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Roy Palmer
Küste des Todes
Diego Machado, Kapitän der „Trinidad“, von der er selbst desertiert war, ga...
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Seewölfe 496 1
Roy Palmer
Küste des Todes
Diego Machado, Kapitän der „Trinidad“, von der er selbst desertiert war, gab noch lange nicht auf. Sechzehn Kerle hatte er noch von seiner ehemaligen Crew – die anderen saßen in den Schatzhöhlen unter dem Wasserfall fest wie Ratten in der Falle. Ihn schmerzte das nicht sonderlich, und er unternahm auch nichts, um seine Männer aus den Höhlen zu befreien. Viel mehr interessierten ihn jetzt jene Schätze, die bereits auf der „Trinidad“ verladen worden waren. Mit seinen sechzehn Kerlen hatte er in Batabano vier Jollen besorgt, die er brauchte, wenn er die „Trinidad“ entern wollte. Mit dem zehnköpfigen Kommando an Seesoldaten und ihrem Teniente auf der „Trinidad“ glaubte er fertig zu werden – nur wußte er nichts von der Existenz der Seewölfe ... Die Hauptpersonen des Romans: Don Gaspar de Mello – der Kommandant der San Sebastian“ lernt einen fairen Gegner kennen. Philip Hasard Killigrew – der Seewolf ergreift im richtigen Moment die Initiative. Manzo – der Kreole aus dem höllischen Quartett geht über Leichen. Edwin Carberry – findet Gelegenheit, gleich viermal seinen Profos-Hammer anzubringen. Alonzo de Escobedo – der Gouverneur von Kuba erlebt die dunkelste Stunde seines Daseins.
1. Das Flammenrad der Sonne hatte noch lange nicht den höchsten Punkt seiner Bahn erreicht, und dennoch War es in der Bucht westlich von Batabano bereits drückend heiß. Es war der Morgen des 26. Mai 1595. Die ersten Sonnenstrahlen erreichten jenen Punkt, wo der Wasserfall in allen Farben schillerte, sobald ihn das Licht traf. Allerdings sah dieser prachtvolle Wasserfall etwas anders aus als noch vor einem Tag. Die Culverinen der Kriegsgaleone „San Sebastian“ hatten auf seinen vorkragenden Teil eingehämmert und ihn um einige Yards zurückverlegt. Ein schwerer Brocken hatte sich gelöst und den Eingang zu den hinter dem Wasserfall liegenden Höhlen total verbarrikadiert. Die Strolche, die sich die Schatzbeute des Ex-Gouverneurs von Kuba, Don Antonio de Quintanilla, holen wollten, saßen wie die Ratten in der Falle. Hinzu kam, daß sich das Wasser jetzt direkt in die Höhlen ergoß.
Was sich draußen tat, wußten die Kerle nicht. Sie befanden sich mit ein paar trübe blakenden Fackeln im Dämmerlicht. Eine Panik war unter ihnen ausgebrochen, seit das Wasser in den Höhlen gestiegen war und sie Zuflucht auf den Schatzkisten gesucht hatten, wo sie jetzt immer noch voller Angst hockten. Sie hatten hündische Angst, elend in dem ständig nachströmenden Wasser zu ersaufen. Es war unter ihnen auch schon zu Mord und Totschlag gekommen. Ein zweiter Ausgang hatte sich nicht gefunden, obwohl das Höhlensystem weitverzweigt war. Aber sie hatten in ihrer Angst auch noch nicht alles abgesucht. Zwölf Kerle befanden sich jetzt noch in der Höhle. Sie hockten auf Kisten voller Gold, Silber, Edelsteine, indianischem Schmuck und kostbarem chinesischen Porzellan, von dessen Wert sie allerdings nichts wußten. Für sie zählten nur Klunkerchen, Gold und Silber. Jetzt konnten sie damit nichts mehr anfangen und sich nicht mal einen Weg aus dem höllischen Verlies freikaufen. An Wasser hatten sie keinen Mangel, es stand
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ihnen buchstäblich bis zum Hals. Aber Proviant hatten sie nicht, bis auf ein paar Kokosnüsse. Das höllische Quartett, das aus dem Kreolen Manzo, Domingo, Casco und Toluca bestand, hatte sich in eine Ecke verzogen, die sie mit roher Gewalt von anderen Kerlen geräumt hatten. Toluca war ein bißchen durchgedreht vor Angst, als das Wasser immer höher zu steigen begann. Er hatte sich in einer Goldkiste gewälzt und sich laut brüllend mit Münzen beworfen, die keinen Nutzen mehr für ihn hatten. Danach war er zusammengeklappt. Jetzt hockte er stumpf sinnig und apathisch auf einem großen Faß und lauschte den Geräuschen, die sich nicht definieren ließen. Seine Augen waren trübe, seine Hände zitterten, und immer wieder rollten ihm Tränen aus den Augen. Vorbei war es mit dem herrlichen Reichtum. Aus und vorbei. Er würde zwar mit Gold und Silber begraben werden, inmitten eines unvorstellbaren Reichtums, aber das konnte ihn erst recht nicht erheitern. Ein Mann trieb im Licht der trüben Funzel vorbei. Er lag auf dem Bauch im Wasser und hatte die Arme ausgebreitet, als wollte er all die Schätze noch einmal liebevoll umarmen. Der Kopf lag so tief im Wasser, daß es aussah, als suche er den Grund unter sich nach weiteren Schätzen ab. Der Mann war der Zweite Offizier der Handelsgaleone „Trinidad“, die draußen zerschossen in der Bucht lag. Er hieß Gutierrez, und aus seinem Rücken ragte der Griff eines schweren Messers. Aber das interessierte niemanden. Jeder war sich selbst der Nächste. Sie hatten nur mit einem Seitenblick zur Kenntnis genommen, daß ihn der Kreole umgebracht hatte -aus Rache für den Tod seines Kumpans Cabral, den der Zweite erschossen hatte. Cabral war durch den Wasserfall geflogen und trieb jetzt irgendwo im Meer, wo ihn der Fluß hingetragen hatte. Zu dem Zeitpunkt war der Eingang der Höhle auch
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noch nicht von dem mächtigen Felsbrocken versperrt worden. Gutierrez schwamm in der ganz leichten Strömung weiter zu einem anderen Kerl, der mit weitgeöffneten Augen und irren Blicken auf einer Kiste hockte. Es hatte den Anschein, als statte er jedem .der Strolche noch einen letzten Besuch ab. „Hau ab!“ schrie der Kerl und wedelte mit den Händen wie einer, der Hühner verscheucht. „Verschwinde, ich will dich nicht mehr sehen. Geh endlich unter, sauf ab!“ Als hätte er die Worte vernommen, trieb er weiter zu zwei anderen verstörten Kerlen. Sie hockten dicht beieinander auf einer großen Kiste und hatten die Beine bis ans Kinn hochgezogen. Das Wasser umspülte gerade noch ihre Füße. Sie sahen auf das Messer, von dem nur der Griff noch ein Stück herausragte. Die beiden hießen Carlo und Morena. „Der hat's hinter sich“, sagte Carlo, „wir noch nicht. Wir werden ganz langsam ersaufen - wie Katzen.“ Sein Kumpan schluckte hart. Keinem war aufgefallen, daß das Wasser nicht mehr stieg. In ihrer stumpfen Apathie hatten sie nichts davon bemerkt. „Lange halte ich das nicht mehr aus“, sagte Morena mit einer heiser klingenden Stimme. Er starrte auf die eine Fackel, die in einem Riß in der felsigen Wand steckte und immer stärker flackerte. „Wenn die verlöscht ist, haben wir nicht mal mehr Licht. Dann wird alles nur noch schlimmer.“ „Eine Fackel ist noch da.“ „Die wird das Wasser auslöschen, das immer höher steigt“, murmelte Morena dumpf. Die Leiche des Zweiten trieb weiter. Es sah wirklich so aus, als lebe der Kerl nach. Er schwebte fast durch das Wasser und wedelte immer wieder mit den Armen. Manzo selbst warf etwas später nur einen flüchtigen Blick auf den treibenden Leichnam und grinste abfällig. Er hatte diesen Kerl schon immer gehaßt, aber seit er seinen Kumpan Cabral erschossen hatte, war dieser Haß noch größer geworden.
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Jetzt war die Angelegenheit für ihn bereinigt. Gleichgültig wandte er den Blick ab. Sie alle hockten da wie im Wartesaal zum großen Glück und hofften auf das Glück von morgen, aber wie es aussah, würde es dieses Glück nicht mehr geben. Anfangs hatten sie groß herumgetönt, waren desertiert, hatten geklaut und gemordet. Jetzt waren es nur noch erbärmliche Jammergestalten, abgerissen, mit den Nerven fertig und erledigt, umgeben von einem Reichtum, den sie nie im Leben hätten verbrauchen können, so viel war es. Morenas Mundwinkel zuckten nervös. Da war dieses ständige unheimliche Geräusch des Gurgelns, das an seinen Nerven zehrte. Er hatte auch jegliches Zeitgefühl verloren und wußte nicht einmal, ob es draußen hell oder dunkel war. Nach einer Weile stieß er seinen Kumpan ängstlich an. „Ich will hier raus“, sagte er heiser. „Es knackt so eigenartig in den Felsen. Vielleicht schießen sie jetzt den Berg auseinander.“ „Ich will hier auch 'raus“, knurrte Carlo, „aber ich habe schon lange keinen Schuß mehr gehört. Die haben aufgehört zu schießen und warten, bis wir ersoffen sind. Dann sprengen sie die Höhle und holen sich die Schätze selber.“ „Es muß doch noch einen Weg geben“, jammerte Morena. „Wenn wir in die anderen Höhlen gehen ...“ „Die sind alle unter Wasser, und wer gerade da drin war, der ist längst ersoffen.“ „Dann gibst du einfach auf?“ fragte Morena verbiestert. „Wir kommen ja doch nicht raus.“ Carlo zuckte ratlos mit den Schultern und stierte vor sich hin. Morena war zwar ein Feigling, aber aufgeben wollte er noch nicht. Wenn sie schon ersaufen mußten, so überlegte er, dann konnten sie auch in einer der zahlreichen Nebenhöhlen ersaufen. Es war dasselbe - ob man hier starb oder ein paar Höhlen weiter.
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Aber er hatte Angst vor dem Wasser, das seiner Meinung nach unaufhaltsam weiterstieg. Wenn er dann gerade in einer der Röhren steckte, die zu anderen Höhlen führte, schnitt ihm das Wasser den Rückzug ab. Außerdem war es in den Nebenhöhlen finster, daß man nicht mal die Hand vor Augen sah. Verzweifelt sann er über seine Lage nach und blickte immer wieder zu Carlo, der vor sich hinstierte. „Sieh doch ein, daß wir hier ersaufen“, begann er nach einer Weile. „Da ist es doch besser, wenn wir mal zur anderen Höhle waten. Da stehen die Kisten mit den Nachttöpfen oder was das für Dinger sind.“ Mit den „Nachttöpfen“ meinte er das kostbare chinesische Porzellan aus den Anfängen der Ming-Zeit. „Da steht auch alles unter Wasser“, erwiderte Carlo. „Ich weiß, aber da gibt es einen Gang, der ein bißchen höher liegt. Da ist bestimmt noch kein Wasser drin. Da hocken wir auf dem Trockenen und können ein bißchen nachsehen, wohin der Gang führt. Möglich, daß der irgendwo einen Ausgang hat. Ein paar Kerle haben sich schon mal da reingewagt.“ „Und wo sind sie jetzt?“ „Wieder zurück. Sie hatten auch zwei kleine Fässer mitgenommen.“ „Wenn sie wieder zurück sind, zeigt das doch nur, daß es in dem Gang nicht weitergeht, sonst wären sie doch längst draußen und würden Halleluja brüllen.“ Morena brauchte sehr lange, um seinen verängstigten Kumpan davon zu überzeugen, daß es besser sei, wenn sie den jetzigen Platz verließen. So hatten sie vielleicht noch eine kleine Chance. „Na gut“, sagte er widerwillig, „aber wir nehmen von den Holzkisten ein paar Späne mit, damit wir was sehen. In der Finsternis will ich da nicht rumkriechen.“ „Ja, auf alle Fälle.“ Sie warfen einen scheuen Blick zu dem Kreolen, der nach dem Tod des Zweiten den Ton angab. Aber der kümmerte sich um nichts. Offenbar war dem alles gleichgültig. Er hatte die Arme über der
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Brust verschränkt, döste vor sich hin und stierte ins Wasser. Sie nahmen ihre Messer und begannen, aus dem Kistendeckel lange Späne zu schneiden. Einen Span nach dem anderen säbelten sie herunter und legten ihn so hin, daß er nicht naß wurde. Als sie genug beisammen hatten, nickten sie sich zu. „Verschwinden wir“, sagte Morena, der es furchtbar eilig hatte, um nach einem Ausweg zu suchen. Niemand kümmerte sich um sie. Es geschah immer wieder, daß ein paar Kerle in der Hoffnung, einen Ausgang zu finden, einfach mal verschwanden. Meist waren sie jedoch sehr schnell wieder zurückgekehrt und hatten die Suche aufgegeben, denn das Höhlensystem war unübersehbar und bestand aus zahlreichen kleinen Gängen, Nischen, Grotten, Höhlen und Kammern. Manchmal auch mußten winzige Gänge kriechend durchquert werden, um zu anderen Höhlen zu gelangen. Morena ließ sich ganz langsam ins Wasser gleiten. Einen Teil der Holzspäne trug er in der rechten hocherhobenen Hand. Den Rest trug Carlo auf die gleiche Weise. Das Wasser stand ihnen bis zum Hals. Es war kalt, wie sie schnatternd feststellten. Ganz langsam wateten sie weiter, zwei Kerle, die die Hoffnung hegten, doch noch einen Ausweg zu finden. Vor der in eine Felsspalte geklemmten Fackel blieben sie stehen. Carlo nahm mit zitternder Hand einen Span und entzündete ihn an der Fackel. Drei andere Kerle, die auf übereinander gestapelten Kisten und Fässern hockten, sahen gleichgültig zu. Es waren Pepito, Romero und Felipe. Felipe war etwas verblödet. Er hatte ständig das Maul offen, grinste bei jeder unpassenden Gelegenheit und sabberte manchmal beim Sprechen. Auch seine Ausdrucksweise war nicht die feinste. „Woll'n die denn, hä?“ fragte er. „Die gehen baden“, sagte Pepito. „Weil sie schon lange kein Wasser mehr gesehen haben.“
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„Ist doch genug hier“, meinte der Dummbart grinsend. Er war der einzige, der immer noch nicht so richtig kapiert hatte, was hier eigentlich los war. Daß sie hier inmitten eines unermeßlichen Reichtums hockten, das wußte er. Die Gier nach Gold hatte ihn genauso gepackt wie die anderen auch. Er wußte aber nicht, warum die Kerle von der „San Sebastian“ den Eingang „zugeschossen“ hatten und was sie damit bezweckten. Angst hatte er natürlich auch gehabt, aber jetzt war sie einer dumpfen Apathie gewichen, und weil ihm keiner eine richtige Antwort gab, hockte er hier und wartete, was die anderen tun würden. Er wurde erst dann aktiv, wenn Pepito oder Reomero etwas befahlen. Dann trottete er blindlings hinterher. Aber die hatten offenbar kein Programm auf Lager, und so saß er die Sache einfach ab, bis denen was einfiel. Auch Manzo warf nur einen Blick auf die beiden. Sie werden bald wieder zurück sein, dachte er. Die anderen hatten auch nichts Weltenbewegendes entdeckt. Vorsichtig wateten sie weiter. Carlo hielt den Span hoch und leuchtete. Morena folgte ihm beklommen. Schon nach ein paar Augenblicken hatten sie die große Höhle durchwatet und hielten sich weiter nach links, wo andere Grotten unter Wasser standen. „Noch weiter nach links“, sagte Morena. Als Carlo die Richtung änderte, gab es plötzlich ein laut knirschendes Geräusch in den Felsen. Ein Schmatzen war zu hören, dann ein lautes Knacken. Es ging ihnen durch und durch, und sie blieben verstört stehen, um in das dämmerige Zwielicht zu lauschen. „Was war das?“ fragte Carlo. „In den Felsen war das“, murmelte sein Kumpan. „Da tun sich noch mehr Risse auf. Oder die verdammten Marineknechte haben wieder das Feuer auf uns eröffnet.“ „Hörte sich aber nicht nach einem Schuß an. Da hört man es sonst immer donnern.“ Jetzt bewegten sie sich etwas langsamer weiter. Irgendwo war leises Gurgeln zu
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hören, Knistern in den Wänden, dann wieder ein saugendes oder schmatzendes Geräusch. Sie erreichten die andere Höhle, wo das Wasser etwa brusthoch stand. Das war der Augenblick, da sie auch ihre Kumpane aus den Augen verloren. Nur die Geräusche, die sich nicht erklären ließen, waren noch da, verstärkten sich mal oder wurden leiser. Unheimliches Licht herrschte hier. Der Holzspan flackerte, das Feuer wurde kleiner und drohte zu verlöschen. Morena nahm den zweiten Span und entzündete ihn in aller Eile, damit es wieder heller wurde. In der Finsternis war es einfach entsetzlich und nicht auszuhalten. Da geisterten Schatten über die Wände, da glitzerte das Wasser pechschwarz, da zeigten sich kleine Strudel in der tintigen Brühe. Sie wateten weiter, bis das Wasser nur noch hüfthoch war. „Na, was habe ich gesagt“, meinte Morena. „Es scheint hier ganz leicht bergan zu gehen. Das merkt man doch, weil das Wasser nicht mehr so hoch ist.“ „Deswegen ist noch lange kein Ausgang in Sicht“, maulte Carlo. Sein Span brannte jetzt etwas heller. An den Wänden glitzerte es, Reflexe zuckten über das unheimliche Wasser. Dann stieß er mit dem Knie an etwas Weiches. Er zuckte zurück und stieß einen brüllenden Schrei aus. Gleichzeitig verlor er den Span, der im Wasser erlosch. Morenas Hände zitterten ebenfalls, aber er konnte das Flämmchen noch vor dem Erlöschen retten. Vor ihnen im Wasser trieb die Leiche des Zweiten Offiziers. Seine ausgestreckten Hände schienen nach Carlos Beinen zu grapschen. Es dauerte eine ganze Weile, bis Carlo sich wieder gefangen hatte. „Dieser Mistkerl, verdammter“, hauchte er verstört. „Der folgt uns überall hin. Vielleicht sucht er seinen Mörder.“ Schaudernd sahen sie auf den langsam weiter treibenden Körper, der jetzt in eine Nische glitt und darin hängenblieb. „Meinst du wirklich?“ fragte Morena.
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„Klar, das gibt's, daß Ermordete ihren Mörder so erschrecken, bis er auch stirbt.“ „Aber er kennt ihn doch.“ „Trotzdem sucht er ihn“, behauptete Carlo. Er fummelte einen neuen Span hervor und entzündete ihn an dem anderen, bis endlich eine kleine Flamme aufzuckte. Diesmal verfolgte sie der Leichnam nicht weiter. Er hing immer noch wie festgeklemmt in der Nische. Nach einer Weile ging ihnen das Wasser nur noch bis an die Knie, und beide schöpften wieder Hoffnung. Dann standen sie vor einer sternförmigen Verzweigung. Das Wasser war hier zwar nicht hoch, aber die Abzweige waren kleiner, schmaler und niedriger. Zwei führten noch weiter nach links, zwei liefen geradeaus, und zwei weitere beschrieben eine Rechtskrümmung. Alle Gänge führten in absolute Finsternis. „Was jetzt?“ fragte Carlo ratlos. „Am besten, wir nehmen einen von den Wegen, die geradeaus führen. Die sind auch etwas höher, und wir müssen nicht so gebückt laufen.“ Morena schüttelte nachdenklich den Kopf. Er spähte mit zusammengekniffenen Augen weiter nach links, hielt dann den Span hoch und versuchte, die beiden Gänge auszuleuchten. „Nein“, sagte er, „das ist wie auf dem Weg ins Jenseits. Der schlechte Weg führt in den Himmel und der ganz bequeme und breite in die Hölle.“ „Ich will aber weder in den Himmel noch in die Hölle“, knurrte Carlo mißmutig. „Ich will aus diesem Scheißfelsen raus.“ „Den breiten Weg sind die anderen bestimmt auch aus lauter Faulheit gegangen“, sagte Morena. „Ich bin dafür, daß wir nach links gehen, ganz nach links, wo es immer enger wird und man nach einer Weile kriechen muß.“ Ein Weilchen stritten sie herum. Schließlich beugte sich Carlo den Argumenten seines Kumpans. Der hatte auch ein bißchen mehr Grips im Schädel, was er widerstrebend anerkannte. Also nahmen sie den schlechtesten Weg und schon nach ganz kurzer Zeit wurde die
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tunnelartige Röhre immer enger und niedriger. Nach ein paar weiteren Minuten mußten sie auf den Knien kriechen. Diesmal führte Morena, gefolgt von Carlo, dessen Angstzustände in der Röhre immer größer wurden. Er sah sich schon irgendwo festgeklemmt hilflos ersticken. Wasser gab es auch noch, aber es war nicht mehr als ein kleines Rinnsal. Die Luft wurde enger und stickiger. Carlo geriet fast in Panik, als die Wände von beiden Seiten näher rückten und die Decke ihn mit schroffem Gestein streifte. „Halt, halt!“ rief er nach einer Weile. „Da geht es nicht mehr weiter, Morena. Wir ersticken in dem Ding. Laß uns schnell zurückkriechen, ich krieg' keine Luft mehr!“ Die Stimme seines Kumpans klang dumpf, murmelnd, wie halb erstickt und aus weiter Ferne, obwohl er dicht vor ihm war. „Ich geh jedenfalls weiter. Ich glaube, der Gang wird wieder etwas größer und macht da vorn einen Knick. Hau doch ab, wenn du willst, ich versuche es.“ Da blieb Carlo nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, denn allein zurück wollte er auch nicht. Vielleicht steckte der Leichnam des Zweiten mittlerweile auch schon in der Röhre und verkeilte sie. Bei diesem Gedanken wurde ihm hundeelend. Die Luft wurde noch schlechter. Carlo hustete wie ein Gorilla, der allmählich erwürgt wird. Er kriegte kaum noch Luft und ärgerte sich über Morena, der zielstrebig weiterkroch. Daß der Kerl keine Angst hatte, jämmerlich zu ersticken, kapierte er nicht. Dann hörte er vor sich einen dumpfen Schrei, und wieder erfaßte ihn heillose Panik. Er wollte zurückkriechen, stieß an die Felsen und begann selbst zu brüllen. „Eine Höhle!“ brüllte Morena. „Wir sind gleich da!“ Unvermittelt wurde der Gang höher und breiter. Unendlich erleichtert stellte Carlo das fest. Offenbar hatten sie es geschafft. Dann standen sie in einer kleinen Höhle und sahen sich neugierig im Schein der provisorischen Fackel um.
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Zwei Fässer standen in der Höhle. Man konnte aufrecht darin stehen, der hintere Teil der Höhle war so hoch, daß man die Decke nur erreichen konnte, wenn man mindestens vier Yards groß war. Von der Höhle zweigte nochmals ein kleiner Gang ab, der offenbar weiter in den Berg führte. „Juan und Roberto waren sicher schon hier, weil da die kleinen Fässer stehen“, sagte Morena, „aber die hatten die Hosen voll und sind wieder abgehauen. Hier sind wir sicherer als vorn. Sieh dir mal das Wasser an. Es geht nur bis an die Knöchel.“ „Sehr gut“, sagte Carlo erleichtert. „Dann bleiben wir und warten. Wenn die Marineknechte die große Höhle stürmen sollten, finden sie uns garantiert nicht.“ „Klar, hier bleiben wir.“ Carlo hatte einen Degen mitgeschleppt, Morena zwei Pistolen und einen Säbel sowie ein Entermesser. Er deponierte das alles auf einem Faß und griff dann nach dem Messer. „Wir brauchen Holz“, sagte er, „sonst hocken wir nach einer Weile in der Finsternis. Wir hauen eins der Fässer kaputt und schnitzen uns aus den Dauben wieder grobe Splitter.“ „Hoffentlich ersticken wir bei dem Qualm nicht.“ „Ganz bestimmt nicht. Sieh dich doch mal genauer um. Da geht es irgendwo weiter, und da strömt auch ganz schwach Luft durch die Gänge. Später können wir uns ja mal genauer umsehen.” „Ich bleibe hier“, sagte Carlo entschlossen. „Nachher verirren wir uns in diesem Labyrinth und finden nie wieder hinaus. Mich kriegen hier vorerst keine zehn Pferde mehr weg.“ Von dem einen Faß wurde der Deckel abgeschlagen. Im Schein der qualmenden Späne starrten sie auf Perlen, die matt schimmerten. Juan und Robert mußten sich ganz schön abgeplagt haben, das Zeug in Fässern vor sich herzuschieben. Aber dann hatten sie es wohl doch mit der Angst gekriegt und waren verschwunden, weil sie sich im
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Beisein der anderen Kumpane sicherer fühlten. „Und mit all dem Zeug können wir überhaupt nichts anfangen“, sagte Carlo, der bedauernd auf die schimmernden Perlen blickte. Morena aber rechnete sich noch eine Chance aus. „Wenn wirklich alles in die Hosen geht“, sagte er grinsend, „dann bleiben wir ein paar Tage hier und warten ab. Die beiden Fässer voller Perlen reichen bis an unser Lebensende.“ „Und was fressen wir in der Zwischenzeit?“ Darauf wußte Morena allerdings auch keine Antwort. „Wir werden schon ein paar Tage überleben“, murmelte er unsicher. „Wasser haben wir ja genügend, und hungern kann man notfalls vierzehn Tage und länger, habe ich mal gehört.“ „Von dem Leichenwasser sauf ich nichts“, sagte Carlo unbehaglich. „Das ist alles vergiftet von dem Kerl.“ „Quatsch! Fang bloß nicht an zu spinnen. Hier ist so viel Wasser eingedrungen, daß man das gar nicht mehr merkt. Wenn du richtigen Durst hast, wirst du schon saufen.“ Für die beiden Kerle war die Situation paradox. Diesmal hockten sie auf zwei Fässern voll Perlen, aber die konnten sie weder essen noch etwas dafür kaufen. Sie setzten sich auf das Faß, ließen die Beine ins Wasser baumeln und warteten ab, was sich so tat. Als ihr Gesprächsstoff nichts mehr hergab, lauschten sie unbehaglich dem Knacken, Knistern und weit entfernten Gurgeln. Das ganze Höhlensystem arbeitete wie Holz. Immer wieder waren diese unheimlichen gruseligen Geräusche zu hören. „Das ist die Totenuhr“, ächzte Carlo, „das bedeutet die Ankündigung vom nahen Tod.“ „Quatsch. Die Totenuhr - ist ein Holzkäfer, und die sitzen ganz bestimmt nicht im Berg herum, weil sie im Holz stecken.“
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„Na, wir werden ja sehen, wer recht hat“, murmelte Carlo. „In welcher Richtung mag die Höhle wohl liegen? Wir sind doch jetzt verdammt weit vom Wasserfall weg.“ „Das habe ich auch schon überlegt. Der Gang hatte drei Biegungen, also müssen wir jetzt irgendwo in Nordwest-Richtung liegen.“ „Immer noch am Wasserfall oder in der Nähe?“ „Eher jenseits von dem Flüßchen, das den Wasserfall speist, schätze ich. So ungefähr etwa. Aber diese Höhle liegt mit Sicherheit ein Stück höher als alle anderen. Hier wird das Wasser uns nicht erreichen und auch nicht steigen.“ „Ich hab' Hunger“, maulte Carlo. „Halt die Klappe, ich hab' auch Hunger. Friß ein paar Perlen, dann hast du wenigstens einen vollen Magen.“ „Ein Stück Fleisch wäre mir lieber.“ „Dann kauf dir welches, wir sind ja reich. * Eine ganze Weile war inzwischen vergangen, aber die beiden Kerle kehrten nicht mehr zurück. Die anderen hockten da und warteten auf ein Wunder. Immer noch merkte niemand, daß das Wasser seinen höchsten Stand erreicht hatte und nicht mehr weiterstieg. „Vielleicht haben die einen Ausgang gefunden“, sagte Pepito. „Jetzt sind sie draußen und lachen sich eins.“ Felipe und Romero hockten verbiestert und entnervt um ihn herum. Felipe war ohnehin total entschlußlos und wartete ab, was die anderen taten. Eigeninitiative zu ergreifen, war nicht seine Sache. Dabei mußte man denken, und dann ging meistens etwas schief, weil das mit dem Denken eine ganz verzwickte Sache war. Ein lautes Krachen ließ sie schreckhaft zusammenfahren. Ein zischendes Geräusch folgte, als würde Dampf aus einem Kessel entweichen. Dann war nur noch das Gluckern zu hören. „Scheißfelsen“, sagte Romero, ein Kerl mit schwarzen Haaren und tagealten Bartstoppeln in einem länglichen Gesicht.
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„Bald fliegt hier alles auseinander. Wollen wir nicht auch mal versuchen, einen Weg nach draußen zu finden?“ „Ich weiß nicht“, meinte Pepito, „vielleicht ist es besser. Hier wird man ja verrückt. Was meinst du denn, Felipe?“ „Weiß nicht“, sagte der Dummkopf. „Das müßt ihr wissen. Ich geh mit. Oder auch nicht. Ihr wißt das besser.“ „Sicher - wir wissen das besser. Wir nehmen dich mit, aber nur, wenn du in den engen Röhren als erster vorgehst. Wir folgen dir dann.“ „Warum als erster?“ „Das ist so üblich“, sagte Pepito, weil er Angst hatte, in den schlauchartigen Gängen könnte ihm etwas Unangenehmes begegnen. Da war es schon besser, wenn Felipe seinen dösigen Schädel vorstreckte. Wenn der eins draufkriegte, dann fiel das nicht weiter auf. „Na ja, dann geh ich eben vor.“ „Wir sagen dir dann schon, wo es langgeht“, meinte Romero grinsend. Kurz darauf stand ihr Plan fest. Auch sie würden weiter in das Innere des weitverzweigten Höhlensystems vorstoßen, um nach einem Ausweg aus der tödlichen Falle zu suchen. Aus einer Kiste wurden Späne geschnitzt, wie sie es bei den anderen gesehen hatten. Dann griffen sie nach ihren Waffen, den Pulverhörnern und den Lederbeuteln mit den Bleikugeln. Die restlichen sieben Kerle nahmen wiederum keine Notiz von ihnen. Nur einer grinste abfällig, und das war der Kreole Manzo, dem langsam ein Licht in der Finsternis aufging. Aus schmalen Augen hatte er bemerkt, daß sich das Wasser auf einer gewissen Höhe hielt. Sollten die drei Affen nur verschwinden. Er wartete lieber hier vorn mit seinen Kumpanen ab. Allerdings unterließ er es, seine Kumpane darauf hinzuweisen. Die lebten weiterhin in der Angst, daß sie bald ersaufen würden. Anfangs blieben die drei noch nebeneinander. Dann wurde es enger. Felipe verharrte unschlüssig, als sie den
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Sterngang erreichten, von dem aus es in sechs verschiedene Richtungen ging. Das Wasser war nicht mehr sehr hoch, aber unangenehm kalt. Vor allem war es hier mit dem blakenden Span so gut wie finster. Ihre Klamotten trieften ebenfalls vor Nässe, und sie froren sich fast die Knochen ab. „Geradeaus“, knurrte Romero, „da gibt's keine Hindernisse.“ Er stieß Felipe vor, der bibbernd durch die schwarze Brühe latschte und hinter jeder Biegung Geister zu sehen glaubte, die ihm an die Gurgel wollten. Er sah auch gar nicht mehr ein, warum er vorgehen sollte, aber die beiden anderen knufften und stießen ihn vorwärts, wenn er darüber maulte. Später wurde auch dieser Gang schmaler, bis sie schließlich vor einer Felsmauer standen. Felipe glotzte dumm. „Da kommen wir nicht durch“, sagte er nach tiefschürfender Gedankenarbeit. Trotzdem starrte er weiterhin die Wand an, als würde sie sich extra für ihn öffnen. „Mistberg, verfluchter“, knurrte Pepito, „los, dann wieder dieselbe Strecke zurück.“ Für alle Fälle mußte Felipe wieder vorgehen und auch die Flamme tragen. Eine Viertelstunde später erreichten sie zum zweitenmal den Sterngang und blieben unschlüssig im Wasser stehen, das ihnen nun bis an die Oberschenkel reichte. „Nächsten Gang links“, befahl Pepito. „Den ganz links können wir uns sparen, der ist zu eng.“ Es war ein verdammtes Höhlensystem, in dem sie festsaßen. Manche Wege führten total in die Irre, anderen endeten abrupt vor Felswänden, und wieder andere führten in weitere Grotten, Nischen oder Höhlen. In einigen konnte man sich nur kriechend wie ein Wurm bewegen. Aber überall hatten die Kerle schon Truhen, Kisten oder Fässer hingeschleppt. Sie stießen immer wieder darauf. Das war noch ganz am Anfang gewesen, als der Beschuß einsetzte. Da hatte jeder gerafft
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und an sich genommen, was ihm gerade in die Hände fiel. Sie mußten sich bücken. Felipe fluchte leise, weil ihn ein überhängender Felszapfen unsanft am Schädel gestreift hatte. Die beiden anderen grinsten sich an und freuten sich, daß es Felipes Schädel war, den bald eine prächtige Beule zieren würde. Weil sie das dumpfe Geräusch gehört hatten, konnten sie auch rechtzeitig nach dem Schmerzensschrei ihre Köpfe einziehen. „Immer schön aufpassen“, sagte Pepito feixend. „Dann stößt man sich auch nicht die Rübe.“ Weiter ging es, einer Krümmung nach, dann offenbar leicht bergan, denn das Wasser wurde zum Rinnsal, das nur noch ihre Beine ein wenig umspülte. Nach einer kleinen Ewigkeit war ihr Irrweg beendet. Die letzten paar Yards bewegten sie sich auf allen vieren. Vor ihnen tat sich eine Grotte auf, etwa zehn Yards lang, acht Yards breit und knapp vier Yards hoch, wie sie schätzten. Das Wasser reichte ihnen noch bis zu den Knöcheln. „Jetzt sind wir da“, sagte Felipe wichtig. „Am Arsch der Welt sind wir“, knurrte Pepito. „Hier sind wir genauso naß wie in der großen Höhle.“ „Quatsch, hier ist es trockener. Hier müssen wir auch nicht ständig auf Kisten oder Truhen hocken. Wir bleiben hier.“ „Das ist doch aber kein Ausgang aus dem verlausten Dreckhaufen“, sagte Pepito. „Das war ja nicht der Sinn unserer Tour, daß wir jetzt hier rumhängen.“ Felipe deutete an die linke Wand der Grotte. „Hier sind noch mehr Truhen und Fässer versteckt.“ Dann krauste er die Stirn und überlegte angestrengt. „Ich wette, da ist ebenfalls Gold und Silber drin.“ „Reingeschissen hat bestimmt keiner“, sagte Pepito verdrießlich. . Er hockte sich auf eine Truhe und ließ die Beine baumeln. „Außerdem sind die Truhen von den anderen Kerlen hierhergebracht worden, du Blödmann.“
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„Was tun wir denn jetzt?“ wollte Felipe nach einer Weile wissen. „Bleiben wir hier, oder habt ihr was anderes vor?“ „Was hast du denn vor?“ fragte Roberto grinsend. „Gar nichts. Ich warte, was ihr tut. Das tue ich auch.“ „Ich, zum Beispiel“, sagte Roberto immer noch grinsend, „ich häng' mich jetzt auf. Ich hab' nämlich die Schnauze voll.“ „Und wenn er sich aufgehängt hat“, sagte Pepito, „dann nehme ich seinen Strick und häng' mich ebenfalls auf.“ Felipe schluckte trocken. Dann sagte er tapfer: „Ich häng' mich auch auf, wenn ihr das tut.“ „Du mußt nicht immer alles für echtes Gold nehmen, du Kümmelbart“, sägte Pepito. „Wir bleiben natürlich hier und warten ab. Hier müssen wir auch nicht bis zum Hals in der Brühe stehen.“ „Dann bleibe ich auch hier“, sagte Felipe erleichtert. Sie legten sich die Späne zurecht und entzündeten gleich noch einen zweiten, denn wenn das schwache Licht ausging, mußten sie zurück, um es wieder an der Fackel in der großen Höhle zu entzünden. Darauf aber war keiner scharf, denn der Weg' war beschwerlich und voller Hindernisse. Notfalls hätten sie Felipe zurückgeschickt, aber der Dummkopf kriegte es fertig und landete woanders, oder er fand überhaupt nicht mehr zurück. Sie warteten und vertrödelten die Zeit. Eine Minute nach der anderen verging, und jeder Augenblick erschien ihnen wie die Ewigkeit. Hin und wieder wurde ein Span entzündet, und dann lauschten sie dem geheimnisvollen Knistern, Krachen und Gurgeln, das aus allen Ecken der Höhlen drang und sich immer unheimlicher anhörte. Einmal schreckte Roberto hoch und starrte in das Dämmerlicht. „Da sind Stimmen“, sagte er, „da hat jemand gemurmelt.“ Alle drei lauschten jetzt angestrengt. „Tatsächlich”, sagte Pepito, „jetzt habe ich es auch gehört. Die scheinen direkt aus
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dem Felsen zu flüstern. Da sind auch schabende Geräusche.“ Sie glaubten an Geister, denn die merkwürdigen Geräusche wiederholten sich in unregelmäßigen Abständen. Mal schienen sie heiser zu flüstern, dann wieder dumpf zu murmeln. Felipe sah ziemlich käsig aus und zuckte immer wieder zusammen. Einmal war ein lautes Scharren zu hören, dann erklang ein gedämpfter Fluch, und eine hohl klingende Stimme murmelte dazu. Sie suchten mit den flackernden Spänen ihre nähere Umgebung ab. Ihre Gesichter wurden immer ratloser, als sie nichts weiter fanden als eine winzige Röhre, die schwarz und unheimlich weiter in den Felsen führte. Aber sie war so klein, daß selbst Felipe nicht hineinkriechen konnte. Pepito bekreuzigte sich. Er glaubte an Geister, die im Erdreich hockten, und auch Roberto glaubte daran. Felipe wußte nicht, was er davon halten sollte, aber er hatte Angst vor diesen dumpf klingenden Stimmen. Niemand von ihnen verfiel auf die Idee, daß nur ein paar Yards weiter Carlo und Morena in einer anderen Höhe hockten. Und die befand sich fast unmittelbar neben der ihren. Für sie wurde es immer unheimlicher und rätselhafter. Aber sie trauten sich auch nicht, den Weg zurückzugehen, denn in der großen Höhle war es ebenso fürchterlich. Bibbernd warteten sie ab. Niemand wußte, wie es weiterging und was die nächsten Stunden bringen würden. 2. Von außen wiederum sah alles ganz anders aus. Da schien die Sonne auf die liebliche Flußlandschaft mit dem malerischen Wasserfall und ließ ihre Farben spielen. Die beiden Männer in der Jolle, Capitan de Mello und sein Erster Offizier Vanetto, konnten sich zwar ungefähr vorstellen, was sich im Innern des Höhlensystems abspielte, aber Einzelheiten wußten sie nicht.
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Vanetto, der schlanke Mann mit den dunklen Haaren und dem Oberlippenbart, hatte an diesem Morgen entdeckt, was da übergangslos passiert war. Die Entdeckung war allerdings eher zufällig gewesen und geschah bei seiner morgendlichen Inspektionsrunde. Da trat ein Bächlein aus einem Felsen, welcher der See zugekehrt war und etwa vierzig Yards westlich des Wasserfalls lag. Dieses Bächlein hatte es vorher noch nicht gegeben. Es lag auch nicht auf der Höhe des Wasserfalls, sondern weiter darunter. Es lief die Felsen hinunter und schlängelte sich als kleines Bächlein durch die Strandzone unterhalb des Felsens bis zur Bucht. Verwundert und erstaunt hatte Vanetto das registriert und gleich den Kommandanten wahrschauen lassen. Daraufhin hatten sie eine Jolle besetzt, um sich das Bächlein aus nächster Nähe anzusehen. Sie waren noch nicht am Buchtufer angelangt, als der Felsen mit einem dumpf en Ploppgeräusch auseinandersprang und eine rauschende Wasserfontäne hervorschoß. Aus dem Bächlein wurde gleich darauf ein gurgelnder Bach, der Unmengen Gesteinsbrocken mit sich riß. Im Felsen erschien ein gezacktes Loch von der Größe eines Fasses. Dann ließ die Fontäne nach, wurde kleiner und floß als neuer kleiner Wasserfall stetig weiter. Sie hatten sich mit der Jolle zurückgezogen bis dicht in die Nähe der „San Sebastian“, denn es war damit zu rechnen, daß noch mehr von dem Felsen wegbrach. Jetzt sahen sie den Veränderungen gespannt zu, und auch die Männer der Kriegsgaleone reckten neugierig die Hälse. Auf der „Trinidad“, wo sich zehn weitere Leute unter dem Kommando des Zweiten Offiziers der „San Sebastian“ befanden, wurde das alles ebenfalls mit Erstaunen und Verwunderung registriert. De Mello saß auf der Ducht des Beibootes und hatte das Spektiv am Auge, um besser beobachten zu können. „Der dreiundzwanzigste Schuß“, sagte er, „hat alles in Bewegung gebracht und
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verändert die ganze Landschaft. Erstaunlich, was so ein Treffer alles bewirkt. Ihre Idee war wirklich nicht mehr zu überbieten, Vanetto.“ Der Erste winkte bescheiden ab. Er hatte reichlich viel Lob in der letzten Zeit von seinem Kommandanten erhalten, trotzdem lief er jedesmal rot an, wenn die Sprache darauf kam. Immerhin war er es gewesen, der die Idee gehabt hatte, den vorkragenden Felsenteil des Wasserfalls zu zerstören und den Wasserfall auf diese Weise zurückzuverlegen. „Da die Strolche ohnehin sehr nervös sind“, sagte er, „werden sie jetzt wahrscheinlich vor Angst verrückt werden, wenn sie den berstenden Knall hören. In der Finsternis des Höhlensystems haben sie nicht die geringste Ahnung, was draußen vorgeht. Diese Unsicherheit aber ist sehr schlimm. Ich möchte nicht an ihrer Stelle sein.“ „Sie werden merken, daß das Wasser nicht mehr steigt, sondern jetzt langsam abfließt. Und dann müssen sie sich entschließen, denn ewig können sie nicht da drin bleiben. Ich nehme an, sie werden jetzt nach einem Spalt suchen, aus dem sie entwischen können.“ Alle beide versuchten sich darüber klarzuwerden, was eigentlich passiert war, und sie gelangten auch zum gleichen Schluß. „Das Wasser muß durch brüchige Felsen“, sagte de Mello, verstummte dann aber, als Vanetto sagte: „Das Wasser muß durch brüchige Felsen...“ Vanetto verstummte ebenfalls. Beide Männer sahen sich an und lachten leise. „Reden Sie weiter, Vanetto“, sagte de Mello, „ich glaube, wir haben beide genau die gleichen Gedankengänge. Ich höre.“ „Verzeihung, Capitan. Das Wasser muß durch brüchige Felsen einen Ausgang zu einer mehr küstenwärts gelegenen Höhle gefunden haben. Von der wiederum scheint es durch Risse und Spalten in eine anschließende, allerdings tiefer gelegene Höhle geflossen zu sein. Diese Höhle nun füllte sich immer mehr und mehr mit
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Wasser auf, mehr jedenfalls, als durch den Spalt abfloß, den ich vorhin entdeckte.“ „Nur weiter“, ermunterte ihn de Mello, „ich bin gespannt, ob Sie die gleichen Schlüsse ziehen.“ „Das ist nicht weiter schwer. Diese Höhle, die unter dem Niveau des eigentlichen Höhlensystems liegt, hat den Wasserdruck nicht verkraftet. Sie ist daher mit einem donnernden Knall geplatzt wie eine Blase, eben an der Stelle, wo das Wasser schon vorher austrat.” „Sehr richtig, Vanetto. Was schließen Sie weiter daraus?“ Der Erste, ein großer Tüftler und Denker vor dem Herrn, der gern schwierige Nüsse knackte und vom Wasserfall eine Querschnittszeichnung angefertigt hatte, brauchte nicht lange zu überlegen. De Mello freute es, wenn er seine logischen Überlegungen hörte. „Die Folge dieses explosionsartigen Knalls dürfte bewirken, daß sich Veränderungen in der Statik zeigen. Die Lehre vom Gleichgewicht und der Erfüllung der Gleichgewichtsgesetze trifft hier nicht mehr in der Form eben jener Gesetze zu. Das Höhlengefüge ist dadurch instabil geworden und ständigen Veränderungen unterworfen. Der Kern des Systems ist beschädigt und gestört. Wo etwas wegrutscht, muß infolge der Gesetzmäßigkeit etwas nachrutschen. Und das wird sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit so weit fortsetzen, bis das Gesetz der Statik wieder stimmt, allerdings in stark abgeänderter Form. Je größer als das - sagen wir mal Bauwerk - desto größer und katastrophaler die Auswirkungen. Oder ist das falsch, Capitan?“ „Nein, nein“, sagte de Mello lächelnd, wobei er den Finger ans Kinn legte und seinen Ersten nachdenklich musterte. „Das ist durchaus richtig. Ich mußte erst ein wenig überlegen. Sie sind ja der reinste Imhotep, falls Ihnen das etwas sagt.“ Dem Ersten sagte das eine ganze Menge, denn er las auch sehr viel in seiner Freizeit, und er hatte auch über die antiken Baumeister
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alles verschlungen, was er nur kriegen konnte. „Mir ist da schwach in Erinnerung, daß Imhotep ein ägyptischer Architekt, Arzt und Ratgeber des Königs Djoser war. Das muß so um zweitausendsiebenhundert vor Christi gewesen sein. Er soll die sogenannte Stufenpyramide von Saqqara und die Tempel in jenem Bezirk erbaut haben.“ „Ach! Und das ist Ihnen ganz schwach in Erinnerung? So ausführlich steht das ja nicht mal in den gelehrten Büchern“, sagte de Mello fast sarkastisch. „Sie wissen nicht auch noch zufällig - oder haben ganz schwach in Erinnerung, in welcher Dynastie das war? Ich muß ehrlich gestehen, ich weiß es nicht.“ „Das war in der dritten Dynastie“, sagte der Erste fast entschuldigend. „In der hellenistischen Zeit wurde Imhotep in Memphis als der Gott der Heilkunst verehrt. Man stellte ihn als einen Priester dar, der kahlköpfig, eine Papyrusrolle las. Verzeihen Sie, Capitan, aber Sie fragten mich danach.“ „Ja“, sagte de Mello seufzend, während er zu dem kleinen Wasserfall blickte. „Ich hatte allerdings nicht mit einer derart umfassenden Berichterstattung gerechnet. Ich wußte über den Senor Imhotep nicht einmal die Hälfte und werde mich in Zukunft hüten, Ihnen detaillierte Fragen nach illustren Persönlichkeiten zu stellen. Sie hätten diesem Mann übrigens beratend zur Seite stehen können, mein Lieber“, fügte er dann trocken hinzu. Vanetto grinste verlegen. De Mello grinste auch, aber er war stolz auf seinen Ersten, und beide hatten einen fast vertraulichen Umgang miteinander. „Vermutlich wird noch mehr zusammenbrechen“, sagte der Erste. „Es wird auch nicht ausbleiben, daß ein paar der Strolche dabei erschlagen werden oder anderweitig ums Leben kommen, sofern sie nicht jämmerlich ertrunken sind.“ „Weiß der Teufel, wie viele Kerle jetzt noch lebend in den Höhlen stecken“, meinte de Mello. „Und weiß der Teufel auch, wo sich noch mehr Risse und Löcher
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zeigen, durch die es dem einen oder anderem vielleicht gelingt, zu entwischen. Uns bleibt aber nichts anderes übrig, als vorerst abzuwarten. Wir können auch nicht näher an die Felsen heran, solange dort alles in Bewegung ist. Ich möchte keinen meiner Männer unnötiger Gefahr aussetzen. Das sind die Strolche da oben nicht wert.“ Vanetto nickte. Der Capitan hatte recht, und er war auch ein besonnener Mann, der nichts überstürzte. Sie mußten einfach abwarten, denn früher oder später würden die ersten Ratten die Löcher verlassen, sobald sich eine Gelegenheit dazu bot. Aber in ihrem Ausbruch werden die Kerle keine Freude mehr haben, dachte er grimmig. 3. In der großen Höhle hockten jetzt noch insgesamt sieben Kerle. Das war das höllische Quartett unter dem Kreolen Manzo, die Deserteure der ersten Stunde. Dann gab es noch drei weitere, die apathisch vor sich hinstierten und immer wieder ins Wasser blickten. Manzo starrte aus schmalen Augen auch immer wieder auf den Wasserspiegel. Er hatte sich an einer mit Golddublonen gefüllten Kiste den Pegelstand des Wassers gemerkt. Auf der Kiste hockte ein Kerl mit angezogenen Beinen. Das Gesicht hatte er in die Hände vergraben, und so stierte er vor sich hin. So, wie das Wasser anfangs gestiegen war, hätte es jetzt längst über der Kiste stehen müssen, überlegte Manzo. Aber das war nicht der Fall. Das Wasser blieb auf der Höhe und veränderte sich auch nicht mehr. Er registrierte das mit Verwunderung, aber er zog immer noch keine Schlüsse daraus. Lauernd wartete er ab, ohne den Markierungspunkt aus den Augen zu lassen. „Ist was?“ fragte Casco den Kreolen. „Du stierst immerzu auf denselben Fleck.“ „Na und? Soll ich vielleicht eure dämlichen Visagen anglotzen? Da steht doch nur Angst drin.“
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„Ich hab' auch ganz verdammte Angst“, gab Casco zu. „Aber du bist verflucht ruhig und gelassen.“ Der narbige Kreole grinste überlegen. Die Kerle blickten zu ihm auf, seit Cabral das Zeitliche gesegnet und sich von dieser Welt verabschiedet hatte. Zeigte er jetzt aber lässig auf den Markierungspunkt und erklärte ihnen, daß das Wasser nicht mehr steige, dann hatten auch sie keine Angst mehr. So aber sahen sie ihn als furchtlosen Kerl, vor dem man auch Respekt hatte. „Ich bin immer ruhig und gelassen“, sagte Manzo, wobei er gemütlich und ruhig die Arme über der Brust verschränkte. „Wenn mich der Satan holt, dann holt er mich eben. Aber vorher trete ich ihm noch auf seinen Pferdefuß und kneife ihm in den Schwanz.“ Das hörten auch die anderen. Der Kerl, der auf der Goldkiste hockte, blickte auf und wünschte sich, er könnte auch so gelassen sein. Seit ein paar Stunden schon hatte er lautlos vor sich hingebetet und wartete auf den Erfolg. Doch die Mutter Maria und alle Heiligen schienen sich von ihnen abgewandt zu haben und ließen sie schmählich im Stich. Vielleicht aus dem Grund, weil er schon lange keine Kerze mehr gestiftet hatte. „Ob die anderen Kerle einen Ausgang gefunden haben?“ fragte Domingo nach einer Weile zaghaft. „Keiner von denen ist mehr zurückgekehrt.“ „Vielleicht sind sie in anderen Höhlen ersoffen, oder sie haben sich verirrt“, erwiderte Manzo gleichgültig. „Einen Ausgang haben sie ganz sicher nicht gefunden. Vermutlich hocken sie in einer anderen Höhle und warten auf ein Wunder.“ „Sollen wir nicht auch versuchen, ei ...“ „Versucht es doch. Ich bleibe hier sitzen. Aber beschwert euch nicht, wenn ihr plötzlich verschwunden seid und nicht mehr zurückfindet. Hier ist wenigstens noch etwas Dämmerlicht. Kann ja auch sein, daß der verdammte Felsbrocken abrutscht und in den Fluß donnert. Dann sind wir schon so gut wie draußen.“
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„Aber wir können nicht mehr über den Sims. Das Wasser würde uns in die Tiefe reißen.“ „Dann landet man eben im Fluß, schwimmt ans Ufer und haut ab.“ „Unten lauern die Marineknechte“, wandte Domingo ein. „Ach, laß mich doch mit deinen Scheißmarineknechten in Ruhe“, fluchte der Kreole. „Die kriegen das gar nicht mit, wenn da einer durch das Wasser fliegt.“. Domingo gab es auf, dem Kreolen etwas zu sagen. Der hockte da wie ein Brett und grinste immer nur abfällig. Eine Zeitlang sprach keiner ein Wort: Nur das stetige Rauschen des Wassers war zu hören. Es klang monoton und einschläfernd. Von der „San Sebastian“ fiel auch schon seit langer Zeit kein Schuß mehr. Sie hatten das Gefühl, als seien sie die einzigsten Menschen auf der Welt. Vom Schicksal ihrer anderen Kumpane wußten sie auch nichts. Das war alles unsichtbar für sie vor sich gegangen. Sie waren von allem abgeschnitten. Plötzlich war ein feines Knistern im Fels zu hören. Sofort ruckten die ersten Köpfe hoch und blickten zur Decke. Aus dem Knistern wurde ein Knacken, als würde etwas platzen. Dann war ein Kreischen im Fels zu hören. Entnervt sprangen ein paar Kerle auf. Mit ängstlichen Blicken sahen sie sich nach allen Seiten um. „Da bricht was!“ schrie Casco, der schon einmal die Nerven verloren hatte. „Hilfe, der Felsen bricht!“ „Halt dein Maul!“ schrie Manzo. „Noch bricht gar nichts. Das hat schon öfter geknackt und gekracht.“ Das Krachen wurde lauter und übertönte jetzt mühelos das monotone Rauschen des Wassers. Manzo hatte das Gefühl, als würde der Felsen um sie herum in höchster Not schreien. Der erste Kerl flitzte vor Angst nur so von der Kiste und landete mit einem Schrei im Wasser. Dort begann er verzweifelt zu rudern und um Hilfe zu brüllen, aber niemand kümmerte sich um ihn.
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Immer unheimlicher wurden die Geräusche. Der Felsen knisterte und bebte, als stünde er erneut unter heftigem Beschuß. Einmal löste sich ein kopfgroßer Brocken aus der Decke, der platschend ins Wasser fiel. Dann verebbten die Geräusche nach einer Weile, und es trat wieder Ruhe ein. Aber da war noch ein leises, weit entferntes summendes Geräusch zu hören, das sie beunruhigte und für das niemand eine Erklärung fand. „Was ist das?“ fragte Tuloca heiser. „Da summt doch was. Was haben die Kerle da draußen vor?“ „Weiß ich doch nicht!“ brüllte Manzo. „Ich kann genauso viel sehen wie ihr auch.“ „Die stürmen jetzt!“ rief Casco. Der Kreole lachte laut und höhnisch. „Wie sollen sie denn stürmen? Dazu müßten sie erst einmal den Felsbrocken zur Seite wischen. Und wenn sie das geschafft haben, dann reißt sie das Wasser mit einem Schwall zurück. Die können überhaupt nichts tun und wir vorerst auch nicht. Also haltet eure dämlichen Schnauzen und beruhigt euch wieder.“ Diesmal verging eine gute Viertelstunde, da fiel Domingo etwas auf. „Ich hab' mal das Wasser beobachtet“, sagte er voller Hoffnung und sehr eifrig. „Es ist in der letzten Zeit überhaupt nicht mehr gestiegen. Es bleibt an derselben Stelle stehen.“ Die anderen starrten sich die Augen aus. Nur Manzo ärgerte sich, weil Domingo das bemerkt hatte. Er gab sich aber ganz den Anschein, als hätte er das noch nicht bemerkt. „Glaube ich nicht“, sagte er verächtlich. „Es steigt vielleicht ein bißchen langsamer als vorher.“ „Nein, nein, ich habe das genau beobachtet. Hier“, sagte Domingo und zeigte auf einen Punkt an der Felswand, der im diffusen Halblicht gut zu erkennen war. „Da glitzert ein Steinchen im Fels und ich überlegte noch, wann das Glitzern verschwunden sein würde. Aber es verschwindet nicht. Genau unter dem
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Punkt hat das Wasser aufgehört zu steigen. Ist dir das noch nicht aufgefallen, Manzo?“ „Nein, und wenn das wirklich stimmt, bedeutet das überhaupt nichts.“ „Aber wir werden nicht mehr ersaufen.“ Die Kerle wurden ganz munter und aufgeregt, als sie das hörten. Sofort flammte neue Hoffnung in ihnen auf, die der Kreole jedoch mit ein paar Worten erlöschen ließ, indem er sagte: „Ersaufen vielleicht nicht, aber verhungern. Wenn das Wasser so stehenbleibt, gelangen wir trotzdem nicht heraus. Das eine oder das andere ist gleich beschissen. Es ändert nichts an der Lage.“ Schließlich sahen die anderen das ein. Nein, es änderte nichts, es blieb nur die Tatsache, daß sie ein bißchen länger lebten. Verhungern war letztlich noch schlimmer als Ertrinken, denn das dauerte länger und war außerdem mit Qualen verbunden. „Sind noch Kokosnüsse da?” fragte prompt jemand. „Nein, keine mehr, die letzten habt ihr gefressen. Aber mit ein paar Nußschalen kann ich noch dienen“, sagte der Kreole. Danach herrschte wieder Schweigen, und die Blicke aller wurden wie magisch von dem Glitzerpunkt im Felsen angezogen, unter dem das Wasser stand. Von dem glitzernden Körnchen war es nur eine Fingerbreite entfernt. Immer wieder stierten sie auf diesen Punkt, als hinge ihr Leben daran. Einer tastete sich durch das Wasser, nahm sein Messer und ritzte eine lange Kerbe in den Fels, direkt neben dem Glitzerpunkt. Er tat das mit fast feierlicher Andacht, zog sich dann auf seine Kiste zurück und beäugte den Strich, bis ihm die Augen wehtaten. Etwas später tränten ihm die Augen, aber er glotzte immer noch so andächtig wie ein Mondkalb. „Es steigt nicht mehr“, verkündete er, „die Mutter Maria hat ein Einsehen mit uns und erbarmt sich. Sie weiß, daß ich ein guter Mensch bin“, setzte er dann bescheiden und schluchzend hinzu. „Ja, das weiß sie“, sagte der Kreole höhnisch. „Du stehst in ihrem
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Rettungsbuch gleich oben an erster Stelle, wo die Heiligenscheine so schön glitzern. Und das hat die Mutter Maria jetzt aufgeschlagen und darin den armen Jose entdeckt. Und da hat sie bestimmt gedacht: Ich muß den armen und so ehrlichen Jose unbedingt retten, damit er nicht zwischen all den Sündern verkommt. Jetzt wird es auch nicht mehr lange dauern, und sie schwebt herein, versteckt den ehrlichen Jose unter ihren Flügeln und geleitet ihn sicher hinaus.“ Für einen Augenblick waren die Kerle abgelenkt und grinsten, als sie sich das vorstellten. „Und eine ganze Schar Engel wird ihn begleiten und ihm auf der Harfe was vorspielen“, sagte Domingo wiehernd vor Lachen. „Vielleicht läßt sie den Bastard aber auch genau über der Kriegsgaleone an Deck fallen“, setzte Casco höhnisch hinzu. „Dann wird Jose aufgehängt zum Trocknen, weil Jose mal in der Muttergotteskirche von Cadiz vier Kerzen und einen Silberkelch geklaut hat.“ „Das stimmt nicht, das ist nicht wahr!“ kreischte Jose. „Klar, ich war doch dabei. Das wird auch in ihrem Rettungsbuch auf der ersten Seite stehen.“ „Er hat auch mal einer Nonne Gewalt angetan“, sagte Toluca. „Und die hatte das gar nicht so gern. Aber damit ist das Buch noch lange nicht voll.“ Dann breiteten sie grinsend und schonungslos seine Sünden aus, und da stellten sie ein ansehnliches Register zusammen, bis Jose immer mehr vor Angst in sich zusammenkroch. Den Kerlen gefiel das, es lenkte sie von der heiklen und lebensbedrohenden Situation für eine Weile ab. Vor allem war es viel schöner, die Schwächen und Untaten anderer genüßlich auszubreiten als die eigenen, denn das war immer sehr peinlich. So war also Jose der Sündenbock, das schwarze Schaf, das zwischen ehrlichen und geläuterten Seelen hockte. „Mir hat sie sich jedenfalls einmal gezeigt, als ich noch ein kleiner Junge war“,
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jammerte Jose. „Da habe ich sie mit eigenen Augen gesehen, das ist wirklich wahr.“ „Mir ist sie auch mal erschienen“, behauptete Casco ernst. „Da hat sie den Zeigefinger hochgehoben und gesagt: ,Wenn Jose wieder mal so lügt, dann hau ihm ordentlich was aufs Maul! Ja, genau das waren ihre Worte, bevor sie entschwebte.“ Die Kerle lachten roh. Doch das Lachen verging ihnen bald, denn der Fels begann wieder zu wanken und zu arbeiten. Vergessen waren die Lästereien, denn jetzt lauschte jeder den unheimlichen Geräuschen, die aus dem Felsen drangen. „Diesmal ist es ganz anders“, sagte Domingo schluckend. Er erhielt keine Antwort, aber alle sahen nach oben an die Felsdecke, wo es bedrohlich zu knacken begann. Ungeheure Spannung lag plötzlich in der Luft. Jeder der Strolche spürte überdeutlich, daß gleich etwas geschehen würde, etwas, was sie in der Höhle bisher noch nie erlebt hatten. Der Kreole zog instinktiv das Genick ein, beugte den Oberkörper etwas vor und rollte sich wie ein Igel zusammen. Er spürte, daß sich seine Nackenhaare aufrichteten. Den anderen brauste es in den Ohren. Ein Druck war da, etwas, das man nicht richtig erfassen oder begreifen konnte. Es lauerte unsichtbar um sie herum. Fernes Dröhnen und Klopfen war zu hören, als würde im Fels gehämmert und geklopft. Dann zeigte sich übergangslos ein breiter Riß in der Decke, der von berstenden Geräuschen begleitet wurde. Jose fing an zu schreien. Er hockte sich auf seine Kiste, faltete die Hände und fing an laut zu beten. Niemand sah hin, jeder war mit sich selbst beschäftigt. Domingo und Casco beteten ebenfalls inbrünstig, aber lautlos, nur mit zuckenden Lippen. Es war wie auf See, wenn unmittelbar ein Gewitter oder ein Sturm bevorstand. Die Luft war mit Energie geladen. Dem kaltblütigen Kreolen lief eine Gänsehaut über den ganzen Körper. Er
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fröstelte und rollte sich noch mehr zusammen. „Ich will hier raus!“ brüllte Casco mit überkippender Stimme. Er stellte sich auf die Goldkiste und schrie vor Angst. In das leise Tosen des Wasserfalls mischte sich neben den knackenden und berstenden Geräuschen ein anderer Ton. Irgendwo begann Wasser zu rauschen, aber dieses Rauschen ertönte von woanders her und hatte mit dem Wasserfall offenbar nichts zu tun. Es wurde lauter und durchdringender, gleich darauf zischte es. Was dann folgte, ließ sie vor Angst zusammenzucken. Mit urweltlichem Donnergetöse platzte etwas wie eine unvorstellbar riesige Blase. Der Donner rollte durch den ganzen Berg. Es war, als würden die steinernen Wände schwanken und umstürzen. Der Berg schüttelte sich wie ein tödlich getroffener Riese. Dem ersten Knall folgte ein zweiter, der allerdings gedämpfter klang. Angstvoll lauschten die Kerle in die Finsternis und blickten scheu zum Wasserfall in der Hoffnung, der dicke Brocken habe sich gelöst und sei mit Donnergetöse in das Flußbett gefallen. Der Brocken war jedoch noch da und hatte sich überhaupt nicht bewegt. Wie ein festgeschlagener Keil steckte er im Eingang zum Höhlensystem, den keine Kraft mehr herausreißen konnte. Weitere Schreckenslaute erklangen. Die sieben Kerle zitterten jetzt vor Angst und bewegten sich kaum noch. Jeder hatte seinen Platz auf der Kiste, und dort hockte er verzweifelt, unwissend, was um ihn herum vorging und passierte. Jetzt geschah das, was der Erste Offizier der „San Sebastian“ bereits vorhergesagt hatte. Die Statik im Höhlensystem veränderte sich, alles begann instabil zu werden und wegzurutschen. Die Kerle wußten das nicht und waren daher auch nicht in der Lage, diese unheimlichen Geräusche richtig zu deuten. Aus dem Riß in der Decke löste sich ein weiterer Brocken, der mit dumpfem
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Platschen dicht neben Manzo ins Wasser fiel. Erschrocken und entnervt kroch der Kreole weiter auf seiner Kiste zurück und bedeckte mit beiden Händen den Schädel. Jetzt hatte auch er mächtigen Bammel, und es war ihm gleichgültig, ob die anderen das sahen. Die sahen es natürlich nicht, denn sie waren mit sich selbst beschäftigt und lauschten den unheimlichen vielfältigen Geräuschen. Der Riesenknall hatte ihnen den letzten Nerv gezogen. Erneut tat sich abrupt ein Riß in der Felswand auf. Domingo hörte das leise Knirschen direkt neben sich und fuhr wie von der Natter gebissen herum. Im diffusen Zwielicht erkannte er, wie unsichtbare Kräfte den Fels auseinanderdrückten als sei er aus Wachs. Steinbrocken begannen abzubrechen und klatschten ins Wasser. Schluckend starrte er auf den immer größer werdenden Spalt, wobei er abwehrend die Hände ausstreckte. „Neiiiin!“ brüllte er, als dicht neben ihm polternd ein kopf großer Felsbrocken nach unten fiel, auf der Kiste landete und von dort aus weiter ins Wasser rollte. Mit einem wilden Satz sprang er ins kalte Wasser und begann brüllend herumzupaddeln. Der Berg bebte immer noch. In seinem Innern grollte und pochte es. Erst allmählich gelangte der Felsen zur Ruhe. Ein paar knisternde Geräusche blieben jedoch. Manzo hatte sich wieder gefangen und lauschte angestrengt auf ein anderes Geräusch. So etwas hatte er noch nie gehört, seit sie in den Höhlen gefangen waren. Als er mit zusammengekniffenen Augen um sich schaute, hörten es auch die anderen. Domingo stand bis zur Brust im Wasser und blickte zu dem Eingang. Dann schüttelte er den Kopf. „Da gurgelt was“, sagte er mühsam. Ein lautes Gurgeln war jetzt zu hören. Dann ein Schlürfen und Schmatzen, dem ein saugendes Geräusch folgte. Unheimlich hörte sich das an - wie ein Ungeheuer, das
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sich saufend nähert. Dieses lang anhaltende Geräusch nervte sie wieder, weil niemand eine Erklärung dafür hatte. So hockten sie da mit ängstlich verzogenen Gesichtern, total eingeschüchtert durch die unheimlichen und nicht erklärbaren Geräusche. „Hee!“ sagte Manzo langgezogen. „Seht mal auf den Punkt im Felsen. Fällt euch da was auf?“ Verblüfft stierten die anderen auf den Markierungspunkt, der sich eine Fingerbreite über Wasser befunden hatte. Jetzt fand er sich schon mehr als eine Handbreite darüber. „Das Wasser läuft ab!“ schrie Domingo. „Es nimmt ab. Jetzt sind wir gerettet!“ Jubelnd riß er die Arme hoch. „Davon kann überhaupt keine Rede sein“, sagte Manzo kalt. „Das Wasser nimmt tatsächlich ab, aber deshalb gehts uns noch lange nicht besser. Wir können nicht hinaus.“ Den anderen war das vorerst egal. Ein Weg würde sich vielleicht doch noch finden. Verwundert kletterten sie von ihren Kisten und stierten den Markierungspunkt an. Das Rauschen und Gurgeln war immer noch zu hören und klang unheimlich in ihren Ohren. Aber das Wasser floß ganz unmerklich ab, und das hielten sie im Moment für äußerst wichtig. Casco hielt die Hand an den Wasserspiegel und stellte sich so, daß er seine eigenen Finger im Zwielicht gerade noch erkennen konnte. „Es läuft immer mehr ab“, sagte er erregt. „Aber wohin mag es nur fließen?“ Manzo hatte ebenfalls seinen Platz verlassen. Er stand im Wasser, nahm einen Holzsplitter und ließ ihn schwimmen. „Bleibt mal ruhig stehen“, fauchte er die anderen an. „Ich will wissen, wohin das Wasser fließt. Wenn es irgendwo abfließt, muß es ja einen Ausgang geben, ein Loch oder einen breiten Riß. Wenn wir das herausgefunden haben, sieht es schon anders aus.“ Ohne sich zu bewegen, blickten sie jetzt auf den Holzsplitter, als könne der ihnen den Weg ins Freie weisen. Der Holzsplitter
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rührte sich jedoch nur ganz schwach und bewegte sich nur unmerklich weiter zu den anderen im Hintergrund liegenden Höhlen. „Verdammt noch mal“, sagte der Kreole. „Der bewegt sich ja kaum, dabei geht das Wasser immer weiter zurück.“ Das entsetzliche Gurgeln war jetzt wieder überlaut zu hören, als die Kerle schwiegen. „Sieh mal nach, woher das stammt, Jose“, sagte Manzo. „Das zieht mir bald den letzten Nerv.“ „Ich trau mich da hinten nicht hinein“, sagte Jose kleinlaut. „Ich habe Angst im Dunkeln.“ „Dann nimm eine Fackel mit.“ Jose rührte sich nicht. Er blieb stehen und schüttelte nur ängstlich den Kopf. „Du erbärmlicher Feigling“, zischte Manzo verächtlich. „Aber raus willst du feiger Sack, was!“ Er deutete zu Domingo, der bewegungslos wie eine Säule an der Felswand lehnte. „Dann geh du nachsehen.“ „Erst, wenn das Geräusch aufgehört hat“, sagte Domingo kläglich. „Das ist mir nicht geheuer. Vielleicht sind das Geister.“ Auch Domingo wurde als feiger und erbärmlicher Sack tituliert, aber das juckte ihn nicht im geringsten. Jetzt baute sich Manzo vor Casco auf und blitzte ihn an. „Mir reicht es jetzt, ihr feigen Hunde. Du gehst jetzt nachsehen, und wenn du auch den Kopf schüttelst, dann hast du ihn zum letztenmal geschüttelt.“ Casco ging schweigend zur Wand hinüber, nahm mit vor Wut zusammengepreßten Lippen die Fackel aus dem Spalt und watete durch das Wasser, das jetzt nur noch kniehoch war. „Dein Glück“, knurrte Manzo hinter ihm her. Casco ging nur zögernd, wobei er die Fackel am weit ausgestreckten Arm vor sich hertrug. Immer wieder irrten seine Blicke umher, und bei jedem schmatzenden oder schlürfenden Ton zuckte er verstört und ängstlich zusammen. Er gelangte bis zum Abzweig der ersten Höhle, lauschte den fürchterlichen Geräuschen und blieb abrupt stehen, als
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habe ihn der Schlag getroffen. Dann stieß er einen gellenden Schrei aus. Die Hand mit der Fackel zitterte, und fast wäre sie ins Wasser gefallen, so entsetzt war er. Aus trüben Augen starrte er auf das grausige Bild, das sich ihm bot. In einer Nische lehnte der Leichnam des Zweiten Offiziers. Er saß da, als hätte er sich nur so hingehockt, um auszuruhen. Seine Augen waren weit offen, und der Mund schien böse zu grinsen. Von seinen Haaren troff das Wasser. Die rechte Hand schwamm in der Brühe und bewegte sich langsam hin und her. Bestürzt stierte Casco ihn an. Er wurde das Gefühl nicht los, daß der Kerl noch lebte. Er stieß einen zweiten markerschütternden Schrei aus, drehte sich um und wollte zurücklaufen. Da stieß ihn jemand hart an und ergriff seinen Arm. „Was brüllst du Idiot hier herum!“ schrie Manzo wütend. „Die Kerle sind alle genervt, aber du mußt ...“ Er verstummte, als sein Blick auf den Zweiten Offizier fiel. „Der - der lebt noch“, stammelte Casco. Die Fackel in seiner Hand zitterte so stark, daß Manzo sie ihm abnahm, damit sie nicht ins Wasser fiel. „Klar lebt der noch“, sagte Manzo höhnisch. „Der grinst sogar, weil er sich freut, uns wiederzusehen. Einen schönen guten Tag auch, verehrter Senor“, setzte er höhnisch hinzu. „Wünsche, wohl geschwommen zu haben.“ Ohne sich weiter um Casco zu kümmern, drehte er sich um und verschwand mit der Fackel. Als Casco jetzt in der Finsternis stand und nur ein ganz schwaches Licht herüberzuckte, sah Gutierrez noch fürchterlicher aus. Breit und bösartig grinste er: Wassertropfen fielen von seinem bleichen Gesicht. Die Haut war verschrumpelt wie die einer Wasserleiche. Casco nahm die Beine in die Hand, als die Finger des Zweiten Offiziers nach ihm zu tasten schienen, und rannte blindlings fort in die Richtung, wo er den kleinen Lichtschein sah.
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Eine Wasserwand stiebte vor ihm hoch wie eine Gischtwolke, die ihm die Sicht nahm. Fluchend, stolpernd und sich alle Augenblicke angstvoll umdrehend, rannte er weiter, bis er die erste Höhle erreichte. Dort lehnte er' sich blaß und keuchend an die Wand und zitterte an allen Gliedern. „Was ist denn los?“ fragte Jose ängstlich. „Bist du dem Teufel begegnet?“ Casco gab keine Antwort. Er schnaufte, holte immer wieder tief Luft und hörte sein Herz wie einen riesigen Hammer in der Brust schlagen. „Er hat nur Gutierrez getroffen“, sagte Manzo höhnisch. „Und das hat er nicht verkraftet. Dabei sitzt der Kerl ganz ruhig in einer Ecke und tut keiner Fliege was zuleide.“ „Gutierrez“, sagte Domingo würgend, „der Kerl ist ja wie ein Alptraum. Überall verfolgt er uns. Ist er hier in der Nähe?“ „Eine Höhle weiter, falls du ihm guten Tag sagen willst. Im übrigen dürften sich noch ein paar tote Kerle hier herumtreiben. Gutierrez ist nicht der einzige.“ Ein Schauer kroch den anderen über den Rücken. Im Prügeln, Stechen und Morden waren sie ganz groß, aber hier hatten sie erbärmliche Angst vor einem Toten und glaubten an Flüche, Geister und Spuk. Das Wasser sank weiter. Nach einer Weile standen sie nur noch bis zu den Knöcheln in einer undefinierbaren dunklen Brühe. Dort hatte sich jetzt Staub und Dreck abgelagert und sich zu einem schlammigen Sud vermischt. „Scheiß, verdammter“, sagte Manzo ärgerlich, „jetzt wissen wir immer noch nicht, wohin das Wasser geflossen ist.“ „Bestimmt in die tiefer liegenden Höhlen“, sagte Jose. „Da wird die Brühe jetzt stehen.“ „Aber da sind doch Felipe, Romero, Pepito und die anderen ganz sicher hingegangen.“ „Na und?“ sagte Manzo. „Die wollten es doch nicht anders, die Klugscheißer. Wahrscheinlich sind sie jetzt alle jämmerlich ersoffen, als das Wasser ablief.“
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„Das ist schlimm“, meinte Domingo. „Aber wir hätten ebenfalls ersaufen können.“ Manzo zog seine Stiefel aus und entleerte sie vom Wasser. Dann zog er sie wieder an. „Schlimm ist das?“ sagte er hämisch. „Das ist doch bestens. Da gibt es später beim Teilen viel weniger Schwierigkeiten und für jeden anderen fällt entsprechend mehr ab.“ „Ich glaube nicht mehr daran, daß wir diese Schätze jemals werden versaufen können“, sagte Jose kläglich. „Wenn wir hier wirklich rauskommen, werden sich die Sauhunde von der Marine alles holen und keine Münze übriglassen. Die Kerle sind bis an die Zähne bewaffnet. Gegen die haben wir keine Chance mehr.“ „Wir sind auch gut bewaffnet“, sagte Manzo, „aber ich gebe nicht auf, niemals. Ich will dieses Gold und Silber, und ich will damit den Rest meines Lebens verbringen, in Saus und Braus. Sonst wäre alles umsonst gewesen. Wir finden schon noch einen Weg, wie wir an die Klunker gelangen. Verlaßt euch nur auf Manzo.“ „Meinst du wirklich?“ fragte Toluca zweifelnd. „Natürlich, das laß ich mir doch nicht entgehen. Und wenn ich die ganze verdammte Galeone in Brand stecke.“ Die anderen schöpften wieder Hoffnung. Manzo hatte sie motiviert, denn der rannte mit dem Schädel durch die Wand, wenn es sein mußte. Der Kreole war hart und zäh, und er gab nicht auf. Er hatte andererseits aber auch für seine Kumpane nicht viel übrig und rührte keine Hand für sie. Wenn in den anderen Höhlen ein paar Kerle ertrunken waren, störte ihn das nicht im geringsten. Es ließ ihn völlig kalt. Er kannte auch kein Mitleid, dieses Wörtchen war in seinem Sprachschatz nicht enthalten. Etwas später war das Wasser verschwunden. Zurück blieb eine Schicht aus Schlamm, Geröll, kleinen Steinchen und Dreck. Aber das Gurgeln hörte nicht auf. Es blieb, war nur etwas leiser
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geworden und mit steter Regelmäßigkeit zu hören. „Der Teufel mag wissen, wo das gurgelt“, sagte Manzo, „das muß doch irgendwann einmal aufhören.“ Sie irrten ein wenig herum, trauten sich aber nicht weiter als bis zu jener Ecke, wo der Zweite Offizier auf dem schlammigen Boden hockte. Der saß immer noch so da und grinste bösartig. Manzo rümpfte angewidert die Nase. „Der stinkt wie ein toter Wal“, sagte er, „und wir können ihn nicht einmal durch den Wasserfall schmeißen. Das sind ja feine Aussichten, wenn das noch ein oder zwei Tage so weitergeht.“ „Können wir ihn nicht in irgendeinen Spalt stopfen?“ fragte Domingo. „Dann sehen wir ihn wenigstens nicht.“ „Stopf ihn dir doch in die Tasche“, sagte Manzo verächtlich. „Ob der da liegt oder in einem Spalt steckt, ändert nichts daran, daß der Kerl weiter lieblich duftet.“ „Und was tun wir dagegen?“ „Die Nasen zuhalten“, riet Manzo. „Erstunken ist noch keiner, aber ersoffen sind schon viele. Also sind wir ganz gut dran.“ Nachdem auch der letzte Rest Wasser abgeflossen war, breitete sich wieder Apathie aus. Die Kerle kletterten erneut auf ihre Kisten, denn in dem Schlamm konnte sich keiner hinsetzen. Hin und wieder überwand sich einer und ging zu dem Felsbrocken, der den Eingang versperrte. Dann sah er ein wenig Licht, aber selbst das spärliche Licht wurde von dem Wasserfall noch gedämpft und drang nur sehr schwach herein. Sie warteten. Aber sie wußten nicht genau, auf was sie eigentlich warteten. Jeder hoffte insgeheim darauf, daß Manzo sich aufraffte und etwas unternahm. Aber der Kreole wartete selbst auf ein Wunder, denn er sah vorerst keinen Ausweg aus dem Dilemma. 4.
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Morena und Carlo hockten auf ihren Fässern und lauschten den vielfältigen Geräuschen, die aus dem Berg drangen. „Verdammt langweilig, hier zu hocken und zu warten“, motzte Morena nach einer Weile. „Auf was warten wir überhaupt?“ Aus den verstreut im Wasser liegenden Perlen hatte er sich eine Handvoll herausgefischt. Einzeln warf er sie immer gegen den Felsen, bis sie aufprallten und ins Wasser fielen. War die Handvoll leer, fischte er sich neue Perlen und begann mit dem Spiel erneut. Carlo sah dem sinnlosen Spiel mißmutig zu. Er hatte Hunger und Durst. Sein Magen knurrte, und so wurde er immer verdrießlicher. Es ärgerte ihn, daß sie hier zwischen all dem Reichtum saßen und absolut nichts damit anfangen konnten. Perlen konnten sie gegen die Wände werfen, aber damit hatte es sich auch. „Hör doch mit diesem nervtötenden Scheiß auf!“ knirschte Carlo. „Das kann man ja nicht mehr mit ansehen. Dabei muß man ja verblöden.“ Die nächste Perle flog gegen den Fels und landete im Wasser. „Bei dir ist nicht mehr viel zu verblöden“, sagte Morena. „Aber wenn du Langeweile hast, kannst du ja aus dem Faßdeckel noch ein paar Späne schnitzen. Der Rest ist bald verbraucht, und dann sitzen wir in der Finsternis.“ „Ich? Schnitz du doch welche. Du bist ja so versessen darauf, etwas zu tun.“ „Du kannst es natürlich auch bleiben lassen“, erklärte Morena hämisch grinsend. „Mir macht es nicht viel aus, im Dunkeln zu hocken. Wenn dann die Totenuhr wieder klopft ...“ Carlo sprang von seinem Faß und gab ihm einen wütenden Tritt. „Hör auf! Ich tu's ja schon. Aber hör bloß mit der verdammten Totenuhr auf.“ „Du hast doch damit angefangen.“ Morena warf weiter Perlen ins Wasser und sah grinsend zu, wie sein Kumpan sich abmühte, Späne aus dem harten Holz zu schnitzen. Gerade als Carlo damit anfing, hob er lauschend den Kopf, Morena ließ die
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Perlen achtlos ins Wasser fallen und stand ebenfalls auf. „Das hört sich aber merkwürdig an“, sagte er heiser. Durch den Berg lief ein dumpfes Grollen. Alles zitterte, sogar die Wände gerieten in Bewegung und wackelten. „Heilige Mutter Maria“, stieß Carlo entsetzt hervor. „Vielleicht kippt jetzt der Berg um.“ Er sprang zu seinem Faß und hielt sich daran fest. Mit der anderen Hand griff er nach Morenas Arm, aber der schüttelte ihn ab. Ihm war das selbst nicht geheuer. Stumm lauschten sie den entsetzlichen Geräuschen. Beiden standen vor Angst die Haare zu Berge. Das Geräusch wiederholte sich. Diesmal war es ein tiefes dumpfes Grollen, als breche ein Vulkan aus. Wieder bebte und wankte die Höhle. Von der Decke löste sich ein faustgroßer Brocken, der direkt neben Carlo ins Wasser klatschte. Er ließ das Faß los und rannte mit irren Blicken zur Felswand, um dort Schutz zu suchen. Dann gab es einen entsetzlich lauten Knall, als würde ein riesiger Pfropfen aus einer Flasche gezogen. „Steh uns bei, Heilige Mutter!“ kreischte Carlo. Morena sagte gar nichts. Er war wie gelähmt, hatte das Gesicht qualvoll verzogen und lauschte. Dabei versuchte er gleichzeitig, die Geräusche zu definieren, aber er wußte nicht, was es war. Carlo begann jetzt, in blinder Panik in der Höhle umherzurennen. Mal rannte er an die eine Wand, dann wieder zurück zur anderen Seite. Er rang die Hände und betete laut darum, nicht sterben zu müssen. Doch die Geräusche wurden noch unheimlicher. Dem Knall folgte ein Gurgeln, Schmatzen und Rauschen, das immer lauter wurde. Carlo bibberte am ganzen Körper. Er hatte sich jetzt mit dem Achtersteven ins Wasser gehockt und sah sich mit irren Blicken um. „Was ist das?“ schrie er. „Weiß ich doch nicht“, murmelte Morena. Er blickte zu der kleinen Röhre, in der Erwartung, daß jeden Augenblick ein
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mächtiger Wasserschwall hereinschießen und sie von den Beinen reißen würde. Sehr zögernd ging er dorthin, wo sich der andere Eingang zu dieser Grotte befand. Auch von dort konnten jeden Augenblick ungeheure Wassermassen hereinschießen. Wenn das der Fall war, dann ersaufen wir hier wie die Ratten, überlegte er. Jetzt überfiel auch ihn Panik. Ein Gefühl grenzenloser Verlassenheit erfüllte ihn. Es war so stark, daß ihm fast die Luft wegblieb. Sie konnten nichts mehr tun, gar nichts, höchstens noch beten, doch das half auch nicht, wie er bei Carlo gesehen hatte. Dieses entsetzliche Schlürfen, Schmatzen und Saugen wurde immer lauter und unheimlicher. Ein schmatzender Riesenkrake schien auf dem Weg zur Grotte zu sein und alles auszufüllen. Morena wich ein paar Schritte zurück, sah sich verstört nach allen Seiten um und setzte sich wieder auf das Faß. Der Berg knisterte. Im Boden entstand ein feiner Riß, aber den sah Morena erst, als langsam das Wasser hindurchsickerte. Das war der Zeitpunkt, an dem auch die Geräusche etwas leiser wurden. Carlo wandte sich ihm mit bleichem Gesicht zu. „Wir sind verloren“, sagte er. „Der Felsen ist eingestürzt und hat alles unter sich begraben.“ „Irgendwo ist da etwas geplatzt, so hörte sich das jedenfalls an. Aber ich weiß nicht, was es war. Jedenfalls ist das Wasser verschwunden und nicht hier hereingestürzt.“ Carlo hatte das in seiner Angst noch gar nicht bemerkt. Jetzt blickte er verwundert auf den Boden und auf den Riß, der sich mehr als ein Yard lang bis zur Felsenwand hinzog. „Weißt du, was das für uns bedeutet?“ fragte Morena. „Ich weiß gar nichts“, sagte Carlo. „Nur, daß wir bald ersaufen werden.“ „Eben nicht. Ersaufen können wir nicht mehr, sonst hätten wir das längst hinter uns. Wir sind in einer Höhle, die höher als die anderen liegt. Demnach ist die Brühe
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also nach unten abgeflossen. Jetzt werden die anderen in der Falle sitzen.“ „Manzo gönne ich es, daß er ersäuft“, sagte Carlo. „Der dreckige Kreolen-Bastard hat genau das verdient, was ihm jetzt passiert ist. Um den ist es nicht schade, Hauptsache, wir kommen hier mit heilen Knochen heraus.“ „Noch ist gar nichts gesagt. Mich beunruhigt dieses verdammte gurgelnde Schmatzgeräusch. Irgendwo muß da doch pausenlos Wasser nachlaufen. Aber wo nur?“ Carlo sorgte sich nicht mehr weiter darum. Er sah wieder etwas optimistischer in die Zukunft. Auch die Kumpane unter Manzo interessierten ihn nicht weiter. Wie es aussah, hatten sie vorerst einmal Ruhe. „Wir sind nur gerettet, weil ich gebetet habe“, verkündete er mit vorgereckter Brust. „Die Mutter Maria hat mein Gebet erhört, sonst wären wir bereits ersoffen. Aber du wolltest ja nicht beten.“ „Ich glaube kaum, daß es daran gelegen hat“, sagte Morena von oben herab. „Ich habe nicht gebetet und bin ja ebenfalls noch am Leben.“ „Weil ich für dich mitgebetet habe“, sagte Carlo. Sein Kumpan sah ihn spöttisch von der Seite an und grinste. „Du hast doch nur für dich allein gesorgt. Du würdest nicht mal für deine eigene Mutter mitbeten.” Ein erneutes Krachen ließ sie zusammenzucken. Wieder geriet der ganze Felsen ins Wanken. In allen Ecken knisterte und knackte es. Dann geschah es ganz übergangslos und plötzlich. Über ihnen aus der Felsendecke brach ein großer Felsbrocken heraus. Weder Carlo noch Morena konnten so schnell reagieren, wie der Klotz nach unten fiel. Carlo wollte noch zur Seite springen, doch es ging alles viel zu schnell und schlagartig. Auch Morena kam nicht mehr von dem Faß hoch, auf dem er hockte.
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Der schwere Brocken traf ihn genau im Genick. Er mochte etwa zwei bis drei Zentner wiegen. Morena wurde mit aller Wucht vom Faß geschleudert und landete auf dem feuchten Felsboden. Nur ein Ächzen hatte er von sich gegeben, zu mehr hatte es nicht gereicht. Jetzt lag der Brocken dicht vor dem Eingang. Morena selbst lag lang ausgestreckt zwischen den verstreuten Perlen. Carlo näherte sich ihm zitternd. Dabei starrte er auf sein Genick und sah die fürchterliche Wunde. „Eh, Morena, kannst du aufstehen?“ Morena gab keine Antwort. Er konnte keine mehr geben, denn der schwere Brocken hatte ihn erschlagen und sein Genick gebrochen. Carlo versuchte es noch einmal und drehte seinen Kumpan auf den Rücken. Schluckend sah er, daß Morena die Augen offen hatte und in eine Ferne starrte, die niemand mehr sah. Sein Gesicht hatte sich total verschoben und war unkenntlich geworden. „He, Mann, du bist ja tot“, ächzte Carlo. „Einfach so, was? Mann, ich werd' verrückt. Vielleicht hättest du doch beten sollen.“ Eine Weile blickte er auf den Toten, sah fast angewidert in das Gesicht und wunderte sich, daß er es bei dem schwachen Licht so gut erkennen konnte, obwohl der Span hinter ihm im Felsen steckte und nur sehr schwaches Flackerlicht abgab. Auch der Boden war heller geworden. Die Perlen hatten einen matten Schimmer, und in der Grotte war es längst nicht mehr so dunkel. Ganz langsam drehte sich Carlo neben seinem toten Kumpan um und starrte sich die Augen aus. „Ein Wunder“, murmelte er tonlos, „es ist ein Wunder geschehen. Die Heilige Jungfrau hat mir geholfen.“ Dann drehte er total durch, als er hoch über sich die Bruchstelle entdeckte, aus der das Licht fiel. Es war noch ein schwaches und
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weit entferntes Licht, aber nach der Finsternis und dem diffusen Zwielicht erschien es ihm leuchtend hell. Augenblicklich war auch sein toter Kumpan vergessen. Jetzt interessierte ihn nur noch das Licht, denn dieser matte und schwache Lichtschein erschien ihm der letzte Ausweg zur Rettung. Wo es hell wurde, mußte es auch einen Ausgang geben. „Ein Wunder!“ schrie er wie von Sinnen und mit überkippender Stimme. „Ich bin frei! Ich will raus aus diesem dreimal verfluchten Rattenloch! Licht, Licht!“ So brüllte und hüpfte er aufgeregt herum. Dann bückte er sich, stopfte sich die Taschen wahllos voll Perlen und wußte in seiner Aufregung nicht, was er unternehmen sollte. Er stürzte in fieberhafter Eile zu der Stelle hin, wo sein Säbel lag, fuchtelte wild damit herum und stürzte dann zu dem Faß, wobei er den Säbel wieder fortwarf. In unglaublicher Eile hatte er es unter die Bruchstelle geschoben und kletterte hinauf, um mit dem Säbel ein bißchen herumzustochern und das Loch zu vergrößern. Jetzt erst merkte er, daß er in der Aufregung den Säbel weggeworfen hatte. Daher stieg er fluchend vom Faß, hob den Säbel auf und enterte mit einem Satz auf. Diese Hast vertrug wieder das Faß nicht, denn es hatte alle Zeit der Welt, und daher kippte es um. Carlo kippte ebenfalls um und fiel hart auf die Nase. Danach fluchte er laut und brüllend, weil plötzlich nichts mehr so recht klappen wollte. Schließlich schaffte er es, wobei sein Herz wieder wie ein Hammerwerk in der Brust schlug. Die Hand, die den Säbel hielt, zitterte so stark, daß er ihn kaum halten konnte. Er wollte jetzt alles auf einmal. Die Perlen mitnehmen, das Faß ersteigen, das Loch vergrößern und dann so schnell wie möglich abhauen. Endlich wurde seine Hand ein wenig ruhiger, aber er mußte sie mit der anderen stützen, sonst ging es nicht. Dann holte er tief Luft und begann, mit dem Säbel im
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Gestein zu stochern. Er hatte Lippen und Augen zusammengekniffen und stocherte mit einer beängstigenden Emsigkeit, wie er sie selbst nicht an sich kannte. Zwischendurch fluchte er unterdrückt oder stieß einen brüllenden Freudenschrei aus, wenn sich in dem verwitterten und mürben Gestein ein paar Brocken lösten. Hin und wieder fiel ihm auch mal einer der Gesteinsbrocken ins Kreuz oder auf den Schädel. Aber daran störte er sich nicht. Er arbeitete verbissen weiter. „Licht!“ brüllte er wieder, als es etwas heller wurde. Aus dem schwachen Dämmerlicht war mittlerweile eine Helle geworden, die an Morgendämmerung erinnerte. Er mußte die Hand senken, um auszuruhen. Dabei starrte er schnaufend mal auf seinen toten Kumpan, dann wieder zu der Bruchstelle. Sein Kumpan war mittlerweile mit kleinen Geröllbrocken übersät. Carlo stocherte weiter. Einmal drehte er sich zu seinem Kumpan um und sagte mit heiserer Stimme: „Mach' dir nichts draus, wenn dir was um die Ohren fliegt. Das juckt dich ja sowieso nicht mehr.“ Unmerklich wurde das Licht immer heller, aber gleichzeitig wurde es auch immer schwieriger, weiteres Gestein loszustochern. * Das gleiche Grauen hatten auch die drei Kerle in der Nebenhöhle miterlebt. Der Knall, das höllische Gurgeln und Schmatzen hatte an ihren überreizten Nerven noch mehr gezerrt. Jetzt waren sie an einem Punkt angelangt, an dem sie nur noch hinauswollten. Mehr wollten sie nicht, nur raus aus diesen unheimlichen Höhlen. Und dann nichts wie weg! Auch bei ihnen verschwand wie durch Zauberei plötzlich das Wasser im Boden, bis der felsige Untergrund zu sehen war. Für den Dummkopf Felipe war das glatt ein Wunder. Eben noch war da überall Wasser gewesen, und jetzt war es plötzlich
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weg. Er überlegte angestrengt, wie das wohl passieren konnte. „Ein großer Bär ist in der Höhle“, sagte er zu den beiden anderen. „Der hat das Wasser weggeschmatzt und geschlürft.“ „Bei dir piept's ja“, sagte Romero. „Ein großer Bär! Wo gibt's denn hier auf der Insel Bären?“ „Er hat auch noch gebrummt“, sagte Felipe. „Er brummt sogar immer noch und haut alles kaputt.“ „Halt jetzt mal deine dämliche Schnauze, sonst stopfe ich sie dir“, schrie Pepito aufgebracht. „Laß den Blödian doch links liegen“, riet Romero. „Aber da sind ganz andere Geräusche jetzt. Hast du das auch gehört?“ „Ja, scheinen dicht neben uns zu sein.“ Ein Knacken, ein Bersten, dann ein Poltern war zu hören. Es klang so, als sei es direkt neben ihnen in der Wand. Verwundert lauschten sie den Tönen, die immer wieder durch das weit entfernte gurgelnde Geräusch überlagert wurden. „Das sind wahrscheinlich Morena und Carlo“, sagte Romero. „Die haben ganz in unserer Nähe ebenfalls ein trockenes Plätzchen entdeckt und gefunden.“ Kurz danach hörten sie einen unterdrückten Schrei, dann wurde geflucht, und das Gebrüll wiederholte sich. Romero drehte sich ganz langsam um. Als er hochblickte, klappte ihm der Unterkiefer weg. Fassungslos legte er den Kopf in den Nacken. „Ich werd' verrückt“, sagte er andächtig. „Da dringt Licht herein. Schaut doch mal nach oben!“ Pepito und Felipe blickten hoch und waren genauso überrascht wie ihr Kumpan. Grinsend stießen sie sich an. Das Licht war nur schwach zu erkennen, aber es war da. Es befand sich hart an der Felswand und war nur ein kleiner gezackter Riß. Sie konnten zwar nicht den Himmel sehen, doch sie wußten, daß sich hinter diesem Dämmerlicht zumindest eine Höhle oder ein weiterer Gang verbarg, der irgendwo ins Freie führte.
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Da war es auch mit ihrer Beherrschung vorbei. „Raus hier, in die andere Höhle!“ schrie Pepito. „Und nehmt eure Waffen mit. In der anderen Höhle scheint das Loch viel größer zu sein.“ Jeder raffte seinen Krempel wie Messer, Pistolen oder Säbel zusammen. Dann verließen sie unter lautem Freudengebrüll ihre eigene Höhle und stürmten erwartungsvoll hinaus. Diesmal brauchte Felipe nicht voranzugehen. Er hatte zwar immer noch nicht ganz kapiert, was hier passiert war, aber er trottete hinter den anderen brav her. Die wußten bestimmt, was los war. Es dauerte auch nicht lange, bis sie den Gang gefunden hatten. Erstaunlicherweise war das Licht sogar bis hierher durchgedrungen. Vorher war alles stockfinster gewesen, aber jetzt konnte man sich einigermaßen gut orientieren. Sie hasteten jetzt, stießen sich an den Felsen und drangen weiter vor, bis das Licht noch heller wurde. Sie konnten es auch nicht lassen, ihre Freude hinauszubrüllen. Felipe brüllte immer laut mit, wenn die beiden anderen brüllten. Das sah für die dann so aus, als wisse er genau Bescheid. Jedenfalls glaubte er selbst das. Dann hatten sie die Höhle erreicht und blieben einen Augenblick wie gebannt stehen, um das Bild in sich aufzunehmen. Auf dem Boden lag lang ausgestreckt ein Kerl, auf dessen Leiche sich immer mehr Geröll anhäufte. Aber das nahmen sie nur ganz unbewußt zur Kenntnis, weil es niemanden interessierte, ob einer das Zeitliche gesegnet hatte. Auf einem Faß stand Carlo, dem der Schweiß in Strömen über das Gesicht rann. Er hielt einen Säbel in der rechten Faust und stocherte damit wie ein Irrer in dem Gestein herum. Ein paar Brocken fielen gerade nach unten, und er zog hastig das Genick ein. Er sah die drei erwartungsvoll grinsenden Kerle nicht. Er war so in seine Plackerei vertieft, daß alles um ihn herum nicht mehr existierte. Keuchend, schnaufend und
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prustend arbeitete er, wie er in seinem ganzen Leben noch nicht geschuftet hatte. Jetzt trat das ein, was ohne weiteres vorhersehbar war. Denn jeder der Kerle hatte es furchtbar eilig und wollte möglichst als erster ans Tageslicht. Da wurden keine Rücksichten mehr genommen. In solchen Fällen pflegte man die Fäuste fliegen zu lassen. Das passierte auch hier und ging sofort los, denn Romero stürzte sich zu dem Faß, auf dem Carlo stand und immer noch nicht merkte, daß er Besuch erhalten hatte. Mit der Faust hieb er zu, zweimal hintereinander. Carlo kippte vom Faß und wußte im ersten Augenblick überhaupt nicht, was los war. Während er noch verständnislos zu den Kumpanen starrte, hatte ihm Romero auch schon den Säbel entrissen und begann nun seinerseits wie ein Wilder zu stochern „Du verdammter Hund!“ brüllte Carlo. Mit einem Wutschrei auf den Lippen stürzte er sich zum Faß und fegte mit einem wilden Schlag Romero herunter. Die beiden prügelten sich und droschen aus allen Kräften aufeinander ein. Pepito nutzte die Gelegenheit, nun ebenfalls das Faß zu entern und zum Säbel zu greifen. Damit war wiederum Felipe nicht einverstanden, denn er wollte auch hinaus. Wenn er sonst auch ein großer Dummkopf war -mit den Fäusten verstand er bestens umzugehen. Pepito spürte das, als das Faß wackelte und er ein Ding in den Magen erhielt, das ihm die Stiefel auszog. Mit einem dumpfen Schrei fiel er vom Faß, rollte auf dem Boden ab und ging auf Felipe los. Es hagelte von allen Seiten Fausthiebe. Dazwischen schrien und brüllten sie und übertönten so mühelos das ständige Rauschen und Gurgeln im Berg. Vier Männer prügelten sich jetzt wie die Wilden, denn jeder wollte das Faß erreichen, um hinauszugelangen. Dabei war die Höhlendecke viel zu weit entfernt. Selbst zwei Fässer hätten nicht genügt, um den Ausgang zu erreichen. Daran dachte jedoch im Augenblick niemand. Sie hätten Fässer und Kisten
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holen können, um daraus einen treppenartigen Untersatz zu bauen, aber sie sahen nur das Licht, das die Freiheit und die Rettung versprach, und so war jeder logische oder vernünftige Gedanke noch weit weg. „Wir waren zuerst hier!“ schrie Carlo. „Ich habe das Loch entdeckt, als der Stein runterfiel!“ „Ach ja“, sagte Pepito. „Mir ist das aber scheißegal. Sieh mal jetzt nach oben.“ Carlo tat ihm den Gefallen und blickte hoch. Im nächsten Augenblick krachte ihm eine eisenharte Faust unter das Kinn. Er fiel über das Faß und riß es mit sich. Beide rollten einträchtig über den harten Felsenboden, bis sie an der Wand liegenblieben. Pepito grinste hämisch und sah auf seinen Kumpan, der sich über das Kinn rieb. Im selben Moment flog er ebenfalls, denn Felipe hatte sich von hinten angeschlichen und drosch ihm beide Fäuste ins Genick. Sobald es einem gelang, das Faß wieder aufzustellen, fielen die anderen wie reißende Wölfe über ihn her und droschen wahllos nach allen Seiten um sich. Der Krach wurde immer lauter, und so wurde er natürlich auch in der großen Höhle gehört. 5. „Was ist denn da los?“ fragte der Kreole. Er hatte sich aus seiner kauernden Haltung gelöst und starrte in jene Richtung, wo es weiter in das Höhlensystem ging. Seltsame Geräusche waren aus dem Berg zu hören. Die anderen Kerle spitzten neugierig die Ohren. Das hörte sich an, als prügele sich eine fluchende und tobende Horde wildgewordener Kerle. „Die sind also doch nicht ersoffen“, sagte Manzo. „Die haben irgendetwas entdeckt, aber ganz sicher keine neuen Goldkisten, sonst würden sie nicht so brüllen. Vielleicht haben sie einen Ausgang aus den Höhlen gefunden.“ „Dann wären sie längst draußen und würden nicht so schreien. Mit dem Gebrüll
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erden sie nur die Marineknechte anlocken.“ „Das ist richtig“, sagte Manzo überlegend. „Kann ja ein Ausgang sein, durch den man nicht gleich hinausgelangt. Los, hoch mit euch, wir sehen uns das einmal an!“ „Dann müssen wir aber an Gutierrez vorbei“, jammerte Jose, „und vor dem Kerl habe ich Angst.“ „Du kannst ja hierbleiben. Zwingt dich niemand zum Mitgehen. Bleib hier hocken und vergammele langsam.“ Die anderen erhoben sich. Jetzt waren sie neugierig, was die Kumpane wohl entdeckt haben mochten. Dem Geschrei nach zu urteilen, mußte das eine Sensation sein. Jose ging schließlich auch mit. Als er die hockende Leiche passierte, schloß er krampfhaft die Augen und knallte prompt mit dem Schädel an einen vorspringenden Felsbrocken. Er schrie wie ein Irrer, in der Annahme, der Zweite sei jetzt aufgestanden und habe ihm eine gescheuert. Er kriegte auch gleich eine gescheuert, aber das war die Faust von Manzo, die ihn am Schädel erwischte und höchst irdisch war. Dem Kreolen ging das Gebrüll langsam auf die Nerven. Mit starken Zahnschmerzen humpelte Jose hinterher und fluchte unterdrückt und ordinär. Am Kreuzgang blieb der Kreole plötzlich stehen. „Es wird heller“, sagte er andächtig. „Da gibt es ganz sicher irgendwo einen Ausgang. Los, schneller!“ trieb er die Kerle zur Eile an. Die konnten es kaum erwarten und drängten, schubsten und stießen. Sie brauchten nur den Geräuschen zu folgen, die immer lauter wurden und ihnen unmißverständlich die Richtung wiesen. Nach kurzer Zeit, das Licht wurde noch besser, hatten sie die Höhle erreicht. Manzo blieb grinsend stehen, als er das Gewimmel sah. Dann zog er ganz langsam und bedächtig seine Pistole aus dem Hosenbund. Vier Kerle tobten in der Höhle wie die Berserker. Ein fünfter lag leblos auf dem Boden, und auf dem trampelten die
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anderen herum. Sie bewarfen sich mit Steinbrocken, hieben wild mit den Fäusten zu und droschen pausenlos aufeinander ein. Jeder gegen jeden, wie der Kreole grinsend feststellte. Die schönste Entdeckung aber war das Loch oben in der Decke, das Loch, das die Freiheit versprach und durch das gedämpft fernes Licht hereinfiel. Die drei anderen vom höllischen Quartett Domingo, Toluca und Casco - zogen ihre Messer, um ein bißchen mitzumischen. War es zuvor die Gier nach Gold gewesen, die sie fast um den Verstand gebracht hatte, dann war es jetzt die Lebensgier, die sie gepackt hatte und total unsinnig und verrückt handeln ließ. „Zurück!“ brüllte Manzo und ging dazwischen. Seine anderen Kerle schnappten ebenfalls nach dem Faß, mußten aber feststellen, daß sie damit gar nichts erreichen würden, denn die Decke war so weit entfernt, daß es keiner schaffte, dorthin zu gelangen. Im Nu war eine noch wüstere Keilerei im Gange, die Manzo auf seine Art beendete. Er schoß auf den Rattengesichtigen, der sich tobend und fluchend einen Weg zum Faß bahnte und dabei rücksichtslos zuschlug. Der Knall brach sich überlaut in der Höhle. Das Echo wurde an die Wände geworfen und kehrte immer wieder zurück. Der Pulverrauch aus der Pistole stob in einer feinen Wolke nach oben und wurde durch den Riß gesogen. Der Rattengesichtige tat einen Hüpfer, fiel über das Faß, das ihn überrollte und blieb an der Wand liegen. Nur seine Beine sahen noch hervor. Einem zweiten Kerl wurde urplötzlich das Lebenslicht ausgeblasen, als ihn ein Messer im Rücken traf. Casco war der Mörder. Er hatte in dem Augenblick zugestochen, als sein Kumpan sich umdrehte. Rigoros schlugen sie aufeinander ein, aber da zeigte sich, daß das höllische Quartett unter dem Kreolen Manzo sehr schnell die Oberhand gewann. Die vier Kerle hielten wieder eisern zusammen und räumten ab.
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Ein unrasierter Kerl stürzte sich auf Manzo. Er hatte das Entermesser in der Faust und stieß zu. Dem Kreolen wurde der Ärmel seines Hemdes weggefetzt. Die Klinge streifte gerade noch seinen Arm und ließ eine dünne rote Spur zurück. Wieder krachte entsetzlich laut ein Schuß in der engen Höhle. Die Kugel trieb den Messerstecher japsend und nach Luft ringend bis an die Wand zurück. Dort blieb er keuchend stehen, das Messer immer noch in der Hand, der Arm aber schon kraftlos. Der Kreole feuerte die nächste Pistole ab. Diesmal wurde der Messerstecher fast an die Wand genagelt. Dann rutschte ihm das Messer aus der Hand. Mit einem leisen Seufzen kippte er seitlich weg. „Schluß jetzt“, sagte der Kreole hart. „Wer jetzt nicht pariert, wird auf der Stelle umgelegt.“ Jetzt erst trat Ruhe ein. Die Kerle blieben auf der Stelle stehen und sahen sich um. Da gab es grün und blau geschlagene Visagen, Messerwunden, die bluteten, oder aufgeplatzte Lippen und plattgehauene Nasen, aus denen ebenfalls das Blut rann. Auf dem Boden aber lagen vier Männer, die sich nicht mehr rührten. Sie waren tot und ebenfalls ein Opfer der reichen Schatzbeute des unseligen Don Antonio de Quintanillas geworden. „Jetzt sind wir nur noch acht!“ sagte Manzo in die Stille hinein. Er zeigte mit dem Pistolenlauf auf Jos, Carlo und den dümmlich dreinschauenden Felipe, die die Keilerei mit Mühe und Not überlebt hatten. „Ihr vier werdet jetzt für uns vier ein bißchen arbeiten“, sagte Manzo höhnisch, „und zwar sehr schnell, sonst bleibt ihr hier drin bis zum Jüngsten Tag. Wer nicht pariert, kriegt eine Kugel in seinen dämlichen Schädel. Habt ihr das kapiert?“ Die vier nickten kläglich. O ja, sie hatten kapiert, denn sie kannten Manzo und die drei anderen brutalen und höllischen Kerle nur allzu gut. Die fackelten nicht lange, besonders der Kreole nicht, wie er das ja immer wieder bewiesen hatte.
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„Was - was sollen wir tun?“ fragte Romero ängstlich. Manzo hatte jetzt das Heft in der Hand, und er handelte auch und konnte wieder logisch denken. Wie gewohnt, übernahm er damit wieder die Führungsrolle. „Wir wollen hier heraus, und das so schnell wie möglich. Das geht aber nicht, wenn wir auf das Faß steigen. Selbst wenn wir das andere draufstellen, gelangen wir nicht einmal bis zu der Stelle. Was wir brauchen, sind Kisten und Fässer, damit wir einen Aufbau errichten können. Ihr vier werdet diese Kisten und Fässer jetzt holen, und ihr werdet euch damit verdammt beeilen, sonst gibt es noch mehr Senge.“ Die vier hatten verstanden und nickten zaghaft. „Die Kisten und Fässer sind aber alle randvoll“, sagte Romero, „die lassen sich kaum durch die Gänge schleppen.“ „Dann leert den Krempel aus, ihr Idioten. Schmeißt das Gold und Silber auf den Boden. Im Augenblick können wir nichts damit anfangen. Leere Kisten sind wichtiger. Und jetzt verzieht euch. Ich will euch gleich wieder sehen, aber nicht mit leeren Händen.“ Die vier Kerle trollten sich ziemlich belämmert. Sie maulten erst, als sie außer Hörweite waren. „Dieser verdammte Kreolenbastard!“ schimpfte Pepito. „Immer hat er die Schnauze vorn mit seinen drei anderen Hurensöhnen. Die hocken sich jetzt auf den Arsch und lassen uns schuften. Aber ich laß mir das nicht gefallen.“ „Was willst du denn tun?“ fragte Carlo, der ein farbenfrohes rechtes Auge hatte, das immer mehr zuschwoll. „Die Bastarde sind stärker als wir, und wenn wir nicht parieren, haben wir sehr schnell ein Messer im Ranzen oder eine Kugel im Kopf.“ „Wir ordnen uns unter“, sagte Romero, „alles andere hat keinen Sinn. Wir schuften eben mal ein bißchen, und dann sind wir aus dem Scheißberg endlich raus.“ „Mir stinkt es trotzdem, daß immer wir die Affen sind“, sagte Pepito. „Ich fühle mich
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wie ein Idiot. He, mach doch auch mal das Maul auf, Felipe!“ „Ich tu, was ihr tut“, sagte Felipe. „Vielleicht können wir sie draußen umlegen.“ „Warum nicht vorher?“ „Weiß ich nicht“, erwiderte der Dummkopf. „Ich denk' mir eben nichts dabei.“ Die erste Kiste wurde geöffnet. Sie enthielt Golddublonen und war bis an den Rand gefüllt. Die vier Kerle stemmten sich dagegen und drückten, bis die schwere Kiste umfiel. Diesmal war auch ein Rauschen zu hören, als die vielen Dublonen auf den Felsen fielen und durcheinander rollten. Aber das hörte sich lieblicher an als das Rauschen des Wasserfalles. Hier klangen herrliche Töne mit, als das Zeug sich klimpernd verteilte. Bedauernd sahen sie auf das viele Gold. Dann wandten sie sich achselzuckend ab, um die nächste Kiste zu entleeren. Pepito traten fast die Tränen in die Augen, als der ganze Segen nach allen Seiten davonrollte. Manches verschwand auf Nimmerwiedersehen in kleinen Spalten oder Rissen. Die erste Kiste zerrten Pepito und Romero durch die Gänge. Die zwei anderen schnappten sich die nächste Kiste und schleppten sie keuchend und stöhnend in die Höhle. Dort hockte ganz gelassen das höllische Quartett und wartete. Die Kerle taten keinen Handschlag und rührten sich nicht. „Wird auch langsam Zeit“, knurrte Manzo. „Und jetzt steht nicht blöde herum, sondern holt die nächsten Kisten. Bringt auch gleich ein paar Fässer mit.“ Sie mußten schuften wie die Kesselflicker und wurden von dem Quartett immer wieder höhnisch zur Eile angetrieben. Manzo und seine Kerle begnügten sich lediglich damit, die ersten Kisten sorgfältig zu einem Podest aufzubauen. Aber bis sie damit die Decke erreichten, fehlten noch einige Fässer und Kisten. Schwitzend schleppten sie weitere Kisten und Fässer an. Ein Wort des Lobes fiel
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nicht, dafür aber Flüche und Beschimpfungen, daß sie viel zu langsam wären und sich gefälligst beeilen sollten, falls sie hier heraus wollten. Fast eine Stunde lang schleppten sie Kisten und Fässer herbei. Der Schweiß lief ihnen jetzt sturzbachartig über die zerhauenen Visagen. Nur das höllische Quartett schwitzte nicht. Die hatten ja auch nichts anderes zu tun, als die Kisten und Fässer aufzubauen. „Noch eine Runde“, sagte Manzo, „dann dürfte es langen. In der nächsten Kiste laßt ihr aber Goldstücke zurück. Ich will hier nicht mit leeren Taschen verschwinden.“ Als die letzte Fuhre endlich da war, konnten die vier Kerle kaum noch laufen, so erschöpft waren sie. Aber sie hatten Gold in der Kiste zurückgelassen, eine ganze Menge sogar. Manzo stopfte sich ungerührt die Taschen voll. Mit den Perlen aus den anderen Kisten hatte er sich ebenfalls reichlich bedient, und jetzt standen ihm die Taschen wie Hamsterbacken ab. „Bedient euch nur“, sagte er großzügig. „Ihr habt es ja redlich verdient. Nehmt das Zeug nur mit.“ Das Podest war jetzt so hoch, daß der Durchbruch bequem erreicht werden konnte. Als die anderen sich ebenfalls die Taschen vollstopften, begann Manzo auf den Stapel zu klettern. „Gib mir mal den Säbel, Casco“, verlangte er, „das Loch ist noch zu klein. Mann kann nicht durch.“ Oben auf dem Stapel kniete er sich hin. Dann begann er den Säbel zwischen Spalten und lose Brocken zu schieben und hebelte ein Stück nach dem anderen heraus. In der Höhle wurde es immer heller. „Wie sieht es aus?“ fragte Domingo gierig. „Kannst du schon was erkennen?“ „Da ist ein schmaler Gang“, tönte es dumpf von der obersten Kiste. „Der führt weiter schräg nach oben in den Fels. Es wird auch immer heller, weit kann es bis zum Ausgang nicht mehr sein.“
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Die anderen fieberten und führten brüllend und lachend ein Freudentänzchen neben ihren toten Kumpanen auf. Sie konnten es nicht erwarten, die Höhle zu verlassen. Manzo hebelte weiter. Immer wieder fielen Brocken nach unten und schlugen auf. Langsam wurde der Durchbruch größer und heller. „Soll ich dich ablösen?“ fragte Toluco, heiser vor Aufregung. „Nein, ich gehe voran. Ihr werdet wohl noch warten können. Es dauert bestimmt nicht mehr lange.“ Einmal hielt er inne und blickte angestrengt in das Dämmerlicht. Er sah einen schmalen gewundenen Gang, der schräg nach oben verlief, aber viel mehr ließ sich noch nicht erkennen. Jetzt arbeitete er verbissen und fieberhaft weiter, bis sich die Öffnung so weit vergrößert hatte, daß er sich hochziehen konnte. Dann ließ er achtlos den Säbel fallen, der fast noch Felipe getroffen hätte. Der Dummkopf konnte sich nur mit einem schnellen Sprung zur Seite retten, sonst hätte das schartige Ding ihn erwischt. Auf Händen und Knien bewegte sich Manzo vorsichtig weiter. Aus seinen prall mit Gold und Perlen gefüllten Taschen rollten ein paar Dublonen in die Tiefe und fielen den anderen auf die Köpfe. „Was ist?“ brüllte Casco. „Können wir endlich nachkommen, oder sollen wir anwachsen? Was siehst du jetzt?“ „Die Freiheit!“ brüllte der Kreole. „Ihr könnt jetzt folgen! Sieht so aus, als hätten wir es bald geschafft.“ Die anderen Kerle stimmten erneut ein Freudengeheul an. Jetzt balgten sie sich wieder um den Stapel, weil wieder einmal jeder der erste sein wollte. Sie drängelten und schubsten, brüllten sich an oder fluchten laut. Einer nach dem anderen enterte auf, in der freudigen Erwartung, jetzt endlich für immer verschwinden zu können. Keiner der Kerle ahnte, daß ihnen noch eine sehr höllische Überraschung bevorstand. 6.
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Den um die Felsen und den Wasserfall postierten Gruppen blieb an diesem Morgen nicht verborgen, was da geschah. Genau wie de Mello und sein Erster Offizier, hatten auch die Männer unter Hasard, Siri-Tong und dem Franzosen Edmond Bayeux alles von Anfang an gesehen. Sie waren genauso erstaunt. „Unwahrscheinlich, was diese paar Treffer alles bewirkt haben“, sagte der Seewolf. „Sie haben das gesamte Gefüge des Berges und der Felsen verschoben. Da scheint sich eine Katastrophe anzubahnen.“ „Schadet den Kerlen nicht“, versicherte der normannische Riesenschrat. „Sie kriegen ja den Hals nicht voll genug. Vielleicht haben sie jetzt endlich die Schnauze voll. Verzeihung, Madame.“ Die Rote Korsarin lächelte. Sie blickte sinnend auf das Bächlein, das jetzt aus der Felsspalte floß. Nach dem großen Knall und dem Platzen des Felsens floß es nun wieder gleichmäßig. „Von den Kerlen ist überhaupt nichts mehr zu entdecken“, sagte sie. „Sie werden sich immer weiter in den Berg zurückgezogen haben.“ Auch die anderen Gruppen beobachteten weiter. Aber vorerst geschah nichts. Das änderte sich wenig später, auf der Südseite des Flüßchens, das den Wasserfall speiste. Auf der Seite waren der Boston-Mann und der breit und wuchtig gebaute Barba postiert. Die beiden langweilten sich, weil kaum noch etwas geschah, seit das Bächlein wieder ruhig floß. „Scheint nichts mehr zu passieren“, sagte der narbige Barba mißmutig. „Ich hätte die Halunken gern ein bißchen gerupft, doch vermutlich haben sie sich ihre Federn schon selbst ausgerissen.“ „Eigentlich müßte sie der Hunger heraustreiben“, meinte der Boston-Mann. „Wenn der Hunger übermächtig wird, springen sie sogar durch den Wasserfall so sie können.“ Sie warteten weiter ab, schauten auf die Felsen, blinzelten in die Sonne oder
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blickten zum Fluß, der leise rauschend dem Wasserfall unermüdlich Wasser zuführte. Ein leises, plumpsendes Geräusch unterbrach die Stille. Barba und der Boston-Mann hörten es gleichzeitig. Beide drehten sich um und blickten auf den Fluß. „Hörte sich an, als seien da ein paar Steine in den Bach gefallen“, sagte Barba. Der Boston-Mann nickte und sah sich aufmerksam nach allen Seiten um, konnte aber nichts entdecken. Gleich darauf wiederholte sich das Geräusch. Wieder war ein Plumpsen zu hören. Hinter ihnen, jenseits des Flüßchens, kullerte Gestein aus den ansteigenden Felsen. Ein paar Brocken polterten nach unten und fielen in den Bach. „Das passiert doch nicht von ungefähr“, sagte der Boston-Mann. „Da fällt doch nicht so dir nichts mir nichts Gestein aus den Felsen.“ Sehr aufmerksam sah er jetzt dorthin. „Vielleicht sind das die Nachwirkungen von dem großen Knall“, sagte Barba. „Der Berg arbeitet, und jetzt läßt er die Kuh fliegen.“ „Was für'n Ding?“ „Äh - das ist so eine Redensart von mir“, sagte Barba. „Ich meine, jetzt grollt er und schmeißt mit Steinen.“ Der Boston-Mann grinste verhalten. „Ja, ich verstehe schon. Du läßt ja auch immer die Kuh fliegen, wenn es geht. Wollen wir mal nachsehen? Da poltert nämlich noch mehr Gestein hinunter.“ Barba erhob sich aus seiner sitzenden Stellung und reckte den mächtigen Oberkörper. „Klar, das sehen wir uns an. Möglicherweise buddeln sich die Kerle ja auch aus den Felsen, obwohl ich das kaum glaube. Wir vergeben uns ja nichts, wenn wir mal nachsehen.“ Sie gingen zu dem Flüßchen hinüber. Am Ufer blieben sie stehen und sahen zu den ansteigenden Felsen. Unten waren sie mit dichtem Buschwerk bewachsen. Gerade löste sich wieder ein kopfgroßer Brocken und fiel in den Fluß. Das Wasser spritzte hoch auf. Barba und der Boston-
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Mann sahen sich schweigend an, wobei sie sich zunickten. Watend und von Stein zu Stein springend, überquerten sie den Bach, bis sie das andere Ufer erreicht hatten. Dort blieben sie wieder stehen und sahen zu den Felsen. „Dort war es“, sagte der Boston-Mann. „An der Stelle, wo das Buschwerk beginnt.“ Diesmal fielen nur noch ein paar kleine Brocken hinunter, als sie die Stelle erreichten. Sehr aufmerksam sahen sich die beiden um. Mit scharfen Blicken suchten sie das ganze Gelände ab und gingen ein paar Schritte weiter. Dann blieb Barba stehen und zeigte mit der ausgestreckten Hand auf einen Spalt im Boden. Die Spalte war ungefähr mannsbreit. Als sie noch dichter herantraten, waren eigenartige Geräusche zu hören, die aus der Tiefe nach oben drangen. Barba zog das Genick ein, bückte sich und betrachtete den Spalt neugierig. „Da scheinen Erdmännchen zu hausen“, murmelte er verblüfft. „Entweder bin ich verrückt, oder ich höre wirklich Stimmen.“ Was da aus der Tiefe klang, hörte sich grollend, geisterhaft, murmelnd und flüsternd an. Da waren Zischgeräusche zu hören und Laute, die an hohlklingende Flüche erinnerten. „Du hörst wirklich Stimmen“, sagte der Boston-Mann mit einem eigentümlichen Lächeln. „Aber das sind keine Erdmännchen oder Maulwürfe, das sind Kerle, die sich durch den Berg buddeln, um sich heimlich zu verholen. Wenn du noch näher herangehst, kannst du sie sogar fluchen hören.“ Barba bückte sich noch weiter. Über sein wüstes zernarbtes Gesicht huschte ein Grinsen. Er hatte seine mächtigen Pranken auf die Erde gestützt und lauschte. Da waren tatsächlich Flüche, Gebrüll und Geschrei zu hören. Das war Geknurre, dumpfes Brüllen oder wildes Kreischen. „Scheint aber noch weit entfernt zu sein“, murmelte er, während er immer noch
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grinsend lauschte. „Offenbar haben sich da ein paar Kerle am Wickel.“ „Möglicherweise haben sie einen Gang entdeckt, der ins Freie führt, aber es scheint da noch Hindernisse zu geben. So schnell werden die Kerle nicht ans Tageslicht gelangen.“ „Bleib hier, Barba“, sagte der BostonMann, „ich werde den Seewolf mit einer Gruppe alarmieren: Du weißt ja, was du zu tun hast, falls da ein Maulwurf auftaucht.“ „Ich laß die Kuh fliegen“, versicherte Barba trocken. „Aber gleich bis zur Kimm.“ Sie nickten sich zu, lauschten noch einmal dem Gebrüll aus der Tiefe und grinsten. Dann verschwand der Boston-Mann in aller Eile, durchquerte das Flüßchen und erreichte wenig später die Felsen auf der Küstenseite, wo sich die Hasard-Gruppe befand. Hasard sah dem Boston-Mann gespannt entgegen, denn jetzt gab es sicher endlich mal Neuigkeiten. Er sah auch, daß der Boston-Mann auf eigentümliche Art grinste. „Tut sich etwas?“ fragte er. „Ja, wir haben jenseits des Flüßchens gesehen, wie Steine ins Wasser kullerten, und sind gleich hingegangen“, sagte der Boston-Mann. „Dann entdeckten wir einen mannsbreiten Spalt im Boden, der schräg nach unten in den Berg führt. Aus dem Spalt dringen Geräusche. Da sind ein paar Kerle im Anmarsch, die sich da unten prügeln, anschreien und wüst fluchen.“ „Na endlich“, sagte Hasard. „Jetzt wühlen sich die Ratten ans Tageslicht. Da hat SiriTong recht gehabt, als sie sagte, der Hunger würde die Kerle schon raustreiben.“ „Das habe ich auch gerade gesagt, fast genau dieselben Worte. Was tun wir jetzt, Sir? Ich habe Barba an der Stelle als Aufpasser zurückgelassen, falls die Kerle ans Tageslicht kriechen.“ „Sind sie noch tief unten?“ „Dem Gebrüll nach zu urteilen, ja. Es klingt noch sehr dumpf und ziemlich weit entfernt.“
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„Dann sollten wir trotzdem keine Zeit verlieren. Du hältst hier die Stellung, Edmond“, sagte er zu dem normannischen Schrat. „Aber gern, Sir.“ „Wir nehmen noch Dan und Ed mit“, sagte Hasard. „Dann sehen wir uns die Stelle einmal genauer an. Wir wissen ja nicht, wie viele Kerle es insgesamt noch sind, die in den Höhlen stecken.“ Siri-Tong erhob sich, während der normannische Schrat sitzenblieb und sich an den Felsen lehnte. Er bedauerte lebhaft, den Ratten nicht mal auf den Zahn fühlen zu können, aber einer mußte ja schließlich die Stellung halten, das sah er ein. Carberry und Dan wurden gewahrschaut. Der Profos sprang hoch, als hätte er auf einem Igel gesessen. „Was - die Kerle sind im Anmarsch?“ fragte er händereibend. „Dann gibt's ja endlich was zu tun.“ Er betrachtete liebevoll seine Faust und grinste bis zu den Ohren. „Ha, Rübenschweine sengen“, sagte er, „das liebe ich. Jetzt kriechen die Kerle wie der Phönix aus der Flasche.“ Dan O'Flynn sah den Profos von der Seite her an. „Phönix aus der Asche, heißt das. Aber du denkst ja immer nur an Flaschen - kein Wunder, wenn du alles durcheinanderbringst.“ „Aus der Flasche, heißt das“, betonte Carberry. „Aus der Asche“, knurrte Dan. „Der Kutscher hat mir das mal erzählt. Der Phönix war ein sagenhafter, uralter Vogel, der sich schließlich selbst verbrannte und aus der Asche verjüngt wieder auferstand.“ „Scheint ein ziemlich blöder Vogel gewesen zu sein“, meinte der Profos. „Wo hat man je so einen Stuß gehört, daß sich ein Vogel selbst verbrennt, was, wie? Und was der Mister Suppenpanscher behauptet, muß auch nicht immer stimmen.“ „Er sagte, der Phönix sei das Sinnbild der Unsterblichkeit und der Auferstehung.“ „Gibt's denn Aschengeister?“ fragte Carberry hinterhältig. „Nein, nie gehört“, versicherte Dan.
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„Aber Flaschengeister gibt es“, erklärte der Profos. „Da kannst du ja mal deinen Alten fragen, der hat schon welche gesehen, und immer wenn er welche sah, dann brummte er auf 'ne Sandbank auf.“ Sie bewegten sich jetzt auf den Fluß zu und erreichten das Ufer. Hasard, Siri-Tong und der Boston-Mann lauschten grinsend dem Streitgespräch der beiden, die sich so angeregt über Aschen- und Flaschengeister unterhielten. „Immerhin ist der Mister Suppenpanscher gebildet“, äußerte sich Dan. „Wenn der was sagt, dann hat es auch seine Richtigkeit.“ „Jedenfalls hab' ich noch keinen Vogel gesehen, der sich selbst verbrannte und dann aus der Asche kroch. Wie hat er denn das Feuer entzündet - mit Flintstein und Spucke, was?“ „Himmel, Arsch und Flaschengeist“, fluchte Dan. „Das ist doch nur symbolisch gemeint, Kerl.“ „Symbolisch ist immer so 'ne Sache“, sagte Ed. „Meist ist da nicht viel dahinter, und am Ende stellt sich heraus, daß alles Quatsch ist und vorn und hinten nicht stimmt. Die Sache mit dem Vogel stinkt jedenfalls zum Himmel.“ „Und dein Flaschen-Phönix stinkt bis zur Hölle und zurück.“ „Aber an meiner Vorstellung ist wesentlich mehr dran, als an deiner, du Aschenvogel.“ „Vielleicht geht es jetzt etwas leiser“, sagte Hasard. „Ihr brüllt ja, daß die Kerle uns tief unten im Berg hören.“ Sie schwiegen, wobei jeder vor sich hingrinste. Dann wurde der Bach springend und watend überquert, bis der Boston-Mann auf eine Stelle im Fels zeigte, die dicht mit Buschwerk bewachsen war. „Dort ist es“, sagte er. Sie näherten sich leise, und dann sahen sie Barba, der auf dem Boden hockte, das Ohr an den großen Spalt hielt und lauschte. Das Grinsen war immer noch nicht aus seinem Gesicht gewichen. Er nickte ihnen zu und erhob sich dann. „Die scheinen noch tief im Felsen zu stecken, Sir. Wir brauchen unsere Stimmen
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nicht zu dämpfen, die können uns nicht hören.“ Hasard, Siri-Tong, Ed und Dan traten näher an den Spalt. Fast andächtig lauschten sie in die Tiefe. Da wurde immer noch geflucht, gebrüllt, und ein weiteres Geräusch war zu hören, das sich wie Kratzen oder Hacken anhörte. Offenbar stocherte jemand mit einem metallenen Gegenstand im Felsengestein herum. „Kein Zweifel“, sagte Hasard, nachdem er eine Weile den seltsamen Geräuschen gelauscht hatte. „Da stecken mindestens noch ein halbes Dutzend Kerle drin, die sich jetzt langsam vorarbeiten. Sie scheinen sich auch nicht gerade glänzend zu verstehen, wenn man das Gebrüll und Gefluche so deuten will. Dann wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis die erste Ratte die Nase aus dem Loch steckt.“ „Und eins draufkriegt“, sagte Carberry. „Die Kerle werden sicher sehr überrascht sein, wenn der Profoshammer landet.“ Hasard lächelte. Er konnte sich die Überraschung gut vorstellen, wenn der erste Bastard aus dem Loch kroch und dann plötzlich dem Profos gegenüberstand. Der würde natürlich mit freundlichen Nasenlöchern grinsen und dann zuschlagen. „Aber es müssen mindestens zwanzig Kerle sein“, wandte Dan ein. „Eher noch mehr.“ „Lassen wir uns überraschen“, meinte Hasard. „Wir werden sie schon gebührend in Empfang nehmen.“ Sie blieben bei dem Spalt stehen und lauschten weiter. Die Kerle tief unter ihnen brüllten immer noch herum. Nicht einen Augenblick lang gaben sie Ruhe. Anscheinend hatten sie Streit miteinander, denn einmal hörten sie einen gellenden Schrei. * De Mello und sein Erster Offizier Vanetto waren mittlerweile mit der Jolle zurückgepullt und standen jetzt wieder auf dem Achterdeck der „San Sebastian“.
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Vanetto bemerkte, daß der Capitan grübelte, denn immer wieder sah er sinnend und überlegend auf die Planken des Achterdecks. Sie hatten keine Ahnung, was um sie herum vorging. Die Stelle, wo jetzt gerade der Ausbruch vor sich ging, war von hier nicht einzusehen. De Mello gab seine Wanderung auf, stellte sich ans Schanzkleid und beobachtete hin und wieder durch den Kieker, ob sich etwas tat. Danach lehnte er sich zurück und blickte erneut auf die Planken. „Haben Sie ein Problem, Capitan?“ fragte Vanetto geradeheraus. „Vielleicht kann ich Ihnen helfen.“ „Ich habe nur eine Frage“, sagte de Mello, „aber die kann mir vorläufig niemand beantworten. Zum einen denke ich immer wieder an diesen mysteriösen Schatz des Königs, zum anderen frage ich mich ständig, wer wohl den Brandpfeil auf die ‚Trinidad' abgefeuert und uns damit eindeutig gewarnt hat. Das wissen Sie nicht zufällig auch oder ist Ihnen ganz schwach in Erinnerung, wie?“ „Leider muß ich passen“, sagte der Erste. „Die Überraschung ist jedenfalls gelungen, als auch ein Brandpfeil eine der Jollen traf und die Kerle außenbords schmetterte.“ „Zu welchem Schluß sind Sie denn gelangt?“ „Zu dem höchst logischen Schluß daß wir nicht allein in dieser Ecke sind, sondern heimliche Aufpasser oder Beobachter haben. Vermutlich sind sie uns nicht feindlich gesonnen, sonst hätten sie uns nicht gewarnt.“ „Ja, der Schluß ist allerdings logisch“, sagte de Mello seufzend. „Zu mehr haben es meine logischen Überlegungen auch nicht gebracht. Wir haben stille Beobachter - na gut. Aber warum zeigen sich diese Unsichtbaren nicht?“ „Ich bin davon überzeugt, daß sie es früher oder später tun werden, Capitan. Ich weiß nur nicht, ob das für uns gut ist.“ Danach überlegte jeder für sich allein. Im übrigen mußten sie immer noch abwarten. De Mello war ein vorsichtiger Mann. Er
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Roy Palmer wollte keinen seiner Männer vermeidbaren Gefahr aussetzen.
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7. Manzo kroch in dem Felsgang wie eine Schlange hoch. Dabei fielen ihm immer wieder Golddublonen aus der Hosentasche und prasselten den anderen auf die Köpfe. Der Bau ist wie eine Biberburg, überlegte Manzo. Mitunter mußte er wie ein Wurm kriechen und sich an Graten und scharfen Zacken vorbeimogeln, dann wieder konnte er sich auf allen vieren mit durchgedrücktem Kreuz bewegen. Erleichtert atmete er auf, als es über ihm immer heller wurde. Nicht mehr lange, und er hatte es geschafft. Die anderen krochen hinter ihm. Hin und wieder war ein Fluch zu hören, wenn einem eine Goldmünze auf den Schädel fiel. Es ging stetig schräg aufwärts, wo das Licht so verheißungsvoll lockte. „Gleich haben wir es geschafft!“ brüllte Jose freudig. Natürlich wurde auch hier beim Klettern und Kriechen streng die Rangordnung eingehalten. Manzo kroch voran, gefolgt von Domingo, Casco und Toluca, erst dann folgten die anderen. Felipe, der Dummkopf, bildete bei dem Ausstieg den Abschluß. Sonst hatten sie ihn immer vorgeschickt, jetzt spielte er Schlußlicht. Aber das erbitterte ihn nicht. Er folgte eben den anderen, wie er den anderen sein halbes Leben lang gefolgt war. Die wußten es ja doch immer besser, und dabei brauchte er auch nicht soviel zu denken, damit er keine „Gehirnschmerzen“ kriegte. Alle zuckten zusammen, als sie von weit oben einen freudigen Schrei hörten. Manzo hatte gebrüllt, denn gerade jetzt sah er etwas, was, ihm wie die Verheißung erschien. Es war grünes Buschwerk und dahinter ein Stück nackter Fels. Die anderen befanden sich mindestens zehn Yards hinter ihm und konnten es noch nicht sehen. Jetzt arbeitete sich der Kreole wie ein Wilder voran, gab aber auch gleichzeitig
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acht, daß er keine Dublonen mehr verlor, denn die würde er bald bitter notwendig haben. Er konnte ja nicht ahnen, daß er vorerst nie wieder Freude an Gold, Perlen oder Silber haben würde. Er erreichte den obersten Spalt, quetschte sich aufgeregt hindurch und war draußen. Mit einem letzten Schwung war er auf den Beinen und riß schon das Maul auf, um seine Freude hinauszubrüllen. Aber da stand ein Monstrum von einem Kerl - mit einem Kinn, auf dem man Rohre für Culverinen schmieden konnte. Und dieser narbige Riese sah gar nicht so freundlich aus, auch wenn er sich so gab. Der stand da und grinste auf eine teuflische und hinterhältige Weise, die unendliche Freude ausdrückte, sicher noch mehr Freude als Manzo sie augenblicklich empfand. Dieser Kerl hatte ein paar Pranken, die ohne weiteres in der Lage waren, die Felsen zu zertrümmern. Aber da waren noch andere, wie der Kreole zu seinem Entsetzen sah. Die rührten sich jedoch nicht, sondern sahen ihn nur etwas neugierig oder fast mitleidig an. „Hallo, du Rübenschwein, ungewaschenes“, sagte der Narbenkerl mit einem freundlichen Grinsen. „Lange nicht mehr die Sonne gesehen, was, wie?“ Bevor Manzo überhaupt reagieren konnte er hatte sich auch an die grelle Helligkeit noch nicht gewöhnt –, holte dieser Narbenmann zu einem Rundumschlag aus. Seine riesige Pranke verdunkelte fast die Sonne, so gewaltig war sie. Für den Bruchteil eines Lidschlags sah Manzo nur ein riesiges Ding blitzschnell auf sich zurasen. Das Ding wuchs in den Himmel, und er rannte mit aller Kraft dagegen. Das jedenfalls war sein letzter Eindruck. Vor einem Profoshammer hatte ihn noch niemand gewarnt. Jetzt wußte er, wie das Ding funktionierte, doch mit seinem Wissen war er in ein finsteres Land abgesegelt, wo ihm niemand mehr gute Ratschläge gab und er ganz allein war.
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Der Profos Edwin Carberry rieb genüßlich seine Faust, als der Kreole in hohem Bogen davonflog und zwischen den Felsen landete. „Vergiß deinen alten Freund Barba nicht“, raunte Barba, „mich juckt schon jeder einzelne Knochen.“ „Schon gut“, sagte Ed leise, „ich muß mich auch erst wieder eingewöhnen. Das geht so drei, vier Kerle lang. Dann kannst du mich drei, vier Kerle lang ablösen, und dann wieder ich.“ Barba und Dan fesselten Manzo, verschnürten ihn wie ein Päckchen und legten ihn dann unsanft im Buschwerk ab. Da tauchte gerade der nächste Schädel auf, der sich erkundigte, ob alles in Ordnung sei. „Alles in Ordnung“, versicherte der Profos, als der Kerl auf den Beinen stand. Er stand aber nicht sehr lange. Er glotzte nur dämlich in die Runde, stierte verdattert zu dem Profos, dann zu den anderen und blieb wacklig stehen, weil ihm noch alle Knochen im Leib wehtaten. Der Profos ließ ihn nicht länger Schmerzen erdulden. Er nahm wieder die rechte Faust, damit sie sich „eingewöhnte“. Domingo flog noch schneller davon als Manzo, weil er etwas leichter war und der Luft weniger Widerstand bot. Es qualmte fast, als er querbeet durch die Büsche hagelte. „Das zweite Rübenschwein“, sagte Ed. „Bin gespannt, wie viele von der Sorte noch in diesem Nest stecken.“ Der nächste war Casco. Als er oben war, blinzelte er ins Sonnenlicht und hatte noch nicht den nötigen Durchblick. Er rieb sich die Augen, doch dann wischte etwas seine augenwischende Hand beiseite. Anschließend fiel ihm der Himmel auf den Kopf. In seinem Schädel gab es einen mächtigen Knall. Er hatte das Gefühl, als stürze der ganze Felsen ein. „Der hat ein zu weiches Kinn“, murmelte Ed, als der Kerl mit verschobenem Unterkiefer ebenfalls zwischen die Büsche sauste.
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Inzwischen sorgten Barba und Dan dafür, daß die Kerle gefesselt und geknebelt wurden. Das geschah schnell und gekonnt. „Ah, die Kerle haben noch einmal kräftig eingesackt“, sagte Dan, als bei jedem der Gefesselten Goldmünzen und Perlen aus den Taschen fielen. „Schau dir das mal an!“ Barba blickte jedoch nicht auf die Dublonen und Perlen. Er zählte sehr sorgfältig mit, wie viele Kerle der Profos abräumte, damit er selbst nicht zu kurz kam. Fasziniert sah er, wie der vierte Kerl auftauchte. Drei hatte der Profos bereits flachgelegt. Der vierte war Toluca. Seine Hand lag noch auf dem Felsen, wo sie nach Halt suchte. Dem Profos ging das alles viel zu langsam, daher half er ein wenig nach, weil der Kerl noch zauderte. Er bückte sich, packte sein Handgelenk und hievte ihn wie einen nassen Sack hoch. Als Toluca taumelnd stand, fegte ihn Carberry mit dem berüchtigten Profoshammer von den Füßen. Auch dieser Kerl wurde zwischen die Büsche katapultiert. Als Ed sich jetzt die Hände rieb, tippte Barba ihm auf die Schulter. „Das waren vier“, raunte er vorwurfsvoll. „Damit hast du dich eingewöhnt. Jetzt bin ich dran.“ „Na schön“, sagte der Profos bedauernd. „Die nächsten vier übernimmst du, aber ich zähle auch genau mit.“ Aus dem Spalt war eine Stimme zu hören. Sie klang noch dumpf. „He, seid ihr jetzt endlich oben?“ Barba gab keine Antwort, als der Seewolf den Kopf schüttelte. Wieder war die Stimme zu hören, die zu den anderen Kerlen sagte: „Verdammt, die Hunde sind gleich abgehauen und verschwunden.“ „Laß sie doch“, knurrte ein anderer, „die brauchen wir sowieso nicht, wir werden auch allein fertig.“ Dann tauchte der Kopf von Romero auf. Er zwängte sich durch das Loch, krabbelte heraus und stand auf. Alle Kerle waren
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noch etwas wackelig vom vielen Kriechen und Klettern. Barba ließ die Kuh fliegen, als der Kerl ihn entdeckte. Romero wollte brüllen, als er sich so unvermittelt dem riesigen Ungeheuer gegenübersah, doch der Schrei erstickte in seiner Kehle. Der Steuermann hieb mit der Faust von oben zu und stauchte Romero so zusammen, daß er in den Knien einknickte und fast in den Boden gedroschen wurde. Dann packte er den Kerl am Genick und schleuderte ihn in die Richtung, wo Carberry und Dan standen. Er warf ihn einfach wie ein Bündel Lumpen weg. Carlo wurde als nächster mit einem Fausthieb überrascht, der ihm fast die Stiefel platzen ließ. Auch er verging wie Schnee an der Sonne und streckte sich der Länge nach aus. Sauber gebündelt lagen die Kerle ein paar Yards weiter neben den Büschen und rührten sich nicht mehr. Als vorletzter erschien Jose. Er stieß den Kopf mißtrauisch und vorsichtig wie eine Ratte aus dem Loch. Aber auch er mußte blinzeln und sich an das grelle Sonnenlicht gewöhnen. So sah er Barba erst im allerletzten Augenblick. Der Riese blickte ihn an, wobei er überlegte, ob es sich überhaupt lohne, diesem mickrigen Kerl was auf die Hörner zu geben. Da war ja nicht viel dran an dem Zickenbart. Ein jämmerliches Kerlchen war das, das keinen Mumm in den Knochen hatte. Seine rechte Pranke schoß vor und wickelte sich um den Hals des schmächtigen Jose. Dann drückte er ihm ein bißchen die Faust ins Genick, hob ihn hoch und ließ wieder „die Kuh fliegen“. Allerdings war das eher ein mickriges Kälbchen. Der Ziegenbart segelte ab und wurde von Carberry aufgefangen, geknebelt und gefesselt. „Nur noch einen“, erinnerte Ed, „dann bin ich wieder an der Reihe.“ Die letzte Ratte in Gestalt des dümmlich blickenden Felipe verließ das Loch. Die
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Männer wußten noch nicht, daß damit der „Rattenvorrat“ erschöpft war. Felipe betrat mit einem ausgesprochen dämlichen Gesichtsausdruck die bunte Szene. Seine Augen tränten, als er in die Sonne blickte. Er hatte das Maul geöffnet und gähnte. Dann sah er Barba direkt vor sich und stutzte. Wie ein Mondkalb stierte er den gedrungenen Barba an, der ihn unfreundlich anblickte. „Wer bist du denn?“ fragte er erstaunt. „Barba natürlich“, sagte der Riese. Felipe kapierte das nicht richtig. Er hatte diesen Kerl noch nie gesehen, der wie ein wandelndes Riesenfaß wirkte. „Und wo sind die anderen?“ Barba zeigte mit dem Daumen stumm in die Richtung, wo sich mittlerweile sieben Kerle angesammelt hatten. Als Felipe - immer noch erstaunt und verwundert - in jene Richtung blickte, sah er eine Faust, so groß wie eine Bratpfanne. Er staunte noch, daß dieser Kerl so einfach zuschlug, obwohl er ihm vorher noch höflich seinen Namen genannt hatte. Jetzt flog ihm ein Ding an die Ohren, daß ihm Hören und Sehen schlagartig verging. Die Welt zerplatzte in einem schillernden Farbenrausch. Danach war nur noch tiefste Finsternis. Diesmal tippte der Profos Barba auf die Schulter und nickte ihm zu. Dann nahm er genüßlich vor dem Spalt Aufstellung, um weiter abzuräumen. Allerdings verging ihm bald sein erwartungsfrohes Grinsen, denn aus dem Felsen waren keinerlei Geräusche mehr zu hören. Sehr nachdenklich legte Ed sich bäuchlings auf den Boden, um nach weiteren triefäugigen Affenärschen und Rübenschweinen zu suchen. Nach einer Weile richtete er sich enttäuscht auf. „Wenigstens haben wir ehrlich geteilt“, sagte er. „Jeder vier Rübenschweine. Aber jetzt klemmt offenbar der Nachschub. Dabei müssen noch mindestens mehr als ein Dutzend im Berg stecken. Da hat man mal so eine Glückssträhne, und gleich reißt sie wieder ab.“
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Hasard näherte sich dem Spalt und lauschte eine Weile. Kein Geräusch war mehr zu hören, nicht einmal weiter entfernte Töne. „Seltsam“, sagte der Seewolf. „Das ist wirklich seltsam. Da müssen doch noch mehr Kerle sein. Wir warten noch ein paar Augenblicke, vielleicht haben sich die Nachzügler verspätet.“ Nach einer knappen Viertelstunde war immer noch nichts zu hören. „Es hat keinen Zweck mehr, noch länger zu warten. Dan, geh zurück an Bord und hole Fackeln und Taue.“ „Willst du da hinunter, Sir?“ „Ja, Ed kann mich begleiten, wenn er will.“ Der Profos wollte, das verriet schon sein Blick. Möglicherweise fanden sich ja da unten noch ein paar Kakerlaken, die sich in enge Ritzen verkrochen hatten und das Tageslicht scheuten. „Noch etwas“, sagte Hasard. „Laß Bayeux von Stenmark und Batuti ablösen. Sie sollen nur noch beobachten, was sich auf der ,San Sebastian' tut. Alle anderen Beobachtergruppen kannst du ebenfalls abziehen und hierher schicken. An diesem Spalt ist allgemeiner Treffpunkt für die Männer.“ „Aye, Sir“, sagte Dan. Danach zog er los, um die Männer zu wahrschauen und Fackeln und Taue zu holen. 8. Schon nach kurzer Zeit trafen die ersten Männer ein und staunten über den Fang. Immer noch waren die acht Kerle bewußtlos, geknebelt und verpackt. Aus dem Spalt war bisher kein weiteres Geräusch zu hören gewesen. Im Berg war alles still und ruhig. Auch Dan O'Flynn kehrte etwas später mit Fackeln und Tauen zurück. Er hatte alles erledigt, was ihm aufgetragen worden war. Der Seewolf warf dem Profos ein langes Tau zu und schlang sich selbst eins um die Hüften. Barba und Edmond Bayeux hielten die Tampen und fierten nach, als die beiden Männer in den Fels eindrangen.
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Das Tageslicht wurde immer schwächer und diffuser, bis es in dämmeriges Zwielicht überging. Zu diesem Zeitpunkt befanden sie sich in der Höhle, wo Morena von dem Stein erschlagen worden war. Sie hoben die Fackeln und sahen sich um. Anfangs betrachteten sie nur stumm das Bild, das sich ihnen bot. Da lagen Tote herum, zwischen aufgebrochenen Truhen mit Gold und Perlen. Das Zeug war einfach ausgekippt worden. Man konnte buchstäblich darin herumwaten. Hasard drehte eine der Leichen um. „Kopfschuß“, sagte er lakonisch. „Hier scheint sich in den letzten Stunden allerlei abgespielt zu haben. Die Kerle brachten sich in ihrer Gier gegenseitig um.“ Er deutete auf den Stapel von Kisten und Fässern, der ein Podest bildete. „Vermutlich wollte jeder der erste sein, um nach oben zu gelangen, und so mordete einer den anderen.“ Der Profos wies auf einen anderen Toten. „Der hat noch ein Messer im Kreuz“, sagte er, „auch umgebracht, weil jeder der erste sein wollte. Die Kerle haben sich noch einmal die Taschen gefüllt, dann sind sie aufgeentert. Was tun wir überhaupt mit den Halunken, Sir?“ „Wir liefern sie auf der ,San Sebastian' ab. Der Kapitän soll sehen, wo er mit den Kerlen bleibt. Sicher wird er erfreut sein, wenn er die Mörder seiner Soldaten hat. Den Halunken ist die Rah sicher. Aber das ist nicht unser Problem.“ „Vielleicht kriegen wir mit den Kerlen der Kriegsgaleone auch noch Ärger“, meinte Ed. „Wir werden sie so überraschen, daß sie uns keinen Ärger mehr bereiten können, Ed.“ Sie verließen den Raum und stießen weiter vor. Einmal zuckte der Profos zusammen, als er fast über einen Kerl stolperte, der an der Felswand lehnte. Er hatte die Augen geöffnet, aber er war tot. Als sie ihn vorsichtig umdrehten, sahen sie den Griff eines schweren Messers aus seinem Rücken ragen.
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„Auch heimtückisch umgebracht“, sagte Hasard kopfschüttelnd. „Es hat ganz den Anschein, als gäbe es hier unten keine weiteren Überlebenden mehr.“ „Was soll mit den Toten geschehen?“ fragte Ed. „Wir können sie doch nicht einfach hier bis zum Sankt Nimmerleinstag hocken oder liegen lassen. Das sind dann später einmal die Knochenmänner, vor denen es anderen graust, wenn sie sie in einer Höhle entdecken.“ „Wir werden sie später begraben, wenn wir mit dem Ausräumen der Schatzhöhle beginnen.“ Sie gingen weiter und fanden noch weitere Leichen. Aber fast überall waren Kisten, Fässer oder Truhen aufgebrochen und ihr Inhalt bis weit in andere Höhlen verstreut worden. Auch kostbares chinesisches Porzellan war an die Wände geschleudert worden und zersplittert. Die Kerle hatten hier unten wie die Berserker gehaust. Zum erstenmal sahen sie jetzt auch den riesigen Stein, der den Eingang versperrte. Der Profos stemmte sich einmal dagegen, aber der Stein rührte sich nicht von der Stelle. „Den kriegen wir nicht mehr raus“, sagte er. „Brauchen wir auch nicht. Über den Wasserfall können wir kaum noch etwas abladen, seit sich das Strömungsbild so nachhaltig verändert hat. Wir werden den anderen Weg nehmen.“ Carberry sah das ein. Über den Sims konnte wirklich nichts mehr abgefiert werden. „Viel geklaut haben sie nicht“, sagte er, „die restlichen Kerle haben sich nur noch die Taschen vollgestopft. Ein Teil der Schatzbeute befindet sich auf der ‚Trinidad'. Wir müssen später nur noch die kleinen Klunkerchen mühsam zusammenklauben.“ Hasard ging den Weg wieder zurück, sah noch hier und da in den kleineren Nischen nach und stieg dann in den schachtähnlichen Aufgang. Dort banden sie sich die Seile um und krochen nach oben.
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„Keine weiteren Überlebenden mehr“, sagte Hasard. „Dort unten liegen nur noch Tote. Die Kerle haben sich gegenseitig umgebracht, um schneller nach oben zu gelangen. Wir werden sie später irgendwo begraben und alle Spuren verwischen.“ „Wie gehen wir jetzt weiter vor?“ erkundigte sich die Rote Korsarin. „Wir räumen auch noch den letzten Beobachterposten mit Stenmark und Batuti. Dann nehmen wir die Kerle mit und kehren zu unseren Schiffen zurück. Wir verlassen die Bucht gefechtsbereit und segeln hierher zurück. Dann riegeln wir die Bucht ab und richten drei Breitseiten auf die ,San Sebastian', damit dort niemand auf dumme Gedanken verfällt. Anschließend übergeben wir die Kerle dem spanischen Kapitän und gewähren ihm freien Abzug.“ „Und die Klunkerchen?“ fragte Dan. „Kriegt der Don etwas davon?“ „Das ist nicht der Sinn der Sache“, sagte Hasard mit einem harten Lächeln. „Er kann das behalten, was die acht Galgenvögel in den Taschen haben.“ Einer nach dem anderen lud sich einen der Halunken aufs Kreuz. Das „Stöpselchen“, der riesige Petit Bouchon, schnappte sich den Kreolen, hängte ihn sich wie einen Proviantsack übers Kreuz und zog mit ihm los. So ganz im Vorbeigehen nahm er auch noch den mickrigen Jose mit, den er sich lässig unter den Arm klemmte. Der Profos schnappte sich Domingo, doch der kam in diesem Augenblick gerade wieder zu sich und wollte brüllen. Da er geknebelt war, wurde nur ein dumpfes Grummeln daraus. Er konnte auch nicht zappeln, weil er steif wie ein Stockfisch verschnürt war. „Halt's Maul“, sagte Ed gemütlich, „sonst werfe ich dich in den Fluß. Aber vorher kriegst du Hilfsleichenfledderer noch kräftig eins auf die Sabberrinne.“ Da hörte Domingo auf zu zappeln und wurde ganz still. Nur hin und wieder fiel ihm mal eine Goldmünze aus der Hose. Aber niemand bückte sich danach. Als sie die weiter westlich gelegene versteckte Bucht erreichten, wo die drei
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Schiffe des Korsarenbundes ankerten, ging es bereits auf den Mittag zu. Die Kerle wurden auf der Kuhl abgelegt. „Zuerst gefechtsklar machen“, sagte Hasard zu Siri-Tong und dem normannischen Riesen. „Dann gehen wir ankerauf und setzen die Segel wie besprochen. Haben wir die Bucht erst einmal abgeriegelt und unter Kontrolle, werden wir zusätzlich eine weiße Flagge schwenken, damit die Dons merken, daß wir keine böse Absichten haben.“ Danach kehrte Siri-Tong auf die „Caribian Queen” zurück, während sich die Normannen auf ihre „Le Griffon II.“ begaben. Von da an ging alles sehr schnell. Auf allen drei Schiffen wurden die Rohre ausgerannt, die Anker gehievt und die Segel gesetzt. Die „Isabella“ und die beiden anderen Schiffe nahmen Kurs auf die Bucht, wo am Buchtausgang das zusammengeschossene Wrack der „Trinidad“ lag und die Männer der „San Sebastian“ immer noch darauf lauerten, daß sich endlich etwas tat. Es tat sich auch etwas, nur hatte keiner von den Dons mit dieser Möglichkeit gerechnet. * Auf der Kriegsgaleone war gerade Backen und Banken beendet. Die Backschafter trugen die Kummen und Mucks ab. Nach dem Essen erschien de Mello sofort wieder an Deck, und da sah er auch schon Vanetto, der es ebenfalls ziemlich eilig gehabt hatte. Er stand da und beobachtete erneut das Bächlein, das da aus dem Felsen wie neugeboren floß. „Ich weiß nicht“, sagte er ungeduldig, „da tut sich überhaupt nichts mehr. Nichts rührt sich, und auch kein Kerl läßt sich am Spalt bei dem Wasserfall mehr blicken. Mir scheint, da ist alles ausgestorben.“ De Mello biß sich auf die Lippen. Ihm kam das selbst seit einiger Zeit merkwürdig vor, daß sich da oben nichts mehr rührte.
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Andererseits konnte er sich nicht vorstellen, daß die Kerle getürmt waren. Er hielt das für ausgeschlossen. „Nervenkrieg“, sagte er kurz. „Die warten ab, daß etwas in Bewegung gerät. Und wir warten ebenfalls ab.“ „Immerhin ist eine ganze Menge in Bewegung geraten“, sagte der Erste lächelnd. „Aber die Untätigkeit nervt mich. Es ist sozusagen eine Patt-Situation entstanden.“ „Was können wir denn unternehmen?“ „Vorläufig nichts, Capitan, ich sehe keine Möglichkeit. Die Höhlen lassen sich auch nicht stürmen.“ „Das ist richtig. Aber vielleicht werde ich nachher doch mal ein paar Leute hinaufschicken, damit sie sich in den Felsen umsehen. Möglich, daß wir dadurch etwas mehr erfahren.“ Sie unterhielten sich anschließend über Belangloses, blickten dabei aber immer wieder zu dem Bach, der stetig und regelmäßig aus seiner Felsenlücke floß. De Mello war so in Gedanken versunken, daß er zusammenzuckte, als der Ausguck plötzlich rief: „Drei Schiffe nähern sich der Bucht, Senor Capitan!“ De Mello und Vanetto fuhren gleichzeitig herum. Verblüfft registrierten sie die drei Schiffe, die sich der Bucht näherten. Sie waren schon so dicht heran, daß es für den Verteidigungsfall zu spät war. De Mello war verärgert, überrascht und auch verblüfft. Verärgert war er darüber, daß der Ausguck die Schiffe zu spät gemeldet hatte. Er mußte dem Mann allerdings auch zugestehen, daß er eine ziemlich schlechte Sicht hatte. Überrascht und verblüfft war er darüber, daß die drei Schiffe so schnell auftauchten und ganz offenbar die Absicht hatten, die Bucht abzuriegeln. „Zu spät für Gegenmaßnahmen“, sagte er mit zusammengepressten Lippen. „Wir können nichts mehr tun.“ „Die sind wie aus dem Nichts aufgetaucht“, sagte Vanetto, der den Schiffen gespannt entgegensah. Zuerst schob sich eine schlanke, schnittig und modern gebaute Galeone vor die
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Bucht. In ihrem Kielwasser folgte ein Schiff, das die Offiziere und Seesoldaten verblüfft anstarrten. Es war ein düsteres Schiff, ein Zweidecker mit starker Armierung, der die Kanonen ausgerannt hatte und gerade die Segel wegnahm. De Mellos Verblüffung wurde noch größer, als er auf dem Achterdeck des düsteren Schiffes eine Frau in blauen Leinenhosen und roter Bluse entdeckte. „Ich glaube, mich trifft der Schlag“, sagte er. „Das ist doch eine Frau, oder sehe ich schlecht?“ „Es ist eine Frau, allerdings, daran besteht nicht der geringste Zweifel, Capitan, und sie scheint das Schiff zu befehligen.“ De Mello blickte zu dem dritten Schiff, das jetzt ebenfalls mit ausgerannten Kanonen vor der Bucht aufkreuzte. An Deck erkannte er Kerle, die wie eichene Kleiderschränke wirkten, so breit, wuchtig und massig waren sie. Sein Blick wurde wieder von der ersten Galeone angezogen. Auf dem Achterdeck befand sich ein riesiger schwarzhaariger Mann, dessen Schläfenhaar silberfarben angegraut war. Es war ein mindestens sechs Fuß großer Riese, der lässig auf dem Achterdeck stand. „Piraten“, sagte de Mello verbissen. „Das hat uns gerade noch gefehlt.“ Er hämmerte die rechte Faust wütend in die linke Handfläche. „Merken Sie etwas, Vanetto?“ „Ja, wir werden eine Menge Schwierigkeiten kriegen. Die Kerle riegeln die Bucht ab, und wir sitzen darin wie die Maus in einer großen Falle. Ob das Spanier sind?“ Gebannt starrte de Mello zu den Schiffen. Auf dem ersten wurde die Flagge gezeigt, aber das war eine Flagge, die ihm gar nicht gefiel. Er hatte sie auch poch nie gesehen. Schwarzes Tuch war es, mit zwei gekreuzten Säbeln aus goldener Farbe. Prächtig sah diese Flagge aus, aber auch zugleich bedrohlich und sehr gefährlich. Die gekreuzten Säbel auf dem schwarzen Tuch redeten eine unmißverständliche Sprache.
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„Das sind tatsächlich Korsaren oder Piraten“, sagte de Mello etwas hilflos. „Jetzt kann ich mir auch zusammenreimen, was in letzter Zeit passiert ist.“ „Wie meinen Sie das, Capitan?“ „Ich denke an unsere heimlichen Warner“, sagte de Mello erbittert. „In Wirklichkeit waren das Piraten, die uns beobachtet haben. Es fragt sich nur, ob sie Kenntnis vom Schatz des Königs haben.“ Vanetto fühlte sich auch sehr unbehaglich. Wenn die Kerle sie wirklich beobachtet hatten - was eigentlich außer Zweifel stand -, dann hatten sie ganz sicher auch gesehen, daß man Truhen, Kisten und Fässer durch den Wasserfall zur „Trinidad“ gebracht hatte. Er schluckte schwer, denn auch er sah keine Möglichkeit zur Gegenwehr. Zudem hatten alle drei Schiffe jetzt eine Breitseite genau auf die „San Sebastian“ gerichtet. Wenn die Stücke da drüben Feuer spien, blieben von der Kriegsgaleone nur noch Trümmer. Auf den drei Schiffen unternahm man allerdings keine Anstalten zum Feuern, wie de Mello erleichtert feststellte. Zwar lungerten da Kerle an den Rohren, und da stieg auch Qualm aus Messingbecken auf, aber der Schwarzhaarige gab keinen Befehl zum Feuern. „Soll ich wenigstens Musketen ausgeben lassen?“ fragte der Erste. „Ohne jede Waffe fühlt man sich noch hilfloser.“ De Mello schüttelte den Kopf, wobei er die Schiffe im Auge behielt. „Nein, auf keinen Fall. Wir werden beobachtet. Wenn jetzt Musketen verteilt werden, dann feuern die Kerle wahrscheinlich. In einer Situation wie dieser muß man den Gegner nicht provozieren, zumal er am längeren Hebel sitzt. Mit Musketen erreichen wir nichts, wir gefährden nur das Leben der Mannschaften.“ Vanetto sah das ein und nickte. Aber die Hilflosigkeit ärgerte ihn doch maßlos. „Nanu“, sagte er, „das ist ja fast ein Widerspruch in sich selbst. Die Burschen da drüben schwenke eine weiße Flagge.“
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Wieder blickten sie verblüfft zu dem schlanken Rahsegler. Dort stand ein breitschultriger Mann an Deck, der in aufreizender Lässigkeit eine weiße Fahne hin und her schwenkte. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie sich ergeben wollen“, bemerkte der Erste spöttisch. „Angesichts unseres augenblicklich harmlosen Kriegsschiffes dürfte das wohl ein Witz sein.“ De Mello grinste mit schmalen Lippen. „Wohl kaum. Aber von der Flagge geht etwas Beruhigendes aus.“ Er nahm den Kieker und blickte kurz hindurch. „Sonderbar - sie fieren eine Jolle ab, und in der Jolle liegen acht gefesselte Männer. Anscheinend bedeutet die weiße Flagge Verhandlungsbereitschaft.“ Atemlos sahen sie zu, wie die Rudergasten in der Jolle Platz nahmen und der schwarzhaarige Riese sich achtern auf die Ducht setzte. Es ging alles ganz gemütlich vor sich. Trotzdem strahlte dieser Mann eine atemberaubende Gefährlichkeit aus, eine Aura, der de Mello sich einfach nicht entziehen konnte. Er ertappte sich ärgerlich dabei, daß er dieses Gesicht studierte. Da waren Augen von ungewöhnlich eisblauer Farbe, die in einem seltsamen Kontrast zu den schwarzen Haaren standen. Die Silberstreifen an den Schläfen wirkten keineswegs seriös oder beruhigend. Sie zeigten vielmehr einen Mann, der harte Erfahrungen hinter sich hatte, einen Souverän, der virtuos jede Situation meisterte und jeder Lage gewachsen war. Die Jolle nahm direkten Kurs auf die „San Sebastian“. Die acht Kerle lagen still und ruhig zwischen den Duchten. Ihre Hände und Füße waren gefesselt. „Lassen Sie die Jakobsleiter ausbringen“, sagte de Mello heiser. „Und dann geleiten Sie den Schwarzhaarigen aufs Achterdeck.“ Der Erste tat, was de Mello anordnete. Als die Jolle näher heran war, vernahm er eine Stimme, die sich höflich erkundigte, ob es gestattet sei, an Bord kommen zu dürfen.
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„Gestattet“, krächzte der Erste. Der Riese enterte auf. Vanetto schluckte, als er in der Jolle einen narbigen Kerl mit einem gewaltigen Rammkinn sah und einen Rothaarigen, dessen Kreuz so breit war wie eine Rah. Er geleitete den Schwarzhaarigen nach achtern, nachdem der ihn kurz und knapp begrüßt hatte. Ohne Umschweife streckte Hasard de Mello die Hand hin. „Philip Hasard Killigrew“, stellte er sich vor. „Vielleicht besser bekannt als El Lobo del Mar.“ Das war knapp und kurz, traf de Mello aber wie ein Keulenhieb. Deutlich sichtbar zuckte er zusammen. Natürlich, wer kennt diesen legendären Seewolf nicht, dachte er erschüttert. Er gab den Händedruck zurück und nannte etwas leise seinen Namen. Er stand immer noch unter dem Eindruck dieser Persönlichkeit, und er mußte sich eingestehen, daß ihm dieser souverän wirkende Riese gefiel. „Ich will Sie nicht lange aufhalten, Capitan“, sagte Hasard gelassen. „Meine Freunde und ich haben Sie seit Einlaufen der beiden Schiffe in die Bucht ständig beobachtet. Ich bin auch über alles informiert, was hier geschah. Ich habe mir deshalb erlaubt, Ihnen ein paar Mörder, Strolche und Halunken mitzubringen, sozusagen als kleines Begrüßungspräsent. Sechs Ihrer Seesoldaten sind ermordet worden, was ich leider nicht verhindern konnte. Daher übergebe ich Ihnen vier der Mörder, außerdem vier andere Deserteure von der ‚Trinidad'. Die Kerle befinden sich in der Jolle.“ De Mello starrte den Seewolf an wie einen Geist. Im Augenblick sah er recht hilflos aus. „Danke für Ihre Hilfe“, sagte er schwach. „Dann waren Sie es auch, der uns vor dem Angriff der Halunken gewarnt hat?“ „Ich ließ einen Brandpfeil auf die ‚Trinidad' und weitere auf die Jollen feuern“, erklärte Hasard. „Sie hatten jederzeit heimliche Beobachter.“ „Vielen Dank“, murmelte de Mello erschüttert. Er sah zur „Trinidad“ hinüber,
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auf der sich noch das Kommando sowie ein paar verletzte Männer befanden. Sie alle waren zu Säulen erstarrt, blickten herüber und rührten sich nicht. „Ihr Beschuß auf den vorkragenden Teil des Wasserfalles war übrigens genial“, sagte Hasard lächelnd. „Die Veränderung des Strömungsbildes hat den Strolchen mächtig eingeheizt.“ De Mello hatte sich endlich gefangen. Seine Verkrampfung war verschwunden, wie er erleichtert feststellte. „Das war die Idee meines Ersten Offiziers“, sagte er. „Wir wissen nur noch nicht, wie wir die Kerle da herauskriegen.“ „Nicht mehr nötig, es gibt keine weiteren Überlebenden. Ich habe mich persönlich davon überzeugt. Diese acht Kerle sind die letzten. Die anderen haben sich gegenseitig umgebracht oder sind von stürzendem Gestein erschlagen worden.“ „Keiner hat das überlebt, außer den acht Kerlen?“ fragte de Mello verblüfft. „Wenn Sie das sagen, dann glaube ich das, Senor Killigrew.“ „Sie wissen, was sich in den Höhlen befindet“, sagte Hasard, „ich brauche das wohl nicht weiter zu erörtern.“ „Ja, der Schatz des Königs, den die Deserteure an sich bringen wollten“, sagte de Mello. Auf Hasards Lippen erschien ein spöttisches Lächeln. „Ein Schatz ist das schon, Capitan, aber kein Schatz des spanischen Königs - ganz im Gegenteil.“ „Ich verstehe nicht“, sagte de Mello unsicher. „Ich bin mir überhaupt nicht im klaren, was es mit dem Schatz wirklich auf sich hat.“ „Das kann ich Ihnen erklären. Sie haben den gefangenen Gouverneur von Kuba an Bord, nicht wahr? Lassen Sie den verehrten Senor doch bitte an Deck holen. In seinem Beisein werde ich Ihnen verraten, wem der Schatz wirklich gehört.“ „Bringen Sie de Escobedo unter Bewachung an Deck, Vanetto“, sagte de Mello heiser. Kurze Zeit später erschien de Escobedo, hager, finster blickend, aber irgendwie
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gebrochen. Jedenfalls bot er ein Bild des Jammers, als er jetzt an Deck stand. Er stierte Hasard an wie einen Geist, So einen Mann kannte er aus Havanna - den deutschen Handelsherrn Senor Arne de Manteuffel. Die Gesichter ähnelten sich wie ein Ei dem anderen, nur hatte dieser Mann schwarze Haare, während der Deutsche blond war. De Escobedo kapierte überhaupt nichts. Er starrte Hasard nur entgeistert an. „Nun, verehrter Gouverneur“, sagte Hasard kalt. „Es sieht ganz so aus, als ob das Gaunerstückchen endgültig beendet ist.“ „Ich verbitte mir das!“ schrie de Escobedo zitternd vor Wut. „Ich werde hier widerrechtlich festgehalten. Ich habe seiner Majestät gegenüber seine Pflicht zu erfüllen, die ...“ „Sparen Sie sich den Quatsch“, fuhr Hasard ihn hart an. „Wir wissen längst über alles Bescheid. Sie haben überhaupt keine Pflicht dem König gegenüber zu erfüllen. Sie sind der Mörder des Fuhrunternehmers Miguel Cajega. Sie haben ihn eiskalt umgebracht und wurden dabei von zweien meiner Männer beobachtet.“ „Das ist nicht wahr!“ brüllte de Escobedo. „Weshalb sollte ich den Mann umgebracht haben?“ „Sie wollten von ihm erfahren, wo sich die ergaunerten, zusammen gestohlenen und unrechtmäßig angeeigneten Schätze des Don Antonio de Quintanilla befanden. Sie haben Cajega einkerkern lassen, als der schwieg, ihn dann der Folter unterzogen und schließlich dazu gezwungen, das Versteck zu verraten. Mit dem Mord an Cajega hat alles seinen unheilvollen Anfang genommen. Ich kann Ihnen das bis ins kleinste Detail nachweisen.“ „Lüge, alles Lüge!“ schrie de Escobedo. „Sie erschossen Cajega und warfen seine Leiche durch den Wasserfall. Anschließend haben Sie sich wie ein Irrer benommen, als Sie die Schatzbeute entdeckten.“ Hasard demaskierte den Gouverneur in schonungsloser Härte.
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De Mello und Vanetto standen verblüfft daneben und hörten zu, bis de Mello einen genauen Überblick hatte. Jetzt wußte er endlich Bescheid, was es mit dem Schatz des Königs auf sich hatte. Von wegen „geheime Mission“, dachte er. „So ist das also“, sagte er erschüttert. „Ich wunderte mich schon die ganze Zeit über diesen seltsamen und geheimnisvollen Transport. Der Schatz ist also die ergaunerte Beute des anderen Gouverneurs.“ „Sehr richtig“, sagte Hasard. „Der hat geklaut, gemordet, geraubt und betrogen, wo immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Und das alles hat er in dieser Höhle angehäuft. Dieser ehrenwerte Senor trat gleich darauf freudig in seine Fußstapfen und wollte sich auch bereichern. Aus dem Grund mordete er auch bedenkenlos. Er ist ein genauso übler Halunke wie sein dicker Vorgänger.“ De Mello warf de Escobedo einen eiskalten und verächtlichen Blick zu. „Bastard“, sagte er angewidert, „dreckiger Bastard. Geben Sie es endlich zu, Sie feiger und hinterhältiger Kerl, sonst lasse ich Sie an der Rah hochziehen.“ De Escobedo brach wimmernd zusammen, als er erkannte, daß sein Spiel endgültig verloren war. Er konnte sich nicht mehr herausreden, denn alles sprach gegen ihn. „Jaja“, murmelte er erstickt, als er die gnadenlose Härte in den Augen de Mellos sah. „Ich bitte um Gnade, ich bin auch nur ein schwacher Mensch, der in Versuchung geraten ist.“ De Mello lachte höhnisch und verächtlich zugleich. „Ein schwacher Mensch!“ rief er. „Ein verachtenswerter schwacher Feigling mit dem Gehabe eines plärrenden Kindes, wenn es ihm an den Kragen geht. Lassen Sie den Kerl unter scharfer Bewachung wieder nach achtern bringen, Vanetto.“ „Gnade“, flehte de Escobedo mit versagender Stimme. Hasard sah ihn kalt und verletzend an. „Das ist jetzt Ihr Problem, Senor“, sagte er dann. „Ich habe damit nichts mehr zu tun.“
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Während der wimmernde de Escobedo in den eisenharten Griff zweier Soldaten genommen wurde, fragte de Mello: „Was ist denn mit dem anderen Gouverneur passiert?“ „Oh, der befindet sich in guter Obhut an einem sicheren Platz, wo er in Ruhe über seine Schandtaten nachdenken kann. Er sollte zum Vize-König ernannt werden, aber das wird er nie werden, weil er vom Charakter her dazu völlig ungeeignet ist“, sagte Hasard lächelnd. „Er ist dazu ebenso ungeeignet wie de Escobedo, denn alle beide faßten ihr hohes Amt nur als Mittel zur eigenen Bereicherung auf. Dabei spielten auch Morde keine Rolle.“ De Mello bedankte sich wiederum und sah Hasard an. Ein bitterer Zug legte sich um seine Lippen. „Ich habe begriffen, Senor Killigrew. Meine sogenannte Aufgabe für den König ist hiermit beendet, denn sie fand unter falschen Vorzeichen statt. Ich durfte in diesem Fall nur die Rolle eines nützlichen Idioten spielen, dessen Unwissenheit man schamlos ausnutzte, den man nicht informierte und völlig im unklaren ließ, um was es ging. O ja, das habe ich jetzt endgültig begriffen. Es ist bitter, aber es ist nicht zu ändern.“ „Ein paar üble Gauner haben. Sie benutzt und Ihnen diese Rolle aufgezwungen“, sagte Hasard. „Sie haben an eine gute Sache geglaubt, und diesen Glauben haben die Kerle schamlos ausgenutzt. Sie müssen sich damit abfinden.“ „Das wird eine Weile dauern. Ohne Ihre Hilfe würde ich immer noch halbblind herumlaufen. Noch eine Frage, Senor Killigrew, wenn Sie gestatten.“ „Bitte sehr.“ „Was wird jetzt aus dem Schatz des Königs, der ja keiner mehr ist, sondern nur zusammengestohlene Beute?“ Der Seewolf lächelte hintergründig. „Sie wissen ja, daß ich in Spanien ein hochgeschätzter Mann bin, und Sie wissen auch, daß ich eine andere Auffassung habe als Sie. Sie werden von mir nicht erwarten können, daß ich Ihnen die Beute höflich überlasse. Ich werde sie einem besseren
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Zweck zuführen. Aber ich gewähre Ihnen freien Abzug. Sie können die ‚Trinidad' in aller Ruhe räumen lassen und dann frei davonsegeln. Außer der Wahrheit und den acht Gefangenen habe ich Ihnen leider nicht mehr zu bieten.“ „Das ist mehr als genug, Senor Killigrew“, sagte de Mello erleichtert. „Ich weiß, daß Sie ein Caballero sind. Gott möge immer schützend seine Hand über Sie und die Ihren halten.“ „Lassen Sie das nur nicht höheren Ortes anklingen“, sagte Hasard mit einem feinen Lächeln. Anschließend wurden die acht Gefangenen aus der Jolle geholt und an Bord gebracht. De Mello ließ die Kerle erst einmal „ausschütteln“, weil sie immer noch die Taschen voller Gold und Perlen hatten. Überall klimperten Goldmünzen auf die Planken. „Eine kleine Entschädigung“, sagte Hasard. Er sah zu, wie die acht Strolche nach vorn in die Vorpiek gebracht wurden. Anschließend verabschiedete er sich von de Mello und dem Ersten Offizier und enterte in die Jolle ab. De Mello sah ihm lange nach. Auch Vanetto stand am Schanzkleid und blickte nachdenklich der Jolle hinterher. „Ein großzügiger und souveräner Mann, dieser schon legendäre El Lobo del Mar. Er taucht aus dem Nichts auf und verschwindet wieder. Ob die Regierung ihn wohl jemals fassen wird?“ „Hoffentlich nicht“, murmelte de Mello vor sich hin. „Wie bitte?“ De Mello straffte sich. Sein Blick war nicht zu deuten. „Natürlich kriegen sie ihn, ist doch Ehrensache“, schnarrte er. „Wo kämen wir
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denn hin, wenn er uns ständig auf der Nase herumtanzt?“ Vanetto drehte sich grinsend um. „Lachen Sie nicht“, sagte de Mello. „Sorgen Sie lieber dafür, daß die Männer von der ‚Trinidad' übernommen werden.“ Etwas später wurde die zerschossene Handelsgaleone geräumt und die Männer abgezogen. Einsam und verlassen lag das Wrack, auf dem sich immer noch eine Menge Schätze befanden, dann dicht vor der Bucht. Auf den drei Schiffen des Bundes der Korsaren sahen sie zu, wie das Schiff geräumt wurde. Kurz danach wurde der Anker gehievt, die Segel gesetzt, und die „San Sebastian“ nahm Fahrt auf. Die drei Schiffe ließen sie ungehindert passieren. Als die „San Sebastian“ auf gleicher Höhe mit der „Isabella“ war, holte Hasard eine Golddublone aus der Hosentasche und warf sie zu de Mello hinüber, der sie geschickt auffing und verwundert betrachtete. „Als symbolische Entschädigung!“ rief der Seewolf. De Mello bedankte sich und zwinkerte ihm zu. Dann sahen sie grinsend, wie de Mello etwas später die „symbolische Entschädigung“ sorgfältig mit einem Hammer und einem Nagel höchstpersönlich an den Besanmast nagelte. „Alle gestärkt, alle zu neuen Taten bereit?“ fragte Hasard lächelnd. „Alles klar!“ brüllte der Profos. „Dann beginnen wir jetzt mit dem Ausräumen.“ Langsam segelten die drei Schiffe in die Bucht, wo der unermeßliche Schatz des Don Antonio auf sie wartete...
ENDE