OTTO ZIERER
BILD DER JAHRHUNDERTE EINE WELTGESCHICHTE IN 19 EINZEL- UND 11 DOPPELBÄNDEN
AUSSAAT IM ERDKREIS Unter die...
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OTTO ZIERER
BILD DER JAHRHUNDERTE EINE WELTGESCHICHTE IN 19 EINZEL- UND 11 DOPPELBÄNDEN
AUSSAAT IM ERDKREIS Unter diesem Titel ist jetzt der 4, Band des volkstümlichen GeschichtsWerkes „Bild der Jahrhunderte" erschienen. Das Zeitalter Alexanders des Großen wird hier in spannungsgeladener, farbenprächtiger Schilderung dargestellt
Das streitzerrissene Griechentum wird die Beute des militärisch kraftvollen Nachbarstaates Makedonien. Alexander führt noch einmal das Hellenentum in der Idee des Freiheitskampfes gegen den Orient zusammen, Geist und Kultur der Griechen beeinflussen die Länder des Ostens bis zum fernen Indien. Mit dem frühen Ende Alexanders versinkt die hellenistische Welt in Entzweiung und Ohnmacht. Zur selben Zeit aber beginnt die kleine Bauernstadt Rom über ihre Mauern hinauszuwachsen.
Auch dieser Band ist in sich vollkommen abgeschlossen und enthält wieder ausgezeichnete Kunstdrucktafeln und zuverlässige historische Karten. Er kostet in der gleichen gediegenen Ausstattung wie die anderen Bände in der kartonierten Ausgabe mit zweifarbigem, lackiertem Einband DM 2.95 und in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung und farbigem Schutzumschlag DM 3.60. Prospekt kostenlos vom
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU/MÜNCHEN
K L E I N E B I B L I O T H E K DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L T U R K U N D L I C H E
HEFTE
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU / MÜNCHEN
Palolo-Wurm
Der Palolo und der Mond ber die Kette der Samoainseln weht der Südwestpassat. In den Barianenwäldern am Strande von Tutuila, dem Eiland, das weit im Osten die Perlenschnur der vulkanischen Inseln abschließt, feiern die Eingeborenen das Fest der Wiederkehr des „Wurmes". Der warme Wind trägt den dumpfen Klang der Bambuspauken durch die Nacht, um die Freudenfeuer tanzen blütengeschmückt die Jünglinge und Madehen. Selbst die Alten finden heute nicht in die Hütten. Sie hocken rings um den Festplatz, und ihre Körper bewegen sich im Takt der tanzenden Schatten. Als gegen Mitternacht der Mond aus dem Großen Ozean heraufsteigt, zeigt er genau die linke Halbscheibe; er beginnt das letzte Viertel. Weit draußen vor der Küste auf den Korallenriffen schweift der Blick der ausgestellten Wächter nun schärfer über das anbrandende Wasser. Vom Südatoll kommt ein Feuerzeichen. Eine Fackel schwingt wild im Kreise. Rufe übertönen das Orgeln der Brandung und dringen undeutlich an Land. Was sie verkünden, weiß jeder; grell wirbeln nun die Pauken. Von den Tanzplätzen stürzen die Menschen zu den Booten. Der „Wurm" ist gesichtet und nähert sich mit der Dünung rasch der Küste. Schon haben die ersten Kähne das heranschwimmende Gewühl erreicht. Die Ruder werden eingezogen; an ein Vorwärtskommen ist nicht mehr zu denken. In der schäumenden ', Masse von Millionen und Abermillionen graugrüner und gelblicher Würmer bleibt jedes Fahrzeug stecken. „Pa .. lolo!" schreien die Männer, beugen sich über den Bootsrand und schöpfen mit Eimern die Würmer aus dem Meer in die Kähne. „Pa . . lolo!" Das heißt so viel wie der platzende, der reich mit | 2
Eiern gefüllte Wurm. Regelmäßig im Oktober und November, in den Frühlingsmonaten dieser glückseligen Inseln, wird er „geerntet". Viele Anzeichen künden sein Kommen: wenn nämlich der Erythrinastrauch seine scharlachroten Blüten öffnet und die Sisimyrthe zu blühen beginnt und der Mond ins letzte Viertel hinüberwechselt, dann weiß man, daß der Wurm zu erwarten ist. Merkwürdig ist diese Pünktlichkeit und wie von einer rätselhaften Uhr bestimmt. Noch eigenartiger aber ist der Wurm selbst: ein schwimmendes Borstentier ohne Kopf, ein Geschöpf, das sich bald in seine einzelnen Wurmglieder auflöst, die jäh zerplatzen, eine Flut von Eiern und Samenmilch, ähnlich dem Rogen und der Milch beim Hering, in das Meer ergießen, damit sie sich vereinigen, und gleich darauf leer und lasch zur Tiefe sinken. Ein Wurm, der von einem Wurm ausgeschickt wurde! Denn in Wirklichkeit ist dieses seltsame Geschöpf nur ein auf die Reise geschickter Hochzeiter, das eigentliche Wurmtier verläßt niemals seinen angestammten Platz zwischen den Korallen der Atolle. Dieses Ringelwurmtier aus der Familie der Borstenwürmer, in der lateinischen Fachsprache der Tierkunde „Eunice viridis" genannt, ist so fest an das Korallenriff gebunden wie eine Pflanze an das Erdreich. Und da die Männchen und Weibchen sich unter diesen Umständen niemals begegnen würden, schnürt der „angewurzelte" Palolo im Frühjahr zur festgelegten Zeit einfach seine reifen hinteren Körperteile ab und schickt sie als einen selbständigen Wurm von etwa vierzig Zentimeter Länge auf die kurze Hochzeits-Seereise. Die graugrünen Palolowürmer sind die weiblichen, und die gelblichen Würmer die männlichen Körperhinterenden. Diese abgestoßenen Körperteile bildet der Wurm bald wieder neu; er ersetzt sie durch Regeneration, jenes wundersame Vermögen vieler niederen Lebewesen, verlorengegangene Körperteile aus eigener Kraft wieder neu hervorwachsen zu lassen. Der Regenwurm mit seinem in viele Abschnitte geteilten Leib — übrigens ein entfernter Verwandter des Palolo — ist in unseren Breiten der bekannteste Vertreter solcher immer wieder nachwachsenden und sich ergänzenden Tierwesen. Umsonst haben sich bis heute viele angesehene Forscher bemüht, die Pünktlichkeit des Erscheinens und den auffälligen Zusammenhang mit dem Stand des Mondes zu klären. Der Wissenschaftler nennt ein solch regelmäßiges Zusammentreffen von Lebensvorgängen mit ganz bestimmten Mondständen Lunarperiodizität (luna = Mond, Periodizität = Wiederkehr in bestimmten Zeitabständen). Durch 3
viele Versuche wnrde festgestellt, daß weder Flut noch Ebbe, weder die mit dem Mondwechsel verbundenen Schwankungen der Luftelektrizität noch das Licht des Mondes selbst einen entscheidenden Einfluß auf den Wurm ausüben. Es tauchten deshalb Vermutungen über mystische Zusammenhänge zwischen dem Leben des Korallentieres und dem Erdtrabanten auf, aber sie gehören alle ins Reich der Fabel. Da jedoch nicht zu bezweifeln ist, daß nicht nur der Palolo der Samoainseln, sondern auch der Atlantisehe Palolo, der im Antillenmeer südlich Florida an den Strand treibt, und der Japanische Palolo, der an den chinesischen Küsten gefangen wird, in enger Verbindung mit bestimmten Mondphasen erscheinen, bleibt diese Beziehung zwischen Mond und Wurm ein Rätsel. Vielleicht hat der Naturforscher France recht, der annimmt, daß der mit diesen Mondphasen zusammenhängende niedrige Wasserstand die Würmer zum Laichen anregt. In dieser Zeit liegen die sonst ständig vom Wasser umspülten Korallenriffe teilweise über der Flut und im Trockenen. Trockenheit aber scheint die Palolowürmer zum Laichen anzureizen. Doch das sind Probleme, um die sich die Eingeborenen der Südseeinseln keine Gedanken machen. Sie erhitzen sich höchstens über die Frage, ob der geheimnisvolle Wurm roh oder gekocht oder in Blättern geröstet am besten schmeckt; denn der Palolo ist alljährlich einer der festlichsten Leckerbissen der samoanischen Küsten. Von weither kommen zur Zeit der „Ernte" die Handelsleute, um die Ware einzukaufen und damit die Lebensmittelmärkte der entlegenen InBein zu versorgen.
„ E i n g e w e i d e h e r - oder das Lieben!" Die Fähigkeit, sich bestimmter Körperteile zu entledigen und sie dann wieder neu zu bilden, brachte auch andere Tiere auf die absonderlichsten Einfälle. Dunkelbraun und warzenbedeckt, kriecht an Kletternde Seegurke d e n Mittelmeerküsten ein unförmiges, etwa fünfundzwanzig Zentimeter langes Geschöpf wie eine dicke Wurst auf dem Grunde des Meeres dahin. Unablässig schaufeln die Mundfühler Schlamm in den langen Darm. Seegurke oder Seewalze heißt dieses seltsame gurken- oder kaktusähnliche Tier; es stammt aus der Familie der Stachelhäuter, also aus der Verwandtschaft von Seestern und Seeigel, und trägt den lateinischen
l\amen Holothuria tubulosa. Von den Stacheln sind bei ihm allerdings nur zierliche Rädchen und Anker zurückgeblieben, die seine lederartige Haut durchsetzen. Oft wird diese plumpe Wurst von der Flut an Land gesetzt und scheint nun eine leichte Beute der Strandvögel zu sein. Aber der Schein trügt; denn die Seegurke hat es „in sich" und kann es im wahrsten Sinne des Wortes auch „von sich geben". Den ersten Schnabelhieb eines angreifenden Vogels beantwortet sie meist mit einem abschreckenden Wasserstrahl, der überraschend gut gezielt ist. Die Seegurke erinnert mit dieser Abwehrdusche an die jungen Wiedehopfe, die sich einen Nestplünderer dadurch vom Leibe halten, daß sie ihm einen Kotstrahl in die Augen spritzen. Meist aber genügt ein Wasserguß nicht, um der Seegurke Ruhe zu schaffen; die fette Wurst lockt, und der Angreifer, der den ersten Schreck überwunden hat, wird schon bald wieder zupacken. Da gilt es dann, vor allem einmal den spitzen Schnabel des Räubers außer Gefecht zu setzen. Darum spuckt die Seegurke jetzt kleine klebrige und schlauchförmige Gebilde aus. Diese Geschosse sind umgewandelte Teile ihrer reich verästelten Kiemen, die sie herausschleudern kann. Das schleimige Zeug verschmiert den Vögeln die Schnäbel und den Fischern die Hände. Angeekelt ziehen sich die Attentäter zurück und haben Mühe, sich von diesen klebrigen Dingern zu befreien. Wenn aber selbst dieses drastische „Gallespucken" nichts nützt, wenn der Hunger Schreck und Ekel überwindet und wieder ein Angriff erfolgt, dann greift die Seegurke zu einem wahrhaft verzweifelten Mittel. Sie krampft sich in ihrer Angst und Empörung derart heftig zusammen, daß der größte Teil ihrer inneren Organe aus dem Leibe rutscht und sich losreißt. Es ist ein Ablenkungsbissen für den gierigen Räuber und gleichsam die Aufforderung „Da, friß! Aber laß mich am Leben!" Um sich selbst zu retten, opfert die in die Enge getriebene Seegurke ihr Innerstes. In der Umgangssprache der geflügelten Strandräuber heißt es also nicht: „Geld her, oder das Leben!", sondern: „Eingeweide her, oder das Leben!" Um ihre Haut zu retten, bringt die Seegurke das große Opfer: sie kann es bringen, weil sie wunderbarerweise imstande ist. die geopferten Organe wieder zu ersetzen.
Die Seegurke und ihr Untermieter Daß die dicke Seegurke gefährliche Angriffe mit solch wirksamen Mitteln abwehrt, scheint den kleinen Schlangen- oder Nadelfisch ermutigt zu haben, sich ausgerechnet die Kiemen der Seegurke als Zufluchtsort zu wählen.
Der Nadelfisch (Fierasfer acus) ist ein kurzsichtiger, durchsichtiger, schlecht schwimmender, fingerlanger Fisch. Er paßt den Augenblick ab, wenn die Seegurke frisches Atemwasser aufnimmt, und klemmt dann fix seinen Kopf in die hintere Leibesöffnung des Stachelhäuters. Kopfvoraus dringt er aber nicht weit in die Seegurke ein, weil er weiß, daß er sich in dieser Lage später in den Kiemen nicht um-
Der Nadelfisch schlüpft in die geduldige Seegurke drehen könnte. Er biegt also jetzt den Schwanz so weit herum, daß er ihn einklemmen kann. Dann schnellt er mit dem Kopf zurüd und rutscht jetzt, Schwanz voraus, mit jedem Atemzug tiefer in das Innere der Seegurke. Man könnte meinen, der Eindringling werde von der Seegurke langsam hineingesogen. Merkwürdig: die Seegurke duldet diesen Untermieter, obwohl sie sonst, wie wir im vorigen Kapitel erfahren haben, jeglichen Be rührungsreiz sehr heftig mit Spucken und Schüssen beantwortet Die Seegurke wäre ohne weiteres in der Lage, auch dies Fischchen wieder hinauszubefördern. Wahrscheinlich aber benimmt sich dieser kleine Schlauberger recht anständig in seinem Versteck; er verläßt nur, wenn ihn hungert. Der Nadelfisch ist kein Schmarotzer, der seinen freundlichen Wirt Kräfte und Säfte abzapfen will wie so viele echte Parasiten, die sich auf Kosten der Wirtstiere ernähren. Nein, er braucht nur eine sichere Unterkunft. Was die Seegurke dazu beweg den Nadelfisch bei sich zu beherbergen, und ob sie einigen Nutzen von seiner Anwesenheit hat, konnte bis heute noch nicht ermittelt werden. Die Gastfreundschaft hat aber auch ihre Grenzen. Wenn de Untermieter nämlich zu viel Besuch empfängt, wirft die Seegurke 1 die ganze Gesellschaft hinaus.
Tauziehen zwischen Seestern und Muschel Was beim Palolowurm der Laichdrang und bei der „schießenden" Seegurke die Angst verursachen, bringt beim Seestern der Hunger fertig. Während wir Menschen unsere Augen begehrlich über eine gut gedeckte Tafel schweifen lassen, schicken die kleineren Seesterne vor Gier gleich ihren Magen selbst aus (siehe Bild auf Seite 1).
Fast alle Seesterne sind gewaltige Räuber und Fresser. Weder Schnecke noch Muschel, weder Krebs noch Fisch sind vor ihnen sicher. Sie sind auch durchaus nicht langsam und zögernd im Zugreifen. Noch ehe das zum Fraß erkorene Muscheltier weiß, was eigentlich mit ihm geschieht, hat sich der Seestern auf seine fünf Arme gestemmt und sich, hoch aufgerichtet, mit Schwung auf sein Opfer geworfen. Gierig wölbt sich die auf der Bauchseite befindliche Mundscheibe vor, und von allen Seiten packen die Arme zu. Die zahlreichen Saugfüßchen heften sich an die festgeschlossenen Schalen der Muschel und suchen sie aufzureißen. Es beginnt ein langes und erbittertes Tauziehen. Das geängstigte Muscheltier krampft die Schließmuskeln mit aller Kraft zusammen und wehrt sich verzweifelt gegen das öffnen ihres Schalengehäuses. Fast eine halbe Stunde lang dauert oft das stille Ringen zwischen der Saugkraft des SeeBternes und der Muskelkraft der Muschel. Dann endlich macht das Weichtier schlapp. Die Muschelschalen öffnen sich ein wenig. Und nun geschieht es, daß der Seestern seinen Magen nach außen stülpt und einen ätzenden, lähmenden Verdauungssaft in die Muschelschalen ergießt. In ihr Schicksal ergeben, gibt die Muschel nach. Der Kampf ist zu Ende. Der Magen des Seesternes dringt immer tiefer in die Festung des Beutetieres ein, zersetzt den Weichkörper und schlürft ihn genießerisch aus. Manchmal kommt es vor, daß der Seestern in seiner wilden Gier einen Arm zwischen die leichtgeöffneten Schalen klemmt. Hat die Muschel noch genügend Kraft, so schließt sie die Schalen und zwickt ihrem Gegner den Arm wie mit einer scharfkantigen Zange ab. Der Seestern wird von dieser Verwundung jedoch nicht allzu hart betroffen, weil auch er die Gabe der Regeneration besitzt und verlorengegangene Glieder wieder zu ersetzen vermag.
Die tanzenden Schnecken Die Dämmerung deckt ihren Schleier über den Schauplatz der Seesternmahlzeit. Sanft ist der Wellengang der tiefgrünen See. Längst ist die Sonne im Meer versunken, und doch geistert noch immei ein seltsamer, rosafarbener und violetter Schimmer über die Flut- Die rätselhafte Lichtbahn enthüllt Rudersdinetke g i ( t d e m s t a l l n e n d e n Betrachter als ein MilliardenBeer kleiner Schnecken, die auf den Wellen tanzen. Die Leiber dieser wunderlichen „Ruderschnecken", die wie mit kleinen Flügeln dahin7
flattern, sind blau und gelb, weiß und rosafarben, dazu violett und hellrot punktiert. Atlanta, die Ruderschnecke, ist eine echte Schnecke. Das beweisen ihre vier Fühler, die Kalkschale und der Schneckenfuß. Eigenartig ist dieser Fuß: er ist eine zu Flügeln verwandelte Ruderflosse, mit deren Hilfe die Schnecke aufrecht flatternd durch das WasBer dahin»hüpft wie die Motte durch die Luft. Diese Flügelfüßer „fliegen" von der ersten abendlichen Dämmerung bis gegen Mitternacht. Ihr Tanz auf den Wellen ist keine Äußerung erhöhter Lebenslust, sondern Jagd auf Spaltkrebschen, die sie im Sprung erhaschen und mit ihrer langen Zunge ins Maul ziehen. Man muß umdenken, wenn man diesen Vorgang richtig begreifen will. Die Schnecke, Sinnbild der Langsamkeit und Inbegriff der gemächlichen Bewegung, des „Schneckentempos", entpuppt »ich plötzlich als eine Tänzerin, als ein schönes, buntes, munteres Wesen als eine springende Jägerin mit einer vorschnellenden Froschzunge als eine vorzügliche Schwimmerin und Taucherin. Denn nach der Jagd verschließen die Ruderschnecken mit einem besonderen Fuß lappendeckel ihr meist durchsichtiges Gehäuse und sinken in die Tiefe. Schon um Mitternacht sind die meisten wieder verschwunden, und am Morgen ist keine einzige Tänzerin mehr zu sehen. Über fünfzig verschiedene Ruderschneckenarten sind uns heute bekannt. Sie schwanken in der Größe zwischen der hübsch gebänderten Garten- und der großen gehäuselosen, roten, schwarzen ode schokoladebraunen Wegschnecke. In alten Versteinerungsschichtei wurden weitere hundert Arten gefunden. Gewaltige Strecken de Meeresgrundes bestehen nur aus den Resten der abgesunkenen Ruder schneckenschalen, die sich zu mächtigen unterseeischen Kalkgebirgei auftürmen. Während ihres Lebens sind die tanzenden Schnecke] die Hauptnahrung der Bartenwale. Mit großer Gier grasen die Uu getüme die Schneckenweiden ab; den größten Teil ihres Speck reichtums verdanken sie nur dieser fetten Kost. Den Walen gegen> über nützt es auch nichts, daß eine besondere Art der Ruderschnecken ein starkes Nesselgift in kleinen Rucksäcken aufspeichert, um ihre Angreifer zu lähmen. Die Kolosse sind mit ihren Schwarten gegen solche Gifte gefeit.
Der Palmendieb Und wieder zurück in die Südsee! „Es ist, um auf die Palmen zu klettern!" sagt der Eingeborene dort, wenn ihm einmal etwas quer geht. Vielleicht denken die Insulaner dabei an jenen Kletterkrebs, der zwanzig Meter hohe Kokosund Sagopalmen ersteigen kann; Palmendieb, Kokosräuber, Diebskrabbe heißt der Krebs, der diese Kletterleistung vollbringt. Er ist ein durchaus echter Vetter der Krebsfamilie, deren Bonstige Abkömmlinge in der überwiegenden Mehrzahl als reine Wasser- und Nachttiere und als Wesen mit einem ziemlich versteckten, heimlichen und weitgehend unbekannten Leben gelten. Der Palmendieb gehört zudem in die engere Verwandtschaft der drolligen Einsiedlerkrebse, die ihren weichen, ungepanzerten Hinterleib in leeren Schneckengehausen bergen. Der ungewöhnliche Kletterakrobat, der so bezeichnende Beinamen führt, ist ein Krebs, der dem Wasser seit langem untreu geworden ist. Auch das räuberische Nachtleben hat er längst aufgegeben; er ist zu einem reinen Vegetarier geworden, der es ausgerechnet auf die hochhängenden Früchte der Palmen abgesehen hat. Der Palmendieb ist also in jeder Hinsicht ein Sonderling unter den Krebsen. Der wunderliche Kerl, der Kokosnußräuber, hat natürlich einige grundsätzliche Verwandlungen durchgemacht, um in der neuen Umwelt bestehen zu können. So ist sein Schwanz nicht mehr so weichhäutig wie der seiner einsiedlerischen Vettern, und auch auf den Schneckenhauspanzer hat er verzichtet. Die Kiemenhöhlen verwandelten sich in eine Art Lungen. Das vordere Beinpaar, zu Scheren ausgebildet, wurde so groß und so schwer, daß es wuchtigen Hämmern gleicht. Das letzte Beinpaar aber verwandelte sich in sehr schmale und feine Scheren. Tagsüber ist der Palmendieb damit beschäftigt, die aufgefundenen oder heruntergeholten Kokosnüsse zu zerkleinern. Er beginnt damit, daß er die Frucht erst einmal schält, also bedachtsam Faserschicht um Faserschicht entfernt. Dann hämmert er so lange mit den schweren Scheren gegen die Keimlöcher der Nuß, bis eine kleine Öffnung geschaffen ist. Nun dreht er sich um und bricht mit den schmalen Hinterleibsscheren die Frucht aus. Man erzählt sich, daß der fixe Bursche die alten Nüsse, die er unter den Palmen findet, wieder hinaufschleppt und dann fallen läßt, damit sie bersten; man mag das glauben oder nicht, möglich ist es. Denn schon die Einsiedlerkrebse beweisen durch ihre Lebens9
gemeinschaft mit den Seerosen und Seenelken, die sie wegen ihres brennenden Nesselgiftes als Verteidiger auf ihren Wohngehäusen ansiedeln, daß die Krebssippe im Laufe ihrer großen Vergangenheit auf manchen Trick und Lebenskniff gekommen ist. — Einige Beobachter meinen dagegen, daß der Palmendieb das umständliche Hinaufschleppen der Nüsse gar nicht nötig habe, weil die schweren Scheren jede Frucht leicht zertrümmern könnten. Die Nacht verbringt der Palnfftndieb in einer Wohnhöhle zwischen den Baumwurzeln, die er dick mit Kokosfasern ausgepolstert hat; die Insulaner plündern diese Höhlen aus, wenn sie Material für Stricke und Taue brauchen. Das Wasser sucht der Kletterkrebs, ähnlich wie die Erdkröte, nur zur Zeit der Eiablage auf. Der Palmendieb ist aber nicht der einzige Krebs, der sich auf dem Lande wohlfühlt. Es gibt auf Kuba große Landkrabben, die sogar im Gebirge herumklettern. In Brasilien turnen kleine Krabben auf die Mangrovebüsche und knabbern ihre Blätter. Auch die Asseln unserer Keller sind nichts anderes als Landkrebse. Sie alle sind Beispiele dafü wie wir uns in der frühen Erdgeschichte ungefähr das An-Lan Gehen der ursprünglich im Wasser lebenden Tiere vorzustelle haben.
Der umstrittene Stammvater der Insekte Das Meer gilt nämlich als die Heimat allen Lebens. Die Glei mäßigkeit dieses Elements, die Ausgeglichenheit seiner Tempera turen, die Möglichkeit, sich darin schwebend zu halten und zu bewegen, bot den frühesten Wesen die günstigsten Lebensbedingungen. In viel späteren Zeiten der Erdgeschichte wagten sich die ersten im Wasser herangebildeten Tiere, Würmer und Krebse, aufs Trockene, paßten sich im äußeren und inneren Körperbau der neuen Umwelt an und begannen in einer Entwicklung von Jahrmillionen den Gestaltenreichtum der Landtiere zu entfalten. Als eines der Übergangstiere, die eine lebendige Brücke von den Wassertieren zu den ersten Landtieren darstellen, wird gern der „Peripatus" betrachtet, den wir auf gut deutsch den „Spaziergänger" nennen wollen. Er gilt aber nicht nur als Spaziergänger, der sich zwischen den Wasser- und Landtieren bewegt; er wird auch als das Bindeglied angesehen, das von der großen zoologischen Gruppe der Würmer zu den Insekten hinführt. Der „Peripatus" ist also in vielem merkwürdig; was aber das Wichtigste ist: dieses urtümliche Tier, das seine große Rolle als Kl
Peripatus, daneben Ringelwurm, Tausendfüßler, Urinsekt und geflügeltes Insekt Brückenschläger vor undenklichen Zeiten gespielt hat, lebt auch heute noch, wenn auch die Jahrmillionen nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind. Man findet ihn in dem feuchten Mulm der Urwälder von Neuseeland, Australien und am Kap der Guten Hoffnung. Beim Spaziergänger deutet noch mancherlei auf seine Abstammung aus der Verwandtschaft der Würmer hin, und zwar aus der höherentwickelten Familie der Ringelwürmer, der auch der Palolo angehört. Wurmartig ist der langgestreckte Bau seines Körpers, die Weichheit der Haut, die glatte Muskulatur, die Form des Nervensystems, das einer Strickleiter gleicht („Strickleiternervensystem"). Mit seinen kurzen, stumpfen Stummelbeinen bewegt sich der Peripatus aber schon auf die Tausendfüßler zu, die nicht mehr zu den Würmern gehören, sondern als Gliederfüßer den Insekten nahestehen. Die hornähnliche Körperschale (Chitindecke), die regelmäßige Häutung, der er sich unterzieht, das Vorhandensein einer Körperhöhle, in der die inneren Organe sitzen, die Kauwerkzeuge, die sich aus den vordersten Gliedmaßen gebildet haben, und vor allem die charakteristischen Atmungsorgane, die Luftröhren (Tracheen) — all das am Peripatus erscheint ganz insektenhaft. Ein vertrackter Kerl also! Und gerade deshalb ein Musterstück für die eifrigen Konstrukteure, die den Stammbaum der Tierwelt in seinen vieltausendfachen Verzweigungen zurückverfolgen. Ihnen sind solche Zwischenstücke, wie der Spaziergänger eines ist, immer hochwillkommen, zumal er nicht aus Versteinerungen mühsam herausgearbeitet werden muß, sondern sich ganz lebendig und in jeder gewünschten Zahl präsentiert. Ist aber der Peripatus wirklich ein solches Zwischenglied zwischen den Würmern und Insekten. II
su ergibt sich, daß die Insekten in ihrer Entwicklung nicht in direkter Linie bis ins Meer zurückreichen, sondern nur bis auf unseren schon I dem trockenen Element angepaßten Spaziergänger. Die nächste Stufe I wären dann die Tausendfüßler gewesen und dann die noch flügellosen Urinsekten, aus denen schließlich die geflügelten Insekten hervorgegangen sind (siehe Zeichnung auf Seite 11). Wir können demnach den Spaziergänger als den noch lebenden Stamjnvater der Insekten oder zumindest als den Verwandten einer solchen Ahnenform ansehen. Andere Forscher wieder meinen, daß wir gut und gern auf den quer durch das zoologische System spazierenden Peripatus verzichten dürfen. Für sie ist der Ringelwurm der urtümliche Insektenahn und der Peripatus ein zwar uralter, aber doch nur absonderlicher Einzelgänger des tropischen Bodenlebens; sein seinerzeitiger Ausflug aufs Land, so meinen sie, sei für die weitere Entwicklung des Tierlebens ohne Folgen geblieben. Wie dem auch sei, das Vorhandensein solcher urförmigen Tiere, die auf ihrer niederen Stufe stehen blieben, während sich die Gestalt der Erde und ihrer Bewohner inzwischen ununterbrochen aufwärts entwickelte, ist verwunderlich genug.
Der Ringwall derJJeunaugen Wir kehren jetzt noch einmal in das feuchte Element zurück, um hier ein Zwischenwesen aufNeunauge mit Rundmaul und Rückenflosse zusuchen, das uns ebenfalls lehrreiche Aufschlüsse gibt. Es zahlt zur Familie der sogenannten „Rundmäuler", und man ist auch bei ihm zunächst in Verlegenheit, welcher Tierklasse man es zurechnen soll. Die Rundmäuler erinnern in ihrer Gestalt an einen Aal, also an einen Fisch. Und doch sind sie keine Aale, denn es fehlen ihnen die Brust- und die Bauchflossen. Die Haut trägt auch nicht die feinen Schüppchen der Aalfische, und im Innern suchen wir vergebens nach einer Fischblase. Der Schädel ist noch nicht verknöchert wie es der Schädel der Fische ist; er schützt in der weichen Kapsel aber schon ein verbreitertes Stück des Rückenmarks. Es ist der Ansatz zu dem Gehirn der echten Wirbeltiere, jenem großartigen Organ, in dem bei den höher entwickelten Tieren die Sinneseindrücke verarbeitet werden und die 12
Schaltung aller Erregungen der Nervenbahnen erfolgt. Auch in »eiaem Skelett ist das Rundmaul nicht als Fisch anzusprechen, dem es in seinem Äußeren sonst doch so ähnlich ist. Sein Körpergerüst besteht nur aus kleinen Knorpelstücken entlang des Rückenmarkes. Es führt uns sozusagen die Wirbelsäule der Wirbeltiere im Entstehen vor. Großartig, wenn dieser aalartige und schuppenlose Sonderling, den man als eine Vorstufe zu den Fischen ansehen muß, seinen rüsselförmigen, längsgespalteten Saugmund öffnet, die kreisrunde Scheibe auf den Stein preßt, sich mit der Steinlast erhebt um weiter stromabwärts seine steinerne Burg zu errichten. Man könnte denken, er sei dabei, das Flußbett von Geröll zu säubern. Mit dem Saugmaul werden aber Steine nicht nur transportiert; oft saugt sich das Tier mit seinem Maul an einem Geröllbrocken fest, nur um sich in der starken Strömung an Ort und Stelle zu halten. Das Maul ist zudem so großräumig, daß durch Ansaugen und Ausstoßen des Wassers die Fortbewegung erleichtert wird. Wir haben in diesem Rundmaul eine Lamprete (Petromyzon marinus) vor uns, ein „Neunauge", das in der See zu Hause ist und nur während der Laichzeit in den Unterlauf der Flüsse eindringt. „Neunauge" heißt dieser wunderliche Kerl, weil man die sieben Kiemenlöcher einer Kopfseite, das Auge davor und das unter allen Wirbeltieren einzig dastehende unpaarige Nasenloch zusammengezählt hat. Männchen und Weibchen sind jetzt seit Tagen damit beschäftigt, mehrpfündige Steine zu einem großen Ringwall zusammenzutragen. Dieser Wall wird um eine ins Flußbett gewühlte Mulde getürmt und erreicht die Höhe von 75 cm. In dieser Burg paaren sich die Neunaugen und legen sich kurze Zeit danach zum Sterben nieder. Die den Eiern entschlüpfenden glänzenden, regenwurmartigeu Tierchen wurden bis vor hundert Jahren für Würmer gehalten; sie gleichen überhaupt nicht den Eltern. Erst nach und nach kam man darauf, daß es die Larven der Neunaugen waren. Die Tarnung wurde deshalb so spät durchschaut, weil diese „Querder" oder „Kieferwürmer", bevor sie zu Neunaugen werden, drei bis fünf Jahre lang in ihrem wurmähnlichen Larvenzustand verharren und während dieser Zeit wie die Würmer im Schlamme leben. Von ihren Rückenflossen und ihrer Schwimmfähigkeit machen sie nur Gebrauch, wenn sie ihren Standort wechseln. Im Laufe der Larvenjahre erreichen die Querder eine Länge von 18—20 cm. Die Umwandlung zum Volltier vollzieht »ich erst auf der Wanderung in» Meer 13
Schiflshalter am Bauch,eines Hais; rechts Fisch mit der Haftscheibe am Kopl Die ausgewachsenen Neunaugen ernähren sich von Würmern. Fischbrut und Insektenlarven; sie gehen auch lebende Fische an. saugen sich an ihnen fest, zersägen ihnen mit den Raspelspitzen Haut und Schuppen, zapfen das Blut ab und fressen Löcher in ihren Leib. Oft aber werden die Fische auch nur als Postkutsche benutzt, auf der man bequem durch das Wasser reisen kann. Besonders gern machen sich die hungrigen Neunaugen über die in den Grundnetzen gefangenen Fische her, die sich in ihrem geschwächten Zustand nicht mehr wehren können. Die Beutestücke werden oft völlig ausgefressen oder glatt zersägt. Der Mund der Neunaugen, der einen von fleischigen Rändern gebildeten Kreis bildet, wirkt durch das Zurückziehen der Stempelartigen Zunge wie ein Saugnapf. Die harten Hornhöcker der Mundhöhle ersetzen trefflich die fehlenden Kiefer und Zähne. In all dem. im Fehlen der Kiefer, der Zähne, in der Rundform des Mundes, in den ersten Ansätzen zu einer Wirbelsäule und zur Ausbildung eines Gehirns erweisen sich auch die Neunaugen als urtümliche Geschöpfe. Seitdem es gelungen ist, Verwandte von ihnen, rundmaulige Panzerfische, in versteinertem Zustand aus der Tiefe der Erde freizulegen, weiß man auch, daß man zwei- bis dreihundert Millionen Jahre zurückgehen muß, um die Zeit festzulegen, in der dieses Rundmäulergeschlecht in den Meeren der Urzeit weithin das Feld beherrschte. Und doch leben diese Zeugen aus grauer Vorzeit, Ahnen des Wirbeltiergeschlechtes, heute noch unter uns. Drei Neunaugenformell unterscheiden wir: das Meerneunauge, die Lamprete, die bis 90 cm lang wird und auf grünlich-weißem Grund schwarzbraune und olivgrüne Marmelflecken trägt, das Flußneunauge, das höchstens 40 cm 14
lang wird und auf dem Rücken olivgrün, auf dem Bauche silberweiß ist, und endlich das noch kleinere Bachneunauge, das man in den kleinen Bächen oft ganz aus der Nähe beobachten kann.
Im Schlepptau der Fische Nicht mit dem Mund wie das Neunauge, sondern mit einer dem Kopf aufliegenden ovalen Haftscheibe saugt sich der Schildfisch (Echeneis remora), der sogenannte „Schiffshalter", an anderen fischen oder an den Schiffswänden fest. Seine Haftscheibe ist aus einer verwandelten Rückenflosse hervorgegangen. Der Schiffshalter zeigt keine schmarotzerischen Gelüste, er schädigt seinen Gastgeber nicht. Er ist nur ein blinder Passagier, der sieh einfach anhängt, ohne erst groß zu fragen. Er wandert mit den Schiffen und besonders gern auch mit großen Haien durch die Weltmeere und nährt sich hier wie dort von den Brosamen, die von den Tischen der großen Herren fallen. Nicht selten „fährt" er auch mit den riesigen Schildkröten oder benutzt die Wale als Meereskutsche. Der Schiffshalter ist 20—25 cm lang, hat kleine, klebrige und glänzende Schuppen und eine bräunlichgelhe bis dunkelbraune Haut. Die Haftscheibe ist ein echtes Saugkissen mit einem biegsamen Rand und vielen zähnchenbesetzten Querrunzeln. Als verhältnismäßig schlechter und wenig ausdauernder Schwimmer käme der Fisch ohne diese großartige Festhaltevorrichtung wohl kaum aufs freie Meer hinaus. Auch würde er wohl ohne den Schutz der Großen bald zugrunde gehen,
Die Radar- und Todesstrahlen des Zitteraals Wie der Schiffshalter sich in den Schutz des sonst so gefürchteten Hais flüchten kann, um Ruhe zu haben, so läßt die erfindungsreiche Natur auch andere Geschöpfe im Lebenskampf oft auf die erstaun-
Zitteraal, dessen Körper zu zwei Fünfteln von elektrischen Organen durchzogen ist. Er sendet Stromstöße bis zu 550 Volt Spannung ins Wasser aus LS
liebsten Einfälle kommen, wo es am ihre Selbstbehauptung geht. Wir kennen schon das wütende Spucken und Spritzen der Seegurke und de» Wiedehopfes; aber nicht weniger erfolgreich ist das Vernebelungsverfahren des Tintenfisches, der einem Angreifer einfach eine schwarzbraune Tintenwolke vor die Nase setzt, die er mit der Atemluft aus einer ^Farbstoffdrüse herausstößt (siehe Umschlagbild). Mit einigen weiteren schnellen Atemstößen und mehreren kräftigen Armschlägen weiß sich dann der Tintenspritzer blitzschnell aus der Nähe des verdutzten und sichtbehinderten Gegners in sicheres Gewässer zu flüchten. Anderen Tierwesen gab die Natur einen Panzer, ein Gehäuse oder eine Hornkapsel als Schutz mit ins Leben; oder sie umwehrte ihren Leib mit einem Drahtverhau von Stacheln, die wie Speere und Hellebarden hervorstehen. Wieder andere stattete sie mit furchterregenden Lichtern aus, damit sie ihre Feinde verscheuchen können. In einigen Fällen wandte die Natur das entgegengesetzte Mittel an, indem sie ihre Schützlinge mit der geheimnisvollen Gabe derTarnung unsichtbar machte und sie in dieLage versetzte,sieb in der Körperform und der Farbe jeweils ihrer Umgebung anzugleichen: dem Sand des Meeresgrundes, dem Steingeröll des Wüstenbodens, dem Blattwerk und Gezweig einer Pflanze. Die raffinierteste Methode aber erdachte sie, als sie diesem und jenem wehrlosen und harmlosen Wesen das gleiche Aussehen gab wie einem giftigen Tier, um sie gefährlicher erscheinen zu lassen, als sie in Wirklichkeit waren. Fast all diese Abwehrmittel ersann in seiner Friedlosigkeit auch der Mensch für seinen eigenen Daseinskampf, und er hat darin die Natur oft kopiert. Aber in der Erfindung von Angriffswaffen ist der Mensch der Natur weit voraus, seitdem er sich die Urgewalten der in die Atome gebannten Kräfte erschlossen hat. Nur eine Waffe besitzt die Natur, die zum Glück bis heute in der Menschenwelt noch keine Rolle spielt. Es sind die elektrischen Todesstrahlen, die in die Ferne wirken. Im Leben der Tiere kommen sie nur vereinzelt, mit umgrenztem Wirkungskreis und verhältnismäßig gnädig und schmerzlos zur Anwendung. Ihre Träger sind die elektrischen Fische, vor allem der Zitteraal, der in südamerikanischen Gewässern beheimatet ist. Schon Alexander von Humboldt, der große deutsche Forscher, der „ Amerika zum zweiten Mal entdeckt hat", berichtet ausführlich über diesen Zitterfisch, der oberseits dunkelolivengrün, unterseits orangerot ist und dessen Rücken und Seiten mit mehreren Reihen hellgelber Flecken geschmückt sind. Kleine schlammige und tief beschattete Bäche und Ifi
Lachon sind seine Aufenthaltsorte. Tagsüber liegt er im Schlamm verborgen; nach jeweils einer halben Minute taucht er auf, um sich mit frischer Atemluft zu versorgen. Gegen Abend erst wird er munter nnd beginnt zu jagen. Fische und Krabben fürchten ihn, aber auch Eidechsen, Frösche, Schildkröten und Wasserschlangen meiden die Tümpel und Bäche, in denen er haust. Ihre Flucht erfolgt weniger aus Furcht, verschlungen zu werden, als aus Angst vor den elektrischen Schlägen, die der Zitteraal austeilt. Die elektrischen Organe liegen zu beiden Seiten der Wirbelsäule und durchziehen etwa vier Fünftel der Leibeslänge. Ihr Gewicht beträgt ein Drittel des Gesamtkörpergewichts. Sie bestehen aus einer gallertartigen, gelblichen und durchscheinenden Masse und bilden zwei Paar unmittelbar unter der Haut liegende elektrische Stromquellen. Im Ganzen gesehen, stellen sie eine elektrische Batterie dar, die sich aus hintereinandergeschalteten Einzelzellen aufbaut; sie erinnert an das Bauprinzip der Voltaschen Säule. Alles das war der Forschung schon lange bekannt. Seit einiger Zeit aber ist manch Neues hinzu entdeckt worden. Die amerikanischen Gelehrten Coates und Cox, die den Zitteraal erneut gründlich unter die Lupe nahmen und am Amazonas zu seiner Erforschung ein eigenes Institut errichteten, stellten folgendes fest: Der „Gymnotus electricus" sendet während des Schwimmens ununterbrochen schwache elektrische Stöße von etwa 50 Volt Spannung aus, und zwar je Sekunde etwa fünfzig Stöße. Diese Entladungen sind zu schwach, um Beutetiere lähmen oder Feinde abschrecken zu können, sie mußten also einem anderen Zwecke dienen. Auf der Suche nach einer Erklärung entdeckte Coates, was allen anderen Forschern entgangen war, daß der Zitteraal blind ist, daß seine Augen von einer dünnen Haut verschlossen sind. Obwohl nun einwandfrei feststand, daß der elektrische Aal seine Beute niemals erspähen kann, unterschied er doch selbst bei völliger Dunkelheit einen toten Fisch von einem Stück Holz. Der Zitteraal mußte also über einen anderen Orientierungssinn verfügen. Coates fand endlich am Kopf und zu beiden Seiten des Aalkörpers eine Reihe kleiner unbekannter Erhebungen. Als er diese Erhebungen mit einer elektrischen Isoliermasse bestrich, verlor der Aal sofort die Fähigkeit, die in der dunklen Flut umherschwimmenden Beutetiere wahrzunehmen. Coates schloß daraus, daß der Zitteraal über eine Art Radargerät verfügt, wie es ähnlich im modernen Flug- und Schiffsverkehr in Gebrauch ist. Der Zitteraal sendet elektro-magnetische Wellen 1?
kreisförmig und ununterbrochen in seine Umgebung aus. Diese Wellen werden zurückgeworfen, wenn sie auf einen im Wasser schwimmenden Gegenstand treffen. Die kleinen Erhebungen am Kopf des Aales spielen die Rolle des Empfängers. Nach dem Empfang wird durch eine neuerliche Aussendung jetzt schon zielgerichteter kleiner Wellen die Lage des gemeldeten Gegenstandes genau ausgemacht und dabei zugleich ermittelt, ob er sich bewegt, ob er also lebendig ist. Nunmehr sendet der Aal mit Hilfe seiner großen elektrischen Organe so starke Stromstöße aus — bis zu 550 Volt! —, daß die ermittelte Beute gelähmt wird und ergriffen werden kann. Die Dauer der einzelnen Entladung beträgt etwa eine zweitausendstel Sekunde. In der Sekunde aber erfolgen bis zu vierhundert Stöße! Sechs- bis achttausend elektrische Einzelzellen sind an der Gesamtentladung der Todesstrahlen beteiligt, die mit 40 Watt Stromstärke ausreichten, eine Neonröhre hell zum Leuchten zu bringen.
Das Maul als'Kinderstnbe Es ist wahrlich nicht leicht, im Wasser zu leben. In dem unbarmherzigen Kampf aller gegen alle, der unter der Wasseroberfläche tobt, ist vor allem der hilflose Nachwuchs der Leidtragende. Das hat dazu geführt, daß es unter den scheinbar so stumpfsinnigen Fischen zu einer weitgehenden Brutpflege gekommen ist. Den originellsten Weg wählten dabei die „Maulbrüter", die besonders in den afrikanischen Seen zu Hause sind. Diese Fische, — unter ihnen die südafrikanische Art Tilapia natalensis — brüten ihre Eier nämlich im . . . . Maule aus! Schon von außen ist der maulbrütende Fisch zu erkennen. Seine Kiemendeckel schließen nicht mehr dicht, stehen leicht ab und lassen den Kopf geschwollen erscheinen. Das Klaffen wird immer deutlicher, je mehr die Eier zur Reife kommen. Die Haut der Mundhöhle dehnt sich zuletzt so weit aus, daß sie durchsichtig wird. So kann man dann eines Tages durch die Haut hindurch einen Knäuel winzigster, kaulquappenähnlicher Geschöpfe in der Mundhöhle sehen. Lebhaft schwänzelt die kleine Gesellschaft durcheinander und wird bei jedem Atemzug in rhythmischen Wellen innerhalb des Maules vor- und zurückgestoßen. Nach ungefähr zwei Wochen „Maulhaft" dürfen die Jungfische ihre seltsame Kinderstube zum erstenmal verlassen. Sie bleiben aber dicht am Kopf des Muttertieres und flüchten blitzartig in das
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Maul zurück, wenn sie erschreckt werden. Das geht so schnell vor sich, als würden sie von einem Sog in das mütterliche Maul zurückgerissen. Die Jungfische sind jetzt etwa acht Millimeter lang. Der alte Fisch mißt ganze sieben Zentimeter. Und trotzdem haben gut sechzig Junge in dem Gehege des Maules Platz! Von Tag zu Tag wird freilich die Enge immer drangvoller, und die Jungen werden im gleichen Maße unternehmungslustiger. Bei drohender Gefahr müssen sie jetzt von dem Muttertier aufgeschnappt werden, weil sie selbst die Flucht in das schützende Maul nicht mehr für nötig halten. Auch die Nacht über müssen sie sich in ihrerKinderstube versammeln. Andere Maulbrüter gehen in ihrer Fürsorge nicht so weit. Sie legen die Eier an Steinen ab, bewachen sie aber fleißig und fächeln ihnen ständig frisches Atemwasser zu. Wenn dann nach etwa vier Tagen die Jungen schlüpfen, werden sie von der Brutstätte abgelesen und im Maul zu vorbereiteten kleinen Sandgruben getragen. Die Elterntiere sorgen dafür, daß die Jungfische diese Grube nicht eigenmächtig verlassen. Nur in Begleitung der Alten werden die ersten Ausfahrten unternommen. Es versteht sich, daß derartig fürsorgliche Eltern anderen Fischen gegenüber außerordentlich schneidig auftreten. Unter den Aquarienfreunden sind die Maulbrüter ob ihrer großen Rauflust nicht besonders beliebt. Es ist kaum möglich, andere Fische in dem gleichen Behälter zu halten.
Auch Fische können ertrinken Wenn in den tropischen Ländern während der Trockenzeit die Flüsse versiegen, die Teiche und Tümpel einsickern — was geschieht dann mit den Fischen, die in den Gewässern ihr Zuhause haben? Sterben sie in jedem Jahr aus, und werden sie wie durch ein Wunder immer von neuem geboren? Kein Fisch kann ohne Wasser leben, so sagt man. Aber schon unser Schlammpeizker beweist, daß dieser Satz nicht ganz zutrifft. Wenn der Tümpel, in dem der Schlammpeizker haust, einmal ausgetrocknet ist, so vergräbt sich der Fisch und hält solange eine Art Sommerschlaf, bis das belebende Naß wieder den Grund füllt. Sollten die gefährdeten tropischen Fische vielleicht nicht auf den gleichen Ausweg gekommen sein? Was der Schlammpeizker kann, können sie auch! Und noch viel mehr! Sie alle wären längst nicht mehr am Leben, wenn sie sich nicht den besonderen Wasserverhältnissen in den Tropen angepaßt hätten. Sie sind sogar soweit gekommen, daß sie ,.im Wasser IV
ertrinken", wenn sie keine Gelegenheit haben, zusätzlich atmosphäri sehe Luft zu atmen. Ja, das gibt es: Fische, die ertrinken! Sie gehören zur großen Gruppe der Labyrinthfische und bewohnen die tropischen Landstriche Afrikas, Asiens und des Malaiischen Archipels. Labyrinthfische werden sie deshalb genannt, weil sie oberhalb der Kiemenhöhlen lufthaltige Kammern ausgebildet haben, in die zahlreiche verschlungene und blutführende Hautfalten hineinragen. Die Labyrinthfische sind „Doppelatmer"! Sie haben Kiemen zur Aufnahme der Atemluft aus dem Wasser, während ihr Labyrinth als Ersatz für eine Lunge das Atmen in der freien Luft erlaubt. Dieser zusätzliche Atmungsapparat befähigt sie, in dicht verwachsenen und sumpfigen Tümpeln mit fauligem und stickigem Wasser zu leben. Sie müssen aber immer die Möglichkeit haben, ihre röhrenförmigen Nasenlöcher über den Wasserspiegel zu erheben und zu atmen. Die Kiemen allein genügen nicht mehr, den notAfrikanischer Lungenfisch wendigen Sauerstoff wie bei den „normalen" in selbstgebauter Erdhöhle Fischen unter Wasser zu beschaffen. Werden sie am Atmen in freier Luft behindert, so müssen sie — ertrinken! Zu den Labyrinthfischen gehört auch der Gestreifte Schlangenkopf (Ophiocephalus striatus), der bis zu einem Meter lang wird. Wenn sein Gewässer austrocknet, vergräbt er sich nicht gleich in den Schlamm, sondern versucht erst einmal, ein anderes Gewässer zu finden. Er wandert also übers Land! Wie eine Schlange gleitet er dahin, bis er gefunden hat, was er sucht. Auch unser Aal vollbringt, wie man weiß, dieses Kunststück. Der Schlangenfisch und der Aal werden in jener Fähigkeit vom Kletterfisch (Anabas scandens) noch weit übertroffen. Dieser Labyrinthfisch ist nicht einmal durch hohe Ufer und Dämme aufzuhalten. Mit Hilfe seiner gespreizten und gezähnten Kiemendeckel steigt er über jedes Hindernis. Es wird sogar behauptet, daß er imstande sei, Bäume zu ersteigen, doch fehlen darüber neue und zuverlässige Beobachtungen (siehe Abbildung Seite 21). Hat der Wanderbursche Kletterfisch aber Pech und kann er kein neues Wasserbecken finden, dann geht er zur Schlammpeizkertaktik über und gräbt sich einen halben Meter tief in den Schlamm de« 20
TeicfaeB. Hier hält er dann seinen Sommerschlaf und wird von den Eingeborenen buchstäblich aus dem steinharten Schlamm „gehackt". Man kann also auch Fische mit der Kartoffelhacke fangen. Die Meister unter diesen Anpassungskünstlern, die ebenso die schlechten Sauerstoffverhältnisse in den versumpften Urwaldseen wie auch die von Zeit zu Zeit immer wiederkehrende Austrocknung tropischer Wasserbecken zu bestehen wissen, sind aber nicht die Labyrinthfische, sondern die „Lungenfische". Neben den Kiemen besitzen diese Fische noch häutige Säcke, die den Lungen der höheren Wirbeltiere in allen wesentlichen Punkten gleichen. Wie die Kletterfische vergraben sieh auch die Lungenfische, die in Australien, Afrika und Südamerika vorkommen, während der Trockenheit in einer Schlammhöhle. Sie rollen sich ein (Abb. S. 20), schlagen den Schwanz über den Kopf und sondern einen starken Schleim ab, der langsam eintrocknet und sie völlig umhüllt. Später wird die Schleimhaut zu einer festen Kapsel. Eine kleine Öffnung mit nach innen gebogeneu Rändern, die unmittelbar in die Nase des Fisches mündet, stellt dann die einzige Verbindung mit der
Kletterfisch aui einer Wanderung über Land. Er atmet in der freien Luft und benutzt zur Fortbewegung kräftige k
KiemendeckelJ^
Außenwelt dar. Der Lungenfisch atmet während dieses Sommerschlafes, der oft ein halbes Jahr dauert, nur durch die Lungen und zehrt wie die winterschlafenden Säugetiere von seinem Fett. Der afrikanische Lungenfisch (Protopterus Owen) wird in diesen Schlamm- und Schleimkokons auf den Fischmarkt gebracht. Er 21
hat in der natürlichen Verpackung auch schon die Reise nach Europa bestanden, ohne Schaden zu nehmen. Auch die Labyrinth- und Lungenfische sind Musterbeispiele dafür, wie aus Wassertieren allmählich Landtiere werden können. Lange
Australischer Lungenfisch mit Flossen ähnlich denen des Quastenflossers Zeit glaubte man, von ihnen die ersten landbewohnenden Vierfüßler ableiten zu können. Inzwischen aber wurde die Fischgruppe der „Quastenflosser" zum Stammvater der Vierfüßler erklärt. Denn diese seltsamen Urfische haben tatsächlich schon eine Art von Stummelbeinen- Erst im Jahre 1938 wurde ein solcher Quastenflosser, den man längst für ausgestorben hielt, an der südostafrikanischen Küste aus dem Indischen Ozean gezogen und von den staunenden Fischern dem Zoologischen Museum von East London zugeschickt. Die ganze gelehrte Welt stand Kopf vor diesem Nachkommen eines dreißig bis fünfzig Millionen Jahre alten Geschlechtes, einem mächtigen tiefblauen Kerl von anderthalb Meter Länge und einem Zentner Gewicht. Zu Ehren der wissenschaftlichen Gehilfin des Museums. Miß Latimer, die den Fisch als erste Sachverständige untersuchte, wurde dieser Urweltler „Latimeria" getauft. In Quastenflossern wie dem Latimeria erblickt die Wissenschaft die Vorfahren der vierfüßigen Landtiere. Jedenfalls solange, bis aus den geheimnisvollen Tiefen der Weltmeere vielleicht eine neue Überraschung auftaucht. Den Lungenatmern unter den Fischen stehen die Lurche, Salamander, Molche, Frösche und Kröten so nahe, daß man auch sie wohl als „Ubergangsformen" gekennzeichnet hat. Die aus den 22
Eiern sich entwickelnden Jugendformen, die Lurchlarven, atmen wie die Fische durch Kiemen. Wenn sie dann groß geworden sind, bildet sich ihre Lunge aus, und sie werden zu Landtieren. Wie manche Fische aber in Not und Bedrängnis zu Lungenatmern werden können, so bringen es manche Lurche fertig, zeitlebens Wassertiere und Kiemenatmer zu bleiben, wenn sie das Wasser aus irgendeinem Grunde nicht verlassen können. Am schönsten führt uns dieses Anpassungswunder der Axolotl, das „Wasserspiel", ein mexikanischer Querzahnmolch, vor. Lange Zeit wurde der Axolotl nur den Kiemenatmern zugeordnet. Diese Zuordnung erfolgte, weil einwandfrei festgestellt war, daß dieser Lurch sich als Kiementier im Wasser fortpflanzte. Selbst der große Cuvier betonte ausdrücklich: „Ich sehe mich genötigt, den Axolotl unter die Gattungen mit bleibenden Kiemen zu setzen, weil so viele Zeugen versichern, daß er letztere nicht verliert." Aber dann wartete der Mexikaner mit einer Überraschung auf: Durch gründliche Versuche, die Marie von Chauvin durchführte, wurde der echte und wahre Lurchcharakter des Axolotl enthüllt. Die Versuche ergaben, daß sich der Axolotl, wenn er durch sehr niedrigen Wasserstand zum Atmen über Wasser gezwungen ist, in einen echten Lurch und in ein lungenatmendes Landtier verwandelt wie ein Salamander. Wenn er aber das Wasserbecken nicht verlassen kann, bleibt er Wassertier und Kiemenatmer und pflanzt sich im Larvenzustand fort. Er verharrt dann in dieser Jugendform und behält seine Kiemenbüschel zeitlebens. Viel einfacher erreicht man die Verwandlung vom Kiemenmolch zum Lungensalamander durch Verfütterung von Schilddrüse. Sie enthält offenbar Wirkstoffe, die eine solche Verwandlung auslösen. Das klingt sehr einfach und läßt sich mit wenigen Sätzen sagen, stellt aber doch alles auf den Kopf, was uns bisher über das Larvenleben der Lurche bekannt war. Das Verwandlungsgenie Axolotl ist also durch keine noch so einschneidende Veränderung seiner Umweh in Verlegenheit zu bringen. Trocknet der Tümpel aus, so verwandelt er sich in kürzester Zeit in einen Landmolch. Bleibt genügend WaBSer im Teich, so bleibt er jahrelang ein Wassertier und pflanzt sich so fort. Es ist, als ob er uns vorführen wollte, wie einfach sich der Übergang vom Wassertier zum Landtier vollziehen kann. Selbst im Aquarium paßt sich der Axolotl den Umständen an. Man kann ihn in so tiefes Wasser setzen, daß er keine Möglichkeit findet, sich über dem Wasserspiegel zu halten, und man kann ihn in ein Terrarium mit einem kleinen Trinknapf setzen — er bleibt immer 2H
munter und fidel und in jeder Hinsicht ein vollkommene« Wasser und Landtier, ein „Amphibium". Das Anpassungsvermögen auch anderer Lurche ist sehr groß. So läßt zum Beispiel der Alpensalamander, der für seinen Nachwuchs nur selten geeignete und frostfreie Tümpel findet, die Jungen gleich als Lungenatmer zur Welt kommen. Er überspringt also den ans Wasser gebundenen Larvenzustand.
Auf dem Rücken der geduldigen Mutter Aus Mangel an geeigneten, sauerstoffhaltigen Wasserbecken ist wohl die in morastischen Sümpfen, Urwaldtümpeln und stickigen Abzugsgräben lebende Wabenkröte darauf gekommen, ihre Eier auf und im eigenen Rücken auszubrüten. Das seltsame Tier, auch Pipa genannt, das die Malerin Maria Sibylla Merian entdeckt hat, kommt in Surinam in Niederländisch-Guayana vor und ist wohl einer der häßlichsten Froschlurche. Der Leib ist unförmig, fast viereckig und sehr platt, der Kopf breit und dreieckig, Hautlappen hängen von den Oberkiefern und Mundwinkeln herab, die Vorderbeine sind überaus schmächtig, die langen Hinterbeine tragen ungewöhnlich große Füße mit Schwimmhäuten, die Augen sind sehr klein, die Kiefer zahnlos, die Zunge fehlt, die Haut ist runzlig und gelblich bis schwärzlich. Während der Laichzeit hilft ihr das Wabenkrötenmännchen, die gelegten Eier gleichmäßig auf dem Rücken zu verteilen und fest anzudrücken. Durch diesen Druck wird die Haut des Rückens wahrscheinlich gereizt und schwillt mächtig an. Die Schwellung hebt aber nicht die Eier empor, sondern verteilt sich rund um jedes einzelne Ei, so daß sie wie in tiefen Gruben liegen. Zehn bis fünfzehn Millimeter tief sind sie zuletzt in das üppige Rückenkissen eingebettet. Die Gruben nehmen die Gestalt einer regelrechten sechseckigen Wabe an und deckein sich zu! Der Rücken der Krötenmntter gleicht einer Bienenwabe und ist zur Brutkammer für durchschnittlich 40—100 Eier geworden. Während des Reifens wachsen die Eier noch. Sie werden mit einer gallertartigen Eiweißmasse, die die Zellenwände absondern, ernährt. Auch die ausschlüpfenden Froschlarven bekommen neben dem Eidotter diese Zusatzkost. Sie durchlaufen in ihren Zellen alle Entwicklungszustände und verlassen sie erst — nach etwa drei Monaten — als fertige Jungkröten. Die Mutter reibt sich dann die Überreste der Zellen an Steinen ab und behäutet sich neu. 24
Ei ist ein heiterer Anblick, zu beobachten, wenn die Jungen Pipas aus den Zellen hervorbrechen. Zuerst strecken sie einen Fuß heraus; dann läßt sich der Kopf sehen, und endlich der ganze Kerl. Bis zu hundert Junge arbeiten sich so in kurzer Frist ins Leben.
Nasenfrösche.die mehrere Eier im Kehlsack tragen
Zum Bild der „geduldigen" Pipamutter gehört — schon um der ausgleichenden Gerechtigkeit willen — auch der „rührende" Nasenfroschvater, der die Eier im Kehlsack ausbrütet und die Larven mit seinen eigenen Lebenssäften ernährt. Dieser Froschvater, der Nasen- oder Schnabelfrosch (Rhinoderma darwini), ist ein zierliches und hübschgefärbtes Kerlchen von etwa 3 cm Länge und zeichnet sich durch einen langen spitzigen, dabei aber sehr weichen Schnauzenfortsatz aus. Er ist in Chile heimisch und ist ein echter Wasserfrosch, der die fließenden kleinen Gewässer der schattigen Bergwaldungen bevorzugt. Das Männchen nimmt die vom Weibchen einzeln oder paarweise gelegten Eier in seinem Kehlsack auf, der sich mit der Anzahl der Eier immer weiter ausdehnt und zuletzt den Raum der ganzen Bauchfläche ausfüllt. Die Eier, die in Tagesabständen gelegt werden, sind verhältnismäßig groß und enthalten viel Dotter. Von diesem Dotter leben die ausschlüpfenden Larven während der ersten Tage. Später kleben sie sich mit dem Ruderschwanz, den hinteren Gliedmaßen und zuletzt mit der ganzen Zwergbeutelfrosch, der seine Eier zum Rückenhälfte an die Wand des väter- Brüten in einer Rüdtentasche verbirgt 25
liehen Kehlsackes. Sie liegen dort in ordentlichen Reihen und zehren nun von den Lehenskräften des Vaters. Der gute Vater klappt von Tag zu Tag mehr zusammen und magert zu einem jammervollen Gerippe ab. Einzeln, wie sie gekommen sind, verlassen die fertig entwickelten Fröschlein den Kehlsack, schlüpfen in die Mundhöhle und springen munter aus dem Maul und ins Wasser. Der Kehlsack schrumpft dann wieder zusammen, und der Froschvater, der seine fünfzehn Kinder mit dem eigenen Blute nährte, gieht nun zu, daß er schnell wieder zu einem angemessenen Wänstlein kommt. Seine Liebe ist wohl kaum zu überbieten, selbst von der Pipamutter nicht, und obwohl gerade unter den Froschlurchen die Brutpflege eine besondere hohe Entwicklung zeigt. Wir brauchen ja nur an das Männchen der Geburtshelferkröte zu denken, das die Eier ebenfalls auf dem Rücken umherschleppt, bis die Larven schlüpfen. Oder an das Weibchen des japanischen Ruderfrosches, das seine Eier in einer Art Eierschnee bettet und den ganzen Laich in einer Erdhöhle verbirgt. Fürsorglich legt es dann von dieser Erdhöhle aus eine glatte Rutschbahn bis zum Wasser an, auf der die Kaulquappen fidel in ihr Lebenselement schliddern. Oder an den brasilianischen Laubfrosch (Hyla resinifictrix), der mit seinen „Händen" Harz in alte Astlöcher schmiert und in diese mit Regenwasser gefüllten Becken seine Eier abstößt. Oder an den Zwergbeutelfrosch, der die sehr großen Eier in einer geschlitzten Rückentasche ausbrütet, bis die Fröschchen den Brutbeutel verlassen können (siehe Abbildung Seite 25). Die Froschlurche stellen eben schon eine bedeutsame Aufwärtsentwicklung in der Lurchenfamilie dar und kennzeichnen sich alle durch große Lebhaftigkeit und größere „geistige" Fähigkeiten.
Die letzten Drachen und Lindwürmer Daß es heute noch Tiere gibt, die im Aussehen den fliegenden Märchendrachen und den gewaltigen Lindwürmern der Sagen gleichen, wird manchen verwundern. Wie viele Tier-Raritäten leben auch diese Drachen und Lindwürmer in den indonesisch-australischen Tropenländern. Der fliegende Drache, dieses Fabeltier vergangener Zeiten, hat sich freilich mächtig verwandelt und stellt sich heute als eine bildhübsche und sehr bunte Eidechse aus der Familie der Agamen vor. Dieser kleine Flugdrache (Draco volans) wird nicht länger als zwanzig Zentimeter, davon beansprucht allein der Schwanz zwölf 26
Zentimeter. Das Tier hat für den Gleitflug einen schirm ausgebildet. Die Segelfläche besteht aus oder sechs falsche Rippen gestützten Hautschirm, Fluges halbkreisförmig ausgebreitet, in der Ruhe gefaltet ist. Auf der Flughaut werden die
besonderen Falleinem auf fünf der wahrend des aber zusammenfarbenprächtigen
Der Komodo-Waran, eine Riesenechse, die 1910 entdeckt wurde, der noch lebender Nachfahre eines Groß -Echsen-Geschlechts
Eidechsen, die reine Baum- und Wipfeltiere sind und ohne Not ihren luftigen Aufenthaltsort nicht verlassen, bis zu zwanzig Meter weit durch die Luft getragen. Mit Leichtigkeit können die Flugdrachen auf diese Weise fliegende Beute aus der Luft schnappen. Erstaunlich geschickt und treffsicher wird das Beutetier erwischt und dann zum nächsten Baumast getragen. Noch mehr an die sagenhaften Lindwürmer erinnern die Riesenechsen aus der Familie der Warane. Mit dieser Eidechsenfamilie ist die Spitze der gesamten komplizierten Eidechsenentwicklung erreicht. Angehörige von zwei bis drei Meter Länge sind nicht selten. Der wahre Lindwurm unter ihnen ist aber der erst 1910 entdeckte „Komodo-Waran". Das Riesentier ist eine dunkellehmfarbige kräftige Eidechse. Drei Meter lange Exemplare wurden schon nach Europa verfrachtet, aber es sollen längst nicht die größten gewesen sein. Dieser Waran haust in den vulkanischen Gebirgseinöden der kleinen Insel Komodo östlich von Java in Erdhöhlen unter Bäumen und Felsen. Er ist ein gefährliches Raubtier mit einem geradezu fürchterlichen Gebiß sichelförmiger und sehr scharfer Zähne. Er fällt größere Säugetiere an und weiß sich dann mit Fauchen, Aufblähen, Aufrichten, Beißen, Kratzen und gefährlichen Schwanzschlägen wirksam zu verteidigen. Die Zoologen vermuten, daß wir in dem Komodo-Waran einen Nachfahren der ausgestorbenen Riesenwarane Australiens aus der Eiszeit vor uns haben, der sich auf diesen kleinen Inseln bis in die
heutige Zeit hinübergerettet hat. Ohne viel Phantasie können wir uni vorstellen, daß sich ähnliche Riesenechsen auch in anderen Gegenden der Welt lange gehalten haben werden und daß ihnen die früheren Menschen noch begegnet sind. Die Sagen von den Lindwürmern und Drachen wären dann nicht reine Erfindung, sondern Menschheitserinnerungen, die bis in weit entlegene Zeiten zurückreichen. Aber die zoologische Forschung ist gar nicht einmal auf Erinnerungen angewiesen. Denn auf Erden lebt heute noch ein Reptil, das kein Überbleibsel ist, wie der Waran, sondern bereits vor der Blütezeit der Urwelt-Riesentiere, der Saurier, unsere Erde bevölkerte; ein Reptil, das von den Zoologen mit besonderer Freude begrüßt wurde, weil es gleichsam die Brücke zwischen den Eidechsen, Schildkröten, Krokodilen und Schlangen ist. Leider ist dem kostbaren Tier diese Begeisterung nicht gut bekommen, es wurde inzwischen fast ausgerottet. Es ist die Brückenechse, der Sphenodon punctatus. Diese Echse ist wirklich nicht nur der letzte lebende Zeuge einer längst verflossenen Tiervergangenheit, sondern überhaupt das älteste Kriechtier der Welt, das unmittelbar von den uralten, schwer gepanzerten Lurchen der Steinkohlenzeit abstammt. Die Wirbelknochen erinnern an die der Lurche, der Knochenfische und der vorweltlichen Kriechtiere. Die hakenförmigen Rippenfortsätze lassen an die der Vögel denken. Das Fehlen deB Trommelfells und die Verbindung der Unterkieferhälften durch ein faseriges Band
Die dreiäugige Brükkenechse, das älteste Krieditier der Welt, das von den Panzerlurchen der Steinkohlenzeit abstammt
weisen auf die Schlangen hin. Die Brückenechse ist eine Eidechse, die auf der Stufe der Lurche stehengeblieben ist, sich aber, gleich den Schildkröten und den Schlangen, verschiedene Anpassungsmerkmale erworben hat. Sie erreicht die Größe von dreiviertel Meter, hat stachlige Nacken-, Rücken- und Schwanzkämme, einen fast vier28
eckigen Kopf mit großen, ausdrucksvollen Augen und einen schup pigen Leib. Die Brückenechse ist noch aus einem anderen Grunde merkwürdig; denn sie ist eines der wenigen Tiere, die neben den beiden
Australisches ScnnaDeltier, ein Säugetier, das Eier legt, mit Entenschnabel, Schwimmhäuten und Krallen. Es ist das urtümlichste uns bekannte Säugetier Seitenaugen noch ein drittes Auge zur Aufnahme von Lichtreizen haben. Es sitzt vorn in einer Vertiefung des Schädeldaches. Der eigentliche Augenkörper mit Linse, Glaskörper, Netzhaut, Sinneszellen und Hornhaut ist von außen nicht zu erkennen. Er liegt verborgen unter der Kopfhaut, die an dieser Stelle farblos und durchschimmernd ist; wahrscheinlich kann dieses Auge überhaupt nur Lichteindrücke, nicht aber scharfe Bilder wahrnehmen. Es ist deshalb höchst rätselhaft, wozu das Scheitelauge eigentlich dient und weshalb dieses Lichtaufnahmeorgan gerade auch unserer Brückenechse eingepflanzt worden ist. Das vorsintflutliche Wundertier mit den drei Augen lebt heute nur noch auf einigen kleinen, wenig besuchten Inseln an der Küste Neuseelands. Als Dämmerungs- und Nachttier hält es sich tagsüber in selbstgegrabenen Sandlöchern am Meeresufer verborgen. Es ernährt sich von Insekten, Würmern, Schnecken und Krabben, aber auch junge Vögel soll es nicht verschmähen. Die Brückenechse klettert und schwimmt vorzüglich und wehrt sich sehr tapfer durch Kratzen und Beißen. Die Eier werden in versteckte Erdhöhlen gelegt und machen hier einen langen und langsamen Reifeprozeß durch. Erst nach etwa 12 Monaten schlüpfen die Jungen, arbeiten eich heraus und beziehen dann gern die Höhlen der Sturmvögel, 24
mit denen sie sich gut vertragen. Später wühlen sie sich eine eigene Höhle, die oft metertief in den Strand hineinführt und in einer geräumigen Wohnkammer endet. Die Brückenechse läuft genau so wie ein Krokodil, also mit hocherhobenem Kopfe und ohne mit dem Bauch den Boden zu berühren. Während sie sich am Tage ziemlich träge zeigt, wird sie nachts sehr beweglich. Im Gegensatz zu allen anderen Eidechsen „züngelt" sie nicht. Ihre Bewegungen sind ungestüm, hastig und ruckweise. Während des südlichen Winters, von April bis August, scheint sie eine Art Winterschlaf zu halten. Fast noch wunderlicher als diese Drachentiere ist das Säugetier, das Eier legt. Das seltsame Wesen ist das Schnabeltier Australiens (Ornithorhynchus anatinus), das man im Jahre 1943 erstmals auch in Gefangenschaft gezüchtet hat. Fast in allem ist es anders als andere Tiere. Es ist etwa einen halben Meter groß, hat einen glatt gedrückten Biberleib, sehr kurze Beine, Schwimmhäute, beachtliche Krallen an den rückwärtsgerichteten Seehundfüßen, einen flachen, kleinen Kopf, einen breiten hornigen Entenschnabel. Sein dunkelbrauner Pelz ist mit feiner, warmer Seehundwolle unterfüttert, dabei glänzend und seidenweich. Das Schnabeltier bevorzugt die stillen Altwässer und beschatteten Waldflüsse, gräbt sich wie der Biber einen meterlangen Gang von sechs bis fünfzehn Meter Tiefe in die Uferböschung und haust in einer mit trockenen Wasserpflanzen gepolsterten, geräumigen Wohnhöhle. Hier verdöst es den Tag und wird erst gegen Abend munter. Dann verläßt es den Bau durch eine unter das Wasser führende Röhre, taucht lautlos auf, sichert lange und verschwindet beim leisesten Geräusch, oder sobald es einen verdächtigen Gegenstand wahrnimmt. Es sieht und hört vorzüglich. Ist alles in Ordnung, paddelt es gewandt umher und gründelt wie eine Ente zwischen den Wasserpflanzen am Uferrand. Sorgsam wird der Schlamm durchgeseiht, werden Insekten und deren Larven sowie kleine Muscheln aufgelesen und in die Backentaschen geschoben. Sind die Taschen voll, so gibt sich das Schnabeltier in aller Ruhe der Mahlzeit hin. Die Brutpflege des Schnabeltieres ist noch nicht ganz aufgehellt. Meist liegen zwei Eier, die wie von einerLederhaut überzogen sind, am Brutplatz; immer wurden in den Wohnhöhlen auch höchstens zwei Junge gefunden. Sie kommen wahrscheinlich blind zur Welt, liegen zur Kugel zusammengerollt in ihrem weichen Lager. Den Kopf decken sie sich schützend mit dem dicht behaarten Schwänze zu. öffnet man den Jungtieren den Schnabel, so entdeckt man richtige, 3(1
vielhöckrige Zähne, Kau- u. Reibezähne, die den Zähnen der ältesten Säugetiere gleichen. Erst später treten an die Stelle dieser Zähne kleine Hornplatten, wie sie auch andere geschnäbelte Wesen zum Kauen benutzen. Heute weiß man auch, daß die Schnabeltierjungen wirklich von der Mutter gesäugt werden. Sie legt sich dabei auf den Rücken, und die Kleinen klopfen mit ihren noch weichen Schnäbeln auf ihren Leib. Die Milch träufelt in eine Hautfalte und wird hier von den Jungen vergnügt aufgeschleckt. Es besteht kein Zweifel, daß das absonderliche Schnabeltier ein echtes Säugetier ist, obwohl es noch Eier legi wie die Schlangen und Eidechsen. Es ist neben dem artverwandten Schnabeligel, der seine Eier noch im Beutel ausbrütet, das urtümlichste Säugetier, das wir kennen. Es führt die Forschung am weitesten zurück in jene Frühzeit, als aus den Sauriern allmählich die Säugetiere wurden.
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Was wir hier und in den vorhergehenden Berichten merkwürdig nannten, ist nur erstaunlich aus dem Blickwinkel des Menschen. Das Merkwürdige an manchen Tieren ist im Grunde nur Ausdruck für die unendliche Weisheit und Wandelbarkeit des unbesiegbaren Lebensivillens, der sich den schwierigsten Daseinsbedingungen anzupassen wußte und über alle Erdrevolutionen und Katastrophen hinweg das Leben selbst immer weiterzutragen vermochte. Es war nicht unsere Absicht, ein belustigendes Kuriositätenkabinett vorzuführen, sondern einmal tiefer in diese so merkivürdige Tierivelt hineinzu? leuchten, die auch im anscheinend'Sinnlosen viel sinnvoller ist, als es zunächst vermutet wird. Wer in diesem Geiste die Tiere betrachtet, ist in der Erkenntnis dessen, was in der Schöpfung vor uns aufgebaut ist, schon ein gutes Stück weitergekommen. Und immer ein Stück weiterzukommen, darauf kommt es an!
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky Umschlagbilder vorn : Laternentragender Seeteufel, hinten : Tiefsee-Tintenfisch
L u x - L e s e b o gen 98
/ D i e s e s Heft k o s t e t 20 Pfg.
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