MARTIN HEIDEGGER
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GESAMTAUSGABE 11. ABTEILUNG: VORLESUNGEN 1923-1944
MARTIN HEIDEGGER
PARMENIDES I
BAND 54 PARMENIDES
VITTORIO KLOSTERMANN FRANKFURT A M M A I N
VITTORIO KLOSTERMANN I
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FRANKFURT A M M A I N
INHALT
Freiburger Vorlesmg Wintersemester 1942/43 herausgegeben von Manfred S. Frings
EINLEITUNG Vorbereitende Besinnung auf den Namen und das Wort blh4gE~aund sein Gegenwesen. Zwei Weisungen des iibersetzenden Wortes &h-$?c~a
§ I. Die GSttin ,Wahrheitc(. Panuenides I, 22-32 ........ a) Das gewohnliche Sichauskennen und das wesentliche Wissen. Die Absage an das Gelaufige des >>Lehrgedichtesedurch das Aufmerken auf den Anspmch des Anfangs . . . . . . . .
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Wiederholung 1) Beginn und Anfang. Das gewohnliche Denken und das vom Anfang angefangene Denken. Das Zu~cktretenvor dem Sein. Das textlich Wenige des Einfachen. Hinweis auf das >>Obersetzencc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Zwei Weisungen des iibersetzenden Wortes & h + k ~ ~Das . Streithafte der Unverborgenheit. Vorlaufige Klarung des Wesens der b l h $ - ~ ~und u der Verborgenheit. Das Obersetzen und das Obersetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wiederholung
2) Die Frage nach dem Namen der Gottin und seiner Ubersetzung. Das der Verborgenheit entgegenliegende Wesen der Wahrheit der ersten beiden Weisungen. Die Un-verborgenheit und die Un-verborgenheit . . . . . . . . . . . . . . .
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ERSTER TEIL Die dritte Weisung des iibersetzenden Wortes &?.$eta: Der seinsgeschichtliche Bereich der Gegensatzlichkeit von &ht%tu und 1491
2. Auflage 1992 @ Vittorio Klostermann GmbH Frankfurt am Main . 1982 Satz: Limburger Vereinsdmckerei GmbH Druck: Dmckhaus Beltz, Hemsbach Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany
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§ 2. Erste Besinnung iiber den Wandel des Wesens der Wahrheit und ihrer Gegenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Das Streithafte der Un-verborgenheit. Die dritte Weisung: der gegensatzliche Bezug zur Wahrheit. Der Nachklang der dh49ctu in der Subjektivitat. Hinweis auf Hegel und Schelling. Weisung auf die Gegensatze von Verborgenheit und Unverborgenheit, Falschheit und Wahrheit . . . . . . . .
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VII b) Die Frage nach dem Gegenwesen von bhq965. Die Absenz des 1r)nkund das +~3Sos.Die Verhiilltheit von Grundbedeutungen. Das Gegenwort 1 ~ 9 . 6 und ~ das griechisch gedachte Icrv8kvopci~. Das aus der Verbergung erfahrene Vergessen. Homer, Ilias, XVIII, 4.6; X, 22; Odyssee, VIII: 93 . . . . . Wiederholung T b +E~SOS als Gegensatz zum bhq9.k~.Die Stammvemandtschaft von bh43c~aund Auv3kvw. Hinweis auf Homer, Odyssee, VIII, 93. Der Entzug der Vergessenheit . . . . . . . .
5 3. Klarung des Wandels der bh48ccu und
des Wandels der Gegenwesen (veritas, certitudo, rectitudo, iustitia, Wahrheit, Gerechtigkeit - ~ $ +c680s, 8 ~ falsum, ~ Unrichtigkeit, Falschheit) . . . . a) Die in sich verschiedenen Bedeutungen von +eGSoq und ~falsch<<. Der verdeckend erscheinenlassende Wesensbereich des Gegenwortes +EGSOS.Hinweis auf Homer, flias, B 348 ff. Das ver-stellende Verbergen: die Grundbedeutung des +~G8oq. Tb d#euSkq: das Enthehlende, und das bhq8k~.Hinweis auf Hesiod, Theogonie, Vers 233 f. Die Zweideutigkeit des bhq8kq Wiederholung mit nfalschcc. 1) Die sogenannte richtige Ubersetzung des +EGSO~ Die Bedeutungsmannigfaltigkeit von >>falschcc und ~ E G ~ oDas s . Verstellen und Verhehlen des +~;60q im Wesensbereich der Verbergung und Enthullung. Hinweis auf Homer und Hesiod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dm undeutsche Wort ~falschcc.Falsum, fallo, acpoihho. Der romische Vorrang des mZu-Fall-bringens*:in der Romanisierung des Griechentums durch das imperium (Befehl) als Wesensgrund des iustum. Die Ubersetzung des $ E G ~ O S in den romisch-imperialen Bereich des Zu-Fall-bringens. Das eigentliche Ereignis der Geschichte: Der Angriff der Romanisierung im griechisch-rBmische Geschichtsbereich und die neuzeitliche Sicht des Griechentums mit r6mischen Augen . . . . Wiederholung
2) Ruckbesinnung auf das Wesen des *Fakchen<
verumcc und zwahrcc. Die undeutsche Bedeutung von )>wahrccdurch das r6misch-christliche )>verum
d) Der Wandel im Wesen der dlh4gE~u seit Platon. Die Aufnahme der .Reprasentationcc der & ~ ~ B E durch L u die dpolwa~q (als rectitudo der ratio) in die veritas. Die rectitudo (iustitia) der kirchlichen Dogmatik und die iustificatio der evangelischen Theologie. Das certum und der )>usus rectuscc (Descartes). Hinweis auf Kant. Die Schlieljung des Ringes der Wesensgeschichte der Wahrheit im Wandel der veritas zur ~Gerechtigkeitcc(Nietzsche). Die Einmauerung der ~ I ~ ~ E L u im romanischen Bollwerk der veritas, rectitudo und iustitia Wiederholung 3) Das Geschicht der Zuweisung des Seins: Ruckbesinnung auf die Geschichte des Wesenswandels der Wahrheit. Die >>Bilanzene der Historie (Burckhardt, Nietzsche, Spengler). Die >>Sinngebungeder Geschichte in der Neuzeit . . . . . . . 4) Das Ereignis des Umschlags des Wesens der Unwahrheit vom zum romischen falsum. Die Vollendung griechischen +E~SOS des Wandels der veritas zur certitudo im 19. Jahrhundert. Die Selbstsicherung der Selbstgewaheit (Nietzsche, Fichte, Hegel) $ 4 . Die Mannigfaltigkeit der Gegensatze zum Wesensgeziige der
Unverborgenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das reiche Wesen der Verborgenheit. Weisen der Verbergung: & x & q ,(pkhsoq), xeGSw, X P J ~ T W xahbx~w. , Homer, Ilias, XX, 118; Odyssee, VI, 303; III,16; Ilias, XXIII, 244. Das Entbergen des Mythos und die Frage nach dem griechischen Gottemesen
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b) Der Zusammenhang zwischen pG80g und dem griechischen Gitterwesen. Erde, Tag, Nacht und Tod im Bezug zur Unverborgenheit. Das Geheime als eine der Weisen der Verbergung. Der Ausschlul3 des Negativen der Falschheit und der Verstellung als alleinige Gegenwesen der Wahrheit . . . . . . Wiederholung Ergkzende Erlautemgen: Der >>Wegcc des ankommenden Denken im >>Lehrgedichtcc. Der Zusammenhang zwischen dem Wesen der Gottin und den Wegen zu und von ihrem Haus. Seitenweg und Ahweg. Die Frage nach dem anderen Gegenwesen zur Entbergung. Das in das Wort und die Sage kommende Wesen der Entbergung und Verbergung. Der Verlust des Wortes als Wahrung des Bezugs des Seins zum Menschen. Die romische Umdeutung des T& <@OV 16yov BXOV zum >>animalerationale. Hinweise auf Kant, Nietzsche, S~engler.MGh5,Zxo<,A6yo<
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§ 5. Der Gegensatz zum SAq9kq: das haB6v, hu9kq. Das Ereignis des Wandels der entziehenden Verbergung und das menschliche Verhalten des Vergessens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
a) Das Walten der Verbergung im hav9drvtoSac. Die Verbergung des Vergessenden irn Vergessenen: Die Vergessung. Hesiod, Theogonie, V. 226 f. Die A@-qund das verborgene Wesen der Eris (Streit), der Tochter der Nacht. Hinweis auf Pindar . . 104 b) Die Scheu bei Pindar, 01. Ode VII. 48 f., 43 ff.; und bei Sophokles, Oedip. Kol., 1267. Die & p d (Entschlossenheit) als aus der d148cea und dem a2Fh~bestimmte Entborgenheit des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Wiederholung I) Drei Titel der Wesensgeschichte des Abendlandes. Hinweis auf ~ S e i nund Zeitcc. Das wesentliche Denken. Hinweis auf Holderlin, Pindar. Der Anfang des Wesensbezugs des Seins zum Menschen in Wolt und Sage. Das griechische Wesen des Menschen. Hinweis auf Hesiod . . . . . . . . . . . . . 112 c) IIpbypa: die Handlung. Das Wort als der Wesensbereich der menschlichen Hand. Hand- und Maschinenschrift. '0~865und rectum. Die wesenhafte Handlung und der Weg auf das Unverborgene. Die Vergessung als Verbergung. Das Pwegcc des Menschen von der Unverborgenheit und das Wort der zeichenlosen Wolke. Die Verdiisterung. Der Entzug der 1491. Riickblicke auf Pindar. Hinweis auf Hesiod . . . . . . . . . . 117 Wiederholung 2) Die Zusammengehorigkeit von Sein, Wort, Lese, Hand und Schrift. Der Einbruch der Schreibmaschine in den Bereich des Wortes und der Handschrift. Die Folge der Technik im gewandelten Bezug des Seins zurn Menschen. Der Bolschewismus: die im vorhinein vollstkdig technisch organisierte Welt. Das Denken und Dichten der Griechen in der &It-j19E~aund A4Sr)
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§ 6. Die letzte Sage des Griechentums vom verborgenen Gegenwesen der 1491, (I): Platons SchluBmythos der Po!iteia. der &A$~ELU, Der Mythos uber das Wesen der Polis. Die Aufhellung des Wesens des Dhonischen. Das Wesen des griechischen Gotterturns im Licht der ~ I $ ~ E Der L~Blick~c u. des Ungeheuren . . . 130 ~ s Pol der aus der &1$kea bestimmten Anwesena) Die ~ 6 1 der heit des Seienden. Hinweis auf Sophokles. Der Niederschlag des streithaften Wesens der &h$%ea im Gegenwesen zur ~ 6 1 ~&rcoA~c,. 5: Hinweis auf Burckhardt . . . . . . . . . 130 b) Vorbereitung zum Notweg uber die Bemerkungen zu Platons Gesprach iiber d,ie und x 6 1 ~Der ~ . Fug: Aixq. Der todestrachtige Gang des Aufenthalts in der Polis und die Anwesung des Seienden nach dem Tode. Christlicher Platonismus. Hinweis auf Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . 135
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Widerholung I) Politeia: Der ~ 6 x 0 5des Wesens der ~6hr5. Das wesenhaft Unpolitische der Politeia der Polis. Der Pol des ~ ~ A E L VDie . Unmoglichkeit der Deutung der Polis aus dem >>Staat<<, der Fixq und iustitia. Tod: Obergang vom nhier<)dortc<. Platonismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Frage nach dem >hiere und ~dortcc.Politeia, X, 614 b 2, und die Fragwiirdigkeit des Hinweises auf den Mythos . . . d) TUX$: der Grund des Bezugs zum Seienden. Das Wissen der Denker urn die Daimonia. Hinweis auf Aristoteles und Hegel. Aaep6vcov: die Hereinwesung des Un-geheuren in das Geheure. Die Falpovrs, die in das Geheure herein Winkenden und Zeigenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das den AnbPck des Seins bietende Blicken (S~bo). Das Aussehen (Anblick) des Seins (EISoc,).Der irn Bliclren sich der Unverborgenheit dargebende Gott (Faipov) der Griechen. Das in das Geheure Hereinblickende: das Un-geheure. Das Erscheinen des Ungeheuren im Blicken des Menschen . . . . Wiederholung 2) Das Undkimonische der Galpovag . Das entbergende Aufgehen des Seins: das Sichlichten. Das Blicken (Vernehmen) die anftgliche Weise des Aufgehens ins Lichte. Die Zwischenstellung des Tieres (Nietzsche, Spengler). Der Mensch: der Angeblickte. Oba und 986: dasselbe Wort. Hinweis auf Heraklit, Frgm. 48. Unzureichende E r k l k g e n des griechischen Gotterwesens. Der Blick als das Entscheidende fiir die Erscheinung des Ungeheuren im Geheuren. Das sich im Geheuren darweisende Un-geheure und der im Sein beruhende Bezug zum Gotterwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Der Unterschied der griechischen Gotter zurn christlichen Gott. Die Nennung des Seins in seinem Herein-blicken durch das Wort und der Mythos als die Weise des Bezugs zum erscheinenden Sein. Der Mensch: der Gott-Sager. wuntergangx von Kulturen (Nietzxhe, Spengler). Der Grundzug der Seinsvergessenheit: der A-theismus . . . . . . . . . . . . . g) Das sich ins Unverborgene hereingebende Gotthafte. Das Daimonion: der Blick im schweigenden Einholen in die Zugehorigkeit zurn Sein. Der Entbergungsbereich des Wortes. Die ~Entsprechung<< des Gotthaften und Sagen-haften ( z b 9dov und 6 p~hc,). Das Ins-Werk-bringen (Kunst) der Unverborgenheit und sein Medium in Wort und Mythos. Er)GacpovLu und Fa~p6veo~ 767105 . . . . . . . . . . . . § 7. Die letzte Sage des Griechentums vom verbmgenen Gegenwesen der &X-i)kra,der 1491 (11). Platons SchluBmythos der Politeia. Das Feld der A$* . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Die Ortschaft des Ungeheuren: Das Feld der entziehenden Verbergung. Die AusschlieDlichkeit des Un-geheuren im Ort der Lethe. Der Blick ihrer Leere und das Nichts des Entzugs. Das behalterlose Wasser des Flusses ))Ohnesorgeccim Feld der 1491. Die Rettung des Unverborgenen durch das denkende Denken und der Trunk des Denkers . . . . . . . . . . . 175
b) Die vierte Weisung: das Offene als der Wesensanfang der Unverborgenheit. Hinweis auf wSein und Zeita und Sophokles, AIaq V, 646 f. Die Zeit als das Erscheinenlassende und Verbergende. Hinweis auf Holderlin. Die Zeit als ~Faktorccin der Neuzeit. Die Wesung der Offenheit in der Unverborgenheit. Die ~Gleichsetzungccvon Offenheit und Freiheit. Die d'h$3cra als das Offene dm Lichtung . . . . . . . . . . . . . . 208 C) Licht und Blicken. Die >natiirlichec<Erklarung des Lichten durch den griechischen >>Augenmenschenccgegeniiber dem entbergenden Anblick. Das blickende Vernehmen. 'Ah$.gEra: das Ereignis in der Landschaft des den Morgen verbergenden Abends. OEZV-bpbv und Theorie . . . . . . . . . . . 215
Wiederholung I) Feld und Lethe. Das Gotthafte bei den Griechen: Das Ungeheure im Geheuren. Das &iov in der anfiinglichen &l$&ra und l$9q.'Ah$9Era und 8et (Parmenides) . . . . . . . . 180 b) Das Ma0 der entziehenden Verbergung der Unverborgenheit. Das Gesicht der I8kz Platons und die Griindung der Anamnesis (wie des Vergessens) in der Unverborgenheit. ~ $: h ~ESLOV. Die Vernehmung des Beginns der Dichtung Homers und des Spmches des Parmenides. Die UnvergeBlichkeit der &h$9Era durch den Entzug der ).$9q- Die therholung der Erfahrung durch das Verfahren seit Platon ( 7 . 6 ~ ~.Hinweis 1 auf Homer, Ilias, XXIII, 358 ff. . . . . . . . . . . . . . . 183
d) Das Offene am Anfang der Besinnung auf das Wort &h$acra. Das wesentliche Denken: der Absprung in das Sein. Das unverborgen Seiende in der Geborgenheit des Boden-losen des Offenen (Freien) des Seins. Die Verbergung des Entscheids der Zufiigung der Unverborgenheit im bergenden Offenen an den Menschen. Die Befugnis durch die Zufiigung des Seins, das Offene zu erblicken: ein geschichtlicher Anfang. Die Entfremdung des Menschen gegen das Offene . . . . . . . . 220 e) Das Offene in der Gestalt des ungehemmten Fortgangs des Seienden. Das Offene: das Freie der Lichtung. Das ,Offenecc der ~Kreaturain der achten Duineser Elegie Rilkes. Hinweis auf Schopenhauer, Nietzsche. Der AusschluB des Tieres aus dem Streit zwischen Unverborgenheit und Verborgenheit. Das Auf-geregte des Lebendigen . . . . . . . . . . . . . . 225
Wiederholung 2) Die Abstammung des Menschen aus der ungeheuren Ortschaft der entziehenden Verbergung. Der Beginn der Wandlung dm Grundstellung des Menschen. Das Zusammenwalten der &h$sEra und des p6pvqpa~. Hinweis auf Homer, Ilias, XXIII, 358ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
$9. O~oi- ' ~ l $ S c ~ aDas . Hereinblicken des Seins in das von ihm gelichtete Offene. Die Weisung des Hinweises auf das Wort des Parmenides: Die Fahrt des Denkers zum Haus der ' A ~ $ ~ Eund LO! sein Hindenken zum Anfang. Das Sagen des Anfangs der abendIiindischen Sage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2413
ZWEITER TEIL Die vierte Weisung des iibersetzenden Wortes &h$&ru. Das Offene und das Freie der Lichtung des Seins. Die Gattin ~Wahrheitr § 8. Die erfiilltere Bedeutung von Ent-bergung. Der Ubergang zur Subjektivitzt. Die vierte Weisung: das Offene, das Freie. Das Ereignis der d 1 ~ 4 9 ~ tim a Abendland. Die Bodenlosigkeit des Offenen. Die Entfremdung des Menschen . . . . . . . . . . . 195 a) Vorbereitung zur vierten Weisung. Die bisherige unzureichende Ubersetzung mit ~Unverborgenheitcc.Die Zweideutigkeit des Wortes ~Ent-bergungcund die erfiilltere Bedeutung. Der Streit in der anringlichen bl$%ca. Nlhe und Anfang. Hinweis auf Homer. Die Zweideutigkeit des Erscheinens: reines Aufgehen und Begegnischarakter. Die Ichheit. Hinweis auf Kant, Descartes, Herder, Nietzsche. Der Vorrang der Selbstheit seit Platon und Aristoteles (ncpl ' P U X ~ 8, S
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Zusatz 1
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Nachwort des Herausgebers
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EINLEITUNG
VORBEREITENDE BESINNUNG AUF DEN NAMEN UND DAS WORT AAHOEIA UND SEIN GEGENWESEN. ZWEI WEISUNGEN DES OBERSETZENDEN WORTES AAHOEIA
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,$' 1. Die Gottin w Wahrheita. Parrnenides, 1,22-32 l I
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a) Das gewohnliche Sichauskennen und das wesentliche Wissen. Die Absage an das Gelaufige des >>Lehrgedichtes
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I I ~ Q ~ Enaiv ~ 'HQC%X)IELTOS, ~ T ~ s Parmenides und Heraklit, Zeitgenossen in den Jahnehnten zwischen 5401460, heil3en die beiden Denker, die in einer einzigen Zusammengehorigkeit am Beginn des abendlandischen Denkens das Wahre denken. Das Wahre denken heat: das Wahre in seinem Wesen erfahren und in solcher Wesenserfahrung die Wahrheit des Wahren wissen. Nach der Zeitrechnung sind seit dem Beginn des abendlkdischen Denkens zweitausend und fhfhundert Jahre vergangen. Was im Denken der beiden Denker gedacht ist, wird vom Vergehen der Jahre und Jahrhunderte niemals beriihrt. Diese Unberiihrbarkeit durch die zehrende Zeit gilt aber keineswegs deshalb, weil das Gedachte, das diese Denker denken m d t e n , seitdem irgendwo an sich an einem iibeneitlisen Ort aufbewahrt wird als das sogenannte sEwige<<.Vielmehr ist das Gedachte dieses Denkens gerade das eigentlich Geschichtliche, was aller nachfolgenden Geschichte vorauf- und d. h. vorausgeht. Das also Voraufgehende und alle Geschichte Bestimmende nennen wir das Anfkgliche. Weil es nicht in einer Vergangenheit zuriick-, sondern dem Kommenden vorausliegt,
5 1. Die Gottin ~Wahrheite macht sich das Anfkgliche immer einmal wieder einem Zeitalter eigens zum Geschenk. Der Anfang ist das, was in der wesenhaften Geschichte zuletzt kommt. Fur ein Denken allerdings, das nur die Form des Rechnens kennt, bleibt der Satz: >>DerAnfang ist das Letzte<<, ein Widersinn. Zuerst freilich, an seinem Beginn, erscheint der Anfang in einer eigenturnlichen Verhullung. Daher stammt das Merkwiirdige, da13 das Anfangliche leicht fur das Unvollkommene, Unfertige, Grobe gilt. Man nennt es auch >>das Primitive<<.So entsteht dann die Meinung, die Denker vor Platon und Aristoteles seien noch >>primitiveDenkercc. Allerdings ist nicht jeder Denker im Beginn des abendlandischen Denkens auch schon ein anfanglicher Denker. Der erste anfiingliche Denker heiI3t Anaximander. Die beiden anderen und mit ihm die einzigen sind Parmenides und Heraklit. Da13 wir diese drei Denker als die erstanfanglichen vor allen anderen Denkern des Abendlandes auszeichnen, erweckt den Eindruck der Willkur. Wir besitzen in der Tat auch keine Beweismittel, die genugten, die genannte Auszeichnung unmittelbar zu begriinden. Dazu ist notig, dal3 wir erst zu diesen anfkglichen Denkern in einen echten Bezug gelangen. Das soll in den Stunden dieser Vorlesung versucht werden. Im Ablauf der Zeitalter der abendlkdischen Geschichte entfernt sich das nachkommende Denken nicht nur in der Zeitfolge von seinem Beginn, sondern auch und vor allem in dem, was gedacht wird, von seinem Anfang. Die folgenden Menschengeschlechter werden dem friihen Denken mehr und mehr entfremdet. Zuletzt ist der Abstand so grol3, da13 der Zweifel sich regt, ob ein spateres Zeitalter uberhaupt noch die f e hesten Gedanken wieder zu denken vermoge. Zu diesem Zweifel gesellt sich der andere, ob dies Vorhaben, gesetzt es sei moglich, noch irgend einen Nutzen bringe. Wozu sollen wir auf den fast ausgelijschten Spuren eines liingst vergangenen Denkens umherirren? Die Zweifel an der Moglichkeit und am
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Nutzen eines solchen Versuchens erhalten noch eine besondere Bekraftigung durch den Umstand, da13 uns dieses friihe Denken nur in Bruchstucken iiberliefert ist. Daraus erklart man sich die Tatsache, daD die Meinungen der Gelehrten uber die friihe >>Philosophies der Griechen weit auseinandergehen und die Auffassung dieser philosophischen Gedanken iiberhaupt unsicher sei. Die Absicht, dem Denken des Parmenides und des Heraklit heute noch nachzudenken, bleibt so von mannigfachen Zweifeln und Bedenken umstellt. Wir lassen diese Zweifel und Bedenken gelten und ersparen uns die besondere Zueckweisung. Selbst wenn wir es u n t e r n h e n , diesen Bedenken zu begegnen, dann miaten wir ja doch zuvor das Unumg&gliche geleistet haben, das zu denken, was die beiden Denker denken. Diesem Einen konnen wir nicht ausweichen, da13 wir allem zuvor auf die Worte dieser Denker aufmerken. Vielleicht machen wir bei genugender Aufmerksamkeit und Ausdauer des Denkens die Erfahrung, dal3 die genannten Zweifel grundlos sind. Die Worte des Parmenides haben die sprachliche Gestalt von Versen und Versfolgen. Sie geben sich wie ein ,Gedichtc<. Da jedoch die Worte eine >>philosophischeLehrecr darstellen, spricht man vom rLehrgedicht<<des Parmenides. Das ist eine Kennzeichnung seines denkenden Sagens, die aus der Verlegenheit entspringt. Man kennt Dichtungen und Gedichte. Man kennt auch philosophische Abhandlungen. Man sieht aber auch leicht, da13 sich hier in den Versen des Parmenides findet, wohl dagegen sehr vie1 von kaum etwas >>Poetisches<< dem, was man das >>Abstrakteccheifit. Man scheint daher den Tatbestand der vorliegenden denkenden Aussage am besten zu treffen, wenn man zugleich beiden Momenten, der Versform und dem >>abstraktenInhalt<<,Rechnung tragt und von einem >>Lehrgedicht>Gedicht<< im Sinne der >>Poesiec< noch urn eine >>Lehrec<. Wie hier die Worte
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Einleitung
$ 1. Die Gottin * Wahrheita
gesagt sind und wie das Gesagte gedacht ist, das la13t sich doch wohl nur deutlich machen, wenn wir erst wissen, was hier gedacht wird und was zum Wort kommen mu13. Hier wird in einer einzigen Weise das Wort gesprochen und ein Spruch gefallt. Wir benennen daher kunftig das anfangliche Wort des Anaximander, des Parmenides und des Heraklit den Spruch dieser Denker. >>DerSprucha meint das Ganze ihres Sagens, nicht nur einzelne Satze und Ausspliiche. Wir sprechen aber auch zunachst no&, um der Uberlieferung ihr Recht zu lassen, vom >> Lehrgedichtcc des Parmenides. (Da eine gedruckte Sonderausgabe des Textes seit langem schon nicht mehr zugkglich ist, habe ich den Text abschreiben und vervielfaltigen lassen. Die Abschrift ist so eingerichtet, da13 die Horer der Vorlesung entsprechend dern Gang der einzelnen Stunden jedesmal die Ubersetzung auf die gegenuberliegende Seite eintragen konnen.) Um zu erkennen, was in den Worten des Parmenides gesagt und gedacht ist, wahlen wir den sichersten Weg. Wir folgen dern Text. Die beigegebene Ubersetzung enthalt schon die Auslegung des Textes. Diese Auslegung bedarf allerdings der Erlauterung. Doch weder die Ubersetzung noch die Erlauterung haben ein Gewicht, solange uns das im Wort des Parmenides Gedachte selbst nicht anspricht. Alles liegt daran, da13 wir auf den Anspruch achten, der aus dern denkenden Wort kommt. Nur so, im Achten auf den Anspruch, wissen wir den Spruch. Was der Mensch achtet, welche Achtung er dern Geachteten schenkt, wie uspriinglich und wie ste& er achtsam ist, das entscheidet uber die Wiirde, die dern Menschen aus der Geschichte zugewiesen wird. Denken ist die Achtsamkeit auf das Wesenhafte. In ihr besteht das wesentliche Wissen. Was man gewohnlich >> Wissen>meistern<< wir Sachen. Dieses meisternde >>Wissenccgeht auf das jeweilige Seiende, seine Einrichtung und Ausnutzung. Solches >>Wissen<< bemachtigt
sich des Seienden, >>beherrschta es und ist dadurch dariiber hinaus und uberholt es so stkdig. Ganz anderer Art ist das wesentliche Wissen. Es geht auf das, was das Seiende in seinem Grunde ist - auf das Sein. Das wesentliche >>Wissenccmeistert nicht das von ihm zu Wissende, sondern wird von diesem angegangen. Alle >>Wissenschaftcrz. B., aber auch anderes, ist eine kenntnismaige Meisterung, ein Ubertrumpfen und ein Uberholen, wenn nicht gar ein Oberrennen des Seienden. Das alles vollzieht sich in der Weise der Vergegenstkdlichung. Das wesentliche Wissen dagegen, die Achtsamkeit, ist das Zuriicktreten vor dern Sein. Bei diesem Zuriicktreten sehen wir und vernehmen wir wesentlich mehr, niimlich ganz anderes als bei dern merkwiirdigen Vorgehen der neuzeitlichen Wissenschaft, das immer ein technischer Angriff auf das Seiende und ein Eingriff ist zu Zwecken der handelnden, >>schaffendencc,geschaftigen und geschaftlichen >>Orientierungcc.Die denkende Achtsamkeit bleibt dagegen ein Aufmerken auf einen Anspruch, der nicht aus den vereinzelten Tatsachen und Vorgangen des Wirklichen kommt und den Menschen auch nicht in den Vordergriinden seiner alltaglichen Umtriebe angeht. Nur dann, wenn dieser Anspruch des Seins und nicht irgendein Gegenstandliches aus der Mannigfaltigkeit des Seienden uns im Wort des Parmenides anspricht, hat die Kenntnis seiner >>Satzeccein Recht. Ohne das Aufmerken auf diesen Anspruch geht auch alle Sorgfalt, die wir auf die Erlauterung dieses Denkens verwenden mogen, ins Leere. Die Reihenfolge, in der wir die einzelnen Stucke errgutern, wird aus der Deutung des Leitgedankens bestimmt, die wir den einzelnen Erlauterungen zugrunde legen, welche Deutung allerdings nur schrittweise ans Licht kommen kann. Die einzelnen Bruchstiicke sind mit riimischen Zahlen gezahlt. Wir beginnen, wie es scheinen mag willkurlich, mit dern I. Fragment, und zwar mit den Versen 22-32.
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5 1 . Die Gottin ~Wahrheit*.
22 Und mich nahm die Gottin zugeneigten Sinnes auf, Hand aber mit Hand die rechte, ergriff sie; also aber sprach sie das Wort und redete mich an: >>OMann, unsterblichen Wagenlenkern der Gefihrte, 25 mit den Rossen, die dich fahren, anlangend bei unserem Haus. Segen (ist) dir! Denn nicht hat dich Schickung, eine arge, vorausgesandt, aufzubrechen zu diesem Weg - furwahr n a i c h abseits der Menschen, aul3erhalb ihres (ausgetretenen) Pfades, ist der - sondern Satzung sowohl als Fug auch. Not aber ist, daB du alles e r f h s t , sowohl der Unverborgenheit, der wohlumringenden, unverstellendes Herz, 30 als auch das den Sterblichen scheinende Erscheinen, dem nicht einwohnt VerlaB auf das Unverborgene. Doch gleichwohl auch dieses wirst du erfahren lernen, wie das Scheinende 32 (in der Not) gebraucht bleibt, scheinmal3ig zu sein, indem es durch alles hindurchscheint und (also) auf solche Weise alles vollendet.
Der Denker Parmenides erzahlt von einer Gottin, die ihn begniBt, nachdem er auf seiner Fahrt bei ihrem Haus angelangt ist. Dem GruB, dessen eigenes Wesen die Gottin selbst erlautert, 1aBt sie die Ankundigung der Aufschlusse folgen, die der Denker auf seinem Weg durch sie erfahren sill. Alles, was sagt, der Denker in den folgenden Stucken des >>Lehrgedichtes>Lehrgedichtes<<.
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Gottin >>Wahrheitc Sie selbst - >>dieWahrheitcc - ist die GMtin. Wir vermeiden daher die Wendung, die von einer Gottin >>den< Wahrheit sprechen mochte. Denn die Redewendung von einer >>Gottinder Wahrheitcc erweckt die Vorstellung von einer Gottin, deren Schutz und Segen >>dieWahrheitcc erst nur anvertraut ist. W6re es so, dann hatten wir zweierlei: >>cine Gottin<>dieWahrheit>Wahrheit<< nennt, dann ist hier die Wahrheit selbst als die Gottin erfahren. Das mag uns befremden. Denn einmal finden wir es uberhaupt seltsam, daB ein Denker sein Denken zum Wort eines gottlichen Wesens in Beziehung bringt. Das Auszeichnende der Denker, die man nennt, beruht doch spater, seit Platons Zeit, >>Philosophen<< darin, daB sie ihre Gedanken aus eigener Besinnung schopfen. Die Denker heil3en ja >>Denker<< im betonten Sinne, weil sie, wie man meint, >>aussich<<denken und in diesem Denken sich selbst aufs Spiel setzen. Der Denker antwortet selbst auf die von ihm selbst gestellten Fragen. Denker verkiindigen nicht >>Offenbarungenc< des Gottes. Sie berichten nicht Eingebungen einer Gottin. Sie sagen die eigene Einsicht. Was soll dann die Giittin in diesem >>Lehrgedicht> Wahrheit<<steht, dann verrnissen wir hier gleichwohl das unmittelbare Erscheinen einer Gottergestalt, wie sie uns aus der Welt der Griechen vertraut ist. Athene, Aphrodite, Artemis, Demeter erscheinen als eindeutig gepragte >>Gitterpersonen<<. Dagegen ist doch die Gottin >>Wahrheit>abstrakt
$ 1. Die Gottin wwahrheitu
meinen, da13 bier keine >>mythischeErfahrung>Wahrheitcczu einer unbestimmten Gottinnengestalt >>personifiziert<<. Diesen Vorgang der >>Hypostasierungccallgemeiner Begrif€ezu Gottergestalten treffen wir doch haufig, besonders im spaten Altertum, an. Vielleicht will der Denker Parmenides durch ein ahnliches Verfahren seinen sonst allzu >>abstrakten<< Gedanken mehr Fulle und Farbe geben. Beachten wir auflerdem, dafl der Bee n des abendliindischen Denkens bei den Griechen nach der gelaufigen Meinung sich als Ablosung des >>Logos<< (der Vernunft) vom >>Mythoscc vollzieht, dann fmdet man es erklarlich, wenn sich in den ersten >>primitivenccVersuchen solchen Denkens noch Reste des >>mythischen>philosophische kennenzulernen. Die hier kurz e r w h t e und in verschiedenen Abhandlungen gelaufige Stellungnahme zum Erscheinen der Gottin im Lehrgedicht des Parmenides ist gleichwohl ein einziger Irrtum. K k e diese Stellungnahme nur aus der Anmaflung der alles besserwissenden nachkommenden Geschlechter, ware sie nur das Ergebnis des historischen Vergleichens, das zwischen Erscheinung friiherer und spaterer Zeiten hin und her rechnet, dann durften wir solche Erklarungen ubergehen. Allein, aus ihnen spricht eine Denkungsart, die sich seit zwei Jahrtausenden im Abendland verfestigt hat und in gewisser Hinsicht sogar eine freilich abirrende Folge des Denkens ist, das sich im )>Lehrgedicht<< des Parmenides ausgesprochen hat. Wir selbst bewegen uns in dieser langher uberkornmenen Denkungsart und halten sie deshalb fiir die >>natiirliche<<.
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Gesetzt aber, dall das Denken des Parmenides und des Heraklit von wesenhaft anderer Art ist, dann wird von uns eine Absage an das Gelaufige gefordert, die mit der bloBen Widerlegung gelehrter Fehlauslegungen der beiden Denker nichts mehr zu tun hat. Die Absage an das Gelaufige trifft uns selbst und trifft uns immer neu und immer entschiedener. Diese Absage ist auch nur dern nachsten Anschein eine >>negative<< Haltung. In Wahrheit vollzieht sie den ersten Schritt, durch den wir unser Aufmerken dern Anspruch des Anfangs zusagen, der trotz der historisch vorgestellten zeitlichen Ferne uns niiher ist als das, was wir sonst fur das Nachste zu halten pflegen. Wiederholung
1) Beginn und Anfang. Das gewohnliche Denken und das vom Anfang angefangene Denken. Das Zuriiditreten vor dern Sein. Das textlich Wenige des Einfachen. Hinweis auf das >>Obersetzen>Beginn<< geht das Aufkommen und Hervortreten des Denkens an. Mit >>Anfang<< meinen wir etwas anderes. Der
I >>Anfang<< ist das in diesem friihen Denken zu Denkende und Gedachte. Hierbei lassen wir noch im Dunkel, welchen Wesens dieses Gedachte ist. Gesetzt, da13 sich das Denken der Denker vom Erkennen der nWissenschaftencc und jeder Art der praktischen Kenntnisse nach allen Hinsichten unterscheidet, dann ist auch der Bezug des Denkens zu seinem Gedachten ein wesentlich anderer als das Verhatnis des gewohnlichen .technisch-praktischencc und >>moralisch-praktischenccDenkens zu dem, was es denkt. Das gewohnliche Denken, es sei wissenschaftlich oder vorwissenschaftlich oder unwissenschaftlich, denkt das Seiende, und dieses je nach seinen vereinzelten Bezirken, seinen gesonderten Schichten und abgegrenzten Hinsichten. Dieses Denken ist ein Sichauskennen im Seienden, welches Kennen das Seiende in verschiedener Weise meistert und beherrscht. Im Unterschied zur Meistewg des Seienden ist das Denken der Denker das Denken des Seins. Ihr Denken ist das Zuriicktreten vor dern Sein. Wir nennen das im Denken der Denker Gedachte den Anfang. Das sagt also jetzt: Das Sein ist der Anfang. Gleichwohl denkt nicht jeder Denker, der das Sein denken muS, den Anfang. Nicht jeder Denker, auch nicht jeder des Denkens im Abendland, ist ein anfkglicher, am Be& d. h. ein den Anfang eigens denkender Denker. Anaximander, Parmenides und Heraklit sind die einzigen anfhglichen Denker. Sie sind es nicht deshalb, weil sie das abendliindische Denken eroffnen und beginnhn. Schon vor ihnen )>gibtcces Denker. Jene sind anflngliche Denker, weil sie den Anfang denken. Der Anfang ist das in ihrem Denken Gedachte. Das hon sich so an, als sei rder Anfangee dergleichen wie ein >>Gegenstandcc, den die Denker sich vornehmen, urn ihn cl~~rchzudenken. Aber es hie13 schon allgemein von dern Denken der Denker, es sei ein Zuriicktreten vor dern Sein. Wenn innerhalb des denkerischen Denkens das anfangliche Denken das hochste ist, dann mu13 sich hier ein Zuriicktreten besonderer Art ereignen. Denn diese Denker >>nehmen<< sich den
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Anfang nicht so vor, wie ein Forscher seine Sache >>inAngriff nimmtcc. Diese Denker denken sich den Anfang auch nicht aus wie ein selbstgemachtes Gedankengebilde. Der Anfang ist nicht etwas von Gnaden dieser Denker, womit sie so und so verfahren, sondern umgekehrt: der Anfang ist dasjenige, was mit diesen Denkern etwas a n f b g t , weil es sik dergestalt in den Anspruch nimmt, da13 von ihnen ein auoerstes Zuriicktreten vor dern Sein gefordert wird. Die Denker sind die vom An-fang An-gefangenen, von ihm in ihn Eingeholten und auf ihn Versammelten. Es ist bereits eine verkehrte Vorstellung, der gemal3 wir vom wWerkg dieser Denker sprechen. Aber wenn wir zum Notbehelf und fur den Augenblick so sprechen, dann mussen wir beachten, da13 ihr >> Werkcc, selbst wenn es uns vollstandig erhalten wiire, an >>Umf angcc ganz gering ist im Verhaltnis zum >> Werkcc des Platon und des Aristoteles oder gar im Verhaltnis zum )>Werkccder Denker der Neuzeit. Platon und Aristoteles und gedacht, mehr die nachkommenden Denker haben weit >>mehrcc Bereiche und Schichten des Denkens durchmessen, aus reicherer Kenntnis der Dinge und des Menschen gefragt. Dennoch denken sie alle >>weniger cc als die anf anglichen Denker. Die eigentiimliche Notlage, da13 der neuzeitliche Denker ein Buch von 400 und mehr Seiten braucht, urn einiges von dern zu sagen, was er sagen mu13, ist das untrugliche Zeichen dafur, dalj das neuzeitliche Denken aderhalb des Bereichs des anfanglichen Denkens steht. Es sei an Kants >>Kritikder reinen Vernunftcc, an Hegels >>Ph~omenologie des Geistescc erinnert. An solchen Zeichen erkennen wir, da13 die Welt seit langer Zeit schon aus den Fugen und der Mensch in die Abirrung gegangen ist. Wir mussen aber auch beachten, da13 das Grundbuch der neuzeitlichen Philosophie, die >>Meditationesde prima philosophiace des Descartes, wenig mehr als 100 Seiten urnfafit, da13 entscheidende Abhandlungen des Leibniz nur einige Briefseiten beanspruchen. Diese dern Anschein nach nur aderlichen Tatsachen deuten darauf hin, da13 in diesen auch ihrem inne-
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ren Bau nach sehr gesammelten und einfachen Abhandlungen sich eine Wandlung des Denkens abspielt, die zwar nicht an den Anfang gelangt, aber seinem Umkreis sich noch einmal nahert. Weil wir seit langem gezwungen sind, aus dem Zuviel an Geredetem und Geschriebenem uns die Kenntnisse durch Auswahl zu beschaffen, haben wir das Vermogen verloren, das Wenige des Einfachen zu horen, was das Wort der anfiinglichen Denker sagt. Die Schwierigkeit des Verstehens und der Grund der Muhsamkeit des Nachdenkens liegt nicht in der vermeintlichen Schwere der >>Texte>Lehre<<, deshalb vom >>Lehrgedichtc< des Parmenides. Die Bruchstucke werden nach romischen Ziffern gezahlt (VIII, 45 heiBt: achtes Bruchstuck, Vers 45). Wir geben zu jedem Stuck vqr der Erlauterung eine Ubersetzung. Diese sagt in deutscher Sprache das griechische Wort. Die deutsche Sprache ist uns vertraut. Dennoch verburgt die Obersetzung und die Kenntnis derselben noch keineswegs das Verstehen der Worte des Denkers. Daher wurde in der ersten Stunde ausdriicklich vermerkt: >>Die beigegebene Ubersetzung enthalt schon die Auslegung des Textes. Diese Auslegung bedarf allerdings der Erlauterung.<< Wir miissen demnach streng beachten: Die Obersetzung enthalt zwar die Auslegung, aber diese liegt noch nicht am Tag
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durch das Anhijren der Ubersetzung. Weil diese im Wort unserer Sprache spricht, ist ja doch die Gefahr der MiDdeutung no& gestiegen. Denn jetzt k6nnen statt der griechischen Worte die Worte der Obersetzung leicht aufgerafft werden nach den Bedeutungen, die uns gerade gelaufig sind, ohne daB wir darauf achten, daB jedes iibersetzende Wort seinen Gehalt aus dem Ganzen dessen empfangt, was der Denker denkt. Wenn Z. B. in der Ubersetzung das Wort >>Weg<< vorkommt oder das dann ist noch keineswegs entschieden, was hier Wort >>Herzc<, >>Wegnund was hier >>Hen<< bedeutet, und ob wir schon dazu das Wesen des hier irnstande sind, das Wesen des >>Weges>Henens<< des zu denken. Dabei laDt sich nicht leugnen, daD jedermann weill, was man asonst<<so mit >>Weg<< und >>Herz>Lehrgedichtesx, und zwar seines SchluBteiles Vers 22-32. Die Obersetzung lautet: 22 Und mich nahm die Gottin zugeneigten Sinnes auf, Hand aber mit Hand die rechte, ergriff sie; also aber sprach sie das Wort und redete mich an: DO Mann, unsterblichen Wagenlenkem der Gefahrte, 25 mit den Rossen, die dich fahren, anlangend bei unserem Haus. Segen (ist) dir: Denn nicht hat dich Schickung, eine arge, vorausgesandt, aufzubrechen zu diesem Weg - fiirwahr n a d i c h abseits der Menschen, auBerhalb ihres (ausgetretenen) Pfades, ist der - sondem Satzung sowohl als Fug auch. Not aber ist, dall du alles erfahrst, sowohl der Unverborgenheit, der wohlumringenden, unverstellendes Herz, 30 als auch das den Sterblichen scheinende Erscheinen, dem nicht einwohnt VerlaD auf das Unverborgene. Doch gleich-
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wohl such dieses wirst du wissen lernen, wie das scheinende 32 (in der Not) gebraucht bleibt, scheinmaBig zu seb, bdem es durch a h hindurchscheint und (also) auf weise alles vollendet.
gleich als diejenigen auf, die zu wissen glauben, S O W O ~was ~ >>dieWahrheit<<sei, als auch, welches Wesen dem Gottertw~n
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Parmenides erzahlt von einer Gottin. Das Erscheinen cines >>gottlichen Wesenscc im Gedankengang cines Denkers befremdet- Einmal Uberhaupt, weil ein Denker nicht die Botschaft einer gottlichen Offenbarung zu verkfinden hat, sondem das selbst Gefragte selbst aussagt. Auch sogar dart, wo die Denker fiber >>dasGottlichecc denken, wie in aller >>Metaphysikcc, ist dieses Denken t-13 S~iov(das Gottliche), wie Aristoteles sagt, ein Denken aus der >>vernunftcc, nicht eine Wiedergabe van Satzen cines kultischen und kirchlichen >> Glaubens>Wahrheitcr ist. D e m >>dieWahrheit << gilt uns wie >>dieSchGnheit<<, >>dieFreiheit<<,>>dieGerechtigkeitcc als etwas >>mgemebes<<, was vom Besonderen und Wirklichen, dem jeweiligen Wahren, Gerechten und Schonen abgezogen und daher >>abstrakt<<, im bloBen Begriff vorgestellt wird. >>DieWahrheitcc zu eker >>Gattin<< machen, das heifit do&, einen blofien Begriff van etwas, nhmlich den Begriff vom Wesen des Wahren, zu einer >>persGnli~keit<curndeuten.
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1 b) Zwei Weisungen des iibersetzenden Wortes &a@ELa. Das Streithafte der Unverb~r~enheit. Vorlgufige ~ l des Wesens der rjrA~Setaund der Verborgenheit. Das Ubersetzen und das Obersetzen Wenn wir zuerst und unbestimmt aus dem >>Lhrgedicht<< van der Gottin >>Wahrheitcchiiren, und wenn wir meinen, hier sei der >>abstrakteBegriff<< B Wahrheite zu einer gijttlichen Gestalt >>personifiziert<<, dann spielen wir uns bei solhem Meken so-
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der griechischen Gotter eigne. Aher van beidem wissen wir nichts. Selbst d a m , wenn wir rneinen souten, iiber das Wesen der Wahrheit, wie es die Grieda&ten, unterrichtet zu sein, indem wir die Lehren Pladie des Aristoteles iiber die Wahrheit zum Maastab tons nehmen, sind wir schon auf einem Abweg, der niemals van s i aus ~ wieder zu dem fiihrt, was die friihen Denker erfahren, wenn sic das nennen, was wir mit >>Wahrheitc< bezeichnen. W e m wir uns selbst auf den Kopf zu fragen, was wir denn denken, wenn wir das Wort >>Wahrheitc< gebrauchen, d a m wirre Mannigfaltigkeit von >>Ansichten<< kommt alsbald an den Tag 0der aber eine allgemeine Ratlosigkeit. Was freigewi&tiger bleibt als die Anzahl auseinanderlaufenlich der Deutungen der Wahrheit und ihres Wesens, ist die bei Gelegenheit erwachende Einsicht, da13 wir bisher iibernie ernstlid und sorgsam daliiber nachgedacht haupt haben, was denn das sei, was wir >>dieWahrheitcc nemen. Dabei ver-angen wir do& stets nach >>derWahrheitcc. Jedes Zeitalter der Geschichte sucht >> das Wahre <<. ~ ~ wie c selten h und wie gering ist der Mensch Uber das wesendes Wahren, d. h. iiber die Wahrheit, verstbdigt. Doch selbst d m , wenn wir Heutigen in dem gliicklichen Fall waren, das Wesen der Wahrheit zu kennen, gabe dies immer ni&t die Gewghr, da13 wir es auch vermachten, dem nachzudenken, was im frijhen Denken der Griechen als das Wesen der ~ Wahrheit erfahren wurde. Denn nicht nur das Wesen der Wahrheit, .qondern das Wesen alles Wesenhaften hat jeweils seinen eigenen R e i b m , aus dem ein geschichtliches ~eiialter je nur ein Geringes als seinen Anteil schopfen darf. wem wir ohne Beweis vorwegnehmen, da13 die Gattin zum yAlfi~Eux im >>Lehrgedicht<< des Parmenides nicht vielZwe& der >>poetischen>dasWesen<< >>Wahrheitccdas Wort des Denkers iiberall
durchwaltet, dann ist es notig, irn voraus das Wesen der &Afi6~ia zu klaren. Der Versuch, denkend in die Nahe des Wesens der bAfi6aia zu gelangen, um von ihr angegangen zu werden, verlangt von uns, die wir diesem Wesen noch ferner sind, als die Griechen selbst schon es waren, im folgenden weite Umwege und Ausbliclre. Solches ist jedoch notig,.falls wir auch nur weniges aus dern Wort des Anaximander, des Heraklit und des Parmenides so denken mogen, da13 es aus der Dimension gedacht ist, in der sich das zeigt, was fur jene Denker das Zu-denkende ist und inslriinftig, obzwar verhiillt, das Zu-denkende bleibt. Alles Bemuhen, die &-1fi6&iaauch nur aus der Ferne in einigem gemal3 zu denken, geht ins Eitle, solange wir nicht einen Versuch wagen, die hfi@ zu denken, in die vermutlich die &Aq&~a zuriickweist. Die Griechen nennen das, was wir mit dern Wort >>Wahrheitcc zu >>ubersetzen>wortlichcc,d a m sagt es >>Unverborgenheitcc. Es sieht so aus, als bestehe das >>wortlicheUbersetzencc nur darin, dern griechischen Wort das entsprechende deutsche Wort nachzubilden. Damit beginnt oder endet auch schon die wortliche Ubertragung. Aber das Ubersetzen erschopft sich nicht in solcher Nachbildung von >> Worterncc, die sich dann oft in der eigenen Sprache gekiinstelt und unschon ausnehmen. Wenn wir das griechische &Afi6&ialediglich durch das deutsche >>Unverborgenheitcc ersetzen, ubersetzen wir noqh nicht. Dazu kommt es erst d a m , wenn das ubersetzende Wort ~Unverborgenheitcc uns iibersetzt in den Erfahrungsbereich und die Erfahrungsart, aus dern das Griechentum und irn jetzigen Fall der anfangliche Denker Parmenides das Wort &h46sia sagt. Daher bleibt es ein eitles Spiel mit >>Wiirterncc,wenn wir, wie das neuerdings im Fall dieses Wortes Mfi9sia Mode wird, &hfi6sia zwar mit >>Unverborgenheit>Unverborgenheitcc,das jetzt das Wort swahrheitcc ersetzen soll, irgendeine Bedeutung unterlegen,
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die uns aus dern gewohnten spateren Gebrauch des Wortes ~Wahrheitccgerade zufliegt oder als Auskunft eines spateren Denkens sich anbietet. genamt ist, was wir, gemaI3 Was mit >>Unverborgenheit>Entbergungcc dern Wesen der griechischen hA46sia naher kommt als der Ausdruck >>Unverborgenheit<<, der gleichwohl aus verschiedenen Griinden zunachst geeignet ist, als Leitwort fur die Besinnung auf das Wesen der &Afi6s~azu dienen. Doch bleibt zu beachten, daI3 im folgenden die Rede ist von >>Unverborgenheit und Verbergungcc, daI3 aber der naheliegende Ausdruck >>Unverbergung>wortlichste>wortlichen<< Ubersetzung solcher Grundworte wie >>Wahrheit cc, >> Seincc, >> Scheincc u. a. gelangt alsbald in den Umkreis eines Vorhabens, das uber die geschickte Herstellung von wortlich angepaI3ten Wirtergebilden wesentlich hinausreicht. Wir konnten dies eher und ernstlicher ermessen, wenn wir bediichten, was >>Ubersetzenc< ist. Zunachst fassen wir diesen Vorgang auoerlich technisch-philologisch. Man meint, das ~Ubersetzenccsei die Ubertragung einer Sprache in eine andere, der Fremdsprache in die Muttersprache oder auch umgekehrt. Wir verkennen jedoch, daI3 wir standig auch schon unsere eigene Sprache, die Muttersprache, in ihr eigenes Wort ubersetzen. Sprechen und Sagen ist in sich ein Ubersetzen, dessen Wesen keineswegs darin aufgehen kann, daI3 das ubersetzende und das ubersetzte Wort verschiedenen Sprachen angehtiren. In jedem Gesprlch und Selbstgesprach waltet ein urspriingliches Ubersetzen. Wir meinen dabei nicht erst den Vorgang, daI3 wir eine Redewendung durch eine andere derselben Sprache ersetzen und uns der >>Umschreibung
Vgl S. 196 ff.
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bedienen. Der Wechsel in der Wortwahl ist bereits die Folge davon, da13 sich uns das, was zu sagen ist, ubergesetzt hat in eine andere Wahrheit und Klarheit oder auch Fragwiirdigkeit. Dieses Ubersetzen kann sich ereignen, ohne daB sich der sprachliche Ausdnxck iindert. Die Dichtung eines Dichters, die Abhandlung eines Denkers steht in ihrem eigenen, einmaligen, einzigen Wort. Sie zwingt uns, dieses Wort immer wieder so zu vernehmen, als hijrten wir es zum ersten Mal. Diese Erstlinge des Wortes setzen uns jedesmal uber zu einem neuen Ufer. Das sogenannte Ubersetzen und Umschreiben folgt immer nur dem Ubersetzen unseres ganzen Wesens in den Bereich einer gewandelten Wahrheit. Nur wenn wir schon diesem Ubersetzen ubereignet sind, sind wir in der Sorge des Wortes. Erst aus der so gegriindeten Achtung vor der Sprache konnen wir die meist leichtere und begrenztere Aufgabe ubernehmen, fremdes Wort in das eigene zu ubersetzen. Dagegen bleibt die Ubersetzung der eigenen Sprache in ihr eigenstes Wort stets das Schwerere. So ist z. B. die Ubersetzung des Wortes eines deutschen Denkers in die deutsche Sprache darum besonders schwierig, weil hier sich die hartnackige Vormeinung behauptet, wir verstunden das deutsche Wort von selbst, weil es ja der eigenen Sprache angehort, wogegen wir doch beim Ubersetzen des griechischen Wortes erst noch die fremde Sprache lernen mussen. Inwiefern aber und weshalb alles Gesprach und jedes Sagen ein urspriingliches Ubersetzen innerhalb der eigenen Sprache ist und was hier ~Ubersetzencc eigentlich meint, das kann eingehender hier nicht erortert werden. Vielleicht gibt sich uns irn Verfolg dieser einleitenden bisweilen die Gelegenheit, einiges Vorlesung uber die &I+~ELu davon zu erfahren. Damit wir in den Stand kommen, in den Bereich des griechischen Wortes & I ~ ~ E uberzusetzen Lu und so dieses Wort fortan denkend zu sagen, mussen wir erst aufwachen und der Weisung folgen, die uns zuniichst das iibersetzende Wort >>Unverborgenheit<
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tung des Ubersetzens. Die Weisung fiihrt, wenn wir uns auf &re Hauptzuge beschriinken, in ein Vierfaches. Einmal sind wir bei dem Wort >>Un-verborgenheit<< auf dergleichen wie >> Verborgenheit<> Unverborgenheit<tUnverborgenheit<< stimmt und sogar ungefragt bleibt das uber die Verborgenheit Angedeutete auch und gerade bei den Griechen. Sie erfahren eigens und nennen im Wort nur die Unverborgenheit. Gleichwohl gibt uns jetzt die Weisung in die Verborgenheit und in das Verbergen einen deutlicherenErf ahrungsbereich. In irgendeiner Weise kennen wir doch dergleichen wie Verbergen und Verborgenheit. Wir kennen solches als Verhiillung, Verschleierung, als Verdeckung, aber auch in den Formen der Aufbewahrung, Behutung, des Zuriickhaltens, des Anvertrauens und der Ubereignung. Wir kennen die Verbergung in den mannigfaltigen Gestalten der VerschlieBung und Verschlossenheit. Von diesen Weisen der Verborgenheit und Verbergung her gewinnt die >>Unverborgenheit<< alsbald deutlichere Ziige. Der Bereich des nverborgen-Unverborgen<>Wahrheit<< sagen. Streng genommen konnen wir uns bei diesem Wort >>Wahrheit>anschauIich>Definition<< der Wahrheit zu Hilfe fen, urn dem Wort eine Bedeutung zu geben. Es bedarf erst einer besonderen Oberlegung, um uns in den Bedeutungsbereich des Wortes >> Wahrheit>Unverborgenheit<< dagegen spricht uns sogleich anders an, wenn wir auch hier zunachst unsicher nach dem eigentlich Gemeinten tasten.
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Zum anderen weist das Wort >>Unverborgenheitccdarauf hin, daB zu dem, was die Griechen als das Wesen der Wahrheit edahren, so etwas wie eine Aufhebung und Beseitigung der Verborgenheit gehort. Die Vorsilbe rUn-n entspricht dem griechischen I?-, das man grammatisch >>aprivativumcc nennt. Von welcher Art jeweils die privatio, die Beraubung und Wegnahme ist in dem, was die privativen Wortbildungen benennen, das md3 jedesmal im Hinblick darauf umgrenzt werden, was einer Beraubung und Beeintrachtigung ausgesetzt ist. *Un-verborgenheitn kann heillen, dall Verborgenheit weggenommen, beseitigt, iiberwunden, gebannt ist, wobei sich Wegnehmen, Beseitigen, Uberwinden, Bannen wesentlich unterscheiden. nun-verborgenheitcc kann auch heiblen, daS Verborgenheit gar nicht zugelassen ist, daB sie, die moglich ist und standig droht, nicht besteht und nicht aufkommen kann. Aus dieser Mehrfaltigkeit der Bedeutung der Vorsilbe >>Un-ccersehen wir leicht, da13 schon nach dieser Hinsicht die Un-verborgenheit schwer zu bestimmen ist. Und doch tritt gerade hier ein Grundzug des Wesens der Un-verborgenheit heraus, den wir eigens in den Blick fassen miissen, um das griechische anfangliche Wesen der >>Wahrheitcczu erfahren. In der Un-verborgenheit selbst west noch diese Gegnerschaft. Im Wesen der Wahrheit als der Un-verborgenheit waltet irgendeine Art von Streit rnit der Verborgenheit und der Verbergung. Wiederholung 2) Die Frage nach dem Namen der Gottin und seiner Obersetzung. Das der Verborgenheit entgegenliegende Wesen der Wahrheit der ersten beiden Weisungen. Die Un-verborgenheit und die Un-verborgenheit Das Stiick, das wir als erstes erlautern, geh6rt zum Fragment I und beginnt Vers 22: xai pe a&& drxp6cp~ov6xe8BZat0, . . . ,Und mich nahm die GSttin zugeneigten Sinnes auf . . .<<
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Die Gottin, die hier erscheint, ist die Gijttin 'Alfiha. Wir sagen in der gewohnlichen Ubertragung: die Gottin >>Wahrheitcc. Die Gottin begruljt den bei ihrem Haus angekommenen Denker und eroffnet ihm zugleich das, was er inskunftig erfahren m a . Es ist das, was fur diesen Denker das zu Denkende sein wird und fortan in der Geschichte der Wahrheit das anfanglich zu Denkende bleibt. Hieraus erkennen wir leicht, obzwar nur erst im groben, dall das Wesen dieser Gottin >>Wahrheitccalles iiber den Denker und das zu Denkende entscheidet. Deshalb miissen wir versuchen, vor der formlichen Erlauterung der einzelnen Bruchstiicke und Verse das Wesen der >>Wahrheitccaufzuhellen. In dieser Absicht fragen wir: Was bedeutet der Name der Gottin, d. h. was bedeutet das griechische Wort &hfi9e~a, das wir rnit >> Wahrheitcc iibersetzen? Wir >>beschaftigencc uns hier, wie es scheint, rnit einem Wort. Da uns das Wort und die Sprache zu einem Verkehrsmittel und Verstandigungswerkzeug neben anderen geworden ist, bewirkt die >>Beschaftigungcc mit >> Wortencc sogleich einen fatalen Eindruck. Es ist so, wie wenn wir, statt ein Motorrad zu besteigen, davor stehen blieben und daruber Reden hielten. in der Meinung, so das Fahren zu lernen. Aber das Wort ist kein Werkzeug, wenn man auch meint, die Spradhe sei nur ein Verstandigungsmittel oder gar ein Verkehrsmittel, so dall es schon gleichgiiltig ist, ob man >>Universitatcc sagt und sich dabei noch daherredet. Vieletwas denkt, oder ob man nur von der >>Uni>studiertccman heute nur noch an einer >>Unicc.Wir >>beschaftigencc uns auch nicht rnit >>Wortern<<. Man kann sich allerdings in der Wissenschaft rnit den Wortern so >>beschaftigenu wie rnit der Entwicklungsgeschichte der Regenwiirmer. 'A-hfibeia heiI3t in der >>wortlichen<< Ubertragung >>Un-verborgenheitcc. In der Beachtung des >Wortlichen<< scheinen wir das Wort ernst zu nehmen. Gleichwohl mil3achten wir die Worte, solange wir nur an den >>WSrternccein Interesse nehmen. Die >>wortlichecc Obersetzung darf nicht bloB die Worter nachbilden und dabei die iibersetzende Sprache urn >>neuecc,ungewohnte
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sondern sie mu13 und oft auch unformige Worter >>bereidern<<, uber die >>ubersetzendenccWorter hinaus die Worte bedenken. Die Kenntnis der Worter gewahrt noch nicht das Wissen der Worte. Diese sagen das eigentlich zu Sagende: das Wort, den Spruch. Wenn wir freilich dem Wortlichen in einer Art folgen, dal3 wir zuvor und darum standig auf das Wort und aus dem Wort denken, . d a m hat die Hochschatzung des >> Wijrtlichencc ein Recht, aber auch nur dann. Das wortlich genommene Wort miissen wir so horen, daI3 wir auf die Weisungen horchen, die zum Wort hinzeigen. Bei solchem Horchen gehorcht dann unser Vernehmen dem, was das Wort sagt. Es ubt die Achtsamkeit. Es wird ein Denken. Wir versuchen jetzt, den Weisungen zu folgen, die das iibersetzende wortliche Wort >>Unverborgenheitccgibt, damit wir dadurch in den Stand kommen, das griechische Wort &1Tj9~~a deutlicher zu horen und so einiges vom Wesen der griechisch erfahrenen >>Wahrheitcczu ahnen. Das Wort >>Unverborgenheitcc gibt eine vierfache Weisung. Die beiden zuerst zu nennenden Weisungen lassen sich durch die verschiedene Betonung des Wortes >>Unverborgenheitccanzeigen und festhalten: Un-verborgenheit und Un-verborgenheit. Un-verborgenheit weist zunachst auf >>Verborgenheitcc. Wo Verborgenheit ist, mu13 sich Verbergung ereipen oder ereignet haben. Verbergung kann in mancherlei Weisen sein: als Verdeckung und Verschleierung, als Aufbewahrung und Zurucklegen, als VerschlieBen und urspriinglic$es Verwahren, gleich der Quelle, die nur solange quillt, als sie schon verwahrt. Was nun aber die Griechen erfahren und denken, wenn sie in der >>UnverborgenheitVerborgenheit
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Wort &kTj8Ela schon durch die Ubersetzung runverborgenheitx cine gewisse Nahe erhalten; denn der Erfahrungsbereich von .Verbergen<>Definition<< von rwahrheitx miissen wir uns dann uberdies jedesmal eigens merken. Wir laufen dabei noch Gefahr, nur eine der Definitionen aufgerafft zu haben, die aus den verschiedenen philosophischen Standpunkten moglich sind. Verbergung dagegen kennen wir, sei es, daI3 die Dinge selbst und ihre Zusammenhange sich vor uns und fur uns verbergen, sei es, daB wir selbst eine Verbergung vornehmen, betreiben und zulassen, sei es, daI3 beide, ein Sichverbergen der rDingeu und ein Verbergen dieser, durch uns ineinanderspielen. Das Zweite, in das uns das iibersetzende Wort Un-verborgenheit verweist, ist das Auffallende, daI3 die Griechen im Wesen der Wahrheit so etwas wie Aufhebung und Beseitigung und Vernichtung der Verborgenheit denken. Dieser Negation der Verborgenheit entsprechend ist die Wahrheit fur die Grie&en gleichsam etwas >Negatives<<.Damit kommt eine befremdliche Tatsache ans Licht, zu der uns das gellufige und negationslose Wort n Wahrheit .: (ebenso wie veritas und verit6) jeden Weg verlegt. Was die Vorsilbe s6-x und uun-cc in den Wortem &-Itj9~raund >Un-verborgenheit<<eigentlich bedeutet, ist zunachst gleichwenig entscbieden und begriindet wie die Bedeutung der dadurch weggenommenen und nnegiertenn Verborgenheit. Deutlich sehen wir vorerst nur dieses, daI3 das Wesen der Wahrheit als Unverborgenheit in irgendeiner Weise der Verborgenheit entgegen ist. Die Unverborgenheit liegt, so scheint es doch, mit der Verborgenheit in einem *Streit<<, dessen Wesen strittig bleibt.
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ERSTER TEIL DIE DRITTE WEISUNG DES UBERSETZENDEN WORTES AAHOEIA: DER SEINSGESCHICHTLICHE BEREICH DER GEGENSATZLICHKEIT VON AAHOEIA UND AHOI3
$ 2 . Erste Besinnung iiber den Wandel des Wesens der Wahrheit und ihrer Gegenwesen
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a) Das Streithafte der Un-verborgenheit. Die dritte Weisung: der gegensatzliche Bezug zur Wahrheit. Der Nachklang der Cz114-3~~~ in der Subjektivitat. Hinweis auf Hegel und Schelling. Weisung auf die Gegensatze von Verborgenheit und Unverborgenheit, Falschheit und Wahrheit ~Wahrheit<< ist niemals >>ansicl~>Unverborgenheit>Streit<< Zank und den Hader, anderes als blinde Zwietracht, anderes auch als >>Krieg<<, anderes auch als >> Wettkampf
26 Der seinsgeschichtliche Bereich von &Ai$sta und Ailfkq
sind das nur Abwandlungen und vordergriindige Benennungen des Streites, dessen anfangfiches Wesen wir im Wesen der Wahrheit im Sinne der &AflD~iavermuten diirfen und eines Tages erkennen werden. Vielleicht hat das vie1 msbrauchte und stets nur verstiimmelt vorgebrachte Wort Heraklits: IIbAsyo~nhvtov . . . xadlp Botl, in der Fassung: ,Der Krieg ist der Vater aller Dinge . . .cc mit dem griechischen Denken nur noch einen leeren Wortschall gemeinsam. Wie sollten wir aber auch vom Wesen des nbhspos, was nach dem Worterbuch wijrtlich auch >>KriegccheiBt, etwas Rechtes kennen, wie sollen wir das hier genannte Wesen des >>Polemischencc auch nur ahnen, solange wir von einem Streit nichts wissen, der sogar im Wesen der Wahrheit heimisch ist? Wie sollen wir das anfiinglich Streithafte des Streites im Wesen der Wahrheit wissen, solange wir deren Wesen nicht als Unverborgenheit erfahren und die &A~j6&1a hochstens noch nach einem herumflatternden Wortlaut kennen? Das streithafte Wesen der Wahrheit ist uns und dem abendlandischen Denken seit langer Zeit schon fremd. >>DieWahrheitcc gilt im Gegenteil als das, was jenseits alles Streites ist und daher das Streitlose bleiben soll. Wir begreifen daher nicht, inwiefern das Wesen der Wahrheit selbst, in sich selbst, ein Streit ist. - Wird jedoch im anfanglichen Denken der Griechen das streithafte Wesen der Wahrheit erfahren, d a m kann es nicht verwundern, wenn wir in den Spliichen des anfiinglichen Denkens eigens das Wort >,Streit{,agonale Prinzipcc zu achten und im >>Wettkampfcceinen im >>Lebene< dieses Volkes zu erkennen. wesentlichen >>Antriebcc Die Frage mu13 aber gefragt werden, worin das Prinzip des >>Agonsccseinen Grund hat und von woher das Wesen des >>Lebensccund des Menschen seine Bestimmung empfangt, so da13 es sich >>agonalc< verhalt. Das >>Wettkampferischecckann nur dort erwachen, wo zuvor und iiberhaupt das Streithafte als
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das Wesenhafte erfahren ist. Wenn man jedoch behauptet, das agonale Wesen des Griechentums beruhe auf einer entsprechenden Anlage des Volkes, d a m ist die >>Erklarung<< um nichts weniger gedankenlos, als wenn wir auf die Frage, worin das Wesen des Denkens beruhe, antworten: in der Denkfahigkeit. Wir bemerken bis jetzt: Unverborgenheit gehort einmal in einen Bereich, da sich Verborgenheit und Verbergung ereignet. Un-verborgenheit bekundet zum anderen ein streithaftes Wesen, d. h. sie ist, wenn in ihr solches geschieht, was mit Verbergung streitet, die Entbergung. Eine dritte Weisung gibt uns die >>Unverborgenheitccnach der Hinsicht, daB die Wahrheit aufgrund ihres streithaften Wesens in >>gegensatzlichencc Beziehungen steht.1 Die gelCufige Lehre von der Wahrheit kennt als deren Gegensatz lediglich die >>Unwahrheitccim Sinne der Falschheit. Etwas ist entweder wahr oder falsch. Allerdings kommt das Denken im Zeitalter der ersten Vollendung der abendlandischen Metaphysik, in der Philosophie Schellings und Hegels, zur Erkenntnis, da13 etwas zugleich, obzwar in verschiedener Hinsicht, sowohl wahr als auch falsch sein kann. Hier kommt auch, namlich in der Gestalt der >>Negativitatcc,etwas Zwietrachtiges im Wesen der Wahrheit zum Vorschein. Allein, die Meinung, das zuvor uber das streithafte Wesen der Wahrheit Gesagte decke sich mit den Lehren Schellings und Hegels, oder lasse sich mit Hilfe dieser Metaphysik nachverstehen, diese Meinung ware noch verhsngnisvoller als die nackte Unkenntnis all dieser Zusammenhange. Denn der Grundzug des Wesens der Wahrheit ist fur die neuzeitliche Metaphysik Schellings und Hegels niemals die hAil6sia im Sinne der Unverborgenheit, sondern die GewiBheit im Sinne der certitudo, die seit Descartes das Wesen der veritas pragt. So etwas wie die Selbstgewisheit des seiner selbst be~ u B t e nSubjekts ist dem Griechentum fremd. Wohl dagegen
' Vgl. unten S. 173-176.
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Der seinsgeschichtliche Bereich von tdil8ata und
waltet umgekehrt noch im modernen Wesen der >>Subjektivitat des Geistescc, die recht verstanden rnit w Subjektivismuscc nichts zu tun hat, ein Nachklang des gewandelten griechischen Wesens der bhj8sia. Aber kein Nachklang erreicht den urspriinglichen Klang. Anfkgliches spricht nur an auf Anfkgliches. Das eine deckt sich nicht rnit dem anderen. Gleichwohl sind beide das Selbe, auch dann, wenn sie sich voneinander ins Unvereinbare zu entfernen scheinen. Das gilt im folgenden fur die vierte Weisung, die dem hinhorenden Nachdenken das griechische Sagen von der &)it8&~a zu geben vermag. Mit der hier notigen, aber freilich auch sehr knappen Erinnerung an die Wesensgeschichte der Wahrheit im abendlandischen Denken ist zugleich angedeutet, da13 man groben Verfalschungen zum Opfer fallt, wenn man sich das Denken des Parmenides und des Heraklit rnit Hilfe der neuzeitlichen nDialektikcc zurechtlegt unter der Berufung darauf, da13 im anfanglichen Denken der Griechen das >>Gegensatzlicheccund sogar der Grundgegensatz von Sein und Nichts >>ekeRolle spielecc. Statt des bequemen und dem Anschein nach philosophischen Verfahrens, bei Schelling und Hegel Anleihen zu machen, um rnit deren Hilfe die griechische Philosophie auszulegen, mussen wir die Achtsamkeit uben und den Weisungen folgen, die uns die Wahrheit in der Wesensgestalt der Unverborgenheit geben kann. Man mochte allerdings in der unmittelbaren Erwiderung auf das soeben Gesagte sogleicl~ vermerken, da13 wir Heutigen doch auch das anfaqgliche Denken der Griechen nur so zu fassen vermogen, da13 wir es aus unseren Vorstellungen her deuten, wobei dann doch zu fragen whe, ob nicht das Denken Schellings und Hegels, ob nicht deren ganzes Werk einen unvergleichlich hoheren Rang besitzt als das heutige Denken. Welchem Einsichtigen mochte es beiItommen, dies zu leugnen? Zugestehen mussen wir auch folgendes: Der Anfang zeigt sich, wenn er sich iiberhaupt zeigt, gewil3 nicht ohne unser Zutun. Aber die Frage bleibt doch, welcher Art dieses Zutun ist, von woher und wie es bestimmt
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;st und wird. Insgleichen bleibt in der Tat der Schein bestehen, dieses jetzige Unterfangen, den Anfang zu denken, sei auch nur ein Versuch, aus unserer Gegenwart und fur diese die Vergangenheit historisch zurechtzulegen. Insgleichen ware es nutzlos und vor allem eine Verirrung, wollten wir eine Rechnung dariiber aufmachen, was denn eine wesentlichere Anstrengung und Vorbereitung verlange, namlich die Begriindung und Entfaltung einer metaphysischen Grundstellung im Gefolge der Uberlieferung des abendliindischen Denkens oder das einfache Aufmerken auf den Anfang. Wer mochte leugnen, daB wir bei diesem Versuch stets die Gefahr laufen, uns rnit dem Unsrigen in der ungemal3en Weise vorzudrangen? Gleichwohl versuchen wir, auf die Weisungen zu achten, die uns das kaum bedachte und uberall hin schwer bedenkbare Wesen der Unverborgenheit gibt. Unverborgenheit weist auf den >> Gegensatzcc zur Verborgenheit. Der sonst bekannte Gegensatz zur Wahrheit ist die Unwahrheit im Sinne der Falschheit. Wir finden diesen Gegensatz schon friih im abendlandischen Denken und Sagen, auch in der Dichtung. Nach dem, was wir bis jetzt uber die Wahrheit als Unverborgenheit vermerkten, mussen wir uns freilich huten, spatere Begriffe des Falschen m d der Falschheit in die hineinzudeuten. Andererseits konnen friihen >>Vorstellungencc wir die friihen Bedeutungen >>desFalschencc im Sinne des Gegensatzes zum Wahren nur dann zureichend denken, wenn wir das Wahre in seiner Wahrheit, d. h. die Unverborgenheit, bedacht haben. Aber auch die Unverborgenheit (ixh(6aia) la13t sich wiederum nur von ihrem Gegenwesen, der Unwahrheit, hier also von der Falschheit her zureichend fassen, zureichend innerhalb desjenigen Bereiches einer Wesenserfahrung, der sich rnit der & ) ~ ( ~ E L u offnet. Hieraus wird deutlich, da13 wir B Wahres cc und >> Falsches cc, xr Wahrheit cc und >> Falschheitcc nie fur sich geeinzelt in ihrem Wesen denken konnen, vollends nicht die Wahrheit als >>Unverborgenheitcc,die den gegensatzlichen Bezug zur Verborgenheit unmittelbar schon im Namen
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Der seinsgesdzichtliche Bereidt uoz dl,{$ela ,*dyqtn
bekundet. Wenn also in der friihen Denkungsart mit anderem auch schon die Falschheit als ein Gegensarz zur Wahrheit, d. h. zur Unverborgenheit, erscheint, dar.. mu8 diesesWesen der Falschheit als Gegensatzzur unverborgenheit dergleichen wie eine Art von Verborgenheit sein. Wenn die Unverborgenheit dem Wesen der Wahrheit das Geprige gibt, dann miissen wir versu&en, die Falschheit als eine Verborgenheit zu verstehen. b) Die Frage nach dem Gegenwesenvon dlqS6g. Die Absenz desl,q$6Eund dasr1re00oE. Die Verhiilltheit von Grundbedeutungen. Das Gegenwort l,a$6v und das griechis& geda&te l,av0rivopar.Das aus der Verbergung erfahrene Vergessen. Homer, Ilias, XVIII,46;X, gp; Odyssee,VIII, ga Wir werden, diesemHinweis folgend, zund.chstfragen, wie das Wort ftir das Gegenwesenzur dl,{10eralautet. Td t&}.qg6E iibersetzt man durch >das Wahre<<.Dies bedeutet gemiiB der Auslegung von dlfl$ela als Unverborgenheit das >Unverborgene<. Do& solange dunkel bleibt, in welchem Sinne die >Unverborgenheit<unverborgen<>IJnverborgenen<<, das Verborgene, ergibt si& dem Namen nach leicht, wenn wir nur das a-privativum zuriicknehmen und die Beseitigung des Verborgenen aufheben und es,>dasVerborgene(<, bestehenlassen.Dem Wortlaut nach fiihrt die Durchstreichung des c zu Lq$6g.Aber wir finden diesesWort nirgends als den Namen fiir das Falsche.Viebnehr hei8t bei den Grie&en das Falscherd rpe{rSoE. DiesesWort hat einen ganz anderen Statnttt und eine andere Wurzel u:ed in einem damit au& eine andere Grundbedeutung, die nicht geradehin feststellbar ist. In der Wurzel >>La$<< liegt >Verbergen<<.Ve0EoEmeint solchesnidrt, jedenfalls nicht unmittelbar. Wir sind versucht, darauf hinzuweisen, daB auch in unserer Sprachedas Gegenwortzu >Wahrheit<<, niirnlich >Falschheit<.
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ein Wort anderen Charakters ist. Dodr viellei&t sind die grie- rpe00oEeinander niher als die &ischen Gegenworte till.{1Ser,a >Wahrheit<< und >>Falschheit<. Es entsprechenden deutschen kijnnte sein, daB erst von der dlfpeta her das {e00oE gemdBer zu denken ist, daB aber zugleich au&. daraus, daB eben rpe60oE das geliiufige Gegenwort zu dfi$elc bleibt, sich Hinweise darauf ergeben, wie die alfl$eta selbst zu erfahren ist. Beim Versuch, den Grundbedeutungen der Wijrter und Worte nachzuspiiren, leiten uns allerdings nicht selten unzureichende Vorstellungen von der Sprache iiberhaupt, woraus fl6nn geldufige Fehlurteile iiber das Fragen nach den Grundbedeutungen entstehen. Wir diirfen nicht meinen, die Wiirter einer Spraihe besdBen urspriinglich fie reine Grundbedeutung und diese ginge mit der Zeit verloren und werde verunstaltet. Die Grund- rrnd Wurzelbedeutung bleibt gerade verborgen und ersciheint nur in dem, was man die >Ableitungen<reine Grundbedeutung<<, aus der anderes dann >abgeleitet<< wird. Diese irrigen Vorstellungen, die audr heute noch die Sprachwissens&aft beherrs&en, haben ihren Ursprung darin, daB die erste Besinmrng iiber die Sprache, die griechische Grammatik, am Leitfaden der >Logik<, d.h. der Lehre vom Sagen der Aussagen, als Satzlehre entfaltet wurde. Sdtze sind darnach aus Wtirtern zusarnynengesetzt, und die Wtirter bezeichnen >>Begriffe<<.Diese geben an, was beim Wort >im allgemeinen<< vorgestellt wird. Dieses >Allgemeine<< des Begriffes sieht man da'..' als >die Grundbedeutung<< an. Die >Abieitungen< sind Besonderungen des Allgemeinen. Doch we'". wir bei unserem Fragen auf die Grrrndbedeutung hindsnken, bleibt eine ganz andere Auffassung des Wortes und der Spradre leitend. Zu meinen, wir betrieben eine sogenannte >Wortphilosophie<<, die alles aus bloBen Wortbedeutungen herausklaubt, ist freilich eine sehr bequeme Meinung, aber auch eine so oberfl?ichliche, daB sie nicht einmal
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mehr als falsche Meinung bezeichnet werden kann. Was wir die Grundbedeutung der Worter nennen, ist ihr Anfangliches, was nicht zuerst, sondern zuletzt erscheint, und auch dann nie als ein abgelostes und prapariertes Gebilde, das wir fur sich I ~ vorstellen konnten. Die sogenannte G r u n d b e d e ~ t u nwaltet I verhiillt in allen Sageweisen der jeweiligen Worte. I (wahr) &Aq66qklingt ganz Das Gegenwort zu >>unverborgencc anders: I ~ E C S O Wir ~ . ubersetzen ti, WEGSO~ durch >>dasFalschecc, ohne recht zu wissen, was hier >>falschcr bedeutet und wie es vor I allem im Sinne der griechischen Bedeutung zu denken ist. In jedem Falle durfte es auch hier endlich an der Zeit sein, einmal daruber nachzudenken, da13 das Gegenwort zu &Aq6Eq nicht, was doch am nachsten liegt, kyS.6~oder ha66q oder h l i c h lautet, sondern qeCGoq. Aber mit diesem Hinweis haben wir das Ratselvolle dieses Zusammenhangs noch nicht vollstandig gezeigt. Zu dern Wort q~G8oqals dern Wort fur das >>Falsche<< gibt es in der Tat das, was wir in der umgekehrten Hinsicht beim &Aq66q vermissen, namlich die am selben Stamm gebildete privative Bedeutung: tb & q E 4 6 q - das Unfalsche. Das aber ist es, was >>ohneFalsch<< und somit das Wahre ist. Homer erzahlt im Beginn des Buches X (18) der Ilias die Klage des Achill und seiner Mutter Thetis um den gefallenen Freund Patroklos. Mit Thetis klagen auch die Nereiden, die Gottinnen der Meerflut; unter diesen Gottinnen ist X 46 genannt: 4 'A~~uSfiq, die Gottin >>ohneFalsch
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da13 das >>Positive<< niemals aus dern Negativen, sondern hochstens umgekehrt dieses aus jenem entspringen kann. Aber wir wissen bereits, da13 schon der griechische Name fur das Wesen der Wahrheit dieses Ratselhafte ausspricht, wonach in diesem Wesen die Verborgenheit und der Streit mit ihr entscheidend bleibt. Eben deshalb mochten wir freilich erwarten, da13 such im Gegenwort zur Unverborgenheit do& die Verborgenheit in entsprechender Deutlichkeit genannt werde. Statt dessen horen wir vom 9 ~ 3 0 sDie . Gegenworte zu &Afi6~ia vom Stamme ha6 scheinen versclhollen zu sein. Aber dies scheint nur so, vor allem deshalb, weil wir ein bekanntes griechisches Wort des Stammes Aa6, zu dern &Afi6~~cn gehort, namlich Aav6&voya~ in einer Weise ubersetzen, die das Wesentliche verschuttet. Nach dern Worterbuch heifit hav9hvoyat >>vergesen<<. Was das bedeutet, versteht jedermann. Alle erfahren es taglich, das >>Vergessenc<. Doch was ist dies? Was clenken die Griechen, wenn sie, was wir >>vergessenccnennen, durch Aav6hvau6a~aussagen? Zunachst bedarf es der Aufhellung von hav6drvs~v.Aav66vw heat: >>ichbin verborgenc Das part. aor. zu diesem Verbum lautet Aa6i3v, Aa66v. Hier haben wir das gesuchte Gegenwort zu Bh1166q. Aa66v ist das Verborgenseiende; hh6~qbedeutet >>verborgenerWeisecc, aheimlichcc. Aa66v meint das, was verborgen bleibt, was sich verborgen halt. Dennoch ist ha66v, das Verborgenseiende, nicht das Gegenwort zu Mq6Qq,zurn >>Unverborgenencc, sofern nZmlich im Gegenwort zum Unverborgenen das Falsche gemeint ist. Denn das Verborgene ist nicht sogleich schon das Falsche. Aber vermutlich bleibt umgekehrt ti, W E ~ O das~ Falsche, , in seinem Wesen immer cine Art des Verborgenen und des Verbergens. Vielleicht mussen wir das ~ E G S Odoch ~ vom Verbergen und Verborgensein her verstehen, zumal dann, wenn die Worte des Stammes *verbergen<< und ~verborgenccinnerhalb des griechischen Denkens und Sagens eine beherrschende Bedeutungskraft haben. Die haben sie in der Tat. Nur ist sie in der romischen und in aller romanischen,
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aber auch in unserer deutschen Sage- und Denkweise giinzlich verschuttet. Bevor wir das griechisch gedachte Wesen des ~ E ~ verdeutlichen, mussen wir erkennen, daB und inwiefern das Aa&drva~v, das Verborgensein, in allem Erscheinen des Seienden fur den griechischen Menschen wesentlich ist. Aav6drvw heiBt: ich bleibe verborgen. Homer 1aBt Od. O (8) den Siinger Demodokos nach dern festlichen Mahl im Palast des Phaakenkonigs von dern schweren Los enahlen, das die Griechen vor Troja getroffen. Odysseus verhiillt in der Erinnerung an diese Zeit vor Trauer sein Haupt rnit dern Mantel. 0,93:
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Eine andere Stelle aus der Ilias X (22) Vers 277 nennt den gleichen Sachverhalt. Achilles hat im Zweikampf mit Hektor beim ersten Lanzenwurf diesen gefehlt, weil Hektor sich duckte. Die Lanze fuhr in den Boden:
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Voss iibersetzt: >>ihn(den WurfspieB) ergriff und reichte die Gijttin schnell dern Peleiden zuriick, unbemerkt von dern streit-
&v6'6AAov~p8v xdrv~a~ EAdrv6av~Gdrxeva Aeifiwv, 'AAxivooq 65 ~ L 010s V Exscpedroat' 376' Ev6qaev qpevos t i y ~ abt04 ' >>Daaber vergoB er (Od.) Triinen, ohne daB alle anderen es merkten, Alkinoos nur sah aufmerksam die Trauer . . .<< Die Obersetzung von Voss kommt dern griechischen Wort dern Anschein nach naher, indem sie das in Vers 93 stehende Wort ihdrv6avs in gewisser Weise in die deutsche Fassung hineinnimmt : >>Allen iibrigen Gasten verbarg er die sturzende Thrane. cc Aber Ehciv6ave heifit nicht transitiv >>erverbargcc; hav6civw heiDt nicht: ich verberge, sondern: ich bin verborgen; E~drv6ave, von Odysseus gesagt, heiBt: er (Odysseus) blieb verborgen. >>Wijrtlichc< und griechisch gedacht sagt Homer: >>$aaber im Verhaltnis zu allen anderen blieb er verborgen als der Tranen VergieBendecc. Es ist unserer Sage- und Denkweise gemaD sprachlich richtiger, wenn wir iibersetzen: Odysseus vergoB, von den anderen unbemerkt, Tranen. Die Griechen denken umgekehrt: so zwar, daB das >>Verbergen<< im Sinne von Verborgenbleiben das regierende Wort ist. Die Griechen sagen: Odysseus blieb verborgen den anderen als der Triinen VergieDende.
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Das ist >>gut<< deutsch gedacht und gesagt: Athene gibt dern Achilles, unbemerkt von Hektor, die Lanze zuriick. Griechisch gedacht aber heiBt es: Athene blieb vor Hektor verborgen bei (in) ihrem Zuriickgeben der Lanze. Wiederum sehen wir, wie das >>verborgenccden Grundzug des Verhaltens der Gottin ausmacht, welcher Grundzug der Verbergung ihrem besonderen Tun erst den Charakter seines >>Seinsccgibt. Scharf und knapp kommt der Sachverhalt der geraden Umkehr des Erfahrens, Denkens und Sagens bei uns im Verhaltnis zu den Griechen an dem bekannten epikureischen Sprichwort zum Vorschein. Es lautet: 1668 fichuas; wir iibersetzen in >>richtiges Deutschcc: >>Lebeim Verborgenemcc Der Grieche sagt: >>Bleibe verborgen in der Weise, wie du dein Leben fiihrst.cc Die Verborgenheit bestimmt hier den Charakter der Anwesenheit des Menschen unter Menschen. Das >>verborgeneund >>unverborgencc ist ein Charakter des Seienden selbst, nicht aber ein Charakter des Merkens und Fassens. Gleichwohl hat doch das Vernehmen und Sagen auch fur die Griechen den Grundzug der >, Wahrheitcc oder >> Unwahrheit <<. Aus den wenigen Hinweisen mag deutlich werden, wie entschieden der Bereich und das Ereignis der Verbergung und der Verborgenheit fiir die Griechen das Seiende und das
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gung her bestimmt sein, wenngleich im Wortlaut dieses Wortes der Stamm Aa8- nicht verlautet? In dieser Vermutung werden wir bestarkt, wenn wir bedenken, daI3 das Falsche und Unwahre, z. B. ein unrichtiges Urteil, eine Art von Nichtwissen ist, worin uns der >>wahrecc Sachverhalt entzogen ist, zwar nicht in der gleichen, aber do& in einer irgendwie entsprechenden Weise wie beim >>Vergessen<<,das die Griechen von der Verbergung her erfahren. Ob nun das griechische Denken das Wesen des ~€5805von der Verbergung her fafit, das kann nur dadurch erwiesen werden, daI3 wir auf das unmittelbare Sichaussprechen des griechischen Erfahrens achten und zunachst gar nicht auf das eingehen, was die Denker der Griechen eigens iiber das ~ J E G B o < sagen.
Wiederholung
Td 14~eG80~ als Gegensatz zum &hqbks. Die Stammverwandtschaft von ttAfi8sia und Aav6&vo. Hinweis auf Homer, Odyssee, VIII, 93. Der Entzug der Vergessenheit Wir versuchen, aufmerksam zu werden fur den Spruch des Parmenides aus Elea, jenes Denkers, der seinen Spruch dachte um die Zeit, als der Poseidontempel in dem Elea benachbarten Poseidonia, dem nachmaligen Paestum, gebaut wurde. Der Spruch dieses Denkers sagt das Wort der Gottin 'Ahfia~~a, welchen Namen wir gewohnlich mit >>Wahrheitccubersetzen. Das Wesen der Gottin >>Wahrheit
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und hi8q 38 Der seimgeschichtliche Bereich von &Afi6~1a nur wieder vom durchdachten >>Lehrgedichtcc her das hier waltende Wesen der 1%48&la in seiner anfanglich gepragten Gestalt. Wir bedenken zunachst den Namen der Gottin 'AA~~ELu, das heiBt die Unverborgenheit. Sicherlich wissen wir dadurch, daB wir zur Kenntnis nehmen, die sprachliche Bezeichnung fur >>Wahrheit>&hfi8~ia>equuscc.Aber wenn wir M46~1adurch >>Unverborgenheitccubersetzen und dabei iibersetzen in die Weisungen dieses Wortes, d a m halten wir nicht mehr bei einer sprachlichen Bezeichnung, sondenl stehen vor einem Wesenszusammenhang, der unser Denken von Grund aus in Anspruch nimmt. Wir gehen den vier Weisungen nach, die uns der Name 'Ahfi8~~a in der Obersetzung >>Unverborgenheitcc gibt. Wir erfahren so einiges uber das griechisch gedachte anfangliche Wesen der Wahrheit. Z u m ersten verweist die Un-verborgenheit auf Verborgenheit. Verbergung also durchwaltet das anfangliche Wesen der Wahrheit. Zurn anderen verweist die Un-verborgenheit darauf, da13 sie der Verborgenheit abgerungen und mit ihr im Streit ist. Das anfangliche Wesen der Wahrheit ist streithaft. Zu fragen besagt. bleibt, was hier >>Streit<< Z u m dritten verweist die Un-verborgenheit gemaD den vorgenannten Bestimmungen in einen Bereich von >>Gegensatzencc, in denen >>dieWahrheitcc steht. Weil von 'dem >>gegensatzlichencc Wesen der Unverborgenheit aus ihr streithaftes Wesen zunachst sichtbar wird, mussen wir die Frage nach in dern die Wahrheit steht, eingehender dern >>Gegensatz>Unwahrheitccist gleichgesetzt der >>Falschheitcc,die, als Unrichtigkeit verstanden, das einleuchtende und aufdringliche Gegenteil zur >>Richtigkeitccbildet. Der vorwaltende
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Gegensatz ist uns bekannt unter den Namen &Afi6~~a xai WE SO^, veritas et falsitas, Wahrheit und Falschheit. Den zuletzt genannten Gegensatz verstehen wir in der A u s l e p g von Richtigkeit und Unrichtigkeit; aber die Wahrheit als >>Richtigkeitcc ist nicht gleichen Wesens mit der Wahrheit als Der Gegensatz von Richtigkeit und der >>Unverborgenheitc<. Unrichtigkeit, Giiltigkeit und Ungiiltigkeit mag fur das spatere und vor allem fur das neuzeitliche Denken das gegensatzliche Wesen der Wahrheit erschopfen. Uber die moglichen Gegensatze zur griechisch gedachten aunverborgenheitct ist dadurch nichts entschieden. Wir mussen daher fragen, wie im anfiglichen Denken der aussieht. Dem Griechen der Gegensatz zur >>Unverborgenheitc< nachdenkend treffen wir auf das Befremdliche, da13 zugleich mit der hAfi8eia und dern Mq6S5 als ihr Gegensatz t b I # E ~ O S auftritt, was wir richtig ubersetzen mit dern Wort >>dasFalschec<.Der Gegensatz zur Unverborgenheit ist also nicht Verborgenheit, sondem doch die Falschheit. Das Wort 1#~C805 ist anderen Stammes und sagt unmittelbar nichts von Verbergung. Das ist befremdlich, und dies gerade dann, wenn wir annehmen und festhalten, da13 das anfangliche Wesen der Wahrheit >>dieUnverborgenheitcc sei; denn in diesem Fall mu13 sich doch in dern ihr entsprechenden, d. h. hier widersprechenden Gegensatz dergleichen wie die >>Verborgenheitcczur Geltung bringen. Davon finden wir zunachst nichts. Denn gleich friih wie das Wort hhq665 wird schon als sein Gegenwort t b ~ E V B B Sgesprochen. Also, mijchte man endgiiltig schlieBen, wird das Wesen der Wahrheit keinesfalls von der Unverborgenheit und Verborgenheit her bestimmt. Doch vielleicht schlieot man da zu voreilig. Man steht zu bedenkenlos unter dern Vorurteil des langst gelaufigen Gegensatzes von Wahrheit und Falschheit, bei welchem Gegensatz wir ja auch keinen AnstoB nehmen an der Verschiedenheit der ihn bezeichnenden Namen, die wir s t b d i g ohne vie1 Nachdenken hier als Unterscheidungsformel fur unsere Urteile und Machtspriiche gebrauchen.
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Vielleicht schlieSen wir nicht nur zu voreilig, wenn wir erklaren, der Ursprung des Wesens der Wahrheit konne im Hinblick auf den Vorrang des I+ECBOS doch nicht die Unverborgenheit und Verborgenheit sein. Vielleicht ist hier uberhaupt sondern ein Bereich, der kein Bezirk fur >>Schlufifolgerungen>Vorsichtcc sehen wir dann allerdings, da13 im Erfahren und Sagen der Griechen das Gegenwort zu &hq+B< und iiberhaupt das Wort, von dem diese Privativbildung abstammt, keineswegs fehlt. 'Ahfi8~~a gehort zum Wortstamm had-, was >>Verbergen<< bedeutet. Zum Stamm ha$- gehort das Verbum hav6&vo, ich bin verborgen; das Partizip aor. ha68v, lra66v, heiflt >>verborgenseiendcc. Doch dies bleibt zunachst nur die Feststellung eines sprachlichen Tatbestandes. Das Entscheidende ist, da13 wir sehen, welche Verhaltnisse im Seienden dieses Wort Iav86vo ausspricht. Sie sind solcher Art, dalj wir sie kaum noch nachvollziehen konnen, da13 wir sie statt dessen durch unsere Art, das griechische Wort zu ubersetzen, vollstkdig verdecken. Von Odysseus sagt Homer O (VIII) 93: 6h&v6ava B&xgva heipov, wir ubersetzen in >>richtigerdeutschercc Ausdrucksweise: >>er(Odysseus) vergofl, von den Anwesenden unbemerkt, Tranencc. Griechisch erfahren sagt das Wort Homers: >>er (Odysseus) blieb im Verborgenen als d e Tranen ~ VergieBendecc. Entsprechend ubersetzen wir das bekannte epikureische Mahnwort BiGoas durch >>lebeim Verborgenencc; griechisch gedacht sagt das Wort >>bleibe im Verborgenen als der sein Leben Fuhrendecc. Man konnte in bezug auf diese Beispiele vermerken, das sei eine interessante sprachliche Tatsache, dafl sich die griechische Sprache umgekehrt ausdriicke im Vergleich mit der deutschen Ausdrucksweise. Doch was hier in unseren Gesichtskreis komrnt, ist mehr als nur >>interessantcc.Es ist entscheidend, namlich fiir die Erfassung des anfanglichen Wesens der Wahrheit, deren griechischer Name Bh~i8eiazum Wort hav8&vo gehort, dessen Gebrauch uns jetzt aufdamrnert. Denn eben die
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Weise, nach der in den angefuhrten Beispielen hav6drvw das reg-ierende Verbum ist, sagt uns, dal3 das in diesem Wort Genannte, das >>verborgene,bei der Erfahrung des Seienden den Vorrang hat, und zwar als ein Charakter des Seienden selbst, das mogliches >>Objektcc der Erfahrung ist. Der Grieche denkt nicht, im Fall des weinenden Odysseus, daran, daI3 die ,4nwesenden als menschliche >>Subjekteccin ihrem subjektiven Verhalten den weinenden Odysseus nicht bemerken, sondern daran, daJ3 um diesen so seienden Mann eine Verborgenheit gelagert ist, die es macht, da13 die Anwesenden von Odysseus gleichsam abgeschnitten sind. Wesentlich ist nicht das Auffassen von seiten der anderen, sondern daJ3 eine Verborgenheil des Odysseus besteht, die jetzt die Anwesenden von ihm fernhalt. Die Erfahrbarkeit und ErfaBbarkeit des Seienden, hier des weinenden Odysseus, griindet also darin, ob Verborgenheit oder Unverborgenheit sich ereignet. Im Lichte dieses Hinweises werden wir nun auch ein gelaufiges Wort vom Starnm ha*-, namlich hav6drvopa~und Enihav66vopai, sorgfaltiger bedenken, als das ublich ist. Wir ubersetzen Aber was heist dies Wort, wiederum richtig, mit >>Vergessencc. >>Vergessencc? Der modeme Mensch, der alles darauf anlegt, alles moglichst rasch zu vergessen, miil3te doch wissen, was das ist, das Vergessen. Aber er w e 8 es nicht. Er hat das Wesen der Vergessenheit vergessen, gesetzt, da13 er es iiberhaupt je bedacht und d. h. in den Wesensbereich der Vergessenheit hin ausgedacht hat. Diese Gleichgultigkeit gegeniiber dem >>Vergessencc liegt keineswegs nur an der Fliichtigkeit seiner Art zu >>lebencr.Was hier geschieht, kommt aus dem Wesen der Vergessenheit selbst, daB sie sich selbst entzieht und verbirgt. Deshalb konnte es auch sein, da13 die selbst unsichtbare Wolke der Vergessenheit, die Seinsvergessenheit, sich um den gesamten Erdball und sein Menschentum lagert, in der nicht dieses oder jenes Seiende, sondern das Sein selbst vergessen ist, eine Wolke, die kein Flugzeug, und hatte es die riesigste Steighohe, je zu durchstoBen vermag. Deshalb konnte es auch sein.
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$ 3. Kliirung des Wandels der ZdTj9eia
Der seimgeschichtliche Bereich uon bAtj8et.a und Atjq
daB zu ihrer Zeit eine Erfahrung eben dieser Seinsvergessenheit als Not erstiinde und notwendig wiirde; daB angesichts dieser Seinsvergessenheit ein Andenken erwachen miirjte, das an das Sein selber und nur an dieses denkt, indem es das Sein selber, Es in seiner Wahrheit, bedenkt: die Wahrheit des Seins und nicht nur wie alle Metaphysik das Seiende hinsichtlich seines Seins. Dazu bediirfte es zuvor einer Erfahrung des Wesens der Vergessenheit, dessen, was sich im Wesen der 15ATj9eux verbirgt.2 Die Griechen haben das Vergessen als ein Geschehnis der Verbergung erfahren.
$ 3 . Kliirung des Wandeh der &h+6~ia und des PVandeh der Gegenwesen (veritas, certitude, rectitudo, iustitia, Walzrheit, Gerechtigkeit - hTj6q, I#E~%os, falsum, Unrichtigkeit, Falsdzheit) a) Die in sich verschiedenen Bedeutungen von I#E%O~ und Der verdeckend erscheinenlassende Wesensbereich des Gegenwortes I4Jeij605.Hinweis auf Homer, Ilias, B 348 ff. Das ver-stellende Verbergen: die Grundbedeutung des ~&.c?tioj. Tb &I#EUGQS: das Enthehlende, und das &Aq6Qg.Hinweis auf Hesiod, Theogonie, Vers 233 f. Die Zweideutigkeit des &7,q6d; >> falsch cc.
Um lrlar auszurnachen, in welchen Wesensbeziigen das Griechentum das Wesen des I#EG~OS sieht, wird es gut sein, wenn wir zuvor kurz iiberlegen, wie wir >>dasFalschwc ver~tehen.~ >>DasFalschecc bedeutet uns einmal, wie im Falle des nfalschen Geldescc oder eines >>falschen Rembrandtcc, das gefalschte Ding. Das Falsche ist hier das Unechte. >>Falschcckann aber
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~ S e i nund Zeitcc ist der a t e Versuch, aus der Grunderfahrung dessen, da13 das Sein selber in der Vergessenheit bleibt, das Sein selber zu denken, d. h. dieses Denken elst vorzubereiten, ihm einen Weg zu bahnen, sclhst auf die Gefahr hin, daS er ein nHolzmeg<
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such eine Aussage sein. In diesem Fall ist das Falsche das Unwahre im Sinne des Unrichtigen. Die unrichtige Aussage fassen wir gem auch als die irrige Aussage, insofern die Unrichtigkeit als der Irrtum der Richtigkeit als der Wahrheit entgegengesetzt wird. Gleichwohl ist nicht jede falsche Aussage eine irrige. Wenn jemand z. B. vor Gericht eine >>falscheAussageu macht, braucht er nicht selbst zu irren. Er darf sogar in diesem Fall gerade nicht irren, er mu6 den >>wahrenTatbestandcc vielmehr kennen, um falsch aussagen zu kijnnen. Das Falsche ist hier nicht das Irrige, sondern das Tauschende, d. h. das Inefiihrende. Somit ist das Falsche einmal das unechte Ding, d a m die unrichtige Aussage; diese wiederum kann eine irrige, d. h. irrende oder eine irreleitende, sein. >>Falschccnennen wir aber auch einen Menschen; man sagt: >>diePolizei hat den Falschen erwischtcc. Das Falsche ist hier weder der Gefalschte noch der Irrende, noch der Irrefiihrende, sondern der >>verkehrteu Mensch, der nicht >pidentis&<< ist mit dem Gesuchten. Dieser >>falsche Menschcc, der er tatsachlich ist, n b l i c h dieser verkehrte, kann aber gleichwohl >>ohneFalschcc sein; er braucht gar nicht ein >>falscheruMensch zu sein im Sinne desjenigen, der hinterlistig es iiberall in seinem Verhalten und in der Haltung auf Tauschung abgesehen hat. >>Falsch,Katzengold<cund >>Katzensilbercc. SO wird deutlich: Das Falsche und das Falsche ist nicht jedesmal das gleiche. Dennoch ahnen wir, da13 diese verschiedenen Weisen des Falschen doch irgendwie auf dasselbe Grundwesen bezogen sind. Aber dieses Selbe bleibt unbestimmt. Auch das griechische I4Jei%oq,was wir gem durch das Wort >>falschcc iibersetzen, deutet in eine Mannigfaltigkeit verschiedener Weisen. Wir bemerken dies sogleich, wenn wir z. B. klarmachen sollen, was ein >>Pseudonym<< ist. Das Fremdwort ist zusammengesetzt aus iivoya, Name, und I~JE~%o<, genauer I~EVSBS.
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Der seinsgeschichtliche Bereich von 1ikfi6~~a und hfii+q
$ 3 . Klarung des Wandel. der &71?i6~~a
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Wortlich ubersetzt ist ein >>Pseudonym<< ein >>falscherName<<. 1st es das? Keineswegs. Wenn ein Hochstapler sich einen adligen Namen zulegt und unter >>falschemNamencc reist, dann >>tragt>Pseudonym<<. Der adlige Name soll zwar den verdecken, der sein Trager >>inWahrheitcc ist. Gleichwohl isi der >>falscheNamecc des Hochstaplers auch wiederum kein bloJ3er Deckname. Ein solcher wird z. B. gebraucht fiir eine militarische Unternehmung, das >>UnternehmenMichaelcc aus delr vorigen Krieg an der Westfront. Dieser Name verdeckt einfack etwas; was, das soll in keiner Weise in Erscheinung treten Dagegen verdeckt der angenommene Name des Hochstapler: nicht nur die >>wahreNatur<<seines Tragers, er soll, indem el also verdeckt, zugleich den Trager in einer >>GroBartigkeit4 erscheinen lassen, die ihm freilich nicht zukommt, so wenig wie weder der Name. Im Unterschied dazu ist das >>Pseudonym<< nur ein falscher Name, noch ein Deckname, no& auch ein nur irrefiihrender Name. Das >>Pseudonym<<, namlich das wesensgerechte, soll zwar den Verfasser verdecken, es soll ihn aber in gewisser Weise zugleich erscheinen lassen, und zwar nicht als das, was er (wie im Fall des Hochstaplers) in Wahrheit nicht ist, sondern als den, der er ist. So lieB Kierkegaard im Jahre 1843 in Kopenhagen eine Schrift erscheinen: ~ F u r c h und t Zittern. Dialektische Lyrik von Johannes de Silentiocc. Dieser >>Herrvon Schweigencc wollte damit etwas Wesentliches uber sich und seine Schriftstellerei kundtun. Insgleichen stehen die >>Pseudonymec< der beiden Schriften >>Philosop,hische Brockencc (1844) und ~Einubungim Christenturn<<(1850) in einem wesentlichen Zusammenhang. Die erste tragt. den Verfassernamen Johannes Climacus; die zweite ist verijffentlicht von Anti-Climacus. besagt, ist nicht getroffen, Was das qEij805 im >>Pseudonym<< wenn wir es mit >>falsch>falscheName<< des Hochstaplers zwar auch nicht einfach unrichtig ist, sondern
verdeckt, indem er sehr Vordergriindiges und agroB Auftretendescc sichtbar machen soll. Bereits unter dem Zwang der Wesenszusammenhihge, die das griechische q~ij8ognennt, haben wir jetzt nwie von selbstr von ~Verdeckenccund >>Verhiillen<<, zugleich aber von >>Erscheinenlassencc gesprochen. Das ~#~ijBoggehBrt in den Wesensbereich des Verdeckens, also einer Art des Verbergens. Das im ~ E B ~ wesende OS Verdecken ist aber immer zugleich ein Enthiillen und Zeigen und Zum-erscheinen-bringen. Es gilt nun aber, den Griechen selbst das Wort zu lassen, damit wir ein Zeugnis dafiir haben, daB und inwiefem das YEBBO~ in den Wesensbereich von Verbergung und Unverborgenheit gehort. Zwei >>Stellen<< seien angefiihrt, die eine aus Homer, die ansind keine blol3en >>Belegdere aus Hesiod. Diese >>Stellen<< stellen<<,die eben durch massenweise Anhkiufung an Beweiskraft gewinnen; denn es handelt sich hier nicht um ein %Beweisencc und ~Argumentierencc,sondern um ein Weisen, das uns die Augen offnet. Nicht die Anzahl vieler Stellen entscheidet, bei deren Anfiibrung meist die eine ebenso im Dunkel gelassen wird wie die ubrigen, in der Erwartung, die eine dunkle Stelle erhelle die anderen und das Dunkel aller zusammengeriickten ergebe die Helle. Entscheidend bleibt die Durchsichtigkeit des Wesentlichen einer einzigen Stelle. AUerdings kann die Anfiihrung mehrerer solcher Stellen notig sein, wenn es sich d a m handelt, das Selbe nach verschiedenen Hinsichten sichtbar zu machen. Jetzt handelt es sich nur darum, zu erkennen, daB ~ # ~ i $ oin g den Wesensbereich des Erscheinens und Erscheinenlassens und der Unverborgenheit gehiirt. Die Homerstelle ist dem zweiten Buch der Ilias entnommen (B 348 ff.). Hier l 8 t der Dichter den Nestor sagen, fiir die Griechen sei eher keine Hoffnung auf Heimkehr vom Kampfplatz vor Troja:
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ngiv xai Acbc a i y c 6 ~ 0 ~ 0 y v h p ~ v aE?~TE q ~ i j 8 SJ~~OXEOLS, 0~ E? TE xai ohti.
46 Der seinsgeschichtliche Bereich von ~!d?'$~ia und ki$?q
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Voss ubersetzt : (als) >>bevor vom Agiserschutterer wir erkannt, ob er Tauschung gelobete, oder nicht also.<< Hier ist die Rede von Zeus, und gedacht wird an das Geschehnis, da13 an dem Tage, da die Griechen in Argos die Schiffezur Ausfahrt nach Troja bestiegen, iratpiixtwv E~LG~EL', Evaiaiya u4pam qaivov. Voss ubersetzt: )>Rechtshinzuckte sein Blitz, ein heilweissagendes Zeichen. << PVortlicher ubersetzt sagt der Vers: *Zeus, blitzeschleudemd nach rechtshin gihstige Zeichen erscheinenlassenda. In den vorgenannten Versen sind diese Zeichen h c b a ~ genannt. ~ a ~ ~ Die aber beste deutsche Obersetzung gabe unser Wort >>Vorbehalt<<, es ist durch das romische Wort reservatio zu sehr in seiner Bedeutungsrichtung festgelegt. ' Y z b a x ~ omeint ~ ~ ein Vor- untl Hinhalten, ein Zeigen, das hinhaltend zugleich etwas zuriiclihalt, also nicht zeigt. Zum Wesen des atpa, des Zeichens, gehort es, da13 es selbst erscheint (sich zeigt) und in diesem Erscheinen zugleich auf etwas anderes weist: das Zeichen lafit, indem es selbst erscheint, ein anderes erscheinen. Die red~tshin fahrenden Blitze sind eine Vorgabe. Sie lassen, weil rechtshin, etwas Giinstiges erscheinen, so zwar, daIS sie als Zeichen noch zuriickbehalten und verhiillen den Anblick des komrnenden wirklichen Verlaufs der Unternehmung gegen' Troja. Nun soll nach dem Wort des Nestor erst erfahren werden, ob die Vorgabe des Zeus I#E~%OS sei oder nicht. Wann ist sie ~EGBos? Wenn die rechtshin fahrenden Blitze als die Zeichen des giinstigen Geschicks das . wirkliche, den Griechen vorbehaltene, also schon zugewiesene MiBgeschick verbergen. Das I J E ~ O S betrifft, \vie Homer einfach sagt, den Zeus mjpata rpaivwv, den Zeus in der Weise seines Erscheinenlassens der Zeichen. Erscheinen IX3t er stets etwas im Zeichen. Er halt Unverborgenes
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3. Kliirung des Wandels der % ~ ~ Q E L Q
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.or. Zugleich aber verbirgt das Zeichen, und zwar als Zeichen, das stets nur anzeigt, hinweist, aber das also Gewiesene nicht ins Offenkundige so vorweist, wie es sich selbst, das Zeigende, zum Erscheinen bringt. Solches Zeichen ist jedesmal ein zeipndes Verbergen. Die Wage bleibt jedoch, ob dieses zeigende Verbergen nur zuriickhdt ( n h l i c h den Vorblick in das Ge,chick), oder ob es ein Zeigen ist, dessen Verbergen schon verstellt, was kommt. In diesem Fall ist das Vorhalten des erscheinenden Zeigens und damit das Zeichen selbst q~G605.Das Verbergen ist ein Verstellen. Die leitende Grundbedeutung von ~JEGFOSliegt im Verstellen. Wir miissen dabei dieses Wort in clem wortlichen Sinn nehrnen, der auch uns noch gelaufig ist. ~Verstellencmeint da noch nicht das Sichverstellen als das tauschende Gehabe des Menschen, modem gesprochen, kein Verhalten des >>Sub jektsrc, sondem >>objektives<< Geschehen, solches, was vom Seienden her sich ereignet. Wir sagen: Ein Haus in der Nachbarschaft verstellt die Aussicht auf das Gebirge. Das Ver-stellen ist in erster Linie ein Verbergen in der Weise des Verdeckens. Wir >)verstellenccz. B. eine Tiir, die in einer Stube nicht erscheinen soll, durch einen davor gestellten Schrank. So kann auch ein auftauchendes Zeichen, eine Geste, ein Name, ein Wort etwas ver-stellen. Der vor die Tiir gestellte Schranli stellt aber nicht nur >>sicha vor als dieses Ding, er verstellt auch nicht nur die Tiir, indem er die an dieser Stelle durchbrochene Wand >>zu-stelltcc,d. h. verbirgt, sondern der Schrank kann so ver-stellen, daB er vorgibt, es sei keine Tiir in der Wand. Der Schrank verstellt die Tiir und entstellt so, indem er sich davor stellt, den >>wirklichenr< Sachverhalt der Wand. Unsere Sprache hesitzt das schone Wort >>verhehlen>verbergen<< h e a t , verhullen. Der nverhehlcc besagt die Verbergung und Verborgenheit; >>keinenHehln, aus etwas machen. d. h. kein )>Geheimnisic,nichts Verborgenes. Zum selben Wortstamm wie nverhehlenrr gehort unser Wort >>dieHohlecr, der Schlupfwinkel, ein verborgener Ort, der selbst etwas bergen und verbergen kann. Unsere mehr und mehr dem Verderb
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Der seinsgeschidrtliche Bereich von hAfi3Ela und Afir99
ausgelieferte Sprache kannte friiher sogar das Wort ~enthehlenn, etwas aus dern Verhehl, d. h. aus der Verborgenheit, herausnehmen, ent-bergen, - B-AT~SEL~: Ent-bergung. Seit Jahren gebrauche ich das Wort aentbergencc als Gegenwort zu >>verbergen<<.Angesichts solchen Wortgebrauchs meint natiirlich der gewohnliche, aufgeklae Zeitungsleser, das sei eine gekrinstelte Sprachverhunzung, die sich die >>Philosophen<< fiir den Zweck der Schraubengiinge ihres >>abstrakten<< Denkens )) amdenken<<. YEGFOS ist ein ver-stellendes Verbergen, das >>Verhehlen<< im engeren Sinne. Der Wesenszusammenhang des )>Falschen<< als des Gegensatzes zum Wahren mit dem Verbergen als dern Gegensatz zum Entbergen als dern Ereignis der Unverborgenheit wird deutlich. Der griechische Gegensatz zwischen hAqSLg und ~ E C G O Sha-t in dieser Hinsicht nichts Befremdliches mehr. Das ~ I E V G L S im Sinne des verstellend Verbergenden, d. h. Verhehlenden, erlaubt die entsprechende privative Bildung m3 & - V E V ~ ~d. S , h. das Nicht-verhehlende, das Enthehlende. Das Wesen des h~~v8Cq mul3 sich also aus dern Blrq9k5 dern >>Unverborgenenu bestimmen. Hesiod gibt uns dafiir ein Zeugnis. In seiner Theogonie (Vers 233 f.) erzahlt der Dichter, daB R6vrog als n~rop6zarovnai8ov als den altesten und ehrwiirdigsten seiner Sohne zeugte: N q ~ i a8' h+~w8kami hAqBla, Nereus, den nicht-verstellenden, nichts verhehlenden xai hAqSka, >>unddas heil3t ebenn den rnicht-verbergendenr. Das xal fiigt nicht einfach das BAqhjg zu h~~vijfiq hinzu; das hlrq&j~ist auch nicht nur die Wiederholung von irq~sv645,als sollte zweimal dasselbe gesagt sein, sondern hier wird gesagt: das Nicht-verhehlen griindet im Nicht-verbergen. Nereus ist ohne Falsch aufgrund seines Bezugs zur Unverborgenheit. Das q ~ G 8 oempfangt ~ sein Wesen aus dern Bereich der Verbergung. Das Nicht-verhehlende ist das Nicht-verbergende: &hq6Q~. Aber - und damit meldet sich ein Bedenken, das wir nicht zu leicht nehmen wollen: zb &Aq665heifit doch >>dasUnverborgene<
$' 7. Kliirung des Wandels der &lril9~ia
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ben, das xNicht-verbergende~Gleichwohl miissen wir Mq665 so verstehen. Die Grieeben kennen den lr6yoyog &Aq%<,d. h. die w a k e Aussage, d. h. nicht verbergende, sondern entbergende Aussage. A6yog &hq&jgbedeutet nicht, wie es dern Wortlaut nach scheinen mochte, die unverborgene Aussage, sondern die entbergende, wahre, die als diese sehr wobl verborgen sein kann und nicht unverborgen zu sein braucht. Dasselbe gilt erst das recht von der &hiS~ia. Sie besagt die >>Unverborgenheit<<, Unverborgene, aber auch in bezug auf das Nicht-verbergende, Nicht-verhehlende die >>Unverhohlenheit>Nicht-verbergendenu verschieden bleibt. Doch was venchieden ist, braucht nicht getrennt zu sein, sondern gehort vielleicht gerade in eins zusammen. Das Eine, was so zwiefach ist, ware dann zweideutig. Zurn Umerborgenen gehBrt Entbergung. Das Entbergende ist bezogen guf Entborgenes und Unverborgenes.
50 Der seinsgeschichtliche Bereid von M*r~a und A4&1 'AAqBiq und entsprechend Mfi8~1a sind zweideutig. Wie kommt es zu dieser Zweideutigkeit? Worin hat sie, wenn sie iiberhaupt besteht, ihren Gnmd? Oder besteht hier nur fiir uns der Schein einer Zweideutigkeit? Bisher ist nur dies deutlich geworden: Wenn das irAq9iq zweideutig ist, insofern es entbergend und nEntborgenesn bedeutet, dann bleibt es ungemaB, zu behaupten, MqBks bedeute das sunverborgene<<.Wenn gar das Entborgene nur ist, was es ist, vom Entbergenden her, dann ist sogar die Bedeutung ~entbergend*die urspriingliche Bedeutung von hAqBkg. Insofem aber das hAq9iq dem Enos und dem MYELVeignet, scheint iiberhaupt die irAfiilt~1aurspriinglich ein Charakter des Wortes und des~sagensund Aussagens zu sein. Gleichwohl ist fur die Griechen noch bei Aristoteles die BA46~t.ader Charakter des Seienden und nicht nur ein Charakter des Vemehmens von Seiendem und des Aussagens dariiber. Was also ist urspriinglich entbergend, hAqiltk5, das Sagen (hiys~v)oder das Seiende (6v) oder keines von beiden? Bevor wir auf diese Fragen antworten, die in die Mitte des Wesensbereiches der irh-jbsta zielen, miissen wir erst diesen Bereich in seiner Weitraumigkeit durchmessen. Das besagt: Wir miissen das Wesen der Verbergung noch eindringlicher bedenken. Das Falsche im Sinne des q ~ % o sals Ver-stellen ist ein Verbergen. Aber ist denn jedes Verbergen notwendig ein Verstellen? 1st jede Verborgenheit in sich schon r>Falschheitcc? Um hier zu entscheiden, muB der Wesensbereich der Verbergung uns erst niiher gekommen sein. Doch ehe wir in den Wesensbereich der Verbergung einen weiterreichenden Blick werfen, muB noch eine Erlauterung gegeben werden, die wir bisher zuriickhielten, weil sie erst nach der Aufhellung des griechischen Wesens des qrrisog verstandlich ist. Es bedarf einer Klarung dessen, was das Wort rrfalschn besagt, und einer kurzen Aufklarung dariiber, was der Vorrang des Falschen innerhalb der Wesensbestirnrnung des >run-wahren<< bedeutet.
$ 3. Kliirung des Wandels der hLfi8~~a
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Wiederholung
I) Die sogenannte richtige Obersetzung des ( ~ ~ 3 0 s mit rrf alschx. Die Bedeutungsmannigfaltigkeit von r>falschs und q~GSos.Das Verstellen und Verhehlen des (~~G8og im Wesensbereich der Verbergung und Enthullung. Hinweis auf Homer und Hesiod Wir fragen in der Absicht, das Wesen der Gottin 'AXqSola aufzuhellen, nach dem Gegensatz zur >>Wahrheitn.Jedermann kennt diesell Gegensatz. Der Wahrheit entgegengesetzt ist die ~Falschheit<<. Dieser Gegensatz ist uns, wie man sagt, so Bnatiirlich~,daD wir ihm iiberall begegnen und uns stets in ihm bewegen. D a m bedarf es nicht erst einer *Philosophien, urn den Gegensatz von ruwahr und falsch.: ans Licht zu bringen. So kennt auch schon das f d i e Grieehentum den Gegensatz yon rb &hflSLg - rb ~ E % OWir S . iibersetzen richtig: das Wahre und das Falsche. Die Obersetzung ist insofem arichtign, als der griechische Wortlaut rB hAq9iq rat d q G 6 0 5 nicht rneint rrdas Gute und das Schlechten, was im Griechischen heifit rb &yaBbv xai d xax6v. Allein, das griechiJche Wort rb hAqBL5 bedeutet nicht r das Wahren, sondem das Unverborgene. Das griechische Gegenwort zu hh$iq, nkmlich O E G ~ O ~enthalt , jedoch in seinem Wortlaut und Stamm unmittelbar nichts von ~Verborgenheita. Dies miiI3te man aber d o h ueigentlich>man<< erwartet von p d b als ~ dem zwar offenkundigen Gegenteil rum &Xq8k5,zum Unverborgenen, gar nicht den Bezug zum Bedeutungsumkreis von Verbergen und Nicht-Verbergen. Warum nicht? Einmal deshalb, weil man uberhaupt seit langem schon hAq61~nicht mehr als das uunverborgenea denkt, d. h. weil man die Un~erbor~enheit nicht mehr erfahrt und erfahren kann. Statt dessen versteht man das &'hqBisals
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Der seiWgeschichflicheBereich yon
und
3. KEmng des Wandels der a 4 a ~ a
l,+,h
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ein ~ ~ & ~z. B.t als ~ >>Herr ~ l v. ~ S o ~~e s o, o u . das verum und certum, als das nWahren und das , ~ ~ w i ~ ~ ~ ~dagegen < , Name zwar jeinen Trlger verdecken, gleichwohl ist such indem man meint, das, was man da >>verstehen,sei wie vo der ~ ~ & ~ ~ wieder ~ ~keinl blofier ~ ~>>Deckname* - ~ ~ nach m e >>laahr< und ngeuiflx. Zum anderen aber s t ~man ~ t sic der ~ r der t Namen, die 2. B. fiir militarische Untemehmmgen deshalb gar nicht an dem in Wahrheit unheim]i&en Batsel dr (,untemehmen Michael<<)oder im Spionagedienst gebraucht griedishen Gegensatzes von & A + & ~ und vEaos, weil man werden. D~~ Name des Hochstaplers sol1 zwar verdecken, gleiehfalE seit langer Zeit sich &ran gewbbt hat, das llJEcsos aber ruglei& Seinen Trgger in einer rGrofiafiigkeit<<erndas Falsche<'massive das >>Falschennennen, den ~ i unterbrkgen. ~ ~ l Freilich, was der verdeckende Name eigent~mlichen Wesensreichtum in Sich tragt. zugleih ersheinen lgfit, die >>GroDartigkeit<<, ist hie. nur ein unterschied zum Hoehstapler-Namen zeigt daDas Falsehe ist in ekem Fall das Gefglschte, d. h. das >>sdein<<. >>Pseudonym<< etWaS Ton dem, was sein Traechte (>>falsches Geld<<, ein >>fakcherRembrandtn). D~~~ ~ l ~ gegen~ das echte h ~ ger >,in Wahrheita ist. Auch das >>Pseudonym<< verdeckt, so ist in einem anderen Fall die Aussage, d. h. das unrihtige. zwar, d a es ~ rngleich hintergriindig das verborgene Wesen des Wir sagen such das Irrige. Eine >>falscheAussage<<,z. B. vor verfaSsers und seine schriftstellerisde Aufgabe anzeigt. Das Geriht >>gemaht<<, braucht aber nicht irrig zu sein. Wer in echteb Pseudonym unkennt1ich7 Falle >>falsch<< aussagt, darf Sich Gber den ~ ~ ~ ~ soil den ~ Verfasser ~ nicht einfach ~ ~ d gerade nicht irren, viehehr auf Sein verborgenes Wesen aufmerksam main berug auf i b dam so ausmsagen, es D ~ sein ~ Apseudonym s a g der Verfasser sogar mehr wie er nicht ist- Die bier gemeinte >>falsehe Aussager ist nicht si&, alswenn er seken urichtigenn Namen gebraucht. An img, wohl dakFgen irrefuhrend. >>Falsehanennen wir such einen den pseudonymen Kierkegaards (>>Johannes de Silention, rJoh' Doch wenn wir sagen: >>DiePolizei hat den ~ l i md ~>>AntiCfimacus<<) ~ ~ ~ laBt~ sich~dieses < Wesen des gefaBtn,dann hat hier >>falsch<< die Bedeutung pseudonyms und damit das Wesen des ~ ~ 6 erkennen. 8 0 ~ Im "verkehnn. Der imumlich gefaflte >>falschex Mensch braucht jedoh 'in >>falseher<< zu sein im sinne cines solehen, der sich , , , ~ 8 waltet ~ ~ ein Verdecken, das zugleicb enthiillt. Das s ~ e >dasn aus dem ~ ~ des ~ Verbergens ~ i U I I ~ & Enthiillens und daher stammt WONdie Rede van >>Katzengold<{ und >> Katzensilber>Interpretation<<. ES gilt daher '@""g in e k e Mannigfaltigkeit van Bedeutungen. D~~ ~ s s e n wie , die Griemen das q ~ G B o gerfahren. Daruber geben zei@ sib, Wem wir versuchen, iiber die Bedeutung des premdms zweistellenaus der friihgriechischen Dicht-g einen WO*s "Pseudon~meins klare zu kommen. w6filich iibersetet dies ~ E ~ ~ s -- ~ ~>>falseher o P ~ Name<<.~i~ pseudDie cine ist der Ilias des Homer, die andere der Onym ist jedoch kein nfalscher Name<<,denn er kommt dem, -neogonie des Hesiod enmommen. Die Iliasstelle (B, 348 der der ihntra@, firhtigerweise ZU. Unter >>fals&emN ~h e a t ~ ~ ~ handelt ~ < Frage, ob die Art, wie Zeus durch die
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54 Der seimgeschidrtliche Bereich von Mi$?&iaund A48q zuckenden BEtze ein Zeichen vorgibt, q&c805sei nicht, Ob er das >>wahre<< den Griechen zugewiesene Ges&i& enthiiut Oder verbirk?. Das >>q~G6os-sein<< oder >>ni&t-qE~60s-sein4 setzt voraus, daB Zeus uberhaupt etwas erscheinen ~gfit.In der ~~t 'pricht Homer vom Zeus V ~ ~ V W V vom , Zeus, der etwaj erscheinen lafit- Aber per~cheinenlassen<< ist do& ein ~ ~ t h i i u ~ ~ . We soil er da verbergen ? Zeus m d etwas ersdeinen lassen, jedodo solche~,was, indern es sich zeia, zuglei& nur anzeig, nicht voustandig enthullt, sondem luglei& verhfillt. D ~ ~ gestalt zeigen die Zeichen: miyam. D a m h e a t zeusan dieser Z&GG' o ' b a ~ acpaivcov - der, der Zeichen erscheinen 1 g ~ t . >"ei&en<< ist das, was, indem es erscheint in seinen weisen, durch dieses etwas erscheinen la&, so zwar, daB es dieses E ~ scheinende n i h t verweist ins Offenkundige (worinnen das Zeichen selber auftritt), sondem es zugleich gerade vorenthat, d. h. verhiillt- Eben dieses selbst ers&einende Enthiillen, das, *eder zuriichehmend, verhiillt, ist das Zeigen. N~~ wo ein Encheinenlassen m d d. h. ein Entberpn waltet, da west ein S~ielraumfur die Moglichkeit des ( ~ ~ c 6d.~h5 ,des zeigenS, &IS zugleich verdeckt und zuriickhglt. Das wesendes qEcijOF lie@ im verbergenden Zur-Schau-stellen, wir sagen: in ehem Ver-stellen. Dieses >>Verstenen<< mussen wir jedo& als Gesdehnis und denken. Ein benaehbanes Haus >>verstelltxdas Sichzeigen des Gebirges; ein vor die Tur gestellter shrank 'verstelIt<>hehlenn, das sa@: verbergen. Die xVerhehIung<>subjektives<< verstehen im Untenchied zu
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5 3. Klarung des Wandels der Bh1i6~~a
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rSichobjektiven<>Ventellen<< ist uns z" verstellenx, r n d dieses wird, sofern es sich in den wird Weise anderen stellty ein >,Tsus&en<<.In der gebraucht : >> Verhehlen<<soglei& im subj ektiven n+& verhehlen, si& ni&ts vormarben, d. he siCh nicht etwas davorsteuen, ver-stellen: >>ohmein Hehlay Ohne cine Verbergung und ohne verhiillenden Umschweif, namlich bei bei einer Mitteilung. UrsJ?-glich meint ,hemVorgehen >>verheMenajede Art von >>Verbergen<<; unsere 'Itere sprahekemt sogar das inzwisehen verlorengegangene wOt n e n t h e ~ e n n= aus der verborgenheit nebmen. Seit Jahren gebraude i ~ in 1 den Vorlesungen das Wort rentbergen*. zu seiner Zeit wieder die Entbergung und Unverborgenheit (afiijEla) ZU eIfahren Verm6gen, diirfen wir such das verloren gegangene wort >,entheblen<< wiederfinden und neu ins Eigenp ~ e h l e n ,zeihen<<, z. B. vom Blitz; ~ s i 6 0nennt 5 also ni&t nur cine Art und des mens&li&en Verbaltens. Zwar wird es haufig van p ~ ~ und 0 5 xhyEvgebraucht, vom Wort und vom Sagen. Aber au& >das wort<
deshalb kam.nm au& q~G60s,das Verhehlende, selbst zum Ausgang der Bildung des Gegenwones werden, das das >> Nidt-FalsAe << m d somit das B Wahre << bedeutet, dazu aber das gebr;iu&li&e Wort fiir pwahrn, namlieh r h M I ~ ~ S nicht , braucht. D~~ Gegenteil zu nverhehlenu ist das >>Ent-hehlenr.
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56 Der seinsgeschichtZiche Bereidz von M4Sa~aund ifih Das nentn h e a t griechisch >>a<<; dern q~GSogund q~vSigsteht entgegen hqrv€iis, das Nicht-Verhehlende. Hesiod gibt iiber dieses Wort und seine Leitbedeutung (Theogonie, Vers 233) einen einfach-eindeutigen AufschluB. Nereus, der alteste und ehrwiirdigste S o h des Meergottes IIbvrog, wird genannt: h~#&vSia xaoi hAqSia - ~ d e nicht r verstellendeu; xai, das heiRt hier nicht einfach xundu, sondern h e a t erklsrend rweiln; Nereus ist nder nicht verstellenden, nweil n h l i c h x der M q q g - weil n h l i c h der nicht-verbergende. Das qrvSig bestimmt sich aus dern x-Aqfigu. Nun h e s t d &$*is xwortliehu iibenetzt zunachst n das Unverborgenen, >> das Entborgene <<. Etwas, was unverborgen, entborgen ist, z. B. ein Felsblock, braucht nicht "entbergendx zu sein, ja in diesem Falle kann das Unverborgene und Entborgene, der Felsblock, uberhaupt niemals rentbergendr sein. xEntbergendn ist dagegen das Sagen und Vernehmen des Menschen. Die Griechen benennen nun aber das nEntborgener sowohl als auch das xEntbergendex rnit demselben Wort &AqSis,was w5rtlich iibersetzt das >>UnverborgenenheiBt. Jedenfalls meinen wirydiese Ubersetzung: hAq8ig = das Unverborgene sei die allein nwortlicheu. Jetzt aber zeigt sich: WlBLs, in der zweiist fachen Bedeutung von xentborgen. und >>embergend<<, doppeldeutig. Wir erkennen diese Doppeldeutigkeit auf dern s Umweg iiber das ~prG€ioqund sein Gegenwort & ~ v t i ibesonders deutlich. Wir erkennen auch, daB hier geheimnisvolle Beziige obwalten. Um das Wesen der Doppeldeutigkeit des & A szu erkennen und vor allem ihren Grund.zu erfahren, miissen wir erst den Wesensbereich der Un-verborgenheit und der Entbergung in seiner Weitraumigkeit durchfahren. Das besagt: Wir mussen erst das Wesen der Verbergung und Verborgenheit eindringlicher bedenken. Ein Verbergen ist das vrG8os im Sinne des Ver-stellens. Aber ist denn jedes Verbergen notwendig ein Verstellen? 1st jede Verborgenheit in sich schon qrG€ios, d. h. xFalschheitx? Wie steht es rnit der Verbergung und ihren verschiedenen Weisen?
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b) Das undeutsche Wort nfalsch.. Falsum, fallo, GC$AAW. Der romische Vorrang des DZU-Fall-bringens<< in der Romanisierung des Griechentms durch das imperium (Befehl) als W e s e n s p d des iustum. Die Ubersetzung des 9~580s in den romisch-imperialen Bereich des Zu-Fall-bringens. Das eigentliche Ereignis der Geschichte: Der Angriff der Romanisierung im griechisch-romischen Ge~~chtsbereich und die neuzeitliche Sieht des Griechentums rnit romischen Augen aFalscha - was sollen wir zu diesem Wort sagen? aFalsch*: kommt vom rhischen Wort nfalsumx. Wir tun gut daran, endlid darauf aufmerksam zu werden und aufmerksam zu bleiben auf das, was die Briider Grimm, die es wissen mussen, zu diesem Wort (Deutsches Worterbuch, 111, 1291) rnit dern Anklang eines Ingrimms vermerken: >>falsch,falsus, ein undeutsches Wort, dessen no& keine Spur bei Ulfilas.. Ein xundeutsches Wortx - wer nicht zu feige dazu ist, wird bei dieser Feststellung e r s h e h e n und diesen Schrecken nie mehr nlosn werden. Das Wort wfalsch*:ist durch das romishe afalsumu seit dern christlichen Fdunittelalter in die deutsche Sprache gekommen. Der Stamm des romischen Wortes falsum (fallo) ist >>faunund verwandt rnit dern griechischen ocp&kAo, d. h. zu Fall bringen, fallen, wankend machen. Aber dieses griechische Wort ocp&Mwwird nirgends und niemals zum eigentliehen Gegenwort, das dern M$is entgegensteht. Wir sagen rnit Bedacht reigentlich<<,weil wir den griecbischen Sprachgebrauch von ucpdrhAo zuweilen rrichtign iibersetzen kdmen durch >>tauschene; gemeint ist aber, griechisch gedacht, das Wankendmachen, Taupelnlassen, in der Irre umherstiirzen lassen. ZU solchem Wanken und Fallen inmitten des ihm erscheinenden Seienden kann der Mensch aber nur so gebracht werden, daD ihm solches in den Weg gestellt wird, was ihm das Seiende verstellt, so daB er ni&t wissen k a m , womit er es zu tun hat. Erst muB etwas hingehalten, hingestellt und dadurch ein an\
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Der seimgesdiic?ztliche Bereidi von ~ ~ ~ Sund P LAili+q U
deres zu-gestellt werden, damit der Mensch auf das so Vor-gestellte xhereinfallenn k a m und also zu Fall kommt. Das ZuFall-bringen im Sinne des Irrefiihrens ist erst moglich aufgrund des Davor-stellens, des Verstellens und Verbergens. GemaB einer auch waltenden Zweideutigkeit ist das ocpdrliAw bezogen auf das nAufstellen von etwas.; griechisch gedacht sagt dies: etwas ins Unverborgene stellen und das Stehende als das Bleibende, d. h. Anwesende, erscheinen lassen. ZcpdrliAw ist gegen solches Aufstellen, insofem es das Anwesende in seinem Dastehen nicht stehen laBt, sondem zu Fall bringt, indem es statt seiner anderes aufstellt und dieses Aufgestellte als das Stehende vorgibt. Tb bocpalis bedeutet das Un-fallende, was stehen bleibt in seinem Stand und Bleiben, d. h. griechisch seinem Anwesen ins Unverborgene. Tb &ocpaAi~ist niemals das nGewissex und das nsicherea im neuzeitlichen Sinne der certitudo. Weil daher das Zu-Fall-bringen nach allen seinen Bedeutungen nur eine Wesensfolge innerhalb des Wesensbereiches von Verstellung und Verbergung ist, diese aber das Wesen des ry~C8osausmacht, deshalb kann das, was mit dern >>Fallen.und Zu-Fall-bringen zu tun hat, bei den Griechen nicht als der urspriingliche und gemaBe Gegensatz ezur aunverborgenheitx, zum fthq6kg auftreten. Warum ist aber nun im Romischen das falsum, das xZuFall-bringen., wesentlich? Welcher Erfahrungsbereich ist hier maBgebend, wenn das Zu-Fall-bringen einen solchen Vorrang erreicht, daB aus seinem Wesen sich das Gegenwesen zu dern bestimmt, was die Griechen als das hA$iq, das nEntbergendecc und >> das Unverborgene c( erf ahren? Der fiir die Entfaltung des romischen falsum das Ma8 gebende Wesensbereich ist der des nImperiumsx und des xImperialenx. Wir fassen hier diese Worte in ihrem strengen und urspriinglichen Sinne. ~ImperiumnheiDt der >>Befehlu.Wir verstehen hier das Wort rBefehl* allerdings in seiner spateren, namlich romisch-romanischen Bedeutung. Unpriinglich bedeutet xBefehln (das h ist nach dern 1 zu schreiben: befelh) soviel
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+e sbergenn: die Toten der Erde oder dern Feuer nbefehlena, anvertrauen zur Bergung. Wir kennen die urspriingliche deutBedeutung von rbefehlenn no& aus dern Woa: wbefiehl dem Herm deine Wegen (zum Schutz, Bergung anvertrauen). Dieses rrBefehlen~hat sich noch in unserem nempfehlen<<erhalten. Luther sagt irnmer iiberall noch statt nempfehlenn ubefehlenu - commendare. Auf dern Wege iiber das Wanzosische wird das >>Befehlen<< zum ncommandieren<<,genauer zrbmischen imperare - im-parare = einrichten, die Vorkehrung treffen, d. h. prae-cipere, im voraus besetzen und dadurch das Besetzte als Gebiet haben, dariiber gebieten. Imperium ist das auf dern Gebot griindende Gebiet, in dern die anderen botmaflig sind. Imperium ist der Befehl im Sinne des Gebots. Der Befehl, so verstanden, ist der Wesensgrund der Herrschah, nicht etwa erst ihre Folge und gar nicht nur eine Form ihrer Ausiibung. So ist auch der alttestamentliche Gott ein rbefehlendere Gott: udu sollst nichtn, ndu sollstn ist sein Wort. Dieses Sollen wird auf Gesetzestafeln niedergeschrieben. Kein Gott der Griechen ist ein befehlender Gott, sondem ein Zeigender, Weisender. Das romische xnumenu, wodurch die romischen Gotter gekennzeichnet sind, bedeutet dagegen x GeheiI3n und >>Willenund hat Befehlscharakter. Das uNuminosea, streng gedacht, trifft nie das Wesen der griechischen, d. h. im Bereich der hhfi4na wesenden Gotter. In den Wesenr bereich ndes Befehls. gehort das romische uRechtu, ius. Das Wort hiingt mit jubeo zusammen: heiDen, durch GeheiB tun lassen und im Tun und Lassen bestimmen. Der Befehl ist der Wesensgrund der Herrschaft und des romisch verstandenen >>imRe& seinsn und sRecht-habensu, des iustum. DerngemiiB hat die iustitia einen ganz anderen Wesensgrund als die 8iw. die au<der &A$ka west. Zum Befehlen als dern Wesensgmhd der Herrschaft geh6rt das Obensein. Das ist nur moglieh als die stihdige Uberhihung der anderen, die dabei die Unteren sind. I n der Uberh L u n g liegt wiederum das stiindige Ubersehen-kbnnen. Wir
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sagen ja auch: etwas >>ubersehencc,d. h. es >>beherrschencc.Zu dieser die Uberhohung mittragenden Ubersicht gehort das standige nAuf-der-Lauer-liegene. Das ist die Form des alles iibersehenden, aber noch an sich haltenden Handelns, riimisch der actio des actus. Das uberhohendeObersehen ist jenes behelr schende >>Sehena,das in einem oft angefiihrten Wort Caesars zum Ausdruck kommt: veni, vidi, vici - ich kam, ich iibersah und ich siegte. Der Sieg ist bereits nur die Folge des caesarischen Ubersehens und Sehens, das den Charakter der actio hat. Das Wesen des imperium ruht im actus der stkdigen "Aktionn. Die imperiale actio der stiindigen Uberhohung der anderen schlieDt in sich, daD die anderen, falls sie sich in die gleiche oder gar an dieselbe Hohe des Befehls erheben, gefdlt werden - r h i s c h : fallere (Partizip: falsum). Das Zu-Fallbringen gehort notwendig rum Bereich des Imperialen. Das Zu-Fall-bringen kann im >>direktenccAnsturm und Niederwerfen geschehen. Der andere kann aber auch dadurch zum Fall gebracht werden, daD ihm von hinten her, durch die Umgehung, nein Bein gestellt wirdn. Das xZu-Fall-bringenn ist jetzt das Hinter-gehen, der >>Trick<<, welches Wort nicht zufallig aus dem >>Englischennkommt. Das Hintergehen ist, von au8en betrachtet, das umstkdliche und daher mittelbare ZuFall-bringen im Unterschied zum unmittelbaren Niederwerfen. Dabei wird der Zu-Fall-Gebrachte nicht vemichtet, sondem in gewisser Weise wieder aufgerichtet in den Grenzen, die durch den Herrschenden abgesteckt werden. Dieses xAbsteckenu heiDt rbmisch pango, davon das Wort pax - der Friede. Dieser ist, imperial gedacht, der festgesetzte Zustand der Zu-Fall-Gebrachten. In Wahrheit ist das Zu-Fall-bringen im Sinne des Hintergehens und Umgehens nicht die mittelbare und abgeeleitete, sondem die eigentliche, imperiale actio. Nicht im Krieg, sondern im fallere des hintergehenden Umgehens und In-Dienst-nehmens fur die Hemchaft zeigt sich der eigentliche und *gmDe<
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Territorium und dessen Ausbreitung sicherte, bekundet iiberall das klare Vorgehen des Umgehens und EinsehlieDens durch entsprechende Vertrage mit weiter hinaus liegenden Stammen. Im rbmischen fallere, Zu-Fall-bringen als einem mtergehen, liegt das wTauschenn; das falsum ist das tiickisch Tauschende: >>dasFalschecc. Was geht vor sich, w e m das griechische $&G8o>erkommt unbemerkta; griechisch gedacht: wer bleibt verborgen als der Kommenden. Der romische Geschichtsschreiber Livius sagt: fallit hostis incedens; deutsch: >>unbemerktnahert sich der Fe&du; romisch gedacht: ,der Feind tauscht der sich n&emdea; eigentlich aber besagt
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der Satz: ~ d eFeind r bringt als herankommender zu Falle. Das ist sinnlos und hat nur Sinn, wenn bereits das fallere als ZuFall-bringen im Sinne des Hintergehens und dieses als Tauschen und dieses als Verhehlen gedacht ist. Das griechische 4 ~ ~ < 8 0 wird 5 iibernornrnen, ohne da13 der in diesem mal3gebende Wesensbereich der Verbergung erfahren ist. Insglei&en sagt Livius von einem Mann, qui natus moriensque fefellit - deutsch: .der unbekannt geboren m r d e und unbekannt starbn; romiseh gedacht und gesagt wird: nder die Menschen zu Fall gebracht und irregefuhrt hat bei seiner Geburt und seinem Sterbencc. Griechisch gedacht hat diese Redeweise einen Sinn: >>Verborgenheitwar urn ihn bei seiner Geburt und bei seinem Toda. Aber ein Neugeborener kann nicht gut, was das romische Wort doch sagt, seinen Mitmenschen bei seiner Geburt xein Bein stellenn und sie m Fall bringen oder auch nur tauschen, wohl dagegen kann er in der Verborgenheit bleiben. Das riimische fefellit bedeutet einen anderen Wesensbereich als das griechische BMv8ave. Das romische falsum ist fur das griechische 14Eij805 etwas Fremdes. Die Herrschaft des Romischen und die Umbildung des Griechentums in das Romische beschriinkt sich jedoch keineswegs auf einzelne Einrichtungen der griechischen Welt oder auf vereinzelte Haltungen und xAusdrucksweisena des griechischen Menschentums. Die Romanisierung des Griechentums durch die Romer erstreckt sieh aber auch nicht nur der Summe nach auf alles von ihnen Aufgenomrnene. Das Entscheidende bleibt? daS die Romanisierung im Wesenhaften des griechisch-romischen Geschichtsbereiches angreift als ein Wandel des Wesens der Wahrheit und des Seins. Dieser Wandel hat das Auszeichnende, daB er im Verliorgenen bleibt und dennoch alles zurn voraus bestimmt. Dieser Wandel des Wesens der Wahrheit und des Seins ist das eigentliche Ereignis in der Geschichte. Das Imperiale als Seinsart des geschichtlichen Menschentums ist jedoch nicht der Grund fur den Wesenswandel der & h i $ ~ ~ azur veritas als rectitudo, sondem dessen Folge und als diese Folge
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die rniigliche Ursache und Veranlassung fur die Entfaltung des Wahren im Sinne des Richtigen. Die Rede vom xmandel des Wesens der Wahrheitn ist freilich ein Notbehelf; denn sie noch gegenstiindlich von der Wahrheit und nicht aus der Weise, wie sie selbst west und die Geschichte xistx. Der Wesenswandel der Wahrheit tragt zugleich dasjenige, worin die historisch faBbaren Wirkungszusammenhange der abend]andischen Geschichte grtinden. Deshalb beruht auch der ges&ichtliche Weltzustand, den man nach der historischen Zeitr e b u n g das Zeitalter der Neuzeit nennt, mit auf dem Ereignis der Romanisierung des Griechentums. Die mit dem Beginn der Neuzeit zusammengehende >Renaissance<< der Antike ist der eindeutige Beweis dafur. Eine entfemtere, aber keineswegs gleichgultige Folge der Romanisierung des Griechentums und der romischen Wiedergeburt der Antike ist die Tatsache, dal3 wir heute noch das Griechentum mit romischen Augen sehen, und zwar nicht nur innerhalb der historischen Erforschung des Griechentums, sondem, was allein entscheidend bleibt, in der geschichtlichen metaphysischen Auseinandersetzung der modernen Welt mit der Antike. Die Metaphysik Nietzschees, den man gem als den modemen Wiederentdecker des Griechentums auffaBt, sieht die griechische >> Weltcr durchaus romisch, und d. h. zugleich neuzeitlich und ungriechisch. Insgleichen denken wtr die griechische x6hg und das xPolitischen ganz ungriechisch. Wir denken das ~Politische<< romisch, d. h. imperial. Im Gesichtskreis des sromischn verstandenen Politischen ist das Wesen der griechischen x6Aic nie zu fassen. Sobald wir den Bli& auf die einfachen, fiir den Historiker allerdings gleichgiiltigen, weil unauffalligen und larmlosen, Wesensbereiche richten, in denen es kein Ausweichen gibt, d a m , aber auch nur d a m , erfahren wir, dal3 unsere gewohnten Grundvorstellungen, namlich die romischen, christlichen, neuzeitlichen, am anfkglichen Wesen des Griechentums elend zerbrechen.
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Wiederholung 2) Riickbesinnung auf das Wesen des >>Falschencc und auf das Verhehlen und Enthehlen des q~G8og. Das Walten des romisch imperialen >>Oberbefehls<< und die Tragweite des Unterschieds zwischen ~ E G ~ ound , falsum Wir besinnen uns auf das Wesen des q~Gi3og,wofiir man gewohnlich sagt: i>dasFalschex. Wozu aber xbeschaftigena wir uns, gesetzt, da13 wir uns hier iiberhaupt >>besc&ftigencc,mit dem Falschen? Wir wollen do& das Wahre und haben Miihe genug, dieses zu finden und zu bewahren. Wir wollen das >>Positive<<. Was soll die Griibelei iiber das Negative? Das ist alles gut geredet. Doch wir rennen bei unserer Besinnung auch nicht hinter iiber das Wesen des Faldem Falschen her. Wir denken >>nurrc schen nach. Aber das Wesen des Falschen ist selbst nichts Falsches. Es ist davon so weit entfernt, daD das Wesen des Falschen vielleicht sogar mit das Wesentlichste im Wesen des Wahren ist. Es konnte doch sein, daB wir das Wahre deshalb so schwer und darum so selten finden, weil wir vorn Wesen des Falschen nichts wissen und nichts wissen wollen. Es kbnnte sein, daB wir in einer unheimlichen Verblendung umherirren, wenn wir meinen, das Wesen des Negativen sei selbst etwas >>Negatives<<. Wer nichts vorn Wesen des Todes weiD, dem fehlt jede Spur eines Wissens vorn Wesen des >>Lebenscc.Das Wesen des Todes ist nicht ein Unwesen. Das Wesen der Negativitatt.ist nichts Negatives, aber auch nicht nur etwas >>Positives<<. Der Unterschied des Positiven und Negativen reicht nicht zu, um das Wesenhafte zu fassen, dazu auch das Unwesen gehbrt. Das Wesen des Falschen ist nicht etwas >>Falschescc. T6 q~G80g- wir iibersetzen gewohnlich >>dasFalschecc - ist griemisch gedacht das Verstellende. Die Verstellung 1 8 t etwas; das sie hin- und aufstellt, anders erscheinen, als es >>inWahrheitn ist. In dem nanders alsx liegt das xNicht-so-wie*, das,
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der Enthehlung und Unverborgenheit her erfahren, eine Verbergung vollbringt. Sofem jedoch die Verstellung nicht nur uetwas anderes* davorstellt, niimlich vor das Dar-zustellende, sondem etwas anders erscheinen laDt, als es uin Wahrheit<>falsch<< romischen falsum, das als participium zu fallere gehort ; desselben Stammes ist das deutsche Wort ,fallen<<,zu-Fall-bringen, und das griechische ~ ~ c i MWenn o. wir dieses griechische Wort mit .tauschen
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66 Der seinsgeschichtliche Bereidt von M j k t a und Aj8q ich befehle. Der Befehl ist der Wesensgrund der Herrschaft, weshalb wir verdeutlichend und gemtil3er imperium durch >>Oberbefehl<< ubersetzen. Das Obensein gehort zur Herrschaft. Das Obensein ist nur moglich durch das stkdige Obenbleiben in der Weise der stkdigen Uberhohuntg. Diese ist der eigentliche actus der imperialen Aktion. Im Wesen der s t k digen Uberhohung liegt wie die Talschaft im Gebirge das Niederhalten und Zu-Fall-bringen. Das bloBe >>Fallen<< im Sinne des Niederschlagens ist zwar die griibste, aber es ist nicht die eigentliche und wesenhafte imperiale Weise des Zu-Fallbringens. Der groDe und innerste Wesenszug der wesentlichen Herrschaft besteht darin, dal3 die Beherrschten nicht niedergehalten oder gar nur verachtet sind, sondem umgekehrt, daB sie innerhalb des Gebietes des Gebots selbst ihren Dienst anzubieten vermogen fur die Bestandsicherung der Herrschaft. Das Zu-Fall-bringen geht darauf, dal3 die Fallenden in gewisser Weise stehen bleiben, aber nicht oben stehen. Das imperiale Zu-Fall-bringen, das fallere, ist daher das stehenlassende Hintergehen und Umgehen. Fur das Romertum bestimmt sich das Wesen der Tauschung, der Irrefiihrung, der Verstellung, und d. h. des ~+~
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dischen J C ~ A L Sentsprungen ist, wird romisch verstanden. Das griechische Wort >>politis&<< bedeutet etwas >>Romischescc,seit der Zeit des Imperiums. >>Griechischccist daran nur noch der blol3e Wortschau. I
c) Das Imperiale in der Gestalt des Kurialen der Kurie. Der Zusarnmenhang von >>verum<< und >>wahrcc. Die undeutsche Bedeutung von >>wahrcc durch das romischchristliche >>verumcr. Verum: das feststehende Rechte als Gegenwort zum falsum. Verum und a-pertum; Aa66v und sein Gegenteil zum &Aq6Q5
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Wir stehen bei der Frage: Welche Pewandtnis hat es mit dern Wesen des Falschen, dern romischen falsum? Eine nahere Betrachtung des Vorgangs, durch den das Romertum griechisches Dichten, Denken, Sagen und Bilden aufgenommen hat, zeigt: Das falsum, d. h. das Zu-Fall-bringende, hat das q~<805,d. h. das Verstellende, nach seinem Sinn umgewandelt und sich so anverwandelt und dadurch verdrkgt. Solche Anverwandlung ist jedeneit die gefahrlichste, aber auch die dauerhafteste Form der Beherrschung. Seitdem kennt das Abendland das WESOS nur no& in der Gestalt des falsum. Der Gegensatz zum Wahren ist uns das Falsche. Aber nicht allein die Begriindung des Vorrangs des Falschen als der maWgebenden Deutung des Wesens der Unwahrheit im Abendland geschieht durch das Romertum. Auch die Verfestigung dieses Vorrangs des falsum vor dern I+E~%os und die Bestiindigung dieser Verfestigung ist romisches Werk. Das Wirkende bei diesem Werk ist aber jetzt nicht mehr das staatliche, sondern das kirchliche >>Imperiumcc,d. h. das Sacerdotium. Das ~Imperialecckommt in die Gestalt des Kurialen der Kurie des romischen Papstes. Dessen Herrschaft griindet gleichfalls im Befehl. Der Befehlscharakter liegt im Wesen des kirchlichen Dogmas. Deshalb rechnet dieses in gleicher Weise sowohl mit dern ~Wahrenccder >>Rechtglaubigen<< als auch mit dern >>Fal-
68 Der seinsgeschichtliche Bereich von lAfi9~~a und Afih &en>> der >>Haret&er>Unglaubigen>Falschen>zuFall bringende und damit auch das Wort >>falschccerlautert haben, sind die Ilauptbedingungen bereitgelegt, um zu erkennen, wie es mit dern romischen Wort fiir hhq685, d. h. mit dern verum, und wie es vor allem rnit unserem deutschen Wort fur &hfi6~ia, mit dern Wort >>Wahrheitcc und mit dern Wort >>wahrccbestellt ist. Weil >>wahrccdas Gegenwort zu >>falschccist, dieses aber vom romischen falsum stammt, mu13 das >>verumccals das romische Gegenwort zu falsum wohl mit dern falsum in denselben Wesensbereich gehoren und somit auch das >>wahrccin diesen Wesensbereich einbeziehen. Hierbei ist freilich vorausgesetzt, daB >>wahrccund >>verum>wahrccfriihzeitig durch das romischchristliche verum bestimmt wurde. Dieser Vorgang hat seinen eigenen Tiefgang und seine groBe Tragweite, da ja die veritas und das verum in der Verkiindigung des Christentums bei den Germanen kein beliebiges romisches Wort darstellt. Denn der christliche Glaube wird als das Ganze, das er ist, selbst als >>die<( veritas, als sdascc verum, als >>dasWahrecc gebracht, weil Christus von sich selbst sagt: Eyd~Eipb 4 66bg xai 4 & h q a ~xai ~ a 4 Cwfi (Joh. 14, 6). An diesem Wort ist nur noch der Wortlaut griechisch. Deshalb konnte dieses Wort alsbald in die romische Sprache der Vulgata iibergehen: Ego sum via, et veritas, et vita. >>I&bin
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der Weg und die Wahrheit und das Lebenn. Das deutsche Wort >>Wahrheitccund >>wahrccsteht in der Bedeutung des durch die lateinische Kirchensprache herrschenden verum und veritas. Ob daneben und vordem das deutsche >>wahrccnoch eine eigene Grundbedeu~nghatte, die nicht aus dern verum und d. h. dern falsum sich bestimmte, ist strittig, weil dunkel. Es ist dunkel, weil nirgend ein anderes Wesen des >>wahrcc und der >>Wahr-heitccans Licht und in die Geschichtlichkeit der deutschen Geschichte kommt. Man sagt zwar in bezug auf das Wort swahra nicht so entschieden wie die Briider Grimm hinsichtlich des Wortes >>falschcc:>>einundeutsches Wortcc. Gleichwohl mussen wir es sagen: >>wahrccist ein undeutsches Wort, im Hinblick auf die eindeutig klare Tatsache, daB die ma13gebende Bedeutung von nwahru durch das romisch-christliche verum bestimmt bleibt. Doch was bedeutet das lateinische verum? Der Wortstamm r vercc ist indogermanisch, insgleichen wie der Stamm >> fall x fur ocphhhm, fallere, nfallenn. Der Stamm xvern zeigt sich eindeutig in unserem deutschen Wort >> wehrencc, n die Wehrx, sdas Wehrcc; darin liegt das Moment des >>Gegencc, des >>Widerstandew : rdas Wehr<<- der Damm gegen . . ., italisch-oscisch nvenlcc, das Tor - was den Durchgang und Einlalj sperrt verostabulum - vestibulum - Vestibul, der Raum, der vor dern eigentlichen abschlieljenden EinlaB, dern ver, nstehta, (stabulum), der Raum vor der Tur. Allein, im >>vercclie@ nicht nur das Widerstkindige. Sonst ware das Wort >>Ab-wehrcceine blolje Tautologie; nwehrcc ist nicht in sich schon und nur wehrgegen. Im >> Parcivalx bedeutet nvercc nicht Abwehr, sondem Sichwehren, Sichbehaupten: wehr-fur. >>Verccbedeutet dann: die Stellung halten, in Stand bleiben, wozu freilich irnmer in gewisser Weise der Widerstand gehart, der seinerseits aber doch nur stets aus einer Standfestigkeit kommen kann. >>Vercc, das sagt: in Stand-stehen, in Stand-bleiben, d. h. nicht-fallen (kein falsum), oben bleiben, sich behaupten, das Haupt-sein, befehlen. Das Sichbehau~tendeund das Aufrechtstehende -
70 Der seinsgeschichtliche Bereich von iUi$ela und 148q Aufrechte. Das verum hat seine Bedeutung des feststehenden Rechten als Gegenwort zum falsum aus dern imperialen Wesensbereich erhalten. Dadurch ist aus dern ~rs~riinglichen Wort ,>vercc eine Bedeutung abgedrkingt worden, die im altlateinischen veru in der Bedeutung von Tor und Tiir, aber auch im deutschen >>dasW e h r ~ klar zum Vorschein kommt: das Tor, das zuschIieBt und verschlieBt. Das Wehr, das abschlieBt. Das Urspriingliche in >>verc< und verum ist das VerschlieBen, Verdecken, Verbergen und Bergen, nicht aber die >>Wekc< als Widerstand. Das entsprechende griechische Wort dieses indogermanischen Stammes ist Egvya - die Schutzwehr, die Bedeckung, die VerschlieBung. " E ~ v ~ womit a, also das romische Wort fiir verum unmittelbar zusammenhiingt, bezeichnet jedoch im Griechischen gerade das Entgegengesetzte zum griechischen Wort fiir >>dasWahrecc, zur &AfiS&~a: verum, Bevya die VerschlieSung, Bedeckung; &1fi6&1a: die Ent-deckung, Entbergung. Doch wie konnte anders eine Entgegensetzung walten, wenn nicht beide, aber verhiillterweise, in derselben Wesensdimension sich hielten? Das romische Wort fur ~ d a Wahreg, s Bvercc, hat die allerdings verschiittete oder nie eigens und rein freigewordene Grundbedeutung des zuschlieBenden Deckens, AbschlieBens. Der Gegensatz zum ~ver-cc,>>vemccals dem VerschlieBenden ist das Nicht-VerschlieBen. Dieses >>opponiertcc gegen das verum. Das >>Opponierende<,Entgegenhandelnde wird im Rijmischen ausgedriickt durch die Vorsilbe op-; >>gegene das VerschlieBen, gegen das >>ver
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Das lateinishe vemm m a t e , strenggenomrnen, d a m mit dem griechischen Q&iibggleichgesetzt werden, wenn anders dieses das Gegenwort zu &Aq86~ ist. Aber das romische verum de&t sich nicht nur nicht mit dern *&G80<,sondem ist das gerade Gegenteil zum romisch verstandenen ~ E G ~ o sd. , h. zum falsum. Bedenken wir dieses, dann zeigen sich uns geheimnisvoLle Wege der Sprache und des Wortes in dern Bereich, wo sich die Wesensmoglichkeit des Wortes selbst und d. h. die der Wahrheit ihres Wesens entscheidet. Hisichtlich des romi&en Namens fur das Wahre, das verum, behalten wir zwei Ereignisse im Gedachtnis: 1. verum, ver-, bedeutet urspriinglich VerschlieBung, Bedekkung. Das romische verum gehort in den Bedeutungsbereich des griechischen Mq6t~,des Unverdeckten, so zwar, dal3 verum genau das Gegenteil zu &Aq685bedeutet: das Verschlossene.
2. Weil nun aber das venun als Gegenwort zum falsum gesagt wird und weil fur verum und falsum und ihren Gegensatz der Wesensbereich des imperium entscheidend bleibt, erhalt die Bedeutung von ver-, niidich die VerschlieBung und Bedeckung, den Grundzug der Deckung zur Sicherung gegen; >>verc< ist jetzt das Sich-behaupten, das Obenbleiben; >,vercc ist der Gegensatz zum Nicht-fallen; verum ist das Stehenbleibende, das Aufrechte, das nach oben Gerichtete, weil von oben her Richtende: verum ist rectum (regere, >>dasRegime<<): das Rechte, iustum. Der Bereich der Verbergung und der Entbergung kommt im Romischen, obzwar er schon im >>verccgestreift wird, iiberhaupt nicht dazu, der maBgebende Wesensbereich zu werden, aus dern sich das Wesen der Wahrheit bestirnmt. Vom Imperialen her ist das verum alsbald das Obenbleiben, zum Recht Weisende; veritas ist rectitudo, wir sagen >>Richtigkeitcc.Diese ursprihglich romische Pragung des Wesens der Wahrheit, die den alles durchherrschenden Grundzug in das Wesen~gezii~e des abendlandischen Wahrheitswesens tmacht, kommt nun aber von sich aus einer Entfaltung des
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Wesens der Wahrheit entgegen, die sich bereits innerhalb des Griechentums anbahnt und die zugleich den Beginn der abendlkindischen Metaphysik bezeichnet. d) Der Wandel im Wesen der &AfiS&~a seit Platon. Die Aufnahme der >>Reprasentationcc der &A~'l6sia durch die dpoioay (als rectitudo der ratio) in die veritas. Die rectitudo (iustitia) der kirchlichen Dogmatik und die iustificatio der evangelischen Theologie. Das certurn und der >>usus rectuscr (Descartes). Hinweis auf Kant. Die SchlieBung des Ringes der Wesensgeschichte der Wahrheit im Wandel der veritas zur >> Gerechtigkeit c< (Nietzsche).Die Einmauerung der &A46&ia irn romanischen Bollwerk der veritas, rectitudo und iustitia Seit Platon und vor allem durch das Denken des An'stoteles vollzieht sich innerhalb des griechischen Wesens der Bh46~taein Wandel, zu dem in gewisser Hinsicht die &A$S&iaselbst notigt. 'AAq6Es ist von friih an das Unverborgene und das Entbergende. Das Unverborgene kann als ein solches fur den Menschen und durch den Menschen nur so entborgen werden, daB das entbergende Verhalten sich an das Unverborgene halt und mit ihm iibereinkornmt. Fur dieses Verhalten gebraucht Aristoteles das Wort & A ~ ~ E ~ E L im v : erscheinen-lassenden Sagen entbergend an das Unverborgene sich halten. Dieses sich daran haltende Obereinkommen mit dem UnverborgenenheiBt piechisch dpoioa~q- das entbergende Entsprechen, das das Unverborgene ausspricht. Dieses Entsprechen nirnmt und halt das Unverborgene als das, was es ist. Etwas fur etwas halten heifit griechisch oIeo6ar. Der A6yo5, das bedeutet jetzt die Aussage, hat die Verfassung des oIsoSai. Diese entbergende Entsprechung halt sich und vollzieht sich noch ganz im Wesensraum der &Afi6siaals Un~erborgenheit.~ Zugleich jedoch iibernimmt Uber dped; und d p 0 6 q 5 vgl. unten S. 119 f.
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bpoiwa~<, d. h. das iibereinkommende Entsprechen, als die Vollzugsweise des & A ~ ~ E ~ E gleichsam LY die maBgebende >>Reprgsentati~nnder &A$EL~. Diese ist als Nicht-Verstellen des Seienden die Angleichung des entbergenden Sagens an das zeigende, entborgene Seiende, ist dpoiwois. Die &Afi6aa stellt sich fortan nur noch in dieser Wesensgestalt dar und wird such nur so genommen. Die aus anderem Ursprung stammende veritas als rectitudo ;st nun aber wie geschaffen, das Wesen der & A T ' ~ ~ Ein L ~ der fortan >>reprasentativencrGestalt der bpoiooy in sich aufzunehmen. Die Richtigkeit der Aussage ist ein Sichrichten nach dem Errichteten, Feststehenden, Rechten. Die griechische bpoio~i>Sichrichten nach . . .cr liegt das, was die Griechen o'iso6a~nennen, etwas fur etwas halten und es also nehmen. Doch w a r e n d griechisch das ~ e t w a sfur etwas haltencc noch im Wesensbereich des Entbergens und der Unverborgenheit erfahren wird, bleibt das romisch gedachte >>etwasfiir etwas haltenrc ohne diesen Wesensbereich. >>Etwasfur etwas halten<
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Spruches: res ad triarios venit sagen: res &I$&iaq ad rationem venit. Das Wesen der Wahrheit als der veritas und rectitudo geht an die ratio des Menschen iiber. Das griechische &hqB~6~1v, entbergen des Unverborgenen, das noch fur Aristoteles das Wesen der TEXT durchwaltet, wandelt sich in das rechnende Sicheinrichten der ratio. Diese bestimmt inskiinftig zufolge einer neuen Wesenswandlung der Wahrheit das Technehaftc der modernen, d. h. der Maschinen-Technik. Diese hat ihren Ursprung im Ursprungsbereich, aus dem das Imperiale kommt. Das Imperiale entspringt aus dem Wesen der Wahrheit als Richtigkeit im Sinne der richtunggebenden, einrichtenden Sicherung der Sicherheit der Herrschaft. Das >>fiir-wahr-haltencc der ratio, des reor, wird zum aus- und vorgreifenden Sicherstellen. Die ratio wird zur Rechnung, zum calcul. Die ratio ist das Sicheinrichten a d das Richtige. Die ratio ist eine facultas animi, ein Vermogen des menschlichen Geistes, dessen actus sich innerhalb des Menschen abspielt. Unterschieden von der ratio ist die >>rescc,die Sache. An diese soll in der rectitudo als adaequatio eine Angleichung erfolgen. Alles aber jetzt ohne den inzwischen vollig verschutteten und vergessenen Wesensraum der &hilB~ta,der Unverborgenheit der Sachen und des entbergenden Verhaltens des Menschen. Das Wesen der Wahrheit als veritas und rectitudo ist ohne Raum und Boden. Die veritas als rectitudo ist ein Charakter des seelisch-geistigen Verhaltens im Inneren des Menschen. Darum muB hinsichtlich der Wahrheit gefragt werden: Wie kann iiberhaupt ein seelisch-geistiger Vorgang im Inneren des Menschen zur Obereinstimmung gebracht werden mit den Sachen d r a d e n ? Jetzt beginnen die Erklarungsversuche innerhalb eines ungeklarten Bezirkes. Bedenken wir, daB seit langem schon das Wesen des Menschen als animal rationale, und d. h. hier als das denkende Lebewesen, erfahren wird, dann ergibt sich, dal3 die ratio nicht irgendein VermSgen unter anderen, sondern das Grundvermogen des Menschen ist. Was der Mensch aus diesem Vermo-
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gen vermag, entscheidet uber sein Verhdtnis zum verum und fals-. Um das Wahre als das Rechte und Richtige zu erlangen, rnuO der Mensch des rechten Gebrauchs seines Grundvermagens g e d und sicher sein. Das Wesen der Wahrheit be,t-t sich aus dieser Sicherheit und GewiBheit. Das Wahre wird zurn Gesicherten und Gewissen. Das verum wird zurn certum. Die Frage nach der Wahrheit wird zur Frage, ob und wie der Mensch sowohl des Seienden, das er selbst ist, als auch des Seienden, das er selbst nicht ist, gewiB und versichert sein konne. Das Romische in der Gestalt der kirchlichen Dogmatik des christlichen Glaubens hat wesentlich zur Verfestigung des Wesens der Wahrheit im Sinne der rectitudo beigetragen. Derselbe Bereich des christlichen Glaubens ist es, von dem aus der neue Wandel des Wesens der Wahrheit, der vom verum zum certum, sich einleitet und vorbereitet. Luther stellt die Frage, ob und wie der Mensch des ewigen Heils, d. h. >>der Wahrheitcc, gewil3 und versichert sei, ob und wie er ein >>wahrer
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76 Der seinsgeschichtliche Bereich von s f i 6 ~ und ~ a Afih Mitte der evangelischen Theologie. Das neuzeitliche Wesen der Wahrheit ist von der GewiBheit, der Rechtheit, des Gerechtseins und der Gerechtigkeit her bestimmt. Der Beginn der neuzeitlichen Metaphysik beruht darin, dal3 das Weseu der veritas sich zur certitude wandelt. Die Frage nach dern Wahren wird zur Frage nach dern sicheren, gesicherten und sich selbst sichemden Gebrauch der ratio. Descartes, der erste Denker der neuzeitlichen Metaphysik, fragt nach dern usus rectus rationis, d. h. facultatis iudicandi, nach dem rechten Gebrauch der Vemunft, d. h. des Vermogens zu urteilen. Das Wesen des Sagens und Aussagens ist jetzt schon langst nicht mehr der griechische Ibyo~,d. h. das ~ o c p a i v ~ a 6 a ~ , das Erscheinenlassen des Unverborgenen. Das Wesen des Sagens ist das romische iudicium - das Rechte sagen, d. h. das Rechte sicher treffen. Deshalb findet sich im Grundbuch der neuzeitlichen Metaphysik, in den >>Meditationesde prima philosophiacc des Descartes, in den Besinnungen iiber die Metaphysik, die Meditatio quarta, die handelt de vero et falso. Die falsitas wird jetzt, wo aUes auf den usus rectus rationis humanae ankommt, als usus non rectus facultatis iudicandi begriffen. Der usus non rectus ist der error, der Irrtum; besser gesagt: das Irren und die Irre wird aus dern usus non rectus facultatis iudicandi begriffen. Das Unwahre ist das Falsche im Sinne des Irrigen, d. h. des unrichtigen Vemunftgebrauchs. Im zweiten Grundbuch der neuzeitlichen Metaphysik, in Kants >>Kritikder reinen Vemunftcc, wird iiberall nach dern usus, nach dern Gebrauch der Vernunft gefragt. sKAtik der reinen Vemunftcc heil3t Wesensumgrenzung des rechten und unrechten Gebrauchs des menschlichen Vemunftvermogens. Die Frage nach dem >>rechtenGebrauch
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menschlichen Haltung und ihres Verhaltens. Das Wahre, ve-, ist das die Sicherheit verburgende Rechte und in diesem Sinne Gerechte. Diirfen wir uns da, falls wir diese Zusammenhange geschichtlich als unsere Geschichte, d. h. als neuzeitlich europaische >>Weltcc-geschichte, erfahren und erke~nen,noch wundern, da13 Nietzsche, durch dessen Denken die abendlandische Metaphysik ihren Gipfel ersteigt, in seinem Denken das Wesen der Wahrheit in die Sicherheit und >>Gerechtigkeitcc griindet? Auch fur Nietzsche ist das Wahre das Richtige, das sich nach dem Wirklichen richtet, urn sich ihm gemal3 einzurichten und so darin zu sichern. Das Wirkliche hat den Grundzug des Wilens zur Macht. Das Richtige mu13 sich nach dern Wirklichen richten, also das aussprechen, was das Wirkliche spricht, und das ist der >>Willezur Machtcc. Dieser spricht das, wonach alle Richtigkeit sich richten m d . Die Entsprechung zu dem, was der Wille zur Macht spricht, ist das Rechte, d. h. die Gerechtigkeit. Sie hat am Ende der abendlandischen Metaphysik ihr Wesen im Machtspruch des Willens zur Macht. Fur das Wort >>Willezur Machtcc gebraucht Nietzsche meist auch den Titel >>Lebenccgemalj der seit der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts iiblichen >>biologischenccDenkweise. Deshalb kann Nietzsche sagen: Die >>Gerechtigkeitist hochster Reprasentant des Lebens selbercc. Das ist christlich gedacht, aber in der Weise denkt im Sinne dessen, wogegen des Antichristen. Alles >>Antic< es >>antic< ist. Die Gerechtigkeit nach dern Sinne Nietzsches prasentiert den Willen zur Macht. Wahrheit ist abendlandisch veritas. Das Wahre ist das auf je verschiedenen Griinden Sichbehauptende, Obenbleibende, von oben Kommende, der Befehl, wobei wiederum das >>Obencc und das >>Hochsteccund der >>Herr<< der Herrschaft in verschiedenen Gestalten erscheint. >>DerHerr<>dieVemunftcc; >>derHerra ist der >>Weltgeistcc.>>DerHerrcc ist >>derWille zur Machtcc. Der Wille zur Macht ist nach Nietzsches ausdriicklicher Be-
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78 Der seinsgeschidttliche Bereich von Mi$st.a wtd stimmung in seinem Wesen der Befehl. Im Zeitalter der Vollendung der Neuzeit zu einem geschichtlichen Gesamtzustand der Erde erscheint das romische Wesen der Wahrheit, die veritas als rectitudo und iustitia, als die >>Gerechtigkeitcc.Sie ist die Grundgestalt des Willens zur Macht. Das Wesen des >>Rechts>Derthierische Willecc: ~Recht= der Wille, ein jeweiliges Machtverhaltnis zu verewigen . . .a.6 Die romische veritas ist zur >>Gerechtigkeitcc des Willens zur Macht geworden. Der Ring in der Wesensgeschichte der metaphysisch erfahrenen Wahrheit hat sich geschlossen. AuBerhalb des Ringes jedoch ist die & A ~ ~ ~ Egeblieben. ux Ihr Wesensbereich ist innerhalb des Herrschaftsgebietes der abendlandischen veritas wie verloscht. der Geschichte des Es scheint, als habe sich die &hfilq~~a abendlkdischen Menschentums entzogen. Es scheint, als sei an den Ort des Wesensbereiches der & A ~ ~ E L die U romische veritas und die aus ihr sich entfaltende Wahrheit als rectitudo und iustitia, Richtigkeit und Gerechtigkeit, getreten. Es scheint nicht nur so, es ist so. Der Wesensbereich der &A+$EL~ ist verschiittet. Doch ware er nur verschiittet, d a m miil3te es ein leichtes sein, den Schutt wegzuraumen und den Bereich wieder freizulegen. Allein, der Wesensbereich der &Afi6s~a ist nicht nur verschiittet, sondem er ist verbaut durch das riesige Bollwerk des in einem mehrfachen Sinne >>romischccbestimmten Wesens der Wahrheit. Zum >>R6mischen>Romanische
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Weise des Mq8~6st.vund der modemen Maschinentechnik ist jetzt nicht niiher zu erortern. Das Bollwerk der Verfestigung des Wesens der Wahrheit als veritas, rectitudo und iustitia hat sich jedoch nicht nur die &A$9st.a geschoben, sondern in die Mauer dieses Bollwerkes ist die &A$8s~aselbst eingemauert, nachdem sie zuvor durch die Umdeutung ein eigens zurechtbehauener Baustein geworden. Darin lie@ der Grund, daD seitdem die &kfi8aa van der veritas und rectitudo her und nur von da her ausgelegt wird. Wie soll dann noch die 6Afi.9~~~ selbst in ihrem eigenen anfbglichen Wesen erfahren werden? Wenn dieses aber versagt bleibt, wie soll dann innerhalb des Herrschaftsbezirks der veritas und rectitudo auch nur dies noch erfahren werden, daB dieser Bezirk der veritas selbst gleichwohl im Wesensbereicl~ iler & A ~ $ E L ~ griindet und stibdig, ohne freilich ihn zu kennen und seiner zu gedenken, ihn in Anspmch nimmt? Wie soll innerhalb des Herrschaftsbezirks der veritas und der rectitudo davon ein Wissen sein oder auch nur aufzukommen versuchen. daB die veritas und die rectitudo und die iustitia das anfangliche Wesen der Wahrheit nicht nur wirklich nicht erschopfen, sondem niemals erschopfen kiiinnen, weil sie iiberall nur im Gefolge der &Afi8st.adas sind, was sie sind? Mag die abendlandische Metaphysik das Wahre hinaufsteigern bis zum absoluten Geist der Metaphysik Hegels, mijgen >>dieEngel<die Heiligencc fiir >>dasWahrecc in Anspruch genornmen sein, das Wesen der Wahrheit ist I k g s t aus seinem Anfang, und d. h. zugleich aus seinem Wesensgrund, gewichen, aus seinem Anfang herausgefallen und so ein Abfall.
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3) Das Geschicht der Zuweisung des Seins: Ruckbesinnung auf die Geschichte des Wesenswandels der Wahrheit. Die >>Bilanzen<< der Historie (Burckhardt, Nietzsche, Spengler). der Geschichte in der Neuzeit Die >>Sinngebungcc Um das in sich ruhende Wesen der anfiinglichen tgriechischen & h f i 6 ~ ~iiberhaupt a auch nur zu sehen, ist es fur uns Spatgekommene notwendig, das im Blick zu haben, wogegen fur uns die & h f i 6 ~ ~sich a abhebt. Darum ist eine Skizze der Geschichte des Wesenswandels der Wahrheit unumgiinglich. Dieser Hinweis handelt nicht historisch von einer Geschichte des Wahrheitsbegrijjes; auch nicht davon, wie die Menschen im Verlauf der Jahrhunderte die Wahrheit aufgefaljt haben; denn diese Auffassung selbst ruht bereits in ihrer Richtigkeit und Unrichtigkeit auf dern Walten eines Wesens von Wahrheit. Die Geschichte des Wesens selbst, der Wahrheit selbst. ist gemeint. Bei diesem Hinweis auf die Geschichte ist, wenn man so will, allerdings eine Auffassung des Wesens der Geschichte leitend. Es ware fatal, wenn es nicht so ware. Und es ware noch fataler, wenn dariiber keine Klarheit bestunde. Dalj der Hinweis auf diese Geschichte schwer und in der Darstellung uberallhin mannigfaltigen groben Mil3deutungen ausgesetzt bleibt, ist nicht weniger gewilj. >>DieGeschichtecc, wesentlich begriffen, und d. h. nus dern Wesensgrund des Seins selbst gedacht, ist der Wandel des Wesens der Wahrheit. Sie ist >>nurccdieses. Hierbei meint das >>nur<< keine Einschriinkung, sondern die Einzigkeit des anfanglichen Wesens, aus dessen Grund die anderen Wesenszuge der Geschichte als Wesensfolgen entspringen. Die Geschichte >>istccder Wandel des Wesens der Wahrheit. Das geschichtlich Seiende hat sein Sein aus solchem Wandel. Bei den Wandlungen des Wesens der Wahrheit sind die unscheinbaren
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seltenen Augenblicke, da die Geschichte innehalt. Diese innehaltenden Augenblicke der verborgenen Ruhe sind die anfanglich .geschichtlichen, weil in ihnen das Wesen der Wahrheit dem Seienden anfanglich sich zuweist und zuschickt. Man meint langst, wo Vorgiinge, Bewegung und Ablaufe seien, wo etwas >>passiere>Geschehencczu tun, und >>Geschehen<>passierencc.Aber Geschehen und Geschichte besagt: Geschick, Schickung, Zuweisung. Echt deutsch sagend, durfen wir nicht sagen: >>die<< Geschichte im Sinne von >>Geschehencc, sondern .das Geschichtc im Sinne von: die Zuweisung des Seins. Noch Luther gebraucht das echt deutsche Wort >>dasGeschicht> des Geschichtscc die Enthiillung des Seins. Wenn aber die Enthiillung das Wesen der Wahrheit ist und wenn je nach dern Wandel dieses Wesens der Wahrheit auch die Zuweisung des Seins sich wandelt, dann ist das Wesen wder Geschichtec der Wandel des Wesens der Wahrheit. In der verborgenen Ruhe dieses Wandels beruht und schwingt, hiingt und schwankt, erstarrt und taumelt dasjenige. was man von der >>Historieccher, d. h. vom Ausspahen und Erkunden der vergegenstandlichten >>Geschichtecraus, als die Begebenheiten und Leistungen, d. h. die Sachen und die Taten, kurz als die Tat-sachen feststellt. Diese Feststellungen treten d a m mit dern riesenhaften Aufwand der technischen Apparatur der modernen Forschung auf und erwecken den Anschein, die Technik der Historie sei die Geschichte selbst. Man setzt daher >>dasHistorische>Historischencczieht man dann die nBilanzencr, man gibt die >>Taxationen<< und rechnet die ~Quotencrder *Kosten<>derMensch<
82 Der seinsgeschichtliche Bereich von dt)c49eca wzd Aii8q m d . Es ist wohl kein Zufall, da13 auch ein Geschichtsdenker vom Range Jacob Burckhardts, und gerade er, sich in dern Gesichtskreis von >>Bilanzencc,>>Taxationen<<, >>Quoten<< und nKostencc bewegt und die Geschichte nach dem Schema ~Kultur und Barbareicc verrechnet. Auch Nietzsche denkt in diesem Schema des 19. Jahrhunderts. Nietzsche macht das >>Schatzen in Wertencc, d. h. das Verrechnen, zur Endform des abendlandischen metaphysischen Denkens. AusschlieBlich auf dern Boden der Metaphysik Nietzsches und ohne jeden urspriinglichen metaphysischen Gedanken hat im Beginn des 20. Jahrhunderts der Schriftsteller 0. Spengler eine >>Bilanzc< der abendliindischen Geschichte aufgestellt und den >>Untergangdes Abendlandescc verkiindet. Heute wie damals 1918, als das anspruchsvolle Buch dieses Titels erschien, schnappen alle Gierigen nur nach dern Ergebnis dieser >>Bilanzcc,ohne sich jemals darauf zu besinnen, auf welchen Grundvorstellungen von der Geschichte diese billige, bei Nietzsche schon klar vorgerechnete und gleichwohl anders und in anderen Dimensionen gedachte Untergangsbilanz aufgemacht ist. Zwar hat die Zunft der ernsten Forscher dern Buch >>Unrichtigkeiten> richtigerecc und >> exakterecc Feststellungen macht. Nur einem Zeitalter, das jede Moglichkeit denkender Besinnung schon preisgegeben hatte, durfte ein ~chriftstkllerein Werk anbieten, bei dessen Ausfiihrung ein gliinzender Scharfsinn, eine riesige Belesenheit, eine starke Begabung zum Typisieren, eine ungewiihnliche AnmaBlichkeit des Urteils, eine seltene Oberflachlichkeit des Denkens und eine durchgiingigc Briichigkeit der Fundamente sich die Waage halten. Bei der verwirrenden Halbwisserei und Fluchtigkeit des Denkens entsteht dann die sonderbare Sachlage, da13 dieselben Menschen, die sich iiber den Vorrang der biologischen Denkweise in der
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Metaphysik Nietzsches emporen, bei den Untergangsperspektiven des Spenglerschen Geschichtsbildes sich wohl fuhlen, das iiberaU und nur a d eine grobschlachtige biologische Deutung der ~eschichtegegriindet ist. Neuzeitliches Meinen uber die Geschichte spricht seit den1 19. Jahrhundert gem von der >>Sinngebung>Sinncc>>verleaen<>an sich<cund zunachst sinnlos sei und jedesmal auf die wSinngebungc>Bilansei, was man in der Eile der Aufstellung >>historischercc zencc mit dern Wort >>Sinnccbelegt. Der >>Sinnccist die Wahrheit, darin je das Seiende als ein solches ruht. Der >>Sinnccder Geschichte aber ist das Wesen der Wahrheit, darin jeweils das Wahre der Zeitalter der Menschentiimer gegriindet bleibt. Was das Wesen des Wahren sei, erfahren wir nur aus dem Wesen der Wahrheit, die je ein Wahres das Wahre sein 1a13t, das es ist. Dem Wesen der Wahrheit versu&en wir hier und ietzt in einigen Schritten nachzudenken.
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4) Das Ereignis des Umschlags des Wesens der Unwahrheit vom griechischen I+eCGoszum romischen falsum. Die Vollendung des Wandels der veritas zur certitudo in1 19. Jahrhundert. Die Selbstsicherung der SelbstgewiBheit (Nietzsche,Fichte, Hegel) Der Wandel des Wesens der Wahrheit in der abendlandischen Geschichte wurde in wenigen Strichen gezeichnet. Die Grundbedeutungen der Gegensatzpaare cIhq48s - I+EG~OS,falsum verum, wahr - falsch, unrichtig - richtig, sollten dem Nachdenken nahergebracht werden. Im Wandel des Wesens der Wahrheit von der cIi\r;l6a~auber die romische veritas zur mittelalterlichen adaequatio, rectitudo und iustitia und von hier zur neuzeitlichen certitudo, der Wahrheit als GewiBheit, Giiltigkeit und Sicherheit wandelt sich mit das Wesen und die Art des Gegensatzes zwischen Wahrheit und Unwahrheit. Hier bildet und verfestigt sich die selbstverstkdliche Meinung, der einzige Gegensatz zur Wahrheit sei die Falschheit. Den Ausschlag in diesem die abendliindischen Jahrhunderte durchwaltenden Wesenswandel der Wahrheit gibt das Ereignis des Umschlags des Wesens der Unwahrheit vom griechischen I+E~%OS zum romischen f a l u m . Dieser Umschlag ist die Voraussetzung fiir die neuzeitliche Pragung des Wesens der Falschheit. Sie wird zum error, zum Irrtum im Sinne des unrichtigen Gebrauches des me'nschlichen VermGgens der Zustimmung und Ablehnung. Der richtige Gebrauch des Urteilsvermogens wird jedoch bestimmt aus dem Hinblick auf das, was die Selbstsicherheit des Menschen sicherstellt. Die Hinsicht und die Ab-sicht auf die Sicherung bestirnmt nun aber ihrerseits die Richtung und die Art des Sehens und die Auswahl dessen, was vorgestellt wird als dasjenige, dem die urteilende Zustimmung und Ablehnung erteilt wird.
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3s Wesen der veritas in der Gestalt der certitudo entfaltet in der Richtung auf die Bestandsicherung des ~Lebenscc. Die .Sicherheit<<des Lebens, d. h. dessen st&diger >>Vor-teil<, beruht nach Nietzsche auf der Richtigkeit, d. i. der Wesens,icherheit des >>Willenszur Machtcr. Dieser ist die Wirklichkeit, d. h. das Wesen alles >>Wirklichen>mehr wed<<.) oder jene Person.<<(>>mehrcc, Hieraus wird klar: Die Macht, fur die jene Perspektiven nach der Art der Unterscheidung von >>Gutund Biisecc >>kleinec< Perspektiven sind, bewegt sich in dem weiteren (und ihr allein gemaen) Horizont, den Nietzsche als den des >>Vorteilscc bestimmt. Die Ober~orteilun~ allein sichert hier den Vorteil. Dieser teilt alles der Selbstsicherung der Macht zu. Macht kann nur gesichert werden durch die stkdige Machtsteigem g . Nietzsche hat es klar erkannt und auch ausgesprochen, daB im Wesensbereich des Willens zur Macht das bloDe Festhalten einer erreichten Machtstufe bereits das Sinken des Machtniveaus darstellt. Im Wesen der Sicherung liegt die stkdige Ruckbezogenheit auf sich selbst und in dieser die notwendige Oberh6hung. Die Selbstsicherung als SelbstgewiBheit mu13 in dieser stiindigen Riickbezogenheit auf sich selbst selbst absolut werden. Der GrundriB des metaphysischen Wesens der Wirklichkeit als der Wahrheit und dieser Wahrheit als der absoluten GewiI3heit erscheint, vorbereitet durch Fichte, ibid., XIV,n. 158,S. 80.
86 Der seinsgeschichtliche Bereich von lAfi4~~a und 14% zum ersten Ma1 in der Metaphysik des absoluten Geistes bei Hegel. Hier wird die Wahrheit zur absoluten SelbstgewiDheit der absoluten Vernunft. In der Metaphysik Hegels und in der Metaphysik Nietzsches, d. h. im 19. Jahrhundert, vollendet sich der Wandel der veritas zur certitude. Diese Vollendung des romischen Wahrheitswesens ist der eigentliche und verborgene geschichtliche Sinn des 19. Jahrhunderts.
$ 4 . Die Mannigfaltigkeit der Gegensatze zum Wesensgeziige der Unverborgenheit a) Das reiche Wesen der Verborgenheit. Weisen der Verbergung: 6nh~q.(piiYdog),xr64~0,n~fimo,nah6nm. Homer, Ilias, XX,118; Odyssee, VI, 303; III,16; Ilias, XXIII, 2M. Das Entbergen des Mythos und die Frage nach dern griechischen Gotterwesen Veritas und rectitudo erfiillen nicht mehr das Wesen der 8Afi8rla. Deshalb gilt auch dies andere: Das Wesen der Unwahrheit ist nicht notwendig die falsitas und die Falschheit. Aber auch d a m , wenn wir auf das anfanglichere We, der zuriickgehen, das als Verhehlung doch Unwahrheit, das 1p~680g. den Grundzug der Verbergung zeigt und so das echte Gegenwesen zur Unverborgenheit darstellt, bleibt noch die Frage offen, ob sich in diesem Gegenwesen, dern 1ps68oq, alle nur mogliche Gegensatzlichkeit zur Wahrheit erschopfe. Zwar ergab sich im Gang dieser Betrachtung, daf3 die Griechen neben dern vrG8os auch das U ~ ~ A A E Lkennen, V das Hintergehen. AUein, diese Weise der Verhehlung, das sogenannte nTauschena, ist eben als Weise der Verhehlung bereits auf diese gegriindet und keine eigene Art des Gegenwesens zur Unverborgenheit. Das gilt auch von einer den Griechen noch weit gelaufigeren Weise der Verhehlung, die sie durch das Wort dnbq benennen. Wir ubersetzen wieder mit nTauschung<<.Wortlich und sach-
$ 4. Die Mannigfaltigkeit der Gegensatze
g e m a ~,medacht sagt dieses Wort: aAb - vom nh~oqx,d. h. vom geraden Weg und Pfad. Das gelaufige grieasche Wort fur ,,wegn heist 6 6665, davon ipt408o<,unser Fremdwort >>Methodea. Aber $ p(4oSog heiDt den Griechen nicht >>Methoden im Sinne eines Verfahrens, mit Hilfe dessen der Mensch den rntersuchenden und forschenden Angriff auf die Gegenstande r n t e & m t . 'H p1408oq ist das Auf-dem-Weg-bleiben,namlich auf dem Weg, der nicht vom Menschen als aMethode<< gedacht, sondem von dern sich zeigenden Seienden her durch dieses hindurch gewiesen ist und so schon ist. 'H p&4o8o>Methode.zu erkennen, miissen wir allerdings zuvor sehen, daD zum griechischen Begriff des Weges, 6865, das Ausblickhafte und das Durchblidrbietende gehtirt. >>Weg<< ist nicht die Strecke im Sinne einer Entfernung und des Abstandes zwischen zwei Punkten und so selbst eine Punktmannigfaltigkeit. Das durch- und ausblickhafte Wesen des Weges, der selbst zu Unverborgenem fuhrt, und d. h. zugleich das Wesen des Ganges, ist von der Unverborgenheit her bestimmt und van dem Zugehen auf das Unverbor. gene. 'A-nhq ist der Ab- und Seitenweg, der somit einen anderen Ausblidr zustellt und so unterstellt, als Weg sei er doch das ngerade aus und hinn zum Unverborgenen. Der Seitenund Abweg laDt solches entgegenkommen, was das auf dern geraden Weg Erscheinende nicht zeigt. Sofem aber auch der Abweg etwas zeigt, tamcht er, der Abweg, gegen das eigentlich Zuzeigende des geradehin fuhrenden Weges sein Gezeigtes aus. D u r h diese Vertauschung tauscht der Ab-weg als der Ab-weg, dern zufolge erst ist die iurhq, die Tauschung; h a ~ q f i v abesagt: ~ auf einen Ab- und Seitenweg gebracht sein, so daB die zu erfahrende Sache verstellt bleibt. Auch die hnhq ist eine Weise der Verbergung, namlich der Verstellung, ' das Verborgene entstellt. Jede Verhehlung und Verstellung -
88 Der seinsgeschichtliche BeRi&
5 4. ~i~ Mannigfaltigkeit der Gegensatze
ai,hta ud
eke VerberWg, aber nicht jedes Verbergen ist eb Verhehlen im Sinne des Verstellens und EntsteUens.
demnach die Unverborgenheit no& auf andere weiDas grie&sche w o r t ~ Q ~ ~ ~d E L ~V ~ 6 m & a (davon a a l 'ypta sen der V e r b e r ~ bezogen g sein, d a m erg&e s i c -ein wesensund G ~ meint ) das bergende Verbergen. KQ&&lv wird vor verhalt, den wir nach der m S gelaufigen Denkart so ausspreder AS, der Nacht, gesagt. Wie denn uberhaupt Tag konnen: Die Falschheit m d die ventellung und allem und ~ ~das ~ Ereignis h der t Entbergung und Verbergung zeidie so verstandene Unwahrheit ist Gberhaupt nicht der einzige Wesende aus dem weil den Griechen ron G m d aus Gegensatz nu W A h e i t , gesetzt freilih, da8 wir das wesen Wesen der Verbergung r n d der ~nverborgenheit aufgeht, der Wahrheit als Unverborgenheit, m d d. h. jetzt deshalb ~ a g e nSie van der v6S rind dem *~av65, von der Nacht Entber@W, erfahren. Kennen nun aber die Griehen selbst und dem li&ten Tag, wenn sie die Anfanpis des Ganzen der ventellung (9&<605)no& andere Weisen der verdie sagen. D~~so Gesa@eist das anfkglich zu Sagende. Es ber@W? GewiB. Das bezeugt ihr Sprachgebrau&. mir keneigentliche Sage, das anfiingliche Wort. Das griechische Wort , nen die gelaufigen Worte x&$$o,xp.jnto, x o ~ ~ n r w die, bedeudas woa7worb das im voraus zu Sagende sagt, lautet ten: Bergen, Verbergen, Verhiillen: Ilias m I I , 118: ~~~j a D~~ wesen des p<+o~ist selbst van der hA4''la her "birgtn reiche Shatze. Od. IX, 348: Das Schiff des odysseus bestimmt M < * ~ ist ~ das, was aufsdiefit, entbirgt, sehen laDt: ubirgt<>Anwesen<<. Nur da, wo das Wesen des Warbergens gehlren in den Umkreis alltgglicher Verhglmisse. sic @ndet, also bei den Griechen, und nur dofly tes in der bekunden keinen ausgezeichneten Rang des Wesen. der verDichwo das so geg-dete wort als ausgezeibete sage b e r w g . Wesentlieher ist schon, w e m mir od. 111, 16 hlren, ten und Denken t r a g , also bei den Griehen, nur doa, w" daB die Erde die Toten birgt. n. ~ I I I 244 , ist die ~~d~ ~ i und Denken ~ h den anfkglichen ~ ~ Bezug ~ zum Verborgee "AiB' xE640~ab vom Geborgenwerden im Hades. ~i~~ kommt g-den, also bei den Griechen, nur dart gibt es das, was die Erde selbst und das Untererdige in den Belug zum B~~~~~ den griec-ischenNamen pii+og tragt, den rMYthosr. Der und Verbergen. Der Wesenszusammenhang zwis&en dem ~ ~ , j E~ irt nur ein ~ ~ tn ahl i c h~ der ~ p%05 , der Griehen, lafit md der Verbergung ersdeint. Der Tad ist den Griechen ,-,icht, si& kaum aussprechen, weil er etwas ~ Z ~U e l b s t v e ~ ~ ~ ~ so wenig wie die Geburt, ein ~ b i o l o ~ i sVorgang. & ~ ~ ~ ~~b~~ namlich Soviel wie der Satz: ES gibt nur ein feuerhaftes und empfangen &r Wesen aus dem Bereid aer ~ ~ t b ~ ~ - sae7 F ~ Allein7 ~ der~ ,Mythosa ~ . hat es doch mit den Gottern z" @"% md VerberWg. Auch die Erde hat &r wesen aus demtun. n ~ y t h o l o g i e ist K uG6tterlehren. Gewa. Aber fragen wir Bereich. Sie ist das ZwiSden, nemlich z w i s ~ edem n zur.c.: was heifit hier a(;itter< Das Wort m e k t bier die Verbergenden des Untererdigen und dem Lichten, ~ ~ t b ~ ~ ~ ~ ~ Dgriechischen Getter<<. Es reicht nicht 2% wenn wir mebe& den des mererdigen (des Himmelsgew~lbeso+pav,j5). ~ f diei ~ bei den Gliechen Sei, am einzigen ChriStengott gemessen, cine Riimer dagegen ist die Erde tenus, terra, das Trockene, das vielgstterei, und zwar van Gottern, die weniger >>geistig'und Land im Unters~hiedzum Meer; diese UntersAeidung unterI scheidet das, worauf Anbau und Siedlung und ~ i n l i ~ h ~ ~ ~ ~cberhaupt minderer Natur seien. Solange wir nicht versuchen' die eec-,is&en Gltter griechis~h,~d d.h- aus dem G-dI mSglich ist, gegen das, wo sol&es -ag]i& ist. T~~~ wird I
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90 Der seinsgeschichtliche Bereich van hli,aPLaund
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+.~i~ Mannigfaltigkeit der Gegensatze
wesen dm griechisch erfahrenen Seins, d. h. aus der &ii,aELa, z" denken, haben wir kein Recht, ein wort iiber diese G ~ weder fur sic noch gegen sie, zu sagen.
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b, Der 'usamenhang zwischen pC9oq und dem griechischen GBttemesen.Erde, Tag, Nacht und ~~d im B~~~~ zur Unverborgenheit. Das Geheime als cine der weisen der V e r b e r p g . Der Ausschld des Negativen der Falschheit und der Ver-stell'J% als aueinige Gegenwesender wahrheit
Da wir bei diesen Anmerkungen rum xLehrgedi&tx des parmenides dem Wesen der Gottin 'A1qaELanachfragen, mufi bald die Gelegenheit sich einstellen, die uns zwingt, aber den 'lrsammenhang zwischen dem piiaos und dem griechischen Gbterwesen, denn nur urn dieses kann es sich handeln, einen Aufschld z" geben. Der pG30q ist die Sage, dieses w6rtlich genommen im Sime des wesenhaften anfgngli&en gens- nNachtq und nLichtu und >Erdea sind ein p~aOq, nicht uBilder<
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sind V e r b e r ~ gund Unverborgenheit ruvor schon erfahren, dafi nur das Einfache des wechsels Nacht und Tag gerade noch hinreicht, um das wesende alles in das bewahrende Wort, piX?os, zu heben. D~~ blofie Unterschied HeUe und Dunkelheit, den wir sonst dem T~~ und der Nacht zusprechen, sagt fiir si& g e n o m e n nichts. Weil der gemeinte Unterschied vom wesenden,verbergen md Entbergen >>nichtssagtx, hat er such kernen pCaoC Charakter. Der Unterschied von hell und dunkel bleibt Dunmythischu, wenn nicht zuvor schon Lichtung und verberyng das Wesen des Henen und Dunklen erscheken und in eins mit ihnen das, was in das Licht hervorkomt md in das D ~ ~ kel zuriicktritt dergestalt, daB eben dieses ~~~~~~~h~~ ins Lichte und das Entgehen ins Dunkle das wesenausmac.en, WOaUes An- und Abwesende west. Nur w e m wir darauf so
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sind, haben wir ein MaB dafur, daB die anfanglichen ~ Denker ~ das ~ sein, Selbst von der ~nverborgenheitund der bergung her denken. Nur wenn wir dieses Mafi haben, kannen wir die griecyischen Worte des Verbergens und Bergens in ihren wesentlichen Beziigen zu Erde, Tad, L C h t und Nacht enmessen. Nun schliefit uns freili& das Bollwerk des herrschenden WahrheitsweSens, die Veritas und die Wahrheit als Richtigkeit und Gewifiheit, gegen die anfangliche 614i14~~a ab. Dies bedeutet jedoch ni&t nur, dafi wir bildungsmafiig bei historisehen Darstellungen des Grie&entums den friihgriechischen rWahres heitsbegriff<
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Der seiWWAichtliche Bereih "on
afiaeLa
4. ~i~ ~ ~ ~ ~ i g f d t i gder k eGegematze it
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das t e b i s & e Er-gren ~d die ErHarbarkeit den fiir das, was als WirEch gelten kann, Wird der nod iibrige R~~~des unerUirbaren zu dem, was sich eliibri@. So ist das ~ ~ h ~nuri noch ~ deri Rest, ~ der~ im ~Umkreis U ~ des Vorgehens der arklarung nicht in die Rechnung
nicht mehr zur Seite, d. h. neben (griech. nap&) ist, das is. >>wegn(griechwas xwegn ist, ist vers&-den, abWas weg ist, ist in gewisser Weise ni&t mehr; es ist vemiehtet Die VemihtUng ist als Beseitigung A,.+ rlnl Verbergung.
, , *bt MaGItab
gibt es a u h eine Art der Verbergung, wodur.h das Verborgene keineswegs beseitigt m d vemichtet, lrn I n dem, was es ist, geborgen wird und gerettet bleibt. ~i~~~s Ver'%en uns die Sache ni&t verlieren uie das tellen md Entstellen, das Entziehen und Beseitigen. ~i~~~ vLl ~rh-7. gung bewahrt. Sic eignet z. B. dem, was wir im betonten Sinne das Seltene nennen. Sonst, d. h. fur die blooe ~i~~ des und Raffens, i a das Seltene nur das, was zuweilen und dann nur fur wenige vorhanden ist. Aber das wahrgerade Stets und fur jeden vorhanden, aber es west in eioer Verbergung, die jeweils ein Entscheidungslolles verwahn und die hohen Anspriiche an den Menschen bereit Der gemafie Bezug z m Seltenen ist ni&t die ~~~d darnach, das Ruhenlassen als das h e r k e r n e n der v-bergung.
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aufgegang;enist. iiberhaupt nicht gedaht, wollEs ware freaich zu kun ten wir meinen, irgendeh kleiner Egoismus %end einzeloer Menschen seiimstande, die ~erechenbarkeitzum MaDstab der WirHidkeit des Wirkli&en zu erheben. Vielmehr entspricht die Neuzeit der metaphysis&en Tiefe ihres Geshi&tsganges. dem willen z m Unbedingten >>Restlosigkeit<< Vorgehens Wd Ehrimtens die breiten StraDen durch jenen Kontinente baut und so kehe Stelle mehr frei hat Rest, als welcher das Geheimnis in der Gestalt des bloB Unerklgr~chennoch nachscheint. Das Geheime des Geheimnisist A d der Verbergung, die sich durd Unsheinbarkeit a u s z e i b e t , kraft deren das Geheimnis ein offenes ist. zwar mifibrauchen wir das Wo* vom >'Offenen Geheimnisn gem fiir den atb best and, dafi @Tade nichts Geheimnisvollesmehr vorliegt, sondem nur nodl jedemann dem gibt es weiren der Verberwng, die ni&t anderen er~ffnet, dafl das bereits Bekannte nirgends bewahren7 aufbewahren ~ n SO d in einer gewissen weise d b , entziehen, die vielmehr in einer werden diirfe. Das >>0fteneGeheimnis. im e&en Wd ~~t wesenhaftes I sinne waltet dagegen don, wo die Verbergung des Geheimnismkommen lassen und schenken. Die Schenkung und stiftung wesentlichen als verborgenheit einfach erfahren md in einer geist jewels e h e Verbergung, ni&t etwa nur schichtlich greWachsenen ~erschwiegenheitgeborgen des Stiften, sondem des Gestifteten se1bst, sofem dieses seinen offenheit des offenen Geheimnisses besteht nicht darin, dafi nicht Preisgibt, sondem nur dies bs unverborgene I das ~ ~ h entratselt ~ i r n d~ dadurch ~ i zersttirt ~ 'Ommen lafit, dafl in ihm ein Reichtum geborgen ist, der in dalin, dafi an die verborgenheit des zifachen und dem Grade erlangt *d, als er vor jeder Vemutzung behiitet haften iiberall nicht geriihd und die ~erborgenheitselber in bleibt. In die Nahe der bier waltenden Verbereng geh6n ihrem Ersdeinen belassen wird. Die dem &ten Geheimnis jene, die das Geheime k e m z e i h e t . Dies kann, mufi aber eigene Unscheinbarkeit der Verbergung ist bereits cine Wenicht, den Grundzug des Geheimnisses habeno D~~~~~wesen hat sich dem Menschen entfremdet, seitdem er das ~ ~ h ~ i , ~ ~ i sensfolge ~ - des EinfaAen, das selbst im Anfkglihen griindet. hat als das vOUes"gleich fiir das UnerkliirIiche D~~ ~ ~ h ~ in^ andere i ~a der ~ Veibergung ~ ~ so >>Rest<,der fur das Erugren iibrigbleibt. das ~ ~ hin dessen ~ i Schutz ~ ~sich , z. B. cine VerschwGmng *&A*
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Der seinsgeschichtliche Bereich von (%il8&la und Avj%
g 4 . Die Mannigfaltigkeit der Gegematze
bewegt. Hier hat die Verbergung den Zug eines weitaus ' igreifenden, zugleich aber doch enggerotteten Versteckens, da s auf den Augenblick des plotzlichen Hervorbrechens lauert. . Auch hier ist das Unscheinbare. Aber es hat den Charakter der larnung und der Tauschung. Deshalb mu13 dieses Unscheinbare uberall eigens hervortreten und auf die Sicherung seines Scheins bedacht bleiben. Weitab von diesen Weisen des Verbergens und doch im Umkreis seines Wesens lie@ das Verborgene im Sinne des bloR noch nicht Bekannten. Dieses Verborgene umzieht z. B. den Gesichtskreis des wissenschaftlichen, technischen Entdeckens. Wenn dieses Verborgene in die Unverborgenheit gebracht wird, entstehen ndie Wunder der Technika: und das spezifisch >>Amerikanische(<. Ins Ganze gesehen gilt von diesem Hinweis auf das Wesensgeziige der Verbergung und Verborgenheit dieses: Wir sagen hier nur erst einen Bereich an, dessen WesensfiilIe wir kaum ahnen und vor allem nicht fassen, weil wir aullerhalb der gemallen Erfahrungsart stehen. Es ware daher auch irrig, ZLI meinen, das reiche Wesen der Verborgenheit lielle sich durch die Aufzahlung verschiedener Weisen der Verbergung anhand einzeher' Wortbedeutungene gleichsam sicherstellen. Wenn der Verbergung sprechen, dann meinen wir wir von >>Arten<( nicht, es gabe eine Gattung von nverbergung uberhaupt., der sich dann in einem Schema der ublichen logischen Ordnung verschiedene Arten und deren Unter- und Abarten unterordnen liellen. Der Zusammenhang der Artungen der Verborgenheit ist ein geschichtlicher, wobei das GeschichtIiche unterschieden bleiben mull vom sHistorischencc.Dieses ist eine Kenntnisnahrne und Kenntnishabe vom Geschichtlichen, und zwar eine rein technische, d. h. verrechnende, namlich des Vergangenen auf das Gegenwartige und umgekehrt. Alles Historische ist auf das Geschichtliche angewiesen. Dagegen bedarf die Geschichte nicht der Historie. Der Historiker ist stets nur ein Techniker der Publizistik. Vom Historiker unterschieden bleibt der Ger.7
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sducnrsdenker. Jacob - Burckhardt ist kein Historiker, sondem ein ~eschichtsdenker. E~ gait jetzt nur zu zeigen, dal3 die Unverborgenheit zu hrem %Gegensatz<< nicht allein die Verbergung im Sinne der verStellungund Falschheit hat, daO vielmehr Weisen der Verb e r g ~ gsind, die nicht nur andere Art zeigen, sondem auch ,ichts von dem spezifisch *Negativenn der Falschheit und der Verstellung an sich tragen. Durch diesen =nweis kann vielleicht aber das Geheimnis offener werden, daB in der Metaphysik des Abendlandes als der einzige Gegensatz zur Wahrheit nur die Falschheit zu einem Rang und Vorrang gelangen durfte. Fur die nachste Aufgabe der Aufhellung des Wesens deer 6AfiBna kann jedoeh der =nweis auf die genannten ,>Arten. der Verborgenheit dazu helfen, da13 wir jene Weise der Verbergung eher fassen, die im Griechentum standig anwesend bleibt, aber in ihrem Wesen nicht weiter bedacht wird, es sei denn, dall den Griechen schon das Wort, das diese Verbergung und ihren Bereich nennt, genug an Aufschliissen bewahrte. So - - treffen wir denn auf das Erstaunliche: Trotzdem die Weisen der Verbergung, die mit Verstellung und Entstellung und Tiiuschung nichts gemein haben, so wesentlich alles durchwalten, sind sie als Weisen der Verbergung nicht eigens genannt. Vielleicht sind sie sogar nur deshalb nicht eigens genannt, weil sie so wesentlich sind. Sie erscheinen daher jedesma1 bereits in der Wesensgestalt der Unverborgenheit, die in gewisser Weise die Verborgenheit und Verbergung noch bei sich hat und such haben mull. Mit dem Blick in diesen Zusammenhang nahen wir uns dem Wunder des erstanfanglichen Wesens der ?dhB&~a. Wir sind jedoch nicht vorbereitet genug, um daruber ein Weiteres zu sagen. Nur dieses Eine miissen wir jetzt bedenken, dafl die Griechen gleichwohl von einer Verbergung sagen, die mit der Verstellung und Entstellung sich nicht dedit, wohl aber den Bezug hat zu dem im pi805 verschweigend gesagten -
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96 Der seinsgeschichtliche Bereich von hAi$3&1aund Verbergen. Das jetzt zu bedenkende Verbergen ist von den Griechen ausgesprochen in ihrem Wort Aav4hv&oBal,in-'- ' veo9ai. -
Wiederholung Erganzende Erlauterungen: Der .Wegc des ankomme Denkers im ~Lehrgedichtr.Der Zusamrnenhang zwischen dern Wesen der Gottin und den Wegen zu und von ihrem Haus. Seitenweg und Abweg. Die Frage nacll dern anderen Gegenwesen zur Entbergung. Das in das Wort und die Sage kommende Wesen der Entbergung und Verbergung. Der Verlust des Wortes als Wahrung des Bezugs des Seins zum Menschen. Die romische Umdeutung des d S@ovA16yov Zxov zum *animal.: rationale. Hinweise auf Kant, Nietzsche , Spengler. MG4oq, Zno, A6yoq Wir fragen in bezug auf die dritte Weisung, die uns die Ubersetzung von hlqhilbia durch nunverborgenheitn gibt, nach der Gegensatzlichkeit des Gegensatzes, in dern xdie Wahrheita steht. Da die vorige Stunde und die heutige in ihrem Zusammenhang einen wesentlichen Schritt vollziehen, der nicht nur uber die Einsicht in das Wesen des Gegensatzes van Wahrheit und Unwahrheit, sondern uber das Verstandnis des Lehrgedichtes des Parmenides entscheidet, muO die Wiederholung der vorigen Stunde durch einige Ergiinzungen erlautert und die unmittelbare Forderung der Besimung verzogert werden. Der Gegensatz zur xwahrheitx heiSt kurz und bundig rdie Unwahrheitcc. Bei dern Wort uUn-wahrheitcc denken wir gewohnlich gleich wie bei dern Namen nun-rechtcUn-rechtxgegen das Recht, so steht die nun-wahrheitcc gegen die Wahrheit. Dieses Gegenwesen zur Wahrheit denkt das
.$ 4. Die Mannigfaltigkeit der Gegensatze
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*bendland als die Falschheit. Im Umkreis dieses Gegenwesens der Wahrheit entspringen Abwandlungen der Falschheit in der Gestalt von Wesensfolgen der Unwahrheit, ihrer Behauptung und Mitteilung. A u h im Griechentum gehM zum ~ & ~ i - j eine o g Mannigfaltigkeit von Weisen der Verstellung und ~ ~ ~ ~ Wir t ~nennen l l ~dieg hn(lnl . xdie Tauschungu, weil an ihr emeut die Zugehorigkeit des Wesens des ~ ~ G i - j ozum s Werenskreis der &Ai$kia sichtbar wird. Wir mussen das Wort ; ,allem, was es nennt, griechish denken. 'A-adq ist der Abweg und der Seitenweg. Fur den Griechen hat jedoch der Weg - i6865, pL-8080~(oMethode<<) - den Grundzug, da8 er, zum Gang geleitend, untemegs einen Ausblick und Durchblick erschliefit und so Unverschlossenes zubringt. Falls wir uns bei diesem Hinweis auf das Wesen des Weges nicht mehr an die zuerst ausgewahlten Verse aus dem >>Lehrgedichtn des Parmenides erinnern sollten, sei jetzt darauf hingewiesen, dall die Gottin den auf einem nWegu ankommenden Denker begriillt, indem sie ihm zugleich eroffnet, daD ihm bestimrnt sei, einen ausgezeichneten Weg gehen zu miissen, der Ends nhou sei, aullerhalb, abseits vom Pfad, den die Menschen sonst gehen. Darin liegt: dall dern Denker auf seinem Weg anderes sich zeigen werde, eine Aussicht, die der iibliche Weg der Menschen nicht bietet. Weil auf dern ausblickhaften Weg des Denkers sich Ungewb;bnliches zeigt, ist hier ein Sichzeigendes, d. h. ein Entbergen, im >>ausgezeichnetencc Sinne. Deshalb ist denn au& in einem groBeren Bruchstiick des >>Lehrgedichtes<< die Rede von den otpata, den >>Zeichencc. Zwischen dem Wesen der Gottin 'Ahq6~laund den zu Haus fiihrenden und den van diesem Haus aus bestimmbaren Wegen besteht ein wesentlicher Zusammenhang. uWegn als aus- und durchbli&haftes Zustellen van Erscheinungen gehort in den Bereich der Mt4eia. Umgekehrt gehoren zu dieser und ihrem Walten die Wege. Dieser Wesensverhalt zwischen hht4sla und 6865 ist spatter nur in einer seinem Wesensgrunde daO zur nach verhUten Weise bekannt in der >>Tatsache<<,
98 Der seinsgeschichtliche Bereich von c&j6ela nnd
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Erlangung der richtigen VorsteUungen eine >>Methodeunotig wird. Der Weg, nhro~,nhq, des Denkers geht zwar abseits der gewohnlichen Pfade des Menschen. Doch lassen wir es offen, ob dieser r Weg abseits<< nur ein Seitenweg ist. Es konnte auch umgekehrt sein, daS der gewohnliche Menschenweg nur ein sich selbst nicht kennender, stiindiger Seitenweg bleibt. Ein Weg abseits der StraSe braucht aber nun kein Seitenweg im Sinne des >>Abseitigen<< und Absonderlichen zu sein. Doch auch ein Seitenweg ist wiedenun nicht notwendig ein Abweg. Dieses aber meint & E & T ~ .Die Ausblicke, die der Abweg zubringt, stellen solches vor, was dasjenige verstellt, das auf dem Wege, der gerade hin zur Sache fiihrt, in den Anblick kommt. > > A dden Ab-weg fiihrena ist ein Vertauschen der Wege, eine Art des Verstellens und Entstellens, des I4eij605 und so das Tauschen. All dergleichen >>gehtcgegen die Un-verborgenheit, gegen die Wahrheit, ist somit eine Art von Unwahrheit, griechisch: Nichtentbergen und sonach ein Verbergen. Das griechisch zu denkende Wesen des ~e.ijSogempfangt seine Aufhellung aus dem Wesen der 1%46~ia,aus der Unverborgenheit, die als die Entbergung waltet. Das ~ E G S Oals S das Gegenwesen der h146eca bestimmt sich deutlicher im Sinne des verstellenden Verbergens. Die &)146ela ihrerseits tritt so bestimmender heraus als das Entbergen in der Weise des nichtverstellenden Erscheinenlassens. Die Unverborgenheit ist die Unverstelltheit. Die Frage wird notwendig: 1st die Verstellung .und Entstellung samt ihren Wesensabwandlungen die einzig mogliche Weise der Verbergung? Wenn die Frage vemeint werden mu13, dann sind andere Weisen der Verbergung moglich. Hierin griindet aber dann die Moglichkeit, dalj die Wahrheit als Unverborgenheit und Entbergung noch auf andere Weisen der Verbergung bezogen bleibt, daS die Entbergung in ihrem Wesen nicht festgemacht ist auf das Nicht-Verstellen. Das bedeutet nach der uns gelaufigen Denkweise: Das Gegenwesen zur Wahrheit erschopft und erfiillt sich nicht in der
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~ ~ l s a e Damit i t . wird aber zugleich fraglich, ob das ,Gegenc< notwendig den Sinn des blolj Widrigen und Feindseligen hat. Zwar ist es fur uns Heutige zufolge der langen und unerschGtterten Vorherrschaft der Falschheit als des allein bekannten und anerkannten Gegensatzes zur Wahrheit ganz pnat5rlich<>Binsenwahrheit<<, daB, wenn etwas der Wahrheit entgegenzustehen vermag, dies nur die Falschheit ,,in kann. Deshalb sind wir geneigt, auch im Griechentum das Gegenwesen zur &h$4e~aeinzig im $eGho< zu suchen. Dieser Absicht kommen sogar die Griechen in gewisser Weise selbst entgegen, da sie friihzeitig &hq6k
100 Der seinsgeschichtliche Bereich von &Af$?~la und )1fi+q bergung und Verbergung, Entborgenes und Verborgenes erscheinen lassen. Das wesenhafte Wort ist nicht der Befehl, nicht das Gebot, nicht die Verkiindigung, nicht die VerheiBung und nicht die >>Lehrecc.VoUends ist das Wort nie der nur nachgetragene >>Ausdruckcc von >>Vorstellungencc.Das Wort ist die einzig dem Griechentum gehorige und dessen Wesen anvertraute Weise der entbergenden Bewahrung der Unverborgenheit und der Verbergung des Seienden. Im Wort und als Wort gibt sich das Sein des Seienden in den Bezug zum Wesen des Menschen dergestalt, daB das Sein des Seienden aus diesem Bezug zum Menschen dessen Wesen aufgehen und zu derjenigen Bestimmung gelangen laBt, die wir die griechische nennen. Nach ihr ist der Mensch: ti, S@ov libyov E~ov- dasjenige von sich selbst her aufgehende Seiende, das dergestalt aufgeht, daB es in diesem Aufgehen (cpiray) und fur den Aufgang das Wort hat. Im Wort verhalt sich das Seiende, das wir den Menschen nennen, zum Seienden im Ganzen, inmitten dessen der Mensch er Aber t,ofi, >>Leben>Lebendesc<. wir hier weder spatgriechisch noch romisch noch neuzeitlich >>biologisch<< im Sinne der >>Zoologiec< verstehen. .Das Lebendecc ist cp.lrus~iiv, Seiendes, dessen Sein durch die ~ ~ U L das S, Aufgehen und das SichaufschlieBen bestimmt wird. Alsbald freilich wird diese griechische Wesensbestirnmung des Menschen romisch umgedeutet: Cgov wird zu animal, hbyoq wird zu ratio. Der Mensch ist das animal rationale. Im neuzeitlichen Denken ist die ratio, die Vernunft, das Wesen der Subjektivitat, d. h. der Ichheit des Menschen. Deshalb ist fiir Kant der Mensch dasjenige >>Vieh<< (animal), das ~Ichccsagen kann. und als Wenn wir S@ov modern-biologisch als das >>Tier<< >>Lebewesencciiberhaupt denken, denken wir romisch-neuzeitlich und ungriechisch. Alle Anthropologie, die philosophische und die wissenschaftlich-biologische,faBt den Menschen als das >>denkendeTiercc. Weil nun aber in den Zeitaltern der Metaphysik vor Nietzsche das Wesen des >>Lebensc< und der >>Tier-
$ 4. Die Mannigfaltigkeit der Gegensatze
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nicht als WiUe zur Macht begriffen und der Mensch heit<< nicht zur reinen Selbstermachtigung seiner selbst zu aller Ma& gelangt und also noch nicht >>iiberccdie bisherige Wesensbestimm~nghinausgekommen ist, ist der jetzige Mensch no& ni&t >>iiberc< den bisherigen Menschen hinausgegangen. Er ist no& nicht der Uber-mensch. Dieses Wort, im Sinne der Metaphysik Nietzsches gedacht, meint nicht, wie die populare Meinung annimmt, einen uber das NormalmaD hinausgemachsenen Menschen mit riesigem Knochengerust und moglichst viel Muskeln und niedriger Stirn, sondern >>Uber-mensch<< ist ein wesentlich metaphysischgeschichtlicher Begriff und bedeutet den in den Wesensbereich des Willens zur Macht als der Wirklichkeit alles Wirklichen iibergegangenen bisherigen Menschen, der immer schon als animal rationale bestimmt worden ist. Deshalb kann Nietzsche sagen, der noch nicht zum Uber-menschen gewordene Mensch sei das >>no&nicht festgestellte Tiercc, d. h. das Tier, dessen Wesen noch nicht endgultig metaphysisch entschieden ist. GemaB dieser letzten metaphysischen Bestimmung des Menschen schrieb 0. Spengler in der viel gelesenen Schrift ~ D e r Mensch und die Technik. Beitrag zu einer Philosophie des Lebens>DerCharakter des freien Raubtieres ist in wesentlichen Zugen vom einzelnen auf das organisierte Volk iibergegangen, das Tier mit einer Seele und vielen Hiinden.< Anmerkungsweise wird dem Satz beigefiigt: >>Undmit einem Kopf, nicht mit vielen. cc Durch die romische Umdeutung des griechisch erfahrenen Wesens des Menschen ist aus dem h6yo5, d. h. dem Wort, die ratio geworden. Das Wesen des Wortes wird von seinem Grunde und aus seinem Wesensort verstoBen. An seine Stelle tritt die ratio und die Vernunft. Zwar kennt und beachtet man such fernerhin, daI3 der Mensch das Vermogen der >>Sprachecc hat. Die Sprache wird jedoch zu einem Vermogen unter anderen. Schlieljlich kommt es zu dem sonderbaren Zustand, daB cine besondere Philosophie, die >>Sprachphilosophiecc,notig
102 Der sein~~eschichtliche Bereich von &hfi8eia und A
%$wird entsprechend der >>Philosophie der Kunstcc und der >>Philosophie der Technikcc. Das Vorkommen der >>Sprachphilosophiecc ist das eindringliche Zeichen dafiir, daJ3 das Wissen vom Wesen des Wortes, d. h. die Moglichkeit einer anfkglichen Wesenserfahrung des Wortes, seit langem verlorengegangen ist. Das Wort ist nicht mehr die Wahrung des Bezugs des Seins zum Menschen, sondern das Wort ist ein Gebild und Ding der Sprache. Die Sprache ist solches, was der Mensch neben Augen und Ohren, Empfindungen und Strebungen, Denken und Wollen auch noch besitzt, ein Vemogen des Ausdrucks und der Mitteilung seines >>Erlebenscc.Das Wort wird aus den Wortern und die Worter werden aus der Sprache als dern nun einmal vorhandenen >>Ausdrucksphanomencc erklart. Die Sprache und das Wort dienen dazu, >>dasWahrecc und >>dieWahrheitcc in die Ausdrucksform der Verlautbarung des Sprechens aufzunehmen und so auszusagen. Fur sich aber ist >>dieWahrheit>Richtigkeitcc eine Sache des Vorstellens von Gegenstiinden. Das Vorstellen verlauft im >>Innern<<, die Sprache ist die > > h o e rung<>Tatsache<< liegt nicht im >>Ausdruckscharakterder Sprache, sondern irn Wesen der &h$6sta,die als Wesen des Seins selbst das Wesen des Menschen fur sich in den Anspruch nimmt als dasjenige >> Wesencc, das zum Seienden als einem solchen sich verhiilt. Nicht weil die Wahrheit haufig auch ausgesagt wird, sondern weil das Wesen des Wortes und die Sage im Wesen der Wahrheit griindet und zu ihr gehort, deshalb kommt vor allem das griechische Wort fur >>wahr<<, Mq6Eq, schon bei Homer >>inder Verbindungcc mit dern >>Sagen<< vor. Ein griechisches Wort fiir das Wort lautet 6 pCSog. Ein anderes Wort fur
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$' 4. Die M~nni~faltigkeit der Gegematze 103 >,wort. heiJ3t Ems. Nicht zufallig heifit das anfanglich dichtende Wort der Griechen, das Wort Homers, nEposcc. Wieder ein anderes Wort fur >>Wort<< lautet Uyoq. Auch dies gibt zn denken, daJ3 die Griechen von f d an mehrere Worter fur das .wort<>Zungecchat audh die Kuh und der Esel. Wenn aber das Wort zu haben und das Wort zu eigen zu haben die Wesensauszeichnung des Menschen ist, wenn die Griechen das Menschenwesen so erfahren und begreifen, ist es dann nicht notwendig, daJ3 sie, wenn sie sich selbst und ihr Menschentum gegen anderes unterscheiden, zur Hinsicht der Unterscheidung eben diese Wesensauszeichnung nehmen? Die Griechen unterscheiden sich gegen die anderen Menschentumer und Volker und nennen diese pdrgflaeoc, solche, die ein fremdartiges Wort haben, das nicht pG605, das nicht h6yoq und nicht Cnoq ist. Der Gegensatz zur >>Barbarei>Kulturcc,sondern das Innestehen im pG805 und h6yoq. >>Kulturccgibt es erst seit dern Beginn der Neuzeit; sie beginnt in dern Augenblick, als die veritas zur certitudo wird, da der Mensch sich auf sich selbst stellt und sich selbst durch eigene >> Pflegecc, cultura, durch eigenes >> Schaffen cc zum ScKopfer macht, d. h. zurn Genie. Die Griechen kennen weder dergleichen wie >>Kulturcc noch so etwas wie >>Genie<<. Es klingt seltsam, wenn auch heute noch die besten klassischen Philologen von der >>genialenKulturcc der Griechen faseln. Von den heil3t, eine Griechen aus gedacht ist, was neuzeitlich >>Kulturcc von der Eigenmacht des Menschen hergestellte Organisation der >>geistigenWeltcc. >>Kulturccist dasselbe im Wesen wie die moderne T e h i k ; beide sind im streng griechischen Sinne unmythisch. Griechisch gedacht sind >>Kulturcc und >>Technikcc For-
104 Der seinsgeschichtliche Bereich von &A$SEL~ urzd A4h
$1.Der Gegensntz zum MyBkq: das ha46v, haBk
men des Barbarismus nicht weniger wie die >>NaturccRousseaus. MGSos, Inos, A6yos gehoren zusammen im Wesen. ~ M y t h o s ~ und >>Logos<< treten nur deshalb in den Anschein eines irriger! weise vie1 beredeten Gegensatzes, weil sie im Dichten und Denken der Griechen das Selbe sind. In dern vieldeutigen und verwirrenden Titel >>Mythologieccsind die Worte pGi+oq und h6yos so verknupft, daB beide ihr anfangliches Wesen einI gebiil3t haben. Sofem man aber mit HiIfe der ~Mythologiecc I den pG30s zu verstehen sucht, befolgt man jenes Verfahren, das I mit Hilfe eines Siebes Wasser schopfen mochte. Wenn wir den Ausdruck ~mythischagebrauchen, denken wir ihn in dern jetzt I umgrenzten Sinne: >>dasMythischecc - yG6oq-hafte ist das im I entbergend-verbergenden Wort geborgene Entbergen und Verbergen, als welches das Grundwesen des Seins selbst anfiinglich erscheint. Die Namen Tod, Nacht, Tag, Erde, Hirnmelsgewolbe I nennen wesenhafte Weisen der Entbergung und Verberg \
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$ J. Der Gegensatz zum 67iy6t.s: das ha96v, ha6S~. Das Ereignis des Wandels der entziehenden Verbergung und das menschliche Verhalten des Vergessens
a) Das Walten der Verbergung im lav9&vsa9a~. Die Verbergung des Vergessenden im Vergessenen: Die Vergessung. Hesiod, Theogonie, V. 226 f. Die hi1917 und das verborgene Wesen der Eris (Streit), der Tochter der Nacht. Hinweis auf Pindar Bei der Frage nach dern Gegensatz zum &AqSEs (zwn Unverborgenen und Entbergenden) wurde denn auch schon vermerkt, der Gegensatz mul3te, wenn er in der Sprache unmittelbar und gemal3 ausgesprochen wiirde, in einem Aa9Eq, ha66v liegen; statt dessen trafen wir zunachst auf zb ~JEGBOS. Doch zeigte sich auch schon dies, da13 im Griechentum das Aav9&ve~v,
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das Verborgensein, einen eindeutig vorwaltenden Wesensrang habe, der sich in der eigentiimlich >>regierendenxFunktion des Woaes ausspricht: Lavi+&vvo4nwv, ich komme unvermerkt, griechis&: ich bleibe im Verborgenen als der Kommende. Im Grunde des anscheinend nur ~~rammatischenx Verhatnisses waltet ein anderes, das wir jetzt k u n so fassen durfen: Verborgenheit und Unverborgenheit bestimmen die Weise des Seienden Das sagt: Entbergung und Verbergung sind ein Grundzug des Seins. Das Walten der Verbergung spricht sich aber den Griechen vor allem aus in dern Wort havS&v~ai+a~, BnLhav6hv~oi+a~, was wir mit nvergessen~iibersetzen und damit so umdeuten, da8 das griechische Wesen verloren geht. Die voraufgehende Be, h u n g ergab schon, daB in dem, was wir das uvergessenx nennen, fur die Griechen sich eine Verbergung ereignet. Das Vergessene ist, griechisch erfahren, das in eine Verborgenheit Weggesunkene, so zwar, daB das Wegsinken, d. h. diese Verbergung, demjenigen, der das Vergessene vergessen hat, selbst verborgen bleibt. Genauer und noch griechischer: Der Vergessende bleibt sich selbst ein Verborgener in seiner Beziehung auf das, was mit dern geschieht, was uns dann, diesem Geschehnis zufolge, das Vergessene heat. Der Vergessende vergist nicht nur das Vergessene, sondern in eins damit sich selbst als den, dern das Vergessene entschwindet. Hier geschieht eine Verbergung, die zumal das Vergessene und den Vergessenden befallt, ohne doch beides auszuloschen. Diese Verbergung zeigt eine eigentiimliche Ausstrahlung. Wir haben fur das Ereignis solcher Verbergung nur das Wort *Vergessenheitn, was freilich eher das nennt, worein das Vergessene versinkt, als das Geschehnis, durrh das der Mensch vom Vergessenen ausgeschlossen wird. Wir denken iiberhaupt das Vergessen vom Verhalten des .Subjektsx nus, wir fassen es als das Ni&t-behalten und sprechen d a m von >>VergeBlichkeitu, der zufolge uns etwas leicht .entfallt<<,indem wir uber der einen Sache die andere vergesen. Die VergeBlichkeit ist
106 Der seinsgeschic?ztZicheBereich von &Ail&la und Ail% hier die schlechte Merkfahigkeit. Daneben gibt es das Vergessen, das wir als Folge von >> Gedachtnisstorungencc erkllren. Die Psychopathologie nennt das >>Amnesien<<. Aber das Wort ~VergeBlichkeitccist zu schwach fur die Benennung des " gessens, das den Menschen befallen kann; denn die Ver lichkeit ist nur die Anfgligkeit fiir die Zerstreutheit. Wen uns geschieht, da13 wir Wesentliches vergessen und dies auwer der Acht lassen und aus dem Sinn verlieren und sogar schlagen, d a m reden wir nicht mehr von >>VergeOlichkeitcc,sondern von >>Vergessenheitcc.Sie ist das, worein etwas gerat und komrnt und fallt, aber auch das, was uns befallt und was wir selbst in gewisser Weise rnit zulassen. GemaBer benennen wir das Ereignis der Vergessenheit mit dem friiher gebrauchlichen V' v ort Vergessung: Etwas gerat in die Vergessenheit. Wir habe: iiberaU zu eilig, als dall wir einmal innehalten mochten, zu fragen, welche Bewandtnis es rnit ,der Vergessenheitcc h aDe. 1st die Vergessenheit, darein netwasn gerat und fallt, nur die Folge dessen, da13 eine Anzahl von Menschen nicht mehl : an dieses >>etwasccdenkt? Oder ist dies, da13 die Menschen daran nicht mehr denken, schon nur noch die Folge davon, da13 die Menschen selbst in eine Vergessenheit gestoBen sind und deshalb nicht mehr wissen kijnnen, weder was sie besitzen noch was sie verlieren? Was ist dann die Vergessenheit? Kein nur menschliches Gemachte und kein nur menschliches Versaumnis. Denken wir die Vergessung nun als eine Verborgenheit, die einer eigentiimlichen Verbergung zugehort, dann erst nahern wir uns dem, was die Griechen rnit dem Wort hj9q benennen. In Hesiods Theogonie (V. 226 f.) hei13t es:
$5. Der Gegensatz zum hIy885: dm M6v, AaBLg
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~ A b e rdie (Gottin) Streit, die finstere, gebar die Miihsal, die leidbringende, Vergessung auch mid Ausbleib und das Leid, das trthenvolle. ic
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M8q, alethen, ist die Tochter der >>Erisn.Sie wird zusammen genannt rnit Ayl65, was man falschlicherweise rnit >>Hungeru ubersetzt. Zwar ist das Vergessen auch rpeinlichn und der >,Hungern auch pemlich und quaend. Aber das, namlich die Auswirkung von Vergessen und Hungem auf das leiblichseelische Befinden, modem gesprochen, der physiologischp~ychologische,kurz, der >>biologischeaAspekt des Vergessens und Hungems, rinteressiert>Hunger<< im Sinne des Verlangens nach Speise, sondern das Wort, zusammenhangend rnit heinw, lassen, schwinden lassen, bedeutet den Ausbleib der Nahrung. A L ~meint ~ s nicht die Unbefriedigung eines Verlangens des Menschen und seines Zustandes, sondern das Geschehnis des Ausbleibs einer Gabe und Zuweisung. Solches Ausbleiben hat insgleichen wie die Verbergung in sich den Wesenszug des Weg-fallens. Denken wir dem nach: etwas fallt und fallt dabei weg. Dieses Weg-fallen ist eine Art des Wegwesens und der Ab-wesung. Das Weg-fallende kehrt sich nicht mehr an das Anwesende und dennoch: Dieses >>Wegcc-wendet sich in seiner Abkehr gegen das Anwesende, und zwar in der ~nheimlichenWeise, dalj es daran vorbeigeht. Hier blicken wir in das verborgene Wesen des Gegenhaften und Streithaften. Deshalb entstammen 16% und hiu6~der nEriscc, der Gattin ,,Streit<<.Wenn hier als Abkommlinge des Streites u. a. genannt sind die Miihsal m~ das Leid, dann ist eben diese Herkunft aus dem Streit fiir uns ein Wink, da13 wir die Gefahr der neuzeitlichen Madeutung venueiden und den Schmerz und das Leid nicht npsychologisch>Erlebnissena auffassen. Die uns geliufige Umdeutung in das >>ErlebnismaRigee ist ein H a u p t p d dafiir, daB uns der Bereich der
108 Der seinsgeschichtliche Bereich von &Afi8eiaund
Afih
griechischen Tragodie noch ganz verschlossen ist. Aischylos Sophokles auf der einen und Shakespeare auf der anderen Seite sind unvergleichbare Welten. Der deutsche Humanismus hat dieses Unvergleichbare ineinandergemischt und das Griechentum vollends mzughglich gemacht. Goethe ist ein Verhangnis. In Hesiods Theogonie wird uber die Ail&l nur dies gesag, da8 sie mit dern Arpbs zusammen von der Eris geboren worden. "Eprs selbst ist die Tochter der N6l, die heist &lo(, ein Beiname, der oft bei Homer und Hesiod der Moipa gehort. Man ubersetzt nverderblichx. Das ist w i e d e m nrichtig* und gleichwohl ungriechisch. Man versteht nicht, weshalb die Nacht >>verderblichx sein soll. Verderben ist Zerstoren, Vemichten, d. h. des Seins berauben, d. h. griechisch, die Anwesenheit wegnehmen. Die Nacht ist 6A0fi, weil sie alles Anwesende verschwinden la8t: durch eine Verbergung. Inwiefem die Moipa 6Aofi heifit, wird zu erlautem sein, wenn wir im Spruch des Parmenides das Wort von der Moipa xaxfi, nder Schickung, der argena, zu bedenken haben. Was Hesiod uber die Afi&l sagt, ist fur den Griechen im Wesen genug, fur uns Spatlinge aber zu wenig, um deutlicher dern Wesen der Afi8q nachzudenken und einenWesensbezugzur&Afi6~~azuerkennen. Zwarbegegnen wir der Afihzumal bei den ~ i c h t e mBfters, aber sie ist gleichwohl nicht so entschieden genannt wie die hhfidala bei den Denkem. Vielleicht entspricht es dern Wesen der Y8q eher, daD sie verschwiegen wird. Wir bedenken zu selten, da8 dieselben Griechen, denen das Wort und das Sagen-in anfanglicher Weise geschenkt worden, eben deshalb auch in einer einzigen Weise schweigen konnten. Denn nschweigenx ist nicht das blo8e Nicht-sagen. Derjenige, der nichts Wesentliches zu sagen hat, kann auch nicht schweigen. Nur im wesentlichen Sagen und durch dieses allein waltet das wesentliche Schweigen, das mit Verheimlichen und Verstecken und >>Verklausulierencc nichts gemein hat. Die griechischen Denker m d Dichter schweigen weithin uber die A4.Bq. Aber vielleicht ist es doch
J 5. Der Gegewatz zum &Aq66<:das iiaabv, Aa86q kein Zufall, da8 an das Wesen der Afihin der Zeit der Vollendung des Griechentums noch einmal, und zwar in einem bedeutungsvollen Zusammenhang, eigens erinnert wird. Bevor wir darauf eingehen, sei noch ein Wort aus Pindars VII. Olymp. Ode erwahnt, weil es geeignet ist, das griechische Wesen der L4dq nach einer wichtigen Hinsicht zu verdeutlichen. Wir miissen allerdings darauf verzichten, die dichterische Pracht diese~ Ode im ganzen oder auch nur in dern uns unmittelbar angehenden Teil zu vernebmen.
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b) Die Scheu bei Pindar, 01. Ode VII, 48 f ., 43 ff. ; und bei Sophokles, Oedip. Kol., 1267. Die (Entschlossenheit) als aus der &Afi8eiaund dern ai6Bq bestimrnte Entborgenheit des Menschen
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Der Dichter sagt den @8o< der Besiedelung der von ihm geriihmten Insel Rhodos. Die Siedler kamen ohne den Keim des leuchtenden Feuers und mu8ten daher auf der Hohe der Stadt >>Lindoscc,d. h. auf deren &xp6noA~s,eine heilige Statte mit feuerlosen Opfern stiften. t e z a v 6' &xbeoi>Mythosccder Stadtgriindung eingeleitet (a.a.O., 43 ff.): Ev 6' &QET&V Eflahevxai xh~pa.at'&v8eGxoiarIIpopa8605 Ai6Bq' 2x1 p&vf l a i v t~i ~xai h&,Ba<&tbxpap~a v&~o<, xai xaekhxa~npayphtov bp8&v d6bv EEo qpavGv.
110 Der seinsgeschichtliche Bereidr uon %i@Ela und
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>>zuaber Erbliihn des Wesens wirft und Freude den Menschen ins Vordenken stimmende Scheu; dariiber aber kommt zuweilen auch der Verbergung zeichenlose Wolke und zieht abseits der Handlungen geradeaus gehenden Weg ins AuBerhalb des bedachtsam Entborgenen. cc Dieses Wort gibt die dichterisch schonste Wesenserhellung der h 4 h . Hierbei steht der h 4 a gegenuber aDhq. Wir ubersetzen mit nscheun. Dies Wort soll aber nicht ein r*subjektives<< Gefuhl benennen und keine nErlebnishaltungu des menschlichen wsubjektsc AiShg (Scheu) kommt iiber den Menschen als das Bestimmende und d. h. Stimmende. Wie aus dem Gegensatz zur lb4a (Verbergung) deutlich wird, bestimmt die Scheu die hh*~a, das Unverborgene nach seiner Unverborgenheit, in der das ganze Wesen des Menschen mit all seinen Vermogen steht. AiShg, das Grundwort der pindarischen Dichtung und somit ein Grundwort des eigentlichen Griechentums, meint, auch wenn wir die Scheu als das Stimmende fassen, nie die bloBe Schuchternheit, nicht die Verangstigung und Furchtsamkeit. Am ehesten treffen wir das Wesen der hier gemeinten Scheu aus dem Gegenwesen, das wir nAbscheur nennen. Die Scheu stimmt in das Vordenken auf das, was das Wesen des Menschen aus dem Seienden im Ganzen her stimmt. AitkAq griechisch gedacht - ist nicht ein Gefiihl, das der Mensch hat, sondern die Stimmung als das Stimmende, das sein Wesen, d. h. den Bezug des Seins ZULU Menschen, besti-t. Deshalb ist ai8Gq als das Hochste in der Wesensnahe des hochsten Gottes Z E ~ SSo. sagt Sophokles (Oedip. Kol. 1267): &hh' at^ ydrg xai Zqvi airvbaxoq 6~6vov AiMg tx' Egyoig nGa~, "Doch hat ja auch mit Zeus beisammen inne ihren Wesenssitz ABhq, thmnend iiber allem Beigestelltenn (Seienden, das der Mensch sich her- und zwtellt).
$ I . Der Gegensatz zum hAqBlSIq: d m haB6v, AaBLq
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Das Sein selbst tragt die Scheu, nihdich zu sein. So anfiingli& ist das Sein auf der Hut seines Wesens. Diese Scheu mein1 ut8&. Diese Scheu wirft dem Menschen zu, ivifiahrv 6grr(lv. 'AQETT~ ist ein gleichwesentliches griechisches Wort wie aibhq; das Wort (4) 1 a t sich no& weniger ubersetzen als ai8hg. Sagen wir >>Tugend<<, dann kliingt das zu >>moralischu;sagen wir nTauglichkeita und denken wir diese in bezug auf nTuchtigkeit~und uleistung., dann klingt das erst recht xmodema und fiihrt irre. 'Ae~r4meint das Aufgehen und AufschlieBen und Einfugen des Grundwesens des Menschen in das Sein. 'Aerri ist bezogen auf die rpvh, rnit welchem Wort Pindar das in die Unverborgenheit aufgehende Wesen des Menschen nennt. 'AQETI~ und 6gr6o ist desselben Stammer wie das lateinische ars, was zurn romischen Wort fur rlSI~vq wird, was wir mit >>Kunste ubersetzen. Auf dem Grunde dieses eingefiigten Aufgangs und Aufschlusses seines Wesens in der bprr~jist der Mensch >> entschlossencc, aufgeschlossen, entbergend-entborgen zum Seienden. In solcher ~ Q E T Ent-schlossenheit, ~, ist der Mensch im wortlichen Sinne >>ent-schiedencczum Sein des Seienden, entschieden, d. h. nicht abgeschieden von ihm. Die griechisch verstandene 6prr6, aEntschlossenheit<<, als die aus der hhfiBria und ai8& bestimmte Entborgenheit des Menschenwesens ist etwas wesentlich anderes als die neuzeitlicl~ gedachte, auf den Menschen als r Subjekta gegriindete nEntschlossenheitcr;deren Wesen griindet im Willensakt des willentlich sich auf sich selbst und nur dahin sich stellenden Menschen. Die Entschlossenheit des neuzeitlichen RenaissanceMenschen stammt aus dem Willen zurn Willen. In diesen Bezirk gehort die romisch gedachte ~ Q E T=~ die virtus, italienisch virth, zu der dann auch die >>Virtuositat<sich gesellt. Die >>Entschlossenheit<< im rnodernen Sinne ist die festgemachte Einrichtung des Willens auf sich selbst. Sie gebirt metaphysisch in das Wesen des Willens zum Willen, als dessen nachste Gestalt der Wille zur Macht sich zeigt. Die Entschlossenheit im rnodernen Sinne ist metaphysisch nicht auf die
&hfi6~ia,sondern auf die Selbstsicherheit des Menschen als Subjekt, d. h. auf die Subjektivitat, gegrundet. Die neuzeitlich begriffene Entschlossenheit will das im eigenen Willen Gewollte, sie ist von diesem Willen hingerissen zum Willen. Das >>Hingerissenc< heil3t romisch fanatice. Die Auszeichnung der modernen Entsddossenheit ist >>dasFanatischecc. Demgegenuber hat die griechisch erfahrene Ent-schlossenheit als sich entbergende AufschlieBung zum Sein einen anderen Wesensursprung, narnlich den aus dem anders erfahrenen Sein - aus der aiShq, der Scheu; sie wirft und schickt zu dem Menschen die &QET&. Die Scheu als Wesen des Seins bringt dem Menschen die Entbergung des Seienden. Der aiShq entgegen aber waltet die A66a, die Verbergung, die wir die Vergessung nennen.
Wiederholung 1) Drei Titel der Wesensgeschichte des Abendlandes. und Zeitc<.Das wesentliche Denken. Hinweis auf >>Sein Hinweis auf Holderlin, Pindar. Der Anfang des Wesensbezugs des Seins zum Menschen in Wort und Sage. Das griechisdhe Wesen des Menschen. Hinweis auf Hesiod AuBer der Verbergung nach der Weise des Verstellens und Entstellens waltet ein Verbergen, das im Wesen des Todes, der Nacht und alles Nachtlichen, der Erde und alles Unter- und Ubererdigen erscheint. Solches Verbergen durchwaltet das Seiende im Ganzen, Letzten und Ersten. Dieses Verbergen tragt in sich die zum voraus alles mitfugende Art der moglichen Entbergung und der Unverborgenheit des Seienden als eines solchen. Wo immer aber auch und wie immer fiir das Griechentum das Seiende sich in die Unverborgenheit aufgehen la&, da >>kommtccdas Sein in einem vorzuglichen Sinne nzum Wortcc. GemaB dern anringlichen, alles durchwesenden Walten der Verbergung und Entbergung ist daher das Wort
gleiAunpriingli&en Wesens mit Entbergung und Verbergun~.
D~~wort hat sein eigenes Wesen darin, das Seiende in ~einem
seiners&einen zu lassen und das also Erscheinende, d. h. Unverborgene, als ein solches aufzubewahren. Das Sein gibt sich anf kglich ins Wort. Versuchen wir, aus diesem anf anglichen Wesensbezug VOn seh und w o r t die verborgene Wesensgeschichte des Abendbrides zu erfaben, d a m kijnnen wir die einfachen Ereignisse dieser Ges&&te in drei Titeln nennen. Der Gebrauh solcher *itel ist stets miBli&, wenn es bei den blofien Titeln bleibt Der ersfe Anfang der Wesensgeschichte de5 Abendlandes steht unter dem Titel xsein und W O ~ ~ Q nemt den Wesensbezug, den das Sein selbst, nicht etwa die danllber na&denkenden Menschen, auf gehen Bfit,um in ihm sein Wesen zur Wahrheit zu bringen. Bei platon und Aristoteles, die den Beginn der Metaphysik sagen, das wort zum hbyos im Sic der Aussage. Diese wandelt im
freu
Verlauf der Entfaltung der Metaphysik zu ratio, zur Vemunft und Nm Geist. Die Metaphrik des Abendlandes, die Wesensder Wahrheit des Seienden als solchen im Ganzen, die sich Denken van Platon bis Nietzsche ins Wort bringt, steht unter dem Titel seinund flutiox. Deshalb erscheint auch imWeltalter der Metaphysik m d nur in diesem ndas Irrationalea in reinem Gefolge ndas Erlebnis. Denken +r an den Titel *Sein und Zeit Q, d a m besagt hier weder die gerechnete Zeit der >Uhrn noch die nZeit. des ~Erlebensccim Sinne van Bergson anderen. Der Name ist in dem gemeinten Titel der klar ausgesprochenen Zugehorigkeit zum Sein der Vorname fur das u r s p ~ g l i c h e r eWesen der &lfiaELa und nennt den Wesensgrund fur die Ratio und allen Denken und Sagen. n Zeit. ist in >> Sein und Zeitr, so befremdli& das Hngen der Vorname fur den Anfangsgrund des Wortes. >>Seinund Worta, der Anfang der Wesensgesfilchte des Abendlandes, ist anfigli&er erfabren. Die Abhandlung rSein und Zeitl: ist nur der Hinveis a ~ das f Ereisis, das
gesmi&e
gems
~
114 Der seinsgeschichtliche Bereich von cWl8~caw d Afitl&l Sein selbst eine anfangliehere Erfahrung dem abendlandischen Menschentum zuschickt. Dieser urspriinglichere Anfang kann sich nur so wie der erste Anfang in einem abendliindisch geschichtlichen Volk der Dichter und Denker ereignen. Mit einem sich aufspreizenden SendungsbewuStsein haben diese Satze nichts zu tun, wohl dagegen mit der Erfahrung der Wirrnisse und der Schwere, mit der sich ein Volk nur langsam in die Stelle des abendlandischen Geschieks, das ein Weltschicksal in sich verbirgt, zu fiigen vermag. Daher gilt es zu wissen, daB dieses geschichtliche Volk, wenn es iiberhaupt hier auf ein rSiegenx ankommt, schon gesieg hat und unbesiegbar ist, wenn es das Volk der Dichter und Denker ist, das es in seinem Wesen bleibt, solange es nicht der furchtbaren, weil immer drohenden Abirrung von seinem Wesen und so einer Verkennung seines Wesens zum Opfer fdlt. Ich sage damit nichts Neues, wie denn uberhaupt kein Denkender dem Vergniigen fronen darf, Neues zu sagen. Neues zu finden und das Erfinden ist Sache der nForschungr und der Technik. Das wesentliche Denken mu8 stets nur das Selbe, das Alte, das Alteste, das Anfingliche anfanglich sagen. Wie s a g es der deutscheste, weil aus der abendlandischen Geschichte des Seins selbst dichtende und darum erst kommende Dichter der Deutschen, Holderlin, in seinem Gedicht, das iiberschrieben is: >> Gesang des Deutschencc?s
0 heilig Herz der Vijlker, o Vaterland! AUduldend gleich der schweigenden Mutter Erd: Und allverkannt, wenn schon aus deiner Tiefe die Fremden ihr Bestes haben. Sie erndten den Gedanken, den Geist von dir, Sie pfliicken gem die Traube, doch hijhnen sie Dich, ungestalte Rebe! daf3du Schwankend den Boden und wild umirrest. (IV, 129) Holderlin, WW (Hellingrath)., IV, S. 129. Schon allein der Genitiv in dieser Oberschrift ist ratselhaft mehrdeutig.
$ 5 . Der Gegensatz zum MqSEq: das ba86v, AaSCs
11s
Im Griechentum ist nun aber das Wort als pGSos, Znos, Gqpa und libyo5 dasjenige, worin das Sein sich dem Menschen zuweist, damit er es als das ihm Zugewiesene in seinem eigenen Wesen bewahre und aus solcher Bewahrung seinerseits erst sein eigenes Wesen als Mensch fmde und behalte. Deshalb ist das Geschick, >>dasWort zu haben> Werk<>Bildungc< noch kaum imstand, auch nur eine ungefahre >>Vorstellung<< dariiber zu erlangen, wie im Griechentum das Wort und die Sage den Wesensbezug des Seins zum Menschen angefangen, getragen und erfiillt hat. Insbesondere mochte uns das gelaufige und bequemste >>Bild<<, in dem uns das Griechentum begegnet, uberhaupt davon abhalten, dem alles tragenden Bezug zwischen Sein und Wort gebiihrend nachzudenken. Man wird darauf hinweisen, daf3 doch die Bauwerke und Bildwerkc der Griechen, die Tempe1 und die Standbilder, die Vasen uncl die Vasenmalerei nicht weniger ein ,Ausdruck>falsch<<, doch in jedem Falle einseitig. Auf dieses Bedenken kommt unsere Betrachtung iiber das Wesen der MqS~iaam gegebenen Ort zuriick.
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116 Der seinsgeschichtliche Bereich von M q s l a und hq&I Nur wo ein Menschentum in das Wesen eingelassen ist, das nur da bleibt es in die Bewahrung Wort zu haben, Myov OXELV, der Unverborgenheit des Seienden gewiesen. Nur wo diese Weisung waltet und in ihr zuvor die Unverborgenheit als das Sein selbst encheint, west auch die Verbergung in einer Weise, die niemals nur der bloD widrige und unartige Gegensatz zur Entbergung sein kann nach der Art der Verstellung, Entstellung, des Abwegs, der Tauschung und der Falschung. Weil von all dem unterschieden noch eine urspriinglichere Weise der Verbergung ist, haben die Griechen sie auch mit einem Wort genannt, das im Unterschied zu yld6og und &rt&rq und ocp&hlsrv unmittelbar den Bezug zum angestammten Stamm festhalt: die Verbergung als die hfi6q. Da nun aber aus dern Wissen vom Wesen der h f i h das Wissen vom Wesen der 1%fi6~lasich mitentscheidet, wir Spateren jedoch gewohnt sind, die als rvergessenn gefaBte Afih im Sinne eines nsub jektiven Erlebens<< und Verhaltens zu deuten, deshalb ist es notig, im voraus klar zu erkennen, welche Wesenszusammenhiinge im Bezug zwischen q8q und &h46sta walten. Zugegeben sei, da13 die griechischen Denker diese Wesensbeziige so nicht gesag haben, wie wir sie jetzt zu sagen genotigt sind. Gerade weil namlich das griechische Wesen des Menschen sich darin erfiillt, das ,Wort zu h a b e n ~ ,deshalb kann das Griechentum auch das Wort in jener ausgezeichneten Weise rhabenn und fiir sich behalten, die wir das Schweigen nennen. Die Griechen schweigen viel, wenn wir auf ihr Wesenhaftes denken. Wo sie aber dieses sagen, sagen sie es auch dann noch in einer zugleich verschweigenden Weise. Hiermit weisen wir auf den Grund, dem das Auszeichnende des tragischen Wortes der Tragodie entstammt. Das ist die wesenhafte Zweideutigkeit des tragischen Wortes, die nicht von den Dichtern fur den >>Effektccdes Spieles gemacht, die ihnen vielrnehr aus dem Wesen des Seins zugesprochen wird.
$5. Der Gegensatz zum MqSEs: das ha66v, ha66s
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Warum sollen die Griechen, die in solcher Weise das Wort ~habencc,nun nicht eben dort schweigen und verbergend sich verbalten, wo sie die urspriingliche Verbergung selbst, die Ail&, erfahren? Wie aber sollten sie von ihr schweigen, ohne do& zuweilen von ihr zu sagen? Hesiod nennt die h f i h zusammen mit hipbs, d. h. dem Ausbleiben der Speise. Beide entstammen in ihrer Wesensherkunft der verhullenden Nacht. Pindar nennt das verhullende Wesen der hfi9.q in anderer Hinsicht und weist unseren Blick in ihr verborgenes Wesen. c) IIeZypa: die Handlung. Das Wort als der Wesensbereich der menschlichen Hand. Hand- und Maschinenschrift. ' 0 ~ 6 6 5und rectum. Die wesenhafte Handlung und der Weg auf das Un~~erborgene. Die Vergessung als Verbergung. Das >>wegcc des Menschen von der Unverborgenheit und das Wort der zeichenlosen Wolke. Die Verdiisterung. Der Entzug der hfi6q. Riickblicke auf Pindar. Hinweis auf Hesiod Pindar spricht von 1&6ag&~6xpagta vEcpos, d. i. die zeichenlose Wolke der Verbergung. Damit ist eindeutig das verhiillende Wesen der von uns so genannten >>Vergessenheitc< gezeigt. Die Wolke, die vor der Sonne vorbeizieht oder steht, verbirgt das Heitere des Himmels, das Licht und entzieht die Helle; Sie bring die Verdiisterung und Verfinsterung sowohl iiber die Dinge als auch uber den Menschen, d. h. uber den Bezug beider zueinander, uber das, worin dieser Bezug west. Die Dinge selbst, der Anblick, den sie darbieten, und der Blick des Menschen, der in diesen Anblick blickt, Ding und Mensch stehen und gehen zufolge der Verdiisterung nicht mehr im angestammten aufgegangenen Licht. Wenn die verhiillende Wolke - uber Ding und Mensch daherder Vergessung $n~$aive~ schreitet, naeEhxs1 xeayy&zov8~6&v 68bv / EEo cp~sv8v- >>zieht sie abseits der Handlungen geradeaus gehenden Weg ins Aderhalb des bedachtsam En:borgenencc. Hier fallt das Wort xgtiypa, was wir sonst mit >>Ding<< und .Sache<< iibersetzen. Iig&tto heiDt: hindurchdringen, durch-
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118 Der seinsgeschichtliche Bereich von &h?j$?~la urzd h48q messen, durch Unverstelltes hindurch einen Weg zuriicklegen und auf diesem Weg bei etwas anlangen und so das, wobei das Hindurchgehen anlangt, als Anwesendes beistellen. (In denselben Bedeutungskreis gehort Eeyo, Z~yov.) lletiypa bedeutet urspriinglich und noch bei Pindar sowohl dieses Bei-stellen selbst als auch das Beigestellte; genauer gesagt: nptiypa bedeutet die urspriingliche Einheit von beidem in seinem Bezug - die noch unzertrennte und im Wesen auch unzertrennliche Einheit des anlangenden Beibringens und des im Anlangen Erlangten und so unverborgen Anwesenden. IIgtiypa ist hier noch nicht unterschieden und geschieden und getrennt als Ding und Sache von ne65ls als der vermeintlichen >>Tatigkeit<<. Qtiypa ist noch nicht verengt auf den Begriff der >>Sache<<, um die es sich >>handelt>Handlung<< nicht die wortliche Ubersetzung Obzwar das Wort >>Handlung<< von ng6ypa ist, trifft die recht verstandene >>Handlung<< das urspriinglich wesentliche Wesen von nebypa. Auch die Dinge bhandelncr, insofern sie als die Vorhandenen und Zuhandenen im Bereich der >>Hand<< anwesen. Die Hand langt darnach und erlangt: n~drztsi,das erlangende Anlangen bei etwas, xgGypa bleibt wesentlich auf die Hand bezogen. durch die Hand; denn die Der Mensch selbst >>handelt<< Hand ist in einem mit dern Wort die Wesensauszeichnung des Menschen. Nur das Seiende, das wie der Mensch das Wort (pG605) (Abyoq) >>hat<<, kann auch und mu13 >>dieHand<<>>habencc. Durch die Hand geschieht zumal das Gebet und der Mord, der GruB und der Dank, der Schwur und der Wink, aber und das Gerat. auch das aWerk<<der Hand, das >>Handwerk>Kralle
$' 5. Der Gegensatz zum 8hq685: dm Aa66v, Aa665
. . ;ralltcc. Nur aus dem Wort und mit dem Wort ist die Hand entsprungen. Der Mensch >>hatenicht Hande, sondern die Hand hat das Wesen des Menschen inne, weil das Wort als der wesensbereich der Hand der Wesensgrund des Menschen ist. Das Wort als das eingezeichnete und so dern Blick sich zeigende ist das .geschriebene Wort, d. h. die Schrift. Das Wort als die Sdrift aber ist die Handschrift. Der moderne Mensch schreibt nicht zufallig >>mitccder Schreibmaschine und >>diktiertcr(dasselbe Wort wie >>Dichtencc) >>in<< die Maschine. Diese >>Geschichteccder Art des Schreibens ist mit ein Hauptgrund fur die zunehmende Zerstomng des Wortes. Dieses kommt und geht nicht mehr durch die schreibende und eigentlich handelnde Hand, sondern durch deren mechanischen Druck. Die Schreibmaschine entreil3t die Schrift dem Wesensbereich der Hand, und d. h. des Wortes. Dieses selbst wird zu etwas >>Getipptemcc. Wo die Maschinenschrift dagegen nur Abschrift ist und der Bewahrung der Schrift dient oder die Schrift an Stelle des >>Druckescrersetzt, da hat sie ihre eigene und begrenzte Bedeutung. In der Zeit der ersten Herrschaft der Schreibmaschine galt noch ein mit der Maschine geschriebener Brief als Verletzung des Anstandes. Heute ist ein handgeschriebener Brief eine das eilige Lesen storende und deshalb altmodische und unerwiinschte Sache. Das maschinelle Schreiben nimmt der Hand im Bereich des geschriebenen Wortes den Rang und degradiert d_as Wort zu einem Verkehrsmittel. AuBerdem bietet die Maschinenschrift den Vorteil, daI3 sie die Handschrift und damit den Charakter verbirgt. In der Maschinenschrift sehen alle Menschen gleich aus. Unter >>Handlung<< (n~tiypa)verstehen wir den einheitlichen Wesensbereich der >>vorhandenenccDinge und des beistellend >>handelnden<< Menschen. Zur so verstandenen >>Handlung<< gehijrt wesensnotwendig q6865, der Weg, als der ausblickhafte Gang, der zwischen dern Vorhandenen und dern bei-stellenden ~handelndenccMenschen him und her geht. Der Weg, 6665, heil3t 6~6dr.Das griechische 6~665meint ~geradeaus*,15ngs und
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I20 Der seinsgeschichtliche Bereich von hhfi8sia und hj8q
entlang, nkimlich dern Ausblick und Durchblick auf das Unverborgene. Die Grundbedeutung von dg.965 ist eine andere als die des romischen rectum, des nach oben gerichteten, weil von oben her richtenden und befehlenden und >>regierenden>rechtcranfiinglich nichts gemeinsam. Zum Wesensbereich von ngcypa, der wesenhaft begriffenen Handlung, gehort der geradeaus ,auf das Unverborgenecc gehende Weg. Sofern die verhullende Wolke die Verdusterung bringt, entbehrt der ausblickhafte Weg jene Helle, die ihn gerade hin auf das Unverborgene leitet. Also zieht die Wolke den Weg innerhalb der Handlung abseits, nag&- neben vorbei - in das Aderhalb dessen, was das von der Scheu gei~iteteVordenken und Bedenken und Andenken zubringt. In :lie Verbergung als solche Verdusterung versetzt, steht der Mensch in gewisser Weise aderhalb des Unverborgenen. Das Wort von der Wolke gibt einen Wink fiir das nichterlebnismaljige Erfahren des Wesens der Vergessung. Aber nicht minder wesentlich ist die dichterische Kennzeichnung der verbergenden Wolke. Sie heiljt &kxpagta. Die Wolke ist zeichenlos; das sagt: sie selbst zeigt sich gar nicht. Diese Verbergung als Verdiisterung halt sich selbst im Verborgenen. Alle Verdiisterung laljt immer noch eine Helle zuriick, die, fur sich selbst genommen, als die einzige Helle >>erscheinencckann. Darin, da13 die Wolke der vergessenden Verbergung sich selbst als solche verbirgt, kommt das Unheimliche des Vergessens zum Vorschein. Das Vergessen geschieht selbst bereits in einer Vergessenheit. Wir sind schon nicht mehr dabei, wenn wir etwas vergessen, sondern wir sind >>wegcc- >>abseitsgezogencc.
$ I.u e r Gegensatz zum hhq.9kg: dm AaSbv, AaBks
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Waren wir beim Vergessen dabei, d a m miaten und kinnten ,ir das Vergessene immer noch behalten, d a m ware uberhaqt ,ie Vergessen. Zuvor mu8 die Vergessung uns selbst aus unseeigenen Wesensbereich hinausgestoBen haben, damit wir s, nicht mehr bei dern aufhalten konnen, was in die Vergessenheit hinausfallen SOU. Erst durch das deutende Wort &&paera, >> zeichenlos n im Sinne von >> sich nicht zeigend u, selbst verbergendcc, ist das Wesen der verhdlenden Verbergung der Vergessenheit getroffen. Gleichwohl haben wir auch jetzt noch nicht das griechisch erfahrene Wesen des nZeichenlosencc und damit der Vergessung als Verbergung ausgeschopft. Tlxpap ist das Zeichen, das Zeigende, das, indem es sich zeigt, zugleich zeigt, wie es mit dern Seienden steht, wohei das menschliche Verhalten anlangt und arilangen muB. Das deutsche >> WahrzeichenccwZre angemessen, gesetzt, daB wir das >>Wahreccim griechischen Sinne dachten. Das also Zeigende und das Unverborgene, Weisende kann in der Folge dann auch ~Ziel<< bedeuten. Aber das Wesen des >>Zielescrist fur die Griechen die Begrenzung und Eingrenzung der Richtung und der Reichweite des Verhaltens. Modern gedacht, ist ein >>Zielccnur innerhalb des Grenzender Vorbehalt einer >>Zwischenstationc< losen der zu steigernden Erfolge und Geschafte. Die Grenze (xkgas), griechisch gedacht, ist aber nicht das, wobei etwas aufhort, sondern das, worein es entsteht, indem es darinnensteht als demjenigen, was das Entstandene so und so >>gestaltetc<, d. h. in einer Gestalt stehen und das Standige anwesen 1a13t. WO das Eingrenzende fehlt, kann etwas in dem, was es ist, nicht anwesen. 'Atkxpagta vlcpoq, die zeichenlose, d. h. zugleich die ihre eigene Anwesenheit vorenthaltende Wolke, ist die sich nicht zeigende, abwesende Verbergung. Wir ahnen jetzt einiges vom Wesen der >>Vergessenheitcc.Es mag daher gut sein, die Hauptmomente noch einmal besonders zu betonen. Das Vergessen ist als eine Art von Verbergung ein Ereignis, das iiber das und den Menschen in seinem Verhaltnis
122 Der seinsgeschichtliche Bereich von &A49aiaund
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zu diesem kommt. Die Vergessung ereignet sich im Wesensbereich der Handlung. Das Vergessen ist kein >>subjektives Erlebniscc und kein >>subjektiverZustand>Gedachtnisschwundescr und dergleichen. Diese Verbergung betrifft nicht nur das Vergangene, sondern auch das Gegenwartige und vor allem das im Vordenken auf den Menschen Zukommende und seinem Verhalten Zu-kommende im Sinne der zugewiesenen Anweisung. Auf diese zu hat der Weg des Menschen, wenn ihn die Scheu bestimmt und das Unverborgene zubringt, die Richtung. Der Weg ist dann ein gerichteter be6& 6865. Nur wenn der Weg im Unverborgenen verlaufen kann, kann er gerade zu auf das Unverborgene gehen und der gerichtete Weg sein. Nur wenn er der also gerichtete ist, ist er der rechte. Das Rechte hat seine Wesensmoglichkeitund seinenWesensgrund in der E n t b e r p g der Unverborgenheit. Weil griechisch gedacht d'as 68665 - geradeaus, langs - nur im Unverborgenen auf das Unverborgene zu waltet und west, deshalb ist auch nur dort eine Zuweisung und ein Zu-stellen und >>Zu-setzen<< im Sinne eines bestimmenden Weisens moglich, 'wo das Verbergen und Verstellen nicht obwaltet - wo kein Aav9drva~vsich ereignet. Deshalb sagt Hesiod auch von Nereus an derselben Stelle, wo er ihn bq~v8kaxai &Aq6Eanennt, nicht verstellend und nicht verhehlend, 0668 9apiutE0v Afi6ata~- er steht fur sich nicht in der Verborgenheit hinsichtlich der zu-setzenden Einweisungen. (Ober 6Epiute~und 6Epy wird zu handeln sein, wenn wir zum Wort des Parmenides zuriickgekehrt sind. Uber die 19Qp~q jedoch kann iiberhaupt nichts gesagt werden ohne eine voraufgehende Besinnung iiber das griechisch zu denkende Wesen der ~ E u L ~aSetzung<<.) , Das griechisch erfahrene Vergessen ist weder ein subjektiver Zustand noch bezieht es sich nur auf das Vergangene und das >>Andenken<< an dieses, noch betrifft es iiberhaupt nur das DenDie Verbergung stellt das ken im Sinne des >>Vor-stellens<<. ganze Wesen des Menschen ins Verborgene und reil3t ihn so heraus aus dem Unverborgenen. Der Mensch ist von diesem
5 I . Der Gegensatz z u m &Aq9ts:dm AaRhv, Aa6k
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,,weg<<.Er ist nicht mehr dabei. Er vernachlassigt und unterlafit das Zugewiesene. Die Verbergung iiberfat und zieht weg neayp&m~ beS&v 6686. Das Vergessen ist ein Nicht-mehr-dabeisein und keineswegs nur ein vorstellungsmaOiges Sich-nichtmehr-erinnern. Wir sind versucht, zu sagen, die Griechen faOten das Vergessen nicht nur in bezug auf das erkennende und wissendeVerhalten, sondem auch im Hinblick auf das >>praktische<<.Aber so sagend, denken wir schon ungriechisch, weil die Verbergung im vorhinein das ganze Dabei-sein des Men,&en beim Seienden angeht. Nur weil es so ist, deshalb betrifft das Vergessen sogleich und gleichurspriinglich das >> theoretische<< und >>praktische<< Verhalten. Aufgrund dieser Erlauterung des Wesens der Vergessenheit als Verbergung und im Hinblick auf das Nachstfolgende konnen wir die vollzogene Besinnung in eine Art von >>Definition<< zusammenfassen. Die A46q, die Vergessung, ist jene Verbergung, die das Vergangene, Gegenwartige und das Zukunftige in das Weg einer selbst abwesenden Abwesenheit hinausfallen laat und damit den Menschen selbst in die Verborgenheit gegeniiber diesem Entzug wegstellt, so zwar, daS diese Verbergung ihrerseits im ganzen nicht zum Erscheinen kommt. Die verbirgt, indem sie entzieht. Sie entzieht, indem sie, sich selbst vorenthaltend, das Unverborgene und dessen Entbergung in das Weg einer verhiillten Abwesung wegfallen laSt.
124 Der seinsgeschichtliche Bereich von & h t 6 ~ und ~ a hi@q Wiederholung
2) Die Zusammengehorigkeit von Sein, Wort, Lese, Hand und Schrift. Der Einbruch der Schreibmaschine in den Bereich des Wortes und der Handschrift. Die Folge der Technik im gewandelten Bezug des Seins zum Menschen. Der Bolschewismus: die im vorhinein vollstandig technisch organisierte Welt. Das Denken und Dichten der Griechen in der & h 4 6 ~ und ~ a 14811 A46q ist Verbergung, und zwar diejenige, die zumal uber die
Dinge und den Menschen, uber den wechselweisen Bezug zwischen beiden kommt und alles in gewisser Weise aus der gewahrten Unverborgenheit dergestalt wegzieht, da13 diese Verbergung dabei selbst sich entzieht. Die erlauterte Stelle aus Pindars Ode (OI., VII, 48 ff.) sollte nicht nur auf das Wolkenhafte und zugleich zeichenlose Wesen der h4* hinweisen, sondern gleichentschieden darauf, dal3 diese einzigartige Verbergung uber die nehypata kommt und gerade sie befallt. Hierbei ist nun allerdings wichtig, zu sehen, da13 necypa weder das ~) T& Ding fur sich noch die Tatigkeit fur sich ( ~ Q E E Lmeint. nehypata ist hier vielmehr das Wort fur das eine urspriinglich unzertrennliche Ganze des Bezugs zwischen den Dingen und dern Menschen. Wir ubersetzen ngtiypa >>Handlung<<. Dieses Wort bedeutet dann also nicht die menschliche Tatigkeit (actio), sondern die einheitliche Weise, wie jeweils die Dinge vor-handen und zu-handen sind, d. h. auf die Hand bezogen sind, und wie jeweils der Mensch in seinem Verhalten, d. h. der durch die Hand handelnde, in den Bezug zum Vor-handenen gestellt ist. Hieraus wird deutlich, wie die Hand in ihrem Wesen den Wechselbezug zwischen dern >>Seienden<< und dern Menschen ist nur, wo das Seiende als solches bei sich verwahrt. >>Hand<< unverborgen erscheint und der Mensch entbergend zurn Seienden sich verhalt. Die Hand verwahrt gleich dern Wort den
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5. Der Gegensatz zum &hq985: das ha96v, ha68q
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gezug des Seins zum Menschen und dadurch erst das Verhglmis des Menschen zum Seienden. Die Hand handelt. Sie beKdt in der Sorge das Handeln, das Gehandelte und Behandelte. Wir sagen daher auch, wo Wesenhaftes wesentlich behutet ist, es sei >>inp t e r Hand<<,au& wenn dabei nicht unmittelbar und s t k d i g Handgriffe und Handhabungen notig sind. Die Wesenszusammengehiorigkeit der Hand mit dern Wort als der Wesensauszeichnung des Menschen offenbart sich darin, daB die Hand Verborgenes entbirgt, indem sie zeigt und zeigend zeichnet und zeichnend die zeigenden Zeichen zu Gebilden bildet. Diese Gebilde heil3en nach dern >>Verburn<< yehcpa~v die y~hppata.Das durch die Hand gezeigte und in solcher Zeichnung erscheinende Wort ist die Schrift. Noch jetzt heifit die Lehre vom Sprachbau die >>Grammatikc<. Die Schrift ist in ihrer Wesensherkunft die Hand-schrift. Wir nennen das entbergende Aufnehmen und Vernehmen des geschriebenen Wortes das ~Lesencc,d. h. Sammeln - (~Ahren lesen<<),griedhisch 1kys~v- h6yo5; dieses Wort ist aber im anfanglichen Denken der Name fur das Sein selbst. Sein, Wort, Lese, Schrift nennen einen urspriinglichen Wesenszusammenhang, in den die zeigend-schreibende Hand gehort. In der Handschrift ist nun der Bezug des Seins zum Menschen, namlich das Wort, in das Seiende selbst eingezeichnet. Der Urs p m g und die Behandlungsart der Schrift ist in sich schon ein Entscheid uber den Bezug des Seins und des Wortes zum Menuber das Verhaltnis des Menschen zum Seischen und d-it enden rind die Art, wie beide, Mensch und Ding, im Unverborgenen stehen oder ihm entzogen sind. Wenn also die Schrift ihrem Wesensursprung, d. h. der Hand, entzogen wird und wenn das Schreiben der Maschine ubertragen ist, d a m hat sich im Bezug des Seins zum Menschen ein Wandel ereignet, wobei es von nachgeordneter Bedeutung bleibt, wie viele Menschen die Schreibmaschine beniitzen und ob einige sind, die ihre Beniitzung vermeiden. Da13 die Erfindung der Druckerpresse rnit dern Beginn der Neuzeit
126 Der seinsgeschichtliche Bereich von 6A46~~a und A$i+q zusammenfallt, ist kein Zufall. Die Wortzeichen werden zu Buchstaben, der Zug der Schrift verschwindet. Die Buchstaben Dieser Mechawerden >,gesetzt*c,das Gesetzte wird >>gepreBt<<. nismus des Setzens und Pressens und >>Druckens>Reaktion>gesagtccwerden sollte. Freilich ist das Gesagte kein Vortrag uber die Schreibmaschine, bei dem man hier mit Recht fragen konnte,,was die Schreibmaschine in aller Welt denn mit Parmenides zu tun habe. Genannt werden sollte der mit der Schreibmaschine gewandelte neuzeitliche Bezug der Hand zur Schrift, d. h. zum Wort, d. h. zur Unverborgenheit des Seins. Die Besinnung auf die Unverborgenheit und das Sein hat freilich alles, nicht nur einiges, mit dem Lehrgedicht des Parmenides zu tun. In der >>Schreibmaschineccerscheint die Maschine, d. h. die Technik, in einem fast alltaglichen und daher unbemerkten und daher zeichenlosen Bezug zur Schrift, d. h. zum Wort, d. h. zur
$ 5 . Der Gegematz zurn &Aq6k5:das Aa96v, Aa8Eq
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wesensauszeichnung des Menschen. Hier hatte eine eindringlichere Besinnung zu beachten, dal3 die Schreibmaschine noch nicht einmal eine Maschine im strengen Sinne der Maschinent e b i k ist, sondern ein >>Zwischendingcr zwischen einem WerkZeug und der Maschine, ein Mechanismus. Ihre Herstellung aber ist durch die Maschinentechnik bedingt. Diese in der nachsten Nachbarschaft zum Wort uingehende ,>Maschine<< ist im Gebrauch; sie d r k g t sich diesem auf. Selbst do&, wo diese Maschine nicht beniitzt wird, fordert sie die Riicksichtnahme auf >>sich<< heraus in der Gestalt, daB wir auf sie verzichten und sie umgehen. Dieses Verhaltnis wiederholt sich uberall und standig in allen Beziigen des neuzeitlichen Menschen zur Technik. Die Technik ist in unserer Geschichte. Wer Ohren hat zu horen, d. h. die metaphysischen Griinde umd Abgrunde der Geschichte zu sehen und als metaphysische ernst zu nehmen, der konnte schon vor zwei Jahrzehnten das Wort Lenins horen: Der Bolschewismus ist Sowjetmacht Elektrifizierung. Das will sagen: Der Bolschewismus ist der >,organischec<,d. h. organisierte rechnerische (und als +) Zusamrnenschlul3 der unbedingten Macht der Partei mit der vollstiindigen Tedhnisierung. Die biirgerliche Welt hat nicht gesehen und will es zum Teil heute noch nicht sehen, dal3 im >,Leninismuscc,wie Stalin diese Metaphysik nennt, sich ein metaphysischer Vorsprung vollzogen hat, aus dem in gewisser Weise erst die metaphysische Leidenschaft des jetzigen Russenturns fur die Technik verstandlich wird, aus der es die technische Welt zur Macht bringt. Nicht dies, dal3 die Russen z. B. immer no& mehr Traktorenwerke bauen, ist das erst Entscheidende, sondern dal3 im vorhinein schon die vollstandige technische Organisation der Welt der metaphysische Grund der Planung und alles Vorgehens ist, und dal3 dieser Grund von Grund aus und unbedingt erfahren und in den arbeitenden Vollzug gebracht wird. Die Einsicht in das >>metaphysischea Wesen der Technik wird fiir uns geschichtlich notwen-
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128 Der seinsgeschichtliche Bereich von &Afi9siaund Afih dig, wenn das Wesen der abendliindischen geschichtlichen Menschen gerettet bleiben soll. Technik aber als moderne, d. h. als Kraftmaschinentechnik verstanden, ist selbst bereits die Wesensfolge und nicht der Grund eines Wandels des Bezugs des Seins zum Menschen. Die moderne Maschinentechnik ist das >>metaphysischec< Instrumentarium eines solchen Wandels, der auf ein verborgenes Wesen der Technik zuriickdeutet, das sich in jenes einfugt, was schon die tkxvq der Griechen nennt. Vielleicht ist der in der Technik erscheinende gewandelte Bezug des Seins zum Menschen dergestalt, dafi das Sein sich dem Menschen entzogen hat und dafi der neuzeitliche Mensch in eine ausgezeichnete Seinsvergessenheit hinabgefallen ist (derzufolge er bereits eine Frage, wie sie in >>Seinund Zeitcc gefragt wird, nicht mehr und vorerst noch nicht nach-denken kann). Vielleicht ist die vie1 verhandelte Frage, ob die Technik den Menschen zu ihrem Sklaven mache, oder ob der Mensch uber die Technik der Herr werde, bereits eine obedachliche Frage, weil man vergat, zu fragen, welche Art Mensch denn allein die >>Meisterung>Philosophiencc uber die Technik tun so, als ob >>dieTechnik<cund >>derMensch<>~rdfiencc und Dinge seien, als ob nicht schon die Art, wie das Sein selbst erscheint und sich entzieht, iiber den Menschen und uber die Technik, d. h. uber den Bezug zwischen dem Seienden und dem Menschen, also uber die Hand und uber das Wort und ihre Wesensentfaltung entschieden habe. \Veil in der Frage nach der Afihnach diesem Bezug des Seins zum Menschen gefragt ist, deshalb mussen wir bei der Aufhellung des Wesens von xehypa, der Handlung der Hand, auf die >>Schreibmaschinecchinweisen, gesetzt, dafi uberall in der denkenden Besinnung ein Denken ist, das an unsere Geschichte denkt, d. h. an das Wesen der Wahrheit, in der uns das Kunftige entgegenkornmt.
$' 5. Der Gegensatz zum &Aq9k~: dm AaaCtv, liaS.6~
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Man halt >>sonst<< >>diePhilosophiecc gern fiir eine .abStraktea Beschaftigung. Wenn nun anscheinend unversehens und p16tzlich die Rede auf >>dieSchreibmaschineKonkretec< wahrhaft nachzudenken, d. h. in die Wesensnahe der Dinge zu kommen und die Verbergung zu beheben, in die sic durch den blofien Gebrauch und Verbrauch gestol3en sind; die Afih und die Schreibmaschine - allerdings keine Abi m g vom Thema fur den, der nicht in der Seinsvergessenheit untergegangen ist. Nach Pindars Wort hat die aisGq, die Scheu, aus der das Sein selbst auf der Hut fur sein Wesen ist, durch das es dem zuweist, zu ihrem Seienden und dem Menschen die hhfi6~~a Gegenwesen die M9a. Das dichterische Wort Pindars uber die Afihbezeugt, dafi irn Griechentum das wechselweise Gegenwesen zwischen &lfi8~la und h'lh urspriinglich erfahren ist. Wir mochten deshalb erwarten, dafi dieses Wesensverhaltnis und Afihauch zugleich in der entsprechend zwischen &hfi9s~a urspriinglichen Weise durchdacht und ins Denken gestellt sei. Diese Erwartung erfullt sich nicht. Im Griechentum sind weder noch die Afihje eigens auf ihr eigenes Wesen und die &hfi9s~a auf ihren Wesensgrund durchdacht, weil sie namlich allem Denken und Dichten vorauf als das >Wesen<< das Zu-denkende schon durchwesen. Das Griechentum denkt und dichtet und >>handeltee im Wesen der &hfi+&ia und der hfi9.q7aber es denkt und dichtet nicht auf dieses Wesen und >>handeltccnicht darselbst anuber. Dem Griechentum genugt es, von der &Afi6~~a gesprochen und umfangen zu sein. Dafi das Griechentum in seinem Beginn ein Denken uber das Wesen der &'hfi9s~a (und der Afih) nicht nStig hat, ist das Zeichen fur die Notwendigkeit, unter der-sein Wesen steht. Wenn jedoch in der Zeit der Vollendung des Griechentums in gewisser Weise ein Denken >>uberccdie & A ~ $ E L ~ beginnt, dann ist eben dieser Beginn auch
130 Der seinsgeschichtliche Bereich von &Atb~ia und
Afih
$ 6. verborgenes Gegenwesen der &hfi%~ia: Afih(1) 131
das Zeichen der Vollendung. Anders aber steht es in der Geschichte der neuzeitlichen Welt und ihrer Menschentiimer. Wo aber im Umkreis des denkenden Sagens der Griechen die &Afi6~ia und die Afih eigens genannt werden, da hat dieses Sagen die Art der anfiinglichen Sage und ist pi7905.
6. Die letzte Sage des Griechentums v o m verborgenen Gegenwesen der &Afi6sia,der Afih, (I): Platons Schlu@rnythos der Politeia. Der Mythos iiber das Wesen der Polis. Die Aufhellung des Wesens des Darnonischen. Das Wesen des Der ~ B l i c k u griechischen Gottertums im Licht der &kfia~ia. des Ungeheuren a) Die H ~ A L Sder Pol der aus der &hfi6~ia bestimmten Anwesenheit des Seienden. Hinweis auf Sophokles. Der Niederschlag des streithaften Wesens der &Afi6~ia im Gegenwesen zur n6Ai~:EinoAy. Hinweis auf Burckhardt Die mythische Darstellung in der Theogonie des Hesiod zeigt die Herkunft des Wesens der Afihaus der Eels (Streit) und der vGE (Nacht). Die Ode Pindars gibt die Verdeutlichung eines entscheidenden Wesensbezuges. Das zeichenlose Wolkenhafte der Afihweist auf die ihr eigene sich selbst verbergende und dabei entziehende Verhullung. Dieses vielfache Verhullen und Entschwindenlassen bekundet eindeutig genug die ~ e s e n s h e r kunft der Afi6q. Sie ist von nachtlicher Art. Die Nacht verhullt. Aber die Nacht verbirgt nicht notwendig in der Weise, da13 sie alles in die Schwarze der blol3en Finstemis reil3t. Das Wesentliche ihres Verhullens besteht eher darin, da13 sie zumal die Dinge und den Menschen und beides in seinem Bezug des einen zum anderen einer Verbergung anheimgibt. So befallt auch die Vergessung in ihrem nachtlichen Wesen nicht den Menschen als ein vereinzeltes Lebewesen, urn in dessen Vor-
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stellungsweise VerZnderungen zu bewirken, denen zufolge der Menschsich die GegenstZnde nicht mehr merken kann. Die Vergessung reiI3t zumal die Dinge und den Menschen weg aus der Unverborgenheit, so da13 der >>Vergessendeccin einem Bereich umgeht, in dem ihm Seiendes entzogen bleibt und der Mensch selbst dem Seienden; aber auch dieser wechselweise Entzug bleibt als Bezug der Unverborgenheit entzogen. Wir mochten erwarten, da13 da, wo die Vergessung in solcher Weise als entziehende Verbergung erfahren sei, auch unmittelbar die Beziehung zwischen Afi6q und &Afi6~ianicht nur genannt, sondern eigens bedacht, sie sogar vor allem anderen der Besinnung zugewiesen bleibe. Diese Erwartung, die eben die unsere ist und eine ungriechische, erfullt sich nicht. Gleichwohl durchwaltet das wechselweise Gegenwesen zwischen &hfi6~ia und Afi9.q den Grundzug des Seienden im Ganzen, inmitten dessen das Menschentum der Griechen seine Geschichte aussteht. Fast ist es, als sollte erst im Zeitalter der Vollendung des Griechentums, das zwar nicht seine Gipfelhohe, wohl aber die PaBhohe des ubergangs zum Ende ausmacht, das eigens zum Wort kommen, was immer schon nahe und erfahren gewesen. Im Denken Platons vollendet sich das Griechentum. Im Denken des Aristoteles erlangt diese Vollendung das aul3erste ihr mogliche Wissen und Sagen. Gesetzt also, da13 in der Afih als dem Gegenwesen zur &Afi6~iader anfangliche Gegensatz zur >>Wahrheitccwaltet, gesetzt zugleich, dal3 im Wesen dieses Gegensatzes sich etwas vom Wesen des Seins selbst zeigt, dann kann das Sagen, das dieses Gegenwesen zur &Afi6~ia, namlich die Afiaq, und damit deren eigenes Wesen anfiinglich sagt, nur ein Wort sein nach der Art des anfiinglichen Sagens. Das aber ist der pi76or;. Das denkende Sagen gibt sich im Zeitalter der Vollendung des griechischen Denkens, im Denken Platons, die Gestalt des >>Gesprachscc.Es ist, als wollte vor dem Ende des griechischen Denkens noch einmal von diesem selbst durch seine eigene Art.
zu sagen, bezeugt werden, welchen Wesensrang das Wort dort hat, wo der Mensch unmittelbar in den Bezug zur M w a kommt. Aus Platons Dialog rphaidrosx, dern Gesprach iiber ndas Schone<< (SchluDstuck) erfahren wir uberdies, da8 Platon ein sehr klares Wissen vom Vorrang des unmittelbar g e s p r o h nen Wortes vor dern nur geschriebenen hatte. Doch wo w a r n Platons nGesprachen, wenn nicht auch sie zum Geschriebenen geworden waren ? Dasjenige nGesprach<Dialog<
det, so zwar, daD im ~ e r i i c hdieses Ortes rich zeigt, welche Wendung und Bewandtnis es mit dern Seienden hat. Der Pol 1 s t als dieser Ort das Seiende in seinem Sein jeweils Ganzen seiner Bewandtnis erscheinen. Der Pol macht nicht und s&afft nicht das Seiende in seinem Sein, sondem als Pol ist er die Statte der Unverborgenheit des Seienden im Ganzen. Die n6A~qist das Wesen des Ortes, wir sagen die Ort-schaft fur den geschichtlichen Aufenthalt des griechischen Menschentms. Weil die n611q jeweilen das Ganze des Seienden so oder so in das Unverborgene seiner Bewandtnis kommen laBt, deshalb ist die n611s wesenhaft auf das Sein des Seienden bezogen. Zwischen n6A15 und r Seinr waltet ein anfanglicher Bezug. Dasselbe Wort wie ~~6115 ist dern Stamm nach das altgriechische Wort fur rsein. = nlharv, lraufgehend ins Unverborgene ragen. (vgl. Sophokles, Antigone, noU& T& SELV& ... nth~i.).~ Die nBis ist weder die Stadt noch der Staat und vollends nicht die fatale Miscbung dieser beiden in sich bereits ungemaBen Kennzeichnungen, also nicht der vielberufene >>Stadtstaata;sondem die Ortschaft des Ortes der Geschichte des Griechentums; nicht Stadt und nicht Staat, wohl aber die Statte seines Wesens. In dieser Wesensstatte sammelt sich urspriinglich die Einheit alles dessen, was als das Unverborgene auf den Menschen zu west und so sich ihm zuweist als das, worauf er in seinem Sein angewiesen bleibt. Die n614 ist die in sich gesammelte Statte der Unverborgenheit des Seienden. Wenn nun aber, wie das Wort sagt, zur &Afi8~la das streithafte Wesen gehort, und wenn das Streithafte auch im Gegensatzlichen der Verstellung und der Vergessung erscheint, d m mu8 in der ~611sals der Wesensstatte des Menschen alles au8erste Gegenwesen und darin alles Un-wesen zum Unverborgenen und zum Seienden, d. h. das Unseiende in der Mannigfaltigkeit seines Gegenwesens, walten. Hier ist der anfangliche Grund fur jene Erscheinung verborgen, die in ihrer vollen Antigone, Vers 338 f.
134 Der seinsgeschichtliche Bereich won tzhtj6~laund l t j h Tragweite m d Mannigfaltigkeit zum ersten Ma1 Jacob Burckhardt dargestellt hat: es ist die Furchtbarkeit, das Grauenhafte, das Unheil, was zur griechischen n6hy gehort. Das ist der Aufstieg und Absturz des Menschen in seiner geschichtlichen Wesensstatte - b~+holy- Bnoliq - hochiiberragend die Statte, verlustig der Statte nennt Sophokles (Antigone) den Menschen. Nicht zufdlig f a t dieses Wort uber den Menschen in der griechischen Tragodie. Denn aus dem einzigen G m d e des EL~ die Moglichkeit und streithaften Wesens der & X ~ S entspringt selbst. Notwendigkeit der >>Tragodie<< Es gibt nur die griechische Tragodie und keine andere aderdem. Nur das Wesen des griechisch erfahrenen Seins hat die Anfanglichkeit, daD bdas Tragischecc hier zur Notwendigkeit wird. Jacob Burckhardt fiihrt in der Einleitung zu seinen Vorlesungen uber die >>griechischeKulturgeschichteDie Hellenen waren ungliicklicher, als die meisten g1auben.a Auf diese mehr ahnungshaft leitende Einsicht ist dann auch J. Burckhardts Darstellung des Griechentums gebaut, die er in seinen seit 1872 ofter wiederholten Basler Vorlesungen mitgeteilt hat. Nietzsche besal3 die Nachschrift eines Horers dieser Vorlesungen und hiitete das Manuskript als seinen kostbarsten Schatz. DaD Nietzsche dann doch das Wesen des Griechentums und seiner n6h15 romisch dachte, hat Jacob Burckhardt selbst mitbewirkt. Denn Burckhardt betrachtet das Griechentum im Hinblick auf die >>griechische Kulturgeschichte>dieGeschichte des griechischen Geistes<<(Einleitung S. 3). Die Begriffe des >>Geistes<Kultur)italienischeRenaissance<<ein besonderes Geprage gegeben. Auf diesem Wege flieDen wesentlich romische und romanische und neuzeitliche Begriffe in das Geschichtsdenken
p 6. Verborgenes Gegenwesen der Mfia~la:lfih(I) 135 Bur&hardts ein. Burckhardt denkt das Ganze der Geschichte na& den drei >>Potenzenc<: n staatn, >>Religion<< und aKulturx. Der Staat ist, neuzeitlich gesehen, Machtstaat. Burckhardt ,timmt dern Satz von F. Chr. Schlosser zu, ndaB die Macht an base istn. Dieser Satz wird seitdem hadig in verschiedenen Abwandlungen nachgesprochen. Man nennt die Macht rdamonis&>diimonischcc bedeuten soll. Die Kennz e i b u n g der Macht als nbosecr und >>diimonischuist eine metaphysische Beurteilung dessen, was in seinem metaphy,ishen Wesen unbestirnrnt bleibt. Die Erorterungen solcher Fragen gelangen nicht einmal in die Randbezirke des Wesens der n6h1~.Dieser ist das Wesen der Macht fremd, so da13 auch hier keinen Boden die Kennzeichnung der Macht als >>bosec< hat. Das irn neuzeitlichen Staatsdenken gemeinte Wesen der Macht griindet auf der metaphysischen Voraussetzung, daD sich das Wesen der Wahrheit zur GewiBheit und d. h. zur SelbstgewiDheit des sich auf sich selbst stellenden Menschenwesens gewandelt hat, und daB dieses auf der Subjektivitat des BewuBtseins beruht. Kein moderner Begriff >>desPolitischencc reicht zu, um das Wesen der n6A15 zu fassen.
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b) Vorbereitung zum Notweg uber die Bemerkungen l n61y. Der Fug: Ainq. zu Platons Gesprach iiber die I.t;;19rund Der todestrlchtige Gang des Aufenthalts in der Polis und die Anwesung des Seienden nach dem Tode. Christlicher Platonismus. Hinweis auf Hegel
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Vielleicht aber fiillt von der &hfi6~1a her ein gemaBes und darurn erhellendes Li&t auf das Wesen der n6h~2,so daB wir erkennen, weshalb in die ~ ~ 6 1 als1 ~ die Wesensstatte des geschichtlichen Menschen notwendig das Walten des Un-wesens und damit des Un-heils gehijrt. Dies gehort zur ~ ~ A Lweil s , alle Un~erbor~enheit des Seienden mit der Verbergung und darnach auch rnit der Verstellung und Entstellung im Streit steht.
136 Der seinsgeschichtliche Bereich von &Afi9eiaund it%q Wenn nun aber das Wesen der Unverborgenheit und der Verbergung die Wesensstatte des geschichtlichen Menschen durchwaltet, d a m m d auch in einem griechischen Gesprach iiber die nbAiq, gesetzt, dalj es ein denkendes Gesprach ist, vom Wesen der &A.C19a~a gehandelt werden. Platon sagt, und zwar in der Weise eines pC90q, im Beginn des VII. Buches des Gespraches iiber die x6Aiq von der &hfi6~ia. Dieser >>Mythosccist bekannt unter dern Namen des platonischen >>Hohlengleichnissescc. Man hat diesem >>Gleichnisccvielerlei Bedeutungen unterlegt, nur nie die einfache und nachstliegende. In diesem >>Gleichnisccist, wie auch der Name sagt, die Rede von einer Hohle, von der Verhehlung, Verbergung, und von der Unverborgenheit. Dieses selbe Gesprach Platons iiber die n6hi5, das einen pC4og uber die &lfi9eiaenthalt, schlieljt im Ganzen am Ende des zehnten Buches ab mit einem anderen pC90q. Dieser pC905 gipfelt in der Sage von der ht8-q (Platon, Politeia, X, 614 b2 - 621 b7). Der Mythos von der hfi9q, in dern das Gesprach iiber die n6hy seinen Abschld findet, ist so weit gespannt und reich, daB er schon deshalb hier nicht dargestellt werden kann. Ohnedies bleibt jede nur berichtende Darstellung statt der schrittweisen Auslegung ein Ubel. Um eine solche Auslegung durchfiihren zu konnen, fehlt uns vorerst das Wesentliche: die Erfahrung des Grundzugs des Mythos uberhaupt und seines Bezugs zur Metaphysik Platons. Die Deutung der einzelnen Ziige des hier genannten pC9oq kommt erst von da aus in Gang. Wir gehen notgedrungen hier einen Notweg. Wir pfliicken die Hauptziige in grober Zeichnung heraus, dies jedoch in der Absicht, den Grundzug des Ganzen wenigstens nach einer Hinsicht in den Blick zu bringen. Das ist gleichbedeutend mit der Frage, wie die Afi8-q im Ganzen dieses Mythos steht, d. h. inwiefern dieses Ganze die Nennung der hq9q herbeifiihren m d . Das Ganze dieses Mythos ist iiberbaut und unterlegt durch das Ganze des Gesprlchs iiber die n6Aiq. In der n6A15 als der Wesensstatte des geschichtlichen
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verborgenes Gegenwesen der &ififte~a: q$ll( I )
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wens&en, die das Seiende im Ganzen entbirgt und verbirgt, rnWest den Menschen alles das, was ihm, nach dern strengen Sinn des Wortes, zu-gefiigt, aber damit auch entzogen ist. > > ~ ~ - ~ ~ verstehen f h g t c <wir hier nicht in dern aufierlichen Sinne .hinzu-gefiigtc< und rangetan., sondern in der Bedeutung van: zugewiesen als das, was dern Menschenwesen zuwest, so daS es in dieses ibm Zu-wesende eingelassen und eingefugt ist, werhalb der Mensch darein sich fiigen muD, damit sein Wesen ; ,den Fugen ist. Das dern Menschen also Zu-gefugte, Sichzu-fiigendeund ihn Fugende nennen wir mit einem Wort den pug, griechisch: Sixq. In den bereits ubersetzten Venen aus dern ersten Bruchstuck des Lehrgedichtes des Parmenides ist uns die Sixq zusammen mit 4$iq begegnet. Wenn wir dort dieses Wort Sixq, worin fur die Griechen zugleich anklingt das ti~invwpl,zeigen, weisen, und das tiix~iv,weden, durch wFuga iibersetzen, dann fallt uns das bekannte Gegenwort >>Un-fugcc ein. Aber der hier gemeinte xFugn ist nun nicht blolj das Gegenwesen zu irgendeinem von uns vorgestellten uUn-fugn. Im Fug denken wir das weisende, zeigende, zuweisende und zugleich einweisende rwerfenden Fugen. Worein der Mensch sich zu fugen hat, eben daraus kann er zugleich in das Ungefiige abirren, zumal dann, wenn die Zuweisung rich verbirgt und weg-f allt, welcher entzikhende Wegfall den Menschen aus der n6hiq weg und heraus reifit, so dalj er hnolrq wird. Das Aufgehen des Menschenwesens in den Fug und sein Innestehen im Fug, Sinq, ist die Fiigsamkeit, SixaiooGvq. Die Fiigsamkeit wird hier begriffen als die Unverhohlenheit fiir den Fug, die sich kein Hehl aus ihm macht. Das Gesprach uber die n6Lq mulj daher von dieser Wesensstatte handeln na& der Hinsicht auf das, was in ihr statthat, wie der Mens& in ihr steht. Das Leitthema der >>politeiacc ist die SixaiooGvq. GemZfi der Fiigsamkeit in den Fug und ungemaB zu ihm kann der Mensch Sixaiog, der Fugsame, sein oder 68ixos, der Ungefiige. Bei der Besinnung auf die n6115 rhebt sich zuletzt die Frage nach dem, was fiir das Innestehen
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in der Wesensstatte dern Fugsamen und dern Ungefiigen jeweils zugefugt ist, und d. h. um ihn herum gleichsam bleibt als das, was das Menschenwesen fugt. Nun ist das Innestehen in der x6A~gein Aufenthalt hier auf der Erde, LvBdrh; dieser Aufenthalt in der n6115 ist jedoch jeweils eine xrgidos Bavato~6gog(vgl. X, 617 d 7), ein ausblickhafter Weg und Gang, der den Umkreis des zugewiesenen Zeitraumes des Aufenthaltes auf der Erde durch- und abschreitet. Dieser durchschreitende Gang ist 4avatog6gog, er trhgt den Tod bei sich und fuhrt deshalb auf den Tod zu. Dieser todestrachtige Gang des Menschen durch die Wesensstatte der Geschichte erschopft jedoch nicht den Gang und die Fahrt und d. h. uberhaupt das Sein des Menschen. Nach Platons Lehre ist der Durchgang des Menschen durch einen piog, >>Lebenslauf<<, nicht der einzige, sondern der Mensch kehrt nach einem gewissen Zeitraum in einer neuen Gestalt wieder, urn den Lauf neu zu beginnen. Die Religionshistorie nennt das die Lehre von der xseelenwanderungn. Aber wir tun auch hier gut, Lo Umkreis des griechischen Denkens zu bleiben. Da ergibt sich zunachst, dall mit der jeweiligen Vollendung des todestrlcbtigen Ganges das Sein des Menschen nicht zu Ende ist. Das bedeutet, dall dern Wesen des Menschen entsprechend in irgendeiner Weise, auch nach dern jeweiligen Tode, Seiendes um ihn her anwest und bleibt. Deshalb gelangt die Besinnung auf die xbhiq zuletzt zu der Frage (X, 614a 6):
Was bleibt und umgibt jeweils jeden (den Fugsamen sowohl als den Ungefugen), nachdem er (den todestrachtigen Durchgang) beendet hat? Was umgibt den Menschen, wenn er aus dern Hier der n6h15 weg ist und sich aufhalt >>dortcc,Bxei? Was umgibt den Menschen, wo ist er, bevor er wieder einen neuen Weg beginnt? Nach den uns gelaufigen, und d. h. im weitesten Sinne >>christlichencc,Vorstellungen wird damit die Frage nach dern
.Jenseits<>~~~latonisch Philosophie; e>Metaphysikccablehnt und zu >>Schopenhauerccund zu >>Goetheccfluchtet, stellt man sich die griechische Philosophie uberhaupt und die Philosophie Platons im besonderen na& dem Horizont cines &ristli&en Platenismus vor. Das gilt auch von Nietzsche, dessen vielgeriihmte Deutung der >>vorplatonischenicPhilosophen platonistisch, d. h. schopenhauerisch, ist und schlechthin ungriechisch. Aber was lie@ naher als die Meinung, diejenigen Deutungen der Philosophie Platons skien die angemessensten, die sich ihr mit Hilfe eines >,Platonismus<< rShern? Do& dieses Verfahren gleicht dem, das frische Blatt vom Baum aus dern abgefallenen
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6 tehrvt~oavtaExdrtegov xe~lpkva~:,. I
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Laub am Boden serkllirencc zu wollen. Eine griechische Auslegung des Denkens Platons ist das Schwerste -, nicht weil dieses Denken in sich besondere Dunkelheiten und Abgriinde hat, sondem weil die Folgezeit und noch wir Heutigen geneig sind, unrnittelbar das Eigene, Spatere in dieser Philosophie wieder zu finden. Im Zusammenhang dieser Vorlesung miissen wir darauf venichten, die Grundvoraussetzungen einer griechischen Auslegung des platonischen Denkens auch nur zu nt nen. Die folgenden Bemerkungen iiber Platons psoq von c Afi&l sind daher nach dieser Hinsicht ein Notbehelf.
Wiederholung
1) Politeia: Der t6noq des Wesens der x6Ais. Das wesenhaft Unpolitische der Politeia der Polis. Der Pol des nhhaiv. Die Unmoglichkeit der Deutung der Polis aus dem >>Staatcc, der Gixq und iustitia. Tod: Ubergang vom >> hiercc zum >>dortcc. Platonismus Wir bedenken das Gegenwesen zur &Afi8ela,zur Wahrheit im Sinne der Unverborgenheit. Das anfangliche Gegenwesen zur &-M$3siaist die 1fi&l, d. h. die als Vergessung sich entziehende zeichenlose Verbergung. Das letzte Wort des Griechentums, das die b f i h in ihrem Wesen nennt, ist derjenige pQ8oq,mit dem Platons Gesprach iiber das Wesen der nbhy schliel3t.. Ein denkendes Gesprach spricht stets vom Sein des Seienden. Ein Gesprach Platons iiber die n6hy kann also nicht die Unterhaltung iiber eine dort und hier bestehende vereinzelte n6A4 sein. Der Denker denkt das, was die n6As als solche ist; er s a g das, als was und wie die n6A~qwest. Dieses Wesende, was die ~6115selbst im Ganzen ihrer eigenen Wesensbeziige, d. h. eigentlich ist, heil3t nohizsia. Das denkerische Gesprach iiber die n6hy ist im vorhinein und nur das Gesprach iiber die xoAizsia. Das sagt der Titel. Aber er ist dennoch nicht eindeutig. Gleich-
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+e namli& das griechische Wort o6oia in der Alltagssprache gebrau&t wird und da soviel wie >>Vermogena, rBesitzn, nHab uod Gut<<, rAnwesenec bedeutet, wie aber zugleich das Alltagszu einem Wort des denkenden Sagens erhoben wird und dann die Anwesenheit jedes Anwesenden meint, so besagt nohlrEiaeinmal in der Alltagssprache das je zu einer nbhy gehorige, von ihr aus bestimmte ulebencc, das Treiben in ihr und entsprechend die der n6hy jeweils eigene Fassung, aus der sich dann so etwas wie eine >>Verfassungccerkennen lafit, worunter nicht eine Abfolge aufgeschriebener Satze und Regeln zu verstehen ist, obzwar zur >>Verfassungccdas Wort so urspriinglich gehtirt, da8 es nicht nur die nachtragliche >>Formel<< und >>Formulierungcc darstellt. Wenn aber Platon diesen Namen noliteia als Titel eines denkerischen Gesprachs uber die n6A15 wahlt, dann sagt dieses, da13 hier vom Wesensbau der nohizeia als solcher und damit vom Wesen der nbAi5 im Ganzen gehandelt werden soll. Man hat herausgefunden, da13 diese nohiteia des Platon *eigentlichcc nirgendwo wirklich sei und daher eine >>Utopiecc genannt werden miisse, >>etwas,was keinen Ort hatcc. Diese nur versteht sie nicht, was sie aufEntdeckung ist >>richtig>eigentlich>Utopiecc, sondern genau das Gegenteil, namlich der metaphysisch bestimmte zbxo<des Wesens der nbhis. Platons Politeia ist eine Erinnerung ins Wesenhafte, aber nicht eine Planung ins Faktische. Die nbhis ist die Wesensstatte des geschichtlichen Menschen, das Wo, wohin der Mensch als Cqov h6yov Zxov gehort, das Wo, von woher allein ihm zugefiigt wird der Fug, in den er gefiigt kt. Weil die n6Aig das Wo ist, als welches und worin der Fug
142 Der seinsgeschichtliche Bereich von 2qSEia und Ail&) Entbergung und Verbergung des Fugs statt-hat, so da13 in diesem Statt-haben der geschichtliche Mensch zu seinem Wesen und Unwesen zumal kommt, deshalb nennen wir die nblrs, worin das Sein des Menschen in seinem Bezug zum Seienden im Ganzen sich gesammelt hat, die Wesensstatte des geschichtlichen Menschen. Jedes nohit~xbv,alles >>Politische<< ist stets und erst die Wesensfolge der nbhy, und d. h. der nohiteia. Das Wesen der nbhis, und d. h. die nohmia, ist nicht selbst npolitischa bestimmt oder auch nur so bestimrnbar. Die nbhq ist genausowenig etwas >>Politisches<<, wie der Raum selbst etwas Raurnliches ist. Die nbhy selbst jedoch ist nur der Pol des xkAe~v,die Weise, wie das Sein des Seienden in seinem Entbergen und Verbergen sich ein Wo verfiigt, in dern die Geschichte eines Menschentums gesammelt bleibt. Weil die Griechen das schlechthin unpolitische Volk sind, das sie im Wesen sind, weil ihr Menschentum anfkglich und ausschliel3lich vom Sein selbst her, d. h. aus der Mq9e~abestimmt ist, deshalb konnten die Griechen allein und muBten gerade sie zur Griindung der nbAis kommen, zu Statten, in denen die Sammlung und Verwahnmg der &hfi4eiastatt-hat. Das gedankenlose Treiben der nhistorischen<<>>Fonchung<<, wesensverschiedene Zeitalter und Menschentiimer der abendlkdischen Geschichte, Griechisches, Romisches, Mittelalterliches, Neuzeitliches, Modemes in einem einzigen historischen Brei zusammenzuriihren, dieses Treiben erreicht genau das Gegenteil dessen, was es angeblich soll. Es will die geschichtliche Besinnung auf unsere eigene geschichtliche Bestimmung. Aber Besinnung kommt nie aus der Gedankenlosigkeit. Die Geschichte erschlieot sich nie der historischen Fonchung, weil diese jedesmal schon eine Meinung iiber die Geschichte, und zwar eine unbedachte, eine sogenannte selbstventkdliche, mitbringt und durch die Forschung bestatigen mochte und so das unbedachte Selbstverstandliche nur verfestigt. Gleich unmoglich wie die Deutung der n6Ls aus dern neuzeitlichen Staat oder aus der romischen res publica ist die Deu-
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6 . verborgenes Gegenwesen der 6h49e1a:
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tmg der him aus der neuzeitlichen Gerechtigkeit und der roDishen iustitia. Die b i n ~als der Fug, der das Menschentum in die Verh51tnisse seines Verhaltens weisend fiigt, hat ihr Wesen dem Bezug zur M f i & ~ nicht a , aber bestimmt sich etwa die hixq aus dern Bezug zur nbA~5und durch diese. Jede jeweilige n6A~sist geschichtlich auf der Erde ~ M B E bier. Der nLebenslauf a des Menschen durchlauft einen ortlich und zeitlich begrenzten Umkreis und ist ein Weg innerhalb dieses Kreises, eine neeiohos, und zwar 9avarocp6~og,todestrachtig, den Tod bei sich tragend und deshalb zum Tod fuhrend. Der Tod vollendet den jeweiligen Lauf, aber er beendet nicht das Sein des Menschenwesens. Mit dern Tod begibt sich ein mergang vom hier, lv8&6E, zum 6xd, zum dort. Dieser Ubergang ist der Begim einer Fahrt, die selbst wieder sich vollendet in einem Ubergang zu einer neuen xs@iobo< Bavarocpb~oq.Die Rage ist daher zu fragen: was das Menschenwesen umgebe und was das Bleibende fur es sei, nachdem es jeweils den todestrachtigen Lauf hier auf der Erde vollendet hat. Christlich gedacht, ist hier die Frage nach dern >>Jenseits.c gestellt. Die Gefahr einer bemoten oder auch unbewuoten christlichen Auslegung des Denkens Platons legt sich aus mannigfachen Grunden nahe. Friihzeitig ist Platons Denken durch Philo in die hellenistische, durch Augustinus vor allem in die neuplatonische christliche Ausiegung und Ausdeutung eingegangen und seitdem in den versehiedensten Abwandlungen darin verblieben. Selbst dart, wo man sich van christlichenVorstellungen frei glaubt und Platon aus dern Humanismus und Klassizismus - also angeblich >>heidnisch<< - versteht, denkt man christlich, sofern ja ,das Heidnische<< ohnehin je nur das Gegencbristliche ist. Nur vom Christenturn aus geschatzt, sind die Griechen >>Heiden<<. Aber sogar do&, wo man uberhaupt auBerhalb der Unterscheidung van christlich und heidnisch bleibt, denkt man Platons Philosophie stets platonisch im Sinne ekes Platonismus. Was wollenwiraber gegen dieses Verfahren, Platon >>platonis&<< zu denken, einwenden? 1st es
I& Der seinsgeschichtliche Bereich von hAi@&laund
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nicht das allein gemal3e und jedenfalls weit >>richtiger<<, als wenn Platons Philosophie mit Hilfe der Philosophie Kants oder Hegels gedeutet wird? Aber Platon mit Hilfe irgendeiner Art von Platonismus deuten zu wollen, ist der eigentliche Verderb. Denn dieses Verfahren gleicht dem, das versucht, das fri:sche Blatt am Baum aus dern abgefallenen Laub am Boden zu :)> erkl"aren <<.
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c) Die Frage nach dern >>bier<< und >>dort> Himmel<<,>> Hiille<<,>> Vorholle<> Feg;feuer<>inhaltlichen<< Geweil das >>Dortige<< staltung nach anders aussieht als auch iiberhaupt in anderer Weise >>kt<<: namlich in der Weise des von den Griechen erfahrenen Seins. Solange wir nicht dieses wesensgemal3 nach-denken, bleibt uns auch das Exei, das >>Dortige<< der Griechen, verschlossen. Wir stehen hilflos vor der sogenannten Unterwelt, und den >>dort>Schatten<<. Man vor dern >>Hades<< macht sich irgendeine >>Gespensterpsychologie<< zurecht und fragt nicht zuerst die einfache Frage: warum denn dort Schatten? Hangt das Schattenhafte des Seins im Hades mit dern Wesen des griechisch erfahrenen Seienden und seiner Unverborgenheit zusammen? Gesetzt also, wir bleiben nicht am einzelnen haften und fragen nicht als Religionshistoriker, welche anderen Gestalten im griechischen >>Jenseits<< an Stelle der >>Engel<< und >>Teufel<< hausen, gesetzt, wir sind bereit, zu erkennen, dal3 im griechisch erfahrenen Jenseits nicht nur das Seiende anders ist, sondern zuvor das Sein, gesetzt, wir ahnen etwas davon, dal3 schon die griechische Unterscheidung zwischen dern Hiesigen und dern Dortigen sich innerhalb einer
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g 6. Verborgenes Gegenwesen der MfiS~w:A;Ih ( I ) 145 anderen Seinserfahrung h a t , dann konnen wir gleichwohl der aufdringlichsten Frage nicht entgehen, die also lauten mul3: Woher kann denn ein Denker von der Art Platons iiberhaupt ,twaS iiber das >>Dortige<< wissen? Diese unsere anscheinend so kluge Frage kommt nun allerdings zu spat. Denn Platon antwortet auf die Frage, was diejenigen, die den todestrachtigen Durehgang durch das Hiesige vollendet haben, im Dortigen als das Bleibende umgebe, mit dem pc6oq. Platon 1al3t am SchluB des Gesprachs iiber die nohlt~iaden Sokrates eine Sage sagen. Man hat oft schon daran geratselt, weshalb iiberhaupt in den platonischen Gesprachen zuweilen .Mythen<< auftauchen. Der Grund dafiir liegt darin, dafl Platons Denken sich anschickt, das anfangliche Denken aufzugeben zugunsten der spater so genannten >>Metaphysik<<; dal3 aber eben dieses beginnende metaphysische Denken gleichwohl die Erinnerung in das anfagliche Denken behalten mul3. Daher die Sage. Im Gesprach mit Glaukon sagt Sokratesden SchluB-Mythos. Sokrates beginnt das Gesprach mit den Worten (Politeia, X, 614 b 2): AAh' 06 ~ Q V T O LO O L ,8)~ Eyh, V 'AAnivow YE hn6Aoyov Ee6, hhh' hhnipov pkv hv8~6q,'Hebq tot' Aep~viow,t b ybvoq IIapq6Aow. >>Aber nicht indessen . . . werde ich dir sagen eine fur den (gemeint ist der Phaakenkonig) Alkinoos zur Unterhaltung ausgewahlte >Geschichtec, sondern einen hn6Aoyov, eine Abrede (Verteidigung) eines wackeren Mannes, des >En,des Armenios' Sohn, eines Pam~hyliersvon Geschlecht. << Das Wortspiel zwischen 06 'Ahxivow y~ &n6hoyov und MA' hixipow pkv hv8~6sist in der Ubersetzung nicht wiederzugeben. Das Wortspiel, das den pC905 einleitet, hat nichts Spielerisches; es sol1 das Wesen des hier zu sagenden Myoq, d. h. eben des ~c605,anzeigen. Dieser A6yos heil3t hnbhoyoq. 'Anbhoyog ist hier in einem wesentlich zweideutigen Sinne gebraucht, und zwar in einer jedesmal verschiedenen sprachlichen Konstruktion. 'Ahxivow &n6Aoyov und hhxipou &v8~b5hnbhoyov, ein hn6hoyo~ >>fiir<< den Alkinoos und ein hn6Aoyoq, den ein wackerer Mann
146 Der seinsgeschichtliche Bereich von &hi$ela und h f i h sagt. 'An6hoyo~heil3t im ersten Fall gemaB der Grundbedeutung von &nohkye~v >>auslesenAbredecc,durch die der wackere Mann das, was er sagt, von allem sonst Gesagten abscheidet und so in seiner eigenen Wahrheit bewahrt. Das folgende Wort gibt das, was es sagt, nicht preis, verschleudert nichts in die Ungebundenheit der blol3en Unterhaltung und des unverbindlichen Geredes. Das folgende Wort ist ein behiitendes Wort, das der Zudringlichkeit des gelaufjgen Erklarens widersteht und streng genomrnen nur in seiner eigenen Wesensgestalt gesagt und gehort werden darf. Damit ist auch schon entschieden, daB unser >>Hinweiscc auf den pG80< als bloBer Hinweis aus mancherlei Griinden f r a w r d i g bleibt. Von dern >>Erg,dern Sohn des Armenios, wird gesagt: 85 note Ev nohkpq tdevzilaa< - der hatte ehmals im Gefecht sein Leben vollendet. Als sie zehn Tage nachher die bereits verwesenden Toten auflasen, wurde er als unversehrter aufgehoben und nach Hause geschafft, wo er am zwolften Tage bestattet werden sollte. Auf dern Scheiterhaufen liegend, kam er wieder zum Leben herauf, und als heraufgekommener berichtete er, was er adortct (im Dortigen) gesehen. Er sagte aber (614 b 9 - c I), Ene~Gfi05 Expiiva~,t t v qnytv nogabeo8a~pet& nohhGv, xai &ipixv~ia8a~ acpti~E ~ t6nov S t~v& Ga~p6v~ov, seine )>Seelet< sei, nachdem sie aus dern Hiesigen h6rausgestiegen, mit vielen (anderen) auf die Fahrt gegangen, und sie seien alsdann angelangt bei einem irgendwie - sagen wir >>damonischentcOrt; da seien namlich sowohl erdwarts zwei nebeneinandergrenzende Schliinde (~6apata- ~ 6 0 5Gahnun, gen) als auch wiederum himmelwarts nach oben zwei andere (je beide G h u n g e n ) einander gegeniiber. A~xaatai,Weisende in die Fiigsamkeit, aber sal3en zwischen diesen erdwarts und himmelwarts gahnenden Schliinden. Ihm, dern wackeren Krie-
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5 6. Verborgenes Gegenwesen der &hi@ela:h f i h (I) 147 ger, gaben die Weisenden auf, ~ ~ Y Y E ~ &O Vv ~ Q ~ ~yrvbaBar o L < rGv (614 d 2) - ein Bote zu werden den Menschen uber ndas Dortiget<.Deshalb ist fur ihn notig &XO+ELV TE xai 8 ~ 6 0 8n6vtu ~1 rd gv t@d n q (614 d 3) - zu horen sowohl a h auch in den Blick zu nehmen alles, was an dern Ort ist, welcher Ort Sa~p6v~og genannt wird. d) Y v x ~der : Grund des Bezugs zum Seienden. Das Wissen der Denker um die Daimonia. Hinweis auf Aristoteles und Hegel. Aaip6v~ov: die Hereinwesung des Un-geheuren in das Geheure. Die Gaipove<,die in das Geheure herein Winkenden und Zeigenden
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Hier bedarf es der Erlauterung, was q v ~ qbedeutet und was Galp6viov heiBt. W X ~"die , Seelecc - das ist so richtig iibersetzt, wie wem wir &71?i6ecamit >>Wahrheitccund ~ ~ 5 6 0durch 5 >,Falschheitccubersetzen. Das Wort W V X ~1al3t sich nicht ubersetZen. Auch wenn wir erlauternd sagen, gemeint sei das Wesen des Lebendigen, erhebt sich sogleich die Frage, wie das Wesen des >>Lebenscc im griechischen Sinne zu denken sei. Yvxq meint den Grund und die Weise des Bezugs zum Seienden. Der Bezug des Lebenden zum Seienden und damit auch der Bezug zu ihm selbst kann bestehen: dann muB das Lebende das Wort haben - h6yov B ~ o v-, weil nur im Wort das Sein sich enthullt. Der Bezug des Lebenden zum Seienden kann auch nicht bestehen: das t@ov,das Lebende, lebt gleichwohl, aber es ist dann ~ @ O VCiAoyov, ein Lebendes ohne das Wort, z. B. ein Tier oder eine Pflanze. Die Weise, wie ein Lebendes zum Seienden und damit auch zu sich selbst gestellt ist, das so verstandene Gestelltsein in das Unverborgene, der Seinsstand eines Lebenden, ist das Wesen der )>Seelecc;sie ist an einen tbxor; t ~G < ~ L ~ ~ V Lgelangt. O< Wenn wir Ga~pbv~o~ durch >>&imonischcc wiedergeben, bleiben wir zwar am Wort und ubersetzen dem Anschein nach uberhaupt nicht. In Wahrheit ,iibersetzenct wir gerade, indem wir das griechische Fa~p6v~ov ~iibersetzenccin eine unbestimmte und
148 Der seinsgeschichtliche Bereich von &A.il+~ra und Ail+ halbbestimmte Vorstellung des >>Damonischencc.>>Damonen<< sind uns die >>bosenGeistercc - christlich gedacht, >>derTeufelcc und seine Genossen. >>Damoniecc gilt dann als >>Teufeleicc; wobei man entweder noch christlich an den Teufel glaubt und das bekennt, oder aber .das Teuflischecc in verwaschenem Sinn einer aufgeklarten Sittlichkeit als ndas Bosect versteht, das gegen die Grundsatze eines guten Burgers verstol3t. Mit dieser Fassung des >>Damonischenccwerden wir das Wesen und die Wesensweite des griechischen 6aiu6v~ovnie treffen. Sobald wir aber den Versuch machen, uns dern griechisch erfahrenen Wesensbereich des >>Damonischen>Mansagt, sie (die Denker) wissen zwar Obers~hwen~liches und also Erstaunliches und somit Schwieriges und deshalb uberhaupt >Damonischesc,aber dies sei auch das Unbrauchbare, weil sie nicht das suchen, was so geradehin nach der Menschen Meinung fur den Menschen das Taugliche ist.cc Schon das Griechentum, dern Wesen und Name der >>Philosophiecc und der Philosophen zu danken sind, wul3te recht wohl, da13 die Denker nicht >>lebensnahcc sind. Nur haben die gefolg'ert, dal3 die Griechen aus dieser fehlenden >>Lebensniihecc Denker gerade deshalb fur die wesenhafte Not der Menschen die notigsten seien. Die Deutschen mufiten nicht das Volk der Denker sein, wenn nicht auch ihre Denker noch das Selbe gewufit hatten: Hegel sagt in der Vorrede zur ersten Ausgabe seiner >>Logik>. . . ein gebildetes Volk ohne Metaphysika das ist wie ein >>sonstmannigfaltig ausgeschmuckter Tempe1 ohne AUerheiligstes.
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$ 6. Verborgenes Gegenwesen der g f i 9 ~ ~ a : (1) 149 Der angef&rte Satz des Aristoteles sagt, die Denker wissen 6alp,jvla, >>dasDkimonischecc. Wie sollten nun aber udie Philosophen<<, diese harmlosen Sonderlinge, die sich mit xabstrakten<<Sachen abgeben, ,das DEmonischecc wissen? Aarpbvra ist hier gesagt als das alles befassende Wort fiir das, was aus dern Gesichtskreisdes gewohnlich dahintreibenden Menschen ~ u b e r s&wenglichcc, >>erstaunlicha, zugleich aber auch >>schwierigcc ist. Ohne Schwierigkeit im Ganzen bleibt dagegen fur den Men,henstets das Jeweilige, was er betreibt und verfolgt, weil er bier von einem Seienden zum nachsten immer wieder einen Ausweg und eine Erklarung findet. Die Vielen und AUzuvielen verfolgen nur das jeweilige Seiende; das ist ihnen das Wirkliche, wenn nicht gar >>dieWirklichkeitcc. Indem sie aber die >>Wirklichkeit>die Vielencc zum Seienden verhalten. Sie konnen dieses nirgends und nie betreiben, ohne das Sein im Auge zu haben. >>DieVielencc sehen so das Sein und sehen es doch nicht. Weil sie aber das Sein doch stets im Auge, obzwar nicht im Blick haben, sondern nur das Seiende betreiben und b e r e h e n und einrichten, finden sie sich im Seienden uberall zurecht und sind bier >>zu Hauscr und >>da-heimcc.In den Grenzen des Seienden, Wirklichen, der vielberufenen >>Tatsachen<< bleibt alles im Geheueren. Wo dagegen das Sein in den Blick kommt, da meldet sich das Nicht-Gehewe, das >>iiberAusmaBecc uberhaupt nicht zu messen. Das Un-geheure ist auch ni&t das Noch-nie-Dagewe-
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sene, sondem das immer schon und im voraus vor allen >>Ungeheuerlichkeiten<< Wesende. Das Un-geheure als das in alles Geheure, d. h. das Seiende, hereinscheinende Sein, das in seinem Scheinen oft nur wie ein lautlos ziehender Wolkenschatten das Seiende streift, hat nichts Monstroses und Larmendes. Das Un-geheure ist das Einfache, Unscheinbare, fur die Greifzange des Willens Ungreifbare, allen Kiinsten der Rechnung Sichentziehende, weil alles Planen Uberholende.ll Das in allem aufgehenden Seienden wesende Aufgehen und Sichverbergen, das Sein selbst, ist fur das tagliche Betreiben des Seienden deshalb auch dasjenige, woriiber das gewohnliche Erfahren, wenn es das Sein, das es stets im Auge hat, irgendwie eigens erblickt, staunen mul3. Das Erstaunliche ist fiir die Griechen das Einfache, Unscheinbare, das Sein selbst. Dieses Erstaunliche, im Stamen Sichzeigende ist das Un-geheure, was zum Geheuren so unmittelbar gehort, dal3 es nie aus dern Geheuren erklart werden kann. Vielleicht durfen wir nach dieser Erlauterung tZ, G U L ~ ~ V L O V , >> das Damonische cc, ubersetzen durch >> das Un-geheure cc. Wir durfen es, wenn wir das Un-geheure, das Nicht-Geheure und aus dern Geheuren nicht Erklarbare als die Wesensfolge des Ga~pbviovdenken, also festhalten, daI3 das Ga~p6v~ov nicht das I Damonische ist, weil es das Ungeheure ist, sondern daB es das hat. Dieses ist Un-geheure ist, weil es das Wesen des Ga~p6v~ov nicht wesensidentisch mit dern Ungeheuren in dern urngrenzten Sinne, und vollends ist das Un-geheure nicht der Wesensgrund des G U L ~ ~ V L O VWas . ist also das Ga~p6v~ov selbst? I Das Ga~p6v~ov konnen wir das Un-geheure nennen, weil es und sofern es iiberall das jeweilig Geheure umgibt und iiberall in alles Geheure sich dargibt, ohne doch das Geheure zu sein. Das so verstandene Un-geheure ist im Verhaltnis zum GeheuI
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l1 Vgl. Grundbegriffe, Freiburger Vorlesung Sommersemester 1941. Gesamtausgabe Bd. 51, herausgegeben von Petra Jaeger, Frankfurt am Main 1981.
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6. Verborgenes Gegenwesen der Mfi6ela: h4&I (I) 151 nicht die Ausnahme, sondern das uNatiirlichsten im Sinne der grie&is& tgedachten uNaturx, d. h. der ~ + ~ G . L CDas . Ungeheure ist das, woraus alles Geheure aufgeht, worinnen alles Geheure, ohne es meist je zu ahnen, selbst h h g t , wohin jedes Geheure zuriickfdlt. Tb Oa~p6vtovist das Wesen und der Wesensgrund des Un-geheuren. Es ist das, was sich in das Geheure dargibt und in es hereinwest. Sich dargeben im Sinne des Weisenden und Zeigenden h e a t griechisch Gaiw - (Gaiom~58aipov~~). Das sind nicht >>Damonen<< als herumflatternde bose Geister, sondern die im voraus das Geheure bestimmenden, aber dern Geheuren selbst nie entstammenden, in das Geheure herein Winkenden und Zeigenden. TZ, Garp6vtov: das weisend im Geheuren sich Zeigende und in gewisser Weise deshalb auch wie das Geheure iiberall Wesende, das gleichwohl niemals bloI3 Geheures ist. Den Spateren und m s , denen die anfiingliche Seinserfahrung des Griechentums versagt bleibt, muI3 das Un-geheure sogleich die im Grunde erklarbare Ausnahme zum Geheuren sein; wir setzen das Ungeheure neben das Geheure, nur freilich als das Nichtgewohnliche. Wir finden schwer zu der griechischen Gnmderfahrung hin, daB gerade das Geheure selbst, und sogar nur es insofern es ist, das Ungeheure ist, daI3 das Ungeheure >>nurccin der Gestalt des Geheuren erscheint, weil das Un-geheure in das Geheure hereinwinkt und im Geheuren das Winkende ist und solcher Art gleichsam wie das Geheure selbst. Wir finden schver bin zu diesem einfachen Wesen des Ga~p6vtov,weil wir das Wesen der tihfi6s~anicht erfahren. Denn die Gaipovs~,die Sichzeigenden, Weisenden, sind die, die sie sind, und sind so, wie sie sind, nur im Wesensbereich der Entbergung und des sich entbergenden Seins selbst. Nacht und Tag haben ihr Wesen aus dern Verbergenden und Sichentbergenden m d Sichlichtenden. Das Lichte aber ist nicht nur das Sichtbare und Erblickbare, sondern dern zuvor - als das Aufgehende - dasjenige, was alles ins Licht Komrnende und in
152 Der seimgeschichtlicheBereid yon M48~urrurd I f i h ihm Stehende und Liegende, alles Geheure, schon iiberblickt und in alles Geheure hereinblickt, so zwar, dal3 es gerade im Geheuren selbst und in nur diesem und heraus aus ihm erscheint.
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e) Das den Anblick des Seins bietende Blicken ( 3 ~ 6 ~ ) . Das Aussehen (Anblick) des Seins (~30s). Der im Blicken sich der Unverborgenheit dargebende Got. (6aipwv) der Griechen. Das in das Geheure Hereinblickendc das Un-geheure. Das Erscheinen des Ungeheuren im Blicken des Menschen >>Blickencch e a t griechisch 6~hw.Man kennt merkwiirdigerweise - oder diirfen wir hier sagen wunderbarerweise? - nur die mediale Form 8 ~ & 0 p was a ~ , man mit >>anschauen<< und ~ z u schauencc iibersetzt; deshalb ist die Rede von 86ateov, dern OE~O~ h eUa L t aber griechisch Schau-platz, dern >>Theater<<. gedacht: sich den Blick zubringen, den Blick, niimlich %a, im Sinne des Anblicks, in dern sich etwas darbietet und dargibt. O~hw,das Blicken, meint daher keineswegs das Sehen im Sinne des vorstellenden Hinsehens und Zusehens, wodurch der Mensch sich auf das Seiende als >>Gegenstand>daistcc. O E ~ist der das Blickende sich in den Anblick seines Wesens dargibt (aaiw), d. h. in das Unverborgene und als dieses aufgeht. Das Blicken, auch das Blicken des Menschen, ist, urspriinglich erfahren, nicht das Erfassen von etwas, sondern das Sichzeigen, im Hinblick auf welches erst ein erfassendes Blicken moglich wird. Wenn der Mensch bereits und nur von sich selbst her das Blicken erfahrt und das Blicken gar ,van sichcc als dern Ich und Subjekt her begreift, dann ist das Blicken eine auf Gegenstande gerichtete >>subjektiveuTitigkeit. Erfahrt aber der Mensch sein eigenes Blicken, d. h. hier den Blick des Menschen, nicht in der >>Reflexionicauf si& als den sich blickend vorstel-
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p 6. Verborgenes Gegenwesen der MfiO~la:Ifih( I ) 153 lenden, erfShrt der Mensch vielmehr im reflexionslosen Begegnenlassen den Blick als das ihn-Anblicken des entgegenkomrnenden Menschen, dann enthiillt sich, daS der Blick des begegnenden Menschen als dasjenige sich zeigt, worin der Mensch selbst dern anderen entgegenwartet, d. h. erscheint und ist. Das entgegenwartende Blicken und der so erfahrene Blick entbergen den begegnenden Menschen selbst in seinem Wesensgrund. Wir neuzeitlichen Menschen, oder weiter gesprochen, die nach-gsiechischen Menschentumer sind langst so urngebogen, da13 sic das Blicken ausschliefllich verstehen als das vorstellende Sichrichten des Menschen auf das Seiende. So wird das Blicken gar nicht erblickt, sondem nur als die selbst vollzogene nTatigkeit<>Subjektsc<, Entgegenkommen des >>Objekts>aufgeht
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154 Der seinsgeschichtliche Bereid van &lfi*eba und h f i h
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selbst zeigende Blicken, nichts Menschliches ist, sondern zum Wesen des Seins selbst als dem Erscheinen in das Unverborgene gehort.) Also nur wenn wir schon denken oder wenigstens zu erfahren suchen, daD das >>Wesen<< und Sein im Griechentum den Grundzug des Sichentbergens hat, wenn wir die Mfi9.Era denken, sind wir imstande, das 9.~60,den Blick, als die Grundweise des sich zeigenden, im Geheuren sich darbietenden Erscheinens und Wesens zu denken. Nur wenn wir diese einfachen Wesensverhalte erfahren, begreifen wir das sonst uberhaupt Unbegreifliche, daD noch gegen das Ende des Griechentums, namlich bei Platon, das Sein gedacht wurde aus dem >>Anblick>Aussehen<<, in dem etwas sich dargibt, aus dem >>Gesichtc<, das jeweils >>einDingcc oder uberhaupt ein Seiendes >>macht<<. Die >>Gesichterc<, die die Dinge machen, ihr >>Aussehen>richtigcc ,das Gottlichec. Oi &oi, die sogenannten Gotter, die in das Geheure Hereinblickenden und im Geheuren iiberall Blickenden, sind oi Gaipovs~,die Weisenden und Winkenden. Weil der Gott als der Gott der Blickende ist utnd als der Wesende blickt, 6~6wv,ist er der im Blicken sich Unverborgenheit dargebende Gaiov - Gaipov. Der blickend sich also Dargebende ist der Gott, weil der Grund des Un-geheuren, das Sein selbst, das Wesen des sich entbergenden Erscheinens hat. Aber das Un-geheure erscheint im Geheuren und als dieses. Der Blickende erscheint im Anblick und >>Aussehenccdes Geheuren, des Seienden. Das innerhalb des Geheuren durch seinen Blick Gegenwartende ist der Mensch. Deshalb muB innerhalb des Geheuren im Wesensbezirk dieses menschlichen
6. Verborgenes Gegenwesen der &AfiSEla:w h (11 155 3liAens sich der Anblick Gottes sammeln und darin seine Gestalt aufgestellt werden. Der Mensch selbst ist dasjenige Seiende, das seine Auszeichnung darin hat, vom Sein selbst angesprochen zu sein, so daD im Sichzeigen des Menschen, in se$em Blicken und seinem Anblick das Ungeheure selbst, der Gott, erscheint. Wiederholung 2 ) Has Undkimonische der 6aipov~s.Das entbergende Aufgehen
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des Seins: das Sichlichten. Das Blicken (Vernehmen) die anfiinglicheWeise des Aufgehens ins Lichte. Die Zwischenstellung des Tieres (Nietzsche, Spengler). Der Mensch: der Angeblickte. @haund 9.~6:dasselbe Wort. Hinweis auf Heraklit, Frgm. 48. Unzureichende Erklamgen des griechischen Gotterwesens. Der Blick als das Entscheidende fur die Erscheinung des Ungeheuren im Geheuren. Das sich im Geheuren darweisende Un-geheure und der im Sein beruhende Bezug zum Gotterwesen Der >>Mythosn,der Platons >>Gesprachniiber das Wesen der n6I.l~abschlieI3t und es so zugleich in einem anderen Sinne allererst aufschlieot, schlieI3t selbst mit der Sage vom Gegenwesen der & W ~ . Evom L ~ ,Wesen der Ifi9.q. Die Sage ist die Erzahlung des Kriegers >>Ercc.Nachdem dieser im Gefecht sein Leben im >>Hiesigencr vollendet hatte, begann er im >>Dortigencc mit vielen anderen die Fahrt, die erfahren werden mu13, bevor das Wesen des Mens&en nach einem neuen Entscheid eine neue Fahrt im >>Hiesigenccwieder beginnt. Der Krieger ist dazu bestellt, die Fahrt im >>Dortigenccund die dort durchwanderten Orte in den Bli& zu nehmen und dariiber als ein Bote (iiyy~Aog)den Menschen im nHiesigen. eine Kunde zu bringen. Das Wesen der Orte, ihrer Z~sarnmen~ehorigkeit und Folge im >>Dortigenx,d. h. die ganze Ortschafi des >>Dortigenn,ist
156 Der seinsgeschichtliche Bereich von drAfi8~iaund 14% ein ~ 6 x 0 56aip6vro~.Da nun, wie sich zeigen wird, die Afihder auBerste Ort und der letzte in dieser >>damonischencrOrtschaft ist, miissen wir, urn den alles bestimmenden Ortscharakter der AfiQzu fassen, dariiber ins klare kommen, was hier und was uberhaupt, griechisch gedacht, 6aip6viov heifit. Die gelaufigen und verwirrten und dunstigen Vorstellungen vom wDamonischen>Das Un-geheurecc verstehen wir dabei ganz >>wortlich>Un-geheuercciiberhaupt nichts von der uns gelaufigen Bedeutung hat, der gems wir stets irgend etwas Eindruckhaftes und >>Affektives>Un-geheurecc vom Geheuren aus. Was das so genannte Un-geheure in sich ist und was den Charakter des Un-geheuren erst als Wesensfolge zulaflt, das beruht im Hereinscheinen in das Seiende, im Sichdargeben, griechisch Gaiw.
g 6. Verborgenes Gegenwesen der &k48~ia:Afih(I) 157 -,as in das Seiende Hereinscheinende, jedoch aus dem Sei-
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enden nie ErklZrbare oder gar Machbare ist das Sein selbst. hereks&einende Sein ist d Saiov - 6aipov. Die aus dem sek in das Seiende sich hereingebenden, und also in das Seiende Weisenden, rind die 6aiomEs - Saipov~g.Die xDhonenn, so verstanden, sind ganz rundkimonischx, n h l i c h nach der dunstigen Vorstellung vom nDamonischenn gerechnet. Aber diese md&onischen 6aipovrg rind alles andere denn aharmlosn rnd xbeilaufign. Sie sind keine zufallige Zugabe rum Seienden, die der Mensch ohne eigenen Wesensverlust ubergehen auf die Seite stellen und nur nach Belieben und Bedarf beachten k6nnte. Zufolge dieser unauffalligen Unrnkehrbarkeit sind die Gaipovs~allerdings >>damonischerccals alle sonstigen >>D&onenc<je sein konnen. Die 8aipovEg sind wesenhafter als jedes Seiende. Sie stimmen nicht nur die >>damonischencc>>Damonen<< in die Stimmung des Grausigen und Furchtbaren, sondern sie bestimmen jede wesentliche Gestimmtheit von der Ehrfurcht und Freude bis zur Trauer und zum Schrecken. Hierbei sind freilich diese >>Stimmungen>seelischeZustandecc modem subjektiv zu deuten, sondem anfkglicher zu denken als die Gestimmtheiten, auf welche die lautlose Stimme des Wortes das Wesen des Menschen in seinem Bezug zum Sein stimmt. W i N a c h k o d i n g e vermogen jedoch das Wesen der Gaipovss als der in das Geheure Hereinscheinenden und in das Seiende sich Darweisenden und so das Seiende ins Sein Weisenden uberhaupt nur unter der einen Bedingung zu erfahren, dafi wir wenigstens in einen ahnenden Bezug zum Wesen der a7ii)a~lagelangen, urn zu erkennen, wie die Entbergung und das Aufgehen alles Wesen des anfgnglich aufgegangenen Seins im Griechentum durAwaltet. Insofemdas Sein aus der d h f i 8 ~ ~ a west, gehort zu ihm das sich entbergende Aufgehen. Wir nennen es das Sichli&ten und die Li&tung (vgl. Sein und Zeit). Dieses Nennen kommt allerdiigs aus einem anfiinglichen Erfahren des Denkens, das die drhfi8~iain ihrer eigenen, dabei
158 Der seimgeschichtliche Bereich uon 2 $ 9 ~ i aund ifi&rl erst zu vernehmenden >> Wahrheitx zu denken genotigt ist. Dieses andere Nennen, das hier wie unversehens hereinspricht, besteht keineswegs in einer Auswechslung verschiedener Bezeichnungen fur ein sonst nicht weiter Bedachtes. Das Gelichtete zeigt sich urspriinglich im Durchfahren des Durchsichtigen, d. h. als die HelIe und das Licht. Nur insofern die &b$9elawest, bringt sie die Lichtung ins Unverborgene. Weil im verborgenen Wesen der &k$S~ia sich die Lichtung ereignet, deshalb wird das Aufgehen und Anwesen, d. h. das Sein, >>imLichte<<der erfahren. Das lichthaft Sichentbergen Helle und des >>Lichtes<< zeigt sich als das Scheinen. (Die Sonne scheint.) Das Scheinende ist das Sichzeigende fur das Erblicken. Was dem Erblicken erscheint, ist der an den Menschen ergehende und ihn ansprechende Anblick, der Blick. Das Er-blicken, das der Mensch in bezug auf den erscheinenden Blick vollzieht, ist schon die Antwort auf den urspriinglichen Blick, der menschliches Er-blicken erst ins Wesen hebt. So ist zufolge des Waltens der & A $ ~ Eund L ~ ,nur demzufolge, das Blicken die anfangliche Weise des Aufgehens ins Lichte und des Hereinkommens, d. h. jetzt des Scheinens in das Unverborgene. Wir mussen hier allerdings das Blicken urspriinglich und griechisch verstehen als die Weise, in der uns ein Mensch begegnet, indem er uns anblickt und blickend sich selbst in dieses sich aufschliel3ende Aufgehen samrnelt, und darin, ohne einen Rest zuriickzubehalten,sein Wesen dargebend, >>aufgehen<< 1al3t. Dieses das Anwesen erst ermoglichende Blicken ist deshalb urspriinglicher als die Anwesenheit von Dingen, weil das sich entbergende Blicken gemal3 dem vollen Wesen der Entbergung zugleich Unentborgenes in sich birgt und verbirgt. Dagegen erscheint das selbst blicklose Ding nur so, dal3 es im Unverborgenen vorkommt, selbst aber nichts zu entbergen und damit auch nichts zu verbergen hat. Eine eigentiimliche Zwischenstellung hat hier das Tier. Tiere >>sehen uns an<<,sagt man. Aber Tiere blicken nicht. Nie ist ein >>Sp&enccoder >>Lauern> Stierencr des
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Sichentbergen des Seins, nie bringt das Tier in seisogenannten Blicken ein Aufgehen seiner selbst in ein entborgene~Seiendes mit Immer sind wir die, die solches , > ~ l i & ~in n ndas Unverborgene erst aufnehrnen und der Art, ~e Tiere uns ransehenn, von uns aus ein Blicken einlegen. Andereneits k a m dort, wo der Mensch nur im Ungefaren das Sein und das Unverborgene erfahrt, der tierische xBlick. ,ine besondere Begegniskraft auf sich konzentrieren. Blicken im urspriinglichen, vom aufgehenden Sichdargeben, d. h. der ~ + + E Kher ~ bestimmten Sinne, h e a t griehisch S ~ h o .Das Blicken dagegen im Sinne des Erfassens, das vom Erfassenden her verstanden den begegnenden Blick auf sich zukommen 181 und ihn aufnimmt, dieses erfassende Blicken wird durch die mediale Form von S ~ h oins Wort gebracht: Sehopa~,den begegnenden Blick auf sich zukommen lassen, d. h. erblicken. Die Griechen kennen auch das erfassende Blicken, so wie umgekehrt auch wir neben dem erfassenden Blicken als dem Akt eines subjektiven Vorstellens den Blick des Begegnens kennen. Allein, in unserer Frage handelt es sich nicht darum, ob die beiden Wesensformen des Blickens, der begegnende und der erfassende, bekannt sind oder nicht, sondern die Frage geht dahin, welches Blicken, ob der Blick der Anwesung oder der Blick des Erfassens den vvesenhaften Vorrang hat bei der Auslegung des Erscheinens, und von woher dieser Rang bestimmt bleibt. Gems dem Vorrang der Subjektivitat im neuzeitlichen Akt des Subjekts entMenschentum ist hier das Blicken scheidend. Sofern na& Nietzsche der Mensch das als der mensch festgestellte Tier ist, das im Willen zur Macht sein wesen findet, ist der Blick des Subjekts der Blick des rechnend vorgehenden, d. h. erobemden, uberlistenden, iiberfallenden Wesens. Der Blick des modernen Subjekts ist, wie Spengler in der Nachfolge Nietzsches gesagt hat, der Raubtierblick: das Spahen. kernen das Blicken als Handlung des Auch die Menschen. Aber der Grundzug dieses fassenden Blickens ist llcLes
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160 Der seinsgeschichtliche Bereich von tilfi6~1aund
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nicht das Spahen, worin das Seiende gleichsam aufgespieI3t und so allererst zum gegnerischen Gegenstand der Erobemg wird. Das griechische Blicken ist das >>Vernehmen<< des Seienden aus einem anfanglichen Einvernehmen mit dem Sein, weshalb die Griechen auch nicht den Begriff des Gegenstandes kennen und niemals das Sein als Gegenstandlichkeit denken konnen. Die Griechen erfahren aber das er-fassende Blicken als Vernehmen, weil dies Blicken uberhaupt urspriinglich vom begegnenden Blick bestimmt ist. Im Wesensbereich hat dieser Blick den Vorrang. Im >>Gesichtscc-kreis der &h?j8~la dieses anfanglichen Blickes ist der Mensch >>nun< der Angeblickte; dieses >>nurc< jedoch ist so wesenhaft, da13 der Mensch als der An-geblickte erst in den Bezug des Seins zum Menschen an- und aufgenommen und so zum Vemehmen gebracht wird. Das Blickende ist das in die Unverborgenheit Hereinblickende: t b 6~tiovist t b 8~iov.IVir ubersetzen dies Wort richtig, aber gedankenlos, anspruchsvoll, aber leer, durch >>dasGottlichecc. @E(~ov~&s sind die in das Unverborgene Hereinblickenden. OBa, der Blick, als das Wesen des aufgehenden Dastehens, und 6&&, die Gottin, sind ein und dasselbe >>Wort<<, wenn wir beachten, daI3 die Griechen keine Akzente geschrieben haben, wenn wir vor allem wissen, daf3 die Griechen fur diesen wesenhaften Gleichklang der Worte und ihre also verborgene zweideutige Sage eine urspriingliche Achtsamkeit mitbrachten. Vgl. dazu Heraklit, Fragment 48:
,Dem Bogen nun eignet der Name @&pist<< im griechischen Dasein (das) >>Lebenc< (nicht >>biologischc<,sondern als geschickhafte Lebensbahn); was er aber her- und beistellt, ist der >>Tad<<. Bios ist zweideutig. Vom Bogen geht aus und auf der Flug und die Bahn des Pfeiles. Der >>Bogen<<, der aufgehen la&, laf3t aber zugleich untergehen. "Ovopa ist der Name, das Wort, das nennt, nicht nur der bloI3e Schall und Laut. Das Wort fiio~ist in sich zweideutig und
g 6. Verborgenes Gegenwesen der a f i 8 ~ t a4 : &1 ( I ) 161 nemt in solcher Zweideutigkeit gerade das Wesen des den Tod brhgenden Lebens. SO wie $ios - 8165, also hort der Grieche aka a&&. Oroi, die von uns so genannten >>Gottern,sind als die in das Unverborgene Hereinblickenden und blickend Winkenden, ~E&ON&S, ihrem Wesen nach die 6aiovt~g- 8ai(tovsg, die in das Geheure sich darweisenden Un-geheuren. Beide Worte, B E ~ V T Eund S 6aiovt~s,sagen, wesentlich gedacht, dasselbe. Doch die Namen 6 ~ 0 und i Saipovrs bedeuten in ihrer ge~6hnlichenBedeutung (xGotter und Dbonencc) nicht mehr das Anfangliche, was sie sagen. Meist wird die Sage eines Wortes durch seine >>Bedeutungenccverstellt und niedergehalten. Die in das Geheure Hineinscheinenden erscheinen im Geheuren wie ein Geheures. Die Blickenden sind anwesend als die im Geheuren Blickenden, als Menschen in der Gestalt von Menschen. Im Geheuren erscheint der Mensch als der blickenderweise Anwesende. In gewisser Weise erscheint so auch das Tier, weshalb das Gotthafte auch tiergestaltig ist irn Beginn. Aber gerade dieser Umstand bezeugt, daI3 weder das >>Tier<< als solches noch der >>Mensch<< als solcher, sondern der Blick beider das Entscheidende bleibt fiir das Erscheinen des Ungeheuren. Also nicht deshalb, weil die Gotter >>menschlichn gedacht und vermenscht sind, erscheinen sie in der Gestalt des Menschen, sondern deshalb, weil der Mensch im Griechentum als das Seiende erfahren wird, dessen Sein bestimmt bleibt aus dem Bezug des sich entbergenden Seins selbst zu dem, was wir aufgrund dieses Bezugs den >>Menschenccnennen. Deshalb kann >>imccMenschen der Blick des dem Sein entstammenden Gottes aufgehen und aus der im Blick gesammelten Gestalt des >>Menschenccherausblicken. Deshalb sind auch die Menschen wiederum rneist vergottet und gottergestaltig gedacht, weil Gotter und Menschen ihr je geschiedenes Wesen aus dem Sein selbst, d. h. aus der c?d~46~1a, empfangen. Die >> anthropomorphistischecc und >> t h e o m o h i s t i c h e Auskunft bei der modernen >,Erkliirungcc der griechischen Gotter
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162 Der seinsgeschichtliche Bereich von 6Afi8sla und
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ist jedesmal eine gleich imge Aussage. Diese >>Erklarungcc,die Gotter seien menschenmd3ig entgottet, und die Menschen seien unmensaich vergottet, ist wesenhaft img, weil sie sich auf eine Fragestellung bezieht, die im Fragen bereits irrt und auch umherinen muI3, da der allein alles aufhellende Wesensbereich der Ghfi8Eia nicht gekannt und nicht erfahren ist. Das Gotterwesen des Griechentums hat nicht erst im Walten der einzelnen Gotter das Erstaunliche und das im wahrhaften Sinne >>Damonischecc,sondem dies griindet in ihrer Wesensherkunft. Zwar mag es als selbstverstandlich gelten, da13 die griechischen Gotter, die gewesen sind, aus dem griechisch zu denkenden Sein erfahrbar bleiben. Doch eben dies hier zu nennende Sein denken wir nicht und denken ihm nicht zuvor nach, sondem unterstellen in der gewohnlichen Ubereilung je nach Belieben und Geschmack oder gedankenlos irgendein auch von uns selbst nicht entschieden erfahrenes und entsprechend geklartes Sein. So driingt sich dann immer wieder die bequemste >>des Auskunft hinzu, dieses GStterwesen als ein >>Produktc< Menschencc und gar noch des >>religiosencc Menschen zu erklaren. Als ob dieser Mensch je auch nur einen Augenblick hatte Mensch sein konnen ohne den Bezug jenes Gotterwesens zu seinem eigenen Wesen, und d. h. ohne das Beruhen dieses Bezugs selber im Sein selbst. f) Der Unterschied der griechischen Gotter zum christlichen Gott. Die Nennung des Seins in seinem Herein-blicken durch das Wort und der Mythos als die Weise des Bezugs zum erscheinenden Sein. Der Mensch: der Gott-Sager. >>Untergangcc von Kulturen (Nietzsche, Spengler). Der Grundzug der Seinsvergessenheit: der A-theismus Die Griechen haben weder die Gotter nach der Gestalt des Menschen gebildet noch den Menschen vergottet. Das Wesen der
5 6. Verborgenes Gegenwesen der Ghfi8~~a: Xfi6q (1)
iehis&en Gijtter l5Bt sichnicht aus einem* Anthropomorphis.&lgren, so wenig wie das Wesen des griechischen Menschen als >>Theomorphismusa gedacht werden kann. Die Griethen haben die Gotter weder vermenschlicht noch die Menshen verg6ttert, wohl dagegen haben sie die Gotter und die Menschen in ihrem unterschiedenen Wesen und in ihrem ~ ~ ~ -aus dem ~ ~ Wesen l des b Seins ~ im ~ Sinne ~ des g sichentbergenden Aufgehens und d. h. des Blickens und Weisens erfahren. Deshalb allein haben die Griechen ein klares Wissen .om Wesen der ~Halbgotteru,fipi8~0~, die im Zwischen, zwischenden Gottern und den Menschen, wesen. Die >>anthropomorpheccAuskunft uber die griechischen Gotter und die >>theomorphec< Auskunft uber die griechischen Menschen, die entweder den Gott vermenschlicht und vermenscht haben oder zum Gott vergottet wurden, sind beide gleich grundlose Antworten auf unzureichende Fragen. Sofern man fragt, ob bei den Griechen die >>Gotterpersonenccvermenschlicht oder die Menschenpersonlichkeiten zu Gotterpersonen vergottet seien, fragt man nach >>Personen<< und >>Personlichkeitencc, ohne zuvor das Wesen des griechisch erfahrenen Menschen und des griechisch erfahrenen Gottertums auch nur im GrundriB bestimmt zu haben, oder such nur das Nachste zu bedenken, daI3 es im Griechentum ebensowenig Subjekte cc wie >>Personen cc und >> Personlichkeitenn gibt. Wie will man uberhaupt, sei es iiber eine >>Anthropo-morphiecc, sei es uber eine >>Thee-morphiecc, das Geringste ausmachen, ohne das Wesen der griechisch erfahrenen po~cpi-,,des griechisch begriff enen >>Bildens cc, >> Werdens cc und >> Seins cc zum Grunde zu legen? Wie aber sol1 dieses gliicken, ohne allem vorund naher das Wesen der MfiaELazu wissen? auf und st& Das Grundwesen des Gjttertums der Griechen beruht im Unterschied zu allenanderen - au& zum christlichen - darin, dao die griechischen Gotter dem >>Wesenccund >>wesenden<< Sein entstammen, weshalb auch der Kampf zwischen den ?uen<<, d. h. den olympischen Gottern, und den ualtencc der
gr ,,,,
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164 Der seinsgeschichtliche Bereich von tdfibaux und 14% Streit ist, der, im Wesen des Seins wohnend, dessen eigenen Aufbruch in den Aufgang seines Wesens bestimmt. In den selben Wesenszusammenhang gehort, da13 die Gijtter der Griechen insgleichen wie die Menschen nichts vermogen vor der Schickung und gegen sie. Die poipa west uber den Gottern und den Menschen, wahrend z. B. christlich gedacht alles Geschick ein Werk der gottlichen >>Vorsehungccdes Schopfer- und Erlosergottes ist, der als Schopfer auch alles Seiende als das Ge.schaffene beherrscht und berechnet, weshalb noch Leibniz s a g : cum Deus calculat, fit mundus - >>weilund w a r e n d Gott rechnet, entsteht die Welt<<.Die Gotter der Griechen sind nicht >>Persijnlichkeitencc und >>Personen<<, die das Sein beherrschen, wohl aber sind sie das in das Seiende hereinblickende Sein selbst. Weil aber das Sein alles Seiende uberall und jedeneit unendlich iiberragt und in das Seiende hervorragt, deshalb sind die Gotter dort, wo, wie bei den Griechen, das Wesen des Seins anfanglich ins Unverborgene gekommen ist, >>iiberragendercc, christlich und neuzeitlich gesprochen >>spiritueller<< und >>geistigerc< trotz der >>Menschlichkeitencc,die man bei ihnen Faipovss - 6~6ovre~ antrifft. Gerade dieses, da13 die >>Gotten< sind und im Erscheinen des Heimischen und Geheuren miterscheinen, ist ihr Un-geheures so rein im MaB und in der Milde, daB in ihrem Erscheinen ai8G~und x6piq - Scheu und Gunst des Seins - iiberall zuvor hereinscheinen, scheinend weisen und weisend stirnmen. Wenngleich wir, wenn wir die griechischen Gotter die Stimrnenden nennen, ihr Wesen bereits anfanglicher denken, diirfen wir sie doch die Stimmenden nennen, weil Scheu und Gunst und Glanz der Milde zum Sein gehoren und in der ai8& und x6ey dichtend und im 9awpaurbv und Garpbv~ovdenkend erfahren sind. Aus diesem stimmenden, weisenden Leuchten stammt der Glanz des beiov, das Scheinen. Nur ob dieses Glanzes war den Griechen zugleich auch die Erfahrung des Dunklen und Leeren und Aufgahnenden gewahrt. Wahrend das gemeingermanische Wort >> Gotcc nach dem Indischen ein Wesen bedeutet, das vom Menschen her angerufen
$' 6. Verborgenes Gegenwesen der hybcca:
( I ) 165
+ r ~ ,also der Angerufene, sagen die griechisehen Namen fur das, was wir einen Gott nennen, etwas wesentlich anderes: tjE&ov und b i p w - Gaiov nennen das von sich selbst her aufgehende Blickende und in das Seiende sich hereingebende Sein - hier ist der Gott und sind die Gotter schon dem Namen nach nicht vom Menschen aus gesehen als das vom Mens&en Angerufene. Wo aber die Gotter angerufen werden, ., B. in den alten Eidesformeln, da heil3en sie die ovviotoes~, diejenigen, die rsehenx und gesehen haben und als solche das Seiende in der Unverborgenheit haben und es also weisen kijnnen. Aber ovviaroee~sind nicht >>Zeugencc,da das >>Zeugenn, sofern wir es nicht urspriinglich verstehen als Her-stellen (den Anblick), bereits auf dem Gesehen-haben des Sehenden giindet. Die Gotter sind als tjedrovres notwendig iatopes. 'Iatoeia besagt >>zuGesicht bringen<<(vom Stamm Fid; videre, visio), ins Licht stellen, in die Helle. Deshalb eignet das iotopeiv eigentlich und zuerst dem Lichtstrahl. Vgl. Aischylos, Agamemnon, 676, ist von Menelaos gesagt: ~i yo% ZLS &ntisfih.iow VLV imopei - wenn noch irgendein Strahl der Sonne ihn erblickt, d. h. sichtbar sein, im Licht stehen la13t. Nun ist aber der Name und die Nennung des Gotthaften (9siov) als des Blickenden und Hereinscheinenden ( 6 ~ 6 0nicht ~) die blo13 lautliche Bezeichnung. Der Name als das erste Wort ist das, was das zu Nennende in dem, wie es anfanglich west, erscheinen 1a13t. Das Wesen des griechisch erfahrenen Men&en aber ist aus dem Bezug des aufgehenden Seins zum Men&en bestirnmt, so da13 der Mensch derjenige ist, der das Wort hat. Das Wort aber ist seinem Wesen nach das nennende Erscheinenlassen des Seins. Der Mensch ist das @ov hbyov EXov das in die Nennung und in die Sage aufgehende und im Sagen win Wesen innehaltende Seiende. Das Wort als Nennung des Seins, der pG6o~,nennt das Sein in seinem anfiinglichen Herebblicken und Scheinen - nennt d~~ E ~ O d. Vh., die Gotter. Weil rb 6eiov und rb Ga~pbvlov(das Gotthafte) das in die Unverborgenheit Hereinblickende und in das Geheure sich dar-
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166 Der seinsgeschichtliche Bereich von &A-;lif&ta und hi$q
6. Verborgenes Gegenwesen der Mfi8~la: hqtq
gebende Un-geheure ist, deshalb ist der pG6os, dessen Wesen gleichwesentlich wie das 6~iovund 8a~p6viovvon der Entbergung her bestimmt wird, die allein gemaI3e Weise des Bezugs zum erscheinenden Sein. Deshalb ist das Gotthafte als das Erscheinen und in seinem Erscheinen Vernommene das zu Sagende und Gesagte der Sage. Deshalb ist das Gotthafte das >>Mythischecc.Deshalb ist die Sage von den Gottern >>Mythos<<. Deshalb ist der griechisch erfahrene Mensch, aber auch nur er, in seinem Wesen und gemaI3 dern Wesen der &l.-;liY~~a der Gottsager. Warum das so ist, 1aI3t sich nur begreifen und nachdenken aus dern Wesen der &A-;l9&~a, sofern diese das Wesen des Seins selbst, das Wesen des Gottertums, das Wesen des Menschentums und das Wesen des Bezugs des Seins zum Menschen und des Menschen zum Seienden im voraus durchwaltet. und mit ihm das Wenn aber eben dieses Wesen der &A.;16~~a anfanglich sich zeigende Wesen des Seins durch Wandlungen I verstellt und durch solche Verstellungen schliel3lich der Verbergung im Sinne der Vergessung anheimgefallen ist? Was ist I d a m , wenn das Wesen des Seins und das Wesen der Wahrheit vergessen werden? Was ist d a m , wenn die Seinsvergessenheit die Geschichte des geschichtlichen Menschentums ungesehen und zeichenlos umirrt? Sollte, wenn das anfangliche Gottertum aus dern Wesen des Seins aufgeht, die Seinsvergessenheit nicht der Grund sein, daf3, seitdem der Anfang der Wahrheit des Seins sich in die Verborgenheit entzogen hat, kein aus dern Sein selbst aufgehender Gott mehr erscheinen konnte? Der >>A-theismuscc,recht verstanden als die Gotter-losigkeit, ist die seit dern Untergang des Griechentums die abendlkdische Geschichte iibermachtigende Seinsvergessenheit, als der Grundzug dieser abendlandischen Geschichte selbst. Der >>Atheismuscc, wesensgeschichtlich verstanden, ist keineswegs, wie man gern meint, das Produkt wildgewordener Freidenker. Der >>A-theismus<< ist nicht der >>Standpunktasich hochmiitig gebardender >> Philosophen <<. Der >>A-theismus << ist vollends nicht das klagliche Gemachte der Machenschaft der >>Freimaurercc.
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, , ~ t h ~ i s t e nsolcher x Art sind selbst bereits nur der letzte Ausanrrf der Gotter-losigkeit. aber ein Erscheinen des Gotthaften iiberhaupt sei\yie nen wesensbereich, d. h. eine Unverborgenheit, finden konnen, ,m und solange das Wesen des Seins vergessen und aus derselben Vergesenheit die selbst unerkannte Seinsvergessenheit - - prinzip der Erklarung alles Seienden erhoben ist, wie dies in aller Metaphysik geschieht? Erst wenn das Sein und das Wesen der Wahrheit aus der vergersenheit in das An-denken kommt, wird dern abendlkdischen Menschentum die vorlaufigste Vorbedingung gewahrt z m Vorliiufigsten alles VorlauGgen: das ist die Erfahrung des Wesens . . . - - des Seins als des Bereiches, in dern erst einmal .die EntSAeidung iiber Gotterlosigkeit und Gottertum sich vorbereiten kam. Das Sein selbst und sein Wesen kommt aber nicht in das Andenken, solange wir die Geschichte des Wesens der Wahrheit nicht als den Grundzug unserer Geschichte erfahren, solange wir alle Geschichte nur ahistorischc>ewigeWerte<<.Als ob die wesenhafte Geschichte etwas sein konnte, was sich >>auswertencclafit. Die Verbeugung vor den uewigen Wertenx vergangener Kulturen ist die Grundform, in der die Historiker die Geschichte, ohne sie iiberhaupt zu erfahren, verabschieden und jeden Sinn fur O b e r l i e f e ~ n und ~ Zwiesprache zerstoren. Wenn wir aber sch0n van >>untergegangenen<< Vilkern und vom *untergegangenenn Griechentum reden, was wissen wir denn vom Wesen des geschichtlichen Untergangs? Wie, wenn der Untergang des Griechentums jenes Ereignis ware, wodurch das anfangliche Wesen des Seins und der Wahrheit in seine eigene Verborgenheit zuriickgeborgen und damit erst zukiinftig wird? Wie, wenn nuntergangn nicht Ende, sondem Anfang
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168 Der seinsgeschichtliche Bereich von 13kfi9~~a und V8q sein miate? Jede griechische Tragiidie sagt den Untergang. Jeder dieser Untergkge ist ein Anfang und Aufgang des Wesenhaften. Wenn Spengler, ganz im Gefolge der Metaphysik Nietzsches und diese uberall noch vergrobernd und verflachend, vom >>Untergangdes Abendlandes> biologischen ProzeD n herabgewiirdigt und aus der Geschichte ein Gewachshaus von nKulturene gemacht, die pflanzenhaft gedeihen und verkiimmern. Spengler denkt, wenn er iiberhaupt denkt, die Geschichte geschichtslos. Er versteht )>Untergang<< im Sinne des bloBen Zuendegehens, d. h. als biologisch vorgestellte Verendung. Tiere >>gehenunter<<,indem sie verenden. Geschichte geht unter, sofern sie in die Verborgenheit des Anfangs zuriickgeht -, d. h. sie geht, im Sinne der Verendung gedacht, deshalb gerade nicht unter, weil sie so nie nuntergehencc kann. Wenn wir hier zur Aufhellung des Gaipbviov das Wesen des griechischen Giittertums andeuten, dann meinen wir nicht antiquarische Sachen und nicht Gegenst&de der Historic, sondern Geschichte. Es ist das Ereignis der Wesensentscheidung des Wesens der Wahrheit, welches Ereignis stets das Kommende ist und nie das Vergangene. Im Vergessen aber sind wir am hartesten an das Vergangene verknechtet.
g) Das sich ins Unverborgene hereingebende Gotthafte. Das Daimonion: der Blick im schweigenden Einholen in die Zugehorigkeit zum Sein. Dor Entbergungsbereich des Gotthaften und des Wortes. Die >>Entsprechung
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vergersenheit,denken wh an das anfangliche Wesen des Seins, d, h. an die & 1 ~ 8 ~und l a , denken wir an diese in der Weise, daB arihr Wesen anfanglicher denken, dann erfahren wir, was .dar ~ : ~ o n i s c h eim * Sinne des Gaip6viov der Griechen ist. Das Galp6vi0~ist der Wesenszug des ~ E ~ das O Vals , das Blikkende in das Geheure hereinblickt, und d. h. erscheint. Dieses Ers&einen ist in sich Gaiov, das sich ins Unverborgene herein gebende Gotthafte. Das sich in das Unverborgene Hereingebende und Erscheinende hat zu Grundweisen des ErscheiDens das Blicken und das Sagen, wobei wir beachten, daB das Wesen des Sagens nicht in der Verlautbarung besteht, sondern in der Stimme im Sinne des lautlos Stirnmenden, Winkenden, das Wesen des Menschen auf es selbst Einholenden, einholend namlich in seine geschickhafte Bestimmung: in seiner Weise das rDa<<,d. h. die ekstatische Lichtung des Seins, zu sein (vgl. Sein und Zeit, SS 28 ff.). Der Blick im schweigenden Einholen in die selbst vernehmend-sammelnde Zugehorigkeit. zum - Sein, . das ist das Gaipbvtov. Dieser im Sein selbst griindende >>Anspruchr des Gotthaften wird vom Menschen selbst in den Spruch und in die Sage aufgenommen, weil nur und erst im Sagen sich das Entbergen des Unverborgenen und das Bergen des Entborgenen ereignet. Erst und nur im Wort als dem Entbergen west der hnblick ins Unverborgene. Der Anblick blickt nur und ist nur das erscheinende Sichzeigen, das er ist, im Entbergungsbereich des Wortes, des sagenden Vernehmens. AUein d a m , wenn wh den urspriinglichen Bezug zwischen dem Wesen des Seins und dem Wort erkennen, vermogen wir zu fassen, warum im Griechentum und nur da dem Gotthaften (ti, 8~iov)das Sagenhafte (6 P~OC rent-sprechenn ) muB. Dieses Ent-spreehen ist iiberhaupt das anfkgliche Wesen aller Ents~rechung(Homologie), das Won >>Entsprechungx wesentlich wbrtlich genommen. Mit der Einsicht in diese Entsprechung, in der ein Spruch, ein Wort, cine Sage dem Sein ent-spricht, d. h. es als das Selbe in einem Gleichen sagend entbirgt, ~ i n dnun auch wir in den Stand ge-
170 Der seinsgeschichtliche Bereich uon 61fi6~laund Ail@ setzt, die noch ausstehende Antwort auf eine friiher gestellte Frage zu geben. Bei der ersten Aufhellung des Wesens des pC605 als der entbergenden Sage, in der und fur die das Sein erscheint, wurde behauptet, daR gemaR diesem Wesensrang des Wortes das Dichten und Denken im Griechentum den hochsten Geschichtsrang habe. Dieser Hinweis muate ein Bedenken erwecken, dern die vorigen Erlauterungen des Ga~pbvlovund des 6~iovno& eine gewichtigere Bedeutung verschafft haben. Das Seiende kommt in seinem Sein und >> Wesencc bei den Griechen und fiir sie nicht nur im >>Worteczum Erscheinen, sondern ebenso in den Bildwerken. Wenn gar das Gotthafte im Sinne der Griechen, t6 6&iov,eben das in das Geheure hereinblickende Sein selbst ist, und wenn das gotthafte Wesen gerade fur die Griechen in den Bauwerken der Tempe1 und in den Bildwerken der Standbilder erscheint, wie steht es dann mit dern behaupteten Vorrang des Wortes und demgemaB mit dern Vorrang des Dichtens und Denkens? Sind nicht die Baukunst und die Bildkunst gerade im besonderen Hinblick auf das Gotthafte im Griechentum hoheren Ranges oder doch wenigstens gleichen Ranges mit der Dichtkunst und dern Denken? Hat das gem gewahlte Verfahren nicht seinen wohlberechtigten Grund, da13 wir uns von den Bau- und Bildwerken her ein mal3gebendes >>historischescc>>Bildccmachen vom Wesen des Griechentums? Diese weitreichenden Fragen durfen wir hier nur in den GrenZen stellen und erortern, die uns durch die Besinnung auf das Wesen des 6a~pbvlovgezogen sind. Wir sehen leicht, daR hier nach dern Verhaltnis und Rang der xKunstgattungenw Baukunst, Bildkunst, Dichtkunst gefragt wird und somit an das Wesen der Kunst gedacht ist, und zwar nicht uberhaupt und unbestimmt, freilich auch nicht an die Kunst als einen aAusdruckn der Kultur und als rZeugnisn der schaffenden Leistungsfahigkeit des Menschen. Von >>der Kunstcc ist die Rede im Hinblick darauf, wie das Kunstwerk selbst das Sein erscheinen laRt und in die Unverborgenheit
5 6. Verborgenes Gegenwesen der &hi@~la: A48q (I) 171 wx--gt. SO
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zu fragen lie@ dem metaphysisdren Denken iiber die Kunst fern, weil es rasthetischw denkt. Das besagt: Das werk wird betrachtet in seiner Wirkung auf den Menschen und dessen Erleben. Sofern aber das Werk selbst betrachtet ~ r dgilt , es als das Gewirkte eines Schaffens, welches aschaffenn wiederum einen rErlebnisdrangec zum Ausdrud; bringt. wenn man das Kunstwerk selbst betrachtet, nimmt man >Objekt> Produktn eines schaffenden oder naches erlebenden Erlebens, und d. h. uberall und jederzeit vom mens&i&en subj ekthaften Wahmebmen aus (a206q01~).Die asthetische Betrachtung der Kunst und des Kunstwerkes begenau, weil wesensnotwendig,mit dern Beginn der Metaphysik. Das besagt: Das asthetische Verhatnis zur Kunst beginnt in dern Augenblick, da das Wesen der hAi$3e~asich wandelt zur ~ ~ o L w G L ~ zur , Angleichung und Richtigkeit des Vernehmens und Vorstellens und Darstellens. Der Wandel beg k n t in Platons Metaphysik. Da nun aber in der Zeit vor Platon aus wesentlichen Griinden eine Betrachtung >>iiberccdie Kunst nicht besteht, ist uberhaupt alle abendlandische Kunstbetrachtung und Kunsterklarung und Kunsthistorie von Platon bis Nietzsche >>asthetisch>Asthetencc Z. B. ein Bauer mit seinem >>natiirlichenccInstinkt cine weibliche Aktfigur in der .Ausstellungcc >>erlebtcc.Auch der Bauer ist ein >>Asthetc<. Im Gedanken an diesen mumstijfili&en Tatbestand muB in nach allem friiher Gesagten der Verdacht aufsteigen, da13 wir, wenn wir jetzt etwas iiber die Kunst des Griechentums ausmachen wollen, im vorhinein, und d. h. zufolge der selbstverstkindlichen asthetischen Betrachtungsweise, mit ungemal3en und verstellenden Fragehinsichten ankommen. Nach der gelaufigen Meinung gibt es verschiedene >>Gattungene<der Kunst. Die Kunst selbst ist das Formen und Bilden
172 Der seinsgeschichtliche Bereich uon &E$~la und
und nschaffen. eines Werkes aus einem Werkstoff. Die Ba1 und Bildkunst verwendet Stein, Holz, E n , Farbstoffe; die To1 kunst die Tone, die Dichtkunst die Worter. Man k a m nun ve: merken, im Griechentum sei gewiD die Dantellung des Weser und Waltens der Gotter durch die Dichtkunst wesentlich, abt weil sichi nicht weniger wesentlich und fast >>eindrucksvolleru, barer, sei die Darstellung der Gotter unmittelbar durch di Standbilder und unmittelbar durch die Tempel. Baukunst un, Bildkunst haben zu ihrem Werkstoff die verhdtnismaDig be standigen Stoffe des Holzes, des Steines, des Erzes. Sie sind un abhkgig vom fluchtigen Hauch des rasch verklingenden un, auDerdem vieldeutigen Wortes. Also sind durch diese Kunstgat tungen der Architektur, Plastik und Malerei der Dichtkuns wesentliche Grenzen gesetzt. Jene bedurfen nicht wie diese de, Wortes. Doch gerade diese Meinung ist irrig. Zwar gebraucher und benutzen Bau- und Bildkunst das Wort und die Wortel nicht als ihren Werkstoff. Wie aber sollen je ein Tempe1 ode] ein Standbild dastehen als das, was sie sind, ohne das Won: GewiD bedurfen diese Werke der kunsthistorischen Beschreibungen nicht. Die Griechen hatten zu ihrem Gluck wedel Kunsthistoriker noch Literaturhistoriker noch Musikhistoriker noch Philosophiehistoriker notig, und ihre Geschichtsschreibung ist etwas wesentlich anderes als die neuzeitliche >>Historie.. Die Griechen hatten ubergenug an dem, was h e n zu dichten, zu denken, zu bauen und zu bilden aufgegeben war. Allein der Urnstand, daB in einem Tempe1 oder in einem Standbild des Apoll keine Worter als Werkstoff verarbeitet und >>gestaltetcrsind, beweist noch keineswegs, daD diese >>Werkea in dem, was sie sind und wie sie sind, nicht doch und gerade des Wortes wesensmaBig bedurfen. Das Wesen des Wortes besteht doch nicht in der Verlautbarung, nicht im Gerede und L a m und nicht in seiner nur verkehrstechnischen Funktion der Mitteilung. Das Standbild und der Tempe1 stehen in der schweigenden Zwiesprache mit dem Menschen im Unverborgenen. Wire nicht das schweigende Wort, dann konnte der blik-
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~ ~als Anbliek t t des Standbildes und seiner Gestaltzuge *iemals erscheinen, der Tempe1 konnte, ohne im Entbergungsbere& des Wortes zu stehen, niemals als das Haus des Gottes dastehen. Die Tatsache, daD die Griechen ihre rrKunstwerkex nicht >, ~~thetischn beschrieben und beredet haben, bezeugt, daD die Werke wohl behutet in der Klarheit des Wortes standen, das eine Saule keine Saule, ein Giebel kein Giebel und Fries kein Fries zu sein vermag. Nur deshalb, weil die Griechen in einer wesenhaft einzigen Weise durch ihr Dichten und Denken das Sein in der Unverborgenheit der Sage und des Wortes erfahren, nur deshalb haben ihre Bau- und Bildwerke den Adel des Gebauten und Gebildeten, den sie zeigen. Diese uWerke<<sind nur im Medium des Wortes, und d. h. des wesenhaften sagenden Wortes, im Bereich der Sage, des >>Mythoscc. Deshalb hat hier das Dichten und Denken den Vorrang, der als den freilich nicht gefaDt ist, wenn wir ihn >>asthetisch<< Vorrang einer xKunstgattungn vor den iibrigen vorstellen: wie denn iiberhaupt >>die Kunstcc nicht Gegenstand eines >>Kulturcrund Erlebnisbetriebes war, sondern das Ins-Werk-bringen der Unverborgenheit des Seins aus dem Walten des Seins selbst. Im p38os erscheint das Gaip6vlov. Wie das Wort und das >>Wort-habencc das Wesen des Menschen, und d. h. den Bezug des Seins zum Menschen, tragen, so bestimmt in derselben Wesensweite, und d. h. im Bezug auf das Ganze des Seienden, das Salp6vrov den Gnmdzug des Seins zum Menschen. Deshalb wird noch irn spaten Griechentum bei Platon und Mstoteles ein Wort wesentlich, das diesen Bezug des Seins zum Menschen nennt. Es lautet: ~68a~povia. Durch die rijmis&-christli&e mersetzung im Sinne der beat i t d o (d. h. des Zustandes des beatus, des Begluckten) wurde freilich die ~66a~povia zu einer blonen Eigenschaft der Menschenseele urngebildet, zu >> Gliickseligkeitn. Aber d8a~povia m i n t das im gem5Ben MaB waltende u d x - Erscheinen und awesen des 8aiy6v~ov.
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174 Der seinsgeschidztliche Bereich von &Afi+kla und Dies ist nicht ein irgendwo im Innern der Brust haustllue1 >>Geistcc. Die sokratisch-platonische Rede vom 6a~p6v~ov als der inneren Stimme besagt nur, daD deren Stimmen und Bestimmen nicht von a d e n , d. h. nicht von irgendeinem vorhandenen Seienden, sondern aus dern unsichtbaren und ungreifbaren Sein selbst kommt, das naher dern Menschenwesen ist ah jede aufdringliche Handgreiflichkeit des Seienden. das sich in die Unverborgenheit hereinWo das 6a~p6v~ov, gebende Gotthafte, Un-geheure, eigens gesagt werden muD, ist das Sagen eine Sage, ein p.ii9os. Am SchluI3 des platonischen Gesprachs uber das Wesen der x b l ~ gsol1 von einem 6a~p6v~oq rbnos gesagt werden. Wir verstehen jetzt, was dieser Titel meint. Tbnos bedeutet griechisch Ort, jedoch nicht als die blol3e Stelle in einer iiberaUhin gleichgiiltigen Punktmannigfaltigkeit. Das Wesen des Ortes liegt darin, daI3 er als jeweiliges Wo den Umkreis dessen gesammelt halt, was zusarnmengehorig zu ihm und rann ihn, den Ort, gehort. Der Ort ist das unprunglich sammelnde Innehaben des Zusammengehorigen und ist deshalb meist ein Mannigfaltiges durch die Gehorigkeit aufeinander bezogener Orte, was wir eine Ortschaft nennen. In dern sich erstreckenden Bereich der Ortschaft sind daher Wege, G k g e und Pfade. Ein S a ~ p 6 v ~ t6nos os ist eine >>ungeheureOrtschaftr. Das sagt jetzt: ein Wo, in dessen Platze und Gange das Un-geheure eigens hereinscheint und das Wesen des Seins in einem ausgezeichneten Sinne west.
i. Die letzte Sage des Griechentums vom verborgenen Y Gegenwesen der h l f i 3 ~ ~der a , Afih(11).Platons Schluflmythos der Politeia. Das Feld der
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Die Ortschah des Ungeheuren: Das Feld der entziehenden Verbergung. Die AusschlieDlichkeit des Un-geheuren im Ort der Lethe. Der Blick ihrer Leere und das Nichts des Entzugs. Das behalterlose Wasser des Flusses >>Ohnesorgen im Feld der Afih.Die Rettung des Unverborgenen durch das denkende Denken und der Trunk des Denkers ),
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Die Ortschaft, die im Schldmythos der Politeia Platons genamt wird, ist weder auf der >>Erdeanoch im rHimmel*. Wohl dagegen zeigt sich in dieser Ortschaft solches, und sogar nur solches, was auf das der Erde Zugehorige, das Untererdige, und auf das Ubererdige weist. Das Untererdige und das Ubererdige rind die Orte, aus denen das uDarnonischen auf die Erde herauf- und herabscheint. Sie sind die Orte der Gotter. In der Ortschah des Un-geheuren treffen sich die aus dern Unter- und Ubererdigen Kommenden, um diesen Sa~p6v~os &nos zu durchwandern, bevor sie wieder eine neue todestrachtige Pahrt auf der Erde selbst durchlaufen. Auf der Wanderschaft durch die Ortschaft des Un-geheuren werden die Orte derselben nach eigens begrenzten Aufenthalten und Wanderzeiten durchwandert. Der letzte Ort innerhalb der Ortschaft des Un-geheuren, somit derjenige, an dern sich die Wanderer unmittelbar vor dern Ubergang in die neue todestrachtige Fahrt aufhalten mussen, ist d riq A f i h s ndiov, das Feld der entziehenden Verbergung im S h e der Vergessung. In diesem Feld der A$& samrnelt sich die ganze Wanderschaft. Hier west das nDamonischeu der ganzen Ortschaft im auI3ersten und hochsten Sinne. Der genamte Krieger e r r a t , daD der Weg zum Feld der Afihdurch cine alles ausgluhende Glut und dur& eine alles zum Ersticken briogende Luh fiihre; e l v a ~a6rb (rb rijq nrsiov)
176 Der sei~geschichtlicheBere& van
si)sla und 14%
x~vbvGBdeov ts xai 6oa yij qn5s~(621 a 3 f.). >>Auchsei namlich dieses Feld der entziehenden Verbergung selbst verodet sowohl an Gewachsen als auch uberhaupt leer an allem, was (die) Erde aufgehen 1asse.x Dieses Feld der Verbergung ist gegen L V Aufgehen , und Herjede qfiois. Die A4&1 lafit kein ~ ~ E kein vorkommen zu. Die Y&1 erscheint als das Gegenwesen zur rpio~s.Verstehen wir qfio15 als udie Naturn und k48q als das >>Vergersen<<, dann ist niemals einzusehen, weshalb q.$c~l5 und 14% in einen Gegensatz, weshalb sie uberhaupt in eine betonte Beziehung zueinander gelangen sollen. Denken wir jedoch beides griehisch, dann wird klar, dafi die A$&1als wesenhaftes Entziehen und Verbergen nirgends und nie etwas aufgehen IaBt und also sich gegen das Hervorkomrnen, d. h. die qiJop;, wendet. Das Feld der hj&1verwehrt jede Entbergung von Seiendem und also Geheurem. Die A46q laBt an ihrem Wesensort, der sie selbst ist, alles verschwinden. Doch lie@ es nicht nur an der Vollstlndigkeit des Entzugs, gleichsam am vermeintlich Quantitativen der Verbergung, was diesen O n auszeichnet. Vielmehr gilt es zu sehen: Das xwegx des Entzogenen west selbst an irn Wesen des Entzugs. Das >>wegndes Entzogenen und Verborgenen ist nicht etwa >>nichtsa, sondem das alles entziehende Verschwindenlassen ist das, was sich allein an diesem Ort begibt und in ihn sich dargibt. Der Ort bleibt leer - an ihm ist iiberhaupt nichts Geheures. Aber die Leere ist hier das Bleibende und Anwesende. Das Nichtige der Leere ist das Nichts des Entzugs. Die Leere des Ortes ist der Blick, der in ihn hereinblickt und nerfullta. Der O n der hj&1ist dasjenige Wo, an dem das Un-geheure in einer eigentumlichen AusschlieSlichkeit west. Das Feld der 1481 ist in einem ausgezeichneten Sinne >> damonis&<<. Sofem nun aber doch dieser Ort in seinem Bereich etwas erscheinen und anwesen la&, mu8 dieses in das Feld der A48q Gehorige selbst von der Wesensart dieses Feldes sein. Das einzige, was die Wanderer an diesem Ort antreffen, ist ein FluD. Aber schon der Name des Flusses zeig an, daB er ortsgema0,
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?. verborgenes Gegenwesen der & m ~ aAfiN : (11) 177
ulld d. h. dem Wesen der A48q dienstbar ist. Der FluO irn Felde heifit 'Aplhq5, das bedeutet :B Ohnesorgen. Der Krieger, der der den pC8og vom Baip6vtog ~61105errahlt, sagt (621 a 4 ff.): , q v ~ c T ~o ah~sqZ5 3jbq fonkeag y~yvopkq5nae& T ~ V'ApkAva o3 rb S o p ayy~iovoGBlv G T ~ ~ E L VnGezeltet . hatten sie dann, nachdem schon der Abend heraufgekommen sei, neben dem ,Obnesorge<,dessen Wasser kein Behaltnis zudecken, d. h. bergen, kbnne..: ( d m das Dach, die Decke.) Dieses Waskennt nicht die Sorge (p~Ahq)urn das, was der Verschwindung und der Entgiingnis und somit der entziehenden Verbergung entgegen ist. Dieses Wasser, das selbst in keinem Behalt.is si& behalten lafit, weil es die reine Entgangnis selbst ist. kennt nicht die p ~ l k ~T qQ &A46~1ag, ~ die Sorge um die Unverborgenheit, die Sorge d a m , da8 das Seiende in das Unverborgene geborgen und darin bestiindig sei und bleibe. Die vsorgen meint hier keineswegs irgendeine Bekiimmemis und Triibseligkeit iiber irgendeinen auBerlichen Zustand der Welt und des Menschen. Vielmehr ist die Sorge einzig die Sorge urn die Unverborgenheit und gehort in den Bereich des Ga~phvlov. Die Sorge gehort in das Ereignis des Wesens der Entbergung und Verbergung. DemgemaD ist die ihr entsprechende rSorglosigkeit. weder eine beliebige Unbekiimmertheit um irgendwelche Dinge noch ist sie nur eine Eigenschaft von Menschen, sondern die ~Sorglosigkeitcrist einzig das Sich-nicht-sorgenurn die &A+la, weil sie das Walten der Afi&I, der entziehenden Verbergung, besorgt; deshalb bleibt auch diese Sorg-losigkeit ein Fa~pbvlov.Sofem also im Bereich des wesentlichen Denkens, wo das Wesen des Seins und die Unverborgenheit gedacht wird, das Wort von der aSorgea fiillt, ist anderes gedacht als die Verdriefili&keit ekes rnensMichen >> Subjekts<<,das im >>Nichtsan sichn, einem zur leeren Nichtigkeit vergegenstandlichten >>Erlebnis <<, urnhertaumelt. Das Wasser des im Felde der XG8q alefienden Flusses entzieht sich jedem Behzltnis und betreibt selbst nur den einen Entzug, der alles entgehen l a t und also verbirgt. Jeder aber,
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178 Der seinsgeschichtliche Bereich von &A4+&ia und
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der demnachst nach der Durchfahrt durch den 6atp6vtog r6noF auf der Erde wieder eine Fahrt beginnen soll, mu13 zuvor von dem Wasser des Flusses >>Ohnesorge<< trinken, und zwar ein gewisses MaB: p8tgov phv 06v t b TOG ijsato~xGaiv &vayxaiovE T V ~ L ni~iv,>>eingewisses MaB aber nun dieses Wassers sei allen notwendig zu trinkencc (621 a 6 f.). Jeder Mensch, der auf der Erde die todestrachtige Fahrt durchmat, ist so auf der Erde und ist dergestalt inmitten des Seienden, daB aufgrund dieses Trankes eine Verbergung und ein Entzug des Seienden waltet, so daD Seiendes nur ist, sofern zugleich und entgegen dieser Verbergung und dieser Entgkgnis eine Unverborgenheit waltet, in der das Unverborgene behaltbar und behalten bleibt. Durch diesen im Ma8 gehaltenen Trank bringt der auf die Erde zuriidikehrende Mensch eine wesenhafte Zugehorigkeit zum Wesensbereich der Verbergung mit. Alle zwar stehen bis zu einem gewissen Grade im Wesensbezirk der Verbergung d g 68 cpgov.ilo~iuq acpSoptvovg xACov ~ E Y E L V TOG ~ Q T Q O V >>diejenigen aber, die nicht durch Einsicht Gerettete seien, t r k k e n mehr, als das Ma13 seig (621 a 7 f.). @~6vqa~q meint hier die Einsicht jenes Ein-sehens, das den Einblick nimmt in das, was das eigentliche Erblickbare und Unverborgene ist. Die hier gemeinte Ein-blicknahme ist das Blicken des WeiPg6qaiq meint hier dassensblickes, d. h. der >>Philosophie<<. selbe wie >>Philosophie<<, und dieser Titel besagt: den Blick haben fiir das Wesenhafte. Wer so blicken kann, ist ein ucpS6~ E V O S , ein Geretteter, >>gerettetccnamlich in den Bezug des Seins zum Menschen. Auch dieses Wort u@~ivist wie cpg6qaiq und cp~looocpiaein wesentliches Wort. Die griechischen Denker sprechen von cr4Seiv tci cpaivbprva - rRetten das Erscheioenden; dies besagt: das Sichzeigende a& das Sichzeigende und wie es sich zeigt behalten und bewahren in der Unverborgenheit, namlich vor dem Entgehen in die Verbergung und Verstellung. Wer dergestalt das Erscheinende in das Unverborgene rettet (bewahrt und behalt), ist selbst ein fur das Unverborgene Geretteter, dafiir Bewahrter. Solche, die es aber nicht sind, denen
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also der Wesensbli& fehlt, ~ i n d6 n v cpdoooocpiag, nohne Philos o p ~ e x Die . >>Philosophie<< ist demnach nicht eine bloBe Beschgftiwg des Denkens mit allgemeinen Begriffen, welcher ~ ~ ~ ~ h g f t i man g u n sich g widmen k a m oder auch nicht, ohne d a ~ sonst Wesentliches ereignete. Philosophie ist das Angespro&ensein V O Sein ~ selbst. Philosophie ist in rich die Glundart, wie der Mensch inmitten des Seienden zu diesem verbat. Die Philosophie-losen rind die aEinblidr-losenx. Sic uberlassen sich dem, was gerade eacheint und ebenso gerade wieder verschwindet. Sie sind der Entgangnis und dem Sichverbergen des Seienden ausgeliefert. Sie trinken vom maser des Husses aohnesorgen iiber das MaB. Sie sind die Sorglosen, die sich WONfiiblen in der Gedankenlodgkeit, die jedem Ansprud der Denker sich entzogen hat. Diese Sorglosen sind jene, die froh dariiber geworden, die Sorge einer Zugehorigkeit zu einem Volk der Dichter und Denker hinter sich gebracht zu haben. (In diesen Tagen war durch das Propagandaministerium laut verkiindet worden, die Deutschen brauchten jetzt nicht mehr xDenker und Dichtern, sondem xweizen und 01<<.) Die >>Philosophien als die Achtsamkeit auf den Anspruch des Seins an den Menschen ist zuerst die Sorge des Seins und niemals eine Sache der >>Bildung<< und der Kenntnis. Deshalb kann man& einer eine Unsumme gelehrter Kenntnisse iiber philosophische Meinungen besitzen, ohne jemals rphilosophischr zu sein und zu nphilosophierenx. Andere wiederum konnen vom Anspruch des Seins getroffen werden, ohne zu wissen, was das ist, und ohne dem Anspruch des Seins in einem gemaBen Denken zu antworten. ZU diesem denkenden Denken freilich gehort ein Wissen und eine Sorgfalt der Besimung und des Wortes, die alle Forderungen bloB wissenschaftlicher Exaktheit noch wesentli& iibersteigt. Immer bleibt dieses Denken nach der E r f a b g der griechischen Denker ein Retten des Unverborgenen vor der Verberguog im S-e des verhehlenden Entzugs. Dieser wird
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im Denken urspriinglicher erfahren als sonstwo. Der Denker im besonderen muB n a l dem rechten MaB vom Wasser des Flusses rOhnesorge<
1) Feld und Lethe. Das Gotthafte bei den Griechen: Das Un-geheure im Geheuren. Das 8Eiov in der anfanglichen hh'tj8Ela und hj8-q.'Ahj8~1aund 8rh (Parmenides)
Um die Zeit, da das Griechentum Abschied nimmt von seiner wesenhaften Geschichte, kommt in ihm noch einmal die Sage E Lpi805 ~ , von der h4%, zum vom Gegenwesen der M T ~ ~ der Wort. In dieser Sage, die Platons Dialog apoliteian abschlieBt, wird am Ende van der A48-q erzahlt. Diese Feststellung ist richtig, aber in dieser ungefahren Form ist sie auch schon der Anla0 zu einer Verkennung des hier genannten Wesens der 1%. Genannt wird in Wahrheit ~b T ~ A'tj&15 S xrsiov - das Feld der entziehenden Verbergung. Platon s a g nicht einfach d n~8iov riq A + ~ ssondern , d Afi8-q~nssiov. Zunachst bleibt die Beziehung zwischen dem Feld und der h'tj8-qunbestimmt, weil der sprachliche Ausdruck dafiir, der Genitiv, mancherlei bedeuten kann: einmal das Feld, in dem die 14% vorkommt und erscheint. So genommen sind das Feld und die Y8-q gleichgiiltig gegeneinander. Das Feld kann aber auch in seinem Feldcharakter allererst von der 1-487 bestimrnt und zu einem ihr allein gemaBen Bezirk werden. Jetzt sind Feld und zwar noch voneinander unterschieden, aber nicht mehr gleichgiiltig gegeneinander. SchlieBlich kann das Feld und sein Feldcharak-
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7. Verborgenes Gegenwesen der
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ter zur hfi&q selbst gehiiren. Jetzt sind Feld und h(18q nicht mehrvOneinander unterschieden, sondem die Ifihq selbst ist ~ ~ lSic d ist . das Orthafte und das WO,so daB die entziehende Verbergung nicht mehr irgendwo in einem Feld geschieht, vielrnehr ihrerseits sich selbst als das WOentfaltet fur solches, das d o r m gehoren muB. Nach dieser Weise ist rdas Feld der Lethe<>Literatur<< sein. (Kenner w h e n von selbst, daB das schone Buch von W. F. Otto nDie Gotter Griechenlands<
182 Der seinsgeschichtliche Bereidz von &j(kla und A f i q rum Andern ans Licht. Nirgends finden wir da die Aufspreizung von ungewohnlichem Seienden, wodurch das Gotthafte erst erwedrt und der Sinn dafur erst erreg werden miate. Daher mllB auch die Frage na& dem sog. *Dionysischen<< erst ah griechische Frage entfaltet werden. Aus vielen Griinden durfen wir bezweifeh, ob Nietzsches Auslegung des Dionysischen zu Recht besteht, ob sie nicht eine grobschlachtige Zuliickdeutllng eines kritiklosen ~Biologismus~ des 19. Jahrhunderts in das Griechentum darsteut. Oberall waltet im Griechentum zuvor die einfache Helle des Seins, die das Seiende in den Glanz erstehen und ins Dunkel versinken 1aDt. Darum ist, was zum Erscheinen des Seins gehort, noch von der Art des Un-geheuren, so daD dem Sein das Gotthafte nicht erst nachtraglich zugesprochen und hinterher anbewiesen zu werden braucht. W e m nun aber zum Wesen des anfinglichen Seins die &AfiBsraund mit ihr das Gegenwesen, die 1fiBq, gehort, dann sind beide anfiinglich ein Biov. Deshalb ist auch no& fur Platon die 14% rdamonischenx Wesens. Durfen wir uns d a m no& daran stoDen, w e m im anfanglichen Denken des Parmenides die MfiBs~aals BE&- als Gottin - erscheint? Befremden muBte uns jetzt vie1 mehr und eher, wenn es nicht so wbe. Die 14% ist t Platons xMythosu das R~pbvcoveines Feldes, das nicht im Hiesigen, sondern im Dortigen liegt. Dies Feld ist der letzte Durchgangsort, an dem sich die Wanderer unmittelbar vor ihrem Dbergang aus dem Dortigen in das Hiesige aufhalten mussen. Vom nFeld der 148qn wird gesagt: xsvhv 8h8ewv ra xai Pwa yij cp6~1- *es sei verodet van Gewachsen sowohl als auch iiberhaupt leer von allem, was die Erde aufgehen IaBt<<.
7. Verborgenes Gegenwesen der M4Bna:
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b) Das Mal3 der entziehenden Verbergung der unverborgenheit. Das Gesicht der i 8 h Platons und die Griindung der Anamnesis (wie des Vergessens) in der unverb0rgenheit. Y C E ~ ~ ODie V . Vemehmung des Beginns der Dicht~ngHomers und des Spruches des Parmenides. Die unvergeDlichkeit der h l w ~ l d a u r h den Entzug der 14Bq. Die merholung der E r f a h m g durch das Verf ahren seit Platon (zbxvq). Hinweis auf Homer, Ilias, XXIII, 358 ff.
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niijvra nciv~wvCxthavShvso4ar - ~ d e aber, r der stanrbv 41 dig (dieses Wasser) trinke, dessen Bezug zum Seienden im Ganzen und zu sich selbst stehe in der Verberguog, die alles ,tzieht und nichts behalten lafita (621 a 8 f.). Uber diesen wird ein weiteres Wort nicht verloren. Ein solcher k6nnte als Mensch auf der Erde nicht sein, da so alles Seiende in der Verbergung bliebe, und uberhaupt kein Unverborgenes wiire, worauf der Mensch entbergend und d. h. fiir den Griechen im Sagen (pCBog, A6yog) sich beziehen und so ein Mensch sein ktnnte. Wo vollige, und das ist maB-lose Vergessmg, und das ist Verbergung, waltet, kann diese nicht einmal Wesensgrund des Menschenwesens sein, weil sie iiberhaupt keine Entbergung zulallt und so der Unverborgenheit den Wesensgrund vorenthdt. Umgekehrt ersehen wir von hier aus, daB ein MaB der entziehenden Verbergung zur Moglichkeit der Unverborgenheit geh6rt. Die him als die nidrt aufgehen lassende und also entziehende, aber gleichwohl den Wesensgrund der Entbergung bereithaltende Verbergung waltet in der Unverborgenheit. aus der Ortschaft des ungeheuren, gottDer Mensch sta-t haften Odes der entziehenden Verbergung. Weil also die 14811 zum Wesen der & A ~ ~ Bgehort, E L ~ deshalb kann die Un-verborgenheit selbst nicht nur die blofie Beseitigung der Verborgenheit sein. Das a in &-l4&1a sagt keineswegs nur das unbestimmt allgemeine >,Un-a ~d nNidrtx. Vielmehr ist im Bezug auf die Verbergung als den Entzug des Erscheinenden und
7. Verborgenes Gegenwesen der s i l k l a : Ifi& (I1)
I 8 4 Der seimgeschichtliche Bereid man afiflPla
sen ioz+schen, dafi die Griechen das Vergessen als Erei@is der seines Encheinens nomendig das Retten und das Behalten des Un-verborgenen- Das Behalten g-det in einem Verbergung des Seienden erfahren; demgemafi ist such das sogenannte auf die ~nverborgenheitund die EntRetten md Bewahren. Reinen Wesens geschieht dieses ~ ~ ~ ~ h *~-emx ren des Unverborgenen, wenn der Mensch frei das unverbergung gegriindetflerdkgs beginnt bei Platon zugleich mit dem Wandeldes borgene wirbt, -d zwar mausgesetzt und 1 k g s der todestrachtigen Fahrt auf der Erde. Frei um etwas werben und nur Werens der h ~ 4 8 ~ 1zur a bpoioo* ein wandel der '4%~ d. h. darauf denken, h e a t griechisch pv&opaL;das wstkdiger bier der ihr entgegenhandelnden h ~ & w l < Das - Ereipis der e,tziehenden Verbergung wandelt sich zum mens&lichen Verstetkey adas sich einer Bahn und Fahrt entlang zieht, heist griechisch C'IV~ das standige Denken auf etwas, das haltendes Vergessens. Insgleichen wird, was gegen die mq steht, zu einem ~ ~ ~ d ~ ~ u r i i c k -durch h o l eden n Menschen. SoRetten des Bedahten in die Unverborgenheit ist die hv&p,,,,oy. ,I Das sich ~eigendeSeiende, das als sol&es in die unverborgenlange "iraber die platonishe h v & p q ~und ~ >Erinnemn~ n >>Vergessenn d denken, so in sein A"ssehen Aufgehende. Das >>Aussehena,darin stefassen wir ni&t den griechischen Wesensgmnd, der im Denetwas -verborgen anwest, d. h. ist, heifit ElaoSos. ~i~ , ken Platens und im Denken des Aristoteles no& einmal sein Sicht und der Anblick, den etwas darbietet und durch den es den Menschen anblickt, h e a t ~ i a~m . sinne platons gedacht, letztes Licht verstrahltDas sagenTorn wasser des Flusses ,Ohnesorgea ist das ereiwetsich die Unverborgenheit Und r?aoos. diesen ausspricht' und letzte wort, das der Krieger iiber den Fa~u6vlos sic west das Seiende, d. h. das Anwesende, an. J - J ~ ~ in ist das Gesicht, mit dem jeweils das Sich entbergende seiDer pGaos gipfelt in der Sage vom Feld der Y&l. Der ende den Menschen ansieht. Die sammelnde wesensblick des Denkens, der sich im Gesprad ist die ~~~~~~~h~~~des hwesenden: das Sein des Seienden. Weil aher die a + ,die + ~ ~ ~ ~fiber das wesender n 6 k 1 ~zum Wort brin@, ist auf den Bereich der entziehenden Verbergung gerichtet. Das ist das einzig NotUberwinduog der Ifi% istt, mu8 das Unverborgene in die unD~~~ die &-h$&,~a, die es zu erfahren gilt, ist verborgenheit gerettet und in ihr geborgen werden. D~~ Mensch kann nur so die ~49'1 gegrkdet. Zwischen beiden ist Seienden als dem Unverborgenen in ihrem wesen ,iChts vermittelndeS r n d kein Ubergang, weil beide in sich verhalten, dafi er standig auf die Unverborgenheit des unihrem wesennach unmittelbar zueinandergehGren- Oberal1 verborgene% d. h. die Dh und das EIFoog, denkt und so das Seiende vor dem Entzug in die Verbergung rettet. dart, wo die zugeh6rigkeit cine wesenhafte ist, bleibt der einem Zanderen das ~ P l ~ t z l i d lWas e ~ ,je nur Im Sinne P1atons, m d d. h. griechisch gedacht, ist deshalb dem Augenblick ist. Deshalb endet der der Berug Zum Sein des Seienden die M ~ M~~~fibersetzt ~ ~ ~ in einem . N~ und ~~i~~~~seine DEn&lrng<<des pC80< mit folgenden Worten dies Won m i t r E h e r u n g < c oder gar mit >Wiedererinnerung<<. xoLlr$3.;i~a~ ~ a PEW i v4nra< Durch diese mersetzmg ist aues ins > P ~ ~ ~ gewenh ~ l ~ ~ i ~ (621 ~ ~ b 1~ff.):< hE16+, det und der wesenhafte Bezug zur iiberhaupt nicht getrofp,eovrfiv oEloll~vyevhof+al, hrrCS~vEEanivq5 mov P nNachfen. Die mer~etzungVOn M p v q o ~mit ~ >WiedererinneWgn iQEo$al cvvw T+v yyiv~orv,~ T T O V T ~ ~< ~ I Ehm6~as. aber =Urn Ausmhen niedergelegt und Mittemacht fiiht 'ur Meinmg, bier handle es si& nur darnm, d a dem ~ dem ein Erdbeben Menschen etwas >>VergeSSenesn wieder einfaUe. ~b~~ ~r wisheraufgekonunen, sei e b Wettersturm und
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nergang
E 7. Verborgenes Gegenwesen der &li$&la:A f i h eingefallen und von da weg (vom Feld der A%) sei plotzlid jeder andere anderswohin getragen worden hinauf in das aufgehende Hervorragen (zum Sein auf der Erde) flugs wie Steme (Stemschnuppen) dahinfahrendn. aGrbg 61 roc piv C6arog xmAv8tva~niziv. u E selbst ~ aber sei freilich davon abgehalten worden, von dern Wasser zu trinkena (621 b 4 f.). Damit ist entschieden, dal3 der pGBog nicht etwas Unverborgenes der Verborgenheit entreiBt, sondern aus dern Bereich sagt, in dern die urspriingliche Wesenseinheit beider entspringt, wo das Anfiingliche ist. 8nn ppBvrol xal 8nog rig ri, s6pa &yinoiro,o h riMva~,&A' ilaiqvqg &va/3Aiqaleibhaftigesc Anwesen gelangt sei, wisse er nicht, wohl aber, daB er plotzlich den Blick aufschlagend zu Gesicht bekommen habe des Morgens ihn selbst als den auf dern FeuerstoB liegendenn (621 b 5 ff.). Das Aufblicken und Erblicken der Dia, das aufgehende Licht und der Morgen, das Feuer und der FeuerstoB - dies alles nennt so wesentliche Beziige und Ziige des griechischen Denkens, daB wir mgemad auf dies SchluDwort des pMos hinhorten, wenn wir darin nur die bildhafte Abrundung der Erz a u n g sehen wollten. Indessen ist hier auch nicht die Gelegenheit, diesen Bezugen nachzugehen. Wohl aber durfen wir das nicht uberhoren, was Sokrates, d. h. hier Platon selbst, zu dern soeben gesagten pC805 noch vemerkt. Kai oikmg, Z, r h k o v , pC805 io(u&1xai 06%6nhI&ro,xai qp6g 8v ~ ( ~ ~ T E L E6v V, ~ E L ~ + E ~aGr@, Q xai rbv rijq A f i h ~ norapi,v ~6 8~afiqo6p~8a xai nJv q q j v oG p~av~o6pe8a. *Und so, oh Glaukon, ist eine Sage gerettet und nicht verloren gegangen, auch uns konnte sie wohl retten, wenn wir ihr gehorsam sein mochten; und dann werden wir den im Felde der A481 stromenden FluB in der gemaBen Weise durchschreiten und d i e Seelec, d. h. das Grundverrnogen, das Seiende zu sagen, nicht entweihen<<(621b 8 ff.). Wieder und no& einmal ist die Rede von ( I ~ ~ Evom L VRet, ten. Bewahrt und geborgen ist die Sage vom Wesen der A+%,
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der entziehenden Verbergung. Dal3 dieser pC80g irn Ganzen erade dieses zuletzt gesagte Wesen der Verbergung ins Ung verborgene bergen sol& erkemen wir daran, da8 Platon aus dem rei&en Inhalt des pC80g zuletzt no& einmal rbv rig h;laqg XOTap6v nennt, den im Feld der A+&)stromenden FluB. ~i~ oberfll&liche Lesung dieser Stelle hat schon im Altertum der fals&en Vorstellung eines xLetheflusses<
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rei ~.+,h selbst der FluB. Aber Afihist weder der Flu0 selbst, wird sie durch den F l d versinnbildet. Die A481 ist ndiov, Feld, Bereich, das Wesen des Ortes und Aufenthaltes, von dem ,in p16tzlicher Obergang ist zum Ort und Aufenthalt, der als die Unverborgenheit des Seienden das todestrachtige Fahren des Menschen umwaltet. Was aber in der Leere und Ode des Feldes der alles entziehenden Verbergung allein sein kann, ist FluB, weil dessen Wasser dern Wesen des Feldes entspricht, da dieses Wasser allem Behdtnis sich entzieht und so das Wesen dieses Ortes der entziehenden Verbergung iibenallhin tragt, wo es als Trank getrunken wird. Der Ort der kfi9rl ist nur so zu durchfahren, da8 durch das Einzige, was an diesem Ort ist, durch das Wasser dieses Flusses hindurchgegangen wird. Handelte es sich nur u m ein Durchschreiten, dann wiirde das Wasser an den Durchschreitenden nur vorbei- und abflieBen und sie selbst im Wesen aber nicht angehen. Dies mu13 geschehen und geschieht nur so, daB das Wasser zum Trank wird und so in den Menschen eingeht und ihn aus dern Innern seines ents&eiden, wie der in die Wesens bestimmt. Nur so kann Un~erbor~enheit bestirnmte Mensch gernaB seinem jeweiligen Belug zum entziehenden Verbergen kiinftig im Unverborgenen stehen wird. Das gemaBe, d. i. maBvolle Durchschreiten des Flusses am Ort der hfihbesteht darin, daB nach dern schicklichen MaB van seinem Wasser get-ken wird. Das Wesen des Menschen, nicht nur der einzelne Mensch in seinem Geschick, ist jedoch nur dann gerettet, wenn der Mensch als das Seiende, das er ist, auf die Sage von der Verbergung horcht. Nur so kann er dem folgen, was die Entbergung des
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188 Der seinsgeschichtliche Bereich won 6Aqhfib~aund Aq&l Unverborgenen und die Unverborgenheit selbst in ihrem Wesen verlangt. Ohne den Einblick in das Sa~p6vlovder A$&1vermi ir niemals das Erstaunliche zu wiirdigen, daB die >>Mutterder Musen. und somit der Wesensanfang der Dichtung die rMnemosyner ist, die anfiingliche freie Rettung und Wahrmg des Seins, ohne welches ein Dichten iiberall ohne das zu Dichtende sein miiBte. Wir werden, wenn wir in diesen Wesenszusammenhang zwischen Sein und Unverborgenheit, Unverborgenheit und Rettung gegen das Verborgene, Rettung und Wahrung, Sein und Wort, Wort und Sage, Sage und Dichten, Dichten und Denken hinausblicken, den Beginn der Dichtungen Homers anders vernehmen als sonst: Ilias:
Mqvrv hrtL, BE&,IIqAqL&8&o 'A~tAijoq/ 0 6 l o ~ ~ v 1
Odyssee: "Av8ga poi Evvurs, Moljoa, noA4rgonov, 65 p&AaIL" nA&yx*q, Hier wird nicht zu Zwecken einer feierlichen Einleitung >>ale Gottinn und die >>Musen rangerufenn, sondem hier ist gesagt, dal3 die Sage des dichtenden Wortes der Spruch und das Lied des Seins selbst ist, der Dichter selbst jedoch nur der I A ~ v E ~ ~ , der Ausleger des Wortes. Der Dichter ruft nicht die Gottin aus, sondem der Dichter ist, bevor er das erste Wort sagt, schon der Angerufene und im Anspruch des Seins bereits Stehende und als dieser ein Retter des Seins vor dem ndamonischen. Entzug der Verbergung. Wenn Parmenides im Beginn seines Spruches die Gottin 'AhjC~anennt, dann ist dies nicht, wie die Philologen meinen, eine den Dichtem nachgemachte Art der Einleitung seines sogenannten rlehrgedichtesx, sondem ist die Nennung des Wesensortes, an dem der Denker als Denker steht. Der Ort ist 8a~p6vloqz6xoq. Uns Heutigen aber ist der pSoq der Atil&l, der das Gesprach iiber die d L q vollendet, die letzte Sage des Griechentums vom
7. Verborgenes Gegenwesen der 6A48~1a:Aq6q ( I I ) 189 ,r,,,igenen Gegenwesen der Mi$ha. Dieses entziehende und die ~nverborgenheitxvor-enthaltenden Gegenwesen zur Entbergung enthat im voraus ihr Wesen. Das >>Gegenhaftenzur ~ 4 ist weder 8 ~nur das Widrige noch der blol3e Mangel, die Abkehr der bloBen Verleugnung. Die V&l, die Vergessmg als die entziehende Verbergung, ist jener Entzug, durch den das Wesen der &Id$&~aallein und je gerade behalten werden kann und SO unvergessen und unvergeBlich bleibt. Das gedankenlose Meinen des Menschen meint, etwas sei am ehesten d a m behalten und am leichtesten dann behaltbar, wenn es nur standig vorhanden und greifbar sei. In Wahrheit aber, d. h. jetzt fur uns im Sinne des Wesens der Unverborgenheit gedacht, ist das sich entziehende Verbergen das, was in hijhster Weise das Menschenwesen in das Behalten und in die Treue stimmt. Das entziehende und sich entziehende Verbergen ist fur die Griechen das Einfachste alles Einfachen, das sie in dem bewahren, was sie als das Unverborgene erfahren und zur Anwesung kommen lassen. Platon konnte deshalb den p%oq der y&lnicht erfinden; kein pC8oq ist erfunden worden, nicht einmal gefunden als das Ergebnis eines Suchens. Das Wort der Sage ist die Antwort auf das Wort des Anspruchs, in dem das Sein selbst si& dem Menschenwesen zuweist und damit erst die Pfade ekes Suchens im Umkreis des zum voraus Entborgenen anweist. GewiB ist das Zeitalter Platens, vier Jahrhunderte nach Homer, nicht mehr die Zeit Homers. Das Vermogen, also das Mogen sowohl als auch die Eignung, den Anspruch des Seins zu sagen, ist mehr und mehr darauf bedacht, das inzwischen erlangte Heimischsein im Seienden aus den vom Menschen selbst erstellten Hinsi&ten menschli&en Verf ahrens einzurichten. Das Wort der Sage ist nicht schwacher; wohl aber ist das Vernehmen des Menschen vielfacher und verstreuter und also zu wendig, urn das Einfache, das st&dig, weil anfhglich west, als das Wesende zu erfahren. In der letzten Zeit der Vollendung des Griechent-s erkennen wir b e r e i ~die Spuren der
190 Der seinsgeschichtliche Bereich von Mfi8rra und hfi8-q Vorform jener geschichtlichen Verfassung, die einstmals das Zeitalter der abendlbdischen Neuzeit bestimmt. Weil in diesem Zeitalter zufolge einer eigentiimlich verdeckten Unsicherheit von allem die Sicherheit im Sinne der unbedingten Gewaheit alles gilt, wird das Sichem der Grundcharakter des Verhaltens. Das Sichern ist hier nicht das erst nachtragliche Festmachen, sondem das angreifend vorgreifende Sicherstellen urnwillen der Sicherheit. Das Inhaltliche und Sachhaltige alles Gegenstkdlichen gilt fiir das, was es gilt, als die unerschopfliche Gelegenheit der Vergegenstbdlichung im Sinne der Bestandsicherung von Welt und nleben.. Das Verfahren (rixv~) und seine Verfahnmgsweisen behenscht die Erfahrung. Der Strom erstromt sich nicht mehr im geheimnisvollen Lauf seiner Windungen und Kehren seine von ihm erweckten Ufer, sondem er schiebt nur rioch sein Wasser zwischen den gleichformigen B b d e m der Betonmauern, die keine Ufer mehr rind, dem umweglos vorgerichteten rZiel<
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5 7. Verborgenes Gegenwesen der M i f l ~ ~ Afi8q a : ( I I ) 191 nrud des gefallenen Freundes Patroklos und die zu seiner ~ - g von Achilleus angesetzten Kampfspiele, deren erstes der wettkampf der Wagen sein wird. Nachdem Achilleus die der Kampfer ausgelost hat, u4pqve 66 ziepat' 'Axrhli~4~ rqA68~~ EV hriq rrr6iq. no@& 61 cmozbv r i a ~ v & v t i 8@oivrua, ~ ~ ~ bnirova sratebs Eoio, Q p~pviqto8~Ppov;uai Mq6~iqv&norino~ >>zeigt aber den Wendungspunkt (der Bahn) Achilleus femer in weiter Ebene (ihn erscheinen lassend), neben bei dem Augenpunkt der Bahn stellt er auf den gotterhaften Phonix, den Kampfgefahrten seines Vaters, damit er im Bliek behalte den Lauf und demnach das Unverborgene zum Wort bringe. cc
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4 pspvkq~o8~6pououg- damit er behalte, d. h. damit er nicht in die Verbergung weg fallen lasse, den Verlauf der Wettfaha der Wagen. =er wird eindeutig die hI$?raa, das Unverborgene des Wettkampfes, d. h. dieser in seinem erscheinenden Anwesen, gegriindet auf ein pspviqro wir mochten sagen auf ein ~Nihtvergessen<<. Allein, wir sirrden so den Sachverhalt verf&hen. Zwar wird im Griechischen aaUrdings mit ptpvflrnriv und p i p q p a ~das Gegenwesen zum brhav96~08ar gedaeht. Aber dieses bestimmt si& aus seinem Bezug zur Afih.Demnach liegt im urspriinglichen Verstandnis von p ~ p v f l ~ die u~~ Bedeutung v des Behaltens, und zwar des Behaltens von Unverborgenem als einem solchen. Dieses Behalten ist aber nicht das blOae S i h e r k e n , sondem das Sichhaltenlassen VOn der Unverborgenheit: der Aufenthalt in ihr als demienigen, was gegen den Entzug der Verbergung das Unverborgene verwahrt.
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192 Der seinsgeschichtlidze Bereich von Sfi9a~aund Afi-3q Wiederholung
2) Die Abstammung des Menschen aus der ungeheuren Ortschaft der entziehenden Verbergung. Der Beginn der Wandlung der Grundstellung des Menschen. Das Zusarnmenwalten der &hfi6~~a und des pipvqpa~. Hinweis a d Homer, Ilias, XXIII, 358 ff. Platons Mythos am SchluD der ~Politeiansagt, daf3 der Mensch, der im Hiesigen den todestrachtigen Gang durch das Seiende inmitten des Seienden im Ganzen geht, aus der un-geheuren Ortschaft der entziehenden Verbergung stammt. Deshalb mu13 der Mensch, wenn er in das Hiesige zuriickkehrt, gegen die entziehende Verbergung, die er als Mitgift jener Ortschaft mitbringt, erst urn das Seiende frei werben (pvhopad. Das geschieht dergestalt, daf3 er die Verbergung aufhebt und so das Un-verborgene sich erscheinen la13t. Das Seiende zeigt sich erst in der Unverborgenheit, weil den in das Hiesige zuriickversetzten Menschen zufolge des Trankes, den er aus dem FluB am hfi6q-Ort trinken rnuBte, die Verborgenheit umlagert. Die Notwendigkeit der 8Afi8~1aund ihr Wesensbezug auf die Afi-3q als ihren voraufgehenden Grund wird nach dem pC60c aus der Wesensherkunft und dem Geschick des Menschen gedeutet. Dieser betonte Blick auf den Menschen ist bereits das Zeichen dafiir, daf3 die Grundstellung des Denkens innerhalb des Griechentums sich wandelt. Diese Wandlung bedeutet den Beginn der Metaphysik. Die Geschichte des Griechentums neigt der Vollendung ihrer Wesensmoglichkeit zu. Die Afi6q wird nicht mehr rein ereignishaft erfahren, sondern aus dem Verhalten des Menschen gedacht im Sinne des spateren ~Vergessens<<. Wenn nun aber die qh,wie immer sie gefal3t sein mag, urspriinglich das Gegenwesen zur hAfi8eca ist, und wenn der Ail67 als der entziehenden Verbergung ein Verlieren im Sinne des Vergessens entspricht, dann mu13 auch ein Behalten und Bewahren urspriinglich in der Entsprechung zur &Afi.[te~a ste-
5 7. Verborgenes Gegenwesen der MfiBna: Ail& (ZI)
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w o &A@la west, waltet ein Behalten dessen, was vor dem yerlust gerettet ist. Unverborgenheit und Behalten, &WE" und phpvqpal, wesen zusammen. Dieses ursprungliehe Zusammengehiiren beider muO aber auch, gerade wenn es anfanglich iSt, das Unscheinbare dessen haben, was, wie die Quelle, von selbst Wesen west. In der Tat gibt es dafur ein Zeugnis. Wir rneinen die Stelle aus Homer, Ilias XXIII, 358 ff. Von ,4JliUeus ist Phoenix dazu bestellt, beim Wettkampf der Wagen, 5 5 p ~ i q ~8~6pow; o xai &lq6&iqv &no~inol, x daD er im Blick behalte den Lauf und demnach das Unverborgene zum Wort bringe <<. Nur beilaufig sei wieder darauf hingezeigt, daf3 &hfiilR~~a und 2.05 - Unverborgenheit und Wort zusammen genannt sind.
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ZWEITER TEIL
DIE VIERTE WEISUNG DES ~ E R S E T Z E N D E N WORTES AAHOEIA. DAS OFFENE UND DAS FREIE DER LICHTUNG DES SEINS. DIE GOITIN >>WAHRHEIT<<
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J 8. Die erfiatere Bedeutung von Ent-bergung. Der Ubergang zur Subjektivitat. Die vierte Weisung: &s Offene, das Freie. Das Ereignis der &Ai$&~a i m Abendland. Die Bodenlosigkeit des Offenen. Die Entfremdung des Menschen a) Vorbereitung zur vierten Weisung. Die bisherige unzureichende Obersetzung mit >>Unverborgenheit<<. Die Zweideutigkeit des Wortes >>Ent-bergungcc und die erfiilltere Bedeutung. Der Streit in der anfanglichen hA~i6~ia. Nahe und Anfang. Hinweis auf Homer. Die Zweideutigkeit des Erscheinens: reines Aufgehen und Begegnischarakter. Die Ichheit. Hinweis auf Kant, Descartes, Herder, Nietzsche. Der Vorrang der Selbstheit Yvxflq ~ 8,431;MET. a 1) seit Platon und Aristoteles ( I I E Q
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DaB in dern angefiihrten Vers 361 (der Ilias) pQpvqpa~und BAfi6~tazusammenstehen, und zwar die Unverborgenheit als die Wesensfolge des Behaltens, das sagt, da13 fiir Homer der Wesensbezug der & A + $ ~zur E LA~v j h in einfacher Klarheit erfahren und die bAfi6~iaaus der Beziehung zum verbergenden Entzug der Afi9.q her verstanden wird. Wenn freilich Voss den Vers iibersetzt: ,>Wohlzu bernerken den Lauf und alles genau zu verkiindencc, dann kommt in dieser Obertragung von dem griechisch Gesagten ni&t eine Spur mehr zum Vorschein.
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Die vierte Weisung der &hfi6~la
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'A191965 ist zum sGenauen<>Vergesen<< und Unterlassen unterstellen. Das nunverborgenex laI3t sich aber uberhaupt nicht gleichsetzen mit dern Unvergessenen, weil das >>Unvergessene>Unvergessenecc als solches nicht schon notwendig auch ein Wahres, 6Aq46s7 ist. Doch gilt, was wir da vom nunvergessenenx sagen, daI3 es sowohl ein Wahres als auch ein Falsches sein konne, nicht in gleicher Weise auch vom Unverborgenen? Auch das sog. >>Falscheccist doch ein Unverborgenes und also ein Wahres. Wodurch ist jenes Unverborgene ausgezeichnet, das wir >>dasWahre>Unverborgen> Richtigkeit c< und >> Sicherheitcc einmischen. Wir sehen jetzt nur soviel, daf3 mit der bloI3en Unverborgenheit, in der auch >>Falsches<< stehen kann, das Wesen der 6lfi&ia nicht erschopft ist; vonichtiger gesprochen,
5 8. Die vierte Wehung: das Offene, dm Freie
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d a wir ~ mit dern bisher Gesagten das Wesen der Mfi4na nicht e r s h ~ p f e n dgedacht haben. In der Tat z e i a sich durch die -ittelbar voraufgegangenen Hinweise, d. h. im Blick auf den We~nsbezugder &A$8c~a zur A+q (der entziehenden Verbergung), ein anfangliches ~esensmomentder &Afi4a~a, das wir bisher nicht nannten und das auch durch die Ubersetzung .unVerborgenheit<>Ent-faltencc.Ent-zunden = zur Zundung bringen; Ent-falten: die Falten des Mannigfaltigen erst in seiner Vielfalt hemorko-en lassen. Das Ent-bergen ist ein-
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Die vierte Weisung der 2fi9sla
ma1 und zunachst gesehen gegen das Verbergen, wie das Entwirren gegen die Verwirmng. Das Entbergen ergibt aber nicht lediglich Entborgenes als Unverborgenes. Vielmehr ist das Entbergen zugleich ein Entbergen, wie das Entflammen, das die Flamme nicht beseitigt, sondern die Flamme ins Wesen bringt. Das Entbergen ist zugleich sfiirc die Bergung des Unverborgenen in die Unverborgenheit der Anwesung, d. h. in das Sein. In solcher Bergung erst geht das Unverborgene als ein Seiendes auf. >>Ent-bergen<< - das sagt jetzt zugleich in eine Bergung bringen: namlich das Unverborgene in die Unverborgenheit vemahren. Der volle Sinn des zunachst ungewohnten und auch erst kraft einer weiterreichenden Besinnung eigens wahlbaren und gewghlten Wortes uEnt-bergungr enthalt gleichwesentlich dieses betonte Moment der Bergung mit, wahrend rrUnverborgenheitn nur die Behebung der Verborgenheit nennt. Das Wort nEnt-bergungcc ist in einem wesentlichen und bedachten Sinne zweideutig, insofern es das Zwiefache und in sich Zusammengeh6rige nennt: einmal als Ent-bergung das Aufheben einer Verbergung, und zwar zuerst der entziehenden Verbergung (Aqh), dann auch der verstellenden und entstellenden (q~sC605) ; zum anderen jedoch als Ent-bergung, das Bergen, d. h. Aufnehmen und Behalten in der Unverborgenheit. xDie Entbergung~, in ihrem erfiillten Wesen begriffen, bedeutet: die enthehlende Bergung des Enthehlten in die Unverborgenheit. Diese selbst ist bergenden Wesens. Dies zeigt sich uns erst im Blick auf die lfihund deren entziehendes, in das Ab-wesen und den Weg- und Hinausfall weisendes Walten. Die Besinnung auf die in der Unverborgenheit waltende Gegensatzlichkeit sollte uns daher nicht our dariiber belehren, daB es auBer der Ventellung und Falschheit, kurz gesagt, auBer der Un-wahrheit, auch noch ein anderes Gegenwesen zur Wahrheit gebe, n h l i c h die Afih.Vielmehr galt unser Nachdenken der weiterreichenden Einsicht, daB aus diesem Gegenwesen zur Wahrheit das einige streithafte und anfiingliche
$8. Die vierte Weisung: das Offene, das Freie
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Wesen der Mfi8~caselbst sich urspriinglicher enthullt. Die bAfi8~iaist gegen die Verbergung und in diesem rGegenn zuglei& fiir die Bergung. Die &A$~ELu ist, weil sie fur die Bergung ins Unverborgene west, gegen Verbergung. Dieses >Fur<>Unverborgenheitcc auf >>Verborgenheitund Verbergungcc bezogen sei, sagt uns inzwischen mehr, als die blol3e Zerlegung der Wortbedeutung xUn-verborgenheitn herzugeben scheint. Insgleichen hat das nUnx in Unverborgenheit eine Wesensmannigfaltigkeit des aGegenhaftena enthullt und einen Wink gegeben in das streithafte Wesen der Wahrheit. Wenn aber jetzt aus dem Blick auf die lfiil&I im Wesen der Entbergung der Grundzug der Bergung erscheint, und wenn diese Bergung das,
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Die vierte Weisung der &A~jS&la
was sie zu bergen und zu retten hat, in die Unverborgenheit birgt, dann erhebt sich die Frage, was d a m die Unverb orgenheit selbst noch sei, daB sie als das Bergende und RE :ttende walten kann. So wird notig, einer vierten Weisung zu folgen, die das ubersetzende Wort >>Unverborgenheitcreinem nachdenksamen Aufmerken gibt. Das, worauf uns die vierte und letzte Weisung aufmerken laBt und was zu erfahren wir erst langsam lernen mussen, ist von den Griechen noch weniger genannt, noch weniger eigens bedacht und noch weniger eigens g e m det als die vorgenannten Zuge im Wesen der hAfiill7~la.Dennoch ruht dieses jetzt erst zu Weisende anfanglich in dem selbst noch verborgenen Wesen der Unverborgenheit. Hier sei versucht, zunachst ohne Bezug auf die vorigen Weisungen einiges in den Blick zu bringen. Bei diesem Versuch verstarkt sich aber auch notwendig der Anschein, als werde hier in das griechische Wesen der M f i S ~ l asolches hinein- und zuriickgedeutet, was nicht in ihm liegt. Gemessen nach den Zollschranken des Horizonts der Historie und des historisch Feststellbaren und der allerwarts beliebten >>Tatsachen<<, ist >>inder Tat<>Wahrheitcc nachzugehen versucht, will keineswegs in selbstzufriedenem Eifer einer Gelehrsamkeit friiher Gemeintes nur entdecken oder vormals Nichtgemeintes erfinden. Dies Nachdenken mochte nur darauf vorbereiten, daB die wesende Wahrheit, die ulebendigern ist als das vielberufene xlebenr, zu ihrer Zeit geschickhafter das Menschenwesen geschichtlich
$ 8.iDie vierie Weisung: d m Offene, d m Freie
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weil dieses Wesen jetzt schon und seit langem, ohne dafi wir daran denken und uns darauf agefaDtx machen, auf uns zu-west. Was wir uns jetzt durch die vierte Weisung in den Wesensblick zu bringen versucheen, gehort noch anfanglicher zum Wesen der hAilill7rra als das bisher genamte Gegenwesen und dessen Mannigfaltigkeit. Weil das jetzt in unseren Blick zu Weisende no& anfkglicher in der 6Afi8rla west, deshalb ist dies zu Weisende auch mit der &%la und durch sie vor allem anderen schon entborgen und demzufolge als Unverborgenes .ns no& naher als das Nachste, was uns sonst am Wesen der &hfiill7&1azunachst aufgeht. Weil das jetzt zu Weisende uns noch naher ist als das gewohnlich und nzunachstn Nachste, deshalb ist es auch entsprechend schwerer zu erblicken. So ubersehen a i r doch auch im Eifer des gewohnlichen Sehens der sinnlichen Wahmehmung, das den sichtbaren Dingen und der Umsicht unter und zwischen ihnen gilt und dient, das Allemachste, namlich die Helle und das ihr eigene Durchsichtige, durch das hindurch der Eifer unseres Sehens eilt und eilen muO. Das Allemachste zu erfahren ist das Allerschwerste. Im Gang des Vorgehens und Umgehens wird es gerade zum voraus und am leichtesten ubergangen. Weil das Nachste das Vertrauteste ist, bedarf es keiner besonderen Aneignung. Wir bedenken es nicht. So bleibt es das am wenigsten Denkwiirdige. Das Nachste erscheint deshalb wie etwas Nichtiges. Der Mensch sieht zunachst streng genommen nicht einmal das Nachste, sondem stets das memachste. Die Aufdringlichkeit und Dringlichkeit des Obernachsten vertreibt das Nachste und dessen Nahe aus dem Erfahmgsbereich. Dies folgt aus dem Gesetz der Nahe. Dieses Gesetz der %he griindet im Gesetz des Anfangs. Der Anfang IEBt zuerst nicht seine in die eigene Innigkeit zuriickwesende Anfangnis aufgehen. Der Anfang zeigt sich zuerst im Angefangenen, hier jedoch zunachst auch nicht einmal als dieses. Auch wenn das Angefangene als solches erscheint, kann das Anfangende und vollends das ganze rWesenx des Anfangs
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noch verhullt bleiben. Daher enthiillt sich der Anfang zuerst in dern von ihm Aus- und in gewisser Weise schon Fortgegangenen. Der Anfang 1 s t anfhglich die Nahe seines anfangenden Wesens hinter sich und verbirgt sie so. Darum verburgt selbst die Erfahrung von Anfinglichem noch keineswegs die Moglichkeit, den Anfang selber in seinem Wesen zu denken. Der erste Anfang ist zwar das alles Entscheidende; dennoch ist er nicht der anfangliche Anfang, d. h. der Anfang, der zugleich sich und seinen Wesensbereich lichtet und in solcher Weise anfangt. Die Anf h g n i s des anf hglichen Anfangs ereignet sich zuletzt. Wir aber wissen weder Art und Augenblick des Zuletzt der Geschichte noch gar sein anfingliches Wesen. Deshalb kann die Vollendung der Geschichte des ersten Anfangs ein geschichtliches Zeichen der Nahe des anfiinglichen Anfangs sein, der die kiinftige Geschichte in seine Nahe einbezieht. Das im Wesen der dhfi6a~aNachste wird deshalb dern Gesetz zufolge, nach dern der Anfang anfangt, auch von den Griechen notwendig iibersehen. Dies Ubersehen kommt nicht aus einer Unachtsamkeit; es ist nicht die Folge einer Versaumnis oder eines Unvermogens, sondem im Gegenteil: Aufgrund ihrer Treue zur erstanfhglichen Erfahrung des sich noch entziehenden Anfangs iibersehen die Griechen das Anfangliche des Anfangs. Aber weil andererseits das Nachste und es allein doch wiederum zuvor in allem Nahen schon west, mull dieses Nachste des Wesens der 6hi)a~aauch im Sagen der Griechen wenngleich nur beilaufig, d. h. eben im S h e eines in gewisser Weise Gesehenen, aber nicht eigens Erblickten zum Wort kommen. Die friiher erlauterte Iliasstelle (B 348ff.),nach der Nestor von der HeimJcehr der Griechen und dern rechtshinfahrenden Blitz des Zeus bei ihrer Ausfahrt nach Troja spricht, enthiillte uns einen inneren Zusammenhang zwischen dern yls680g7 der Ventellung als einer Verbergung und somit der Entbergung, mit dern cpaiva~v,dern Zeigen als dern Erscheinenlassen. Das Unverborgene, das Dam Tag<
5 8. Die vierte Weinmg: dru Offene, d m Freie aus .,cheint
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und ersrfieinend sich zeigt und im Sichzeigen anwest und d. h. griechisch >>ist<<. So enthiillt sich der Erfah-g des Griechentums ein urspninglicher Bezug zwischen dern unverborgenen und dern Encheinenden. Beides ist in gewisser Weire das Selbe und doch wieder nicht das Selbe; denn im Wesen des Erscheinens verbirgt sich eine Zweideutigkeit, die so rich entscheiden kann. Das Erscheinen gnindet im so reken Scheinen, worunter wir das aufgehende Leuchten ver,tehen. Dasselbe Erscheinen ist aber ein Sichzeigen, das einem Vemehmen und Aufnehmen begegnet. Das Vemehmen kann nun das Sichzeigende einzig als das vorn Vemehmen Vernommene fassen und das im Sichzeigen wesende Erscheinen im Sime des reinen Scheinens und Aufgehens wie etwas Beilaufiges ubergehen und zuletzt vergessen. Hier wird dann das Unverborgene mehr und mehr allein in seinem Bezug auf den Menschen und vom Menschen her erfahren, also in seinem Begegnischarakter. Dabei ist es zunachst nicht notig, dafi der Mensch, sofern er in einer betonten Weise den Bezug des Seins auf sich zu und von ihm selbst her denkt, sich auch schon als ~Subjektnim neuzeitlichen Sinne in Stellung bringt und das Sein als sein Vorgestelltes erklart. Zum Selbstsein des Menschen gehort zwar notwendig als sein Unwesen die Selbstigkeit und Selbstsucht. Diese faUt jedoch keineswegs mit der Ichheit zusammen, als welche das Wesen der >>Subjektivitat<<, und d. h. die aufstandische Souveranitat des neuzeitlichen Menschen ausmacht. Aber such das Wesen der Idheit besteht nicht in der sich absondemden Aussdrlie13ung des einzelnen vom ubrigen Seienden, welche AusschlieBung >>Individualismus<< heat. Das Wesen der Ichheit, metaphysisch gedacht, besteht vielmehr darin, daJ3 das Ich alles iibrige Seiende sich zum Gegenuber und Gegenstand und Gegenwurf (Objekt) macht. Das Wesen der Ichheit (Egoitat) hat darin seine Auszei&mung, alles Seiende als das Gegenstandliehe und Gegenstehende seines Vor-stellens zu erfahren und in solcher Weise gerade in das Ganze des Seienden vor-
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zugehen, dieses sich vorzugeben als das, was es zu meistem gilt. Erst im Wesensbereich der Subjektivitat wird geschichtlich ein Zeitalter der kosmischen Entdeckungen und planetarischen Eroberungen moglich, weil erst die Subjektivitat die Wesensgrenzen einer jeweiligen und schlieI3lich im Anspruch ihres Willens unbedingten Objektivitat aussteckt. Das Wesen der Subjektivitat, namlich die Egoitat der perceptio und repraesentatio, ist vom >>Egoismusccdes vereinzelten Ich so wesentlich unterschieden, daO zum Wesen der Ichheit nach Kant gerade das Walten des BewuBtseins uberhaupt gehort als das Wesen des auf sich gestellten Menschentums. Das Selbstsein im Sinne der Subjektivitat und Egoitiit entfaltet sich in der Folge zu mannigfachen Gestalten, die geschichtlich als Nation und als Volk hervortreten. Die Volkheit und das Volkische gliinden im Wesen der Subjektivitat und Egoitat. Erst nachdem die Metaphysik, d. h. die Wahrheit des Seienden im Ganzen, auf die Subjektivitat und Ichheit gegriindet ist, hat das Nationale und das Volkhafte denjenigen metaphysischen Grund, von dem aus es uberhaupt geschichtsfahig wird. Ohne Descartes, d. h. ohne metaphysische Griindung der Subjektivitat, ist Herder, d. h. die Griindung der Volkheit der Volker, nicht zu denken. Ob man historisch Beziehungen zwischen beiden nachrechnen kann oder nicht, ist gleichgultig, weil historische Beziehungen stets nur die Fassade und meist die verdeckende der geschichtlichen Zusammenhange sind. Solange wir das Eigenwesen der Subjektivitat als der neuzeitlichen Gestalt des Selbstseins nicht hiireichend klar erkennen, verfalIen wir in den Imum zu meinen, wo der Individualismus und die Herrschaft des Individuums beseitigt sei, sei a d d schon die Subjektivitat ubelwunden. Im Untenchied zum >>Individualismusx des 19. Jahrhunderts, der die Mannigfaltigkeit und den >>Welt*des Eigenartigen schiitzt und das Unterschiedlose der Herde rum Gegenwesen hat, sieht Nietzsche eine neue Pragung des Menschentums heraufkommen, die durch das nTypische
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$ 8 . Die vierte Weisurig: das Offene, das Freie 205 In einer Aufzeichnung aus dem Jahr 1888 (W.Z.M. 819) sagt Nietzsche: aDer Sian und die Lust an der Nuance (- die ,igentliche Modernitat), an Dem was nicht generell ist, lauft dem Triebe entgegen, welcher seine Lust und Kraft im Erfassen des Typischen h a t . . .a. Was Nietzsche unter aTypus<>Symptomder Starker dieser Subjektivitat, d. h. das Zeichen des Triebes zum Typus, ist (W.Z.M. 852) ,,die Vorliebe fur fragwiirdige und furchtbare Dinge . . .cr. Nietzsche apredigt<>Philosophie<< fur die Deutschen, sondern er denkt, als der Denker, der er ist, das Seiende in seinem Sein. Er denkt das, was weltgeschichtlich ist, das, was, weil es schon ist, erst kommtl. Sobald wir Nietzsches Metaphysik nicht nach den burgerlichen Vorstellungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts deuten, sondem in dem geschichtlichen Zusammenhang denken, in den sie allein gehort, d. h. aus dem Bezug zur Metaphysik des xobjektivenn Idealismus und zur abendliindischen Metaphysik im Ganzen, erkennen wir, daI3 in Nietzsches Begriff vom >>Ubermenschenndas Gegenwesen zum >>absoluten BewuBtsein<<der Metaphysik -fiegels erscheint. Beides erkennen wir nur, wenn wir das Wesen der Subjektivitat hinreichend begriffen haben. Die Wesensgestalt der Subjektivitat schliel3t in sich eine Weise des Selbstseins des Menschen. Aber nicht jede Selbstheit ist notwendig Subjektivitatz. Solange wir dieses verkennen, laufen wir standig Gefahr, uberall dort, wo ein Vorrang des Selbstseins des Menschen aufkommt, diesen sogleich als >>Subjektivitat<>Subjektivismustczu miodeuten. Dieser Oberfliiaichkeit historischen Vergleichens und Vermischens fie1 a u h die geliiufige Dantellung der griechischen Sophistik Nietzsche, op. cit., XIV, W. z. M., n. 852.
' Vgl. Sein und Zeit, $$ 64..
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der und Sokratik zum Opfer. Sofern nun das Denken Platons, aber men und fGr cine Seelex festgehalten. Hier verbkgt such die Metaphysik des Aristoteles, bereits durch e k e Gmnd fcr den eigentiimlich schwebenden Ubergangsdarakeinandersetzmg mit der Sophistik m d Sokratik hindu~chter, der die beginnen& Metaphysik kennzeibet m d sic z" gegangen skd, erlan@ in der beginnenden Metaphysik das dem werden lgjjt, was sic ist: einmal im Hiblick auf den AnSelbstsein des Mensden m d dessen von bier aus gesehener fang das 1etzt.e Leuchten des ersten h f a n g s , zum anderen im Wesensmd eigentiimlichen Vorrang. Dieser zeigt sic., H i o b l i ~a& den Fortgang der ente Beginn der Vergessmg ~ ~ i t t e l bin a rder Weise, wie das Seiende als das rnverborgen des ~~f~~~ und seiner Verbergung. Weil die Folgezeit das Errcheinende auSSehliefllich in den maflgebenden Berug ,,enken der Griechen nur aus den spiiteren Grundstellungen der Metaphysiksieht, d. h. im Lichte eines Platonismus m d ArktoVemebmen (vocs) und zur ylul(il, Z U Wesen ~ des uLebensn, gebraAt wird. So kommt es schliefllich zu dem Satz, den ~ ~ i1 - telismus, und weil sic dabei Platon insgleichen Ari~toteles stotele~in seiner Abhandlung nspi 'Pvxiis ausspricht (r 8, entweder mittelalterlid Oder leibnizisd-hegelisch neuzeitlich 431 4 9 ~ x th 4 6vta n h ~k ~ t .~. #Die . Seele - das Wesen oder gar Dneukanti~ch< auslegt, deshalb ist uns Heutigen des 'Lebens< - ist in gewisser Weise das Seienden -, d. h., in Erinnerung in das anfkgliche Wesen des Erscheinens im Sinne des Aufgehens, n a c h ein Denken des Wesens der gewisser Weise m d e t das Sein des Seienden die vernommenheit des Vernommenen in der rSeeler. Das klina qduLs,fast unm~gli&. Demgernafl bleibt auch der Wesense so wie ein Satz aus Kants ~Kritikder reinen vemunft., wobezug Z a i s d e n 9 4 ~ und ~ s &148&1averborgen. Sofern auf ihn nach die Bdngungen der MGglichkeit d e r E r f b g zugleid g e ~ e s e naird, ist de. Hinweis befremdlich. Wenn jedoch 1 sind die Bedingungen der MGglichkeit der Gegenst&de der ~ u l das S henorkommende Aufgehen bedeutet und nichts und xNaturn meint, wean die rp(l'J1~ Erfah-gAllein, der Satz des Aristoteles klingt nur so. E~ dem, was man mit besa@ nicht, das Sein des Seienden ber&e m d bestehe in der ein gleiC;hUTspri~gli&esWofi fiir das ist, was die hAil*&~a 'OrgeneUtbeit durch ein vorstellendes I&, das ist dsSubjekt nennt, d a m nicht das Lehrgedicht des Pamenides9 des B e ~ t s e i n sund dessen Selbstgewiflheit. Zwar ist das der &Afi&Las a g , den Titel tragen: n&@i ipGo&@S, mer das Sein des Seienden des Sichzeigenden r n d ErsAeinenden den Aufgang ins ~nverborgene? die Unverborgenheit, aber die Unverborgenheit hat Das verstellende Unwesen der Ubersetzung van ~ a 1 durcll 5 das Wesen in der (p6u~s. ,NaturK erkennen wir Heutigen nur schwer md langsam. Zwar ne-t Aristoteles das eigentlich ~~~h au& wenn wir es erkannt haben, ist noch ein weiter Weg Met. a 1 th dem ersten 1 qava~htataxhv~ov,dasjenige, was van allem das ~ ~ ~ c h ~ i - zum Wandel des Erfahrens und Denkens, das dem hfa%lichen des nendste ist, indem es sich allem zuvor iiberall s ~ o ge. n Anfang no& einmal nahe bringt, zei@ hat- Aber th qavephtata n&vtwv beh$lt die auszei&kommenden Anfangs niiher zu sein. Ohne das wesen der nende Bestimmung th 3 ~ ~ U qavrphata E L n&wWv(993 b 111, q6aLszu erblicken, ersehen wir auch nicht jenes Nachste in der was das Erscheinende ist, dergestalt, da8 das Erscheinen be131$i3~~~, auf das h z u d e n k e n wir jetzt im Begriffe sindstimmt bleibt von dem Aus-sich-her-aUfgehen - der cpday. De-a~h ist in der beginnenden Metaphysik zUglei& das Errchinen im Sinne des Aufgehens und Henorkommens, aber such das Erscheinen im Sinne des Sichzeigens fiir ein Verneh-
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1 8. Die vierte Weisung: das Offene, dm Freie
b) Die vierte Weisung: das Offene als der Wesensanfang der Unverborgenheit. Hinweis auf >>Sein und Zeitcc und Sophokles, Aiag V, 646 f. Die Zeit als das Erscheinenlassende und Verbergende. Hinweis auf Holderlin. Die Zeit als >>Faktorain der Neuzeit. Die Wesung der Offenheit in der Unverborgenheit. Die >> Gleichsetzungcc von Offenheit und Freiheit. Die &hfi6rtaals das Offene der Lichtung
dabei vor anem unmittelbar die Weisung auf das, dem wir jetzt *&denken. Der Spruch spricht aber zugleich von dem, ms rnittlemeile als das Vomort ausgesprochen wurde fur das Sagen vom Wesen des Seins. Der Spruch handelt von der xZeita. In x Sein und Zeitcc ist die Zeit edahren und genannt als das Vor-wort fur das Wort xde~<< Seins. Der griechische Spruch von der Zeit steht in einer Trag6die des Sophokles, im >>&as<< (V, 646 f.) und lautet:
Die Aufhellung des Wesens der 8Afi6rta sol1 dadurch ihren AbschluS erhalten, daB wir versuchen, einer vierten Weisung zu folgen, die uns die Obersetzung von &Afi6r~a durch >>Unverborgenheitcc gibt. Wir sagen vordenkend: Im Wesen der Unverborgenheit waltet das Offene. Zunachst denken wir bei diesem Wort an das, was nicht verschlossen, also aufgeschlossen ist. So gedacht erweist sich das Offene als eine Folge des AufschlieBens und Entbergens. Furs erste bleibe unentschieden, ob das hier gemeinte Offene nicht, statt nur Folge zu bleiben, der Wesensgrund der Entbergung sein m a , der erst die Moglichkeit der Unverborgenheit gibt. Vor all dem gilt es erst zu sehen, daB die Griechen iiberhaupt im Wesensbereich der &Afih44rtasolches erfahren haben, was sie notigte, irgendwie vom Offenen zu sagen. Den Wesensbegriff des Offenen finden wir bei den Griechen nirgends. Dagegen treffen wir im Wesensbereich der &hfih44rlaund des griechischen Denkens uber das Sein auf Worte und Namen, die gleichwohl, obzwar im ungefahren, auf das weisen, was hier das Offene genannt wird. Als Zeugnis diene uns ein einfacher Spruch der griechischen Dichtung. Dieser Spruch ist hier auch deshalb gewahlt, weil er uns noch einmal in einer geheimnisvoll schlichten Weise die Wesenseinheit von Grundworten griechischen Sagens zu denken gibt, die wir auf dem Gang unserer Besinnung durchdachten. Der Spruch nennt uns n a i c h den Bezug zwischen Verbergen und Entbergen, Erscheinen und Aufgehen. Er gibt
&~avh44'6 paxgbs x&vagi6pq~og XQ~VOS (PJEG T' 26$a xai cpavkv~a xpSrctera~. >>Garalles laat die weite und dem Rechen unfaRbare Zeit Aufgehen wohl Unoffenbares, d o h auch Enchienenes verbirgt sie (wieder) in ihr selbercr. Bedenken wir den Spruch von seinem Ende her. Da steht das Wort xgJx~rra~. K Q J m r d a bedeutet: ~ in sich zuriick nehmen, in sich zuriick bergen und verbergen. In solcher Weise verbirgt >>dieZeit., xp6vog. >> Zeitn ist anfanglich fur die Griechen stets und nur die xrechtecc oder runrechten, die geeignete oder ungeeignete Zeit. Darin liegt: jedes Seiende hat je seine Zeit. >> Zeit ist da jeweils >>die Zeit, zu dern das und jenes geschieht, d. h. der vzeitpunktn, womit hier nicht das >>Punktuellexdes nJetztu gemeint ist, sondem der >>Punktnim Sinne der Stelle, des Orts, dahin zeithaft je->>weilsccein Erscheinendes in seinem Erscheinen geh6rt. Die nZeitcc ist hier nicht eine >>Reiheccund >>Folgengleichgiiltiger >> Jetztpunktea. Die Zeit ist umgekehrt solches, was selbst in seiner Weise das Seiende bei sich hat, es entlal3t und zuriicknimmt. Die griechisch zu verstehende >>Zeitcc,der bog, entspricht im Wesen dem rbog, was wir falschlichemeise mit rRaumn iibersetzen. T6mg aber ist der Ort, und zwar derjenige, an den etwas gehgrt, z. B. Feuer und Flamme und Luft nach oben, Wasser und Erde na& unten. So wie der ~6x0sdie HingeKbrigkeit der Anwesung cines Seienden verfiigt, so der
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~ ~ 6 die ~ 0Gehiirigkeit 5 des jeweiligen Erscheinens und Verschwindens in sein geschickhaftes >>dann>wannee.D a halb h e a t die Zeit paxpb5, >>weit<<, im Sinne der vom Menschen unbestimmbaren, jeweils von der jeweiligen Zeit geprag. ten Moglichkeit, Seiendes in das Erscheinen zu entlassen oder zuriickzuhalten. Weil darin, im Erscheinenlassen und Zuriicknehmen, die Zeit ihr Wesen hat, vermag ihr gegeniiber die Zahl nichts. Was jedem Seienden je seine Zeit des Erscheinens und Verschwindens zuweist, entzieht sich wesenhaft jeder Rechnung. DaB der Gott der Griechen, der alter ist als der Hochste der Olympischen Gotter, daB der >>alteVatercc des Zeus >>Kronosc< heif3t und den Namen der >>Zeitcctragt, dies ermessen wir nur dann, wenn wir zumal -wissen, daB einmal das griechische Gotterwesen iiberhaupt irn hereinblickenden Erscheinen besteht, und daB zum anderen die >>Zeitccist - das Erscheinenlassen und Verbergende. Im bergenden Wesen des alten Gottes >>Kronosccruhen die >> alten Freudenct, >>am<< denen r jegliche Macht erwachsencc (Holderlin, Natur und Kunst oder Saturn und Jupiter, IV, 47).3 Das anfgngliche Wesen der Zeit ist wesenhaft der Zahl und der Berechnung und allen >>Kunstencc fern: €ivapi6yqtog. DaB nun freilich bereits noch innerhalb des Griechentums das Wesen der Zeit gerade von der >>Zahlaher begriffen wird, so namlich in der >>Physikccdes Aristoteles, das gibt uns zu denken, vor allem deshalb, weil die aristotelische Wesensbestimmung des ~p6voqseitdem die abendlkindische Auffassung des Wesens der Zeit bis zur Stunde beherrscht. Nicht nur in der mathematisden Formel der neuzeitlichen Physik, sondern iiberhaupt in allem Verhalten des Menschen zur >>Zeitccist d. h. ein >>Arbeitercc,der entweder >>gegena diese ein >>Faktorcc, oder >>fur<den Menschen ~arbeitetr,niimlich >>gegenaoder ,fur<< die Rechnung, durch die der planende Mensch das Seiende meistert, urn sich in ihm zu sichern. Neuzeitlich gea Holderlin, WW (Hellingrath); IV,S. 47.
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d a h t ist die Zeit solches, was der Mensch in seine Rechnung stellt, und zwar als den leeren Rahmen des Ablaufs im Nach,bander der Vorgkge. Die Zeit ist nicht nur in der Physik, sondem iiberall der >>Parameter<<, d. h. diejenige Koordinate, der entlang (nap&)alle Messung ( p i v ) und R e b u n g selbst ablguft. Der Mensch gebraucht und verbraucht die Zeit als >>Faktor.; zufolge dieser verbrauchenden und verzehrenden Haltung emachst der Zustand, daD der Mensch bei aller und dur& alle Zeiteinsparung immer weniger Zeit hat, weshalb his in die kleinsten Arbeitsgange der Technik die Einsparung und Okonomie der Zeit notig ist. Fur den modernen Mendem als dem Subjekt die >>Welt<< zu einem einzig einfomigen wObjekta geworden ist, wird auch die Zeit ein Gebrauchsobjekt. Der modeme Mensch >>hate< deshalb immer weniger Zeit, weil er selber die Zeit irn vorhinein nur als das Verrechenbare in Besitz genommen und von ihr besessen gemacht hat als dem Ordner, dessen Walten die Zeit angeblich rneistert. Anfkglich griechisch gedacht, nimrnt umgekehrt die Zeit als die je besheidende und beschiedene Zeit den Menschen und alles Seiende wesenhaft in ihre Verfugung und fiigt iiberall Erscheinen und Verschwinden des Seienden. Die Zeit entbirgt und verbirgt. Doch xp6nreo9a~,in sich zuriickverbergen, kann die Zeit nur das, was erschienen ist: cpavkv~a- das Erschienene. Das Anwesende, ~eiende,das durch den xFortriBx der Zeit in die Abwesenheit verborgen wird, ist hier vom Erscheinen her gefal3t. Das Ers&ienene und Erscheinende ist aber nur, was es ist, sofern es hervorkommt und aufgeht. Solches muD daher wesen, was das Erscheinende aufgehen 1aBt: Die (p6~15,( P ~ E L V (vgl. oben 14il& - Mythos) wird gesagt van der Erde, i) yfl ~ ~ die 1 Erde - lZI3t hervorgehen. Man iibersetzt cp6~ivoft und auch richtig mit nwa&senn, aber man vergil3t dabei, dieses >>Werden<< und >>Wadsene< griechisch zu denken als ein Hervorgehen aus der Verborgenheit des Keimes und der Wurzel im Dunkel der Erde an das L i d t des Tages. Auch wir sagen noch,
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freilich mehr nur in einer Redewendung: Die Zeit bring es an den Tag; jedes Ding braucht (zu seinem Hervorkommen) sehe Zeit. Das q6~lvder q6crp~ols,das Aufgehenlassen und Aufgehen, laBt das Aufgehende in das Unverborgene erscheinen. Sophokles gebraucht allerdings in seinem Spruch von der Zeit, die verbirgt (xp6n~n~ar) und aufgehen laBt ( ~ 6 ~nicht 3, das Wort 6Afi8~1a- Unverborgenheit. Er sagt auch nicht von der Zeit, daS sie aufgehen lasse, EL rd Mbvra, das Verborgene, sondern er sagt: 9 6 rd ~ hSqAa ~ - die Zeit laOt hervorkommen in das Erscheinen das, was zum Erscheinen bestirnmt, aber noch nicht 6Aov ist; CSqAov, das Un-offenbare. Entsprechend dern Un-offenbaren als dern Verborgenen ist das Unverborgene das Offenbare, d. h. das ins Offene Hervorgekommene und in die Offenheit Erschienene. I n der Unverborgenheit west die Offenheit. Das Offene ist jenes Nachste, was wir im Wesen der Unverborgenheit zwar, ohne seiner eigens zu achten, mitmeinen, was wir jedoch nicht eigendich bedenken, geschweigedenn in seinem eigenen Wesen zum voraus erblicken, so daO aus diesem wesenden Offenen selber alles Erfahren des Seienden beschickt und geleitet sein konnte. Wir wissen bereits: Das Unverborgene und Entbergende (hAqBis) steht im ausgezeichneten Bezug zu Znoq, yiiBos, Abyog, d. h. zum Wort. Der zu dem, was in der Unverwesentliche Bezug zum q~a~vbpsvov, borgenheit sich zeigt, ist die Sage und das Sagen. Das entbergende Sagen der Aussage ist daher noch fur Aristoteles das 1
iuroqaivrcri3ar - zum Erscheinen bringen. Statt Eurocpaiv&o&I~ sagt Aristoteles oft wie Platon und die Friiheren 8qloiv ins Offene bei~tellen.~ In der Sage von der Unverborgenheit (6Afi8~~a), von der q6crig, vom Aufgehen ins Unverborgene, vom q1aiv&cr8ar(dem Erscheinen und Encheinenlassen), von ~ . ~ L n ~ c r(Verbergen), Bar von AavBhvnv (vom Verborgensein) ist uberall meist auch, do& beilaufig genannt: d Sijhov, das ins OffeneHereinstehende und somit das Offene. Dm Wesen der Unverborgenheit gibt urn die Weisung auf
' Vgl. Sein und Zeit, § 7, der mit § 4%zusammenzudenken ist.
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das Ofene und die Offenheit. Aber was ist dies? Hier schweigt das griechis~heSagen. Wir bleiben ohne Anhalt und W e , wem die Not kommt, dern Wesen des in der hhj8sia waltenden oBenen nachzudenken. Dieses Denken wird fur das gelaufige Meinen besonders deshalb befremdlich, weil sich auf seinem Wege zeigt, da13 das Offene keineswegs erst und nur das Ergebnis und die Folge der Entbergung, sondem der Grund und der Wesensanfang der Unverborgenheit ist. Denn entbergen, d. h. ins Offene erscheinen lassen, kann nur, was dies Offene zum voraus vorgibt und also in sich selbst offnend und dafur offenen Wesens ist. Wir sagen statt dessen auch: was von sich US schon >>frei<< ist. Das noch verhullte Wesen des Offenen als des anfanglich Sich-Uffnenden ist die Freiheit. Wir treffen mit dieser Gleichsetzung von Offenheit und Freiheit auf etwas Bekanntes und verschaffen so dern Wesen des Offenen eine Verstandlichkeit. Doch dies ist in der Tat nur ein Schein, und zwar ein mehrfacher, insofem die >>Gleichsetzungc< von Offenheit und Freiheit recht bedacht die selbst noch dunkle Offenheit in das Wesen der Freiheit griindet, das in seiner Herkunft gleichfalls dunkel bleibt. Das Wesen der >>Freiheitcc ist jedoch, wo immer es in der Metaphysik gedacht worden, im Wesensbezug auf den >>Willen<< und die Willensfreiheit im Hinblick auf menschliches Verhalten als die Auszeichnung eines Seelen~ermo~ens begriffen. Jetzt aber gilt es, das Wesen der Freiheit in der Wesenseinheit mit der anfanglicher gedachten bhfi9~~a zu denken, und zwar im Hiblick darauf, daJ3 sich SO das Wesen des Offenen erhellt. Dies ist dann das Freie, in das der Mensch seinem Wesen na& erst gekommen sein mu13, damit er im Offenen uberall das Seiende sein lassen kann, was es als das Seiende ist. Das Freie ist die Biirgschaft, die bergende Statte fur das Sein des Seienden. Das Offene ist als das Freie das Bergende und die Bergung des Seins. Zwar denkt man das Offene und Freie und Weite allerdings do& eher als die Gelegenheit des AUSeinanderfahrens, der Verstreuung und Zerstreuung. Das Offene
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und seine Ausbreitung in die Breite des Unbegrenzten uri Grenzenlosen ist eher die Zone, in der die Anhalte fehlen m in der jeder Aufenthalt sich ins Haltlose verliert. Das Offel gewahrt keine Bergung und Geborgenheit. Das Offene ist eh der Spielraum des noch Unbestimmten und Unentschiedenf und darum die Gelegenheit des Irrens und der Verirrung. ! bleibt zunachst beides fragwiirdig hinsichtlich des Offene: einmal, d a l und wie es, der anfbglichen Freiheit entsprk gend, das anfkgliche Wesen der Unverborgenheit sein so: zum anderen, wie das Offene bergenden Wesens sein kann. Dennoch l a l t sich nicht leugnen, d a l das anfbgliche Wese in das Wesen des Offenen und dt der Wahrheit, die &hi@r~a, Offenheit ve~weist.Wenngleich die Griechen das Offene nid ausdriicklich als das Wesen der dlTji14rta durchdenken un nennen, erfahren sie es doch nach einer Hinsicht stkdig, nan lich das Offene in der Wesensgestalt des Gelichteten und Lick ten, dieses jedoch im Scheinen des Lichtes, das die Helle zx bringt. Wir nannten auch schon beilaufig, da es galt, di tiaipovrg und bhovrrg als die Blickenden und irn Lichte El scheinenden zu kennzeichnen, das Offene als das Gelichtett und deuteten auf den Zusammenhang zwischen Lichtmg unt Licht. Das Licht ist das malgebende Leuchten, Scheinen un( Erscheinen. nDas Lichtn im hervorragenden Sinne scheint a1 das Licht der Sonne. Aus dem rHohlengleichnis<
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c) Li&t und Blicken. Die wnatiirliehen Erklanrog des Lichten dur& den griechischen xAugenmenschen<< gegenuber dem entbergenden Anblick. Das blickende Vernehmen. yAh@~~a: das Ereignis in der Landschaft des den Morgen und Theorie verbergenden Abends. OE~V-dg6v Das ucht, als die Helle verstanden, gewahrt erst die Moglichkeit des Anblicks und damit die Mogliehkeit des begegnenden sowohlals auch des erfassenden Blickens. Das Erblicken ist ein Akt des Sehens. Das Sehen ist das Vermogen des Auges. Damit ,Aeinen wir dann auf den rPunktn zu stofien, von dem aus sich iiberhaupt erklart, weshalb fiir die Griechen die Wahrheit das Wesen der &IfihilSr~a hat, d. h. jetzt das Wesen des Lichten und Offenen. Die Griechen waren, wie man sagt, nAugenmenschenr. Sie erf aBten die x Welta vomehmlich vom r Auge x her und achteten deshalb unaturgemafin auf das Blicken und den Anblick. Dazu muaten sie dann das Licht und die Helle bedenken. Vom Lichten und Hellen und Durchsichtigen (tilaqaviq) des Liehtes ist nur ein Schritt zur Lichtung und Z U ~ Gelichteten, und d. h. eben rum Offenen und damit zum Unverborgenen als dem Wesenhaften. Beachten wir die Tatsache, da8 die Griechen w Augenmenschenr waren, und denken wir die Unverborgenheit als Offenheit und Lichtung, d a m wird der Wesensvorrang der &kt!l8&LaiiberaUhin mit einem Schlag rverstZndlich>Erklarungxdie Erortemng iiber das griechisch erfahrene Wesen der &kfi.ilss~a beenden. Wir miissen allerdings, damit wir diese Ertirterung einigermafien sauber beenden, no& ein stb-endes Moment beseitigen. Man sagt: die Griechen waren bA~genmenschenn,deshalb war fur sie die Weltdeutung auf
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das Sehen und das Gesicht und das Licht gesteUt. Doch,waru waren die Griechen >>Augenmenschen< Sind nicht alle Me: schen >bAugenmenschenx?GewiB, sofern sie .4ugen haben ur sehen. Aber die genannte Kennzeichnung der Griechen sc doch d a m , daB bei den Griechen rdas Augex eine besonde] Rolle spielte. Wir fragen wieder zuriick: Wamm? Man an wortet: Weil fdort, in Griechedand, das Licht besonders eir drucksvoll ist. Dann ware doch nicht das Auge als Auge, so1 dern das Licht das Vorwaltende und Bestimmende fur de Vorrang des Lichten. Aullerdem herrscht die Macht des Lichtt nicht weniger im Land der Agypter und in gewisser Weise ir Land der Romer. Hier finden wir aber nichts vom Wesen de Wahrheit im Sinne der irhile~a.Eben dies beweist do&, konnt man erwidem, da13 die Griechen in einem besondern Ma] ~Augenmenschen<< waren. Diese Tatsache ist eben eine ge gebene. Sie ist etwas rLetztesr, gleichsam die xSubstanzn die ses Menschentums. Nun wollen wir die >>Tatsachex,daB dil Griechen nAugenmenschenn waren, daB in ihrer Welt da: Licht und das Sehen eine hervorragende Rolle spielt, gar nich, leugnen. Die Frage bleibt nur, und diese Frage ist aUen >>Tat, sachen. rum Trotz noch einrnal zu fragen, ob denn der Hin. weis auf diese Tatsachen im geringsten das Wesen der M ~ E L C xerklartn, ob sich uberhaupt solches Wesen durch >>Tatsachen* und haufenweise beigebrachte Tatsachen nerklarenn lallt. Wix fragen sogar noch weiter hinaus dieses, ob uberhaupt das rrErklarenn hinsichtlich eines Wesenhaften uns in den Bezug zum Wesenhaften des Wesens bring und jemals bringen kann. Wir nahem uns damit der Frage, welcher Art und welchen Sinnes die hier verfolgte Besinnung auf das Wesen der h l f i a ~ ~ a sei. Was sagt dies, daB die Griechen nAugenmenschen. waren, zur Aufhellung des Wesens der Wahrheit als der Unverborgenheit, Offenheit und Lichtung? Es sagt gar nichts, weil es nicht das geringste bedeuten kann. Diese Tatsache kann nichts bedeuten, weil das tatsachliche Fungieren von Augen keinen
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AufscMuD gibt und keinen AufsChluB geben kann uber den ~ ~ des~Menschen u g uun Seienden. Was ist schon ein uAuge<( ,,hne dadehennkonnen? Wir sehen nicht, weil wir Augen haben, sondem wir haben Augen, weil wir xsehena konnen. Was aber heiBt nsehenn? Darunter verstehen wir nach dem Weitesten Begriff, auf den auch alle physikalische, physiologiScheund asthetische uOptik<<sich griindet, ein unmittelbares Pegegnenlassen von Seiendem, Dingen, Lebendem, Menschen im Licht. Was hilft jedoch alles noch so leuchtende Licht und ,a, vermag alles noch so feine und wendige Sehwerkzeug, nicht durch Sinneswerkzeug und Lichtmedium hindurch das Sehenkonnen selbst zuvor eines Seienden ansichtig geworden ist? So wie das Auge ohne ein Sehenkonnen nichts ist, so bleibt das Sehenkonnen seinerseits ein Unvemogen, wenn es nicht schon in einer Beziehung des Menschen zurn erblickbaren Seienden schwingt. Wie aber soll dem Menschen ein Seiendes erscheinen, wenn der Mensch nicht im Wesen schon zu Seiendem als einem Seienden sich verhdt? Wie aber sol1 dieses Verhaltnis des Menschen zurn Seienden als einem solchen walten, wenn nicht der Mensch im Bezug steht zum Sein? Hatte der Mensch nicht schon das Sein im Blick, dann konnte er nicht einmal das Nichts denken, geschweige denn Seiendes erfahren. Wie soll der Mensch aber in diesem Bezug rum Sein stehen, wenn nicht das Sein selbst den Menschen anspricht und sein Wesen fiir den Bezug zum Sein in den Anspruch nimrnt? Was anderes aber ist dieser Bezug des Seins zum Menschenwesen als die Lichtung und das Offene, das sich fur Unverborgenes iiberhaupt gelichtet hat? Weste nicht soiche Lichtung als das Offene des Seins selbst, d a m konnte niemals ein menschliches Auge werden und sein, was es ist, namlich die Weise, wie der Mensch das Aussehen des begegnenden Seienden als einen Anblick erblickt, in dem sich Seiendes entbirgt. Weil anfanglich das Wesen der Wahrheit nunverborgenheitu ( C Y B E L ~und ) weil die hhfiBeca im Verborgenen schon das OfEene und Sichlichtende ist, deshalb kann die Lichtung und
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ihr DurchlaB iiberhaupt erscheinen in der Gestalt des Lichter, der Helle und ihrer Durchsichtigkeit. Weil das Wesen des Seins die MfiSrla ist, deshalb allein kann das Lichte des Lichtes in einen Vorrang kommen. Deshalb erhalt das Aufgehen ins Offene den Charakter des Scheinens und Erscheinens. Deshalb ist das Vernehmen des Aufgehenden und Unverborgenen ein Vernehmen des Iichten Scheinenden, d. h. das Sehen und das Blicken. Erst deshalb, weil dergestalt das Blicken in Anspruch genommen wird, kann >>dasAugecc in den Vorrang kommen. sondern weil die Sonne als Nicht weil das Auge >>sonnenhaftcc, das Leuchtende selbst lichtungshaft und vom Wesen der bAfi8atcr ist, deshalb kann das Auge des Menschen >>blickenccund zum Zeichen werden fur den Bezug des Menschen zum Unverborgenen iiberhaupt. Weil das Wesen der Wahrheit und des Seins die &A48ela,das Offene ist, deshalb konnten die Griechen den die Wesensbezug des Menschen zum Seienden, d. h. die qw~fi, Seele, durch das xAugecc auszeichnen und vom iippa rqq w~ijc. vom >> Auge der Seelecc, sprechen. Aber die Griechen sprechen auch vom Gesprach .der Seelea mit sich selbst (Abyoq), und das Wesen des Menschen bestehe im A6yov ~ X E L V .Wenn somit das Wesen der nSeelen durch den 1 6 ~ 0 s bestiinmt ist, und zwar gleichwesentlich wie durch das blikkende Vernehmen, wenn aber dieses im Lichten der &Afi8~~a west, dann mu13 auch das hiya~vder Menschenseele durch den A6yoq gegriindet sein, der in seinem Wesen nichts anderes ist als die ttAfi6s~a.~ Das Wesen der Wahrheit ist anfiinglich &h+8sla,nicht weil waren, sondern die Griechen die Griechen >>Augenmenschenc< lionnten nur deshalb nAugenrnenschencc sein, weil die ttA48s~a den Bezug ihres Menschentums zum Sein bestimmt. Dies und nur dieses, namlich, daO das Wesen der Wahrheit als 6At8~1a anfingt, so zwar, daO es sich zugleich alsbald verhiillt, ist das Ereignis der Geschichte des Abendlandes. Vgl. iiber den Logos des Herablit. Gesamtausgabe sowie das Nachwort des Herausgebers, 11, S. 405. Bd. 55, Seiten 185 bis
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Gems diesem Wesensanfang der bti&~aist das Abendland
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nicht entschiedene und ausgegrenzte Landschaft der die Erde, iiber die ein Abend kommt, der als Abend wesenhaft aus dem Aufgang anfiingt und deshalb den Morgen dieser Land,daftin sich verbirgt. Weil das Wesen der Wahrheit als Mfidola waltet, bestimmt das Offene und Gelichtete das in ihm Ers&einende zur Wesensgestalt des Anblicks, der in das Lichte hereinblidit In der Entsprechung zu diesem erscheinenden Blicken wird das entbergende Vernehmen und Fassen des Seienden, d. h. das Erkennen, als ein Erblicken ~ m dSehen begriff en. Der Anblick des Seins, der in das Seiende hereinblickt, heilit griechisch dba. Das erfassende Blicken im Sinne des Sehens heiOt griechisch b~hw.Den begependen Blick erblichen, griedisch SrGv - b@v, heil3t dso~hw- Srwpsiv, dropia. Das Wort Theorie meint, einfach bedacht, den vernehmenden Bezug drs Menschen zum Sein, welchen Bezug nicht der Mensch herstellt. in welchen Bezug vielmebr das Sein selbst erst das Menschenwesen stellt. Wenn freili& die Spateren und gar wir Heutigen nTheorie.,~ und xtheoretischr sagen, ist alles Anfangliche vergessen. Das xTheoretischen ist eine Veranstaltung des vontellenden Subjekts des Menschen. Das aTheoretischeu ist nur noch das rblofl Theoretischen. Das uTheoretischen muli, um sich zu rbewahrheitenn, erst durch die >>Praxis<< sich bewahren. Ohne diese Bew&rung wird ihm ein Bezug zur rwirklichkeitn abgestritten. Selbst dort, wo man dem Theoretischen in gewissen GrenZen noch eine eigene Bedeutung zumilit, rechnet man darauf, daO en cines Tages rpraktischc verwendbar sein konnte, welche Aussicht den dereinst anfallenden Nutzwert allein das zunachst bloB rtheoretische>Philoso-
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phie. wird das Abendland weder erlost noch gerettet werden. Die Griechen aber, die allein die Hiiter des Anfangs des Abendlandes sind, haben in der r o p i a den Wesensbezug mu den 6rhovrrq und zum triov und zum Salpbv~ovunmittelbar erfahren. Deshalb haben die Griechen nicht notig, der t ~ o p i aerst no& einen praktischen xWertn nachzurechnen, urn sie zu rbewahrheitenx und zu rechtfertigen gegeniiber der Verdachtigung als eines >> bloB a n Theoretischen., das seinerseits noch einmal zurn rblo8 Abstraktenn herabgesetzt worden ist und wie ein Schrecken umlauft. Wundem wir uns da, bei solcher Entfernung des >>Theoretischennals *des Abstrakten. von der BAa, dem Anblick des Seins, iiber den ~Atheismusx,der nicht nur bei den nFreidenkern* und in der rGottlosenbewegungn umgeht ? DaS die griechische Grunderfahrung des Seins die trmpia ist, bezeugt nicht zuerst und nur den Vorrang des Sehens und Blickens, sondem bezeug zuvor das anfangliche Walten des Wesens der hI46&ta,worin so etwas wie Lichtung, Gelichtetes und Offenes west. Sofem wir dieser Weisung des Wesens der Unverborgenheit folgen und das Offene bedenken, wird die Besinnung auf das Wesen der hA48r~afreilich nicht zu ihrem Ende, sondern allererst an ihren Anfang gebracht. d) Das Offene am Anfang der Besinnung auf das Wort 6kfi8~ta. Das wesentliche Denken: der Absprung in das Sein. Das unverborgen Seiende in der Geborgenheit des Boden-losen des Offenen (Freien) des Seins. Die Verbergung des Entscheids der Zufiigung der Unverborgenheit im bergenden Offenen an den Menschen. Die Befugnis durch die Zufiigung des Seins, das Offene zu erblicken: ein geschichtlicher Anfang. Die Entfremdung des Menschen gegen das Offene Der Anfang fordert von uns, deren Geschichte vom Anfang fortgegangen ist, den Beginn einer Besinnung, die dem Wesen des >>Offenen*nachdenkt. Nennen wir .das Offeneu und ge-
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brauchen wir das Wort >>Offenheit<<, dann scheint es, als werde uns da Bekanntes und Verstiindliches vorgestellt. Dennoch vers & w i m t alles im Unbestimmten. Es sei denn, da8 wir jetzt mit dem Wort r das Offenea emst machen und es einzig in dem ~~senszusamrnenhang denken, den die bisherige Besinnung auf daswesen der ~ A T ~ Buns E L nhergebracht ~ hat. Wir gebraumen die Rede vom >>Offenen<< nur in der unloslichen Wesens,inheit mit der hl$ha und i b m anfanglicher erfahrenen Wesen. Darnach ist das Offene das Lichte des Sichlichtenden. Wir .enes adas Freie<< und rein Wesen %die>Zeit<< zusprechen in der Rede von >>Zeitraurna.Damit stellen wir das vor, was vermutlich zuerst bei der Nennung des >>Offenen<< uns entgegenkommt: das Unverschlossene und Unbesetzte einer Ausbreitung zur Aufnahme und Verteilung von Gegenstanden. Doch das Offene im Sinne des Wesens der h q 8 e ~ ameint weder den Raum noch die gewohnlich gemeinte uZeit<<,noch ihre Einheit, den Zeitraum, weil dieses alles bereits seine Offenheit zu Lehen hat aus demjenigen Offenen, das im Wesen der Entbergung waltet. Insgleichen west iiberall dort, wo etwas nfrei<
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jenem Freien west, was auch den Zeit-Raum erst dahin freigibt, als ein aoffenesx der Ausdehnung und A u s b r e i t ~ ~ durchmessen zu werden. Das rfrei van. und das rfrei fur< beanspruchen sehon eine Lichtung, in der eine Loslosung oder eine Zuwendung sind, was sie sind, somit ein urspriinglicheres Freies, das sich nicht auf die Freiheit menschlichen Verhaltenr griinden kann. Zum Offenen als dem Wesen der hhjiltna gelangen wir also niemals dadurch, daB wir das Offene im Sinne des nAusgedebten<>kt<<. Das Erwachen fur dieses nes ista, vor allem das Wachbleiben fur dieses xes istn eines Seienden und das Wachen uber die Lichtung des Seienden, dies macht das Wesen des wesentlichen Denkens aus. Das res istr des Seienden, das Sein, zeig sich,
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es sich zeigt, jedesmal nur rplotzliuhn, griechisch 6Eaivvqg. d. h. itaVa4g, in der Weise, daB etwas aus dem Nichtenchei.enden heraus mitten in das Erscheinende hereinfallt. Diesem wesenhaftunvermittelten und unrnittelbaren Ein-fall des Seins in das zugleich und nur so als Seiendes erscheinende Seiende e,spricht vom Menschen her ein Verhalten, das plotzlich sich .i&t mehr an das Seiende kehrt, sondem das Sein denkt. Das Sein zu denken, vedangt jedesmal einen S p m n g , durch den l ~ von r dem gewohnten Boden des Seienden, auf dem uns zunach~tdas jeweilige Seiende ist, abspringen in dm Boden-lose, alswelches sich das Freie lichtet, das wir nennen, wenn wir am Seienden weiter nichts bedenken als das >>es kt<<. Dieser eigentliche Denken ist nsprunghahn, denn es kennt nicht die Briicken und Gelander und Leitern des Erklarens, das je nur Seiendes aus Seiendem ableitet, weil es auf dern >Boden<< der >>Tatsachen<< bleibt. Dieser Boden ist briichig. EY tragt nie. Denn jedes Seiende, daran wir uns ausschlieDlich halten, tragt nur zufolge einer Vergessung des Seins, worin doch das Seiende west. Das Sein aber ist kein Boden, sondem das Boden-lose. Es heiBt so, weil es anfanglich von einem >,Boden<< und rGrundn gel6st bleibt und seiner nicht bedarf. Das Sein, das ues istn eines Seienden, ist nie bodenstandig im Seienden, gleich als konnte das Sein aus Seiendem erstellt und in diesem aufgestellt werden als auf seinen Grund. Bodenstandig ist nur Seiendes in bezug auf Seiendes Das nie bodenstkdige Sein ist das Boden-lose, was freilich nur vom Seienden aus gerechnet wie ein Mange1 aussieht und als solches erscheht, worin wir, die wir nach Seiendem rennen, ohne Anhalt versinken. Wir fallen in der Tat auch in das Grundlose, wir finden keinen Grund, solange >>wirseinen Grund nur in der Gestalt eines Seienden kennen und suchen, also niemals den Absprung in das Sein vollziehen und aus der gewohnten Landschaft der Vergessenheit des Seins ausziehen. Dazu bedarf er keiner Weitlaufigkeiten und keiner Umstande. Denn iiberall und jederzeit und in der nBchsten Nahe des
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unscheinbarsten Seienden west schon das Offene der Moglich keit, das ses istx des Seienden als das Freie eigens zu denken in dessen Lichtung das unverborgene Seiende erscheint. Da: Offene, in das jedes Seiende als in sein Freies befreit ist, das Offene ist das Sein selbst. Jedes Unverborgene ist als ein solches im Offenen des Seins, d. h. im Boden-losen, geborgen. Das Boden-lose, von jedem Boden und seiner Briichigkeit urspriinglich Geloste, ist das anfanglich Bergende; bergend allerdings nicht im Sinne einer n Geborgenheita, die der Mensch irgendwo innerhalb eines Seienden aufsucht und sich zurechtrichtet. Das Bergsame des Offenen gewahrt nicht den Ort einer Zuflucht, durch die der Mensch seines Wesens sich entledigen konnte. Das Offene birgt als es selbst die Wesensstatte des Menschen, wenn anders der Mensch, und nur er, dasjenige Seiende ist, dem das Sein sich lichtet. Dieses als das Offene birgt in sich jede Art von Unverborgenheit des Seienden. Also bergend verbirgt aber auch das bergsame Offene jeweils den Entscheid, in welcher Anfanglichkeit das Sein dem Menschen die Unverborgenheit, d. i. die Wahrheit des Seienden im GanZen, zufugt. In der Art dieser Zufugung liegt verborgen und geborgen die jeweilige Weise, nach der der geschichtliche Mensch der Zufiigung des Seins zugehort, d. h. durch den Fug be-fugt ist, das Sein m wiirdigen und als einziges Seiendes inmitten des Seienden das Offene zu erblicken. Der Entscheid uber diese Befugnis fallt selten. Er faUt jedesmal dann und dort, wann und wo das Wesen der Wahrheit, die Offenheit des Offenen, sich anfanglich bestimmt. D a m ist ein Anfang der Geschichte. Zwar gehort der geschichtliche Mensch stets, sofern er ist, in die Zufiigung des Seins. Stets sieht der Mensch, und nur er, in das Offene im Sinne des Freien, als welches jeweils das >,es ist<<jedes Seiende zu ihrn selbst befreit und aus dieser Befreiung den Menschen in seiner Wachterschaft fur das Offene anblickt. Doch wenngleich der Mensch, und nur er, stets in das Offene sieht, d. h. Seiendes im Freien des Seins antnfft, urn betroffen zu werden, so steht er deshalb nicht schon in der
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gefugnis, das Sein selbst eigens in sein Eigenes, d. h. in das Offene (Freie) zu bringen und d. h., das Sein zu dichten und denken und zu sagen. Denn weil im Offenen des Seins aueh auch das Unverborgene des Seienden erscheinen kann und erscheint, halt sich der Mensch zunachst, und unversehens dann stkndig, nur an das Seiende. Er vergiL das Sein und lemt in solchem Vergessen nur das eine: die Verkennung des Seins und die Entfremdung gegen das Offene.
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e) Das Offene in der Gestalt des ungehemmten Fortgangs des Seienden. Das Offene: das Freie der Lichtung. Das >>Offene<< der uKreaturn in der achten Duineser Elegie =lkes. Hinweis auf Schopenhauer, Nietzsche. Der Ausschlul3 des Tieres aus dem Streit zwischen Unverborgenheit und Verborgenheit. Das Auf-geregte des Lebendigen Das Sein, dessen Zufugung sich der Mensch sogar in der adersten Seinsvergessenheit nicht entziehen kann, zerKieSt ihm aber zufolge der Entfremdung gegen die &hifi~cain das bestimmungslose Ganze des Seienden. So wird dann das Sein untersihiedslos dem Seienden gleichgesetzt oder aber als leerer Begriff auf die Seite geworfen. Der Unterschied aller Unterschiede und der Anfang aller Unterscheidung, namlich der Unterschied des Seins und des Seienden ist dann vollstandig eingeebnet und unter Beihilfe des Menschen aus einer ahnungs-losen Nichtachtung des eigentlich Zudenkenden in das Unbeachtete verworfen, vemorfen in der unheimlichen Weise der vergessenen Unbedachtsamkeit. Aber das Sein bleibt i n der selbst kaum bedachten Weise des Seienden im Ganzen, das sich eine Verdeutlichung verschafft durch eine Deutung aus einem je verschieden bevonugten Bereim jeweils innerhalb des Seienden. >>Sein<< wird nun bloDen Wortlaut, der verdeckt, was sich entzogen und verschlorsen hat, wo es doch das offnende Off ene ist.
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Seiendes geht fort und iiber zu Seiendem. Nur dieser Fortgang aistx, aber er xistn nur bei Vergessung des xistn selbst und seines Wesens. Dieser unbeschriinkte Fortgang des Nacheinander und Ineinander von Seiendem gilt als rdas Sein<<. Dieser unbeschrtinkte Fortgang von Seiendem zu Seiendem verweist dann auf ndas Offene* in dern Sinne, wie wir vom aoffenen Meeru dann sprechen, wenn die hohe See erreicht ist, in der alle Grenzen des Landes verschwunden sind. In dieser Bedeutung venteht Rilke in der achten Duineser Elegie ndas Offenen. Das *Offenen ist fur ihn der vom Seienden selbst und von ihm allein beschrittene stiindige Fortgang von Seiendem zu Seiendem ianerhalb des Seienden. Dieses Offene als der unbeschriinkte Fortgang im Seienden bleibt in dieses gebannt und an den Boden gekettet. Dieses Offene des ungehemmten Fortgangs des Seienden gelangt nie in das Freie des Seins, welches Freie gerade die xKreaturn niemals sieht, das erblicken zu konnen die Wesensauszeichnung des Menschen und ihr zufolge die unubersteigbare Wesensgrenze zwischen Tier und Mensch ausmacht. aDas Offenen im Sinnc des unaufhorlichen Fortgangs des Seienden im Seienden und adas Offenex als das Freie der Lichtung des uon allem Seienden sich unterscheidenden Seins sind im Wortlaut dasselbe, in dern aber, was die Worte nennen, so venchieden, daS keine Gegensatzformel ausreicht, urn die Kluft dieser Verschiedenheit anzudeuten; denn Gegensatze, und selbst die Bunenten, verlangen noch die Selbigkeit des Bereichs, in dern sie gegeneinander gesetzt sind. Gerade dieser fehlt hier. Aus der dern Biologismus des 19. Jahrhunderts und der Psychoanalyse zugrundeliegenden Metaphysik der vtilligen Seinsvergessenheit entspringt d a m jene Verkennung aller Seinsgesetze, deren letzte Folge eine ungeheuerliche Vermenschung n der Kreaturn, und d. h. hier des Tieres, und eine entsprechende Vertierung des Menschen ist. Das hier Gesagte ist eine aus der Grundstellung des Denkens vollzogene Aussage iiber den met? schen Grund ekes Dichtens.
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man kann dern entgegenhalten, da13 damit in unbefugter Weise die Poesie vor den Gerichtshof der Philosophie gezerrt werde. Wenn >>Philosophie<< und >>Poesieccnur zwei verschiedene, an sich bestehende und in ihrem Wesen entschiedene ~eschaftigungsweisendes Menschen waren, konnte man das Gesagte als einen sUnfug<>Duineser Elegiencc >>dasOffeneg nennt, hat mit dem, was das Denken des Wesens der &149&iaim Wort sdas Offenecc begreift, nur den Klang der gleichlautenden WGrter gemeinsam. Eine kurze Erlauterung des Rilkeschen Wortes vom >>Offenen<< kann dazu verhelfen, das jm Wesensbereich der &A.i\9eiagedachte >>Offenec< durch die entschiedene Abhebung gegen das Rilkesche Wort bestandiger zu denken und fur eine geklartere Besinnung bereitzuhalten. vor allem in der achten seiner Rilke spricht vom >>Offenen< Duineser Elegien, die bezeichnenderweise Rudolf Kassner zugeeignet ist. Eine durchgehende Auslegung dieser Elegie is; hier nicht beabsichtigt und auch nicht notig. Notig bleibt nur der eindeutige Hinweis darauf, da13 Rilkes Wort vom >>Offenena sich in aller Hinsicht unterscheidet von dem, was uber das >> Offeneain seinem Wesenszusammenhang mit der & L ~ $ E L ~ gedacht und im Sinne einer denkenden Frage zu denken ist. Der Beginn der achten Duineser Elegie lautet: Mit allen Augen sieht die Kreatur das Offene. Nur unsre Augen sind
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wie umgekehrt und ganz um sie gestellt als Fallen, rings um ihren freien Ausgang. Was drauDen ist, wir wissens aus des Tiers Antlitz allein; . . . Sogleich die ersten Verse der Elegie sagen, wem es gegeben ist, >>dasOffenecc zu sehen und wem nicht. Die Augen der >>Kreaturccund sunsrecc, d. h. der Menschen, Augen werden nach dieser Hinsicht in den Gegensatz gestellt. Was heil3t hier adie Kreaturcc? Creatura von creare heiBt >>dasGeschSpfc<. Creator ist der Schopfer. Die creatio, Schopfung in diesem Sinne, ist eine biblisch-christliche Grundbestimmung des Seienden. Omne ens est qua ens creatum, ausgenommen der ungeschaffene Schopfer selbst, summum ens. Creatura in der Bedeutung von ens creatum ist darnach auch der Mensch. Er ist nach dem biblischen Schopfungsbericht die zuletzt gebildete creatura. So bedeutet dann creatura soviel wie >>dieSchopfung>dieKrone der Schopfungcc eingeschlossen ist. In solcher Bedeutung begegnet uns das Wort creatura in der bekannten mittelalterlichen asequenzcc, Dies irae, dies illa, die von Thomas v. Celano in der ersten Halfte des 13. Jahrhunderts gedichtet worden. Von demselben stammt die beriihmte Lebensbeschreibung des hl. Franz v. Assisi. Die vierte Strophe des Dies irae, die vielleicht einige nach Verdis Komposition im Ohr haben, lautet: Mors stupebit et natura Cum resurget creatura Iudicanti responsura. Tod erstarrt und all Aufgehen Wann die Geschiipfe all erstehen Ihrem Richter Red zu stehen. Wenn nun aber Rilke >>dieKreaturcc in den Gegensatz zum Menschen bringt, und wenn dieser Gegensatz das einzige The-
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ma der achten Elegie ist, d a m kann das Won xdie Kreatur.: ni&t bedeuten creatura im Sinne des Ganzen der Schopfung. Die eindeutige Umgrenzung dieses Wortes in Rilkes Sprache ve.edangte eine Auslegung der xDuineser Elegienn als einheitli&e Dichtung, und zwar in ihrem Zusammenhang mit den oft no& weiter reichenden >>Sonettenan Orpheus.. Dazu ist hier ,i&t nur keine Gelegenheit, sondem es fehlen uns dafiir no& die >>hermeneutischen Voraussetzungencc, die zunachst aus Rilkes Dichtung selbst geschijpft werden miissen. Das Wort >>dieKreaturcc meint in Rilkes Dichtung >>die Ges&opfe>dieLebewesens unter AusschluD der Menschen. Dieser Wortgebrauch von nKreaturcc und >>GeschGpfn denkt nicht christlich-glaubig an die Schopfung durch den Schopfer, sondem )>dieKreaturcc und >>dasGeschopfcc sind Namen fur das Lebendige, das im Unterschied zum vemunftbegabten Lebewesen, dem Menschen, eigentiimlich >>hilflosccund >>armseligcc ist und sich nicht zu helfen weil3. )>DieKreaturcc ist vor allem >>dasTiercc.6 Es sei noch einmal betont: Kreatur ist hier nicht unterschieden gegen den ,creatorcc und daher auch nicht durch eine Unterscheidung zu Gott in Beziehung gebracht, sondern >>dieKreaturc
' Vgl. die *Meinex Kreatur, die Miicke, der *groBeu Vogel, Fledemaus. Vgl.Brief an L. SalomC, 1.111.1912 aus Duino: )>Tiere(und ~Engelcc.(Rainer Maria Rilke, Briefe aus den Jahren 1907 bis 1914. Hrsg. von Ruth SieberRilke und Carl Sieber, Leipzig 1933. Brief an Lou Andreas 5dorn6 aus Duino am 1. M a n 1912, S. 211 ff., insbesondere S. 212.) Fiir Rilke das menschliche *BewuDtseinu, die Vemunft, der 16yog, gerade die die den Menschen weniger vermogend sein 1aRt als das werden? Vgl. Brief aus Muzot vom 11. AUTier. Sollen wir also zu >Tieren<< @st 24, S. 282: ,,Gegengewi&tecc Vgl. die Nennung von Vageln, Kind, Geliebte. (Rainer Maria Rilke, Briefe aus Muzot. Hrsg. van Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber. Leipzig 1935. Brief aus Muzot an Nora Purtxher-Wydenbnck vom 11. August 1924.. S:277 ff.)
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Verhaltnis des Vermogens des Menschen und der >>Kreatur>Lebe-Wesen<< Offenen<<.Das >>Offene<< ist demnach jenes, was beide und alles Seiende durchwaltet; also doch das Sein? Allerdings. Aber deshalb liegt alles daran, daB wir uns besinnen, in welchem >>Sinne<< hier das Sein des Seienden erfahren und gesagt ist. >>DasOffenecc ist nicht ohne Bezug zur &A46~~a, wenn diese das noch verborgene Wesen des Seins ist. Wie konnte es anders sein? Aber >>dasOffene>Offenecc, das vordenkend als Wesen und Wahrheit der Bhfi9~ia selber gedacht ist, sind ins auoerste verschieden, so weit auseinander, wie der Anfang des abendlandischen Denkens und die Vollendung der abendlandischen Metaphysik - und dennoch und gerade zusammengehorig - das Selbe. >>Mitallen Augen sieht die Kreatur das Offene. Nur unsre Augen . . .<< sehen das Offene nicht und nicht unmittelbar. Der Mensch sieht das Offene so wenig, daS er erst des Tiers bedarf, um es zu sehen. Der folgende 5. und 6. Vers sagt klar: >>Wasdraul3en ist, wir wissens aus des Tiers Antlitz allein . . .<< Was Rilke mit dern Offenen meint, konnen wir nur verstehen und uberhaupt erst eigentlich fragen, wenn klar gesehen wird, daS der Dichter den Unterschied zwischen dern Tier und vernunftlosen Lebewesen iiberhaupt auf der einen und dern Menschen auf der anderen Seite im Blick hat. Guardini dagegen legt aus in einer Hinsicht, als werde in dieser Elegie aufgrund des Bezugs >>derKreaturcc - sol1 sagen des ens creatum gleichsam ein Beweis fur die iiberhaupt - zum >>Offenen<< Existenz des Schopfergottes gedichtet.
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Mit der Entgegenstellung von Tier und Mensch, vernunftlosen und vernunftigen Lebewesen, finden wir uns innerhalb einer Unterscheidung, deren anfangliche Gestalt im Griechenturn zu suchen ist. Wir kennen diese Unterscheidung bereits aus friiheren Erorterungen. Der Mensch ist darnach rb CQov hbyov E~ov,das von sich aus Aufgehende, das bei diesem Aufgehen und fur seinen Bezug zum Aufgegangenen >dasWort hatcc. >>Das Tier<>Verh'altnis Allein, zum Wesen einer Umkehrung (>>Revolution<<) gehort als Grundbedingung, daS gerade das, im Hinblick worauf umgekehrt wird, das Selbe bleibt und als das Selbe festgehalten wird. Das trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu. Denn das Offene, das Rilke meint, ist nicht das Offene im Sinne des Unverborgenen. Rilke weiS und ahnt nichts von der &h++&ia;er weiB und ahnt nichts davon, so wenig wie Nietzsche. Demnach verharrt Rilke ganz in den Grenzen der uberlieferten metaphysischen Bestimmung des Menschen und des Tieres. Rilke ubernimmt namlich diejenige Gestalt dieser Bestimmung die sich inzwischen durch die Neuzeit im 19. und 20. Jahrhundert verfestigt hat. Aus dern griechischen L@ov Myov EXOV ist das animal rationale geworden. Diese Wesensbestimmung des Menschen als des >>vernunftigenLebewesensg ist van der grie&s&en genauso weit entfernt wie die veritas
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und die certitudo von der 1%Tj8~ra.Der Mensch ist als animal rationale das rechnende, planende, dern Seienden als dern Gegenstandigen sich zuwendende, das Gegenstandige vor-sichstellende und es ordnende >>Tier<<. Das, wozu der Mensch sich verhalt, sind iiberall die Gegenstande, die Ob-jekte. Darin liegt: Uer Mensch selbst ist das >>Subjekta,das Wesen, das, sich auf sich selbst stellend, das Gegenstehende sich zustellt und es so sicherstellt. Rilke denkt den Menschen iiberall in diesem Sinne der neuzeitlichen Metaphysik. Diese gangige metaphysische Auffassung des Menschen ist iiberall die Voraussetzung fur den dichterischen Versuch, das Wesen des Menschen im Sinne der modernen biologischen Metaphysik zu deuten. Der Mensch ist das Lebewesen, das vor-stellend die Gegenstande sich zubring und irn Zubringen den Gegenstanden zuschaut, im verfolgenden Zuschauen die Gegenstiinde ordnet und im Ordnen das Geordnete als das jeweils Gemeisterte auf sich, d. h. den Menschen, zuriickstellt als Besitz. Irn SchluBstuck der Elegie ist dies alles eindeutig gesagt, und damit ist zugleich bezeugt, daS die Unterscheidung von Mensch und Tier, genauer die Deutung des Menschenwesens aus dern Tierwesen, das durchgangige Thema der Dichtung ist: >>Undwir: Zuschauer, immer, uberall, dern allen zugewandt und nie hinaus! Uns uberfullts. Wir ordnens. Es zerfallt. Wir ordnens wieder und zerfallen selbst. << Das entscheidende Wort dieser Versfolge lautet: . . . nund nie hinaus!cc, d. h. nie in ,das Offenecc, das >>dieKreaturcc >>mit allen Augen siehtcc, wogegen wir vom rhinausn und von dem, >>wasdraul3encc ist, >>ausdes Tiers Antlitz alleincc wissen k6nnen. Was meint Rilke also mit dern >>Offenen< Nach der nhchsten Bedeutung denken wir beim >>Offenen<< an das Geijffnete im Unterschied zum Verschlossenen. Geijffnet und offen ist uein Raumcc. In diesen Wesensbereich weist auch und gerade das Offene, wenn wir es als das Gelichtete im Sinne des Ent-
8. Die vierte Weisung: dm Offene, das Freie
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borgenen und Unverborgenen denken. Auf dern Gang des Denkens, das die dATjAilS~iaim Wesen denkt, wird einmal der Ort .,icht sein, wo wir fragen miissen, wie es mit dern Verhaltnis mischen dern Unverborgenen und dern Raum steht. Miissen wir das Unverborgene aus dern Wesen des Raumhaften denken, oder griindet das Raumhafte und aller Raum im Wesen der anfiinglicher erfahrenen M$S&ta? Das Off ene verweist jedenfalls auf Raumhaftes. Auch Rilkes Wort vom anie hin.us<>wasdrauBen ist. weist in diesen Bezirk. Uberdies sagt die Elegie: >> W i r haben nie, nicht einen einzigen Tag,
den reinen Raum vor uns, in den die Blumen unendlich aufgehn. << >>Unendlich>endloscc,ohne an einer bedeute t Grenze zu halten, als auch >>imGanzencc. >>Aufgehencc hier freilich nicht das griechisch gedachte (PGELV, sondern jenes xilufgehencc, durch das, wie das zergehende Stuck Zucker im Wasser, das Aufgehende sich auflost und aufsummiert im Ganzen der Luft und aller kosmischen Beziehungen. Dieses Aufgehen ist moglich, weil dern aLebewesena (Tier und Blume) nichts gegeniibersteht als Gegenstand, wodurch das Lebende stets auf sich selbst zuriickgewendet und in die Re-flexion gedriingt wird. Die mafigebende und alles tragende Grundbedeutung des Wortes ndas Offenen ist fiir Rilke das Grenzenlose, das Unendliche, worin die Lebewesen sich veratmen und ungehernmt in die unaufhaltsamen Beziehungen der Wirkungszusammenhiinge der Natm sich auflosen, um in diesem Grenzenlosen zu schweben. Zufolge dieser Grenzen-losigkeit n e w t Rilke das Tier >>dasfreie Tier<<.Inwiefern Rilke aber sagen kann: ~ M i allen t Augen sieht die Kreatur / das Offene., inwiefern ,das Offeneccsim Tiergesicht so tief istcc, das mag der Dichter dichterisch rechtfertigen. Was hier >>sehencc heil3en SOU, bediirfte einer AufheUung. Von Dunsren Augenr sagt Rilke, sie seien awie umgekehrt., sie gehen nicht fort in das
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Die vierte Weisung der &Ail6e~a
Gegenstandslose, sondern werden im Vor-stellen des Gegenstandes durch diesen auf sich selbst in der Gegenrichtung urngebogen. Wenn unsere Augen daher die Kreatur ansehen, wird die Kreatur als Gegenstand in das Vorstellen eingefangen, der nfreie Ausgang. des Kreaturblickes in das Offene wird durch unsere Vergegenstjhdlichung gesperrt und umstellt. Unsere in die er hineinfallt Augen sind fur den Tierblick >>Fallen<<, und worin er gefangen bleibt. >>Fallen<<, die zufallen, verschlieBen und verwehren das Offene. Was dieses meint, sagt uns am ehesten die Redewendung vom noffenen Meera. Dieses ist gewonnen, wenn alle Landgrenzen verschwunden sind. Das Offene ist das Fehlen und die Abwesenheit von Grenzen und Schranken, das Gegenstandslose, aber nicht als Mangel gedacht, sondern als das urspriingliche Ganze des Wirklichen, ir. das die Kreatur unmittelbar ein- und d. h. freigelassen ist. Der Mensch dagegen ist eingezwangt in die Beziehung der Objekte zu ihm als dern Subjekt, welche Beziehung das Ganze des von Rilke so genannten Offenen an den Stellen zu-stellt und verschlieSt, an denen sie vorkommt. Nach Rilke sieht das Tier mehr als der Mensch: Weil sein Blick durch keine Gegenstande angehalten ist, sondern, man weiB freilich nicht wie, endlos ins Gegenstandslose fortgehen kann, what es vor sich* das Grenzenlose. Ihm begegnet auf seinem Gang nie eine Grenze, also auch nicht der Tod. Das Tier ist rfrei von Todn bei seinem Fortgehen ins Grenzenlose, welches Fortgehen nie wie das menschliche Vorstellen zuriickgebogen wird und nie sieht, was hinter ihm ist. Das Grenzenlose im Ganzen laSt sich nach einer ungefahren Art zu reden auch rGotta nennen. So fallt in dieser Elegie das Wort: >> das freie Tier hat seinen Untergang stets hinter sich und vor sich Gott, und wenn es geht, so gehts in Ewigkeit, so wie die Brunnen gehen.<<
Das klingt alles sehr befremdlich und ist doch nur eine
$ 8 . Die vierte Weisung: das Offene, das Freie
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dichterische Gestaltung der biologischen P~pularmetaph~sik des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Nennen wir, wie es da auch geschieht und seit Descartes notwendig ist, das menschliche Vorstellen das seiner selbst bewuSte, in sich reflektierte BemStsein von Gegenstanden, d a m ist das Verhalten des Tieres das selbstbedtseinslose und in solchem Sinne u n b e d t e Driingen und Treiben der Triebe hinaus in die gegenstandlich unbestimrnte Drangrichtung. Dem Vorrang des freien Tieres vor dern gefkgnishaften und gefangenen Wesen des Menschen entspricht der Vorrang des UnbewuBten vor dern BewuBten. Der Geist der Schopenhauerschen Philosophie, vermittelt durch Nietzsche und die psychoanalytischen Lehren, steht hinter dieser Dichtung. Wenngleich die Metaphysik Nietzsches im Hinblick auf die Lehre vom Willen zur Macht aderhalb der Rilkeschen Dichtung bleibt, so waltet doch das eine entscheidende Gemeinsame, da13 das Wesen des Menschen aus dern Wesen des Tieres begrifEen, hier >>gedichtetcc,dort gedacht wird. Rein metaphysisch gesehen, d. h. im Hinblick auf die Auslegung des Seienden als die rational-irrationale Wirklichkeit, ist der Bereich der dichterischen Grunderfahrung Rilkes von dern der denkenden Grundstellung Nietzsches in nichts unterschieden. Beide sind, so wie die neuzeitliche und mittelalterliche Metaphysik iiberhaupt, vom Wesen der Wahrheit als M46e~aso entfernt als nur moglich. Weil jedoch die neuzeitliche Metaphysik in eins mit der mittelalterlichen metaphysischen Ausdeutung des Christentums auf demselben Grunde ruht, namlich auf der ins Romische umgedeuteten Metaphypik Platons und des Aristoteles, deshalb kann man leicht Rilkes Dichtung als den letzten Auslaufer der modernen Metaphysik im Sinne eines sakularisierten Christentums auslegen und dartun, daB das Sakularisierte eben nur ein Epiphanomen zum Urphanomen des Christentums sei. Rilkes Dichtung erscheint bei solcher Beleuchtung als eine Art verungliickten Christentums, dern nachgeholfen werden muD, auch auf die Gefahr, daI3 man bei - -
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Die vierte Weisung der 1%fi9sia
solcher Apologetik gegen das ausdriickliche Wort und den Willen des Dichters verstofit. Nun konnten andere entgegnen: Uns geht die christlich apologetische Ausmiinzung der Dichtungen Rilkes nichts an. Wir lehnen aber auch jeden Versuch ab, an die Dichtung den Mafistab einer >>Philosophiecc zu legen. Wir halten uns allein an das dichterisch-kiinstlerische Wort. - Das ist gewifi eine e&te und dern Dichter selbst entsprechende Haltung. Aber sie 1a13t doch eine Frage ungefragt. Sie lautet: Welche Verbindlichkeit eignet dern dichterischen Wort? Diese Frage griindet in der nocli wesentlicheren: Welche Wahrheit eignet der Dichtung als Dichtung? Die bloBe Berufung auf personliche Erlebnisse und Eindriicke, die eine nun einmal bestehende Vorliebe fur den Dichter als die letzte Stiitze der Giiltigkeit seines Wortes vorbringt, dies alles ist zu wenig, d. h. hier, es ist uberhaupt nichts in einem Zeitalter, in dern nicht nur Sein oder Nichtsein eines Volkes zur Entscheidung steht, sondern all dern voraus das Wesen und die Wahrheit von Sein und Nichtsein selbst und schlechthin auf dern Spiele stehen. So konnte es denn gewichtiger, weil objektiver, bleiben, Rilkes Dichtung in die Uberlieferung des christlichen BewuBtseins einzufiigen, statt sie den subjektiven >>Erlebnissenccdes ratlosen Einzelnen auszuliefern. Allerdings dachten wir zu kurz und schief zugleich, wollten wir der Meinung huldigen, der Hinweis auf Rilkes Wort vom >>Offenen<< verfolge die Absicht, die Dichtung mit dem Zollstab philosophischer Begriffe abzumessen und nach diesem MaR zu beurteilen und gar zu verurteilen. Allerdings wurde Rilkes Wort vom >>Offenen<< zurn Wesensumkreis der &Afibeia in Beziehung gebracht. Die Frage bleibt, ob dies nur ein sogenannter philosophischer Begriff sei, oder ob nicht inzwischen auf dern Gang der bisherigen Besinnung klarer wurde, daB dieses Wort ein Ereignis nennt, in dessen Bereich auch noch Rilkes Wort vom >>Offenen<< gehort, so wie jedes abendliche Wort, das vom Sein und der Wahrheit sagt, mag dieses Sagen
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das letzte Enittern jenes Ereignisses noch erfahren und wissen oder Iiingst vergessen haben. Zwischen dern, was Rilke >>dasOffenecc nennt, und dem Offenen im Sinne der Unverborgenheit des Seienden gahnt freilich eine Khft.. Das in der &A4q&ia wesende >>Offene> das Wort hat cc. Doch mit dem Hinweis auf den AusschluB des Tieres aus dern Wesensbereich der Unverborgenheit beginnt erst das Ratsel alles Lebendigen als Ratsel uns aufzugehen. Denn das Tier ist auf seinen Nahrungs- und Beute- und Geschlechtskreis bezogen und wesentlich anders darauf bezogen, als der Stein auf den Erdboden bezogen ist, dern er aufliegt. Im Umkreis des durch Pflanze und Tier gekennzeichneten Lebendigen fin-
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den wir jenes eigentiimliche Sichregen einer Regsamkeit, der gemaJ3 das Lebendige >>auf-geregtcrist, d. h. erregt zu einem Aufgehen in einem Umkreis der Erregbarkeit, aufgrund welcher Erregbarkeit es anderes in den Umkreis seines Sichregens einbezieht. Keine Regsarnkeit und Erregbarkeit von Pflanze und Tier bringen das Lebendige jemals in das Freie dergestalt, daB das Auf-geregte je das Erregende auch nur das >>seiner lassen konnte, was es als Erregendes ist, von dern zu schweigen, was es vor dern Erregen und ohne dieses ist. Pflanze und Tier hangen in einem Aderhalb ihrer, ohne weder das DrauBen noch das Drinnen je zu >>sehenc<, d. h. als Anblick unverborgen im Freien des Seins stehen zu haben. Niemals kann ein Stein, sowenig wie ein Flugzeug, je der Sonne zu jubilierend sich erheben und sich regen wie die Lerche, und dennoch sieht sie nicht das Offene. Was sie >>siehtcrund wie sie sieht und was nennen, da wir an ihr >>Augencc das ist, was wir da >>sehen>Tier<< im weiteren Sinne erfahren aus Griinden, die zuriickweisen in die Art, wie das Sein selbst anfanglich sich enthullt. Weil nun aber der Mensch in der Metaphysik als das verniinftige Tier erfahren und gedacht wird, deshalb wird die Tierheit jedesmal am MaBstab der Vernunftigkeit als das Unverniinftige, Vernunftlose, und d. h. zugleich in der Entsprechung zur menschlichen Verstandigkeit und Triebhaftigkeit, ausgelegt. So bleibt in der Metaphysik und in ihrem Gefolge fur alle Wissenschaft das Geheimnis des Lebendigen aul3er der Acht; denn entweder werden die Lebewesen dern Angriff der Chemie ausgesetzt oder sie werden in den Gesichtskreis der >>Psychologieccversetzt. Auf beiden Wegen gibt man
vor, das Ratsel des Lebens zu suchen. Man wird es niemals finden; nicht nur deshalb nicht, weil jede Wissenschaft nur immer an das Vorletzte gefesselt bleibt und das Letzte als Erstes voraus-setzen muB, sondern auch deshalb wird man das Ratsel des Lebens so nie finden, weil man zuvor das Geheimnis des Lebendigen preisgegeben hat. Weil auch in Rilkes Dichtung die Wesensgrenze zwischen dern Geheimnis des Lebendigen (Pflanze - Tier) und dern Geheimnis des Geschichtlichen, d. h. dern Menschen, weder erfahren noch innegehalten wird, erreicht dieses dichtende Wort nirgends die Gipfelhijhe einer geschichtegriindenden Entscheidung. Fast will es scheinen, als sei in dieser Dichtung eine grenzen- und grundlose Vermenschung des Tieres am Werk, durch die das Tier im Hinblick auf die urspriingliche Erfahrung des Seienden im Ganzen sogar uber den Menschen gestellt und in gewisser Weise zum >>Uber-menschen>WasdrauBen ist, wir wissens aus des Tiers Antlitz allein; . . .c< Hier ware zu fragen: Wer sind die, die da irn >>wirccsprechen? >>Wircc- die modernen Menschen der neuzeitlichen Metaphysik, deren Menschentum im Hinblick auf die Wesenserfahrung des Seins in der Sackgasse der Seinsvergessenheit sich verlaufen hat. Im Verhaltnis des heutigen Menschen zu Rilkes Dichtung ist oft vie1 Ernst und Bemuhen, aber nicht weniger Verwirrung, Gedankenlosigkeit und Flucht. Man genieBt Worter und bedenkt nicht das Wort. So redet man unbedacht vom >>Offenen<< und fragt nicht, welche Bewandtnis es mit der Offenheit des Offenen habe, ob sie nur den endosen Fortgang der Unabgegrenztheit der Gegenstkde bedeute oder ob im Wort vom >>Offenen<< die Unverborgenheit gedacht sei, die uberhaupt erst Gegenstkde in eine Gegenstkdlichkeit freigibt als das Freie, ohne das nicht einmal das Nichts in sein Unwesen aufragen und uberallhin seine Drohung urnherjagen konnte.
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Die vierte Weisung der .hAi$k~a
5 9. Das Hereinblicken des Seim in das Offene
>>WasdrauBen istcc und was uberhaupt wistcc, sei es >>draw Bencc oder >>drinnenccoder in keinem >>Raumcc,das wissen wir nur aus dem Wissen des Seins, das selbst west als das Freie, in dessen Lichtung das Seieiide den Eingang zur Unverborgenheit und aus dieser den Aufgang zum Erscheinen und mit diesem den Fug der Anwesung findet.
$9. @E& - 'Alfi6~ia. Das Hereinblicken des Seins in dm von ihm gelichtete Offene. Die Weisung des Hinweises auf das Wort des Parmenides: Die Fahrt des Denkers zum Haus der 'Ahfi6~iaund sein Hindenken zum Anfang. Das Sagen des Anfangs der abendliindischen Sage Wir vermogen jetzt vielleicht schon um einiges deutlicher zu sehen. Das im Wesen der irhfi6Eia waltende Offene ist deshalb so schwer zu erblicken, weil es uns nicht nur am nachsten bleibt, sondern alles Nachste und Nahe, gleichwie das Ferne, erst lichtet und also gewahrt. Aber diese Schwierigkeit fur das Erblicken des Offenen ist nur das Zeichen dafur, daB, was hier in unseren Wesensblick kommen mochte, durch uns eher um seine Ankunft gebracht wird, weil uns noch die Befugnis abgeht fur das, was als das Sein selbst sich uns s t a d i g schon zugefugt hat und deshalb zugleich auch immer neu sich entzieht, ohne da8 wir dieses Ereignis ahnen. Gleichwohl konnen wir jetzt eher vielleicht das eine Einfache bedenken und behalten, da13 niimlich die irAt8ela ist das Hereinblicken des Seins in das von ihm selbst und als es selbst gelichtete Offene, offen fur das Unverborgene alles Erscheinens. Was cc sein? solchen Wesens ist, wie sollte das nur ein bloI3er >>Begriff Die voraufgegangene Besinnung galt nur dem einen Bemiihen; zu dieser staunenden Frage in denkender Erfahrung zu gelangen. Die 'Ahq6~iaist 8E&,ist Gottin. Wohl aber doch nur fur die Griechen und selbst bei ihnen nur fiir einige ihrer Denker. Die
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Wahrheit - eine Gottin im griechischen Sinne fur die Griechen - allerdings. Was aber ist das Wesen der Wahrheit fiir uns? - Wir wissen es nicht, weil wir weder uber das Wesen der Wahrheit noch uber uns versthdigt sind und nicht wissen, wer wir selbst sind. Vielleicht ist diese zwiefache Unwissenheit uber die Wahrheit und uber uns selbst eine einzige und dieselbe. Doch ist es schon gut, dieses Nichtwissen zu wissen, und zwar des Seins wegen, dem die Ehrfurcht des Denkens gehiirt. Denken ist kein Wissen, aber vielleicht wesentlicher als das Wissen, weil naher dem Sein in jener Nahe, die verhiillt ist von Ferne. Wir wissen es nicht, das Wesen der Wahrheit. Deshalb ist es notig, da13 wir darnach fragen und auf diese Frage in einer Weise gestol3en werden, daB wir dabei erfahren, welches die geringste Bedingung ist, die erfullt sein mu8, wenn wir uns anschicken, das Wesen der Wahrheit einer Frage zu wiirdigen. Die Bedingung ist, daB wir Denkende werden. Die versuchte Besinnung geht auf eine Eisicht zusammen. Nach ihr durfen wir das Wesen der Wahrheit nur denken, wenn wir an die auBersten R k d e r des Seienden im Ganzen treten. Da erkennen wir, da13 ein Augenblick der Geschichte nahe ist, dessen Einzigkeit sich keineswegs nur und erst aus dem Zustand der seienden Welt und unserer eigenen Geschichte in ihr bestimmt. Es >>gehtccnicht nur >>umccdas Sein und Nichtsein unseres geschichtlichen Volkes, es >>gehtccnicht nur >>urn<< das Sein oder Nichtsein einer >>europaischencc >>Kulturcc, denn dabei geht es immer schon und nus um Seiendes. All diesem zuvor und anfhglich steht zur Entscheidung: das Sein und Nichtsein selbst, das Sein und das Nichtsein in ihrem Wesen, in der Wahrheit ihres Wesens. Wie soll Seiendes gerettet und in das Freie seines Wesens geborgen werden, wenn das Wesen des Seins unentschieden, ungefragt und gar vergessen ist? Ohne die Wahrheit des Seins ist nie eine Bestandigkeit des Seienden, ohne die Wahrheit des Seins und ohne das Sein und
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Die vierte Weisung der &A.j9e~a
Wesen der Wahrheit bleibt selbst die Entscheidung uber das Sein und Nichtsein eines Seienden ohne das Offene der Freiheit, aus der alle Geschichte anfkgt. Die Frage kehrt wieder: Was ist das Wesen der Wahrheit fur uns? Die Vorlesung sollte erst nur einen Hinweis auf den Bereich geben, aus dem das Wort des Parmenides spricht. Die Weisung des Hinweises ging auf das, wohin der anfangliche Denker unterwegs ist. Das ist das Haus der Gottin 'Ah.j6~~a. Von diesem Haus her empfangt dann auch die eigentliche Fahrt seines Erfahrens erst die Wegweisung. Das Haus der Gottin ist der Ort der ersten Ankunft der denkenden Wanderung. Dasselbe Haus ist der Ausgang fur die Ausfahrt des Denkens, das alle Beziige zum Seienden austragt. Das Wesen dieses Hauses wird durch die Gijttin durchstimmt. Ihr Wohnen erst macht das Haus zu dem Haus, das es ist. Im Wohnen der Gijttin. Sie ist das sich darjedoch erfullt sich das >>Wesen<< gebende und also einwohnende Hereinblicken des Lichten in ist die allen Aufgang und jedes das Lichtlose. Die 'Ah46~~a Erscheinen und Entschwinden in sich bergende Entbergung. Die ' A h t 6 ~ ~ist a das Wesen des Wahren: die Wahrheit. Diese west in allem Wesenden und ist das Wesen alles >>Wesenscc: die Wesenheit. Sie zu erfahren ist die Bestimmung des Denkers, der anfznglich denkt. Sein Denken weil3 in der Wesenheit das Wesen der Wahrheit (nicht nur das des Wahren) als die Wahrheit des Wesens. Als das Wesen des Aufgangs (cp6arq) ist die 'Ah.jba~ader Anfang selbst. Die Fahrt zum Hause der Gijttin ist das Hindenken zum Anfang. Der Denker denkt den Anfang, insofern er an die 'Al.il9sia denkt. Solches Andenken ist uberall der einzige Gedanke des Denkens. Dieser Gedanke geht als der Spruch des Denkers ein in das Wort der abendlandischen Sage. Diese Sage sagt das Wesen der Geschichte, die, weil sie das Geschicht des Seins bleibt und das Sein nur unversehens sich lichtet, stets im Unversehlichen der Anfange des Anfangs
5 9. Das Hereinblicken des sezns zn aas Offene
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ereignet wird. Die aus dem anfiinglichen Wesen der Lichtung des Seins gestimmte Geschichte schickt das Seiende immer wieder und immer nur in das Geschick des Unterganges in langhii w&rende Verbergungen. Diesem Geschick gemaD walten hier die Untergiinge, die Abende der anfiinglichen Aufgiinge. Das Land, das von dieser Geschichte in ihren Zeit-Raum einbezogen und darin geborgen wird, ist das Abend-land nach einem anfiinglichen (d. h. nach dem seinsgeschichtlichen) Sinn dieses Wortes. Die abendYbdische Sage sagt den Anfang, d. h. das no& verborgene Wesen der Wahrheit des Seins. Das Wort der abendlandischen Sage verwahrt die Zugehorigkeit des abendlkdischen Menschentums zum Hausbezirk der Gottin 'AhilSe~a.
[Der folgende Text ist ein erster Entwurf zur Wiederholung von Seite 114, Zeile 10, bis Seite 117, Zeile 9, den Martin Heidegger nicht vorgetragen hatte. Hrsg.] die Welt und denkt sie erlebend, Der moderne Mensch >>erlebt>subjecturn<<. Der neuzeitliche Mensch ist in seinem Wesen das >>Subjektcc.Nur weil er >>Subjektcrist, kann das Ich und die Ichheit des Menschen wesentlich werden. Aber dadurch, daI3 dem Ich das Du entgegen gesetzt und das Ich so in Schranken gewiesen wird und so die Ich-Du-Beziehung zur Geltung kommt, dadurch, daI3 an die Stelle des Einzelnen die Gemeinschaft, die Nation, das Volk, die Kontinente und der Planet treten, wird, metaphysisch begriffen, die Subjektivitat des neuzeitlichen Menschen in keiner Weise aufgehoben, sondern allererst in ihre Unbedingtheit ubergefuhrt. An die Stelle des wesenhaften Denkens riickt die >>Anthropologiecc,die englisch-amerikanische Form derselben ist die Soziologie. Nur wo der Mensch zum Subjekt geworden, wird das nicht menschliche Seiende zum Objekt. Nur im Bereich der Subjektivitht kann ein Zwist uber die Objektivitat und ihre Geltung und ihren Nutzen und Schaden entstehen und dariiber verhandelt werden, ob die Objektivitat jeweils einen Nutzen oder Schaden bringe. Weil nun aber im Griechentum das Wesen des Menschen bestimmt ist, wird dem neuzeitlichen >>Dennicht als >>Subjektcc kencc die Erkenntnis des Anfangs des geschichtlichen Abendlandes schwer und befremdlich,vorausgesetzt, daI3 das moderne >>Erlebencc nicht einfach seine >>Erlebnissecc in das Griechentum zuriickdeutet und so tut, als stunde es mit dem Griechentum auf Du und Du, nur weil der moderne Mensch in den GroBstadten des Planeten von Zeit zu Zeit >>Olympiaden<< veranstaltet. Hier ist nur noch die Fassade des abgeleiteten Titels griechisch. Damit ist nichts gegen die Olympiaden selbst gesagt.
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Zusatz
Zusatz
wohl aber gegen die Irrmeinung, dergleichen habe irgendeinen Bezug zum griechischen Wesen. Dieses aber mussen wir wissen, wenn wir das ganz andere Wesen der neuzeitlichen Geschichte erkennen, d. h. zugleich unser eigenes Geschick in seiner Wesensbestimmtheit,erfahren wollen. Diese Aufgabe ist jedoch zu unheimlich und zu ernst, als daf3 auch nur im geringsten auf das gedankenlose Meinen und Schwatzen eine Rucksicht genommen werden konnte. Wer das in diesen Vorlesungen Gesagte als das aufnimmt, als was es allein gesagt ist, als ein Wort des Aufmerkens und der beginnenden Achtsamkeit im Denken, wird mit der Zeit auch lernen, die allzu rasch sich vordrangenden klaglichen ~Affektecceiner gedankenlosen und schwatzhaften ))Stellungnahmeccauszuschalten. Wer nur hier sitzt, um etwas fur seine politischen oder antipolitischen, fur seine religiosen oder antireligiosen, fur seine wissenschaftlichen oder antiwissenschaftlichen Affekte aufzuschnappen, der irrt und vertauscht das, was er gerade an einem solchen Nachmittag meint, mit dem, was seit dern geschichtlichen Anfang des Abendlandes in zweiundeinhalb Jahrtausenden seiner Geschichte als das zu Denkende aufgegeben ist. Freilich darf die Tatsache der da und dort umlaufenden Albernheit fur den Nachdenkenden kein Grund sein zu dern Verzicht, das Wesenhafte in den Wesensblick zu bringen. Das lose Geschwatz 1aBt sich nicht unterbinden. Insgleichen aber gefiihrdet auch die Rucksichtnahme auf das Niveau der Denkfaulen das wesenhafte Denken. Man hat aus den Erorterungen iiber >>dasRomischecc eine Feindseligkeit gegen B das Christlichecc herausgehort. Es bleibe der Theologie uberlassen, dariiber nachzudenken, ob die hier versuchte Besinnung auf das Wesen der Wahrheit, in ihrem Zusarnmenhang gedacht, fur die Bewahrung des Christlichen nicht fruchtbarer sein kinnte als die irregeleitete Sucht, auf der modernen Atomphysik neue >>wissenschaftlichc der >>Basis<< fundierte Beweise fiir das Dasein Gottes und fiir die >>Willensfreiheitcc zu konstruieren.
Anfanglich stimmt und bestimmt das aufgehende Wesen des Seins die Weise der Berpng des Unverborgenen als das Wort. Das Wesen des Wortes stimmt und bestimmt erst das Wesen des ihm entsprechenden Menschentums und weist dieses so in die Geschichte, d. h. in den Wesensanfang und WandeI des Wesens der Wahrheit des Seienden. Nicht aber gibt es irgendwo ein Menschentum, das sich eine Ansicht iiber das Sein bildet und dann mit dieser Ansicht sich ausstattet, als sei das Sein und die Ansicht von ihm dergleichen wie das Horn, das sich am Ochsen ausbildet und mit dern er dann vegetiert. Nur weil das Sein und die Wahrheit des Seins wesentlich ist uber alle Menschen und Menschentumer hinweg, nur deshalb kann es, nur demzufolge erst mul3 es, wo der Mensch als geschichtlicher zur Wahrung der Wahrheit des Seins bestimmt ist, das >>Seinccoder ~Nichtseinccdes Menschenwesens auch >>urn<< sgehencc. Ein Untergang wird nie dadurch iiberwunden, daO er nur aufgehalten und gleichsam gebremst und in einen Fortschritt weitergeleitet wird und in >>schonereZeitencc. Aller Fortschritt konnte nur ein Wegschreiten sein, *fort vom<<Wesensbereich des Anfangs. Nur im Angesicht des Anfangs 1aBt sich der Untergang denken und erfahren. Der Untergang ist nur iiberwindbar, aber er ist dann auch schon uberwunden, wenn der Anfang gerettet ist. Der Anfang aber ist nur zu retten, wenn er der Anfang sein kann, der er ist. Der Anfan'g ist nur anfinglich, wenn das Denken selbst und der Mensch in seinem Wesen anfanglich denkt. Das bedeutet nicht das Unmiigliche, den ersten Anfang im Sinne einer Erneuerung des Griechentums zu wiederholen und ins Heutige zu versetzen, sondern heil3t: anfanglich denkend in die Auseinandersetzung und die Zwiesprache mit dern Anfang eingehen, um die Stimme der kiinftigen Stimmung und Bestimrnung zu vernehrnen. Diese Stimme wird nur dort erfahren, wo Erfahrung ist. Die Erfahrung aber ist in ihrem Wesen der Schmerz, in dern das wesenhafte Anderssein des Seienden gegenuber dern Gewohnten sich enthiillt. Die hichste Gestalt des Schmerzes
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aber ist das Sterben des Todes, der das Menschsein opfert fur die Wahrung der Wahrheit des Seins. Dieses Opfer ist die reinste Erfahrung der Stimme des Seins. Wie aber, wenn dasjenige geschichtliche Menschentum, das gleich den Griechen zum Dichten und Denken berufen ist, das deutsche, wie aber. wenn dieses zuerst die Stimme des Seins vernehmen muB! Mussen dann nicht hier die Opfer sein, gleichviel, durch welche Ursachen im nachsten sie ausgelost werden, da das Opfer in sich sein eigenes Wesen hat und keiner Ziele und keines Nutzens bedarf! Wie also, wenn in unserer geschichtlichen Bestimmung die Stimme des Anfangs sich ankiindigte? Wie aber, wenn der Anfang in die Vergessenheit gefallen ware? Mussen wir dann nicht auch erst erfahren, da13 das Vergessen nicht eine blol3e Nachlassigkeit und ein Versaumnis des Menschen ist, sondern ein Ereignis, das zum Wesen des Seins selbst, und d. h. zur Unverborgenheit, gehort? Wie, wenn nicht nur der Mensch das Wesen des Seins vergessen, sondern wenn das Sein selbst den Menschen vergessen und ihn in die Selbstvergessenheit losgelassen hatte? Reden wir hier von der A48q nur zur gelehrten Unterhaltung? Die Griechen schwiegen vie1 uber die Aq8q. Zuweilen aber sagen sie ein Wort. Hesiod nennt sie in eins mit A1p65, dem Ausbleib der Speise als eine der TGchter der verhiillenden Nacht. Pindar sagt von ihr und weist unserem Blick die Richtung in ihr verborgenes Wesen.
NACHWORT DES HERAUSGEBERS
Der vorliegende Band 54 der ~Gesamtausgabeccenthalt den bislang unverijffentlichten Text der Vorlesung, die Martin Heidegger einstundig im Wintersemester 1942143 unter dem Titel >>Parmenidesund Heraklitcc an der Universitat Freiburg i. B. gehalten hat. Wegen der fast ganzlichen Auseinandersetzung mit Parmenides wurde als Titel fur den vorliegenden Band ,Parmenidesa bevonugt. Der Band erscheint an achtzehnter Stelle in der Reihe der >> Gesamtausgabecc. Dem Herausgeber lagen die von ihrem Verfasser vierundachtzig paginierten Manuskriptseiten zur Vorlesung und vierunddreiI3ig Manuskriptseiten zu den 'Wiederholungen vor. Martin Heidegger hatte nicht fur alle Vorlesungen Wiederholungen angefertigt. Die Wiederholungen wurden in die vom Verfasser angegebenen Seiten der Vorlesungstexte eingebaut. Der jeweilige Zeilenschnitt auf den angegebenen Seiten oblag dem Herausgeber. Die Manuskripte bestehen aus quer beschriebenen Seiten im Folioformat. Die rechten Seitenhaften enthalten zahlreiche ineinandergeschachtelte Einschube, deren Anschlusse im Text von Martin Heidegger jeweils angezeigt worden sind. Hinzugetreten ist als >>Zusatzccein von Martin Heidegger nicht in der Vorlesung vorgetragener und von ihm mit ~blol3er Entwurfa bezeichneter Text einer Wiederholung, der fiir die Seiten 114 Zeile 10 bis 117 Zeile 9 im vorliegenden Text bestimmt war. Dem Herausgeber lagen ferner vor maschinenschriftli&e Abschriften aller oben genannter Manuskripte. Sie wurden zweimal mit den Manuskripten kollationiert. Einige in ,den Abschriften noch fehlende Manuskriptstellen wurden an den vom Verfasser angegebenen Stellen hinzugefiigt.
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Nachwort des Herausgebers
Martin Heidegger hatte die maschinenschriftliche Abschrift der Vorlesung wiihrend der Vorbereitung zur Vorlesung iiber den Logos des Heraklit (vgl. aGesamtausgabea Band 55) durchgesehen. An zahlreichen Stellen der Abschrift hatte er die Vorlesung durch teils kleinere, teils grol3ere Einschube a letzter Hand no& e r g k t . Sie wurden vom Herausgeber er ziffert und ausnahmslos im vorliegenden Text beriicksichtigt. Die Paragraphen-Einteilung, Untergliederungen sowie alle Titelformulierungen stammen vom Herausgeber. Die letzteren halten sich eng an den Vorlesungstext Martin Heideggers. Seinem Wunsche gems wurde auch diesem Bande ein at fiihrliches Inhaltsverzeichnis vorangestellt, das, zusammen n den Gliederungen im Text, den Aufbau der Vorlesung de Leser deutlich sichtbar machen soll. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Bande sei a den Aufsatz ~ M o i r a(Parmenides Fragment VIII, -1 hingewiesen, der in avortrage und Aufsatzeo: 1954 (4. Auflage 1978) im Verlag Giinther Neske erschien. Fiir die Hilfe, die mir wiihrend ,der Herausgabe des Textes zuteil wurde, mochte icrh Herrn Dr. H. Heidegger, H e m Dr. H. Tietjen und H e m Pfarrer W. Deyhle fiir die Durchsicht meines Typoskriptes, Herrn Prof. F.-W. von Herrmann fur die Beantwortung von Entzifferungsfragen meinen henlichen Dank abstatten. Desgleichen danke ich Herrn Prof. Dr. Francis B. Vawter, C.M. von der De Paul University, fiir technische Hilfe.
I De Paul University, Chicago, Oktober 1981
i Manfred S. Frings