BAUSTEINE DER CHEMIE Federführung: Dr.-Ing. Gottfried Zimmermann Dieser Titel ist Bestandteil eines sechs Teile umfassen...
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BAUSTEINE DER CHEMIE Federführung: Dr.-Ing. Gottfried Zimmermann Dieser Titel ist Bestandteil eines sechs Teile umfassenden Lehrwerkes "Bausteine der Chemie«, das von einem Autorenkollektiv im Auftrag des Instituts für Fachschulwesen entwickelt wurde.
Weitere Titel dieses Lehrwerkes sind: Allgemeine Chemie Brennstoffe, Kraftstoffe, Schmierstoffe Chemisches Praktikum Chemie des Wassers Militärchemie Wissensspeicher
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Von Erich Ammedick 6., durchgesehene Auflage Mit 4 Bildern und 7 Tabellen VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig
.
(Bausteine der Chemie) ISBN 3-342-00037-6 6., durchgesehene Auflage © VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1973 Durchgesehene Auflage: ©VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1989 VLN 152-915/19/89 Printed in the German Democratic Republic Satz und Druck: Gutenberg Buchdruckerei und Verlagsanstalt Saalfeld, Betrieb der VOB Aufwärts Lektor: Brigitte Struppe
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VORWORT......................................................................................................................................5 1. EINFÜHRUNG............................................................................................................................6 2. EXPLOSIVSTOFFE....................................................................................................................7 2.1. B EGRIFFSBESTIMMUNG .........................................................................................................7 2.2. KENNWERTE UND EINTEILUNG DER SPRENGSTOFFE ............................................................8 2.3. TECHNISCH UND MILITÄRISCH VERWENDETE EXPLOSIVSTOFFE ........................................10 2.3.1. Pulversprengstoffe...................................................................................................... 10 2.3.2. Salpetersäureester...................................................................................................... 10 2.3.3. Nitroverbindungen ..................................................................................................... 14 2.3.4. Nitramine.................................................................................................................... 15 2.3.5. Sprengstoffgemische................................................................................................... 16 2.3.6. Initialsprengstoffe....................................................................................................... 19 2.3.7. Druckwellensprengstoffe ........................................................................................... 21 3. RAKETENTREIBSTOFFE ......................................................................................................22 3.1. ENTWICKLUNG DER RAKETENTECHNIK ..............................................................................22 3.2. R AKETENANTRIEB ........................................................................................................22 3.3. C HEMISCHE RAKETENTREIBSTOFFE ............................................................................23 4. BRAND- UND NEBELMITTEL .............................................................................................26 4.1. B RANDMITTEL .....................................................................................................................26 4.2. NEBELMITTEL ......................................................................................................................29 5. VERNICHTUNGSMITTEL MIT BESONDERER WIRKUNGSBREITE ..........................31 5.0. E INFÜHRUNG .......................................................................................................................31 5.1. A UF KERNREAKTIONEN BERUHENDE VERNICHTUNGSMITTEL...........................................31 5.2. M ILITÄRISCH ANWENDBARE TOXISCHE STOFFE .................................................................37 5.2.1. Historische Einführung.............................................................................................. 37 5.2.2. Einteilung der toxischen Stoffe.................................................................................. 39 5.2.3. Synthetische toxische Stoffe................................................................................ 39 5.2.3.1. Reizstoffe..............................................................................................................40 5.2.3.2. Lungenschädigende toxische Stoffe ...................................................................42 5.2.3.3. Hautschädigende toxische Stoffe ........................................................................43 5.2.3.4. Allgemeinschädigende toxische Stoffe...............................................................44 5.2.3.5. Nervenschädigende toxische Stoffe....................................................................45 5.2.3.6. Psychotoxische Stoffe..........................................................................................49 5.3.3.7. Phytotoxische Stoffe............................................................................................50 3
5.3. NATÜRLICHE TOXISCHE STOFFE .........................................................................................52 5.4. SCHUTZMAßNAHMEN ...........................................................................................................53 6. ANTWORTEN UND LÖSUNGEN.........................................................................................55 7. WISSENSSPEICHERTEIL ......................................................................................................58 Explosivstoffe ....................................................................................................................58 Deflagration .......................................................................................................................58 Detonation..........................................................................................................................58 Chemisch einheitliche Sprengstoffe - Sprengstoffgemische ..........................................58 Raketen...............................................................................................................................58 Brandmittel.........................................................................................................................59 Nebelmittel.........................................................................................................................59 Vernichtungsmittel mit besonderer Wirkungsbreite .......................................................59 Kernwaffen.........................................................................................................................59 Kernwaffendetonationen...................................................................................................59 Vernichtungsfaktoren ........................................................................................................59 Chemische toxische Stoffe................................................................................................59 Biologische Kampfmittel..................................................................................................60 Toxine.................................................................................................................................60 LITERATURVERZEICHNIS ......................................................................................................63
4
Vorwort Die Beschlüsse der SED messen dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt in allen Bereichen unserer Volkswirtschaft erstrangige Bedeutung zu. Daher bedarf es, um die Technik von morgen zu beherrschen, einer soliden Ausbildung in den Grundlagenwissenschaften. Aufbauend auf den Studienplänen und Lehrprogrammen der Ingenieur- und Fachschulen, wurde für das Lehrgebiet Chemie ein sechsteiliges Werk »Bausteine der Chemie« mit den Bänden »Allgemeine Chemie«, »Chemisches Praktikum«, »Chemie des Wassers«, »Wissensspeicher«, »Brennstoffe, Kraftstoffe, Schmierstoffe« und »Militärchemie« entwickelt. Dieses Lehrwerk stellt einen bedeutenden Beitrag zur qualitativen Verbesserung der Erziehung und Ausbildung der Studenten dar mit dem Ziel, die Einheit von kommunistischer Erziehung und hoher gesellschaftswissenschaftlicher, naturwissenschaftlicher und technischer Bildung zu gewährleisten. Grundlegender Bestandteil der kommunistischen Erziehung der Jugend ist die sozialistische Wehrerziehung. Für die Herausbildung sozialistischer Ingenieurpersönlichkeiten, die ihre ganze Kraft für die entwickelte sozialistische Gesellschaft und ihren sicheren Schutz einsetzen sollen, ist es notwendig, militärwissenschaftliche und militärtechnische Aspekte sowie Fragen der Zivilverteidigung nicht nur in das marxistisch-leninistische Grundlagenstudium, sondern in den gesamten Prozess der Erziehung und Ausbildung zu integrieren. Das unterstreicht das »Gesetz über die Landesverteidigung der Deutschen Demokratischen Republik (Verteidigungsgesetz)« vom 13. Oktober 1978, das die Angehörigen aller staatlichen Einrichtungen - also auch der Ingenieur- und Fachschulen -verpflichtet, die Bereitschaft und die Fähigkeit zum militärischen Schutz des Sozialismus zu fördern und alle erforderlichen Maßnahmen zur Organisierung der Zivilverteidigung zu treffen. Der vorliegende Baustein soll aus der Sicht der Chemie diesem Anliegen dienen. Besonderer Dank gilt den Gutachtern, FSD Dipl.-Chem. W. Sommerschuh und FSD Dipl.Chem. L. Richter, für die bei der Durchsicht des Manuskripts erwiesene Unterstützung. Hinweise und Anregungen, die zur Verbesserung dieser 6. Auflage des Titels, die durch den schnellen Absatz der 5. Auflage notwendig wurde, dienen können, werden von Verlag und Autor jederzeit gern entgegengenommen. Der Autor
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1. Einführung Der bewaffnete Schutz der Errungenschaften des, Sozialismus gehört zu den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des sozialistischen Aufbaus. Nach dem »Gesetz über den Wehrdienst in der DDR - Wehrdienstgesetz« vom 25. März 1982 sind der Schutz des Friedens und des sozialistischen Vaterlandes, die Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik Recht und Ehrenpflicht eines jeden Bürgers. Sie dienen den Lebensinteressen sowohl des einzelnen wie auch der gesamten sozialistischen Staatengemeinschaft und aller antiimperialistischen Kräfte, sie sind Ausdruck des proletarischen Internationalismus. Es ist daher auch der Klassenauftrag für die künftigen sozialistischen Ingenieure und Ökonomen, zum Schutz der friedlichem Entwicklung des Sozialismus ihren Beitrag zu leisten. Dazu gehört auch, sich im Rahmen des Lehrgebietes Chemie Grundkenntnisse in der Militärchemie anzueignen. Die Studenten der Ingenieur- und Fachschulen sollen sich dabei bewusst sein, daß sie einen revolutionären Prozess von geschichtlichem Ausmaß gestalten helfen. Dieser Prozess, der alle Kontinente erfasst hat, zielt auf die Erneuerung der Welt im Zeichen des Friedens, der Demokratie und des gesellschaftlichen Fortschritts. Er hat erreicht, daß sich zwischen den Großmächten eine friedliche Koexistenz entwickelte. Sie beinhaltet, daß die Rüstungspotentiale der sozialistischen und der kapitalistischen Staaten sich ungefähr die Waage halten, so daß die Basis für eine weltweite Abrüstung vorhanden ist.
6
2. Explosivstoffe 2.1. Begriffsbestimmung Chemische Verbindungen oder Stoffgemische, die sehr schnell unter Abgabe von Wärmeenergie und Entwicklung von großen Gasmengen reagieren, werden als Explosivstoffe bezeichnet. Die dabei ablaufende Reaktion heißt Explosion. Die Explosion ist meist die Folge eines Oxidationsvorganges. Der für die Umsetzung erforderliche Sauerstoff kann in den Explosivstoffen selbst enthalten sein, in explosiven Stoffgemischen wird er von Sauerstoffträgern geliefert. Von den zahlreichen explosionsfähigen Stoffen ist nur ein Teil für den praktischen Gebrauch geeignet. So darf ein verwendungsfähiger Explosivstoff z. B. nicht zu schnell reagieren, er muss chemisch beständig und transportierbar sein. Die technisch einsatzfähigen Explosivstoffe heißen Sprengstoffe. Militärisch verwendbare Sprengstoffe sollen außerdem nahezu unbegrenzt lagerungsfähig, beschuss- und stoßsicher sein. Nach der Reaktionsgeschwindigkeit bei der Explosion unterscheidet man deflagrierende1 und detonierende Sprengstoffe. Die Deflagration1 ist ein beschleunigter Verbrennungsvorgang, bei dem der Explosionsdruck nur durch die entstehenden und sich ausdehnenden Explosionsgase hervorgerufen wird. Bei der Detonation wird der Explosivstoff sehr schnell von einer schmalen Reaktionszone durchlaufen, an der sich bei hohem Druck und hoher Temperatur eine Stosswellenfront ausbildet. Der Druck der gebildeten Gase läuft der Stoßwellenfront hinterher. Der Detonationsstoß hat zermalmende und zerreißende Wirkung, die entstehenden heißen Schwaden (Gase) wirken brechend und werfend. Bei einer Deflagration erreicht die Verbrennungsgeschwindigkeit maximal l.000 m/s, die Detonationsgeschwindigkeiten liegen zwischen l.000 und 10.000 m/s. Deflagrierende Explosivstoffe, die durch Zünder und Zündhütchen zur Reaktion gebracht werden, sind Treibmittel für Geschosse oder werden als Sprengstoffe mit schiebender Wirkung verwendet. Detonierende Explosivstoffe sind die brisanten 2 Sprengstoffe, die zur Füllung von Granaten, Bomben und Minen sowie als Sprengmittel mit zerstörender Wirkung eingesetzt werden. Brisante Sprengstoffe werden immer durch sprengkräftige Zündmittel (Sprengkapseln), die einen Initialsprengstoff3 enthalten, zur Reaktion gebracht. Initialsprengstoffe sind sehr explosiv, sie reagieren auf einen leichten Stoss und zünden dann den eigentlichen Sprengstoff. Auch bei deflagrierenden Explosivstoffen kann die Zündung durch Initialzünder eingeleitet werden. 1
deflagrare (lat.) = abbrennen brisant = zerbrechend, zermalmend 3 brisant = zerbrechend, zermalmend
2
7
A 2.1. Welches Vorzeichen hat die Reaktionsenthalpie für eine Explosion ?
2.2. Kennwerte und Einteilung der Sprengstoffe Sprengstoffe werden durch bestimmte Kennwerte charakterisiert. Aus der chemischen Reaktionsgleichung lassen sich die frei werdende Explosionswärme (in kJ je kg Sprengstoff) sowie das Volumen der sich bildenden Gase, das Schwaden-Volumen. bei Normalbedingungen .[273 K (0 °C) und 101,3 kPa] berechnen. Aus dem Explosionsdruck und der Explosionstemperatur ergibt sich die spezifische Energie. Sie gibt den Druck an, den l kg Sprengstoff entwickeln würde, wenn den Schwaden ein Volumen von l 1 zur Verfügung stände. Maßeinheit für die spezifische Energie ist kJ / kg. Die Sauerstoffbilanz zeigt an, um wie viel Prozent der zur vollständigen Umsetzung des Sprengstoffs erforderliche Sauerstoff in ihm überschritten (positive Bilanz) bzw. unterschritten wird (negative Bilanz). Von Interesse ist auch die Dichte des Sprengstoffes. Durch die Dichte einer Sprengladung, die sogenannte Ladedichte, werden die Detonationsgeschwindigkeit und damit die Wirkung detonierender Sprengstoffe maßgeblich beeinflusst (siehe Tabelle 1). Man unterscheidet: Ø chemisch einheitliche Sprengstoffe - Ester der Salpetersäure - Nitroverbindungen - Nitramine - Initialsprengstoffe. Ø Sprengstoffgemische - Sprenggelatine - Dynamite - Ammonsalpetersprengstoft'e - Chloratsprengstoffe - Wettersprengstoffe - Oxyliquitsprengstoffe
Nach ihrer physikalischen Beschaffenheit unterteilt man in: - pulverförmige - flüssige - plastische Sprengstoffe.
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O2 - Bilanz in %
Expl.-Wärme in kJ/kg
Expl.-Temperatur in °C
Normales Schwadenvolumen in l/kg
Spezifische Energie in kJ/kg
Detonationsgeschwindigkeit in m/s
Sprengpulver KN03 75 % (Schwarz- S 10 % pulver) C 15 %
Dichte in g/cm3
Smp. in °C
Zusammensetzung
Name
Tabelle 1. Kennwerte von Sprengstoffen
1,1
- 15
2786
2380
280
285
490
Glyceroltrinitrat
C3H5(ONO2)3 13,5 1,60 + 3,5 6240
4600
715
1337
7600
Glycoldinitrat
C2H4(ONO2)2 -22 1,50
6620
4700
737
1398
7300
1801 1,30 - 24,2 4400
3 150
765
1003
6800
C(CH2ONO2)4 141 1,70 - 10,1 5866
4200
780
1327
8000
2820
690
821
6900
Schieß[C6H7O2 baumwolle (ONO2)3]n Pentaerythrittetranitrat
2,4,6-TriC H (NO2)3 nitrotoluen 7 8
1
81
1,65
±0
- 74
3980
Zersetzungstemperatur
9
2.3. Technisch und militärisch verwendete Explosivstoffe 2.3.1. Pulversprengstoffe Zu den Pulversprengstoffen zählen Schwarzpulver und Spreng-Salpeter. Schwarzpulver ist der älteste bekannte Sprengstoff. Bis zum 19. Jahrhundert wurde nur Schwarzpulver als Treibmittel für Geschosse und Sprengmittel verwendet. Heute wird es als sogenanntes Sprengpulver mit einer Standardzusammensetzung aus etwa 75 % Kaliumnitrat, 10 % Schwefel und 15 % Kohlenstoff nur noch in beschränktem Umfang zur Gewinnung von Werksteinen und Schiefern sowie in Feuerwerksätzen verwendet. Sprengsalpeter enthält statt Kaliumnitrat das billigere Natriumnitrat.
2.3.2. Salpetersäureester Ester sind Reaktionsprodukte von Alkoholen mit Säuren. Als Explosivstoffe bewähren sich besonders die durch nukleophile Substitution gebildeten Salpetersäureester von Glycerol, Glycol, Cellulose und Pentaerythrit. Fälschlich werden diese Ester häufig als Nitroverbindungen bezeichnet, also als Nitroglycerol, Nitroglycol, Nitrocellulose und Nitropenta. Die Ester von Glycerol und Glycol sind bei Zimmertemperatur flüssig. Wegen ihrer öligen Beschaffenheit heißen sie Sprengöle. Die Ester von Cellulose und Pentaerythrit sind fest. H2C
O
NO2
HC
O
NO2
H2C
O
NO2
Glyceroltrinitrat (Nitroglycerol, Sprengöl)
Glyceroltrinitrat entsteht durch Nitrierung des dreiwertigen Alkohols Glycerol (Propantriol). Die Veresterung wird mit einem Gemisch aus 50 % Salpetersäure und 50 % Schwefelsäure, der Nitriersäure, durchgeführt. Bei Temperaturen unter 30 °C entsteht der Ester als farbloses bis schwach gelbliches Öl. Glyceroltrinitrat ist sehr giftig, sein Erstarrungspunkt liegt bei +13°C. In kleinen Mengen brennt es gefahrlos ab, detoniert aber heftig bei Schlag und Stoß. Dabei zerfällt es vollständig in ungiftige Gase: 2 C3H5(ONO2)3 ⇒ 6 CO2 + 5 H2O + 3 N2 + 0,5 O2 Glyceroltrinitrat wurde zuerst von dem schwedischen Ingenieur Altred Nobel zu handhabungssicheren Sprengstoffen unter der Bezeichnung Gur - Dynamit und Sprenggelatine entwickelt. Diese werden nur durch Initialsprengstoffe gezündet. Die heute 10
noch verwendete Sprenggelatine ist eine gelatinöse Masse, die sich aus 92 % Glyceroltrinitrat und 8 % Kollodiumwolle zusammensetzt. H2C
O
NO2
H2C
O
NO2
Glycoldinitrat (Nitroglycol, Sprengöl)
Glycoldinitrat entsteht nach folgender Reaktionsgleichung: H2C
OH
H2C
O
NO2
H2C
O
NO2
+ 2 HNO3 H2C
+ 2 H2O
OH
Das benötigte Glycol ist leicht und billig aus Ethen herstellbar. Ethen wird beim Crackprozess aus Erdöl und Erdgas gewonnen. A 2.2. Welche Reaktionsart der organischen Chemie liegt bei der Bildung von Ethen aus Ethan vor ? Glycoldinitrat ist energetisch und in der Stabilität dem Glyceroltrinitrat gering überlegen. Sein Erstarrungspunkt liegt bei —22 °C, es eignet sich deshalb zur Herstellung ungefrierbarer Sprengstoffe. Wegen dieser Eigenschaften und billiger Herstellungskosten wird es jetzt meist statt Glyceroltrinitrat eingesetzt. A 2.3. Geben Sie die Reaktionsgleichung für die Explosion von Glycoldinitrat an, und berechnen Sie das Schwadenvolumen ! Cellulosenitrat wird durch Nitrierung von Cellulose (in Form von Baumwolle, Linters 1 oder Zellstoff) erzeugt. Die Konzentration der Nitriersäure bestimmt den Veresterungsgrad. Hochnitrierte Produkte mit 12,8 bis 13,2 % Stickstoff heißen Schießbaumwolle, solche mit einem Stickstoffgehalt um 12 % Kollodiumwolle. Beide sind in Aceton löslich. In einem Ether-Ethanol-Gemisch löst sich nur die Kollodiumwolle. Die Schießbaumwolle spielte früher im gepressten Zustand eine bedeutende Rolle als militärischer Sprengstoff in Minen und Torpedos, wurde aber durch aromatische Nitroverbindungen verdrängt. Sie wird heute fast ausschließlich zur Herstellung von
1
kurzfaserige Baumwollabfälle
11
Treibmitteln verwendet. Diese rauchschwachen Cellulosenitratpulver gewinnt man durch Gelatinieren der Schießbaumwolle mit geeigneten Lösungsmitteln. Bild 1. Schematische Darstellung des Aufbaus der Munition für Handfeuerwaffen Geschoss Hülsenhals Hülsenmantel Pulverladung Amboß Zündhütchen Zündladung Hülsenboden
Stärkere rauchschwache Pulver für Geschützmunition und Maschinenwaffen erhält man durch Vermischen von Schießbaumwolle mit Glyceroltrinitrat oder Glycoldinitrat. Diese heißen Glyceroltrinitrat- und Glycoldinitratpulver. Kollodiumwolle dient zur Gelatinierung der Sprengöle. Niedrig nitrierte Produkte können zur Herstellung von Celluloid eingesetzt werden. Celluloid wird zu Gebrauchsgegenständen verarbeitet. A 2.4. Weshalb wurde Celluloidfilm durch den Sicherheitsfilm (Celluloseacetat) ersetzt? Pentaerythrittetranitrat C(CH3-O-NO2)4 vierwertigen Alkohols Pentaerythrit.
(Nitropenta)
ist
der
Salpetersäureester
des
Der Ester fällt bei der Nitrierung in Form weißer Kristalle an, die eine gute chemische Stabilität besitzen. Beim Schmelzpunkt von 141 °C zerfällt er und bildet braune Stickoxide. Nitropenta hat eine hohe Schlagempfindlichkeit, die man durch Zusatz von Montanwachs verringern kann. Es ist der sprengkräftigste und brisanteste aller chemisch einheitlichen Sprengstoffe mit einer Detonationsgeschwindigkeit von 8500 m/s unter günstigen Bedingungen. Da die Detonation außerdem leicht durch Initialsprengstoffe ausgelöst wird, verwendet man Nitropenta als Sekundärsprengstoff, (Unterladung) in Sprengkapseln. Außerdem wird es eingesetzt für kleinkalibrige Geschosse, Hohlladungen, in Sprengschnüren, 12
Zwischen- und Zündladungen. Es ist wesentlicher Bestandteil militärisch verwendbarer Sprengstoffgemische (z.B. plastischer Sprengstoffe). Bild 2. Aufbau einer Sprengkapsel:
Deckhütchen
Initialsprengstoff
40 mm
Unterladung
A 2.5. Geben Sie die Reaktionsgleichung für die Nitrierung von Pentaerythrit an !
13
2.3.3. Nitroverbindungen Organische Nitroverbindungen entstehen durch Substitution des Wasserstoffs in Kohlenwasserstoffen durch die Nitrogruppe –NO2. Dabei wird der Stickstoff der Nitrogruppe direkt an den Kohlenstoff gebunden. Die als Sprengstoffe verwendeten aromatischen Nitroverbindungen sind chemisch beständiger als die Salpetersäureester. Sie sind bei Zimmertemperatur fest und leicht schmelzbar. Wegen ihrer relativ großen Unempfindlichkeit gegenüber Schlag und Reibung sowie hoher Dichte eignen sie sich besonders für militärische Zwecke. Sie werden verwendet als: Ø Ø Ø Ø Ø
beschusssichere Sprengkörper mit hoher Brisanz. Füllung für Artilleriemunition, Torpedos und Raketensprengkörper Füllung für Minen und Handgranaten sprengkräftige Komponente gewerblicher Sprengstoffe Detonatoren (Zwischenladung) und Sekundärladung von Sprengkapseln
Alle aromatischen Nitroverbindungen sind mehr oder weniger giftig. CH3
2,4,6-Trinitrotoluen
O 2N
NO2
(TNT, Trotyl)
NO2
TNT ist der am häufigsten eingesetzte militärische Sprengstoff. Das für militärische Zwecke benutzte TNT muss relativ rein sein, sein Schmelzpunkt soll über 80,2 °C liegen. Trinitrotoluen zeichnet sich durch gute chemische Beständigkeit, Beschusssicherheit, Unempfindlichkeit gegenüber Reibung und mäßige Giftigkeit aus. Es ist außerdem relativ gefahrlos herzustellen und leicht zu verarbeiten, denn es kann geschmolzen in Hohlladungen allein oder mit anderen Stoffen vergossen werden. TNT wird als brisanter Sprengstoff vor allem in Minen, Granaten, Geschossen und Torpedos eingesetzt. Die Sprengkraft (Detonationsstärke) von Kernspaltungs- und Kernsynthesewaffen wird durch Angabe äquivalenter Mengen TNT charakterisiert. So entwickelt beispielsweise l kg Uranium-235 so viel Energie wie 20 kt TNT, eine Wasserstoffbombe hat ein Energieäquivalent von mindestens 50 Mt TNT. Der Sauerstoffmangel im Molekül von Trinitrotoluen bedingt bei der Detonation die Entstehung giftiger und brennbarer Gase (CO, HCN, CH4, und H2). Das schließt seine Verwendung für sich allein als Bergbausprengstoff unter Tage aus, mindert aber nicht die militärische Einsatzfähigkeit. 14
A 2.6. Weshalb behindert die hohe negative Sauerstoffbilanz nicht die Verwendung von TNT im militärischen Bereich ?
2.3.4. Nitramine Nitramine enthalten die funktionelle Gruppe >N-NO2. Es sind nitrierte Amine. Sie können durch Kondensationsreaktionen aus sekundären Aminen und Salpetersäure gebildet werden: R2NH + HO-NO2
⇒
R2N-NO2 + H2O
O2 N
N
l,3,5-Trinitrohexahydro-1,3,5-triazin
N
NO2
N
(Hexogen)
NO2 (Anm. des K-Lesers: N,N,N-Trinitroperhydro-1,3,5-triazin wäre der korrekte Name) Hexogen ist der wichtigste Sprengstoff dieser Gruppe. Er bildet weiße Kristalle, die bei etwa 200 °C schmelzen. Hexogen vereinigt in sich hohe Brisanz (bis 8400 m/s Detonationsgeschwindigkeit!) mit großer chemischer Stabilität. Für den militärischen Einsatz wird es durch Zusatz von Montanwachs phlegmatisiert1), um die Reibungs- und Stoßempfindlichkeit herabzusetzen. Hexogen wird militärisch in Hohlladungen oder im Gemisch mit TNT für Sonderzwecke eingesetzt.
1
phlegma (griech.) = Trägheit; phlegmatisieren = reaktionsträge machen
15
2.3.5. Sprengstoffgemische Wenn einheitliche Sprengstoffe die an sie gestellten Forderungen im militärischen und gewerblichen Bereich nicht erfüllen, benutzt man Sprengstoffgemische. Militärisch verwendete Sprengstoffgemische sind z. B.: Ø Ø Ø Ø
TNT mit Nitropenta TNT mit Hexogen TNT mit Ammonsalpeter TNT mit Aluminiumpulver
Diese Gemische werden teilweise im Vakuum vergossen, sie erreichen dadurch hohe Dichten und damit größere Brisanz, die z. B. bei Minenfüllungen erwünscht ist. Besondere Bedeutung erlangten plastische Sprengstoffgemische, z. B.: Ø Hexogen mit Vaseline Ø Nitropenta mit Plastifizierungsmitteln (Wachs, Öl, Vaseline, Kautschuk) Ø Gelatinöse Ammonsalpetersprengstoffe Von den oben genannten Sprengstoffgemischen haben einige eine größere Detonationsgeschwindigkeit und größere Sprengwirkung als die bekannten, einheitlich zusammengesetzten Sprengstoffe. Die vornehmlich im gewerblichen Sektor der Wirtschaft verwendeten Sprengstoffgemische werden nach der amtlichen Sprengmittelliste wie folgt unterteilt: 1. Pulversprengstoffe 2. gelatinöse Ammonsalpetersprengstoffe 3. Ammonsalpetersprengstoffe mit Sprengölzusatz 4. Ammonsalpetersprengstoffe ohne Sprengölzusatz 5. Sondersprengstoffe 6. Wettersprengstoffe Kennwerte und Zusammensetzung dieser Gemische sind aus Tabelle 2 zu ersehen. Militärisch und gewerblich werden verbreitet die sogenannten ANO - Sprengstoffe verwendet, die am Einsatzort aus Ammonnitrat (ca. 94 %) und Dieselöl (ca. 6 %) durch Mischung hergestellt werden können. Im militärischen Bereich werden sie vor allem bei Erdsprengungen zum Ausheben von Stellungen und beim Bau von Unterständen eingesetzt. Auch zum Sprengen von Befestigungen oder Brücken sind diese Sprengstoffe geeignet. Auch die Oxyliquitsprengstoffe werden erst am Ort der Sprengung hergestellt, und zwar aus flüssiger Luft und Kohlenstoff trägem (z. B. Ruß oder Korkmehl). 16
A 2.7. Warum haben alle gewerblichen Sprengstoffe positive Sauerstoffbilanz?
17
Gelatine - Donarit 2 Nitroglykol Aromat. Nitrokörper Ammonsalpeter Natronsalpeter Holzmehl Eisenrot Kollodiumwolle Donarit 1 Ammonsalpeter Trinitrotoluen Dinitrotoluen Nitroglycol Holzmehl Eisenrot Donarit 2 Ammonsalpeter Dinitrotoluen Nitroglykol Holzmehl Eisenrot Dekamon 1 P Ammonsalpeter Dieselkraftstoff Wetter - Arit Ammonsalpeter Trinitrotoluen Sprengöl, geliert Natriumchlorid Kollodiumwolle
22,0 8,0 55,0 12,0 2,1 0,1 0,8 79,5 12,0 3,0 4,0 2,0 0,5 81,7 3,0 6,2 9,0 0,1 94,0 6,0 29,0 2,0 29,0 39,0 1,0
Detonationsgeschwindigkeit in m/s
Spezifische Energie in kJ/kg
Normales Schwadenvolumen in l/kg
Expl.Temperatur in °C
Expl.-Wärme in kJ/kg
O2 - Bilanz in %
Anteile in %
Name & Zusammensetzung
Tabelle 2. Kennwerte von Sprengstoffgemischen
+ 3,8
4218
2860
820
902
6200
+ 2,2
4000
1553
966
975
4780
+ 2,3
3728
2355
370
902
4200
+ 6,0
4022
k.A.
490
892
2500
+ 3,9
2750
1954
553
440
5200
18
2.3.6. Initialsprengstoffe Um die Detonation brisanter Sprengstoffe einzuleiten, werden als Zündmittel die besonders empfindlichen Initialsprengstoffe benötigt. Ihre Umsetzung wird durch Flammenzündung, Schlag oder Stoss eingeleitet, sie steigert sich zur Detonation. Der Detonationsstoß kleiner Mengen Initialsprengstoff gewährleistet eine einwandfreie Entzündung der brisanten Sprengstoffe. Initialsprengstoffe werden nur in kleinen Mengen hergestellt, sie werden bei der Anwendung in Näpfchen oder Hülsen eingepresst. Die wichtigsten Initialsprengstoffe sind Knallquecksilber und Bleiazid. Quecksilberfulminat Hg(CNO) Knallquecksilber Quecksilberfulminat ist ein Salz der Knallsäure, die mit der Cyansäure isomer ist:
HO C N
HO N C
Knallsäure Cyansäure Der Explosivstoff ist äußerst stoßempfindlich. Unter einem 2-kg-Fallhammer detoniert Knallquecksilber schon bei einer Fallhöhe von 5 cm. Es wird in Sprengkapseln aus Kupfer eingepresst. Aluminiumhülsen dürfen nicht angewendet werden, da sie durch Amalgambildung zerstört werden. Bleiazid Pb(N3)2 Bleiazid ist ein Salz der Stickstoffwasserstoffsäure HN3, die bereits Friedrich Wöhler (1800 bis 1892) bekannt war. Die Kristalle sind nicht ganz so schlagempfindlich wie Knallquecksilber, aber bereits in kleineren Mengen wirksam. Sie werden in Aluminiumkapseln eingepresst. Mit Schwermetallen (z. B. Kupfer) bildet Bleiazid sehr zündempfindliche Azide. A 2.8. Weshalb zählen nicht alle Explosivstoffe zu den praktisch anwendbaren Sprengstoffen ?
19
Grenzladung in g SchlagEmpfindlichkeit bei 2 kg in cm
Sprengkapsel – Material
Hg (CNO) 4,45 4000 0,36 5 Kupfer
Pb (N3)2 4,80 5300 0,09 8 Aluminium
DetonationsGeschwindigkeit in m/s
Dichte in g/cm3
Tabelle 3. Eigenschaften von Initialsprengstoffen
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2.3.7. Druckwellensprengstoffe In den letzten Jahren konzentrierte sich die waffentechnische Entwicklung in den imperialistischen Staaten auf die Vervollkommnung von sogenannten Flächenwaffen. Das sind Waffen und Munitionsarten, die durch Streuung Gruppen- oder typische Flächenziele bekämpfen können. Zu diesen Flächenwaffen gehören außer den chemischen Waffen (vgl. Abschn. 5.2.) Ø Ø Ø Ø
Brandmittel (vgl. Abschn. 4.1.) Splitter- und Kugelmunition Minenstreu-Munition und Zerleger-Gefechtsköpfe bzw. -bomben Mehrfachwerfer.
Sie sollen »unterschiedslos wirken und unnötige Leiden verursachen«. Verwendet werden in den genannten Flächenwaffen die herkömmlichen Sprengstoffe, die bereits in diesem Baustein behandelt wurden. Seit dem Vietnamkrieg nutzen die imperialistischen Staaten neue Explosivstoffe, die großflächig wirken und deren Druckwellen denen von Kernwaffen nahe kommen. Sie werden Druckwellenexplosivstoffe genannt. Von den USA wurden sie in Südostasien zum Flächenräumen von Minenfeldern und zum Heraussprengen von Lichtungen und Schneisen in Urwäldern genutzt. Die Druckwellenexplosivstoffe sind entweder thermisch instabile Verbindungen oder explosible Gemische aus Kohlenwasserstoffen und Sauerstoff. Zu den verwendeten instabilen Verbindungen gehören:
Propylnitrat
H2C CH2 O CH3-CH2-CH2-ONO2,
Dimethylhydrazin
CH3-NH-NH-CH3 und
Acetylperoxid
CH3-CO-O-O-CO-CH3.
Ethenoxid
Zur Bewaffnung der NATO-Staaten gehören Brennstoff-Luft-Waffen. Mit ihrer Hilfe können Flächenexplosionen ausgelöst werden, die für Menschen außerhalb von Deckungen tödlich wirken. Auch einfache Deckungen und Kraftfahrzeuge gewähren keinen Schutz. Die oben genannten Explosivstoffe und die Brennstoff - Luft-Gemische haben im Vergleich zu TNT bei gleicher Ladungsmasse die drei- bis fünffache Zerstörungskraft je Flächeneinheit.
21
3. Raketentreibstoffe 3.1. Entwicklung der Raketentechnik Raketen waren bereits im ausgehenden Mittelalter in China bekannt. Sie wurden als Feuerwerks- und Leuchtraketen verwendet. Im 18. Jahrhundert wurden Brandraketen als Kampfmittel eingesetzt. Die österreichische Armee besaß Mitte des vorigen Jahrhunderts bereits besondere Raketenkorps. Solange aber die Artillerie eine wirksamere Waffe war, erlangten Raketenwaffen keine besondere Bedeutung. Erst in unserem Jahrhundert wurde die Raketentechnik auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelt. Besonders sind hier die bahnbrechenden Arbeiten des russischen Gelehrten Ziolkowski (1857 bis 1935) zu nennen. In größerem Umfang wurden Raketenwaffen erst im 2. Weltkrieg eingesetzt. Es waren Panzerbüchsen, Geschosswerfer, Flugzeugabwehr-Raketen und ballistische Raketen. Nach dem 2. Weltkrieg wurden Raketen ein wichtiger Bestandteil in der Ausrüstung moderner Armeen und das einzige Antriebsmittel der Raumfahrt, an deren Erfolg die Sowjetunion besonderen Anteil hat.
3.2.
Raketenantrieb
Raketen sind durch Rückstoß angetriebene Flugkörper, die sich sowohl im lufterfüllten als auch im luftleeren Raum fortbewegen können. Zur Erzeugung des Rückstoßes haben sich bisher im militärischen Bereich am besten chemische Triebwerke bewährt.
Einspritzkopf
Brennraum
Oxidatoreinlauf
Brennstoffeinlauf
Kühlmantel
Düsenhals
Bild 3. Triebwerk einer Flüssigkeitsrakete (schematisch)
22
In den chemischen Triebwerken wird die Energie des Antriebsstrahls durch Verbrennungsgase einer chemischen Reaktion erzeugt. Die chemische Reaktion erfolgt in der Brennkammer, die in eine Entspannungsdüse übergeht. Die durch die Düse entweichenden Gase bewirken den Rückstoß, der die Rakete antreibt.
3.3.
Chemische Raketentreibstoffe
In chemischen Triebwerken sind Treibstoffkombinationen wirksam, die aus Brennstoff und Oxydator bestehen. Ein leistungsfähiger Raketentreibstoff soll eine möglichst große Dichte und hohe Verbrennungsenthalpie haben, seine Verbrennungsgase sollten eine möglichst kleine Molekülmasse besitzen. Zur Erfüllung der zuletzt genannten Forderung sind nur Elemente mit niedriger Atommasse als Bestandteil von Raketentreibstoffen geeignet: Wasserstoff, Lithium, Beryllium, Bor, Kohlenstoff und Stickstoff. Als Oxydatoren werden Sauerstoff und sauerstoffspaltende Verbindungen sowie Fluor und Fluorverbindungen angewendet. A 3.1. Nennen Sie Wasserstoffverbindungen der oben genannten Elemente, die grundsätzlich als Raketentreibstoff Verwendung finden könnten ! Nach dem Aggregatzustand der Raketentreibstoffe unterscheidet man: Ø Flüssigkeitsraketen Ø Feststoffraketen Ø Hybridraketen In Flüssigkeitsraketen werden Brennstoff und Oxydator in getrennten Behältern aufbewahrt. Von dort werden sie durch Druckgas oder Pumpen in die Brennkammern befördert, wo sie miteinander reagieren. Bei diesen Zweistoffsystemen unterscheidet man Hypergole und Nichthypergole. Die ersten entzünden sich spontan bei Berührung, die zweiten benötigen eine Zündvorrichtung. Als flüssige Brennstoffe werden Alkohole, Erdöldestillate, Hydrazin N2H4 aliphatische und aromatische Amine sowie flüssiger Wasserstoff genutzt. Als Oxydatoren kommen flüssiger Sauerstoff, Ozon, Stickstofftetroxid N2O4 flüssiges Fluor und Chlortrifluorid ClF 3 in Frage. Auch Gemische von flüssigem Sauerstoff und flüssigem Fluor sind in Gebrauch. A 3.2. Welche Erdöldestillate kommen als Raketentreibstoff in Frage ? A 3.3. Welche Gase entstehen bei Anwendung von Alkoholen (Brennstoff) und Sauerstoff (Oxydator) als Raketentreibstoff ? 23
Feststoffraketen sind im Aufbau einfacher als Flüssigkeitsraketen. Treibstoffbehälter und Brennkammern sind identisch (Bild 4). Die festen Raketentreibstoffe können in homogener Phase Brennstoff und Sauerstoff enthalten oder als Mehrstoffgemisch eingesetzt werden. Als homogene feste Treibstoffe bewährten sich besonders die aus Schießbaumwolle und Glyceroltrinitrat hergestellten rauchschwachen Pulver. Ihre Reaktionsgeschwindigkeit in den Triebwerken ist aber wesentlich geringer als in Schusswaffen. Dadurch sind in Raketentriebwerken nur Drücke von 10 bis 40 MPa einige Sekunden lang wirksam. Diese Treibstoffe werden nur noch in kleinen Raketen eingesetzt.
Haube
Zündkabel Düse
Zünder
Treibstoff
Bild 4. Triebwerk einer Feststoffrakete Mit den heterogen zusammengesetzten Raketentreibstoffen, den Composite - Treibstoffen, sind weitreichende Raketen ausgerüstet. Sie enthalten als wesentliche Bestandteile einen organischen Binder (Bindebrennstoff), anorganische Oxydatoren und energiesteigernde Zusätze. Die Funktion des Binders erfüllen Polyurethane und andere Plaste, als Oxydator wird meist Ammoniumperchlorat NH4ClO4, als energiesteigernder Zusatz Aluminiumpulver verwendet.
24
In Kampfraketen werden bevorzugt feste Raketentreibstoffe verwendet. Kampfraketen werden nach Abschuftpunkt und Ziel unterteilt in: Ø Ø Ø Ø
Boden-Boden-Raketen Boden-Luft-Raketen Luft-Boden-Raketen Luft-Luft-Raketen
In Hybridraketen befindet sich ein fester Brennstoff in der Brennkammer. Der flüssige Oxydator wird durch Druckgas in die Brennkammer befördert. Hybridraketen haben ähnlich wie die Feststoffraketen einen einfachen Aufbau. Durch den Oxydatorzufluss ist jedoch der Antrieb regelbar. A 3.4. Stellen Sie für zwei Reaktionen, die in der Brennkammer von Flüssigkeitsraketen ablaufen könnten, die Reaktionsgleichungen auf! Zu welcher Reaktionsart gehören die dort ablaufenden Reaktionen? A 3.5. Für welche friedliche Zwecke werden Raketen eingesetzt ?
25
4. Brand- und Nebelmittel 4.1. Brandmittel Brandmittel (brandstiftende Munition) sind chemische, Verbindungen oder Gemische, die beim Verbrennen hohe Temperaturen erzeugen und dadurch Brandherde verursachen können. Bereits im Altertum wurden Brandmittel einfacher Konstruktion angewendet, um z.B. belagerte Städte oder Schiffe in Brand zu setzen. Auch dieses Kampfmittel wurde im Laufe der Zeit technisch vervollkommnet. Während aber im 1. Weltkrieg die Brandmittel nur eine untergeordnete Rolle spielten, änderte sich das im Verlauf des 2. Weltkrieges grundlegend. Es wurden ab 1943 von der amerikanischen und englischen Luftwaffe etwa 50 % Brandbomben, 40 % Minenbomben und 10% Sprengbomben abgeworfen. Nach statistischen Angaben soll im 2. Weltkrieg eine Tonne Brandbomben eine dreimal größere Zerstörung als eine gleich große Menge Sprengbomben hervorgerufen haben. Brandmittel sind in folgender Form militärisch einsetzbar: Ø Ø Ø Ø
in Panzer- und Tornister-Flammenwerfern durch Bomben, Granaten, Geschosse und Raketen in Flaschen und Kanistern durch Brandplättchen
Der Flammenwerter schleudert brennende Flüssigkeit oder verdickten. Brandstoff auf das Ziel. Als unverdickter Brandstoff werden meist Erdölprodukte (Benzin, Benzen, Kerosin) verwendet. Sie haben nur eine kurze Brennzeit, geringe Haftfähigkeit und relativ niedrige Temperaturen, dringen aber in Spalten und Ritzen ein. Verdicker bilden mit Benzin Gele, die als verdickter Brandstoff zum Einsatz kommen. Dieser brennt länger, haftet gut und erreicht höhere Temperaturen, außerdem schwimmt er auf Wasser. Feststoffbrandbomben bestehen aus oder enthalten Thermit, ein Gemisch aus Aluminium und Eisenoxid Fe3O4. Dieses setzt sich nach Zündung wie folgt um: 8 Al + 3 Fe3O4
⇒
4 Al2O3 + 9 Fe
∆Hn = - 3.335 kJ/mol
Die hierbei entwickelte Wärme (erreichte Temperatur etwa 2400°C) reicht aus, um das bei der Reaktion gebildete Eisen flüssig zu halten. (Deshalb werden Thermitgemische auch zum Schweißen von Schienen verwendet.) Die äußere Hülle von Thermitbrandbomben kann aus Magnesium oder Magnesiumlegierungen (z.B. Elektron) bestehen, die dann auch völlig verbrennt. Die Elektron-Thermit-Brandbombe ist leicht, sie hat kein totes Gewicht. Ein Flugzeug kann große Mengen dieser Brandbomben transportieren. 26
A 4.1. Wodurch kann es beim Löschen von Thermitbomben in geschlossenen Räumen zu Knallgasexplosionen kommen ? Flüssigkeitsbrandbomben enthielten im 2. Weltkrieg Öl, Benzin und Petroleum. Durch Zusatz von Kautschuk wurden die Flüssigkeiten zähklebrig und hatten eine ausbreitend brandstiftende Wirkung. Weißer Phosphor ist der wesentliche Bestandteil von Phosphorbrandbomben, Phosphorkanistern und Brandplättchen. Phosphorbrandbomben enthalten ihn im Gemisch mit Kautschuk, in Brandkanistern ist er in Kohlenstoffdisulfid CS2 oder anderen geeigneten Lösungsmitteln gelöst. Der weiße Phosphor und seine Lösungen entzünden sich selbst, er verbrennt unter Entwicklung großer Mengen weißen Rauches. A 4.2. Erklären Sie das Entstehen dieses weißen Rauches ! Auch wenn der Phosphor durch Wasser abgelöscht wird, kann er sich später erneut entzünden. Außerdem sind Phosphor und seine Dämpfe außerordentlich giftig, Phosphorverbrennungen verursachen schwer heilende Wunden. Auch Brandflaschen enthalten meist Phosphorlösungen. In Brandplättchen befindet sich weißer Phosphor als gelartige Masse in Celluloidplättchen, die sich nach dem Austrocknen selbst entzünden. Sie sollen in Waldgebieten und auf Feldern • brandstiftend wirken. Nach dem 2. Weltkrieg trat ein neues brandstiftendes Mittel bei kolonialen und imperialistischen Kriegen in Erscheinung. Es erhielt den Namen Napalm und ist eine gelatinöse Masse aus Kohlenwasserstoffen (Benzin) und Aluminiumsalzen. Unter anderem sind es Salze folgender organischer Säuren: Naphthensäuren,
COOH
Palmitinsäure C15H31-COOH Ölsäure C17H35-COOH
A 4.3. Geben Sie die Summenformeln von Aluminiumpalmitat und -oleat an ! Aus Naphthensäure und Palmitinsäure wurde die Abkürzung Napalm gebildet. Es hat sich eingebürgert, das ganze Brandgemisch als Napalm zu bezeichnen, auch wenn es außer Aluminiumsalzen noch andere Zusatzstoffe enthält. Der Zusatz von amorphen Polymeren (Polystyren, Polyisobutylen, Isobutyl-methacrylat) als Verdicker macht Napalm klebriger, es 27
entwickelt mehr toxische Gase und erreicht eine Verbrennungstemperatur von 1200 °C. Solche Gemische wurden von den USA produziert und im Vietnamkrieg eingesetzt. Sie wurden als Napalm W (Supernapalm) bezeichnet. Das Zumischen von weißem Phosphor und/oder feinverteiltem Metall (Magnesium oder Aluminium) zu Napalm bewirkt, daß diese Brandmischungen nahezu nicht mehr löschbar sind. Mit Metall versetzte flüssige Brandmittel werden Pyrogele genannt. Napalm ist fest haftend, nicht abwischbar, beim Abbrennen bilden sich schwere giftige Gase, es fließt in Vertiefungen. Unbedeckte Körperteile des Menschen erleiden schwere Verbrennungen, die teilweise bis zu den Knochen reichen. Durch die große Hitze kommt es auch zu Verbrennungen der Luftwege. Mit Napalm bespritzte Kleidung muss sofort heruntergerissen werden. Im 2. Weltkrieg wurden Brandmittel zumeist zur Terrorisierung der Zivilbevölkerung benutzt. Die grausamen Zerstörungen von Wohngebieten in Städten und Dörfern (z. B. Coventry, Hamburg, Dresden) wurden zu einem großen Teil durch Brandbomben hervorgerufen. Während bis 1945 zu diesen Terroreinsätzen vorwiegend Thermit- und Phosphorbrandbomben verwendet wurden, werden seit dem Koreakrieg zunehmend Napalmbomben und -kanister eingesetzt. Dieses Kampfmittel, das ursprünglich zur Panzerbekämpfung entwickelt wurde, ist in den Händen der Imperialisten ein schreckliches Mittel zur Zerstörung von Siedlungen geworden. Außerdem werden viele Angehörige der Zivilbevölkerung getötet, oder sie erleiden entstellende Verbrennungen. Viele Beispiele dafür sind in den von den USA geführten imperialistischen Kriegen in Korea, Laos und Vietnam bekannt. Auch Israel bediente sich in seinem Aggressionskrieg gegen die arabischen Völker der teuflischen Waffe Napalm.
28
4.2. Nebelmittel Nebelmittel sind meist hygroskopische Substanzen, die mit dem in der Luft enthaltenen Wasserdampf Nebeltröpfchen bilden. Rauch- und nebelbildende Stoffe werden militärisch genutzt, um Stellungen, Objekte und Manöver der eigenen Truppe zu tarnen oder dem Gegner die Sicht im Gefechtsfeld zu nehmen. Nebelwände können auch zur Abschwächung der Lichtstrahlung von Kernwaffendetonationen dienen. Der am häufigsten angewendete militärische Nebelstoff ist weißer Phosphor. Er entwickelt beim Verbrennen große Mengen Phosphorpentoxidrauch, der sich dann mit der Luftfeuchtigkeit zu nebelförmiger Phosphorsäure umsetzt: P2O5 + 3 H2O ->- 2 H3PO4 Phosphor wird als Nebelmittel in Granaten und Fliegerbomben verwendet. Gebräuchliche Nebelmittel sind auch Schwefeltrioxid SO3 oder die noch besser tarnende Nebelsäure, die aus etwa 40 % Schwefeltrioxid und 60 % Chlorsulfonsäure HSO3Cl besteht. Schwefeltrioxid und Chlorsulfonsäure sind stark hygroskopisch, so dass sie an der Luft rauchen. Dabei laufen folgende Reaktionen ab: SO3 HSO3C1
+ H2O ⇒ H2SO4 + H2O ⇒ HCl + H2SO4
Nebelsäure wird meist mit Nebelgeräten versprüht. Ebenfalls für Nebelgeräte, aber auch zur Füllung von Granaten werden die nebelbildenden Tetrachloride von Zinn, Titanium und Silizium (SnCl4, TiCl4, SiCl4) benutzt. Die Chloride sind farblose Flüssigkeiten, die an der Luft stark rauchen. Durch Hydrolyse läuft dann z. B. die folgende Reaktion ab: SnCl4 + 4 H2O ⇒ Sn(OH)4 + 4 HCl Als feste Nebelstoffe sind Ammoniumverbindungen gebräuchlich. Nach thermischer Dissoziation durch einen beigefügten Brandsatz bildet sich nebelförmig in feiner Verteilung die Ausgangsverbindung zurück. Beispiel: NH4Cl ⇒ NH3 + HCl Aber auch feste Kohlenwasserstoffe (Naphthalen, Paraffin, Teer) und andere kohlenstoffreiche Verbindungen (Öle und Plaste) können als Nebelstoffe dienen, wenn sie 29
unter Entwicklung von viel Rauch verbrennen. Der Nebelstoff wird evtl. mit einem Brennstoff und einem Oxidationsmittel (KNO3, KClO3) versetzt. Nebel aus schaumbildenden hochmolekularen Stoffen vom Typ der Epoxid-, Phenol-, Polyethylen- und Polyurethanharze können Funkmesseinrichtungen stören. A 4.4. Welche Nebelmittel sind als gesundheitsschädlich anzusehen ? A 4.5. Erklären Sie, weshalb Naphthalen C10H8 als Nebelmittel geeignet ist !
30
5. Vernichtungsmittel mit besonderer Wirkungsbreite 5.0. Einführung Mit den Vernichtungsmitteln mit besonderer Wirkungsbreite werden im Verhältnis zur Menge der angewendeten Mittel starke Wirkungen auf große Flächen erzielt. Es gibt drei Gruppen dieser Art von Vernichtungsmitteln, und zwar solche, die auf Kernreaktionen beruhen, synthetische toxische Stoffe und natürliche toxische Stoffe.
5.1. Auf Kernreaktionen beruhende Vernichtungsmittel Diese Vernichtungsmittel sind die militärisch genutzten Kernwaffen. Beim Einsatz der im Abschnitt 2. behandelten Sprengstoffe wird chemische Energie freigesetzt, die durch Umwandlungen in der Atomhülle entsteht. In Kernwaffen wird die Energie thermonuklearer Prozesse genutzt, es laufen Reaktionen in oder zwischen Atomkernen ab. In Kernwaffen wird in detonationsartig ablaufenden Kernreaktionen Energie freigesetzt, die vernichtende und zerstörende Wirkung hat. Die Energiefreisetzung in Kernwaffen kann durch eine Kernspaltung oder eine Kernverschmelzung erfolgen. Dementsprechend unterscheidet man Kernspaltungs- und Kernsynthesewaffen. Wird in einer Kernwaffe nur die Kernspaltung oder die Kernsynthese genutzt, so bezeichnet man sie als Einphasenkernwaffe. In Mehrphasenkernwaffen wird die Detonationsenergie durch aufeinander folgende Kernspaltungs- und Kernsynthesereaktionen erzeugt. In Kernspaltungswaffen werden schwere, energiereiche Atomkerne in leichtere, an Energie ärmere Kerne im Verlauf einer Kettenreaktion aufgespalten, die durch langsame Neutronen ausgelöst wird. In diesen Waffen werden hauptsächlich das Uranisotop Plutoniumisotop
235 92 239 94
U
(U235) und das
Pu (Pu239)
verwendet. Durch Neutronenbeschuss von U235 kann z. B. folgende Reaktion ablaufen: +n U →
235 92
236 92
U
→
Ba +
143 56
Kr + 3n
90 36
Die drei freiwerdenden Neutronen heißen Spaltneutronen. Durch Neutronenreflektoren (z. B. Stahl oder Berylliumoxid) können diese neue Urankerne spalten, die Kettenreaktion kann sich fortsetzen. 31
A 5.1. Auf welche Weise kann Kernspaltungsmaterial, z. B. die oben genannten Isotope, zu friedlichen Zwecken verwendet werden ? Für Kernsynthesewaffen sind besonders leichte, energiereiche Atomkerne geeignet, die zu schweren, an Energie ärmeren Atomkernen in thermonuklearer Reaktion umgesetzt werden. In Waffensystemen werden deshalb vor allem die Nuklide Wasserstoff
1 1
H, Deuterium 21 D, Tritium 31 T und 63 Li elementar oder
in Form von Verbindungen verwendet. Als erste Kernsynthesewaffe wurde im Jahre 1952 von den USA eine Wasserstoffbombe gezündet, in der die Kernladung aus Deuterium und Tritium bestand. Diese reagieren bei der Detonation wie folgt: 2 1
D +
3 1
T ⇒
4 2
He + n
Zur Einleitung der Detonation ist eine Temperatur von mehr als 106 K erforderlich, die von einem Kernspaltungszünder erbracht wurde. Diese Wasserstoffbombe sowie die weiterentwickelten Kernsynthesewaffen gehören deshalb in der Regel zu den Mehrphasenwaffen. Militärisch einsatzfähige Kernsynthesewaffen enthalten als Kernsprengstoff Lithiumdeuterid
6 3
Li 21 H
eine feste, beständige und lagerfähige Verbindung, die relativ billig hergestellt werden kann.
32
In einer Lithiumdeuterid-Zweiphasen-Kernwaffe laufen nach Zündung durch eine Kernspaltung folgende Kernreaktionen ab, die u. a. einen starken Neutronenstrom erzeugen: 6 3
Li + n
⇒
4 2
He +
2 1
D + n
⇒
3 1
T
H: D:
Wasserstoff Deuterium
3 1
T +
⇒
( 11 H) ( 21 H)
4 2
He + n
D +
D
⇒
3 2
He + n
Tritium Helium Litium
( 31 H)
2 1
T: He: Li:
3 2
He +
3 2
⇒
4 2
He + 2 11 H
2 1
D
2 1
He
3 1
T
Die Detonationsstärke ist die wichtigste Kenngröße von Kernwaffen. Sie ist ein Maß für die bei der Detonation freigesetzte Gesamtenergie, sie wird in äquivalenten Mengen des Sprengstoffs Trinitrotoluen angegeben. Die Detonationsstärke von Kernwaffen liegt etwa zwischen 0,005 kt und 100 Mt TNT. Kernspaltungswaffen können wahrscheinlich eine Detonationsstärke von maximal 300 kt TNT erreichen, größere Detonationsstärken werden nur in Kernsynthese- bzw. Mehrphasenkernwaffen freigesetzt. Kernwaffenträger sind Raketen, Flugzeuge, Kriegsschiffe und Geschütze. Die bei einer Kernwaffendetonation freigesetzte Energie wirkt vorwiegend in Form der folgenden Vernichtungsfaktoren: Ø Ø Ø Ø Ø
Druckwelle Lichtstrahlung Sofortkernstrahlung Restkernstrahlung Elektromagnetischer Impuls
Die Detonationsart beeinflusst maßgeblich die Wirksamkeit der einzelnen Vernichtungsfaktoren. Man unterscheidet Höhen-, Luft-., Erd-, Wasser-, unterirdische und Unterwasserdetonationen. Bei erdnahen Kernwaffendetonationen entfällt der größere Energieanteil auf die Druckwelle, sie hat zerstörende und vernichtende Wirkung. Die Lichtstrahlung (Wärmestrahlung) geht von einem Feuerball aus, der aus einer Wolke glühender Gase im Plasmazustand besteht. Sie ruft Brände hervor und führt bei Menschen zu Verbrennungen und Blendungen. Aus dem erkaltenden Feuerball bildet sich die 33
Detonationswolke, die bei Luftdetonationen aus den Trümmern der Kernwaffe und radioaktiven Detonationsprodukten besteht. Die vom Feuerball ausgehende Sofortkernstrahlung besteht aus einem Neutronenstrom und elektromagnetischer Gammastrahlung. Entsprechende Strahlungsdosen führen zu Strahlungserkrankungen und Tod. Die Sofortkernstrahlung ist Hauptvernichtungsfaktor in der sogenannten Neutronenwaffe. Diese hat nur einen begrenzten Hitze- und Druckeffekt. Dadurch werden kleinere Brände und Zerstörungen als bei den normalen Kernwaffen verursacht. Der Neutronenstrom und die Gammastrahlung machen dafür den Menschen noch auf große Entfernung kampfunfähig oder treffen ihn tödlich, selbst hinter Stahlpanzerung und Deckungen. Bei der Detonation von Neutronenwaffen laufen vorwiegend folgende Reaktionen ab: 3 1
T +
2 1
D
⇒
4 2
He + n
3 1
T +
3 1
T
⇒
4 2
He + 2 n
Die Restkernstrahlung wird von den radioaktiven Detonationsprodukten hervorgerufen, die aus der Detonationswolke stammen. Sie umfasst korpuskulare Alpha- und Betastrahlung sowie elektromagnetische Gammastrahlung. Sie kann unter Umständen sehr lange und auf weite Entfernungen wirksam sein. Auch die Restkernstrahlung ruft Strahlungserkrankungen hervor, die tödlich verlaufen. können. Im Moment einer Kernwaffendetonation bilden sich in der Atmosphäre und im Erdreich pulsierende elektrische Felder und elektrische Ströme. Wegen ihrer kurzen Wirkungszeiten spricht man vom elektromagnetischen Impuls der Kernwaffendetonation. Er wirkt sich auf Freileitungen, Erdkabel, Telefon- und Signalleitungen aus, indem Isolationen an Geräten durchschlagen, Sicherungen und Leitungen schmelzen. Halbleiterelemente und magnetische Werkstoffe werden unbrauchbar. Militärisch wurden Kernwaffen bisher nur von den USA eingesetzt, die im August 1945 in verbrecherischer Weise Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abwerfen ließen. Es handelte sich dabei um Uranium - Kernspaltungswaffen, die eine Detonationsstärke von 20 kt TNT besaßen. Die Detonationshöhen betrugen einige hundert Meter, es handelte sich demnach um Luftdetonationen.
34
In Hiroshima wurde eine Fläche von zwölf Quadratkilometern vollständig zerstört, etwa 100.000 Menschen wurden getötet. Es gibt bis auf den heutigen Tag noch Menschen, die an Strahlungsschäden leiden, die durch den damaligen Bombenabwurf hervorgerufen wurden. Durch technische Vervollkommnungen sind Kernwaffen inzwischen zu einer Gefahr geworden, die alles Leben auf der Erde bedroht. Man muss es deshalb der UdSSR und den mit ihr verbündeten Friedenskräften als besonderes Verdienst anrechnen, daß sie durch geduldiges Verhandeln folgende Abkommen durchsetzten: 1. »Vertrag über das Verbot der Kernwaffenversuche in der Atmosphäre, im kosmischen Raum und unter Wasser« vom 05.08.1963. Er wurde von mehr als 100 Staaten unterzeichnet. 2. »Vertrag über die Prinzipien für die Tätigkeit der Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper« vom 27.01.1967. 3. »Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen« vom 01.07.1968. Er trat 1970 in Kraft. 4. »Vertrag über das Verbot der Stationierung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungsmitteln auf dem Meeresgrund und Ozeanboden und in deren Untergrund« vom 11.02.1971. Den oben genannten Verträgen trat auch die DDR bei. Die UdSSR war und ist weiterhin bemüht, im Rahmen der UNO und in direkten Verhandlungen mit den USA neue Abkommen zur Begrenzung der strategischen Offensivwaffen - das sind vor allem durch Raketen angetriebene Kernwaffen - zu erreichen. So wurden 1972 und 1974 zwischen der UdSSR und den USA die sogenannten SALT-Verhandlungen geführt, die Vereinbarungen zur Begrenzung von strategischen Warfen ergaben. Doch wurden diese Abkommen von den USA nicht ratifiziert. Am 08.12.1987 unterzeichneten die UdSSR und die USA einen Vertrag über die Beseitigung der nuklearen Mittelstreckenraketen beider Staaten mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern. Es muss weiterhin das Endziel aller friedliebenden Menschen unseres Erdballs sein, ein vertraglich vereinbartes, vollkommenes Verbot aller Kernwaffen zu erreichen.
35
A 5.2. Aus welchen elektrisch geladenen Teilchen bestehen Alpha- und Betastrahlen ?
36
5.2. Militärisch anwendbare toxische Stoffe 5.2.1. Historische Einführung Die Technisierung der Kriegsführung und die direkte oder indirekte Beteiligung großer Teile der Bevölkerung an den militärischen Auseinandersetzungen veranlagte die großen Staaten in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts, humanitäre Maßnahmen und gewisse Regeln der Kriegsführung vertraglich festzulegen. So wurde im Jahre 1864 die „Genfer Konvention“ (Genfer Rotkreuz - Abkommen) abgeschlossen. Gegenwärtig gelten zwischen den meisten Staaten die Genfer Abkommen von 1949, die Grundsätze über den Schutz der nicht oder nicht mehr am bewaffneten Kampf beteiligten Personen enthalten. Die DDR trat 1956 diesem Abkommen bei. Auf den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 wurden u. a. Verhaltensregeln für kriegführende Staaten gegenüber der Zivilbevölkerung bei Kapitulation und Waffenstillstand festgelegt. Die „Haager Landkriegsordnung“ von 1907 enthält in den Artikeln 22 und 23 wörtlich folgende Feststellungen: »Die Kriegführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes. Abgesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten ist namentlich untersagt: a) Die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen. b) Der Gebrauch von Waffen, Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind, unnötig Leiden zu verursachen. Die chemische Industrie in den großen imperialistischen Staaten entwickelte sich nach der Jahrhundertwende so stürmisch, daß sie im 1. Weltkrieg, in der Lage war, große Mengen an Giftstoffen zu liefern, wie sie für eine chemische Kriegsführung gebraucht wurden. Chemische toxische Stoffe wurden in verbrecherischer Weise zuerst von der deutschen Heeresleitung angewendet. Das Abblasen von Chlorgas bei Ypern im April 1915 leitete eine neue, schreckliche Art der Kriegsführung ein, die der Haager Landkriegsordnung widersprach. Das veranlagte die Großmächte, nach dem 1. Weltkrieg im Genfer Protokoll vom 17.06.1925 ein internationales Abkommen abzuschließen, welches das Verbot der Anwendung von Giftgasen und bakteriologischen Kampfmitteln festlegte. Es wurde von über 40 Staaten unterzeichnet, aber nicht von allen ratifiziert, auch nicht von den USA. Die Unterzeichnung des Genfer Protokolls hinderte die imperialistischen Staaten nicht, zwischen den beiden Weltkriegen Forschungen für eine chemische Kriegsführung weiterzuführen. Im faschistischen Deutschland wurden sie in den Laboratorien des Konzerns der IG-Farben vorangetrieben. Die dort entwickelten Giftstoffe wurden in 37
Konzentrationslagern an wehrlosen Häftlingen erprobt. Nach dem 2. Weltkrieg gab es viele Abrüstungsvorschläge der sozialistischen Staaten, in der UNO wurde das Verbot aller Vernichtungsmittel mit besonderer Wirkungsbreite gefordert. Alle diese Initiativen scheiterten aber lange an der starren Haltung der imperialistischen Staaten. Gegen den Willen des eigenen Volkes widersetzten sich insbesondere die USA lange jeder wirksamen Abrüstung der chemischen Waffen, da sie sich militärische Erfolge vom Einsatz chemischer toxischer Stoffe im Kampf gegen die um ihre Freiheit ringenden Völker versprachen. Beispiele für den völkerrechtswidrigen Einsatz von Giftstoffen durch die USA gab es in Korea und Südostasien, wo den Völkern von Vietnam, Laos und Kampuchea (Kambodscha) namenloses Leid zugefügt wurde. Auch das inzwischen gestürzte faschistische Regime von Portugal hat zur Unterdrückung der Freiheitsbewegung in Afrika chemische toxische Stoffe angewendet. Unter dem Einfluss des veränderten internationalen Kräfteverhältnisses und unter dem Eindruck weltweiter Proteste gegen amerikanische Kriegsverbrechen in Vietnam waren die USA schließlich gezwungen, im Jahre 1975 das Genfer Protokoll von 1925 zu ratifizieren. Sie machten dabei allerdings folgende Vorbehalte. Das Protokoll soll nicht für Reizstoffe (Abschn. 5.2.3.1.) und Herbizide (Abschn. 5.2.3.7.) gelten. Zur gleichen Zeit trat eine Konvention über das Verbot der Entwicklung, Produktion und Lagerung von biologischen Waffen in Kraft (Abschn. 5.3.), die auch von den USA unterzeichnet worden war. Ein weiterer Erfolg der Friedenskräfte ist darin zu sehen, daß am 18.05.1977 die „Konvention über das Verbot militärischer und sonstiger feindseliger Anwendung von Mitteln zur Einwirkung auf die Umwelt“ von 33 Ländern, darunter auch von den USA, unterzeichnet wurde. Diese Konvention verbietet praktisch den Einsatz von phytotoxischen Stoffen (Abschn. 5.2.3.7.).
38
5.2.2. Einteilung der toxischen Stoffe Die militärisch angewendeten toxischen Stoffe kann man in synthetische toxische Stoffe (chemisch hergestellte toxische Stoffe) und in natürliche toxische Stoffe (biologische Kampfmittel) einteilen. Die Grenzen lassen sich nicht immer klar ziehen. In den folgenden Ausführungen wird ein Einblick in diese Stoffgruppen gegeben.
5.2.3.
Synthetische toxische Stoffe
Dies sind toxische Stoffe, die auf chemischem Wege hergestellt werden. Chemische toxische Stoffe sind industriell produzierte Giftstoffe, die für den militärischen Einsatz geeignet sind. Sie verursachen an Menschen, Tieren und Pflanzen reversible oder irreversible Reizungen und Schädigungen. Chemische toxische Stoffe werden gasförmig, flüssig und fest in Form von Aerosolen angewendet. Sie können mit Hilfe von Bomben, Minen, Granaten, Raketen, Abblaseinrichtungen und Aerosolgeneratoren eingesetzt werden. Taktisch werden kurz- und langwirkende toxische Stoffe unterschieden. Die erste Gruppe, deren Siedepunkt meist unter 130 °C liegt, kann höchstens eine Stunde lang Vergiftungen hervorrufen. Die schädigende Wirkung sesshafter toxischer Stoffe kann infolge ihrer geringen Flüchtigkeit bis zu mehreren Tagen anhalten. Der Siedepunkt dieser Stoffe liegt zumeist über 200 °C (Tabelle 6); Die Giftigkeit chemischer toxischer Stoffe wird u. -a. durch das Tödlichkeits-Produkt bewertet, das als Produkt aus Konzentration und Einwirkungsdauer auf ein Versuchstier bei tödlichem Ausgang berechnet wird. Nach der Wirkung auf den lebenden Organismus erfolgt eine Unterteilung chemischer toxischer Stoffe in: Ø Ø Ø Ø Ø Ø Ø
Reizstoffe Lungenschädigende toxische Stoffe Hautschädigende toxische Stoffe Allgemeinschädigende toxische Stoffe Nervenschädigende toxische Stoffe Psychotoxische Stoffe Phytotoxische Stoffe
39
5.2.3.1. Reizstoffe Die Reizstoffe wirken im Vergleich zu den anderen im 1. Weltkrieg eingesetzten toxischen Stoffen nur kurzzeitig und hinterlassen keine bleibenden Schädigungen. Sie werden unterteilt in Augen- und Nasen-Rachen-Reizstoffe. Als Augenreizstoff werden meist halogenierte Ketone eingesetzt. Ein solcher stark wirkender Augenreizstoff ist: Chloracetophenon ClCH3-CO-C6H5. Er ist bei Zimmertemperatur ein kristalliner Stoff, der bei 57 °C schmilzt. Chloracetophenon wird hauptsächlich als Aerosolkampfstoff angewendet. Augenreizstoffe bewirken sofortigen Tränenfluss, zeitweilige Blindheit kann eintreten. Höchste Konzentrationen reizen auch die oberen Atemwege. Die Vergiftungserscheinungen klingen nach einigen Tagen ab. Augenreizstoffe wurden nicht nur militärisch eingesetzt. Sie werden auch heute noch von der Polizei kapitalistischer Staaten bei Demonstrationen und Unruhen angewendet. In neuester Zeit wird Chloracetophenon bei Polizeieinsätzen in NATO-Staaten als sogenannte »Chemische Keule« angewendet. Der Reizstoff befindet sich dabei in einer Sprühdose, er wird Demonstranten in das Gesicht gesprüht. Seine hohe Konzentration hat schockartige Wirkung. In den USA wurden nach dem 2. Weltkrieg noch neue Reizstoffe entwickelt. Seit 1960 ist in der amerikanischen Armee der folgende toxische Stoff eingeführt:
H C
2-Chlorbenzylidenmalonsäuredinitril
CN C CN
(CS-Stoff)
Cl CS ist eine weiße kristalline Substanz, die bei 95 °C schmilzt und unter Dunkelfärbung bei 300 bis 315 °C siedet. Als Aerosol verursacht es innerhalb von wenigen Sekunden eine starke Bindehautentzündung der Augen, gleichzeitig hat es eine starke Wirkung auf die Atemwege, wie sie für die Nasen- und Rachenreizstoffe charakteristisch ist. CS wird in den USA und in anderen Ländern als Polizeikampfmittel angewendet. Skrupellos ist es von der US-Armee auch in großen Mengen in Vietnam eingesetzt worden.
40
Ein weiterer in der US-Armee eingeführter Reizstoff ist O
Dibenz-l,4-oxazepin
(CR-Stoff) N H
Anm. des K-Lesers: Wird heute trivial „Phenoxazin“ genannt.
Es ist ein gelbes Pulver, das eine starke Reizwirkung auf Augen, Nasen-Rachenraum und die Haut hat. Zu den Nasen- und Rachenreizstoffen gehören, auch aromatische Arsenverbindungen.
Cl As Diphenylaminchlorarsin
(Adamsit)
N H ist ein typischer Vertreter dieser Reizstoffgruppe, der während des 2. Weltkriegs von den meisten kriegführenden Staaten hergestellt wurde, da er zu den wirkungsvollsten und billigsten Reizstoffen gehört. Adamsit kann durch folgende Reaktion aus Diphenylamin und Arsen (III)-chlorid hergestellt werden: (C6H5)2NH + AsCl3
⇒
NH(C6H4)2AsCl + 2 HCl
Es entsteht bei dieser Reaktion in Form gelber bis gelbgrüner Kristalle mit einem Schmelzpunkt von 195 °C. Durch Einatmen der Verbindung kommt es schnell zu einer Reizung der oberen Luftwege mit Hustenreiz und Schleimabsonderung in Nase, Mund, Rachen und Bronchien. Die Erscheinungen können sich bis zur Atemnot mit Beklemmungen und Angstgefühlen steigern, bewirken aber meist keine bleibenden Schädigungen.
41
5.2.3.2. Lungenschädigende toxische Stoffe Das 1915 bei Ypern eingesetzte Chlorgas hatte eine lungenschädigende Wirkung. In der Folgezeit wurden meist andere die Atmungsorgane angreifende Chlorverbindungen angewendet. Die meisten Todesopfer forderte im 1. Weltkrieg der Einsatz von
Cl Kohlensäuredichlorid
O
(Phosgen)
Cl Phosgen ist ein farbloses Gas, das einen Siedepunkt von 8 °C hat und eigentümlich nach faulem Heu riecht. Als toxischer Stoff ist es besonders heimtückisch, da beim Einatmen zunächst keine Reizwirkung verspürt wird. Erst nach . einer Latenzzeit von einigen Stunden macht sich die Zerstörung der Lungenzellen. durch ein Lungenödem bemerkbar. Dabei sammelt sich Flüssigkeit in den Lungenbläschen, und es kommt dadurch zu einer Behinderung des Sauerstoffaustausches. Anzeichen der Vergiftung sind Pulsverlangsamung, Beschleunigung der Atmung, Blaufärbung der Haut, Hustenreiz, Brust- und Kopfschmerzen sowie allgemeine Schwäche. Die Erste Hilfe muss auf eine Einschränkung des Sauerstoffbedarfs (liegender Transport) und Verbesserung der Sauerstoffzufuhr hinzielen. Weitere toxische Stoffe mit lungenschädigender Wirkung sind:
OCCl3 Trichlormethylchlormethanat
(Diphosgen) und
O Cl
Triclilornitromethan
Cl3C-NO2
(Chlorpikrin).
A 5.3. Phosgen kann leicht aus Kohlenmonoxid und Chlor hergestellt werden. Formulieren Sie die Reaktion !
42
5.2.3.3. Hautschädigende toxische Stoffe In der Flandernschlacht bei Ypern wurde 1917 erstmalig von deutscher Seite ein hautschädigender Stoff eingesetzt. Er wurde später Schwefel-Yperit genannt. Dieser toxische Stoff ist der Typ eines langwirkenden, sesshaften Kampfmittels. Chemisch gehört er zu den halogenierten Thioethern. Er ist also ein Ether, in dem der Brückensauerstoff durch Schwefel ersetzt ist.
2,2-Dichlordiethylsulfid
H2C CH2Cl S H2C CH2Cl
(Schwefel-Yperit, Lost, Senfgas)
ist in reinem Zustand eine ölige, farblose Flüssigkeit mit Zwiebelgeruch und einem Siedepunkt von 217 °C. Schwefel-Yperit wird in flüssiger Form oder dampfförmig eingesetzt. Der toxische Stoff dringt durch Kleidung und poröse Materialien. Seine große Sesshaftigkeit kann im Zäh-Yperit durch Vermischen mit hochviskosen Substanzen noch gesteigert werden. Als Winter-Yperit ist er durch Zusatz von Benzen oder Nitrobenzen auch bei tiefen Temperaturen einsetzbar. Auf der Haut rufen hautschädigende toxische Stoffe schwer heilende Wunden hervor, können aber auch Entzündungen der Augen und Reizungen der oberen Atemwege bewirken. Die ersten Anzeichen einer Vergiftung treten nach einer Latenzzeit von 2 bis 6 Stunden auf. Schwere Vergiftungen können Dauerschäden hinterlassen. Spritzer müssen von der Haut sofort durch Mulltupfer, Lösungsmittel (z. B. Benzin) oder Chloraminlösung entlernt werden. Augenschädigungen sind gesondert zu behandeln. Zu dieser Gruppe von toxischen Stoffen gehören außerdem:
2,2,2-Trichlortriethylamin
a-Chlorethenylarsindichlorid
N
CH2
CH2Cl
CH2
CH2Cl
CH2
CH2Cl
ClHC C AsCl2 H 43
(Stickstofi-Yperit) und
(a-Lewisit).
Durch hautschädigende toxische Stoffe wurden im ersten Weltkrieg mehr Personen verletzt als durch alle übrigen toxischen Stoffe zusammen. Wegen ihrer langen Wirksamkeit und Sesshaftigkeit können Hautgifte militärische Operationen erschweren und zur Anlage von Sperren dienen. Sie wurden auch nach dem 1. Weltkrieg von den italienischen Faschisten bei der Besetzung Äthiopiens angewendet. Es muss damit gerechnet werden, daß sich hautschädigende toxische .Stoffe auch heute noch in den Arsenalen imperialistischer Staaten befinden. 5.2.3.4. Allgemeinschädigende toxische Stoffe Toxische Stoffe dieser Gruppe sind zumeist kurzwirkende, flüchtige Verbindungen, die als Industriegifte schon lange bekannt sind. Sie wurden bisher militärisch kaum eingesetzt, da es schwierig ist, für diese toxischen Stoffe im Gelände ausreichende Konzentrationen zu erreichen. Durch Vervollkommnung der Anwendungstechnik und Beeinflussung der physikalischen Eigenschaften kann aber ein militärischer Einsatz möglich gemacht werden. Cyanwasserstoffsäure
H—C=N
(Blausäure)
ist die giftigste Verbindung dieser Gruppe. Blausäure und ihre Salze, die Cyanide, werden technisch in großen Mengen hergestellt, da sie für Synthesen und zur Gewinnung von Edelmetallen benötigt werden. Reine, wasserfreie Blausäure ist eine farblose Flüssigkeit, die intensiv nach bitteren Mandeln riecht. Ihr Siedepunkt beträgt 26 °C. Vergiftungen durch Blausäuregas haben die gleiche Wirkung wie die orale Aufnahme von Cyaniden. z. B. Kaliumcyanid KCN. Die Giftwirkung beruht auf einer Blockierung von Atemfermenten. Der Tod tritt sehr schnell durch Lähmung des Atemzentrums ein. Die tödliche Dosis ist sehr gering, sie liegt für den Menschen bei 60 mg Blausäure. Im »Zyklon B«, einem Produkt des IG-Farben-Konzerns, diente Blausäure zur Tötung wehrloser Häftlinge in Konzentrationslagern der deutschen Faschisten. Auch Kohlenmonoxid CO und Arsenwasserstoff AsH3 sind Industriegifte, deren heimtückische Giftwirkung schon lange bekannt ist. Beide Stoffe sind ausgesprochene Blutgifte. A 5.4. Was ist Ihnen über die Giftwirkung von Kohlenmonoxid bekannt? In welchen technischen Gasen kommt Kohlenmonoxid vor ?
44
5.2.3.5. Nervenschädigende toxische Stoffe Die nervenschädigenden toxischen Stoffe gehören chemisch zumeist zu den Phosphorsäureestern. Obgleich man Verbindungen dieser Art bereits vor mehr als 100 Jahren herstellte, wurde ihre Giftigkeit erst nach 1930 erkannt Bei systematischen Forschungsarbeiten entdeckte der zu den IG-Farben gehörende Chemiker G. Schrader hochgiftige phosphororganische Verbindungen. Diese wurden zuerst auf ihre Verwendung als Insektizide untersucht. Dabei ergab sich, daß einige Phosphorsäureester auch für Warmblüter tödlich wirken. Diese waren von folgendem Typ:
R
O P
RO
bzw.
H2N
O P
F
RO
CN
Unter strenger Geheimhaltung wurden die Entdeckungen Schraders weiterentwickelt, so daß bereits 1939 die Voraussetzungen für eine großtechnische Produktion gegeben waren. Als nervenschädigende, hochgiftige toxische Stoffe wurden Phosphorsäureester dann während des 2. Weltkrieges in großem Umfang produziert, aber nicht eingesetzt. Sie sind inzwischen von imperialistischen Mächten weiterentwickelt worden und stellen die zur Zeit gefährlichsten chemischen toxischen Stoffe dar (Tabelle 5, S. 43). Ein typischer Vertreter dieser Stoffklasse ist:
H3C
Fluorphosphorsäuremethylisopropylester
O P
C3H7O
(Sarin, GB [USA])
F
Sarin ist eine färb- und geruchlose Flüssigkeit, die einen Siedepunkt von 147 °C hat. Es ist wegen seiner relativ hohen Flüchtigkeit nur mäßig sesshaft. Als klebrige Mischung wird es zu einem langwirkenden toxischen Stoff. Unter günstigen meteorologischen Bedingungen hält sich Sarin im Sommer im Gelände bis 5 Stunden, im Winter bis 2 Tage. Die tödliche Konzentration für Sarindämpfe liegt bei 0,05 mg Sarin je Liter Luft bei einer Einwirkungsdauer von 2 bis 5 Minuten. Tödliche oder sehr gefährliche Sarinkonzentrationen können bei günstigen Windverhältnissen noch 20 km vom Einsatzort entfernt auftreten. Eine Giftwirkung tritt durch Einatmen oder bei Aufnahme durch Haut und Schleimhäute ein. Im Körper wird die Enzymgruppe der Cholinesterasen gehemmt, die wesentlich für die Elementarprozesse der Nervenleitung sind. Es kommt zur Anhäufung von Acetylcholin in den Körperorganen, die zu Lähmungen und Muskelkrämpfen führt.
45
Bei schweren Vergiftungen treten schon nach einigen Minuten folgende Erscheinungen auf: Pupillenverengung bis Stecknadelkopfgröße, beschleunigte Atmung, Pulsverlangsamung, Muskelzuckungen, Blaufärbung von Schleimhäuten, Fingerspitzen, Nase und Ohrmuscheln. Der Tod kann nach Minuten, aber auch erst nach Stunden eintreten. Ein wirksames Gegenmittel ist eine Kombination von Atropin mit PAM (Pyridin-2aldoximmethyliodid), die in den Muskel gespritzt werden muss (Anmerkung des K-Lesers: Auf gar keinen Fall sollte dieser Wirkstoff in Gefäße oder noch schlimmer, wie in einigen Hollywoodfilmen gezeigt, in den Herzmuskel injiziert werden. Außerdem ist Atropin selber ein letales Gift, d.h. es muss auf die Dosierung geachtet werden.) Bei leichten Vergiftungen verschwinden Vergiftungserscheinungen in zwei bis drei Tagen. Zu den nervenschädigenden toxischen Stoffen gehört weiterhin Soman, das folgende Strukturformel hat:
H3C
O P
C 6H13O
(Soman, CD [USA]).
F
Soman ist etwa dreimal giftiger als Sarin. Schon 0,02 mg/1 sind bei einer Einwirkungszeit von 5 Minuten tödlich. Angeregt durch die Forschungsergebnisse schwedischer Chemiker, wurden die Phosphorsäureester zu den V- oder auch VX-Kampfstoffen weiterentwickelt. Diese übertreffen die Giftigkeit von Sarin und Soman noch um ein Vielfaches (Tabelle 5, S. 48). Ein in der US-Armee eingeführter V-Kampfstoff führt die Bezeichnung VX. Er hat die folgende Strukturformel:
H3C
O
C3H7
P C2H5O
S CH2 CH2 N
(VX)
C3H7 VX und andere V-Kampfstoffe hemmen wie die oben bereits behandelten phosphororganischen Verbindungen die Cholinesterasen in ihrer Wirkung. Die VKampfstoffe sind phosphorylierte Cholin- und Thiocholinverbindungen, die in der Struktur 46
natürlichen Stoffwechselprodukten ähnlich sind, aber deren Funktion nicht erfüllen. Sie dringen leichter als andere toxische Stoffe durch die Haut in den Organismus ein. Diese Hautwirksamkeit kann noch durch Lösungsmittel gesteigert werden, die dann mit dem toxischen Stoff beladen besonders leicht die Hautoberfläche passieren. Als Schlepper für biologisch aktive Verbindungen, die die perkutane Giftigkeit von toxischen Stoffen steigern, ist z.B. geeignet:
H3C S O
Dimethylsulfoxid
(DMSO)
H3C Obgleich alle in diesem Abschnitt genannten nervenschädigenden toxischen Stoffe außerordentlich gefährlich sind, lagern große Bestände davon in den USA und auf dem Territorium der mit ihr verbündeten Staaten. Auch in der BRD gibt es solche Lager trotz zahlreicher Proteste friedliebender Bürger dieses Staates. Seit 1973 erregen bicyclische Phosphorsäureester das Interesse imperialistischer Staaten. Diese haben z.B. folgende Struktur:
O
O
P
R O
Auf Grund ihrer physikalischen Eigenschaften können sie als Aerosol oder zur Geländevergiftung eingesetzt werden, da ihre Giftwirkung die von VX erreicht. Die Toxizität der bicyclischen Phosphorsäureester beruht aber nicht auf der Hemmung der Cholinesterasen. Das hat zur Folge, daß, die oben genannten Mittel gegen nervenschädigende toxische Stoffe nicht wirksam sind. Auch die sonst üblichen Nachweisreaktionen versagen. Dagegen ist eine Entgiftung (vgl. Abschn. 5.4.) durch Basen und Hypochlorite wie bei den klassischen nervenschädigenden toxischen Stoffen möglich. Da die imperialistischen Mächte befürchten, daß sie über kurz oder lang einem generellen Verbot der Produktion und Lagerung von chemischen toxischen Stoffen zustimmen müssen, entwickelten sie neuartige chemische Vernichtungsmittel, die als »Binär-Waffen« bezeichnet werden. Diese bestehen darin, daß man zwei industriell hergestellte Vorprodukte, die wenig toxisch sind, getrennt in Geschosse füllt. Der eigentliche toxische Stoff bildet sich dann erst während des Fluges des Geschosses (Rakete, Granate) durch Vermischen der Ausgangskomponenten. 47
Durch diese Technologie könnte ein Aggressor die verwendeten Vorprodukte ohne Aufsehen in der zivilen Chemieindustrie produzieren. Binärwaffen sind außerdem lager- und transportsicher. Zur Bewaffnung der US-Armee gehören bereits seit mehreren Jahren Granaten, welche zwei stoffliche Komponenten enthalten, die nach Vermischung Sarin bilden.
48
5.2.3.6. Psychotoxische Stoffe Die psychotoxischen Stoffe wirken nicht tödlich. Sie sollen, den normalen Kontakt des Menschen mit der Umwelt einschränken oder unterbinden. Sie wirken auf die Psyche des Menschen. Psychotoxische Stoffe erzeugen beim Menschen geistige Störungen (Modellpsychosen), ohne daß Organschäden entstehen. Psychotoxische Stoffe haben die Aufgabe, eine zeitweilige Gefechts- und Handlungsunfähigkeit hervorzurufen. Taktisch könnte ihr Einsatz im Frontbereich oder im Hintergrund erfolgen. Als brauchbare Psychogifte, die eventuell aerosolförmig oder in vergifteten Lebensmitteln angewendet werden könnten, werden Rauschmittel, Schlafmittel und hochwirksame Tranquilizer1 vorgeschlagen. Als Modellsubstanz wird Lysergsäurediethylamid (LSD) genannt, das aus Mutterkornalkaloiden herstellbar ist. LSD erzeugt optische und akustische Halluzinationen. Es ist eine weiße, geruch- und geschmacklose Substanz mit einem Schmelzpunkt von 83 °C, wasserlöslich und durch Kochen nicht zerstörbar. Die Synthese von LSD ist schwierig. Es ist deshalb anzunehmen, daß für den militärischen Einsatz leichter zugängliche Verbindungen vorgesehen sind. Durch relativ einfache Synthese und ausreichende Wirksamkeit zeichnen sich besonders Piperidylglycolate und -benzilate aus. Bei ihrer Herstellung werden benötigt:
Piperidin
N H
Glycolsäure Benzilsäure
HOCH2–COOH C(C 6H5)2(OH)–COOH
C6H5 OH Piperidylbenzilat hat folgende Strukturformel:
O C6H5
1
O
tranquiller (frz.) = beruhigen, apathisch gegen Umweltgeschehen machen
49
NH
Eine ähnliche Verbindung, die die Bezeichnung BZ führt (3-Chinuclidinylbenzilat), ist Bestandteil der chemischen Waffen der USA. BZ verursacht eine Psychose, die mehrere Stunden anhält. Sie äußert sich in akustischen und visuellen Halluzinationen sowie Angstzuständen. Der Vergiftete nimmt seine Umwelt nicht mehr wahr. 5.3.3.7. Phytotoxische Stoffe In der Landwirtschaft vieler Länder werden Phytogifte1 (Herbizide) als synthetische Unkrautbekämpfungsmittel eingesetzt. Im allgemeinen wirken diese Stoffe selektiv nur gegen bestimmte Pflanzen. Sie haben wesentlich zur Steigerung der landwirtschaftlichen Erträge in der Welt beigetragen. Von 1952 bis 1975 wurden von den imperialistischen Mächten Herbizide für militärische Zwecke auf asiatischen Kriegsschauplätzen planmäßig eingesetzt. Die USA verwendeten phytotoxische Stoffe in Laos, Kampuchea (Kambodscha) und Vietnam, wo auf diese Weise große Waldgebiete entlaubt und vielerorts Nutzpflanzen vernichtet wurden. Der massierte Einsatz von Phytogiften führte auch zu Vergiftungen bei der Bevölkerung. Damit wurde einmal mehr das Genfer Protokoll von 1925 verletzt, das den Einsatz chemischer toxischer Stoffe verbietet. Die phytotoxisehen Stoffe werden unterteilt in ätzende Herbizide, die die Blattoberfläche verätzen, und Wachstumsherbizide, die das normale Zellwachstum von Pflanzen beeinflussen und selektiv wirkend diese zum Absterben bringen. Zu den klassischen ätzenden Herbiziden gehört Calciumcyanamid (Kalkstickstoff) CaCN3, das bereits seit der Jahrhundertwende in der Landwirtschaft als Unkrautbekämpfungs- und Düngemittel verwendet wird. Viele Wachstumsherbizide sind Abkömmlinge des Phenols. Besondere Bedeutung erlangten die folgenden Phenolderivate:
2,4-Dichlorphenoxyethansäure
Cl
OCH2COOH Cl
1
phyton (griech.) = Pflanze
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(2,4-D)
Cl 2,4,5-Trichlorphenoxyetnansäure
Cl
OCH2COOH
(2,4,5-T)
Cl Das 2,4,5-T hat einen gefährlichen Giftstoff als Begleitkomponente, der den Namen Dioxin erhielt. Chemisch handelt es sich um das 2,3,7,8-Tetrachlor-dibenzo-p-dioxin (TCDD). Dioxin verursacht schwerheilende Hautschädigungen und Missbildungen bei Neugeborenen. Es haftet fest am Boden und ist durch Entgiftungsmittel nicht zu zerstören. Weiterhin werden u. a. Verbindungen des Triazins und des Harnstoffs als wirksame Herbizide benutzt. Alle oben genannten Wirkstoffe wurden von den USA in Vietnam als phytotoxische Stoffe in hohen Konzentrationen eingesetzt. Sie wurden ausschließlich vom Flugzeug aus mit Sprühund Stäubgeräten verbreitet. A 5.5. Welche toxischen Stoffe kann man zu den nicht tödlich wirkenden zählen ? A 5.6. Welche Strukturformel hat das als Herbizid verwendete Natriumsalz der 2,2-Dichlorpropansäure ?
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5.3. Natürliche toxische Stoffe Natürliche toxische Stoffe gehören ebenso wie Kernwaffen und synthetische toxische Stoffe zu den Vernichtungsmitteln mit besonderer Wirkungsbreite, deren Verbot ein wichtiges Anliegen aller friedliebenden Menschen sein muss. Inzwischen ist es den Friedenskräften in aller Welt gelungen, ein Verbot dieser Kampfmittel durchzusetzen. (»Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von bakteriologischen (biologischen) und Toxin-Waffen und ihre Vernichtung«, GBI. Teil I, Nr. 19, S. 268 bis 270, Berlin 1972.) Die biologische Waffe umfasst Mittel, die auf biologischem Wege bei Menschen, Tieren und Pflanzen schwerste Schädigungen hervorrufen. Das wichtigste Mittel der biologischen Waffe sind Bakterien. Sie können ausgelegt, verstäubt oder versprüht zur Anwendung kommen oder durch lebende Zwischenträger (z. B. Fliegen, Ratten oder Mäuse) krankheitserregende Infektionen hervorrufen. Es waren auch Bemühungen im Gange, Toxine zu neuen Kampfstoffen zu entwickeln. Toxine sind Giftstoffe bakterieller, tierischer oder pflanzlicher Herkunft, die für den menschlichen Organismus hochgiftig sind. Für die militärische Anwendung kommen nach Meinung militärischer Kreise der USA die folgenden Toxine in Frage, die aber meist zu den chemischen toxischen Stoffen gezählt werden: Botulinustoxin, Tetanustoxin und Tetrodoloxin. Das Botulinustoxin ist das Stoffwechselprodukt des Bazillus, der Lebensmittelvergiftungen hervorruft. Es würde sich als Sabotagegift zur Vergiftung von Lebensmitteln und Wasser eignen. Seine tödliche Dosis liegt bei ca. 10 µg. Es wurde bereits während des 2. Weltkrieges kristallin isoliert. Das Tetrodotoxin ist das Gift des japanischen Kugelfisches. Es dient als Modellsubstanz zur Synthese ähnlicher eiweißartiger Verbindungen mit hoher Toxizität. A 5.7. Welche Krankheit wird durch den Tetanusbazillus hervorgerufen ?
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5.4. Schutzmaßnahmen Da die Friedenskräfte der Welt bisher kein generelles Verbot der Herstellung, der Erforschung und des Einsatzes von Vernichtungsmitteln mit besonderer Wirkungsbreite erreichen konnten, ist es notwendig, daß die Regierungen der sozialistischen und anderer friedliebenden Staaten rechtzeitig Schutzmaßnahmen gegen mögliche Angriffe mit diesen Mitteln einleiten. Persönlichen Schutz bieten Atemschutzgeräte und Schutzanzüge. Die Filterbüchse der bei der Nationalen Volksarmee eingeführten Schutzmaske enthält im Normalfall ein Zweischichtenfilter. Er besteht aus gepresster Cellulose als Schwebstofffilter und Aktivkohle, die mit geeigneten basisch reagierenden Neutralisationsmitteln getränkt ist. Die Aktivkohle adsorbiert Gase und Dämpfe. Das Neutralisationsmittel bindet chemisch den toxischen Stoff oder seine Zerfallsprodukte. Das Schwebstofffilter hält radioaktiven Staub sowie Aerosole von chemischen und biologischen Kampfmitteln zurück. Die Schutzmaske bietet ausreichenden Atemschutz. Sie ist bei Giftstoffverdacht unbedingt anzulegen. Sicheren Hautschutz gewährt nur ein Schutzanzug. Durch toxische Stoffe jeglicher Art vergütete Personen sind möglichst schnell aus dem Gefahrenbereich zu transportieren und fachkundiger Behandlung zuzuführen. Reste toxischer Stoffe an der Haut und der Kleidung sind zu entfernen. Zur Entgiftung der Haut dienen Chloramin- und Hexamethylentetraminlösung gegen Hautgifte, alkoholische Natronlauge gegen Phosphorsäureester (nicht für die Augen!). Die bei der NVA und dem Zivilschutz eingeführte Hautentgiftungssalbe ist für die Entgiftung von VX, Sarin, Soman und Schwefel-Yperit geeignet. Außer dieser Personenentgiftung muss auch eine Kleider-, Geräte- und Geländeentgiftung durchgeführt werden. Bekleidungsgegenstände können durch Heißluft oder heißes Wasser von Spritzern toxischer Stoffe befreit werden. Militärische und technische Geräte werden am besten durch Lösungsmittel, also auf physikalischem Wege entgiftet. Geeignete Lösungsmittel können sein: Wasser, Halogenalkane, Kohlenwasserstoffe, Alkohole, wässrige Lösungen waschaktiver Substanzen. Besonders wichtig ist auch die Geländeentgiftung, um die toxischen Stoffe unschädlich zu machen, die im Freien 20 bis 30 Stunden und länger wirksam bleiben (Tabelle 6, S. 48). Besonders sesshaft sind die haut- und nervenschädigenden Produkte, wie Yperit, VX und Soman. Hier erfolgt die Entgiftung meist auf chemischem Wege. Als chemische Entgiftungsmittel bewähren sich vor allem Basen und Oxidationsmittel (Tabelle 7, S. 47).
53
A 5.8. Nennen Sie Beispiele für Erfolge der Sowjetunion in ihren Bemühungen, Fortschritte auf dem Wege zu einer allgemeinen Abrüstung zu erreichen !
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6. Antworten und Lösungen A 2.1. Die Reaktionsenthalpie hat negatives Vorzeichen, da das System Energie abgibt. A 2.2. Es handelt sich um eine Eliminierungsreaktion. A 2.3. C2H4(ONO2)2 ⇒ 2 CO2 + 2 H2O + N2 l kg 737 l Gas i. N. A 2.4. Celluloid ist leicht entzündbar und kann explosionsartig abbrennen.
CH2 OH A 2.5. HOH 2C
C CH2OH
+ 4 HNO3
⇒
C(CH2ONO2)4 + 4 H2O
CH2 OH A 2.6. Die bei der Explosion von TNT auftretenden giftigen Gase sind unerheblich gegenüber Spreng- und Splitterwirkung beim Einsatz des Sprengstoffs. A 2.7. Die positive Sauerstoffbilanz verhindert die Bildung giftiger Gase. A 2.8. Weil den technischen Anforderungen nicht alle Explosivstoffe gerecht werden. So könnten z.B. Initialsprengstoffe wegen ihrer Stossempfindlichkeit niemals als brisante Sprengstoffe verwendet werden. A 3.1. Lithiumhydrid LiH, Berylliumhydrid BeH2, die Borane, Kohlenwasserstoffe. Ammoniak NH3 und andere Stickstoff-Wasserstoff-Verbindungen. A 3.2. Benzin, Petroleum, Dieselöl. A 3.3. Da Alkohole Kohlenwasserstoffverbindungen mit Hydroxylgruppen sind, entstehen Kohlendioxid und Wasser. A 3.4. H2 + 1/2 O2 ⇒ H2O H2 + F2 ⇒ 2 HF Es handelt sich um Redox - Reaktionen.
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A 3.5. Als Feuerwerks- und Signalraketen, als Hilfsmittel beim Start von Flugzeugen, zum Antrieb von Raumschiffen und Erdsatelliten, für meteorologische, nachrichtentechnische und andere wissenschaftliche Zwecke. A 4.1. Das Löschwasser dissoziiert thermisch:
2 H2O ⇒ 2 H2 + O2
A 4.2. Das entstehende Phosphorpentoxid hat eine weiße Farbe. A 4.3. Al(C15H31COO)3 und Al(C 17H33COO)3 A 4.4. A) WEIßER PHOSPHOR b) SO3 und Nebelsäure (stark sauer!) c) SnCl4 TiCl4 SiCl4 A 4.5. Infolge des hohen Kohlenstoffgehaltes verbrennt Naphthalen unter starker Rußentwicklung. A 5.1. In Kernreaktoren wird Kernspaltungsmaterial zur Gewinnung von Energie und zur Erzeugung praktisch angewendeter Isotope eingesetzt. A 5.2. Alphastrahlen bestehen aus positiv geladenen Heliumkernen, Betastrahlen aus negativ geladenen Elektronen. A 5.3. CO + Cl2 ⇒ COCl2 A 5.4. Kohlenmonoxid blockiert die Sauerstoff-Aufnahme durch den roten Blutfarbstoff Hämoglobin. Es ist u.a. enthalten im Stadtgas, Gichtgas, Wassergas und Generatorgas. A 5.5. Reizstoffe, phytotoxische und psychotoxische Stoffe. Cl A 5.6. H3C C COONa
Cl A 5.7. Wundstarrkrampf. A 5.8. Der Teststop-Vertrag, der Kosmosvertrag, der Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, der Meeresbodenvertrag, die Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von biologischen und 56
Toxin-Waffen und die Konvention über den Umweltschutz, der Vertrag mit den USA über die Beseitigung der nuklearen Mittelstreckenraketen.
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7. Wissensspeicherteil Explosivstoffe Chemische Verbindungen oder Stoffgemische, die sehr schnell unter Abgabe von Wärmeenergie und Entwicklung von großen Gasmengen reagieren. Deflagration Verbrennungsgeschwindigkeit < l.000 m/s Detonation Detonationsgeschwindigkeit 1000 bis 10000m/s Chemisch einheitliche Sprengstoffe - Sprengstoffgemische Salpetersäureester Schwarzpulver Nitroverbindungen Sprenggelatine Nitramine Dynamite Initialsprengstoffe Ammonsalpetersprengstoffe Druckwellensprengstoffe Raketen sind durch Rückstoß angetriebene Flugkörper, die sich sowohl im lufterfüllten wie auch im luftleeren Raum fortbewegen können. Raketen mit chemischen Triebwerken werden durch Verbrennungsgase einer chemischen Reaktion angetrieben. Art der Rakete Flüssigkeitsrakete Hybridrakete Feststoffrakete
Brennstoff flüssig fest fest
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Oxydator flüssig flüssig fest
Brandmittel sind chemische Verbindungen oder Gemische, die beim Verbrennen hohe Temperaturen erzeugen und dadurch Brandherde verursachen können. Art des Brandmittels verwendete Stoffe Feststoffe Phosphor, Thermit, Magnesiumlegierungen Flüssigkeiten Phosphorlösungen, Erdölprodukte Gele (Flüssigkeit + Verdicker) Napalm, Supernapalm, Benzin + Kautschuk Nebelmittel sind meist hygroskopische Substanzen, die mit dem in der Luft enthaltenen Wasserdampf Nebeltröpfchen bilden. Art des Nebels verwendete Stoffe Feststoffe Phosphor, Ammonsalze, Plaste, SO3 Flüssigkeiten Nebelsäure, Öle, HSO3Cl, SnCl4 Vernichtungsmittel mit besonderer Wirkungsbreite sind Waffen, mit denen im Verhältnis zur Menge der angewendeten Mittel große Wirkungen auf großen Flächen erzielt werden. Kernwaffen setzen in detonationsartig verlaufenden Kernreaktionen Energie frei, die vernichtende und zerstörende Wirkung hat. Es wird zwischen Kernspaltungs- und Kernsynthesewaffen unterschieden. Kernwaffendetonationen werden charakterisiert durch Detonationsstärke und Detonationsart. Vernichtungsfaktoren bei Kernwaffendetonationen sind: Druckwelle, Restkernstrahlung und elektromagnetischer Impuls.
Lichtstrahlung,
Sofortkernstrahlung,
Chemische toxische Stoffe sind industriell produzierte Giftstoffe, die für den militärischen Einsatz geeignet sind. Sie verursachen im Kontakt mit Menschen, Tieren und Pflanzen reversible oder irreversible Reizungen und Schädigungen.
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Biologische Kampfmittel sind Mittel, die auf biologischem Wege bei Menschen, Tieren und Pflanzen schwerste Schädigungen hervorrufen. Toxine sind Giftstoffe bakterieller, tierischer oder pflanzlicher Herkunft, die für den Menschen hochgiftig sind.
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Tabelle 4. Toxische Stoffe und ihre Eigenschaften VergiftungsToxische Stoffe Vertreter erscheinungen Chloracetophenon, Tränenfluss, REIZSTOFFE CS Atembeschwerden LungenPhosgen schädigende toxische Stoffe Hautschädigende YPERIT toxische Stoffe AllgemeinBlausäure schädigende toxische Stoffe Nervenschädigende Sarin, VX toxische Stoffe Psycho-toxische BZ Stoffe
Eintritt in den Organismus
Beständigkeit im Gelände
Augen und Atemwege
mäßig stabil
Lungenödem
Atemwege
flüchtig
Haut- und Lungenzerstörung
Haut und Atemwege
sehr stabil, schwer flüchtig
Atemlähmung
Atemwege
flüchtig
Nervenstörung, Krämpfe
Haut und Atemwege
schwer flüchtig
Halluzinationen
Atemwege, oral
kristallin, als Aerosol flüchtig
Tabelle 5. Tödlichkeitsprodukt von toxischen Stoffen Toxischer W=c*t W ist ein Maß für die Toxizität von Stoff in mg*min/m3 Kampfstoffen, getestet an Hunden oder V-Kampfstoffe ˜ 1 Affen. Der tödliche Ausgang des Versuches Soman 80 wird bestimmt durch Konzentration und Sarin 250 Einwirkungsdauer. Phosgen 5000 Tabelle 6. Sesshaftigkeit von toxischen Stoffen bei 20 °C. Toxischer Sesshaftigkeit Die Seßhaftigkeit von Kampfstoffen ist Stoff [S] definiert als Quotient der Verdampfungs0,23 Chlorpikrin geschwindigkeiten von Wasser und Sarin 3,13 Kampfstoff, der bei 15 °C gleich eins gesetzt Lewisit 9,6 wird. S-Yperit 67
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Tabelle 7. Chemische Entgiftungsmittel Basen Ätznatron, Soda, Ammoniak chlorabgebende Oxidationsmittel Chlorkalk und andere Hypochlorite, Chloramine sauerstoffabgebende Oxidationsmittel Wasserstoffperoxid und andere Peroxidprodukte
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Chemie in der Schule 1983, H. 11. S. 417.
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