Leben und Bedeutung des Schriftschneiders Jakob Sabon VON JAN TSCHICHOLD
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Leben und Bedeutung des Schriftschneiders Jakob Sabon VON JAN TSCHICHOLD
Leben und Bedeutung des Schriftschneiders Jakob Sabon
Leben und Bedeutung des Schriftschneiders Jakob Sabon VON JAN TSCHICHOLD
HON.R.D.I.
D. STEMPEL AG LINOTYPE GMBH FRANKFURT AM MAIN
Wappen des Jakob Sabon
Gar mancher Leser hört diesen Namen zum ersten Male. Jakob Sabon lebte in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts und war ein Schriftschneider und Schriftgießer. Nur die alten Gradbezeichnungen Sabon (60 Punkt) und Grobe Sabon (66 Punkt) erinnern heute noch an ihn. Seine geschichtliche Rolle war jedoch durchaus nicht geringfügig und verdient es, ins rechte Licht gerückt zu werden. Der Schriftschneider und Schriftgießer Jakob (Jacques) Sabon, dessen Geburtsjahr man nicht kennt (er starb 1580), war Franzose und aus Lyon gebürtig. Er könnte ein Sohn oder Verwandter des Sulpice Sabon (oder Sulpitius Sapidus) gewesen sein, der in Lyon von 1535 bis 1549 druckte. Die Forschung konnte kein einziges Zeugnis über diesen Drucker fi nden, der »einer der be1 sten in Lyon war und von dessen Leben wir nichts wissen« . Daß Sulpice Sabon aus Lyon unbemerkt verschwand, bedeutet wahrscheinlich, daß er, ein Anhänger der Reformation, wie Jean II de Tournes und andere, floh, um einer Verfolgung zu entgehen. Mit einigen solchen französischen Protestanten kam der Schriftschneider Jacques Sabon nach Frankfurt am Main. In Frankfurt bestand seit 1530 die Offi zin Christian Egenolffs (1502 bis 1555), des ersten Druckers dieser Stadt. Seine Schriftgießerei belieferte auch andere Drucker. Egenolff, der Stammvater der Frankfurter Schriftgießerdynastie Egenolff-Sabon-Berner-Luther, war 1555 im besten Mannesalter gestorben, und seine Witwe Margarete Egenolff führte als Nutznießerin das Geschäft unter der Bezeichnung Egenolffs Erben mit Unterstützung ihrer Schwiegersöhne fort.
Christian Egenolff
Dieses Geschäft nahm den jungen Sabon auf; doch war Jakob Sabon vorübergehend auch in Christoph Plantins Diensten in Amsterdam tätig. Dieser bedeutende Verleger und Drucker besaß um 1565 außer seiner Druckerei eine 2 eigene Schriftgießerei und beschäftigte dort (nach Max Rooses, 1905 ) »von 1565 bis 1567 einen Schriftschneider Jacques Sabon«. 3 Nach Gustav Mori (1926) jedoch berief Plantin den Schriftschneider und -gießer Sabon schon 1563 nach Amsterdam, und zwar zur Einrichtung einer Schriftgießerei. Er wäre demnach der Gründer der Schriftgießerei Plantins. Sabon sei schon 1564, nach seiner eigenen Aussage in einem Prozeß, nach 3 Frankfurt zurückgekehrt . 4 Nach Francis Meynell und Stanley Morison aber verließ Sabon Plantins Werkstatt erst 1567, im Erscheinungsjahr des Index characterum. Es sei gut möglich, daß er vor seiner Abreise eine Anzahl Matrizen entweder von Plantin oder von Robert Granjon, dem berühmten Schriftschneider, erworben habe. Da Granjon seinen wichtigen Kunden Plantin Ende 1566 in Antwerpen besucht habe, müsse Sabon ihm dort um diese Zeit begegnet sein. Egenolffs Presse, zu der Sabon 1564 oder erst 1567 aus einer Art Urlaub zurückkehrte, war damals eine der wichtigsten Europas. Egenolffs Setzer hatten, sofern sie nicht Fraktur zu setzen hatten, ausschließlich mit längst unmodern gewordenen Basler Antiquaschriften gearbeitet. Nach Sabons Eintritt wurden diese von den Antiquaschriften Claude Garamonds (1480 bis 1561) und den zu ihnen passenden Kursivschriften Robert Granjons verdrängt. Niemand anderem als unserem Jakob Sabon kommt also das Verdienst zu,
Christoph Plantin
den Schriftschnitten Garamonds und Granjons in Deutschland den Weg bereitet zu haben. Sabon verband sich mit der Familie Egenolff, indem er die einundzwanzigjährige Judith Egenolff (-Rudel), Christian Egenolffs Enkelin, im Jahre 1571 heiratete. Im gleichen Jahr erwarb er auch das Frankfurter Bürgerrecht. Von 3 seinen Kindern, zwei Söhnen und vier Töchtern , ist Anna Sabon zu erwähnen, die nach dem Tode ihres ersten Mannes in zweiter Ehe Johannes Halbey, Buchdrucker zu Hanau, heiratete. Durch seine Heirat mit Judith Egenolff wurde Sabon zum Teilhaber des Hauses Egenolffs Erben. Erbstreitigkeiten endeten 1572, mit einem Vergleich: die Druckerei Christian Egenolffs wurde abgetrennt und die mit ihr verbunden gewesene Schriftgießerei in Sabons Be3 sitz übergeführt . Die Übergabe geschah mit dem Vorbehalt, daß die Matrizen nicht an Fremde veräußert werden dürften. Sabon, dessen Wappen wir zeigen, hat auch den Verlagsbuchhandel gepflegt und dabei ein besonderes Druckerzeichen benutzt, doch sind bisher 3 keine Drucke mit seinem Zeichen bekanntgeworden . Die Schriftgießerei bot ihm ein viel reicheres Arbeitsgebiet. Er unterhielt mit Claude Garamond und seinen Nachfolgern in Paris und mit Robert Granjon in Lyon enge geschäftliche Beziehungen. Von Garamond oder seinen Nachfolgern hatte er nach 3 Mori die Stempel, vermutlich aber nur die Abschläge von dessen berühmter Antiquagarnitur, von Granjon die Abschläge seiner Kursivschriften und seiner schönen Griechisch erworben. Auch Matrizen anderer guter Schnitte erwarb er, so unter anderem von seinem Landsmann Andreas Wechel justierte
Wappen der Familie Berner
3
Matrizen zu zwei Antiquaschriften für 100 Gulden . Welche von den Schriftschnitten ohne Namensnennung, die in den Probeblättern seiner Nachfolger vorkommen, Sabon selber zuzuschreiben sind, ist schwer abzuklären. Sicherlich nicht von ihm ist die ihm früher zugeschrieben gewesene 66 Punkt ›Cölnisch Current Fraktur‹ (erstmalig vollständig abgebildet in Jan Tschichold, Meisterbuch der Schrift, 1. Auflage, Seite 116 und 117), die ihrer Stilmerkmale wegen weder 1550 noch zu Lebzeiten Sabons, noch überhaupt im sechzehnten Jahrhundert entstanden sein kann, sondern erst in den ersten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts geschnitten worden sein muß. Sabons Schriften, besonders seine Fraktur, waren begehrt und wurden oft verwendet. Er gilt als der erste Schriftgießer, der die ungewöhnlich großen Grade von 6 Cicero aufwärts geschnitten hat. Doch waren die »Kleinen Fraktürlein Sabons«, wie sie gelegentlich genannt werden, nicht minder beliebt. Für ein von ihm erfundenes besonderes Verfahren, Initialen, Schriftleisten und Verzierungen in Kupfer, Messing und Bronze zu gießen, hat Sabon im Jahre 1578 von Kaiser Rudolf II. eine Reichsfreiheit erhalten, nachdem ihm schon 1575 ein Schutzbrief für neuartig geschnittene Stahlstempel seiner Frakturschrift von Kaiser Maximilian gewährt worden war. Der Frankfurter Rat, der Sabons Gesuch an den Kaiser befürwortete, stützte sich dabei auf das gemeinsame Gutachten der angesehensten Buchdrucker, die sich damals gerade zur Fastenmesse in Frankfurt aufhielten und nach Besichtigung der Probe bestätigten, daß die neugefundene Art zu gießen nicht allein eine bisher noch nie gesehene neue Kunst, sondern auch »allen Druckereien im Römischen Reich ganz förderlich,
Claude Garamond
dienlich, nützlich und eine Zierde sei«. Vermutlich handelte es sich dabei um ein Sandgußverfahren. Einige der Fleurons in der berühmten, nur in einem einzigen Stück im Plantin-Museum zu Antwerpen erhaltenen Schriftprobe Plantins, dem Index 4 sive specimen cbaracterum von 1567, sind (nach Meynell und Morison ) von Jakob Sabon, die anderen von Robert Granjon. Jakob Sabon starb am 10. September 1580. Nach seinem Tode führte der Schriftgießer Conrad Berner, den Sabons Witwe Judith am 6. März 1581 ehelichte, die Gießerei. Ein großartiges Probenblatt, 30 × 47 cm groß, mit dem Titel Specimen characterum typorum probatissimorum, das Conrad Berner 1592 verbreitete und von dem, wie von Plantins Schriftprobe, nur ein einziges Exemplar (in Frankfurt am Main) erhalten war, ist eine Schriftgießerprobe im heutigen Sinne, denn sie bietet ausdrücklich anderen Druckern Schriften an. Das Blatt zeigt außer einer wunderschönen kleinen Petit-Fraktur in der deutschen Schlußschrift, einer ›Romain Non parel‹ und einer ›Cursiff Non parel‹ (alle drei ohne Angabe des Stempelschneiders) die Antiqua Claude Garamonds von ›Canon‹ bis ›Garamond‹ (Garmond), acht Kursivschriften und eine ›Galliard‹ von Robert Granjon. Diese sind mit den Namen der Stempelschneider bezeichnet. Ferner sieht man Granjons schöne Griechisch in fünf Graden und eine Anzahl Einfassungen und Fleurons. Die Schriften werden auf dem Blatte selbst als die »fürnemsten und allerschönsten Schrifften, so jemals an tag kommen« empfohlen. Vier Jahrhunderte haben die Berechtigung dieser stolzen Meinung erwiesen. Das Blatt sagt aus, daß die
Druckerzeichen des Robert Granjon
Schriften der Gießerei zunächst von Christian Egenolff, dann durch seine Witwe und schließlich durch seine Erben Jakob Sabon und Conrad Berner zusammengebracht worden sind. Tief bedauerlich ist, daß Berner, abgesehen von der entzückenden Petit keine Fraktur- und auch keine hebräischen Schriften vorführt, da »die Teutschen und Hebräischen schrifften nicht sonderlich hoch geachtet« seien. Das einzigartige und mit Recht seit 1920, dem Jahre 5 seiner Entdeckung, berühmte Blatt , mit Erhard Ratdolts Probe von 1486 und Plantins Index von 1567 eine der ältesten Schriftgießerproben überhaupt, ist im Verein mit Plantins Index ein Zeugnis für die überragende Bedeutung der Schriften Garamonds und Granjons, das heißt des französischen Schriftstils der Renaissance, für das ganze Zeitalter.
Literatur 1. Henri Louis Baudrier: Bibliographie Lyonnaise. Lyon (Paris): 1895-1908. Vol. 12, p. 92. 2. Max Rooses: Index characterum architypographiae Plantinanae. Antwerpen: 1905. 3. Gustav Mori: Die Egenolff-Luthersche Schriftgießerei in Frankfurt am Main. Frankfurt: D. Stempel AG, 1926. 4. Francis Meynell, Stanley Morison: ›Printers’ Flowers and Arabesques‹. In: The Fleuron, Vol. I, Loddon: 1923. 5. Gustav Mori: Eine Frankfurter Schriftprobe vom Jahre 1592. Frankfurt: D. Stempel AG, 1920. (Vergriffen, heute sehr selten.)
Anmerkungen zum Erscheinen der neuen Schrift Sabon-Antiqua
Sabon Antiqua Sabon Kursiv Sabon halbfett
Mit der nach Jakob Sabon genannten neuen Antiqua, die zum Druck dieser kleinen Biographie verwendet wurde, ist dem Stempelschneider und Schriftgießer Sabon ein spätes, aber würdiges Denkmal gesetzt. Die Sabon-Antiqua ist entstanden aus der bewußten Besinnung auf die hohe Schriftkultur jener Zeit, in der Sabon lebte und seinen nicht geringen Beitrag zum Schriftschaffen der Renaissance leistete. Die Schrift wurde in drei Garnituren von dem feinsinnigen Typographen und Buchgestalter Jan Tschichold entworfen, dessen schriftkundiges Wissen und dessen jahrzehntelange Beschäftigung mit der Schrift in der Sabon-Antiqua ihre Krönung gefunden haben. Sie verkörpert in Maß und Form den Typus der klassischen Antiqua, die im fünften Jahrhundert ihrer Bewährung steht. Gleich den unübertrefflichen Schriften jener Zeit erfüllt die Sabon die anspruchsvolle Aufgabe, durch einen hohen Grad an Lesbarkeit dem Auge wohlzutun. Neu und einmalig ist ihre Identität in den drei Bleisetzverfahren: ›Linotype‹ Satz, ›Monotype‹ Satz und Handsatz stimmen in Form, Bildgröße und Schriftweite überein. Einem Schriftbild aus der Sabon ist es nicht anzusehen, in welchem der drei Verfahren es gesetzt ist. Diese Identität erschließt neue Möglichkeiten der Satzherstellung: Sie gestattet es, bei einer Arbeit je nach Bedarf oder Zweckmäßigkeit von einem Setzverfahren auf das andere zu wechseln oder auch diese Verfahren beliebig zu kombinieren. Klarheit und unaufdringliche Form, Tugenden, wie sie der Sabon eigen sind, verbinden sich mit der technischen Vielseitigkeit zu einer idealen Drucktype für die vielfältigen Satzaufgaben unserer Zeit.
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1234567890
Schriften: Sabon Antiqua, Sabon Kursiv und Sabon Antiqua halbfett Satz: Linotype GmbH und D. Stempel AG Frankfurt am Main Druck: D. Stempel AG Printed in Germany 40 x 1176