K L E I N t
II I II L I O T I! E K
D E S
W I S S E N S
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L I U R K U N D L I C H t
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K L E I N t
II I II L I O T I! E K
D E S
W I S S E N S
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L I U R K U N D L I C H t
K A R L H E I N Z
HEFTE
D O B S K Y
S C H Ö P F E R E I N E S W E L T B I L D E S
VERLAG
SEBASTIAN1
MU R N Ä U - M Ü N C H E N
LUX
- I N N S B R U C K
-HASEL
GELOBT SEIST DU, HERR, MIT ALLEN D E I N E N K I N D E R N — MIT DER SCHWESTER SONNE BESONDERS, DIE DU AM TAGE ENTZÜNDEST, DASS SIE STRAHLE IN S C H Ö N H E I T U N D UNS DEINE HERRLICHKEIT KÜNDE . . . Die zarten und reinen Verse des Heiligen Franz von Assisi sind nicht der älteste, nicht der erste „Sonnengesang", den die Menschheitsgeschichte verzeichnet; schon zweieinhalb Jahrtausende vor dem „Poverello", lange bevor das Evangelium den Menschen verkündet •ward, feierte ein adeliger Jüngling das strahlende Lichtgestirn unserer irdischen Tage. Es war der ägyptische König Amenophis IV., ein Pharao der Achtzehnten Dynastie und ein Philosoph auf dem Thron, der sich zu Ehren des von ihm zum kultischen Mittelpunkt erhobenen Sonnengottes Aton „Echnaton" nannte und seinem Glauben an die allerhaltende Macht der Sonne in formvollendeten Hymnen Ausdruck verlieh. „Wenn du dich erhebst am östlichen Rande des Himmels, erfüllst du jedes Land mit deiner Schönheit . . .", so besang der von reformatorischem Sendungsbewußtsein erfüllte Gottkünder die Sonne ,,. . . denn du hast Millionen von Gestalten gemacht aus dir allein, und alle Augen sehen dich; du fesselst uns alle durch deine Liebe, und obwohl du fern bist, sind deine Strahlen doch auf Erden . .." Auch der Ägypterkönig hob nur uraltes, lange verschüttet gewesenes Glaubensgut wieder ans Licht; seit der menschliche Geist sich zum Bewußtsein seiner selbst durchrang und zu glauben und zu 2
zweifeln begann, stand die Sonne im Zentrum anbetender Verehrung — das Tagesgestirn, das Licht und Wärme über die Erde ausbreitete, das die Saat zu Reife und Frucht brachte und dem meßbaren Erdenjahr die ewige Wiederkehr schenkte von Winter .und Frühling, von Sommer und Herbst. Das christliche Abendland verband die Feier der winterlichen Sonnenwende mit dem Gedenken an die Geburt des Erlösers zum schönsten aller Feste, das in Millionen Lichtern neue Hoffnung und Zuversicht kündet. Im Todesjahr des Heiligen Franz von Assisi unterzeichnet Kaiser Friedrich der Zweite von Hohenstaufen, den schon die Zeitgenossen „Wunder und Wandler der Welt" nannten, zu Rimini eine „Goldene Bulle", die dem jungen Deutschen Ritterorden, vertreten durch seinen Hochmeister Hermann von Salza, das „Kulmer Land" an der Weichsel als reichsunabhängigen Besitz zuspricht und darüber hinaus alles „noch zu erobernde Preußcnland" als landesherrliches Eigentum überträgt. „Weil Gott das Heilige Römische Reich zur Verkündigung des Evangeliums geschaffen hat, haben Wir Unsere Sorge und Aufmerksamkeit ebenso der Unterwerfung wie der Bekehrung der Heidenvölker zuzuwenden .. ." heißt es in dieser Urkunde, die dem Deutschen Ritterorden das Recht verleiht, „Richter und Verwaltungsbeamte einzusetzen, welche das Volk gerecht regieren und leiten, die Vergehen der Übeltäter vernünftig bestrafen, Zivil- und Strafrechtssachen untersuchen und nach Maßgabe der Vernunft beurteilen . . . " Die folgenschwere Urkunde von Rimini ist gewiß auch als eine Art kaiserlicher Anerkennung für Hermann von Salza gedacht, als ein Dank- und Vertrauensbeweis für den treuen Freund und klugen Berater, der sich so oft als geschickter, uneigennütziger Vermittler in den nicht endenwollenden Zwistigkeiten zwischen Kaiser und Papst bewährt hat. Und das kaiserliche Privileg kommt auch zur rechten Stunde — denn im Frühjahr 1226 hat Konrad von Masovien, ein polnischer Herzog, bei Hermann von Salza die Waffenhilfe des Deutschen Ritterordens erbeten zum Kampf gegen die heidnischen „Preußen", die raubend, mordend und plündernd in sein Land eingefallen sind. Als Entgelt für erfolgreiche Hilfeleistung bietet Herzog Konrad das Kulmer Land in den Weichselniederungen, und Hefmann von Salza, dessen Deutschritter ihre erfolgreiche Siedlungsarbeit im ungarischen Burgenlande wegen ständiger Streitigkeiten mit dem Ungarnkönig abbrechen mu"ten, erkennt sofort die Möglichkeit, hier seinem noch wenig begüterten Orden einen festen Landbesitz zu schaffen. 3
„Nach Ostland wollen wir r e i t e n . . . ! " Deutschordensritter, im Schilde den staufischen Adler und am Mantel das Kreuz, das König Friedrich sich einst bei der Aachener Krönung selbst angeheftet, tragen nun den Namen und den Willen des großen Staufers gleich dem Flügelschlag seiner geliebten Jagdfalken ins Kulmer Land, die Urzelle des späteren Deutschen Ordensstaates. Im Frühling des Jahres 1231 überschreitet — nach dem Bericht einer alten Chronik — der von Hermann von Salza zum Anführer ernannte „Landmeister Hermann Balk in Gottes Namen die Weichsel und erbaute hier die Burg Thorn, indem er die Äste einer auf einer Anhöhe stehenden Eiche mit wehrhaften Zinnen versah . . ." Das kleine Ordensheer dringt tief in die ,pruzzische' Wildnis vor, gefolgt von Magdeburger und Lübecker Rittern, von Geistlichen, Bürgern und Bauern, und schon im Jahre 1233 setzt die ,Kulmer Handfeste' ein allgemein gültiges Landrecht ein, das auch der zum Christentum bekehrten einheimischen Bevölkerung gesetzliche Rechte und Schutz sichert. „Der Edle blieb edel, man ließ ihm den für standesgemäßen Unterhalt ausreichenden Teil seines Besitzes. Der Unedle erhielt nach Landessitte erbliches Dienstgut. Ein Bauer, der für zuverlässig galt, konnte geadelt werden, doch ein ungetreuer Edler wurde zum Knecht . . .", berichtet die Chronik aus jener Zeit. Schuld und Verhängnis haben gleichermaßen dazu beigetragen, daß dem Deutschen Ordensstaat zwischen Weichsel und Düna kaum zwei Jahrhunderte des Wachsens und der Blüte beschieden waren. Wie so oft in der Geschichte der Kolonisation folgten auch hier den Ersten, die mit reinem Herzen und reinen Händen für Kreuz und Ehre fochten, Habgier und Despotie, Intrige und Verrat. Noch in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts konnte der Ordensstaat sich an Reichtum, Macht und territorialer Ausdehnung mit dem böhmischen Königreich Karls IV. messen; der Hochmeister genoß königliche Ehren und konnte auf der Marienburg oft genug königliche und fürstliche Gäste empfangen, die mit frisch-fröhlicher „Heidenjagd" ein Kreuzzugsgelübde zu erfüllen gedachten. Nachdem "1386 der heidnische Großfürst Jagiello von Litauen sich zum Kreuze bekannt und durch seine Heirat mit der jugendlichen Hedwig die Krone Polens erhalten hatte, entfiel die ursprüngliche missionarische Aufgabe des Ordens, gegen den sich bald die erstarkenden Städte erhoben. 1410 erlitten die Deutschritter ihre erste, entscheidende Niederlage in der Schlacht bei Grunwald-Tannenberg; das blutige Treffen wurde zur Geburtsstunde eines polnisch-litauischen Großreiches, das sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer 4
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erstreckte und in Osteuropa als vielbewundertes Vorbild großzügigfeudaler Lebenskultur galt. Ein Vielvölkerstaat ohne „nationales" Gepräge und durch wirtschaftliche und dynastische Interessen eng mit den Deutschen verbunden: Die Mutter des Habsburger Kaisers Friedrich III., die Herzogin Zimburgis, stammte aus dem Hause Masovien, dessen Urahn einst den Ordenshochmeister Hermann von Salza um Warfenhilfe gebeten hatte. Doch als der Deutsche Ritterorden im Thorner Frieden von 1466 fast aller seiner Gebietsrechte im Osten verlustig ging, da nahm es Kaiser Friedrich, „des Heiligen Römischen Reiches Schlafmütze", gleichmütig hin, daß der Ordensstaat und mit ihm das Bistum Ermland unter polnische Lehnshoheit kamen. Der Bischof von Ermland erhielt neben seiner Würde als Reichsfürst auch Sitz und Stimme im polnischen Senat und damit die Möglichkeit, das in die Verteidigung gedrängte Deutschtum gegen die wachsenden polnischen Machtansprüche in Schutz zu nehmen.
Thorn an der Weichsel, die Vaterstadt des Kopernikus Der schöne Merianstich zeigt die nach Osten gerichteten Befestigungsanlagen, die erst im 11. Jahrhundert entstanden. Links der alte Stadtkern mit dem Rathaus, rechts die „neuere" Stadt. 5
Und dennoch: „Es geht nit ohne deutsche Meister!" vermerkt der Krakauer Stadtschreiber Johann Hey decke im Sommer 1477 — und dieser Ausspruch ist bezeichnend für die große Epoche deutscher Kulturarbeit im Osten, die sich ungeachtet politischer Niederlagen zu unvergänglichen Glanzleistungen steigert. Ordensburgen und Dome, Rathäuser und befestigte Städte wachsen empor und künden noch in unseren Tagen von längst vergangener Ritterherrlichkeit, von Bürgerstolz und himmelstürmender Glaubensinbrunst. Die „Burg Thorn", 1231 am Ufer der Weichsel „bei einer Eiche" gegründet, entwickelt sich rasch zu einer blühenden und reichen Handelsstadt, die sich gern erinnert, daß sie ihren Namen dem Geist der Kreuzritterzeit verdankt — denn der Landmeister Hermann Balk nannte seine Gründung einem damals oft geübten Brauch entsprechend nach einer „morgenländischen" Stadt, nach Toron im Königreich Jerusalem, dessen Krone Friedrich der Zweite von Hohenstaufen getragen hatte. Ihr wirtschaftliches Aufblühen verdankt Thorn nicht zuletzt dem „Stapelrecht", das die Stadt zum Umschlagplatz aller Waren macht, die den Weg zur Ostsee und zu den reichen Hansestädten nahmen. Das Thorner Rathaus, ein gewaltiger gotischer Backsteinbau, ist das größte Rathaus des Mittelalters, machtvolles Zeugnis eines Bürgersinnes, dem „Kaufmannswort vor Königswort" ging. Im Bürgersaal dieses Rathauses wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch das Wappen der aus Schlesien stammenden Familie Watzenrode angebracht, einer Familie, die im öffentlichen Leben der Stadt eine gewichtige und rühmliche Rolle spielte. Die Chronik von Thorn verzeichnet den Kaufherrn Lukas Watzenrode als städtischen Schöppenmeister, der neben einem angesehenen Handelshaus auch ausgedehnten Grundbesitz sein eigen nannte; er vermählte eine seiner Töchter mit dem Ratsherrn Tilman von Allen, dem späteren regierenden Bürgermeister von Thorn, und seine zweite Tochter — Barbara — gab er dem Kaufherrn Nikolaus Koppernick zur Frau. Der Sohn Watzenrodes aber, der ebenfalls Lukas hieß, wählte den geistlichen Stand; er studierte in Bologna und war dort zeitweilig Vorsteher der Natio Germanorum, der deutschen Landsmannschaft, die nur Studierende deutscher Sprache und Abstammung aufnahm. Die Krönung seiner glanzvollen Laufbahn erlebte Lukas Watzenrode mit seiner 1492 erfolgten Wahl zum Bischof von Ermland — einer Wahl, gegen die der polnische König als Lehnsherr des Bistums vergeblich Einspruch erhob. Wie die Watzenrodes stammten auch die Koppernicks aus Schlesien, aus dem Dorfe Koppernick bei Neisse. Als rührige Kaufleute waren 6
sie über Krakau na<"h Thorn gekommen, hatten dort ihren Wohlstand noch vermehrt und sich mit den führenden Geschlechtern der Stadt versippt. Auch bei der Vermählung des Nikolaus Koppernick mit Barbara Watzenrode im Jahre 1462 war „Geld zu Geld gekommen" — ein großbürgerlicher Reichtum, dem sich bald Kindersegen zugesellte. Der glücklichen Ehe entsprossen zwei Töchter, Barbara und Katharina, und zwei Söhne, von denen der Ältere den Namen Andreas erhielt. Der zweite Sohn erblickte am 19. Februar 1473 das Licht der Welt und erhielt über dem Taufbecken der ehrwürdigen Thorner Johanniskirche den Namen seines Vaters — Nikolaus. Als Napoleon im Juni 1807 auf dem Wege nach Tilsit, zur Begegnung mit Zar Alexander I., durch Thorn reiste, ließ er sich dort auch das Geburtshaus des Nikolaus Koppernick zeigen; doch es ist ungewiß, ob in dem Hause in der Annenstraße, das der korsische Eroberer mit ehrfürchtiger Bewunderung besichtigte, wirklich die Wiege des Mannes gestanden, der zum Schöpfer eines neuen Weltbildes werden sollte. Die polnische Regierung in Warschau, die zur Zeit Ostpreußen verwaltet, gab im Jahre 1960 bekannt, daß man jetzt endlich, nach Jahrhunderten der Ungewißheit und des Zweifels, das wirkliche und „echte" Geburtshaus des Kopernikus in Thorn entdeckt habe. Nun, die Bestätigung dieser erfreulichen Kunde bleibt abzuwarten — für eine redliche Geschichtsschreibung liegen die Kindheits- und ersten Jugendjahre des Kopernikus vorerst noch ebenso in undurchdringlichem Dunkel wie die Stätte seiner Geburt, von der wir nur wissen, daß sie sich in Thorn befunden hat, im Altstadtkern und vermutlich im Schatten der Kirche von St. Johannis, in deren angeschlossener Schule der Knabe auch seinen ersten Unterricht erhalten haben soll. Als erwiesen darf gelten, daß Kopernikus — wir wollen ihm von nun an den Namen geben, mit dem er in die Geschichte eingegangen ist — schon als Zehn- oder Elfjähriger seinen Vater und wenig später auch die Mutter verlor, deren Bruder Lukas Watzenrode sich nun der vier Waisenkinder annahm; ein Umstand, der besonders für das Leben des jungen Nikolaus von schicksalhafter Bedeutung wurde. Der Oheim bestimmte beide Söhne seiner verstorbenen Schwester für den geistlichen Beruf, während die Töchter sich schon früh standesgemäß und glücklich verheiraten konnten und damit aus unserer Geschichte entschwinden. Nikolaus aber ließ sich im Winter 1491 unter dem Namen Nicola Nicolai de Thoruni in die Matrikel der Universität Krakau eintragen, die zu jener Zeit eine der bedeutendsten Hochschulen des deutschen Sprachraumes war. Aus Hartmann Schedels berühmter Weltchronik von 1493 geht hervor, daß 7
Krakau, Stadtansicht aus der Zeit des Kopernikus Krakaus Alma mater schon damals wegen der bevorzugten Pflege der mathematischen und astronomischen Wissenschaften besonderes Ansehen genoß; hier lehrte der berühmte Albert Brudwinski, und die Werke der Astronomen Georg Peuerbach aus Wien und Johannes Müller aus dem fränkischen Königsberg, der sich Regiomontanus nannte, gehörten zu den kostbarsten Schätzen der Universitätsbibliothek. Die Schriften des Regiomontanus über dessen Meßgerät, den Dreistab, und über seine große Sinustafel wurden vorgetragen und eingehend erläutert, wie zahlreiche noch heute in Krakau vorhandene Handschriften und Notizen beweisen. An diesen Studien wird auch Kopernikus mit Neigung und Interesse teilgenommen haben, ohne darüber die Vorbereitung auf den geistlichen Beruf zu vernachlässigen. Der Studiosus aus Thorn fand in der alten Hansestadt Krakau auf Schritt und Tritt bedeutsame Hinweise auf seine schlesische Ahnenheimat; die Zierformen an der Fassade der Dominikanerkirche waren aus Breslauer Modeln geformt, aus Schlesien kam der Erbauer der berühmten Tuchhallen, und Künstler aus allen deutschen Gauen prägten das Antlitz der Stadt, in der Peter Vischer, Hans von Kulmbach, Hans Dürer, Jörg Huber und viele andere • mit Aufträgen der deutschen Bürgerschaft bedacht wurden. Der Nürnberger Bildhauer Veit Stoß errichtete in Krakau den dreizehn Meter hohen Marienaltar, den größten und schönsten mittelalterlichen Altar in Europa, von desselben Meisters Hand stammte das Grabrelief des großen Humanisten Callimachus, zu dessen Füßen Kopernikus als begierig Lernender saß. Heute wie einst bestätigt diese Stadt das Wort ihres Stadtschreibers aus dem Jahre 1477: Es geht nit ohne deutsche Meister . . . 8
Lukas Watzenrode, seit 1492 Bischof von Ermland mit reichsfürstlichen Würden, halt seine schützende und behutsam fördernde Hand über den Lebensweg des hochbegabten Neffen. Er erweckt auch in Nikolaus die ewig wiederkehrende Südsehnsucht aller Deutschen, die Sehnsucht nach Italien, von dem in der Renaissance die. Erneuerung der platonischen Philosophie ausgeht und alle Geistigen machtvoll in ihren Bann zieht. Auf Betreiben des Oheims wird Kopernikus im Oktober 1495 zum Domherrn des Frauenburger Domkapitels ernannt und empfängt die niederen Weihen; als kirchlicher Edelmann, materiell gesichert durch eine gute Pfründe auf Lebenszeit, tritt er im Herbst 1496 den alten Germanenzug nach Italien an, nach Bologna, an dessen hochgerühmter Universität er sich als Student des Kirchenrechts eintragen läßt. Die Natio Germanorum nimmt den Neffen ihres einstigen Vorstehers mit Wohlwollen auf und vermittelt ihm den nahen Umgang mit der geistigen Elite Bolognas. Dazu gehört auch der Astronom Dominicus Maria Novara, ein ehemaliger Schüler des Regiomontanus, der die Sternensehnsucht des jungen, wortkargen und verschlossenen Studenten aus Thorn bald erkennt. Mit Novaras Hilfe führt Kopernikus seine ersten Sternbeobachtungen durch, der Lehrer verschafft ihm auch Einblick in das neueste Schrifttum zur Astronomie: in die wichtigen Briefe des Regiomontanus an Bianchini und in Alexander Achellinis eben erschienenes Werk über die Bahnbewegungen der Gestirne. Doch werden darüber die rechtswissenschaftlichen Studien nicht vernachlässigt — zwischen 1497 und 1499 erwirbt der Frauenburger Domherr in Bologna die Würde eines Magisters der Freien Künste. Im Geburtsjahr des Kopernikus, im Sommer 1473, hatte der Ulmer Schreiner und Bildschnitzer Jörg Syrlin mit dem Chorgestühl im Ulmer Münster eine der Gipfelleistungen deutscher Gotik vollbracht. Die aus Eiche geschnitzten Stuhlwangen tragen neben den biblischen Propheten, Aposteln und Märtyrern auch die Büsten von weisen Männern und Frauen des Altertums, so Pythagoras, Cicero, Seneca und die sieben Sibyllen. Eines der schönsten und eindrucksvollsten Bildwerke Syrlins stellt Claudius Ptolemäus dar, den großen Gelehrten des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts, dem wir neben dem ersten kartographischen Lehrbuch auch das geographische Gradnetz verdanken. Ptolemäus lebte in Alexandria und verfaßte mit seinem Werk „Große Zusammenstellung des astronomischen Wissens" ein Handbuch, das fast eineinhalb Jahrtausende lang als Standardwerk der Himmelskunde galt, als Grundgesetz des Ptolemäischen oder geozentrischen Weltbildes, nach dem die Erde im Mit9
telpunkt des Weltalls unbeweglich ^ruhen sollte. Das astronomische Handbuch des Ptolemäus wurde später von den sternkundigen Arabern in ihre Sprache übersetzt und fleißig benutzt; unter seinem arabischen Titel „Almagest" ist es auch in die Geschichte der abendländischen Wissenschaften eingegangen. Ein von Peuerbach und Regiomontanus verfaßter lateinischer Auszug aus dem ptolemäischen Almagest erschien im Jahre 1496 in Italien und gehörte bald zu den Lieblingsbüchern des Kopernikus, der in jenen Jahren auch die griechische Sprache erlernte und sich im Übersetzen griechischer Schriften versuchte. Besonders angetan hatte es ihm die Philosophie des Aristoteles, dessen „Weltbild" mit seinen Kugelschalen Hartmann Schedel 1493 in einem schönen Holzschnitt anschaulich gemacht hat. Doch auch ein anderer Holzschnitt wird Kopernikus nicht unbekannt gewesen sein — ein Holzschnitt, der den auf der Erde knieenden Menschen mit suchend er-
Das Weltbild des Nikolaus Cusanus Zeitgenössischer Holzschnitt 10
Manni Hesse
Digital unterschrieben von Manni Hesse DN: cn=Manni Hesse, c=DE Datum: 2007.01.06 18:42:02 +01'00'
hobener Hand das ptolemäische Weltgebäude durchstoßen läßt, ihn vordringen läßt in die Unendlichkeit des Kosmos, dessen ruhende Mitte die Erde nicht mehr sein kann . . . Das in seiner Eindringlichkeit tief ergreifende Bild entstand aus den Weltgedanken des Nikolaus Krebs aus Cues an der Mosel, des späteren Kardinals Nikolaus Cusanus, der im Glauben so groß war wie im kritischen Zweifel und der als einer' der ersten neuzeitigen Denker wieder zu fragen wagte, ob nicht die Sonne das Weltzentrum sei, um das auch die Erde sich in gottgewollten Bahnen bewege. Das Jahr 1500, das große Jubel- und Pilgerjahr der Christenheit, lockte auch Kopernikus von Bologna nach Rom; mit vielen Büchern und Schriften im Gepäck wird der Domherr in die Ewige Stadt eingezogen sein, wo ihm die vornehmsten Häuser offenstanden. Man vermutet, daß er hier auch vor einer gelehrten Zuhörerschaft Vorträge über seine astronomischen Studien gehalten habe — verbürgt ist nur, daß er am 6. November 1500 im Beisein vieler berühmter Gelehrter, Künstler und Studenten in Rom eine Mondfinsternis beobachtet. Unter den Gästen ist auch ein fünfundzwanzigjähriger, schon berühmter Bildhauer, der vor vier Jahren zum erstenmal nach Rom gekommen war — Michelangelo Buonarotti . . . Im Frühjahr 1501 folgt Kopernikus einem Ruf seines Domkapitels nach Frauenburg und nimmt zum erstenmal in seiner kirchlichen Würde an einer Kapitelsitzung teil, allerdings nur, um sich erneut Studienurlaub zu erbitten für weitere zwei Jahre. Das wird ihm unter der Voraussetzung gewährt, daß er in Italien sich auch medizinischen Studien widme, denn in Ermland mangelt es an Ärzten und Heilkundigen. Die beiden letzten Bologneser Studienjahre hatte Nikolaus zusammen mit seinem Bruder Andreas verbracht, der sich ebenfalls auf ein hohes Kirchenamt vorbereitet; für sein medizinisches Studium aber wählt Kopernikus die Universität Padua, deren Ruhm damals Studierende aus aller Herren Ländern anlockt. Und wieder ist das Schicksal dem Thorner hold, es schenkt ihm einen gleichgesinnten Studienkameraden in Hieronymus Fracostorius aus Verona, der später einer der angesehensten Ärzte seiner Zeit werden sollte. Der Patriziersohn Fracostorius ist ebenso vielseitig begabt und interessiert wie Kopernikus; er verfaßt lateinische Gedichte, die ihm den Ruf eines „Neuen Virgil" einbringen, er schreibt Abhandlungen über Sympathie und Antipathie und über geographische Probleme —: er treibt zusammen mit Kopernikus astronomische Studien und gibt darüber mehrere Schriften heraus, in denen wir, wenn auch noch dunkel und ungewiß, kopernikanisches Gedankengut aufleuchten sehen. 11
Kopernikus mit den Maiglöckchen. Holzschnitt eines unbekannten Meisters aus der 1. Hälfte des 16. Jhs. Dieser Holzschnitt züurde zur Vorlage zahlreicher Kopernikus-Bildnisse, so auch des viel später entstandenen Stiches, den das VGTSchaltbild zeigt. Auch der Kopf des Kopernikus-Denkmals in Thorn (siehe Umschlagvorderseite) zeigt A?üehnung an dieses Bildnis. Daneben der Namenszug des Astronomen.
Obwohl Kopernikus sein Medizinstudium nicht abgeschlossen hat, verband sich doch lange Zeit mit seinem Namen eher der Ruhm eines bedeutenden Arztes als der Weltruhm des Astronomen: Ein früher Bildnisholzschnitt zeigt ihn mit der Convallaria Majalis in den Händen, mit dem Maiglöckchen, das wegen seiner vielfachen heilkräftigen Verwendbarkeit damals geradezu als Berufsabzeichen, als Symbol des Arztes galt. Schon in einem der ersten gedruckten Kräuterbücher, in dem 1485 von Gutenbergs Freund Peter Schoeffer in Mainz gedruckten „Onus sanitatis", ist das Maiglöckchen abgebildet; diese Kräuterbücher wird man auch in Padua eifrig studiert haben, und es wird berichtet, daß Kopernikus später in seiner ostpreußischen Heimat den Anbau von Heilkräutern nachdrücklich gefördert habe in der Erkenntnis: „Der. Herr läßt die Arzneien aus der Erde wachsen — und ein Vernünftiger verschmäht sie nicht . . ." Auch dem Frauenburger Domkapitel war damals wohlbekannt, daß der Domherr Nikolaus Kopernikus sich in Italien mit besonderer Leidenschaft astronomischen Studien widmete. Man hörte es nicht ungern. Waren doch sogar aus Rom höchst rühmliche Nachrichten darüber nach Ermland gedrungen — Nachrichten, die besagten, daß 12
selbst der Herlige Vater den Studiengang des vielversprechenden Gelehrten mit Wohlwollen und Interesse verfolge. Wie in Bologna und Rom hatte man auch in Padua den Neffen des Bischofs von Ermland achtungsvoll und gastfreundlich aufgenommen; der kirchliche Edelmann, der sich Diener und Reitpferde hielt, war von der Gesellschaft ebenso geschätzt wie von seinen Lehrern und Studienkameraden, die nicht ohne Grund sich der Hoffnung hingaben, daß man von diesem Kopernikus noch viel zu erwarten habe. Zum Abschluß seiner Studien blieb er jedoch — aus unbekannten Gründen — nicht in Padua, sondern wählte das benachbarte Ferrara. Das dortige Notariatsarchiv verwahrt noch heute die Promotionsurkunde vom 31. Mai 1503, mit der dem Nikolaus Kopernikus aus Thorn, Domherrn zu Frauenburg, die Würde eines Doktors der Kirchenrechte verliehen wurde. Nach siebenjährigem Aufenthalt in Italien, im dreißigsten Jahre seines Lebens, hatte der Thorner nun das ihm gesetzte Studienziel erreicht. „Gott gab uns die Zeit — von Eile hat er nichts gesagt . . ." der alte Uhrenspruch gilt in besonderer Weise für das Leben und Werk des Kopernikus, für dies Leben und Wejk in langsamem Reifen, in bedächtigem, ewig prüfendem Fortschreiten. Der Doktor Kopernikus läßt sich auch Zeit zur befohlenen Heimkehr; sorgfältig wählt er die zahlreichen Bücher, die er mitnehmen will in die Heimat, wählt vielleicht auch einige einfache astronomische Geräte aus — und im Spätherbst des Jahres 1503 bereitet das Domkapitel von Frauenburg seinem gelehrten Mitglied einen würdigen Empfang.
Die Promotionsurkunde des Dr. Kopernikus 13
N I C H T N A C H GLEICHER GNADE WIE PAULUS TRACHT' ICH, FORDERE N I C H T VERGEBUNG WIE PETRUS NUR UM JENE, DIE AM KREUZ DU DEM SCHACHER SCHENKTEST, BETE ICH TÄGLICH '... „Symbolum" des Kopernikus Um das Jahr 1503 befanden sich zwei Drittel von allem Grund und Boden des Bistums Ermland im Besitz des Bischofs, der für diesen Teil auch der Landesfürst war. Ober das letzte Drittel aber hatte das ermländische Domkapitel landesherrliche Rechte und Pflichten. Bischof und Domherren waren also weit mehr noch als durch ihr geistliches Amt von weltlichen Regierungs- und Verwaltungsaufgaben in Anspruch genommen. Lukas Watzenrode, der Oheim des Kopernikus, galt als Bischof von Ermland und als Vorsitzender der „Preußischen Stände" neben dem - Hochmeister des Deutschen Ordens und neben dem polnischen König als der einflußreichste Fürst,. und in seiner Residenz zu Heilsberg liefen die Fäden einer in jenen Jahren höchst verwickelten und gefahrvollen Politik zusammen. Kein Wunder also, daß der Bischof den Wunsch hatte, den gelehrten Neffen nun nach Abschluß seiner Studien als Helfer und Vertrauten zur Seite zu haben; eine Sondergenehmigung des Frauenburger Domkapitels ermöglichte es dem heimgekehrten Kopernikus, der eigentlich seinen dauernden Wohnsitz in Frauenburg hätte nehmen müssen, den Bischof in Heilsberg und auf ausgedehnten Dienstreisen als Sekretär und Leibarzt zu begleiten. Die astronomischen Schriften und Geräte bleiben also vorerst unbenutzt im Heilsberger Bischofsschloß, diesem herrlichen Beispiel deutscher Ordensbaukunst, dessen Innenhof zu den schönsten preußischen Baudenkmälern gehört. Dr. Kopernikus vertritt das Bistum und Fürstentum Ermland auf dem Landtag 1504 in der Marienburg, er begleitet den Oheim auf zahlreichen Reisen und kommt dabei auch wieder nach Krakau, wo er einstigen Lehrern und Studienfreunden begegnet. Auch sein Bruder Andreas trägt nun die Würde eines Frauenburger Domherrn.— doch diesem Bruder ist das Schidisal nicht so wohlgesinnt wie dem Nikolaus Kopernikus: Andreas wird vom Aussatz befallen, von der biblischen Gottesgeißel der Lepra, und muß in jahrelangem furchtbarem Leiden dahinsiechen, gemieden und ausgeschlossen von der Gemeinschaft, bis ihn endlich der lang schon herbeigesöhnte Tod erlöst. 14
Die Marienburg, das Hochmeisterschloß des Deutschen Ritterordens Für Ermland sind die ersten Jahrzehnte des sechzehnten Jahrhunderts eine Zeit höchster politischer Spannungen. Die wachsende Machtfülle der polnischen Krone drängt das Deutschtum in die Verteidigung, mit allen Mitteln müssen sich Bischof Watzenrode und das Domkapitel gegen den überhandnehmenden Einfluß polnischer Domherren wehren, und oft muß Kopernikus all seine hochentwikkelten diplomatischen Fähigkeiten aufbieten zur Vermittlung und Versöhnung zwischen den polnischen Ansprüchen und der schroffen, unbeugsamen Art seines bischöflichen Oheims, dem er mit kindlichhingebender Verehrung dient. In den spärlich bemessenen Mußestunden setzt der Domherr seine philosophischen und wissenschaftlichen Studien fort; er vervollkommnet auch seine griechischen Sprachkenntnisse mit der Übertragung der griechischen Episteln des Scholastikers Theophylactus Simocatta ins Lateinische. Dieses 1509 bei Haller in Krakau erschienene Übersetzungswerk ist uns Heutigen besonders wertvoll durch die Widmung des Kopernikus an Lukas Watzenrode, in der er seiner Dankbarkeit für den Oheim beredten Ausdruck gibt. „Alle Leistungen meines geringen Geistes", so heißt es da, „sollen von rechtswegen Dir zugeschrieben werden. Wenn 15
Der 1-nnenhoj des Schlosses Heilsberg 16
anders wahr ist — und das ist es jedenfalls —, was auch Ovid einst zu Kaiser Germanicus sagte: Mein Geist steht und fällt mit Deinem Blick . . . " Man darf sich übrigens diese Episteln nicht als fromme und weltentrückte Betrachtungen vorstellen — es sind gar herzhafte „Liebesgeschichten" darunter, die nach den Worten des Übersetzers „das Leichte mit dem Schweren, das Amüsante mit dem Ernsten mischen. Mögen diese Liebesbriefe dem Titel nach auch leichtfertig sein, so verhält es sich damit doch wie mit den Ärzten, welche die Bitternis der Heilmittel durch süße Kräuter mildern, damit sie den Kranken leichter eingehen." Kopernikus war den irdischen Freuden des Daseins ebensowenig abgeneigt wie sein Oheim . . . Keine Rede also von einem weitabgewandten, in stiller Studierstube sich verkapselnden Gelehrtendasein! Im Mittag seines Lebens steht Kopernikus vor uns als rastlos tätiger Renaissancemensch vom Schlage eines Leonardo da Vinci, die Forderungen des Tages als höchste Pflicht erkennend und erfüllend, freilich von Natur aus mehr Diplomat als Kämpfer, mehr ausgleichender Vermittler als unbeugsam starrer Willensmensch. Oheim und Neffe ergänzen sich aufs glücklichste, und auch das Frauenburger Domkapitel weiß die Dienste des Doktors zu würdigen, indem es ihn mehrmals für längere Zeiträume zum Kanzler des Kapitels ernennt. Man weiß auch in Frauenburg von den astronomischen Studien des Kopernikus, man weiß von seinem lebhaften Briefwechsel mit den Gelehrten, die ihm seit den italienischen Jahren nahestehen. Auch die anderen Domherren sind ja nach den Worten einer alten Chronik „gar tapfere und gelehrte Leute, höchst erfahren in allen Künsten" und stolz auf ihre einst weithin berühmte Bibliothek. In dieser Bibliothek wird Kopernikus, der als Kapitelkanzler seit 1510 seinen Wohnsitz in Frauenburg hat, oft und gern über den Schriften der Alten geforscht und gegrübelt haben, soweit die Fülle der ihm übertragenen Aufgaben ihm dazu Zeit läßt. Diese Zeit wird ihm nach dem Tode seines bischöflichen Oheims Lukas Watzenrode, der im Jahre 1512 in seiner Vaterstadt Thorn die Augen schließt, in reicherem Maße zuteil, und man vermutet, daß der sternenkundige Domherr etwa um 1512 auch mit der Niederschrift seines Hauptwerkes „Von den Umdrehungen der Himmelskörper" begonnen habe — jenes Werkes, das unter seinem lateinischen Titel „De revolutionibus orbium coelestium" zum Grundgesetz eines neuen Weltbildes werden sollte. Im Nordwestturm des Frauenburger Domherrenschlosses hatte Kopernikus sich neben seinen Wohnräumen eine kleine Sternwarte eingerichtet; hier mißt er um die 17
Mittagszeit die Sonnenhöhe, um daraus die Eigentümlichkeiten der Sonnenbewegungen studieren zu können, hier beobachtet er die Polhöhe Frauenburgs und die Mittagshöhe des Sternes Spika mit Hilfe eines Dreistabs, den er sich nach den Angaben des Regiomontanus selbst angefertigt hatte. Zu Planetenbeobachtungen stehen ihm ein Jakobsstab und eine — allerdings sehr einfache — Armillarsphäre zur Verfügung. Die vorläufigen Ergebnisse seiner Studien legt er noch vor 1514 in einem kleinen Abriß, dem später sogenannten „Commentariolus", dem „kleinen Kommentar", handschriftlich nieder, den er seinen gelehrten Freunden zusendet und der auf diesem Wege auch nach Rom gelangt. Dorthin ist zum 1. Dezember 1514 ein Laterankonzil zur Vorbereitung eines verbesserten Kalenders einberufen, und der Vorsitzende eines hierfür eingesetzten Ausschusses, der Bischof Paul von Middelburg, wendet sich an Kopernikus mit der Bitte um seine Vorschläge und tätige Mitarbeit; aber der Frauenburger Domherr lehnt höflich ab mit der Begründung, daß seine Arbeiten noch zu wenig fortgeschritten seien und noch eingehender Nachprüfung bedürften. Schon hier erkennen wir die strenge Selbstkritik, das vorsichtige Zögern, die beinah ängstliche Zurückhaltung, die das Charakterbild dieses Mannes prägen und auch für die Weltwirkung seines Lebenswerkes bestimmend werden. Bereits im Sommer 1516 muß Kopernikus Frauenburg wieder verlassen und seinen Amtssitz nach Schloß Alienstein verlegen. Man hat ihn zum Kapitularadministrator des südlichen Kapitelbesitzes ernannt — ein Amt, das mit bedeutenden und verantwortungsvollen Aufgaben verbunden ist: mit der Obersten Gerichtsbarkeit, mit Steuer- und Pachtangelegenheiten und mit Siedlungsproblemen, die weite Reisen notwendig machen. Aus dieser Zeit ist ein umfangreiches Urkundenmaterial erhalten, das in teilweise eigenhändigen Aufzeichnungen des Kopernikus die Fülle und Vielfalt seiner Tätigkeit erhellt; sie sind alle in deutscher oder lateinischer Sprache abgefaßt, kein polnisches Wort findet sich darunter, obwohl der Administrator diese Sprache beherrscht hat. Während seiner Amtszeit auf Schloß Allenstein, der äußerlich bewegtesten Zeit seines Lebens, steht er in Abwehr sowohl gegenüber dem Deutschen Orden als auch gegenüber Polen, denn beide Mächte bedrohen die Unabhängigkeit des Bistums Ermland mit diplomatischen Plänkeleien, mit wirtschaftspolitischen Schikanen und endlich mit dem Einfall bewaffneter Banden, die „einen Raubkrieg ohne Kriegserklärung" führen. Die meisten Domherren des Kapitels flüchten nach Elbing oder Danzig; nur Kopernikus, der Kapitularadministrator, harrt tapfer in Allenstein aus, das zum Schauplatz blutiger Kämpfe wird. Dieses IS
Ausharren, die kluge und mutige Verteidigung des ermländischen Besitzes gegen Ordenskrieger und polnische Reiterscharen stärken die Machtstellung des Kopernikus innerhalb des Domkapitels zu fast unbeschränkter Gewalt; in dieser Notzeit gelten allein sein Wort und seine Befehle. Sein von weiser Mäßigung und staatsmännischer Einsicht getragener Vertragsentwurf wird auch zur Grundlage der Friedensverhandlungen, nach deren erfolgreichem Abschluß er sich sofort an die Beseitigung der Kriegsschäden macht, an den Aufbau neuer Siedlerstellen und die Wiederherstellung geordneter Rechtszustände in dem so schwer geprüften Land. Im Jahre 1521 kann er endlich nach Frauenburg heimkehren, das nun bis zum Ende seines Lebens ihm Amtssitz und Heimat wird. Hier warten seine Bücher auf ihn, seine kleine Sternwarte, seine Instrumente — und die Manuskriptseiten seines noch unvollendeten Hauptwerkes „Von den Umdrehungen der Himmelskörper . . ." Doch die Arbeiten an diesem Buch sollen sich noch über Jahrzehnte hinziehen, denn immer neue Pflichten und Forderungen nehmen die Schaffenskraft des Kopernikus voll in Anspruch. So lesen wir im Protokoll des Preußischen Landtages vom Jahre 1522: ,,. .. wie denn gemeldet ist, daß der achtbare und würdige Herr Nikolaus Kopernikus sich mit hohem Fleiß in dieser Sache bekümmert und eine Ausarbeitung gemacht; haben die Herren Räte begehrt, daß Seine Würden ihnen dieselbe günstiglich und der Sache zulieb nicht verbergen. Darin. sich Seine Würden haben gutwillig finden lassen und ist in Gegenwart königlicher Räte gelesen worden . . . " „Diese Sache" — das ist der Plan einer preußischen Münzneuordnung, einer „Währungsreform" nach unseren heutigen Begriffen, mit der Kopernikus sich schon seit Jahren befaßt hat. Kriegsnot und politische Wirren hatten Teuerung und eine allgemeine Münzverschlechterung ins Land gebracht, es gab eine Vielzahl von „Münzberechtigten", denn neben dem Bischof von Ermland und dem Hochmeister des Deutschen Ordens prägten auch die Städte Thorn, Elbing und Danzig eigene Münzen, deren Silbergehalt immer mehr zugunsten des billigeren Kupfers absank. Man bekam also weniger für sein Geld — wir kennen das ja aus eigener bitterer Erfahrung und können ermessen, daß dieser Umstand auch damals nicht zur Befriedung des Landes und des Wirtschaftslebens beitrug. Kopernikus strebte eine stabile „Währung" und eine einheitliche, wertbeständige Münze für die preußischen Länder an und legte seine Vorstellungen in einer — in deutscher Sprache abgefaß-en — Denkschrift nieder, von deren Verlesung im Preußischen 19
Schloß Allenstein, der zeitweilige Amtssitz des Kopernikus Landtag wir gehört haben. In einem späteren zusätzlichen Gutachten spricht der Domherr sehr deutlich aus, was ihn bewegt: „Es ist eine Schmach und Schande, was für schlechtes Geld in Umlauf gekommen ist und in welchem Zustand es sich jetzt befindet — es ist heute so wertlos geworden, daß dreißig Mark kaum noch ein Pfund Silber enthalten. Wenn hier keine Abhilfe geschieht, wird Preußen eines Tages nur noch Kupfergeld statt Gold und Silber haben und dann muß die Einfuhr fremder Waren und das ganze Geschäftsleben zusammenbrechen . . . Wo aber schlechtes Geld im Gebrauch ist, da fehlt es infolge Trägheit, Müßiggang und Untätigkeit an der Pflege der Künste so gut wie der Wissenschaften, und der Wohlstand liegt bald darnieder!" Dieser Mann, der in der Erinnerung der Nachwelt als Astronom und Arzt, als Schöpfer eines neuen Weltbildes lebt, — dieser Mann gibt seine ganze Geisteskraft an die Schaffung einer soliden Währung, an die Errichtung eines gerechten Steuerwesens! Er wendet sich dagegen, daß „die Untertanen durch doppelte Belastung beschwert werden sollen. So werden wir Abgaben erheben, das Geld aber wird liegenbleiben, oder vielmehr nicht liegenbleiben, denn wir werden es noch schlechter werden lassen! 20
Und wir werden dem Könige, unserem Herrn, eine große Geldsumme geben, aber es ist nur Spreu . .. Ich weiß nicht, ob es nicht viel schöner, großzügiger und königlicher wäre, die Steuereintreibung sein zu lassen und erst einmal die Währung zu verbessern und erst dann zur Steuereintreibung zu schreiten . . ." Das ist sehr edel und vornehm gedacht — zu vornehm für die eigensüchtigen Interessen aller an diesen Fragen Beteiligten, und es darf uns nicht verwundern, daß weder die erstrebte Währungsreform noch die Steuerreform des Kopernikus je verwirklicht wird. Man verhandelt zwar lange darüber und begräbt schließlich alle diese der Zeit weit vorauseilenden Pläne unter einem mächtigen Hügel von Lobsprüchen für den Verfasser . . . Es kommen ja auch schon wieder neue Sorgen, neue Probleme auf die Menschen jener Tage zu: Das Lied der „Wittenbergischen Nachtigall", das reformatori;che Wort Martin Luthers, dringen auch ins Ermland vor und finden vielfältiges Echo. Schon 1521 wird in der Thorner St. Johanniskirche, der Taufkirche des Kopernikus, evangelisch gepredigt; 1525 tritt der Ordensmeister Albrecht von Brandenburg zum lutherischen Glauben über und verwandelt sein Ordensgebiet in ein weltliches Herzogtum Preußen. Albrecht ist damit dem Rate Luthers gefolgt, „die alberne Ordensregel aufzugeben, zu heiraten und sein Land in ein Herzogtum umzuwandeln" — es ist die Geburtsstunde des späteren frideriziamschen Staates . . . Dem Domherrn und Kapitelkanzler Kopernikus waren die Mißstände nicht fremd geblieben, die zum Thesenanschlag des Augustinermönchs Luther geführt hatten: der Mißbrauch des Ablasses vor allem durch den Dominikaner Johann Tetzel, der seine eigennützige propagandistische Begabung eine Zeitlang auch in den Dienst des Deutschen Ritterordens stellte. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt . . ." verkündete der stimmgewaltige Tetzel auf Märkten und Gassen, und sein Geldkasten hatte sich immer erfreulich gefüllt. Aber als dann herauskam, daß Tetzel in seiner privaten Lebensführung keineswegs einwandfrei war und daß er für sein Wirken ein festes Monatsgehalt von achtzig Goldgulden bei freier Unterkunft und Verpflegung bezog — da wurde doch der Ruf laut, „er solle sich schleunigst heben aus diesem Lande, ehe es ärger mit ihm gehe . . ." Auch Kopernikus hatte an diesen Mißständen gebührende Kritik geübt, aber er blieb nach dem Durchbruch der Reformation der katholischen Kirche treu und wußte sich in dieser Treue eins mit seinem vertrautesten Freund, dem Domherrn und späteren Kulmer Bischof Tiedemann Giese, der gleich ihm in Thorn geboren war, 21
als Nachkomme eines altangesehenen Danziger Patriziergeschlechts. Giese, Verfasser zahlreicher theologischer Schriften aus Geist und Gesinnung des Humanisten Erasmus von Rotterdam, veröffentlichte auf Anregung — und vielleicht sogar unter Mitwirkung — seines Freundes Kopernikus eine sehr maßvoll gehaltene Streitschrift gegen die neue lutherische Lehre, eine Schrift, die unter dem Titel „Antilogikon" weite Verbreitung gefunden hat. Viele darin enthaltene Gedanken sind erfüllt von der Sehnsucht nach kirchlicher Einheit, nach Ordnung und nach Versöhnung, und diese Sehnsucht beherrscht auch das Werk des Kopernikus. Über den Kamin seines Arbeitszimmers hatte der Domherr und Astronom ein „Symbolum", einen Lebensspruch, angebracht, den er auch zu seiner Grabschrift bestimmte (siehe S. 14). Dieses „Symbolum" schrieb man lange Zeit Kopernikus selbst zu, bis man entdeckte, daß es einem Gedicht des Aeneas Sylvius Piccolomini entstammte, des späteren Papstes Pius IL, der auch einmal Bischof von Ermland gewesen war, freilich aber sein Bistum nie betreten hatte. Doch haben wir von literarischen Interessen und Betätigungen des Kopernikus schon früher gehört; wir wissen von seinen Übersetzungen und können auch aus dem' von ihm gewählten Siegel, das einen Apoll mit der Lyra zeigt, auf seine musische Gesinnung schließen. Seit Jahrhunderten ist auch ein schöner und gedankentiefer Gedichtzyklus „Das Siebengestirn" bekannt, als dessen Verfasser Kopernikus gilt, ohne daß man dies jedoch bis heute schlüssig nachweisen kann. Die sieben Gedichte verherrlichen — in lateinischen Versen — die Gestalt Christi in sieben „Sternbildern", die allerdings keine astronomische Bedeutung haben, aber doch stofflich der Gedankenwelt des Frauenburger Domherrn durchaus nahestehen. Das „Siebengestirn" soll noch 1619 in der Handschrift des Kopernikus vorhanden gewesen sein, ist aber dann mit vielen anderen Urkunden und Manuskripten verlorengegangen. Geblieben sind uns dagegen zahlreiche Briefe und andere Dokumente über sein Wirken als Arzt. Die Bischöfe von Ermland und Kulm, die Domherren und anderen kirchlichen Würdenträger vertrauten der ärztlichen Kunst des Kopernikus ebenso wie der lutherisch gewordene Herzog Albrecht von Brandenburg, der den Domherrn „einen gelehrten, ehrlichen Biedermann" nannte. Doch der Arzt Kopernikus kam nicht nur in Paläste und Herrensitze — er kam auch in die Hütten der Armen, die seinen Rat und seine Hilfe erflehten; und er half nach seinem besten Können und Wissen, das das Wissen einer noch vielfach in Aberglauben und Irrtümern befangenen Zeit war. 22
DIE GLORIE DES BEWEGERS ALLER DINGE D R I N G T D U R C H DAS WELTALL, U N D VON IHR ERSTRAHLEN MEHR ODER MINDER DIE VERSCHIEDENEN SPHÄREN . . . Dante Alighieri Im Jahre 1530 legt Nikolaus Kopernikus die Last und Würde eines Kanzlers des Frauenburger Domkapitels nieder. Er behält jedoch das Domherrenamt und übernimmt noch die Pflichten eines Dombaumeisters; nach der Überlieferung soll er sich in jenen Jahren auch mit dem Bau von Wasserleitungen und Entwässerungsanlagen beschäftigt haben, so wie es Leonardo da Vinci am Abend seines Lebens getan hatte. Auch der Plan einer kartographischen Erfassung des Bistums Ermland wird ihm zugeschrieben. Doch ist ein deutlicher Hang zum Sichzurückziehen erkennbar, ein Bedürfnis nach Ruhe, nach Muße zur Vollendung des Werkes, das er als eigentlichen Inhalt seines Lebens ansieht: Die Sechs Bücher von den Umdrehungen der Himmelskörper . . . In all den Jahren seiner fruchtbaren Tätigkeit als Kapitularstatthalter, als Generaladministrator des Bistums und als bischöflicher Berater ist er mit den gelehrten Herren in Briefverbindung geblieben, die er in seiner Studienzeit kennengelernt hat. Sie haben ihm auch die astronomischen Bücher zugesandt, die inzwischen erschienen sind — und nun endlich kann sich Kopernikus mit der Ordnung und Sichtung seiner Bibliothek befassen, mit seiner Sternwarte im Frauenburger Domherrenschloß —• und mit seinem Manuskript. Ja, dieses Manuskript . .. Viermal neun Jahre — sechsunddreißig Jahre seines Lebens — hat sich Kopernikus, nach seinen eigenen Worten, um diese Niederschrift bemüht, deren erste Skizzen und Entwürfe schon bald nach der Heimkehr aus Italien entstanden waren. Die Bücher und Schriften, die der junge Doktor der Kirchenrechte damals mitgebracht hatte, sind uns dank einer merkwürdigen Fügung des Schicksals erhalten geblieben: Sie wurden in den Wirren der schwedisch-polnischen Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts als „Kriegsbeute" nach Schweden verbracht, wo sie heute als kostbarster Schatz der Universitätsbibliothek Upsala gehütet werden. 23
Viele von ihnen tragen den Namenszug des Kopernikus und zahlreiche Randnotizen von seiner Hand, auch die berühmten „Alfonsinischen Tafeln", die 1492 in Venedig erschienen. Aus den Randbemerkungen ist erkennbar, wie eingehend und kritisch der Domherr sich mit diesen Schriften beschäftigt hat. Seine Bemühungen, das alte „ptolemäische" oder geozentrische Weltbild durch ein neues, ein „heliozentrisches" zu ersetzen, wurden der breiten Öffentlichkeit auf eine höchst kuriose Weise bekannt: durch ein derbes Fastnachtsspiel nämlich, das am Rosenmontag des Jahres 1530 auf dem Elbinger Marktplatz aufgeführt wird. Ein gewisser Gnapheus, der sich je nach Laune als Arzt, Schulmeister oder Apotheker ausgibt, hat den wenig geschmackvollen Einfall, zwei Narren als „Erde" und „Sonne" zu verkleiden und die „Erde" in grotesken Sprüngen um die mit einem goldglitzernden Strahlenkranz versehene „Sonne" tanzen zu lassen. Unter dem wiehernden Gelächter des Pöbels spottet Gnapheus über den Frauenburger Domherrn Kopernikus, der die aberwitzige Behauptung aufgestellt hatte, daß die Erde sich um die Sonne drehe, während doch jeder vernünftige Mensch die Sonne frühmorgens im Osten aufgehen und abends im Westen untergehen sehen könne . . . Gewiß — das konnte jeder vernünftige Mensch sehen. Es konnte ja auch jeder von einem kleinen Hügel aus erkennen, daß sich rings um ihn die Erde in einer Fläche bis zum Horizont ausdehnt: also mußte die Erde eine runde Scheibe sein. An eine solch flächenhafte Gestalt der Erde hatten noch die frühen Griechen geglaubt, als sie über die Himmelserscheinungen nachzusinnen begannen. Der um 600 v. Chr. lebende Philosoph Thaies von Milet meinte, die Erdscheibe schwimme auf dem Wasser, sein Zeitgenosse Anaximander, Milesier und Philosoph wie Thaies, hielt den Erdkreis dagegen für die obere ebene Fläche eines trommeiförmigen Körpers, dessen Unterseite unbewohnt sei. Als eine Platte, die wegen ihrer flächigen Form von der Luft getragen werde, bezeichnete Ahaximenes von Milet die Erde. Keiner dieser Naturphilosophen waren zu der Erkenntnis vorgedrungen, daß die Erde eine Kugel sei und das sie sich von der Stelle und um sich selbst bewege. Erst die geistigen Nachfahren des großen Denkers und Weisen Pythagoras hatten es gewagt, die alte Vorstellung von der Scheibenform der Erde aufzugeben. Der Pythagoräer Hikates aus Syrakus war der erste, der die Erde als eine sich drehende Kugel bezeichnete und erklärte, nur weil sie sich „mit sehr großer Geschwindigkeit um ihrer Achse drehe, geschehe alles ebenso, als wenn die Erde stillstünde und der Himmel sich bewegte". Ein anderer Pytha24
Der Kopernikusturm in Frauenburg um 1800 goräer, Philolaos aus Kroton in Unteritalien, der gegen Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. lebte, war noch einen Schritt weitergegangen und lehrte, daß sich die Erde auch durch das Weltall bewege — und nicht nur die Erde: mit ihr umliefen auch Mond und Sonne und die anderen sieben „göttlichen Himmelskörper" einen feurigen Mittelpunkt im Himmelsraum, wobei die Erde 24 Stunden zum Umlauf brauche, der Mond 27 Tage und die übrigen Sternenkörper noch größere Zeiträume. Aristoteles folgte jedoch diesen kühnen und gewagten Ideen nicht; er bezeichnete es als unmöglich, daß die Erde überhaupt eine Bewegung habe, weder eine umdrehende noch eine fortbewegende. Er stellte die Erdkugel als einen Himmelskörper dar, der im Zentrum eines kunstvollen Weltgebäudes aus 55 Kugelschalen verharrte. Auf Grund mathematischer Berechnungen seiner Zeit konnte Aristoteles aber als erster ein Maß für den Umfang des Erdballs angeben: viermal hunderttausend Stadien, das sind 75 000 Kilometer; obwohl diese Zahl fast um das Doppelte zu groß ist, war die Berechnung für die damalige Zeit eine erstaunliche Leistung. 25
Ungefähr um die Zeit, als Aristoteles starb, wurde der Mann geboren, der in der Antike der astronomischen Wahrheit am nächsten kommen sollte, Aristarch von Samos. Er behauptete klar und eindeutig, daß die Erde in einer Kreisbahn um die Sonne schwinge. Aber diese Behauptung erschien den Mitlebenden so bestürzend, daß sie seine Lehre unterdrückten, weil sie im Widerspruch zu den philosophischen Anschauungen des Aristoteles stand; so war die Erkenntnis des Aristarch bald in Vergessenheit geraten, zumal das junge Christentum die alttestamentarische Vorstellung von der Erde als Mittelpunkt des Weltalls unverändert übernahm. Auch Claudius Ptolemäus, mit dessen Wirken im 2. Jahrhundert n. Chr. die astronomische Wissenschaft des Altertums ihren Höhepunkt erreichte und von dessen Hauptwerk wir schon gehört haben, vertrat die gleiche Anschauung, daß die Erde das Zentrum des Universums darstelle. Das geozentrische Ptolemäische System blieb dann bis in die Tage des Kopernikus die herrschende Lehre. Das Manuskript des kopernikanischen Hauptwerkes „Von den Umdrehungen der Himmelskörper", in dem die Ptolemäische Weltauffassung beweiskräftig widerlegt wurde und altgriechische Vorstellungen zum Teil wiederauflebten, ist uns erhalten geblieben; aus der Handschrift wird sichtbar, über welch großen Zeitabschnitt sich die Niederschrift hinzieht und die zahlreichen Korrekturen lassen erkennen, daß der Verfasser seine Feststellungen immer wieder überprüft und anhand neuer Beobachtungen ergänzt und verbessert hat. In der Vorrede, mit der er sein Werk dem Papst Paul III. widmet, schreibt Kopernikus: „Ich begann es überdrüssig zu werden, daß man sich nicht bei den Philosophen, die doch sonst die geringfügigsten Dinge ihres Gebietes mit solch auserlesener Vorsicht zu erforschen pflegten, über eine gültigere Theorie der Bewegungen des Weltalls einigen konnte, das doch unseretwegen von dem besten und zuverlässigsten Werkmeister erbaut worden ist. Ich nahm mir deshalb vor, die Schriften aller Philosophen, deren ich habhaft werden konnte, zu erforschen, um festzustellen, ob niemand auf eine Vermutung gekommen sei, daß die Bewegungen der Weltkörper andere sein müßten, als es die schulmäßigen Mathematiker annehmen . . . Später las ich auch bei Plutarch, daß noch einige andere eine Bewegung der Erde angenommen haben .. ." Es gelingt ihm auch, die seltsamen Rückläufigkeiten, Schleifen und Schlingen in den Planetenbahnen, die alle Astronomen des Altertums vergeblich zu erklären versucht hatten, als Sinnestäuschungen nachzuweisen: „Sie werden dadurch hervorgerufen, daß wir Menschen, die wir uns, ebenso wie die Planeten, in einem Kreise um 26
die Sonne bewegen, diese Planeten stets von verschiedenen, ständig wechselnden Orten im Raum aus beobachten!" — Nun ist es ausgesprochen: Wir bewegen uns mit der Erde, die sich täglich einmal um ihre Achse dreht, um die Sonne, wie alle anderen Planeten . . . Das Weltgehäuse, in dem der Mensch seit Jahrtausenden wohnt — die Erde im Mittelpunkt, umfangen vom Sternenmantel des Himmelsgewölbes, hinter welchem der Schöpfer thront —, dieses Weltgehäuse bricht nun endgültig in sich zusammen, und über die Trümmer hinweg öffnet sich dem erschreckten Erdbewohner der Blick in die Unermeßlichkeit des Raumes, in dem der zum Planeten gewordene Erdball den Menschen hinausträgt. Die Erde, auf die Gott selbst seinen eingeborenen Sohn herabgesandt, ist ein Stern unter Sternen geworden, die Endlichkeit des Raumes weicht der Unendlichkeit der Bewegung. Und der dies erkennt und niederschreibt, der erschrickt nicht vor der ungeheuerlichen Größe seiner Beweisführung — er gesteht im demütigen Triumph seines schuldlosen Sieges: „Wir finden also eine bewunderungswürdige Harmonie der Welt und einen zuverlässigen harmonischen Zusammenklang der Bewegungen und der Bahnen . . ." In einer einfachen Zeichnung, die in der Druckausgabe seines Werkes in Holzschnitt wiedergegeben ist (siehe Umschlagrückseite), hat Kopernikus seine Vorstellung vom Umlauf der Erde und der anderen Planeten um die Sonne dargestellt. Wir erkennen daran die Größe, aber auch die Grenzen der kopernikanischen Erkenntnis:. Er hält unerschütterlich an der Annahme von Kreisbahnen der Planeten fest und kommt deshalb immer wieder in die Verlegenheit, Abweichungen und Regellosigkeiten in der Planetenbeobachtung mit exzentrischen Kreisen oder mit Epizykeln — Zusatzkreisen — darstellen zu müssen, wie es schon Ptolemäus getan hatte. Erst viele Jahrzehnte später wird Johannes Kepler die Planetenbahnen im ersten der drei Gesetze, die seinen Namen tragen, richtig erkennen: „Die Bahnen der Planeten um die Sonne sind Ellipsen, in deren einem Brennpunkt sich die Sonne befindet. . ." In seinem Jugendwerk, dem „Weltgeheimnis", bekennt sich Kepler immer wieder in rührender Bescheidenheit als Schüler des Kopernikus: „. . . da ich durch keinerlei religiöse Bedenken gehindert war, dem Kopernikus zu folgen, wenn das, was er vorträgt, wohlbegründet ist, wurde mein Glaube an ihn zuerst durch die schöne Übereinstimmung erweckt, die zwischen allen Himmelserscheinungen und den Anschauungen des Kopernikus besteht . .. Ein besonderer Vorzug aber besteht darin, daß Kopernikus alles, was andere anzustaunen lehren, aufs schönste begründet." 27
Nicht nur aus dem plumpen Elbinger Fastnachtsspiel, sondern auch aus Briefen und mancherlei zeitgenössischen Hinweisen geht hervor, wie lange vor seiner Drucklegung die Grundthesen des kopernikanischen Hauptwerkes schon bekanntgeworden waren. Die Bayerische Staatsbibliothek bewahrt eine griechische Sammelhandschrift mit einem Kommentar zu Aristoteles aus dem Besitz des gelehrten Orientalisten Joh. Albrecht Widmannstetter, eines Zeitgenossen des Kopernikus. Auf dem Titelblatt hat Widmannstetter handschriftlich vermerkt, daß er dieses Manuskript im Jahre 1533 von Papst Klemens VII. zum Geschenk erhalten habe und daß er bei einer Begegnung in den Vatikanischen Gärten dem Papst in Gegenwart zweier Kardinäle und ihres Gefolges die Lehre des Kopernikus von der Bewegung der Planeten um die Sonne auseinandergesetzt habe. Auch der Reformator Luther kannte die kopernikanische Lehre lange vor ihrer Veröffentlichung; aber er verhielt sich ihr gegenüber ablehnend; in einem Tischgespräch äußerte er, der Frauenburger Domherr wolle die ganze Kunst der Astronomie umkehren: „Aber wie die Heilige Schrift aufzeigt, hieß Josua die Sonne stillstehen und nicht die Erde!" Ebenso hatte Philipp Melanchthon schon früh Kenntnis von den neuen Gedankengängen des Kopernikus, die er zunächst positiv beurteilte. Aber bald verwandelte sich auch Melanchthons Einstellung in Ablehnung: „Manche halten es für eine hervorragende Leistung, eine so verrückte Sache zu machen wie dieser preußische Sternforscher, der die Erde bewegt und die Sonne anheftet. Wahrlich — weise Herrscher sollten die Zügellosigkeit sol'cher Geister zähmen . . ." Der einsame Mann in Frauenburg läßt sich weder durch Zustimmung noch durch Ablehnung sonderlich beeindrucken — er schafft weiter an seinem Werk, prüfend, verbessernd, sorgsam abwägend. Es ist kein ruhiges, sorgloses Scharfen, immer neue Schwierigkeiten äußerer Art bedrängen Kopernikus, dem allein Tiedemann Giese, als treuer und aufopfernder Freund zur Seite steht. Im Jahre 1537 ist Johannes Flachsbinder aus Danzig Bischof von Ermland geworden; er nennt sich nach seiner Vaterstadt Dantiscus, ist einst Diplomat und Botschafter an vielen europäischen Höfen und auch für einige Zeit Sekretär des Königs von Polen gewesen. Als Vorkämpfer der Gegenreformation verstärkt er den polnischen Einfluß im Bistum zum Nachteil der deutschen Domherren, zu denen neben Kopernikus auch Alexander Sculteti gehört. Der ist Autor hochgerühmter geographischer und historischer Studien, ein weltoffener Gelehrter, den Kopernikus als zweiten Freund gewinnt, obwohl Sculteti sich reformatorischen Einflüssen nicht verschließt. Grund ge28
nug für den Bischof Dantiscus, den Gelehrten der Ketzerei anzuklagen; er bewirkt die Vertreibung des „abtrünnigen" Domherrn, die Beschlagnahme seines Vermögens und endlich die Verhängung der Reichsacht gegen ihn; und als Kopernikus entgegen dem Befehl seines Vorgesetzten die Verbindung mit dem Geächteten nicht aufgibt, muß er sich eine demütigende und in der Form verletzende Zurechtweisung gefallen lassen. Es bleibt nicht bei dieser Zurechtweisung. Bald findet Dantiscus einen willkommenen Anlaß, gegen Kopernikus persönlich vorzugehen. Er fühlt sich bemüßigt, „Anstoß" zu nehmen an der Haushälterin des Kopernikus, an Anna Schillings, einer Tochter des Thorner Münzmeisters Schillings, die mit dem Astronomen entfernt verwandt ist. Er fordert seinen Domherrn durch ein persönliches Handschreiben auf, sich umgehend dieser Haushälterin zu entledigen und einem Zustand ein Ende zu machen, der „mit der Würde seines Kirchenamtes unvereinbar ist." Eine persönliche Schikane, durch nichts begründet noch gerechtfertigt. Kopernikus ist jetzt fünfundsechzig Jahre alt, er ist froh, das stille, bescheidene Mädchen um sich zu haben, die dem Einsamen die Lasten des Haushalts und die kleinen Alltäglichkeiten fürsorglich abnimmt. Aber er gehorcht. „Ehrwürdigster Vater in Christo und Herr!" schreibt er dem Bischof und Landesherrn, „ich habe bereits erledigt, womit ich den Mahnungen Eurer Ehrwürdigkeit nunmehr Genüge geleistet h a b e . . ." Doch Dantiscus ist noch nicht zufrieden; er läßt Kopernikus bespitzeln, läßt ausforschen, ob sich der Domherr noch mit der ehemaligen Haushälterin treffe. Schließlich fühlt sich Tiedemann Giese verpflichtet, für den Freund einzutreten und dem Bischof zu schreiben: „. .. Kopernikus bestreitet, daß er jene, nachdem er sie entlassen, noch einmal bei sich gesehen habe, außer einmal, als sie auf der Reise zum Markt nach Königsberg flüchtig bei ihm vorsprach. Ich bin völlig überzeugt, daß er nicht so von Leidenschaft ergriffen ist, wie viele meinen. Davon überzeugt mich auch sein hohes Alter, seine ununterbrochenen Forschungen und vor allem seine hohe Tugend und Ehrbarkeit vor den Menschen. Ich halte es auch selbst für billig, daß Eure Ehrwürdigkeit den Zwischenträgern nicht soviel Glauben schenken, in der Erwägung, daß auf die Tüchtigen immer der Neid lauert. . . " Das ist ein schöner Freundesbrief — aber Dantiscus begnügt sich nicht mit der Erfüllung seiner Forderung; er wird Anna Schillings noch über den Tod des Kopernikus hinaus verfolgen, er wird ihre förmliche Ausweisung aus Frauenburg durchsetzen mit der Begründung: „Es steht nämlich zu befürchten, daß sie, wie sie den verstorbenen Kopernikus umstrickt hat, vielleicht auch noch 29
andere von Euch Brüdern gewinnen könnte. Wir sind der Meinung, daß es besser wäre, die Berührung mit einer solchen Pest zu meiden . . ." Die Einsamkeit, ja beinahe Absonderung, die den Lebensabend des Kopernikus kennzeichnet, mag ihm selbst nicht ganz unwillkommen gewesen sein. Er weiß, daß er überwacht wird, durch eine Kreatur, wie sie sich immer finden, wenn es um unsaubere Geschäfte geht. Hosius, früher Geheimsekretär des polnischen Königs und den polnischen Interessen zeitlebens dienstbar, berichtet seinem Bischof getreulich über jeden, der mit Kopernikus Umgang pflegt. Er berichtet auch — im Frühjahr 1539 — von der Ankunft des Wittenberger Mathematikprofessors Joachim von Lauchen aus Feldkirch, der sich Joachim Rheticus nennt und unter diesem Namen in die Geschichte der Wissenschaften eingegangen ist. Rheticus verschweigt dem Frauenburger Domherrn nicht seine freundschaftlichen Beziehungen zu Luther, aber auch nicht die Begeisterung, die er für die kopernikanische Lehre „Von den Umdrehungen der Himmelskörper" empfindet. Er wird freundlich aufgenommen und erhält auch bald Einsicht in das noch unveröffentlichte Manuskript — eine Einsicht, die den Wittenberger Professor bald von der unumstößlichen Richtigkeit dieser Lehre überzeugt. Auch Nikolaus Kopernikus erkennt schon nach kurzem, vorfühlendem Gespräch die Bedeutung seines Gastes, der ihm zum Freund und Schüler wird — und er täuscht sich nicht: Die von Rheticus später veröffentlichten trigonometrischen Tafeln haben in unseren Tagen eine neue, ungeahnte Bedeutung gewonnen. Sie sind in den Vereinigten Staaten zur Grundlage von ballistischen Berechnungen mit Hilfe von Elektronengehirnen geworden, da sie für die Berechnung der Flugbahnen von Raketen und Raumschiffen eine ideale Grundlage bilden. Die von Rheticus vor Jahrhunderten gefundenen Werte stimmen bis auf die zehnte Dezimalstelle genau! Man hat von seinen Tafeln Mikrofilme aufgenommen und ihre Verwendung in den modernsten mathematischen Handbüchern vorgesehen. Wir verdanken1 Joachim Rheticus die erste umfassende Kunde vom Inhalt des kopernikanischen Hauptwerkes sowie die Veröffentlichung eines trigonometrischen Vorabdrucks aus dem Manuskript. Der Wittenberger ist nicht mit leeren Händen nach Frauenburg gekommener überreicht dem verehrten Meister eine vollständige griechische Ausgabe des Ptolcmäus, die ein Jahr zuvor in Basel erschienen ist. Auch dieses Buch befindet sich heute, mit der Widmung des Rheticus auf dem Titelblatt, in der Universitätsbibliothek zu Upsala. Die kostbare Gabe, die Aufrichtigkeit und der wissenschaftliche Ern^ 30
seines Gastes mögen bewirkt haben, daß Kopernikus sich nicht länger den von Tiedemann Giese und Rheticus gemeinsam vorgetragenen Bitten verschließt, die Drucklegung seines Hauptwerkes zu gestatten. Jahrzehnte hindurch hat er gezögert, und nun gibt er auch nur zögernd seine Einwilligung; er beglückt den jungen~Rheticus mit einem großartigen Geschenk seines Vertrauens, indem er ihm gesteht, er glaube in seinem Hauptwerk der Wahrheit noch nicht restlos nahegekommen zu sein .. . Im Mai 1542 begibt sich Rheticus mit dem kopernikanischen Manuskript auf die Reise nach Nürnberg, zu dem Buchdrucker Johann Petrejus, der sich durch seine sorgfältigen, gut ausgestatteten wissenschaftlichen Drucke bereits einen Namen gemacht hat. In Nürnberg lebt auch des Rheticus' Lehrer Johann Schöner, der sich erfolgreich in die Verhandlungen mit dem Drucker einschaltet, so daß sofort mit dem Satz begonnen werden kann. Rheticus liest noch selbst an Ort und Stelle die Korrektur der Einleitung und des ersten Bogens; als dringende anderweitige Verpflichtungen ihn im Herbst des gleichen Jahres von Nürnberg abrufen, übergibt er dem Nürnberger Theologen Andreas Oslander die Aufsicht über die weitere Druckarbeit. Ein verhängnisvoller Entschluß .. . Oslander kennt sehr wohl die ablehnende Einstellung Luthers, Melanchthons und Calvins gegen die kopernikanische Lehre; es ist auch sehr wahrscheinlich, daß er sich, nachdem ihm Rheticus in blindem Vertrauen die Drucklegung übertrug, direkt mit Melanchthon in Verbindung gesetzt hat. Jedenfalls begeht Oslander nun einen ungeheuerlichen und unverzeihlichen Vertrauensbruch: Er setzt dem Werk des Kopernikus eine Vorrede aus seiner eigenen Feder, ohne jedoch seinen Namen zu nennen, voran — eine Vorrede, die den Wahrheitsgehalt des Buches einfach in Frage zu stellen wagt. „Ich zweifle nicht", so heißt es in dieser Vorrede, von der die Leser annehmen müssen, daß sie von Kopernikus stammt, — „ich zweifle nicht, daß manche Gelehrte darüber unwillig sind, daß in diesem Buche gelehrt wird, die Erde sei beweglich, die Sonne dagegen unbeweglich in der Mitte des Weltalls. Man darf wohl glauben, daß die Wissenschaft dadurch nicht in Verwirrung gebracht werden soll . . . Es ist nicht notwendig, daß die Annahmen in diesem Buche auch wahr sind . . . " Oslander hat seine Eigenmächtigkeit später gegenüber den heftigen Vorwürfen von Rheticus und Tiedemann Giese damit zu entschuldigen versucht, er habe den auch von ihm hochverehrten Kopernikus vor zu erwartenden Angriffen schützen wollen. Aber die Freunde des Domherrn geben sich mit dieser jämmerlichen Ausrede 31
nicht zufrieden; Tiedemann Giese, der Bischof von Kulm, wendet sich offiziell an den Rat der Stadt Nürnberg mit dem Ersuchen, „gegen den Schuldigen vorzugehen und das Vertrauen in den Verfasser wiederherzustellen". Aber es ist zu spät — zwei Drittel der gesamten Druckauflage sind schon fertig gebunden und in alle Welt versandt, bevor Tiedemann Giese und Rheticus von Osianders Betrug Kenntnis erhalten Der Rest der Auflage wird dann, auf Veranlassung des Nürnberger Rates, mit einem neuen Vorwort versehen, das den Vorstellungen des Verfassers entspricht. Kopernikus selbst hat an der Drucklegung seines Werkes nicht mehr unmittelbar teilnehmen können; seit dem Herbst 1542 plagen ihn Krankheit und Siechtum. „Ich glaube", schreibt Bischof Tiedemann Giese an einen befreundeten Domherrn, „daß er, so wie er während seiner Gesundheit die Einsamkeit geliebt hat, auch jetzt in seiner Krankheit nur wenige vertraute Freunde hat, die sich sein Schicksal zu Herzen gehen lassen, obwohl wir alle ihm Dank schulden. Ich bitte Dich, Dich in Frauenburg seiner anzunehmen und die Sorge für den Mann, den Du wie ich immer geliebt hast, zu übernehmen, damit er in seiner Bedrängnis nicht der brüderlichen Liebe entbehre und damit wir nicht als undankbar gegenüber diesem verdienten Mann befunden werden . . ." Im Mai 1543 erhält Bischof Giese die Nachricht, daß den Kranken ein Blutsturz getroffen habe, verbunden mit einem schweren Schlaganfall. Er eilt nach Frauenburg, er sieht, daß dieses Krankenlager ein Sterbelager ist. Mit ihm trifft noch ein anderer ein — ein reitender Bote aus Nürnberg, mit dem ersten fertigen Druckexemplar des Werkes. Aber Kopernikus liegt schon seit Tagen im Fieberwahn. Es ist ein gnädiges Fieber, es hindert den Sterbenden, Osianders ruchlose Vorrede zu erkennen. Aber nach Tiedemann Gieses Bericht hat Nikolaus Kopernikus in seiner letzten Lebensstunde sein Buch in den Händen gehalten, bevor er die Augen für immer schloß. Das war am 24. Mai des Jahres 1543, vor Sonnenuntergang.
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