für Oliver
DIE NACHT HAT 24 STUNDEN Neun SM-Stories von
Eurydike
MARTERPFAHL VERLAG
© 2005 by Marterpfahl Verlag Rüdiger Happ,
Postfach 8 / Firstbergstr. 2, D-72.147 Nehren
www.marterpfahlverlag.com
[email protected]
Titelbild: Roman Kasperski (www.romankasperski.de)
Coverlayout: Domlupina (
[email protected])
Druck: Print Com, Erlangen (www.print-com.de)
ISBN 3-936.708-17-7
p0t0si
Statt eines Mottos:
Orpheus, Eurydike, Hermes Das war der Seelen wunderliches Bergwerk.
Felsen war da
und wesenlose Wälder. Brücken über Leeres
und jener große graue blinde Teich,
der über seinem ferne Grunde hing
wie Regenhimmel über einer Landschaft.
und zwischen Wiesen, sanft und voller Langmut,
erschien des einen Weges blasser Streifen
wie eine lange Bleiche hingelegt.
Und dieses einen Weges kamen sie.
Voran der schlanke Mann im blauen Mantel,
der stumm und ungeduldig vor sich aussah.
Ohne zu kauen fraß sein Schritt den Weg
in großen Bissen; seine Hände hingen
schwer und verschlossen aus dem Fall der Falten
und wußten nicht mehr von der leichten Leier,
die in die Linke eingewachsen war
wie Rosenranken in den Ast des Ölbaums.
Und seine Sinne waren wie entzweit:
Indes der Blick ihm wie ein Hund vorauslief,
umkehrte, kam und immer wieder weit
und wartend an der nächsten Wendung stand,
blieb sein Gehör wie ein Geruch zurück.
Manchmal erschien es ihm, als reichte es
bis an das Gehen jener beiden andern,
die folgen sollten diesen ganzen Aufstieg.
Dann wieder wars nur seines Steigens Nachklang
und seines Mantels Wind, was hinter ihm war.
Er aber sagte sich, sie kämen doch;
sagte es laut und hörte sich verhallen.
Sie kämen doch, nur wärens zwei,
die furchtbar leise gingen. Dürfte er sich einmal wen den (wäre das Zurückschaun nicht die Zersetzung die ses ganzen Werkes, das erst vollbracht wird), müßte
er sie sehen, die beiden Leisen, die ihm schweigend
nachgehn:
Den Gott des Ganges und der weiten Botschaft, die
Reisehaube über hellen Augen, den schlanken Stab
hertragend vor dem Leibe und flügelschlagend an den
Fußgelenken; und seiner linken Hand gegeben: sie.
Die So-geliebte, daß aus einer Leier
Mehr Klage kam als je aus Klagefrauen;
Daß eine Welt aus Klage ward, in der
alles noch einmal da war: Wald und Tal
und Weg und Ortschaft, Feld und Fluß und Tier;
ein Klage-Himmel mit entstellten Sternen:
Diese So-geliebte.
Sie aber ging an jenes Gottes Hand,
den Schritt beschränkt von langen Leichenbändern,
unsicher, sanft und ohne Ungeduld.
Sie war in sich, wie Eine hoher Hoffnung,
und dachte nicht des Mannes, der voranging,
und nicht des Weges, der ins Leben aufstieg.
Sie war in sich. Und ihr Gestorbensein
erfüllte sie wie Fülle.
Wie eine Frucht von Süßigkeit und Dunkel,
so war sie voll von ihrem großen Tode,
der also neu war, daß sie nichts begriff.
Sie war in einem neuen Mädchentum
und unberührbar; ihr Geschlecht war zu
wie eine junge Blume gegen Abend,
und ihre Hände waren der Vermählung
so sehr entwöhnt, daß selbst des leichten Gottes
unendlich leise, leitende Berührung sie kränkte wie zu
sehr Vertraulichkeit.
Sie war schon nicht mehr diese blonde Frau,
die in des Dichters Liedern manchmal anklang,
nicht mehr des breiten Bettes Duft und Eiland
und jenes Mannes Eigentum nicht mehr.
Sie war schon aufgelöst wie langes Haar
Und hingegeben wie gefallner Regen.
Sie war schon Wurzel.
Und als plötzlich jäh
Der Gott sie anhielt und mit Schmerz im Ausruf
Die Worte sprach: Er hat sich umgewendet –,
begriff sie nichts und sagte leise: Wer?
Fern aber, dunkel vor dem klaren Ausgang,
stand irgend jemand, dessen Angesicht
nicht zu erkennen war. Er stand und sah,
wie auf dem Streifen eines Wiesenpfades
mit trauervollem Blick der Gott der Botschaft
sich schweigend wandte, der Gestalt zu folgen,
die schon zurückging dieses selben Weges,
den Schritt beschränkt von langen Leichenbändern,
unsicher, sanft und ohne Ungeduld.
(Rilke, leicht gekürzt)
INHALT
Anas Rache Deine Rückkehr Die Nacht hat 24 Stunden Schwüle Tage Wetterumschwung Geduldsprobe Komplizen Tagebuch einer Reise Hundeleben
ANAS RACHE
KEIN HAUCH BEWEGT DIE SCHWÜLE LUFT. Auch nachts kühlt es nicht ab. Eva drückt den Rücken gegen Bens heißen Körper. Trotz der Wärme zieht sie die Bettdecke über ihre Schultern. Wo ihre Körper ein ander berühren, ist die Haut feucht von Schweiß. »Du mußt jetzt wirklich gehen.« Sie spricht leise, als fürchte sie, ihn zu wecken. Starrt ins Dunkel, auf schemenhaft zu erkennende Kartons, halb eingeräum te Regale. Der Spiegel wirft das Bild des weit geöffne ten Fensters, den Blick auf den fahlen Himmel, in den Raum zurück. Die erste Nacht in der neuen Wohnung. Sie hat keine Zeit vergehen lassen. Hat die Gelegen heit sofort ergriffen. Kaum war das Wichtigste ausge packt. Ihn angerufen: »Komm vorbei.« »Wann?« »Jetzt.« Er hat gelacht. »Das geht nicht. Du weißt doch, was hier los ist. Morgen früh ist die Abschlußpräsentation.« Vorangegangen sind heimliche Begegnungen, Lügen, Ausflüchte. Jetzt ist jede Stunde, in der sie Geduld üben soll, eine Zumutung. Zeitverschwendung. »Ich kann nicht mehr warten«, hat sie geantwortet. »Bitte komm.« Sie wußte, daß das helfen würde. Ihr Betteln half meistens: »Bitte, Ben.« Und es half. Sein kurzes Zögern. Dann die heiser geflüsterte Entgeg nung. Unterdrückte Erregung: »Ich sehe zu, daß ich mich so schnell wie möglich von hier loseise.« Das war am frühen Abend. Ihr Blick bleibt auf der im Dunkeln leuchtenden Anzeige des Radioweckers haf ten. Halb eins nachts. Ben muß gehen. Zurück ins Bü ro. Er muß arbeiten. »Du solltest wirklich gehen«, sagt sie wieder. »Wenn du jetzt aufstehst, hast du noch ein paar Stunden
Zeit.« Sie spricht, ohne sich umzudrehen, weiß nicht, ob er wach ist, sie hören kann. Sein Atem geht schwer. Ihre feuchte Haut an seiner. Sie mag es, wenn die Haut aneinander klebt. Und sie ist erregt. Noch immer. Oder schon wieder. Sie sagt sich, daß es seine pure Nähe ist, die sie in diesen Zustand versetzt. Sei ne Hand, die auf ihrer Brust ruht, sich von Zeit zu Zeit bewegt, über die Haut, die Brustwarze streift. Wie un absichtlich. Leise Zweifel. Ist es wirklich Ben, der sie erregt? Ist es seine Berührung? Die Zweifel wie ein Echo der Vorfalle vom Samstag. Sie will die Zweifel nicht hören. Verdrängt die Ereignisse. Mit Ben haben sie nicht das Geringste zu tun. Für den Moment gelingt es ihr, die Erinnerung beiseite zu schieben. »Wir sehen uns doch morgen schon wieder«, flüstert sie in die Dunkelheit. Der Versuch, sich mit Worten von den eigenen Gedanken abzulenken. Sie beobach tet die Anzeige des Weckers, das rote Leuchten, die minütlich umspringende Zahl. »Steh auf, ich koche dir einen Kaffee.« Aber sie macht keine Anstalten, sich zu erheben, bleibt liegen, preßt sich dichter an ihn. Spürt seine wachsende Erektion an ihrem Hintern. Redet trotzdem weiter: »Wir können uns jetzt immer sehen. Jede Nacht…« Wen will sie mit ihren Worten überzeugen? Ihn? Sich selbst? Ihre Worte klingen wie eine Beschwörung in ihren Ohren. Ana… Bloß nicht an Ana denken! Nicht über den vergangenen Samstag nachdenken. »Wir können zusammen schlafen, wann immer wir wollen…« Plötzlich seine Hand auf ihren Lippen. Verschließt ihren Mund. Augenblicklich verstummt sie. Protestiert nicht. Sie hat darauf gewartet. Er schiebt ihr Bein zur Seite, dringt ohne Vorwarnung von hinten in sie ein. Sie un terdrückt ihr Stöhnen. Bleibt ruhig. Denkt an die Nachbarn, die sie nicht stören will. Auch als sie
kommt, dringt kein Laut durch das geöffnete Fenster in die Nacht. Am nächsten Tag steht sie im Hausflur, vor der Tür der gegenüberliegenden Wohnung. »Dr. Bock« liest sie auf dem Klingelschild. Das amüsiert sie kurz, sie stellt sich einen ältlichen Herrn mit weißem Ziegenbärtchen vor, drückt den Knopf, wartet, betrachtet den ihr son derbar anmutenden Namen, drückt ein zweites Mal, ein wenig länger nur, will nicht aufdringlich wirken. Niemand öffnet. Sie setzt ihren Gang durchs Haus fort. Die Vorstellungsrunde der neu Eingezogenen. Und die Bitte um Verständnis: Es könne abends lauter werden; sie wolle ihren Einzug mit Freunden feiern. Das Übli che. Nachdem sie einmal durchs Haus gelaufen ist, ihre Runde abgeschlossen hat, gerade den Schlüssel ins Schloß zu ihrer Wohnung stecken will, fällt Doktor Bock ihr wieder ein. Sie klingelt ein drittes Mal, zuckt dann die Achseln. Was soll’s? So laut wird es am A bend schon nicht werden. Den Rest des Nachmittags verbringt sie damit, Bücher in die Regale zu sortieren. Sie ist müde. Doch als sie sich hinlegt, sich streichelt, als ihre Finger über ihren Körper fahren, denkt sie nicht an Ben. Sie denkt an den vergangenen Samstag. An Ana. Und als es ihr kommt, denkt sie an den Unbekannten. Der sie ge nommen hat. Von ihm weiß sie nur, wie er sich an fühlt. Die Anspannung läßt nicht nach. Auch am Abend nicht. Eine körperliche Ruhelosigkeit, die sie ratlos macht. Vergeblich fahndet sie nach der Erleichterung, die sie darüber verspüren muß, endlich wieder in den eigenen vier Wänden zu leben, wirklich zu Hause zu sein. Sie kann tun und lassen, was sie will. Muß sich nicht mehr für jeden Schritt vor Ana rechtfertigen. Aber die Er leichterung stellt sich nicht ein. Kein innerer Friede. Auch nicht, als die ersten Gäste eintreffen. Lachen und
Wiedersehensfreude um sie herum. Sie will nicht zei gen, was in ihr vorgeht. Überall Stimmengewirr und Betriebsamkeit. Sie fühlt sich überflüssig. Fehl am Platz. Fragt sich, was sie hier soll. Möchte am liebsten gehen. Gibt sich der absurden Hoffnung hin, Ana kön ne plötzlich vor der Tür stehen. Steigert sich in diese Vorstellung, in diesen Gedanken hinein. Völlig abwegig natürlich: Sie hat Ana nicht eingeladen. Hat ihr nicht einmal die neue Adresse hinterlassen. Einen klaren Schnitt hat sie ziehen wollen. Kein Zurück sollte es geben. Jetzt hat sie, was sie wollte. Und ist wieder nicht zufrieden. Bei jedem Klingeln die erneute Hoff nung: Ana! Und die zwangsläufige Ernüchterung: Sie kommt nicht. Sollen sich doch alle anderen zum Teufel scheren! Wenn wenigstens Ben da wäre… Doch auch Ben kommt nicht, er ruft an, hat zu arbeiten. »Warte nicht auf mich«, sagt er, »es kann spät werden.« Schöne Aussichten… Niemand, der sie küßt, in den Arm nimmt. Wohin mit ihrer Unrast? Mit der körperli chen Getriebenheit? Der unterschwelligen Lust? Sie versucht, sich auf die Gespräche zu konzentrieren. Vergeblich. Denkt darüber nach, wie es soweit zwi schen Ana und ihr kommen konnte. Fragt sich, ob nicht eigentlich sie selbst, Eva, an allem schuld ist. Weil sie launisch ist, wankelmütig, heute dies will und am nächsten Tag das. Zumindest was ihre Beziehun gen betrifft. Als sie Ben kennenlernte, hat sie Ana die Wahrheit gesagt. Hat sich nichts dabei gedacht. So ist sie nun mal, verliebt sich schnell. Hätte Ana ihr die Freiheit gelassen, Ben zu treffen, wann immer sie wollte, wäre die Flamme vielleicht schnell erloschen. Aber auch Ana hat alles falsch gemacht. Hat ihr die Treffen mit Ben verboten. Es zumindest versucht. Hat ihr eine Szene nach der anderen geliefert, hat sie kon trolliert, gegängelt. Rief im Büro an, um zu überprü fen, ob sie tatsächlich länger arbeitete. Wenn Eva
dann spät nach Hause kam, brach das Unwetter über sie herein. Und schließlich, nach wochenlangen Kämpfen, hatte auch Ana keine Kraft mehr. Und es ist Ana zu verdan ken, daß Eva die neue Wohnung gefunden hat. Die Wohnung eines ehemaligen Kollegen Anas, der die Stadt verlassen hat. Und nun? Wehmut statt Erleichterung. Statt der Erin nerung an Anas Auftritte, an Auseinandersetzungen und Vorwürfe eine andere Erinnerung. Eine intensive, soghafte Erinnerung, die sich nicht abschütteln läßt. So sehr sie sich bemüht. Die Erinnerung verdrängt den Gedanken an die häßlichen Szenen. Statt des Blicks in die Zukunft das Festhalten an der Nacht von Freitag auf Samstag. An die merkwürdigen Vorfalle dieser Stunden… Im Halbschlaf war es, als Eva spürte, wie jemand sie vorsichtig auf den Rücken drehte. Sie streichelte. Eine sanfte Berührung, wohltuend. Vertraute Hände, die ihren Körper kannten, wußten, was ihm gefiel. Ihr be hagliches Seufzen, das Nicht-Wissen, ob es im Traum geschah oder in Wirklichkeit. Das Verschwimmen der Grenze von Wachen und Schlaf. Sie ließ es geschehen. Wollte nicht aufwachen, nicht denken, nie mehr, nichts fragen, nicht sprechen, nicht wissen, wer sie berührte. Völlig gleichgültig, wessen Hände es waren… Nur spü ren im halbbewußten Dämmerzustand. Nur Körper sein, eins werden mit der Berührung. Die Hände faß ten ihre Arme, zogen sie über den Kopf, vorsichtig noch immer. Aber schon da regte sich etwas in Eva. Ein leichtes Unbehagen, der Argwohn, daß etwas nicht in Ordnung war. Doch sie wollte sich nicht stören las sen in ihrem trägen Genuß, nicht aufwachen, wollte die Ahnung nicht wahrhaben, seufzte wieder, hielt den Zustand fest. Spürte etwas an ihren Handgelenken. Kühl war das. Und fest. Metall, das sich um ihre Ge
lenke schloß. Eine Falle. Ein Schmerz in ihren Achsel höhlen, den Schultern, als die Arme nach oben geris sen wurden. Über ihren Kopf, ruckartig. Ihr Schrei, als sie die Augen öffnete, hellwach jetzt. Der instinktive Versuch, die Hände zurückzuziehen. Im selben Mo ment und doch zu spät. Vergebens. Sie konnte sie nicht mehr bewegen. Sich nicht losreißen. Dunkelheit um sie herum. Ein Schatten. Ein Mensch. Panik. Der Versuch, um sich zu schlagen. Ein eiserner Griff um ihre Handgelenke, befestigt am Gestell des Bettes. Der Versuch der Gegenwehr, auch dieser ohne Wirkung. Schmerzende Knöchel, wo die Handschellen sich ge schlossen hatten. Sie schrie, heulte auf, trat, stram pelte mit den Beinen, wehrte sich noch, als sie Ana längst erkannt hatte. Dann erstarrte ihr Körper, und sie verstummte. Kein Laut mehr. Keine Bewegung. Ein Instinkt, dem sie gehorchte: Vergeude deine Kraft nicht. Stell dich tot. Stell dich schlafend. Denn die Angst ließ nicht nach, dieser Schreck, im Schlaf über rascht, überwältigt worden zu sein. Das Entsetzen darüber, sich in höchster Gefahr befunden zu haben. Im Schlaf, als sie gänzlich wehrlos, verletzlich war. Ana setzte sich auf die Bettkante, streichelte sie vor sichtig. »Beruhige dich«, sagte sie. Liebevoll, wie sie seit Wochen nicht mit Eva gesprochen hatte. Das half. Leise Worte, die vertraute Stimme. Alles war gut. »Schlaf weiter.« Sie war in Sicherheit. Und Ana blieb, bis Evas Atem ruhiger ging, tief und gleichmäßig, und sie wieder die Augen schloß. Ana streichelte sie, und Eva, erschöpft von der eigenen Angst, fiel zurück in den Schlaf. Am Morgen weckte Ana sie, brachte ihr auf einem Tablett das Frühstück ans Bett. Sie legte Eva ein Kis sen in den Nacken, band ihr eine Serviette um, fütter te sie vorsichtig. Sie befreite sie nicht. Beabsichtigte nicht, dies zu tun. Das war offensichtlich. Mit der Ser viette tupfte sie Krümel, Joghurt von Evas Lippen, aus ihren Mundwinkeln. »Schmeckt es dir?« fragte sie.
Und Eva nickte. Keine von ihnen sprach die vergange nen Streitigkeiten an. Auch nicht die letzte Nacht. Eine stillschweigende Übereinkunft zwischen ihnen, als selbstverständlich hinzunehmen, daß Evas Hände ans Bett gekettet waren. Eva fragte nicht nach dem Wa rum. Als handle es sich um einen gottgegebenen Zu stand, den nicht Ana verursacht hatte. Und den sie nicht ebenso schnell wieder beenden konnte. Nach dem Frühstück brachte Ana das Tablett in die Küche. Sie sang ein spanisches Lied. Früher hatte sie das oft getan. Später glitten warme Hände über Evas nackten Kör per, senkte sich Anas Mund auf ihren. Weiche Lippen, ein vorsichtiger Kuß. Anas Zunge, die sich fast schüch tern voran schob. Ihre Hand, tastend, näherte sich Evas Scham, strich über ihren Venushügel. Blieb dort liegen. Der leichte Druck, als sie Evas Beine auseinan der schob. Diese gaben nach, öffneten sich bereitwil lig. Eva wartete. Erwartete die Berührung ihrer Perle. Zunehmend ungeduldig. Zunehmend erregt. Wie gut wußte Ana Bescheid über sie. Über ihren Körper, ihre Bedürfnisse. So war es von Beginn an gewesen. Eine wortlose Übereinstimmung. Sie hatte Anas Berührung vermißt. Merkte es erst jetzt. Die schnelle Erregung, in die ihre Hände sie versetzten. Der gestreckt und ange spannt daliegende Körper reagierte um so heftiger auf die Berührung, je deutlicher sie spürte, daß sie selbst nichts tun konnte. Nichts, als sich den über ihre Haut gleitenden Händen anzubieten. Sie schloß die Augen, wollte mehr. Hielt ihr Stöhnen nicht zurück, nicht das Zucken ihres Körpers. Gab die Kontrolle ab. Eine Hand noch immer auf ihrem Venushügel, wanderte höher, dann zurück, nach unten, die Schenkel entlang. Die andere Hand streichelte ihre Brüste, kniff in die aufge richteten Warzen. Behutsam zuerst, dann stärker. So stark, daß es schmerzte. Der Druck, der leichte Schmerz steigerten die Lust. Sie hob Ana ihren Schoß entgegen. Wollte Anas Hand dort spüren. Wartete.
Nichts geschah. Lag da, den Körper angespannt, gierig jetzt, das Becken in Erwartung der Berührung den Händen entgegengestreckt. Aber Anas Hände lösten sich von ihrem Körper. Ungeduldig schlug Eva die Au gen auf, sah Ana an. Enttäuscht, fragend, verstand nicht. Wieso dieses Zögern? Woher der Ausdruck in Anas Augen? Ein kühler Blick, als ginge Ana das alles nichts an. Ein Blick, der Evas Lust erhöhte. Auch das begriff sie nicht. Aber es war gleichgültig. Wenn Ana sie nur wieder anfaßte. Wenn sie nur weitermachte. Die unterbrochene Berührung fortsetzte. Nichts war zu hören. Nur ihr eigener Atem. Dann die rhythmischen Bewegungen ihres Beckens, als sie es auf und ab schob. Halb, um Ana aufzufordern weiterzumachen. Halb aus purer, unkontrollierter Gier. Ana betrachtete sie. Zeigte keine Reaktion. Der Blick noch immer kühl. Nach einem endlos scheinenden Schweigen ihre Stimme: »Wenn ich es richtig verstanden habe, brauchst du unbedingt einen Schwanz im Bett. Tut mir leid, aber damit kann ich nicht dienen.« Eva hielt in der Bewegung inne. Stille. Sie ließ ihr Be cken sinken. Für Sekunden hörte sie auf zu atmen. Starrte Ana an. Warum sagst du das? wollte sie fra gen. Du weißt, daß es nicht stimmt, wollte sie sagen. Aber sie sagte nichts. Sie sah Ana an und wußte, daß es um etwas anderes ging. Um etwas Unausgespro chenes. Daß es noch immer um Anas Verletzung ging, die sie, Eva, ihr zugefügt hatte. Plötzlich wurde ihr bewußt, was es bedeutete, angekettet zu sein. Nicht aufstehen, fortgehen zu können. Während Ana beklei det neben ihr saß, sie betrachtete, sich jederzeit erhe ben, sie allein zurücklassen konnte. Nackt. Angebun den. Hilflos. Anas Miene war ausdruckslos. Keine von ihnen sagte ein Wort. Das plötzliche Verstehen, ganz deutlich jetzt: Es ging um Macht. Um Vergeltung. Ana focht einen Kampf mit ihr aus. Sie wollte Eva demüti gen. Hatte die Situation inszeniert, um Eva zu zeigen, daß sie, Ana, die Stärkere war. Sie hatte alles arran
giert, um im passenden Augenblick, im Moment der höchsten Erregung und Bereitschaft Evas, diesen ei nen Satz fallen zu lassen. Ihr Blick wanderte über Evas Körper, hinunter zu den gespreizten Beinen. Zu den unverhüllten Zeichen ihrer Erregung. Sie lächelte, sah Eva an. Nie zuvor hatte ein Lächeln Eva so gedemü tigt. Es war ein kühles, abschätziges Lächeln, das ge nau das bewirken sollte: sie herabzusetzen. Eva wand te den Kopf ab, wollte das Lächeln nicht sehen, wollte die Beine schließen. Aber Ana drückte sie weit ausein ander. Anas Blick, Anas Lächeln. Die eigene Wehrlo sigkeit. Die wachsende Lust. Und dann Anas Stimme. Wie von weit her: »Wenn du denkst, daß ich dich zum Kommen bringe, täuschst du dich.« Wieder die Gewiß heit: Es ging um Macht. Um Rache. Ana wollte es ihr heimzahlen. Eva spürte es genau. Sie wartete darauf, daß Ana es zugab. Wartete auf Anas Eingeständnis. Umsonst. »Aber ich bin mir sicher, daß ich keine große Mühe haben werde, einen Schwanz aufzutreiben, der bereit ist, dich zu ficken.« Eva zuckte zusammen. Fuhr zusammen unter dem letzten Wort. Sie schloß die Beine. Wie um sich vor dem Wort zu schützen. Vor der Mißachtung, die in die sem Wort lag. Warum benutzte Ana so ein Wort? Wer war diese Frau? Hatte sie mit ihr tatsächlich zusam mengelebt? Monatelang? Was wußte sie von ihr? Diese Unnahbarkeit, die sie plötzlich ausstrahlte. Eine Kühle, die der obszönen Gewöhnlichkeit ihrer Worte wider sprach und doch auf merkwürdige Weise mit ihr in Einklang stand. Sie riß Evas Schenkel auseinander, preßte die Knie weit nach außen, hinunter aufs Laken. Eine heftige, unvorsichtige Bewegung, die schmerzte. Mit einem lauten Klatschen traf Anas Handfläche die empfindliche Haut der Oberschenkelinnenseite. Einmal. Zweimal. Dann war es ruhig. Tränen stiegen Eva in die Augen. Ob wegen der Sprache, die Ana benutzte. Ob wegen
des unerwarteten Schmerzes oder wegen ihrer eige nen Hilflosigkeit. Sie wußte es nicht. Ein rötlicher Ab druck zeichnete sich auf ihrer Haut ab. »Ana, bitte.« Eva unterdrückte ihre Tränen. Sie wollte mit ihren Händen die schmerzende Stelle berühren, darüberstreichen, die Haut besänftigen. »Bind mich los.« Ana schüttelte den Kopf. »Willst du nicht gefickt wer den?« fragte sie herausfordernd. »Ist es nicht das, was du willst?« Noch immer kämpfte Eva mit den Tränen. »Du sprichst, als kämst du aus der Gosse.« Ihr hilfloses Bemühen, sich von der Situation zu distanzieren. Der unsichere Versuch, vorzugeben, über dem zu stehen, was hier vor sich ging. »Wo hast du denn diese Spra che her?« »Wieso?« Ana tat überrascht. »Ich dachte, daß es dir gefällt, wenn man so mit dir redet.« Sie warf einen Blick zwischen Evas Beine, drückte die Schenkel weiter auseinander, betrachtete Evas ge schwollenes, erregtes Geschlecht. Nickte. »Es ist ganz offensichtlich, Eva, daß es dir gefällt.« Ihre Finger hatten Evas Schamlippen gestreift, viel leicht aus Versehen. Vielleicht mit Absicht. Ein Stöh nen entfuhr Eva, obwohl sie es nicht wollte. Sie wollte Ana nicht diese Genugtuung verschaffen. Aber sie konnte sich nicht kontrollieren, hob ihr Becken der anderen entgegen. »Zieh dich aus, Ana«, sagte Eva plötzlich. Für einen Moment glaubte sie, die Situation umkehren zu kön nen, wenn sie nur entschieden genug forderte. »Mach die Handschellen los, leg dich neben mich. Ich will dich anfassen.« Sie beobachtete Anas Gesicht, konnte dem Ausdruck nichts entnehmen. Sie versuchte ein Lä cheln: »Komm«, sagte sie. Weniger entschlossen jetzt. Zweifelnd, als Ana keine Reaktion zeigte. »So wie früher. Vergiß einfach, was in der letzten Zeit zwi schen uns vorgefallen ist.«
Die andere schaute sie lang und ernst an. Vielleicht überlegte sie, ob sie auf den Vorschlag eingehen soll te. Dann die Antwort. Eindeutig: »Das kann ich nicht…« Und vernichtend: »Das will ich nicht.« Sekunden des Schweigens, während derer beide dem Moment nachhingen. Diesem Augenblick, in dem sie sich angeblickt und daran erinnert hatten, wie es zwi schen ihnen gewesen war. Der Moment war vorbei. Die Gelegenheit vorüber. Ana hatte sich entschieden: »Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder du wirst für den Rest des Wochenendes so hier liegen bleiben…« Sie betonte das Wort so. Durch die Betonung wurde es eindeutig und schmutzig. So. Das bedeutete: geil, hilflos, mit nasser Möse. Sie machte eine Pause. »Oder du kannst mich darum bit ten, daß ich dir einen Mann besorge, der dich fickt.« Sie erhob sich. »Überleg’s dir.« Ihr Gesicht ausdrucks los. »Betteln kannst du ja gut, wenn ich mich recht erinnere.« Sie zog Evas Beine weiter auseinander, fesselte ihre Fußgelenke an die Bettpfosten. »Das wird dir beim Nachdenken helfen.« Eva wußte nicht, wie lange sie wartete, bis Ana wie derkam. Ihre Erregung ließ nicht nach. Sie wuchs. Mit jeder Minute, in der sie ihre Schutzlosigkeit spürte. Die Offenheit ihres Geschlechts. Mit jeder Minute, in der sie selbst bewegungsunfähig, völlig hilflos war. Ein zunehmendes Ziehen in ihren Schultern, in den Ober armen, eine Verspannung im Nacken. Aber als Ana sich wieder über sie beugte, leicht ihre Brustwarzen berührte, vergaß sie den Schmerz. Vergaß ihn über der Lust. Hörte sich selbst seufzen. Stöhnen. Zwischen ihren Beinen das längst nasse Leintuch. Ohne es zu sehen, wußte sie es: Die Feuchtigkeit lief aus ihr her aus. »Wer hätte das gedacht?« Anas Stimme klang gelas sen, unbeteiligt. »Wer hätte gedacht, daß in der klei nen wohlerzogenen Eva so eine hoffnungslos verdor
bene Schlampe steckt?« Sie hielt einen hölzernen Kochlöffel in der Hand. Fuhr mit ihm über Evas Geschlecht. »Ana, bitte…« Ein Stöhnen, ein Hauchen, hilflos, fast verzweifelt. »Ana.« Ein Flehen. Die Bitte, erlöst zu werden. Und noch immer die sich steigernde Lüstern heit ob der eigenen Offenheit, der Ohnmacht. Die wachsende Hitze, weil sie noch immer warten mußte, nicht kommen durfte. Seit wie vielen Stunden ging das so? »Ja?« fragte Ana. »Zu welchem Schluß bist du bei dei nen Überlegungen gekommen?« Und als Eva sie nur bittend ansah: »Oder kannst du in deinem Zustand nicht nachdenken?« »Ana, bitte.« Eva schrie fast. »Hör endlich auf damit. Was soll das? Ich brauche keinen Mann. Dich will ich spüren.« »Das fallt dir sehr spät ein.« Ana strich ihr fast zärtlich mit der Hand über die Haare. Sie wandte sich ab, um das Zimmer erneut zu verlassen. Drehte sich auf der Schwelle um. »Ich weiß, daß du mich bitten wirst. Darum, dir einen Mann zu besorgen. Du vergehst ja vor Geilheit. Ich will es hören. Aus deinem Mund. Du sollst um ihn betteln. Und ich will es sehen. Ich will sehen, wie er dich nimmt.« Beim nächsten Mal fuhr sie mit dem Kochlöffel über Evas Brustwarzen. Die Lust war zu stark. Unmöglich sich zu beherrschen. Evas Becken hob, senkte sich. Auch wenn Ana genau das wollte. Auch wenn sie ihre Lust sehen wollte, um sich darüber zu mokieren. »Ana, bitte.« Und Ana entgegnete freundlich: »So weit waren wir schon mal. Heute bringt dir das Betteln allein nichts. Überhaupt nichts. Du mußt mir schon sagen, worum du bettelst.« Nein! Den Satz brachte sie nicht über die Lippen. Nein, das sage ich nicht. Nie. Im Leben nicht. Aber sie for mulierte den Satz. Stumm: Bring mir einen Mann. War
es das, was Ana hören wollte? Wollte sie wirklich, daß Eva um einen Mann bettelte? Um einen Fick? Besorg mir einen Mann, der mich nimmt. Der mich fickt. Sie konnte sich nicht entsinnen, dieses Wort je in den Mund genommen zu haben. Wörter dieser Art waren ihr peinlich. Aber bei der Vorstellung, diesen Satz aus zusprechen, steigerte sich die Lust. Eine Lust, für die sie sich schämte. Vor Ana. Vor sich selbst. Eine Lust, die ihren Körper gefangennahm und ihr fremd erschei nen ließ. Wie ein Wesen, das ein Eigenleben führte. Ein Wesen, das nicht zu ihr gehörte. Dieses Wesen verwirrte sie. Aber es war stärker. Auch stärker als die Fragen: Wie stellte Ana sich das Ganze überhaupt vor? Wo wollte sie den Mann hernehmen? Wer war der Mann, den sie holen wollte? Kannte auch sie, Eva, ihn? Falls Ana ihre Behauptung überhaupt wahr machen würde. Falls… ja, falls. Und dann trieb ihr Körper sie wieder an. Gab keine Ruhe, drängte auf sein Recht, forderte, daß sie Ana bat, verlangte, daß sie den Satz sagte, verlangte die Erlösung von der Lust. Schon war sie bereit nachzugeben, als Ana wieder das Zimmer betrat, sich zu ihr hinunterbeugte. Die Bitte lag ihr auf der Zunge. Aber es ging nicht. Sie schwieg. Und ihr Körper haßte sie dafür. »Das wird ja gar nicht besser mit dir«, konstatierte Ana. »Im Gegenteil.« Eva spürte das Holz des Kochlöf fels auf ihren Brustwarzen. Aufreizend langsam wan derte es den Bauch hinunter, über den Schoß, fand den Kitzler, berührte ihn, glitt in die feuchte Öffnung, mühelos. Stöhnen, das in einen Aufschrei überging, als Ana es tief in sie hineinschob. Ihr Körper, der sich den regelmäßig wiederkehrenden Stößen entgegen drängte. Sie war bereit, war so weit, ahnte schon den Höhepunkt, die Erlösung, das Heben und Senken ihres Brustkorbs, der eigene stoßweise gehende Atem, das unkontrollierte Stöhnen, geschlossene Lider, sie wollte mehr, wollte kommen, ihr geöffneter Mund, der Wille zur Hingabe, mach es mir, laß mich kommen, bitte,
ungesagte Worte, ein stummes Flehen, das sie selbst erregte, anspornte… Ana zog das Holz zurück. Eva riß die Augen auf, ein fassungsloser Blick. Das kannst du nicht machen. Kannst du mir nicht antun. Auch diese Worte ungesagt. Und Anas kühles Lächeln, ihre Stim me, anzüglich, von oben herab: »Schau, meine Liebe. Schau, wie naß du ihn gemacht hast.« Das von Feuch tigkeit überzogene, glänzende Holz. »Hat dir das ge fallen?« Ihre eigene Stimme. »Ja.« Ein Hauchen, wie von weit her. Das Eingeständnis ihrer Lust: »Ja. Ja.« Eine Stimme, die bettelte. »Soll ich dir einen Mann bringen?« Verführerisch der Tonfall. »Ja.« Wieder nur dieses Wort. »Dann sag es.« Die Lust, hilflos, verzweifelt jetzt, die fremde Gier. Besetzt von dieser Gier: »Bring mir einen Mann.« Sie stieß es hervor. In einer dunklen Ecke ihres Verstan des, den die Lust überwältigt und wie eingeschläfert hatte, formte sich der Gedanke, daß Ana tatsächlich gewonnen, daß sie bekommen hatte, was sie wollte. Die Scham darüber, daß Ana sie dazu gebracht hatte, diesen Satz zu sagen. Aber das reichte Ana nicht. Sie machte weiter: »Und wozu? Du hast vergessen, mir zu sagen, wozu ich dir einen Mann bringen soll.« Unerträgliche Scham. Das Erwachen des Verstandes. »Ach Ana, was soll das denn? Ich habe doch gesagt, was du hören wolltest.« »Ich habe Zeit.« Ana machte Anstalten das Zimmer zu verlassen. »Mir macht es nichts aus zu warten.« Nein. Das durfte nicht sein! Das darfst du nicht ma chen. Geh nicht! Alles. Nur das nicht. Du darfst nicht gehen. Mich nicht allein lassen. Mich nicht mir selbst überlassen. Nicht der Lust, die nicht nachgibt. Die Lust trieb sie weiter: »Bring mir einen Mann.« Die Lust ge wann. Trug den Sieg davon: »Einen Mann, der mich fickt.« Die Worte im Raum. Greifbar. Im selben Mo
ment die Scham. Die die Lust nur forcierte. Den Kör per anstachelte. Diesen Körper, fremd und gierig, der jetzt noch mehr wollte. Ana war stehengeblieben. »Ach.« Hatte sich ihr zuge wandt. »Es geht ja.« Sprach mit Eva wie mit einem Kind: »Wie heißt das Zauberwort?« Egal. Jetzt war alles egal. Keine Scham mehr, keine Empörung. Die Gedanken weggespült von der Lust. »Bitte.« Sie schrie das Wort fast. »Schön.« Ana lächelte. »In Ordnung. Ich werde sehen, was ich für die kleine geile Eva tun kann.« Sie verließ das Zimmer. Eva hörte die Wohnungstür ins Schloß fallen. Es dauerte lange, bis Ana zurückkam. Eine halbe Stunde. Vielleicht eine ganze. Oder zwei. Die Lust hat te Eva erschöpft. Sie war schläfrig geworden. Hörte dennoch die Schritte im Treppenhaus. Anas helles La chen. Die Stimme eines Mannes. Dann waren sie in der Wohnung. In der Küche. Gingen auf und ab. Un terhielten sich. Der Geruch nach Kaffee drang ins Schlafzimmer. Wie spät mochte es sein? Der Wecker, sonst neben dem Bett, war verschwunden. Verschlos sene Vorhänge. Im Zimmer war es heiß. Sie hatte je des Zeitgefühl verloren. Irgendwann, endlich, kehrte Ana zurück. »Unser Gast will inkognito bleiben«, flüsterte sie, legte Eva ein Tuch vor die Augen. »Und er will es von dir hören. Aus deinem Mund.« Sie löste die Handschellen, die Fesseln von Evas Gelenken. »Wenn du möchtest, daß er dich fickt, wirst du ihn gleich brav darum bitten.« Zog sie vom Bett. Schon wollte Eva sich aufrichten. Doch Ana drückte sie auf die Knie: »Nicht doch. Vergiß nicht, daß du einen fremden Herrn um etwas bitten möch test. Dafür solltest du auch die entsprechende Haltung einnehmen.« Sich entfernende Schritte. Stimmen in der Küche, die sich in der Wohnung verloren. Ein Gespräch, das nä
her kam. Worte, die sie nicht verstand. Ana, die sich im Raum befand. Mit ihm. Mit einem Mann. Eva spürte ihn. Spürte seine körperliche Nähe. »Wie du siehst, kann sie sich kaum noch beherr schen.« Leiser, gutmütiger Spott in Anas Stimme. »Sag dem Herrn Guten Tag, Eva.« Unmut regte sich. Was soll das? Sag dem Herrn Guten Tag… Lächerlich war das. Was wollten die beiden von ihr? Fanden sie es nicht selbst albern? Trotzdem die Lust. Nur wenn sie gehorchte, bekam sie, was sie wollte. »Guten Tag.« Leise, kaum hörbar. Die Nähe des Mannes schüchterte sie ein. Die Tatsache, daß sie nicht wußte, wer es war. Kannte sie ihn? Lieber ein Fremder als jemand, den sie schon einmal getroffen, mit dem sie sich unterhalten hatte. Lieber einer, den sie nicht kannte, der sie nie gesehen hatte. Und dem sie nie wieder begegnen würde. Sie hielt den Kopf ge senkt. Was dachte er von ihr? Selbst in dieser Situati on war es ausgeschlossen, den Gedanken abzuschal ten: Was soll jemand, der sie so sieht, von ihr halten? Auf dem Boden kniend. Nackt. Lüstern. Triebhaft. Haltlos vor Erregung. Und obwohl es sie verunsicherte, ihn nicht sehen zu können, nicht zu wissen, wer es war, war sie doch dankbar dafür, ihm nicht in die Au gen blicken zu müssen. »Wartest du schon lang?« Seine Stimme. Eine Stim me, die sie nie zuvor gehört hatte. Das erleichterte sie. Er stand vor ihr, sprach gedämpft. Worte, die sie zu berühren schienen. Ihr Nicken. »Nun Eva, was möchtest du dem Herrn mitteilen?« Anas ungeduldige Stimme. Ihre Verärgerung, als Eva nicht antwortete: »Sollen wir dich wieder allein las sen? Allein mit deiner Geilheit? Bis dir einfällt, was du zu sagen hast?« »Nein.« Ein Flüstern. »Bitte nicht.« »Dann benutz deinen Mund und sprich.« Die Verwirrung war abgeklungen. Auch der Unmut.
Und die Distanz zu dem Geschehen. Ein Gefühl von Weite und Ruhe, das sich in Eva ausbreitete. Trotz der körperlichen Anspannung. Trotz der Erregung. Je mehr Ana sie erniedrigte, je mehr sie Eva nun auch vor dem Fremden kränkte, desto ruhiger wurde Eva. Und in die Ruhe mischte sich Dankbarkeit. Dankbarkeit, daß Ana sie so behandelte. Dankbarkeit für die Erregung, in die jeder ihrer Sätze sie aufs neue und heftigste versetzte. Ruhe aus der Einsicht, daß es nichts nützte, sich zu wehren, weil Ana ihre, Evas, nie eingestandenen Phantasien verwirklichte. Sie spürte, wie sie sich er gab, in die Situation fügte. Wie sie mit sich selbst ü bereinstimmte. Und als sie jetzt sprach, artikulierte sie die Worte bewußt und deutlich: »Ich möchte gefickt werden. Bitte.« Sie sagte den Satz nicht, weil Ana es von ihr verlang te, nicht weil sie von einem anderen oder von der ei genen Gier dazu gezwungen wurde. Sie sagte ihn aus einer tiefen Überzeugung heraus, ganz ruhig und si cher, aus einem Einverständnis mit sich selbst und dem Geschehen. Sie sagte ihn, weil sie es wollte. Sie sagte ihn für sich. Und für Ana. Für Ana, der sie auf diese Weise gehorchte. Der sie auf diese Weise zeigte, daß sie tat, was sie von ihr verlangte. Sie meinte den Satz ernst. Ebenso wie ihre Bitte: ehrlich und demütig. Und als hätte auch er, der Fremde, dies verstanden, war seine Stimme freundlich, als er jetzt mit ihr sprach, sie aufforderte, sich umzudrehen, ihm ihren Hintern entgegenzustrecken. Einen Moment ließ er sie so warten: auf allen Vieren, den Arsch hochgestreckt, die Beine weit gespreizt. Obwohl sie nichts sah, wußte sie, daß die Blicke der beiden auf ihr ruhten. Daß sie sie musterten. Daß sie beobachteten, wie sich die Nässe aus ihrem Geschlecht löste, langsam und zäh zu Boden tropfte. »Und? Was hältst du von ihr?« fragte Ana. Seine Antwort kam unerwartet. Zerschlug das Einver nehmen, in dem Eva sich mit sich selbst befunden
hatte: »Eine richtige kleine Hündin.« Die Äußerung tat weh. Traf Eva mehr als alles bislang Gesagte. Setzte sie noch eine Stufe tiefer herab. Ent rüstete, verletzte sie. Und goß Öl ins Feuer ihrer Lust. Erschreckt zog sie den Hintern zurück. Sofort sein Be fehl. Die Stimme nicht mehr freundlich. Sondern her risch. Knapp: »Streck den Arsch raus!« Und dann sei ne Frage: »Hat dich so noch niemand genannt?« »Nein.« Zaghaft die Antwort. Beschämt. Gekränkt. »Wahrscheinlich hat auch noch keiner dich so gese hen.« Und dann sagte er es noch einmal, immer noch leise, aber schärfer jetzt und abfällig: »Wie eine läufi ge Hündin.« Wie zur Bestätigung fuhr seine Hand über ihre Scham, in ihre nasse Möse. Ein Aufschrei. Keuchen, als sein Schwanz in sie eindrang, tief, fast schmerzhaft, ein erlösender Schmerz. Ein Schmerz, auf den sie gewar tet, den sie ersehnt hatte. Stöße, die sie ausfüllten. Ein Fremder, der Besitz von ihr ergriff. Und über allem ihre Schreie, wild, wie weit entfernt, tierhafte Laute, sie selbst fast besinnungslos, verloren an die Gier, an ihren Körper und seinen Willen. Anschließend führte Ana sie ins Bad. »Dusch dich jetzt«, sagte sie. Das war das letzte, was sie von Ana gehört hatte. Als Eva aus dem Bad kam, war sie verschwunden. Ebenso der Mann. Nichts deutete auf die Ereignisse der ver gangenen Stunden hin. Auch am Sonntag und am Montag, dem Tag ihres Umzugs, tauchte Ana nicht auf. Eva wußte nicht, ob sie Ana je wiedersehen wür de. Was bleibt, ist die Erinnerung. Das Staunen über die eigene Zügellosigkeit. Das Bedürfnis danach, die Er niedrigung, die Ana ihr zugefügt hat, wieder zu erle ben. Was bleibt, ist die Scham: Wenn Ben wüßte. Wenn die anderen ahnten… Und die Dankbarkeit. Weil
Ana ihre tiefsten Bedürfnisse erkannt, geweckt, be friedigt hat. Weil sie eine Saite in ihr zum Klingen ge bracht hat, von der Eva selbst nichts ahnte. Was bleibt, ist die Verwirrung. Und der Versuch zu ver drängen. Zu vergessen. Eva versteht sich selbst nicht. Sie ist verliebt in Ben. Der leise Einwand: Ist sie es wirklich? War sie es überhaupt je? Sie schläft gern mit ihm. Aber da ist Ana… und der vergangene Samstag. Nie hat sie sich selbst intensiver gespürt als in diesen Stunden. Da ist der fremde Mann, den sie darum ge beten hat, sie zu… Sie will das Ende des Satzes nicht denken. Sie schiebt den Gedanken zur Seite. Und dann denkt sie es doch, das Ende dieses Satzes. Denkt es bewußt, fast mutwillig:… den sie darum gebeten hat, sie zu ficken. Sie wiederholt den Satz im Geist. Trotzig: Der Mann, den ich darum gebeten habe, mich zu ficken. Allein der Satz, der Gedanke erregt sie: Ich habe darum gebeten. Gebettelt. Der Gedanke gefällt ihr. Sie wiederholt ihn: Ich habe ihn darum gebeten, mich zu ficken. Warum erregt mich das? Warum ge fällt mir dieser Satz? Sie sieht sich um. In ihrer neuen Wohnung, in der die Gäste jetzt in kleinen Gruppen beieinanderstehen. Was wissen die über mich? fragt sie sich. Die kennen mich nicht. Niemand von denen. Wer bin ich für die? Eva, die täglich zur Arbeit geht. Die tut, was man von ihr erwartet. Sie lacht im stillen. Es ist kein freudiges Lachen. Sie lacht die anderen aus. Eva. Wer ist das? Die Frau, die funktioniert. Plötz lich haßt sie diese Frau: immer beherrscht, kontrol liert. Die Frau, die sich nicht gehenläßt. Die lächelt, wenn sie heulen möchte. Eva. Patent, erfolgreich, glücklich. Der reine Hohn. Sie lacht sich selbst aus. Verspottet das Bild, das sie von sich selbst hat. Fühlt sich einsam. Unverstanden. Wer bin ich eigentlich? fragt sie sich. Eine lästige Frage. Sie denkt an ihre körperliche Reaktion auf die Erniedrigung, die Ana ihr zugefügt hat. Nein, die will sie auch nicht sein: die Frau, die es erregt, hilflos zu sein, herabgesetzt zu
werden. Die erst recht nicht. Vergiß den Abend! Vergiß Ana! Sie trinkt ein Glas Sekt. Und noch eins. Versucht, sich selbst von ihrer guten Laune zu überzeugen. Von der eigenen Ausgelassenheit. Sie lacht mit den ande ren. Trinkt ein weiteres Glas. Entschlossen, mit der Vergangenheit abzuschließen. Sich über ihre neu ge wonnene Freiheit zu freuen. Schließlich hat es in den vergangenen Wochen nichts gegeben, wonach sie sich mehr gesehnt hat. Vergiß Ana! sagt sie sich zum wie derholten Mal. Und ihr Glas ist schon wieder leer. Sie schenkt sich nach. Redet mit den anderen. Will eine von ihnen sein. Aber sie hört nicht zu, wenn die ande ren erzählen. Öffnet die Tür bei jedem Klingeln mit mehr Schwung. Begrüßt jeden Neuankömmling mit wachsender Begeisterung. Zunehmend gekünstelt. Schenkt sich das Glas wieder voll. Lang her, daß jemand gekommen ist, halb elf inzwi schen, es muß Ben sein, der jetzt klingelt. Ben. Oder Ana. Wieder die unbegründete Hoffnung… Ana… Und wenn es wirklich Ana ist – was dann? Was soll sie sa gen? Sie gießt sich den Rest des Glases in den Mund. Längst ist die Luft in der Wohnung rauchgeschwängert Jemand hat die Musik lauter gedreht, die Stimmen sammeln sich zu einem Rauschen. Alle scheinen sich zu amüsieren. Alle, nur sie nicht… Schnell füllt sie ihr Glas nach, öffnet die Tür, strahlt den Besucher an, obwohl ihr längst nicht mehr nach Strahlen zumute ist. Es ist nicht Ben und Ana erst recht nicht, dennoch strahlt sie. Obwohl sie den Mann weder erkennt noch im entferntesten einordnen kann. Und in diesem Mo ment, während sich hinter ihr die Gäste unterhalten, während sie lachen, zunehmend ausgelassen, steht vor ihr ein Fremder in der Tür. Ein Mann, den sie nie zuvor gesehen hat. Sie fühlt sich unendlich allein. Al lein mit ihrer Erinnerung und überfordert von den ei genen Gedanken. So hilflos, daß sie am liebsten wei nen will. Aber sie strahlt weiter, ist wild entschlossen, glücklich zu sein. Oder wenigstens zu scheinen. Und
die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen. »Komm rein. Schön, daß du da bist.« Das Sprechen bereitet ihr Mühe, die Zunge liegt schwer in ihrem Mund, stört sie beim Reden. Wie kommt die Zunge in den Mund? Was macht sie da? Sie stützt sich mit der Hand am Türrahmen ab, schwankt. Der Mann ihr ge genüber rührt sich nicht. »Ich kann bei diesem Lärm nicht arbeiten.« »Wieso auch?« fragt sie. »Hier, trink.« Sie hält ihm das Glas entgegen, das er ignoriert. Irgendwas stimmt nicht, das merkt auch sie. Merkt, daß sie sich unpas send verhält, aber sie ist nicht fähig, die Lage einzu ordnen. Versteht nicht, was passiert. Was der Typ in der Tür von ihr will. Ihr ist schwindelig, und sie ist vollauf damit beschäftigt, sich aufrecht zu halten, nicht umzufallen, muß sich darauf konzentrieren, Halt am Türrahmen zu finden. An einem Türrahmen, der eben falls zu schwanken scheint. »Schön, daß du kommen konntest«, sagt sie wieder einfallslos, den Satz, den sie bereits den ganzen Abend geäußert hat, wiederho lend. »Komm doch rein.« Sie zupft an seinem Ärmel, er schüttelt ihre Hand ab. »Gibt’s ein Problem?« Plötzlich steht Ben neben dem Fremden. »Ben!« Sie drückt ihm statt des Fremden das Glas in die Hand, umarmt ihn überschwenglich. »Endlich! Wo warst du nur? Du hast mir so gefehlt.« Er runzelt die Stirn. »Was ist denn hier los?« fragt er, sieht den Mann an. »Er will nicht reinkommen.« Sie ist jetzt wirklich ge kränkt. »Vielleicht kannst du deiner kleinen Freundin klarma chen, daß ich kein Interesse habe, an ihrer reizenden Feierlichkeit teilzunehmen.« Der Fremde hat sich an Ben gewandt, unternimmt keine Bemühung, seine Gereiztheit zu unterdrücken. Er spricht so kühl über Eva, als sei sie selbst nicht anwesend: »Ich habe zu arbeiten und finde es äußerst ärgerlich, daß sie mich nicht wenigstens zuvor über den Krach, den sie heute
abend zu veranstalten plante, informiert hat.«
»Wollte ich doch…«, protestiert Eva, die allmählich
begreift. Der Nachbar. Doktor Bock. »Wirklich… Ich
habe… « Das Sprechen fällt schwer. Zu schwer.
Ben faßt sie am Arm. »Sei still«, sagt er.
Der neue Nachbar ignoriert das Intermezzo: »Viel leicht könnte deine Freundin« – bei diesem Wort
streift er Eva mit einem kühlen Blick -»wenigstens die
Musik etwas leiser machen.« Er wendet sich bereits
wieder ab, dreht sich ein letztes Mal um: »Solange sie
noch in der Lage dazu ist.«
Dann ist er fort.
»Was meint er denn damit?« fragt Eva.
Aber Ben antwortet nicht. »Du bist ja völlig betrun ken.« Er nimmt ihr auch das Glas, zu dem sie gerade
gegriffen hat, aus der Hand, schließt die Tür, zieht Eva
mit sich fort, geht zur Anlage, um die Musik leiser zu
stellen.
Am nächsten Morgen hat sie Kopfschmerzen.
»Geschieht dir recht«, sagt Ben. »Dein Verhalten ges tern war unmöglich. Ich sollte dich dafür bestrafen.
Denkst du nicht auch?«
Sie sitzt ihm am Tisch gegenüber, streicht Butter auf
ihr Toast. Sie hält in der Bewegung inne, sieht ihn an.
Ihr Atem geht mit einem Mal schwer.
»Wie meinst du das?« fragt sie. Plötzlich ist der ver gangene Samstag wieder präsent. Und Ana. Das war
auch eine Strafe. Sie sehen einander an. Die Stille
wird ihr unerträglich. Eine Situation vor ihrem geisti gen Auge: Ben steht auf, kommt um den Tisch herum.
Als er in ihre Haare packt, fällt das Messer klirrend zu
Boden. Er reißt ihren Kopf nach hinten.
Aber in Wirklichkeit sitzt er ihr noch immer gegenüber,
hat den Blick längst abgewandt, hebt die Tasse an
seinen Mund.
»Wie meinst du das?« fragt sie wieder.
»Was denn?« Er ist ganz unbeteiligt. Offenbar ist er
mit seinen Gedanken schon wieder weit fort. Vielleicht bei seiner Arbeit. Eigentlich wollte sie aufräumen, die verbleibenden Kisten auspacken. Doch nachdem Ben gegangen ist, nimmt sie eine Kopfschmerztablette, legt sich zurück ins Bett. Aber sie kann nicht schlafen. Wieder denkt sie an Ana, die gestern abend nicht gekommen ist. Sie könnte anrufen, ihr ein Treffen vorschlagen. Dann fällt ihr der Fremde ein, der gestern abend plötzlich vor der Tür stand. Sie erinnert sich nur dunkel. Was hat er eigentlich gewollt? Hat er sich beschwert? Sie stöhnt, vergräbt sich noch tiefer unter der Bettdecke, als ihr einfällt, wie sie sich verhalten hat. Das hat sie ja gut hinbekommen! Der Typ muß ihr direkter Nachbar sein. Herr Bock. Gut gemacht, Eva, verhöhnt sie sich im Stillen. Besser hättest du dich nicht einfuhren können. Soll sie hinübergehen? Sich bei ihm entschuldigen? Bei dem Gedanken wird sie rot. Nein, das wird sie nicht tun! Soll er doch denken, was er will. Er selbst war auch nicht besser. Einfach überheblich. Eingebildeter Schnösel. Viel wichtiger ist, wie sie sich Ana gegen über verhalten kann. Ohne lang nachzudenken, greift sie plötzlich zum Telefon, wählt Anas Nummer. Aber als Ana sich meldet, sie ihre Stimme hört, weiß sie nichts zu sagen. »Ich bin’s. Eva.« Das ist alles. Stille. Hat Ana sofort wieder aufgelegt? Ein Schweigen ohne Ende. Dann, endlich, eine Antwort: »Was willst du?« Anas Stimme klingt abweisend. »Ich möchte dich sehen.« Der Satz kommt ganz selbstverständlich über ihre Lippen. »Warum? Über Wochen hattest du kein dringenderes Bedürfnis, als mich nicht zu sehen.« »Aber das ist jetzt doch etwas anderes. Wir leben nicht mehr zusammen. Und…« »Und was?« »Du weißt schon.«
»Nein, tut mir leid.«
»Ana, bitte.«
»Was?« Sie hatte es vergessen: Ana ist nicht Ben. Bei
Ana nützt ihr Bitten nichts. Bei ihr ist sie noch nie auf
diese Weise weitergekommen.
»Ich möchte dich sehen«, wiederholt sie.
»Du sagtest es bereits. Aber du hast meine Frage
nicht beantwortet. Warum, Eva? Warum möchtest du
mich sehen?«
»Ich kann den Samstag nicht vergessen.« Sie spricht
jetzt sehr leise. »Ich muß einfach immerzu daran den ken. Ich möchte dich spüren. Bei dir sein. Dich küs sen.«
»Bist du sicher, daß du mich meinst? Meinst du nicht
vielleicht den Mann, um den du gebettelt hast?« Diese
unberührte Kälte in Anas Stimme. Diese Bosheit ihrer
Äußerung. Eva holt tief Luft. Sie nimmt sich zusam men.
»Nein«, sagt sie, »ich meine dich.«
»Bist du sicher?«
»Ja.« Und, um der Äußerung Nachdruck zu verleihen:
»Ganz sicher.«
»Gut.« Ana überlegt kurz. »Wir machen folgendes«,
sagt sie dann. »Da ich in Zukunft keine Lust habe,
deine Launen über mich ergehen zu lassen, werde ich
dich zunächst in die Ausbildung schicken. Auf diese Art
kannst du mir auch beweisen, daß es dir wirklich ernst
ist. Wenn du dann gut erzogen bist, darfst du mich
besuchen kommen.«
Augenblicklich spürt Eva die Erregung. Sie versteht
nicht, worauf Ana hinauswill, aber sie weiß, daß es
genau das ist, was sie erhofft hat: Ana würde dort
weiter machen, wo sie am Samstag aufgehört haben.
»Hast du mich verstanden?« fragt Ana.
»Ja?« Das ist Frage und Zustimmung in einem.
Bevor Ana auflegt, sagt sie: »Du wirst von mir hören.
Warte einfach auf meine Anweisungen.«
Und Eva wartet.
Ana läßt sie lange warten. Nach einer Woche fragt Eva sich, ob Ana es sich anders überlegt hat. Nach zwei Wochen ist sie fast davon überzeugt. Soll sie noch einmal anrufen? Nein, das hätte keinen Zweck. Ben sieht sie nur selten, er arbeitet viel. Und beide haben nun, da sie sich sehen können, so oft sie wol len, das Interesse aneinander verloren. Treffen sie sich doch, gelingt es Eva nicht, ihre Aufmerksamkeit auf ihn zu richten. Sie ist nicht wirklich anwesend, wenn sie mit ihm redet, nicht einmal, wenn sie mit ihm schläft. Selbst dann sind ihre Gedanken bei Ana. Eines Abends, sie kommt von der Arbeit nach Hause, findet sie einen weißen Umschlag im Briefkasten. Er trägt weder Absender noch Briefmarke. Jemand muß ihn vorbeigebracht haben. Vielleicht eine Nachricht der Hausverwaltung. Noch im Flur öffnet sie den Brief. Es ist ein kurzer Brief. Er ist von Ana. Nur wenige Zeilen. Als sie liest, meint sie, Anas Stimme zu hören: Eva, Du hattest über zwei Wochen Zeit, Dir zu überlegen, ob Du mich wirklich wiedersehen willst. Sollte Deine Antwort auf diese Frage positiv ausfallen, so geh am Mittwoch um 19 Uhr zu Deinem Nachbarn. Klingle bei »Bock«. Ich möchte, daß Du tust, was er von Dir ver langt. Er wird Dir nur Aufgaben stellen, die Du erfüllen kannst. In dem Moment, in dem Du seine Wohnung betrittst, gibst Du Deine Rechte ab und hast nur noch zu gehorchen. Ana Bock. Steht da wirklich dieser Name? Ausgeschlossen. Das kann nicht sein! Sie leidet an Halluzinationen, an Verfolgungswahn. Oder hat sich einfach getäuscht. Bestimmt! Sie muß sich getäuscht haben! Ihr Blick bleibt auf dem Namen haften, und trotzdem zweifelt
sie, unmöglich ist das, sie überfliegt die Zeilen erneut, aber er steht noch immer da: der Name. Bock. Ein deutig. Der Satz: Geh zu Deinem Nachbarn. Bock. Was in aller Welt hat Ana mit diesem Mann zu tun? Und was soll sie selbst, Eva, bei ihm? Klingle bei »Bock«. Woher weiß Ana, daß er ihr Nachbar ist? Und warum will Ana, daß sie zu ihm geht? Wieso gerade zu ihm? Sie denkt an den Abend der Wohnungseinwei hung. Will daran nicht denken. Peinliche Erinnerung. Nein! denkt sie. Keine Chance! Nie im Leben! Alles. Nur das nicht. Damit hat sich die Angelegenheit schon erledigt. Aus. Vorbei. Wenn Ana das zur Vorausset zung für ein Wiedersehen macht… dann eben nicht. Ganz einfach. Ich möchte, daß Du tust, was er von dir verlangt. Fast unmöglich, den Satz abzuschütteln. Sie versucht es trotzdem. Legt den Brief zur Seite. Geht ins Bad, wäscht sich die Hände. Ignoriert auf dem Weg in die Küche den auf der Kommode liegenden Brief. Ignoriert die eigenen Gedanken. Stellt den Backofen an. Holt eine Pizza aus dem Tiefkühlfach und gießt sich ein Glas Wein ein. Das kann nicht sein, sagt sie sich. Setzt sich an den Küchentisch, denkt: Nein, das ma che ich nicht. Auf keinen Fall. Sie überlegt, ob sie Ana anrufen soll. Sie legt sich die Fragen zurecht: Was hast du vor? Was bezweckst du mit diesem Brief? Für Momente erscheint ihr das als die beste Lösung. Die vernünftigste. Sicher gibt es eine einfache Erklärung. Ein Irrtum liegt vor, ein Versehen… Ana muß sich ge täuscht haben. Aber, nein… Unsinn. Der Brief ist un mißverständlich. Er wird Dir nur Aufgaben stellen, die du erfüllen kannst. Völlig eindeutig. Ana meint, was dort steht. Sie würde ärgerlich reagieren, wenn sie einen Anruf von ihr erhielte… Eva schiebt die Pizza in den Ofen, trinkt das Glas aus. Nein, denkt sie wieder, das mache ich nicht. Aber im selben Moment stellt sie sich die Situation vor. Malt sich aus, daß sie dort steht. Vor seiner Tür. Wie vor Wochen. Sie klingelt. Und dann? Er öffnet. Sie betritt seine Wohnung. Ihre
Vorstellungskraft versagt. In dem Moment, in dem Du seine Wohnung betrittst, gibst Du Deine Rechte ab und hast nur noch zu gehorchen. Was bedeutet das? Und wieder die Frage: Woher kennt Ana ihn? Sie steht auf, nimmt den Brief von der Kommode. Nein, auf kei nen Fall! Und dann der Umschwung. Ana… ach, Ana. Ich will dich wiedersehen. Ich tue, was du willst. Selbst das. Ich werde zu ihm gehen. Wenn du es ver langst. Und der Gedanke: Jetzt erst recht. Weil Ana es von ihr fordert. Weil diese Forderung eine körperliche Reaktion in ihre auslöst. Und die Erinnerung an den Tag, an dem sie Ana zum letzten Mal gesehen hat. Sie wird gehen. Morgen abend. Ganz sicher. Sie wird Ana wiedersehen. Wird ihr zeigen, daß sie es wirklich will. Sie wird zu ihrem Nachbarn gehen. Was soll schon passieren? Der Geruch nach angebranntem Essen steigt ihr in die Nase. »Scheiße.« Sie springt auf, läuft in die Küche. Aus dem Ofen dringt Qualm. Der Appetit ist ihr ohnehin vergangen. Die verbrannte Pizza wirft sie in den Müll. Aber am kommenden Abend um 19 Uhr haben Mut und Entschlußkraft sie verlassen. Zweifelnd betrachtet sie den Namen auf dem Klingelschild. Sie wagt nicht, den Knopf zu drücken. Sieht das Klingelschild an. Wie hypnotisiert. Erwartet er sie wirklich? Sie hebt ihre Hand, läßt sie fallen, hebt sie erneut. Dann, wie fern gesteuert, preßt sie den Daumen auf den Knopf, zieht ihn entsetzt zurück, als der schrille Ton der Schelle erklingt. Sie will sich umdrehen und gehen, will die Flucht ergreifen, sich für immer in ihre Wohnung, in die nur wenige Meter hinter ihr liegende Sicherheit zurückziehen. Aber sie steht da. Wie gelähmt. Hofft, daß niemand öffnen wird. Lauscht auf mögliche Ge räusche jenseits der Tür. Dann, tatsächlich: Schritte. Ihr Herz rutscht tiefer, worauf hat sie sich eingelas sen? Noch ist es nicht zu spät, noch kann sie den Rückzug antreten. Aber sie starrt auf die Tür, steht
reglos, der Hase vor der Schlange, denkt sie, immer hin kann sie noch denken, starrt auf die Tür, die sich leise öffnet, den Blick auf ihn freigibt. Auf ihren Nach barn. »Komm rein.« Wenigstens das. Er weiß Bescheid, sie muß nichts er klären. Erleichtert darüber, nichts sagen zu müssen, betritt sie die fremde Wohnung. Dennoch kleinlaut. Die Scham über ihr Verhalten bei ihrer ersten und letzten Begegnung. Diese peinliche Erinnerung. Die Ungewißheit, weil sie nicht ahnt, was auf sie zukom men wird. Was er von ihr erwartet. Und was Ana ihm erzählt hat. Tiefe Stille in der Wohnung. Durch den Flur folgt sie in ein Zimmer. Es ist kühl hier, trotz der draußen herrschenden Hitze. Kühl und geräumig. Fast leer der große Raum, in den er sie führt: ein Sofa, zwei Sessel, einige Regale. Er läßt sich in einem der Sessel nieder. Sie bleibt stehen, unschlüssig. Fragend. Traut kaum, sich zu bewegen. Wartet. Er fordert sie nicht auf, Platz zu nehmen. Läßt sie dort stehen. Mus tert sie. »Ana hat mir gesagt, daß du ein wenig Erziehung nö tig hast, bevor sie bereit ist, dich wiederzusehen.« Dieses Wort. Erziehung. Hat auch Ana dieses Wort benutzt? In ihrem Brief? Das Wort erregt Eva. Obwohl sie es nicht einordnen kann. Nicht in diesem Zusam menhang. Erziehung. Was meinen die beiden damit? Assoziationen, die sie nicht festhalten kann. Bilder vor ihrem inneren Auge, die aufblitzen, sich auflösen, be vor sie sie erkennen kann. Sie starrt ihn an. Nicht nur das Wort erregt sie. Es ist die Situation. Es ist die Un gewißheit. Was will er von ihr? Was hat er vor? Es ist sein Tonfall, sein Blick. Die Stimme… Ruhig. Fest. Wo her kennt sie seine Stimme? Und dann schießen ihr all die Fragen durch den Kopf. Naheliegende, selbstver ständliche Fragen: Woher kennst du Ana? Was hat sie dir von mir erzählt? Was habt ihr besprochen? Aber sie stellt keine dieser Fragen. Sie will die Antworten nicht
hören. Diese Fakten haben ihre Bedeutung verloren. In dem Moment, in dem sie seine Wohnung betreten hat… gibst Du Deine Rechte ab. Und wenn sie die Fra gen stellen, wenn sie Antworten erhalten würde – was dann? Nichts würde sie damit erreichen. Nur das Ge heimnis lüften, den Reiz des Unbekannten und Verbo tenen vertreiben. Also schweigt sie. Wartet darauf, daß er weiterspricht, das Schweigen bricht. Aber er läßt sich Zeit, betrachtet sie noch immer. Dann, end lich, seine Stimme: »Tu einfach, was ich dir sage.« Und dann, nach einer Pause, in unverändertem Tonfall: »Zieh dich aus.« Der Impuls, sich umzudrehen. Zu gehen. Er sitzt da wie zuvor. Unverändert. Sie starrt ihn an. Ein fremder Mann. Woher nimmt er die Unverschämtheit? Wie kann er es wagen, sie so anzusehen? Diese Forderung aufzustellen! Woher nimmt er das Recht? Sie will ge hen, steht wie festgewachsen. Sie denkt an Anas Brief. Ich möchte, daß Du tust, was er von dir ver langt. Weiß Ana, daß er von ihr verlangt, sich auszu ziehen? Will Ana das wirklich? Er wird Dir nur Aufga ben stellen, die du erfüllen kannst. Kann sie das? Sich vor ihm ausziehen? »Weiß Ana davon?« Ihre Stimme klingt belegt. »Ja.« Sie spürt, daß er die Wahrheit sagt. Beginnt, ihr Kleid aufzuknöpfen. Sie weiß nicht, warum sie es tut. Es passiert. Als würde eine Fremde die Knöpfe öffnen. Den Stoff von den Schultern streifen. Ihn festhalten. Unausgesetzt sein Blick auf ihrem Körper. Ein fester Blick, der geduldig Besitz von ihr nimmt. Gleichmütig. Beharrlich. Ein unverschämter, selbstgefälliger Blick, der sie erregt, ihren noch bekleideten Körper abtastet. Sich seiner bereits bemächtigt. Ein Blick, der es nicht eilig hat, der weiß, daß er bekommen wird, was er haben will. Ein Blick, intensiv wie eine Berührung. Sie hat Angst vor diesem Blick. Will vor diesem Blick flie hen. Will ihn zugleich auf ihrer Haut spüren, auf ihrem
nackten Körper. Will sich diesem Blick anbieten. Der sich lockernde Griff ihrer Hand. Lautlos gleitet der leichte Stoff des Kleides über ihre Haut, fällt zu Boden. Sie schlüpft aus den Schuhen. Ihr Körper glüht. Ihr Slip ist feucht geworden. Feucht von dem Blick eines Mannes, der unausgesetzt auf ihrem Körper haftet. Dem nichts zu entgehen scheint. Der mehr sieht als jeder andere vor ihm. Im Raum herrscht Stille. Seine körperliche Gegenwart erregt sie, die Intensität der noch fast unverfänglichen und so harmlos wirkenden Situation. Die Zerrissenheit in ihr: Wem soll sie nach geben? Der Lust? Oder der Scham und dem Verstand? Der Verstand sagt: Zieh dein Kleid wieder an. Sofort. Geh! Ihre Hände hängen schwer neben dem Körper. Sie wartet. Kann sich nicht vor ihm ausziehen. Das weiß sie jetzt. Unmöglich ist das. Nicht, wenn er sie so ansieht. Es geht nicht. Ihr Blick begegnet dem seinen. Sie sieht ihn an, hofft auf eine Antwort. Eine Antwort auf die unausgesprochene Frage: Und jetzt? »Zieh den BH aus«, sagt er. Sie hat darauf gewartet. Er nimmt ihr die Entscheidung ab. Sie öffnet den Ver schluß. Sie sieht zur Seite, als sie das Oberteil ablegt, sieht zu Boden. Will seinen Blick abwehren, ihm den Anblick ihres Körpers, ihrer nackten Brüste verwehren. Sie verkreuzt die Arme vor dem Brustkorb, zieht die Schultern zusammen, umfaßt sie mit den Händen. Hebt den Blick. Scheu. Will nicht, daß er sie so sieht. Er hat sich erhoben, kommt auf sie zu, langsam. Ihr Körper zittert vor Anspannung. Sie kann den Blick nicht abwenden, starrt ihn an. Als ginge von ihm ein Sog aus. Seine Hände schließen sich um ihre Arme, legen sie zur Seite. Die Brustwarzen werden hart, rich ten sich auf unter seinem Blick. »Zieh dich ganz aus.« Sie beugt ihren Oberkörper. Streift den Slip hinunter. Fühlt sich, als hätte kein Mann sie je nackt gesehen. Als sei er der erste. Fühlt sich nackter als je in ihrem Leben. Schutzlos. Preisgegeben. Er geht um sie her
um. Betrachtet sie von hinten. Ihr Atem geht heftiger, die Unruhe ihres Körpers wächst Die Lust. Plötzlich die Berührung seiner Hände von hinten auf ihren Schul tern. Überrascht fährt ihr Körper unter dem unerwar teten Reiz zusammen. Seine Hände sind warm. Eine zugleich vorsichtige und entschiedene Berührung, die sich verstärkt, sie zu Boden drückt. Auf den Boden. Auf Knie und Hände. Diese Stellung. Dieselbe wie vor Wochen. Als der Fremde sie so genannt hat. Hündin. Das Wort verfolgt sie. Dasselbe Ausmaß an Lust wie vor Wochen. Ausgelöst durch ihre Blöße. Durch das Ausgeliefertsein an den eigenen Körper. Durch ihre Haltung. Und dann seine Worte: »Los, beweg dich«, sagt er. »Kriech. Kriech vorwärts.« Wie kann es sein, daß diese Körperhaltung sie erregt? Und wieso diese Worte? Kriech. Was ist los mit ihr? Ich bin doch kein Tier, denkt sie. Sie erinnert sich an den Brief. Der Worte Anas: In dem Moment, in dem Du seine Wohnung betrittst, gibst Du Deine Rechte ab und hast nur noch zu gehorchen. Langsam setzt sie Hände und Knie voreinander. Ich habe meine Rechte abgegeben, denkt sie. Der Gedanke steigert ihre Lust. Und ihre Verwirrung. Sie betrachtet den Boden unter sich, die Maserung der Dielen. Spürt kleine Uneben heiten und winzige Steinchen unter ihren Handflächen, den Knien. Wie ein Tier, denkt sie. Ich bewege mich wie ein Tier. Die Bemerkung des Fremden vor Wo chen. Keinen Augenblick lang hat sie diese Äußerung vergessen. Sie hallt in ihrem Kopf nach. Begleitet sie täglich: wie eine läufige Hündin. Vielleicht stimmt es. Vielleicht ist sie wirklich eine. Sie spürt die Erregung. Die Schwellung ihres Geschlechts, während sie über den harten Boden krabbelt. Die eigene Hitze. Die Näs se. Er hat ja recht. Dieser Gedanke, einmal gefaßt, macht ihr die Haltung leichter. Er hat ja recht, es stimmt. Der Gedanke beruhigt sie. Sie kriecht durch das Zimmer. Auf das Sofa zu. »Setz dich.«
Doch als sie ihre Füße am Boden aufsetzen will, faßt er die Fußgelenke, stellt die Fußflächen ebenfalls aufs Sofa. Winkelt ihre Beine an, drückt die Schenkel weit auseinander. Betrachtet sie. Eine Zeit wie eine Ewig keit. Betrachtet ihren Körper, die feuchte Stelle zwi schen ihren Beinen. Tritt hinter sie. Verbindet ihr die Augen. Bedenken. Zweifel. Eine leise Angst. Was hat er vor? Er steht hinter ihr. Sie spürt ihn. Beruhigt sich. Fühlt sich plötzlich sicher. Weiß nicht, woher sie diese Sicherheit nimmt, tief in sich, die Gewißheit, daß ihr nichts geschehen wird. Daß sie ihm vertrauen kann. Sie gibt die Kontrolle ab. Die Verantwortung. Erleich terung. Fast eine Form von Erlösung. Auch weil sie nicht mehr sehen, seinem Blick nicht mehr begegnen muß. Sie hält sich an den Geräuschen fest, als wären die Laute greifbar. Der geflüsterte Satz: »Ich will dich noch nackter. Noch offener.« Eine Bemerkung, deren Bedeutung sie nicht versteht. Sie hört, wie er sich ent fernt, hört ihn in der Küche hantieren, konzentriert sich auf die Geräusche. Er holt etwas aus dem Schrank. Geht ins Bad. Das Rauschen von Wasser, Gegenstände, die aneinanderschlagen. Dann ist es ruhig. Stille bis auf seine vorsichtigen, sich nähernden Bewegungen. Er steht jetzt dicht bei ihr, faßt in ihre Schamhaare. Sie zuckt zusammen. Erschrocken wie unter einem heftigen Schlag. Noch immer begreift sie nicht. Nur daß er vor ihr sitzt, in Höhe ihrer gespreiz ten Beine. In Höhe ihres Schoßes. Ein leichtes Ziehen an ihren Schamhaaren, an ihrer Haut, das Schnippen einer Schere. Ein feuchtes Tuch, das über ihre Möse fahrt. Sie schreckt auf, schreckt zurück, stöhnt. Was macht er? Warum wäscht er sie? Der Lappen reibt über den Schambereich, über ihr Geschlecht. Sie schreit auf, verwundert, außer sich, das warme Was ser an ihrer Möse, die rauhe Struktur des Lappens, der kurz in sie eindringt, sie abreibt, sie reinigt. Warum? Was hat er vor? Etwas Kühles auf ihrer Haut. Kühl und
beißend. Eine Rasierklinge. Er drückt die Oberschenkel weiter auseinander, spannt die Haut in der Beuge, zieht die Klinge darüber. Langsam und sorgfältig. Prüft die Glätte der rasierten Haut mit seinen Fingerkuppen. Eine sanfte, weiche Berührung, die sie mehr er schreckt als die kühle Schärfe des Messers. Als er fer tig ist, drückt er sie zurück auf Knie und Hände, zieht ihre Pobacken auseinander, rasiert auch die Haut um ihr hinteres Loch. Hilft ihr erneut auf, zurück in die Position, in der sie vorhin minutenlang verharrte. Sie hört ihn fortgehen, folgt ihm mit dem Gehör, aber die Laute verlieren sich in ihrem Kopf wie seine Schrit te in der Wohnung. Zunehmendes Jucken im Scham bereich, ein Brennen, ein Beißen, unangenehm ist das, sie will ihre Hand auf die gereizte Haut legen, sie be sänftigen. Sie möchte die Beine schließen, die Füße auf dem Boden absetzen. Aber sie weiß nicht, ob sie es darf. Bewegt sich nicht. Wartet, bis er zurückkehrt, das Tuch von ihren Augen entfernt. Die Helligkeit des Tageslichtes. Und im selben Moment sieht sie sich selbst, ihr Bild im Spiegel. »Nein.« Sie schüttelt den Kopf, will das nicht sehen. Sie wendet den Kopf ab. Hält die Hand vors Gesicht. Schützend. Abwehrend. Ein großer Spiegel, nur wenige Zentimeter von ihr ent fernt, so groß und nah, daß sie ihren Bauch, das Be cken, ihren Schoß, die gespreizten Beine, ihr rasiertes Geschlecht erkennen kann. »Schau dich an«, sagt er. Sie hebt den Blick nicht, schüttelt den Kopf. »Schau dich genau an.« Der Ton jetzt schneidend. Scheu, zweifelnd gleitet ihr Blick über sein Gesicht. Sein Ausdruck ist hart, ohne Anteilnahme. Wie seine Stimme. Verunsichert richtet sie den Blick zurück zum Spiegel. Auf ihr weit geöffnetes, entblößtes Ge schlecht, die von der frischen Rasur gerötete, bren nende Haut. Nie zuvor hat sie sich so gesehen. So offen. So nackt. Ungläubig starrt sie sich an. Abgesto ßen, fasziniert. Beobachtet die aus ihrem Innern flie
ßende, ihr Geschlecht überziehende Feuchtigkeit: die Perle, das rote Fleisch ihrer Schamlippen. Plötzlich steht er auf. »Zieh dich an.« Nimmt den Spiegel fort. »Es ist Zeit, daß du nach Hause kommst.« Im Flur wartet er, während sie ihr Kleid zuknöpft, die Schuhe anzieht. Sie ist erregt, verstört, versteht nicht, daß das alles gewesen sein soll. »In Zukunft wirst du selbst dafür sorgen, daß du sau ber rasiert bist, wenn du zu mir kommst.« Er öffnet die Tür. »In einer Woche sehen wir uns wieder. Denk daran, dich während der Woche täglich ordentlich zu rasieren.« Erwartungsvoll sieht sie ihn an. Aber die einzige Berührung ist die seiner Hand an ihrem Arm, als er sie ins Treppenhaus schiebt. Leise schließt sich die Tür hinter ihr. Der Blick auf die Uhr. Kaum eine Stunde ist vergangen, seit sie seine Wohnung betreten hat. Die Tage bis zur kommenden Woche vergehen zäh. Bei jedem Gang durchs Treppenhaus rechnet sie da mit, ihn zu treffen. Nichts wünscht sie mehr. Und nichts fürchtet sie mehr. Seine Wohnungstür übt eine magische Anziehungskraft auf sie aus. Wenn sie aus ihrer Wohnung tritt, starrt sie die Tür an, als liege hin ter dieser etwas Geheimnisvolles verborgen. Ihre Lust hat sich verselbständigt. Ihr Körper gehorcht ihr nicht mehr. Sie ist erregt. Morgens, wenn sie erwacht, a bends, wenn sie sich schlafen legt, nachts, wenn sie vor Verlangen keine Ruhe findet. Sie träumt unruhig. Von ihm. Von Ana. Tagsüber im Büro spürt sie die Nacktheit ihres rasierten offenen Geschlechts, die Schutzlosigkeit ihrer Schamlippen. Beim Gehen reiben sie aneinander. Wenn sie die Erregung nicht mehr er tragen kann, drückt sie ihre Perle gegen die Sitzfläche ihres Stuhles. Ihre Gedanken schweifen ab. Sie arbei tet langsam. Macht Fehler. Es kommt vor, daß sie die Lust, die sie während des Arbeitstages überfällt, nicht länger unterdrücken kann. Dann geht sie auf die Toi
lette, befriedigt sich selbst. Sie schämt sich dafür. Doch weder Scham noch Befriedigung halten lange an: Die Erregung kehrt, kaum abgeklungen, zurück. So vergehen die Tage bis zum Mittwoch. Sie fürchtet diesen Abend. Stündlich steigt die Unruhe. Und immer die Gewißheit, daß er nur wenige Schritte von ihr ent fernt ist. So nah. In der gegenüberliegenden Woh nung. Und doch unerreichbar. Der Gedanke, daß nie zuvor jemand sie so nackt gesehen hat wie er. Und daß er dennoch ein Fremder ist. Sie weiß, daß es seine Fremdheit ist, seine Distanz, die sie erregt. Seine Un durchsichtigkeit. Sie überlegt, wie sein Vorname sein mag. Aber sie will ihn nicht wissen. Sie will nicht mehr von ihm wissen als das, was er freiwillig preisgibt. Und das ist nicht viel. Auch am kommenden Mittwoch nicht. An diesem Abend erwartet sie, daß er sie auf fordert, sich zu entkleiden. Wie beim letzten Mal. Doch er fordert sie lediglich auf, ihren Slip auszuziehen. »Setz dich.« Er deutet auf den Sessel. Korrigiert sie sofort. »Nicht so«, sagt er. »Du wirst mir zeigen, wie nackt und offen du unter deinem Rock bist.« Wieder etwas, was sie nicht versteht. Diese Welt, die ihr fremd ist. Forderungen, die sie nicht kennt. Phan tasien, von denen sie nie geträumt hat. Fragend blickt sie ihn an. »Wenn du dich in Zukunft setzt, hebst du deinen Rock hinten so hoch, daß du auf deinem nackten Arsch sitzt«, erklärt er ihr geduldig. »Dann öffnest du deine Beine, schiebst den Stoff des Rockes so weit zurück, daß ich deine nackte Möse sehen kann, wenn du mir gegenüber sitzt.« Sofort die Erregung. Nie hat sie sich vorgestellt, daß jemand so mit ihr redet. Daß jemand dergleichen von ihr verlangt. Und doch ist es genau das, worauf sie gewartet hat. Ihr ganzes Leben lang. Trotzdem sieht sie ihn an, als hoffe sie, ihn umstimmen zu können. »Tu, was ich dir sage, Eva.« Die Sicherheit in seiner
Stimme. Die Gelassenheit und Unnachgiebigkeit. Eine Ruhe, die sich auf Eva überträgt. Sie steht auf, schiebt den Stoff zurück. Sie spürt das Leder des Sessels auf ihrer nackten Haut. Sie findet die Haltung unbequem. Unangenehm. Beschämend. Sie richtet den Oberkör per auf, streckt den Hals. Versucht, ihre Würde zu wahren. Auch unter diesen Umständen. Sie will nicht, daß er dorthin sieht, auf die Stelle zwischen ihren Bei nen, die sie für ihn entblößt hat. Er bietet ihr Wein an, stellt Fragen. Über ihre Arbeit, die Wohnung. Ab und zu gleitet sein Blick auf ihr freigelegtes Geschlecht, als habe er ein Recht dazu. Und sie wagt nicht, ihre Posi tion zu verändern. An diesem Abend berührt er sie kein einziges Mal. Beim Abschied sagt er: »Heute hast du wieder etwas dazugelernt. Wenn du zu mir kommst, hast du nie einen Slip zu tragen. Und du weißt jetzt, wie du dich in meiner Gegenwart zu setzen hast. Ich möchte, daß du meinen Blicken und Händen immer zugänglich bist.« Sie ist ratlos. Beide Male, die sie bei ihm war, hat sie umsonst darauf gewartet, daß er sie berührt, wirklich berührt, daß er in sie eindringt, mit ihr schläft. Sie versteht ihn nicht. Läßt sie ihn kalt? Erregt ihre Ge genwart ihn nicht? Sie denkt an Ana. Ana will, daß er sie erzieht. Schläft er nicht mit ihr, weil Ana es nicht will? Ihr Körper ist aufgewühlt, überreizt. Dazu das Chaos in ihrem Kopf. Unmöglich, Ordnung zu schaffen. Täg lich glaubt sie, keine Minute länger mehr auf den Mitt woch warten zu können. Als würde sie in ihrer Lust ertrinken, wenn sie allein mit sich selbst ist. Und sie hat Angst. Vor den Abenden, die noch folgen werden. Vor sich selbst. Vor dem Zustand, in den schon zwei Treffen mit ihm sie versetzt haben. Vor der Ungewiß heit. Wie lange soll das so weitergehen? Sie weiß nicht, wie lange sie die Kraft dazu haben wird. Sie
wünscht sich, ihm nie begegnet zu sein. Sich nie vor ihm entkleidet zu haben. Sie will frei sein von den Er innerungen. Von den Vorstellungen. Frei sein von ihm. Sie sehnt sich nach Ana. Nach Nähe. Und nach Ver trautheit. Sie wünscht sich, die Eva wiederzufinden, die sie verloren hat in der Getriebenheit ihres Körpers. Aber im nächsten Moment läßt sie ihr körperlicher Auf ruhr diese Gedanken vergessen. Eine Flut von Empfin dungen, Bildern, Sehnsüchten strömt auf sie ein. Sie will bei ihm sein, sich vor ihm ausziehen. Für ihn. Will seinen Blick auf sich spüren. Will sich für ihn öffnen, ihn bitten, daß er, der längst Besitz von ihr ergriffen hat, sie auch physisch nimmt. Vielleicht wäre das die Befreiung. Am kommenden Mittwoch bittet er sie nicht in seine Wohnung. »Wir gehen essen«, sagt er. »Hast du Hunger?« Im Restaurant sprechen sie über die Arbeit, über ihre Herkunft, über Kunst. Über Alltäglichkeiten, Banalitä ten. Sie versteht immer weniger. Wieso ist er mit ihr hierher gekommen? Sie ahnt, daß es einen Grund gibt. Aber welchen? Sie will sich nicht mit ihm unterhalten. Will kein belangloses Gespräch mit ihm führen. Sie will nichts weiter, als von ihm be rührt werden. Mit ihm schlafen. Aber sie stellt keine Fragen. Keine Anforderungen. Teilt ihm ihre Bedürfnis se nicht mit. Sie hat sich in ihre Rolle gefugt. Leidet unter der Ungewißheit und kostet sie aus. Sie muß es sich eingestehen: Sie sucht, will dieses Leid. Längst hat sich die Angelegenheit verselbständigt. Sie hat keinen Einfluß mehr darauf. Das Geschehen ist ihr entglitten. Wie sie sich selbst entglitten ist. Es kommt ihr nicht in den Sinn, daß noch immer sie die Situation beenden kann. Zu sehr steht sie im Bann der Ereignis se. Der Sog ist zu stark. Der Strudel, der sie erfaßt hat. Manchmal kommt es ihr vor, als schlage sie wild mit den Armen um sich. In dem Bemühen, nicht un
terzugehen. Aber es ist ein verzweifelter, ein lächerli cher Versuch. Auch jetzt, im Restaurant, ist sie sich der Nacktheit unter ihrem Kleid bewußt. Sie versucht, sich auf das Gespräch konzentrieren. Ihren Körper zu ignorieren. Doch es gelingt nicht. Immer das Bewußtsein, daß sie unter ihrem Kleid nichts trägt. Daß sie damit einer von ihm aufgestellten Regel folgt. Daß sie es tut, weil er es will. Weil er es verlangt und sie gehorcht. Und daß er weiß, wie sehr es sie erregt. Nach dem Essen kehren sie in seine Wohnung zurück. In dem Moment, in dem er sie auffordert, Platz zu nehmen, und sie sich niederläßt, ist ihr klar, daß sie einen Fehler begeht. Daß sie ein Gebot ignoriert. Sie denkt an die vergangene Woche, an die neue Regel, die er ihr beigebracht hat. Trotzdem streicht sie den Stoff des Rockes glatt. Sie hält die Beine geschlossen, hält sie absichtlich zusammen, als sie sich in den Ses sel setzt. Schlägt ihre Oberschenkel übereinander, wie sie es gewöhnlich tut. Sie tut es bewußt. Fast heraus fordernd. Alles andere erscheint ihr albern. Sie sieht nicht ein, sich lächerlich zu machen. Schließlich ist der Abend bis jetzt gänzlich unspektakulär verlaufen. Ein Abend, an dem man mit einem Bekannten essen geht. Schließlich verhält auch er sich heute so, als sei ihr Verhältnis zueinander alltäglich, unverbindlich. Trotz dem weiß sie es in dem Augenblick, als sie sich setzt. Sie weiß, daß sie gegen die Regel verstößt. Sie weiß, daß er es bemerkt. Sofort. Und daß er nicht darüber hinwegsehen wird. Obschon er keine Reaktion, keinen Unmut zeigt. Er gießt Wein in ein Glas, reicht es ihr, läßt sich ihr gegenüber im Sessel nieder. Er trinkt, sieht sie an, läßt seinen Blick durchs Zimmer wandern, dann zurück zu ihr. Sie wartet mit wachsendem Unbe hagen. Als er spricht, kommen seine Worte leise. Und sehr ruhig. »Du hast letzte Woche eine Regel gelernt, die du heu te nicht befolgt hast.« Keine Mißbilligung in seiner
Stimme. Er konstatiert lediglich. »Schon im Restaurant hast du sie ignoriert…« Eine innere Alarmglocke ertönt. Im Restaurant? Soll sie sich im Restaurant auf ihren nackten Hintern set zen? Mit gespreizten Beinen? »Und nun schon wieder.« Er betrachtet sie, als erwar te er eine Reaktion, eine Erklärung. Oder eine Ent schuldigung. Auch im Restaurant? In meiner Gegenwart, hat er in der vergangenen Woche gesagt. Eine eindeutige An weisung. Ja: auch in der Öffentlichkeit. Sie weiß, daß er recht hat. Im Restaurant. Die Vorstellung, sich im Restaurant auf den nackten Hintern zu setzen, in ei nem öffentlichen Raum, wo auch andere sie sehen können… Sie antwortet nicht. Die Vorstellung läßt sich nicht abstreifen. Sie erregt sie. Die Worte liegen ihr auf der Zunge. Die Entschuldigung: Es tut mir leid. Aber sie spricht sie nicht aus. »Los!« fordert er sie auf. »Setz dich vernünftig hin.« Sein Tonfall hat die freundliche Neutralität verloren. Er ist barsch. Ihr Verstand, ihre Vernunft versagen be reits wieder. Die Lust bemächtigt sich ihrer. Mit ihr die Verwirrung. Das Chaos der Gedanken, die im Hirn leerlaufen. Auch die Grobheit seines Tons erregt sie. Die Tatsache, daß er ihr, indem er so mit ihr spricht, einen Platz zuweist. Sie erhebt sich mechanisch, schiebt den Rock zurück, spreizt die Beine, als sie sich wieder setzt. »Weiter!« Sein Tonfall ist noch immer scharf. Doch statt zu warten, schiebt er selbst ihre Beine auseinan der. Die grobe Berührung versetzt ihr einen Stich. Dies hier ist schlimmer, als nackt vor ihm zu knien. Wenn sie kniet und sich in der Lust vergißt, ist sie eine ande re. Wird sie zur Hündin. Sie hat oft daran gedacht in den letzten Wochen. An dieses Wort: Hündin. An die ses Tier, das in ihr steckt. Aber jetzt ist sie noch im mer Eva, sitzt ihm gegenüber, aufrecht, bekleidet. Sie ist nicht die andere, diese tierhafte, hemmungslose
Frau, weggespült von der eigenen Lust. Noch vorhin haben sie eine Unterhaltung geführt, ein Gespräch zwischen zwei gleichberechtigten Menschen. In der Öffentlichkeit. Und selbst in einer solchen Situation soll sie… Selbst unter solchen Umständen verlangt er von ihr, daß sie diese entwürdigende Position ein nimmt, damit sie sich ständig ihrer eigenen Schutzlo sigkeit und Offenheit bewußt ist. Und ihrer Pflicht, ihm zu gehorchen. Ihrer Unfreiheit. Selbst wenn sie sich geistig austauschen, will er, daß sie ihre Körperlichkeit nie vergißt. Daß sie niemals ihre Lüsternheit, für einen kurzen Moment nur, beiseite schiebt. »Ich sollte dir den Arsch grün und blau schlagen, da mit du die ganze Woche an diese kleine Anweisung denken wirst.« Er sieht sie prüfend an. »Aber wir wer den etwas anderes machen.« Er erhebt sich. »Etwas, was dir helfen wird, die kleine Lektion nicht noch ein mal zu vergessen.« Er geht voran in den Flur. »Komm«, sagt er. Sie folgt ihm. Ratlos. Besorgt. Ängstlich angesichts seiner schlechten Laune. Angesichts der Tatsache, daß sie nicht die geringste Ahnung hat, wohin er sie führt. Und warum. Die Situation schüchtert sie ein. Die Luft draußen ist noch immer lau, trotz der fortgeschritte nen Stunde. Er führt sie zu einer U-Bahn-Station, wo sie schweigend im Stehen warten. Die einfahrende Bahn wirbelt Staub und heiße Luft auf. Evas Kleid flat tert im Wind, der Rock hebt sich, sie fühlt den Luftstoß an ihrer feuchten Perle, den Schamlippen. Mit beiden Händen drückt sie den Stoff nach unten, preßt ihn ge gen ihre Beine. Als wolle sie sich zur Ordnung rufen. In der Bahn schlägt ihnen die verbrauchte, stehende Luft eines heißen Sommertages voller Menschen ent gegen. Er scheint es nicht zu bemerken, geht ent schlossen vorwärts. So schnell, daß sie Mühe hat, Schritt zu halten. Dann bleibt er unvermittelt stehen, deutet mit dem Kopf auf einen Platz. »Setz dich«, sagt er.
Und in diesem Augenblick begreift sie. Es ist ein Platz an der Längsseite des Wagens. Auf der anderen Seite, genau auf dem gegenüberliegenden Platz, sitzt je mand, sieht interessiert zu ihnen hoch. Ein unschein barer Mann. Mitte Dreißig. Schütteres Haar. Anzug. Wahrscheinlich kommt er verspätet aus dem Büro. Mit unverhohlener Neugierde betrachtet er Eva. Mustert sie eingehend bis zur Taktlosigkeit. Unter seinem Blick fühlt sie sich nackt. Auch er, dieser Fremde, nimmt ihre Lust wahr. Sie weiß es. Sie entnimmt es seinem Blick. Er spürt ihre Gier, die von ihr ausgehende sexu elle Spannung. Vielleicht riecht er sogar ihre Erregung. Plötzlich ist jede Hemmung ausgeschaltet, alle Ver nunft, jede Vorsicht über Bord geworfen. Eva hebt den Rock, nimmt Platz, sieh her, schau mich an, wie gefallt dir, was du siehst? Sie ist wie im Rausch, öffnet ihre Beine, schiebt den Stoff zurück. Richtet den Oberkör per auf, legt den Kopf leicht in den Nacken. Sie prä sentiert sich dem Fremden, verspürt eine merkwürdige Euphorie; auch eine Spur Hochmut macht diese aus. Der Fremde richtet seinen Blick zwischen ihre Beine. Betrachtet ihr entblößtes, erregtes Geschlecht. Ihre intimste Stelle. Überrascht und fasziniert blickt er zwi schen ihre Beine. Ist erregt von diesem Anblick. Starrt sie an. Ungläubig. Ein Rauschgefühl: die aus ihrer Ohnmacht, der Demut und dem Gehorsam entstande ne Macht. Stolz auf die Wirkung ihres Körpers. Sie fordert ihn heraus mit ihrer Nacktheit. Stellt sich ihm zur Schau. Neben sie setzt sich der, der das von ihr erwartet hat. Zieht unauffällig und vorsichtig den Stoff ein wenig höher. Eine Geste, die Eva in die Realität zurückstößt. Der Rausch läßt nach. Scham überfällt sie. Mit dieser das übermächtige Bedürfnis die Beine zu schließen. Die Stimme der Vernunft. Der Erziehung. Sie will das alles nicht. Will die eigene Gier vergessen. Will aufstehen. Fortlaufen. Keinen der beiden Männer je wiedersehen. Der Fremde schaut auf, für einen Moment treffen sich ihre Blicke. In ihren Kopf drän
gendes Blut, ein Pochen in den Schläfen, das Rau schen in ihren Ohren. Sie friert trotz der Hitze. Kalter Schweiß hat sich aus ihren Achseln gelöst, läuft ihre Flanken hinab. Sein Blick liegt wieder auf ihrer Möse. »Steh auf. Wir steigen aus.« Sie wird hochgezogen, die jähe Rückkehr in die Realität. Ruckelnd hält die Bahn an. Wie lange die Fahrt gedauert hat, weiß sie nicht. Für den Rückweg nehmen sie ein Taxi. An diesem Abend teilt er ihr im Flur eine Aufgabe mit, die sie bis zum nächsten Treffen erledigen soll: Er be auftragt sie damit, einen Analdildo zu kaufen und eine Kette, die sie an ihren Schamlippen befestigen kann. Sie ist müde, erschöpft von den Ereignissen des A bends, sie hat keine Kraft mehr, will ins Bett, aber nun sieht sie ihn entgeistert an. Von solchen Dingen hat sie noch nie gehört. Was will er von ihr? Erwartet er, daß sie in einen Laden geht? Soll sie so etwas kaufen? Und wenn ja, wo? Im Kaufhaus? Im Sexshop? Aber es ist egal. Sie wird es nicht tun. Sie verweigert die Vor stellung, daß sie tatsächlich so etwas besorgen kann. Bis jetzt hat sich das Spiel auf die Stunden be schränkt, die sie mit ihm zusammen verbracht hat. Nun soll sie allein… Nein. Sie braucht gar nicht darüber nachzudenken. Es steht fest: Nein. Doch er spricht weiter, erklärt ihr, um was für Gegenstände es sich handelt. »Wenn du am kommenden Mittwoch zu mir kommst, wirst du die Kette an deinen Schamlippen tragen und den Dildo in deinem Arsch.« »Aber wo bekomme ich…?« Sie beendet die Frage nicht. Sie sieht nicht ein, sich damit auseinanderzuset zen. »Darum mußt du dich selbst kümmern«, sagt er. »Und wenn…« Sie unterbricht sich selbst. Sie will fra gen, was passieren wird, wenn sie es nicht tun kann, will sagen, daß sie es nicht tun wird. Entschieden. A ber sie sagt: »Ich kann das nicht.« Und das klingt al
les andere als entschlossen. Es klingt verzagt. Und
fast ein wenig flehend.
»Doch.« Er nickt bedächtig. »Du wirst es können.«
Mehrere Tage vergehen, an denen sie den Gedanken
an die Aufgabe zur Seite schiebt. Am Sonntag wird ihr
bewußt, daß nur drei Tage bleiben. Sie gerät in Panik.
Blättert in den Gelben Seiten, in der Stadtillustrierten.
Sie findet einen Laden, der Artikel der gewünschten
Art anzubieten scheint. Er liegt an einer ruhigen Ecke,
einige Minuten jenseits der Hauptverkehrsstraße.
Am Montag nach der Arbeit betritt sie ihn. Mit Erleich terung sieht sie eine Frau hinter der Verkaufstheke
stehen. Jung, unauffällig. An einer Wand betrachtet
ein Kunde Gegenstände, von denen sie nichts wissen,
die sie nicht kennen will. Eva ignoriert ihn, ignoriert
die Artikel, die Ausstattung des Geschäfts. Ihre ganze
Aufmerksamkeit gilt sich selbst und dem Bemühen,
Schritt vor Schritt zu setzen, selbstbewußt zu wirken.
Nur am Rande nimmt sie unbewußt die den Laden be herrschende Sterilität wahr: schwarzes Leder, Gummi,
Metall. Sie geht auf die hinter der Verkaufstheke ste hende Frau zu, dämpft ihre Stimme, bemüht sich,
dennoch deutlich und selbstsicher zu sprechen.
Schwer fallen ihre Sätze in die Stille des Ladens, als
sie die seit Tagen stumm in ihrem Kopf wiederholten
Wörter artikuliert. Wörter, die sie nicht sagen will. Erst
recht nicht einer Unbekannten. Schon gar nicht, wenn
ein fremder Mann zuhört.
Doch sie spricht die Wörter aus: Analdildo. Eine Kette,
die man an die Schamlippen hängen kann.
Sie gibt sich Mühe, so zu tun, als kaufe sie dergleichen
täglich. Der Mann hat aufgesehen, blickt zu ihr hin über, noch immer ignoriert sie ihn, folgt der Frau, die
ihr Dildos verschiedener Größe zeigt, die Unterschiede
der Klammern erklärt. Sie wundert sich nicht über
Evas Wünsche, spricht unberührt, neutral. Als sei es
die selbstverständlichste Angelegenheit der Welt. Aber Eva hört nicht zu. Sie starrt auf die Gegenstände, kaum eines der Worte der Frau dringt wirklich zu ihr vor. Sie nickt. »Ja«, sagt sie wiederholt. »Ja ja.« Zu nehmend ungeduldig. So genau will sie das alles nicht wissen. Sie will nur irgendwas haben. Egal was. So schnell wie möglich. Ihre Aufgabe erledigen. Und dann raus. Nichts wie hier weg. Sie unterbricht die Frau: »Das nehme ich.« Zahlt eilig, verläßt den Laden. Dreht sich nicht um, geht schnell, aber nicht zu schnell, kei ner soll ihr ansehen, woher sie kommt, gelangt zu der belebten Straße, mischt sich unter die Passanten. Sie ist eine von ihnen, will sein wie sie, nichts weiter, un bemerkt sein, auf einer Straße, auf der niemand sie beachtet. Zwei Abende später klingelt sie zur gewohnten Zeit bei ihm. Das Gewicht der Kette zieht ihre Schamlippen hinunter. Sie spürt die Demütigung darüber, so im Treppenhaus zu stehen. Auf ihn zu warten. Oben fällt eine Tür ins Schloß, Schritte nähern sich. Die Frau aus der Wohnung über ihr sieht sie prüfend an, als sie vorbeikommt, grüßt flüchtig. Taxiert die Frau sie ein gehend? Wissend? Oder bildet sie es sich nur ein? Je öfter sie die Wohnung, vor der sie nun wieder steht, betreten hat, desto schutzloser fühlt sie sich. Als müs se für jedermann sichtbar sein, was in ihr vorgeht. Ständig kreisen ihre Gedanken um die bereits in dieser Wohnung verbrachten Stunden. Und um die Abende, die sie zukünftig dort erleben wird. Mehrmals täglich holt die Lust sie ein, streichelt sie sich bis zum Höhe punkt. Auf der Straße, wenn sie Passanten, Fremden, Bekannten in die Augen blickt, auch im Büro, im Ge spräch mit Kollegen, fühlt sie sich wie ein offenes Buch. Als könne jeder in ihr lesen. Sie weiß, daß die anderen sie auf eine neue Weise begutachten. Als ahnten sie ihre geheimsten Gedanken längst. Sie spü ren die auf den Ausbruch lauernde körperliche Erre
gung. Als übertrage sich ihre sexuelle Spannung auf jeden, der sie wirklich ansieht. Als sie die Wohnung betritt, merkt sie sofort, daß er gekocht hat. Es riecht nach frischen Gewürzen, nach Fleisch und Knoblauch. Er selbst wirkt anders als sonst, erhitzt, ungeduldig. Wie jemand, der mitten in einer Tätigkeit unterbrochen wird. Zum ersten Mal führt er sie in die Küche. Bittet sie, Platz zu nehmen. Eine höfliche Aufforderung, eine zuvorkommende Ges te. Als wäre nichts weiter zwischen ihnen. Als wäre sie irgendeine Bekannte. Seine unverbindliche Höflichkeit, die er auch einer Fremden gegenüber an den Tag le gen würde, verunsichert sie. Wenn er sie so behan delt, ist sie sich ihrer nur unter einem dünnen Schleier von Konventionen und mühsam bewahrter Fassung verborgenen Lust noch bewußter. Dann wiegt die Tat sache, daß die Klammern der Kette in ihre Schamlip pen beißen, noch schwerer. Und dann weiß sie noch weniger, wie sie selbst sich verhalten soll. Doch sie hat hinzugelernt. Hebt den Rock, öffnet die Beine, als sie sich setzt, präsentiert sich ihm, der dies kaum wahrzunehmen scheint. Nur ein kurzer, gleichgültiger Blick, um sich ihres Gehorsams zu versichern. Der Tisch ist bereits gedeckt, und während er noch auf das im Ofen garende Fleisch wartet, schenkt er Wein ein. Setzt sich ihr gegenüber an den Tisch, fragt nach den Ereignissen der vergangenen Woche. Er spricht mit ihr wie mit einer Nachbarin, die zum Essen gekommen ist. Sie sieht sich in der Küche um, versucht sich einzulas sen auf die ungewohnte Situation, auf die Unterhal tung. Bloß nicht überlegen! Nicht über die Absurdität der Situation nachdenken. Erst recht nicht über die Position, in der sie auf dem Stuhl sitzt. Aber es ist unmöglich. Sie wartet, daß etwas passiert. Das hier kann nicht alles sein. Dafür ist sie nicht gekommen: für ein Gespräch über den Wein, den vergangenen Urlaub, eine neu eröffnete Ausstellung. Der Druck auf
ihre Schamlippen wird stärker. Der beißende Schmerz, die gespreizten Beine, der nackte Po auf der Sitzflä che. Ihre erniedrigende Haltung: Ihn scheint das alles nicht zu interessieren. Nichts anzugehen. Er redet, schmeckt das Essen ab, holt Servietten aus dem Schrank, stellt Fragen. Noch einmal, nachdem er das Essen aufgetan, Wein nachgeschenkt hat, unmittelbar bevor er sich selbst wieder setzt, gleitet sein Blick ü ber die Stelle zwischen ihren Beinen. So kurz nur, daß ein Unbeteiligter es nicht wahrnehmen würde. Ihre Fähigkeit, sich auf das Gespräch zu konzentrieren, läßt nach: Der wachsende Schmerz an den Schamlippen, das Beißen der Klammern in ihre Haut fordern ihre Aufmerksamkeit. Das Essen ist gut, aber sie ißt ohne Genuß, und zum ersten Mal verspürt sie Wut auf ihn. Wirkliche ehrliche Wut, die sich mit jedem seiner be langlosen Worte steigert. Mit jedem Bissen, den er kaut. Mit jedem Schluck, den er von seinem Glas nimmt. Wie kann er so tun, als hätten sie sich zu einer nichtssagenden Plauderei über Gott und die Welt ge troffen? Ahnt er nicht, daß sie Schmerzen hat? Natür lich ahnt er es. Natürlich weiß er es. Und er läßt es zu. Läßt es geschehen. Absichtlich. Er will es. Welchen Sinn hätte es also, ihn daran zu erinnern, daß diese Unterhaltung nicht der Zweck ihres Besuches sein kann? Ihn darauf aufmerksam zu machen, daß er ihr in der vergangenen Woche eine Aufgabe gestellt hat, daß sie nun unter Schmerzen leidet? Sie braucht es ihm nicht zu sagen. Er weiß es. Nur einmal, mitten im Gespräch, sagt er plötzlich: »Mach nicht so ein Gesicht.« Und als sie ihn fragend ansieht, die Stirn gerunzelt, verärgert – was in aller Welt macht sie denn für ein Gesicht? – fügt er hinzu: »Ich möchte dir ansehen, daß du mir gern gehorchst.« »Aber es tut weh«, sagt sie. Es klingt trotzig und kin disch, keine Spur mehr von der Wut, nur noch hilfloser lächerlicher Protest, für den sie sich im selben Moment schämt wie für das Jammern in ihrem Tonfall. Er ü
berhört es. Tut einfach so, als hätte sie nichts gesagt. Kehrt zurück zu dem Thema, über das sie zuvor ge sprochen haben. Auch ihre Wut kehrt wieder. Wächst. Staut sich an. Sie bemüht sich nicht, den Unwillen zu unterdrücken. Gibt knappe Antworten, verschließt sich zunehmend, preßt ihre Lippen aufeinander, weicht seinem Blick aus. Soll er doch merken, wie zornig sie ist. Wie sehr sie leidet. Aber er ignoriert ihr Verhalten, ihre offensichtliche Verstimmung. Erst im Zimmer ne benan, beim Kaffee, als sie schon kaum mehr damit gerechnet hat, ändert sich seine Stimme. Wird leiser, wie um auf ihre Aufmerksamkeit zu drängen. Er fordert sie auf, sich in die Mitte des Raumes zu stel len. Sich auszuziehen. Wie am ersten Abend. Im Ste hen schmerzen die Klammern an den Schamlippen stärker als im Sitzen. Bei jeder noch so kleinen Bewe gung erhöht sich der Zug. Sie wünscht sich die Befrei ung von diesem Schmerz. Legt langsam ihr Kleid ab. Vorsichtig. Vermeidet jede unnötige Bewegung, die die Kette in Schwingung versetzen könnte. Steht vor ihm, nackt jetzt. Die Kette baumelt zwischen ihren Beinen. »Komm her«, sagt er. Dieser Tonfall… Leise, gutmütig. In dem milden Wohlwollen schwingt die Demütigung mit. Sie geht unbeholfen, sorgsam darauf bedacht, die Kette nicht zu sehr in Bewegung zu setzen. Sie beißt die Zähne zusammen. Beißt auf ihre Zunge. Auf ihre Lippen. Tut sich selbst weh, um sich von den stärke ren Schmerzen an ihrem Geschlecht abzulenken. »Jetzt zeig mir deine Möse.« Er spricht zu ihr wie zu einem kleinen Mädchen. Und genauso fühlt sie sich: abhängig von seinem Lob, von seiner Nachsicht, von seinen Launen. Dankbar für seine Freundlichkeit. Und sie weiß, daß diese umschlagen kann. Umschlagen wird. Spätestens wenn… »Zeig dich mir ganz«, sagt er, »öffne dich, schieb dein Becken vor.« Er nickt zu frieden. »Zieh deine Schamlippen auseinander.« Der Schmerz hat die Lust unterdrückt, sie ausgeschaltet. Doch als er jetzt mit einem Finger über die weiche,
glattrasierte Haut fährt, zuckt sie zusammen. »Schön hast du das gemacht. Hast deine Aufgabe brav erle digt. Du hast schon einiges gelernt.« Dankbar für die ses Lob spürt sie die sich steigernde Erregung. Und irgendwo, schon fast verdrängt durch die wachsende Lust, lauert eine bange Befürchtung. Bald muß er es merken. Noch ist er zufrieden. Wie lange? Wie wird er reagieren, wenn er merkt, daß…? »Dreh dich um«, sagt er. Noch immer freundlich. »Streck deinen Arsch raus.« Seine sanfte Stimme. Jetzt. Jetzt muß er es sehen. Und schon im nächsten Augenblick spürt sie ein Brennen auf ihrem Hintern, als seine Handfläche mit einem kräftigen Schlag dort niedersaust Sie schreit auf, legt ihre Hand an die hef tig hin- und herschwingende Kette. »Wieso hast du deine Aufgabe nicht erledigt?« Die Freundlichkeit ist aus der Stimme gewichen. Er zieht ihren Oberkörper hoch, greift nach der zwischen den Beinen baumelnden Kette. Macht einige Schritte vor wärts. An der Kette führt er sie durch den Raum, zieht sie hinter sich her. Sie muß ihm folgen, muß Schritt mit ihm halten, wenn sie den Schmerz, den sich erhö henden Zug an ihren Schamlippen in Grenzen halten will. Sie stolpert fast. Er beschleunigt sein Tempo. Nimmt keine Rücksicht darauf, daß die Kette sie beim Gehen behindert. Daß es schmerzt. Schonungslos zieht er daran, zerrt sie vorwärts – »Los, beweg dich!« –, sieht ihr kurz in die Augen, sieht, daß sie den Trä nen nahe ist. Auch das ist ihm gleichgültig. Ihr Schmerz, ihre Scham, die Wut und Verletztheit lassen ihn kalt. Er bleibt stehen, für den Bruchteil einer Se kunde registriert sie, daß er einen Stock in der Hand hält, dann drückt er sie zu Boden, auf alle Viere. »Streck den Arsch raus!« sagt er wieder. Seine Ver stimmung und Strenge erschrecken sie. Sie gehorcht sofort, streckt ihm ihren Hintern entgegen, wartet auf den Schlag. Doch sie hat nicht mit dem Ausmaß des Schmerzes gerechnet: sengend und scharf. Durch
dringend wie ein Schnitt. Ein entsetzter Schrei aus ihrem Mund. Der nächste Hieb mit dem Stock, härter und unnachgiebiger als der erste, ein Schmerz, der ihre Tränen befreit. Sie schmeckt das Salz. Schluchzt. Weint. Ein Schmerz so stark, als hätte der Hieb eine offene Wunde zugefügt. Als müsse an der Stelle, an der der Stock sie getroffen hat, das Blut austreten. Wieder schlägt er zu. Auf dieselbe Stelle. Ihr Oberkör per bäumt sich auf, will den Schmerz abfangen. Die plötzliche Gebärde setzt die Kette in Schwingung, die Klammern zwischen ihren Beinen schneiden in das Fleisch, pendelnd sucht die Kette die Mitte. Das Ge wicht wird schwerer mit jeder Sekunde. Ihr Schluch zen lauter. Geht über in krampfhaftes Keuchen. End gültig hat sie ihre Beherrschung verloren. Sie weint, heult, die Tränen tropfen zu Boden. Sie schreit. Nach jedem Hieb die Angst vor dem nächsten. Die Hoff nung, er möge aufhören. Immer wieder ein neuer Schmerz. Ein brennender Schmerz, den sie kaum or ten kann. Keine Zeit, sich von dem Schmerz zu erho len. Schon trifft sie der nächste Schlag. Die kürzer werdenden Pausen zwischen den Hieben. Wenn sie zusammenzuckt, ausweichen will, gerät die Kette in Bewegung, verstärkt sich das Stechen und Zerren an ihren Schamlippen. Durch ihren Mund entlädt sich der immer neue, angstvoll erwartete Schmerz in Schreien, Stöhnen, Keuchen. »Warum hast du deine Aufgabe nicht erledigt?« Er legt den Stock beiseite. »Wieso trägst du nicht den Dildo in deinem Arsch, wie ich es dir aufgetragen habe?« »Ich wollte ja, aber…« Der Satz erstirbt in Schluch zern, dann lassen auch diese nach, gehen über in lei ses Weinen. »Aber was?« fragt er. »Ich konnte es nicht.« Sie weint jetzt still, will sich ihm verständlich machen, will, daß er begreift. »Ich habe es versucht… wirklich… Aber es ging nicht.« Sie will sein Mitleid. Vor allem das: Teilnahme, Nachsicht.
Aber die bekommt sie nicht. Er erwidert nichts. Zieht heftig ihre Hinterbacken aus einander. Stößt etwas in ihren Arsch. Mit kleinen, ra schen Bewegungen. Stößt tiefer und langsamer. Noch immer heftig. Mit der zunehmenden Dehnung wächst der Schmerz. Je weiter das Gummi Besitz von ihr er greift. Dann ein letzter, glühender Schmerz. So tief, daß sie auf Knien fliehen will. Er greift in ihre Haare, hält sie am Schopf fest, stößt mit der anderen Hand den Dildo in sie hinein. Ein Schmerz, als würde sie innerlich auseinandergerissen. Ein Schrei aus Angst, Unwissenheit und Qual, als die breiteste Stelle des Dildos ihr Loch passiert. »Steh auf«, sagt er. »Zieh dich an.« Sie zittert, als sie sich erhebt. Spürt den Fremdkörper in sich, der ihr hinteres Loch weitet. Bebt unter dem allmählich ver ebbenden Schmerz, der ein fremdes erregendes Ge fühl des Ausgefülltseins hinterläßt. Und vorne, an ih ren Schamlippen, das nagende Kneifen der Klammern. Als sie die Wohnung verlassen, dämmert es. Milde Abendluft nach einem heißen Sommertag. Ihr Körper hat sich beruhigt, das Zittern nachgelassen. Sie ver sucht, den Schmerz zwischen ihren Beinen, in ihrem Hintern zu ignorieren. Konzentriert sich darauf, einen Gang herauszufinden, bei dem die Kette sie so wenig wie möglich behindert. So wenig wie möglich peinigt. Noch vorhin hat sie geglaubt, vor Schmerz nie wieder Erregung verspüren zu können. Jetzt steht neben dem Schmerz die Lust. Die körperliche Reaktion auf den Druck in ihrem Hintern, auf das Gefühl der Dehnung. Die Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen hat die Haut an den Oberschenkeln erreicht. Den Blicken der Leute, denen sie begegnen, weicht sie aus. Sie spürt sie. Sie weiß, daß sie nichts verbergen kann. Nicht die Lust, die in ihr tobt. Nicht die Zugänglichkeit ihres Körpers, ihres Geschlechts. Diese Zugänglichkeit und Offenheit, die sich nicht nur aus ihrer Nacktheit speisen. Sondern
aus ihrer Bereitschaft. Aus dem rein physischen Be dürfnis, genommen zu werden. Gefickt zu werden. Aus ihrer Geilheit. Wohin sie gehen, weiß sie nicht. Und sie fragt nicht. Sie hat sich daran gewöhnt, keine Fragen zu stellen. Auf dem Weg sprechen sie kaum. Nur einmal sagt er: »Das passiert, wenn du nicht gehorchst. Wenn du die Aufgaben, die du gestellt bekommst, nicht erledigst.« Es tut weh. Auch dieser Satz. Sie vermag nicht zu sa gen, was am meisten schmerzt. Ihre Schamlippen, an denen die Kette hängt. Der Dildo, der ihren Hintern weitet. Die Haut, auf die er eingeschlagen hat. Das Brennen bei jedem Schritt. Oder die Beleidigung. Die Wunden im Kopf, die er ihr zugefügt hat. Zum ersten Mal denkt sie, daß sie ihn nie wiedersehen will. Sie will nach Hause. Will allein sein. Oder bei Ana. Der Schmerz, die Ungewißheit, die Anspannung der ver gangenen Wochen haben sie erschöpft. Sie sehnt sich nach Ruhe. Nach jemandem, der ihr nicht nur Befehle gibt und sie bestraft. Sie sehnt sich nach einer Umar mung, nach Zärtlichkeit. Auf den Weg achtet sie nicht. Er geht schnell. Auch das macht sie wütend. Daß er keine Rücksicht darauf nimmt, wie sehr sie beim Ge hen durch die Kette behindert, durch den Schmerz beeinträchtigt wird. Sie ist zornig und traurig. Sie fühlt sich einsam. Und obwohl sie nicht weiß, was sie er wartet, ist sie erleichtert, als er vor einer Tür ste henbleibt und klingelt. Sie ist froh, daß sie nicht wei tergehen muß. Daß sie am Ziel ihres Weges ange kommen sind. Von oben dringen durch eine geöffnete Tür Stimmen in den Hausflur. Musik, Gelächter. In der Wohnung, die sie betreten, stehen in kleinen Gruppen Leute bei einander, unterhalten sich, sehen auf, als sie eintre ten, wenden sich wieder ihrem Gespräch zu. Er grüßt einen der Männer, geht auf ihn zu. »Warte hier«, sagt er, läßt sie an der Schwelle zu einem der Zimmer ste hen. Sie beobachtet ihn, während er mit dem Fremden
spricht, beobachtet seine Haltung, seine Gesten, nie zuvor hat sie ihn in einer vergleichbaren Situation er lebt: im Gespräch mit jemand anderem. Dann kommt er zurück. »Zieh dich aus.« Diese Unangreifbarkeit, mit der er den Satz äußert. Eine Selbstverständlich keit, die keine Diskussionen zuläßt, keinen Einwand erlaubt. Aber in ihrem Kopf schlägt es Alarm. »Hier?« Der In stinkt: Nein. Weglaufen, sich in Sicherheit bringen. Sich retten. Sie stellt sich vor, wie sie sich auszieht. Wie die Blicke der anderen sich auf sie richten. Sie stellt sich vor, wie sie hier steht. Nackt, ausgeliefert. Sie sagt nichts mehr. Hofft, daß die Situation vorüber geht. Wie ein Traum. Wenn sie nur lang genug wartet, wird er vorbei sein. Sie wird aufwachen. Zu Hause liegen. In ihrem Bett. Aber die Situation bleibt. »Zieh dich aus«, sagt er wieder. Die Eva, die sie vor wenigen Wochen war, hätte sich umgedreht. Spätestens jetzt. Die heutige Eva schwankt. Schwankt noch, als sie schon weiß, daß sie es tun wird. Weil er es will. Weil er es fordert. Weil die Lust es verlangt. Die Lust macht fast alles möglich. Eva sieht ihn an. Sein Blick ist fest. Läßt sie die Anwe senden vergessen, setzt die Welt mit ihren Konventio nen außer Kraft. Seine Stimme ist Gesetz. An seinem Blick hält sie sich fest. Sie gehorcht. Als sie ihr Kleid über den Kopf gezogen hat, schaut sie zu Boden. Aus Angst, den Blicken der Gäste zu begegnen. Für Mo mente steht sie so, den Kopf gesenkt. Nackt inmitten Bekleideter. Eine Kette zwischen ihren Beinen. Die Gespräche sind verstummt. Ohne aufzusehen, weiß sie, daß die anderen sie anstarren. Und er hat Erbar men mit ihr. Legt ihr ein Tuch vor die Augen. Das Dunkel schützt sie. Er greift ihren Arm, führt sie ins Zimmer. Fordert sie auf, ihre Beine zu spreizen, die Hände auf den Rücken zu legen. Wie lange sie dort steht, weiß sie nicht. Niemand scheint sie zu beachten. Dann, plötzlich, eine Hand
zwischen ihren Beinen. »Klatschnaß«, konstatiert eine Männerstimme. Ein Unbekannter. Er sagt es genüßlich, läßt sich das Wort auf der Zunge zergehen. Seine Hand fährt über ihre Möse. Sie unterdrückt den Schrei, preßt sich der fremden Hand entgegen. Fast verzwei felt. Endlich jemand, der sie beachtet. Sich um sie kümmert. Jemand, der sie berührt. »Klatschnaß, die Kleine«, wiederholt er. Es klingt abfällig und ungläu big. Als überrasche ihn ihre Lüsternheit. Der Tonfall erhöht ihre Erregung. Die Lust überflutet sie. Sie will mehr. Egal von wem. Gleich, wer sie nimmt. Wenn nur einer kommt, sie erlöst. Sie befriedigt. Doch dann ist die Hand fort. Wieder bleibt sie allein. Allein mit ihrer Lust. Ausgeliefert an ihren Körper. Plötzlich eine Stimme dicht an ihrem Ohr. »Macht sie Fortschritte?« So dicht, daß sie den Atem auf ihrer Haut spürt. Eine Frauenstimme. Eine Stimme, die sie sehr gut kennt. Ana… »Im Grunde ist sie lernfähig. Manchmal etwas bo ckig.« Sie stehen direkt neben ihr. Ana und er. »Hallo Eva.« Anas Hand an ihrer Wange. »Warst du schön artig?« Ihr Mund auf Evas Lippen. »Hast du immer brav gehorcht?« »Ja…« Ein Wort wie ein Flehen. Eva nickt. Unter dem Tuch treten ihr die Tränen aus den Augen. Vor Erleich terung. Vor Freude. »Nein.« Sie schüttelt den Kopf. Ana. Vor Glück. Sie schluchzt. »Ich weiß nicht…« Ein Teil der Anspannung der letzten Wochen fallt von ihr ab. Der Rest ihrer Beherrschung bröckelt. Ihr Körper wird von Schluchzern geschüttelt. Ana! Sie hat ihr ge fehlt. Die Vertrautheit, die sie mit ihr teilt. Die Sicher heit, die Ana für sie bedeutet. Die Hoffnung, sich end lich fallen lassen zu können. »Na, wollen wir sie mal davon erlösen.« Anas vertrau te helle Stimme. Ein heftiger Schmerz durchfährt sie, als die Klammern an den Schamlippen geöffnet wer den. Sie schreit, weint. Keucht. Sie lacht. Nimmt die Hände von ihrem Rücken, sucht Ana damit, greift nach
ihr, muß sich vergewissern, daß sie wirklich da ist. Ana darf nicht wieder fortgehen, muß bleiben. Sie zittert, kreuzt die Arme vor ihrer Brust, umarmt, hält sich selbst. Als wolle sie sich beruhigen, während das Wei nen sie schüttelt. Während die Erleichterung über die Befreiung von dem Schmerz sich in ihr ausbreitet. Ana legt ihre Arme um sie, beschwichtigt sie. »Ist ja gut«, flüstert sie, »ich bin bei dir.« Und dann, genauso sanft: »Knie dich hin.« Kein Moment des Zögerns. Der Gehorsam fällt leicht. Als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan, geht Eva auf die Knie. Streckt unaufgefordert ihren Hintern heraus, weiß, daß Ana das erwartet. Ana, die ihren Hintern auseinanderzieht. Ein plötzlicher Handgriff, die Verstärkung der Dehnung, ein Schrei, sie fährt auf, stemmt sich gegen den Schmerz, gegen den an schwellenden Druck. Dann die Erleichterung, als der Dildo aus ihrem Hintern dringt. Das Nachlassen der Anspannung, des Bebens, ein Gefühl von Befreiung. Erschöpfung. »Du hast einiges gelernt in den letzten Wochen.« Ana steht neben ihr, streicht ihr mit der Hand durchs Haar. »Vor allem hast du Demut und Gehorsam gelernt.« Sie schweigt einen Augenblick. »Ist das richtig?« fragt sie. »Hast du das wirklich gelernt?« Und Eva nickt. »Ja«, sagt sie, und sie meint, was sie sagt. »Arme kleine Eva.« Ana öffnet den Knoten des Tuches an Evas Hinterkopf. »Du hattest einen anstrengenden Abend heute.« Dann sehen sie sich an. Ana hockt vor ihr, behutsam fährt ihr Finger unter Evas Augen ent lang, dort, wo die Tränen die Wimperntusche aufge weicht und einen schwärzlichen Film auf der Haut hin terlassen haben. »Hast du Durst?« fragt Ana, und als Eva dankbar nickt, erhebt sie sich. »Warte hier, ich hole dir etwas zu trinken.« Kurz darauf kehrt sie zurück, hält eine kleine Schüssel
in der Hand, stellt sie vor Eva auf den Boden. »Hier«, sagt sie, »trink.« Eva sieht fragend zu ihr auf, dann auf die Schüssel mit dem Wasser. »Wie…?« setzt sie an. Schüttelt den Kopf. »Bitte nicht.«
»Was hast du gelernt, Eva?« fragt Ana. »Demut und Gehorsam?«
»Ja, aber…« Wieder schüttelt Eva den Kopf. »Nicht so. Das kann ich nicht.« Das will ich nicht. Nein. Wieso verlangst du das von mir?
»Warum nicht?« Ana wirkt überrascht. »Du bist doch eine Hündin.« Sie sieht auf Eva herab.
Sprich nicht so mit mir. Warum tust du das? Hör auf.
Bitte hör auf. »Du kniest wie eine Hündin. Du gehst
auf allen Vieren wie eine Hündin, du bist läufig wie
eine Hündin. Also solltest du auch trinken wie eine.«
Nenn mich nicht so. Nie wieder. Warum tust du mir
das an? In diesem Moment ist all das gegenwärtig,
was er, ihr Nachbar, ihr angetan hat. Jede Geste, die
sie gekränkt, jeder Blick, der sie herabgesetzt hat. Sie
denkt an jede Bemerkung, die sie demütigen sollte. An
jede Beleidigung, die er ihr zugefügt hat. Jede seiner
Kränkungen ist präsent, jeder Schmerz, den er ihr
beigebracht hat, und jeder Schlag. Aber das war etwas
anderes. Das hier ist kein Spiel mehr. Es ist bitterer
Ernst. Nie im Leben wird sie das tun. Verlang von mir,
was du willst. Alles. Nur das nicht.
»Ich kann das nicht.« Sie sagt es wieder, obwohl sie
längst weiß, daß Ana nicht nachgeben wird. Und ob wohl sie weiß, daß sie gehorchen wird. Aber noch im mer hält sie sich fest an diesem Satz: Ich kann nicht.
Ich kann es einfach nicht.
»Doch, Eva. Du kannst es.« Anas Sicherheit. Ana
spürt, daß sie gehorchen wird. Sie ist überzeugt da von, daß sie es kann. Und langsam senkt Eva ihren
Kopf. Sie senkt ihre Lippen, führt sie ans Wasser. Sie
öffnet den Mund. Die Zunge berührt das Wasser. Sie
trinkt.
An diesem Abend bringt Ana sie nach Hause. Anas
Zunge, ihre Hände erlösen sie. Der Fall in die Lust. Der
Rausch der Lust. Und danach, endlich: Ruhe. Und über
allem die Erniedrigung der vergangenen Stunden. Un auslöschbar in ihr Hirn gebrannt. Die Hilflosigkeit ob
der Demütigung hallt in ihr wider. Die körperliche Re aktion darauf. Scham. Und Dankbarkeit. Sie ist ganz
weich. Sie hat aufgehört, sich zu wehren. Gegen sich
selbst. Gegen Ana. Ganze Mauern sind zusammen gebrochen. Der Panzer aus Angst, Schutz, Kontrolle ist
eingestürzt. Sein Fehlen macht sie verletzlich. Angreif bar. Sie muß sich nicht mehr beweisen. Nicht sich
selbst und keinem anderen.
Ana streichelt sie in den Schlaf, bevor sie geht. An
ihren Nachbarn denkt Eva keine Sekunde. Und zum
ersten Mal seit vielen Nächten schläft sie ruhig und
traumlos.
Am nächsten Morgen kommen Eva beim Verlassen der Wohnung von gegenüber fremde Männer entgegen. Fassungslos beobachtet sie einen Mann ächzend über einander gestapelte Kartons aus der Wohnung ihres Nachbarn schleppen. Dem nächsten versperrt sie den Weg. »Wo ist Herr Bock?« fragt sie.
»Nicht hier.« Eine kurz angebundene Antwort. Hilflos starrt sie den Mann an, der sich an ihr vorbeidrängen will.
»Hey, Platz da.« Ein anderer, den Kühlschrank auf dem Rücken, stößt sie unsanft zur Seite.
»Wo ist Herr Bock?«
»Keine Ahnung.«
»Zieht er aus?«
»Sieht so aus, junge Frau.«
»Aber das kann er doch nicht machen!«
Schweigen. Nur ein Blick, als sei sie übergeschnappt. Eva bemerkt es nicht. »Ja… Aber wohin zieht er denn?«
»Das fragen Sie ihn am besten selbst.«
Statt ins Büro läuft sie zurück in die Wohnung, wählt
Anas Nummer. »Ich muß dich sprechen. Können wir
uns sehen?«
»In Ordnung.«
»Am besten sofort.«
Ana sieht verschlafen aus, als sie ins Cafe kommt. Sie
blinzelt gegen das helle Morgenlicht, die Haare sind
feucht von der Dusche. Müde, die Augen leicht gerö tet, die Haare naß, sieht sie unglaublich sexy aus. Bloß
nicht drauf achten! Sich nicht von dem Sex, den sie
ausstrahlt, ablenken lassen. Ana lächelt. Es ist ein sie gesgewisses, gelöstes Lächeln. Ein Lächeln, das Eva
irritiert. Sie versucht, es zu ignorieren.
»Doktor Bock zieht aus«, sagt sie statt einer Begrü ßung. Sie sagt es vorwurfsvoll. Als hätte sie Anspruch
auf eine Erklärung.
»Ich weiß.« Will Ana sie mit ihrer Ruhe provozieren?
Eva gibt sich Mühe, geduldig zu bleiben, beugt sich
vor, stützt ihre Ellenbogen auf.
»Was hat das alles zu bedeuten?«
»Wir brauchen ihn nicht mehr.«
»Was soll das heißen?«
»Du wirst ihn vergessen. So schnell, wie du Ben ver gessen hast.«
Eva saugt Luft ein. Hörbar. Ana und ihre Unver schämtheiten… Geht das schon wieder los? »Hör mal«,
setzt sie an, aber Ana läßt sich nicht unterbrechen.
»Ich wollte es dir beweisen. Wollte dir beweisen, wie
schnell du Bens überdrüssig werden würdest. Und du
bist seiner doch überdrüssig geworden. Oder?« Sie
rührt Zucker in ihren Kaffee, sieht Eva von unten her auf an.
»Gut, du hast recht. Er ist… Er ist…«
Eva macht eine wegwerfende Geste.
»… ein Langweiler?« Ana lächelt zufrieden.
»Das tut nichts zur Sache. Laß Ben aus dem Spiel.
Was hat er mit dem Ganzen zu tun? Es geht nicht um Ben…« »Doch! Ben. Doktor Bock. Völlig gleichgültig. Du bist so einfach, Eva. Und so wankelmütig. Du wirst ihn vergessen. Genauso schnell wie Ben.« »Aber was ich mit ihm erlebt habe, mit Doktor Bock, das ist doch etwas ganz anderes…« »Ich weiß.« Ana nickt. »Aber du solltest immer daran denken, daß ich es war, die dich zu ihm geführt hat. Ich wollte, daß du das erlebst. Ich wollte, daß du ihn triffst. Und daß du etwas lernst. Du solltest daran den ken, daß er dich für mich erzogen hat.« Erzogen. Wieder dieses Wort. Auf das ihr Körper rea giert. In Evas Kopf dreht es sich. Ben, der sie nicht mehr interessiert. Ana, die sich das alles ausgedacht hat. Dr. Bock, der Anas Vorstellungen in die Tat um gesetzt hat. Sein Auszug. Er ist fort. Wir brauchen ihn nicht mehr. Die Erinnerungen an die letzten Wochen. An die vergangene Nacht. Die neue Seite, die sie in sich entdeckt hat. Eine beängstigende Seite. Und eine, die sie nicht mehr missen will. Plötzlich sind wieder die Fragen da. Die Fragen vom Anfang. »Woher kennst du Herrn Bock eigentlich? Was hast du ihm von mir erzählt?« Aber Ana schüttelt den Kopf. »Du brauchst nicht alles zu wissen, Eva. Es geht dich nichts an.« »Doch!« antwortet Eva trotzig. »Ich habe ein Recht darauf, zu erfahren, wo…« »Sei still. Es reicht jetzt.« Da ist etwas in Anas Ton. Etwas, was Eva an gestern abend erinnert: Du kniest wie eine Hündin. Und es soll sie daran erinnern. Auch Ana ist sich dessen bewußt. Auch Ana hat den Abend nicht vergessen: Du bewegst dich auf allen Vieren wie eine Hündin. Plötzlich ist die Lust wieder da. Ausgelöst nur durch den Ton. Durch die Zurechtweisung. Durch die Erinnerung. »Es ist nur… Weißt du, Ana – ich hätte zumindest ein mal gern mit ihm geschlafen.«
»Hast du doch.«
Eva schüttelt den Kopf. »Nein. Nie.«
Ana sieht sie ungläubig an. »Erinnerst du dich denn
nicht an den letzten Tag in meiner Wohnung? An das
Wochenende vor dem Umzug?«
»Doch, natürlich. Und…?« Plötzlich begreift Eva. Seine
Stimme. Die Stimme ihres Nachbarn. »Der Mann…«
»… den ich dir besorgt habe. Das war Doktor Bock. Ich
hatte gedacht, daß du das wüßtest.«
Eva schüttelt den Kopf, starrt in ihren Kaffee. »Wie
geht es denn jetzt weiter?« fragt sie.
»Ganz einfach.« Ana hebt ihre Tasche auf den Schoß,
holt etwas hervor. Steht auf, stellt sich hinter Eva. Sie
legt ihr eine lederne Fessel um den Hals, verschließt
sie. Im Vorbeigehen wirft die Kellnerin ihnen einen
langen Blick zu. Ana setzt sich wieder, betrachtet Eva.
»Es steht dir sehr gut«, sagt sie.
Eva spürt das Leder um ihren Hals. Spürt einen leich ten, angenehmen Druck. Sie holt tief Luft, bemüht, die
Erregung zurückzuhalten.
»Bist du dazu bereit?« fragt Ana.
Eva antwortet, ohne zu zögern. Nie im Leben war sie
sich einer Sache so sicher: »Ja.«
DEINE RÜCKKEHR DAS FLUGZEUG HAT VERSPÄTUNG. Es sollte um 22 Uhr lan den, inzwischen ist es fast elf. Inmitten zunehmend ungeduldig Wartender stehe ich am Flughafen, und als ich dich plötzlich hinter einem der nun vermehrt aus der Tür strömenden Fluggäste treten sehe, bin ich erstaunt. Wie so oft. Es ist deine Unscheinbarkeit, die mich immer wieder aufs neue überrascht. In Momen ten wie diesen, wenn ich dich aus einer gewissen Ent fernung sehe, wenn ich versuche, dich mit den Augen einer Fremden zu sehen, überrascht mich diese Un aufdringlichkeit deiner Erscheinung, um die ich eigent lich weiß. Ich mag sie. Dir haftet etwas Dezentes, Be hutsames an, das mir gefällt. Es erregt mich. Manch mal, wenn ich dir beim Essen am Tisch gegenüber sitze, wenn ich nur dein Gesicht, deine gestikulieren den Hände sehe, wenn ich dir beim Sprechen zusehe (denn das kommt vor: daß ich mich ganz darauf kon zentriere, dir dabei zuzusehen, so daß ich das Zuhören vergesse), steigt die Lust in mir auf, völlig unvermit telt und unerwartet. Ich bin mir sicher, daß du nicht ahnst, welche Wirkung deine reine Anwesenheit zu weilen auf mich hat. Im Auto sitzt du auf dem Beifahrersitz und erzählst mir von deinem Aufenthalt in Wien, von Gesprächen, die du geführt, von Leuten, die du getroffen hast. Ich bemühe mich, dir zuzuhören, aber es fällt mir schwer. Ich kann an nichts anderes mehr denken als daran, mit dir zu schlafen. Ich stelle mir vor, wie du mich aufforderst, mich auszuziehen, wie du mich beobach test, während ich Stück für Stück meiner Kleidung ablege. Ich stelle mir vor, wie ich mit gespreizten Bei nen vor dir stehe, wie du meine Erregung betrachtest, entspannt im Sofa zurückgelehnt. Ich stelle mir vor,
wie wir Spazierengehen, in einem Park, wie du mich plötzlich gegen einen Baum drückst, deine Finger un ter meinen Rock wandern läßt, mein geschwollenes Geschlecht findest Ich stöhne leise auf, und für einen Moment unter brichst du deine Erzählung über die Reise, siehst über rascht zur Seite, schaust mich an. Aber du denkst, daß du dich verhört, dir mein Stöhnen eingebildet haben mußt, blickst also erneut nach vorn, durch die Windschutzscheibe, nimmst den Gesprächs faden wieder auf, knüpfst da an, wo du nur einen Au genblick zuvor ausgesetzt hast. Ich verstehe selbst nicht, warum, aber auch diese Tatsache erregt mich: Daß du weitersprichst, ohne zu bemerken, was in mir und mit meinem Körper vor sich geht, ohne zu bemer ken, wie sehr ich mir wünsche, dich anzufassen und von dir berührt zu werden. Es ist eine Tatsache: Du kannst dir nicht vorstellen, wie leicht erregbar ich bin und in welchen Zustand mich deine Nähe versetzt. Als wir bei dir ankommen, bringst du deine Reiseta sche ins Schlafzimmer, gehst dann ins Bad, während ich erst unschlüssig, ungeduldig stehenbleibe, später durch die Räume wandere, beginnend bei der Küche, durch das Wohn- ins Schlafzimmer und zurück. In dem Moment, in dem ich wieder im Flur stehe, öffnet sich die Badezimmertür, kommst du mir entgegen. »Gehen wir ein Glas Wein trinken«, schlägst du vor. Ich schüttele den Kopf, runzle die Stirn. Nein, das ist nicht das, was mir vorschwebt. »Wieso denn nicht? Bist du müde?« fragst du verwun dert. »Nein.« Ich trete näher an dich heran, umarme dich, lege meine Lippen auf deine Schulter, presse mein Becken gegen deins, öffne leicht meine Beine, drücke meinen Schoß gegen dich, reibe meine Möse durch den Stoff unserer Kleidung an deinem Bein.
»Ach so«, sagst du leise. »Du bist erregt.« Ich nicke, vergrabe meinen Kopf tiefer an deiner Schulter, ich stöhne, während ich mich weiter an dei nem Bein reibe, dein Schwanz hart wird. »Hast du lange warten müssen?« fragst du. Und gibst dir gleich selbst die Antwort: »Über eine Woche lang.« Diesmal nicke ich nicht, reibe nur weiter meine Möse an deinem Oberschenkel. »Wie hast du denn die Tage überstanden, an denen ich nicht da war?« fragst du. »Hast du es dir selbst gemacht?« Deine Stimme ist noch immer ganz leise, trügerisch sanft, aber ich weiß, daß der Ton mich in die Irre führen, mich dazu bringen soll, dir die Wahr heit zu sagen. Diesmal nicke ich. Ich nicke, weil es stimmt. Und ich nicke, weil ich weiß, was nun passieren wird. Und weil ich will, daß es passiert. »Wie oft hast du es dir denn heute schon gemacht?« fragst du. »Ich weiß nicht… Zweimal… vielleicht… oder dreimal.« Auch meine Stimme ist leise. Ich möchte nicht laut reden, wenn ich so etwas sage. Und ich flüstere, um die Erregung in meiner Stimme zu unterdrücken. »Und wann hast du es dir zum letzten Mal gemacht?« Deine Hände sind unter meinen Rock geglitten, unter dem ich nackt bin, sie liegen jetzt auf meinem bloßen Hintern, fassen in die Backen, ein fester Griff, dann spüre ich einen Finger an meiner Möse. »Hm?« fragst du in verführerischen Ton. »Wann hast du deine kleine gierige Fotze zum letzten Mal gestreichelt?« Der Fin ger gleitet mühelos in die nasse Öffnung. »Vorhin.« Ich stoße das Wort unter Stöhnen hervor. Mühsam beherrscht versuche ich, einen Satz hervor zubringen: »Bevor ich gefahren bin, um dich zu ho len.« Meine Stimme ist kaum noch ein Flüstern. »Hatte ich dir das erlaubt?« fragst du in unveränder tem Tonfall. Während ein zweiter Finger in meine Mö se eindringt, ziehst du meinen Kopf an den Haaren
nach hinten, so daß wir einander in die Augen sehen. »Hatte ich dir das erlaubt?« fragst du wieder. »Nein.« Ich wende den Blick ab, senke die Lider. »Sieh mich an, wenn ich mit dir rede.« Ich schaue auf, dein Blick ist jetzt streng. Schärfe liegt in deinem Ton. »Was hatte ich dir gesagt?« willst du wissen. Ich möchte die Lider niederschlagen, aber ich wage es nicht. Also sehe ich dir in die Augen, während ich spreche. »Daß ich es mir nicht selbst machen soll, während du weg bist.« »Aha«, sagst du. »Kann es sein, daß ich es dir verbo ten habe?« Ich antworte nicht, ich stöhne auf, als du deine Finger plötzlich tief in mich stößt. Ich schließe die Augen, um sie sofort wieder zu öffnen, denn du hast mir nicht erlaubt, den Blick abzuwenden. »Habe ich dir verboten, deine Möse zu streicheln?« fragst du, und der Griff in meinen Haaren wird fester. »Ja.« Denn beim Abschied hast du gesagt, daß ich mich in der Zeit deiner Abwesenheit nicht selbst be friedigen solle. »Du wirst schön warten«, hast du ge sagt. Und diese Äußerung hat mich so erregt, daß ich es erst recht tun mußte. Und daß ich jedes Mal, wenn ich gegen dieses Verbot verstieß, daran dachte. Dann habe ich mir vorgestellt, wie du mich dafür bestrafen wirst. Mit einem Ruck läßt du meine Haare los. »Geh ins Bad«, sagst du, »zieh dich dort aus. Komm dann nackt auf allen Vieren ins Wohnzimmer. Ich warte dort auf dich.« Mit diesen Worten wendest du dich ab. Im Bad ziehe ich mich langsam aus. Sehr langsam. Ich will den Moment hinauszögern, in dem ich mich hinun ter auf die Knie begeben und mich vorwärts bewegen muß. Aber irgendwann ist es so weit. Leise trete ich aus dem Bad, gehe vorsichtig zu Boden, krieche zö gernd in Richtung Wohnzimmer, nähere mich dir stückweise, halte dann an. »Was denkst du?« fragst du, und jetzt ist deine Stim
me wieder freundlich. »Welche Strafe hältst du für deinen Ungehorsam für angemessen?« Ich bin mir nicht sicher, ob du eine Antwort von mir erwartest, also bleibe ich stumm. »Ich halte es für angebracht, dich ein wenig zappeln zu lassen«, fährst du ruhig fort. »Schließlich bist du ja heute schon dreimal gekommen.« Du machst eine kurze Pause, dann erhebst du dich, drückst mit dei nem Fuß meinen Kopf auf den Boden und meine Ober schenkel weit auseinander. Du verläßt das Zimmer, öffnest in der Küche den Kühlschrank, eine Flasche Wein, gießt etwas in ein Glas. »Dreimal. Stimmt das?« fragst du, als du zurückkehrst. »Bist du wirklich nur dreimal gekommen?« »Ich weiß nicht«, sage ich. Und ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht bin ich öfters gekommen, wahrschein lich sogar, aber ich kann mich nicht daran erinnern, nicht jetzt, jetzt will ich befriedigt werden, sofort, ich kann nicht mehr warten, ich will nicht, es geht nicht mehr. »Bitte«, sage ich. »Bitte.« »Was denn?« Deine Stimme klingt höflich. Aber unbe teiligt. »Schlaf mit mir«, sage ich. »Schlag mich. Bestraf mich. Aber schlaf mit mir.« Und dann noch einmal: »Bitte.« »Du hast mich offenbar nicht ganz verstanden«, erwi derst du ruhig. »Wenn du deine Geilheit selbst nicht in den Griff bekommst, werde ich eben dafür sorgen, daß du ein wenig Zurückhaltung lernst.« Das ist alles. Dann sagst du nichts mehr. Läßt mich auf dem Boden knien. Ignorierst mich. Offenbar wer den wir heute abend nicht mehr ausgehen. Du scheinst mich vergessen zu haben, hast dich längst wieder auf dem Sofa niedergelassen, die Zeitung ge griffen, die du ab und zu umblätterst. Plötzlich legst du sie zur Seite, faßt unvermittelt an meine nasse Möse. »Macht es dich geil, so auf dem Boden zu knien?«
fragst du freundlich. »Ja.« Es erregt mich, wenn du so mit mir sprichst und wenn ich dir eingestehe, welch große Lust mir die Er niedrigung bereitet, die du mir dann zufügst. Du ziehst meinen Kopf an den Haaren hoch, so daß sich mein Oberkörper aufrichtet, öffnest deine Hose und schiebst mir deinen steifen Schwanz in den Mund. Du fickst mich in den Mund, bis es dir kommt. »Du wirst noch ein wenig warten müssen«, stellst du dann wie nebenbei fest. Ich schlafe schlecht in dieser Nacht, denn du hast meine Arme mit Handschellen auf dem Rücken befes tigt, um zu verhindern, daß ich mich selbst streichele. Zwei- oder dreimal sucht mein Körper deinen, will sich an dich pressen, sucht meine Möse deinen Schenkel, um Befriedigung zu finden, doch du schiebst mich ent schieden zur Seite. In den Stunden, in denen ich wach liege, kann ich an nichts anderes denken als an meine wachsende Erregung und daran, wie ich mich von ihr erlösen kann. Aber zwischendurch muß ich doch ein geschlafen sein, denn das Klingeln des Weckers reißt mich aus dem Traum. Du streichelst mich, streichelst meine Brüste, und so fort ist die Lust wieder da. »Findest du, daß du jetzt lang genug gewartet hast?« fragst du. Und deine Stimme klingt so warm, so freundlich und liebevoll, daß ich sicher bin, daß auch du dieser Meinung bist. »Ja«, antworte ich, und dann löst du die Handschellen, ich öffne meine Beine, meine Möse, biete mich dir an, erwarte, daß du jetzt deinen Schwanz in mich stößt. Doch statt dessen rollst du dich auf die Seite und stützt deinen Kopf in die Hand. »Steh auf«, forderst du mich auf. »Stell dich da hin.« Leicht deutest du mit dem Kopf auf die Stelle vor dem Bett. »Spreiz deine Beine und leg die Arme hinter den Rücken.« Bis jetzt habe ich alles getan, was du wolltest. »Und jetzt krei se mit den Hüften. Beweg sie.« Aber das tue ich nicht.
Ich bleibe einfach reglos stehen. »Beweg sie«, wiederholst du, und vorsichtig beginne ich, mit den Hüften zu kreisen. Aber es reicht dir nicht. »Stärker«, sagst du. »Ich will dir ansehen, was für ein geiles Luder du bist.« Allmählich werden meine Bewe gungen größer, während du mich ansiehst, mein Ge sicht, dann wandert dein Blick über meine Brüste, den Bauch, haftet sich auf meine Möse. »Du darfst deine Arme jetzt vom Rücken nehmen und dich anfassen.« Ich sehe dich an und verstehe nicht. Halte in der Be wegung inne. »Faß dich an«, sagst du. Das kann nicht dein Ernst sein. Ich denke, daß ich mich verhört habe. Ich hoffe, daß ich mich verhört habe. Du siehst mir meine Ratlo sigkeit an. Du siehst, wie sehr mich deine Aufforde rung verstört. »Ich möchte, daß du es dir selbst machst«, sagst du, und jetzt kann ich nicht mehr hof fen, mich verhört oder dich mißverstanden zu haben. Es ist eindeutig. »Ich will sehen, wie du dich strei chelst, bis es dir kommt.« Ich schüttele den Kopf. »Bitte«, sage ich sehr leise. »Bitte nicht. Ich kann das nicht. Ich habe noch nie vor jemandem…« »Los!« unterbrichst du mich. »Du bist es doch ge wöhnt, es dir selbst zu machen.« Dein Tonfall klingt jetzt ungewöhnlich grob. Zögernd lege ich zwei Finger an meine Möse, drücke sie gegen den Kitzler. Unter meiner eigenen Berührung stöhne ich auf, während wir einander ansehen. Es geht. Ich kann die Lust nicht zurückhalten. Ich komme, während du mich ansiehst, mir dabei zusiehst. Im Stehen. Die Beine weit geöff net. Später, beim Frühstück, während du mir am Tisch ge genüber sitzt, sehe ich dich an. Ich bin erstaunt über deine Unscheinbarkeit. Immer wieder. Und ich spüre, wie sich die Lust in meinem Körper ausbreitet, wäh rend ich dich ansehe, während ich dir beim Reden zu sehe.
DIE NACHT HAT 24 STUNDEN AN
DIESEM
ABEND,
AN DEM ICH IHN KENNENLERNTE,
HÄTTE ich die Beine in die Hände nehmen sollen. Und
weglaufen, so schnell ich konnte. Fort von ihm. Noch bevor wir uns berührten und miteinander sprachen. Schon da hatte ich unbewußt, noch als ich ihn kaum mehr denn aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte, seine Bedingungslosigkeit gespürt, diese gna denlose Kompromißlosigkeit. Bei ihm gab es nur heiß oder kalt. Alles oder nichts. Ich hatte ihn um Feuer gebeten, es war ein Zufall ge wesen, denn er stand schräg hinter mir, rauchte, und ebenso gut hätte ich einen anderen fragen können. In dem Moment, als ich ihm, die Frage auf den Lippen, in die Augen sah, wußte ich, daß es ein Fehler war. Aber da war es bereits zu spät. Er hielt mir das brennende Streichholz hin, ich zog an der Zigarette, wandte mich dann rasch von ihm ab, spürte, wie er mich fixierte. Ich wollte weggehen, mir einen anderen Standort su chen, doch etwas hielt mich davon ab. Vielleicht war es sein Blick, eine von ihm ausgehende Anziehungs kraft, die ich nicht hätte beschreiben können. Ein Ma gnetismus, den er auf mich ausübte und der mich nicht fort ließ. Geh, dachte ich und meinte mich. Denn mir war klar, daß er nicht gehen würde. Noch war es leicht. Wenn du jetzt gehst, hat sich die Sache erledigt, sagte ich mir. Eigentlich war ich zum Tanzen gekommen. War ich das wirklich? Die Unruhe hatte mich hinausgetrieben. Laute Musik war gut, ja. Aber ein Mann wäre auch nicht schlecht. Plötzlich berührte er mich am Arm. Ganz leicht, kaum spürbar, wie um mich nicht zu erschrecken. Aber ich war nicht erschrocken, nicht einmal überrascht, nicht
im mindesten, ich hatte sogar damit gerechnet, hatte auf eine Berührung, ein Wort von ihm gewartet, aber ich tat erstaunt, als ich mich nach ihm umsah. Er zog mich am Arm mit sich fort, und ich ließ es geschehen. Auch daß er mich küßte. Es war eine merkwürdige Mischung aus Schüchternheit und Zielstrebigkeit, die er in sich vereinte. Sein Kuß, seine Berührungen bes tätigten diesen Eindruck: Sie waren scheu und wild zugleich. Und beides widersprach sich nicht. Es gehör te zusammen, war unmittelbar aneinander gekoppelt. Trotzdem beunruhigte mich diese Verbindung. Sie war mir suspekt. Er war mir suspekt. In dem Augenblick, in dem er mich mit sich fortgezogen hatte, hatte ich gespürt, daß für mich eine Bedrohung von ihm aus ging. Es war nur ein Gefühl, eine vage Ahnung. Viel leicht verpaßte ich in diesem Moment die letzte Mög lichkeit zu gehen. Denn kurz darauf befand ich mich bereits in seinem Bann, war unter seinen Einfluß gera ten, war wie aufgelöst, aufgewühlt von nichts weiter als von ein paar Küssen, von etwas Dunklem, Abgrün digem, das von ihm ausging, von einer Besessenheit, die er ausstrahlte, die mich faszinierte und in die sich eine animalische Vitalität mischte. Er erinnerte mich an ein Tier: naturhaft, instinktgesteuert. Und unver nünftig. Er war wie eine verbotene Verlockung. Etwas, was ich ausprobieren mußte, selbst wenn ich mich dabei in Gefahr begab. Und deshalb begleitete ich ihn nach Hause. Es war nicht nur die durch ihn ausgelöste körperliche Erregung, die mich anzog, sondern zu gleich etwas Fremdes, das nichts Physisches hatte. Als wir bei ihm ankamen, zog er mich aus, schob mich ins Schlafzimmer, zu seinem Bett, drückte mich hinun ter, auf die Matratze, führte meine Arme über den Kopf. Es geschah mit sanften Druck, umsichtig, aber entschieden. Er wußte genau, was er wollte. Und auch als er mit einem Seidenschal meine Hände am Ende des Bettes befestigte, war ich nicht verwundert. Alles wirkte selbstverständlich, schien die natürliche Folge
dessen zu sein, was bisher zwischen uns passiert war. Er strich mir das Haar aus dem Gesicht und hinter mein Ohr, fuhr mit seinem Handrücken über meine Wange, beugte sich über mich, senkte seinen Mund auf meinen. Diesmal war auch sein Kuß behutsam, sacht. Er streichelte mich dabei, am Hals, an den Schultern, den Armen, es waren zärtliche, harmlose Berührungen, ein fast unschuldiger Kuß. Keinen Mo ment lang hatte ich wirkliche Angst empfunden, auch nicht in dem Augenblick, in dem er mich festband. Nur die dunkle Ahnung hatte sich verstärkt. Das Gefühl, daß er meine Sicherheit gefährdete, die Art, in der ich mir mein Leben eingerichtet hatte. Und dieses Gefühl verstärkte die körperliche Erregung. »Ich werde dir nichts tun«, sagte er. »Ich werde dich auch zu nichts zwingen. Alles, was du tun wirst, wirst du freiwillig tun.« Wieder dieses Gefühl, deutlicher jetzt: Er ist eine Ge fahr für mich. Aber dann lenkte ein erneuter Kuß mich von dem Gedanken ab, seine Zunge in meinem Mund, fordernder als vorher und die Berührungen seiner Hände, die sich nicht mehr bei meinen Armen, bei den Schultern aufhielten, sondern über meine Brüste, mei nen Bauch, den Schoß fuhren. Er war jetzt über mir, hatte sein T-Shirt ausgezogen, unsere nackte Haut rieb aneinander, ich spürte das Klopfen seines Herzens und durch die Hose seinen erigierten Schwanz. Ich drückte mich ihm entgegen, als er sich plötzlich erhob, auf mich hinabsah. »Es paßt viel besser zu dir, nackt zu sein«, sagte er unvermittelt. Ohne den Blick von meinem Körper zu wenden, setzte er sich wieder auf die Bettkante, be rührte meine Brust, zog meine Beine weit auseinan der, betrachtete mich eingehend. Gründlich wie kein Mann zuvor. Kein Detail schien ihm zu entgehen, kein Haar, keine Ungleichmäßigkeit der Haut, kein Mutter mal. Er sah mich an, als wolle er mich studieren, mei nen Körper auswendig lernen. »Auch diese Haltung
paßt zu dir«, sagte er nachdenklich. »Du bist so offen und wehrlos.« Ich fühlte mich ungeschützt und zu gänglich, ausgeliefert an diesen Blick. Das kühle, sachliche Interesse, mit dem er mich ansah, verwirrte mich, löste in mir eine Hitze aus, eine Lust, die mich erstaunte und verunsicherte. Mit seinem Finger fuhr er über meinen Hals, den Brustkorb. Ich hatte die Luft angehalten, spürte meine Erregung wachsen, die Un geduld, als seine Finger den Bauch entlangwanderten, am Ansatz meiner Scham stoppten. Mein Atem ging heftiger, schneller, unkontrolliert, um gleich darauf wieder stehenzubleiben, sich endlich in einem Stöhnen zu erleichtern. Ich beobachtete ihn, sein Gesicht, woll te wissen, begreifen, was er als nächstes vorhatte, was er tun würde, wann seine Hand tiefer gleiten wür de. Doch er griff meine Fußgelenke, winkelte meine Beine an, schob sie weiter auseinander. Es erschien mir, als wolle er mich neu schaffen, indem er mich so arrangierte. Denn das tat er: Er entwarf mich, und wie ich hier lag und von ihm betrachtet wurde, wurde ich zu einem Objekt, zu einer Figur, der er eine neue Form verlieh. Er hörte nicht auf, mich anzusehen, sein Blick war jetzt zwischen meinen Beinen, und dann zog er meine Schamlippen auseinander, um mein Ge schlecht besser betrachten zu können. »Möchtest du mit mir schlafen?« fragte er. Ja. Es war das einzige, was ich wollte, ihn in mir spüren, mich ihm hingeben. Ich nickte. Und als er in mich eindrang, schloß ich unter dem leichten Schmerz und der zu nehmenden Lust die Augen. »Sieh mich an«, sagte er. Vor und nach ihm habe ich keinen Mann angesehen, wenn es mir kam. Nicht in diesem Augenblick, wenn ich aus mir hinausgeworfen werde. Dann bieten die Lider mir den letzten Schutz. Doch ihn sah ich an. Sah in das Gesicht über mir, in die dunklen, ernsten Au gen, undurchdringlich und wachsam. Als ich einschlief, ruhte mein Gesicht auf seiner Brust.
Aber während der ganzen Nacht blieben meine Hände an den Kopf des Bettes gefesselt. Wie oft ich aufwach te, weiß ich nicht. Ich wachte vor Erregung auf. Und vor Unruhe. Ich wollte wieder mit ihm schlafen. Und ich wollte gehen. Wäre ich nicht festgebunden gewe sen, hätte ich mich leise, heimlich davongestohlen. Mich nie wieder bei ihm gemeldet. Aus der diffusen Angst vom Anfang war eine klare, greifbare Sorge ge worden: Er bedrohte meine Existenz. Er hielt mich gefangen. Er war mir unheimlich. Und noch unheimli cher war mir die Lust, die er in mir ausgelöst hatte. Am nächsten Morgen, nachdem ich im Bad gewesen war, brachte er mich zurück ins Schlafzimmer, wo er meine Hände wieder am Bettrahmen festband. Er schien zu wissen, daß ich mich, sobald sich nur die Möglichkeit dazu ergeben hätte, angezogen hätte, daß ich nicht gezögert hätte zu gehen. Ich verlangte nicht von ihm, mich gehen zu lassen. Doch sobald es mög lich geworden wäre, hätte ich es getan. Die folgenden Tage verbrachte ich im Bett, während er kam und ging, sich im Zimmer nebenan aufhielt oder in der Küche. Wenn er fortging, wußte ich nicht, wo hin, und meist sagte er mir nicht, wann er wiederzu kommen beabsichtigte. Die Vorhänge im Schlafzimmer blieben Tag und Nacht zugezogen. Meine Uhr hatte er mir bereits am ersten Abend fortgenommen. Ich be fand mich in einem merkwürdigen Zustand, in dem ich nur noch Körper war, bald hellwach, bald schläfrig, doch immer auf die Berührung wartend, immer bereit, meiner Lust nachzugeben, einer kaum zu zügelnden Erregung, die mich explodieren ließ, sobald er mich anfaßte. Meine Hände blieben ans Bett gefesselt, und nur abends und morgens, wenn er mich ins Bad schickte, wenn ich aufs Klo mußte oder manchmal, wenn wir miteinander schliefen, löste er die Fesseln. Er brachte mir das Essen ans Bett, fütterte mich. Er las mir aus der Zeitung vor und aus den Büchern, die ich mir wünschte.
Eines Tages, als er am Bett stand und auf mich hinab blickte, sagte er plötzlich: »Es steht dir zwar gut, nackt zu sein. Aber noch besser würden dir einige Striemen auf der Haut stehen.« Sein Zeigefinger strich über die Innenseite meiner Oberschenkel. »Hier«, sag te er. »Und auf deinem Hintern.« Er betrachtete mich, als überlege er, an welchen weiteren Stellen meiner Haut ihm Striemen gefallen würden. Seine Hand strich über meine Brüste. »Und hier. Würde dir das auch gefallen?« Wie immer erregte mich die Art, in der er mich be trachtete. Aber die Vorstellung, geschlagen zu werden, ließ mich kalt. Wenn sie ein Gefühl in mir hervorrief, so nichts weiter als eine unbestimmte Furcht. Ich hat te Angst vor körperlichen Schmerzen. Ich wollte nicht, daß man mir weh tat. Auch nicht, daß er mir weh tat. Ich wollte keine Striemen auf meiner Haut. »Was meinst du?« fragte er. Und plötzlich schlug er mir ins Gesicht. Es war eine unerwartete, heftige Ohr feige, die ein Glühen auf meiner Wange hinterließ. »Antworte, wenn ich dich etwas frage.« Dieser Ton. In einem solchen Ton hatte er noch nie mit mir gespro chen. Der Schlag auf meine Wange und der jähe Ärger in seiner Stimme erschreckten mich. Doch zugleich reagierte mein Körper darauf, er glühte, brannte. Nicht an der Stelle, an der seine Handfläche mich ge troffen hatte, sondern tiefer, zwischen den Beinen. Eine unerwartete Lust breitete sich in mir aus, ließ mich ungeduldig auf den nächsten Satz warten, auf eine weitere Zurechtweisung, auf einen weiteren Schlag. Aber jetzt klang seine Stimme wieder freund lich, unverbindlich, als wolle er mich sanft zu etwas überreden: »Würde es dir auch gefallen?« Ich sagte nicht: Nein. Wie konnte ich die Frage ver neinen, nachdem die Ohrfeige und sein Tadel mich derart erregt hatten? Wußte ich es denn? Wußte ich, was es bedeutete, Striemen auf der Haut zu haben?
Wußte ich, was es bedeutete, wenn er sie mir bei brachte? »Ich weiß es nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß. Er erhob sich. Als er zurückkam, hatte er eine lange Reitgerte in der Hand. »Schau«, sagte er. »Ich habe etwas mitgebracht, damit wir ausprobieren können, wie es dir steht.« Er band mich los, zog mich so weit vom Bett, daß ich mit den Füßen auf dem Boden zu stehen kam, während mein Rücken bis zu den Hüften auf der Matratze lag. »Wir werden sehen, ob es dir gefällt.« Er spreizte meine Beine, streichelte mit der Gerte über die geöffneten Oberschenkel. Dann hob er die Gerte, schlug vorsichtig zu. Ein Schlag, so sanft wie ein Streicheln. Langsam wurden die Schläge fes ter, blieben jedoch so leicht, daß sie nicht weh taten. Aber ich hatte die Luft angehalten. Ich wartete. Es würde nicht dabei bleiben. Und tatsächlich hob er mit einem Mal unversehens die Gerte in die Luft, ließ sie mit einem energischen Schwung auf meinen Schenkel niedersausen. Ein Gefühl, als würde die Haut an dieser Stelle versengt. Ich schrie auf. Unsere Blicke waren auf die Stelle gerichtet, auf der sich jetzt ein roter Strich abzeichnete. Dann sah ich zu ihm auf, sah, wie er erneut ausholte, zum Hieb ansetzte. Und es war mir unmöglich, die Beine zu schließen. Obwohl er mich losgebunden hatte, machte ich keine Anstalten aufzu stehen, starrte statt dessen fasziniert auf den langen dünnen Gegenstand in seiner Hand, der jetzt wieder durch die Luft fuhr, meine Haut traf. »Möchtest du, daß ich weitermache?« fragte er. »Möchtest du, daß ich dich schlage?« Wir blickten ein ander in die Augen. Und wir kannten beide meine Antwort, kannten sie, bevor ich das Wort aussprach: »Ja.« Es war mein Ernst. Ich wollte es. Die Hiebe wurden heftiger, schmerzhafter. Sie brann ten. »Ja« hatte ich gesagt, aber mein Körper verstand das nicht. Er sah nicht ein, wollte sich dem zuneh menden Schmerz nicht aussetzen, nicht freiwillig. Ich
schob mich zurück aufs Bett, um vor dem Schmerz zu fliehen, wollte nichts weiter, als mich entziehen, fort von dem Mann, der mir den Schmerz zufügte. Von der Gerte, von den Schlägen. Doch an den Beinen zog er mich wieder nach vorn, hin zu sich, die Gerte hatte er zur Seite gelegt, und vor mir, zwischen meinen weit geöffneten Beinen, ging er in die Hocke, und dann spürte ich seine Zunge auf meinem erregten Ge schlecht, sie spielte um meine Perle, glitt mühelos in die feuchte Öffnung, und der nachwirkende Schmerz steigerte die Lust. So unvermittelt, wie er aufgehört hatte, mich zu schlagen, erhob er sich nun. Er schlug wieder zu. Und diesen Schlag hielt ich aus, diesen und den nächsten, und dann hörte ich auf zu zählen, ich hielt meine Haut den Hieben hin, ertrug den Schmerz, ertrug ihn, solange es mir möglich war, solange und noch länger. Und jedes Mal, wenn der Schmerz mich zu sehr peinigte, wenn ich fliehen, mich vor den Hie ben in Sicherheit bringen wollte, zog er mich zurück, jagte mit seiner Zunge eine Woge von Lust durch mei nen Körper, bis Lust und Schmerz verschwammen, zu einer Einheit wurden, in der das Brennen der Hiebe die Erregung erhöhte und die Lust weitere Schläge forder te. An einer Stelle hatte sich meine Haut geöffnet, Blut trat hervor, perlte die Haut hinab, rann ins Laken, und als es mir kam, preßte ich mich seinem Gesicht, sei nem Mund entgegen und schloß meine Schenkel um seinen Kopf. Auf seiner Wange blieb eine kleine Spur getrockneten Blutes zurück, als ich die Beine wieder öffnete. »Wie ich gesagt habe«, meinte er später und zeichne te dabei die roten Linien, die sich von meiner hellen Haut abhoben, mit dem Finger nach. »Es steht dir sehr gut.« Es kam jetzt öfters vor, daß er nach Hause kam mit dem Satz auf den Lippen: »Ich habe dir etwas mitge
bracht.« Einmal war es eine Maske, die man vor die Augen legen konnte, ein anderes Mal Lederfesseln, die er mir um die Fuß- und Handgelenke schloß, dann ein Knebel. Wenn wir zusammen schliefen, taten wir es nie, ohne daß er mich fesselte, mich schlug oder mir die Augen verband. Ich wurde süchtig danach. Nach dieser Art von Sex. Schon nach zwei oder drei Malen war ich es geworden, konnte ich mir nicht mehr vor stellen, mit ihm zu schlafen, ohne daß er mir weh tat oder mich in meiner Bewegung einschränkte. Ohne daß ich mich wehrlos fühlte und ausgeliefert an ihn. Eines Nachts – ich spürte seine Berührung zuerst an meiner Brust, stöhnte auf im Halbschlaf, erwachte, wußte nicht, ob auch er wach war oder mich unbewußt streichelte, ob seine Hand im Schlaf tiefer glitt, über meinen Schoß zu meiner Möse – da flüsterte er plötz lich ins Dunkel: »Du bist ja schon wieder feucht.« Das sagte er oft zu mir: Du bist ja feucht. Schon wieder. Oder immer noch. Er sagte es immer im selben Ton fall: in einem Tonfall ehrlicher Überraschung, der mich maßlos erregte. Dann stand er auf, als sei es nicht mitten in der Nacht, als hätten wir nicht bis gerade noch tief geschlafen, stand auf, schien jetzt hellwach zu sein, schaltete im Nebenzimmer das Licht an, so daß ein kleiner Strahl durch die geöffnete Tür ins Schlafzimmer fiel und ich mühelos den langen, schwarzen Gummischwanz in seiner Hand erkennen konnte, als er zum Bett zurück kehrte. »Knie dich hin«, sagte er. »Streck deinen Arsch raus.« Noch immer im Halbschlaf tat ich es sofort, tat es, ohne zu überlegen oder mich zu fragen, was er vor hatte, begab mich auf alle Viere, spürte dann, wie er den Gummischwanz erst vorsichtig in meine Möse ein führte, wie das Gummi sich langsam in mir vorschob, tiefer und tiefer, bis er es mit einem Mal herauszog, den Dildo dann grob in mich hineinstieß, heftig, mit
rasch aufeinander folgenden Bewegungen. Ich kam schnell, und als ich am nächsten Morgen erwachte, erschien mir das in der Nacht Vorgefallene wie ein Traum. Doch an diesem Morgen wollte er, daß ich zum Frühstück aufstand. »Du wirst heute mit mir am Tisch frühstücken«, sagte er. »Allerdings unter besonderen Bedingungen.« Wie in der vergangenen Nacht forderte er mich auf, mich hinzuknien, und in dem Moment, als ich ihm den Hin tern entgegenstreckte, spürte ich die Spitze des Dildos an meiner Möse. Die Erinnerung an die vergangene Nacht. An die Erregung, in die er mich versetzt hatte. An den schnellen und heftigen Höhepunkt, den ich erlebt hatte. Ich drückte mich dem Gummischwanz entgegen, nahm ihn in mir auf, spürte, wie er mich mehr und mehr ausfüllte. »Macht dich das geil?« Seine Stimme. Nicken. »Dann sag es mir. Ich möchte es von dir hören.« Schweigen. Ich wollte nicht antworten. Den Satz, den er hören wollte, nicht aussprechen. »Sag es.« Ich schwieg. »Sag mir, daß es dich geil macht.« Ich sagte nichts. Mein Hintern bewegte sich. Ich igno rierte seine Aufforderung. Und plötzlich zog er den Dildo heraus. »Ich werde dich erst weiter stoßen, wenn du mir sagst, daß es dich geil macht.« Mein Hintern suchte den Dildo, fand ihn nicht, er hatte ihn fortgezogen. »Es macht mich geil«, antwortete ich, und einen kur zen Moment lang wunderte ich mich über mich selbst, darüber, wie leicht der Satz mir über die Lippen ge kommen war. Und kaum hatte ich ihn ausgesprochen, als er den Dildo erneut mit einem heftigen Ruck in mich hineinstieß. Er entnahm meinen schneller wer denden Bewegungen, den lauter werdenden Schreien,
wenn ich fast soweit war, er kannte mich in- und aus wendig, jede meiner Reaktionen, und diesmal hielt er plötzlich inne, kurz bevor ich zum Höhepunkt kam. Für Momente war es ruhig. Ich wartete, hoffte darauf, daß er weitermachen würde. Doch statt dessen erhob er sich, verließ das Zimmer. Da ich noch immer kniete, sah ich nicht, was er geholt hatte, doch als er zurück kam, spürte ich erneut zunächst die Spitze des Gum mischwanzes, dann schob er ihn in mich hinein, so tief, daß es schmerzte, befestigte ihn mit einem Seil, das er unter den Dildo und um mein Becken band, fixierte ihn so, daß er fest in mir saß, der starke Druck mich ganz ausfüllte. Dann half er mir auf, führte mich in die Küche, an den gedeckten Tisch. Ich schrie, als ich mich auf den Stuhl setzte. Ich konnte kaum essen. Ich saß am Tisch und versuchte, mein Becken, meine Beine nicht zu bewegen. Jeder Zentimeter, um den ich mich auf dem Stuhl verschob, löste einen Schmerz in mir aus. Und eine schier unerträgliche Lust. Ich weiß nicht, wie lange das Frühstück dauerte, diese Qual, die mich erregte, die die Lust ins Unermeßliche steigerte, während er wie unbeteiligt sein Brötchen aß, den Kaf fee trank, um ab und zu aufzusehen. Dann beobachte te er mich. Mein Gesicht. Den Ausdruck von Schmerz, Lust und Verzweiflung, der sich darin abzeichnen muß te. Und irgendwann lehnte er sich im Stuhl zurück. »Ich freue mich schon darauf, wenn wir so einmal zu sammen ins Restaurant gehen werden«, sagte er. Eines Tages brachte er mir einen Rock, ein Paar Strümpfe und ein Paar hochhackiger Schuhe mit. Er band mich los, legte mir die Bluse hin, die ich am A bend, an dem wir uns kennengelernt hatten, getragen hatte. »Zieh das an«, sagte er. Ich begann mit der Bluse, streifte dann die halterlosen Nylons über. Ich bemerkte, daß sie an der hinteren Seite eine Naht hatten, und das gefiel mir nicht. Das
Ganze gefiel mir überhaupt nicht. Er sah mir dabei zu, und obwohl sein Blick mich wie immer erregte, störte es mich jetzt, wie er mich ansah. Daß er mich taxierte. Als wäre ich ein Gegenstand, den man begutachtet, den man mit dem Blick prüft. Mich störte, daß ich nicht wußte, warum ich mich anziehen sollte. Und wa rum ich mir ausgerechnet diese Sachen anziehen soll te. Und mich störte, daß er mir keinen Slip hingelegt hatte. »Willst du mit mir weggehen?« fragte ich so neutral, wie es mir möglich war. »Dann kann ich auch meine Hose anziehen.« Normalerweise trage ich Hosen. Für Röcke und hohe Schuhe habe ich nicht viel übrig. Ich muß mich bewegen können. Und der Rock, den er mitgebracht hatte, war sehr eng. Zu eng. Und zu kurz. Doch statt zu antworten, sah er zu, wie ich mich in den Rock zwängte, ihn hinten verschloß. Ich glaubte, er müsse sich in der Größe verschätzt haben. Einen derart engen Rock konnte er nur versehentlich gekauft haben. »Das geht nicht«, sagte ich. »Schau doch, wie das aussieht.« Noch immer bemühte ich mich um ei nen sachlichen Ton. Doch ich tat es, um mich selbst an etwas festzuhalten. Und wenn es meine eigene Stimme, meine eigenen Worte waren. Denn ich spür te, wie mir die Situation entglitt. Und daß er etwas beabsichtigte, wovon ich nichts wissen wollte. Er nickte, doch sein Nicken bezog sich nicht auf das, was ich gesagt hatte. Er schob mir die Schuhe hin. »Hier. Zieh die an.« »Ich fürchte, du mußt den Rock umtauschen«, beharr te ich, schlüpfte in die Schuhe. Ich hatte Mühe, mich auf den hohen Absätzen aufrecht zu halten. Ich stand vor dem Spiegel und schüttelte den Kopf. Wenn ich mich bewegte, zog sich der Stoff des ohnehin schon kurzen Rockes noch weiter hinauf, legte den Blick auf den Abschluß der Strümpfe frei. Schon nach wenigen Schritten. »Wie ich aussehe!« sagte ich. »So?« erwiderte er. Es lag ein merkwürdiger Ton in
diesem Wort. Eine lauernde Herausforderung. »Wie siehst du denn aus?« »Ich weiß nicht.« Ich zuckte mit den Achseln. »Wie… wie…« »Wie eine Hure?« bot er mir an. Er sagte den Satz zuvorkommend. In liebenswürdigem Ton. Es war das, was ich gedacht hatte. Und nie gesagt hätte. Die Zeit blieb stehen. Der Satz lag im Raum. Das Wort. »Ja, du hast recht«, sagte er, als hätte erst ich ihn auf diese Idee gebracht. »Du siehst tatsächlich aus wie eine Hure.« In diesem Augenblick war mein Kopf völlig leer. Kein einziger Gedanke war mehr darin. Ich sah den Mann an, der sagte, daß ich wie eine Hure aussähe. Er wirk te gänzlich ruhig. Aber da war noch etwas anderes. Ich merkte, daß er sich zügelte, daß er nach außen gefaßt blieb, sich nicht anmerken lassen wollte, wie sehr ihn dieser Moment erregte. Wie gespannt er die Wirkung seiner Äußerungen, seiner Beleidigungen ver folgte. Mir dämmerte, daß ich nicht geahnt hatte, wo zu er in der Lage war. Daß zwischen uns längst nicht alles ausgereizt war. Daß es ihm nicht reichte, mich zu schlagen, zu fesseln, mir die Augen zu verbinden, mich körperlich wehrlos zu machen. Sondern daß es eine andere Ebene gab. Diese Ebene hatte etwas mit dem Satz zu tun. Mit dem Rock, den ich trug. Mit den Strümpfen. Den Schuhen. Und ich wußte, daß es nicht bei diesem einen Satz bleiben würde. Er war nur der Anfang von etwas Neuem, das ich weder einschätzen noch erahnen konnte. »Geh ein paar Schritte«, sagte er. Langsam versuchte ich es, ich kam mir albern und unbeholfen vor, wie ich mühsam auf den hohen Absät zen über den Holzboden stöckelte. Ich hielt inne. Ich sah es nicht ein, weiterzugehen. Ich hatte keine Lust, mich lächerlich zu machen. Und ich schämte mich. Er stand hinter mir, beobachtete mich dabei. Ich drehte
mich nicht zu ihm um, ich wollte ihn nicht ansehen, ich stand starr, wartete, als würde die Situation vorbeige hen, wenn ich einfach nichts mehr tat. »Geh weiter«, sagte er. Nun drehte ich mich doch um. Ich fühlte mich ungeschickt und unsicher, wollte aus den Schuhen schlüpfen, auf ihn zugehen, mich in sei ne Arme werfen, an ihn drücken, mich vergewissern, daß das alles nicht so gemeint war. Aber sein Aus druck, seine Haltung hielten mich davon ab. Er stand da wie ein Stein. Reglos. Abweisend. Kühl. »Willst du nicht vor mir auf- und abgehen, wie es sich für eine Hure gehört?« fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Ich sah zu Boden. Hatte er nicht einmal, ganz zu Beginn, gesagt, daß er mich nicht zwingen würde? Er kam auf mich zu, aber die Art, in der er sich mir näherte, verhieß nichts Gutes. Noch immer war es mein Bedürfnis, mich an ihn zu drücken, um Schutz in seiner Nähe zu finden. Dabei war das absurd. Schließlich war er es, der mich belei digt hatte, der dafür verantwortlich war, daß ich mich derart schutzlos fühlte. Wie sollte also er mir Schutz gewähren? Und trotzdem wußte ich es instinktiv: daß auch er der einzige war, der diese Schutzlosigkeit und die Kränkung wieder aufheben konnte. Doch daran schien er nicht zu denken. Noch nicht. Er schob mich vorwärts, und jetzt ging ich tatsächlich, machte unter dem Druck, den er auf meinen Körper ausübte, einige Schritte, setzte mich nicht zur Wehr. Wir gingen ein paar Meter, dann, unmittelbar vor der Wand, blieb er stehen, drückte mich gegen die Mauer, er stand hinter mir, schob den Rock über meinen Hintern und meine Beine auseinander, nahm meine Arme, führte sie nach oben, legte meine Hände in meinen Nacken. Das erste Mal, seit ich bei ihm war, überfiel mich Panik. Es war eine Panik angesichts meiner eigenen physischen Re aktionen. Angesichts der eigenen Lust, der Maßlosig keit meines Körpers, der lustvoll auf die Situation rea gierte. Diese Lust, die sich schon geregt hatte, als er
mich Hure genannt hatte, als ich in dem Rock vor ihm gestanden und er mich aufgefordert hatte, vor seinen Augen einige Schritte zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch zu schockiert, zu verwirrt gewesen, um die Lust zu bemerken. Und die Panik, die ich jetzt ver spürte, leitete sich aus dem Ausmaß an Erregung ab. Beide wuchsen gleichzeitig, bedingten einander. Die Panik stieg in mir auf, weil ich spürte, wie mein Körper sich mir und meiner Kontrolle zunehmend entzog, wie er eigene Wege ging, meinen Versuch, ihn zur Ver nunft zu rufen, ignorierte. Und genau diese Vergeb lichkeit wiederum forcierte meine Lust. Ich stand vor der Wand, hatte die Stirn gegen die Mauer gelegt, stand mit dem Rücken zu ihm, sah mich nicht um, seine Gegenwart, die Tatsache, daß er hinter mir war, mich ansah, zwang mich dazu zu warten. Unruhig, gierig, auf gespreizten Beinen. »Warum hast du nicht gehorcht?« fragte er. Und jetzt, mit dem Gesicht zur Wand, ohne ihn anzu sehen, fiel es mir leichter zu antworten. »Es ging nicht«, sagte ich. »Denkst du, daß du dafür eine Strafe verdient hast?« »Ja.« Ich sagte tatsächlich ja. Es kostete mich Über windung, und ich sprach leise, aber etwas in mir trieb mich zu diesem Wort, wollte die Strafe. Wollte gezüch tigt werden für den verweigerten Gehorsam. Und schon spürte ich ein Brennen auf meinem Hintern, als er die Reitgerte darüber zog. »Streck deinen Arsch raus«, sagte er. Er sprach so freundlich, fast verführerisch, und unwillkürlich ge horchte ich. Denn es erregte mich. Auch mein eigener Gehorsam erregte mich. Und intuitiv begriff ich nun, was er damit bezweckte, mich so zu behandeln, mich zu beleidigen und schutzlos zu machen. Meine eigene Erregung erklärte den Zweck seines Handelns, meiner Haltung, seiner Forderung. Der Zweck war nichts wei ter als unsere gemeinsame Lust. Dann trafen mich die Hiebe. Schmerzhaft und glü
hend. Doch ähnlich wie ich schien auch er sich nicht mehr beherrschen zu können, keine Geduld mehr zu haben. Er zog mein Becken ein Stück weiter von der Wand fort, so daß ich meinen Oberkörper noch weiter beugen, meinen Hintern noch weiter herausstrecken mußte. Und so nahm er mich. Anders als sonst. Gro ber, rücksichtsloser, heftiger. Dann 20g er meinen Rock wieder herunter, setzte sich einige Meter entfernt in einen Sessel, lehnte sich ruhig zurück. »Und jetzt geh.« Er sagte es, als wäre nichts passiert. Ich war fassungslos. Begriff nicht, wie er nun, nach dem die Spannung der Situation aufgelöst schien, fort fahren konnte. Ich fühlte mich erschöpft, meine Lust war befriedigt. Und doch spürte ich die gerade gesät tigte Lust wieder in mir aufsteigen. Und die Lust schwächte meinen Willen zur Gegenwehr, zur Verwei gerung. »Geh zum Fenster und wieder zurück«, sagte er. Und diesmal tat ich es. Ich ging langsam, ich sah dabei zu Boden, vermied seinen Blick. »Komm her«, sagte er. »Das nächste Mal wirst du deine Hüften ein wenig mehr bewegen. Mit deinem Arsch wackeln. Wie es sich für eine kleine Hure ge hört.« Das nächste Mal? Es würde kein nächstes Mal geben. Ich wollte nicht mehr. Plötzlich wollte ich allein sein. Wollte nach Hause. Ich wollte nicht, daß er länger so mit mir sprach, mich so behandelte. »Heb deinen Rock«, sagte er. Ich fühlte mich endlos gedemütigt. Und nicht mehr fähig, mich zu widersetzen. Ich war nicht einmal mehr empört. Nur noch verletzt. Und eigenartig kraftlos. Ich hob meinen Rock, und gegen meinen Willen entfuhr mir ein Stöhnen, als seine Hand leicht mein Ge schlecht berührte. Er zog mich zu sich hinunter, so daß ich mit geöffneten Beinen auf seinem Schoß saß. Und dann küßte er mich. Streichelte, umarmte mich.
Seine Hand suchte meine Perle, und diesmal kam ich schnell und heftig. Und er hielt mich fest. Dann ließ er mir ein Bad ein, in der Wanne seifte er mich ein, wusch mir die Haare, brachte mich anschlie ßend zurück ins Bett. Diesmal band er meine Hände nicht fest. Er las mir eine Geschichte vor, bis ich ein geschlafen war. Ich dachte daran, wie harmlos und nichtssagend alles begonnen hatte. Ich dachte an den Mann, der mir Feuer gegeben hatte. Und ich fragte mich, ob wir beide wirklich diejenigen waren, die sich damals getroffen hatten. Die miteinander gesprochen hatten wie andere, sich geküßt hatten, ohne die ge ringste Ahnung, was passieren würde. So vergingen die Tage. Und mir fehlte nichts. Ich ver mißte niemanden. Ich wußte nicht, wie lange ich das Tageslicht nicht gesehen hatte, und es interessierte mich nicht. Ich hatte alles, was ich brauchte. Ich war erschöpft von den Schlägen, von den Schmerzen, von der körperlichen Erregung und von der Unersättlichkeit meines Körpers. Er hatte aufgehört, mich festzubin den. Er war sich seiner selbst sicher. Er wußte, daß ich nicht gehen würde. Jetzt nicht mehr. »Du solltest wieder einmal an die frische Luft kom men«, sagte er eines Tages. Es stimmte: Ich war lan ge nicht vor der Tür gewesen. Die Sonne schien, und das Tageslicht blendete, irritierte mich. Ich fühlte mich fremd, als ich vor die Tür trat. Fremd in einer Welt, derer ich kein Teil mehr war. Auch das Gehen fiel mir schwer. Ich hatte lange gelegen, mich wenig bewegt. Nun war es, als müsse ich es erst wieder lernen. Und dann sah ich sie: eine Freundin, die ich vor Ewigkeiten zum letzten Mal getroffen zu haben schien. Sie gehör te einer Zeitrechnung an, in der ich noch ein eigenes Leben geführt hatte. Sie kam uns auf der Straße ent gegen. Ich wollte sie ignorieren, die Straßenseite wechseln, wollte es ihm sagen, ihn warnen, aber ich sagte kein Wort. Unaufhörlich näherten wir uns einan
der, und erst als wir nur noch wenige Schritte vonein ander entfernt waren, sah auch sie mich, erkannte mich, blieb stehen, blickte mich an, erstaunt, besorgt, zweifelnd. »Hallo«, sagte sie unsicher und ein wenig vorwurfsvoll. »Ist alles in Ordnung bei dir? Ich habe oft versucht, dich zu erreichen. Nie nimmt jemand den Hörer ab.« »Ich war weg«, erwiderte ich ausweichend. Neugierig sah sie ihn an. Ich hatte einfach nicht daran gedacht, was passieren würde, wenn ich jemandem begegnen würde. Wenn ich an mein altes Leben erinnert werden würde. Hastig stellte ich die beiden einander vor. »Meld dich mal«, sagte sie zum Abschied, ich nickte, und im selben Augenblick verspürte ich den Impuls, ihr alles zu sagen: Es ist anders, als du denkst. Dieser Mann ist nicht mein Freund, er hält mich gefangen, er hat mich in seiner Gewalt. Ruf die Polizei. Tu irgend was. Befreie mich! Aber ich ließ die Gelegenheit ver streichen. Außerdem wäre es nicht die Wahrheit gewe sen. Längst hielt er mich nicht mehr gegen meinen Willen fest. Längst blieb ich freiwillig. Auf Anordnung meines Körpers. Trotzdem verfolgte mich diese Begegnung. Erinnerte mich daran, daß ich nicht nur ein Körper war. Daß ich ein Leben geführt hatte. Ein eigenes Leben. Ein Leben ohne ihn. Er hätte mich wieder festbinden, mich ge fangensetzen müssen. Aber vielleicht wollte er, daß es so kam: Als er am nächsten Tag das Haus verließ, handelte ich, ohne nachzudenken. Ohne Plan. Mit ei nem Mal wußte ich, daß ich keine Zeit zu verlieren hatte. Fieberhaft suchte ich meine Sachen, die Bluse, die Hose, die ich in jener Nacht getragen hatte. Nur meine Uhr entdeckte ich nicht, sie blieb verschwun den. Ich zog mich an, kopflos, fand in den Taschen meiner Jacke den Wohnungsschlüssel, Geld, Ausweis, alles war an seinem Platz, die einzigen Dinge, die ich an dem Abend vor Tagen, vor Wochen oder Monaten, ich wußte es nicht, dabeigehabt hatte. Nichts davon
hatte er fortgenommen. Hatte er meinen Ausweis ge sehen? Meinen vollen Namen? Meine Adresse? Wahr scheinlich. Ich stürzte aus der Wohnung, warf die Tür hinter mir zu. Ich hatte Angst, größere Angst als je in meinem Leben. Was, wenn er zurückkam, jetzt, wenn er mir im Treppenhaus begegnete? Ich floh, ich haste te die Stufen hinab, ich war auf der Flucht, stürmte aus dem Haus, durch die Straßen, ich rannte nach Hause, rannte, als ginge es um mein Leben. Und viel leicht war es so. Ich sah mich um, wieder und wieder, war mir sicher, daß er mein Verschwinden bemerkt, nun hinter mir sein mußte, mein Herz raste, aber nie mand folgte mir, die Tränen rannen mir übers Gesicht, ich schluchzte und schniefte, ich heulte, und ich lief und lief. Die nächsten Tage verbrachte ich damit zu warten. Ich spürte nichts. Kein Gefühl war in mir. Nur Leere. Trotzdem wartete ich. Auf ihn. Wartete darauf, daß er plötzlich vor der Tür stehen, daß er klingeln, um Einlaß bitten würde. Aber ich wartete umsonst. Er kam nicht.
SCHWÜLE TAGE DER BUS IST VOLL WIE AN JEDEM NACHMITTAG, WENN ICH VON der Arbeit komme. Ich dränge mich zwischen den
Stehenden hindurch in die Mitte des Wagens. Dort ist eines der kleinen Fenster leicht geöffnet. Kaum spür bar streift mich ein Lufthauch, als der Bus anfährt. Im Wagen selbst steht die Luft, der Geruch nach Gummi, nach Schweiß, nach den Ausdünstungen fremder Kör per vermischt mit dem süßlichen von billigem Deo, Parfum, Haarspray. Die Lust zu atmen kann einem hier vergehen. Seit ich heute früh geduscht habe, sind viele Stunden vergangen, auch ich habe geschwitzt während des Tages, im Büro und während der Pause in der schwülen Mittagshitze. Wonach ich rieche, weiß ich nicht. Nach mir, nach meiner eigenen Lust, nach ihm, nach…? Ja, nach wem? Fast am selben Tag, an dem er bei uns zu arbeiten angefangen hat, haben wir begonnen, im Büro zusammen zu schlafen, mindes tens einmal täglich, manchmal mehrmals. Manchmal warten wir, bis alle anderen gegangen sind, aber meist sucht einer von uns unter einem fadenscheinigen Vor wand das Zimmer des anderen auf. Doch heute war es anders als sonst. Als sei ihm das harmlose, fast kindli che Vergnügen, das wir während der letzten Wochen miteinander geteilt hatten, langweilig geworden. Er war allein in seinem Büro, als ich es betrat. Also ging ich auf ihn zu, hob meinen Rock, während er noch an seinem Schreibtisch saß, entblößte meine Scham, denn seit er bei uns arbeitet, trage ich bei der Arbeit keinen Slip mehr. Erst als ich so vor ihm stand, blickte er auf. »Kannst du nicht mehr warten?« fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Begierig, ihn anzufassen, ihn zu spüren. »Es tut mir leid«, sagte er, richtete seinen Blick zwi
schen meine Beine, streckte seine Hand aus, um mei ne Schenkel zu öffnen, fuhr dann, ohne den Blick von meiner Scham zu wenden, fort: »Ich habe im Moment keine Zeit für dich. Vielleicht hat einer von den ande ren Lust, dich zu ficken.« Das Blut schoß mir in den Kopf. Vor Scham, vor Ärger, vor Empörung, und in demselben Moment spürte ich eine ungekannte Erre gung, das hemmungslose Bedürfnis, von dem Mann, der mich so gekränkt hatte, berührt und genommen zu werden. Dennoch ließ ich den weiten Rock des Klei des fallen, so daß der Stoff sich senkte, meine Blöße bedeckte. Ich wollte die Beine schließen, auf dem Ab satz kehrt machen und dieses Zimmer nie wieder be treten. Aber seine Hände hielten mich fest, drückten meine Oberschenkel auseinander. Verletzt sah ich ihn an, in der Hoffnung, die Bitte um Entschuldigung oder einen Hinweis darauf, daß er sich einen Scherz mit mir erlaubt hatte, in seiner Miene zu finden, doch sein Blick begegnete meinem kühl und gleichgültig. Dann spürte ich seine Hand an meinem Geschlecht, seine Finger fuhren vorsichtig zwischen den nassen Scham lippen entlang, glitten in die heiße Öffnung meiner Möse. »Zieh das Kleid aus«, sagte er, und ich vergaß, daß ich das Zimmer hatte verlassen wollen, daß er mich beleidigt hatte und ich wütend auf ihn gewesen war, und noch während seine Finger sich weiter in mir be wegten, die Stöße tiefer und heftiger wurden, zog ich das Kleid über den Kopf, ließ es neben mir zu Boden fallen. Schon spürte ich, daß mein Becken sich ver krampfte. Ich drängte mich seinen Fingern entgegen, da zog er sie mit einem Mal zurück, betrachtete sie, die naß glänzten. »Wie gesagt«, wiederholte er, »ich habe jetzt keine Zeit für dich.« Ich stand da, völlig nackt, die Beine gespreizt, in höchster Erregung, meine Möse naß und geschwollen. Verletzter noch als zuvor und wie vor den Kopf ge schlagen konnte ich nicht begreifen, was sein Verhal
ten zu bedeuten hatte, wieso er mich erst reizte, mei ne Lust weckte und schürte, wieso er mich fast zum Kommen brachte, um mich dann eiskalt abblitzen zu lassen. »Gut«, sagte ich trocken, bückte mich nach dem am Boden liegenden Kleid. »Laß das.« Sein Griff umklammerte meinen Arm, der nach dem Stoff hatte greifen wollen, hielt ihn fest. »Mach dich nicht lächerlich. Wir wissen doch beide, was du willst. Du wirst es auch bekommen. Nur jetzt noch nicht.« »Kannst du mir sagen, was das soll?« fragte ich auf gebracht. »Ja«, antwortete er ruhig. »Du wirst ab heute tun, was ich dir sage. Und du wirst lernen, daß dein eige ner Wille nicht mehr zählt.« »Du kannst mich mal.« Wieder bückte ich mich nach dem Kleid, doch diesmal stand er plötzlich neben mir, zog mich zur Seite. Da ich das Gesicht abgewandt hat te, griff er in meine Haare, riß meinen Kopf in den Na cken, so daß ich seinem Blick nicht länger ausweichen konnte. »Wir diskutieren jetzt nicht darüber, ob dir das paßt oder nicht. Entweder du parierst von allein, oder ich werde dich zum Gehorsam erziehen.« Er sprach in einem Ton, als handelte es sich um die selbstverständ lichste Sache der Welt. Als bestellte er das Mittages sen im Restaurant: freundlich, aber entschieden. »Ach ja. Und wie stellst du dir…« Die Ohrfeige traf mich heftig und unerwartet. »Wie gesagt«, lächelte er, als sei nichts passiert, »wir diskutieren darüber nicht.« Meine Wange brannte. Ebenso meine Möse. Ganz leicht berührten seine Fin ger meine Brüste. Sofort richteten die Brustwarzen sich auf. Kaum spürbar strich sein Finger über meine Schamlippen. »Schau, wie gut es dir gefallt, so behandelt zu wer den.« Er hielt mir den naßglänzenden Finger unter die
Nase. »Riechst du deine Geilheit?« fragte er, steckte mir dann den Finger grob in den Mund »Leck ihn sau ber.« Meine Lippen und meine Zunge schlossen sich um den Finger. »Wirst du ab heute tun, was ich dir sage?« Die Lust hatte meinen Verstand benebelt. Ja, ich woll te alles tun, was er von mir verlangte. Ja. Wenn er mich nur weiter berührte, wenn er mich nur weiter streichelte. Wenn er… »Ja«, sagte ich. »Siehst du. Es ist doch viel angenehmer für dich, wenn du es freiwillig tust.« Einen Moment schwieg er. »Und daß ich jetzt noch keine Zeit habe, mich um dich zu kümmern, heißt nicht, daß du nun tun kannst, was du willst.« Ich wußte nicht, was er damit meinte, begriff ohnehin nicht, was das alles zu bedeuten hatte. Ich wußte nur, daß es mich erregte. Mehr als alles andere zuvor. Er wandte sich von mir ab, wieder seinem Schreibtisch zu. »Stell dich dort an die Wand.« Mit dem Kopf deu tete er mir eine Stelle im Raum, auf die ich mich lang sam zu bewegte. Als ich mich mit dem Rücken an die Mauer lehnte, schüttelte er den Kopf. »Andersrum.« Ich drehte mich um. Jetzt sah ich ihn nicht mehr, hör te nur noch seine Stimme: »Streck deinen Arsch raus und spreiz die Beine.« Ich gehorchte. »Weiter! So ist es recht.« Dann hörte ich lange nichts mehr als das Rascheln von Papier, das unrhythmische Geräusch der Tastatur. Zwischendurch telefonierte er, mich schien er vergessen zu haben. Mein Rücken begann zu schmerzen, ich versuchte mich auf die Geräusche zu konzentrieren, versuchte mir vorzustellen, was genau er gerade machte. Dann ein kurzes, kaum wahrnehm bares Quietschen. Als würde die Tür geöffnet. Leise Schritte. Ein Knacken, als die Tür wieder ins Schloß fiel. »Bleib so«, hörte ich seine Stimme. »Dreh dich nicht um!« Dann, leiser und ohne jede Strenge: »Sie wartet schon sehnsüchtig.«
Hände, die Hände eines Fremden, eines meiner Kolle gen vielleicht, sie umschlossen meine Brüste, kniffen in die Brustwarzen, wanderten den Bauch entlang. Wie von selbst öffneten sich meine Beine noch weiter, streckte ich meinen Hintern dem hinter mir Stehenden entgegen. Dann spürte ich einen harten Schwanz in mich eindringen. Spürte die Stöße, auf die ich gewar tet hatte, wie lang, wußte ich nicht, minutenlang, stundenlang? Ich kam schnell, immer wieder, jedes Mal heftiger, mir wurde schwarz vor Augen, ich schrie, der Ohnmacht nahe. Dann, kurz bevor der Schwanz des Fremden sich entlud, zog er ihn aus meiner Möse, spritzte seinen Samen auf meinen Rücken, meinen Hintern. Ich sank zu Boden. Mein Blick wandert zum Fenster. Dort ziehen Häuser, blühende Heckenrosen vorbei. Die Luft flirrt von der Hitze. Das Kleid klebt an meinem Rücken, der Bus ist noch voller geworden, die Luft noch stickiger. Dicht an dicht stehe ich mit anderen leichtbekleideten Fahrgäs ten. Von Zeit zu Zeit streift fremde Haut mein nacktes Bein oder meinen Arm, dann zucke ich zusammen, trete zur Seite, ziehe den Arm rasch zurück. Als ich eine Berührung unter meinem Rock spüre, eine Hand auf meinem Hintern, die mir sanft zwischen die Beine fährt, erschrecke ich, will ihr ausweichen, doch stehe ich wie eingepfercht zwischen den anderen. Unmög lich, mich zu entziehen. Und wäre es möglich, was dann? Selbst umsehen kann ich mich nicht. Die Bewe gung der fremden Hand auf meiner feuchten Möse wird schneller, der Druck nimmt zu. Ein Keuchen bricht aus mir hervor, unkontrolliert, heftig, und dann, als ich komme, entfährt mir ein Schrei. Die Leute se hen mich an, ich blicke zu Boden. »Entschuldigung«, sage ich, ohne zu wissen, wofür ich mich entschuldige, während ich noch immer nach Luft ringe, mir den Weg zum Ausgang bahne. »Entschuldigung.« Entschuldige ich mich für das gerade Vorgefallene oder weil ich mich durch die Menge dränge? Entschuldige ich mich,
weil ich denke, daß mir jeder ansieht, was passiert ist, daß jeder sehen kann, was mit mir los ist? Entschuldi ge ich mich dafür, daß ich nicht weiß, wer mich heute im Büro genommen und wer mich gerade befriedigt hat? Entschuldige ich mich, weil ich nicht weiß, wo nach, nach wem ich rieche, oder entschuldige ich mich dafür, daß mir das alles gefällt? Meine Haltestelle je denfalls habe ich längst verpaßt, und als die Tür sich öffnet, stürze ich aus dem Bus, ohne mich umzusehen.
WETTERUMSCHWUNG WARMES LICHT UNTERGEHENDER SONNE SCHEINT DURCH zugezogene Vorhänge, gebläht von einem lauen Wind
hauch. Unter halb geschlossenen Lidern sieht er mich vom Bett aus an. Mein Körper glüht von der Sonne, von dem heißen Wasser, mit dem ich unter der Du sche das Meersalz und den Sand von der Haut gespült habe. Tropfen aus frisch gewaschenen Haaren rinnen meine Schultern, den Rücken hinab. Leicht streifen seine Finger meine Haut, als ich mich neben ihn lege. Meine Lider werden schwer, Müdigkeit überkommt mich. Seinen gleichmäßigen Atem an mei nem Haar, tauchen Bilder des Tages auf, werden selb ständig, während ich in den Schlaf gleite, Traumbilder, schon fast realer als das Zimmer um mich herum, als seine Hand sich von meinem Rücken nach vorn be wegt, meine Brust streift, die Brustwarze umspielt. Halb im Schlaf drehe ich mich zur Seite, lasse seine Hand die andere Brust finden. Schnell aufkommende Erregung, unwillkürlich öffne ich die Beine, den Mund, denn nun ist sein Kopf über mir. Ohne die Augen auf zuschlagen, weiß ich, daß er seine Lippen auf meine senken will. Ein Seufzen, kaum hörbar, in Erwartung des Kusses. Ich hebe den Kopf, biete ihm meine Lip pen, meine schläfrige Lust. Doch ich warte umsonst. Und als ich die Augen öffne, irritiert über die ausge bliebene Zärtlichkeit, ist sein Blick auf mich gerichtet, interessiert und wachsam, als sähe er mich zum ers ten Mal. Fragend lege ich meine Hand in seinen Na cken, will seinen Kopf zu mir hinunterziehen. Ohne den Blick von mir zu wenden, umfaßt er meine Hand, legt sie zur Seite. »Möchtest du mir etwas sagen?« fragt er leise. Erstaunt schüttle ich den Kopf, lege die Hand zurück in seinen Nacken. Erneut nimmt er sie fort.
»Bist du sicher?« Diesmal versuche ich es mit einem Lächeln: »Ja, na türlich.« Doch sein Blick bleibt ernst. Neugier liegt dar in. Und Verwunderung. »Was…?« setze ich an. Ein jäher Wechsel der Stim mung, ein plötzlicher Griff an meinen Oberarmen, brennende Haut an der Stelle, an der er zufaßt. Er dreht mich auf den Bauch, Finger schließen sich um meine Handgelenke, packen zu, so fest, daß mir ein überraschter Schrei entfahrt, zwängen meine Hände hinter dem Rücken zusammen. Noch immer betäubt von der Wärme der Luft, den weichen Berührungen, den Bildern des Tages und den Farben der Dämme rung verstehe ich kaum, was passiert. An den Händen zieht er meinen Oberkörper nach oben, bis ich auf dem Bett knie. Hält meine Gelenke fest hinter meinem aufgerichteten Rücken, drückt eine Hand hart in mei nen Nacken. Zu verwirrt, um ärgerlich zu sein, will ich die Hand abschütteln. »Was soll…?« beginne ich benommen, doch grob wird mein Kopf ins Bettlaken gepreßt. Die Luft bleibt mir weg, die Frage ungesagt. »Bist du ganz sicher, daß du mir nichts beichten möchtest?« Seine Stimme ist barsch wie der Griff im Nacken, an meinen Händen. Hellwach mit einem Mal, bin ich mir der Haltung bewußt, in der ich auf dem Bett knie, den Kopf auf der Matratze, den Po nach o ben gereckt, meiner Hilflosigkeit, der hinter dem Rü cken zusammengepreßten Arme. Versuche, die Hand gelenke aus dem festen Griff zu befreien. Erreiche nichts weiter als die Zunahme des Schmerzes. Und der Lust. Einer Lust, die mich selbst erstaunt. Stärker als der Unmut, als die Verwirrung und die Scham. Lust angesichts meiner Haltung, angesichts meiner plötzli chen Wehrlosigkeit, seines harten Griffes, des rauhen Tons. Lust und der übermächtige Wunsch, seine Hand zwischen den Beinen zu spüren. »Was soll das?« protestiere ich halbherzig. Gedämpf
te, im Stoff erstickte Worte. »Ich habe dich etwas gefragt«, sagt er, verstärkt den Druck im Nacken. Wir sind erwachsene Menschen; ein schlichter Satz, der durch mein Hirn fährt. Erleichtert konstatiere ich, daß ich zu einem solch klaren Gedanken in der Lage bin: Können wir nicht normal miteinander reden? »Laß mich los«, sage ich. »Wir können das sicher klären.« Aber meine Worte klingen lächerlich in den eigenen Ohren. Ja, ich bin verstimmt, das auch, bin beunru higt, aber viel mehr als sein Verhalten verunsichert mich die eigene Reaktion, meine Erregung, das Wis sen, daß ich vor allem mich selbst mit meinen Worten zur Vernunft bringen will. Mich. Nicht ihn. »Ich habe dich etwas gefragt«, wiederholt er. Ich beschließe zu warten, zu schweigen. Irgendwann wird seine Laune vorübergehen, wird er mich loslas sen, mich küssen, die schmerzenden Handgelenke massieren. Und tatsächlich nimmt er die Hand aus meinem Nacken. Schon will ich mich aufrichten. Bin ich erleichtert? Froh, daß es vorbei ist? Oder bin ich enttäuscht? Ernüchtert? Weil wir zur Normalität über gehen werden? Keine Zeit, mir darüber klar zu wer den, denn ich habe die Geste verkannt. »Laß den Kopf unten«, sagt er brüsk, und gegen jede Einsicht gehor che ich, verwundert über mich selbst. Und jetzt fährt seine Hand über die Innenseite meiner Oberschenkel, nähert sich meiner Scham. Ich will die Lust unterdrü cken, doch als seine Finger meine geschwollene Möse streifen, bricht das Stöhnen aus mir hervor, heftig und unkontrolliert. »Das habe ich mir gedacht«, stellt er fest und zieht den Finger weg. Einen Moment schweigt er. Meine Hoffnung auf eine neue Berührung. Sie bleibt aus. Statt dessen: »Ich habe mir gedacht, daß es dich naß machen würde.« Erneutes Schweigen. Was jetzt? Wird er mich küssen, streicheln, meine Möse berühren? Wird er mit mir schlafen, mich erlösen von meiner
Lust, von meiner Unruhe und Ungewißheit? »Aber daß du gleich derart triefen würdest, habe ich nicht erwar tet.« Blut schießt mir in den Kopf. Das ist zuviel, den ke ich. Jetzt reicht es. Was nimmt er sich heraus? Ich will mich aufrichten, will der Situation ein Ende berei ten. Doch ich tue es nicht. Aus Angst davor, seinem Blick zu begegnen, aus Angst davor, daß er die blanke Lust in meinen Augen sehen wird. Von hinten greift er mir in die Haare, zieht den Kopf zurück, zu sich hinauf, so daß ich ihn dennoch an schauen muß. »Für wie blöd hältst du mich eigentlich?« fragt er. Langsam begreife ich, daß er es ernst meint, daß er nicht aus einer flüchtigen Stimmung heraus handelt, daß es mehr ist als ein harmloses Spiel. Ganz leise dämmert mir, warum er so außer sich ist, doch ich schiebe die Ahnung beiseite. Er kann es nicht bemerkt haben; sowieso ist es mir unangenehm, ich will an den Augenblick nicht denken, kann mir nicht erklären, was in jenem Moment über mich kam. Wieder versuche ich, mich zu fangen. »Was ist denn nur los mit dir?« frage ich, aber meine Stimme ent gleitet mir, auch der Versuch eines Lächelns. Mein Atem geht heftig, stoßweise, ich will meine Hände be freien, die er noch immer umklammert hält, und als dies nicht gelingt, nähere ich meine Lippen seinem Mund, um ihn zu küssen, zu besänftigen. »Komm«, flüstere ich, »beruhige dich.« Und ich weiß nicht, wen ich damit meine. Ihn oder mich. Er schüttelt den Kopf. »So leicht kommst du nicht da von.« Nachdenklich sieht er mich an, während er diese Worte spricht. Es ist derselbe Blick wie vorhin, ein Blick, der einer Fremden gelten könnte. Oder einer sehr alten Bekannten, die er ungläubig wiedererkennt. »Soviel Schamlosigkeit hätte ich dir nicht zugetraut«, sagt er. Und ich weiß, daß er damit nicht die jetzige Situation meint. Abrupt erhebt er sich, zerrt mich an den Handgelenken, die er noch immer umschlossen
hält, vom Bett, schiebt mich vor sich her zurück ins Bad. Ich lasse es geschehen, halb aus Verwirrung, halb aus Neugierde. Auch weil sein Griff zu fest ist, als daß ich mich aus ihm befreien könnte. Und weil es mir gefällt. Weil mich auch das erregt: Die Ungewißheit darüber, was er beabsichtigt, was passieren wird. Mei ne Wehrlosigkeit und die Einsicht, daß es sinnlos wäre, Widerstand zu zeigen. Das sichere Wissen, daß er stärker ist. Nach dem Duschen habe ich vergessen, das Fenster zu öffnen. Noch immer liegt die heiße Feuchtigkeit im Bad, legt sich auf meine nackte Haut. Langsam fesselt er meine Handgelenke, zieht meine Arme daran nach oben, verknotet das Seil an der oberen Kante der Duschkabine. Dann drückt er mit seinem Fuß meine Beine weit auseinander. Noch immer wehre ich mich nicht, auch dann nicht, als er meine Fußgelenke fest bindet, wehre mich nicht, trotz des sich verstärkenden Zuges in den Armen, im Brustkorb, an der Innenseite meiner Oberschenkel. Und als er zurücktritt, mich be trachtet in meiner entblößten, schutzlosen Nacktheit, seinen Blick auf meiner vor Erregung glänzenden Möse ruhen läßt, entfährt mir erneut ein Stöhnen. Als hätte er mich dort berührt. Und als er den Blick hebt, mir in die Augen sieht, wende ich vor Scham den Kopf ab. »Du wirst Zeit bekommen, dir zu überlegen, ob du mir etwas zu sagen hast. Ich habe Hunger und möchte endlich essen. Du ziehst es heute offenbar vor, ohne Abendessen auszukommen.« Er wendet sich ab. »Aber…«, sage ich. Seine Gestalt verschwindet, die Tür zum Badezimmer läßt er angelehnt. »Warte!« rufe ich, höre das Quietschen der Schranktür, stelle mir vor, wie er sein T-Shirt über den Kopf streift, es in die Hose steckt. Bewegungen, Geräusche im angrenzen den Zimmer. Das Klappern des Schlüssels. »Warte!« rufe ich wieder, lauter jetzt. Für einen Mo
ment fürchte ich, er könne schon fort sein. »Warte!« Und dann schließlich: »Bitte.« Er steckt seinen Kopf durch die Tür, erleichtert sehe ich ihn an: Er kann mich hier nicht stehenlassen, nicht so; mit einem einzigen Blick nehme ich wahr, daß er angezogen ist, dann, erschrocken, daß er bereits Schuhe trägt. Panik kommt in mir auf. Ich versuche, mich loszureißen, verstärke durch die Bewegung den Schmerz in meinen Schultern, spüre einen heftigen Zug in den Oberarmen. Er darf nicht gehen, darf mich in dieser Haltung nicht zurücklassen. »Das kannst du nicht machen!« »Ist das alles?« fragt er kühl und wendet sich erneut ab. »Dann bis später.« »Nein!« rufe ich. Und wieder, da es eben schon einmal gewirkt hat: »Bitte!« Noch einmal taucht er im Tür rahmen auf, betritt das Bad. »Ich weiß nicht, was du meinst. Wirklich nicht«, versuche ich es erneut. Ganz leicht streifen seine Finger meinen Bauch, meinen Schamhügel, nähern sich meinem Geschlecht. Neben dem Schmerz meine Erregung. Ich zucke zusammen, als er meine Möse berührt. Für den Bruchteil einer Sekunde nur. Dann zieht er seine Hand fort. »Du bekommst jetzt ausreichend Zeit, darüber nach zudenken.« Er verschwindet aus meinem Blickfeld. »Warte!« rufe ich wieder. »Bitte!« Diesmal nützt es nichts, ich höre die Zimmertür ins Schloß fallen. Minuten vergehen, während derer ich darauf warte, daß er wiederkommt. In denen ich mit gespitzten Oh ren vergeblich auf ein Geräusch horche, das seine Rückkehr ankündigt. Ist er tatsächlich essen gegan gen? Ohne mich? Und noch immer die hemmungslose Lust, die die Andeutung seiner Berührung hinterlassen hat. Dann, mit der Zeit, verdrängt der Schmerz die Erregung. Paart sich mit Ärger, mit Unruhe und Furcht. Meine Gelenke brennen, ein Stechen wandert durch meine Schultern in die Arme. Bewege ich mich,
um das Gewicht in meinem Körper zu verlagern, läuft eine Welle aus Schmerz von den Fußgelenken bis hin auf in den angespannten Nacken. Konzentriere ich mich auf eine Stelle, um mich von den anderen abzu lenken, scheint sich der Schmerz an dieser zu verstär ken, ohne an den anderen nachzulassen. Ich bin sicher, daß er nicht weiß, was er mir antut. Ich bin sicher, daß sich jeden Augenblick der Schlüssel im Schloß drehen, daß er vor mir stehen, mich um Ver zeihung bitten wird. Doch nichts passiert. Das Kribbeln in meinen Armen macht mir angst. Längst sind meine Glieder müde und schwer, habe ich es aufgegeben, die Füße um Millimeter auf dem Boden zu verschieben, da der durch die kleinste Bewegung ausgelöste neue Schmerz schlimmer ist als jeder, an den ich mich be reits gewöhnt habe. Ich bin sicher, daß meine Haltung gefährlich ist, daß ich das Bewußtsein verlieren werde, wenn er nicht bald wiederkommt, um mich zu befrei en. Dann bin ich sicher, daß er um meine Schmerzen weiß, daß er sie mir wissentlich und mit Absicht zu fügt. Dann, daß er mich vergessen hat und nie zu rückkehren wird. Daß er abgereist ist. Daß Angestellte des Hotels mich so finden werden. Und ich weiß längst, was er von mir hören will. Im stillen formuliere ich eine Antwort. Sie lenkt mich von dem Schmerz ab. Wenigstens für Sekunden. Schließlich beginne ich zu weinen. Vor Schmerz, vor Verzweiflung, vor Wut, vor Scham. So findet er mich: schwankend zwischen Zorn, Leid und Angst, verunsichert, mit tränennassem Gesicht. Endlich, will ich sagen, es tut so weh, doch die Worte bleiben mir im Hals stecken. Die aufblitzende Erleich terung erstirbt, als ich seinen Blick sehe. Kein Mitge fühl, keine Sorge. Nichts als kühle Aufmerksamkeit liegt darin. »Und?« fragt er. Nie zuvor hat seine Stimme so gleichgültig geklungen. »Bitte«, flüstere ich. »Es tut weh.« – »Ich weiß.« Kei
ne Spur Unruhe in seinem Blick, kein Hauch Anteil nahme in seiner Stimme. Kein Gefühl. Nur Kälte. Und sachliches Interesse. Der Schmerz ist kaum mehr aus zuhalten, ich lecke die Tränen von den Lippen. »Ist dir etwas eingefallen?« fragt er. »Meinst du die Situation von vorhin…« Ich habe die Kontrolle über meine Stimme verloren, die Worte en den in einem Schluchzen, doch ich versuche es er neut: »Als mir der Schlüssel aus der Hand gefallen ist?« »Aha«, er hebt die Augenbrauen. »Du erinnerst dich also doch.« »Ich… Es tut mir leid, wirklich.« »Was genau tut dir leid? Was hast du getan?« Ich starre ihn an. »Beschreib mir die Situation«, fordert er mich auf. Jetzt habe ich es doch gesagt. Was will er mehr? »Was?« fragt er wieder. »Ich weiß selbst nicht«, weiche ich aus. »Wirklich, du weißt doch, daß das nicht meine Art ist.« Dann: »Es geht nicht mehr. Du mußt mich losbinden.« Er schweigt und sieht mich an. Sieht in mein tränen nasses Gesicht, zeigt nicht die leiseste Regung. »Was?« fragt er wieder. »Was ist nicht deine Art?« Ich kann darüber nicht reden, will nicht mal daran denken. Verstehe nicht, was über mich kam am frühen Abend, als wir ins Hotel zurückgekehrt sind. Vielleicht lag es an der anhaltenden Hitze, die die Normalität außer Kraft setzt und mein Schamgefühl betäubt, viel leicht an den glühenden Augen des Jungen hinter der Rezeption – ich weiß es nicht. »Bitte«, stoße ich hervor. »Du kennst mich doch.« »Wirklich?« fragt er. Und dann streift zum ersten Mal an diesem Abend ein Lächeln sein Gesicht. »Jedenfalls lerne ich dich heute von einer neuen Seite kennen.« Das Lächeln verschwindet so rasch, daß ich mich fra ge, ob ich es mir eingebildet habe. »Von einer scham losen, gewöhnlichen Seite.« Ich möchte nicht, daß er
so über mich redet. Daß er so mit mir redet. Nicht in diesem Ton. Nicht so abfällig. Und zugleich spüre ich die zunehmende Hitze zwischen meinen Beinen, spüre, wie sie sich von meinem Schoß aus in meinem Körper ausbreitet. »Ganz wie du willst«, fährt er fort. »Mich stört es nicht, wenn du die ganze Nacht hier stehen bleibst.« Er läßt seinen Blick über mich wandern. »Im Gegen teil. Es steht dir gut.« »Wieso tust du das?« frage ich. Für einen Moment gelingt es mir, Schmerz und Lust zu ignorieren. Ich sehe ihn an. Ich meine die Frage ernst, ich will es wirklich wissen. »Du kannst mich nicht dazu zwingen, etwas zu sagen, worüber ich nicht sprechen will.« »Doch.« Nur dieses eine Wort. Sehr leise. Fast ge langweilt. Als wäre er ein anderer. Nicht der Mann, mit dem ich in Urlaub gefahren bin. Mit diesem hier kann ich nicht reden. Diesem kann ich mich nicht verständ lich machen. Dieser ist ein Fremder, dessen Verhalten ich nicht einschätzen kann. Und der in mir ungekannte Reaktionen weckt: Hemmungslosigkeit und den Ver lust der Kontrolle über meinen Körper. Über meinen Willen. Wieder treten mir die Tränen in die Augen. »Wieso tust du mir das an?« »Es gefällt mir so«, sagt er wie beiläufig und stößt sich von der Wand ab. »Du gefällst mir so: nackt und wehrlos.« Langsam kommt er auf mich zu, steht jetzt dicht vor mir: »Und du hast es verdient. Oder?« Mein Schluchzen wird lauter. Ich weiß nicht mehr, wa rum ich weine. Vor Schmerz. Oder weil er so mit mir redet. Oder weil es mich erregt, daß er so mit mir spricht. »Und du brauchst das. Dir gefällt es auch.« Weil seine Worte mich erregen wie eine Berührung. Selbst im Schmerz. Noch immer sieht er mich an. Mit diesem faszinierten und zugleich teilnahmslosen Blick. »Was hast du mir zu beichten?« fragt er wieder. Ein Satz aus einer anderen Welt. Der Satz, mit dem der
Abend begonnen hat. Für einen flüchtigen Moment fährt seine Hand über meinen Schoß, meine Scham. Ein kurzer Moment, in dem ich den Schmerz vergesse. In dem die Erregung die Verzweiflung verdrängt, in dem ich vergesse, daß ich wütend auf ihn sein sollte. Und nun ist mir alles egal. Wenn er mich nur losbindet. Wenn er mich nur wieder berührt. »Eben…«, beginne ich zögernd, »als wir zurück ins Hotel kamen…« Ich schließe die Augen. Unter den ge schlossenen Lidern treten mir weiter die Tränen her vor, laufen heiß über meine Wangen. »Ich hatte nur das kurze Kleid an, keinen Slip…« Ich habe aufgehört zu denken. Nun kommen die Worte, brechen aus mir heraus, ohne daß ich überlege, vielleicht aus Erschöp fung, vielleicht aus Resignation oder Einsicht: »Kurz vor der Treppe habe ich den Schlüssel zum Zimmer fallenlassen, mit Absicht, ich weiß selbst nicht, wieso. Dann habe ich mich so nach ihm gebückt, daß der hinter mir stehende Portier meinen nackten Po unter dem kurzen Rock sehen konnte.« Ich verstumme, halte die Augen geschlossen. »Wolltest du, daß er sieht, daß du nackt unter dem Rock bist?« Ich nicke. »Ja.« Noch immer wage ich nicht, die Augen zu öffnen. Endlich eine Berührung zwischen meinen Beinen. Die Berührung, auf die ich seit Stunden ge wartet habe. Nach wie vor quellen die Tränen unter den Lidern hervor, doch mischt sich ein lauter wer dendes Stöhnen in mein Schluchzen, als seine Hand an meiner Möse auf- und abfährt. Mühelos gleiten sei ne Finger in die feuchte Öffnung, und trotz des anhal tenden Schmerzes windet sich mein Körper, vor Lust jetzt, während er seine Finger in mich stößt, heftiger und tiefer, die Lust mischt sich in den Schmerz, ver schwimmt mit ihm, aus meinem Mund dringen die Laute einer Fremden, unkontrollierte, ruckartig her vorgepreßte Laute, die sich in jähen Schreien entla
den, als mein Körper zu zucken beginnt und ich kom me. Er bindet mich los, erschöpft will ich mich an ihn leh nen, gegen ihn pressen, will seine Arme um mich spü ren. Statt dessen drückt er mich so grob und plötzlich an den Schultern hinunter, daß meine Beine einkni cken, ich in die Knie gehe. »Komm«, sagt er, beugt nun meinen Oberkörper nach vorn, »komm mit mir«, und schon spüre ich meine Möse wieder naß werden, als ich gehorche und ihm auf allen Vieren ins Zimmer folge. Dort setzt er sich auf einen Stuhl, legt seine Hände um mein Gesicht, richtet meinen Oberkörper auf, indem er meinen Kopf zu sich hochzieht. Er sieht mich an. »Da du dich anderen so offen anbietest, werde ich dafür sorgen, daß wir die Besitzverhältnisse klären«, sagt er. Besitzverhältnisse? »Und sichtbar machen«, fügt er hinzu. Was für Besitzverhältnisse? »Wenn du dich in Zukunft jemandem anbietest, dann weil ich es will. Und nur demjenigen, den ich dir aus suche.« Seine Hände streichen über meinen Hals, die Schulter, nähern sich den Brüsten. »Ab heute tust du, was mir gefallt«, fährt er fort. »Ich werde dafür sorgen, daß du bekommst, was du brauchst: Strenge… Konsequenz. Dann werden wir sehen, ob nicht selbst du lernfähig bist.« Er kneift in meine Brustwarzen, die sofort hart werden. Es ist mir egal, daß ich nicht verstehe, was das zu bedeuten hat. Ist mir egal, daß ich nicht verstehe, wieso es mich erregt. Besitzverhältnisse. Immer noch dieses Wort in meinem Kopf. Und seine Hände an meinen Brüsten. »Es wird sehr schmerzhaft und unangenehm für dich werden, wenn du nicht gehorchst.« Mit diesen Worten erhebt er sich. Ich will es ihm gleichtun, aber er drückt mich nach unten. »Warte, bis ich dir erlaube aufzustehen.«
Du bekommst, was du brauchst. Wenn du nicht ge horchst. Hat er das wirklich gesagt? Bis ich dir erlaube auf zu stehen. Ich möchte es noch einmal hören, um es glauben zu können. Und um erneut die Erregung zu spüren, die diese Worte bei mir auslösen. Als er sich wieder setzt, hat er etwas in den Händen, legt es mir um den Hals. Innere Abwehr, als ich be greife, was er vorhat, was er damit meinte: Besitzver hältnisse sichtbar machen. Schwarzes Leder schließt sich um meinen Hals. Denkt er, daß ich so auf die Straße gehe? Glaubt er das tatsächlich? Das werde ich nicht tun. Als er sich erhebt, zurücktritt, mich ansieht, wird mir bewußt, wie ich vor ihm knie. Nackt bis auf das schwarze Halsband. »Steh auf!« sagt er. Mechanisch tue ich es. »Spreiz die Beine.« Diesmal sehe ich ihn nur an. Für einen Moment denke ich an den gestrigen Tag, an dem wir hier angekom men sind, an den Beginn des Abends, als wir schläfrig nebeneinander auf dem Bett lagen. Das hier hat nichts mehr damit zu tun. »Spreiz die Beine«, wiederholt er, und jetzt tue ich es doch, Zentimeter um Zentimeter, bis mir sein Nicken bedeutet, daß sie weit genug geöffnet sind, daß er zufrieden ist. Er kniet sich vor mich, holt etwas aus der Hosentasche. Was es ist, kann ich nicht erkennen. »Du bist zu naß«, konstatiert er sachlich, wischt mit einem Taschentuch über mein Geschlecht. Dann spüre ich ein plötzliches Beißen, unter dem ich leicht zu sammenzucke, als sich die Klammern schließen, spüre die Kette zwischen den Beinen, deren Gewicht meine Schamlippen leicht nach unten zieht. Er geht zur Tür. »Jetzt kann jeder sehen, daß du nicht frei bist.« Er zieht den Schlüssel vom Schloß. »Und du spürst es.« Noch immer stehe ich reglos. »Zieh dein Kleid an.« Ich greife nach dem über einer Stuhllehne hängenden
Kleid, streife es über.
»Komm«, sagt er, und wir verlassen das Zimmer, das
Hotel.
Noch ist es draußen heiß, doch hat sich der Wind ver stärkt, und heftiger werdende Böen kündigen den
Sturm an. Dankbar für den Schutz der Dunkelheit hof fe ich, sicher vor fremden Blicken zu sein. Doch immer
wieder trete ich in das alles enthüllende Licht der
Straßenlaternen, und selbst im tiefsten Dunkel würde
ich das Halsband, die Kette zwischen meinen Beinen
spüren. Begegnet uns jemand, sehe ich zur Seite.
Plötzlich, vor dem Eingang eines alleinstehenden Hau ses, bleibt er stehen, klingelt. Die Front des Hauses
zeigt zum Meer, und hinter mir schlagen sich brechen de Wellen der steigenden Flut tosend im Sand auf.
Eine hohe Tür öffnet sich, in der eine junge Frau er scheint, uns schweigend einläßt. Sie nickt ihm zu, wir
betreten eine großzügige Halle. Hier ist es so kühl, daß
ich fröstle.
»Bleib hier«, sagt er, entfernt sich mit ihr. Geflüsterte
Sätze, leise Stimmen, deren Worte ich nicht verstehe.
Dann kehren sie zurück.
»Jetzt wirst du noch einmal tun, was du eben nicht
lassen konntest«, sagt er, wirft den Schlüssel zu unse rem Hotelzimmer auf den Boden. Ein lautes Klappern,
als das Metall auf dem Stein aufschlägt, über den glat ten Boden rutscht. Ich ahne, was er bezweckt, aber
ich zeige keine Reaktion.
»Bück dich, heb ihn auf.«
Kühl und feucht spüre ich die Lust zwischen meinen
Beinen. Die Frau sieht mich an, erwartungsvoll. Vor
einer Stunde hätte ich gesagt, daß ich gehen will, daß
ich es nicht tun werde. Ich hätte gefragt, warum er
das von mir verlangt und wer die Fremde ist. Woher er
sie kennt und warum er mich hierher geführt hat. Jetzt
sage ich nichts. Ich weiß, daß diese Fragen überflüssig
sind. Und daß ich keine Antwort bekäme. Statt dessen
gehorche ich, gehe leicht in die Hocke, greife nach dem Schlüssel, reiche ihn ihm. Er schüttelt den Kopf. »So nicht«, sagt er, wirft ihn erneut zu Boden. »Bück dich, wie du es vorhin getan hast. Wir wollen deinen nackten Arsch sehen. Und die Kette an deiner Möse.« Ich will etwas sagen, das Wort liegt mir auf der Zun ge: nein. Ich denke: Es ist ganz einfach, ich kann nein sagen und gehen. Ich blicke zur Tür. Er würde mich gehen lassen, fast bin ich sicher, daß er mich nicht aufhalten würde. Aber ich bleibe stehen, und jetzt se he ich zu Boden, sehe den Schlüssel an, und ich weiß, daß ich seinen Wunsch befolgen werde. Ich beuge meinen Oberkörper hinab, bücke mich, mit durchge streckten Beinen diesmal, eine schnelle Bewegung, rasch fasse ich den Schlüssel, spüre, wie der Rock hinten hinaufrutscht, meinen nackten Hintern ent blößt. Will mich wieder aufrichten, es geht ganz schnell, fast habe ich es geschafft, erleichtert will ich mich erheben. Wieder sein fester Griff im Nacken. Mein Oberkörper wird hinuntergedrückt. »Spreiz die Beine.« Eine helle Stimme. Fast freundlich. Die Stimme der Frau. Diesmal gehorche ich sofort. Dann spüre ich eine Hand. Ihre Hand an meiner hei ßen Möse. »Sie muß noch viel lernen«, sagt sie, und der Druck ihrer Hand wird fester. »Dafür ist sie bei mir richtig aufgehoben.« Ich presse mich ihrer Hand entgegen, ihren Fingern, reibe mich an ihnen, die in mich eindringen, mich aus füllen. Der Schmerz, verursacht von den Klammern an der empfindlichen Haut, verstärkt sich, steigert auch die Erregung, und dann komme ich, schnell und heftig. Und als ich mich aufrichte, trifft mein Blick den ihren. Aufgewühlt sehe ich sie an, doch sie bleibt ruhig, wie unberührt. Leicht, ohne den Blick von mir zu wenden, zieht sie an der Kette zwischen meinen Beinen. Ein abschätziges Lächeln spielt um ihren Mund, als ich
aufstöhne. Ich schlage die Augen nieder. »Zieh dein Kleid aus«, sagt sie, »das brauchst du hier nicht.« Wie viele Frauen haben mich nackt gesehen? Freundinnen, Bekannte, Fremde. Aber ich zögere. Hier ist es etwas anderes. Hier erregt es mich. Und bringt mich in Verlegenheit. Hier soll ich mit dieser Geste etwas zeigen, soll ihre Autorität auf diese Weise aner kennen. Indem ich mich vor einer Unbekannten aus ziehe. Vor einer Frau, die ich nie zuvor gesehen habe, die mich gerade zum Kommen gebracht hat und nun auf unverschämte Art betrachtet. »Ist es zu fassen?« Ihre vorhin so freundliche Stimme klingt nun ungehalten: »Tu, was ich dir sage.« Langsam öffne ich den Reißverschluß, das Kleid fällt zu Boden. »Jetzt knie dich hin.« Ihr Ton ist bestimmt, fast her risch, verunsichert mich mehr noch, als die Tatsache, daß ich nackt vor ihr stehe. Und daß er seit Minuten schweigt. »Mir reicht es«, sagt sie. »Ich habe genug von deinem Trotz.« Woher sie mit einem Mal den Stock hat, weiß ich nicht, habe ihn zuvor nicht gesehen. Jetzt hält sie ihn in der Hand, läßt ihn durch die Luft sausen. Ein Schmerz fährt durch meinen Körper, Tränen schießen mir in die Augen, als er meinen blanken Hintern trifft. Und nun schlägt sie zu, wieder und wieder, in kurzen Abstän den folgen die Hiebe aufeinander; noch ehe ich mich von dem Brennen, das einer der Hiebe hinterlassen hat, erholt habe, trifft mich der nächste. Ich versuche auszuweichen, wegzulaufen, doch jetzt hält er mich fest, »runter mit dir«, drückt mich erneut in die Knie, während die Schläge auf meine nackte Haut niederge hen. Ich stöhne und schreie, versuche, den Hieben zu entkommen, ich presse die Lippen aufeinander und gebe keinen Ton mehr von mir, ich beiße die Zähne zusammen und balle meine Hände zu Fäusten, ich schluchze, flehe, bitte sie aufzuhören, doch nichts
hilft, jedes Mal durchschießt mich der Schmerz aufs
Neue, wenn der Stock meinen Hintern trifft. Dann,
plötzlich, brechen die Schläge ab. Sie legt den Stock
beiseite.
»Das passiert, wenn du nicht gehorchst«, sagt sie.
Noch immer knie ich auf dem Boden, dankbar, weil
der Schmerz nachläßt. Und weil ich nun weiß, was ich
zu tun habe: Daß ich mich fügen werde. An dem Hals band, das er mir vor Stunden umgelegt hat, befestigt
sie eine Kette.
»Sie können sie in einer Woche abholen.« Ihre Stim me ist jetzt wieder freundlich. Als wäre nichts gesche hen. Weich. Als sei sie die Sanftmut selbst. »Sie wird
dann ganz brav und folgsam sein.«
Seine Absätze auf dem Stein. Die Tür fällt ins Schloß.
Er ist fort. Als sie einen Schritt macht, strafft sich die
Kette, mein Hals wird nach vorn gezogen. Sie sieht
sich nicht um, geht weiter, zieht mich hinter sich her.
Noch immer brennt mein Hintern von den Schlägen,
und auf dem harten Stein schmerzen meine Knie, als
ich sie voreinander setze, um hinter ihr herzukriechen.
Sanfte Berührungen auf meiner Haut. »Schläfst du?«
Ich schlage die Augen auf, sein Gesicht über mir. Sei ne Finger streifen meine Brust.
»Was hast du geträumt?« will er wissen.
»Ach, nichts.«
»Möchtest du mir etwas sagen?«
Erstaunt schüttle ich den Kopf. Sein interessierter,
wachsamer Blick auf mir. Als sähe er mich zum ersten
Mal.
»Bist du sicher?« fragt er.
GEDULDSPROBE JEDESMAL HABE ICH FAST EINEN MONAT AUF EINE NACHRICHT von ihm gewartet. Er lehrt mich Geduld. Jetzt liegt eine heiße, schlaflose Nacht hinter mir. Aber nicht nur die Hitze hielt mich wach. Auch die Ungewiß heit. Eine Aufregung, in die sich Angst mischt. Und Lust. Lust, die ich zu unterdrücken versuche, indem ich mich zur Vernunft rufe. Indem ich mir sage, daß ich nicht gehen muß. Daß ich nicht gehen werde. Da bei ist die Entscheidung längst gefallen: Ich weiß, daß ich zur angegebenen Zeit dort sein werde, vor seiner Tür, daß ich klingeln werde. Seine Wohnung betreten werde. Was dann passieren wird, weiß ich nicht. Im Zimmer ist es so heiß, daß mein Körper naßgeschwitzt ist. Auch zu duschen hilft nicht, denn kaum habe ich mich abgetrocknet, legt die Feuchtigkeit sich wieder wie ein Film über meine Haut. Auf dem Nachttisch liegt sein Brief. Eigentlich ist es kein Brief, eher eine Mitteilung, eine Aufforderung, ein einziger Satz. Keine Anrede, keine Unterschrift. Er bestellt mich zu sich, heute vormittag, und noch im mer denke ich, daß ich es mir anders überlegen kann, daß ich hierbleiben oder ins Schwimmbad gehen kann. Aber ich ziehe mir ein Sommerkleid an, verlasse die Wohnung. Als er mir öffnet, sieht er mich an, ohne zu lächeln, während seine Hand meine Wange streift. Hier ist es kühl, gedämpftes Licht, Jalousien vor den Fenstern. Er setzt sich aufs Sofa. Ich weiß nicht, wohin mit mir, warte auf seine Aufforderung, mich ebenfalls zu set zen, verunsichert, bleibe unbeholfen stehen. »Zieh dich aus«, sagt er. Ich stehe in der Mitte des Raumes. Die kühle Luft auf meiner feuchten Haut, das Brennen zwischen den Bei nen. Einen Augenblick zögere ich. Sein auf mich ge
richteter Blick. Ich öffne den Reißverschluß des Klei des, steige hinaus, stehe nackt vor ihm. Sein Blick gleitet von meinem Gesicht über den Oberkörper, bleibt auf meiner Scham haften. »Spreiz die Beine.« Wenn ich es tue, wird er meine Erregung sehen kön nen, die Lust, die aus mir hinausläuft. Ein längeres Zögern diesmal. Sein Blick begegnet meinem, und ich weiche ihm aus. »Spreiz die Beine«, wiederholt er leise. Im selben Ton fall. Es klingt nicht nach einem Befehl, nicht einmal nach einer Aufforderung. Es ist, als würde er etwas kommentieren; in seiner Stimme die Sicherheit, daß ich tun werde, was er möchte. Langsam öffne ich die Beine. Kein Laut, bis auf das leichte Knirschen des Leders, während er sich im Sofa zurücklehnt. Als er aufsteht, sich mir nähert, beginne ich zu zittern. Warte auf seine Berührung. Er bleibt vor mir stehen, betrachtet meinen Körper, geht um mich herum. Dann, unerwartet, streift seine Hand meine Brustwar ze. Ein Stöhnen, das von mir stammen muß. Die kurze Hoffnung, daß er mein Geschlecht berühren wird. Doch er geht zurück zum Sofa, setzt sich. »Du tropfst«, sagt er, und diesmal klingt seine Stimme fast verächtlich. Während ich dort stehe, ausgeliefert an die eigene Lust und an seinen Blick, weglaufen und mich verstecken will. Aber ich bleibe stehen, als sei ich festgenagelt, die Beine weit geöffnet, die Hände hinter dem Rücken. »Ich möchte, daß du dich auf alle Viere kniest und dort zum Tisch kriechst«, sagt er. Ich sehe ihn an und reagiere nicht. Der Tisch steht an der Wand rechts hinter mir. Vier oder fünf Meter von mir entfernt. Ein Rauschen in meinem Kopf. Ansonsten ist es still. Wir sehen uns an, und je länger ich seinem Blick standhal te, desto sicherer bin ich, daß ich es nicht tun werde. »Knie dich hin!« Sein Tonfall ist schärfer geworden.
Noch immer reagiere ich nicht. Aber ich kann seinen Blick nicht mehr aushalten, senke den Kopf, und in diesem Augenblick hat er gewonnen. Ganz langsam und so, als gehörte er einer anderen, beugt sich mein Körper hinab, berühren die Knie und Handflächen den Boden. »Und jetzt kriech zum Tisch!« Ganz vorsichtig schüttle ich den Kopf. »Nein«, sage ich einfach. Plötzlich ist der Trotz da. Und der läßt keinen Platz für ein anderes Gefühl. Nein, das werde ich nicht tun. Bestimmt nicht. Er erhebt sich. Und dann ist er bei mir, steht über mir. Greift in meine Haare, zieht meinen Kopf so jäh nach hinten, daß es schmerzt. »Hast du es noch immer nicht begriffen?« fragt er. »Es interessiert mich nicht, was du willst.« Mit der einen Hand zieht er meinen Kopf in den Nacken, mit der an deren holt er aus, und hart trifft seine Handfläche meine linke Wange. Tränen schießen mir in die Augen. So plötzlich, wie er meine Haare gepackt hat, läßt er sie los. Seine Finger fahren durch meinen nassen Schritt, das erste Mal an diesem Tag. »Auch wenn es dir nicht ge fällt, deiner Fotze scheint es zu gefallen«, sagt er, und das ist eine sachliche Feststellung. Die Worte treffen mich mehr als der Schlag ins Gesicht, und dennoch bricht sich die Erregung Bahn, sucht mein Geschlecht seine Hand, will sich gegen sie pressen. Doch er hat sie schon wieder fortgezogen. »Jetzt tu, was ich dir sage«, verlangt er. Meine Beine und Arme beginnen, sich zu bewegen. Ich krieche über den harten Boden. Es ist leichter, als ich gedacht habe. Vor dem Tisch halte ich inne. »Nimm die Gerte, die auf dem Tisch liegt, in den Mund und bring sie mir auf allen Vieren.« Ich bleibe knien, muß jedoch meinen Oberkörper auf richten. Am Rand des Tisches sehe ich die Reitgerte liegen. Schwarz, lang und sehr schmal. Ich habe auf
gehört zu denken und mich zu wehren. Meine Lippen schließen sich um die Rute. Durch den Raum krieche ich auf das Sofa, auf ihn zu, lege ihm die Gerte in den Schoß. Seine Hand streicht durch mein Haar. »Das hast du sehr brav gemacht«, sagt er mit weicher Stimme. Dankbarkeit für sein Lob. Ruhe in Geist und Körper. Weil ich seinen Willen erfüllt habe. Alles andere ist unwichtig. Gibt es eine Welt jenseits der unseren, in der er befiehlt und ich gehorche? Sie ist belanglos. Ohne Bedeutung. Denn ich spüre seine Hand auf mei nem Haar. Spüre seine Zufriedenheit mit mir. »Wirst du heute alles tun, was ich von dir verlange?« fragt er. »Ja«, sage ich. Diesmal gibt es kein Zögern. Und ich meine es ernst. »Gut.« Schweigen, während seine Hand weiter über meinen Kopf streicht. Dann spüre ich sie an meinen Brüsten, in die Brustwarzen kneifen. Spüre die Lust sich meiner wieder bemächtigen, den Wunsch, endlich zu kommen, erlöst zu werden. »Ich werde dich heute sehr hart schlagen.« Er spricht weiter, während er so fest in meine Brustwarzen kneift, daß es schmerzt. Noch immer knie ich auf dem Boden, den Blick nach unten gerichtet. »Ich werde dich so lange schlagen, bis du mich darum bitten wirst aufzuhören.« Fast klingt es, als würde er es bedauern. »Ich werde deinen Hintern mit Striemen versehen, so daß du dich noch nach Tagen bei jedem Blick in den Spiegel daran erinnern wirst.« Schweigen. »Möchtest du, daß ich das tue?« Ich hebe meinen Kopf, sehe ihn an. »Ja.« Er greift nach etwas, was neben ihm auf dem Sofa liegt. Schwarz und ledern. Legt es mir um den Hals, schließt es. Befestigt eine Kette daran, deren Ende er in der Hand hält. Erhebt sich. Geht einige Schritte. »Komm«, sagt er leise.
Einen Moment lang meldet sich mein Verstand zurück.
Ich bin doch kein Tier, denke ich. Aber die Kette be ginnt, sich zu spannen. Ich spüre den Zug an meinem
Hals, spüre, wie mein Kopf nach vorn gezogen wird,
und dann setzt sich mein Körper in Bewegung, und ich
krieche ihm hinterher. Er führt mich zu einem Stuhl,
setzt sich, nimmt die Kette ab.
»Steh auf!«
Ich erhebe mich langsam, fühle mich jetzt, vor ihm
stehend, noch nackter, noch schutzloser.
»Zeig mir deine Möse«, sagt er. »Öffne sie mit deinen
Händen und zeig mir deine Geilheit.« Das Blut schießt
mir in den Kopf. Doch meine Finger greifen zwischen
meine Beine, ziehen die Schamlippen auseinander.
»Streck mir deine Möse entgegen«, fordert er mich
auf. Ein Dröhnen hinter meiner Stirn, die zu zerbers ten droht. Sekunden, die zu einer Ewigkeit werden.
»Los«, sagt er, »zeig sie mir. Zeig mir deine triefende
Fotze«. Langsam, als gehörte es einer Fremden,
schiebt sich mein Becken nach vorn, ihm entgegen,
und er betrachtet mein Geschlecht, das ich ihm dar biete.
»Macht dich das geil?« fragt er. Ich reagiere nicht,
sehe an ihm vorbei, während ich spüre, wie sich die
Nässe zwischen meinen Beinen ausbreitet.
»Antworte, wenn ich dir eine Frage stelle!«
»Ja.« Das ist alles.
Er hat sich erhoben, steht jetzt neben mir, die Gerte in
der Hand. »Ich bin deine einsilbigen Antworten leid«,
sagt er. »Ja. Nein. Sprich in ganzen Sätzen, wenn du
gefragt wirst.«
Ich sehe ihn jetzt an.
»Hast du mich verstanden?«
Nicken.
Ein sengender Schmerz, als die Gerte auf meinen Hin tern saust. Der plötzliche Schmerz wogt durch meinen
Körper, löscht alles andere aus, trübt mein Bewußt sein, so daß mir einen Moment lang die Beine wegzu
knicken drohen. »Hast du mich verstanden?« wieder holt er seine Frage. »Ja.« Ein weiterer Hieb. Fester noch als der erste. Ein Bren nen auf der Haut, das sich von der getroffenen Stelle aus über den ganzen Hintern ausbreitet. Tränen treten unter meinen geschlossenen Lidern hervor. »Hast du mich verstanden?« »Ja, ich habe verstanden.« »Na also. Es geht doch.« Seine Hand streicht über meinen brennenden Hintern. »Das wird zwei schöne Striemen geben«, stellt er fest. Dann über meine Wange. »Es ist doch gar nicht so schwer.« Er sieht mich an. »Es ist viel angenehmer für dich, wenn du gehorchst, statt trotzig zu sein.« Er küßt mich. »Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, daß du deine Lek tion nicht wieder vergißt.« Seine Hand faßt grob in meinen Nacken, drückt meinen Kopf hinunter. Ein plötzlicher Wandel in seiner Stimmlage. Die Sanftheit weicht einem barschen Ton: »Knie dich hin«, sagt er. »Streck deinen Arsch raus und spreiz die Beine!« Wie der knie ich auf dem Boden, auf allen Vieren, den O berkörper durchgedrückt, strecke ihm meinen Po ent gegen. Diesmal weiß ich, was kommen wird. Diesmal warte ich auf den Schlag, während er hinter mir steht. Doch statt des Schlages spüre ich eine leichte Berüh rung zwischen meinen Beinen. Ich höre mein Stöhnen. Es ist der Stock, der mich leise streift, an meinem ge schwollenen, empfindlichen Geschlecht auf- und ab fährt. So leicht, daß es kaum spürbar ist, und doch reizt die Berührung meine heiße Möse so, daß mein Körper vor Lust fast zerspringt. Daß ich auf mehr hof fe. Mich der Berührung entgegendränge. Doch sie bricht ab. »Du wirst deine Geilheit noch etwas zügeln müssen«, sagt er. Im selben Momente trifft der Stock meinen Po. Bei den ersten Hieben entfährt mir ein Stöhnen. Dann presse ich die Lippen aufeinander, ge be keinen Laut mehr von mir. Die Hiebe folgen jetzt in
kürzeren Abständen. Zischend saust die Gerte auf meine Haut nieder. Trifft dieselbe Stelle, sucht sich eine neue, bis es keine mehr gibt, die nicht glüht. Der Schmerz wird stärker. Ich schreie jetzt. Mein Hintern versucht, den Schlägen auszuweichen. Doch der Stock findet meine nackte Haut. Ich krieche über den Boden, auf der Flucht vor den Hieben. Ich schluchze. Ich wimmere. »Nein«, sage ich. Es nützt nichts. »Bitte«, flehe ich. Er macht weiter. »Bitte.« Unbarmherzig ge hen die Hiebe auf mich nieder. »Bitte hör auf!« Sofort bricht er ab, legt die Gerte zur Seite, betrachtet meinen Hintern, fährt sanft mit der Handfläche über ihn. »In den nächsten Tagen wird dir das Sitzen weh tun.« Dann legt er mir ein Tuch vor die Augen, bindet es zu. Nimmt meine Hände. »Steh auf«, sagt er, führt mich vorsichtig aus dem Zimmer in das nebenan liegende. Doch schnell habe ich die Orientierung verloren, weiß nicht mehr, wo ich mich befinde, als wir anhalten. Horche auf seine Schritte, während ich stehenbleibe. Etwas ist anders, noch kann ich es nicht einordnen, es ist eine veränderte Atmosphäre, die ich wahrnehme, auch ohne sehen zu können. Er geht um mich herum. Ich höre Schritte auf dem Holzboden, spüre seine Nä he. »Sie ist manchmal etwas eigensinnig.« Sie sind zu zweit. Jetzt bin ich ganz sicher. »Gefällt sie dir?« fragt er. Mein Herz schlägt schneller, mein Atem geht hefti ger. »Mhm. Sehr hübsch.« Eine fremde Stimme. Ein he rablassender Ton. Ein fremder Mann. »Vor allem scheint ihr die Situation zu gefallen.« Ich brauche nichts sehen zu können, um zu wissen, daß der Blick des Unbekannten auf meine Möse gerichtet ist. Kann nichts tun, um die eigene Erregung zu verbergen. Könnte die Beine schließen. Aber das darf ich nicht. Warme Hände greifen meine Handgelenke, legen sie
auf den Rücken, binden sie dort zusammen. »Knie dich hin«, sagt der Fremde. Da ich es nicht freiwillig tue, drückt er mich zu Boden, zwängt dann grob mit dem Fuß meine Beine ausein ander, drückt mich weiter hinunter, so daß ich mit weit gespreizten Beinen auf meinen Fußgelenken sitze. Ihre Schritte entfernen sich, kommen dann wieder näher. Ich höre das Klirren von Glas, Flüssigkeit, die eingegossen wird, höre, wie sie sich setzen. Sie begin nen sich zu unterhalten, ignorieren mich. Meine Knie auf dem harten Boden schmerzen rasch. Auch meine Fußgelenke, auf denen das Gewicht meines Oberkör pers ruht. Ich verlagere das Gewicht, verschiebe mei ne Beine, soweit meine Haltung es mir erlaubt, suche eine Position, in der es weniger weh tut. Ich bemühe mich, ihrer Unterhaltung zu folgen, um nicht mehr an meine unbequeme Haltung denken zu müssen. Aber es nützt nichts. Die Schmerzen werden größer. Ich denke: Er kann mich hier nicht so sitzen lassen. Er hat ja keine Ahnung, wie schmerzhaft es ist. »Ich kann nicht länger so sitzen«, sage ich leise. Sie reden weiter. Über irgendeine Stadt, einen Urlaub, ich weiß es nicht. Längst höre ich nicht mehr zu, weil meine ganze Konzentration dem schmerzenden Körper gilt, den zu Boden gepreßten Knien, den angespannten Beinen, den Knöcheln der Füße. Wahrscheinlich habe ich zu leise gesprochen, sie können mich nicht hören, also versuche ich es erneut, lauter jetzt, wiederhole den Satz. Mitten in einer Äußerung bricht er ab. Ich weiß, daß er mich jetzt anschaut, daß ich endlich seine Aufmerk samkeit gewonnen habe. »Sei still!« sagt er. Er sagt es ganz höflich, mit einem freundlichen Unterton in der Stimme. »Es geht wirklich nicht mehr. Ich kann nicht länger so sitzen«, sage ich wieder. »Sie spricht, wenn sie schweigen soll, und antwortet nicht, wenn sie gefragt wird.« Aber er steht auf. Seine
Schritte nähern sich. Er wird meine Hände losbinden. Ich werde aufstehen können. Statt dessen packt seine Hand grob in mein Haar. »Ich habe gesagt, daß du still sein sollst.« Er zwängt mir etwas in den Mund, ein Stück Stoff, so daß mir für Augenblicke die Luft weg bleibt. Dann setzt er sich wieder, und sie unterhalten sich weiter. Eine halbe Ewigkeit scheint zu vergehen. Vielleicht haben sie mich wirklich vergessen. So ist es immer. Bei ihm lerne ich, was das heißt: warten. Ich weiß nicht mehr, ob ich wütend bin, weil er meinen Schmerz nicht ernst nimmt und mich ungerührt leiden läßt. Oder ob ich verzweifelt bin, weil ich überzeugt bin, in dieser Position keine Sekunde länger verharren zu können. Oder ob ich traurig bin, weil er mich igno riert. »Haben wir sie jetzt lang genug zappeln lassen?« fragt er plötzlich. Der Satz dringt wie von weit her an mein Ohr. Trotz der Abfälligkeit der Worte schöpfe ich Hoff nung: Es geht um mich. Sie werden meine Hände los binden, ich werde meine Haltung verändern dürfen, werde aufstehen, meine steifen Gelenke bewegen können. »Was denkst du?« fragt er. »Ich meine, sie könnte uns jetzt mal zeigen, daß sie auch etwas anderes kann, als zu jammern und sich zu wehren«, antwortet der Fremde. Sein Ton und seine Worte erschrecken mich. Doch zugleich, und obwohl sich noch immer der Schmerz durch meinen Körper zieht, spüre ich die plötzlich aufflammende Lust. Er löst die Fesseln an meinen Händen. Schon will ich meinen Oberkörper aufrichten, doch er drückt ihn er neut hinunter, so daß ich wieder auf allen Vieren knie. Plötzlich stößt er seinen Schwanz in meinen Hintern, während der andere den seinen tief in meinen Mund zwängt. Dann faßt mich der Strudel, in dem Schmerz und Lust verschwimmen und ich davongetragen werde von der Lust, die mich alles andere vergessen läßt. Danach führt er mich an der Kette auf Knien und Hän den zum Bett. »Leg dich hin«, sagt er, streichelt mich,
läßt seine Lippen über meinen Hals wandern, und mein erschöpfter Körper nimmt die sanften Berührun gen dankbar auf. Ich muß eingeschlafen sein, denn als ich die Augen öffne, hat er das Tuch von meinen Augen entfernt. Wir sind allein, und er sitzt angezogen und mit einem Glas Wasser neben mir auf dem Bett. Ich richte mich auf, um zu trinken, während er mich sanft streichelt. »Du mußt jetzt gehen«, sagt er leise und öffnet das Lederhalsband. Ab dem Moment, in dem ich aus dem Haus trete, mir die nachmittägliche Hochsommerhitze entgegen schlägt, beginne ich von neuem zu warten. Das Son nenlicht blendet mich. Bei jedem Schritt brennt mein Hintern, die von den Schlägen wunde Haut. Noch fühle ich mich schutzlos, offen. Und fremd im Tageslicht, unter den Menschen. Ab heute beginne ich erneut zu warten. Darauf, daß er sich bei mir meldet. Wann das sein wird, weiß ich nicht.
KOMPLIZEN
OBSCHON ICH EINE KONSERVATIVE UND AN CHRISTLICHEN
Werten orientierte Erziehung genossen habe, deren Grundsätze ich verinnerlicht zu haben glaubte, kann ich nicht anders, als es mir einzugestehen: Ich bin zutiefst amoralisch. Denn ich überlasse mich ganz meinem Genuß, den Bedürfnissen meiner Sinnlichkeit. Ich bin dem Luxus verfallen, und alles andere als die Befriedigung meiner materiellen und körperlichen Ge lüste läßt mich kalt. Er hat dieses verwöhnte, triebhafte und unersättliche Geschöpf aus mir gemacht, aber wir wissen beide, daß er leichtes Spiel hatte, denn niemand hätte diese Ver worfenheit in mir wecken können, wäre sie nicht schon immer verdrängter Teil meiner selbst gewesen. Es ist, als hätte ich darauf gewartet, ihm, der meine Fassade zerstört hat, zu begegnen, um endlich mein wahres Ich zu offenbaren und in meiner eigenen Wollust zu versinken. Das Erste, was ich von ihm wahrnahm, war ein Duft mit einer so weichen Note, daß ich ihn zunächst für das Parfum einer Frau hielt. Es war ein verregneter Dienstagvormittag, an dem ich eine Gruppe Kunstbef lissener durch die Ausstellung mit spanischer Malerei des 18. Jahrhunderts führte, und wir waren vor Goyas Porträt des Herzogs von Wellington stehengeblieben, als der Geruch in meine Nase stieg. Er stand schräg hinter mir, und seine Nähe irritierte mich genug, daß ich meine Ausführungen über das Bild kurz unter brach, um mich leicht zur Seite zu drehen und aus den Augenwinkeln einen großgewachsenen, dunkel geklei deten Herrn zu bemerken, der sich, kaum hatte ich mich umgewandt, bereits wieder entfernte. Als die Führung kurze Zeit später beendet war und ich eilig durch die Museumsräume zurück zum Ausgang lief,
fiel mein Blick nur zufällig auf die Stelle, an der ich die Aufmerksamkeit der Besucher nur wenige Minuten zuvor auf den Goya gelenkt hatte. Er war nicht mehr da. Der Platz, an dem das Porträt des Herzogs gehan gen hatte, war leer. Fassungslos blieb ich stehen, starrte die kahle Stelle an der Wand an, und dann lief ich los. Ich rannte, hektische Blicke um mich werfend, durch die Menge, in der Hoffnung, zwischen den Besuchern denjenigen zu entdecken und zu stellen, der das Bild entwendet hatte. Wie war es überhaupt möglich, daß jemand das Bild unbemerkt entfernt hatte? Die Aus stellung fand angemessene Beachtung und war dem zufolge selbst an einem Dienstagmorgen gut besucht. Egal, keine Zeit für Fragen, ich hastete weiter, und als ich beim Einlaß ankam, stieß ich atemlos hervor: »Das Bild – es ist nicht mehr da. Ist jemand hier vorbeige kommen? Mit Goyas Herzog?« Und dann wieder: »Das Bild. Es ist weg…« Der Museumswärter sah mich stumm und apathisch an, und sein törichter Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, daß selbst der Ungeschickteste ein Bild an ihm vorbei aus dem Museum hätte schmuggeln können. Ohne nachzudenken, ließ ich ihn stehen, rannte weiter, zog im Laufen meinen Mantel über, stürzte durch den Ausgang, rannte kopflos in eine Straße, die mir schnell als die falsche erschien, da sie zur Stadt führte, so daß ich kehrt machte, um Rich tung Fluß zu laufen. Ich sah ihn auf der Brücke, und er trug tatsächlich das Bild unter dem Arm. Das Erste, was ich dachte, war, daß dem Gemälde der Regen schaden würde. Lange habe ich nicht begriffen, was in mich gefahren war, daß ich ihn auf eigene Faust verfolgte, und zu nächst konnte ich es mir nur so erklären, daß die Sor ge um das Bild mich hinter ihm hertrieb. Heute weiß ich es besser. Er schien es nicht eilig zu haben, schlenderte wie ein
harmloser Spaziergänger und ohne sich nach eventu ellen Verfolgern umzusehen mit dem Goya durch den Niesel über die Brücke, am Park entlang, zu einem unmittelbar und einsam am Fluß gelegenen Haus. Da, endlich, als er gerade die Tür aufschloß, hechtete ich auf ihn zu. »Geben Sie das Bild zurück!« forderte ich. »Oder ich rufe die Polizei.« Er sah mich einige Momente prüfend an, und mir schien, er verkneife sich ein Lachen, bevor er den Goya langsam abstellte. Und plötzlich, ehe ich begriff, was er vorhatte, war er hinter mir, legte mir eine Hand vor den Mund, drückte mit seinem freien Arm gegen meinen Bauch und zog mich durch die Tür in einen dunklen Flur. Ich versuchte, mich zu wehren, doch er war zu stark, und dann war es zu spät: Ich war drin, war gefangen, verlor meine Freiheit und mich selbst, denn mit diesem Augenblick, in dem ich sein Haus betrat und seine Luft atmete, begann meine Wandlung. Heute weiß ich es. Ich weiß, daß ich seine Nähe und die von ihm ausgehende Gefahr gesucht, daß ich die Situation provoziert habe. Denn schon da mals muß ich geahnt haben, daß die Begegnung mit ihm mich aus den Zwängen meines Daseins befreien würde. Wieder stieg der schwüle Duft, den ich im Museum zuerst wahrgenommen hatte, in meine Nase, und jetzt legte er sich wie ein Schleier über mich. Aber es war nicht der Geruch, der mich betäubte, sondern die Be wegungen und Berührungen des Fremden: seine Hand vor meinem Mund, mein gewaltsam unterdrückter Pro test, der feste Griff um meinen Oberkörper und seine Finger, die, wo die Knopfleiste des Mantels endete, unter ihn geglitten waren und versehentlich meine durch die dünne Bluse nur dürftig geschützte Brust gepackt hatten. War es wirklich ein Versehen? Meine Brustwarzen wurden hart unter der groben Berührung, und statt Angst in mir auszulösen, versetzte die Situa tion mich in einen zugleich erregenden und lähmenden
Rausch, so daß ich aufhörte, mich zu wehren, und in der Folge schien es das Natürlichste der Welt, daß er mich freigab, um mich gleich wieder an den Oberar men zu packen, zu sich herumzudrehen und mich zu küssen. Und ebenso selbstverständlich schien es, daß ich den Kuß erwiderte. »Du wirst mir keinen Strich durch die Rechnung ma chen«, flüsterte er, und erst diese Worte erinnerten mich an den Goya und an eine Realität, in die ich nicht zurückwollte. »Ich fürchte, ich muß verhindern, daß du zur Polizei läufst, sobald ich dich gehen lasse.« Seine Worte, dicht an meinem Ohr, waren kaum mehr als ein Hau chen. »Oder versprichst du mir, daß du niemandem etwas verraten wirst, wenn ich dich laufen lasse?« Aber soweit war ich noch nicht. »Nein«, flüsterte ich, und vielleicht beabsichtigte ich, ihn herauszufordern. Denn als er sagte: »Du weißt, was das bedeutet«, nickte ich und antwortete: »Du wirst mich gefangen halten müssen.« Und diesmal war er es, der nickte. Er hielt mich tatsächlich gefangen. Aber das war nicht alles. Und es war nicht das Wichtigste. Das Wichtigste war, daß er meinem Körper gab, was dieser brauchte: Morgens brachte er mir den Kaffee ans Bett und fragte trügerisch sanft, während er mir schluckweise die Flüssigkeit einflößte: »Wie hat meine kleine Verbre cherjägerin heute geschlafen?« Aber die Sanftmut sei nes Tons konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß ich an den Bettrahmen gekettet war. Und sie konnte erst recht nicht über die Geschehnisse der Nacht und des vergangenen Tages hinwegtäuschen. Und nicht über das, was geschah, nachdem er die Tasse abge stellt hatte, um seine Hand auf mein Gesicht zu legen, als gehöre es ihm, um mein Kinn und meine Haare zu packen und seine Finger in meinen Mund zu schieben, während die andere Hand meinen nackten Körper ab tastete, der auf nichts anderes gewartet hatte, ihn in Besitz nahm, meine Beine auseinanderdrückte, bevor
sich erst ein Finger und dann weitere in mein geöffne tes, erwartungsvolles Geschlecht drängten, bis seine Hand mich ganz ausfüllte. Als meine Lust und mein Schmerz sich vergeblich durch meinen Mund, auf den er die andere Hand preßte, ein Ventil suchten, fragte er: »Ist es das, was du brauchst?« Und als er seine Hand dann wegnahm und meine Sprache befreite, sagte ich nichts weiter als: »Ja.« Immer wieder: »Ja, ja.« Ein Wort, das in einem langgezogenen Laut ende te, bevor er mit der erneut auf mein Gesicht gepreß ten Hand den Kopf zurück aufs Laken drückte, um die Schreie in meinen geöffneten Mund zurückzudrängen. Und schon am zweiten Tag fand er, es reiche nicht, daß ich immer nur dieses eine Wort sagte. Er hatte genug davon. Er wollte, daß ich mich bedankte, daß ich bettelte. Und auch das tat ich. Er lehrte mich, ihm zu danken, wenn ich gekommen war. Und er lehrte mich, ihn darum zu bitten, seine Hand, seinen Schwanz, seine Lust in jede meiner Öffnungen zu sto ßen. Und als er mich schließlich seiner Komplizin präsen tierte, war ich längst Wachs in seinen Händen, hatte meine Erziehung vergessen und alles, was ich je ge lernt hatte. Nichts war von mir geblieben als ein for dernder, gieriger Körper, offen und jederzeit bereit, süchtig nach seinen Berührungen. An diesem Tag führte er mich mit verbundenen Augen in einen Raum, den ich nie gesehen hatte. In seinem Haus kannte ich nichts als den Flur, in dem er mich überwältigt und zum ersten Mal geküßt hatte, das Schlafzimmer, in dem ich bettelte und schrie, damit und während er mich nahm, das Bad und die Küche. Nur einmal hatte er mich in den Garten geführt, doch auch da waren meine Augen verbunden gewesen, während ich auf Händen und Knien über den Rasen kroch, weil er meinte, ich brauchte frische Luft Mit verbundenen Au gen, die Beine gespreizt, stand ich da und hörte ihnen zu.
»Die Kleine hat mich verfolgt, nachdem ich Goyas Herzog habe mitgehen lassen«, sagte er. »Dabei war es Zufall. Nichts, was uns normalerweise interessiert. Es bot sich einfach an, nachdem ich gesehen hatte, daß direkt unter dem Toilettenfenster eine Leiter stand.« Im Geiste entschuldigte ich mich bei dem Mu seumswärter. »Ich hätte sie laufen lassen, wenn es nur um den Goya gegangen wäre. Aber sie drohte, die Polizei zu rufen…« »Und nur weil sie dir gefällt und du sie fickst, glaubst du, ihr vertrauen zu können?« Es war eine kühle, sou veräne Frauenstimme, deren Worte nicht zu ihrer ak zentuierten Sprechweise paßten. »Das ist es nicht«, wehrte er ab. »Sieh sie dir genau an.« Ich hörte, wie die Frau sich erhob, näher kam, dann erneut seine Stimme: »Vielleicht weiß sie es noch nicht. Aber sie ist eine von uns.« Unter dem Tuch, das mein Gesicht bedeckte, schloß ich die Augen, als die Frau mich berührte. Ihre Finger waren warm und sanft. Sie waren auf meiner Haut, und sie gehörten dorthin. Ich war mir sicher, daß es auch ihr gefiel. Bis sie mir plötzlich mit der Hand ins Gesicht schlug. »Was glaubst du, wer du bist?« fragte sie mich, und als sie sich an ihn wandte, entnahm ich ihrer Stimme die Eifersucht: »Nichts weiter als eines deiner geilen Luder.« »Nein!« Es überraschte mich, meine Stimme zu hören. Ebenso wie die Entschiedenheit meines Tons. Doch am meisten war ich darüber verwundert, daß ihre Äuße rung mich zutiefst gekränkt hatte. »Bestimmt nicht«, sagte ich, und plötzlich zog sie meinen Kopf an den Haaren zurück, und dann spürte ich ihre Zunge in meinem Mund und ihre Hand in meiner Möse, und als es mir kam, wußte ich, daß auch sie jetzt nicht mehr zweifelte. »Wir müssen dafür sorgen, daß niemand sie erkennt«, sagte sie später. »Schließlich ist ihr Bild in allen Zei
tungen. So nützt sie uns überhaupt nichts.« Und erst durch ihre Worte wurde mir klar, daß ich polizeilich gesucht wurde, daß man davon ausging, ich sei maß geblich in den Raub des Goya verwickelt. Aber ich hat te ihre Stimme gehört, ihre Lippen und nun endgültig Blut geleckt, und spätestens jetzt machte es mir nichts mehr aus. »Komm mit«, sagte sie und zog mich an den Haaren mit sich fort. Als sie mir das Tuch von den Augen nahmen, hob ich schüchtern den Kopf. Sie sahen mich an, fasziniert und zufrieden mit ihrem Werk, und erst dann fiel mein Blick in den Spiegel. Aus der bebrillten, braven Kunst historikerin in weiten Hosen war eine stolze Fremde geworden, deren Verderbtheit trotz der Eleganz offen sichtlich war. Mit dem schwarzhaarigen Bubikopf an stelle der langen blonden Haare sah ich älter aus, er fahrener, wissender. Ich trug ein schwarzes Kostüm mit engem Rock und Schuhen, so hoch, daß ich sie mir nie gekauft hätte. Meine Beine glänzten in schwar zen Nylons, von deren Existenz ich nichts geahnt hat te. Und meine Augen leuchteten grün durch die unge wohnten Kontaktlinsen. »Gefällst du dir?« fragte er mich. Und wie so oft sagte ich: »Ja.« Ab diesem Zeitpunkt vertraute auch sie mir. Ein Zu rück gab es nicht, und selbst wenn, hätte es mich nicht interessiert. Und so betrat ich an einem kalten, klaren Wintermorgen mit den beiden eine Galerie im Zentrum Hamburgs. Der Galerist war erfreut, als wir Interesse an einigen Radierungen Picassos zeigten, aber noch erfreuter schien er über mein offensichtli ches Interesse an seiner Arbeit und seiner Person. »Bis heute abend«, sagte ich zum Abschied, und mei nen Blick hielt er für eine stumme Aufforderung, der er an diesem Abend glaubte nachkommen zu können. Doch in Wirklichkeit war mein Lächeln nichts weiter als Ausdruck meiner Verwunderung über seine Naivität und meiner Genugtuung darüber, daß es mir gelungen
war, ihn derart leicht um den Finger zu wickeln. Denn wir verließen die Galerie mit Gemälden im Wert von rund 30 Millionen Euro, die die beiden anderen ausge wählt hatten, während ich ihn umschmeichelte und mit meiner trügerischen Bewunderung außer Gefecht setz te. Am nächsten Morgen, als mir mein Komplize den Kaf fee ans Bett brachte, sagte er: »Ich habe meiner schönen Verbrecherin etwas mitgebracht.« Es war ein Zeitungsartikel, in dem von drei bewaffneten Männern die Rede war, die den Galeristen überwältigt und die Gemälde gewaltsam geraubt hatten. Fast empfand ich Mitleid mit dem einfältigen Galeristen. »Gefällt dir das?« fragte er mich, und ich sah ihm an, wie es ihn erregte. »Ja« sagte ich und spreitzte die Beine, und während er in mich eindrang dachte ich an die in der kommen den Woche beginnende Ausstellung über die Grab schätze der Pharaonen, und ich öffnete mich noch wei ter und als es mir kam, sah ich die goldene Statue des Gottes Osiris vor mir, einen Schatz, den ich unbedingt besitzen mußte.
TAGEBUCH EINER REISE
1.Tag HIER KENNT UNS NIEMAND. In dieser großen Stadt sind wir Fremde. Kaum jemand versteht unsere Sprache. Seit er mir vor zwei Wochen mitteilte, was bei der Rei se auf mich zukommen würde, bin ich nicht mehr ich selbst (wer immer das sein mag: ich). »Du wirst deine Intimsphäre aufgeben. Du wirst dich selbst ganz auf geben. Nur noch mir und meiner Lust gehorchen.« Die Worte versetzten mich in Unruhe, in körperlichen, seelischen und geistigen Aufruhr, in Sorge. Sie riefen Bilder hervor, Erinnerungen, Vorstellungen. Zwei Wo chen wartete ich. Möglich, daß ich während dieser Zeit auch anderes tat, vielleicht ging ich arbeiten, einkau fen, traf Freunde. Aber ich erinnere mich nicht daran. Es war unwichtig. Es ist unwichtig. Ich wartete. Ein ängstliches Warten, ein ungeduldiges und zweifelndes und manchmal ein verzweifeltes Warten. Während dieser Zeit ließ die Lust mich nicht los. Eine unerträgli che, schwelende Lust, die mir keinen Ausweg, keine Erholung gewährte, die manchmal ausbrach und doch nur auf den wirklichen Ausbruch lauerte. Sie hatte sich in meinem Körper eingenistet und bekämpfte von dort aus meinen Geist. Sie war so heftig, daß sie körperlich schmerzte. Ich litt unter dieser Lust. Ihn konnte ich während dieser Zeit nicht erreichen. Seine Telefonnummer besaß ich nicht. Ich hätte schreiben können. Und ich tat es. Jeden Tag schrieb ich ihm. Schrieb seitenlange Briefe. Schrieb, daß ich es nicht mehr aushalten könne, versuchte, mich im Schreiben, wenigstens während der Stunden, die ich über dem Papier verbrachte, von meiner Ungeduld und Unruhe, auch von der Lust, zu befreien. Aber ich
schickte keinen der Briefe ab. Ich wartete auf den Tag unserer Abreise. Ich begriff nicht, wie er, der nicht in meiner Nähe und unerreichbar war, diese Lust in mir auslöste. Ich schrieb, daß ich ihm dankbar für die Lust sei, die er mir schenkte. Und nur in seltenen Minuten, wenn überraschend die Fähigkeiten meines Verstandes zurückkehrten, fragte ich mich, wie es sein konnte, daß ich für den quälenden Zustand, in den er mich versetzt hatte, dankbar war. Heute, am späten Nachmittag, sind wir angekommen. Wir aßen in seinem Hotelzimmer zu Abend. Er hatte das Essen aufs Zimmer kommen lassen. Er saß am Tisch, während ich nackt davor kniete. Ich trug nichts als ein Lederhalsband. Er aß mit Messer und Gabel, ich mit den Fingern. Das Fleisch schnitt er in mundgerech te Bissen, die er mir auf den Teller legte. Nach dem Essen machten wir einen Spaziergang. An meinem Halsband befestigte er eine Kette und führte mich mit sich fort. Ich achtete darauf, immer zwei Schritte hin ter ihm zurückzubleiben, denn er erlaubte mir nicht, auf einer Höhe mit ihm zu gehen. Mein Blick war auf den Boden gerichtet, als wir die Hotelhalle durchquer ten. Aber auch ohne aufzusehen, wußte ich, daß die Blicke der anderen Gäste und die des Personals uns folgten. An der Rezeption gab er den Schlüssel ab, bat für den kommenden Morgen um einen Weckruf. Die Stimme der Rezeptionistin klang freundlich und unver bindlich, sie ließ sich ihre Irritation nicht anmerken, sah taktvoll über die Gegenwart der Frau hinweg, die er an der Kette festhielt, aber ich wußte, daß sie ver stohlen und befremdet zu mir hinübersah. Als er wei terging und der Zug der Kette sich verstärkte, so daß auch ich mich in Bewegung setzte, setzen mußte, spürte ich ihren bohrenden Blick in meinem Rücken. Ich werde nie begreifen, wie das möglich ist: In der einen Hand hält er das Ende der Kette, an der er mich führt, mit der anderen Hand reicht er einer Fremden den Schlüssel, lächelt sie an, spricht mit ihr, als sei ich
nicht vorhanden. Oder als sei es das Normalste der Welt, eine Frau an einer Kette mit sich zu führen.
2. Tag Hier leben wir in getrennten Zimmern. Dies gibt uns die Möglichkeit, uns zwischendurch zurückzuziehen, zur Ruhe zu kommen, für Stunden der Einsamkeit wir selbst zu sein. Aber es gelingt mir kaum, wieder ich zu werden. Ich weiß nicht mehr, wer das ist: ich. Ich bin mir selbst ein Rätsel geworden. Eine Ungeheuerlich keit. Ich befremde mich selbst. Heute habe ich tagsüber zwei Stunden gelegen. Tat sächlich habe ich in dieser Zeit tief geschlafen, ohne dabei an ihn zu denken oder an das, was passiert ist oder an das, was passieren wird. Ich war erschöpft von den vorangegangenen Tagen und den Nächten, in denen ich keine Ruhe gefunden habe. Nach dem Abendessen nahmen wir ein Taxi. Auf der Straße sehe ich ebenso wenig auf wie beim Durchque ren der Hotelhalle. Auch den Blick des Taxifahrers ha be ich gemieden. Es fiel ihm schwer, seinen Blick vom Rückspiegel, in dem er einen kleinen Ausschnitt von mir beobachten konnte, auf die Straße zu lenken. Was hat er gedacht? Und was denkt er jetzt? Erzählt er seinen Kollegen, seiner Frau von dem Paar, das er heute befördert hat? Erzählt er ihnen von mir? Schüt telt er den Kopf über mich? Oder erregt ihn die Erinne rung? All diese Fragen stelle ich mir nicht aus Eitelkeit. Sondern aus Unsicherheit. Und aus Scham. Ich provo ziere nicht gern. Ich möchte nicht auffallen. Ich frage mich, ob man sich daran gewöhnen kann, an einer Kette geführt zu werden. Ob es ein Normalzustand werden kann. Und ob man irgendwann die Blicke der anderen ignoriert. Oder einfach nicht mehr spürt. Wir hielten vor einem Hotel, aber ich wußte nicht, zu welchem Zweck wir es aufsuchten. In der Hotelhalle
hieß er mich Platz nehmen, forderte mich auf zu war ten. Seit er mich gestern auf dem Weg zum Flughafen ab geholt hat, bin ich nackt unter meinem Rock, wie im mer, wenn ich ihn treffe. Ich trage Strümpfe darunter, sonst nichts. Wenn ich mich setze, bemühe ich mich, es so zu tun, daß andere den Abschluß der Strümpfe, die Spitzeneinfassung, nicht zu Gesicht bekommen. Das ist schwierig, denn ich trage kurze Röcke und Kleider, und er möchte, daß ich beim Sitzen den Rock noch ein wenig höher schiebe und die Beine leicht öff ne. Jeder, der wirklich hinsieht, muß bemerken, daß ich nackt unter dem Rock bin. Aber trotz des Halsban des und der Kette, trotz meiner Nacktheit und der Weise, in der ich sitze, bemühe ich mich darum, mich züchtig zu verhalten. Züchtig. Ein merkwürdiges Wort. Wie aus einer anderen Zeit. Aber meine Züchtigkeit ist die andere Seite der Medaille: So wie ich unter seinen Händen und Befehlen hemmungslos und gierig werde, so sehr ich mich auch öffne, preisgebe, darbiete, so bin ich doch auch, und gerade je mehr ich mich in der Lust verliere, sittsam, brav, folgsam. Ich schlage züch tig die Augen nieder, ich schäme mich vor den Blicken anderer, werde zum kleinen Mädchen, werde scheuer, schamhafter, je mehr er mir meine Freiheit, meinen Schutz nimmt. Es ist auch dieser Kontrast, dieser Wi derspruch, von dem meine Haltung, meine und seine Lust leben: die scheinbare Unvereinbarkeit aus Anstö ßigkeit und Fügsamkeit, Schicklichkeit. Je gehorsamer ich bin, desto lüsterner werde ich. Und je mehr meine Hemmschwelle sinkt, desto besser bin ich erzogen, desto schamhafter werde ich. An der Rezeption sprach er kurz mit einem der Ange stellten, bevor er mich holen kam. Wir nahmen den Aufzug in den sechsten Stock, gingen dort durch einen Flur, in dem der dicke Teppich das Geräusch unserer Schritte schluckte. Es war still, nichts war zu hören bis auf das Rascheln meines Rocks. Vor einer Tür blieb er
stehen, verband mir die Augen. Auf sein Klopfen wur den wir eingelassen. Ein Mann begrüßte ihn. Ich wurde in einen Raum geführt, in dem er mich aufforderte, den Rock zu heben, die Beine zu spreizen. Der Fremde sprach mich an, als würde er mich kennen. Und als seien die Umstände, unter denen wir uns begegneten, alltägliche: »Hallo, Maria.« Er nannte mich tatsächlich bei meinem Namen. Seine Stimme war freundlich. »Zieh dein Kleid aus, damit ich dich ganz betrachten kann.« Als ich entkleidet war, ging er um mich herum, begut achtete mich. »Wirklich, eine sehr schöne Frau«, sagte er. Es war eine der Situationen, es waren Worte, de nen ich mißtraue. Vielleicht entsprang die Bemerkung seiner Überzeugung. Vielleicht war sie nur dahinge sagt. Es sind Worte, die ich nicht ernst nehme. Er hät te sie über jede Frau fallen lassen. Die Bemerkung war Teil eines Spiels. Dies hier war das Spiel von der Frau, die sich aufgibt, ausliefert und dennoch ihren Stolz bewahrt. Bewahren soll. Das Spiel von dem Mann, der all jene Frauen haben kann, die ihm gefallen. Der sie sich nimmt. Es war wichtig für ihn, mich schön zu fin den. Wichtig, daß ich meinen Stolz nicht vergaß. Und ich sollte mir meiner körperlichen Anziehung bewußt sein. Es hatte eine Bedeutung für ihn. Nicht für mich. Eine Bedeutung für sein eigenes Ego. Je attraktiver ich bin, desto machtvoller und stärker fühlt er sich. Desto potenter. Selbst in einer solchen Situation, wenn sich mein erregter Körper über meine Gedanken hinweg setzt, weiß ich um diese Mechanismen. Und ich kann es nicht verhindern, sie zu bemerken, mich über sie zu wundern, während mein Körper auf eine Weise rea giert, die meinen Gedanken fremd ist. »Knie dich hin«, sagte er. Und dann: »Du solltest mich auf die Art begrüßen, die dir zusteht.« Zunächst verstand ich nicht, was er meinte. Durch den kleinen Spalt, den das Tuch vor meinen Augen freiließ, sah
ich, auf allen Vieren kniend, wie er einen Fuß vor mein Gesicht schob. »Du wirst sie küssen.« So etwas habe ich nie zuvor getan. Es erscheint mir eine nichtssagende, daher eine lächerliche Geste zu sein, und ich bin froh, daß der, mit dem ich die Reise angetreten habe, dergleichen nie von mir verlangt hat. Natürlich hätte ich es getan, wenn er es gewollt hätte, aber es ist eine Art von Her absetzung, die ich phantasielos und ein wenig peinlich finde. Peinlich nicht für mich. Peinlich für den, der sie fordert. Trotzdem gebe ich zu, daß es mich erregte. Durch den schmalen Spalt sah ich seine Füße, die braunen Schuhe, die er trug, und es erregte mich, meine Lippen auf das Leder zu senken, während der, mit dem ich gekommen war, mir dabei zusah. Dies war die eigentliche Erniedrigung: Daß er mich beo bachtete, um sich an dieser Demütigung zu ergötzen, die er selbst mir in ihrer Banalität nie zugefügt hätte. An der Kette, die ich noch immer trug, zog der Fremde mich auf allen Vieren hinter sich her. Erst jetzt be merkte ich, daß es sich nicht um ein einfaches Hotel zimmer handelte, sondern um eine Suite, denn ich mußte eine Treppe hinaufkriechen. Vorne wurde ich geführt, hinter mir folgte mein Herr. Nun habe ich es benutzt, dieses Wort: Herr. Habe es doch benutzt, obwohl ich es nicht wollte. Ich habe Probleme mit diesem Wort. Es ist mir noch immer fremd. Ich gebrauche es ungern. Es ist eines dieser Wörter, die das, was zwischen uns passiert, zur reinen Inszenierung, damit zum Spiel, verkommen lassen. Wenn ich dieses Wort »Herr« in den Mund nehme, werde ich mir bewußt, daß wir nichts weiter tun, als gemeinsam eine Gegenwelt zu arrangieren, die keine Verankerung in der Realität besitzt. Das ernüchtert mich, stellt alles, was zwischen uns ist, in Frage. Nur einmal hat es mich wirklich erregt. Es war in ei nem Zusammenhang, in dem das Wort eine Berechti gung erhielt, da es über eine Basis in der Wirklichkeit
verfugte. In dieser Situation verschwammen die Gren zen zwischen Realität und Inszenierung. In dieser Si tuation betraf und beschrieb das Wort unsere spezielle Beziehung, ohne seine alltägliche Bedeutung zu verlie ren. Denn er und das Wort schlugen die Brücke zwi schen den beiden Welten, zwischen der Normalität und der Gegenwelt. Zwischen den beiden Leben. Es war vor einigen Wochen, als wir gemeinsam spazie rengingen. Ich trug ein Kleid mit einer Knopfleiste an der Vorderseite, und plötzlich blieb er stehen, öffnete die Knöpfe des Kleides. Er begann unten, hielt nicht inne, als er den Bereich meiner Scham erreicht hatte, öffnete die Knöpfe weiter, bis zum Bauch hinauf, fast bis zum Nabel. »Geh bis zur nächsten Straßenecke«, sagte er. »Laß die Hände neben deinem Körper, berühr das Kleid nicht. Wende dann und komm zurück.« Aber ich ging nicht. Ich blieb stehen. Ich blickte die Straße entlang. Es war ein weites Stück. Die nächste Ecke erschien mir unendlich fern, unerreichbar. Es dämmerte, doch einen großen Teil der Häuserfront bildete ein großes, hell erleuchtetes Schaufenster, dessen Licht auf den Bürgersteig fiel. Ich sah ihn an, sah wieder den Bürgersteig entlang, bis zur Ecke, er wog, wieviel Zeit ich benötigen würde, überlegte, wie ich verhindern konnte, daß sich das Kleid über meiner Scham öffnete. »Geh«, sagte er noch einmal. Wieder sah ich ihn an. In seinem Gesicht las ich, daß ich keine Wahl hatte. Es fällt mir schwer, die Miene, den Ausdruck, der in sol chen Momenten in seinen Augen liegt, zu beschreiben. Und die Wirkung auf mich. Er strahlt dann eine un glaubliche Ruhe aus. In die Ruhe mischt sich ein ge spanntes Interesse. Und das Bewußtsein seiner Macht über mich. Erst dadurch, daß er sich ihrer, der Macht, bewußt ist, erhält er sie. Er beobachtet mich, er weiß, was in mir vorgeht, und er genießt den inneren Kampf in mir. Weil er weiß, daß er ihn gewinnen wird. Oder
bereits gewonnen hat. In seinem Blick wiederholt sich der sprachlich geäußerte Befehl. Sein Blick hat etwas Zwingendes. Er hält mich fest, ihm kann ich nicht ausweichen, nicht entkommen, er verklingt nicht wie die Worte. Selbst wenn ich zur Seite sehe, kann ich vor dem Blick nicht fliehen. Der Blick bleibt. So lange, bis ich tue, was er fordert. Langsam wandte ich mich von ihm ab, setzte die Füße vorsichtig voreinander. Es waren nicht viele Leute un terwegs, aber ab und zu kam mir jemand entgegen, und jedesmal legten sich meine Hände ganz selbstver ständlich vor meinen Schritt, auf den Stoff, zogen ihn vorn zusammen. Ich mußte den Weg viermal zurück legen. Er schüttelte den Kopf, wenn ich wieder bei ihm ankam. Trotzdem hoffte ich, gegen jedes Wissen, daß er genug habe, daß er die Anstrengung anerkannte, die der Weg mir bereitet hatte. Aber er schickte mich erneut los: »Du wirst diese Strecke so oft zurücklegen, bis du es richtig machst. Bis ich zufrieden mit dir bin.« Und wieder gab er mir die Anweisung mit auf den Weg: »Halte deine Hände neben dem Körper.« Jetzt, in der Erinnerung, denke ich, daß es nichts Leichteres gibt, als diesem Befehl zu folgen: gehen und die Hände fallen, bewegungslos lassen. Als exis tierten sie nicht. Doch in der Situation, wenn ich es wirklich tun muß, ist es etwas anders. Und erst beim vierten Mal, als ich begriffen hatte, daß ich für den Rest meines Lebens an einem Schaufenster entlang laufen würde, wenn ich nicht gehorchte, blieben meine Hände an den Seiten meines Körpers. Reglos wie Ge genstände, die dort hingehörten. Dort. Und an keinen anderen Platz. Aber auf den letzten 20 Metern kam mir ein Mann ent gegen, dessen Blick ich auswich. Ich sah nur auf mein Ziel, auf ihn, auf den, der mich losgeschickt hatte. Ich sah, daß ich mich ihm näherte, daß es fast geschafft, daß mein Ziel greifbar war, während hinter mir ein Mann, der Mann, dessen Blick ich gespürt und nicht
wahrhaben wollte, dessen Blick ich abzuwehren ver sucht hatte, indem ich ihn ignorierte, als sähe ich ihn nicht und als gäbe es ihn nicht, stehengeblieben war. Er schaute sich nach mir um, dieser Mann, ich wußte es, denn er hatte mich angestarrt, als wir einander passierten, und nun war Stille hinter mir, waren seine Schritte verstummt. Er stand. Er sah mir nach. Ich spürte seinen Blick, als ich weiterging, fixierte selbst den einen Punkt, den ich erreichen mußte, und dann folgte er mir, dieser Mann, der mein Vater hätte sein können, Brille, graue Haare und Halbglatze, nur daß mein Vater nicht so aussah, nicht so alt. Aber dieser Mann sprach mich an, sagte etwas, was ich nicht verstand, nicht verstehen wollte. Ich hörte es und hör te nicht hin. Er flüsterte, zischte mir zu, und ich ging schneller, war außer mir, wollte mich in Sicherheit bringen, sah nur nach vorn, geradeaus, wo der andere auf mich wartete, mir entgegenblickte. Und jetzt auf uns zukam. Auf mich und auf den Fremden. »Bitte«, sagte er, und er meinte den Fremden. Es klang spöttisch, überheblich. Das Wort genügte, dieses Wort allein, das nicht mir galt. Ich war beruhigt, au genblicklich. Sobald seine Stimme das Flüstern des anderen unterbrach, fühlte ich mich sicher. Das Wort befreite mich von der Last. Befreite mich von der Not wendigkeit, mich zur Wehr zu setzen, und er über nahm die Verantwortung für die Situation, die er ge schaffen hatte. Er hatte sie im Griff. »Lassen Sie sie in Ruhe.« Er nahm meinen Arm, zog mich zur Seite. »Warte«, sagte er, ging weiter, auf den Fremden zu, sprach mit ihm, und ohne zu verstehen, was er sagte, wußte ich, daß er mich beschützte. Und tatsächlich wandte der Fremde sich ab, nahm seinen Weg wieder auf: den Weg in die entgegengesetzte Richtung. Und dann umarmte er mich. Das tut er selten. Ich spürte seine Wärme, war dankbar für die körperliche Nähe, die er mir gewährte, war dankbar, weil er mich küßte. Seine Zunge fuhr über mein Ohr, meinen Hals
entlang. »Brav hast du das gemacht. Sehr brav.« Die Anspannung fiel von mir ab. Ich zitterte, preßte mich gegen ihn, fühlte das schnelle und heftige Klopfen meines Herzens. Ich bemühte mich nicht um Beherr schung, hatte vergessen, daß es so etwas gab, hatte vergessen, daß wir mitten auf der Straße standen, spürte nichts weiter als seine Hände, seine Lippen, seine Zunge und meine ungebremste Erregung, spürte seine Hand unter meinem geöffneten Kleid, und erst als seine Finger mein Geschlecht berührten, merkte ich, wie naß ich war. Später sagte er: »Solltest du noch einmal in eine ver gleichbare Situation wie vorhin geraten, so wirst du in meine Richtung deuten und sagen: >Ich bin das Ei gentum dieses Herrn. Bitte wenden Sie sich an ihn.<« Das Wort: Herr. In diesem Moment erregte es mich, und jedes Mal, wenn ich mir den Satz in Erinnerung rufe, erregt es mich aufs neue. Aber ich schweife ab. Ich war stehengeblieben bei dem Vormittag in dem Hotel, bei dem fremden Mann, den ich nicht gesehen habe und niemals zu Gesicht be kommen werde. Nie zuvor war ich derart hemmungslos wie während der Stunden, die ich in dem Hotel verbrachte. Eine Hemmungslosigkeit, die ich mir selbst nicht zugetraut hätte. Und obwohl es erst heute war, erst vor wenigen Stunden, bleibt nur eine verschwommene Erinnerung an die Ereignisse. Sie rissen mich aus meinem Den ken, aus meinen Wünschen, Träumen und Sehnsüch ten, stießen mich ins Leben, ins Erleben, ins Leiden und Erdulden, in den Schmerz, in die Lust, die Eksta se. Ich vergaß mich, ließ mich von zwei Männern nehmen. Ich weiß nicht, wie oft ich kam an diesem Abend. Sie taten mir weh, schlugen und berührten mich sanft, behutsam, fordernd, gierig, grob und vor sichtig, hielten mir den Mund zu, erstickten meine lau ter werdenden Schreie. Sie knebelten mich, und trotz dem versuchte ich zu schreien, so daß der Speichel
am Knebel vorbei über mein Kinn auf den Boden, aufs Bett troff. Sie drangen in mich ein, rücksichtslos, fast brutal, fesselten mich, banden mich aufs Bett. Der Unbekannte fickte mich in den Hintern, während der andere mir seinen Schwanz in den Mund stieß. Zwi schen meinen Schreien drangen seine Worte an mein Ohr. Genüßlich und herablassend: »Das wollte ich se hen. Wie dir alle Löcher gestopft werden.«
3. Tag Nach der zufälligen Lektüre des letzten Satzes (mein Blick fiel darauf, als ich das Tagebuch öffnete) wunde re ich mich darüber, wie sehr mich, auch im Nachhi nein, dieser Satz erregt. Auch ohne daß ich ihn gele sen hätte, hallt er in mir wider. Es muß damit zusam menhängen, daß der Mann, mit dem ich unterwegs bin, durchweg sehr kontrolliert ist, sich nicht gehen, kaum je zu Vulgaritäten hinreißen läßt. Tut er es doch, so wie gestern, messe ich einer solchen Äußerung eine ungleich stärkere Bedeutung bei. Gestern abend, bevor wir schlafen gingen, hat er mir die Anweisung erteilt, mich heute früh zu einer ange gebenen Zeit nackt, mit gespreizten Beinen auf einen Stuhl in die Mitte meines Hotelzimmers zu setzen, die Tür zum Zimmer angelehnt zu lassen, in dieser Stel lung auf ihn zu warten. Ich leide darunter, wenn er so etwas von mir verlangt. Wenn er mir Aufträge gibt, von denen er weiß, daß sie mich erregen, noch wäh rend er abwesend ist, und wenn er mich auf diese Weise zwingt, allein mit meiner Lust zu sein. Dann fühle ich mich noch ausgelieferter an meinen Körper. Schon bevor er das Zimmer betreten hatte, war ich feucht, fürchtete, daß auf dem Polster des Stuhles, auf dem ich saß, eine nasse Stelle zurückbleiben würde. Als die Tür sich öffnete, überfiel mich die Angst, es könne jemand vom Hotel sein. Aber statt aufzustehen, mir etwas überziehen, wie mein Instinkt es mir riet,
blieb ich wie erstarrt sitzen, sah ihm bang entgegen, senkte dann den Blick. Wir kennen uns nun schon so lange, und ich weiß nicht, wie oft er mich in dieser Position gesehen hat: stehend, liegend, sitzend. Mit weit geöffneten Beinen. Aber jedes Mal schäme ich mich aufs Neue. Und jedes Mal ist es so, als täte ich es zum ersten Mal. Ich gewöhne mich nicht daran. Ich gewöhne mich an nichts, was mit ihm zusammen hängt. Er forderte mich auf aufzustehen, mich hinzu stellen, nahm selbst auf dem Stuhl, auf dem zuvor ich gesessen hatte, Platz. Ein bedeutungsvoller Blick glitt von der feuchten Stelle auf dem Polster hin zu mir und zurück. Und als er sich setzte, achtete er darauf, daß seine Beine nicht den Fleck berührten, den ich, den meine Erregung hinterlassen hatte. Es sind diese klei nen Gesten, die mich am meisten treffen. Diese Fein heiten, kaum wahrnehmbar, die unsere Beziehung ausmachen. Nur ein kurzer Blick, eine knappe, ange deutete Gebärde. Richtig eingesetzt sind sie viel wir kungsvoller, viel demütigender als Grobheiten und Beschimpfungen. Kurz bevor er das Hotel mit mir verlassen wollte, sag te ich, daß ich zuvor zur Toilette gehen müsse. Ich kannte diesen Blick, mit dem er mich daraufhin ansah. Ich glaube, vor das sichtbare Bild schiebt sich dann ein anderes, eine Vorstellung von mir. Eine Vorstellung, wie ich etwas tue oder eine bestimmte Position ein nehme, die ihm gefällt, und er überlegt, ob und wie er diese Vorstellung in die Tat umsetzen soll. »Warte«, sagte er und verließ das Zimmer. Als er zurückkam, hielt er eine Schüssel in der Hand. Ich wußte es, als ich die Schüssel sah. Ich wußte es, weil ich mich an eines unserer ersten Treffen erinner te. Damals hatte er mich in ein Haus gebracht, das ich nie gesehen habe. Schon auf dem Weg dorthin ver band er mir die Augen. Während wir dort waren, hatte ich das Bedürfnis geäußert, auf die Toilette zu gehen. Doch statt mich ins Bad zu bringen, führte er mich
eine Treppe hinunter, in den Keller, zu einer Stelle, an der es einen in den Boden eingelassenen Abfluß gab. Durch einen winzigen Spalt unter den Augen, die Stel le, an der das Tuch nicht glatt auf der Haut aufliegt, sondern durch die Nase leicht angehoben wird, konnte ich den Abfluß erkennen. Ich ging in die Hocke und verstand nicht, wieso. Nicht wieso er das von mir ver langte, nicht wieso ich dort war und gehorchte. Das ist lange her, und eine vergleichbare Situation hat es seitdem nicht gegeben. Bis vor einigen Stunden. »Hier«, sagte er heute morgen. »Hock dich hin und mach hier rein.« Es gibt immer wieder Momente, in denen ich ihn anse he, um zu begreifen, was in ihm vorgeht, was er wirk lich meint, warum er etwas fordert, weshalb es ihm Lust bereitet. Manchmal, so auch in dieser Situation, denke ich, daß es nicht sein Ernst sein kann. Ich den ke, daß es nicht möglich ist, von so etwas erregt zu werden. Ich sehe ihn so lange an, bis ich nicht mehr kann. Bis ich buchstäblich von seinem Blick besiegt bin. In seinem Blick liegt dann nie eine Antwort auf meine Frage. Er ist unnachgiebig und undurchsichtig. Das einzige, was ich darin lese, ist Selbstsicherheit und die Gewißheit, daß er es wirklich will. Und daß ich in der Lage bin, seine Forderung zu erfüllen. Nackt hockte ich mich über die Schüssel. Längst sah ich ihn nicht mehr an. Das einzige, worum ich in sol chen Situationen bemüht bin, ist die Wahrung meines Stolzes. Trotz allem. Aber plötzlich fühlte ich mich wie ein kleines Mädchen. Spätestens als ich dann doch verlegen zu ihm hochschaute, den Satz auf den Lip pen, den ich so oft in seiner Gegenwart schon geäu ßert habe: »Ich kann es nicht.« »Gut«, sagte er unbeteiligt, nahm die Schüssel weg, stellte sie zur Seite. »Dann warten wir.« Er erhob sich, rückte mich in die Position, in der er mich haben wollte: auf den Knien, die Beine gespreizt, den Oberkörper aufgerichtet, die Hände hinter dem
Kopf verschränkt. An meinem Halsband befestigte er die Kette, deren Ende am Bein des Bettes. »Damit du nicht auf dumme Gedanken kommst.« Mit diesen Wor ten verließ er das Zimmer. Als er Minuten später zurückkehrte, trug er ein Tablett mit einer Teekanne, zwei Tassen und eine Zeitung. Er sah mich flüchtig an wie einen der Gegenstände im Zimmer, deren Vorhandensein man hinnimmt, ohne sie zu beachten, ohne sich für sie zu interessieren. Er schenkte Tee ein, ließ sich im Sessel nieder, öffnete die Zeitung. Er las, während sich der Druck auf meine Blase verstärkte. Nur einmal blickte er von der Zeitung auf: »Du solltest ein wenig Tee trinken. Das wird dir helfen.« Er beugte sich vor, setzte die Tasse an meine Lippen und flößte mir vorsichtig einige Schlucke ein. Dann lehnte er sich wieder im Sessel zurück, schlug die Sei ten der Zeitung um, ignorierte mich. »Ich muß aufs Klo«, sagte ich irgendwann. Er schaute auf. »Bist du sicher?« »Ja.« Aus einem abwegigen Grund hegte ich die Hoff nung, er würde mich gehen lassen. Würde mir gestat ten, ins Bad zu gehen, die Tür hinter mir zu schließen. Aber natürlich hatte er das nicht vor. Statt dessen griff er wieder zu der Schüssel, schob sie mir hin. Erneut hockte ich mich darüber, spürte seinen auf mich ge richteten Blick, aber mein Bedürfnis war jetzt zu groß. Ich konnte es nicht mehr zurückhalten, und der war me Strahl lief in die Schüssel, während er mir dabei zusah.
4. Tag Heute gingen wir erst abends aus, nach dem Essen, das wir in seinem Zimmer einnahmen. Ich trug nur meine Strümpfe und einen Mantel, unter dem ich nackt war. Das Taxi hielt auf einer belebten Straße an einer Ecke, und er steuerte auf einen unbeleuchteten
Eingang zu, klingelte dort. Ein Mann öffnete uns, sie wechselten ein paar Worte, leise, ein wenig abseits von mir, so daß ich nicht verstehen konnte, um was es ging. Es war einer dieser Orte, von denen ich geglaubt hatte, daß kein Zufall der Welt mich jemals zu ihm führen würde. Vielleicht ein privater Club. Ich kenne mich mit Etablissements dieser Art nicht aus. Immer wieder wundere ich mich über ihn. Über die Situatio nen, in die er mich bringt, über Strafen, die er sich für mich ausdenkt, über die Orte, die er mit mir aufsucht. Dieser war einer, der nicht zu ihm paßte. Er war zu gewöhnlich, zu ordinär. Schummriges Licht. Tiefe Ses sel aus Samt, eine Bar, eine Garderobe, Rottöne und Schwarz. Mir erschien alles billig, niveaulos, aber viel leicht nur, weil die Atmosphäre und Einrichtung ein Gliche bestätigten. Wie gesagt: Ich habe keinen Ver gleich. Einige Männer saßen an der Bar, auf in Grup pen beieinanderstehenden Sesseln. Ich war die einzige Frau, bis auf eine hübsche Schwarzhaarige hinter der Garderobe. Er führte mich zu einer Sitzgruppe, ließ sich dort in einem der Sessel nieder. »Zieh den Mantel aus.« Dieser Mantel war mein einzi ger Schutz, und als ich ihn über die Schultern streifte, wußte ich, daß die Blicke der Anwesenden an mir kleb ten. Daß sie auf nichts anderes gewartet hatten als darauf, mich nackt zu sehen, seit ich diesen Raum betreten hatte. Es waren Männer, die mich anwider ten, ohne daß ich sie näher ansehen mußte. Ältere, lüsterne Männer, die sich an mir aufgeilten. »Du gehst jetzt zur Garderobe und gibst unsere Män tel dort ab.« Ein so leicht hingesagter Satz. Eine scheinbar fast alltägliche Aufforderung. Nichts Beson deres. Manchmal äußert er Ansinnen, von denen ich denke, daß ich sie nicht erfüllen kann. Daß es unmög lich ist. Dazu gehört es, vor seinen Augen in die Hocke zu gehen und zu pinkeln. Aber es gibt andere Forde rungen, bei denen mich Panik überfällt. Und diese For derung, die er jetzt vorbrachte, gehörte zu der zweiten
Sorte. Sie versetzte mir einen Schock. Ich werde dann kopflos, da ist nichts mehr als die Verwirrung. Und als mein Instinkt zu fliehen. Nach der Panik setzt die Ver zweiflung ein, beginnt mein Verstand, gerade noch ausgeschaltet, auf Hochtouren zu arbeiten, sucht nach einem Ausweg, weiß zugleich, daß es keinen gibt. Na türlich weiß ich, daß ich diesen Raum durchqueren, daß ich diese 15 Meter bis zur Garderobe gehen kann. Ich weiß, daß es mir möglich ist, den Mantel dort ab zugeben, während fremde Männer mich dabei begut achten. Aber es ist eine Form der Erniedrigung, die mich tiefer beschämt als alles andere. Ich habe kei nerlei exhibitionistische Veranlagung. Im Gegenteil: Ich bin zurückhaltend, in jeder Hinsicht, im Grunde sogar prüde. Ich habe all die in meiner Kindheit er lernten Tabus verinnerlicht. Deshalb ist es eine schreckliche Verzweiflung, die über mich hereinbricht. Und ein scheinbar unauflösbarer Zwiespalt, in dem ich stecke. Da ist der Mann, der das von mir fordert. Der Mann, dem ich gehorchen möchte, weil mich seine Macht über mich erregt. Der Mann, dem ich dankbar bin, daß er mich so behandelt. Daß er mich in diesen Rausch aus Lust und Vergessen stürzt. Und da ist die Situation. Da sind meine Abwehr und Vernunft. Da ist meine Scham, weil der Rausch noch nicht eingesetzt hat. Da sind mein Stolz und mein eigener Wille. Ir gendwann gebe ich nach: ihm, seinem Blick, seinen Worten. Mit den Augen schätzte ich die Entfernung ab, schätzte ab, wie lange ich für den Weg bis zur Garde robe brauchen würde, nahm jede meiner Bewegungen im Geiste vorweg. Dann ging ich. Jetzt, im Nachhinein, bin ich fast stolz, daß ich es geschafft habe. Aber in der Situation selbst will ich nur weglaufen. Irgendwo Sicherheit finden, Schutz. Und weinen. Als ich zu ihm zurückkehrte, verband er mir die Augen und führte mich eine Treppe hinauf. Auf einem großen Bett kniete ich mich hin, streckte ihm auf seinen Be fehl den Hintern entgegen. Ohne jede Vorwarnung
drang sein harter Schwanz in das enge Loch. Ich habe noch immer Angst davor. Bevor ich ihn kennenlernte, hatte ich nie mit einem Mann Analverkehr. Die Lust ist eine andere, eine tiefere, fast besinnungslose. Aber am Anfang steht der Schmerz. Und immer das Be wußtsein der Erniedrigung, die er mir zufügt, wenn er mich auf diese Weise nimmt. Vom Bett zog er mich auf den Boden, so daß ich vor ihm zu knien kam, stieß mir seinen Schwanz in den Mund. Stieß so tief, daß mir die Luft wegblieb, nach der ich hilflos schnappte. Ich wollte den Kopf fortdre hen, wegziehen, aber er griff in meine Haare, drückte mein Gesicht zwischen seine Beine, zwängte seinen Schwanz in meinen Mund, bewegte ihn auf und ab. Dann hörte ich seine Stimme. Sie klang erregt wie selten, mühsam kontrolliert. Er war im Rausch, im Gegensatz zu mir, die ich mich noch immer verunsi chert fühlte von der Situation, von dem Ort und von den Männern, die mich betrachtet hatten. »Schön alles schlucken«, sagte er. Er sprach ge dämpft, außer sich vor Erregung. Es kostete ihn An strengung, sich zu beherrschen. Und dann kam er. Aber schon bei seinen Worten war mir klar geworden, daß die Männer, die zuvor unten gesessen hatten, uns gefolgt waren, uns nun zusahen. Daß ich Teil eines Schauspiels war, das wir ihnen lieferten. Denn nie zu vor hat er seinen Samen in meinen Mund ergossen. Jetzt berauschte er sich daran. Demonstrierte denen, die uns zusahen, seine Macht über mich. Er zeigte ihnen, daß jedes meiner Löcher ihm zugänglich ist, und daß er mich benutzen kann, wie es ihm gefällt.
5. Tag Er führt mich an der Kette durch die Straßen, und ich schäme mich wie am ersten Tag. Er schiebt mir die Schüssel hin, wenn ich auf Toilette muß. Er sitzt auf einem Stuhl oder Sessel, ich auf dem Boden. Essen
wir auf seinem Zimmer, knie ich vor dem Tisch, an dem er sitzt. Solange wir das Hotel nicht verlassen, bin ich nackt. Nur mein Lederhalsband trage ich im mer. Ich rasiere meine Scham nicht. Das reicht ihm nicht. Er hat sehr genaue Vorstellungen und möchte, daß ich die Haare mit einer Pinzette entferne. Das ist eine langwierige, schmerzhafte Prozedur. Als er dies zum ersten Mal anordnete, war ich verärgert. Natürlich wußte ich, was er damit bezweckte: Auch wenn er nicht in meiner Nähe ist, soll ich an ihn denken. Selbst wenn wir uns länger nicht sehen, soll ich nicht verges sen, daß ich sein Eigentum bin. Er will, daß ich Stun den damit verbringe, mich auf unsere Treffen vorzube reiten. Aber mich ärgerte es. Was bildete er sich ein? Glaubte er, daß ich kein eigenes Leben hatte? Über schätzte er sich nicht, wenn er wirklich davon ausging, ich würde ihm allein zu Hause soviel Zeit widmen? Ich habe es trotzdem getan. Vielleicht nicht mit dem Eifer, den er erwartet hatte. Denn als ich zu ihm kam, war er unzufrieden, betrachtete meine Scham sehr genau, war verstimmt über die Nachlässigkeit, mit der ich die Aufgabe erledigt hatte, holte selbst eine Pinzette. Mit einer Metallstange zwischen meinen Füßen spreizte er meine Beine weit auseinander, arretierte sie in dieser Stellung. An den Enden der Stange befestigte er mei ne Fußgelenke, so daß es mir unmöglich war, die Bei ne zu bewegen. Dann begann er, die Haare zu zupfen. Je länger er hinsah, desto mehr Haare fand er und desto ärgerlicher wurde er. Schließlich schlug er mich zur Strafe mit einer Reitgerte auf die Innenseite der Oberschenkel. Über eine Woche lang waren danach die Striemen auf der Haut zu sehen. Seither achte ich darauf, die Haare sorgfältig zu entfernen. Heute abend waren wir auswärts essen. Ich trug eine transparente schwarze Bluse, die er mir gekauft hatte. Auf das Lederhalsband und die Kette verzichtete er. Dafür war ich ihm dankbar. Manchmal senkte ich wäh
rend des Essens meinen Blick. Wie zufällig glitt er dann über meinen Oberkörper, über die bloßen Brüste unter dem durchscheinenden Stoff. Weder die Kellner noch die anderen Gäste schienen es zu bemerken. Aufmerksam wurden sie erst, nachdem das Essen ser viert war. Er hatte ein Gericht für zwei Personen be stellt, doch den Kellner davon abgehalten, mir davon etwas aufzulegen. Nun nahm er erst selbst einige Bis sen, legte dann etwas auf seine Gabel oder faßte es mit den Fingern, reichte es mir über den Tisch. Ich beugte mich leicht vor, nahm mit den Lippen die Stü cke aus seinen Händen entgegen. »Ich sollte dich öfter füttern«, meinte er zufrieden lächelnd, und in diesem Augenblick hatte ich fast ver gessen, wie sehr er mich zu demütigen in der Lage war. Spätestens als wir ins Hotel zurückkehrten, wurde ich daran erinnert. Er legte sich aufs Bett, betrachtete mich, während ich nackt vor ihm stand. »Ich möchte, daß du hüpfst«, sagte er. Im ersten Moment glaubte ich, mich verhört zu haben. Aber als mir klar wurde, was diese Forderung bedeutete, wußte ich, daß dem nicht so war. Es gefällt ihm, mich zu er niedrigen. Mich zu kränken. Sich Wünsche auszuden ken, scheinbare Harmlosigkeiten, mit deren Erfüllung ich mich vor seinen Augen demütige. Er kostet es aus, diese Wünsche zu formulieren, meine Reaktion darauf zu beobachten. Mir bei meinem inneren Widerstreit zuzuschauen. Ich hüpfte vorsichtig, unterbrach die Bewegung, ich sah ihn an, kämpfte mit den Tränen. Er lag entspannt auf dem Bett, räkelte sich fast. »Es ist so einfach«, sagte er, »und doch so schwierig.« Ich glaube, daß ich ihn manchmal hasse. Ich glaube, daß ich es in diesem Moment tat. »Hüpf«, wiederholte er seine Aufforderung. Ich schau te von ihm weg, ich schaute zu Boden, und ich ge horchte. »Sieh mich an.«
Ich schaute auf, aber ich konnte nicht beides zugleich tun: kleine Sprünge machen und dabei seinem Blick begegnen. Es ging einfach nicht. »Schön weiter hopsen«, sagte er. Vielleicht hasse ich ihn wirklich. Und vielleicht kann ich viel mehr ertra gen, als ich manchmal denke. Denn es ging: Ich tat es und sah ihm dabei in die Augen. »Gut.« Er nickte. Mit diesem Wort, mit dieser Geste gestattete er mir aufzuhören. Er hat eine Art zu ni cken, die wie ein Lob ist. Wie ein belohnendes Strei cheln. Mein Kopf schmerzte. Ich bemerkte, wie sehr mich die Demütigung unter Spannung gesetzt hatte. Jetzt ließ der Druck langsam nach. Ich fühlte mich ausgelaugt von der psychischen Belastung, die nicht länger als wenige Minuten gedauert hatte. Er stand auf, stellte mich vor die Wand, spreizte meine Beine weit auseinander, so weit, daß ich, um mich halten zu können, die Beine beugen, in die Knie gehen mußte. Meine Hände verschränkte er hinter dem Na cken. Dann tat er etwas, was ich mir schon manchmal vorgestellt habe. In der Phantasie hat es mich erregt. Ab und zu, wenn ich es mir selbst mache, stelle ich mir vor, in einer solchen Haltung fotografiert zu wer den. Aber jetzt, als er die Kamera auf mich richtete, um das Bild, um meinen Anblick festzuhalten, einzu frieren, schüttelte ich instinktiv den Kopf. »Senk deinen Blick«, sagte er. Und vielleicht sagte er es, weil er wußte, daß ich es unter anderen Umstän den nicht ertragen hätte. Ich weiß, daß er verantwor tungsvoll mit den Fotos umgehen wird. Aber es ist ein merkwürdiges Gefühl zu wissen, in einer solchen Hal tung im Bild festgehalten worden zu sein. Zu wissen, daß er sich die Fotos jederzeit ansehen kann. Wann immer er will. Dann legte er die Kamera zur Seite, verband mir die Augen, drückte mich hinunter, bis ich mit geöffneten Beinen rücklings auf dem Boden lag. Ungeduldig erwartete ich seine Berührung, endlich die Entspannung nach den Strapazen, dem emotionalen
Aufruhr, meiner mühsam aufrecht erhaltenen Kontrolle der vergangenen Stunde. Den ganzen Abend hatte ich darauf gewartet. Jetzt war ich dankbar, als er mich anfaßte, ich die ersehnte Berührung endlich bekam, wie eine Belohnung für meinen Gehorsam, für das, was ich durchgemacht hatte. Ich stöhnte, hielt mich nicht zurück, wollte mehr, erst recht als er sich in meine Möse drängte, zeigte mich, öffnete mich ihm. Ich glaubte, daß er mich mit den Fingern streichelte, daß es seine Hand war, die mich erregte, und ein Stich durchfuhr mich, als ich begriff, daß es sein Fuß war, der über meine Haut glitt, sein Fuß, unter dem sich meine Brustwarzen aufgerichtet hatten, sein Fuß, der sich in mein feuchtes Geschlecht schob, und sein Fuß, der mich zum Kommen brachte. Aber es war zu spät, zu spät zur Gegenwehr. Ich wollte nicht auf diese Wei se zum Höhepunkt kommen, aber ich konnte mich nicht zurückhalten, kam heftig, um so heftiger, je schmerzhafter ich die Erniedrigung verspürte. Und als er mich dann anwies, mich hinzuknien, mir seinen Fuß entgegenstreckte, damit ich ihn sauber leckte, wußte ich, daß er mir an diesem Abend eine jener Wunden zugefügt hatte, die eine Narbe hinterlassen werden.
6. Tag Es schmerzt noch immer. Ich kann nicht schlafen. Vielleicht werde ich nie wieder schlafen können. Mor gen fahren wir nach Hause. Dann werde ich allein sein. Vielleicht ist das gut. Aber ich habe Angst davor. In den letzten Tagen ist etwas eingetreten, was ich nie für möglich gehalten hätte: Ich war ich selbst. Je mehr ich aus mir herausgeworfen wurde, desto mehr war ich bei mir. Ich habe mir nicht gewünscht, jemand anders zu sein. Zum ersten Mal, seit ich existiere, ha be ich mir nicht das Leben einer anderen gewünscht. Und nicht, an einem anderen Ort zu sein. Wie wird es sein, wenn ich wieder zu Hause bin, mein Leben auf
nehmen werde? Das Leben ohne Halsband? Ohne Ket te? Der Gedanke daran ist schwer und fremd. Es schmerzt noch immer. Heute, am Nachmittag, fuhren wir wieder an einen Ort, den ich nicht kannte. In einer Wohnung erwartete uns ein fremder Mann. Die beiden setzten sich an den Tisch in der Küche, ich kniete nackt auf dem Boden neben ihm. Ich habe mich daran gewöhnt, nicht mehr auf Stühlen, auf Sesseln, am Tisch zu sitzen. Sie un terhielten sich über Partys, über die Reize von Frauen und über die Dauer unseres Fluges. Ich hörte nur mit halbem Ohr hin. Das Gespräch interessierte mich nicht, es war oberflächlich und unwichtig. Ein einziges Mal wurde meine Aufmerksamkeit geweckt. »Für mich ist es wichtig, eine schöne Sklavin zu ha ben«, stellte der andere Mann fest. Sklavin. Auch so ein Wort. Als Sklavin hatte ich mich nie gesehen. Aber wohin ich ihn auch begleite, überall begegnen uns Paare, die sich als Herr und Sklavin bezeichnen. Nur wir taten das nie. »Je schöner sie ist, desto interes santer ist es, mit ihr in der Öffentlichkeit zu spielen«, fuhr er fort. »Denn schließlich ist es ja nur ein Spiel…« »Das sehe ich anders«, sagte er ruhig, aber entschie den, und jetzt sah ich auf. »Doch, natürlich.« Der andere ließ sich nicht beirren. »Natürlich ist es nichts weiter als ein Spiel.« »Nicht für mich. Mich interessiert es erst ab dem Punkt, an dem es kein Spiel mehr ist.« Das ist das Besondere an ihm. Und an unserer Bezie hung. Darin waren wir uns von Beginn an einig. Selbst wenn ich erst mit der Zeit verstand, was es bedeutete. Wir haben nie darüber geredet. Und doch verbindet uns genau diese Ansicht: Zwischen uns ist es kein Spiel. Ist es nie ein Spiel gewesen. Im Laufe des Abends kamen weitere Gäste, Frauen, nackt wie ich, die ebenfalls auf dem Boden knieten. Ich betrachte diese Frauen immer sehr genau, suche nach etwas in ihrem Ausdruck, frage mich, ob es ein
Zeichen gibt, eine Möglichkeit, ihre Neigung zu erken nen. Ob ich es ihnen ansehen könnte, wenn sie ange zogen wären, mir auf der Straße begegneten. Aber vielleicht überschätze ich in diesen Momenten die Be deutung dessen, was uns eint. Schließlich ist es nur eine ähnliche sexuelle Veranlagung. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr. Schließlich verband er mir wieder die Augen, führte mich an eine Stelle, wo ich mich auf den Boden legte, die Beine weit geöffnet. Er schob ein Kissen unter meinen Kopf, ein größeres unter mein Becken. Die anderen waren uns gefolgt. Sie waren in der Nähe, vielleicht standen sie, vielleicht hatten sie sich gesetzt, ich wußte es nicht, wußte nicht, was meine Position zu bedeuten hatte. Er beugte sich über mich, sein Mund war jetzt an meinem Ohr, er sprach sehr leise: »Ich habe dir angekündigt, daß ich dich als mein Ei gentum kennzeichnen möchte. Heute werden wir da mit beginnen. Ich werde dir zwei Ringe durch die Schamlippen stechen.« Die Äußerung überraschte mich nicht. Sie flößte mir auch keine Angst ein. Ich blieb ganz ruhig. Es stimm te, daß er mit mir darüber gesprochen hatte. »Ich kann eine Kette mit einem Gewicht an die Ringe hän gen«, hatte er gesagt, als er diese Idee zum ersten Mal mir gegenüber erwähnte. »Und ich kann deine Möse mit einem Schloß verschließen.« Der Gedanke hatte mich nur leicht erregt. Er war zu fremd gewesen, zu weit weg. Unendlich fern. Zu unvorstellbar, um auch nur zu ahnen, was es bedeuten würde. Vielleicht hatte ich im stillen damit gerechnet, daß es auf dieser Reise passieren würde. Aber nie im Leben war ich davon ausgegangen, daß er selbst es machen würde. Nun verstand ich, wieso wir hergekommen waren. Der Mann, den wir hier aufsuchten, kannte sich mit der Technik aus, hatte dies schon öfters gemacht. Ich spürte etwas Kühles an meinem Geschlecht, ein Spray, das er auf meine Schamlippen sprühte.
»Es wird gleich ein wenig weh tun«, sagte er. Der Schmerz durchfuhr mich, ein Stich, so brennend, daß meine Augen augenblicklich in Tränen schwam men. Ich sog Luft ein, atmete heftig, unterdrückte meine Schreie, meine Hände hatten sich zu Fäusten geballt, es ist ja vorbei, sagte ich mir, das Schlimmste ist geschafft, die Tränen lösten sich, liefen an den Sei ten herab, meine Schläfen entlang. Die Einstichwunde schmerzte, ein pochender Schmerz jetzt, während der erste Ring durch die frisch durchstoßene Haut gescho ben wurde. Ich spürte seine warmen Hände an meinen Schamlippen, als er den Ring mit der kleinen Kugel verschloß. Ich fürchtete den zweiten Stich, meine Hände blieben Fäuste, preßten sich gegen den Boden, den Körper angespannt bis zu den Fußspitzen wartete ich bebend, biß mir auf die Lippen, erwartete seine Stimme an meinem Ohr, eine Ankündigung, seine Vorwarnung, aber die kam nicht. Vielleicht war auch er zu aufgeregt, zu nervös, zu erregt von dem, was er tat. Er sagte nichts, kündigte den Stich nicht an. Der Schmerz traf mich unverhofft. Und diesmal schrie ich. Die Nadel durchdrang das Fleisch nicht ungehindert. Er mußte erneut ansetzen, stach nicht, sondern bohrte die Nadel durch meine Haut. Der Schmerz hielt an, steigerte sich, und ich schrie vor Pein. Ich schrie und schrie. »Es ist vorbei«, flüsterte er. Und ich weinte.
7. Tag Ich bin zu Hause. Ein Taxi hat mich hier abgesetzt. Vielleicht ist es gut, wieder hier zu sein. Es ist eine Illusion, daß ich mein Leben und die Verantwortung abgeben, ihm überlassen kann. Die Wunden an mei nen Schamlippen schmerzen. Ich muß sie regelmäßig mit einer Flüssigkeit behandeln, sie darin baden, die Ringe bewegen, damit die Einstiche gut verheilen. Ich fühle mich fremd in meiner Wohnung. Und auf
dieser Welt. Es wird einige Zeit dauern, bis ich wieder heimisch sein werde. Als er mich heute früh im Hotelzimmer abgeholt hat, kurz bevor wir zum Flughafen fuhren, hat er mich ein letztes Mal nackt betrachtet. Er saß auf dem Sofa, und ich stand vor ihm, die Beine gespreizt, während sein Blick sich auf die Ringe richtete. Ich sah ihm an, wie sehr es ihn erregte. Dann zog ich einen Slip an. Das erste Mal, seit wir unterwegs waren. Diesmal mußte ich ihn tragen: Es ist wichtig für den Heilungsprozeß.
HUNDELEBEN Es IST IN DER MITTAGSPAUSE, ALS ER DAVON ANFÄNGT. Ohne nachzudenken habe ich die Bemerkung fallen lassen, obwohl ich weiß, daß ich in seiner Gegenwart auf der Hut sein muß, daß er darauf lauert, mich zu provozie ren und in die Enge zu treiben. Eine Banalität, dachte ich, eine Selbstverständlichkeit, nicht der Rede wert, aber sofort hat er sich vorgebeugt, sieht mich an mit seinem Mir-kann-keiner-was-Blick, mit dem er es im mer wieder schafft, mich zu verunsichern. »Ach«, sagt er, als höre er das zum ersten Mal. »Tat sächlich? Männer sind triebhafter als Frauen?« Da er nur meine leichtfertig dahingesagte Äußerung, wenn auch mit einem Fragezeichen am Ende verse hen, wiederholt, weiß ich nicht, ob er wirklich eine Antwort erwartet. Also schweige ich. Ich bin müde und habe Pause und Hunger und keine Lust auf eine Dis kussion mit ihm. Und vor allem habe ich keine Lust, schon wieder den kürzeren zu ziehen. Denn das tue ich. In jedem Gespräch mit ihm. Wirklich in jedem. Und es ärgert mich. Maßlos. Weil er mir nicht mal gei stig überlegen ist. Weder intellektuell noch sprachlich. Aber er schafft es trotzdem, mich aus dem Konzept zu bringen, mich so zu irritieren, daß ich ab einem be stimmten Punkt wirklich glaube, er hätte recht, und erst viel später, wenn er längst vergessen hat, daß schon wieder eine Runde an ihn gegangen ist, ganz plötzlich, fallen mir all die ungesagten Argumente ein, die ich hätte vorbringen können, um endlich einmal zu gewinnen. Aber offenbar erwartet er wirklich eine Antwort, denn er fragt: »Wie kommst du denn darauf?« Mit einer Betonung, als hätte ich eine Absurdität geäußert. Und schon hat er es wieder geschafft und mich am Haken. Ja, wie komme ich eigentlich darauf? frage ich
mich sofort selbst. Aber ich zeige meine Verunsiche rung nicht. »Ist doch klar. Allein wenn du dir den Ge schlechtsakt ansiehst und den Vorgang der Befruch tung, bei dem Frauen den Samen des Mannes auf nehmen…« Was redest du nur? denke ich und fahre schnell fort, um mich von meinen eigenen Einwänden nicht zusätz lich verwirren zu lassen. »Frauen verkörpern das emp fangende, nehmende Prinzip, Männer das aktive, ge bende. Der Mann sorgt für die Frau, während sie schwanger ist und die Kinder großzieht.« Natürlich merke ich, daß meine Antwort in ihrem peinlich dozie renden Ton nichts als Phrasen wiedergibt und mit meiner Behauptung von vorhin nicht das Geringste zu tun hat. Irgendwie natürlich schon, denke ich, aber ich weiß nicht, wie ich den Bogen schlagen soll. Und ob es überhaupt einen gibt. Zudem sieht er mich an, noch immer mit demselben Blick, den er beherrscht wie kein Zweiter, und ich weiß, daß ich Unsinn rede, mich ungeschickt ausdrücke, und ich frage mich, wohin sich all die schönen Wörter und Formulierungen, die ich sonst zu benutzen imstande bin, verflüchtigt haben. Und überzeugen werde ich so niemanden. Ihn am al lerwenigsten. Aber ich rede weiter, um meine Unsi cherheit und Zweifel zu überspielen: »Zweitens…« Hatte ich überhaupt ein »Erstens«? frage ich mich und fahre schnell fort. »Zweitens ist der Eroberungstrieb den Männern inhärent. Männer führen Kriege, Männer kämpfen gegeneinander, müssen sich ihr Revier er obern, es verteidigen, immer wieder ihre Stärke, ihre Position unter Beweis stellen. Und ebenso wie Männer Länder erobern und Völker unterwerfen, liegt es ihnen im Blut, Frauen zu erobern und zu unterwerfen.« Er sieht mich einfach an und läßt mich reden. Er macht es absichtlich. Er läßt mich so lange reden, bis ich nicht mehr weiter weiß. »Frauen sind passiv, aufnehmend, empfänglich…« Mir fällt auf, daß ich das bereits gesagt habe und jetzt
wieder an den Anfang zurückkehre. Er hat es also ge schafft. Hat mich leerlaufen lassen. Ich bin am Ende mit meinem Latein. Und ich war alles andere als über zeugend. Obwohl er weiß, daß ich nichts mehr sagen werde, sieht er mich an, als gebe er die Hoffnung auf ein wirkliches, auf ein schlagkräftiges Argument von meiner Seite nicht auf. Das kann doch nicht alles ge wesen sein, sagt sein Blick. »Ich meine…« setze ich von neuem an. Aber mir fällt nichts mehr ein. »Es ist doch ganz klar…«, schlittere ich über das unsichere Eis meiner Ausführungen, be ende sie schließlich mit einem vagen: »Ja.« Der Kellner bringt die Tagliatelle, mißversteht wahr scheinlich mein dankbares Lächeln, das weder ihm gilt noch den Nudeln, sondern einzig der Hoffnung, das Essen möge Richard von der Diskussion ablenken. Aber das wäre zu einfach. Er nickt dem Kellner zu, greift zur Gabel. »Passivität und Triebhaftigkeit schließen sich demnach aus?« fragt er höflich. Ja? Habe ich das wirklich gesagt? Wollte ich das sa gen? Daß Passivität und Triebhaftigkeit einen Wider spruch bilden? Tun sie das? Ja, irgendwie schon. Oder doch nicht? Ich weiß es nicht. Woher soll ich das wis sen? »Ja«, sage ich. Zweifelnd sieht er mich an, und wir wissen beide, daß dieser Punkt an ihn geht. Und dann ist er schon beim nächsten: »Was macht dich sicher, daß die weibliche Passivität, von der du so überzeugt bist und die ich vorsichtiger als Angepaßtheit bezeichnen würde, nicht Ergebnis von Erziehung, von systematischer Unterdrü ckung der Triebe ist?« Jetzt habe ich wenigstens eine Frage, an der ich mich festhalten kann, auf die ich eine Antwort weiß. »Ist doch klar. Frauen sind durch ihre biologische Disposi tion, durch ihre Fähigkeit und Notwendigkeit zu gebä ren, zur Passivität verurteilt. Und wenn ich Passivität sage, meine ich Passivität. Nicht Anpassung.«
»Es gibt andere Kulturen. Was ist mit Matriarchaten? Widersprechen diese Gesellschaften der, wie du sie nennst, biologischen Geschlechterdisposition?« Ja, klar, denke ich. Nach meiner Argumentation ist das nur folgerichtig. Aber so was darf man nicht denken. Und sagen erst recht nicht. Außerdem habe ich mich damit nie beschäftigt. Wie soll ich etwas beurteilen, wovon ich keine Ahnung habe? »Nein, natürlich nicht…« Er lehnt sich im Stuhl zurück. »Mir ist nicht klar, wie du deine Behauptung dann aufrecht erhalten willst« »Im Tierreich…«, setze ich an, aber plötzlich reicht es mir. Ich wollte diese ganze Diskussion nicht, und jetzt hänge ich mittendrin. Und will sie nur noch beenden. So schnell wie möglich. Sofort. »Männer brauchen Sex«, schleudere ich ihm entgegen, »und Frauen nicht.« »So einfach ist das?« »Ja.« Das ist alles andere als ein Sieg, aber wenigstens gebe ich diesmal nicht klein bei. Doch er ist nicht bereit, das Thema fallen zu lassen. Hätte mich auch gewundert. Schließlich kenne ich ihn. Nur sein Blick, den ich nicht einordnen kann, ist mir neu. Obwohl wir seit Monaten eng zusammenarbeiten und ich es gewöhnt bin, daß er mir gegenübersitzt, mich ansieht, daß er mich mustert und taxiert, und obwohl er auch jetzt, wie sonst, nichts weiter betrachtet als mein Gesicht, mir fest in die Augen sieht, ist sein Blick auf eine neue Art indis kret, taktlos. »Weißt du, was von dir bliebe, wenn man dir deine schönen Kleider, deine Kosmetik, deine Schuhe und Täschchen nehmen würde?« fragt er schließlich. Was soll das nun wieder? Er hat sich weit über den Tisch gebeugt, spricht leise und sehr eindringlich. »Weißt du, was aus dir würde, wenn du nicht mehr arbeiten gehen müßtest, um dei ne schicke Wohnung und deine Besuche in noblen Re
staurants zu finanzieren? Wenn an die Stelle deines ganzen oberflächlichen Lebens mit seinen inhaltslee ren Vergnügungen etwas Wirkliches träte? Wenn du deine ganze Erziehung vergessen würdest?« Ich starre auf seine Augen und auf seine Lippen, die sich schnell und kaum sichtbar bewegen, und dann zurück auf seine Augen, und ich höre sehr wohl, daß er unverschämt wird, aber ich weiß, daß er auf etwas hinaus will, spätestens jetzt weiß ich es, auf etwas, das mich aufbringen und herausfordern und endgültig aus dem Konzept bringen soll. Und deshalb frage ich gelangweilt: »Ja? Was denn?« Als sei ich nur mäßig interessiert. Dabei brenne ich auf seine Antwort. Ohne sich beirren zu lassen, fährt er fort: »Weißt du, was aus dir würde, wenn du auf deine Natur zurück geworfen würdest? Auf deine Kreatürlichkeit? Wenn man deinem Körper geben würde, was er braucht, und du vergessen würdest, was deine Eltern und Lehrer und die Gesellschaft dir eingehämmert haben?« Er macht eine kurze Pause, die ich nutzen will, um etwas einzuwenden, aber er ist schneller: »Du würdest zurücksinken auf das Niveau eines Tieres. Und du würdest dich wohl fühlen dabei. Hoffen, daß dieser Zustand niemals zu Ende geht. So dankbar wärest du!« Ich begreife nicht, wie das Gespräch sich derart entwi ckeln konnte. Und ich bin mir nicht sicher, ob er mich beleidigen will und ob ich gekränkt sein soll. Weil ich nicht verstehe, was das alles mit mir zu tun hat. Mich jedenfalls erkenne ich in seinen abfälligen Bemerkun gen über mein angeblich so mittelmäßiges Leben nicht wieder. Mir fallt auf, daß ich meine Nudeln vergessen habe, und endlich wende ich den Blick von ihm, auf meinen Teller, schiebe mir das Essen auf die Gabel. Einige Minuten sprechen wir beide nicht. Ich kaue, ohne den Blick vom Teller zu heben. Irgendwann sehe ich auf. »Was soll das, Richard?« frage ich. Er zuckt die Achseln, als führe er nichts im Schilde.
»Das einzige, was ich damit sagen will, ist, daß du mindestens so triebhaft bist wie jeder Mann. Aber du weißt es nicht und willst es nicht wissen, und dein ganzes nichtssagendes kultiviertes Dasein umgibt dich wie eine Mauer. Tagsüber arbeitest du, abends hetzt du zum Sport und von einer angesagten Party zur nächsten, machst Small-Talk mit irgendwelchen Lang weilern, die du als deine Freunde bezeichnest. Du hast keine Ahnung, wer du wirklich bist, und Angst davor, es zu erfahren. Eigentlich kannst du einem leid tun.« Ich habe noch nicht fertig gegessen, aber ich schiebe den Teller mit der Pasta zur Seite. Der Appetit ist mir vergangen. Es reicht! »Was soll das? Findest du nicht, daß du zu weit gehst? Und überhaupt! Ist dein Leben soviel besser?« »Darum geht es nicht. Ich will dich nicht kritisieren oder beleidigen.« Ach nein? Wirklich nicht? »Ich will nur sagen, daß unter deiner ganzen Kultiviertheit, an die du dich klammerst wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring, eine wirkliche Vera steckt. Daß sich ir gendwo hinter dieser sterbenslangweiligen Fassade, hinter diesem anspruchsvollen Püppchen mit seinen gesellschaftlich hervorgebrachten Scheinbedürfnissen eine Frau mit echten Bedürfnissen verbirgt. Und die ist nichts weiter als ein primitives, seinen Trieben gehor chendes Tier.« Schon wieder dieses Wort! Aber ich bin entschlossen, auf die Provokation kein zweites Mal einzugehen. Nur die Ruhe bewahren! Nicht zeigen, wie sehr dieses Ge spräch mich verwirrt. »Kann ja sein, daß es bei dir so ist«, sage ich also, und ich glaube, es gelingt mir tat sächlich, Spott in meinen Ton zu legen. »Vielleicht stellst du etwas dar, was deinem Innersten wider spricht. Aber ich kann dich beruhigen: Bei mir ist es nicht so. Und wenn ich dich derart langweile… Bitte sehr – es steht dir frei, deine Mittagspause auf wert vollere Weise zu verbringen als im Gespräch mit mir, das dich ja zu Tode langweilen muß.« Endlich habe ich
meine Sprache wiedergefunden, rede mich in Fahrt.
»Und du hast eines vergessen, mein Lieber. Oder
wahrscheinlich einfach absichtlich unter den Tisch ge kehrt, weil es nicht in deine Version der Dinge paßt:
Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen uns
Menschen, oder von mir aus, zwischen mir und einem
Tier.« Ich tippe mit dem Zeigefinger an meine Stirn.
»Der liegt hier. Das Gehirn. Die zerebralen Fähigkei ten. Nenn es Vernunft, Verstand, geistiges Vermögen.
Ich bin mit meinem Verstand zur Welt gekommen.
Natürlich ist er ausgebaut worden, geschult, unter stützt, gefördert worden, hat sich entwickelt Aber er
war von Geburt an vorhanden.«
Er nickt, als wolle er sagen: Hast ja recht. Aber statt
dessen fragt er: »Wetten?«
»Wie?« Ich muß mich verhört haben.
»Wetten wir?«
»Was? Worum?« Eines muß ich ihm lassen: Er weiß
mich zu überraschen.
»Daß du unter den entsprechenden Umständen deinen
Verstand vergißt und nur noch deinen Trieben ge horchst.«
»Was willst du machen?« frage ich, und diesmal muß
ich mich um den Spott in meiner Stimme nicht einmal
bemühen. »Mich auf einer einsamen Insel aussetzen?«
Trotzdem fehlt mir die Distanz zu unserer Unterhal tung. Vor allem seit er von meiner Triebhaftigkeit ge sprochen hat. Von meiner eigenen. Nicht von einer
allgemein weiblichen Veranlagung.
»Nein.«
»Sondern?« Da ist eine körperliche Reaktion auf seine
Worte, die ich zu ignorieren versuche.
»Dich ein paar Tage in meiner Wohnung halten.«
Jetzt bleibt mir die Luft weg. Was meint er damit?
Wieso verwendet er diese Formulierung? Worauf will
er hinaus? Aber irgendwie glückt es mir, Worte zu fin den. »Und dann?«
»Wirst du sehen.« Seine Augen haben sich verengt,
während er mich ansieht. Er ist sehr ernst. Eine Tiefe geht von ihm aus, die ich ihm nie zugetraut hätte. Und plötzlich lächelt er. »Das würde mir gefallen. Die Hün din in dir zu wecken.« Wir hören dem Satz nach. Beide. Ich senke meine Li der, und das erleichtert mich kurz. Ihn nicht mehr an sehen müssen. Für Momente bin ich allein mit mir. Mit meinem Körper, der auf Richards Äußerungen rea giert. Ich suche in meinem Hirn, von dessen Fähigkei ten ich gerade erst gesprochen habe, nach einer adä quaten Antwort. Ich konzentriere mich auf meine Stirn, weil sich irgendwo dahinter Gedanken verbergen müssen, aber ich kann keinen einzigen fassen, erst recht nicht formulieren, finde hinter meiner Stirn nur ein Rauschen, vielleicht das meines Blutes, das in meinen Kopf gestiegen ist. »Wir müssen los«, sage ich endlich die einzigen Wör ter, die ich zu greifen bekomme. »Laß uns zahlen.« Meine Stimme klingt belegt. Ich greife nach meiner über der Stuhllehne hängenden Tasche, nestle an dem Verschluß, blicke dann doch wieder zu ihm auf. Ich kann nicht anders. Immer wieder kehrt mein Blick zurück zu ihm. In meinem Kopf ist nur noch ein schwarzer, tiefer Sumpf, in dem meine Gedanken un tergegangen sind. Wie unwiederbringlich verloren. Der Sumpf ist zäh, und auch ich verliere mich in ihm, wäh rend er mich ansieht, einfach immer weiter ansieht, mit diesen merkwürdig verengten Augen. »Kneifst du?« fragt er. »Wieso kneifen?« Ich hole mein Portemonnaie aus der Tasche, winke dem Kellner. Es ist gut, mich zu bewe gen, etwas zu machen. Irgendwas. Aber er tut, als hätte ich nichts gesagt, läßt nicht lo cker. »Hast du Angst, daß ich recht habe?« »Quatsch.« Schweiß löst sich aus meinen Achseln. Unter der Bluse rinnen kühle Perlen meine Haut hinab. Trotz der trockenen Heizungswärme zittere ich vor Kälte.
»Es würde dir auch gefallen«, sagt er. »Ich bin mir fast sicher.« Wieder kann ich meinen Blick nicht von dem schmalen Spalt seiner Augen wenden. Der Kellner tritt an den Tisch, und ich bemerke ihn erst, als Ri chard Espresso bestellt hat und er sich schon wieder abwendet. »Ich kann es dir beweisen«, sagt er. Das Schlucken fällt mir schwer und tut fast weh, und ich höre die Geräusche, die mein Mund dabei macht. Und ich starre ihn an, diesen Mann, mit dem ich seit Monaten zusammen arbeite und in dessen Gesicht ich zum ersten Mal in diesen Monaten keine Spur mehr entdecke von der Blasiertheit, die mich so oft zur Weißglut getrieben hat. Statt dessen saugt er mich auf mit seiner Anspannung, mit der mühsam unterdrück ten Ungeduld. »Soll ich es dir beweisen?« fragt er. Ich wate durch den Sumpf formloser Gedanken in meinem Kopf, hoffe auf Rettung, auf einen Halt, nach dem ich greifen kann. Aber ich versinke. »Ja«, sage ich, stimme zu, ehe ich es begreife. Später bin ich einige Male fast soweit, in sein Büro zu gehen und zu sagen: Hör mal, das war eine blöde I dee. Laß es uns einfach vergessen. So zu tun, als hätte das Ganze keine Bedeutung für mich. Als ließe es mich kalt. Aber jedes Mal verläßt mich im letzten Moment der Mut. Vielleicht auch der Wille. Wir haben das kommende Wochenende für unser klei nes Experiment vereinbart – oder die Wette oder wie immer man es nennen mag. Freitagabend nach der Arbeit werde ich zu ihm gehen. Vorausgesetzt, daß er mich noch einmal dazu auffordert. Denn ich hoffe, daß er unser Gespräch und die Vereinbarung vergessen hat. Daß die Unterhaltung für ihn eine belanglose un ter vielen war. Denn ein verunsicherndes, aufwühlen
des Erlebnis wie für mich stellt sie für ihn bestimmt nicht dar. Aber dann sehe ich wieder seine plötzlich fremden Augen vor mir, diese schmalen, kalten Fugen. Und in diesen Momenten weiß ich, daß er nichts vergessen hat. Kein einziges Wort. Doch selbst beim Mittagessen, das wir in dieser Woche noch zweimal zusammen einnehmen, erwähnt er die Unterhaltung und unsere Verabredung mit keinem Wort. Vielleicht weil wir nicht allein sind, und ich bin froh, daß er in Gegenwart der Kollegen nicht die Spra che darauf bringt. Ich frage mich, ob die Spannung, die ich empfinde, sobald ich ihn sehe, gleich, ob ich ihm auf dem Flur begegne, beim Essen oder einer Be sprechung neben ihm sitze, auch für ihn spürbar ist. Er wirkt unverändert. Gelassen, unverbindlich, nüch tern. Er ist wieder derselbe gleichbleibend überhebli che Mann, der er war, bevor wir unser Gespräch ge führt haben. Vergeblich suche ich den Sog, der wäh rend dieser wenigen Minuten von ihm ausging. Und dennoch wird mir heiß, sobald ich ihn von weitem se he. Als er mich auch am Freitag nicht an unsere Verabre dung erinnert, schöpfe ich Hoffnung auf ein erholsa mes Wochenende. Auf Tage ohne ihn. Ich denke an die Party am Samstag, auf die ich hatte gehen wollen, und nachdem ich gegen fünf meinen Schreibtisch auf geräumt habe, früher als sonst, und obwohl ich mit meiner Arbeit nicht fertig geworden bin, meine Sachen zusammengepackt habe, hastig und so leise, als wolle ich meine Flucht vorbereiten, werfe ich einen kurzen vorsichtigen Blick aus dem Büro auf den ruhig und harmlos daliegenden Flur. Auf Zehenspitzen eile ich über den Gang dem Ausgang zu. Die Tür zu Richards Büro ist weit geöffnet, und ich habe keine Wahl: Ich muß an ihr vorbei. Schon habe ich sie passiert, will erleichtert aufatmen, als ich plötzlich seine Stimme höre: »Ach, Vera!« Ganz beiläufig.
Ertappt bleibe ich stehen, überlege, ob ich einfach weiterlaufen, so tun soll, als hätte ich ihn nicht gehört, aber das wage ich nicht. Also warte ich. Ich komme mir albern vor, denn ich bin sicher, daß er meine Ab sicht, mich vorsichtig und leise ins Wochenende da vonzustehlen, durchschaut hat. Obwohl ich nicht ant worte und er mich von seinem Büro aus nicht sehen kann, scheint er zu wissen, daß ich stehengeblieben bin. »Ich erwarte dich gegen acht.« Er hat seine Stimme nicht angehoben. Noch immer antworte ich nicht. Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll. »Hast du mich ver standen?« »Ja.« Aber ich gehe nicht weiter. Als brauchte ich sei ne Erlaubnis, um meinen Weg fortzusetzen. Und tat sächlich dringt seine Stimme noch einmal leise, aber vernehmlich aus dem Büro zu mir in den Flur: »Du kannst jetzt gehen. Wir sehen uns später.« Schon als ich auf den Hof trete, ärgert mich meine Reaktion, mein Zögern, die Unsicherheit, die er be merkt haben muß. Ich bin wütend auf mich selbst. Auf das kleine Mädchen, das in mir steckt und sich von ihm beeindrucken und einschüchtern läßt. Ich steige in den Wagen, steuere ihn vom Parkplatz, auf die Straße. Der kann mich mal, denke ich. Wovor habe ich eigent lich Angst? Ich weiß nicht, zum wievielten Mal in die ser Woche mir seine Worte einfallen: nichts weiter als ein primitives, seinen Trieben gehorchendes Tier. Jetzt machen sie mich noch ärgerlicher, als ich ohnehin schon bin. Für wen hält er sich? Je länger ich darüber nachdenke, desto verwunderter bin ich, daß die Ange legenheit mich derart aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Desto entschlossener will ich ihm zeigen, wer von uns beiden stärker ist. Heute abend, denke ich, werde ich es dir beweisen! Ich fühle mich mutiger, je länger ich darüber nachdenke. Im Geist lege ich mir die Worte zurecht. »Du mußt es doch zugeben, Ri
chard!« werde ich sagen. »Das Ganze ist ziemlich kin disch! Wie sind wir bloß darauf gekommen?« Ich wer de deutlich machen, daß es mich im Grunde langweilt. Werde mit ihm essen, mich höflich, aber distanziert unterhalten. Und seine Pläne, welche auch immer er hegen mag, werden nicht aufgehen. Wäre doch ge lacht, denke ich, wenn ich mit dem nicht fertig werde! Dem muß endlich mal jemand zeigen, daß… Plötzlich die rote Ampel. Mein gegen das Bremspedal gestemmter Fuß. Laut quietschende Reifen, als der Wagen zum Halten kommt. Die Vorderräder stehen schief auf der Kreu zung. Autos schießen auf mich zu, hupen, weichen aus im letzten Augenblick. Ich will zurücksetzen. Aber ich bin eingekeilt. Kann nicht vor. Und zurück erst recht nicht mehr. Ich zittere noch, als ich endlich unter der Dusche ste he. Der Schrecken sitzt mir in den Gliedern. Nur lang sam beruhige ich mich, erinnere mich daran, was ich heute abend vorhabe. Aus dem Schrank nehme ich ein Kleid von der Sorte, die Richard nicht kennt, weil ich sie niemals bei der Arbeit tragen würde. Kurz frage ich mich, wen ich mit diesem Kleid beeindrucken will. Vie le Möglichkeiten einer Antwort gibt es nicht, also schiebe ich die Frage beiseite. Ich schalte den Fernse her an, lasse mich von der Fernbedienung durch die Programme treiben, überlege, ob ich absichtlich zu spät kommen soll. Oder lieber überpünktlich. Ent scheide mich für letzteres, um nicht gewollt nachlässig zu wirken. Und dann ist es plötzlich später als vermu tet, ich springe auf, eile aus der Wohnung. Auch er sieht anders aus als im Büro, trägt Jeans und ein Polo-Hemd, aber sein Gesicht zeigt den gewohnt bornierten Ausdruck. Ich lächle. »Hi«, sage ich und bin fast sicher, daß es mir gelingt, meine Unsicherheit zu überspielen. Ich
schaue mich im Flur um, aber da gibt es nicht viel zu sehen. »Ich bin gespannt auf deine Wohnung.« Ich hoffe, daß mein Lächeln souveräner aussieht, als ich mich fühle. »Jedes Heim sagt viel über seinen Bewoh ner aus.« Sofort beiße ich mir auf die Zunge. Zu spät. Ich habe den Satz losgelassen. Eine dieser peinlichen, wie auswendig gelernten Phrasen, die ich nur in seiner Gegenwart fallen lasse. Aber ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt zuhört. »Du kannst dein Kleid sofort ausziehen«, sagt er. »Bitte?« »Ich möchte, daß du dein Kleid ausziehst.« »Moment!« Ich merke, wie ich mir schon wieder selbst entgleite. Aber ich versuche, entschieden zu wirken. »Was soll das?« Ich glaube, daß meine Stimme so klingt wie immer, aber ich weiß nicht, wie lange das der Fall sein wird, wenn er mich weiter so ansieht. »Du brauchst es an diesem Wochenende nicht.« Er mustert mich von oben bis unten. Und wie von oben herab. »Natürlich steht es dir gut.« Es klingt, als ken ne er den Grund, aus dem ich es angezogen habe, mindestens so gut wie ich. »Zumindest der Vera, die wir täglich sehen, steht es gut. Aber wir haben uns ja getroffen, um eine neue Vera kennenzulernen. Und die braucht kein Kleid.« Sein Blick, zum ersten Mal in all den Monaten aufdringlich und wirklich unverschämt, ruht auf meinen Brüsten. Ich wollte und weiß, daß sie sich unter dem Stoff abzeichnen. Denn ich trage kei nen BH. »So hübsch sie darin auch aussehen mag«, sagt er. Nie hatte ich den Eindruck, daß ich ihn als Frau interessiere. Daß er mich als solche überhaupt wahrnimmt. Bis auf das eine Mal. Während der Mit tagspause. Habe ich deshalb dieses Kleid angezogen? Um ihn herauszufordern? Ihm zu beweisen, daß ich über Reize verfuge, die zu bemerken er sich bis jetzt geweigert hat? »Aber heute geht es um etwas ande res. Nicht darum, mir zu zeigen, wie hübsch du bist.« Jetzt ärgere ich mich darüber, dieses Kleid angezogen
zu haben und es seinem respektlosen Blick so leicht zu machen. »Zieh es aus.« Was mache ich hier? Wieso bin ich hergekommen? Da war irgendwas… Eine Vereinbarung. Aber was besagte die noch? Die Vereinbarung… »Das war nicht vereinbart.« Ich höre meine Stimme, aber sie gehört schon einer anderen. Einer Fremden, die ich nicht kenne. »Richtig, Vera.« Ein Ton, als würde ein Lehrer seiner Schülerin ein Lob erteilen. »Wir haben gar nicht viel vereinbart.« Er macht einige Schritte in die Wohnung hinein. »Komm«, sagt er. Und während ich ihm ins Wohnzimmer folge, entferne ich mich noch weiter von mir selbst. Auf dem Sofa lehnt er sich zurück, legt einen Fuß über den Oberschenkel des anderen Beins. »Eigentlich ha ben wir nur vereinbart, daß du zu mir kommst, damit wir gemeinsam herausfinden, wer du wirklich bist. Um deine Geilheit zu wecken.« Ich müßte empört sein, spätestens jetzt, aber wir se hen uns nur an, und endgültig weiß ich nichts mehr zu erwidern. Ich gehe auf einen Sessel zu, will sitzen wie er, mich geschützter fühlen, nicht länger stehend aus geliefert sein an ihn. An diesen fremd gewordenen, unverfrorenen Blick. Aber noch immer sehe ich ihn an, als wartete ich auf das Verbot, mich zu setzen. Und es kommt. Ein leichtes Kopfschütteln. Es reicht. Ich blei be stehen. »Zieh dein Kleid aus.« Warum bin ich hier? Die Vereinbarung… Unwichtig. Vergessen. Schon egal geworden. Jetzt geht es um anderes: Warum lasse ich seinen Blick zu? Seine Wor te? »Zieh dein Kleid aus.« Wer ist diese Frau, die das Kleid über den Kopf streift? Ein Kleid, das sie angezogen hat, um ihre Reize zu unterstreichen. Und jetzt? Steht sie vor ihm in der
Strumpfhose, auf schwarzen Pumps und fühlt sich hilf los, plump, läßt es zu, daß er sie mustert. Sieht ihn an und weiß nicht weiter. Und wieder sein Nicken. Sein Blick, der sagt: Mach weiter. Zieh dich ganz aus. Bis ich nackt vor ihm stehe. Wie er es will. »Gefällt es dir, dich mir endlich nackt zu zeigen?« Die se Überheblichkeit seines Tons, seiner Haltung. Wie er dasitzt, zurückgelehnt in die weichen Polster, den Kopf zur Seite geneigt, während ich in der Mitte des Zim mers stehe, völlig nackt. Dieses sachliche Interesse in seinem Blick. »Hast du darauf gewartet, dich mir nackt zu zeigen?« Ja. Vielleicht. Vielleicht habe ich wirklich darauf gewartet. Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr. »Weil du seit einer Woche an nichts den ken kannst als daran, von mir gevögelt zu werden.« Das ist keine Frage. Er spuckt mir den Satz vor die Füße. Ernst. Abschätzend. Irgendwo, weit weg, sehe ich mich entschwinden. Verliere mich aus den Augen. Widerspreche nicht. Jeder Widerspruch wäre eine Lü ge. »Es wird leicht sein, aus dir eine Hündin zu machen. Wie ich es dir versprochen habe.« Das Leder des Sofas knirscht, als er sich erhebt, sonst ist kein Laut zu hö ren, nur dieses leichte Knirschen. Und dann mein Schlucken, als er auf mich zukommt, um mich herum geht, mich aus der Nähe betrachtet. Schließlich nur noch mein heftiger Atem. Irgendwann seine Worte: »Eine läufige, gehorsame Hündin.« Und ich weiß nicht mehr, ob seine Worte, dicht an meinem Ohr, ein Ver sprechen sind oder eine Drohung: »Dieses Wochenen de verbringst du auf dem Boden.« Er drückt mich auf Hände und Knie. Es ist zu spät. Früher hätte ich gehen können. Früher. Wann war das? Ich kann mich nicht erinnern. »Wirst dich fortbewegen wie eine Hündin.« Kann mich einfach nicht erinnern, daß es ein Früher gab. Ein Vorher. Eine Möglichkeit zu fliehen. »Kriech zur Wand.« Und da es nichts gibt, was vor uns war, vor diesem Moment, tue ich es.
Als ich wieder bei ihm bin, streichelt er über meinen Kopf. »Brav gemacht.« Tätschelt meinen Hintern. »Ich konnte deine kleinen, hängenden Titten betrachten. Und deine Geilheit.« Seine Hand bleibt auf meinem Po liegen. »Dich naß zu machen ging noch schneller, als ich erwartet habe.« An diesem Abend bringt er mir bei, Gegenstände zu apportieren, wirft einen Ball, den ich holen soll. Auf allen Vieren bewege ich mich vorwärts, nehme den Ball in den Mund, krieche zurück zu ihm, lasse ihn vor seinen Füßen oder in seine mir dargebotene Handflä che fallen. Zur Belohnung bekomme ich einen Cracker. Manchmal streichelt er meinen Kopf und lobt mich. »Braves Hündchen. Gut gemacht.« Mehr passiert nicht. Er streicht mir übers Haar, tät schelt meinen Hintern. Sonst berührt er mich nicht. Schließlich, im Bad, darf ich mich aufrichten, unter seiner Aufsicht, um mir die Zähne zu putzen und das Gesicht zu waschen. Er steht gegen die Wand gelehnt und beobachtet mich. Im Spiegel begegne ich meinem Gesicht, und dann kreuzen sich dort unsere Blicke. Sofort sehe ich hinunter, ins Waschbecken, meide den Blick in den Spiegel von diesem Zeitpunkt an. Denn ich erschrecke vor der Nacktheit meines eigenen Ge sichts. Vor dieser unverhüllten Enthemmtheit, der ich in ihm begegne. Und auch das Wissen, daß er mir nur ins Gesicht sehen muß, um über meinen Zustand Be scheid zu wissen, kann ich kaum ertragen. Als ich nach der Seife greife und, ohne zu fragen oder mich nach ihm umzuwenden, die Tür zur Dusche öff ne, höre ich seine Stimme. »Du brauchst keine Seife. Und du wirst dich vorerst nicht duschen. Ich möchte, daß du nach deiner eige nen Geilheit riechst.« Jetzt drehe ich mich zu ihm um. Ich spüre meine
Mundwinkel zittern. Meine Züge entgleiten mir. Ich
atme so heftig, daß aus dem Atmen ein Stöhnen wird.
Ich halte seinen Blick nicht aus, halte ihm nicht stand.
Unruhig jagen meine Augen hin und her, aber auch
das nützt nichts. Er sieht mich weiter an, sein Blick
läßt mich nicht los, nicht frei.
»Geh aufs Klo, bevor ich dich schlafen schicke.«
Ich starre auf die Toilette. Ich begreife, daß er den
Raum nicht verlassen wird. Ich begreife nicht, wieso er
das tut. Ich wende den Blick nicht von der Toilette.
»Geh aufs Klo.«
Ich hebe den Deckel. Setze mich.
»Sieh mich an.«
Ich hebe den Blick.
»Brav machst du das«, sagt er.
Später findet mein Körper keine Ruhe. In einer Ecke
seines Schlafzimmers hat er eine Decke auf dem Bo den ausgebreitet. Ausgestreckt liege ich dort, schließe
die Augen. Aber es hilft nicht. An Schlaf ist nicht zu
denken. Ich reiße die Augen auf, starre in die Dunkel heit des Zimmers, versuche etwas, ihn, zu erkennen.
Und begreife es nicht. Begreife nichts. Wieso ich hier
liege und nicht bei ihm. Wieso er mich nicht nimmt,
nicht will. Kann nicht länger warten. Streichele mich
selbst. Meinen Bauch, die Brüste, meine Möse, deren
Erregung mir unheimlich ist. Bemühe mich, leise zu
sein. Bemühe mich um vorsichtige Bewegungen, die er
nicht bemerken soll, aber als ich komme, kann ich die
aus meinem Mund dringende Erleichterung nicht un terdrücken. Hört er sie? Schläft er längst? Und auch
danach komme ich nicht zur Ruhe. Wie oft erwache
ich? Spüre nichts als die Gier meines Körpers, meine
eigene Feuchtigkeit, mein geschwollenes Geschlecht.
Und verzweifelt verstehe ich, daß es nichts nützt, mein
Verlangen zu stillen. Denn es ist unersättlich. Vielleicht
würde ich mein Gleichgewicht wiederfinden, wenn ich
neben ihm liegen könnte, ihn spüren dürfte, wenn ich
nicht allein sein müßte mit meinem Körper, der ver gessen hat, was Ruhe bedeutet. Morgens, als er mich weckt, will ich mich ganz selbst verständlich aufrichten, um ins Bad zu gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er wirklich an dem Punkt anknüpfen will, an dem er gestern aufgehört hat. In eine Ecke des Zimmers fallen die Strahlen der Morgensonne, und das Licht ist wie eine Bestätigung meiner Hoffnung auf das Ende des Soges, in den ich gestern geraten bin. Einen Abend lang kann man sich derart gehenlassen, gut, aber jetzt ist ein neuer Tag, jetzt ist es vorbei, wir werden zur Normalität zurück kehren, gemeinsam frühstücken, und dann werde ich seine Wohnung verlassen und nie hierher zurückkeh ren. Aber er drückt seine Hände auf meine Schultern, hin dert mich daran, mich auf die Beine zu stellen, meinen Oberkörper aufzurichten. »Nicht doch«, sagt er, redet mit mir wie gestern. In dem herablassenden, entschiedenen Ton, der keinen Widerspruch duldet und weiß, daß ich gehorchen wer de. »Hast du vergessen, wer du bist? Bleib schön un ten, in der Hundestellung. Ich habe dir nicht gestattet, dich zu erheben.« Sofort ist der gestrige Abend wieder da, ist die für Momente greifbare Verbindung zur Normalität ge kappt, und erneut zählt nichts als sein Wille, dem ich mich fügsam unterordne, weil ich meiner eigenen Lust nicht standhalten, meinem Körper nicht entkommen kann. Im Bad ignoriere ich ihn, als ich den Toilettendeckel hebe. Ich weiß, daß er mir dabei zusehen wird, also will ich es schnell hinter mich bringen. »Hast du es noch nicht gelernt, Vera?« Ich halte inne, bleibe stehen. »Du hast mich zu fragen, wenn du et was tun möchtest.« Ich sehe ihn an. Was will er hö ren?
»Möchtest du mich fragen, ob du aufs Klo gehen darfst?« Ich schüttele den Kopf. »Macht nichts. Du wirst es heute auch nicht tun.« »Aber ich muß…« »Ich weiß.« Wieder drückt er mich auf alle Viere. »Du wirst dein Bein heben.« Denke ich an die Vera, die ich war? Gestern noch, vor nicht einmal 24 Stunden? Denke ich an das Gespräch in der Mittagspause, in dem ich von meinem Verstand gesprochen habe? Denke ich überhaupt irgendwas, während ich ihm auf allen Vieren auf den Balkon fol ge? Kann ich noch denken? Was geht in mir vor, wäh rend ich mein Bein an der mir zugewiesenen Wand hebe? Würde ich die Lust spüren, wenn ich nicht mehr denken würde? Wenn ich wirklich nicht wüßte, was ich tue? Der Strahl meines Wassers trifft die Wand des Balkons und meinen Schenkel, rinnt das Bein entlang, aber er gibt mir kein Papier, mit dem ich mich tro ckenwischen kann. Statt dessen betrachtet er mich gedankenverloren. »Vielleicht sollten wir gemeinsam Spazierengehen. Ich könnte dich an der Leine Gassi führen.« Seinem Blick entnehme ich, wie sehr ihm diese Idee gefällt. »Die Leute würden sich wundern, eine Frau in einer solchen Haltung zu sehen.« Er mustert mich, meinen nackten Körper, einige Momente sehen wir uns in die Augen, dann ertrage ich seinen Blick nicht mehr und daß er mich so behandelt und mich so sieht und wende den Kopf ab. Aber ich höre seine Stimme, vor der es kein Entkommen gibt: »Ich brauche nur dein Gesicht zu sehen, um zu wissen, wie naß diese Vorstellung deine Fotze macht.« Er hat recht. Zum Frühstück kocht er Kaffee und deckt den Tisch. Bevor er sich hinsetzt, stellt er zwei Schüsseln auf den Boden. In der einen befindet sich Wasser, in der ande
ren hat er ein Müsli angerührt, beobachtet mich dabei, wie ich kniend mit dem Mund das Essen aus dem Napf aufnehme, und nur ab und zu höre ich, daß er seine Tasse hebt, trinkt, wieder abstellt. Ich habe aufgehört, mir Fragen zu stellen. Ich habe keine Kraft mehr dazu. Es ist gut so, wie es ist. Daß er mich so behandelt. Er hat gewonnen. Vielleicht hatte er recht, von Anfang an, und es ist das, was ich brau che. Entspricht meiner Natur. Aber auch darüber den ke ich nicht nach. Ich tue einfach, was er verlangt, habe meinen Willen abgegeben, wehre mich nicht mehr. Denke nicht mehr. Frühstücke auf allen Vieren, esse und trinke aus dem Napf, während sein Blick auf mir ist, auf meinem Gesicht, meinen Brüsten, meinem Hintern, meiner Möse. Doch immer wieder sind es sei ne Worte, die mich am meisten treffen. »Du bist eine bessere Hündin, als ich erwartet habe. Noch braver, noch gelehriger. Oder einfach noch halt loser.« Nach dem Frühstück knie ich zu seinen Füßen, wäh rend er die Zeitung liest. Ich habe den Wunsch ver gessen, mich aufzurichten, habe das Bedürfnis verlo ren, neben ihm zu sitzen, auf einem Sofa. Mich zu verhalten wie eine erwachsene Frau. Und zu lesen. Wie er. Ich will nur, daß er mir sagt, was ich tun soll. Und daß er mich anfaßt. Daß er endlich mit mir schläft. Mir körperliche Nähe, Befriedigung schenkt. Aber er denkt nicht daran. Auch nicht, als er schließlich die Zeitung fort legt und ich auf seine Anordnung meine Beine weit spreize, ihm den Hintern entgegenstrecke. Ich weiß nicht, was kommen wird, und ich rechne nicht mit dem Schmerz. Von Schmerzen war nie die Rede, zu keinem Zeit punkt. Doch jetzt durchfährt es mich. Ein Dehnen und Ziehen, eine dumpfes, bedrohliches Reißen, als mir ohne Vorwarnung etwas in den Hintern gestoßen wird. Ein Gegenstand, der sich in mich drängt, viel zu groß
für das enge Loch. Ein Ding in mir, hart und lang, das mich auszufüllen und auseinanderzureißen droht. Ich schreie, will kriechend flüchten, weg von dem Schmerz, weg von ihm, der mir das antut. »Nein!« schreie ich. »Hör auf!« Aber sein grober Griff in mei nen Haaren hält mich fest. »Laß mich los!« schreie ich, richte den Oberkörper auf, so daß meine Arme befreit sind, ich um mich schlage, ihn treffe mit meinen Fäus ten und meiner Panik. Mein Mund schnappt nach sei nem Arm, will zubeißen, will, daß er von mir abläßt, will ihn verletzen. Aber er ist stärker, gewinnt den Kampf, drückt mich hinunter, preßt mich zu Boden, schiebt den Gegenstand in mich, härter, entschiede ner, je mehr ich mich wehre, immer tiefer, bis etwas in mir ist, festsitzt in mir, als meine Worte zu Schluch zern werden, die er ignoriert wie zuvor meine Schreie, wie meine Tränen und mein Zittern. Bis ich am Boden liege. Besiegt. Während die Spannung in meinem Kör per nachläßt, er mich aus meiner gekrümmten Haltung zurückholt auf alle Viere. »Jetzt hast du auch einen Schwanz, wie es sich für eine Hündin gehört.« Die Worte sind schlimmer als der Schmerz. Aber das Schlimmste ist das Verstehen, das mich wie ein Stich durchfahrt, als ich durch meine Beine ein schwarzes mehrsträngiges Seil aus meinem Hintern hängen sehe. »Beweg deinen Arsch«, sagt er. »Wedel mit deinem neuen Schwanz.« Ich wehre mich nicht mehr. Er hat mich bezwungen. Endgültig. Und ich bin naß, nasser als je zuvor. Das aus meinem Hintern hängende Seil schaukelt hin und her. Aber er ist nicht zufrieden. Es reicht ihm nicht. »Beweg deinen Arsch richtig! Zeig mir, wie gut es dir gefallt!« Und dann höre ich auf. Kann nicht mehr. Habe plötz lich keine Kraft mehr. Kann es nicht mehr ertragen. Keinen Moment länger. Beim ersten Schlag mit dem Stock steigen mir die
Tränen in die Augen. »Wedel mit deinem Schwanz!«
Aber es geht nicht. Jetzt nicht mehr. Ich will nicht. Will das nicht. Will nach Hause. Ihn nicht mehr sehen. Nie wieder. »Nein«, sage ich. »Nein.«
Er schlägt mich, bis ich schreie. Nur noch meine Schreie um uns, die Schläge auf mir sind.
»Du sollst darum betteln, daß ich aufhöre. Auf ein Nein reagiere ich nicht.« Der Stock trifft mich gnaden los. »Kapierst du das? Ein Nein steht dir nicht zu.«
Noch als er den Stock beiseite gelegt hat, stoße ich wimmernd dieses Wort hervor: »Bitte… bitte…«
»Wedel mit deinem Schwanz!«
Und jetzt tue ich, was er verlangt, höre erst auf, als er es mir erlaubt.
Abends, bevor er das Licht löscht, nimmt er meine
Hände, bindet die Gelenke zusammen, das Seil am
Heizkörper fest: »Diese Nacht wirst du dich nicht be friedigen. Du wirst warten. So lange, wie es mir ge fällt. Wenn du wieder nach Hause gehst, wirst du dar um betteln, hierbleiben zu dürfen, damit ich dich end lich nehme. Vielleicht werde ich es tun. Oder dich noch
eine Woche warten lassen.«
Am nächsten Morgen darf ich mich aufrichten. Das
erste Mal seit zwei Tagen, außer wenn ich im Bad war,
um die Zähne zu putzen. Er legt mir meine Kleider
aufs Bett.
»Zieh dich an!«
Ich wage nicht, ihn zu fragen, ob er mit mir schlafen
wird. Oder wann.
Im Flur, kurz bevor er die Tür öffnet, um mich in mein
Leben zu entlassen, sagt er: »Ich werde dich noch
warten lassen. Du wirst zeigen müssen, daß du mir
immer gehorchst. Auch wenn du nicht unter Aufsicht
in meiner Wohnung bist.«
Er faßt meine Brüste an, die durch den Stoff des Klei des sofort auf seine Berührung reagieren. Er betrach
tet mein Gesicht, in dem sich die Reaktionen meines Körpers widerspiegeln. »Würde es dir gefallen, jetzt von mir gevögelt zu wer den?« Schon sind meine Hände an den Knöpfen meines Klei des. »Ja.« Schon will ich mich ausziehen. »Ja, ja.« Aber er schüttelt den Kopf. Lächelt abfällig. »Triebhaf te kleine Hündin.« Hält mir die Jacke hin. »Du wirst bis zum kommenden Wochenende warten. In der Zwi schenzeit wirst du deine Möse nicht waschen. Und bei der Arbeit wirst du keinen Slip tragen, nur Strümpfe unter deinem Rock.« Wiederholt ruft er mich während der Woche, wenn ich an seinem Büro vorbeikomme, zu sich herein. »Befolgst du meine Anweisungen, Vera?« Manchmal fordert er mich auf, meinen Rock zu heben, die Beine zu spreizen, ihm mein Becken entgegenzu strecken, damit er sich von meinem Gehorsam über zeugen kann. Nur ein einziges Mal wage ich Widerspruch. »Es geht nicht. Wirklich nicht, Richard. Das kannst du nicht von mir verlangen. Ich muß mich waschen. Wirk lich.« Das muß selbst er verstehen. »Wenn die ande ren etwas merken… Was sollen sie denn von mir…?« Er hat sich erhoben, ist um seinen Schreibtisch he rumgekommen, aber er geht an mir vorbei und schließt die Tür ab. »Zieh dich aus!« sagt er. Vielleicht glaube ich tatsächlich, daß er mich erlöst, daß er mich jetzt nimmt, hier und sofort. Vielleicht hoffe ich, daß wir es endlich hinter uns bringen. Und daß es dann vorbei ist. Für immer. Daß ich wieder normal werde. Zu einer Frau, die arbeitet und Freunde trifft. Daß ich aufhöre, dieses gierige Wesen zu sein, das an nichts anderes denkt als an das zurückliegende Wochenende und daran, endlich mit ihm zu schlafen. Aber er greift meinen Arm, führt mich zur Wand,
drückt mich dagegen, schiebt meine Beine auseinan der. »Man sieht noch die Striemen und blauen Flecke auf deinem Arsch. Erinnerst du dich, warum ich dich ge schlagen habe?« Natürlich erinnere ich mich. An jede Sekunde, die ich in seiner Wohnung verbracht habe. »Verstehst du, Vera, es ist ganz einfach. Entweder du gehorchst. Oder du wirst bestraft.« Der erste Schlag mit dem Stock trifft meinen Hintern. »Und wenn du nicht gehorchst, werde ich dich noch länger warten lassen.« Er schlägt wieder zu. »Dann wirst du dich eine weitere Woche nicht waschen dür fen.« Ich schreie, als er mich zum dritten Mal schlägt. »Und übrigens«, sagt er, noch immer im Tonfall einer belanglosen Unterhaltung, »wenn du so interessiert daran bist, was die anderen über dich denken, dann würde ich an deiner Stelle heute nicht so laut schreien wie in meiner Wohnung.« Unter dem vierten und fünf ten Schlag presse ich die Lippen zusammen. »Und ich würde mich an deiner Stelle nicht bei jeder Gelegen heit so gierig ansehen. Dein lüsterner Blick erzählt den Leuten mehr als der Geruch deines Körpers.« Er hat sich bereits wieder abgewendet. »Zieh dich an, geh an deine Arbeit.« Während ich den Rock zuknöpfe, sortiert er Papiere auf dem Schreibtisch. Unschlüssig bleibe ich im Raum stehen. »Hast du mich nicht verstanden? Geh an deine Ar beit.« »Richard, bitte.« Gereizt sieht er auf. »Was denn?« »Bitte…« Und jetzt sprudelt es aus mir heraus: »Schlaf mit mir! Bitte! Ich kann nicht mehr! Ich… halte das nicht mehr aus… Ich… Bitte…« »Geh an deine Arbeit.« »Warum machst du das? Willst du nicht mit mir schla fen? Das glaube ich nicht. Ich glaube es dir einfach
nicht.« Ich beginne die gerade verschlossene Bluse
wieder aufzuknöpfen. »Bitte…!«
Er steht auf, kommt auf mich zu, sieht mir in die Au gen. »Mir ist das klar, Vera. Du bist an deine Geilheit
ausgeliefert.«
Er preßt seine Hand gegen meinen Schritt, führt sie an
seine Nase und sieht mich an. Er sagt nichts, und das
ist fast schlimmer als die abfällige Bemerkung, mit der
ich rechne. Die kommt danach. Als sein Blick an mir
hinabgleitet, bis zur Mitte meines Körpers. »Dein Rock
ist naß. Du solltest deine Möse trockenwischen.«
Er wendet sich ab, nimmt die Bearbeitung der Papiere
wieder auf. Langsam drehe auch ich mich um. Verlas se den Raum.
Am Freitagabend klopfe ich an die Tür seines Büros.
Ich stehe da, ohne etwas zu sagen.
»Ja, bitte? Was willst du?«
»Wann…? Ich meine…«
Er sagt nichts, sieht mich an, verweigert mir jede Hil fe.
»Wann sehen wir uns?« bringe ich die Frage schließ lich über die Lippen.
»Wieso möchtest du mich sehen?«
»Das weißt du.«
»Ich will es hören.«
»Ich möchte mit dir schlafen.«
Er lächelt. »Schön gesagt. Für so eine kleine triebhafte
Hündin wie dich. Da gäbe es ein paar Ausdrücke, die
passender sind. Meinst du nicht?« Er erwartet keine
Antwort, hat den Kopf schon wieder über den Tisch
gebeugt. »Sei um acht bei mir.«
Aber meine Hoffnung erweist sich als trügerisch. Auch
nachdem ich mit ihm geschlafen habe, ist mein Be dürfnis nicht gestillt. Ich will bei ihm sein. Ihn spüren,
seinen Blick auf mir. Sogar den Schmerz. Ich will seine
Stimme hören, seine Anweisungen. Will seinen Befeh
len gehorchen. Doch nach dem Freitagabend, an dem ich darum gebettelt habe, bis er mich im Flur seiner Wohnung genommen hat, hat er das Interesse an mir verloren. Er behandelt mich wie früher. Als wäre nichts zwischen uns vorgefallen. Sachlich, kühl, mit einer Überheblichkeit, die angeboren sein muß. Er tut, als sei nichts zwischen uns vorgefallen. Einige Male versuche ich, ein Gespräch mit ihm zu beginnen. Aber es ist aussichtslos. »Treffen wir uns wieder?« frage ich. »Nein.« »Ich tue, was du verlangst, Richard. Wirklich. Alles.« »Nein.« »Ich kann an nichts anderes denken. Immer nur dar an, wie es war bei dir. Wie du mich behandelt hast. Mich zur… zur Hündin gemacht hast.« Einen kurzen Moment meine ich, Interesse in seinem Blick auffla ckern zu sehen. Aber dann ist der Moment vorbei, und ich bin mir nicht sicher, ob ich mich getäuscht habe. Trotzdem rede ich weiter. »Können wir nicht… Bitte, Richard… Ich habe doch alles getan, was du wolltest!« Schließlich fällt er mir ungeduldig ins Wort: »Hör zu, Vera. Ich habe nie behauptet, daß du mehr von mir bekommen würdest. Ich wollte dir nur zeigen, daß ich eine Triebhaftigkeit in dir wecken kann, die du geleug net hast. Und von der du vielleicht wirklich keine Ah nung hattest.« Er sieht mich an, ohne Interesse. Sieht mich an wie vor unserem Gespräch, vor unserer Ver einbarung. »Und daß du darum betteln würdest, in diesen Zustand der Geilheit zurückkehren zu dürfen, wenn du ihn erst kennengelernt hättest.« Sieht mir für Momente fest in die Augen, aber sein Blick ist gleich gültig. Ohne Tiefe, ohne Erkennen. »Was du nun ja auch tust.« Es ist Monate später, als ich das Gespräch rein zufällig höre. Ich habe etwas mit ihm zu besprechen, will ge rade gegen die nur angelehnte Tür zu seinem Büro
klopfen, als ich einen Satz höre, der mir bekannt er scheint: »Wir müssen mit diesem Produkt an die se xuellen weiblichen Bedürfnisse appellieren. An die Triebhaftigkeit der Kundinnen.« In der Bewegung halte ich inne, erstarre. »Triebhaftigkeit?« Verwunderung liegt in der Stimme der neuen Kollegin. »Na, ich weiß ja nicht.« »Warum nicht?« Er klingt völlig harmlos. »Frauen würde ich nicht als triebhaft bezeichnen. Bei Männern ist das anders.« »Wie meinst du das?« »Männer sind triebhafter als Frauen. Ganz einfach.« Ich muß ihn nicht sehen. Ich weiß es auch so. Daß er sich vorgebeugt hat, ihr ernst in die Augen sieht. »Ach, tatsächlich? Wie kommst du denn auf die Idee?« Für Momente wird mir schwarz vor Augen. Vielleicht weil der fast vergessene Strudel mich erfaßt. Vielleicht aus Eifersucht. Dann finde ich meine Beherrschung wieder. Mit erhobenem Kopf gehe ich an der halb ge öffneten Tür vorüber. Mehr will ich nicht hören. Und an mehr will ich nicht erinnert werden.