine Hälfte der zersplitterten Großrahe über Bord zu befördern. „An die Geschütze, Männer!“ brüllte er aus Leibeskräften, um das Getöse zu übertönen, das die heranzischenden Kugeln der Spanier verursachten, wenn sie in die Takelage schlugen. Mac Dundees Axt hieb weiter auf geteertes Tauwerk ein. Er sah nicht die verbissenen Gesichter seiner Kameraden, die genau wie er mit dem Blut der Toten und Verwundeten besudelt waren. Zum Glück hielten die Spanier bisher nur hoch in die Takelage, um dem angreifenden Schiff seine Bewegungsfähigkeit zu nehmen. Mac Dundee mochte nicht daran denken, welch verheerende Wirkung eine in die Kuhl einschlagende Kugel haben würde. Fast fünfzig Männer drängten sich hier. Sie alle hatte Mac Dundee mit seinem Eingreifen aufgerüttelt. Sie schrien ihre verzweifelte Hoffnung hinaus. Das erste Geschütz war feuerbereit. Mac Dundee schrie dem Mann mit der Lunte zu. er solle feuern, um die Spanier abzulenken, aber er wußte nicht, ob der Mann ihn verstanden hatte. Mac Dundee sprang auf ihn zu und riß ihm die Lunte aus der Hand. Ein kurzer Blick genügte ihm, um festzustellen, daß das Geschütz richtig visiert war. Zischend fraß sich die Flamme durchs Zündkraut. Mac Dundee sprang zurück.
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Mit ohrenbetäubendem Krachen explodierte das Pulver und jagte die Kugel hinaus. Die Brooktaue fingen die zurücksetzende Kanone auf. Ein Mann schrie gellend auf. Ein Rad der Lafette war über seinen Fuß gerollt. „Bringt ihn weg, verdammt!“ brüllte Mac Dundee. „Schmeißt den Idioten über Bord! Sind die anderen Geschütze feuerbereit'? Gebt es den Spaniern, oder ihr werdet bald selbst ein Fraß für die Fische sein!“ Er lief zum nächsten Geschütz, das gerade abgefeuert wurde und polternd zurückrollte. Keuchend blieb er stehen und beobachtete, wie die Kugel in der Luft auseinanderklappte und die beiden Hälften, die durch eine Kette miteinander verbunden waren, ins Taumeln gerieten. Die Piraten brüllten begeistert, als die Kugel in der Takelage der einen Galeone einschlug und den halben Vormast abrasierte. Im selben Moment hörte Mac Dundee den Schreckensschrei von der Back. „Feuer!“ Für Sekunden schienen die Männer an Bord des Piratenschiffes vor Schrecken erstarrt zu sein. Selbst der Araber auf dem Quarterdeck schrie nicht mehr. Dann gerieten die Männer in Bewegung. Eimer flogen an Steuerbord über das Schanzkleid, wurden wieder hochgerissen und zur Back hinaufgereicht. Einige Männer schlugen mit Segeltuch auf die Flammen ein, die das Griechische Feuer der Spanier entzündet hatte. Mac Dundee drängte sich an den Männern vorbei, die die zweite Kanone wieder luden. Die dritte Kanone lag immer noch umgestürzt auf dem Deck, aber jemand hatte jetzt ein Tau an der Lafette befestigt und rief den anderen zu, ihm zu helfen. Mac Dundee brüllte ein paar Befehle, die sofort befolgt wurden. Erst jetzt bemerkte Mac Dundee, daß sich niemand der Leute mehr um den Araber kümmerte. Er warf einen kurzen Blick zum Quarterdeck hoch. Jetzt hielt der Kerl mit dem Lappen um dem Kopf die Schnauze. Er stand Vornübergebeugt an der Quarterdeckreling
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und starrte in die Kuhl, in der Mac Dundee für Ordnung sorgte. Mac Dundee begann zu grinsen. Deine Tage sind gezählt, Araber, dachte er. Wenn wir das hier heil überstehen, dann lasse ich dich in Stücke hauen und den Fischen zum Fraß vorwerfen. Du hast zum letztenmal in deinem Leben jemand mit deinem Krummschwert die Rübe abgehauen. Er spuckte aus und wandte sich den Leuten zu, die es geschafft hatten, die dritte Kanone aufzurichten. Sein Blick glitt hinüber zu den ankernden Galeonen, die in der Bucht von Puerto de Caldera Silber und Gold aufgenommen hatten. Die eine Galeone bedeutete keine Gefahr mehr für das Piratenschiff, die andere dagegen würde erst in ein paar Minuten ihre Breitseite voll zum Tragen bringen, wenn das Schiff der Piraten vorbeitrieb. Mac Dundee verfluchte den Araber, der zu feige gewesen war, trotz des auflandigen Windes zwischen den beiden ankernden Galeonen hindurchzufahren und beim Passieren beide Breitseiten abzufeuern. Verdammt, das Schiff wäre dabei vielleicht aufgelaufen und zum Teufel gegangen, aber sie hätten sicher eine der beiden Galeonen erobert. Jetzt konnten sie nur noch zusehen, mit heiler Haut zu entrinnen, und selbst wenn es ihnen gelang, den Geschützen der Spanier zu entgehen, bestand noch die Gefahr, daß sie mit. ihrem Schiff, das kaum noch manövrierfähig war, auf die Klippen am Ende der Bucht trieben. Mac Dundee strich sich über die glatten schwarzen Haare, die im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden waren. Seine Hand glitt über die glutrote Narbe an der linken Kopfseite, wo einmal ein Ohr gewesen war, bevor der verfluchte Araber es mit seinem Krummschwert abgeschlagen hatte. Der Haß auf Ali Pascha, der jetzt hilflos oben auf dem Quarterdeck stand und nicht wußte, was er tun sollte, durchlief in Wellen Mac Dundees Körper. Einen kurzen Augen- blick war er versucht, seine Pistole aus dem Gürtel zu reißen und den
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Araber einfach über den Haufen zu knallen. Aus den Augenwinkeln nahm er die weißen Rauchwölkchen wahr, die plötzlich an Backbord der zweiten Galeone aufstiegen. Sekunden später hörte er schon das ekelhafte Jaulen, und kurz bevor eine der abgefeuerten Kugeln das Schiff erreichte, konnte er sie deutlich erkennen. Mac Dundee warf sich einfach nach hinten. Er fiel mit dem Rücken auf die Gräting und verschränkte beide Arme über dem Gesicht. Es hörte sich an, als berste das ganze Schiff auseinander. Als Mac Dundee merkte, daß er unverletzt geblieben war, sprang er wieder auf. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. An der Stelle, wo eben noch eins der Geschütze gestanden hatte, klaffte ein breites Loch im Schanzkleid. Das Brooktau, das die Lafette halten sollte, hing nur noch in einer Verankerung. Mac Dundee wandte den Kopf. Das Geschütz war mit der Lafette über die gesamte Breite des Decks gerutscht und hatte eine blutige Spur der Zerstörung hinterlassen. Zwei Männer lagen reglos da, ein weiterer kroch davon und schrie seinen Schmerz hinaus. Ihm fehlten beide Füße. Das schwere Geschütz war gegen das Steuerbordschanzkleid geprallt und abermals umgekippt. Ein paar Männer waren bereits dabei, die Lafette zu vertäuen, damit sie nicht zusammen mit der Kanone zurück zur Backbordseite schlitterte und noch einmal mit Urgewalt zwischen die Männer raste. „Schießt, ihr Hundesöhne!“ brüllte Mac Dundee die Männer an den anderen beiden Geschützen an. Er sah, daß sich einer der Männer immer noch um den kleinen Italiener kümmerte, dessen rechter Fuß von der Lafette der ersten Kanone zerquetscht worden war. Mac Dundees Schläfenadern schwollen an. „Verdammt, Bowie!“ brüllte er. „Ich habe befohlen, den Kerl über Bord zu schmeißen! Er ist uns hier nur im Weg!“ Mac Dundee spürte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken, als er in die eisgrauen
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Augen des Engländers blickte, der seinen Befehl ignorierte. „Du hast hier einen Dreck zu befehlen, Einohr“, sagte Jeff Bowie kalt. „Wenn hier einer im Weg steht, dann bist du es. Spring doch selbst über Bord.“ Mac Dundee sah rot. Er hieb mit der Axt zu. Der Engländer tauchte im letzten Augenblick unter der scharfen Schneide weg. Mit einem dumpfen Laut schnitt die Axt in das Schanzkleid, daß Mac Dundee Mühe hatte, sie wieder herauszureißen. Jeff Bowie hatte den kleinen Italiener aufgehoben und trug ihn unter die Back. Mac Dundee wollte hinter ihm her, als die nächste Kugel der Spanier in die Takelage schlug. Ein Blick nach oben sagte Mac Dundee, daß nun alles verloren war. Die Vormarsstenge neigte sich nach Steuerbord. Der Vormars war von der Kugel völlig zerschmettert worden. Die Männer flüchteten von der Back, um den herabstürzenden Spieren zu entgehen. Zu allem Unglück brach auch noch das Großmarsstag. Das Großmarssegel riß völlig entzwei. Die Rahe krachte auf den Großmars und rasierte ihn weg, bevor sie mit ohrenbetäubendem Krachen wie ein Speer ins Deck schlug und sich durch die Gräting bohrte. Der ersten Geschützmannschaft gelang es, trotz des Zustandes in der Kuhl einen weiteren Schuß abzufeuern, der die zweite spanische Galeone in Höhe der Wasserlinie traf. Mac Dundee hatte von dem Treffer nichts gesehen. Er trieb die Männer an, das Durcheinander von Takelwerk und Spieren über Bord zu befördern. Er selbst hieb wieder mit seiner Axt auf das Wirrwarr ein und schickte die Männer an die Großmarsrah, die wie ein überdimensionaler Zahnstocher aus der Mitteldeckgräting ragte. Mit vereinten Kräften gelang es ihnen, die Spiere nach Steuerbord zu schaffen und über das Schanzkleid zu wuchten. Mac Dundee erschrak, als er über die Reling blickte. Die Vormarsstenge hing mit ihrem Takelwerk über Bord, und das gesplitterte Ende konnte sich jeden
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Moment in den Schiffsrumpf bohren. Mit der immer noch an den Fallen und Brassen hängenden Großrah wirkte die Vorstenge wie ein Treibanker. Einen Moment lang überlegte Mac Dundee, ob sie dadurch einem Auflaufen auf die Klippen entrinnen konnten. Er starrte zu den Klippen hinüber. Er kniff seine Augen ein paarmal zusammen, aber er hatte sich nicht getäuscht. Hinter den Klippen segelte ein weiteres Schiff heran! Für Mac Dundee stand außer Frage, daß es sich um einen Spanier handelte, denn andere Schiffe gab es nicht in diesen Gewässern. Sie waren verloren. Sie würden diesem Schiff genau vor die Kanonen treiben, und eine einzige Geschützsalve würde genügen, ihr Schiff in tausend Teile zu pusten. „Schmeißt das Zeug über Bord!“ schrie er. Er wußte, was sie jetzt tun mußten. Es gab keine andere Möglichkeit mehr. Noch waren das Focksegel, die Blinde und das Lateinersegel am Besan gesetzt und unbeschädigt. Wenn es ihnen gelang, die Spieren an Steuerbord loszuwerden, konnten sie das Schiff drehen und vor dem Wind in die Bucht einlaufen. Mac Dundee war sich klar darüber, daß sie die Bucht von Puerta de Caldera mit ihrem eigenen Schiff nie wieder würden verlassen können. Aber warum sollte es ihnen nicht gelingen, eine der spanischen Galeonen zu entern? Die Spanier hatten nur von dem Fehler des Araber profitiert, sonst hätten sie ihre wenigen Geschütze nicht so zielsicher ins Treffen führen können. Als Mac Dundee den Aufgang zum Quarterdeck erreichte, spürte er, wie ein Ruck durch das Schiff ging. Er blickte nicht zurück. Er wußte, daß die Männer es geschafft hatten, die Spieren über Bord zu werfen und das Schiff von der Umklammerung durch das Takelwerk zu befreien. „Ruder hart Backbord!“ brüllte Mac Dundee, kaum daß er das Quarterdeck betreten hatte. Mit Genugtuung registrierte
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er, daß der Rudergänger seinen Befehl ohne Zögern ausführte. Das Schiff neigte sich leicht nach Steuerbord, als sich der auffrischende Wind in den Segeln fing und sie zu füllen begann. Mac Dundee hatte nur Augen für den Araber, dessen rechte Hand hinunter zur Hüfte tastete, wo sein Krummschwert, mit dem er so fürchterliche Wunden schlagen konnte, in einer edelsteinbesetzten Scheide steckte. Die Augen Ali Paschas waren aufgerissen und rollten. Kleine Äderchen waren geplatzt und färbten das Weiße rot. Mac Dundee sah die Angst in diesen roten Augen und hätte jubeln können. Er wußte, daß er den Araber in diesem Augenblick hätte töten können, ohne daß einer der Mannschaft einen Vorwurf gewagt hätte, doch er wollte seine Rache auskosten. „Ich übernehme das Schiff, Araber“, sagte er kalt. „Dir haben wir diesen Mist zu verdanken, weil du im entscheidenden Moment zu feige warst, alles zu riskieren. Jetzt sitzen wir in der Falle, und wir können ihr nur entrinnen, wenn wir alle wie die Teufel kämpfen. Einen Feigling können wir dabei nicht gebrauchen!“ Er hatte seine Stimme erhoben und blickte die beiden Vertrauten Ali Paschas an, die wortlos ein paar Schritte zurücktraten. „Bindet ihn an den Besan“, fuhr Mac Dundee fort. „Wenn wir sterben müssen, dann soll der Araber zusehen. Bevor es mit uns vorbei ist, werde ich ihm persönlich den Kopf abschlagen.“ Mac Dundee blickte in die Runde. In vielen Gesichtern sah er Zustimmung, andere wirkten teilnahmslos. Drei Männer führten Mac Dundees Befehl aus und banden Ali Pascha am Mast fest. Mac Dundee hatte den abgesetzten Piratenkapitän absichtlich nicht bei seinem Namen genannt, den sich der größenwahnsinnige Araber selbst gegeben hatte. Die Männer an Bord sollten erkennen, daß der Araber ein Nichts war ohne seine beiden muskelbepackten Leibwächter und ohne sein
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Krummschwert, mit dem er so meisterlich umgehen konnte. Mac Dundee hatte die beiden Leibwächter keine Sekunde aus den Augen gelassen. Er wußte, daß er ihnen nicht den Rücken zukehren durfte, Wenn die akute Gefahr, in der sich das Schiff jetzt befand, erst einmal vorbei war. Ohne Hast zog er seine Pistole aus dem Gürtel, legte an und schoß. Der Leibwächter; der die Kugel . einfing, hatte so schnell gar nicht begriffen, was geschehen war. Er preßte die Hände auf das Loch in der Brust und sackte zur Seite, ohne einen Laut von sich zu geben. Der zweite Mann reagierte sofort. Sein Messer flog blitzend durch die Luft, doch Mac Dundee war auf der Hut. Er warf sich einfach nach vorn und tauchte nur einen Schritt vor dem Leibwächter auf. Der Mann war nicht schnell genug, um den Hieb mit der Axt zu entgehen, der die rechte Schulter bis tief hinunter zur Brust spaltete. Mac Dundee ließ seine Männer nicht zur Besinnung kommen. „O'Driscoll!“ brüllte er. „Vorbereiten zum Entern! Roskill und Buchanan an die Drehbassen auf der Back! Beharkt die Dons, bevor wir sie rammen! Und dann will ich jeden von euch kämpfen sehen, als gelte es, einen Ausweg aus der Hölle zu finden, verstanden?“ „Aye, aye!“ schrien die Männer zurück. Mac Dundees Hände krallten sich um die Wulst der Quartergalerie. Ein Hochgefühl des Glücks überschwemmte ihn. Auf diesen Augenblick hatte er sein Leben lang gewartet. Er war Kapitän eines Piratenschiffes! Daß er dabei gleichzeitig seine Rache befriedigen konnte, indem er den Araber tötete, der ihn bis aufs Blut gepeinigt hatte, war nur eine kleine Zugabe, die er allerdings genießen wollte. Mac Dundee war jetzt fast sicher, daß sie es noch schaffen konnten. Er sah, daß an Deck der spanischen Galeone, die sie ansteuerten, Zustand herrschte. Der Kapitän ließ den Anker lichten. Segel wurden gesetzt.
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Mac Dundee strich mit der linken Hand über die glutrote Narbe an seinem Kopf. „Zu spät!“ flüsterte er heiser. „Wir kriegen euch!“ Einer der Männer auf dem Quarterdeck, die ihn sofort akzeptiert hatten, als sei er schon jahrelang ihr Kapitän, wies nach Steuerbord. Mac Dundee wandte den Kopf. Ein Schiff war hinter den Klippen auf - getaucht. Es fuhr mit halbem Wind über Seuerbordbug auf die beiden ankernden Galeonen zu. Mac Dundee pfiff durch die Zähne. Der Kapitän dieses Schiffes mußte ein Wahnsinniger sein, bei Legerwall mit vollem Zeug in diese Bucht zu segeln. Was hatte der Mann vor? Mac Dundee starrte zu dem kleinen Schnellsegler hinüber, der nur zwei Masten hatte und am Großmast unter einem Großmarsrahsegel ein Gaffelsegel fuhr. Unter dem Bugspriet blähte sich die Blinde und schien das schnelle Schiff vorwärts zu reißen. Unruhe erfaßte Mac Dundee. Er spürte, wie die Blicke seiner Männer an ihm hingen. Sie erwarteten, daß er etwas unternahm. Aber wie sollte er etwas unternehmen, wenn ihm völlig schleierhaft war, was der neue Feind, der da heranbrauste, im Schilde führte? Fast sah es so aus, als wolle er ihnen zu Hilfe eilen und nicht den Spaniern. Mac Dundee wußte, daß er jetzt keine Schwäche oder Unentschlossenheit zeigen durfte. „Wir halten den Kurs!“ rief er. „Alle Männer halten sich bereit zum Entern!“ Er biß die Zähne zusammen. Er wollte sich auf die spanische Galeone konzentrieren, die ab und zu noch Kanonenschüsse abfeuerte, aber nicht mehr traf. Doch immer wieder schweiften seine Blicke hinüber zu dem schnellen Segler, der sich eine Lücke zwischen der ankernden Galeone und dem Land zu suchen schien. Obwohl Mac Dundees Schiff vor dem Wind lief, war es langsamer als der andere Segler. Mac Dundee konnte es nicht begreifen, aber der Mann hatte tatsächlich die Lücke gefunden und stieß hinein, und
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als dann seine drei Backbordgeschütze zu feuern begannen und die Kugeln in der Takelage des Spaniers ein. schlugen, herrschte an Deck des Piratenschiffes sekundenlang völlige Ruhe, bevor ein Sturm der Begeisterung losbrach. Das schnelle Schiff war kein Feind! Mac Dundee konnte sich nicht vorstellen, wer es war, der zu seinen Gunsten in den Kampf eingriff. Das wichtigste war, daß es sich nicht um einen Spanier handelte. Wahrscheinlich war es ein anderes Piratenschiff. Mac Dundee war in diesem Augenblick bereit, mit den anderen Piraten die zu erwartende Beute zu teilen, doch je mehr sie sich der Galeone näherten, desto mehr setzte sich seine unermeßliche Habgier durch. Irgendwie würde es ihm schon gelingen, die anderen zu überfahren, auch wenn er ihnen zu verdanken hatte, daß er sein Leben nicht in dieser Bucht aushauchen mußte. 2. Seit dem Ruf Dan O'Flynns, der im Großmars hockte, befand sich die Mannschaft der „Isabella III.“ in Gefechtsbereitschaft. Zuerst hatte Dan nur die vom Wind zum Land hinübergetriebenen, zerfaserten Rauchwölkchen gesehen, dann hatte er die Mastspitzen erkannt, die nur eben über die Klippen ragten, an die Philip Hasard Killigrew seiner Meinung nach viel zu dicht heransegelte. Noch bevor sie die Klippen umrundet hatten, wußten alle Männer an Bord der „Isabella was sie er-. wartete. Der Kanonendonner war unmißverständlich. Die Frage war nur, wer sich dort in die Haare geraten war. Nach Hasards Informationen hielten sich auf dieser Seite des Neuen Kontinents nur Spanier auf. Es gab nur eine Möglichkeit. Die Dons hatten Francis Drake und die „Golden Hind“ aufgespürt und lieferten ihr nun einen Kampf auf Leben und Tod.
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Philip Hasard Killigrew preßte die Lippen aufeinander. Er betete darum, daß er nicht zu spät auf dem Schauplatz des Gefechtes erschien. Seine eisblauen Augen richteten sich auf die Klippen. Sie liefen fast zu nah an sie heran. Hasard wußte das, aber nur dann, wenn er wie der Blitz aus heiterem Himmel zwischen die Feinde fuhr, hatte er die Möglichkeit, gegen einen vielleicht übermächtigen Feind zu bestehen. Hasard lächelte und entblößte seine weißen, ebenmäßigen Zähne, als er Ben Brightons mißbilligenden Blick auf sich ruhen sah. Er wußte, daß Ben dieses Manöver für selbstmörderisch hielt, aber der Bootsmann hatte sich inzwischen schon so sehr an seinen Kapitän gewöhnt, daß er nicht einmal mehr Einwände gegen Irrsinnsmanöver erhob. Hasard schaute zur Takelage seines kleinen Schiffes hoch. Er fuhr die „Valdivia“, die er in „Isabella III.“ umgetauft hatte, noch nicht lange, und dennoch war er bereits eins mit dem Schiff. Es war hervorragend getrimmt, und mit seinem Gaffelsegel am Großmast wies es Segeleigenschaften auf, wie Hasard sie bisher nur von den kleinen Loggern kannte, die von französischen Küstenschiffern gefahren wurden. Auf der Suche nach der „Marygold“ und der „Elizabeth“ hatte er mit Ben Brighton und Ferris Tucker den letzten Schliff in den Trimm des Schiffes gebracht. Ben Brighton hatte ein neues, größeres Segel für den Großmars nähen lassen, daß der „Isabella III.“ noch mehr Geschwindigkeit verlieh. Hasard war sicher, daß kein Spanier, der an dieser Küste segelte, in der Geschwindigkeit mit der neuen „Isabella“ mithalten konnte. „Verdammt, Hasard, willst du uns alle zu den Fischen schicken?“ Ben Brighton hatte es nicht mehr ausgehalten. Alarmiert wies er mit der rechten Hand auf die kleinen Schaumkronen vor den ins Wasser ragenden Klippen. „Vielleicht reichen die Klippen noch ein paar hundert Yards unter Wasser weiter“, fuhr Ben Brighton fort. „Wir ... ??
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„Okay, Ben“, unterbrach Hasard seinen Bootsmann. „Geh etwas härter an den Wind. Aber wenn wir an den Klippen vorbei sind, läßt du die ‚Isabella' voll abfallen. Ich möchte den Dons die ersten Schüsse in die Takelage setzen, bevor sie überhaupt merken, daß ein neuer Gegner aufgetaucht ist.“ „Aye, aye“, murmelte Ben Brighton. Ihm war nicht wohl bei diesem Unternehmen. Er wußte gern immer vorher, was ihn erwartete. Seiner Meinung nach hätte es nicht geschadet, wenn sie weiter von der Küste geblieben wären und sich erst einmal vergewissert hätten, ob es überhaupt Kapitän Drake mit seiner „Golden Hind“ war, der dort in der Klemme steckte. Ben gab dem Rudergänger Pete Ballie den Befehl, ein paar Strich nach Backbord zu gehen. Als er sich umdrehte, stand Hasard nicht mehr neben ihm. Er war hinunter in die Kuhl gegangen, um mit Ferris Tucker und Al Conroy, die für die drei Backbord- und die drei Steuerbordgeschütze verantwortlich waren, zu sprechen. Ben Brighton wußte, was das zu bedeuten hatte. Er war jetzt für den Kurs verantwortlich. Die Schaumkronen waren nur knapp einen Faden vom Schiff entfernt. Ben Brighton war darauf vorbereitet, jeden Augenblick das fürchterliche Krachen zu vernehmen, wenn der Rumpf der „Isabella“ von den unter Wasser liegenden Klippen aufgerissen wurde. Doch dann hatten sie die Klippen umschifft und hatten plötzlich den Blick in die weite Bucht frei. Dan O'Flynns Stimme überschlug sich fast, als er zum Deck hinunterschrie, was er erkannte. „Zwei ankernde spanische Galeonen, die von einem anderen Schiff angegriffen werden. Es ist nicht die ,Golden Hind'!“ Gebannt starrten die Männer in die Bucht. Hasard kniff die Augen zusammen. Blitzschnell erfaßte er die Situation. Das Schiff, das die beiden Spanier angriff, war schon ziemlich gerupft. Der Großmast ragte wie ein kahler, vom Blitz gespaltener
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Baum in den Himmel. Die Vorderstenge fehlte. Das Schiff wurde mit dem Focksegel, der Blinde und dem Besansegel gefahren und hielt geradewegs auf die der „Isabella“ näher gelegene Galeone zu. Ohne Zweifel waren die Angreifer Piraten, die ihre letzte Chance in einem Rammstoß sahen, um das andere Schiff entern zu können. Mit den wenigen Segeln, die ihnen noch zur Verfügung standen, konnten sie es niemals schaffen, sich von der Luvküste freizusegeln. Als Ben Brighton von Dan O'Flynn hörte, daß die „Golden Hind“ von Francis Drake nicht in dieser Bucht war, zögerte er mit dem Befehl, die „Isabella“ abfallen zu lassen. Im Angesicht der kämpfenden drei Galeonen war es besser, aufs offene Meer hinauszusegeln und dem Gefecht zu entgehen. „Abfallen, Ben!“ brüllte Hasard. Er hatte sich entschlossen, in diesen Kampf einzugreifen, der leichte Beute versprach, denn die Gegner hatten sich bereits gegenseitig geschwächt, daß Hasard der lachende Dritte sein wollte. „Steuere zwischen der Küste und der ankernden Galeone hindurch!“ Ben Brighton kroch ein kalter Schauer über den Rücken, als er den Befehl an Pete Ballie und die Männer, die die Segel bedienten, weitergab. Der Teufelsbraten schafft es noch mal, daß ich meinen Verstand verliere, dachte er. „Backbordgeschütze feuerbereit!“ Hasards Stimme scholl fest und klar über das Deck des schnellen Seglers. Ohne Hast, aber dennoch in Sekundenschnelle hatte Ferris Tucker die drei Backbordneunpfünder richten lassen. Noch wiesen die Mündungen auf Fadenlänge ins Wasser, aber wenn Ben Brighton mit der „Isabella“ über Steuerbordbug ging und der Wind das Schiff zur Seite drückte, hatten sie ihr Ziel genau im Visier. Hasard sah, daß die Piraten viel langsamer waren als die „Isabella“. Gleichzeitig erkannte er, daß auf der ankernden Galeone Zustand herrschte. Der Kapitän hatte befohlen, den Anker einzuholen und Segel zu setzen, obwohl es bei diesen
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Windverhältnissen Wahnsinn war. Ohne eigene Geschwindigkeit war die Galeone dazu verdammt, an die Küste zu treiben und an den Klippen zu zerschellen. Der Kapitän schien das selbst schnell begriffen zu haben, denn als sich der Heckanker vom Meeresboden gelöst hatte, trieb die Galeone sofort ab. Ferris Tucker fluchte. Er mußte seine Kanonen neu richten. Er ließ die Richtkeile über den Stellblöcken etwas anziehen, so daß die Mündungen der Geschütze höher wiesen. Ben Brighton hatte auf das kurze Abtreiben der Galeone augenblicklich reagiert. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. Die Lücke zwischen der Küste und der spanischen Galeone war noch enger geworden. Dann ging er über Steuerbordbug. Die Masten schienen sich im Wind zu biegen. Die Männer braßten die Rahen auf die Sekunde genau. Die Segel gaben keinen Ton von sich. Im selben Augenblick schrie Ferris Tucker: „Feuer!“ Die Neunpfünder der „Isabella“ spuckten Feuer. Hasard eilte aufs Quarterdeck zurück. Er sah, wie alle drei Kugeln in die Takelage der Galeone einschlugen und die herabstürzenden Spieren das Deck des Spaniers verwüsteten. „Den Kurs halten, Ben!“ schrie Hasard durch den nachrollenden Donner der Geschütze. „Wir entern die andere Galeone! Stenmark und Batuti, nehmt euch noch fünf Mann und haltet euch bereit. Ferris, die Backbordgeschütze bereit zum zweiten Schuß?“ „Aye, aye, Sir!“ Eine Handbewegung genügte, um Ben Brighton zu erklären, was er zu tun hatte. Die „Isabella“ schoß parallel zur an Heckund Buganker liegenden zweiten Galeone hinüber. „Holt das Großsegel ein!“ Der Gaffelbaum rauschte am Großmast nieder, und die „Isabella“ verlor sofort an Geschwindigkeit. Ben Brighton preßte die Lippen auf - einander. Hoffentlich war die Bucht nicht so seicht, daß sie aufliefen,
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wenn er die „Isabella“ nach dem Entern in den Wind drehte und sie sich nach einer Halse wieder freikreuzen mußte. Als der Bugspriet der „Isabella“ fast auf Höhe der Galeone war, ließ Ben Brighton beidrehen. Die Segel begannen zu killen. Es war, als hätte eine riesige unsichtbare Faust das Schiff gestoppt. Ferris Tucker brüllte den Befehl zum Feuern, und die noch heißen Kanonen jagten zum zweitenmal ihre tödliche Ladungen dem Feind entgegen. Zwei der drei Kugeln schlugen in Höhe des Schanzkleides ein und fegten die Kuhl praktisch leer. Auf diese geringe Entfernung hatten sie eine verheerende Wirkung. Die dritte Kugel rasierte den Vormast ab, der der Länge nach über das Deck der Galeone krachte und in tausend Teile zersplitterte. Stenmark. Matt Davies, Batuti, Dan O'Flynn, Gary Andrews, Blacky und Karl von Hutten hielten ihre Enterhaken bereit und schleuderten sie zur Galeone hinüber, als die Back der „Isabella“ dicht an das Achterdeck des schwer beschädigten Schiffes heranfuhr. Wie die Affen turnten die Männer hinüber. Sie trafen auf wenig Widerstand. Der Kapitän lag unter einer Spiere begraben. Sie hatte ihm das Rückgrat zerschmettert. Die anderen Spanier, die den Beschuß durch die „Isabella“ unverletzt überstanden hatten, ergaben sich mit bleichen Gesichtern. Dan O'Flynn starrte in die Kuhl des Spaniers hinunter. Er mußte sich schnell abwenden, als er das Ausmaß der Zerstörung erkannte. Er hatte schon oft dem Tod ins Auge blicken müssen. seit er mit Hasard Killigrew und Francis Drake auf Kaperfahrt war, aber er konnte sich an den fürchterlichen Anblick flicht gewöhnen. Innerhalb weniger Minuten hatten die sieben Männer von der „Isabella“ die spanische Galeone in ihre Gewalt gebracht. Batuti winkte zu Hasard und Ben Brighton hinüber, doch die hatten keine Zeit, den Erfolg der Männer abzuwarten.
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Sobald die Entermannschaft die „Isabella“ verlassen hatte, war das Gaffelsegel wieder gehißt worden. Ben Brighton schien es, als dauere es eine Ewigkeit, bis das Schiff wieder Geschwindigkeit aufnahm. Die zurückgebliebenen sieben Männer arbeiteten wie die Berserker, um die Segel zu brassen und die Schoten im richtigen Augenblick zu belegen. Mit einem anderen Schiff wäre die gewagte Halse niemals gelungen, doch die „Isabella“ schaffte es, als sei es eine Leichtigkeit, bei Legerwall so dicht unter Land auf Kreuzkurs zu gehen. Hasard atmete auf und grinste Ben Brighton zu, dessen Gesicht von der Aufregung gerötet war. Im Vormars schrie der Schimpanse Arwenack und hüpfte begeistert auf und ab. „Ich dreh dem Schreihals noch mal den Hals um“, sagte Al Conroy unten in der Kuhl brummend. „Und dann stecken wir ihn in den Topf“, sagte der Kutscher und blickte grinsend zu Smoky hinüber: „Affenfleischsoll eine Delikatesse sein. „Versuch's mal“, erwiderte Smoky wütend. „Hinterher schneide ich dich in kleine Stücke und hau dich in die Pfanne.“ „Schnauze halten!“ brüllte Ferris Tucker und warf mit einem Belegnagel, dem der Kutscher nur mit Mühe ausweichen konnte. Ferris Tucker hatte keine Zeit, sich weiter um die Streithähne zu kümmern. Er wollte seine drei Geschütze feuerbereit haben, wenn Al Conroy an Steuerbord gefeuert hatte und Hasard wenden ließ. Sie sahen, wie das Piratenschiff die spanische Galeone rammte. Der Kapitän des Freibeuters hatte im letzten Moment Hartruder befohlen, so daß das Schiff jetzt Seite an Seite mit dem Spanier lag. Die Dons nutzten ihre letzte Chance und feuerten noch einmal ihre Kanonen ab. Sie trafen das Piratenschiff tödlich, doch es war zu spät. Immer mehr Männer schwangen sich an Brassen, Schoten und Gordings auf die Galeone und stürzten sich mit wütendem Geheul auf die Spanier.
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Ein Kampf ohne Erbarmen entbrannte. Beide Seiten wußten, daß es nur eines gab: Siegen oder sterben. Hasard kniff die Augen zusammen. Noch nie hatte er Männer mit solcher Grausamkeit kämpfen gesehen. Verwundete Spanier wurden erschlagen und über Bord geworfen. Das Deck der Galeone wurde in ein Meer von Blut getaucht. Im grünen Wasser tauchten die ersten Finnen von Haien auf. Die blutrünstigen Raubfische stürzten sich auf die Toten und Verwundeten und zerrissen ihre Körper innerhalb von Sekunden. Das Meer färbte sich rot und schien zu kochen. Das Grauen kroch Hasard den Rücken hoch. Zum erstenmal, seit er die Klippen im Süden der Bucht umschifft hatte, fragte er sich, ob er nicht einen Fehler begangen hatte, als er sich entschloß, den Piraten gegen die Spanier zu Hilfe zu eilen. Er wandte sich ab und befahl Ben Brighton, zur zweiten Galeone hinüber zu segeln, die von den Männern der „Isabella“ erobert worden war. Er wollte von dem Gemetzel nichts mehr sehen. Ihm war klar, daß kein Spanier an Bord der Galeone überleben würde. Ben Brighton segelte zur anderen Galeone hinüber und legte in Lee an. Als Hasard sah, daß dieses Schiff acht Geschütze an jeder Seite führte, wurde er für einen Moment ziemlich blaß. Zum Glück hatten sich die Spanier nur auf die zur See weisenden Steuerbordkanonen konzentriert, sonst hätte vielleicht ein Schuß genügt, um die „Isabella“, die immer noch die Pulverladung in ihrem Rumpf trug, in den Himmel zu blasen. Die Entermannschaft der „Isabella“ hatte die überlebenden Spanier auf dem Quarterdeck zusammengetrieben. Karl von Hutten, der Deutsche, den Hasard aus spanischer Gefangenschaft befreit hatte, unterhielt sich mit einem Mann, der der Erste Offizier zu sein schien. Als er Hasard an Bord der Galeone steigen sah, unterbrach er sein Gespräch und stieß den Spanier auf Hasard zu.
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„Der Kapitän ist tot“, sagte von Hutten. „Er wurde von einer Spiere erschlagen. Das hier ist der Erste Offizier. Die Galeone ist als Geleitschutz für den Handelsfahrer dort drüben eingesetzt, der eine Ladung Silberbarren aus den chilenischen Bergwerken nach Porto Bello bringen soll.“ Hasard nickte grimmig. So war nun mal der Lauf der Welt. Er hatte mit seinem riskanten Manöver die Entscheidung in diesem Kampf herbeigeführt, und die anderen, die schon verloren gewesen waren, hatten ihm die große Beute unter der Nase weggeschnappt. Er blickte hinüber zur anderen Galeone, auf der sich die siegreichen Piraten jubelnd in den Armen lagen. Hasard sah, wie ein Mann vom Besanmast des Piratenschiffes losgebunden und mit gefesselten Händen hinüber an Bord der spanischen Galeone gebracht wurde. Dann wurden die Anker eingeholt, und die Galeone trieb ein Stück von dem sinkenden Piratenschiff weg. Nachdem das Piratenschiff abgesoffen war, ließen die Piraten die Anker der Galeone wieder zu Wasser. Wahrscheinlich würden sie jetzt erst einmal das Schiff durchsuchen und dann ihre Beute feiern. „Bringt die Spanier an Land“, befahl Hasard. „Wer Widerstand leistet, wird über Bord geworfen. Dann kann er sich mit den Haien auseinandersetzen.“ Karl von Hutten übersetzte Hasards Worte grinsend ins Spanische. Er gab dem Ersten Offizier einen Tritt in den Hintern und drängte ihn hinunter in die Kuhl, in der kaum ein Stück Holz heil geblieben war. Schweigend stiegen die Spanier in das Boot, das die Männer der „Isabella“ zu Wasser gelassen hatten. Sie hatten das Massaker an Bord des Handelsfahrers ebenfalls verfolgen können, und sie waren froh, daß sie nicht das gleiche Schicksal erleiden mußten. Hasard blickte zur Siedlung hinüber, die aus ein paar Steinhäusern und einer Menge Hütten bestand. Er glaubte einen Zug von Menschen zu sehen, der sich ins Landesinnere flüchtete. Wahrscheinlich befürchteten die Bewohner von Puerto de
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Caldera, daß die Angreifer ihre Stadt plündern würden, nachdem sie die beiden Galeonen erobert hatten. Hasard rief Ben Brighton und Ferris Tucker zu sich. „Schaut euch um, was wir von diesem Schiff gebrauchen können“, sagte er. „Auf jeden Fall nehmen wir die sechs Drehbassen mit. Die Achtzehnpfünder sind für die ‚Isabella' sowieso zu schwer.“ „Aye, aye“, sagte Ferris Tucker und jagte die Männer unter Deck, um nachzusehen, was alles an brauchbaren Sachen für die „Isabella“ zu finden war. Hasard war zur Steuerbordreling hinübergegangen und blickte zu dem Handelsfahrer. Dort war inzwischen Ruhe eingekehrt. Auf dem Quarterdeck schritten die Männer hin und her. Ein Mann mit einer seltsamen Kopfbedeckung wurde wieder an den Besanmast gebunden. Es schien Hasard, als begänne dort drüben eine Gerichtsverhandlung, aber das interessierte ihn nicht. Er überlegte, wie er den Piraten die Beute abjagen konnte, ohne das Leben eines seiner Männer aufs Spiel zu setzen. Er wußte, daß es nicht leicht sein würde. Er verzog die Lippen zu einem Lächeln. Ben Brighton würde sagen, daß es unmöglich wäre. Aber für Hasard gab es nichts, was unmöglich war, bevor er es nicht ausprobiert hatte. 3. „Es lebe Mac-Dundee-Einohr!“ Johlend stimmten sie siegreichen Piraten in den Schrei des einen Mannes ein und schwenkten ihre blutgetränkten Waffen über den Köpfen. Mac Dundee war zusammengezuckt. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Niemand hatte es bisher gewagt, laut von seinem fehlenden Ohr zu sprechen, bis auf diesen stinkenden Araber, aber der würde dafür auch noch heute an der Rahnock baumeln. Mac Dundee drehte sich um und musterte seine Männer, mit denen er einen kaum noch zu erhofften Sieg errungen hatte. Er
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sah ihre verschwitzten, blutverschmierten Gesichter und ihre leuchtenden Augen, und er begriff, daß der Mann, der eben „MacDundee-Einohr“ gerufen hatten, nicht daran dachte, ihn zu ärgern oder zu beschimpfen. Mac Dundee begann zu grinsen. Mac-Dundee-Einohr. Das hörte sich nicht schlecht an. Das war ein Name, der den Spaniern Furcht einflößen konnte. Wenn der Araber erst einmal bei den Fischen war, würde auch niemand mehr davon reden, daß er es gewesen war, der Mac Dundees Ohr mit seinem Krummschwert abgesäbelt hatte. Mac Dundee hob den Arm, und die Männer verstummten. Sie blickten erwartungsvoll zu ihm auf. An ihren Augen sah er, daß sie wußten, wem sie es zu verdanken hatten, daß sie noch am Leben waren und obendrein noch die Spanier besiegt hatten. Mac Dundee spürte dieses Gefühl der Macht zum erstenmal. Es war überwältigend. Er sog die mit Pulverrauch geschwärzte Luft tief ein und wußte, daß er nie mehr ohne dieses Gefühl würde leben wollen. „Ich danke euch für euren kühnen Einsatz, Männer!“ rief er. „Wir haben aus einer Niederlage noch einen Sieg gemacht, weil wir rechtzeitig erkannt haben, daß der Araber ein Feigling ist und vor Angst in seine weiten Hosen geschissen hat, als er die Kanonen der Spanier sah. Holt ihn rüber auf dieses Schiff, bevor er mit unserer alten Karavelle absäuft. Er wird sich für seine Feigheit vor dem Standgericht zu verantworten haben, und ihr werdet das Urteil über ihn sprechen.“ „Es lebe Mac-Dundee-Einohr!“ Die Sympathien der Piraten gehörten eindeutig dem Sieger. Vier Männer sprangen hinüber auf die bereits sinkende Piratenkaravelle und banden Ali Pascha vom Besanmast los. Der große Araber war. bleich unter seiner braunen Haut. Er warf noch einen kurzen Blick auf Mehmed und Firuz, die beiden starken Türken, die die Garanten seiner Macht gewesen waren. Jetzt lagen sie in ihrem Blut und hatten es
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schon hinter sich, was ihm noch bevorstand. Auf der spanischen Galeone wurde er wieder an den Besanmast gebunden. Mac Dundee wollte auf ihn zutreten, als er den Lärm unter dem Achterdeck hörte. Waffen klirrten, Männer schrien, und dann taumelte ein Spanier aus der Tür, die zur Kapitänskammer führte, und brach röchelnd zusammen. Auf einen Wink Mac Dundees hin wurde der Mann aufgehoben und über Bord geworfen. Mac Dundees Kopf ruckte herum. Hatte er sich verhört? Diese hellen Schreie hatte kein Mann ausgestoßen! Mit wenigen Schritten war er in dem dunklen Gang, stieß ein paar seiner Männer zur Seite und stürmte in die Kapitänskammer, in dem ein unbeschreiblicher Lärm herrschte. Auf dem mit Teppichen ausgelegten Boden und auf der Koje wälzten sich ein paar Männer, die den Verstand verloren zu haben schienen, und versuchten, den Frauen die Kleider vom Leib zu reißen. Mac Dundees Augen begannen vor Gier zu glitzern. .Er war versucht, sich mitten in das Getümmel zu stürzen, um seinen Teil von dem Spaß zu erkämpfen, doch im letzten Augenblick fiel ihm ein, daß er der Kapitän dieses Schiffes war und niemand das Recht hatte, in seiner Kammer über Weiber herzufallen. Er riß einem der Männer die Pistole aus dem Gürtel und feuerte sie ab. Die Kugel schlug in die Decke. Die Detonation brachte die Piraten wieder zur Besinnung. Sie blickten auf und grinsten Mac Dundee an. Aber niemand ließ die Frau los, die er sich erobert hatte. „Raus hier!“ sagte Mac Dundee scharf. „Die Weiber bleiben hier.“ „Verdammt, Mac Dundee!“ erwiderte einer von ihnen knurrend. „Wir haben sie gefunden, also gehören sie uns. Du kannst sie ja wiederkriegen, wenn wir unseren Spaß mit ihnen gehabt haben.“
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Der Mann riß die Augen weit auf und ließ die junge Frau, die er mit dem rechten Arm umklammert hatte, entsetzt los. Der erhobene linke Arm konnte die niedersausende Axt nicht aufhalten. Die scharfe Schneide durchtrennte ihn und bohrte sich in die Brust des Mannes, der blutüberströmt zusammenbrach. Mac Dundee blickte sich wild um. „Meint noch jemand, er hätte ein Recht auf die Weiber?“ fragte er laut. „Schafft den Kerl raus und werft ihn den Fischen vor. Und berichtet den anderen, was mit ihnen geschieht, wenn sie gegen mich meutern.“ Die Piraten in der Kapitänskammer blieben stumm. Drei von ihnen packten den toten Mann und zerrten ihn hinaus. Die Frauen hatten sich in einer Ecke zusammengedrängt und kümmerten sich um eine bewußtlose Leidensgefährtin, der die Kleider nur noch in Fetzen vom Körper hingen. Mac Dundee starrte die Frauen mit gierigen Blicken an. Er sah, wie ihre Augen voller Entsetzen an dem blutigen Beil hingen, das er in der rechten Hand hielt, und lachte rauh. „Na, ihr Süßen?“ sagte er. „Wollt ihr euren Retter nicht umarmen?“ Sie verstanden ihn nicht. Sie drängten sich noch dichter zusammen. Zwei jüngere Frauen, die die mutigsten zu sein schienen, stellten sich schützend vor die anderen. Mac Dundee lachte röhrend. „Ihr glaubt wohl, jetzt ist alles vorbei, wie? Nichts hat sich geändert, Senoritas. Der alte Mac Dundee wird euch vernaschen, und das Täubchen von euch, das mir nicht gefällt, das werfe ich der Mannschaft vor.“ Er stand jetzt dicht vor den Frauen. Seine linke Hand tastete sich an der Schulter des einen Mädchens entlang und umfaßte dann plötzlich die volle Brust, die von einem Mieder eingeengt wurde. Das Mädchen versuchte, die behaarte Faust wegzustoßen, doch als Mac Dundee die blutige Axt hob, erbleichte sie, und ihr Arm fiel herab. „Du gefällst mir, Schätzchen“, sagte Mac Dundee, der sich kaum mehr beherrschen konnte. „Du erinnerst mich an eine Dirne
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in Porto Bello, die mich mal eine ganze Nacht auf Trab gehalten hat. Ich hoffe, du bist genauso fleißig wie sie.“ Mit einem Ruck riß er an ihrem kleinen Dekollete. Mit entblößter Brust stand das Mädchen da und wagte sich nicht zu rühren. Ihre Wangen waren von einem dunklen Rot übergossen. Mac Dundee leckte sich die Lippen. „Geh hinüber zur Koje“, sagte er heiser. Der Blick des Mädchens folgte seiner blutigen Axt, mit der Mac Dundee auf die Koje der Kapitänskammer wies. „Wird's bald?“ Mac Dundee verlor die Geduld. Er gab dem Mädchen einen Stoß, so daß sie zur Koje hinüberstolperte. Vergeblich versuchte sie, das zerrissene Kleid vor der Brust zusammenzuhalten. Mac Dundee war drauf und dran, sich auf das Mädchen zu stürzen. Die Stimme von der Tür her traf ihn wie ein nasser Lappen. „Wenn du sie anfaßt, wird dein Kapitänsdasein nicht von langer Dauer sein, Mac-Dundee-Einohr.“ Mac Dundee wirbelte herum. Aus blutunterlaufenen Augen starrte er den schlanken Franzosen an, der lässig in der Tür lehnte und mit dem Griff seines Degens spielte. Die dunklen Augen blickten Mac Dundee kühl an. „Spiel dich nicht auf, Ribault“, erwiderte Mac Dundee heiser. „Du hast mir nichts vorzuschreiben. Ich bin der Kapitän dieses Schiffes, und mein Wort ist hier Gesetz!“ „Natürlich kannst du tun, was dir beliebt“, entgegnete der Franzose schulterzuckend. „Es ist keineswegs so, daß ich dir das Vergnügen nicht gönne. Aber du kannst nicht den Leuten den Spaß verderben und dann selbst über die Frauen herfallen. Damit forderst du die Leute nur heraus.“ „Ich bin der Kapitän!“ schrie Mac Dundee. „Das war Ali Pascha vor ein paar Stunden auch noch”, sagte Jean Ribault mit einem leichten Lächeln. „So was kann sich leicht ändern, Mac-Dundee-Einohr.“ Mac Dundee gefiel der Ton nicht, mit dem der Franzose seinen neuen Kriegsnamen aussprach. Auch das Lächeln, das seinen
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schmalen Mund umspielte, paßte ihm nicht. Mac Dundee kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. Er spürte irgendwie, daß er diesem schlanken Mann unterlegen war. Er packte die Axt in seiner Rechten fester, doch er wagte den Arm nicht zu bewegen. Er hatte den Franzosen schon zu oft mit dem Degen kämpfen sehen. Er wußte, wie blitzschnell der Franzose reagierte. „Du willst wohl meinen Platz einnehmen, wie?“ fragte Mac Dundee lauernd. Jean Ribault begann zu grinsen. Er winkte ab. „Ich bin nicht der Typ, der anderen gern Befehle erteilt“, sagte er. „Ich verlasse mich am liebsten auf mich selbst. Laß du mich in Ruhe, Mac-Dundee-Einohr, dann hast du von mir nichts zu befürchten.“ Die Penetranz, mit der Ribault seinen neuen Namen in den Mund nahm, ärgerte Mac Dundee gewaltig. Wütend sagte er: „Warum mischst du dich dann hier ein, he?“ „Wir sind an dieser Küste ziemlich allein auf uns gestellt“, erwiderte Ribault ruhig. „Ich fühle mich manchmal wie ein Kaninchen, das sich einen Lauf gebrochen hat und über dem bereits die Bussarde schweben. Du hast selbst gesehen, was mit uns geschieht, wenn wir einen Kapitän haben, der im entscheidenden Moment versagt. Hättest du nicht das Kommando an dich gerissen und wäre uns der Fremde nicht zu Hilfe geeilt, dann sähe es schlecht für uns aus. Wenn wir nicht zusammenhalten, werden uns die Spanier eines Tages doch noch in den großen Keller schicken. Und die Leute können nicht bedingungslos hinter dir stehen, wenn du ihnen einen Spaß verbietest und ihn dir dann selbst .nimmst.“ Mac Dundee brauchte eine Weile, bevor er alles verdaut hatte, was der Franzose da sagte. „Außerdem schadet es dem Ruf eines Piratenkapitäns, wenn er über gefangene Frauen herfällt“, fuhr Ribault fort. „Gegen Männer kannst du so grausam sein, wie du willst, das wird die Spanier nicht weiter aufregen: Aber vergewaltige und töte ihre
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Frauen, und sie werden dich jagen wie einen Wolf, der in ihre Schafherde eingedrungen ist. Sei Kavalier zu den Frauen, und du hast die Hälfte des spanischen Volkes hinter dir. MacDundee-Einohr - Männer zittern vor ihm, aber die Frauen liegen ihm zu Füßen! Wie hört sich das an, he?“ Mac Dundee kratzte sich an der brandroten Wunde; an dem mal ein Ohr gesessen hatte. Ein Grinsen verzerrte sein häßliches Gesicht. „Das gefällt mir“, sagte er. „Aber ...“ Er hob den Kopf, als er das Geschrei vom Deck hörte. Er drängte sich an dem Franzosen vorbei und wollte auf die Tür zustürzen, die zum Quarterdeck führte. Nach zwei Schritten blieb er stehen und drehte sich zu Ribault um. „Du weißt, wie man mit Frauen umgeht, he?“ Ribault nickte lächelnd. „Und du sprichst auch Spanisch, wie?“ „Selbstverständlich“, sagte Ribault. „Dann entschuldige mich bitte bei den Damen für mein Verhalten“, sagte Mac Dundee. „Und wenn ich dieses feige Dreckschwein von einem Araber aufgehängt habe, dann wirst du mir beibringen, wie man sich Damen gegenüber benimmt, verstanden?“ „Aye, aye, Kapitän“, sagte Ribault und blickte hinter Mac-Dundee-Einohr her. Er ließ den Degen in die Scheide gleiten und dachte daran, daß er eine schwere Aufgabe vor sich hatte. Mac Dundee Benimm beizubringen, war sicherlich schwerer, als eine Seekuh zum Fliegen zu bewegen. * „Ihr seid ja verrückt!“ schrie Ali Pascha, und seine Stimme überschlug sich, als sich das Hanfseil enger um seinen Hals zog. Seine großen Augen glitten über die Männer, die stumm in der Kuhl der eroberten spanischen Galeone standen und das Schauspiel unbewegt beobachteten. „Halt die Klappe, Araber!“ rief MacDundee-Einohr. „Wenn du im Leben schon
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ein Feigling warst, so stirb wenigstens wie ein Mann!“ Der Araber sah, daß er seinem Schicksal nicht mehr entrinnen konnte. Alle waren auf die Seite des neuen Kapitäns übergeschwenkt, und wenn er ehrlich war, so konnte 'er die Männer auch verstehen: Er hatte im entscheidenden Moment versagt und nicht den Mut gehabt, den begonnenen Angriff fortzusetzen. Dadurch war das Schiff in eine aussichtslose Position geraten, und nur durch das entschlossene Eingreifen Mac Dundees war eine Katastrophe vermieden worden. Ausschlaggebend für Mac Dundees Triumph war allerdings das Eingreifen des kleinen Schnellseglers — aber Glück gehörte nun einmal dazu, wenn man ein Schiff befehligte. Ali Pascha wehrte sich gegen den Tod. Er mußte den Männern vor Augen führen, daß sie einen Fehler begingen, wenn sie ihn aufknüpften. „O'Driscoll!“ Flehend blickte er den irischen Riesen an, vor dem jedermann an Bord Respekt hatte. „Hast du die guten Zeiten vergessen, die du unter meinem Kommando erlebt hast? Wir haben mehr erbeutet als andere Schiffe, und immer hatten wir die wenigsten Toten zu beklagen. Ihr könnt mich doch nicht einfach aufknüpfen, weil ich einmal einen Fehler begangen habe!“ „Dein Fehler hätte uns fast allen den Kopf gekostet“, sagte Patrick O'Driscoll mit seinem dröhnenden Baß. „Ihr überschätzt Mac Dundee!“ schrie der Araber. „Er mag ein besserer Seemann sein als ich, aber er ist ein Dummkopf! Was nutzt es euch, wenn er ein Schiff führen kann, aber nicht weiß, wo Beute zu holen ist? Leute, ich verspreche euch ...“ Mac Dundees Gesicht war rot angelaufen. Mit einem Satz sprang er über die Galerie des Quarterdecks und stieß die Männer, die das Tau hielten, mit dem der Araber zur Rah hochgezogen werden sollte, beiseite. Er packte das Tau und riß daran. „Du eingebildeter Hund!“ brüllte er. „Es wird Zeit, daß ich dir dein großes Maul endgültig stopfe!“
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Quietschend lief das Tau durch ein paar Blöcke und Taljen. Der Araber versuchte, seine beiden Hände zwischen das straffe Seil und seinen Hals zu schieben, aber er schaffte es nicht mehr. Die Luft wurde ihm abgeschnürt. Seine Augen quollen hervor. Er strampelte mit den Beinen, und als Mac Dundee ihn bis zur Nock der Großrah hinaufgezogen hatte, war mit einem letzten Zucken das Leben aus seinem Körper entwischen. „Der Hund bleibt hängen, bis wir die Bucht verlassen“, sagte Mac Dundee keuchend. „Wer seinen Namen an Bord dieses Schiffes noch einmal erwähnt, den hänge ich neben ihn, verstanden?“ Die Männer nickten. Mac-Dundee-Einohr starrte sie an. Niemand wagte es, ihn anzugrinsen. Er wußte, daß er keinen Freund unter den Leuten hatte, aber solange sie ihn und seine Axt fürchteten, war ihm das egal. Unter der Back sah er den grauäugigen Jeff Bowie stehen. Der Engländer war ein Mann, auf den er besondern achten mußte. Mac Dundee dachte an den Augenblick während des Kampfes zurück, als Bowie seinen Befehl, den verwundeten Italiener über Bord zu werfen, einfach ignoriert hatte. Ich vergesse nichts, dachte er. Hüte dich, Bowie, bei der nächsten Gelegenheit zeige ich dir, was es heißt, einen Befehl von Mac-Dundee-Einohr zu mißachten. Er drehte sich um und stieg die Stufen zum Quarterdeck hinauf. Während er mit unbewegtem Gesicht zuhörte, wie ihm einer der Männer von der riesigen Ladung Silberbarren berichtete, die im Bauch der eroberten Galeone lagerten, blickte er zu den beiden anderen Schiffen hinüber, die in einer Entfernung von zwei Faden nebeneinander in der Bucht ankerten. Wer war der Mann auf dem Schnellsegler? Ali Pascha hatte angenommen, daß sie sich allein auf dieser Seite der Neuen Welt befanden, und soweit Mac Dundee wußte, war noch nie ein spanisches Schiff vor diesen Küsten von Piraten gekapert worden. Oder aber die Spanier hielten es
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geheim, damit sich keine Nachahmer einfanden. Mac Dundee kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, daß er seine Neugier nicht lange bezähmen würde. Da drüben auf den Schiffen niemand Anstalten traf, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, entschloß er sich, dem anderen einen Anstandsbesuch abzustatten. „Slater!“ brüllte er. „Laß die Pinasse zu Wasser! Such dir elf Männer aus. Wir statten unserem unbekannten Freund einen Besuch ab!“ „Aye, aye“, stotterte Slater und strich sich mit der schwieligen Hand über seine spiegelnde Glatze. Er reckte die Brust. Er sollte elf Bootsgasten aussuchen? Das konnte nur bedeuten, daß der neue Kapitän Mac-Dundee-Einohr ihn zum Profos befördert hatte. Slater begann zu strahlen. Der eklige Schotte Mac Dundee mit seinem abgeschnittenen Ohr begann ihm direkt sympathisch zu werden. Er holte tief Luft und schrie die Namen heraus, die ihm gerade einfielen. Es war das erstemal, daß er an Bord eines Schiffes das Maul aufreißen konnte, und er fühlte sich großartig dabei. 4. An Deck der „Isabella“ und der Kriegsgaleone herrschte emsige Geschäftigkeit. Al Conroy und Ferris Tucker montierten die letzte der sechs Drehbassen, die sie von der spanischen Galeone zur „Isabella“ herübergeschafft hatten. Zwei von ihnen hatten sie bereits auf der Back und zwei weitere auf dem Achterdeck montiert. Die fünfte hatten sie in der Kuhl, gleich neben dem Aufgang zum Quarterdeck, angebracht. Genau gegenüber an Steuerbord schraubten sie jetzt die Gabel für die letzte Drehbasse fest. Ferris Tucker lief der Schweiß in Strömen von der Stirn. Al Conroy und er hatten eine höllische Arbeit hinter sich, aber es hatte sich gelohnt. Mit diesen Drehbassen war
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die „Isabella“ im Nahkampf zu einem tödlichen Feuerspucker geworden. Tucker grinste Hasard zu, der ihn vom Achterdeck der größeren Galeone herab beobachtete. „Beeilt euch, Ferris“, sagte Hasard. „Ich glaube, wir kriegen Besuch. Wir sollten sicherheitshalber ein paar von den Drehbassen laden.“ Ferris Tucker nickte und überließ es Al Conroy, der sich Batuti zu Hilfe holte, um die Drehbasse in die Gabel zu setzen. Hasard blickte der Pinasse entgegen, die auf die „Isabella“ zugepullt wurde. Er zählte mit dem gedrungenen Mann, der an der Pinne stand, dreizehn Mann — fast soviel, wie seine Mannschaft zählte. Sie mußten auf der Hut sein. Der im ablaufenden Wind sanft an der Großrah der anderen Galeone schaukelnde Gehenkte und das vorhergehende Gemetzel unter den Spaniern sprach nicht gerade für die Friedfertigkeit der Männer, denen Hasard mit seinem Eingreifen das Leben gerettet hatte. Hasard sah, daß die Pinasse auf die „Isabella“ zuhielt und kletterte über die Rüsten der Großmastwanten hinunter auf das Quarterdeck der „Isabella“. „Ben!“ rief er zur Galeone hinauf. „Stop mit dem Umladen. Alle Mann gefechtsklar, verstanden? Wer weiß, was uns erwartet, wenn die wilden Kerle zu uns an Bord klettern.“ Ben Brighton nickte und teilte ein paar Leute ein, die sich hinter dem Schanzkleid der Kriegsgaleone verbergen sollten. Dumpf schlug der Bug der Pinasse gegen den Rumpf der „Isabella“. Mit einer Handbewegung befahl Hasard, eine Jakobsleiter auszubringen, über die der Besuch an Deck klettern konnte. Als erstes erschien der Mann, den Hasard an der Pinne der Pinasse gesehen hatte. Es fiel Hasard schwer, eine freundliche Miene zu zeigen, denn dieser Muskelbulle mit dem pockennarbigen Gesicht und den glatten schwarzen Haaren, die er im Nacken zu einem Zopf geflochten hatte, war ihm alles andere als sympathisch.
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Der Mann grinste und wartete, bis seine Bootsgasten vollständig an Deck standen. Seine kleinen, tückischen Augen huschten hin und her, als mustere er sein zukünftiges Schiff. Als der Pirat seinen Kopf für einen kurzen Moment nach rechts wandte, sah Hasard die glutrote Narbe an der Stelle, an der einmal ein Ohr gewesen war. Hasard wunderte sich, warum der Mann die Narbe nicht mit den Haaren bedeckt hatte, aber wahrscheinlich war der Zopf schon seit Monaten nicht mehr entflochten worden, und die Haare ließen sich nicht einmal mehr mit einem Eisenkamm auseinanderbringen. „Buenos dias, sensores“, begann der Mann in Spanisch. „Muchas gracias por — por— Hilfe.“ Er gestikulierte mit den Händen. Hasard hatte an dem harten Akzent mit dem stark gerollten R sofort erkannt, daß der Mann Schotte war. „Ich verstehe Ihre Sprache gut, Mister, sagte Hasard. „Ah“, erwiderte der Mann erleichtert. „Das freut mich. Wenn ich ehrlich bin — ich kann das verdammte Spanisch nicht ausstehen.“ Er wies mit der Hand zurück zur Handelsgaleone. „Wie Sie sicher gesehen haben, ist unser Schiff abgesoffen, nachdem wir den Spanier gekapert haben. Ich heiße Mac-Dundee-Einohr und bin der neue Kapitän. Den alten haben wir abgesetzt. Er hängt jetzt oben an der Rahnock und sorgt sich um seinen langen Hals„Wo kommt ihr her?“ fragte Hasard. Mac-Dundee-Einohr starrte nach oben zum Großmars, in dem Arwenack herumturnte und schrie, als hätte ihn jemand an der Gurgel. „Ein niedliches Kerlchen“, sagte Mac Dundee grinsend. „Weshalb schreit er denn so?“ Bevor Hasard antworten konnte, sagte Dan O'Flynn, der neben Hasard stand und seine kurze Pike lässig in der rechten Hand hielt: „Er freut sich. Vielleicht hat er einen Verwandten entdeckt.“
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Hasard warf dem Bürschchen einen grimmigen Blick zu, denn es war unnötig, daß der Kerl absichtlich provoziert wurde. Mac Dundees pockennarbiges Gesicht lief langsam rot an, und Dan wurde es unter den stechenden Blicken der kleinen Augen ziemlich ungemütlich. Dennoch wich er dem Blick des Piraten nicht aus. Mac Dundee beschloß, die Frechheit des Burschen zu ignorieren. „Wir kommen aus der Karibik“, sagte er zu Hasard. „Die Spanier erwischten uns am Isthmus und trieben uns weit ins Land hinein, nachdem sie unser Schiff zerstört hatten. Da sind wir einfach weitermarschiert, haben uns in Panama ein Schiff der Spanier unter den Nagel gerissen und unsere Arbeit eben hier fortgesetzt. Wir haben geglaubt, daß hier die Konkurrenz nicht so groß ist“, fügte er grinsend hinzu. „Aber anscheinend haben wir uns getäuscht.“ Mac Dundee blickte sich jetzt ohne Scheu auf dem Schiff um. „Ein schneller Segler“, sagte er erkennend. Dann blickte er Hasard wieder an. „Du kannst Steuermann bei mir werden, wenn ich dieses Schiff übernehme. Du kriegst zehn Prozent von allem, was wir erbeuten.“ „Dem haben sie mit dem Ohr auch den Verstand weggeschnitten“, sagte Dan O'Flynn. „Warum müssen es immer die häßlichsten Kerle sein, die vom Größenwahn befallen werden?“ Mac Dundees Hand zuckte hinab zur Axt, deren Griff im Gürtel steckte. Wahrscheinlich hätte er sie herausgerissen, wenn Hasard sich nicht vor Dan gestellt hätte. „Ich habe nicht die Absicht, dir mein Schiff zu überlassen, Mac-DundeeEinohr“, sagte er kalt. „Wir sollten uns lieber darüber unterhalten. wie wir die Beute teilen. Schließlich wärt ihr ohne mich Fischfutter.“ Mac Dundee spuckte aus. Die Männer der „Isabella“ faßten die Geste genauso auf, wie sie gemeint war — als Beleidigung.
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„Soll er auflecken sein Scheißkram?“ fragte Batuti grollend und schaute Hasard erwartungsvoll an. Hasard schüttelte den Kopf. Er wollte sich auf keinen Kampf einlassen. Er war überzeugt davon, daß sie die Piraten besiegen würden, aber nicht, ohne eigene Opfer zu bringen. Hasard wollte um jeden Preis vermeiden, daß seine kleine Crew noch weiter zusammenschmolz. „Du bist kein dankbarer und höflicher Mensch“, sagte Hasard. „Er ist ein Schwein“, stellte Karl von Hutten nüchtern fest. „Leider sitzt er am längeren Hebel“, fuhr Hasard fort, ohne sich um die immer größer werdende Wut des Piratenkapitäns zu kümmern. „Aber nur, was die Beute betrifft. Unser Schiff kriegst du nie. Laß uns also in Ruhe, wenn du nicht doch noch mit deinen Leuten in dieser Bucht verrecken willst.“ Mac Dundees Faust umklammerte den Griff der Axt. Weiß traten die Knöchel hervor. Er war drauf und dran, die Axt hervorzureißen und auf den schlanken, schwarzhaarigen Mann loszugehen, dessen tiefblaue Augen so kalt wie Eis blickten. Die Geräusche auf der längsseits liegenden Galeone brachten ihn wieder zur Besinnung. Er sah die Musketenläufe über das Schanzkleid ragen und wußte, daß er den Gegner unterschätzt hatte. „Wir sprechen uns noch, Mister“, stieß er hervor und wandte sich abrupt ab. Die anderen Piraten wandten sich auch schon ab, als einer von ihnen, ein grauhaariger, knochiger Mann, der sicher schon seine fünfzig Lenze auf dem Buckel hatte, sagte: „Ihr habt uns noch nicht Euren Namen genannt, Mister. Wer seid Ihr? Ihr sprecht ein Englisch, als ob Ihr aus Cornwall wärt.“ „Du täuschst dich nicht, alter Mann“, erwiderte Hasard lächelnd. „Ich bin aus Cornwall und der Großteil meiner Mannschaft auch.“ Es war, als ginge ein Ruck durch die Bootsgasten des Piratenkapitäns. Auch Mac Dundee, der sein rechtes Bein schon
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über das Schanzkleid geschwungen hatte, stockte mitten in der Bewegung. „Ihr seid Engländer?“ fragte der grauhaarige Pirat ungläubig. Hasard lachte. „Dachtet ihr, ich sei Spanier und greife meine eigenen Landsleute an, um einem Piratenschiff zu helfen?“ Der grauhaarige Mann trat hastig ein paar Schritte auf Hasard zu. „Sir“, sagte er. „Würdet Ihr mich in Eure Crew aufnehmen? Ich möchte nicht zurück unter das Kommando von Mac-DundeeEinohr.“ Hasard sah die Angst in den Augen des Mannes, der ihn erwartungsvoll anschaute. Er schien zu wissen, daß sein Leben verwirkt war, wenn Hasard seinen Wunsch abschlug. Hasard ließ den Mann nicht zu lange warten. „Du kannst bei uns bleiben, wenn du willst“, sagte er. Plötzlich geriet Bewegung in die anderen Männer. Fünf von ihnen traten hinter den Grauhaarigen und demonstrierten damit, daß sie ebenfalls auf der „Isabella“ bleiben wollte. Hasard sah den skeptischen Blick Ben Brightons, der vom Achterdeck der Kriegsgaleone das Geschehen auf der „Isabella“ beobachtet hatte. War das ein Trick der Piraten? Hatte Mac Dundee vorher mit seinen Leuten abgesprochen, was sie unternehmen sollten, wenn sich der andere weigerte, auf ihre Vorschläge einzugehen? Sollten die Männer zurückbleiben und einen günstigen Augenblick abwarten, um dann völlig unerwartet über die Mannschaft der „Isabella“ herzufallen? Hasard beobachtete, wie Mac Dundees Adern an den Schläfen anschwollen. „Von meinem Schiff mustert niemand ab!“ brüllte er. „Buchanan, Roskill, Morgan, Watts! Bewegt eure Ärsche und steigt in die Pinasse, oder ihr werdet bald mit gespaltenen Köpfen herumlaufen!“ „Halt die Klappe, Mac Dundee“, sagte Hasard. Seine Stimme war nicht laut, und doch hatte sie jeder der Piraten verstanden.
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„Auf diesem Schiff hat nur einer was zu sagen, und das bin ich. Wenn du herumbrüllen willst, dann laß dich zu deinem Schiff rüberpullen, verstanden?“ Mac Dundee konnte seine Wut nicht mehr bezähmen. Mit einem Ruck riß er seine Axt aus dem Gürtel. Er wollte sie hochschwingen und auf den kaltschnäuzigen Engländer niedersausen lassen. Die Bewegung Hasards kam für ihn völlig überraschend. Sie war so schnell und geschmeidig, daß Mac Dundee nicht reagieren konnte. Er sah nur noch die Klinge des Degens in der Sonne blitzen, dann traf ihn die Breitseite der Klinge auf dem Rücken der rechten Hand. Mit einem röhrenden Schrei ließ er die Axt fallen. Ungläubig starrte er von der blutenden Wunde auf seiner Hand zu Hasard hinüber, dessen Degen bereits wieder in der Scheide steckte. „Schmeißt den Bastard über Bord“, sagte Hasard ruhig. Er brauchte nicht lange zu warten, bis sein Befehl ausgeführt wurde. Batuti und Blacky nahmen ihn in die Mitte, hoben ihn hoch und setzten ihn aufs Schanzkleid. Batuti winkte mit dem linken Arm Dan O'Flynn herbei. Das Bürschchen grinste. Er wußte, was Batuti von ihm wollte. Er nahm Anlauf und rammte dem brüllenden Schotten seine Pike in das Sitzfleisch. Mac Dundee flog los, wie vom Katapult geschossen. Er klatschte mit dem Bauch aufs Wasser und begann. zu zappeln wie jemand, der nicht schwimmen kann. Von allen Seiten näherten sich ihm die schwarzen Dreiecksflossen der Haie. „Wer bei mir bleiben will, soll vortreten“, sagte Hasard zu den Bootsgasten. „Die anderen verschwinden auf der Stelle, oder sie fliegen ebenfalls über Bord.“ Fünf Männer kletterten hastig über das Schanzkleid und turnten die Jakobsleiter hinunter in ihre Pinasse. Ein rothaariger Bulle von einem Kerl zögerte noch. Die hellen Augen in der roten Visage musterten Hasard eine Weile prüfend.
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Hasard hörte eine innere Stimme, die ihn drängte, den Mann über Bord zu jagen, aber er tat es nicht. Er hatte sein Versprechen gegeben, jeden an Bord zu nehmen, der sich für ihn entschied. Er konnte keine Ausnahme machen. Mac Dundee schrie sich die Lunge aus dem Leib. Die Haie waren verdammt nahe, und einer schnappte nur sehr knapp an Mac Dundees Bein vorbei, als seine Leute ihn über das Dollbord in die Pinasse zogen. Der Schotte war bleich wie eine Segelleinwand. Aus haßerfüllten Augen starrte er zum Achterdeck der „Isabella“ hinauf. Hasard fing diesen Blick auf, und er wußte, daß er dem Schotten nicht zum letztenmal begegnet war. Mac Dundee war kein Typ, der eine Niederlage einstecken konnte. Er würde versuchen, sich für die erlittene Schmach zu rächen. „Los, spring schon, O'Driscoll!“ rief ein glatzköpfiger Mann in der Pinasse. „Oder willst du verdammter Ire etwa bei dem Engländer bleiben?“ Alle Augen richteten sich auf den Iren, der seine Augen nicht von Hasard genommen hatte. „Ich bleibe“, sagte er plötzlich laut. Der Glatzkopf stieß einen lästerlichen Fluch aus, und dann wurde die Pinasse zurück zur Handelsgaleone gepullt, wo die anderen Piraten warteten, was der Besuch auf dem Schnellsegler ergeben hatte. Hasard wich dem Blick des vierschrötigen Iren nicht aus. Er meinte genau zu wissen, warum sich der Ire für ihn entschieden hatte. Bestimmt nicht aus Sympathie. Der Ire war ein kluger Rechner. Er hatte erkannt, daß er sich auf die Seite des Stärkeren schlagen mußte. Mac-DundeeEinohr war nicht der Mann, der diesem jungen Riesen aus Cornwall gewachsen war. Hasard gab Ben Brighton den Befehl, die neuen Männer einzuweisen. So recht schien niemand von der alten „Isabella“Crew von dem Zuwachs begeistert zu sein. Hasard selbst war es auch nicht. Der grauhaarige Alte, der sich als Will Thorne vorgestellt hatte und Segelmacher war, schien in Ordnung zu sein. Für alle
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anderen hätte Hasard nicht den kleinen Finger ins Feuer gelegt. Der semmelblonde Kleiderschrank hieß Buch Buchanan und grinste Hasard an, als könnte er nicht anders gucken. Wahrscheinlich war sein Verstand nicht ganz in Ordnung. Hasard zuckte mit den Schultern. Das wäre nicht das schlimmste, aber solche Leute neigten leicht dazu, durchzudrehen. Und er konnte sich vorstellen, daß Buck Buchanan ein Tornado war, wenn er loslegte. Sam Roskill, Bob Grey und Luke Morgan konnte er nicht einreihen. Roskill war noch jung. Er sah blendend aus mit seinem vollen schwarzen Haar und den dunklen Augen. Wahrscheinlich hatte ihn die Abenteuerlust auf das Piratenschiff von Mac Dundee getrieben. Grey und Morgan waren sich in der Statur ähnlich. Sie waren nur von mittlerer Größe, aber sicher nicht weniger hart als die anderen. Der lange, schlaksige Gordon Watts gefiel Hasard von den neuen Männer am wenigsten. Er kannte die Typen, deren Augen nicht eine Sekunde auf einem Ort verharren konnten. Das Geiergesicht tat ein übriges dazu. Hasard beschloß, vor allem diesen Mann im Auge zu behalten. Wenn Mac Dundee eine Gemeinheit geplant hatte, dann war dieser Mann sicher daran beteiligt. Hasard trieb die Leute an, sich mit dem Umladen von Waffen, Munition, Segel, Werkzeugen und Proviant zu beeilen. Ben Brighton plädierte dafür, noch im Abendgrauen aus der Bucht auszulaufen. Die Bedingungen waren günstig. Der Wind hatte sich gedreht. Aber Hasard wollte nicht. Obwohl er mit einem nächtlichen Angriff der Piraten rechnete, wollte er sich nicht geschlagen geben. Schließlich war da noch die Silberbeute, an der er einen rechtmäßigen Anteil zu beanspruchen hatte. Und wenn Mac-Dundee-Einohr ihm diesen Anteil verweigerte, dann würde er sich eben alles nehmen. So wahr er ein Killigrew und der Sproß einer alten Seeräuberfamilie war:
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Mac-Dundee-Einohr tobte wie ein Wahnsinniger. Noch in der Pinasse ließ er seine Wut an Slater und den vier anderen Leuten aus, so daß diese schon bedauerten, nicht auch bei dem Engländer geblieben zu sein. Die gute Stimmung an Bord der Silbergaleone war schnell zum Teufel. Die Piraten schienen zu ahnen, daß der Kampf in dieser Bucht noch nicht beendet war. Mac-Dundee-Einohr würde den Schlag mit dem Degen, den ihm der Engländer versetzt hatte, und den Verlust seiner Axt nicht so ohne weiteres hinnehmen. Mac-Dundee-Einohr zog sich in die Kapitänskammer zurück und brüllte wie ein Stier, als er sah, daß die Frauen nicht mehr da waren. „Ribault!“ schrie er. .“Wo ist der verdammte Franzose?“ Jean Ribault trat aus einer der anderen Kammern. „Zu Befehl, mon capitaine“, sagte er und baute sich vor Mac Dundee auf wie ein Gardesoldat. Mac-Dundee-Einohrs häßliches Gesicht verzerrte sich. Das Gefühl, daß sich jetzt schon seine eigenen Leute über ihn amüsierten, brachte ihn um den Verstand. Seine Rechte zuckte hinab zum Gürtel. Aber da war keine Axt mehr, die er herausreißen konnte. Der Schotte blickte Ribault an und versteckte schnell seine Hand, damit der Franzose nicht den blutigen Striemen sah, der vom Degen des verfluchten Engländers stammte. „Wo sind die Weiber?“ schrie er. „Ich habe die Damen in den Kammern untergebracht, damit sie dich nicht stören, wenn du in deiner Kammer arbeitest“, entgegnete Ribault ruhig. „Arbeiten?“ Der Schotte starrte Ribault mißtrauisch ah. „Vergiß nicht, daß du Kapitän bist, Mac Dundee“, sagte der Franzose. „Du mußt dich entscheiden, was du unternehmen willst. Bisher hat noch keiner von den Leuten einen Finger gerührt, die Schäden
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an der Galeone auszubessern. Wenn das Schiff in diesem Zustand bleibt, saufen wir beim ersten kleinen Unwetter ab.“ „Hast du was mit den Weibern gehabt?“ fragte Mac Dundee lauernd. Ribault zog die Schultern etwas an. Sein Körper versteifte sich. In diesem Moment begriff er, daß der Schotte nicht ganz dicht war. Er mochte vielleicht ein guter Seemann sein, aber ein Führer, auf den sich die Mannschaft verlassen konnte, war er nicht. Vielleicht hatten: sie den Araber doch zu schnell gehenkt. „Ich habe die Damen nicht angefaßt, Kapitän“, erwiderte Ribault. „Dein Glück, Franzose“, sagte Mac Dundee knurrend. „Sag den anderen auch Bescheid. Wer sich an den Weibern vergreift, ohne daß ich ihm die Erlaubnis dazu gegeben habe, den hänge ich neben den Araber.“ „Aye, aye“, sagte Ribault. „Und was ist mit dem Schiff? Soll ich ...“ Mac Dundee winkte ab. „Das ist unnütze Arbeit“, sagte er. „Wir werden die Bucht mit einem anderen Schiff verlassen.“ Er drehte sich um und verschwand in der Kapitänskammer. Jean Ribault blickte ihm nach. Er fühlte sich nicht recht wohl in seiner Haut. Der Schotte war nicht der Mann, der sie mit Reichtum beladen zurück in das Karibische Meer bringen konnte. Er war ein Strohkopf, der nicht weiterdachte, als seine Nasenspitze reichte. Ribault deutete die Worte des Schotten richtig. Wahrscheinlich wollte er sich die wendige Galeone des anderen Piraten unter den Nagel reißen. Kopfschüttelnd verließ er den dunklen Gang, der hinaus zum Achterdeck führte, Er mußte die anderen Leute fragen, was auf dem kleinen Schnellsegler losgewesen war. Er sah den Glatzkopf Slater, um den sich die Männer versammelt hatten. Er blieb stehen und hörte zu. Er erfuhr, daß sieben Männer drüben bei dem anderen Piraten geblieben waren, der ein Engländer sein sollte, und als er hörte, daß auch
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O'Driscoll, der die meisten Engländer wie die Pest haßte, sich für einen Schiffswechsel entschlossen hatte, wußte er, daß es Zeit war, sich um seine eigene Zukunft zu sorgen. Der Engländer hatte Mac Dundee einfach ins Wasser werfen lassen. Der Schotte würde sich dafür rächen wollen, aber wenn der Engländer in der Bucht vor Anker liegenblieb, konnte das nur heißen, daß er mit einer Aktion Mac Dundees rechnete. Jean Ribault nahm sich vor, sich irgendwo unter der Back aufzuhalten, wenn der Schotte Männer für ein Unternehmen gegen den Engländer aussuchte. Er hatte keine Lust, sich von einer Kartätschenladung zerreißen zu lassen, nur weil sein Kapitän ein Dummkopf war. * Jean Ribault atmete auf, als die beiden Boote fast lautlos von der Galeone ablegten. Nur ein leises Plätschern war zu hören. Mac Dundee hatte Slater und Cunningham, der das zweite Boot steuerte, eingeschärft, höllisch vorsichtig zu sein. Ribault stand neben dem Engländer Jeff Bowie. „Sie haben keine Chance“, flüsterte er. „Wir sollten handeln, Jeff, wenn wir sehen, daß sie in Stücke geschossen werden.“ „Warum hast du Mac Dundee nicht gewarnt?“ fragte Bowie leise zurück. „Du kannst doch nicht die Männer ...“ Der Franzose zischte leise, als zwei Schatten neben ihnen auftauchten. Er zog lautlos seinen Degen aus der Scheide. Die Schatten blieben stehen. „Laß deinen Degen stecken, Ribault“, sagte der eine Schatten mit harten Akzent. „Wir haben alles gehört, was du mit Bowie gesprochen hast. Wir haben auch keine Lust, unter Mac Dundee zu fahren. Er ist noch verrückter als der Araber.“ Ribault nickte. Er kannte Sven Nyberg. Der Däne war ein ehrlicher Mann. Was er sagte, das galt. Der zweite Schatten war dann sicher Nils Larsen, sein Landsmann. Die beiden waren unzertrennlich.
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„Gut“, sagte Ribault. „Warten wir erst einmal ab, was der Überfall auf den Engländer bringt. Wenn er in die Hose geht, sieht es nicht schlecht für uns aus. Trotzdem sollten wir es nicht auf eine Meuterei ankommen, lassen. Wir müssen einen geeigneten Moment abwarten, um uns dann abzusetzen. Hoffentlich läuft der Engländer nicht noch in der Nacht aus.“ „Ranse und Straaten haben auch die Schnauze voll“, sagte Larsen. „Ich werde mit ihnen sprechen. Bestimmt schließen sie sich uns an.“ „Dann ist aber Schluß“, sagte Ribault leise. „Je mehr davon wissen, desto eher gelangt unser Vorhaben an Mac Dundees Ohren. Noch stehen die meisten Männer hinter ihm. Er würde uns glatt neben dem Araber baumeln lassen.“ Die beiden Dänen nickten und verschwanden wieder in der Kuhl. Jeff Bowie hatte sich neben den Italiener gehockt, der im Fieberdelirium lag. Er kühlte ihm mit einem nassen Lappen die heiße Stirn. Jean Ribault sagte nichts. Er wußte, daß der Italiener das Morgengrauen nicht mehr erleben würde, aber er wagte es dem grauäugigen Engländer nicht zu sagen. 6. Nur wenige Männer an Bord der „Isabella” hatten die Augen geschlossen. Sie warteten auf die Piraten. Hasard hatte seine alte Crew vorbereitet. Noch wußten sie nicht, wie sich die Piraten, die bei ihnen an Bord geblieben waren, im Falle eines Angriffs verhalten würden. Hasard hatte sie so eingeteilt, daß jeweils zwei Mann der alten Crew einen der Neuen im Auge behielten. Nach Einbruch der Dunkelheit war Hasard ankerauf gegangen, um Raum zwischen sich und die Kriegsgaleone zu legen. Auf der Galeone war kein Mann mehr. Sie hatten es nicht ganz geschafft, bis zur Dunkelheit alles auf die „Isabella“ umzuladen, Hasard wollte es morgen nachholen. Er hatte auch damit gerechnet, daß die Piraten die Galeone entern würden,
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um von ihr einen Angriff auf die „Isabella“ zu starten. Um sich nicht der Gefahr auszusetzen, von dort beschossen zu werden, hatten Ferris Tucker und Al Conroy die Geschütze der Kriegsgaleone unbrauchbar gemacht, indem sie die Zündlöcher mit flüssigem Blei gefüllt hatten. Der Himmel war verhangen. Der Wind hatte jetzt endgültig gedreht und wehte von den himmelhohen Bergen herab, die sie schon begleiteten, seit sie an dieser Küste nordwärts segelten. Es war still an Bord der „Isabella“. Außer dem leisen Plätschern, mit dem die Wellen gegen den Rumpf des Schiffes schwappten, war nichts zu hören. Im Großmars sah Hasard plötzlich den Schatten des Schimpansen, der sich an die Pardunen geklammert hatte und unruhig hin und her schwang. Hasard stieß einen leisen Pfiff aus. Köpfe ruckten hoch, und obwohl kaum ein Geräusch zu hören war, spürte jeder sofort die Unruhe, die an Deck herrschte. Dann begann Arwenack zu kreischen. Wie ein wildgewordener Derwisch sprang er auf dem Großmars herum. Hasard konnte nicht erkennen, in welche Richtung der Schimpanse blickte, aber da alle Drehbassen besetzt waren, würde es einem Angreifer nicht gelingen, die Männer der „Isabella“ zu überraschen. Matt Davies, der die Backborddrehbasse auf der Back bediente, sah die Angreifer als erster. Die Piraten hatten schon beim ersten Schrei des Affen gewußt, daß sie entdeckt worden waren. Jetzt pullten sie wie die Irren auf die „Isabella“ zu, ohne Rücksicht darauf, ob sie Geräusche verursachten oder nicht. Klatschend fuhren ihre Riemen ins Wasser und trieben das Boot vorwärts. Matt Davies orientierte sich an dem aufspritzenden Wasser. Er wartete, bis das Boot bis auf dreißig Yards heran war, dann jagte er den Piraten die tödliche Ladung entgegen. Schreie mischten sich in das Krachen der Drehbassen. Einer der Piraten brüllte: „Vorwärts, Männer, wir schaffen es!“
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„Das ist Cunningham“, sagte Gordon Watts, der neben Matt Davies stand und ihm eine Kartätsche reichte. Matt klinkte den Verschluß der Drehbasse aus und lud sie erneut. Überall an Bord der „Isabella“ wurde nun geschossen. Musketen und Pistolen jagten ihr Blei hinüber zu dem Boot. Ein Brandpfeil zischte durch die Luft und blieb unterhalb des Dollbordes stecken. Die aufloderne Flamme erleuchtete plötzlich die Szenerie. Vom Quarterdeck aus sah Hasard, daß die Ladung Eisensplitter aus Matt Davies' Drehbasse die vorderen beiden Bootsgasten voll erwischt hatte. Ein Mann sprang schreiend ins Wasser und versuchte auf die „Isabella“ zuzuschwimmen. Gordon Watts erledigte den Mann mit einem Schuß aus der Pistole. Matt Davies blickte den geiergesichtigen Mann von der Seite an. Es gehörte schon eine gehörige Portion Skrupellosigkeit dazu, einen seiner alten Kameraden so eiskalt abzuknallen. Auf jeden Fall wurde jetzt klar, daß die neuen Männer auf der „Isabella“ keine eingeschlichenen Feinde waren. Hasard hatte es am Verhalten der anderen Piraten ebenfalls bemerkt. Er wußte jetzt, daß sie noch verbissener kämpfen würden als die alte Crew der „Isabella“. Denn für sie gab es bei einer Niederlage keine Gnade. Sie würden unweigerlich an der Rahnock enden – an einem soliden Tampen. Die zweite Ladung aus Matt Davies' Drehbasse zersägte das Boot, das etwas abgetrieben war und der „Isabella“ die Breitseite zeigte, in zwei Teile. Innerhalb von Sekunden soff das Boot ab. Zwei Männer trieben leblos auf dem Wasser. Doch plötzlich ging ein Ruck durch ihre Körper. Hasard schloß für einen Moment die Augen. Die Bucht war zum Tummelplatz für die schwarzen Mörder geworden, die jetzt gnadenlos ihre Beute rissen. Niemand von der Bootsbesatzung hatte eine Chance, den Haien zu entgehen. Auf der „Isabella“ wurde kein einziger Schuß
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mehr abgegeben. Die Männer, die dem Tod schon oft ins Gesicht geschaut hatten, starrten entsetzt auf die unwirkliche Szenerie, die ihnen einen Eindruck von der Hölle zu vermitteln schien. Der helle Schrei Dan O'Flynns riß die Männer aus ihrer Erstarrung. Im nächsten Augenblick war das Splittern von Holz und das Klirren von Glas zu hören. Hasard, der an der Backbordreling des Quarterdecks stand, wirbelte herum. Die Geräusche waren unmißverständlich. Während sie auf das makabre Schauspiel gestarrte hatten, das sich vor ihnen im Wasser abgespielt hatte, war es einem zweiten Boot gelungen, unbemerkt an das Heck der „Isabella“ heranzufahren. Die Männer hatten sich auf die schmale Heckgalerie geschwungen, und als Dan O'Flynn sie entdeckt hatte, war ihnen keine andere Möglichkeit geblieben, als sich einen Weg durch die Tür zu bahnen, die in die Kapitänskammer führte. Mit langen Schritten hetzte Hasard auf die Tür zu, die zu den Kammern führte. Stenmark, Batuti und Dan O'Flynn tauchten plötzlich neben ihm auf. Hasard rief Ben Brighton zu, er solle mit einigen Männern auf den Quarterdeck Stellung beziehen und die Kerle empfangen, wenn sie aus dem Gang jagten. Dan O'Flynn war der erste in dem dunklen Gang. Mit ein paar Sätzen war er bei der Tür zur Kapitänskammer, als sie aufgerissen wurde. Seine kurze Pike zischte durch die Luft. Sie sollte auf dem Kopf des Mannes krachen, der sich als erster in den Gang schob, aber die Spitze schrammte über einen Deckenbalken und nahm der Pike die Wucht. Das Bürschchen wurde nach vorn gerissen und landete an der breiten Brust eines glatzköpfigen Mannes, der ein Entermesser in der rechten Faust hielt und es Dan in den Leib rammen wollte. Hasard warf sich vor. Die Degenspitze bohrte sich in den Hals des Glatzkopfes. Blut schoß hervor und besudelte Dan, der sich fallen gelassen hatte. Seine Pike hielt er immer noch krampfhaft fest und schlug
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damit dem Glatzkopf die Beine unter dem Leibweg. Der Mann krachte schwer zu Boden. Er versuchte die Hand mit dem Entermesser zu heben, doch plötzlich verließ ihn die Kraft. Stenmark und Batuti drängten sich an Hasard vorbei und stürmten in die Kapitänskammer. Wie Rammböcke prallten sie auf vier Männer, die dem Glatzkopf nachdrängen wollten. Sie wurden glatt umgelaufen und fanden sich auf dem Boden wieder. Einer war gegen den Schreibtisch geknallt und hatte sich überschlagen. Batuti schnappte sich zwei der Kerle, als ob es unterernährte Kinder seien. „Gute Nacht“, murmelte er, knallte ihre Köpfe zusammen und warf sie auf die Galerie hinaus, wo sie durch die Barriere brachen und ins Wasser stürzten. Einer der Kerle holte sich Stenmark. Aber anscheinend hatte er sich den gefährlichsten ausgesucht. Der Mann war gewandt wie eine Schlange. Er entwand sich Stenmarks Griff und stieß mit einem schmalen Messer zu, das sich in den Unterarm des Schweden bohrte. Stenmark röhrte auf. Er erwischte die Messerhand des Mannes und bog sie um. Der Mann versuchte sich loszureißen. Stenmark half noch nach, und der Pirat schoß wie eine Kanonenkugel gegen die Wand. Bewußtlos sackte er zu Boden. Der Schwede zog ihn wieder hoch und wollte ihm eine Ohrfeige versetzen, als er sah, daß sich der Mann das eigene Messer in den Bauch gerammt hatte. Stenmark zuckte mit den Schultern. Er hob den Mann auf und warf ihn über die Galerie ins Wasser. Der vierte Mann war verschwunden. Er hatte sich zur Galerie zurückgezogen und war vermutlich auf das Achterdeck geklettert. Batuti tauchte wieder auf. Er hielt ein breites Messer in der Hand, mit dem er die Leine des Bootes gekappt hatte. Hasard und Dan O'Flynn, die neben die beiden traten, sahen, wie das Boot langsam davontrieb.
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Sie hörten den Kampfeslärm auf dem Achterdeck. „Bleibt hier“, sagte Hasard heiser. „Falls sich einer hierher flüchtet, schnappt ihn euch und fesselt ihn. Es hat schon genug Tote gegeben.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, lief Hasard durch den dunklen Gang zurück zum Quarterdeck. Er hörte Ben Brighton schreien: „Ergebt euch, Männer, oder wollt ihr von den Haien gefressen werden?“ Hasard stieß die Tür auf. Es war nicht mehr dunkel auf dem Achterdeck. Die Männer hielten Fackeln in den Händen, die den blutigen Kampf beleuchteten, der sich auf dem Achterdeck abspielte. Der Ire Patrick O'Driscoll wütete gegen seine ehemaligen Kameraden wie ein Henker. Er gab ihnen nicht einmal die Chance, sich zu ergeben. Ben Brighton brüllte sich die Seele aus dem Leib, aber als er und Hasard dem tobenden Iren endlich in den Arm fielen, war niemand von den Angreifern mehr am Leben. „O'Driscoll und dieser verrückte Blondschopf Buchanan sind die reinsten Killer“, sagte Ben Brighton keuchend. „Die letzten vier Mann wollten sich ergeben, aber sie haben sie eiskalt umgebracht.“ Hasard konnte Ben Brighton verstehen. Die neuen Besatzungsmitglieder konnten eine Gefahr für sie sein. Aber vielleicht sah alles anders aus, wenn sie erst einmal wieder bei Francis Drake waren und mit ihm zusammen auf Beutefahrt gingen. „Schafft die Toten von Deck“, befahl Hasard. „Ferris, schau dir meine Kammer an und sieh zu, daß du sie wieder hinkriegst.“ Er wollte erst noch fragen, wer eigentlich auf dem Achterdeck gepennt und nicht bemerkt hatte, daß sich ein zweites Boot der „Isabella“ näherte, aber dann schwieg er doch. Der Angriff war abgeschlagen. Es nutzte jetzt nichts mehr, wenn er jemandem Vorwürfe machte. Stenmark, Batuti und Dan O'Flynn tauchten auf. Der Schwede hielt sich seinen linken Arm, der stark blutete. „Schlimm?“ fragte Hasard.
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„Ein Kratzer“, erwiderte Stenmark. „Mit ein bißchen Salzwasser kriege ich das schon wieder hin.“ „Geh zum Kutscher und laß dich verbinden“, sagte Hasard. Stenmark begann zu stöhnen. „Der Kerl wird mir den Arm amputieren“, murmelte er. „Freu dich doch“, sagte Dan O'Flynn grinsend, „dann kriegst du auch so einen schönen Haken wie Matt ...“ Er hatte knapp ausgesprochen, da holte Stenmark mit dem gesunden Arm aus. Aber das Bürschchen war schneller. Blitzschnell tauchte er weg und schwang sich an den Wanten des Großmastes hinauf zum Mars. Arwenack begrüßte ihn schreiend. „Komm ja nicht wieder runter!“ brüllte Stenmark. „Sonst verliert Arwenack seinen Bruder!“ „Ich mag nicht, wenn du Arwenack beleidigst“, sagte Smoky grollend. „Entschuldige, Smoky“, sagte Stenmark. „Das ist mir in meiner Wut so rausgerutscht.“ Er spürte eine Bewegung an seinem verwundeten Arm und blickte auf den Kutscher, der sich die Wunde betrachtete. „Nimm deine dreckigen Pfoten weg“, knurrte er. Der Kutscher drehte sich beleidigt um. „Dann verreck doch an deinem Wundbrand“, sagte er. Stenmark blickte erschrocken auf seinen Arm. „Wundbrand?“ murmelte er. „He! Kutscher! Warte doch. Was muß ich tun, wenn ich den Brand in der Wunde habe?“ „Du weißt doch sonst immer alles besser“, erwiderte der Kutscher beleidigt. „Nun stell dich nicht so an. Sag schon, was ich gegen den Brand tun muß.“ Stenmarks Stimme klang flehend. „Warum willst du das denn wissen?“ fragte der Kutscher. „Warum ...“ Stenmark verschlug er die Sprache. „Warum ich das wissen will? Mann, ich muß doch was dagegen tun!“ „Wogegen?“ Stenmark starrte den Kutscher an, als sehe er ihn zum erstenmal.
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„Wogegen? Gegen den Brand in meinem Arm natürlich!“ „Aber du hast doch gar keinen Wundbrand“; sagte der Kutscher grinsend und ging auf den Niedergang der Kuhl zu. Eine Weile war es still, dann begannen die Männer zu brüllen. Sie amüsierten sich köstlich über den Schweden, der mit offenem Mund dastand und nicht wußte, was er sagen sollte. Hasard hörte das Lachen der Männer, während er mit Ferris Tucker durch die Kapitänskammer ging und den Schaden betrachtete, der längst nicht so schlimm war, wie es zuerst ausgesehen hatte. Ferris Tucker verschalkte die aufgebrochene Tür und zog sich zurück. Hasard überdachte seine Situation. MacDundee-Einohr hatte eine schwere Niederlage hinnehmen müssen. Hasard glaubte nicht, daß der Piratenkapitän in einem der Boote gesessen hatte. Wahrscheinlich wartete er jetzt in der Kapitänskammer der Silbergaleone auf Nachricht über den Ausgang des nächtlichen Unternehmens. Er würde vergeblich warten. Von den Piraten war keiner mehr am Leben. Der Überfall hatte den Schotten mehr als zwei Dutzend Leute gekostet. Wahrscheinlich waren die Piraten immer noch in der Überzahl. Hasard schüttelte den Kopf. Er konnte es auf einen Kampf Mann gegen Mann nicht ankommen lassen. Er mußte sich die Silberladung auf andere Art und Weise holen. * Ribault hatte das Mündungsfeuer der Drehbasse zweimal durch die Nacht zucken sehen. Das Krachen war in der klaren Nachtluft deutlich zu hören gewesen. Er hatte sich nicht getäuscht. Der Engländer war auf der Hut und hatte die Angreifer gebührend empfangen. Schweigend warteten die Männer um Jean Ribault ab, ob die Boote zurückkehrten, aber als der Kampflärm längst verstummt war und sie immer noch kein Zeichen von
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den Kameraden hatten, wußten sie, daß das Unternehmen gescheitert war. Die beiden Dänen Nyberg und Larsen und die beiden Holländer Jan Ranse und Piet Straaten waren entschlossen, mit Ribault und Jeff Bowie die Flucht von der Silbergaleone zu wagen. „Vielleicht sollten wir doch schon jetzt abhauen“, flüsterte Jan Ranse und fuhr sich mit den Fingern durch seinen wüsten blonden Vollbart. Ribault schüttelte den Kopf. „Wir wissen nicht, ob der Engländer noch in der Nacht abhaut“, gab er leise zurück. „Dann pullen wir mit dem Boot durch die Bucht und können uns aussuchen, ob wir uns von den Spaniern oder von Mac Dundee aufhängen lassen wollen.“ Die Männer sahen ein, daß Ribault recht hatte. Jeff Bowie, der die ganze Zeit neben dem Italiener gekniet hatte, richtete sich auf. „Gino ist tot“, sagte er. Jean Ribault atmete auf. Er war froh, daß es unter der Back stockdunkel war und Bowie ihm seine Erleichterung nicht am Gesicht ablesen konnte. Nicht, daß er sich über den Tod des Italieners gefreut hätte, aber der Mann wäre so oder so gestorben. Wahrscheinlich waren ihm eine Menge Qualen erspart geblieben, und Ribault hatte lieber einen zuverlässigen Partner, der nicht von einem zum Tode verurteilten Mann zurückgehalten wurde. Denn davon war Ribault überzeugt: Jeff Bowie hätte den Italiener niemals allein zurückgelassen. „Warten wir den Morgen ab“, sagte der Franzose leise. „Wie ich den Engländer einschätze, wird er versuchen, Mac Dundee die Silberladung abzujagen. Wir brauchen nur auf die günstige Gelegenheit zu warten, zu ihm überzulaufen. „Ich möchte nur wissen, wer der Mann ist“, sagte Bowie. „Du kannst ihn ja bald selbst fragen“, erwiderte Jean Ribault lächelnd. 7.
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Hasard trieb seine Männer zur Eile an. Noch war das erste Grau des beginnenden Tages nicht über die Bergkette im Osten gekrochen. Alle Kanonen und Drehbassen waren gefechtsbereit. Sie waren ausschließlich mit Männern der alten „Isabella“-Crew besetzt. Hasard nickte Ben Brighton zu, der Befehl gab, die Segel zu setzen .und ankerauf zu gehen. Ben Brighton hatte inzwischen einsehen müssen, daß es von großem Vorteil war, mehr Männer an Bord zu haben. Die Neuen waren ausnahmslos gute Seeleute, die Ben Brightons Befehle sofort ausführten und genau an den richtigen Stellen zupackten. Mit dem ersten Lichtschimmer über den Bergen lief die „Isabella“ auf die Silbergaleone zu. Hasard mußte sich anstrengen, um in dem ungewissen Licht überhaupt etwas zu sehen. Weiße Nebelschwaden zogen dicht über dem Wasser dahin. Hasard hatte den grauhaarigen Will Thorne auf dem Quarterdeck behalten. Der Mann schien ihm ein gutes Gefühl für die genaue Position der Silbergaleone zu haben. Thorne hatte sich mit Ben Brighton abgesprochen, und als Hasard endlich die Mastspitzen aus einer Nebelschwade auftauchen sah, mußte er anerkennen, daß die beiden Männer eine Meisterleistung vollbracht hatten. Hasard gab seine Befehle nur noch mit Zeichen. Jeder Laut konnte jetzt die Piraten warnen. Der graue Streifen über der Bergkette wurde immer breiter. Die Nebelschwaden, die die Silbergaleone eingehüllt hatten, zerrissen von einer Sekunde zur anderen. Das Schiff lag frei vor ihnen. Hasard erkannte mit einem Blick, daß Mac Dundees Leute noch keinen Handschlag getan hatten, um das Rigg des Schiffes wieder in Ordnung zu bringen. Ein Grinsen zog Hasards Lippen in die Breite. Dieser Mac Dundee war wirklich ein Dummkopf. Jeder normale Mensch hätte damit rechnen müssen, daß der Gegner seinen nächtlichen Sieg ausnutzen
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und selbst die Initiative an sich reißen würde. Die Silbergaleone lag immer noch an Bugund Heckanker. Hasard ließ den Kurs korrigieren. Er wollte jedem Risiko aus dem Wege gehen und vermeiden, daß es den Piraten gelang, sie mit einer Kugel in die Luft zu jagen. Hasard hätte laut auflachen können, als sich auch dann noch nichts auf der Galeone rührte, als sie schon auf Drehbassenschußentfernung heran waren. Ferris Tucker, Al Conroy und Matt Davies, die die Deckborddrehbassen bedienten, blickten Hasard an. „Feuer!“ Hasard schrie den Befehl mit voller Lautstärke hinaus. Die drei Backborddrehbassen spuckten ihr gehacktes Eisen mit Feuer und Rauch aus den Rohren. Prasselnd schlugen die Splitter in die Takelage der Silbergaleone und zersägten die Wanten und Stege. Auf der „Isabella“ war jetzt jeder Mann auf seinem Posten. Das Wendemanöver klappte reibungslos, und dann beharkten die Ladungen der drei Steuerborddrehbassen die Takelage. Der Besanmast kippte um, als hätte ihn jemand mit der Axt gefällt. Der Großmast schwankte bedenklich. Er wurde nur noch von den Pardunen gehalten, die Wanten hingen zerfetzt am Mast herunter. Splitternd krachten Spieren aufs leergefegte Deck der Galeone. Durch die Pulverrauchwolken sah Hasard, daß sich unter der Back die Piraten drängten. Andere, die wahrscheinlich an Deck geschlafen hatten, rannten wie die Hasen hin und her und versuchten, den herabregnenden Holzsplittern zu entgehen. Ben Brighton fuhr eine Halse. Mit achterlichem Wind segelte die „Isabella“ zum drittenmal am Heck der Silbergaleone vorbei. Sie hörten Mac-Dundee-Einohr schreien, daß die Männer die Kanonen besetzen sollten, doch seine Stimme wurde von dem Krachen der Backborddrehbassen verschluckt. Ferris Tucker, der an der Drehbasse auf dem Achterdeck stand, hatte diesmal voll
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auf den Großmast in Höhe des Quarterdecks gehalten. Diesmal stand kein Besanmast mehr im Weg, der die Eisensplitter aufhalten konnte. Die Steuerbordpardune brach. Eisen prasselte in den mächtigen Großmast. Seines letzten Haltes beraubt, neigte sich der Mast langsam zur Seite. Knirschend begann das Holz zu splittern. Die Taumanschetten brachen, und dann gab es kein Halten mehr. Immer schneller neigte sich der Großmast nach Backbord. Mit einem peitschenartigen Knall barst der Mast etwa zehn Fuß über der Kuhl, schlug knirschend eine Bresche in das Schanzkleid und klatschte aufs Wasser. „An die Geschütze!“ brüllte Mac-DundeeEinohr aus seiner Deckung hervor, die er sich auf dem Achterdeck gesucht hatte. „An die Geschütze, ihr verfluchten Hunde!“ Hasard grinste und gab Befehl, nach der Wende in die Bucht zurückzukreuzen und dabei außer Reichweite der sechs Neunpfünder zu bleiben, die immer noch unbemannt waren. Mac Dundee schien seinen Mut wiedergefunden zu haben. Hasard sah, wie er gestikulierend auf dem Achterdeck stand. Wahrscheinlich betrachtete er seine abrasierte Takelage, die das Schiff zur Bewegungsunfähigkeit verdammte. Hasard hatte sein erstes Ziel erreicht. Mac Dundee konnte mit dem Silberschiff weder entwischen noch sich erfolgreich zur Wehr setzen, wenn Hasard es angriff. Mit der wendigen „Isabella“ war es außerdem kein Kunststück, immer außerhalb des Wirkungsbereichs der sechs Kanonen zu bleiben. „Halt etwas dichter ran“, sagte Hasard zu Ben Brighton. „Ferris soll ihn noch einmal beharken, bevor ich ihm meine Bedingungen stelle.“ Ferris Tucker ließ sich das nicht zweimal sagen. Er jagte eine Ladung zum Heck der Galeone hinüber, die die Reling des Achterdecks mit der großen Hecklaterne in ihre Einzelteile zerlegte. Mac-Dundee-Einohr hatte sich flach hingeworfen. Es dauerte eine ganze Weile,
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bis er sich wieder zu bewegen wagte. Als er sah, daß die Gefahr vorbei war, erhob er sich und drohte mit der Faust zur „Isabella“ herüber, was Hasards Leuten nur ein brüllendes Gelächter entlockte. „Jetzt haben wir ihn soweit“, sagte Hasard zu Ben Brighton. „Segel auf Rufweite an Mac Dundees Schiff ran. Jetzt sind wir es, die die Bedingungen stellen.“ * Jean Ribault begann zu grinsen, als er im grauen Licht der Morgendämmerung den schnellen Segler des Engländers aus den Nebelschwaden auftauchen sah. Das Grinsen verging ihm jedoch schnell. Er griff nach dem vollen Eimer, der neben dem gemauerten Ofen Stand, und schüttete das Wasser in die schwelende Glut des Feuers, über dem der Koch einen Topf Suppe hängen hatte. Es war, als bräche ein eiserner Hagelschauer über die Galeone herein. Im ersten Moment glaubte Ribault, daß der Engländer die Silbergaleone versenken wollte, doch nachdem er die Verwüstungen sah, die die Drehbassenladungen angerichtet hatten, wußte er, was der Engländer bezwecken wollte. Mac Dundee war auf dem Quarterdeck aufgetaucht und schrie, man solle die Anker einholen. Erst dann erkannte er, daß nichts mehr vorhanden war, an dem sie ein Segel setzen konnten. Die Takelage war ein einziges Durcheinander von gebrochenen Tauen und zersplitterten Spieren. Ribault sah, wie die kleine schnelle Galeone mit dem Gaffelsegel am Großmast halste und erneut auf ihre Galeone zuhielt. „Bowie!“ schrie er. Der Engländer hieb mit einer Axt auf Tauwerk ein, in das sich die Beine eines Mannes verfangen hatten. Ribault lief zu Bowie zu und versuchte ihm zu helfen. Er sah, daß der Mann eine fürchterliche Wunde an der rechten Seite hatte. „Bowie, zurück unter die Back! Der Engländer greift wieder an! Du kannst ihm nicht mehr helfen!“
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Jeff Bowie hörte nicht auf ihn. Verbissen hieb er auf die teergetränkten Wanten ein. Ribault hatte sich mit einem Hechtsprung unter die Back in Sicherheit gebracht. Er hörte das laute Knirschen, sah die Pardunen des Großmastes brechen und den Mast schwanken. Sein Blick fiel auf Jeff Bowie. Er wußte, daß Schreien bei dem sturen Engländer nichts nutzte. Bowie konnte nicht sehen, daß das Tauwerk, in dem sich der schwerverletzte Mann verfangen hatte, über Bord gerissen werden würde, wenn der Großmast abknickte. Mit einem Satz war Ribault am Schanzkleid und riß einen Belegnagel aus der Nagelbank. Hastig wandte er sich um. Jeff Bowie hatte es fast geschafft. Der Verletzte hing noch in ein paar Webleinen der Großwanten fest. „Bowie!“ brüllte Ribault, als er sah, wie sich der Großmast neigte und genau auf die Stelle zu stürzen drohte, an der sich der Engländer um den Verwundeten bemühte. „Ich hab ihn gleich!“ schrie Bowie zurück. Ribault verfluchte den sturen Engländer. Er mußte irgendeinen Tick haben, daß er ausgerechnet immer den Männern half, die keine Hilfe mehr benötigten. Ribault wurde von einem peitschenartig durch die Luft sausenden Tampen von den Beinen gefegt. Er wurde ein Stück auf Bowie zugeschleudert. Keuchend landete er auf dem Rücken. Sein rechtes Bein fühlte sich taub an. Der Tampen hatte seinen Strumpf zerfetzt und einen blutigen Striemen hinterlassen. Ribault sah den grauen Morgenhimmel über sich – und den mächtigen Mast, der in Höhe des Quarterdecks abgeknickt war und sich immer schneller nach Backbord neigte. Die Luft war erfüllt vom Heulen der Eisensplitter, die durch die Takelage schossen, und vom ohrenbetäubenden Bersten des riesigen Mastes. Jean Ribault sprang hoch. Sein rechtes Bein knickte unter ihm weg, doch er fing sich schnell wieder. Er sah, wie der Mann, den Jeff Bowie gerade befreit hatte und an den Armen wegziehen wollte, von einer niedersausenden Stange zerschmettert
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wurde. Bowie selbst wurde von einem Tau von den Beinen gefegt und knallte mit dem Kopf gegen das Rad einer Lafette. Ribault stürzte auf Bowie zu, der benommen am Boden lag. Ich bin ja wahnsinnig! schoß es dem Franzosen durch den Kopf. Der Mast wird mich erschlagen, wenn ich mich nicht sofort unter der Back verkrieche! Trotzdem lief er weiter. Er erreichte den Engländer und zerrte ihn hoch. Bowie wurde plötzlich munter. Er hatte nach oben geblickt und den fallenden Großmast gesehen. Seine Hände krallten sich in Ribaults Arm, er sprang auf die Füße und riß den schlanken Franzosen mit sich. Nach zwei Schritten warf er sich nach vorn und deckte mit seinem Körper den Franzosen zu. Der Rumpf der Silbergaleone erzitterte. Es war, als schlage ein Riese mit einer Axt eine Bresche ins Schanzkleid. Wasser spitzte hoch. Ein großer Schwall schwemmte Bowie und Ribault bis unter die Back, wo der Däne Sven Nyberg und der Holländer Jan Ranse ihnen unter die Arme griffen und sie in die Deckung hinter die Kombüse zogen. Ribault stöhnte und griff nach seinem Bein, das erst, jetzt heftig zu schmerzen begann. „Du verrückter Hund“, sagte er zu Jeff Bowie. „Beinahe hätte es uns noch erwischt, nur weil du dich immer um die falschen Leute kümmerst.“ Jeff Bowie hob die Schultern. Mit der Rechten wies er auf den Belegnagel, den Ribault immer noch in der Hand hielt. „Was wolltest du denn damit?“ fragte er. Ribault stöhnte auf. „Was denn wohl?“ sagte er wütend. „Ihn dir über den Schädel hauen, du sturer Bock, und dich unter die Back schleppen, wo sich jeder vernünftige Mann verkrochen hat, bei diesem Eisengewitter.“ „Und was hattest du da draußen zu suchen?“ fragte Jeff Bowie grinsend. „Frag mich nicht“, erwiderte Ribault stöhnend. „Ich muß den Verstand verloren haben. Das nächstemal lasse ich dich
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einfach verrecken, wenn du wieder mal einem Toten das Leben retten willst.“ Jeff Bowie bückte sich und betastete das verletzte Bein Ribaults, aber der schlug ihm auf die Finger. Der Franzose wollte etwas sagen, als sie den lauten Schrei auf dem Achterdeck hörten. „An die Geschütze! An die Geschütze, ihr verfluchten Hunde!“ Mac Dundee war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich hatte er sich ebenfalls unter dem Achterdeck verkrochen. „Meint der etwa uns?“ fragte Jan Ranse grollend. „Der kann mich mal. Der Engländer wird sich hüten, an unserer Breitseite vorbeizusegeln. Wenn wir anfangen zu schießen, dann bohrt der uns doch glatt in den Grund.“ Ein paar Männer stürzten zu den Geschützen hinüber und begannen sie von dem zerborstenen Takelwerk zu befreien. Sie versuchten die Geschütze nach achtern zu richten, aber mehr als ein Winkel von fünfzig Grad war nicht zu erreichen. Es war unmöglich, den Engländer zu treffen. Mac Dundee stand jetzt auf dem Achterdeck und gestikulierte wild. „Wo habt ihr f eigen Kerle euch verkrochen?“ schrie er. „Ihr müßt kämpfen, oder wollt ihr ein Opfer der Haie werden wie eure Kamera- den in der Nacht?“ „Er dreht langsam durch“, sagte Ribault leise. „Aber wir können jetzt nichts unternehmen.“ Jeff Bowie zog die Schultern ein, als eine erneute Ladung Eisensplitter die Heckreling und die Laterne zerfetzte. Sie konnten nicht sehen, daß sich Mac Dundee auf den Bauch geworfen hatte. „Jetzt hält er die Schnauze“, murmelte Ribault. „Hoffentlich für immer.“ Der Franzose hatte sich zu früh gefreut. Augenblicke später stand Mac Dundee wieder schreiend auf dem Achterdeck der mastlosen Galeone und drohte zu dem Engländer hinüber, als könne er ihn damit erschrecken. „Verflucht, Ribault“, sagte Jan Ranse leise. „Hast du eine Ahnung, wie wir zu dem
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Engländer rüberkommen sollen, wenn der uns dauernd beharkt?“ „Ich nehme an, das war eine kleine Demonstration für Mac Dundee“, erwiderte der Franzose. „Der Engländer will sicher verhandeln und wollte sich dafür eine gute Ausgangsposition schaffen.“ „Der verrückte Schotte geht bestimmt auf keinen Vorschlag ein“, sagte Jeff Bowie. „Lieber wird er alle seine Leute und sich selbst opfern.“ Ribault nickte. „Du hast recht. Deshalb müssen wir uns bald etwas einfallen lassen. Ich habe keine Lust, mit diesem Schiff abzusaufen.“ 8. „Dir bleibt keine andere Wahl, MacDundee-Einohr!“ rief Hasard zur Silbergaleone hinüber. „Steig mit deinen Männern in die Boote und fahr zur anderen Galeone hinüber! Ich schenke sie dir!“ Mac Dundee lachte dröhnend. „Aber nur, wenn ihr mir helft, das Silber hinüberzuschaffen!“ schrie er zurück. Hasard blickte Ben Brighton an, aber der zuckte nur mit den Schultern. Hasard wußte, daß Mac Dundee nicht so ohne weiteres klein beigeben konnte, ohne vor seiner Mannschaft das Gesicht zu verlieren. Schön, sollte er einen Teil der Silberladung für sich und seine Leute behalten. Aber das wollte Hasard ihm jetzt noch nicht auf die Nase binden. „Noch haben wir unsere Neunpfünder nicht eingesetzt!“ rief er. „Wenn du nicht bald vernünftig wirst, Mac Dundee, schießen wir dir den Kahn unter dem Hintern weg!“ „Habt ihr gehört, Leute?“ brüllte Mac Dundee. „Der sagt zu meinem Arsch ,Hintern'! Soviel Ehre ist ihm nicht widerfahren, seit meine seelige Mutter ihn gepudert hat!“ Hasard gab Ferris Tucker einen Wink. Er wies zur Galeone hinüber und sagte: „Triffst du den Fockmast, Ferris?“
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Tucker starrte auf den Maststummel, der höchstens noch zwanzig Fuß über der Back herausragte. Er wiegte bedächtig den Kopf. Hasards Lippen zogen sich in die Breite. Er kannte das Spiel, das Tucker mit ihm spielte. „Gut, Ferris“, sagte er. „Für jeden der Mannschaft eine halbe Gallone Wein aus den spanischen Vorräten.“ „Der Mast ist nicht mehr sehr hoch“, murmelte Ferris Tucker. „Ich könnte vorbeischießen und die Back treffen, und dann würde das schöne Silber auf den Grund der Bucht ...“ „Eine Gallone für jeden, unterbrach Hasard ihn. „Aye, aye, Hasard“, erwiderte Ferris Tucker strahlend. Er holte Al Conroy, Matt Davies und Dan O'Flynn heran und besprach sich kurz mit Ben Brighton, zu welchem Zeitpunkt er schießen wollte. Hasard hatte sich wieder auf Mac Dundee konzentriert, der mit einem schlanken, schwarzhaarigen Mann sprach, der gleich darauf unter dem Achterdeck verschwand. „Hast du es dir überlegt, Mac Dundee?“ rief Hasard. „Du kannst mich mal, Engländer!“ schrie der Schotte. „Wenn du uns in Grund bohrst, hast du selbst auch nichts vom Silber! Ich hab einen Mann loten lassen! Die Bucht ist über dreißig Faden tief! Da kannst du lange tauchen, wenn du das Silber raufholen willst! Vielleicht helfen. dir die Haie dabei!“ „Die werden keine Zeit dazu haben!“ rief Hasard. „Die knabbern dann an deinem Kadaver!“ Mac Dundee wurde wieder wütend. „Halt endlich die Schnauze, Engländer!“ brüllte er. „Hau lieber ab, solange du noch Gelegenheit dazu hast!“ Hasard gab Ferris Tucker ein Zeichen. Der wartete, bis Ben Brighton die „Isabella” in die richtige Position gebracht hatte, visierte noch einmal kurz und hielt dann den brennenden Span ans Zündloch. Polternd wurde die Lafette durch den Rückstoß über das Deck getrieben, bis das armdicke Brooktau Lafette und Geschütz auffing. Die Pulverrauchwolke verhüllte Al
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Conroy, Matt Davies und Dan O'Flynn. Sie konnten nicht wie die anderen sehen, wie die Kugel nur ein paar Fuß über die. Backreling fauchte und den Fockmaststummel abrasierte. Holzsplitter zischten durch die Luft, der obere Teil des Maststummels flog taumelnd über Deck und schlug krachend in dem Boot ein, das kieloben auf der Kuhlgräting festgezurrt war. Hasard wartete ab, bis sich die Aufregung auf der Piratengaleone gelegt hatte. „Na, Einohr?“ rief er dann. „Merkst du was? Wir können dich auch zusammenschießen, ohne das Schiff zu versenken!“ Mac Dundee antwortete nicht. Hasard sah, wie auf dem Achterdeck Bewegung entstand. Was hatte Mac Dundee vor. Hasard spürte, daß dort drüben etwas vor sich ging, mit dem er nicht gerechnet hatte. Er preßte die Lippen zusammen, als er die bunten Stoffe der Kleider sah. Ein kalter Schauer rann ihm über den Rücken. Ein paar Männer liefen aufs Achterdeck der Silbergaleone. Hasard hörte den Schotten Befehle rufen. Die Männer griffen die Frauen an den Armen und zerrten sie zum Schanzdeck. Hasard wurde blaß, als er sah, daß die Männer den Frauen Stricke um den Hals legten und sie dann aufs Schanzdeck stießen. Der Schotte begann wieder zu lachen. „Was sagst du jetzt, Engländer?“ schrie er. „Bei der nächsten Kugel lassen wir eine von den Hübschen ins Wässer und warten, bis die lieben Tierchen sie anknabbern!“ Hasard hatte die Dreiecksflossen der mörderischen Haie ebenfalls gesehen. Die Massaker der vergangenen Stunden hatte sie zu Dutzenden angelockt, und sie warteten gierig auf neue Beute. „Das hat ihn glatt umgehauen, Leute!“ brüllte Mac Dundee. „Jetzt reißt er seine Schnauze nicht mehr auf:' Hasard umschloß mit beiden Händen die Reling, als wolle er sie zermalmen. Der Schotte hatte genau richtig kalkuliert. Er hatte seinen Trumpf zum richtigen Zeitpunkt ausgespielt. Der schlitzohrige
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Kerl hatte mit Hasards Ritterlichkeit gerechnet. Hasard fluchte leise. Er wollte und konnte nicht gegen Frauen Krieg führen. Lieber wollte er auf die Silberladung verzichten, wenn er das Leben der Frauen damit verschonen konnte. „Mac Dundee!“ rief er. „Überleg es dir noch einmal! Mit der anderen Galeone schafft ihr es, nach Panama zurückzusegeln! Du hast mein Wort, daß keinem von euch ein Haar gekrümmt wird, wenn ihr von Bord geht und die Frauen freilaßt. Außerdem kann jeder Mann soviel Silber mitnehmen, wie er tragen kann!“ „Hau endlich ab, Engländer!“ schrie Mac Dundee. „Du kannst keine Bedingungen mehr stellen! Hast du das immer noch nicht begriffen? Los, Starkey, laß das erste Frauenzimmer runter!“ Hasard konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken, als ein Mann eine der Frauen vorwärtsstieß. Sie rutschte vom Schanzdeck ab und verfing sich mit den Füßen in den Resten der Großmastwanten, die zerfetzt von den Rüsten hingen. Schreiend hatte sich die Frau an den Hals gegriffen, um den Druck des Seiles zu mindern. „Wir drehen ab, Ben“, sagte Hasard gepreßt. „Nimm Kurs auf die Kriegsgaleone. Wir werden wieder neben ihr ankern und den Rest der Vorräte an Bord nehmen.“ Ben Brighton schüttelte den Kopf. „Du wirst den Schotten nur zur Übergabe bringen, wenn er tot vor dir liegt“, sagte er. „Wir haben doch schon die Maultierladung Silberbarren an Bord. Warum verzichten wir nicht auf das andere Silber und segeln nach Norden weiter, damit wir Drake nicht endgültig verlieren?“ Hasard drehte sich heftig herum und blickte Ben Brighton wild an. „Und die Frauen?“ fragte er. „Glaubst du, daß Mac Dundee sie an Land setzt, wenn wir abgehauen sind? O, nein! Erst wird er über sie herfallen, und dann wird er sie in den Rachen der Mannschaft werfen. Willst du das auf dich laden, Ben? Ich nicht!“
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Er drehte sich wieder der Reling zu und blickte zur Silbergaleone hinüber. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Auf dem Achterdeck war sich Mac Dundee mit einem anderen Mann in die Haare geraten, der die Frau wieder an Deck geholt und sich schützend vor sie gestellt hatte. Hasard winkte den grauhaarigen Will Thorne heran. „Wer ist er Mann?“ fragte er ihn. „Jeff Bowie, ein Engländer“, sagte Thorne. „Ein feiner Kerl. Wenn jemand Hilfe braucht, ist er sofort zur Stelle.“ „Und was bringt ihm das da drüben ein?“ Thorne hob die Schultern. „So wie ich Mac Dundee kenne, wird er ihn erst auspeitschen lassen und ihm dann mit seiner Axt den Kopf spalten.“ 9. Jean Ribault versuchte den mißbilligenden Blick Jeff Bowies zu ignorieren. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, doch es blieb ihm nichts anderes übrig, als Mac Dundees Befehl auszuführen. Der Franzose drehte sich um und ging auf die Tür zu, die zu den Kammern unter dem Achterdeck führte. Er fluchte lautlos vor sich hin. Der Engländer hatte einen psychologischen Fehler begangen. Er hätte ihnen die Hälfte der Silberladung anbieten müssen, dann wären Mac Dundee und seine Mannschaft vielleicht auf seinen Vorschlag eingegangen, zur Kriegsgaleone hinüberzupullen, die in einem bedeutend besseren Zustand war als ihr Silberschiff. Jetzt stand die Mannschaft geschlossen hinter Mac Dundee, denn niemand war bereit, die ungeheure Beute, die ihnen ein sorgenfreies Leben in der Zukunft garantierte, kampflos aufzugeben. . Jean Ribault klopfte an die Kammertür, hinter der die sechs spanischen Edeldamen auf engstem Raum zusammengepfercht waren. Er versuchte zu öffnen, doch sie hatten die Tür von innen verriegelt. „Bitte öffnen Sie, Senoras“, sagte Ribault auf Spanisch. „Es hat keinen Sinn,
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Widerstand zu leisten. Ich bin sonst gezwungen, die Tür einzuschlagen, und dabei könnte jemand von Ihnen verletzt werden.“ Ribault wartete, bis er Geräusche in der Kammer hörte. Der Riegel wurde zurückgeschoben, knarrend schwang die Tür auf. Der Franzose senkte beschämt die Augen. In der Kammer herrschte eine erstickende Luft. Er nahm den scharfen Geruch ihrer Exkremente wahr. Mac Dundee hatte die Frauen nicht einmal aus der Kammer gelassen, um ihre Notdurft zu verrichten. Die Frauen taumelten heraus. Sie waren blaß. Ihre Kleider hingen ihnen zerfetzt vom Körper. Sie hatten sich aufgegeben. In ihren Augen war nichts als Angst. Das ohrenbetäubende Krachen der Drehbassen, mit denen der Engländer die Takelage der Silbergaleone zerschossen hatte, mußte für die Eingeschlossenen wie ein Inferno der Hölle geklungen haben. Die junge Frau, der Mac Dundee das Dekollete zerrissen hatte, blickte Ribault mit stumpfen Augen an. Er sah ihre schönen vollen Brüste. Sie unternahm nicht einmal mehr den Versuch, die zu bedecken. Ribault fühlte sich plötzlich wie ein Schwein. Er verfluchte die Ohnmacht, die ihn zwang, die Befehle des verrückten Schotten auszuführen. Er hatte einfach zu viele Feinde unter der primitiven Mannschaft, als daß er es wagen könnte, eine Meuterei gegen Mac Dundee anzuzetteln. Er ließ die Frauen heraustreten und betrat dann mit gerümpfter Nase die Kammer, um aus einem Schrank ein Wams zu holen, das einem spanischen Offizier gehört hatte. Er legte es der Frau mit dem entblößten Busen um die Schultern. Sie reagierte nicht darauf. Die anderen Frauen blickten ihn an. Er meinte so etwas wie einen Hoffnungsschimmer in ihren Augen zu erblicken. „Werden Sie uns an Land setzen, Senor?“ fragte eine der Frauen zaghaft.
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Ribault hätte sich selbst anspucken können. Er wollte sich umdrehen und die Frauen einfach aufs Quarterdeck hinausjagen, aber der flehende Blick der Frau hielt ihn zurück. Er schüttelte den Kopf. „Sie müssen jetzt sehr stark sein, Senoras“, sagte er leise. „Der Kapitän des anderen Schiffes. der uns zu diesem Sieg verholfen hat, fordert von uns die Silberladung, die sich an Bord dieser Galeone befindet. Unser Kapitän denkt nicht daran, die Beute herzugeben oder zu teilen. Er will den anderen Kapitän zwingen, davonzusegeln, indem er damit droht, Sie zu töten, wenn er uns weiterhin beschießt.“ Er sah, wie ihre Hoffnung von einem Augenblick zum anderen verlosch. „Der andere Kapitän scheint ein Gentleman zu sein“, sagte er schnell. „Ich glaube, daß er alles versuchen wird, Ihr Leben zu schonen. Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Auch ich werde alles tun, daß man Sie nicht zu sehr demütigt.“ Die Frau senkte den Kopf und wandte sich ab. Ribault preßte die Lippen zusammen und schob die Frauen auf das helle Viereck zu. Sie mußten die Augen vor dem grellen Licht des Tages schließen. Die erste schrie leise auf, als harte Männerfäuste sie packten und nach vorn zerrten. „Verdammt, warum hat das so lange gedauert, Franzose?“ schrie Mac Dundee. „Vielleicht hat er ein bißchen genascht“, meinte der brutale Clinton, der die Frauen zum Schanzkleid hinüberstieß. Ribault hätte diesem Vieh von einem Mann am liebsten die Klinge durch den Stiernacken gestoßen. Der Kerl, der noch vor zwei Tagen einer der engsten Vertrauten des Arabers gewesen war, hatte sofort die Fahne gewechselt. Er hatte sich bei Mac Dundee angebiedert, und der war froh, daß der Bulle mit dem goldenen Ring im Ohr auf seiner Seite stand. „Legt den Weibern Stricke um die Hälse“, befahl Mac Dundee. Clinton und ein anderer Mann traten vor und verknoteten Seile um die Hälse der
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Frauen. Ribault hörte die beiden Männer miteinander flüstern. „Mann, Starkey“, murmelte Clinton. „Spürst du auch schon was in deiner Hose? Wenn der verdammte Engländer abhaut, dann werden wir uns erst mal mit diesen Frauenzimmern beschäftigen. Ich werde schon dafür sorgen, daß Mac Dundee uns zuerst ranläßt.“ Ribault sah, wie sich Starkey die wulstigen Lippen leckte. „Was sagst du jetzt, Engländer?“ schrie Mac Dundee zu der wendigen Galeone hinüber, die ihr Schiff zu einem Wrack geschossen hatte. „Bei der nächsten Kugel lassen wir eine von den Hübschen ins Wasser und warten, bis die lieben Tierchen sie anknabbern!“ Mac Dundee kicherte irr und rieb sich die Hände. Er starrte grinsend zu dem Engländer hinüber und wartete auf eine Antwort. Als er sie nicht erhielt, drehte er den Kopf und brüllte triumphierend: „Das hat ihn glatt umgehauen, Leute! Jetzt reißt er die Schnauze nicht mehr auf!“ Ribault sah, daß Clinton, der hinter den Frauen stand, die Gelegenheit nutzte. Während er ihnen die Schlingen um den Hals legte, tasteten seine groben, schmutzigen Hände gierig ihre Körper ab. Ribault drehte sich um. Seine Hände zitterten vor unterdrückter Wut. Er wußte, daß es an Selbstmord grenzte, wenn er jetzt die Partei der gedemütigten Frauen ergriff, aber er war drauf und dran, es dennoch zu tun. Nur sein Verstand, der ihm sagte, daß dies der falsche Augenblick war, etwas zu unternehmen, hielt ihn davon ab. Er hörte die Stimme des Engländers, der Mac Dundee noch einmal anbot, zur anderen Galeone überzusetzen und dabei soviel Silber mitzunehmen, wie die Leute tragen konnten. Mac Dundee wurde wütend. „Hau endlich ab, Engländer!“ schrie er. Du kannst keine Bedingungen mehr stellen! Hast du das immer noch nicht begriffen? Los, Starkey, laß das erste Frauenzimmer runter!“ Starkey zögerte keine Sekunde. Er gab der Frau, die vor ihm stand, einen Stoß in den
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Rücken. Sie schrie auf und war im nächsten Moment über das Schanzkleid gestürzt und nicht mehr zu sehen. Ribault lief und beugte sich hinüber. Er sah, wie sich die Füße. der Frau in den Resten der Großmastwanten verfingen. Sie versuchte sich mit den Händen daran festzuklammern, aber der Ruck des Seiles an ihrem Hals raubte ihr für einen Moment die Besinnung. Dann griffen ihre Hände nach dem Seil an ihrem Hals, und schreiend zerrte sie an der Schlinge. „Bist du verrückt geworden, Starkey !“ sagte Ribault zischend. „Wenn du die Frauen umbringst, haben wir kein Druckmittel mehr gegen den Engländer.“ Grinsend drehte sich der brutale Pirat um. „Wir haben sechs Stück davon. Der Engländer soll merken, daß wir es ernst meinen. Außerdem hast du alter Schleimscheißer mir überhaupt nichts zu sagen.“ Aus den Augenwinkeln sah Ribault eine Bewegung schräg hinter sich. Seine Arme schossen vor, aber es war zu spät, Jeff Bowie zurückzuhalten. Der Engländer hieb Starkey die rechte Faust mit voller Wucht in den Magen und griff sofort nach dem Seil, das dem Pirat entglitt. Er half der jammernden Frau an Bord zurück, nachdem sie es geschafft hatte, auf der Rüste mit den Füßen Halt zu finden. Mac Dundee war bleich geworden. Ribault sah, wie seine Hände zu zittern begannen. „Bowie!“ Er spuckte diesen Namen förmlich heraus. „Was soll das, du Idiot?“ schrie er, „Ich habe die Schnauze voll von dir! Glaub ja nicht, daß ich die Sache mit dem Italiener vergessen habe! Das hier ist Meuterei!“ „Du bist ein Schwein, Mac Dundee!“ sagte Jeff Bowie keuchend und stellte sich schützend vor die Frau, die zu Boden gesackt war und sich erbrach. An ihrem Hals bildete sich ein blutunterlaufener Streifen, an dem der Strick sie fast erwürgt hätte. „Clinton! Starkey! Packt ihn und bindet ihn an die Gräting!“ Mac Dundees Stimme überschlug sich. „Ribault, du schaffst die Weiber wieder in ihre Kammer! Ich will
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doch mal sehen, wer hier an Bord das Sagen hat! Ist noch jemand da,, der gegen mich meutern will?“ Der Schotte blickte wild um sich. In der rechten Hand hielt er die Axt, die er sich besorgt hatte, nachdem seine andere auf dem Schiff des Engländers zurückgeblieben war. Es war still auf der Silbergaleone, bis einer der Männer zur Galeone des Engländers hinüber wies und rief: „Sie drehen ab! Es lebe Mac Dundee! Er hat es wieder einmal geschafft!“ Die Piraten begannen zu brüllen. Sie schwenkten ihre Waffen über dem Kopf und ließen den verrückten Schotten hochleben. Jean Ribault warf einen kurzen Blick zu Bowie hinüber und nickte leicht. Bowie mußte einsehen, daß er sich alles selbst zuzuschreiben hatte und alles ertragen mußte, was ihn in den nächsten Stunden erwartete. Mac Dundee würde ihn nicht so ohne weiteres aufknüpfen lassen. Wie Ribault den Schotten kannte, wollte er erst noch seinen Spaß haben. Der Franzose führte die Frauen zurück in den Gang, der zu den Kammern führte. Er brachte sie nicht in denselben Raum zurück, sondern gab ihnen einen anderen Raum. Er wagte es nicht, den Frauen in die Augen zu blicken. Die Scham über seine Ohnmacht brannte wie Feuer in ihm. Draußen auf Deck hörte er die kreischende Stimme Mac Dundees. Ribault verriegelte die Tür zur Kammer und trat wieder hinaus aufs Quarterdeck. Von Jeff Bowie war nichts zu sehen. Sie hatten ihn hinunter in die Kuhl gezerrt. Ribault ging zum Niedergang und lehnte sich ans Schanzdeck. Er sah, wie Bowie wild um sich schlug. Clintons Nase war mit Blut besudelt, das ihm auch auf sein schmutziges Hemd gespritzt war. Wahrscheinlich wäre der Engländer mit Clinton und Starkey fertig geworden, doch jetzt hängten sich ein halbes Dutzend Piraten an seine Arme und Beine und rissen ihn zu Boden. Clinton heulte vor Wut. Er riß sich das Hemd von seinem muskulösen Oberkörper
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und versuchte das Blut, das aus seiner Nase schoß, aufzuhalten. Starkey kauerte auf den Decksplanken. Den zweiten Schlag von Bowie in den Magen hatte er nicht mehr verdauen können. Seine grünliche Gesichtsfarbe zeigte Ribault, daß Starkey sich bald übergeben würde. Der Franzose sah die beiden Holländer und Dänen. Sie blickten ihn fragend an. Ribault schüttelte langsam den Kopf. Es hatte keinen Sinn, wenn sie jetzt etwas unternahmen. Im Moment stand die Mannschaft hinter Mac Dundee, weil er es geschafft hatte, den Engländer davonzujagen. Sie mußten eine bessere Gelegenheit abwarten. Vielleicht konnten sie für Jeff Bowie nichts mehr tun. Ribault hoffte, daß Mac Dundee den Engländer erst am nächsten Tag aufknüpfen ließ. Die Augen des Franzosen wanderten unwillkürlich in die Höhe. Aber da war nichts mehr, an dem man einen Mann hätte aufhängen können. Die Großrahe, an deren Backbordnock der Araber gebaumelt hatte, war beim ersten Drehbassenbeschuß herabgekracht und ins Wasser gestürzt. Wahrscheinlich hatten die Haie den Leichnam bereits zerfetzt. Jeff Bowie brüllte seinen Zorn hinaus, als die Männer ihn zur Gräting hinüberzerrten, die sie schräg gegen die Pfosten gelehnt hatten, die das Quarterdeck stützten. Der stämmige Engländer versuchte sich loszureißen, aber sechs Gegner waren auch für ihn zuviel. Krachend wurde er gegen die schräggestellte Gräting geworfen. Ein paar Männer warteten schon mit Stricken und banden blitzschnell seine Fuß- und Handgelenke fest. Jeff Bowie bäumte sich auf. Clinton beging den Fehler, sich zu dicht an den Engländer heranzuwagen. Vielleicht dachte er auch, daß Bowie ihm nichts mehr tun könne, da er an Händen und Füßen gefesselt war. Doch Bowie packte in seinem Zorn mit den Zähnen zu. Er erwischte Clinton am rechten Ohr, in dem der große goldene Ring hing. Fest schnappten seine kräftigen Zähne zu.
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Clinton brüllte wie am Spieß. Seine schmiedehammerartigen Fäuste schlugen auf Bowies entblößten Körper ein. Blut schoß wieder aus seiner lädierten Nase und lief ihm am Hals hinunter auf die Brust, wo es sich in den gekräuselten schwarzen Haaren mit Schweiß vermischte. Bowie riß seinen Kopf mit einem Ruck zurück, ohne seinen Biß zu lockern. Er knallte mit dem Hinterkopf gegen die Gräting. Den Schmerz spürte er nicht. Er starrte den brüllenden Clinton an, der die rechte Hand auf sein Ohr gepreßt hatte und vor Schmerzen verrückt zu werden schien. Bowie spuckte ihm das abgebissene Ohrläppchen mit dem goldenen Ring entgegen. „Dundee-Einohr wird an dir seine Freude haben, Clinton-Einohr“, sagte er keuchend. Clinton sprang auf ihn zu. Seine Hände stießen vor wie die Krallen eines Adlers und schlossen sich um Bowies Hals. „Ich bring dich um, du Hund!“ brüllte er, außer sich vor Wut. Die anderen Männer hatten Mühe, ihn zurückzuzerren; als Mac Dundee den Befehl dazu gab. Clinton beruhigte sich nur langsam. Er sah aus wie ein abgestochenes Schwein. Aus der Nase und der Wunde am Ohr lief ihm das Blut am Hals hinunter. Ein Mann hatte ihm das Ohrläppchen mit dem goldenen Ring gegeben, und er starrte darauf, als könne er nicht fassen, was er sah. „Dreißig Hiebe mit der Peitsche“, sagte Mac Dundee in die Stille. „Clinton, fühlst du dich kräftig genug, die Bestrafung durchzuführen?“ Das Gesicht des bulligen Mannes verzerrte sich. Er leckte sich das Blut von den Lippen und nickte. In seinen Augen stand Mord, als ihm einer der Männer eine Peitsche entgegenhielt. Er steckte sein Ohrläppchen mit dem Ring in die Leinentasche, die er am Hosenbund trug. Genüßlich ließ er die Peitsche durch die rauhen Hände gleiten. Jean Ribault wußte, daß Bowie die dreißig Schläge nicht lebend überstehen würde, wenn er sie so, wie er an der Gräting hing,
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hinnehmen mußte. Clinton würde ihm die Eingeweide aus dem Körper schlagen. „Ich würde ihn umdrehen, Mac-DundeeEinohr“, sagte er laut in die Stille, die plötzlich über dem Schiff lag, „es sei denn, es bringt dir Spaß, morgen einen Toten aufzuknüpfen.“ Mac Dundee wandte den Kopf. Aus zusammengekniffenen Augen blickte er Ribault an. Man sah ihm an, daß er dem Franzosen nicht traute, aber ihm fiel kein vernünftiger Grund ein, weshalb der Franzose es wagen sollte, ihn reinzulegen. Wie auch? Wenn er eine Meuterei anzetteln wollte, würde er niemanden finden, der ihn unterstützte. Höchstens Jeff Bowie, aber wenn der seine dreißig Schläge von Clinton hinter sich hatte, würde er nicht mehr an Meuterei denken. „Dreht ihn um“, sagte er zu den Männern in der Kuhl. „Und schüttet Starkey endlich einen Eimer Wasser über den Kopf, damit er nichts versäumt.“ Starkey würgte immer noch an dem herum, was er im Magen hatte und was einfach nicht den Weg nach oben finden wollte. Zwei Mann griffen ihm unter die Arme und schleppten ihn zu dem zersplitterten Schanzdeck hinüber, weil sie sahen, was mit ihm los war. „Hau ihm noch eine in den Bauch, damit er endlich spucken kann“, sagte der eine von ihnen. Der andere ließ sich das nicht zweimal sagen. Starkey wurde seinen Mageninhalt endlich los. Sein Körper zuckte konvulsivisch, und hätten die beiden Männer ihn nicht festgehalten, wäre er sicher ins Wasser gefallen und hätte den wartenden Haien zu einem Frühstück verholfen. Jeff Bowie wehrte sich nicht mehr. Er war froh, daß der Franzose eingegriffen hatte. Mac Dundee war glatt darauf hereingefallen. Wahrscheinlich würde ihn der Schotte die Nacht über an der Gräting hängen Und im Morgengrauen des nächsten Tages hinrichten lassen. Bowie war überzeugt, daß der Franzose ihn in der Nacht befreien würde, um mit ihm und den vier anderen zu fliehen. Das hieß,
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wenn er die Schläge Clintons lebend überstand. Die ersten zehn Peitschenhiebe nahm Bowie noch im vollen Bewußtsein wahr. Dann spürte er die einzelnen Schläge nicht mehr. Sein blutüberströmter Rücken war ein einziger Schmerzherd. Bowie hatte das Gefühl, als bohre jemand mit dem Messer darin herum. Er biß sich die Lippen blutig, um Clinton nicht den Triumph zu gönnen, ihn schreien zu hören. Die laute Stimme des Mannes, der die Schläge mitzählte, vernahm er nur noch im Unterbewußtsein, und als der Mann bei fünfundzwanzig angelangt war, verlor er das Bewußtsein. 10. Der Tag verging in quälender Ungewißheit. Immer wieder blickten die Männer der „Isabella“ hinauf zum Quarterdeck, wo Hasard mit grimmigem Gesicht auf und ab ging. Sie arbeiteten schweigend. Niemand brauchte sie anzutreiben. Sie wußten, daß die nächste Nacht die Entscheidung bringen mußte, denn' sie konnten nicht noch mehr Zeit opfern. Francis Drake hatte mit der „Golden Hind“ jetzt schon fast drei Tage Vorsprung, und wenn sie ihn nicht endgültig verlieren wollten, mußten sie bald in See gehen. Sie hatten die Kriegsgaleone gegen Abend fast vollständig ausgeräubert, und um an Bord der „Isabella“ Platz für die Vorräte zu schaffen, hatte Hasard befohlen, einen Teil der Pulverfässer, die für die Silberminen gedacht waren, über Bord zu kippen. Ben Brighton war froh darüber, denn es war wahrhaftig kein gutes Gefühl, mit einer solch explosiven Ladung in ein Gefecht zu gehen. Als letztes hievten die Männer zwei Beiboote der Kriegsgaleone an Deck der „Isabella“. Ben Brighton wollte sie beide in der Kuhl vertäuen lassen, mußte dann aber einsehen, daß sie zuviel Platz wegnahmen. Er sprach mit Ferris Tucker, ob es vielleicht möglich war, eins der Boote unter die Heckgalerie zu hängen.
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„Möglich . ist alles“, sagte Ferris Tucker brummend, „aber ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist. Bei schwerer See müßten wir es sowieso aufgeben, weil es uns sonst noch das Ruder zerschlägt. Die Segelpinasse und eines der Boote müßten uns doch genügen.“ „Ich werde mit Hasard sprechen“, sagte Ben. „Kümmer du dich um die Leute. Sie haben ein bißchen Ruhe verdient. Laß den Kutscher was Vernünftiges kochen. Den Wein, den du für die Mannschaft mit deinem Meisterschuß verdient hast, verteilen wir erst, wenn wir aus dieser Bucht raus sind. Wie ich Hasard einschätze, wird er noch diese Nacht was unternehmen.“ Ben Brighton behielt recht. Als die Dämmerung hereinbrach, warf Hasard noch einen letzten Blick zu der ankernden Silbergaleone hinüber, dann rief er die gesamte Mannschaft in der Kuhl zusammen. Er selbst ging auch hinunter. Bis auf Dan O'Flynn und Arwenack, die im Großmars saßen und die Bucht beobachteten, waren alle Männer versammelt. Die sieben Piraten, die sich entschlossen hatten, bei Hasard zu bleiben, standen etwas abseits. Es war schwer für sie, in die Crew der „Isabella“ einzudringen, die sich in vielen Kämpfen zusammengerauft hatte und einen unteilbaren Block bildete. „Wir müssen etwas unternehmen, Männer“, sagte Hasard. „Wir können nicht länger in dieser Bucht bleiben. Die Frage ist, wie können wir den sechs Frauen helfen. Ich habe mir den ganzen Tag den Kopf darüber zerbrochen. Es gibt keine Lösung, die eine Gefährdung der Frauen ausschließt. Selbst wenn wir auf die Bedingungen von Mac Dundee eingehen, ist den Frauen nicht geholfen. Der Schotte und seine Kerle werden sie mißbrauchen und mit sich schleppen, um sie in irgendeinem Piratennest als Dirnen zu verkaufen.“ Hasard sah an den Gesichtern seiner Leute, daß sie das gleiche dachten. „Wir werden also heute nacht der Galeone des Schotten einen Besuch abstatten und
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versuchen, die Frauen zu befreien. Ich bin bereit, auf die Silberbeute zu verzichten, wenn es uns ohne Verluste gelingt, unser Vorhaben auszuführen. Wie ist eure Meinung?“ „Schade ist es schon“, sagte Matt Davies. „Die Silberladung würde uns gut zu Gesicht stehen.“ Patrick O'Driscoll, der vierschrötige Ire, trat einen Schritt vor. „Was ist mit uns?“ fragte er. „Ich habe gehört, daß ihr schon eine Menge Silber an Bord habt. Wenn wir dem Schotten das Silber lassen, sind wir dann an dem beteiligt, was ihr schon erbeutet habt?“ Hasard blickte seine Männer an und sah die Ablehnung in ihren Augen. Er spürte die Spannung, die plötzlich in der Luft lag, und er wußte, daß er jetzt entscheiden mußte, ohne die anderen zu fragen, wie er es meist tat. „Wer zur Mannschaft gehört, erhält auch seinen Anteil an der Gesamtbeute“, sagte er mit fester Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Die sechs Engländer und der Ire schienen aufzuatmen. Hasards Männer preßten die Zähne aufeinander, doch niemand sagte etwas. „Wir werden heute nacht mit der Pinasse und den beiden Booten hinüberpullen“, fuhr Hasard fort. „Ich glaube nicht, daß Mac Dundee damit rechnet, daß wir ihn angreifen. Er wird glauben, daß wir es nicht wagen werden, das Leben der Frauen zu gefährden. Die Aktion beginnt zwei Stunden nach Mitternacht. Ben, Pete, Gary, Stenmark und der Kutscher bleiben auf der ‚Isabella', um uns notfalls Rückendeckung geben zu können.“ „Scheiße!“ murmelte der Kutscher. „Da hat man schon mal die Gelegenheit, ein paar Piraten die Hälse durchzuschneiden, und dann darf man nicht mitmachen.“ „Du kannst es ja mal bei mir versuchen“, sagte der Ire O'Driscoll grollend und baute sich vor dem schmächtigen Kutscher auf. „Du bist doch kein Pirat, O'Driscoll“, sagte der Kutscher. „Du gehörst zur Crew von Hasard Killigrews ‚Isabella', und wir sind
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keine Piraten, sondern ehrliche Freibeuter, verstanden?“ O'Driscolls Lippen zogen sich in die Breite. „Für deine Größe hast du eine ganz schön große Schnauze“, sagte er. Der Kutscher grinste zurück. „Ich kann es mir auch leisten“, erwiderte er. „Oder hast du Lust, jeden Tag einen Rattenschwanz in deinem Essen zu finden?“ „Verdammt“, sagte der Ire, „bei euch Schlitzohren kann man sich wohl fühlen. Er blickte Hasard an. „Ein Killigrew?“ fragte er. In seiner Stimme klang Ehrfurcht mit. „Gehörst du zu der mörderischen Sippe, die seit Jahren die Irische See leerfischt?“ Hasards eisblaue Augen blitzten den Iren an. „Nicht nur die Irische See“, sagte er. „Wir haben beschlossen, unsere Fischgründe auf die ganze Welt auszudehnen.“ O'Driscoll hob die breiten Schultern, als er das herausfordernde Grinsen der Männer um den jungen Killigrew sah. „Mir soll's gleich sein“, murmelte er. „Legt euch schlafen, Männer“, sagte Hasard. „Die Wachen werden euch wecken, wenn es soweit ist.“ 11. Jean Ribault war froh, daß Mac-DundeeEinohr nicht auf den Gedanken verfallen war, schon an diesem Abend mit dem Anstandsunterricht zu beginnen. Er hatte sich mit Clinton und Starkey in die Kapitänskammer zurückgezogen, nachdem er die Wachen für die Nacht eingeteilt hatte. Ribault hatte sich noch eine ganze Weile in der Nähe der Kapitänskammer herumgedrückt, um vielleicht etwas zu erfahren, was Mac Dundee plante. Die Geräusche aus der Kammer waren immer lauter geworden. Mac Dundee und seine beiden Vertrauten soffen sich einen an. Ribault war davon überzeugt, daß sie so schnell mit dem Saufen nicht aufhören
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würden. Die spanischen Kapitäne waren ausgezeichnete Weinkenner, und sie pflegten die besten Tropfen ihrer Heimat in einem Schapp ihrer Kammer aufzubewahren. Der Franzose schüttelte den Kopf. Seine Überzeugung, daß es lebensgefährlich war, weiterhin mit Mac Dundee als Kapitän auf einem Piratenschiff zu fahren, verstärkte sich. Mac-Dundee-Einohr war kein Dummkopf. Er hatte einen wachsamen Instinkt, der ihm herannahende Gefahr signalisierte. Aber gleichzeitig ließ er sich von Stimmungen hinreißen, die ihn in gefährliche Situationen brachte. Er hatte Ribault befohlen, ihn gegen Mitternacht zu wecken, weil er mit einer Aktion des Engländers rechnete. Ribault fragte sich nur, wie. Mac Dundee Befehle erteilen wollte, wenn er sich jetzt sinnlos betrank. Der Franzose zuckte mit den Schultern. Ihm sollte es gleich sein. Er würde den Schotten nicht wecken. Wenn alles so ablief, wie er es geplant hatte, würde er, um Mitternacht nicht mehr an Bord der Silbergaleone weilen. Lautlos trat Ribault zur Tür, die zum Quarterdeck führte, und zog sie langsam auf. Kaltes Sternenlicht be- leuchtete das Deck, das deutliche Spuren des Drehbassenbeschusses zeigte. Mac Dundee hatte immer noch nicht den Befehl erteilt, das Silberschiff wieder aufzuriggen. Wahrscheinlich war er fest davon überzeugt, noch auf eins der beiden anderen Schiffe umsteigen zu können. Der Schotte wollte seine Leute für den bevorstehenden Kampf gegen den Engländer schonen. Daß dieser Kampf unausweichlich war, stand für Mac Dundee so fest wie die Tatsache, daß das Wasser naß war. Er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Mann eine solche Beute, wie sie die Lagerräume der Silbergaleone bargen, ohne Kampf verlorengab. Jean Ribault schüttelte den Kopf. Er mußte jetzt an andere Dinge denken. Seit der mörderischen Bestrafung Jeff Bowies hatte
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er zielstrebig auf ihre nächtliche Flucht hingearbeitet. Mac Dundee hatte befohlen, daß je vier Mann auf der Back und dem Achterdeck Wache schoben. Ribault hatte dafür gesorgt, daß zwei von den Männern auf der Back die beiden Holländer Jan Ranse und Piet Straaten waren. Sie würden auf ein Zeichen von Ribault die beiden anderen Wachen schlafen legen. Die Wachen auf dem Achterdeck hatte Mac Dundee persönlich eingeteilt. Er schien zu ahnen, daß es innerhalb der Mannschaft Leute gab, die mit ihm nicht einverstanden waren. Jeff Bowie hatte viele Freunde unter den Piraten, seine Auspeitschung hatte lange nicht soviel Begeisterung hervorgerufen, wie der Schotte erwartet hatte. Die vier Männer auf dem Achterdeck waren schon unter dem Kommando des Arabers Mac Dundees Freunde gewesen. Ribault wußte, daß er sie ausschalten mußte, wenn ihr Plan klappen sollte. Er verharrte im Schatten der Tür und blickte zu den beiden Männern hinüber, die an der Steuerbordreling standen und sich leise unterhielten. Geduldig wartete Ribault. Über sich sah er das Kreuz des Südens, und er fragte sich, wann er wohl wieder den großen Bären und den Polarstern über sich haben würde. Seine Gedanken schweiften zurück zu seiner Heimat, die er nach der Bluthochzeit von Paris verlassen hatte, nachdem seine Familie unter den Schwertern, die im Namen Gottes geführt worden waren, ihr Leben ausgehaucht hatte. Je weiter die Zeit voranschritt, desto ruhiger wurden die Wachen. Ribault sah, daß der eine sich auf die Decksplanken setzte und sich mit dem Rücken gegen das Schanzkleid lehnte. Der Franzose grinste. Darauf hatte er nur gewartet. Er blickte kurz in den Gang zurück, als er den Lärm aus der Kapitänskammer hörte. Mac Dundee und seine beiden Kumpane schienen sich köstlich zu amüsieren. Ribault war mit ein paar Schritten bei den Wachen, die heftig zusammenzuckten, als er plötzlich hinter ihnen auftauchte. Ihre
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Augen weiteten sich, als sie den Degen in seiner rechten Hand sahen. „Ihr verdammten Hunde!“ sagte Ribault zischend und versuchte, sein Gesicht zu einer fürchterlichen Grimasse zu verziehen. „Mac-Dundee-Einohr hat euch eingeteilt, damit ihr wacht - und nicht, damit ihr hier pennt. Wenn ich einer von den Leuten des Engländers gewesen wäre, hätte ich euch massakrieren können, ehe ihr auch nur gewußt hättet, was los ist!“ Der eine der beiden schob die Unterlippe vor und stemmte die Hände in die Hüften. „Du bist aber keiner von denen“, erwiderte er grollend. „Wenn sich ein Boot genähert hätte, wäre es uns schon rechtzeitig aufgefallen.“ Ribault hob den Degen, daß die Spitze den Hals des Mannes berührte. „Mac-Dundee-Einohr wird dir deine große Schnauze morgen schon stopfen, wenn er erfährt, daß ich dich beim Pennen erwischt habe“, sagte er hart. „Vielleicht hängt er dich gleich neben den Meuterer Bowie, oder aber er läßt dich ein paarmal kielholen, wobei du mit den Haien um die Wette schwimmen kannst. Das Gesicht des Mannes verlor alle Farbe. „Ich habe nicht gepennt, verdamm t noch mal!“ sagte er, aber seine Stimme zitterte dabei. „Warum hast du mich dann erst im letzten Augenblick bemerkt?“ „Weil ich die Bucht beobachtet habe.“ Ribault begann zu grinsen. „Du mußt einen verdammt langen Hals haben“, sagte er, „wenn du von der Steile aus, an der du geschlafen hast, die Bucht beobachten willst.“ Die Augen des Mannes wurden immer größer. Ribault sah, wie die Angst in ihnen wuchs. Wahrscheinlich sah er sich schon an einem Tau hängen, an dem ihn die Kameraden unter dem Schiff hindurchzogen. „Verdammt, Ribault“, sagte er heiser, „ich bin genauso fertig wie die anderen und brauche Schlaf. Aber das ist jetzt vorbei. Du brauchst Mac Dundee ja nichts von dem Vorfall zu erzählen.“
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„Aber erst die große Schnauze aufreißen, wie?“ „Ich hab's nicht so gemeint, Ribault“, sagte der Mann. Er sackte immer mehr in sich zusammen. „Schon gut, Lew.“ Ribault winkte ab. „Aber ich kann solche Wachen wie euch hier oben nicht gebrauchen. Geht runter° und legt euch hin. Schickt zwei andere rauf, die euch die Wache abnehmen.“ „Aber …“, begann der andere. Ribault unterbrach ihn sofort. „Ich weiß, daß Mac-Dundee-Einohr euch selbst ausgesucht hat“, sagte er. „Ein Grund mehr für ihn, sehr enttäuscht über euer Verhalten zu sein.“ Der Mann senkte den Kopf. Er blickte Lew an, und der nickte leicht. Wortlos wandten sie sich ab und gingen auf den Niedergang zur Kuhl zu. Ribault folgte ihnen und fing die beiden anderen Wachen ab, bevor sie Lew und den anderen fragen konnten, was denn los sei. „Diese verdammten Kerle pennen doch tatsächlich“, flüsterte Ribault ihnen zu. „Wenn Mac Dundee das gesehen hätte, lägen sie jetzt mit einer Kugel im Kopf da. Ich hab sie runtergeschickt. Sie sollen sich zwei andere suchen, die die Wache für sie übernehmen.“ Die beiden Wachen nickten und begaben sich wieder zu ihren Posten auf das Achterdeck, auf dem es kaum mehr ein heiles Stück Holz gab. Ribault hörte, wie einer von den beiden im Davongehen sagte: „Der Franzose ist ein feiner Kerl. Wenn er Rabatz geschlagen hätte, wären Lew und Giles jetzt vielleicht schon Fischfutter.“ Ribault grinste. Ich wußte gar nicht, daß ich ein Wohltäter bin, dachte er. Er brauchte nicht lange zu warten, bis die beiden neuen Wachen auftauchten. Ribault atmete erleichtert auf, als er sie erkannte. Es waren ‚Nils Larsen und Sven Nyberg. „Alles klar?“ fragte Ribault. Sie nickten. „Hat genau funktioniert“, sagte Nyberg leise. „Die anderen haben nur geflucht, und
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Lew war schließlich froh, als wir uns bereiterklärten, ihre Wache zu übernehmen.“ „Wie viele Leute schlafen an Deck?“ fragte Ribault flüsternd. „Nur ein Mann unter der Back und der Koch. Unsere Sprüche von gestern abend hatten Erfolg. Keiner will sich im Schlaf von einer Ladung aus 'ner Drehbasse überraschen lassen.“ „Gut“, sagte Ribault. „Nehmt eure Plätze ein. Wenn ich euch das Zeichen gebe, wißt ihr, was zu tun ist. Ich werde inzwischen versuchen, Jeff Bowie von der Gräting loszubinden.“ „Er wartet schon darauf“, sagte Larsen grinsend. „Er blinzelte uns zu, als er uns aufs Quarterdeck steigen sah.“ Ribault wandte sich ab. Für einen Moment glaubte er, die Stimme einer der Frauen zu hören, aber dann vernahm er das Lachen von Mac Dundee. Würde der Schotte vielleicht mit seinem besoffenen Kopf alle Vorsätze vergessen und sich doch an den Frauen vergreifen? Ribault wußte, daß bei Mac Dundee alles möglich war. Aber er hatte keine Zeit, sich jetzt um den verrückten Schotten oder um die Frauen zu kümmern. Sie mußten sehen, daß sie ihr eigenes Leben so schnell und unauffällig in Sicherheit brachten, wie es nur möglich war. Er stieg die Stufen zur Kuhl hinab und ging an der Gräting vorbei auf die Back zu, ohne den gefesselten Jeff Bowie zu beachten. Er mußte die Augen zusammenkneifen, um überhaupt etwas sehen zu können. Erstaunt legte er den Kopf in den Nakken und blickte zum Himmel. Über der unendlichen See blinkten noch Sterne, aber von den Bergen herunter senkten sich dunkle Wolken, die sich langsam aufs Meer hinausschoben und alles in eine pechschwarze Dunkelheit hüllten. Ribault warf einen Blick durch das breite Loch in der Backbordreling, das der Großmast geschlagen hatte. Das kleine Boot dümpelte in der schwachen Dünung. Es war an der Rüste vertäut. Ribault hatte es mit der Begründung zu Wasser gelassen,
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daß es das letzte heile Boot sei und der Engländer es bei einem nächsten Angriff nicht auch noch mit seinen Drehbassen zu Kleinholz verarbeiten sollte. An die Breitseiten der Silbergaleone würde der Engländer sich nicht wagen, weil er die Kanonen der Piraten fürchtete. Der Mann unter der Back schnarchte laut. Der Smutje wälzte sich unruhig auf seinem Lager neben der Feuerstelle hin und her. Jean Ribault warf einen Blick'' zurück zur Gräting. Der gefesselte Jeff Bowie war nur noch als schwacher Schatten zu erkennen. Ribault trat unter der Back hervor. Er hörte das leise Geräusch über sich und hob den Kopf. Jemand beugte sich zu ihm hinunter. Das Gesicht war in der Dunkelheit nicht zu erkennen. „Ich bin es - Ribault“, sagte der Franzose leise. „Alles in Ordnung, Franzose?“ flüsterte die Stimme Jan Ranses zurück. „In Ordnung“, gab Ribault zurück. Ranses Kopf verschwand. Das Unternehmen begann. Ribault hatte ein gutes Gefühl. Irgendjemand dort oben im Himmel stand auf ihrer Seite. Die Dunkelheit war zur rechten Zeit hereingebrochen. Ribault mußte aufpassen, daß er nicht über irgendein Tau stolperte. An Deck herrschte eine Schlamperei, die es unter dem Araber nicht gegeben hätte - auch nicht nach einem solchen Kampf. Der Franzose sah die dunklen Striemen auf dem Rücken von Jeff Bowie erst, als er dicht vor ihm stand. Nur das Weiße in den Augen des Engländers leuchtete in der Dunkelheit, als er den Kopf wandte. „Geht es los?“ fragte Bowie. Seine Stimme klang völlig klar. Ribault bewunderte den Mann. Clinton hatte zugeschlagen wie ein Berserker. Die Haut hing Bowie in Fetzen vom Körper. Eigentlich hätten ihn die dreißig Schläge umbringen müssen. „Halt dich an der Gräting fest, wenn ich dich losschneide“, flüsterte Ribault. „Wir dürfen keinen Lärm verursachen, bevor nicht die Wachen auf der Back und dem Achterdeck ausgeschaltet sind.“
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Von der Back waren leise Geräusche zu hören, aber sie verstummten schnell. Ribault schnitt die Fesseln an den Handgelenken und den Füßen Bowies mit einem scharfen Messer durch. Obwohl Bowie seine Hände in die Gräting gekrallt hatte, wäre er zu Boden gerutscht, wenn Ribault ihn nicht gehalten hätte. Bowie stöhnte unterdrückt, als der Franzose dabei seinen geschundenen Rücken berührte. Langsam ließ Ribault den Engländer zu Boden. „Ruh dich einen Moment aus“, sagte er leise. „Ich helfe Nyberg und Larsen. Wenn wir die Wachen überwältigt haben, hauen wir sofort ab.“ Ribault hatte den Aufgang zum Quarterdeck noch nicht erreicht, als das Lachen eines Mannes und der Schrei einer Frau gedämpft durch die Stille der Nacht klang. „Was war das?“ fragte Jeff Bowie. „Sei leise, verflucht noch mal!“ zischte Ribault. „Das war Mac Dundee. Er säuft sich mit Clinton und Starkey einen an.“ „Aber da hat doch eine Frau geschrien!“ Jeff Bowie quälte sich auf die Beine. „Hat das Schwein etwa doch ...“ „Bowie!“ flüsterte Ribault eindringlich. „Uns bleibt nicht viel Zeit! Wir müssen hier weg, wenn wir den morgigen Tag noch erleben wollen. Es gibt für uns kein Zurück mehr! Bestimmt haben Ranse und Straaten die Wachen auf der Back schon ...“ „Hör auf, Ribault!“ Bowies Stimme war kaum zu verstehen. „Du weißt, was den Frauen blüht, wenn Mac Dundee sie zwischen die Finger kriegt.“ „Verdammt, ja!“ flüsterte Ribault wütend. „Aber wir können nichts daran ändern. Du könntest ihn höchstens ein paar Stunden davon abhalten, bis er uns den Kopf gespalten und den Haien zum Fraß vorgeworfen hat. Anschließend würde er sich mit noch größerem Vergnügen auf die Frauen stürzen.“ Ribault preßte die Lippen zusammen und hätte fast laut aufgestöhnt, als er sah, wie Bowie sich aufrichtete und taumelnd auf den Niedergang zutorkelte.
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„Was willst du denn unternehmen, du sturer Bulle?“ Ribault hätte schreien können vor Zorn. Bowie antwortete nicht. Sein schweißglänzendes Gesicht war verzerrt vor Schmerzen, als er sich die Stufen hinaufzog. Schritte hasteten auf dem Quarterdeck heran. Der Franzose wirbelte herum. Sein Degen stieß vor. Die beiden Männer blieben abrupt stehen. „Wir sind es — Larsen und Nyberg“, sagte Larsen keuchend. „Es hat geklappt. Aldo hat 'ne Beule am Kopf und ist an die Reling gefesselt. Bernie ist hops. Er hatte was gemerkt, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihn mit dem Messer zu kitzeln.“ Larsen sah, daß Ribault und Bowie sich nicht bewegten. Seine Augen weiteten sich. „Was ist los?“ fragte er. „Wir müssen abhauen! Auf was warten wir noch?“ Jetzt tauchten hinter ihnen Jan Ranse und Piet Straaten in der Kuhl auf. Auch sie hatten die beiden Wachen auf der Back lautlos ausschalten können. „Bowie will die Weiber vor Mac Dundee schützen“, sagte Ribault. Larsen ließ ein Zischen hören. „Dann soll er warten, bis wir abgehauen sind“, sagte er. Bowie schleppte sich die letzten Stufen hinauf. „Wir könnten die Frauen mitnehmen“, flüsterte er. Sein Atem ging stoßweise. „Wenn Mac Dundee, Clinton und Starkey besoffen sind, dürfte es keine Schwierigkeit sein, sie zu überwältigen.“ „O, Mann!“ Larsen griff sich an den Kopf. Ribault schwieg eine Weile. Die Gedanken jagten sich in seinem Kopf. Er dachte an den Engländer auf der schnellen, kleinen Galeone. War es eigentlich sicher, daß er sie an Bord nahm und sie bei sich behielt? Der Engländer hatte durch sein Verhalten heute morgen bewiesen, daß er auf das Leben der Frauen Rücksicht nahm. Wenn sie die Frauen mitnahmen und unversehrt auf die Galeone des Engländers brachten, war das eigentlich eine Morgengabe, die
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dem verwegenen Schwarzkopf Respekt abnötigen mußte. „Du bleibst aber hier, Bowie“, sagte er entschlossen. „Straaten paßt auf, daß niemand von der Mannschaft mißtrauisch wird, wenn er an Deck steigt. Ranse, Larsen und Nyberg folgen mir.“ Wenig später wußte Ribault, daß er sich die Worte hätte sparen können. Jeff Bowie ging stur seinen Weg wie ein Zwölfpfünder, der sich bei Schlagseite losgerissen hat. „Scheiße“, murmelte Larsen, aber dann stiefelte er hinter den anderen her. Ribault beeilte sich. Er befahl Nyberg, die Tür hinter sich zu schließen und zu warten, bis Licht in den Gang fiel und sie etwas sehen konnten. Straaten und Ranse, die beiden Holländer, waren draußen geblieben, um die Kuhl im Auge zu behalten. Deutlich waren die lallenden Stimmen von Mac Dundee und Clinton zu hören, unterbrochen vom Schluchzen einer oder mehrerer Frauen. Ribault spürte die Bewegung neben sich. Er packte zu und hielt Jeff Bowie zurück, der über seine eigenen Füße stolperte und es dennoch nicht abwarten konnte, die Frauen aus Mac Dundees Klauen zu reißen. Ribault hatte die Tür ertastet, die zu der Kammer führte, in die er die sechs Frauen gesperrt hatte. Er öffnete sie. Fast körperlich spürte er die Angst, die ihm entgegenschlug. Hinter ihm flammte ein Licht auf, und im Schein der zuckenden Flamme sah er die weit aufgerissenen Augen von drei Frauen, die glaubten, daß nun die Reihe an ihnen war, vergewaltigt zu werden. Ribault sprach leise auf sie ein. Er sah, wie die Angst einer leisen Hoffnung wich. Hastig schob er sie aus der Kammer und befahl Nyberg flüsternd, die drei Frauen schon hinauszubringen und ins Boot zu setzen. Sie warteten, bis Nyberg die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte. Die Fackel, die Larsen in der Hand hielt, leuchtete jetzt den ganzen Gang aus.
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Bowies Stirn glänzte. Dicke Schweißperlen rannen ihm in die buschigen Brauen. Er vergrub die Zähne in der Unterlippe. Seine mächtigen Hände, die er zu Fäusten geballt hatte, zitterten. Ribault fragte sich, ob Jeff Bowie überhaupt in der Lage war, einen Kampf auch nur eine Minute durchzustehen. Wenn er daran dachte, daß sie jetzt schon hundert Faden zwischen sich und Mac Dundee hätten bringen können, dann wurde ihm schwarz vor den Augen, aber ganz tief in seinem Inneren spürte er, daß er sich später vielleicht manchmal angespuckt hätte, wenn er die Frauen bei Mac Dundee zurückgelassen hätte. Er begann Jeff Bowie zu beneiden um seine Unbeirrbarkeit, mit der er ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben anderen Menschen half. Ribault stellte sich vor die Tür, die zur Kapitänskammer führte. Die Knöchel seiner Hand, die den Griff des Degens umklammerte, schimmerten weiß. Er atmete noch einmal tief durch, dann hob er den rechten Fuß und stieß die Tür zur Kapitänskammer auf. Sie krachte mit einem dumpfen Laut gegen die Wand. Mit einem Sprung war Ribault im Zimmer. Larsen war plötzlich an seiner rechten Seite, und hinter sich hörte er das Keuchen Bowies, dessen blutunterlaufene Augen sich auf Clinton richteten, der auf allen vieren auf eine der Frauen zukroch, die sich zitternd an die Wand preßte. Mac Dundee lag rücklings auf seiner Koje und versuchte der Frau, die er auf sich gezerrt hatte, das Kleid vom Körper zu reißen. Starkey lehnte sitzend an der Kammerwand. Er starrte die Eindringlinge mit offenem Mund an. Er war stockbesoffen. Die Frau, die wohl für ihn bestimmt war, lief auf die eindringenden Männer zu und begann zu schreien. Jean Ribault packte sie und preßte ihr die Hand auf den Mund. „Nicht schreien!“ sagte er eindringlich auf Spanisch. „Wir wollen Sie befreien, Senora!“
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Mac Dundee begriff als erster, was geschehen war. Brutal stieß er die Frau, die auf ihm lag, von sich. Seine Hand griff unter das Kopfkissen, und ehe Ribault reagiert hatte, lag eine Pistole in der Hand des verrückten Schotten. Ribault blieb keine Wahl. Er schlug mit dem Degen zu. Wenn sich der Schuß löste, waren sie sowieso verloren. Seine Klinge traf Mac Dundee an der Hand. Jaulend ließ er die Pistole fallen. Der Franzose verlor keine Zeit. Mit zwei Schritten war er bei der Koje und hieb Mac Dundee den Glockenkorb seines Degens über den Kopf. Ächzend sank Mac Dundee zurück. Auf seiner Stirn klaffte eine breite Platzwunde. Blut lief ihm übers Gesicht und tränkte das Leinen der Bettwäsche dunkelrot. Larsen hatte die anderen beiden Frauen an den Armen gepackt und aus der Kammer gezerrt. An der Tür zum Quarterdeck tauchte Nyberg auf, und zusammen brachten die beiden Dänen die drei Frauen zum Boot. Clinton befand sich immer noch am Boden. Ungläubig hatte er zugesehen, wie Larsen ihm die Frau vor der Nase weggeschnappt hatte. Im ersten Moment begriff er gar nicht, daß sich hier ein Überfall abspielte, doch dann drehte er sich nach Mac Dundee um. Er rülpste erschrocken, als er das Blut in Mac Dundees Gesicht sah. Sein alkoholumnebeltes Gehirn versuchte, die einzelnen Mosaiksteine zusammenzusetzen, doch als er es endlich geschafft hatte, krachte Jeff Bowies rechter Fuß in seine Seite und schleuderte ihn auf den Rücken. „Du dreckiges Schwein!“ sagte Bowie keuchend. Ribault hatte die Pistole vom Bett genommen. „Hau ihm eine über die Rübe, Jeff“, sagte er hastig. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.“ Clinton riß den Mund zu einem Schrei auf. Jeff Bowies Faust schoß vor und stopfte ihm das Maul. Krachend flog sein Kopf nach hinten und schlug mit einem dumpfen
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Laut gegen die Wand. Bowie schlug gleich noch einmal zu. Clinton verdrehte die Augen. Die Nase stand plötzlich schief in seinem Gesicht. Er seufzte, dann rutschte er an der Wand hinunter und blieb stumm liegen. Starkey begann jetzt zu grinsen. Er schien das alles für einen herrlichen Spaß zu halten. Verlangend streckte er die Hand aus, als Jeff Bowie nach dem Weinkrug auf dem Schreibtisch griff. Bowie schmetterte den Krug über Starkeys Schädel, daß die Scherben durch den Raum spritzten. Starkey kippte um und übergab sich. Als er damit fertig war, trat Bowie ihm in den Hintern. Starkey rutschte über den Boden und knallte mit dem Kopf gegen die Wand. Nach einem letzten Rülpser streckte er endlich alle viere von sich. Ribault war schon an der Tür. „Los, Jeff!“ rief er. „Raus hier! Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!“ Jeff Bowie warf noch einen letzten Blick auf Clinton, dann drehte er sich um und taumelte auf Ribault zu. Der Franzose griff ihm unter die Arme und zerrte ihn durch den Gang hinaus auf Quarterdeck. Larsen, der am Niedergang zur Kuhl stand, eilte auf sie zu. Jeff Bowie schien bei dem Kampf in der Kapitänskammer seine letzte Kraft verbraucht zu haben. Er schaffte es kaum mehr, seine Füße zu heben. Zu zweit schleiften sie ihn den Niedergang hinunter und auf die Lücke im Schanzkleid zu. Jetzt packten auch die beiden Holländer und Nyberg zu. Sie legten Bowie zwischen zwei Duchten auf den Bauch. Die Frauen blickten entsetzt zur Seite, als sie seinen blutverschmierten Rücken sahen. Eine von ihnen beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte etwas auf Spanisch. „Sie soll mir Salzwasser über den Rücken gießen“, hauchte Bowie. „Sag ihr das, Jean.“ Sein Kopf fiel zur Seite und schlug auf die Bootsplanken. Jan Ranse warf die Leine los, und dann tauchten die beiden Holländer und die beiden Dänen die Riemen ins Wasser. Mit kräftigen Zügen pullten sie von der Silbergaleone weg, die bald nur noch ein
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schemenhafter Schatten in der Dunkelheit war. Jean Ribault hatte sich an der Ruderpinne hingehockt und reichte der einen Frau den kleinen Ledereimer. Mit kurzen Worten erklärte er ihr, was Jeff Bowie noch gesagt hatte, bevor ihn die Ohnmacht von den unmenschlichen Schmerzen erlöst hatte. Sie blickte ihn entsetzt an, aber als der Franzose nickte, beugte sie sich übers Dollbord und begann Wasser zu schöpfen und es über den in Fetzen geschlagenen Rücken des Engländers zu gießen. Sie waren mindestens schon hundert Faden von der Silbergaleone entfernt, als sie den Lärm vernahmen. Mac Dundees kreischende Stimme war deutlich zu hören. Jean Ribault begann zu grinsen. Sie hatten es geschafft. Es gab kein anderes Boot, mit dem Mac Dundee sie hätte verfolgen lassen können. Der Schotte tobte wie ein Irrer. Jetzt hatte er nichts mehr in der Hand, was er gegen den Engländer ausspielen konnte. Ihm blieben nur noch drei Möglichkeiten. Er konnte sich ergeben, kämpfend mit der Silbergaleone absaufen oder versuchen, schwimmend das Ufer zu erreichen, wo ihn die Spanier massakrieren würden - das hieß, wenn ihn nicht vorher die Haie verspeisten. 12. Die Männer der „Isabella III.“ waren voll mit ihren Vorbereitungen für das Unternehmen „Silbergaleone“ beschäftigt. Das Kreischen Arwenacks aus dem Großmars traf sie wie ein Schock. Hasards Stimme schallte Augenblicke später über Deck. „An die Geschütze, Ferris! Ankerauf ! Ben, laß die Segel setzen!“ Jeder Mann wußte, welche Aufgabe ihm zufiel. Ben Brighton und Ferris Tucker gaben knappe Befehle. Hasard hörte den weithallenden Klang des Eisens, als die Männer die mit Kartuschen geladenen Verschlüsse der Drehbassen einklinken. Das Klaufall rauschte mit der Gaffelspiere am Großmast hoch. knatternd schlug die
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Leinwand im Wind, der die Wolken von den Bergen heruntergetrieben hatte. „Ein Boot!“ schrie Dan O'Flynn, der n den Wanten des Fockmastes hing. „Es hält genau auf uns zu!“ „Wo, verdammt noch mal?“ rief Hasard. „Backbord voraus!“ „Besetzt die Drehbassen auf der Back!“ Hasards Stimme klanglaut, . aber ruhig durch die Nacht und übertönte das Singen des auffrischenden Windes, der in der Takelage sägte. „Kurzstag!“ Der schrille Schrei eines der Ankergasten übertönte die anderen Geräusche. Hasard fluchte. Er hatte angenommen, daß der Anker längst aus dem Grund war. Ben Brighton hatte schon reagiert; bevor Hasard sich zu ihm umwandte. Die „Isabella“ drehte bei. Die Segel knatterten im Wind wie riesige Flaggen. Langsam drehte sich die Galeone an der Ankertrosse. „Anker aus dem Grund!“ schrie der Ankergast. Hasard wußte, daß er Ben die Führung des Schiffes überlassen konnte. Er mußte sich um das Boot kümmern, das sich der „Isabella“ näherte. Versuchte MacDundee-Einohr nach der vernichtenden Niederlage in der letzten Nacht ein weiteres Mal, die Mannschaft der „Isabella“ zu übertölpeln? Hasard schüttelte den Kopf. Falls das zutraf, mußte Mac Dundee ziemlich verzweifelt sein, denn das Unternehmen war von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil in dem Boot, das Mac Dundee noch zur Verfügung stand, höchstens ein Dutzend Männer Platz fanden. In einer anderen Bucht hätte Hasard vielleicht damit gerechnet, daß die Piraten es versuchen würden, sich seinem Schiff schwimmend zu nähern, doch die schwarzen, mörderischen Haie waren die besten Wachhunde, die er sich denken konnte. „Hallo, Schiff!“ Die Stimme war kaum zu hören. Noch war das Boot mehr als fünfzig Faden von der „Isabella“ entfernt.
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Ben Brighton hatte die Galeone an den Wind gebracht. Wieder hörte Hasard die leise Stimme. Sie klang verzweifelt. Hasard wußte plötzlich, was geschehen war. Weitere Männer hatten sich von Mac Dundee abgesetzt und suchten jetzt Rettung bei ihm. Er faßte einen schnellen Entschluß. „Fall ab und halte auf das Boot zu“, sagte er zu Ben Brighton. Welches Risiko ging er schon dabei ein? Die Drehbassen waren besetzt. Selbst wenn es sich um einen Trick der Piraten handelte, würden sie schnell mit ihnen fertig werden. An Backbord sah Hasard die verschwommenen Umrisse der großen Kriegsgaleone. Ein Loch in der dichten Wolkenbank warf bleiches Sternenlicht in die Bucht. Plötzlich war das Boot dicht vor ihnen. Ben Brighton ging in den Wind. „Es ist der Franzose!“ brüllte der. Ire Patrick O'Driscoll. „Er hat die Weiber bei sich!“ Hasard beugte sich über die Steuerbordreling und starrte auf das Boot, das nun längsseits der „Isabella“ gesteuert wurde. Batuti, Smoky und Gary Andrews warfen Taue hinunter, und dann stieß das Boot mit einem dumpfen Laut gegen den Rumpf der Galeone. Nervige Männerhände packten zu und halfen den Frauen an Bord. Dann folgten die Männer. Batuti und Smoky kletterten über die Berghölzer hinunter zum Boot und hoben einen bewußtlosen Mann heraus. Hasard hörte, wie der Franzose etwas zu O'Driscoll sagte. Der wandte sich um rief zum Quarterdeck hinauf: „Das ist Jeff Bowie, den Mac-Dundee-Einohr hat auspeitschen lassen!“ „Bringt ihn zum Kutscher unter die Back“, befahl Hasard. Er winkte Ben Brighton, ihm hinunter in die Kuhl zu folgen, wo er mit den Frauen sprechen wollte. Er konnte sie nicht an Bord behalten, denn er wollte morgen früh seine Suche nach Francis Drake fortsetzen, nachdem er Mac-
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Dundee-Einohr in den G rund gebohrt hatte. Die Frauen waren damit einverstanden, an Land gesetzt zu werden. Ben Brighton empfahl ihnen, sich sofort zu den anderen ins Innere des Landes zurückzuziehen, da die Möglichkeit bestand, daß die Piraten an Land gingen. Batuti, Blacky, Smoky und Gary Andrews pullten die Frauen an Land. Hasard unterhielt sich eine ganze Weile mit dem schlanken Franzosen, der unumwunden zugab, es wäre nicht sein Verdienst, daß sie die Frauen mitgebracht hätten. Der Mann gefiel Hasard. Ihm fehlte die Primitivität der meisten anderen Piraten, die sich jetzt auf der „Isabella“ befanden. Sicher gab es eine Geschichte, die den Franzosen bewogen hatte, das Leben eines Piraten zu führen, und Hasard war überzeugt, daß Jean Ribault sie ihm eines Tages erzählen würde. Ferris Tucker wies die neuen sechs Männer ein. Hasard und Ben Brighton blickten dem Franzosen nach. „Ein guter Mann“, sagte Hasard. Ben Brighton schwieg eine Weile, und Hasard begann zu grinsen. Er kannte Ben lange genug, um zu wissen, was er erwidern würde. „Hoffentlich haben wir uns nicht ein Kuckucksei ins Nest gelegt“, sagte er schließlich. „Wir sind nur ein Mann mehr als sie. Vielleicht hängen wir alle eines Tages an einer Rahnock, und die Piraten reißen sich unsere schöne ‚Isabella' unter den Nagel.“ Hasard zog spöttisch die Augenbrauen in die Höhe. „Du scheinst deinen Kapitän für einen ausgemachten Trottel zu halten“, sagte er grinsend. Ben Brighton murmelte etwas Unverständliches, und Hasard hatte das Gefühl, als sei es eine Zustimmung. In diesem Moment tauchte das Boot wieder auf. Batuti, Gary Andrews, Blacky und Smoky kletterten an Bord. Das Boot ließen sie einfach treiben.
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Hasard befahl Ben, die „Isabella“ wieder hinüber zur Kriegsgaleone zu steuern. Jetzt, da Mac-Dundee-Einohr keine Repressalien gegen ihn in der Hand hatte, wollte er dem verrückten Schotten jede Möglichkeit nehmen, aus dieser Bucht zu entwischen. Mit zwei Männern ging Ferris Tucker an Bord der Kriegsgaleone und bohrte sie an. Dann segelten sie weiter auf die Position zu, an der das havarierte Silberschiff lag. Hasard wollte beim ersten Morgengrauen losschlagen. Diesmal würde er mit MacDundee-Einohr eine Sprache sprechen, daß ihm Hören und Sehen verging. 13. Die „Isabella“ luvte an und schoß über Steuerbordbug auf das schwimmende Wrack zu, das von den Neunpfündern der „Isabella“ zu einem Haufen Kleinholz zusammengeschossen worden war. Pulverrauchwolken wurden von der steifen Brise zerrissen und hinaus aufs Meer getrieben. Die Geschützmannschaften an Steuerbord arbeiteten mit schnellen, aber ruhigen Bewegungen, um die Neunpfünder neu zu laden. Philip Hasard Killigrew stand an der Reling des Quarterdecks und blickte grimmig zu der Silbergaleone hinüber, die praktisch nur noch ein Haufen Treibholz war. Hasard wunderte sich, daß die Piraten ihren Kapitän noch nicht über Bord gestoßen hatten. Ihnen musste doch klar sein, daß bei diesem ungleichen Kampfnichts weiter als der Tod herausspringen konnte. Der verrückte Schotte brauchte nur aufzugeben. Aber gerade das schien er um keinen Preis tun zu wollen. Noch in der Nacht hatte er die Ankertrossen seines Schiffes kappen lassen. Vielleicht hatte er gehofft, daß die Strömung ihn an Land treiben würde, doch jetzt schwamm er weit vor der Küste, die nur noch als grauer Streifen zu erkennen war, und hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit, sich zu verteidigen.
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Die gezielten Schüsse von Ferris Tucker und Al Conroy hatten die Kanonen der Piraten schnell außer Gefecht gesetzt. Mac-Dundee-Einohr hätte getobt wie ein Wahnsinniger und Hasard beschimpft, weil er zu feige war, das Silberschiff zu entern und mit ihm zu kämpfen. Hasard hatte sich nicht hinreißen lassen, diese Herausforderung umgehend anzunehmen. Dazu war er sich der Leute, die er von Mac Dundee übernommen hatte, nicht sicher genug. Er konnte nicht zu viele von ihnen mit in den Kampf nehmen, weil er nicht wußte, ob sie sich plötzlich wieder auf Mac Dundees Seite stellten. Andererseits konnte er sie auch nicht alle zurück auf der „Isabella“ lassen. Ihm war keine andere Wahl geblieben. Er hatte die Silbergaleone systematisch zusammengeschossen. Dan O'Flynn hatte vom Mars aus beobachtet, wie immer mehr Männer unter den Einschlägen der Kugeln starben oder verwundet wurden. Jetzt hatte Hasard sich entschlossen, dem grausamen Schauspiel ein Ende zu bereiten. Ben Brighton steuerte die „Isabella“ längsseits der Silbergaleone. Einer der Piraten erhob sich plötzlich auf der Back und riß eine Muskete an die Schultern. Doch ehe er feuern konnte, fauchte ihm die Ladung aus einer Drehbasse entgegen und fegte ihn hinweg. „Hört zu, Männer!“ schrie Hasard. „Dies ist eure allerletzte Chance! Wer sich ergibt, erhält die Möglichkeit. mit einem Boot zur Küste zurückzupullen!“ Ben Brighton hatte beigedreht. Abrupt verminderte sich die Geschwindigkeit der „Isabella“, die jetzt nur etwa zwanzig Faden von der Silbergaleone entfernt war. Hasard sah, wie ein Mann auf die Reling des Quarterdecks zu kroch und sich daran hochzog. Sein linker Arm hing leblos herab. Das graue Leinenhemd war mit Blut getränkt. „Ich ergebe mich!“ schrie er. In der ergebe der „Isabella“ starrten Jeff Bowie und Jean Ribault zur Silbergaleone hinüber. „Starkey“, murmelte Bowie. „Jetzt scheißt er sich in die Hose.“
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„Geh dichter ran, Ben!“ rief Hasard. Er hatte Mac Dundee gesehen. Der Schotte rannte mit wutverzerrtem Gesicht auf den knienden Starkey zu. „Du verdammtes Verräterschwein!“ brüllte er. Die Axt in seiner Faust schwang hoch und traf den Arm, den Starkey schützend über seinen Kopf gelegt hatte. Starkey rutschte hinter das Schanzdeck. Der Schlag mußte tödlich gewesen sein. Dennoch hieb Mac Dundee wieder und wieder zu. Mit einem Schrei warf sich Hasard nach vorn. Der Raum zwischen den beiden Schiffen hatte sich abrupt verringert. Enterhaken flogen von Bord der „Isabella“ und krallten sich in die Reling der Silbergaleone. Hasard erwischte mit den Händen die Rüste des Großmastes, schwang sich daran hoch und war dann mit einem Satz über der Reling. Er jagte sich einen Holzsplitter in die linke Hand, aber er spürte es nicht. Er hatte nur Augen für Mac-DundeeEinohr, der mit leicht vorgebeugtem Oberkörper dastand, die blutbeschmierte Axt in der rechten Hand. „Jetzt hab ich dich endlich, verdammter Engländer!“ sagte er heiser. „Wenigstens werde ich nicht allein in die Hölle fahren, wenn mein Schiff absäuft.“ Hasard blieb gelassen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie seine Männer das Deck der Silbergaleone überfluteten. Nur hier und da stellte sich ihnen einer der Piraten entgegen. Der Franzose trieb die letzten Überlebenden zusammen und befahl den Leuten, die er mitgebracht hatte, die Piraten zu fesseln. „Weißt du, wie die Männer dich nennen, Mac Dundee, die sich auf meine Seite geschlagen haben?“ fragte Hasard. Mac Dundee begann zu grinsen. „Klar“, sagte er. „Mac-Dundee-Einohr.“ Hasard schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er. „Sie nennen dich den verrückten Schotten. Und sie haben recht. Du mußt deinen Verstand verloren ...“ Mac Dundees Gesicht hatte sich vor Wut zu einer scheußlichen Grimasse verzerrt. Er brüllte auf und stürmte auf Hasard zu.
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Pfeifend zischte die Axt durch die Luft und verfehlte Hasard nur knapp. Hasard stieß den Degen vor. Die Klinge durchbohrte die linke Seite des Schotten dicht unterhalb des Rippenbogens. Mac Dundee drehte sich schwerfällig um. In seinen Augen war Schmerz, der die Wut verdrängte. Wieder hieb er mit der Axt zu, doch ihm fehlte schon die Kraft, gezielt zuzuschlagen. Er stolperte nach vorn. Die blutige Schneide der Axt bohrte sich in die Decksplanken. Verzweifelt versuchte er, die Waffe herauszureißen. Er schaffte es nicht. Ein Schrei löste sich von seinen Lippen. Plötzlich preßte er beide Hände in die Seite. Ein Schütteln ging durch seinen Körper, das sich bis in seinen verklebten Nackenzopf fortsetzte. Die Narbe an seinem Kopf, wo sich einmal das Ohr befunden hatte, leuchtete brandrot in der Morgensonne. Hasard wandte sich ab. Mac-Dundee-Einohr starb einen höllischen Tod. Hasard wollte Ben Brighton den Befehl geben, ein Boot für die überlebenden Piraten zu Wasser zu lassen, als die Tür, die zu den Kammern führte, krachend aufsprang. Ein Mann taumelte rückwärts heraus und schlug der Länge nach hin. Die Nase hing ihm schief im Gesicht, und die linke Kopfseite war schwarz von geronnenem Blut. Er hielt ein Entermesser in der rechten Hand, aber es sah nicht so aus, als ob ihm die Waffe Selbstvertrauen verlieh. Der Mann hatte Angst. In der Tür erschien Jeff Bowie. Hasard hatte überhaupt nicht bemerkt, daß der Engländer ebenfalls an Bord der Silbergaleone geentert war. Er schüttelte fassungslos den Kopf. Woher nahm der Kerl die Kraft? Vor Stunden erst hatten Batuti und Smoky den halbtoten Mann an Bord der „Isabella“ gehievt. Jeff Bowie hielt die schwere Peitsche in der Hand, mit der Clinton ihm die Haut vom Rücken gefetzt hatte. Das Leder zischte durch die Luft und wickelte sich um Clintons rechten Arm. Wie mit einem scharfen Messer wurde die Haut
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aufgeschnitten. Das Entermesser klirrte auf die Decksplanken. Clinton kroch auf allen vieren davon. „Nein!“ schrie er. „Nicht schlagen, Bowie! Nicht mit der Peitsche!“ Bowie grunzte nur. Er trat einen Schritt auf den jammernden Clinton zu. Der Pirat sprang plötzlich hoch und rannte auf die Reling zu. Bowie schlug zu, doch die Peitsche erreichte Clinton nicht mehr. Mit einem mächtigen Sprung war der Pirat über die Reling verschwunden. Wasser spritzte auf. Hasard und Bowie liefen zur Backbordreling hinüber. Sie sahen den strampelnden Clinton und die schwarzen Dreiecksflossen, die auf ihn zuschossen. Hasard schnappte sich ein Tau und warf Clinton den Tampen zu. Die Hände des Piraten krallten sich daran fest. Hasard zog. Männer tauchten neben ihm auf und griffen zu. Sie hörten den abgerissenen Schrei Clintons und sahen, wie er mit einem Ruck unter der Wasseroberfläche verschwand. Blut färbte das grünliche Wasser rot. Hasard ließ das Tau los und wandte sich ab. Der Kampf war vorbei. Stimmen schallten über die Decks der beiden Schiffe. Ben. Brighton und Ferris Tucker trieben die Männer an. Die ersten Silberbarren wurden aus dem Bauch der Silbergaleone geholt und hinüber zur „Isabella“ gebracht. Die überlebenden Piraten stiegen in eins der Boote, die Hasard von der Kriegsgaleone übernommen hatte. Wenig später waren sie nur noch ein kleiner Punkt auf dem unendlichen Meer. Hasard warf noch einen kurzen Blick auf den verkrümmt daliegenden Mac Dundee. Der verrückte Schotte bewegte sie nicht mehr. Er hätte ein Schiff haben können und genug Silber, um ein paar Jahre sorgenfrei leben zu können, aber die Gier hatte ihn ins Verderben geführt. Hasard zuckte mit den Schultern. Leute wie Mac Dundee würden nicht einmal in der Hölle aus ihren Fehlern lernen.
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Er sprang an Deck der „Isabella“ und zog sich in seine Kammer zurück. Er holte die Karte heraus, die er selbst nach der auf seiner ersten „Isabella“ erbeuteten Karte angefertigt hatte. Was würde Francis Drake unternehmen?
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Sicher war nur eins. Drake würde nirgends auf ihn warten. Hasard hatte nur eine Chance, ihn wiederzufinden, wenn Drake selbst ein Schiff aufgebracht hatte und sich Zeit ließ, es gründlich zu plündern.
ENDE