Evangelos Pitsos
Kosmogenese
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Kosmogenese
Herbert Utz Verlag
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Kosmogenese
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Kosmogenese
Herbert Utz Verlag
„Dieses Hardcover wurde auf FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. FSC (Forest Stewardship Council) ist eine nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation, die sich für eine ökologische und sozialverantwortliche Nutzung der Wälder unserer Erde einsetzt.“
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Copyright © Herbert Utz Verlag GmbH · 2008 ISBN 978-3-8316-0789-1 Printed in Germany Herbert Utz Verlag GmbH, München 089-277791-00 · www.utzverlag.de
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Entfaltung der kosmogenetischen Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 2 3 4 5 6 7
Postulate, Grundsätze und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Der Bereich der Einfachheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Der Bereich der Erscheinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Der Bereich der Bestimmtheit und des Dualismus . . . . . . . . . 70 Die Dimensionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Das Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Der Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Ausgangspunkt und Ziel: Die Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Glossar: Die Grundbegriffe der Kosmogenese . . . . . . . . . . . . . . . 147 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
Vorwort
Wir leben in einer Zeit, in der sich alles im Umbruch befindet. Hinter dem äußeren Glanz von Wohlstand und Genuss versuchen die Menschen ihre innere Leere zu verbergen. Auch die Botschaft der verschiedenen Religionen und Ideologien hat für manch einen ihre Überzeugungskraft eingebüßt. Erwartungsvoll setzen viele ihre Hoffnung in die Entdeckungen der Naturwissenschaften. Doch tauchen immer wieder Fragen auf, die eine tiefe existentielle Angst zeigen. Sie hat die Menschen der westlichen Welt in das Reich des Intellekts getrieben, während die östlichen, offenbarungslosen Religionen samt der christlichen und der islamischen Mystik zu einem Stillstand gekommen sind, der sich hier und da Ritualen und Scheinaktivitäten hingibt. Heute stellt sich erneut die Frage, ob man nicht an einem einmaligen Kreuzungspunkt in der Geschichte der Menschheit steht, wo Wissenschaft und Spiritualität sich treffen und wechselseitig vollenden könnten. Die hier dargelegte kosmogenetische Theorie versteht sich als ein Weg, den der Mensch der westlichen Welt gehen kann, um seine geistige Vollendung und seine erleuchtete Befreiung zu erzielen. In ihr gelten sowohl die vom Verstand, von der Struktur der aktuellen Bewusstheit und von den Wissenschaften erlangten Resultate als auch die Erfordernisse des geistigen Verlangens. Sie bietet der westlichen Intellektualität einen möglichen Weg, die geistige Ruhe und spirituelle Erfüllung eines Meditierenden zu erreichen. Sie versteht sich als Wissenschaft, obgleich der Gegenstand ihrer Untersuchung den Bereich der Phänomene transzendiert und sich der Erörterung des metazeitlichen beziehungsweise zeitindifferenten Realitätsbereiches zuwendet. Durch die Entwicklung der Naturwissenschaften – insbesondere der Einstein’schen Relativitätstheorie und der Theorie des Urknalls – ist es dem heutigen Menschen möglich geworden, neue Antworten auf 7
seine existentiellen Fragen zu finden. Dennoch ist er genötigt zu sehen, dass zwischen der von ihm erfahrenen Realität und ihrer Struktur, so wie sie an und für sich unabhängig von den Bedingungen der aktuellen Bewusstheit existiert, ein grundlegender Unterschied besteht. Er sieht, dass die von ihm wahrgenommene Wirklichkeit kein echtes Bild der an und für sich seienden Realität darstellt. Ihm wird deutlich, dass er trotz aller von den Naturwissenschaften gewonnenen Einsichten möglicherweise noch einer gewohnheitsbedingten Sichtweise des Universums folgt und nach wie vor an der altvertrauten Welt vergänglicher und konkreter Dinge hängt. Den Grundsätzen der modernen Wissenschaftstheorien zufolge entspricht demnach die aktuelle Wirklichkeit – so wie sie durch die heutige aktuelle Bewusstheit wahrgenommen wird – nicht der wahren Struktur der Realität, was sich am Beispiel der Zeit zeigt. Die Frage, ob es dem westlichen, von der Ratio geprägten Menschen gelingen kann, sich in der Konzentration in den Ursprung der Realität zu versenken und sich wieder zu verankern, ist nur unter einer Bedingung zu bejahen: dass dies nämlich im Einklang und nicht unter Ausschalten des Verstandes erfolgt. Den Verstand abzuschalten, um jene Ruhe und Befreiung zu erlangen, ist für diesen Menschen unerreichbar. Die Befreiung des Geistes vom Verstand ist für diesen intellektuellen Menschen nicht möglich. Daher ist die Kosmogenese eine wissenschaftliche Theorie, die vom Inhalt und von der Axiomatik her von einem Realitätskonzept ausgeht, das die Relativität der wahrnehmbaren relativen Realität – wie im Buddhismus – durchschaut und den Blick für die absolute und unbedingte Realität offenhält. Die kosmologischen Theorien der Moderne haben Hypothesen und keine endgültig begründeten und bewiesenen Wahrheiten zur Grundlage. Die Grundsätze der kosmogenetischen Theorie sind auch axiomatische Hypothesen, doch sie sind weder eine Ergänzung noch eine Begründung jener Theorien. Wenn die Konsequenzen der naturwissenschaftlichen Untersuchung den Bereich der Phänomene nicht überschreiten dürfen, so überschreitet die Kosmogenese jedoch die Grenzen des Bereiches der raumzeitlich georteten Phänomene und 8
bringt die Gültigkeit eines metabewussten, also nicht wahrnehmbaren und raumzeitlich indifferenten Realitätsbereiches ans Licht, der nicht als physikalisches Phänomen betrachtet werden darf. Zusätzlich zu dem von der Kosmogenese eingeschlagenen Weg des möglichen harmonischen Zusammengehens des Verstandes mit dem ihn transzendierenden spirituellen Bereich wird eine Entwicklung des menschlichen Bewusstseins in entfernter Zukunft angesprochen. Sie kann seine heute begrenzten Fähigkeiten erweitern, so dass seine Befreiung aus dem determinierten Dualismus, in dem es noch gefangen ist, möglich erscheint. Die Entwicklung des Menschen, mithin der Bewusstheit, darf also nicht als vollendet und abgeschlossen betrachtet werden. Dies ist in der Tatsache begründet, dass die Form der Wirklichkeit durch den evolutiven Charakter der Bewusstheit geprägt ist; das Konzept einer vierdimensionalen Bewusstheit bezeugt seinerseits die Möglichkeit einer Weiterentwicklung der menschlichen Existenz. Denn zwischen der Wirklichkeit an und für sich und der Bewusstheit könnte eine Übereinstimmung bestehen. Diese Identität der vierdimensionalen Bewusstheit und der vierdimensionalen Wirklichkeit würde dann eine höhere Stufe der Realität und des endgültigen Standes der Bewusstheit bedeuten. Diese Evolution würde zur Identität von Bewusstsein und Wirklichkeit führen, das heißt in Begriffen der traditionellen Philosophie, zur Identität von Sein und Bewusstsein. An vielen Stellen dieser Untersuchung wird gezeigt, dass die Erscheinungsstruktur der derzeitigen, aktuellen Wirklichkeit in der in Raum und Zeit gespaltenen Bewusstheit gründet. Aber selbst wenn die heute geltende, aktuelle Bewusstheit in der Lage wäre, den Horizont ihrer Empfindungen und Wahrnehmungen durch gezielte geistige Übung zu erweitern, dann würden sich dadurch Wesen, Struktur und Erscheinungsform der Welt nicht verändern. Auch die Dreidimensionalität der Gegenstände würde dadurch nicht getilgt; die Gegenstände würden nur als Scheinbild durchschaut. Die betreffende Person würde dadurch vielleicht von dem Scheinbild befreit werden, dennoch würde sie die Welt so wahrnehmen müssen wie vorher. 9
Die Bewusstheit kann sich verändern, nicht aber die aktuelle Struktur der Welt; sie kann sich selbst als Scheinbild erkennen, aber die durch die Bedingungen der Bewusstheit geprägte Form der Welt bleibt bei dieser Selbsterkenntnis unangetastet. Nur nach einem Übergang zu einer zukünftigen, ungespaltenen, vierdimensionalen Bewusstheit wäre die Wahrnehmung einer Wirklichkeit denkbar, in der keine Gegenstände vorkommen. Die Einstein’sche Relativitätstheorie weist durch das Konzept der Raumzeit auf eine solche unbedingte Wirklichkeit und zugleich auf eine unbedingte Bewusstheit hin. Es sei darauf hingewiesen, dass es keinen Grund gibt, nur dem Menschen und der aktuellen Bewusstheit eine solche Evolution zuzuschreiben. Ebenso wenig dürfen die Grundeigenschaften nur für die menschliche Biographie gelten gelassen und anderen Wesenheiten abgesprochen werden. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es strukturelle Unterschiede zwischen den Ereignissen gibt, zum Beispiel zwischen den Menschen und Biographien anderer Wesen. Alle Ereignisse besitzen ohne Ausnahme – wenn auch in rudimentärer Form – eine gemeinsame Grundstruktur. Dies bedeutet, dass die endgültige Kristallisierung des kosmogenetischen Prozesses – die Bewusstheit – den Kern jedes Ereignisses bildet, wenn auch nur potentiell, das heißt nur als eventuelle Folge einer Befreiung durch die akausale Synchronisierung von Inspiration und Aspiration. Die Befreiung aus den Begrenzungen und Bedingungen, durch die alle Wesen in einem Geschehen stetiger Transformation zu ihrem freiheitlichen Ursprung gewandelt werden, hat zum Ziel den Anfang, an dem unsere Existenz begann. Die begründete Darstellung dieser Rückkehr zum Ursprung der Unbedingtheit und Freiheit ist Gegenstand dieser Arbeit.
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Einleitung
Zwei wissenschaftliche Theorien des 20. Jahrhunderts wirkten sich weitreichend auf die Entwicklung vieler naturwissenschaftlicher Zweige aus: die Einstein’sche Relativitätstheorie und die Theorie des Urknalls. Erstere lieferte vor allem eine Erklärung für die Einheit von Raum und Zeit, während die zweite den Blick auf die Entstehung des Universums richtete. Beide Modelle ermöglichten bedeutende wissenschaftliche Entdeckungen und methodische Errungenschaften. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse gaben ihnen das letzte Wort im Bereich der Physik und der Kosmologie. Man hat ihnen bis heute nicht widersprochen, sie nicht widerlegt, noch einen ernsten Versuch unternommen, sie auf beiden Gebieten zu erweitern. Es gilt immer noch, Antworten auf Fragen innerhalb ihrer Postulate und aufgrund ihrer Beweise zu finden. Zwar haben sich jene Erkenntnisse in Methoden, Wissenschaftlichkeit und Anwendungen als fruchtbar erwiesen. Doch soll das heißen, dass damit weitere Fragen überflüssig, ja sinnlos geworden sind? Stehen wir hier vor den Grenzen unseres Wissens? Es scheint, als sei dies der Fall. Richtet man den kritischen Blick aber auf bestimmte Implikationen beider Theorien, so zeigt sich, dass man über ihre Grenzen hinausgehen darf, ja muss. Im Verlauf der vorliegenden Untersuchung wird zunächst ausführlich gezeigt, welche Voraussetzungen die Relativitätstheorie und die Theorie des Urknalls postulieren, ohne dafür Beweise zu liefern. Diese Voraussetzungen bleiben also Annahmen, da sie willkürlich aufgestellt worden sind. Eine zentrale Frage blieb unbeantwortet: Wie ist die Entstehung des Universums außerhalb von Raum und Zeit zu konzipieren und zu 11
begründen? Die Antwort auf diese und weitere noch offene Fragen ist Gegenstand dieser Untersuchung, der Kosmogenese. Sie stellt sich die Aufgabe, beide Theorien gründlich und konsequent zu betrachten und ihre Annahmen kritisch zu durchleuchten, um neue Konsequenzen zu ziehen. Unsere Theorie – die Kosmogenese – betrachtet sich nicht als Ergänzung der Relativitätstheorie oder der Theorie des Urknalls, sie kann auch nicht von ihnen abgeleitet werden. Sie gewinnt aus ihrem methodisch analogen Vorgehen ihren eigenen wissenschaftlichen Charakter und die Rechtfertigung ihres axiomatischen Ausgangspunktes. Die Annahmen dieser Untersuchung lassen sich wie folgt skizzieren, wobei vorauszuschicken ist, dass in der kosmogenetischen Theorie zwischen „Wirklichkeit“ und „Realität“ unterschieden wird1: 1. Unsere aktuelle Wirklichkeit steht im krassen Gegensatz zur Einstein’schen Realität. Die Wirklichkeit erweist sich als allumfassend, und gilt sie als solche, dann vertritt sie ein traumähnliches Scheinbild. 2. Die Realität manifestiert sich in einer untrennbaren Einheit und Interdependenz von vier Dimensionen (Einstein’sche Relativitätstheorie). 3. Die Realität kann nicht in einer Ewigkeit liegen, die sich linearzeitlich ausdehnt. Die Realität entsteht aus dem Nichts in Form eines Anfangs ohne Ende (Theorie des Urknalls). 4. Alles, was real ist, mithin auch die aktuelle Wirklichkeit, manifestiert sich in einem zeitfreien und zeitlosen Anfangspunkt (Urknall). Realität, Raum und Zeit und die aus Ereignissen bestehende Wirklichkeit werden als Ganzes und mit einem Schlag hervorgerufen. 5. Die Realität manifestiert sich nicht in der Zeit. Sie ist weder ewig noch vergänglich; sie ist zeitlich indifferent. 6. Der dynamische Prozess der Entstehung der Realität aus dem Nichts kann von der aktuellen Bewusstheit nicht wahrgenommen werden. Er kann daher nur als metabewusst bezeichnet werden. 7. Raum und Zeit sind keine der Kosmogenese vorangehenden Faktoren, sondern lediglich ihre Produkte. 12
8. Die Zeit wird – wie alle Instanzen und Faktoren der aktuellen Wirklichkeit – erst hervorgerufen, nachdem der Entstehungsprozess der Realität abgeschlossen und vollendet ist. 9. Aufgrund der Relativitätstheorie sind nicht die Gegenstände das endgültige Produkt des Entstehungsprozesses, sondern die Ereignisse. Sie entfalten sich in einer kontinuierlichen Reihenfolge und bilden eine Totalität von zahllosen Elementen. Das menschliche Bewusstsein ortet dieses Produkt aber als im Raum befindlich und nimmt es als sich in der Zeit verändernd wahr, und zwar in Form von vergänglichen Gegenständen. 10. Dieser durch das Bewusstsein verursachte dreidimensionale Wirklichkeitscharakter der Dinge wird in dieser Untersuchung als „Scheinbild“ bezeichnet. Es ist hinzuzufügen, dass der Anfangscharakter der Realität von der aktuellen Erfahrung als das undefinierbare „Hier und Jetzt“ wahrgenommen wird; dieses ist räumlich und zeitlich unbedingt. Die hier vorgelegte Theorie behauptet von sich, wissenschaftlich begründet zu sein, obgleich ihr Gegenstand den Bereich der Phänomene überschreitet. Wir wenden uns einem Realitätsbereich zu, der „metazeitlich“ beziehungsweise „zeitindifferent“ ist. Es wird gezeigt, wie die Entstehung des Raumes, der Zeit und des Universums als Prozess und auf diskursiven Wegen, also menschlicher Vernunft und menschlichem Verstand angemessen, dargestellt werden kann. Die nach Maßstäben der Wissenschaftlichkeit gewonnene Analyse der Relativitätstheorie und der Theorie des Urknalls verleiht auch der auf Axiomen aufbauenden Kosmogenese ihren Charakter als Wissenschaft. Ihr selbstständiger Inhalt und ihre Methode ermöglichen es heutigen Forschern, sie als eigene Wissenschaft zu erkennen, ohne anderswo nach Begründung zu suchen oder sie als Ergänzung vorausgehender Theorien anzusehen. Die Kosmogenese hält in Methode und Rückschlüssen an ihrem wissenschaftlichen Charakter fest. Die Kosmogenese ist in der Hoffnung entstanden, dass aus ihr Konsequenzen 13
folgen können, die weit über die Grenzen einer theoretischen Darlegung hinausreichen. Sie beachtet gleichzeitig, dass keine konsequent wissenschaftliche Untersuchung die Grenzen des Bereichs der raumzeitlich geordneten Phänomene überschreiten darf. Diese Untersuchung geht nicht nur vom Bereich der Phänomene aus. Vielmehr wird mehrfach die Gültigkeit eines für das jetzige Bewusstsein nicht wahrnehmbaren und raumzeitlich indifferenten Realitätsbereichs betont, bei dem es sich um kein physikalisches Phänomen handelt. Eine Entwicklung des menschlichen Bewusstseins, die seine begrenzten Fähigkeiten in der Zukunft erweitern könnte, ist allerdings nicht auszuschließen, das heißt, seine Befreiung aus dem determinierten Dualismus von Phänomenalem und Realem wird implizit berücksichtigt. Wir kennen frühere Versuche, diesen Weg mit Entschlossenheit zu beschreiten. Einige wurden im Laufe der letzten zwei Jahrtausende von Anhängern der buddhistischen Lehre unternommen, und zwar im Sinne einer für alle Menschen erreichbaren Erkenntnis und Erfahrung, die in ihrer Nachvollziehbarkeit weder leicht noch selbstverständlich ist. Die Buddhisten entwickelten eine Praxis, um den Scheincharakter unserer Wirklichkeit zu transzendieren und die wahre Realität zu verwirklichen. Die intuitiven Wahrnehmungen und ebenso gewonnenen Einsichten in die vorzeitliche und metazeitliche Realität sind bis heute allenfalls in der östlichen Kultur und den asiatischen Religionen zu finden. Im Westen blieben diese Erkenntnisse für Wissenschaft und Theorie tabuisiert. Der westliche Mensch scheint durch seine jahrhundertelang geprägte und idealisierte Ratio ein unbeugsamer Intellektueller geworden zu sein. Der hier vorgeschlagene Weg ist der Versuch, Einsichten über die Diskrepanz zwischen wahrgenommener Wirklichkeit und metabewusster, ursprünglicher Realität zu gewinnen, wodurch der scheinbildhafte Charakter der Gegenstände und des „Ich“ durchschaut wird. Obwohl die Theorie der Kosmogenese hierin der Theorie des Buddhismus sehr nahesteht, unterscheidet sie sich radikal von ihr: Sie be14
hauptet von sich, keine intuitiv zu erfassende Offenbarung, keine der Vernunft und dem Verstand widersprechende oder ihn übersteigende Weisheit und keine definierbare Religion zu sein. Sie soll als eine Theorie beurteilt werden, die sich als wissenschaftlich versteht, indem sie sich wissenschaftlichen Kriterien unterstellt in allen ihren Schritten, vor allem dort, wo die Nähe zur buddhistischen Theorie spürbar wird. Ihr Rekurs auf die zwei Theorien der modernen Physik und der Kosmologie wird dadurch verständlich und begründet. Die Kosmogenese hat sich zur Aufgabe gemacht, Erkenntnisse einer „vor-zeitlichen“, metabewussten Realität zu erreichen. Dies heißt aber nicht, dass sie deshalb den Weg der Mystiker oder Sufis einschlägt. Sie hatten durchaus Erfahrungen und Erkenntnisse bezüglich einer vorzeitlichen Realität, der gegenüber sich unsere dimensional unvollständige Wirklichkeit als vergänglich und scheinbildhaft erweist. Wir kennen aus christlicher Tradition – so in den Predigten von Meister Eckhart – die Lehren über die Verschmelzung der aktuellen Bewusstheit mit einer metabewussten, absoluten Realität. Diese Lehren blieben jedoch missachtet, wurden verhöhnt, ja sogar als Ketzerei verfolgt. Wenn nun die Kosmogenese von sich behauptet, wissenschaftliche Theorie zu sein, so meint dies nicht, sie sei wissenschaftliche Theorie per se und habe denselben Gegenstand wie die Naturwissenschaften. Mit Rücksicht auf die intellektualistische Eingleisigkeit des westlichen Menschen entfaltet sie ihre Lehre anhand der Einstein’schen Relativitätstheorie und der Theorie des Urknalls. Sie bleibt den mystischen Formen fern und hält fest an wissenschaftlich-theoretischen, dem westlichen Geist zugänglichen Methoden und Prinzipien, ohne dass daran die Absicht geknüpft wird, aus ihr eine naturwissenschaftliche Disziplin zu machen. Andererseits soll diese Arbeit keine Begründung einer „endgültigen Wahrheit“ geben. Sie will als Arbeitshypothese gelten. Andere Theorien, die ihr folgen könnten und den Anspruch erheben, sie zu widerlegen oder zu ersetzen, müssten in der Lage sein, die Problematik vorzeitlicher und metabewusster Realität genauer und in überzeugenderer Weise, als sie es anbietet, zu lösen. 15
Die Kosmogenese wird in sieben Kapiteln dargelegt. Ausgehend von den Axiomen und der Methode wird in den ersten vier Kapiteln der Bereich der Einfachheit, jener der Erscheinung und der des Dualismus abgehandelt. Das fünfte Kapitel befasst sich mit einer Theorie über die Dimensionalität, die zur Aufgabe hat, Bestimmungen und Ableitungen zu treffen, die sowohl die Einstein’sche Relativitätstheorie wie auch die Theorie des Urknalls im Blick haben. Die zwei darauffolgenden Kapitel behandeln das Ich, das Nicht-Ich und den Menschen. Hier wird eine Frage ausgearbeitet, die zum eigentlichen Ausgangspunkt und damit auch Ziel dieser Arbeit führt, nämlich zur Freiheit und der Befreiung des Menschen, Themen, die in einem abschließenden Teil behandelt werden. Im Laufe dieser Studie hat sich gezeigt, dass viele philosophische und naturwissenschaftliche Begriffe zu einer neuen Bedeutung gekommen und anders zu erfassen sind als im üblichen Sprachgebrauch. Darum ist als Anhang ein Glossar angefügt, das die Bestimmung vieler Begriffe im Sinne der Kosmogenese festlegt und damit dem Leser eine Hilfe anbietet. ✳✳✳ Es besteht kein Zweifel daran, dass die Einstein’sche Realität vierdimensional ist, sie postuliert drei Dimensionen des Raumes und die der Zeit. Einstein prägte dafür den neuen Begriff „Raumzeit“ und sah diese als untrennbare Einheit. In der so georteten Wirklichkeitsstruktur kommen keine Gegenstände vor, denn sie können nur in Raum und Zeit wahrgenommen werden. Jene Wirklichkeit besteht ausschließlich aus Ereignissen, das heißt aus in der Raumzeit konfigurierten „atomaren Elementen“, die in der Kosmogenese „Eigenschaften“ genannt werden und von unserem derzeitigen Bewusstsein nicht wahrzunehmen sind, weil unser Verstand dreidimensional orientiert ist. Daraus folgt, dass wir zwischen Ereignissen – Konfigurationen von Eigenschaften – und Gegenständen, die in der aktuellen Wirklichkeit, das heißt in Raum plus Zeit wahrgenommen werden, strengstens zu unterscheiden haben. 16
Der untrennbaren Einheit der vier Komponenten der Raumzeit steht ein anderes Koordinatensystem gegenüber. Es besteht aus den drei Dimensionen des Raumes, die von der vierten, der Zeit, gespalten sind. Unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit erfolgt auf der Grundlage dieser Dimensionierung, deshalb werden nur die dreidimensionalen Dinge von unserer aktuellen Bewusstheit als existierende Wirklichkeitselemente erkannt. Sie erscheinen immer in Form eines Volumens, und alles, was diese Form besitzt, wird dank dieser Vollständigkeit seiner Dimensionalität im Bereich der aktuellen Wirklichkeit als real wahrgenommen. Ist die Einstein’sche Dimensionalität – die Raumzeit – ein neuer Begriff für die Einheit und Untrennbarkeit aller vier Dimensionen, dann können in diesem Rahmen nur Ereignisse, beziehungsweise Geschehnisse als real gelten, und nur so wird die unumgängliche Bedingung des Wirklichkeitscharakters aller konstitutiven Bestandteile erfüllt. Anders ausgedrückt: Nach Einstein’scher Ansicht sind nur Elemente mit vier Dimensionen Bestandteile der Wirklichkeit, während dreidimensionale Gegenstände abstrakte, den geometrischen Schemata entsprechende Formen vertreten. Weil sie nur drei von den vier Dimensionen besitzen, gleichen sie Flächen, Linien und Punkten. Die vierdimensionale Einstein’sche Realitätsstruktur überschreitet die Grenzen unserer dreidimensional gekennzeichneten aktuellen Wahrnehmung. Wir können uns aus diesem Grund jene Struktur nicht einmal vorstellen und betrachten Ereignisse als voneinander getrennte Elemente eines Ganzen, meinen jedoch, sie als kontinuierliches Fließen von Geschehnissen (Ereignissen) wahrnehmen zu können. Dieses Fließen aber stellt eine ununterbrochene Veränderung der Gegenstände dar. Das Konzept eines von Gegenständen freien Ereignisses ist verwirrend und befremdend, denn der Verstand vermag ein reines Geschehen nicht als von Gegenständen gelöstes Fließen des Entstehungsprozesses der aktuellen Wirklichkeit zu erfassen. Die kosmogenetische Theorie will zeigen, wie Ereignisse als von Gegenständen freie und reine Geschehen zu verstehen sind. 17
Die nächste Frage ist nun: Worin unterscheiden sich die Relativitätstheorie und die kosmogenetische Theorie, wenn beide ein Wirklichkeitskonzept annehmen, dessen Inhalt die aus vier untrennbaren Dimensionen bestehende Dimensionalität ist? Wir wissen, wie die Einstein’sche Theorie das globale Konzept der Raumzeit etabliert hat und an ihm festhält. Sie sah sich aber als Naturwissenschaft immer wieder genötigt, eine vom Raum getrennte Zeit anzunehmen, womit sie sich eines dreidimensionalen Konzepts bediente. Die Kosmogenese schließt ein so geschaffenes Konzept aus ihrem Feld strikt aus. Sie betont immer wieder, dass ihr Realitätskonzept von unserer derzeitigen Bewusstheit nicht als Realität wahrgenommen werden kann, weil unsere Bewusstheit de facto auf die Dreidimensionalität begrenzt ist. Kann dies nun heißen, die Vier- beziehungsweise Dreidimensionalität soll ein ungelöstes Rätsel bleiben, sowohl für die Wissenschaft als auch für die Realitätswahrnehmung? Eine Antwort auf diese Frage hat die moderne Kosmologie mit der Urknalltheorie angeboten. Die Kosmologen behaupten, Raum und Zeit hätten im wissenschaftlichen Rahmen der Physik einen Anfang. Dieser Anfang könne als das allererste Phänomen erwiesen werden, und man sei sogar in der Lage, sein Entstehungsdatum auf vor etwa dreißig Milliarden Jahren zu fixieren. Wenn man die Grundsätze dieser Theorie erforscht und ihre Konsequenzen auf einen alles umfassenden Realitätsbegriff bezieht, zeigt sich in aller Klarheit: Der Urknall bedeutet das Entstehen des Ganzen der Realität aus einem Nichts und ist nicht bloß das Entstehen des engeren Bestandes der wahrgenommenen Wirklichkeit. Aber dahinter steht ein verwirrendes, weil paradoxes Konzept. Es wird nämlich zu gleicher Zeit vom Urknall behauptet, er sei der Inbegriff von zwei unterschiedlichen, konträren und die Realität transzendierenden Zuständen: eines ersten, der vor dem Beginn der Zeit zu verorten ist und in dem es keine Zeit gibt, und eines zweiten, der nach ihrem Beginn herrscht und in dem es sie gibt. Der Einfachheit halber nennen wir den ersten Zustand hier „zeitlose Vorzeitlichkeit“ und den zweiten „Phänomen“.2 18
Die Kosmologen sagen, der Urknall sei das erste Zeitmoment; als solches sei er eindeutig ein physikalisches Phänomen, das deswegen Gegenstand der Physik zu sein habe. Sowohl seine Entstehung wie auch der Übergang von der zeitindifferenten Vorzeitlichkeit zur Zeitlichkeit und die Vorzeitlichkeit selbst bleiben dem Bewusstsein und dem Verstand verborgen; sie setzen sich gegenseitig voraus und stellen zum Teil unterschiedliche und konträre Betrachtungsweisen der Realität dar. Die Physiker haben sich nicht mit der Tatsache befasst, dass der Urknall notgedrungen den Übergang von der Physik zur Nicht-Physik impliziert. Sie stellen immer wieder die verwirrende Frage: Was war vor dem Urknall? Dabei bleiben sie aber stillschweigend bei der Annahme, der Übergang von der Vorzeitlichkeit zur aktuellen Zeit könne lückenlos und kontinuierlich sein. Vermutlich steht hinter der Bezeichnung des Urknalls als „Paradoxon“ der Zeit eine Unklarheit über den sich wechselseitig transzendierenden Charakter beider Bereiche. Diese Beschreibung geht davon aus, dass die zeitlose Vorzeitlichkeit eine zweite Zeit besonderer Art darstellt, in der ein Geschehen sui generis denkbar ist, das den Bereich der Physik nicht überschreitet. Kann aber die Verwendung eines altgriechischen Begriffs – „Paradoxon“ – zur Lösung eines unlösbaren Problems beitragen? Wir stehen mit den Kosmologen und Physikern vor einem Konzept des Urknalls, das keinen Unterschied zu jenen anderer physikalischer Phänomene aufweist. Diese Wissenschaftler betonen immer wieder, dass darunter das erste Ereignis in der Entfaltung der Reihenfolge weiterer Phänomene zu verstehen sei und dass Letztere ihre eigene raumzeitliche Ordnung implizieren, was dann heißt: keine Zeit, keine Phänomene. So weit stimmen die Urknalltheorie und die kosmogenetische Theorie überein. Die entscheidenden Unterschiede zeigen sich aber bei der Beantwortung folgender Fragen, die man an die Urknalltheorie zu stellen hat: Kann der Urknall selbst auch als vorzeitlicher Zustand erfasst werden? Wenn ja, wie ist dieser Zustand zu konzipieren, und welchem Bereich, wenn nicht der Physik – also der Wissenschaft – ist er zuzuordnen? 19
Eine eindeutige und klare Antwort auf diese Fragen ist bisher ausgeblieben. Die kosmogenetische Theorie meint nun, dass, obwohl der Urknall ein Geschehen impliziert, das die unumgängliche Voraussetzung für die wahrnehmbare Realität der Phänomene darstellt, er selbst nicht wie ein übliches Phänomen wahrgenommen werden kann. Dies liegt einfach darin begründet, dass er als vorzeitliches Geschehen keinesfalls raumzeitlich zu orten ist, während die aktuelle Wahrnehmung sich ausschließlich auf raumzeitlich geortete Phänomene bezieht. Der Kosmogenese zufolge soll der Urknall der Übergang vom Nicht-Wahrnehmbaren zum Wahrnehmbaren sein und kann als ein Geschehen verstanden werden, das sich nicht in der Zeit entfaltet. Es kommt hinzu, dass die Urknalltheorie Widersprüche in sich zulassen muss, sollte sie die Raumzeit nicht als conditio sine qua non sowohl für die Erscheinung aller Phänomene als auch für sich selbst als erstes Phänomen ansehen. Mit ihr hebt die Raumzeit an, auch sie bewegt sich in diesem Rahmen. Der Zustand des Urknalls als physikalisches Phänomen ist aber ein „nach-zeitlicher“ Zustand, der daher zum Bereich der wissenschaftlich erforschbaren physikalischen Ereignisse gehört. Eine weitere Frage bleibt noch zu beantworten, nämlich ob es berechtigt ist, bei der Nachzeitlichkeit, der „aktuellen Zeit“, zu bleiben. Diese steht in Interdependenz zur Vorzeitlichkeit, die sie transzendiert. Die Vorzeitlichkeit lässt sich nicht mit denselben Kategorien erfassen, die für die aktuelle Zeit gelten, weil der vorzeitliche Bereich ein neutraler, nicht raumzeitlich georteter und die Grenzen der Physik überschreitender Bereich ist. Die Theorie der Kosmogenese vertritt ihrerseits die Behauptung, dass der unbedingte Anfang der Realität aus dem Nichts entsteht. Sie macht diese Behauptung zu einem ihrer Grundprinzipien. Sie demonstriert dieses diskursiv und zeigt gleichzeitig, dass dieses Grundprinzip jede Realität betrifft, mithin jede denkbare Bedingung und Begrenzung, die die raumzeitliche Wirklichkeit impliziert. Als an und für sich bestehende Realität entfaltet sie sich unabhängig von der aktuellen Wahrnehmung, trägt den Charakter eines von Gegenständen reinen 20
Geschehens und stellt daher den zeitindifferenten Anfang aus dem Nichts dar. Die Kosmogenese geht davon aus, dass ein Anfang aus dem Nichts unsere Vorstellungskraft übersteigen muss, dass ferner das Konzept einer alles Denkbare umfassenden Realität, die sich von der derzeitigen Wirklichkeit unterscheidet, nur hypothetisch-axiomatischen Charakter haben kann. Es ist von keinem anderen Begriff abzuleiten und gehört somit in die kosmogenetische Theorie. Anders ausgedrückt: Dieses Konzept wird nur nachträglich deduziert; es kann als ein Realitätsprinzip nur im Nachhinein durch die Entfaltung der von ihm ableitbaren Konzepte in der Theorie eingegliedert werden. Damit wird erneut betont, in welcher Form die kosmogenetische Theorie die strengen und konsequenten Bedingungen der wissenschaftlichen Untersuchungen befolgt und erfüllt. Man kann dieser Theorie widersprechen, doch eben nicht im Rahmen der Bedingungen, die sie genau erfüllt. Es ist schon öfter erwähnt worden, dass das Konzept des Urknalls die Grenzen der Physik sprengt. Es kann auch hier angenommen werden, dass das allumfassende Ganze der Realität sich nicht auf ein bloßes physikalisches Phänomen reduzieren lässt. Die Annahme der Physiker, das erste Zeitmoment impliziere als Phänomen den Anfang der Zeit, ist nicht begründet. Die kosmogenetische Theorie behauptet axiomatisch: Die Zeit entsteht als Ganzes, als Totalität aller Zeitmomente. Andernfalls würde die Entstehung eines jeden einzelnen Zeitmoments einen diversifizierten und für sich bestehenden Urknall bedeuten. Ist die Zeit ein globales und kontinuierliches Ganzes, dann ist die erste und jede andere Stelle in der Reihenfolge der Zeitmomente eine bloße Eigenschaft. Das Konzept einer globalen Zeit, die nur als Ganzes im „Entstehen“ erfasst wird, entspricht einer Kreisperipherie, in der ein willkürlich designierter Anfang auch das Ende der Peripherie darstellt. Erst das Hervortreten der Zeit als Ganzes ermöglicht den echten Anfang der Zeit, der mit einem Schlag geschieht, aber nicht in einem einzigen bestimmten Zeitmoment, wie von den Urknalltheoretikern be21
hauptet wird. Es ist kein individuiertes Phänomen, das sich von allen anderen Phänomenen durch ein besonderes Merkmal unterscheiden lässt. Bei seinem Entstehungsvorgang gibt es weder ein erstes noch ein letztes Zeitmoment, sonst müsste die Zeit als eine lineare Unendlichkeit gesehen werden, wie sie unter den Bedingungen unserer aktuellen Bewusstheit erscheint. Nach dieser Auffassung wären die in der Zeit positionierten Phänomene endgültig definierbar, ohne dass man in der Lage wäre, einen Anfang oder ein Ende für sie festzusetzen. Man stünde wieder vor einem Konzept der Zeit, das nichts wäre als die Ewigkeit. Die bisherigen Ausführungen über die Einstein’sche Relativitätstheorie und die Theorie der modernen Kosmologie ermöglichen nun, die eigene Position der kosmogenetischen Theorie in kurzer Form herauszuarbeiten. Raum und Zeit manifestieren ein unzertrennliches Ganzes. Dieses erscheint nicht in einer Reihenfolge von zerstreuten Einzelmomenten, sondern in Form einer vollständigen und vollendeten Totalität. Das geschieht mit einem Schlag im Rahmen einer metazeitlichen beziehungsweise zeitindifferenten Umgebung. Die Kosmogenese unterscheidet zwischen „Realität“ und „Wirklichkeit“; die erste wird als umfassender Bereich, die zweite als begrenzte relative Form von Realität angesehen. Die Spaltung der Einstein’schen vierdimensionalen Raumzeit in Raum und Zeit bewirkt die Entstehung der Gegenstände, also der dreidimensionalen Wirklichkeit, so wie sie im Vorstellungsbereich der derzeitigen Bewusstheit erscheint. Diese dreidimensionale Wirklichkeit besteht an und für sich, da sie nicht unabhängig von der Wahrnehmung, also den Bedingungen der derzeitigen Bewusstheit, sein kann. Weil die Spaltung der Raumzeit nun ein sich reproduzierender Charakterzug der Bewusstheit ist, behauptet die Kosmogenese: Die Tätigkeit der Wahrnehmung wird auf die aktuellen und wahrgenommenen Wirklichkeitselemente projiziert und bestätigt dadurch das Scheinbild einer existenzfähigen Wirklichkeitssubstanz und den Schein der existierenden Gegenstände. Darum ist in unserer Theorie die Rede vom „Scheinbild“ aller existierenden Gegenstände. 22
Dies ist eine auf den ersten Blick verwirrende Aussage; doch sie steht auf festem Boden aufgrund der Einsicht, dass eine dreidimensionale Wirklichkeit an sich ein Unding ist. Hinzu kommt, dass Raum und Zeit ihrerseits nicht an und für sich, unabhängig von den Wirklichkeitselementen, die in ihrem Bereich erscheinen, bestehen. Sie entstehen durch die Tätigkeit der Projektion, welche die Wirklichkeitselemente hervortreten lässt. Jeder Bestandteil der aktuellen Wirklichkeit tritt also nicht in der von Gegenständen und Ereignissen leeren Umgebung in Erscheinung, wohl aber in Raum und Zeit, das heißt im Ergebnis der Projektionstätigkeit. Die kosmogenetische Theorie betont immer wieder, dass eine an und für sich bestehende „Raumzeit“ nicht denkbar ist und keinen Inhalt haben kann. Die Umgebung einer Raumzeit entsteht durch das Erscheinen von Wirklichkeitselementen und ist damit projiziert. Das Paar Raum-Zeit ist interdependent, indem es nämlich die notwendige Umgebung bildet, in der alles wirklich in Erscheinung treten und gleichzeitig nicht unabhängig von der aktuellen Bewusstheit an und für sich bestehen kann. Die aktuelle Bewusstheit beziehungsweise Wahrnehmung erfährt den Raum als eine vorauszusetzende, an und für sich bestehende und unaufhebbare Konstante, in deren Bereich alle Gegenstände nachträglich positioniert werden. Diese verändern sich im Laufe der Zeit bis zur totalen Aufhebung. Üblicherweise betrachtet man das Erscheinen der Gegenstände als ein tatkräftiges Geschehen, dessen leeres Produkt Raum und Zeit sind. Dies ist aber eine irrtümliche Wahrnehmung von Raum und Zeit. Sie hat ihren Grund darin, dass die derzeitige aktuelle Bewusstheit unfähig ist, den Entstehungsprozess der Realität als Geschehen zu erfassen; sie bleibt auf das endgültige Produkt fixiert. Hier vertritt das wirkungstätige Geschehen die Projektion, während das durch sie entstandene Produkt „Raumzeit“ heißt. Im Vergleich zur Urknalltheorie entfaltet die Kosmogenese ihr Grundprinzip über das Hervortreten der raumzeitlich bedingten Wirklichkeit – des Universums – aus einem zeitindifferenten Nichts als Gesche23
hen im kosmogenetischen Prozess. Man kann nicht gelten lassen, dass der für vorzeitlich gehaltene Urknall zugleich die Voraussetzung seiner eigenen Erscheinung als physikalisches Phänomen sei. Wir stehen vor einem klaren Widerspruch, den die Kosmogenese aufhebt, indem sie davon ausgeht, dass es sich hier um ein Geschehen handelt, das sich in der Zeit entfaltet und vom Bewusstsein nicht wahrzunehmen ist. Nur hierin könnte erneut eine Verknüpfung mit den nicht ausgesprochenen Hypothesen des komplexen Urknall-Theorems gefunden werden. Bekanntlich hat die moderne Physik entdeckt, dass unser Universum einen Anfang hat; dies betrifft sowohl die Phänomene als auch den Raum und die Zeit. Demgegenüber stellt die Kosmogenese folgendes Prinzip auf: Raum und Zeit haben keinen Anfang, infolgedessen hat das Ganze der wahrnehmbaren aktuellen Realität einen Anfang nur aus einem absoluten Nichts. Daraus folgt, dass wir uns nicht in der Zeit befinden, sondern dass unsere Existenz im zeitlosen Entstehen schwebt. Es ist das einzige und einmalige Phänomen, dem kein anderes vorausgeht. Damit wird zugleich gesagt: Es verkörpert das Ganze der Realität, zumal diese nicht in Brüchen, sondern als Ganzes aus dem Nichts entsteht. Der Urknall kann auch kein Ende aufweisen, er manifestiert den Dauerzustand der Realität, ist ein Anfang ohne Dauer und ohne Ende. Beide – Dauer und Ende – setzen Zeit voraus, diese aber tritt erst zusammen mit der Entstehung des Ganzen der Wirklichkeit beziehungsweise des Universums hervor. Selbst die Funktionen der Raumzeit werden erst aktiv nach der vollendeten Entstehung des Universums, keinesfalls davor. Wir behaupten, dass in der Entstehung des Kosmos die Herausbildung von Gegenständen und Substanzen vom Prinzip her selbst als Möglichkeit ausgeschlossen ist. Aufgrund ihrer unvollständigen Dimensionierung, die sowohl nach der Einstein’schen als auch der kosmogenetischen Theorie nur eine vierdimensionale Realität sein kann, stellt der Wirklichkeitsbereich der Gegenstände einen unvollendeten und irrealen Bereich dar und wird deshalb als traumhaftes „Schein24
bild“ bezeichnet. Dementgegen besteht die Wirklichkeit – vom „kosmogenetischen Zustand“ her gesehen – ausschließlich aus Ereignissen, die direkte Konfigurationen von Eigenschaften manifestieren. Es kann keine raumzeitlich georteten Gegenstände geben, sie sind nicht einmal als Konzepte denkbar. In der Entfaltung der kosmogenetischen Theorie wird demonstriert, warum der Vorgang und der durch ihn hervorgerufene Zustand keine Gegenstände oder Substanzen sind, sondern Tätigkeiten und Geschehen, das heißt Produkte der Transformation des „Unbedingten“.
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Die Entfaltung der kosmogenetischen Theorie 1 Postulate, Grundsätze und Methode In diesem Teil werden die drei Bereiche, die die gesamte Realität bilden, nacheinander erforscht und im Rahmen einer wissenschaftlichen Theorie, das heißt nach Prinzipien, Grundsätzen und Axiomen, die alle erkenntnistheoretischen Bedingungen erfüllen, dargelegt. Dabei ist hervorzuheben, dass zwischen der Kosmogenese selbst und der kosmogenetischen Theorie zu unterscheiden ist: Der Entstehungsprozess der alles umfassenden Realität* und ihrer dynamischen Struktur wird Kosmogenese, die diskursive Darstellung desselben Prozesses die kosmogenetische Theorie genannt.
I. Drei axiomatische Hypothesen werden in dieser Theorie vorausgesetzt: 1. Alles entsteht aus dem Nichts. Selbst das Nichts entsteht. 2. Die vier Dimensionen – Raumzeit – bilden eine organische Einheit, die ein unzerlegbares Ganzes ist. 3. Die Volldimensionierung ist die Bedingung des Realitätscharakters aller Bestandteile der Wirklichkeit. Die ersten zwei Axiome sind eine Folgerung der zu Ende gedachten Theorien der modernen Naturwissenschaft – der Einstein’schen Relativitätstheorie – und der Theorie des Urknalls. Unsere Theorie ist, wie *
Mit einem Stern gekennzeichnete Begriffe werden im Kapitel „Glossar: Die Grundbegriffe der Kosmogenese“ (Seite 147ff.) näher erläutert.
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bereits erwähnt, davon inspiriert, bleibt aber in Distanz und schlägt einen anderen Weg mit weitreichenden Resultaten ein. Aus der Theorie des Urknalls wurde unser erstes Axiom, der Anfang aus dem Nichts, gewonnen; dieser Anfang entfaltet sich jedoch nicht in der linear unendlichen Zeit, sondern als Geschehen in einem metazeitlichen beziehungsweise zeitindifferenten Feld. Das zweite Axiom findet seinen Ursprung in der Einstein’schen Relativitätstheorie. Im Unterschied dazu behauptet die kosmogenetische Theorie jedoch, dass die Vierdimensionalität eine unzertrennliche Einheit ist, die das exklusive Kennzeichen der Wirklichkeit darstellt, und dass daher nicht Gegenstände, sondern ausschließlich die Ereignisse* reale Bestandteile der Wirklichkeit sind. Sind diese nicht im Besitz aller vier Dimensionen, dann stellen sie lediglich abstrakte geometrische Elemente dar, wie Punkte, Linien und Flächen: Dieses ist das dritte Axiom.
II. Nach dem ersten Axiom haben Raum und Zeit als allererstes Phänomen im raumzeitlich geordneten Bereich einen Anfang. Daraus folgt, dass nicht nur das Universum, sondern alles Denkbare aus dem Nichts entsteht. Das heißt, das Universum ist kein existierender Gegenstand, es ist ein kontinuierliches und unendliches Ereignis. Die Theorie des Urknalls behauptet hingegen, dass das Universum als das allererste Phänomen im Bereich der Wirklichkeit aufgetreten sei. Sie begründet diese Behauptung mit naturwissenschaftlichen Daten; demnach tritt durch diesen Anfang alles – Raum und Zeit inbegriffen – aus einem nur mathematisch zu erfassenden Nullpunkt hervor. Ob dieser Anfang einen transzendenten, absoluten Grund hat oder Naturgesetzen zugeschrieben wird, ist für unsere Theorie belanglos, auch die Frage, ob dieser Anfang einmalig oder wiederholbar ist. Für unsere Fragestellung ist allein die Behauptung wichtig: Raum und Zeit haben einen Anfang. Wird die Theorie des Urknalls konsequent durchdacht, dann kann es vor dem Urknall nichts gegeben haben, weder einen „Beobachter“ 28
noch Raum oder Zeit, mithin nichts, was unter der Bedingung von Raum und Zeit stünde. Dies bedeutet, dass eine für den derzeitigen Verstand fassbare „Realität“ vor dem Urknall nicht denkbar ist. Wenn es also einen Anfang gegeben hätte, wäre er nur als Anfang aus dem Nichts – der das Ganze der Realität umfasst – zu verstehen. Diese Aussage enthält die Totalität aller Phänomene, mithin das Universum, im Konzept einer alles umfassenden Realität*. Ob das Universum das Ganze der Realität umfasst, bleibt offen, auch die Frage, ob Realität vor der Entstehung von Raum und Zeit denkbar wäre. Ungeachtet aller möglichen offenen Fragen behauptet die kosmogenetische Theorie, dass nicht nur das Universum, sondern das Ganze der alles umfassenden Realität aus dem Nichts entsteht.
III. Aus dem zweiten und dritten Axiom gewinnt die kosmogenetische Theorie die untrennbare Einheit aller vier Dimensionen – der drei des Raums und der einen der Zeit. Sie wird im Weiteren Volldimensionierung genannt und ist das Kennzeichen des Realitätscharakters aller Elemente, die die Wirklichkeit* bilden. Bleibt man bei der derzeitigen dreidimensionalen Bewusstheit*, dann sind nur Volumina, die die Gegenstände vertreten, volldimensioniert. In der kosmogenetischen Wirklichkeit aber, so wie sie an und für sich und unabhängig von der derzeitigen Bewusstheit besteht, sind nur Ereignisse* volldimensioniert, da nur sie ausschließlich befähigt sind, die unzertrennliche Einheit der vier Dimensionen darzustellen. Daraus folgt, dass die echten, realen Bestandteile der Wirklichkeit Ereignisse, keinesfalls Gegenstände sind.
IV. Nach dem dritten Axiom wird angenommen, dass nur die volldimensionierten Elemente der Realität wirklich und real sind, also nur Ereignisse, und dass dreidimensionale, volumenartige Gegenstände nur wie geometrische Linien oder Punkte existieren. Dem dritten Axiom zu29
folge sind Gegenstände im Rahmen der an und für sich und unabhängig von den Bedingungen der aktuellen derzeitigen Bewusstheit bestehenden kosmogenetischen Realität imaginär, weil nicht volldimensioniert. Sind sie imaginär, dann sind Eigenschaften* als atomare Elemente der Wirklichkeit nicht in Gegenständen, sondern unmittelbar in Ereignissen konfiguriert. Demzufolge existieren keine an sich seienden Dinge, sondern nur Ereignisse.
V. Die Kosmogenese bezeichnet die Realität schlechthin, sie wird als ein „alles umfassender Bereich“ verstanden. Das bedeutet, es umfasst alles Denkbare – mithin auch alles Undenkbare – und alles, was zu der raumzeitlich geordneten Aktualität gehören könnte. Der Begriff Alles wird in unserer Theorie als Bezeichnung für „Realität schlechthin“ verwendet. Vom Standpunkt der kategorialen Bedingungen des Verstandes aus – also diskursiv – stellt jene Realität schlechthin, auch kosmogenetische Realität genannt, den „Allbereich“ dar. Dazu gehören konstitutive Realitätselemente, die nicht alle und nicht immer von der aktuellen, derzeitigen Bewusstheit erfasst und diskursiv definiert werden können. Deshalb scheinen sie dem Alltagsverständnis entgegengesetzt zu sein, zumal alle Realitätsbereiche unter dem Alles keine Substanzen, Gegenstände, Subjekte, Objekte und dergleichen repräsentieren, sondern reines Geschehen. Und weil Realität – wie oben erörtert – nicht als Folge eines anderen Konzepts abgeleitet werden kann, sollte man in der kosmogenetischen Theorie, der Alles umfassenden Realität, das wesenhafte Charakteristikum eines Grundes zuschreiben.
VI. Ausgehend von der Entstehung aus dem Nichts bekommt das Geschehen* eine Bedeutung, die im alltagssprachlichen Gebrauch nicht erfasst wird. Hier geht es um einen „Prozess“ und ein durch ihn hervorgerufenes „Produkt“. Diese zwei Begriffe bezeichnen in der Alltagssprache 30
zwei differenzierte Realitätsbereiche: Der „Prozess“ hat eine bestimmte Dauer, ist raumzeitlich geortet, ereignet sich im Fließen der Zeit und bezeichnet immer die Veränderung einer Sachlage. Das „Produkt“ dagegen manifestiert sich im Raum und bezeichnet einen Sachverhalt. Im Konzept der Kosmogenese ist keine Differenzierung zwischen „Prozess“ und „Produkt“ denkbar, denn es ist keine Voraussetzung für eine Differenzierung bei einer Entstehung aus dem Nichts verfügbar. In unserer Theorie wird von der unteilbaren Identität von Prozess und Produkt ausgegangen, ein wesentliches Charakteristikum, wodurch sich das kosmogenetische Geschehen von einem aktuellen Ereignis unterscheidet. Man erhält hier zusätzliche Klarheit über die Bedeutung der Entstehung aus dem Nichts; denn vorausgesetzt, dass die logische Reihenfolge der Entstehung „Nichts“ „Anfang“ ist, dann setzt der absolute „Anfang“ das Konzept eines „Nichts“ voraus. Folglich ist das „Nichts“ ein notwendiger Teil der Voraussetzung, und die Annahme, es bestünde vor dem Anfang und unabhängig von ihm als Teil der Voraussetzung seiner Entstehung, widerspricht dem ersten Axiom der kosmogenetischen Theorie: Alles entsteht aus dem Nichts. Selbst das Nichts entsteht. Dass das Nichts die Voraussetzung für den Anfang ist und ihm vorausgeht, ist in dieser Theorie undenkbar; dies ist begründet im Verständnis der Kosmogenese sowohl des Anfangs wie auch des Nichts.
VII. Im ersten Teil dieser Abhandlung wurden die Bedeutung und das Verhältnis von Anfang und Nichts dargelegt. Es sei hier nur ihre Rolle in der Erläuterung der Axiomatik der Kosmogenese angesprochen. In der Alltagssprache bedeutet „Anfang“ ein Ereignis, das eine neu entstandene Sachlage darstellt, die aber zugleich das „Ende“ einer vorangehenden Sachlage ist. Im kosmogenetischen Sinne bedeutet der Begriff in konsequenter Folge des ersten Axioms einen Anfang aus dem Nichts, und aus diesem Grund wird er absoluter Anfang genannt. Er manifestiert einen Prozess, dem kein denkbarer Zustand vorangeht, 31
bleibt aber als solcher für unsere aktuelle Erfahrung undenkbar, weil er ein zeitindifferenter Anfangszustand ist, der weder fixiert noch als fließend bezeichnet werden kann. Dennoch wird er von der aktuellen Bewusstheit als zeitlose Konstante inmitten der fließenden Reihenfolge der Zeitmomente wahrgenommen. Im üblichen Sinne setzt ein Anfang das Ende eines vorangehenden Zustandes voraus, mit dem der Anfang überhaupt möglich wird. Bei dem kosmogenetischen Anfang gibt es keinen Anfangszustand, der als Sachlage an und für sich bestünde, und keinen Zustand, der dem Entstehungsprozess des Anfangs vorangehen könnte. Die derzeitige aktuelle Bewusstheit kann kein zeitindifferentes, metazeitliches Geschehen – hier einen Anfang aus dem Nichts – wahrnehmen. Sie ist in Bezug auf ein metazeitliches Geschehen blind. Ebenso wenig kann sie die Identität von Prozess und Produkt als Geschehen beziehungsweise Prozess vorstellbar erfahren. Sie kann dennoch diese Identität im Bereich des aktuellen Verstandes in Abstraktionen definieren, wodurch es zulässig erscheint zu behaupten, dass dieselbe Identität diskursiv erfasst werden kann. Dies gilt auch für das kosmogenetische Konzept eines Anfangs aus dem Nichts, das vom aktuellen Verstand als Begriff diskursiv definierbar ist. In der kosmogenetischen Theorie bilden Prozess und Produkt keine Reihe von aufeinanderfolgenden Faktoren, sondern zwei Betrachtungsweisen des kosmogenetischen Geschehens; weder folgen sie aufeinander noch finden sie zu gleicher Zeit nebeneinander statt. Ihr Zusammenhang ist in Bezug auf eine Zeitlichkeit neutral und indifferent. Die aktuelle Bewusstheit erfasst die Realität als endgültig hervorgerufenes Produkt, sie kann einen „Entstehungsprozess“ überhaupt nicht wahrnehmen, weil er kein raumzeitlich orientiertes Ereignis ist, nur das raumzeitlich orientierte Geschehen wird von ihr als Veränderung und in Form von Ereignissen wahrgenommen, sobald sein endgültiges, erstarrtes Vorkommen in Form eines Gegenstandes dasteht. Diese Wahrnehmung ist auf drei Dimensionen begrenzt und besitzt einen rein statischen Charakter, der das Wesen der Totalität der im Raum georteten und in der Anschauung vorgestellten Gegenstände unwiderruflich prägt. 32
Ein Beispiel stellt das Entstehen der allerersten Sachlage dar beziehungsweise die Entstehung des allerersten Phänomens. Dies wäre das Entstehen des Raumes und der Zeit durch den Urknall. Es liegt auf der Hand, dass die Entstehung der Raumzeit aus dem Nichts von der derzeitigen Bewusstheit auf keinen Fall erfahren werden kann.1 Ebenso wenig kann das Geschehen der Transformation der kosmogenetischen Tätigkeit, durch die sich die Dynamik der Entstehung des Ganzen der Realität aus dem Nichts realisiert, von der derzeitigen Bewusstheit wahrgenommen werden. Aus diesem Grund behauptet die Kosmogenese: Dieses Geschehen ist nicht wahrnehmbar, es ist ein metabewusstes Geschehen, das metazeitlich* ist.
VIII. Ein Grundsatz der Kosmogenese lautet, dass der zeitindifferente Anfangszustand der Entstehung aus dem Nichts weder als fixiert noch als fließend bezeichnet werden kann. Er wird als zeitlose Konstante in der fließenden Reihenfolge der Zeitmomente von der aktuellen Bewusstheit wahrgenommen. Diese zeitfreie Konstante wird in der Alltagssprache Hier und Jetzt* genannt.2 Für den Verstand stellt das Hier und Jetzt aufgrund seines gegenüber Zeit und Raum indifferenten Charakters ein verwirrendes und unbegreifliches Konzept dar. Es vertritt weder eine bestimmte Dauer noch die Ewigkeit, es ist raumzeitlich unbedingt und zeitindifferent; es ist zeitfrei und dennoch ein kontinuierlicher Anfang. In ihm liegt unsere echte Identität* verankert. Die Wirkung des traumähnlichen Scheinbildes* der Dreidimensionalität jedoch, in der wir befangen sind und das die Wahrnehmung unserer aktuellen Wirklichkeit charakterisiert, ist übermächtig und verhindert die Erfahrung unserer leeren Anfangsbewusstheit. In unserer aktuellen Bewusstheit fallen die Wahrnehmung unseres Wesenskerns und die Wahrnehmung des zeitfreien Hier und Jetzt zusammen. Sie werden als ein und dieselbe kosmische Tätigkeit empfunden. Dieser Wesenskern verkörpert also die ursprüngliche Bindung 33
von Hier und Jetzt und unserer wahren Identität, die wir als die eigentliche Existenz spüren und die sich als Identität von Nichts und Allem offenbart. Ihr fehlt jedes definierbare Merkmal: Sie besitzt weder Subjekt noch Objekt, keine Gegenstände und keine weiteren Abstraktionen. Die Offenbarung dieser Identität ist somit unabhängig von jedweder raumzeitlich bedingten Existenz. Für die Kosmogenese weist die echte Identität auf die einfache Unbedingtheit als unseren Ursprung hin. Sie ist im Hier und Jetzt verankert, wird als einfache und leere Existenz erfahren, da diese Erfahrung den unbedingten Bereich von Hier und Jetzt konstituiert, aber auch den Bereich der relativen Realität. Diese zwei Arten von Erfahrung behindern einander nicht. Dass das Hier und Jetzt leer ist, drückt aus, dass es vom Status einer Weder-noch-Existenz konstituiert wird, in welche die zerstreuten Wirklichkeitselemente projiziert werden und das Scheinbild eines traumähnlichen Scheins hervorrufen.
IX. Nach den Grundsätzen der kosmogenetischen Theorie sind die Elemente, die in einer Relation zueinander stehen, nicht an und für sich bestehende Substanzen und treten dann nachträglich miteinander in Beziehung. Vielmehr wird ihre Entstehung durch die Relation selbst bewirkt. Diese besondere Auffassung der Relation* steht in krassem Gegensatz zu ihrem üblichen Konzept, wird aber im Rahmen unserer Theorie gerechtfertigt. Vor dem Anfang der kosmogenetischen Entstehung der Realität aus dem Nichts entsteht die Relation von Inspiration und Aspiration*, welche die zwei Produkte der Wende des Unbedingten nach außen vertreten, das heißt nach dem Nichtabsoluten und Nichtan-und-für-sich-Seienden. Sie ist die „Ur-Relation“*, die sich in jeder Transformation der kosmogenetischen Tätigkeit* als Verbindung zwischen dem sich Transformierenden und dem Transformationsprodukt reproduziert. Mit anderen Worten: Von jedem Anfang des Entstehungsprozesses werden Inspiration und Aspiration und ihre wechselseitige 34
Bindung hervorgerufen. Dadurch etabliert sich der Anfang der Realitätsentstehung, ohne sich jedoch zu realisieren, das heißt er etabliert sich in Form einer bloßen Möglichkeit. Daraus ergibt sich, dass die Ur-Relation als die akausale Verbindung zwischen Inspiration und Aspiration zu sehen ist und dass alle denkbaren Beziehungen, Verknüpfungen und Bedingungen die Ur-Relation vertreten, so wie sie in allen Realitätsbereichen als Abspiegelung* des Urbildes in Erscheinung tritt. Als Bedingung der Möglichkeit jeder im Entstehungsvorgang folgenden Relation manifestiert sie auch die Art der kosmogenetischen Relation, deren Glieder erst durch dieselbe Relation hervorgerufen werden. In jeder Relation zwischen Elementen reproduziert sich der Prototyp der Ur-Relation. Schon hier soll betont werden, dass der reale Entstehungsanfang der Realität, also der Entstehungsanfang des Universums, der Transformation des Unbedingten in kosmogenetische Tätigkeit vorbehalten ist. Nur die Möglichkeit der Entstehung der aktuellen Wirklichkeit ist durch das Hervortreten von Inspiration und Aspiration garantiert. Auf der anderen Seite wird die reale Abspiegelung der Ur-Relation vom System der Koinzidenzen* dargestellt. Die Ur-Relation, mithin jede Relation, vertritt nicht nur diejenige Funktion, welche die relativierten Elemente zusammenhält, sondern durch ihre Wirkungskraft werden auch die Elemente aus dem Nichts hervorgerufen. An und für sich bestehende Elemente, die nachträglich in Relation gebracht werden, sind nach kosmogenetischen Prinzipien undenkbar.
X. Für das Verständnis der kosmogenetischen Theorie und die Darstellung der Realitätsentfaltung aus dem Nichts verwenden wir eine Reihe von methodisch notwendigen Begriffen, die lediglich instrumentale Funktion besitzen. Aus methodischen Gründen ist es öfter notwendig, Übergangsprozesse, die vom Bewusstsein des heutigen Menschen weder wahrgenommen noch vorgestellt werden können – wie zum Beispiel vorzeitliche Entstehungen –, zu veranschaulichen, jedoch anhand 35
von Darstellungen, die den Bedingungen des Verstandes konform und diskursiv zugänglich sind, ohne der eigenen Struktur des Prozesses selbst anzugehören. Auch aus diesem methodischen Grund wird die Struktur der Kosmogenese als wechselseitige Verknüpfung von Vorgang und Zustand* dargestellt, so wie diese zwei Konzepte in der Alltagssprache gebraucht werden. An diesem Beispiel von Vorgang und Zustand zeigt sich die Rolle der Methode in der kosmogenetischen Theorie deutlich. Die Spaltung der kosmogenetischen Realität in diese zwei Bereiche (Vorgang/Zustand) hat lediglich eine methodische Funktion. Sie dient der Veranschaulichung des kosmogenetischen Entstehungsprozesses, stellt aber keine an und für sich bestehende Struktur der Realität dar, denn unabhängig von der methodischen Darstellung der Theorie ist jene Spaltung undenkbar. Die zwei Konzepte von Vorgang und Zustand vertreten zwei Betrachtungsweisen eines identischen Entstehungsgeschehens, dessen Identität für die aktuelle Bewusstheit jedoch nicht fassbar ist.
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2 Der Bereich der Einfachheit Die Theorie der Kosmogenese erforscht einen Realitätsbereich, der den Bereich der Phänomene transzendiert; es handelt sich um einen metazeitlichen, beziehungsweise zeitindifferenten Bereich. Mithilfe der wissenschaftlichen Theorien von Urknall und Relativität haben wir festgestellt, dass die Struktur und das Wesen der Realität in eine an und für sich bestehende und eine relative Realität gespalten sind. Diese Feststellung bezieht sich auf die Wahrnehmung unserer Wirklichkeit. Wird hingegen diese Wahrnehmung durchschaut, dann offenbart sich die absolute und unbedingte Realität, mit der sich dieser Teil unserer Untersuchung auseinandersetzt.
I. Zum Zweck der Erörterung der unbedingten Realität und der Freiheit im Bereich der apriorischen Determiniertheit – Thema des dritten Teils dieser Arbeit –, postuliert die Theorie der Kosmogenese ein sich transformierendes absolutes Prinzip und bezeichnet es als das „Unbedingte“. Diese Einführung ist unbegründet, denn das Unbedingte selbst ist weder von einem anderen Unbedingten abzuleiten, noch in Bezug auf irgendeinen Faktor oder eine Instanz zu begründen. Seine Transformationen durchdringen das Ganze der Wirklichkeit. Die Annahme des sich transformierenden Unbedingten findet ihre Bestätigung, wenn nach wissenschaftlichen Methoden und Grundsätzen klar wird, dass das als „Endprodukt“ Bezeichnete das Universum ist, also unsere a priori determinierte Wirklichkeit. Aufgabe der kosmogenetischen Theorie ist es, den durch die Transformationen vollführten Übergang vom Unbedingten zum determinierten Universum zu finden. Man darf dieses Prinzip des Unbedingten weder als substantielle Gestalt noch als abstrakte Form eines Gegenstandes, auch nicht als Abstraktion eines Subjekts beziehungsweise Objekts ansehen. Es 37
ist als die ursprüngliche, einfache und deswegen auch undefinierbare Realität zu betrachten.
II. Die Wende des Unbedingten nach außen, nach dem Nichtabsoluten und Nicht-an-und-für-sich-Seienden, ist unbegründbar. Es bleibt in allen seinen Transformationen im ursprünglichen Wesen unangetastet, tritt aber in unserem Wirklichkeitsfeld als kosmogenetische Tätigkeit in Erscheinung und manifestiert den ursprünglichen Grund jeder Realität. Das Unbedingte wird in einer Reihenfolge von Transformationen stufenartig und ohne evidenten Grund durch sich selbst begrenzt, bis es sich in der endgültigen Form der raumzeitlich geordneten und a priori determinierten Ereignisse kristallisiert. Durch die allererste Transformation des Unbedingten entsteht als Folge das absolute Gesetz der kosmogenetischen Entstehung. Es besagt, dass für alles, was entsteht und somit vom Ursprung getrennt wird, die Möglichkeit der Rückkehr* zum Ursprung von vornherein gegeben ist. Das ist die absolute Voraussetzung für den Anfang aller Transformationen. Keine denkbare Ursache kann die Aufhebung dieses Gesetzes bewirken. Jedoch darf nicht angenommen werden, dass die Transformationen des Unbedingten unter irgendeiner Bedingung stünden. Es ist sinn- und ergebnislos, nach einem Grund für die Transformation des Unbedingten zu suchen. Wir postulieren in der kosmogenetischen Theorie diese Tätigkeit und behaupten, durch eine diskursiv-konsequente Durchführung die Möglichkeit einer neuen Position aufbauen zu können.
III. Die „Rückkehr“ ist auf die „Herabstufung“* bezogen; beide bilden die Prozesse, die sich bei der kosmogenetischen Entstehung in entgegengesetzten Richtungen manifestieren. Daher wird die Transformation des Unbedingten in den aktuellen Dualismus, durch den die Form der 38
Wirklichkeit geprägt ist, „Herabstufung“ genannt und die rückbezügliche Transformation der determinierten Wirklichkeit in das ursprüngliche Unbedingte als „Rückkehr“. Dabei geht es nicht um zeitpositionierte Ereignisse, vielmehr gehört das Unbedingte zum metazeitlichen beziehungsweise zeitindifferenten und nicht wahrnehmbaren Realitätsbereich. Die „Herabstufung“ hat einen expansiven Charakter, weil sie aus der Einfachheit des Unbedingten in die Vielfältigkeit übergeht; diese charakterisiert die derzeitige Wirklichkeit beziehungsweise das Universum. Die „Rückkehr“ dagegen hat einen implosiven Charakter, da sie sich, ausgehend von der Pluralität der aktuellen Wirklichkeit, die Einfachheit des Unbedingten als Ziel setzt. Es ist zu beachten, dass das Wesen, die Struktur und die Ordnung der kosmogenetischen Realität nicht durch die Abwechslung der Richtungen beeinträchtigt werden. Die Realitätsentstehung bleibt in beiden Fällen unangetastet und identisch in ihrer Struktur. Nur die Anfangsposition ist jeweils unterschiedlich beziehungsweise entgegengesetzt: Die Herabstufung hebt an mit einfacher Unendlichkeit und die Rückkehr mit der zerstreuten Totalität der Phänomene.
IV. Mit Herabstufung ist die Transformation des Unbedingten in die „apriorische“ Determiniertheit unserer Wirklichkeit beziehungsweise des Universums gemeint. Dabei gründet diese Determiniertheit nicht in einem Nacheinander, sondern in der Tatsache, dass die Totalität der Ereignisse* mit einem Schlag und als Ganzes aus dem Nichts hervorgerufen wird. Die Transformation des Unbedingten ihrerseits wird durch das „Agens“ der kosmogenetischen Tätigkeit realisiert. Hier trägt die Herabstufung den Charakter der Ausdehnung, da das Unbedingte sich durch eine phasenartige Transformation immer weiter begrenzt, bis es sich endgültig im Dualismus und in der Determiniertheit kristallisiert. Diese Transformationen vertreten kosmogenetische Tätigkeit; sie berühren das Unbedingte überhaupt nicht. 39
Die Rückkehr trägt den Charakter der Verdichtung. Durch diese transformieren sich alle Elemente der aktuellen Wirklichkeit in den ursprünglichen Zustand der Unbedingtheit, aus dem sie stammen. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass die raumzeitlich bedingte Struktur und das Wesen der Wirklichkeit durch das zeitindifferente Geschehen der Rückkehr beeinträchtigt oder aufgehoben werden. Die Theorie der Kosmogenese ist im Prinzip der Rückkehr verankert. Auf der einen Seite ist das Unbedingte die ursprüngliche Quelle jeder Form von Tätigkeit, einfach, unbegrenzt und von jeder denkbaren Bedingung frei. Auf der anderen Seite begrenzt es sich selbst ohne äußeren Grund in seine stufenartige Transformation. Der Ursprung dieser Begrenzung ist grundlos und endogen, ihr endgültiges Produkt sind unsere Wirklichkeit und das Universum, die als unendliche Zahl von Ereignissen hervorgerufen und durch die Rückkehr eliminiert werden. An dieser Stelle stellt sich die Frage: Was berechtigt zur Annahme einer Rückkehr? Die Annahme einer Rückkehr zum Ursprung liegt in der Sinnlosigkeit einer ins Unendliche immerwährenden Transformation des Unbedingten in Dualität und Determiniertheit begründet. Wie schon betont, sind Ausgangsposition und Endziel der Transformation als eine das Unbedingte reflektierende kosmogenetische Tätigkeit zu erfassen, aber nicht als an und für sich bestehende Instanzen oder als Substrate für Subjekt oder Objekt. Demnach bewirkt die Transformation in Dualität und Determiniertheit eine ziel- und sinnlose Begrenzung des Unbedingten ins Unendliche. Nur durch die Rückkehr kann die Herabstufung ausgeglichen beziehungsweise rückgängig gemacht werden. Diese Annahme beinhaltet auch, dass nur, wenn alle Bestandteile der derzeitigen Wirklichkeit als Ganzes die Rückkehr realisiert haben, auch die Teile sie realisiert haben; denn kein Teil eines Ganzen existiert für sich und kann Eigenschaften besitzen, die nicht auch zum Ganzen gehören. Daraus folgt: Wenn nicht die Totalität aller Ereignisse von allen Bedingungen des Dualismus und der apriorischen Determiniertheit befreit wird, ist kein einziges Teil endgültig und unwiderruflich befreit. 40
Die Totalität aller Ereignisse jedoch ist eine „begrenzte Totalität“, eine Menge mit unendlich vielen Elementen, die alle unter der Bedingung stehen, Elemente ausschließlich dieser einen Menge zu sein. Als solche werden sie mit einem Schlag als Ganzes hervorgerufen. Weiter oben war die Rede von Herabstufung und Rückkehr als Prozesse, die unendlich sind und deshalb ein unendliches Fließen der kosmogenetischen Tätigkeit repräsentieren. Insofern gleichen sie sich aus, stellen aber einen unendlichen Prozess dar, dessen Ziel unerreichbar ist, da mit „Ziel“ die endgültigen und vollendeten Transformationen sowohl des Unbedingten wie auch der Totalität der Ereignisse gemeint sind. Die Annahme, Herabstufung und Rückkehr entsprächen sich – ungeachtet ihrer entgegengesetzten Richtungen und akausalen Verbindung –, wird durch das Konzept der Garantie der Rückkehr legitimiert, auf das noch einzugehen ist. Dies bedeutet: Zwischen den determinierten Ereignissen und den durch die Rückkehr von allen Bedingungen der Determiniertheit befreiten Ereignissen muss es einen „numerischen Ausgleich“ geben. Nur so wird garantiert, dass das Feld der Determiniertheit als Ganzes zu seinem ursprünglichen Zustand zurücktransformiert wird. Der „numerische Ausgleich“ impliziert die Notwendigkeit, dass alle Ereignisse in ihrer Struktur und Reihenfolge sowohl bei der Herabstufung als auch bei der Rückkehr nach der Vollendung identisch sind. Es soll hier noch einmal betont werden, dass kein Ereignis als ein an und für sich bestehender Teil befreit werden kann, wenn nicht alle Ereignisse von den Bedingungen der Wirklichkeit befreit werden. Wohlgemerkt ist es letztendlich – wegen des numerischen Ausgleichs zwischen Herabstufung und Rückkehr – ein und dasselbe, ob das Unbedingte sich in das dualistische Feld der determinierten Wirklichkeit transformiert oder ob diese sich rückbezüglich durch akausale Synchronisierung in ihren ursprünglichen Stand des Unbedingten umwandelt. Es bleibt zu fragen: Wie kann eine Realität* eine Rückkehr realisieren? Handelt es sich dabei um einen einmaligen und das gesamte Universum erfassenden Vorgang oder um einen, der sich in kleineren 41
Schritten wiederholt? Ergeben sich daraus Konsequenzen, die innerhalb des menschlichen Erfahrungshorizonts liegen? Bei der Beantwortung dieser Fragen ist der Unterschied zwischen Realität* und Wirklichkeit* zu beachten. Es soll hier genügen, daran zu erinnern, dass Realität in Form von Wirklichkeit die Rückkehr realisiert, indem sie sich rückbezüglich in das Unbedingte transformiert, da die Rückkehr, wie erwähnt, den Prozess der rückbezüglichen Transformation in das Unbedingte garantiert. Diese Prozesse sind metazeitlich beziehungsweise zeitindifferent. Deshalb können sie nicht ein das gesamte Universum erfassender oder ein sich in kleinen Schritten wiederholender Vorgang sein. Die Konsequenzen der Rückkehr sind tiefgreifend, da diese die Befreiung der derzeitigen Wirklichkeit von den Bedingungen der Determiniertheit impliziert, was nicht innerhalb des menschlichen Erfahrungshorizonts liegt. Sowohl Herabstufung wie auch Rückkehr gehören zum metazeitlichen Realitätsbereich.
V. Die Garantie der Rückkehr ist ein zentraler Begriff der kosmogenetischen Theorie, zumal die Rückkehr jedes Ereignisses zu seinem einfachen Ursprung Anfang und Ende der kosmogenetischen Transformationen vertritt. Noch mehr, die Transformation des Unbedingten in determinierten Dualismus hat als Voraussetzung die Garantie der Rückkehr zur ursprünglichen Freiheit, andernfalls ergäbe sich eine endlose Entfaltung, was sinnlos wäre. Der metazeitliche Entstehungsvorgang impliziert die stufenartige Begrenzung des Unbedingten, und es ist diese Begrenzung, durch die unsere Wirklichkeit hervorgerufen wird. Ein Geschehen, das keine implizite Möglichkeit hat, dass jedes seiner bedingten Elemente sich zu seinem Ursprung rücktransformieren kann, ist sinnwidrig. In jedem Ereignis liegt als dessen reinste Essenz die Garantie der Rücktransformation in das Unbedingte. Diese Befreiung, die alle Wesen zu ihrem freiheitlichen Ursprung führt, ist Ursprung unseres Strebens und unserer tiefen Hoffnung. Wir versuchen in dieser Arbeit, diese Annahme zu rechtfertigen. 42
VI. Im Rahmen der kosmogenetischen Theorie wird die Rückkehr durch die Verknüpfung von Inspiration* und Aspiration* ermöglicht. Dabei ist ihre Wirksamkeit durch die „akausale Synchronisierung“ bedingt, das heißt durch eine Verbindung von Inspiration und Aspiration, die sich weder wechselseitig behindert noch eine Beziehung von Ursache und Wirkung aufweist. Jede ist für sich genommen passiv und wirkungslos. Ihre Verknüpfung ist akausal; sie signalisiert das immer offene Angebot der Rücktransformation aller determinierten Ereignisse, jedoch als bloße Möglichkeit; diese wird erst aktualisiert durch die unvorhersehbare Zusammenfügung der zwei einander ergänzenden Transformationen des Unbedingten. Diese Möglichkeit ist also vor jedem Entstehungsanfang im Voraus gegeben und bleibt die conditio sine qua non für alle Entstehungsprozesse. Es muss betont werden, dass die Möglichkeit der Rückkehr nicht als eine von der Inspiration bewirkte Tatkraft anzusehen ist. Sie vertritt nur eine bloße Garantie, die von der Verknüpfung von Inspiration und Aspiration ausgeht und dem Wesen der Aspiration entspricht. Aspiration ist in unserer Theorie die Akzeptanz der Inspiration, sie umfasst Erwartung und Akzeptanz, ohne dass aber die letztgenannte ein akzeptierendes Subjekt impliziert. Sie ist ein Produkt der ersten Transformation des Unbedingten, der kosmogenetischen Tätigkeit*, und vertritt eine ihrer möglichen Formen noch vor jedem Entstehungsvorgang. Sieht man sie als ein Sehnen nach Rückkehr zum Unbedingten, so lässt sich sagen, dass jedem Ereignis ein tiefes Verlangen nach Befreiung, wie eine unbeugsame Kraft, innewohnt. Kein an und für sich bestehendes Subjekt steht dahinter. Die Aspiration wird von der derzeitigen Bewusstheit nicht als unmittelbar verspürter Wunsch wahrgenommen; sie richtet sich weder nach einem bestimmten Objekt, noch gehört sie zu den Erfahrungen eines bestimmten Subjekts. Die vom Unbedingten bewirkte Entstehung der Aspiration geschieht unabhängig von jedem denkbaren kosmogenetischen Akt, sie gehört auch keinesfalls zu den organischen Bestandteilen der Entstehung. 43
Die Aspiration wird durch die Transformation des Unbedingten in kosmogenetische Tätigkeit hervorgerufen, einer Explosion gleich aus dem Nichts hervorbrechend, die dynamische Entfaltung der kosmogenetischen Entstehung bewirkend. Hier wirkt die Aspiration als die ungezielte, aber garantierte Führung. Zwar wird sie nicht immer als solche erkannt, aber als bedingungslose Akzeptanz und zielfreies Vertrauen realisiert und erfahren. Stellt man nun die Frage, was mit „Führung“ gemeint ist, so lautet die Antwort: Als raumzeitlich unbegrenzte Kraft übt die Aspiration auf die Einstellung und die Handlungen eines Menschen einen bedeutenden Einfluss aus. In besonderen Situationen reproduziert sie sich als eine bewusste und wahrgenommene Erwartung, zum Beispiel im Sinne der „Hoffnung“ in der allgemeinen Alltagssprache (etwa: „Alles wird gut gehen, ich bin in guten Händen“ oder „Mein Wunsch wird erfüllt werden, und ich werde mein Ziel erreichen können“ usw.). Diese so wahrgenommene Aspiration ist jedoch nur ein Nachklang der im Kern jedes Ereignisses verankerten ursprünglichen, raumzeitlich unbedingten Aspiration, aus der die Führung hervorgeht. Es ist wichtig zu sehen, dass, obwohl Aspiration (dem alltagssprachlichen Begriff entsprechend) für die derzeitige aktuelle Bewusstheit als Emotion in Erscheinung tritt, sie kein diskursiv durchgeführter Gedanke ist. Sie gehört zu den Emotionen und ist eine Reproduktion der kosmogenetisch konzipierten Aspiration, die die unumgängliche Voraussetzung der Rückkehr ist. Zum Schluss der Erläuterung der Aspiration bleibt zu erwähnen, dass die Aspiration in jedem Ereignis als Grundeigenschaft konfiguiert ist. Es ist mehrmals betont worden, dass sie einfach und frei von den Bedingungen des Dualismus und der Determiniertheit ist. Dennoch gehört sie zum Bereich der Ereignisse, weil sie die Möglichkeit der Befreiung aus den Bedingungen der Determiniertheit darstellt. Deshalb ist sie als Eigenschaft*, als „Grundeigenschaft Aspiration“, zu bezeichnen. Sie stellt für jeden Menschen die Führung dar, die die Befreiung von der Last der Determiniertheit anstrebt, mithin die Befreiung von der Blindheit und Verwirrung, die das Leiden im Bereich der Determi44
niertheit verursacht. Aspiration gehört zu den kennzeichnenden Charakteristika der menschlichen Existenz. Tief in der Bewusstheit verborgen, begleitet sie alle unsere erfüllten und unerfüllten Bedürfnisse und Wünsche, unsere Entscheidungen, unsere Taten und unsere Enttäuschungen.
VII. Das zweite Konzept – die Inspiration – ist von der Aspiration und der kosmogenetischen Tätigkeit nicht zu trennen. Diese drei Begriffe gehören zu ein und demselben, alles umgreifenden und metazeitlichen Gebilde, das einfach ist und deswegen nicht durch Bezeichnungen, die nur dualistisch sein können, zu definieren ist. Diese Begriffe können auch nicht als drei Teile eines Ganzen angesehen werden. Sie stellen in ihrer unergründlichen, akausalen Synchronisierung vielmehr eine unteilbare Verbindung dar, die auf eine transzendente Unabhängigkeit und eine engste Verknüpfung hinweist. Inspiration ist die projizierte Voraussetzung für jede Transformation des Unbedingten, mithin für die allererste Transformation in die kosmogenetische Tätigkeit. Diese ist das Agens aller reinen Transformationen; die von ihm bewirkte Projektion der Inspiration geschieht jedoch unabhängig von jedem anderen kosmogenetischen Akt. Inspiration gehört somit keinesfalls zu den organischen Bestandteilen des Entstehungsvorgangs. Sie wird durch die Transformation des Unbedingten in die kosmogenetische Tätigkeit als Umgebung projiziert, in der die kosmogenetische Realität aus dem Nichts hervorbricht. Die kosmogenetische Tätigkeit ihrerseits bleibt der dynamische Träger jeder folgenden kosmogenetischen Entfaltung. Die Inspiration ist das Angebot von Befreiung aus der Determiniertheit. Sie besitzt nicht den Charakter einer Ursache, die auf die Struktur und das determinierte Wesen der Ereignisse unmittelbar Wirkung ausüben könnte. Auf der anderen Seite ist sie ohne die Übereinstimmung mit der Aspiration wirkungslos. Ohne sie könnte sich kein determiniertes Element in die „ursprüngliche Absolutheit“ rücktransformieren, 45
was seinerseits zur Folge hätte, dass die Determiniertheit selbst – einem zweiten Absoluten gleich – ein untilgbarer, endgültiger und unwiderruflicher Status wäre, was nach der Kosmogenese ein Unding ist. Unser Konzept von Inspiration macht es möglich, die Umwandlungen im Rahmen der Alltagsphänomene verständlich zu machen, was das übliche Konzept von Umwandlung nicht leistet. Die Rangordnung aller konstitutiven Elemente der kosmogenetischen Realität wird durch die Phasen der Transformation bestimmt. Der vor der Umwandlung bestehende Anfangszustand und der durch die Umwandlung bewirkte Endzustand sind raumzeitlich nacheinander geordnet, ihre ursprüngliche Reihenfolge ist unwiderruflich. Auch dann, wenn in einer dritten Phase der Gegenstand in seiner Anfangsform wahrgenommen wird, handelt es sich um eine in einem folgenden Zeitmoment neue Umwandlung. In der Tat sind alle drei Phasen drei aufeinanderfolgende Phänomene3. Der Gegenstand könnte überhaupt nicht in die vor der Umwandlung bestehende und ursprüngliche Form zurückversetzt werden. Anders verhält es sich mit der Transformation des Unbedingten in die determinierte Welt. Dieses kann sich in die begrenzte und bedingte Struktur unserer Wirklichkeit – mithin in das Universum – transformieren und dennoch unantastbar bleiben. Darin liegt auch der besondere Charakterzug der Transformation, die ein zeitindifferentes Geschehen repräsentiert, im Gegensatz zu jeder physikalischen Umwandlung, die in jedem Fall ein individuiertes, raumzeitlich geordnetes Ereignis ist.
VIII. Inspiration und Aspiration manifestieren die erste Transformation des Unbedingten, vor jedem noch folgenden Entstehungsvorgang. Wir haben gesehen, dass Inspiration ohne Aspiration, genauso wie Aspiration ohne Inspiration, undenkbar ist, was aber nicht bedeutet, dass die eine die andere hervorruft oder irgendeine Wirkung auf sie hat. Die 46
Verbundenheit zwischen beiden realisiert sich vor dem Anfang der kosmogenetischen Entstehung. Vor diesem Anfang aus dem Nichts entsteht die Relation (von Inspiration und Aspiration), die wir in unserer Theorie Ur-Relation nennen und die eine undefinierbare, akausale und allererste Bezogenheit manifestiert. Die Ur-Relation ist die erste Transformation des Unbedingten in Form einer bloßen Möglichkeit, die dann durch die kosmogenetische Tätigkeit realisiert wird. Dieses Verhältnis von Inspiration und Aspiration soll nun weiter entfaltet werden. Ihrer inneren Beschaffenheit nach manifestieren beide Unbedingtheit, Leere und Einfachheit. Sie dürfen daher keinesfalls als Instanzen angesehen werden, die durch eine Subjekt-Objekt-Polarität geprägt wären. Sie sind akausal verknüpft, bedingen einander nicht. Weder impliziert die eine die andere, noch setzen sie einander voraus. Die Inspiration ist unantastbar, abgesehen davon, ob die von ihr vertretene Möglichkeit einer rückbezüglichen Transformation aktualisiert wird oder nicht. Die Aspiration ist komplementär zur Inspiration, ungeachtet dessen, ob sie auch durch eine akausale Synchronisierung mit Inspiration zur Befreiung eines Ereignisses führt. Wir haben schon erwähnt, dass der Anfang der Realitätsentstehung durch die Wende des Unbedingten nach außen erfolgt, dass vor diesem Anfang Inspiration und Aspiration wie auch ihre wechselseitige Bindung hervorgerufen werden und dass dieser Anfang etabliert, aber nicht realisiert wird. Seine Etablierung erfolgt, indem er garantiert, aber nicht realisiert wird. Der Entstehungsanfang der Realität – mithin der Entstehungsanfang des Universums – ist der Transformation des Unbedingten in kosmogenetische Tätigkeit vorbehalten; nur die Möglichkeit der Entstehung der aktuellen Wirklichkeit ist durch das Hervortreten von Inspiration und Aspiration garantiert. Der Ur-Relation kommt eine besondere Bedeutung in diesem Prozess zu, denn alle denkbaren Beziehungen, Verknüpfungen und Bindungen vertreten sie; jede Relation reproduziert den Prototyp der UrRelation, so wie diese in allen Realitätsbereichen als Abspiegelung* des Urbildes von Verbundenheit in Erscheinung tritt. Die Ur-Relation, also die Verbundenheit von Inspiration und Aspiration, schließt die 47
Vielfalt aller Bestandteile der aus dem Nichts entstehenden Realität in der Einheit eines strukturierten Ganzen zusammen. Daraus folgt, dass Inspiration und Aspiration das Universum in einer Einheit halten.
IX. Inspiration und Aspiration bilden zusammen mit der kosmogenetischen Tätigkeit ein umgreifendes metazeitliches Ganzes, aber nicht als Vielfalt seiner Teile, sondern als akausal synchronisierte Verschmelzung, transzendent, unabhängig und unteilbar. Kommen wir zum Begriff der kosmogenetischen Tätigkeit. Diese ist der Kernpunkt unserer Theorie; sie manifestiert die Folge der allerersten Transformation des Unbedingten, die sich auf zwei verschiedenen, sich nicht behindernden Ebenen realisiert. Auf der ersten manifestiert sie die direkte Beziehung zwischen dem Unbedingten und dem Paar von Inspiration und Aspiration, die die allerersten Derivate des sich transformierenden Unbedingten sind. Auf der zweiten Ebene manifestiert sie die zwischen Inspiration und Aspiration bestehende Wechselwirkung, unabhängig von ihrem Entstehungsprozess, also von ihrer auf der ersten Ebene erfolgten direkten Transformation aus dem Unbedingten. Diese zwei Phasen – beide Produkte der allerersten Transformation – werden in den folgenden Ausführungen als Einheit beziehungsweise Identität betrachtet. Diese Tätigkeit repräsentiert eine Konsolidierung, eine Quasi-Substantialisierung der ursprünglichen absoluten Realität, das heißt, sie stellt eine Substantialisierung dar, ohne eine für sich bestehende Substanz zu beanspruchen. Eine solche an und für sich bestehende Substanz als konstitutiver Bestandteil der Realität aus dem Nichts wäre nach kosmogenetischen Prinzipien undenkbar. Aber was heißt dann Quasi-Substantialisierung? Die absolute Realität ist vollendete Einfachheit. Ihre Transformation in kosmogenetische Tätigkeit ist expansiv ausgerichtet und entspricht einem Sich-nachdem-Anderen-Richten. Es ist eine grundlose, für die Einfachheit der Absolutheit überflüssige und unbehindernde Wende. Mit dem „Ande48
ren“ ist das Abstrakte und Undefinierte gemeint, das vom Bereich der Absolutheit a priori ausgeschlossen ist. Es vertritt keinen vorstellbaren, substantialisierten Gegenstand, keine Person, sondern einfach eine abstrakte Gegenüberstellung zum Unbedingten. Kosmogenetische Tätigkeit manifestiert reine Transformation. Sie kann sich in jede denkbare Form der Realität transformieren, ohne ihre leere, substanz- und existenzlose, ursprüngliche Form einzubüßen, das heißt ohne ihre reine und von jeder dualistischen Bedingung freie Essenz zu beeinträchtigen. Ihr ursprüngliches Wesen bleibt unangetastet. Als Agens aller Transformationen ist die kosmogenetische Tätigkeit auch das Produkt der allerersten Transformation des Unbedingten. Ihre Entstehungsdynamik signalisiert die Entstehung aus dem Nichts der alles umfassenden Realität. Diese Tätigkeit stellt die Brücke zwischen dem Bereich des Unbedingten und dem Bereich der Bedingungen dar. Durch eine Transformation in kosmogenetische Tätigkeit entsteht die endgültige und vollendete Struktur der Wirklichkeit als bloße Möglichkeit. Sie gehört nicht zum Bereich der raumzeitlich geordneten Ereignisse. Jene Transformation kann auch nicht als ein von der derzeitigen Bewusstheit wahrzunehmendes Geschehen gesehen werden, dem nichts vorangeht und durch dessen Wirkungskraft die endgültige Form der Wirklichkeit in Entstehung hervorgerufen wird. Die kosmogenetische Tätigkeit ist nach den kategorialen Bedingungen des Verstandes nicht zu definieren. Sie ist zwar Geschehen, aber nicht raumzeitlich positioniert und kann deshalb nicht als Ereignis gesehen werden. Sie ist auch nicht als Subjekt oder Objekt zu bezeichnen, denn diese stehen unter den kategorialen Bedingungen der derzeitigen begrenzten Bewusstheit. Man kann sie keinesfalls als konstitutiven, organischen Bestandteil eines Realitätsbereichs ansehen, und insofern ist sie von vornherein aus jeder denkbaren Realitätsstruktur ausgeschlossen. Sie ist eine Tätigkeit sui generis, die sowohl die Einfachheit des Unbedingten wie auch die Bedingungen der determinierten Wirklichkeit signalisiert, ohne dass dadurch ihr leeres, sich jedoch transformierendes Wesen beeinträchtigt wird. 49
Mit anderen Worten: Durch die Wirkungskraft der Transformation wird die Umwandlung des Unbedingten in die derzeitige und determinierte Wirklichkeit bewältigt, dabei bleiben aber beide, das Unbedingte und die Wirklichkeit, in ihrer Seinsart unangetastet. Die substanzlose kosmogenetische Tätigkeit ist sowohl die ursprüngliche, absolute Realität wie auch die raumzeitlich bedingte, derzeitige Wirklichkeit. Dies weist auf ihr zweistufiges, sich transformierendes, oben als QuasiSubstantialisierung angesprochenes Wesen hin. Sie vermag die Umwandlung in eine Instanz zu realisieren, ohne sich selbst endgültig und unwiderruflich in diese Instanz zu verwandeln.
X. Es bleibt noch die Frage nach dem Unterschied zwischen kosmogenetischer Tätigkeit und Ur-Relation zu beantworten. Wie immer wieder betont, entsteht erst der Akt der Relativierung, dem dann die zu relativierenden Elemente folgen, das heißt, die Elemente sind Derivate der Relation. Dies gilt auch für die Ur-Relation zwischen Inspiration und Aspiration. Diese Relation ist auch die Essenz der kosmogenetischen Tätigkeit, deren Wirken die Transformation ist, wobei die Essenz die Verkörperung derselben Transformation ist, durch die sich alles, indem es entsteht, vom Unbedingten trennt. Diese Entstehung durch Trennung hat als Bedingung ihrer Möglichkeit die durch die Ur-Relation (Inspiration ←→ Aspiration) gegebene Garantie der Rückkehr. Man kann daraus folgern, dass die Ur-Relation die Essenz ist, das heißt die bewegende Wirkkraft der kosmogenetischen Tätigkeit, ohne dass damit behauptet würde, es gäbe eine an und für sich bestehende kosmogenetische Tätigkeit. Inspiration und Aspiration bleiben die allerersten Derivate des sich transformierenden Unbedingten, und ihre wechselseitige Bindung bleibt die allererste Relation eines jeden kosmogenetischen Entstehungsvorgangs. Die kosmogenetische Tätigkeit stellt keinesfalls die allererste Transformation des Unbedingten dar. Vor dieser Transformation stehen jene der Inspiration und Aspiration und ihrer Relation, wodurch die 50
Garantie der Rückkehr etabliert ist. Letztere ist ihrerseits die Voraussetzung für jede folgende Transformation, mithin auch für die Entstehung der kosmogenetischen Tätigkeit. Hinzu kommt, dass durch die Tätigkeit der Relation die Elemente aufeinander bezogen werden und dass sie durch ihre Bezogenheit aus dem Nichts hervorgerufen werden. Diese Tätigkeit verkörpert die primäre Wirkkraft im kosmogenetischen Geschehen. Die Entstehungsrealität ist eine reine und von Gegenständen freie Tätigkeit, die sich durch das Fließen der Ereignisse manifestiert. Wirklichkeitselemente an und für sich sind nicht existent, sondern nur Scheinbilder.
XI. Das Unbedingte allein ist befähigt, sich in eine andere Instanz zu transformieren und dabei selbst unangetastet zu bleiben. Seine Transformationen erfolgen im Bereich der Einfachheit; sie vertreten die kosmogenetische Tätigkeit, umfassen seine Transformation in allen Phasen der Entstehungs-Entfaltung, bis hin zur abgeschlossenen und vollendeten Form der Wirklichkeit. Die Herabstufung hebt mit der Transformation des Unbedingten in Phasen an. Wir behandeln in diesem Kapitel zur „Einfachheit“ nur die Phase, in der das Unbedingte den vom Verstand unfassbaren Anfang des kosmogenetischen Prozesses initiiert, das heißt seine Transformation in kosmogenetische Tätigkeit*, und ihr Produkt, nämlich die absolute Realität. Die anderen Bereiche – der Bereich der Erscheinung und jener der Determiniertheit beziehungsweise des Dualismus – werden Gegenstand unserer Untersuchungen in den folgenden Kapiteln sein. Das Unbedingte transformiert sich, bleibt aber unantastbar. Es geht um seine eigene Selbst-Begrenzung, die grundlos und unableitbar ist, womit die allererste Transformation anhebt und den Anfang des kosmogenetischen Prozesses initiiert, wodurch wiederum erstens die Monaden hervorgerufen werden, die zweitens in eine Matrix von determinierten Anordnungen konfiguriert werden. Diese determinierten Anordnungen stellen die Elementare dar. Das Unbedingte bleibt dabei 51
als der einfache, unbegrenzte und ursprüngliche Anfang unangetastet. Seine unableitbare und grundlose Selbstbegrenzung manifestiert sich in der Vielfalt von Tätigkeitsmonaden, sie impliziert ihre Transformation in die Zerstreutheit „unserer Wirklichkeit“ und vor allem in die kosmogenetische Tätigkeit. Wenn wir dennoch Begriffe wie „Monaden“, „Elementare“, „Eigenschaften“, „Bewusstsein“, „Realität“ und „Wirklichkeit“ verwenden, so ist dabei eine substanzähnliche Vorstellung ausgeschlossen. Die kosmogenetische Tätigkeit transformiert sich in die vollendete Ganzheit der Monaden; diese entstehen nur, indem sie in Elementaren konfiguriert werden, die als solche im Bereich der „Erscheinung“ abgespiegelt werden. Ihre Abspiegelung stellt die wahrgenommene Wirklichkeit dar, in deren Rahmen – wie wir im Folgenden sehen werden – sowohl die aktuelle als auch die eine zukünftig höher entwickelte Bewusstheit, welche die vierdimensionale Wirklichkeit wahrzunehmen fähig ist, auftritt. Wir nennen die im Bereich der Erscheinung abgespiegelten Monaden Eigenschaften. Das bedeutet, dass die Monaden beziehungsweise die Eigenschaften die Materie der Wirklichkeit ausmachen. Beide, Eigenschaften und Tätigkeitsmonaden, haben eine identische Struktur. Sie unterscheidet, dass die Monaden nicht wahrgenommen werden können, die Eigenschaften dagegen durchaus, wodurch die Bewusstheit hervorgerufen wird. Das Endprodukt der Transformation des Unbedingten ist die Totalität aller Elementare, die, wie schon erwähnt, die leere, inhaltlose Matrix bilden, in deren vorgegebene Struktur die Monaden konfiguriert und eingeordnet sind. Sie sind Strukturen, sie besitzen unabhängig von den Tätigkeitsmonaden und Eigenschaften keine Realität. Die Elementare werden zusammengestellt durch die abgespiegelten Tätigkeitsmonaden, die nicht für sich, sondern ausschließlich als Konfigurationen bestehen. Im Unterschied zu den abgespiegelten Monaden, die im Bereich der Erscheinung Eigenschaften genannt werden, bezeichnen wir die abgespiegelten Elementare als Ereignisse*. Zwischen beiden – Eigenschaften und Ereignissen – besteht ein Verhältnis, das be52
sagt: Eigenschaften bestehen nicht für sich, sondern nur in den Konfigurationen, durch die Ereignisse zusammengestellt werden. Sowohl Eigenschaften als auch Ereignisse bilden jeweils in ihrer Gesamtheit die Struktur einer begrenzten Totalität. Diese vertritt zwar eine Menge von unendlich vielen geordneten und individuierten Elementen, die aber alle zu ein und derselben einmaligen Totalität, wie Teile zu einem Ganzen, gehören. Hierin vertreten die Monaden die „begrenzte Totalität“, was die Zugehörigkeit aller Monaden, ohne Ausnahme, zur vollendeten Matrix der Elementare bedeutet. Die Eigenschaften ihrerseits vertreten auch eine unendliche Vielheit, deren begrenzte Totalität die ausnahmslose Zugehörigkeit der Eigenschaften zur vollendeten Matrix der Ereignisse bedeutet.
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3 Der Bereich der Erscheinung I. Die kosmogenetische Realität entsteht in drei Phasen aus dem Nichts; in der ersten entsteht die Totalität der Elementare* im metabewussten Bereich, in der zweiten die Totalität der Ereignisse* im Bereich der Erscheinung und in der dritten die Totalität der Gegenstände* im Bereich der Spaltung. Es ist richtig, dass mit der Entstehung der Totalität der Elementare die Kosmogenese vollendet und abgeschlossen sein könnte, denn Bewusstheit ist keine Bedingung für die Vollendung der Wirklichkeitsentstehung. Sie folgt im Bereich der Erscheinung in einer zweiten Phase, die ihrerseits auch weder abzuleiten noch zu begründen ist. Dasselbe gilt von der dritten Phase, die auch nicht abzuleiten oder zu begründen ist und in der durch die Spaltung des Bewusstseins in Raum und Zeit die Gegenstände entstehen. Aus dem oben Gesagten geht hervor, dass die Kosmogenese auch ohne Bewusstsein und ohne die damit einhergehenden Gegenstände existiert. Nur der metabewusste Realitäts-All-Bereich wäre dann die Folge der Transformationen des sich selbst begrenzenden Unbedingten. Diese Überlegung führt zu der Frage: Aus welchem Grund wird die Bewusstheit in Entstehung gerufen, und zwar erst nach dem Abschluss des metabewussten Entstehungsprozesses, dessen endgültiges Produkt die Elementare konstituieren? Ferner, aus welchem Grund „entstehen“ in einer dritten Phase die Gegenstände, und zwar erst nach der Entstehung der Bewusstheit? Auf diese Fragen gibt es keine Antwort, so wie es keine Antwort auf die Frage gibt: Aus welchem Grund wird die kosmogenetische Realität aus dem Nichts hervorgerufen? Andererseits ist klar, dass kein direkter Übergang vom endgültigen Produkt des metabewussten Entstehungsprozesses (Elementare) zur Struktur der abgespiegelten Wirklichkeit (Ereignisse) und der gegenständlich wahrgenommenen Wirklichkeit 54
denkbar ist. Diese Bereiche sind zueinander transzendent und nichtbehindernd. Eine weitere Frage ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Wenn im Realitätskonzept der Kosmogenese keine Gegenstände als reale Bestandteile der Wirklichkeit denkbar sind, wie ist dann der Prozess der Veränderung zu erfassen? Die Totalität wird mit einem Schlag als Ganzheit hervorgerufen und „begrenzte Totalität“ genannt. Ihre Elemente bilden eine ununterbrochene Kontinuität, bei der jedes Ereignis fließend in das nächste übergeht. Dennoch sind Ereignisse zueinander transzendent und individuiert, von der Art, dass jedes einzelne eine A-priori-Individuation ist, die in sich ruht und gründet, unabhängig und in keiner Weise auf die Einordnung der Phänomene im Raum oder deren geschichtliche Reihenfolge in der Zeit bezogen. Dieses Kennzeichen wird sozusagen auf jedes Ereignis durch seine einmalige Einordnung in einer vorgegebenen Matrix geprägt. Das herkömmliche Konzept der Veränderung signalisiert die Reihenfolge der Phänomene, so wie sie sich in der Zeit entfalten. So verstanden impliziert Veränderung die Aufhebung einer entstandenen Realität, indem diese von einer anderen ersetzt wird, was aber dem Grundwesen der Realität widerspricht. Demnach ist die Behauptung, die Wahrnehmung der aktuellen Bewusstheit sei ein Scheinbild, in dem und in dessen Rahmen sich der Schein einer relativen Realität manifestiert, nicht ohne Grund. Auch die Behauptung, Bewusstheit sei durch einen scheinbildhaften Charakterzug gekennzeichnet, ist folgerichtig. Nach kosmogenetischen Prinzipien ist die Vorstellung einer sich im Laufe der Zeit entfaltenden Veränderung undenkbar. Sind alle Ereignisse als Ganzheit mit einem Schlag gegeben, dann sind auch die Gegenstände in allen Phasen ihrer Erscheinung mit einem Schlag gegeben, denn alle diese Veränderungsphasen sind in Form von Ereignissen konstituiert. Das Konzept einer Veränderung ist hier ein Unding, weil sie ein physikalisches Phänomen ist, das ausschließlich zur dreidimensional bedingten Wahrnehmung* gehört. 55
II. Erscheinung bezeichnet in der Alltagssprache die Wahrnehmung eines Gegenstands in Form einer durch die Sinne anschaulich vermittelten Gestalt. Sie erfolgt durch Reize der Außenwelt auf die Bewusstheit, wodurch dieser Gegenstand im Bereich der aktuellen Anschauung als unbestrittenes Wirklichkeitselement „existiert“. Die Begriffe Gestalt und Anschauung sind nicht zu definieren, weil sie sich auf die unmittelbare Wahrnehmung beziehen und einfache Qualitäten wie „rot“ oder „warm“ darstellen. Im Rahmen unserer Theorie hat der Begriff „Erscheinung“ eine besondere Bedeutung: Erscheinung gründet nicht in sich selbst, sie besitzt – unabhängig von den Elementaren, die sie abspiegelt – überhaupt keine Realität. Sie stellt kein Vermögen des Bewusstseins dar, andernfalls würde ein solches an und für sich, also unabhängig von den Elementaren, existieren und die Anschauung der wahrgenommenen Gestalten verursachen. Die Erscheinung repräsentiert auch ein Produkt der Elementare, wodurch der Übergang von der metabewussten Realität zur aktuellen Wirklichkeit möglich wird. Die Abspiegelung der Elementare auf die Erscheinung bleibt akausal und signalisiert die unableitbare und grundlose Entstehung der Bewusstheit. Die Erscheinung ist ein in sich geschlossener Realitätsbereich. Zwar könnte die Entstehung der Kosmogenese auch ohne ihn abgeschlossen und vollendet sein, seine Entstehung jedoch ist der Abspiegelung zu verdanken, die ihrerseits kosmogenetische Tätigkeit manifestiert, eine Form der Transformation des Unbedingten und den Bereich der Erscheinung hervorruft. Daraus folgt, dass ihr kennzeichnender Charakterzug die Abspiegelung, das heißt die Erscheinung ist. Ihrem Wesen nach ist sie leer wie ein Spiegel; ihr Bereich besitzt keine eigene Substanz, kein eigenes Wesen und weder eine eigene Form noch eigenen Inhalt. Sie besteht ausschließlich aus Spiegelbildern der Elementare, in denen alle Charakterzüge der wahrgenommenen, analog abgespiegelten Ereignisse verankert sind. Mit anderen Worten: Erscheinung umfasst alle Ereignisse, und diese vertreten die endgültige Kristallisie56
rung der kosmogenetischen Tätigkeit; sie bezeichnet zugleich das Wesen und die Form der aktuellen Bewusstheit.
III. Die Elementare können nicht unmittelbar von der derzeitigen Bewusstheit wahrgenommen werden; denn sie gehören zum metabewussten Bereich. Sie werden nur durch deren Abspiegelung im Bereich der Erscheinung erkannt. Durch diese Wahrnehmung transformieren sich die Elementare in Ereignisse. Dieselbe Tätigkeit der Wahrnehmung der Elementare bewirkt die Entstehung der aktuellen Bewusstheit, die nicht in der ersten Phase der Kosmogenese entsteht, sondern in der zweiten Phase aus dem Nichts und durch die Abspiegelung der Elementare im Bereich der Erscheinung. Die Struktur der in Elementaren konfigurierten Monaden manifestiert das Endprodukt der kosmogenetischen Entfaltung. Die erste Entstehungsphase der Struktur umfasst das Ganze der kosmogenetischen Entstehung in sich geschlossen und vollendet; sie impliziert überhaupt keine weitere Entwicklung. In dieser ersten Phase ist die Struktur der Elementare, die zum metabewussten Realitätsbereich gehört, selbstständig und von der in der zweiten Phase folgenden Entstehung der Bewusstheit ebenso unbeeinträchtigt wie von der Spaltung der dritten Phase, die die Gegenstände erscheinen lässt. Die Struktur Monaden-Elementare darf nicht mit der Struktur Eigenschaften-Ereignisse verwechselt werden. Es gibt nämlich keine kausale Wechselbedingung zwischen den Bereichen Elementare, Abspiegelung und Erscheinung. Elementare entsprechen Ereignissen und Monaden Eigenschaften; sie sind korrespondierend und unterscheiden sich nur dadurch, dass die eine Struktur metabewusst, die andere aktuell-wahrnehmbar ist. In diesem Zusammenhang spielt der Begriff der Abspiegelung* eine besondere Rolle: Er stellt einerseits die Korrespondenz und anderseits die transzendente Analogie zwischen den zwei ersten Phasen her. Die Abspiegelung vertritt die Tätigkeit, wodurch die Ereignisse in Erschei57
nung treten, diese vertreten die in der Erscheinung abgespiegelten Elementare, und beide, Elementare und Ereignisse, vertreten zwei zueinander transzendente Bereiche. Es ist wichtig, den Unterschied zwischen der zweiten und der dritten Phase zu sehen. Wir müssen uns die Wirklichkeit unseres Alltagsbewusstseins vor Augen halten, denn die dritte Phase ist keinesfalls der Bereich der Abspiegelung, wie wir im nächsten Kapitel zeigen werden. Das Konzept der Abspiegelung gehört vielmehr zum zeitindifferenten beziehungsweise metazeitlichen Geschehen. Der Anfang aus dem Nichts gilt auch hier, weil die Abspiegelung zum einen keine Folge der ersten Phase ist und zum anderen weder begründet noch abgeleitet werden kann. Man darf hier nicht übersehen, dass die Ereignisse, die alle im Bereich der Erscheinung erfasst sind (der seinerseits durch die Tätigkeit der Abspiegelung hervorgerufen ist), nur eine bedingte Realität vertreten. Durch die Transformation der absoluten Realität werden die Elementare auf das Feld der Erscheinung abgespiegelt und auf der Bühne der aktuellen Bewusstheit wahrgenommen. Erst dadurch entstehen die Ereignisse. Sie haben keine autonome essentielle Existenz, sondern eine bloß abgespiegelte und „wiederholte“, in dem Sinne, dass sie in ihrer Essenz eine abgespiegelte Wiederholung von Existenz und keine primäre und unbedingte Entstehung aus dem Nichts darstellen. Das heißt, die Ereignisse vertreten die Wiederholung der vorauszusetzenden Realität der Elementare. Sie kreieren auf diese Art und Weise den Schein einer Realität und keine an und für sich bestehende Wirklichkeit. Sie sind nicht Teile der ursprünglichen Realität, die durch die unmittelbare Transformation des Unbedingten auf alle Teile der Realität übertragen wird. Die Scheinrealität der Ereignisse kann durch die Sinne wahrgenommen werden. Es ist dieselbe Wahrnehmung, die als Prüfstein der Realität dient und im Rahmen der aktuellen Bewusstheit die Existenz des Universums wie ein unerschütterlicher Prüfstein garantiert. Es handelt sich aber um eine unberechtigte Garantie der Scheinrealität, der die Bewusstheit ausgeliefert ist, sie wird in der Terminologie unserer Theorie 58
„Scheinbild“ genannt. Denn würden die Elementare nicht existieren, dann gäbe es keine Ereignisse; Elementare jedoch können auch ohne die Ereignisse existieren. Es wird daraus klar, dass die aktuelle Wirklichkeit im Bereich der Erscheinung eine bedingte Realität zweiten Grades ist, das heißt ein Scheinbild, das vom Charakterzug der Wiederholung gekennzeichnet ist. Man kann also sagen: Die Erscheinung repräsentiert das durch das Scheinbild geprägte Wesen der Ereignisse und die Eigenart sowie die Grenzen der aktuellen Bewusstheit.
IV. Wie oben dargelegt, geschieht die Entstehung des Scheinbildes jeweils nur in der zweiten und dritten Phase, im Bereich der Erscheinung und der Wirklichkeit. Die Entstehung des Realitätsfeldes der Erscheinung durch die Abspiegelung der Elementare erfolgt in der zweiten Phase. Dadurch entsteht die Bewusstheit, womit der Bereich der Erscheinung hervorgerufen wird. Die Bewusstheit selbst vertritt das Endprodukt der Abspiegelung, mithin das Endprodukt des kosmogenetischen Prozesses, ausgehend von der ersten und der zweiten Phase. Das Scheinbild der aktuellen Wirklichkeit ereignet sich durch die Spaltung der Dimensionalität (der drei Dimensionen des Raumes und der vierten Dimension der Zeit) erst in der dritten Phase, und die Spaltung ist keinesfalls notwendig. In der scheinbildlichen Existenz der Dinge vor der Spaltung der Raumzeit sind die Eigenschaften* direkt in Ereignissen – nicht in Gegenständen – konfiguriert. Nach dieser Spaltung jedoch spaltet sich entsprechend auch die innere Struktur der Ereignisse, die danach aus den dreidimensionalen Gegenständen bestehen und deren Veränderung in der gespaltenen vierten Dimension der Zeit vor sich geht. Dadurch treten die dreidimensionalen Gegenstände in Erscheinung und prägen ihre scheinbildliche Existenz auf eine äußere, von der Bewusstheit dem Schein nach unabhängige, an und für sich bestehende Wirklichkeit: das Universum. Das Charakteristikum der Scheinbildlichkeit ist die nur für ihren Bereich geltende Überzeugung von der wahren Existenz einer „äußeren“ Wirklichkeit. Sie ist unter bestimm59
ten Umständen zu durchschauen und als Blendwerk und Schein bloßzulegen: Dies geschieht ausschließlich bei einer akausalen Verknüpfung von Aspiration und Inspiration*, die im Rahmen der kosmogenetischen Theorie Ausnahme* genannt wird. Die derzeitige Bewusstheit verabsolutiert den relativen Realitätswert ihrer eigenen Konstruktion, und zwar wie folgt: Die Spaltung eines von der Zeit getrennten Raumes wird auf die wahrgenommene Wirklichkeit aufgeprägt und verleiht ihr den Charakter eines Scheinbildes. Diese Scheinbildlichkeit, die den Charakter der Wahrnehmung prägt, wird unbewusst heraufbeschworen. Das Ich und die Gegenstände treten in Erscheinung und bekommen irrtümlicherweise eine absolute Existenz zugesprochen, die von den Sinnen bestätigt wird. Diese Verabsolutierung hindert die Bewusstheit daran, zwischen wahrgenommener dreidimensionaler und vierdimensionaler Wirklichkeit zu unterscheiden. So ist die aktuelle Bewusstheit sich ihrer eigenen konstruierenden Tätigkeit nicht bewusst, sehr wohl aber des Derivates dieser Konstruktion. Im folgenden Kapitel über die „Determiniertheit“ und den „Dualismus“ werden wir ausführlich auf die scheinbildhafte „Existenz“ der aktuellen Wirklichkeit eingehen.
V. „Erscheinung“ im kosmogenetischen Sinne bezeichnet, wie bereits erwähnt, den Realitätsbereich, der durch die Abspiegelung der Elementare in Erscheinung tritt. Diese transformieren sich durch ihre Abspiegelung in Ereignisse, bleiben jedoch unangetastet. Der so entstandene Bereich besitzt keine eigene Substanz, kein eigenes Wesen, keinen eigenen Inhalt und keine eigene Form, denn Erscheinung ist leer. Sie umfasst ausschließlich die bedingt realen Spiegelbilder der Elementare, die als Ereignisse bezeichnet werden; ihre Realität ist bedingt, weil sie die Realität der Elementare voraussetzt. Im Umfeld der Erscheinung spiegeln die Strukturen der Ereignisse die bloße Wiederholung der Strukturen der Elementare wider, obwohl durch ihre Abspiegelung in 60
Form von wahrgenommenen Ereignissen der Schein der sinnlich erfassten und anscheinend überzeugenden Existenz des Universums geschaffen wird. Gleichzeitig manifestiert sie die letzte und endgültige Kristallisierung des Entstehungsprozesses der aktuellen Wirklichkeit; sie kennzeichnet auch den Charakter und Umfang der Bewusstheit. Der Bereich der Erscheinung ist also Folge der Abspiegelung, jener Tätigkeit, die die Ereignisse als strukturierte Ganzheit in Erscheinung treten lässt. Diese repräsentieren ihrerseits die wahrnehmbare Form der Wirklichkeit, während das Universum die unter den kategorialen Bedingungen der Anschauung wahrgenommene Struktur und Form der Totalität der Phänomene ist. Kurz gefasst: Alle Faktoren und Instanzen der Wirklichkeit sind als Erstes Folgen der Transformation; sie realisieren die Entfaltung der kosmogenetischen Tätigkeit, die die Abspiegelung der Elementare in Erscheinung bewirkt. Die Erscheinung ist zwar eine Tätigkeit, aber keine direkte Transformation, sondern eine Wiederholung. Das Konzept der Abspiegelung* spielt im Bereich der Erscheinung eine zentrale Rolle: Abspiegelung ist ein neuer Anfang sui generis, ein Anfang aus dem Nichts, der die Bewusstheit und die unter deren Bedingung vorstellbare Gestaltung unserer Wirklichkeit entstehen lässt. Als Tätigkeit besonderer Art ist die Abspiegelung weder abzuleiten noch zu begründen. Sie bewirkt das Hervortreten eines neuen Feldes, ohne dass sie selbst mit der Totalität der Elementare in Beziehung steht. Die Entstehung der Erscheinung, die keine direkte Transformation darstellt, ist eine grundlose Abspiegelung; sie trägt den Charakter einer Wiederholung. Die Tätigkeitsmonaden und die Elementare spiegeln sich auf dem Feld der Erscheinung und erscheinen entsprechend als Eigenschaften und Ereignisse.
VI. Die Wahrnehmungsfähigkeit der derzeitigen Bewusstheit ist begrenzt. Hinzu kommt, dass sie in Raum und Zeit gespalten ist; diese Spaltung der Dimensionalität im Feld der derzeitigen Bewusstheit wird auch auf 61
die Struktur der wahrgenommenen Wirklichkeit übertragen. Denn diese ist bar jedes an und für sich bestehenden Gehalts und stellt bloß den Schein einer Realität dar, die durch die Geltung der Bedingungen des Bewusstseins geprägt ist. Die besondere Gestalt jeglicher Gegenstände ist demnach die Folge der Tätigkeit ihrer Gestaltung in die leere Form der Wirklichkeit. Die Spaltung der Einstein’schen globalen Dimensionalität in Raum und Zeit ist die Ursache der scheinbildhaften Gestaltung aller projizierten Wirklichkeitselemente. Durch die Spaltung werden die Wirklichkeitselemente nicht als Ereignisse, sondern als Gegenstände wahrgenommen, was bedeutet, dass die Ereignisse für die Dauer und die Veränderung der Gegenstände nur den Rahmen darstellen. Aufgrund jener Spaltung wird die Bewusstheit durch ihre eigenen Bedingungen genötigt, nicht den Ereignissen, sondern den Gegenständen Realitätscharakter zuzuschreiben. Die aktuelle Bewusstheit erfasst die durch die Spaltung ihrer Dimensionalität entstandene Wirklichkeit als die tatsächliche Struktur der Realität; sie erliegt dadurch einem Trug. Die selbstgeprägte und scheinbildhafte Form der dreidimensionalen Wirklichkeit tritt im Bereich der in Raum und Zeit gespaltenen Anschauung in Erscheinung, in einer im Voraus determinierten Form. Die Alltagssprache bezeichnet die so geprägte Form als Universum. Die Bewusstheit stellt sich die Wirklichkeit nach ihren eigenen Kategorien und Bedingungen vor; ihre dreidimensionale Beschaffenheit wird auf ein analog erfasstes Realitätsbild so projiziert, dass dieses unumgänglich als die einzige an und für sich existierende Wirklichkeit wahrgenommen wird. Hinzu kommt: Der nur in der Bewusstheit gründende Wirklichkeitscharakter der Gegenstände kann durch die Wirkung der Sinne überzeugend vorgetäuscht werden, obschon sich die Gegenstände in der Anschauung nur scheinbildhaft manifestieren. Die Wirklichkeit besitzt folgende Charakterzüge: Sie hat nur eine für diese Bewusstheit geltende, relative Realität, bei der die Gegenstände im dreidimensionalen Raum in Erscheinung treten und sich in die vom Raum getrennte Zeit verändern. Ferner ist nicht nur ihre erscheinende Existenzform vergänglich, sondern auch die Identität der Ge62
genstände selbst (so wird zum Beispiel ein Haus bei einem Brand durch Asche ersetzt). Nun fragt man sich, ob die Vergänglichkeit tatsächlich erst realisiert werden muss oder von vornherein für alles im Universum besteht. Die Antwort darauf ist einfach: Es gibt kein „Alles“ im Universum, das an und für sich oder von vornherein bestünde; denn es ist seinem Wesen nach Folge der Transformation des Unbedingten und stellt ein Geschehen dar. Dieses Alles wird demnach durch die Tätigkeit der Veränderung der Existenzformen hervorgerufen. Mit anderen Worten: Nach kosmogenetischen Grundsätzen wird alles durch die kosmogenetische Tätigkeit hervorgerufen, und alles stellt wiederum kosmogenetische Tätigkeit dar.
VII. Im Bereich unserer aktuellen Wahrnehmung* sind wir ausschließlich mit Erscheinung konfrontiert, was die Behauptung rechtfertigt: Wirklichkeit ist Erscheinung. Im Sinne der Kosmogenese ist Erscheinung nur als einfache Eigenschaft* zu sehen und darum nicht zu definieren. Wir unterscheiden zwischen kosmogenetischer Wirklichkeit, die vierdimensional ist, und der aktuellen Wirklichkeit, die dreidimensional ist; wobei beide sich im Bereich der Erscheinung manifestieren. Die Vollständigkeit der Dimensionalität ist die notwendige Bedingung für die an und für sich bestehende Realität*. Nur sie ist real – im Unterschied zur dreidimensionalen Wirklichkeit, die als irreal bezeichnet wird, während die zweite die relative Realität ist. Im Wirkungsfeld unserer aktuellen Bewusstheit – und ausschließlich unter den in ihrem Bereich geltenden Bedingungen – werden durch die Tätigkeit der Wahrnehmung Form und Wesen unserer Wirklichkeit geprägt. Diese Wahrnehmung ist keine passive Empfänglichkeit, die äußere und für sich bestehende Reize wahrnimmt; vielmehr ist sie eine Tätigkeit, durch die diese Reize in der von der Bewusstheit projizierten, jedoch in Raum und Zeit gespaltenen Umgebung hervorgerufen und wirksam werden. Die Dreidimensionalität ist keine echte 63
Form einer an und für sich bestehenden Wirklichkeit, genauso wenig wie eine an und für sich bestehende Bewusstheit denkbar ist. Durch die Identifizierungstätigkeit entsteht die Bewusstheit, und wie alle Tätigkeiten vertritt auch sie eine Transformation des Unbedingten. Das „Wirkungsfeld der Bewusstheit“ ist die spezifische Tätigkeit, die die Bewusstheit entstehen lässt. Nach den kosmogenetischen Prinzipien wird durch die Tätigkeit ihr Träger hervorgerufen, durch die Identifizierungstätigkeit entsteht das Wirkungsfeld der Bewusstheit.
VIII. Wir können den scheinbildhaften Charakter der aktuellen Wirklichkeit auch durch eine Analyse ihrer Polarität von Inhalt und Form* aufzeigen. Im ursprünglichen Anfangszustand der kosmogenetischen Realitätsentfaltung stellen Inhalt und Form eine unzertrennbare, einfache Identität dar. Aber die unbegründete und unableitbare Spaltung der Bewusstheit in Raum und Zeit, durch die die Gegenstände unabhängig von den Ereignissen* in Erscheinung treten, befähigt und nötigt die Bewusstheit zu einer analogen Spaltung der Realität in eine untilgbare und eine sich verändernde, vergängliche Seinsart, nämlich Inhalt und Form. Der Inhalt vertritt die untilgbare Konstante, die bei jeder Veränderung unangetastet bleibt. Die Form dagegen vertritt eine bloße Konstruktion des Verstandes, die die Aufhebung des Realitätscharakters ermöglicht. Dadurch tritt ein inkonsistenter und sich immerwährend verändernder „Realitätsschein“ hervor, der auch das Scheinbild der Vergänglichkeit hervorruft. Veränderung ist als kontinuierlich laufender Prozess nur dann denkbar, wenn Realität in Inhalt und Form gespalten ist. Der Inhalt stellt ihren einfachen und untilgbaren Charakter dar, während die Form die Vielfachheit aller ihrer denkbaren Erscheinungsweisen bezeichnet. Man beachte, dass das Konzept der Veränderung, das im herkömmlichen Gebrauch die Ablösung einer Form durch eine ihr folgende be64
deutet, sich nur auf die aktuelle Wirklichkeit bezieht, so wie sie von der derzeitigen Bewusstheit und unter deren Bedingungen wahrgenommen werden kann. Die Form ist im Gegensatz zum Inhalt wahrnehmbar; sie bezieht sich auf den Schein der vielfachen Veränderungen im Rahmen der aktuellen Wirklichkeit. Zugleich ist die Wahrnehmung für die Form keine Bedingung; dies gilt auch im weiteren Sinne, nämlich von Ideen, Prinzipien und dergleichen, insofern sie von einer raumzeitlich georteten Bewusstheit gedacht werden. Dass die Wahrnehmung keine Bedingung für die Form ist, bedeutet: Die Reihenfolge der immerwährenden Veränderungen der Wirklichkeit ist im Voraus – a priori – gegeben, ihre unumgängliche Entstehung ist unabhängig von der Tatsache, dass diese wahrgenommen wird. Daraus folgt konsequenterweise: Die Wahrnehmung ist nicht der Grund der Wirklichkeitsveränderung. Inhalt und Form bedingen einander und manifestieren zwei durch die Bedingungen des derzeitigen Verstandes geprägte Betrachtungsweisen der einmaligen, unteilbaren und untilgbaren Realität. Sie helfen dem derzeitigen Verstand, die alles umfassende Realität als kontinuierliches Fließen des kosmogenetischen Geschehens zu erfassen. Sie deuten auf die beiden getrennten, wechselseitig bedingten Betrachtungsweisen der ursprünglichen absoluten Einfachheit hin, die durch alle Transformationen des Unbedingten vermittelt wird. Ihrem Wesen nach sind sie zueinander transzendent; die Transformation überträgt auf sie beide die Untilgbarkeit der ursprünglichen und absoluten Realität, wonach diese zum Merkmal nicht nur des Inhalts, sondern auch der Form der Realität wird. Wir stoßen hier auf einen Widerspruch zwischen der Untilgbarkeit der Form und der unendlichen Veränderung der Gegenstände. Wie kann die Form untilgbar sein, wenn sie durch eine neue Form ersetzt wird? Wenn sogar die neue Form nicht mehr denselben Gegenstand bezeichnet, etwa die Asche das abgebrannte Haus? Dieser Widerspruch ist durch den Blick auf die aktuelle Wirklichkeit aufzulösen. Dem Wesen nach ist die Form untilgbar, sie stellt aber ein in sich geschlossenes Scheinbild der dreidimensionalen Wahrneh65
mung dar. Nur innerhalb der Grenzen dieses Scheinbildes manifestiert sich die immerwährende Veränderung der Gegenstände. Die Dreidimensionalität, die den Schein der Veränderung verursacht, ist in der Tat als Form der Realität untilgbar, die Gegenstände hingegen sind vergänglich, sie manifestieren sich im Rahmen dieser Form in Erscheinung; das heißt, die Form ist untilgbar, die Bestandteile des in ihr konstituierten Scheinbildes sind vergänglich. Der scheinbildhafte Charakter der derzeitigen Wahrnehmung der Wirklichkeit geschieht in zwei unableitbaren und unbegründbaren Phasen. Wir werden im nächsten Kapitel dieses Thema ausführlich behandeln; an dieser Stelle sind nur jene Elemente erwähnt, die zum Bereich der Erscheinung gehören. Erste Phase: Die Totalität der Elementare wird im Bereich der Erscheinung abgespiegelt. Damit ist auch klar, dass die Bewusstheit ebenso ein Produkt dieser Abspiegelung im selben Bereich ist. Dies war der einzige Grund, warum sie – wegen des Wiederholungscharakters der Abspiegelung – einen Realitätsbereich zweiten Grades darstellt; er wurde relative Realität genannt. Nur aus diesem Grund heißt es: Bewusstheit manifestiert in jedem Fall ein Scheinbild. Zweite Phase: Die Bewusstheit wird in einen von der Zeit getrennten Raum gespalten, und dadurch werden die Gegenstände hervorgerufen. Bei der Bewusstheit der ersten Phase ist die Wahrnehmung der Wirklichkeit allein aus Ereignissen* konstituiert; von Gegenständen kann keine Rede sein, sie sind hier undenkbar. Die Wirklichkeit ist als zukünftige Entwicklung des Universums nicht auszuschließen. Sie trägt aufgrund ihres Abspiegelungscharakters in jedem Fall den Charakter eines Scheinbildes. Die Bewusstheit der zweiten Phase ist unsere derzeitige, aktuelle Bewusstheit. Sie ist gespalten und entspricht nicht den Bedingungen der Volldimensionalität, die nur von den Ereignissen vertreten werden kann und aus folgenden Gründen als Scheinbild zu sehen ist: einmal, 66
weil sie Abspiegelung der Elementare im Bereich der Erscheinung darstellt, und zum zweiten, weil sie durch ihre Spaltung in Zeit und Raum die scheinbildhafte Wirklichkeit von Gegenständen hervorruft. Auch wenn diese Bewusstheit – einem Traum analog – als Scheinbild durchschaut wird, bleibt sie als charakteristische Form der Realität untilgbar. Dies muss hier bedeuten, dass das Scheinbild als solches durchschaut werden kann, aber dass dadurch der Realitätscharakter der Wahrnehmung dieses Scheinbildes nicht aufgehoben werden kann; es kann als Form der Realität nicht getilgt werden. Ein Traum kann auch nicht als raumzeitlich positioniertes Ereignis getilgt beziehungsweise rückgängig gemacht werden, auch dann nicht, wenn er nach dem Erwachen als Traum erkannt wird.
IX. Einige Elemente der kosmogenetischen Tätigkeit bekommen sowohl im Bereich der Erscheinung wie auch der Determiniertheit eine zentrale Rolle. Es sind: die Ereignisse, die Eigenschaften und die Bewusstheit. Ihre Entstehung und Grundsätze wurden schon ausführlich dargelegt; die Untersuchungen über ihre Bedeutung für den Bereich der Determiniertheit und des Dualismus sind Gegenstand des folgenden Kapitels. Hier soll zunächst ihre spezifische Rolle im Bereich der Erscheinung erläutert werden. Die Bewusstheit entsteht, wie bereits angesprochen, in der zweiten Phase aus dem Nichts durch die Abspiegelung der Elementare im Bereich der Erscheinung. Im selben Bereich und in der gleichen Phase entsteht die Totalität der Ereignisse. Die Erscheinung ist kein Vermögen des Bewusstseins, dies ist vielmehr die Abspiegelung der Elementare auf die Erscheinung, die die unableitbare und grundlose Entstehung der Bewusstheit signalisiert. Die Ereignisse besitzen keine autonome Existenz, sondern eine bloß abgespiegelte und „wiederholte“, das heißt sie vertreten die Wiederholung der vorauszusetzenden Realität der Elementare; sie sind Scheinbilder. 67
Die Bewusstheit entsteht durch die Abspiegelung, und durch die Bewusstheit wird der Bereich der Erscheinung hervorgerufen. In der ersten Phase gibt es nur atomare Elemente und Elementare, die auf dem Feld der Erscheinung auf folgende Weisen abgespiegelt werden: die erstgenannten in Form von Eigenschaften und die zweiten in Form von Ereignissen. Dabei sind die Eigenschaften nicht in Gegenständen, sondern direkt in Ereignissen konfiguriert. Im metabewussten Realitätsfeld ist kein Nacheinander von „Prozess“ und „Produkt“ denkbar, darum sind Entstehungsprozess und Entstehungsprodukt bei der Entstehung aus dem Nichts identisch. Erscheinung ist das Produkt der Abspiegelung, und im Bereich der Erscheinung ist die aktuelle Wirklichkeit abgespiegelt. Die Abspiegelung dagegen ist der Prozess, durch den die Wirklichkeit im Bereich der Erscheinung als strukturierte Ganzheit entsteht beziehungsweise in Erscheinung tritt. In demselben metabewussten Bereich der Atome und Elementare kann auch nicht von Bewusstheit die Rede sein, dennoch manifestiert sie in ihrem metabewussten Ursprung eine einfache Monade, die in einer Reihe von Elementaren konfiguriert wird; sie transformiert sich – immer als Monade – in bloße Erscheinung, indem diese abspiegelt, was dann zur aktuellen Bewusstheit wird. Die Frage nach dem Unterschied zwischen Bewusstheitsmonade und Bewusstseinseigenschaften ist nur durch das Beispiel von Roboter und Mensch zu beantworten. Dieser Unterschied ist nämlich die Bewusstheit, die weder abzuleiten noch zu begründen, weder zu deuten noch zu interpretieren ist. Im metabewussten Bereich der Realität kristallisiert sich die Monade „Bewusstheit“ als das endgültige Produkt der Transformation des Unbedingten, im Realitätsfeld Erscheinung ist sie als Eigenschaft abgespiegelt. Sie ist das Ich, Ausdruck der sich identifizierenden Tätigkeit, die wir – wie später näher ausgeführt wird – die Ichheit nennen. Ihre Bedeutung für den Bereich der aktuellen Wirklichkeit wurde mehrmals angesprochen; es bleibt Aufgabe des folgenden Kapitels, sie herauszustellen. Wir begnügen uns hier mit der Feststellung, dass die endgültige Kristallisierung des kosmogenetischen Prozesses, die Bewusstheit, den Kern jedes Ereignisses bildet – wenn 68
auch nur potentiell –, und zwar nur als eventuelle Folge einer Befreiung durch die akausale Synchronisierung von Inspiration und Aspiration*. Was die Eigenschaften betrifft, muss man immer wieder betonen, dass sie nicht für sich bestehen, sondern ausschließlich in den Konfigurationen, durch die Ereignisse zusammengestellt werden. Die Ereignisse besitzen also keine Realität unabhängig von den Eigenschaften, so dass sie beide – Ereignisse und Eigenschaften – in ihrer Gesamtheit die Struktur einer begrenzten Totalität bilden. Dies bedeutet die ausnahmslose Zugehörigkeit aller Eigenschaften – sie vertreten eine unendliche Vielheit – zur vollen Matrix der Ereignisse. Die Eigenschaften werden auch als Monaden bezeichnet, die wahrgenommen werden können, da die Tätigkeitsmonaden und Eigenschaften eine identische Struktur besitzen. Was die beiden unterscheidet, ist nur die Bewusstheit; Eigenschaften können wahrgenommen werden (wodurch die Bewusstheit hervorgerufen wird), Monaden aber nicht. Wohlgemerkt, es gibt keine an und für sich bestehende Eigenschaft; man kann sie nicht als Entität betrachten, die unabhängig von Ereignissen entstehen könnte, so als ob durch ihre fortwährende Zusammenstellung das Ereignis erst entstünde. Dieses stellt den vorauszusetzenden Rahmen dar, in dem die Eigenschaft konfiguriert wird. Das Produkt realisiert sich nicht in einem raumzeitlichen Nacheinander. Im Feld der Erscheinung werden die Monaden in Form von Eigenschaften abgespiegelt, und nur in dieser Form können sie wahrgenommen werden; sie machen die Matrix der Wirklichkeit aus. Mit dem Charakterzug „Qualität“ gekennzeichnet, bilden sie im Rahmen der aktuellen Bewusstheit die Grundelemente der Wahrnehmung, mit anderen Worten: Sie verkörpern die Bausteine der wahrnehmbaren Wirklichkeit.
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4 Der Bereich der Bestimmtheit und des Dualismus Das Thema der folgenden Ausführungen ist der Bereich der aktuellen Wirklichkeit, der die Bewusstheit, die Wahrnehmung und das Universum zu seinen spezifischen Konstitutiva zählt. Wir werden ihre Entstehung und Relationen sowie ihre verschiedenen Funktionen herausstellen. Es gibt ferner einige für die kosmogenetische Theorie spezifische Konzepte, etwa Vorgang – Zustand, Ausdehnung – Verdichtung und dergleichen mehr, die in diesem Bereich von Bedeutung sind; sie werden im Anhang ausführlich dargelegt. Hier ist nur die Frage zu beantworten: Welche Rollen spielen sie im Zusammenhang der Entstehung und der Verbindungen zwischen den Elementen des dritten Bereichs?
I. Die kosmogenetische Wirkungskraft ist ein kontinuierlich fließendes Geschehen, welches das dynamische Wirken des Unbedingten signalisiert, das einfach ist; sie repräsentiert also kein Ganzes aus Teilen und keinen Teil eines Ganzen. Vom Standpunkt des derzeitigen Verstandes aus gesehen, kann das kosmogenetische Realitätsprodukt jener Wirkungskraft diskursiv nur in zwei getrennten Realitätsphasen vorgestellt werden: im Vorgang und im Zustand. Diese implizieren ihrerseits ein unumgängliches, aber abstraktes Nacheinander, das keine raumzeitlich geordnete Reihenfolge, sondern eine logische andeutet, dass nämlich der Vorgang dem Zustand vorausgeht, ja dass er seine Entstehung verursacht: Es besteht zwischen beiden eine wechselseitige Bedingung mit kausalem Charakter. Der Vorgang stellt die Ursache und der Zustand die Wirkung dar. Diese Vorstellung vom Vorgang-Zustand entspricht dem derzeitigen Wirklichkeitsverständnis der Veränderung, die als Prozess mit einem Zustand anhebt und durch die Wirkung eines Vorgangs zu einem neuen Zustand führt. 70
Nicht so beim kosmogenetischen Umwandlungsprozess, in dem kein primärer Anfangszustand als vorausgehender Status denkbar ist, dem der Vorgang folgt, weil das kosmogenetische Geschehen in allen Fällen einen Anfang aus dem Nichts darstellt. Hier vertritt der Vorgang einen Anfang aus dem Nichts, und aus diesem Grund ist ein vorausgehender Zustand als Anfangsposition vor dem Vorgang nicht denkbar. Daraus folgt, dass das kosmogenetische Geschehen ein absoluter Anfang aus dem Nichts ist und direkt mit dem Vorgang anhebt; dieser vertritt die Wirkung, der Zustand das Produkt, und demnach vertreten diese zwei Transformationsphasen des Unbedingten zwei getrennte Blickpunkte ein und desselben identischen Aktes der kosmogenetischen Wirkungskraft. Gilt das bisher Gesagte auch für die Phänomene? Die Entstehung der Totalität der Phänomene wird aus dem Nichts mit einem Schlag und als Ganzheit hervorgerufen. Es besteht kein Unterschied zwischen Entstehungsakt und dessen Produkt. Auch der Vorgang entsteht aus dem Nichts, das nicht als Anfangszustand genommen werden kann. Dass dieser Anfang von der Vorgangsentfaltung getrennt ist oder dass es einen Anfangszustand vor der Vorgangsentfaltung gibt, ist undenkbar. Dies bedeutet, es kann keinen von jeglicher kosmogenetischen Entstehung getrennten, unabhängigen und an und für sich bestehenden Anfangszustand geben. Das heißt – gemäß den Grundsätzen unserer Theorie – auch, dass zwischen dem Entstehungsakt und seinem Produkt keine raumzeitliche und keine logische Diversifizierung besteht, insofern der kosmogenetische Entstehungsakt und dessen Produkt einen gemeinsamen und identischen Anfang haben. Der Wirkungsakt, durch den ein Bestandteil der Realität entsteht, ist dem Produkt dieses Wirkungsaktes immanent. Die Identität von Vorgang und Zustand ist ein neues Konzept für den derzeitigen Verstand. Wir haben schon früher bei der Darstellung der Herabstufung gezeigt, wie die Teilung in Vorgang und Zustand der Identität beider nicht im Wege steht, sondern vielmehr einer verstandesmäßigen Veranschaulichung dient. Dort ist als Erstes gezeigt worden, wie sich ihre ursprüngliche Identität in einer dualistisch gespal71
tenen Form kristallisiert, und als Zweites, wie sich diese Form in ihre ursprüngliche Identität zurückverwandeln lässt. Man könnte hier auf eine Unterscheidung zwischen ihnen zurückgreifen, die das Modell von Raumzeit braucht, um eine Unterscheidung zwischen Vorgang und Zustand überhaupt feststellen zu können, wenn auch nur in einer idealen Abstraktion. Dem steht jedoch entgegen, dass diese Spaltung eine Folge des metabewussten Prozesses ist, deren Manifestation nur nach Vollendung derselben gilt. Vorgang und Zustand fallen deswegen auch in der Reflexion in einer beide integrierenden Identität zusammen.
II. Es gibt keinen Prozess im allumfassenden Bereich der kosmogenetischen Realität, der nicht von der Dynamik von Ausdehnung-Verdichtung durchdrungen ist: Alle Phasen des Vorgangs wie auch des Zustands entfalten sich jeweils in die zwei Richtungen von Ausdehnung und Verdichtung*, so auch alle Bestandteile der Realität und der kosmogenetischen Tätigkeit. Sie stellen keine Phänomene dar wie der Urknall oder die ExpansionImplosion* des Universums. Jede raumzeitliche Vorstellung dieser Konzepte ist irrtümlich und entfremdend, weil sie metabewusst und metazeitlich sind. Sie verkörpern keine Phasen der kosmogenetischen Entfaltung, kein Ganzes oder Teil eines solchen und besitzen keine Realität. Sie bezeichnen nur die Richtung, in der das Geschehen sich realisiert. Wenn von „Elementen der Richtungen“ gesprochen wird, sind im Rahmen der kosmogenetischen Theorie infolgedessen die Elemente der Realitätsfelder gemeint, die sich in diesen Strukturen entfalten. Ausdehnung und Verdichtung bezeichnen zwei entgegengesetzte Richtungen der Entstehungsdynamik, die notwendig sind, damit sich eine Transformation des Unbedingten in einen vorstellbaren Bestandteil der Realität konsolidiert, was nur durch das Kreuzen dieser Richtungen erfolgen kann. Denn ohne dieses Kreuzen würde die Transformation sich ziellos immer weiter ins Unendliche entfalten und sich 72
nicht in einer neuen Form konsolidieren. Dieselbe Durchkreuzung der kosmogenetischen Wirkungskraft transformiert das Unbedingte in eine begrenzte Totalität von Elementen unendlicher Zahl und wird in einer neuen Form kosmogenetischer Realität konsolidiert. Wäre dem nicht so, wäre die Transformation des Unbedingten kein dynamisch unendliches Geschehen in zwei entgegengesetzten Richtungen, sondern die zielbedingte Umwandlung einer Instanz in eine andere. Dann wäre auch die konsolidierende Wechselwirkung beider Transformationsrichtungen kein unendliches Geschehen; denn demnach würden diese Richtungen ein lineares Gleis darstellen und würde sich die Umwandlung des Unbedingten in einem endgültigen, substanzartig erstarrten Produkt konsolidieren. Dies ist nach den Grundgesetzen unserer Theorie jedoch ausgeschlossen. Auch die Wirklichkeit, das endgültige Produkt der Transformation des Unbedingten, stellt ein durch Ausdehnung und Verdichtung sich selbst begrenzendes Geschehen dar. Wäre dieses Geschehen unendlich, eingleisig und unbegrenzt – wie ein immerwährendes Fließen in der linear-unendlichen Abfolge der Zeit –, könnte es sich nie zu einer realen Form konsolidieren. Nun, sind beide Richtungen unendlich, dann wird das Ziel der Transformation in beiden Richtungen unerreichbar. Durch das wechselseitige und gegengerichtete Durchlaufen in den polarisierten Richtungen von Ausdehnung und Verdichtung wird die unendliche und unbegrenzbare Wirkungskraft der Transformation – wenn auch zielfrei – dennoch endgültig bestimmt und diskursiv fassbar. Die in zwei konträre Richtungen gespaltene Tätigkeit richtet sich nach zwei konträren, unerreichbaren Zielen: Pluralität und Einfachheit; die erste ist Ziel der Ausdehnung und die zweite der Verdichtung. Die Ziele sind unerreichbar, weil das Fließen der Tätigkeit in beide Richtungen unendlich ist und lediglich durch die wechselseitige Gegenwirkung der zwei Richtungen begrenzt und damit auch bestimmt wird. Bei der Bestimmung der zwei Richtungen ist festzuhalten: Obwohl sie zwei verschiedene Entfaltungen der kosmogenetischen Wirkungskraft sind, besitzen sie eine identische Struktur von Elementen und wirkt 73
nur die Richtung ihrer Reihenfolge entgegengesetzt. Das Wesen der absoluten Realität bleibt in beiden Richtungen unangetastet. Sie behalten dennoch ihre Wirkungskraft, ohne sich zu behindern oder sich zu beeinträchtigen. Nicht nur bedingen sie einander, sie bestimmen einander auch. Diese Bezeichnung rührt daher, dass Richtungen keine Bestandteile der Realität sind, die bestimmt werden könnten, sondern Gleise der bestimmenden, entgegengesetzten Folgen der Transformationswirkungskraft, wodurch das kosmogenetische Geschehen sich konsolidiert. Wesentlich für die Beziehung von Ausdehnung (a b c d) und Verdichtung (d c b a) ist: Die Reihenfolge der Elemente ist identisch. Ihre logische, abstrakte Gegenüberstellung macht den Unterschied zwischen ihnen aus. Er ist nicht endogen, sondern einem außerhalb beider Reihenfolgen liegenden Grund zuzuschreiben; er ist undefinierbar und unbestimmt, obschon er den konträren Charakter der Richtungen prägt, und weil das Konzept nicht unter raumzeitlichen Bedingungen steht, sind Anfang und Ende relativ und austauschbar.4 Weder Ausdehnung noch Verdichtung üben irgendeine selbstständige, von der entgegengesetzten Richtung unabhängige Funktion aus. Die Umkehrung einer Reihenfolge, deren Elemente abstrakte Zeichen sind, scheint dem derzeitigen Verstand eine Selbstverständlichkeit zu sein (a-b-c-d-e … xn und xn … e-d-c-b-a). Betrachtet man die Elemente als Punkte eines Kreises, so gibt es weder Anfang noch Ende. Nur willkürlich kann ein Punkt als Anfang des Kreises gesetzt werden, er kann aber zugleich auch dessen Ende darstellen. Dies ist bei den Bestandteilen der kosmogenetischen Realität nicht so. Im kosmogenetischen Geschehen sind die Elemente der Reihenfolgen von Ausdehnung und Verdichtung keine geometrischen Abstraktionen, sondern individuierte Bestandteile der Realität. Es tauchen hier einige Fragen auf. So ist gesagt worden: Der Grund einer Umkehrung der Richtungen ist nicht eindeutig fassbar. Wenn aber die Unendlichkeit grenzenlos ist, wie ist dann ihre Umkehrung möglich? Woher die Wirkung? Woher die Tätigkeit, die die Umkehrung bewirkt? 74
Die Bestandteile der kosmogenetischen Wirklichkeit fließen auf den Gleisen ihrer Einordnung in die Matrix der Bestimmtheit erst durch die sich in Gegenrichtung entfaltende Ausdehnung-Verdichtung. Durch die von der Matrix vorgegebene Ordnung werden sie aufeinander bezogen und fixiert und erreichen durch ihre Positionierung ihre endgültige Individuation. Dies nennen wir Begrenzung in einer Totalität. Die strukturelle Kontinuität der Elemente wird dadurch nicht beeinträchtigt, ihre numerische Zahl weder erweitert noch vermindert. Die Begrenzung der Unendlichkeit wird nur durch das wechselseitige Durchdringen der kosmogenetischen Tätigkeit und ihres Spiegelbildes realisiert.
III. Die Entfaltung der kosmogenetischen Tätigkeit ist, wie oben erwähnt, in zwei entgegengesetzte und ineinandergreifende Richtungen gespalten; das Widerstreben der Richtungen begrenzt und bestimmt ihre Unendlichkeit. Es wurde auch behauptet, dass die Spaltung der fließenden Tätigkeit in zwei diversifizierte Ausgangspositionen ihre Identität nicht aufhebt, was zu einem Widerspruch führt. Hinzu kommt, dass Ausdehnung und Verdichtung, die Pluralität und Einfachheit als Ziel haben, dieses nicht erreichen, da sie keine endgültig geprägten Instanzen darstellen, sondern nur abstrakte und unerreichbare Ziele für die sich ausdehnende und verdichtende kosmogenetische Tätigkeit. Dabei signalisiert Einfachheit Konzentration und potentielle Leerheit, Pluralität dagegen Vielfachheit und Zerstreutheit. Der betreffende Widerspruch bleibt bestehen. Er ist keine irrige Folgerung, er manifestiert die Dynamik der Kosmogenese, wonach alles aus dem Nichts entsteht, selbst das Nichts und das Alles entstehen. Mithin entfaltet sich die „anfangsfreie“ und „endlose“ kosmogenetische Tätigkeit in zwei entgegengesetzten Richtungen. Ist also die Verschmelzung von Identität und Spaltung der innewohnende Urgrund der Realität? 75
Hier hilft das von der kosmogenetischen Theorie eingeführte Konzept: die Koinzidenz*, die den transzendenten5 Bezugspunkt zwischen den zwei Richtungen bezeichnet. Koinzidenzen gehören keiner Richtung als Element an; sie besitzen keine Wirkungskraft und vertreten keine kosmogenetische Tätigkeit, sondern stellen den Schnittpunkt von Tätigkeiten dar. Durch die Wirkungskraft der sich am Schnittpunkt der Koinzidenzen treffenden Tätigkeiten – die einander nicht behindern – werden alle Faktoren und Instanzen der kosmogenetischen Entstehung aus dem Nichts hervorgerufen. Man beachte, dass sie keine Substanzen und keine realen Bestandteile der Realität sind; vielmehr stellen sie immer abstrakte Schnittpunkte von Tätigkeiten dar, die auf den Uranfang des kosmogenetischen Geschehens hinweisen, der nur das Unbedingte sein kann. Mit der uns vertrauten Logik, die Geschehen ohne Subjekte oder Objekte ausschließt, ist die Frage nicht zu beantworten. Die unendliche Entfaltung ein und derselben Tätigkeit in zwei sich widerstrebende Richtungen ist nicht vorstellbar. In der Tat, der Verstand unterstellt zwei voneinander unabhängige Tätigkeiten oder eine einzige, die jedoch in die zwei entgegengesetzten und in eine Folge von nebeneinander sich entfaltenden Richtungen fließt. Das aber setzt zwei Zeitmomente voraus: erst die eine Richtung und nachdem sie beendet ist, folgt die andere. Dies ist aber im kosmogenetischen Geschehen nicht gegeben. Unser aktueller Verstand wird unter der Dominanz seiner kategorialen Bedingungen mit der in zwei Richtungen fließenden Entfaltung aus dem Nichts konfrontiert, was für sich Verwirrung und Widersprüche verursacht. Im Bereich der Einfachheit hatten wir mit der Herabstufung zu tun. Sie wurde als der kosmogenetische Prozess angesprochen, der mit Einfachheit anhebt und sich in Richtung Pluralität entfaltet. Der kosmogenetische Prozess der Rückkehr dagegen hebt mit Pluralität an und entfaltet sich in Richtung Einfachheit. Die Transformation des Unbedingten in die Totalität der Phänomene, der Elementare und der Ereignisse bietet die Antwort auf diese Widersprüche. 76
IV. Zum Bereich des Dualismus gehört auch die Spaltung der Realität in Inhalt und Form*. Durch die aus dem Begriff der Realität hervorgehende Notwendigkeit, ihre Einheit aufrechtzuerhalten, ist der aktuelle Verstand genötigt, diese Spaltung vorzunehmen: in die von jeder Veränderung unantastbare Instanz, den Inhalt, auf der einen Seite und in die Form, die sich immerwährend verändert, auf der anderen. Dabei bleibt die Realität einmalig und alles umfassend; alle ihre Formen entstehen und entfalten sich in ihrem Rahmen; sie sind nur als organische Teile dieser einen ursprünglichen Realität zu sehen. Es ist nämlich widersprüchlich, zwei transzendente, voneinander unabhängige Realitäten anzunehmen, genauso wie zwei absoluta. Im ursprünglichen Anfangszustand der kosmogenetischen Realitätsentfaltung und unabhängig von den Bedingungen der aktuellen Bewusstheit sind Inhalt und Form eine unzertrennbare und einfache Identität. Erst durch das Konzept der Veränderung wird es möglich, eine Spaltung der Realität und damit eine Veränderung als kontinuierlich laufender Prozess zu denken. Die unableitbare Spaltung der Bewusstheit in Raum und Zeit – durch welche die Gegenstände unabhängig von den Ereignissen in Erscheinung treten können – befähigt und nötigt dieselbe Bewusstheit zu einer analogen Spaltung der Realität in eine untilgbare und sich verändernde und vergängliche Seinsart: den Inhalt, der die untilgbare Konstante vertritt, die bei jeder Veränderung unangetastet bleibt, und die Form, die dagegen eine bloße Konstruktion des Verstandes ist, welche die Aufhebung des Realitätscharakters ermöglicht. Dadurch tritt ein inkonsistenter, sich immerwährend verändernder Realitätsschein hervor, der auch das Scheinbild der Vergänglichkeit hervorruft. Dennoch, Inhalt und Form sind wechselseitig bedingt; sie manifestieren zwei durch die Bedingungen des derzeitigen Verstandes geprägte Betrachtungsweisen der einmaligen, unteilbaren und untilgbaren Realität. Diese dualistisch gespaltenen Betrachtungsweisen helfen dem derzeitigen Verstand, die alles umfassende Realität als kontinuierliches 77
Fließen des kosmogenetischen Geschehens zu erfassen. Wohlgemerkt: Als solcher ist der Inhalt unantastbar, unveränderlich, unteilbar und in allen individuierten Bestandteilen der Realität identisch; er bezeichnet den essentiellen Charakterzug der alles umfassenden Realität und signalisiert das Unbedingte, in dem er als seinem Ursprung gründet. Im Gegensatz zum Inhalt bezeichnet die Form der Realität das Feld aller Transformationen, die in individuierten Gestalten – jedoch nur als bloße Möglichkeit – konstituiert werden. Die Form vertritt keinesfalls ein individuiertes Element und nicht die Totalität aller Gestalten, die in ihrem Feld erscheinen können. Wie bereits betont: Sie ist kein Ganzes, das aus Teilen besteht, und kein Teil eines Ganzen; mit Form ist eine Betrachtungsweise als Realität gemeint und keine individuiert erscheinende Gestalt. Wir müssen an dieser Stelle die Unterscheidung zwischen Form und Gestalt einführen, deren weitreichende Konsequenzen es zu beachten gilt. DieFormbezeichnet die Vielfachheit aller denkbaren Erscheinungsweisen der Realität als bloße Möglichkeit, die Gestalt bedeutet hingegen die raumzeitlich geortete Erscheinung eines Gegenstandes, die von der Anschauungsfähigkeit der Bewusstheit wahrgenommen wird. Dies bedeutet aber nicht, dass die Wahrnehmung keine Bedingung für das Realitätsfeld der Form ist, sondern vielmehr eine mögliche Tätigkeit der Bewusstheit. Mit anderen Worten: Die Form kann wahrgenommen werden, muss es aber nicht. Die Gestalt ihrerseits ist eine wahrgenommene Form; sie ist deswegen raumzeitlich positioniert. Darum gilt folgende Feststellung: Die Form der Realität ist untilgbar, die Gestalt eines Gegenstandes ist vergänglich. Die Form bezieht sich auf die Möglichkeit der Realität, sich in verschiedenen und diversifizierten Bereichen zu aktualisieren. Gestalt dagegen ist die raumzeitlich eingeordnete anschauliche Wahrnehmung eines aktuell erscheinenden Gegenstandes.
V. Die Totalität der Ereignisse entsteht im Bereich der Erscheinung, also in der zweiten Phase der Entstehung der kosmogenetischen Realität, 78
aus dem Nichts, wenn Elementare* durch die Abspiegelung wahrgenommen werden. Das heißt, die Elementare transformieren sich in Ereignisse durch die Wahrnehmung. Die Totalität der Ereignisse in der zweiten Phase ist weder abzuleiten noch zu begründen; wir sind mit ihr als Tatsache konfrontiert. Sie ist so zu verstehen, dass die Eigenschaften, die in ihr konfiguriert sind, das endgültige Produkt der kosmogenetischen Entfaltung sind. Diese Eigenschaften stellen unsere Wirklichkeit beziehungsweise die Totalität der Phänomene dar. Vom endgültigen Produkt des metabewussten Entstehungsprozesses (den Elementaren) zur Struktur der abgespiegelten Wirklichkeit (den Ereignissen) und der gegenständlich wahrgenommenen Wirklichkeit gibt es keinen Übergang. Ferner bilden die Ereignisse eine Totalität, die in einer vorgegebenen Matrix geordnet sind. Diese impliziert die unteilbare Einheit der vier Dimensionen; wie schon erwähnt, entstehen und erscheinen sie auf dem Feld der Erscheinung durch die Abspiegelung der Elementare. Aber durch die „Umgebung“, in der die Ereignisse entstehen, erscheinen sie als sich kontinuierlich verändernde Gestalten, also in Raum und Zeit: Die Gegenstände sind im Raum geortet, die Ereignisse dagegen in der Zeit; damit gleitet man außerhalb der Einheit Raumzeit in eine gespaltene Dimensionalität, die aus der Bewusstheit hervorgeht und die Gegenstände entstehen lässt. Aus dieser Perspektive betrachtet, gehören die Ereignisse dem Bereich des Dualismus und der Determiniertheit an. Es sei daran erinnert, dass die Ereignisse eine Totalität bilden, deren Elemente mit einem Schlag als Ganzes hervorgerufen und „begrenzte Totalität“ genannt werden. Ihre Elemente stehen in einer ununterbrochenen Kontinuität, sind zueinander transzendent und a priori individuiert; denn jedes Element gründet in sich, ist unabhängig und in keiner Weise bezogen auf die Einordnung der Phänomene im Raum oder ihre geschichtliche Reihenfolge in der Zeit. Dieser Charakterzug – die Individuation – beruht auf einer besonderen, a priori bestehenden, raumzeitlich unbedingten und von allen Beschränkungen der Bewusstheit oder der aktuellen Wirklichkeit unabhängigen Einmalig79
keit. Dieses Kennzeichen wird sozusagen auf jedes Ereignis durch seine einmalige Einordnung in eine vorgegebene Matrix aufgeprägt. Hier ist von Veränderung die Rede, von einem Zueinanderfließen der Ereignisse im Sinne der Kosmogenese, in der es keine Gegenstände als reale Bestandteile der Wirklichkeit gibt. Die abgeschlossene, vollendete Form der aktuellen Wirklichkeit ist die Folge von zwei voneinander getrennten und sich nicht behindernden Werdegängen: die Abspiegelung und die Spaltung der Dimensionalität in der Bewusstheit. Die Abspiegelung manifestiert kosmogenetische Tätigkeit und stellt eine Form der Transformation des Unbedingten dar. Durch diese Tätigkeit wird der Bereich der Erscheinung hervorgerufen, die das Wesen und die Form der aktuellen Bewusstheit darstellt. Die Erscheinung umfasst alle Ereignisse, die ihrerseits die endgültige Kristallisierung der kosmogenetischen Tätigkeit repräsentieren – eine bedingte Realität, denn Ereignisse schaffen den Schein einer Realität und keine an und für sich bestehende Wirklichkeit. Sie haben nur eine abgespiegelte und „wiederholte“ Existenz; sie vertreten die Wiederholung der vorauszusetzenden Realität der Elementare, die in vorgegebener Ordnung der Determiniertheit folgt. Die Totalität der Ereignisse ist mit einem Schlag und als Ganzes in allen seinen Teilen hervorgerufen, das apriorische Individuationskennzeichen inbegriffen. Aus diesem Grund ist nach kosmogenetischen Prinzipien die Vorstellung einer sich im Laufe der Zeit entfaltenden Veränderung undenkbar. Wenn nämlich alle Ereignisse als Ganzheit mit einem Schlag gegeben sind, dann sind auch die Gegenstände in allen Phasen ihrer Erscheinung mit einem Schlag fixiert. Hieraus wird klar, dass das Konzept einer Veränderung nur für die physikalischen Phänomene gilt, die zur dreidimensional bedingten Wahrnehmung gehören. Ein Ereignis hat eine bestimmte Dauer in der Zeit und einen bestimmten Ort im Raum; diese Einordnung nennen wir Aktualität, eine für alle Ereignisse unumgängliche Bedingung. Nun kann diese Aktualität real oder auch imaginär sein, das heißt so vorgestellt, als sei sie in einem raumzeitlichen Punkt geortet. Unabhängig von seiner Ak80
tualität verkörpert das Ereignis die Realität, während es nur so lange wirklich ist, wie es aktuell ist. Wirklichkeit beziehungsweise Aktualität sind auf eine zeitliche Dauer begrenzt und deswegen vergänglich, Realität ist dagegen untilgbar. Daraus wird ersichtlich, wie ein Ereignis in jedem Fall Realität, Wirklichkeit und Aktualität vertritt. Ein imaginäres Ereignis ist dagegen zweimal in die Raumzeit eingeordnet: durch seine eigene imaginäre Aktualität und durch die raumzeitliche Positionierung des vorstellenden Subjekts. Aus allen erwähnten Gründen unterscheiden wir zwischen dem Realitätscharakter und dem Wirklichkeitscharakter eines Ereignisses: Der erste ist untilgbar, weil schon der Begriff Realität ihn impliziert, der zweite ist vergänglich, weil er nur für die Dauer seiner Entfaltung in der Zeit vorhanden ist. Die Ereignisse sind Spiegelbilder der Elementare, ohne eigene Substanz oder eigenes Wesen, ohne Inhalt und ohne Form; sie sind „leere“ Erscheinungen beziehungsweise „bedingt real“, insofern sie die Realität der Elementare voraussetzen. Wenn die Entstehung der Elementare nicht endgültig vollendet ist, können die Ereignisse – obwohl sie keine Bedingung der Existenz von Elementaren sind – nicht existieren. Diese kosmogenetische Tätigkeit findet in ihnen ihre Kristallisierung. Die Elementare erzeugen auf der Anschauungsbühne der Bewusstheit, die sie in Form von Ereignissen wahrnimmt, den Schein der Existenz des Universums durch die Spaltung derselben Bewusstheit in Raum und Zeit. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Realität entsteht in einer ersten Phase als Möglichkeit, unabhängig vom Bewusstsein. In einer zweiten Phase entsteht die Möglichkeit der Wahrnehmung und in einer dritten entsteht die Wahrnehmung einer Spaltung der Wirklichkeit.
VI. Die Wirklichkeit manifestiert sich immer als Totalität aller Ereignisse. Ihre Bestandteile sind die Erlebnisse, die Gegenstände und die verschiedenen Subjekte, die sie wahrnehmen. Die variierende Auswahl der Eigenschaften verursacht ihre Konfigurierung in Ereignissen wie 81
auch ihre Diversifizierung; dies ist so, weil bei jedem Ereignis alle denkbaren Eigenschaften als integrierte Totalität enthalten sind, trotz der Diversifizierungen der Ereignisse. Die kosmogenetische Theorie bietet die im Folgenden beschriebene Formel der Wirklichkeitsstruktur, die das oben Gesagte herausstellen soll. In den Darstellungen sind die Eigenschaften mit einem (+) oder (−) versehen. (+) bedeutet aktuelles, beziehungsweise real-aktuelles und (−) bloße Potentialität im Sinne von „real-potentiell“. Beide aber sind Eigenschaften, die mit jeder anderen Eigenschaft verknüpft sind, was bedeutet, dass alle Eigenschaften komplex und in jedem Ereignis gegeben sind: Im Fall (+) bestimmen sie das aktuelle Geschehen in ihm, und im Fall (−) vertreten sie das rein Potentielle. Daraus ergibt sich folgende Darstellung: (+) Eigenschaft: Subjekt Eigenschaft: Objekt Eigenschaft: Erleben
(−) Eigenschaft: Nicht-Subjekt Eigenschaft: Nicht-Objekt Eigenschaft: Nicht-Erleben
Das heißt, dass in jedem Ereignis die Totalität aller denkbaren Eigenschaften konfiguriert ist. Dies lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: „Ein brauner Hund wird um 10.00 Uhr an der Leine geführt.“ Hund sein (+), Katze sein (−), Maus sein (−) usw. braun sein (+), rot sein (−), gelb sein (−) usw. an der Leine geführt (+), frei laufen (−), im Zimmer eingesperrt sein (−) usw. 10.00 Uhr (+), 9.00 Uhr (−), 8.00 Uhr (−), 7.00 Uhr (−) usw. In dem Sinne ist die Totalität aller denkbaren Eigenschaften bei jedem Ereignis konfiguriert. Unterschieden werden die diversifizierten Er82
eignisse nur durch (+) oder (−). Jedes einzelne Ereignis besteht aus der Konfiguration aller denkbaren Eigenschaften. In diesem Sinne ist es möglich, Realität als eine Totalität von Ereignissen zu betrachten, die nur aus konfigurierten Eigenschaften bestehen und nicht aus substantialisierten Gegenständen. Deutung von (+) oder (−) Eigenschaften: Hund sein (+), Katze sein (−), Maus sein (−) usw. Totalität unendlich: nicht Hund sein = Katze sein (−), Maus sein (−) usw. Totalität endlich: Hund sein (+) und nicht Hund sein (−) nicht Hund sein bedeutet = alles andere außer Hund sein Die abstrakte Formel: X = irgendeine Eigenschaft (X1 X2 X3 X4 Xn) = Die Totalität aus Elementen unendlicher Zahl. Nicht Xn = alle X außer Xn Xn und nicht Xn = Die Totalität aus Elementen endlicher Zahl. Eigenschaften bestehen nur als in Ereignissen konfigurierte Elemente. (+) Eigenschaften bestimmen das aktuelle Geschehen bei einem Ereignis. (−) Eigenschaften vertreten das bloß potentielle Geschehen. (+) oder (−) sind Eigenschaften, die mit jeder anderen Eigenschaft verknüpft sind. Die folgende Formel vertritt die alle Ereignisse umfassende Wirklichkeit: (+) X1 (−) X2 (−) X3 (−) X4 (−) Xn (−) X1 (+) X2 (−) X3 (−) X4 (−) Xn (−) X1 (−) X2 (+) X3 (−) X4 (−) Xn (−) X1 (−) X2 (−) X3 (+) X4 (−) Xn (−) X1 (−) X2 (−) X3 (−) X4 (+) Xn 83
In einer Reihenfolge von Eigenschaften ist nur eine jeweils die (+) Eigenschaft. (+) X1 und (−) nicht X1 (+) X2 und (−) nicht X2 (+) X3 und (−) nicht X3 (+) Xn und (−) nicht Xn Da wir nicht in der Lage sind, die kosmogenetische Realität als das durch sich selbst entstehende und entstandene Geschehen wahrzunehmen, sondern lediglich mit dem endgültigen Produkt dieses Prozesses konfrontiert sind, wird der kosmogenetische Entstehungsprozess im Gegensatz zur aktuellen Wirklichkeit als metazeitlich bezeichnet. Es geht bei dieser Wirklichkeit um die Totalität aller raumzeitlich georteten Ereignisse, gleich ob sie aktuell von der derzeitigen Bewusstheit wahrgenommen werden oder nicht, was sowohl für die kosmogenetische, vierdimensionale Wirklichkeit gilt wie auch für die aktuelle, dreidimensional bedingte Wahrnehmung. Diese zwei Phasen der Wirklichkeit – die kosmogenetische und die aktuelle – manifestieren sich im Bereich der Erscheinung, wobei die aktuelle sich in einer geschlossenen und allein für sich gültigen Realität manifestiert; vergleicht man sie aber mit der kosmogenetischen, vierdimensionalen Realität, dann kann sie nur als traumähnliches Scheinbild gesehen werden; deshalb wird sie als irreal und als relative Realität bezeichnet. Die Dimensionalität6 der aktuellen Wirklichkeit ist in einen von der Zeit getrennten Raum gespalten. Durch diese Spaltung entsteht der Schein der existierenden Dinge. Die aktuelle Wirklichkeit ist im Gegensatz zur kosmogenetischen vierdimensionalen und daher voll dimensionierten realen Wirklichkeit dreidimensional, daher scheinbildhaft. Ihr scheinbildhafter Charakter gründet in der dimensionalen Unvollständigkeit der derzeitigen Bewusstheit. Im Wirkungsfeld unserer aktuellen Bewusstheit – und ausschließlich unter den in ihrem Bereich geltenden Bedingungen – werden 84
durch die Tätigkeit der Wahrnehmung Form und Wesen unserer derzeitigen Wirklichkeit geprägt. Man glaube nicht, diese Wahrnehmung sei eine passive Empfänglichkeit, die äußere und für sich bestehende Reize wahrnimmt. Sie ist die Tätigkeit, durch die diese Reize in der von der Bewusstheit projizierten, jedoch in Raum und Zeit gespaltenen Umgebung hervorgerufen und wirksam werden. Die Bewusstheit ihrerseits kann nicht an und für sich seiend gedacht werden; sie entsteht durch die Identifizierungstätigkeit, und diese vertritt samt allen Tätigkeiten Transformationen des Unbedingten. Die spezifische Tätigkeit, durch die die Bewusstheit in Entstehung gerufen wird, ist ihr „Wirkungsfeld“. Hier gilt wieder das kosmogenetische Prinzip: Die Tätigkeit ruft ihre Träger hervor; das heißt in diesem Fall, das Wirkungsfeld der Bewusstheit entsteht durch die Identifizierungstätigkeit und nicht umgekehrt.
VII. Im Hinblick auf ihre Entstehung im Bereich der Erscheinung können wir einen Vergleich zwischen der vier- und der dreidimensionalen Wirklichkeit vornehmen. Das Unbedingte manifestiert sich durch seine eigene grundlose Selbstbegrenzung in der kosmogenetischen Realität. Diese entsteht aus dem Nichts in drei Phasen: Die Totalität der Elementare im metabewussten Bereich, die Totalität der Ereignisse im Bereich der Erscheinung und die Totalität der Gegenstände im Bereich der Spaltung. In der zweiten Phase entsteht die vierdimensionale und in der dritten die dreidimensionale Wirklichkeit. Der Unterschied zwischen Realität und Wirklichkeit ist: Die (vierdimensionale) Realität ist raumzeitlich unbedingt und manifestiert in allen Fällen ausschließlich Geschehen; die (dreidimensionale) Wirklichkeit dagegen ist ein begrenztes Realitätsfeld, dessen Bestandteile raumzeitlich geortet sind. Alles Wirkliche ist potentiell wahrnehmbar und gehört deswegen auch zur Bewusstheit; Wirklichkeit und Bewusstheit bedingen sich 85
wechselseitig. Dies zeigt sich sowohl in der zweiten wie auch in der dritten Entstehungsphase. Die zweite Phase manifestiert die Abspiegelung* der Elementare auf dem Feld der Erscheinung, wodurch sie sich in Ereignissen transformieren, und durch diese Transformation entsteht die Bewusstheit. Beide, Wirklichkeit und Ereignisse, stellen in dieser Phase keine direkte Transformation des Unbedingten dar. Die Wirklichkeit vertritt eine nur wiederholte Realität, die ein Scheinbild der zweiten Entstehungsstufe ist, das Scheinbild einer realen Existentialität der Ereignisse – allerdings ohne Gegenstände oder deren abstrakte Substrate wie Subjekt-Objekt und dergleichen, weil Eigenschaften direkt in Ereignissen konfiguriert werden. In dieser Phase sind Gegenstände wegen ihrer Dreidimensionalität imaginär und abstrakt, geometrischen Punkten entsprechend. Die Wirklichkeit der dritten Phase ist dreidimensional; sie ist Folge der nicht ableitbaren Spaltung der Bewusstheit der zweiten Phase getrennt in Raum und Zeit, jener Spaltung nämlich, durch die die Gegenstände hervorgerufen werden. Diese sind Scheinbilder, aber Scheinbilder zweiten Grades, denn sie setzen das zuvor genannte Scheinbild als jenes des ersten Grades voraus.
VIII. Die Ereignisse vertreten in jedem Fall sowohl Realität als auch Wirklichkeit, sowohl die vier- als auch die dreidimensionale. Wir unterscheiden streng zwischen Realität und Wirklichkeit. Ein Ereignis hat eine bestimmte Dauer in der Zeit und einen bestimmten Ort im Raum; das ist seine Einordnung, die Aktualität genannt wird. Ein Ereignis ist nur wirklich, solange es aktuell ist, das bedeutet, Wirklichkeit und Aktualität fallen zusammen und sind wechselseitig bedingt. Zwar kann diese Aktualität real oder auch imaginär sein; denn auch imaginäre Ereignisse können so vorgestellt werden, als ob sie in einem raumzeitlichen Punkt geortet wären, der ihre Aktualität signalisiert. In diesem Fall ist das Ereignis zweimal in der Raumzeit eingeordnet: durch seine eigene, imaginäre Aktualität und durch die raumzeitliche Positionie86
rung des vorstellenden Subjekts. Ein imaginäres an und für sich seiendes Ereignis ist nicht denkbar. Die Realität eines Ereignisses, die es verkörpert, ist ihrerseits unabhängig von seiner Aktualität. Sie ist keinesfalls raumzeitlich bedingt und daher untilgbar, während Wirklichkeit beziehungsweise Aktualität auf eine zeitliche Dauer begrenzt und deswegen vergänglich ist. Auch Gegenstände werden als „real-wirklich“ wahrgenommen, aber nur solange sie in aktuelle Ereignisse integriert sind. Es wurde oben behauptet, dass Aktualität die Bedingung sine qua non für den Wirklichkeitscharakter aller Ereignisse ist. Ein Ereignis, das sich ereignet, ohne wahrgenommen zu werden, ist ein Unding. Es ist weder wirklich noch unwirklich, es ist einfach „kein Ereignis“. Die Rechtfertigung dieser Aussage lautet: Die Ereignisse manifestieren die Abspiegelung der Elementare; dadurch entsteht im Feld der Erscheinung die Bewusstheit als Form der aktuellen Wirklichkeit. Ereignisse setzen demnach als „Bedingungen ihrer Möglichkeit“ Bewusstheit voraus.
IX. Die Wahrnehmungsfähigkeit der derzeitigen Bewusstheit ist begrenzt, einmal, weil sie eine im Feld der Erscheinung abgespiegelte Wiederholung, und zum zweiten, weil sie in Raum und Zeit gespalten ist. Ihre Spaltung wird auf die Struktur der wahrgenommenen Wirklichkeit übertragen; denn diese ist bar jeder an und für sich bestehenden Gestalt und stellt nur den Schein einer durch die Geltung der Bedingungen des Bewusstseins geprägten Realität dar. Die Wahrnehmung ist eine von jenen Bewusstheitstätigkeiten, die man Sinnesempfindungen, Anschauung, Vorstellung und letztlich auch Begriff nennt. Damit wird gesagt: Die Struktur und das Wesen der Wirklichkeit werden nur innerhalb des Feldes der Bewusstheit und zwangsläufig unter ihren Bedingungen wahrgenommen. Insbesondere die Struktur und das Wesen des Universums stehen unter diesen Bedingungen, das heißt, der Wirklichkeitscharakter der Gegenstände 87
kann nur in der Bewusstheit seinen Grund haben; sie stellt sich die Wirklichkeit nach ihren eigenen Kategorien und Bedingungen vor. In der Wirklichkeit ist die Spaltung der Dimensionalität in Raum und Zeit die apriorische Determiniertheit und der Dualismus. Sie ist nämlich die Ursache der scheinbildhaften Gestaltung aller projizierten Wirklichkeitselemente, die nicht als Ereignisse, sondern als Gegenstände wahrgenommen werden. Aufgrund der Spaltung der Einstein’schen „globalen“ Raumzeit in Raum und Zeit wird die Bewusstheit durch ihre eigenen Bedingungen genötigt, nicht den Ereignissen, sondern den Gegenständen Realitätscharakter zuzuschreiben. Sie erscheinen im Raum geortet und verändern sich im Laufe der Zeit. Die aktuelle Bewusstheit erfasst die so entstandene Wirklichkeit (unser Universum) als tatsächliche Struktur der Realität und erliegt somit einer Art Trug. Es ist öfter betont worden, dass eine Raumzeit, die an und für sich und unabhängig von den Ereignissen bestünde, den Grundsätzen unserer Theorie widerspricht. Die Ereignisse aber gehören zu einer Totalität, die in einer vorgegebenen Matrix geordnet ist, welche die unteilbare Einheit der vier Dimensionen – Raum und Zeit – impliziert. Raum und Zeit bezeichnen somit nicht nur die Reihenfolge der Ereignisse, sondern auch die der Elementare, was impliziert, dass auch die Reihenfolge der Elementare raumzeitlich bedingt ist. Raum und Zeit sind demnach Bestandteile nicht nur der Erscheinung, sondern auch des nicht wahrnehmbaren, metaphysischen Bereichs der Elementare.7 Dies liegt daran, dass die raumzeitliche Ordnung der Elementare mit der raumzeitlichen Ordnung der Ereignisse identisch ist, nur können die Elementare nicht wie die Ereignisse wahrgenommen werden. Unser Bewusstsein „bewegt“ sich im Bereich der Spaltung; es entsteht im Bereich der Abspiegelung (2. Phase), schafft sich aber seinen eigenen Bereich durch Spaltung in Raum und Zeit (3. Phase). Man kann so weit gehen und postulieren, dass es keine kausale Verbindung zwischen diesen Phasen gibt. Das Bewusstsein ist allerdings in der Lage zu durchschauen, dass die Wirklichkeit aus Ereignissen besteht und die Ausnahme* eine Rückkehr in die Unbedingtheit ermöglicht. Es ist wichtig hinzuzufügen, dass die Tätigkeit der Bewusstheit auch eine 88
Betrachtungsart der kosmogenetischen Tätigkeit darstellt. Zwar erzeugen die sinnlichen Empfindungen in uns die Gewissheit über die unanfechtbare Existenz der Dinge, dies ist aber nicht den Dingen selbst zuzuschreiben, sondern der konstruierenden Fähigkeit der Wahrnehmung. Wenn aber Gegenstände und Dinge nicht existieren, was existiert dann überhaupt? Die Antwort lautet: Die Spaltung der Bewusstheit in Raum und Zeit ist die Ursache der Entstehung von Subjekt-Objekt, von Dingen im Raum, von deren Veränderung in der Zeit und von einem sich abtrennenden Ich, das eine dauerhafte Stelle im Raum beansprucht. Raum und Zeit bestehen nur innerhalb der Grenzen als Folge dieser Spaltung. Für den Verstand sind sie durch die Spaltung verursachte Konstruktionen. Die einfache Eigenschaft, die als Tätigkeit der Wahrnehmung bezeichnet wird, konstruiert durch eigene endogene Tätigkeit im Feld der Erscheinung die scheinbildhafte Existenz aller Wirklichkeitselemente, mit anderen Worten: Durch die Wahrnehmung entstehen die Wirklichkeitselemente, sie werden im Allgemeinen als „Dinge“ und in ihrer Gesamtheit als „Welt“ bezeichnet. Ihr Entstehungsakt wird als solcher nicht wahrgenommen, sondern nur das konstruierte Produkt dieses Aktes in Gestalt eines sich in der Zeit verändernden und im Raum georteten Gegenstandes. Das ist auch der Grund der irrtümlichen Wahrnehmung von Raum und Zeit bei der derzeitigen Bewusstheit, das heißt unserer Unfähigkeit, den Entstehungsprozess der Raumzeit als Geschehen zu erfassen; die Wahrnehmung bleibt auf das endgültige Produkt fixiert. Kehren wir nun zur Urknalltheorie zurück. Der Urknall ist das einzige einmalige Phänomen, dem kein anderes Phänomen vorausgeht. Er verkörpert zugleich das Ganze der Realität, denn diese kann nicht in Brüchen, sondern nur als Ganzes aus dem Nichts entstehen. Demnach manifestiert der Urknall den Dauerzustand der Realität und kann kein Ende aufweisen: ein Anfang ohne Dauer, ein Anfang ohne Ende, ein Uranfang. Es ist auch behauptet worden, dass der Urknall weder An89
fang noch Dauer noch Ende haben kann, denn all dies würde die Zeit voraussetzen, sie tritt aber erst zusammen mit der Entstehung des Ganzen der Wirklichkeit hervor, und die Funktionen der Raumzeit werden erst nach der vollendeten Entstehung des Universums tatkräftig. In weiteren Konsequenzen folgt, dass wir uns nicht in der Zeit befinden und dass unsere Existenz noch im zeitlosen Urknall schwebt. Die aktuelle Zeit vertritt vielmehr eine sich durch die Bedingungen der Bewusstheit manifestierende, leere Empfänglichkeit, die von der dualistisch gespaltenen Form unserer Wirklichkeit projiziert wird. Das Ganze der wahrnehmbaren aktuellen Realität impliziert also einen Anfang aus einem absoluten Nichts.
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5 Die Dimensionalität Hier ist nun von Dimensionen die Rede, die die Erscheinungsform aller Wirklichkeitselemente manifestieren und die vorstellbare Gestalt aller Bestandteile der derzeitigen aktuellen Wirklichkeit ermöglichen. Anhand dieser Untersuchung soll auch der Unterschied erörtert werden, der zwischen den so oft angesprochenen, in Raum und Zeit gespaltenen Dimensionen der derzeitigen Bewusstheit und der durch unsere Theorie eingeführten unzertrennbaren Einheit beziehungsweise Globalität aller vier Dimensionen besteht. Die Spaltung der Bewusstheit hat die dreidimensionale Struktur zur Folge und bezieht sich auf Gegenstände; die globale Dimensionalität hingegen manifestiert die unzertrennbare Einheit und Vollständigkeit der vier Dimensionen der Raumzeit und bezieht sich ausschließlich auf Ereignisse, die – im Gegensatz zu den Gegenständen – alle vier Dimensionen implizieren. Des Weiteren ist die Struktur der Dreidimensionalität linear und unbegrenzt; die Dimensionen stellen hier Linien dar, die sich ins Unendliche ausdehnen, und Punkte, die die Linien bilden, und sich unendlich vermehren, ohne eine vollendete Totalität zu formieren. Im Gegensatz dazu ist die vierdimensionale Struktur global; sie bindet und begrenzt alle Bestandteile der Wirklichkeit in einer einmaligen und einheitlichen Totalität. Die Entstehung der globalen Dimensionen – das Hauptthema dieses Kapitels – wird anhand einer expandierend-implodierenden Kugeloberfläche,Dimensionenkugelgenannt, erläutert, dieaus dem Nichts entsteht.
I. Die vier Dimensionen vertreten Krümmungen. Jede Krümmung stellt eine Kontinuität von Segmenten, Kreisperipherien oder Kugeloberflächen dar; hierin sind unendlich viele Elemente enthalten und gleichzeitig in einer begrenzten Totalität abgeschlossen. Die Krümmung ist – im Un91
terschied zur geraden Linie – begrenzt, denn jede sich ausdehnende Krümmung endet in einer abgeschlossenen beziehungsweise begrenzten Form. Die konstitutiven Elemente der Dimensionenkugel werden wie folgt hervorgerufen: Zuerst wird das „Segment“8, der minimalste und unteilbare Bestand der Dimensionenkugel hervorgerufen. Seine Ausdehnung bildet eine Kreisperipherie, die eine begrenzte Totalität von Segmenten ist. Die Ausdehnung der Kreisperipherie ihrerseits bildet die Kugeloberfläche, eine begrenzte Totalität von Kreisperipherien. Diese Kugeloberfläche bildet durch ihre Ausdehnung die Endkugel – eine expandierende-implodierende Kugel; sie vertritt auch eine begrenzte Totalität von Kugeln. Die globale Endkugel, Dimensionenkugel genannt, stellt die Totalität aller denkbaren Kugeloberflächen dar. Man darf die Entstehung der Dimensionen als die Wirkung einer anderen Transformation sehen, als die der absoluten Unbedingtheit; sie transformiert sich in das Segment, und dadurch wird der Entstehungsprozess der globalen Dimensionalität in Gang gesetzt. Diese Transformation der absoluten Unbedingtheit in das Segment ist der Anfang der globalen Dimensionalität. Der Anfang der globalen Dimensionen ist allerdings zugleich ihre Vollendung; das bedeutet: Ist das Segment in Erscheinung getreten, dann ist das ganze System der globalen Dimensionen bis zu seiner Endphase – der Endkugel – in Form einer fließenden und unteilbaren Serie hervorgetreten. Dieser dynamische Prozess kann nicht in einer seiner Zwischenphasen unterbrochen werden, also ist bei der globalen Dimensionalität keine Zwei- oder Dreidimensionalität denkbar. Daher gibt es in der Globalität keine „nur zwei“ oder „nur drei“ Dimensionen, in deren Folge dreidimensionale Gegenstände erscheinen könnten. In diesem Sinne ist der Anfang der Globalität auch ihr Ende.
II. Was ist der Unterschied zwischen den geometrischen Begriffen „Segment“, „Kreisperipherie“ sowie „Kugeloberfläche“ und denselben Zei92
chen als Elementen der globalen Dimensionalität? Diese Frage kann folgendermaßen beantwortet werden: Geometrische Zeichen können als individuierte, getrennte, an und für sich bestehende Zeichen anschaulich vorgestellt werden; ein Segment kann zum Beispiel unabhängig von einem Kreis vorgestellt werden und ein Kreis unabhängig von einer Kreisperipherie. Diese Zeichen tragen als Elemente der Endkugel der kosmogenetischen Theorie von Anfang an alle Kennzeichen, die sie als konstitutive Elemente der globalen Dimensionalität charakterisieren. Sie dürfen also nicht unabhängig von ihr, als an und für sich bestehende „Fragmente“ gesehen werden, sondern nur als zur Endkugel gehörig. Durch die Transformation der Urenergie sind sie keine bestehenden geometrischen Zeichen. Kurz gefasst: Ist das Segment (als erste Dimension) in Entstehung hervorgerufen, dann ist das ganze System bis zu seiner Endphase, die Endkugel, hervorgetreten. Diese letzte Phase vertritt die Entstehung der vierten und letzten Dimension, welche die Gestalt der Wirklichkeitselemente darstellt, und diese bestehen ausschließlich aus vierdimensionalen Ereignissen.
III. Alle Elemente der Dimensionenkugel besitzen ein „inneres und ein „äußeres“ Urzeichen. Sie manifestieren zwei Mengen: eine Innenmenge und eine Außenmenge. Bezogen auf ein bestimmtes Element, sind sie wie folgt definiert: Das innere Urzeichen markiert das Element [X] in der Reihenfolge der Elemente einer Menge [Y] und das äußere die Menge [Y] in der Reihenfolge der Elemente einer Menge [n]. Die vier globalen Dimensionen werden mit folgenden Urzeichen bestimmt: erste Dimension zweite Dimension dritte Dimension vierte Dimension
Menge [a]. Menge [b]. Menge [c]. Menge [d].
Segment Kreisperipherie Kugeloberfläche Dimensionenkugel 93
Segment Kreisperipherie Kugeloberfläche Dimensionenkugel
(als) inneres Urzeichen inneres Urzeichen inneres Urzeichen inneres Urzeichen
Menge [a] Menge [b] Menge [c] Menge [d]
(als) äußeres Urzeichen äußeres Urzeichen äußeres Urzeichen äußeres Urzeichen
Menge [b] Menge [c] Menge [d] keines
Segment: hat als inneres Urzeichen Menge [a] Menge [a] hat nur ein Element. Dimensionenkugel: hat als inneres Urzeichen Menge [d] äußeres Urzeichen: keines. Es gibt keine Menge, die die Dimensionenkugel als Element hat. Absolute Ausgangsposition: [All-Menge] hat nur ein Element: Menge [d] hat nur ein Element: Menge [c] hat nur ein Element: Menge [b] hat nur ein Element: Menge [a] hat nur ein Element:
die Menge [d] die Menge [c] die Menge [b] die Menge [a] das Einfache [X] = Segment
Alle Mengen außer Menge [a] haben als Elemente „begrenzte Totalitäten“. Die Menge aller Mengen [All-Menge] kann nur durch ihre Elemente definiert werden. In diesem Fall ist sie definiert durch die Menge [d]. Die dargestellte Struktur bezeichnet die unumgängliche und vollendete Entstehung des Segments aus dem Nichts, aus der unableitbaren „abso94
luten Ausgangsposition“. Die Struktur stellt unmissverständlich einen Prozess dar, denn jede Menge dieser Struktur impliziert unumgänglich die nächste, bis zu dem einfachen Segment [d] → [c] → [b] → [a] → Segment. Das Segment aber ist die dynamische Anfangsposition der Entstehung der globalen Dimensionalität, weil Nichts an und für sich besteht, sondern alles nur im Fließen des Geschehens beteiligt ist. Alles Geschehen entfaltet sich in die zwei entgegengesetzten Richtungen von Ausdehnung und Verdichtung*, wodurch jedes reale Verfahren begrenzt und bestimmt wird. Demnach impliziert die Entstehung des Segments die unumgängliche und vollendete Entfaltung des Ganzen der globalen Dimensionalität, deren Struktur in Form einer expandierend-implodierenden Kugeloberfläche dargestellt wird. Das ist die Dimensionenkugel, und die Urzeichen sind die charakterisierenden Merkmale aller ihrer Entstehungsstufen. Alle Elemente der Dimensionenkugel besitzen Urzeichen, nur sind nicht alle Urzeichen als Krümmungen vorstellbar. Auch besitzen nicht alle Elemente sowohl ein inneres wie auch ein äußeres Urzeichen. In der folgenden detaillierten Darstellung der Entstehung der globalen Dimensionalität werden diese Unterschiede, die die konstitutiven Elemente der globalen Dimensionalität charakterisieren, ergründet. Durch die zwei Urzeichen wird die Reihenfolge der Elemente der Dimensionenkugel auf allen vier Entstehungsstufen bestimmt. Entstehungs-Stufen sind die vier Entfaltungsphasen, durch die die vier Dimensionen entstehen. Demnach vertreten die zwei Urzeichen die Fixierung eines Elements in der Reihenfolge aller Elemente der Dimensionenkugel in allen vier Stufen. Die zwei Urzeichen bezeichnen zwei getrennte Mengen, die [Menge innen] und die [Menge außen]. Wir unterscheiden zwischen Außen-Urzeichen und Innen-Urzeichen. Das Innen-Urzeichen bezeichnet die einmalige Stellung eines Elements innerhalb der [Menge innen], zu der dieses Element aus95
schließlich gehört. Das Außen-Urzeichen bezeichnet die [Menge außen]. Diese umfasst die [Menge innen] als eines ihrer Elemente. Die [Menge innen] wird durch ihr Außen-Urzeichen als Element gezeigt, das ausschließlich zur [Menge außen] gehört. Innen-Urzeichen und Außen-Urzeichen bezeichnen zusammen das charakteristische, eigentliche Merkmal, durch das ein Element als einmaliges Element auf der ganzen Dimensionenkugel geprägt wird. Folgendes Beispiel soll das Gesagte verdeutlichen: Ein Segment wird durch sein Innen-Urzeichen in der Kreisperipherie, zu der dieses als Element gehört, markiert. Die Kreisperipherie vertritt die [Menge innen]. Durch sein Außen-Urzeichen wird das Segment als Element derjenigen Kugeloberfläche fixiert, zu der die als „Menge 1“ gekennzeichnete Kreisperipherie als Element gehört. Die Kugeloberfläche vertritt die „Menge 2“. Durch die zwei Fixierungen wird das Segment als einmaliges Element in der Reihenfolge aller die Dimensionenkugel konstituierenden, unendlich vielen Elemente bestimmt, die wohlgemerkt eine begrenzte Totalität9 ausmachen. Bei allen diesen Ausführungen darf nicht übersehen werden, dass die Urzeichen kennzeichnende Charakterzüge von Elementen der Dimensionenkugel sind, dass alle diese Elemente sich in die zwei polarisierten Richtungen, Expansion und Implosion, entfalten und schließlich, dass sich die Elemente durch Expansion und Implosion vermehren und nicht vermindern.
IV. Das Konzept der Krümmung erleichtert eine Darstellung der Dimensionenkugel. Die geläufige Vorstellung der Dimensionen setzt den Punkt als gemeinsamen Ausgang aller drei expandierenden Dimensionen des Raumes voraus. Aber der Punkt vertritt ein geometrisches Schema, das unvorstellbar ist, ähnlich allen geometrischen Konzepten, die nicht alle drei Dimensionen besitzen beziehungsweise nicht voll dimensioniert sind. Vorstellbar sind nur die voll dimensionierten Volumina, und diese können realiter als Abstraktionen von Gegenstän96
den vorgestellt werden, dies gilt auch für die Linie und die Fläche. Die endlose Expansion einer von der derzeitigen Bewusstheit vorgestellten geometrischen Kugel kann nur eine unendliche Veränderung und kein Entstehen aus dem Nichts repräsentieren. Dies ist gerade das entscheidende Moment in unserer Theorie der Kosmogenese. Ein solches expandierendes Grundelement kann nicht der Punkt sein. Nur das Segment erfüllt diese Bedingung, weil dessen Ausdehnung in einer vollendeten Kreisperipherie, die eine begrenzte Totalität manifestiert, zum Abschluss kommt. Der Punkt dagegen kann sich nur linear in einer unendlichen Zahl von Wiederholungen manifestieren, wobei er unbegrenzt, undefinierbar und unvorstellbar bleibt. Der Punkt wird als ein sich ins Unendliche manifestierender kugelförmiger Gegenstand vorgestellt, was er aber nicht ist; denn er vertritt eine nach innen gerichtete Verdichtung im Rahmen der Leerheit. Er kann weder expandieren noch implodieren. Um den Entstehungsprozess der Dimensionenkugel in Gang zu setzen, kann sich die Urenergie nicht in einen geometrischen Punkt transformieren, sondern nur in ein Segment; erst nach dessen vollendeter Entfaltung erfolgt die Entstehung der globalen, expandierend-implodierenden Dimensionenkugel. Eine Krümmung ist in jeder Kreisperipherie beziehungsweise jeder Kugeloberfläche einmalig; sie verändert sich nicht mit deren jeweiliger Implosion-Explosion, und im Falle der Endkugel verbleiben alle Krümmungen unangetastet. Man kann deshalb sagen: Sie bezeichnen die unvorstellbare Identität eines jeden individuierten Elements. Ferner setzt eine Krümmung ein Minimum von zwei und ein Maximum von drei Dimensionen voraus. Deswegen kann das Innenzeichen eines Segments nicht die Form einer Krümmung besitzen, bestimmt aber seine Stelle in der Abfolge der Segmente, genauso wie die Krümmung (beziehungsweise das Innenzeichen) einer Kreisperipherie ihre Einordnung in der Abfolge der Kreisperipherien, die zu einer Kugeloberfläche gehören, bestimmt. Bei der vierstufigen Entfaltung der Dimensionenkugel ist jede Phase durch zwei Krümmungen gekennzeichnet: die Innere und die Äußere; jede Krümmung fixiert ihrerseits eine Menge von unendlich vie97
len Elementen: Die innere Krümmung die Menge 1 und die äußere die Menge 2, wobei die erste die einmalige Stellung eines Elements innerhalb der [Menge innen], zu der es gehört, bezeichnet; die zweite bezeichnet die [Menge innen] umfassende Menge, aber auch als [Menge außen], zu der die durch die Innere Krümmung fixierte [Menge innen] ausschließlich gehört. Beide Krümmungen, die äußere und die innere in Einheit, sind das eigentliche charakteristische Merkmal, durch das ein Element als einmaliges Element der Dimensionenkugel geprägt wird. Allerdings sind nicht alle Krümmungen vorstellbar; sie fordern, wenn vorgestellt, als Minimum zwei (kreisförmige Krümmung), und als Maximum drei (kugelförmige Krümmung) Dimensionen. Aus diesem Grund sind die Krümmung des Segments und die der Endkugel nicht vorstellbar; denn wir wissen, dass das Segment in nur einer Dimension, nämlich der ersten, das der Endkugel in der vierten entsteht.
V. Die direkte Transformation der Urenergie in das Segment bewirkt die unumgängliche Entfaltung der Dimensionenkugel. Das Segment bezeichnet ihr Grundelement, und seine Entstehung signalisiert sowohl ihre Anfangsphase als auch den unwiderruflichen Abschluss der ganzen Dimensionenstruktur. Durch eine Abfolge von vier Phasen – die den vier globalen Dimensionen entsprechen – müsste sich das kleinste und nicht weiter teilbare Element, das Segment, in die vollendete Dimensionenkugel ausdehnen. Dadurch würde die Totalität aller denkbaren Kugeln in Form einer expandierend-implodierenden Kugeloberfläche vollendet entstehen, und zwar in Form der Endkugel. Wir müssen hier im Blick behalten, dass Expansion und Implosion sich nicht nur bei der Endkugel entfalten, sondern auch bei allen Zwischenphasen der Dimensionenentstehung (das heißt Segmente, Kreisperipherie und Kugeloberfläche). Wenn die Endkugel also expandiert beziehungsweise implodiert, expandieren respektive implodieren zugleich alle sie kon98
stituierenden Entfaltungsphasen. Diese zwei entgegengesetzten Entfaltungsrichtungen sind keine organischen Bestandteile der Dimensionenkugel. Die Kugel hat folgende Struktur: 1. Dimension: Sie entsteht durch die direkte Erscheinung des Segments, die eine direkte Transformation der absoluten „Unbedingtheit“ darstellt und mit der vollendeten Entfaltung des Systems aller Dimensionen unwiderruflich und unumgänglich abgeschlossen wird. Diese erste globale Dimension, die eindimensional ist, ist unvorstellbar, denn ihr Innen-Urzeichen vertritt keine Krümmung, wofür zwei Dimensionen erforderlich wären. Sie ist auch einzigartig, signalisiert den Anfangspunkt der globalen Dimensionenstruktur und entsteht durch die Erscheinung des Segments, das kein aus Teilen bestehendes Ganzes vertritt, sondern seinem Wesen nach nur Teil ist. Im Übrigen ist dies der Grund, warum sein Innen-Urzeichen kein äußeres Urzeichen eines vorhergehenden Dimensionenelements darstellt. Es ist – unumgänglich und unwiderruflich – dazu prädestiniert, das erste Element der Dimensionenstruktur zu manifestieren. 2. Dimension: Sie entsteht durch die Ausdehnung des Segments; dieses expandiert und entfaltet sich in eine Kreisperipherie, deren Innen-Urzeichen eine kreisförmige Krümmung ist und zwei Dimensionen erfordert. Hinzu kommt, dass durch seine Ausdehnung das Segment mit seinem Außen-Urzeichen die Kreisperipherie definiert, die ihrerseits das Außen-Urzeichen desselben Segments als ihr Innen-Urzeichen besitzt; das heißt, das Außen-Urzeichen des Segments ist das Innen-Urzeichen der Kreisperipherie. Es ist wichtig zu beachten, dass durch die Ausdehnung des Segments die zweite Dimension entsteht. 3. Dimension: Die Ausdehnung der Kreisperipherie bewirkt die Entstehung der dritten Dimension. Die Kreisperipherie entfaltet sich in eine Kugeloberfläche, deren Innen-Urzeichen dementsprechend ei99
ne kugelförmige Krümmung ist, wofür die drei Dimensionen erforderlich sind. Mit ihrem Außen-Urzeichen definiert eine Kreisperipherie durch ihre Ausdehnung die Kugeloberfläche; diese besitzt das Außen-Urzeichen der Kreisperipherie als ihr Innen-Urzeichen, während ihr Innen-Urzeichen das Innen-Urzeichen der Kugeloberfläche besitzt. Zudem gehört die Kreisperipherie als organisches Element zur Dimensionenkugel und gleitet bei ihrer Ausdehnung auf deren Oberfläche.10 4. Dimension: Sie entsteht durch die Ausdehnung der Kugeloberfläche, die sich ihrerseits in eine Endkugel entfaltet. Diese bezeichnet die Totalität aller Kugeloberflächen in Form einer expandierend-implodierenden Kugeloberfläche; ihr Innen-Urzeichen vertritt keine Krümmung und ist auch nicht vorstellbar, weil eine Krümmung nur im Rahmen von nicht mehr als drei Dimensionen vorstellbar ist. Die Endkugel besitzt auch kein äußeres Zeichen, weil es keine folgende Dimension gibt, von der die Endkugel ein Element wäre. Die Endkugel ist prädestiniert, die letzte Phase der Entstehung zu kristallisieren. Diese Dimension ist, wie die erste, einzigartig: Sie bezeichnet das Ende der Entstehung aller globalen Dimensionen. Sie entsteht durch die Erscheinung der Endkugel, das heißt, die Totalität aller denkbaren Krümmungen und Kugeln, und ist – im Gegensatz zur ersten Dimension – ihrem Wesen nach nur Ganzes. Es gibt keine umfassendere Dimension über sie hinaus, die sie als Teil enthalten könnte. Sie stellt das allumfassende Ganze der Totalität aller denkbaren Kugeln beziehungsweise Krümmungen dar. Sie hat demnach kein Außen-Urzeichen; ihr Innen-Urzeichen ist vierdimensional und deshalb auch nicht anschaulich vorstellbar. Die Endkugel ist, wie schon betont, prädestiniert, das letzte Element der Dimensionenstruktur zu sein.
In der Kosmogenese wird behauptet, dass die oben angeführten vier Dimensionen eine Menge aus nur vier Elementen sind. Die erste und die letzte Dimension sind einmalig, während die dazwischenliegen100
den Dimensionen – die zweite und die dritte – eine unendliche Zahl von Elementen vertreten; die vierte bleibt als Grenze, was die minimale Struktur einer begrenzten Totalität bedeutet. Auf der anderen Seite besteht zwischen der zweiten und der dritten Dimension die Möglichkeit einer sich wiederholenden Sequenz: Der Übergang von der zweiten zur dritten kann unendlich wiederholt werden. Dies bedeutet, dass eine Menge von Dimensionen unendlicher Zahl entstehen könnte. Würde man also die zweite und die dritte Dimension als ein geschlossenes System betrachten, das von der ersten und letzten abgetrennt wäre, dann würde sich diese Reihenfolge ergeben: Die dritte Dimension besitzt als Außen-Urzeichen das Innen-Urzeichen der zweiten; eine vierte könnte dann als Innen-Urzeichen das Außen-Urzeichen der dritten und eine fünfte als Innen-Urzeichen das AußenUrzeichen der vierten besitzen und das ins Unendliche. Dieses unendliche System von Dimensionen müsste als ein von der Struktur der Dimensionenkugel unabhängiges System gesehen werden11.
Die folgenden Darstellungen im Überblick mögen zur weiteren Klärung beitragen.
Die Reihenfolge der vier globalen Dimensionenelemente Die endgültige Form der globalen Dimensionalität besteht aus vier konstitutiven Elementen: – – – –
Segment Kreisperipherie Kugeloberfläche Endkugel. 101
Teil – Ganzes Element Segment Kreisperipherie Kugeloberfläche
Teil Teil einer Kreisperipherie Teil einer Kugeloberfläche Teil einer Endkugel
Endkugel
Kein Teil, nur Ganzes
Ganzes Kein Ganzes, nur Teil Ganzes aus Segmenten Ganzes aus Kreisperipherien Ganzes aus Kugeloberflächen
Die Urzeichen Inneres Urzeichen = Stelle eines Dimensionenelements als „Teil“ im „Ganzen“ Äußeres Urzeichen = das Ganze, dessen Dimensionenelement ein Teil ist.
Element Segment Kreisperipherie Kugeloberfläche Endkugel
Innen-Urzeichen Keine Krümmung Kreiskrümmung
Außen-Urzeichen Kreiskrümmung Kugelkrümmung
Kugelkrümmung
Unvorstellbar
Kein Urzeichen
Kein Urzeichen
Element Erste Dimension Zweite Dimension
Kreisperipherie
Dritte Dimension
Kugeloberfläche
Vierte Dimension
Endkugel
102
Segment
InnenUrzeichen Keine Krümmung Kreiskrümmung Kugeloberflächenkrümmung Keine Krümmung
Teil/Ganzes Nur Teil Ganzes und Teil Ganzes und Teil Nur Ganzes
AußenUrzeichen Kreiskrümmung Kugeloberflächenkrümmung Keine Krümmung
Teil/Ganzes
Kein Urzeichen
Nur Ganzes
Nur Teil Ganzes und Teil Ganzes und Teil
VI. Die globale Dimensionenkugel entsteht aus dem Nichts durch die Transformation der Urenergie in ein Segment. Das Nichts ist auf dieser Kugel durch den Nullpunkt vertreten, der Kugelspitzen und Äquator der globalen Kugel genannt wird; sie stehen für die zwei entgegengesetzten Richtungen: Expansion und Implosion*, in denen die Entfaltung der Dimensionenstruktur anfängt und zwar wie folgt: Die zwei Kugelspitzen vertreten den Ausgangspunkt für die Expansion und der Äquator für die Implosion. Die Kugelspitzen sind keine konstitutiven Bestandteile der KosmoKugel, sondern lediglich die vorauszusetzende, abstrakte Umgebung, in der die Urenergie sich in das Segment transformiert, damit sich dann die Entstehung der globalen Dimensionenkugel12 entfaltet. Diese Transformation realisiert sich durch die Entfaltung der Endkugel in die zwei entgegengesetzten Richtungen von Expansion/Implosion, ausgehend einmal von den Kugelspitzen und zum anderen vom Äquator. Kugelspitzen und Äquator vertreten zwei Betrachtungsweisen eines willkürlich zu fixierenden Punktes der Dimensionenkugel: Die Kugelspitzen vertreten den Nullpunkt für die Umgangsposition der Expansion, während der Äquator den Nullpunkt für die Ausgangsposition der Implosion vertritt. Dabei kann jeder Punkt einer Kugeloberfläche als Kugelspitze genommen werden und steht als Gegenpol einem anderen Punkt in der entgegengesetzten Hemisphäre gegenüber. Man kann die Kugelspitzen nicht diversifizieren; sie sind identisch, da die zwei Hemisphären der Kosmo-Kugel, zu denen sie gehören, keinen Unterschied aufweisen. Es wurde öfter gesagt, dass Expansion und Implosion die zwei entgegengesetzten Entfaltungsrichtungen des kosmogenetischen Vorgangs manifestieren; das heißt, es entstehen zwei Realitätsbereiche, die sich in die zwei Richtungen entfalten und ausschließlich Tätigkeit und Geschehen darstellen. Sie sind bezogen auf einen Punkt, den wir „Schnittstelle“ beziehungsweise Koinzidenz* nennen, einen Bezugspunkt zwischen zwei Realitätsbereichen, der jedoch zu keinem der beiden als gemeinsames Element gehört. 103
Insbesondere stellen Koinzidenzen in der kosmogenetischen Struktur den genetischen Knoten dar, den neutralen Träger der kosmogenetischen Energie, durch den durch Transformation die Realität entsteht. Die Koinzidenzen sind die Träger aller Transformationen der Urenergie, die sich in der ersten Phase in Koinzidenzen transformiert. Obwohl die Koinzidenzen direkte Transformationen der Urenergie sind, können sie nicht als konstitutive Elemente eines realen Ganzen gesehen werden. Sie müssen ausschließlich als unumgänglicher transzendenter Bezugspunkt zwischen den Entfaltungsrichtungen, das heißt zwischen Expansion und Implosion, verstanden werden. Die zwei Richtungen sind wechselseitig bedingt und stehen deshalb in einer Relation*. In unserer Theorie wird der Relation eine völlig neue Bedeutung zugesprochen. Relationen im kosmogenetischen Sinne sind direkte Transformationen der Urenergie; sie manifestieren Tätigkeit und Geschehen, wodurch die zu relativierenden Glieder hervorgerufen werden, denn die Transformation der Urenergie manifestiert eine wirkungsvolle Tätigkeit. Die Glieder einer Relation werden durch die Relation selbst hervorgerufen und existieren nicht als unabhängige, an und für sich bestehende Elemente, die dann zueinander in Relation treten. Demzufolge werden alle konstitutiven Elemente der Dimensionenkugel aus dem Nichts hervorgerufen; sie sind vor der Entstehung dieser Kugel keine unabhängigen, existenzfähigen Instanzen. Ergänzend kann zu Expansion und Implosion gesagt werden: 1. Sie laufen zugleich ab und bedingen, bestimmen und definieren sich dadurch wechselseitig. Würden sie sich nacheinander entfalten, so würden sie in einer unbegrenzten geradlinigen Ausdehnung ins Unendliche laufen, womit der Übergang von der Expansion zur Implosion undenkbar wäre. 2. Es können keine zwei verschiedenen Realitäten aus dem Nichts entstehen, die eine mit dem Segment als Anfang und die zweite mit dem Punkt, also der geraden Linie, denn ihre Ausdehnung würde weder Anfang noch Ende haben und damit keine Realität bilden. 104
VII. Im Gegensatz zu den vier in unzertrennbarer Einheit bestehenden (Kosmo-)Dimensionen ist die derzeitige Bewusstheit in Raum und Zeit gespalten. Der Raum wird von ihr als Umgebung der Anschaulichkeit von dreidimensionalen Gegenständen begriffen, die Zeit dagegen als der Bereich, in dem sie sich ändern. Die Kosmo-Dimensionen ihrerseits werden durch die stufenartige Entfaltung der Dimensionenkugel aus dem Nichts hervorgerufen und vertreten das Anschauungsfeld aller Ereignisse. Die von der derzeitigen Bewusstheit erfassten Dimensionen, das Anschauungsfeld aller Gegenstände, bestehen an und für sich und unabhängig von den Gegenständen, die ihrerseits nur im dreidimensionalen Raum existieren und anschaulich wahrgenommen werden können. Raum und Zeit vertreten die vorauszusetzende Matrix, in deren Rahmen die Gegenstände in Erscheinung treten und wahrgenommen werden; sie sind vor jeder Erscheinung der Wirklichkeitselemente als deren unumgängliche Bedingung vorauszusetzen. Die kosmogenetischen, globalen Dimensionen entstehen zwar nach den Bestimmungen einer Kugel, sind aber weder Teile derselben noch für sich bestehende Komponenten der kosmogenetischen Realität, auch keine dem Verstand oder der Anschauung zugehörigen Kategorien. Es wäre auch ein Irrtum anzunehmen, die Struktur der globalen KosmoDimensionen bestünde unabhängig vom kosmogenetischen Prozess oder könnte durch ein anderes, substantielles Grundelement der Realität vorausgesetzt werden. Ebenso irrig wäre es zu behaupten, die vierdimensionale Raumzeit sei eine „ewige“, untilgbare Umgebung, in der sich der kosmogenetische Prozess manifestiere. Halten wir fest, dass die Kosmo-Dimensionen von den Realitätselementen als deren ordnende Matrix und anschauliche Umgebung projiziert werden. Es können viele Missverständnisse im Zusammenhang mit der Struktur der Kosmo-Dimensionen auftreten, so zum Beispiel dass sie eine Erweiterung der derzeitigen Dimensionenstruktur darstelle oder dass zwischen beiden eine Korrespondenz bestünde, als ob die erste Kosmo-Dimension der ersten derzeitigen entspräche. Hier sollte man 105
jedoch den grundsätzlichen Unterschied zwischen beiden Strukturen im Blick behalten, dass nämlich die derzeitige Struktur eine lineare Unendlichkeit darstellt (ihre Dimensionen gehen von einem gemeinsamen Punkt aus), während die Kosmo-Dimensionen Krümmungen vertreten und begrenzte Totalitäten von unendlich vielen, fließenden, aber individuierten Elementen darstellen. Zu den erwähnten Unterschieden kommt hinzu, dass sich bei der derzeitigen aktuellen Bewusstheit am Anfangspunkt der Dimensionenstruktur alle drei Dimensionen treffen, die ansonsten transzendent, analog und äquivalent sind, wobei jede für sich besteht und keine andere impliziert. Nicht so die globalen Dimensionen: Jede fließt in die nächste, dabei vertritt jede folgende eine Erweiterung der vorausgehenden. Ein noch gravierenderes Missverständnis läge darin, die Entfaltung der Dimensionenkugel in eine Analogie zur Abfolge der kosmogenetischen Entstehungsstufen zu stellen und zu behaupten, der Nullpunkt der globalen Kugel (Kugelspitzen/Äquator) entspreche den Koinzidenzen, dem Segment, den Eigenschaften und den Zwischendimensionen der verschiedenen Gruppierungen von Ereignissen und so weiter. Dies ist aber nicht der Fall. Es besteht keine Ähnlichkeit oder Analogie zwischen der Struktur der globalen Dimensionen und der Struktur des kosmogenetischen Entstehungsprozesses. Die Dimensionenkugel vertritt die Entstehungsdynamik der globalen Dimensionalität, wodurch nur und ausschließlich Ereignisse hervorgerufen werden und keine erstarrte dreidimensionale Matrix, durch die die Gegenstände im Raum formiert werden.
106
6 Das Ich Unser Glaube an die Wirklichkeit unserer Welt scheint selbstverständlich und unerschütterlich zu sein. Selbstverständlich ist auch unser Glaube an unsere Identität beziehungsweise an die aktuelle und kontinuierliche Wahrnehmung dieser Identität, die wir als den Kern unseres Daseins betrachten und Ich nennen. Die kosmogenetische Theorie stellt klar, dass sowohl das Ich wie auch die von ihm wahrgenommene Wirklichkeit keine echten Realitäten sind, sondern ein bloß relatives, in sich geschlossenes und nur für sich geltendes Scheinbild. Dies wurde in den früheren Ausführungen detailliert dargelegt. In diesem dritten Teil wird das Ich gezeigt, das im Rahmen der Kosmogenese keine eigene Substanz hat und deswegen als leer bezeichnet wird. Die Ich-Wahrnehmung als unsere Identität trennt uns von allem, was außerhalb ihres Radius liegt; dieselbe Trennung überzeugt uns von der Wirklichkeit der Außenwelt. Wir sagen dann: Dieses bestimmte Ding ist wirklich, es „existiert“ und meinen damit, dass es unabhängig von unserer Wahrnehmung besteht. Weil es vom Ich-Bereich ausgeschlossen ist und dem Ich sogar entgegensteht, nennen wir es „Gegenstand“; hier ist nur die sinnliche Wahrnehmung der Prüfstein seiner Realität. Auf der anderen Seite ist das kosmogenetische Ich, im Gegensatz zum leeren Ich, die Folge von Transformationen der Urenergie*; es signalisiert in seiner absoluten Entstehungsform das reine Gewahren, das die konstante Selbsterfahrung im Wesenskern jeder Person verkörpert; es ist untilgbar, einfach und leer. Das reine Gewahren ist frei von allen Begrenzungen der „abgeschlossenen und vollendeten Bedingtheit“, das heißt der äußersten Grenze der Transformationen des Unbedingten – was das Wesen und Schicksal jeder menschlichen Existenz manifestiert. Es ist frei von den Folgen der dualistischen Spaltung. 107
Auch wenn die eigentliche Definition des Ich lautet: Es ist die Tätigkeit der Identifizierung in allen Manifestationen und Ebenen der Entstehungsentfaltung der Ichheit, muss diese Bestimmung weitere Perspektiven berücksichtigen. Das Ich ist nämlich das Produkt der Transformation der Urenergie: reines Gewahren, die Tätigkeit und das Agens der Bewusstheit, die echte und aktuelle Identität, der Wille und dergleichen mehr. Nicht zuletzt müssen wir auch die Spaltung des Ich in „Ego“ und „Seele“ berücksichtigen. Wir werden diese Bestimmungen im Folgenden durchgehen, aber immer daran festhalten, dass ein an und für sich existierendes und von jeder Wahrnehmung unabhängiges Ich – nach kosmogenetischen Prinzipien – undenkbar und deshalb eine Chimäre ist.
I. Die aktuelle Bewusstheit kann den Prozess, durch den das Ich aus dem Nichts hervorgerufen wird, als Entstehungsgeschehen nicht wahrnehmen; es kann das Ich nur als endgültiges Produkt der Entstehung aus dem Nichts wahrnehmen, nicht aber die Tätigkeit von Werden und Geschehen. Betrachtet man das Ich als Monade, wie sie im Bereich der Erscheinung abgespiegelt wird, dann vertritt diese die Eigenschaft Ich – das aktuelle Ich –, das von der aktuellen Bewusstheit als die eigene, subjektiv bedingte Identitätserfahrung unmittelbar wahrgenommen wird. Betrachtet man das Ich dagegen als das in der Monade konfigurierte Elementar, dann gehört es zum metabewussten Realitätsbereich, das sich vor der Entstehung der Bewusstheit aktualisiert. Die Tätigkeit der Identifizierung, durch die das Ich aus dem Nichts entsteht, manifestiert sich vor der Entstehung der Bewusstheit und wird deswegen metabewusst genannt. Nur ihr Derivat kann wahrgenommen werden, nicht aber die Tätigkeit als Geschehen. Daraus folgt, dass weder der Entstehungsprozess des Ich noch jener der Bewusstheit wahrgenommen werden können, sondern nur ihre aktuelle Erfahrung. Wird nun nach der Definition der Ichheit gefragt, so heißt die Antwort: Es ist keine Tatsache der Bewusstheit, vielmehr signalisiert der 108
Begriff Ich die Ichheit auf allen denkbaren Ebenen der kosmogenetischen Entfaltung, und die Wirkung der Ichheit ist die Tatsache der Identität. Was aber ist hier die Ursache jener Wirkung? Die Urenergie transformiert sich in die Ichheit, in die Tätigkeit der Identifizierung, dadurch nimmt das Ich sich selbst als Realität wahr, es erkennt sein eigenes Wesen als Tatkraft, die den Charakter eines „Grundes“ besitzt. Seine ursprüngliche Essenz, die auf das Unbedingte hinweist, wird durch nichts beeinträchtigt. Als Grund und als Verkörperung einer unbedingten Realität erfasst, ist das Ich nicht definierbar; denn über die Unbedingtheit ist keine Aussage denkbar, die nicht für diese eine Begrenzung bedeuten würde. Das Unbedingte ist, ungeachtet jeder denkbaren Transformation, vom Ursprung her unantastbar. Bevor wir die Untersuchung der verschiedenen Ich-Manifestationen fortsetzen, müssen wir zwischen dem aktuellen und dem kosmogenetischen Ich unterscheiden. Das aktuelle Ich bezeichnet die letzte und endgültige Form der Tätigkeit der Identifizierung; es ist determiniert und gespalten; es pendelt zwischen zwei entgegengesetzten Richtungen, die, wie wir weiter unten sehen werden, „Ego“ und „Seele“ sind. Das aktuelle Ich entfaltet sich in expansiver Ego-Richtung und ist dabei einem Komplex von zerstreuten und sich widersprechenden Empfindungen, Wünschen, Emotionen, Gedanken und so weiter ausgeliefert; entfaltet es sich aber in die implosive Ego-Richtung, dann ist es einer substanzlosen und leeren Kontraktion ausgeliefert: der „Seele“13. Das aktuelle Ich steht ferner unter dem Druck der Selbstverwirklichung und Zielsetzung von „Ego“ und „Seele“. Es sind Bedürfnisse und Triebe in Richtung „Ego“, Gefühle und Ängste in Richtung „Seele“. Im nächsten Kapitel werden wir sehen, wie dieses aktuelle Ich in seiner Manifestation in „Ego“ und „Seele“, in „Ich“ und „Nicht-Ich“, in „Subjekt-Objekt“ und so weiter die Determiniertheit des Menschen bestimmt. Hingegen gehört das kosmogenetische Ich zu einer höheren Stufe der Evolution, die weder abzuleiten noch zu begründen ist. Im Gegensatz zum aktuellen Ich ist es allumfassend und liegt in den Grenzen eines sich selbst von allen Objekten trennenden Subjekts. Das kos109
mogenetische Ich umfasst das Ganze der Realität und ist nicht auf ein „Nicht-Ich“ zielgerichtet, wie dies beim aktuellen Ich der Fall ist.
II. Die allererste und reale Grundform des Ich ist das reine Gewahren14. Seine Entstehung aktualisiert sich, indem es sich selbst aus dem Nichts hervorruft, ohne sich in ein Subjekt oder Objekt zu substantialisieren beziehungsweise zu irgendeiner fixierten Phase der Wirklichkeitserscheinung zu gehören. Es manifestiert auch kein Ich, keinen Gegenstand, kein Ereignis, keinen Raum und keine Zeit. Das reine Gewahren ist der absolute Entstehungsanfang des Ich; es ist durch den Charakter eines ersten Grundes gekennzeichnet und kann nicht die Folge einer vorausgehenden Realität sein. Im Bereich der Erscheinung verkörpert das reine Gewahren das transformierte Unbedingte, man könnte auch sagen: Es verkörpert die Emanation des Unbedingten. Die bis jetzt ausgeführten wie auch die folgenden Versuche, dem reinen Gewahren mit abstrakten Konzepten nahezukommen, müssen fehlschlagen, denn ein solches Begreifen impliziert eine Dualität, die der Einfachheit des zu definierenden reinen Gewahrens widerspricht; ohne dualistisch und wechselseitig relativierende Bedingungen ist aber eine diskursive Definition nicht durchzuführen. Wir können daher behaupten, dass das reine Gewahren dem heutigen Verstand nicht zugänglich ist. Dies hindert uns allerdings nicht daran zu versuchen, durch die verschiedenen Manifestationen seiner Präsenz die charakteristischen Züge seiner Manifestation festzuhalten, vor allem auf dem Hintergrund der Hauptthesen der Kosmogenese. Das reine Gewahren ist die allerhöchste Stufe der Bewusstheit, die diskursiv nicht zu definieren ist; es ist einfach und leer, hat kein Ziel, ist keine Wahrnehmung von einem Gegenstand, kein Ich, keine Identität, auch keine Wahrnehmung der Wahrnehmung. Kann man das reine Gewahren nach all den negativen Bestimmungen als eine sinnliche 110
Empfindung betrachten? Heißt dies nun, positiv ausgedrückt, es manifestiert die wahrgenommene, jedoch leere Essenz der kosmogenetischen Dynamik? Oder bezeichnet es die absolute und monolithische Konzentration der Bewusstheit und repräsentiert die unabhängige und unbedingte Konstante bei der Wahrnehmung der zerstreuten Bestandteile der aktuellen Wirklichkeit? Doch all diese Beschreibungen führen zu keiner eindeutigen Definition des reinen Gewahrens. Das reine Gewahren entsteht durch die Wahrnehmung in einer Einheit von Identität und Bewusstheit, in einem das Alles und das Nichts signalisierenden Brennpunkt, bei dem Wahrnehmung und Gerichtetheit vereint sind und aus dem Nichts entstehen. In dieser Fusion von Identität und Bewusstheit ist die Selbsterfahrung aller Personen verankert; hier manifestiert sich ihre echte und wahre Identität. In diesem leeren Punkt wirkt auch die reine Energie, welche die Realität nicht erstarren lässt; eine Energie, die durch ihre vielfältigen Transformationen alles Reelle in Erscheinung treten lässt. Wir werden in den folgenden Absätzen das Ich und die Bewusstheit, die echte und aktuelle Identität und das Ich als Ichheit untersuchen. Im darauffolgenden Kapitel werden die Manifestationen des Ich – immer vom Blickpunkt des reinen Gewahrens aus gesehen – in allen konstitutiven Komponenten der menschlichen Existenz betrachtet: das PersonSein, die Biographie, die Individuation, die Wahrnehmung, der Wille und nicht zuletzt die Freiheit.
III. Die Entstehung der Identifizierungstätigkeit aus dem Nichts gehört zu den grundsätzlichen Transformationen der Urenergie. Diese Tätigkeit, die ebenfalls Ichheit genannt wird, ist eine primäre, das heißt kein Derivat einer anderen vorausgesetzten Tätigkeit. Durch sie entsteht die Bewusstheit aus dem Nichts als das Ich, das sie in allen Ebenen und Phasen der kosmogenetischen Entfaltung repräsentiert, erstens als die Wahrnehmung des reinen Gewahrens und zweitens als die Wahrnehmung der aktuellen Wirklichkeit. 111
Nach kosmogenetischen Grundsätzen transformiert sich die Ichheit in die Tätigkeit des Begehrens, die eine weitere Entfaltungsstufe der Urenergie realisiert und sich ihrerseits als Matrix von Ich und Nicht-Ich strukturiert. Dabei ist zu beachten, dass das Derivat jeder Transformation der Ichheit eine weiter entfaltete Form des Nicht-Ich, mit der das Ich konfrontiert wird, ist. Diese und alle weiteren Entfaltungsformen verweisen auf die Gegensatzmatrix, deren Oberbegriff das einfache Ich ist. Das einfache Ich signalisiert die vorauszusetzende, wechselseitig bindende Relation zwischen Ich und Nicht-Ich, die die Verschmelzung beider in ihrer ursprünglichen, sie wechselseitig bindenden Identität repräsentiert. Diese manifestiert ihrerseits den einfachen, nicht dualistisch gespaltenen und in allen Gegensätzen identischen Oberbegriff. Insofern weist das Ich auf die oben erwähnte Gegensatzmatrix hin. Weder das Ich noch das Nicht-Ich kann nach den Grundsätzen unserer Theorie an und für sich bestehen; sie sind die Folge der Relation, die hier die Tätigkeit der Spaltung heißt und sie hervorruft. Das NichtIch wird damit substantialisiert, dadurch entsteht die Substantialisierung: Es wird in den Raum projiziert, dadurch entstehen der Raum und die Tätigkeit der Projektion. Man nimmt das Nicht-Ich in Form eines Gegenstandes wahr, dadurch entsteht die Wahrnehmung. Es wird von der Bewusstheit als ein greifbares Ziel erlebt, wodurch die Tätigkeit der aktuellen Bewusstheit entsteht. Das Ich wird von der Bewusstheit als das begehrende Ich erlebt, wodurch die Tätigkeit des Begehrens entsteht, die – wie schon erwähnt – eine Transformation der Ichheit ist und eine weitere Entfaltungsstufe der Urenergie realisiert. Die Tätigkeit des Begehrens richtet sich nach greifbaren Dingen, wodurch diese entstehen und die Sinne affizieren, womit die Sinne entstehen. Diese richten sich nach dem Sich-Bemächtigen der Dinge, wodurch die Tätigkeit des Sich-Bemächtigens entsteht. Schließlich bezeichnet das Ich, als das begehrende Ich, das Bedürfnis, sich der Dinge zu bemächtigen, und dadurch entstehen die Bedürfnisse. Diese Abfolge passt zu den konstitutiven Transformationen des aktuellen Ich, des Menschen, wie noch zu zeigen sein wird. Sie zeigt auch, 112
wie die derzeitige aktuelle Bewusstheit ein Ich verkörpert, das sich in ein Nicht-Ich projiziert und sich davon trennt. Nicht so der Mensch, der seine Existenz im Rahmen der Kosmogenese wahrnehmen könnte. Er würde nämlich im Rahmen seines Ich eine alles umfassende Tätigkeit erfahren, mithin auch alle Wesen und das ganze Universum. Dieser Mensch würde auch eine endgültige Befreiung von der Dominanz der von den Trieben gesteuerten Bedürfnisse realisieren können und gleichzeitig auch von der scheinbildhaften Konsolidierung der Objekte in wahrzunehmenden Substanzen. Das bedeutet aber eine höhere Evolutionsstufe, die nur unter den axiomatischen Grundsätzen der kosmogenetischen Theorie denkbar ist. Der Menschentypus, der dieses alles umfassende Ich verkörpern würde, ist für uns heute noch eine unfassbare Realität.
IV. Das Ich bezeichnet die Einheit der Bewusstheit auf allen denkbaren Ebenen. Dieselbe Bewusstheit wird von jedem Individuum als Bezeichnung seiner Identität de facto vorausgesetzt, wobei Ich und Identität kosmogenetische Energie und keine an und für sich existierenden substantiellen Instanzen darstellen. Das Ich signalisiert im Rahmen des kosmogenetischen Geschehens die kontinuierliche Einheit aller Emanationen der einen, sich selbst realisierenden Identität. Wir haben in den vorigen Absätzen gezeigt, wie das reine Gewahren die allererste und reale Grundform des Ich ist. Hier richtet sich nun unser Augenmerk auf das Ich als die Bewusstheit, die durch die Tätigkeit der Identifizierung hervorgerufen, im Bereich der Erscheinung abgespiegelt und im Feld der Ereignisse von der konfigurierten Eigenschaft Ich vertreten wird. Dieses Ich bezeichnet die Tatsache der Identität und bezieht sich immer auf eine einzige Person beziehungsweise auf eine einzige Biographie. Es bleibt dem folgenden Kapitel vorbehalten, die Transformation der Identifizierungstätigkeit in die Tätigkeit des Begehrens, der Erfahrung, des Erlebens und so weiter aufzuzeigen; sie bilden die konstitu113
tiven Elemente der menschlichen Individuation. In diesem Kontext muss jedoch wiederholt werden, dass die Bewusstheit keine für sich bestehende und vorauszuschickende Instanz ist, in deren Bereich die Gegenstände erscheinen, sondern – als Ich beziehungsweise als Tatsache der Identität – das Produkt der Tätigkeit der Identifizierung ist. Aber die Tätigkeiten, die durch die Identifizierung hervortreten, wie zum Beispiel das Begehren in seiner Beziehung zum Ich, unterliegen dem Grundgesetz der Kosmogenese hinsichtlich der Relation: Die Relation lässt ihre zwei Pole entstehen. Dementsprechend entsteht das Realitätsfeld Bewusstheit durch die Projektion der im Raum erscheinenden Dinge, und die Dinge sind rückbezüglich Produkte der Tätigkeit der Bewusstheit. Auch ist die Tätigkeit der Projektion durch die Tätigkeit der Bewusstheit entstanden. In weiterer Konsequenz sind die verschiedenen Relationen und Transformationen, somit auch das Entstehen aus dem Nichts, interdependent und im Sinne unserer Theorie nichtbehindernd: Keine Transformation der Identifizierungstätigkeit schließt andere Transformationen aus, auf die sie als nichtbehindernd bezogen wird. Man beachte, dass die Projektion im kosmogenetischen Sinne eine Tätigkeit ist; durch diese Tätigkeit entstehen die Gegenstände, und durch sie entsteht die Tätigkeit der Bewusstheit. Diese kann nur als Produkt der Entstehung der Gegenstände gesehen werden. Weil alles nur Transformation der Urenergie in Tätigkeit ist, kann Bewusstheit auch nur Geschehen und Tätigkeit sein. Nach den kosmogenetischen Prinzipien ist keine Bewusstheit an und für sich, die den Gegenständen als deren Entstehungsbereich vorauszuschicken wäre, denkbar. Also ist die Bewusstheit Produkt des Entstehungsprozesses der Gegenstände und nicht umgekehrt.
V. Dem derzeitigen Menschen fehlt das kosmogenetische, allumfassende Bewusstsein; seine Wirklichkeit ist auf sein Ich begrenzt. Man könnte fragen, ob die Entwicklung seiner Bewusstheit am Anfang steht oder 114
ob er ursprünglich einen höheren Bewusstseinszustand besaß und aus unbekannten Gründen von einer höheren auf die derzeitige Ebene gestürzt ist. Jede Antwort hierauf überschreitet jedoch die Grenzen der kosmogenetischen Theorie. Diese höhere Ebene, für das derzeitige Bewusstsein unvorstellbar, ist jeder Biographie eingeprägt: als bewusste oder unbewusste Sehnsucht nach Befreiung aus dem leiderfüllten Scheinbild der derzeitigen begrenzten Bewusstheit, nach Befreiung vom dominierenden Griff des Egos. In diesem Zusammenhang spricht die kosmogenetische Theorie vom Ich auf einer höheren Stufe. Es ist das evolutive Ich, welches das Mitfließen einer substanzlosen Energie im unendlichen, kontinuierlichen Fluss des kosmogenetischen Geschehens manifestiert, dessen Dynamik nur darin besteht, dass es sich an der Dynamik des Ganzen der Realität beteiligt. Es ist auch befähigt wahrzunehmen, dass seine Teilnahme nicht von ihm ausgehende Wirkung ist; vielmehr erfährt es, wie seine Tätigkeit in der Tat durch die Wirkungskraft einer Transformation der Urenergie entfesselt wird. Das evolutive Ich manifestiert nicht bloß eine zukünftige Form der Ichheit, sondern gehört zum unbewussten innersten Kern jedes Menschen. Durch seine Emanation wird die Ichheit befähigt, sich in das Ego zu transformieren und im relativen Wirklichkeitsbereich als Ego zu erscheinen. Die Teilnahme des Ich am Fließen des Geschehens bleibt ihm jedoch unbewusst; sie offenbart ihm die Essenz seines Daseins und das Geheimnis seiner wahren Identität. Nur durch das Bewusstwerden seines substanzfreien Mitfließens sprengt das Ego die Grenzen der scheinbildhaften Aktualität und transformiert sich rückbezüglich in das evolutive, kosmogenetische und alles umgreifende Ich. Auch die Bewusstheit ist keine in der Zeit erstarrte und endgültig abgeschlossene Gegebenheit. Sie besitzt einen evolutiven Charakter, der in der Geschichte des Universums nachzuvollziehen ist. Die zukünftige Evolution der Bewusstheit könnte zur Aktualität einer von Gegenständen und von Subjekt-Objekt-Bedingungen freien Wahrnehmung führen; diese würde nur aus Ereignissen – ohne Gegenstände – 115
bestehen. Es macht einen grundsätzlichen Unterschied, ob Menschen nur Ereignisse und nicht Gegenstände wahrnehmen, denn Ereignisse vertreten die Erscheinung der kosmogenetischen Energie. Sie manifestieren fließendes, ununterbrochenes Geschehen, keine punktuell getrennten Tatbestände. In der Evolution der Bewusstheit sind sie die konstitutiven Bestandteile einer zukünftigen Phase von vierdimensionaler Struktur, frei von allen Subjekt-Objekt-bedingten Vorstellungen. Weil sie bar aller Gegenstände sind, sind sie auch von deren Bedingungen frei. Die Identität eines Menschen, der den Stand der evolutiven kosmogenetischen Bewusstheit erreicht hätte, bestünde in seiner Teilnahme am Fluss der Ereignisse, einer Teilnahme, bei der er sich seiner intuitiven inneren Führung hingäbe. Er würde diese Teilnahme nicht bewirken können, um etwa ein geplantes Ziel zu erreichen. Auf diesem evolutiven Stand der Bewusstheit würde er sich selbst weder als Ursache noch als Wirkung einer Tätigkeit wahrnehmen; seine Identität würde sich in reiner, fließender Wahrnehmungsidentität realisieren, frei von allen Trieben und Zwängen eines in sich selbst verdichteten Egos.
VI. Es war oben die Rede vom reinen Gewahren als reiner Unbedingtheit. Dieser absolute Charakter soll anhand des Gegensatzes zwischen reinem Gewahren und aktueller Ich-Identität herausgestellt werden. Was unterscheidet nun die aktuelle von der absoluten beziehungsweise wahren Identität? Bevor diese Frage beantwortet werden kann, müssen wir jedoch festlegen, was Identität in unserem Zusammenhang bedeutet. Das Ich wird sich seiner Identität in Form einer einfachen, nicht dualistisch bedingten Erfahrung bewusst, in der jede denkbare Begrenzung wie Teilbarkeit, Dualität oder Determiniertheit von vornherein ausgeschlossen ist. Identität gehört zu den primären Konzepten – wie Unbedingtheit oder Allmacht – und kann nicht definiert oder abgelei116
tet werden. Wir machen auf der anderen Seite die Erfahrung der Identifizierungstätigkeit, die wir als die Ich-Erfahrung bezeichnen. Diese ist einfach, raumzeitlich indifferent und von jedem objektivierbaren Gehalt leer. Sie kann nämlich nicht diskursiv verstanden werden, denn sie wird im Bereich der Bewusstheit als reine Erfahrung des Hier und Jetzt aktualisiert. Hier, in diesem besonderen Bewusstheitszustand, erlebt das Ich seine unbedingte und ursprüngliche Essenz als seine zeitindifferente und leere Existenz. Die echte Identität des Ich wird im zeitindifferenten Bereich von Hier und Jetzt realisiert und erfahren und bleibt von der Welt der Phänomene unangetastet. Aber die Wahrnehmung des Hier und Jetzt – weder Selbsterfahrung einer Subjekts noch eines Objekts – ist dennoch immer von einem raumzeitlich georteten Individuum im Rahmen einer individuierten Erfahrung realisiert. Sie impliziert eine individuierte Bewusstheit beziehungsweise eine Biographie und ist deswegen raumzeitlich geortet. Das wahrnehmende Ich impliziert also ein Individuum, ein raumzeitlich geortetes Subjekt. Als reines Gewahren vertritt es keinesfalls die Abstraktion eines Gegenstandes, sondern das substanzlose Geschehen einer Energie-Transformation und muss deswegen von allen anderen Identifikationskonzepten und Erfahrungen zu unterscheiden sein. In den meisten Fällen ist mit dem Ich in der Alltagssprache das Ego gemeint, das zum reinen Gewahren im absoluten Kontrast steht. Kurz gefasst: „Ich“ bezeichnet den Inbegriff der Bewusstheit. Dieser Begriff signalisiert die Tatsache der Identität auf denkbaren Ebenen der kosmogenetischen Entfaltung. Der Begriff „Ich“ bezeichnet sowohl die Wahrnehmung des leeren Hier und Jetzt – dies ist das einfache Ich – wie auch jener der in dieses leere Hier und Jetzt projizierten Gestalten, die sich im Fließen der Ereignisse verändern und die unsere derzeitige Wirklichkeit darstellen: das aktuelle Ich. Die reine und leere Erfahrung von Hier und Jetzt wird von den ständig intervenierenden Projektionen des diskursiven Verstandes verhindert. Ununterbrochen tauchen anschauliche Vorstellungen auf, raumzeitlich bedingte Tatsachen werden diskursiv in Begriffen erfasst, und 117
es werden Urteile gefällt sowie Ego-gesteuerte Entscheidungen getroffen. Ohne geübte und dauerhafte Konzentration ist es für ein Individuum nicht möglich, zwischen der Leere von Hier und Jetzt und der Zerstreutheit der in sie projizierten Gestalten zu unterscheiden. Aus diesem Grund entschwindet das Erlebnis des leeren Hier und Jetzt, und im Vordergrund der Wahrnehmung herrschen Gebilde von Erscheinungen, die Zielobjekte des Ego manifestieren, und sie werden irrtümlicherweise als die Aktualität des Hier und Jetzt wahrgenommen. Zwar manifestiert sich die aktuelle Erfahrung des reinen Gewahrens und des reinen Willens in ihrer ursprünglichen Einheit, doch – ungeachtet ihres zeitindifferenten Wesens – vertreten beide immer die Erfahrung eines raumzeitlich positionierten Individuums und gehören demnach zum Bereich der determinierten Bewusstheit.
VII. Tief im Kern aller Wesen liegt eine latente Identitätserfahrung, sie bleibt aber verborgen und unerkannt, ebenso die grenzenlose Dynamik des reinen Gewahrens. Auch das genetische Entstehen, durch das alle Wesen aus dem Nichts in die Aktualität der Erscheinung treten, muss – weil zeitindifferent – unbewusst bleiben. Das reine Gewahren ist frei von allen Bedingungen der Bewusstheit, dennoch betrifft es alle Wesenheiten und kennzeichnet ihre besondere Prägung. Es ist in allen Wesen diversifiziert verkörpert und kennzeichnet dadurch ihre unwiederholbare Einmaligkeit. Das betrifft nicht nur Menschen, sondern auch alle anderen Wesen. Es gibt keine wirkungsfähige intellektuelle Energie, die im Kraftfeld des reinen Gewahrens auch nur die geringste Wandlung bewirken könnte. Das reine Gewahren ist von keinem Faktor der Wirklichkeit zu beeinflussen: von keinem Ich, keinem Ego, Gegenstand oder Phänomen. Viele Menschen unserer Zeit bemühen sich um Erweiterung und Vertiefung ihrer geistigen Fähigkeit, um spirituelle Erfahrung und Erkenntnis. Sie üben sich in Andacht und Konzentration. Der Übende erlebt die Wirkungskraft des reinen Gewahrens als befreien118
de Offenbarung, durch die er Klarheit und Einsicht in die Zeitindifferenz des Hier und Jetzt gewinnt. Klarheit und Einsicht verschmelzen zu reinem Gewahren in untilgbarer Identität, das als Befreiung erfahren wird. Der Übende erfährt dessen Reinheit und Leere in unmittelbarer Schau.
VIII. Der Unterschied zwischen dem zeitindifferenten reinen Gewahren und der Wahrnehmung der raumzeitlich bedingten Ereignisse ist für die aktuelle Bewusstheit nicht fassbar, da die aktuelle Wahrnehmung dieses Gegensatzes nicht durch diskursives Begreifen in den Kategorien des Verstandes zu erreichen ist. Die Erfahrung der unaufhebbaren Spaltung der Bewusstheit ist nur unmittelbar zu erlangen, und zwar durch langwierige Praxis von Übung und Konzentration. Das aktuelle Ich – der polarisierte Gegensatz zum reinen Gewahren – manifestiert das sich selbst objektivierende Subjekt; es wird im Unterschied zu ihm als Ego bezeichnet. Es besitzt keine von der Erscheinung der Gegenstände unabhängige Substanz, die vorausgesetzt werden könnte und sie nachträglich wahrnehmen würde. Dieses Ego vertritt das Produkt der Tätigkeit des Begehrens, durch welche die Gegenstände entstehen. Das Ego seinerseits wird durch die Wahrnehmung der Gegenstände als deren kontinuierliche Einheit und ununterbrochene Konstante hervorgerufen. Wahrnehmung, Begehren, Gegenstände und Ego manifestieren Tätigkeit und keine konsolidierten Substanzen. Das aktuelle Ich stellt im Allgemeinen den tatsächlichen Zustand eines Menschen dar. In Ausnahmefällen ist es befähigt, die Grenzen der aktuellen Bewusstheit zu überwinden, wodurch es das Erscheinungswesen des Universums durchschauen kann. Dieses ist der Synchronisierung von Inspiration und Aspiration vorbehalten. Hier wird die Ausnahme realisiert, und nur in diesem Fall erlangt der Mensch die Fähigkeit, das täuschende Erscheinungswesen der uns affizierenden Gegenstände zu durchschauen. 119
In diesem befreiten Zustand schreibt der Mensch die Existenz der Gegenstände nicht mehr der objektivierten, an und für sich seienden Wirklichkeit zu, sondern allein der Projektion des aktuellen Egos und des in ihm gründenden Strebens, sich der Gegenstände zu bemächtigen. Auf diese Weise durchschaut der Mensch die relative Realität der Gegenstände. Existieren keine Dinge an und für sich mehr und wird deren Existenz von der derzeitigen Bewusstheit projiziert verstanden, existiert auch kein Ego, das sich von diesen scheinbildhaften Dingen abhängig macht. Es soll nochmals hervorgehoben werden, dass das Existieren nach kosmogenetischen Grundsätzen eine Tätigkeit ist und das Ego dessen Folge und keinesfalls ihr vorauszusetzender Grund. Demnach sind sowohl die Existenz des Egos wie die der Dinge Schein und scheinbildhafte Projektionen. Indem der Mensch sie durchschaut, wird er von der Wirkung der projizierten Existenz der Gegenstände befreit, und dadurch auch vom Leiden, das durch die Unerreichbarkeit der Ziele, deren sich das aktuelle Ego bemächtigen will, verursacht ist. Wird der Scheinbildcharakter der Gegenstände durchschaut, ist auch das scheinbildhafte Wesen des sich von allem trennenden Ego durchschaut. Kurz: Das Ego-gesteuerte Ich vertritt nur Schein und Scheinbild; das reine Gewahren dagegen zeichnet die wahre und reale Identität eines Individuums aus. Das aktuelle Ego vertritt den Schein einer an und für sich bestehenden Subjektivität; Subjekt und Objekt jedoch sind wechselseitig bedingt, das heißt: kein Subjekt ohne Objekt, kein Ich ohne Gegenstände. Das Scheinbild der durch die aktuelle Wahrnehmung projizierten Existenz der Gegenstände ist durch die Dreidimensionalität der derzeitigen Bewusstheit verursacht. Das Scheinbild von existierenden Gegenständen wird durch die dreidimensionalen Bedingungen der aktuellen Wahrnehmung gesetzt, und der Schein ihrer Existenz ist bloße Projektion. Hier darf auch nicht die andere Tätigkeit des reinen Gewahrens in Vergessenheit geraten: Es verkörpert den absoluten Entstehungsanfang des Ich. Das Ich bezeichnet in allen seinen Manifestationen und allen Ebenen der Entstehungsentfaltung die Ichheit, also die Tätigkeit der 120
Identifizierung, und auch diese Variante ist eine Transformation der Urenergie, denn es gibt keinen Stand der Realität, der nicht Folge einer Transformation der Urenergie wäre. Diese Ichheit verkörpert in jedem Fall ein raumzeitlich geortetes Individuum, was seinen Tätigkeitscharakter überhaupt nicht beeinträchtigt. Das Ich impliziert, indem es ein Individuum voraussetzt, die aktuelle Bewusstheit und manifestiert – als Verkörperung der Individualität – die letzte Stufe der Entstehung des Ich. Aber in dieser letzten Form liegt das Ich im Bereich der aktuellen Bewusstheit und ist der Alleinherrschaft des Egos ausgeliefert, das durch sein Streben die scheinbildhafte dreidimensionale Existenz der Dinge heraufbeschwört und versucht, sich der Ziele seiner Bedürfnisse, die es selbst projiziert, zu bemächtigen. Irrtümlicherweise bezeichnet im Allgemeinen das vom Ego gesteuerte Ich die Identität eines Individuums als ein historisch-biographisch geprägtes Ich, das immer ein auf Objekte gerichtetes Subjekt suggeriert. In Wirklichkeit ist die wahre Identität einer Person jedoch das reine Gewahren, sie kann nur im Bereich des Hier und Jetzt wahrgenommen werden. Dies ist eine für sich bestehende und von jeder Relativierung durch Ereignisse unabhängige Selbsterfahrung. Ereignisse würden in jedem Fall die Bedingungen der Raumzeit implizieren. Wir erinnern uns: Das Ich im üblichen Sinne stellt eine Tatsache des Bewusstseins dar. Im Rahmen der derzeitigen Bewusstheit ist kein Individuum denkbar, das nicht als allererste grundlegende Erfahrung die Wahrnehmung seiner Identität voraussetzt. In der kosmogenetischen Erfahrung dagegen bezeichnet das Konzept Ich die gespaltene Tätigkeit der Ichheit als einfaches Ich und das zeitindifferente reine Gewahren als aktuelles Ich, das die Wahrnehmung der raumzeitlich georteten und determinierten Ereignisse darstellt. Das aktuelle Ich ist auch dualistisch gespalten beziehungsweise es manifestiert die Folge der in zwei entgegengesetzte Richtungen gespaltenen Ichheit: in jene Richtung Ego und jene Richtung Seele. Das Ego repräsentiert dabei die Tätigkeit der expandierenden Zerstreuung, die Seele dagegen die Tätigkeit der implodierenden Sammlung; beide sind 121
wechselseitig bedingt, unendlich und unbegrenzt. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass das gespaltene Ich sich selbst als eine Leerheit wahrnimmt und sich in ihrer Form von allem, was vom aktuellen Ich als das Nicht-Ich ausgeschlossen wird, abgrenzt. Nun, durch die Tätigkeit des Ausschließens entsteht das Ausgeschlossene und wird vom aktuellen Ich im Bereich der Vorstellung in Form eines Gegenstandes projiziert. Durch diese Tätigkeit entsteht die Tätigkeit der Vorstellung, und durch die Tätigkeit der Vorstellung entsteht die Bewusstheit. Es ist keine substanzähnliche, an und für sich bestehende Bewusstheit vorauszusetzen, die als innewohnendes „Vermögen“ betrachtet werden könnte. Nach kosmogenetischen Grundsätzen ist auch kein Gegenstand, der an und für sich bestünde, denkbar, der die aktuelle Bewusstheit affizieren könnte. Alle Bestandteile der Realität und alle Instanzen oder Faktoren verkörpern reine substanzlose Tätigkeit und sind grundsätzlich nur als Transformationen der Urenergie zu erfassen. Das expandierende Streben des Ich in Richtung Ego und das implodierende Streben seiner Individuation in Richtung Seele rufen das Gespann Seele und Ego hervor. Diese sind keine substantialisierten Instanzen, sie sind zwei entgegengesetzte und unerreichbare Ziele einer Tätigkeit; sie bestehen nicht an und für sich, und deswegen können sie überhaupt nicht als die Ausgangsposition beziehungsweise als die Ursache des expandierend-implodierenden Strebens des Ich verstanden werden. Ego und Seele sind die zwei polarisierten unerreichbaren Ziele des Ich: In Richtung Ego bezeichnet es die Ausrichtung auf Zerstreutheit der Gegenstände, des Universums; in Richtung Seele bezeichnet es die Ausrichtung auf die Sammlung in seiner Selbstheit, auf den leeren Kern seines Wesens. Wegen der Unendlichkeit seiner zwei entgegengesetzten Ausrichtungen kann sich das Ich nicht in Form eines Ego oder einer Seele endgültig konsolidieren. Das Ego ist das Produkt der Triebe, die Seele jenes der Sammlung. Dies bedeutet nicht, dass Triebe an und für sich, also unabhängig vom Ich bestehen; Ego, Seele, Triebe und Sammlung sind transformierte Formen der Urenergie und vertreten Tätigkeit. Man kann auch sagen: Das Ego-Ich hat eine zentrifugale und das Seele-Ich 122
eine zentripetale Struktur. Das Ego richtet sich nach „außen“, über seine Grenzen hinaus in die unendliche Zerstreutheit der affizierenden Objekte, während die Seele sich nach „innen“ und innerhalb ihrer Grenzen in Richtung ihres innersten Kerns sammelt. Die Dynamik der Konzentration ist aber unendlich, deswegen ist der Kern ein unerreichbares Ziel für das Ich; und wegen dieser Unerreichbarkeit der Ziele können das Ego und die Seele sich nicht konsolidieren; sie werden deshalb als substanzlose und leere Richtungen betrachtet. Seele und Ego vertreten dementsprechend zwei Ansichten des Ich und die unerreichbaren Ziele der Tätigkeit der Identifizierung. Sie sind die beiden äußersten Grenzen im Bereich der Erscheinung, weil sie eben die unerreichbaren Ziele der Identifizierungstätigkeit darstellen. Wohlgemerkt, beide können keine organischen Bestandteile der aktuellen Wirklichkeit repräsentieren, weil sie keine raumzeitlich definierbaren Ereignisse vertreten. Sie vertreten Projektionen jener Tätigkeit und keine Instanzen. Zum Schluss dieses Kapitels stellt sich die Frage: Ist die Seele wie das Ego eine individuierte Instanz? Die Wahrnehmung der Identität eines einzigen Individuums wäre bei der kosmogenetischen vierdimensionalen Bewusstheit keinesfalls auf das eigene Schicksal begrenzt; sie könnte sowohl die Ereignisse des eigenen wie auch die der aktuellen Wirklichkeit aller übrigen Individuen umfassen. In das Ich wären also die Ereignisse aller Individuen eingeschlossen; der aktuelle Träger eines besonderen Erlebnisses würde seiner unmittelbaren Erfahrung – ob Freude oder Leid – keine besondere Bedeutung beimessen, das heißt sie als belanglos betrachten. Zwischen seinen und den Empfindungen anderer Individuen würde man nicht unterscheiden können, obgleich sie immer nur von jeweils einem Individuum wahrgenommen werden. Die Seele ist zwar durch die Geschichte des einzelnen Menschen geprägt und von den Geschichten aller anderen Menschen diversifiziert; sie ist von allen anderen Seelen getrennt, genauso wie das Ego von allen anderen Egos getrennt ist. Seele ist aber auch eine alle Menschen in einer Verschwisterung bindende Energie – eine Energie, die sowohl ver123
schwistert als auch diese Verschwisterung spaltet und die Menschen in ihrem diversifizierten und individuierten Schicksal isoliert. Ohne sich von der Macht des Egos lösen zu können, identifiziert sich das Ich – bewusst oder unbewusst – mit der reinen Essenz seines leeren Ursprungs. Diese Erfahrung entsteht im Rahmen des reinen Gewahrens und wird als Sehnen nach Befreiung erlebt. Das Ich fühlt sich von allem, was Befreiung signalisiert, angezogen. Dennoch ist es nicht fähig, aus eigener Kraft und ohne die akausale Synchronisierung von Inspiration und Aspiration seine Befreiung von der Dualität und der Determiniertheit, die es von der Dominanz des Egos erlösen könnte, zu bewirken.
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7 Der Mensch In diesem Kapitel geht es weder um eine anthropologische Theorie noch um eine Anthropogenese nach den Prinzipien der kosmogenetischen Theorie. Wir werden Themen ansprechen, die das kosmogenetische Verständnis der gesamten Wirklichkeit vertiefen, und zwar indem wir Fragen über das Ich mit Blick auf den Menschen im Rahmen der Kosmogenese stellen. Dabei geht es vor allem um die konstitutiven Tätigkeiten, die das menschliche Individuum beziehungsweise die Person hervorbringt, nämlich die Individuation, die Bewusstheit, das Begehren, die Bedürfnisse und dergleichen mehr. Der Teil „Ausgangspunkt und Ziel: Die Freiheit“ wird diese Ausführungen ergänzen und abschließen.
I. Menschen als Individuen werden durch die Verschiedenheit ihrer Persönlichkeitsstruktur und durch die Einmaligkeit ihrer Biographie diversifiziert. Die Wahrnehmung ihrer Identität gründet, wie im vorigen Kapitel gezeigt, ausschließlich im reinen Gewahren. Dieses gehört nicht zum Bereich der Phänomene und bleibt deswegen vom Fließen der Ereignisse unbeeinträchtigt. Es besitzt einen apriorischen, von jeder Erfahrung unbeeinträchtigten Charakter. Es ist zeitfrei und zeitlos, das heißt zeitindifferent; es impliziert kein Subjekt, kein Ich und keinen Gegenstand, es ist einfach leer. Das reine Gewahren ist nicht mit der Biographie eines Menschen identisch. Beide sind einmalig und individuiert, aber das eine ist leer, einfach und zeitfrei, während das andere aus einer Reihenfolge von raumzeitlich georteten Episoden besteht. Es gibt zwischen beiden keine wechselseitig bedingte Relation und keine Ursache-Wirkung-Verknüpfung; ihre Beziehung zueinander ist transzendent und nichtbehindernd. 125
Wir unterscheiden zwischer aktueller und wahrer Identität; letztere ist die Voraussetzung der Entstehung der ersten; sie realisiert eine fließende, leere und einfache Erfahrung, die alle Ereignisse in einer Biographie verbindet und zusammenhält. Die aktuelle Identität hingegen ist die Reihenfolge aller Erfahrungen, die eine Biographie ausmachen und ihre Einmaligkeit prägen; sie gründet auf der Besonderheit und den raumzeitlichen Unterschieden der Ereignisse. Der Verlauf der Biographie zweier Menschen ist von der raumzeitlichen Anordnung der Episoden abhängig, deswegen ist jede Biographie einmalig. Aber getrennt und diversifiziert sind sie nicht durch den verschiedenen Verlauf ihrer Geschichten, sondern durch ihre wahre Identität, geprägt durch das reine Gewahren, das vom Fluss der Ereignisse unbeeinträchtigt ist. Auch die Ich-Erfahrung dieser zwei Menschen – ihre Identitätswahrnehmung – beruht nicht auf der Verschiedenheit ihrer Biographien, sondern auf der nicht zu definierenden apriorischen Grundlage, die das reine Gewahren darstellt. Zur Konfigurationsstruktur einer Biographie gehört unumgänglich die Eigenschaft Ich; es bezeichnet den Inbegriff des einfachen und aktuellen Ich und vertritt die Einheit der Identität auf allen Ebenen der Kosmogenese. Zwar ist diese Identität unableitbar und undefinierbar, aber als Ichheit – als Tätigkeit der Identifizierung – verkörpert sie in jedem Fall ein raumzeitlich geortetes Individuum, ohne ihren Charakter als Tätigkeit zu beeinträchtigen. Indem das Ich ein Individuum voraussetzt, impliziert es die aktuelle Bewusstheit, worin sich die letzte Stufe der Entstehung des Ich manifestiert. In dieser seiner endgültigen Form, also im Bereich der aktuellen Bewusstheit, unterliegt das Ich der Herrschaft des Egos, das die scheinbildhafte dreidimensionale Existenz der Dinge heraufbeschwört und sich ihrer zu bemächtigen sucht. Ohne sich von der Macht des Egos und der Ego-Bedürfnisse lösen zu können, identifiziert sich das Ich – bewusst oder unbewusst – dennoch mit der reinen Essenz seines leeren Ursprungs, einer Erfahrung, die im reinen Gewahren entsteht und als Sehnen nach Befreiung erlebt wird. Der Mensch ist durch eigene Kraft und ohne die akausale Synchro126
nisierung von Inspiration und Aspiration nicht fähig, seine Befreiung von der Dualität und Determiniertheit, von der Dominanz des Egos, zu erreichen. Dem Ich haftet die Eigenschaft einfaches Ich an, sie bezeichnet die Identifizierung des Ich mit der Grundeigenschaft Aspiration, das heißt, das Ich erlebt seine Identität als Aspiration, bleibt aber als Ich unantastbar. In Kontrast zur Wahrnehmung der Gestalten im Raum, die sich in der Zeit verändern, manifestiert die Seinsweise Ich die Identität der Bewusstheit eines Individuums bei der Wahrnehmung einer besonderen Reihenfolge von Ereignissen, die einmalig und in der Zahl ihrer Elemente begrenzt ist. Dieses Ich bezeichnet die Identität einer Person: seine aktuelle Identität. Die Selbsterfahrung der Identität geschieht durch die Wahrnehmung jener Reihenfolge von Ereignissen, die miteinander durch einen individuierten Namen zu einer Einheit verbunden sind. Eine solche einmalige und unwiederholbare Reihenfolge von Ereignissen wird Biographie genannt. An dieser Stelle sei nochmals betont: Im Rahmen der Erfahrung der Ichheit kommen nur Ereignisse und keinesfalls Gegenstände vor. Eine Biographie ist im üblichen Sinne die Geschichte eines einzelnen Menschen. Ihre Bezeichnung in der kosmogenetischen Theorie ist der Name, der als Seinsweise in jeweils nur einer einzigen Reihenfolge von Ereignissen konfiguriert ist. Daraus ergibt sich der umfassende Begriff von Biographie, der lautet: Sie ist eine Reihenfolge von Ereignissen, bei der ein und derselbe Name15, der jeweils nur ein einziges Individuum bezeichnet, als Seinsweise konfiguriert ist. Es gibt keine gemeinsame Biographie für zwei verschiedene Personen, genauso wenig kann ein Lebewesen mehrere Biographien haben. Wie sind die Elemente der Biographie zusammengehalten? Biographien sind Geschichten, die nur Menschen betreffen. Ein Mensch ist immer das Derivat einer Transformation der Urenergie, das heißt, er repräsentiert keinen an und für sich existierenden Bestandteil der Wirklichkeit. Seine echte Identität liegt in der ihm gewährten Befähigung, am Fließen der Ereignisse teilzunehmen. Seine Biographie erfasst eine Reihe von Ereignissen, die durch den Namen 127
gekennzeichnet sind; der Name konfiguriert sie in dieser Reihenfolge. Jedes Ereignis, das zu einer bestimmten Biographie gehört und die Eigenschaft „Sich-eines-Ereignisses-bewusst-Werden“ zeigt, wird Erlebnis genannt und impliziert Bewusstsein16. Man beachte auf der anderen Seite, dass nicht alle Ereignisse einer Biographie Erlebnisse sind. So zum Beispiel, wenn Georg in Ulla verliebt ist und ihr dies nicht mitteilt, dann gehört dieses Ereignis zu Georgs Biographie, nicht aber zu Ullas Erlebnissen. Als solches gehört es ausschließlich zu Georg. Wir wissen auch, dass Erlebnisse und Ereignisse ausnahmslos raumzeitlich geortet sind und dass sie immer zu einer einzigen bestimmten Biographie gehören. An und für sich bestehende und von der aktuellen Bewusstheit unabhängige Erlebnisse kann es nach kosmogenetischer Logik nicht geben17. Auch gemeinsame Erlebnisse sind nicht denkbar, denn das Erlebnis setzt ein einziges raumzeitlich geortetes Individuum voraus; es gehört immer nur zu einer einzigen Biographie. Zur Konfigurationsstruktur der Ereignisse einer Biographie gehört unumgänglich das Ich, also die Tätigkeit der Identifizierung als Konstante auf allen Ebenen der kosmogenetischen Entfaltung, bei der Entstehung aller Erfahrungen und Erlebnisse und als wechselseitige Verbindung zwischen dem einfachen und dem aktuellen Ich. Diese Tätigkeit der Identifizierung transformiert sich in das Subjekt und Objekt, das heißt in den aktiven und passiven Faktor der alltäglichen Sprache, also in eine Trennung, die zugleich aber Vermittlung ist. Dasselbe Ich erleidet eine Spaltung in zwei entgegengesetzte Richtungen: Richtung Seele entfaltet es sich in implosiver Verdichtung und in Richtung Ego in expansiver Ausdehnung; beide vertreten zwei unerreichbare Ziele des Ich. Durch jene Tätigkeit transformiert sich das Ich in das Nicht-Ich und bleibt dennoch unangetastet; von daher kann auch gesagt werden, dass Seele und Ego zwei Formen des einen NichtIch vertreten, mit dem sich das Ich identifiziert und von dem es sich dennoch abtrennt. Diese ambivalente Ich-Struktur spiegelt sich im Bereich der Erscheinung ab und konstituiert die derzeitige aktuelle Bewusstheit. 128
II. Der heutige Mensch erfährt seine alltägliche Existenz im raumzeitlich bedingten Fließen der Phänomene und betrachtet die Einmaligkeit seiner Biographie und Geschichte als seine reale Identität. Es bleibt ihm jedoch unklar, dass er sich auch seiner echten, zeitindifferenten und einfachen Identität bewusst werden kann und dass diese Bewusstheit zu den wesentlichen Elementen seiner Identität gehört. Wir wissen aus den vorigen Ausführungen, dass das Ich aus dem Nichts entsteht, und zwar als Produkt der Identifizierungstätigkeit. Wir können diese – wie jede andere Tätigkeit – nicht als Geschehen, sondern als Tätigkeitsderivat wahrnehmen; das bedeutet, nicht der Entstehungsprozess des Ich und der Bewusstheit, sondern deren aktuelle Erfahrung wird wahrgenommen. Fragt man nach dieser Bewusstheit, die ein Produkt des Entstehungsprozesses und gleichzeitig eine konstitutive Tätigkeit des Menschen ist, so lautet die Antwort: Es ist nicht die kosmogenetische, allumfassende Bewusstheit, die dem derzeitigen Menschen fehlt, sondern jene Bewusstheit, die sich des eigenen Entstehungsprozesses bewusst ist18. Das Ich repräsentiert die Einheit der Bewusstheit auf allen denkbaren Ebenen und ist vom Individuum als Bezeichnung seiner Identität vorausgesetzt, inklusive seiner ersten und realen Grundform, des reinen Gewahrens. Aber das aktuelle Ich ist auch der polarisierte Gegensatz zum reinen Gewahren; es manifestiert sich nämlich als das sich selbst objektivierende Subjekt, das Ego, welches das Produkt der Tätigkeit des Begehrens ist, durch die – den Grundsätzen der kosmogenetischen Theorie zufolge – die Gegenstände entstehen. Wir werden im folgenden Absatz das Begehren noch weiter erläutern. Das aktuelle Ego erweist sich als das allererste Konstitutivum der aktuellen Wirklichkeit. Dieses Ego vertritt aber eine Abstraktion, die leer ist und die Konstante darstellt, die alle Erlebnisse, die zu einer Biographie gehören, charakterisiert. Das aktuelle Ego besitzt keinen erkennbaren substanzähnlichen Inhalt und ist dualistisch gespalten: kein Ego im Rahmen der menschlichen Wahrnehmung, das sich nicht als Ich von einem ihm gegenüber erscheinenden Nicht-Ich trennt. Dieses 129
Nicht-Ich bezeichnet das Universum, ein zerstreutes Ziel, das sich als unendlich, unerschöpflich und letztlich unerreichbar erweist. Das reine Gewahren ist auf der anderen Seite nicht als die reale individuierte Selbsterfahrung zu verstehen. Es vertritt kein auf Objekte ausgerichtetes Subjekt, keine Substanz, kein Wissen vom Wissen und kein Ich, das das Nicht-Ich ausschließt. Es ist einfach und raumzeitlich unbedingt und bezeichnet das reine, einfache, leere Ich, das im üblichen Sinne nicht wahrzunehmen ist; das Realitätsfeld seiner Aktualisierung ist das Hier und Jetzt. Dem aktuellen Ich gelingt es nicht, die Gegenstände seiner Erfahrung in Einheit zu bringen. Seine Aktivität und Wirkungskraft sind lediglich auf das scheinbildhafte Wesen der Gegenstände ausgerichtet. Auch die Wirkungskraft seines Vorstellungsvermögens, durch dessen Tätigkeit das aktuelle Ich sich überzeugen lässt, ist eine Täuschung, die – als aktuelles Ich – keinerlei Einfluss auf die Abfolge der raumzeitlich geordneten Ereignisse ausüben kann. Die Tätigkeit der Identitätswahrnehmung ist substanzfrei, sie ist das Derivat der Identifizierungstätigkeit; sie bewirkt auch den Entstehungsakt der Bewusstheit, und daher wird das Ich als Träger der aktuellen Bewusstheit betrachtet, was zu der weiteren Annahme führt, dass das Ich sich in alle Instanzen und Faktoren, durch deren Tatkraft das Scheinbildhafte der wahrgenommenen Wirklichkeit in Erscheinung tritt, transformiert. Diese besteht keinesfalls an und für sich, sondern wird durch die kategorialen Bedingungen der Bewusstheit geprägt. Auch die aktuelle Wahrnehmung wird durch die Bedingungen der Bewusstheit gesteuert, sie manifestiert die Vielfalt der determinierten Reihenfolge der Ereignisse, die die Erfahrung einer einzelnen Person konstituieren, das heißt seine Biographie, die, wie schon gezeigt, die Individualität eines Menschen bezeichnet und eine vielfältige und auch a priori determinierte Struktur von raumzeitlich georteten Ereignissen manifestiert. Diese Wahrnehmung realisiert sich unter der Struktur von Expansion und Implosion. Das heißt aber nicht, dass ein raumzeitliches Nach130
einander vorausgesetzt ist, sondern dass sich Expansion und Implosion auf einen Schlag und zugleich realisieren. Dabei richtet sich die expansive Wahrnehmung nach der Zerstreutheit der zahllosen Bestandteile der aktuellen Wirklichkeit beziehungsweise nach der Unendlichkeit der in der Raumzeit georteten Ereignisse, während sich die implosive aktuelle Wahrnehmung nach innen, nach der leeren Essenz der einfachen Realität, so wie sie in ihrer ursprünglichen Absolutheit besteht, richtet.
III. Immer wenn von der Wahrnehmung als Tätigkeit einer individuierten Bewusstheit die Rede ist, muss man zunächst den Unterschied zwischen zweierlei Ereignissen hervorheben: den evolutiven kosmogenetischen Ereignissen und deren evolutiver Wahrnehmung auf der einen Seite und den empirischen Ereignissen und deren aktueller Wahrnehmung auf der anderen. Erstere sind durch die ungespaltene Einheit und Ganzheit aller vier Dimensionen gekennzeichnet, die Zweiten bezeichnen das Produkt der Spaltung der Dimensionalität in Raum und Zeit und stellen die immerwährende Veränderung der dreidimensionierten Gegenstände dar. Es wäre von fundamentaler Bedeutung, wenn Menschen keine Gegenstände, sondern nur Ereignisse wahrnehmen würden. Als Erscheinung der kosmogenetischen Energie manifestieren die Ereignisse ein fließendes, ununterbrochenes Geschehen und nicht punktuell getrennte Tatbestände; in der evoluierten Bewusstheit hätten sie eine vierdimensionale Struktur, die von allen derzeitigen Wahrnehmungsbedingungen frei wäre, denn sie wäre bar aller Gegenstände und frei von allen Subjekt-Objekt-bedingten Vorstellungen. Die einfache evolutive Wahrnehmung einer Person wäre nicht mehr in Raum und Zeit gespalten, sondern von allen Bedingungen der Raumzeit befreit. Sie würde den Höhepunkt ihrer Intensität in der Konzentration auf nur ein einziges Element realisieren, einem Lichtstrahl gleich, der sich durch eine Linse auf einen Punkt verdichtet. 131
Der heutige Mensch ist in einem in sich geschlossenen und nur für ihn als Wirklichkeit geltenden Scheinbild eingeschlossen. Die scheinbildhafte Wirklichkeit manifestiert sich – so wie sie von der aktuellen Bewusstheit wahrgenommen wird – in Fragmenten; dieser zersplitterte Zustand wird vom derzeitigen Verstand diskursiv erfassbar. Im Gegensatz zu dieser aktuellen Bewusstheit steht die evolutive, die die evoluierenden Ereignisse wahrnimmt. Zwar steht auch sie unter den Bedingungen der Dualität, sie steht aber nicht unter der Bedingung einer gespaltenen Dimensionalität durch einen von der Zeit getrennten Raum. Sie ist sowohl von Gegenständen wie auch von Subjekt-ObjektVorstellungen frei. Darüber hinaus ist sie geprägt von der unzertrennbaren vierdimensionalen Raumzeit, die die reale, an und für sich geltende Wirklichkeit darstellt. Der heutige Mensch ist aber noch nicht in der Lage, sie zu begreifen. Die bereits dargestellten Argumente der Kosmogenese haben deutlich gemacht, dass Subjekt und Objekt zwei wechselseitig bedingte Tätigkeiten sind: ohne Subjekt kein Objekt, ohne Objekt kein Subjekt. Durch die Tätigkeit dieser wechselseitigen Bedingtheit entstehen sowohl die Subjekte wie auch die Objekte, was in der weiteren Konsequenz zu der Behauptung führt: Die Befreiung von der Erscheinung der Gegenstände erfordert die Befreiung von Subjekt-Objekt-bedingten und -bedingenden Vorstellungen.
IV. Die derzeitige Bewusstheit realisiert sich in einer gespaltenen Form von Subjekt und Objekt. Sie erlebt sich als diversifiziert und an und für sich existent, indem sie sich von allem, was ihr gegenübergestellt ist, distanziert. Sie ist auch genötigt, sich von allem, was sie nicht als „Selbst“ erfasst, zu trennen, denn nur durch Trennung vermag sie sich selbst als Subjekt zu erfassen. Als Subjekt und auch als Objekt nimmt sich die derzeitige Bewusstheit als ein raumzeitlich positionierter Gegenstand wahr. In diesem Sinne repräsentiert das Subjekt-Objekt-Gespann die Abstraktion eines Gegenstandes. Daher ist es auch berechtigt zu sagen: 132
Gegenstand sowie Subjekt und Objekt bestimmen die Form jedes diskursiv erfassten Wirklichkeitskonzeptes. Auf der anderen Seite stellt die derzeitige Bewusstheit, wie schon oft erwähnt, das endgültige Produkt der Urenergie-Transformationen dar. Aber im Bereich der Erscheinung repräsentiert das Ich den Inbegriff der derzeitigen Bewusstheit, und dieses Ich signalisiert die Tätigkeit der Identifizierung auf allen denkbaren Ebenen der Bewusstheit: als reines Gewahren, aber auch als das Ich in der Alltagssprache und als Ausdruck des Subjekts. Das Ich ist auch das endgültige Derivat der Identifizierungstätigkeit, Tatsache der Bewusstheit, Ausdruck ihrer Fähigkeit, sich selbst zu objektivieren und sich dadurch in ein Objekt zu transformieren. Nur dadurch vermag das Subjekt das Objekt wahrzunehmen: Es wird mit diesem konfrontiert, wodurch das Subjekt mit dem Objekt entsteht. Noch deutlicher ausgedrückt: Durch die Tätigkeit der Konfrontation entstehen die sich konfrontierenden Instanzen Subjekt und Objekt. Durch die Tätigkeit der aktuellen Bewusstheit entsteht die abstrakte Struktur der zwei entgegengesetzten, aber wechselseitig bedingten Glieder des Gegensatzes Ich/Nicht-Ich, das heißt der zwei Entfaltungsphasen der Ichheit (beziehungsweise der Identifizierungstätigkeit). Es sind die zwei abstrakten Betrachtungsweisen der Wahrnehmung, die von der derzeitigen Bewusstheit als Subjekt und Objekt erfahren werden. Dieses Paar zeigt seine Grundstruktur. Sprache, Vorstellung und Urteilskraft werden davon geprägt. Hier wird das Nicht-Ich in Form eines Gegenstandes wahrgenommen, und durch dessen Wahrnehmung entsteht der Bereich sowohl von Ich und Nicht-Ich als auch von Subjekt und Objekt, samt allen Faktoren, die den Entstehungsvorgang der Tätigkeit manifestieren und nicht als an und für sich erstarrte, substanzähnliche Instanzen gesehen werden dürfen. Soll der derzeitige Verstand die Transformation des Ich begreifen, muss er sie von zwei Phasen aus betrachten: aus der ersten, in der die Ichheit (die Tätigkeit der Identifizierung) sich in das Subjekt, und aus der zweiten, in der sie sich in das Objekt transformiert. Dabei sind beide Phasen zwei Betrachtungsweisen einer einfachen und einheitlichen 133
Tätigkeit, sonst wäre der Identitätscharakter des Ich aufgehoben. In diesen zwei wechselseitig bedingten und entgegengesetzten Phasen erkennt das Ich sich selbst als Tätigkeit, niemals als an und für sich bestehender Bestandteil der Realität, sondern als Derivat der kosmogenetischen Urenergie. Durch die Wirkungskraft der sich transformierenden Energie wird das Ich zum Ich, aber nur, indem es sich selbst objektiviert und in ebendieses Objekt transformiert; diese zuletzt erwähnte Transformation bewirkt für das Ich den Vollzug seiner Identität, und zwar sowohl durch seine Transformation in das Objekt als auch rückwirkend durch die von der Entstehung des Objekts geprägte Form des Ich als Subjekt. Man beachte, dass die ursprüngliche Tätigkeit der Identifizierung von der Wechselwirkung unangetastet bleibt und dass kein Ich oder Nicht-Ich unabhängig an und für sich bestehend existieren kann. Die Tätigkeit der Identifizierung steht nach all dem bisher Gesagten für die Bewusstheit der sich selbst objektivierenden Subjektivität. Sie ist, das versteht sich, ein Produkt der Transformation des Unbedingten; aber diese Objektivierung des Subjekts durch sich selbst verleiht dem Gespann Subjekt-Objekt auch den Charakter eines Gegenstandes, und zwar wie gesagt, indem das Subjekt sich selbst als ein an und für sich bestehendes Gegenüber darstellt und aus sich selbst dadurch ein Objekt macht. Nimmt es sich selbst als raumzeitlich positioniert wahr, macht es aus sich selbst einen existenten Gegenstand. Subjekt und Objekt sind zwei Betrachtungsweisen einer identischen, an und für sich bestehenden Abstraktion eines Gegenstandes; sie stellen die abstrakte Existenzform jeder aktuellen Tätigkeit und jeder Instanz dar Für die Syntax der Alltagssprache würde dies Folgendes bedeuten: Darin dürfte auf keinen Fall von einem echten Subjekt oder Objekt die Rede sein; Anfangspunkt beziehungsweise Träger aller durch das Prädikat dargestellten Bestimmungen und Funktionen sind in Wirklichkeit Abstraktionen von leeren Gebilden; anders ausgedrückt: In der Syntax-Struktur handelt es sich um einen „Ersatz“, bei dem „SyntaxSubjekt“ und „Syntax-Objekt“ ein imaginäres Subjekt beziehungsweise Objekt vertreten und keine realen Inhalte. 134
Zusammenfassend lässt sich sagen: Das diskursive Verständnis der kosmogenetischen Theorie fordert ein vorstellbares Konzept des Entstehungsprozesses aus dem Nichts. Dieser Prozess ist ein metazeitliches Geschehen und ist von der derzeitigen Bewusstheit nicht fassbar. Deswegen wurde hier ein abstraktes, aber vorstellbares Konzept eingeführt, das kosmogenetische Tätigkeit genannt wurde. Darunter kann man das Agens des Entstehungsprozesses verstehen. Eine eindeutige Definition und eine klare Vorstellung davon sind im diskursiven Rahmen nicht möglich. Jedoch geht aus dem bisher Gesagten hervor, dass die kosmogenetische Tätigkeit vom Subjekt-Objekt-Gespann unabhängig ist und dass sie weder als Subjekt noch als Objekt gesehen werden darf.
V. Die konstituierenden Elemente sind in allen Phasen und auf allen Ebenen der kosmogenetischen Entfaltung substanzlos; sie stellen nur Tätigkeit dar, die ausschließlich auf die ursprüngliche Transformationsenergie zurückzuführen ist. Das Begehren im üblichen Sinne bezeichnet eine Tatkraft, die von einem aktuellen Individuum ausgeht und die gemeingültige Konstellation von Ich und Nicht-Ich impliziert. Sowohl die Tätigkeit des Begehrens wie auch sein Zielobjekt sind als Produkte der Transformationsenergie zu sehen. Dieses Zielobjekt besteht nicht als an und für sich raumzeitlich positionierte Substanz, die nachträglich von einem Individuum begehrt werden könnte; es ist vielmehr das Produkt der Tätigkeit des Begehrens. Kurz gefasst: Durch das Begehren entsteht dessen Zielobjekt; beide (Begehren und Zielobjekt) tragen den Charakter einer bloßen Tätigkeit. Erst durch die Tätigkeit des Begehrens entstehen die begehrten Gegenstände. Auch das Ego entsteht durch die Wahrnehmung der Gegenstände. Wir wissen andererseits, dass durch die Tätigkeit der Entstehung der Gegenstände der Bereich der Erscheinung hervorgerufen wird, mithin auch die derzeitige Bewusstheit, die dreidimensional ist und die ihre weitere Transformation in eine neue, vierdimensionale 135
und von Gegenständen freie Phase nicht impliziert. In Analogie zur Entstehung der Gegenstände wird der Bereich der Erscheinung durch die Tätigkeit der Entstehung der Ereignisse hervorgerufen, mithin die Evolution der kosmogenetischen Bewusstheit. Ego und Begehren stehen in einer Relation. Das Prinzip ihrer Entstehung lautet: Erst durch ihre Relation werden Ego und Begehren hervorgerufen und außerhalb ihrer selbst sind sie jeder denkbaren Realität beraubt. Die Tätigkeit des Begehrens ist demnach nicht nur Produkt der Transformation der kosmogenetischen Energie, sondern auch Produkt der Relation zwischen Ego und Begehren; hierbei behindern die zwei Arten des Entstehungsprozesses einander nicht. In diesem Sinne transformiert sich auch die Tätigkeit der Identifizierung, die wir bereits behandelt haben, in die Tätigkeit des Begehrens. Auch die Ichheit transformiert sich in die Tätigkeit des Begehrens und realisiert dadurch eine weitere Entfaltungsstufe der Urenergie, die sich in Form der vorgegebenen Matrix von Ich und Nicht-Ich strukturiert. Daraus wird ersichtlich, wie die Tätigkeit des Begehrens als Derivat der Transformation der Urenergie in die Tätigkeit Ichheit entsteht, wo Ich und Nicht-Ich als Matrix dieser Transformation dienen und auch das Ego aus dem Nichts entsteht. Fügt man hinzu, dass die Tätigkeit des Egos unbegrenzt ist – denn es vertritt keinen an und für sich bestehenden Faktor, sondern die Ausdehnung des Ich in die expandierende Richtung, deren unerreichbares Ziel die Vielfalt der Dinge ist –, dann kann man mit Recht behaupten, dass sich die Transformation der Identifizierungstätigkeit in den zwei interdependenten Gliedern Ego und Begehren kristallisiert; jedoch gilt, dass durch das Begehren das Ego entsteht und dass kein an und für sich vorauszusetzendes Ego existiert, von dem das Begehren ausgehen könnte. Die drei Grundbegriffe der Bewusstheit: Ichheit, Begehren und Ego, hängen wie folgt zusammen: Die zwei wechselseitig bedingten Tätigkeiten Ichheit und Begehren sind interdependent. Die zwei wechselseitig bedingten Tätigkeiten Begehren und Ego sind auch interdependent, genauso wie die zwei wechselseitig bedingten Tätigkeiten Identifizie136
rung und Ego. Diese drei verschiedenen Relationen stehen im Sinne der Kosmogenese nichtbehindernd zueinander. Schließlich sei noch auf eine wichtige Konsequenz hingewiesen: Diese Tätigkeit transformiert sich in die Projektion der Bedürfnisse und Triebe, was zu Spannungen zwischen Ich und Nicht-Ich führt; das Ich manifestiert die Tätigkeit der Identifizierung, während das NichtIch die Tätigkeit des Begehrens entstehen lässt. Die erste impliziert unumgänglich die Aktualität der Bewusstheit, die keine substantialisierte Instanz ist und deshalb nicht als vorauszusetzende Ausgangsposition beziehungsweise Ursache der Triebe und Bedürfnisse angesehen werden darf; vielmehr vertreten die Triebe die Entstehungsursache der Bewusstheit. Nach den Grundsätzen der Kosmogenese kann keine substantialisierte Instanz vorausgesetzt werden, die die Ursache einer Tätigkeit darstellen könnte, sondern durch die Tätigkeit entsteht der Auslöser der Tätigkeit. Das bedeutet für unseren Kontext: Durch die Tätigkeit der Triebe entsteht die Tätigkeit der Bewusstheit, indem die Triebe im Bereich der Erfahrung wahrgenommen werden. Das Nicht-Ich wird von der Bewusstheit als greifbares Ziel erlebt, und dadurch entsteht die Tätigkeit der aktuellen Bewusstheit, die das Ich als das begehrende Ich erlebt und die somit die Tätigkeit des Begehrens entstehen lässt. Diese richtet sich nach greifbaren Dingen, die die Sinne affizieren, die sich darauf ausrichten, sich der Dinge zu bemächtigen, und dadurch entsteht die Tätigkeit des Bemächtigens. Dieses Ich – das begehrende Ich – bezeichnet das Bedürfnis, sich der Dinge zu bemächtigen, durch das wiederum die Bedürfnisse entstehen. Diese Kette von Tätigkeiten zeigt, dass die Instanzen und Faktoren Ich, NichtIch, Bedürfnisse und Triebe nicht unabhängig von der Transformation der Tätigkeit bestehen. Abschließend sei gesagt: Die derzeitige aktuelle Bewusstheit verkörpert ein Ich, das sich ein Nicht-Ich projiziert und davon trennt. Nicht so der Mensch, der seine Existenz im Rahmen der Kosmogenese wahrnehmen könnte. Ein solcher erfährt sich selbst als das Ganze der Realität umfassend und nicht nur auf ein Objekt gerichtet; er könnte 137
auch eine Befreiung von der Dominanz der von den Trieben gesteuerten Bedürfnisse realisieren. Eine so befähigte Person ist von den Begrenzungen der scheinbildhaften Konsolidierung der Objekte befreit und gehört zu der Evolutionsstufe, die von den axiomatischen Grundsätzen der kosmogenetischen Theorie angestrebt wird.
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Ausgangspunkt und Ziel: Die Freiheit Die Kosmogenese versteht sich nicht als bloße theoretische Spekulation. Vielmehr zeigt sie einen möglichen Weg auf, der den heutigen Menschen von den Begrenzungen und Zwängen der Determiniertheit, denen er ausgeliefert ist, befreien könnte; sie sieht ihren Ausgangspunkt und ihre Aufgabe darin, den Begriff Freiheit im Bereich der alles umfassenden Realität – mithin im Bereich der derzeitigen aktuellen Bewusstheit – neu zu ergründen und hervorzuheben. Im Verlauf der Untersuchung hat sich ergeben, dass dem Wesen eines jeden Menschen ein Ich zugrunde liegt, dessen Tätigkeit in der Wahrnehmung der echten Identität und der scheinbildhaften Wirklichkeit erfolgt. Es wurde klar, dass wir es mit einem nur relativen, in sich geschlossenen und nur für sich geltenden Scheinbild zu tun haben. Es zeigt sich aber auch, wie das Wesen des Menschen geprägt ist von der Spannung zwischen Freiheit und Determiniertheit, zwischen Handlungsfreiheit und Zwang der Bedürfnisse, und wie aus dieser Spannung das Verlangen nach Befreiung entsteht. Die philosophische Literatur bringt Freiheit und Willen zusammen; manche Denker setzen die Freiheit mit freier Wahl gleich und glauben, damit eine adäquate Definition gefunden zu haben. Andere behaupten, sie sei – als Grund ihrer selbst – absolutes Prinzip eines jeden Vernunftwesens, da sie als präreflexives Cogito dessen Sein aus dem Nichts hervorbringt. Die Spekulation in den meisten Religionen betrachtet die Freiheit als göttliche Gabe sowie als Grundlage der menschlichen Verantwortung. Nicht so die kosmogenetische Theorie. Das Wesen des Ich ist die Freiheit, ungeachtet seiner Einengung im Bereich der Determiniertheitsbedingungen, die ihm durch die derzeitige Aktualität aufgedrängt werden. Diese Freiheit manifestiert sich auf einer derzeitigen relativen Ebene als die unergründliche und un139
ableitbare freie Wahl, wie auch auf einer absoluten Ebene als die durch Synchronisierung ermöglichte Befreiung von der Determiniertheit. Es muss auch als Einheit von reinem Willen und reinem Gewahren, als von Subjekt-Objekt-Konzepten leere Wirkungskraft der Freiheit angesehen werden, unter Beachtung der Tatsache, dass die Freiheit und das Ich komplexe Gebilde sind, die aus einer Vielheit von Eigenschaften zusammengestellt sind. Das Ich stellt dennoch das Grundelement der derzeitigen Wirklichkeit dar und unterliegt insofern den Bedingungen der Determiniertheit und der physikalischen Gesetzmäßigkeit. Demnach sind Freiheit und Determiniertheit in Bezug auf das Ich relativ; ihre entgegengesetzte Wirkungskraft bewirkt eine nicht endgültig zu stabilisierende Spannung, die von Person zu Person und von Fall zu Fall variiert und eine dynamische Instabilität aufweist. Jeder Mensch erfährt sich selbst als befähigt, seine Entscheidungen nach seinem Urteil treffen zu können. Seine Handlungen sind jedoch nicht nur von diesem Vermögen abhängig, sondern auch von anderen Faktoren; sie gehören zum Bereich der aktuellen Wirklichkeit, das heißt zum Bereich der Phänomene, und üben eine direkte Wirkung auf seine Entscheidungen und Handlungen aus. Dies sind zum Beispiel die physikalischen Gesetze, aber vor allem die Determiniertheit, also die sich in der Abfolge seiner Biographie konstituierenden Ereignisse; durch diese „apriorische Determiniertheit“ wird die Totalität der Ereignisse in raumzeitlich determinierter Reihenfolge und auf einen Schlag als geordnetes Ganzes aus dem Nichts hervorgerufen. Hierin liegt auch der Grund, weswegen die Freiheit im aktuellen Bereich begrenzt und relativ ist. Wenn andererseits feststeht, dass das Bewusstwerden der freien Wahl zu den Tatsachen der Bewusstheit gehört und die Unbedingtheit des absoluten Ich als Garantie und Bestätigung für die allgemeine Überzeugung gegeben ist, wonach der Mensch fähig ist, nach freier Wahl zu handeln, dann kann gesagt werden: Das Ich ist zwischen Freiheit und Determiniertheit gefangen. 140
Das Ich ist auch noch in anderer Weise gespannt zwischen Determiniertheit und Freiheit, auf dem Feld der Determiniertheit zwischen den unerreichbaren Zielen von Seele und Ego auf der einen und als das reine Gewahren von Hier und Jetzt auf dem Feld der Freiheit auf der anderen Seite. Es kommt hinzu, dass es sich als raumzeitlich geortetes Individuum seinem derzeitigen dreidimensionalen, determinierten Zustand entfremdet fühlt und seine ursprüngliche, echte Identität als unerreichbares Wunschbild erfährt. In dieser komplexen Situation tauchen Fragen auf, die den Zusammenhang von Willen, Prädestination und möglicher Befreiung berühren. Wir wollen zuerst die Frage nach der Möglichkeit von Freiheit im Konzept der Kosmogenese beantworten; erst danach können die Überwindung der sogenannten Prädestination, die Möglichkeit der Befreiung und die Wirklichkeit der freien Wahl analysiert werden. Es war die Rede von der apriorischen Determiniertheit. Wir wissen, dass die Entstehung der Ereignisse nur in Form einer Totalität und als Ganzheit realisiert ist – und nur in einer fließenden Reihenfolge. Aus dieser Erkenntnis folgt, dass auch die aktuelle Wirklichkeit von Anfang an als Ganzes und auf einen Schlag hervorgerufen wird. Für unsere Theorie steht auch fest, dass das Entstehen aus dem Nichts einmalig und unwiederholbar ist, das heißt, dass kein „Nacheinander“ denkbar ist, das der Entstehung vorangeht und als Matrix der Strukturierung des Entstehungsprozesses dienen könnte. Schließlich würde eine unendliche Wiederholung eine Reihenfolge von Wirklichkeit bewirken, deren Elemente ins Unendliche reichten. Und verstünde man darunter das Universum, dann gäbe es eine unendliche Reihenfolge von einer unendlichen Zahl von Elementen. Es wurde aber klar, dass die Entstehung unserer Wirklichkeit von Anfang an als Ganzes realisiert und damit vollkommen determiniert ist, zumal alles, was im Rahmen dieser Wirklichkeit geschieht, in Form eines Ereignisses entsteht. Diese Art von Determiniertheit ist in der Kosmogenese die „apriorische Determiniertheit“, die sich von der Determinierung durch die physikalischen Naturgesetze unterscheidet. Ist nun im Bereich dieser Determiniertheit ein Konzept von Freiheit denkbar? Die Antwort kann 141
nicht durch den Rückgriff auf diskursive Argumente oder Spekulation erfolgen. Sie ist gegeben im unmittelbaren Erlebnis von Freiheit und Verantwortung, das jedem Menschen unmittelbar bewusst ist. Jeder Mensch erlebt sich als determiniert, ist aber, wenn er Entscheidungen trifft, davon überzeugt, dass sie von ihm frei gewählt sind und er die Verantwortung für sie trägt. Das bisher Gesagte wird noch deutlicher, wenn wir folgende drei Fragen beantworten. Erstens: Wie ist die Annahme des Bewusstwerdens von Freiheit und Verantwortung im Bereich unserer aktuellen Wirklichkeit – trotz der unumgänglichen „apriorischen Determiniertheit“ – zu rechtfertigen? Zweitens: Kann das Konzept einer freien Wahl im Rahmen der „apriorischen Determiniertheit“ konzipiert werden? Drittens: Ist Existenz frei von jeder denkbaren Bedingung möglich und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Der „apriorischen Determiniertheit“ als absoluter Bedingtheit stellt die kosmogenetische Theorie den Begriff des Unbedingten gegenüber. Er bezeichnet keine Tatsache, er ist bloße Abstraktion. Ihm kann nur ein rein hypothetischer Charakter zugeschrieben werden, und er darf nur als Axiom für die Darstellung der Theorie verstanden werden. Die „apriorische Determiniertheit“ ihrerseits ist der Zustand der endgültigen Begrenzung und der absoluten Bedingtheit. Sind hierin alle Bestandteile der Wirklichkeit in ihrer Totalität einmalig gegeben, dann ist jede Veränderung im Verlauf der Ereignisse ausgeschlossen. Also müsste das Konzept des Unbedingten im Rahmen einer deduktiven Theorie als Voraussetzung für die Begrenzung und Bedingtheit gesetzt werden. Dies würde bedeuten: Das Unbedingte ist die Bedingung für die Möglichkeit der „apriorischen Determiniertheit“ und diese ist als grundsätzlicher Charakterzug der aktuellen Wirklichkeit zu betrachten. Mit anderen Worten: Für eine „apriorische Determiniertheit“ setzen wir das Konzept des Unbedingten in Form einer Hypothese voraus, ungeachtet der Tatsache, dass eigentlich das Unbedingte nicht abzuleiten und daher letztlich nicht begründender Bestandteil einer Hypothese sein kann. Unsere Arbeitshypothese lautet daher: Das Unbedingte vertritt das hypothetische Axiom einer Theo142
rie, darüber hinaus hat es keine Funktion und keinen substantiellen Gehalt. Diese Hypothese öffnet der kosmogenetischen Theorie die Tür zu der Annahme, dass unter bestimmten Umständen die Möglichkeit einer Ausnahme besteht, dass also im Fluss der Ereignisse – ungeachtet ihres determinierten Charakters – ein Ereignis aus der „apriorischen Determiniertheit“ befreit wird. Dies könnte aufgrund der Dynamik der Kosmogenese, aber auch aufgrund der Unantastbarkeit und Unaufhebbarkeit des Unbedingten geschehen. Unsere Behauptung lautet: Im Bereich der a priori determinierten Wirklichkeit besteht die Möglichkeit, dass sich ein Ereignis von den dualistischen Bedingtheiten der Determiniertheit befreit. Diese Möglichkeit heißt Ausnahme; durch sie kann sich die Unbedingtheit im Bereich der apriorischen Bedingungen manifestieren. Aber trotz einer solchen Aktualisierung einer einzigen unbedingten Ausnahme bleibt der eigentlich determinierte Charakter der Wirklichkeit – als Ganzheit betrachtet – unberührt. Wir haben bis jetzt auf keine der drei oben gestellten Fragen eine Antwort gefunden. Dies hat seinen Grund darin, dass in allen Ausführungen immer wieder, direkt oder indirekt, Bezug auf das Unbedingte genommen wurde. Liegt etwa die gesuchte Antwort in der Rechtfertigung des von der Kosmogenese gelieferten Axioms im Unbedingten? Determiniertheit, sei sie apriorisch oder aposteriorisch, setzt das Unbedingte voraus. Die Einführung des Unbedingten in diesem Kontext ist nicht zu begründen; es handelt sich um ein Konzept, das weder von einem Begriff abzuleiten noch durch diskursive Beweisführung zu begründen wäre, denn es unterliegt keiner diskursiven Logik. Das Unbedingte ist weder aktuell wahrzunehmen noch als Konzept abstrakt und theoretisch zu deduzieren. Ihm muss, wie schon gesagt, der Charakter einer axiomatischen Hypothese zugeschrieben werden, und das einzige plausible Kriterium für die Aufstellung dieser Hypothese ist das Prinzip der Evidenz, nämlich der Fähigkeit der Vernunft, eine Wahrheit als Wahrheit zu erkennen, auch wenn ihre Begründung nicht diskursiv und direkt nachzuweisen ist. 143
Durch die Evidenz gewinnen wir die Einsicht, dass das Unbedingte die Voraussetzung für alles Begrenzte und Bedingte ist, also auch für die „apriorische Determiniertheit“, die unsere aktuelle Wirklichkeit charakterisiert. Anders ausgedrückt: Das hypothetische, nicht zu begründende, aber evidente Prinzip des Unbedingten ist conditio sine qua non für alles Begrenzte und Bedingte. Eine hypothetisch und axiomatisch aufgestellte Unbedingtheit vertritt demnach die Bedingung der Möglichkeit für die Entstehung alles Bedingten; dazu gehören auch alle Ereignisse im Bereich der aktuellen Wirklichkeit. Das Unbedingte ist in jedem Ereignis verkörpert. Das Konzept des Unbedingten stellt somit die allerhöchste Form der Freiheit dar. So wird der Begriff der Freiheit – als Verkörperung des Unbedingten im Bereich der aktuellen Wirklichkeit – einer der Grundbegriffe der kosmogenetischen Theorie. Die Manifestation des Unbedingten im aktuellen Bereich unserer Wirklichkeit repräsentiert die Aktualisierung einer Ausnahme im Fluss der determinierten Reihenfolge der Ereignisse. Sie ist, wie schon erwähnt, von einer akausalen Synchronisierung von Inspiration und Aspiration abhängig. Diese freiheitliche Aktualisierung einer Ausnahme liegt latent als Bedingung der Möglichkeit in jedem einzelnen Ereignis und signalisiert seine Befreiung von den Bedingungen der „apriorischen Determiniertheit“; dabei manifestiert diese einzelne Befreiung unbedingt ein Geschehen in Form einer Möglichkeit. Mit der Einführung des Konzepts einer Ausnahme bietet die kosmogenetische Theorie eine neue Möglichkeit, auf die menschlichen Grundfragen der Freiheit und Determination zu antworten. Die Ausnahme bewirkt die Rückkehr; diese ist das jedem Ereignis innewohnende Vermögen der „Bereitschaft zur Rückkehr“ beziehungsweise zur rückbezüglichen Transformation der dualistisch gespaltenen und determinierten Wirklichkeit in den ursprünglichen Zustand von Unbedingtheit und Einfachheit. Diese „Bereitschaft“, durch die auch die Realität befreit werden kann, besteht nicht an und für sich, sondern sie vertritt eine Tätigkeit und ist das Produkt der Transformation des Un144
bedingten. Als Tätigkeit führt sie jeden Bestandteil der Realität zu seiner engsten Verbindung mit dem Unbedingten, zum Anfang seiner Entstehung, zurück. Es versteht sich, dass diese Bereitschaft kein raumzeitlich geortetes Geschehen ist, sondern eine metazeitliche und von der derzeitigen aktuellen Bewusstheit nicht wahrzunehmende Tätigkeit. Sie signalisiert daher die kosmogenetische Tätigkeit der Rückkehr zu Unbedingtheit und Einfachheit. Man darf nicht vergessen, dass diese Rückkehr nur durch eine Ausnahme möglich wird; sie geschieht nicht automatisch, sondern bedarf der akausalen Verknüpfung von Aspiration und Inspiration. Es gibt auch die Garantie, dass alles, was durch die Transformationen entstanden ist, zu seinem Ursprung zurückkehren wird; anders ausgedrückt: Jedes Ereignis, das a priori vorbestimmt ist und sich entfaltet, wandelt sich durch die Ausnahme in die Rückkehr zu seinem Ursprung um. Hierin liegen der Grund und die Gewissheit der Befreiung einer jeden Person. Hier findet auch das viel erörterte Problem von Schicksal und Prädestination seine Lösung. Es ist wahr, dass wir uns in einem Status der Unfreiheit befinden; diese ist aber nicht absolut und endgültig, da die Möglichkeit der Befreiung damit gegeben ist, dass ein Ereignis durch die Umwandlung seine ganze Struktur verändern und sich befreien kann. Das Unbedingte transformiert sich, bleibt aber unangetastet. Seine Transformation in eine Realität, die durch die Bedingungen eines determinierten Dualismus gekennzeichnet ist, heißt Herabstufung; ihre Voraussetzung ist die Garantie der Rückkehr. Diese bedeutet die Transformation der Determiniertheit in Unbedingtes, durch die seiner Transformation ein Ende gesetzt wird; die endlose Entfaltung seiner Begrenzung wäre sinnlos. Im Sinne der Kosmogenese heißt dies: In jedem Ereignis liegt als seine reinste Essenz die Garantie seiner Rücktransformation in seinen ursprünglichen Anfang verborgen, was die Verankerung jedes Ereignisses in dem untilgbaren und unantastbaren Bereich des Unbedingten bedeutet. Die Befreiung von den Begrenzungen und Bedingungen, durch die alle Kreaturen in einem Geschehen stetiger 145
Transformation zu ihrem freiheitlichen Ursprung rückbezüglich gewandelt werden, ist der Ursprung unseres reinen Willens und unseres Strebens. Zur Erfahrung jedes Individuums gehört die Sehnsucht nach Befreiung. Das Ich entsteht durch die Wirkungskraft einer Macht, die bedingungsfrei ist und fähig, alle Bedingungen, alle sein Dasein beengenden Begrenzungen aufzuheben. Der Mensch gibt sich der Hoffnung hin, von der Unbeugsamkeit der Determiniertheit, der er sich ausgeliefert fühlt – er nennt sie auch sein Schicksal – befreit zu werden, und sehnt sich nach einer Kraft, die in sein Dasein eingreifen und ihn aus seiner Begrenztheit herausholen wird. Ohne sich von der Determiniertheit zu befreien, vermag das Ich dennoch, sich mit der essentiellen und ursprünglichen Unbedingtheit seiner Herkunft zu identifizieren. Es ist in der Lage, sich in einen außerordentlichen, zeitindifferenten Zustand zu versetzen und sich selbst als die einfache Leerheit des Unbedingten zu erfahren. Dieses Erlebnis ist jedoch kein Zustand; es ist die untilgbare Potentialität, die die Rückkehr aller konstitutiven Elemente der Realität zu ihrem Ursprung garantiert. Diese Potentialität wird nur im Rahmen einer Ausnahme realisiert und aktualisiert, nämlich, wie schon gesagt, durch die akausale Synchronisierung von Inspiration und Aspiration. Dadurch wird dem Menschen die Fähigkeit gegeben, die relative Realität der Gegenstände und die scheinbildhafte Existenz der Dinge und des Egos zu durchschauen; ihm wird klar, dass sie nicht an und für sich existieren, sondern nur von der heutigen Bewusstheit vorgestellt und projiziert sind. Indem er dies durchschaut, wird er von der Wirkung ihrer projizierten Existenz befreit.
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Glossar: Die Grundbegriffe der Kosmogenese Aufgabe der folgenden Erläuterungen ist die Festlegung von Grundbegriffen, die die Darstellung der neuen Theorie ermöglichen soll. Diese Begriffe haben eine instrumentale Funktion, das heißt, sie werden als Werkzeuge gehandhabt, damit Missverständnisse und Zweideutigkeiten vermieden werden. Sie dienen auch dazu, Unterschiede zu ihrem Gebrauch in anderen Theorien herauszustellen, in der Absicht, Ähnlichkeiten zu klären und Verwicklungen zu beseitigen. Die alphabetische Ordnung erleichtert den Rückgriff bei Bedarf. Abspiegelung Abspiegelung ist die Tätigkeit, durch welche die Ereignisse* als strukturierte Ganzheit in Erscheinung treten. Damit ist bestimmt, dass der Bereich der Erscheinung Folge und Produkt dieser Tätigkeit ist. Die Ereignisse ihrerseits stellen Spiegelbilder der Elementare* dar. Demnach manifestiert die Abspiegelung die kosmogenetische Tätigkeit und stellt eine Form des Unbedingten dar: Durch sie wird der Bereich der Erscheinung hervorgerufen. Diese ist das Wesen und die Form der aktuellen Bewusstheit und umfasst alle Ereignisse, die die endgültige Kristallisierung der kosmogenetischen Tätigkeit vertreten. In der kosmogenetischen Theorie bezeichnet die Erscheinung zwar den durch die Abspiegelung in Erscheinung tretenden Realitätsbereich. Sie selbst aber ist leer, sie umfasst ausschließlich die bedingt realen Spiegelbilder der Elementare; sie besitzt keine eigene Substanz, kein eigenes Wesen, weder eigenen Inhalt noch eigene Form. Man kann sagen, sie ist bedingt real, weil ihre Realität die Realität der Elementare voraussetzt. Anders ausgedrückt: Der Realitätsinhalt der Erscheinung ist quasi geliehen. Sie ist nur unter der Bedingung der Entstehung der Elementare denkbar, denn wenn die Entstehung der Elementare nicht 147
endgültig vollendet ist, können die Ereignisse nicht existieren (die Elementare können allerdings auch ohne Ereignisse existieren), was nicht bedeuten darf, dass die Abspiegelung in einem kausalen Zusammenhang mit den Elementaren steht; sie ist grundlos. Die Elementare transformieren sich durch ihre Abspiegelung in Ereignisse, bleiben jedoch unangetastet und vertreten die im Umfang der Erscheinung abgespiegelten Elementare; daraus ergibt sich, dass die Ereignisse – indem sie diese Abspiegelung der Elementare repräsentieren – eine Realität zweiten Grades darstellen, durch ihre existentiell überzeugenden, aber „scheinbildartigen“ Charakterzüge, die sie kennzeichnen. Die Tätigkeit der Abspiegelung lässt die Elementare auf der Anschauungsbühne der Bewusstheit in Form von Ereignissen wahrnehmen. Diese erzeugen durch die Spaltung in Raum und Zeit den Schein der unerschütterlichen Existenz des Universums. Hier, in der aktuellen Bewusstheit, dienen die Sinne als Prüfstein der realen Existenz aller Bestandteile der Realität. Kurz gefasst: Die Realität entsteht als Möglichkeit unabhängig vom Bewusstsein in einer ersten Phase. In der darauffolgenden Phase erfolgt eine Spaltung (man kann sie auch Scheinbild, Verzerrung und so weiter nennen) der Wirklichkeit durch die Wahrnehmung. Im metazeitlichen Bereich, dem zeitindifferenten Realitätsbereich, sind die Elementare; sie werden in der Erscheinung abgespiegelt und dadurch von der Bewusstheit in Form von anschaulich wahrgenommenen Ereignissen erkannt. Es folgt aus dem vorhin Gesagten, dass die Erscheinung eine Tätigkeit manifestiert, die nicht die Folge einer direkten Transformation darstellt, sondern eine Wiederholung, deren Folge der Bereich der Erscheinung ist. Durch die Abspiegelung entsteht aus dem Nichts die Bewusstheit und die unter deren Bedingungen vorstellbare Gestaltung unserer Wirklichkeit. Diese Abspiegelung repräsentiert eine Tätigkeit besonderer Art und ist weder abzuleiten noch zu begründen; sie zeigt keine erfassbare Ursache beziehungsweise keinen diskursiv begreifbaren Grund. Da sie nicht aus irgendeinem anderen Realitätskonzept ableitbar ist, kann sie nur als neuer Anfang sui generis gesehen werden, durch den ein neuer Bereich entsteht. Dieser neue Anfang steht in kei148
ner mit der Totalität der Elementare bedingenden Relation, denn in Bezug auf sie bleibt er ohne Einfluss und ist nichtbehindernd. Die Totalität der Ereignisse ihrerseits bezeichnet, ungeachtet der Dynamik ihrer Entstehung, auch einen grundlosen Anfang, stellt aber keine Erweiterung oder Verminderung der Totalität der Elementare dar. Die Entstehung der Erscheinung ist keine direkte Transformation, sondern eine grundlose Abspiegelung, die durch den Charakterzug einer „Wiederholung“ gekennzeichnet ist. Sind nun die Tätigkeitsmonaden und die Elementare auf dem Feld der Erscheinung abgespiegelt, dann erscheinen sie dementsprechend als Qualitäten und Ereignisse, wobei die Struktur Monaden-Elementare nicht mit der Struktur QualitätenEreignisse verwechselt werden darf. Es gibt wohl keine kausale Wechselbedingung zwischen den drei Bereichen. Dennoch entsprechen die Elementare den Ereignissen und die Monaden den Qualitäten; sie sind korrespondierend, unterscheiden sich nur dadurch, dass die eine Struktur metabewusst, die andere aktuell-wahrnehmbar ist. Hier hat der Begriff Abspiegelung eine doppelte Funktion: die Korrespondenz beider Bereiche klarzustellen und die transzendente Analogie zwischen ihnen offenzulegen. Vertritt die Abspiegelung also die Tätigkeit, durch welche die Ereignisse in Erscheinung treten, und vertreten die Ereignisse die in der Erscheinung abgespiegelten Elementare, so vertreten sie – Elementare und Ereignisse – zwei einander transzendente Bereiche. Die metabewusste Struktur von Monaden und Elementaren transzendiert den Bereich der Erscheinung, und die Struktur der Ereignisse stellt eine exakte Abspiegelung der Struktur der Elementare dar. Schließlich braucht man den Bereich der Spaltung, um der Wirklichkeit unseres Bewusstseins Rechnung zu tragen. Die Wirklichkeit unseres Alltagsbewusstseins ist keinesfalls der Bereich der Abspiegelung. Unser Bewusstsein bewegt sich im Bereich der Spaltung; es entsteht im Bereich der Abspiegelung, aber es schafft sich seinen eigenen Bereich durch Spaltung in Raum und Zeit. In all dem muss daran festgehalten werden, dass die Bewusstheit* durch eine Transformation des Unbedingten in dem Feld der Erscheinung entsteht, was durch den me149
tabewussten Prozess der Abspiegelung geschieht und den Charakterzug eines Anfangs aus dem Nichts bedeutet. Aktualität Aktualität, beziehungsweise aktuelle Realität repräsentiert eine Einengung der Realität. Die Aktualität betrifft nur die Bestandteile, die in der Reihenfolge der Raumzeit eingeordnet sind und deswegen auch wahrgenommen werden können. Aktualität manifestiert sich ausschließlich im raumzeitlichen Spektrum. Der Begriff darf nicht gleichbedeutend mit dem Hier und Jetzt* benutzt werden, wie es in der Alltagssprache der Fall ist. Die direkte Wahrnehmung von Gestalten und Ereignissen heißt „Aktualität“. Anfang In der kosmogenetischen Theorie bedeutet „Anfang“ den Anfang aus dem Nichts. Das Konzept ist die direkte Folge aus ihrem axiomatischen Grundsatz: „Alles entsteht aus dem Nichts, selbst das Nichts entsteht.“ Es wird auch „absoluter Anfang“ genannt. Dies ist ein „Anfang“ sui generis, da er einen Prozess manifestiert, dem kein denkbarer Zustand vorangeht. Für unsere derzeitige Erfahrung ist ein Anfang aus dem Nichts undenkbar. Im üblichen Sinn ist er ein erster Zustand, mit dem ein Prozess beginnt, dem ein zweiter Zustand folgt; der absolute Anfang der Entstehung aus dem Nichts ist aber zeitindifferent, er kann deshalb weder als fixiert noch als fließend bezeichnet werden. Er wird dennoch von der aktuellen Bewusstheit wahrgenommen als eine zeitlose Konstante inmitten der fließenden Reihenfolge der Zeitmomente, wie eine Insel inmitten eines bewegten Meeres. Logischerweise beinhaltet die Aussage „Anfang aus dem Nichts“ eine Reihenfolge der Entstehung: Nichts → Anfang. Heißt dies, das Nichts ist ein unumgänglicher Teil der Voraussetzung des absoluten Anfangs? Eine solche Annahme widerspricht dem ersten Axiom der kosmogenetischen Theorie „… selbst das Nichts entsteht“, was die genaue Klärung von „Anfang“ und „Nichts“ in der Theorie erfordert. 150
Die Alltagssprache bezeichnet als „Anfang“ ein Ereignis, das eine neu entstandene Sachlage ist, die zugleich das Ende einer ihr vorangehenden Sachlage darstellt (bestehende Sachlage → Ereignis → Produkt: neue Sachlage), es impliziert also den Anfang einer Veränderung, die die neue Sachlage entstehen lässt. Beim kosmogenetischen Anfang gibt es keinen Anfangszustand, der als Sachlage an und für sich bestünde und dem der Entstehungsprozess des „Anfangs“ vorangehen könnte. Der metabewusste Prozess der Abspiegelung* gibt dem Anfang aus dem Nichts seine Bedeutung; dies geschieht durch eine Transformation des „Unbedingten“ in das Feld der Erscheinung. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Anfang hier akausal und unbegreiflich ist, dem der Entstehung der Bewusstheit analog, die weder begründet noch abgeleitet werden kann. Aspiration (siehe auch Inspiration) Die Aspiration ist die Grund-Seinsweise, welche die Voraussetzung für die Entstehung aller anderen Seinsweisen bedingt; ihrem Wesen nach ist sie einfach und frei von jeder Bedingung. Wird sie aber als Bewusstseinselement gesehen, unterliegt sie den Bedingungen der Bewusstheit und kann daher nicht als an und für sich bestehender Bewusstseinsfaktor, also unabhängig von der Bewusstheit gedacht werden. Das bedeutet, obwohl sie vom Wesen her einfach und unbedingt ist, gehört sie trotzdem zum Bereich der Bewusstheit, sie steht demnach unter den Bedingungen der Dualität und Dreidimensionalität und ist damit dem Realitätsfeld des „Scheinbildes“ zuzuschreiben. In der Totalität aller Ereignisse verkörpert die Aspiration jedoch die einzige Seinsweise, die, von Dualismus und Determiniertheit befreit, unbedingt und ausnahmslos in jedem Ereignis* mitkonfiguriert ist. Aspiration kann also nicht gedacht werden unabhängig von der Totalität aller Ereignisse, die ihrerseits die Totalität als das existentielle „Scheinbild“ manifestieren, zumal sie die conditio sine qua non für die Entstehung aller übrigen Seinsweisen sind und als solche zum Bereich des „Scheinbildes“, ungeachtet ihres unbedingten Wesens, gehören. Handelt es sich nun um einen Widerspruch zwischen dem oben Ge151
sagten über ihre – weder determinierten noch determinierenden – Charakterzüge und ihrer Rolle in der Totalität der Ereignisse? Oder ist etwa die Aspiration das große „Scheinbild“? Es handelt sich nicht um einen Widerspruch, sondern um zwei unterschiedliche Betrachtungspositionen: Die eine sieht die Aspiration von ihrem Wesen her einfach und unbedingt, die zweite von ihrer Stellung, nach der sie zum Bereich der Bewusstheit, also zu den Bedingungen der Dualität und Dreidimensionalität, gehört. In beiden Fällen muss daran festgehalten werden, dass die Aspiration die Grund-Seinsweise als erstes Element im determinierten Wesen aller Ereignisse ist, das heißt, dass sie die vorauszusetzende Bedingung für die Konfiguration aller folgenden Seinsweisen darstellt. Und im Bereich des „Scheinbildes“ unterliegt sie den Bedingungen des „Scheinbildes“, wodurch die einzelnen Seinsweisen die individuierten „Scheinbilder“ innerhalb des umfassenden „Scheinbildes“ sind, welches das Ganze der Wirklichkeit umfasst. (Insofern kann die Aspiration als das große „Scheinbild“ bezeichnet werden.) Der Aspiration kommt eine weitere tiefgreifende Rolle zu: Ausgehend von ihrer Wirkungskraft und ihrer Funktion sowie durch die kausale Synchronisierung mit der Inspiration* wird sie wirkungsvoll; erst danach bekommt die aktuelle Bewusstheit die Fähigkeit, das „Scheinbild“ als „Scheinbild“ zu durchschauen. Diese Wirkung richtet sich nicht nur auf das Ereignis, das befreit ist, indem das „Scheinbild“ als solches durchschaut wird, sondern dadurch werden auch die Grenzen des „Scheinbildes“, die das Ganze der Wirklichkeit umfassen, gesprengt und transzendiert. Das bedeutet des Weiteren, dass durch die Befreiung eines einzigen Ereignisses von den Bedingungen der Determiniertheit die Struktur der determinierten Wirklichkeit neu geordnet wird. Dieser Prozess wird in der kosmogenetischen Theorie „Ausnahme“* genannt. Ausdehnung und Verdichtung „Ausdehnung“ und „Verdichtung“ bezeichnen die zwei entgegengesetzten Richtungen der Entstehungsdynamik des kosmogenetischen Geschehens. Sie begrenzen und bestimmen sich gegenseitig in einer un152
endlichen Durchkreuzung. Sie prägen zugleich die zwei verschiedenen Entfaltungen der kosmogenetischen Wirkungskraft. Ausdehnung und Verdichtung besitzen die identische Struktur von Elementen, allein die Richtung ihrer Reihenfolge wirkt entgegengesetzt. Das Wesen der absoluten Realität* bleibt in beiden Richtungen unangetastet. Ihre beiden verschiedenen Tätigkeitsformen behalten ihre Wirkungskraft, ohne sich gegenseitig zu behindern oder zu beeinträchtigen. Als Mengen betrachtet, besitzen Ausdehnung und Verdichtung eine identische Reihenfolge von Elementen; nur die Richtung ist entgegengesetzt: (a, b, c, d) und (d, c, b, a). Beide richten sich auf „unerreichbare Ziele“, andernfalls würde die Transformation des Unbedingten ihren fließenden Geschehenscharakter einbüßen und sich in Gegenstandsformen konsolidieren. Es gibt zwischen beiden Richtungen kein gemeinsames Element oder einen Faktor, der sie vermitteln könnte. Obwohl sie sich wechselseitig bedingen, sind sie zueinander transzendent. Der transzendente Bezugspunkt zwischen ihnen wird Koinzidenz* genannt. Es ist nicht so, dass die kosmogenetische Dynamik einen substantialisierten Ausgangspunkt oder ein substantialisiertes Ziel setzen würde. Sie entfaltet sich als Dynamik in zwei Richtungen; sonst wäre sie unendlich und unbestimmt. Die zwei Richtungen berühren sich nicht, deshalb gibt es die Koinzidenz, wo sie als dasselbe erscheinen, sich aber in entgegengesetzten Richtungen entfalten. Um das Prinzip Ausdehnung-Verdichtung weiter zu präzisieren: Es gibt keinen Prozess im Bereich der kosmogenetischen Realität, der sich nicht in der Dynamik von Ausdehnung und Verdichtung entfaltet, und zwar immer und in allen Phasen in jeweils entgegengesetzten Richtungen, die nicht als Bestandteile der Realität oder als kosmogenetische Tätigkeiten angesehen werden. Die Richtungen sind auch keine Phänomene, sie stellen keine Phasen der kosmogenetischen Entfaltung, kein Ganzes oder Teil eines Ganzen dar, sie besitzen keine Realität, denn sie vertreten metabewusste und metazeitliche Konzepte, und bezeichnen daher lediglich die Richtung, in der das Geschehen sich realisiert. Es kann keine raumzeitliche Vorstellung von ihnen geben. 153
Wenn von Elementen der Richtungen gesprochen wird, dann ist die Rede von Elementen der Realitätsfelder, die sich im Rahmen der Strukturen der kosmogenetischen Theorie entfalten. Nach kosmogenetischen Prinzipien sind Gegenstand, Ich, Subjekt und Objekt nur irreale Abstraktionen der derzeitigen aktuellen Bewusstheit. Auf der anderen Seite stellen sie das endgültige Produkt der „Transformation des Unbedingten“ dar; wir nennen es „unsere Wirklichkeit“, aber auch „das Universum“, wenn wir es als von der aktuellen Bewusstheit unabhängige Realität wahrnehmen. Die Wirklichkeit stellt ein Geschehen dar, das durch Ausdehnung und Verdichtung sich selbst begrenzt. Wäre dieses Geschehen unendlich, eingleisig und begrenzt – wie ein immerwährendes lineares Fließen in der unendlichen Abfolge der Zeit –, dann würde es sich zu einer realen Form konsolidieren. Dies kann nicht der Fall sein, denn die Transformation kann sich nur in einer durch die Durchkreuzung der zwei Richtungen in einer neuen Realitätsform konsolidieren. Hinzu kommt, dass es beim Fehlen der Durchkreuzung außer dem Unbedingten keine andere Instanz geben würde, die Ausgangsposition oder endgültiges Ziel einer Transformation sein könnte. Eine weitere Konsequenz der Durchkreuzung der kosmogenetischen Wirkungskraft in Ausdehnung und Verdichtung ist die Selbsttransformation des Unbedingten in eine begrenzte Totalität einer unendlichen Zahl von Elementen und seine Konsolidierung in einer neuen Form kosmogenetischer Realität. Die Transformation des Unbedingten ist auch ein dynamisch unendliches Geschehen in beiden Richtungen; sonst wäre sie eine zielbedingte Umwandlung einer Instanz in eine andere und die konsolidierende Wechselwirkung beider Transformations-Richtungen, ein lineares Gleis, auf dem sich die Umwandlung des Unbedingten in ein endgültiges, substanzartig erstelltes Produkt konsolidieren müsste – und so auch das Unbedingte, was allen Grundsätzen der Kosmogenese von vornherein widersprechen würde. Sind also die Richtungen der Transformation unendlich, so ist auch ihr Ziel in beiden Richtungen unerreichbar; durch ihr gegenseitiges Durchlaufen wird die unendliche und unbegrenzbare Wirkungs154
kraft der Transformation – wenn auch zielfrei – endgültig bestimmt und diskursiv fassbar. Dass beide Richtungen, Ausdehnung und Verdichtung, wechselseitig bestimmend sind, hängt damit zusammen, dass Richtungen kein Bestandteil der Realität sind, die bestimmt werden können, sondern Gleise der bestimmenden entgegengesetzten Folgen der Transformationswirkungskraft, durch die das kosmogenetische Geschehen sich konsolidiert. Ausdehnung und Verdichtung bedingen einander, sie üben keine unabhängig von der Richtung an und für sich bestehende Funktion aus. Der Unterschied zwischen den zwei Reihen ist einem sie transzendierenden Grund zuzuschreiben; er prägt ihren konträren Charakter, ist aber undefinierbar und unbestimmt. Weil dieses Konzept nicht unter raumzeitlichen Bedingungen steht, sind Anfang und Ende relativ und austauschbar. Und die Umkehrung der Reihenfolge, deren Elemente abstrakte Zeichen sind (a-b-c-d-e xn und xn e-d-c-b-a), scheint selbstverständlich zu sein. Betrachtet man die Elemente als Punkte eines Kreises, dann werden Anfang und Ende eliminiert; die Annahme, ein bestimmter Punkt sei der Anfang und ein anderer das Ende des Kreises, ist willkürlich. Bei den Bestandteilen der kosmogenetischen Realität ist es nicht so. Im kosmogenetischen Geschehen sind die Elemente der zwei Reihenfolgen keine geometrischen Abstraktionen, sondern individuierte Bestandteile der Realität. Ausnahme Die Ausnahme ist das Resultat der akausalen Verknüpfung von Aspiration* und Inspiration, die sich nur im Rahmen eines einzigen Ereignisses* realisieren kann. Das Ereignis, das a priori vorbestimmt war, entfaltet, entwickelt und verwandelt sich in sein Gegenteil. Wenn diese akausale Verknüpfung stattfindet, geschieht dies weder begründet noch unbegründet, aber jedesmal, wenn es eine Ausnahme gibt, verändert sich die ganze Struktur der Ereignisse, die in der Kosmogenese a priori gegeben sind. Es gibt dann eine neue A-Priorität, das ist die 155
richtige metaphysische Zeit*, das Nacheinander der Veränderung der Totalität der Ereignisse, die von der Zeit, wie wir sie kennen, unabhängig ist, weil sie nicht auf Dauer besteht. Ein konkretes raumzeitliches Ereignis wandelt sich also in das Gegenteil um. Das ist es, was wir „Ausnahme“ nennen. Aber mehr noch, diese Umwandlung des einen Ereignisses hat zur Folge, dass sich die ganze Struktur der Ereignisse verändert. Dies bedeutet im Konkreten eine fundamentale Veränderung bei einem Menschen, sowohl seiner Einstellung gegenüber der alles umfassenden Realität wie auch gegenüber seiner individuierten Existenz. Für ihn ist es möglich, sich von den Grenzen und Bedingungen der Determiniertheit loszusagen und zu befreien. Die Ausnahme steht in enger Verbindung mit der Rückkehr*, in der die Totalität der Ereignisse zu ihrem Ursprung zurückkehrt, was nur durch eine Ausnahme möglich ist, und zwar nicht automatisch, sondern durch eine akausale Verknüpfung von Aspiration und Inspiration. Durch die Befreiung eines einzigen Ereignisses von den Bedingungen der Determiniertheit wird die Struktur der determinierten Wirklichkeit neu geordnet, so tiefgreifend ist die akausale Synchronisierung von Inspiration und Aspiration, also die Ausnahme. Bereich In der kosmogenetischen Terminologie bezeichnet der Bereich eine zum Fließen des Geschehens* gehörende, substanzfreie Tätigkeit. Diese Tätigkeit kann nur definiert werden anhand der Derivate und Folgen, die durch sie hervorgebracht werden. Ansonsten gibt es keinen an und für sich bestehenden Bereich, in dem eine Tätigkeit geschehen könnte. Bewusstheit Dieses Konzept ist in der kosmogenetischen Theorie – wie auch in der Philosophie – ein komplexes, weil dieser Begriff eigentlich undefinierbar und unableitbar ist, aber mit jeder Tätigkeit der kosmogenetischen Totalität in Verbindung steht. Die Verfolgung seiner Relationen zu den 156
Faktoren und Instanzen aller Entfaltungsphasen jener Totalität bedarf daher größter Aufmerksamkeit. Bewusstheit kann nur von einem sich selbst erfahrenden Realitätsfaktor wahrgenommen werden. Dieser ist nicht weiter definierbar. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass sie eine für sich bestehende, substantialisierte Instanz vertritt. Sie ist eine Transformation der kosmogenetischen Tätigkeit*. Im Bereich der Erscheinung* ist die Bewusstheit eine undefinierbare und unbegründbare Reproduktion der kosmogenetischen Entstehung; sie hat keinen begreifbaren Grund, genauso wie der Anfang der Kosmogenese keinen Grund hat. Aus keinem Konzept tritt die Notwendigkeit ihrer Entstehung hervor, noch ist diese aus irgendeinem anderen Konzept abzuleiten; ihre Entstehung ist genauso grundlos und unerklärlich wie die Kosmogenese selbst. Trotz der berechtigten Einwände gegen Definitionen können wir die Bewusstheit in ihrer Essenz als nichts anderes als die grundlegende Wahrnehmung der echten, ursprünglichen, aber leeren Identität festhalten. „Leer“ muss hier heißen: unbelastet von allen denkbaren Instanzen und Faktoren, durch deren Charakterzüge sie definiert würde, und von allem, was sie in die Raumzeit versetzen und begrenzen könnte. Der Inbegriff der Bewusstheit ist also das Ich* als Ausdruck der sich identifizierenden Tätigkeit (Ichheit) im Realitätsfeld Erscheinung, wo die Monade Bewusstheit als Eigenschaft Bewusstheit abgespiegelt wird (Abspiegelung*), während sich im metabewussten Bereich der Realität diese Monade als das endgültige Produkt der Transformation des Unbedingten kristallisiert. Hier lässt sich mit Recht die Frage stellen: Aus welchem Grund entsteht Bewusstheit, ob man sie nun als Monade oder als Eigenschaft betrachtet? Zur Beantwortung dieser Frage ist zu sagen, dass die Bewusstheit in ihrem metabewussten Ursprung eine einfache Monade manifestiert, die in einer Reihe von Elementaren* konfiguriert wird, also in bloßer Erscheinung, in der diese abgespiegelt werden. Diese Abspiegelung wird demnach als die aktuelle Bewusstheit bezeichnet. Zwar repräsentiert die Bewusstheit – wie alles Denkbare – eine Monade, die in Ele157
mentaren konfiguriert ist. Im Bereich der Erscheinung werden sie und die Elementare als Eigenschaft und Ereignis abgespiegelt. Die Bewusstheit stellt aber in der Reihenfolge der Elementare – und analog in der Reihenfolge der Ereignisse – als bloße Potentialität kein außerordentliches Element dar, sondern eine bloße Monade, die wie jede andere Monade auch, in Elementaren konfiguriert werden kann. Im metabewussten Bereich der Monaden kann von Bewusstheit und Elementaren nicht die Rede sein. Es muss auch die Unterscheidung zwischen Bewusstheitsmonade und Bewusstheitseigenschaft klargestellt werden, noch bevor die oben gestellte Frage nach dem Grund ihrer Entstehung untersucht wird. Nimmt man an, die Bewusstheit sei eine Wirkungskraft, die als Grund und Essenz des Lebens zu erfassen ist, dann muss man auch annehmen, dass es im metabewussten Bereich der Elementare kein Leben gibt, oder – wenn sich alles so ereignen würde – als ob es ein Leben dergestalt gäbe, dass leblose Roboter von lebenden Wesen nicht zu unterscheiden wären. So gesehen wäre eine Welt von Robotern, die sich wie Menschen verhalten, nicht auszuschließen. Eine weitere Konsequenz dieser Annahme wäre, dass das egozentrische Monopolisieren einer aktuellen Bewusstheit vonseiten des Menschen unberechtigt ist. Ebenso wenig ist es berechtigt, Grundeigenschaften nur für menschliche Biographien gelten zu lassen und sie anderen abzusprechen.1 In der kosmogenetischen Theorie ist – wie oben erwähnt – die Rede von der Bewusstheit als einer Transformation des Unbedingten, die in ihrem metabewussten Ursprung eine einfache Monade manifestiert und in einer Reihe von Elementaren konfiguriert wird, also in bloßer Erscheinung bis hin zur aktuellen Bewusstheit. Wir haben auch festgestellt, dass im metabewussten Bereich der Monaden von Bewusstheit und Elementaren keine Rede sein kann. Aus diesen Gründen treffen alle folgenden Ausführungen nur auf die aktuelle beziehungsweise derzeitige Bewusstheit zu. Die derzeitige Bewusstheit realisiert sich selbst in einer gespaltenen Form von Subjekt und Objekt. In beiden Fällen erlebt sie sich als diversifiziert und an und für sich existent. Das geschieht, indem sie 158
sich von allem distanziert, was ihr gegenüberliegt, sich genötigt findet, sich von allem zu trennen, was sie nicht als Selbst erfasst, denn nur durch Trennung vermag sie sich selbst als Subjekt zu erfahren. Auf der anderen Seite nimmt sich die derzeitige Bewusstheit wahr als einen raumzeitlich positionierten Gegenstand in beiden Fällen: sowohl als Subjekt wie auch als Objekt. In diesem Sinne repräsentiert das SubjektObjekt-Gespann die Abstraktion eines Gegenstandes, Gegenstand und Subjekt-Objekt* bestimmen und prägen die Form jedes diskursiv erfassten Wirklichkeitskonzepts, wobei Subjekt und Objekt keine eindeutig konsolidierten, an und für sich bestehenden Substanzen sind, sondern zwei entgegengesetzte Richtungen des sich transformierenden Unbedingten bezeichnen: Subjekt ist das Implodierende, Objekt das Explodierende. Die derzeitige Bewusstheit realisiert ihre Identität demnach als ein sich selbst objektivierendes Subjekt; sie versteht sich sowohl als Subjekt wie auch als Objekt, als an und für sich existent und allem gegenübergestellt, wovon sie sich trennen muss, um sich selbst als Subjekt zu erfahren. In Form eines Subjekts als auch eines Objekts nimmt die derzeitige Bewusstheit sich selbst wahr, indem sie sich als einen raumzeitlich positionierten Gegenstand erfährt. Die aktuelle Bewusstheit besitzt zwei voneinander getrennte und verschiedene Vermögen: den Verstand, durch den sie alles diskursiv und in Begriffen zu definieren vermag, und die Vorstellung, durch die sie das Erfasste anschaulich wahrnimmt. Sie kann alles Denkbare definieren, aber sich nur vorstellen, was raumzeitlich geortet ist. Wir müssen daher ihre Beziehung zu allen Tätigkeiten in der Kosmogenese klarstellen: zu Geschehen, zum Ereignis, Erscheinung, Abspiegelung, Spaltung und dergleichen mehr. Es wurde des Öfteren betont, dass die Bewusstheit in ihrer Essenz nichts anderes ist als die grundlegende Wahrnehmung der echten, jedoch leeren Identität*. Alles andere, das dieser ursprünglichen Wahrnehmung folgt, ist der Schein einer Projektion. Der metazeitliche Stand der Realität kann von der Bewusstheit unmittelbar wahrgenommen werden, aber als das zeitindifferente, zeitfreie und zeitunbedingte Hier und Jetzt, ohne Anfang* und ohne Ende. In diese leere Wahrnehmung 159
erst werden das vom Nicht-Ich trennende Ich und die in zahllose Gegenstände zerstreute Wirklichkeit projiziert und raumzeitlich „geortet“. Das Ich bezeichnet in allen seinen Manifestationen und auf allen Ebenen der Entstehungsentfaltung die Tatkraft der Identifizierung, die Ichheit; es bezeichnet auch den Träger der Bewusstheit; das aktuelle Ich vertritt den Inbegriff aller Bedingungen und Grenzen der derzeitigen aktuellen Bewusstheit. Die Bewusstheit ist keine substantialisierte Instanz, die an und für sich besteht, sie kann nicht als vorauszusetzende Ausgangsposition der Triebe und Bedürfnisse gesehen werden. Nach den Grundsätzen der Kosmogenese entsteht durch die Tätigkeit der Auslöser der Tätigkeit, das heißt, es wird keine substantialisierte Instanz vorausgesetzt, welche die Ursache der Tätigkeit darstellen könnte. Durch die Tätigkeit der Triebe entsteht die Tätigkeit der Bewusstheit, indem die Triebe im Bereich der Erfahrung wahrgenommen werden. Dieses Grundprinzip der Tätigkeit gilt in allen Relationen der Bewusstheit mit den hervorgerufenen Tätigkeiten der Existenz. Die folgende Zusammenfassung soll dies herausstellen. Durch die Tätigkeit der Spaltung werden Ich und Nicht-Ich hervorgerufen, dadurch entsteht diese Tätigkeit. Indem das Nicht-Ich substantialisiert wird, entsteht die Substantialisierung. Das Nicht-Ich wird in den Raum projiziert, hier entsteht die Projektion, durch die der Raum entsteht, und da das Nicht-Ich in Form eines Gegenstandes wahrgenommen wird, entsteht daraus die Tätigkeit der Wahrnehmung. Die Bewusstheit erlebt das Nicht-Ich als greifbares Ziel, was der Entstehung der aktuellen Bewusstheit zugrunde liegt. Von der Seite des Ich gesehen ergibt sich somit folgende Reihenfolge: Die Bewusstheit erlebt das Ich als das begehrende Ich, dadurch entsteht die Tätigkeit des Begehrens, die sich nach greifbaren Dingen richtet, wodurch diese entstehen. Diese affizieren die Sinne, die dadurch entstehen und sich auf das Sich-der-Dinge-Bemächtigen richten, was wiederum die Tätigkeit des Sich-Bemächtigens hervorruft. Schließlich entstehen die Bedürfnisse dadurch, dass das begehrende Ich das Bedürfnis bezeichnet, sich der Dinge zu bemächtigen. 160
Hier kommen wir zu der Einsicht, dass die Bewusstheit das Realitätsfeld ist, das durch die Projektion der im Raum erscheinenden Dinge entsteht, dass rückbezüglich die Dinge das Produkt der Tätigkeit der Bewusstheit sind und dass die Tätigkeit der Projektion durch die Tätigkeit der Bewusstheit hervorgerufen ist. Die Gegenstände entstehen also durch die Tätigkeit der Projektion, und durch die Tätigkeit dieser Entstehung entsteht die Tätigkeit der Bewusstheit. Demnach kann die Bewusstheit nur als Produkt der Entstehung der Gegenstände gesehen werden. Hinzu kommt, dass, weil nichts anderes real ist außer der Transformation der Urenergie in Tätigkeit, Bewusstheit auch nur Geschehen und Tätigkeit manifestiert. Eine Bewusstheit an und für sich, die den Gegenständen als deren Entstehungsbereich vorauszuschicken wäre, ist nach kosmogenetischen Prinzipien undenkbar. Die Beziehung der Bewusstheit mit der Wahrnehmung ist von eminenter Bedeutung für das Verständnis unserer Theorie, in der es heißt: Die Wahrnehmung unterliegt den Bedingungen der Bewusstheit. Die Tätigkeit der Wahrnehmung bringt die Existenz hervor, und es gibt keinen „Existierenden“, der befähigt wäre, nachträglich wahrzunehmen und zu erfahren. Dies ist das kosmogenetische Prinzip im Bereich der Erscheinung: Durch die Tätigkeit entsteht der Auslöser der Tätigkeit. Nach diesem Prinzip sind Sinne und Gegenstände – also die Grundbedingungen der Wahrnehmungstätigkeit – Konstruktionen der Bewusstheit; sie bestehen keinesfalls an und für sich. Die Wahrnehmung manifestiert sich in verschiedenen Arten von Tätigkeiten, die der Bewusstheit innewohnen und als Sinnesempfindungen „Anschauung“, „Vorstellung“ und letztlich auch „Begriff “ genannt werden. Das bedeutet, dass Struktur und Wesen der Wirklichkeit der Bewusstheit unterliegen und zwangsläufig unter ihren Bedingungen wahrgenommen werden, ebenso die Struktur und das Wesen des Universums. Wenden wir uns der Beziehung zwischen Bewusstheit und Spaltung zu. Dieser Bereich wurde eingeführt, um der Wirklichkeit unseres Bewusstseins Rechnung zu tragen. Die Wirklichkeit unseres Alltagsbewusstseins ist nicht die Abspiegelung; sie „bewegt“ sich im Bereich der Spaltung. Sie entsteht zwar im Bereich der Abspiegelung, schafft 161
sich aber ihren eigenen Bereich durch Spaltung in Raum und Zeit, wodurch sich das Scheinbild der aktuellen Wirklichkeit ereignet. Der scheinbildhafte Charakter der Existenz der Dinge besteht darin, dass die überzeugende Erfahrung einer realen Existenz nur innerhalb des Rahmens der aktuellen Bewusstheit gilt und die spezifischen Bedingungen der Bewusstheit voraussetzt. Man kann auch sagen, das Scheinbild ist die Bewusstheit einer in sich geschlossenen und nur für sich geltenden Form der Realität; es manifestiert keine echte, beziehungsweise an und für sich bestehende Realität, sondern ein unter den dreidimensionalen Bedingungen der Bewusstheit entstehendes Gebilde. Durch die Spaltung der Raumzeit werden einerseits die Gegenstände, andererseits das dem Objekt entgegenstehende Subjekt hervorgerufen. Die Abspiegelung ist die Tätigkeit, durch welche die Ereignisse als strukturierte Ganzheit in Erscheinung treten, ein Prozess also, der die Erscheinung als sein Produkt aufweist; im Bereich der Erscheinung ist die aktuelle Wirklichkeit abgespiegelt. Die Totalität der Ereignisse repräsentiert die wahrnehmbare Form der Wirklichkeit, und das Universum bezeichnet die unter den kategorialen Bedingungen der Anschauung wahrgenommene Struktur der Totalität der Phänomene: Das heißt, durch die Abspiegelung entsteht aus dem Nichts sowohl die Bewusstheit als auch die unter ihren Bedingungen vorstellbare Gestaltung unserer Wirklichkeit. Die Abspiegelung selbst repräsentiert eine Tätigkeit besonderer Art. Ihr Endprodukt, mithin das Endprodukt des kosmogenetischen Prozesses, wird also von der Bewusstheit hervorgerufen. Dieses Endprodukt gehört der Bewusstheit der dritten Phase an, wo seine Spaltung in den dreidimensionalen Raum und in die abgetrennte vierte Dimension der Zeit erfolgt. Der scheinbildhafte Charakter der Existenz der Dinge besteht darin, dass die überzeugende Erfahrung einer realen Existenz nur innerhalb des Rahmens der aktuellen Bewusstheit gilt und deren spezifische Bedingungen voraussetzt. Im Bereich der Erscheinung ist Bewusstheit eine undefinierbare und unbegründbare Reproduktion der kosmogenetischen Entstehung. Sie hat keinen greifbaren Grund, genauso wie der Anfang der Kosmogenese keinen Grund hat. 162
Die Bewusstheit entsteht aus dem Nichts durch die Abspiegelung – eine wie gesagt unableitbare und unbegründbare Tätigkeit besonderer Art – sowie die unter deren Bedingungen vorstellbare Gestaltung unserer Wirklichkeit. Wir erinnern immer daran, dass durch die Entstehung der Bewusstheit der Bereich der Erscheinung hervorgerufen wird, in dem die Abspiegelung stattfindet. Wir sagen auch, dass ein Ereignis im Bereich der Erscheinung als Folge der Abspiegelung eines Elementars entsteht und dass durch die Tätigkeit der Abspiegelung ebenso die Bewusstheit entsteht, dies bedeutet: Erscheinung und Bewusstheit sind wechselseitig bedingt. Was die Beziehung der Bewusstheit zur Wirklichkeit betrifft, insbesondere die ihr innewohnenden Tätigkeiten (Anschauung, Vorstellung, Sinnesempfindungen und Begriff), so wurde schon betont, dass Struktur und Wesen der Wirklichkeit nur innerhalb des Feldes der Bewusstheit und zwangsläufig unter deren Bedingungen wahrgenommen werden können. Auch die Struktur und das Wesen des Universums können nur innerhalb des Feldes der aktuellen Bewusstheit und ihrer Bedingungen wahrgenommen werden. Es geht hier um die Spaltung der Dimensionalität in Raum und Zeit, um die apriorische Dimensionalität und den Dualismus. Die vierdimensionale Bewusstheit, mithin auch vierdimensionale Wirklichkeit, vertritt nicht nur eine höhere Stufe der Realität, sondern den endgültigen Stand der menschlichen Bewusstheit. Es handelt sich dabei um eine Evolution, die zur Identität von Bewusstsein und Wirklichkeit, das heißt in Begriffen der traditionellen Philosophie: zur Identität von Bewusstsein und Sein führt. Die vierdimensionale Bewusstheit ist im Gegensatz zur dreidimensionalen aktuellen Bewusstheit potentiell real, jedoch nicht aktuell. Das Feld der Erscheinung signalisiert Aktualität auf allen denkbaren Stufen und in allen Formen. Aktualität bezeichnet die Einordnung eines Ereignisses in Raum und Zeit, sie ist für alle Ereignisse eine unumgängliche Bedingung und damit auch für die aktuelle Bewusstheit, sie ist die Bedingung sine qua non für den Wirklichkeitscharakter aller Ereignisse. Kein Ereignis ist wirklich, das nicht in einem bestimmten 163
Zeitmoment aktuell ist (oder war). Aktualität stellt einen auch für jedes wirkliche Geschehen unverzichtbaren Zustand dar, der in jedem Ereignis als Eigenschaft konfiguriert ist. Die vollständige Totalität aller Ereignisse – ungeachtet der Dynamik ihrer Entstehung – bezeichnet einen grundlosen Anfang und stellt weder eine Erweiterung noch eine Verminderung der Totalität der Elementare dar. Ereignisse gehören zu einer Totalität, die in einer vorgegebenen Matrix geordnet ist, diese impliziert die unteilbare Einheit der vier Dimensionen und wird als „Raumzeit“ bezeichnet. Bei dem heutigen Stand der Bewusstheit ist die Dimensionalität gespalten, mithin auch die Struktur der Ereignisse: in die drei Dimensionen des Raumes (hier sind die Gegenstände geortet) und in die vierte Dimension der Zeit, bei der sich die Gegenstände unumgänglich und kontinuierlich verändern. Ein Ereignis entsteht im Bereich der Erscheinung als Folge der Abspiegelung eines Elementars. Durch die Tätigkeit der Abspiegelung entsteht die Bewusstheit. Erscheinung und Bewusstheit bedingen einander. Auf der anderen Seite kann kein Ereignis unabhängig vom Bereich der Erscheinung sein, somit ist klar, dass auch kein Ereignis unabhängig vom Bereich der Bewusstheit existieren kann. Da nun Bewusstheit ein wahrnehmbares Subjekt impliziert, ist ein Ereignis nur wirklich, solange es von einer in der Raumzeit positionierten Person wahrgenommen wird. Hier fallen das Zeitmoment der Entstehung und das der Wahrnehmung zusammen. Sie können auch imaginär sein. Heißt das aber, dass zum Beispiel ein Ereignis in der arktischen Tundra allein deshalb unwirklich sein sollte, weil niemand da ist, um es wahrzunehmen? Die Antwort lautet: Es ist weder wirklich noch unwirklich, es ist einfach kein Ereignis. Es gibt weder einen Baum noch eine Tundra, die an und für sich und unabhängig vom Bewusstsein entstehen und bestehen können. Ein Ereignis, das sich ereignet, ohne wahrgenommen zu werden, ist ein Unding. Die Ereignisse manifestieren die Abspiegelung der Elementare; dadurch entsteht im Feld der Erscheinung die Bewusstheit als Form der aktuellen Wirklichkeit. Ereignisse setzen demnach als Bedingungen ihrer Möglichkeit die Bewusstheit voraus. 164
In welcher Beziehung steht die Bewusstheit zum Geschehen? Die derzeitige Bewusstheit kann das raumzeitliche Geschehen wahrnehmen, und zwar als Veränderung und in Form von Ereignissen. Zeitindifferentes Geschehen dagegen kann sie zwar erfassen und diskursiv in abstrakten Begriffen definieren, sie kann es sich aber keinesfalls anschaulich vorstellen, denn sie ist für metazeitliches Geschehen absolut blind. Sie kann das kosmogenetische Geschehen nicht als fließendes, genetisches Geschehen wahrnehmen, sondern nur dessen endgültiges, erstarrtes Produkt in Form eines Gegenstandes, der, auf die drei Dimensionen begrenzt und mit rein statischem Charakter, das Wesen der Totalität der im Raum georteten und in der Anschauung vorgestellten Gegenstände endgültig und unwiderruflich prägt. Die derzeitige aktuelle Bewusstheit ist also befähigt, Realität als endgültig hervorgerufenes Produkt zu erfassen, nicht aber als den Entstehungsprozess, durch den dieses Produkt in Form von Geschehen hervortritt. Das Entstehen des Raumes und der Zeit durch den Urknall möge hier als Beispiel für die Entstehung des allerersten Phänomens dienen. Es liegt auf der Hand, dass die Entstehung der Raumzeit aus dem Nichts von der derzeitigen Bewusstheit in keinem Fall erfahren werden kann. Zum Schluss dieser Ausführungen über die Bewusstheit sei darauf hingewiesen, dass die aktuelle Bewusstheit einen evolutiven Charakter hat. Durch die Evolution der Bewusstheit könnten sich in Zukunft neue Wirklichkeitsmodelle, die durch für uns noch unbekannte Strukturen gekennzeichnet sind, entwickeln. Dimensionierung Unsere derzeitige Bewusstheit nimmt nur die Volumina (im Raum) wahr, die Gegenstände vertreten und deshalb nicht voll dimensioniert sind. Laut kosmogenetischer Theorie sind nur die Ereignisse voll dimensioniert. Allein sie können die unzertrennbare Einheit der vier Dimensionen darstellen. Demnach sind die Ereignisse und keinesfalls die Ge165
genstände die echten, realen Bestandteile der Wirklichkeit. Es muss daher immer wieder betont werden, dass die Volldimensionierung ein Grundsatz der Kosmogenese ist. Die vier Dimensionen bilden eine organische Einheit. Nur die voll dimensionierten Elemente der Realität gelten als wirklich und real, womit gesagt ist, dass nur Ereignisse real sind, während die dreidimensionalen volumenartigen Gegenstände abstrakt und ohne Existenz sind, genauso wie Linien oder Punkte. Nach dem dritten Axiom unserer Theorie sind Gegenstände im Rahmen der an und für sich bestehenden kosmogenetischen Realität, also unabhängig von den Bedingungen der derzeitigen Bewusstheit, imaginär, weil nicht voll dimensioniert. Es folgt auch daraus, dass die Eigenschaften als atomare Elemente der Wirklichkeit nicht in Gegenständen, sondern unmittelbar in Ereignissen konfiguriert sind. Hier wird der Sinn der Behauptung der Kosmogenese: Es existieren keine an sich seienden Dinge, sondern nur Ereignisse, deutlich. Ego Das Ego ist hier nicht nur das lateinische Synonym des Ich; es hat noch eine andere Bedeutung und Funktion, obwohl es zum Ich beziehungsweise der Seele in unmittelbarer Beziehung steht. Das Ich manifestiert, insofern es die Sich-Selbst-Identifizierung eines Individuums bezeichnet, die eigene Entstehung aus dem „Nichts“ durch eine Tätigkeit; es entsteht als Ego-Manifestation durch die Tätigkeit des Begehrens. Dies bedeutet nicht, dass es ein substanzähnlicher, an und für sich bestehender Faktor wäre, der vorausgeschickt werden könnte und nachträglich durch eigene Tatkraft, die Tätigkeit des Begehrens, aktualisiert würde. Vielmehr entstehen Ego und Begehren durch die beide bindende Relation und durch die Transformation: Durch die Transformation des Egos in die Tätigkeit des Begehrens entsteht das Begehren, und umgekehrt durch die Transformation der Tätigkeit des Begehrens in die Tätigkeit des Egos entsteht das Ego. Diese wechselseitige Transformation ist aufgrund des Prinzips des Unbehindertseins denkbar und 166
weist keinen Widerspruch zu deren Entstehung durch die Transformation der Urenergie auf. Wir wissen, dass das aktuelle Ich Inbegriff aller Bedingungen und Grenzen der derzeitigen aktuellen Bewusstheit ist. Die äußersten Grenzen im Bereich der Erscheinung* sind ihrerseits zwei polarisierte Ansichten des Ich: des Ich in Richtung Ego und des Ich in Richtung Seele; das Ich bezeichnet sie als äußerste Grenzen, weil sie die unerreichbaren Ziele der Identifizierung darstellen. Beide, Ego und Seele, repräsentieren keine organischen Bestandteile der aktuellen Wirklichkeit, da sie keine raumzeitlich definierbaren Ereignisse sind. In der christlichen Tradition gilt die Seele als etwas Heiliges, ist von besonderer Reinheit und frei von jeder körperlich-sinnlichen Bindung. Sie bezeichnet den Menschen in seinem ewigen, untilgbaren Kern, der auch alle anderen Menschen in ihrer Essenz mit einbezieht. Als Seelen sind alle Christen verschwistert, aber nicht in einer Instanz verschmolzen. Die Seele eines jeden Christen ist individuiert. Es kommt hinzu, dass sich jede Seele von den Geschichten aller anderen unterscheidet, sie ist durch die Geschichte eines einzigen Menschen geprägt; sie ist getrennt von allen anderen Seelen – genauso wie das Ego von allen anderen Egos getrennt ist. Die Seele ist aber auch eine alle Menschen in einer Verschwisterung bindende Energie, dieselbe Energie, die zugleich isoliert ist in ihrem diversifizierten und individuierten Schicksal. Seele und Ego vertreten zwei Ansichten des Ich; sie vertreten die unerreichbaren Ziele der Tätigkeit der Identifizierung; sie signalisieren die Spaltung ihrer ursprünglichen Tätigkeit in zwei entgegengesetzte Tätigkeiten: einmal in Richtung Ego und zweitens in Richtung Seele. Die erste Richtung ist die implodierende, von der Seele vertretene, die zweite, die explodierende, vertritt das Ego, und es ist offensichtlich, dass weder das eine noch das andere eine an und für sich bestehende Substanz sein kann. DieIchheit,welche die Folge der Transformation der Identifizierungstätigkeit ist, transformiert sich in die Tätigkeit des Begehrens, durch welches das ins Ego transformierte Ich mit dem, was ihm entgegen167
steht, konfrontiert ist und als Nicht-Ich wahrgenommen wird. Die Tätigkeit des Begehrens ihrerseits wird das Ziel, das durch die Transformation der Ichheit in ihre Tätigkeit aus dem Nichts hervorgerufen wird. Dieses Ziel ist vorbestimmt und besteht als individuiertes, raumzeitlich determiniertes Ereignis. Es gibt also eine feste Beziehung zwischen beiden; die Ichheit transformiert sich in die Tätigkeit des Begehrens, und diese setzt die Ichheit voraus, wobei ihr endgültiges Ziel das Gespann Ich und Nicht-Ich ist. Folgt man diesen Tätigkeiten, dann wird klar, wie die Tätigkeit der Wahrnehmung durch die Tätigkeit des Begehrens entsteht – und durch diese die Wahrnehmung der Gegenstände. Das Ich ist hier nicht befähigt, die Rückwirkung des Egos zu durchschauen, und ist sich deswegen nicht bewusst, dass aufgrund der Zielgerichtetheit, mit der das Ego seinen Impulsen ausgeliefert ist, das Ich selbst in Mitleidenschaft gezogen wird. Es ist prädestiniert, alle im Empfindungsbereich auftauchenden Bedürfnisse des Egos befriedigen und alle behindernden Prinzipien der Vernunft unterdrücken zu müssen. Also entsteht das Ego durch das Begehren, aber nicht als ihm vorausgehende, für sich existierende Tätigkeit. Ego und Begehren reproduzieren die Matrix von Ich und Nicht-Ich. Hierbei ist es nicht leicht, eine Realitätsstruktur zu erfassen, bei der auf der einen Seite alle Bestandteile der Realität transformierte Formen der reinen Urenergie sind und auf der anderen die Instanz, von der die Energie ausgehen müsste, ein Produkt dieser Energie ist. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die wechselseitig bedingten Tätigkeiten, die Ichheit, die anderen zwei wechselseitig bedingten Tätigkeiten, das Begehren und das Ego, sowie die weiteren wechselseitig bedingten Tätigkeiten, Identifizierung und Ego, in allen drei Relationen jeweils als Paar für sich interdependent sind. Das Ego signalisiert auch die Einmaligkeit des Individuums als kennzeichnenden Charakterzug einer Biographie. Das Ereignis, das zu einer bestimmten Biographie gehört und die Eigenschaft „Sich-einesEreignisses-bewusst-Werden“ manifestiert, wird Erlebnis genannt; diese Eigenschaft impliziert Bewusstsein. 168
Eigenschaft Realität im kosmogenetischen Sinne ist ihrem Wesen nach ausschließlich Geschehen*. Das kosmogenetische Geschehen ist die Folge der Transformationen des Unbedingten, das den Anfang des kosmogenetischen Prozesses manifestiert. Dieser ist für den Verstand unfassbar, ist aber der einfache, unbegrenzte und ursprüngliche Anfang. Die unableitbare und grundlose Selbstbegrenzung des Unbedingten impliziert ihre Transformation in Monaden, die in einer auch unableitbaren und grundlosen zweiten Entstehungsphase im Bereich der Erscheinung abgespiegelt und als Eigenschaften wahrgenommen werden. Eigenschaften manifestieren demnach die Totalität der abgespiegelten Monaden im Bereich der Erscheinung. Die Eigenschaften können auf verschiedene Arten gegliedert werden: nach Wesen und nach Funktion. 1. Nach Wesen a. Grundeigenschaft: Aspiration* Als allererste und besondere Eigenschaft steht die Aspiration, die zum Bereich der Ereignisse gehört, weil sie die Möglichkeit der Befreiung eines Ereignisses* aus den Bedingungen der Determiniertheit darstellt; sie ist demnach als Eigenschaft zu sehen, die in allen Ereignissen konfiguriert ist. Diese Eigenschaft ist auch ein Produkt der transformativen Selbstbegrenzung des Unbedingten in Dualität und Determiniertheit. Als Aspiration verkörpert sie die Garantie der rückbezüglichen Transformation jedes einzelnen Ereignisses in das Unbedingte. Im Gegensatz zu allen anderen Eigenschaften unterliegt sie nicht dualistischen Bedingungen. Sie ist keine selbstständige Tätigkeit, und ohne die akausale Synchronisierung der Inspiration ist sie wirkungslos. b. Apriorische Eigenschaften Dies sind Eigenschaften, deren Wirklichkeitscharakter nicht verifiziert werden kann (zum Beispiel Nummern, Linien, Werte, Ideen, Verhaltensregeln, Verstandeskategorien und die Raumzeit). 169
c. Aposteriorische Eigenschaften Hierbei handelt es sich um Eigenschaften, deren raumzeitlich bestimmter Wirklichkeitscharakter verifiziert werden kann (zum Beispiel „rot“, „hart“, „Auto“, „männlich“, „Katze“). Aposteriorische Eigenschaften können auch in Ereignissen konfiguriert sein, die zur Vergangenheit oder Zukunft gehören. 2. Nach Funktionen a. Allgemeine Eigenschaften Diese Eigenschaften sind ausnahmslos in allen Ereignissen konfiguriert (zum Beispiel raumzeitliche Bestimmungen). b. Einfache Eigenschaften Sie sind nicht aus anderen Eigenschaften zusammengestellt (zum Beispiel „rot“). Einfache Eigenschaften werden von der aktuellen Wahrnehmung unmittelbar erfasst. Sie können aus folgenden Gründen nicht definiert werden: – Die einfache Eigenschaft kann nicht weiter in konstituierende Elemente zerteilt werden. – Die einfache Eigenschaft stellt die nicht zu definierenden, unmittelbar wahrgenommenen Empfindungen dar (zum Beispiel Empfindungen von Farben, Gefühlen und Schmerzen); sie vertritt die Grundelemente der aktuellen Wirklichkeit. c. Komplexe Eigenschaften Diese sind aus zwei oder mehreren Eigenschaften zusammengestellt (zum Beispiel das Tiersein). Die Strukturen von Eigenschaften werden im Realitätsrahmen der Ereignisse formiert. Sie bilden die Matrix, in der jene konfiguriert werden. Unabhängig von dieser leeren Matrix können sie nicht bestehen, das heißt es gibt keine Eigenschaften an und für sich. Sie sind also keine Entitäten. Im Feld der Erscheinung werden die Monaden in Form von Eigenschaften abgespiegelt; nur in der Form können sie wahrgenommen werden. „Eigenschaft“ bedeutet also wahrgenommene Mo170
nade, Eigenschaften machen die Materie der Wirklichkeit aus. Sie bilden im Rahmen der aktuellen Bewusstheit die Grundelemente der Wahrnehmung, da sie die Bausteine der wahrnehmbaren Wirklichkeit verkörpern. Die Eigenschaften setzen die Wahrnehmung voraus; die Elementare können überhaupt nicht wahrgenommen werden, sondern nur die Eigenschaften. Obwohl die Eigenschaften die leere Form der Ereignisse als Bedingung ihrer Möglichkeit haben, stellen sie für die aktuelle Bewusstheit den Inhalt der Realität dar. Diese Bewusstheit vermag sich jene gehaltlose Form nicht anschaulich vorzustellen. Verkörpern die Ereignisse die Abspiegelung der leeren Matrix der Elementare, so verkörpern die Eigenschaften die Abspiegelung von Atomen. Sie müssen ferner im Gegensatz zu den die Form der Wirklichkeit prägenden Ereignissen als der primäre Realitätsgehalt der Wirklichkeit verstanden werden. Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass sowohl Ereignisse als auch Eigenschaften Konstitutiva der Kosmogenese, das heißt reines Geschehen manifestieren. Sie dürfen weder als Abstraktionen von an und für sich existierenden Gegenständen noch als Subjekt-Objektdarstellende Faktoren verstanden werden. Elementare Die Beziehung der Elementare zu den mannigfaltigen Komponenten der Wirklichkeit* und der Realität* sowie ihre Rolle in den Ereignissen*, Abspiegelungen* und der Erscheinung sollen uns helfen, diese diskursiv unableitbare und grundlose erste Transformation des Unbedingten zu verdeutlichen. Durch Transformation der absoluten Realität werden die Elementare auf das Feld der Erscheinung abgespiegelt und auf der Bühne der aktuellen Bewusstheit wahrgenommen. Dadurch entstehen die Ereignisse, die wohl die Wiederholung der vorauszusetzenden Realität der Elementare vertreten. Die Ereignisse sind also nicht Teil der ursprünglichen Realität. Die Elementare transformieren sich durch ihre Abspiegelung in Ereignisse, bleiben aber unangetastet. Der Bereich der Erscheinung besitzt 171
keine eigene Substanz, kein eigenes Wesen, keinen eigenen Inhalt und keine eigene Form: Die Erscheinung ist „leer“. Sie umfasst ausschließlich die bedingt realen Spiegelbilder der Elementare, die als Ereignisse bezeichnet werden. Diese sind „bedingt real“, weil die Realität der Erscheinung die Realität der Elementare voraussetzt. Man kann auch von einem „geliehenen“ Realitätsinhalt sprechen; in diesem Sinn spricht man auch von der aktuellen Wirklichkeit im Bereich der Erscheinung als bedingte Realität zweiten Grades, als Scheinbild. Hier repräsentiert Erscheinung das durch das Scheinbild geprägte Wesen der Ereignisse und zugleich den Umfang der derzeitigen aktuellen Bewusstheit. Die Elementare sind die Bedingung, unter der die Entstehung der Wirklichkeit zweiten Grades möglich ist. Ist die Entstehung der Elementare nicht vollendet, dann können die Ereignisse, die die einfachen Spiegelbilder der Elementare sind, nicht existieren, wohingegen diese auch ohne die Ereignisse existieren können. Nochmals: Die Ereignisse manifestieren die endgültige Kristallisierung der kosmogenetischen Tätigkeit; sie vertreten die im Umfang der Erscheinung abgespiegelten Elementare. Sie sind eine Realität zweiten Grades, und als Ereignisse bleiben sie jedoch durch ihre existentiell überzeugenden scheinbildartigen Charakterzüge gekennzeichnet. Realität entsteht als Möglichkeit unabhängig vom Bewusstsein in einer ersten Phase. In einer zweiten Phase entsteht die Möglichkeit der Wahrnehmung und in einer dritten Phase entsteht durch Wahrnehmung eine Spaltung der Wirklichkeit. Im metabewussten Realitätsfeld gibt es kein Nacheinander von „Prozess“ und „Produkt“; bei der Entstehung aus dem Nichts sind Entstehungsprozess und Entstehungsprodukt identisch. Dabei manifestieren die Elementare die endgültige Kristallisierung aller denkbaren Transformationen. Die Abspiegelung hat keinen diskursiv begreiflichen Grund, sie ist nicht von irgendeinem anderen Realitätskonzept ableitbar. Sie muss als neuer Anfang sui generis gesehen werden, wodurch ein neues Feld entsteht; ein Anfang, der mit der Tätigkeit der Elementare in keiner sie bedingenden Relation steht. Die vollständige Totalität der Ereignisse stellt keine Erweiterung oder Verminderung der Totalität der Elemen172
tare dar. Aber durch ihre Abspiegelung auf das Feld der Erscheinung in Form von wahrgenommenen Ereignissen wird der Schein der sinnlich prüfbaren und deswegen unerschütterlich überzeugenden Existenz des Universums geschaffen. Im Feld der Erscheinung spiegeln die Strukturen der Ereignisse die bloße Wiederholung der Strukturen der Monaden-Elementare wider. Diese darf aber nicht mit der Struktur Eigenschaft-Ereignisse verwechselt werden. Es gibt keine kausale Wechselbedingung zwischen dem Bereich der Elementare, dem der Abspiegelung und dem der Erscheinung. Dennoch: Elementare entsprechen den Ereignissen und Monaden den Eigenschaften; sie korrespondieren und unterscheiden sich nur dadurch, dass die eine Struktur metabewusst, die andere aktuellwahrnehmbar ist. Achten wir darauf, dass die metabewusste Struktur von Monaden-Elementaren den Bereich der Erscheinung transzendiert und dass die Struktur der Ereignisse eine exakte Abspiegelung der Struktur der Elementare darstellt. Ereignis Ereignisse bezeichnen inhaltlose Strukturen, in welche die Konfigurationen von Eigenschaften eingegliedert werden; sie stellen deswegen in jedem Einzelfall ein begrenztes Ganzes dar, das jeweils eine einmalige Struktur hat. Jedes einzelne Ereignis ist einmalig und individuiert, ungeachtet der Tatsache, dass die Ereignisse in ununterbrochener Kontinuität ineinanderfließen; die Totalität der Ereignisse ist auf einen Schlag gegeben. Das Ereignis setzt Bewusstheit voraus und ist immer ein Teil der Wirklichkeit*, das heißt, es gibt kein Ereignis, das vom Bewusstsein unabhängig wäre. Das Ereignis ist immer ein Teil der Wirklichkeit und hat keine Dauer, ist aber immer a priori raumzeitlich geordnet, damit bestimmt, definierbar und bestimmbar und nicht zeit- und raumindifferent. In diesen Ereignissen wird die Eigenschaft des „Ist“ konfiguriert. Das Ereignis wird in jenem Moment zum Geschehen, in dem die Bewusstheit es wahrnimmt. Danach handelt es sich um die Ereignisse nach der Spaltung der Bewusstheit, durch die das Scheinbild* der Ge173
genstände entsteht. Hier repräsentiert jedes besondere Ereignis – als Teil eines Ganzen – ein individuiertes Scheinbild innerhalb des Scheinbildes. Sind nun alle Wirklichkeitselemente in Form von Eigenschaften in den Ereignissen konfiguriert und unterliegen sie ausnahmslos den Bedingungen des Scheinbildes, dann trifft dies auch auf die Grundeigenschaft – Aspiration – zu, die von Dualismus und Determiniertheit frei und unbedingt und ausnahmslos in jedem einzigen Ereignis mitkonfiguriert ist. Es gehört zum determinierten Wesen aller Ereignisse, dass sie nur unter der Bedingung hervorgerufen werden können, dass die Aspiration als allererstes Element da ist, zuallererst bedeutet, dass die Aspiration die voraussetzende Bedingung für die Konfiguration aller folgenden Eigenschaften ist. Erscheinung Erscheinung ist der wesentliche Charakterzug der derzeitigen Wirklichkeit*; wir sind im Bereich dieser Wirklichkeit nur mit Erscheinungen konfrontiert. Aber die Erscheinung zu definieren, kann nur unvollständig gelingen. Im Sinne der Kosmogenese ist die Erscheinung nur als einfache Eigenschaft zu sehen, in der sich sowohl die aktuelle wie auch die kosmogenetische Wirklichkeit manifestiert. Wir werden anhand einiger Tätigkeiten ihre Rolle und Funktion zu bestimmen versuchen. Durch die Tätigkeit der Abspiegelung* wird der Bereich der Erscheinung hervorgerufen. Sie selbst bezeichnet das Wesen und die Form der aktuellen Bewusstheit, denn sie umfasst alle Ereignisse, und diese umfassen ihrerseits die endgültige Kristallisierung der kosmogenetischen Tätigkeit. Aus diesem Grund ist die aktuelle Wirklichkeit im Bereich der Erscheinung eine bedingte Realität zweiten Grades, ein Scheinbild*. Demnach ist der Charakterzug Wiederholung, der dem Umfeld der Erscheinung die Eigenart Scheinbild zu sein verleiht, und daher repräsentiert die Erscheinung das durch das Scheinbild geprägte Wesen der Ereignisse und zugleich den Umfang der derzeitigen aktuellen Bewusstheit. 174
In unserer Theorie bezeichnet „Erscheinung“ den Realitätsbereich, der durch die Abspiegelung der Elementare* erscheint. Der entstandene Bereich der Erscheinung besitzt keine eigene Substanz, kein eigenes Wesen, das heißt Erscheinung ist leer. Sie umfasst ausschließlich die bedingt realen Spiegelbilder der Elementare, die als Ereignisse bezeichnet werden; „bedingt real“ sind jene Spiegelbilder, weil die Realität der Erscheinung nicht an und für sich besteht, sondern die Realität der Elementare voraussetzt. Sie manifestiert keine durch die Transformation des Unbedingten direkt hervorgerufene Realität, ist vielmehr eine Wirklichkeit zweiten Grades, die nur unter der Bedingung der Entstehung der Elementare denkbar ist. Es sei nochmals betont: Die Strukturen der Ereignisse spiegeln im Umfeld der Erscheinung die bloße Wiederholung der Strukturen der Elementare wider. Dabei repräsentiert die Erscheinung den kennzeichnenden Charakterzug und zugleich den Umfang der Bewusstheit. Die Erscheinung manifestiert auch die letzte und endgültige Kristallisierung des Entstehungsprozesses, sie kennzeichnet deshalb auch den Charakter und das Wesen der aktuellen Wirklichkeit. Expansion und Implosion Die Bewegung Expansion-Implosion vollzieht sich in zwei entgegengesetzten Richtungen. Geschähe diese Entfaltung nur in einer Richtung, hätte man ein unendliches, unbegrenztes Fließen der Tätigkeit. Die Bipolarität der Entfaltungsrichtungen bewirkt das Produkt der Tätigkeit, die sie selbst begrenzt, die „Identität“; ihr Bereich ist die Tätigkeit der Identifizierung. Das Ich seinerseits macht durch seine expandierende Tätigkeit aus sich selbst das allererste Objekt. Es trennt sich auch von allem, was es im Bereich seiner Identität für „ausgeschlossen“ hält. In implodierender Richtung verschmilzt das „Ich“ mit allem, was es nicht ist, indem es alles in die tiefe Unendlichkeit seines leeren Kerns zieht. Dies geschieht in einer nicht erkennbaren Abstraktion, ohne dass das vom Ich „Ausgeschlossene“ konsolidiert und definiert werden könnte. Das Ich 175
widerruft sich selbst, es löst sich auf in sein eigenes, nach innen implodierendes Vakuum und entschwindet. Sowohl das Ich wie das Objekt und das Produkt stehen für ein reines Geschehen, aber für kein an und für sich bestehendes Element der Realität. Das heißt: kein Produkt ohne die Tätigkeit der Expansion, kein Ich ohne die Tätigkeit der Identifizierung und kein Objekt ohne die Tätigkeit des Ausschließens; dabei ist hervorzuheben, dass im Bereich der Identität Objekt und Subjekt ursprünglich eins sind. Jede Spaltung hat – laut kosmogenetischen Grundsätzen – die absolute Einheit als Ausgangspunkt. (Siehe auch: „Herabstufung und Rückkehr“.) Form und Inhalt Die Wirklichkeit* ist eine dualistisch gespaltene Polarität von Inhalt und Form. Die unbegründete und unableitbare Spaltung der Bewusstheit* in Raum und Zeit nötigt dieselbe Bewusstheit zu einer analogen Spaltung der Realität* und einer sich verändernden und vergänglichen Seinsart: Inhalt und Form. Dabei vertritt der Inhalt die untilgbare Konstante, die bei jeder Veränderung unangetastet bleibt, die Form dagegen vertritt eine bloße Konstruktion des Verstandes. Diese ermöglicht die Aufhebung des Realitätscharakters. Dadurch tritt ein inkonsistenter, sich stets ändernder Realitätsschein hervor, der auch das Scheinbild* der Vergänglichkeit hervorruft. Inhalt und Form sind wechselseitig bedingt; sie manifestieren zwei durch die Bedingungen des derzeitigen Verstandes geprägte Betrachtungsweisen der einmaligen, unteilbaren und untilgbaren Realität. Die dualistisch gespaltenen Betrachtungsweisen sind auch zweckbedingt; sie helfen dem derzeitigen Verstand, die alles umfassende Realität als kontinuierliches Fließen des kosmogenetischen Geschehens zu erfassen. Da, wie erwähnt, die Realität in ihrer ursprünglichen Form einfach und unteilbar ist, alle ihre Formen im Rahmen der umfassenden Realität entstehen und sich erhalten und diese auch als organische Teile dieser einen, ursprünglichen Realität zu sehen sind, müsste daraus folgen, dass es zwei transzendente, voneinander unabhängige Realitäten gibt, was aber undenkbar ist. 176
Aus dem Begriff der einheitlichen Realität geht die Notwendigkeit hervor, diese Einheit aufrechtzuerhalten. Der aktuelle Verstand sieht sich wie gesagt genötigt, die Realität zu spalten: in eine von jeder Veränderung unantastbare Instanz, den Inhalt, und in eine sich immerwährend verändernde Instanz, die Form. Veränderung und Dreidimensionalität bedingen einander; gäbe es keine vom Raum getrennte, linear unendlich laufende Zeit, die das kontinuierliche Fließen der Ereignisse in Zeitmomente zerstreut beziehungsweise einordnet, dann wäre es keine Veränderung. Genauso wäre eine Dimensionalität undenkbar, bei der Gegenstände bestünden, die im Fließen der Zeit unverändert und unvergänglich wären. Kurzgefasst: Dreidimensionalität ist die Folge der Spaltung der Vierdimensionalität in Raum und Zeit. Die Möglichkeit der Veränderung der Gegenstände setzt also die Spaltung der Vierdimensionalität in zwei getrennte Anschauungsbereiche (Raum und Zeit) voraus. Erst durch diese Spaltung wird Veränderung möglich. Veränderung ist eine bloße Erscheinungsform, die den Gegenständen durch die Spaltung der aktuellen Bewusstheit in getrennten Raum und Zeit aufgeprägt wird. Die zwei Konzepte der Realität, Form und Inhalt, stehen im Widerspruch zueinander, sie werden als unbestreitbare „Realität“ wahrgenommen, womit der einfache Charakter der Realität aufgelöst ist. Die kosmogenetische Untersuchung ist dann genötigt, die von diesen zwei Konzepten gekennzeichnete Wirklichkeit als „Scheinbild“ zu betrachten. Wegen des scheinbildhaften Charakters, der den Bereich der dreidimensionalen Wirklichkeit charakterisiert, ist die derzeitige Bewusstheit nicht in der Lage, den Widerspruch zwischen der Untilgbarkeit des Inhalts und der Vergänglichkeit der Form zu überbrücken. Sie kann ihn nicht einmal durchschauen. Die vergängliche Form der Realität ist mit ihrem unveränderlichen und untilgbaren Inhalt untrennbar verknüpft. Wäre dies nicht der Fall, dann bestünde die aktuell wahrgenommene Wirklichkeit aus lauter transzendenten und für sich bestehenden, getrennten Wirklichkeits177
momenten, die keine organischen Teile eines Ganzen ausmachen würden. Eine weitere Unterscheidung ist nötig: die zwischen Form und Gestalt. Es wurde oben gesagt: Veränderung setzt die Spaltung der Bewusstheit in Raum und Zeit voraus. Die Spaltung der Bewusstheit bewirkt das Scheinbild der Existenz von dreidimensionalen Elementen der Wirklichkeit (Gegenstände), die sich bis zu ihrer totalen Auflösung verändern. Nach dem axiomatisch-hypothetischen Grundsatz, wonach Volldimensionierung der einzig mögliche Charakterzug der Wirklichkeit ist, vertreten im Rahmen der aktuellen, derzeitigen Wirklichkeit reale Wirklichkeitselemente nur die volumenartigen Gegenstände. Die Spaltung der Bewusstheit in Raum und Zeit verursacht die Veränderung und endlich die Ablösung aller Gegenstände. Wird die Veränderung eines Gegenstandes im Rahmen der Kontinuität der Ereignisse wahrgenommen, dann erscheint dieser in einer stets neu erscheinenden Gestalt, die jedoch seinen Wirklichkeitscharakter nicht beeinträchtigt, sondern für seine reale Existenz überzeugend wirkt. Die neue Gestalt folgt einer vorherigen, die durch die Veränderung abgelöst ist. Die alte Gestalt geht bei der Veränderung für immer verloren. Auf diese Weise geht die Veränderung in Vergänglichkeit über. Es muss zwischen Form als Betrachtung der diversifizierten Realität und Gestalt eines Gegenstandes unterschieden werden. Mit „Gestalt“ ist also im Unterschied zur „Form“ gemeint: – Form bezeichnet die Vielfältigkeit aller denkbaren Erscheinungsweisen der Realität, jedoch als bloße Möglichkeit. – Gestalt bedeutet die raumzeitlich geortete Erscheinung eines Gegenstandes, die von der Anschauungsfähigkeit der Bewusstheit wahrgenommen wird. – Wahrnehmung vertritt für das Realitätsfeld der Form eine mögliche Tätigkeit der Bewusstheit, jedoch keine Bedingung. Mit anderen Worten: Form kann wahrgenommen werden, muss es aber nicht. 178
– Gestalt ist eine wahrgenommene Form und deswegen raumzeitlich positioniert. – Die Form der Realität ist untilgbar. – Die Gestalt eines Gegenstandes ist vergänglich. Die aktuelle Wirklichkeit ist vielfältig und polymorph. Die aktuelle Wirklichkeit besteht aus raumzeitlich georteten Gegenständen und Ereignissen, und diese bilden aufgrund der dreidimensionalen und daher irrealen Struktur ihrer Dimensionalisierung ein in sich geschlossenes und nur für sich geltendes Scheinbild. Die in dieser Form erscheinenden Gegenstände, die als Gestalten erscheinen, sind vergänglich. Warum aber erscheinen Gegenstände für kürzere oder längere Dauer als existent und real, obschon sie vergänglich sind? Die aktuelle Wirklichkeit verkörpert eine Form der Realität und ist als solche untilgbar. Realität ist raumzeitlich unbedingt. Ereignisse im Bereich der Aktualität* jedoch sind raumzeitlich positioniert und durch eine bestimmte Dauer gekennzeichnet. Die Realität eines Ereignisses ist untilgbar. Seine Aktualität aber ist von bestimmter Dauer. Demnach ist die in einem Ereignis verkörperte Realität eines Bestandteiles der Wirklichkeit untilgbar und wird keinesfalls von der Dauer seiner Aktualität beeinträchtigt. Um das Gesagte zusammenzufassen: Die Untilgbarkeit des Realitätscharakters der Wirklichkeit ist unabhängig von der zeitlichen Dauer ihrer aktuellen Erscheinung. Untilgbar ist auch die Realität der durch die Spaltung der Bewusstheit konstituierten Gestalten. Deren aktuelle Erscheinung jedoch wird nach einer bestimmten Zeit beendet. Darüber hinaus ist die Untilgbarkeit der Form unabhängig davon, ob die aktuelle Erscheinung der Gestalten der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft zuzuordnen ist. Die Form ist aber keinesfalls als Gesamtheit aller Gestalten zu verstehen. Die Form bezieht sich auf die Möglichkeit der Realität, sich in verschiedenen und diversifizierten Bereichen zu aktualisieren. Die Gestalt dagegen ist die raumzeitlich eingeordnete anschauliche Wahrnehmung eines aktuell erscheinenden Gegenstandes. 179
Inhalt und Form können auch als Derivate einer Transformation betrachtet werden. Weder beeinträchtigt noch behindert diese Transformation andere Transformationen des Unbedingten, die sich auf andere Strukturen der Kosmogenese beziehen. Inhalt und Form signalisieren die zwei wechselseitig bedingten, jedoch getrennten Betrachtungsweisen der ursprünglichen, absoluten Einfachheit, die durch alle Transformationen des Unbedingten vermittelt wird. Inhalt und Form sind wechselseitig aufeinander bezogen, ihrem Wesen nach sind sie jedoch zueinander transzendent. Durch die Transformation wird auf beide Glieder die Untilgbarkeit der ursprünglichen, absoluten Realität übertragen. Demnach ist Untilgbarkeit als wesentliches Merkmal nicht nur des Inhalts, sondern auch der Form der Realität zu sehen. Gegensatz Der Gegensatz wird durch eine trianguläre Formel dargestellt, die aus einem dualistisch unbedingten, einfachen Oberbegriff und zwei entgegengesetzten, wechselseitig bedingten Derivaten besteht. [X] [X]
[Nicht-X]
Bei jedem Gegensatz ist eines der zwei Glieder das dominierende Glied. Das bedeutet, dass dieses Glied die Voraussetzung für das andere ist. Beispiel Licht-Finsternis: Das Dominierende ist das Licht. Finsternis ist die Abwesenheit von Licht. Man kann sich Licht unabhängig von Finsternis vorstellen, ohne es mit Finsternis relativieren zu müssen. Finsternis dagegen kann man sich nicht unabhängig vom Licht vorstellen. LICHT [Abbild des Unbedingten] [Licht] 180
[Finsternis]
Es ist nicht immer möglich, das dominierende Glied eines Gegensatzes herauszufinden. Bei jedem Gegensatz ist das dominierende Glied als einfacher Oberbegriff gesetzt. Der Gegensatz wird als System bezeichnet, weil die drei Glieder der triangulären Formel nur als Ganzes bestehen. Die Transformationstätigkeit des Unbedingten wird auf den einfachen Oberbegriff jedes Gegensatzes übertragen. Beim System des Gegensatzes kann sich demnach der einfache Oberbegriff in die zwei dualistisch bedingten Derivate des Gegensatzes transformieren, ohne seinen unbedingten und einfachen Charakter einzubüßen. Das Unbedingte ist einfach und deshalb nicht definierbar. Aus diesem Grund sind die Oberbegriffe aller diversifizierten Gegenstände identisch und vertreten das eine, identische Abbild des Unbedingten. Sie werden jedoch, wie oben erwähnt, zum Zweck der diskursiven Vorstellung nach dem jeweils dominierenden Glied des Gegensatzes benannt. Die Matrix des Gegensatzes erörtert die Entstehung der Relation zwischen den zwei entgegengesetzten Gliedern eines Gegensatzes. Geschehen Im alltagssprachlichen Gebrauch bedeutet „Geschehen“ einen Prozess und das durch ihn hervorgerufene Produkt. Jeder dieser Begriffe bezeichnet einen differenzierten Realitätsbereich, der Prozess hat eine bestimmte Dauer, er ereignet sich im Fließen der Zeit, ist damit raumzeitlich geortet und bezeichnet immer die Veränderung einer Sachlage. Das Produkt hingegen manifestiert sich im Raum; es bezeichnet die Form eines Sachverhalts. In der Kosmogenese ist keine Differenzierung zwischen Prozess und Produkt denkbar. Raum, Zeit und jedwede denkbare Voraussetzung für eine Differenzierung sind bei der „Entstehung aus dem Nichts“ – Grundprinzip dieser Theorie – nicht verfügbar. Es geht hier um die unteilbare Identität von Prozess und Produkt, die das wesentliche Charakteristikum ist, durch das sich das kosmogenetische Geschehen* von einem aktuellen Ereignis* unterscheiden lässt. 181
Im Zusammenhang von Geschehen und Ereignis muss immer wieder betont werden, dass kein Ereignis an und für sich bestehen kann. Es gibt keine vom Bewusstsein unabhängigen Ereignisse, sie sind Teil der Wirklichkeit, werden von der Bewusstheit wahrgenommen und werden eben dadurch zu Geschehnissen. Gewahren, reines Durch die Transformation der Urenergie entsteht auf allen Ebenen die kosmogenetische Realität aus dem Nichts. Hier ermöglicht das reine Gewahren die Wahrnehmung der Einheit von Identität* und Bewusstheit*. Es lässt kein Subjekt oder Objekt offenkundig werden, kein Ich, keinen Gegenstand, kein Ereignis oder Phänomen, aber auch keinen Raum, keine Zeit. Hier bleibt Wahrnehmung in einem zeitlosen Zeitmoment, und hier wirkt die reine Energie, die auf der einen Seite die Realität nicht in einer leblosen Substanz erstarren, auf der anderen alles Reelle durch ihre vielfältigen Transformationen in Erscheinung treten lässt. In der Einheit von Identität und Bewusstheit ist die wahre Selbsterfahrung aller Personen verankert; sie ist ihre echte und wahre Identität und steht im Gegensatz zur aktuellen Identität, die durch die Reihenfolge aller Erfahrungen, unsere Biographie, geprägt ist. Jede einzelne Person hat ihre eigene Biographie. Die Einmaligkeit einer Person gründet in dem reinen Gewahren, das die apriorische Identität darstellt. Wir können es auch als Ich2* bezeichnen, das der Wesenskern einer Person in der allerersten absoluten Phase ist. Im Rahmen der Kosmogenese besitzt das Ich weder eine eigene Substanz noch besteht es an und für sich; es entsteht durch die eigene Tatkraft, die sich als Wesenskern einer Person offenbart. Das reine Gewahren ist seinem Wesen nach reine Unbedingtheit. Man könnte seines absoluten Charakters gewahr werden, indem man den entscheidenden Gegensatz zwischen ihm und der aktuellen IchIdentität erkennt. Es ist nämlich im Unterschied zu ihr keinesfalls mit Ereignissen und Gegenständen konfrontiert. Das reine Gewahren ist im einfachen und leeren Wesenskern des Menschen zu erfahren. Es 182
bleibt verborgen und unerkannt, genauso wie die grundlose Dynamik des reinen Gewahrens den meisten Menschen unerkannt bleibt. Diese erfassen nicht den Entstehungsakt, durch den alle Wesen aus dem Nichts in die Aktualität der Erscheinung treten. Wohlgemerkt, dieses genetische Geschehen ist zeitindifferent und bleibt deshalb den Menschen unbewusst; sein dynamischer Entstehungsakt ist nur intuitiv erfahrbar. Es muss unterschieden werden zwischen dem reinem Gewahren und der Biographie eines Menschen. Die Menschen als Individuen werden durch die Verschiedenheit ihrer Persönlichkeitsstruktur und durch die Einmaligkeit ihrer Biographie diversifiziert; aber die Wahrnehmung ihrer Identität gründet ausschließlich im reinen Gewahren. Beide, die Biographie eines Menschen und sein reines Gewahren, sind einmalig und individuiert. Trotzdem bleiben sie durch einen grundlegenden Unterschied gekennzeichnet: Das eine, das reine Gewahren, ist leer, einfach und zeitfrei, während das andere, die Biographie, aus einer Reihenfolge von Episoden besteht, die raumzeitlich geortet sind. Es besteht zwischen beiden keine wechselseitig bedingte Relation und keine Ursache-Wirkung-Verknüpfung; sie sind in Beziehung zueinander transzendent und nichtbehindernd. Zwischen dem reinen Gewahren und der Wahrnehmung im üblichen Sinn ist zu unterscheiden. Ersteres ist frei von jeder Dualität, es repräsentiert weder ein aus Teilen konstituiertes Ganzes noch einen Teil, der zu einem Ganzen gehört. Daher wird es als „einfach“ bezeichnet und manifestiert keine Handlung und keine Erkenntnis. Es ist auch kein Wissen von sich selbst, von einem entgegengesetzten Gegenstand und auch kein Wissen vom Wissen. Ungeachtet der Tatsache, dass das reine Gewahren frei von jeglicher Subjekt-Objekt-Bedingung ist, wird es doch als Ich bezeichnet, weil sich das Ich unter den kosmogenetischen Prinzipien als allgemeine Identitätsbewusstheit in allen Phasen und auf allen Ebenen der Kosmogenese versteht. Das reine Gewahren gehört zu keiner Phase der Wirklichkeitserscheinung, seine Entstehung aktualisiert sich, indem es sich selbst aus 183
dem Nichts hervorruft, ohne sich in ein Subjekt oder Objekt zu substantialisieren. Auf der anderen Seite kann es nicht die Folge einer vorausgehenden Realität darstellen, vielmehr ist es durch den Charakter eines ersten Grundes gekennzeichnet und verkörpert im Bereich der Erscheinung das transformierte Unbedingte: der Anfang des Ich, das in allen seinen Manifestationen die Ichheit, die Tätigkeit der Identifizierung, verkörpert, die eine Variante der Transformationen der Urenergie ist. Es entsteht im Rahmen des leeren Hier und Jetzt*, dessen Bereich zeitindifferent ist, im Gegensatz zu den projizierten Elementen der Wirklichkeit, die in Form von Ereignissen in zeitlicher Reihenfolge angeordnet sind. Schließlich müssen wir deutlich zwischen dem vom Ego* gesteuerten Ich und dem reinen Gewahren unterscheiden. Irrtümlicherweise ist gerade das vom Ego gesteuerte Ich, das im Allgemeinen die Identität eines Individuums zu signalisieren scheint, ein Ich, das historischbiographisch geprägt ist und immer ein auf Objekte gerichtetes Subjekt suggeriert. Dieses Ich aber vertritt nur Schein und Scheinbild, das reine Gewahren dagegen zeichnet die wahre und reale Identität eines Individuums aus. Es realisiert die wahre Identität einer Person und kann im Bereich von Hier und Jetzt, von einer durch Konzentration und Übung befähigten Person wahrgenommen werden. Dies impliziert auch die für sich bestehende und von jeder Relativierung mit Ereignissen unabhängige Selbsterfahrung. Herabstufung siehe Rückkehr Hier und Jetzt Es besteht im Allgemeinen eine Unklarheit in Bezug auf den Unterschied zwischen dem vom Verstand geprägten Begriff Gegenwart, der nur gedacht, aber keinesfalls wahrgenommen werden kann, und dem Realitätsbereich des Hier und Jetzt, der nur unmittelbar wahrgenommen und nicht in einem Begriff gedacht werden kann. Das Hier und Jetzt ist undefinierbar; es ist leer, es enthält weder Dinge noch SubjektObjekt-Abstraktionen, weder Ich noch Nicht-Ich. 184
Was bedeuten dann in diesem Kontext Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft? Zunächst einmal müssen wir zwischen Gegenwart und Hier und Jetzt unterscheiden. Hier und Jetzt stellt das Feld der Aktualität dar, das heißt das Feld jeder direkten Wahrnehmung der Existentialität der Ereignisse* und der Gegenstände. „Gegenwart“ dagegen ist ein Begriff und eine unter den Bedingungen des Verstandes erzeugte Reflexion. Mit anderen Worten: Das Hier und Jetzt wird wahrgenommen, die Gegenwart hingegen wird gedacht: Ersteres ist die unmittelbare Erfahrung einer leeren, undefinierbaren und vom Verstand unfassbaren Wahrnehmung, das Zweite ein Produkt der Reflexion3. Gegenwart erfasst also in einem Begriff den Zeitmoment, der zwischen Vergangenheit und Zukunft eingekeilt ist; im zeitindifferenten Hier und Jetzt wird die Wirklichkeit der Ereignisse unmittelbar erfahren. Anders ausgedrückt: Gegenwart hat Dauer, bleibt unbestimmt und unbegrenzt; Hier und Jetzt hat weder Dauer noch eine Stelle im Raum. Es ist nicht in den Kategorien von Raum und Zeit zu definieren und bleibt raumzeitlich indifferent und unbedingt. Im Verhältnis zu Vergangenheit und Zukunft liegt die Gegenwart an einem Zeitpunkt zwischen beiden: Ereignisse, die gerade zum jetzigen Zeitpunkt aktuell sind und im Bereich des Hier und Jetzt gerade jetzt realisiert werden können, werden vom Verstand als Gegenwart kategorisiert. Dies erfolgt, wenn die Wirklichkeit des Ereignisses im „laufenden“ Zeitpunkt direkt wahrgenommen wird. Das Ereignis, dessen Aktualität beendet ist, das heißt dessen Wirklichkeit nicht mehr direkt wahrgenommen werden kann und nicht mehr im Hier und Jetzt zu realisieren ist, wird vom Verstand als Vergangenheit kategorisiert. Hat die Aktualität eines Ereignisses noch nicht angefangen, das heißt wird diese Wirklichkeit noch nicht direkt wahrgenommen und deren Aktualität noch nicht im Hier und Jetzt realisiert, so wird dieses Ereignis vom Verstand als Zukunft kategorisiert. Die Wahrnehmung von Hier und Jetzt wirft eine Reihe von Fragen auf, die zu dem Prinzip der Kosmogenese „Anfang der Realität aus dem Nichts“ in enger Beziehung stehen. So stellen sich folgende Fragen: 185
– Wie wird das Hier und Jetzt wahrgenommen? – Was manifestiert die Zeitindifferenz des Hier und Jetzt? – Wie sind alle Bestandteile der Wirklichkeit, die im Hier und Jetzt entworfen und wahrgenommen werden, zu sehen? – Inwiefern sind diese Projektionen unanfechtbar existent? Diese Fragen scheinen an der Grenze von metaphysischer und philosophischer Spekulation zu liegen. Trotzdem können wir im Sinne der Kosmogenese davon ausgehen, dass das Feld von Hier und Jetzt überhaupt kein raumzeitlich bedingtes Feld ist; es repräsentiert weder die Ewigkeit noch einen abgetrennten individuierten Zeitpunkt und auch keine zeitliche Dauer mit Anfang und Ende. Es ist auch nicht ein Nacheinander oder ein sich entfaltendes Kontinuum. Die Erfahrung von Wirklichkeit ist eine Tätigkeit der aktuellen Bewusstheit, die nicht die Folge einer direkten Transformation ist, sondern die Abspiegelung* auf dem Feld der Erscheinung. Diese Wirklichkeitserfahrung entsteht und entfaltet sich in Form von Ereignissen*, die im Blickfeld von Hier und Jetzt in Erscheinung treten und die Veränderung der Gestalten in einem fließenden Kontinuum realisieren. Die Folge der Tätigkeit von Bewusstheit ist dann die Erscheinung der volumenartigen Gegenstände im raumzeitlich indifferenten Feld von Hier und Jetzt. Also wird diese von Bewusstheit konstituierte Gestaltungsform unserer Wirklichkeit – mithin des ganzen Universums – im „leeren“ Feld von Hier und Jetzt wahrgenommen. Im Rahmen unserer Theorie besteht unsere Wirklichkeit nicht aus Gegenständen, sondern ausschließlich aus Ereignissen, deren immerwährende Abfolge im leeren Feld von Hier und Jetzt wahrgenommen wird. Irrtümlicherweise unterscheidet der ungeübte Mensch nicht zwischen dem konstruierten Charakter der vielfältigen Wirklichkeit und der einfachen „Leere“ des Hier und Jetzt, in deren zeitindifferentem Feld die unendliche Zerstreutheit der raumzeitlich bedingten Wirklichkeit sich konstituiert. Dabei ist zu beachten, dass dieses Feld unbedingt und unabhängig ist von den Bedingungen, die die raumzeitliche Reihenfolge der Ereignisse prägen. Andererseits hat die raumzeitliche 186
Prägung der raumzeitlich georteten Ereignisse auf die „Leere“ von Hier und Jetzt überhaupt keine Wirkung. Der Wirklichkeitscharakter der raumzeitlich bedingten Ereignisse ist in dieser „Leere“ verankert. In der leeren Wahrnehmung von Hier und Jetzt werden das Ich, das sich vom Nicht-Ich trennt, sowie die in zahllosen Gegenständen zerstreute Wirklichkeit projiziert und raumzeitlich geortet; sowohl das Ich wie auch die Gegenstände manifestieren die konstitutiven Grundelemente der Wirklichkeit. Beide, das projizierte Ich und die projizierten Gegenstände, bezeichnen eine Tätigkeit des Verstandes in der Leere des Hier und Jetzt. Diese Projektion manifestiert also die Wirkungskraft des Verstandes. Der Verstand einerseits ist das Produkt seiner Tätigkeit, er ist als ein an und für sich bestehender Verstand nicht denkbar. Andererseits entsteht das dreidimensionale Universum durch die von der Tätigkeit der Bewusstheit bewirkte Projektion des Raumes in die Leere von Hier und Jetzt. Die Projektion der Zeit ihrerseits verursacht das Scheinbild der Vergänglichkeit des Universums. Wir haben früher betont, dass die Bewusstheit nichts anderes ist als die grundlegende Wahrnehmung der echten, ursprünglichen, jedoch leeren Identität*; alles, was dieser Wahrnehmung folgt, ist der Schein einer Projektion. Die Identitätswahrnehmung ihrerseits gehört zu dem metazeitlichen Stand der Realität, der unmittelbar und bewusst wahrgenommen werden kann, und zwar als das zeitindifferente, zeitfreie und zeitunbedingte Hier und Jetzt. Erst in diese leere Wahrnehmung werden das Ich, das sich vom Nicht-Ich trennt, sowie die in zahllosen Gegenständen zerstreute Wirklichkeit projiziert. Für den Verstand ist das unmittelbare Wahrnehmen von Hier und Jetzt aufgrund seines gegenüber Zeit und Raum indifferenten Charakters ein verwirrendes Konzept. Das Hier und Jetzt vertritt nämlich weder eine bestimmte Dauer noch die unendliche Ewigkeit; es ist raumzeitlich unbedingt, zeitindifferent, ja sogar zeitfrei. Unsere echte Identität ist in diesem zeitfreien und kontinuierlichen Anfang – im Hier und Jetzt – unerschütterlich verankert. Die Wirkung des traumähnlichen Scheinbildes der Dreidimensionalität, in der wir befangen sind und die die Wahrnehmung unserer aktuellen Wirklich187
keit charakterisiert, ist zwar übermächtig, doch spüren wir im leeren Bereich von Hier und Jetzt unsere ursprüngliche wahre Identität als die eigentliche „Existenz“. Sie offenbart sich als die Identität von „Nichts“ und „Alles“, ist aber durch das Fehlen jedes definierbaren Merkmals gekennzeichnet: Es gibt kein Subjekt, kein Objekt, keine Gegenstände und keine alle diese substituierenden Abstraktionen. Die Offenbarung dieser Identität ist unabhängig von jedweder raumzeitlich bedingten Existenz. Hier drängt sich die Frage auf, ob unsere Identität beziehungsweise unser innerster Kern eine konsolidierte Substanz ist, die an und für sich besteht. Die Alltagssprache verbreitet die Identität von „innen“ und „außen“; wir sagen nämlich: „Mein Ich ist innen und die Welt ist außen.“ Diese Aussage aber beruht auf einem Irrtum. Die Konzentration auf unseren Wesenskern und die Wahrnehmung des zeitfreien Hier und Jetzt fallen in unserer aktuellen Bewusstheit zusammen. Sie werden als ein und dieselbe kosmische Tätigkeit empfunden, die in höchster Intensität wirksam* und trotzdem leer ist, da ihr jede Stofflichkeit und vorstellbare Substantialität fehlen. Unser Wesenskern verkörpert die ursprüngliche Verbindung des Hier und Jetzt und unserer „wahren Identität“. Diese weist auf unseren Ursprung hin: die einfache Unbedingtheit, woher wir stammen. Die echte Identität ist also im Hier und Jetzt verankert und wird auch als einfache und leere Existenz erfahren. Diese Erfahrung konstituiert den unbedingten Bereich von Hier und Jetzt, während die Wahrnehmung der aktuellen Wirklichkeit den Bereich der relativen Realität konstituiert. Hierbei ist entscheidend, dass die zuletzt genannte Wahrnehmung durch die Erfahrung der wahren Identität nicht beeinträchtigt wird. Beide, die Wahrnehmung der aktuellen Wirklichkeit und die Erfahrung der wahren Identität, behindern einander nicht. Die Menschen haben seit jeher versucht, sich aus den Rationalisierungen ihres Verstandes und aus der Verwirrung der traumähnlichen Scheinbilder ihrer Bewusstheit zu befreien. In ihrer tiefsten Sehnsucht nach Frieden, Klarheit und Freiheit haben sie die Hoffnung auf Erfüllung dieser Wünsche nie aufgegeben. Die Befreiung zu erlangen steht 188
dem Menschen zu, sie ist aber ein langer, mühsamer und leidvoller Weg. Spirituell geübte Personen sind in der Lage, diesen Weg zu gehen. Sie können zwischen dem zeitindifferenten Hier und Jetzt und den in der Leerheit von Hier und Jetzt projizierten, raumzeitlich georteten Gegenständen und Ereignissen unterscheiden und sie als Scheinbilder ansehen. Dies ist jedoch keine Selbstverständlichkeit, sondern das bewusste Ziel und Ergebnis intensiver Konzentration und steter Übung. Ich/Nicht-Ich Das Ich ist, seinem Wesen nach, eine für sich selbst und durch sich selbst erscheinende und ausschließlich nur von sich selbst wahrzunehmende Leerheit. Es bezeichnet in allen seinen Manifestationen und auf allen Ebenen der Entstehungsentfaltung die „Ichheit“, die Tätigkeit der Identifizierung. Ein an und für sich bestehendes Ich, das unabhängig ist von allem, was es umfasst oder ausschließt, ist nach Grundsätzen der Kosmogenese nicht denkbar, vielmehr bezeichnet es das Produkt jener Tätigkeit. Dabei sind beide, Tätigkeit und Produkt, leer, das heißt, sie umfassen keine substantialisierten Elemente, durch die sie definiert werden könnten. Erst in die leere Wahrnehmung des Hier und Jetzt* hinein werden das sich vom Nicht-Ich trennende Ich und die in zahllosen Gegenständen zerstreute Wirklichkeit projiziert und raumzeitlich geortet. Ich und Nicht-Ich bedingen sich wechselseitig, obwohl substanzlos. Das Nicht-Ich wird durch die Wirkungskraft des Ich – das sich von allem trennt, was es von seinem Bereich ausschließt – hervorgerufen. Beide, das Nicht-Ich und das Ich, sind also bloße Produkte der Tätigkeit allein. Zuerst manifestiert sich die Wirkung einer Tätigkeit, und danach folgt das durch sie hervorgerufene Produkt. Es kann keine substantiell erstarrte Instanz vorausgesetzt werden, die nachträglich eine Tätigkeit ausübt. Instanzen und Faktoren sind immer Produkte der Tätigkeit, die sie anscheinend bewirken. Betrachten wir das Ich von einer anderen Seite: Der Glaube an die Wirklichkeit unserer Welt scheint selbstverständlich und unerschütter189
lich zu sein, so auch der Glaube an unsere Einmaligkeit und an die Verankerung in unserer Identität. Die aktuelle und kontinuierliche Wahrnehmung dieser Identität nennen wir Ich; aber diese Wahrnehmung selbst trennt uns von allem, was außerhalb ihres Radius liegt, und genau diese Trennung überzeugt uns von der Wirklichkeit der Außenwelt. Wir sagen: „Dieses bestimmte Ding ist wirklich, es ‚existiert‘“, und meinen damit, dass es unabhängig von unserer Wahrnehmung bestehen kann. Diese Annahme wird sprachlich dadurch unterstützt, dass das vom Ich-Bereich Ausgeschlossene und dem Ich Entgegengesetzte „Gegen-stand“ genannt wird. Dabei darf nicht übersehen werden, dass in diesem Fall der aktuelle Prüfstein der Realität des Gegenstandes nur die sinnliche Wahrnehmung ist. Aber im Rahmen der Kosmogenese hat das Ich keine Substanz, es ist leer: Es schließt alles, was es selbst nicht ist, aus seinem leeren Kern aus. Das „Ausgeschlossene“ bietet aber dem Begehren eine unendliche Palette von Zielen, die nicht immer erreichbar sind. Als leere Instanz ist es befähigt, alles zu objektivieren und sich dadurch von allem zu trennen. So wird die Wahrnehmung in einen „Gegenstand“ umgewandelt, das heißt die wirkungsvolle Tätigkeit transformiert sich in eine wirkungslose und erstarrte Instanz. Das Ich ist die Konsolidierung der Identitätstätigkeit des Ich, daher ist es ein Geschehen* und keine substantialisierte Instanz. Sein Strömen in Form einer Tätigkeit konsolidiert sich in der unmittelbaren Erfahrung der Leerheit, die von den Sinnen, jedes inhärenten Inhalts beraubt, nicht wahrgenommen werden kann. Als Faktor der aktuellen Bewusstheit betrachtet, manifestiert es die bloße Kontinuität der Wahrnehmung. Es manifestiert auch eine grenzenlose Subjektivität, die sich selbst objektiviert und als ein „Gegenüber“ wahrnimmt, ungeachtet seiner inhärenten Leerheit. Wir haben gesehen, wie das Ich als die endgültig kristallisierte und sich selbst begrenzende und bestimmende Tätigkeit, sein leeres Wesen selbst hervorbringt und wie die Tätigkeit der Identifizierung sich selbst hervorbringt. Dies ist die unzertrennliche Einheit von Wirkung und Folge: Tätigkeit, die Produkt ihrer selbst ist. Diese Tätigkeit des Ich ist bipolar, das heißt, sie entfaltet sich in zwei entgegengesetzten Richtun190
gen: die expandierende und die implodierende*. In der ersten wird das Objekt, in der zweiten Richtung das Subjekt* hervorgerufen. Subjekt und Objekt sind im Bereich der Identität* ursprünglich verschmolzen; nach kosmogenetischen Grundsätzen hat jede Spaltung die absolute Einheit als Ausgangsposition. In implodierender Richtung verschmilzt das Ich mit allem, was es nicht ist, indem es alles in die Unendlichkeit seines leeren Kerns zieht. Durch die expandierende Richtung trennt sich das Ich von allem, was es im Bereich seiner Identität für ausgeschlossen hält. Produkt der expandierenden Tätigkeit ist das Objekt, Produkt der implodierenden ist das Subjekt, wobei bestehen bleibt, dass das Ich, das Objekt und das Produkt reines Geschehen* und überhaupt keine an und für sich bestehenden Elemente der Realität sind. Also: kein Ich ohne die Tätigkeit der Identifizierung, kein Objekt ohne die Tätigkeit des Ausschließens und kein Produkt ohne die Tätigkeit der Expansion. Zwischen Expansion und Implosion besteht eine Relation*, die durch die Tätigkeit der Identifizierung hervorgerufen wird. Durch die Relation entstehen die zu relativierenden zwei Entfaltungsrichtungen; dieselbe Relation nennen wir Identität, insofern sie die bedingten Richtungen der Tätigkeit bindet. Durch die Tatkraft der Identität entsteht die Relation, und durch die Tatkraft der Relation entstehen die zwei Richtungen. Alle Momente der Entstehung der Identität sind interdependent und nicht wechselseitig behindernd. Tätigkeit, Relation, Identität oder Ich dürfen nicht als diversifizierte an und für sich bestehende Elemente gesehen werden. Identität Bei der Bestimmung der „Identität“ stellt sich zuallererst die Frage, welche Form des Ich die echte Identität darstellt: das vom Ego* gesteuerte, derzeitige, aktuelle Ich, das von Gegenständen freie, evolutive Ich oder das reine Gewahren? Das vom Ego gesteuerte aktuelle Ich kann als wahre Identität von vornherein ausgeschlossen werden; dieses Ich verkörpert den Schein des Scheinbildes*. Es heißt auch, dass jede vorstellbare Form objekti191
viert werden kann und für das Ich ein Nicht-Ich ist; dadurch vermag deren affizierende Wirkung das Ich in Ich und Nicht-Ich spalten, wodurch die Einmaligkeit der Identität geopfert wird. Das evolutive, kosmogenetische Ich ist zwar frei von Vorstellungen von Gegenständen – und von Subjekt und Objekt. Aber im Bereich der aktuellen Bewusstheit besteht dieses Ich nur als abstrakte Konstante in der Abfolge der Ereignisse, die die Biographie einer Person ausmachen. Es ist abstrakt und daher jedes realen Gehalts beraubt. Die Identität einer Person hingegen ist keine gehaltlose und abstrakte Konstante, sondern der Grundstein ihrer realen Existenz. Demnach fällt auch das kosmogenetische Ich als wahre Identität weg. Ist dann das reine Gewahren die echte Identität? Eines ist sicher: Sowohl das dreidimensional bedingte, derzeitige und vom Ego gesteuerte aktuelle Ich wie auch das vierdimensionale kosmogenetische, evolutive Ich darf nicht mit dem leeren, reinen Gewahren verwechselt werden. Nach kosmogenetischen Grundsätzen und Erkenntnissen kann eine einmalige Identität – also eine Individuation infolge der Identifizierungstätigkeit – nur in einem einfachen und leeren Wesenskern gründen, der zwar bar jedes vorstellbaren Gehalts ist, trotzdem aber den absoluten, untilgbaren Gehalt verkörpert. Das Ich macht aus sich selbst durch seine expandierte Tätigkeit zwar das allererste Objekt, aber Subjekt und Objekt sind im Bereich der Identität ursprünglich verschmolzen. Die Tätigkeit der Identifizierung fließt gespalten in zwei entgegengesetzte Richtungen: in die der Expansion* und in die der Implosion. Betrachtet man jede Entfaltungsrichtung für sich allein, so würde die Tätigkeit in eine unbestimmbare und unbegrenzte Unendlichkeit fließen. Durch die Bipolarität der entgegengesetzten Richtungen wird, wie früher erwähnt, die Tätigkeit bestimmt und begrenzt. Das Produkt dieser Tätigkeit, die sich selbst durch die Bipolarität der Richtungen begrenzt, ist in der Kosmogenese die Identität. Ist nun die Identität keine bloße sprachliche Bezeichnung, sondern die dynamische Tätigkeit der Identifizierung, dann heißt dies: Das Subjekt fixiert sich selbst und macht sich aus diesem Selbst ein Objekt. Das Subjekt manifestiert das Bewusstwerden seiner eigenen einmali192
gen Identität, und die Tätigkeit bezeichnet die Bewusstheit der sich selbst objektivierenden Subjektivität. Die Objektivierung des Subjekts durch sich selbst verleiht dem Subjekt-Objekt-Gespann* den Charakter eines Gegenstandes. Die echte Identität weist auf unseren Ursprung hin: die einfache Unbedingtheit, woher wir stammen; die Tätigkeit der Identifizierung ihrerseits ist ein Produkt der Transformation des Unbedingten, das heißt, die kosmogenetische Urenergie transformiert sich in die Tätigkeit der Identifizierung, deren Träger das durch die Tätigkeit hervorgerufene Ich ist. Durch die Tatkraft der Identität entsteht die Relation, durch welche die zwei Entstehungsrichtungen, die durch die Tätigkeit der Identifizierung zwischen Expansion und Implosion hervorgerufen worden sind, relativiert werden. Wir nennen diese hindernde Relation der wechselseitig bedingten Richtungen auch Identität, ihre Entstehungsmomente sind interdependent und nicht wechselseitig behindernd. Keines der Entstehungsmomente, also weder Tätigkeit noch Relation, Identität oder Ich dürfen als diversifizierte, an und für sich bestehende Elemente angesehen werden. Wir kommen nun zur Wahrnehmung der Identität, zu ihrer Funktion und ihrem Nutzen. Es wurde bereits betont, dass die wahre Identität leer ist und zu keinem aktuellen Stand der Realität gehört. Ihre Funktion ist demnach, sich selbst aus dem Nichts hervorzurufen, ohne sich in ein Subjekt oder Objekt zu substantialisieren. Da sie im Bereich der Erscheinung das transformierte Unbedingte verkörpert, kann für sie keine reale Instanz vorausgesetzt werden, kann es aber auch keine Substanz geben, der sie etwas hinzufügen kann, sie ist weder von Nutzen noch überflüssig. Die echte Identität ist im Hier und Jetzt* verankert; daher wird sie als einfache und leere Existenz erfahren. Die Erfahrung der wahren Identität ihrerseits konstituiert den Bereich von Hier und Jetzt, während die Wahrnehmung der aktuellen Wirklichkeit den Bereich der relativen Realität konstituiert. An dieser Stelle stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die wahre Identität zu der Ich-Identität, das heißt zum Individuum beziehungs193
weise zur Person steht. Die aktuelle Ich-Identität ist durch die Reihenfolge aller Erfahrungen, die unsere Biographie konstituieren, geprägt; sie ist wegen der Besonderheit und der raumzeitlichen Unterschiede der Ereignisse einmalig und unwiderruflich. Die absolute Identitätserfahrung eines Individuums entsteht, unabhängig von den raumzeitlichen Bedingungen seiner geschichtlich-biographischen Existenz, als der sich selbst identifizierende Grund. Damit ist gesagt, dass kein Subjekt, Objekt, Ich, Gegenstand, Ereignis oder Phänomen und weder Raum noch Zeit den Wesenskern einer Person manifestiert. Es geht um einen Punkt, der das Alles und das Nichts umschließt. In diesem Brennpunkt werden Identität und Bewusstheit in einer Einheit wahrgenommen, in der die wahre Identität aller Wesen verankert ist. Hier wirkt die „reine Tätigkeit“, die die Realität nicht in einer leblosen Substanz erstarren lässt, eine „Energie“, durch deren vielfältige Transformationen alles Reelle in Erscheinung tritt. Die wahre Identität ist durch den Charakter eines ersten Grundes gekennzeichnet. Sie weist auf unseren Ursprung hin, auf die einfache Unbedingtheit, woher wir stammen, und verkörpert im Bereich der Erscheinung das transformierte Unbedingte. Implosion siehe Expansion Inspiration Im Rahmen der kosmogenetischen Theorie wird die Akzeptanz der Inspiration auch Aspiration* genannt. Sie bezeichnet Erwartung und Bereitschaft. Diese aber impliziert kein Subjekt, das akzeptiert, da die Aspiration Produkt der Transformation der kosmogenetischen Tätigkeit* ist. Sie vertritt ebenfalls eine Form von Tätigkeit. Koinzidenz Das kosmogenetische Geschehen entfaltet sich immer in zwei entgegengesetzten Richtungen: Ausdehnung und Verdichtung*. Die Koinzidenz stellt hier den Bezugspunkt zwischen beiden Richtungen dar, manifestiert ihn ausschließlich, ohne dass sie als gemeinsames Ele194
ment zu der einen oder der anderen Richtung gehört. Insbesondere stellen Koinzidenzen in der kosmogenetischen Struktur den „genetischen Knoten“ dar, durch den alle Bereiche der kosmogenetischen Realität aus dem Nichts entstehen. Durch die Bezugspunkte, welche die Koinzidenzen vertreten, fließt die kosmogenetische Tätigkeit und transformiert sich in reales Geschehen, wodurch sich die einfache unbedingte Realität* endgültig in die dualistisch geprägte Wirklichkeit* konsolidiert. Koinzidenzen sind das Produkt von Transformationen des Unbedingten. Es darf aber nicht behauptet werden: Wenn es das Unbedingte gibt, dann folgt die Transformation. Vielmehr gilt umgekehrt: Transformation setzt das Unbedingte voraus. Es ist richtig, dass die Transformation die Realisierung einer Wende des Unbedingten ist; sie ist aber grundlos und unableitbar. Keine dem Unbedingten folgende Form von Realität könnte als notwendig und unumgänglich gesehen werden. Koinzidenzen sind Träger der Transformation des Unbedingten. Sie können von der derzeitigen Bewusstheit weder als Gegenstände noch als Substanzen, auch nicht als ein sonst vorstellbarer Bestandteil der Realität erfasst werden, da diese vom Verstand fassbaren Bestandteile in allen Fällen den Charakter einer raumzeitlich georteten und alles umfassenden Realität tragen. Was nicht so geordnet ist, trägt – wie alles Denkbare – den Charakter einer Tätigkeit und vertritt also Geschehen, das von der aktuellen Bewusstheit nicht wahrnehmbar ist. Die Koinzidenzen vertreten auch keine kosmogenetische Tätigkeit, sie sind leer und besitzen keine Wirkungskraft. Sie stellen immer abstrakte Verknüpfungen von Tätigkeiten dar, die auf den Uranfang des kosmogenetischen Geschehens hinweisen, jenen Uranfang der kosmogenetischen Entfaltung, der nur das Unbedingte sein kann. Durch die Wirkungskraft der an der Verknüpfung der Koinzidenzen sich treffenden Tätigkeiten, die einander nicht behindern, werden alle Faktoren und Instanzen der kosmogenetischen Entstehung aus dem Nichts hervorgerufen. Es muss immer wieder betont werden, dass die Koinzidenzen abstrakte Schnittpunkte darstellen, Schnittpunkte zweier Richtungen, in 195
denen die Umwandlung einer abstrakten in die aktuelle Dualität stattfindet. Dabei handelt es sich nicht um einen Übergang von einem Zustand zum nächsten durch die Intervention eines Vorganges, durch den der erste Zustand aufhört zu sein. In der Kosmogenese gibt es den Anfang aus dem Nichts, den absoluten Anfang; ein Vorgang beginnt ohne einen vorhergehenden Zustand. In der Entstehung des Universums durch die Transformation des Absoluten sind Vorgang und Zustand identisch, weil es um die Entstehung aus dem Nichts geht. Bildlich gesprochen ist es eine Entstehung in der Horizontalen und in zwei entgegengesetzten Richtungen: Ausdehnung und Verdichtung in der Entstehung des Universums. Die kosmogenetische Theorie behauptet: Es gibt eine zweite Entfaltung, eine Vertikale, die Herabstufung und Rückkehr* genannt wird. Die Koinzidenz ist das X, das oben „Verknüpfung“ genannt wurde, ohne diesem X irgendeinen Inhalt zu geben, es zu substantialisieren. Es handelt sich also um den immer abstrakten Schnittpunkt, der auf die ursprüngliche Struktur der kosmogenetischen Realitätsentfaltung hindeutet; man könnte auch von zwei Ebenen sprechen, die sich nicht berühren, und durch die es die Koinzidenz gibt, den abstrakten Bezugspunkt der zwei Richtungen, die wechselseitig aufeinander bezogen sind, sich aber nicht berühren: X
Kosmogenetische Tätigkeit Die Theorie der Kosmogenese hat die Aufgabe, die Realitätsentfaltung aus dem Nichts zu demonstrieren, ein metazeitliches Geschehen. Die kosmogenetische Tätigkeit ist das Agens aller Transformationen und das Produkt der allerersten Transformation des Unbedingten. Die Entstehungsdynamik dieser Tätigkeit signalisiert die Entstehung aus dem Nichts der Alles umfassenden Realität. Sie kann nicht nach den kategorialen Bedingungen des Verstandes diskursiv definiert werden. Sie 196
ist zwar ein Geschehen, kann aber nicht raumzeitlich positioniert und deswegen nicht als Ereignis gesehen werden. Sie ist auch weder Subjekt noch Objekt, da sie nicht unter den kategorialen Bedingungen der derzeitigen aktuellen Bewusstheit steht. Schließlich ist sie keinesfalls ein konstitutiv organischer Bestandteil eines Realitätsbereichs, weil sie von vornherein aus jeder denkbaren Realitätsstruktur ausgeschlossen ist. Die kosmogenetische Tätigkeit setzt das Unbedingte voraus. Besteht die absolute Realität an und für sich in einer vollendeten Einfachheit, dann vertritt deren Transformation in kosmogenetischer Tätigkeit die Form der absoluten Realität in einer expansiven Zielrichtung, beziehungsweise ein Sich-nach-dem-Anderen-Richten. Diese Wende ist grundlos und für die vollendete Einfachheit der Absolutheit überflüssig und unbehindernd. Das Andere bezeichnet das Abstrakte und Undefinierte, das vom Bereich der Absolutheit a priori ausgeschlossen ist, es vertritt weder Gegenstand noch Person, sondern eine abstrakte Gegenüberstellung zum Unbedingten. Die kosmogenetische Tätigkeit stellt die Brücke zwischen dem Bereich des Unbedingten und dem Bereich der Bedingungen dar. Durch die Transformation des Unbedingten in kosmogenetische Tätigkeit entsteht die endgültige und vollendete Struktur der Wirklichkeit als bloße Möglichkeit. Also vertritt die kosmogenetische Tätigkeit eine Tätigkeit sui generis: Sie signalisiert sowohl die Einfachheit der Unbedingtheit als auch die Bedingungen der determinierten Wirklichkeit, ohne dass dadurch ihr leeres, aber auch ihr sich transformierendes Wesen beeinträchtigt wird. Sie vertritt die ursprüngliche, absolute Realität und die raumzeitlich bedingte, derzeitige Wirklichkeit. Dies weist auf ihr zweistufiges, sich transformierendes Wesen hin; aufgrund dieser Fähigkeit vermag sie die Umwandlung in eine Instanz zu realisieren, ohne sich selbst endgültig und unwiderruflich in diese Instanz zu verwandeln. Das heißt, sie transformiert sich in eine Instanz und bleibt zugleich in ihrer ursprünglichen Form unangetastet. Auf diese Weise vertritt sie zwei Formen: Die eine bezeichnet die Ausgangsposition der Transformation, die andere deren Produkt. 197
Die reine Transformation, die die kosmogenetische Tätigkeit manifestiert, ermöglicht ihr, in jeder denkbaren Form der Realität zu erscheinen, ohne ihre reine und von jeder dualistischen Bedingung freie Essenz zu beeinträchtigen, das heißt ohne ihre leere substanz- und existenzlose, ursprüngliche Form einzubüßen. Ihr Konzept hat die Funktion, die Darstellung der Kosmogenese in einer für das derzeitige Bewusstsein fassbaren Darstellung eines metazeitlichen Prozesses zu ermöglichen. Metaphysische Zeit Die Ereignisse* in der Kosmogenese sind a priori und auf einen Schlag gegeben. Bei jedem Auftreten einer Ausnahme* verändert sich die ganze Struktur der Apriorität, damit ergibt sich eine neue Struktur der Realität, der Totalität der Ereignisse und der Wirklichkeit, die ein Teil der Realität ist. Die Ausnahme verursacht also eine totale Veränderung, danach folgt eine Sequenz von Realitätsstrukturen, eine nach der anderen. Dies ist die metaphysische Zeit: Sie ist unabhängig von der Zeit, wie wir sie kennen. Die Reihenfolge der Veränderungen ergibt jedes Mal eine neue Form der Realität. Die metaphysische Zeit ist die echte und wahre Zeit. Objekt siehe Subjekt Projektion Die Projektion manifestiert hier eine Tätigkeit, durch die die Gegenstände entstehen. Die Tätigkeit der Projektion ist ihrerseits durch die Tätigkeit der Bewusstheit* in Entstehung gerufen worden, weil durch die Tätigkeit der Entstehung der Gegenstände die Tätigkeit der Bewusstheit entsteht. Demnach kann diese nur als Folge der Entstehung der Gegenstände gesehen werden, wie entsprechend auch das Realitätsfeld der Bewusstheit, das durch die Projektion der im Raum erscheinenden Dinge entsteht. Weil nichts anderes real ist außer den Transformationen der Urenergie in Tätigkeit, manifestiert Bewusstheit auch nur Geschehen* 198
und Tätigkeit. Die Bewusstheit ist aber in ihrer Essenz nichts anderes als die grundlegende Wahrnehmung der echten ursprünglichen, jedoch leeren Identität*. Realität Realität und Wirklichkeit sind in der kosmogenetischen Theorie zwei verschiedene Konzepte; sie dürfen nicht als Synonyme aufgefasst werden Bisweilen ist mit Realität hier die „absolute Realität“, die alles umfassende, gemeint. Die kosmogenetische Realität bezeichnet die Realität als Anfang aus dem Nichts und vertritt das Geschehen. Von dieser letzten ist hier die Rede. Die Realität ist der „alles umfassende Bereich“, der alles Denkbare impliziert und in der Kosmogenese zur „Realität“ schlechthin wird. Er umfasst alles, was zur raumzeitlich geordneten Aktualität gehört, die konstitutiven Realitätselemente, auch jene, die von der aktuellen, derzeitigen Bewusstheit nicht erfasst werden und dem Alltagsverständnis entgegengesetzt zu sein scheinen. Diese Realitätsbereiche, die im kosmogenetischen Alles inbegriffen sind, repräsentieren reines Geschehen*, keinesfalls aber Substanzen, Gegenstände, Subjekte, Objekte und dergleichen. Die absolute Realität kann nicht die Folge eines anderen Konzepts sein; sie hat das wesenhafte Charakteristikum eines Grundes. Es ist in unserer Theorie von der „einzigen kosmogenetischen Realität“ die Rede. Sie wird in einer unlösbaren Interdependenz von Ganzem und Teilen mit einem Schlag aus dem Nichts hervorgerufen. Es gibt nur eine einzige Realität, sie ist einheitlich und untilgbar. Jedes Element der Realität hat ihren Charakter, die Untilgbarkeit. Was einmal Realität darstellt, kann unter keinen Bedingungen nicht-real sein. Die Essenz der Realität ist ihre Einmaligkeit, Einheit und Untilgbarkeit. Wir können die einmalige und alles umfassende Realität aus zwei Perspektiven betrachten: aus der des Inhalts und aus jener der Form. Der Inhalt bezeichnet ihren essentiellen Charakterzug, der ihren im Unbedingten gründenden Ursprung signalisiert. Er ist unantastbar, unteilbar, unveränderlich und in allen seinen individuierten 199
Bestandteilen identisch. Im Gegensatz dazu bezeichnet die Form der Realität das Feld aller Transformationen des Unbedingten, nicht realiter, sondern als bloße Möglichkeit. Infolgedessen bezieht sich die Form ausschließlich auf die Elementare und nicht auf die Ereignisse*, wobei die nicht realiter erscheinenden Ereignisse keine Ereignisse sind, sondern nicht abgespiegelte Elementare. Ferner vertritt die Form im Rahmen der kosmogenetischen Theorie ein Feld und kein individuiertes Element, auch nicht die Totalität aller Gestalten, die in ihrem Feld erscheinen können. Sie ist weder ein Ganzes, das aus Teilen besteht, noch der Teil eines Ganzen; es geht um eine Betrachtungsweise der Realität und keinesfalls um eine individuiert erscheinende Gestalt. Inhalt und Form der Realität sind untilgbar. Die Form vertritt die Möglichkeit der Gestaltung, der Inhalt ist untilgbar und unveränderlich. Die Gestaltung im Realitätsfeld der Form unterliegt der immerwährenden Umwandlung. Die Form im Bereich des nur Möglichen ist begrenzt; sie bezieht sich ausschließlich auf Elementare. Es wurde früher von den zwei Phasen der Realität gesprochen: einer ersten, der absoluten Realität, die die alles umfassende Realität bezeichnet, und einer zweiten, nämlich der kosmogenetischen Realität, die den Anfang aus dem Nichts bezeichnet und das Geschehen vertritt. Diese Realität ist die Dynamik des Übergangs von der einfachen Absolutheit zur dualistisch gespaltenen Wirklichkeit, das heißt der Übergang von der Einfachheit zur Vielfalt. Dieser vorzeitliche Übergangsprozess ist für das derzeitige Bewusstsein weder wahrnehmbar noch vorstellbar. Er könnte aber veranschaulicht werden anhand von Darstellungen, die den Bedingungen des Verstandes konform und diskursiv zugänglich sind. Solche Erörterungen können „methodisch bedingt“ genannt werden; von hier aus ist die Darstellung der Struktur der Kosmogenese als wechselseitige Verknüpfung von Vorgang und Zustand* zu verstehen, und zwar so, wie diese zwei Konzepte in der Alltagssprache benutzt werden. Wird die Frage nach der Aufhebung einer entstandenen Realität gestellt, so lautet die Antwort: Eine solche Aufhebung widerspricht dem Grundwesen der Realität. Dass die Realität unaufhebbar ist, be200
deutet jedoch nicht, dass sie unveränderlich ist. Wenn ein Ereignis sich verändert, entsteht eine neue Struktur der Realität, auch wenn dies im Rahmen der Wirklichkeit geschieht. Die Veränderung, von der hier die Rede ist, erfolgt durch die Ausnahmen*, aus denen eine Sequenz von Realitätsstrukturen folgt. Diese Reihenfolge ist die metaphysische Zeit*, die wahre Zeit. Jene Reihenfolge von Veränderungen ist jedes Mal eine neue Form der Realität. Haben wir – ungeachtet all der schwer vorstellbaren Charakterzüge der metazeitlichen Realität – überhaupt eine Chance, den Entstehungsvorgang der Realität nachzuvollziehen? Vielleicht wenn wir die vollständige Bedingtheit, die unsere aktuelle Bewusstheit endgültig prägt, durchschauen und uns den metaphysischen Stand unseres Bewusstseins vor Augen führen. Wir sehen uns dann gezwungen, die Frage nach der Bewusstheit* zu stellen. Bewusstheit ist in ihrer Essenz nichts anderes als die grundlegende Wahrnehmung der echten, ursprünglichen, aber leeren Identität. Diese Wahrnehmung gehört zum metazeitlichen Stand der Realität, der unmittelbar wahrgenommen werden kann, und zwar als das zeitindifferente, zeitfreie und zeitunbedingte Hier und Jetzt*. Erst in dieser Wahrnehmung werden das sich vom Nicht-Ich trennende Ich und die in zahllosen Gegenständen zerstreute Wirklichkeit projiziert und raumzeitlich geortet. Wie an anderer Stelle bereits betont, ist zwischen Realität und Wirklichkeit zu unterscheiden, wobei die Realität immer als das alles umfassende Konzept zu sehen ist. Es umfasst auch die aktuelle Realität, die eine Einengung der Realität repräsentiert, und zwar in nur denjenigen Bestandteilen, die in die Reihenfolge der Raumzeit eingeordnet sind und deswegen wahrgenommen werden können. Aktualität manifestiert sich nur im raumzeitlichen Spektrum. Ist demnach der Prozess der Entstehung aus dem Nichts kein Geschehen im aktuellen Fließen der Zeit? Und wie ist die vorzeitliche Umgebung des Entstehungsprozesses von Raum und Zeit zu verstehen? Zwar ist die metazeitliche Realität bar jeder raumzeitlich definierbaren Faktizität. Sie liegt in der nicht entfalteten Entstehung der Raum201
zeit und ist deswegen unabhängig von allem, was sie in diese Raumzeit versetzen könnte. Sie stellt ein einfaches, zeitindifferentes und leeres Geschehen dar und ist somit von allen denkbaren Instanzen und Faktoren, die sie hätten definieren können, frei. Aus dieser zeitindifferenten, metazeitlichen Realität heraus entsteht die Raumzeit. Ihre bedingende Voraussetzung ist die zeitindifferente, metazeitliche Realität. Eine Konsequenz dieser Einsicht ist, dass der Urknall, wenn er als metazeitliches Geschehen verstanden wird, überhaupt kein in der Raumzeit geortetes Phänomen sein kann. Die raumzeitlich indifferente Realität und raumzeitlich geortete Phänomene vertreten einander transzendente Bereiche. Eine letzte Frage zur Realität betrifft ihre Beziehung zum Ereignis. Jedes Ereignis hat eine Aktualität, die durch eine bestimmte Dauer in der Zeit und einen bestimmten Ort im Raum definiert ist. Diese Aktualität kann real, aber auch imaginär, also vorgestellt sein. In diesem Zusammenhang ist die Realität, die ein Ereignis verkörpert, nicht von seiner Aktualität abhängig. Im Unterschied zur Wirklichkeit eines Ereignisses ist seine Realität untilgbar, während seine Wirklichkeit beziehungsweise Aktualität auf eine zeitliche Dauer begrenzt und deswegen vergänglich ist. Relation/Ur-Relation Nach der Kosmogenese entsteht zuerst die Bezogenheit der Elemente aus dem Nichts, und dann folgt deren reale Existenz, das heißt, erst findet der Akt der Verbindung zwischen den Elementen statt, ihre Relation zueinander, dann folgen sie. Die Elemente sind also Derivate der Relation. Jede Relation, auch die Ur-Relation, vertritt nicht nur die Funktion des Zusammenhaltes ihrer Elemente, sondern sie ruft durch ihre Wirkungskraft ihre Elemente aus dem Nichts hervor. Das Erscheinen der allerersten Relation ist die akausale Synchronisierung von Aspiration und Inspiration*, durch die eine Ausnahme* realisiert wird. Dieses Erscheinen wird „Ur-Relation“ genannt; es stellt die genetische Tatkraft dar, durch die alle Elemente der Realität* in Relation zueinander stehen und zusammengehalten werden. Da die 202
Glieder einer Relation, wie schon gesagt, nicht als an und für sich bestehend und unabhängig von deren Relation denkbar sind, werden die durch die Tatkraft der Ur-Relation zusammengehaltenen Glieder durch die in sie fließende reale Existenz hervorgerufen. Vor dem Anfang der kosmogenetischen Entstehung der Realität aus dem Nichts entsteht die Relation von Inspiration und Aspiration*; ihre Verbundenheit manifestiert die allererste Transformation des Unbedingten, durch die sich der Anfang der Realitätsentstehung etabliert, allerdings in Form einer bloßen Möglichkeit. Inspiration und Aspiration vertreten also die allerersten Derivate des Unbedingten, sie stehen für seine Wende nach außen, zum Nichtabsoluten und Nicht-anund-für-sich-Seienden. Inspiration und Aspiration manifestieren die erste Transformation des Unbedingten, die sich vor jedem folgenden Entstehungsvorgang ereignet. Die Ur-Relation stellt die allererste Relation dar, nämlich die – senkrecht genannte – Relation zwischen dem Unbedingten und seinen ersten Transformationsderivaten, also Inspiration und Aspiration, und die direkte – horizontale – Relation zwischen ihnen. Die Ur-Relation reproduziert sich in jeder Transformation der kosmogenetischen Tätigkeit als Verbindung zwischen dem Sich-Transformierenden und dem Transformationsprodukt. Hier muss beachtet werden, dass durch die Ur-Relation sich zwar der Anfang der Realitätsentstehung etabliert, dass er sich aber nicht realisiert, darum heißt es „der Möglichkeit nach“. Der Anfang wird etabliert, indem er garantiert wird, doch nicht realisiert. Der reale Entstehungsanfang der Realität, mithin der Entstehungsanfang des Universums, ist der Transformation des Unbedingten in kosmogenetische Tätigkeit vorbehalten; nur die Möglichkeit der Entstehung der aktuellen Wirklichkeit ist durch das Hervortreten von Inspiration und Aspiration garantiert. Alle denkbaren Beziehungen, Verknüpfungen und Bindungen vertreten die Ur-Relation so, wie sie in allen Realitätsbereichen als Abspiegelung des Urbildes von Verbundenheit in Erscheinung tritt. Durch die Ur-Relation – Inspiration und Aspiration – ist die Garantie der Rückkehr* zum Ursprung gegeben, sie ist die Wirkungskraft der kos203
mogenetischen Tätigkeit; die Verbindung von Inspiration und Aspiration ist akausal und unvorhersehbar. Die Verbundenheit von Inspiration und Aspiration schließt die Vielfalt aller Bestandteile der aus dem Nichts entstehenden Realität zur Einheit eines strukturierten Ganzen zusammen. Demnach halten Inspiration und Aspiration das Universum in Einklang. Rückkehr/Herabstufung Die Transformation des Unbedingten in den aktuellen Dualismus, der die Form der Wirklichkeit prägt, wird „Herabstufung“ und die zurückkehrende Transformation der determinierten Wirklichkeit in das ursprüngliche Unbedingte wird „Rückkehr“ genannt. Jede Transformation entfaltet sich in entgegengesetzten Richtungen. Die Rückkehr setzt die Herabstufung voraus und bezieht sich unumgänglich auf sie: keine Herabstufung, keine Rückkehr. Das Unbedingte ist die primäre Ausgangsposition der Transformationen, deren Entfaltung vertritt keine zeitpositionierten Ereignisse, sondern gehört zum metazeitlichen beziehungsweise zeitindifferenten und nicht wahrnehmbaren Realitätsbereich. Die Herabstufung unterscheidet sich von der Rückkehr durch ihren expansiven Charakter, weil sie aus der Einfachheit des Unbedingten in die Vielfältigkeit übergeht, die die derzeitige Wirklichkeit beziehungsweise das Universum charakterisiert; sie trägt die Merkmale der Ausdehnung*. Die Rückkehr dagegen hat einen implosiven Charakter. Ausgehend von der Pluralität der aktuellen Wirklichkeit setzt sie sich nämlich die Einfachheit des Unbedingten zum Ziel und trägt den Charakter der Verdichtung*. Die Realitätsentstehung bleibt in beiden Fällen identisch und unangetastet; die kosmogenetische Realität besteht in ihrer Ordnung, in Wesen und Struktur durch den Wechsel der Richtungen auch unbeeinträchtigt. Nur die Anfangspositionen sind jeweils verschieden, weil entgegengesetzt. In der Entfaltung der Kosmogenese wird gezeigt, wie die Transformation des Unbedingten in einer Reihenfolge von drei Stufen erfolgt, insbesondere in der zweiten Phase im Feld der Erscheinung, wo die 204
kosmogenetische Bewusstheit durch die Abspiegelung und auf der dritten Stufe die Gegenstände durch die Spaltung der Dimensionalität hervorgerufen werden. So wie der Dualismus durch die Welt der Phänomene und Ereignisse verkörpert ist, wird er in seiner aktuellen dualistischen Existenz durch diese letzte und endgültige Transformation des Unbedingten endgültig konsolidiert. Diese Transformation wird durch das Agens der kosmogenetischen Tätigkeit realisiert. Auf der anderen Seite bezeichnet die Herabstufung die Transformation des Unbedingten in die apriorische Determiniertheit unserer Wirklichkeit beziehungsweise des Universums: Diese Determiniertheit gründet allein in der Tatsache, dass die Totalität der Ereignisse nicht in einem Nacheinander, sondern mit einem Schlag und als Ganzes aus dem Nichts hervorgerufen wird. In der Herabstufung begrenzt sich das Unbedingte durch eine phasenartige Transformation, bis es sich endgültig im Dualismus und in der Determiniertheit unseres Universums kristallisiert. Nur das Unbedingte kann sich in eine andere Instanz transformieren. Es bleibt dabei unangetastet; es gibt keinen Grund für dieses Aus-sich-Hervorgehen. Die kosmogenetische Tätigkeit bewirkt die Entstehungsentfaltung der Realität in den drei Phasen. Diese Transformationen manifestieren eine fortschreitende Begrenzung der Unbedingtheit. Die Behauptung einer nie aufhörenden Begrenzung des Unbedingten ist jedoch sinnwidrig, da die Möglichkeit der Rückkehr von Anfang an impliziert und garantiert ist: Jedes Element, das durch diese stufenartige Begrenztheit der Absolutheit in Erscheinung tritt, kann sich in seinen ursprünglichen Ausgangszustand rücktransformieren. Die kosmogenetische Theorie behauptet, dass alle Transformationen sich in einer endgültigen und letzten Begrenzung des Unbedingten konsolidieren, wodurch eine unendliche Zahl von Ereignissen* hervorgerufen wird. Diese Begrenzung kann nur durch die Rückkehr ausgeglichen und aufgehoben werden; alle Elemente der aktuellen Wirklichkeit transformieren sich in den ursprünglichen Zustand der Unbedingtheit, aus dem sie stammen, zurück. Dabei werden die raumzeitlich bedingte Struktur und das Wesen der Wirklichkeit durch das 205
zeitindifferente Geschehen der Rückkehr in keinster Weise beeinträchtigt oder aufgehoben. Die Rückkehr der derzeitigen Wirklichkeit als Ganzes kann nur realisiert werden, wenn alle Teile sie realisieren; denn kein Teil eines Ganzen existiert für sich. Kein einziges Teil kann endgültig und unwiderruflich befreit werden, wenn nicht die Totalität aller Ereignisse – als das Ganze der Wirklichkeit – von allen Bedingungen befreit wird. Wohlgemerkt, die Totalität aller Ereignisse ist eine begrenzte Totalität, also eine Menge mit unendlich vielen Elementen, die alle unter der Bedingung stehen, Elemente ausschließlich dieser einen Menge zu sein. Die Ereignisse sind als Elemente einer begrenzten Totalität anzusehen, die mit einem Schlag als Ganzes, als vollendete und geschlossene Totalität hervorgerufen werden. Herabstufung und Rückkehr stellen demnach Prozesse dar, die unendlich sind und deshalb ein unendliches Fließen der kosmogenetischen Tätigkeit repräsentieren. Beide Prozesse, deren Ziel die endgültigen und vollendeten Transformationen sowohl des Unbedingten als auch der Totalität der Ereignisse sind, bleiben unerreichbar. Die Herabstufung in Form eines Abstieges, das heißt die stufenartige Transformation des Unbedingten in eine Realität, die durch die Bedingungen eines determinierten Dualismus gekennzeichnet ist, hat als Voraussetzung die Garantie, die ein Ende der Transformation des Unbedingten setzt. Das Unbedingte garantiert die Rückkehr für jede denkbare Realität insofern, als jedes Ereignis durch die rückbezügliche Transformation der dualistisch gespaltenen und determinierten Wirklichkeit in den ursprünglichen Zustand von Unbedingtheit und Einfachheit zurückkehrt. Dies bewirkt auch die Befreiung der Realität sowohl aus der Spaltung der Dualität als auch aus den Fesseln der Determiniertheit, welche die derzeitige Wirklichkeit kennzeichnet. Es handelt sich um ein Vermögen der Bereitschaft zur Rückkehr, jedoch nicht als an und für sich bestehendes Vermögen, sondern es vertritt eine Tätigkeit und ist Produkt der Transformation des Unbedingten. Die Rückkehr führt jeden Bestandteil der Realität zu seiner Verbindung mit dem Unbedingten, in der auch der Anfang seiner Entste206
hung liegt. Sie ist kein raumzeitlich geortetes Geschehen, sondern eine metazeitliche Tätigkeit, die von der derzeitigen, aktuellen Bewusstheit nicht wahrnehmbar ist. Die kosmogenetische Tätigkeit der Rückkehr signalisiert Unbedingtheit und Einfachheit. Die Rückkehr vermittelt allem, was durch ihre Tätigkeit geschieht, den Weg zum ursprünglichen Zustand von Unbedingtheit und Einfachheit. Dies umfasst auch alle Ereignisse, aus denen unsere Wirklichkeit besteht. Dementsprechend wird auch die aktuelle Bewusstheit von allen Bedingungen des determinierten Dualismus befreit. Die Rückkehr ist vor der Entstehung jeder denkbaren Realität als Möglichkeit garantiert. Es ist von einer Möglichkeit die Rede, weil die Realisierung der Rückkehr keinen Automatismus darstellt. Sie ist weder ein spontan ablaufender Vorgang noch vom Willen beeinflussbar, denn sie setzt die akausale Übereinstimmung und Verknüpfung zweier Faktoren voraus: Aspiration und Inspiration*. In jedem Ereignis ist also die Garantie seiner Rücktransformation als seine reine Essenz verborgen. Das bedeutet, jedes Ereignis ist in dem untilgbaren und unantastbaren Bereich des Unbedingten verankert. Eine kurze Erläuterung des Verhältnisses zwischen Rückkehr auf der einen Seite und den vier Grundbegriffen der kosmogenetischen Theorie, nämlich Entfaltung, Ausnahme, Ereignis und Garantie auf der anderen, soll das Wesen der Rückkehr verdeutlichen: Die Transformation des Unbedingten umfasst auch die Garantie der Rückkehr, als Bedingung für das Ganze. Die Entfaltung der Totalität der Ereignisse erfolgt nicht linear, sondern – laut Grundsatz der Kosmogenese – auf einen Schlag. Die Garantie der Rückkehr beruht auf der akausalen Verbindung von Aspiration und Inspiration, also der Ur-Relation*, die Grundlage eines jeden Ereignisses als in ihm konfigurierte Eigenschaft ist. Da nun jedes Ereignis raumzeitlich geortet ist, kann es nichts geben, was ohne die Aspiration als allererste Eigenschaft und ohne die im Ereignis verankerte Tendenz geschieht, also ohne die Inspiration, die die Grundlage der Rückkehr bildet. In jedem Ereignis liegt als seine Essenz die Garantie seiner Rücktransformation zu seinem ursprüng207
lichen Anfang, seine unlösbare Bindung und zugleich Trennung von der Unbedingtheit. Dieses Konzept der Garantie der Rückkehr legitimiert auch die Annahme, dass Herabstufung und Rückkehr analog sind, abgesehen von ihren entgegengesetzten Richtungen und ihrer akausalen Verbindung. Demnach muss es zwischen den determinierten Ereignissen und den durch die Rückkehr von allen Bindungen der Determiniertheit befreiten Ereignissen einen numerischen Ausgleich geben. Nur dadurch wäre garantiert, dass das Feld der Determiniertheit als Ganzes in seinen ursprünglichen unbedingten Zustand rücktransformiert wird. Durch die Verknüpfung von Aspiration und Inspiration entsteht die Ausnahme. Zwar besteht sie nur als Möglichkeit, sie wird aber aktualisiert beziehungsweise realisiert allein durch die akausale und unvorhersehbare Zusammenfügung der zwei einander ergänzenden Transformationen des Unbedingten: Inspiration und Aspiration. Jene Verknüpfung (Synchronisierung), die die Ausnahme realisiert, repräsentiert die Garantie der Rückkehr. Es handelt sich dabei um die Wandlung des Ereignisses ins Gegenteil: Ein Ereignis, das vorbestimmt war und sich entfaltet, kehrt sich also in sein Gegenteil um. Bei jeder Ausnahme ändert sich die gesamte Struktur der Ereignisse. Man könnte die Rückkehr auch als Befreiung sehen, als das rückbezügliche Erreichen der absoluten Freiheit, eine freiwillige und zugleich garantierte Rückkehr. Scheinbild Auf der ersten Stufe der Entfaltung liegt das Ganze der Realität* als Möglichkeit vor. Zu dieser Form der Möglichkeit gibt es die Elementare*, die die erste Transformation des Unbedingten repräsentieren und in der Totalität des Realitätsfeldes durch die kosmogenetische Tätigkeit* abgespiegelt werden, die für sich nicht zu begründen ist. Die kosmogenetische Tätigkeit führt zugleich zur zweiten Stufe, in der die Bewusstheit* erscheint, ohne dass diese jedoch als zweite Transformation des Unbedingten angesehen werden kann. Die Bewusstheit bildet ihrerseits einen neuen Anfang*, der dem Charakter nach als eine Wie208
derholung betrachtet wird, das heißt, alles wiederholt sich in einem Feld, das nicht direkt die Transformation der Unbedingtheit repräsentiert. Dieses Feld ist vielmehr abgespiegelt* und wird als Scheinbild gesehen; es entsteht nur durch die Entstehung des Feldes der Erscheinung, die ihrerseits Bewusstheit ist. Auch die Erscheinung entsteht als Wiederholung einer Realität, die keine echte, direkte Realität aus der Unbedingtheit ist, und aus diesem Grund ist auch sie als Scheinbild zu charakterisieren. Auch deswegen ist Bewusstheit keine absolute Setzung der Form der Wirklichkeit, obwohl sie mit ihr verknüpft, aber eben nicht kompatibel ist. Denn was Wirklichkeit hier bedeutet, ist das Universum, dessen Maßstab auch scheinbildhaft ist, trotz der irrtümlichen Annahme der Wahrnehmung, dass es unabhängig und an und für sich besteht. Die Bewusstheit entsteht im Feld der Erscheinung, die Abspiegelung* ist eine relative Tätigkeit, die sich in einem Bereich bewegt, dessen Bedingungen nur darin gelten. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Bewusstheit* „Traum“, das heißt „Scheinbild“ genannt wird. Was auf der dritten Stufe geschieht, ist die Spaltung der Dimensionalität, durch welche die Gegenstände und das Ich entstehen. Wir sagen nämlich: Unsere Wirklichkeit ist das Produkt dieser Spaltung und ist ein Scheinbild innerhalb eines Scheinbildes; denn die Bewusstheit ist immer eine Wiederholung. Diese Stufe vertritt ein Scheinbild innerhalb der zweiten Stufe, die ihrerseits auch ein Scheinbild ist. Das Scheinbild wird also durch die Stufen zwei und drei hervorgerufen, sie sind von jeder anderen denkbaren Form der Realität unableitbar und stehen nichtbehindernd zueinander. Die zweite Stufe stellt nämlich die Entstehung des Realitätsfeldes der Erscheinung durch die Abspiegelung der Elementare dar, durch welche die Bewusstheit als endgültige Folge des kosmogenetischen Prozesses in Erscheinung tritt. Durch die Entstehung der Bewusstheit wird der Bereich der Erscheinung hervorgerufen, wobei ein solcher Bereich, in dessen Rahmen die Bewusstheit sich manifestiert, nicht an und für sich besteht. Auf dieser zweiten Stufe vertritt die Bewusstheit das Endprodukt der Abspiegelung, also des kosmogenetischen Prozesses. 209
Erst in der dritten Stufe ereignet sich durch die Spaltung der Dimensionalität das Scheinbild der aktuellen Wirklichkeit. Diese Entstehung impliziert einen dritten Anfang, der nicht notwendig folgen müsste und doch abzuleiten und zu begründen ist. Es handelt sich um die Spaltung der Bewusstheit in den dreidimensionalen Raum und die abgetrennte Dimension der Zeit, aus der die scheinbildhafte Existenz der Dinge folgt; die Veränderung der im Raum existierenden Dinge wird in der Zeit realisiert. Der scheinbildhafte Charakter der Existenz der Dinge besteht darin, dass die überzeugende Erfahrung einer realen Existenz nur innerhalb des Rahmens der aktuellen Bewusstheit gilt und die spezifischen Bedingungen der Bewusstheit voraussetzt. Auf der ersten und der zweiten Stufe gibt es kein Scheinbild, sondern nur atomare Elemente und Elementare*, die auf dem Feld der Erscheinung abgespiegelt werden: die ersten in Form von Eigenschaften, während die zweiten, die Elementare, direkt in Gegenständen und in Ereignissen konfiguriert sind. Diese sind auf der ersten und der zweiten Stufe undenkbar; sie erscheinen ausschließlich auf der dritten Stufe infolge der Bewusstheitsspaltung, auf die sich das Konzept des Scheinbildes bezieht. Es muss daher betont werden, dass dies keine echte beziehungsweise an und für sich bestehende Realität manifestiert, sondern ein unter den dreidimensionalen Bedingungen der Bewusstheit entstehendes Gebilde, in dessen Rahmen sich das Geschehen* nicht in der unteilbaren Einheit aller vier Dimensionen abspielt, sondern als in Zeit und Raum gespalten. Das Scheinbild ist die Bewusstheit einer nur in sich geschlossenen und nur für sich geltenden Form der Realität; seine relative Wirklichkeit gleitet in die lineare Unendlichkeit einer vom Raum getrennten Zeit. Durch die Spaltung der Raumzeit werden die Gegenstände, aber auch das dem Objekt entgegenstehende Subjekt* hervorgerufen. Hier muss hinzugefügt werden, dass das Ich die Abstraktion eines Gegenstandes darstellt, welches das projizierte und leere Ich konstituiert. Laut Kosmogenese ist Erscheinung der wesentliche Charakterzug der derzeitigen Wirklichkeit. Die Erscheinung aber kann nicht definiert werden; es gibt keine Eigenschaften oder Merkmale, durch die 210
man sie bestimmen könnte. Sie ist hier nur als einfache Eigenschaft zu sehen. Sowohl die kosmogenetische als auch die aktuelle Wirklichkeit manifestieren sich im Bereich der Erscheinung; wir sind im Bereich der aktuellen Wahrnehmung ausschließlich mit Erscheinungen konfrontiert. Wie stehen nun Ereignisse und Scheinbild zueinander? Die Ereignisse besitzen keine autonome, sondern nur eine abgespiegelte und wiederholte Existenz. Sie vertreten die Wiederholung der vorausgesetzten Realität der Elementare. Sie erschaffen auf diese Weise den Schein einer Realität und keine an und für sich bestehende und aus dem Nichts hervorgerufene Wirklichkeit. Die Scheinrealität kann durch die Sinne wahrgenommen werden, und die sinnliche Wahrnehmung ist es, die als Prüfstein der Realität dient und im Rahmen der aktuellen Bewusstheit die Existenz des Universums wie ein unerschütterlicher Prüfstein garantiert. Diese unberechtigte Garantie der Scheinrealität, der die Bewusstheit ausgeliefert ist, wird „Scheinbild“ genannt. Denn wenn Elementare nicht existierten, gäbe es keine Ereignisse, aber die Elementare ihrerseits können auch ohne die Ereignisse existieren. In diesem Sinne ist die aktuelle Wirklichkeit im Bereich der Erscheinung eine bedingte Realität zweiten Grades, das heißt ein Scheinbild. Der Charakterzug der Wiederholung verleiht dem Umfeld der Erscheinung die Eigenart des Scheinbildes. Von hier aus ist die Aussage richtig, die Erscheinung repräsentiere das durch das Scheinbild geprägte Wesen der Ereignisse und zugleich den Umfang der aktuellen Wirklichkeit. Die Struktur des Scheinbildes ist zwar komplex, aber selbstständig. Sie wird durch keinen externen Faktor bewirkt, sondern durch ihr eigenes, jedoch gespaltenes Wesen, in dem Ursache und Wirkung seines Scheinbildcharakters verknüpft sind. Kurz gefasst: Das Scheinbild gründet im Bewusstsein. Subjekt und Objekt Die Kosmogenese behauptet: kein Subjekt ohne Objekt, kein Objekt ohne Subjekt. Beide, Subjekt und Objekt, entstehen aus ihrer wechselseitigen Bedingtheit, die im Ich* verankert ist, wobei kein Element die211
ser Dreiheit an und für sich besteht, sondern ein jedes nur die substanzlose und unbedingte kosmogenetische Urenergie* vertritt, ohne Bestandteil der Realität zu sein. Das Ich als Tatsache der Bewusstheit bezeichnet das endgültige Derivat der Tätigkeit der Identifizierung; es signalisiert die Fähigkeit der Bewusstheit, sich selbst zu objektivieren und sich dadurch in ein Objekt zu transformieren. Nur dadurch vermag das Subjekt das Objekt wahrzunehmen; es wird mit dem Objekt konfrontiert, wodurch das Subjekt entsteht. Durch diese Relation entstehen also die zwei Instanzen Subjekt und Objekt. Das Ich ist ein besonderer und einmaliger Faktor der aktuellen Bewusstheit. Es bringt sich selbst hervor, indem es sich selbst objektiviert und sich selbst als unumgängliches Gegenüber und Nicht-Ich vertritt, ungeachtet seiner inhärenten Leerheit. Die Tätigkeit des Ich ist bipolar, das heißt, sie entfaltet sich in zwei Richtungen: in der implodierenden*, mit der das Subjekt hervorgerufen wird, und expandierender* Richtung, mit der das Objekt hervortritt. Produkte haben zwar keine an und für sich substantialisierte Existenz. Doch die Subjektivierung bezeichnet die Tatkraft der Identifizierung in Form einer implodierenden, in sich selbst auflösenden Tätigkeit, die Objektivierung dagegen bezeichnet die Tatkraft der Identifizierung, in Form einer expandierenden, sich in die Unendlichkeit zerstreuenden Tätigkeit. Das Ich signalisiert die Ichheit, die Tätigkeit der Identifizierung. Es transformiert sich in das Subjekt, indem es sich selbst objektiviert. Durch die Tätigkeit der Objektivierung entsteht also die polarisierte Spaltung von Subjekt und Objekt, die interdependent sind und welche die zwei wechselseitig bedingten, nicht voneinander zu trennenden Aspekte des Ich manifestieren. Die Identifizierung ist ein kosmogenetisches Konzept. Es bedeutet keine bloße Formel, vielmehr wird durch die dynamische Tätigkeit der Identifizierung gezeigt, dass sie nicht unter den Bedingungen von Subjekt und Objekt steht. Das Subjekt fixiert sich und macht aus sich selbst ein Objekt, es manifestiert das Bewusstwerden seiner eigenen einmaligen Identität. Demnach bezeichnet Identifizierung die Bewusstheit der 212
sich selbst objektivierenden Subjektivität. Sie verleiht dem Subjekt und dem Objekt den Charakter eines Gegenstandes. Das Subjekt steht sich gegenüber, es macht aus sich ein Objekt. So werden Subjekt und Objekt zwei Betrachtungsweisen einer identischen Abstraktion eines Gegenstandes. Dabei vertreten sie die zwei entgegengesetzten Richtungen der Wahrnehmung eines Gegenstandes: das Objekt die expandierende, das Subjekt die implodierende Richtung. Das Gespann von Subjekt und Objekt ist für die derzeitige Bewusstheit die gespaltene Form, in der sie sich realisiert, sich als diversifiziert und an und für sich existent erlebt. Sie findet sich genötigt, sich von allem, was ihr gegenübergestellt ist, zu distanzieren, das heißt sich von allem, was sie nicht als Selbst erfasst, zu trennen. Nur durch die Trennung vermag sie sich als Subjekt zu erfahren. In beiden Fällen, als Subjekt wie auch als Objekt, nimmt die derzeitige Bewusstheit sich selbst wahr als einen raumzeitlich positionierten Gegenstand. Wir haben den Begriff „Gespann“ eingeführt, um die wechselseitige Bedingung von Subjekt und Objekt hervorzuheben. Sie sind Betrachtungsweisen ein und derselben formellen Funktion des Verstandes, das heißt, es gibt kein Subjekt an und für sich, dem ein wiederum für sich bestehendes Objekt gegenübergestellt werden könnte. Dies bedeutet auch, dass es unmöglich ist, das Subjekt ohne die Gegenüberstellung mit einem Objekt zu definieren. Die primären Kategorien des Verstandes, die alle seine weiteren diskursiven Konstruktionen bedingen, sind einerseits die dreidimensionierte Form des Gegenstandes, andererseits das Subjekt-Objekt-Gespann. Die dreidimensionale Bewusstheit erlebt sich als Subjekt, indem sie sich vom Objekt distanziert, trennt und dieses als Ziel ihrer Bedürfnisse setzt. Kein Ich ohne die Tätigkeit der Identifizierung, kein Objekt ohne die Tätigkeit des Ausschließens und kein Produkt ohne die Tätigkeit der Expansion. Syntax (der Alltagssprache) Die Syntax der Alltagssprache ist das Abbild des Subjekt-Objekt*Denkens. Die Syntax ist dreidimensional: Ein Subjekt wird vorausgesetzt und ein Prädikat darauf bezogen. Diese Konzeption ist aber un213
statthaft, da es nach kosmogenetischen Prinzipien weder ein solches Subjekt noch ein Objekt oder eine substanzähnliche Identität gibt. Wir behaupten in der Kosmogenese zuerst die Relation, dann ihre zwei Pole. Die Relation ist eine Tätigkeit, und durch sie entstehen die aufeinander bezogenen Elemente. Transformation Transformation bezeichnet die Wirkungskraft des sich umwandelnden Unbedingten, durch welche die kosmogenetische Realität aus dem Nichts entsteht; das Unbedingte selbst bleibt trotz aller Transformationen unangetastet. Dies lässt sich auch so ausdrücken: Ein A transformiert sich in B, wodurch B entsteht, aber A in seinem Wesen unangetastet bleibt. Auf einer ersten Ebene besteht die kosmogenetische Tätigkeit*, also die direkte Beziehung zwischen dem Unbedingten und dem durch ihre Transformation entstehenden Paar von Inspiration und Aspiration*, aus den allerersten Derivaten des sich transformierenden Unbedingten. Auf der zweiten Ebene manifestiert sich die Tätigkeit zwischen Inspiration und Aspiration, eine Wechselbedingung, unabhängig von deren Entstehungsprozess. Auf der dritten Ebene werden durch die Spaltung der Dimensionalität die Gegenstände hervorgerufen, der Dualismus in seiner aktuellen Existenz – die Welt der Phänomene und Ereignisse – etabliert. Erst durch diese letzte und endgültige Transformation des Unbedingten wird die dualistisch geprägte Existenz konsolidiert. Wir sprechen also von einer phasenartigen Transformation; der Transformation des Unbedingten durch die kosmogenetische Tätigkeit in die drei Ebenen der Entstehungsentfaltung, bis hin zur kristallisierten Form der Wirklichkeit, die wir unser Universum nennen. Veränderung Das herkömmliche Konzept der Veränderung bezeichnet die Reihenfolge der Phänomene, wie sie sich in der Zeit entfalten. So verstanden meint die Veränderung die Aufhebung einer entstandenen Realität, 214
indem diese von einer anderen ersetzt wird. Die Aufhebung einer Realität widerspricht aber dem Grundwesen von Realität. Demnach stellt die Wahrnehmung jeder Veränderung einen Widerspruch dar. Die durch die Bedingung der derzeitigen Bewusstheit konstituierte Form der Realität ist nicht konstant; sie ist mit anderen, differenzierten Formen austauschbar. Im Bereich der wahrzunehmenden Wirklichkeit bezeichnet also Veränderung die Austauschbarkeit jeder Form der Realität mit einer neu erscheinenden Form. Das Untilgbare, aber nicht Wahrnehmbare der Realität heißt Inhalt. Veränderung manifestiert somit aktuelle Wirklichkeitswahrnehmung, die eine in Raum und Zeit gespaltene Dimensionalität voraussetzt. Beide, Veränderung und aktuelle Wirklichkeitserfahrung, sind wechselseitig bedingt. Veränderung setzt die Spaltung der Vierdimensionalität in die zwei Anschauungsbereiche: Raum und Zeit, voraus, nur durch Spaltung wird Veränderung möglich. Dabei ist sie ein bloßer Akt der dreidimensionalen Bewusstheit. Vorgang und Zustand Diese zwei Konzepte bezeichnen im normalen Sprachgebrauch zwei Phasen eines Prozesses, in dem eine Sachlage aufhört zu existieren und von einer neuen ersetzt wird: Anfangszustand → Vorgang → Endzustand. Laut Verständnis der kosmogenetischen Theorie ist dieser Prozess unzulässig; denn der kosmogenetische Entstehungsprozess ist ein Geschehen, in dem Vorgang und Zustand zwei Betrachtungsweisen ein und derselben identischen Tätigkeit sind. Diese ruft sich selbst aus dem Nichts hervor; sie gründet im Unbedingten, das in sich alle Formen, Instanzen und Faktoren der Wirklichkeit in potentieller Disposition beinhaltet, die aktuelle Bewusstheit inbegriffen. Erst nach der abgeschlossenen Reihe von Transformationen des Unbedingten in alle Phasen der Entstehung folgt als endgültiges Produkt die von der derzeitigen Bewusstheit wahrgenommene Wirklichkeit. Die unzertrennbare Einheit der zwei interdependenten Realitätsbereiche Vorgang und Zustand zeichnet den kosmogenetischen Charakter 215
dieser Wirklichkeit aus; in ihrem Rahmen folgt die aus dem Nichts entstandene Realität als Ganzes und auch die Entstehung ihrer konstituierenden Teile. Das heißt, erst nach der abgeschlossenen kosmogenetischen Entfaltung aus dem Nichts wird die Realität mit einem Schlag als Ganzes und als Teile hervorgerufen. Hierin liegt auch der Grund dafür, dass sie von vornherein, a priori determiniert ist. Es muss hier wieder betont werden, dass Vorgang und Zustand zwei Betrachtungsweisen einer identischen genetischen Tätigkeit sind. Wir wissen auch, dass alle Bestandteile der Realität Produkte der Tätigkeit sind, die sie dem Schein nach ausüben. Dieses Konzept ist zwar für den aktuellen Verstand unvorstellbar. Man kann es trotzdem als Annahme setzen, wenn man die kosmogenetische Tätigkeit vom Standpunkt der Entfaltung aus dem Nichts betrachtet: Hier erscheint sie als Vorgang. Betrachtet man sie dagegen vom Standpunkt der hervorgerufenen Realität, dann erscheint sie als Zustand. So gesehen, sind Vorgang und Zustand die zwei sich wechselseitig bedingenden Realitätsfelder der Kosmogenese und die Grundbegriffe der kosmogenetischen Entfaltungsstruktur. Dabei steht fest, dass die Spaltung der kosmogenetischen Realität in Vorgang und Zustand lediglich eine methodische Funktion hat; sie dient der Veranschaulichung des kosmogenetischen Entstehungsprozesses, stellt aber keine an und für sich bestehende Struktur dar. Es sei betont, dass Vorgang und Zustand ein abstraktes Nacheinander darstellen, das keine raumzeitlich geordnete Reihenfolge bedeutet, sondern eine rein logische. Sie bedeutet, dass der Vorgang die Ursache der Entstehung des Zustandes ist, also eine wechselseitige Bedingung mit kausalem Charakter und demnach das Prinzip von Ursache und Wirkung vorliegt. Der Umwandlungsprozess hebt mit einem Zustand im üblichen Verständnis an. Für den kosmogenetischen Prozess ist kein primärer Anfangszustand als vorausgehender denkbar, dem der Vorgang folgt, weil das kosmogenetische Geschehen in allen Fällen einen Anfang aus dem Nichts darstellt. Der Vorgang vertritt die Wirkung, der Zustand das Produkt, und beide vertreten Transformationen des Unbedingten, es handelt sich um zwei getrennte Blickpunkte 216
ein und desselben identischen Aktes der kosmogenetischen Wirkungskraft. Hier gibt es keinen Unterschied zwischen Entstehungsakt und dessen Produkt, weil die Entstehung des Ganzen aus dem Nichts mit einem Schlag erfolgt. Der Vorgang kommt aus dem Nichts. Das Nichts seinerseits kann aber nicht als Anfangszustand angenommen werden. Die Darstellung der Herabstufung wurde in Vorgang und Zustand geteilt, obwohl beide nach Ansicht der kosmogenetischen Theorie identisch sind und keine Wesenheiten darstellen, sondern nur methodisch der verstandesmäßigen Veranschaulichung dienen. Wahrnehmung Die Wahrnehmung manifestiert die Tätigkeit der Bewusstheit*; sie ist als einfache Eigenschaft* zu bezeichnen, als unmittelbar empfundene Qualität, und ist daher undefinierbar. Durch diese besondere Tätigkeit werden sowohl die vierdimensionalen Ereignisse* wie auch die dreidimensionalen Gegenstände als von der Wahrnehmung in Entstehung hervorgerufen. Im Rahmen der kosmogenetischen Theorie kann es weder an und für sich bestehende Ereignisse noch Gegenstände geben, die unabhängig von der Wahrnehmung existieren; sie werden durch die Anschauungstätigkeit der aktuellen Bewusstheit auf dem Feld der Erscheinung konstituiert. Alle Wirklichkeitselemente entstehen durch die Wahrnehmung. Im Allgemeinen werden sie als „Dinge“ und ihre Gesamtheit als „Welt“ bezeichnet. Innerhalb der Grenzen der derzeitigen Bewusstheit sind sie infolge der Spaltung in Raum und Zeit hervorgerufene Konstruktionen und stellen für den Verstand eine Selbstverständlichkeit dar. Nun wird der Akt der Entstehung der Welt als solcher nicht wahrgenommen, sondern nur das Produkt dieses Aktes in Gestalt eines sich in der Zeit verändernden und im Raum georteten Gegenstandes. Die Spaltung der Bewusstheit in Raum und Zeit ihrerseits ist die Ursache der Entstehung von Subjekt und Objekt*, von Dingen im Raum, von deren Veränderung in der Zeit und von einem sich abtrennenden Ich, das eine dauerhafte Stelle im Raum beansprucht. 217
Es wurde oben erwähnt, dass die Wahrnehmung die Tätigkeit der Bewusstheit manifestiert, wodurch diese die raumzeitlich georteten Elemente erfahren kann. Andererseits wird durch die Wahrnehmungstätigkeit auch das in Subjekt und Objekt gespaltene Ich in Entstehung hervorgerufen sowie das Universum, das heißt der Schein der objektivierten Gesamtheit der Dinge. Dies bedeutet auch, dass die Wahrnehmung die Ausgangsposition der Entstehung des Scheinbildes* ist und zwar in folgenden Behauptungen: Sie ruft durch eigene Tätigkeit die Gegenstände hervor, die von den Sinnen wahrgenommen werden; die Sinne sind durch Eigenschaften charakterisiert. Die Sinne entstehen durch die Sinnesempfindungen; gemäß dem Prinzip der Kosmogenese lässt die Tätigkeit das Wirkende und Bewirkte zusammen entstehen. Ferner erzeugen die Sinnesempfindungen die Überzeugung der Existenz: Durch Überzeugung entsteht Existenz, und dies impliziert ein Scheinbild. Die Reihenfolge der Faktoren, welche die Existenz entstehen lässt, gründet also in der Wahrnehmung, die wiederum den Bedingungen der Bewusstheit unterliegt. Hier begegnen wir wieder dem kosmogenetischen Prinzip: Die Tätigkeit der Wahrnehmung bringt die Existenz hervor; es gibt keinen „Existierenden“, der befähigt wäre, nachträglich wahrzunehmen und zu erfahren. Dasselbe gilt für die Existenz der Dinge: Beide – Sinne und Dinge – stellen Produkte der Transformation des Unbedingten dar und vertreten Betrachtungsarten der fließenden, kosmogenetischen Tätigkeit. Sie sind also Konstruktionen der Bewusstheit und bestehen keinesfalls an und für sich, wobei die Tätigkeit der Bewusstheit auch eine Betrachtungsart der kosmogenetischen Tätigkeit ist. Alle Instanzen und Faktoren im Rahmen der Kosmogenese sind Betrachtungsarten der kosmogenetischen Tätigkeit. Die den Arten von Bewusstheit innewährenden Tätigkeiten, etwa Sinnesempfindungen, Anschauung, Vorstellung und letztlich Begriff, werden nur innerhalb des Feldes der Bewusstheit und zwangläufig unter ihren Bedingungen wahrgenommen. Dies gilt insbesondere für die Struktur und das Wesen des Universums. 218
Wahrnehmung, Aktualität* und Wirklichkeit* sind für die Kosmogenese drei wichtige und aufeinander bezogene Konzepte. In der Alltagssprache erscheinen sie als einfach und selbstverständlich. Doch ist es nicht möglich, sie diskursiv weiter zu analysieren, da sie Bezeichnungen von Eigenschaften sind. Zwar kann man über Wahrgenommenes (wie auch über Aktuelles und Wirkliches) verschiedene Aussagen treffen; man kann es aber nicht durch andere Eigenschaften definieren, so wie man auch die Farbe Rot als wahrgenommene Qualität nicht weiter definieren kann. Die Wahrnehmung vertritt die kosmogenetische Tätigkeit und das Geschehen. Dabei wird jedes substantialisierte Substrat unberücksichtigt gelassen. Es gibt Wahrnehmung, aber nichts Wahrnehmendes und nichts Wahrgenommenes; diese sind nur Produkte der Dreidimensionalität und der durch sie bedingten Sprache. Die Wahrnehmung manifestiert eine besondere, charakteristische Fähigkeit der aktuellen Bewusstheit, die in allen Biographien der einzelnen Individuen als grundlegender Faktor und in Form einer einfachen Eigenschaft konfiguriert ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass die durch die sinnlichen Empfindungen erzeugte Gewissheit über die unanfechtbare Existenz der Dinge nicht den Dingen selbst, sondern der konstruktiven Fähigkeit der Wahrnehmung zuzuschreiben ist; dies wird nicht einmal vom Verstand in Frage gestellt. Wirklichkeit Die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Realität* ist eine sehr wichtige. Das Konzept von Wirklichkeit im üblichen Sprachgebrauch ist vom Konzept der kosmogenetischen Wirklichkeit auseinanderzuhalten, wir bezeichnen dabei das erste als unsere Wirklichkeit und das zweite als kosmogenetische Wirklichkeit. Letztere umfasst alle denkbaren Wirklichkeitsformen, das heißt sowohl unsere Wirklichkeit in der Form, wie sie aktuell wahrgenommen wird, wie auch jedes andere denkbare Wirklichkeitsmodell als bloße Möglichkeit. Es bleibt aber zu beachten, dass eine an und für sich und unabhängig von der Bewusstheit bestehende Wirklichkeit nicht denkbar ist. 219
Das Feld der Erscheinung* signalisiert Aktualität auf allen Stufen und in allen Formen, wenn nicht realiter, so doch in Form einer Potentialität jeder denkbaren menschlichen Bewusstheit. Vierdimensionale Bewusstheit ist, im Gegensatz zur dreidimensionalen, potentiell real, aber nicht aktuell. Wie auch an anderer Stelle erwähnt, ist nicht auszuschließen, dass sich bei einer weiteren Entwicklung des Menschen die vierdimensionale Bewusstheit in aktueller Wahrnehmung herausbilden könnte. In diesem Sinne stellt die Erscheinung den Bereich sowohl der aktuellen, derzeitigen Bewusstheit wie auch den Bereich der zukünftigen Bewusstheit dar. Unsere Wirklichkeit bezeichnet die Totalität aller raumzeitlich georteten Ereignisse, ungeachtet dessen, ob diese aktuell von der derzeitigen Bewusstheit wahrgenommen werden oder nicht. Die aktuelle Wirklichkeit manifestiert eine in sich geschlossene und allein für sich gültige Realität. Vergleicht man sie mit der kosmogenetischen, der vierdimensionalen Realität, dann kann unsere Wirklichkeit nur als Schein eines traumähnlichen Scheinbildes gesehen werden. Der wesentliche Charakterzug der derzeitigen Wirklichkeit ist die Erscheinung. Im Bereich der aktuellen Wahrnehmung sind wir ausschließlich mit Erscheinungen konfrontiert. Die Erscheinung ist als solche nicht definierbar; keine Eigenschaften oder Merkmale könnten sie bestimmen, denn sie ist im Sinne der Kosmogenese als einfache Eigenschaft zu sehen. Beide, die kosmogenetische und die aktuelle Wirklichkeit, manifestieren sich nur im Bereich der Erscheinung: Die erste ist vierdimensional, damit als real zu bezeichnen und als absolute Realität zu sehen; die zweite ist dreidimensional, als irreal zu bezeichnen und nur als relative Realität zu sehen. Ihre Dimensionalität ist gespalten in Raum und Zeit, wodurch der Schein der existierenden Dinge entsteht. Unsere aktuell wahrgenommene Wirklichkeit ist damit scheinbildhaft, ein Charakter, der in der dimensionalen Unvollständigkeit der derzeitigen Bewusstheit gründet. Aus einer anderen Sicht kommt hinzu, dass die Dreidimensionalität der aktuellen Wirklichkeit die inhärenten Bedingungen der derzeitigen Bewusstheit voraussetzt. Das heißt, dreidimensionierte Wirklichkeitselemente sind nicht als von 220
der derzeitigen Bewusstheit unabhängig und als an und für sich bestehend denkbar. Im Wirkungsfeld unserer aktuellen Bewusstheit – aber ausschließlich unter den Bedingungen, die in ihrem Bereich gelten – werden durch die Tätigkeit der Wahrnehmung Form und Wesen unserer derzeitigen Wirklichkeit geprägt. Demnach vertritt die Dreidimensionalität überhaupt nicht die echte Form einer an und für sich bestehenden Wirklichkeit; genauso wenig ist eine an und für sich seiende Bewusstheit denkbar, da diese durch die Identifizierungstätigkeit entsteht. Die für die derzeitige aktuelle Bewusstheit geltende, aber scheinbildhafte Wirklichkeit hat folgende Charakterzüge: – Sie bedeutet die nur für die aktuelle Bewusstheit geltende, relative Realität, in der Gegenstände im dreidimensionalen Raum in Erscheinung treten und sich in der vom Raum getrennten Zeit immerwährend verändern. – Zwar ist ihre jeweils erscheinende Existenzform wegen der Veränderung vergänglich, doch ist die Identität der Gegenstände am Ende aufgehoben, indem sie von anderen Gegenständen ersetzt werden (zum Beispiel wird ein Haus bei einem Brand durch Asche ersetzt). – Schließlich realisiert sich nach einer Abfolge von sich ändernden Existenzformen im Rahmen des Scheinbildes auch die endgültige Vergänglichkeit jedes Gegenstands. Die Wahrnehmungsfähigkeit der derzeitigen Bewusstheit ist relativiert und begrenzt, nicht nur, weil sie eine im Feld der Erscheinung abgespiegelte Wiederholung darstellt, sondern auch, weil sie in Raum und Zeit gespalten ist. Diese Spaltung wird auch auf die Struktur der wahrgenommenen Wirklichkeit übertragen, denn diese ist frei von jedem an und für sich bestehenden Gehalt und stellt nur den Schein einer durch die Geltung der Bedingungen der Bewusstheit geprägten Realität dar. Es ist hinzuzufügen, dass durch die Spaltung der Einstein’schen globalen Dimensionalität in Raum und Zeit die Ursache 221
der scheinbildhaften Gestaltung aller projizierten Wirklichkeitselemente gegeben ist. Aufgrund derselben Spaltung wird die Bewusstheit durch ihre eigenen Bedingungen genötigt, den Gegenständen Realitätscharakter zuzuschreiben. Im Rahmen der kosmogenetischen Theorie wird ferner behauptet, dass Aktualität beziehungsweise die direkte Wahrnehmung unserer Wirklichkeit eine Bedingung sine qua non für den Wirklichkeitscharakter der Ereignisse ist. Allerdings ist zwischen Realität und Wirklichkeit im Bereich der Ereignisse streng zu unterscheiden. Hier müssen wir die Rolle der Aktualität bei der Entstehung der Wirklichkeit klarstellen. Die Aktualität kann – wie auch Wirklichkeit und Wahrnehmung – nicht durch eine andere Eigenschaft definiert werden. Sie vertritt, wie die zwei anderen Konzepte, kosmogenetische Tätigkeit und Geschehen. Wir wissen, dass die kosmogenetische Theorie kein substantialisiertes Substrat zulässt, das bedeutet, es gibt Aktualität, aber nichts Aktuelles; sie ist bloß ein Produkt der Dreidimensionalität und der durch diese bedingten Sprache. Wenn zum Beispiel gesagt wird: „Aktualität wird unmittelbar als immerwährende, fließende Veränderung der sukzessiv erscheinenden Gegenstände wahrgenommen“, dann müssen Gegenstände als Erscheinungsgestalten der aktualisierten Tätigkeit gesehen werden. Sie können keinesfalls als an und für sich bestehende Substanzen existieren, die sich etwa vor der Aktualität oder unabhängig von ihr oder erst nachträglich in Wahrnehmungsobjekte konvertieren ließen. Die Aktualität wird nur in einem zeitindifferenten besonderen Feld als fließendes Geschehen wahrgenommen; diese kontinuierliche Erfahrung wird Hier und Jetzt* genannt. Aktualität und Bewusstheit stehen – wie bis jetzt bestimmt – in einem unauflösbaren Zusammenhang mit der Wahrnehmung, als ihrer mitkonstituierenden Tätigkeit. Wahrnehmung realisiert sich nämlich ausschließlich im Rahmen des Realitätsfeldes des Hier und Jetzt, während die Aktualität die kosmogenetische Tätigkeit darstellt, durch welche die Wirklichkeit unmittelbar wahrgenommen werden kann. Kurz: 222
– Wahrnehmung manifestiert die Tätigkeit der Bewusstheit. – Aktualität bezeichnet die direkte Wahrnehmung der Realität (was wahrgenommen wird, ist auch aktuell). – Es gibt keine Wechselwirkung zwischen Aktualität und Wahrnehmung; zwischen ihnen besteht auch keine kausale Verbindung. Die Gegenstände, mithin die dreidimensionale Wirklichkeit, wie diese im Vorstellungsbereich der derzeitigen Bewusstheit erscheint, sind durch die Spaltung der vierdimensionalen Raumzeit in Raum und Zeit entstanden. Die Dreidimensionalität ist der einzige kennzeichnende Charakterzug der derzeitigen Wirklichkeit, so wie diese von der aktuellen Bewusstheit wahrgenommen wird. Eine dreidimensionale Wirklichkeit, die an und für sich bestünde, unabhängig von der Wahrnehmung, also von den Bedingungen der derzeitigen Bewusstheit, ist undenkbar. Die Spaltung der Raumzeit (der Einstein’schen Wirklichkeit) ist ein sich reproduzierender Charakterzug der Bewusstheit und wird auf alle aktuellen und wahrgenommenen Wirklichkeitselemente projiziert. Dadurch entstehen das Scheinbild einer existenzfähigen Wirklichkeitssubstanz und der Schein der existierenden Gegenstände. Die Wahrnehmung manifestiert die Tätigkeit der Bewusstheit, wodurch diese die raumzeitlich georteten Elemente erfahren kann. Durch dieselbe Tätigkeit werden sowohl das in Subjekt und Objekt gespaltene Ich in Entstehung hervorgerufen wie auch das Universum, das heißt der Schein der objektivierten und dadurch vom Ich getrennten Gesamtheit der Dinge. Die Wahrnehmung manifestiert sich in verschiedenen Arten von Bewusstheitstätigkeiten; sie sind als Sinnesempfindungen, Anschauung, Vorstellung und letztlich Begriff bekannt. Das bedeutet: Struktur und Wesen der Wirklichkeit werden nur innerhalb des Feldes der Bewusstheit und zwangsläufig unter ihren Bedingungen wahrgenommen. Struktur und Wesen des Universums unterliegen unumgänglich derselben Bedingung, der Spaltung der Dimensionalität in Raum und Zeit, auch apriorische Determiniertheit und Dualismus genannt. 223
Zeitlichkeit Dieses Konzept steht in unmittelbarer Verbindung zu zwei Grundbegriffen unserer Theorie: Hier und Jetzt* und Ereignis*. In der zeitindifferenten Leere des Hier und Jetzt entwirft der Verstand drei Formen der Zeitlichkeit: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; es sind drei von demselben Verstand in Begriffen erfasste diskursive Projektionen auf dem Feld des Hier und Jetzt. Es sind keine Erlebnisse, sondern Begriffe in einer unumkehrbaren Zeitordnung: Vergangenheit ereignet sich vor der Gegenwart, und Zukunft folgt auf die Gegenwart. Für den Verstand sind Gegenwart und Hier und Jetzt gleichbedeutend, da beide nicht von ihm erlebt, sondern bloß in Begriffen erfasst werden können. Aus der Sicht der Kosmogenese aber sind Gegenwart und Hier und Jetzt unterschieden; der Verstand versteht Hier und Jetzt als die Jetzt-Zeit, als unbegrenzte Zeitdauer oder als Gegenwärtigkeit. Das Hier und Jetzt wird vom Verstand nur als Begriff gedacht. Dahingegen erfährt es die Bewusstheit unmittelbar, es handelt sich um ein zeitindifferentes, unendliches Erlebnis, während die Gegenwart ein vom Verstand entworfener Gedanke ist, der weder bestimmt noch begrenzt ist. Wie an anderer Stelle über das Hier und Jetzt ausgeführt, ist die Aktualität seine Grundeigenschaft. Seine direkte und reale Erfahrung ist also zeitlos beziehungsweise zeitindifferent und leer, obwohl in seinem Feld alle Ereignisse und Gestalten raumzeitlich geordnet sind; sie entstehen nur als vom Verstand entworfene Wirklichkeitselemente. Wenn nun gesagt wird, dass kein Ereignis denkbar sei, das im Fließen der Zeit und für irgendeine Dauer nicht aktuell wäre, dann heißt dies, dass Aktualität der notwendige Charakterzug des Ereignisses ist. Demnach bezeichnet Aktualität die Wahrnehmung des existentiellen Charakters eines Ereignisses, das durch seine raumzeitliche Positionierung auf eine messbare Dauer begrenzt und deswegen auch vergänglich ist, aber die Umgebung, in der es aktuell hervortritt, ist zeitindifferent und wird von dessen Vergänglichkeit nicht beeinträchtigt. Die Alltagssprache nennt den zeitindifferenten Rahmen, in dem alles aktuell-vergäng224
lich in Erscheinung tritt, Hier und Jetzt; es wird als der unwandelbare Bereich wahrgenommen, in dem alles Wandelbare in Erscheinung tritt. Jedes Ereignis ist zu irgendeinem individuierten Zeitmoment aktuell. Gehört nun dessen Aktualität zur Vergangenheit, so sind die zwei aktuellen Zeitmomente zu berücksichtigen: das eine, in dem das vergangene Ereignis vorgestellt wird, und das andere, in dem das vergangene Ereignis stattgefunden hat. Es bleibt, dass es nichts Aktuelles gibt, das nicht in die raumzeitliche Ordnung eingegliedert, und kein Ereignis, das nicht an irgendeinem Zeitpunkt aktuell wäre. Für mehr Klarheit fassen wir die Relation zwischen Ereignis, Zeit und Aktualität zusammen. Alle Ereignisse, deren Aktualität beendet ist und die nicht mehr im Feld von Hier und Jetzt realisiert werden, kategorisiert der Verstand als Vergangenheit, denn diese Aktualität endet, wenn die vom Verstand dargestellte Wirklichkeit nicht mehr wahrgenommen werden kann. Als Zukunft werden vom Verstand alle Ereignisse kategorisiert, deren Aktualität noch nicht angefangen hat und die im Feld von Hier und Jetzt noch nicht realisiert werden kann; das ist der Fall, wenn die vom Verstand dargestellte Wirklichkeit noch nicht direkt wahrgenommen werden kann. Und als Gegenwart kategorisiert der Verstand alle Ereignisse, die im jetzigen Zeitpunkt aktuell sind und gerade jetzt im Feld von Hier und Jetzt realisiert werden können. Diese Aktualität wird gerade realisiert, wenn die von ihr dargestellte Wirklichkeit zum laufenden Zeitpunkt direkt wahrgenommen werden kann. Die Gegenwart liegt in einem Zeitpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft. Das Hier und Jetzt hat wohlgemerkt weder Dauer noch eine Einordnung in der Zeit oder eine Stelle im Raum. Es ist deswegen nicht in raumzeitlichen Kategorien zu definieren, also raumzeitlich indifferent und unbedingt. Die Dauer der Gegenwart bleibt unbestimmt und unbegrenzt; sie ist in einem Begriff als zwischen Vergangenheit und Zukunft erfasst, wobei im zeitindifferenten Feld von Hier und Jetzt die Wirklichkeit der Ereignisse unmittelbar erfahren wird. Gegenwart wird also gedacht, Hier und Jetzt dagegen wird wahrgenommen; das Letztgenannte ist die unmittelbare Erfahrung einer leeren, undefinier225
baren und vom Verstand unfassbaren Wahrnehmung, die erste dagegen ist Produkt der Reflexion. Für das Verständnis der Zeitlichkeit ist es hilfreich, die Relation zwischen Aktualität und Wahrnehmung zu skizzieren. Die Wahrnehmung manifestiert die Tätigkeit der Bewusstheit; die Aktualität bezeichnet die direkte Wahrnehmung der Realität, denn was wahrgenommen wird, ist auch aktuell. Zwischen beiden gibt es keine Wechselwirkung, das heißt, die Aktualität und die Wahrnehmung haben keine Wirkung aufeinander; es besteht zwischen beiden auch keine kausale Verbindung. Das bedeutet: Etwas ist aktuell, nicht, weil es wahrgenommen wird. Ebenso wird etwas nicht wahrgenommen, weil es aktuell ist. Es kommt hinzu, dass die Aktualität real oder bloß imaginär vorgestellt werden kann; in beiden Fällen wird das Aktuelle nicht unbedingt wahrgenommen, im Fall des Imaginären kann es nicht real wahrgenommen werden. Die Aktualität beziehungsweise die direkte Wahrnehmung der Realität entfaltet sich im fließenden, doch zeitfreien Hier und Jetzt. Wir sprechen in der kosmogenetischen Theorie von der metazeitlichen Realität und meinen damit ein einfaches, zeitindifferentes und leeres Geschehen. Wir sagen daher, der Prozess der Entstehung aus dem Nichts kann kein Geschehen im aktuellen Fließen der Zeit sein. Er ist als Geschehen zeitindifferent, einfach und leer. Daraus folgt auch, dass, wenn der Urknall als metazeitliches Geschehen verstanden wird, dies keinesfalls auch ein in der Raumzeit geortetes Phänomen sein kann. Raumzeitlich indifferente Realität und raumzeitlich geortete Phänomenalität sind zwar nichtbehindernd, vertreten aber zwei einander entgegengesetzte Konzepte. Metazeitlich wird demnach alles Geschehen genannt, was nicht in den Bereich der Raumzeit eingeordnet ist; deswegen kann es auch vom derzeitigen Menschen nicht wahrgenommen werden. Im Gegensatz dazu bezeichnet empirisch-aktuell ein Geschehen, das in der Sequenz der raumzeitlichen Ordnung geortet ist und dessen Wirklichkeitscharakter durch die Sinne verifiziert werden kann. Auch zwischen metabewusstem Geschehen (das nicht wahrgenommen werden kann) 226
und wahrgenommener Aktualität besteht ein Unterschied, der die Bedingungen des Verstandes betrifft, insofern er diskursiv erfassen muss. Letztlich darf ein metazeitliches Geschehen nicht als Reihenfolge von Phänomenen gesehen werden. Diese manifestieren sich jeweils in einer zeitlichen Reihenordnung und an einer bestimmten Stelle des Raumes, sind also physikalische Vorgänge, die zur Totalität der Phänomene gehören. Die Phänomene manifestieren sich in Form von Ereignissen; sie vertreten raumzeitlich geordnetes Geschehen und unterscheiden sich von jeder Art von Geschehen, das sich vor dem Entstehungsanfang der Raumzeit manifestiert.
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Anmerkungen
Einleitung 1 Siehe zu dieser Unterscheidung die Erläuterungen zum Begriff „Realität“ im Glossar. 2 Vorzeitlichkeit bedeutet keinesfalls Ewigkeit; sie bezeichnet den Zustand, in dem Zeit total fehlt, also einen „zeitindifferenten“ Zustand. Hingegen bezeichnet Ewigkeit nicht das Fehlen der Zeit, sondern ihre Unendlichkeit.
Die Entfaltung der kosmogenetischen Theorie 1 Das Universum als nach dem Urknall entstandenes, erstes Phänomen könnte wahrgenommen werden, der Urknall als Geschehen könnte es nicht. 2 Zwischen Hier und Jetzt und Gegenwart muss streng unterschieden werden. Während der letzte Begriff ein vom Verstand geprägter ist, der nur gedacht, aber nicht wahrgenommen werden kann, ist der Realitätsbereich des Hier und Jetzt nur unmittelbar wahrzunehmen und nicht in einem Begriff zu denken. Er erweist sich als undefinierbar, einer einfachen Eigenschaft analog, wie etwa die Farbe Grün. 3 Zum Beispiel wenn eine elektrische Lampe ein- und ausgeschaltet wird. Ihr Zustand in den nacheinander folgenden Phasen scheint identisch zu sein. In Wirklichkeit handelt es sich um verschiedene, aufeinanderfolgende Phänomene und keinesfalls um eine Rückkehr zum Ausgangszustand der Lampe. Es ist dabei klar, dass die Zeitmomente des Ein- und Ausschaltens einmalig sind und zeitlich nacheinander liegen. 229
4 Bei zwei topographisch fixierten Richtungen – etwa von London nach Paris und umgekehrt – sind Anfang und Ende nicht der Reihe nach austauschbar, da sie durch besondere Merkmale differenziert sind. Die Fahrt eines Zuges hin und zurück vertritt zwei nacheinander folgende Ereignisse. Diese sind immer durch ihre raumzeitliche Positionierung gekennzeichnet, und Anfang und Ende der Reihen sind in der Tat nicht austauschbar. Nicht so bei Ausdehnung und Verdichtung: Diese entfalten sich in einem zeitindifferenten Realitätsbereich, und ihre Elemente sind identisch. Sie unterscheiden sich nur dadurch, dass jede das Spiegelbild der anderen ist: Ausdehnung: 1 - 2 - 3 - 4 - 5 Richtung (a) Verdichtung: 5 - 4 - 3 - 2 - 1 Richtung (b) 5 Dieser Bezugspunkt wird transzendent genannt, weil es kein besonderes Element gibt, das beide Richtungen verknüpfen könnte. Die zwei Richtungen überschneiden sich nicht; sie sind wie zwei parallele Linien, die analog aufeinander bezogen sind. 6 Die Dimensionalität ist im Kapitel „Die Dimensionalität“ ausführlich behandelt. An dieser Stelle sei allerdings daran erinnert, dass der Einstein’sche Begriff der Raumzeit mit dem kosmogenetischen nicht kompatibel ist. Das kosmogenetische Konzept der „Raumzeit“ bezeichnet die Dimensionen nämlich nicht als drei des Raumes plus eine der Zeit. Die Raumzeit ist hier also keine Summe von drei plus eins, sondern ein integriertes „Ganzes“ von vier nicht voneinander zu unterscheidenden Dimensionen. Nicht (RD1 – RD2 – RD3 + ZD1), sondern (D1 – D2 – D3 – D4). 7 Metaphysisch bedeutet in diesem Sinne nicht unabhängig von raumzeitlichen Bedingungen, sondern vor der und unabhängig von der wahrnehmenden Bewusstheit, was für den Prozess der kosmogenetischen Entstehung der Elementare gilt. 8 „Segment“ ist eigentlich als Außenlinie eines Segments definiert, analog zur Kreisperipherie, die nur die Außenlinie eines Kreises darstellt. 230
9 Eine begrenzte Totalität ist eine Menge von Elementen, deren Zahl unendlich ist, die aber unter der Bedingung stehen, als Elemente nur zu dieser einen Totalität zu gehören. 10 Es wäre denkbar, dass die Kreisperipherie auf einer Fläche expandiert beziehungsweise implodiert; sie ist aber kein geometrischer Kreis, der unabhängig von allen anderen geometrischen Schemata vorgestellt werden könnte, als ob er an und für sich bestünde. Die Kreisperipherie ist durch das innere – und das äußere Urzeichen gekennzeichnet. Das erste trifft die einmalige Krümmung der Peripherie, das zweite die einmalige Krümmung der Kugeloberfläche, von der die Kreisperipherie einen Teil darstellt. Demnach ist jede denkbare Kreisperipherie prädestiniert, auf der Oberfläche derjenigen Kugeloberfläche sich kontinuierlich fließend zu entfalten, deren konstitutiver Teil diese Kreisperipherie durch ihr äußeres Urzeichen bezeichnet. Es sei auch daran erinnert, dass durch die zweifache Prägung jedes Elements der Dimensionenstruktur – inneres und äußeres Urzeichen – jedes einzelne Element der globalen Endkugel einmalig und nicht wiederholbar ist. Die Elemente der expandierend-implodierenden Endkugel vertreten die Totalität aller denkbaren Kugeloberflächen. 11 Bezeichnet man die zweite Dimension als X und die vierte als Y, dann könnte die Reihenfolge ins Unendliche nach folgender Formel wiederholt werden: Y2 hat als inneres Zeichen das äußere Zeichen der Dimension Y1. Y3 hat als inneres Zeichen das äußere Zeichen der Dimension Y2. Y4 hat als inneres Zeichen das äußere Zeichen der Dimension Y3. Yn + 1 hat als inneres Zeichen das äußere Zeichen der Dimension Yn. 12 Wir müssen immer wieder betonen, dass das Modell der globalen Dimensionen für den gegenwärtigen Menschen unvorstellbar ist. 231
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Darin gibt es nämlich keine diversifizierten Phasen, das heißt eine Reihenfolge von nacheinander stattfindenden Prozessen. Mit der Transformation der Urenergie in das Segment ist die Entstehung der Dimensionenkugel in fließender Entfaltung endgültig vollendet beziehungsweise abgeschossen. Dieser kosmogenetische Begriff darf nicht als der alltägliche Begriff der individuierten Seele missverstanden werden. Dieser suggeriert ein idealisiertes und religiös-mystisches Konzept von Identität. Das kosmogenetische reine Gewahren ist die ursprüngliche reine Apperzeption in der Philosophie von Immanuel Kant. Es darf hier jedoch nicht übersehen werden, dass zwischen beiden ein wichtiger Unterschied besteht. Bei Kant nämlich ist die Apperzeption ein vorauszusetzender konstanter Tatbestand des Bewusstseins. Hier dagegen bezeichnet das reine Gewahren außerdem die Entstehung des Bewusstseins aus dem Nichts. Ansonsten wären sie identisch. Mit Name ist die vollständige Bezeichnung aller Daten gemeint, die die Einmaligkeit einer Biographie ausmachen (zum Beispiel Name des Vaters, Geburtsdatum usw.). Ansonsten könnte der Name auf mehrere Personen beziehungsweise Biographien zutreffen. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen Alltags- und kosmogenetischer Namensgebung: Name im kosmogenetischen Sinne bezeichnet immer nur ein einziges Individuum, denn er ist kein bestimmtes Wort, sondern aus mehreren Begriffen zusammengestellt, die für ein einziges Individuum gelten. Der kosmogenetische Begriff „Bewusstsein“ darf nicht mit dem Grundbegriff „Bewusstsein“ aus der Transzendentalphilosophie verwechselt werden, wo er metaphysisch geprägt ist. Es ist nicht auszuschließen, dass der Inhalt dessen, was erlebt wird, raumzeitlich unbedingt ist. Solche Eregnisse sind in den Biographien von Mystikern aller Religionen zu finden. Dennoch ist ein Heiliger raumzeitlich existent, was er aber erlebt, kann unabhängig von Raum und Zeit beziehungsweise zeitindifferent sein. Ob die Entwicklung der Bewusstheit sich noch im Anfangsstadium befindet oder ob der Mensch sie in einem früheren Stadium
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besaß, sie aber durch einen Sturz verloren hat, ist im Rahmen unserer Theorie nicht zu entscheiden.
Glossar: Die Grundbegriffe der Kosmogenese 1 Dennoch gibt es keinen Grund für die Annahme, dass es strukturelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Ereignissen beziehungsweise zwischen Biographien von Menschen und von anderen Wesen gibt. Alle Ereignisse besitzen eine gemeinsame Grundstruktur, wenn auch in rudimentärer Form. Dies bedeutet, dass die endgültige Kristallisierung des kosmogenetischen Prozesses, also die Bewusstheit, den Kern jedes Ereignisses bildet, wenn auch nur potentiell, das heißt nur als eventuelle Folge der Befreiung durch die akausale Synchronisierung von Inspiration und Aspiration*. 2 Immanuel Kant bezeichnet das Ich in dieser allerersten von allen folgenden Erscheinungen der Ichheit als ursprüngliche, reine Apperzeption. 3 Der Kantsche Begriff der ursprünglichen, reinen Apperzeption entspricht nicht der Gegenwart, sondern dem Hier und Jetzt.
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Dank
Diese Arbeit entstand nach zehnjähriger Reflexion und Meditation. Sie hat meiner Umgebung: Familie, Freunden und Mitarbeitern, viel Geduld abverlangt. Ich danke ihnen von Herzen für ihr Verständnis und ihre Hilfe.
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