M. Ludwig Kinderwunschsprechstunde
M. Ludwig
Kinderwunschsprechstunde Zweite aktualisierte Auflage
Mit 102 Abbildun...
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M. Ludwig Kinderwunschsprechstunde
M. Ludwig
Kinderwunschsprechstunde Zweite aktualisierte Auflage
Mit 102 Abbildungen und 43 Tabellen
123
Prof. Dr. med. Michael Ludwig Endokrinologikum Hamburg Zentrum für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie Lornsenstraße 6 22767 Hamburg
ISBN-13
978-3-540-70978-7 Springer Medizin Verlag Heidelberg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Dr. Sabine Höschele Projektmanagement: Ute Meyer-Krauß Umschlag: deblik Berlin Titelbilder: www.photos.com; Patrizia Tilly, www.fotolia.com SPIN 11847670 Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg Druck: Stürtz GmbH, Würzburg Gedruckt auf säurefreiem Papier
2111 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort zur 1. Auflage … und noch ein Buch zur Kinderwunschbehandlung. Aber anders! Es ist ein Buch zur Kinderwunschbehandlung in der täglichen gynäkologischen Praxis. Daher sind zahlreiche Abbildungen enthalten, die es einfacher machen sollen, sich mit dem Kinderwunschpaar in definierten Situationen auseinanderzusetzen. Tabellen helfen, wesentliche Situationen auf einen Blick zu erfassen und in die Beratung umzusetzen. Das Buch möchte aber andererseits nicht auf die wissenschaftlichen Grundlagen verzichten: wer will, kann das gesamte Buch wahrscheinlich an einem halben Tag durcharbeiten. Wer tiefer in die Thematik einsteigen möchte, wer verstehen möchte, warum die eine oder andere Empfehlung so gegeben wird, kann sich mit den zahlreichen Abbildungen, Tabellen und Studienboxen auseinandersetzen und darüber ein noch besseres Verständnis für die Problematik erhalten. Fallbeispiele sollen helfen, alltägliche Situationen wieder zu erkennen. Ich wollte ein Buch schreiben, das sich an den täglichen Problemen orientiert, die in einer gynäkologischen Praxis beim Umgang mit Kinderwunschpaaren auftreten können – ich hoffe, das ist mir gelungen. Allen Kolleginnen und Kollegen, die mir in der täglichen Zusammenarbeit sowie in meinen Vorträgen und zahlreichen Seminaren durch ihre Anmerkungen und Fragen die Motivation gegeben haben, dieses Buch zu schreiben, gilt mein Dank. Besonders bedanken möchte ich mich ferner bei Frau Christel Stegen, die in akribischer Weise die Texte wieder und wieder korrigiert hat, mich immer wieder auf Fehler oder Fehlendes aufmerksam gemacht hat und so einen wesentlichen Anteil am Gelingen hatte. Frau Cornelia Martinsen hat die Abbildungen aus meinen Dias in druckbare Vorlagen verwandelt – auch dafür vielen Dank. Schließlich hat Frau Dr. Hella Dierking mir bei der Erstellung der Medikamentenanhänge in dankenswerter Weise geholfen. Ich hoffe, dass das Buch so Verwendung findet, wie ich es mir gedacht habe – in der täglichen Praxis zur optimalen Behandlung Ihrer Patientinnen und Patienten. Hamburg, im August 2004 Michael Ludwig
VI
Vorwort zur 2. Auflage Der rasche Ausverkauf der ersten Auflage und der damit verbundene Wunsch des Verlags nach einer Neuauflage haben uns gezeigt, dass für dieses Buch dringender Bedarf besteht. Nun liegt es vor Ihnen. In dieser zweiten Auflage wurde einiges aktualisiert, zum Beispiel Daten in Tabellen der jüngsten Literatur angepasst und, wo immer möglich, neue Meta-Analysen eingearbeitet sowie fehlende Aspekte ergänzt. Selbstverständlich lautet das oberste Gebot des Buches weiterhin, praxisnah zu sein. Ich hoffe, dass die »Kinderwunschsprechstunde« auch in Zukunft auf großes Interesse stoßen und so viel Zuspruch finden wird wie bisher.
Hamburg, im April 2007 Michael Ludwig
VII
Inhaltsverzeichnis 1
Physiologische Grundlagen . . . . . . . . . 1
1.1 1.2 1.3 1.4 1.5
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 Stadien der Follikelreifung. . . . . . . . . . . . . . . .2 Aufbau der Gonadotropine . . . . . . . . . . . . . . .4 Funktion vom LH und FSH . . . . . . . . . . . . . . . .4 Wirkung von LH und FSH bei der Follikelreifung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5 Regulationsmechanismen im Regelkreis Hypothalamus-Hypophyse-Ovar . . . . . . . . . .8 Inhibine, Aktivine und Follistatin . . . . . . . . . .9 Lutealphase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9 Endokrine Lebensphasen der Frau. . . . . . . .10 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14
1.6 1.7 1.8 1.9
2
Natürliche Familienplanung . . . . . 15
2.1 2.2 2.3 2.4
Mittelschmerz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 Zervikalschleim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 Basaltemperaturkurve . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 Computergestützte Hormonbestimmung und Konzeptionsoptimierung. . . . . . . . . . . .21 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21
3
Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . 23
3.1 3.2 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.5
Follikelphase und Ovulation . . . . . . . . . . . . .24 Lutealphaseninsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . .28 Eingeschränkte ovarielle Reserve . . . . . . . . .29 Hyperprolaktinämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 Hyperprolaktinämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Makroprolaktinämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Prolaktinome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Medikamentöse Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 34 Schilddrüse und unerfüllter Kinderwunsch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36 Hyperandrogenämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37 Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Seltene Differenzialdiagnosen bei Hyperandrogenämie . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Adrenaler Enzymdefekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) . . . . . . 42 Therapie der Hyperandrogenämie. . . . . . . . 44 Metformintherapie bei PCO-Syndrom und kosmetischer Problematik . . . . . . . . . . . 49
3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.6.5 3.6.6
3.6.7
Metformintherapie bei PCO-Syndrom und Kinderwunsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54
4
Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren . . . . . . . . . . . 57
4.1 4.2 4.3 4.4
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 Anamneseerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 Infektionsscreening. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61 Bedeutung des männlichen Faktors – Spermiogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .62 4.5 Amenorrhoe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64 4.6 Normales Spermiogramm und Oligo-/ Amenorrhoe, Hyperandrogenämie, PCO-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65 4.7 Abklärung des Tubenfaktors: wann und wie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .69 4.8 Bedeutung der Endometriose im Rahmen der Kinderwunschbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72 4.8.1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.8.2 Bedeutung der Endometriose per se als Sterilitätsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4.9 Myome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .79 4.10 Pathologischer Tubenfaktor . . . . . . . . . . . . .82 4.11 Idiopathische Sterilität. . . . . . . . . . . . . . . . . . .87 4.11.1 Einleitung und Begriffsbestimmung . . . . . . .87 4.11.2 Ursachen der idiopathischen Sterilität . . . . 88 4.11.3 Therapie der idiopathischen Sterilität . . . . . 91 4.12 Auffälliges Spermiogramm . . . . . . . . . . . . . .94 4.13 Einfluss des Faktors »Alter« auf die Therapieentscheidung . . . . . . . . . 100 4.14 Einfluss der »Kinderwunschdauer« auf die Therapieentscheidung . . . . . . . . . 103 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
5
Lebensführung und Konzeptionschancen . . . . . . . . . . . . . . . 111
5.1 5.2
Einflussfaktor »Nikotinabusus« . . . . . . . . . 112 Einflussfaktor »Übergewicht« . . . . . . . . . . 112 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
VIII
Inhaltsverzeichnis
6
Grundlagen der ovariellen Stimulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
8
Individuelle Therapieentscheidung . . . . . . . . . . . . . 149
6.1 6.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Finale Follikelmaturation/ Ovulationsinduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Beurteilung des Endometriums . . . . . . . . 118 Möglichkeiten der Stimulation . . . . . . . . . 120 Clomifen-Zitrat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Gonadotropin-Stimulation . . . . . . . . . . . . . . 121 Überwachung des Stimulationszyklus . . . 125 Protokolle unter Verwendung von GnRH-Agonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Protokolle unter Verwendung von GnRH-Antagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Lutealphasenunterstützung . . . . . . . . . . . . 128 Ovarielles Hyperstimulationssyndrom . . 132 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Pathogenese des OHSS . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Therapie des OHSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
8.1 8.2 8.2.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Beispiele zur Entscheidungsfindung . . . . 154 Beratung vor und während der Entscheidungsfindung für eine IVF-/ICSI-Behandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Aufbau eines langfristigen Entscheidungsbaumes . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Langdauernder Kinderwunsch . . . . . . . . . . 157 Negative Begleitfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . 157 Ablehnung der Behandlung aufgrund gesundheitlicher Risiken. . . . . . . . . . . . . . . . 158 Akute prämature Ovarialinsuffizienz (POF; »premature ovarian failure«). . . . . . . 160 Alternative Beratung bei mehreren Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3
8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6 8.2.7
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 7
Aufklärung zu Schwangerschaft und Geburt nach assistierter Reproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
7.1 7.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Risiko von entzündlichen Komplikationen, ektopen und heterotopen Schwangerschaften . . . . . . Abortrate nach Sterilitätsbehandlung. . . Mehrlingsrisiko. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwangerschaftserkrankungen . . . . . . . Geburtsrisiken für die Kinder . . . . . . . . . . Fehlbildungsrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung des unerfüllten Kinderwunsches als Risikofaktor für Schwangerschaft und Geburt . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8
A1 A2 A3 A4
138 A5 138 140 140 142 143 144
A6
A7 145 148
Antiandrogene Medikamente. . . . . . . . . . 166 Prolaktinhemmende Medikamente . . . . . 166 Prolaktinfreisetzende Medikamente . . . . 167 Gesetzliche Grundlagen für die Beratung und Durchführung einer Kinderwunschbehandlung . . . . . . . . . . . . 171 Umgang mit statistischen Angaben bei der Entscheidungsfindung . . . . . . . . . 172 Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und der Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (»Richtlinien über künstliche Befruchtung«) . . . . . . . . . . . . . . 174 Anamnesebögen für Frau und Mann . . . . 182
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . 191
1
Physiologische Grundlagen 1.1
Einleitung – 2
1.2
Stadien der Follikelreifung – 2
1.3
Aufbau der Gonadotropine – 4
1.4
Funktion von LH und FSH – 4
1.5
Wirkung von LH und FSH bei der Follikelreifung – 5
1.6
Regulationsmechanismen im Regelkreis Hypothalamus-Hypophyse-Ovar – 8
1.7
Inhibine, Aktivine und Follistatin – 9
1.8
Lutealphase – 9
1.9
Endokrine Lebensphasen der Frau – 11 Literatur
– 14
1
2
Kapitel 1 · Physiologische Grundlagen
1.1
Einleitung
Kurzüberblick Für das Verständnis reproduktionsmedizinischer Fragestellungen sind einige grundlegende Definitionen hinsichtlich der Kinderwunschbehandlung selbst sowie auch hinsichtlich der physiologischen Grundlagen notwendig. Nur so kann ein tieferes Verständnis für die physiologischen und die pathologischen Abläufe entstehen.
1.2
Stadien der Follikelreifung
Bei der Follikelreifung unterscheidet man im Ovar vier unterschiedliche Stadien der Follikelentwicklung (⊡ Abb. 1.1). Am Anfang steht der Primordialfollikel, eine Eizelle, umgeben von einem plattenförmigen Epithel. Dieser entwickelt sich weiter zum Primärfollikel, der mit einem kubischen einschichtigen Epithel ausgestattet ist. Im Sekundärfollikel besteht das kubische Epithel aus mehr als einer Schicht. Um den Follikel
herum beginnen sich fischschwarmartig Zellen anzuordnen, die die spätere Thekazellschicht bilden. Das zweite Kompartment bildet die mehrschichtige kubische Granulosazellschicht, die direkt der Eizelle angelagert ist. Sobald der Follikel Hohlräume ausbildet, spricht man von einem Tertiärfollikel. Diese Hohlräume entstehen im Bereich der Granulosazellen, also des mehrschichtigen kubischen Epithels, und konfluieren zunehmend mit der Reifung des Follikels. Es sind die antralen, weitentwickelten Follikel, die man sonographisch im Ovar als echoarme Strukturen erkennen kann. Eine Sonderform des Tertiärfollikels ist der Graaf-Follikel. Er ist der direkt sprungbereite, präovulatorische Follikel. Histologisch findet man den Cumulus oophorus, eine am Rand gelegene Anhäufung von Granulosazellen, die die Eizelle direkt umschließt. Der Hohlraum im Bereich der Granulosa ist komplett konfluiert. Ein Graaf-Follikel hat einen Durchmesser von 18–20 mm. Dieses Schema, welches nunmehr fast 20 Jahre alt ist, mag man stets im Kopf behalten, wenn man
d
⊡ Abb. 1.1 Einteilung der Follikulogenese. (Nach Gougeon 1986)
1
3 1.2 · Stadien der Follikelreifung
Studienbox Fraglich ist, warum überhaupt die Follikel zu reifen beginnen. Verschiedentlich wurde in experimentellen Tierversuchen der Einfluss bekannter Faktoren geprüft. So konnten Oktay et al. (1998) zeigen, dass bei Ausschaltung der FSH-Wirkung bei der Maus die Follikelreifung über den Primordial- zum Primär- und Sekundärfollikel unter Ausbildung eines mehrschichtigen kubischen Epithels fortschreitet, allerdings wird sich niemals ein tertiärer, also antraler Follikel entwickeln können. Die FSH-Wirkung – das follikelstimulierende Hormon – ist also für die ersten Schritte der Follikelreifung, die bis zum Sekundärfollikel gehen, und somit etwa zwei Drittel der Gesamtreifung betragen, nicht essentiell notwendig.
In dem Schema nach McGee und Hsueh (2000) sind verschiedene andere Faktoren aufgezeigt, die für die Follikelreifung als relevant diskutiert werden (⊡ Abb. 1.2). Sie müssen nicht gelernt oder behalten werden, sondern sollen lediglich die Vielfalt der Einfluss nehmenden Faktoren demonstrieren. Insgesamt unterscheiden diese Autoren zwischen
FSH/LH, GH, IGFI, EGF IL1, NO
Gonadotropinabhängig
einer gonadotropin-responsiven und einer gonadotropin-abhängigen Phase, die letztendlich die Ergebnisse von Oktay et al. (1998) widerspiegeln. Das Schema von Hillier (2001) zeigt noch einmal in einer Übersicht den wechselnden Einfluss der Gonadotropine LH und FSH auf die Follikelreifung (⊡ Abb. 1.3). LH
FSH
Follikeldurchmesser (mm)
über eine ovarielle Stimulation oder die Beratung von Kinderwunschpaaren nachdenkt.
20
2
0,2
0
4 8 Zeit (Wochen)
12
⊡ Abb. 1.3 Zeitlicher Ablauf der Follikulogenese. (Nach Hillier 2001)
präovulatorisch
antral FSH
früh antral
Gonadotropinresponsiv
FSH, GDF-9 Aktivin cGMP ?
sekundär primär primordial
⊡ Abb. 1.2 Steuerung der Follikulogenese, GH: Wachstumshormon, IGFI: insulin like growth factor I, EGF: epidermal growth factor, IL1: Interleukin 1, NO: Stickoxid, GDF-9: growth differentiation factor - 9, cGMP: zyklisches Guanosin-Monophosphat. (Nach McGee u. Hsueh 2000)
1
4
Kapitel 1 · Physiologische Grundlagen
1.3
Aufbau der Gonadotropine
Bevor auf die eigentliche Wirkung der Gonadotropine eingegangen wird, soll an dieser Stelle noch einmal deren prinzipieller Aufbau erklärt werden (⊡ Abb. 1.4). Grundsätzlich sind die Gonadotropine FSH (follikelstimulierendes Hormon), LH (luteinisierendes Hormon), HCG (humanes Choriongonadotropin) sowie das TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) aus einer α- und β-Untereinheit aufgebaut. Die α-Untereinheit ist dabei jeweils dieselbe. Die β-Untereinheit unterscheidet sich und bestimmt die spezifische Wirkung des einzelnen Hormons. Wesentlich ist hierbei, dass sich die Strukturen der LH-β-Kette und der HCG-β-Kette stark ähneln, sodass auch das HCG am LH-Rezeptor binden kann und somit in der Lage ist, zum Beispiel eine Ovulation auszulösen. Ebenso ist die Struktur von HCG und TSH sehr ähnlich, sodass in der Frühschwangerschaft nicht selten eine vermehrte Schilddrüsenstimulation durch das ansteigende HCG auftreten kann, die dann zu einer für die frühe Schwangerschaft typischen hyperthyreoten Situation führen kann: HCG stimuliert die Schilddrüse, diese schüttet vermehrt Schilddrüsenhormone aus, die Steigerung der peripheren Schilddrüsenhormonkonzentration führt zu einer Unterdrückung des TSH.
1.4
Funktion vom LH und FSH
Im Wesentlichen funktioniert die LH- und FSHWirkung nach dem Zweizell-Zweigonadotropin-Konzept. Dies bedeutet, dass LH auf die Thekazelle wirkt und dort zu einer vermehrten Androgenproduktion führt. Die Androgene werden dann in der Granulosazelle zu Östrogenen aromatisiert. Das geschieht unter dem Einfluss von FSH, welches die Aromataseaktivität in der Granulosazelle direkt beeinflusst. Dieses klassische Zweizell-Zweigonadotropin-Konzept ist nur insofern begrenzt richtig, als die Granulosazelle im weiteren Verlauf ihrer Differenzierung zunehmend eigene LH-Rezeptoren ausbildet und somit der weiterentwickelte antrale Follikel (ab ca. 10 mm) auch auf LH reagiert. In diesem Sta-
α
α
α
α
β
β
β
β
FSH
LH
hCG
TSH
⊡ Abb. 1.4 Aufbau der Gonadotropine
dium hat also LH eine FSH-ähnliche Wirkung! Dies ist für die differenzierte hormonelle Stimulationsbehandlung von außerordentlicher Bedeutung. Ferner wird zunehmend klar, dass neben der endokrinen Wirkung verschiedener Hormone, die parakrine Wirkung, das heißt, die Wirkung von Hormonen auf direkt benachbarte Zellen, eine wesentliche Funktion der physiologischen Regulation hat. So konnte man zum Beispiel zeigen, dass sich die Aromataseaktivität durch die zur Verfügung gestellte Androgen (Testosteron)-Konzentration positiv beeinflussen lässt. Ferner führt die Inkubation mit Androgenen in den frühen Phasen des Follikelwachstums zu einer Stimulation der Follikelzahl im Tierexperiment (Vendola et al. 1998). Im Zusammenspiel der Gonadotropine mit der Follikulogenese sind drei Phasen in der abschließenden Reifung während des menstruellen Zyklus zu unterscheiden: ▬ Rekrutierung: Dies bedeutet, dass aus der vorhandenen Zahl antraler Follikel einige ein weiteres Wachstum sowie eine weitere Reifung aufnehmen. Aus welchen Gründen eben diese Follikel selektiert werden, ist komplett unklar. ▬ Selektion: Ein einzelner Follikel wird während des Wachstums und der Reifung die »Oberhand« gewinnen und wahrscheinlich vorwiegend durch parakrine, aber auch endokrine Wirkung zu einer Atresie der kleineren Follikel führen. Die endokrine Wirkung beruht wahrscheinlich vor allem darauf, dass durch die steigende Östrogen- und Inhibin-B-Konzentration des reifenden Follikels die FSH-Sekretion der Hypophyse unterdrückt wird, sodass sich das endokrine Milieu in den kleineren Follikeln ungünstig verändert.
5 1.5 · Wirkung von LH und FSH bei der Follikelreifung
▬ Ovulation: Aufgrund welcher Parameter der Körper entscheidet, wann eine Ovulation ausgelöst werden soll, ist bisher komplett ungeklärt. Sicherlich spielt eine steigende Östrogenkonzentration mit steigender Inhibin-B-Konzentration eine Rolle, wahrscheinlich existiert ein »Oocyte maturation Inhibitor« (OMI), dessen Konzentration sich ebenfalls verändert. Der letztlich maßgebliche Mechanismus, der die endogene Ovulation bedingt, ist jedoch nicht bekannt.
1.5
Wirkung von LH und FSH bei der Follikelreifung
Bereits seit über 10 Jahren ist klar, dass die LHAktivität in einer bestimmten Konzentration für eine Follikelreifung und eine suffiziente Eizellqualität absolut notwendig ist. Die Patientin mit einem hypogonadotropen Hypogonadismus baut weder eine ausreichende endogene LH- noch eine endogene FSH-Konzentration auf und ist insofern ein gutes Modell für das Studium der Follikelreifung unter artifiziellen Gonadotropinkonzentrationen. Studienbox ⊡ Abbildungen 1.5, 1.6 und 1.7 zeigen die
wesentlichen Ergebnisse der »European Recombinant Human LH Study Group« (1998). Dabei wurden hypogonadotrope hypogonadale Patientinnen mit rekombinantem humanem (rh-) FSH stimuliert. Zusätzlich wurde rekombinantes humanes (rh-)LH in verschiedenen Konzentrationen [0 IE (internationale Einheiten), 25 IE, 75 IE und 225 IE] gegeben. Die Grafiken spiegeln die Ergebnisse der multinationalen, multizentrischen, prospektiv-randomisierten, doppelblinden Studie wider. Es wurde deutlich, dass bei Gabe von 25 IE rh-LH oder keinem LH keine ausreichende Östradiolbildung zu erwarten war. Es fanden sich kaum Unterschiede bei Gabe von 75 oder 225 IE. Allerdings unterschied sich auch die Follikelzahl deutlich, wenn entweder nur 0 oder 25 IE bzw. 75 oder 225 IE rh-LH gegeben wurden. Am Tag der Ovulationsauslösung ▼
1
überstieg die Zahl der Follikel von > 10 mm in der Gruppe mit 75 IE rh-LH diejenige in der Gruppe mit 225 IE rh-LH. Insofern wird daraus der möglicherweise nachteilige Effekt einer zu hohen LH-Dosis deutlich. Konsequenterweise wurde eine optimale Endometriumdicke nur unter Einsatz von 75 bzw. 225 IE rh-LH gesehen. Bei den niedrigeren Dosierungen zeigte sich ein Endometrium von max. 4 mm. Aus dieser Studie wird klar, dass nur mit einer Konzentration von mindestens 75 IE rh-LH täglich eine suffiziente Follikelreifung zu erwarten ist.
Hillier (2001) spricht im Zusammenhang mit den niedrigst notwendigen LH-Spiegeln von der sog. »Threshold«-Hypothese. Das heißt, es ist ein gewisser Spiegel notwendig, um eine suffiziente Follikelreifung zu erhalten (z. B. 75 IE). Allerdings wird oberhalb eines bestimmten Spiegels durch die LH-Wirkung eine Atresie von Follikeln eingeleitet. Dies bezeichnet man als »Ceiling«-Hypothese. Da aber der dominante, selektierte Follikel ab einer bestimmten Größe in den Granulosazellen neben den FSH- auch LH-Rezeptoren ausbildet, ist dieser gegenüber einer erhöhten LH-Wirkung resistent. Hier wirkt das LH/FSH ähnlich und unterstützt die weitergehende Follikelreifung. Konsequenterweise bedeutet dies, dass man bei der Follikelreifung ab einem bestimmten Stadium (ca. 10 mm) die FSHWirkung durch LH ersetzen kann. Studienbox Dies wurde kürzlich durch ein sehr elegantes Experiment des Italieners Filicori belegt (Filicori et al. 2002). In einer prospektiv-randomisierten Studie wurde mit 150 IE rh-FSH pro Tag stimuliert. Ab dem 7. Tag wurden 4 Gruppen per Zufall (randomisiert) gebildet. In Gruppe A wurde mit 150 IE rh-FSH weiter stimuliert. Gruppe B erhielt 50 IE rh-FSH und 50 Einheiten HCG. Gruppe C erhielt 25 IE rh-FSH und 100 Einheiten HCG. Gruppe D erhielt 200 Einheiten HCG ohne jede zusätzliche FSH-Gabe. Hierbei sollte das HCG aufgrund der oben genannten Ausführungen die LH-Wirkung simulieren. Bei diesem Experiment zeigte sich kein Nachteil für die fortschreitende Follikelreifung. In ⊡ Abb. 1.8 sind diese Zusammenhänge nochmals dargestellt.
6
1
Kapitel 1 · Physiologische Grundlagen
Östradiol [pmol/L] (Mittelwert ± SEM) 3500
3000 2500
225 IU 2000 1500
75 IU
1000 500
25 IU
0 IU
0 S1
S5
S10
hCG
hCG 6-7
hCG 8-9
⊡ Abb. 1.5 Notwendigkeit von LH bei ovarieller Stimulation bei WHO-Patientinnen, SEM: standard error of mean. (Nach »European Recombinant Human LH Study Group« 1998)
Anzahl Follikel>10 mm (Mittelwert ± SEM) 6,0
5,0 75 IU 4,0 225 IU 3,0
2,0 25 IU
1,0
0 IU 0,0 S1
S5
S10
hCG
⊡ Abb. 1.6 Notwendigkeit von LH bei ovarieller Stimulation bei WHO-Patientinnen, SEM: standard error of mean. (Nach »European Recombinant Human LH Study Group« 1998)
1
7
1.5 · Wirkung von LH und FSH bei der Follikelreifung
Endometriumdicke [mm] (Mittelwert ± SEM) 10,0
225 IU
9,0
75 IU
8,0 7,0 6,0 5,0
25 IU
4,0 3,0
0 IU
2,0 1,0 0,0 S1
S5
S10
hCG
hCG 6-7
hCG 8-9
⊡ Abb. 1.7 Notwendigkeit von LH bei ovarieller Stimulation bei WHO-Patientinnen, SEM: standard error of mean. (Nach »European Recombinant Human LH Study Group« 1998)
LH1: Androgensynthese (Theka) FSH: Granulosazellwachstum/Funktion
LH2: FSH-ähnliche Wirkung
LH3: Luteinisierung
-4
0
4 8 Zyklustage
12
LH FSH 16
⊡ Abb. 1.8 Wirkung von LH und FSH in Abhängigkeit vom Entwicklungsstadium
LH hat drei verschiedene Wirkungsmechanismen. 1. Zum einen unterstützt LH die Androgensynthese in den Thekazellen durch die dort ausgebildeten LH-Rezeptoren. 2. Mit zunehmender Follikelreifung wird eine FSH-ähnliche Wirkung dadurch möglich, dass die Granulosazellen ebenfalls LH-Rezeptoren ausbilden. Die LH-Sekretion führt zum anderen dann zu einer Aromataseaktivierung in den Granulosazellen dieser weiterentwickelten Follikel. 3. Zum Dritten schließlich löst das zu Zyklusmitte ansteigende LH die Ovulation aus. FSH hat eine Wirkung auf Granulosazellwachstum sowie die Granulosazellfunktion (Aromataseaktivität).
60
GnRH
90 12 0 15 0 18 0 21 0
GnRH Pulsatilität
Hypothalamus 0
Minuten
Hypophyse LH FSH
Inhibin B
Ovar
Östradiol
a
Hypothalamus
GnRH
Hypophyse LH FSH
+
+ Ovar
Östradiol
b
GnRH Pulsatilität
Hypothalamus
60 90 12 0 15 0 18 0 21 0
An der Regulation des Ovars sind neben weiteren Faktoren insbesondere Hypothalamus und Hypophyse beteiligt. Auf diese »Mitspieler« konzentrieren sich die ⊡ Abb. 1.9a und 1.9b, die schematisch in Kürze die Zusammenhänge bei der Wirkung darstellen sollen. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sollen jedoch für das grundsätzliche Verständnis der Regulationszusammenhänge, wie sie für die Lektüre dieses Buches notwendig sind, genügen. Durch die pulsatil, circhoral freigesetzte GnRH-Sekretion aus dem Hypothalamus wird die Hypophyse zur Ausschüttung von LH und FSH stimuliert. Wird die GnRH-Pulsatilität durch eine dauerhafte Sekretion ersetzt, führt dies innerhalb weniger Tage zu einer Blockade der Hypophyse. Dies macht man sich therapeutisch, z. B. beim Einsatz von GnRH-Agonisten, zu Nutze. Unter physiologischen Umständen stimuliert der Hypothalamus die Hypophyse zur Ausschüttung von LH und FSH. Diese führen zu einem Wachstum und zu einer Reifung von Follikeln im Ovar. Die Follikel sezernieren Östradiol sowie Inhibine. Hierbei ist insbesondere das Inhibin-B interessant. Beide wirken zurück auf die Hypophyse, und insbesondere das Inhibin B hemmt die Ausschüttung von FSH (⊡ Abb. 1.9a). Dies ist der wesentliche Mechanismus, der zunächst zu einer Reifung (Rekrutierung, Selektion) mehrerer Follikel führt, dann aber durch die abnehmende LH-/FSH-Konzentration nur noch den großen, dominant wachsenden Follikel unterstützt. Hat der dominante Follikel eine gewisse Größe erreicht, so kommt es durch die dauerhaft hohe Östradiolkonzentration neben wahrscheinlich anderen, bisher nicht bekannten Mechanismen, zu einer akut einsetzenden Ausschüttung von LH und FSH. Man spricht in diesem Zusammenhang davon, dass der zuvor bestehende negative Rückkopplungsmechanismus (Östradiol und Inhibin B unterdrücken v. a. die FSH-Sekretion) zu einem positiven Rückkopplungsmechanismus umgepolt wird (es kommt zu einer Stimulation der LH- und FSH-Ausschüttung) (⊡ Abb. 1.9b). Der
genaue Grund dafür ist aber, wie gesagt, unklar. Durch die Ovulation wird die Eizelle freigesetzt und durch die Tube aufgenommen. Nach der Ovulation steigt die Progesteronkonzentration an und führt zu einer Unterdrückung der GnRH-Pulsatilität. GnRH wird dann nicht mehr alle 60–90 Min., sondern alle 120–180 Min. ausgeschüttet (⊡ Abb. 1.9c). Sobald die Luteolyse einsetzt und die Progesteronwirkung wegfällt,
30
Regulationsmechanismen im Regelkreis HypothalamusHypophyse-Ovar
-3 0
1.6
0 30
Kapitel 1 · Physiologische Grundlagen
-3 0
1
8
Minuten
Hypophyse Progesteron
Ovar c ⊡ Abb. 1.9a–c. Regulationsmechanismen im Regelkreis Hypothalamus-Hypophyse-Ovar
1
9
1.8 · Lutealphase
wird die GnRH-Pulsatilität mit der circhoralen Sekretion (alle 60–90 Min.) wieder hergestellt, und die Rekrutierung und Selektion von Follikeln des nächsten Menstrutionszyklus beginnt.
1.7
Inhibine, Aktivine und Follistatin
Der Vollständigkeit halber sei dargestellt, dass weitere regulierende Substanzen bei der Follikelreifung eine ganz wesentliche Rolle spielen. Sie greifen insbesondere in die Kommunikation zwischen Ovar und Hypophyse ein (⊡ Abb. 1.10). Auch die Inhibine und Aktivine sind aus αund β-Ketten aufgebaut, wobei sich die β-Ketten geringfügig unterscheiden. Inhibine wirken hemmend auf die FSH-Sekretion. Aktivine steigern die FSH-Sekretion. Follistatin wirkt wahrscheinlich durch Bindung von Aktivin und damit durch Inaktivierung hemmend auf die Follikelbildung.
1.8
Lutealphase
Leithormon der Lutealphase ist das Progesteron. Neben dem Progesteron erreicht auch Östradiol einen zweiten Peak in seiner Konzentration.
Wesentliche Funktionen im Corpus luteum übernehmen die großen Corpus-luteum-Zellen, die aus den Granulosazellen entstehen, sowie die kleinen Corpus-luteum-Zellen, die aus den Thekazellen entstehen. Dabei sind die großen Corpusluteum-Zellen nicht LH-abhängig und führen zu einer basalen Progesteronsekretion. Die Thekazellen sind LH-abhängig und führen zu einer pulsatilen Progesteronsekretion (⊡ Abb. 1.11). Neben der Umwandlung des Endometriums zur implantationsbereiten Struktur hat das Progesteron auch systemische Auswirkungen. Diese äußern sich unter anderem in einer Veränderung der Basaltemperatur, auf die noch eingegangen wird. Sehr häufig wird von einer Corpus-luteumInsuffizienz gesprochen. Auch diese wird an entsprechender Stelle noch behandelt werden (s. Seite 28). Wesentlich für das Verständnis der Thera-
α
βA
Inhibin A
α
βB
Inhibin B
βA
βA
Aktivin A
βC
βC
Aktivin C
βB
βB
Aktivin B
βD
βD
Aktivin D
βA
βB
Aktivin AB βE
βE
Aktivin E
Wie entsteht das Corpus luteum?
Das Corpus luteum ist ein direkter Abkömmling der sich entwickelnden Follikel in der vorangehenden Follikelphase. Deshalb kann auch nur ein suffizienter Follikel ein suffizientes Corpus luteum bilden. Ist die Follikelreifung gestört, wird man nicht selten auch eine Lutealphaseninsuffizienz beobachten können. Das Corpus luteum ist für sich genommen ein komplett neues funktionelles Organ, welches eine Lebensdauer von 14 Tagen hat, sofern keine Schwangerschaft eintritt. Wahrscheinlich sind neben Östradiol und Progesteron auch andere Hormone und Substanzen an der Funktionalität des Corpus luteum beteiligt. Sie sind jedoch momentan noch nicht im Einzelnen bekannt und können daher nicht in ihrer genauen Wirkung auf die Corpus-luteum-Funktionen bzw. die Möglichkeit des Eintritts einer Schwangerschaft beurteilt werden.
⊡ Abb. 1.10 Inhibine, Aktivine und Follistatin
Lutealphase Granulosazellen
Thekazellen
große Corpus luteum Zellen
kleine Corpus luteum Zellen
nicht LH-abhängig
LH-abhängig
basale Progesteronsekretion
pulsatile Progesteronsekretion
⊡ Abb. 1.11 Lutealphase
10
1
Kapitel 1 · Physiologische Grundlagen
pie einer Corpus-luteum-Insuffizienz ist aber die Kenntnis der Physiologie des Corpus luteum selbst. ⊡ Abbildungen 1.12 und 1.13 demonstrieren eine Corpus-luteum-Insuffizienz, beruhend auf dem Defekt der großen bzw. der kleinen Corpus-luteum-Zellen. Gezeigt wird die Messung des endogenen LH sowie Progesterons während einer Corpus-luteum-Phase. Man erkennt in ⊡ Abb. 1.12, dass mit dem LH-Peak, der auf der linken Seite bei etwa 14:00 Uhr deutlich sichtbar ist, auch die Progesteron-Konzentration, die bis dahin abgefallen ist, wieder ansteigt. Die kleinen Lutealzellen sind also intakt, die pulsatile Progesteron-Sekretion funktioniert, allerdings ist hier die basale ProgesteronKonzentration sehr niedrig. Wird eine dauerhafte HCG-Gabe durchgeführt, so wird durch die dauerhafte Stimulierung der kleinen Lutealzellen auch eine suffiziente Progesteron-Sekretion erreicht und die Corpus-luteum-Insuffizienz somit korrigiert. Bei der Patientin in ⊡ Abb. 1.13 hat während der Lutealphase die pulsatile LH-Sekretion keinen Einfluss auf die unten gemessene Progesteron-Konzentration. Es liegt ein Defekt der kleinen Lutealzellen vor (LH-abhängige Sekretion). Die basale Progesteron-Sekretion durch die großen Lutealzellen ist erhalten geblieben. Wird nunmehr HCG gegeben, so ändert sich dadurch die Progesteron-Konzentration nicht, da eben die kleinen Lutealzellen, die LHabhängig sind, nicht funktionieren. Es ist lediglich die basale Progesteron-Sekretion intakt. ! Somit wird verständlich, dass mit einer HCGGabe nur der Defekt der großen Corpus-luteumZellen korrigiert werden kann. Vielmehr stellt die Progesteron-Gabe in diesem Fall die physiologische Substitution im Rahmen der Corpus-luteumFunktion dar.
Andererseits kann aber natürlich das HCG die Gesamtfunktion des Corpus luteum stimulieren und somit zur Sekretion weiterer, bisher unbekannter und nicht substituierbarer Substanzen führen. Damit kann unter bestimmten Umständen die Corpus-luteum-Funktion durch die HCG-Gabe besser als durch die alleinige Progesteron-Gabe korrigiert werden. Diese Einzelsituationen sind jedoch im Vorhinein nicht klärbar.
! Es ist zu berücksichtigen, dass jede HCG-Gabe während der Corpus-luteum-Phase das Risiko einer Überstimulation, insbesondere bei multifollikulärer Entwicklung ansteigen lässt.
Von der HCG-Gabe während der Corpus-luteum-Phase sollte daher nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Die Gabe von z. B. 90 mg mikronisiertem Progesteron (Crinone 8% Vaginalgel, Serono, Unterschleißheim) oder in anderer Darreichungsform von 600 mg mikronisiertem Progesteron (Utrogest Kps., Dr. Kade, Berlin) wären hier zu nennen.
1.9
Endokrine Lebensphasen der Frau
Ergänzend sei an dieser Stelle kurz der Übergang von der Adoleszenz zum reproduktionsfähigen Alter im Rahmen der Pubertät sowie der Übergang vom reproduktionsfähigen Alter zum Senium im Rahmen des perimenopausalen Übergangs erwähnt. Das Einsetzen der Pubertät ist bisher in seinen Mechanismen nicht geklärt. Offenbar ist es so, dass sich die negative Rückkopplung zwischen Ovar und Hypophyse verändert. Während beim jungen Mädchen bereits geringste Östradiolkonzentrationen des Ovars ausreichen, um die hypophysäre Sekretion von LH und FSH sofort zu supprimieren, ändert sich dies wesentlich im reproduktionsfähigen Alter. Eine Veränderung dieser negativen Rückkopplung kann dazu führen, dass vermehrt FSH sezerniert wird, das Ovar mehr stimuliert wird und überhaupt erst eine Follikelreifung einsetzen kann. Des Weiteren kommt es im Rahmen der Pubertät – aus bisher nicht geklärten Ursachen – zu einer geregelten GnRH-Sekretion und damit auch Gonadotropin-Sekretion. Nicht nur auf hypophysärer, sondern auch auf hypothalamischer Ebene müssen also Veränderungen stattfinden. Ein wesentlicher Trigger scheint in diesem Zusammenhang die Leptin-Konzentration zu sein. Leptin ist eine Substanz, die im Wesentlichen vom Fettgewebe sezerniert wird. Sie zeigt dem Körper, vereinfacht gesagt, den Körperfettgehalt an. Der Leptin-Spiegel ist direkt proportional der
1
11 1.9 · Endokrine Lebensphasen der Frau
Tag 7 Lutealphase (large luteal cell defect (LLCD)] 15 hCG hCG 273 mE/ml 247 mE/ml LH (mE/ml)
10 5
10 5
0
0
20
35 30 25 20 15 10 5 0
Progesteron(ng/ml)
Progesteron(ng/ml)
LH (mE/ml)
Tag 5 Lutealphase [large luteal cell defect (LLCD)] 15
15 10 5 0
8:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 Uhrzeit
8:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 Uhrzeit
⊡ Abb. 1.12 Defekt der großen Corpus-luteum-Zellen. (Nach Wuttke u. Hinney 1998)
Tag 8 Lutealphase [small luteal cell defect (SLCD)+hCG]
10 5
LH (mE/ml)
15
14 hCG 12 184 mE/ml 10 8 6 4 2 0
Progesteron(ng/ml)
LH (mE/ml)
Tag 8 Lutealphase [small luteal cell defect (SLCD)] 20
14 12 10 8 6 4 2 0
Progesteron(ng/ml)
0
14 12 10 8 6 4 2 0 8:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 Uhrzeit
hCG 175 mE/ml
8:00 10:00 12:00 14:00 16:00 18:00 Uhrzeit
⊡ Abb. 1.13 Defekt der kleinen Corpus-luteum-Zellen. (Nach Wuttke u. Hinney 1998)
12
1
Kapitel 1 · Physiologische Grundlagen
Körperfettmasse. Es ist offenbar eine gewisse Körperfettmasse und damit ein gewisser Leptin-Spiegel notwendig, um die Pubertät zu initiieren. Wird dieser Spiegel nicht erreicht, so bleibt die Pubertät aus. Wird der Leptin-Spiegel während der reproduktiven Phase zu einem bestimmten Zeitpunkt unterschritten, sistiert das normale Zyklusgeschehen. Dies ist klinisch zum Beispiel im Rahmen der Anorexia nervosa bei Unterschreiten eines kritischen Körpergewichts bekannt. Normkurven, die einen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Körpergewicht und dem Einsetzen der Pubertät darstellen, existieren bisher jedoch nicht. Insofern wird man individuell entscheiden müssen, wenn man mit einem untergewichtigen Mädchen und einer zum Beispiel primären Amenorrhoe konfrontiert wird. Wesentliche Definitionen im Rahmen der Pubertät sind nachfolgend aufgelistet: Definition
Pubertät: Phase, in der ein Individuum reproduktive Fähigkeiten entwickelt, verbunden mit endokrinen und physischen Veränderungen Gonadarche: Beginn der vermehrten Sekretion von Sexualsteroiden durch die Gonaden
Adrenarche: Beginn einer vermehrten Androgenproduktion
Pubarche: Beginn des Auftretens der Axillarund Pubesbehaarung
Thelarche: Beginn des Brustwachstums Menarche: Auftreten der ersten Menstruationsblutung
Während der reproduktiven Phase der Frau wird der Pool primordialer Follikel zunehmend kleiner, und zwar durch die Initiierung der Follikelreifung und das weitere Follikelwachstum. Nur wenige Follikel erreichen dabei, wie ⊡ Abb. 1.14 zeigt, die Ovulation. Veranschaulicht ist die Zahl der zur Verfügung stehenden Primordialfollikel bzw. derjenigen Follikel, die bis zur Ovulation kommen, in Abhängigkeit von verschiedenen Lebensaltern. Nur ein Bruchteil der ursprünglich angelegten Primordial-
follikel erreicht die Ovulation. Interessanterweise werden bei jedem weiblichen Feten in der 20. SSW zahlreiche Follikel gefunden, die unter bestimmten Umständen allerdings nicht einmal das Pubertätsalter überleben (z. B. Turner-Syndrom, Climacterium praecox). Die Ursache dafür ist in den meisten Fällen ungeklärt. Grafisch ist der Follikelverlust während des Lebens auch noch einmal in ⊡ Abb. 1.15 dargestellt. ! Daraus wird sehr eindrucksvoll deutlich, dass das normale Schicksal des Follikels nicht die Ovulation, sondern vielmehr die Atresie ist. Nur die allerwenigsten Follikel werden mit ihrer Eizelle zur Reproduktionsfähigkeit der Frau beitragen! Warum dies so ist und eine Großzahl der Follikel verloren geht, ist unklar.
Möglicherweise liegt hierin jedoch die Begründung, dass auch mit den modernsten Verfahren der Reproduktionsmedizin, bei denen eine ovarielle Stiumulation zur polyfollikulären Reifung führt, die Schwangerschaftsraten nicht höher sind als im natürlichen Zyklus auch. Die Hypothese lautet, dass im normalen Zyklus mehrere hundert Follikel heranwachsen und auch im aktuellen Zyklus noch 10 oder mehr Follikel rekrutiert werden, allerdings nur einer zur Ovulation kommt. Wird durch die ovarielle Stimulation das Wachstum und die Reifung aller 10 rekrutierten Follikel unterstützt, so kann dann doch in den meisten Fällen nur der eine Follikel – bzw. dessen Eizelle – der auch unter normalen Umständen zur Ovulation gekommen wäre, zur Schwangerschaftschance beitragen. Diese Theorie ist jedoch experimentell nur schwer zu belegen. Mit zunehmendem Alter wird die Follikelreserve kleiner. Dadurch steht weniger Granulosazellmasse und damit eine geringere InhibinB-Konzentration zur Verfügung. Dies führt im Zusammenhang mit einer geringeren Östradiolsekretion der Granulosazellen zu einem Anstieg von FSH. Rein klinisch führt das zu einer Follikelreifungsstörung und Lutealphaseninsuffizienz mit teilweise verkürzten, teilweise verlängerten Zyklen, wobei initial im perimenopausalen Übergang verkürzte Zyklen prädominant sind. Erst im weiteren
1
13 1.9 · Endokrine Lebensphasen der Frau
Ovulation
Zyklische Rekrutierung
Initiale Rekrutierung Atresie
Erschöpfung des Follikelpools
Maturation Atretisch Antral
Sekundär Primär
(weiterdauernde initiale Rekrutierung)
Primordial
⊡ Abb. 1.14 Follikulogenese während des Lebens. (Nach McGee u. Hsueh 2000)
Anzahl Follikel (n) 10.000.000
7 Mio. 2 Mio.
1.000.000
400.000
100.000 10.000 1.000
400
100 10 1
20. Schwangerschaftswoche ⊡ Abb. 1.15 Follikelverlust während des Lebens
Geburt
Pubertät
Ovulation
14
1
Kapitel 1 · Physiologische Grundlagen
Verlauf wird durch zunehmend anovulatorische Zyklen die klinisch wahrnehmbare Zykluslänge auf 8–12 Wochen verlängert. Folgende Definitionen spielen im menopausalen Übergang eine Rolle: Definition
Prämenopause: Phase beginnender Zyklusunregelmäßigkeiten, zu Beginn normogonadotrop, zum Ende hypergonadotrop
Menopause: Nach 12 Monaten Amenorrhoe retrospektiv vom Zeitpunkt der letzten Menstruationsblutung Postmenopause: Die Zeit nach der Menopause
Perimenopause (Klimakterium): Bezeichnet den Zeitraum Prämenopause-MenopausePostmenopause und wird wohl am besten als »perimenopausaler Übergang« beschrieben. Dieser Begriff bietet sich immer dann an, wenn eine ovarielle Erschöpfung altersbedingt angenommen wird, aber die Menopause, die nun einmal per definitionem nur retrospektiv bestimmbar ist, noch nicht eingetreten ist
Literatur European Recombinant Human LH Study Group (1998) Recombinant human luteinizing hormone (LH) to support recombinant human follicle-stimulating hormone (FSH)-induced follicular development in LH- and FSHdeficient anovulatory women: a dose-finding study. J Clin Endocrinol Metab 83:1507–1514 Filicori M, Cognigni GE, Tabarelli C et a. (2002) Stimulation and growth of antral ovarian follicles by selective LH activity administration in women. J Clin Endocrinol Metab. 87:1156–1161 Gougeon A. (1986) Dynamics of follicular growth in the human: a model from preliminary results. Hum Reprod 1:81–87 Hillier SG (2001) Gonadotropic control of ovarian follicular growth and development. Mol Cell Endocrinol 179:39–46 McGee EA, Hsueh AJ (2000) Initial and cyclic recruitment of ovarian follicles. Endocr Rev 21:200–214 Oktay K, Newton H, Mullan Jet al. (1998) Development of human primordial follicles to antral stages in SCID/hpg mice stimulated with follicle stimulating hormone. Hum Reprod 13:1133–1138 Vendola K, Zhou J, Wang J (1999) Androgens promote insulinlike growth factor-I and insulin-like growth factor-I receptor gene expression in the primate ovary. Hum Reprod 14:2328-2332 Wuttke W, Hinney B (1998) Die normale und gestörte Funktion des Corpus luteum. Reproduktionsmedizin 14:18–26
2
Natürliche Familienplanung 2.1
Mittelschmerz
2.2
Zervikalschleim
2.3
Basaltemperaturkurve
2.4
Computergestützte Hormonbestimmung und Konzeptionsoptimierung – 21 Literatur
– 21
– 16 – 16 – 17
16
Kapitel 2 · Natürliche Familienplanung
Kurzüberblick Der Begriff »natürliche Familienplanung« hat auf den ersten Blick in einem Buch zur Kinderwunschbehandlung in der täglichen Praxis nichts zu suchen. Bei näherer Betrachtung stellt die Familienplanung jedoch die Grundlage einer jeden Beratung des unerfüllten Kinderwunsches dar. Im Besonderen hat sich um die Pflege der natürlichen Familienplanung sowie Forschungen in diesem Bereich Prof. Freundl (Düsseldorf ) verdient gemacht und soll daher an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Von ihm bzw. seiner Arbeitsgruppe steht auch entsprechende Literatur zur Verfügung (Freundl et al. 2001).
2
Auf drei Punkte, die der Frau das ansonsten nicht wahrnehmbare ovarielle Geschehen während eines normalen Menstruationszyklus näherbringen, soll hier eingegangen werden: den Mittelschmerz, die Zervikalschleimveränderung und die Basaltemperaturkurve. Das unterschiedliche Verständnis der körpereigenen Funktionen auf Seiten des Paares sowie auf Seiten des beratenden Arztes wird in eindeutiger Weise durch eine Studie von Kentenich (Berlin) illustriert, der in Berlin türkische sowie deutsche Bewohnerinnen befragen ließ. Dabei ging es unter anderem darum, inwieweit der optimale Konzeptionstermin während des Menstruationszyklus bekannt sei. Dabei stellte sich heraus, dass in bis zu 10% der Fälle dieser Zeitpunkt auf die Phase der Menstruationsblutung bzw. auf die Phase kurz davor oder kurz danach gelegt wurde. Dieses Bewusstsein muss den beratenden Arzt im Rahmen der Kinderwunschbehandlung dazu führen, zumindest eine Anamnese des bisherigen Sexualverhaltens zu erheben (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung [BZGA] 2003). Dabei sei auch darauf hingewiesen, dass nicht in jedem Fall die Notwendigkeit des vaginalen Verkehrs für die Konzeption im Bewusstsein des Paares vorausgesetzt werden kann.
2.1
Mittelschmerz
Der Mittelschmerz ist selbstverständlich kein Instrument zur natürlichen Familienplanung. Er
sei hier jedoch aus einem anderen Grund erwähnt. Nicht selten wird man mit der Situation konfrontiert, dass die Partnerin beim unerfüllten Kinderwunsch das Gespräch mit der Information beginnt, sie könne nicht schwanger werden, da sie keinen Eisprung habe. Erst bei näherem Befragen wird man feststellen, dass diese Auffassung darauf beruht, dass Freundinnen oder Bekannte über das stete Erleben des Mittelschmerzes berichten und damit den Eindruck erwecken, dass ein solches Ereignis im Rahmen eines normalen Zyklusgeschehens zwangsläufig auftreten muss. Ob der Mittelschmerz durch die deutliche Vergrößerung der Follikel direkt präovulatorisch entsteht, durch die Freisetzung des Follikels mit Blutbeimengungen in die Bauchhöhle oder durch die konsekutive Entstehung des Corpus luteum erst am Tag danach, mag individuell komplett unterschiedlich sein. In diesem Zusammenhang gilt es im Einzelfall auch nichts zu klären. Viel wichtiger ist, der Patientin klarzumachen, dass ein fehlender Mittelschmerz nicht Ausdruck einer fehlenden Ovulation ist! ! Dieses Beispiel mag illustrieren, dass bestimmte Dinge aktiv erfragt werden müssen, da nicht selten das Rat suchende Paar völlig andere Vorstellungen von den physiologischen Abläufen hat als der Arzt, der das Paar berät.
Ein anderes Beispiel in diesem Zusammenhang ist, dass sich die allerwenigsten Paare vorstellen können, dass nach einer Salpingektomie das Ovar noch funktionsfähig ist. Meist wird angenommen, dass nach einer Salpingektomie das Ovar seine Funktion einstellt, da ja die Eizelle nicht mehr durch die Tube aufgenommen werden kann.
2.2
Zervikalschleim
Das Aussehen und die Spinnbarkeit des Zervikalschleims, die auch nach dem »Insler Score« objektiv bewertbar sind, sind altbekannt. Einem Rat suchenden Paar, insbesondere dem Paar, welches erst seit zwei bis drei Monaten einen Kinderwunsch hegt, kann über die Erklärung der Veränderungen des Zervikalschleims und der Basal-
17 2.3 · Basaltemperaturkurve
2
einem Anstieg der Körpertemperaturkurve. Beispielhaft seien ⊡ Abb. 2.2 und 2.3 gezeigt. Definition
Signifikanter Temperaturanstieg: Innerhalb von 48 h ablaufend, an drei aufeinander folgenden Tagen ≥0.2°C höher als an den sechs Tagen zuvor
⊡ Abb. 2.1 Zervikalschleim (Bildnachdruck mit freundlicher Genehmigung von Pro Familia)
temperaturkurve die körpereigenen Abläufe sehr gut näher gebracht werden. Zur Beurteilung des Zervikalschleims sei auf die ⊡ Abb. 2.1 verwiesen. Zu Zyklusbeginn, in der frühen Follikelphase, ist der Zervikalschleim wenig durchsichtig und, wie auf dem rechten oberen Bild gezeigt, nicht spinnbar. Ein Auseinanderziehen der Finger führt zum Zerreißen des Schleims. Dem gegenüber ist periovulatorisch der Schleim durchsichtig und sehr gut beim Auseinanderziehen der Finger spinnbar, ohne zu zerreißen. Die Beurteilung des Zervikalschleims ist sicherlich nicht für jede Patientin geeignet. Ein gewisses Selbstverständnis beim Umgang mit der eigenen Sexualität und dem eigenen Körper ist dabei Voraussetzung und muss aktiv angesprochen werden. Eine einfache Frage wie: »Können Sie sich vorstellen...« ist dabei hilfreich und hat sich in der Praxis als Einstiegsfrage bewährt. Die Frau muss zur Beurteilung des Zervikalschleims lediglich mit dem Zeigefinger zwischen den kleinen Schamlippen entlangfahren und dann den Schleim, wie in ⊡ Abb. 2.1 (Freundl et al. 2001) gezeigt, beurteilen.
2.3
Basaltemperaturkurve
Wie bereits in Kap. 1.8 besprochen, führt der Anstieg von Progesteron in der Lutealphase zu
Bei der Interpretation der Basaltemperaturkurve ist es wichtig, dass diese auch unter normalen Bedingungen stets Schwankungen unterliegt. Die Patientin muss angewiesen werden, beim Messen Folgendes zu beachten: ▬ Messung immer vor dem Aufstehen ▬ Messung immer zur gleichen Zeit ▬ Messung immer mit dem gleichen Thermometer ▬ Messung immer an der gleichen Stelle (oral, axillär, vaginal, rektal) Sofern die Patientin die Temperaturkurve zur Konzeptionsoptimierung und nicht zur Verhütung nutzt, muss ihr verdeutlicht werden, dass der Temperaturanstieg die bereits stattgefundene Ovulation (ein bis zwei Tage zuvor) anzeigt. ! Ein Einsetzen der sexuellen Aktivität zum Zeitpunkt des Temperaturanstiegs wird nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von < 3% zu einer Konzeption führen können.
Auch dies ist vielen Paaren nicht bewusst. Für den optimalen Zeitpunkt zur Konzeption wird auf die Ausführungen im Rahmen der Inseminationsbehandlung verwiesen. Eine pathologische Basaltemperaturkurve ist in ⊡ Abb. 2.4 dargestellt. ⊡ Abbildung 2.5 zeigt eine Temperaturkurve, die im Prinzip jede Hormonmessung überflüssig macht. Die Patientin hat von Tag 5 bis 9 Clomifen eingenommen und an den Tagen 13, 14 und 15 bei optimaler Spinnbarkeit des Schleims (siehe Pfeile in der obersten Zeile) Verkehr gehabt. Die Körpertemperatur steigt von Tag 15 bis 16 an und bleibt dann auch auf erhöhtem Niveau so bestehen, ohne am Tag 27 bzw. 28 wieder abzufallen.
18
Kapitel 2 · Natürliche Familienplanung
November
Monat Tag
2
19
21
23
Dezember 25
27
29
1
3
5
7
9
11
13
15
17
Therapie und Besonderheiten Morgentemperatur
37,5°
37,0°
36,5°
36,0°
Blutung Zyklustag
SSS 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40
Monat Tag
15
Dezember 17
19
21
23
25
27
29
31
2
4
6
8
10
12
Therapie und Besonderheiten Morgentemperatur
37,5°
37,0°
36,5°
36,0°
Blutung Zyklustag - Geschlechtsverkehr
SS 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 S - Schleim
⊡ Abb. 2.2 Basaltemperaturkurve: Die notwendigen Veränderungen der Basaltemeraturkurve für eine stattgehabte Ovulation sind gegeben
Bei dieser Patientin war der Schwangerschaftstest positiv. Wenn eine Patientin bereits Basaltemperaturkurven geführt hat, sei noch folgender Hinweis erlaubt: Das Erstellen von Basaltemperaturkurven ist ein extrem zeitaufwändiger Vorgang und erfordert eine enorme Disziplin. Für eine korrekte Basaltemperaturkurve wird die Patientin jeden Tag, zumin-
dest einige Minuten, an Zeit investieren müssen. Nicht selten wird die Patientin akkribisch geführte, z. T. mit dem Computer generierte Temperaturkurven vorlegen. Auch wenn im Rahmen der Basaltemperaturkurvenmessung aufgrund anderer Ergebnisse der klinischen Untersuchungen oder Angaben der Patientin keine zusätzliche Information erhältlich ist, erfordert der Respekt gegenü-
2
19 2.3 · Basaltemperaturkurve
August
Monat Tag
16
18
September 20
22
24
26
28
30
1
3
5
7
9
11
13
15
Therapie und Besonderheiten Morgentemperatur
37,5°
37,0°
36,5°
36,0°
Blutung Zyklustag
SSS 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40
Monat Tag
8
September 10
Therapie und Besonderheiten Morgentemperatur
12
Oktober 14
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22
24
26
28
30
2
4
6
8
10
Angina 37,5°
37,0°
36,5°
36,0°
Blutung Zyklustag - Geschlechtsverkehr
SS 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 S - Schleim
⊡ Abb. 2.3 Basaltemperaturkurve: Auch diese Kurve zeigt ein ideales Bild. Die Patientin hat richtigerweise die besondere Situation (Angina) auf dem Bogen notiert. Wiederum fallen die Körperselbstbeobachtung (Zervikalschleim) sowie der Basaltemperaturanstieg korrekt zusammen
ber der Patientin definitiv die Interpretation der Temperaturkurven. Es wird den beratenden Arzt kaum eine halbe bis eine Minute Zeit kosten, auf die Temperaturkurven einzugehen, sie einzeln zu begutachten und mit einigen Worten zu bewerten. ! Wenn die Basaltemperaturkurve stets zum richtigen Zeitpunkt einen Temperaturanstieg (Zyklus-
mitte) zeigt und dieser Temperaturanstieg während der gesamten Lutealphase aufrecht erhalten wird, wie dies in den ⊡ Abbildungen 2.2, 2.3 und 2.5 gezeigt worden ist, so kann man damit rein klinisch eine Lutealphaseninsuffizienz ausschließen. Man kann sich dann bei der hormonellen Diagnostik auf die frühe Follikelphase beschränken.
20
Kapitel 2 · Natürliche Familienplanung
Monat Tag
2
Oktober 2003
November 2003
20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28
Therapie und Besonderheiten 37,5°
Morgentemperatur
37,0°
36,5°
36,0°
Blutung Zyklustag
GV XXXX XXXXXXXX 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40
⊡ Abb. 2.4 Pathologische Basaltemperaturkurve bei Corpus- luteum-Insuffizienz. Es kommt bereits an den Tagen 11 bis 13 zu einem Temperaturanstieg. Insofern ist die Follikelreifung etwas verkürzt. Die Lutealphase ist etwa 12 Tage lang mit einer allerdings nur treppenförmig ansteigenden und dann wiederum treppenförmig abfallenden Temperatur. Der markante Anstieg und insbesondere der markante Abfall zum Ende der Lutealphase fehlen komplett, sodass hier tatsächlich zumindest in diesem Zyklus von einer Corpus-luteum-Insuffizienz ausgegangen werden muss. Dies wird nicht zuletzt durch die einsetzenden Schmierblutungen am Tag 23 und die dann verlängerte Blutung bis Tag 30 dokumentiert
Dezember
37,5˚
Januar
Spinnbarkeit Sono Foll 18 mm
37,0˚ 36,5˚ 36,0˚ 1
2
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Cl Cl Cl Cl Cl
GV GV GV
⊡ Abb. 2.5 Basaltemperaturkurve bei eingetretener Schwangerschaft. Cl = Clomifen. GV = Geschlechtsverkehr
Andererseits ist natürlich die Empfehlung der Führung einer Basaltemperaturkurve nur dann sinnvoll, wenn man sich davon überhaupt zusätzliche Informationen verspricht, die man nicht durch eine einmalige oder zweimalige Hormonkontrolle erreichen kann. Meiner Ansicht nach sollte das Führen von Basaltemperaturkurven nur dann empfohlen werden, wenn ein junges Paar bereits nach weni-
gen Monaten nicht stattgehabter Kontrazeption auf eine Behandlung bzw. Diagnostik drängt. Ein Übergehen der Basaltemperaturkurven, die die Patientin unaufgefordert mitgebracht hat, oder ein Abtun als »überflüssig«, wird nicht gerade zu einer Stärkung der Bindung zwischen Patientin und behandelndem Arzt bei diesem extrem sensiblen Thema führen.
21 2.4 · Computergestützte Hormonbestimmung und Konzeptionsoptimierung
2.4
Computergestützte Hormonbestimmung und Konzeptionsoptimierung
Mittlerweile können die Paare zu Hause auch ohne ärztliche Intervention computergestützt Methoden anwenden, um die Konzeptionschance durch ein optimales Timing zu steigern. Erwähnt sei hier der »Clearblue Monitor Iverness«. Dieser misst Derivate bzw. Abbauprodukte von LH und Östradiol im Urin. Durch Programmierung des Computers wird an bestimmten Zyklustagen ein Urinteststreifen der Patientin morgens angefordert. Der Computer kann dann aus der Hormonanalytik das Konzepti-
2
onsoptimum bestimmen und es durch ein entsprechendes, einfach zu interpretierendes Signal auf dem Monitor anzeigen. Diese Computer-Methode ist hilfreich bei Zykluslängen bis zu 42 Tagen.
Literatur Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) (2003) Verhütungsverhalten Erwachsener – Ergebnisse einer repräsentativen Befragung 2003. http://www.sexualaufklaerung.de/bilder/verhuetung 2003.pdf Freundl G, Gnoth C, Frank-Herrmann P (2001) Kinderwunsch – Neue Wege zum Wunschkind. Gräfer u. Unzer
3
Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik 3.1
Follikelphase und Ovulation – 24
3.2
Lutealphaseninsuffizienz – 28
3.3
Eingeschränkte ovarielle Reserve
3.4
Hyperprolaktinämie
3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4
Hyperprolaktinämie – 31 Makroprolaktinämie – 33 Prolaktinome – 33 Medikamentöse Therapie – 33
3.5
Schilddrüse und unerfüllter Kinderwunsch – 36
3.6
Hyperandrogenämie
3.6.1 3.6.2 3.6.2.1 3.6.2.2 3.6.3 3.6.4 3.6.5 3.6.6
Grundsätze – 37 Seltene Differenzialdiagnosen bei Hyperandrogenämie – 38 Androgenbildende Tumoren – 38 Androgenrezeptordefekt – 38 Adrenaler Enzymdefekt – 39 Polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) – 42 Therapie der Hyperandrogenämie – 44 Metformintherapie bei PCO-Syndrom und kosmetischer Problematik – 48 Metformintherapie bei PCO-Syndrom und Kinderwunsch – 51
3.6.7
Literatur
– 54
– 29
– 31
– 37
24
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
3.1
Follikelphase und Ovulation
Prinzipiell kann man bei einem regelmäßigen Zyklus, insbesondere bei Fehlen von prämenstru-
3
ellen Schmierblutungen, hochgradige endokrine Störungen weitgehend ausschließen. Eine Bestimmung des basalen Hormonstatus empfiehlt sich dennoch, um auch subtile Veränderungen bei ein bis zwei Jahre währendem Kinderwunsch nicht zu übersehen. Diese können bereits durch geringe medikamentöse Interventionen korrigiert werden. In ⊡ Abb. 3.1 sind sinnvolle Zeitpunkte für eine Hormonbestimmung sowie die entsprechenden Hormonparameter dargestellt. Die Androgene Testosteron und DHEAS (Dehydroepiandrosteron-Sulfat) sind ebenso wie Östradiol, LH, FSH und Prolaktin abhängig vom Zykluszeitpunkt. Sie sollten daher basal zwischen dem dritten und fünften, maximal zwischen dem zweiten und siebten Zyklustag bestimmt werden. Testosteron und DHEAS werden bei bestehender Corpus-luteum-Funktion eher zu hoch nachgewiesen. Die gleichzeitige Bestimmung von SHBG (Sexualhormon-bindendes Globulin) hilft, eine relative Hyperandrogenämie zu erkennen, nämlich dann, wenn zwar die Androgenlevel normal sind,
3
5
7
aber SHBG deutlich erniedrigt ist. Ein basaltonisch erhöhtes LH kann Hinweis auf ein PCO-Syndrom sein. Ein relativer LH-Mangel ist – v.a. bei Zyklusstörungen – typisch für eine gewichtsinduzierte zentrale Regulationsstörung (z. B. bei Anorexia nervosa). FSH ist wichtig für die Beurteilung der ovariellen Reserve im Zusammenhang mit Östradiol zu diesem Zeitpunkt. Auch ein verschobener LH-/FSH-Quotient (>2) ist bei der Interpretation der Hormonbefunde hilfreich. Eine Hyperprolaktinämie (s. Seite 31ff) kann die Zyklusfunktion empfindlich stören. Bei Auffälligkeiten der Marker von Androgenen, Testosteron und DHEAS empfiehlt sich die Bestimmung von Androstendion, 17-α-Hydroxyprogesteron (17-OHP) sowie Kortisol zur Bestimmung der adrenalen Funktion und zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines adrenalen Enzymdefekts. Dementsprechend kann konsekutiv ein ACTH-Test oder sogar eine molekulardiagnostische Abklärung sinnvoll sein. Präovulatorisch sollte die Patientin bei Verdacht auf Zyklusstörungen zur Bestimmung von Östradiol und LH zur Terminierung des Ovulationszeitpunkts einbestellt werden. Dann ist die sonographische Beurteilung des Follikelwachstums hilfreich. Wenn sich die Ovulation termi-
Ovulation +7
10–12 präovulatorisch
-
Östradiol Testosteron DHEA-S SHBG FSH LH Prolaktin
- Androstendion - 17-OHP - Cortisol - ggf. ACTH–Test - ggf. Molekulardiagnostik ⊡ Abb. 3.1 Basale Hormondiagnostik
- Östradiol - LH
- Östradiol - Progesteron
Zyklusunabhängig: - TSH - ggf. fT3, fT4, TPO-AK
Tag
25 3.1 · Follikelphase und Ovulation
nieren lässt, ist optimal 7 Tage nach der Ovulation die Bestimmung von Östradiol und Progesteron zur Beurteilung der Lutealphasenfunktion hilfreich. Da das Corpus luteum, wie bereits in Kap. 1.8 dargestellt, pulsatil Hormone sezerniert, wird teilweise die Bestimmung am »Ovulationstag plus 5, plus 7 und plus 9 Tage« empfohlen, um dann aus den bestimmten Werten einen Mittelwert zu bilden. Dies ist jedoch in der Praxis unter Berücksichtigung des Zeitaufwands für die Patientin in der Regel nicht möglich und auch in den meisten Fällen nicht notwendig. ! Bei einer Indikationsstellung zur Hormondiagnostik ist stets zu berücksichtigen, dass in der Regel jeder Besuch in der Arztpraxis die Patientin einen Aufwand von mehr als einer und nicht selten von bis zu zwei oder mehr Stunden kostet.
Man sollte berücksichtigen, dass die Patientin dazu ggf. ihren Arbeitsplatz verlassen muss, sich auf den Weg in die Arztpraxis macht und im Fall einer sonographischen Zusatzuntersuchung Wartezeit in Kauf nimmt. Nach der Sonographie wird die Blutentnahme durchgeführt, die nicht selten ebenfalls mit Wartezeit verbunden ist. Danach macht sich die Patientin wieder auf den Weg zur Arbeitsstelle. Kommt die Patientin von zu Hause, werden der Arztbesuch, die sonographische Untersuchung und die Hormonanalytik evtl. zu einem verspäteten Eintreffen bei der Arbeitsstelle führen. Dies soll nicht heißen, dass solche Untersuchungen prinzipiell verzichtbar sind. Es soll nur das Bewusstsein dafür schärfen, dass eine Kinderwunschpatientin sehr schnell in Erklärungsnot gegenüber dem Arbeitgeber geraten kann, wenn wiederholte Besuche innerhalb kurzer Zeit in der Frauenarztpraxis notwendig sind. Man sollte daher versuchen, diese Kontrollen auf ein Minimum zu beschränken und von vornherein die optimalen Zeitpunkte wählen. Eine basale Hormondiagnostik ist dabei hilfreich. In den meisten Labors kann bei Auffälligkeiten eine Nachbestimmung zusätzlicher Parameter, wie in ⊡ Abb. 3.1 gezeigt, veranlasst werden, ohne dass die Patientin nochmals zu einer Blutentnahme erscheinen muss.
3
Die Schilddrüse sollte bei Kinderwunschpatientinnen durch Bestimmung von TSH zyklusunabhängig beurteilt werden. Bei auffälligen Werten empfiehlt sich die Nachbestimmung von fT3 und fT4 sowie ggf. von TPO-AK bei Verdacht auf eine subklinische Hypothyreose. Übersteigt das TSH einen basalen Wert von 2,5 mU/l sollte – ggf. auch nach lokaler sonographischer Abklärung der Schilddrüsenmorphologie – eine Therapie mit L-Thyroxin (50 µg täglich, 20–30 Min. vor dem Frühstück, nüchtern) eingeleitet werden, bei negativen TPO-AK auch kombiniert mit Jodid (z. B. Thyronajod 50). Eine Kontrolle von TSH nach 6–8 Wochen ist sinnvoll, um dann die Dosis weiter einzustellen. Das Ziel-TSH in diesen Fällen sollte bei 0,5–1,0 mU/l liegen. Nachfolgend sollen kurz einige Hormonbefunde dargestellt werden, die beispielhaft verschiedene Konstellationen erläutern. Bei diesen Fallbeispielen ist die Schilddrüsenfunktion jeweils nicht berücksichtigt, um die Interpretation der Befunde nicht unnötig zu erschweren. Fallbeispiel 1 Anamnese: 39-jährige Patientin, Zyklus 28-29/4-5 Blutentnahme: 5. Zyklustag ▬ Progesteron 0,3 ng/ml ▬ Östradiol 37 pg/ml ▬ LH 2,9 mU/ml ▬ FSH 7,8 mU/ml ▬ Prolaktin 14 ng/ml ▬ Testosteron 0,11 ng/ml ▬ DHEAS 1,4 µg/ml
Aufgrund des niedrigen Progesterons kann eine Ovulation ausgeschlossen werden. Östradiol ist für den 5. Zyklustag grenzwertig niedrig bei der 39-jährigen Patientin. LH und FSH liegen im Referenzbereich, allerdings ist das FSH gegenüber dem LH noch deutlich erhöht. Dies kann im Zusammenhang mit dem grenzwertig niedrigen Östradiol als eine beginnende Einschränkung der ovariellen Reserve gedeutet werden. Prolaktin liegt im Referenzbereich. Testosteron und DHEAS sind unauffällig.
26
3
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
Unter diesen Bedingungen sollten bei einer 39-jährigen Patientin mit Kinderwunsch zumindest in einem Kontrollzyklus die Follikelreifung und die Lutealphasenfunktion auch bei regelmäßigen Zyklen geprüft werden, um eine Follikelreifungsstörung bzw. eine Lutealphaseninsuffizienz nicht zu übersehen. Fallbeispiel 2 Anamnese: 34-jährige Patientin, Zyklus 25-29/3-5 Blutentnahme: 6. Zyklustag ▬ Progesteron 0,5 ng/ml ▬ Östradiol 72 pg/ml ▬ LH 5,3 mU/ml ▬ FSH 5,8 mU/ml ▬ Prolaktin 12 ng/ml ▬ Testosteron 0,31 ng/ml ▬ DHEAS 2,1 µg/ml
Progesteron ist niedrig und schließt eine Ovula-
tion aus. Östradiol ist für den 6. Zyklustag unauffällig bei ebenfalls unauffälligen Gonadotropinen und Prolaktin im Referenzbereich. Testosteron und DHEAS sind unauffällig und schließen eine Hyperandrogenämie aus. Es ist von einem unauffälligen basalen Hormonstatus auszugehen. Bei regelmäßigen Zyklen ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei dieser Patientin eine hormonelle Ursache bei dem bisher unerfüllten Kinderwunsch ein Rolle spielt, sehr gering. Fallbeispiel 3 Anamnese: 36-jährige Patientin, Zyklus 27-32/5 Blutentnahme: 9. Zyklustag ▬ Östradiol 61 pg/ml ▬ LH 5 mU/ml ▬ FSH 7 mU/ml ▬ Prolaktin 9,6 ng/ml ▬ Testosteron 0,20 ng/ml ▬ DHEAS 1,46 µg/ml
Östradiol ist mit 61 pg/ml für den 9. Zyklustag zu
niedrig.
Es fällt ein gegenüber dem LH immer noch erhöhtes FSH auf. Beide Gonadotropine liegen im Referenzbereich. Prolaktin sowie die Androgene liegen im Referenzbereich. Der verlängerte Zyklus der Patientin passt zu dem für den 9. Zyklustag noch zu niedrigen Östradiol, sodass von einer verlängerten Follikelreifung bei der 36-jährigen Patientin ausgegangen werden kann. Ein Zyklusmonitoring mit sonographischer Beurteilung der Follikelreifung, z. B. an den Tagen 12–14, wäre sicherlich hilfreich, um den genauen Ovulationszeitpunkt zu bestimmen, um durch die Bestimmung des präovulatorischen Östradiols eine Follikelreifungsstörung schwererer Art ausschließen zu können. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, auch unter Berücksichtigung zum Beispiel des Befundes 1, dass zwar in der frühen Follikelphase, bis etwa Tag 4–5, das FSH gegenüber dem LH dominieren darf, danach aber sich die beiden Gonadotropine kaum noch voneinander unterscheiden. Fallbeispiel 4 Anamnese: 38-jährige Patientin, Zyklus 32-37/4-5 Blutentnahme: 22. Zyklustag ▬ Progesteron 0,2 ng/ml ▬ Östradiol 98 pg/ml ▬ LH 19 mU/ml ▬ FSH 44 mU/ml ▬ Prolaktin 7,6 ng/ml ▬ DHEAS 1,23 µg/ml
Dieser Hormonbefund wurde mit der speziellen Frage »Prämature Ovarialinsuffizienz bei Hypergonadotropinämie« vorgelegt. Man sieht ein niedriges Progesteron, sodass eine Ovulation am 22. Zyklustag sicherlich noch nicht stattgefunden hat. Das Östradiol zeigt eine ovarielle Aktivität an. Prolaktin liegt im Referenzbereich. Die Gonadotropine sind deutlich erhöht, sind jedoch bei dem auf 32–37 Tage verlängerten Zyklus am 22. Zyklustag mit einer periovulatori-
27 3.1 · Follikelphase und Ovulation
schen Funktion vereinbar. Bei der Interpretation ist hierbei zu berücksichtigen, dass im aufsteigenden Schenkel des periovulatorischen Gonadotropinanstiegs das LH gegenüber dem FSH dominiert, im absteigenden Schenkel das FSH gegenüber dem LH. Ferner sollte im absteigenden Schenkel des Gonadotropinpeaks das Progesteron bereits deutlich > 1ng/ml angestiegen sein, um eine beginnende Lutealfunktion im Rahmen der Follikel-Luteinisierung zu zeigen. In diesem Befund fallen somit verschiedene Dinge auf: ▬ Östradiol ist für den 22. Zyklustag und einen direkt präovulatorischen Follikel zu niedrig. ▬ Progesteron deutet darauf hin, dass der Gonadotropinpeak noch nicht überschritten ist. ▬ Das gegenüber dem LH dominierende FSH deutet auf einen absteigenden Gonadotropinschenkel hin oder aber (bei dem niedrigen Progesteron wahrscheinlicher) auf ein deutlich erhöhtes FSH bereits unter normalen Bedingungen präovulatorisch. In dieser Situation ist die Hormonkonstellation kaum richtig zu beurteilen. In jedem Fall muss dazu geraten werden, nach der nächsten einsetzenden Menstruationsblutung die Hormone basal gemäß ⊡ Abb. 3.1 zu kontrollieren, um bei dieser Patientin nicht eine höhergradige Einschränkung der ovariellen Reserve zu übersehen. Ferner sollte zu diesem Zeitpunkt, um tatsächlich eine stattgehabte Ovulation darzustellen, empfohlen werden, etwa 7–9 Tage nach diesem Zeitpunkt Östradiol und Progesteron zu bestimmen, um die Lutealphasenfunktion beurteilen zu können. Fallbeispiel 5 Anamnese: 43–jährige Patientin, Zyklus 35-39/4-7 Blutentnahme: 24. Zyklustag ▬ Progesteron 0,9 ng/ml ▬ Östradiol 342 pg/ml ▬ LH 40 mU/ml ▬ FSH 59 mU/ml ▬ Prolaktin 12 ng/ml ▬ Testosteron 0,29 ng/ml ▬ DHEAS 2,96 µg/ml
3
Progesteron ist niedrig und schließt eine bereits
stattgehabte Ovulation aus. Am 24. Zyklustag wird Östradiol ausreichend hoch für eine gute präovulatorische Situation nachgewiesen. Die Gonadotropine sind deutlich, wahrscheinlich im Rahmen eines mittzyklischen Anstiegs erhöht. Prolaktin und die Androgen liegen im Referenzbereich. Bei der 43-jährigen Patientin ist unter Berücksichtigung des verlängerten Zyklus wahrscheinlich eine periovulatorische Situation erfasst. Unter Berücksichtigung des Alters sollte bei dem bestehenden Kinderwunsch die Lutealphasenfunktion etwa 7–8 Tage nach dieser Bestimmung durch Kontrolle von Progesteron und Östradiol evaluiert werden. Der Befund illustriert, dass neben der Kenntnis des Zykluszeitpunkts immer auch die Kenntnis der Zykluslänge von enormer Bedeutung ist, um die Hormonkonstellation richtig deuten zu können. Fallbeispiel 6 Anamnese: 36-jährige Patientin, Zyklus 25-29/3-4 Blutentnahme: 17. Zyklustag ▬ Progesteron 4,2 ng/ml ▬ Östradiol 140 pg/ml ▬ LH 16 mU/ml ▬ FSH 5,6 mU/ml ▬ Prolaktin 11 ng/ml ▬ Testosteron 0,49 ng/ml ▬ DHEAS 3,31 µg/ml
Progesteron ist erhöht, dennoch niedrig, und deu-
tet auf eine gerade stattgehabte Ovulation etwa 2–3 Tage zuvor hin. Dazu passt das ausreichend hohe Östradiol. FSH liegt im Referenzbereich bei deutlich erhöhtem LH.
Möglicherweise handelt es sich hier unter Berücksichtigung des regelmäßigen Zyklus der Patientin um die pulsatile Ausschüttung von LH im Rahmen einer normalen Lutealfunktion. Zwischen dem 3. und 5. Zyklustag sollten die
28
3
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
Gonadotropine einmalig kontrolliert werden, um einen tonisch erhöhten LH-Spiegel auszuschließen. Prolaktin und die Androgene liegen im Referenzbereich. Die Diagnose Lutealinsuffizienz verbietet sich zu diesem frühen Zykluszeitpunkt, da das Corpus luteum noch nicht zu seiner vollen Funktion entfaltet ist.
3.2
Lutealphaseninsuffizienz
Die Diagnostik der Lutealphaseninsuffizienz ist schwierig. Dies liegt an der pulsatilen Ausschüttung der Steroidhormone (Östradiol, Progesteron) sowie der mangelnden Kenntnis von korrekten Grenzwerten, die eine Lutealphaseninsuffizienz anzeigen können. ! Eine Basaltemperaturkurvemessung kann, so sie von der Patientin bereits erstellt worden ist, hilfreich sein. Ist die Basaltemperaturkurve komplett unauffällig, so schließt dies bei auch unauffälliger Klinik in aller Regel eine höhergradige Lutealinsuffizienz von klinischer Bedeutung aus.
Aufgrund der umfangreichen Untersuchungen von Wuttke u. Hinney (1998) ist eine wiederholte Lutealphaseninsuffizienz extrem selten (<10% der Fälle). Man muss ferner davon ausgehen, dass etwa in der Hälfte der Fälle, bei denen ein zu niedriges Progesteron gemessen worden ist, im darauf folgenden Zyklus ein suffizienter Progesteronspiegel vorliegen wird. Wie hoch tatsächlich Progesteron für eine suffiziente Lutealphasenfunktion sein muss, ist bisher unklar. In verschiedenen Lehrbüchern und Publikationen finden sich die unterschiedlichsten Grenzwerte, die von 8 über 10 auf bis zu 20 ng/ml Progesteron in der mittleren Lutealphase reichen. Daten, um diese Spiegel wissenschaftlich belegen zu können, existieren nur selten. Aufgrund der Ausführungen der Göttinger Arbeitsgruppe von Wuttke u. Hinney (1998) kann man annehmen, dass bereits bei Progesteronspiegeln ab 8 ng/ml mit ei-
ner ausreichenden Lutealfunktion zu rechnen ist. Diese ist mit Sicherheit bei Spiegeln mit 10 ng/ml gegeben. Untersuchungen dazu, inwieweit der Quotient aus Östradiol und Progesteron eine Bedeutung hat, bzw. ab welchen Östradiolwerten eine Lutealphaseninsuffizienz angenommen werden kann, ist nicht ausreichend untersucht. Wünschenswert ist sicherlich ein Östradiolspiegel von > 100 ng/ml, wobei dieser Spiegel jedoch mehr oder weniger willkürlich aufgrund der klinischen Erfahrung gesetzt ist, ohne dass dazu experimentelle Untersuchungen vorgelegt werden können. Unter Berücksichtigung dieser Daten können nunmehr die folgenden Befunde bewertet werden. Fallbeispiel 7 Anamnese: 42-jährige Patientin, Zyklus 25-27/4 Blutentnahme: 15. Zyklustag ▬ Progesteron 10 ng/ml ▬ Östradiol 95 pg/ml ▬ LH 6,2 mU/ml ▬ FSH 5 mU/ml ▬ Prolaktin 17 ng/ml ▬ Testosteron 0,6 ng/ml ▬ DHEAS 3,25 µg/ml
Am 15. Zyklustag zeigt sich ein Progesteron von 10 ng/ml, welches in Zusammenschau mit dem Östradiol zu diesem frühen Zeitpunkt bereits eine ausreichende Lutealphasenfunktion vermuten lässt. Das grenzwertig niedrige Östradiol ist möglicherweise noch auf den physiologischen Abfall zurückzuführen. Sicherheitshalber könnten Progesteron und Östradiol 5–6 Tage nach dieser Bestimmung noch einmal kontrolliert werden. Die Gonadotropine sowie Prolaktin liegen im Referenzbereich. Die Androgene liegen im oberen Referenzbereich. Dies kann jedoch in der Lutealphase als normal interpretiert werden. Bei Befundung dieser Konstellation ist wichtig zu wissen, dass die Östrogenwerte nach der Ovulation kurzfristig abfallen können. Dieser kurzfris-
29 3.3 · Eingeschränkte ovarielle Reserve
tige Abfall führt in manchen Fällen auch zu den bekannten mittzyklischen Schmierblutungen von meistens nur eintägiger Dauer. Fallbeispiel 8 Anamnese: 33-jährige Patientin, Zyklus 28/3-5 Blutentnahme: 17. Zyklustag ▬ Progesteron 13 ng/ml ▬ Östradiol 75 pg/ml ▬ LH 8,5 mU/ml ▬ FSH 6,3 mU/ml ▬ Prolaktin 9,4 ng/ml
Progesteron zeigt eine suffiziente Lutealphasen-
funktion an. Östradiol ist auffällig niedrig. LH und FSH liegen im Referenzbereich bei unauffälligem Prolaktin. Es empfiehlt sich eine Kontrolle von Progesteron und Östradiol etwa 5 Tage nach dieser Bestimmung um den 22. Zyklustag, um die
mittluteale Phase optimal erfassen zu können. Möglicherweise handelt es sich bei dem niedrigen Östradiol um einen physiologisch bedingten postovulatorischen Abfall. Fallbeispiel 9 Anamnese: 35-jährige Patientin, Zyklus 26-28/4-6 Blutentnahme: 18. Zyklustag ▬ Progesteron 11 ng/ml ▬ Östradiol 244 pg/ml ▬ LH 5 mU/ml ▬ FSH 3,7 mU/ml ▬ Prolaktin 23,2 ng/ml
Progesteron und Östradiol zeigen eine suffiziente Lutealphasenfunktion an. Die Gonadotropine lie-
gen im Referenzbereich. Prolaktin ist erhöht. Das kann jedoch in der Lutealphase normal sein. Eine Kontrolle in der frühen Follikelphase ist anzuraten, um eine Hyperprolaktinämie nicht zu übersehen.
3.3
3
Eingeschränkte ovarielle Reserve
Es wäre wünschenswert, mit einem einfachen, zum Beispiel hormonellen Test, mit einmaliger Messung die ovarielle Reserve und damit die Chance der Patientin, schwanger zu werden, optimal bestimmen zu können. Zu diesem Zweck sind verschiedenste Tests erdacht worden. Dazu gehören nicht zuletzt auch der Clomifen-Test, der Gonadotropin-Test etc. Bedauerlicherweise ist keiner dieser Tests klinisch geeignet, die Schwangerschaftschance optimal vorhersagen zu können (Bukman u. Heineman 2001). ! Da Tests zur Beurteilung der ovariellen Reserve (z. B. Clomifen) nur eine Belastung der Patientin darstellen, ohne jedoch bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Kinderwunschtherapie hilfreich zu sein, sollte von ihrer Verwendung abgeraten werden. Normalerweise kann bereits die basale Hormonbestimmung zwischen dem 3. und 5. Zyklustag unter Beachtung der physiologischen Grenzen und Zusammenhänge ausreichende Hinweise liefern.
Dabei sind wesentlich hinweisgebend das hohe basale FSH (>10 IE/l) sowie ggf. auch ein hohes basales Östradiol (>80 pg/ml). Der Zusammenhang zwischen dem hohen basalen Östradiol bei manchmal noch normalem basalem FSH als Hinweis auf eine eingeschränkte Follikelreserve ist schematisch in ⊡ Abb. 3.2 dargestellt. Ferner scheint die Zahl der antralen Follikel, sonographisch bestimmt, in der frühen Follikelphase hilfreich zu sein. Hier soll eine Zahl über 5 Follikel auf eine gute ovarielle Response, also Ansprechbarkeit auf eine Gonadotropinstimulation, hinweisen können. Inwieweit dies aber auch auf die Schwangerschaftschance Einfluss haben kann, ist unklar. Es seien einige Befundkonstellationen gezeigt, die in diesem Zusammenhang wesentliche Hinweise liefern können.
30
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
a
A
Hypophyse
FSH
Fallbeispiel 10 Inhibin B
+
3
Ovar
b
B
Hypophyse
FSH
Inhibin B
Ovar
c
C
Hypophyse
FSH
Östradiol
Ovar ⊡ Abb. 3.2a,b,c. Schematische Darstellung zwischen hohem basalen Östradiol und manchmal noch basalem FSH als Hinweise auf eine eingeschränkte Follikelreserve. a Zeigt den physiologischen Mechanismus, bei dem durch die Granulosazellen Inhibin B produziert wird, welches hypophysär zu einer Hemmung der FSH-Ausschüttung führt. Die Stimulation des Ovars wird damit herabgesetzt. b Demonstriert zum Ende der Lutealphase die Situation bei eingeschränkter Follikelreserve mit niedriger Granulosamasse. Die Inhibin-B-Konzentration ist gering, dadurch fällt die Hemmung der hypophysären Aktivität weg, und es kommt zu einer überschießenden FSH-Sekretion am Ende der Lutealphase. c Daraus resultiert, dass das Ovar bei zwar eingeschränkter, aber noch vorhandener Follikelreserve auf diesen Stimulus in entsprechend überschießender Weise reagiert. Es kommt zu einer deutlich erhöhten Östradiolsekretion (>80 pg/ml), die durch den negativen »Feed-back«-Mechanismus das FSH frühfollikulär in den Referenzbereich absinken lässt. Es zeigt sich die Konstellation aus dem frühfollikulär niedrigen FSH bei deutlich erhöhtem Östradiol. Erst mit weiterem Fortschreiten der eingeschränkten Follikelreserve wird das FSH nicht mehr in der Lage sein, das Ovar ausreichend zu stimulieren, sodass es auch am Zyklusanfang frühfollikulär erhöht bleibt
Anamnese: 35-jährige Patientin, Zyklus 24-26/2-3 Blutentnahme: 3. Zyklustag ▬ Progesteron 0,2 ng/ml ▬ Östradiol 74 pg/ml ▬ LH 3,9 mU/ml ▬ FSH 13 mU/ml ▬ Prolaktin 14 ng/ml ▬ Testosteron 0,14 ng/ml ▬ DHEAS 1,22 µg/ml
Am 3. Zyklustag ist das Progesteron niedrig und schließt eine stattgehabte Ovulation aus. Östradiol ist auffallend hoch bei ebenfalls oberhalb des Referenzbereichs liegendem FSH. LH ist unauffällig. Prolaktin und die Androgene liegen im Referenzbereich. Diese Konstellation spricht für eine deutlich eingeschränkte Follikelreserve bei der noch jungen Patientin. In diesem Zusammenhang ist trotz des noch normalen, aber tendenziell verkürzten Zyklus zu einer aktiven Kinderwunschbehandlung zu raten, insbesondere dann, wenn die Patientin darüber berichtet, dass die Zyklen im Verlauf der letzten Monate oder vielleicht Jahre zunehmend kürzer geworden sind. Fallbeispiel 11 Anamnese: 41-jährige Patientin, Zyklus 22-24 Blutentnahme: 10. Zyklustag ▬ Progesteron 0,95 ng/ml ▬ Östradiol 297 pg/ml ▬ LH 13,6 mU/ml ▬ FSH 20,2 mU/ml
Am 10. Zyklustag ist das Progesteron niedrig, das Östradiol hoch. Dies spricht für einen direkt präovulatorischen Befund. Die Gonadotropine sind wahrscheinlich im Rahmen des periovulatorischen Gonadotropinanstiegs deutlich erhöht. Auffällig ist das erhöhte FSH gegenüber dem niedrigen Progesteron. Das könnte auf ein tonisch
31 3.4 · Hyperprolaktinämie
erhöhtes FSH, insbesondere unter Berücksichtigung des Alters der Patientin und der verkürzten Zyklen, hinweisen. Insofern ist bei einer solchen Konstellation an eine Kontrolle der Gonadotropine in der frühen Follikelphase zu denken.
Fallbeispiel 12 Anamnese: dieselbe Patientin wie in Fallbeispiel 11 Blutentnahme: 3. Zyklustag ▬ Östradiol 28 pg/ml ▬ LH 5,7 mU/ml ▬ FSH 16,8 mU/ml ▬ Prolaktin 5,9 ng/ml ▬ Testosteron 0,53 ng/ml ▬ DHEAS 2,5 µg/ml
Dieser Befund stellt die empfohlene Kontrolle im Rahmen des Befunds 11 dar. Östradiol ist niedrig, passend zum 3. Zyklustag, bei allerdings deutlich erhöhtem FSH und im Referenzbereich gelegenen LH. Prolaktin und die Androgene sind unauffällig. In Zusammenschau mit dem Befund 11 ist bei der 41-jährigen Patientin die ovarielle Reserve deutlich eingeschränkt, die Konzeptionswahrscheinlichkeit bzw. die Stimulationsfähigkeit der Eierstöcke ist vermutlich deutlich herabgesetzt.
3.4
Hyperprolaktinämie
3.4.1 Hyperprolaktinämie Kurzüberblick Die Hyperprolaktinämie kann ein zufälliger Begleitbefund ohne jede pathogenetische Bedeutung im Rahmen des unerfüllten Kinderwunschs sein. Es kann sich um eine zufällige Erhöhung, stressbedingt, ohne pathologisches Korrelat handeln oder aber auch das einzige Problem im Rahmen eines unerfüllten Kinderwunschs darstellen.
Ein Beispiel zeigt der folgende Befund:
3
Fallbeispiel 13 Anamnese: 25-jährige Patientin, Zyklus 26-28/3-5 Blutentnahme: 22. Zyklustag ▬ Progesteron 18 ng/ml ▬ Östradiol 179 pg/ml ▬ LH 3,3 mU/ml ▬ FSH 2,8 mU/ml ▬ Prolaktin 37 ng/ml ▬ Testosteron 0,33 ng/ml ▬ DHEAS 2,42 µg/ml
Am 22. Zyklustag zeigt sich bei einem ausreichend hohen Progesteron- und Östradiolwert die Situation einer vollwertigen Lutealphase. Die Gonadotropine liegen im Referenzbereich bei unauffälligen Androgenen. Prolaktin ist deutlich oberhalb des Referenzbereichs (>18 ng/ml) gelegen. Bei diesem Befund muss geklärt werden, ob es sich um eine einmalig stressbedingte Erhöhung handelt, die schon allein durch die Blutentnahme bedingt sein kann. Andere Ursachen, wie eine Medikamenteneinnahme oder eine vorangehende gynäkologische Untersuchung bzw. Mammapalpation, sind ebenfalls auszuschließen. An eine Hypothyreose als Ursache der Hyperprolaktinämie ist zu denken. Ein Befund wie der hier vorliegende sollte vorsichtig bewertet werden, da offenbar die Hyperprolaktinämie bei dieser Patientin auf das klinische Zyklusgeschehen (regelmäßig) und die Vollwertigkeit der Lutealphase überhaupt keinen Einfluss hat. Der basale Wert könnte im nächsten Zyklus zu Zyklusbeginn kontrolliert werden. Es ist daran zu denken, dass das Prolaktin physiologische Bedeutungen im Rahmen der Corpus-luteum-Funktion hat. Es ▬ stimuliert im Corpus luteum die LH-Rezeptorbildung, ▬ vermindert die Apoptose in den Granulosazellen im experimentellen Modell, ▬ beeinflusst die Steroidgenese und hat einen luteotropen Mechanismus durch Inhibierung der 20-α-Hydroxysteroiddehydrogenase, ▬ erleichtert die Bindung von HDL und LDL an die Membranrezeptoren der Lutealzelle,
32
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
▬ unterstützt damit die Aufnahme von Cholesterol als grundlegenden Baustein in der Steroidgenese.
3
Eine Absenkung des Prolaktins in den unphysiologisch niedrigen Bereich, das heißt, unterhalb des Bereichs eines herkömmlichen Hormonassays, ist somit nicht sinnvoll, sondern vielmehr kontraindiziert. Als Ursachen der Hyperprolaktinämie kommen im Wesentlichen in Frage: ▬ Schwangerschaft ▬ Stillzeit ▬ Stress, ▬ Medikamente (s. a. Anhang A3) – Psychopharmaka – Östradiol – H2-Antihistaminika – Ca-Antagonisten (Antihypertensiva) ▬ Hypothyreose Die Hypothyreose verursacht eine Hyperprolaktinämie durch das pathologisch erhöhte TRH, welches eine starke prolaktinogene Wirkung aufweist. Sind diese Ursachen ausgeschlossen, so kommt eine Hyperprolaktinämie durch ein Mikro- oder Makroprolaktinom oder aber eine Hyperprolaktinämie durch Störung des hypothalamisch-hypophysären Regelkreises in Frage. ⊡ Abbildung 3.3 zeigt die Zusammenhänge zwischen Hypothalamus und Hypophysenvorderlappen. Prolaktin, welches im Hypophysenvorderlappen sezerniert wird, wirkt stimulierend auf die Do-
pamin-Sekretion im Hypothalamus. Dopamin selbst hat eine negative Wirkung auf die pulsatile GnRHSekretion. Da aber Dopamin einen prolaktinhemmenden Effekt aufweist, ist bei intakter Kommunikation zwischen dem Dopamin des Hypothalamus und dem Prolaktin des Hypophysenvorderlappens ein Gleichgewicht sichergestellt, welches eine Störung der GnRH-Sekretion ausschließt. Ist der Transport von Dopamin zum Hypophysenvorderlappen gestört, steigt das Prolaktin unphysiologisch hoch an, sodass es zu einer Störung der GnRH-Sekretion aus dem Hypothalamus und damit zu einer Störung der LH-/FSH-Sekretion kommt. Konsekutiv wird das Zyklusgeschehen negativ beeinträchtigt. Paradoxerweise hilft die Gabe eines DopaminAgonisten, der, über die Blut-Hirn-Schranke transportiert, die Prolaktinsekretion im Hypophysenvorderlappen hemmen kann: Man führt also dem Hypophysenvorderlappen auf einem anderen Weg Dopamin-Agonisten zu. Dies führt zu einer Senkung des Prolaktins, zu einer Aufhebung des erhöhten Einflusses im Hypothalamus auf die GnRHSekretion und damit zu einer Wiederherstellung der Regulierung der LH-/FSH-Sekretion. Die Symptome der Hyperprolaktinämie ergeben sich zum einen aus der physiologischen Wirkung des Prolaktins als Galaktorrhoe. Zum anderen sind sie sekundärer Natur durch die Störung der GnRH-Sekretion: ▬ Zyklusstörung ▬ Sterilität ▬ Verminderung der Libido Ferner hat Prolaktin einen direkten Einfluss auf den Knochenstoffwechsel und kann somit zusätzlich
GnRH Hypothalamus
Dopamin Hypothalamus
+ Prolaktin Hypophysenvorderlappen ⊡ Abb. 3.3 Zusammenhänge zwischen Hypothalamus und Hypophysenvorderlappen
neben dem induzierten Hypoöstrogenismus im Rahmen der Zyklusstörungen eine osteoporotische Wirkung aufweisen. Dies bedeutet, dass auch dann, wenn eine Hyperprolaktinämie nicht mit einem Hypoöstrogenismus (Östradiol <50pg/ml) einhergeht und keine negativen Wirkungen auf den Zyklus hat, die Gabe eines Dopamin-Agonisten indiziert ist, um eben diese osteoporotische Wirkung abzufangen. Liegen Makroprolaktinome vor, kann es zusätzlich zu Gesichtsfeldeinschränkungen und Symptomen, wie z. B. Kopfschmerzen kommen, die dann auch klinisch wegweisend sein können.
33 3.4 · Hyperprolaktinämie
3.4.2 Makroprolaktinämie Prolaktin ist ein Monomer. Wenn es über Immunphänomene zur Bildung von Prolaktin-Immunkomplexen kommt (sog. big-big-Prolaktin, Makroprolaktin). Dieses big-big-Prolaktin ist biologisch nicht aktiv. Andere beschreiben eine Aktivität, die jedoch deutlich abgeschwächt gegenüber monomerem Prolaktin ist. Ferner wird dieses big-big-Prolaktin über die Niere nur verzögert ausgeschieden. Dadurch kommt es zu einer Kumulierung des Hormons. Im Assay wird eine Hyperprolaktinämie nachgewiesen. Da dieses Prolaktin aber keine biologische Aktivität entwickelt, kommt es nicht zu den typischen Problemen einer Hyperprolaktinämie (Zyklusstörungen etc.). ! Wenn eine Patientin wiederholt eine Hyperprolaktinämie laboranalytisch aufweist, aber einen regelmäßigen Zyklus mit suffizienter Lutealphase aufbaut, so muss unbedingt differentialdiagnostisch an eine Makroprolaktinämie gedacht werden.
Im Labor kann man durch den Zusatz von Polyethylenglykol (PEG) die Immunkomplexe ausfällen. Übrig bleibt monomeres, biologisch aktives Prolaktin. Eine Nachmessung der Blutprobe nach
Patientinnen (n) 18 normales MRT 16
Mikroprolaktinom
3
Zusatz von PEG wird insofern helfen, diese Differentialdiagnose abzuklären: wenn zum Beispiel vor PEG Gabe ein Prolaktinspiegel von 140 ng/ml gemessen wird, nach PEG Gabe aber nur noch von 17 ng/ml, so liegt eine relevante Makroprolaktinämie vor, der Einsatz eines Prolaktinhemmers ist nicht sinnvoll, da das eigentlich biologisch aktive Prolaktin im Referenzbereich liegt.
3.4.3 Prolaktinome Ein Mikroprolaktinom (Durchmesser <10 mm) kann vermutet werden bei einem Prolaktinwert von >50 ng/ml. Liegt der Prolaktinwert >200 ng/ ml, ist der Verdacht auf ein Makroprolaktinom gerechtfertigt (Durchmesser >10 mm). In der Literatur finden sich durchaus andere »Cut-off«-Werte für die Rechtfertigung einer apparativen Diagnostik im Sinne einer DünnschichtMRT-Diagnostik der Sellaregion. Beispielhaft sei auf die Studie von Bayrak et al. (2003) verwiesen, in der einerseits bereits bei einem Wert von 31–40 ng/ml Prolaktin ein Makroprolaktinom gefunden wurde, andererseits die Wahrscheinlichkeit für ein Makroprolaktinom tatsächlich mit Werten von >100 ng/ml durchaus erhöht war (⊡ Abb. 3.4).
Makroprolaktinom
14 12 10 8 6 4 2 0 20-30
31-40
41-50
51-60 61-70 71-80 81-90 Prolaktinspiegel (ng/ml)
90-100 101-200 > 200
⊡ Abb. 3.4 Stellt die Ergebnisse der MRT-Diagnostik bei Patientinnen mit Hyperprolaktinämie verschiedenen Ausmaßes dar. Angegeben sind die Patientenzahlen (absolut), bei denen die verschiedenen Diagnosen gefunden wurden. (Bayrak et al. 2003)
34
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
⊡ Tabelle 3.1. Medikamentöse Therapie der Hyperprolaktinämie Inhaltstoff
Präparat
Dosierung
Bromocriptin
Bromocriptin 2,5 von ct Bromocriptin-ratiopharm 2,5 Tbl. kirim Pravidel
2,5 mg/Tbl. 1/2 Tbl. z. N.–3-mal 1 Tbl./Tag
3 Lisurid
Dopergin
0,2 mg/Tbl. 2–3 Tbl./Tag
Cabergolin
Dostinex
0,5 mg/Tbl. 1–2 mg/Woche in 2 Einzeldosen
Metergolin
Liserdol
4 mg/Tbl. 1–3 Tbl./Tag
Quinagolid
Norprolac
25, 50, 75 und 150 µg/Tbl. Beginn mit 25 µg/Tag bis 150 µg (–300 µg)/Tag
Insofern sind die oben angegebenen Werte in jedem Fall gerechtfertigt. Konsequenterweise sollte bei Prolaktinwerten >50 ng/ml eine entsprechende apparative Diagnostik (MRT) veranlasst werden, um ein Prolaktinom nicht zu übersehen.
3.4.4 Medikamentöse Therapie Kurzüberblick Bei einer Hyperprolaktinämie ohne Nachweis eines Prolaktinoms ist die Bromocriptin-Gabe (Startdosis: 1,25–2,5 mg zur Nacht tägl.) eine effektive und günstige Therapie. Im Fall eines Makroprolaktinoms sollte aufgrund der vorliegenden Daten eine Therapie mit Cabergolin (Startdosis: 0,25–0,5 mg 2 x wöchentlich) durchgeführt werden, da damit die beste Verkleinerung des Prolaktinoms erreicht werden kann.
Zur medikamentösen Therapie der Hyperprolaktinämie bietet sich die Gabe eines Dopamin-Agonisten, wie bereits erläutert, an. Beispielsweise sei auf ⊡ Tabelle 3.1 verwiesen. (Im Anhang A2 sind die Prolaktinsenker noch einmal ausführlich aufgelistet). Das klassische Medikament zur Therapie der Hyperprolaktinämie ist das Bromocriptin. Dieses Präparat hat jedoch deutliche systemische Nebenwirkungen, sodass die Patientinnen vor allem, wenn nicht einschleichend dosiert wird, nicht sel-
ten über Kreislaufprobleme klagen. Andererseits ist es die finanziell günstigste Therapievariante. Cabergolin (0,5 mg/Tbl.) wird üblicherweise eingesetzt in einer Dosierung von einer halben Tablette zweimal wöchentlich bis zu einer Dosis von 2 Tabletten zweimal wöchentlich. Darüber hinaus ist ein primäres Abstillen mit dem Präparat durch die einmalige Gabe von 2 Tabletten innerhalb von 72 h, ein sekundäres Abstillen durch die Gabe von 2 x ½ Tablette über 2 Tage möglich. Es ergibt sich die Frage, inwieweit die Gabe der teureren Variante Cabergolin gerechtfertigt ist gegenüber z. B. Bromocriptin. Zum einen wird dies sicherlich durch das geringere Nebenwirkungspotential von Cabergolin bedingt sein. Zum anderen ist es das effektivere Präparat bei Vorliegen eines Makroprolaktinoms. Dafür gibt es Belege in verschiedenen Studien. Verhelst et al. (1999) konnten bei 227 von 254 Patientinnen (89%) eine Normalisierung eines zuvor pathologischen Zyklus unter Cabergolin sehen. Eine vorhandene Gesichtsfeldstörung normalisierte sich in 70% (33/47). Ein vorhandenes Prolaktinom verkleinerte sich im Durchschnitt um etwa 67%. Ferner zeigte sich bei 70% von zuvor Bromocriptin-negativen Patientinnen eine Antwort auf Cabergolin. Die Effektivität von Cabergolin wird ferner deutlich aus den retrospektiven Daten der ⊡ Tabelle 3.2.
3
35 3.4 · Hyperprolaktinämie
⊡ Tabelle 3.2. Es zeigt sich eine Prolaktin-Normalisierung in etwa 70–80% der Fälle bei einer niedrigen Drop-out-Rate und einer Tumorreduktion von 60–70%. (Nach Verhelst et al. 1999) Referenz
Mikro-/ Makroadenom
Prolaktinnormalisierung [%]
»drop outs« [%]
Tumorreduktion [%]
Ciccarelli et al. (1989)
27/3
81
11
71
Ferrari et al. (1989)
38/8
85
0
83
Ferrari et al. (1992)
108/19
90
0
79
Webster et al. (1993)
161/1
92
3
n.a.
Webster et al. (1994)
223/0
83
3
n.a.
Pascal et al. (1995)
60/0
93
3,3
n.a.
Biller et al. (1996)
0/15
73
0
73
Ferrari et al. (1997)
0/65
61
4,7
66
Muratori et al. (1997)
26/0
96
0
48
Colao et al. (1997)
8/19
85
0
48
Colao et al. (1997)
0/23
83
0
61
Verhelst et al. (1999)
249/181
86
3,9
67
Studienbox Colao et al. (2000) konnten zeigen, dass bei 110 Patientinnen mit Makroprolaktinom Cabergolin die effektivste Therapie war (⊡ Tabelle 3.3). Die Autoren unterscheiden in ihrer Untersuchung 4 Gruppen. In einer Gruppe befanden sich nicht vorbehandelte Patientinnen (n=26), in einer zweiten Patientinnengruppe waren 19 Frauen, die unter Bromocriptin Nebenwirkungen entwickelt hatten. Ferner waren Patientinnen erfasst, die eine Resistenz gegenüber Bromocriptin oder Quinagolid (n=37) gezeigt hatten oder aber auf Bromocriptin bzw. Quinagolid regiert hatten und im Rahmen dieser Untersuchung auf Cabergolin umgestellt worden waren (n=28). Die Tabelle belegt, dass die nicht vorbehandelten 26 Patientinnen am meisten von der Cabergolin-Gabe profitierten. Offenbar bedingt eine Vorbehandlung mit einem anderen Medikament, unabhängig davon, warum letztlich die Therapie durchgeführt wird, eine schlechtere Anwort.
⊡ Tabelle 3.3. Effektivität von Cabergolin. (Nach Colao et al. 2000) Patientinnen
Verkleinerung >80%
Gesamtverkleinerung
26 nicht vorbehandelte
92%
92,1±2,9%
19 mit Nebenwirkungen
42,1%
66,2±6,4%
37 resistente
30,3%
58,4±4,9%
28 responsive
38,4%
58,2±6,2%
Schließlich ergibt sich die Frage, wann bei Therapie eines Makroprolaktinoms die Dopamin-Agonisten-Gabe abgesetzt werden kann.
36
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
Studienbox Dazu gibt es erst seit kurzem eine erste Anwort. Colao et al.(2003) behandelten 200 Patientinnen mit Cabergolin. Die Startdosis betrug 0,5 mg Cabergolin pro Woche, maximal wurden 5–7 mg Cabergolin pro Woche gegeben. Sobald das Prolaktin auf <5 ng/ml abgesunken war, wurde die Dosis von Cabergolin auf 0,5 mg reduziert. Das Präparat wurde abgesetzt, wenn sich kein erneuter Anstieg bei dieser Dosis zeigte. Insgesamt fand sich bei diesem Vorgehen nur in einem Drittel der Fälle ein Wiederauftreten des Prolaktinoms. War die MRT-Kontrolle unter der Therapie negativ geworden, konnte also kein Prolaktinom mehr nachgewiesen werden, so fand sich nach 5 Jahren nur in 25% der Fälle ein Wiederauftreten. War das Prolaktinom nicht verschwunden, blieben Symptome bzw. eine erneute Hyperprolaktinämie in etwas >50% der Fälle aus.
3
3.5
Schilddrüse und unerfüllter Kinderwunsch
Bei jeder Kinderwunschpatientin sollte die Schilddrüsenfunktion zumindest mit der Bestimmung des basalen TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon) abgeklärt werden. Liegt das TSH im Referenzbereich von 0,1–2,5 mU/ml sollte der Patientin bei der geplanten Schwangerschaft zur Einnahme von 150–200 µg Jodid prophylaktisch geraten werden. Liegt das TSH erhöht vor (> 2,5 mU/l), so ist eine weitergehende Abklärung notwendig: Die Bestimmung von fT3, fT4 und der TPO-AK sollte erfolgen. Es empfiehlt sich eine Schilddrüsensonographie zur weiteren Diagnostik. Insbesondere interessiert hierbei die Frage nach der Hashimoto-Thyreoiditis, die bei Kinderwunschpatientinnen überdurchschnittlich häufig beobachtet werden kann. Bei einer subklinischen oder manifesten Hypothyreose sollten daher TPO-Antikörper bestimmt werden. Sind diese erhöht (>120 U/ml), sollte die Patientin eine L-Thyroxin-Therapie erhalten. In der Schwangerschaft sollte die Patientin mit 100 µg Jodid substituiert werden. Sind die TPO-Antikörper negativ, empfiehlt sich bei der manifesten Hypothyreose ebenfalls eine L-Thyroxin-Therapie, in Kombination mit 200 µg Jodid.
Ist das TSH stark supprimiert (<0,1 mU/ml), sollte die Patientin zunächst nach einer ebenfalls vorhandenen Schilddrüsenmedikation gefragt werden. Es ist dabei daran zu denken, dass zum Beispiel die Einnahme von Thyronajod nicht unbedingt als Schilddrüsen-Hormonmedikation von den Patientinnen angesehen wird! Ist das supprimierte TSH nicht durch eine L-Thyroxin-Einnahme erklärbar, müssen fT3, fT4, TPO-Antikörper, TAK- und TRAKAntikörper nachbestimmt werden. Eine Schilddrüsensonographie empfiehlt sich zur weiteren Diagnostik. Im Falle einer manifesten Hyperthyreose, also bei Erhöhung von fT3und fT4, wird man drei verschiedene Situationen unterscheiden müssen: 1. Bei negativen Schilddrüsenantikörpern muss der hochgradige Verdacht auf ein autonomes Schilddrüsenadenom gestellt werden. Bei dieser Patientin muss eine weitere Diagnostik unbedingt folgen. Nach entsprechender szintigraphischer Abklärung wird in der Regel eine thyreostatische Therapie eingeleitet werden. 2. Positive TPO-Antikörper sprechen für einen akuten Schub einer Hashimoto-Thyreoiditis. Bei symptomatischen Patientinnen können ggf. Beta-Blocker in niedriger Dosierung eingesetzt werden. Auch bei diesen Patientinnen empfiehlt sich, einen endokrinologisch versierten Internisten hinzuzuziehen. 3. Positive TRAK sprechen für einen Morbus Basedow. Engmaschige Kontrollen sowie eine thyreostatische – und ggf. weitere symptomatische Therapie (β-Blocker) – sind indiziert. Die Betreuung sollte durch einen Internisten erfolgen. Insbesondere die Erkennung und Behandlung einer subklinischen Hypothyreose, wie sie bei Kinderwunschpatientinnen durchaus in einer Frequenz von etwa 20% – je nach Definition – erwartet werden kann, ist von wesentlicher Bedeutung nicht nur für den Verlauf der Schwangerschaft, sondern ggf. auch für die Gesundheit der geborenen Kinder. Es existieren Daten, die auf eine verzögerte mentale Entwicklung der Kinder von Müttern mit subklinischer Hypothyreose hinweisen können (Haddow et al. 1999; Smit et al. 2000). Es werden in anderen Studien mehr Präeklampsien und Fälle von Schwangerschafts-induziertem Hypertonus bei unbehandelter subklinischer Hypothyre-
37 3.6 · Hyperandrogenämie
ose gesehen (Leung et al.1993). Man kann durchaus nicht davon ausgehen, dass alle Patientinnen mit subklinischer Hypothyreose Zyklusstörungen haben. Andererseits wird man bei einer subklinischen Hypothyreose eine insuffiziente Lutealphase erwarten können (Bohnet et al. 1981). Der früher häufig genutzte TRH-Test ist nach unserer Auffassung, auch aufgrund der international geübten Praxis und Erfahrungen, nicht hilfreich, v.a. wenn der aktuelle obere Referenzbereich von 2,5 mU/l, wie oben dargestellt, bei der Bewertung von Schilddrüsenbefunden genutzt wird.
3.6
Hyperandrogenämie
3.6.1 Grundsätze Definition
Hyperandrogenämie: Hierunter versteht man ein Zuviel an Androgenen (männlichen Hormonen). Davon abzugrenzen ist der Hyperandrogenismus, eine klinische Diagnose, die anhand von klinischen Androgenisierungserscheinungen, wie z. B. Akne, Hirsutismus oder Alopezie gestellt werden kann.
Bei der Hyperandrogenämie kommen verschiedene Differenzialdiagnosen in Betracht. Am häufigsten kommen in Frage: ▬ PCO-Syndrom ▬ Adrenaler Enzymdefekt Ferner ▬ Androgenbildender Tumor ▬ Androgenrezeptordefekt Die beiden letztgenannten Diagnosen sind jedoch die absolute Ausnahme und werden in der täglichen gynäkologischen Praxis nur äußerst selten vorkommen. Definition
Amenorrhoe: Unter einer Amenorrhoe versteht man das Ausbleiben der Menstruation für länger als 6 Monate. Primär ist die Amenorrhoe, wenn die Blutung nie zuvor aufgetreten war; sekundär, wenn nach mindestens einer stattgefundenen Menstruation im Leben die Blutung für mindestens (3-) 6 Monte ausbleibt.
3
Fallbeispiel Vorgehen zur Abklärung einer Hyperandrogenämie: Eine 24-jährige Patientin stellt sich mit einem seit 5 Jahren zunehmenden Hirsutismus in der Sprechstunde vor. Körpergewicht 115 kg, Körpergröße 173 cm, »Body-Mass-Index« (BMI) 38,4 kg/m2. Die Patientin beschreibt eine sekundäre Amenorrhoe seit eineinhalb Jahren. Es besteht ein latenter Kinderwunsch, wobei jedoch vorwiegend die kosmetische Problematik momentan im Vordergrund steht. Die Blutentnahme am 4. Zyklustag ergibt die folgenden Werte: ▬ Östradiol 15,0 pg/ml ▬ Progesteron 2,3 ng/ml ▬ LH 17,1 U/l ▬ FSH 4,2 U/l ▬ Testosteron 1,3 ng/ml ▬ DHEAS 3,2 µg/ml Aufgrund der massiven sowohl adrenalen als auch ovariellen Hyperandrogenämie wird eine weitere Bestimmung aus der Probe zur Komplettierung der Androgendiagnostik veranlasst: ▬ Androstendion 5,47 ng/ml ▬ 17-OH-Progesteron 2,8 ng/ml ▬ SHBG 37 nmol/l ▬ Cortisol 234 ng/ml
SHBG ist bei der Patientin normal niedrig. Kortisol liegt im Referenzbereich für einen morgendlichen Nüchternwert. Östradiol ist niedrig
und spricht für eine ovarielle Funktionsruhe. Der LH-/FSH-Quotient ist deutlich zugunsten von LH verschoben. Bei der Interpretation dieser Werte ist zu berücksichtigen, dass das Testosteron vor allem ovariellen Ursprungs ist. Es hat einen Referenzbereich bis 0,6 ng/ml und wird in der Peripherie in das stärkere Dihydrotestosteron durch die 5-α-Reduktase umgewandelt. DHEAS (Dehydroepiandrosteron-Sulfat) hat Referenzwerte bis 3µg/ ml und ist vorwiegend adrenalen Ursprungs. Es ist die Speicherform des DHEA und sehr viel weni-
38
3
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
ger anfällig für Schwankungen und daher zur langfristigen Verlaufskontrolle besser geeignet. Androstendion ist sowohl ovariellen als auch adrenalen Ursprungs und hat Referenzwerte bis 2,7 ng/ml. 17-OHP (17-α-Hydroxyprogesteron) hat Referenzwerte bis 1,0 ng/ml und ist eine Vorstufe in der Steroidbiosynthese. ! Im Assay zeigt 17-α-Hydroxyprogesteron eine Kreuzreaktion mit Progesteron-Assays, sodass, wie bei dieser Patientin, bei massiver adrenaler Hyperandrogenämie das Progesteron im Assay falsch-positiv hoch gemessen wird, obwohl tatsächlich keine Ovulation stattgefunden hat. 17-OHP kann daher nur in der frühen Follikelphase bestimmt werden. In der Lutealphase wird es außerdem vom Corpus luteum gebildet und dort dann auch falsch hoch-positiv gemessen.
Die Herkunft der Androgene ist in ⊡ Abb. 3.5 nochmals dargestellt. Dihydrotestosteron ist das aktivste, stärkste Androgen und wird in der Peripherie über die 5α-Reduktase aus Testosteron gebildet. Auch die Zielgewebe produzieren zum Teil selbst Androgene (NNR; Nebennierenrinde). Bei der Patientin scheidet die Diagnose Androgenrezeptordefekt aufgrund der Tatsache der sekundären Amenorrhoe aus. Patientinnen mit einem kompletten Androgenrezeptordefekt haben eine primäre Amenorrhoe. Ferner ist ein androgenbildender Tumor bei der langen Anamnese des Hirsutismus über 5 Jahre hinweg unwahrscheinlich. Dennoch seien diese Differenzialdiagnosen im Folgenden kurz besprochen.
DHEA
Seltene Differenzialdiagnosen bei Hyperandrogenämie
3.6.2.1 Androgenbildende Tumoren ! Tumorverdächtige Werte liegen bei einem Testosteron von >1,5–2,0 ng/ml vor. Ferner ist ein adrenaler Tumor bei DHEAS-Werten von >7 µg/ml auszuschließen.
In Frage kommen dabei die seltenen histologischen Veränderungen wie Androblastome (Sertoli-, Leydig-Zelltumore oder Arrhenoblastome). Ferner ist an einen Hilus- oder Lipoid-Zelltumor zu denken. Androgenbildende Tumoren sind extrem selten und immer dann anzunehmen, wenn eine kurze Anamnese mit rapider Zunahme von Androgenisierungserscheinungen vorliegt. In diesen Fällen ist eine sorgfältige gynäkologische Untersuchung mit sonographischer Abklärung der Ovarien und einem MRT der Nebennierenregion sowie ggf. auch der Ovarien indiziert.
3.6.2.2 Androgenrezeptordefekt Beim Androgenrezeptordefekt besteht ein männlicher Karyotyp (46, XY). Diese Individuen bilden jedoch keine Androgenrezeptoren aus. Je nach Schwere des Krankheitsbildes können verschiedenste Veränderungen beobachtet werden, die von einer leichten männlichen Subfertilität bis hin zum klassischen Bild des vollkommenen Androgenrezeptordefekts im Rahmen des Androgeninsensivitätssyndroms oder der »Hairless Woman« reichen. Die Pathogenese ist in ⊡ Abb. 3.6 dargestellt.
Hypophyse
DHEA NNR
3.6.2
Inhibin (aus Leydig-Zellen) normal FSH normal
Ovar Androgene
LH
Androstendion Androgenrezeptor
Zielgewebe
Testosteron
Habitus
Androgene
Dihydrotestosteron
⊡ Abb. 3.5 Hyperandrogenämie
⊡ Abb. 3.6 Androgen-Rezeptor-Defekt
Testes
3
39 3.6 · Hyperandrogenämie
3.6.3
Beim Individuum mit vollkommenem Androgenrezeptordefekt bilden die Testes Androgene, die jedoch aufgrund des Rezeptordefekts nicht zur Wirkung kommen. Der Habitus wird daher weiblich. Da in den Testes Inhibin produziert wird (Leydig-Zellen) sind die FSH-Werte normal niedrig. Da jedoch auch an der Hypophyse die Androgenrezeptoren nicht funktionieren, weisen diese Patientinnen abnorm hohe LH-Werte auf. Der verschobene LH-/FSH-Quotient lässt ein PCO-Syndrom vermuten. Dagegen sprechen jedoch die massiv erhöhten Androgene, die im Bereich eines jungen Mannes liegen. Bei der gynäkologischen Untersuchung zeigt sich das komplette Fehlen des weiblichen inneren Genitales bei ansonsten komplett ausgebildeten sekundären Geschlechtsmerkmalen der Frau, aber fehlender Sekundärbehaarung.
CH3
Adrenaler Enzymdefekt
Als Differenzialdiagnose bei Hyperandrogenämie und Kinderwunsch ist immer auch an einen adrenalen Enzymdefekt zu denken. Die Abklärung ist indiziert bei erhöhtem 17-OHP mit der Durchführung eines ACTH-Tests. Bei pathologischem Anstieg (>2,5 ng/ml) des 17-OHP oder bereits basal deutlich erhöhten Werten sollte eine molekulargenetische Abklärung erfolgen, um das Risiko besser einschätzen zu können. Die enzymatischen Abläufe bei der Steroidbiosynthese sind in ⊡ Abb. 3.7 schematisch aufgezeichnet. Bei den adrenalen Enzymdefekten steht vor allem der 21-Hydroxylasedefekt im Vordergrund. Seltener findet man einen 3-β-Hydroxysteroid-
CH3
HC CH2 CH2 CH2 CH
CH3
CH3
CH3 HO Cholesterol Cholesterol Desmolase (CYP11A)
17β-Hydroxylase
(CYP17)
17,20-Lyase
Pregnenolon
17-OH Pregnenolon
Dehydroepiandrosteron
Progesteron
17-OH Progesteron
Androstendion
3β-Hydroxysteroid Dehydrogenase 21-Hydroxylase (CYP21)
17β-Hydroxysteroid Dehydrogenase Desoxycorticosteron
11-Deoxycortisol 11β-Hydroxylase (CYP11B1)
11β-Hydroxylase (CYP11B2) 18-Hydroxylase (CYP11B2)
21
21
Aldosteron HO CH3
11
O
HO CH2OH
CH3
HC O 18CH
3
O
3
O ⊡ Abb. 3.7 Enzymatische Abläufe bei der Steroidbiosynthese
CH2OH
OH CH3
HC O CH2 OH
18-OH Corticosteron 18-Oxydase (CYP11B2)
5α-Reduktase Dihydrotestosteron
Cortisol
Corticosteron
Testosteron
11
17
CH3
17
3
O
40
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
Dehydrogenasedefekt oder einen 11-β-Hydroxylasedefekt. Beim 21-Hydroxylasedefekt wird der
3
Weg vom 17-OHP zum 11-Desoxykortisol und Kortisol nicht korrekt ablaufen können. Da Kortisol an der Hypophyse in nicht ausreichender Konzentration gemessen wird, kommt es zu einer vermehrten ACTH-Ausschüttung und damit zu einer Stimulation der Nebennierenrinde. Dabei werden Alternativwege beschritten in Richtung des DHEA, Androstendion und Testosteron. 17-OHP als direkter Vorläufer des 11-Desoxykortisols steigt abnorm hoch an. ! 17-α-Hydroxyprogesteron (17-OHP) ist die Markersubstanz für die Verdachtsdiagnose des 21-Hydroxylasedefekts.
! Problematisch ist, dass die Patientin mit nichtklassischem AGS klinisch nicht von einer Patientin mit anderweitig bedingter Hyperandrogenämie differenziert werden kann.
In etwa 60% der Fälle findet sich nur ein Hirsutismus, in etwa 50% der Fälle eine Oligomenorrhoe, in einem Drittel der Fälle eine Akne. Außer einem hohen 17-OHP-Anstieg im ACTH-Test gibt es keine »typische Konstellation« bei diesen Patientinnen. Bei der oben genannten Fallbeschreibung (s. S. 37) muss also ein ACTH-Test mit 250 µg ACTH, das intravenös verabreicht wird, durchgeführt werden. Definition
Im Rahmen eines adrenalen Enzymdefekts sind evtl. weitreichende klinische Veränderungen inklusive eines Salzverlustsyndroms und Blutdruckveränderungen zu beobachten. Auf diese soll im Folgenden nicht eingegangen werden, da hier in der Regel die Einschaltung eines internistischen Endokrinologen notwendig ist. Die Konzentration soll hier auf der Darstellung der Hyperandrogenämie sowie die Folgen für die Kinderwunschbehandlung liegen. Die wahrscheinlichste Form des Enzymdefekts ist der 21-Hydroxylasedefekt. Er ist in über 90% der Fälle beim AGS (adrenogenitales Syndrom) zu beobachten. Die Frequenz eines klassischen AGS liegt bei 1:16.000. Das nichtklassische AGS bei dem jungen, ggf. neugeborenen Mädchen mit androgenisiertem Genitale wird der Gynäkologe in der niedergelassenen Praxis selten zur Primärdiagnostik sehen. Es wird dem pädiatrischen Endokrinologen vorbehalten sein, hier die korrekte Diagnose zu stellen und die weitere Therapie medikamentöser und ggf. operativer Art einzuleiten. Auch darauf soll hier nicht eingegangen werden. Im Rahmen der Kinderwunschbehandlung bei der hyperandrogenämischen Patientin wird man mit dem nichtklassischen oder »late-onset«-AGS konfrontiert, bei dem ein homozygoter oder heterozygoter Defekt der 21-Hydroxylase oder anderer Enzyme vorliegt.
ACTH-Test: Im Blut werden die Basalwerte von Kortisol, DHEA und 17-OHP sowie deren Werte nach Stimulation mit ACTH gemessen. ACTH soll dabei die Steroidproduktion der Nebennierenrinde stimulieren und damit ermöglichen, einen abnorm hohen Anstieg des 17-OHP im Fall eines 21-Hydroxylasedefekts erkennen zu können. Aufgrund der genannten Punkte sollte der ACTH-Stimulationstest in der Follikelphase durchgeführt werden, um eine Verfälschung durch das Corpus luteum bzw. eine Kreuzreaktion mit Progesteron zu vermeiden.
Bei der oben genannten Patientin ergeben sich im Rahmen dieser Testung folgende Werte (⊡ Tabelle 3.4). Es zeigt sich ein normaler Anstieg des Kortisols. Dieser Anstieg sollte mindestens 150 ng/ml
⊡ Tabelle 3.4. Die hyperandrogene Patientin: ACTH-Test (250µg ACTH i.v.) Basal
Stimuliert (60 min)
Cortisol 198 ng/ml
Cortisol 357 ng/ml
DHEA 23,6 µg/l
DHEA 31,1 µg/l
17 OHP 2,3 ng/ml
17 OHP 4,8 ng/ml
41 3.6 · Hyperandrogenämie
betragen, um mit hoher Sicherheit eine Nebennierenrindeninsuffizienz ausschließen zu können. Zum anderen wird hiermit geprüft, ob das ACTH auch korrekt appliziert wurde. Es ist ein sog. Plausibilitätsparameter. DHEA steigt massiv an. 17-OHP zeigt einen Anstieg vom mehr als 2,5 ng/ml. Bei diesem Grenzwert kann ein heterozygoter Anlagestatus nicht mehr ausgeschlossen werden. In solchen Fällen wird eine molekulargenetische Abklärung dringend empfohlen, um diese
erhöhtes 17 α-Hydroxyprogesteron ACTH-Test pathologischer Anstieg des 17 α-Hydroxyprogesteron molekulargenetische Diagnostik ⊡ Abb. 3.8 Hyperandrogenämie und Verdacht auf adrenalen Enzymdefekt
3
Differenzialdiagnose abklären zu können. Schematisch ist dieser Abklärungsweg noch einmal in ⊡ Abb. 3.8 dargestellt. Die Indikation für einen ACTH-Test ergibt sich immer dann, wenn aufgrund der gemessenen Androgene bzw. des 17-OHP ein adrenaler Enzymdefekt wahrscheinlicher wird. Dies ist insbesondere der Fall bei einem 17-OHP >2,5 ng/ml. Es trifft aber auch dann zu, wenn die restlichen Androgene deutlich erhöht sind. Dies ist zum Beispiel der Fall bei einem Testosteron >0,9 ng/ml bei gleichzeitig erhöhtem DHEAS. Auch in dieser Konstellation besteht eine deutlich hyperadrenale Hyperandrogenämie. Teilweise muss die individuelle hyperandrogenämische Situation im Einzelfall beurteilt werden, um die Indikation für einen ACTH-Test zu stellen. Warum ist die Differenzialdiagnose eines adrenalen Enzymdefekts wichtig? An der Therapie wird sich tatsächlich kaum etwas ändern. Die Differenzialdiagnose muss geklärt werden, um das Risiko des ungeborenen Kindes im Fall einer Schwangerschaft beurteilen zu helfen. Dieser Zusammenhang ist noch einmal in ⊡ Abb. 3.9 dargestellt.
Sind beide Eltern Anlageträger?
Start mit Dexamethason (0,02 mg/kg KG) bei positivem Schwangerschaftstest
CVS
männlich
Geschlecht? weiblich
Dexamethason weiter
ja
21 Hydroxylase homozygot?
nein
Stopp Dexamethason
⊡ Abb. 3.9 Positive Molekulargenetik: molekulargentische Abklärung bei Verdacht auf einen adrenalen Enzymdefekt (sog. »late onset« AGS, adrenogenitales Syndrom).
42
3
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
Wenn bei einer Patientin zum Beispiel ein 21-Hydroxylasedefekt festgestellt wird, muss auch beim Partner eine solche Veränderung ausgeschlossen werden. Diese Paarkonstellationen sind in der Kinderwunschsprechstunde tatsächlich deswegen nicht selten, da ein adrenaler Enzymdefekt beim Mann zu einer Einschränkung der Fertilität führen kann. Wenn beide Eltern Anlageträger sind, sollte eine humangenetische Beratung erfolgen, um zu klären, inwieweit bei Kombination beider Veränderungen bei einem Feten überhaupt mit einer Form des klassischen AGS zu rechnen ist. Nur wenn dieses Risiko besteht, müssen die Geschlechtsbestimmung und Molekulargenetik des ungeborenen Kindes unbedingt erfolgen. In jedem Fall ist bei einer Patientin mit adrenalem Enzymdefekt und Hyperandrogenämie eine Dexamethason-Therapie einzuleiten, die sich nicht, wie z. B. bei der PCOS-Patientin, am Kortisol begrenzen lassen muss, sondern als Leithormon die Androgene heranzieht. Die Dosierung kann also durchaus 0,75–1 mg oder sogar mehr täglich betragen, um die Androgene ausreichend zu senken. Im Fall des positiven Schwangerschaftstests sollten 0,02 mg/kg Körpergewicht Dexamethason gegeben werden (in der Regel 3 x 0,5 mg/Tag.). Durch eine Chorionzottenbiopsie (CVS) sollte frühzeitig das Geschlecht des Kindes bestimmt werden. Im Fall eines männlichen Karyotyps kann das Dexamethason gestoppt werden, da in diesem Fall keine langfristigen Schädigungen durch die Hyperandrogenämie des Feten zu erwarten sind. Bei weiblichem Geschlecht ist eine molekulargenetische Klärung des Anlagestatus durchzuführen. Ist das Kind nicht homozygot belastet, kann das Dexamethason ebenfalls gestoppt werden, besteht eine homozygote Belastung, ist das Dexamethason weiterzuführen. Anzumerken ist, dass hierbei nicht die Hyperandrogenämie der Mutter, sondern einzig die Hyperandrogenämie des Feten das Problem darstellt. Insofern ist Dexamethason zu wählen, weil es gegenüber anderen Kortikosteroiden plazentagängig ist.
3.6.4 Polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) Kurzüberblick Die Diagnose polyzstisches Ovarsyndrom (PCOS) ergibt sich aus dem Vorhandensein von ▬ Oligo-/Amenorrhoe, ▬ Hyperandrogenämie oder Hyperandrognismus. Der Nachweis einer insbesondere bei adipösen Patientinnen nicht selten vorhandenen peripheren Insulinresistenz (>60%) erfolgt durch einen OGTT mit 75 g Glukose und Bestimmung von Insulin/Glukose nüchtern sowie nach einer und zwei Stunden. Eine periphere Insulinresistenz gilt als nachgewiesen bei einem Glukose-Insulin-Quotienten von <4,5 (nüchtern) oder einer überschießenden Insulinreaktion im OGTT. Dies rechtfertigt den Einsatz von Metformin in einschleichender Dosierung bis auf 1.500 mg tägl.
Bevor auf das PCO-Syndrom eingegangen wird, muss man sich zunächst auf Diagnosekriterien einigen. Verschiedenste Symptome werden im Rahmen des PCO-Syndrom gefunden: ▬ Oligo-/Amenorrhoe ▬ Hyperandrogenämie ▬ Hyperandrogenismus ▬ Hirsutismus ▬ Akne ▬ Acanthosis nigricans ▬ Sterilität/Anovulation ▬ Adipositas ▬ Erhöhter LH-/FSH-Quotient (>2) ▬ Sonographisch polyzystisches Ovar Definition
Oligomenorrhoe: Auftreten von weniger als 9 Menstruationsblutungen pro Jahr.
Zunehmend wird weiterhin bei der Diagnose dieses Krankheitsbildes die periphere Insulinresistenz bzw. die Hyperinsulinämie oder die gestörte Glukosetolerenz diskutiert. Der Zusammenhang zwischen einer Hyperinsulinämie und einer Hyperandrogenämie ist schon lange bekannt und wurde im frühen
43 3.6 · Hyperandrogenämie
20. Jahrhundert in Frankreich als »Diabetes der bärtigen Frau« beschrieben. Neuere Untersuchungen konnten zeigen, dass die Hyperinsulinämie in direktem Zusammenhang mit der Hyperandrogenämie zu sehen ist: ▬ Bei Hyperinsulinämie findet sich in vivo und in vitro eine erhöhte Androgenproduktion (Adashi et al. 1985, Barbieri et al. 1986). ▬ Durch die Hyperinsulinämie wird die SHBGSynthese der Leber gehemmt, sodass es zu einer relativen Hyperandrogenämie kommt (Nestler et al. 1991). ▬ Es besteht ein direkter Effekt der Hyperinsulinämie auf den Hypothalamus und die Hypophyse, mit dem Resultat einer erhöhten LH-Sekretion und Steigerung der Androgenproduktion (Dunaif 1997). ▬ Es wird eine Arretierung des Wachstums von Follikeln durch die Hyperinsulinämie diskutiert, welches folgend das sonographische Bild des polyzystischen Ovarsyndroms nach sich zieht (Franks et al. 1999). Andere konnten in der Schwangerschaft einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Testosteronkonzentration und der Insulinkonzentration zeigen. Welche Konsequenzen hat dies nun im Fall einer Abklärung eines PCO-Syndroms, z. B. bei der erwähnten Patientin in dem Fallbericht (s. S. 37)? Hat dies eine therapeutische Konsequenz? Durch ein moderneres Verständnis des PCOSyndroms kann im Fall einer peripheren Insulinresistenz ein eleganter Therapieansatz durch den Einsatz von Antidiabetika (Metformin, Glitazone) gewählt werden. Von daher ist insbesondere bei der adipösen Patientin mit PCO-Syndrom ein oraler Glukosetoleranztest (OGTT) unter gleichzeitiger Bestimmung von Insulin durchzuführen. Dabei werden der nüchternen Patientin morgens 75 g Glukose gegeben. Die Glukoselösung sollte innerhalb von 3–5 Min. in der Praxis getrunken werden. Die Patientin wird dann angehalten, in der Praxis für die nächsten 2 Stunden sitzend zu verbleiben. Glukose und Insulin werden im nüchternen Zustand direkt vor der Einnahme der Glukoselösung sowie 60 und 120 Min. danach bestimmt.
3
Hierbei ist es enorm wichtig, dass die Glukose unter standardisierten Bedingungen qualitätskontrolliert gemessen wird. Besteht in der Praxis nicht die Möglichkeit einer standardisierten Messung, wird Blut zur Glukosebestimmung in speziellen Blutentnahmesystemen abgenommen und verschickt. Erfolgt dies nicht oder wird das Blut zu lange gelagert, wird die Glukose abnorm niedrig gemessen, da sie durch die Erythrozyten abgebaut wird. ! Insulin ist ein sehr sensibler Parameter, sodass das Blut sofort nach Abnahme innerhalb von 30 Min. abgesert werden muss. Das Serum muss dann tiefgefroren verschickt werden.
In aller Regel wird das kooperierende Labor dafür entsprechende Behältnisse über die Transportkette zur Verfügung stellen. Der Verdacht auf eine Insulinresistenz ergibt sich bei einem nüchtern gemessenen Glukose-Insulin-Quotienten von <4,5. Eine solche Verschiebung des Quotienten zeigt dann, dass der Insulinbedarf für die gemessene Glukosekonzentration zu hoch ist. Ferner kann sich im Rahmen der nachfolgenden Insulinbestimmung eine überschießende Insulinsekretion zeigen. Problematisch ist dabei, dass der Begriff »überschießende Insulinsekretion« bisher nicht standardisiert definiert werden kann. Pathologisch ist auch der fehlende Abfall der Insulinsekretion nach 2 h. Die Messungen müssen ggf. im Einzelfall vor dem Hintergrund des klinischen Bildes der Patientin und in Kombination mit den Glukosewerten interpretiert werden. Definition
Die Diagnose eines PCO-Syndroms ergibt sich damit rein klinisch, auch gemäß den Konsensusempfehlungen des »National Institute of Health« (NIH), als Kombination von ▬ Oligo-/Amenorrhoe, ▬ Hyperandrogenismus oder Hyperandrogenämie.
Die im Fallbericht beschriebene Patientin, die mit sekundärer Amenorrhoe und Hirsutismus in der Praxis vorstellig wird, wird also nach dem Aus-
44
3
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
schluss des adrenalen Enzymdefekts bereits rein klinisch mit der Diagnose des PCO-Syndroms konfrontiert. Im Rahmen eines Rotterdam-Konsensustreffens wird von der Amerikanischen Reproduktionsmedizinischen Gesellschaft (ASRM – »American Society of Reproductive Medicine«) sowie der Europäischen Reproduktionsmedizinischen Gesellschaft (ESHRE – »European Society of Human Reproduction and Embryology«) als weiteres Diagnosekriterium das sonographische Bild der polyzystischen Ovarien empfohlen. Aus der klinischen Erfahrung heraus werden jedoch die ersten beiden Kriterien in aller Regel ausreichend und entscheidend sein. Der Einsatz von Antidiabetika, insbesondere des Biguanids Metformin, kommt bei einer PCOSyndrom-Patientin in 2 Fällen in Betracht: ▬ Es lässt sich bei der Diagnose PCO-Syndrom eine periphere Insulinresistenz durch den OGTT mit Insulinbestimmung nachweisen. ▬ Es besteht bei der Diagnose PCO-Syndrom eine Adipositas (BMI >30 kg/m2) auch ohne nachweisbare periphere Insulinresistenz. Definition
»Body-Mass-Index« (BMI): errechnet sich als Quotient aus Körpergewicht (kg) und dem Quadrat der Körpergröße (m). Ein BMI <25 kg/m2 bedeutet ein Normalgewicht. Übergewicht BMI >25 kg/m2 BMI 30–34,9 kg/m2 Adipositas I BMI 35–39,9 kg/m2 Adipositas II Adipositas III BMI ≥40 kg/m2 (Adipositas per magna)
Unter diesen beiden Konstellationen stellt die Gabe von Antidiabetika eine pathophysiologisch sinnvolle und gut verträgliche, hoch effektive Option dar. Sie wird auf Seite 49ff weiter diskutiert. Der Einsatz von Metformin, auch bei unauffälligem OGTT, rechtfertigt einerseits die Beobachtung, dass bei diesen Patientinnen relativ häufig ein Effekt erzielt werden kann, andererseits die Überlegung einer möglicherweise so subtilen Veränderung, dass diese mit dem noch relativ groben Test nicht erfassbar ist.
Der sog. »goldene Standard« beim Nachweis einer Insulinresistenz ist ein »clamp«-Versuch, bei dem unter kontinuierlicher Insulin- bzw. GlukoseInfusion die individuelle Reaktion geprüft werden kann. Dies ist in der täglichen Praxis nicht durchführbar.
3.6.5 Therapie der Hyperandrogenämie Kurzüberblick Bei Kinderwunsch und bestehender Hyperandrogenämie ist der Einsatz von Kortikosteroiden (Dexamethason 0,25–0,5 mg täglich zur Nacht) sinnvoll. Unter der Therapie sollte die Hyperandrogenämie kontrolliert werden, um das Ansprechen zu prüfen. Vierwöchentliche Kontrollen von Kortisol und der Androgene sind indiziert, um die Suppression der Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse zu prüfen. Die alleinige Gabe im Rahmen des Kinderwunsches hat nur begrenzten Erfolg. Die besten Erfahrungen liegen für Kombinationen mit Clomifen vor. Alternativen, wie insbesondere der Einsatz von Metformin, müssen geprüft werden.
In ⊡ Abb. 3.10 sind verschiedene Angriffspunkte der Antiandrogentherapie dargestellt. ! Es ergeben sich drei Ansatzpunkte bei einer Hyperandrogenämie: die Produktion, der Transport und die Wirkung der Androgene.
Bei der Produktion kann auf die Nebennierenrinde (NNR) durch Kortikosteroide und damit über eine Senkung des ACTH-Einflusses genommen werden. Orale Kontrazeptiva führen zu einer Minderung der ovariellen Aktivität und damit auch zu einer Minderung der ovariellen Androgensynthese. Metformin sowie die Glitazone sind wirksam bei ovarieller Hyperandrogenämie im Rahmen des PCO-Syndroms. Insbesondere die Glitazone haben wahrscheinlich auch eine direkte Wirkung auf die Nebennierenrinde. Durch Steigerung des SHBG unter dem Einsatz oraler Kontrazeptiva kommt es zu einer Minderung der freien Androgene in der Zirkulation und damit zu einer Senkung der relativen Hyperandrogenämie. Die Wirkung kann durch Hemmung der 5-α-Reduktase und damit durch
45 3.6 · Hyperandrogenämie
3
5-α-Reduktase: (Testosteron Dihydrotestosteron) Finasterid (5-α-Reduktase-Inhibitor)
Produktion Kortikosteroide (NNR) orale Kontrazeptiva (Ovar) Metformin, Troglitazon, Rosiglitazon (Ovar)
Transport
Wirkung
Orale Kontrazeptiva (SHBG ) Rezeptor Spironolacton (Aldosteronantagonist, Androgenrezeptorblocker) Flutamid (Antiandrogen) Gestagene
⊡ Abb. 3.10 Angriffspunkte der Antiandrogentherapie
Minderung der Dihydrotestosteronkonzentration in der Peripherie oder aber durch eine direkte Rezeptorblockade eingedämmt werden. Bei der Antiandrogentherapie ist zu berücksichtigen: ▬ die Quelle der Hyperandrogenämie, ▬ das im Vordergrund stehende Beschwerdebild (Kosmetik, Kinderwunsch), ▬ die zugrunde liegende Diagnose (PCO-Syndrom, adrenaler Enzymdefekt). Es sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass Androgenisierungserscheinungen ohne eine im Serum feststellbare Hyperandrogenämie möglich sind. Dies kann immer dann eintreten, wenn in der Peripherie eine vermehrte Konversion von Androgen zu Dihydrotestosteron, dem eigentlich wirksamen Androgen, stattfindet. In diesen Fällen sind verständlicherweise nur Substanzen wirksam, die diese Konversion hemmen (Finasterid) bzw. die Bindung von Dihydrotestosteron am Rezeptor blockieren (Spironolacton, Flutamid, Gestagene). Der Einsatz dieser Substanzen kommt jedoch nur außerhalb der Kinderwunschtherapie in Betracht.
Die bewährtesten antiandrogen wirksamen Substanzen sind nach wie vor sicherlich die verschiedenen Gestagene, die isoliert oder aber im Rahmen von oralen Kontrazeptiva eingesetzt werden können (⊡ Abb. 3.11). Vier verschiedene antiandrogen wirksame Gestagene sind im Handel. Die stärkste antiandrogene Potenz hat das Cyproteronacetat, gefolgt von Dienogest und Chlormadinonacetat. Die Angaben sind in Relation zum Cyproteronacetat zu sehen und stellen weniger konkrete Werte als vielmehr ungefähre Schätzungen anhand von tierexperimentellen Untersuchungen unter klinischen Beobachtungen dar. Drospirenon ist ein Aldosteronderivat und hat damit zusätzlich diuretische Wirkung. In der Grafik sind die verschiedenen, momentan erhältlichen Präparate dargestellt. Es ist darauf hinzuweisen, dass die allerwenigsten davon zur antiandrogenen Therapie zugelassen sind (Ausnahmen sind Präparate mit Cyproteronacetat). Eine Zusammenstellung der Inhaltsstoffe dieser Präparate findet sich im Anhang A1. Ist die Indikation für den Einsatz von Antiandrogenen ein kosmetisches Problem, so kommen
46
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
Kosmetisches Problem
! Im Rahmen der Anovulation bzw. Amenorrhoe, also des unerfüllten Kinderwunsches, bleiben zur Therapie der Hyperandrogenämie die Kortikosteroide und die Antidiabetika.
▬ Antiandrogen wirksame Gestagene – Chlormadinonacetat – Dienogest – Drospirenon – Cyproteronacetat ▬ Spironolacton (Aldosteronantagonist, Androgenrezeptorblocker) (100 mg) ▬ Finasterid (5α-Reduktase-Inhibitor) (5 mg/d) ▬ Flutamid (Antiandrogen) (250 mg/d)
Der Einsatz der Kortikosteroide beruht auf ihrer Wirkung auf die Hyphophysen-Nebennnierenrinden-Achse. Durch den Einsatz von langwirksamen Kortikosteroiden wird die Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse derartig beeinflusst, dass die morgendliche vermehrte Stimulation der Nebennierenrinde durch eine verminderte ACTH-Ausschüttung aus der Hypophyse abgedämpft wird (⊡ Abb. 3.12).
verschiedene Alternativen in Frage, die hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt sein sollen.
3
% 100 80 60
Diane 35 Climen Androcur Virilit
40 20
Valette Lafamme Climodien
Yasmin Petibelle
Dienogest
Drospirenon
Neo-Eunomin Belara Gestamestrol Ovosiston Gestafortin Chlormadinon
0
Cyproteronacetat
Chlormadinonacetat
⊡ Abb. 3.11 Antiandrogene Wirkung von Gestagenen. Die angegebenen Präparate sind Beispiele
Plasmacortisol-Spiegel (ng/ml) 200
0,25-0,5 mg Dexamethason
150
100
50
0 08:00
11:00
14:00
17:00
20:00
23:00
Uhrzeit ⊡ Abb. 3.12 Schwankungen des täglichen Kortisol-Plasma-Spiegels
02:00
05:00
08:00
47 3.6 · Hyperandrogenämie
Die vorzugsweise Auswahl von Dexamethason ergibt sich aus seiner langen Wirksamkeit (⊡ Tabelle 3.5). Es ist darauf zu achten, dass die Äquivalenzdosis von Dexamethason gegenüber Kortisol 0,6 mg täglich entspricht. Die Dosis, die zur kompletten Suppression der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse notwendig ist, liegt deutlich höher als die normalerweise eingesetzte Dosis von 0,25–0,5 mg täglich zur Nacht. Allerdings kann auch schon mit geringeren Dosen eine Wirkung erzielt werden.
Werden Kortikosteroide im Rahmen der Kinderwunschbehandlung eingesetzt, so ist der therapeutische Effekt kurz- bis mittelfristig zu überprüfen. Dazu hat sich das in ⊡ Abb. 3.13 gezeigte Schema bewährt. Dieses Schema ist allerdings nur dann einsetzbar, wenn es sich nicht um einen adrenalen Enzymdefekt handelt. Im Fall eines adrenalen Enzymdefekts wird sich die Dosis nicht an dem Kortisol, sondern einzig an den gemessenen erhöhten Androgenen orientieren.
⊡ Tabelle 3.5. Äquivalenzdosen von Kortikosteroiden. (Nach Bentley 1980) Substanz
Äquivalenzdosen [mg]
Suppression der HHN-Achse [mg]
Kurz wirksam Kortisol (Hydrokortison)
20
15–25
Mittellang wirksam Prednisolon Prednison
5 5
7,5 7,5
Lang wirksam Dexamethason Betamethason
0,6 0,75
1–1,5 1–1,5
HHN: Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse
Androgene deutlich abgefallen oder normal
Androgene erhöht
Kortisol <20 ng/ml
Dosis langfristig reduzieren
Kortisol 20-40 ng/ml
Dosis belassen
Kortisol >40 ng/ml
Dosis kann erhöht werden
Kortisol <20 ng/ml
Kortikoid absetzen, Überdosierung!
Kortisol 20-40 ng/ml
Kortikoid absetzen, kaum sinnvoll
Kortisol >40 ng/ml
Dosis evtl. vorübergehend erhöhen
0,25-0,5 mg Dexamethason
Androgene nicht oder wenig (<20%) abgefallen
3
⊡ Abb. 3.13 Behandlung mit Kortikosteroiden. (Nach Leidenberger 1997)
48
3
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
Wenn Kortikosteroide bei hyperandrogenämischen Patientinnen im Rahmen der Kinderwunschbehandlung eingesetzt werden, so ist daran zu denken, dass allein mit dieser Therapie nur in wenigen Fällen eine Schwangerschaft zu erzielen sein wird. Studienbox
der Hyperandrogenämie im Rahmen der Kinderwunschbehandlung nicht hilfreich sein wird. Dies ist in den ⊡ Tabellen 3.6 und 3.7 dargestellt. Hier wurden bei normoandrogenämischen Patientinnen im Rahmen der IVF-Behandlung Kortikosteroide eingesetzt, die auch in hohen Dosen keinen zusätzlichen Erfolg gebracht hatten.
Azziz et al. (1999) haben dies in einer Studie sehr gut darstellen können. Hier wurden 36 Patientinnen mit Anovulation und Oligomenorrhoe bei Hyperandrogenämie mit 0,5 mg Dexamethason therapiert. In 138 behandelten Zyklen fand sich nur in einem Fünftel der Zyklen eine Ovulation (22%). Bei der Hälfte der Patientinnen (50%) trat in keinem der Zyklen eine Ovulation ein.
⊡ Tabelle 3.7. Gabe von Dexamethason im KryoZyklus bei Normoandrogenämie. In Auftauzyklen wurde in der prospektiv-randomisierten Studie 0,5 mg Dexamethason ab dem Tag der Ovulation gegeben. Der Embryotransfer erfolgte im Spontanzyklus 48 h nach stattgefundener Ovulation. Es zeigte sich kein positiver Effekt auf die Implantations- bzw. Geburtenrate. (Daten nach Bider et al. 1996)
Erst die Kombination der Kortikosteroide mit Clomifen wird ein effektives Therapieschema hervorbringen und die Patientin optimal versorgen (s. Seite 65ff). ! Dexamethason allein führt bei der hyperandrogenämischen Kinderwunschpatientin bei 50% der Patientinnen und in einem Fünftel aller Zyklen zur Ovulation. Dexamethason sollte nur in Kombination mit Clomifen eingesetzt werden.
Ferner sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Dexamethason außerhalb
a
Kontrolle
Dexamethason 0,5 mg
n
47
52
Embryonen/ Transfera
2,1±1,9
2,8±1,7
Schwangerschaften [%]
6 (12,8)
7 (13,5)
Implantationsrate [%]
7,8
8,1
Geburten
4 (8,5)
3 (5,8)
Mittelwert ± Standardabweichung
⊡ Tabelle 3.6. Gabe von Dexamethason im IVF-Zyklus bei Normoandrogenämie. Im Rahmen einer prospektiv-randomisierten Studie wurde im langen follikulären Protokoll (triptorelin/hMG) Dexamethason (Dex) ab dem 1. Stimulationstag bis zum Tag des Embryotransfers gegeben. In Kontrollzyklen erfolgte keine Gabe von Dexamethason. Es zeigte sich kein positiver Effekt auf die Implantations- oder Schwangerschaftsraten. (Daten nach Bider et al.1996) Kontrolle
Dex 0,5 mg
Dex 1 mg
Vorzyklen
24
27
27
78
Anzahl der Eizellen
10,8±3,9
11,2±4,0
10,5±3,6
10,1±3,5
Fertilisationsrate [%]
69
66
70
68
Embryonen/Transfera
4,0±2,1
3,5 ± 2,2
3,3±3,1
5,9±2,8
Schwangerschaften [%]
4 (20)
4 (16,5)
5 (20,8)
–
Implantationsrate [%]
13
11
12
n a
a
Mittelwert ± Standardbweichung
49 3.6 · Hyperandrogenämie
3.6.6 Metformintherapie bei PCOSyndrom und kosmetischer Problematik
⊡ Tabelle 3.8. Senkung von Testosteron durch Metformingabe bei PCO-Syndrom
Kurzüberblick Metformin bietet in der Dosis von normalerweise 1.500 mg täglich in 3 Einzeldosen (einschleichend dosieren!) einen sinnvollen Therapieansatz bei der adipösen PCO-Syndrom-Patientin (BMI >30 kg/m2) bzw. der PCO-Syndrom-Patientin mit gestörter Insulinresistenz. Es profitieren offenbar insbesondere diejenigen Patientinnen, die zuvor auf Clomifen-Stimulationen nicht reagiert haben. In der Schwangerschaft ist Metformin relativ kontraindiziert, d.h., es bedarf einer strengen Indikationsstellung. Immer mehr Studien weisen jedoch auf ein durch Metformin senkbares Abortrisiko bei dieser Patientinnengruppe hin.
3
Senkung von Testosterona
Keine Senkung von Testosterona
Moghetti et al. (2000)
Crave et al. (1995)
Pasquali et al. (2000)
Vandermolen et al. (2001)
Nestler et al. (1996) Nestler et al. (1997) Nestler et al. (1998) Ng et al. (2001) Kocak et al. (2002) a
Nur prospektiv-randomisierte Studien mit n=20–61
Metformin ist ein Biguanid, welches bereits seit
vielen Jahrzehnten beim Diabetes-mellitus-Typ II eingesetzt wird: ▬ Es verzögert die Glukoseresorption aus dem Darm und hemmt die hepatische Glukoneogenese. ▬ Die Glukoseaufnahme in die Muskulatur wird verstärkt. ▬ Der Appetit wird gesenkt. Mittlerweile wird diskutiert, ob eventuell auch ein direkter Effekt des Metformins auf das Ovar und die Nebennierenrinde zu erwarten ist. Metformin ist insofern in Verruf geraten, als es zu einem vermehrten Risiko der Laktatazidose führen soll. Gemäß einer erst vor kurzem erschienenen Metaanalyse kann man jedoch davon ausgehen, dass beim Ausschluss von Risikofaktoren (Nieren- und/oder Leberinsuffizienz) der Einsatz von Metformin nicht das Risiko der Laktatazidose erhöht (Salpeter et al. 2003). In der Vergangenheit wurden verschiedene prospektiv-randomisierte Studien durchgeführt, um zu prüfen, inwieweit Metformin beim PCOSyndrom zu einer Senkung der Androgene, insbesondere des Testosterons, führt. Dabei konnte in den meisten Studien ein solcher Effekt gezeigt werden (⊡ Tabelle 3.8) Bei nur 2 von 11 Studien konnte keine Senkung des Testosterons beobachtet werden. Berücksich-
tigt sind nur prospektiv-randomisierte Studien, die zwar alle eine kleine Fallzahl von 20–61 Patientinnen hatten, in ihrer Gesamtheit jedoch in dieselbe Richtung weisen. Wenn man den Einsatz von Metformin mit dem von Cyproteronacetat als orales Kontrazeptivum vergleicht, erreicht Metformin mindestens eine gleiche Wirksamkeit. Studienbox In einer prospektiv-randomisierten Studie (Harborne et al. 2003) wurde folgendes Studiendesign angewandt: Behandelt wurden 52 Frauen mit PCOS und Hirsutismus entweder mit 3 x 500 mg Metformin täglich oder mit einem oralen Kontrazeptivum (35 µg Ethinylöstradiol +2 mg Cyproteronacetat). Der Effekt auf den Hirsutismus-Score war vergleichbar gut, wie ⊡ Abb. 3.14 zeigt. Von wesentlicher Bedeutung in dieser Studie war aber, dass im Rahmen der Therapie mit Cyproteronacetat mehr Patientinnen aufgrund der nicht unwesentlichen Nebenwirkungen die Therapie vorzeitig abbrachen. In der Metformin-Gruppe wurden im Lauf eines Jahres 3 Patientinnen spontan schwanger, auch wenn dies nicht der primäre Zielparameter bei dieser Studie war, die sich primär auf Patientinnen mit Hirsutismus konzentrierte (⊡ Abb. 3.15).
50
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
Metformin (p=0,0001)
10
5 Hirsutismus-Score (0-10)
3
0 Diane (p=0,005) 10
5
0 06
12
Behandlungsdauer (Monate) ⊡ Abb. 3.14 Einsatz von Metformin (1.500 mg) gegenüber Cyproteronacetat (2 mg). Der Hirsutismus-Score zeigt beim Einsatz beider Medikamente einen signifikanten Abfall. (Nach Harborne et al. 2003)
Die Glitazone sei an dieser Stelle ebenfalls erwähnt, da zunehmend Studien publiziert werden, die deren Effekt auf die Hyperandrogenämie verdeutlichen. Ghazeeri et al. (2003) setzten 4 mg Rosiglitazon täglich ein und erreichten eine deutliche Verbesserung des tonisch erhöhten LH- und des SHBG-Spiegels sowie der Testosteron- und der DHEAS-Spiegel bei PCO-Syndrom-Patientinnen. Troglitazon wurde in einer Dosis von 150, 300 und 600 mg täglich bei PCO-Syndrom-Patientinnen über 20 Wochen im Rahmen einer prospektiv-randomisierten Doppelblindstudie eingesetzt und zeigte einen dosisabhängigen Effekt auf die gesamte Insulinkonzentration sowie das DHEAS. Im Rahmen dieser Studie wird auch diskutiert, inwieweit neben der Insulinabsenkung ein direkter Effekt der Glitazone auf die Nebennierenrinde möglich sein könnte. Ferner ist unter diesen Aspekten über den additiven Einsatz von zum Beispiel Metformin und anderen Antiandrogenen nachzudenken. Die Kombination von Metformin in einer Dosis von 1.275 mg mit 250 mg Flutamid täglich führte in einer prospektiv-randomisierten Studie zu additiven Effekten auf die Testosteron-, Androstendion- und DHEAS-
Rekrutiert 52
Cyproteronacetat 2 mg Ethinylöstradiol 35 mg
Startzeit
26
Metformin 26
Gewichtszunahme, 4 Blutdruck, 1 Depression, 1 Thoraxschmerz, 1 kein Kontakt möglich, 2
schwanger, 1 gastro-intestinale Nebenwirkungen, 3 kein Kontakt möglich, 2
Cyproteronacetat 2 mg Ethinylöstradiol 35 mg
17
nach 6 Monaten
Metformin 20
Gewichtszunahme, 1
schwanger, 2 Cyproteronacetat 2 mg Ethinylöstradiol 35 mg
16
nach 12 Monaten
Metformin 18
⊡ Abb. 3.15 Metformin vs. Cyproteronacetat. Verlauf der Patientenzahlen und Drop-out-Raten in beiden Studienarmen: Gemessen wurde jeweils zum Zeitpunkt T0 (Start), T6 (6 Monate) und T12 (12 Monate). Der Effekt der Therapie war vergleichbar gut. (Nach Harborne et al. 2003)
3
51 3.6 · Hyperandrogenämie
Konzentrationen. In der Zukunft werden solche kombinierten Ansätze sicherlich bei bestimmten Indikationsbereichen zunehmend mehr Beachtung finden und interessante Alternativen zur Therapie mit oralen Kontrazeptiva darstellen. Es sei an dieser Stelle auch festgehalten, dass Studien einen deutlichen Benefit für den Stoffwechsel (Lipide) beim Einsatz von Metformin bei PCO-Syndrom-Patientinnen belegen konnten. Dies fand sich nicht für die oralen Kontrazeptiva. Mittlerweile liegen Daten aus einer Metaanalyse der Cochrane Library vor. Es wurden 15 Studien mit insgesamt 543 Teilnehmerinnen aufgenommen. Daraus ergab sich eine »odds ratio« von 3,88 (95% Konfidenzintervall 2,25–6,69) für Metformin gegenüber einem Plazebo und 4,41 (95% Konfidenzintervall 2,37–8,22) für Metformin in Kombination mit Clomifen gegenüber Clomifen alleine bezüglich der Möglichkeiten einer Ovulationsinduktion (Lord et al. 2003).
3.6.7 Metformintherapie bei PCOSyndrom und Kinderwunsch Seit Mitte der 90er Jahre wird Metformin zunehmend bei entsprechenden Indikationen (gestörte Insulinresistenz bzw. deutliche Adipositas) bei PCO-Syndrom-Patientinnen und Kinderwunsch eingesetzt. Dabei konzentrierte man sich in den verschiedenen Studien zunächst auf die Clomifenresistenten Patientinnen. Mittlerweile liegen zu den diesbezüglichen Studien 3 Meta-Analysen vor, die einheitlich dasselbe zeigen: Die Wahrscheinlichkeit einer Ovulation sowie einer klinischen Schwangerschaft werden durch die Metformingabe bei Clomifen-resistenten Kinderwunschpatientinnen etwa um den Faktor 4 gesteigert (Lord et al. 2003; Kashyan et al. 2004; Siebert et al. 2006). Mit diesen Erfolgen von Metformin ergab sich auch die Frage, inwieweit ein Einsatz in der fortlaufenden Schwangerschaft gerechtfertigt wäre. Diese Frage stellt sich, weil bekannt ist, dass nicht nur die Chance, schwanger zu werden, sondern auch die Chance, schwanger zu bleiben, bei PCO-SyndromPatientinnen deutlich vermindert ist. Über Abortraten von 40% oder mehr wird in entsprechenden Untersuchungen berichtet (Ludwig et al. 1999).
Problematisch dabei ist aber, dass Metformin ein sog. Klasse-B-Medikament darstellt. Das heißt, im Tiermodell wurden bisher keine Fehlbildungen beobachtet, beim Menschen besteht jedoch keine ausreichende Erfahrung in der Schwangerschaft. Es sind aber verschiedene Daten zum Einsatz von Metformin in der Schwangerschaft publiziert worden. Zum einen wurden bereits in den 80er Jahren Beobachtungen aus Südafrika publiziert, bei denen Metformin zur Diabetes-Behandlung in der Schwangerschaft eingesetzt worden war (Coetzee u. Jackson 1979, 1984, 1985), ohne dass sich ein negativer Effekt auf das Schwangerschafts-Outcome ergeben hätte. Auch wenn mittlerweile vielfach Metformin in der Schwangerschaft weitergeführt worden ist und dabei eine signifikante Reduktion des Abortrisikos beobachtet wurde, bleibt es dennoch immer noch kontraindiziert. Aufgrund dieser interessanten Therapiealternative sollen jedoch die Erfolge verschiedener Studien hier dargestellt werden. Studienbox In einer retrospektiven Untersuchung konnten Jakubowicz et al. (2002) bei 65 Frauen mit Metformin und bei 31 Frauen ohne Metformin den Schwangerschaftsverlauf beobachten. Es zeigte sich ein signifikanter Vorteil hinsichtlich der Frühabortrate (⊡ Tabelle 3.9).
Vandermolen et al. (2001) führten eine prospektive offene Studie mit PCO-Syndrom-Patientinnen
⊡ Tabelle 3.9. Die Frühabortrate insgesamt sowie insbesondere bei den Patientinnen, die bereits einen Abort in der Anamnese hatten, konnte durch den Einsatz von Metformin in der Schwangerschaft signifikant gesenkt werden Kein Metformin
Plus Metformin
p
Frühaborte (gesamt)
41,9% (13/32)
8,8% (6/69)
p<0.001
Frühaborte (bei Abort in der Anamnese)
58,3% (7/12)
11,1% (4/36)
p=0.002
52
3
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
durch. Diese Patientinnen hatten unter Metformin in einer Dosis von 1.500–2.500 mg/d konzipiert. Darunter waren Spontankonzeptionen (n=58), Konzeptionen durch Inseminationen (n=2), durch Clomifen-Zitrat (n=10), durch hMG (n=1) sowie durch eine IVF-Behandlung (n=1). Retrospektiv wurde das Schwangerschafts-Outcome mit vorangehenden Schwangerschaften verglichen. Der Erfolg ist in ⊡ Abb. 3.16 dargestellt. Studienbox Andere Studien können diese sehr vielversprechenden Ergebnisse untermauern (Glück et al. 2001, 2002a u. b, 2004a u. b).
Momentan sollte aufgrund der von der relativen Kontraindikation bzw. der notwendigen strengen Indikationsstellung in Schwangerschaften, die nach Gabe von Metformin eingetreten sind, das Metfor-
min abgesetzt werden. Stellt sich jedoch in einer solchen Schwangerschaft einmalig bzw. zweimalig ein Abort ein, sollte spätestens nach diesem zweiten Abort mit der Patientin individuell die Weiterführung der Metformin-Therapie in der Schwangerschaft besprochen werden. Die Patientin ist dann aber eindeutig über die fragliche Datenlage schriftlich aufzuklären. ! In dieser Aufklärung ist darzulegen, dass zu diesem Zeitpunkt ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko durch den Einsatz von Metformin nicht ausgeschlossen werden kann! Allerdings gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass ein solches Risiko besteht.
Der Einsatz von Metformin ist in ⊡ Abb. 3.17 in Anlehnung an die Ausführung von Nestler et al. (2002) im Detail nochmals dargestellt.
⊡ Abb. 3.16 Es handelt sich um eine prospektive offene Studie mit 72 Patientinnen, die unter Metformin konzipiert hatten. Die Lebendgeburtenrate betrug 75% bei einer Abortrate von 17%. Die linke Grafik zeigt das Schwangerschafts-»Outcome« bei in dieser Studie enthaltenen 40 Patientinnen mit 100 vorangehenden Schwangerschaften. Dabei war es in etwa zwei Dritteln der Fälle zu einem Frühabort gekommen (62%). Dies konnte bei eben diesen Patientinnen in der aktuellen, in der Studie erfassten Schwangerschaft auf 26% gesenkt werden, was einem signifikanten Vorteil entsprach (P=0,001). (Nach Vandermolen et al. 2001)
53 3.6 · Hyperandrogenämie
3
Ausschluss Kontraindikationen (Leberenzyme, Creatinin)
?
Metformin einschleichend - 3 Tage 500 mg: 0 – 0 – 1 - 3 Tage 500 mg: 1 – 0 – 1 - 3 Tage 500 mg: 1 – 0 – 2 - (dann: 500 mg: 2 – 0 – 2 )
Clomifen Citrat -50, 100 oder 150 mg -5 Tage -einschleichende Dosierung
2–6 Monate Vorlauf
ja
nein
Ovulation ? nein
ja
- Metformin weiter oder Start und nach 5 Wochen
Komplettierung auf 6 Zyklen in Ovulationsdosis
- zusätzlich Clomifen Citrat
Ovulation ?
Ovulation ?
ja
nein Alternative Behandlung (z. B. Gonadotropine) ⊡ Abb. 3.17 Einsatz von Metformin bei PCO-Syndrom-Patientinnen. (Nach Nestler et al. 2002; modifiziert) Bei jeder Patientin, bei der Metformin zum Einsatz kommt, müssen initial Kontraindikationen durch Bestimmung der Transaminasen sowie des Kreatinins ausgeschlossen werden. Es darf mittlerweile als belegt gelten, dass die Clomifen-resistente Patientin, bei der es nicht zu einer Ovulation unter Clomifen gekommen ist, von einer Metformin-Therapie und nachfolgendem erneuten Einsatz von Clomifen profitieren wird. Insgesamt sollte eine Clomifen-Stimulation bei nachgewiesener Ovulation über nicht mehr als 6 Zyklen angewendet werden. Die maximal sinnvolle Dosierung beträgt 150 mg/d. Wird Metformin eingesetzt, so muss die Dosis eingeschlichen werden. Normalerweise kann die Dosis alle 3 Tage erhöht werden. Die Patientin sollte aufgeklärt werden, dass eine Erhöhung so lange ausgesetzt wird, wie Nebenwirkungen wie Meteorismus, Diarrhoe vorhanden sind. Die sinnvolle Dosis liegt in den allermeisten Fällen bei 1.500 mg/d. Bei deutlich adipösen Patientinnen (BMI >30–35 kg/m2) kann die Dosis auch auf 2.000 mg/ d erhöht werden. Fraglich ist, inwiefern der direkte Beginn mit Metformin gegenüber dem Start mit Clomifen einen Vorteil bietet. Wenn Metformin initial gewählt wird, dann sollte der Vorlauf 2–6 Monate betragen. Hat die Patientin bis dahin eine eigene Ovulation gezeigt, ist die Kombination mit Clomifen sinnvoll. Erst wenn diese Therapieschemata ausgeschöpft sind, sollten alternative Therapien mit zum Beispiel Gonadotropinen gewählt werden.
54
Kapitel 3 · Hormonanalytik zur Zyklusdiagnostik
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4 Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren 4.1
Einleitung – 58
4.2
Anamneseerhebung – 58
4.3
Infektionsscreening
4.4
Bedeutung des männlichen Faktors – Spermiogramm – 62
4.5
Amenorrhoe – 64
4.6
Normales Spermiogramm und Oligo-/Amenorrhoe, Hyperandrogenämie, PCO-Syndrom – 65
4.7
Abklärung des Tubenfaktors: wann und wie? – 69
4.8
Bedeutung der Endometriose im Rahmen der Kinderwunschbehandlung – 72
4.8.1 4.8.2
Einleitung – 72 Bedeutung der Endometriose per se als Sterilitätsfaktor
4.9
Myome
4.10
Pathologischer Tubenfaktor – 82
4.11
Idiopathische Sterilität
4.11.1 4.11.2 4.11.3
Einleitung und Begriffsbestimmung – 87 Ursachen der idiopathischen Sterilität – 88 Therapie der idiopathischen Sterilität – 91
4.12
Auffälliges Spermiogramm – 94
4.13
Einfluss des Faktors »Alter« auf die Therapieentscheidung – 100
4.14
Einfluss der »Kinderwunschdauer« auf die Therapieentscheidung – 103 Literatur
– 61
– 74
– 79
– 109
– 87
58
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
4.1
Einleitung
Kurzüberblick
4
Die Besonderheit der Anamneseerhebung bei Kinderwunschpaaren liegt in der Tatsache, dass es sich stets um zwei Partner handelt, die zum einen individuell abgeklärt, zum anderen aber immer in der Gesamtschau betrachtet werden müssen. Nur so wird es möglich sein, dem einzelnen Paar in Diagnostik und Therapie gerecht werden zu können. Vergleichbar ist die Situation des Kinderwunschpaares im Bewusstsein des behandelnden Arztes mit einem Mosaikbild, welches sich aus vielen einzelnen Bausteinen zusammensetzt. Beim Austauschen nur eines dieser Bausteine wird sich das Gesamtbild schnell ändern und zu einem anderen Vorgehen oder einer anderen Empfehlung führen. Wie wahrscheinlich in keinem anderen Gebiet bedingt die Kombination aus zahlreichen anamnestischen Faktoren sowie diagnostischen Befunden letztendlich das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen. ! Hier ist auch zu beachten, dass sich tatsächlich im Rahmen der Diagnostik und Therapie stets nur Empfehlungen ableiten lassen. Keiner der Schritte, der wegen des Kinderwunsches unternommen werden kann, stellt ein »Muss« dar.
Es wird sich niemals um eine lebensbedrohliche Situation handeln, die eine sofortige Intervention erfordert. Insofern muss jeder Schritt, und das gilt es bereits bei der Anamneseerhebung festzuhalten, vom Paar selbst entschieden und gemacht wird. Bereits bei der Anamneseerhebung muss man das Paar durch eine »non-direktive« Beratung in die Lage versetzen, durch Kenntnis von Chancen und Risiken selbstbewusst eigene Entscheidungen zu fällen. Das ist die Grundlage aller weiteren Ausführungen in diesem Kapitel. Es geht um die evidenzbasierte Reproduktionsmedizin, bei der der Arzt, gestützt auf Studienergebnisse, seine Empfehlung für Diagnostik und Therapie anhand der sehr individuellen Paarkonstellation ausrichtet.
In der heutigen Zeit muss es möglich sein, Entscheidungen auf der Basis eben solcher Zahlen zu treffen und nicht aus dem Bauch heraus Empfehlungen abzugeben oder aber – schlimmer noch – einen standardisierten Ablaufplan jedem Paar, unabhängig von der individuellen Situation, anzubieten und durchzuziehen. Der reproduktionsmedizinisch tätige Arzt wird insofern nicht nur gynäkologisch/geburtshilfliches Wissen, sondern darüber hinaus Wissen über die Andrologie, Humangenetik, Endokrinologie, Reproduktionsbiologie und Epidemiologie ansammeln müssen, um seiner Verantwortung gerecht zu werden.
4.2
Anamneseerhebung
Die Anamneseerhebung umfasst im Wesentlichen 4 Punkte: 1. Individuelle Anamnese der Partner 2. Familienanamnese der Partner 3. Zyklusanamnese 4. Sexualanamnese Die individuelle Anamneseerhebung darf sich dabei nicht nur auf mögliche reproduktionsmedizinisch relevante Punkte, wie z. B. abdominelle Voroperationen oder stattgefundene Adnexitiden beschränken. Sie muss insbesondere bei der Frau auch berücksichtigen, inwieweit sich aus der Anamnese relevante Faktoren für Schwangerschaft und Geburt eruieren lassen. So kann es zum Beispiel sein, dass die Patientin über ein Hüfttrauma, eine Beckenringfraktur im Rahmen eines Autounfalls berichtet, die nachfolgend traumatologisch versorgt worden war. Dies wird für die eigentliche Kinderwunschbehandlung kaum Relevanz haben, sollte jedoch insoweit bereits prätherapeutisch abgeklärt werden, um zu prüfen, inwieweit sich daraus eventuell Konsequenzen für die Geburt eines Kindes ergeben. Vor der Behandlung können durchaus Röntgenuntersuchungen aktualisiert werden. Dies wird in der Schwangerschaft und kurz vor der Geburt so nicht mehr möglich sein. Ein anderes Beispiel betrifft die genetische Anamnese, die neben der individuellen Anam-
59 4.2 · Anamneseerhebung
nese vor allem auch die Familienanamnese mit berücksichtigen muss. Durch einfache Fragen wird es dabei dem beratenden Arzt möglich sein, Risikofaktoren zu erkennen, die zum Beispiel auf eine strukturelle Chromosomenanomalie oder monogenetisch vererbbare Erkrankungen hindeuten können. Solche Fragen sind hinsichtlich des habituellen Abortgeschehens: ▬ Waren Sie schon einmal schwanger und haben diese Schwangerschaften wiederholt früh verloren? ▬ Gibt es bei Ihrer Mutter, Großmutter, bei Schwestern oder Tanten in den vergangenen Jahren immer wieder Schwangerschaften, ohne dass jemals ein Kind geboren worden war? Wenn sich hierbei Auffälligkeiten ergeben, muss hinsichtlich einer habituellen Abortneigung weiter, z. B. durch Chromosomenanalyse, immunologische Tests etc., abgeklärt werden. Bei der Familienanamnese können durch einfaches Skizzieren eines Stammbaums relevante Informationen gesammelt und festgehalten werden. Dazu sei auf die einschlägigen Lehrbücher der Humangenetik verwiesen. Durch einfache Fragen kann aber auch hier relativ schnell geklärt werden, ob bestimmte Risiken vorliegen: ▬ Gibt es in Ihrer Familie Kinder, die mit Veränderungen an den Händen, Armen, Füßen oder Beinen geboren worden sind? ▬ Gibt es in Ihrer Familie Kinder, die mit Fehlbildungen des Herzens oder der Nieren geboren worden sind? ▬ Gibt es in der Familie Kinder, welche die Sonderschule besucht haben? ▬ Gibt es in Ihrer Familie Erkrankungen, die wiederholt bei verschiedenen Familienmitgliedern aufgetreten sind? Diese Fragen werden in der Regel weniger als eine Minute Zeit in Anspruch nehmen, aber schnell einen Überblick zur Indikation weiterer Abklärungen geben. Die individuelle Anamnese sollte ferner Fragen nach Risikofaktoren, wie z. B. Nikotin- und Alkoholkonsum beinhalten. Es sollten Körpergewicht und Größe zur Errechnung des »Body-MassIndex« notiert werden. Zu jeder Beratung gehört
4
auch eine Beratung über eben diese Risikofaktoren (s. Seite 112ff). Wie bereits im Kapitel über die Hormonanalytik dargestellt, ist die Zyklusanamnese von enormer Bedeutung, da sie helfen kann, unnötige Zeitverschwendung zu ersparen und für die Patientin einen unnötigen Zeitaufwand durch Arztbesuche und Blutanalysen zu vermeiden. Die Wartezeit bis zum Einsetzen einer Therapie kann dadurch nicht selten verkürzt werden. ! Gibt die Patientin einen normalen Zyklus ohne prä- oder postmenstruelle Schmierblutungen seit dem Absetzen des Kontrazeptivums an, so ist die Wahrscheinlichkeit einer aktuellen schwerwiegenden hormonellen Beeinträchtigung des Zyklus extrem unwahrscheinlich.
Dennoch sollte zumindest eine basale Hormondiagnostik zur Beurteilung der ovariellen Reserven erfolgen. Weitergehende Hormonuntersuchungen, wie z. B. eine Mehrfachabklärung der Lutealphase, werden aber in diesen Fällen zu vermeiden sein. Ferner kann die Zyklusanamnese bereits helfen, wegweisend die Therapieindikationen zu bahnen. Dies wird im Weiteren noch ausgeführt werden. Die Sexualanamnese muss erhoben werden, nicht nur um zu klären, wie häufig das Paar Geschlechtsverkehr hat. Es ist außerdem wichtig zu eruieren, wie dieser Geschlechtsverkehr ausgeübt wird. Es sei an dieser Stelle auf 3 Fälle aus der Praxis verwiesen, die dem Leser eindrucksvoll dieses Problem vor Augen führen mögen: 1. Ein Paar stellte sich vor mit einem seit zweieinhalb Jahren bestehenden unerfüllten Kinderwunsch. Die nähere Anamnese ergab jedoch, dass vaginaler Geschlechtsverkehr erst seit etwa 3 Monaten ausgeübt wurde, nachdem eine Hymenalatresie operativ korrigiert worden war. Für das Paar bedeutete jedoch die Frage nach der Kinderwunschdauer ursprünglich dasselbe wie die Dauer des ungeschützten Geschlechtsverkehrs! An diese Unterschiede im Bewusstsein eines Paares ist zu denken. 2. Ein Paar stellte sich vor mit mehrjährigem, bisher unerfüllten Kinderwunsch. Bereits auf dem ausgegebenen Fragebogen war neben der Frage
60
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
nach der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs ein Fragezeichen angegeben. Die Anamneseerhebung ergab, dass bei dem Mann eine erektile Dysfunktion psychogener Art vorlag, sodass das Paar noch nie einen vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt hatte. Eine Schwangerschaft konnte somit bisher nicht eintreten. Dieses Paar wurde auf eine Paarberatung verwiesen (Schröder et al. 2002). 3. Ein Paar stellte sich mit seit mehreren Jahren unerfülltem Kinderwunsch vor. Das Paar hatte bereits ein gemeinsames Kind. Die Frau gab an, dass eine weitere Schwangerschaft vor etwa einem Jahr eingetreten war, nicht jedoch mit dem jetzigen Partner. Im Rahmen eines Seitensprungs war es zum Eintritt einer Schwangerschaft gekommen, sodass man bei dieser Paarkonstellation von weiteren Problemen ausgehen musste, die über die reine Kinderwunschproblematik hinaus gehen. Auch bei diesem Paar wurde zunächst eine psychologische Paarbetreuung angeraten, bevor hinsichtlich der Kinderwunschtherapie weitere Empfehlungen gemacht werden konnten (Schröder et al. 2002). Hilfreich ist bei Kinderwunschpaaren die Ausgabe eines Fragebogens, um verschiedene Informationen systematisch zu erfassen. Dieser Fragebogen kann und darf ein Gespräch nicht ersetzen. Er ist jedoch hilfreich, um zum einen wichtige Informationen in Kürze zu erfassen und dabei das Gespräch auf wesentliche Dinge konzentrieren zu können und zum anderen, um dem Paar ein Vehikel zu bieten, Informationen an den beratenden Arzt zu übermitteln, die im Gespräch möglicherweise nur mit größter Zurückhaltung oder auch gar nicht gegeben werden würden. Ein Beispiel für solche Fragebögen ist im Anhang A7 abgedruckt. Stellt sich ein Paar mit einer Kinderwunschproblematik explizit vor, so mögen Eingangsfragen helfen, wie: ▬ Sie kommen wegen des Kinderwunsches...? ▬ Hat Ihnen jemand gesagt, was jetzt passieren wird...? ▬ Was glauben Sie, werden wir tun können? ▬ Was können wir für Sie tun?
Diese Eingangsfloskeln mögen lapidar erscheinen. Sie geben dem Paar jedoch die Möglichkeit, selbst zu formulieren, was man sich von einer Kinderwunschbehandlung erwartet. Hier sei der Fall einer Patientin mit klarem PCO-Syndrom und massiver Adipositas erwähnt, die auf solche Fragen ihrer Erwartung Ausdruck gab, dass nun eine IVFBehandlung durchgeführt werde, da ihre Cousine ebenfalls durch eine solche Behandlung schwanger geworden sei. Initial kam für diese Patientin eine andere Therapie überhaupt nicht in Frage. Erst nach Klarstellen der Hintergründe eines PCOSyndroms, der Problematik der Übergewichtigkeit sowie der Darstellung, dass eine IVF-Behandlung nur unter bestimmten Bedingungen überhaupt einen Vorteil gegenüber anderen, einfacheren Therapieformen bietet, war die Patientin bereit, diesen Weg auch zu gehen und ist schließlich durch eine Metformin-Therapie innerhalb weniger Monate schwanger geworden. Man möge stets daran denken, dass Patientinnen bestimmte Erwartungen gerade in diesem sehr sensiblen Feld haben. Wenn man diese Erwartungen nicht kennt, kann man falsche Vorstellungen nicht entkräften und die Patientin geht ggf. enttäuscht von ihrem jetzigen Arzt nach Hause und wendet sich an einen anderen, der eine sehr viel invasivere Therapie oder eine sehr viel aufwändigere aber nutzlose Diagnostik vorschlägt, da »ja dort viel mehr gemacht wird«. Machen Sie den Patientinnen klar, dass »mehr nicht besser« bedeutet. Zeigen Sie ihnen bereits im ersten Gespräch auf, warum Sie initial auf bestimmte diagnostische Schritte verzichten wollen, sie vielleicht später erwägen oder für gänzlich untauglich halten. ! Geben Sie den Patientinnen bereits im Rahmen des Erstgesprächs eine klare Linie dahingehend, was demnächst an Schritten passieren wird, welche Konsequenzen diese Schritte bei den verschiedenen Ergebnissen nach sich ziehen werden und welche Therapieformen ggf. in Frage kommen.
Das betroffene Paar wird dann, und nur dann, eine Vorstellung darüber entwickeln können, wie die nun folgende Therapie aussehen wird. Es wird mit
61 4.3 · Infektionsscreening
sehr viel größerer Motivation Ihren Vorschlägen folgen und sehr viel eigenständiger Entscheidungen treffen, wenn es darum geht, von einer Therapie auf die nächste zu wechseln. Es wird verstehen, dass ggf., zum Beispiel im Rahmen des PCO-Syndroms, eine aufwändigere Diagnostik notwendig ist, um eine sehr einfache, aber hoch effektive Therapie indizieren zu können. Man möge sich einfach einmal selbst in die Situation versetzen, dass man ein bestimmtes, für einen selbst hoch bedeutendes Anliegen hat, aber jeweils immer nur von einem auf den nächsten Termin vertröstet wird, um dann wieder zu hören, welche Therapie oder Diagnostik wohl als nächstes anstehe. Wer würde es sich gefallen lassen, nicht zu wissen, welche Schritte in welchem Fall als nächstes folgen, sodass man sich eine Vorstellung machen kann, wie schnell es denn tatsächlich mit der heiß ersehnten Therapie losgehen kann und wie diese dann aussieht? So man im Rahmen des Erstgesprächs das Gespräch mit beiden Partnern gemeinsam führt – was die wünschenswerte Situation ist – sollte man stets mit dem aktiveren Partner in diesem Gespräch beginnen. Dieser aktivere Partner wird aller Wahrscheinlichkeit nach die Frau sein. Bereits durch die Körpersprache wird man sehen, dass sich einer der Partner, in der Regel der Mann, weiter vom Schreibtisch entfernt, und durch Körpersprache seine Ablehnung gegenüber jeder Beratung oder dem Eingriff in sein Privatleben zeigt. Der Start mit dem aktiveren Partner bedeutet aber auch, den nicht aktiven Partner im Lauf des Gesprächs zunehmend anzusprechen und einzubinden sowie dem Paar klarzumachen, dass der Kinderwunsch stets ein gemeinsames Problem ist, welches es gemeinsam zu lösen gilt. Sätze des Partners wie: »Das musst Du entscheiden, es geht hier um Dich«, müssen sofort aufgegriffen und entkräftet werden. Ansonsten wird die Kinderwunschbehandlung nicht vom Paar gemeinsam getragen, führt zu privaten Konflikten und dazu, dass viel zu früh eine sehr erfolgversprechenden Therapie abgebrochen wird. An verschiedenen Stellen wird noch darzustellen sein, dass mit einer Abbruchrate beim Wechsel von einer Therapie zur nächsten mit 50% und im Rahmen einer bestimmten Therapie
4
von Behandlungszyklus zu Behandlungszyklus von 20–30% zu rechnen ist. ! Die Kunst im Rahmen der Kinderwunschbehandlung liegt tatsächlich nicht in den hoch invasiven Verfahren wie IVF oder ICSI. Sie besteht natürlich bedingt in der Kenntnis sinnvoller Stimulationsverfahren und ihrer Ausführung mit möglichst niedrigem Aufwand für das Paar. Sie liegt aber vorwiegend in der Führung des Kinderwunschpaares, der ständigen Beratung und Bewusstmachung, dass es sich um ein zu lösendes Problem handelt – wenn dem so ist. Zur Beratung gehört nämlich auf der anderen Seite auch, immer durch ehrliche Interpretation der Befunde eine realistische (individuelle!) Chance darzustellen und sich nicht auf allgemeine Aussagen wie »im Durchschnitt 25% Schwangerschaften« zurückzuziehen.
So wird man zum Beispiel der 41-jährigen Patientin im Rahmen eines IVF-Programms eine Chance von 10–12% einer Schwangerschaft voraussagen können, die gleichzeitig verbunden ist mit einer Fehlgeburtenrate und einer Abortrate von etwa 25–30%. Auf der anderen Seite kann die 25-jährige Patientin bei der gleichen Therapie über eine Chance von 28–30% mit einer Abortrate von 10–15% beraten werden. Geben Sie dem Paar im Rahmen der Anamneseerhebung und der Entwicklung Ihrer Vorschläge stets Einblick in die eigenen Überlegungen, um es nicht aus diesem sehr sensiblen Bereich ureigenster Wünsche, wie der sexuellen Fortpflanzung, auszuschließen. Abschließend sei auch darauf hingewiesen, dass sich in dem unerfüllten Kinderwunsch nicht selten Differenzen beider Partner offenbaren, die mit vollkommen unterschiedlichen Vorstellungen in Ihre Sprechstunde kommen. Auch diese Differenzen gilt es aufzudecken, um nicht eine falsche Empfehlung zu geben.
4.3
Infektionsscreening
Durch die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte- und Krankenkassen ist bei Maßnah-
62
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
men der assistierten Reproduktion ein Screening auf ▬ Hepatitis B und ▬ HIV bei den Partnern vorgeschrieben.
4
Ferner ist in diesen Richtlinien die Kontrolle des ▬ Röteln-Titers festgelegt. Es ist zu überlegen, inwieweit – insbesondere bei besonderen Risikogruppen – ein Screening auf Hepatitis C sinnvoll ist. Insofern keine Impfung gegen Varizellen durchgeführt worden war, sollte auch dieser Titer nach unserer Meinung kontrolliert werden. Bei jedem Infektions-Screening serologischer Art bzw. durch Vaginalabstriche oder Ejakulatkulturen muss daran gedacht werden, dass auf eine Schwangerschaft hin geplant wird und bestimmte Risiken durch adäquates präkonzeptionelles Management optimal behandelt werden können. Im Rahmen der Vaginalabstriche sollte ▬ ein Chlamydien-Abstrich mit adäquater Methodik durchgeführt werden. Optimal ist dabei ein Abstrich, der mittels PCR-Diagnostik ausgewertet wird. Ein Immunfluoreszenztest wird in aller Regel der Fälle ein (falsch) negatives Resultat ergeben. Serologische Tests auf Chlamydien-Antikörper (IgG, IgA) sind insofern hilfreich, da sie ein gewisses Risikopotential hinsichtlich eines tubaren Faktors erkennen lassen. Akute Infektionen und eine Behandlungsnotwendigkeit lassen sich daraus aber normalerweise nicht unbedingt ableiten. Insbesondere bei subjektiven Auffälligkeiten ist zu erwägen, inwieweit ▬ eine Abklärung der gesamten Vaginalflora inklusive zum Beispiel Ureaplasma urealytikum, Gardnerella vaginalis und anderen pathogenen Keime indiziert ist. Vor jeder Sterilitätsbehandlung sollte eine Sanierung unbedingt angestrebt werden. Eine besondere Anamnese der Partner bzw. besondere Risikoprofile mögen eine weitere Infektionsdiagnostik indizieren lassen.
4.4
Bedeutung des männlichen Faktors – Spermiogramm
Kurzüberblick Die Abklärung des andrologischen Faktors muss parallel mit der gynäkologischen Untersuchung der Frau erfolgen. Sie steht vor jeder invasiven Diagnostik und vor dem Beginn jeder Therapie bei der Partnerin. Ein Spermiogramm muss nach WHO-Standard durchgeführt werden.
Neben der Abklärung der Frau im Rahmen der Kinderwunschbehandlung darf die andrologische Abklärung nicht vergessen werden. Sie muss denselben Stellenwert haben wie die gynäkologische Untersuchung der Partnerin. Die Kooperation mit einem versierten Dermatologen oder Urologen in der Nähe ist daher anzustreben. Wesentliche Voraussetzungen dabei sind: 1. Erfahrung in der andrologischen Untersuchung mit dem besonderen Aspekt der Kinderwunschtherapie 2. Durchführung von Spermiogrammen nach WHO-Richtlinien (1999) 3. Es sei explizit darauf hingewiesen, dass »andrologische Abklärung« nicht bedeutet, ein Spermiogramm durchzuführen. Sie beinhaltet darüber hinaus die körperliche Untersuchung, die Untersuchung des männlichen Genitales sowie die Hodensonographie. Nur letztere kann der erhöhten Prävalenz von Hodentumoren bei Männern mit eingeschränkter Fertilität gerecht werden Der männliche Faktor muss insofern an den Anfang des Entscheidungsbaums zur weiteren Diagnostik und Therapie gestellt werden, als er in den meisten Fällen zumindest eine teilweise Bedeutung im Gesamtkonzept hat. In einer bereits einige Jahre zurückliegenden Übersichtsarbeit konnte dargestellt werden, dass in 5 von 7 Studien der männliche Faktor die häufigste Einzelursache des unerfüllten Kinderwunsches gewesen sein soll (⊡ Abb. 4.1). Momentan wird gelehrt, dass in etwa 40% der weibliche Faktor, in 40% der männliche Faktor und in 20% Faktoren beider Seiten oder aber eine idiopathische Sterilität (kein offensichtlicher Faktor) vorliegen.
4
63 4.4 · Bedeutung des männlichen Faktors – Spermiogramm
*
60% 50%
*
40% 30%
* *
*
20% 10% 0%
Thonneau Schmidt et al., Haxton et al., Randall 1995 1987 and Templeton, et al., 1991 1991 * ein männlicher Faktor war die häufigste Einzelursache Collins et al., Cates et al., 1983 1985
Hull et al., 1985
⊡ Abb. 4.1 Häufigkeit eines männlichen Faktors. (Nach Irvine 1998)
! Das diesem Buch zugrunde liegende Konzept geht davon aus, dass in wahrscheinlich 70–80% der Fälle auf beiden Seiten mit Faktoren zu rechnen ist, die die gewünschte Schwangerschaft nicht eintreten lassen.
Dies wird an den verschiedenen Stellen noch zu belegen sein.
⊡ Tabelle 4.1. Lässt sich ein Spermiogramm voraussagen? Bei bewiesener Fertilität lag eine von diesem Mann induzierte Schwangerschaft in der Anamnese vor. Es fanden sich jedoch, unabhängig von dem Status »bewiesene Fertilität«, keine Unterschiede in der Rate auffälliger bzw. nicht auffälliger Spermiogramme. (Nach Lucidi et al. 2003) Bewiesene Fertilität
Nicht bewiesene Fertilität
N
73
96
Normale Konzentration [%]
58 (79)
66 (69)
Normale Motilität [%]
53 (73)
74 (77)
Normale Morphologie [%]
69 (95)
91 (95)
Normales Spermiogramm [%]
44 (60)
57 (59)
Studienbox Hier sei dazu eine aktuelle Untersuchung von Lucidi et al. (2003) dargestellt. In einer retrospektiven Fallkontrollstudie wurden WHO-Spermiogramme ausgewertet. Fälle, bei denen eine Orchiektomie, eine Radiatio, Chemotherapie oder Refertilisierung vorangingen, wurden ausgeschlossen. Eine »bewiesene Fertilität« lag vor, wenn in der Vergangenheit eine Schwangerschaft durch diesen Mann herbeigeführt werden konnte. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in ⊡ Tabelle 4.1 dargestellt und zeigen ganz klar, dass unabhängig davon, ob eine bewiesene oder nichtbewiesene Fertilität bei diesem Mann vorlag, sich die Rate auffälliger Spermiogramme nicht voneinander unterschied.
64
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
Dies zeigt, dass ein einzelner Mann trotz leichter Einschränkung seines Spermiogramms bei einer Frau mit hoher Fertilität eine Schwangerschaft wird induzieren können. Derselbe Mann wird aber bei herabgesetzter Fertilität der Frau als »subfertil« diagnostiziert werden. Dasselbe findet sich umgekehrt: Die Partnerin mit herabgesetzter Fertilität wird mit einem normal fertilen Partner, wenn auch nach längerer Zeit, dennoch konzipieren können. Die Konzeptionschance wird jedoch drastisch sinken, wenn auch beim Partner eine Einschränkung der Fertilität vorliegt. In der Sprechstunde werden uns immer wieder Paare begegnen, bei denen der eine oder der andere Partner bereits ein Kind aus einer anderen Paarbeziehung hat, bei der es jetzt aber trotz offensichtlicher klinischer Normalität nicht zu einer Schwangerschaft kommt. Man wird dann nicht selten bei dem Partner oder der Partnerin Faktoren finden, die die Fertilität herabsetzen (z. B. leicht einschränkendes Spermiogramm, grenzwertige Hyperprolaktinämie, grenzwertige idiopathische Hyperandrogenämie etc.) Auch bei ansonsten unauffälligen Befunden wird man aber annehmen müssen, dass auch auf der anderen Seite eine Herabsetzung der Fertilität möglich ist. Beispiele dazu werden unter dem Thema »idiopathische Sterilität« (s. Seite 88) abgehandelt. Zur Interpretation eines Spermiogramms sind bestimmte Grundbegriffe wichtig, deren Kenntnisse vorausgesetzt werden müssen. Die Referenzwerte nach Auffassung der WHO sind wie folgt: Zahl
▬ >20 Mill. Spermien/ml
Definition
Normozoospermie: ein in allen Parametern unauffälliges Spermiogramm Oligozoospermie: isolierte verminderte Konzentration. Asthenozoospermie: isolierte Einschränkung der Motilität der Spermien (<25% WHO-A-Motilität vorhanden und <50% WHO-A- und -B-Motilität vorhanden) Teratozoospermie: weniger als 15% der Spermien weisen eine normale Morphologie auf (dieser Wert kann laborabhängig schwanken, wichtig ist, dass von dem jeweils das Spermiogramm erstellenden Arzt der laborinterne Normalwert mitgeteilt wird) Azoospermie: es fehlen Spermien im Ejakulat. Aspermie: kein Ejakulat vorhanden Hinsichtlich der Motilität sind folgende Einteilungen wichtig: WHO-A: schnell progressiv ≥25 µm/s bei 37°C und ≥20 µm/s bei 20°C 25 µm=5 Kopflängen oder 1 Schwanzlänge WHO-B: langsam progressiv WHO-C: nicht progressive Beweglichkeit (<5 µm/s) WHO-D: immotil
Weitere Einzelheiten zur Beurteilung eines Spermiogramms, welches hier nur marginal mit den wichtigsten Kriterien widergegeben ist und Einzelheiten, wie zum Beispiel die immunologischen Faktoren bei der Spermienanalyse, sind nicht berücksichtigt und im entsprechenden WHO-Handbuch nachzulesen.
Motilität
▬ >25% WHO-A-Motilität oder ▬ >50% WHO-A- und -B-Motilität Morphologie
▬ Einschränkung zu erwarten bei <15% (»strict criteria«; strikte Beurteilung). Unter strikten Kriterien bei der Beurteilung der Morphologie versteht man dabei definierte Beurteilungen der Morphologie. Ferner sind folgende Definitionen wichtig:
4.5
Amenorrhoe
Eine besondere Fragestellung bei der Diagnostik im Rahmen des unerfüllten Kinderwunsches stellt die Amenorrhoe dar. Definitionsgemäß versteht man unter einer Amenorrhoe das Ausbleiben der Menstruationblutung über einen Zeitraum von mindestens 3-6 Monaten. Darunter spricht man von einer Oligomenorrhoe. Die wesentlichen Diagnostikverfahren im Rahmen der Amenorrhoe fasst ⊡ Abb. 4.2 zusammen.
4
65 4.6 · Normales Spermiogramm und Oligo-/Amenorrhoe, Hyperandrogenämie
Prinzipiell wird man im Rahmen des unerfüllten Kinderwunsches mit einer sekundären Amenorrhoe konfrontiert werden, d. h., im Leben der Frau ist bereits zumindest einmalig eine Regelblutung aufgetreten. Nur selten wird sich eine Patientin vorstellen, bei der noch nie eine Menstruationsblutung aufgetreten war (primäre Amenorrhoe). Die gezielte Laboranalytik kann helfen, möglichst kurzfristig eine Diagnose zu stellen. In aller Regel wird es sich um eine Amenorrhoe WHO-II, also eine hypothalamische-hypophysäre Dysfunktion handeln. Als Sonderfall im Rahmen der Amenorrhoediagnostik sei außerdem die Situation eines relativen LH-Mangels erwähnt. Dieser Konstellation liegt typischerweise eine aktuelle oder in der Anamnese vorhandene, mittlerweile klinisch überwundene Essstörung zugrunde. Im Rahmen einer Essstörung ist die Ursache der Amenorrhoe wohl multikausal. Nicht selten findet sich bei sehr schlanken bzw. anorektischen Frauen oder aber auch nach einer teilweise Jahre zurückliegenden Phase bei einem noch im Referenzbereich liegenden FSH ein relativer LH-Mangel. Im Fall einer überwundenen Essstörung kann diesen Patientinnen sehr effektiv mit einer Gonadotropinstimulation unter
I. Anamnese
Verwendung von FSH und LH geholfen werden. Abschließend sei erwähnt, dass im Rahmen einer Amenorrhoe-Diagnostik initial zunächst immer auch eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden muss.
4.6
Normales Spermiogramm und Oligo-/Amenorrhoe, Hyperandrogenämie, PCO-Syndrom
Kurzüberblick Bei ansonsten komplett unauffälligen Parametern kann bei PCO-Syndrom-Patientinnen zunächst auf die Abklärung des Tubenfaktors verzichtet werden. Die Therapie der Wahl ist die Clomifen-Stimulation über maximal 6 ovulatorische Zyklen, ggf. auch unter Einsatz von Metformin (3-mal 500 mg täglich) (s. Seite 49ff ). Die Initialdosis von Clomifen beträgt 50 mg und kann bei fehlender Reaktion der Ovarien auf bis zu 150 mg über 5 Tage gesteigert werden. Das Timing der Clomifen-Gabe Tag 2–6 oder 5–9 hat keinen Einfluss auf den Erfolg. Das »Laparoscopic ovarian drilling« stellt eine operative Alternative zur Clomifen-Stimulation dar, die dieselbe Schwangerschaftschance hat.
II. Gynäkologische Untersuchung
- Medikation? (inkl. vaginale/rektale Sonographie) - Malignom/Chemotherapie/Radiatio? - Abdominaler operativer Eingriff?
III. Laboranalytik Estradiol, FSH, LH, TSH, Prolaktin, Testosteron, Androstendion, DHEAS, 17 Hydroxyprogesteron
Klinischer Hinweis auf Thyreopathie? Hinweise auf Fehlbildungen?
FSH, LH, E2
FSH , LH , E2
Prolaktin (s. Hyperprolaktinämie)
Klinischer Hinweis auf Hyperandrogenismus?
Thyreopathie bestätigt Hyperandrogenämie bestätigt
Chromosomen- Hypogonado- Hypergonadoanalyse troper Hypo- troper Hypogonadismus gonadismus
(s. Hyperandrogenämie)
(POF, premature ovarian failure)
WHO IV
WHO I
WHO III
⊡ Abb. 4.2 Amenorrhoe: keine Blutung seit 3–6 Monaten
WHO V/VI
WHO II
66
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
Den entsprechenden Entscheidungsbaum bis zu diesem Punkt zeigt ⊡ Abb. 4.3. Vorausgesetzt, beim Partner liegt ein normales Spermiogramm vor und der einzige offensichtliche Faktor in einer Oligo-/Amenorrhoe mit begleitender Hyperandrogenämie, also dem klassischen PCO-Syndrom, zu suchen ist, ist nach wie vor die Stimulation mit Clomifen-Zitrat die Methode der Wahl. In dieser Situation kann zunächst – wenn anamnestische Riskofaktoren fehlen – von der Abklärung des Tubenfaktors Abstand genommen werden. Wichtig ist aber, dass dem Paar das Abstandnehmen von dieser diagnostischen Maßnahme und die dafür zugrunde liegenden Überlegungen verdeutlicht werden. Ansonsten wird ggf. von dem Paar fälschlicherweise angenommen, dass dieser diagnostische Schritt vernachlässigt oder vergessen worden sei. Es bedarf stets einer individuellen Beratung und Abwägung, ob diese Verschiebung gerechtfertigt ist oder nicht. Die Entscheidung dazu trifft jeweils das betroffene Paar. Clomifen ist ein selektiver ÖstrogenrezeptorModulator (SERM) der ersten Generation. Es wird seit mehreren Jahrzehnten im Rahmen der Kinderwunschbehandlung eingesetzt. Seit jeher gibt es einen akademischen Streit darüber, ob die Stimulation besser von Tag 2–6, 3–7, 4–8 oder 5–9 eingesetzt wird. Bereits Studien in den achtziger Jahren konnten zeigen, dass diesbezüglich kein Unterschied im Erfolg zu erwarten ist.
Paar-Anamnese normales Spermiogramm
Oligo-/Amenorrhoe PCO Syndrom
Ovulationsinduktion, Clomifen Citrat ⊡ Abb. 4.3 Systematische Diagnostik und Therapie
Studienbox Auch aktuelle Studien konnten klar belegen, dass eine Patientin nicht von dem einen oder anderen Extrem in der Terminierung der Gabe von Clomifen einen Vorteil oder einen Nachteil davonträgt. In dieser prospektiv-randomisierten Studie wurde jeweils ein Spontanzyklus und ein Clomifen-stimulierter Zyklus der einzelnen Patientin verglichen. Es wurden zwei Extreme der Clomifen-Stimulation (Tag 2–6 vs. Tag 5–9) gewählt. Es zeigt sich, dass bei späterer Gabe von Clomifen die Östradiol- und Progesteronwerte sowie die Endometriumdicke tendenziell höher waren. Die Durchblutung in der Arteria uterina sowie im Subendometrium zeigten jedoch keine Veränderung, sodass ein Nachteil verschiedener Terminierung der ClomifenGabe auf das Endometrium – wie zeitweise angenommen – nicht zu erwarten ist (Cheung et al. 2002).
! Die Initialdosis für die Gabe von Clomifen – nach dem einen oder anderen Schema – beträgt 50 mg täglich. Sie kann, wenn die Patientin darauf nicht mit einer Follikelreifung und Ovulation anspricht, auf 100 mg und schließlich 150 mg gesteigert werden. Wenn die Therapie in dieser Weise ausgereizt ist, kann zum Beispiel über den Einsatz von Metformin und bei dem Scheitern auch dieser Therapie über den Einsatz von Gonadotropinen nachgedacht werden (s. Seite 49ff und ⊡ Abb. 3.17).
Die Effektivität des Einsatzes von Clomifen alleine im Kollektiv normogondotroper, oligo-amenorrhoischer Patientinnen mit PCO-Syndrom ist in ⊡ Abb. 4.4 plastisch wiedergegeben. Hieraus lassen sich verschiedene Aussagen ableiten: ▬ Die maximale Dosis, die bei Einsatz von Clomifen sinnvoll ist, beträgt 150 mg täglich über 5 Tage. ▬ Innerhalb von 6 ovulatorischen Zyklen ist eine hohe Schwangerschaftschance von etwa 50% zu erwarten. Dies liegt weit über jeder anderen Therapieerwartung.
4
67 4.6 · Normales Spermiogramm und Oligo-/Amenorrhoe, Hyperandrogenämie
kumulative Chance einer fortlaufenden Schwangerschaft 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1
2
3
4
5
6
7
8
9
ovulatorische Zyklen mit Clomifen (n=160) ⊡ Abb. 4.4 Kumulative Chance einer Schwangerschaft mit Clomifen (50–150mg) bei normogonadotropen, oligo-amenorrhoischen Patientinnen. (Nach Imani et al. 1999)
▬ Nach 5–6 Behandlungszyklen ist die Therapie mit Clomifen ausgeschöpft, und es sollte nach Therapiealternativen gesucht werden, da danach die zusätzliche Chance auf eine Schwangerschaft minimal ist. Unter Berücksichtigung der korrekten Indikationsstellung für Clomifen (Oligo-/Amenorrhoe bzw. Anovulation) und den oben genannten Vorgaben (max. 5–6 Behandlungszyklen mit ovulatorischen Zyklen) ist der Einsatz von Clomifen eine extrem effektive Therapie. ! Bei ovulatorischen Zyklen bzw. normalen Menstruationszyklen wird der Einsatz von Clomifen zwar die Mehrlingsschwangerschaftsrate, nicht aber die Gesamtschwangerschaftsrate steigern können.
Dies wird im Kapitel zur idiopathischen Sterilität nochmals besprochen werden (s. Seite 88ff). Wird nur der Einsatz von Clomifen und nachfolgend von Gonadotropinen betrachtet, ergibt sich eine kumulative Schwangerschaftschance mit Lebendgeburt von etwa 70–80% (⊡ Abb. 4.5). Die genauen Daten, die sich hinter der Entstehung
dieser Abbildung verbergen, sind in ⊡ Abb. 4.6 als Ergebnis einer prospektiven Verlaufsbeobachtung von 240 Patientinnen unter Clomifen-Stimulation widergegeben. Hierbei ist insbesondere die hohe »Drop-out«-Rate beim Wechsel z. B. von Clomifen auf FSH-Stimulation zu sehen. Ferner ist die hohe Abbruchrate ohne Schwangerschaft unter FSHBehandlung zu beachten, wobei einige dieser Patientinnen dann jedoch eine andere Therapieform zu diesem Zeitpunkt vorgezogen hatten. Als Alternative zur Clomifen-Stimulation, also zur medikamentösen Behandlung, gilt die ovarielle operative Therapie. Stein und Leventhal hatten nach der Beschreibung des PCO-Syndroms als chirurgische Maßnahme die Therapie durch Keilresektion der Ovarien eingeführt. Diese ist in den nachfolgenden Jahren modifiziert worden zum ovariellen Drilling, bei dem mit Koagulation an einzelnen Punkten an der Ovaroberfläche ein Teil der subkapsulär liegenden Follikel zerstört wurden. Dadurch ließ sich offenbar die hormonelle Situation so optimieren, dass darunter Ovulationen eintraten. Mittlerweile kann dieses Verfahren laparoskopisch mit Hilfe eines Lasers als »Laparoscopic ovarian drilling«
68
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
(weiterlaufende) Einlingsschwangerschaften mit Lebendgeburten 1,0
0,8
4 0,6
0,4
0,2
0,0 0
6
3
9
12 15 Follow-Up (Monate)
18
21
24
⊡ Abb. 4.5 Konsekutiver Einsatz von Clomifen (6 Zyklen) und dann Gonadotropinen. (Nach Eijekmans et al. 2003)
Fehlgeburten
Totgeburt
11
2
1
Schwanger: 112
weiterlaufend: 103
4
Clomifen Start: 240
drop out: 33 6
Abbruch ohne Schwangerschaft: 37
38 Start FSH 84
Clomifen resistent: 57
46
drop out: 11
Schwanger: 47
weiterlaufend: 44
3
36
134 Einlinge
Clomifen failure: 71
10 Mehrlinge
98
2 Fehlgeburten
Totgeburt
⊡ Abb. 4.6 Konsekutiver Einsatz von Clomifen (6 Zyklen) und dann Gonadotropinen. (Nach Eijekmans et al. 2003) Die hohe Erfolgschance von Clomifen alleine verdeutlicht sich durch den Eintritt von 112 Schwangerschaften, von denen einige als Fehlgeburten endeten. Zwei Patientinnen wurden wiederum schwanger, sodass 103 fortbestehende Schwangerschaften beobachtet werden konnten. Es wurden ferner 71 Patientinnen beobachtet, bei denen Clomifen zwar zu einer Ovulation führte, die jedoch unter Clomifen nicht konzipierten. Als Clomifen-resistent galten Patientinnen, bei denen unter Clomifen keine Follikelreifung und Ovulation eintraten. Von den insgesamt 128 Patientinnen in dieser Gruppe gingen 44 nicht über zu einer FSH-Stimulation, sondern brachen die Behandlung ab. Durch die FSH-Behandlung wurden insgesamt 44 fortbestehende Schwangerschaften erzielt. Man beachte die hohe Mehrlingsrate in der Gonadotropingruppe.
69 4.7 · Abklärung des Tubenfaktors: wann und wie?
(LOD) eingesetzt werden. Eine prospektive kontrollierte Studie zu diesem Verfahren konnte bei Patientinnen mit PCO-Syndrom zeigen, dass durch das LOD sich die LH-Werte absenken ließen und die LH-/FSH-Ratio sich verbesserte. Die Testosteronwerte sanken signifikant. Die VEGF-Spiegel fielen ebenfalls signifikant ab, was eine Verbesserung der ovariellen Durchblutung anzeigte. Studienbox Farquhar et al. (2001) konnten beim LOD im Rahmen einer Cochrane-Analyse belegen, dass sich im Verhältnis zu Clomifen-Stimulationen eine gleichwertige Schwangerschaftsrate bei signifikant niedrigerer Mehrlingsrate und vergleichbarer Abortrate ergab. Insgesamt 6 Studien konnten eingeschlossen werden. ! Die Schwangerschaftsrate ergab beim Vergleich von LOD zur Clomifen-Stimulation ein relatives Risiko von 1,27 (95%) [KI 0.77–1.98], für die Mehrlingsrate betrug das relative Risiko 0,16 (95%) [KI 0.03– 0.98], für die Abortrate 0,61 (95%) [KI 0.17–2.16].
Wenn bei einer PCOS-Patientin ohnehin ein LOD geplant ist, sollte bei dieser Gelegenheit grundsätzlich auch die Tubensituation mit abgeklärt werden. Die operative Therapie ist somit als gleichwertig gegenüber der Clomifen-Stimulation anzusehen. Dabei ist die Clomifen-Stimulation jedoch das weniger invasive Verfahren, allerdings mit einer erhöhten Mehrlingsrate. Es ist wichtig zu merken, dass beim Versagen einer Clomifen-Stimulation, auch ggf. nach Einsatz von Metformin, das LOD eine sinnvolle Alternative sein kann. Im Vergleich von LOD und Gonadotropinstimulation der PCO-Syndrom-Patientinnen darf man annehmen, dass wahrscheinlich die LOD – hinsichtlich der zu erwartenden Lebendgeburten – die kosteneffektivere Variante darstellt (Farquhar et al. 2004). Hinsichtlich der Beurteilung von relativen Risiken und Konfidenzintervallen soll an dieser Stelle auf den Anhang A4 verwiesen werden, in dem kurz die Beurteilung dieser Angaben bewertet wird. Sie sind Grundlage für die wesentlichen Entscheidungsfindungen, die in den weiteren Kapiteln dargestellt sind.
4.7
4
Abklärung des Tubenfaktors: wann und wie?
Kurzüberblick Die optimale Abklärung des Tubenfaktors wird durch eine Laparoskopie in Kombination mit Hysteroskopie und Chromopertubation ermöglicht. Die Indikation für eine Tubenfaktorabklärung ist dann gegeben, wenn entweder anamnestische Faktoren auf einen solchen Tubenfaktor hinweisen (z. B. vorangehende Operation, wiederholte Adnexitiden) oder aber ein offensichtlicher Sterilitätsgrund fehlt. In der Situation, dass ein Spermiogramm auffällig ist, kann vor Therapiebeginn (z. B. intrauterine Insemination) durchaus zunächst auf eine laparoskopische Abklärung verzichtet werden. Ebenso kann darauf verzichtet werden, wenn bei einer Patientin zum Beispiel durch ein PCO-Syndrom ohne sonstige anamnestische Auffälligkeiten ein hinreichender Grund für das Fehlen einer bisherigen Konzeption gegeben ist. ⊡ Abbildung 4.7 spiegelt zwei Situationen wider. Zum einen steht die im Kap. 4.6 dargestellte
Situation des unauffälligen männlichen Faktors bei PCO-Syndrom der Partnerin, bei der zunächst die Ovulationsinduktion durch Clomifen-Stimulation indiziert worden war. Auf der anderen Seite steht der unauffällige männliche Faktor bei unauffälligem Zyklus.
Paar-Anamnese normales Spermiogramm
Oligo-/Amenorrhoe PCO Syndrom
Ovulationsinduktion, Clomifen Citrat
Laparoskopie/ Hysteroskopie ⊡ Abb. 4.7 Systematische Diagnostik und Therapie
normaler Zyklus
70
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
Während in der einen Situation zunächst eine Therapie begonnen werden kann, sollte beim Fehlen jeglicher möglichen Kausalitäten direkt eine Abklärung des Tubenfaktors empfohlen werden. Studienbox
4
Capelo et al. (2003) haben kürzlich ihre Ergebnisse der Laparoskopie bei 92 Patientinnen nach 4 frustranen Clomifen-Zyklen dargestellt. Dabei zeigte sich, dass in etwa einem Drittel der Fälle ein unauffälliger Befund zu erheben war. In 40% der Fälle fand sich eine Endometriose, bei 20% fanden sich Adhäsionen (⊡ Abb. 4.8).
Adhäsionen 22 %
normal 37 %
Endometriose 41 %
! Insofern ist nach Abschluss der Clomifen-Therapie vor weiteren Maßnahmen in jedem Fall eine laparoskopische Abklärung indiziert.
Studienbox Eine andere Situation illustriert die Ergebnisse der Laparoskopie bei schwerem männlichen Faktor (ICSI-Indikation) (Aytoz et al. 1998). Hier wird gezeigt, dass bei zunehmendem Schweregrad des männlichen Faktors (Gruppe B I) die Wahrscheinlichkeit eines positiven Befundes bei der Laparoskopie am geringsten ist. Bei weitgehend unauffälligem männlichen Faktor (Gruppe B III) ist hingegen die Wahrscheinlichkeit mit 16,7% deutlich höher (⊡ Abb. 4.9).
! Diese beiden Studien illustrieren, dass bei einem offensichtlichen, im Vordergrund stehenden Faktor, wie z. B. einem hochgradig auffälligen Spermiogramm, die Wahrscheinlichkeit eines Tubenfaktors unwahrscheinlicher wird. Ist hingegen kein Faktor vorhanden, der den bisher unerfüllten Kinderwunsch erklärt, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Laparoskopie ein positiver, ggf. therapiebedürftiger Befund erhoben werden kann.
Dasselbe gilt dann, wenn ein offensichtlicher Faktor (Oligo-/Amenorrhoe) vorliegt und jeglicher Anhalt für einen Tubenfaktor fehlt (z. B. vorangehende abdominelle Operation, Adnexitiden etc.). Die Wahrscheinlichkeit steigt aber wiederum,
⊡ Abb. 4.8 Laparoskopie nach 4 frustranen Clomifen-Zyklen bei 92 Patientinnen. (Nach Capelo et al. 2003)
wenn bei eben letzterem Kollektiv eine Therapie zur Behebung des offensichtlichen Faktors – die Clomifen-Stimulation – fehlgeschlagen ist. Das Verfahren, welches noch immer die optimale Aussage hinsichtlich des Tubenfaktors erlaubt, ist die Laparoskopie kombiniert mit Hysteroskopie und Chromopertubation. Sie erlaubt die gleichzeitige Abklärung des zervikalen, uterinen, tubaren und peritonealen Faktors (Adhäsion und Endometriose). Sie ist jedem anderen Verfahren, also der Hysterosalpingographie bzw. der Hysterosalpingo-Kontrastmittelsonographie überlegen. Dies wird auch in einer Auswertung deutlich (Mol et al. 1999, ⊡ Tabelle 4.2). Dargestellt sind die Ergebnisse eines umfangreichen Kollektivs von Patientinnen, welches über 3 Jahre hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer intrauterinen Schwangerschaft nachverfolgt worden ist, nachdem eine Hysterosalpingographie bzw. eine Laparoskopie durchgeführt worden war. Diese Tabelle ist so zu lesen, dass zum Beispiel in dem Fall, dass die Laparoskopie einen beidseitigen Verschluss gezeigt hat, die Hysterosalpingographie aber eine beidseitige Durchgängigkeit ergeben hatte, in keinem von 12
4
71
positive Befunde bei LSK
4.7 · Abklärung des Tubenfaktors: wann und wie?
20%
B1:T NMC ≤ 0,8 x 106 B2:T NMC = 0,8-2,8 x 106 B3:T NMC > 2,8 x 106
15%
TNMC: total normal motile concentration
10%
5%
0% B1
B2
B3
Gruppen ⊡ Abb. 4.9 Laparoskopie bei schwerem männlichen Faktor (ICSI Indikation). (Nach Aytoz et al. 1998)
⊡ Tabelle 4.2. Aussagekraft von Laparoskopie und Hysterosalpingographie. Kumulative Schwangerschaftsrate (intrauterin) über 3 Jahre. (Nach Mol et al. 1999) Laparoskopie Verschluss
Keiner
Einseitig
Beidseitig
Keiner
11% (50/450)
0% (0/24)
0% (0/12)
Einseitig
8% (6/73)
12% (3/36)
0% (0/15)
Beidseitig
9% (7/81)
5% (2/44)
3% (2/69)
Fällen (0%) eine Schwangerschaft eingetreten war. Hatte allerdings die Hysterosalpingographie einen beidseitigen Verschluss ergeben, die Laparoskopie aber keinen Verschluss gezeigt, trat eine Schwangerschaft in 7 von 81 Fällen (9%) ein. Dies zeigt, dass die Laparoskopie sicherlich die bessere Aussage hinsichtlich des Tubenfaktors erlaubte und mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit mit der Angabe eines Tubenverschlusses bzw. einer Tubendurchgängigkeit fehlschlug. Allerdings belegt die Schwangerschaftsrate von 3% in den Fällen, bei
Hysterosalpingographie
denen sowohl die Laparoskopie als auch die Hysterosalpingographie beidseitig einen Verschluss gezeigt hatten, dass auch die Laparoskopie nicht unfehlbar ist. Aus dieser Tabelle geht hervor, dass die Laparoskopie bei der Abklärung des Tubenfaktors den höchsten Stellenwert hat. Die Hysterosalpingographie kann in erfahrenen Händen durchgeführt und hinsichtlich ihrer Aussagekraft mit der Hysterosalpingo-Kontrastmittel-Sonographie gleichgestellt werden. Der sonographischen Methode sollte
72
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
dann aber definitiv der Vorzug gegeben werden. Im Endeffekt liegt die Entscheidung, welches Verfahren zur Abklärung des Tubenfaktors durchgeführt wird, allein bei dem betroffenen Paar. Das unterlegenere Verfahren scheint aber nur dann indiziert, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Tubenfaktors gering ist, das Paar aber unbedingt eine solche Abklärung vor Beginn einer Therapie oder auch bei Verzicht auf eine Therapie wünscht. Beispielhaft sei hier zum Beispiel die Situation erwähnt, bei der ein junges Paar (Patientin 23 Jahre) bereits nach einem Jahr unerfüllten Kinderwunsches und nachgewiesen unauffälligem Spermiogramm und sonstiger komplett unauffälliger Partneranamnese eine Therapie wünscht. Hier kann die Hysterosalpingo-Kontrastmittel-Sonographie sicherlich beruhigend wirken und ein weiteres Abwarten möglich machen. Es sei an dieser Stelle auch die häufig diskutierte Frage angerissen, welche Konsequenz die Aussage eines einseitigen Tubenschadens auf die Konzeptionswahrscheinlichkeit bei Ovulation im ipsilateralen Ovar hat. Nicht selten wird behauptet, dass die kontralaterale Tube durchaus in der Lage sei, bei Ovulation die Eizelle des kontralateralen Ovars (mit der verschlossenen Tube) aufzufangen und so eine Schwangerschaft zu ermöglichen. In mehreren anekdotischen Fallberichten war dies offenbar möglich. Bei einer systematischen Untersuchung dieses Problems zeigt sich aber, dass die Wahrscheinlichkeit tatsächlich so gering ist, dass einem Paar in einer solchen Situation von der Durchführung der geplanten Behandlung (z. B. intrauterine Insemination) abgeraten werden sollte. Studienbox So untersuchten Sopelak und Hodgen (1984) bei Affen diese Situation. Bei 5 Affen wurde eine unilaterale Salpingektomie und eine kontralaterale Ovarektomie durchgeführt. In 28 ovulatorischen Zyklen trat keine einzige Schwangerschaft ein. Daraufhin wurde bei diesen 5 Affen eine kontralaterale tubo-ovarielle Apposition chirurgisch durchgeführt, und in 9 ovulatorischen Zyklen traten 3 Schwangerschaften ein.
! Dies bedeutet, dass im Fall eines Tubenverschlusses die Wahrscheinlichkeit, dass eine ipsilaterale Ovulation zur Schwangerschaft führt, trotz kontralateral unauffälliger Tube extrem unwahrscheinlich ist.
4.8
Bedeutung der Endometriose im Rahmen der Kinderwunschbehandlung
Kurzüberblick Bei der Endometriose bestehen im Zusammenhang mit der Kinderwunschbehandlung zahlreiche offene Fragen. Offenbar führt die Endometriose per se durch Störung der gerichteten uterinen Peristaltik sowie der kontrollierten Zilienaktivität in den Tuben zu einer Störung der Konzeptionsfähigkeit. Im Rahmen eines IVF-Programms ist die Chance einer Endometriose-Patientin zu konzipieren durch eine Beeinträchtigung der Eizellqualität vermindert. Besteht kein Kinderwunsch, muss eine per Zufall entdeckte asymptomatische Endometriose nicht therapiert werden. Die Patientin ohne Kinderwunsch wird von einer Endometriosetherapie nur kurzfristig profitieren können. Besteht jedoch ein Kinderwunsch, sollte die Endometriose – unabhängig vom Stadium, operativ angegangen werden. Eine Therapie mit GnRH-Agonisten postoperativ für 3–6 Monate direkt vor Beginn einer Kinderwunschbehandlung kann offenbar im Stadium III und IV einen Vorteil bringen. Hinsichtlich der Therapieentscheidung sind beim Stadium I und II Inseminationen durchaus gerechtfertigt, während im Stadium IV eine klare Indikation zur IVF-Behandlung vorliegt. Im Stadium III muss in Abhängigkeit von der individuellen Situation der Patientin entschieden werden.
4.8.1 Einleitung Bei der Endometriose ergeben sich verschiedene offene Fragen. Der pathogenetische Hintergrund der Endometriose ist bisher nicht hinreichend
4
73 4.8 · Bedeutung der Endometriose im Rahmen der Kinderwunschbehandlung
geklärt. Es stellt sich somit die Frage, ob bei der klinisch inapparenten, zufällig diagnostizierten Endometriose eine Therapie notwendig ist oder nicht. Ist eine Therapie indiziert, stellt sich wiederum die Frage, ab welchem Stadium. Es gibt die Therapieoption der medikamentösen und der operativen Variante. Bei der medikamentösen Variante
wiederum ist die Frage offen, inwieweit Gestagene, Danazol oder GnRH-Agonisten eine Option darstellen. Es wird ferner diskutiert, ob die laparoskopische Intervention der Laparotomie unterlegen ist. Fraglich ist außerdem, inwieweit die Endometriose per se ohne beispielsweise einen offensichtlichen Tubenschaden ein Sterilitätsgrund sein kann. Schließlich muss man fragen, ob das Stadium einer Endometriose die Entscheidung hinsichtlich des Therapieverfahrens unabhängig vom Schaden, den
die Endometriose selbst angerichtet hat, die Therapieindikation beeinflusst. Die Endometriose kann laparoskopisch, aber auch per Laparotomie in verschiedene Stadien eingeteilt werden. Ein typisches Einteilungsschema wurde bereits vor Jahren von der »American Fertility Society« (AFS), neuerdings revidiert durch die »American Society of Reproductive Medicine« (ASRM) (1997), publiziert. Es ist der Vollständigkeit halber in ⊡ Tabelle 4.3 dargestellt. ! Wichtig ist dabei, dass dieses Schema hinsichtlich der Aussagekraft der verschiedenen Stadien nie validiert worden ist. Dies bedeutet, die Einteilung wurde so vorgenommen, um eine Einteilung zu haben. Ihr lag also keine bekannte therapeutische Konsequenz zugrunde.
⊡ Tabelle 4.3. Einteilungsschema für Endometriose per Laparoskopie oder Laparotomie, revidiert durch die American Society of Reproductive Medicine. (Nach ASRM 1997) Stadium I (minimal) 1–5, Stadium II (mild) 6–15, Stadium III (mäßig) 16–40, Stadium IV(schwer) >40 Endometriose
<1cm
1–3 cm
>3 cm
Peritoneum
Oberflächlich Tief
1 2
2 4
4 6
Ovar rechts
Oberflächlich Tief
1 4
2 16
4 20
Oberflächlich Tief
1
2
4
4
16
20
Verschluss Douglas-Raum
Partial 4
Ovar links
Komplett 40
Verwachsungen
<1/3
1/3–2/3
>2/3
Ovar rechts
Spinnenwebartig dicht
1 4
2 8
4
Ovar links
Spinnenwebartig dicht
1 4
2 8
4
Tube rechts
Spinnenwebartig dicht
1 4a
2 8a
4 16
Tube links
Spinnenwebartig dicht
1 4a
2 8a
4 16
a Wenn
das Fimbrienende der Tube verschlossen ist, ändert sich der Punktwert auf 16
16 16
74
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
4.8.2 Bedeutung der Endometriose per se als Sterilitätsfaktor Studienbox Zwei Studien sollen zitiert werden, die die Frage zum Inhalt hatten: »Kann die Endometriose an sich zu einer Sterilität führen, ohne dass sie größere Verwachsungen oder gar einen Tubenschaden verursacht?« Leyendecker et al. (1996) haben bereits vor einigen Jahren die Frequenz uteriner Kontraktionen bei Frauen mit und ohne Endometriose hysterosalpingo-szintigraphisch untersucht. Sie stellten dabei fest, dass eine Dysperistalsis bei der Endometriose vorlag, d.h., dass sich im Rahmen der Endometriose eine um etwa 150–200% vermehrte uterine Peristaltik ergab. (⊡ Abb. 4.10). Ferner hat diese Arbeitsgruppe geprüft, inwieweit diese Dysperistalsis dazu führen
4
n 14
kann, dass eine gerichtete uterine Peristaltik die Spermien eben nicht mehr in Richtung des dominanten Follikels transportiert. Tatsächlich fand sich, dass im Fall einer Endometriose die uterine Peristaltik nicht mehr in Richtung der dem dominanten Follikel anliegenden ipsilateralen Tube gerichtet war. Eine andere Arbeitsgruppe hat die Schlagfrequenz der Tubenzilien im Fall einer Endometriose untersucht und fand hierbei, dass diese Schlagfrequenz durch das Vorhandensein einer Endometriose verlangsamt wird (⊡ Abb. 4.11). Nach Daten aus Eizellspendezyklen (Diáz et al. 2000) scheint die Endometriose keinen Einfluss auf die Implantationsfähigkeit von Eizellen gesunder Spenderinnen zu haben (⊡ Tabelle 4.4).
Frauen ohne Endometriose
normal
Frauen mit Endometriose Frauen mit Endometriose wiederholt rAFS I
12
Frauen mit Endometriose wiederholt rAFS IV 10
8
6
4
2
0 0-50
5175
76100
101125
126150
151175
176200
201225
Frequenz uteriner Kontraktionen ⊡ Abb. 4.10 Endometriose und Dysperistalsis. (Nach Leyendecker et al. 1996)
226250
251275
>275
4
75 4.8 · Bedeutung der Endometriose im Rahmen der Kinderwunschbehandlung
Anzahl der Fälle 1400
1200 Endometriose 1000
Kontrollen
800
600
400
200
0 2
3
4
5 6 7 8 Schlagfrequenz der Tubenzilien (Hz)
9
10
⊡ Abb. 4.11 Endometriose und Schlagfrequenz der Tubenzilien. (Nach Lyons et al. 2002)
⊡ Tabelle 4.4. Endometriose und Implantation. Daten aus Eizellspende-Zyklen. (Nach Diáz et al. 2000)
a
Endometriose III-IV
Kontrolle
Zyklen (n)
25
33
Zahl gespendeter Eizellen
7,8±1,6a
7,7±1,9a
Zahl Embryonen guter Qualität
3,6±0,2a
3,7±0,1a
Implantation [%]
14,8 (15/101)
16,0 (22/137)
Lebendgeburten [%]
28,0 (7)
27,2 (9)
Daten sind Mittelwert ± Standardabweichung
Dies bedeutet, dass wahrscheinlich eher die Eizellreifung als die Implantationsfähigkeit des Endometriums durch die Endometriose im Rahmen eines IVF-Programms beeinträchtigt wird. Bekannt ist in jedem Fall, dass eine Patientin mit einer schweren Endometriose im Rahmen einer IVF-Behandlung
eine geringere Konzeptionschance hat als eine Frau ohne Endometriose. Ferner muss man annehmen, dass die Endometriose durch Störung der gerichteten uterinen Motilität sowie Störung der normalen Tuben-zilien-Aktivität per se einen Sterilitätsfaktor darstellt.
76
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
Dies gilt also auch dann, wenn kein Tubenschaden oder Adhäsionen vorliegen.
triose, so sieht man, dass die Erfolge einer Inseminations- bzw. IVF-Behandlung deutlich stadienabhängig waren (⊡ Abb. 4.13). Diese Autoren haben ferner geprüft, inwieweit die Zeitdauer seit der letzten Endometriosetherapie
Studienbox
⊡ Tabelle 4.5. Eintritt einer Schwangerschaft nach Endometriosebehandlung. (Nach Bung et al. 2003)
Wenn die Daten dieser Arbeitsgruppe weiter aufgesplittet werden nach dem Stadium der Endome-
Sterilitätspatientinnen (N)
123
Kumulative Schwangerschaftsrate – Ohne hormonelle Nachbehandlung
52% 56,1% (32/57)
– Mit hormoneller Nachbehandlung
46,6% (34/73)
Kumulative Geburtenrate
39%
Zeitdauer bis zur Schwangerschaft
11±15 Monate (Mittel) 5 Monate (Median)
– Innerhalb der ersten 6 Monate – Innerhalb der nächsten 6 Monate
62% 13%
80 71 %
70 Kumulative Wahrscheinlichkeit der Konzeption (%)
4
Geurts et al. (2003) haben in einer Tagesklinik 123 Sterilitätspatientinnen nach Endometriosebehandlung weiter betreut. Die Ergebnisse sind in ⊡ Tabelle 4.5 wiedergegeben. Es zeigt sich, treten Schwangerschaften ein, diese innerhalb der ersten 6 Monate zu erwarten sind. Insgesamt betrug die kumulative Schwangerschaftsrate immerhin etwa 50%. Die Autoren konnten auch zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schwangerschaftseintritts durch eine hormonelle Anschlussbehandlung beschleunigt wurde. Andere Autoren haben das Problem mit differenzierteren Methoden weiter analysiert. Dmowski et al. (2002) fanden als Fertilitätschance bei einer vorhandenen Endometriose eine kumulative Schwangerschaftsrate von etwa 40% unter Inseminationsbehandlung und von etwa 70% bei einer IVF-Behandlung (⊡ Abb. 4.12).
COH Zyklen IVF Zyklen IVF nach COH
f3=33 % 62 %
60 f2=27 % 50
*
40
f3=14 % f2=27 %
* 41 %
f1=47 %
f5=7 %
30
f6=0 %
f4=7 %
f1=39 %
f3=8 %
20 f2=12 % 10 f1=15 %
*p<0,05
0 0
1
2
3
4
5
6
Anzahl der Zyklen ⊡ Abb. 4.12 Fertilitätschance bei Endometriose. (Nach Dmowski et al. 2002). COH = Stimmulations-/Inseminationszyklen
7
4
77 4.8 · Bedeutung der Endometriose im Rahmen der Kinderwunschbehandlung
im Rahmen der IVF- oder Inseminationsbehandlung die Konzeptionschancen beeinflussen und fanden hier keinen Unterschied (⊡ Abb. 4.14). Insofern könnte man aus dieser Studie folgern, dass ▬ IVF prinzipiell die Methode mit der höheren Erfolgsaussicht ist, ▬ bei Endometriose AFS II und III eine Insemination überlegt werden kann – mit einer Begrenzung auf 3–4 Zyklen,
▬ das Intervall zwischen letzter EndometrioseTherapie und Sterilitätstherapie keinen Einfluss hat, ▬ bei Endometriose AFS IV die Insemination als erfolgversprechende Behandlungsoption ausscheidet. Offen bleibt die Frage, inwieweit eine hormonelle Therapie vor dem Hintergrund einer Kin-
Kumulative Wahrscheinlichkeit der Konzeption (%)
100
80
IVF-ET
Endometriose Stadium I Endometriose Stadium II Endometriose Stadium III Endometriose Stadium IV
60
40 COH IUI
20
0 1
0
2
3
4
5
6
Anzahl der Zyklen ⊡ Abb. 4.13 Fertilitätschance bei Endometriose. (Nach Dmowski et al. 2002)
Schwangerschaftschance pro Behandlung
60%
AIH
IVF
40%
20%
0% <6
7-12
13-18
19-24
Monate seit letzter Endometriose-Therapie ⊡ Abb. 4.14 Fertilitätschance bei Endometriose. (Nach Dmowski et al. 2002). AIH = Insemination
>24
7
78
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
derwunschbehandlung hilfreich sein kann, um die Chancen zu verbessern. Infrage kommt hier insbesondere das ultralange Protokoll, welches durch mehrmonatige (3–6 Monate) Anwendung
eines GnRH-Agonisten zu einer langfristigen Suppression der ovariellen Aktivität und damit zu einer Unterdrückung der vorhandenen Endometrioseaktivität führen kann.
Studienbox
4
Surrey et al. (2002) untersuchten in einer prospektiv-randomisierten Studie 51 Patientinnen mit Endometriose, die innerhalb der letzten 5 Jahre diagnostiziert worden war. In die Studiengruppe wurden 25 Patientinnen eingeschlossen, 84% hatten eine Endometriose Grad III–IV. Diese Patientinnen wurden mit 3,75 mg TriptorelinDepot alle 28 Tage für 3 Monate behandelt. Der Stimulationsstart wurde innerhalb der ersten 45 Tage nach der letzten GnRH-AgonistenGabe gelegt. In die Kontrollgruppe wurden 26 Patientinnen eingeschlossen, von denen 58% eine Endometriose Grad III–IV aufwiesen. Diese wurden nach einem klassischen langen lutealen Protokoll zu einer IVF-Behandlung stimuliert. Die Ergebnisse sind in ⊡ Abb. 4.15 wiedergegeben und belegen, dass die weiter bestehende Schwangerschaft pro Zyklus in der Gruppe mit
dem ultralangen Protokoll, also der Behandlung mit einem GnRH-Agonisten über 3 Monate, zu einer signifikanten Verbesserung der weiterlaufenden Schwangerschaftsrate führte. Die einzige andere prospektiv-randomisierte Studie zu diesem Thema und zu dieser Fragestellung wurde aus der Magdeburger Arbeitsgruppe um Kleinstein von Rickes et al. (2002) publiziert. In diese Studie wurden 110 Frauen mit Endometriose eingeschlossen. Die Aufteilung des Studienkollektivs sowie die Ergebnisse sind in ⊡ Abb. 4.16a und b dargestellt. Auch hier hatte das ultralange Protokoll (GnRH-Agonisten Gabe über 6 Monate gegenüber dem langen Protokoll) einen deutlichen Vorteil. Aus der Studie von Rickes et al. (2002) wird jedoch auch deutlich, dass z. B. bei der IVF-/ICSIBehandlung im Stadium II das ultralange Protokoll eher keinen Vorteil geboten hatte.
% 100 Gruppe I: ultralanges Protokoll Gruppe II: langes Protokoll
p<0,05 80
60
40
20
0 Gruppe Gruppe I II
Gruppe Gruppe I II
Gruppe Gruppe I II
weiterlaufende Schwangerschaft pro Zyklus
Implantationsrate (Gruppe)
Implantationsrate pro Embryotransfer
⊡ Abb. 4.15 Therapie mit GnRH-Agonisten vor IVF: ultralanges Protokoll (3 Monate). (Nach Surrey et al. 2002)
4
79 4.9 · Myome
100
aA
mit konventionellem langem Protokoll Schwangerschaftsrate (%)
Schwangerschaftsrate (%)
mit ultralangem Protokoll
100 86
80
70
60
58
40 20 0 II
100
B b
*
80
82
60 56
50
40
40
20 0
III und IV
II
III und IV
AIH
IVF/ICSI
GnRH-Agonist (ultralang)
+
-
+
-
Zyklen
63
82
45
37
24 (89)
22 (61)
21 (75)
9 (47)
Schwangerschaften (%)
⊡ Abb. 4.16a,b. Therapie mit GnRH-Agonisten vor IVF: ultralanges Protokoll (3 Monate). Ergebnisse bei Inseminationen (a) oder ICSI (b). (Nach Rickes et al. 2002)
Intraoperative Stadieneinteilung Stadium I-II
Stadium III
Stadium IV
?
Tuben unauffällig?
nein
3 Monate GnRH-Agonisten
ja
Insemination
IVF
sollte oder nicht. Zwei prospektiv-randomisierte Studien sind zu diesem Thema publiziert worden (Marcoux 1997; Parazzini 1999). Während die eine einen klaren Vorteil sah, konnte die andere diesen nicht nachvollziehen. ! Eine laparoskopisch gesicherte Endometriose sollte man so weit als möglich sanieren!
(vorher GnRHAgonisten?)
4.9 ⊡ Abb. 4.17 Empfehlungen zur weiteren Therapie anhand der intraoperativen Stadieneinteilung bei Endometriose
Insofern ergibt sich zusammenfassend als Empfehlung auf der Basis der bekannten Daten retrospektiver und insbesondere der prospektiv-randomisierten Studien ⊡ Abb. 4.17. Hinsichtlich des Prozedere bei einer minimalen Endometriose (ASRM I) gibt es geteilte Meinungen dazu, ob dieses Stadium vor einer Kinderwunschbehandlung operativ angegangen werden
Myome
Kurzüberblick Inwieweit Myome tatsächlich einen Risikofaktor im Rahmen der Sterilität darstellen, ist offen. Klar ist nur, dass ein submuköses Myom vor einer Sterilitätstherapie saniert werden sollte und sich dadurch die Schwangerschaftschancen deutlich verbessern. Auch bei intramuralen Myomen muss ggf. über eine operative Intervention nachgedacht werden. Die Datenlage zu diesem Thema ist jedoch nicht endgültig geklärt.
80
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
Myome findet man bei etwa 30% aller Frauen. Das
4
Alter ist ein Risikofaktor für das Auftreten und die Diagnose von Myomen. Es gibt einige theoretische Hypothesen dazu, warum Myome mit einer Sterilität assoziiert sein sollten. Insbesondere die submuköse Lokalisation kann natürlich ein anatomisches Hindernis bei der Nidation darstellen. Es ist vorstellbar, dass dysfunktionelle uterine Kontraktionen myombedingt einen Einfluss auf Spermien-, Eizell- und Embryotransport sowie die Nidation haben. Vasoaktive Substanzen und endometriale Entzündungsreaktionen könnten durch die Myome provoziert werden. Ferner ist nachgewiesen, dass sich der uterine Blutfluss bei IVF-Patientinnen am Tag der Follikelpunktion im Falle von Myomen verändert. Studienbox Es wurde ein signifikant niedrigerer »pulsatility index« und »resistance index« bei Patientinnen mit Myomen, die nicht konzipierten, gemessen (Ng u. Ho 2002). Dies wurde durch andere Arbeitsgruppen bestätigt (Kurjak et al. 1992; Sladkevicius et al. 1996). Der uterine Blutfluss scheint sich in Spontanzyklen bei Patientinnen mit und ohne Myom nicht unterschiedlich zu verhalten (Surrey et al. 2001). Dies ist möglicherweise dadurch bedingt, dass sich durch die ovarielle Stimulation insgesamt die Blutversorgung im Uterus ändert und sonst nur subtile Unterschiede deutlicher zu Tage treten.
In einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit wurden zahlreiche Studien zum Zusammenhang zwischen Myomen und IVF-Erfolg zusammengefasst (⊡ Tabelle 4.6) (Donnez u. Jadoul 2002). Diese Daten weisen eher darauf hin, dass das Myom nur dann einen negativen Einfluss hat, wenn das Cavum uteri direkt involviert ist. Andere Studien lassen jedoch den Schluss zu, dass auch schon dann, wenn das Myom vorwiegend intramural sitzt, kein negativer Einfluss auf Implantations- und Schwangerschaftsraten zu erwarten ist.
⊡ Tabelle 4.6. Myome und IVF-Daten aus 7 retround prospektiven Studien zum Zusammenhang zwischen Myomen und IVF-Erfolg. Diese Daten weisen eher darauf hin, dass nur dann ein negativer Einfluss des Myoms entsteht, wenn das uterine Cavum direkt berührt wird. (Nach Donnez u. Jadoul 2002) Schwangerschaftsrate Cavum uteri wird beeinflusst
9%
Cavum uteri wird nicht beeinflusst
29,1%
Kein Myom
25,1%
Farhi et al. 1995; Eldgar-Geva et al. 1998; Ramzy et al. 1998; Stovall et al. 1998; Healy 2000; Jun et al. 2001; Surrey et al. 2001
Studienbox Eldgar-Geva et al.(1998) werteten in einer retrospektiven kontrollierten Studie über 300 Patientinnen aus. Die Daten sind in ⊡ Tabelle 4.7 wiedergegeben. Es zeigte sich kein Unterschied in Implantations- und Schwangerschaftsraten zwischen der Kontrollgruppe (ohne Myome) und den Patientinnen mit subserösen Myomen. Wohl aber war die Schwangerschaftsrate bei submukösen und intramuralen Myomen signifikant reduziert. Auch in einer Studie von Hart et al. (2001) fand sich eine Reduktion der Schwangerschaftsrate um 50% im Falle eines Uterus myomatosus. Ausgewertet wurden 112 MyomPatientinnen und 322 Kontroll-Patientinnen. Patientinnen mit Myomen >5 cm Durchmesser sowie Patientinnen mit submukösen Myomen oder intramuralen Myomen mit Einfluss auf das Cavum uteri waren von der prospektiven Studie ausgeschlossen. Schließlich konnte eine ägyptische Arbeitsgruppe in einer retrospektiven kontrollierten Studie keinen Einfluss von Myomen <7 cm Durchmesser ohne Cavum-Beteiligung sehen. Insgesamt wiesen knapp 13% der Patientinnen im IVF-ICSI-Programm Myome auf. Die Ergebnisse der Studie sind in ⊡ Tabelle 4.8 wiedergegeben. ▼
81 4.9 · Myome
Ein Einfluss auf die Entbindungsrate findet sich nicht. Man muss so ehrlich sein, zu sehen, dass einerseits die Frage klar beantwortet scheint, dass submuköse Myome einen negativen Einfluss auf die Schwangerschaftsrate haben. Andererseits aber ist trotz zahlreicher Studien – meist retrospektiver Art – keine definitive Aussage möglich, inwieweit die Entfernung von Myomen die Schwangerschaftsraten deutlich verbessert. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Einflussgröße Zahl und Volumen der Myome. Ein positiver Effekt ist scheinbar nur bei submukösen Myomen belegbar. Insofern sollte dies auch in die Therapieempfehlungen der Patientin eingehen.
⊡ Tabelle 4.7. Schwangerschaftsrate und Implantationsrate nach Myomlokalisation. (Nach Eldgar-Geva et al. 1998) Kontrolle: keine Myome, SS: subseröse Myome, IM: intramurale Myome, SM: submuköse Myome Kontrolle
SS
IM
SM
Schwangerschaftsrate
30,1%
34,1%
16,4%
10%
Implantationsrate
15,8%
15,7%
6,4%
4%
⊡ Tabelle 4.8. Daten einer retrospektiven kontrollierten Studie zu Patientinnen in einem IVF-/ICSI-Programm. Es finden sich keine Unterschiede zwischen Patientinnen mit und ohne Myome. Auch die Zahl der Gonadotropin-Ampullen war zwischen den beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich. (Nach Ramzy et al. 1998) Myome
Keine Myome
N
39
367
hMG-Ampullen
49,1±20,5
39,3±17,7
Stimulationstage
11,2±2,3
11,5±2,0
Eizellzahl
12,4±9,6
12,5±6,9
Schwangerschaften
45,0%
42,0%
Aborte
20,0%
15,5%
Entbindungen
23,1%
25,9%
4
Abschließend seien Daten betrachtet zur Frage, inwiefern die Myomentfernung ein Risiko in der nachfolgenden Schwangerschaft bedeutet. Studienbox Daten von Li et al. (1999) und Vercellini et al. (1999) zeigen ein niedrigeres Fehlgeburtenrisiko nach Myomektomie. Daten zu 145 Schwangerschaften nach laparoskopischer Myomektomie ergaben eine Fehlgeburtenrate von 26,2% bei einer Sektiorate von 42%. Allerdings wurden in dieser Serie aus Frankreich auch 3 Uterusrupturen beobachtet (Dubuisson et al. 2000).
Inwiefern die abdominale Myomektomie gegenüber der laparoskopischen hinsichtlich der Schwangerschaftsrisiken positiver zu beurteilen ist, ist offen. Hierzu existieren zumindest aus den vergangenen Jahren keine Fallberichte oder Vergleichstudien zur Rate von Uterusrupturen. Insgesamt gesehen lässt sich also festhalten, dass ▬ submuköse Myome einen negativen Einfluss auf die Schwangerschaftsrate haben, ▬ submuköse Myome vor einer Kinderwunschbehandlung entfernt werden sollten, ▬ intramulare Myome in Abwägung der Risiken und Nutzen (Uterusruptur in der Schwangerschaft, Uterusnarben, Verlust von Uterusgewebe, marginale Beeinflussung des uterinen Cavums) nach vorsichtiger Aufklärung der Patientin ggf. entfernt werden sollten, ▬ subseröse Myome nicht operiert werden müssen, sofern sie keine anderweitigen Komplikationen verursachen. ! Da weder die Sonographie noch eine Hysterosalpingographie oder eine Hysterosalpingo-Kontrastmittel-Sonographie in der Lage sind, das uterine Cavum hinreichend zu beurteilen, empfehlen wir spätestens nach zwei fehlgeschlagenen Behandlungsversuchen ohne andere erkennbare Hinderungsgründe die Durchführung einer hysteroskopischen Abklärung. Eine solche hysteroskopische Abklärung kann sicherlich auch frühzeitiger, ggf. vor jeder Sterilitätstherapie, bei längerer Dauer des unerfüllten Kinderwunsches empfohlen werden. Inwieweit durch eine 3-D-Sonographie auch ein vergleichbar gutes, nicht invasives Verfahren zur Verfügung steht, ist noch nicht gesichert.
82
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
4.10 Pathologischer Tubenfaktor
suchung verschiedener Faktoren fand sich einzig die vorangehende Bauchoperation mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von 2,41 bei denjenigen Patientinnen, bei denen dann zunächst eine andere Therapie gewählt worden war. (⊡ Tabelle 4.9).
Kurzüberblick
4
Bei tubarem Faktor ergibt sich die Möglichkeit einer IVF oder mikrochirurgischen Maßnahme. Die mikrochirurgische Maßnahme ist dann zu empfehlen, wenn bei einer jungen Frau (<35 Jahre) eine Re-Fertilisierung durchgeführt werden soll. In dem Fall stellt die Re-Fertilisierung die kostengünstigere und gleich effektive Behandlungsmethode dar, wenn sie durch erfahrene Operateure angewendet wird. Ansonsten ist bei tubarem Faktor die IVF-Behandlung indiziert.
Im Fall der Laparoskopie kann – unabhängig von einer Endometriose oder anderen Veränderungen – ein auffälliger oder nicht auffälliger Tubenfaktor gesehen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tubenfaktor gefunden wird, ist abhängig von der gynäkologischen Anamnese.
! Die Frage nach vorangehenden Bauchoperationen muss also im Fall der Bejahung ein weiterer Parameter zur Indikationsstellung der operativen Abklärung sein.
Ein Tubenfaktor zieht dann eine Entscheidung für eine IVF-Behandlung bzw. eine mikrochirurgische
⊡ Tabelle 4.9. Muss immer eine Laparoskopie vor Insemination durchgeführt werden? Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Risikofaktoren in der Anamnese bei solchen Patientinnen, bei denen die Laparoskopie einen auffälligen Befund ergab. (Nach Tanahatoe et al. 2003)
Studienbox Tanahatoe et al. (2003) führten eine retrospektive Untersuchung bei 495 Patientinnen durch. Alle hatten einen normalen gynäkologischen Status und eine normale Hysterosalpingographie. Es bestand bei den Paaren eine Indikation zur Insemination aufgrund einer männlichen Subfertilität, eines zervikalen Faktors bzw. einer idiopathischen Sterilität. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in ⊡ Abb. 4.18 zusammengefasst. Es zeigt sich, dass etwa in einem Drittel der Fälle die Laparoskopie auffällig war und dass aufgrund dessen in einem Viertel aller laparoskopierten Patientinnen eine andere Therapie als die Insemination zunächst gewählt worden war. Ein Teil der Patientinnen wurde zumindest operativ laparoskopisch versorgt, bevor die Insemination gestartet wurde. Diese Untersuchung gibt jedoch auch Aufschluss darüber, welcher Faktor in der Anamnese einer Patientin sinnvollerweise geklärt werden muss, um die Frage zu beantworten, ob tatsächlich eine Abklärung des Tubenfaktors vor gegebener Therapie sinnvoll oder indiziert ist. Bei Unter▼
a
IUI [%] (n=371)
Andere Therapie [%] (n=124)
Chronische Unterbauchschmerzen
0,5
2,5
Dyspareunie
0,5
2,5
Vorangehende Bauchoperationa
14,4
30,1
OR 2,41 [95% KI 1,47–3,95] p < 0,0005
diagnostische Laparoskopie n=495
unauffällig
auffällig
n=323 (65 %)
n=172 (35 %)
IUI
andere Therapie
n=371 (75 %)
n=124 (25 %)
IVF
operative LSK, dann IUI
n=8 (1,6 %)
Laparotomie n=13 (2,6 %)
n=103 (20,8 %)
⊡ Abb. 4.18 Immer LSK vor IUI? (Nach Tanahatoe et al. 2003)
4
83 4.10 · Pathologischer Tubenfaktor
Paar-Anamnese normales Spermiogramm
normaler Zyklus
⊡ Tabelle 4.10. Ergebnisse der Tubenchirurgie. Ergebnisse im Langzeit-»follow-up«. (Nach Schlösser 2001) IUG [%] Abort [%] EU [%] Geburt [%]
Oligo-/Amenorrhoe PCO Syndrom
Ovulationsinduktion, Clomifen Citrat Laparoskopie/ Hysteroskopie
Adhäsiolyse
35
4
17
30
Fimbrioplastik
45
16
7
29
Salpingostomie 29
8
9
21
Anastomose
19
8
31
50
IUG; intrauterine Schwangerschaft, EU; Extrauteringravidität offene Tuben
Tubenpathologie
IVF
Mikrochirurgie
⊡ Abb. 4.19 Systematische Diagnostik und Therapie
Intervention (⊡ Abb. 4.19) nach sich. Hinsichtlich
der unterschiedlichen Auffassung zur IVF- bzw. mikrochirurgischen Intervention wird man, je nach befragtem Zentrum, in Abhängigkeit von der Spezialisierung dieses Zentrums und der Kenntnis bzw. Erfahrung im Umgang mit einer mikrochirurgischen Maßnahme unterschiedliche Auffassungen hören. Insgesamt gesehen kann man hinsichtlich der Mikrochirurgie folgende Aussagen treffen: ▬ Ja, wenn entsprechende Erfahrung besteht – Patientin <35 Jahre – Nach Tuben-Sterilisation ▬ Nein, wenn – Patientin >35 Jahre – Zusätzliche endokrine/männliche Faktoren – Bipolare Erkrankung, »frozen pelvis« – Nach mehrfacher Operation bei ExtrauterinGraviditäten ▬ Wartezeit nach Operation vor Wahl einer alternativen Therapie mindestens 12 Monate. Wenn eine Tubenchirurgie durchgeführt wird, kann auch bei großer Erfahrung des Operateurs nur bei etwa 20–30% der Fälle im Langzeit»follow-up« mit der Geburt eines Kindes gerechnet werden (⊡ Tabelle 4.10). Die einzige Ausnahme
mit einer höheren Geburtenrate ergibt sich zum einen nach den Daten von Schlösser (2001), zum anderen aus einer weltweiten Übersicht zu diesem Thema (Posaci et al. 1999) im Fall einer Re-Fertilisierung bei junger Patientin (<35 Jahre alt). Ergebnisse dazu sind in ⊡ Tabelle 4.11 dargestellt. Die Daten dieser Tabelle decken sich hinsichtlich der Erwartungen für eine Geburt sehr gut mit den Daten von Schlösser (2001). Sie zeigen, dass selbst bei hoher Erfahrung der Operateure offenbar nur bei einer Re-Fertilisierung mit einer realistischen Chance beraten werden kann, wenn eine Mikrochirurgie gewählt wird. Eine ganz wesentliche Voraussetzung für die operative Intervention ist jedoch die Erfahrung des Operateurs. Studienbox In Kanada wurde über 5 Jahre (1/1986– 12/1990) eine Erhebung von Daten durchgeführt. 547 Patientinnen wurden mit einer Salpingostomie durch 83 Ärzte versorgt. Es folgte ein »follow-up« für 2–7 Jahre (45,6±20,7 Monate). Bei 68 Frauen wurde eine Schwangerschaft beobachtet, die in 56 Fällen spontan und in 12 Fällen nach einer IVF-Behandlung eintrat. Wenn man die Ergebnisse dieser Studie grafisch aufträgt, fällt zum einen die relativ niedrige Geburtenrate in diesem Kollektiv auf. Zum anderen erkennt man aber auch, dass mit steigender Erfahrung der Operateure, z. B. bei einem gewählten »cut-off« von 10 Operationen pro Jahr, die Lebendgeburtenrate von 8,9% auf 14,1% ansteigt (⊡ Abb. 4.20).
84
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
⊡ Tabelle 4.11. Ergebnisse der Tubenchirurgie. Man beachte die Ergebnisse mit 73% Geburtenrate im Rahmen einer Re-Fertilisierung. (Nach Posaci et al. 1999)
4
Offene Mikrochirurgie
Laparoskopie
N
Geburten [95% KI]
N
Geburten [95% KI]
Adhäsiolyse
456
43% [39–48]
195
55% [48–62]
– Leichte Adhäsionen
42
38% [24–54]
–
–
– Schwere Adhäsionen
56
18% [9–30]
–
–
Proximale Tubenchirurgie
429
48% [43–53]
–
–
Fimbrioplastik
181
55% [47–62]
49
33% [20–48]
Salpingostomie
855
27% [24–30]
143
23% [16–31]
Re-Fertilisierung
198
73% [66–79]
–
–
KI: Konfidenzinterval
≤10 Operationen Lebendgeburtenrate: 8,9 % >10 Operationen Lebendgeburtenrate: 14,1 %
25
Geburtenrate (%)
20 15 10 5 0 0
10
20 30 40 Anzahl der Operationen/Operateur
50
60
⊡ Abb. 4.20 Ergebnisse der Salpingostomie. (Nach Dunphy et a. 1996)
Die In-vitro-Fertilisation (IVF) ist sicherlich gegenüber der mikrochirurgischen Maßnahme das invasivere Verfahren. Außerhalb einer ReFertilisierung hat diese Behandlung jedoch kumulativ nach 3–6 Versuchen den deutlich höheren Erfolg. Es sei hierzu aber auch angemerkt, dass
direkte Vergleichsstudien, bei denen die Patientinnen bei Tubenfaktor randomisiert mit einer mikrochirurgischen Maßnahme bzw. einer IVF versorgt wurden, fehlen. Zur Erläuterung ist der Ablauf der IVF schematisch in ⊡ Abb. 4.21 dargestellt.
85 4.10 · Pathologischer Tubenfaktor
⊡ Abb. 4.21 In-vitro-Fertilisation. (Nach Ludwig 2002). Die Ovarien werden stimuliert (1), das Endometrium baut sich auf (2). Die Follikel werden transvaginal unter sonographischer Kontrolle punktiert (3) und die Eizellen mit umgebenden Granulosazellen und Flüssigkeit abgesaugt (4). Nach Zusammenführung von Spermien und Eizellen (5) kommt es zur Vorkernbildung (6). Es entstehen Embryonen unterschiedlicher morphologischer Qualität (7)
Zur IVF-Behandlung seien an dieser Stelle verschiedene Begriffe definiert, die in der Literatur oder der täglichen Kommunikation mit entsprechenden Zentren immer wieder auftauchen: Definition
IVF; In-vitro-Fertilisation: beschreibt im Wesentlichen die künstliche Befruchtung insgesamt, d.h., das Zusammenführen von Eizellen und Spermien außerhalb des menschlichen Körpers. Im engeren Sinn beschreibt der Begriff »IVF« die ursprüngliche Technik, bei der die Eizellen und Spermien in einem Reagenzglas zusammengeführt werden. GIFT; »Gamete intra fallopian transfer«: beschreibt eine IVF-Behandlung, bei der allerdings die dann gewonnenen Eizellen mit den Spermien vermischt direkt, per Laparoskopie, wieder in den Eileiter eingebracht werden. Man hatte sich davon einen natürlicheren Vorgang versprochen. Höhere Erfolge konnten jedoch nicht erzielt werden, sodass GIFT weltweit heute kaum mehr durchgeführt wird.
Dabei werden die Abläufe der herkömmlichen IVF, wie oben beschrieben, sich nicht ändern. Im Labor wird jedoch das einzelne Spermium direkt in die Eizelle mikro-injiziert mit entsprechenden Kapillaren unter Verwendung entsprechend spezieller Mikroskope (Mikromanipulatoren). ART; Assistierte reproduktionsmedizinische Techniken: Dieser Begriff beschreibt alle Techniken, die für das Erzielen einer Schwangerschaft herangezogen werden und über den natürlichen Geschlechtsverkehr hinausgehen. Insofern fallen heutzutage darunter die intra-uterine Insemination (IUI), die IVF und die IVF/ICSI. Einige Autoren fassen die IUI nicht unter diesen Sammelbegriff. Assistierte Fertilisation: Hierunter versteht man Verfahren wie ICSI, die im Rahmen der ART eingesetzt werden, um die Befruchtungswahrscheinlichkeit der Spermien zu erhöhen. Von verschiedenen, in den letzten 15 Jahren beschriebenen Techniken ist einzig die ICSI heute noch in der Anwendung.
ICSI; Intrazytoplasmatische Spermien-Injektion: Dies ist eine Labortechnik im Rahmen der IVF, sodass meist von IVF/ICSI gesprochen wird.
Vorkernstadium: Unter einem Vorkernstadium versteht man eine Eizelle nach Eindringen des Spermiums und Organisation der genetischen Information in zwei kernähnlichen Strukturen,
▼
▼
4
86
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
die mikroskopisch dann in der Eizelle sichtbar werden. Sie sind das früheste Zeichen des Befruchtungsvorgangs, welcher jedoch zu diesem Zeitpunkt definitionsgemäß noch nicht abgeschlossen ist. Unter den Bedingungen des Deutschen Embryonen-Schutzgesetzes werden Eizellen im Vorkernstadium gehandhabt wie nicht befruchtete Eizellen. Unter Verwendung des lateinischen Ausdrucks »pronuclei« spricht man auch von »2 PN-Zellen«. Kryokonservierung: Spermien, aber auch Eizellen im Vorkernstadium, werden für die Lagerung eingefroren, um zu einem späteren Zeitpunkt zur Weiterführung der Kinderwunschbehandlung Verwendung zu finden. Die Einfrierdauer schadet den Zellen nicht, einzig der Einfrier- und Auftauvorgang ist mit einem Verlust an vitalen Zellen verbunden. »Assisted hatching«: Dies bedeutet wörtlich übersetzt »Schlüpfhilfe«. Man versteht darunter eine chemisch- oder laser-gestützt herbeigeführte Eröffnung der Hülle der Eizelle (Zona pellucida). Dies soll dem Embryo das Verlassen dieser Hülle erleichtern und die Einpflanzung in die Gebärmutterschleimhaut ermöglichen. Bisher ist nicht ganz klar, welche Patientengruppe tatsächlich von einem solchen »assisted hatching« profitiert. Möglicherweise sind es ältere Patientinnen (> 37 Jahre), diejenigen, bei denen 2–3 Versuche ohne erkennbare Ursache nicht zu einer Schwangerschaft geführt haben, diejenigen mit einer ausgesprochen dicken Zona pellucida und Patientinnen, bei denen zuvor kryokonservierte Eizellen verwendet wurden. Implantationsrate: Darunter fasst man die Wahrscheinlichkeit (in %), dass sich ein einzelner Embryo nach dem Embryotransfer einnistet und zu einer klinischen Schwangerschaft mit Fruchthöhle und positiver Herzaktion führt. Werden zum Beispiel 10 Embryotransfers mit jeweils 2 Embryonen durchgeführt und treten dabei 5 Schwangerschaften ein, dann beträgt die Implantationsrate in diesem Kollektiv 5/20, also 25%. ▼
Schwangerschaftsrate: Verschiedene Schwangerschaftsraten werden unterschieden in verschiedenen Publikationen. Man spricht von einer »biochemischen Schwangerschaftsrate«, wenn alle Schwangerschaften gezählt werden, bei denen das hCG etwa 14 Tage nach Embryotransfer positiv geworden ist. Davon unterschieden wird die »klinische Schwangerschaftsrate«, bei der nur solche Schwangerschaften berücksichtigt werden, bei denen zumindest eine intrauterine Fruchthöhle oder aber sogar positive Herzaktionen erkennbar waren. Schließlich unterscheidet man eine »weiterlaufende Schwangerschaftsrate«, bei der SSW zum Beispiel über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus andauerten, oder man nimmt nur die »Geburtenrate«, die sicherlich den härtesten Qualitätsgrad für die Beurteilung einer Technik aufweist. Man muss sich beim Lesen entsprechender Literatur stets klarmachen, wie diese Schwangerschaftsraten berechnet worden sind. Sind sie berechnet worden ▬ pro begonnenem Zyklus, ▬ pro durchgeführter Follikelpunktion, ▬ pro Follikelpunktion, bei der Eizellen gewonnen worden sind oder ▬ pro Embryotransfer? Ganz in Abhängigkeit von dem gewählten Vorgehen können Schwangerschaftsraten extrem schwanken. Werden zum Beispiel 30 Behandlungen gestartet, von denen aber im weiteren Verlauf 20 abgebrochen werden, bevor überhaupt eine Follikelpunktion durchgeführt wird, beträgt die Schwangerschaftsrate bei 10 Embryotransfers und 5 eingetretenen Schwangerschaften 50% pro Embryotransfer. Pro begonnenem Zyklus beträgt die Schwangerschaftsrate allerdings nur 5 : 30, also etwa 17%. Einige Autoren sind mittlerweile dazu übergegangen, die »Geburt eines Einlings pro Embryotransfer« als Qualitätsmerkmal für ein IVF-Programm zu nehmen und berücksichtigen dabei, dass die Mehrlingsrate immer noch das größte Problem im Rahmen der Behandlung darstellt.
87 4.11 · Idiopathische Sterilität
Über mehrere Jahre hinweg wurde diskutiert, ob die herkömmliche IVF-Behandlung durch die ICSI generell ersetzt werden soll. Da aber entsprechend vieler Studien bei fehlender Indikation zur ICSI die herkömmliche IVF zu ▬ einer vergleichbaren Fertilisationsrate, ▬ einer vergleichbaren Implantationsrate, ▬ einer vergleichbaren Schwangerschaftsrate führt, sollte tatsächlich die ICSI nur dann gewählt werden, wenn auch eine entsprechende Indikation dazu (z. B. hochgradig eingeschränktes Spermiogramm) vorliegt. Zu weiteren Einzelheiten hinsichtlich der Beratung zur IVF oder zu anderen Verfahren der Kinderwunschbehandlung ( Kap. 7)
4
Wann genau der Begriff »Sterilität« gerechtfertigt ist, wird diskutiert. Während einige Autoren bereits nach einem Jahr unerfüllten Kinderwunsches davon sprechen, benutzen andere den Begriff erst nach 2 Jahren. Nach Auffassung des Autors sollte man den Begriff variabel verwenden dürfen in Abhängigkeit von der Situation des Paares. Bei einer 40-jährigen Frau wird man eher bereits nach einem Jahr, bei einer 22-jährigen Frau eher erst nach 2 Jahren beim Fehlen von Auffälligkeiten bzw. nur marginal auffälligen Befunden zu einer Kinderwunschbehandlung raten. Bei der Begriffsbestimmung »Sterilität« verwendet man heutzutage den Begriff »Infertilität« synonym. Hierzu folgende Definitionen: Definition
4.11
Idiopathische Sterilität
4.11.1 Einleitung und Begriffsbestimmung Der weiterlaufende Entscheidungsbaum ist in ⊡ Abb. 4.22 dargestellt. Nicht selten wird man mit der Situation konfrontiert, dass sich bei allen Untersuchungen keine Auffälligkeiten ergeben haben und insofern kein offensichtlicher Grund, der zu dem bisher unerfüllten Kinderwunsch führt, erkennbar ist. In dieser Situation spricht man von einer idiopathischen Sterilität. Man muss auch dann eine idiopathische Sterilität annehmen, wenn zwar marginale Auffälligkeiten bei Befunden vorhanden sind (z. B. grenzwertige Hyperprolaktinämie, grenzwertige Hyperandrogenämie ohne Zyklusstörungen oder z. B. grenzwertig auffälliges Spermiogramm mit z. B. 15 Mio. Spermien/ml, 40% progressiver Motilität und 15% normaler Morphologie). In diesen Situationen würde man, sofern sich ein Paar einen Monat nach Absetzen jeglicher Kontrazeption zu einer Kinderwunschbehandlung vorstellt, beraten, dass zwar die Befunde grenzwertig seien, man darin aber eigentlich kein wesentliches Fertilitätshindernis sehen würde. Anders stellt sich die Situation dann dar, wenn unter solchen Befunden auch nach 2 Jahren unerfülltem Kinderwunsch keine Schwangerschaft eingetreten ist.
Sterilität: Es ist bisher nie zum Eintritt einer Schwangerschaft gekommen. Beim Mann spricht man von einer Impotentia generandi. Infertilität: Es ist bisher durchaus auch zu Schwangerschaften gekommen, eine Geburt ist jedoch bisher nicht eingetreten. Hierunter ordnet man zum Beispiel auch das habituelle Abortgeschehen ein. Primäre/sekundäre Sterilität: Man spricht von einer primären Sterilität immer dann, wenn die betroffene Frau noch nie zuvor schwanger gewesen ist. Sekundär ist eine Sterilität dann, wenn die betroffene Frau bereits vorher schwanger geworden war, dies unabhängig davon, ob diese Schwangerschaft mit dem jetzigen Partner eingetreten war oder nicht. Die Begriffe sind auch unabhängig davon, ob der betreffende aktuelle Partner bereits ein Kind aus einer anderen Beziehung hat bzw. mit einer anderen Partnerin eine Schwangerschaft induziert hat.
Wie gesagt: Die Begriffe »Sterilität« und »Infertilität« werden synonym verwendet. Sicherlich ist es sinnvoll, die Begriffe »primäre« und »sekundäre Sterilität« weiter zu verwenden. Aufgrund der nun folgenden Ausführung wird aber zunehmend
88
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
Paar-Anamnese normales Spermiogramm
normaler Zyklus
Oligo-/Amenorrhoe PCO Syndrom
4 Ovulationsinduktion, Clomifen Citrat Laparoskopie/ Hysteroskopie
IVF
IUI
idiopathische Sterilität
offene Tuben
Tubenpathologie
IVF ⊡ Abb. 4.22 Systematische Diagnostik und Therapie
klar werden, dass aktuell auch über eine neue Begriffsbestimmung unter Berücksichtigung der Reproduktionsanamnese des Partners nachgedacht werden muss.
4.11.2 Ursachen der idiopathischen Sterilität Wenn keine Ursachen erkennbar sind – dies ist eine wichtige Botschaft, die dem Paar übermittelt werden muss – bedeutet dies nicht, dass tatsächlich alles in Ordnung ist. Es bedeutet lediglich, dass mit den herkömmlichen, heute aktuell verfügbaren Methoden, keine Ursachen erkennbar gewesen sind. Damit steht in diesen Fällen nur die Möglichkeit zur Verfügung, durch die Optimierung möglichst vieler Faktoren die Konzeptionschancen soweit wie möglich zu steigern.
Mikrochirurgie
Was könnten ungeklärte Ursachen sein? ▬ Immunologische Ursachen ▬ Genetische Defekte in der Fertilisationskaskade beim Mann bzw. der Frau ▬ Kommunikationsproblem Embryo – Endometrium Es seien ferner im Folgenden 2 Situationen geschildert, die sich anhand tierexperimenteller Untersuchungen sehr gut nachvollziehen lassen und, auf den Menschen übertragen, die Situationen beschreiben, dass bei einem Paar mit herkömmlichen Methoden in keiner Weise Einschränkungen gefunden werden, aber dennoch eine deutliche Einschränkung der Fertilität angenommen werden muss. Diese beiden Beispiele, so kompliziert sie auch von dem molekularen Mechanismus her sein mögen, führen die Situation vor Augen, dass beim Wechsel der Partner ein bisher idiopathisch steriles Paar plötzlich in zwei neuen
89 4.11 · Idiopathische Sterilität
Partnerschaften zu Schwangerschaften kommen kann. Studienbox Nayernia et al. (2002) haben im Mausmodell Proakrosin-defiziente Spermien untersucht. Diese Spermien, bei denen bestimmte Enzyme im Akrosom fehlen, haben Schwierigkeiten, die Zona pellucida und die Hülle der Eizelle (Oolemma) zu durchdringen. In diesen Versuchen wurden normale Eizellen von Mäusen verwendet sowie Eizellen, die durch bestimmte Substanzen (DMSO, Aroclor-1254) so verändert worden sind, dass die Struktur schwerer durchdringbar geworden ist. Ferner wurden in diesen Studien Eizellen verwendet, die gealtert und insofern mit einer schwerer durchdringbaren Zona pellucida versehen waren. Ferner wurden Eizellen verwendet, die von Natur aus eine dicke Zone pellucida haben und eine schwerer durchdringbare Hülle bieten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung finden sich in den ⊡ Abb. 4.23a–d. Diese Abbildungen illustrieren sehr klar, dass unter optimalen Bedingungen, d. h. bei Verwendung optimaler Eizellen, die Proakrosin-defizienten Spermien langsamer die Hüllen der Eizellen durchdringen können, im Endeffekt aber sich die prozentuale Rate zwischen den Proakrosin-defizienten Spermien und den normalen Wildtyp-Spermien kaum unterscheidet. Verändert man jedoch die Durchdringbarkeit der Eizellhülle durch Zugabe chemischer Substanzen bzw. durch Alterung der Eizellen, nimmt die Befruchtungsfähigkeit der Proakrosin-defizienten Spermien drastisch ab. Bevor auf die Auswertung dieses Versuchs eingegangen wird, möge man sich noch die ⊡ Abb. 4.24 vergegenwärtigen, bei der bevorzugt Eizellen mit dicker Zona pellucida solchen mit dünner Zona pellucida gegenüber gestellt sind. Bei Verwendung von Wildtyp-Spermien lässt sich die Befruchtungsrate nach 1,5 und 3 h kaum beeinflussen, unabhängig davon, ob nun Eizellen mit dünner oder dicker Zona pellucida verwendet wurden. Wurden allerdings genetisch geschädigte Spermien verwendet, so hatte die Verwendung von Eizellen mit dicker Zone pellucida einen drastischen Einfluss.
4
Für die Diskussion des Begriffs »Sterilität« bedeutet dies – übertragen auf den Menschen –, dass eine genetische Variante beim Mann, die die Befruchtungsfähigkeit der Spermien nur geringfügig herabsetzt, eine fatale Auswirkung hat, wenn auf Seiten der Frau ebenfalls eine geringe genetische Variante zu einer leichten Herabsetzung der Befruchtungsfähigkeit der Eizellen führt. Hat dieser Mann mit der genetischen Variante jedoch eine Partnerin, deren Fertilität zu 100% gegeben ist, wird eine Schwangerschaft vielleicht nicht in den ersten sechs, sondern in den ersten 12 Monaten eintreten, eine Vorstellung wegen unerfülltem Kinderwunsch wird jedoch nicht erfolgen. Ebenso wird umgekehrt die Partnerin mit einer leichten Einschränkung der Fertilität aufgrund einer genetischen Variante ihrer Eizellen kaum in einem Kinderwunschzentrum vorstellig werden, wenn sie einen Partner hat, bei dem die Fertilität zu 100% gegeben ist. Studienbox Die Möglichkeit einer solchen genetischen Variante sei auch an einem anderen Beispiel illustriert. Man nehme an, dass dieses Experiment direkt übertragbar wäre auf die Situation bei Kinderwunschpaaren: Man stelle sich eine Frau vor, die aufgrund einer genetischen Variante ihrer Eizellen bzw. auch der Eileiterschleimhaut nicht in der Lage ist, einen Stoff zu produzieren, der eine zielgerichtete Spermienbewegung verursacht. Ein solcher Stoff ist das Bourgeonal. Die Spermien werden dann komplett ungerichtet im weiblichen Genitaltrakt schwimmen und die Eizellen nicht finden und damit nicht innerhalb der kritischen Zeit befruchten können. Man kann sich ebenso vorstellen, dass aufgrund einer genetischen Variante der Mann oder die Frau selbst einen Hemmstoff, wie das Undecanal, produzieren, der zu einer kompletten Richtungslosigkeit der Spermienbewegung im weiblichen Genitaltrakt führt. Eben diese Stoffe sind im Tierexperiment in der Lage, die zielgerichtete Bewegung der Spermien zu beeinflussen (Spehr et al. 2003).
Auch hier gilt wieder, dass diese Veränderungen durch die herkömmlichen momentanen
90
a Inkubation ohne Zugabe A
b DMSO-Exposition der Eizellen B
% 100 80 60 40 20 0
% 100 80 60 40 20 0
(78) (76)
(85)
(98) (101)
(80) (54) (61)
(66) (71)
1h
2h
3h
5h
4h
cC
aroclor-1254 Exposition der Eizellen
% 100 80 60 40 20 0
(167)
(171) (149)
(128)
(141)
0,1 µg/mg
(121)
1,0 µg/ml
10,0 µg/ml
Proakrosin-defiziente Spermien Wildtyp-Spermien
(182)
(152)
(156)
(127) (82) (73) (101)(112)
0,6 M
Proakrosin-defiziente Spermien Wildtyp-Spermien
0,8 M
1,0 M
1,2 M
Proakrosin-defiziente Spermien Wildtyp-Spermien
d Effekt von gealterten Eizellen D
% 100 80 60 40 20 0
(84) (80)
(142) (148)
(122) (75) (125) (67)
0h
2h
6h
8h
Proakrosin-defiziente Spermien Wildtyp-Spermien
⊡ Abb. 4.23a–d Was ist die Ursache einer idiopathischen Sterilität? (Nach Nayerian et al. 2002) a Inkubation ohne Zugabe, b DMSO-Exposition der Eizellen, c aroclor-1254 Exposition der Eizellen, d Effekt von gealterten Eizellen
90
(162)
80 % fertilisierte Oozyten
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
(96)
(122)
70
(128) (112)
(158)
60
(86)
50 40 30
(111)
20 10 0 1,5 h Proakrosin-defiziente Spermien / CD1 Wildtyp-Spermien / CD1
3,0 h Proakrosin-defiziente Spermien / DB A Wildtyp-Spermien / DB A
⊡ Abb. 4.24 Was ist die Ursache einer idiopathischen Sterilität? (Nach Nayerian et al. 2002). CD1 = Eizellen mit dicker Zona pellucida, DBA = Eizellen mit dünner Zona pellucida.
91 4.11 · Idiopathische Sterilität
Methoden definitiv nicht zu klären sind. Möglicherweise sind dies Fälle, bei denen, trotz komplett unauffälliger Werte, schließlich nur durch eine ICSI eine Schwangerschaftschance erzielbar ist. Ein letztes Beispiel sei erwähnt, welches zu einer idiopathischen Sterilität führen kann. So wurde bei 26 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch von über einem Jahr im Alter von 23–40 Jahren bei unauffälligen Zyklen (25–34 Tage) eine Endometriumbiopsie durchgeführt. Diese war histologisch komplett unauffällig. Es gab normale Werte für FSH, Prolaktin und TSH. Bei allen Frauen war eine Hysterosalpingographie unauffällig gewesen, und der Partner hatte ein normales Spermiogramm (Pisarska et al. 2003). Es fanden sich jedoch bei weitergehenden Untersuchungen in 11 von 26 Fällen (42%) heterozygote Anlagen für die Mutation Progins. Bei 4 von 28 (14%) Kontrollpersonen fand sich ebenfalls diese Veränderung, die jedoch eine deutlich niedrigere Prävalenz aufwies. Der Stimulationsverlauf bei beiden Gruppen war komplett vergleichbar. Diese Mutation führt zur veränderten Expression von Rezeptionsmarkern, die, ohne dass dies in irgendeiner Weise an irgendeinem Parameter erkennbar wäre, die Konzeptionschance trotz optimaler Behandlung drastisch reduziert. Es sei an dieser Stelle noch einmal klargestellt, und nur deswegen sind diese Beispiele hier aufgeführt, dass es bei der Kinderwunschbehandlung stets und immer um ein individuelles Paar geht, welches genau in der vorgegebenen Paarkonstellation einen unerfüllten Kinderwunsch hat. Dieser unerfüllte Kinderwunsch besteht gerade in dieser Paarkonstellation und mag in einer anderen Konstellation eben nicht mehr bestehen, ohne dass man in den meisten Fällen sagen kann, was tatsächlich der ausschlaggebende Faktor ist. ! Diese Beobachtungen sowie tägliche Beobachtungen in der Praxis haben zu der Überzeugung geführt, dass in den allermeisten Fällen (>80%) Faktoren auf beiden Seiten der Partner vorhanden sind, die auf die Chance einer Konzeption Einfluss haben.
4
4.11.3 Therapie der idiopathischen Sterilität Kurzüberblick Unter idiopathischer Sterilität versteht man das Ausbleiben einer Schwangerschaft ohne erkennbaren Grund. Die Gründe dafür mögen im molekulargenetischen Bereich liegen. Die Therapie der Wahl in solchen Situationen ist die Inseminationsbehandlung unter Gonadotropinstimulation und bei Versagen dieser Therapie eine IVF-Behandlung.
Durch Cochrane-Analysen sind verschiedene Therapien, die in den vergangenen Jahren diskutiert worden waren, untersucht worden. Keine medikamentöse Therapie konnte danach überzeugen. Die konkreten Ergebnisse dazu sehen wie folgt aus: ▬ Bromocriptin (Hughes et al. 2000) (Cochrane Library) – 3 Studien, 127 Patientinnen – Alle doppel-blind, plazebo-kontrolliert – Erfolg: OR 1.12 [95% KI 0.48–2.57] ▬ Danazol (Hughes et al. 2000) (Cochrane Library) – 2 Studien, 68 Patientinnen – Randomisiert, plazebo-kontrolliert – Erfolg: OR 2.57 [95% KI 0.53–12.46] ▬ Clomifen (Hughes et al. 2000) (Cochrane Library) – 6 Studien – Randomisiert, kontrolliert ▬ Erfolg – Schwangerschaftsrate / Patientin: OR 2.37 [95% KI 1.22–4.62] – Schwangerschaftsrate / Zyklus: OR 2.5 [95% KI 1.35–4.62] – ABER: Absoluter Zugewinn ist gering! Hinsichtlich des Clomifens gilt beim absoluten Zugewinn, dass die Schwangerschaftsraten ohne Clomifen bei 1–2%, mit Clomifen bei 2–4% lagen. ! Insofern ist es sehr fraglich, inwieweit trotz der »Odds-Ratio« von 2,5 eine Clomifen-Therapie bei idiopathischer Sterilität empfohlen werden kann.
Man wird daher bei idiopathischer Sterilität einem Paar eine Insemination oder IVF empfehlen müssen. Lehnt ein Paar eine solche Therapie ab, kann
92
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
im Prinzip nur geraten werden, den Spontanverlauf weiter abzuwarten, da jede ansonsten angebotene Therapie das Paar zwar belastet, aber nicht zu einem erkennbaren Erfolg führt. Auch eine solche Beratung gehört zum Verständnis einer sinnvollen evidenzbasierten Reproduktionsmedizin! Lange Jahre ist diskutiert worden, ob solchen Paaren direkt eine IVF-Behandlung angeboten werden soll. Studienbox Dazu sei die Studie von Goverde et al. (2000) zitiert, bei der in prospektiv-randomisierter Weise 258 Paare mit idiopathischer Sterilität oder leichtem männlichen Faktor eingeschlossen worden waren. Es sollten max. 6 Zyklen zu einer ▬ Insemination im nicht-stimulierten Zyklus, ▬ Insemination nach milder ovarieller Stimulation oder ▬ IVF durchgeführt werden. Endpunkt der Studie war die Lebendgeburt am Ende der Studie. Ein Zwischenergebnis ist in ⊡ Tabelle 4.12 dargestellt. Aus dieser Tabelle könnte man schließen, dass tatsächlich die IVF-Behandlung die erfolgversprechendste wäre und man diese Paare mit idiopathischer Sterilität mit einer IVF behandeln sollte. Dies war jedoch nicht Zielpunkt der Studie. Es ging hier um eine kumulative Erfolgsrate mit mehreren Therapiezyklen (max. 6). Der große Wert dieser Studie liegt also in der realitätsnahen Form, denn auch in der Realität wird man davon ausgehen, dass ein Kinderwunschpaar nicht nur eine einzige Behandlung, sondern mehrere Behandlungszyklen durchlaufen wird. Die Ergebnisse zum Schluss der Studie sind in ⊡ Tabelle 4.13 dargestellt. Die Gesamtauswertung der Studie ergab, dass die IVF sich hinsichtlich ihrer Effektivität nicht von der Insemination unter GonadotropinStimulation unterschied. Beide Verfahren waren der Insemination im Spontanzyklus überlegen. Die Ursache lag darin, dass, wie in der Tabelle gezeigt, zwar eine Inseminationsbehandlung über 4–5 Zyklen, eine IVF-Behandlung jedoch nur über etwa 3 Zyklen toleriert wurde.
! Man muss sich daher stets vor Augen führen, dass die aufwändigere Therapie eventuell erfolgversprechender pro Zyklus ist, aber weniger häufig von einem betroffenen Paar toleriert wird, sodass bei vergleichbaren Ergebnissen die weniger belastende Therapie die Methode der ersten Wahl sein sollte.
Konkret bedeutet dies hier:
Würden alle Paare mit idiopathischer Sterilität zuerst immer sofort mit einer IVF-Therapie behandelt werden, so würden einige nur deswegen nicht schwanger werden, weil sie die Therapie zu früh
⊡ Tabelle 4.12. Idiopathische Sterilität. Weiterlaufende Schwangerschaftsrate (Geburtenrate) bei den verschiedenen Behandlungsformen pro Zyklus. (Nach Goverde et al. 2000) Schwangerschaften pro begonnenem Zyklus [%] IUI
7,4
IUI + Gonadotropine
8,7
IVF
12,2
IUI: intrauterine Insemination
⊡ Tabelle 4.13. Idiopathische Sterilität, Vergleich von Insemination (IUI) und IVF. Gezeigt sind die Ergebnisse über mehrere Zyklen. Es zeigt sich ein Nachteil der Insemination, jedoch eine Vergleichbarkeit von Insemination unter Gonadotropin-Stimulation mit IVF. (Nach Goverde et al. 2000) IUI
IUI + Gonadotropine
IVF
Patientin mit mindestens 1 Zyklus (n)
80
83
85
Gesamtzahl der Zyklen (Mittelwert)
4,2
4,3
3,1
Patientinnen mit Schwangerschaft (%)
29,1
36,5
37,9
IUI: intrauterine Insemination
93 4.11 · Idiopathische Sterilität
abbrechen. Wird aber zunächst eine Inseminationsbehandlung und erst im zweiten Schritt eine IVF-Behandlung durchgeführt, würden zusätzliche Schwangerschaften erzielbar sein, da die Paare über diesen Weg optimal geführt und therapiert werden. Ein solches Therapieschema bei idiopathischer Sterilität wurde von der ägyptischen Arbeitsgruppe um Aboulghar et al. (1999) durchgeführt. Die Ergebnisse sind in ⊡ Abb. 4.25 zusammengefasst. Man erkennt auch hierbei die extrem hohe »Drop-out«-Rate von >60% derjenigen Patientinnen, die nach intrauteriner Insemination, die nicht zur Schwangerschaft geführt hatte, den Schritt zur IVF nicht weiter gehen, da sie diese Therapie als zu belastend empfinden bzw. durch die vorhergehende Behandlung »erschöpft« sind. Nur 38,5% der Patientinnen, die unter der Inseminationsbehandlung nicht schwanger geworden waren, gehen den Schritt zur IVF-Behandlung. Interessant ist auch das Ergebnis, dass bei der Hälfte der Eizellen eine IVF-Behandlung durchgeführt worden war, bei der anderen Hälfte der Eizellen der jeweiligen Patientin eine ICSI. Im Rahmen der IVF fand sich in fast 18% der Fälle ein komplettes Fertilisationsversagen, obwohl
4
alle Faktoren (Eizellqualität, Spermienqualität) dies nicht erwarten ließen. Die Ergebnisse dieser Studie zur idiopathischen Sterilität erläutern also sehr gut zwei grundsätzliche Dinge, die im Rahmen einer jeden Führung von Kinderwunschpaaren beachtet werden müssen: ! Die am wenigsten aufwändige Therapie muss die Therapie der Wahl sein, wenn kumulativ dieselbe Schwangerschaftsrate erreicht werden kann wie mit einer aufwändigeren Therapie. Die »Drop-out«-Rate von Paaren, insbesondere beim Übergang von einer zur nächsten Therapie, ist enorm hoch.
Dies unterstreicht nochmals, dass nach der Auffassung des Autors die »Drop-out«-Rate im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung eines der allerwichtigsten Qualitätskriterien der ärztlichen Kunst in diesem Bereich darstellt. Sie ist darüber hinaus abhängig vom gesamten Team und insbesondere auch von der Erreichbarkeit und der kompetenten Beratung, sodass die betroffenen Paare von verschiedensten Seiten jederzeit Unterstützung im Kinderwunschteam erreichen können.
485 Patientinnen -idiopathische Sterilität -prospektive Studie maximal 3 Zyklen intrauterine Insemination (n=921) Schwangerschaftsrate pro Zyklus: 15,7 % pro Paar: 29,8 %
131/340 nicht Schwangere (38,5 %) IVF/ICSI an jeweils der Hälfte der Eizellen
Komplettes Fertilisationsversagen bei IVF: 17,6 %
Schwangerschaftsrate pro Paar: 36,7 % (n=48) Schwangerschaften insgesamt: 39,8 % (193/485) ⊡ Abb. 4.25 Idiopatische Sterilität: erst Insemination – dann IVF. (Nach Aboulghar et al. 1999)
94
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
4.12 Auffälliges Spermiogramm Kurzüberblick
4
Die Inseminationsbehandlung stellt eine hoch effektive Therapie zur Behandlung der männlichen Subfertilität dar. Eine Abklärung des Tubenfaktors ist indiziert, wenn Risikofaktoren von Seiten der Frau anamnestisch vorliegen. Wenn eine Inseminationsbehandlung durchgeführt wird, sollte sie unter Gonadotropin-Stimulation erfolgen, um die optimale Schwangerschaftschance zu gewährleisten. Die Insemination sollte zeitlich immer vor der Ovulation liegen (also z. B. 32 Stunden nach hCG-Gabe). Eine Behandlung über mehr als 4 bis max. 6 Behandlungen der Zyklen ist nicht sinnvoll. Spätestens dann sollte zu einer invasiveren Therapie, wie z. B. der ICSI, übergegangen werden.
Die Komplettierung des Entscheidungsbaums ist in ⊡ Abb. 4.26 dargestellt. Liegt ein auffälliges Spermiogramm vor, so wird man entscheiden müssen, ob unter diesem
Aspekt bereits eine ICSI-Behandlung des unerfüllten Kinderwunsches indiziert ist. Der Wunsch, konkrete Richtwerte für die Indikationsstellung zur ICSI zu haben, ist verständlich, jedoch schwer zu beantworten. Man wird sich im individuellen Spermiogramm nach der Aufbereitung die Werte kritisch anschauen müssen, um zu sehen, inwieweit die Probe dann tatsächlich für eine andere Methode geeignet ist. Das native Spermiogramm wird einem nur in Ausnahmefällen diese Anwort geben können. Die Situation ist dann klar, wenn zum Beispiel die Morphologie unter einen kritischen Wert von etwa 4% nach strikten Kruger-Kriterien fällt oder aber das Spermiogramm eine maximal eingeschränkte Motilität aufweist. Man darf annehmen, dass die Schwangerschaftschance durch Inseminationsbehandlung dann kritisch wird, wenn die Zahl motiler Spermien im aufbereiteten Ejakulat auf deutlich <10 Mill. Spermien pro ml mit einer progressiven Motilität abfällt. Im Fall einer Azoospermie kann durch Gewinnung epididymaler Spermien (MESA, mikrochirur-
Paar-Anamnese auffälliges Spermiogramm • Azoospermie • schwere OAT • immunologischer Faktor
?
Laparoskopie/ Hysteroskopie ?
ICSI
IUI
normales Spermiogramm
Oligo-/Amenorrhoe PCO Syndrom
Ovulationsinduktion, Clomifen Citrat Laparoskopie/ Hysteroskopie
max. 4-6 IUI Behandlungszyklen
IVF
IUI
normaler Zyklus
idiopathische Sterilität
offene Tuben
Tubenpathologie
IVF ⊡ Abb. 4.26 Systematische Diagnostik und Therapie
Mikrochirurgie
95 4.12 · Auffälliges Spermiogramm
gisch epididymale Spermienaspiration) oder durch die Gewinnung testikulärer Spermien (TESE, testikuläre Spermienextraktion) Spermien gewonnen werden, um damit eine ICSI durchzuführen. So ist auch in diesen Fällen höchster Einschränkung der männlichen Fertilität dennoch in diesen Paarkonstellationen eine Schwangerschaft zu erzielen. Weitere Indikationen der ICSI umfassen eine fehlgeschlagene IVF-Behandlung (keine Fertilisierung der Eizellen) oder höhergradige immunologische Faktoren, die im Bereich der erweiterten Spermiogrammanalyse (MAR-Test) erkannt worden sind. Zur Durchführung der ICSI im technischen Bereich sei auf die diesbezügliche einschlägige Literatur verwiesen, da diese Therapie über die Durchführbarkeit in der täglichen frauenärztlichen Praxis weit hinausgeht. Die Inseminationsbehandlung ist die Therapie der Wahl bei leichtem eingeschränkten Spermiogramm bzw. idiopathischer Sterilität. Die Abläufe sind schematisch in ⊡ Abb. 4.27 dargestellt. Wann ist der optimale Zeitpunkt für die Insemination? In verschiedenen Untersuchungen ist geprüft worden, wann beim Geschlechtsverkehr überhaupt eine Schwangerschaft zu erzielen ist. Für die Insemination fehlen solche Studien fast komplett, es wird lediglich in einigen Untersuchun-
⊡ Abb. 4.27 Technik der Insemination. (Nach Ludwig 2002). Die Ovarien werden hormonell stimuliert (1), das Endometrium wird aufgebaut (2). Bevor die Ovulation stattfindet (3), wird die aufbereitete Samenflüssigkeit in die Gebärmutterhohle gespült (4)
4
gen geprüft, wie sich die Schwangerschaftschance verändert, wenn mit oder ohne endogenen LHAnstieg inseminiert worden war. Betrachtet man ⊡ Abb. 4.28 so erkennt man, dass der optimale Zeitpunkt für das Erzielen einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr zwei Tage (!) vor dem Zeitpunkt der Ovulation liegt, der in dieser Abbildung mit 0 gekennzeichnet ist. Man wird aus dieser genannten Studie in einer anderen Auswertung (⊡ Abb. 4.29) auch erkennen, dass die Chance einer Schwangerschaft deutlich altersabhängig ist. Die Daten dieser Studie zeigen außerdem, dass das Alter des Partners bei der Patientin von >35 Jahren einen deutlichen Einfluss auf die Schwangerschaftschance hat (⊡ Abb. 4.30). Die Konsequenz aus diesen Abbildungen ist nunmehr nicht, dass die Insemination 2 Tage vor stattgefundener Ovulation durchgeführt werden sollte. Durch die Insemination werden tatsächlich die Spermien tief in den uterinen Fundus eingebracht, sodass der Weg bis zur Eizelle deutlich verkürzt werden kann. Es bedeutet aber ganz klar, dass die Inseminationsbehandlung auf jeden Fall vor der Ovulation ablaufen muss. ! Optimal ist daher die Insemination etwa 32 h nach hCG-Gabe.
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
95. 0,8
0,6
75.
0,4
50.
0,2
25.
5. 0 -6
-4
-2
0
2
Tag des Geschlechtsverkehrs Beide Partner im Alter von 27-29 Jahren ⊡ Abb. 4.28 Technik der Insemination – Zeitpunkt. Angegeben sind die verschiedenen Perzentilen. (Nach Dunson et al. 2002)
Wahrscheinlichkeit einer klinischen Schwangerschaft
4
Wahrscheinlichkeit einer klinischen Schwangerschaft
96
19-26 Jahre 27-29 Jahre 30-34 Jahre 35-39 Jahre
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0 -8
-6
-4
-2
Tag des Geschlechtsverkehrs ⊡ Abb. 4.29 Technik der Insemination – Alter. (Nach Dunson et al. 2002)
0
2
4
97 4.12 · Auffälliges Spermiogramm
Die Insemination erst 35 oder 40 h nach hCGGabe führt zu einer drastischen Reduktion der Schwangerschaftschance. Teilweise werden noch kürzere Intervalle (24–28 h nach hCG-Gabe) angegeben. Zeitweise sind Studien publiziert worden, die eine doppelte Insemination zum Inhalt hatten, es wurde zum Beispiel nach 22 und 36 h inseminiert. Dabei wurde deutlich, dass man dadurch die Schwangerschaftsrate steigern konnte. Dies liegt jedoch wahrscheinlich am ehesten daran, dass der zweite Zeitpunkt der Insemination
so suboptimal war, dass allein dadurch schon die Insemination zum Zeitpunkt 22 h deutlich effektiver war. ! Eine doppelte (zweiseitige) Insemination ist nach heutiger Auffassung und auch Daten der Cochrane Library nicht sinnvoll.
Ferner wurde untersucht, wie eine Inseminationsbehandlung hormonell vorbereitet werden sollte. In ⊡ Tabelle 4.14 sind die Daten von 21
⊡ Tabelle 4.14. Optimale ovarielle Stimulation in Inseminationszyklen. Daten von 21 prospektiv-randomisierten Studien. Verglichen wird jeweils die Schwangerschaftsrate durch Inseminationsbehandlung nach entsprechender Vorbereitung im Spontanzyklus, Clomifen-Zyklus oder Gonadotropin-stimulierten Zyklus. Diese wird verglichen mit den Kontrollen, bei denen der Geschlechtsverkehr auf normalem Weg im Spontanzyklus durchgeführt worden war. Allein die Gonadotropin-Stimulation zeigt einen Vorteil. (Nach Prietl et al. 2000) Paare (randomisiert)
IUI (SR pro Zyklus)
Kontrollen [%] (SR pro Zyklus)
Spontaner Zyklus
500
5,6 (59/1054)
3,8
Clomifen-Zyklen
169
3,4 (17/495)
4,4
Gonadotropin-Zyklen
371
12,1 (78/645)
4,9
Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft
Frau 19-26 Jahre
Frau 27-34 Jahre
Frau 35-39 Jahre
0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 -8
-6
-4
-2
0
2 -8
-6
-4
-2
0
2 -8
-6
-4
-2
0
2
Tag des Geschlechtsverkehrs ⊡ Abb. 4.30 Technik der Insemination – Alter. (Nach Dunson et al. 2002)
Mann im gleichen Alter Mann 5 Jahre älter
98
prospektiv-randomisierten Studien wiedergegeben. Bei diesen Daten ist bei vorhandenem männlichen Faktor alleine die Gonadotropin-Stimulation zur Vorbereitung der Insemination in der Lage, die Chancen gegenüber einem Spontanzyklus mit Konzeptionsoptimierung durch Ultraschalluntersuchung deutlich anzuheben. Der Erfolg einer Inseminationsbehandlung beruht unter Berücksichtigung dieser Daten somit auf 3 Bausteinen: 1. Das Ejakulat wird aufbereitet und die Spermiensuspension enthält eine hohe Zahl optimal beweglicher Spermien. 2. Die Spermien werden räumlich in möglichst enge Nähe zu den Eizellen gebracht. 3. Die Insemination erfolgt zum optimalen Zeitpunkt, d. h. kurz bevor die Eizelle in den Eileiter gelangt. Die Gonadotropin-Stimulation erlaubt dabei das optimale »Timing« der Insemination, vor allem dann, wenn gleichzeitig z. B. GnRH-Antagonisten
eingesetzt werden, um den Zeitpunkt der Ovulation tatsächlich von extern gut bestimmen zu können. Ferner gibt ⊡ Abb. 4.31 wieder, dass natürlich die Gonadotropin-Stimulation auch deswegen den Erfolg erhöht, weil dadurch evtl. mehr Follikel vorliegen, die für eine Fertilisierung zur Verfügung stehen. Offen ist die Frage, wie viele Zyklen zur Insemination sinnvoll sind. Dazu sind in ⊡ Abb. 4.32a–c Grafiken dargestellt, die klar zeigen, dass nach 4 bis max. 6 Inseminationen diese Therapieform komplett ausgeschöpft ist. Spätestens dann sollte zu einer höheren Therapie wie der IVF bzw. ICSI übergegangen werden, da ein Beharren auf der Insemination lediglich eine zusätzliche Belastung der Patientin ohne zusätzlichen Erfolg verspricht. Unter Berücksichtigung dieser Kautelen ist die Inseminationsbehandlung eine hoch effektive, wenig aufwändige Therapie, die in vielen Fällen zu einer Schwangerschaft führen kann. Es wird deutlich, dass die optimale Schwangerschaftsrate unter Verwendung von Donor-Spermi-
80 1 Follikel 2 Follikel 3 oder mehr
60 Schwangere (%)
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
40
Follikel ≥12 mm Patientinnen ausgeschlossen, wenn - ≥43 Jahre - Endometriose vorhanden - tubarer Faktor vorhanden - Spermiogramm unter Standard
20
0 1
2
3
4
5
6
Zyklus ⊡ Abb. 4.31 Auswertung von 3381 Zyklen zur Insemination unter ovarieller Stimulation. (Nach Dickey et al. 2002)
99 4.12 · Auffälliges Spermiogramm
80 donogene Insemination WHO Standard bis IUI-Grenzwert ≤IUI-Grenzwert
Schwangere (%)
60
40 WHO Standard: >20 Mio/ml >40 Mio gesamt >50 % progressiv motil >30 % normale Morphologie IUI-Grenzwert >5 Mio/ml >30 % initial motil
20
0 1
2
3
4
5
6
Zyklus ⊡ Abb. 4.32a Auswertung von 3381 Zyklen zur IUI unter ovarieller Stimulation. (Nach Dickey et al. 2002)
80
20-29 Jahre 30-34 Jahre 35-42 Jahre ≥42 Jahre
Schwangere (%)
60
40
20
0 1
2
3
4
5
6
Zyklus ⊡ Abb. 4.32b Auswertung von 3381 Zyklen zur IUI unter ovarieller Stimulation. (Nach Dickey et al. 2002)
4
100
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
80
Ovulatorische Dysfunktion andere Endometriose Tubaler Faktor
4
Schwangere (%)
60
40
20
0 1
2
3
4
5
6
Zyklus ⊡ Abb. 4.32c Auswertung von 3381 Zyklen zur IUI unter ovarieller Stimulation. (Nach Dickey et al. 2002)
en zu erreichen war (a). Dies natürlich deswegen, weil hierbei keine Einschränkung der Spermienqualität zu erwarten ist. Die Daten dieser Studie belegen weiter, dass, unabhängig vom Alter, die Therapie nach 4 Behandlungen ausgeschöpft
war. Fraglich ist, ob bei der geringen Schwangerschaftschance der über 43-jährigen Frau überhaupt eine Insemination gerechtfertigt sein kann. Auf diesen Sachverhalt wird in Kap. 5 eingegangen werden (Dickey et al. 2002). Die dritte Grafik (c) belegt klar, dass auch die Ursache des unerfüllten Kinderwunsches keinen Einfluss auf die Zahl der sinnvollen Versuche hat. Auch hier flacht die Erfolgskurve nach 4 Versuchen deutlich ab. Lediglich bei rein ovulatorischer Dysfunktion ist, vergleichbar mit der Donor-Insemination, auch im 5. und 6. Versuch mit zusätzlichen Erfolgen zu rechnen. Fragwürdig ist, ob bei rein ovulatorischer Dysfunktion ohne andere auffällige Parameter überhaupt eine Insemination gerechtfertigt war (Dickey et al. 2002).
4.13 Einfluss des Faktors »Alter« auf die Therapieentscheidung Kurzüberblick Ab einem Alter von 40 Jahren ist die Inseminationsbehandlung hinsichtlich ihrer Ergebnisse deutlich schlechter als eine IVF-Behandlung. Die Zahl der Inseminationsversuche bei der Frau ab 40 sollte daher auf max. 2 Versuche begrenzt werden, wenn nicht andere vielversprechende anamnestische Faktoren eine großzügigere Empfehlung rechtfertigen.
Das Alter hat eine klare Korrelation zur Chance einer Schwangerschaft nicht nur unter natürlichen Bedingungen, sondern auch unter den Bedingungen einer Kinderwunschbehandlung. Sowohl die Daten des Deutschen IVF-Registers (⊡ Abb. 4.33) als auch die Daten des US-amerikanischen Registers (⊡ Abb. 4.34, 4.35) zeigen diese deutliche Abhängigkeit.
4
101 4.13 · Einfluss des Faktors »Alter« auf die Therapieentscheidung
35
Schwangerschaftsrate pro Embryotransfer (%)
30 25 20 15 10 5 0 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 Alter (Jahren) ⊡ Abb. 4.33 Behandlungsergebnisse in Abhängigkeit vom Alter der Frau. (Nach Deutsches IVF Register 2002)
% 25
Schwangerschaftsrate Lebendgeburtrate
21,6
20
18,2 15,1
15
13,6 11,8
10
9,8 7,9 5,8
5
6,4 3,3
0
40
41
42 43 Alter (Jahren)
>43
⊡ Abb. 4.34 Schwangerschafts- und Geburtenrate für IVF-Zyklen mit frischen, nicht kryokonservierten Eizellen bzw. Embryonen von Frauen ab 40 Jahren. (Nach Society of Assisted Reproductive Technologies Report 2000)
% 50 40 30 20 10 0
Schwangerschaftsrate Lebendgeburtrate 22
24
26
28
30
32
34 Alter
36
38
40
42
44
46
⊡ Abb. 4.35 Schwangerschafts- und Geburtenrate für IVF-Zyklen mit frischen, nicht kryokonservierten Eizellen oder Embryonen nach dem Alter der Frau. (Nach Society of Assisted Reprodictive Technologies Report 2000)
102
Risiko einer Fehlgeburt (%)
Ferner sind Paare darüber zu beraten, dass natürlich die Abortrate mit steigendem Alter ebenfalls deutlich höher wird. Dies haben bereits vor einigen Jahren Daten des Skandinavischen Registers zeigen können (⊡ Abb. 4.36). Welchen Einfluss nun hat das Alter auf die Entscheidungsfindung für eine bestimmte Therapieform? In ⊡ Abb. 4.37 ist eine hoch interessante Studie zusammengefasst, die verdeutlicht, dass ab
100
Vor Anpassung für induzierte Aborte Nach Anpassung für induzierte Aborte
80 60
dem Alter von 39 Jahren eine direkte IVF-Behandlung offenbar sehr viel effektiver ist als eine zunächst durchgeführte Inseminationsbehandlung. Dies bedeutet nicht, dass bei jeder Frau ab 39 Jahren nur noch eine IVF-Behandlung erfolgreich sein wird. Es bedeutet aber, dass man unter diesen Bedingungen die Zahl der Inseminationsversuche nicht auf vier, sondern eher auf zwei oder max. drei beschränken muss. Man sollte ferner auch in Abhängigkeit von der Dauer des Kinderwunsches bei diesem Kollektiv von Patientinnen bei längerer Kinderwunschdauer zu einer IVF-Behandlung eher großzügiger beraten, als man dies zum Beispiel bei einer 26-jährigen Patientin tun würde. Dies wird auch durch die bereits gezeigten Daten von Dickey et al. (2002) für die ältere Patientin belegt (⊡ Abb. 4.32b). Studienbox
40 20 0 10 15 20 25 30 35 40 45 50 Mütterliches Alter bei der Konzeption
⊡ Abb. 4.36 Abortrate in Abhängigkeit vom Alter der Frau. (Nach Nybo Andersen et al. 2000)
Schwangerschaftsrate pro IUI (%)
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
In einer retrospektiven Auswertung zeigten Auyeung et al. (2001) die Erfolgschance einer IVF oder GIFT gegenüber einer Inseminationsbehandlung bei Patientinnen mit 40 Jahren oder älter. Die Ergebnisse sind in ⊡ Abb. 4.38 wiedergegeben und belegen einen signifikanten Vorteil der IVF-Behandlung hinsichtlich der Lebendgeburtenrate in diesem Alterskollektiv.
• retrospektive Analyse • 2133 Zyklen • 1.041 Patientinnen
20 15,5 % 15
14,2 %
14,4 %
13,9 %
13,0 % 9,6 %
10
5
3,1 %
0 <30
30-31
32-33
34-35
36-37
38-39
>39
Alter der Patientinnen (Jahren) Schwangerschaftsrate im ersten IVF-Zyklus nach frustraner IUI in der Altersgruppe >39 Jahre: 16,4 % ⊡ Abb. 4.37 Welchen Einfluss hat das Alter auf die Therapieentscheidung? (Nach Perez-Cano et al. 2001)
4
103 4.14 · Einfluss der »Kinderwunschdauer« auf die Therapieentscheidung
Schwangerschaftsrate/Zyklus (%)
30
IVF/GIFT
20
IUI
p=0,0007
10
0 40
41
42 Alter (Jahren)
43
Lebendgeburten (gesamt)
⊡ Abb. 4.38 Welchen Einfluss hat das Alter auf die Therapieentscheidung. Vergleich von Insemination (141) und IVF bzw. GIFT (s. S. 85) (Nach Auyeung et al. 2001)
Es existieren bisher keine Studien, die in direktem randomisierten Vergleich Patientinnen ab 39 oder 40 Jahren einer IVF-oder Inseminationsbehandlung zugeführt haben, um eine Kosten-NutzenAnalyse durchführen zu können. Dies ist bedauerlich. Es wird wahrscheinlich auch in Zukunft aufgrund einer fehlenden Finanzierung solcher Studienvorhaben derartige Untersuchungen nicht geben. ! Aufgrund der vorliegenden, hier zitierten retrospektiven Daten darf man annehmen, dass bei einem Alter von 40 Jahren die Beratung zu einer Inseminationsbehandlung äußerst zurückhaltend erfolgen sollte. Nach max. 2 Inseminationsversuchen, wenn überhaupt aufgrund vielversprechender anderer ananmestischer Faktoren diese Therapieform gewählt wurde, sollte eine IVF-Behandlung empfohlen werden.
Möglicherweise, dies ist jedoch definitiv nicht geklärt, ist die IVF-Behandlung als Therapieform der ersten Wahl die bessere Variante.
4.14 Einfluss der »Kinderwunschdauer« auf die Therapieentscheidung Kurzüberblick Bei einer Kinderwunschdauer von 5 Jahren oder mehr kann zu einer Inseminationsbehandlung nur noch zurückhaltend beraten werden. Es ergibt sich eher die Indikation zu IVF oder ICSI, je nach zugrunde liegenden Befunden. Andererseits sind auch Paare mit offensichtlich maximaler Einschränkung der Fertilität darüber aufzuklären, dass über die folgenden 5 Jahre mit einer Schwangerschaftschance von 12–14% spontan zu rechnen ist.
Mit zunehmender Dauer des unerfüllten Kinderwunsches muss man mit einer zunehmenden Schwere der zugrunde liegenden Ursachen rechnen. Betrachtet man das Kollektiv offenbar fertiler Paare, bei denen keine negativen Faktoren vorliegen, die in irgendeiner Weise die Fertilität beeinträchtigen, dann wird bei diesen Paaren innerhalb eines halben Jahres in den allermeisten Fällen eine Schwangerschaft eingetreten sein.
104
Voraussetzung ist, dass diese Paare in der natürlichen Familienplanung geschult worden sind (⊡ Abb. 4.39). Ein exzellentes mathematisches Modell wurde zu dieser Frage von Evers (2002) errechnet. Dieser Kollege ginge bei Kalkulation von 5 verschiedenen Gruppen in der Bevölkerung hinsichtlich des Reproduktionspotentials aus. Berücksichtigt werden müssen superfertile Paare mit einer monatlichen Schwangerschaftsrat (»monthly fecundity rate«, MFR) von 60%. Daneben stehen normal fertile Paare (MFR 20%), moderat subfertile Paare (MFR 5%), schwer subfertile Paare (MFR 1%) und infertile Paare ohne Chance auf eine Konzeption. Unter einer moderaten Subfertilität versteht man zum Beispiel Paare, bei denen die Partnerin eine Oligomenorrhoe oder einen leichten Tubenfaktor aufweist. Schwer subfertile Paare sind solche mit einer deutlichen Einschränkung des Spermiogramms und ähnlichen Faktoren. Aufgrund der monatlichen Schwangerschaftsrate lässt sich, wie in ⊡ Abb. 4.40 gezeigt, errechnen, zu welchem Zeitpunkt wie viel Prozent der einzelnen Gruppen zu einer Schwangerschaft gekommen sind. So erkennt man zum Beispiel in der Abbildung, dass nach 24 Monaten alle normal fertilen
Paare zu einer Schwangerschaft gekommen sein werden, während nach 5 Jahren zumindest etwa 45% aller schwer subfertilen Paare eine Schwangerschaft erzielt haben werden. Betrachtet man nun die Daten in anderer Weise und fragt, wie häufig die einzelnen Gruppen in der Bevölkerung zu erwarten sind, ergibt sich ein anderes, hoch interessantes Bild. Folgende Prävalenzen in der Bevölkerung werden angenommen: ▬ Superfertile Paare 3% ▬ Normal fertile Paare 79% ▬ Moderat subfertile Paare 10% ▬ Schwer subfertile Paare 5% ▬ Infertile Paare 3% Unter Kenntnis dieser Prävalenzen kann man anhand der in ⊡ Abb. 4.41 gezeigten Ergebnisse errechnen, zu welchem Zeitpunkt wie viel Prozent der Paare eben noch nicht schwanger geworden sind. Nimmt man zum Beispiel die Situation zum Zeitpunkt 6 Monate, d. h., man stellt die Frage, welches Kollektiv nach 6 Monaten des Versuchs einer Konzeption in die Frauenarztpraxis kommt, so erkennt man folgendes Bild: In über 50% der
1,0 0,9 Kumulative Wahrscheinlichkeit
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 - 340 Paare („offenbar fertil“) - 310 Schwangerschaften (92 %) - nur 20 % aller Paare und 10 % der Paare, die am Ende schwanger waren, konzipierten nicht innerhalb von 6 Zyklen
0,3 0,2 0,1 0 0
3
6
9 12 Anzahl der Zyklen
15
18
⊡ Abb. 4.39 Kumulative Schwangerschaftsrate mittels natürlicher Familienplanung. (Nach Gnoth et al. 2003)
21
105 4.14 · Einfluss der »Kinderwunschdauer« auf die Therapieentscheidung
kumulative Schwangerschaftsrate (%)
Fälle handelt es sich um normal fertile Paare, nur in etwa 45% um Paare mit mäßig oder höhergradig eingeschränkter Fertilität. Dies verschiebt sich zunehmend mit der Dauer des Kinderwunsches und zum Zeitpunkt 5 Jahre wird man in der Kinderwunschsprechstunde keine normal fertilen Paare mehr finden, die noch nicht konzipiert haben. Etwa 10% der moderat fertilen Paare werden noch nicht konzipiert haben.
! Der Großteil des Kollektivs, welches sich nach 5 Jahren Kinderlosigkeit vorstellt, wird schwer subfertil oder infertil sein und einer invasiven Kinderwunschbehandlung bedürfen, die über eine Inseminationsbehandlung hinausgeht.
Diese Kalkulation erklärt, warum nach mehr als 5 Jahre dauerndem unerfüllten Kinderwunsch eine Inseminationsbehandlung nur noch in absoluten Ausnahmefällen zum Erfolg führen kann: Der
100
75
50
25
0
6
12
60
24
superfertil (MFR 60 %) moderat subfertil (MFR 5 %) infertil (MFR 0 %)
normal fertil (MFR 20 %) schwer subfertil (MFR 1 %)
kumulative Schwangerschaftsrate (%)
⊡ Abb. 4.40 Kumulative Schwangerschaftsraten nach Schwere der Sterilität. (Nach Evers 2002)
100
75
50
25
0 0
6
12
superfertil (MFR 60 %) moderat subfertil (MFR 5 %) infertil (MFR 0 %)
4
24
60
normal fertil (MFR 20 %) schwer subfertil (MFR 1 %)
⊡ Abb. 4.41 Zusammensetzung der Sterilitätsgrade zu bestimmten Zeitpunkten. (Nach Evers 2002)
106
4
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
Grund liegt schlicht darin, dass sich nach dieser Zeit ein Kollektiv von Patientinnen herausgebildet hat, welches aufgrund höchstgradiger Faktoren nicht schwanger werden kann. Alle anderen, also auch diejenigen mit einer nur leicht eingeschränkten oder mäßig eingeschränkten Fertilität, werden trotz langer Dauer dennoch irgendwann konzipiert haben. Eine andere Beobachtung sei in diesem Zusammenhang erwähnt, die ebenfalls in die gleiche Richtung geht. Zum einen haben nämlich die Paare mit langdauerndem Kinderwunsch höhergradige Faktoren, die eine invasivere Sterilitätstherapie notwendig machen, zum anderen wird aber in Abhängigkeit von der Dauer der Sterilität auch die Wahrscheinlichkeit sinken, überhaupt schwanger zu werden. Dies ist anhand der Daten des Deutschen IVF-Registers in ⊡ Tabelle 4.15 zu sehen. Gezeigt sind die Kinderwunschdauer in Jahren sowie die analysierten Zyklen. Die Wahrscheinlichkeit der Schwangerschaft ist willkürlich auf 1 gesetzt bei einer Kinderwunschdauer von 0–2 Jahre. Die »Odds-Ratio« (OR, vergleichbar dem relativen Risiko) sinkt zunehmend mit steigender Kinderwunschdauer ab und liegt bei nur etwa 87% bei einer Dauer von mehr als 8 Jahren gegenüber der Chance von 0–2 Jahren. Erklärbar ist diese Tendenz zu einer deutlichen Abnahme der Schwangerschaftschance mit zunehmender Dauer der Kinderlosigkeit dadurch, dass die vorhandenen Faktoren eben tatsächlich so schwerwiegend sein können, dass sie auch dauerhaft die Chance einer Schwangerschaft, also die
Implantation des Embryos und dessen Weiterentwicklung, unterbinden. Es sei an dieser Stelle aber auch erwähnt, dass selbst die schwerste Sterilitätsanamnese nicht die Chance auf eine Schwangerschaft komplett ausschließen kann. In verschiedenen Studien wurde dieses Phänomen untersucht. Studienbox Kupka et al. (2002) fanden bei 32 von 226 Paaren nach Abschluss einer Kinderwunschbehandlung Schwangerschaften. Diese Paare hatten mehr als 1.000 Behandlungen durchlaufen (⊡ Abb. 4.42). Betrachtet man die Daten von Kupka et al. (2002) unter einem anderen Aspekt und prüft, ob zum einen der Eintritt einer späteren Schwangerschaft abhängig war von einer Schwangerschaft, die bereits im Rahmen der Behandlung eingetreten war, so findet man hier einen deutlichen positiven Zusammenhang: Wenn bereits unter der Behandlung eine Schwangerschaft eingetreten war, so war der spätere Schwangerschaftseintritt nach Beendigung der Behandlung früher (⊡ Tabelle 4.16). Der Anteil der Paare im Gesamtkollektiv derjenigen, die später spontan schwanger wurden, war um so höher dann, wenn die Behandlung weniger invasiv war und fiel von 20% bei Durchführung »nur einer Stimulation« auf 7% im Fall einer ICSI. ▼
⊡ Tabelle 4.15. Schwangerschaftsrate bei IVF-Behandlung nach Dauer der Sterilität. Auswertung der Daten des Deutschen IVF-Registers. (Nach Kupka et al. 2003) Kinderwunsch-Dauer (Jahre)
Zyklen (n)
OR
95% KI
p
0–2
19.005
1.000
3–4
48.786
0.952
0.916–0.989
0.0122
5–6
32.003
0.949
0.911–0.989
0.0144
7–8
17.482
0.917
0.875–0.962
0.0004
>8
7.326
0.873
0.818–0.930
<0.0001
107 4.14 · Einfluss der »Kinderwunschdauer« auf die Therapieentscheidung
Osmanaoglu et al. (2002) untersuchten 200 belgische Paare, die als erste in das belgische ICSI-Programm im Zeitraum von 7/1992 bis 12/1993 eingeschlossen wurden. Untersucht wurden nur Frauen unterhalb von 37 Jahren, die insgesamt 433 nicht erfolgreiche Behandlungszyklen durchlaufen hatten. Die kumulativen Schwangerschaftsraten in diesem Kollektiv nach Beendigung der Behandlung sind in ⊡ Abb. 4.43 wiedergegeben und decken sich erstaunlich gut mit den Ergebnissen von Kupka et al. (2002) in Deutschland. Die Schwangerschaftschance in diesem Kollektiv betrug pro Monat 0,28% und die Dauer des Kinderwunsches korrelierte negativ
! Aus diesen beiden exzellent durchgeführten retrospektiven Analysen muss man also annehmen, dass jedes Paar, welches die Indikation zu einer IVF oder ICSI aufweist, über die folgenden
mit der Chance einer Spontanschwangerschaft. Interessanterweise traten 2 Spontanschwangerschaften bei 24 Patientinnen ein, bei denen nie ein Embryotransfer stattgefunden hatte, da es erst gar nicht zur regelrechten Entwicklung von Embryonen gekommen war. Auch diese schwersten Verläufe einer Behandlung bedeuten also nicht, dass später keine Schwangerschaft eintreten kann. Es zeigte sich auch eine deutliche Abhängigkeit von der Zahl der durchgeführten ICSI-Zyklen, nachfolgend spontan schwanger zu werden. Je weniger ICSI-Zyklen durchgeführt worden waren, desto höher war die Zahl der später erzielten Schwangerschaften.
5 Jahre eine Chance von etwa 12–14% hätte, spontan schwanger zu werden. Dies ist ein wesentlicher Punkt bei der Beratung auch schwerst subfertiler Paare.
⊡ Tabelle 4.16. Spontane Schwangerschaften nach Abschluss Kinderwunschbehandlung. Daten von 226 Paaren nach Abschluss von 1005 Behandlungen. (Nach Kupka et al. 2002) Schwangerschaftsrate während Behandlung
Anteil [%]
Spätere Schwangerschaft Nein [%] (n=864)
Ja [%] (n=141)
Stimulation
5.8 (11/189)
4.2 (2/48)
20.2
Insemination
6.5 (20/310)
12.1 (7/58)
15.8
GIFT
8.7 (2/23)
33.3 (1/3)
11.5
IVF
4.8 (9/188)
10.8 (2/20)
9.6
ICSI
9.1 (14/154)
25.0 (3/12)
7.2
Gesamt
6.5 (56/864)
10.6 (15/141)
14.0
4
108
Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
n = 32 Paare / 226 Paaren (1005 Behandlungen) kumulativ
14 12 10 8
mit vorheriger Schwangerschaft
6 4 2
ohne vorherige Schwangerschaft
0 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 Monate nach Abschluss der Kinderwunschbehandlung ⊡ Abb. 4.42 Spontane Schwangerschaften nach Kinderwunschbehandlung. (Nach Kupka et al. 2002)
14 spontane Schwangerschaftsrate (%)
4
spontane Schwangerschaftsrate (%)
16
- 200 belgische Paare - Frau <37 Jahre alt - 433 nicht erfolgreiche Behandlungszyklen - ICSI im Zeitraum von 07/1992 bis 12/1993
12 10 8 6 4
Zahl der Zyklen Schwangerschaften (n)
2
1 10
2 7
3 4
>3 2
Gesamt 23
0 0
12
36 48 24 Monate seit dem letzten frustranen ICSI Zyklus
⊡ Abb. 4.43 Spontane Schwangerschaften nach ART. (Nach Osmanaoglu et al. 2002)
60
109 Literatur
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Kapitel 4 · Systematischer Ansatz zur Diagnostik und Therapie bei Kinderwunschpaaren
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5
Lebensführung und Konzeptionschancen 5.1
Einflussfaktor »Nikotinabusus«
5.2
Einflussfaktor »Übergewicht« – 112 Literatur
– 115
– 112
112
Kapitel 5 · Lebensführung und Konzeptionschancen
5.1
Einflussfaktor »Nikotinabusus«
Kurzüberblick Der Nikotinabusus reduziert die Schwangerschaftschance auf etwa die Hälfte und die Zahl der Eizellen um etwa 45% gegenüber Nichtraucherinnen im IVF-Programm. Raucher reduzieren die Spermiogrammqualität in allen Werten um etwa 15–20%.
5
Die prinzipielle Schädlichkeit von Nikotin und Rauchen insgesamt ist allen bewusst. Nicht selten wird der behandelnde Arzt von einem Paar gefragt, inwieweit selbst ein Beitrag zum Gelingen der Therapie geleistet werden könne. Das Paar schlägt dann häufig alternative Therapiemöglichkeiten, Akupunktur oder die Einnahme hoch konzentrierter Vitaminpräparate vor. Die einzigen bekannten Einflussfaktoren, die jedoch von dem Paar selbst geleistet werden können, bestehen in: ▬ Verzicht auf Nikotin, ▬ gesunder Lebensweise, ▬ Normalisierung des Körpergewichts. Hinsichtlich des Nikotinabusus kann man das Paar aufgrund von Studienergebnissen (Klonoff-Cohen et al. 2001) darüber aufklären, dass die Chance auf eine Schwangerschaft für Raucherinnen prinzipiell um den Faktor 2 geringer ist. Der Faktor steigt auf 3, wenn mehr als 5 Jahre geraucht wird. Anders gerechnet vermindert sich die Chance einer Schwangerschaft um 4% für jedes Jahr Rauchen. Im Rahmen einer IVF-Behandlung ist mit nur 45% Eizellen bei Raucherinnen gegenüber Nichtraucherinnen zu rechnen. Auch das Spermiogramm verschlechtert sich bei Rauchern. Künzle et al. (2003) verglichen die Daten von 655 Rauchern und 1311 Nichtrauchern im andrologischen Labor. Der Nikotinabusus verursachte eine ▬ Reduktion der Spermienkonzentration –15.3% ▬ Reduktion der Spermienzahl (gesamt) –17.5% ▬ Reduktion der Spermienmotilität –16.6% Es wird dann diskutiert, ob der akute Verzicht auf Nikotin unter der Behandlung tatsächlich einen
Benefit hat oder vielleicht nicht sogar die Situation verschlechtere (Entzug). Es scheint aber so zu sein, dass selbst der Verzicht auf Rauchen zu Beginn eines Behandlungszyklus die Chancen auf eine Schwangerschaft leicht steigern könnte. Aufgrund der Dauer der Eizellreifung von fast einem Jahr oder der Dauer der Spermienbildung von etwa 90 Tagen muss man aber wohl einen längeren Zeitraum zugrunde legen, bis Raucherinnen nach Stopp des Rauchens wieder den Erfolg von Nichtraucherinnen erlangt haben. Allgemein nimmt man an, dass zur kompletten Wiederherstellung der Ausgangsfertilität etwa 5 Jahre Rauchverzicht bei Raucherinnen notwendig sind. ! Die Frage nach dem Nikotinkonsum und die immer wiederkehrende Aufklärung des Paares über die Notwendigkeit des Nikotinverzichts stellen eine absolute Notwendigkeit im Rahmen der Führung eines jeden Kinderwunschpaares dar.
5.2
Einflussfaktor »Übergewicht«
Kurzüberblick Die Adipositas ist ein negativer Faktor, nicht nur hinsichtlich der Konzeptionschancen, sondern auch der Abortrate. Die Abortrate verdoppelt sich bei einem »Body-Mass-Index« von >30 kg/m2. Eine Gewichtsreduktion von bereits 5–10% des Ausgangsgewichts führt bei ansonsten unauffälligen Faktoren zu einer drastischen Zunahme der Spontanschwangerschaftsrate ohne weitere invasive Therapie. Dabei ist die Anleitung und Führung der Paare während der Gewichtsabnahme von essenzieller Bedeutung.
Das Übergewicht ist durch die endokrine Funktion des Fettgewebes ein deutlich einflussnehmender Faktor im Rahmen der Kinderwunschbehandlung. Die Ursache liegt wahrscheinlich vor allem in einer Interferenz mit neuro-endokriner Steuerung
bereits vor der Pubertät. Durch das Übergewicht kommt es zur Veränderung von Hormonbalancen, wie z. B. ▬ Abfall von SHBG durch vermehrte Insulinwirkung,
113 5.2 · Einflussfaktor »Übergewicht«
▬ Anstieg der Produktion und des Metabolismus von DHEA und Androstendion, ▬ vermehrte Speicherung von Androgenen im Fettgewebe, ▬ Aktivität von 3-β-Dehydrogenase, 17-β-Hydroxysteroiddehydrogenase und Aromatase im Fettgewebe. So entsteht ein relativer funktioneller Hyperandrogenismus. Nicht zuletzt muss an die Assoziation des Übergewichts mit dem PCO-Syndrom gedacht werden. Übergewichtige Patientinnen bedürfen einer besonderen Führung. Es genügt nicht, einer übergewichtigen Patientin darzulegen, dass sie abnehmen müsse. Es muss ihr ein konkretes Programm angeboten werden, um dieses Ziel tatsächlich realistisch erreichen zu können. Man muss davon ausgehen, dass jede übergewichtige Patientin bereits mehrfach in ihrem Leben versucht haben wird, Gewicht zu reduzieren, ohne dies aber jemals geschafft zu haben bzw. dauerhaft gehalten zu haben. Wenn man also übergewichtige Patientinnen in einem Kinderwunschprogramm bzw. in der gynäkologischen Praxis betreut, sollte man sich, wenn nicht selbst angeboten, eine ortsansässige Selbsthilfegruppe suchen, der diese Patientinnen zugeführt werden können. Solche Gruppen können zum Beispiel die »Weight-Watchers« oder Gruppen sein, die von den Krankenkassen am Ort unterstützt und geführt werden. Nur durch eine solche Einbindung wird es möglich sein, die Motivation eines Kinderwunschpaares dauerhaft auf die Gewichtsreduktion zu konzentrieren. Ferner ist es notwendig, zuvor eine endokrine Diagnostik durchzuführen, um zum Beispiel Schilddrüsenstörungen bzw. eine gestörte periphere Insulinresistenz zu erkennen. Unter diesen Aspekten kann man ggf. der übergewichtigen Patientin medikamentöse Therapiestrategien anbieten, um die Gewichtsmaßnahme zu beschleunigen und zu unterstützen. Wenn eine übergewichtige Patientin medikamentös eingestellt und zum Beispiel im Rahmen des PCO-Syndroms mit Metformin behandelt wird, so ist natürlich eine Gewichtsreduktion abzuwarten, bevor tatsächlich mit einer aktiven Kinderwunschbehandlung begonnen wird. Die Patien-
5
tin sollte in diesen Fällen alle 3 Monate einbestellt werden, um die Gewichtsreduktion zu prüfen und zu notieren. Dadurch ist die Patientin zu motivieren, auf dem eingeschlagenen Weg weiter zu machen. Bei dieser Gelegenheit können ggf. Ultraschalluntersuchungen oder endokrine Diagnostik helfen, der Patientin einen Teilerfolg durch Einsetzen einer Follikelreifung und Wiederkehren der Menstruationsblutung zu demonstrieren. ! Die kompetente Führung hat erfahrungsgemäß eine enorme Bedeutung für die weitere Motivation der Patientin, Gewicht zu reduzieren bzw. das erzielte Wunschgewicht zu halten. Machen Sie den Patientinnen klar, dass durch die Gewichtsreduktion allein oftmals jegliche Kinderwunschtherapie aktiver Art, und sei es nur durch Clomifen-Stimulation, komplett überflüssig wird.
Studienbox Der Effekt einer Gewichtsreduktion soll an dieser Stelle durch die Beschreibung von 2 Studien illustriert werden. Clark et al. (1998) führten eine prospektive Studie durch, in die Kinderwunschpatientinnen mit mehr als 2 Jahre unerfülltem Kinderwunsch und einem »Body-Mass-Index« von mindestens 30 kg/m2 eingeschlossen wurden. Eine andere Therapie als die Gewichtsreduktion war während der Studiendauer nicht vorgesehen. Die Patientinnen wurden in ein DiätFitness-Programm mit 3 h pro Woche für 6 Monate eingeschlossen. Von 120 angesprochenen Patientinnen nahmen 87 teil. 20 der 87 konnten nicht über die Gesamtdauer von 60 Monaten teilnehmen bzw. schieden aufgrund eines Motivationsdefizits zuvor aus. Die Ausgangsparameter der Patientinnen sind in ⊡ Tabelle 5.1 dargestellt. Es fällt auf, dass allein die Zahl der vorangehenden Zyklen unterschiedlich war. Je mehr Zyklen im Rahmen der Kinderwunschbehandlung bereits durchgeführt worden waren, desto motivierter waren die Frauen, an dem DiätFitness-Programm teilzunehmen. Die Ergebnisse bei denjenigen, die das Programm komplettierten und denjenigen, die vorzeitig ausstiegen, sind in ⊡ Tabelle 5.2 ▼
114
Kapitel 5 · Lebensführung und Konzeptionschancen
gezeigt. Es zeigte sich ein signifikanter Effekt auf den »Body-Mass-Index« und das Körpergewicht. In 90% der Fälle kam es zur Ovulation, in knapp 80% der Fälle zur Schwangerschaft, in 67% zu einer Lebendgeburt. Die hohe Effektivität der Gewichtsreduktion wird dadurch sehr deutlich. In der zweiten Untersuchung wurden 33 Patientinnen mit PCO-Syndrom und einem »Body-Mass-Index« von >25kg/m2 auf eine Diät von 1.200 kcal. täglich gesetzt. Sportliche Betätigung wurde empfohlen. Im Verlauf erreichten nur 24% der Patientinnen eine Gewichtsreduktion von weniger als 5%, die restlichen erreichten eine Gewichtsreduktion von mindestens 5%. Ein Drittel der Patientinnen konnte das Gewicht um 10% oder mehr reduzieren.
5
Eine Gewichtsreduktion um 5% führt zu einer Abnahme des Ovarvolumens um 18%. Bei 10% Gewichtsabnahme ging das Ovarvolumen um 27% zurück. Hinsichtlich der Zahl antraler Follikel ging die Zahl von 23,5±11,5 auf 19,9±9,9 und 18,3±7,5 Follikel mit der Gewichtsabnahme von 5 bzw. 10% signifikant zurück. Somit verloren innerhalb dieser Studie 27 von 33 Patientinnen mindestes 5% Gewicht, 18 dieser 27 Patientinnen hatten danach ovulatorische Zyklen (66%). Innerhalb von 12 Monaten traten 10 Schwangerschaften ein bei den Patientinnen, die mindestes 5% Gewicht reduziert hatten (Schwangerschaftsrate 37%). Bei denjenigen, die keine Gewichtsänderung bzw. weniger als 5% Gewichtsänderung gezeigt hatten, trat keine Schwangerschaft ein.
⊡ Tabelle 5.1. Programm zur Gewichtsreduktion im Rahmen einer Kinderwunschtherapie. Gezeigt sind die Patientinnen, die das Programm komplettiert haben bzw. die vorzeitig aus dem 6 Monate geplanten Programm ausgestiegen sind. (Nach Clark et al. 1998)
a
Komplettiert (n=67)
»Drop-out« (n=20)
Alter (Jahre
31,6±4,9
32,8±5,0
BMI (kg/m2)
37,4±6,9
35,9±4,1
Dauer Kinderwunsch (Jahre)
5,4±2,5
6,2±2,4
Vorangehende Behandlung (Zyklen)a
3,7±1,2
1,0±0,5
Anovulatorisch (%)
81
75
p < 0,05
⊡ Tabelle 5.2. Programm zur Gewichtsreduktion im Rahmen einer Kinderwunschtherapie. Gegenübergestellt sind die Ergebnisse derjenigen Patientinnen, die die Behandlung (6-monatiges Fitness-Diät-Programm) komplettierten bzw. vorzeitig austiegen. (Nach Clark et al. 1998)
a
Komplettiert (n=67)
»Drop-out« (n=20)
Änderung BMI (kag/m2)a
3,7±1,6
0,4±1,4
Änderung Körpergewicht (kg)a
10,2±4,3
1,2±3,6
Spontane Ovulationa
90
0
Schwanger (%)a
77,6b
0
Lebendgeburt (%)a
67
0
p < 0,001, b 34% der Schwangerschaften spontan
115 Literatur
Zusammenfassend kann man also aus diesen
Studien festhalten, dass eine Gewichtsreduktion um 5–10% einen Erfolg darstellt, der zu einer signifikanten Erhöhung der Schwangerschaftschance bei übergewichtigen Patientinnen spontan bzw. im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung beitragen kann. Den betroffenen Paaren ist unter diesen Bedingungen stets klar zu machen, dass dieser Effekt ein Mehrfaches dessen ist, was durch jegliche Modifikation der Behandlungsstrategie heutzutage erreicht werden kann. Der eigene Anteil am Erfolg übertrifft in diesen Situationen weit die vom Labor oder dem behandelnden Arzt zu leistenden Möglichkeiten. Welchen Einfluss hat das fortbestehende Übergewicht auf die Chance nicht nur der Schwanger-
P
<25
≥25
Embryotransfers (ET)
79
48
–
Entbindungen
35
12
–
Entbindungen/ET
44,3%
25,0%
0,044
schaft, sondern auch auf das Weiterbestehen der Schwangerschaft? Auch zu dieser Frage existieren mehrere Studien, die im Rahmen eines Eizellspendeprogramms erhoben worden sind. Ein Eizellspendeprogramm ermöglicht es, dass allein der Faktor Übergewicht auf den Verlauf der Schwangerschaft überprüft werden kann, da die Eizellqualität durch die fertilen Spenderinnen standardisiert ist. Daten zu dieser Frage sind in ⊡ Tabelle 5.3 und 5.4 dokumentiert. Daraus geht hervor, dass sich die Abortrate bei einem »BodyMass-Index« von >25 (⊡ Tabelle 5.3) bzw. >30 (⊡ Tabelle 5.4) verdoppelt.
Literatur Bellver J, Rossal LP, Bosch E et al. (2003) Obesity and the risk of spontaneous abortion after oocyte donation. Fertil Steril79:1136-1140 Clark AM, Thornley B, Tomlinson L et al. (1998) Weight loss in obese infertile women results in improvement in reproductive outcome for all forms of fertility treatment. Hum Reprod 13:1502-1505 Houserman VL, Honea KL, Long CA et al.(2003) Body mass index of the egg recipient is predictive of success in an egg donation program. Fertil Steril 79 (Suppl 2) S14 Klonoff-Cohen H, Natarajan L, Marrs R et al. (2001) Effects of female and male smoking on success rates of IVF and gamete intra-Fallopian transfer. Hum Reprod 16:13821390 Künzle R, Mueller MD, Hanggi W et al. (2003) Semen quality of male smokers and nonsmokers in infertile couples. Fertil Steril 79:287-291
⊡ Tabelle 5.3. Bedeutung des »Body-Mass-Index« (BMI) bei Empfängerin einer Eizellspende. (Nach Houserman et al. 2003) BMI (kg/m2)
⊡ Tabelle 5.4. Bedeutung des »Body-Mass-Index« (BMI) bei Empfängerin einer Eizellspende. (Nach Bellver et al. 2003)
a
BMI (kg/m²)
<20
20–24,9
25–29,9
≥30
n
92
398
172
50
Alter (Jahre)
38,0±4,7
38,0±5,3
39,2±5,5
38,8±5,4
Implantationsrate
26,2%
27%
25,6%
18,8%
Schwangerschaftsrate
47,8%
53,0%
48,8%
42,0%
Abortrate
18,2%
13,3%a
15,5%b
38,1%a,b
p = 0.003, b p = 0.02
5
6
Grundlagen der ovariellen Stimulation 6.1
Einleitung – 118
6.2
Finale Follikelmaturation/ Ovulationsinduktion – 118
6.3
Beurteilung des Endometriums
6.4
Möglichkeiten der Stimulation – 120
6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.6.1 6.4.6.2 6.4.6.3
Clomifen-Zitrat – 120 Gonadotropin-Stimulation – 121 Überwachung des Stimulationszyklus – 125 Protokolle unter Verwendung von GnRH-Agonisten – 126 Protokolle unter Verwendung von GnRH-Antagonisten – 128 Lutealphasenunterstützung – 128 Einleitung – 130 Applikation von Progesteron – 130 Positive Wirkung von transvaginalem Progesteron – 131
6.5
Ovarielles Hyperstimulationssyndrom – 132
6.5.1 6.5.2 6.5.3
Einleitung – 132 Pathogenese des OHSS – 134 Therapie des OHSS – 134
Literatur
– 136
– 118
118
Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
6.1
Einleitung
6.2
Finale Follikelmaturation/ Ovulationsinduktion
Kurzüberblick
Hinsichtlich dieser Ziele ist vor allem das Erreichen einer ausreichenden Corpus-luteum-Funktion etwas, was insbesondere bei polyfollikulärer Reifung nicht mehr gelingt: Anders gesagt, die Heranreifung mehrerer Follikel mit den erzielten supraphysiologischen Steroidkonzentrationen führt zu einer Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Ovar-Achse und damit zur Induktion einer Corpus-luteum-Insuffizienz, die einer ausreichenden Unterstützung bedarf. Prinzipiell besteht jeder Behandlungszyklus mit kontrollierter ovarieller Stimulation aus 4 verschiedenen Bestandteilen, die in ⊡ Abb. 6.1 schematisch dargestellt sind.
Kontrollierte Ovarielle Stimulation
ART
FM/OI
6
Eine sachgerechte ovarielle Stimulation verfolgt verschiedene Ziele: ▬ Einleitung einer Follikelreifung, ▬ Gewinnung von reifen Eizellen, ▬ Adäquate Vorbereitung des Endometriums, ▬ Erzielung einer ausreichenden Corpus-luteum-Funktion, ▬ Vermeidung von Mehrlingsgraviditäten, ▬ Vermeidung eines OHSS (»ovarian hyper-stimulation-snydrome«).
Lutealphasenunterstützung
Kurzüberblick Zur Ovulationsinduktion reichen in aller Regel der Fälle 5.000 IE urinäres oder 250µg des besser verträglichen rekombinanten HCG (humanes Choriongonadotropin) aus. Die Ovulation ist nach der Gabe eines solchen Präparates 36–40 h später zu erwarten.
Für die Follikelmaturation/Ovulationsinduktion (FM/OI) genügt bei der Reifung nur weniger oder eines einzelnen Follikels die Gabe von 5.000 IE urinärem HCG. Alternativ können 250µg rekombinantes HCG (r-HCG) verwendet werden. Letzteres hat den eindeutigen Vorteil einer besseren Verträglichkeit bei effektiver Ovulationsinduktion und optimaler Lutealphasenstützung bei Reifung weniger Follikel. Das ideale Präparat zur Ovulationsinduktion wäre rh-LH. Ein solches Präparat ist bereits auf dem Markt. Es steht jedoch nicht in der Dosierung zur Verfügung, die für eine Ovulationsauslösung vorhanden sein müsste. Das zur Stimulation auf dem Markt befindliche rh-LH enthält pro Ampulle 75 IE. Für eine Ovulationsinduktion wären 25.000–30.000 IE notwendig (»Recombinant LH study group« 2001). Solange ein solches Präparat nicht verfügbar ist, muss auf HCG zurückgegriffen werden. Die HCG-Gabe kann ab einer Follikelgröße von 17–18 mm erfolgen. Die Auslösung der Ovulationsinduktion durch die Gabe eines GnRH-Agonisten sei an dieser Stelle der Vollständigkeit halber auch erwähnt. Sie hat jedoch in der allgemeinen gynäkologischen täglichen Praxis aufgrund der experimentellen Natur keinen Stellenwert (Fauser et al. 2002).
6.3 ⊡ Abb. 6.1 Schematische Darstellung der Bestandteile eines Behandlungszyklus mit ovarieller Stimulation. Dabei bedeutet FM/OI »finale Follikelmaturation/Ovulationsinduktion«. Der Begriff finale Follikelmaturation beschreibt sehr plastisch, dass durch die HCG-Gabe in einem Behandlungszyklus nicht nur die Ovulation ausgelöst wird, sondern auch die Follikelreifung innerhalb von 36 h zu einem Abschluss gebracht wird
Beurteilung des Endometriums
Kurzüberblick Die Endometriummorphologie sollte stets neben der Follikulometrie mit berücksichtigt werden. Anzustreben ist ein echoarmes Endometrium mit einer Dicke von 8–10 mm. Diese Befunde sprechen für einen positiven Verlauf des Zyklus und
6
119 6.3 · Beurteilung des Endometriums
eine hohe Schwangerschaftschance. Kommt es in einem Clomifen-stimulierten Zyklus nicht zu einer ausreichenden Endometriumdicke (<6–8 mm), sollte ggf. auf eine Gonadotropin-Stimulation umgestiegen werden.
Das Ergebnis dieser Studie zeigt ⊡ Tabelle 6.1. Man erkennt, dass, unabhängig vom Östradiolwert und den transferierten Embryonen, sowie unabhängig von der Endometriumdicke die Schwangerschaftsrate allein abhängig war von der Echogenität des Endometriums.
Die sonographische Beurteilung des Endometriums ist ebenso wichtig wie die Follikulometrie. Sie erlaubt frühzeitig eine Aussage über die Chance auf das Erzielen einer Schwangerschaft in diesem Behandlungszyklus. In ⊡ Abb. 6.2 ist die Abbildung einer ersten Arbeit enthalten, die mittels computergestützter Analyse des Endometriums im Rahmen einer IVF-Behandlung deutlich das Zusammenspiel eines echoarmen, trilaminären Endometriums mit einer hohen Schwangerschaftschace assoziieren konnte.
⊡ Abb. 6.2 Endometriumentwicklung in Zusammenhang mit der Schwangerschaftsrate nach IVF. Das qualitativ hochwertigste Endometrium zeigt die Abbildung oben links, das qualitativ schlechteste unten rechts. (Nach Fanchin et al. 2000) (Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Fertility & Sterility)
Studienbox Hinsichtlich der Endometriumdicke, die für eine suffiziente Implantation notwendig ist, gibt es verschiedene Studien. Zitiert sei an dieser Stelle die relativ aktuelle Untersuchung von Kovacs et al. (2003). Hier handelt es sich um eine retrospektive Analyse von 1228 IVF-/ ICSI-Zyklen, die mit Clomifen/HMG (1/3) oder im ultrakurzen Protokoll (2/3) stimuliert worden waren. Wenn man die Endometriumdicke in den Zyklen, in denen eine Schwangerschaft eingetreten war, mit denjenigen verglich, in denen keine Schwangerschaft eingetreten war, ergab sich ein signifikanter Unterschied (10,8 vs 10,4 mm, p< 0,05). Wenn man diejenigen Zyklen mit einer weiterlaufenden Schwangerschaft gegenüber denjenigen mit einem Abort verglich, ergab sich kein Unterschied in der Endometriumdicke (10,8 vs 10,8 mm). Aus ⊡ Abb. 6.3 geht jedoch hervor, dass offenbar die optimale Endometriumdicke bei mind. 10 mm lag. Ab diesem Zeitpunkt ergab sich im Vergleich einer Mindestdicke gegenüber einer Dicke unterhalb dieses Grenzwertes ein signifikanter Unterschied in der Schwangerschaftsrate.
⊡ Tabelle 6.1. Endometriummorphologie in der Transvaginalsonographie in Assoziation mit der Schwangerschaftsrate im IVF-Zyklus. (Nach Fanchin et al.2000) Echogenität
≥30%
31–40%
41–50%
51–60%
61–70%
>70%
Alter (Jahre) (median)
32
32
32
32
32
32
Östradiol (pg/ml) (MW)
2507
2323
2552
2355
2479
2373
Transferierte Embryonen (median)
3
3
3
3
3
3
Endometriumdicke (mm) (MW)
10,2
10,4
9,9
10,0
9,4
10,2
Schwangerschaftsrate
35%
22%
17%
20%
15%
6%
120
Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
Schwangerschaftsrate (%)
50 <
p<0,05
>=
40 30 20 10 0
6
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Endometriumdicke (mm) ⊡ Abb. 6.3 Zusammenhang zwischen Endometriumdicke und Schwangerschaftschance in einer retrospektiven Analyse von 1228 IVF/ICSI-Zyklen. (Nach Kovacs et al. 2003)
Hinsichtlich der Endometriummorphologie und Endometriumdicke ist also das echoarme dreischichtige Endometrium mit einer Dicke von >10 mm sicherlich als positiv zu bewerten. Es sei jedoch hier auch erwähnt, dass bereits bei Endometriumdicken von 8 mm und mehr eine suffiziente Endometriumreifung gemäß anderer Studiendaten angenommen werden kann.
6.4
Möglichkeiten der Stimulation
6.4.1 Clomifen-Zitrat Clomifen ist ein »SERM« (s. Seite 66). Die genaue Wirkung von Clomifen zur Stimulation der Ovarien ist bisher nicht endgültig geklärt. Offenbar ist ein Hauptwirkungsmechanismus derjenige, der in der Hypophyse durch Blockierung von Östrogenrezeptoren das Signal eines Östrogenmangels vermittelt. Dadurch kommt es zu einem FSH-Anstieg und dadurch wiederum zu einer vermehrten ovariellen Stimulation. Ein prinzipielles Clomifen-Protokoll ist in ⊡ Abb. 6.4 dargestellt.
Verschiedene Möglichkeiten der Stimulation stehen zur Verfügung: ▬ Spontanzyklus, ▬ Clomifen-Stimulation, ▬ HMG-/ FSH-/ rh-FSH-Stimulation, ▬ Protokolle unter Verwendung von GnRHAnaloga.
! Die initiale Dosis einer Clomifen-Stimulation beträgt 50 mg/d. Sollten die Ovarien auf diese Dosis nicht reagieren, kann die Dosis auf 100 oder 150 mg/d im nächsten bzw. übernächsten Zyklus erhöht werden. Der Erfolg ist unabhängig davon, ob die Stimulation von Tag 2–6, 3–7, 4–8 oder 5–9 durchgeführt wird.
Dabei bietet der Spontanzyklus unter Verwendung der »endogenen Stimulation«, soweit anwendbar, das am wenigsten invasive Verfahren. Er wird jedoch in den allermeisten Fällen einer Stimulation mit Clomifen-Zitrat oder Gonadotropinen unterlegen sein.
Eine Östradiolkontrolle kann hilfreich sein, um die Follikelreifung zu verfolgen. Die LH-Kontrolle erlaubt das Erkennen einer endogenen Ovulationsauslösung. Die Follikulometrie muss durchgeführt werden, um eine polyfollikuläre Reifung und damit das Mehrlingsrisiko frühzeitig zu erkennen.
6
121 6.4 · Möglichkeiten der Stimulation
200-400 pg/ml pro Follikel
Östradiolkontrolle
(+ (+ 1
2
50
50
50 50
50
50
50
50 50
50
50
50
50 50
50
3
4
5
6
7
LH-Kontrolle zur Erkennung einer endogenen Ovulationsauslösung
) ) 8
11
Ovulationsauslösung
>18 mm Follikulometrie ⊡ Abb. 6.4 Schema zur Clomifen-Stimulation
Die Indikation für eine Clomifen-Stimulation ist bei einer Patientin mit anovulatorischem Zyklus bzw. bei der oligo-/amenorrhoischen Patientin gegeben. Hinsichtlich der Erfolge der Therapie unter diesen Umständen s. Seite 65ff. Zur Kombination mit Dexamethason bei Hyperandrogenämie s. Seite 44ff. Hinsichtlich der Alternative Metformin bzw. Kombinationen mit Metformin s. Seite 51ff. Die antiöstrogene Wirkung kann sich negativ, insbesondere auf das Endometrium, auswirken. Wenn man unter der Clomifen-Stimulation ein schlecht entwickeltes Endometrium (<8 mm) erkennt, muss dies nicht direkt einen Abbruch der Behandlung bedeuten. Beim wiederholten Auftreten einer solchen Veränderung sollte man aber großzügig die Indikation für die Umstellung auf eine Gonadotropin-Stimulation stellen. Andererseits wurde kürzlich auch gezeigt, dass die sonographisch gemessenene Endometriumdicke unter einer Clomifenstimulation nicht mit der Schwangerschaftsrate korreliert (Kolibianakis et al. 2004).
! Insofern stellt die sonographisch erkennbare Endometriumdicke allenfalls eine relative Indikation für den Wechsel des Stimulationsverfahrens dar.
6.4.2 Gonadotropin-Stimulation Kurzüberblick Bei der Gonadotropin-Stimulation wird mit einer Dosis von 50–75 IE ab dem 2./3. Zyklustag zur mono- bis bifollikulären Reifung stimuliert. Eine Dosisanpassung während des Zyklus ist nur selten zusätzlich erfolgversprechend. Ab dem 9. oder 10. Tag sollte eine Follikulometrie durchgeführt werden. Das »step-up«- oder »step-down«-Protokoll ist hilfreich bei PCO-Patientinnen und erlaubt dann eher als mit einer kontinuierlichen Stimulationsdosis das Erreichen einer mono- oder bifollikulären Reifung. Beim »step-up«-Protokoll beträgt die Initialdosis 50–75 IE FSH. Diese Dosis wird für 14 Tage beibehalten, bevor die Dosis um 25–37,5 IE für 7 Tage erhöht wird. Die Erhöhung muss nur
122
Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
Hinsichtlich Östradiol- und LH-Kontrolle unterscheidet sich ein solcher Zyklus nicht von einem Clomifen-Zyklus. Die Follikulometrie sollte etwas früher einsetzen, da nicht selten bereits am 10. Tag mit einem präovulatorischen Follikel zu rechnen ist. Bei der Gonadotropin-Stimulation sind verschiedene Dinge von essenzieller Bedeutung. Diese sind wie folgt zusammenzufassen: ▬ Startdosis 50–75 IE FSH täglich <35 Jahre: 50 IE ≥35 Jahre: 75 IE ▬ Erhöhung während der Stimulation in aller Regel der Fälle nicht sinnvoll ▬ Start am 2.–3. Zyklustag ▬ Erstes Monitoring Tag 10 ▬ Follikelgröße <10 mm Kontrolle nach 5–7 Tagen <12 mm Kontrolle nach 3–4 Tagen 13–14 mm Kontrolle nach 2 Tagen ▬ Ab 17 mm Follikelgröße Ovulationsinduktion möglich
dann erfolgen, wenn bis zu diesem Zeitpunkt keine Follikelreifung (>10 mm) erkennbar ist. Eine weitere Erhöhung der Dosis sollte erst nach weiteren 7 Tagen um die gleiche Einheitenzahl erfolgen. Beim »step-down«-Protokoll wird mit einer hohen FSH-Dosis (150 IE) für 2–3 Tage begonnen. Zeigt sich dann bei der Follikulometrie eine Follikelreifung, wird die Dosis um 50 IE gesenkt und nach 2–3 Tagen bei weiterer Follikelreifung, d.h. weiterem Wachstum der Follikel, auf 75 IE, die dann bis zur HCG-Gabe beibehalten werden. Zeigt sich keine Follikelreifung, kann die jeweils gewählte hohe Dosis für 2–3 Tage weiter beibehalten werden.
6
Wo immer eine Clomifen-Stimulation nicht zur gewünschten ovariellen Antwort führt bzw. keinen Erfolg gebracht hat, muss eine Gonadotropin-Stimulation überlegt werden, wenn andere Alternativen (z. B. Metformin) ausgeschöpft sind. Schematisch ist der Ablauf einer GonadotropinStimulation in ⊡ Abb. 6.5 dargestellt. Bei einem einfachen Gonadotropin-Stimulationsprotokoll wird eine Anfangsdosis von 50–75 IE täglich ab dem 2., spätestens 3. Zyklustag gewählt.
Die Startdosis ist wie beschrieben altersabhängig. Man muss jedoch bereits vor der Stimulation jede Patientin darüber aufklären, dass die gewählte Dosis auch zu niedrig oder zu hoch sein kann,
200-400 pg/ml pro Follikel
Östradiolkontrolle 50-75 IE/Tag (Dosisanpassung)
1
2
3
4
5
LH-Kontrolle zur Erkennung einer endogenen Ovulationsauslösung
6
7
8
9
Ovulationsauslösung
>18 mm Follikulometrie ⊡ Abb. 6.5 Schema zur Gonadotropin-Stimulation
123 6.4 · Möglichkeiten der Stimulation
sodass ein Abbruch des Behandlungszyklus notwendig sein kann. In aller Regel wird aber die oben genannte Dosis den gewünschten Effekt zeigen. Die vorherige Aufklärung der Patientin ist wichtig, um Enttäuschungen vorzubeugen und insbesondere das Vertrauen in die Behandlungskenntnis nicht zu erschüttern. Der Startpunkt der Stimulation relativ früh im Zyklus ist wichtig, da die grundsätzliche Funktion einer Gonadotropin-Stimulation darauf beruht, das sog. FSH-Fenster weiter zu öffnen, sodass mehrere Follikel rekrutiert werden und der Selektionsmechanismus überwunden wird. Nur so ist es möglich, wenn gewünscht, auch 2 oder 3 Follikel zur Reifung zu bringen. Je später mit der Stimulation angefangen wird, desto länger kann sich das gesamte Verfahren hinziehen, desto weniger wird auch der Nutzen der ovariellen Stimulation in diesem Behandlungszyklus sein. Da die wesentliche Funktion der Gonadotropin-Stimulation in der Öffnung des FSH-Fensters liegt, ist eine Erhöhung der Stimulationsdosis zum Ende der Follikelreifung in aller Regel nicht sinnvoll. Insbesondere bei einer polyfollikulären Reifung zur IVF-Behandlung wird zahlreichen prospektiv-randomisierten Studien zufolge eine Erhöhung der Dosis nicht zu einer schnelleren Follikelreifung führen. Eine Erhöhung der Dosis hat nur Sinn im Rahmen eines sog. »Step-up-Protokolls«, welches folgend beschrieben wird. Das erste Monitoring sollte spätestens an Tag 10 stattfinden. Fällt Tag 10 auf einen Sonntag, wäre besser Tag 8 als Tag 11 zu wählen, um eine vorzeitige Ovulation nicht zu übersehen. Hinsichtlich der Follikelgröße sind die angegebenen Werte Richtwerte, die sich auch nach dem Muster der Follikelreifung richten. Die Ovulationsinduktion sollte lieber zu früh als zu spät erfolgen. Man kann davon ausgehen, dass bereits ab 16 mm reife Eizellen zur Ovulation kommen werden. Es wird immer besser sein, das exakte Timing einer zu weiten Follikelreifung (20–22 mm) vorzuziehen. ! Im genauen Timing der Gonadotropin-Stimulation und Ovulationsinduktion liegt der Schlüssel zum Erfolg einer Konzeptionsoptimierung bzw. einer Inseminationsbehandlung!
6
Um das Management einer Gonadotropin-Stimulation für den Praxisablauf möglichst einfach zu halten, hat es sich bewährt, die Patientin bereits im vorangehenden Zyklus über den Ablauf der Behandlung aufzuklären. Sie kann beliebig an Tag 2 der Menstruationsblutung mit der Behandlung beginnen. Bewährt hat sich auch die Aufklärung der Patientin, dass sie stets ab dem Tag die Zyklustage zählen soll, an dem bis zum Mittag die Regelblutung eingetreten ist. Findet die erste Menstruationsblutung am Dienstag um 16:00 Uhr statt, wird der Mittwoch als erster Tag gezählt. Findet der Start der Menstruationsblutung am Sonntagmorgen statt, so ist Sonntag der erste Tag. Diese Vorgaben sind wichtig, da die Patientinnen gerade unter den Bedingungen einer Behandlung keine Fehler machen wollen. Wenn auch tatsächlich die Schwankung von ein bis zwei Tagen, also der Start am 2. oder 3. Tag, wenig Relevanz haben dürfte, gibt eine solche Vorgabe der Patientin mehr Sicherheit. ! Versuchen Sie mit Ihren Angaben möglichst immer konkret zu sein. Dies hilft Unsicherheiten auf Seiten des zu behandelnden Paares zu vermeiden.
Manche schlagen vor, vor Beginn jeder Gonadotropin-Stimulation eine Zystenkontrolle transvaginalsonographisch durchzuführen. Eine solche Aussage ist relativ praxisfern und bedeutet mehr Aufwand für den behandelnden Arzt und vor allem einen erheblichen Mehr-Zeitaufwand für die Patientin. Da unter normalen Bedingungen eine Zystenbildung eher unwahrscheinlich ist, hat sich in der täglichen Praxis über vielfache Gonadotropin-Zyklen hinweg bewährt, die Patientin nach dem Eintritt einer Menstruationsblutung »blind« beginnen zu lassen. Man wird durchaus in einigen wenigen Fällen beim ersten Monitoring Zysten finden, sodass dann ggf. auch die Behandlung abgebrochen werden muss. Dies ist jedoch eher in Kauf zu nehmen als die sehr viel häufigeren unnötigen Arztkonsultationen der Patientin, wenn in jedem Zyklus zuvor ein Monitoring durchgeführt wird. Nicht zuletzt bedeutet dies auch einen erheblichen organisatorischen Mehraufwand für die
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Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
Arztpraxis, da diese Termine von einem auf den anderen Tag kurzfristig eingeschoben werden müssen. Besonderheiten bei der Gonadotropin-Stimulation sind dann vonnöten, wenn die Situation droht, dass die Patientin auf die GonadotropinStimulation über- oder unterreagiert. Solche Protokolle sind das »step-up«- und »step-down«-Protokoll. Sie sind schematisch in ⊡ Abb. 6.6 a, b dargestellt. Das »step-up«-Protokoll verfolgt die Idee, dass in jedem individuellen Zyklus bei einer individuellen Patientin eine gewisse FSH-Schwellendosis notwendig ist, um die Follikelreifung anzustoßen. Diese mag bei 50, 75 aber vielleicht auch bei 150 IE liegen. Diese Schwellendosis kann von Zyklus zu Zyklus schwanken, sie ist im Vorweg schätzbar, aber nicht zu kennen. Gerade bei Patientinnen mit PCO-Syndrom hat sich dieses Protokoll bewährt, welches jedoch, nachteilig, zu einer extrem langen Follikelstimula-
! Das »step-up«-Protokoll erfordert eine hohe Disziplin. Die lange Zeit der Stimulation darf nicht dazu verleiten, unvorsichtigerweise die Dosis frühzeitig zu stark zu erhöhen.
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tion führen kann, die durchaus 25–30 Tage dauern kann und mehrfache Besuche der Patientin voraussetzt. Vor Durchführung eines »step-up«Protokolls ist es daher unbedingt notwendig, die Patientin über diese Eigenheiten des Protokolls aufzuklären, damit sie darauf vorbereitet ist, eventuell mehrfach beim Arzt vorstellig zu werden. Die Startdosis eines »step-up«-Protokolls liegt bei 75 IE. Tatsächlich kann es in Einzelfällen sein, dass man beim ersten Monitoring erkennen muss, dass diese Dosis zu hoch gewählt war und die Anfangsdosis auf bis zu 25 IE zu senken ist. Im Normalfall wird man mit 75 IE starten und am 10. Zyklustag das erste Follikelmonitoring durchführen. Wenn an diesem Tag keine Follikelreifung eingetreten ist, wird die Dosis je nach Präparat um 25–37,5 IE erhöht. Diese erhöhte Dosis wird dann für mindestens 7 Tage beibehalten, bevor eine weitere Erhöhung in gleicher Form erfolgen kann.
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3 4 ... 14 15 ... 21 22 ... Tage des menstruellen Zyklus
b B
Wenn beispielsweise an Tag 10 das Endometrium noch strichförmig und die Follikel bei deutlich <10 mm lagen, am Tag 14 aber das Endometrium auf 7 mm angewachsen ist, bei einer Follikelgröße knapp <10 mm, kann dies bereits – ohne Kenntnis der Laborwerte – bedeuten, dass die Follikelreifung auf die gewählte Dosis angesprungen ist. Es sollte dann lieber 3 Tage abgewartet werden, bevor unvorsichtigerweise mit der Folge einer polyfollikulären Reifung die Dosis zu früh und zu stark erhöht wird. ! Man achte beim Monitoring bitte nicht nur auf die Follikelreifung, sondern auch auf das Wachstum und die Morphologie des Endometriums!
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3 4 5 6 7 8 9 10 11 Tage des menstruellen Zyklus
⊡ Abb. 6.6 Schematische Darstellung des (a) »step-up«- und (b) »step-down«-Protokolls. Eine Kästchenhöhe bedeutet 75 IE FSH. Der Pfeil gibt exemplarisch die HCG-Gabe wieder. Einzelheiten sowie Hintergründe zu diesem Protokoll sind im Text dargestellt. (Nach Ludwig et al. 2002)
Die wichtigsten Regeln für das »step-up«-Protokoll lauten also:
▬ Aufklärung der Patientin über die ggf. langwierige Stimulation und häufigen MonitoringBesuche, ▬ Stimulationsbeginn mit 50–75 IE über 14 Tage,
125 6.4 · Möglichkeiten der Stimulation
▬ Erstes Monitoring am Tag 10 ▬ Wenn bis zum 14. Zyklustag keine Follikelreifung eingetreten ist, Erhöhung der Dosis um 25–37,5 IE täglich für mindestens 7 Tage ▬ Wenn am 21. Zyklustag unter dieser Dosis keine Follikelreifung eingetreten ist, ggf. weitere Erhöhung in gleicher Weise für wiederum 7 Tage Sollte nach 28 Tagen noch immer keinerlei Reaktion der Ovarien erkennbar sein, ist die Stimulation abzubrechen und der Zyklus mit einer höheren Dosis oder einem »step-down«-Protokoll erneut zu beginnen. Die Abstände des Monitoring können in Abhängigkeit von der Follikelreifung großzügig gewählt werden. Ist beispielsweise keinerlei Follikelreifung erkennbar (Follikel <10 mm), ist der nächste Monitoring-Besuch 5 Tage später sicherlich nicht zu spät. ! Der eindeutige Vorteil des »step-up«-Protokolls ist die hohe Rate im Erzielen einer mono- oder bifollikulären Reifung.
Das »step-down«-Protokoll beruht auf einem anderen physiologischen Hintergrund: Man bedient sich der normalen Wirkung des FSH, nämlich der Rekrutierung antraler Follikel, für die Follikelreifung in diesem Menstruationszyklus. Es wird daher mit einer relativ hohen Dosis (150 IE) an Tag 2 begonnen. Bereits 2 oder 3 Tage später wird durch ein Monitoring geprüft, ob eine Follikelreifung eingetreten ist. Ist dies der Fall, wird die Dosis sofort um 50 IE gesenkt und auf dieser niedrigeren Dosierung für 3 Tage weiter stimuliert. Am 3. Tag wiederum wird durch ein erneutes Monitoring der Erfolg geprüft. Ist dann keine weitere Follikelreifung, d. h. kein weiteres Wachstum der Follikel, eingetreten, kann die Dosis beibehalten werden mit erneuter Kontrolle 3 Tage später. Sind die Follikel weiter gewachsen, kann die Dosis auf 75 IE gesenkt werden. Diese Dosis kann dann bis zur HCG-Gabe beibehalten werden. ! Das »step-down«-Protokoll erfordert sehr viel Feingefühl und einen relativ hohen Einsatz an Flexibilität zur Follikulometrie.
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Man muss bereit sein, kurzfristig der Patientin Termine einzuräumen, damit es unter der hohen Anfangsdosis nicht zu einer polyfollikulären Reifung kommt. Der eindeutige Vorteil des Protokolls liegt in seiner Kürze und der Schnelligkeit des Erreichens einer Follikelreifung, die häufiger als beim »step-up«-Protokoll mehr als bifollikulär verläuft. In prospektiv-randomisierten Studien unterscheidet sich die Schwangerschaftsrate nur unwesentlich. Die Mehrlingsrate kann unter dem »step-down«-Protokoll etwas höher ausfallen. Die Patientin kann jedoch in jedem individuellen Protokoll beim Heranreifen von mehr als 2 Follikeln individuell für diesen Zyklus über das Mehrlingsrisiko beraten werden. Gemeinsam mit der Patientin muss dann entschieden werden, inwieweit dieses Risiko kalkulierbar und zu tragen ist. Die Dosierung der Medikamente (FSH) hängt von dem gewählten Präparat ab. Soll mit rh-FSH stimuliert werden, ist die höchste Flexibilität bei der Dosierung möglich. Mit dem Medikament Puregon kann durch einen Pen relativ fein eine Dosierung gewählt werden, die normalerweise in 25er Schritten verläuft. Mit dem Medikament Gonal-F kann durch Multidos-Präparate in Schritten von 37,5 Einheiten ebenfalls relativ fein dosiert werden. Hinsichtlich ihrer Effektivität werden sich diese beiden Medikamente nicht unterscheiden. Wird die zusätzliche Gabe von LH-Aktivität notwendig, so kann dies durch Hinzufügen von rh-LH (Luveris) geschehen. Dann wiederum ist der Einsatz von Gonal-F sinnvoller, da beide Medikamente miteinander vermischt in einer Spritze aufgezogen werden können.
6.4.3 Überwachung des Stimulationszyklus Die Überwachung des Stimulationszyklus ist immer notwendig! Dies gilt nicht nur für die Gonadotropin-Stimulation, sondern ebenso für eine Clomifen-Stimulation. Die Follikelreifung ist zu prüfen und insbesondere ist zu kontrollieren, ob ▬ die Follikelreifung vereinbar ist mit der bekannten Tubenfunktion, ▬ eine polyfollikuläre Reifung mit erhöhtem Mehrlingsrisiko eintritt.
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Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
Eine polyfollikuläre, d. h. mehr als monofollikuläre Reifung muss nicht den Abbruch der Stimulation bedeuten, sie muss jedoch eine ausführliche Beratung der Patientin über das individuelle Mehrlingsrisiko in diesem Zyklus nach sich ziehen. ! Es muss stets bedacht werden, dass das Ziel einer jeden Behandlung die Geburt eines Einlings ist. Insbesondere höhergradige Mehrlinge stellen prinzipiell ein Versagen der Behandlung dar.
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Hormonkontrollen beinhalten insbesondere die Bestimmung von Östradiol und LH. Die ÖstradiolBestimmung erlaubt ein zusätzliches Monitoring der Follikelreifung neben der sonographischen Bestimmung der Follikelgröße. Wenn die Follikel regelmäßig wachsen, wird man auf die ÖstradiolBestimmung insbesondere dann verzichten können, wenn unter der Behandlung das Endometrium gut wächst.
6.4.4 Protokolle unter Verwendung von GnRH-Agonisten Bereits frühzeitig wurde im Rahmen der ovariellen Stimulation bei IVF-Protokollen festgestellt, dass der vorzeitige LH-Anstieg ein wesentliches Problem darstellen kann. Studienbox So berichteten Stanger u. Yovich (1985) über 62 Patientinnen zur IVF. Sechzig von ihnen wurden mit Clomifen-Zitrat/HMG, 2 Patientinnen mit HMG allein stimuliert. Bei den Patientinnen, bei denen ein erhöhter LH-Spiegel zum Zeitpunkt der HCG-Gabe vorlag, fand sich eine signifikante Reduktion der Fertilisationsrate und kein Eintritt von Schwangerschaften. Durch die Einführung von GnRH-Agonisten in die Behandlungsprotokolle konnte diese Rate von vorzeitigen LH-Anstiegen signifikant reduziert werden.
Ursprünglich wurden GnRH-Agonisten entwickelt unter der Vorstellung, damit die GnRH-Wirkung antagonisieren zu können. Heraus kamen jedoch Substanzen, die die Wirkung von GnRH
an der Hypophyse simulieren und durch verstärkte Bindung und verlängerte Halbwertszeit dauerhaft dazu führen, dass das natürliche GnRH nicht mehr wirken kann und die kompletten Inhalte der Hypophyse an LH und FSH kurzfristig ausgeschüttet werden. Langfristig kommt es dadurch zu einer Suppression der LH- und FSHSpiegel unter die Nachweisgrenze. Die Struktur von GnRH bzw. GnRH-Agonisten in ⊡ Abb. 6.7 gezeigt. Die Modifikation an den Positionen 6 und 10 brachten die gewünschte Wirkung eines Agonisten. Die genaue Wirkung sieht so aus, dass das natürliche GnRH durch den GnRH-Agonisten von der Rezeptorbindung verdrängt wird. Es handelt sich also um einen kompetitiven Mechanismus. Charakteristisch ist ferner, dass der GnRH-Agonist eine GnRH-eigene Wirkung an der Hypophyse entfaltet und dadurch initial zu einer massiven Ausschüttung von LH und FSH führt. Man spricht von einer »intrinsischen Wirkung«. Die initiale Ausschüttung von LH und FSH bezeichnet man als »flare-up«-Effekt. Dieser Effekt dauert einige wenige Tage (ca. 7) an, bevor der gewünschte Effekt der langfristigen Unterdrückung erreicht ist. Der GnRH-Agonist kann entweder täglich subkutan oder nasal appliziert werden, oder es erfolgt die einmalige Applikation als Depot-Präparat. Verschiedene Protokolle unter Einsatz von GnRH-Agonisten sind in den vergangenen Jahren entwickelt worden. Erstmals berichteten Porter et al. (1984) bei 11 Patientinnen zur IVF-Behandlung über die Anwendung eines GnRH-Agonisten. Sie erzielten in dieser Gruppe eine Schwangerschaft. Das lange Protokoll ist nach wie vor dasjenige, welches weltweit am häufigsten im Rahmen der IVF-Behandlung eingesetzt wird (⊡ Abb. 6.8). Daneben wurden das kurze Protokoll (⊡ Abb. 6.9) und das ultrakurze Protokoll (⊡ Abb. 6.10) entwickelt. ! Eine Meta-Analyse von Protokollen mit GnRHAgonisten hat zeigen können, dass tatsächlich das lange GnRH-Agonisten-Protokoll den anderen Protokollen deutlich überlegen ist und somit zu Recht das meist genutzte GnRH-Agonisten-Protokoll darstellt.
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127 6.4 · Möglichkeiten der Stimulation
Modifikation des originären GnRH-Moleküls 1
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10
pyro (Glu) – His – Trp – Ser – Tyr – Gly – Leu – Arg – Pro – Gly – NH2 ⊡ Abb. 6.7 Struktur der GnRH-Agonisten
Aktivierung des GnRH-Rezeptors
Regulation der GnRHRegulation der Rezeptor-Affinität biologischen Aktivität
Ovulationsinduktion Follikel- Embryopunktion transfer Gonadotropingabe in individueller Dosis Start des GnRH-Agonisten
22. Tag des vorangehenden Zyklus
Lutealphasenunterstützung
1. Gonadotropintag
14 Tage ⊡ Abb. 6.8 Das lange luteale Protokoll. Der Begriff »luteal« kommt daher, dass der GnRH-Agonist in der Mittlutealphase des vorangehenden Zyklus gestartet wird. Daneben findet man das »follikuläre« Protokoll, bei dem der GnRH-Agonist in der frühen Follikelphase gestartet wird. Letzteres Protokoll soll häufiger zu Zystenbildungen führen. Der GnRH-Agonist wird täglich appliziert oder aber einmalig als Depotform. Etwa 14 Tag nach Start des GnRH-Agonisten ist die Suppression erreicht, und die GonadotropinStimulation kann beginnen. Typischerweise findet durch den »flare-up«-Effekt und die nachfolgende Unterdrückung von LH und FSH eine Entzugsblutung etwa 7–9 Tage nach Start des GnRH-Agonisten statt
Ovulationsinduktion Follikel- Embryopunktion transfer Gonadotropingabe in individueller Dosis
Menstruation 1. Gonadotropintag = Start des GnRH-Agonisten
Lutealphasenunterstützung
⊡ Abb. 6.9 Das kurze Protokoll. Hierbei wird der »flare-up«-Effekt des GnRH-Agonisten ausgenutzt. Das heißt, gemeinsam mit dem GnRH-Agonisten beginnt die Gonadotropin-Gabe am 2./3. Zyklustag parallel. Dieses Protokoll wurde insbesondere dann eingesetzt, wenn man eine schlechtere ovarielle Antwort, z. B. bei der älteren Patientin erwartet
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Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
Ovulationsinduktion Follikel- Embryopunktion transfer Gonadotropingabe in individueller Dosis
Menstruation
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1. Gonadotropintag = Start des GnRH-Agonisten
Lutealphasenunterstützung
⊡ Abb. 6.10 Das ultrakurze Protokoll. Es gleicht im Wesentlichen dem kurzen Protokoll (Abb. 6.9). Unterschiedlich zu diesem wird der GnRH-Agonist aber nach 4, max. 5 Tagen gestoppt. Die Idee hinter diesem Protokoll war, eine zu langfristige, negative Auswirkung der Unterdrückung der LH-/FSH-Sekretion durch den GnRH-Agonisten zu vermeiden und durch die verlängerte Nachwirkung des GnRH-Agonisten eine mäßige, aber ausreichende Unterdrückung des vorzeitigen LH-Anstiegs zu erreichen. Durch Einführung der GnRH-Antagonisten ist das ultrakurze Protokoll fast komplett aus der Stimulationsbehandlung verschwunden
6.4.5 Protokolle unter Verwendung von GnRH-Antagonisten GnRH-Antagonisten gehören ebenso wie GnRH-
Agonisten zu den GnRH-Analoga. Der Begriff »GnRH-Analoga« beschreibt, dass diese Substanzen vom GnRH abstammen. Der Begriff »Antagonist« beschreibt, dass diese Substanzen ohne eigene intrinsische Wirkung an den GnRH-Rezeptor der Hypophyse binden und sofort zu einer kompletten Blockade der GnRH-Wirkung führen. Der Effekt ist, dass innerhalb von wenigen Stunden und nicht innerhalb von einigen Tagen eine komplette Suppression der Hypophysenaktivität erreicht werden kann. Die Struktur der GnRH-Antagonisten ist sehr viel komplexer als diejenige von GnRH-Agonisten, und es werden mehr Modifikationen im GnRHMolekül durchgeführt. Momentan sind nur zwei GnRH-Antagonisten für die klinische Anwendung erhältlich. Zum einen das Cetrorelix (Cetrotide 0,25 mg, Cetrotide 3 mg) und zum anderen das Ganerelix (Orgalutran 0,25 mg).
GnRH-Antagonisten haben den Vorteil, dass sie erst dann eingesetzt werden müssen, wenn ein vorzeitiger LH-Anstieg droht. Das heißt, sie werden nicht wie die GnRH-Agonisten bereits zum Zyklusanfang eingesetzt, sondern erst im Lauf der Gonadotropin-Stimulation, wenn die Follikel eine gewisse Größe erreicht haben. In ⊡ Abb. 6.11 ist der Ablauf eines MehrfachdosisAntagonisten-Protokolls und in ⊡ Abb. 6.12 der eines Einfachdosis-Antagonisten-Protokolls dargestellt.
6.4.6 Lutealphasenunterstützung Kurzüberblick Eine Lutealphaseninsuffizienz ist bei polyfollikulärer Reifung immer zu erwarten. Die optimale Unterstützung in der Lutealphase erfolgt durch Progesteron auf vaginalem Weg. Ausreichend ist die Gabe von 90 mg in einem speziellen Applikator bzw. 400–600 mg in GelatineKapseln.
129 6.4 · Möglichkeiten der Stimulation
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Ovulationsinduktion Follikel- Embryopunktion transfer Gonadotropingabe in individueller Dosis
1. Tag der Menstruation Lutealphasenunterstützung
1. Tag der Gonadotropingabe
GnRH–Antagonisten-Gabe ⊡ Abb. 6.11 Das Mehrfachdosis-Protokoll mit GnRH-Antagonisten (Cetrotide 0,25 mg, Orgalutran 0,25 mg). Die Gonadotropinstimulation startet an Tag 2 oder 3 des Menstruationszyklus. Der GnRH-Antagonist wird entweder zu einem fixen Tag (normalerweise Tag 6 der Gonadotropingabe) oder aber mit zunehmender Erfahrung des Behandlers erst bei einer gewissen Follikelgröße von 13–14 mm des Leitfollikels gegeben. Die Gabe erfolgt dann täglich, um die Ovulation so lange zu unterdrücken, bis sie extern durch die HCG-Gabe ausgelöst werden soll. Die individuelle Terminierung des GnRH-Antagonistenstarts nach der Follikelgröße hat den Vorteil, dass dadurch der Verbrauch an GnRH-Antagonisten deutlich reduziert werden kann. Dieses Protokoll eignet sich exzellent zum genauen Timing der Ovulation im Fall von Inseminationszyklen
Ovulationsinduktion Follikel- Embryopunktion transfer Gonadotropingabe in individueller Dosis
1. Tag der Menstruation Lutealphasenunterstützung
1. Tag der Gonadotropingabe
GnRH–Antagonist (3 mg) (Schutz für 96 Stunden) ⊡ Abb. 6.12 Das Einzeldosis-GnRH-Antagonisten-Protokoll. Dieses Protokoll wird mit dem GnRH-Antagonisten Cetrotide 3 mg durchgeführt. Im Wesentlichen gleicht es dem Mehrfachdosis-Protokoll. Hier genügt jedoch die einmalige Applikation des GnRH-Antagonisten, die dann für 96 h wirksam einen vorzeitigen LH-Anstieg unterdrücken kann. Eine wiederholte Gabe des GnRH-Antagonisten ist damit nicht notwendig
130
Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
6.4.6.1 Einleitung Studienbox
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Grundsätzlich ist eine Lutealphaseninsuffizienz im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung als alleinige Ursache der nicht eintretenden Schwangerschaft eher selten zu erwarten. Andererseits wurde in den vergangenen Jahren aber auch deutlich, dass bei ovarieller Stimulation mit einer Lutealphaseninsuffizienz zu rechnen ist. Dies scheint insbesondere dann zu gelten, wenn eine multifollikuläre Reifung erzielt worden ist. Bisher wurden verschiedene mögliche Erklärungen für die Entstehung einer Lutealphaseninsuffizienz diskutiert.
Der Einsatz von GnRH-Agonisten im langen Protokoll
Diese Substanzen sollten durch ihre längerfristige Wirkung die Gonadotropin-Aktivität der Lutealphase hemmen und dadurch die Stimulation des Corpus luteum behindern. Mittlerweile ist jedoch deutlich geworden, dass auch ohne GnRH-Agonisten, z. B. beim Einsatz von GnRH-Antagonisten, mit einer Lutealphaseninsuffizienz zu rechnen ist. Ferner wurde gezeigt, dass auch ohne GnRH-Agonisten mit multifollikulärer Reifung eine Lutealphaseninsuffizienz zu erwarten ist. Die multifollikuläre Reifung
Eine multifollikuläre Reifung geht mit supraphysiologisch hohen Steroidhormonwerten (Östradiol, Progesteron) einher. Diese dauern über die Follikelphase in die Lutealphase hinein an und bedingen einen negativen feed-back auf die hypothalamisch-hypophysäre Stituation. Dies bewirkt dann offenbar eine langfristige Suppression der hypophysären Aktivität in der Lutealphase. Dadurch entsteht eine Lutealphaseninsuffizienz. LH und FSH werden nicht mehr pulsatil ausgeschüttet, sodass das Corpus luteum nicht mehr stimuliert wird. Die Gabe von HCG
HCG hat im Gegensatz zu LH eine längere Halbwertszeit. Zwar ist diskutiert worden, ob diese län-
gere Halbwertszeit einen negativen »Feed-Back« auf die hypothalamisch-hypophysäre Situation ausübt und damit die Corpus-luteum-Aktivität hemmt. Da eine Corpus-luteum-Insuffizienz jedoch auch nach Ovulationsauslösung mit GnRH-Agonisten oder rekombinatem LH eintritt, wenn eine multifollikuläre Reifung vorliegt, scheint diese These nicht zu stimmen. Die Entfernung von Granulosazellen bei der Follikelpunktion im Rahmen der IVF
Dies ist einerseits eine interessante These, da natürlich die Minderung des Zellmaterials im entstehenden Corpus luteum eine Corpus-luteumInsuffizienz nach sich ziehen kann, andererseits konnte diese These jedoch nie bewiesen werden. Tatsächlich ist es so, dass auch ohne Follikelpunktion mit einer Corpus-luteum-Insuffizienz zu rechnen ist, wenn eine multifollikuläre Reifung eingetreten ist. Eine Lutealphasenunterstützung kann – wenn sie notwendig ist – ausreichend gut mit Progesteron durchgeführt werden. Alternativen bestehen in der Gabe von HCG zur Stimulation des Corpus luteum oder einer zusätzlichen Gabe von Östradiol. Offenbar sind die 2 Strategien – HCG und Progesteron – gleichwertig hinsichtlich der Chance, schwanger zu werden. Die physiologischen Zusammenhänge sind in ⊡ Abb. 6.13 dargestellt. ! Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Gabe von HCG das Überstimulationsrisiko (OHSS – »ovarian hyper-stimulation-syndrome«) erhöht.
6.4.6.2 Applikation von Progesteron Progesteron kann oral, vaginal, rektal und transdermal appliziert werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der intramuskulären Gabe. Letztere ist hoch effektiv, jedoch sehr unangenehm, und sollte daher eher die Methode der zweiten Wahl darstellen. Es bietet sich die Gabe von 25–50 mg Progesteron i.m. täglich oder alle 2 Tage in Abhängigkeit von der Schwere der Corpus-luteum-Insuffizienz an. Die orale Gabe von Progesteron führt zu einer hohen Metabolisierung und einer oralen Biover-
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131 6.4 · Möglichkeiten der Stimulation
Vagina
hCG-Gabe
Vene
Arterie
Corpus luteum
weitere Faktoren?
Uterus - Myometrium - Endometrium Systemisch
Vaginale Progesterongabe ⊡ Abb. 6.13 Wirkungsmechanismus von HCG und Progesteron bei der Lutealphasenunterstützung
fügbarkeit von weniger als 10%. Stattdessen entstehen in hohen Raten unphysiologische Metabolite, die insbesondere eine sedierende Wirkung haben. Daher sollte die orale Applikation von Progesteron gemieden werden. Optimal ist die vaginale Gabe von Progesteron aufgrund des »first uterine pass effects« (de Ziegler 1995). Dieser Mechanismus besagt, dass das Progesteron durch die vaginale Applikation direkt am Zielorgan Uterus wirken kann und zu einer vollständigen physiologischen sekretorischen Transformation führt. Dies geschieht trotz relativ niedriger Serumspiegel, die um den Faktor 14 niedriger liegen als die Konzentrationen, die im Uterus erreicht werden. Der Mechanismus, über den Progesteron in den Uterus gelangt, ist nicht komplett klar. Am ehesten handelt es sich um einen vagino-uterinen gegenläufigen Austausch (Miles et al. 1994; Cicinelli et al. 1998; ⊡ Abb. 6.14).
Blutfluss
Östradiol
Blutfluss
Progesteron
⊡ Abb. 6.14 Transport des vaginalen Progesterons. Der vagino-uterine gegenläufige Austausch (»counter current exchange«) übernimmt ein Prinzip aus der Industrie. Dort wird bei der Kühlung von Substanzen eine warme Flüssigkeit an einer kalten vorbeigeleitet. Dabei trifft dann sehr kalte Flüssigkeit auf sehr heiße, sodass ein maximaler Energietransfer gewährleistet ist. Ebenso wird offenbar von dem vaginal applizierten Progesteron Substanz an das venöse System und von dort an das arterielle System abgegeben. Man findet daher hohe Progesteron-Konzentrationen, z. B. in der Arteria ovarica, die sehr viel höher liegen als z. B. in der Kubitalvene. (Nach Miles et al. 1994; Cincinelli et al. 1998)
Studienbox Daneben könnte eine direkte Diffusion, wie im Ex-vivo-Modell bereits vor einigen Jahren demonstriert, zum Transport von Progesteron beitragen (Bulletti et al. 1997). Diese Kollegen konnten an Hysterektomie-Präparaten mit einer Vaginalmanschette zeigen, dass radioaktiv markiertes Progesteron innerhalb von 4–6 h den gesamten Uterus erreicht. Venöse oder lymphatische Transportwege (Cicinelli u. de Ziegler 1999) mögen einen weiteren Mechanismus darstellen.
6.4.6.3 Positive Wirkung von transvaginalem Progesteron Neben der physiologischen Transformation des Endometriums hat vaginal appliziertes Progesteron eine direkte Wirkung auf die uterine Aktivität im Myometrium.
132
Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
Studienbox So konnte die Arbeitsgruppe um Fanchin et al. (2001) in verschiedenen Arbeiten zeigen, dass eine hohe Progesteron-Konzentration zu einer Abnahme der uterinen Peristaltik führt (Fanchin et al. 1998, 2001). Grafisch lässt sich dies wie in ⊡ Abb. 6.15 darstellen. Ferner konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass eine längerdauernde Vorbereitung mit vaginalem Progesteron im Rahmen eines IVFProgramms dazu führte, dass die Kontraktionen abnahmen (⊡ Abb. 6.16).
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Bisher ist nur ein einziges Präparat für die vaginale Applikation von mikronisiertem Progesteron zugelassen. Dies ist Crinone-8%-Vaginalgel (90 mg Progesteron). Es handelt sich um ein speziell für die Vaginalapplikation entwickeltes System mit einem entsprechenden Applikator. Progesteron ist dabei in einem Ölreservoir enthalten, wird von dort in eine wässrige Phase und von dort an die Vaginalhaut abgegeben. Dies gewährleistet ein kontinuierliche Abgabe über mehrere Stunden. Das in dem Gel enthaltene Polycarbophil ist für die gute Haftung des Crinone-Gels an der Vaginalhaut verantwortlich. Alternativen zur vaginalen Progesteron-Applikation bieten Suppositorien oder Gelatine-Kapseln, die ursprünglich allerdings für eine orale Applikation entwickelt worden waren (z. B. 100 mg pro Kapsel).
6.5
Ovarielles Hyperstimulationssyndrom
6.5.1 Einleitung Kurzüberblick Das Überstimulationssyndrom (»ovarian hyperstimulation syndrome« – OHSS) ist eine iatrogene Erkrankung mit hohem Risikopotential und möglichem lebensbedrohlichen Charakter (Thromboembolie). Klinisch klagt die Patientin über Unterbauchschmerzen, Übelkeit und Abgeschlagenheit. Sonographisch zeigen sich stark vergrößerte Ovarien (>10 cm) und ggf. Aszites. Beim schweren OHSS muss die Patientin ggf. ambulant i.v. Flüssigkeit erhalten oder stationär aufgenommen werden.
Das ovarielle Überstimulationssyndrom (OHSS) ist eine iatrogen induzierte Erkrankung, bei der es durch Bildung von vasoaktiven Substanzen zur Verschiebung von Flüssigkeit aus dem Intravasalraum in den sog. dritten Raum kommt. Dadurch bilden sich Aszites, Oedeme, Pleuraergüsse und ggf. auch Perikardergüsse. Durch Konzentration im Intravasalraum (Hämatokrit-Anstieg) sowie durch direkte Wirkung der vasoaktiven Substanzen im Sinne einer Thrombophilie erhöht sich das Thromboembolierisiko. Bisher ist nicht genau geklärt, um welche Substanzen es sich dabei handelt, verschiedene wurden bisher identifiziert und diskutiert. Einen wichtigen Trigger bildet in jedem Fall die Gabe von HCG. Sie ist in der Lage, das Corpus luteum zu stimulieren und zu einer vermehrten Freisetzung von vasoaktiven Substanzen beizutragen (Ludwig et al. 1999). Grundsätzlich kann ein Überstimulationssyndrom auch spontan im Rahmen einer Frühschwangerschaft bei exorbitant hohen HCG-Werten (Molenschwangerschaften) auftreten. Dies ist jedoch eine absolute Rarität. Inwieweit auch genetische Faktoren an der Entwicklung eines OHSS beteiligt sind, ist offen. Studienbox Erste Arbeiten, z. B. zu Mutationen des FSHRezeptors als Ursache für ein OHSS wurden publiziert. (Smits et al. 2003; Vasseur et al. 2003; Kaiser et al. 2003). ! Prinzipiell kann ein OHSS immer auftreten!
Auch unter Clomifen-Stimulation sind Fälle von OHSS – wenn auch selten – beschrieben. In jedem Fall muss eine Patientin, die Gonadotropine erhält, über dieses Risiko aufgeklärt werden, dies insbesondere deswegen, weil die Thromboembolie ein schweres, lebensbedrohliches Risiko darstellt. Vermeidbar ist ein OHSS prinzipiell nur durch eine vorsichtige Stimulation. Auch bei vorsichtigster Stimulation können jedoch Fälle auftreten, da es offenbar eine individuelle Disposition für dieses Krankheitsbild gibt. Es muss jedem Arzt, der eine GonadotropinStimulation durchführt, klar sein, dass ein solches Problem auftreten kann. In diesen Fällen müssen
6
133 6.5 · Ovarielles Hyperstimulationssyndrom
Plasmaprogesteron (ng/ml)
Implantationsrate
60
100
50
80
40
60
30
40
20
20
10
klinische Schwangerschaften (%)
Schwangerschaftsrate
120
0
0 <3,1
3,1-4,0
4,1-5,0
>5,0
uterine Kontraktionen/min
50
5
Kontraktionen / min
n = 43
n = 41
4
40
3
30
2
20
1
10
0
0 Beginn Crinone 8% am Tag der FOPU
Uterine Kontraktionen am Tag des ET
Schwangerschafts- und Implantationsraten (%)
⊡ Abb. 6.15 Uterine Kontraktionen und Schwangerschaften. Je höher die Plasma-Progesteron-Konzentration war, desto geringer war die Zahl der uterinen Kontraktionen pro Minute. Dies wiederum hatte eine negative Korrelation zur klinischen Schwangerschaftsrate und Implantationsrate zur Folge. (Nach Fanchini et al. 1998)
Beginn Crinone 8% am Tag des ET (FOPU + 2) Implantationsraten
Schwangerschaftsraten
⊡ Abb. 6.16 Uterine Kontraktionen und Schwangerschaften. Wenn vaginales Progesteron in Form von Crinone 8%igem Vaginalgel bereits am Tag der Follikelpunktion (FoPu) begonnen wurde, waren die Kontraktionszahlen geringer und die Schwangerschaftsraten sowie Implantationsraten höher im Vergleich zum Beginn des Progesterons erst am Tag des Embryotransfers, also 2 Tage später. (Nach Fanchini et al. 2001)
134
Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
eine engmaschige Überwachung der Patientin und eine adäquate Therapie gewährleistet sein.
6.5.2 Pathogenese des OHSS
6
Da das OHSS durch HCG getriggert wird, werden häufig solche Fälle wenige Tage nach der Follikelpunktion mit dem Aufblühen des Corpus luteum unter der Restwirkung des HCG zur Ovulationsinduktion beobachtet (»early onset«). Etwas seltener wird man Fälle sehen, die mit dem Einsetzen der Frühgravidität beginnen und auf den endogenen Anstieg des HGG zurückzuführen sind (»late onset«). Nicht untypisch ist ferner ein zweigipfliger Verlauf mit einem OHSS innerhalb von 7 Tagen nach Follikelpunktion im Rahmen der IVF, gefolgt von einem Abklingen der Beschwerdesymptomatik und wiederum gefolgt von einem erneuten Aufblühen etwa 10 Tage nach Punktion. In solchen Fällen kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft geschlossen werden, selbst wenn ein HGG-Test zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgeführt worden war.
6.5.3 Therapie des OHSS Das OHSS kann nach dem Vorschlag der WHO in drei verschiedene Schweregrade eingeteilt werden. Eine Übersicht hinsichtlich der Einteilung dieser Schweregrade ist in ⊡ Tabelle 6.2a, b wiedergegeben. Für den niedergelassenen Kollegen hat die Einteilung in die Schweregrade sowie die Therapie insofern Relevanz, als er nicht selten mit Patientinnen konfrontiert sein wird, die nach der Therapie in einem IVF-Zentrum in der täglichen Praxis mit einem OHSS wieder vorstellig werden. Ein leichtes OHSS, d. h. eine geringgradige Vergrößerung der Ovarien, findet man in fast allen Fällen. Problematisch sind das Auftreten von Aszites und ggf. Pleuraergüssen sowie eine massive Vergrößerung der Ovarien (>10 cm), verbunden mit einer Hämatokrit-Steigung im Blut. Während das eine subjektiv unangenehm ist, ist das andere
(Hämatokrit) einer der Schlüsselmechanismen zur Risikoerhöhung der Thromboembolie. Leitparameter bei der Behandlung von OHSS-Patientinnen ist damit neben dem klinischen Befundbild die Messung des Hämatokrits. Bei einem erhöhten Risiko, d. h. einer Eizellzahl von >10–15 Eizellen, und einer Patientin mit klinischen Beschwerden (Unterbauchschmerzen) muss zuerst an ein OHSS höheren Grades gedacht werden. Sonographisch zeigt sich nicht selten ein Aszites bei polyzystisch vergrößerten Ovarien. ! Der Hämatokrit-Wert sollte möglichst bei <40% liegen. Die Patientin soll angehalten werden, 2–3 l Flüssigkeit täglich zu sich zu nehmen. Eine vermehrte Ruhe der Patientin ist nicht notwendig. Von sportlichen Aktivitäten sollte sie – so nicht ohnehin subjektiv unmöglich – Abstand nehmen, da ein erhöhtes Risiko für eine ovarielle Stieldrehung besteht.
Steigt der Hämatokrit-Wert über 40% bei entsprechendem Risikoprofil an, sollte die Patientin Heparin zur Thromboseprophylaxe erhalten. Man muss dabei stets im Hinterkopf haben, dass eine Patientin mit OHSS prinzipiell durch die stattgefundene hormonelle Stimulation und die dadurch bedingte Thrombophilie ein erhöhtes Thromboserisiko hat! Die Thrombose wird durch den hohen Hämatokrit begünstigt. Der auslösende Mechanismus liegt aber sehr wahrscheinlich in einem anderen Bereich. Steigt der Hämatokrit auf über 45%, sollte die Patientin stationär aufgenommen werden oder zumindest intravenös Flüssigkeit erhalten und zu täglichen Kontrollen vorstellig werden. Auf die intensivmedizinische Überwachung einer OHSS-Patientin mit Störung der Elektrolytbalance (Hyponatriämie) sowie einer Hypoproteinämie, Oligo-/Anurie oder schwereren Komplikationen soll hier nicht näher eingegangen werden, da es den Rahmen dieses Buches sprengen würde. ! Es sei aber daran erinnert, dass die Patientin mit schwerem OHSS, die ambulant durch Flüssigkeitszufuhr oral oder intravenös nicht geführt werden kann, unter stationäre Beobachtung gehört!
135 6.5 · Ovarielles Hyperstimulationssyndrom
⊡ Tabelle 6.2a. Klassifikation des OHSS. (Nach Rabau et al. 1967) Klassifikationen nach WHO (1973) I (leicht)
II (mäßiggradig)
III (schwer)
Klinische und laborchemische Befunde I
Östradiolkonzentration >1500 pg/ml Ovarialzysten bis 5 cm
II
Ovarienvergrößerung bis 12 x 12 cm Abdominale Beschwerden
III
Abdominale Aufblähung Übelkeit
IV
Erbrechen
V
Ovarienvergrößerung >12 x 12 cm Aszites
VI
Pleuraerguß Schwere Hämokonzentration Thromboembolien
⊡ Tabelle 6.2b. Klassifikationen des OHSS. (Nach Golan et al. 1988) Klassifikationen Leicht
Klinische und laborchemische Befunde I
Abdominales Spannungsgefühl Unwohlsein
II
Übelkeit Erbrechen Durchfall
Mäßig
III
Aszites sonographisch nachweisbar
Schwer
IV
Aszites klinisch nachweisbar Pleuraerguss Dyspnoe
V
Hämokonzentration Veränderung der Gerinnungsparameter Verminderte Nierendurchblutung und -funktion
6
136
Kapitel 6 · Grundlagen der ovariellen Stimulation
Literatur
6
Bulletti C, De Ziegler D, Flamigni C et al. (1997) Targeted drug delivery in gynaecology: the first uterine pass effect. Hum Reprod 12:1073-1079 Cicinelli E, De Ziegler D (1999) Transvaginal progesterone: evidence for a new functional ‘portal system’ flowing from the vagina to the uterus. Hum Reprod Update 5:365-372 Cicinelli E, Cignarelli M, Sabatelli S et al. (1998) Plasma concentrations of progesterone are higher in the uterine artery than in the radial artery after vaginal administration of micronized progesterone in an oil-based solution to postmenopausal women. Fertil Steril 69:471-473 De Ziegler D (1995) Hormonal control of endometrial receptivity. Hum Reprod 10:4-7 Golan A, Ron-El R, Herman A et al. (1988) Ovarian hyperstimulation syndrome following D-Trp-6 luteinizing hormonereleasing hormone microcapsules and menotropin for in vitro fertilization. Fertil Steril 50:912-916 Fanchin R, Righini C, Olivennes F et al. (1998) Uterine contractions at the time of embryo transfer alter pregnancy rates after in-vitro fertilization. Hum Reprod 13:1968-1974 Fanchin R, Ayoubi JM, Olivennes F et al. (2000) Hormonal influence on the uterine contractility during ovarian stimulation. Hum Reprod 15 (Suppl 1):90-100 Fanchin R, Ayoubi JM, Righini C et al. (2001) Uterine contractility decreases at the time of blastocyst transfers. Hum Reprod 16:1115-1119 Fauser BC, de Jong D, Olivennes F et al. (2002) Endocrine profiles after triggering of final oocyte maturation with GnRH agonist after cotreatment with the GnRH antagonist ganirelix during ovarian hyperstimulation for in vitro fertilization. J Clin Endocrinol Metab 87:709-715 Kaiser UB (2003) The pathogenesis of the ovarian hyperstimulation syndrome. N Engl J Med 349:729-732. Kolibianakis EM, Zikopoulos KA, Fatemi HM et al. (2004) Endometrial thickness cannot predict ongoing pregnancy achievement in cycles stimulated with clomiphene citrate for intrauterine insemination. Reprod Biomed Online 8:115-118 Kovacs P, Matyas S, Boda K et al. (2003) The effect of endometrial thickness on IVF/ICSI outcome. Hum Reprod 18:23372341
Ludwig M, Jelkmann W, Bauer O et al. (1999) Prediction of severe ovarian hyperstimulation syndrome by free serum vascular endothelial growth factor concentration on the day of human chorionic gonadotrophin administration. Hum Reprod 14:2437-2441 Ludwig M, Felberbaum RE, Diedrich K (1999) Interactions of GnRH analogues and gonadotrophins. In: Adashi EY, Baird DT, Crosignani PG (Hrsg) Gonadotrophins and Fertility. 1 Aufl Rom, Christengraf 125-143 Ludwig M, Felberbaum RE, Diedrich K et al. (2002) Ovarian stimulation: from basic science to clinical application. Reprod Biomed Online 5 (Suppl 1) 73-66 Miles RA, Paulson RJ, Lobo RA et al. (1994) Pharmacokinetics and endometrial tissue levels of progesterone after administration by intramuscular and vaginal routes: a comparative study. Fertil Steril 62:485-490 Porter RN, Smith W, Craft IL et al. (1984) Induction of ovulation for in-vitro fertilisation using buserelin and gonadotropins. Lancet 2:1284-1285 Rabau E, David A, Serr DM et al. (1967) Human menopausal gonadotropins for anovulation and sterility. Am J Obstet Gynecol 98:92-98 Recombinant LH study group (2001) Human recombinant luteinizing hormone is as effective as, but safer than, urinary human chorionic gonadotropin in inducing final follicular maturation and ovulation in in vitro fertilization procedures: results of a multicenter double-blind study. J Clin Endocrinol Metab 86:2607-2618 Smits G, Olatunbosun O, Delbaere A et al. (2003)Ovarian hyperstimulation syndrome due to a mutation in the follicle-stimulating hormone receptor. N Engl J Med. 2003;349:760-766 Stanger JD, Yovich JL (1985) Reduced in-vitro fertilization of human oocytes from patients with raised basal luteinizing hormone levels during the follicular phase. Br J Obstet Gynaecol 92:385-393 Vasseur C, Rodien P, Beau I et al. (2003)A chorionic gonadotropin-sensitive mutation in the follicle-stimulating hormone receptor as a cause of familial gestational spontaneous ovarian hyperstimulation syndrome. N Engl J Med 349:753-759
7
Aufklärung zu Schwangerschaft und Geburt nach assistierter Reproduktion 7.1
Einleitung – 138
7.2
Risiko von entzündlichen Komplikationen, ektopen und heterotopen Schwangerschaften – 138
7.3
Abortrate nach Sterilitätsbehandlung – 140
7.4
Mehrlingsrisiko
7.5
Schwangerschaftserkrankungen – 142
7.6
Geburtsrisiken für die Kinder – 143
7.7
Fehlbildungsrate – 144
7.8
Bedeutung des unerfüllten Kinderwunsches als Risikofaktor für Schwangerschaft und Geburt – 145 Literatur
– 148
– 140
138
Kapitel 7 · Aufklärung zu Schwangerschaft und Geburt nach assistierter Reproduktion
Kurzüberblick Bei der Aufklärung zur Schwangerschaft und Geburt nach Sterilitätstherapie muss Folgendes berücksichtigt werden: ▬ Es besteht ein sterilitätabhängiges erhöhtes Abortrisiko, welches offenbar durch die Behandlung nicht beeinflusst wird. ▬ Es besteht ein erhöhtes Risiko für ektope Schwangerschaften (1:15–1:35 gegenüber 1:50–1:100). ▬ Es besteht ein massiv erhöhtes Risiko für heterotope Schwangerschaften (1:100 gegenüber 1:30.000). ▬ Es besteht ein erhöhtes Risiko für Mehrlingsgraviditäten mit entsprechend assoziierten Problemen. ▬ Es besteht ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskomplikationen (z. B. Präeklampsie). ▬ Es besteht, unabhängig von der gewählten Behandlungsform, ein erhöhtes Risiko für ein zu niedriges Geburtsgewicht, welches ebenfalls mit der Sterilität assoziiert auch unabhängig von einer Behandlung aufzutreten scheint. ▬ Es besteht ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko in allen Schwangerschaften nach assistierter Reproduktion gegenüber spontan konzipierten Schwangerschaften.
7
Die Paare sind so aufzuklären, dass ein mit der Behandlungstechnik assoziiertes Risiko nicht auszuschließen ist, aber ein Sterilität assoziiertes Risiko nicht unwahrscheinlich vorliegt.
7.1
Einleitung
Verschiedene Dinge müssen im Rahmen der assistierten Reproduktion und im Rahmen der Aufklärung berücksichtigt werden. Dazu gehören: ▬ Operative Risiken der Follikelpunktion ▬ Risiko von Frühaborten ▬ Mehrlingsproblematik ▬ Risiko von extrauterinen und heterotopen Schwangerschaften ▬ Schwangerschaftskomplikation ▬ Fehlbildungsrisiko ▬ Postpartale Entwicklung
Eingangs sei zur Verdeutlichung der Problematik im Rahmen einer IVF-Behandlung, verschiedene Dinge zu diagnostizieren, ein relativ komplexer Fall geschildert (Ludwig et al. 1999).
7.2
Risiko von entzündlichen Komplikationen, ektopen und heterotopen Schwangerschaften
Eine 25-jährige Patientin mit Tubenverschluss und PCO-Syndrom wurde im Rahmen der IVF-Behandlung therapiert. Es war eine Behandlung nach dem GnRH-AgonistenProtokoll (langes Protokoll) geplant. Es kam zur Ausbildung einer Zyste vor Stimulationsbeginn, die auch unter Zuwarten nicht regredierend war. Die Zyste wurde daher transvaginal in üblicher Weise punktiert. Etwa 7 Tage später kam es bei Auftreten von Unterbauchschmerzen zu einem CRP-Anstieg auf etwa 135 mg/l. Die Patientin erhielt eine orale Antibiose und war danach klinisch relativ beschwerdefrei. Die Transvaginalsonographie war wiederholt unauffällig. Etwa 3 Wochen später kam es zu einer zunehmenden Unterbauchsymptomatik, die schließlich im Rahmen eines akuten Abdomens eine laparoskopische Intervention nach sich zog. Dabei zeigte sich ein Tuboovarialabszess, der eröffnet und gespült wurde. Die Patientin erhielt eine i.v.-Antibiose.
Wie ⊡ Tabelle 7.1 zeigt, ist die Zeit vom Eingriff bis zur Diagnose und Intervention in diesem geschilderten Fall nicht ungewöhnlich lang. Tatsächlich muss sowohl im Rahmen einer Follikelpunktion als auch im Rahmen einer einfachen Zystenpunktion, insbesondere bei Vorhandensein eines Endometrioms, mit der Möglichkeit eines Tuboovarialabszesses gerechnet werden. Auch im Rahmen eines Embryotransfers kann durch die transzervikale Manipulation eine solche Komplikation entstehen. Verschiedene Interventionsmöglichkeiten wurden in der Literatur beschrieben (⊡ Tabelle 7.1).
7
139 7.2 · Risiko von entzündlichen Komplikationen
⊡ Tabelle 7.1. Risiko der Entwicklung eines Tuboovarialabszesses im Rahmen einer transvaginalen Punktion (Zystenpunktion, Follikelpunktion; FOPU). Das Risiko liegt bei etwa 1:1.000. (Nach Ludwig et al. 2000) Auslösendes Ereignis
Zystenpunktion Dicker et al. (1998) Wei u. Chen (1998) Younis et al. (1997)
Friedler et al. (1996)
Zeit bis zur Diagnose und Intervention
FOPU
Behandlung
i.v. -Antibiose
x Endometriom x x x Nur Embryotransfer
LSK
Laparotomie
8
x
x
7
x
x
40 52 22
x x x
x x
5
x
x
Zweemer et. al. (1996)
x
ca. 300
x
x
Marlowe u. Lupetin (1995)
x
39
x
x
Perez et al. (1995)
x
7
x
x
Padilla (1993)
Endometriom
14
x
x
Nur Embryotransfer
8
x
x
5
x
Sauer u. Paulson (1992) Shulman et al. (1995)
Die Patientin unterzog sich nach dem operativen Eingriff weiter einer IVF-Behandlung. Eine intrauterine Geminianlage wurde erzielt, und es kam zur Entwicklung eines OHSS Grad III. Die Ovarien waren auf etwa 10 cm vergrößert, es bildete sich Aszites. Die Patientin wurde ambulant regelmäßig bei Unterbauchschmerzen kontrolliert, schließlich, 48 Tage nach Follikelpunktion, stationär aufgenommen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren keine anderen Komplikationen erkennbar gewesen. Fünf Tage später erfolgte die laparoskopische Abklärung bei gutem Abdomen. Es zeigte sich eine heterotope Triplet-Gravidität mit intrauterinen Gemini und Extrauteringravidität rechts. Die Patientin wurde salpingektomiert.
Bei diesem Fall ist zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit von Extrauteringraviditäten
prinzipiell bei einer tubaren Gravidität auf eine Frequenz von 1:15 bis 1:35 erhöht ist gegenüber einem Risiko von 1:50 bis1:100 bei natürlicher Konzeption. Die Inzidenz von heterotopen Schwangerschaften
x x
ist massiv erhöht auf etwa 1:100 im Vergleich zu 1:30.000 unter natürlichen Bedingungen. Dies liegt nicht zuletzt an dem Transfer von mehreren Embryonen und insbesondere auch an dem Vorhandensein eines tubaren Faktors. Definition
Heterotope Gravidität: Implantation von zwei oder mehr Embryonen innerhalb derselben Schwangerschaft an verschiedenen Orten (z. B. intrauterin-intratubar, intratubar links und intratubar rechts etc.).
Das Erkennen von extrauterinen bzw. heterotopen Schwangerschaften, wie in diesem Fall, ist prinzipiell erschwert durch: ▬ Abdominelle Beschwerden durch OHSS ▬ Vergrößerte Ovarien ▬ Fast regelmäßig Auftreten von Aszites Nicht selten kann die Differenzialdiagnose einzig und allein durch eine laparoskopische Intervention geklärt werden.
7
140
Kapitel 7 · Aufklärung zu Schwangerschaft und Geburt nach assistierter Reproduktion
7.3
Abortrate nach Sterilitätsbehandlung
Eine erste kontrollierte Erhebung von Frühabortraten aus einem Kinderwunschkollektiv unter Berücksichtigung einer spontanen bzw. nicht-spontanen Konzeption wurde von Pezeshki et al. (2000) publiziert. Die Ergebnisse sind in ⊡ Tabelle 7.2 wiedergegeben. Es zeigt sich darin, dass unabhängig davon, ob die Schwangerschaft auf normalem Weg eintrat oder aber durch eine aktive Behandlung, die Abortrate nicht unterschiedlich war. Auch wenn bei diesem Kollektiv die Zahl der Fälle noch klein und die Gruppen sicherlich nicht 100%ig miteinander vergleichbar waren, demonstrieren diese Daten doch sehr deutlich, dass bei einem Kinderwunschkollektiv prinzipiell von einem Hochrisikokollektiv ausgegangen werden muss. Damit kann die hohe Abortrate von 20–25%, wie sie stets in Statistiken als erhöht beschrieben wird, eben nicht nur auf die Kinderwunschbehandlung bezogen werden. Es muss auch das Risikokollektiv beachtet werden. Möchte man ein Paar, welches nach einer IVFBehandlung schwanger geworden ist, beraten, wie hoch die Abortrate zu einem bestimmten Zeitpunkt der Schwangerschaft zu kalkulieren ist, können dazu die Daten aus ⊡ Abb. 7.1 hilfreich sein. Diese Daten wurden aus einem umfangreichen Kollektiv von Einlingsschwangerschaften nach IVF-Behandlung erhoben.
Bei der Beurteilung der Abortrate nach Sterilitätsbehandlung muss berücksichtigt werden, dass vermehrt die Diagnose auch von biochemischen Schwangerschaften in die Statistik eingeht. Biochemische Schwangerschaften werden zudem durch hormonelle Unterstützung so lange prolongiert, bis aufgrund eines deutlich erhöhten Endometriums in deutlich fortgeschrittener Schwangerschaftswoche bei dann nicht mehr haltbarer Schwangerschaft eine Kürettage indiziert ist. Zu dem Zeitpunkt gelten diese Aborte dann als klinisch, auch wenn – teilweise – keine intrauterine Schwangerschaft gesehen worden war. Ferner werden natürlich mehr Aborte im Rahmen der Kinderwunschbehandlung registriert, da diese Erfassung in aller Regel prospektiv und nicht retrospektiv erfolgt. Man muss bei der Beurteilung der Abortrate auch beachten, dass es um ein besonderes Risikokollektiv geht. Es werden u. a. PCO-Syndrom-Patientinnen sowie ältere Frauen in dem Kollektiv vorhanden sein, bei denen grundsätzlich eine erhöhte Abortrate zu erwarten ist. So muss bei PCO-Syndrom-Patientinnen mit einer Abortrate von etwa 30–40% gerechnet werden. Bei älteren Patientinnen wird die Abortrate bei der über 40-jährigen Frau auf >25% ansteigen (s. ⊡ Abb. 4.36). Insofern liegt das Hauptproblem beim Vergleich der Abortraten nach Sterilitätsbehandlung zu solchen nach spontaner Konzeption darin, dass nur unzulängliche Kontrollkollektive vorliegen. Eine Aufstellung zu Abortraten nach verschiedenen Studienkollektiven findet sich bei Ludwig (2002).
7.4
Mehrlingsrisiko
Mehrlinge, insbesondere höhergradige Mehrlinge, stellen ein gesundheitliches Problem nicht nur für die Kinder selbst, sondern auch für die betroffenen Eltern dar. Man kann allgemein davon
⊡ Tabelle 7.2. Risiko von Frühaborten – Ergebnisse einer retrospektiven, kontrollierten Untersuchung. Gezeigt ist ein Kollektiv von Kinderwunschpatientinnen, welches teilweise durch eine aktive Behandlung, teilweise auf einer Warteliste spontan konzipierte. Unabhängig vom Konzeptionsmodus war die Abortrate vergleichbar. (Nach Pezeshki et al. 2000)
n Spontanabort
n %
Ovulationsinduktion
IVF
Andere
Spontane Konzeption
240
96
57
107
51 21,3
19 19,8
18 31,6
28 26,2
141 7.4 · Mehrlingsrisiko
ausgehen, dass höhergradige Mehrlinge (Drillinge oder mehr) eine soziale Katastrophe darstellen. ⊡ Tabelle 7.3 zeigt die erwarteten Prävalenzen für
Einlinge, Zwillinge und höhergradige Mehrlinge im Vergleich der spontanen Konzeption und der assistierten Reproduktion. Was die Risiken für Mutter und Kinder angeht, sei an dieser Stelle auf andere, ausführlichere Darstellungen verwiesen. Hinsichtlich der Gesundheit der Kinder zeigt ⊡ Tabelle 7.4 eine Übersicht über die massiv erhöhte Sterblichkeit der Kinder. Es sei weiterhin darauf verwiesen, dass nach neueren Statistiken in jeder 5. höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft mit einem schwerbehinderten oder verstorbenen Kind gerechnet werden muss (Ludwig et al. 2004). Die Rate von Schwangerschaftskomplikationen ist bei Mehrlingen deutlich erhöht.
⊡ Tabelle 7.3. Darstellung der erhöhten Mehrlingsrate nach assistierter Reproduktion Spontane Konzeption [%]
Assistierte Reproduktion [%]
Einlinge >98,0
Einlinge 76
Zwillinge 1,1
Zwillinge 22
Drillinge und höher <0,01
Drillinge und höher 2
⊡ Tabelle 7.4. Ausgang von Mehrlingsschwangerschaften. (Nach Doyle et al. 1996) Mortalität (pro 1.000 Lebendgeborene)
Einlinge
Zwillinge
Drillinge und höher
Totgeburten
4,4
14,2
19,3
Frühe neonatale Sterblichkeit (bis 6. Lebenstag)
2,9
22,8
75,6
Späte neonatale Sterblichkeit (7.–27. Lebenstag)
0,8
3,9
10,6
Säuglingssterblichkeit (28. Lebenstag bis Ende 1. Lebensjahr)
2,4
6,3
15,1
Sterblichkeit innerhalb des 1. Lebensjahres
6,1
33,0
101,4
Abortrisiko (%) 25 21, 1 20
15
12, 2
11, 9
10
8, 2 4, 2
5
2, 2
0 alle Aborte nach positiver Herzaktion
>7. SSW
7
>9. SSW
>11. SSW
>13. SSW
⊡ Abb. 7.1 Abortrisiko nach IVF-Daten aus 1.200 Einlingsschwangerschaften. (Nach Tummers et al. 2003)
142
Kapitel 7 · Aufklärung zu Schwangerschaft und Geburt nach assistierter Reproduktion
7.5
Schwangerschaftserkrankungen
Neben dem erhöhten Risiko von Schwangerschaftserkrankungen im Rahmen von Mehrlingsgraviditäten scheinen diese Erkrankungen auch in Einlingsschwangerschaften aufgrund vorbestehender Risiken wie Alter, Adipositas und endokrinologischen Veränderungen erhöht zu sein. Dies gilt neben der Präeklampsie auch zum Beispiel für das Risiko eines Gestationsdiabetes. In verschiedenen Statistiken wurde gezeigt, dass offenbar prinzipiell
7
eine erhöhte Präeklampsierate auch in Einlingsschwangerschaften nach assistierter Reproduktion zu erwarten ist. In zwei Meta-Analysen konnte mittlerweile überzeugend nachgewiesen werden, dass bei Kindern nach IVF im Vergleich zu solchen nach spontaner Konzeption das Risiko für die perinatale Mortalität, die Frühgeburtlichkeit, das »very low birth weight« (VLBW) und die Wachstumsretardierung (»small for gestational age«) signifikant erhöht war (⊡ Tabelle 7.5).
⊡ Tabelle 7.5. Ergebnisse eines systematischen Reviews und einer Meta-Analyse zum neonatalen Outcome von Einlingen nach ART (Helmerhorst et al. 2003; Jackson et al. 2004) Jackson et al. (2004)
Helmerhorst et al. (2003)
Publikationszeitraum
1978–2002
1985–2002
Einschlusskriterien
▬ Vergleich von IVF mit Spontankonzeption ▬ Mehr als 50 % Standard-IVF (nicht Standard-IVF: ICSI, GIFT, Kryozyklen, Transfer von Donorembryonen) ▬ Mehr als 50 % der Kontrollgruppe waren fertil ▬ Mindestens kontrolliert für Parität und maternales Alter ▬ Getrennte Auswertung von Einlingsund Mehrlingsschwangerschaften ▬ Exakt definierte Outcome-Parameter ▬ Angabe von relativen Risiken mit 95% Konfidenzinterval oder ausreichend Daten, um dies zu berechnen
▬ Kategorische Daten zeigen mindestens eines der folgenden Outcomes: Schwangerschaft und Geburtsgewicht, Sectio, perinatale Mortalität, Aufnahme auf der neonatologischen Intensivstation ▬ Studien ohne Kontrollgruppe mit spontan konzipierten Schwangerschaften oder Studien, die Einlinge und Mehrlinge nicht getrennt auswerten, wurden ausgeschlossen
Studiengruppe
12.283 Einlinge
5.361 Einlinge
Kontrollgruppe
1,9 Millionen Einlinge
7.038 Einlinge
Risiko der perinatalen Mortalität
OR 2,2 [95 % Kl 1,6–3,0]
RR 1,68 [95 % Kl 1,11–2,55]
Risiko einer Frühgeburt (<37 Wochen)
OR 2,0 [95 % Kl 1,7–2,2]
RR 2,04 [95 % Kl 1,80–2,32]
Risiko einer sehr frühen Frühgeburt (<32 Wochen)
n.v.
RR 3,27 [95 % Kl 2,03–5,28]
Risiko eines niedrigen Geburtsgewichts (<2.500 g)
OR 1,8 [95 % Kl 1,4–2,2]
RR 1,40 [95 % Kl 1,15–1,71]
Risiko eines sehr niedrigen Geburtsgewichts (<2.500 g)
OR 2,7 [95 % Kl 2,3–3,1]
RR 3,00 [95 % Kl 2,07–4,36]
Risiko für SGA
OR 1,6 [95 % Kl 1,3–2,0]
RR 1,40 [95 % Kl 1,15–1,71]
Risiko einer Sectio caesarea
n.v.
RR 1,54 [95 % Kl 1,44–1,66]
Risiko der Aufnahme in der neonatalen Intensivstation
n.v.
RR 1,27 [95 % Kl 1,16–1,40]
GIFT: Gamete intrafallopian-Transfer, ICSI: Intracytoplasmische Spermieninjektion, OR: Odd ratio, RR: Relatives Risiko, Kl: Konfidenzinterval, n.v.: nicht vorhanden, SGA: small for gestational age
143 7.6 · Geburtsrisiken für die Kinder
7
⊡ Tabelle 7.6. Schwangerschaftskomplikationen bei Einlingen nach ICSI. Daten einer prospektiv kontrollierten Studie. (Nach Katalinic et al. 2004) Schwangerschaften
ICSI n=2055
[%]
Kontrolle n=7861 [%]
RR
[95% KI]
Plazenta praevia
47
2,3
28
0,4
6,42
[4,03; 10,22]
Plazentainsuffizienz
79
3,8
82
1,0
3,69
[2,72; 5,00]
Abruptio placentae
42
2,0
89
1,1
1,81
[1,26; 2,60]
SIH oder Präeklampsie
193
9,4
569
7,2
1,30
[1,11; 1,52]
Frühgeburt
248
12,1
524
6,7
1,80
[1,56; 2,08)
SIH: Schwangerschafts-induzierter Hypertonus, RR: relatives Risiko, KI: Konfidenzintervall
Als erste Vermutung lag nahe, dass diese Risiken möglicherweise durch das Kollektiv von IVFSchwangeren verursacht werden. Dieses Kollektiv hat vermehrt mit Erkrankungen im inneren Genitaltrakt zu rechnen. Andererseits finden sich diese Risiken aber auch in prospektiven Erhebungen zu Schwangerschaften nach ICSI, bei denen der männliche Faktor im Vordergrund steht (Katalinic et al. 2004, ⊡ Tabelle 7.6). Insbesondere hinsichtlich des Präeklampsierisikos konnte gezeigt werden, dass dies nicht von der Spermienherkunft abhängig war. Unabhängig davon, ob ejakulierte, testikulierte oder epididymale Spermien verwendet worden waren, lag das Risiko bei 4,8 bzw. 5,3% (Ludwig u. Katalinic 2003). ! Schwangere müssen somit nach jeglicher Art der assistierten Reproduktion darüber aufgeklärt werden, dass ein erhöhtes Risiko nicht nur für Mehrlingsschwangerschaften, sondern auch für Einlingsschwangerschaften besteht. Bei diesen Risiken ist insbesondere über das erhöhte Präeklampsierisiko aufzuklären.
7.6
Geburtsrisiken für die Kinder
Bereits in der Vergangenheit wurden vielfach Daten zur erhöhten Frühgeburtlichkeit, auch von Einlingen, im Rahmen von IVF-Schwangerschaften publiziert. Bezüglich der Schwangerschaften nach ICSI weisen die Daten der Deutschen ICSI-follow-upStudie ein vergleichbares Risiko auf (⊡ Tabelle 7.7).
Die Daten zeigen einen deutlich erhöhten Anteil von Kindern mit einem Geburtsgewicht <2.500g und 1.500g. Die Sektiorate ist signifikant erhöht, wobei sicherlich auch psychologische Faktoren auf Seiten des behandelnden Arztes, wie auch auf Seiten des behandelten Paares mitspielen (vermehrtes Sicherheitsbedürfnis). Wie sind diese Risiken zu erklären? Ein gemeinsamer Aspekt, der in beiden Kollektiven – sowohl IVF als auch ICSI – mitspielt, ist die In-vitro-Kultur. Ein kausal-pathogenetischer Mechanismus diesbezüglich ist aber nur schwer vorstellbar. Studienbox Daten aus einer US-amerikanischen Erhebung konnten kürzlich sehr gut demonstrieren, dass das erhöhte Risiko für die Geburt eines Kindes mit zu niedrigem Geburtsgewicht offenbar deutlich abhängig ist von der die Schwangerschaft austragenden Mutter. Wurden in dieser Studie alle Frauen nach einer IVF-Behandlung berücksichtigt, so war das Risiko, wie in den Vorstudien, um etwa den Faktor 2 erhöht. Wurden jedoch in einer Subanalyse Frauen berücksichtigt, die im Rahmen einer Leihmutterschaft schwanger geworden waren, so existierte dieses Risiko nicht. Frauen im Rahmen einer Leihmutterschaft sind solche, die auf normalem Weg schwanger werden könnten, freiwillig aber ein Kind nach IVF für ein anderes Paar austragen (⊡ Tabelle 7.8).
144
Kapitel 7 · Aufklärung zu Schwangerschaft und Geburt nach assistierter Reproduktion
⊡ Tabelle 7.7. Geburtsdaten von Kindern nach ICSI im Vergleich zu spontan konzipierten Kindern (nur Einlinge). Daten einer prospektiv kontrollierten Studie. (Nach Katalinic et al. 2004) ICSI
Kontrolle
p
Kinder/Feten
2055
7861
Männlich : weiblich
50,1%:49,1%
51,5%:48,5%
n. s.
Schwangerschaftsalter (Wochen)
38,4±3,4
39,2±2,3
<0,01
Geburtsgewicht (g)
3214±714
3368±580
<0,01
Geburtsgewicht <2.500g
10,9%
5,3%
<0,01
Geburtsgewicht <1.500g
3,2%
1,1%
<0,01
Entbindungsmodus
7
<0,01
Sectio caesarea
33,5%
13,9%
Vaginal operativ
7,5%
8,7%
Spontan
58,6%
74,7%
Andere/unbekannt
0,4%
2,7%
⊡ Tabelle 7.8. Risiko eines zu geringen Geburtsgewichts nach assistierter Reproduktion. Es zeigt sich ein erhöhtes Risiko (1,8) für alle nach IVF geborenen Kindern in dieser Statistik. In der Subanalyse derjenigen Frauen, die nach Leihmutterschaft schwanger geworden sind (fertile Mütter) besteht dieses Risiko jedoch nicht. In ihrer Aussagekraft begrenzt werden diese Daten durch das natürlicherweise kleine Kollektiv in dieser Subanalyse. (Nach Schieve et al. 2002) Gesamt
Beobachtete Fälle
Erwartete Fälle
Relatives Risiko [95% Konfidenzintervall]
Alle Kinder
18,398
2423
1339,4
1,8 (1,7–1,9)
Nur Einlinge
16,730
2104
1197,1
1,8 (1,7–1,8)
Eizellspende
1,397
190
119,3
1,6 (1,4–1,8)
Männliche Subfertilität
2,759
329
195,9
1,7 (1,5–1,9)
Leihmutterschaft
180
16
13,3
1,2 (0,6–1,8)
! Insgesamt gesehen muss also ein Paar vor jeglicher Maßnahme der assistierten Reproduktion über das Risiko eines zu niedrigen Geburtsgewichts aufgeklärt werden. Wesentlich scheint hierbei die zugrunde liegende Sterilität bzw. damit assoziiert, teils nicht näher bestimmbare Faktoren zu sein.
7.7
Fehlbildungsrate
Verschiedene Statistiken konnten zeigen, dass zwischen IVF und ICSI das Fehlbildungsrisiko nicht unterschiedlich hoch ist (Bonduell et al. 2002; Hansen et al. 2002). Ferner konnte aber auch gezeigt werden, dass im Vergleich von ICSI bzw. IVF zu
145 7.8 · Bedeutung des unerfüllten Kinderwunsches als Risikofaktor
7
⊡ Tabelle 7.9. Analyse von Subkohorten einer Meta-Analyse zum Risiko großer Fehlbildungen nach IVF und ICSI. Daten aus Hansen et al. 2005) Anzahl der Studien
OR (gesamt)
95 % KI
Große Fehlbildungen
15
1,32
1,20–1,45
Alle Kinder (Einlinge und Mehrlinge)
17
1,36
1,28–1,45
Nur Einlinge
15
1,31
1,17–1,46
Nur IVF
12
1,94
1,50–2,50
Nur ICSI
5
1,28
1,14–1,43
OR: Odd ratio, Kl: Konfidenzinterval
spontaner Konzeption das Risiko erhöht ist (Ludwig u. Katalinic 2002; Katalinic et al. 2004; Hansen et al. 2002). Zwischenzeitlich wurden alle diese Studien in einer Meta-Analyse ausgewertet (Hansen et al., 2005) (⊡ Tabelle 7.9) ! Die Daten erlauben, ein Paar in der Weise aufzuklären, dass in jeder 15. spontan konzipierten Schwangerschaft und in jeder 12. Schwangerschaft nach ICSI bzw. IVF mit einer Fehlbildung zu rechnen ist.
Dieses erhöhte Risiko kann teilweise durch Hintergrundfaktoren (z. B. Alter) erklärt werden. Ein Restrisiko ist jedoch durch diese Zahlen nicht darstellbar. Es muss darüber hinaus gehende Faktoren geben, die entweder wiederum in der Sterilität selbst oder aber auch in äußeren Faktoren (z. B. der In-vitro-Kultur) liegen könnten. Die Paare müssen diesbezüglich so aufgeklärt werden, dass ein behandlungsassoziiertes Risiko letztlich nicht ausgeschlossen werden kann. Die Beratung muss dabei auch berücksichtigen, dass, abhängig von der Ursache der Sterilität, ein erhöhtes Risiko an Chromosomenanomalien vorliegt. Insofern sind zumindest beim Vorliegen einer männlichen Subfertilität Chromosomenanalysen bei beiden Partnern nach der jetzigen Datenlage definitiv gerechtfertigt. Im Fall einer obstruktiven Azoospermie ist das Risiko für das Vorliegen und für Mutationen im CFTR-Gen (»cystic fibrosis transmembrane regulator gene«) wahrscheinlicher. Diese Mutationen können bei homozygoter
Veranlagung zum Auftreten einer Mukoviszidose führen. Ferner ist bei Männern mit einer Spermienzahl <5 Mill/ml das Risiko von Mikrodeletionen des Y-Chromosoms erhöht. Solche Mikrodeletionen werden bei jedem nach dieser Behandlung geborenen Sohn wiederum zu einem erhöhten Risiko einer männlichen Subfertilität führen. Da darüber hinaus mit Sicherheit nicht alle genetischen Faktoren für die männliche Subfertilität bekannt sind, muss so aufgeklärt werden, dass in jedem Fall der männlichen Subfertilität – also beim Vorliegen eines eingeschränkten Spermiogramms – das Risiko von Nachkommen mit wiederum vorhandener männlicher Subfertilität erhöht sein wird. Die Indikation für eine invasive Pränataldiagnostik sollte sich aber nicht nach der durchgeführten Maßnahme richten, sondern nach individuellen Faktoren. Eine invasive Pränataldiagnostik in jeder nach IVF oder ICSI eingetretenen Schwangerschaft ist zum Beispiel nach unauffälligem Ultraschall im ersten Trimester (unauffällige NT-Messung) nicht gerechtfertigt.
7.8
Bedeutung des unerfüllten Kinderwunsches als Risikofaktor für Schwangerschaft und Geburt
Wie bereits in den vorangehenden Unterkapiteln wiederholt bemerkt, kann nach verschiedenen Datenerhebungen auch der unerfüllte Kinderwunsch selbst als Risikofaktor angenommen werden.
Kapitel 7 · Aufklärung zu Schwangerschaft und Geburt nach assistierter Reproduktion
Studienbox So konnten zum Beispiel Pandian et al. (2001) zeigen, dass bei 877 Paaren mit idiopathischer Sterilität (mehr als 12 Monate unerfüllter Kinderwunsch) in etwa 57% eine Schwangerschaft eintrat. In diese Studie gingen 372 Einlingsschwangerschaften ein, denen 32.969 Einlingsschwangerschaften, die bei fertilen Paaren eingetreten waren, gegenübergestellt wurden. Beide Kollektive wurden über einen Zeitraum von 10 Jahren in derselben Klinik erhoben. Unabhängig davon, ob die Schwangerschaften bei idiopathischer Sterilität mit oder ohne Therapie eingetreten waren, war das Risiko für verschiedene Schwangerschaftskomplikationen deutlich erhöht: ▬ Abruptio placentae, relatives Risiko 3,05 [95% KI 1,4–6,2] ▬ Präeklampsie, relatives Risiko 5,61 [95% KI 3,3–9,3] ▬ Sectio caesarea, relatives Risiko 1,46 [95% KI 1,1–1,8] ▬ Weheninduktion, relatives Risiko 1,24 [95% KI 1,0–1,5]
7
1,7 1,6 1,5 1,4 1,3
Auch andere konnten dieses rein sterilitätsassoziierte Risiko nachvollziehen. So war in einer dänischen Erhebung zu zeigen, dass bei einer Zeit bis zum Eintreten der Schwangerschaft von mehr als 6 bzw. 12 Monaten das Risiko für eine Präeklampsie signifikant anstieg (Basso et al. 2003). Diese Zusammenhänge sind in ⊡ Abb. 7.2 dargestellt. Im Rahmen einer Multivarianzanalyse änderten sich diese Risiken kaum, wenn auch unregelmäßige Zyklen, Alter, BMI und Rauchen berücksichtigt worden waren. Schließlich wurde in populationsbezogenen Studien ebenfalls in Dänemark das Risiko einer Frühgeburtlichkeit in Abhängigkeit von der Zeitdauer bis zum Eintreten einer Schwangerschaft untersucht. Berücksichtigt wurden Daten aus der sog. ÅrhusStudie (1989–1991), in die 3.985 Frauen mit Einlingsschwangerschaften, davon 3.757 ohne Sterilitätsbehandlung eingingen. Als zweite Untersuchung ging die Aalborg-Odense-Studie ein (1984–1987), in der 8.855 Frauen mit Einlingsschwangerschaften, davon 8.179 ohne Sterilitätsbehandlung Berücksichtigung fanden (Henriksen et al. 1997). Die Ergebnisse dieser Studie sind in ⊡ Tabelle 7.10 dargestellt. Auch hier fand sich das erhöhte Frühgeburtlichkeitsrisiko unabhängig von einer Sterilitätsbehand-
nur Einlinge, nur Primiparae Multiparae (>12 Monate): 3,10 [95 % Kl 1,66-5,80] kaum Änderung bei Multivariaranalyse für: - unregelmäßige Zyklen - Alter - BMI - Rauchen
1,62 [95 % Kl 1,14-2,30]
146
1,2 1,1 1,0 0,9 0,8 sofort
1-2 Monate
3-5 Monate
6-12 Monate
>12 Monate
⊡ Abb. 7.2 Der unerfüllte Kinderwunsch als Risikofaktor – Präeklampsie. Das Risiko einer Präeklampsie in Abhängigkeit von der Zeit bis zum Eintreten einer Schwangerschaft. Berücksichtigt wurden nur Einlinge sowie Primiparae. Allerdings war auch bei Multiparität und Zeit bis zur Schwangerschaft von mehr als 12 Monaten das Risiko signifikant höher [relatives Risiko 3,10 (95% KI 1,66–5,80)]. (Nach Basso et al. 2003)
7
147 7.8 · Bedeutung des unerfüllten Kinderwunsches als Risikofaktor
lung – allein abhängig von der Zeitdauer bis zum Eintritt einer Schwangerschaft.
? In-vitro-Kultur? erhöhte Abortrate
Studienbox
abnorme plazentare Hormonsynthese
Sterilität bei gleichzeitiger »Subfertilität«
Es soll an dieser Stelle auch erwähnt sein, dass es durchaus Belege aus molekulargenetischen Studien im Tiermodell gibt, die genetische Faktoren für eine plazentare Dysfunktion verantwortlich machen können (Georgiadis et al. 2001; Wu et al. 2003).
ImprintingFehler?
erhöhte Präeklampsierate
Implantationsstörungen Plazentationsstörungen
erhöhte Rate an PlazentaInsuffizienz
erhöhte Sectiorate
Es könnte sich bei Sterilitätspaaren so verhalten, dass zugrunde liegende Implantationsstörungen Plazentationsstörungen nach sich ziehen. Diese wären in der Lage, alle hier dargestellten erhöhten Risiken zu erklären. Es soll jedoch auch deutlich gemacht werden, dass schließlich die in letzter Zeit diskutierten »Imprinting«-Fehler sowie die erhöhte Fehlbildungsrate sich durchaus in dieses Erklärungsmodell einfügen, aber auch andere Ursachen haben können. Ferner muss in jedem Beratungsgespräch festgehalten werden, dass die In-vitro-Kultur ebenfalls einen Einfluss haben kann. Diese Zusammenhänge sind nochmals in ⊡ Abb. 7.3 dargestellt. Die dafür verantwortlichen genetischen Veränderungen wären nach verschiedenen Studien im
Fehlbildungen?
mehr Frühgeburtlichkeit
erhöhte Rate an IUGR-Feten
? In-vitro-Kultur? ⊡ Abb. 7.3 Mögliches Erklärungsmodell für erhöhte Risiken bei Schwangerschaft und Geburt nach langdauerndem unerfülltem Kinderwunsch bzw. Sterilitätsbehandlung. Implantationsstörungen könnten ein ursächlicher Faktor dafür sein, dass bei gleichzeitiger Subfertilität des Partners eine Sterilität auftritt. Implantationsstörungen, die Plazentationsstörungen nach sich ziehen, wären ein hinreichendes Erklärungsmodell für die erhöhte Abortrate, aber auch für die bekannte abnorme plazentare Hormonsynthese, die z. B. den Triple-Test in seiner Auswertbarkeit nach Kinderwunschbehandlung vielfach falsch-positiv werden lässt (erhöhte HCG-Werte!)
⊡ Tabelle 7.10. Daten aus populationsbezogenen Studien in Dänemark. Unabhängig davon, ob die Schwangerschaft nach Sterilitätsbehandlung oder ohne Steriltätsbehandlung eintrat, war das Risiko für eine Frühgeburtlichkeit in Abhängigkeit von der Zeitdauer des unerfüllten Kinderwunsches deutlich erhöht. (Nach Henriksen et al. 1997) Zeit bis Schwangerschaft
Aarhus-Studie OR 95% KI
Aalborg-Odense-Studie OR 95% KI
≤6 Monate
1
–
1
–
7–12 Monate
1,3
0,8–2,1
1,3
0,8–2,0
>12 Monate
1,7
1,1–2,6
1,6
1,1–2,2
≤6 Monate
1
–
1
–
7–12 Monate
1,3
0,8–2,1
1,2
0,7–1,8
>12 Monate
1,6
1,0–2,7
1,8
1,2–2,2
Alle Frauen
Keine Sterilitätsbehandlung
148
Kapitel 7 · Aufklärung zu Schwangerschaft und Geburt nach assistierter Reproduktion
Tiermodell durchaus in der Lage, auch die fraglich erhöhte Rate von »Imprinting«-Fehlern bzw. die bekannte erhöhte Rate an Fehlbildungen zu erklären. Als weiterer Einflussfaktor muss aber die In-vitro-Kultur weiterhin in jedem Aufklärungsgespräch Berücksichtigung finden.
Literatur
7
Basso O, Weinberg CR, Baird DD et al. (2003) Subfecundity as a correlate of preeclampsia: a study within the Danish National Birth Cohort. Am J Epidemiol 157:195-202 Bonduelle M, Liebaers I, Deketelaere V et al. (2002) Neonatal data on a cohort of 2889 infants born after ICSI (1991– 1999) and of 2995 infants born after IVF (1983–1999). Hum Reprod 17:671-694 Dicker D, Dekel A, Orvieto R et al. (1998) Ovarian abscess after ovum retrieval for in-vitro fertilization. Hum Reprod 13:1813-1814 Doyle P (1996) The outcome of multiple pregnancies. Hum Reprod (Suppl 4) 11:110-117 Friedler S, Ben Shachar I, Abramov Y et al. (1996) Ruptured tuboovarian abscess complicating transcervical cryopreserved embryo transfer. Fertil Steril 65:1065-1066 Georgiades P, Watkins M, Burton GJ et al. (2001) Roles for genomic imprinting and the zygotic genome in placental development. Proc Natl Acad Sci U S A 98:4522-4527 Hansen M, Kurinczuk JJ, Bower C et al. (2002) The risk of major birth defects after intracytoplasmic sperm injection and in vitro fertilization. N Engl J Med 346:725-730 Hansen M, Bower C, Milne E, de Klerk N, Kurinczuk J (2005) Assisted reproductive technologies and the risk of birth defects – a systematic review. Hum Reprod 20: 328-338 Helmerhorst FM, Perquin DA, Donker D, Keirse MJ (2003) Perinatal outcome of singletons and twins after assisted conception: a systematic review of controlled studies. BMJ 328: 261 Henriksen TB, Baird DD, Olsen J et al. (1997) Time to pregnancy and preterm delivery. Obstet Gynecol 89:594-599 Jackson RA, Gibson K, Wu YW et al. (2001) Adverse perinatal outcomes in singleton gestations achieved with in-vitro fertilization: a meta-analysis. Fertil Steril (Suppl 1) 76:68 Jackson RA, Gibson KA, Wu YW, Croughan MS (2004) Perinatal outcomes in singletons following in vitro fertilization: a meta-analysis. Obstet Gynecol 103: 551-563 Katalinic A, Rösch C, Ludwig M (2004) Pregnancy course and outcome after intracytoplasmic sperm injection (ICSI) – a controlled, prospective cohort study. Fertil Steril in press Ludwig M, Felberbaum RE, Bauer O et al. (1999) Ovarian abscess and heterotopic triplet pregnancy: two complications after IVF in one patient. Arch Gynecol Obstet 263:25-28 Ludwig M (2002) Pregnancy and birth after assisted reproductive technologies. 1 ed. Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York Ludwig M, Katalinic A (2002) Malformation rate in fetuses and children conceived after intracytoplasmic sperm injection (ICSI): results of a prospective cohort study. Reprod Biomed Online 5:171-178
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8
Individuelle Therapieentscheidung 8.1
Einleitung – 150
8.2
Beispiele zur Entscheidungsfindung
8.2.1
Beratung vor und während der Entscheidungsfindung für eine IVF-/ICSI-Behandlung – 154 Aufbau eines langfristigen Entscheidungsbaumes – 156 Langdauernder Kinderwunsch – 157 Negative Begleitfaktoren – 157 Ablehnung der Behandlung aufgrund gesundheitlicher Risiken Akute prämature Ovarialinsuffizienz (POF; »premature ovarian failure«) – 160 Alternative Beratung bei mehreren Optionen – 162
8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6 8.2.7
Literatur
– 162
– 154
– 158
150
Kapitel 8 · Individuelle Therapieentscheidung
8.1
Einleitung
Kurzüberblick Nach Abschluss der Anamnese sowie der notwendigen Diagnostik ergibt sich bei dem individuellen Kinderwunschpaar ein komplexes, aus zahlreichen Einzelbefunden und Einzelinformationen bestehendes Bild, welches nur als Ganzes gesehen in einer sinnvollen Therapie münden kann.
8
Dies ist beispielhaft in ⊡ Abb. 8.1 wiedergegeben. Diese grundlegende Überlegung ist die Basis jeder in den folgenden Fallberichten dargestellten Entscheidung. Im Zentrum der ⊡ Abb. 8.1 steht ein Spermiogramm, welches für sich genommen sowohl eine Inseminationsbehandlung als auch eine ICSIBehandlung rechtfertigen würde. Es zeigt sich ein OAT-Syndrom mit einer Einschränkung der Zahl (<20 Mio./ml), der Beweglichkeit (<50% WHO A+B) und der Morphologie (<15%) (WHO 1999). Nur im Zusammenhang mit weiteren Befunden, insbesondere den Befunden der dazugehörigen Partnerin, wird man eine sinnvolle und für das Paar akzeptable Entscheidung treffen können.
Es sei an dieser Stelle auch angemerkt, dass schließlich einzig und allein das behandelte Paar entscheiden wird, welche Therapieform überhaupt in Frage kommt. Wichtig ist, dass dem Paar die Möglichkeit zur eigenständigen Entscheidung nach Kenntnis aller Chancen und Risiken gegeben wird. Es sind 5 verschiedene Partnerkonstellationen angedacht. 1. Partnerin
▬ ▬ ▬ ▬
Alter 24 Jahre Kinderwunsch 1½ Jahre PCO-Syndrom Amenorrhoe
Bei einer amenorrhoischen PCO-Patientin im Alter von 24 Jahren wird man annehmen müssen, dass in dieser Partnerschaft bisher zu keinem Zeitpunkt überhaupt die Chance auf eine Konzeption bestanden hat. Die Einschränkung des Spermiogramms muss insofern relativ betrachtet werden, als durchaus Schwanger▼
Es zählen nicht die Einzelbefunde - es zählt die Gesamtschau
1. Partnerin Alter: 24 Jahre Kinderwunsch: 1 ½ Jahre PCO Syndrom Amenorrhö
2. Partnerin Alter: 29 Jahre Kinderwunsch: 8 ½ Jahre Zyklus: 30-32/4 Tubenfaktor: unbekannt
Spermiogramm 3. Partnerin 4. Partnerin 12 Mio/ml Alter: 30 Jahre Alter: 39 Jahre 22% Motilität (WHO A+B) Kinderwunsch: 2 Jahre Kinderwunsch: 2 Jahre 8% normale Morphologie Zyklus: 28/4-5 Z. n. Chlamydieninfekt vor 4 Jahren (positiver Abstrich während Adnexitis) Tubenfaktor o. B. 5. Partnerin Alter: 30 Jahre Kinderwunsch: 5 ½ Jahre Z. n. Chlamydieninfekt vor 7 Jahren (positiver Abstrich während Adnexitis) ⊡ Abb. 8.1 Die Bedeutung der Einzelbefunde tritt gegenüber dem Gesamtbefund des betroffenen Paares zurück (I)
151 8.1 · Einleitung
schaften auf spontanem Weg damit erwartet werden können. Der Eintritt einer Schwangerschaft wird sicherlich nicht innerhalb der ersten 6, wahrscheinlicher in 12–18 oder 24 Monaten möglich sein. Aufgrund des Alters der Patientin und der zu Grunde liegenden endokrinologischen Symptomatik (PCO-Syndrom) wäre zum Beispiel bei einer adipösen Patientin über die Prüfung der peripheren Insulinresistenz und ggf. die Indikationsstellung zur Metformin-Therapie zu entscheiden. Eine Stimulationsbehandlung mit Clomifen könnte angedacht werden. In jedem Fall wäre, sofern das Paar dazu bereit ist, eine Konzeption per vias naturales der sinnvollste Weg. Wenn das Paar eine invasivere Therapie wünscht, könnte auch über eine Inseminationsbehandlung, dann aber unter Clomifen-Stimulation (!) nachgedacht werden. Entgegen den Darstellungen auf Seite 98 wäre der Clomifen-Stimulation hier der Vorzug zu geben, da eine Gonadotropin-Stimulation mit höheren Risiken, insbesondere einem höheren Mehrlingsrisiko, vergesellschaftet wäre. Auf die Durchführung einer laparaskopischen Abklärung des Tubenfaktors könnte in der Gesamtkonstellation zunächst verzichtet werden. Sollten 3–6 Inseminationsbehandlungen nicht zum Erfolg führen – trotz ovulatorischer Zyklen unter Clomifen – wäre eine ICSIBehandlung anzudenken.
2. Partnerin
▬ ▬ ▬ ▬
Alter 29 Jahre Kinderwunsch 8½ Jahre Zyklus 30–32/4 Tubenfaktor unbekannt
Hier wird – gegenüber Konstellation 1 – von einer älteren Partnerin (29 Jahre) und insbesondere einem lang bestehenden Kinder▼
wunsch über 8½ Jahre bei regelmäßigem Zyklus ausgegangen. Der Tubenfaktor ist bisher nicht abgeklärt – in dieser Konstellation stellt sich jedoch diese Frage eigentlich nicht. Das Paar muss darüber aufgeklärt werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer Spontankonzeption bzw. einer Konzeption durch Inseminationsbehandlung nach 8½ Jahren unerfüllten Kinderwunsches unter Berücksichtigung des vorliegenden Spermiogramms bei unter 3–5% liegt. Es muss von einer schwerwiegenderen Sterilität ausgegangen werden (⊡ Abb. 4.41), sodass die Abklärung des Tubenfaktors eher keine Bedeutung mehr hat. Unabhängig davon, ob die Tuben durchgängig sind oder nicht, würde man dem Paar allein aufgrund der Kinderwunschdauer die Durchführung einer ICSI-Behandlung nahelegen. Damit bestehen Chancen im Rahmen von 25–30% Schwangerschaftsrate pro Behandlungsversuch.
3. Partnerin
▬ ▬ ▬ ▬
Alter 39 Jahre Kinderwunsch 2 Jahre Zyklus 28/4-5 Tubenfaktor o.B.
Bei der 39-jährigen Patientin besteht ein unauffälliger Zyklus, der Tubenfaktor ist abgeklärt. Die Kinderwunschdauer spricht nicht gegen die Durchführung einer Inseminationsbehandlung, jedoch ist das Alter zu berücksichtigen. Das Alter allein sollte eine Inseminationsbehandlung nicht ausschließen, es sollte jedoch die Zahl der Inseminationen auf 2 maximal 3 begrenzen. Danach sollte in dieser Konstellation dem Paar eine ICSI-Behandlung nahegelegt werden. Falsch wäre andererseits nicht die direkte Indikationsstellung zur ICSI-Therapie, wenn das Paar dies nach ausführlicher Aufklärung wünscht. Das Alter hat im Rahmen einer Inseminationsbehandlung einen wesentlichen Stellenwert (⊡ Abb. 4.37; s. Seite 103).
8
152
Kapitel 8 · Individuelle Therapieentscheidung
4. Partnerin
▬ Alter 30 Jahre ▬ Kinderwunsch 2 Jahre ▬ Zustand nach Chlamydien-Infekt vor 4 Jahren
▬ Positiver Abstrich während Adnexitis
8
Unter diesen Voraussetzungen sollten bei dem vorliegenden Spermiogramm, sofern das Paar eine ähnlich invasive Kinderwunschbehandlung wie eine Inseminationsbehandlung akzeptiert, die Tuben in jedem Fall durch eine laparoskopische Untersuchung abgeklärt werden. Der vorangehende Chlamydien-Infekt macht dies notwendig. Nur wenn die Tuben komplett unauffällig sind, wäre bei dem vorliegenden Spermiogramm eine Inseminationsbehandlung gerechtfertigt. Auch kleinere tubare Auffälligkeiten sollten eher dazu führen, dem Paar eine ICSI-Behandlung nahezulegen.
5. Partnerin
▬ ▬ ▬ ▬
Alter 30 Jahre Kinderwunsch 5½ Jahre Zustand nach Chlamydien-Infekt vor 7 Jahren Positiver Abstrich während Adnexitis
Gegenüber der Konstellation 4 unterscheidet sich diese Konstellation durch die Dauer des Kinderwunsches sowie durch die Zeitdauer seit dem Nachweis des Chlamydien-Infekts. Man könnte durchaus an die Abklärung der Tuben durch Laparoskopie denken. Empfehlenswert ist es jedoch nicht, da anzunehmen wäre, dass, wenn die Tuben unauffällig sind und eine Konzeptionschance bestünde, nach 5½ Jahren bereits eine Schwangerschaft eingetreten sein sollte. Insofern sollte diesem Paar unter Berücksichtigung (1) des Spermiogramms sowie (2) des Chlamydien-Infekts und der (3) vorangehenden Adnexitis die Durchführung einer ICSIBehandlung nahegelegt werden. Sollte das Paar auf einer Inseminationsbehandlung bestehen, die durchaus aufgrund des Alters vertretbar wäre, sollte dringend vorher der Tubenfaktor abgeklärt werden.
⊡ Abbildung 8.2 stellt ein ähnliches Szenario dar. Stabil sind hier die Vorgaben von Seiten der Partnerin mit 28 Jahren und einem Kinderwunsch seit 3 Jahren sowie regelmäßigen Zyklen.
Konstellation 1
▬ Primäre Sterilität ▬ Unauffälliger Partner ▬ Tuben o.B. (LSK) Bei primärer Sterilität und unauffälligem Partner sowie bereits abgeklärten Tuben per Laparoskopie ergibt sich bei der Diagnose »Idiopathische Sterilität« die Indikation zur Durchführung einer Inseminationsbehandlung unter GonadotropinStimulation. Nach 3–4, max. 6 Zyklen muss dem Paar jedoch zu einer IVF-Behandlung geraten werden, da dann eine Inseminationsbehandlung nur noch unwahrscheinlich erfolgversprechend sein wird. Durch die schrittweise Durchführung von Inseminationsbehandlungen und im 2. Verfahren der IVF erreicht man eine maximal hohe Schwangerschaftsrate im Rahmen der idiopathischen Sterilität ( Kap. 4.11.3).
Konstellation 2
▬ ▬ ▬ ▬
Sekundäre Sterilität Kind mit diesem Partner Spermiogramm: 8 Mill./ml, 32% WHO A+B 7% normale Morphologie
Die Partner haben bereits ein gemeinsames Kind. Es besteht eine sekundäre Sterilität bei deutlich eingeschränktem Spermiogramm. Fraglich ist, warum es nicht zu einem 2. Schwangerschaftseintritt kommt. Diese Konstellation ist tatsächlich, wenn man sich verschiedene Anamnesen vor Augen führt, nicht selten. Hier ist stets daran zu denken, dass die vorangehende Schwangerschaft und Geburt selbst einen Risikofaktor für einen tubaren Faktor darstellen. Auch im Rahmen der Geburt können flüchtige Entzündungen zu tubaren Schäden führen. ▼
153 8.1 · Einleitung
Es sei hier der Fall einer Patientin erwähnt, bei der im Rahmen der Geburt zweimalig eine Kürettage durchgeführt worden war. Danach – aufgefallen im Rahmen einer Sterilitätsabklärung – ist es zu massiven intrauterinen Verwachsungen gekommen. Insofern wäre bei dieser Konstellation als erster Schritt die Abklärung der tubaren Situation durch Laparoskopie und Hysteroskopie indiziert. Bei komplett unauffälligen Tuben könnte dann eine Inseminationsbehandlung versucht werden.
führt. Sollte prinzipiell eine ICSI-Behandlung abgelehnt werden, wäre spätestens nach 2–3 Inseminationsbehandlungen die Durchführung einer Laparoskopie indiziert, um weitere Inseminationsbehandlungen rechtfertigen zu können.
Konstellation 4
▬ Zustand nach Tuboovarialabszess vor 6 Jahren
▬ Spermiogramm: 18 Mill./ml, 45% WHO A+B ▬ 14% normale Morphologie Konstellation 3
▬ Primäre Sterilität ▬ Spermiogramm: 8 Mill./ml, 32% WHO A+B ▬ 7% normale Morphologie Bei demselben Spermiogramm wie im 2. Fall verhält sich die Situation komplett anders. Im Fall einer primären Sterilität und dem seit 3 Jahren bestehenden unerfüllten Kinderwunsch ergibt sich hier sehr viel eher die Indikation zur Durchführung einer ICSI-Behandlung und nur noch eine relative Indikation zur Abklärung der tubaren Situation per laparoscopiam. Sollte das Paar nach differenzierter Aufklärung eine Inseminationsbehandlung wünschen, werden max. 2–3 Versuche durchge▼
Nach vorangehendem Tuboovarialabszess vor 6 Jahren sowie dem hier dargestellten, nur marginal auffälligen Spermiogramm ergibt sich die Indikation für eine IVF-Behandlung. Dies vor dem Hintergrund der Überlegung, dass bei dieser Paarkonstellation mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit der tubare Faktor ausschlaggebend sein wird. Eine laparoskopische Abklärung der Tuben scheint nicht gerechtfertigt, da sie sehr wahrscheinlich tubare Auffälligkeiten darstellen wird. Sollte das Paar jedoch eine Inseminationsbehandlung wünschen, die aufgrund des Spermiogramms und des seit 3 Jahren bestehenden Kinderwunsches in jedem Fall bei Ablehnung einer IVF indiziert wäre, ist die Durchführung einer Laparoskopie eine conditio sine qua non.
Es zählen nicht die Einzelbefunde - es zählt die Gesamtschau 1. Primäre Sterilität Primäre Sterilität Partner unauffällig Partner unauffällig Tuben o.B. (LSK) Tuben o.B. (LSK)
5. Distanzbeziehung Geschlechtsverkehr nur am Wochenende (regelmäßig) Spg.: o. B.
2. Sekundäre Sterilität Sekundäre Sterilität (Kind mit diesem Partner) (Kind mitMio/ml, diesem Spg.: 8 32Partner) % WHO A+B, Spg.: 8 Mio/ml, 32 % WHO A+B, 7 % normale Morphologie 7 % normale Morphologie
P t i Partnerin 28 Jahre Kinderwunsch seit 3 Jahren 3. Primäre Sterilität Zyklus regelmäßig Spg.: 8 Mio/ml, 32 % WHO A+B, 7 % normale Morphologie
4. Z. n. Tuboovarialabszess vor 6 Jahren Spg.: 18 Mio/ml, 45 % WHO A+B, 14 % normale Morphologie ⊡ Abb. 8.2 Die Bedeutung der Einzelbefunde tritt gegenüber dem Gesamtbefund des betroffenen Paares zurück (II)
8
154
Kapitel 8 · Individuelle Therapieentscheidung
Konstellation 5
▬ Distanzbeziehung ▬ Geschlechtsverkehr nur am Wochenende (regelmäßig)
▬ Spermiogramm o.B. Diese Konstellation ist nicht selten und wird möglicherweise in der Zukunft sehr viel häufiger noch an den zum Kinderwunsch beratenden Arzt herangetragen werden. Fraglich ist, ob es sich tatsächlich um eine idiopathische Sterilität handelt oder nicht oder ob allein die Distanzbeziehung mit nur selten möglichem Verkehr den ausschlaggebenden Faktor darstellt. Wenn in dieser Konstellation geholfen werden soll, so kann dies durch das Angebot einer Gonadotropin-Stimulation zum besseren »Timing« der Ovulation geschehen. Gegebenenfalls können GnRH-Antagonisten eingesetzt werden, um die Ovulation ein bis zwei Tage hinauszuschieben. Sollte es darunter nach 3–6 Monaten nicht zur Konzeption gekommen sein, ergibt sich die Indikation zur Inseminationsbehandlung bzw. weiterer Abklärung bei ansonsten komplett unauffälliger Anamnese.
8
8.2
Beispiele zur Entscheidungsfindung
8.2.1 Beratung vor und während der Entscheidungsfindung für eine IVF-/ICSI-Behandlung In diesem Fall bestand eine primäre männlich bedingte Sterilität. Die Patientin war 33 Jahre alt. Es bestand ein Kinderwunsch seit 13 Monaten bei regelmäßigen Zyklen (30–33/4–5). Extern war bereits eine Tubendurchgängigkeit mittels Hysterosalpingo-Kontrastmittel-Sonographie nachgewiesen worden. Vorbehandlungen gab es nicht. Beim Ehemann war eine Varikozele links Grad III aufgefallen. Das Spermiogramm war deutlich eingeschränkt: ▬ 9.8 Mill./ml ▬ 29% progressiv motil (WHO A+B) ▬ 6% normale Morphologie
Die erste Frage, die sich in dieser Konstellation ergibt, ist diejenige, inwieweit die Varikozele zu der zu Grunde liegenden Sterilität beiträgt? Anders herum gefragt: Kann die Entfernung der Varikozele zu einer Verbesserung der Situation beim Partner führen? Dazu seien die momentan in der Literatur diskutierten 3 Theorien zum Zusammenhang von Varikozele und Sterilität zitiert: 1. Die Varikozele hat keinen Effekt auf die Hodenfunktion oder Fertilität! 2. Die Varikozele kann mit einer eingeschränkten Hodenfunktion oder Subfertilität assoziiert sein – ist aber nicht kausal verantwortlich! 3. Die Varikozele verursacht eine gestörte Hodenfunktion und so eine Sterilität! Studienbox Man muss ferner wissen, dass gemäß großen Statistiken die Operation einer Varikozele testis keinen Erfolg bringt. In einer kürzlichen Meta-Analyse war in den meisten Studien die Operation nicht mit einem Vorteil für den betroffenen Mann verbunden (⊡ Tabelle 8.1). Explizit zitiert sei eine exzellent durchgeführte prospektiv-randomisierte Studie von Nieschlag et al. (1998). Auch diese zeigte gegenüber einer einfachen Beratung von Paaren keinen Vorteil zur operativen Versorgung einer Varikozele testis (⊡ Abb. 8.3).
Insofern kann heute einem Mann mit Varikozele testis geraten werden, sich nur dann einer Operation zu unterziehen, wenn die entdeckte Varikozele tatsächlich Beschwerden verursacht. Dieses Beispiel steht exemplarisch für viele andere Situationen in der reproduktionsmedizinischen Versorgung, bei denen ein offensichtliches Hindernis Anlass für eine invasive Therapie gibt, ohne dass nachgewiesen wird, dass dadurch tatsächlich ein Benefit resultiert. Es muss stets hinterfragt werden, ob ausreichende Evidenz dafür vorliegt, einem Kinderwunschpaar eine invasive Behandlung zu empfehlen oder nicht! In dem vorliegenden Fall ergibt sich bei der Gesamtkonstellation die Frage nach einer intrauterinen Insemination oder nach einer ICSI-
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155 8.2 · Beispiele zur Entscheidungsfindung
▬ 18 Mill./ml ▬ 50% progressiv motil (WHO A+B) ▬ 0% normale Morphologie
Behandlung. Trotz des eingeschränkten Spermiogramms kann unter Berücksichtigung des Alters der Patientin und des eingeschränkten, aber noch ausreichenden Spermiogrammbefunds durchaus eine Inseminationsbehandlung gerechtfertigt sein. Diese wurde durchgeführt. Dabei zeigte sich im Rahmen der Inseminationsbehandlung ein noch auffälligeres Spermiogramm:
Dieser neue Befund wurde mit in die Beratung des Paares einbezogen. Das Paar entschied sich daraufhin zur Weiterführung der Therapie mit einer ICSI-Behandlung.
⊡ Tabelle 8.1. Zusammenstellung von prospektiv-randomisierten Studien zur Operation einer Varikozele testis. Bis auf eine Studie, die durch ihre geringe Fallzahl nur eine schlechte Aussage erlaubt, zeigten sich keine Vorteile. (Nach Evers u. Collins 2003) Behandelt Kontrollen Schwangerschaften/gesamt [%]
Relativer Vorteil [95% KI]
P
18/43 (42) 4/51 (8)
17/36 (47) 8/45 (18)
0,89 [0,54–1,45] 0,44 [0,14–1,37]
0,63 0,16
Männer mit subklinischer Varikozele (ausschließlich) Grasso et al. (2000) 1/34 (3) Unal et al (2001) 2/21 (10) Yamamoto et al. (1996) 3/45 (7)
2/34 (6) 1/21 (5) 4/40 (10)
0,50 [0,05–5,26] 2,00 [0,20–20,40] 0,67 [0,16–2,80]
0,56 0,56 0,58
Männliche Subfertilität und klinische Varikozele Madgar et al. (1995) 15/25 (60) Nieschlag et al. (1998) 18/62 (29)
2/20 (10) 16/63 (25)
6,00 [1,55–23,20] 1,14 [0,64–2,03]
0,01 0,65
Männer mit normalem Spermiogramm Breznik et al. (1993) Nilsson et al. (1979)
kumulative Schwangerschaften (n)
20
Beratung (n=63) Operation (n=62)
15
10
5
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Monate ⊡ Abb. 8.3 Prospektiv-randomisierte Studie, bei der die operative Versorgung einer Varikozele testis gegenüber einer Beratung von Paaren geprüft wurde. Die kumulative Schwangerschaftsrate in beiden Gruppen unterschied sich nach 12 Monaten nicht. (Nach Nieschlag et al. 1998)
156
Kapitel 8 · Individuelle Therapieentscheidung
Nur so, nämlich unter permanenter Flexibilität der Beratung, unter Einbeziehung zusätzlicher neuer Befunde, kann eine sinnvolle Kinder-
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wunschbehandlung dynamisch geplant und durchgeführt werden. Die Stimulation wurde im MehrfachdosisAntagonisten-Protokoll unter Verwendung von rekombinantem FSH durchgeführt. Es wurden 13 Eizellen gewonnen. Davon ließen sich 8 Eizellen regelrecht fertilisieren. Bei dieser Behandlung ergibt sich als nächste Frage die nach der Zahl der Embryonen pro Transfer. Nach den Zahlen des Deutschen IVF-Registers ist nach dem Transfer von einem Embryo mit einer Schwangerschaftsrate von 8,7%, nach dem Transfer von 2 Embryonen mit einer Schwangerschaftsrate von 26,6% und nach dem Transfer von 3 Embryonen mit einer Schwangerschaftsrate von 28,6% zu rechnen (Deutsches IVF-Register 2001). Diese Daten sind insofern nur marginal verlässlich, als natürlich nur solchen Patientinnen 2 Embryonen transferiert wurden, die von vornherein eine höhere Chance auf eine Schwangerschaft hatten. Es ist durchaus anzunehmen, dass der Transfer von 3 Embryonen zu einer höheren Schwangerschaftsrate führt. Verlässliche Zahlen dazu existieren jedoch nicht. Es ist auf der anderen Seite aber anzunehmen und belegbar, dass der Transfer von 3 gegenüber von 2 Embryonen zu einer signifikant höheren Mehrlingsrate führt. So ist mit einer Zwillingsrate von etwa 25% und einer Drillingsrate von 2–3% nach dem Transfer von 3 Embryonen zu rechnen. Nach dem Transfer von 2 Embryonen sinkt die Zwillingsrate auf etwa 20% bei einer Drillingsrate von unter 1:10.000. Drillinge können nur noch durch monozygote Teilung entstehen. Weiterhin zur Entscheidungsfindung wichtig ist die Angabe der individuellen Schwangerschaftschance der Patientin beim Transfer von 2 und 3 Embryonen sowie der Schwangerschaftsrate insgesamt in Abhängigkeit vom Alter der Patientin und der zu Grunde liegenden Anamnese. ! Einem Patientenpaar ist nicht damit geholfen, durchschnittliche Angaben zu bekommen. Vielmehr muss die Beratung so individuell wie möglich gestaltet werden!
Das Patientenpaar hatte sich zum Transfer von 3 Embryonen entschieden, was dann jedoch in einer Drillingsschwangerschaft endete. Insofern war die mögliche Komplikation tatsächlich eingetreten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Paar zuvor über eben dieses Risiko ausreichend beraten worden war und aus eigener Überzeugung sich zu diesem Vorgehen entscheiden konnte. Ganz anders hätte die Situation dann ausgesehen, wenn dem Paar ohne suffiziente Beratung der eine oder andere Teilschritt im Rahmen dieses Entscheidungsprozesses von Seiten des Arztes vorgegeben worden wäre. Hierbei ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass ein Kinderwunschpaar die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft stets überschätzen und die Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft stets unterschätzen wird – dies komplett unabhängig von jeder Beratung. Insofern ist nicht nur einmal, sondern wiederholt auf diese Risiken hinzuweisen. Nur dadurch kann ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientenpaar geschaffen werden.
8.2.2 Aufbau eines langfristigen Entscheidungsbaumes
Dargestellt sei der Fall eines Patientenpaares mit sekundärer Sterilität und unauffälligem Spermiogramm. Die Partnerin ist 33 Jahre alt. Es besteht ein unerfüllter Kinderwunsch seit 5 Jahren. Vorbehandlungen wurden nicht durchgeführt. Es besteht ein tubarer Faktor bei Tubargravidität 1998. Zuvor hatte 1997 eine Laparoskopie unauffällige Tuben ergeben. Ein chronischer Chlamydien-Infekt war serologisch nachgewiesen worden.
Vor dem Hintergrund des sehr wahrscheinlichen tubaren Faktors sowie des seit 5 Jahren bestehenden unerfüllten Kinderwunsches empfiehlt sich bei dieser Paarkonstellation eine IVF-Behandlung. So wurde das Paar beraten. Es wurde auch dargestellt, dass als Alternative eine Inseminationsbehandlung
157 8.2 · Beispiele zur Entscheidungsfindung
denkbar wäre, dann jedoch die Abklärung der Tuben in jedem Fall durch eine Laparoskopie erfolgen müsse. Nur dadurch wäre zu klären gewesen, inwieweit überhaupt eine Konzeption über die eine oder andere Tube noch stattfinden kann. Das Paar entschied sich für eine Inseminationsbehandlung, lehnte aber eine laparoskopische Abklärung ab und wählte stattdessen eine Hysterosalpingo-Kontrastmittel-Sonographie. Zur Aussagekraft der Verfahren sei auf ⊡ Tabelle 4.2 verwiesen. Es wurde bei unauffälliger Hysterosalpingo-Kontrastmittel-Sonographie dann eine Inseminationsbehandlung durchgeführt. Dieser Fall steht exemplarisch dafür, dass im Rahmen einer Entscheidungsfindung nicht nur der nächste Schritt, sondern auch alle konsekutiven Schritte dargestellt werden müssen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Kinderwunschpaar durchaus in der Lage ist, diese verschiedenen Schritte im Entscheidungsbaum nachzuvollziehen. Es muss dem Paar verdeutlicht werden, dass mit der Abklärung des Tubenfaktors bei unauffälligem Ergebnis konsequenterweise die Entscheidung zu einer Inseminationsbehandlung verbunden ist: Wenn eine Inseminationsbehandlung keine Alternative darstellt, muss diese Abklärung nicht erfolgen! In diesen Entscheidungsbaum gehört außerdem, dass nach Scheitern der Inseminationsbehandlung eine IVF-Behandlung der nächste logische Schritt ist. ! Ein Entscheidungsbaum bedeutet nicht, dass alle diese Schritte zwangsläufig eintreten werden – dies ist immer darzustellen – es bedeutet auch nicht, dass ein Paar sich unbedingt auf diesen Weg begeben muss. Man muss dem Paar jedoch ermöglichen, die eigenen Gedanken und Überlegungen nicht nur für den nächsten Besuch, sondern für die gesamte Behandlungsstrategie nachzuvollziehen.
Es sei nochmals daran erinnert, dass man für sich selbst auch in Anspruch nehmen würde, alle Schritte, und nicht nur den nächsten geplanten Schritt, kennen lernen zu wollen.
8
8.2.3 Langdauernder Kinderwunsch
Ein Paar berichtet über eine primäre Sterilität mit Kinderwunsch seit 2 Jahren. Die Patientin ist 36 Jahre alt, das Spermiogramm wurde extern abgeklärt und ist unauffällig. Die Tuben sind nicht abgeklärt. Es wurden bisher 4 Clomifen-Zyklen mit 50 mg und 3 Clomifen-Zyklen mit 100 mg durchgeführt. Die weitere Anamneseerhebung ergibt, dass in dieser Paarbeziehung seit 11 Jahren keine Kontrazeption mehr durchgeführt wird. ! Zunächst einmal wird in dieser Konstellation deutlich, dass die Frage nach dem »Kinderwunsch« für manche Paare nicht gleichzusetzen ist mit der Frage nach dem Absetzen der Kontrazeption. Diese Angaben können erheblich differieren und müssen stets separat voneinander erhoben werden.
Bei der hier dargestellten Situation ergibt sich keine Indikation mehr für die Abklärung des Tubenfaktors. Allein aufgrund der Dauer des bisher unerfüllten Kinderwunsches besteht bei der anzunehmenden idiopathischen Sterilität eine Indikation für die Durchführung einer IVF-Behandlung. Eine Inseminationsbehandlung hat nach über 5-jähriger Dauer des unerfüllten Kinderwunsches nur noch eine marginale Chance auf eine Konzeption. Insofern müsste dem Paar in dieser Situation von der Abklärung des Tubenfaktors abgeraten werden. Es sollte aktiv zur Durchführung einer IVF-Behandlung beraten werden – sofern das Paar dies wünscht (⊡ Abb. 4.41).
8.2.4 Negative Begleitfaktoren Ein unverheiratetes Paar stellt sich mit primärer Sterilität vor. Die Patientin ist 24 Jahre alt. Der gemeinsame Kinderwunsch besteht seit 18 Monaten. Der Zyklus ist leicht verlängert (35–40/3–4). Die Patientin wiegt bei einer Körpergröße von 172 cm 142 kg (BMI 47,9 kg/m2). Es besteht ein mit β-Blockern medikamentös eingestellter Hypertonus. Der Partner ist noch nicht untersucht. Beide Partner rauchen etwa 15 Zigaretten täglich.
158
8
Kapitel 8 · Individuelle Therapieentscheidung
Prinzipiell würde das Paar – nach Durchführung eines Spermiogramms und unauffälligem Ergebnis – die Vorgaben für eine idiopathische Sterilität erfüllen und könnte durch eine Inseminationsbehandlung unter Gonadotropin-Stimulation behandelt werden. Vor dem Gesamthintergrund der massiven Adipositas sowie dem Nikotinabusus bei beiden Partnern sollte das Paar jedoch in anderer Weise beraten werden. Hilfreich ist hierbei das junge Alter der Patientin. Wir haben dieses Paar dahingehend beraten, dass ▬ zunächst ein Glukosetoleranztest mit Insulinbestimmung durchgeführt werden sollte, um eine Zuckerstoffwechselstörung definitiv ausschließen zu können; dazu gehören auch die endokrinologischen Untersuchungen sowie die Abklärung der Schilddrüsensituation, ▬ daraus sich ergebende hormonelle Störungen (Glukosetoleranzstörung, Hypothyreose) medikamentös eingestellt werden sollten, um der Patientin bei der Gewichtsabnahme Unterstützung leisten zu können, ▬ parallel dazu der männliche Faktor abgeklärt werden müsste, ▬ vorbereitende Untersuchungen hinsichtlich einer geplanten Schwangerschaft durchgeführt werden sollten, um zu einem späteren Zeitpunkt nicht unnötig Zeit zu verlieren (z. B. Röteln-Titer), ▬ die Patientin an ein Diät-/Fitnessprogramm angebunden werden sollte, um in einer akzeptablen Zeitspanne (1–2 Jahre) ihr Gewicht reduzieren zu können und in dieser Zeit regelmäßig alle 3–6 Monate in der Praxis zur Motivation und ggf. Kontrolle der endokrinen Parameter gesehen werden müsste, ▬ beide Partnern umgehend das Rauchen einstellen sollten. Die sofortige Aufnahme einer solchen Patientin in ein Kinderwunschprogramm ist in dieser Gesamtkonstellation unter Berücksichtigung des Alters der Frau wenig verantwortungsbewusst. Einem solchen Drängen sollte definitiv nicht nachgegeben werden. In aller Regel gelingt es, wie auch in diesem Fall, das Paar davon zu überzeugen, dass der vorgeschlagene langwierigere Weg sicherlich
der gesundheitlich bessere ist, und zwar nicht nur für die Gesundheit der Frau, sondern auch für die geplante Schwangerschaft. Schwieriger ist die Situation dann, wenn die Patientin ein deutlich höheres Alter hat und eine Gewichtsreduktion über 1–2 Jahre mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer drastischen Minderung der Schwangerschaftschancen führen wird. In diesen Fällen wird es ggf. keine andere Lösung geben, als nach ausführlicher Aufklärung über die Risiken im Fall einer Schwangerschaft unter Berücksichtigung des Übergewichts eine Behandlung tatsächlich zu starten, um die Patientin nicht in ungerechtfertigter Weise nicht zu behandeln.
8.2.5 Ablehnung der Behandlung aufgrund gesundheitlicher Risiken
Eine 21-jährige, nicht verheiratete Patientin mit primärer Sterilität stellt sich vor. Der gemeinsame Kinderwunsch besteht seit 4 Jahren. Der Zyklus ist regelmäßig (25–28/5). Beim Partner liegt eine Normozoospermie vor. Die Patientin ist seit dem 15. Lebensjahr aufgrund einer Epilepsie mit Valproin-Säure (2 x 15 ml) eingestellt. Der letzte Anfall liegt 2 Jahre zurück. Ferner wird die Patientin bei polyzystischer Nierendegeneration (autosomal rezessiv) dialysiert. Es wurden bereits 5 Laparoskopien wegen Peritonitiden bei Peritonealdialyse in der Vergangenheit durchgeführt. Seit 1998 wird die Patientin hämodialysiert. Aufgrund einer mangelhaften Compliance und wenig konsequenter Medikamenteneinnahme haben sich verschiedene Sekundärerkrankungen entwickelt. Die Patientin hat die Phosphatresorptionshemmer und Vitamin-D-Präparate unregelmäßig eingenommen, sodass sich ein partieller Hyperparathyreoidismus entwickelt hat. Aufgrund dessen wurde 2 Jahre zuvor eine totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation auf den Unterarm durchgeführt. Nach Diagnose eines ekto▼
159 8.2 · Beispiele zur Entscheidungsfindung
pen Nebenschilddrüsenadenoms (mediastinal) hat die Patientin eine weitere Operation aus kosmetischen Gründen abgelehnt. Die Patientin hat eine Erythropoetin-Resistenz mit starken Schwankungen der Hb-Werte (6–8 g/dl). In der Vergangenheit waren wiederholt Bluttransfusionen nötig.
Im ausführlichen, einstündigen Gespräch kristallisiert sich eine recht infantile Vorstellung zur eigenen Grunderkrankung sowie zu den reproduktionsmedizinischen Maßnahmen heraus. Diesen relativ komplexen Fall haben wir mit dem Paar, aber auch interdisziplinär mit den betreuenden Dialyse-Ärzten der Patientin, diskutiert. Eine Behandlung wurde schließlich abgelehnt. Es gibt hierbei verschiedene Punkte zu berücksichtigen: ▬ die zu Grunde liegende Epilepsie sowie die gewählte Therapie mit Valproinsäure, ▬ die Dialyse der Patientin bei terminaler Niereninsuffizienz, ▬ die Erythropoetin-Resistenz als eine von mehreren Sekundärerkrankungen, ▬ die mangelhafte Compliance der Patientin. Die genannten Punkte wurden wie folgt bei der Beratung der Patientin berücksichtigt. 1. Eine Epilepsie stellt prinzipiell kein Hindernis bei einer geplanten Kinderwunschbehandlung dar. Wichtig ist, dass die Epilepsie medikamentös durch den Epileptologen gut eingestellt ist und die Patientin anfallsfrei ist. Es sollte eine Medikation gewählt werden, die in der Schwangerschaft ein möglichst niedriges Risiko hat. In diesem Fall hätte die ValproinSäure-Medikation umgestellt werden müssen (Neuralrohrdefekt!). Die Patientinnen müssen dahingehend aufgeklärt werden, dass bei jeglicher Antiepileptika-Medikation ein erhöhtes Neuralrohrdefekt-Risiko auftreten wird. Eine entsprechende Pränataldiagnostik ist bereits vor Beginn der Therapie zu erläutern und zu beraten. 2. Die Dialyse stellt sicherlich eine Risikosituation für eine Kinderwunschbehandlung bzw.
8
die eintretende Schwangerschaft dar. Länger zurück liegende Publikationen beschreiben ein relativ ernüchterndes Bild hinsichtlich der fetalen Entwicklung im Fall dialysierter Patientinnen. Bei einer engmaschigen Schwangerenüberwachung und einer gut dialysierten Patientin sollte sich die Situation insgesamt günstiger darstellen, als in diesen etwas älteren Publikationen beschrieben: Nissenson (1981) ▬ 20 beschriebene Fälle mit 50% neonataler Mortaliät Roxe u. Parker (1985) ▬ 40 Schwangerschaften bei 35 Dialyse-Patientinnen ▬ 18 Spontanaborte ▬ 17 Schwangerschaftsabbrüche ▬ 5 geborene Kinder Hou (1987); Elliot et al. (1991) ▬ Deutlich schlechtere Prognose von chronischen Dialysepatientinnen Ginsburg u. Owen (1993) ▬ Intrauterine Wachstumsretardierung 42–90% beschrieben
in
Im Endeffekt wird es die Beratung des betreuenden Nephrologen sein, die den Ausschlag geben sollte, in einem individuellen Fall eine Kinderwunschbehandlung anbieten zu können oder nicht. Die Patientin muss vor der Beratung in der Lage sein, eine eigenständige Entscheidung zu treffen. 3. Die Erythropoetin-Resistenz führt zu wiederholt notwendigen Transfusionen bei dieser Patientin. Dieses Problem ist prinzipiell natürlich führbar. Es bedeutet andererseits einen erheblichen zusätzlichen Risikofaktor, der bei der Beratung mit berücksichtigt werden muss. 4. Die mangelhafte Compliance der Patientin ist bei der Entscheidung zur Ablehnung der Behandlung der ausschlaggebende Punkt. Wenn die Patientin bereits in einer lebensbedrohlichen Situation wie einer terminalen Niereninsuffizienz und der Notwendigkeit einer Dialyse nicht in der Lage ist zu verstehen, warum bestimmte Medikationen regelmäßig
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Kapitel 8 · Individuelle Therapieentscheidung
eingenommen werden müssen, ist nur schwer nachvollziehbar, wie sie bei der komplexen Situation einer Kinderwunschbehandlung mit regelmäßiger Gonadotropin-Gabe die Zusammenhänge komplett erfassen soll. Weitergedacht wird die mangelhafte Compliance in der Schwangerschaft in dieser Situation zu massiven Problemen im Rahmen der Grunderkrankung sowie bei der Gesundheit der Patientin und des Feten führen. Die Ablehnung der Behandlung sollte eine absolute Ausnahme darstellen. Im Endeffekt ist es
8
allein die Entscheidung des betroffenen Paares, das Risiko einer Behandlung vor dem Hintergrund bestimmter gesundheitlicher Veränderungen zu tragen oder nicht. Das potentielle Risiko, welches jede Kinderwunschbehandlung (und auch die nachfolgende Schwangerschaft) birgt, stellt diese Therapieform in ein anderes Licht als die bei zum Beispiel lebensbedrohlichen Erkrankungen. Hätte bei der Patientin ein Verständnis für die vorliegende Situation bestanden, wäre die Dialyse regelmäßig durchgeführt worden und auch auf Seiten der Patientin ein erkennbares Verständnis für die Problematik bei mangelhafter Compliance zu erkennen gewesen, hätte es nach Meinung des Autors keinen Grund geben können, in diesem Fall die Behandlung abzulehnen. ! Es sei hier aber auch fest gehalten, dass im Endeffekt individuell jeder einzelne behandelnde Arzt entscheiden muss, ob er bei einem bestimmten Paar eine Kinderwunschbehandlung anbietet oder nicht.
Dabei müssen berücksichtigt werden: ▬ die aktuelle Gesundheit von Mann und Frau, ▬ die unter den individuellen Umständen zu erwartenden Komplikationen im Rahmen einer Schwangerschaft für Mutter und Kind und ▬ die Möglichkeiten, ein Kind aufzuziehen. ! Man muss sich stets fragen, ob in einem individuellen Fall, wenn eine Konzeption auf natürlichem Weg möglich wäre und keine Sterilität bestünde, von einer Schwangerschaft abgeraten werden sollte oder nicht.
8.2.6 Akute prämature Ovarialinsuffizienz (POF; »premature ovarian failure«)
Es stellt sich eine 35-jährige Patientin mit ihrem Partner bei primärer Sterilität und Kinderwunsch seit 6 Jahren vor. Der Zyklus ist anamnestisch regelmäßig (27–32/3). Voraus geht eine Portio-PE 1995 (Carcinoma in situ, in sano entfernt). Aktuell findet sich ein PAP II. 1997 wurde laparoskopisch/hysteroskopisch ein submuköses Myom enukleiert bei einer Endometriose AFS I diagnostiziert. Beim Partner besteht eine hochgradige Asthenoteratozoospermie (5% WHO A+B, 0% normale Morphologie).
Aufgrund der Zeitdauer des Kinderwunsches, der unauffälligen Anamnese der Partnerin und des hochgradig auffälligen Spermiogramms wird die Indikation zur ICSI gestellt. Es werden 2 Hormonkontrollen durchgeführt. Die erste erfolgt im Rahmen der Erstvorstellung (11. Zyklustag), die zweite am 41. Zyklustag in demselben Zyklus im Rahmen der Wiedervorstellung bei Stimulationsbeginn. Die Ergebnisse sind wie folgt:
11. Zyklustag (Erstvorstellung)
41. Zyklustag (Wiedervorstellung vor Stimulationsbeginn)
Östradiol 84 pg/ml
Östradiol <10,0 pg/ml
FSH 19,8 U/l
FSH 84,5 U/l
LH 19,0 U/l
LH 35,2 U/l
Prolaktin 12,2 ng/ml
hCG <1,2 U/l
Ovarien sonographisch unauffällig, Endometrium 8 mm
Während am 11. Zyklustag ggf. noch eine periovulatorische Situation angenommen werden könnte, muss am 41. Zyklustag die Diagnose einer massiven Ovarialinsuffizienz angenommen werden.
161 8.2 · Beispiele zur Entscheidungsfindung
Eine einmalige Veränderung dieser Art rechtfertigt nicht diese Diagnose. Vielmehr muss man, insbesondere bei diesem jungen Alter, dreimalig hypergonadotrope Werte ohne nachweisbare ovarielle Aktivität messen, bevor eine solche Diagnose gestellt werden kann. In dieser Situation wurde das Paar so beraten, dass aufgrund der vorliegenden Werte eine deutliche Einschränkung der ovariellen Reserven angenommen werden muss. Da bisher die Zyklen immer regelmäßig waren, wurde von einer kurzfristig eingetretenen Veränderung ausgegangen und die Patientin umgehend für eine ICSI-Behandlung hormonell vorbereitet. Hierbei ergab sich jedoch keine ovarielle Antwort. Eine zweite, alternative Stimulation mit Clomifen unter Verzicht auf Gondotropine brachte das Wachstum von einem solitären Follikel, bei dem sich jedoch im Rahmen der Follikelpunktion keine Eizelle gewinnen ließ. Dem Paar wurde daraufhin geraten, von der Weiterführung der Therapie Abstand zu nehmen. Nach der Diagnose einer prämaturen Ovarialinsuffizienz muss die betroffene Patientin beraten werden, dass die Chance auf eine Schwangerschaft unabhängig von jeglicher Kinderwunschbehandlung genauso niedrig liegt wie beim Versuch der spontanen Konzeption und etwa 5% innerhalb der nächsten 5–10 Jahre nicht überschreiten wird. Bei bestehender prämaturer Ovarialinsuffizienz sollte die betroffene Patientin beraten werden, von einer aktiven Kinderwunschbehandlung Abstand zu nehmen. Ausschlaggebend bei dieser Entscheidung ist die ansonsten überflüssigerweise und vergebens geschürte Hoffnung auf eine zusätzliche Konzeptionschance und die damit verbundene zusätzliche psychische Belastung des Paares. Hilfreich ist allein die offene Beratung über die vorliegende Situation und, wenn gewünscht, das Angebot einer psychologischen Betreuung. Die Beratung muss außerdem die Notwendigkeit zur hormonellen Substitution umfassen. Im Falle einer prämaturen Ovarialinsuffizienz sollte versucht werden, anamnestische Risikofak-
8
toren zu evaluieren. Dazu gehört die Frage nach ähnlichen Fällen in der Familie sowie nach anderen Endokrinopathien bei der Patientin selbst bzw. in der näheren Verwandtschaft. Andere Ursachen betreffen onkologische Therapien in der Kindheit oder Jugend bzw. vorangehende abdominelle Operationen in der Adnexregion. Die Evaluierung der Familienanamnese ist insofern notwendig, als sich damit direkte Konsequenzen für – insbesondere jüngere – Geschwister der Patientin ableiten lassen können. Die Diagnostik umfasst insofern (neben der endokrinen Diagnostik von FSH und Östradiol): ▬ eine Chromosomenanalyse zum Ausschluss numerischer oder struktureller Aberrationen, die eventuell vererbt worden sind, ▬ eine Kortisolbestimmung und ggf. einen ACTH-Test zum Ausschluss einer Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison), ▬ die Bestimmung der Nüchternglukose und ggf. Messung von HbA1c, ▬ die Bestimmung von TSH und ggf. die Durchführung eines TRH-Tests zum Ausschluss einer latenten bzw. manifesten Hypothyreose, ▬ ggf. ein Antikörperscreening Diese Diagnostik sollte in 3-jährigen Abständen wiederholt werden, da solche Patientinnen ein deutlich erhöhtes Risiko von 15–20% haben, andere endokrine Veränderungen auch bei normalen Basiswerten innerhalb ihres Lebens zu entwickeln. Die Wahrscheinlichkeit einer primären prämaturen Ovarialinsuffizienz ist abhängig von dem untersuchten Kollektiv und liegt bei 0,1% bis zum Alter von 30 Jahren bzw. bei bis zu 1% bis zum Alter von 40 Jahren. Die jährliche Inzidenz pro 100.000 Frauen ist ebenfalls altersabhängig und beträgt: ▬ 10 (Altersklasse von 15–29) ▬ 76 (Altersklasse von 30–39) ▬ 881 (Altersklasse von 40–44 Jahre) Die Prävalenz liegt bei 10–28% im Fall einer primären und bei 4–18% im Fall einer sekundären Amenorrhoe (Coulam et al. 1986; Anasti 1998; s. auch Ludwig 2004).
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Kapitel 8 · Individuelle Therapieentscheidung
8.2.7 Alternative Beratung bei mehreren Optionen
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Eine 39-jährige Patientin stellt sich mit sekundärer Sterilität bei Zustand nach Sectio caesarea vor 5 Jahren in der Kinderwunschsprechstunde vor. Die damalige Schwangerschaft war in dieser Partnerschaft eingetreten. Das aktuelle Spermiogramm ist unauffällig. Der Kinderwunsch besteht seit 2 Jahren. Anamnestisch erwähnenswert ist ein Morbus Crohn, der seit 8 Jahren bekannt ist und 2 Jahre zuvor bei akutem Schub zu einer Appendektomie geführt hat. Der Zyklus ist regelmäßig. Es besteht eine vollwertige Lutealphase (Östradiol 175 pg/ml, Progesteron 15,8 ng/ml).
Wie gestaltet sich die Beratung einer solchen Patientin? ▬ Das Alter der Patientin wird allenfalls eine 2bis 3-malige Inseminationsbehandlung rechtfertigen. ▬ Die um 5 Jahre vorangegangene Schwangerschaft, die nach nur kurzer Wartezeit eingetreten war, zeigt, dass die Fertilität dieser Paarkonstellation eigentlich nicht eingeschränkt ist. ▬ Der zwischen der damaligen Schwangerschaft und der jetzigen Situation durch einen erneuten Schub aktive Morbus Crohn bedeutet einen Risikofaktor für eine tubare Erkrankung. In der Gesamtschau dieses Falles ergeben sich nur 2 Möglichkeiten: 1. Die Patientin wählt die Möglichkeit einer Inseminationsbehandlung, die prinzipiell sicherlich indiziert wäre. In diesem Fall muss man ihr dringend zur Abklärung des Tubenfaktors vor Behandlungsbeginn raten, da ein solcher sehr wahrscheinlich ist. Allerdings ist sie in dem Fall auch über das erhöhte Risiko aufgrund der zu erwartenden intraabdominellen Adhäsionen aufzuklären. 2. Der Patientin wird zu einer IVF-Behandlung geraten, da ein tubarer Faktor nicht unwahrscheinlich ist und dadurch noch wahrscheinli-
cher wird, als vor einigen Jahren eine Schwangerschaft auf normalem Weg eingetreten war und zwischenzeitlich zwei abdominelle Eingriffe (Sectio caesarea, Appendektomie) sowie der akute Morbus Crohn eingetreten sind. Eine solche Situation wird man im Rahmen der Kinderwunschberatung häufig auffinden. Die Lösung dieser Situation liegt, wie wiederholt dargestellt, einzig und allein im Ermessen des betroffenen Paares. Der Arzt kann nur beratend tätig werden, das Problem aber nicht lösen. Es darf nie vergessen werden, dass in die Entscheidungsfindung für eine bestimmte Kinderwunschbehandlung eben nicht nur medizinische und anamnestische Fakten eingehen, sondern ganz grundlegend die Vorstellungen und Überzeugungen des betroffenen Paares, sich auf die eine oder andere Behandlung einzulassen bzw. überhaupt die eine oder andere Behandlung akzeptieren zu können.
Literatur Anasti JN (1998) Premature ovarian failure: an update. Fertil Steril 70:1-15 Breznik R, Vlaisavljevic V, Borko E (1993) Treatment of varicocele and male fertility. Arch Androl 30:157–160 Coulam CB, Adamson SC, Annegers JF (1986) Incidence of premature ovarian failure. Obstet Gynecol 67:604–606 Deutsches IVF Register (2002) D.I.R. - Deutsches IVF Register 2001 Elliot JP, O’Keefe DFO, Schon DA et al. (1991) Dialysis in pregnancy. A critical review. Obstet Gynecol Surv 46:319–324 Evers JL, Collins JA (2003) Assessment of efficacy of varicocele repair for male subfertility: a systematic review. Lancet 361:1849–1852 Ginsburg ES, Owen WF (1993) Reproductive endocrinology and pregnancy in women on hemidialysis. Semin Dialys 6:105–116 Grasso M, Lania C, Castelli M et al. (2000) Low-grade left varicocele in patients over 30 years old:the effect of spermatic vein ligation on fertility. BJU Int. 85:305–307 Hou S (1987) Peritoneal dialysis and haemodialysis in pregnancy. Baillieres Clin Obstet Gynaecol. 1:1009–1025 Ludwig M, Kohl M, Krüger A et al. (2004) Komplikationen bei höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften für Mutter und Kind. Geburtsh Frauenheilk 64; 168–177 Madgar I, Weissenberg R, Lunenfeld Bet al. (1995) Controlled trial of high spermatic vein ligation for varicocele in infertile men. Fertil Steril. 63:120–124
163 8.2 · Beispiele zur Entscheidungsfindung
Nieschlag E, Hertle L, Fischedick A et al. (1998) Update on treatment of varicocele: counselling as effective as occlusion of the vena spermatica. Hum Reprod 13:2147– 2150 Nilsson S, Edvinsson A, Nilsson B (1979) Improvement of semen and pregnancy rate after ligation and division of the internal spermatic vein: fact or fiction? Br J Urol 51:591–596 Nissenson AR (1981) The use of hemidialysis to treat endstage renal failure during pregnancy. Ann Intern Med 94:667–677 Roxe DM, Parker J (1985) Report of a survey of reproductive funciton in female hemodialysis patients. Proceedings
8
of the Annual Nephrology Meeting. American Nursing Association New Orleans Unal D, Yeni E, Verit A et al. (2001) Clomiphene citrate versus varicocelectomy in treatment of subclinical varicocele: a prospective randomized study. Int J Urol8:227–230 World Health Organization (1999) WHO-Handbuch zur Laboruntersuchung des menschlichen Ejakulates und der Spermatozoen-Zertivikalschleim-Interaktion. 4. Auflage, Springer Verlag, Heidelberg Yamamoto M, Hibi H, Hirata Y et al. (1996) Effect of varicocelectomy on sperm parameters and pregnancy rate in patients with subclinical varicocele: a randomized prospective controlled study. J Urol 55:1636–1638
A
Anhang A1
Antiandrogene Medikamente (zur Therapie zugelassen) – 166
A2
Prolaktinhemmende Medikamente (zur Therapie zugelassen) – 166
A3
Prolaktinfreisetzende Medikamente
A4
Gesetzliche Grundlagen für die Beratung und Durchführung einer Kinderwunschbehandlung – 171
A5
Umgang mit statistischen Angaben bei der Entscheidungsfindung – 172
A6
Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und der Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (»Richtlinien über künstliche Befruchtung«) – 174 – – – – – – – – – –
A7
– 167
Leistungsvoraussetzungen – 174 Methoden – 176 Medizinische Indikationen – 177 Umfang der Maßnahmen – 178 Beratung des Ehepaares und Überweisung zur Durchführung der Maßnahmen – 178 Berechtigte Ärzte – 178 Empfehlungen zur Qualitätssicherung – 179 In-Kraft-Treten – 180 Übergangsregelung – 180 Anlage I – Muster Behandlungsplan – 181
Anamnesebögen für Frau und Mann – 182
166
Anhang
A1
Antiandrogene Medikamente (zur Therapie zugelassen)
A
A2
Handelsname
Hersteller
Inhaltsstoff
Darreichungsform
Gestamestrol
Hermal Kurt Herrmann
Chlormadinonacetat 2mg Mestranol 0,05mg
Dragee
Neo Eunomin
Grünenthal GmbH
1. Ethinylestradiol 0,05mg Chlormadinonacetat 1mg 2. Ethinylestradiol 0,05mg Chlormadinonacetat 2mg
Filmtablette
Valette
Jenapharm
Ethinylestradiol 0,03mg Dienogest 2mg
Tablette
Virilit
Jenapharm
Cyproteronacetat 50mg
Tablette
Androcur
Jenapharm
Cyproteronacetat 50mg
Tablette
Androcur 10
Schering
Cyproteronacetat 10mg
Tablette
Cyproteronacetat GRY 50mg
Gry-Pharma GmbH
Cyproteronacetat 50mg
Diane 35
Schering
Cyproteronacetat 2mg Ethinylöstradiol 35µg
Dragee
Juliette
Merck
Cyproteronacetat 2mg Ethinylöstradiol 35µg
Dragee
Prolaktinhemmende Medikamente (zur Therapie zugelassen)
Handelsname
Hersteller
Inhaltsstoff
Darreichungsform
Bromocrel 2,5
Hexal
Bromocriptinmesilat
Tablette
Bromocriptin AbZ 2,5
ABZ
Bromocriptinmesilat
Tablette
Bromocriptin Beta 2,5
Betapharm
Bromocriptinmesilat
Tablette
Bromocriptin 2,5 v.ct
CT Arzneimittel GmbH
Bromocriptinmesilat
Tablette
Bromocriptin ratiopharm 2,5
Ratiopharm
Bromocriptinmesilat
Tablette
Bromocriptin Teva 2,5
Teva Generics GmbH
Bromocriptinmesilat
Tablette
Kirim Gyn
Taurus Pharma GmbH
Bromocriptinmesilat (=Bromocriptin 2,5mg)
Tablette
Pravidel Tabletten 2,5
Novartis Pharma GmbH
Bromocriptinmesilat
Tablette
Dostinex
Pfizer GmbH
Cabergolin 0,5mg
Tablette
Dopergin 0,2
Schering
Lisuridmaleat 0,2mg (=Lisurid 0,149mg)
Tablette
Liserdol
Teofarma
Metergolin 4mg
Filmtablette
Norprolac
Ferring Arzneimittel GmbH
Quinagolid 25, 50, 75, 150 mg als Quinagolid-hydrochlorid
Tablette
167 A3 · Prolaktinfreisetzende Medikamente
A3
Prolaktinfreisetzende Medikamente
Wirkstoff
Substanzgruppe
Beispiele für Fertigarzneimittel
Alizaprid Amitryptilin Amitryptilin Amitryptilin
Antiemetikum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum
Amitryptilin Amitryptilin Amitryptilin Amitryptilin Benperidol Benperidol Chlorpromazin Chlorprothixen Chlorprothixen Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin
Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum
Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Cimetidin Clonidin Clonidin Clonidin Clonidin Clonidin Clonidin Cyproteronacetat Cyproteronacetat Cyproteronacetat Cyproteronacetat Diltiazem Diltiazem Diltiazem Diltiazem Diltiazem Diltiazem Diltiazem Diltiazem Diltiazem
H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum Antihypertensivum Antihypertensivum Antihypertensivum Antihypertensivum Antihypertensivum Antihypertensivum Antiandrogen Antiandrogen Antiandrogen Antiandrogen Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist
Vergentan Amineurin Amioxid Amitryptilin Beta, ct, Desitin, Neuraxpharm, RPH, Teva Equilibrin Novoprotect Saroten Syneudon Benperidol neuraxpharm Glianimon Propaphenin Chlorprothixen neuraxpharm Truxal Altramed Azucimet Cim Lich Cime ABZ Cime Eu-Rho Cimebeta Cimehexal Cimepuren CimeSanorania Cimet Cimetidin Acis, AL, ct, Atid, Heumann, VP, PB, Stada Ciuk Dura H2 Gastroprotect H2 Blocker ratiopharm Sigacimet Tagamet Catapresan Clonidin riker, ratiopharm Clonistada Haemiton Mirfat Paracefan Androcur Climen Diane Virilit Corazet Diltiazem Dil Sanorania Dilsal Dilta 1Apharma, ABZ Diltahexal Diltapham Diltaretard Dilti BASF, ct Diltia Ret
A
168
A
Anhang
Wirkstoff
Substanzgruppe
Beispiele für Fertigarzneimittel
Diltiazem Diltiazem
Kalziumantagonist Kalziumantagonist
Diltiazem Diltiazem Diltiazem Diltiazem Diltiazem Domperidon Famotidin Famotidin Famotidin Famotidin
Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Magen-Darm-Mittel H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum
Famotidin Famotidin Famotidin Finasterid Finasterid Fluphenazin Fluphenazin Fluphenazin Fluphenazin Fluphenazin Flutamid Flutamid Flutamid Flutamid Flutamid
H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum Antiandrogen Antiandrogen Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Antiandrogen Antiandrogen Antiandrogen Antiandrogen Antiandrogen
Flutamid Flutamid Flutamid Flutamid Flutamid Fluvoxamin Fluvoxamin Fluvoxamin Fluvoxamin Fluvoxamin Gallopamil Gallopamil Haloperidol Haloperidol Haloperidol Haloperidol Haloperidol
Antiandrogen Antiandrogen Antiandrogen Antiandrogen Antiandrogen Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Kalziumantagonist Kalziumantagonist Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum
Haloperidol Imipramin Imipramin Imipramin Isoniazid Isoniazid
Neuroleptikum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antiinfektivum Antiinfektivum
Diltiagama Diltiazem Al, Isis, AWD, Corax, EuRho, Heumann, ratiopharm, Stada, GRY, Verla Diltiuc Dilzanton Dilzem Dilzicardin Tilker Motilium Fadul Famo 1Apharma, ABZ, Beta Famonerton Famotidin Azu, BASF, ct, Atid, Heumann, ratiopharm, Stada Pepcid Pepciddual Pepdul Propecia Proscar Dapotum Fluphenazin neuraxpharm Lyogen Lyorodin Omca Apimid Cytamid Flumid Fluta 1Apharma, ABZ, Cell, GRY Flutamid Kanoldt, AL, Beta, Biosyn, ct, Heumann, ratiopharm, Stada, Ursapharm, Woerwag Flutexin Fugerel Prostica Prostogenat Testotard Desiflu Voxamin Feavrin Fluvohexal Fluvoxadura Fluvoxamin neuraxpharm, ratiopharm, Stada Gallobeta Procorum Haldol Haldol Decanoas Haloneural Haloper Haloperidol Desitin, GRY, Neuraxpharm, ratiopharm, RPH, Stada Sigaperidol Imipramin neuraxpharm Pryleugan Tofranil EMB INH ISO Eremefat
169 A3 · Prolaktinfreisetzende Medikamente
Wirkstoff
Substanzgruppe
Beispiele für Fertigarzneimittel
Isoniazid Isoniazid Isoniazid Isoniazid Isoniazid Isoniazid Lansoprazol Lansoprazol Lansoprazol Lansoprazol Levomepromazin Levomepromazin Levomepromazin Levomepromazin Lithium Lithium Lithium Lithium Lithium Lithium Methyldopa Methyldopa Methyldopa Metoclopramid Metoclopramid Metoclopramid Metoclopramid Metoclopramid Metoclopramid Metoclopramid Metoclopramid Metoclopramid Nizatidin Nizatidin Omeprazol Omeprazol Omeprazol Omeprazol Omeprazol
Antiinfektivum Antiinfektivum Antiinfektivum Antiinfektivum Antiinfektivum Antiinfektivum Ulkustherapie Ulkustherapie Ulkustherapie Ulkustherapie Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antihypertensivum Antihypertensivum Antihypertensivum Magen-Darm-Mittel Magen-Darm-Mittel Magen-Darm-Mittel Magen-Darm-Mittel Magen-Darm-Mittel Magen-Darm-Mittel Magen-Darm-Mittel Magen-Darm-Mittel Magen-Darm-Mittel H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum
Omeprazol Omeprazol Oxitriptan Pantoprazol Pantoprazol Pantoprazol Pantoprazol Perazin Perazin Phenytoin Phenytoin Phenytoin Phenytoin Phenytoin
H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum Antidepressivum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum Neuroleptikum Neuroleptikum Antiepileptikum/Antiarrythmikum Antiepileptikum/Antiarrythmikum Antiepileptikum/Antiarrythmikum Antiepileptikum/Antiarrythmikum Antiepileptikum/Antiarrythmikum
Isoprodian Isozid Myambutol Rifater Rifinah Tebesium Agopton Lansox Lanzor Zoton Levium Levomepromazin neuraxpharm Neurocil Tisercin Hypnorex Leukominerase Li450Zieth Lithium Apogepha Lithium Aspartat Quilonium Dopegyt Methyldopa Stada Presinol Cerucal Dura MCP Gastronerton Gastrosil Gastrotranquil Hyrin MCP AL, Isis, Beta, ct, Hexal, ratio, Stada, Pharm Metoclopramid AL , PB Paspertin Gastrax Nizax Antra Mups Ome Nerton Omebeta Omep Omeprazol 1Apharma, AL, Azu, ct, Heumann, Dura, ratiopharm, Stada Omepuren Ulnor Levothym Pantolac Pantozol Rifun Zacpac Perazin neuraxpharm Taxilan Epanutin Glyboral Phenhydan Phenytoin AWD Zentropil
A
170
A
Anhang
Wirkstoff
Substanzgruppe
Beispiele für Fertigarzneimittel
Pimozid Promethazin Promethazin Promethazin Promethazin Promethazin Promethazin Promethazin Prothipendyl Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin Ranitidin
Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum
Ranitidin Ranitidin Ranitidin Reserpin Reserpin Reserpin Reserpin Reserpin Reserpin Reserpin Reserpin Reserpin Reserpin Risperidon Roxatidin Sulpirid Sulpirid Sulpirid Sulpirid Sulpirid Sulpirid Thioridazin Thioridazin Thioridazin Tranylcypromin Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil
H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum H2-Antihistaminikum Antihypertonikum Antihypertonikum Antihypertonikum Antihypertonikum Antihypertonikum Antihypertonikum Antihypertonikum Antihypertonikum Antihypertonikum Antihypertonikum Neuroleptikum H2-Antihistaminikum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Antidepressivum Neuroleptikum Neuroleptikum Neuroleptikum Antidepressivum Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist
Orap Atosil Closin Eusedon Promethawern Promethazin neuraxpharm Proneurin Prothazin Dominal Azuranit Phamoranit Rani ABZ, KSK, BASF Rani Nerton Rani Sanorania Raniberl Ranibeta Ranibloc Ranicux Ranidura Ranimerck Raniprotect Ranipuren Ranitic Ranitidin 1aPharma, AL, Isis, Basic, ct, Atid, Heumann, PB, ratiopharm, Stada, AWD Ranitidoc Raniwieb RanLich Adelphan Esidrex Barotonal Bendigon Briserin Darebon Disalpin Trithiazid Reserpin Stada Hyperforat forte Modenol Triniton Risperdal Roxit Arminol Dogmatil Intrasil Meresa Neogama Sulp Melleretten Melleril Thioridazin neuraxpharm Jatrosom Azupamil Cardioprotect Cordichin Durasoptin
171 A4 · Gesetzliche Grundlagen
A4
Wirkstoff
Substanzgruppe
Beispiele für Fertigarzneimittel
Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil Verapamil
Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist
Verapamil Verapamil Verapamil Zotepin Zuclopenthixol
Kalziumantagonist Kalziumantagonist Kalziumantagonist Neuroleptikum Neuroleptikum
Falicard Isoptin Isoptine Jenapamil Stenoptin Tarka Udramil Vera 1Apharma, ABZ, ct, Heumann, BASF Verabeta Veragama Verahexal VeraLich Veramex Veranorm Verapamil Riker, Acis, Al, Basics, Atid, Hennig, PB, ratiopharm, Teva, Verla, Wolff Verasal Veratide Veroptinstada Nipolept Ciatyl
Gesetzliche Grundlagen für die Beratung und Durchführung einer Kinderwunschbehandlung
Gesetzliche Rahmenbedingungen der Kinderwunschbehandlung sind in verschiedenen Gesetzen und Bestimmungen festgelegt: ▬ Embryonenschutzgesetz ▬ Richtlinien der Ärztekammern ▬ Richtlinien des Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ▬ Sozialgesetzbuch V, § 27a Die Kinderwunschbehandlung in der täglichen gynäkologischen Praxis wird vor allem die Bestimmungen des Sozialgesetzbuches V, § 27a zu berücksichtigen haben, die daher im Folgenden kurz dargestellt sind: (1) Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn ▬ diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,
A
▬ nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme dreimal ohne Erfolg durchgeführt worden ist, ▬ die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind, ▬ ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und ▬ sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121a erteilt worden ist. (2) Absatz 1 gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden
172
A
Anhang
und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist Absatz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 nicht anzuwenden. (3) Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 von Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. (4) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach Absatz 1. Aufgrund der aktuellen Bestimmungen wird also eine IVF- oder ICSI-Behandlung bis zu dreimal von der Krankenkasse übernommen. Ebenso gilt dies für eine Insemination. Kosten für die ärztlichen Leistungen sowie für die Medikamente müssen dabei zur Hälfte von dem Paar selbst getragen werden. Das Embryonenschutzgesetz beschäftigt sich vorwiegend mit der IVF-Behandlung. Insbesondere sind folgende Punkte dort festgelegt: ▬ Transfer von max. 3 Embryonen ▬ Keine Embryonenselektion ▬ Keine Eizellspende ▬ Keine Leihmutterschaft ▬ Keine Präimplantationsdiagnostik ▬ Keine posthume Behandlung ▬ Kein Klonen ▬ Keine Keimbahntherapie Durch die Bestimmungen der lokalen Ärztekammern kann die Zahl der zu transferierenden Embryonen in einzelnen Bundesländern noch mehr limitiert sein. So dürfen im Land Hamburg bis zum 35. Lebensjahr nur max. 2 Embryonen transferiert werden.
A5
Umgang mit statistischen Angaben bei der Entscheidungsfindung
Die Begriffe »relatives Risiko«, »Konfidenzintervall« und »Signifikanz« beschreiben statistische Auswertungen zur Beurteilung, inwieweit 2 Gruppen von untersuchten Personen hinsichtlich einer Variablen, z. B. hinsichtlich einer Behandlungsmethode, voneinander unterschiedlich sind. Vereinfacht gesagt: Gäbe es in einer Gruppe in 10% der Fälle einen Erfolg, in der anderen Gruppe nur in 5% der Fälle, so resultiert das in einem relativen Risiko von 2,0 – oder: Die Chance, durch das eine Verfahren geheilt zu werden, ist um den Faktor 2 erhöht oder vermindert. Bei statistischen Aussagen verhält es sich so, dass immer nur eine »Teilwahrheit« erfasst werden kann. Das Ergebnis einer Studie kommt dieser »Teilwahrheit« um so näher, je umfangreicher die gewählte Stichprobe ist. Um dies dem Leser gegenüber darzustellen und um die Aussagekraft einer Studie beurteilen zu können, gibt man ein »Konfidenzintervall« oder »Vertrauensintervall« an. Dieses Intervall gibt wieder, in welchem Bereich das errechnete Risiko oder die errechnete Chance sich bewegen könnte. Dabei muss man berücksichtigen, dass eine stichprobenabhängige Wahrscheinlichkeit gegeben ist, unter der das gefundene Risiko stimmt oder falsch ist. Nehmen wir also an, dass bei der oben angegebenen Aussage das relative Risiko 2,0 sei, das Vertrauensintervall wird aber errechnet zwischen 0,1–8,5. In Worte gefasst bedeutet dies: Das relative Risiko könnte einerseits um den Faktor 10 (0,1-fach) vermindert sein, zum anderen könnte es aber auch um den Faktor 8,5 erhöht sein! Diese Wahrscheinlichkeit liegt bei 95%, deswegen spricht man auch von einem »95%-Konfidenzintervall«. Nehmen wir nun an, dass die Stichprobe, mit der die Studie durchgeführt worden ist, sehr viel größer wäre. In dem Fall wird das Vertrauensintervall kleiner und die Aussage sehr viel klarer bzw. wahrscheinlicher. Es sollte nachvollziehbar sein, dass man mit mehr Patienten, die man in eine Studie einfügt, eine bessere Aussage treffen kann, als wenn diese Stichprobe nur sehr klein ist.
173 A5 · Umgang mit statistischen Angaben bei der Entscheidungsfindung
Insofern mag also bei dieser sehr großen Stichprobe wiederum ein relatives Risiko von 2,0 herauskommen. Das 95%-Vertrauensintervall beträgt dann aber z .B. 1,3–2,6. Auch im statistisch ungünstigsten Fall ist nun das relative Risiko erhöht (1,3fach)! Die Aussage dieser Studie wird dann sein, dass die Komplikation bzw. die Heilungsrate um den Faktor 2 häufiger vorkommt. Sie kann tatsächlich mit einer 95%igen Wahrscheinlichkeit zwischen 1,3 und 2,6 liegen. Zusammengefasst bedeutet dies, dass in dem Fall, in dem das Konfidenzintervall die 1,0 einschließt, das Risiko sowohl darüber liegen kann (z. B. 8,5-fach, wie in der ersten Rechnung) oder aber auch darunter (z. B. 0,1-fach, wie im ersten Beispiel). Die Aussage dieser Studie muss dann sein, dass das Risiko, eine Komplikation zu entwickeln, in beiden Gruppen als vergleichbar angenommen werden muss. Ebenso müssen 2 Therapieformen, die miteinander verglichen werden, als gleichwertig beurteilt werden. Als konkretes Beispiel mag der Vergleich zwischen dem Laparoscopic Ovarian Drilling und der Clomifen-Stimulation bei PCO-Syndrom-Patientinnen dienen. Eine Cochrane-Analyse hat dazu nach Analyse von insgesamt 6 Studien folgende Ergebnisse gehabt: SchwangerRR* 1.27, 95% KI* [0.77–1.98] schaftsrate Mehrlingsrate RR* 0.16, 95% KI* [0.03–0.98] Abortrate RR* 0.61, 95% KI* [0.17–2.16] *RR = relatives Risiko, KI = Konfidenzintervall Wenn man diese Werte interpretiert, bedeutet dies, dass bei Schwangerschaftsrate und Abortrate trotz einem >1 liegenden bzw. <1 liegendem relativen Risiko bei dem weiten, die 1,0 einschließenden Konfidenzintervall, kein Unterschied zwischen den beiden Behandlungsformen anzunehmen ist. Hinsichtlich der Mehrlingsrate ergibt sich eine Reduktion dieses Risikos um 84% (1,0–0,16=0,84%). Das Konfidenzintervall liegt bei 0,03–0,98, die 1,0 ist also nicht eingeschlossen, das Risiko ist also tatsächlich reduziert. Eine andere Möglichkeit, tatsächliche Unterschiede in Studien anzugeben, besteht in der Angabe des p-Wertes – p steht für »Probability« –. Eine Signifikanz kann angenommen werden bei Werten
A
von <0,05, d. h. <5%. Diese Angabe bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit <5% das Ergebnis der Studie falsch ist. Ist p kleiner (z. B. p<0,0001) kann man annehmen, dass die Irrtumswahrscheinlichkeit noch sehr viel geringer ist. Auch hier gilt, dass mit einem größeren Studienkollektiv eher ein signifikanter Unterschied gefunden wird als mit einem kleineren. Abschließend muss man zu diesem Thema bemerken, dass Studien stets nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einer Wahrheit näher kommen können. Diese Wahrheit bleibt schließlich immer ungeklärt, sie kann nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erschlossen werden. Wenn einzelne Studien nicht in der Lage sind, eine Antwort zu geben, so können Metaanalysen durchgeführt werden, bei denen die Ergebnisse verschiedener Studien zur Vergrößerung des Gesamtstudienkollektivs zusammengeführt werden. Bei der Qualität von Metaanalysen ist es wichtig, dass die einzelnen Studien, die berücksichtigt werden, sich so weit wie möglich ähneln, damit nicht fälschlicherweise ein Schluss gezogen wird, der so gar nicht existiert. Methodisch ist das Verfahren der Metaanalysen nicht gerade einfach, sodass nicht selten mit ein und denselben Studien verschiedene Interpretationen von Daten möglich sind. Die sog. Cochrane Library hat sich zur Aufgabe gemacht, hochqualitative, nach festgelegten Standards durchgeführte Metaanalysen zu sammeln und zu publizieren, um dem Arzt in der täglichen Praxis die Möglichkeit zu geben, auf Ergebnisse vielfältiger Studien nach deren Bewertung unter objektiven Kriterien durch renommierte Experten zurückgreifen zu können. Wo immer möglich, wird in diesem Buch auf eine Cochrane-Analyse Bezug genommen. wo nicht möglich, wird auf möglichst qualitativ gute Studien zurückgegriffen. Dabei bedeutet der Begriff »randomisierte Studien«, dass die Patientinnen per Zufall dem einen oder anderen Verfahren zugeteilt worden sind. Der Begriff »doppelblind« bedeutet, dass weder die Patientinnen noch der Behandler wussten, welches Medikament die Patientinnen bekommen haben. Der Begriff »Plazebo-kontrolliert« schließlich
174
A
Anhang
bedeutet, dass die eine Behandlungsgruppe ein Medikament, die andere ein Scheinmedikament (Plazebo) erhalten hat. Die beste Möglichkeit, jeden Einfluss auf die Interpretation von Daten auszuschließen, liegt in einer prospektiv-randomisierten, doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie. Bei der retrospektiven Studie werden historische Daten, die allerdings nicht zu dem Zweck dieser Studie generiert worden waren, neu analysiert und interpretiert. Der Fehler, der bei retrospektiven Studien nicht selten auftreten kann, ist, dass ganz bewusst Patienten das eine oder andere Medikament bekommen bzw. mit dem einen oder anderen Verfahren behandelt worden waren. Durch Sammlung möglichst vieler Parameter muss man bei retrospektiven Studien darzustellen versuchen, dass tatsächlich beide Behandlungsgruppen soweit objektivierbar vergleichbar waren. Unter evidenzbasierter Medizin, in diesem Fall evidenzbasierter Reproduktionsmedizin, wie sie in diesem Buch vertreten wird, versteht man nun nicht etwa, dass allein aufgrund von Studien Entscheidungen getroffen werden. Es bedeutet vielmehr, dass die Beratungsmöglichkeit, gestützt durch möglichst qualitativ hochwertige Daten, zum Wohl der individuellen Patientin verbessert wird.
A6
Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und der Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (»Richtlinien über künstliche Befruchtung«)
▬ In der Fassung vom 14. August 1990 (veröffentlicht im Bundesarbeitsblatt Nr. 12 vom 30. November 1990) ▬ Geändert am 26. Februar 2002 (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 92 am 22. Mai 2002) ▬ Zuletzt geändert am 1. Dezember 2003 (veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 13 am 21. Januar 2004) ▬ In Kraft getreten am 01. Januar 2004
Die vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 27a Abs. 4 i. V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 und i. V. m. § 135 Abs. 1 des 5. Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) beschlossenen Richtlinien bestimmen die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der den gesetzlichen Erfordernissen des § 27a Abs. 1 SGB V entsprechenden ärztlichen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung.
Leistungsvoraussetzungen 1. Ärztliche Maßnahmen nach diesen Richtlinien sind nur durchzuführen, wenn die Maßnahmen zur Herstellung der Empfängnisfähigkeit nach § 27 SGB V (zum Beispiel Fertilisierungsoperation, alleinige hormonelle Stimulation), die nicht Gegenstand dieser Richtlinien sind, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten, nicht durchführbar oder nicht zumutbar sind. 2. Leistungen zur künstlichen Befruchtung nach diesen Richtlinien werden nur gewährt, wenn sie im homologen System durchgeführt werden, wenn also die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind. Es dürfen ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Nach Geburt eines Kindes besteht – sofern die sonstigen Voraussetzungen nach diesen Richtlinien gegeben sind – erneut ein Anspruch auf Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung. Nach einer Sterilisation besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkasse. 3. Die Krankenkasse ist nur für diejenigen Leistungen zuständig, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden. Hierzu gehören im Rahmen der Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gegebenenfalls erforderliche Leistungen beim Ehegatten des Versicherten nicht, wenn dieser nicht bei derselben Krankenkasse versichert ist. Für die Maßnahmen im Zusam-
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menhang mit der (ggf.) Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung, ggf. einschließlich der Kapazitation des männlichen Samens sowie für den HlV-Test beim Ehemann ist die Krankenkasse des Ehemannes leistungspflichtig. Für die Beratung des Ehepaares nach Nr. 14 sowie für die extrakorporalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Eizellen und Samenzellen ist die Krankenkasse der Ehefrau zuständig. Für die Beratung des Ehepaares nach Nr. 16 und die ggf. in diesem Zusammenhang erfolgende humangenetische Beratung ist die Krankenkasse des Ehemannes zuständig. Die Maßnahmen nach diesen Richtlinien umfassen solche Leistungen nicht, die über die künstliche Befruchtung hinausgehen – wie etwa die Kryokonservierung von Samenzellen, imprägnierte Eizellen oder noch nicht transferierte Embryonen. Diese Richtlinien gelten ausschließlich für ambulant durchgeführte ärztliche Maßnahmen durch zugelassene Ärzte, ermächtigte Ärzte oder ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen, denen die zuständige Behörde gemäß § 121 a SGB V eine Genehmigung zur Durchführung der betreffenden Maßnahmen erteilt hat. Die ärztlichen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung sollen – soweit möglich – ambulant durchgeführt werden. Soweit ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung im Rahmen von Krankenhausbehandlung durchgeführt werden, gelten die Bestimmungen gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB V. Voraussetzung für die Durchführung von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach diesen Richtlinien ist, dass beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen HlV-negativ sind und dass bei der Frau ein ausreichender Schutz gegen die Rötelninfektion besteht. Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach den Nrn. 10.2, 10.3, 10.4 und 10.5 dürfen nur durchgeführt werden, wenn die Ehegatten zuvor von einem Arzt, der die Maßnahmen nicht selbst durchführt, über die medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte der
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künstlichen Befruchtung beraten worden sind (Nr. 14) und sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen worden sind, die zur Durchführung dieser Maßnahmen berechtigt sind (Nr. 17). Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung können insofern nur auf Überweisung in Anspruch genommen werden. 8. Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung dürfen nur durchgeführt werden, wenn hinreichende Aussicht besteht, dass durch die gewählte Behandlungsmethode eine Schwangerschaft herbeigeführt wird. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht für die jeweiligen Behandlungsmaßnahmen dann nicht, wenn sie ▬ bei der Insemination im Spontanzyklus (Nr. 10.1) bis zu achtmal, ▬ bei der Insemination nach hormoneller Stimulation (Nr. 10.2) bis zu dreimal, ▬ bei der In-vitro-Fertilisation (Nr. 10.3) bis zu dreimal, ▬ beim intratubaren Gameten-Transfer (Nr. 10.4) bis zu zweimal, ▬ bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (Nr. 10.5) bis zu dreimal, vollständig durchgeführt wurden, ohne dass eine klinisch nachgewiesene Schwangerschaft eingetreten ist. ▬ Sofern eine Indikation sowohl nach Nr. 11.3 für Maßnahmen zur In-vitro-Fertilisation als auch nach Nr. 11.4 für Maßnahmen zum intratubaren Gameten-Transfer vorliegt, so dürfen die betreffenden Maßnahmen grundsätzlich nur alternativ, das heißt, entweder die Maßnahmen zur In-vitro-Fertilisation oder die Maßnahmen zum intratubaren Gameten-Transfer, durchgeführt werden. In-vitro-Fertilisation und intrazytoplasmatische Spermieninjektion dürfen aufgrund der differenzierten Indikationsstellung ebenso nur alternativ angewandt werden. Medizinisch begründete Ausnahmen bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkasse. ▬ Bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion nach Nr. 10.5 gilt die Maß-
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nahme dann als vollständig durchgeführt, wenn die Spermieninjektion in die Eizelle(n) erfolgt ist. Bei der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion besteht – abweichend von der zuvor genannten Zahl – eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits nach zweimaliger vollständiger Durchführung der Maßnahmen dann nicht, wenn in beiden Fällen eine Befruchtung nicht eingetreten ist. ▬ Bei der In-vitro-Fertilisation nach Nr. 10.3 gelten die Maßnahmen als vollständig durchgeführt, wenn die Eizellkultur angesetzt worden ist. Bei der In-vitro-Fertilisation besteht im Übrigen – abweichend von der zuvor genannten Zahl – eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits nach zweimaliger vollständiger Durchführung der Maßnahmen dann nicht, wenn in beiden Fällen eine Befruchtung nicht eingetreten ist und sich bei der Analyse der hierfür maßgeblichen Ursachen erkennen lässt, dass eine In-vitro-Fertilisation nicht möglich ist. 9. Anspruch auf Leistungen zur künstlichen Befruchtung besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40., und für männliche Versicherte, die das 50.Lebensjahr vollendet haben. Die angegebenen Altersgrenzen müssen für beide Partner in jedem Behandlungszyklus (Zyklusfall) zum Zeitpunkt des ersten Zyklustages im Spontanzyklus, des ersten Stimulationstages im stimulierten Zyklus bzw. des ersten Tages der Down-Regulation erfüllt sein. 9.1 Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen (Muster s. Anlage I). Der Behandlungsplan muss folgende Angaben enthalten: ▬ Geburtsdatum der Ehepartner ▬ Indikation (en) gemäß Nummer 11.1 bis 11.5 ▬ Behandlungsmethode gemäß Nummer 10.1 bis 10.5 ▬ Art und Anzahl bisher durchgeführter Maßnahmen der künstlichen Befruchtung
▬ voraussichtlich entstehende Behandlungskosten einschließlich aller Medikamentenkosten pro Behandlungszyklus (Zyklusfall) Der Behandlungsplan umfasst maximal 3 in Folge geplante Zyklen. Die Krankenkassen erteilen die Genehmigung für den 3. IVFoder ICSI-Zyklus nur unter dem Vorbehalt, dass in einem von zwei Behandlungszyklen eine Befruchtung stattgefunden hat (vgl. Nr. 8). Bei Inseminationen im Spontanzyklus wird die Genehmigung für bis zu 8 in Folge geplante Zyklen erteilt. Bei Änderung der Behandlungsmethode gemäß Nr. 10.1 bis 10.5 sowie spätestens nach Ablauf eines Jahres seit der Genehmigung ist ein neuer Behandlungsplan vorzulegen. 9.2 Der Arbeitsausschuss Familienplanung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ist berechtigt, Änderungen am Muster der Behandlungsplanes gemäß Anlage I vorzunehmen, deren Notwendigkeit sich aus der praktischen Anwendung ergibt, soweit dadurch der Behandlungsplan nicht in seinem wesentlichen Inhalt geändert wird.
Methoden 10. Ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gemäß § 27a SGB V kommen im Rahmen folgender Verfahren zum Einsatz: 10.1 intrazervikale, intrauterine oder intratubare Insemination im Spontanzyklus, gegebenenfalls nach Ovulationstiming – ohne Polyovulation (drei oder mehr Follikel), 10.2 intrazervikale, intrauterine oder intratubare Insemination nach hormoneller Stimulation zur Polyovulation (drei oder mehr Follikel), 10.3 In-vitro-Fertilisation (IVF) mit EmbryoTransfer (ET), gegebenenfalls als ZygotenTransfer oder als intratubarer Embryo-Transfer (EIFT = Embryolntrafallopian-Transfer), 10.4 intratubarer Gameten-Transfer (GIFT), 10.5 intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).
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Medizinische Indikationen 11. Als medizinische Indikationen zur Durchführung von ärztlichen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gelten: 11.1 Für die Insemination nach Nr. 10.1: ▬ somatische Ursachen (zum Beispiel Impotentia coeundi, retrograde Ejakulation, Hypospadie, Zervikalkanalstenose Dyspareunie) ▬ gestörte Spermatozoen-Mukus-lnteraktion ▬ Subfertilität des Mannes ▬ immunologisch bedingte Sterilität 11.2 Für die Insemination nach Nr. 10.2: ▬ Subfertilität des Mannes ▬ immunologisch bedingte Sterilität Homologe Inseminationen nach Nr. 10.2 sollen – von medizinisch begründeten Ausnahmefällen (zum Beispiel bestimmte Formen der Subfertilität des Mannes) abgesehen – wegen des Risikos hochgradiger Mehrlingsschwangerschaften nur durchgeführt werden, wenn nicht mehr als drei Follikel gereift sind. 11.3 Für die In-vitro-Fertilisation (IVF) mit – gegebenenfalls intratubarem – Embryo-Transfer (ET beziehungsweise EIFT): ▬ Zustand nach Tubenamputation ▬ anders (auch mikrochirurgisch) nicht behandelbarer Tubenverschluss ▬ anders nicht behandelbarer tubarer Funktionsverlust, auch bei Endometriose ▬ idiopathische (unerklärbare) Sterilität, sofern – einschließlich einer psychologischen Exploration – alle diagnostischen und sonstigen therapeutischen Möglichkeiten der Sterilitätsbehandlung ausgeschöpft sind ▬ Subfertilität des Mannes, sofern Behandlungsversuche nach Nr. 10.2 keinen Erfolg versprechen oder erfolglos geblieben sind ▬ immunologisch bedingte Sterilität, sofern Behandlungsversuche nach Nr.10.2 keinen Erfolg versprechen oder erfolglos geblieben sind
11.4 Für den intratubaren Gameten-Transfer (GIFT): ▬ anders nicht behandelbarer tubarer Funktionsverlust, auch bei Endometriose, ▬ idiopathische (unerklärbare) Sterilität, sofern – einschließlich einer psychologischen Exploration – alle diagnostischen und sonstigen therapeutischen Möglichkeiten der Sterilitätsbehandlung ausgeschöpft sind, ▬ Subfertilität des Mannes, sofern Behandlungsversuche nach Nr. 10.2 keinen Erfolg versprechen oder erfolglos geblieben sind. 11.5 Für die Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) mit – gegebenenfalls intratubarem Embryo-Transfer (ET bzw. EIFT): ▬ Männliche Fertilitätsstörung, nachgewiesen durch zwei aktuelle Spermiogramme im Abstand von mindestens 12 Wochen, welche unabhängig von der Gewinnung des Spermas folgende Grenzwerte – nach genau einer Form der Aufbereitung (nativ oder »swim-up«-Test) – unterschreiten.
Merkmal
Indikationsbefund
Nativ
alternativ »swim-up«
Konzentration (Mio/ml)
<10
<5
Gesamtmotilität (%)
<30
<50
Progressivmotilität (WHO A in %)
<25
<40
Normalformen (%)
<20
<20
Sind nicht alle Kriterien gleichzeitig erfüllt, so ist das entscheidende Kriterium die Progressivmotilität. Sofern diese unter 15% im Nativsperma oder unter 30% im »swim-up«-Test liegt, so liegt eine Indikation für die Intracytoplasmatische Spermieninjektion vor. Die Beurteilung des Spermas hat nach den gültigen WHO-Vorgaben zu erfolgen.
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Umfang der Maßnahmen
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12. Im Einzelnen kommen im Zusammenhang mit der Durchführung der Maßnahmen nach den Nrn. 10.1 bis 10.5 – je nach gewählter Methode – folgende Leistungen in Betracht: 12.1 Untersuchung auf HlV-Antikörper bei beiden Ehegatten sowie auf HbsAg bei der Frau 12.2 Maßnahmen im Zusammenhang mit der Untersuchung und der Aufbereitung – gegebenenfalls einschließlich der Kapazitation – des männlichen Samens 12.3 Durchführung der hormonellen Stimulationsbehandlung (nur bei Maßnahmen nach den Nrn. 10.2, 10.3, 10.4 und 10.5) 12.4 Laboratoriumsmedizinische Bestimmungen von luteinisierendem Hormon, Östradiol und Progesteron 12.5 sonographische Untersuchungen 12.6 ultraschallgezielte oder laparoskopische Eizellentnahme (nur bei Maßnahmen nach den Nrn. 10.3, 10.4 und 10.5) 12.7 Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Eizellen und Samenzellen, einschließlich der mikroskopischen Beurteilung der Reifestadien der Eizellen (bei Maßnahmen nach Nr. 10.4) oder der Eizellkultur (bei Maßnahmen nach den Nrn. 10.3 und 10.5) 12.8 Insemination (bei Maßnahmen nach den Nrn. 10.1 und 10.2), Embryo-Transfer (bei Maßnahmen nach den Nrn. 10.3 und 10.5) und intratubarer Gameten-Transfer (bei Maßnahmen nach Nr. 10.4) 12.9 Beratung nach den Nrn. 13–16
Beratung des Ehepaares und Überweisung zur Durchführung der Maßnahmen 13. Die Beratung des Ehepaares soll – bei Vorliegen der übrigen leistungsrechtlichen Voraussetzungen – erst durchgeführt werden, wenn zuvor unter Einsatz geeigneter diagnostischer und gegebenenfalls therapeutischer Maßnahmen das Vorliegen einer der in Nr. 11
genannten medizinischen Indikationen gesichert worden ist. Sofern der die Indikation stellende Arzt nicht mit dem beratenden Arzt identisch ist, soll die Beratung nach Nr. 7 nur aufgrund einer entsprechenden Überweisung des die Indikation stellenden Arztes in Anspruch genommen werden. 14. Die Beratung nach Nr. 7 soll sich gezielt auf die individuellen medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte der künstlichen Befruchtung beziehen. Dabei sollen nicht nur die gesundheitlichen Risiken und die Erfolgsquoten der Behandlungsverfahren angesprochen, sondern auch die körperlichen und seelischen Belastungen insbesondere für die Frau sowie mögliche Alternativen zum eigenen Kind (zum Beispiel Adoption) eingehend erörtert werden. 15. Über die erfolgte Beratung ist eine Bescheinigung auszustellen, die zusammen mit der Überweisung dem Arzt vorgelegt werden soll, der die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung durchführt.
Berechtigte Ärzte 16. Vor der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion hat der durchführende Arzt das Ehepaar über die speziellen, auch genetischen Risiken und mögliche Fehlbildungen des Kindes aufzuklären. Hierbei hat der Arzt das Paar auch über den Anspruch auf humangenetische Beratung und ggf. Untersuchung vor der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion zu informieren und die Eltern auf ihre Verantwortung für die ihnen überlassene Entscheidung zur Anwendung dieser Methode und damit für das erhebliche Risiko von Fehlbildungen bei den Kindern hinzuweisen. Diese Beratung ist insbesondere bei entsprechenden Befundkonstellationen (z. B. Familienanamnese mit Hinweisen auf genetische Fehlbildungen, beidseitiger kongenitaler Verschluss der Samenleiter beim Mann) dem Ehepaar besonders zu empfehlen. Das Gespräch ist in geeigneter Weise zu dokumentieren. Lehnt das Paar eine humange-
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netische Beratung ab, ist dies ebenfalls zu dokumentieren. Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach diesen Richtlinien dürfen nur solche zugelassenen Ärzte, ermächtigten Ärzte oder ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen erbringen, denen die zuständige Behörde gemäß § 121 a SGB V eine Genehmigung zur Durchführung dieser Maßnahmen erteilt hat. Dies gilt bei Inseminationen nur dann, wenn sie nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden, bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Homologe Inseminationen ohne vorangegangene Stimulationsbehandlung (Nr. 10.1) dürfen nur von solchen Ärzten durchgeführt werden, die zur Führung der Gebietsbezeichnung »Frauenarzt« berechtigt sind. Regelungen in ärztlichen Berufsordnungen zur Durchführung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bleiben unberührt. Beratungen nach Nr. 14 dürfen nur von Ärzten, die zum Führen der Gebietsbezeichnung »Frauenarzt« berechtigt sind, sowie von solchen anderen Ärzten durchgeführt werden, die über spezielle Kenntnisse auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin verfügen (z. B. Fachärzte für Urologie oder Fachärzte für Dermatologie). Voraussetzung für die Durchführung von Beratungen nach Nr. 14 ist ferner der Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme an der psychosomatischen Grundversorgung. Bei Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach dieser Richtlinie, welche eine Stimulationsbehandlung der Frau zur Gewinnung von Eizellen beinhalten, soll diese Stimulationsbehandlung durch den Arzt vorgenommen werden, welcher die Maßnahme selbst durchführt.
Empfehlungen zur Qualitätssicherung 22. Es werden auf der Grundlage des § 135 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 folgende Empfehlungen zur Qualitätssicherung und zu den erforderlichen
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Aufzeichnungen über die Durchführung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung abgegeben: 22.1 Leistungen der künstlichen Befruchtung können in der vertragsärztlichen Versorgung nur dann ausgeführt und abgerechnet werden, wenn zuvor bestimmte Anforderungen an die Qualität erfüllt und nachgewiesen werden. Hierzu gehören: Der Leiter der Praxis oder Einrichtung muss Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe sein und über die fakultative Weiterbildung »gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin« verfügen. In der Praxis oder Einrichtung müssen die folgenden Kenntnisse und Erfahrungen vorhanden sein: ▬ Endokrinologie der Reproduktion ▬ Gynäkologische Sonographie ▬ Operative Gynäkologie ▬ Reproduktionsbiologie mit dem Schwerpunkt der In-vitro-Kultur ▬ Andrologie Von diesen fünf Bereichen können jeweils nur zwei gleichzeitig von einem Arzt oder Wissenschaftler der Praxis oder Einrichtung verantwortlich geführt werden. Grundsätzlich müssen andrologisch qualifizierte Ärzte (Urologen, Dermatologen, Internisten mit Schwerpunkt Endokrinologie) in Diagnostik und Therapie im Rahmen der assistierten Reproduktion integriert sein. Die regelmäßige Kooperation mit einem Humangenetiker und einem ärztlichen Psychotherapeuten muss gewährleistet sein. Die Praxis oder die Einrichtung muss über die zur Durchführung der künstlichen Befruchtung erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten verfügen. Es ist die notwendige apparativ-technische Ausstattung insbesondere zur Ultraschalldiagnostik, zur Hormondiagnostik, zur Spermadiagnostik und -aufbereitung, zur Gewinnung der Eizellen, zur In-vitro- Kultivierung der Eizellen, zum Embryonentransfer und zum intratubaren Gametentransfer sowie die erforderliche personelle und räumliche Ausstattung vorzuhalten.
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Die Praxis oder Einrichtung muss über eine Genehmigung zur Durchführung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durch eine zuständige Stelle nach § 121a SGB V verfügen. Ergänzende Anforderungen zur Genehmigung der Durchführung von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung legen die Partner der Bundesmanteltarifverträge gemäß § 135 Abs. 2 SGB V auf der Grundlage von Empfehlungen fest. 22.2 Praxen oder Einrichtungen, welche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung durchführen, sind verpflichtet, sich an einrichtungsübergreifenden vergleichenden Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu beteiligen, die insbesondere zum Ziel haben, die Ergebnisqualität zu erhalten und zu verbessern. Die erforderlichen ärztlichen Aufzeichnungen müssen insbesondere Angaben, welche den Erfolg der Therapie beeinflussen können und die Wahl des Verfahrens der künstlichen Befruchtung begründen, sowie zum Verlauf der Stimulation und zum Ergebnis der Therapie beinhalten. Das Nähere zur Durchführung der Maßnahmen sowie die spezifischen Anforderungen an die ärztlichen Dokumentation legt der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien gemäß § 136a SGB V fest. 22.3 Bis zum In-Kraft-Treten der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gemäß § 136a Nr. 1 i. V. m. § 135a Abs. 2 SGB V bzw. von Qualitätssicherungsvereinbarungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V sind die
Ärzte als Voraussetzung zur Erbringung der entsprechenden Leistungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) verpflichtet, an den bestehenden berufsrechtlichen Maßnahmen der Ärztekammern zur Qualitätssicherung gemäß Nr. 4.3 der »Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion« der Bundesärztekammer von 1998 teilzunehmen. Die Teilnahme ist in jährlichen Abständen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nachzuweisen.
In-Kraft-Treten 23. Die Richtlinien treten am 1. Oktober 1990 in Kraft und gelten für alle Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung, die nach dem 1. Oktober 1990 eingeleitet werden, wobei für die Verfahren nach den Nrn. 10.2 bis 10.4 die Beratung nach Nr. 14 als Beginn der Maßnahmen anzusehen ist.
Übergangsregelung 24. Ein bis zum 31. Dezember 2003 begonnener Behandlungszyklus (Zyklusfall) wird gemäß der bis dahin geltenden Regelungen abgeschlossen. Als Beginn der Maßnahme ist der erste Zyklustag im Spontanzyklus, der erste Stimulationstag im stimulierten Zyklus bzw. der erste Tag der »Down«-Regulation anzusehen.
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Anlage I – Muster Behandlungsplan
Name der Krankenkasse Name, Vorname des Versicherten (weibl.) Geb. am Kassen-Nr. Versicherten-Nr. Status Vertragsarzt-Nr. Datum
Name der Krankenkasse Name, Vorname des Versicherten (männl.) Geb. am Kassen-Nr. Versicherten-Nr. Status Vertragsarzt-Nr. Datum
Behandlungsplan Für Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung gem. §27a SGB V I. Indikation(en) gem. 11.1–11.5: ............................................................................................................................. II. Geplante Behandlungsmaßnahme: ■ Insemination im Spontanzyklus (gem. Nr. 10.1) ■ Insemination nach hormoneller Stimulation (gem. Nr. 10.2) ■ In-Vitro-Fertilisation mit Embryotransfer (gem. Nr. 10.3) ■ Intratubarer-Gameten-Transfer (gem. Nr. 10.4) ■ Intracytoplasmatische Spermieninjektion (gem. Nr. 10.5) ■ Anzahl und Art bereits erfolgter Behandlungen nach Nr.10.1–10.5: ................................... III. Kostenschätzung (pro Zyklusfall): Ärztliche Behandlung (EBM-Positionen *): .............................................................. * Diese Angaben stehen unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Änderung der diagnostischen und therapeutischen Einzelfallerfordernisse. Auflistung der EBM-Positionen ggf. auf separatem Beiblatt. Medikamentenkosten (durchschnittliche Kostenspanne*):.................................... * Diese Angabe steht unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Änderung aufgrund der diagnostischen und therapeutischen Einzelfallerfordemisse Sachkosten und Praxisbedarf (durchschnittliche Kostenspanne*):....................... * Diese Angabe steht unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Änderung aufgrund der diagnostischen und therapeutischen Einzelfallerfordemisse Gesamtkosten (geschätzt): ....................................................................................... .......................................................... Ort, Datum
....................................................... Unterschrift
............................................................... Praxis/Klinik
IV. Genehmigung durch die Krankenkasse(n) Der Behandlungs-/Kostenplan wird für 3 in Folge geplante Zyklen genehmigt * * Die Genehmigung für den 3. IVF oder ICSI-Zyklus steht unter dem Vorbehalt, dass in einem von 2 Behandlungszyklen eine Befruchtung stattgefunden hat. Bei Inseminationen nach Nr. 10.1 werden bis zu 8 Zyklen genehmigt ■ genehmigt ■ nicht genehmigt (separate Begründung anbei) Nach § 27 a SGB V sind 50% der entstehenden Kosten (inklusive Medikamentenkosten) Eigenanteil des Patienten. Eine abschließende Berechnung kann erst nach Beendigung der Behandlung erfolgen. Die voraussichtlichen Kosten pro Zyklusfall werden ca. ......................€ betragen. .......................................................... Ort, Datum
....................................................... Unterschrift
............................................................... Krankenkasse(n)
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Anamnesebögen für Frau und Mann
Anamnesebögen für Kinderwunschpaare in einer Kinderwunschpraxis. Mit freundlicher Genehmigung der Serono Deutschland GmbH (Norbert van Rooj, RecDate Team) Bitte füllen Sie die Felder aus bzw. kreuzen Sie die zutreffenden Felder an. Unklare Fragen markieren Sie einfach mit einem Fragezeichen. 5
Name: Vorname:
Falls Sie bereits vorausgegangene Stimulationen oder Inseminationen hatten, welche Medikamente haben Sie dafür erhalten?
Adresse: Telefon: Gab es dabei Komplikationen? O nein O Überstimulationssyndrom O Blutungen O sonstige (welche?)
Beruf: 1
Geburtsdatum:
2
Sind Sie miteinander verheiratet?
Alter:
O ja
O nein
Seit wann besteht Ihre jetzige Lebenspartnerschaft?
A
3
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(Jahr)
Seit wann haben Sie einen Kinderwunsch? (Monat, Jahr)
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Wie häufig haben Sie sexuellen Verkehr mit ihrem Partner?
4
Vorausgegangene IVF oder ICSI Behandlungen* * falls Sie bereits mehr als vier IVF- oder ICSI-Behandlungen hatten, bitte hier die letzten vier angeben
- ca.
Mal pro Woche
- ca.
Mal pro Monat
O ja, seit
- falls ja, wie viele Ärzte haben Sie bereits aufgesucht? Art der Behandlung
Schwangerschaft
O ja O nein
Jahr
Anzahl eingefroren
O O
2
Ärzte #
Jahr
Schwangerschaft
Schwangerschaft
O ja O nein
O nein
Stimulation der Eierstöcke mit Verkehr zum Eisprung
O ja
O nein O nein
O ja
O nein
Künstliche Befruchtung (IVF)
O ja
O nein
Künstliche Befruchtung mit Mikroinjektion (ICSI)
O ja
O nein
Auftauzyklus (Kryotransfer)
O ja
O nein
GIFT
O ja
O nein
andere
O ja
O nein
Anzahl eingefroren
Schwangerschaft
O ja O nein
Welche Medikamente haben Sie hier erhalten?
#
Insemination - mit Spendersperma
Anzahl Anzahl IVF ICSI Eizellen Embryonen punktiert transferiert
O O
3
O ja
O ja
Anzahl Anzahl IVF ICSI Eizellen Embryonen punktiert transferiert
Welche Medikamente haben Sie hier erhalten?
Zykluskontrolle mit Verkehr zum Eisprung
Insemination - mit Sperma des Partners
Anzahl eingefroren
O O
1
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(Jahr)
Anzahl Zyklen
Anzahl Anzahl IVF ICSI Eizellen Embryonen punktiert transferiert
Welche Medikamente haben Sie hier erhalten?
Waren Sie wegen Ihres Kinderwunsches bereits in ärztlicher Behandlung?
O nein
Jahr
4
Jahr
Anzahl Anzahl IVF ICSI Eizellen Embryonen punktiert transferiert
O O
Anzahl eingefroren
Schwangerschaft
O ja O nein
Welche Medikamente haben Sie hier erhalten?
Gab es bei IVF- / ICSI-Therapien Komplikationen? O nein O Überstimulationssyndrom O Blutungen O sonstige (welche?)
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183 A7 · Anamnesebögen für Frau und Mann
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Anamnesefragebogen Patientin
ENDOKRINOLOGIKUM
Seite 2 von 5
Zentrum für Hormon und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedzin und gynäkologische Endokrinologie
- falls ja, mit welcher Methode? O Ultraschall O Röntgen
Haben Sie einen Empfängnisschutz betrieben? Pille: Spirale:
O Bauchspiegelung
- mit welchem Ergebnis? Eileiter links: O durchgängig Eileiter rechts: O durchgängig 8
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Wurden Ihre Eileiter bereits überprüft? O nein O ja (wann?)
O nein O nein
O ja: von O ja: von
bis bis
Haben Sie sich sterilisieren lassen? O nein O ja (wann?)
O verschlossen O verschlossen
Gab es Komplikationen?
O nein
O ja (welche?)
Wurden schon Operationen im Bauchraum oder Unterleib durchgeführt?
O nein
O ja (welche?)
Jahr
13
Haben Sie bereits Ihre Basaltemperatur zur Bestimmung der fruchtbaren Tage gemessen? O nein O ja - mit welchem Ergebnis? O auffällig
O unauffällig 14 9
Wann war Ihre letzte Krebsvorsorge? (Jahr)
O regelmäßig zwischen
Wann war Ihre letzte Mammographie?
Waren Sie bereits schwanger?
O nein
Geburt? Fehlgeburt? Abbruch?
Mit jetzigem Partner?
Nach Kinderwunschbehandlung?
OG OF OA
ja O nein
O OG OF OA
ja
O OG OF OA
ja
O OG OF OA Traten Komplikationen auf?
- zwischen
ja
O nein
Haben Sie Zwischenblutungen?
O ja O nein
O nein
O ja O nein
O nein
O ja O nein
O nein
O ja
und
Tage
Wie ist die Blutungsstärke der Regel? O leicht O mittel O stark
O ja O nein
- oder Schmierblutungen vor bzw. nach der Regel? 16
O nein O ja O ja, vorher O nein O ja, nachher
Haben Sie Schmerzen während der Periode? O nein O leicht O mittel O stark Wie häufig?
O selten
O öfter
Einnahme von Schmerztabletten?
O immer O nein O ja
Wann beginnen die Schmerzen? O vor . . . O mit . . . dem Einsetzen der Blutung
In welchem Alter hatten Sie Ihre erste Monatsblutung? - mit
O Monaten
Wie lange dauert die Regelblutung im Durchschnitt?
O
11
Tagen Tagen
O ja: 15
Jahr
und
O unregelmäßig zwischen und O zur Zeit keine Regelblutung seit O Tagen O Wochen
(Jahr) 10
Wie lange ist der Abstand vom ersten Tag der Regelblutung bis zum ersten Tag der darauffolgenden Regelblutung (Zyklusdauer)?
Wann sind die Schmerzen am stärksten? O vor . . . O mit . . . dem Einsetzen der Blutung
Jahren
Beginn der Brustentwicklung
mit
Jahren
Beginn der Achsel- und Schambehaarung
mit
Jahren
Haben Sie seit Ihrer ersten Monatsblutung Schmerzen? O nein O ja
184
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Anhang
Anamnesefragebogen Patientin
ENDOKRINOLOGIKUM
Seite 3 von 5
Zentrum für Hormon und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedzin und gynäkologische Endokrinologie
Haben Sie sonstige Unterleibsschmerzen? O nein O selten O öfter O immer
O nein O nein O nein O nein O nein
Schmerzen beim Wasserlassen? Schmerzen beim Stuhlgang? Blutbeimengungen im Urin Blutbeimengungen im Stuhl Schmerzen beim Verkehr? 18
Bemerken Sie in den Tagen vor Einsetzen der Monatsblutung folgende Symptome?
Wie ernähren Sie sich? O vegetarisch
O Mischkost O ja O ja O ja O ja O ja
22
23
O nein
leicht
A 19
O O O O O O
O ja
Benutzen Sie Aufputsch- oder Dopingmittel? O nein O ja 24
O beidseitig
- von welcher Farbe? 20
O nein
Leiden Sie unter folgenden Symptomen? Akne: - seit wann? - wo? O Gesicht
O Rücken
verstärkter Haarausfall:
leicht
mittel
stark
O
O
O
leicht
mittel
stark
O
O
O
- seit wann? O Gesicht - wo?
O Beine 21
leicht
mittel
stark
O
O
O
O Brustkorb O Bauch
Wie ist Ihr Körpergewicht und Ihre Größe? Gewicht (Kilo):
22
O Rücken O Arme
Sind Sie im Alltag besonderen körperlichen Belastungen ausgesetzt? O Schichtarbeit O nein O Lärm O fehlendes Tageslicht O Stäube O schwere körperliche Belastung O Chemikalien O Gase/Aerosole Welche giftigen Stoffe sind dies ggf.?
O Brustkorb
- seit wann? Zunahme der Körperbehaarung:
O 1-5 Zig./Tag O 11-15 Zig./Tag O mehr als 20 (Anzahl?)
- wie oft?
- seit wann?
O einseitig
O regelmäßig
Konsumieren Sie weitere Genussmittel (Drogen)? O nein O ja - welche?
O ja, jedoch nur nach Provokation
- auf welcher Seite?
Trinken Sie Alkohol? O nie O selten O gelegentlich
O nein O 6-10 Zig./Tag O 16-20 Zig./Tag
O O O O O O
Haben Sie, unabhängig von Schwangerschaft oder Stillzeit, einmal den Austritt von Sekret aus Ihrer Brust bemerkt?
O nein
O regelmäßig
Rauchen Sie?
lmittel stark stark
O O O O O O
O gelegentlich
- falls ja, welche Sportarten?
mitte
Blähbauch / Völlegefühl Niedergeschlagenheit / Depressionen Migräne Gewichtszunahme Schwellungen von Händen / Füßen Brustspannen/empfindl. Brustwarzen
Treiben Sie Sport? O nie O selten
O eher einseitig
Größe (cm):
Wieviele Mahlzeiten nehmen Sie pro Tag zu sich? O 1-2 O 3-4 O mehr als 4
25
Haben Sie eine Allergie gegen Penicillin? O nein O ja Haben Sie andere Allergien? O nein O ja (welche?)
Welche Medikamente nehmen Sie ggf. dagegen?
A
185 A7 · Anamnesebögen für Frau und Mann
26
Anamnesefragebogen Patientin
ENDOKRINOLOGIKUM
Seite 4 von 5
Zentrum für Hormon und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedzin und gynäkologische Endokrinologie
Hatten oder haben Sie folgende Erkrankungen bzw. Beschwerden? O nein
Nehmen Sie Schilddrüsenmedikamente ein? O nein O ja (welche?)
( seit ) Jahr Diabetes (Zuckerkrankheit) - insulinpflichtig? O ja O nein Epilepsie Unterleibsschmerzen Asthma / chron. Bronchitis Magen-/ Darmerkrankung Nierenerkrankung Nebennierenerkrankung Lebererkrankung Herz-/ Kreislauf-/ Gefäßerkrankung Krebs / andere Tumore - welche? Kopfschmerzen Migräne 27
Herzklopfen Thrombosen Bluthochdruck Krampfadern Eierstockzysten
Wurden, außer im Bauchraum oder Unterleib, bereits andere Operationen durchgeführt?
O nein
30
O ja (welche?)
Jahr
Leiden Sie an weiteren Begleiterkrankungen und welche Medikamente nehmen Sie dagegen ein?
O nein
Leiden Sie insbesondere an folgenden Beschwerden? Schlaflosigkeit / nächtliche Unruhe allg. Müdigkeit / Leistungsabfall Reizbarkeit / Nervosität Stress (allgemein) Stress (am Arbeitsplatz) Partnerschaftskonflikte Ängstlichkeit / Depressionen Seelische Erkrankung Hitzewallungen / Schweißausbrüche fleckige Hautrötungen trockene Scheide
28
29
O ja (welche?)
Medikamente
O nein leicht
mittel
stark
O O O O O O O O O O O
O O O O O O O O O O O
O O O O O O O O O O O
leicht
mittel
stark
O O O O O
O O O O O
O O O O O
31
O ja, väterlicherseits (welche?)
32
Wurde Ihre Schilddrüse schon untersucht? O nein O ja (wann?)
O Ultraschall
- falls ja, mit welcher Methode? O radiologisch
O Bluttest
- mit welchem Ergebnis? O unbekannt O ohne Befund
O auffällig
Gibt es in Ihrer Familie Erbkrankheiten, Krebserkrankungen, andere schwere Leiden oder ungewollte Kinderlosigkeit? O nein O ja, mütterlicherseits (welche?)
Wurde bei Ihnen bereits eine Chromosomenuntersuchung durchgeführt ? O nein O ja - mit welchem Ergebnis? O unauffällig O auffällig
33
Wurde ein genetischer Test auf cystische Fibrose (CFTR) durchgeführt? O nein O ja - mit welchem Ergebnis? O unauffällig O auffällig
- falls auffällig, mit welchem Befund?
34
Sind Sie bereits gegen Röteln geimpft? O nein O ja
186
35
Anhang
Anamnesefragebogen Patientin
ENDOKRINOLOGIKUM
Seite 5 von 5
Zentrum für Hormon und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedzin und gynäkologische Endokrinologie
Wer ist Ihr behandelnder Hausarzt?
Spermien: O epidydimal O testikulär O Ejakulat O einzeitige OP O zweizeitige OP O Auftau O Kryokonservierung O Spermiogrammtermin vereinbaren
Wer ist Ihr behandelnder Gynäkologe?
O1
# Embryonen für ET
Bemerkungen
Kryo VKs erwünscht? O nein O ja, ab
O2
O3
VKs
Checkliste Infektionsserologie: O HIV O HBV O Röteln
A
Wird vom Arzt im Kinderwunschzentrum ausgefüllt Indikationen tubar Endometriose path. Tubenfaktor Dysmukorrhoe Spermienantikörper (F) path. Zyklus Amenorhoe Oligomenorrhoe Anovulation Lutealphasendefekt PCO Hyperandrogenämie Hyperprolaktinämie keine Information sonstiges
O O O O O O O O O O O O O O O
ART Hauptindikation:
O weiblich
Basishormone: O FSH O LH O E2 O HCG O Androstendion
O TSH O PRG O PRL
O TP
O Chlam.
O TESTO O 17-OH-P
O DHEAS
+ Relevanz -
O O O O O O O O O O O O O O O
O O O O O O O O O O O O O O O
Abstrich: O Pilze
O männlich
O OS mit VZO O AID O ICSI O Kryotransfer O
O Bakt.
O Chlam.
O Mykopl.
Genetik
O Zytogramm
O CFTR
O Überweisung Anästhesie O Überweisung Humangenetik
Termin Datum: Uhrzeit:
Geplante Behandlung: O Monitoring mit VZO O IUI O IVF O IVF + ICSI O GIFT
O HCV
Arzt:
O AZF
A
187 A7 · Anamnesebögen für Frau und Mann
Anamnesefragebogen Patient
ENDOKRINOLOGIKUM
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Zentrum für Hormon und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedzin und gynäkologische Endokrinologie
Bitte füllen Sie die Felder aus bzw. kreuzen Sie die zutreffenden Felder an. Unklare Fragen markieren Sie einfach mit einem Fragezeichen. Haben Sie an chronischen Erkrankungen, Stoffwechsel- oder Hormonstörungen gelitten? O nein O ja
Name: Vorname: Adresse:
- falls ja, welche waren dies?
Telefon: Beruf:
8
1
Geburtsdatum:
2
Sind Sie miteinander verheiratet?
Hatten Sie als Kind einen Hodenhochstand? O ja: links O ja: rechts
O nein
Alter:
O ja
- falls ja, welche Therapie erfolgte? O keine O Hormongaben O Operation
O nein
Hatten Sie eine Hodenverletzung?
Seit wann besteht Ihre jetzige Lebenspartnerschaft?
O nein
(Jahr)
O ja (wann?)
- falls ja, welche Therapie erfolgte? 3
Haben Sie bereits eine Schwangerschaft erzielt?
O ja, mit jetziger Partnerin
Wann? - nach Kinderwunschbehandlung? O nein
Hatten Sie eine Entzündung der Hoden?
O ja
O nein
O ja, mit anderer Partnerin
Wann? - nach Kinderwunschbehandlung? O nein
O ja
Waren Sie mit einer früheren Partnerin bereits ungewollt kinderlos? O nein O ja 4
Hatten Sie einen Hoden-Tumor? O nein O ja: links O ja: rechts - wann?
O nein
O ja (wann zuletzt?) O unauffällig
O auffällig
verordnet? O nein O ja (welche?)
6
- falls ja, sind Sie deshalb operiert worden?
O nein
- wann?
9
Ist schon eine Spermienuntersuchung (Spermiogramm) durchgeführt worden?
Haben Sie Erektionsstörungen?
O auffällig O ja
rechts:
O unauffällig O auffällig
Gab es schon andere Operationen im Unterleibsoder Genitalbereich?
O nein
O nein
links:
- welches Ergebnis?
O nein
7
O ja (wann?)
Wurden bereits Gewebeproben aus den Hoden entnommen? O nein O ja, links O ja, rechts
Haben Sie sich sterilisieren lassen? O nein O ja (wann?) - falls ja: Wurden Sie später wieder refertilisiert? O nein O ja (wann?)
O ja (wann zuletzt?) O normal - mit welchem Ergebnis?
rechts:
Hatten Sie Krampfadern am Hoden (Varikozele)? O nein O ja
Wurden Ihnen vom Männerarzt bereits Medikamente
5
links:
- welche Therapie erfolgte?
Wurden Sie bereits von einem Männerarzt (z.B. Urologe, Dermatologe, Internist) untersucht? - welches Ergebnis?
O ja (wann?)
- falls ja, welche Therapie erfolgte?
O ja (welche?)
Jahr
188
Anhang
Anamnesefragebogen Patient
ENDOKRINOLOGIKUM
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Zentrum für Hormon und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedzin und gynäkologische Endokrinologie
10
Welche Medikamente nehmen Sie ggf. ein?
11
Ist bei Ihnen eine Fehlbildung der Samenleiter festgestellt worden?
Welche giftigen Stoffe sind dies ggf.?
18
O nein 12
O ja, links
O ja, rechts Welche Medikamente nehmen Sie ggf. dagegen ein?
Wurde Ihre Prostata bereits untersucht?
O nein
O ja (wann?)
- mit welchem Ergebnis?
O normal
O auffällig 19
13
Wie ist Ihr Körpergewicht und Ihre Größe? Gewicht (Kilo):
14
A
Größe (cm):
Wie ernähren Sie sich? O vegetarisch
Treiben Sie Sport? O nie O selten
O eher einseitig 20
O gelegentlich
Trinken Sie Alkohol? O nie O selten
O gelegentlich
mittel
stark
O O O O O O O
O O O O O O O
O O O O O O O
Hatten oder haben Sie folgende Erkrankungen oder Beschwerden? O nein
O regelmäßig
Mumps Diabetes (Zucker) - insulinpflichtig? O ja Bluthochdruck Epilepsie Krebs / andere Tumore - welche? Schilddrüsenerkrankung
(seit) Jahr
Rauchen Sie?
O nein O 6-10 Zig./Tag O 16-20 Zig./Tag
leicht
O regelmäßig
- falls ja, welche Sportarten?
16
O nein
Haben Sie folgende Beschwerden? Schlaflosigkeit / nächtliche Unruhe allg. Müdigkeit / Leistungsabfall Stress (allgemein) Stress (am Arbeitsplatz) Partnerschaftskonflikte Ängstlichkeit / Depressionen seelische Erkrankung
Wieviele Mahlzeiten nehmen Sie pro Tag zu sich? O 1-2 O 3-4 O mehr als 4
O Mischkost 15
Haben Sie Allergien? O nein O ja (welche?)
O 1-5 Zig./Tag O 11-15 Zig./Tag O mehr als 20 (Anzahl?)
O nein
21
Nehmen Sie Schilddrüsenmedikamente ein? O nein O ja (welche?)
22
Leiden Sie an weiteren Begleiterkrankungen und welche Medikamente nehmen Sie dagegen ein?
Konsumieren Sie weitere Genussmittel (Drogen)? O nein O ja - welche? - wie oft? Benutzen Sie Aufputsch- oder Dopingmittel? O nein O ja
O nein 17
Sind Sie im Alltag besonderen körperlichen Belastungen ausgesetzt? O Schichtarbeit O nein O Lärm O fehlendes Tageslicht O Hitze O Kälte O Stäube O schwere körperliche Belastung O Chemikalien O Gase/Aerosole
O ja (welche?)
Medikamente
A
189 A7 · Anamnesebögen für Frau und Mann
23
Anamnesefragebogen Patient
ENDOKRINOLOGIKUM
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Zentrum für Hormon und Stoffwechselerkrankungen, Reproduktionsmedzin und gynäkologische Endokrinologie
Gibt es in Ihrer Familie Erbkrankheiten, Krebserkrankungen, andere schwere Leiden oder ungewollte Kinderlosigkeit? O nein O ja, mütterlicherseits (welche?)
O ja, väterlicherseits (welche?)
24
Wurde bei Ihnen bereits eine Chromosomenuntersuchung durchgeführt ? O nein O ja - mit welchem Ergebnis? O unauffällig O auffällig
25
O Asthenozoospermie O Teratozoospermie O Leukozoospermie O Azoospermie O Aspermie
Hoden: O o.B. O Entzündung O Torsion O Atrophie
O Trauma O Hochstand O Hypoplasie O Neoplasie
Prostata:
O o.B. O Entzündung
Wurde ein genetischer Test auf cystische Fibrose (CFTR) durchgeführt? O nein O ja - mit welchem Ergebnis? O unauffällig O auffällig
26
Spermienbefund
O Normozoospermie O Oligozoospermie O Nekrozoospermie O OAT °I O OAT °II O OAT °III
Wer ist Ihr behandelnder Hausarzt?
Wer ist Ihr behandelnder Männerarzt (z.B. Urologe, Dermatologe, Internist)?
O Hyperplasie O Neoplasie
Weiteres:
O Spermatozele O CAVD einseitig
O Hydrozele O CAVD beidseitig
O Varikozele
geplante Spermiengewinnung: O antegrade Ejakulation O retrograde Ejakulation O epididymale Spermien O testikuläre Spermien O MESA zweizeitig O TESE zweizeitig O MESA einzeitig O TESE einzeitig O Elektrostimulation O Auftau O Kryokonservierung
Checkliste Bemerkungen
Infektionsserologie: O HIV O HBV Basishormone: O FSH O LH O E2 O HCG Genetik O Zytogramm
O HCV
O TSH O PRG
O CFTR
O TP
O Chlam.
O TESTO O PRL
O DHEAS
O AZF
O Spermiogrammtermin vereinbaren
Wird vom Arzt im Kinderwunschzentrum ausgefüllt ART Hauptindikation:
O weiblich
O männlich
O Überweisung Urologie O Überweisung Anästhesie O Überweisung Humangenetik
Stichwortverzeichnis
192
Stichwortverzeichnis
A Abklärung, andrologische 62 Ablehnung Kinderwunschbehandlung 158 Abortrate 102 Acanthosis nigricans 42 ACTH-Test 24, 40 Adhäsionen 70 Adipositas 112 Adoleszenz 10 Adrenaler Enzymdefekt 37, 39 Adrenarche 12 Akne 37, 40, 42 Aktivin 9 Altersfaktor 100 Amenorrhoe 42, 64, 65 – primäre 65 – sekundäre 65 Anamneseerhebung 58 Androblastome 38 Androgene 37 Androgenisierungserscheinung 37 Androgenrezeptordefekt 37, 38 Androgensynthese 7 Anorexia nervosa 12 Anovulation 42 Antidiabetika 43 Aromataseaktivierung 7 Aspermie 64 Assisted hatching 86 Assistierte Fertilisation 85 Assistierte reproduktionsmedizinische Techniken, ART 85 Asthenozoospermie 64 Atresie 5 Azoospermie 64, 94
B Basaltemperatur 9 Basaltemperaturkurve 17
Beratung 58, 158 Biguanid 44 BMI 37, 114 Bromocriptin 33, 34, 91, 166
C Cabergolin 33, 34, 166 Ceiling-Hypothese 5 Chlamydien 62 Chlormadinonacetat 46, 166 Chromopertubation 69 Clear Plan Monitor 21 Climacterium preacox 12, 26 Clomifen 51, 65, 91 – Test 29 Cochrane Library 173 Corpus luteum 9, 118 Cumulus oophorus 2 Cyproteronacetat 46, 166
F Familienanamnese 58 Fehlbildungsrate 145 Fertilisationsrate 87 Fertilisationsversagen 93 Fimbrioplastik 84 Finasterid 46 Flutamid 46 Follikelatresie 13 Follikelreifung 2 Follikelreifungsstörung 12 Follikelreserve 12 Follikulogenese 2 Follikulometrie 122 Frühgeburtlichkeit 146 FSH 4 FSH-Fenster 123 Funktion, adrenale 24
G D Danazol 76, 91 Dexamethason 42, 47 Diät 113 Dienogest 46 Donor-Spermien 98 Dopamin-Agonisten 32 Drilling, ovarielles 67 Drillinge 156 Drop-out-Rate 67, 93 Drospirenon 46
E Endometriose 70, 72 Endometrioseaktivität 78 Endometrium 124 Endometriumdicke 119 Enzymdefekt, adrenaler 24 Extrauteringravidität 139
Galaktorrhoe 32 Gamete intra fallopian transfer (GIFT) 85 Geburtsgewicht 142 Gestationsdiabete 142 Gewichtsreduktion 113 GIFT 85 Glitazone 43, 50 Glukosetoleranztest, oraler 43 Glukosetolerenz 42 GnRH-Agonist 72, 78, 118, 126 GnRH-Antagonist 98, 128 GnRH-Pulsatilität 8 Gonadarche 12 Gonadotropin-Stimulation 98, 121 Gonadotropin-Test 29 Gonadotropinanstieg, periovulatorischer 27 Gonadotropine 4, 67 Graaf’sche Follike 2
193 Stichwortverzeichnis
H Hairless Woman 38 Hashimoto-Thyreoiditis 36 Hepatitis B 62 Hepatitis C 62 Heterotope Gravidität 139 Hirsutismus 37, 40, 42 HIV 62 Hormonstatus 24 11β-Hydroxylasedefekt 40 21-Hydroxylasedefekt 39 3β-Hydroxysteroid-Dehydrogenasedefekt 39 Hyperandrogenämie 24, 37, 42, 65 Hyperandrogenismus 42, 113 Hypergonadotropinämie 26 Hyperinsulinämie 42 Hyperprolaktinämie 31 Hypophyse 8 Hypophysen-Nebennierenrindenachse 44 Hypophysenvorderlappen 32 hypothalamische-hypophysäre Dysfunktion 65 Hypothalamus 8, 32 Hypothyreose 31 Hysterosalpingo-Kontrastmittelsonographie 70 Hysterosalpingographie 70 Hysteroskopie 69, 83
I ICSI 85, 103 Idiopathische Sterilität 87 Implantation 106 Implantationsrate 86 Imprinting-Fehler 147 Infektionsscreening 61 Infertilität 87 Insemination 82, 92 Inseminationsbehandlung 94 Insler Score 16
Insulinresistenz 42, 113 Intrazytoplasmatische SpermienInjektion 85 In-vitro-Fertilisation 85
J Jodid 36
K Kinderwunschdauer 103, 106 Klimakterium 14 Konfidenzintervall 172 Konzeptionsoptimierung 21 Kortikosteroide 46 Kryokonservierung 86
L L-Thyroxin 36 Laparoscopic ovarian drilling 65 Laparoskopie 69, 83 LH 4 LH-FSH-Quotient 24, 37, 42 Lisurid 34 Lutealfunktion 28 Lutealphase 9 Lutealphaseninsuffizienz 12, 28 Lutealphasenunterstützung 130
M Makroprolaktinom 32, 33 MAR-Test 95 Maßnahme, mikrochirurgische 82 Mehrlinge 140, 156 Menopause 14 Menstruationszyklus 16 Metaanalyse 173
A–P
Metergolin 34 Metformin 43, 49 Mikrochirurgie 83 Mikroprolaktinom 33 Mittelschmerz 16 Monitoring 123, 125 Myom 79 – intramurales 79 – submuköses 79 – subseröses 81
N Normozoospermie 64
O OGTT 42 OHSS 132 Oligomenorrhoe 40, 42, 65 Oligozoospermie 64 Ovar, polyzystisches 42 Ovarielle Reserve 29 Ovulation 5, 7 Ovulationsinduktion 51, 118
P PCO-Syndrom 24, 37, 65, 114 Pen 125 Perimenopause 14 Polyzystisches Ovarsyndrom 42 Postmenopause 14 Präeklampsie 142 Prämenopause 14 premature ovarian failure 160 Primärfollikel 2 Primordialfollikel 2 Progesteron 130 Protokoll – langes 78 – ultralanges 78
194
Stichwortverzeichnis
Pubarche 12 Pubertät 10, 12
Q Quinagolid 34
R Rauchen 112, 157 Re-Fertilisierung 82 Reifung, multifollikuläre 130 Rekrutierung 4 Reserve, ovarielle 24, 29 Richtlinien des Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen 171 Risiko, relatives 172 Röteln-Titers 62 Rückkopplungsmechanismus 8
S Salpingostomie 84 Schilddrüse 36 Schilddrüsenantikörper 36 Schwangerschaft, heterotope 139 Schwangerschaftsrate 86 Sekundärfollikel 2 Selektion 4
Sexualanamnese 58 Signifikanz 172 Sozialgesetzbuch 171 Spermienaspiration, mikrochirurgisch epididymale 94, 95 Spermienextraktion, testikuläre 95 Spermiogramm 62, 94, 112 Spinnbarkeit 16 Spironolacton 46 step-down-Protokoll 122 step-up-Protokoll 121, 124 Sterilität 42, 87 – primäre 87 – sekundäre 87 Stimutlation, ovarielle 92
Tuboovarialabszess 138 Tumor, androgenbildender 37 Turner Syndrom 12
U Übergewicht 112 Überstimulationssyndrom 132
V Varikozele 154 Varizellen 62 Vorkernstadium 85
T Temperaturkurve 17 Teratozoospermie 64 Tertiärfollikel 2 Thelarche 12 Threshold-Hypothese Thromboembolierisiko TPO-Antikörper 36 TRAK 36 TRH-Test 25, 36 Tubenchirurgie 84 Tubendurchgängigkeit Tubenfaktor 69 Tubenfaktorabklärung Tubenpathologie 83 Tubenverschluss 71
W
5 132
Wachstumsretardierung 142 Wahrscheinlichkeit 172 WHO-Richtlinien 62
Z 71 69
Zervikalschleim 16 Zweizell-ZweigonadotropinKonzept 4 Zyklusanamnese 58 Zyklusstörungen 24