Heft 100
Die Llanogeier
Ein Erlebnis mit dem Westmann Tom Prox
erzählt von
Frederic Art
UTA-VERLAG, SINZIG (RHEIN...
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Heft 100
Die Llanogeier
Ein Erlebnis mit dem Westmann Tom Prox
erzählt von
Frederic Art
UTA-VERLAG, SINZIG (RHEIN), HAUS HUBERTUS
Wissenswertes Die Landstriche, die wir den „Wilden Westen“ nennen, sind so menschenleer, daß wir es uns kaum vorstellen können. Grund für die schwache Besiedlung dieser riesigen Gebiete ist Wassermangel. Es wächst dort nichts außer Gras, und dieses Gras ist nur gut für Rinder. Deshalb gibt es in diesen einsamen Gebieten viele Viehzüchtereien. Die Niederschläge sind so selten, daß viele Bach- und Flußläufe nicht bis zu den großen Flüssen gelangen, sondern schon vorher austrocknen und versiegen. Wasser aber ist für Mensch und Tier lebensnotwendig. Höchstens zwei Einwohner im Durchschnitt rechnet man für einen Quadratkilometer der riesigen Wildnis gebiete des Westens. Die Besiedlung ist dabei noch sehr ungleich verteilt. Die meisten Menschen sitzen in den kleinen Ortschaften (Towns) oder an den Fundstellen wertvoller Bodenschätze. Es ist wirklich kein Wunder, daß sich immer wieder in der Wildnis Verbrecher, die sich dem Arm der Gerechtig keit entzogen haben, zusammenfinden und einsame Sied lungen überfallen, Reisende ausplündern oder sonstwelche Straftaten ausführen. Es ist so wie in Sizilien, dessen Banditen auch stärkste Polizeiaufgebote bis heute nicht ausrotten konnten.
Dieser Mister Frederic Art fällt mir doch so langsam auf ‘n Wecker. Er sagt, die Leute wollen wieder ‘ne Story von mir lesen, ausgerechnet von mir, dem Sergeanten Ambrose Sulliwan. Okay, mir soll’s recht sein. Well, so werde ich also dem Mister ‘ne Story verpassen, aber er hat mir versprechen müssen, keines meiner Worte zu verän dern, auch wenn sich ihm die Haare sträuben sollten. Auf sein sogenanntes Stilgefühl pfeife ich nämlich. Ich rede so, wie mir der Schnabel gewachsen ist und wünsche, daß es die Leute auch so lesen können. Well, ich werde also von unserem Kampf mit den Llanogeiern erzählen. Die „Llanos Estacados“ sind riesige Wüsten zwischen New Mexico und Texas. Damals waren die durch das Wüstengebiet führenden Straßen mit Pfählen abgesteckt, damit niemand den Weg verfehlen konnte. Zwar gab es in diesen Wüsten auch viele Aasgeier, aber unter „Llanogeiern“ verstand man im landläufigen Sinne Banditen, die die Wegpfähle veränderten, damit sich die Reisenden verirrten. Die Räuber fielen dann über die Verzweifelten her und plünderten sie aus. Mit einer derartigen Räuberbande hatten wir es damals zu tun. Ihr Anführer war ein gewisser José Peccas, der allgemein unter dem Spitznamen „Pockennarbe“ bekannt war. By Gosh! Mit diesem Schuft haben wir allerhand erlebt, das kann man wohl sagen! Wenn ich „wir“ sage, so meine ich außer mir noch meine Kollegen Nick Master und Jack Sorell. Und unser Captain Tom Prox war natürlich auch dabei. Falls ein Leser meine Kollegen noch nicht kennt: Nick ist fast zwei Meter groß und breit wie ‘n 4
Kleiderschrank. Er hat blondes Haar und ‘n Wikinger gesicht. Jack Sorell ist auch nicht von Pappe, ein gut gebauter Mann mit ‘nem Gesicht wie ‘n Fels. Well, unser Captain schließlich sieht aus, wie ich gerne aussehen möchte: groß, schlank und rank, schwarzhaarig und mit zwei klugen dunklen Augen unter buschigen Brauen. Well, gegen ihn falle ich mächtig ab. Nick sagt manchmal von mir, ich sei ‘n krummbeiniger Wurzelzwerg. Das dürfte stark übertrieben sein, Leute! Ich bin natürlich kein Schönheitskönig! Aber ich bin sehr energisch und nich’ auf ‘n Kopp gefallen, und es ist ganz gut, wenn einen nicht jeder gleich auf zehn Schritte gegen den Wind als Beamten der Special Police erkennt. Wir hatten damals, als die Sache mit „Pockennarbe“ begann, ‘ne verdammt ruhige Zeit und hockten an dem betreffenden Nachmittag alle zusammen in der Office. Wir langweilten uns, schnippelten an den Fingernägeln ‘rum und starrten immer mal wieder zum Fenster hinaus, als ob’s da was ganz Besonderes zu sehen gäbe. Es war aber nur der alte Joe, der da zur Tür hereingestiefelt kam und dem Captain einen dicken Umschlag auf die Tischplatte knallte. „Ist ‘n Eilbrief, Captain“, knurrte Joe. „Was Amtliches, da ist ‘n Siegel drauf!“ Nick mußte natürlich wieder mal die Nase vorstrecken, weil er’s vor Neugier einfach nicht mehr aushielt. Er stand auf, rutschte vorsichtig um den Schreibtisch ‘rum, um dem Captain über die Schulter zu sehen. Aber Tom kannte den Trick schon. Er kippte einfach seinen Stuhl nach hinten 5
gegen die Wand und quetschte Nick wie ‘ne Wanze gegen die verschossene Tapete. „Boys“, sagte Tom, „da ist wieder eine anständige Arbeit für uns. Ich denke, daß wir alle vier hinmüssen. Wer von euch kennt Carras?“ Keiner kannte das Nest, niemand hatte je den Namen gehört. Na, wir holten uns eine anständige Karte herbei, klappten sie auf dem Schreibtisch auf und hingen unsere Koppe über die Tischplatte. Wirklich, da war sogar Carras auf der Karte eingezeichnet, aber es mußte ein verdammt lausiges Nest sein. Hinter Carras war die Karte ganz ein fach weiß, und nur kleine, gestrichelte Linien deuteten auf einen brauchbaren Weg hin. „Allmächtiger“, stöhnte da Nick Master, „ich werd’ verrückt. Das ist ja am Südrand der ,Llanos Estacados’.“ Nick war zwar ‘ne Seele von ‘nem Mann, aber er hatte die Arbeit auch nicht gerade erfunden, und wenn ihr die „Staked Plaines“ kennen würdet, Leute, ihr würdet eure Augen aufreißen. Ist wohl die gottverlassenste Gegend auf der ganzen Welt: eine richtige Wüste ohne Wasser und Bäume, und wenn man Glück hat, begegnet man im Laufe eines Tages einem kahlköpfigen Geier, der auf ‘nem Kak tus sitzt und nur darauf wartet, daß man vor Durst aus den Stiefeln kippt und liegen bleibt. Na, ich sollte die Geier noch kennenlernen. Vorläufig jedenfalls war ich noch mächtig obenauf und sagte zu Tom: „Du solltest Nick in Urlaub schicken, Boss, sonst wird ihm noch sein winziger Gehirn strudel in der Wüste verdampfen. Unser Großer hat seine Nerven entdeckt. Lieber Himmel, das kann gut werden.“ 6
„Gehirn?“ fauchte Nick mich an. „Hauptsache, man hat welches. Bei dir scheint’s ja in den Hintern gerutscht zu sein, du mickriger, krummbeiniger Wurzelzwerg!“ Leute, das war ‘ne schwere Beleidigung, und ich wollte Nick gerade eine knallen, als der Captain die Karte zusam menfaltete und uns alle scharf und durchdringend ansah. „Hört mit dem Unsinn auf“, sagte er. „Wir haben keine Zeit dazu. In Carras wird euch der Übermut noch ver gehen! Der Sheriff von Carras schreibt, daß eine Bande die Wüste unsicher macht. Es gibt eine Goldmine in Carras, und nun getrauen sie sich nicht mehr, das Gold nach Fort Webster zu transportieren. Macht euch auf die Socken und seht nach den Pferden! Packt die Taschen, und dann geht’s los! In zwei Stunden reiten wir ab!“ Ihr hättet uns sehen sollen. Das war Musik in unseren Ohren. Plötzlich hatten wir es alle verdammt eilig, zur Tür zu kommen. Erst machte sich Jack Sorell hinaus, und dann kam Nick. Man hätt’ mir ‘nen Hundert-Dollar-Schein bieten können, ich würde nicht darauf verzichtet haben: als Nick nämlich auf der obersten Stufe stand, versetzte ich ihm einen Tritt, und Nick flog vornüber im Bogen in eine Pfütze. Verblüfft wischte er sich den Dreck aus dem Gesicht. Wenn nicht Tom hinterhergekommen wäre, hätte es todsicher eine Prügelei zwischen uns gegeben, aber den „Wurzelzwerg“ hatte ich Nick noch nicht vergeben. Ausge rechnet der mußte sich so aufblasen, wo er sowieso ‘ne lange Leitung hatte wie ‘n Überseekabel. *
*
7
*
Zwei Tage hatten wir zu reiten. Wir kamen durch eine wilde Gegend, wo riesenhafte Kandelaberkakteen wie Leuchttürme mitten in der Wüste standen. Dann stieg das Gebirge zum Westen hin an, und am Abend des zweiten Tages erreichten wir die ersten Pässe. Auf einem Hügel machten wir halt und begannen uns einen Kaffee zu kochen. Tom Prox marschierte auf die Spitze einer steilen Felsnadel und schaute sich im Land um, aber als er zurückkam, konnte man sehen, daß er nichts entdeckt hatte. „Keine Ansiedlung, keine Viehherden, kein einziger Mensch“, sagte Tom. „Seht mal auf der Karte nach, ob wir überhaupt die richtige Route haben.“ Natürlich lagen wir richtig, aber von uns war noch keiner in dieser Gegend gewesen, und so kam einem alles sehr fremd und merkwürdig vor. Als wir unseren Speck und die Eier gebraten hatten, zündeten wir uns Zigaretten an und hockten uns dicht um das kleine Feuer. Die Sonne verschwand ruckartig hinter dem Gebirgskamm, als hätte jemand den Strick abgeschnit ten, an der sie bisher gehangen hatte. Ein blasser Mond zog auf, ein paar Sterne funkelten, und wir nahmen uns unsere Decken um die Schultern, denn hier oben pfiff ein verteufelt kühler Wind. „Morgen vormittag müssen wir Carras erreicht haben“, sagte Tom. „Ich denke, daß wir uns trennen, damit wir 8
nicht gleichzeitig in dem Nest auftauchen. Zwei kommen von Osten, müssen also um Carras herumreiten, und wie sie in der Stadt sind, folgen die anderen.“ „Schön“, schlug ich vor. „Nick kann mit mir reiten. Irgendeiner muß ja doch auf ihn aufpassen. Sonst finden wir eines Tages sein Gerippe an irgendeinem Kaktus hängen… hübsch gebleicht und sauber abgenagt.“ „Könnt ihr nicht mal für ‘n paar Tage Ruhe halten?“ erkundigte sich Tom. „Du, Amb, wirst allein nach Carras reiten. Mit dir hab’ ich was Besonderes vor. Nick dagegen wird sich in dem Nest beim Sheriff melden und ihm erzählen, daß er von der Special Police komme und beauftragt sei, mit Hilfe des Sheriffs die Banditen zu bekämpfen.“ „Was, ich allein?“ fuhr Nick auf, als hätte ihn plötzlich eine Tarantel gestochen. „Du kennst uns nicht, Nick, verstanden?“ befahl Tom, und Nick riß den Mund auf und starrte in die flackernden Flammen. Natürlich hatte er kein Wort verstanden, aber wie kann man das von so ‘nem Riesen schon verlangen. „Du wirst dich in den Saloon in Carras hocken und jedem erzählen, warum du in das Nest gekommen bist“, fuhr Tom fort. „Mach ruhig einen schönen Wirbel darum. Nimm den Sheriff mit und such’ mit ihm die Gegend ab, verhör’ die Leute in Carras und sieh dich auch sonst dort um. Nur wenn du einen von uns siehst, laß dir nichts anmerken. Wir haben miteinander nichts zu tun. Wenn ich dich brauche, werde ich mich schon melden.“ 9
„Ist ‘n Bombenjob für ihn“, grinste ich. „Nur herum saufen und dicke Töne reden. Nick ist dafür der richtige Mann, Boss.“ Ha, Nick wollte gerade zu einer gewaltigen Erwiderung ansetzen, als ich auch schon vom Captain mein Fett bekam. „Du, Kleiner“, sagte Tom zu mir, „wirst unter die Banditen gehen. Hast ja Übung darin. Dir sieht sowieso kein Mensch an, daß du ‘n anständiger Bürger bist. Bist du mal ‘nen halben Tag lang nicht rasiert, würde ich dich bei erstbester Gelegenheit am nächsten Baum aufknüpfen, wenn ich Sheriff von Carras war’.“ Ich fühlte an mein Kinn, und dann räusperte ich mich. Ich hab’ fürs Rasieren nicht viel übrig. Nimmt einem nur die Zeit, und dann kratzt man sich mit den verdammten Messern die halbe Kinnspitze weg. Vollbärte sollte man sich wieder wachsen lassen. „Amb wird also als erster nach Carras reiten“, befahl Tom abschließend, bevor wir uns in unseren Decken neben das Feuer hinhauten, um noch ‘ne Prise Schlaf zu nehmen. „Er soll sich möglichst verdächtig machen und sich nach ‘nem Weg in die Llanos erkundigen. Er wird in dem Store in Carras ordentlich Einkäufe machen, um sich ‘n paar Wochen mit dem Notwendigsten zu versorgen, und dann geht er in die Wüste hinaus. ,Pockennarbe’ sitzt in den Llanos, das hat der Sheriff von Carras geschrieben. Wenn Amb Glück hat, bekommt er gleich Verbindung mit den Llanogeiern, sonst muß er eben ein bißchen herumsuchen.“ „Herumsuchen ist gut“, maulte ich. „Die ,Llanos 10
Estacados’ sind dreimal so groß wie ‘ne mittlere Provinz, da könnt’ ich lange suchen, bevor ich ,Pockennarbe’ per Zufall erwischte.“ „Um Mittag mußt du aus Carras fort sein“, sagte Tom zu mir. „Dann erscheint Nick auf der Bildfläche und sucht dich. Warte mal, was kann es gewesen sein…“ Tom dachte einen Moment nach. „Na, der hat dem Gouverneur die goldene Uhr geklaut“, schlug Jack vor. „Sieht doch aus wie ‘n Galgenstrick, unser Kleiner!“ „Ja, es war ein Raubüberfall in Windsor gewesen“, sagte nun Tom. „Deswegen sucht ihn Nick, und wenn er Amb genau beschreibt, wird ihn jeder gleich in Carras erkennen.“ „Ein kleiner, krummbeiniger Gartenzwerg“, grinste Nick. Ich hätt’ ihm am liebsten eine gelangt, wenn Tom nicht ärgerlich die Brauen hochgezogen hätte. Er liebte es nicht, wenn wir uns in den Haaren lagen, solange er nachdachte. „Jack und ich“, fuhr Tom fort, „werden uns unabhängig von euch in Carras aufhalten. Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir den Unterschlupf von ,Pocken narbe’ und seinen Banditen nicht herausbekämen. Haut euch hin, Boys! Morgen ist auch noch ein Tag!“ Tom legte sich neben das Feuer, Nick und Jack rauchten noch eine Zigarette, und ich hatte wieder mal die erste Wache. Der Mond segelte über den Nachthimmel und schien 11
dann hinter der Felsnadel festzuklemmen. In der Ebene heulten ein paar Kojoten, und dann strich mit lautlosem Flügelschlag eine Eule um die verglimmenden Funken unseres Feuers. Mir war einmal, als wenn in unmittelbarer Nähe ein Mann sein Pferd vorsichtig vorbeiführte. Es hörte sich so an, als habe er dem Tier Stofflappen um die Hufe gebunden. Dumpfe, gedämpfte Tritte, wie eine weit ent fernte Indianertrommel. Ich nahm meinen Colt und schlich um das Lager herum, konnte aber nichts entdecken. Als Jack mich ablöste, machte ich ihn auf meine Beobachtung aufmerksam, aber Jack tippte nur schweigend mit seinem rechten Zeigefinger an die Schläfe. Na, Jack war einer, der nie was glaubte, was man ihm sagte. Ein verdammtes, mißtrauisches Haus. *
*
*
Carras, Leute, ist ein ziemlich trauriger Ort. Er liegt am Rande der Wüste, und ich muß mich wirklich wundern, daß die Männer, die die Landkarte zeichneten, ihn über haupt gekannt haben. Gleich nach Sonnenaufgang kam ich in der „Stadt“ an, weil ich noch vor den anderen im Lager auf dem Paß fortgeritten war. Von Westen her führte ein ausgefahrener Weg in das Kaff hinein. Dann kamen ein paar windschiefe Bretterbuden und einzeln stehende Holzhäuser, die sich zu einer richtigen Straßenfront zusammenschlossen. Schließ 12
lich befand ich mich auf einer Art Platz, an dessen Rundung ein protziger Bau errichtet war. „Wild hound“ nannte sich der Saloon, und er machte auch keinen besseren Eindruck als sein Name „Wilder Hund“. Ich band meinen Gaul an der Brüstung der Veranda fest und sah mich ein bißchen um. Ein paar Männer liefen über den Platz, dann kam eine junge Frau in einem zweirädrigen Wagen vorüber, und auf der anderen Seite des staubigen Platzes schob ein älterer Einwohner gerade einen neuen Sattel über einen rostigen Nagel, den er seitwärts der Tür in die Wand geschlagen hatte. Das war wohl der Generalstore von Carras. „Junge, Junge“, sagte ich mir, „hier möcht’ ich noch nicht mal begraben werden.“ Ich hab’ wirklich selten eine so jämmerliche Stadt gesehen. Wenn es hoch kam, dann waren es alles in allem vielleicht sechzig Häuser, und mehr als dreihundert Menschen konnten einfach nicht in Carras wohnen. Vor dem Saloon stand ein dicker Baum, war wohl eine Akazie, und da hatten sie zahlreiche Steckbriefe drangena gelt, die schon einige Monate alt waren. Ich hab’ sie mir genau angesehen, ehe ich in die Kneipe hinüberging. Hätte ja sein können, daß sie ‘n Bild von „Pockennarbe“ dabei gehabt hätten, und ich wollte sehen, wie der Kerl aussah. Aber sie suchten da nur ‘n paar Viehdiebe, einen mexika nischen Pferdedieb und ein paar Mann, die bei einem Eisenbahnüberfall weiter im Osten der Staaten beteiligt waren. Als ob die ausgerechnet nach Carras kämen! In der Kneipe saßen vier, fünf Mann hinter ihrem 13
Schnapsglas. Sie trugen alle ihre Colts tief, an den Knien baumelnd, und ich gehe jedesmal hoch, wenn ich nur irgendwo so ‘n Schießer sehe. ,Am frühen Morgen schon Brandy’, dacht’ ich mir, ,das werden nicht gerade Cowboys sein!’ Na, sie unterhielten sich über dieses und jenes, aber es interessierte mich nicht weiter. Ich winkte dem schmie rigen Keeper, der in einer verdreckten, löchrigen Schürze hinter dem Schanktisch stand, und ließ mir auch einen Whisky geben. „Sie sind wohl fremd hier, was?“ forschte der Keeper. Er hatte einen verschleierten, scheelen Blick, wie sie manchmal Salzheringe haben, wenn man sie frisch aus ‘m Faß zieht. „Ich such’ ‘ne Möglichkeit, hinüberzukommen“, sagte ich. Ich deutete mit ‘m Daumen über die Schulter. Irgend wo da in der Gegend mußte die mexikanische Grenze liegen. „Hm“, machte der Keeper. „Durch die Llanos hindurch, he?“ „Klar, wenn’s da ‘nen Weg gibt!“ „Käme drauf an“, meinte der Keeper. Dann wurde er von den anderen Trinkern gerufen, und er ließ mich allein vor meinem Glas sitzen. Ich drehte mir ‘ne Zigarette und guckte auf meine Uhr. ,Noch vier Stunden’, dachte ich, ,dann muß ich aus Carras verschwinden. In vier Stunden kann ‘ne ganze Menge passieren!’ Da ging die Tür auf. Ein schlanker Mann mit scharfen 14
Gesichtszügen kam in die Bar. Die Männer neben mir am Schanktisch stellten plötzlich ihr Gequatsche ein und starrten tiefsinnig und schweigend auf ihre geleerten Gläser. ,Hoppla’, dacht’ ich mir, ,das ist der Sheriff, da will ich gleich ‘n Besen fressen!’ Natürlich war er’s auch. Er stellte sich neben mich an die Theke, rief nach dem Wirt und sah mich mißtrauisch an. Ich hab’ mir Mühe gegeben, ein möglichst blödes Gesicht zu machen. „Na“, meinte der Sheriff und rieb sich gewohnheits gemäß mit dem Rockärmel über den blanken Sheriffstern am Aufschlag. „Sieh mal einer an, ‘n Fremder! Was machst du denn in Carras?“ „Bin zur Erholung hier, Sheriff“, grinste ich. „Denkst wohl, hier gäb’s keinen Sheriff, was?“ „Ich will nur schnell einen trinken, Sheriff“, sagte ich, „dann verschwind’ ich schon wieder.“ „Komm mal mit, Kleiner!“ forderte der Sheriff mich auf, und ich warf einen Nickel auf die Tischplatte und schlich hinter dem Kerl her. Draußen vor dem Haus blieb er plötzlich stehen und starrte mich eine Weile an. „Wo ist dein Pferd?“ fragte er. „Da steht’s, Sheriff.“ Er schlich um den Gaul herum, beschnüffelte ihn von allen Seiten und brummte dann zufrieden. „Na, siehst ja nicht gerade wie ‘n Pferdedieb aus“, stellte er fest. „Hat sich in letzter Zeit allerhand Gesindel in unserer Nähe eingenistet. Ich seh’ mir jeden Neuen genau an. Manchmal ist einer dabei, den ich schon kenne, Ich 15
hab’ schon ‘ne ganze Sammlung von euch.“ Er wies mit der ausgestreckten Hand auf den Stamm der Akazie, wo die Steckbriefe angenagelt waren. Dann räusperte er sich und sagte: „Schätze, daß es für dich besser war’, wenn du schleunigst aus Carras verduften würdest. Wir sind ‘n friedlicher Ort, mußt du wissen. Bei uns kannst du deine Zicken nicht drehen, verstanden?“ „Aber ich bin doch…“, wollte ich sagen, aber der Sheriff winkte kurz ab. „Bis Mittag bist du fort!“ sagte er entschlossen. Ich konnt’ sehen, wie auf der Veranda der Keeper herauskam und mir verstohlen Zeichen gab, ich sollte um das Haus herumkommen. ,Na’, dacht ich erfreut, ,wenn das nicht Dusel ist, dann weiß ich nicht…’ Der Sheriff ließ mich stehen. Er ging mit wiegendem Gang über den Platz und verschwand auf der anderen Seite in einem kleinen Haus, an dem ein Schild angebracht war: „Sheriff-Office“. Die Farbe war schon reichlich verblaßt. Hinter der Kneipe war ein elender Hof, in dem allerlei Gerumpel herumstand. Ich setzte mich auf eine leere Kiste und rauchte. Nach einer Weile kam der Keeper aus der Hintertür, sah sich verstohlen um und ging auf mich zu. „Was wollt’ denn Roberts von Ihnen?“ fragte er. „Der Sheriff? Äh, nichts. Meinte, daß es besser sei, wenn ich schleunigst verschwinden würde. Ist ‘n verdammt unfreundlicher Ort, dieses Carras.“ „Seit ‚Pockennarbe’ in der Gegend ist, paßt er mächtig auf die Fremden auf“, grinste der Keeper. „Sie wollen also 16
hinüber, was?“ Er verdrehte seinen Daumen und wies auf die fernen Berge. „Ja, ich muß weg“, sagte ich. „Möglichst schnell. Könnte sonst sein, daß sie meinen Steckbrief an die Akazie nageln.“ Über das Gesicht des Keepers ging’s wie ein Leuchten. „Na, dacht’ ich mir doch gleich“, sagte er zufrieden, „Ich werd’ Ihnen den Weg beschreiben. Ist aber ‘n gefähr licher Ritt, Mann! Sie dürfen nicht vom Weg abkommen, sonst sind Sie erledigt! Mancher ist in den Llanos geblieben. Sie werden deren Skelette finden, Fremder.“ „Ah, ich komm’ schon durch“, sagte ich forsch. „Sie reiten im Süden aus Carras hinaus, an der Gold mine ,Aurora’ vorbei“, beschrieb der Mann, und er blinzelte wieder mit seinen schielenden Augen, die feucht und verschleiert waren wie die Augen von ‘nem Bern hardiner. „Dann finden Sie nach vielleicht drei Meilen die Pfähle, mit denen man die Wege durch die Wüste markiert hat. Reiten Sie den Pfählen nach, gut fünfzehn Meilen. Dann biegen die Markierungen nach Westen ab. Sie machen sich aber nach Osten auf den Weg, von dort, wo ‘n kleiner Fels mitten in der Wüste liegt. Immer ostwärts halten, Mann, bis Sie wieder auf ‘ne Markierung stoßen! Die ist allerdings nicht offiziell, verstehen Sie?“ „Ja“, grinste ich. „Ist ‘n geheimer Weg zur Grenze, was?“ „Hm“, machte der Keeper. „Sie werden’s schon merken, wenn Sie da sind. Freue mich immer, wenn ich einem den Weg zur Grenze zeigen kann.“ 17
„Wie weit ist es bis dahin?“ „Na, vielleicht hundert Meilen. Kurz vor dem Gebirge werden Sie in ‘ne Stadt kommen. ,Ghosts City’ nennen wir sie, die ‚Geisterstadt’. War vor zwanzig Jahren mal bewohnt. Ist heute leer, kein Wasser mehr, verstehen Sie? Leere, verfallene Häuser. Wirklich ‘ne traurige Gegend. Halten Sie sich da nicht auf. Sie müssen bei Tag durch den Paß, sonst finden Sie ihn nicht.“ „Schön, Mann“, sagte ich. „Ich werd’ den Weg schon spitz kriegen. Was macht’s?“ Ich griff in die Tasche. Der Keeper wehrte ab. „Nichts, ich tu’s aus reiner Gefälligkeit.“ Er grinste schief, und ich hatte das verdamm te Gefühl, daß er mir da ‘ne Falle gestellt hatte. Aber was sollte ich machen? Ich mußte fort, das war mit dem Captain ausgemacht. Ich marschierte quer über den Hof, sah mich noch mal um, bevor ich um die Hausecke bog, und da stand der Kerl und blickte mir mit seinen trüben Augen nach, mit ‘ner Miene, als sähe er ‘ne Brillenschlange. Im Generalstore kramte ich eine lange Liste aus der Tasche und begann kräftig einzukaufen. Zwei Wasserfla schen, eine kleine Kiste mit Konserven, Tabak und Streich hölzer, und was man sonst noch alles für ‘nen tagelangen Ritt durch die Llanos benötigt. „Sie wollen wohl zur Grenze ‘runter?“ fragte mich der Storebesitzer, der einen ganz vernünftigen Eindruck machte. „Ich will mich ‘n bißchen umsehen“, gab ich zur 18
Antwort, und der Kunde neben mir begann wie ‘n Pferd zu wiehern. Schien mächtig lustig zu sein, was ich da gesagt hatte. „Umsehen ist gut, Mann“, sagte er. „Mit der Aus rüstung, die Sie da kaufen? Wollen wohl sehen, ob’s da keine Sheriffs gibt, was?“ Na, ich kratzte mir den Schädel und murmelte etwas Unverständliches vor mich hin, und der Kunde verließ zufrieden den Laden. Daß ich ‘n Bandit war, schien nun festzustehen. Ich knallte dem Storemann die Dollars auf die Theke, verstaute den Kram in den Satteltaschen, füllte mir die Wasserflaschen und machte mich davon. Nach ein paar Minuten kam ich an einem merkwür digen Anwesen vorbei. Zwei schwerbewaffnete Männer hockten da auf einem kleinen Felsen und starrten den Weg entlang, den ich heraufgeritten kam. Ich hielt mein Pferd an und tippte grüßend an die Hutkrempe. „Tag, Leute. Was bewacht ihr denn?“ „Scher’ dich zum Teufel!“ knurrte der eine. „Hast hier nichts zu suchen. Wenn du nicht gleich verschwindest, husten wir dir ‘ne Bohne unters Hemd! Ist nichts zu holen hier, Mann!“ „Seit wann dürft ihr Leute mit dem Schießeisen bedrohen?“ brüllte ich sie an. „Das ist die Mine ,Aurora’, und wir sind Wächter!“ .Lieber Himmel’, dacht’ ich, ,was haben die für ‘n Mut in der Hose, wenn sie schon am hellichten Tag zwei 19
Schwerbewaffnete an die Straße stellen. Muß ein gefähr licher Kerl sein, dieser „Pockennarbe“!’ Ich ritt langsam weiter, und als ich ‘n paar Meter weg war, drehte ich mich um und rief ihnen zu: „Ist das der Weg nach ,Ghosts City’, Leute?“ Was denkt ihr wohl, was die mir antworteten? Die machten nicht mal das Maul auf. Blitzschnell hatten sie ihren Schießprügel an der Backe und pfefferten drauf los, als ob ich ‘ne Schießbudenfigur sei. Vor Schreck machte der Gaul einen Riesensatz, und da waren wir auch schon hinter einer Wegbiegung, und ich hörte noch, wie die Geschosse zwitschernd gegen einen Kalkfelsen platzten und die Gesteinssplitter durch die Luft pfiffen. Ich hatte mich noch nicht richtig davon erholt, als ich von fern einen Reiter auf mich zukommen sah. Er zog eine riesenhafte Staubwolke hinter sich her, und als ich ihn schließlich genau sehen konnte, da war’s der gute Nick, der wie der Teufel nach Carras ritt. „He, hast du zufällig ‘nen Kleinen, Kahlköpfigen gesehen?“ grinste er, als er sein Pferd kurz vor mir zum Stehen brachte. „Der ist gerade dort hinaus in die Wüste“, sagte ich. „Beeil’ dich mal, daß du in das Drecknest hineinkommst. Der Sheriff wird dir gleich sagen, daß vor kaum ‘ner Stunde ein Bandit in Carras war.“ „Okay. Tom und Jack folgen am Nachmittag. Sie haben am Ausgang des Passes noch ‘ne Pause eingelegt, damit ich einen Vorsprung habe. Was ist in Carras los?“ 20
„Sieh dir mal die Kneipe an, Nick“, sagte ich. „Da ist so ‘n schielender Wirt, der gibt Fremden Ratschläge, wie sie nach Mexiko ‘nüberkommen. Weiß noch nicht, was dahintersteckt.“ „Und wo werden wir uns treffen?“ erkundigte sich Nick, ehe er weiterritt. „Da drüben stehen ‘n paar trockene Kakteen. Sieht aus wie ‘ne kleine Insel im Sand. Denke, daß wir uns dort ungestört unterhalten können, was?“ „Schön, ich werd’s Tom sagen“, erwiderte Nick, und schon ritt er davon. Noch nicht mal ‘nen Gruß hatte er für mich, der Flegel. Nach einer halben Stunde ließ die spärliche Vegetation gänzlich nach, und auf einmal dehnte sich der Sand von einem Horizont zum anderen. Die Sonne knallte auf die Wüste herunter. Durch die bleierne Luft segelte mit müdem Flügelschlag ein widerlich aussehender, kahl köpfiger Geier. *
*
*
Meinem schlimmsten Feind wünsch’ ich nicht, daß er ohne Wasser und Wegrichtung in den Llanos herumkriecht. Es war einfach furchtbar, Leute. Bis zum Mittag des ersten Tages ging alles glatt. Ich ritt einfach den Pfählen nach, die alle zweihundert Meter tief in den Sand eingegraben waren, bis ich an die Stelle kam, wo ich nach Osten 21
abbiegen mußte. Da merkte ich zum erstenmal, daß eine der beiden Wasserflaschen leckte. Die waren aus trocke nem Ziegenleder hergestellt und nahmen etwa sieben Liter Wasser auf. ,Na’, dachte ich, ,mit sieben Liter in der zweiten Flasche kannst du einen ganz anständigen Weg schaffen.’ Aber der Teufel wollte, daß auch die andere Flasche nicht dicht hielt. Sie mußten mir im Store ‘n paar Ladenhüter aufgehängt haben. Die Ledernähte, mit Tiersehnen zusammengeheftet, waren brüchig geworden, und unmerklich sickerte das kostbare Wasser tropfenweise durch den Behälter und verdunstete bereits, ehe es überhaupt zu Boden fiel. Es war eine anständige indiani sche Arbeit, aber was nutzte das, wenn der Storemann die Säcke monatelang in der prallen Sonne hatte hängen lassen, bis das Leder so mürbe war wie ‘n gut durch gebratenes Steak. Am Abend wurde es schlimm. Die Hitze war einfach bestialisch, und auch nach Einbruch der Nacht nahm die Temperatur kaum merklich ab. Ich warf mich einfach neben meinem Pferd auf den heißen Sandboden und versuchte ein paar Stunden zu schlafen, um noch einen Teil der Nacht für den Weiterritt ausnutzen zu können. Ich hab’ die beiden Wasserbehälter um und um gedreht, aber es war kein einziger Tropfen mehr drin. Mein Gaul ließ die Zunge zum Hals ‘raushängen; er kam kaum noch vorwärts, und als wir am frühen Morgen vielleicht ganze zehn Meilen weitergeritten waren, streikte er ganz. Er ließ sich auf die Hinterhand nieder und röchelte furchtbar, daß es mir durch Mark und Bein schnitt. Mühsam zog ich ihn hinter mir her, 22
ich versuchte mich genau nach Osten zu halten und hoffte, daß ich auf die andere Wegmarkierung treffen würde, ehe der Durst uns beide umgeworfen haben würde. Was später geschah, verlor sich alles in einem dichten Nebel, der wie ein undurchdringlicher Brei vor meinem Hirn lag. Ich weiß nur noch, daß ich plötzlich zu Boden fiel und wie ein Wahnsinniger mit den Händen im Sand zu wühlen begann, als könnte ich da eine verborgene Quelle freigraben. Wie lange ich so gelegen hatte, weiß ich nicht. Jedenfalls kam ich zu mir, als ich die Berührung ekelhaften warmen Wassers auf meinen Lippen spürte. Langsam schlug ich die Augen auf und starrte einem Mann ins Gesicht, der einen wüsten Bart trug. „Na, Freundchen“, hörte ich seine Stimme, „beinahe wär’s aus mit dir gewesen. Kam ja gerade noch zur rechten Zeit. Trink schön langsam! Wirst schon wieder auf die Beine kommen.“ „Wo ist mein Gaul?“ warf ich hin. „Tot. Hab’ ihn erschossen. War nicht mehr zu retten, Mann.“ ,Auch das noch’, dachte ich. „Und wer bist du?“ wollte ich wissen. „Kannst mich Donald nennen“, sagte der Bärtige grinsend. „So nennen sie mich alle. Was ist schon ‘n Name?“ „Und was wird nun?“
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„Ich hab’ noch ‘n Packpferd bei mir“, sagte Donald. „Kannst es haben. Der Boss wird mir zwar an die Gurgel springen, wenn ich ‘n Fremden mitbring’, aber ich kann dich ja nicht einfach liegen lassen, was?“ „Ich muß über die Grenze“, stöhnte ich. „Der Wirt von Carras hat mir den Weg gezeigt.“ „Der ist falsch hier“, meinte Donald. „Hast dich wohl verirrt, was? Na, los, versuch’ aufzustehen! Hab’ keine Lust, noch ‘n paar Stunden zu verlieren. Hat schon Mühe genug gekostet, dich zum Leben zu erwecken. Dachte erst, es war’ aus mit dir.“ Ich raffte mich hoch, taumelte noch ein bißchen, und dann sah ich auch die beiden Pferde des Fremden. Er hatte wirklich ‘n Packpferd bei sich. Mühsam zog ich mich in dessen Sattel hoch, und ich sah, daß der Mann schon mein Gepäck aufgeladen hatte. „Noch drei Stunden“, meinte Donald, „dann sind wir in ,Ghosts City’. Scheint gerade der richtige Ort für dich zu sein, wenn du sowieso über die Grenze wolltest.“ „Ich dachte, die ‚Geisterstadt’ sei unbewohnt?“ „Hat wohl Connely, der Idiot, behauptet, wie? Ist ‘n guter Witz, verdammt nochmal. ,Ghosts City’ ist ‘ne rich tige Großstadt, wirst schon sehen. Dagegen ist Carras ‘n feuchter Dreck.“ Er ritt ohne weitere Worte voraus, und das Packpferd trabte langsam hinter ihm her, so daß ich mich nicht weiter um den Weg kümmern brauchte. Nach einer Stunde sah ich auch die Markierungszeichen wieder. In seltsamen 24
Schlangenwindungen führten die Knüppel durch die Wüste, bis nach zwei oder drei Stunden Rittes plötzlich eine Talsenke aufklaffte und ich die verfallenen Häuser einer Ansiedlung erkennen konnte. Weit und breit war nichts zu sehen, mit Ausnahme der riesenhaften Kakteen und der unzähligen Geier, die auf den obersten Spitzen der stacheligen Ungetüme hockten und heiser krächzend in die Gegend starrten. „Das da ist die Geisterstadt“, deutete Donald mit dem Arm vor sich hin. „Wirst jetzt den Boss kennenlernen. ,Pockennarbe’ wird er genannt. José Peccas ist sein rich tiger Name.“ Auf einmal war ich wieder hellwach. ‚Teufel’, dacht’ ich, ,du hast ein Dusel, das geradezu unverschämt ist. Wärst beinahe in der Wüste elend verreckt, und da kommt so einer her und bringt dich genau da hin, wo du eigentlich hinwolltest.’ Ihr werdet’s nicht glauben, Leute, „Ghosts City“ war wirklich ‘ne Stadt, die sich vor Carras nicht zu verstecken brauchte. Natürlich war sie ziemlich verkommen, die Häuser fast alle zusammengefallen, und kein Mensch nahm sich Zeit dazu, sie wieder herzustellen. Hier und da war lediglich ‘n Stück Dach draufgeflickt worden, damit einem die Sonne nicht ins Hirn stach, aber sonst war ein Betrieb hier, wie man es nicht für möglich gehalten hätte. Vor einem steinernen Gebäude, das sich inmitten der kümmerlichen Holzbuden wie ‘n Palast ausnahm, hockte ein Mestize in einem bunten, zerfransten Poncho und starrte uns entgegen. 25
„Was soll das, Donald“, fuhr er meinen Retter giftig an. „Wo kommt der Fremde her?“ „Lag draußen im Sand. Hat wohl den Weg verpaßt. Hab’ ihn gerade noch vor ‘m Abkratzen erwischt. Dachte, wir könnten ihn vielleicht gebrauchen. Ist der Boss drin?“ „Geh’ ‘rein!“ knurrte der Mestize. Im Inneren des Hauses herrschte Finsternis. Bis man sich an das Halbdunkel gewöhnt hatte, verging ‘ne Weile. Dann sah ich einen fetten, widerlichen Mischling hinter einem Tisch sitzen, an dem er aus einem Zinnkrug Wein soff. Als er aufblickte und uns ansah, blieb mir fast die Luft weg. Allmächtiger, hatte der ‘ne Visage! Unzählige Narben bedeckten sein braunes dickes Gesicht. Die Pocken hatten aus seinem Antlitz eine Visage gemacht. „Wer ist das?“ fuhr er Donald an. Der betete seinen Spruch herunter. „Können ihn sicher gebrauchen, José“, sagte er noch. „Den kennt in Carras keiner. Wäre ganz gut, wenn wir ‘nen Boten hätten, nachdem der Sheriff den Slim vorige Woche umgelegt hat.“ „Den Fremden können wir nicht nehmen!“ knurrte „Pockennarbe“ ärgerlich. „Ist viel zu gefährlich, Mann. Nimm ihn mit hinaus, und…“ Er schnickte mit dem Finger und goß sich frischen Wein ein. Er schmatzte gewaltig beim Saufen, der fette Kerl. „Dafür hab’ ich ihm nicht mein letztes Wasser gege ben“, wehrte sich Donald. Ich hielt hübsch das Maul, um erst mal zu sehn, wie hier der Hase lief. War ‘ne verdammt unangenehme 26
Situation, Leute, das kann ich euch versichern. Ich fühlte mich noch verflixt schwach auf den Beinen, und wenn es zum Krawall gekommen war’, ich weiß nicht, ob ich ‘n vollwertiger Gegner für die Bullen hier gewesen wäre. „Frag’ die anderen!“ forderte „Pockennarbe“. „Wenn die nichts dagegen haben, kann er bleiben.“ „Ist okay“, grinste Donald mir zu. Er zog mich wieder aus dem Haus hinaus, und dann verschwand er in ein paar anderen Hütten, bis sich schließlich etwa zwölf Mann vor dem Steinhaus eingefunden hatten und warteten, bis „Pockennarbe“ seinen Krug leergesoffen hatte und vor die Tür kam. „Da ist ‘n Fremder, Männer“, sagte der Anführer zu den Banditen. „Donald hat ihn aufgegabelt. Wollte wohl über die Grenze. Ist ‘n alter Brauch bei uns, daß wir abstimmen, ob er bleiben kann. Wenn alle dafür sind, soll er sich hier nützlich machen. Sonst…“ José Peccas schneuzte sich und sah seine Männer der Reihe nach an. Die starrten auf mich, als wär’ ich ‘ne besondere Art von Erdbewohner. Sie schienen nichts gegen mich zu haben, bis auf einmal der Mestize mit dem Poncho, der vor der Tür gesessen hatte, sagte: „Das ist ‘n Spitzel, Leute! Ich will verdammt sein, wenn der sauber ist! Legt ihn gleich um, das erspart uns ‘ne ganze Menge Ärger!“ „Mach’ du auch mal das Maul auf!“ fuhr „Pocken narbe“ mich an. „Ich bin nicht in die Llanos hinausgeritten, um ‘n 27
Spazierritt zu machen, Leute“, sagte ich. „Mir wär’ wohler, wenn ich erst drüben über der Grenze war’. Ist ‘n heißer Boden für mich, diese elenden Staaten.“ „Meinetwegen kann er bleiben“, murmelten ein paar Männer. „Der sieht nicht wie ‘n Spitzel aus, Boss. Ich kenn’ die Spitzel.“ „Schön“, stellte „Pockennarbe“ fest. „Dann soll er bleiben. Jonny kann ihm ‘ne vernünftige Arbeit geben. Er soll sich sein Futter verdienen.“ „Ich bin dagegen“, rief der Mestize mit dem Poncho, der mich die ganze Zeit über giftig anstarrte. „Mach’ das mit ihm zusammen aus, Miguel“, grinste „Pockennarbe“ und drehte sich, um zu seinem Weinkrug zurückzukehren. Jetzt, da ich wußte, daß ich die anderen hinter mir hatte, konnte ich endlich auch mal ‘ne Lippe riskieren. „War’ besser, wenn du nicht dein Maul soweit auf reißen würdest, Miguel!“ stellte ich kalt fest. Wenn ich schon einen Feind unter den Männern hatte, so war es wohl besser, gleich zu Anfang reinen Tisch mit ihm zu machen, ehe er Gelegenheit hatte, die anderen gegen mich aufzu wiegeln. „Du schmieriger Heuschreckenfresser, denkst wohl hier das große Wort führen zu können, he?“ Der Mann mit dem Poncho schnellte den Arm hoch, es blitzte für den Bruchteil einer Sekunde gefährlich auf, und da hatte ich mich schon gebückt, und das Messer zischte dicht über meinen Kopf hinweg, bis es zitternd im Tür pfosten’ steckenblieb. 28
Na, so einer war das also, dachte ich. Ein Messerheld, der Angst hat, einen Mann auf anständige Distanz an sich herankommen zu lassen. Ich machte schnell zwei, drei Schritte auf ihn zu und knallte ihm meine Faust unters Kinn. Er hob sich ‘n paar Zentimeter vom Boden, als wollte er seine leeren Schuhe zurücklassen, und dann krachte er mit dem Kopf gegen die Mauer. Die Männer, die uns umstanden, brüllten begeistert. Eine Schlägerei schien in „Ghosts City“ direkt ‘ne Ab wechslung zu sein. „Mach’ ihn fertig, Kleiner!“ brüllte Donald begeistert. „Stopf ihm sein verdammtes Maul. Muß immer alles besser wissen, der schmierige Mex!“ Aber der Mestize war auch nicht gerade aus Pappe. Er sprang plötzlich auf mich los, und er verpaßte mir einen in die Magengrube, daß ich einen mittelgroßen Mond und zahllose Sternchen sah. Ich kam richtig in Wut, Leute, weil das ‘ne ausgemachte Gemeinheit war. Und ich legte los. Erst erhielt er einen Schlag genau in die Visage, daß sein Nasenbein krachte, dann schlug ich nochmals hinterher, verpaßte ihm einen exakten Haken unter die Kinnspitze, und als er schon im Umkippen war, fing er noch einen Fangschlag mit der rechten Handkante gegen die Hals schlagader ein. Na, er schmierte lautlos ab und wurde ausgezählt. Die Umstehenden brüllten vor Freude und schlugen mir kräftig ihre haarigen Pranken auf die Schulter. „Komm mit einen trinken!“ forderte Donald mich auf. 29
Doch ich hatte meinen Gegner unterschätzt, Leute. Well, er war auf ehrliche Art zu Boden gegangen, aber er hatte ‘nen heimtückischen Charakter. Das erkannte ich aber erst, als er plötzlich ‘nen Colt in der Faust liegen hatte und vom Boden her heiser schrie: „Ich mach’ dich kalt, du Hund! Los, Männer, geht aus dem Weg, daß ich ihn um legen kann, den verdammten Spitzel!“ „Mach’ keinen Schmus“, rief Donald ihm zu. „Es war ‘n ehrlicher Kampf, Miguel. Gib endlich auf!“ „Ich mach’ ihn kalt!“ schrie der Mexikaner immer wieder, und ich starrte in die Laufmündung und war auf dem Sprung. Die Männer wichen von mir zurück, und Miguel schrie wieder: „Los, zieh’ schon, du Feigling! Ich werde dir dein Gehirn aus dem Schädel blasen, du Narr!“ „Cabron maledito!“ reizte ich ihn, und ich sah, wie seine Augen sich zusammenzogen, und da wußte ich, daß es nun geschehen würde. Donnernd fuhr der Schuß auf, um Haaresbreite sauste das Geschoß über mich hinweg, denn rechtzeitig lag auch ich im Dreck und leerte mit eiskalter Wut meine Trommel gegen ihn aus. Er zuckte ein bißchen auf, legte sich auf die Seite, und dann war es aus mit ihm. Etwas benommen stand ich auf, klopfte den Staub von der Hose und sah mich stirnrunzelnd im Kreis um. „Noch jemand da, der was gegen mich hat, Männer?“ fragte ich. „Komm schon“, sagte Donald. „War ‘n ehrlicher Kampf, Männer. Miguel hatte alle Chancen auf seiner Seite. Er war ein Narr. Räumt ihn fort.“ Donald ging mit mir zu einem etwas entfernt stehenden 30
Haus, und im Vorbeigehen rief er einem anderen Mann fragend zu: „Ist Lanny mit den Leuten schon zurück?“ „Muß bald kommen. Denke, daß es geklappt hat. War ja verdammt schlau eingefädelt, Donald. Mary soll dem Neuen was zu Essen machen.“ „Ist gut“, erwiderte Donald, und dann schob er mich in das Dunkel des Hauses hinein, und nach wenigen Minuten konnte ich mir die Umgebung ansehen. Ich erkannte ein junges Mädchen, das vor ‘nem riesigen Herd hantierte und irgend etwas zum Essen brutzelte. Ich ließ mich auf die Bank vor dem Tisch fallen, und jetzt spürte ich die Anstrengungen der beiden letzten Tage. Meine Knie zitterten, und als ich die Hand zum Glas erhob, das Donald mir zuschob, da ging die Hand wie ‘n Lämmerschwanz. By Gosh, Leute! Es waren achtundvierzig harte Stunden gewesen, und ich will verdammt sein, wenn ich nicht mächtig froh war, endlich wieder ‘n Stuhl unterm Hintern zu haben. *
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Am Abend kamen sie mit verschiedenen Packpferden nach „Ghosts City“, und „Pockennarbe“ stand vor dem steinernen Haus und sah zu, wie sie die kleinen, schweren Kisten abluden und ins Haus trugen. Einer von den Neuangekommenen, den sie Bud nannten, stellte sich neben „Pockennarbe“, und ich konnte 31
hören, wie er zu ihm sagte: „Es kommt noch ‘n kleiner Schwung hinterher, Boss. Haben auch zwei Geiseln mitgebracht. Dachte, es war’ besser, wenn wir ‘n ungestörten Rückzug hätten.“ „Leute aus Carras?“ fragte der Bandenchef mit verknif fenem Mund. „Ja, einer wenigstens, den anderen kenn’ ich nicht. Die Männer sind knapp ‘ne Stunde hinter uns. Wir haben uns beeilt, damit wir die Ladung herbekamen.“ „Pockennarbe“ murmelte irgend was, und dann gingen die beiden ins Haus hinein. Ich ging zu den Pferden und schnüffelte dort ein bißchen herum. Brauchte nicht lange dazu, bis ich heraus hatte, was für ein Ding sie da gedreht hatten. War ‘n dickes Ding, Leute! Sie hatten doch wirklich ‘nen kleinen Transport der Goldmine „Aurora“ hochgehen lassen. Gleich hinter der Stelle, wo ich mit den seltsamen Gestalten zusammengerannt bin, die es so eilig mit dem Knallen hatten. Der Minenbesitzer mußte ‘n merkwürdiger Idiot sein, wenn er so ‘n Transport nicht unter anständiger Begleitung losschickte und noch nicht mal dem Sheriff von Carras was davon erzählte. So waren nur Leute aus der Mine dabei, und natürlich wurden die von „Pockennarbes“ Männern im Handumdrehen erledigt. Einer sollte sich wie ‘n Teufel gewehrt haben, aber Bud hätte ihm eins über den Kürbis gegeben, und da war er still geworden. Sie mußten ‘ne mächtige Menge Gold ergattert haben, denn es war keine halbe Stunde vergangen, da waren sie 32
fast durchweg besoffen vor Freude und schlechtem Brandy. Kein Mensch kümmerte sich mehr um mich, und wenn ich mir von dem Indiomädchen nicht was zum Essen geholt hätte, die hätten mich glatt verhungern lassen. Nach ‘ner Weile gab es wieder ‘n ziemlichen Aufstand, und als ich den Kopf aus Donalds Haus heraussteckte, da dacht’ ich doch, mich würde auf der Stelle der Schlag treffen. Banditen kamen auf etwa zehn oder zwölf Pferden die Straße herauf, und gleich hinter dem ersten Reiter hockte einer gefesselt auf seinem Gaul, den ich sehr gut kannte. Es war nämlich Jack Sorell, seines Zeichens Sergeant bei der Special Police. Lieber Himmel, wie kam der denn zu den überfallenen Leuten? Was hatte Jack in der Mine zu tun? Könnt’ euch denken, Leute, daß ich fast vor Neugierde geplatzt wäre, wenn ich nicht mächtig aufgepaßt hätte, mich nicht zu verraten. Jack wußte ja, was die Uhr geschlagen hatte, und als er an mir vorüberritt, warf er mir nur ‘nen uninteressierten Blick zu, wie eben einer um sich schaut, wenn er in so ‘ner Situation in ‘ne fremde Stadt einreitet. Kurz vor Nachteinbruch kam Donald gerannt und holte mich zu „Pockennarbe“ ins Haus. „Ich hab’ einen Auftrag für dich, Kleiner“, sagte José Peccas, und er starrte mich aus seinen widerlichen Augen an. „Du wirst nach Carras reiten und dich im ,Wild hound’ einlogieren. Kannst ja sagen, du seist zum Vergnügen in der Gegend.“ 33
„Könnte sein, daß mein Steckbrief dort an ‘nem Baum hängt“, warf ich großartig ein. „Stimmt, Boss“, meinte Bud, der neben „Pockennarbe“ am Tisch saß und aus einem verkratzten Zinnbecher mexi kanischen Wein pichelte. „Da ist so ‘n Idiot von der Special Police gekommen, ‘n großer, strohblonder Kerl. Der war gleich bei Roberts und hat nach dem Kleinen gefragt.“ „Na, der kann ja hintenrum in die Kneipe“, stellte „Pockennarbe“ fest. „Connely hat außerhalb der Stadt ‘ne verfallene Scheune, dort, wo der Bach aus den Felsen kommt. Da wird er unterkommen können.“ „Schön“, sagte ich, „und was soll ich in Carras?“ „Sie wollen diese Woche ‘nen großen Goldtransport nach Fort Webster schaffen“, sagte der Boss. „Nachdem wir sie diesmal erwischt haben, werden sie sich was anderes überlegen müssen. Denke, daß es ‘n neuer Trick sein wird, und es muß nun einer ‘runter, um das auszu schnüffeln. Du bist in Carras unbekannt, Kleiner, und ich denke, daß du es schaffen wirst, nicht gleich in der ersten Stunde dem Sheriff oder gar dem Geheimen in die Arme zu rennen. Sag’ Connely, daß ich dich geschickt habe.“ „Okay“, meinte ich. „Sonst noch was?“ „War’ ‘ne gute Idee, wenn du dir mal den Geheimen unter die Lupe nehmen würdest. Die denken wohl, wir bekämen gleich das Zittern, wenn wir nur von der Special Police hören. Schalte ihn aus, hast ja Übung darin. Bist gerade ‘n Schütze, wie wir welche brauchen.“ 34
„Wird gemacht“, versicherte ich. „Vielleicht auch gleich den Sheriff mit, Boss?“ „No, der Sheriff ist ungefährlich. Nur den Blonden von der Special Police. Muß ein ausgemachter Idiot sein. Kommt allein nach Carras, um ‚Pockennarbe’ zu fassen…!“ Ich machte kehrt und verschwand, nachdem mir der Boss noch gesagt hatte, wie ich notfalls Nachricht nach „Ghosts City“ geben könnte. Irgendwie mußte ich noch mit Jack sprechen, bevor ich mich auf den Weg machte. Sicher hatte der ‘ne Nachricht an Tom oder sonst was, und schließlich mußte ich ja wissen, was ihm geschehen war. Vor dem Schuppen, der notdürftig zurechtgeflickt war, und durch dessen Dach die Sterne hineinsahen, traf ich auf Donald. Er lehnte an der Wand und rauchte. „He, wohin?“ sprach er mich an. „Muß nach Carras, Mann“, sagte ich wichtig. „Der Boss hat mich losgeschickt. Wie is’ ‘n der Weg dorthin?“ Donald spuckte aus, und dann hielt er ‘nen langen Vortrag und beschrieb mir genau, wie ich durch die Wüste und entlang den verschiedenen Markierungen nach Carras käme. Muß schon sagen, daß sie sich verdammte Mühe gegeben haben, die Pfosten so zu setzen, daß es mehr ‘n Labyrinth war, als eine anständige Wegmarkierung. Wer die Tricks nicht kannte, der kam kaum jemals in „Ghosts City“ lebend an. „Wo habt ihr die Gefangenen untergebracht?“ erkun digte ich mich. 35
„Da hinten im Schuppen liegen sie. Was willst du denn da?“ fragte Donald mißtrauisch. „Will ihnen mal ‘n bißchen auf den Zahn fühlen. Könnte sein, daß sie in Carras schon meinen Steckbrief angenagelt haben. Hab’ keine Lust, gleich beim ersten Brandy im ,Wild hound’ gehenkt zu werden.“ „Ist ‘n verflucht harter Tod“, grinste Donald und spuckte erneut aus. „Na, geh’ mal ‘rein.“ In dem Schuppen sah man die Hand kaum vor Augen. Es dauerte ‘ne Weile, bis ich Jack erkannte, der wie ein Paket verschnürt am Boden auf einer Strohschütte lag. In der anderen Ecke des Raumes konnte ich die zweite Gestalt entdecken. Ich schlich mich an Jack heran, setzte mich neben ihn hin und begann mir ‘ne Zigarette anzuzünden. „Wer ist das?“ fragte ich Jack, der mich mit offenen Augen betrachtete. „Pat Burnes, der Vormann der Mine ,Aurora’“, sagte Jack. „Und wer bist du?“ fragte ich. „Ich bin ‘n Neuer in der Mine. Hab’ da gerade ‘nen Job gefunden, schon mußte es schief gehen. Wollten das Gold nach Webster bringen. Und dann kam ‚Pockennarbe’ mit seinen Leuten.“ „Bist du allein?“ examinierte ich grinsend. „Hab’ dich noch nie in der Gegend hier gesehen.“ „Hatte noch ‘nen Kumpel. Aber der weiß nicht, wo ich 36
abgeblieben bin. Muß irgendwo in Carras sein.“ Es war sicher besser, wenn Burnes nicht wußte, daß wir uns kannten. Unter Umständen ließen die Jungens ihn „singen“, um irgend was über die Mine zu erfahren, und dann hielt er vielleicht nicht dicht, und Jack wäre in Gefahr gekommen. Ich betrachtete mir den guten Jack und sah, daß sie ihn ausgenommen hatten wie ‘n gerupftes Huhn. Der Coltgürtel war weg, er hatte kein Messer mehr, und auch sonst konnte nicht viel in seinen Taschen sein. Es war angenehm dunkel im Schuppen, und so schob ich Jack vorsichtig ein Taschenmesser zu, mit dem er notfalls seine Lederfesseln durchschneiden konnte. Ich richtete mich auf, bückte mich dann zu seinen Füßen, wie um nachzuprüfen, ob die Fesseln noch hielten, und dabei steckte ich ihm einen kleinen, zweiläufigen Derringer in den Stiefel schacht. Das ist eine Pistole, so klein und so flach, daß ‘n ausgewachsener Mann gerade die Hand drüberhalten kann, und die Waffe verschwindet. Derringer waren nach der Jahrhundertwende mal große Mode, als die Falschspieler sie im Rockärmel stecken hatten. „Na, und du?“ grinste ich den Vormann an, betastete seine Lederriemen, und dann marschierte ich zur Tür. „Macht keinen Unfug, Jungens! Wenn ihr euch anständig benehmt, ist alles okay. Wenn es Ärger mit euch geben sollte, werdet ihr bitterlich weinen!“ „Krummbeiniger Wurzelzwerg!’’ schnaufte Jack empört.
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Zehn Stunden Ritt durch die „Llanos Estacados“ sind keine Kleinigkeit. Ich hatte mir ‘nen genauen Plan notiert, damit ich nicht vom Weg abkam, aber ich kann euch sagen, daß mir erst wohler war, als die verdammte Wüste plötzlich ein Ende nahm. Endlich begann wieder das harte Gras zu wuchern. Ein paar Hügel mit niedrigem Gebüsch drauf tauchten auf, und als ich nach ‘ner weiteren Stunde die ersten Gebäude von Carras in der Morgendämmerung auftauchen sah, atmete ich auf. Ich mußte wieder an der Mine „Aurora“ vorbei, aber diesmal sah ich keine Wachposten auf dem Felsen. Die hatten es wohl endlich als überflüssig aufgegeben. Ich bummelte gemütlich mit meinem Gaul um ‘ne Wegbiegung, als plötzlich eine Gestalt vor mir so plötzlich aus dem Boden wuchs, daß das Pferd vor Schreck steil aufstieg. „Hands up, boy!“ rief ein Mann, und ich kann euch sagen, daß ich verflucht eilig die Flossen in die Luft riß. Hatte keine Lust, noch vorm Frühstück umgelegt zu werden. „Na, sieh mal an“, hörte ich dann die vertraute Stimme Toms. „Unser Bandit ist wieder da. Komm her, steig’ ab, Amb, schätze, daß wir eine ganze Menge zu bereden haben.“ „Teufel, ist das aber mal ‘ne Überraschung!“ stieß ich 38
hervor. Ich kletterte vom Gaul, führte das Tier in das Gebüsch hinein, und da sah ich auch, daß Tom Prox sich dort ein kleines Lager gemacht hatte. „Wo ist Jack?“ fragte Tom. „Er muß in die Schießerei bei der Mine mit hineingekommen sein. Hab’ seit dem Zeitpunkt nichts mehr von ihm gesehen.“ „Ha, Boss, der liegt in der ,Geisterstadt’ auf ‘nem Heu bündel und pennt.“ Ich erzählte dem Captain, was ich von der Sache wußte, und meinte auch, daß vorläufig keine Gefahr für Jack bestünde. „Das ist ganz gut“, überlegte Tom schließlich. „Wenn du jetzt in Carras bleiben mußt, kann es nichts schaden, daß Jack inzwischen in der ,Ghosts City’ ist und dort die Augen offenhält.“ „Was ist mit Jack?“ wollte ich wissen. „Ich hatte ihn zur Mine geschickt, damit er sich dort nach Arbeit umsehen sollte. Sie nahmen ihn auch sofort und teilten ihn dem Zug zu, der das Gold nach Fort Webster schaffen sollte. Seit Wochen wagt die Mine es nicht mehr, die Goldausbeute zur Bank schaffen zu lassen. Als ,Pockennarbe’ ins Land kam, begannen die Straßen überfälle, und wer nicht unbedingt muß, bleibt lieber zu Hause. Jetzt haben sie es wieder mal versuchen wollen, schon um in Webster mit den Bankleuten zu besprechen, wie sie die große Sendung hinbekommen können. Das, was ,Pockennarbe’ gestern erwischt hat, war nur ein verschwindend kleiner Teil.“ „Ich soll hier spionieren“, sagte ich. „,Pockennarbe’ ist 39
wild auf diesen Transport.“ „Kann man sie in ,Ghosts City’ nicht ausräuchern?“ wollte Tom wissen. „Ganz ausgeschlossen. Für ‘n Aufgebot in der Größe müßten direkt Brunnen unterwegs gebohrt werden. Nein, Boss, ist viel zu schwierig. Wer den Weg kennt, braucht zehn Stunden, um dorthin zu kommen. Außerdem haben sie Wachen ausgestellt, und wie wollte man an die freiliegende Stadt ungesehen herankommen? Es gibt nicht die geringste Möglichkeit einer Deckung. Alles Wüste, Sand und ‘n paar verschrumpelte Kakteen. Wir müssen sie herauslocken aus dem Nest. Für ‘nen offenen Kampf sind es viel zuviel Männer. Das ist ‘ne richtige Verbrecherstadt, Boss, und José Peccas ist der Herr von ,Ghosts City’.“ Tom Prox schwieg eine Weile, reichte mir Feuer für meine Zigarette, dann sagte er plötzlich nachdenklich: „Ich glaube, ich hab’ eine Idee, wie wir es schaffen können. Es wird ein schwieriges Stück Arbeit sein, Amb, aber es sollte mit dem Teufel zu gehen, wenn sie uns nicht in die Falle rennen.“ „Ich muß machen, daß ich zu Connely komme“, unterbrach ich Tom. „Das ist wohl der Mittelsmann in Carras.“ „Hier sind noch andere Dinge im Spiel“, meinte Tom Prox, und ich war gespannt, was er nun auspacken würde. Aber Tom schwieg wie ‘ne Auster, und wenn er was nicht erzählen wollte, hatte es gar keinen Wert, ihn darum zu fragen. 40
„Wo treffen wir uns, Boss?“ wollte ich noch wissen, bevor ich in den Sattel stieg. „Am besten unten am Bach. Da ist eine verfallene Hütte, gleich da, wo das Wasser aus dem Felsbruch quillt.“ „Ich werd’ verrückt, Boss“, staunte ich. „Das ist meine Unterkunft. Die gehört dem Wirt vom ,Wild hound’. Denke, daß ich darin Quartier beziehen werde, damit Sheriff Roberts mich nicht erwischt.“ „Na schön“, grinste der Captain, „ich werd’ ihm nichts erzählen. Bist dort ganz ungestört. Hoffentlich merkt es Nick nicht. Der hat dich schon überall in Carras gesucht.“ „Boss“, sagte ich zum Abschied mit bewegter Stimme, „Nick wird nicht mehr dazu kommen, mich zu suchen. Ich hab’ da ‘nen Auftrag von ‚Pockennarbe’. Ich soll Nick aus schalten, soviel ist sicher.“ Ich ritt langsam davon, und als ich mich nochmals umblickte, war der Captain plötzlich wie ein Gespenst von der Bildfläche verschwunden, gerade so, als sei dort irgendwo ein Loch im Boden gewesen, wo er hinein getaucht wäre. *
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Nick Master benahm sich in Carras so saublöd, daß es schon wieder echt wirkte. Seit er in der Stadt war, zog er überall herum, fragte die Leute nach „Pockennarbe“ und seinen Männern aus, und beim abendlichen Brandy in der 41
Bar führte er das große Wort und spuckte ‘nen mächtigen Bogen, daß er nun endlich mit der Brut aufräumen würde. Das war eigentlich ein ganz primitiver Trick, den der Captain mit Nick da ins Feld führte, aber auch „Pocken narbe“ hatte ja gedacht, daß man einen Mann wie Nick nicht ernst zu nehmen brauchte. Nachdem ich Tom verlassen hatte, ritt ich den Bach ein Stück hinauf, bis das Wasser sich in einem Gewirr von Felsbrocken und Farnkräutern verlor. Leute, das war keine Hütte, was ich dort vorfand, das war ‘ne verfallene Bretterbude, durch die von allen Seiten der Wind pfiff. Ein paar hölzerne Dachziegel hielten notdürftig den Regen ab, und im Inneren sah es auch nicht viel besser aus. Da standen ein ungehobelter Tisch und eine lange Sitzbank, die an der Hüttenwand befestigt war. Es gab auch eine Art Bett, mit Stroh belegt, und einen Wandschrank, an dem die Tür fehlte. Seltsamerweise hing eine Petroleumlampe an der Decke, und im Schrank lag ‘ne ganze Menge Eßbares, und auch zwei Flaschen Brandy fanden sich vor. Hinter dem Hause war ein kleiner Korral, und hier stellte ich meinen Gaul ab. Wie es so aussah, konnte man denken, daß hier öfters Männer von „Pockennarbe“ oder Connely übernachteten. Bei Einbruch der Nacht schlich ich zum „Wild hound“. Dort herrschte ein wahnwitziger Lärm. Ein mechanisches Klavier spuckte jaulend sentimentale Melodien durch die Nacht, Männer grölten besoffen einen selbsterfundenen Text dazu, und gelegentlich flogen ‘n paar Schnapsgläser durch die geöffneten Fenster einfach auf die Straße hinaus. 42
Ich schlich von hinten in den Hof und hockte mich unter dem Vordach des Stallgebäudes auf ein umgestürztes Faß. Gerade als ich mir ‘ne Zigarette drehen wollte, kam Connely durch die Hintertür, um in den Schnapskeller hinabzusteigen. Er hatte noch nicht die Falltür aufge schlossen, als ich ihm einen Kiesel in den Rücken warf. Wie von ‘ner Tarantel gebissen, fuhr der Wirt herum und hielt seinen Colt in der Faust. „Na, nun mal halblang“, sagte ich beruhigend. „Wer wird denn gleich mit der Kanone zur Hand sein.“ „Verflucht“, zischte Connely verblüfft. „Wie kommst du nach Carras? Der Geheime sucht dich schon, Mann. Bist du verrückt geworden?“ „José schickt mich“, grinste ich zufrieden. „Soll mich mit dir besprechen, hat er gesagt. Es ist wegen des neuen Transports.“ Connely verrenkte den Hals und sah sich im Hof um. Er schien Angst zu haben, daß dort irgend jemand saß und uns zuhören konnte. „Halts Maul!“ sagte er leise. „Soll uns die ganze Stadt vielleicht hören? Komm in den Stall ‘rein.“ Er ließ die Falltür herab, schloß sie sorgsam ab und verschwand in der Stalltür. Ich wartete einen Augenblick und folgte ihm dann. „Was willst du in Carras, Mann?“ fragte er mich. „Da geht ‘n neuer Transport von der Mine ab“, berichtete ich. „,Pockennarbe’ will wissen, welchen Weg der Transport nimmt.“ 43
„Ich weiß es noch nicht. Sie sind ziemlich wild, weil José ihre Ladung erwischt hat. Sie wollen diesmal ‘ne ganz neue Route nehmen. Wenn wir nicht mächtig die Augen aufhalten, gehen sie uns durch die Lappen. Schätze, daß es diesmal nicht so leicht wird. Es ist die Ausbeute von sechs Monaten. Kannst es José sagen.“ „Versteh’ überhaupt nicht, daß sie so ‘n Risiko auf sich nehmen“, sagte ich mit gespieltem Mißtrauen. „Sie müssen nach Webster, Mann“, erklärte Connely. „Die Arbeiter wollen ihre Löhne haben, und die Bank kreditiert nichts mehr, wenn sie in Webster nicht endlich den Kies sehen.“ „Schön“, sagte ich. „Sieh dich mal inzwischen nach dem Weg um, den sie nehmen werden. Ich komm dann nachfragen. Hast wohl einen in der Mine sitzen, was?“ „Hm“, machte Connely unbestimmt, und ich sah, daß er nicht damit herausrücken wollte. Der traute mir anschei nend nicht. „Laß dich nicht von Sheriff Roberts erwischen“, riet Connely mir noch, als ich mich schon auf die Socken machen wollte. „Außerdem schleicht hier so ‘n Geheimer von der Special Police herum, der sich schon nach dir erkundigt hat.“ „Weiß ich, weiß ich“, sagte ich großartig. „Werd’ ihm eins aufbrennen, wenn ich ihn nur irgendwo erwische. Können jetzt keine Zwischenfälle gebrauchen, verstan den?“ „Na, du hast Nerven“, meinte Connely mit Bewun 44
derung in der Stimme. „Wenn’s was Neues gibt, ich wohn’ draußen in der Hütte am Bach“, sagte ich noch, und dann war ich schon aus dem Stall ‘raus, ohne noch abzuwarten, ob Connely mir was zu sagen hatte. Inzwischen war der Mond aufgegangen. Ich wollte mich noch ‘n bißchen in Carras umsehen. Vielleicht gab’s auch ‘ne Möglichkeit, in der Bar einen zu trinken, falls nicht gerade der Sheriff dort war. Ich schlich also zwischen den spärlichen Gemüsegärten hindurch und versuchte von hinten um den Ort herum zukommen. Ein paar Büsche standen zu beiden Seiten eines schmalen Pfades, und als ich da ahnungslos um die Ecke bog, hatte ich auch schon den Lauf eines Fünfund vierziger Colts in der Bauchdecke. „Na, wer schleicht denn hier nachts herum?“ Leute, es ist ein verdammt unangenehmes Gefühl, wenn man bei Dunkelheit einem gegenübersteht, den man nicht richtig erkennen kann, und der dazu noch bewaffnet ist. Da dreht sich einem glattwegs der Magen um. Dann nahm der Fremde eine Taschenlampe und leuch tete mir ins Gesicht. „By Jove, boy, das ist der beste Witz, den ich seit langem gehört habe“, grinste er. „Der kleine, lausige Gartenzwerg …“ Also, ich wußte nun, wer sich da so einen hunds gemeinen Scherz mit mir geleistet hatte. Ich hätte ihm am liebsten gleich eine geklebt, daß er der Länge nach hinge knallt wäre. 45
„Steck den Prügel ein, Nick!“ fauchte ich giftig. „Ist das vielleicht eine Art, ehrliche Christenmenschen bei Nacht und Nebel zu überfallen?“ „Was machst du denn hier? Paß bloß auf, daß ich dich nicht irgendwo im Ort treffe. Könnte sein, daß ich dich gleich am nächsten Baum aufknüpfe.“ „Hast du Tom gesehen?“ erkundigte ich mich. „Keine Ahnung, der ist zur Mine ‘raus, wenn ich mich nicht irre. Hat mir jedenfalls so was gesagt.“ Wir setzten uns in das Dickicht und quatschten ein bißchen. Ich berichtete Nick von meinen und Jacks Abenteuern und davon, daß ich eigentlich den Auftrag hätte, ihn bei erstbester Gelegenheit auszuschalten. „Werd’ mich in acht nehmen“, grinste Nick und gab mir eine Zigarette. „Hast du den Namen ,Norman Smith’ schon mal gehört?“ „Noch nie. Wer ist das?“ „Der Schwiegersohn des Minenbesitzers Bannister“, erklärte Nick. „Smith hat mächtige Schulden beim Wirt Connely, wie ich hörte.“ „Und was hat der Smith mit ‚Pockennarbe’ zu tun?“ „Wenn ich das wüßte“, knurrte Nick. „Hörte zufällig, wie sich der Wirt Connely mit Smith unterhielt. Der Wirt wollte Geld von ihm zurück haben. War ‘ne mächtige Stange Dollars. An die zehntausend.“ Ich pfiff erstaunt durch die Zähne. Zehntausend, lieber Himmel, damit hätte man sich direkt ‘ne Ranch kaufen können. 46
Nick stand auf und trat die Glut seiner Zigarette aus. „Ich verschwinde“, sagte er. „Tom erwartet mit den Neuigkeiten aus der Mine auch die Pläne von Sheriff Roberts.“ „Woher weiß denn der Sheriff, wer Tom eigentlich ist?“ „Na“, grinste Nick mich an, und er tippte mit seinem Zeigefinger an seine Schläfe, als wollte er dort ein Loch hineinbohren. „Wird’s ihm wohl gesagt haben, was? Schließlich hat der Sheriff ja an die Special Police geschrieben, nicht?“ „Und was mach’ ich nun?“ „Laß dich nicht in Carras sehen“, mahnte mich Nick, und er rieb sich nachdenklich sein breites Kinn. „Ich hab’ den ganzen Ort schon wild gemacht. Wenn sie dich fangen, na, du weißt schon…“ Er griff sich an den Hals, wie um zu sehen, ob er da nicht schon ‘ne Schlinge trug. Dann verschwand er plötzlich seitwärts in den Büschen, und ich hörte, wie ein paar Reiter den Pfad heraufkamen. Sie ritten dicht an mir vorüber, und als es wieder still wurde, machte ich kehrt und beschloß, noch einen im „Wild hound“ zu verlöten. Ein Brandy vorm Schlafen gehen konnte nichts schaden, und vor Tagesanbruch würde ich wohl von Tom nichts hören. Irgend etwas mußte ja wohl geschehen. In der Bar war trotz der vorgeschrittenen Stunde noch mächtiger Betrieb. Der Tabaksqualm war so dicht, daß man kaum die Hand vor Augen sah. An der Theke lehnten ein 47
paar finster aussehende Kerle, die unrasiert waren und garantiert keine fünf Dollar im Sack trugen. Der Wirt Connely stand neben dem Keeper und schenkte Getränke aus. Er blinzelte mir zu, lehnte sich über die Tischplatte und flüsterte: „Der Sheriff ist gerade fort, kannst ruhig hierbleiben. Das da sind Männer von uns.“ „Brandy“, bestellte ich, hockte mich auf einen Schemel und blickte in den Spiegel. Ich dachte, mich laust ein Affe, als ich sah, wie die Schwingtür zur Straße aufging und Sheriff Roberts mit großen Schritten in die Bar kam. „Hab’ hier irgendwo meinen Hut hängen lassen“, sagte Roberts zu Connely. „Wo ist denn bloß der verdammte…“ Plötzlich brach er ab und starrte mich an. Jungens, hatte der einen Blick im Auge. Wenn ‘ne Waschfrau auf ‘nem frischen Hemd einen Tintenfleck findet, so groß wie ‘n Eierkuchen, dann macht sie sicher so blöde Augen. Roberts war einfach sprachlos. Ich grinste ihn ein bißchen an. Ich hab’ selten jemanden gesehen, der so schnell einen Colt zog wie Sheriff Roberts. Er kam auf einen Schritt an mich heran, drückte mir den Lauf in den Magen und brüllte: „Hands up, boy!“ Leute, ich hab’ was dagegen, wenn man innerhalb weniger Minuten zweimal vor ‘nem Revolverlauf steht. Erst Nick, und nun auch noch der Sheriff, das war mehr, als ich vertragen konnte. „He“, rief Connely aus dem Hintergrund der Bar, „was ist denn mit dem Mann los, Sheriff?“ „Der wird gesucht“, rief Roberts laut. „Raubmord, 48
Jungens! Macht keinen Unsinn! Der kommt mit ‘rüber in die Office.“ „Was?“ sagte Connely aufgeregt. „Der und Raubmord? Daß ich nicht lache. Der ist viel zu blöd dazu, Sheriff!“ Ich sah, daß Connely mir zu Hilfe kommen wollte. Hatte wohl Angst, daß „Pockennarbe“ seinen Boten in Carras verlor. Ich dachte einen Augenblick darüber nach, was ich machen sollte. Wenn ich nun zog, so würde es todsicher ‘ne Mordsschießerei geben, und damit war keinem gedient. Ich könnte ja schlecht auf den Sheriff von Carras schießen. Mußte mir was anderes ausdenken, Leute, und das war sehr schwierig. Ich bemerkte, wie Connely ein paar seiner Männer einen Wink gab, und sofort legten die sich mächtig ins Zeug. Einer von ihnen schlug die Faust auf die Tischplatte, daß es nur so krachte, und schon lagen sie sich in den Haaren. Ein riesiger Tumult entstand. Sheriff Roberts wurde unsicher. Er wagte sich nicht umzusehen, aber natürlich war er gespannt, was hinter seinem Rücken gespielt wurde. Dann knallte ein Schuß, und jetzt war der Augenblick gekommen. Roberts ließ eine Sekunde in seiner Aufmerk samkeit nach, und schon hatte ich ihm mit der geballten Faust auf den rechten Unterarm geschlagen, so daß sein Colt klappernd auf den Boden fiel. Ein Schritt vor, ein Aufwärtshaken unters Kinn, schnell nach seinen Füßen geangelt und ihm die Beine unterm Bauch fortgezogen, und da krachte er auch bereits mit dem Kürbis gegen eine 49
Tischkante. Aber alles was recht ist, Leute, der Sheriff war aus hartem Holz geschnitzt. Ich hatte mich kaum herum gedreht, um zum Ausgang zu eilen und in der Nacht zu verschwinden, als Roberts schon wieder hoch war und mir den Griff seines Colts auf den Hinterkopf donnerte. Ich sah noch, wie die Tische plötzlich anfingen zu kreisen, da lag ich auch schon der Länge nach auf dem Boden und verschnaufte. Irgendwo muß dann eine Lücke in meinem Gehirn sein. Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einer lausigen Holzpritsche, und vor mir stieg ein solides Eisengitter auf. ,By Gosh’, dachte ich, Jetzt haben sie dich erwischt!’ Sheriff Roberts saß hinter seinem Schreibtisch und verhandelte gerade mit einem Mann, den ich nicht kannte. „Der wird noch ‘n paar Stunden pennen“, meinte Ro berts, als er eine Daumenbewegung zu mir ‘rüber machte. „Hab’ ihm tüchtig auf die Birne geklopft!“ „Wir werden ihn morgen aufhängen“, sagte der Fremde. „Hat gar keinen Wert, auf den Friedensrichter zu warten. Gibt vielleicht nur unnötigen Ärger.“ „Wann geht der Transport, Norman?“ fragte nun Roberts, und da war ich auf einmal verdammt hellhörig. Hieß nicht der Schwiegersohn des Minenbesitzers Norman Smith? „Morgen früh machen sie sich auf den Weg. Sie nehmen den Pfad durch die Llanos. Daran wird ,Pocken narbe’ sicher nicht denken. Wenn alles klappt, ist die Sache zu Mittag erledigt!“ 50
„Hoffentlich klappt es diesmal wenigstens“, meinte Roberts zweifelnd. „Wenn ,Pockennarbe’ wieder dazwi schen kommt, ist auch diese Ladung zum Teufel.“ Sheriff Roberts stand auf und ging mit Smith durch die Tür ins Freie. Ich versuchte meine fünf Sinne zusammenzunehmen, um nachzudenken. Aber da kam auch schon unser Captain durch die Tür und steuerte geradewegs auf meinen Käfig zu. „Roberts hat mir bereits berichtet, daß du hier sitzt“, sagte er. „Hast dich ja fein über’s Ohr hauen lassen, Kleiner!“ Leute, ich war auf hundert, könnt es mir glauben. Zu allem auch noch lächerlich gemacht zu werden, na, ich danke. „Konnte nichts daran ändern, Boss“, sagte ich. „Es war ‘n heimtückischer Überfall von hinten. Kein Benehmen haben diese Sheriffs hier.“ „Du mußt verschwinden“, sagte Tom leise. „Sieh zu, daß du zu ‚Pockennarbe’ kommst. Morgen früh geht ein Transport nach Webster ab. Er nimmt den gesteckten Pfad durch die Llanos. Da sind die Leute sicher, bis sie am Adlerfelsen die Wüste verlassen. Sollte mit dem Teufel zugehen, wenn euer Bandit nicht am Felsen eine Falle baut. Wir werden unsere Vorkehrungen treffen, daß wir ihn dort mit seinen Leuten hübsch hochnehmen können.“ „Geht in Ordnung, Boss“, versicherte ich. „Bloß eins will ich noch wissen: Wie komm’ ich hier ‘raus?“ Tom schob mir wortlos einen Schlüssel durchs Gitter. 51
Nun kam Roberts wieder herein, und Tom sagte laut: „Banditen, wie du einer bist, werden immer erwischt! Hättest es eigentlich wissen sollen. Schade um deinen Hals, Boy!“ Er drehte sich um, nickte dem Sheriff zu und verließ den Raum. Roberts wühlte eine Weile in seinem Schreibtisch herum und warf mir hin und wieder einen scharfen Blick zu. Aber ich hatte mich auf der Pritsche ausgestreckt und tat so, als ginge mich der Sheriff überhaupt nichts an. Nach einer halben Stunde stand Roberts auf und verschwand. Ich hörte, wie er im Hof sein Pferd aus dem Stall holte und ein paar Minuten später davonritt. Vorsichtig griff ich durchs Gitter, steckte den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn herum. Die Tür schwang lautlos auf. Von der Wand holte ich einen Revolvergürtel herunter, nahm eines der Winchestergewehre aus dem Regal und verdrückte mich durch die Hintertür. Im Stall standen noch vier Pferde, von denen ich das beste in aller Eile sattelte. Kein Mensch kümmerte sich um mich, als ich in vollem Galopp durch den Ort ritt und nach zehn Minuten in der flachen Wüste war. So schnell wie ich ist wohl noch keiner von Carras nach „Ghost City“ geritten. Diesmal fand ich den richtigen Weg auf Anhieb, und als ich in die halbverfallene Stadt einritt, traf ich als erstes auf Donald, der vor seiner Hütte hockte und in eine halbgeleerte Brandyflasche starrte. „He“, rief Donald, „schon wieder zurück?“ 52
„Hab’ ‘ne wichtige Mitteilung für José.“ „Pockennarbe“ saß vor seinem Zinnkrug im Dunkel des steinernen Hauses und blickte mich mit seinen ekelhaften, feuchten Augen wie eine Kröte an. Ich hab’ mich richtig zusammennehmen müssen, um ihn nicht in seine schiefe Fratze zu schlagen. „Ist ‘n bißchen früh, denk’ ich“, knurrte der Kerl. „Was ist los in Carras?“ Ich packte die Neuigkeiten aus, und José zuckte nicht mit ‘ner Wimper dabei. Schließlich sagte er: „Das wird ein dicker Fisch! Hoffentlich kommt Ramon heute abend mit den Männern zurück. Allein schaffen wir es nicht. Wir brauchen alle Leute.“ „Soll ich wieder zurück?“ erkundigte ich mich. „Nicht nötig. Du bleibst hier. Kannst morgen früh zusammen mit Bud und seinen Leuten reiten.“ Er winkte mit der Hand, und ich konnte gehen. So langsam wußte ich überhaupt nicht mehr, was hier eigentlich gespielt wurde. Was war mit Ramon und seinen Männern los? Es war ‘ne richtige Beruhigung für mich, daß ich Tom Prox in Carras wußte. So konnte nicht viel passieren. Der Captain würde schon gehörig aufpassen, und ich wollte mir ‘ne Klapperschlange braten, wenn da irgendwas schief gehen sollte. „Ramon ist vor ‘n paar Tagen nach El Paso geritten“, berichtete Donald auf meine Frage. „José hat ihn mit ein paar Männern fortgeschickt, Lebensmittel und Schnaps zu 53
holen. Wir können ja schlecht in Carras einkaufen.“ „‚Pockennarbe’ sagt, daß sie am Abend zurück wären.“ „Vielleicht“, meinte Donald. „Wahrscheinlich werden sie in Carras erst einen trinken gehen. Die kommen an keiner Kneipe vorbei, ohne sich nicht den Bauch vollaufen zu lassen.“ Donald ging zum Essen, und ich verdrückte mich in den Schuppen, in dem immer noch Jack auf seinem Strohballen lag und in die Luft starrte. Sie hatten den Vormann der Mine aus dem elenden Stall herausgeholt, und so konnte ich leise mit Jack sprechen. „Ich verschwinde heute nacht“, meinte Jack zu mir. „Wenn sie wirklich morgen früh aufbrechen wollen, wird es gut sein, daß ich rechtzeitig in Carras bin. Der Boss wird mich sicher brauchen.“ „Ich stell dir ‘n Pferd zurecht“, schlug ich vor. Dann beschrieb ich Jack ausführlich den Rückweg, damit er sich nicht in der Wüste verirrte. Als ich Schritte hörte, richtete ich mich auf und verließ den Schuppen. Es war Donald, der mit einem Napf in die Hütte kam, um Jack was zu essen zu bringen. Der Tag schlich sich langsam vorbei, und als die Dämmerung einbrach, stellte ich wie unabsichtlich meinen gesattelten Gaul in der Nähe der Hütte ab, und als ich nach einer Stunde wieder vorbei kam, sah ich zu meiner Freude, daß das Pferd verschwunden war. Jack war also auf dem Weg nach Carras. „Wir haben uns ‘n raffinierten Trick ausgedacht“, 54
berichtete Donald, als ich zu ihm in die Bude kam. Er saß auf seinem primitiven Holzbett und hatte tatsächlich schon wieder die Schnapsflasche vor. „José hat sieben Mann hinausgeschickt, damit sie die Pfähle umstecken. Wenn die Minenleute morgen früh nach Webster aufbrechen wollen, werden sie in die Wüste reiten. Wir brauchen nur zu warten, bis ihnen das Wasser ausgeht, dann sammeln wir sie wie reife Äpfel auf. Bei der Hitze wird ihnen in spätestens zwölf Stunden das Wasser ausgehen. Ein Pferd macht es nicht länger als zehn Stunden ohne Wasser.“ Leute, mir fuhr richtig der Schrecken durch alle Glieder. Verdammt, dann wird es also nichts mit der Falle am Adlerfelsen, und Tom wird mit seinen Männern ver geblich warten. Ich mußte nach Carras, ganz gleich wie. Aber die nächsten Stunden kam ich einfach nicht fort. Der Boss ließ mich kommen, und dann war Donald ständig um mich herum, als wüßte er, was ich vorhatte. Ich mußte immer an die Männer denken, die morgen vormittag ahnungslos in die Llanos ritten, und die nach wenigen Stunden todsicher vom richtigen Weg abkamen. Mit den schwerfälligen Packpferden hatten sie keine großen Chancen, bis zum nächsten Wasserloch zu kommen, wenn sie erst einmal die Richtung verloren hatten. Sie würden in die Flugsandregionen geraten, und dann waren sie ver loren. Ich drückte mich zwei, drei Stunden in „Ghosts City“ herum, aber der Teufel wollte, daß immer einer von den Banditen in meiner Nähe war. Bis jetzt hatten sie noch nicht gemerkt, daß Jack verschwunden war. Selbst wenn 55
sie ihn nicht so verschnürt hätten, würde wohl keiner von ihnen geglaubt haben, daß ‘n Fremder es wagen würde, ohne genaue Ortskenntnis durch die Llanos zu reiten, dazu noch während der Nacht. Als die Nacht hereinbrach, kam Ramon mit seinen Reitern aus El Paso zurück. Ich sah mir den Burschen aus der Ferne an. Er verschwand sofort im Steinhaus von „Pockennarbe“, und ich hatte keine Möglichkeit, ihn näher zu betrachten. Seine Leute brachten zahlreiche Packpferde mit Lebensmitteln mit, und auch eine Kiste Munition für ihre Colts war dabei. Damit wollte die Bande ihren Überfall auf den Transport der Mine starten. Ihr könnt mir glauben, Leute, daß ich mich dafür interessierte, wo sie die Kiste hinschafften. Ich dachte, mich würde gleich der Schlag treffen, als so ein Bandit sie zum Schuppen schleppte, in dem vor ein paar Stunden noch Jack gelegen hatte. „Gib das Ding her“, sagte ich zu dem Mann. „Ich schaff’ sie ‘rein. Wirst ja wohl einen trinken gehen wollen, nach dem langen Ritt, he?’’ „Mensch, bist ja ‘ne Seele von Gauner“, strahlte er, lud mir das Möbel auf die Schulter und verduftete schleunigst in Richtung Brandyflasche. Na, ich hab’ die Kiste durch den Schuppen hindurch gewuchtet, bin hinten durch ein Loch in der Bretterwand und hab’. sie dann zwischen alten Flaschen und ähnlichem Gerumpel so sorgfältig versteckt, daß sie nicht mal ‘n Hellseher wiedergefunden hätte. 56
Vor dem Haus „Pockennarbes“ standen die Pferde der Männer angebunden, und als ich da vorbeikam, begegnete mir Ramon. Er blieb plötzlich wie angewurzelt stehen und starrte mich an. Er hatte so ‘n Blick in den Augen, daß es bei mir gleich Alarm klingelte. „Dich hab’ ich doch schon mal irgendwo gesehen?“ sagte er mit gefährlicher Ruhe. „Wüßte nicht, wo“, erwiderte ich ruhig, doch es wurde mir recht mulmig. „Na, vielleicht irre ich mich auch“, sagte er zweifelnd und wollte weitergehen. Ich verdrückte mich im Schatten des Feuers, das vor dem Haus entzündet war, aber plötzlich drehte sich Ramon um und brüllte: „Leute, haltet ihn fest! Ein Spitzel ist in ,Ghosts City’! Sie haben uns ‘n Spion geschickt! Der saß vor ‘n paar Tagen mit dem Geheimen aus Carras oben am Paß an ‘nem Lagerfeuer!“ Damned, das war also der Mann, den ich nachts um das Feuer hatte schleichen hören. Natürlich hatte Jack es nicht glauben wollen. Auf einmal stürzten die Männer aus „Pockennarbes“ Haus hervor, und schon hielten sie ihre Colts in der Faust und ballerten sinnlos in die Dunkelheit. Ich schlich um das Haus herum, fand auf der Hinterseite ein gesatteltes Pferd, sprang hinauf, und schon war ich unterwegs. Hinter mir schimpften und brüllten die Männer wie in ‘nem Affenstall, wenn plötzlich ‘ne Brillenschlange dazwischen gefahren ist. Als ich gerade um die Hausecke bog, um die Straße zu 57
den Llanos zu gewinnen, fühlte ich einen brennend heißen Stich im linken Unterschenkel. Da mußte mir doch tat sächlich einer eine Kugel verpaßt haben. War nur gut, daß ich so kurze, krumme Beine habe. Da ging die Kugel glatt durch den Muskel und hinterließ nur ein anständiges Loch, das gehörig brannte und blutete. Wie der Leibhaftige ritt ich durch die Wüste, zunächst einfach dem aufgehenden Mond nach, der mir die Richtung wies, bis plötzlich ‘n paar lausige Wolken vorzogen und die ganze Umgebung verdunkelten – da wurde es schon schwieriger. Ein paarmal blieb ich stehen, um zu lauschen, aber niemand folgte mir. Die gaben mir sicher keine große Chance, durchzukommen. Bei Dunkelheit war das schon Wahnsinn. Nach vielleicht zwei Stunden Ritt fühlte ich plötzlich, wie der Boden unter dem Gaul nachgab, und ich hatte gerade noch Zeit, das Tier zurückzureißen. Flugsand! Ich nahm ‘ne andere Richtung, aber da verfranste ich mich gehörig, und schließlich wußte ich nicht mehr genau, wo es eigentlich lang ging. Plötzlich bäumte sich der Gaul hoch auf, und ich rutschte einfach nach hinten über den Sattel weg und lag im Sand. Dann bekam ich von dem Gaul ein Ding mit dem linken Hinterhuf verpaßt, daß mir Hören und Sehen verging. Ich legte mich der Länge nach hin und war weg. Lauwarmes Wasser rann über mein Gesicht, als ich die Augen wieder aufschlug. Da hockte doch tatsächlich einer 58
neben mir am Boden. ‚Damned’, dachte ich, Jetzt haben sie dich doch noch erwischt!’ Aber es war keiner von „Pockennarbes“ Leuten. Ihr werdet es nie raten, wenn ich es euch nicht sage. Es war niemand anders als der Captain, der mir den Inhalt seiner Wasserflasche ins Gesicht kippte. „Na, Kleiner“, grinste Tom belustigt. „So früh schon unterwegs?“ „Wo kommst du denn her, Boss?“ stieß ich hervor. „Und wo ist denn mein Gaul hin?“ „Der liegt dort drüben, vielleicht hundert Meter weiter. Tot. Sieht so aus, als ob er von ‘ner Klapperschlange gebissen worden wäre.“ „Könnte stimmen“, gab ich zu. und dann erzählte ich Tom, was ich inzwischen erlebt hatte. „Jack kam gleich zu mir“, berichtete Tom nun. „Wir haben inzwischen alles vorbereitet. In zwei Stunden geht der Transport in Carras ab.“ „Lieber Himmel, sie werden doch nicht etwa den Weg durch die Llanos nehmen?“ fuhr ich auf. „Sie haben die Markierungen versetzt!“ „Deswegen bin ich ja hier“, grinste Tom. „Ich dachte mir, daß sie so eine Schweinerei vorbereiten. Ich hab’ den Trupp gesehen, als er die Pfähle versetzte. Eine saubere Arbeit, muß ich sagen. Wenn man es nicht weiß, reitet man todsicher in die Flugsandregionen hinein. Kannst du auf stehen, Amb?“ Ich rappelte mich hoch, fühlte nach meinem Bein, aber 59
die Wunde war inzwischen verkrustet und blutete nicht mehr. Dafür hatte ich am Kopf eine Beule wie ‘n ausge wachsener Flaschenkürbis. Der Schädel dröhnte, als wenn sich da ‘n wilder Hornissenschwarm niedergelassen hätte. Ich kam mir hundeelend vor. Tom hatte ein Reservepferd bei sich, das ich nun mühsam bestieg. Dann ritt ich genau hinter dem Captain her, um die tückischen Flugsandstellen zu vermeiden. Tom entwickelte eine bewundernswerte Geschicklichkeit, gefährliche Stellen zu umreiten. Man konnte denken, er fühlte sie vom Pferdesattel herab. Der Tag brach an, die Sonne ging am Horizont auf, und da kamen wir endlich am Rand der Llanos an. Hier gab es verschiedentlich kleine Felsengruppen, die mit Kakteen umstanden waren, aber außer den unvermeidlichen Geiern war kein anderes Lebewesen zu sehen. „Wir werden hier warten“, erklärte Tom. „Hier müssen die Männer der Mine vorbeikommen.“ „Wenn sie ,Pockennarbe’ nicht schon draußen in der Wüste abgefangen hat“, warf ich zweifelnd ein. „Nein, sie sind zwei Stunden früher aufgebrochen, als unsprünglich vereinbart war. Und dann weiß der Minen besitzer, daß die Markierungen verändert sind. Er wird rechtzeitig die neue Pfahlstraße verlassen und in dieser Richtung hier zum Rande der Llanos vorstoßen. Wenn ,Pockennarbe’ mit seinen Männern auftaucht, wird er feststellen, daß er den Transport verpaßt hat. Was wird er also tun?“ 60
„Schätze, daß er ihm folgen wird“, meinte ich nach denkend. „Genau das. Er wird ebenfalls hierherkommen und den Weg zum Adlerfelsen nehmen. Dort ist gegen Mittag großer Empfang.“ „Aber mit den schweren Kisten werden sie kaum das Tempo eines mittelmäßigen Reitpferdes erreichen können“, gab ich zu bedenken, „Wenn sie schwere Kisten bei sich hätten“, lächelte Tom geheimnisvoll. „Sie haben nur leere Kisten dabei, die sind nicht halb so schwer wie ein ausgewachsener Mann. Ich denke, daß sie in ‘ner guten Stunde hier sein können.“ „Und das Gold?“ fragte ich verblüfft. „Das ist bereits mit der normalen Kutsche unterwegs nach Webster“, berichtete der Captain lässig. „Ein ausge zeichneter Trick, und dabei so primitiv. Während ,Pocken narbe’ es in den Llanos versuchen wird, den Transport zu verfolgen, läuft er selber am Adlerfelsen in die Falle!“ „Eine gewagte Sache!“ sagte ich, aber Tom nahm keine Notiz von mir. Er hatte sich ‘n starkes Glas aus der Sattel tasche geholt und beobachtete damit den Horizont. Ich versuchte mein Bein so gut es eben ging zu verbinden und legte mir ‘n nasses Taschentuch auf die Wunde. „Das werden sie sein“, sagte Tom nach einer Weile. „Ich kann sie jetzt deutlich erkennen.“ „.Pockennarbe’?“ rief ich aufgeregt. „Nein, natürlich der Minenbesitzer mit seinen Männern. Sie schlagen ein ganz hübsches Tempo an. ‚Pockennarbe’ 61
wird sich ‘ranhalten müssen, wenn er sie noch vor dem Adlerfelsen abfangen will.“ Ja, richtig, als ich durch das Glas starrte, erkannte ich einen kleinen Trupp von Reitern, die sich wie winzige Ameisen durch den Sand in unserer Richtung hin fortbewegten. Vielleicht fünfzehn Mann waren das. Es konnten aber auch mehr sein, genau war das nicht auszumachen. „Warum schleppen sie aber leere Kisten, wenn doch kein Mensch hineinsehen wird?“ wollte ich wissen. „Das ist ‘ne Überraschung, Amb“, erwiderte Tom. „Wirst es noch früh genug erleben. Wir werden warten, bis sie hier sind, und dann schließen wir uns ihnen an. Am Adlerfelsen treffen wir mit den anderen zusammen.“ „Mit Nick und Jack, Boss?“ „Nein, mit dem Sheriff, mein Kleiner. Ich hab’ ihn pünktlich für Mittag bestellt.“ Inzwischen waren die Männer von der Mine heran gekommen. Tom Prox ging ihnen ein Stück entgegen und unterhielt sich flüsternd mit einem dicken, älteren Mann, der in ‘nem schwarzen Gehrock zu Pferde saß. Dann winkte er mir zu, daß ich auf das Packpferd stieg, und wir ließen den Trupp an uns vorbei und schlössen uns in einigem Abstand an. „Der Dicke dort ist Mister Bannister“, sagte Tom, „und der Lange, Bleichsüchtige neben ihm ist sein Schwieger sohn Norman Smith. Na, der wird sich vielleicht wun dern!“ 62
Über was sich der Lange wundern sollte, verriet Tom mir allerdings nicht. Schien ihm mächtig Spaß zu machen, uns alle im Dunkeln tappen zu lassen. Es mochte zehn Uhr vormittags sein, als Tom Prox zur Spitze des Zuges ritt und sich den Minenbesitzer Bannister zur Seite nahm. Der Lange sah sich mißtrauisch nach ihnen um. Irgendwie schien er sich nicht recht wohl in seiner sommersprossigen Haut zu fühlen. Plötzlich blieben zwei Mann mit einem Packpferd zurück, und Tom kam zu mir und sagte: „Es geht jetzt los, Kleiner. Paß mal auf! Da vorn ist eine hübsche Bodenvertiefung. Kannst du sie sehen?“ Klar, Leute, das war überhaupt ein ideales Gelände, um jemandem eine Falle zu stellen. Buschwerk tauchte auf. Das Gelände war verdammt unübersichtlich. Als ich mich umsah, merkte ich, daß die übrigen Leute des Transportes inzwischen weitergeritten waren. Nur die beiden Männer mit der Kiste standen neben uns. Tom führte uns um das Dickicht herum, und zum Teufel, da blieb mir fast die Luft weg. Da saß doch Jack einfach unter ‘nem Baum und kochte sich über ‘nem kleinen Feuer Kaffee. „Hallo!“ rief er uns zu. „Packt das Tommy-Gun aus, Männer! Sie werden gleich auftauchen!“ Na, jetzt hatte es bei mir endlich geklingelt. Die beiden Männer hoben die Kiste vom Packsattel und öffneten sie Tom Prox nahm das Maschinengewehr liebevoll heraus und machte es schußfertig. Dann gab er Jack noch ein paar Anweisungen, wie er „Pockennarbe“ in die Zange nehmen 63
sollte. „Laß sie erst vorbei, Jack!“ befahl er. „Bis zum Adlerfelsen sind es von hier aus höchstens vierhundert Meter. Wenn sie kehrtmachen und auskratzen, dann gebt es ihnen kräftig! Es darf uns keiner aus der Falle entwischen, verstanden?“ „Okay, boss!“ sagte Jack und spuckte kräftig ins Feuer. „Kannst dich ruhig davonmachen. Hier kommt niemand durch, und wenn er so klein wie ‘ne Spitzmaus wäre!“ Die Männer schoben das Gewehr durch den Busch, legten sich dahinter, und Tom Prox ritt mit mir den übrigen nach. „So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe, Amb“, erklärte er mir. „Peccas Männer werden versuchen, Bannis ters Transport noch vor dem Adlerfelsen zu erwischen. Aber dort liegen schon Männer des Sheriffs auf der Lauer!“ Das Dickicht wurde immer undurchdringlicher, der Pfad enger, und schließlich machte Tom halt und drehte sich zu mir um. „Hörst du was, Amb?“ „Damned, ja. Pferdegetrappel.“ „Das ist ‚Pockennarbe’ mit seinen Leuten. Los, hier seitwärts durch die Büsche!“ „Nicht durch die Schlucht, Boss?“ „Zu eng“, rief Tom mir leise zu, während sein Pferd sich schon den steilen Hang hinaufwandt. „Bannister ist auch hier herauf!“ Als wir auf der Anhöhe waren, konnten wir mit einem mal das ganze Gelände unter uns übersehen. By Gosh! 64
„Pockennarbe“ hatte es aber eilig! In einer riesigen Staubwolke kamen seine Banditen herangedonnert, viel leicht dreißig oder vierzig Mann. Sie blieben vor dem Eingang zur Schlucht plötzlich stehen, beratschlagten einen Augenblick, und dann stießen sie ihren Gäulen die Sporen in die Weichen und verschwanden zwischen den eng beieinanderstehenden Felswänden. „Jetzt“, sagte Tom Prox freudig grinsend. „Die dachten, Bannister wär’ in der Schlucht! Ja, Kuchen … Der ist längst mit seinen Pferden hier über die Anhöhe hinweg. Hoffentlich paßt Nick auf!“ „Zum Henker, wo ist der denn?“ „Auf der anderen Seite der Schlucht mit einigen Scharf schützen. Bannister hat ihm die anderen Kisten hinge schafft, verstanden?“ Ja, Leute, jetzt ging mir ‘n gewaltiges Licht auf. Nick riegelte die Schlucht von der anderen Seite her ab. By Gosh, das würde ‘ne Überraschung für die Bande werden! Dann peitschten plötzlich Schüsse. Ein Mordstumult hob an, als würden ein paar hundert Indianer ‘n Fort über fallen. Schreie klangen auf, Pferde wieherten, und Tom lächelte von der Anhöhe herab und sagte zu mir: „Los, jetzt wollen wir dem Sheriff einen Besuch abstatten.“ Er lief mit einemmal los, als bekäme er es bezahlt. Ich hinter ihm her. „,Pockennarbe’ sitzt in der Falle, Kleiner, um den brauchen wir uns im Augenblick nicht zu kümmern!“ Da hörte ich plötzlich Schritte. Tom mußte sie auch 65
bemerkt haben, denn er blieb wie angewurzelt stehen und winkte mir zu. Ich stellte mich hinter einen Baum. Es war „Pockennarbe“, der zu Fuß und außer Atem die Anhöhe heraufgekrochen kam. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß und war knallrot vor Anstrengung. Ich zog den Colt und sprang hinter dem Stamm hervor. „Hands up, boy! Keine Bewegung, Dicker, sonst knallt’s!“ brüllte ich. „Ay caramba!“ brüllte „Pockennarbe“, warf sich zu Boden und zog. Aber er hatte kaum die Waffe aus dem Futteral, als Tom ihm auf sechzig Schritte eine Kugel in den rechten Oberarm verpaßte, daß ihm weitere Kampf gelüste vergingen. Nun stöhnte der Mischling laut und wälzte sich auf dem Boden. Ich war mit zwei Schritten an ihn heran, um ihm Handschellen umzulegen. Aber als ich mich bückte, hielt der verdammte Kerl plötzlich sein Messer in der Linken und versuchte es mir in den Bauch zu stoßen. War keine sehr angenehme Sache, Leute! Tom konnte nicht schießen, wenn er mir nicht ‘ne Kugel durch den Kopf blasen wollte. Ich versuchte krampfhaft, das Handgelenk „Pocken narbes“ umzudrehen, aber der Kerl hatte Bärenkräfte. Schließlich hatte ich die Faust so weit herum, daß die Klinge nach unten zeigte, und da warf ich mich mit aller Gewalt über den Mexikaner. Er brüllte auf, sein Körper begann furchtbar zu zittern, und da war er schon tot. Das eigene Messer steckte ihm bis zum Heft im Brustkorb. „Das war in letzter Sekunde!“ rief Tom grimmig. „Weiter jetzt, sonst kommen wir zu spät, Amb!“ 66
Keine hundert Schritte waren wir gekommen, als plötz lich Sheriff Roberts vor uns auftauchte. Über Toms Gesicht ging ein gewaltiges Grinsen. „Ist das ‘ne Freude, Sheriff!“ rief er überschwenglich. „Kommen Sie mit, ‚Pockennarbe’ sitzt unten in der Schlucht in der Falle!“ Der Sheriff starrte mich entgeistert an. Das Schießen in der Schlucht hatte etwas nachgelassen, aber nun mischte sich ein anderes Geräusch in den Lärm: das harte Hämmern eines Maschinengewehrs. „Ist das da vielleicht auch einer Ihrer Leute?“ fragte Sheriff Roberts, indem er mit seinem Daumen auf mich deutete. „Richtig geraten, Sheriff. Sergeant Sulliwan von der Special Police.“ Tom schien sich gehörig zu freuen, daß Roberts so ‘n saublödes Gesicht machte. „Ich hatte meine Gründe, Ihnen das zu verheimlichen, Sheriff!“ „Nehmt die Flossen hoch!“ dröhnte jetzt die orgelnde Stimme Nicks durch den Kampfeslärm. „Ihr habt keine Chance, Jungens! Wir haben die Schlucht abgeriegelt! Werft die Waffen fort und kommt einzeln heraus!“ Eine Salve aus dem MG unterstrich die Aufforderung. Die Banditen schienen nun eingesehen zu haben, daß die Runde für sie verloren war. Hinter Büschen und Felsbrocken kamen sie hervor, die Arme in die Luft gestreckt, und als ich sie zu zählen versuchte, da waren es fast siebzig Männer, wilde, verwegen aussehende Kerle. Aber gegen ein MG konnten auch sie nichts ausrichten. 67
Bannisters und des Sheriffs Leute trieben die Banditen in eine Ecke, und Nick baute sein MG. vor ihnen auf. „Gott sei Dank, Captain Prox!“ rief Mister Bannister glücklich und reichte Tom die Hand zum Dank. „Sie haben uns wirklich einen Stein vom Herzen genommen. Künftig können wir unser Gold wieder ungefährdet nach Webster schaffen.“ „Noch nicht“, sagte Tom und zog langsam seinen Colt aus dem Gürtel. „Da ist noch ‘ne Kleinigkeit zu regeln. Sheriff Roberts, nehmen Sie Norman Smith fest. Ich klage ihn an, die Transporte aus Eigennutz an José Peccas verraten zu haben!“ Blitzschnell drückte ich dem Langen meinen Colt zwischen die Rippen, und da riß er beide Arme hoch. Erst als ihm die stählernen Handschellen um die Gelenke lagen, fanden die Umstehenden ihre Sprache wieder. „Das ist doch Wahnsinn!“ brüllte Bannister verzweifelt. „Was hat denn mein Schwiegersohn mit allem zu tun?“ „Ich hatte schon Grund, Mister Bannister, daß ich Sie bat, nichts von dem Inhalt der Kisten Ihrem Schwiegersohn zu erzählen. Das war meine Überraschung. Norman Smith war mit einigen tausend Dollar an den Wirt Connely verschuldet. Connely riet ihm, sich an ,Pockennarbe’ zu wenden, der seit Jahren Chef einer Bande ist. Connely arbeitete mit ‚Pockennarbe’ und verriet ihm die Transporte, die Mister Bannister nach Webster unternahm, weil er von ihm Anteile bekam. Über Ihren Schwiegersohn hoffte er vielleicht, eines Tages die ganze Mine in die Hände zu 68
kriegen. Ich ließ vom Amt des Distrikt-Marshalls die Maschinengewehre kommen, verpackte sie zusammen mit Sergeant Master in diese Kisten, und nun haben wir die ganze Bande der Llanogeier hochgenommen. Ein sehr ordentlicher Erfolg, muß ich sagen. Schätze, daß das Gefängnis in Carras viel zu klein für alle Banditen ist. Wir werden sie in Connelys Bar unterbringen müssen, und dann kann Connely gleich seine letzten Flaschen spendieren, denn die nächsten Jahre dürfte er nicht mehr den biederen Wirt spielen.“ Tom Prox sah sich im Kreise um, und dann befahl er: „Auf, Männer! Nehmt die Banditen zwischen euch, und dann machen wir uns auf den Rückweg. Den edlen Schwie gersohn übernehme ich selbst. Sonst kommt er uns unter wegs womöglich noch abhanden.“ Wir trieben die Männer wie eine Viehherde zusammen, schwangen uns auf unsere Pferde, und dann traten wir den Heimritt nach Carras an. Ein seltsamer Zug, Leute, das werdet ihr mir glauben. Vornweg der entlarvte Norman Smith, hinter ihm Tom Prox, der Sheriff und ich, und dann folgte uns der Haufen der entwaffneten Banditen, die fein säuberlich aneinandergebunden waren. Den Schluß bildete Nick, der auf einem klapprigen, vierrädrigen Wagen hinter seiner Kanone hockte und zufrieden in die Gegend grinste. „He, Amb“, brüllte er mir zu, „beeilt euch mal ‘n bißchen. Ich denke, daß ich unbedingt einen trinken muß. Immer diese verdammte Bummelei, du kleiner, lausiger Wurzelzwerg!“ 69
Na, Leute, wenn Nick nicht gerade hinter ‘nem gelade nen Maschinengewehr gesessen hätte, ich würd’ ihn buch stäblich aus seinen Stiefeln gestoßen haben. War doch ‘ne Unverschämtheit von ihm, oder was meint ihr, Leute? Bis zum nächstenmal! So long! Ende
1954
Uta-Verlag, Sinzig/Rhein
Alle Rechte vorbehalten
Scan by Brrazo 12/2005
Bu-Ka-Druck, Lengerich (Westf.)
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