G. F. UNGER SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Kein Glück in Mesa City
Der Fahrer beugt sich vom Bock der alten Kutsche z...
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G. F. UNGER SEINE GRÖSSTEN WESTERN-ERFOLGE
Kein Glück in Mesa City
Der Fahrer beugt sich vom Bock der alten Kutsche zur Seite hinab und fragt ungläubig: „Ma'am, wollen Sie wirklich hierbleiben? Mesa City ist tot. Wußten Sie das nicht?" lsabel King steht neben der Kutsche und blickt zum Eingang des Mesa Saloons hinüber. In ihrem Gesicht regt sich nichts, doch ihre Augen sind schmal. Einige Atemzüge lang verharrt sie so. Die geraden Schultern senken sich etwas, so, als verlöre sie plötzlich alle Zuversicht. Schließlich zucken die Mundwinkel. Die Stadt ist tatsächlich ausgestorben. .
.
Und dennoch war dies noch vor einem Jahr eine hoffnungsvolle Stadt voller Leben.
Im Saloon dort drüben herrschte reger Betrieb.
Er war gewiß so einträglich wie eine kleine Silbermine.
lsabel weiß das genau, denn sie gastierte hier einige Tage mit ihrer Unterhaltungstruppe.
Sie preßt die Lippen zusammen, als sie an den Besitzer des Saloons denkt und sich
seines ehrlichen Blicks und seiner Worte erinnert. Sie wendet den Kopf und sagt: „Ja, ich bleibe, Mister. Vielleicht hilft Ihr Begleitmann das Gepäck auszuladen. Dann können Sie weiter. Es ist doch wenigstens noch die Pferdewechselstation hier in Mesa City in Betrieb, oder?" „ Sicher,. Ma'am", sagt der Fahrer, indes sein Begleitmann willig absteigt und nach hinten geht, um das Gepäck aus dem Kasten zu heben. „Am Ende der Stadt bei der Schmiede ist der Wagenhof mit den Corrals. Der alte Pedro wollte hier nicht weg. Vielleicht gibt's noch drei, vier andere Burschen, denen die Stadt jetzt besser gefällt als vorher. Doch was wollen Sie hier, Ma'am?" Nun lächelt sie. „Ich hab' diesen Saloon vor drei Tagen in Tucson gekauft", erklärt sie. „Ich kannte den Besitzer. Als wir uns zufällig in Tucson trafen, machte er mir das Angebot. Er war unterwegs zu seiner Tochter in California: Er soll einen Geschäftsführer eingesetzt haben, der mir zur Hand geht. So ist das, Mister, und deshalb bleibe ich. " Der Fahrer schüttelt mitleidig den Kopf. „Oh, Ma'am", sagt er, „dieser alte Fuchs Sam Blaskell hat Sie reingelegt. Der hat Ihnen einen wertlosen Saloon verkauft in einer toten Stadt. Einen Geschäftsführer will er eingesetzt haben? Oha! Damit kann er doch wohl nur den versoffenen Täte Brown gemeint haben, der hier für einen Drink und ein Essen saubermachte und die Pferde der Gäste tränkte. Nun, Sie tun mir leid, Ma'am. Dabei sehen Sie wie eine erfahrene Frau aus, die das Leben kennt. Ich gebe zu Sam Blaskell macht einen soliden Eindruck. Doch als der Saloon nichts mehr wert war, mußte er wohl an seine alten Tage denken. Haben Sie viel für den Saloon bezahlt?" „Dreitausend Dollar", erwidert sie, und ihre Stimme klingt kühl. Sie ist ganz offensichtlich eine Frau, die so schnell nicht zu klagen beginnt. „Dreitausend", wiederholt der Fahrer andächtig. „Heiliger Rauch, dafür muß ich ja last zehn Jahre solch eine Kutsche fahren. Und wie lange haben Sie gespart, Lady?" „Sehr lange", erwidert sie und fragt: „Wann verkehrt die nächste Kutsche?" „In drei Tagen komme ich zurück", sagt er. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Ma'am?" Sie . lächelt ernst zu ihm empor. „Wenn Sie wieder durchkommen"', sagt sie, „lassen Sie die Fahrgäste bei meinem Saloon aussteigen. Ich werde auch für Ladies einen abgeteilten Raum haben und mit Kaffee, Tee und belegten Broten aufwarten. Oder haben Sie hier nicht lange Aufenthalt?" „Doch", sagt er. „Es wird hier nicht nur das Gespann gewechselt, sondern auch der Wagen abgeschmiert. Die Pause wird lange genug dauern.
Dafür will ich sorgen, Ma'am.
Sie wollen wirklich bleiben?" „Ich muß", spricht sie.
„Denn mit dem nächsten Frachtwagen kommt auch ein Wagen für mich.
Er bringt Vorräte.
Darin stecken' meine letzten Dollars.
Ich muß bleiben.
" Sie sagt es entschlossen. Dann wendet sie sich ab. Der Begleitmann hat inzwischen das Gepäck vor die gelb angestrichene Schwingtür des Saloons gestellt. . Als er ihr auf dem Rückweg begegnet, greift er an den Hut. Er ist ein hartgesichtiger Mann, der sich die paar Dollar auf sehr gefährliche Weise verdient. Denn es gibt in diesem Land noch Apachen und eine Menge Banditen. So mancher Begleitmann wird vom Bock geschossen. lsabel King nickt dankend. Dann stellt sie sich neben ihr Gepäck und beobachtet die Abfahrt der Kutsche. Einige andere Reisende, die ihr Gespräch mit dem Fahrer hörten, sehen neugierig aus den Fenstern. Staub wirbelt auf, obwohl die Kutsche langsam zum Ortsende fährt, wo die Corrals der Postlinie sind. Als der Staub vom leichten Wind verweht ist, steht lsabel immer noch neben . ihrem Gepäck vor dem Saloon. Doch sie blickt nicht mehr der Kutsche nach, sondern wittert in die Runde. Ihre Nasenflügel vibrieren. Sie ist eine schwarzhaarige Frau mit grünen Augen. Sie ist mehr als hübsch. Auf eine rassige Weise ist sie reizvoll und besitzt jene Ausstrahlung, die auf Männer stärker wirkt als bloße Schönheit. Mesa City ist wirklich tot. Es ist eine alte Stadt, deren erste Adobehütten schon von den spanischen Missionaren um eine jetzt verfallene Mission errichtet wurden. Vier gewaltige Mesas stehen sich auf dieser unübersichtlichen Ebene gegenüber . wie vier Häuserblocks an einer Straßenkreuzung. Nur sind hier die sich kreuzenden „Straßen" meilenbreit, und die Mesas sind gewaltige Klötze, die mehr als zweitausend ; Fuß gen Himmel ragen. Sie bilden ein riesiges Quadrat. lsabel King wendet sich um. Ihre Hüften schwingen dabei. Dieser Schwung überträgt sich auf ihre Röcke. Sie stößt die Schwingtür auf und tritt ein. Vor ihr steht ein bärtiger Bursche, schmutzig und schwitzend, dazu sichtlich betrunken. Er trägt nur ein rotes Armeeunterhemd zu einer Lederhose. In der Hand hält er eine noch halbvolle Flasche. Mit der anderen Hand greift er nach lsabel King. „Auf solch ein Honeygirl hab' ich gewartet", sagt er. „Und weil ich hörte, daß du hier die neue Wirtin bist, hab' ich sogleich eine feine Idee bekommen. Verkauf mir etwas Liebe.
Komm!" Er faßt ihren Oberarm und zieht sie mit.
Doch sie wehrt sich, reißt sich los.
Als er ihr folgen will, tritt sie ihm vor die Schienbeme.
-Ja, sie hat Erfahrung im Umgang mit betrunkenen Burschen.
Sie weiß sich zu wehren.
Ihre Bewegungen sind schnell und geschmeidig.
Doch der Bursche ist von einer Frau nicht zu schlagen.
Er flucht böse.
Dann schlägt er zu.
Sie stürzt zu Boden.
Aber er verharrt, grinst und nimmt genüßlich einen Schluck aus der Flasche.
„Weißt du, Honey", sagt er dann breit, „deine Sorte hat mir schon immer Spaß gemacht.
Nun werd' ich dich mal einbrechen wie einen bockenden Mustang.
Ich bin ein richtiger Girl Buster.
Am besten ist wohl, wenn ich dich erst mal auf den Kopf stelle.
" Indes er dies ruft, bückt er sich blitzschnell und ergreift ihr Fußgelenk. Es ist ganz offensichtlich seine Absicht, sie am Fußgelenk hochzuziehen und in die Höhe zu heben. Er ist ein großer, schwergewichtiger Mann von gewiß zweihundert Pfund. Ja, er könnte es schaffen, sie einfach so mit dem Kopfe nach unten eine Weile zu halten und strampeln zu lassen. Dann erlebt er die bitterste Überraschung seines Lebens. Denn noch während er sie hochreißt, zerrt sie aus der Rocktasche einen kleinen Derringer und drückt ab. Er bekommt beide Kugeln aus nächster Nähe. / Er läßt los, taumelt zurück und findet an der Wand Halt. Nun steht er dort und starrt staunend auf die Frau. Zuerst hebt er die Flasche, trinkt einen langen Zug und laßt sie dann achtlos fallen. Er hat nun die Hand frei für seinen Colt. „Dir werde ich . .
.
", beginnt er und holt dabei seinen Colt heraus.
Doch dann wird ihm die Waffe plötzlich zu schwer.
Er bekommt sie nicht mehr hoch.
„Du kannst doch einen Burschen wie mich nicht mit solch einem Spielzeug umpusten",
spricht er bedächtig. Er schießt in den Boden neben seinem Fuß. Dann rutscht er mit dem Rücken an der Wand herunter in die Hocke. „Da hast du aber für eine Menge deiner Schwestern Rache genommen", keucht er. Schnaufend legt er sich zur Seite und atmet aus. Ja, er ist tot. lsabel King steht starr da, hält noch den leergeschossenen Derringer in der Hand. „Ich hab' wohl kein Glück in Mesa City", murmelt sie tonlos. Dann geht sie leicht schwankend hinaus. Denn ihr Verstand sagt ihr, daß sie die kleine Waffe nachladen sollte. Munition befindet sich in der Reisetasche draußen vor der Tür. Als sie dorthin blickt, wo die Postkutsche jetzt hält und ein neues Gespann bekommt, sieht sie den Fahrer und den Begleitmann heranhasten. Sie haben die Schüsse also gehört.
Wenig später verhalten die beiden Männer schnaufend vor ihr.
Sie können die sich rötende Schwellung in ihrem Gesicht erkennen.
Sie begreifen sofort, daß sie geschlagen wurde.
Sie sagt herb: „Da drinnen war ein Kerl, der mich schlug, weil ich ihm nicht zu Willen sein
wollte. Ich mußte schießen. " Die beiden Männer starren sie an, blikken dann auf den kleinen Derringer in ihrer Hand. Sie hat indes die auf ihrem Gepäck liegende Handtasche geöffnet und lädt die kleine Waffe nach. . Die beiden Männer aber gehen hinein. Als sie nach einer Weile wieder herauskommen, sagt der Fahrer: „Das ist. . .
nein, das war Jube Taggert.
Auf den sind tausend Dollar Belohnung ausgesetzt.
Der wurde in El Paso zum Tode verurteilt und eine Nacht vor der Hinrichtung von
Freunden befreit. Wenn Sie die Belohnung kassieren wollen, Ma'am, dann müßten wir den Leichnam zum nächsten Sheriff mitnehmen. Wir könnten das alles für Sie regeln. Sollen wir?" Sie zögert, nagt an ihrer Unterlippe. Der Begleitmann sagt fast mitleidig: „Ma'am, es ist doch wohl so, daß Sie jeden Dollar brauchen können, nachdem dieser Sam Blaskell Sie so reingelegt hat. Also, wir wickeln ihn in eine Zeltplane und transportieren ihn nach Silver City. Dort kennt man ihn. Der Deputy regelt dann alles wegen der ausgesetzten Belohnung. Und eines Tages bringen wir Ihnen dann auch das Geld. Gut so? Wir müßten nur Ihren Namen wissen, Ma'am. " „lsabel King", hört sie sich sagen, und sie Weiß immer noch nicht, ob sie die Belohnung beanspruchen soll. Doch sie hält die beiden Männer nicht zurück, als diese in den Saloon gehen, um den Leichnam herauszuholen. Dies geschieht ziemlich rasch. Sie fanden offensichtlich im Abstellraum eine Plane, in die sie den Toten einhüllten. Als sie ihn herausbringen, wendet sich lsabel King ab. Der Fahrer sagt im Vorbeigehen: „Da ist noch ein betrunkener Bursche im Saloon. Doch der ist harmlos, und er ist auch schlimmer betrunken, als Taggert es gewiß war. Es ist Täte Brown, der frühere Spucknapfreiniger, den dieser Sam Blaskell wohl meinte, als er Ihnen sagte, daß hier ein Geschäftsführer wäre. Täte Brown tut Ihnen nichts. Und wenn Sie ihn nüchtern bekommen, geht er Ihnen gewiß zur Hand. " Nach diesen Worten gehen sie. lsabel King sieht ihnen stumm nach. Wieder denkt sie: Ich hab' kein Glück in Mesa City. Dabei wollte ich schlau sein, als ich Sam Blaskell traf und den Saloon kaufte. Ich wollte endlich seßhaft werden, aber ich ließ mich reinlegen wie eine dämliche Puta. Oha, das mußte mir passieren, Sie nimmt etwas von ihrem Gepäck auf und geht hinein. Der Raum ist schmutzig, staubig, ungelüftet Neben dem Schanktisch befindet sich eine Tür.
Sie Steht jetzt offen.
Wahrscheinlich suchten die beiden Männer der Postkutsche dort nach der Plane für den
Leichnam. Sie will sich schon abwenden, um das Gepäck hereinzuholen, als sie das Schnarchen hört. Sie erinnert sich, daß es dieser Täte sein muß. und so betritt sie den Abstellraum. Täte Brown liegt auf einem Feldbett. sein grauer Spitzbart ragt nach oben, weil sein Kopf über den Rand des Lagers nach unten hängt. Er hat seine Hände Über dem Bauch gefaltet Und „sägt" wie ein ganzes Säge- werk. "Er ist lang und dünn. Bekleidet ist er mit einer arg mitgenommenen Uniform der einstigen Konföderiertenarmee. lsabel King überlegt, ob dieser alte Mann noch Soldat gewesen sein kann. Denn der Krieg ist ja erst wenige Jahre vorbei. Aber die Südstaatenarmee hat zu- letzt wohl auch Greise und halbe Kinder* unter die Rebellenfahne geholt. lsabel King kehrt in den Schankraum Zurück, In der Bar ist eine Pumpe eingebaut. Sie beginnt zu pumpen. Und dann geht sie mit einem Eimer voll Wasser in den Nebenraum. Als sie ihn über Täte Browns Kopf gießt, schnappt dieser nach Luft und bewegt sich wie ein Rückenschwimmer. Doch er erwacht noch nicht. lsabel kehrt in den Schankraum zurück und füllt den Eimer erneut. Und wieder schwappt der Inhalt über Täte Browns Gesicht und Oberkörper. Diesmal macht Täte keine Schwimmbewegungen, doch er öffnet ein Auge und sagt mit schwerfälliger Zunge: „Ich hahahabe schöschon gebadet. " ' „Komm hoch, Täte", verlangt sie hart. „Komm hoch! Es gibt Arbeit, viel Arbeit!" Aber er hat sein Auge schon wieder geschlossen und beginnt weiter zu schnarchen. • Sie schnaubt zornig und holt einen dritten Eimer voll Wasser. Als sie auch diesen über den Betrunkenen ausleert, liegt er schon fast in einer Badewanne. Denn dieses Feldbett besteht ja häuptsächlich aus einer rotbraunen Segeltuchplane, ähnlich jener, die die Marine für die Hängematten verwendet. Sie ist wasserundurchlässig. Und das macht ihn endlich richtig wach. Er setzt sich auf und wischt sich über das Gesicht. Dann starrt er auf lsabel King. „Wawawas ist dadadas?" stottert er, deutlich ernüchtert. • „Aufstehen", befiehlt sie.
„Es gibt Arbeit.
Dieser Saloon hat Wieder geöffnet.
Und du hast die Wahl, ob ich dich hier rauswerfe oder als Hilfe behalte.
Nur mußt du dich jetzt entscheiden.
Woher hast du den Schnaps? Gibt's hier im Saloon noch Feuerwässer?" Er staunt eine
Weile. Dann grinst er. „Aaah, Lady", sagt er schon ziemlich nüchtern, „das ist kein richtiger Schnaps für Gentlemen oder gar Ladys. Das ist Puma- und Wolfsspücke, in der ein paar tote Ratten schwimmen.
Das ist nur Stoff für Kupferkehlen und Glasmägen.
Verstehen Sie, Lady? Diesen Stoff hat man hier nicht verkaufen können zu Sam Blaskell's
Zeiten. Ein ganzes Faß voll ist da. Jetzt ist es fast alle. Und ich hab' mich so sehr daran gewöhnt. Was ist los? Dieser Saloon ist wieder geöffnet? Ist Blaskell zurück? Gibt es Hoffnung für Mesa City?" „Ich bin die neue Besitzerin", sagt lsabel King. „Und jetzt hoch mit dir!" „Weil das Faß bald leer ist, muß ich wohl", sagt der alte, hagere Bursche und erhebt sich vorsichtig. „Feuerwasser ist Brot für mich", sagt er. „Und wenn dieser Saloon wieder öffnet, muß doch auch Feuerwasser vorhanden sein, oder?" Sie nickt langsam. Sie weiß, daß sie diesem Säufer das Trinken nur schwer abgewöhnen wird. „Du wirst bekommen, was du nötig hast", verspricht sie, „wenn du dafür gut arbeitest. Es ist ein Frachtwagen unterwegs. Also, mach überall sauber. Wo sind die Wohnräume?" Er deutet nach oben. „Die Treppe hinauf. .
.
", sagt er und staunt immer noch.
Seine Hirntätigkeit ist jedoch in Gang gekommen, wenn auch langsam. „Hatten Sie keine bessere Idee, Lady, als diesen Saloon wieder zu eröffnen in einer toten Stadt, in der nur dann und wann einige Banditen und wenige Durchreisende kommen?" „Nein, keine bessere", erwidert sie und verläßt ihn. Sie wird sich mit Arbeit betäuben müssen, das weiß sie. Als Sycamore Shannon die Remuda in die enge Bergfalte getrieben hat, wischt er sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß aus dem Gesicht und schiebt dann den alten Hut wieder nach vorn, so daß die breite Krempe sein Gesicht beschattet. Er wendet den Wallach und dreht seinen Pferden den Rücken.
Es sind prächtige Tiere, genau drei Dutzend.
Es sind die ausgesuchten Prachtexemplare mehrerer Wildpferdherden.
Und sie sind schon zugeritten.
Diese Remuda ist um die zweitausend Dollar wert.
Syc Shannon hätte sie noch mit zwei Partnern teilen müssen.
Doch die Partner sind tot.
Nur er lebt noch, weil er das Glück hatte, bisher von zwei Kugeln nur gestreift zu werden.
Doch jetzt muß er sich zum Kampf stellen.
Er kann nicht zu gleicher Zeit die Pferde treiben und gegen die Verfolger kämpfen.
Diese Bergfalte ist für seine Pferde jetzt ein natürlicher Corral.
Er sitzt ab und läßt seinen grauen Wallach gewissermaßen als Wächter vor der Bergfalte
zurück. Er kann sich auf das Tier verlassen, denn es ist abgerichtet für die Rinder- und Pferdejagd. Es hat seine Lektion gründlich gelernt. Lassoarbeit macht Spaß mit ihm. Von den Wildpferden kommt keines aus der Bergfalte. Der Wallach wird sie alle zurückjagen wie ein Hund ein Rudel Schafe. Syc Shannon hat seinen großen Colt noch in der Halfter. Und das Gewehr steckt sogar im Sattelschuh des Wallachs.
Er geht den vier Apachen einige Schritte entgegen.
Ja, es sind nur noch vier von einem Dutzend.
Doch es sind nicht alle tot, die zurückbleiben mußten.
Manche wurden böse angeschossen.
Tot jedoch sind Syc Shannons Partner.
In Syc ist ein kalter Zorn.
Monate hatten sie gebraucht, diese herrlichen Tiere zu fangen und einzubrechen.
Und nun, da sie schon fast am Ziel waren, kam das Rudel Apachen.
Immer wieder kämpften sie und trieben zugleich die Pferde.
Nun aber wird es endgültig entschieden.
Er ist entschlossen, entweder zu siegen oder hier zu sterben.
Nein, er denkt nicht daran, seine Pferde einfach aufzugeben und das Weite zu suchen.
Gewiß, die Apachen würden ihn reiten lassen und sich mit der Beute begnügen.
Er könnte also das nackte Leben retten.
Doch er will alles oder nichts.
Eigentlich wirkt er schon wie ein Verlierer.
Er ist abgerissen, hager, erschöpft, aus zwei Wunden blutend, die er nicht richtig
versorgen konnte. Gewiß, er ist ein großer, zäher Bursche, dennoch scheint er jetzt so ziemlich am Ende. Das denken wohl auch die vier Apachen, die sich auf ihren hageren Mustangs langsam nähern. Da er das Gewehr nicht aus der Sattelhalfter nahm, kommen sie näher ran. Sie wissen zu gut, daß er mit dem Colt nur auf kurze Entfernung genau Schießen kann. Sie reiten in großem Abstand zueinander, bilden dabei einen Viertelkreis. Als sie bis auf einen halben Steinwurf ran sind; halten sie endlich an. Einer von ihnen ruft: Jty " '„Wildpferdjäger, ihr habt gut gekämpft! Auch wir haben genug! Du kannst noch einen oder gar zwei von uns töten. Du schaffst das gewiß! Denn du bist ein guter Kampfer. Deshalb ist es für uns alle besser, wenn du einfach fortreitest. Wir wollen nur die Pferde. Also reite, Hombre, reite!" Die letzten Worte stößt der Apache wild und drohend aus. Doch Syc Shannon schüttelt störrisch den Kopf. Haut ihr lieber ab, Amigos", gibt er hei- ser zurück, „denn ich gebe nicht auf. Ihr müßt mich erst niederkämpfen, wollt ihr die Pferde. Seht, ich stehe hier und warte auf euch, einer gegen vier. Na, wie wollt ihr's haben?!" Für die Apachen ist das eine Herausforderung, Er ist allein ohne Gewehr. Und der Colt steckt noch in der Halfter. Trotzdem will er gegen sie kämpfen. Ist er verrückt? Ein Selbstmörder? Oder hält er nur nicht viel von ihrer Kampfkraft? Sie wissen, daß es noch eine vierte Möglichkeit gibt, nämlich, daß er Angehöriger dieser seltenen Gilde der ganz großen Revolver kämpf er ist. Doch solche Revolverkämpfer jagen keine Wildpferde, verbringen nicht Monate im Freien bei karger Verpflegung und harter Zureitearbeit. Sie können nicht glauben, daß er zu jener Sorte gehört, die vom Colt lebt. Nein, solche Burschen plagen sich nicht als Wildpferdjäger für einen verhältnismäßig kargen Gewinn. Und so halten sie ihn nach einigem Nachdenken doch nur für eine Art Selbstmörder, der. untergehen will aus purem Trotz. Denn ihr Stolz läßt es ja auch nicht zu, auf zugeben und fortzureiten.
Sie schweigen einige Atemzüge lang, und es ist, als träfen sich ihre Gedanken und hielten miteinander Zwiesprache. Dann sind sie sich plötzlich einig. Sie legen sich über die Pferdehälse, um möglichst wenig Ziel zu bieten, treiben die Pferde vorwärts und greifen an. Sie tun das ohne gellendes Kriegsgeschrei, doch mit gnadenloser Entschlossenheit. Syc Shannon hat plötzlich seinen Colt in der Hand; wie durch Zauberei tauchte die schwere Waffe plötzlich in dieser geschmeidigen Hand auf, deren Gelenk so breit ist wie das eines Fechters. Der Revolverlauf scheint nun ein riesiger Zeigefinger zu sein, mit dem Syc Shannon blitzschnell auf das sich rasch nähernde Ziel zeigt. Dabei drückt er immer wieder ab. Sechs Schüsse sind ihm möglich. Pulverrauch hüllt ihn ein. Zwei Pferde stürzen, Überschlagen sich mit ihren Reitern. Zwei der Apachen fallen von den Tieren. Sie sind getroffen, doch sie rollen nur über den Boden und erheben sich wieder, greifen an. Kugeln waren zuvor schon von den angreifenden Apachen abgefeuert worden. Einige verletzten den Weißen, streiften ihn wie Peitschenhiebe. Als sein Colt leergeschossen ist, greift nur noch ein Apache an mit dem blinkenden Messer. Er wirft es plötzlich, doch er tut dies mit erlöschender Kraft. Es fährt nicht mehr tief genug in den Oberschenkel des Mannes, der um seine Pferde kämpft. Es fällt durch das Eigengewicht wieder aus der Wunde. Dann ist es vorbei. Syc Shannon steht still und lädt seinen Colt nach. Dies geschieht durch den Austausch der Trommel und neues Aufsetzen der Zündhütchen. Es gibt zu dieser Zeit noch keine Colts mit ausklinkbarer Trommel und fertigen Patronen. Shannon • schießt noch mit einem Perkussionsrevolver der guten alten Art. Seine Waffe ist ein Whitneyville Walker Colt, den auch die Texas Ranger benutzen, eine Waffe mit einem dreiundzwanzig Zentimeter langen Lauf und Kaliber vierundvierzig. Nachdem er nachgeladen hat, wird er sich ganz plötzlich seiner neuen Wunden bewußt. Einer der Apachen, die sich mit den Pferden überschlugen, richtet sich auf - und blitzschnell schießt Shannon wieder. Er hat keine andere Wahl. Er hinkt zu seinem Tier, zieht sich in den Sattel, stöhnt dabei schmerzvoll und erleichtert zugleich. Nun kann er wenigstens reiten. Wieviel Blut hat ein Mann von seiner Größe und seinem Gewicht? Er wüßte es gern. Seine Wunden sind zwar nicht schwer, doch zusammen verursachen sie einen erheblichen Blutverlust. Er zieht sein Pferd herum und knurrt: „Nun, Junge, jetzt wird's knapp! Vielleicht schaffen wir's noch mit dieser Remuda nach Mesa City. Sieh, dort drüben die vier mächtigen roten Blöcke, die vier Mesas. Ja, dorthin müssen wir. Also hilf mir dabei, mein Junge - hilf mir!"
Täte Brown arbeitet besser, als lsabel King zu hoffen wagte - wahrscheinlich liegt es daran, daß er diese Arbeit schon monatelang verrichtete und deshalb sozusagen im Halbschlaf beherrscht. Immer wieder fragt er jedoch: „Und es kommt tatsächlich ein ganzer Frachtwagen mit Nachschub für diesen Saloon? Richtiger Brandy, Tequila, gutes Bier und Wein? Roter Wein?" „Genug", erwidert sie stets. „Doch du bekommst nur was, wenn du fleißig arbeitest. " Da zeigt er stets grinsend seine braunen Zahnstummel. In seinen Augen ist dann ein listiger Ausdruckt „Aaah", sagt er jedesmal, „ich weiß ja noch gar nicht, ob mir all das gute Zeug noch schmeckt, nachdem ich nun schon wochenlang das Faß zu leeren versuche, dessen Inhalt niemand sonst trinken mag, weil es sich wahrhaftig um Rattenbrühe handeln muß. Ich werde mir vielleicht ein eigenes Faß mischen aus Brandy, Petroleum, geriebenem Kautabak, Pfeffer und Salzsäure. Nun, wir werden sehen, Boß. " Der Tag vergeht. Am Abend kommt Pedro Gonzales von der Post- und Frachtstation. Er gleicht einem Wurzelzwerg, und er ist schon alt. Sein großer Schnurrbart ist offensichtlich schwarz gefärbt. Als Geschenk bringt er ein großes Stück Fleisch von einem Rind. „Es laufen hier genügend Rinder herum, Senora", erklärt er. „Sie kommen manchmal fast bis vor die Haustür. Es ist schön, daß ich mit Täte Brown nicht mehr allein bin in Mesa City. Bis vor zwei Wochen war meine Frau hier. Doch sie lief fort. Sie ist zu unserer Tochter nach Sonora hinüber. Dies hier ist kein guter Platz mehr für Frauen. Ich mache mir Sorgen um Sie, Senora. Sie mußten ja schon einen Mann erschießen. " „Richtig", sagt sie herb. „Und?" Er wiegt seinen Kopf, für den der Schnurrbart fast zu schwer scheint. „Es war Jube Taggert", murmelt er dann. „Und der hatte eine Menge Amigos. Wenn die hören, daß er hier in Mesa City von einer Frau erschossen wurde, kommen sie zumindest nachsehen, was für eine Frau das ist. Täte und ich können Ihnen dann keinen Schutz geben. " „Das weiß ich", erwidert sie, nimmt das Fleisch und geht damit in die Küche. Sie hat schon Feuer im Herd, weil sie eine Menge heißes Wasser brauchte. Nun gibt sie Fett in die Pfanne und schneidet Steaks. Die beiden Männer warten im Gastraum. Und weil es draußen dunkel wird, zünden sie eine der Öllampen an. „Täte, die hat wohl Haare auf den Zähnen?" , • Brown nickt. •. .
„Sie kann einem leid tun. Selbst wenn sie eine Art zweibeinige Löwin sein sollte, wird sie irgendwann hier verloren sein. Die kann kein Glück haben in Mesa City. • Hier hat niemand Glück.
Daß Blaskell sie so reingelegt hat, hätte ich dem guten, alten Sam auch nicht zugetraut.
Aber er dachte "wohl an seine alten Tage.
Aaah, die Welt ist .
'schlecht! Und deshalb muß ich mich auch immerzu in einem Rauschzustand halten. 'Denn nur so kann ich diese Welt ertragen. Aaah, hörst du die Steaks in der Pfanne zischen? Ob ich überhaupt noch solch ein , Steak verdauen kann? Soll ich's mal versuchen?" „Si", sagt Pedro -Gonzales nur. „Mit Fleisch im Magen kannst du mehr Schnaps vertragen. Säufst du immer noch diese Schwefelbrühe aus dem Faß?" „Es ist nichts anderes mehr da, Amigo", murmelt Täte Brown. „Und zuerst bin ich • ja auch fast daran eingegangen. Doch jetzt schmeckt das Zeug gar nicht so übel. " Sie verharren noch eine Weile schweigend. Aber dann sehen sie lsabel King mit dem vollen Tablett aus der Küche kommen. Und sie staunen, was sie alles gezaubert hat. Es gibt ja noch einige Gärten in Mesa City. lsabel hat einige Dinge ernten können, zum Beispiel Mais, Kartoffeln, Bohnen, Tomaten, Zwiebeln, Paprika. Die beiden Männer, es sind ja beides recht armselige Burschen, die nicht mal mehr den Mut und die Kraft zum Wegziehen aus Mesa City haben, staunen. „Laßt es euch schmecken", sagt sie knapp. Es ist schon fast Mitternacht, als sie alle drei noch einmal vor den Saloon treten, um etwas kühle Nachtluft zu schnappen. Auch Pedro hat nach dem Abendbrot noch mitgeholfen beim Saubermachen im Saloon. Beide Männer staunten immer wieder über lsabel Kings Energie. Dann wurde sogar Täte Browns Säuferhirn klar, daß sie sich damit ablenkte, die Angst vor dem Alleinsein vertrieb. Vor knapp zwölf Stunden mußte sie einen Mann töten. Damit muß sie erst fertig werden. Sie kann sich nicht zur Ruhe begeben, denn dann würde sie das blutige Geschehen immer wieder neu erleben. Die beiden Männer begreifen, daß sie arbeiten muß bis zur völligen Erschöpfung, um ohne Alpträume zu schlafen. Irgendwie spüren sie, daß sie ihr durch ihre Anwesenheit helfen. Sie ist nicht allein. Sie kann mit Menschen reden. Zugleich wird ihnen damit auch ihre eigene Bedeutung bewußt. Und dieses Gefühl ist für beide ein völlig neues Erfolgserlebnis. Es macht sie irgendwie zufrieden. Sie sind nicht länger nutzlos. Sie blicken dann alle drei, indes sie vor dem Saloon stehen, hinauf zu den Sternen. Pedro sagt leise: „Vielleicht wird Mesa City eines Tages wieder lebendig. Vielleicht findet man eines Tages wieder Silber- oder Goldvorkommen. Und wenn die Armee endlich die Apachen besiegt, werden Siedler kommen. Auch für die vielen Rinder, die sich während des Krieges wie Kaninchen vermehrten, wird es irgend- wann Absatzmärkte geben. Dann entstehen hier Rahches. Mesa City liegt an einem nicht unwichtigen Verbindungsweg. Wenn der Südwesten aufblüht, wird audh diese Lebensader wieder kräftig pulsieren. Das bedeutet für Mesa City viele Wagenzüge, die hier rasten.
Oh, es wird vielleicht alles wieder gut mit Mesa City!" Die letzten Worte klingen wie eine Beschwörung. Doch Täte Brown sagt mitleidig: „Und dennoch dieses Land ist voller Banditen. Wenn die Rinder plötzlich etwas wert sind, werden sich. .
.
" Er kommt nicht weiter.
Denn sie alle hören den gedämpften Hufschlag vieler Pferde, das Schnauben und Wiehern. Trotz der hellen Sternennacht können sie noch nichts erkennen, denn die Pferde befinden sich noch außerhalb der Stadt. Einige Häuser und Gebäude versperren die Sicht. Pedro flüstert: „Unbeschlagene Pferde. . . Oooh, das werden doch wohl keine Apachen sein? Heilige Jungfrau, beschütze uns! Wenn das Apachen sind . . . " Täte Brown beginnt zu fluchen. „Oh, so schnell kann ich mir gar keinen Rausch antrinken, daß ich nicht mehr spüre, was sie mit mir machen! Oh, Ma'am, Sie sollten sich im Kühlkeller verstecken. Dort können Sie wahrscheinlich sogar überleben, wenn sie den Saloon niederbrennen. Ja, es werden Apachen sein, die Mesa City zerstören wollen, damit sich hier nie wieder Weiße niederlassen. Das habe ich längst erwartet. Hey, ich werde mich jetzt verdammt schnell besaufen. " Er will in den Saloon, wo er in der Abstellkammer das Faß mit dem scheußlichen Fusel weiß. Pedro hält ihn am Ärmel zurück. • „Sieh, Amigo - sieh nur! Da sind die Pferde.
Es scheint eine Wildpferdherde zu sein.
Keine Reiter - nur Pferde.
Die wittern vielleicht nur das Wasser, welches ich aus dem Brunnen holte und in die
Tränktröge bei den Corrals goß. Dies ist vielleicht nur eine Wildpferdherde, die durstig ist. Siehst du einen Reiter, Täte?" „Nein", sagt dieser. „Aber meine Augen sind nicht besonders gut in der Nacht. Es gibt zu viele Schatten dort am Stadteingang. Ich sehe kaum die Pferde. " „Aber ich sehe einen Reiter", mischt sich lsabel ein. ,,'Si, ich jetzt auch", bestätigt Pedro. „ja, da ist ein Reiter hinter der Herde. Er sitzt jedoch gar nicht gut im Sattel. Aber er treibt die Tiere in den Wagenhof zu den Corrals. Ich muß hin. Vielleicht braucht er Hilfe!" Er setzt sich auf seinen krummen Beinen in Bewegung. lsabel und Täte verharren noch. „Wer mag das sein, Täte?" lsabel fragt es unsicher. Täte Brown zuckt nur mit den schmalen, knochigen Schultern.
„Vielleicht ein Wildpferdjäger.
.
.
", murmelt er nach einer Weile.
„Aber einer wäre zuwenig für diese Herde.
Vielleicht will er sich vor Apachen oder Banditen retten.
Dann bekommen wir sie wegen ihm auf den Hals.
" , Sie schweigen und warten. Sie können sehen, wie die Pferde in der Einfahrt des Wagenhofes verschwinden, wie der Reiter ihnen folgt, ebenso Pedro. Dann kommt schon bald der Reiter wieder zum Vorschein. Er hängt schief im Sattel, hält sich dabei vorgeneigt am Sattelhorn fest. Sie erkennen das, als er in den Lichtschein gerät, der wie eine Barriere aus dem Saloon fällt und ein Stück über die Fahrbahn reicht. Der Reiter hält an, schwankt leicht im Sattel. „Guten Abend, Ma'am", sagt er. „Der Mann bei den Corrals Sagte mir, daß ich vielleicht hier etwas Hilfe bekomme. Ich bin ziemlich am Ende. Die vielen kleinen Wunden . .
.
Apachen, wissen Sie .
.
.
Vielleicht können Sie.
.
.
" „Sicher", spricht sie schnell und eilt von der Veranda zu seinem Pferd.
„Komm her, Täte", ruft sie über die Schulter.
„Hilf mir, ihn vom Pferd zu bekommen, bevor er fällt! Los, Täte!" Und dieser beeilt sich,
wobei seine Gelenke hörbar knacken. Er schafft es noch rechtzeitig. Gemeinsam fangen sie den Reiter dann auf, und obwohl Täte gewiß kein kräftiger Mann ist, reicht seine Unterstützung aus, den Bewußtlosen in den Saloon zu schleifen. Es ist ein schwerer Mann bei aller Hagerkeit. Doch lsabel King erweist sich als kräftige Frau. Im Saloon halten sie keuchend inne und betrachten ihn. „Heiliger Rauch", sagt Täte Brown, „der hat aber eine Menge mitgemacht. Und ich kenne ihn sogar. Das ist Syc Shannon. " „Und was ist er für ein Mann?" fragt sie langsam. Täte Brown zögert nicht mit der Antwort. „Um ihn war's schade", sagt er. „Dieser Hombre gehört zu den letzten Gentlemen ! in diesem Land. Ja, er ist ein Wildpferdjäger. Doch während des Krieges war er Captain der Texasbrigade. Auch hatte er mal eine kleine Ranch. Er trug schon den Stern eines Gesetzesmannes und schützte für die Postlinie die Goldund Geldtransporte.
Dem gehen auch all die Revolverhelden aus dem Weg - und die ganz großen zweibeinigen Tiger respektieren ihn. Ja, es wäre wirklich schade, würde er hier sterben. " lsabel King nagt an ihrer Unterlippe. Ihre Gedanken eilen jetzt tausend Meilen in der Sekunde. „Wir müssen ihn auf ein Bett legen", sagt sie. „Faß an, Täte!" Als Syc zum ersten Male wieder bei Bewußtsein ist - also kein Wundfieber mehr hat und sich wieder an alles erinnern kann, sind drei Tage vergangen. Es geht ihm nicht gut. Er fühlt sich schwach. Doch die Wunden schmerzen schon nicht mehr. Er begreift, daß seine Schwäche gewiß vom Blutverlust ausgelöst wird. Neben seinem Bett steht eine Schnabelkanne. Mühsam ergreift er sie und beginnt daraus zu trinken. Es ist Tee, und der stillt seinen Durst, erfrischt ihn wunderbar. Er vergießt etwas auf sein Hemd und das Bettzeug - und erst jetzt wird er sich darüber klar, daß er ein sauberes Nachthemd trägt. Aber wer zog es ihm an? Er blickt auf die Tür. Das Zimmer ist karg eingerichtet. Als die Tür sich öffnet, ist er überrascht. Denn eine solch reizvolle Frau hätte er nie und nimmer erwartet. In jener Nacht, als er mit den Pferden kam, war er kaum noch bei Bewußtsein. Sie verhält an der Tür. Ernst betrachten sie sich einige Atemzüge lang. „Es geht Ihnen besser, ja?" Sie setzt hinzu: „Ich kenne schon Ihren Namen. Täte Brown nannte ihn mir. Und auch Pedro Gonzales von der Posthalterei waren Sie bekannt. Ich bin lsabel King. Mir gehört der Saloon. " Er denkt nach. Sein Verstand arbeitet noch sehr mühsam. Plötzlich nickt er. „Jetzt weiß ich's wieder", sagt er. „Sie traten vor einem Jahr in El Paso auf. Sie gehörten zu einer Theatertruppe. " „Zu einer Tingeltangeltruppe", verbesserte sie ihn. „Ich sang auf der Bühne und zeigte meine Beine. Und die Zuhörer johlten, klatschten, trampelten und pfiffen, wenn ich die Röcke über die Knie hob. Zwischen den Auftritten half ich unserem Zauberkünstler oder teilte beim Faro die Karten aus. Ja, Sie haben mich wiedererkannt, Syc Shannon. Nur mir fielen Sie damals in El Paso nicht auf. " „Ich hatte damals auch nur einen Dollar in der Tasche. " Er grinst stoppelbärtig und hohlwangig. „Wie konnte ich da einer schönen Frau unter die Augen treten? Es gab genug andere Burschen, denen die Pesos und Dollars nur so in den Taschen klingelten. " Indes er spricht, bekommt sie schmale Augen.
„Ich hol Ihnen jetzt was zu essen", sagt sie knapp und geht wieder hinaus.
Er blickt auf die offene Tür.
Noch hat er keine Ahnung, daß Mesa City tot ist und auch dieser Saloon nur einer hohlen Nuß gleicht. Wenig später kommt sie mit einem dampfenden Topf voll guter Fleischbrühe, in der Kartoffeln, Gemüse und Mais gegart sind. „Ich werde Sie füttern", sagt sie schlicht und setzt sich zu ihm. Dabei murmelt sie: „Das waren Apachen, nicht wahr? Pedro und Täte befürchten, daß die Apachen in die Stadt kommen. Wissen Sie, diese Stadt ist fast tot. Mit Ihnen sind wir jetzt vier Menschen hier in Mesa City. Verstehen Sie? Vier nur! Und wir machen uns Sorgen wegen der Apachen, denen Sie offenbar nur mit knapper Not entkamen. " „Es gibt diese Horde nicht mehr", erwidert er kauend. „Ich hatte zwei Partner, und wir kämpften gut. Ich hatte als einziger das Glück, am Leben zu bleiben. " Zwei Tage später sitzt er schon im Schotten der Saloon Veranda. Und er hat sich fast so rasch erholt wie ein Wolf, der lange genug in einer Höhle seine Wunden lecken konnte. Er beobachtet, wie der endlich mit einem zur Grenze fahrenden Frachtzug eingetroffene Mervile-Wagen abgeladen wird. Es ist ein schwerer Wagen mit Anhänger, der von acht Maultieren gezogen wird. Er bringt fünf Tonnen Fracht für den Saloon. Die beiden Fahrer, Täte Brown und lsabel haben eine Menge zu tun. Pedro Gonzales wird beim Wagenhof gebraucht, wo der Frachtzug rastet. Die Schmiede wurde dort in Gang gebracht. Hammerschläge klingen. Es ist, als wäre Mesa City plötzlich zu neuem Leben erwacht.
Doch bald wird der Wagenzug weiterfahren.
Täte Brown schleppt ächzend eine Kiste in den Saloon.
Auf dem Rückweg lehnt er sich neben Shannon an die Wand.
Er wischt den Schweiß aus dem Gesicht.
„Daß ich noch mal so arbeiten muß beginnt er.
„Dabei wollte ich mich eigentlich totsaufen.
Aber diese lsabel kann einem leid tun.
Das wird hier nicht gutgehen.
Sie hat kein Glück in Mesa City.
Wir alle haben keines in Mesa City.
" „Ich schon", widerspricht Syc Shannon. „Ich erhielt hier Hilfe. Ich habe Glück in Mesa City. " „Schön war's", murmelt Täte Brown und geht wieder zum Frachtwagen, um die nächste Kiste zu holen. Ein Mann kommt vom Wagenhof auf einem Braunen herangeritten. Offenbar ist es der Wagenboß. Er hält an und nickt Shannon zu. „Schöne Pferde sind das", sagt er. „Wenn ich zwei aussuche, was kostet das Tier? Ich könnte sie jetzt gleich mit meinem Brand versehen. Na?" Shannon grinst. „Da sind ein paar besonders gute Tiere drunter", sagt er. „Wenn Sie sich diese aussuchen, dann nur für hundert Dollar das Stück.
Aber Sie können auch welche für dreißig Dollar haben. Schlecht ist keines. " „Das weiß ich", sagt der Wagenboß. „Und hundert Dollar sind für die Guten ein fairer Preis. " Er holt einen Lederbeutel hervor, entnimmt diesem einige Goldstücke und schließt ihn wieder. Er wirft ihn Shannon zu. Dieser fängt ihn und freut sich über seine Reflexe mehr als über das Geld. „Sie sind also Sycamore Shannon?" Der Wagenboß fragt es respektvoll. Shannon nickt. Der Wagenboß hebt grüßend die Hand. Von Ihnen erzählt man sich eine ganze Menge", sagt er und reitet wieder zum Wagenhof zurück. Shannon wiegt den Lederbeutel in der Hand. Und er weiß in diesem Moment noch nicht, daß diese zweihundert Dollar alles sind, was er für seine Pferde bekommen : wird. Für zweihundert Dollar werden seine beiden Partner gestorben sein. Schon am Vormittag des nächsten Tages ;'sind die vier Menschen allein. Syc Shannhon verbringt die Stunden wieder in einem alten Schaukelstuhl auf der Veranda des ?MesaSaloons. ; Neben ihm an der Hauswand lehnt eine j Krücke, die er unter die Achselhöhle schieben kann. Sein rechter Arm liegt in feinem Tuch quer vor der Brust. Um den Kopf trägt er einen Verband. Er ist hohlwangig und sieht krank aus. An diesem Vormittag müßte die Postkutsche kommen. Es ist die Anschlußkutsche vom Rio Grande Valley, in dem die Hauptlinie von Santa Fe nach El Paso verkehrt. Doch von Las Palomas über Silver |City geht die Nebenlinie über Mesa City nach Nogales. Es ist eine beschwerliche Fahrt quer durch die Gebirgsketten und San Pedro Valley zum Santa Cruz Die Kutsche trifft an diesem Tag tatsächlich ein, wenn auch erst gegen Mittag. Und sie hat fünf Fahrgäste, die in den Saloon zum Mittagessen kommen, drei Männer und zwei Frauen. Eine der beiden Frauen trägt einen besonders hübschen modischen Hut zu einem flaschengrünen Reisekostüm. Die Kutsche fährt zum Pferdewechsel und Abschmieren, kommt nach einer halben Stunde jedoch wieder vorgefahren. ^Der Fahrer und sein Begleitmann gehen hinein zu einem Drink, den lsabel . spendiert. ' II Als sie dann als erste wieder herauskommen verhalten sie einen Moment bei Syc vShannon auf der Veranda. Was gesehen, Mister - Rauchzeichen. oder irgendwas, Mister?" Syc schüttelt den Kopf. „Keine Staubfahnen, keine Rauchzeithen, kein Blinken oder sonst was.
Es ist draußen alles wie tot.
Aber die vier Mesas geben Deckung nach allen Himmelsrichtungen.
Macht ihr euch Sorgen?" Der Fahrer nickt.
„Wir haben in einem Postsack dreitausend Dollar Lohngelder für die Aurora- Mine bei
Catalina. Ja, wir machen uns Sorgen.
Denn wir sind nur fünf bewaffnete Männer. Na schön, fahren wir also!" Er ruft in den Saloon: „Ladys und Gentlemen, es geht weiter!" lsabel und Täte Brown stehen neben dem im Schaukelstühl sitzenden Syc Shannon, als die Passagiere einsteigen und die Kutsche losfährt. „Na", sagt Syc zu lsabel, „heute gab es den ersten Verdienst, ja?" „Ich habe zweieinhalb Dollar eingenommen", erwidert sie. „Von mir aus könnten jeden Tag drei Kutschen kommen. " „Eines Tages", erwidert er, „wird das gewiß so sein. Diese Frau hatte einen besonders hübschen Hut, nicht Wahr? Haben Sie früher auch solche hübschen Hüte getragen, lsabel?" Sie blickt auf ihn nieder. „Ja, manchmal", erwidert sie und geht wieder hinein, um den Tisch abzuräumen und das Geschirr zu spülen. Täte Brown verharrt noch. Er blickt der Kutsche nach, pfeift dann leise durch die braunen Zahnstummel. „Dreitausend Dollar . . . ", sagt er. „Das sind dreitausend Versuchungen. Denn hier in diesem Lande und drüben in Sonora noch mehr sind dreitausend Dollar so groß wie dreitausend Wagenräder. Was man sich für dreitausend Dollar alles kaufen kann . . . Oooh, das wird die wilden Jungens jucken. Und es gibt eine Menge davon. Die können dreitausend Dollar in einer dieser Kutschen wittern, wie Wölfe einen fetten; Hammel in einem Leiterwagen. Oooh . . . " Er spricht nicht weiter. Und auch Syc Shannon sagt nichts. Er blickt nur schmaläugig der Kutsche nach, die bald schon von der Staubwolke, die sie hinter sich läßt, verborgen wird. Diese Staubwolke bewegt sich durch den gewaltigen Canyon zwischen den beiden Mesablöcken nach Süden. Und dann vergehen etwa zwei Stunden. Sie essen in dieser Zeit. Dann arbeiten lsabel und Täte im Gebäude. Denn es gilt, die vielen gelieferten Waren zu lagern und alle Vorräte verderblicher Art in den Kühlkeller zu schaffen. Syc Shannon nickt in seinem Schaukelstuhl sogar ein wenig ein. Er ist noch so schwach, daß eine Mahlzeit ihn müde macht. Aber er schläft nicht lange, wahrscheinlich nur eine Viertelstunde. Als er dann aufwacht, richtet er seinen Blick zuerst nach Süden, also in Richtung zur Grenze und den fernen Bergen von Sonora. Und da sieht er die Reiter kommen. Sein Waffengurt mit dem Colt hängt hinter seiner rechten Schulter an der Schaukelstuhllehne.
Aber er macht nicht den Versuch, an diese Waffe zu kommen.
Er weiß, daß er ein zu kranker Mann ist, um es mit einem Dutzend Banditen aufnehmen zu
können - wenn die sich nähernden Reiter welche sein sollten. Und wenn sie keine Banditen sind, braucht er ja ohnehin keine Waffe zum Schutz. Er wartet bewegungslos, beobachtet nur aufmerksam. Die Reiter halten zuerst bei der Einfahrt des Wagenhofes an und reiten dann zu den Corrals, so, als hätten sie plötzlich etwas entdeckt, das sie besonders interessiert. Syc Shannon weiß, daß es seine Pferde sind. Zwei hat er gestern verkauft. Aber von den drei Dutzend Tieren sind noch vierunddreißig in den Corrals. Und es sind Pferde ohne Brandzeichen. Jedes ungebrändete Tier aber ist ein besonderer Leckerbissen für jeden Dieb. Er weiß es schon die ganze Zeit. Doch er konnte es nicht ändern. Und auch jetzt ist er völlig hilflos. Wenn diese Reiter Banditen sind, ist er seine Pferde jetzt los. lsabel und Täte kommen auf die Veranda. Irgendwie haben sie den Hufschlag, die Rufe und das Pfeifen gehört. Täte Brown fragt: „Wer sind die Kerle?" „Sie waren schlecht zu erkennen", murmelt Syc Shannon. „Ich war in diesem Lande noch nicht so oft. Ich komme aus dem westlichen Texas herüber vom Pecos her. Aber einer der Reiter schien mir Steve Shallaco zu sein. Ist das möglich?" Täte Brown nickt heftig. Er sagt danach bitter: „Wenn Steve Shallaco bei diesen Reitern ist, dann handelt es sich um Paco Jacintio und seine Bande. Sie kommen immer wieder aus Sonora herüber. Und sie sind schlimm. " Sein Blick streift lsabel, die einen Schritt seitlich neben ihm steht. Mit leicht zitternder Hand wischt er sich über das Gesicht. „Ma'am", sagt er heiser, „darf ich mir ein Glas aus der Tequilaflasche einschenken, die Sie für mich unter der Bar stehen haben? Nur ein Glas, damit meine Nerven wieder ruhiger werden und meine Hände nicht so zittern. Nur ein Glas außer der Reihe, ja? Denn ich muß Ihnen jetzt etwas sagen, was.
.
.
" Er verstummt, so, als könne er die nächsten Worte nicht über seine Lippen bringen.
Aber lsabel fordert herb: „Sag es, Täte.
Los!" Täte schluckt.
„Es tut mir leid", ächzt er.
„Doch dieser Paco Jacintio ist ein guter Freund von Jube Taggert gewesen.
Vielleicht kommt er nachsehen, wie die Frau aussieht, welche Taggert erschoß.
Nein, nicht vielleicht! Bestimmt kommt er deshalb nach Mesa City! Warum sollte er sonst
kommen? Es gab doch bisher für diese Bande nichts zu holen hier. Boß, Sie werden jetzt alle ihre Schlauheit und Nervenkraft nötig haben. " Sie schweigt nach seinen Worten noch drei Atemzüge lang. Dann sagt sie: „Geh hinein, Täte, und nimm dir zwei Tequila- -drinks. Geh nur, damit deine Hände nicht zittern! Täte Brown seufzt. „Aaah, es ist schon *in Kreuz mit mir", ächzt er. „Ich hab' ja schon mein Feuerwasserquantum reduziert -aber .
.
,': „Schon gut", sagt sie.
„Geh nur.
" "'*,' Öa eilt er hinein, und wahrscheinlich braucht er jetzt einen Drink wirklich wie ein Kranker seine Medizin. ?' Syc Shannon sagt langsam: „lsabel, ich kann dir nicht helfen mit meinem Colt. Ich würde nur schnell sterben. Und mein Tod nützt dir gar nichts. Aber ich kann dir einen Tip geben. Dieser Steve Shallaco ist ein stolzer Texaner; gewiß, er ist ein Geächteter, ein einstiger Guerillaanführer, der sich nicht ergab und deshalb auch nicht begnadigt wurde. Vieleicht ist er inzwischen sogar ein Bandit und gnadenloser Killer geworden. Doch einer stolzen und furchtlosen Frau wird er beistehen. Du mußt dir seinen Respekt verschaffen, seine Achtung. Dann hast du ihn »liegen Paco Jacintio auf deiner Seite. " :A „Und was ist dieser Jacintio für ein „Ich kenne ihn nicht wie Shallaco", erwidert Shannon. „Aber er war in Mexiko immer ein Bandit. Er nannte sich schon mal General und kommandierte eine Revolutionsarmee von tausend Mann. Aber nachdem Juarez die Franzosen aus dem Lande jagte, brauchte er solche Banditenführer nicht länger. Und so war auch bald wieder für Paco Jacintio die ganze Herrlichkeit vorbei. Da kommen sie! jA^tah, sie haben sich nur meine Pferde angesehen und ihre Tiere getränkt. Sei stolz und mutig, lsabel! Denn ich kann dir heute nicht helfen. Seine Stimme klirrt vor Bitterkeit. .
Es muß schlimm für ihn sein, sich so : hilflos zu fühlen.
Weil er den Kopf gewendet hat und zu ihr aufblickt, kann sie in seine Augen blicken.
• Sie liest darin eine Menge, und alles gefällt ihr, macht ihr zugleich Mut.
Sie tritt einen Schritt vor und blickt den Reitern entgegen.
„Du hast mir durch die Beschreibung dieser Banditen schon sehr geholfen", murmelt sie.
„Du hast mir gute Tips gegeben.
Und well ich ja selbst deine Wunden versorgt habe, weiß ich, wie krank du noch bist.
Vielleicht ist das gut so jetzt.
Denn sonst würdest du mich beschützen wollen und.
.
.
" Sie verstummt, denn sie will nicht fortfahren: ;.
wahrscheinlich dabei untergehen.
Nein,'das kann sie nicht aussprechen.
Denn irgendwie - sie spürt es in diesem Moment stark - verbindet sie schon eine :Menge
mit Sycamore Shannon. Sie blickt stolz und beherrscht den Reitern entgegen. Diese Reiter sind keine heruntergekommene, ungepflegte Bande von Strauchdieben wie die meisten Grenzbanditen. Nein, dort kommt eine andere Sorte. Diese da sind stolze, reinblütige zweibeinige Wölfe.
Sie reiten auf prächtigen Pferden, sitzen in guten Sätteln, sind ausgezeichnet bewaffnet und zweckmäßig gekleidet. Natürlich sieht man ihnen das lange Reiten an, aber dennoch wirken sie nicht wie eine verdreckte, primitive Bande. An ihrer Spitze reiten zwei sehr verschieden wirkende Männer. Einer ist ein fast weißblonder und hellhäutiger Texaner. Der andere ist mexikanischer Abstammung, ein gedrungener, dunkler und dynamisch wirkender Bursche, der an einen Toro denken läßt. Auch die Mannschaft hinter ihnen ist zusammengewürfelt aus mexikanischen Pistoleros und angloamerikanischen Revolverhelden. Nur eines haben sie gemeinsam: Sie sind hartgesotten und behaupten sich allein durch Kühnheit. Als sie vor dem Saloon sind, schwenken sie fast so präzise wie eine Armeepatrouille, halten an. , Es wird still. Nur einige Sättel knarren noch, Pferde schnauben und ein wenig Zaumzeug klirrt. Die Reiter aber blicken auf lsabel King und den kranken, angeschossenen Mann im Schaukelstuhl. Fast eine volle Minute vergeht. Dann hebt Steve Shallaco leicht die Hand vom Sattelhorn und sagt lässig zu Syc Shannon: „Nun, du bist doch Syc Shannon aus dem Pecosland, einst Captain in der Texasbrigade unter Stonewall-Jackson. Wir kennen uns, nicht wahr? Fast hätte ich dich nicht erkannt. Dir geht's nicht besonders gut, was? Aber vorstellen könntest du uns dieser Lady, nicht wahr? Denn wir sind richtige Gentlemen und sehen sehr auf gesellschaftliche Formen. Na?" Syc Shannon macht kein ärgerliches Gesicht. Nein, er zeigt weder Furcht noch Ärger. Doch Steve Shallacos Worte sind blanker Hohn. Einer der Reiter hat einen merkwürdigen Hut am Sattelhorn befestigt. Es ist jener modische und hübsche Frauenhut, den vorhin einer der beiden weiblichen Fahrgäste trug. Für Syc Shannon ist klar, daß diese Bande die Postkutsche anhielt, ausraubte und der Reiter den Hut für sein Mädchen mitnahm. Syc Shannon grinst blinkend. „Hallo, Steve", sagt er. „Ich fragte mich, ob du mich erkennen würdest. Ja, es ging mir wirklich schon mal besser. Das kann ich nicht leugnen. Einst haben wir für die Konföderierten den Unionstruppen die Pferde gestohlen, und dann bist du wohl für immer ein Pferdedieb geblieben - oder?" „Aber ein großer. " Steve Shallaco grinst. . „Sind das deine Tiere in den Corrals beim Wagenhof?" Shannon nickt. Er wendet sich an lsabel und sagt: „Isabel, ich stelle dir hiermit Steve Shallaco vor. Er ist ein Bandit und Revolvermann, aber zugleich auch immer noch Texaner. Und weil das so ist, hat er, was sein Verhalten gegenüber Frauen betrifft, nicht gelogen, als er behauptete, ein Gentleman zu sein. Für die anderen Hombres kann ich da nicht bürgen, denn die kenne ich nicht. Aber vielleicht bürgt der Gentleman Steve Shallaco?" In Shannons lässige Stimme kommt ein Klang von verächtlichem Sarkasmus, aber es ist nur eine Spur.
„Dies ist Miß lsabel King, Steve", fügt er hinzu.
Und dann hat er alles gesagt, was ihm möglich war.
Von nun an kommt gewiß alles allein auf lsabel an.
Und sie weiß es.
Ihr Blick ist fest und gerade.
Und mit dem feinen Instinkt einer Frau begreift sie schnell, daß nicht dieser fast
weißblonde und wolfshagere Steve Shallaco der wichtigste Mann ist, sondern der neben ihm haltende torohafte Paco Jacintio, der vorerst noch schweigsam an den Enden seines sichelförmigen Schnurrbartes kaut und sie dabei mit seinen Blicken auszieht. Deshalb sieht sie fest in Jacintios schwarze Augen.
Indes sagt Steve Shallaco: „Ma'am, ich darf Ihnen nun wohl meinen mächtigen und
berühmten Freund Senor Francisco Jacintio vorstellen. Während der Revolution war er General und half Juarez gewinnen. Sie haben also einen wirklich großen und wichtigen Caballero vor sich, Ma'am! Amigo, dies ist Seflorita lsabel King. " Er verstummt mit einem Glucksen in der Stimme, so als könne er ein Lachen kaum noch zurückhalten. Aber Paco Jacintio scheint gar nicht auf seine Worte zu hören. Er starrt auf lsabel und kaut nicht mehr an den Schnurrbartenden. Es ist irgendwie ein Staunen in seinem Blick. Aber dann sagt er: „Senorita, Sie haben meinen guten Amigo Jubal Taggert getötet und durch die Fahrer der Postkutsche Anspruch auf die ausgesetzte Belohnung erhoben. Stimmt das? Sie sieht ihn immer noch fest an. „Ich kann nicht glauben, Senor Jacintio, daß ein Dreckskerl wie dieser Jubal Taggert Ihr guter Amigo war - nein, das kann jch nicht. Denn er wollte mir Gewalt antun. Was ist das für ein Mann, der sich von einer Frau mit Gewalt holen will, was er sich sonst bei einer Puta vielleicht nicht mal für Geld kaufen kann? Ay, was ist das für ein stolzer Mann? Und solch einen Hombre nennen Sie Ihren guten Amigo? Sie spuckt symbolisch zur Seite aus. Dabei stützt sie ihre Hände gegen die schmale Taille und trommelt ein wenig '.
.
mit der unter den Röcken vorragenden Fußspitze auf die Verandabretter. Der Banditenführer schiebt die Unterlippe vor. Es ist ihm anzusehen, daß er noch nicht weiß, ob er wütend werden oder lachen soll. Aber lsabel King ist zu reizend anzusehen, zu rassig-schön, und sie zeigt keine . Furcht, nur ruhigen Stolz. Ihre Ausstrahlung trifft nicht nur die beiden Anführer dieser Bande, nein, auch die anderen Reiter sind von ihr gefangen. Noch niemals begegneten sie solch einer Frau. .
Aber sie sieht immer noch nur Paco Jacintio an.
Und dann sagt sie: „Senor, ich führe hier einen Saloon und freue mich deshalb über
Gäste. Es ist mir aber auch klar, daß wir hier in Ihrer Hand sind, wenn Sie als '; Baiiditen kamen. Sind Sie das?" • , Die Frage ist eine Herausforderung. Und da legt Paco Jacintio seinen Kopf zurück und beginnt schallend zu lachen.
jj. Bis auf Steve Shallaco lachen seine Reiter alle mit. Steve Shallaco grinst nur anerkennend. Jacintio aber lacht noch eine Weile. . • Dann aber beschreibt sein Arm einen Halbkreis durch die Luft. Und sofort sind sie alle still. Also, Muehachos, ihr habt es gehört! Sie ist keine Puta, die man sich kaufen oder " gar einfach so nehmen kann. Sie ist eine stolze Donna. Und sie wird uns nicht nur bewirten mit Speise und Trank, sondern uns such gebildet unterhalten. Also benehmt euch wie echte Caballeros! Macht mir keine Schande wie Taggert, der wohl wirklich nicht mein Freund war. Vielleicht, wenn diese schöne Seflorita ihn nicht erschossen hätte, wäre mir diese Pflicht von meiner Ehre auferlegt worden. Steigt ab, Muchachos! Wir wollen hier liebe Gäste sein, die jederzeit wiederkommen können! Steigt ab und benehmt euch!" Er geht nun mit gutem Beispiel voran, sitzt ab, besteigt die Veranda und ergreift lsabel Kings Hand. Er beugt sich darüber, schwingt dabei mit einem Kratzfuß wie ein spanischer Hidalgo den Hut und haucht einen Kuß auf ihren Handrücken. Dann bietet er ihr den Arm und führt sie hinein. Sie alle folgen dem Paar. Nur Syc Shannon bleibt draußen in seinem Schaukelstuhl. Es wäre unklug, würde er jetzt auf seiner Krücke hinterdreinhumpeln. lsabel King muß sich selbst helfen. Und sie hat offenbar einen guten Anfang gemacht. Indes er,auf der Veranda sitzt und sich anhören muß, wie die Banditen im Saloon bewirtet werden und einer sogar auf dem arg verstimmten Klavier herumzuhämmern beginnt, da ist er sich seiner Hilflosigkeit bewußt wie nie zuvor in seinem Leben. Immer wieder fragt er sich, wie es weitergehen wird. Aber das wird vor allen Dingen von lsabel abhängen. Wenn es ihr gelingt, sich Paco Jacintios Respekt zu verschaffen, so daß er den Drang spürt, sich hier wie ein Caballero zu verhalten, um so auch ihre Achtung zu gewinnen - nun, dann mag alles gut abgehen. Dann werden diese Banditen immer wieder herkommen. Und dann wird Mesa City eine Art Stützpunkt dieser Bande, ein Durchgangsquartier. Irgendwann wird lsabel dann diesen Banditen nicht mehr auf Distanz halten können. Sie wird sich mit ihm einlassen müssen. Denn wenn er ihre Achtung nicht erwerben kann, wenn er sie nicht zu seiner Geliebten zu machen vermag, dann wird sein Verhalten völlig umschlagen, und er wird auf ihre Achtung pfeifen und sich nehmen, was er haben will. lsabel kann ihn gewiß nicht lange hinhalten. Er wendet nur um wenige Millimeter den Kopf, als Steve Shallaco auf die Veranda tritt. Der Bandit hält ein noch fast volles Bierglas in der einen und eine dicke Zigarre in der anderen Hand. „Sie ist wirklich schlau", sagt er zur Seite auf Shannon nieder. „Sie weiß ihn zu behandeln. Irgendwie hat sie in ihm einen Stolz geweckt, der es vorerst nicht zuläßt, sich ihr gegenüber als Hundesöhn zu erweisen.
Er möchte sie wie ein echter Caballero erobern. Aber er ist ein Narr, und er ist auch kein Caballero. Er ist ein Mistkerl wie wir alle. Doch es ist vorerst ein neues Spiel, ein reizvolles dazu. Er probiert jetzt aus, ob er auch mal etwas ohne Gewalt bekommen kann. Leider verliert er zumeist schnell die Geduld. Vorerst imponiert sie ihm noch mächtig. Solch einer Frau ist er bisher noch niemals begegnet. Na, wir werden sehen. " Er nimmt einen langen Schluck aus dem Bierglas, raucht dann wieder und wippt leicht in den Kniekehlen. „Wann haut ihr hier ab?" Shannon fragt es lässig. Shallaco lacht leise. „Vielleicht sehr schnell", erwidert er. „Wir haben draußen vor den Mesas einen Mann zurückgelassen, der unsere Fährte fast zwanzig Meilen übersehen kann, also bis zu der Postkutsche, die wir ausraubten. Wenn ein Aufgebot aus Silver City oder eine Armeepatrouille kommt, werden wir hier schnell losreiten. Wenn nicht - nun, dann wird das hier noch eine lustige Nacht. Ich wette, daß diese lsabel drinnen noch f l 'tanzen und singen wird. Und dann möchte Paco bald zu seinem Spaß kommen. Und du?" Syc Shannon fragt es scheinbar noch lässiger. macht Steve Shallaco, „mein '. Freund, das überleg ich mir schon die ganze Zeit. Vor allen Dingen denke ich fortwährend darüber nach, was wir mit dir machen sollen. Gewiß, du bist jetzt ein kranker Mann. Aber irgendwann wirst du -schon wieder. Und dann . . . " !' Er macht eine kleine Pause und nimmt wieder einen Schluck aus dem Bierglas. Weißt du", sagt er, „wir nehmen nämlich deine schönen Pferde mit. Und das wirst du uns gewiß übelnehmen, nicht wahr? Und Feinde haben wir schon genug. jetzt könnten wir dich mühelos für immer . Später ist das bestimmt nicht so einfach. Du begreifst also, daß du richtiges Problem für mich bist. Denn eigentlich erinnere ich mich noch gern an Zeit, da du Captain bei den Konföderierten warst und ich dir als Fachmann dabei half, der Unionsarmee die Pferde zu :stehlen, mit denen sie ein ganzes Regiment ausrüsten wollten. Ja, es war eine schöne Zeit damals. Und du warst ein prächtiger Änführer. Aber Pferdediebe waren wir doch, oder?' Er lacht leise. Dann geht er wieder in den Saloon hinein , - Syc Shannon aber kennt nun seine Absicht. Er denkt: Auch ich habe kein Glück in "Mlesa City. Und wenn ich großes Pech • habe, verlier ich nicht nur meine Pferde, sondern auch mein Leben. Ob ich in der Nacht von der Veranda verschwinden und ; ein Versteck suchen sollte? ! Wieder wird ihm seine Hilflosigkeit bewußt. Um sein Leben zu retten, müßte er sich 'verkriechen und dann hoffen, daß man ihn nicht findet.
Es ist erst später Nachmittag.
Bis zum Anbruch der Dunkelheit ist noch viel Zeit.
Wenn er jetzt mit Hilfe seiner Krücke davon humpelt, wird ihn Steve Shallaco schnell
einholen. Indes bedient lsabel King in ihrem Saloon mit Täte Browns Hilfe die Gäste. Paco Jacintio und seine Männer haben es sich gemütlich gemacht. Sie bekamen gutes Essen. Nun trinken sie Bier . --Brandy und Tequila. Sie spielen Billard, einer klimpert auf der Gitarre, auch eine Pokerrunde setzt sich zusammen. • Eigentlich herrscht üblicher Saloonbetrieb.
Paco Jacintio lehnt an der Bar.
Er bevorzugt roten Wein.
Er beobachtet lsabel bei ihren Hantierungen.
Jede ihrer harmonischen Bewegungen macht ihm sichtlich Freude.
Täte Brown trägt die gefüllten Gläser zu den Spielern.
Und lsabel kehrt immer wieder zu Paco Jacintio zurück.
Er steht am Schanktischende.
Sie würfeln miteinander.
Einmal fragt er: „Seflorita, spielen Sie Schach? Unter all meinen Männern ist keiner, der
dieses Spiel beherrscht. Können Sie. . . " „Doch, ich kann", sagt sie. „Aber in diesem Saloon ist kein Schachspiel.
Vielleicht kann man eines beschaffen in der Zukunft.
Doch vorerst.
.
.
" „Wenn ich wiederkomme", verspricht er, „bringe ich ein besonders schönes Spiel mit.
Jetzt müssen wir also würfeln, schöne Chita. Haben Sie sich schon mal überlegt, um was wir würfeln? Um einen Preis?" Er macht eine kleine Pause, blickt sie mit seinen dunklen, feurigen Augen an. Er ist schon leicht angetrunken, und lsabel erkennt seine Absichten leicht in seinem funkelnden Blick. Er will sie haben.
Und er wird jetzt langsam ungeduldig.
In ihm sind nun zwei Kräfte wirksam.
Wenn er noch etwas mehr betrunken ist, wird er zugleich auch enthemmter sein.
Dann legt er vielleicht bald keinen großen Wert mehr darauf, daß sie ihn für einen
Caballero hält, der sie als Frau achtet und sie mit Anstand erobern will. Nein, dann wird er unbeherrscht zugreifen. Sie weiß, daß ihre Lage von Minute zu Minute schlechter wird. Und niemand kann ihr helfen. . Sie hat plötzlich Furcht, daß es Syc Shannon versucht/ Dann ist er schnell ein toter Mann. Sie ist allein auf sich angewiesen.
Und sie muß kämpfen, sich etwas einfallen lassen; • ' " \ • Seine Frage wartet noch auf eine Antwort. Er sieht sie an. Und so lächelt sie. „Ein Preis. . . Was für einen, Senor? Dann muß ich wissen, was für einen ich gewinnen könnte, Oder sollen nur Sie gewinnen?" „O nein, mein Täubchen. " Er grinst unter seinem schwarzen Sichelbart. „Wenn ich verliere, will ich auf etwas verzichten. " Er nimmt die Würfel vom Tisch und läßt sie in den Lederbecher fallen. „Wenn ich dreimal hintereinander die Sechs bringe, gehen wir hinauf, Seflorita, ja?" Sie erschrickt tief in ihrem Kern, aber er kann es ihr nicht ansehen, Und sie weiß, daß er ganz bestimmt die Würfel vertauscht hat. Anders kann es nicht sein.
Denn dreimal hintereinander die Sechs würfeln, ist nicht einfach.
Und er wird sie abermals vertauschen, wenn er sie würfeln läßt.
Doqh wenn sie ihn dabei erwischt - was dann? Oh, dann käme sie wahrscheinlich vom
Regen in die Traufe. Denn dann würde er selbst den Schein nicht länger wahren, sondern sein'wahres Gesicht zeigen. Dann würde er sie nehmen. . Langsam nickt sie. Denn es bleibt ihr keine Wahl. Nur eine ganz schwache Chance hat sie, einige klebrige Wein tropfen auf der Tischplatte. Sie taucht scheinbar spielerisch die Fingerspitzen in die Flüssigkeit. Wenn es ihr nun gelingt, das klebrige Naß auch auf die Würfel zu übertragen, werden sie vielleicht nicht so fallen, wie Paco das wünscht. Sie greift nach dem Becher. „Erst möchte ich die Würfel sehen", verlangt sie. Paco Jacintio lacht nur und überläßt ihr Becher und Würfel. ' Er muß seiner Sache sehr sicher sein. Die Würfel sind wahrscheinlich erstklassig präpariert. „Sie sind sehr vorsichtig, mein Täubchen. Richtig so, sehr gut und richtig! Wir kennen uns noch nicht lange, und es ist ja wohl auch sehr selten, daß ein Bandit wie ich immer noch ein echter Caballero und Hidalgo Frauen gegenüber ist. Da sind sie, die lieben Kerlchen, die mir bald zum allerschönsten Glück verhelfen werden. " Sie prüft sie scheinbar, aber in Wirklichkeit befeuchtet sie mit ihren Fingerspitzen zwei der
Sechsen- Nun kann sie nur hoffen, daß diese klebrige Masse ausreicht, die Würfel zu
verändern.
Sie gibt die Würfel in den Becher, schiebt ihn Jacintio zu.
„Also gut", sagt sie.
„Spielen wir um meine Gunst, so wie du es dir wünschst, Amigo Paco.
Spielen wir darum, obwohl ich dir sagen muß, daß es besser gewesen wäre, wenn wir uns
erst näher kennengelernt hätten.
Denn was du da von mir verlangst, macht mich fast zu einer Puta.
Und wenn du mich entwürdigst, dann entwertest du damit auch alles, was du bekommst.
Überleg es dir lieber noch mal, ob du mich so bekommen willst. " Er überlegt tatsächlich. Er kämpft mit sich und seinen Wünschen. Ihm ist nicht gleichgültig, was sie von ihm denkt. Er hält den Würfelbecher in der Hand und zögert. Dabei wandert sein Blick zwischen ihrem Gesicht und dem Becher hin und her, Und plötzlich stellt er ihn ab. „Buerio", Sagt er. „Ich spüre seit langer Zeit wieder die richtige Liebe Und Verehrung, und ich möchte deine Achtung nicht verlieren, meine Chita. Ja, ich spüre Liebe zu dir - die Liebe des Herzens, meine ich. Das ist wie ein Wunder für mich. Denn ich dachte, daß ich dazu nicht mehr fähig bin. Ja, es wäre dumm, wenn ich das zerstörte. " Er will noch etwas sagen, doch da kommt einer seiner Reiter herein. „Pecos kommt im Galopp!" Es klingt wie ein Alarmruf. Alle Banditen streben jetzt hinaus, auch Steve Shallaco, der sich die ganze Zeit wie ein Einzelgänger abseits hielt, kaum mit einem der Kumpane sprach und immer nur beobachtete. Nur Paco Jacintjo bleibt noch bei lsabel an der Bar. In seinem Blick ist ein Bedauern, „Pecos kommt", erklärt er ihr, „Ich ließ ihn- ein Stück vor dieser Stadt zurück, (lamit er unsere Fährte beobachtet. Wir haben nämlich die Mittagspost überfallen und ausgeraubt, Es waren die Lohngelder der Aurora-Mine bei Catalina. Wir können das Geld besser gebrauchen, nicht wahr, Täubchen? Sieh, ich kann deshalb sogar unsere Zeche bezahlen. Keine Angst, Täubchen, ich bezahle niqht mit diesem geraubten Geld. Das befindet sich noch im Postsack. Ich zahle auch nicht mit Dollars, sondern mit Silberpesos. Die sind genauso gut wie Dollars, nicht wahr? Hier, mein Täubchen!" Er greift in die Tasche und holt einen Lederbeutel hervor. Diesen Beutel leert er nur zur Hälfte, Es sind wahrhaftig Silberpesos, die diesseits der Grenze ebenso Gültigkeit haben wie Dollars auf der anderen Seite, Es sind gewiß an die fünfzig Pesos. „Täubchen, ich muß reiten! Gib mir einen Kuß zum Abschied, ja? Wenn unser Pecos so schnell kommt, ist bestimmt ein Aufgebot oder gar eine Armeepatrouille unterwegs nach hier. Gib mir einen zum Abschied, und ich werde immer dein ritterlicher Beschützer sein. Sieh, ich verzieh dir ja schon, daß du meinen Freund Jube Taggert totgeschossen hast. Ich kann dich ja so gut verstehen!" Er geht zum Schanktischende und breitet seine Arme aus. lsabel zögert nur einen Atemzug, dann weiß sie, daß er sie mitnehmen wird, wenn sie ihm jetzt nichts vormacht. Es ist Notwehr, . •-- Und so läßt sie sich von ihm umarmen und erwidert seinen heißen, wilden Kuß für einen winzigen Moment. Dann macht sie sich frei, „Nicht so schnell", sagt sie, „Nur nicht so hastig! Wenn du willst, daß ich dich wiederküsse, dann laß mir Zeit! Oder willst du, daß meine Küsse Lüge sind?" „Nein", sagt er und eilt hinaus, Draußen ist nur noch Steve Shallaco bei Syc Shannon.
Die anderen Reiter sind unterwegs zu den Corrals beim Wagenhof, um dort Syc Shannons Pferde zu holen. Am Ortseingang taucht nun auch ein galoppierender Reiter auf, sicherlich dieser Pecos, der in der Ferne die Verfolger sichtete, Paco Jacintio betrachtet Steve Shallaco und Syc Sh&nnon mit einem schnellen Blick. „Was ist, Amigo?" fragt er Shallaeo, „Willst du ihn umbringen? Ich denke, ihr habt schon zusammen Pferde gestohlen? Das verbindet doch - oder?" „Jetzt stehlen wir ihm die Pferde", sagt Shallaco. „Und der vergißt das nicht, Paco, dieser Hombre hier ist kein kranker Mäuserich, sondern ein angeschossener Wolf, Der nimmt es mit jedem von uns auf, sobald er wieder gesund genug ist, Verstehst du, Paco?" „Si", nickt dieser, „Er ist also ein Hombre wie wir, kein kleiner Pinscher, Und wenn wir ihn jetzt umbringen, dann tun ren mit unserer Pferdeherde unterwegs. Meine beiden Partner wurden getötet. Ich schaffte es mit den Pferden nach Mesa City. " Der Lieutenant nickt. Sein Blick ist nachdenklich. „Wir trafen zufällig auf die ausgeraubte Postkutsche", sagt er. „Jetzt können wir die Banditen und Pferdediebe nicht länger verfolgen. Ich muß mit meiner Patrouille zurück nach Fort Grant. Oh, es ist noch kein richtiges Fort, vorerst nur ein befestigtes Camp. Aber es wird zum Fort ausgebaut. Ihre Partner und Sie, Mister, haben wohl sehr glücklich gekämpft?" „Nein", murmelt Shannon. „Denn sie sind tot. " Er wendet den Kopf und blickt auf das Dutzend Zivilisten. „Reitet heim", sagt er zu ihnen. „Vielleicht streunt schon wieder eine neue Apachenhorde durch euer Land. Ich würde Frauen und Kinder nicht so lange allein lassen. " Die Zivilisten nicken heftig. Einer - offenbar der Anführer - sagt: „Es war ja auch nur wegen der überfallenen Postkutsche. Ja, wir kehren um, reiten heim. Sobald unsere Pferde sich etwas ausgeruht haben, reiten wir zurück. Gibt es im Wagenhof Futter?" „Sicher", meldet sich Pedro. „Ich bin der Stationsmann dieser Postlinie. Ich habe auch für Privatkundschaft alles. Ich komme mit!" Er eilt davon. Die Zivilisten folgen ihm. Einer wendet sich im Sattel um und fragt: „Ist dieser Saloon geöffnet? Dann kommen wir, sobald unsere Pferde versorgt sind!" „Er bietet alles, was von einem Saloon erwartet wird", erwidert lsabel King fest. Noch in dieser Nacht sind sie wieder allein. Doch für ein paar Stunden hatte der Saloon viele Gäste. lsabel nahm genau siebzehn Dollar ein für Speisen und Getränke. Es vergehen einige Tage. Dann kommt die Postkutsche aus Silver City herüber. Diesmal sitzen der Fahrer und der Begleitmann auf der Kutsche, die damals den toten Jube Taggert mitnahmen und sich um die ausgesetzte Belohnung zu kümmern versprachen.
Sie kommen dann in den Saloon.
Und der Fahrer legt Geld auf den Schanktisch.
„Tausend Dollar", sagt er.
„Und hier ist die Quittung, die Sie unterschreiben müssen, Ma'am.
Sie sehen, wir haben Wort gehalten.
Dies ist das Kopfgeld für Jube Taggert.
" lsabel King rührt sich eine Weile nicht. Sie steht da und blickt auf das Geld. Ihre Lippen sind geschlossen. Und dennoch verrät ihr sonst so lebendiger Mund auch jetzt noch viel. Denn die Mundwinkel sind herabgezogen und verraten Bitterkeit und vielleicht sogar ein wenig Verachtung für sich selbst. Sie sieht zuerst Syc Shannon und dann der Reihe nach die Männer an und sagt: „Ja, ich werde das Geld annehmen. Ich werde diese Quittung unterschreiben. Dieses verdammte Land und ein paar Menschen darin - zum Beispiel dieser Sam Blaskell, der mir diesen Saloon andrehte - sind mir eine Menge schuldig. Ja, ich nehme das Kopfgeld. " „Richtig so", sagt der Fahrer. Dann stellt er die Frage: „Jacintio war hier, nicht wahr? Paco Jacintio war mit seiner Bande hier. Und er hat euch nichts getan. Das ist ein Wunder, denken wir alle. Wir hörten es von der Armeepatrouille und dem Zivilaufgebot, welche bei der Suche nach den Apachen auf die überfallene Postkutsche stießen. Wißt ihr schon, daß der Fahrer und Begleitmann von Jacintio und seiner Bande erschossen wurden?" lsabel und Täte Brown schweigen und auch die paar Fahrgäste der Kutsche, welche in den Saloon kamen und inzwischen von lsabel und Täte Brown versorgt wurden. Sie sitzen an einem der großen Tische, essen und trinken, hören zu.
.
Sycamore Shannon erwidert schließlich auf die Frage des Fahrers: „Nein, das wußten wir
nicht. Wir erfuhfuhren nur, daß die Kutsche angehalten und ausgeraubt wurde. Und wir konnten hier nichts tun. Denn wir waren Gefangene der Bande. Wahrscheinlich wird sie eines Tages, wieder nach Mesa City kommen . . . .
.
und sicherlich auch bald eine Kutche überfallen, die wir fahren", sagt der Fahrer bitter.
Er fügt hinzu: „Ich weiß nicht, was Roy Wayne und sein Begleitmann falsch machten, so
daß sie erschossen wurden. Ich kann nur hoffen, daß Jack und ich nichts falsch machen werden „Das wünsche ich euch", murmelt lsabel , die inzwischen die Quittung unterschrieb und den beiden Männern fünf Zwanzigdollarnoten hinzählte. „Das ist für eure Mühe", sagt sie.
„Und weiß jetzt, daß Ihr Begleitmann Jack Fisher heißt.
Ich habe Ihnen viel zu veranken, doch kenne ich noch nicht mal Ihren Namen. " „Oh, Ma'am, ich bin Ben Longfellow", sagt der Fahrer. „Und wir bedanken uns für die hundert Dollar. Sie sind nobel, Wir wünschen Ihnen das gleiche Glück, welches wir immer wieder für uns erhoffen auf der Fahrt durch dieses verdammte Land. " Er wendet sich um und ruft zum Tisch der Fahrgäste hinüber: „Ladys und Gentlemen, ich hole jetzt die Kutsche aus dem Wagenhof. Sie ist abgeschmiert und hat ein neues Gespann. In fünf Minuten en wir weiter!" •. Nach diesen Worten nimmt er drei der Zwanzigdollarnoten und legt zu den beiden anderen ein Zehndollarstück. Sein ? Begleitmann nickt zufrieden und steckt seinen Anteil weg. Dann gehen sie hinaus. ,:• : lsabel tritt mit der Kaffeekanne zum Tisch ihrer Gäste. Es sind sieben, darunter fünf Männer, eine Frau und ein kleiner Junge. „Will noch jemand Kaffee?" lsabel fragt es ruhig. Zwei oder drei wollen noch. Sie füllt die Tassen. Dabei sagt sie: „Mesa City wird eines Tages wieder lebendig werden und aufblühen. Das Umland ist fruchtbar. Es gibt überall dicht unter der Erdoberfläche Quellen. Man braucht die Brunnen nicht besonders tief abzuteufen. Auch Pumpen sind mühelos aufzustellen. Sogar Windräder wären möglich, weil fast immer ein leichter Wind zwischen den Mesas hindurchweht. ",. rr ,";Und warum sagen Sie uns das, Ma'am?" Einer der männlichen Fahrgäste fragt es etwas spöttisch. Sie bleibt ernst. „Damit Sie es überall erzählen", erwidert sie schlicht. Die männlichen Gäste grinsen. „Es gibt wohl kein Glück in Mesa City", sagt einer. „Und das liegt an den Banditen und auch an den Apachen. Ma'am, man müßte hier in der Nähe schon eine Gold oder Silberader entdecken, um Menschen nach hier zu locken. Für Gold oder zumindest Silber riskieren die Menschen schon eher ihr Leben. Dann wagen sie alles. Dieser Kontinent wäre wahrscheinlich nicht erobert worden, wenn nicht der Wunsch nach Schätzen gewesen wäre - die große, unersättliche Gier nach schnellem Reichtum und Glück. Wenn hier bei Mesa City Gold oder zumindest Silber gefunden würde, dann könnten auch Banditen und Apachen den Zustrom der Menschen nicht aufhalten. Und dann würde Mesa City bald aus allen Nähten platzen. Glaubt mir! Ihr müßt eine Gold- oder Silberader finden. Nur dann könnt ihr gewinnen mit eurer toten Stadt. " Nach diesen Worten erhebt sich der Sprecher und geht hinaus, nachdem er einen halben Dollar auf den Tisch klimpern ließ. Die anderen Gäste folgen seinem Beispiel. Draußen hört man das Heranrollen der Kutsche. Bald darauf sind lsabel King, Syc Shannon und Täte'Brown wieder allein.
Pedro Gonzales wird noch einige Zeit mit dem Versorgen des ausgewechselten Gespanns zu tun haben. lsabel sieht die beiden Männer an. „Das ist keine schlechte Idee", sagt sie. „Man müßte eine Gold- öder Silberader entdecken. Wenn diese Nachricht sich in alle Himmelsrichtungen verbreitet, werden sie kommen - all jene, die sich etwas Glückwünschen. " „Aber in Mesa City wird es kaum Glück für sie geben", murmelt Syc Shannon. „Öder glaubst du daran, hier eine Goldoder Silberader ausfindig machen zu können? Wenn wir das könnten, brauchten wir auch keine lebendige Stadt mehr, die uns Einkünfte sichert. Oh, lsabel, solch ein Wunschdenken führt zu nichts. " „Vielleicht doch", widerspricht sie. „Jede Pechserie geht einmal zu Ende. Warum soll Mesa City nicht mal Wieder vom Glück begünstigt werden?" Syc Shannon schweigt dazu. Aber Täte Brown lacht etwas unsicher und sagt dann: „Mir ist alles gleich, solange ich noch eine Flasche nach der anderen austrinken kann. Mit einer Flasche Feuerwasser bin ich völlig zufrieden. Und die bekomme ich auch, wenn diese Stadt kein brodelnder Suppentopf wird, nicht wahr?" •lsabel sieht ihn halb verächtlich und halb mitleidig an. Schließlich sägt sie: ,,Ja, Täte, du bekommst hier deine Arbeit mit Schnaps bezahlt, so daß du diese verdammte Welt immer mit Augen sehen kannst, die dir alles rosarot zeigen, was in Wirklichkeit verdammt trist und schäbig ist. Vielleicht bist du klüger als wir, Täte. " Tage vergehen, werden zu zwei Wochen. Alle drei Tage kommt eine Postkutsche. Manchmal tauchen einige Reiter in Mesa City auf. Irgendwie sprach es sich in den verborgenen Camps des Landes herum, daß in Mesa City der Saloon in Betrieb ist, und so kommen manche Reiter von weither, zum Teil mehr als einen Tagesritt. Einmal fährt ein langer Frachtwagenzug durch Mesa City, rastet die ganze Nacht. Sycamore Shannon wird in diesen zwei Wochen gesund. Er reitet viel in der Umgebung umher, macht sich vertraut mit dem Land im Umkreis von zwanzig Meilen. Er findet auch einige alte spanische Minen, in denen die einstigen Eroberer ihre Sklaven arbeiten ließen. In jede der Minen klettert er hinein, sucht immer in der schwachen Hoffnung, daß er Goldader Silbervorkommen entdeckt. Er findet auch schwache Vorkommen, doch seine Erfahrung reicht aus, zu erkennen, daß die Kosten der Gewinnung sehr viel höher sein würden als der Ertrag. Er findet auch einige zerstörte Farmen und Siedlerstätten in der Umgebung. Die Apachen mußten während des Bürgerkrieges mit einer starken Horde durchgezogen sein und alles vernichtet haben. Und eines Tages trifft Syc Shannon auf Lucky Joe Stag. Der alte Bursche sitzt auf einem zähen Maultier und hat überdies noch ein Zweites als Packtier bei sich. Mit einem einzigen Blick erkennt Shannon, daß er einen Gold- und Silbersucher vor sich hat. Sie nicken sieh zu.
Dann fragt der Alte: „Freund, hast du ein wenig Tabak? Mary hat vor fünf Tagen meinen Tabakbeutel samt Inhalt aufgefressen. Die hat alles gut durchgekaut, so daß der Saft nur so aus ihrem Maul tropfte, Vielleicht sollte ich mit ihr nach Osten gehen und dort im Zirkus auftreten. Mary, die Maultier-Lady, die ein halbes Pfund Tabak samt Beutel zu Saft verarbeiten kann!" Er ruft es bitter. Und er deutet dabei auf sein Packtier. Dieses halt, den Kopf etwas schief und zeigt das Weiße seiner Augen. l» Syc Shannon nickt. Er wirft dem kleijen, drahtigen, vollbärtigen Burschen sei- Tabakbeutel zu, den der Mann blitznell auf fängt. „Ja", sagt er. „Ich kannte mal ein Mauliiter, das fraß Hufnägel. Und hinten fielen die dann als Ketten wieder heraus. Es war zusagen eine lebendige Kettenmaschine, man gab ihm schließlich silberne und goldene Hufnägel zu fressen und bekam hin- Gold- und Silberketten, wie sie ein Schmied nicht besser hätte anfertigen könen. " p Syc Shannon spricht diese Worte ganz ernsthaft. Und der bärtige Gold- und Silbersucher hört ebenso ernsthaft zu, dreht sich indes mit flinken Fingern eine Zigarette, raucht Sie an und pafft drei tiefe Züge. „Aah", seufzt er, „jetzt bin ich wieder zufrieden, und was dieses kettenfabrizierende Maultier betrifft, so weiß ich noch mehr darüber. Man kam nämlich hinter das Geheimnis, als es aus Altersschwäche starb, weißt du davon, mein junger Freund?" Syc Shannon schüttelt nur den Kopf. Der Gold- und Silbersucher grinst zwischen seinem Bartgestrüpp. . „Da wirst du aber eine Weile sprachlos ", verspricht er. „Man schnitt das tote, |vor Altersschwäche verschiedene Tier nämlich auf. Und was fand man in seinem B|auch? Ay, ich will's dir sagen, mein Junge Denn du kämst nie darauf. Es waren ein kleine grüne Männchen im Bauch des Maultiers. Sie hatten eine richtige kleine Gold- und Silberschmiedewerkstatt. Und sie waren froh, daß man sie rausholte. Sie sagten, daß sie einmal gefressen worden |wären von diesem Biest. Hahahahahaha!" Er beginnt schallend zu lachen und deutet dabei auf den staunenden Syc Shannon. ? „Dein Gesicht. . . Oooh, dein Gesicht miüßtest du jetzt im Spiegel sehen! Ooohafeahahaha!" , Er kann sich gar nicht beruhigen, so sehr l lacht er. Und weil er so ansteckend lacht, Syc Shannon sich auch von seiner Verblüffung erholt, lachen sie bald alle beide. Als sie endlich keuchend innehalten, haben sie feuchte Augen. „Mein Name ist Joe Stag", sagt der Graubart. „Aber im ganzen Land nennt man mich eigentlich nur Lucky Joe. " „Ich bin Sycamore Shannon und ich komme aus Mesa City", sagt Shannon und deutet mit dem Daumen hinter sich, wo man in der Ferne die Mesas auf der Ebene gen Himmel ragen sieht - auf einer Ebene, die dennoch unübersichtlich ist, weil es viele Rinnen, Senken, Wellen und auch Wald- und Buschinseln gibt; Felsformationen, zernagt von der Witterung.
„Mesa City? Diese Stadt ist doch tot?" Joe Stag staunt.
„Sicher", sagt Shannon, „sie ist fast tot.
Aber der Saloon ist gefüllt worden mit hundert Zentnern Fracht.
Und es gibt eine schöne Wirtin und noch ein paar Einwohner.
Man könnte Mesa City leicht zum Leben erwecken, sehr, sehr leicht.
Verstehst du was von der Gold- und Silbersuche?" Joe Stag grinst.
„Ich hab' schon einige Male Adern und reiche Vorkommen entdeckt", sagt er.
„Einmal hab' ich in New Orleans binnen zweier Wochen fünfzigtausend Dollar auf den Kopf
gehauen mit einem ganzen Schwärm hübscher Honeys. Beim zweiten großen Fund wollte ich schlau sein. Ich heiratete eine sogenannte anständige Frau aus guter Familie. Oh, sie stellte was dar, daß ich mir manchmal wie ein Pavian vorkam. Und sie konnte eine Menge Zitate von irgendwelchen großen Geistern aufsagen, Klavier und Geige spielen und wunderschöne Handarbeiten anfertigen. Auch im Bett war sie Klasse. Man traute ihr das gar nicht zu. Doch als ich die Goldader verkauft hatte, brannte sie mit den fünfundsiebzigtausend Dollar nach Europa durch. Ich könnte noch eine Menge erzählen über meine Funde und die Ladies, die ich mir dann immer anlachte. Ich bekam als reicher Mann stets die Schönsten. Und sie alle machten mich schnell wieder arm. Wenn ich wieder eine Gold- oder Silberader finde,-werde ich gewiß abermals hereinfallen. Denn ich kann den Zärtlichkeiten der Schönen nicht wiederstehen. Was sägtest du, mein Sohn? In Mesa City gibt's auch eine schöne Frau? Hey, wenn ich eine Gold- oder Silberader besäße, würde ich sie wahrscheinlich bald schon vernaschen können, ohne mich vorher rasieren zu müssen. Vielleicht komme ich mal nach Mesa City, wenn ich in den nächsten Tagen eine Gold- oder Silberader finde. Wie ist's mit dem Tabak? Wenn du aus Mesa City bist, bekommst du doch leicht neuen. Kannst du mir nicht. .
.
" Syc Shannon läßt ihn gar nicht ausreden.
„Behalt den Tabak! Und weil wir uns doch nun ein bißchen kennen, möchte ich dir ein Geschäft vorschlagen. Ich will dir alles genau erklären. Es könnte für uns alle ein lohnendes Geschäft werden. " Schon am nächsten Tag kommt die Postkutsche von Süden her und hält wie immer beim Wagenhof. Die Fahrgäste kommen zu Fuß zum Salöon. Sie sind froh, sich etwas die Beine vertreten zu können nach der unbequemen Fahrt von Nogales herüber. Als sie im Saloon verschwunden sind, taucht SyC Shannon auf. Er bleibt an der Hausecke auf der Veranda stehen und hebt den Arm. Schräg gegenüber kommt bald schon Lucky Joe Stag aus einer Gasse geritten. Er zieht sein Packtier an der Leine mit und hält vor dem Saloon. Mit einem rauhen Jubelschrei schwingt er sich aus dem Sattel und wirft sich die beiden Satteltaschen seines Reittiers über eine Schulter. Es sind schwere Taschen, obwohl sie gar nicht prall gefüllt sind.
„He, gibt's hier 'nen Erzprüfer? Kann man hier Claims anmelden?" Seine Rufe sind drinnen im Saloon zu hören. Dabei blinzelt er Syc Shannon zu, und dieser nickt, weil er mit der Lautstärke der Fragen einverstanden ist. Es ist absolut sicher, daß die Fahrgäste der Kutsche, welche drinnen soeben am großen Tisch Platz genommen haben, durch die offenen Fenster und die Schwingtür jedes Wort verstehen konnten. Es ist still dort drinnen, obwohl soeben noch Stimmengewirr klang, weil lsabel die Bestellung aufnahm. Syc Shannon erwidert endlich: „Oha, Mister, da haben Sie aber kein Glück. Diese Stadt ist kaum noch in Betrieb. Der Erzprüfer ist fort. Und auch ein Registrierbeamter ist nicht mehr da. Warum brüllen Sie danach? Haben Sie am Ende gar eine Goldader entdeckt?" „Nein, eine Goldader nicht, aber Silber! Oha, höllisch viel Silber! Und wenn es sich erst herumgesprochen hat, wird Mesa City bald nicht mehr groß genug sein, all die Menschen zu fassen, die hier leben wollen. Hey, ich muß erst mal ein Bier zischen und einen Schluck Feuerwasser trinken! Kommen Sie mit, mein Junge? Ich geb einen aus. " Er geht voraus, fast so klein und krummbeinig wie jener Pedro vom Wagenhof, bärtig und abgerissen. Ja, man sieht ihm an, daß er ein alter Gold- und Silbersucher ist. Als er auftaucht, starren sie ihn alle an wie ein Kalb mit zwei Köpfen. Sogar lsabel King staunt, denn sie kann nicht glauben, was sie vorhin hörte und sich jetzt abzuspielen beginnt. Sie kann es einfach nicht glauben. Denn es kam ja wie bestellt. Solche Zufälle gibt es nicht. Das weiß sie zu gut. Sie wittert etwas, und ihr Blick streift mißtrauisch über Syc Shannons Gesicht, als dieser hinter Joe Stag an ihr vorbei zum Schanktisch geht. Dort hat Täte Brown schon einige Biergläser für die Gäste am Tisch gefüllt. Aber er schiebt dem kleinen Mann und Syc bereitwillig zwei Gläser zu. Als sie trinken, fragt er: „Haben meine Ohren richtig gehört? Hast du Silber gefunden, Lucky Joe? Du bist doch Lucky Joe, nicht wahr? Du warst doch schon mehrmals hier, als Mesa City noch lebendig war oder?" „Ich bin Lucky Joe", grinst dieser und verlangt ein zweites Glas. Am Tisch aber erheben sich die Fahrgäste. Es sind neun, denn diesmal ist die Kutsche aus Nogales voll besetzt. Sechs Männer und drei Frauen kamen. Sie erheben sich fast alle, kommen zum Schanktisch. Einer der Männer fragt: „He, haben Sie Silber gefunden?" Joe Stag grinst zwischen seinem Bartgestrüpp. „Und ob", sagt er. Dann greift er in die Satteltasche, die er nun an einer Seite etwas aufschnallt. Er holt einen faustgroßen Brocken hervor und reicht ihn dem Frager. „Ist das Silber?" „Ja", sagt der Mann. „Da kenne ich mich aus. Das ist Silbererz! Oha, das muß ja ein tolles Vorkommen sein! Ist es hier in der Nähe?" „Warum wäre ich sonst wohl hier?" Joe Stag stellt die Gegenfrage frohlockend.
Dann bekommt er das zweite Glas Bier.
Er trinkt wie ein Verdurstender.
Sie alle warten, bis er das Glas mit einem „Hah!" absetzt.
Er wendet sich an Syc Shannon.
„Ich kann die genaue Lage der Silberader erst dann angeben, wenn ich die Fundstelle auf
meinen Namen registrieren ließ. Eher erfährt niemand etwas. Und . .
.
" „Da können wir Ihnen helfen, Freund", unterbricht ihn Syc Shannon.
„In dieser Stadt gibt's noch einige Bürger, die mich zum Town Marshai wählen können.
Dann bin ich verpflichtet, eine Einwohnerliste zu führen.
Und ich kann auch in Vertretung eines Regierungsagenten ein Claimregister führen.
Dann ist Ihr Anspruch geschützt.
Sie brauchen nicht zu einem anderen Ort, Mister Lucky Joe.
" „Joe Stag", sagt dieser. „Dies ist mein Name, Joe Stag! Und es wird hier ein Silberrun losbrechen, sag ich euch. " Die Fahrgäste staunen immer noch. Zwei der Männer sagen spontan: „Wir bleiben hier! Oha, wir fahren gar nicht mehr weiter!" Die anderen haben es plötzlich eilig, auch die Frauen. Sie laufen immer wieder hinaus, um zu sehen, ob nicht bald . die Kutsche kömmt. Sie schlingen die belegten Brote und gießen den heißen Kaffee hinunter, können gar nicht ruhig sitzen. Es ist sicher, daß sie nicht nur die Kunde vom Silberfund verbreiten werden, sondern sich irgendwo auszurüsten gedenken, um dann wieder zurückzukommen. Wie jedoch die beiden Männer, die schon jetzt nicht mehr mit der Postkutsche weiterfahren wollen, sich für die Gold- und Silbersuche ausrüsten und auf die Suche gehen können, ist vorerst ihr Geheimnis. Denn bei der Poststation und dem Wagenhof gibt es gewiß keine Reittiere für sie.
Aber sie sind schon jetzt vom Silberfieber gepackt.
Als dann die Kutsche endlich kommt und auch die beiden Männer der Postgesellschaft
erfahren, was sich inzwischen ereignet hat, da staunen sie gewaltig. Und sie lassen sich anstecken von der Ungeduld der Passagiere. Sie schütten sich nur ein Glas Bier in den Hals und nehmen ein belegtes Brot in die Hand. Kauend klettern sie auf die Kutsche, in der sich die Fahrgäste drängen, so, als befürchteten sie, keinen Platz mehr zu bekommen, obwohl sogar zwei Plätze frei wurden. Einer der Fahrgäste ruft durch das offene Fenster: „Wir kommen bald wieder! Wir rüsten uns aus, daß wir auch lange genug bleiben können!" Und ein anderer Fahrgast ruft: „Ich bin Händler! Ich habe Stores in einem Dutzend Städten! Ich werde auch hier wieder einen eröffnen! Ich komme mit einem ganzen Wagenzug zurück!" Dann saust die Kutsche los. Die beiden Fahrgäste bleiben mit lsabel King, Syc Shannon und Täte Brown'zurück.
Lucky Joe Stag steht drinnen am Schanktisch und trinkt Bier.
Pedro ist noch bei den Corrals, um das ausgewechselte Gespann zu versorgen.
Er weiß noch gar nichts.
Die beiden zurückgebliebenen Fahrgäste bewegen sich ungeduldig, so, als würde ihnen
unter den Sohlen der Boden zu heiß. Einer sagt: „Ma'am, mein Name ist Skinner, Charly Skinner. Das ist mein Partner Pat Selby.
Wir können doch sicherlich Proviant von Ihnen bekommen, Ma'am, ja?" Sie nickt.
„Ein wenig", sagt sie.
„Aber ihr werdet eine Menge selbst zusammensuchen müssen in den verlassenen Gärten
und auf den nahen Feldern. Es gibt hier noch genug zu ernten. " Syc mischt sich ein. „Ihr habt keine Ausrüstung und werdet auch keine Pferde bekommen. Ihr seid ziemlich leichtsinnig und glaubt wohl nur an euer Glück. " Skinner und Selby nicken. „So haben wir's immer gehalten, Mister", sagt Selby. „Und diesmal können wir besonders stark wittern, daß wir vor dem allergrößten Coup stehen. Wenn wir nur erst wüßten, wo dieser Vollbart seinen Silberfund machte. Dann könnten wir uns die beiden Nachbarclaims abstecken. Seid ihr nicht auch alle interessiert? Wollen wir nicht hineingehen und ihn fragen? Wie war doch der Vorschlag? Wir könnten Sie zum Town Marshai wählen. Dann .
.
.
" „Schon gut", unterbricht ihn Syc Shannon und geht hinein.
Sie alle folgen ihm.
Lucky Joe Stag steht nun hinter dem Schanktisch und schenkt sich selbst das Bier ein.
Er grinst zwischen seinem Bartgestrüpp und sagt: „Ich sauf das Zeug, bis es mir aus den
Ohren rausläuft. Und ich hab' gewiß alles frei, weil ich doch eine solch gute Nachricht brachte. Diese Stadt wird in wenigen Tagen so lebendig sein wie kochende Bohnensuppe in einem Kessel. Hab ich da nicht ein ganzes Faß Bier verdient?" lsabel sieht ihn nachdenklich an. Dann geht ihr Blick zu Syc Shannon. Ja, man spürt irgendwie, daß sie instinktiv zwischen diesen beiden Männern ein Komplott vermutet. Wieder sieht sie Lucky Joe an, nickt endlich. „Sicher", sagt sie, „das ist wohl so, Joe. Sie haben ein ganzes Faß Bier verdient. Doch wir sollten nun zur Sache kommen. Auch ich bin dafür, daß die Bürger von Mesa City einen Town Marshai ernennen. Und wir sind die Bürger. Wenn wir Pedro holen, sind wir vollzählig und können beschließen. Täte, lauf und hol Pedro! Und hier. .
.
" Sie geht hinter den Schanktisch und zieht dort eine Schublade auf, holt ein Buch hervor.
„Ich hab' zwei davon bringen lassen", sagt sie.
„Für die Einnahmen und Ausgaben.
Du kannst dieses bekommen, Syc.
Denn du wirst jetzt das Einwohnerregister zu führen haben.
Und dann kannst du auf gesonderten Seiten auch all die Claims registrieren.
In einem der Häuser befindet sich ja noch das einstige Office des Town Marshals mit dem
Gefängnis. Du solltest alles wieder in Gang bringen.
Ich bin neugierig, wo Lucky Joe Stag seinen großen Silberfund gemacht hat. " Als sie die letzten Worte spricht, kommt in ihre Stimme deutlich hörbar der Klang von Skepsis. Täte Brown aber, der inzwischen zur Tür eilte, sagt von dort: „Da kommt Pedro schon. Ich brauch ihn gar nicht zu holen. Da kommt er!" Und er kehrt nach diesen Worten zum Schanktisch zurück, um auch wirklich nichts zu verpassen von den seiner Meinung nach ungemein wichtigen Begebenheiten. Syc Shannon aber tritt an den Schanktisch, nimmt das Buch und läßt sich von lsabel Tinte und Federhalter geben. Er schreibt auf die Kladde: „Register der Stadt Mesa City, . Mai bis. .
.
Indes er schreibt, tritt Pedro ein.
„Was ist denn los?" fragt er.
Täte Brown erklärt es ihm, indes Syc Sharnnon das Einwohnerregister anlegt.
Nachdem er alles niedergeschrieben und vorgelesen hat, schlägt er die Hälfte der
Kladdenseiten um und beginnt mit der Überschrift: Claimregister. Dann sieht er auf Lucky Joe Stag und ,:sagt: -* „Also, Joe, jetzt mußt du Farbe bekennen. Wo ist deine Fundstelle?" Als er es gesagt hat, wird es unheimlich still im Saloon. Sie scheinen alle den Atem Lucky Joe Stag setzt das Bierglas ab. „Ich war so ausgetrocknet wie ein Schwamm in der Wüste", sagt er. „Jetzt fühle ich mich schon wieder etwas feuchter. Wo meine Fundstelle liegt? Nun, wir werden von unserem Vier-Mesa-Gebiet gewiß noch eine genaue Karte machen müssen. Mein Claim ist die alte, langst aufgegebene Hidalgo-Mine in der Südwand der südöstlichen Mesa. Ich habe diese verlassene Mine wieder in Besitz genommen. Zufällig kroch ich darin umher und klopfte gegen eine Wand. Da stieß ich auf die Silberader. In dieser Mesa muß noch eine Menge Silber sein. Vielleicht sollte man neben dem alten Stollen noch andere in den Riesenklotz treiben. Das wäre gewiß eine gute Idee. " „Das werden wir bestimmt tun morgen schon, wenn wir uns hier ausgerüstet haben", sagt Charly Skinner, Und sein Partner Pat Selby nickt heftig • Am nächsten Morgen sehen die paar Menschen in Mesa City die beiden Männer zur südöstlichen Mesa aufbrechen. Sie ziehen beide einen kleinen, notdürftig reparierten Handwagen.
Und sie haben auch einiges Werkzeug gefunden in den verlassenen Häusern und
Schuppen der Stadt. Sie besitzen einige Hacken und Schaufeln, Brechstangen, Hämmer und Meißel. Eigentlich fanden sie mehr Werkzeug, als sie vorerst benötigen. Lucky Joe Stag blieb als einziger im Saloon. lsabel steht neben Syc Shannon. Sie blickt ihn von der Seite an. „Joe säuft wie ein Loch", sagt sie. „Wie kann ein kleiner Mann nur soviel Bier schlucken, ohne darin zu ertrinken? Wenn Täte Brown soviel Schnaps vertilgen würde wie dieser Joe Bier . . . Oooh! Und überhaupt.
. . Ich hab' die ganze Nacht nachdenken müssen, Syc. He, stimmt auch alles mit Joe Stags Silberfund? Sag mir nun die Wahrheit, Mister!" Er zögert. Und er blickt dabei in ihre funkelnden Augen. „Ich sag lieber nichts", murmelt er schließlich. „Und jetzt geh' ich, um das Marshal's Office und das Gefängnis in einen brauchbaren Zustand zu bringen. Ich habe zu tun, Lady. " Er geht davon. Sie aber stapft mit dem Fuß auf die Bohlen der Veranda und ruft ihm nach: „Oh, du davonschleichender Fuchs, du wirst schon noch Farbe bekennen! Du kannst nicht ewig um den heißen Brei schleichen. " Nach diesen Worten sieht sie auf Täte Brown und Pedro Gonzales, die in der Nähe stehen und alles beobachten. „Glaubt ihr auch, daß dieser Lucky Joe Silber in der alten Mine gefunden hat?" fragt sie spöttisch. „Warum nicht?" Pedro Gonzales zuckt die schmalen Schultern. „In diesem Land gibt es gewiß noch eine Menge Gold und Silber - und warum nicht in einer alten Mine? Alles ist möglich. Ich habe mal gehört, daß ein Mann seinen toten Hund begraben wollte. Er riß am Rand eines Abhanges einige Büsche aus. Und was hing an den Wurzeln? Silber! Es ist alles möglich in diesem Land. " lsabel bleibt mißtrauisch. Sie weiß nicht, ob diese beiden Burschen mit Syc und Joe unter einer Decke stecken. Doch ihr weiblicher Instinkt sagt ihr immer wieder, daß etwas nicht stimmt, weil das Glück so maßgerecht zur Stelle ist. Denn dieser angebliche Silberfund kam wie auf Bestellung. Nachdenklich geht sie in den Saloon zurück. Lucky Joe prostet ihr mit einem halbvollen Bierglas zu. Ihr Lächeln ist grimmig. Sie denkt: Ich werde ihm geriebene Fuchsleber in das Bier schütten, damit der vom Örtchen im Hof nicht mehr herunterkommt. Dieser Tag vergeht in Mesa City ohne besondere Vorkommnisse. Es kommen auch keine Besucher. Syc Shannon arbeitet emsig, um das einstige Marshal's Office und den Zellenraum mit den drei Gitterkäfigen wieder in bewohnbaren Zustand zu bringen. Aber es ist eigentlich alles noch recht gut erhalten. Diese Stadt wurde ja erst vor weniger als einem Jahr aufgegeben. Es ist vor allen Dingen Staub zu entfernen, das Dach zu reparieren, die wenigen Möbel sind neu aufzustellen, zu säubern, zu ergänzen. Er findet genügend brauchbare Gegenstande in den verlassenen Häusern. Die Leute konnten damals auf ihren Wagen nicht alles mitnehmen. Die Transportkosten wären zu hoch gewesen. Syc findet einen brauchbaren Holzsessel mit bequemer Lehne und einen Schaukelstuhl. Ihn stellt er vor die Tür. Dann geht er zum Mittagessen in den Saloon. lsabel hat den Tisch schon gedeckt. Sie blitzt ihn an.
Irgendwie hat sie Lunte gerochen, denkt Syc Shannon. Und irgendwann werde ich ihr sagen müssen, daß Lucky Joe nur mein Kumpan ist, der mir mit einer großen Lüge hilft, Menschen nach Mesa City zu locken. Und der Klumpen Silbererz stammt nicht aus der alten Mine, sondern ist für Joe nur ein Erinnerungsstück aus besseren Zeiten. In seinen Satteltaschen waren sonst nur Steine. Oha, ich bin ein verdammter Lügner. Aber was sollte ich tun? Mesa City darf nicht sterben. Es muß voller Menschen sein, wenn Paco Jacintio mit seinen Banditen kommt. Dies also sind Shannons Gedanken, indes er sich zu den anderen Essern an den Tisch setzt. Und er weiß, daß auch diese ähnlichen Gedanken nachhängen. Sie alle fürchten sich vor diesem Banditen und seiner Bande, besonders lsabel. Ja, wenn sie hier nicht fort wollen, dann ist eine Stadt voller neuer Burger wahrhaftig etwas, das Paco Jacintio davon abhalten kann, herzukommen. Als es Abend wird, kommt lsabel zu Syc Shannon, der vor seinem Office im Schaukelstuhl sitzt und in die Dunkelheit lauscht, die nur beim Saloon und bei der Postagentur von Lichtbahnen erhellt wird. Sie bringt ihm Bettzeug aus ihren eigenen Beständen.
Sie gehen hinein.
„Du wirst wohl jetzt hier schlafen", sagt sie wie selbstverständlich.
Er nimmt ihr das Bettzeug ab, legt es weg und umfaßt sie.
„Eigentlich wurde ich lieber bei dir schlafen", scherzt er.
„Doch das geht wohl nicht, solange wir nicht verheiratet sind, oder?" Es ist dunkel im
Raum, denn es brennt nicht mal eine Kerze. Aber durch die offene Tür und die Fenster fallt etwas Mond- und Sternenlicht herein, gerade ausreichend, daß sie sich aus nächster Nahe ansehen können. Er hält sie fest in seinen Armen, und sie lehnt sich auch gegen ihn, so, als suchte sie seine körperliche Nähe. Durch die Kleidung spuren sie ihren Herzschlag. Sie bietet ihm den Mund. Und er küßt sie; lange, sehr lange. Doch dann holt ihr Mißtrauen sie wieder ein. Ihre Vernunft gewinnt plötzlich die Oberhand. Und sie erinnert sich wieder an all ihre Lektionen. Sie erinnert sich wieder an den Vorsatz - nein, es war ein Schwur, daß sie nie wieder jemandem vertrauen will. Sie lost sich von Syc Shannon. Und er gibt sie auch sofort frei, versucht nicht, sie zu halten. „Was ist?" Sie weicht bis zur Wand zurück und lehnt sich dagegen. „War das vorhin ein Heiratsantrag?" fragt sie merkwürdig ruhig. „Und wenn?" gibt er zurück. „Dann kommt er zu früh", erwidert sie. „Denn ich bin ein gebranntes Kind. Ich traue niemandem mehr. Du bist mir auch nichts schuldig, weil ich dich gesundgepflegt habe. Und dann habe ich fortwährend das Gefühl, daß du mir etwas verschweigst und . . . Aaah, es hängt mit Lucky Joe und dem Silberfund zusammen.
Ich kann spüren, daß da etwas nicht stimmt.
Warum sagst du es mir nicht?" „Schon gut", unterbricht er sie.
, Und dann setzt er sich im Dunkeln auf .
'die Tischkante und verschränkt die Arme über der Brust. Er erzählt ihr alles und schließt mit den ""^Worten: „Gewiß, Lucky Joes großer Silberfund ist ein Bluff. Sicherlich ist es auch nicht . 'redlich, Menschen nach Mesa City zu locken auf diese Weise. Doch es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit Silber und Gold in desem Land. Schon die alten Spanier fanden das Zeug, und danach fand man es immer wieder. Wenn hier genügend Mengen nach Silber oder Gold suchen, wird irgendwann auch größere Funde gemacht. Es ist für Mesa City natürlich ein Glücksspiel. Aber du bist also ein Spieler", unterbricht sie ihn. „Vielleicht sollte ich dir dennoch dankbar sein - schon allein deshalb, Weil auch ich ja hier betrogen wurde, als ich glaubte, einen Saloon in einer lebendigen Stadt zu übernehmen. Oh, Syc .Ich tat es auch aus anderen Erwägungen", unterbricht er sie ruhig. „Ich will Mesa City wieder lebendig machen. Und vielleicht kann ich das, wenn viele der Leute, die jetzt herkommen, um Gold und Silber zu suchen, um Geschäfte zu machen, hier bei uns bleiben. Vielleicht werden die verlassenen Farmen, Ranches und Siedlerstätten wieder bewirtschaftet. Ich bin hier Marshal. Und ich kann eine Menge tun in dieser Stadt. Und dann noch etwas, mein Mädchen. Eigentlich steht es an erster Stelle. " Er macht eine kleine Pause. Aber lsabel King fragt nichts. Und so sagt er: „Wenn Paco Jacintio mit seiner Horde kommt, um mit dir zu würfeln, dann wird er sich vorsehen müssen. Dann muß es in dieser Stadt schon eine Menge Menschen geben, die es nicht zulassen, daß ein Bandit sich hier nimmt, was er möchte. Verstehst du?" Sie verharrt noch einige Atemzüge. Dann sagt sie ruhig: „Ja, ich verstehe. Aber wir haben kein Glück in Mesa City. Ich glaube es nicht. Ich überlege die ganze Zeit, ob ich nicht mit den neunhundert Dollar, die mir von der ausgesetzten Belohnung blieben, einfach fortgehen sollte, schon mit der nächsten Kutsche. " Nach diesen Worten stößt sie sich von der Wand ab und geht zur Tür. Dort hält sie noch einmal inne, spricht über die Schulter in den fast völlig dunklen Raum zurück: „Syc, vor zwei oder drei Jahren hätte ich deinen Antrag angenommen, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Vielleicht bin ich eine dumme Gans, die ihre letzte wirkliche Chance verpaßt, aber. . . " Sie spricht nicht weiter, sondern geht hinaus. Draußen wendet sie sich der Lichtbahn zu, die aus ihrem Saloon quer über die Fahrbahn fällt. Ein paar Tränen rinnen über ihr Gesicht. Und sie denkt immer wieder: Wenn ich doch nur wieder an einen Mann glauben könnte.
An diesem Abend - es ist schon fast völlig dunkel - erreichen die beiden Männer mit ihrem Handwagen die Südwand der südöstlich gelegenen Mesa. Den ganzen Tag waren sie unterwegs, obwohl es den Anschein hatte, daß die Mesa nur wenige Meilen entfernt liegt. Aber es sind dann doch fast zehn Meilen, die sie zurücklegen mußten. Im allerletzten Licht des verglühenden Westhimmels erkennen sie noch den Stolleneingang der alten Hidalgo-Mine, in der Lucky Joe Stag die neue Silberader entdeckt haben will. Ein Pfahl ist davor in den Boden gerammt. Charly Skinner muß schon ein Schwefelholz anzünden, um auf dem Brett, welches an den Pfahl genagelt ist und von einer Kiste stammt, lesen zu können: „Lucky Joes Mine Bes. Joe Stag. " Dann verlischt das Flämmchen. „Ob wir eine Kerze anzünden und hineingehen, um uns die Silberader anzusehen?" Pat Selby fragt es begierig. „Nein", sagt Charly Skinner sofort. „Wir können es uns nicht leisten, Ärger zu bekommen - jetzt noch nicht. Wenn Lucky Joe morgen kommt, werden wir ihn bitten, daß er uns seine Silberader zeigt. " „Na gut", brummt Pat Selby. „Und Wo fangen wir morgen bei Tageslicht mit der Suche an? Wo schlagen wir unsere Spitzhacken ein?" „Es wird reine Glückssache sein", erwidert Charly Skinner. „Und wir werden uns etwas ausdenken müssen, um diesem Glück die Chance zu geben, uns den richtigen Platz zu weisen. Jetzt bin ich müde. Laß uns ein Feuer anzünden und Kaffee kochen. Zumindest Kaffee möchte ich noch haben nach diesem verdammt harten Tag. Jetzt weiß Ich, wie einem Esel zumute ist, der einen langen Tag bei größter Hitze einen Wagen ziehen muß. Heiliger Rauch, was war das für eine Schinderei! Wenn sie sich wenigstens lohnt. . . " Sie rasten in der Nähe des Stolleneingangs dicht an der aufragenden Mesa- wand, machen ein Feuer und legen sich bald schon erschöpft zur Ruhe. Vor dem Einschlafen sagt Charly Skinner noch: „Wir müssen irgendwo in der Nähe Wasser finden. Sonst wird alles noch schwerer. " Sein Partner brummt nur. Er schläft schon halb. Die Nacht vergeht ohne Zwischenfälle, und an Wolfs- und Kojotengeheul sind die beiden Männer gewöhnt. Sie nächtigen nicht zum ersten Male unter freiem Himmel. Noch vor Sonnenaufgang werden sie wach, weil das Feuer ausgegangen ist und die Morgenkälte sie zwickt. „Dieses verdammte Land", schimpft Charly Skinner. „Am Tage schwitzt man wie ein Affe, und in den Nächten friert man wie ein nackter Hund im Blizzard. Verdammt, warum lassen sich diese Gegensätze nicht mildern?" „Weil dies ein verdammtes Land ist", knurrt Pat Selby. Bald schon haben sie ein Feuer in Gang und kochen Kaffee. Sie braten auch etwas Speck und einige Maispfannkuchen, sogenannte Tortillas.
Dabei und auch später beim Frühstück sprechen sie kein Wort. Erst als sie fertig sind mit dem Kauen, sagt Skinner: „Also, erst müssen wir nach Wasser suchen. Dann kommt das Silber an die Reihe. " Er erhebt sich und nimmt die leeren Wasserflaschen, dazu eine Hacke und eine Schaufel. „Nimm du den Hammer und die Meißel", sagt er zu Selby. „Vielleicht müssen wir eine Felsspalte etwas vergrößern, damit das Wasser schneller rinnen kann. Na komm schon, alter Junge!" Er geht voraus. Als Selby ihm dann folgt, holt er ihn bald ein. Denn Skinner steht vor einer kleinen Felsspalte, aus der es heraustropft. „Vielleicht sollten wir es gleich mal hier , versuchen", sagt er zu Selby und läßt Wasserflaschen und Schaufel fallen, behält ; nur die Spitzhacke in den Händen. Er schwingt sie weit zurück und schlägt die Spitze in die Felsspalte. Sie fährt tief in das morsche Gestein. Nun benutzt er den Hackenstiel als Hebel, und er bricht auf diese Weise tatsächlich eine Menge Gestein weg, ja, er muß sogar fluchend zurückspringen, weil ihm die Steine sonst gewiß die Beine zerschmettern würden. Dann starren sie beide auf die verbreiterte Spalte. Das Wasser tropft nun etwas stärker. Doofi das ist nicht der Grund, warum die beiden Männer mit offenen Mündern und aufgerissenen Augen dastehen. Es kriecht auch nicht etwa eine Schlange aus der Spalte. Nein, es ist etwas anderes. Beide Männer haben schon in Gold- und Silberminen gearbeitet. Und sie wissen genau, wie Silbererz aussieht, welches man auf trockenem Wege abbauen kann. Charly Skinner und Pat Selby wischen sich wie auf Kommando über die Augen. Dann sehen sie sich an und schütteln die Köpfe. Selby sagt mit zitternder Stimme: „Nein, das gibt's doch nicht! Charly, du solltest mir vielleicht eine runterhauen, damit ich aufwache. Denn ich sehe etwas, was es nicht geben kann. Es kann nicht sein, weil es keine Wunder gibt und wir noch nie zu den Glückspilzen gehörten. Also, hau mir eine!" Er beugt sich vor und hält Skinner die Wange hin. Aber Charly Skinner schüttelt den Kopf. „Ich seh es auch", sagt er. „Und wir sind nach dieser Nacht gewiß nicht betrunken. Ich sehe es auch, Pat! Und jetzt. .
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" Er verstummt und holt wieder mit der Spitzhacke aus.
Mit aller Kraft schlägt er immer wieder auf das graue Erz ein, welches da und dort rötlich schimmert. Es ist weich, und er löst mit einem Schlag der Spitzhacke soviel, daß sie ihren kleinen Wagen damit füllen könnten. Als er nicht mehr kann, weil die Anstrengung zu groß ist, hält er keuchend inne. Sein Partner aber stürzt nun vor und hebt einige Brocken auf, bringt sie ihm. Und dann fallen sie sich in die Arme, brüllen und tanzen umher.
Es ist erst früher Nachmittag, als Pat Selby in die Stadt und zu Syc Shannon ins Office kommt. Er muß rasch marschiert sein. Syc Shannon ist dabei, die Adobewände von innen abzudichten, also alle Risse und Löcher auszuschmieren. Er wird dann den ganzen Innenraum mitsamt dem Gefängnis weiß tünchen. Als Pat Selby schwitzend und atemlos auftaucht, betrachtet er ihn prüfend und erkennt sofort, daß etwas geschehen sein muß von großer Tragweite. Selby sagt: „Ich komme, um eine weitere Silberader registrieren zu lassen als Entdeckerclaim. Es ist doch so, daß man als Entdecker dem Verlauf einer Silberader folgen kann, nicht wahr?" „So ist es", erwidert Shannon, und er staunt nicht besonders lange. Er hat schon viele Geschichten über die Entdeckung von Gold- und Silbervorkommen gehört. Er weiß längst, daß es da unmögliche und auch wunderbare Geschichten gibt. Das Glück macht unmögliche Dinge möglich. Syc Shannon läßt sich nicht anmerken, wie sehr er innerlich aufatmet. Oh, er hatte gehofft, daß man irgendwann im Gebiet rings um Mesa City wieder Silber oder gar Gold finden würde, wenn nur möglichst viele Menschen danach suchten. Daß es so schnell gehen würde, hatte er sich im Traum nicht einfallen lassen. Er läßt sich nichts anmerken. Er sagt nur nach einer Weile ruhig: „Meinen Glückwunsch, Mister Selby. Es war also doch gut und richtig, daß ihr zwei nicht weitergefahren seid. Ihr müßt euer Glück tatsächlich gewittert haben. " Er geht zum Tisch in der Ecke des Raumes, setzt sich dahinter und schlägt das Buch auf. „Also, dann muß ich die genauen Angaben haben, um die Fundstelle auf eure Namen registrieren zu können. " „Einhundertsiebenundfünfzig Fuß westlich der alten Hidalgo-Mine auf der südlichen Seite der südöstlichen Mesa. " Pat Selby schnurrt es nur so herunter. „Watersprings-Mine nennen wir den Fundort. " Damit verstummt er. Syc Shannon macht die Eintragung. Dann verlangt er drei Dollar Schreibgebühr und gibt Pat Selby eine Quittung der Eintragung mit Registriernummer. „Und jetzt?" Pat Selby grinst. „Jetzt geh ich zur Poststation und mach eine lange Liste. Wenn die Postkutsche kommt, geht diese Liste mit. Und dann kommen für die Watersprings-Mine einige Frachtwagen voll schöner Dinge. Wir werden Arbeiter anwerben. Die Frachtwagen müssen das erste Silbererz mitnehmen. Ja, i wir müssen es vorerst noch so verkaufen, l Bald werden wir es selbst zu Barren gie- j ßen. Oho, wir wissen nicht, wie groß Lucky Joe Stags Silberader ist und was dieser alte ' Vollbart machen wird, aber wir kommen jetzt mächtig in Gang, jawohl! Und jetzt wird mir der Mann von der Poststation wohl endlich ein Pferd verkaufen oder j zumindest ausleihen. " „Ja, das wird er wohl", -grinst Syc Shannon. „Ihr seid ja ab heute für die Post- und ? Frachtgesellschaft wichtige Kunden. Ganz sicher hat er ein Pferd für Sie, Mister Selby. Und nochmals meinen herzlichen Glückwunsch.
" Pat Selby grinst, lacht, schlägt sich auf die Schenkel. „Wir werden uns alle noch herrlich besaufen", verspricht er. „Doch ich will heute noch zurück zu meinem Partner. " • Er geht zur offenen Tür, wendet sich dort um. „Diese Stadt", sagt er, „wird von der Watersprings-Mine finanzielle Unterstützung erhalten, schon allein, um Sie zu bezahlen, Marshai. Bald werden Sie Gehilfen nötig haben. Oha, wir wissen genau, in was Mesa City sich verwandeln wird, wenn erst die Wilden die Oberhand bekommen. " Er eilt nun hinaus. Syc Shannon bleibt nachdenklich zurück. Er wischt sich über das Gesicht und schüttelt immer wieder den Kopf. „Also gibt es doch noch Glück in Mesa City", murmelt er schließlich und nimmt die Arbeit wieder auf. Er ist jedoch nicht lange allein. Es spricht sich unter den paar Leuten in Mesa City schnell herum. Zuerst kommt lsabel. „Da habt ihr aber Glück gehabt, ihr zwei Lügner", sagt sie. Er grinst. „Also doch Glück in Mesa City, nicht wahr? Alles läuft prächtig. Was willst du noch, Grünauge? Möchtest du mich jetzt heiraten, sobald jemand kommt, der uns trauen kann? Ich wette, wir werden bald hier einen Richter wählen und eine Bürgerwehr aufstellen müssen. " Ihre Augen werden schmal. Er weiß, daß sie an Paco Jacintio denkt. Und er hört sie dann sagen: „Ja, ich wäre froh, wenn in Mesa City bald mehr als hundert Bürger wohnten - mehr als hundert müßten es sein. Dann würde Jacintio wahrscheinlich nicht mehr kommen. Oder?" Er nickt langsam. Und er erkennt, daß sie Angst hat. „Hast du ein ungutes Gefühl?" fragt er. „Wenn ja, seit wann?" „Es kam ganz plötzlich", sagt sie. „Und ich habe Angst um dich! Misch dich nur nicht ein, wenn er kommen sollte, bevor du genügend Helfer findest. Denn ich werde mir ganz allein helfen. Jawohl, ich kann das!" •fr Zwei Tage später kommt Paco Jacintio mit Steve Shallaco und der ganzen Bande. Es sind sogar noch ein paar Reiter mehr. Sie sind fünfzehn Mann. An einem späten Nachmittag kommen sie nach Mesa City hereingeritten, so, als wären sie eine Ranchmannschaft, die sich einige vergnügte Stunden im Saloon einer klei'ften Stadt machen möchte. lsabel King hat die Mittagshitze abgewartet und will in den Garten hinter dem Saloon gehen, um dort bei den Gemüsebeeten zu arbeiten. Sie trägt ein blaues Leinenkleid, einen großen Strohhut und hat schon Handschuhe angezogen. Täte Brown steht vor dem Saloon auf einer Leiter. Er ist dabei, die Fassade zu tünchen. Als er die Reiter kommen sieht, will er einen Ruf ausstoßen.
Doch auch lsabel hat schon den Hufschlag gehört und kommt durch den Vordereingang heraus. Sie erkennt Paco Jacintio sofort an der Spitze. Und sie zieht die Handschuhe aus, nimmt den Hut ab und ordnet ihr rabenschwarzes Haar, zu dem ihre grünen Augen einen so reizvollen Kontrast bilden. Es ist Bitterkeit in ihren Augen, aber keine Furcht. Indes sie den Reitern entgegenblickt, kommt ein Funkeln in diese Augen. Sie wandeln sich in ihrem Ausdruck. Die Bitterkeit scheint der Entschlossenheit zu weichen. Täte Brown kommt von der Leiter, verharrt neben ihr. Er fragt: „Soll ich Syc Shannon Bescheid sagen?" „Das brauchst du nicht, Täte", erwidert sie. „Der kann ein Wolfsrudel wittern wie ein erfahrener Jäger. Der weiß gewiß längst, daß sie in der Stadt sind. Ich kann nur hoffen, daß er sich nicht blicken läßt. " Täte Brown schluckt mühsam und nickt. Aber dann fragt er: „Und was kann ich tun, Boß? Ich hab' bei diesen Kerlen ja wohl die Narrenfreiheit des Säufers. Die wissen ja nicht, daß ich mich gewiß schon gewaltig gebessert habe, weil Sie einen solch starken Einfluß ,auf mich haben, Ma'am. Was soll ich tun?" „Geh hinein", sagt sie, „und füll schon die Biergläser. Denn sie werden durstig sein, diese Banditen. Erwarte sie mit kühlem Bier. Wir müssen uns mit ihnen gut stellen. " Die Reiter sind nun vor dem Saloon angelangt. Sie halten an. Paco Jacintio lacht blinkend zwischen seinem Bart. Er schwingt den Hut wie ein spanischer Grande und verneigt sich im Sattel. „Ay, meine Schöne, du Rose mit den grünen Augen - da bin ich wieder! Freust du dich, den lieben Paco wiederzusehen?" lsabel bleibt ganz kühl. „Sollte ich mich freuen?" fragt sie zurück. „Sag mir doch, ob ich Grund zur Freude habe. Denn wie kann ich das wissen, da ich doch nicht voraussehen kann, was du hier tun wirst? Oder kann ich davon ausgehen, daß sich der berüchtigste Bandit zu beiden Seiten der Grenze wie ein echter Hidalgo benehmen wird? Nun, wenn das so ist, habe ich vielleicht wirklich einen Grund zur Freude. Sag's mir, Paco Jacintio!" Er lacht blitzend. Dann aber sitzen sie ab. Zwei von ihnen bringen die Pferde zum Wagenhof, wo es Wassertröge und Futter gibt. Unter Paco Jacintios Führung kommen die abgesessenen Reiter auf die Saloonveranda. Als der Banditenführer bei lsabel ist, hält er inne und bietet ihr mit einer Verbeugung den Arm, so, als wolle er sie zu einer Polonaise führen. Seine,Männer bis auf Steve Shallaco machen es ihm nach. Da sie keine Damen zur Verfügung haben, übernimmt die Hälfte seiner Männer diesen Part. Ja, sie sind eine miese Bande, die ihre Macht ausnutzt und gewiß bald richtig über die Stränge schlagen wird. Drinnen hält Täte Brown schon die gefüllten Biergläser bereit. Sie stürzen sich darauf, johlen dabei, stoßen einander. Auch Paco Jacintio trinkt durstig.
Er streicht sich dann den Schaum aus dem Bart und nickt lsabel zu. „Du bist klug", sagt er. „Und du willst dich gut mit uns stellen! Nun, dann komm her und begrüß mich! Komm!" Er breitet die Arme aus. Aber sie bewegt sich nicht. Nur ganz leicht, fast mitleidig, schüttelt sie den Kopf. Die ganze Bande beobachtet sie. Und für Paco Jacintio geht es jetzt auch um das Prestige. Sie sagt: „Paco, wenn du's mir befiehlst, dann komm ich in deine Arme und dann werde ich dich auch küssen müssen, weil es dein Befehl ist. Aber du solltest dir doch überlegen, was dir lieber ist. Denn immerhin hättest du die Chance, daß ich dich freiwillig küsse und ohne Befehl in deine Arme komme, wenn ich dich erst besser kenne und du mir Zeit läßt. Was also willst du? Möchtest du von mir Zärtlichkeiten, wie du sie von jeder Puta für Geld bekommen kannst? Oder möchtest du's versuchen wie ein Mann, der . . . " „Schon gut", unterbricht er sie, „schon gut, mein Täubchen! Wir sind lange geritten! Wir haben Hunger und sind immer noch durstig! Bewirte uns! Denn du weißt ja, daß wir dir nichts stehlen, sondern für alles bezahlen. Doch zuerst sag mir, wie das hier ist mit den Silberfunden. He, ist das nicht Lucky Joe? Wir haben schon unterwegs gehört, daß er der glückliche Entdekker einer Silberader sein soll! Das spricht sich herum im ganzen Land. He, Lucky Joe, warum trinkst du hier Bier, statt deine Silberader auszubeuten?" Lucky Joe Stag stand die ganze Zeit ruhig am entferntesten Ende des langen Schanktisches, halb schon unter der nach oben führenden Treppe verborgen. Nun hebt er sein Glas. „Key, Paco Jacintio", sagt er. „Erinnerst du dich noch daran, daß wir mal in der Apachenwüste an meinem Feuer zusammen eine gebratene Klapperschlange verzehrt haben? Ich gab dir die Hälfte davon ab. Sonst wärst du verhungert. Du warst noch sehr jung damals und noch nicht der große Paco Jacintio. Erinnerst du dich?" „Si", nickt Paco. „Du warst gut zu mir, und ich war damals kaum mehr als ein Junge. Aber ich war schon so hart und mutig wie ein fertiger Mann - oder?" „Das stimmt", bestätigt Lucky Joe. „Du hattest einen Pfeil im Rücken und keine Patronen mehr. Ja, man konnte damals schon erkennen, daß etwas aus dir werden würde. Nun gut, du fragst mich nach meiner Silberader und warum ich jetzt hier an der Bar stehe und nicht arbeite. Hey, ich habe genug gearbeitet, überall nach Silber und Gold herumgesucht. Jetzt warte ich, bis diese Stadt wieder voller hungriger Burschen ist. Ein paar werde ich als Tagelöhner einstellen und in die alte Mine schicken. Ich selbst rühre keine Hand mehr. Ich kann noch etwas warten auf das Silber. Hätte ich schon einige Barren in eine Schmelze gegossen, hättest du sie mir dann weggenommen?" Paco schüttelt den Kopf. „Nein, Amigo", sagt er.
„Einem Mann, der mit mir in der Wüste eine gebratene Klapperschlange teilte und mich vor dem Hungertod rettete, würde ich nichts wegnehmen. Aber vielleicht möchtest du gern deine Silberader mit mir teilen, so wie damals die Klapperschlange? Na, wäre das etwas? Du stündest dann als mein Teilhaber unter meinem Schutz. Überleg's dir, Lucky Joe. Ich meine es gut mit dir, weil du damals ein guter Companero warst.
" Er wendet sich wieder lsabel zu.
„Für dich habe ich eine besondere Überraschung, Chita", sagt er und grinst dabei. „Komm, setzen wir uns dort drüben an den Ecktisch. " „Das geht nicht", widerspricht sie. „Ich muß mir eine Schürze umbinden und für euch kochen. Du sagtest doch, daß ihr alle Hunger hättet. Komm mit in die Küche, Paco, wenn du in meiner Nähe sein möchtest. " Sie läßt ihn stehen und geht um das andere Schanktischende herum zu der offenen Tür, die in die Küche führt. Paco Jacintio aber schnippt erst mit den Fingern seiner Rechten. „Hurtado, bring mir das Paket", verlangt er, und einer seiner Reiter - es ist ein noch sehr junger, doch verwegen aussehender Bursche - nickt willig und eilt hinaus. Paco Jacintio trinkt erst noch mit seinen Männern. Täte Brown bedient sie wie ein gelernter Barmann, und er wirkt auch nicht mehr wie ein Säufer. Paco Jacintio sieht ihn an. „Du hast dich verändert", sagt er. „Säufst du nicht mehr wie ein Loch alles, das wie Feuer brennt?" „Nein", erwidert Täte Brown, „nur noch so viel, daß meine Hände nicht mehr zittern. Auch das ist noch eine Menge. Es wird lange dauern, bis ich nur noch wenig trinken muß. " Sie alle betrachten ihn staunend. Denn sie können nicht glauben, daß ein Trunkenbold wie Täte Brown sich ernsthaft bemüht, weniger zu trinken. „Ein Wunder", sagt einer. „Das ist ein Wunder. Man kann wohl einem Burschen abgewöhnen, daß er in der Nase bohrt. Aber einem Säufer das Trinken abzugewöhnen, das ist ein Wunder. Wie schaffst du das, Alter?" „lsabel King", sagt Täte Brown fast feierlich, „lsabel King schafft das mit mir. Sie ist die beste Frau auf dieser Erde. Und daran solltet ihr immer denken, wenn ihr hier ihre Gäste seid. " Sie lachen alle durcheinander, trinken und rauchen. Sie beginnen Billard zu spielen. Paco Jacintio blickt immer wieder auf den Durchgang zur Küche, in dem lsabel verschwunden ist. Man hört sie dann und wann mit Töpfen hantieren. Täte Brown verschwindet nun ebenfalls in der Küche, nachdem er alle für eine Weile mit Getränken versorgte. Er wird lsabel helfen, diese hungrige Banditenbande sattzubekommen, bevor sie ungeduldig wird. Aber da nun auch Täte Brown in der Küche ist, verzichtet Jacintio, lsabel dorthin zu folgen.
Der Mann, den er fortschickte, bringt ihm nun das in einen bunten Poncho gehüllte, ziemlich flache Paket. Er nimmt es ihm ab und geht damit zu dem Ecktisch, an dem er ungestört sitzen und dabei den ganzen Raum überblicken kann. Paco Jacintio grinst blitzend. Seine Augen funkeln. Er macht den Eindruck eines Menschen, der schon ganz genau weiß, daß ihm eine ganz besondere Überraschung glücken wird. Er packt das Paket aus. Es besteht aus zwei Teilen. Der größere und flachere Teil ist ein wunderschönes Schachbrett. Es ist die Einlegearbeit eines wirklichen Künstlers. Der andere Teil ist ein kostbar aussehender Karton. Als er ihn öffnet, sind Schachfiguren zu sehen. Und auch diese Figuren sind Stück für Stück Kunstwerke aus den Händen eines Meisters. Es sind Figuren aus Silber und Gold, verziert mit bunten Edelsteinen. Dieses Schachspiel könnte einem König gehört haben, so kostbar ist es. Er beginnt es aufzustellen. Er macht dabei den Eindruck eines Mannes, welcher angefüllt ist mit Vorfreude. Wer ihn jetzt so beobachtet, der könnte sich nicht vorstellen, daß er ein Bandit ist, der oftmals mordete, ganze Ortschaften dem Erdboden gleichmachen ließ und dabei auch Frauen und Kinder nicht schonte. Einer seiner Männer bringt ihm ein Glas mit rotem Wein. Er blickt staunend. „Kann man damit richtig spielen?" fragt er naiv und verbessert sich sofort: „Ich meine, kann man mit solch kostbaren Figuren denn richtig spielen? Sind sie nicht nur zum Anschauen? Wenn das mein Spiel wäre, ich würde nicht damit spielen. " „Könntest du es denn, Manuel?" Jacintio fragt es ernst. Manuel Mendozza schüttelt den Kopf. „Alles, was ich kann", sagt er, „ist gut reiten und mit meinen zwei Pistolen schießen. Nein, ich beherrsche dieses Spiel nicht. Ich weiß nur, daß es Schach heißt. " „Es ist das Spiel der Könige", erläutert Paco Jacintio stolz. „Und ich spiele es so gut wie ein König. Das war es, was ich oft genug vermißte. Denn ich fand schon lange keinen Menschen, mit dem ich mich messen konnte. Wenn du gegen einen guten Gegner Schach spielst, Manuel, dann ist das, als ob du der Feldherr in einer Schlacht bist. Ja, Manuel, glaube mir, es ist ein großartiges Spiel. " Aus der Küche kommen nun die ersten Steaks mit Salat und grünen Bohnen, die gestern erst geerntet wurden. Dazu gibt es frisches Brot. Paco bekommt natürlich als erster von einem seiner Männer eines der Holzbretter gebracht, auf denen alles serviert wird. Er beginnt zu essen. Und dabei sind seine Blicke fast ständig auf das Schachspiel gerichtet. Er überlegt sich schon viele Züge. Und er fragt sich, ob lsabel eine gute Schachspielerin ist. Denn sonst müßte er es wieder mit seinen präparierten Würfeln versuchen. Diesmal wird ihm hoffentlich keine Patrouille in die Quere kommen.
Doch er weiß, diesmal hat er Zeit. Und diesmal will er die schöne Wirtin so oder so bekommen. Wenn er sie nicht besiegen kann beim Schach oder beim Würfeln, dann wird er sie nehmen, wie er sich bisher alles genommen hat, was er haben wollte. Und nur wenn sie unklug ist, wird sie sich wehren. Auch Syc Shannon sah die Bande kommen. Die Bitterkeit könnte nicht größer in ihm sein. Was soll er tun? Er ist allein. Jedenfalls kann er keine Hilfe erwarten, sollte er mit dieser Bande Streit bekommen. Und er ist hier in Mesa City der Town Marshai. Er ist sich völlig darüber klar, daß Paco Jacintio längst von den Silberfunden gehört hat. Solch ein Bandit hat in diesem Lande gewiß ein gutes Nachrichtensystem, bekommt Tips von Freunden. Aber hauptsächlich ist Jacintio wohl wegen lsabel hergekommen. Darauf würde Syc Shannon fast alles wetten, was ihm lieb und teuer ist, sogar seinen Colt und sein Pferd. Er sitzt hinter dem Tisch im jetzt ganz ordentlich hergerichteten Office und ist dabei, auf hellbraunes Packpapier mit schwarzer Tusche eine Landkarte von Mesa City und Umgebung zu zeichnen. Diese Umgebung schließt auch alle vier Mesas ein, reicht also weiter als fünfzehn Meilen in alle Himmelsrichtungen. Er möchte aufstehen und zum Saloon gehen. Denn seiner Meinung nach wird lsabel Beistand brauchen. Doch wenn er hingeht, wird er bald schon ein toter Mann sein. Er hat allein keine Chance gegen die Bande. Wenn er auch nur halbwegs klug ist, dann wird er sich zum Wagenhof schleichen, sein Pferd dort aus dem Corral holen und fortreiten. Denn wenn er hier in Mesa City bleibt, kann das nicht gutgehen. Als sich im offenen Türrechteck etwas verdunkelt, hebt er den Blick. Steve Shallaco lehnt am Türpfosten, blickt schmaläugig herein. Sein Hut baumelt an der Windschnur im Nacken. Sein weißblondes Haar hängt ihm fast bis auf die Schultern herab. Die dunklen Augen und das braungebrannte Gesicht bilden einen auffälligen Kontrast dazu. Er ist auch dunkel gekleidet. Die beiden Männer betrachten sich. Und dabei spüren sie, daß sie füreinander bestimmt sind. Es ist merkwürdig mit solchen Männern. Manchmal begegnen sie einem anderen und wissen, daß sie bald Freunde sein werden. Manchmal aber sagt ihnen ihr Instinkt, daß sie Feinde sind, obwohl es noch gar keine vernünftige Erklärung dafür gibt. Und so ist es jetzt zwischen Steve Shallaco und Sycamore Shannon. Einige Atemzüge lang sehen sie sich schweigend an. Dann sagt Shallaco lässig: „Du bist ja immer noch hier, Pferdejäger. Fühlst du dich so großartig und unüberwindlich, oder glaubst du ganz einfach nur an dein Glück? Sag's mir!" „Oha", erwidert Syc Shannon, „ich würde gern selbst die Gründe rausfinden, und es gibt sicherlich mehrere. Denn dies wird wieder eine aufstrebende Stadt. Hier wird bald alles völlig anders sein, und nicht nur neue Menschen werden kommen, sondern auch Bürger, die einst von hier fortgingen, weil sie keine Hoffnung mehr hatten.
Vielleicht gibt es diesmal für viele ein Glück in Mesa City. Auch ihr seid ja zurückgekommen. " Steve Shallaco sagt nichts, aber er kommt herein und betrachtet dann die schon fast fertige Landkarte. „Ganz hübsch", sagt er. „Du bist schon ein tüchtiger Bursche. Aber warum hast du eigentlich meinen Rat nicht befolgt und bist fortgeritten, sobald du lange genug im Sattel sitzen konntest? Du bist doch wieder gesund - oder?" Syc Shannon erhebt sich langsam hinter dem Tisch, tritt zwei Schritte zur Seite und verharrt. Er trägt seinen Colt in der Halfter. Shallaco kann es sehen. „Ich bin wieder völlig gesund", sagt Shannon. „Und auch meine Reflexe sind wieder wie früher. Warum also sollte ich fortreiten? Überdies habe ich hier das Amt eines Town Marshals übernommen. " Steve Shallaco lacht leise. „Und wenn Banditen wie wir uns hier schlecht benehmen, was dann?" fragt er lässig. Seine Augen jedoch funkeln fast gierig dabei. „Wir werden sehen", erwidert Syc Shannon. Da nickt Shallaco und wendet ihm scheinbar achtlos den Rücken. Er wandert im Halbkreis im Raum umher und tritt dann wieder in das Türrechteck. Und von dort sagt er über die Schulter: „Bleib hier in diesen vier Wänden, Shannon. Hörst du? Das ist ein Befehl! Komm nur nicht aus diesem Loch auf die Straße. Denn wenn ich dich dort draußen treffe, werde ich dich erschießen. Hast du verstanden? Wenn du mich draußen siehst, dann mußt du ziehen - mag es Tag oder Nacht sein. Also bleib hier drinnen!" Damit verschwindet er aus Shannons Blickfeld. Syc Shannon steht still da. Er schnauft leise durch die Nase. Dann setzt er sich wieder hinter seine Zeichnung. Es ist nun alles ganz einfach. Shallaco will ihn demütigen, vielleicht sogar zerbrechen. Shallaco möchte ihn besiegen, so oder so. Wenn er im Office bleibt, wird ihm wahrscheinlich nichts geschehen. Aber wird er es hier aushallen können, wenn lsabel plötzlich Hilfe braucht? Es ist schon fast Abend, als lsabel King aus der Küche in den Saloon tritt; sie konnte dies nicht länger hinauszögern. Sie hat sich umgezogen, das Haar geordnet. Denn sie weiß, daß sie in den Augen von Paco Jacintio etwas Besonderes sein muß, will sie die Chance haben, anders behandelt zu werden als all die vielen Frauen und Mädchen, die dieser Bande in kleinen Städten und Siedlungen in die Hände geraten. Als sie erscheint, richten sich alle Blicke auf sie. Und ein vielstimmiges „Aaah!" wird hörbar. Paco Jacintio aber erhebt sich am Ecktisch und winkt ihr auffordernd zu. ; Er rückt ihr dann sogar höflich und f zuvorkommend den Stuhl zurecht. Sie betrachtet das Schachspiel und erkennt sofort, daß dieses Spiel eine Kostbarkeit ist. Langsam setzt sie sich. Und nachdem auch der Banditenführer f Platz genommen hat, sagt er stolz: „Na, mein Täubchen, da staunst du wohl, ja? Dies ist das Spiel der Könige und Fürsten, der großen Feldherren und Denker.
Und deshalb. . „Wo hast du es her?" Damit unterbricht sie ihn kühl. „Gestohlen? Mußten Menschen ihr Leben lassen, damit du es nach hier bringen konntest? Glaubst du, daß ich Freude daran haben könnte, obwohl es wahrscheinlich ein Beutestück von Bandigten ist?" Er grinst blinkend und macht eine Nachsicht heischende Handbewegung. „Chita", sagt er milde, „du weißt doch, daß ich ein böser Bandit bin. Damit mußt du dich abfinden. Aber vielleicht kannst du mich ändern? Versuch es doch mal! Doch zuerst spielen wir Schach, nicht wahr? Und wir spielen um dich, ja? Wir spielen so lange, bis ich zwei Spiele hintereinander gewonnen habe. Wenn ich das Schaffe, gehörst du mir. Gut so?" Sie sieht in seine funkelnden Augen und erkennt, daß sie keine andere Wahl hat. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, sie auf diese Weise zu erobern. Doch am Ende will er sie so oder so besitzen. Sie kann das nur hinauszögern, indem sie ihm am Schachbrett zähen Widerstand leistet. Denn irgendwann muß doch hier der große Silberrun ausbrechen. Bald schon müssen die ersten Menschen kommen, die von der Nachricht der großen Silberfunde fangelockt wurden. Ein ganzer Strom von Glückssuchern muß eintreffen. Und dann muß der Bandit Jacintio sicherlich abermals die Flucht ergreifen, wie damals vor der Armeepatrouille und dem Aufgebot. Sie macht sich große Sorgen um Syc Shannon. Und in diesem Moment wird sie sich darüber klar, daß sie ihn liebt. Und so nickt sie Paco Jacintio zu. „Und wenn ich zwei Spiele hintereinander gewinne", spricht sie, „wirst du mit deinen Reitern reiten und nicht mehr wiederkommen? Oder bin ich diesen Einsatz nicht wert?" Sie fragt es stolz. Er lacht schallend, beugt sich dann über den Tisch. „Du bist alles wert zwischen Himmel und Hölle", sagt er dann. „Ich traf noch nie auf eine Frau wie dich. Und ich möchte in dir die Überzeugung mächtig werden lassen, daß du niemals einem Mann begegnet bist, der ist wie ich. Welche Figuren möchtest du, Chita?" „Die silbernen", erwidert sie. Wenig später beginnt das Spiel. Sie macht den ersten Zug. Und bald erkennen sie, daß sie ziemlich ebenbürtige Schachspieler sind. lsabel King verdrängt ihre Angst. Denn sie weiß, daß sie jetzt mit kühlem Verstand kämpfen muß. Indes kommt Sycamore Shannon zu einem Entschluß. Während er die Zeichnung vollendet und die Karte dann an die Wand heftet, hat er reichlich Zeit, alles von den verschiedensten Seiten her zu überdenken. Er kommt stets zum gleichen Ergebnis. Er hat seiner ganzen Haltung nach auch keine andere Wahl. Dies wird ihm klar, zumal er dabei fortwährend an lsabel King denkt und sich leicht vorstellen kann, in welcher Situation sie sich befindet. Es ist fast schon Sonnenuntergang, als er das Office verläßt. Unter dem rechten Arm trägt er ein wenig Gepäck, über der Schulter zwei Satteltaschen. In der Linken hat er das Gewehr. Als er auf die Straße tritt, hält er Ausschau nach Steve Shallaco.
Dieser ist nirgendwo zu sehen.
Nur einer von Jacintios Männern steht vor dem Saloon und beobachtet die sonst leere
Straße. Er kann von seinem Platz aus die Wagenstraße nach Osten und Westen beobachten. Es ist anzunehmen, daß Jacintio auch draußen vor der Stadt noch einige seiner Reiter hat, um sich abzusichern. Aus welcher Himmelsrichtung auch Gefahr drohen sollte, Jacintio wird es rechtzeitig erfahren. Syc Shannon macht sich auf den Weg zum Wagenhof, wo auch sein Pferd untergebracht ist. Pedro Gonzales ist dabei, Wasser aus dem Brunnen zu ziehen und die Tröge bei den Corrals zu füllen. Er hält inne, blickt Syc Shannon fragend entgegen. „Am besten ist es, Amigo, wenn du jetzt in den Saloon zu den Banditen gehst, um dort ein Bier zu trinken", sagt Shannon zu ihm. „Sie werden dir gewiß nichts tun, da du ihre Pferde versorgst. Laß dich bei ihnen sehen, Pedro. Er sagt die letzten Worte mit einer besonderen Betonung. Pedro bekommt für einen Moment große Augen, aber dann werden sie schmal. Und er saugt witternd die Luft durch seine Nase. Er ist ein erfahrener Bursche. „Si, Senor", sagt er dann und macht sich auf der Stelle davon, Syc Shannon holt sein Pferd aus dem Corral, nimmt den Sattel von der Stange und legt ihn dem Tier auf. Als er den Sattelgurt angezogen, die beiden Satteltaschen und die Sattelrolle festgeschnallt und das Gewehr in die Sattelhalfter geschoben hat, tritt er zum Brunnen und füllt die Wasserflasche. Im Westen sinkt nun zwischen den beiden Mesas die Sonne.
Flammend geht sie unter und schleudert Feuer gen Himmel.
Ein Mann kommt durch die Einfahrt in den Wagenhof, Es ist Steve Shallaco.
Syc Shannon hat ihn erwartet.
Nun hängt er die Wasserflasche ans Sattelhorn und tritt von seinem Pferd weg.
Steve Shallaco kommt bis auf sechs oder sieben Schritte heran.
Dann bleibt er stehen und fragt: „Und du glaubst, daß ich dich abhauen lasse aus Mesa
City, obwohl ich mir ausrechnen kann, daß du uns dort draußen gefährlicher werden könntest, weil wir dich dann nicht mehr unter Kontrolle haben - du glaubst das wirklich?" „Nein", erwidert Syc Shannon langsam, „Überdies hast du mir ja deutlich genug gedroht für den Fall, daß ich mein Office verlasse. Ich weiß, daß ich mir den Weg freischießen muß.
Ihr habt meine Pferde gestohlen, als ich krank war und nicht kämpfen konnte.
Ihr seid mir eine Menge schuldig, Jetzt kann ich kämpfen.
" Steve Shallaco nickt langsam. Und weil er den Mund schon etwas öffnet, sieht es so aus, als wollte er entgegnen. Aber er will gar nichts mehr sagen. Seine Mimik ist nur ein Bluff. Denn plötzlich zieht er. Oha, er ist ein Zauberer mit dem Colt! Er zieht unwahrscheinlich schnell, Und dies erklärt endlich seine ungeheure Selbstsicherheit. Es ist ganz gewiß seine Absicht, Syc Shannon zu töten. Aber er schafft es nicht. Seine Kugel verwundet Shannon nur ganz leicht, kaum mehr als ein Peitschenhieb.
Denn Shannon ist noch einen winzigen Sekundenbruchteil schneller.
Seine Kugel trifft den Banditen im Moment des Abdrückens.
Und deshalb kommt dessen Coltmündung um wenige Millimeter aus der Schußrichtung, Er
bekommt Shannons Kugel ins Herz. Zuerst fällt er auf die Knie, dann nach vorn auf das Gesicht. Shannon schiebt den Colt in die Halfter, tritt an sein Pferd, sitzt auf und reitet davon. Er verläßt die Stadt durch eine Seitengasse, reitet nach Osten in die Nacht hinein, deren Schatten bald auch im Westen das Feuer der sterbenden Sonne am Himmel tilgen werden. Die beiden Schüsse werden in ganz Mesa City gehört. Auch Pedro Gonzales, der neben Lucky Joe Stag am Schanktischende lehnt und soeben von Täte Brown ein Glas Bier bekommen hat, hört sie. Er ist Syc Shannon dankbar, daß dieser ihn fortgeschickt' und er nun hier im Saloon das beste Alibi hat. Es ist still im Saloon. Alle Augen sind auf Paco Jacintio gerichtet, der brütend über dem Schachspiel hockt und sich den nächsten Zug reiflich überlegen muß. Denn diese erste Partie steht gar nicht gut für ihn. Er hielt sich bisher für einen überdurchschnittlichen Schachspieler. Doch entweder stimmt das nicht, oder lsabel King ist einfach besser. Paco Jacintio hebt endlich den Kopf. „Seht nach", befiehlt er knapp. „Vielleicht hat Steve Shallaco jetzt getan, was er damals schon erledigen wollte. Dieser Pferdejäger ist doch wohl noch in der Stadt, nicht wahr, Chita?" Die Frage gilt lsabel. Es ist wohl seine Angewohnheit, jede Frau so zu nennen. Sie sieht ihn an, und sie hält ihre Furcht um Syc Shannon tief in ihrem Kern verborgen. „Ja", sagt sie. „Und wir haben ihn hier zum Marshai gewählt. Das wird nötig sein, sobald diese Stadt wieder voller Leben ist. Dann braucht sie einen Marshai, der Ordnung hält. " Jacintio beginnt zu lachen. Dieses Lachen entschädigt ihn einige Sekunden für die sich abzeichnende Niederlage in der ersten Partie. Doch er lacht nicht sehr lange. Dann sagt er hart: „Diese Stadt braucht keinen Marshai. Denn wir sind hier. Und wir übernehmen diese Stadt. Wir geben ihr Schutz und schaffen eine verwaltende Ordnung. Dafür sind wir überall Teilhaber, auch hier, mein Täubchen. " Er lacht wieder. Dann macht er seinen nächsten Zug. „Du wirst kein Glück haben in Mesa City", erwidert lsabel. „Matt. Dein König ist am Ende - Paco staunt. Ja, er ist verblüfft. Dann schüttelt er den Kopf. „Die beiden Schüsse haben mich irritiert", murmelt er. „Sonst hätte ich den letzten Zug nicht. .
.
" „Du konntest machen, was du wolltest", unterbricht sie ihn herb.
„Dein König war nicht mehr zu retten.
Du bist vielleicht gar kein so guter Spieler, Paco Jaeintio.
„Oh, das werden wir sehen", widerspricht er.
„Die zweite Partie gewinne ich.
Vielleicht wollte ich dir nur Mut machen.
" Er lacht wieder schallend, aber dahinter verbirgt er die Enttäuschung. Einer der Männer, die hinausgelaufen waren, kommt nun zurück. Er hält an der Schwingtür schon nach einem Schritt inne und ruft: „Dieser Pferdejäger. . .
Er hat mit Shallaco gekämpft! Jeder gab nur einen Schuß ab.
Shallaco ist tot.
Der Pferdejäger flüchtete nach Osten.
Latimer, Kaliko und Sanchez sind hinter ihm her.
Sollen noch mehr .
.
.
" „Nein", unterbricht ihn Paco Jacintio.
„Wenn es drei von euch nicht schaffen, dann ist er ein Übermensch, und ich reite mit nassen Säcken durch dieses Land. Schon zwei von euch müßten genug sein, ihn zu erledigen. " Nach diesen Worten macht er eine heftige und abschließend wirkende Bewegung und beginnt die Schachfiguren neu aufzustellen. Man sieht ihm an, daß er vor allen Dingen zuerst einmal seine Niederlage gegen lsabel King revidieren möchte. Und er will dabei nicht gestört werden. Einige seiner Männer gehen hinaus. Einer kommt zu Pedro Gonzales. „He du, komm mit! Wenn Shallaco tot ist, brauchen wir zumindest eine große Kiste. Na, komm schon!" Pedro verabschiedet sich von Lucky Joe Stag mit einem Blick. Dann folgt er dem Banditen. Täte Brown verharrt bei Lucky Joe Stag. „Ich frag mich", sagt er, „wie du das machst, daß dir das Bier nicht aus den Ohren läuft, Joe. " Dieser grinst nur. Sie blicken sich um. In ihrer Nähe sind jetzt keine Banditen am Schanktisch. Zwei spielen Billard. Andere hocken an Tischen beim Poker. Täte Brown muß nur darauf achten, daß die Gläser nicht lange leer bleiben. Joe Stag sagt zu Täte: „Oh, mein Freund, dieser Shannon ist fair. Er wußte gewiß, was geschehen würde. Und deshalb schickte er Pedro in den Saloon. Das war sehr nobel. Sonst hätte die Bande noch geglaubt, er hätte ihm geholfen, diesen Shallaco umzubringen. Aaah, das war nobel! Doch jetzt werden sie ihn jagen. Er hat drei gefährliche Grenzwölfe auf den Hakken. Sein Vorsprung ist vielleicht nicht groß genug. „Die Nacht wird ihm helfen", erwidert Täte Brown sanft.
„Und wenn nicht, dann kann er sich auch selbst helfen. Ich glaube nicht, daß er überhaupt weit aus Mesa City flüchten will. Nein, mir ist seine Taktik völlig klar. " Lucky Joe Stag sagt nichts. Aber er sieht Täte Brown fragend an. Dieser trinkt erst einen langen Schluck Bier. Dann erklärt er leise: „In der Stadt hätte er kein Glück gegen die starke Bande. Er hätte sie alle gegen sich. Jetzt sind es nur drei. Und das Land ist unübersichtlich und hat tausend Verstecke. Er kann mit den Kerlen jetzt Katz und Maus spielen. Und er wird die Katze sein. Paß auf, dieser Jacintio wird bald nicht mehr besonders viel Freude am Schach haben, selbst wenn er die nächste Partie gewinnen sollte. " Syc Shannon weiß, daß er gefährliche Jäger auf der Fährte hat, die sich auf eine Menschenjagd verstehen. Doch er muß die Banditen aus der Stadt in das unübersichtliche Land locken und Mann für Mann niederkämpfen. Dies ist die Konsequenz aus dem Kampf mit Shallaco. Sein Entschluß steht fest. Er kann diese aufstrebende Stadt und vor allen Dingen lsabel King nicht in den Händen der Banditen lassen. Er muß seinen Weg jetzt bis zum bitteren Ende verfolgen. Als er einmal in der Nacht anhält, hört er die Hufschläge der Pferde seiner Verfolger. Es sind drei Reiter. Einem erfahrenen Pferdejäger fällt es nicht schwer, das herauszuhören. Die Nacht ist zuerst sehr dunkel. Denn der Himmel ist bewölkt, läßt kein Mond und Sternenlicht durchsickern. Shannon weiß aber zu gut, daß die Verfolger seiner Staubfährte folgen. Dieser feine Staub hängt lange genug in der Luft. Erfahrenen Reitern ist deshalb eine Verfolgung auch in dunkler Nacht möglich. Aber Shannon hat sich bei seinen Ausritten im Stadium der Gesundung das Land gut genug eingeprägt. Er kann sich darin auch in dunkler Nacht zurechtfinden, und er hat immer geahnt, daß dies einmal notwendig sein würde. Als er eine geeignete Stelle erreicht hat, hält er an, nimmt das Lasso und schwingt sich aus dem Sattel. Die Zügelenden des Pferdes läßt er einfach zu Boden fallen. Sein Tier ist so abgerichtet, daß es sich mit hängenden Zügeln nicht von der Stelle rührt. Er spannt das Lasso hoch genug durch den schmalen Hohlweg, der zwischen Felsenrücken nach Osten führt. Dann sitzt er wieder auf. Der Hufschlag seiner Verfolger ist nun sehr nahe und verklingt plötzlich. Er weiß, daß sie jetzt angehalten haben, um auf seinen Hufschlag zu lauschen. Sie vertrauen der Staubfährte nicht völlig. Er wendet sein Pferd und gibt dem Tier die Zügel frei, treibt es an mit Schenkeldruck, läßt es galoppieren. Für die Verfolger klingt es nun so, als ergriffe er die Flucht. Sie müssen glauben, daß er ihnen sehr nahe ist.
Und nun lassen auch sie ihre Tiere anspringen und reiten bald schon gegen das ausgespannte Lasso. Es reißt sie aus den Sätteln, verletzt sie auch ziemlich. Die sattellosen Pferde rasen durch den Hohlweg. Einer der Reiter bleibt mit einem Fuß im Steigbügel hängen und wird geschleift. Am Ende des Hohlwegs hält Shannon das Tier an und befreit den Fuß des Reiters. Der Mann stöhnt schmerzvoll. Er ist übel zugerichtet von Dornen und Steinen. Shannon kniet neben ihm nieder. „Ihr habt meine Pferde gestohlen", sagt er zu dem stöhnenden Mann. „Und nun jagt ihr mich. Ja glaubt ihr denn, ich nehme das alles hin? Ich bin der Marshai von Mesa City. Ihr könnt mich zwar aus der Stadt jagen. Doch ihr werdet kein Glück in Mesa City haben. " Der Mann flucht nur schmerzvoll und stöhnt wieder. Er ist schwer verletzt. Vielleicht wird er sterben. Syc Shannon kann ihm nicht helfen. Syc Shannon läßt sein Pferd zurück. Er gleitet weiter durch den dunklen Hohlweg. Vor sich hört er die fluchenden Stimmen der beiden anderen Kerle. Als er die beiden gut genug sieht in der etwas heller gewordenen Nacht, hält er inne. Einer dieser fluchenden Männer bewegt sich hinkend, so, als wolle er ausprobieren, ob seine Glieder ihm noch gehorchen. Dabei knirscht er zwischen Flüchen: „Dieser verdammte Hundesohn hat uns reingelegt wie Anfänger! Dem würde ich gern die Haut abziehen, diesem. . . " Weiter kommt er nicht, denn Syc Shannon ruft halblaut: „Versuchen kannst du's mal! Na los!" Sie zeigen sofort, daß sie harte Burschen sind, hart nicht nur gegen andere, sondern auch gegen sich selbst. Denn obwohl sie beide ziemlich böse von ihren Pferden gerissen wurden, schlimm stürzten und sich gewiß auch verletzten, nehmen sie die Herausforderung sofort an. Syei Shannon kann erkennen, wie ihre schattenhaften Gestalten sich ducken, und dann sieht er auch schon in die Mündungsfeuer. Er schießt zurück, indes ihn ihre Kugeln umpfeifen. Es ist wahrscheinlich reine Glückssache, daß sie ihn nicht treffen. Und wahrscheinlich ist er ein Narr, sich ihnen so zum Kampf zu stellen und dabei das volle Risiko einzugehen, getötet zu werden. Aber er kann nicht anders. Er ist kein Killer, der aus dem Hinterhalt tötet. Und so gibt er ihnen die faire Chance. Doch sie schießen nicht gut genug. Er trifft sie besser, denn als er ihr Feuer erwidert, sieht er sie zu Boden gehen. Sie schießen nicht mehr. Es wird still. Das Echo der Schüsse hallt durch die Nacht, prallt gegen die Mesaklötze und rollt wieder zurück. Wahrscheinlich ist es auch in Mesa City zu hören, und so wird man dort wissen, daß die drei, ausgesandten „Jäger" ihr Wild stellten und mit ihm kämpften.
Und man wird auf die Rückkehr der Jäger warten. Es ist eine Stunde nach Mitternacht, als die zweite Schachpartie zwischen lsabel King und Paco Jacintio endet. Zwischendurch kam die -Meldung, daß draußen auf der Mesaebene Schüsse krachten, die drei Verfolger offenbar ihr Wild stellten. Da hatte Jacintio nur zufrieden genickt und dann einen guten Zug getan. Danach hatte er sich eine Zigarre angesteckt und zufrieden gesagt: „Wenn ihn meine Lobos gestellt haben und mit ihm kämpfen, dann wird er gewiß tot sein, sobald nicht mehr geschossen wird. Chita, du solltest nicht mehr mit ihm rechnen. " Seine letzten Worte gelten lsabel. Und diese hatte es von diesem Moment an nicht leicht, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Ihre Gedanken sind fortan bei Syc Shannon. Als die Partie nun endet, hat sie wenigstens ein Remis erreicht, ein Unentschieden also. Paco Jacintio zeigt ihr seine blinkenden Zahnreihen. „Ich werde jetzt von Spiel zu Spiel besser", sagt er. „Das nächste Spiel werde ich gewinnen. Und das übernächste auch. Dann gehörst du mir, Chita. Und dann wirst du herausfinden, wie es ist, wenn ein richtiger Mann dich liebt. " Sie sitzt lauschend da, so, als hoffte sie, daß draußen auf der Ebene neue Schüsse erklängen und jemand in den Saloon käme, dies zu melden. Doch es kommt niemand. Es rührt sich nichts. Paco Jacintio ordnet die Schachfiguren, stellt sie auf, will etwas sagen. Doch sie erhebt sich und wischt sich über Stirn und Augen. „Ich kann nicht mehr spielen", erklärt sie. „Es war ein langer Tag und schon ist die halbe Nacht um. Morgen wollt ihr alle gewiß wieder bewirtet werden, angefangen mit dem Frühstück. Wie soll ich das schaffen, wenn ich nicht schlafen kann? Wenn du mich fair besiegen möchtest, Paco Jacintio, dann mußt du mir auch eine Chance zum Ausruhen geben. Oder? Ich möchte den Saloon schließen. Ihr könnt ja in einem der vielen leeren Häuser übernachten. Das einstige Mesa-City-Hotel ist schräg gegenüber. Willst du fair sein, Paco Jacintio?" Er sieht sie nachdenklich an. In seinem Blick erkennt sie den Widerstreit seiner Gefühle. Seine Ungeduld setzt ihm schlimm zu, denn er ist daran gewöhnt, alle Dinge sozusagen im ersten Ansturm zu erledigen. Er würde zu gern jetzt mit ihr hinauf in ihr Zimmer gehen, um sie dort in Besitz zu nehmen, wie er das mit allem tut, was ihm gefällt. Doch es sind da auch noch andere Gefühle in ihm. Vielleicht ist es so etwas wie Respekt vor ihrer Lebenskraft, ihrem Mut. Es ist in ihm vielleicht sogar der ehrliche Wunsch, sich ihre Achtung zu erwerben, und dieser Wunsch zwingt ihm Fairneß auf. Und so nickt er nach einer Weile. „Also gut", sagt er dabei, „spielen wir morgen weiter. Wir haben ja Zeit, viel Zeit. Und auch beim Schach kann man sich besser kennenlernen. Wir haben Zeit, meine schöne Chita.
Denn ich habe die Absicht, noch lange in dieser Stadt zu bleiben.
Sie gehört mir.
Ich warte nur auf den Silberrun.
Zuerst kommt der Strom aus Richtung Santa Fe.
Nach dort ging die Neuigkeit der Silberfunde zuerst.
Ich denke, daß es morgen schon hier von Menschen nur so wimmelt.
Nein, wir haben bereits nach Mitternacht.
Aber ich kann dir helfen, Chita.
Zwei meiner Männer arbeiten ab sofort in diesem Saloon als Barmänner.
Du brauchst sie nicht anzulernen, denn sie haben schon oft diesen Job ausgeübt.
Er wendet seinen Kopf und ruft in den Raum: „Pecos! Chip! Kommt her!" Zwei Männer
erheben sich sofort von einem Pokertisch in der Ecke und kommen herüber. Ja, sie sehen aus, als würden sie sich auch als Barmänner, Rauswerfer und Hauspolizisten leicht behaupten. „Sie ist ab sofort euer Boß", sagt Paco Jacintio zu ihnen. „Ihr seid jetzt in diesem Saloon angestellt. Und wenn sie mit euch nicht zufrieden sein sollte, zieh ich euch die Ohren lang. Verstanden?" Sie grinsen, nicken erfreut und sehen dann lsabel an. „Ihre Befehle, Boß?" Der Mann, den Jacintio Pecos nannte, fragt es höflich. „Täte Brown wird euch alles erklären", erwidert sie ruhig. Nach diesen Worten nickt sie Paco Jacintio zu. „Danke, Paco", murmelt sie, denn sie weiß zu gut, daß er es ihr übelnehmen wird, wenn sie sich jetzt nicht bedankt. Sie muß sich mit ihm gut stellen. Als sie nach oben geht, blicken ihr viele Augenpaare nach. Und alle erfreuen sich an ihren harmonischen Bewegungen. Sie wirken nicht übertrieben oder gar herausfordernd. Es ist die selbstbewußte Natürlichkeit der ausgebildeten Tänzerin. Jemand sagt laut, nachdem sie verschwunden ist: „Die geht wie eine Königin! Die könnte auch auf Geröll nicht stolpern. Aaah, sie ist vollkommen!" Täte Brown sieht derweil seine beiden Helfer an, die zu ihm an den Schanktisch treten. „Zuerst", sagt er, „müßt ihr Lucky Joe dort im Hinterzimmer auf die Bank betten. Der ist plötzlich umgefallen - nein, zusammengesunken wie ein Schneeball in der Bratpfanne. Was hat der auch geschluckt, ooh.
.
.
" Sie sehen hinter das Schanktischende.
Dort liegt Lucky Joe Stag wahrhaftig am Boden und schnarcht.
Sie heben ihn auf.
Und als sie so mit ihm noch einige Sekunden verharren, fragt Chip, der Lucky Joes Beine
hält: „He, Täte, warum besäufst du dich nicht so wie er? Du hattest noch niemals solch gute Gelegenheit zu einem ständigen Vollrausch, nicht wahr?" „Ich hab's euch schon mal gesagt. Ihr habt wohl auf euren Ohren gesessen", erwidert Täte Brown würdig. „lsabel King ist eine wirkliche Lady. Und sie vertraut mir. Wie könnte ich sie enttäuschen? Überdies bin ich jetzt ein wichtiger Mann mit Verantwortung. Ich bin sogar euer Boß.
Kann ich mich da betrinken?" Indes steht lsabel King oben am Fenster ihres Schlafzimmers und starrt hinaus in die hellgewordene Nacht. Sie kann die gewaltigen Klötze der roten Mesas erkennen, dazwischen die Ebene mit all ihren Felsen, Bodenwellen, Wald- und Buschinseln, den Creeks, Senken und Für- . eben, in denen so sehr viel verborgen sein kann. lsabel fragt sich fortwährend, was wohl mit Syc Shannon passiert sein mag. Daß die drei Kerle, die Jacintio hinter ihm herschickte, noch nicht nach Mesa City zurückkamen, mag ein gutes Zeichen sein. Denn es ist ja schon Stunden her, daß die Schüsse krachten. Es muß etwas geschehen sein dort draußen. Aber was? lsabels Nerven sind äußerst angespannt. Sie fühlt sich müde, ausgebrannt und fast völlig erschöpft. Und dennoch halten ihre angespannten Sinne sie wach. Ihre Angst um,Syc Shannon ist zu groß. Denn sie kann die Frage nach seinem Schicksal nicht beantworten. Mehrmals denkt sie daran, zu Pedro Gonzales zu schleichen und von diesem ein Pferd zu erbitten, hinauszureiten und nach Syc Shannon zu suchen. Doch sie verwirft diese Gedanken immer wieder schnell. Denn Mesa City ist fest in der Hand von Jacintio und seinen Banditen. Die halten besonders den Wagenhof unter Kontrolle, weil ja dort auch ihre Pferde in den Corrals untergebracht sind. Nein, ohne bemerkt zu werden, kommt niemand mehr in die Stadt oder aus ihr hinaus, nicht auf einem Pferd jedenfalls. Und zu Fuß kann sie dort draußen in dem wilden Mesa- Land nicht nach ihm suchen. Da geht sie zu ihrem Bett und setzt sich auf den Rand. Durch das offene Fenster dringt die Kühle der Nacht. Doch sie fröstelt nicht nur deshalb. Sie fühlt sich hilflos. Mit Schaudern denkt sie daran, daß sie morgen wieder mit Jacintio spielen muß - nein, heute abend schon. Und sie muß ihre Nervenkraft behalten, muß diesen Zweikampf gewinnen. Indes lsabel in ihrem Zimmer allmählich doch von der Erschöpfung überwältigt wird und sich hinlegt, weil endlich ihr Verstand die Oberhand bekommt und sie begreifen läßt, daß sie schlafen muß, um ihre Lebenskraft erhalten zu können, tritt Paco Jacintio mit einer Zigarre zwischen den Lippen hinaus auf die Veranda. „Warum kommen sie nicht zurück?" fragt er den Mann, der hier draußen steht und in die Nacht lauscht. „Sie können doch nur wenige Meilen geritten sein. Denn die Schüsse waren gut zu hören selbst im Saloon. Ob er ihnen entkommen ist und . . .
Aaah, ich muß Klarheit haben.
Los, Ringo! Nimm Jesse und Slim mit! Sieh nach, was dort draußen geschehen ist.
Und selbst wenn ich schon schlafen sollte, wecke mich, um mir zu melden, was du
herausfinden konntest. Ich schlafe im unteren Privatzimmer des Saloons auf dem Ledersofa. Los, Ringo . .
.
" Er geht nach diesen Worten in den Saloon zurück. Hier sind Pecos und Chip schon beim Ausfegen und Gläserputzen, „Bald werdet ihr das nicht mehr zu machen brauchen", sagt er zu ihnen. „Denn in wenigen Stunden haben wir hier genügend Arbeitskräfte, die mit ihren letzten Dollars gerade noch herkommen konnten. Dann braucht ihr nur noch die Aufsicht zu führen. Ich lege mich jetzt ein wenig auf s Ohr. " Er geht um das Schanktischende herum und öffnet eine kleine Tür. Das Zimmer ist winzig, und es ist Büro und Wohnraum zugleich. Ein Ledersofa steht an der Wand. Paco Jacintio zieht sich schnaufend die Stiefel aus und legt auch den Waffengurt ab. Dann streckt er sich fluchend aus. Gewiß, er liegt jetzt sehr viel bequemer als draußen in einem Camp unter freiem Himmel. Aber wenn er daran denkt, daß er jetzt oben mit lsabel zusammen in einem Bett liegen könnte, da steigt eine wilde Wut in ihm auf. Am liebsten würde er hinaufgehen und ihr zeigen, daß er nicht länger mehr herumtändeln möchte. Aber dann läßt er es doch lieber. Denn diese Frau möchte er nicht mit Gewalt besitzen. Er fühlt sich herausgefordert mit all seiner Männlichkeit. Vielleicht ist das die Erklärung für sein Verhalten. Er schläft ein. Denn bald schon muß er sich als der große Boß erweisen. Die Stadt soll ihm auch dann noch gehören, wenn sie voller Menschen ist. Syc Shannon reitet wirklich nicht weit. Denn er weiß zu gut, daß Paco Jacintio nicht lange im Ungewissen bleiben will. Und deshalb wird er abermals einige seiner Reiter ausschicken. Die Nacht wird gegen Ende sehr mond und sternenhell, fast so hell wie ein Tag mit Licht und Schatten. Es ist empfindlich kalt. Syc Shannon hat sich einen guten Platz ausgesucht. Er kann in der hellen Nacht bis nach der etwa fünf Meilen weit entfernten Stadt Mesa City sehen. Und der Schatten des mächtigen Mesa- Blocks liegt auf den Felsen, zwischen denen er wartet, taucht alles in Dunkelheit. Doch kaum einen Steinwurf weit entfernt ist die Grenze der Helligkeit. Das bleiche Licht bildet eine zackige Linie. Syc Shannon wartet geduldig. Dann sieht er sie kommen. Er hat richtig kalkuliert. Paco Jacintio hält die Ungewißheit nach den Schüssen nicht aus. Er schickt abermals drei Mann aus. Sie kommen vorsichtig, halten sich weit auseinander, reiten also nicht als kleines Dreierrudel. Und sie kommen schnell. Die Fährte ist im Mond- und Sternenlicht fast genauso gut zu verfolgen wie bei Tage. Syc Shannon läßt sie an sich vorbei. Er hat die Fährten gut gelegt. Die drei Reiter verschwinden im Hohlweg jener Felsengruppe, der schon ihren drei Vorgängern zum Verhängnis wurde.
Immer noch wartet Syc Shannon geduldig.
Dann sieht er sie zurückkommen.
Sie haben alle drei Pferde eingefangen.
Auf einem Tier liegt quer über dem Sattel der Tote.
Die beiden anderen Männer wurden nur angekratzt.
Sie sind in die Sättel gebunden.
Vielleicht, wenn sie Glück haben, sind sie in einigen Wochen wieder auf den Beinen.
Als sie in gleicher Höhe an Syc Shannons Versteck vorbei wollen, ruft dieser zu ihnen
hinüber: „Hoyaaah, Jungens, wie gefällt euch das?" Sie halten sofort an. Und dann gleiten die drei Reiter, welche zuletzt aus Mesa City kamen, blitzschnell aus den Sätteln, suchen Deckung hinter ihren Pferden. Sie schieben ihre Gewehre über die Sättel. Und erst dann ruft einer von ihnen zurück: „He, das gefällt uns überhaupt nicht! Aber du bist ein Narr, wenn du glaubst, mit uns fertig zu werden. Wir werden dir gleich die Haut abziehen, darauf kannst du dich verlassen!" Der Mann heult diese Drohung in wilder Wut durch die Nacht. Dann setzen er und seine beiden Partner ihre Pferde in Bewegung. Sie führen sie noch weiter auseinander, halten sich dahinter in Deckung und streben bald schon Deckungen zu, von denen aus sie sich vorarbeiten können. Nachdem nun klar ist, daß sie mit dem Toten und den beiden Verwundeten nicht nach Mesa City, sondern ihn angreifen wollen, zögert Syc Shannon nicht länger. Sein Gewehr beginnt zu krachen. Zwar verrät er dadurch mit dem Mündungsfeuer seine Position, aber er schießt unwahrscheinlich sicher. Er trifft die Pferde. Mit dem vierten Schuß trifft er den Mann halblinks von sich. Dieser Bursche hätte sich bald schon in guter Deckung zu ihm vorarbeiten können. Nun überschlägt er sich im Lauf vor seinem letzten Sprung, der ihn in Deckung gebracht hätte. Die beiden anderen Gegner erreichen die von ihnen angestrebten Deckungsmöglichkeiten, bevor er wieder Ziel nehmen kann. Er lädt seinen Spencer-Karabiner durch, so daß ihm wieder sieben Schüsse zur Verfügung stehen. Dann gleitet er ein Stück fort, sucht sich eine neue Position und wartet. Er hat das Gewehr zur Seite gelegt und hält seinen Colt schußbereit. Bald schon hört er links von sich Geräusche. Es ist ein kratzendes Schaben. Dann fällt ein Steinchen nieder. Syc Shannon hockt auf seinen Absätzen, lehnt mit dem Rücken an einem der roten Felsen, in denen keine Wärme des vergangenen Sonnentages mehr ist. Er kann etwas schräg gen Himmel blicken. Und dann sieht er die geduckt gleitende Gestalt des Gegners zwischen zwei Felsen. Er hebt sich nur einen Sekundenbruchteil gegen den helleren Himmel ab, aber für Syc Shannon genügt diese winzige Zeitspanne. Sein Colt spuckt Feuer, und das Krachen des Schusses scheint hier zwischen den Felsen fast so laut wie ein Kanonenschuß zu sein. Der Mann stößt einen Schrei aus, fällt auf den Rücken und stöhnt nur noch. Dann wird er still. Alles in der Runde ist still. Syc Shannon verändert wieder seine Stellung, kriecht fort.
In ihm ist Bitterkeit. Und es ist ein Bedauern in ihm, welches ihn zur Aufgabe und Flucht zu zwingen versucht. Er hat genug vom Kämpfen und Blutvergießen - oh, er hat reichlich genug. Doch er hat diese Sache nun einmal angefangen. Wenn er jetzt aufhört, war auch der Beginn sinnlos. Er wendet den Kopf zur Seite und ruft in die hohle Hand: „He, hörst du mich?!" „Ich höre dich, du verdammter Hundesohn! Oh, ich höre dich gut! Was willst du?" tönt es aus der Nacht zurück. Und er erwidert: „Wenn du willst, hören wir jetzt auf! Du kannst sie heimbringen nach Mesa City. Hörst du, ich laß dich laufen! Du kannst sie Jacintio bringen! Sag ihm, daß er kein Glück in Mesa City haben wird!" Es ist fast drei Stunden später und der graue Tag bricht schon an, als Ringo seinen Anführer Paco Jacintio weckt und Bericht erstattet. Er endet mit den Worten: „Paco, das ist ein zweibeiniger Tiger, ein Großer, der es mit einer ganzen Mannschaft aufnehmen kann. Shallaco hatte gegen ihn nicht einfach nur Pech, nein, er war ihm nicht gewachsen. Nicht mal drei von uns waren das. Paco, wir müssen ihn mit unserer ganzen Mannschaft jagen, mit großer Übermacht. Sonst. . . Aaah, er trug mir auf, dir zu sagen, daß du kein Glück in Mesa City haben würdest. Nein, ich wagte nicht mehr, allein gegen ihn zu kämpfen. Ich war froh über sein Angebot, die anderen fortbringen zu können. Er sagte, daß ich sie heimbringen könne. Oh, heimbringen! Als ob Mesa City unsere Heimat wäre. Paco, haben wir jemals einen festen Platz gehabt? Es war ein schlimmer Scherz, als er dieses Wort sagte, ein Wort, das wir nicht kennen. Nun, jetzt weißt du alles, Paco! Und was jetzt?" Paco Jacintio hat sich aufgesetzt. In seinen geröteten Augen ist noch die Müdigkeit einer langen Nacht, in der er sich mühte, lsabel King zu besiegen. Auch getrunken hatte er nicht wenig. Jetzt aber muß er verdammt hellwach sein, nachdenken, Entschlüsse fassen. „Hol mir ein Glas Tequila, Ringo", verlangt er, reibt sich das Gesicht und fährt durch sein dichtes, langes Haar. Indes Ringo ihn verläßt, um den scharfen Agavenschnaps zu holen, denkt er: Oh, ich habe ihn unterschätzt. Ich hätte ihn damals, als er noch so krank war und wir ihm die Pferde wegnahmen, nicht lebend zurücklassen dürfen. Jetzt habe ich fünf meiner besten Reiter verloren. Zwei sind tot und drei fallen für Wochen aus, wenn sie überhaupt jemals wieder gesund werden. Nur Ringo kam heil zurück. Was soll ich tun? Es ist für ihn eine fast verzweifelte Frage. Denn es steht ja sehr viel für ihn auf dem Spiel. Macht er mit all seinen Reitern dort draußen im Mesaland Jagd auf Syc Shannon, verliert er die Kontrolle über die Stadt. Denn bald schon wird diese Stadt voller Leben sein. Der Silberrun muß sich in den nächsten Stunden schon auswirken. Die Spitze der Glücksjäger muß bald eintreffen.
Und wenn er von Anfang an in Mesa City das Sagen haben will, dann muß er |jedem Ankömmling sofort klarmachen, wer der Boß ist und in dieser Stadt die Befehle gibt. Das kann er nicht, wenn er Jagd auf Shannon macht. Er begreift die Taktik seines Gegners f nun völlig. Bevor er etwas sagt, leert er erst noch das Glas, und der scharfe Tequila scheint für ihn ein Lebenselixier zu sein. „Paß auf", sagt er zu Ringo. „Wir sind jetzt nur noch elf Mann. Aber wir werden uns bald schon verstärken, weil mit der Herde auch die schwarzen Schafe kommen, die Harten, die von der Hammelherde leben. Wir werden einige von ihnen aufnehmen und uns so wieder stark genug machen. Deshalb kann ich dich und noch |, zwei von euch entbehren. Ihr verkleidet euch ganz und gar. Du wirst dir zwei von uns aussuchen, die wie Gold- und Silbersucher aussehen, am besten Buko Slade und Abe Hacket. Ihr nehmt euch Zeit, zieht nur immer herum und sucht nach Gold und Silber. Dabei müßt ihr auf seine Fährten stoßen. Vielleicht kommt er sogar mal in euer Camp, wenn ihr es dort aufschlagt, wo es Wasser gibt. Verstehst du, Ringo? Wir dürfen ihn diesmal nicht wie Jäger angehen. Denn darauf ist er vorbereitet. Dann werdet ihr wieder in seinen Hinterhalt reiten. Er lauert dort draußen und beobachtet die Stadt. Ihr wartet bis heute abend. Dann wimmelt es hier von Menschen, Und Dutzende werden bald hinaus in das Land ziehen, um Schätze zu suchen. Ihr werdet dabei sein. Verstanden?" Ringo Sabena nickt. „Diese Idee gefällt mir", sagt er. „Ja, wenn wir lange genug biedere Gold- und Silbersucher spielen, kommt er vielleicht in unser Camp. Und wir werden uns gut ausstaffieren. Oho, vielleicht finden wir sogar eine Silberader! Das wäre was, nicht wahr?" lsabel King schläft an diesem Morgen lange, und selbst nach dem Erwachen bleibt sie noch liegen und bewegt sich kaum. In ihr ist bittere Resignation. Denn wenn sie daran denkt, was dieser Tag und dann die Nacht für sie bringen werden, da möchte sie am liebsten im Bett bleiben, etwa so wie eine Schnecke in ihrem Gehäuse. Ja, sie hat Furcht, und zum ersten Male in ihrem Leben möchte sie weglaufen, einfach die Flucht ergreifen. Bald wird sie diese Nervenbelastung nicht länger ertragen können. Paco Jacintio ist nur ein mäßiger Schachspieler. Unter normalen Umständen könnte sie ihn gewiß oft schlagen. Doch sie weiß, daß sie vielleicht schon in' der kommenden Nacht die beiden nächsten Spiele verlieren wird, weil sie sich nicht mehr konzentrieren kann. Sie wird bald schon unter all den Belastungen zerbrechen und diesem Paco Jacintio wie eine reife Frucht in die Arme fallen. Am schlimmsten, ist es, wenn sie an Syc Shannon denkt. Was ist mit ihm geschehen? Lauert er dort draußen im Mesaland noch auf die von Jacintio ausgesandten Jäger? Fügt er ihnen immer noch Verluste zu? Oder haben sie ihn schon
erledigt? Bei diesen bohrenden Fragen wird ihr plötzlich klar, daß sie sich den Dingen stellen muß. Sie kann sich nicht verkriechen. Nein, sie muß auf stehen und hinunter. Und dort unten muß sie kühle Überlegenheit zeigen, die sich durch nichts erschüttern läßt. Sie muß kämpfen, sich behaupten - und sie darf nie und nimmer zu erkennen geben, wie's in ihr aussieht. Sie erhebt sich in plötzlicher Entschlossenheit. Auch heute wird sie sich wieder besonders sorgfältig zurechtmachen, um so ihre Schönheit zur Geltung zu bringen. Vielleicht hat sie es dadurch leichter. Noch bevor sie fertig ist, hört sie draußen auf der Straße eine Menge Lärm. Als sie aus dem Fenster blickt, sieht sie, was alle erwartet haben. An der Spitze des langen Zuges erkennt sie mehr als zwei Dutzend Reiter mit Packpferden und Maultieren. Dahinter fahren vier Postkutschen. Es sind Sonderexpreßkutschen, die man sich in Santa Fe mieten kann. Hinter diesen vier Kutschen folgen weitere Wagen. Es sind leichte Wagen, zumeist zweirädrig, aber mit schnellen und ausdauernden Tieren und beladen mit viel Gepäck und Personen. lsabel King atmet erleichtert ein. Es fällt ihr ein Stein vom Herzen. Sie schöpft plötzlich wieder Mut, verspürt Zuversicht. Denn sie weiß zu gut, daß dies nur der Anfang ist. Auch aus den anderen Himmelsrichtungen werden bald Glücksjäger kommen, die von den Silberfunden hörten. Paco Jacintio und seine Bande werden sich nicht mehr lange hier halten können. Ja, sie schöpft plötzlich wieder Hoffnung. Und als sie wenig später unten im Saloon erscheint, da stehen die durstigen Gäste schon drei Glieder tief vor dem Schanktisch. Täte Brown und die beiden zu Barkeepern bestimmten Banditen haben alle Hände voll zu tun. Ich muß mit der nächsten Post drei Frachtwagen mit Nachschub bestellen, denkt sie, und sie wundert sich im selben Moment über ihre Gedanken. Denn vorhin wollte sie noch aufgeben, spürte sie Furcht und Resignation. Jetzt plant sie schon wieder. Die Ankömmlinge an der Bar staunen sie an. Eine Stimme ruft laut: „Seht euch das an, Freunde! Seht euch diese Lady an! Ihr Anblick ist ja fast noch erfreulicher als der einer Gold- und Silberader! Oh, wir werden Glück haben in Mesa City und im Mesa-Land! Wir trinken auf unser aller Glück!" Sie lächelt, winkt ihnen zu. Dann betritt sie das kleine Zimmer, welches Büro und Wohnraum zugleich ist. Paco Jacintio steht am Fenster, welches zum Hof führt. Er rasiert sich. Als sie eintritt, wendet er sich ihr zu. „Na, mein Täubchen", sagt er, „jetzt geht's los, nicht wahr? Die werden sich noch wundern, wie wir ihnen die Wolle scheren. Unsere Preise hier sind jetzt doppelt so hoch wie gestern. Täubchen, wir haben diese Stadt übernommen und melken die Herde. Bist du gekommen, mir den Morgenkuß zu geben? Dann komm in meine Arme. " Sie sieht ihn an und schüttelt den Kopf.
„Nein", sagt sie, „aber ich muß eine lange Liste machen und sie mit der nächsten Postkutsche nach Santa Fe senden. Wir brauchen einige Frachtwagen mit Nachschub. Deine Leute sollen zwei oder drei Wildrinder töten, ausnehmen und die Viertel in die Scheune hängen. Paco Jacintio, ich habe jetzt alle Hände voll zu tun. Denn ich muß mich auch um weitere Helfer kümmern, die in den verlassenen Gärten aus dem Boden holen, was wir nur bekommen können. Paco, ich hab' zu tun, und mir ist nicht nach Morgenküssen. " Er lacht, rasiert sich fertig und wischt sich den Rest des Seifenschaumes ab. Dann tritt er hinter lsabel, die am Schreibtisch sitzt und die Liste aufstellt. Er hebt ihr Haar im Nacken hoch und küßt sie. Sie läßt es geschehen, rührt sich nicht. Er richtet sich wieder auf und lacht. „Sicher, sicher", sagt er, „ich hab' ja noch nicht das Recht. Noch bist du unbesiegt und brauchst dich mir nicht zu ergeben. Aber so anstrengend dieser Tag auch werden wird für dich, meine Schöne, wir spielen heute eine Partie. Und ich weiß, daß ich gewinnen werde. Dann steht es unentschieden. Seit zwei Tagen beobachtet Syc Shannon nun schon Mesa City, und er fragt sich, was lsabel King inzwischen widerfuhr. Gestern sah er die lange Schlange der Glückssucher aus Richtung Santa Fe kommen. Heute am späten Nachmittag kommt von Süden her Zuzug. Auch hier sind es wieder Reiter, dann Fahrzeuge aller Art. Oh, er weiß, daß in zwei oder drei Tagen Ochsenkarren und Fußgänger kommen werden. Und einige dieser Marschierer werden Handkarren hinter sich herzerren. In der Sadt rauchen jetzt viele Kamine. , Man nahm schon viele der verlassenen Hütten und Häuser in Besitz, richtete sich ein. Wahrscheinlich würde er, wäre er nahe genug, überall das Hämmern und Sägen hören können. Ja, Mesa City ist wieder zum Leben erwacht, nachdem es einige Monate lang fast so gut wie tot war. Und er ist der Town Marshai und muß sich hier draußen vor der Stadt verbergen. Er weiß auch, daß es in Mesa City noch viele Probleme geben wird mit zurückkehrenden Vorbesitzern der Häuser, Hütten und Läden, die das, was sie einst aufgaben, nun besetzt finden und zurückhaben wollen. Es wird überhaupt noch viel Verdruß geben, den nur ein Town Marshal mit Autorität und einer entschlossenen Bürgerwehr im Rücken lösen kann. Wie werden es Paco Jacintio und seine Banditen machen? Dies fragt er sich. Es gibt keinen Zweifel für ihn, daß Jacintio diese Stadt übernommen hat, um sie auszupressen. Deshalb läßt er sich auch nicht herauslocken, Shannon wartet Stunde um Stunde darauf, Reiter die Stadt verlassen zu sehen, die nach ihm zu suchen beginnen. Doch es kommen keine Reiter dieser Art. Andere Menschen jedoch verlassen die Stadt, alle vom gleichen Ziel angespornt. Sie kommen in das Mesaland, um nach weiteren Silber- oder Goldvorkommen zu suchen. Sie breiten sich in alle Himmelsrichtungen rings um die vier Mesas aus, und jeden Tag kommen Dutzende hinzu, manchmal einzeln, zumeist aber in Gruppen. Sie haben Wagen oder zumindest Packtiere bei sich.
Dies alles kann Syc Shannon von seinem Beobachtungspunkt bei der südöstlichen Mesa gut erkennen. Die Entfernung zur Stadt beträgt etwa fünf Meilen. In der klaren, trockenen Luft ist jede Einzelheit auszumachen. Er glaub't allmählich, daß Jacintio sich nicht aus der Stadt locken laßt und auch keinen weiteren seiner Reiter hier draußen opfern will. Sie werden in Mesa City auf mich warten, denkt er bitter. Jacintio hat ja lsabel als Pfand. Vielleicht bekam er heraus, was sie mir bedeutet, konnte es zumindest wittern. Sie könnte der Köder sein, der ihm die Sicherheit gibt, daß ich bald kommen muß. Kann ich das wagen? Es wird Nacht. Er verläßt seinen Beobachtungspunkt, nachdem in Mesa City mehr als hundert Lichter zu leuchten beginnen und auch rings um die Stadt die Campfeuer brennen, bei denen Wagen abgestellt sind. Was soll er tun? Soll er nach Mesa City reiten und sich dort einschleichen? Er könnte versuchen, an Jacintio heranzukommen. Zwischen ihm und Mesa City brennen bereits mehr als drei Dutzend Campfeuer. Er sah die Leute bei Tage noch aus der Stadt ziehen. Nun rasten sie da und dort, um morgen die Suche wieder aufzunehmen. Er beschließt, in den Sattel zu steigen und einige Besuche zu machen. Vielleicht kann er erfahren, was inzwischen in Mesa City geschah und wie es lsabel geht. Denn wer auch nach Mesa City kam, er war gewiß im Saloon und sah dort die schöne Wirtin. Und so ist er bald schon unterwegs zu den Campfeuern zwischen der Mesa und der Stadt. Bei den ersten zwei Camps hat er wenig Glück. Im ersten Camp sind ein Mann und eine Frau. Sie haben einen kleinen Wagen mit zwei Maultieren. Und sie halten jeder eine Schrotflinte bereit, als er bis an die Grenze des Feuerscheins geritten kommt und dann anhält. Als er fragt, ob er absitzen und ans Feuer kommen darf, sagt der Mann grob: „Nein, jetzt nicht - morgen, jetzt nicht! Wir kennen Sie nicht, Mister. Und wir möchten allein bleiben. Überall in den Gold- und Silberfundgebieten treibt sich Gesindel herum. Man muß vorsichtig sein. Reiten Sie weiter, Mister. Die Stadt ist nicht mehr weit - kaum vier Meilen. " Shannon möchte etwas erwidern, ihnen sagen, daß er ja eigentlich der Marshai dieser Stadt ist - doch er läßt es. Er wendet sein Pferd und reitet in die Dunkelheit zurück. Denn noch ist diese Nacht nicht mond- und sternenhell. Am zweiten Feuer trifft er auf einen alten Mann mit einem halbwüchsigen Jungen. Sie haben außer ihren Maultieren, auf denen sie geritten kamen, nur ein Packtier bei sich, und wirken wie armselige Siedler. Auf Shannons Fragen sagt der Alte: „Nein, wir waren nicht im Saloon. Dazu fehlt uns das Geld. Wir sahen uns nur ein wenig um und fragten im Office den Marshai, ob man hier überall nach Edelmetallen suchen und wo man eine Fundstelle registrieren kann. Dann verließen wir die Stadt auch schon wieder. Denn wir haben nicht viel Zeit. Die Frauen müssen daheim auf den Siedlerstätten unsere Arbeit mitmachen.
Das ist schwer. Wir müssen verdammt schnell ein Vorkommen finden und günstig verkaufen. Sonst. . ," Syc Shannon winkt ab. „Viel Glück", sagt er nur und reitet wiederum in die Nacht. Als er in die Nähe des dritten Campfeuers kommt, sieht er einen Wagen, dabei zwei Maultiere. Am Feuer liegen zwei Gestalten schon in den Decken. Ein Mann säubert den Topf, in dem sie offenbar das Abendessen kochten. In der Nähe ist eine Wasserstelle, eigentlich nur ein kleiner Tümpel. Der Topfputzer trägt einen großen Strohhut, und weil er den Kopf gesenkt hält, verdeckt die Hutkrempe nicht nur sein Gesicht, sondern auch noch eine Menge von seinem Oberkörper. Shannon hat sich diesem Camp sehr wachsam genähert* vor allen Dingen deshalb, weil es sich offenbar um . eine Gemeinschaft von drei Partnern handelt. Aber das Bild wirkt friedlich im Feuerschein. Zwei Mann schlafen in den Decken und jener, der den Koch macht, säubert das Geschirr. Shannon hält an der Grenze des Feuerscheins und fragt hinüber: „Kann ich an euer Feuer kommen?" „Wozu? Wir haben nichts mehr zu essen, sondern selbst alles vertilgt", erwidert der Topfputzer. „Und meine beiden Partner schlafen schon. Warum sollen wir sie wekken? Was willst du von uns?" „Ach, nur ein paar Fragen stellen", sagt Shannon und reitet noch ein Stück näher heran. „Wenn ihr in der Stadt wart und auch im Saloon gewesen seid, dann hätte ich ein paar Fragen. „Na, dann komm näher", erwidert der Topfputzer. Er kniet am Feuer und hebt nun seinen Kopf, wendet ihn Shannon zu. Shannon verspürt plötzlich ein ungutes Gefühl. Es ist wie eine böse Ahnung, und er weiß es nicht recht zu deuten. Denn wenn ihn sein Instinkt jetzt vor einer Gefahr warnt - nun, wo ist sie? Vielleicht hinter ihm? Er blickt rasch über die Schulter, dann zur Seite auf den Wagen. Als er den Mann am Feuer wieder ansieht, stellt er auch fest, daß dieser nicht mal bewaffnet ist. Eigentlich hätte er keinen Grund zur Sorge. Und dennoch warnt ihn sein Instinkt jetzt mit zunehmender Heftigkeit. Obwohl er äußerlich gelassen wirkt, lauert er jetzt wie ein Tiger vor dem Sprung auf ein Wild. Plötzlich weiß er es. Er hat den Wagen nur mit einem raschen Blick gestreift. Doch nun erinnert er sich. Dieser alte Wagen stand schon im Wagenhof, als er während seiner Genesung in Mesa City umherhinkte. Die drei Männer hier können den alten Wagen natürlich auch von Pedro Gonzales gekauft haben, doch er mag genauso gut ein Requisit für eine Falle sein. Es geht dann alles sehr schnell. Der Mann holt aus dem Topf einen Colt und schießt sofort. Die Kugel trifft Shannon.
Dieser läßt sich vom Pferd fallen, zieht dabei seinen Colt und schießt damit, bevor er den Boden berührt. Er trifft den Mann mit dem Topf. Er rollt am Boden zur Seite und schießt weiter. Denn die beiden anderen Kerle, die wie Schläfer wirkten, waren in Wirklichkeit die ganze Zeit hellwach und beweisen dies. Doch sie machen einen Fehler, weil sie 'sich nicht die Zeit nehmen, erst die Decken beiseite zu schlagen. Sie hielten unter den Decken ihre Waffen schußbereit. Doch es ist gar nicht so einfach, durch eine Schlafdecke auf ein fast acht Schritte entferntes Ziel am Boden zu schießen. Sie treffen nicht mit ihren ersten Schüssen, und damit haben sie ihre Chance schon vertan. Shannon gibt ihnen keine weitere. Dann muß er machen, daß er wegkommt. Er taumelt hoch. Die Kugel sitzt in seiner rechten Schulter. Ihm wird für einen Moment schwarz vor Augen. Er taumelt zu seinem Pferd, welches nur wenig scheute, weil es an Gewehr- und Revolverfeuer gewöhnt ist und die Zügelenden am Boden lagen. Er kommt recht gut in den Sattel. Nun ist er auf der Flucht. Er ist angeschossen. Zumindest das haben Jäcintios Männer nun endlich nach vielen Verlusten geschafft. Aber was nun? Wo kann er Hilfe bekommen? Werden sie ihn nicht bald jagen wie einen angeschossenen Wolf? Wo kann er sich verkriechen? Um diese Zeit sitzt lsabel King mit Paco Jacintio bei der entscheidenden Schachpartie. Jacintio braucht nur noch diesen einen Sieg. Dann wird sie sich ihm ganz und gar ergeben müssen. Oder er wird seine Pose aufgeben und sich als der Mann zeigen, der er ja in seinem Kern immer noch ist. Er wird sich gekränkt fühlen und mit Gewalt nehmen, was er so gern haben will. Was er sich vorgenommen hatte, nämlich eine schöne Frau mit Geist und Männlichkeit zu beeindrucken und zu erobern, wird sich als Illusion erweisen. Und diese Erkenntnis wird dann all das Böse wieder in ihm mächtig werden lassen. Sie fürchtet sich davor. Manchmal, wenn sie auf seinen nächsten Zug wartet, da möchte sie aufspringen und um Hilfe rufen. Der Saloon ist voller durstiger Kehlen, so daß die Vorräte Wohl aufgebraucht sind, bevor Nachschub kommt. Aber wird sie von diesen Gästen Hilfe bekommen? Es ist ein zusammengewürfelter Haufen, keine Gemeinschaft. Sie alle sind sich mehr oder weniger fremd, und sie kamen her, um möglichst schnell das Glück zu finden. Nichts anderes interessiert sie. Ja, wenn diese Stadt eine gewachsene Bürgerschaft hätte, wäre es anders. Doch gegen Jacintios Banditenbande wird niemand antreten. Dazu braucht es entschlossene Anführer, denen genügend Männer vertrauen. Nein, sie wird keine Hilfe erhalten. Hier hat jeder mit sich selbst genug zu tun.
Fast alle denken nur an die Gold- und Silbersuche, daran, wie sie sich ausrüsten können, wo sie mit der Suche anfangen sollen und wie sie mit ihren zumeist geringen Mitteln durchhalten können bis zum großen Fund. Und nicht wenige von ihnen werden sich erst eine Arbeit suchen müssen, weil sie mit leeren Taschen herkamen. lsabel King hat nur eine einzige Chance, nämlich die, Zeit zu gewinnen. Und so muß sie Jacintio heute schlagen. Sie darf dieses Spiel nicht verlieren, muß zumindest ein Remis erreichen. Ihre Positionen auf dem Brett sind am Anfang gar nicht so gut. Aber dann macht Jacintio doch einige Fehler. Sie verspürt plötzlich wieder Mut, kann sich trotz aller Sorgen und vieler Gedanken wieder besser konzentrieren, und sie kann Paco Jacintio sogar anlächeln und zu ihm sagen: „Heute schlage ich dich, Paco Jacintio! Heute wirst du nicht gewinnen. Du wirst sicherlich noch viele Tage und Nächte mit mir kämpfen müssen. Und das schmeichelt mir. " „Und mir", erwidert er, wobei er seinen Unmut nicht völlig verbergen kann. Denn die Ungeduld wird immer wieder mächtig in ihm. Er kann sie manchmal kaum noch unter Kontrolle halten. Manchmal möchte er das ganze Schachspiel, so kostbar es auch ist, vom Tisch fegen, lsabel am Handgelenk packen und mit sich zerren. Er blickt bei diesen Gedanken dann stets die Treppe hinauf, versucht sich vorzustellen, wie es dort oben mit ihr wohl sein wird. Wenn er dann wieder in ihre Augen blickt, begreift er schnell, daß er sie zwar mit Gewalt besitzen, doch zugleich auch ihre ganze Verachtung spüren würde. Und er möchte nicht von ihr verachtet werden. Nein! Niemals möchte er von dieser Frau verachtet werden. Deshalb kämpft auch er, konzentriert sich und versucht sie zu schlagen. Es Wird eine zähe Partie. Und sie wissen beide nicht, daß vier Meilen von Mesa City entfernt Syc Shannon in dieser Nacht in eine Falle reitet und angeschossen wird. Die Partie dauert bis eine Stunde nach Mitternacht. Dann endet sie remis, also unentschieden. lsabel erhebt sich, verharrt einige Atemzüge lang am Tisch und sagt dann spröde: „Heute wird es noch nichts, Paco Jacintio - heute nicht. " Auch er erhebt sich langsam, denn er will ein höflicher Caballero sein, der nicht am Tisch sitzenbleibt, wenn die Dame aufsteht. Seine Lippen zwischen dem Bart bewegen sich. „Du läßt mich zappeln", sagt er. „Aber morgen. . . " „Sicher, sicher, morgen . . . ", unterbricht sie ihn und geht vom Tisch zur Treppe. Die Zecher an der Bar starren ihr hinterdrein. Sie sucht Blickverbindung mit Täte Brown, jenem Exsäufer, mit dem eine geradezu unglaubliche Veränderung vorging. Er steht mit drei Helfern hinter der Bar, und er leitet gewissermaßen diesen Betrieb, indes lsabel spielt.
Er nickt ihr beruhigend zu, und dieses Nicken ist so gut wie viele Worte, als wenn er sagen würde: Mach dir keine Sorgen, lsabel! Ich schaff das hier schon! Ruh dich nur aus, damit du diesem Jacintio gewachsen bleibst. Sie nickt ihm dankend zu, und dann ist sie oben verschwunden. Der Saloon beschäftigt seit gestern auch drei Animiermädchen, welche mit einer der außerplanmäßigen Kutschen kamen. Eines dieser Mädchen nimmt nun die Gitarre un. d beginnt zu singen. P&o Jacintio sitzt noch bewegungslos am Tisch, nachdem er wieder Platz nahm, als lsabel den Tisch verließ. Er starrt auf die Figuren des Schachspiels, versucht herauszufinden, was er falsch gemacht hat. Aber das Rekonstruieren fällt ihm schwer. Als er sich erheben will, kommt einer seiner Männer herein, tritt zu ihm und sagt: „Es waren Schüsse zu hören. Und so bin ich hingeritten, um nachzusehen. Die Falle, welche Ringo, Buko und Abe stellten, hat funktioniert. Dieser Shanonn kam in das Camp der vermeintlichen Silber- und Goldsucher. Aber dann . .
.
" Der Mann verstummt.
Und Paco Jacintio vergißt seine Müdigkeit.
Er knurrt: „Laß mich nicht warten, Pinky! Zur Hölle, laß mich nicht warten!" Pinky nickt.
„Es gab einen Kampf.
Sie haben ihn angeschossen.
Aber er hat sie alle drei erwischt.
Verstehst du, Paco? Er tappte in ihre Falle, aber sie konnten ihn dennoch nicht erledigen.
Er schaffte sie alle drei, verwundete sie böse und kam noch in den Sattel.
Aber auch er muß verwundet sein.
Ringo ist sicher.
Er gab den ersten Schuß ab und holte ihn vom Pferd.
Aber er ist nur angeschossen und kann gewiß immer noch kämpfen.
Was sollen wir tun, Paco?" Paco Jacintio erhebt sich mit einem Ruck.
„Jetzt muß ich selbst reiten", sagt er.
„Du kommst mit Blaine und Cadden mit.
Ja, jetzt muß ich selbst nach ihm suchen.
Sonst erledigt er euch alle - alle, die ich gegen ihn aussende.
Ich muß ihn selbst jagen.
" Die Kugel in seiner Schulter schmerzt böse. Er weiß, daß sie sein Blut vergiftet und ihn dann wahrscheinlich umbringt, wenn er sie nicht bald herausgeschnitten bekommt. Doch wer kann ihm diesen Dienst erweisen? W o gibt es einen Arzt oder wenigstens einen kundigen Menschen, der sich auf Schußwunden versteht? Wohin soll er flüchten? Und wie lange kann er sich überhaupt auf dem Pferd halten? Noch reitet er, hält sich im Sattel und erträgt auch den Schmerz. Pedro Gonzales fällt ihm ein. Doch da müßte er nach Mesa City reiten, sich in den Wagenhof und zur Postagentur schleichen.
Dann fällt ihm Lucky Joe Stag ein, mit dem er damals jenes Abkommen schloß, welches den Silberrun auslöste. Aber Lucky Joe ist gewiß noch in Mesa City und säuft dort wie ein Loch. In seiner alten Mine, die er als Claim anmeldete, ist kein Silber. Doch ein kleines Stück daneben wurde eine Silberader gefunden. Shannon erinnert sich an die beiden Männer, die mit dem Handkarren loszogen. Charly Skinner und Pat Selby heißen sie. Und einer kam ja nach Mesa City, um die Fundstelle registrieren zu lassen. Syc Shannon weiß plötzlich, wohin er zu reiten hat, um Hilfe zu bekommen. Und der Weg ist ja auch gar nicht mehr weit. Kaum zwei Meilen sind es. Er reitet ruhig durch die Nacht. Da und dort sind Feuer. Aber diese Leute kennt er nicht. Er will zu Charly Skinner und Pat Selby. Als er ihr Camp an der Mesawand erreicht, erwarten sie ihn mit Gewehren im Hüftanschlag. Erst als sie ihn erkennen, entspannen sie sich. Selby sagt: „Aaäh, der Marshal aus Mesa City .
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He, Mister, haben Sie nicht in der Stadt jetzt alle Hände voll zu tun? Oder hat Jacintio Sie zum Teufel gejagt?" „Ich hab' eine Kugel in der Schulter", sagt er vom Sattel aus, „und wenn ihr mir dieses Mistding rausholt, ist dies gewiß auch für euch von Vorteil. " „Und warum das?" Charly Skinner fragt es mit einem Glucksen in der Stimme, so, als amüsierte er sich über etwas. Syc Shannon schweigt drei Sekunden. Dann sagt er: „Weil ich dann in der Lage bin, Paco Jacintio in die Hölle zu schicken, wo er schon lange hingehört. Er hat schon viele Leute bei der Jagd auf mich verloren. Nun muß er selbst nach mir suchen. Und darauf hab' ich die ganze Zeit gewartet. Es wird gut sein für uns alle in diesem Land, wenn Jacintio nicht mehr unter uns weilt. Oder?" Sie nicken. „Ja, so ist es wohl", nickt Charly Skinner. „Seine Leute waren schon hier. Sie sagten, daß Jacintio uns gegen Beteiligung vor Banditen beschützen würde. Wir können uns das bis morgen Mittag überlegen. Steig nur ab, Freund! Du hast Glück. Pat war während des Krieges Sanitätssergeant. Der kann fast so gut operieren wie ein richtiger Doc. Komm nur runter von deinem Pferd, Shannon. " Paco Jacintio kehrt schon gegen Mittag nach Mesa City zurück. Denn von Charly Skinner und Pat Selby erfuhr er, daß Syc Shannon sich von ihnen eine Kugel herausholen lassen wollte, was sie aber nicht konnten, weil sie ja keine studierten Docs wären. Und dann wäre Shannon weiter nach Osten geritten, also zum New-Mexico-Territorium hinüber. Paco Jacintio kennt das Land, durch welches der Flüchtling mit einer Kugel in der Schulter reiten muß, und er gibt ihm keine Chance mehr.
Er hält es nicht für nötig, ihm zu folgen. Natürlich hätte er das getan, wenn seine Anwesenheit in Mesa City nicht so notwendig wäre. Auch braucht er all seine Männer in dieser Stadt, um sich als ihr Boß zu behaupten. Deshalb reitet er mit seinen beiden Begleitern zurück und legt sich bald schon zur Ruhe. Denn er muß Schlaf haben. Er kann heute nach Anbruch der Nacht nicht unausgeschlafen gegen lsabel gewinnen. Er schläft recht gut im besten Zimmer des wieder in Betrieb genommenen Hotels, Und als er gegen Abend ans Fenster tritt, um sich zu rasieren, beobachtet er zufrieden das rege Leben und Treiben auf der Mesa Street. Einige seiner Leute kommen, erstatten Bericht, empfangen Befehle. Es gab noch weitere Silberfunde. Er hört es mit Zufriedenheit, Dann ist auch er fertig. Er geht zum Abendbrot hinunter. Indes er noch ißt, werden ihm zwei harte Burschen vorgestellt, die gern für ihn arbeiten wollen. Er stellt ihnen kauend Fragen und sagt ihnen dann, daß sie nun auf seiner Lohnliste stünden. Als er sich erhebt, denkt er an lsabel King und die nun fällige Schachpartie. Er tritt aus dem Hotel. Es ist Nacht geworden. Überall brennen die Lichter. Die Stadt ist voller Leben. Außer dem Mesa Saloon haben nun auch andere Saloons und Schänken eröffnet, dazu Speiseküchen und Bratstände. Ein ganzer Wagenzug ist gekommen. Und überall kassieren schon seine Männer. Paco Jacintio ist zufrieden. Er überquert die Fahrbahn, betritt den Mesa Saloon. Täte Brown bringt das Schachspiel zum Ecktisch. „Sag ihr, daß ich auf sie warte", verlangt Jacintio. „Und dann bring mir endlich meinen roten Wein und die Zigarre. Oder soll ich dir Beine machen?" Er geht davon, bringt wenig später den Wein samt Zigarre und sagt: „Sennor, sie kommt bald. Da wir jetzt in der Küche einen Chinesen als Koch haben, hat sie es leichter. Sie kommt. " „Du hast dich aber mächtig verändert, Täte", sagt er. „Wie ist das möglich?" „Sie gab mir irgendwie meine Selbstachtung zurück", murmelt Täte Brown. „Sie vertraute mir und war zugleich sehr auf meine Hilfe angewiesen. Ich konnte sie nicht enttäuschen. Wer kann diese Frau schon enttäuschen?" Nach diesen Worten geht er. Denn es gibt zu tun. Der Saloon füllt sich. Nur der Tisch an der Ecke bleibt leer bis auf den wartenden Paco Jacintio. Er hat die Figuren schon aufgestellt, denn er weiß, daß lsabel wieder die silbernen wählen wird. Als er die Zigarre fast aufgeraucht hat und beim dritten Glas Wein ist, kommt sie. Sie war noch einmal oben, hat sich frisch gemacht. „Heute spielen wir, bis es entschieden ist", verlangt er.
Dann eröffnet sie das Spiel. Sie kümmern sich nicht um das Treiben im Saloon, scheinen nichts anderes zu sehen als die Figuren, nichts anderes zu denken als an diese „Schlacht". Ja, es ist für beide eine Schlacht. lsabel will frei bleiben, ihn hinhalten, Zeit gewinnen. Und er will sie haben. Es ist ein verbissener Kampf. Sie spielen in dieser Nacht drei Partien. Zwei enden remis, also unentschieden. Die dritte Partie gewinnt Paco Jacintio. Er lehnt sich zurück und trinkt das Glas leer. Dabei sieht er lsabel unentwegt an. „Jetzt ergib dich", sagt er. „Du gehörst jetzt mir. Ich hab' fair um dich gekämpft. Du hast verloren. Komm, gehen wir!" Sie zögert, und einen Moment sieht es aus, als wollte sie hektisch reagieren. Doch sie weiß zu gut, daß sie eine Gefangene in ihrem eigenen Saloon ist. Nur Täte Brown wäre auf ihrer Seite. Alle anderen Angestellten hören auf Jacintio. Von den Gästen hätte sie keine Hilfe zu erwarten. Da hat sich gewiß nichts geändert. Sie erhebt sich und geht zur Treppe. Paco folgt ihr. An der Treppe holt er sie ein, reicht ihr den Arm. Er führt sie wie ein Hochzeiter hinauf. Unten im großen Raum wird es still. Denn es hat sich ja herumgesprochen, um was Jacintio und die schöne lsabel spielen. Nun ist fast allen Zuschauern klar, was geschah. Jemand ruft: „Hey, viel Vergnügen!" Dann lachen einige. lsabel und der Bandit sind nun oben auf dem Gang. Als sie vor der Tür stehen, sagt er: „Eigentlich müßte ich dich über die Schwelle tragen, nicht wahr?" Er will die Tür öffnen. Doch sie ist verschlossen. „Gib mir den Schlüssel", verlangt er. „Warum ist die Tür überhaupt verschlossen?" „Weil deine Männer überall herumschnüffeln", sagt sie, aber sie holt den Schlüssel aus einer Faltentasche ihres Rockes, reicht ihn ihm. Er schließt auf. Drinnen brennt eine Lampe. Ihr Licht mischt sich nun mit dem Lichtschein des beleuchteten Ganges. Paco Jacintio sieht sofort den Mann in lsabels Zimmer. Und er erkennt ihn. Er brüllt auf. Seine Hand reißt den Colt heraus, schwingt ihn hoch - aber als er abdrückt, stößt ihn eine Kugel zurück. Er stolpert rückwärts, schießt dabei zur Decke empor, bekommt die zweite Kugel und drückt sterbend noch einmal ab, indes er rücklings fällt und krachend aufschlägt. lsabel steht starr da.
„Ich kam über das Schuppendach", sagt Syc Shannon und senkt den rauchenden Colt. ENDE