Moderne Beschichtungsverfahren Herausgegeben von Fr.-W. Bach, K. Möhwald, A. Laarmann, T. Wenz
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Moderne Beschichtungsverfahren Herausgegeben von Fr.-W. Bach, K. Möhwald, A. Laarmann, T. Wenz
Die Beiträge dieses Buches entstammen einer Fortbildungsveranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde in Kooperation mit dem Institut für Werkstoffkunde der Universität Hannover und dessen Geschäftsbereich Fortis in Witten
Moderne Beschichtungsverfahren
Herausgegeben von Fr.-W. Bach, K. Möhwald, A. Laarmann, T. Wenz
Deutsche Gesellschaft für Materialkunde e.V.
Herausgeber Prof. Dr.-Ing. Friedrich-Wilhelm Bach Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Schönebecker Allee 2 30823 Garbsen Dipl.-Ing. Andreas Laarmann Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten Dr.-Ing. Kai Möhwald Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten Dipl.-Ing. Thomas Wenz Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten
Bildnachweis für Umschlagbild Bild oben links HVOF-Beschichtungsprozess einer Welle Institut für Werkstoffkunde, Universität Hannover Bild oben rechts Kühlkörper mit kaltgasgespritzter Cu-Schicht OBZ Dresel & Grasme GmbH, Bad Krozingen Bild mitte links Sol-Gel-Antireflexschicht aus Glas Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), Freiburg Bild mitte rechts Enthalpiesondemessung am 3-Kathodenbrenner „Triplex II“ Institut für Werkstoffkunde, Universität Hannover Bild unten links PN-PVD Beschichtungsprozess Institut für Werkstoffkunde, Universität Hannover Bild unten rechts Schlagmesser mit auftraggelöteter Verschleißschutzschicht (Brazecoat) Innobraze GmbH, Esslingen
n Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar © 2005 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form – by photoprinting, microfilm, or any other means – nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Registered names, trademarks, etc. used in this book, even when not specifically marked as such, are not be considered unprotected by law. Gedruckt auf säurefreiem Papier. Printed in the Federal Republic of Germany. Satz K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden Druck betz-druck GmbH, Darmstadt Bindung J. Schäffer GmbH i.G., Grünstadt ISBN
3-527-30977-2
V
Vorwort Technologische Entwicklungen führen sowohl in der Luft- und Raumfahrt als auch in anderen Hochtechnologiebereichen zu ständig steigenden Anforderungen an die Bauteiloberflächen. Oberflächen, die z. B. tribologischen Beanspruchungen standhalten sollen oder auch spezielle Eigenschaften hinsichtlich Wärmeleitfähigkeit, elektrischer Leitfähigkeit bzw. des optischen Verhaltens aufweisen sollen, sind im Allgemeinen nur mit Hilfe von Beschichtungsverfahren zu realisieren. Im vorliegenden Buch werden industriell eingesetzte Beschichtungsverfahren aus den Bereichen des Auftragschweißens und -lötens, des Plasma-, Lichtbogenund Flammspritzens, der Sol-Gel-Technik sowie der Dünnschichttechnologien Chemical-Vapor-Deposition und Physical-Vapor-Deposition vorgestellt. Besondere Bedeutung wird dabei der Verbindung von Prozess- und Werkstofftechnologie im Hinblick auf das Herstellen anforderungsgerechter Schichten beigemessen. Neben industriell relevanten Beschichtungsverfahren werden neu entwickelte, an der Schwelle zur industriellen Einführung stehende Beschichtungsverfahren aufgezeigt. Beispielhaft sind hier Verfahren zur Diamantsynthese, das Kaltgasspritzen oder das Verarbeiten von „nanosized particles“ genannt. Ziel des Buches ist es, Ingenieure und Techniker aus den Bereichen Entwicklung, Konstruktion und Fertigung in die Lage zu versetzen, das Potential von Oberflächenschutzschichten und den zugehörigen Beschichtungsverfahren für ihren Arbeitsbereich abschätzen zu können, so dass die Beschichtungstechnologie integraler Bestandteil in der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung wird. Die Herausgeber Oktober 2004
VII
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Autorenverzeichnis XVII Auswahl von Oberflächenbehandlungsverfahren
1
W. Tillmann und E. Vogli 1 Einleitung 1 2 Anforderungen an Bauteiloberflächen 2 3 Auswahl von Beschichtungs- und Oberflächentechnologien 4 4 Verfahren zur Randschichtmodifikation und zum Schichtauftrag 6 5 Ökonomische Bewertung von Oberflächenbehandlungsverfahren 9 6 Zusammenfassung und Ausblick 12 7 Literatur 13 Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
15
M. Wägner 1 Einleitung 15 2 Grundlagen 15 2.1 Wärmebehandlung 15 2.2.1 Randschichthärteverfahren 17 2.2 Die Werkstoffgruppe der nichtrostenden Stähle 18 2.1.1 Einteilung der nichtrostenden Stähle 18 2.1.2 Nichtrostende austenitische Stähle 20 3 Verfahren zum Randschichthärtung von austenitischen nichtrostenden Stählen 22 3.1 Kolsterisieren 23 3.1.1 Einfluss auf das Gefüge 23 3.1.2 Einfluss auf die chemische Zusammensetzung 25 3.1.3 Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften 25 3.1.4 Verschleißbeständigkeit 25 3.1.5 Einfluss auf die Korrosionsbeständigkeit 26 3.2 Kolsterisieren + PVD-Beschichtung 28
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.2.1 3.2.2 3.2.3 4 5 6
Schichthaftung 29 Verschleißbeständigkeit 30 Ermüdungsfestigkeit 31 Anwendungen 32 Ausblick 33 Literatur 33
Grundlagen der Dünnschichttechnologie
35
M. Nicolaus, M. Schäpers 1 Einleitung 35 2 Einteilung der Dünnschichtverfahren 35 3 Allgemeine Merkmale der Beschichtungsverfahren aus der Dampfphase 36 3.1 PVD – physical vapour deposition 36 3.2 CVD – Chemical Vapour Deposition 40 4 Eigenschaften eines Plasmas 41 4.1 Niederdruckplasmen 41 5 Aufbau der Schichten 42 5.1 Schichtstruktur 42 6 Galvanische und außenstromlose Abscheidungsverfahren 44 6.1 Einleitung 44 6.2 Grundbegriffe 44 6.2.1 Der Elektrolyt 44 6.2.2 Elektrode, Elektrodenreaktion, Elektrodenpotenzial 45 6.2.3 Elektrolyse und Faraday’sche Gesetze 47 6.2.4 Überspannung 48 6.3 Außenstromlose Metallabscheidung 49 6.4 Galvanische Metallabscheidung 51 6.5 Galvanische Metallabscheidung aus nichtwässrigen Lösungsmitteln 52 6.6 Zusammenfassung und Ausblick 54 7 Literatur 55 Innovation in der PVD-Technologie für Hochleistungsanwendungen
E. Lugscheider, K. Bobzin, M. Maes, A. Erdle 1 Einleitung 57 2 Marktsituation 58 3 Anwendungsbeispiele 59 3.1 Werkzeugbeschichtung für die Zerspanung 60 3.2 Werkzeugbeschichtung für das Urformen 61 3.3 Bauteilbeschichtung – Kunststoffe 64 3.4 Bauteilbeschichtung – Maschinenelemente 65 3.5 Bauteilbeschichtung für Hochtemperaturanwendungen 4 Zusammenfassung 68 5 Literatur 69
57
67
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
71
A. Szabo 1 Einleitung 71 2 Die Anfänge der CVD-Hartstoffbeschichtung 72 3 Grundlagen des Abscheidungsprozesses 72 3.1 Chemischer Mechanismus 72 3.2 Interdisziplinäre Grundlagen 73 3.3 CVD-Anlagen- und Reaktortechnik 73 4 Kombinationsschichten 76 5 Material- und Schichteigenschaften 80 5.1 Physikalische Eigenschaften der Schichtmaterialien 81 5.2 Vergleich der Schichtkombinationen 81 5.2.1 TiC-TiN klassisch 81 5.2.2 TiN-TiC harmonisch 81 5.3 Auswirkung der thermischen Dilatation 83 5.4 Auswirkung der Härten 83 6 Leistung der Hartstoffschicht, Anwendungen 84 6.1 Der Verschleißwiderstand 86 6.2 Maßhaltige Wärmebehandlung 87 7 CVD-Beschichtungen bei niedrigen Temperaturen 87 7.1 Moderate Temperatur, MT-CVD 87 7.2 Plasmaunterstützte, PA-CVD 89 8 Zusammenfassung und Ausblick 90 9 Literatur 91 CVD-Diamant-Dünnschichten nach dem Hot-Filament-Verfahren 95
O. Lemmer, R. Cremer, D. Breidt, M. Frank 1 Einleitung 95 2 Abgrenzung der verschiedenen Diamantwerkzeuge 95 3 Substratvorbehandlung 96 4 Herstellung von CVD-Diamant 98 5 Das Hot-Filament-Verfahren 99 6 Beeinflussung der Eigenschaften von CVD-Diamant 100 7 Industrielle Abscheidung von CVD-Diamant 102 8 Nachbehandlung von CVD-Diamant 102 9 Anwendungsgebiete diamantbeschichteter Werkzeuge 103 10 Zusammenfassung und Ausblick 107 11 Literatur 108 Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
W. Olberding 1 Einleitung 111 2 Die Grundlagen der Galvanotechnik am Beispiel der Nickelabscheidung 111 2.1 Die Struktur galvanischer Nickelschichten 114
111
IX
X
Inhaltsverzeichnis
2.2 2.3 2.4 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 5 6 7
Der Abscheidemechanismus 115 Die Stromdichteverteilung 117 Die Außenstromlose Beschichtung am Beispiel des Nickels 118 Überblick über die Anlagentechnik 120 Das Trommelgalvanisieren 120 Das Gestellgalvanisieren 122 Das Bandgalvanisieren 123 Das Tampongalvanisieren 125 Das Glockengalvanisieren 125 Überblick über die einzelnen Verfahrensschritte des Galvanisierens 126 Entfetten 126 Die Aktivierung oder Dekapierung 126 Die „Verschleppung“ 127 Beschichten von passiven Materialien wie Edelstahl und Aluminium 127 Zusammenfassung zur Vorbehandlung 128 Mikrostrukturierung und Galvanoforming 128 Zusammenfassung 129 Literatur 129
Grundlagen der thermischen Spritztechnik, Flamm- und Lichtbogenspritzen
Z. Babiak, T. Wenz 1 Einleitung 131 2 Grundlagen der thermischen Spritztechnik 131 2.1 Aufbau thermisch gespritzter Schichten 133 2.2 Haftung thermisch gespritzter Schichten 134 3 Flammspritzen 136 3.1 Verfahren des Flammspritzens 136 3.2 Werkstoffe und Anwendungen 137 4 Lichtbogenspritzen 140 4.1 Verfahren des Lichtbogenspritzens 140 4.2 Sonderverfahren des Lichtbogenspritzens 144 4.3 Werkstoffe und Anwendungen 145 5 Zusammenfassung und Ausblick 147 6 Literatur 147 Spritzzusatzwerkstoffe
151
J. Beczkowiak 1 Einleitung 151 2 Herstellungsbedingte Eigenschaften von Spritzwerkstoffen 151 2.1 Pulverherstellverfahren 152 3 Werkstoffauswahl in Bezug auf die Anwendung der Beschichtung 157 3.1 Werkstoffe für den Verschleißschutz 157
131
Inhaltsverzeichnis
3.2 3.3 3.4
Werkstoffe zum Korrosionsschutz 158 Werkstoffe für die Bio-Technologie 158 Werkstoffe für Sonderanwendungen 158
Hochgeschwindigkeitsflammspritzen
161
O. Brandt 1 Einleitung 161 2 Charakteristische Merkmale 162 2.1 HVOF-Brenner 162 2.2 Brennstoffe und Prozessparameter 164 2.3 Zusatzwerkstoffe 165 3 Technische Randbedingungen 166 4 Anwendungen 167 5 Prozessüberwachung- und Steuerung 170 6 Entwicklungstrends 171 6.1 Anwendungstechnik 171 6.2 Schichtwerkstoffe 172 6.3 Prozesstechnik 173 6.4 Verfahrenstechnik 173 7 Zusammenfassung 173 8 Literatur 174 Triplex II – Die Entwicklung eines wirtschaftlichen Hochleistungsplasmaspritzsystems für höchste Qualitätsansprüche selbst unter extremen Produktionsbedingungen 177
H. Zimmermann, H.-M. Höhle 1 Einleitung 177 2 Grundlagen des Plasmaspritzens 179 3 Aufbau konventioneller Plasmabrenner 183 4 Entwicklung des Hochleistungs-Dreikathodenplasmabrenners Triplex 187 5 Triplex II – eine neue Ära in der Plasmaspritztechnologie 191 6 Erfolgsmeldungen aus der industriellen Praxis 194 7 Zusammenfassung 198 8 Literatur 198 Anlagentechnik, Gasversorgung und mögliche Anwendungen beim Kaltgasspritzen
W. Krömmer, P. Heinrich 1 Einführung 199 2 Anlagentechnik Aufbau 199 2.1 Druckkammer mit Düse 199 2.2 Steuerschrank 200 2.3 Touch Screen 201 2.4 Gaserhitzer LINSPRAY® 202 2.5 Gasversorgung zum Kaltgasspritzen 2.6 Heliumrückgewinnung 205
203
199
XI
XII
Inhaltsverzeichnis
3 4 5
Applikationen 206 Zusammenfassung 209 Literatur 209
Diagnostik an thermischen Beschichtungsverfahren
211
J. Prehm 1 Einleitung 211 2 Einteilung der Diagnoseverfahren 211 3 Methoden zur Partikeldiagnostik 211 3.1 Laser-Doppler-Anemometrie (LDA) 211 3.2 Phasen-Doppler-Anemometrie (PDA) 214 3.3 Laser-zwei-Focus-Verfahren (L2F) 215 3.4 Particle-Image-Velocimetry (PIV) 215 3.5 In-flight-Partikeldiagnostik 218 4 Methoden zur Plasma/Heißgasdiagnostik 219 4.1 Enthalpiesondenverfahren 219 5 Methoden zur Online-Prozesskontrolle 220 5.1 Particle-Flux-Imaging (PFI) 220 6 Zusammenfassung und Ausblick 222 7 Literatur 223 Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse 225
M. Kursawe, R. Anselmann, V. Hilarius, G. Pfaff 1 Einleitung 225 1.1 Hintergrund und Ursprung der Sol-Gel Chemie 225 1.2 Möglichkeiten zur Materialherstellung über Sol-Gel Techniken 226 2 Schichtausbildung über Sol-Gel am Beispiel SiO2 227 2.1 Schichten über SiO2-Sole aus Salzen der Kieselsäure 227 2.2 Schichten aus SiO2-Solen aus Si-Alkoxiden 228 3 Anwendungsbeispiele 230 3.1 Von der Idee zum Produkt: Entwicklung einer Antireflexbeschichtung für Glas 230 3.2 Anwendung der nasschemischen Beschichtungstechniken für eine vielfach genutzte Produktgruppe: Perlglanzpigmente und Effektpigmente 233 3.2.1 Glanz und Farbe 235 3.2.2 Herstellung von Perlglanzpigmenten mit Interferenzfarben 235 3.3 Effektpigmente aus SiO2-Flakes 238 3.4 Beschichtung von SiO2-Spheres für kosmetische Formulierungen 239 4 Ausblick 240 5 Literatur 241
Inhaltsverzeichnis
Schmelztauchüberzüge 243
W. Bleck, D. Beste 1 Korrosionsschutzmechanismen 243 2 Zustandsdiagramme Fe-Zn, Fe-Al, Al-Zn und Fe-Al-Zn 246 3 Metallische Überzüge 249 4 Anlagentechnik 251 4.1 Aufbau einer Feuerbeschichtungsanlage 251 4.2 Reaktionspartner in der Zinkschmelze 253 4.3 Oberflächennachbehandlung 255 5 Qualitätssicherung 256 5.1 Prüfung der mechanischen Eigenschaften 256 5.2 Prüfung der Korrosionseigenschaften 256 6 Zusammenfassung und Ausblick 258 7 Literatur 260 Auftraggelötete Verschleißschutzschichten
261
H. Krappitz 1 Einleitung 261 2 Löten 261 2.1 Grundlagen 261 2.2 Reparaturlöten 264 2.3 Beschichten durch Auflöten von Sinterhartmetall 265 2.4 Löten von Keramik 267 2.5 Auflöten von Hartstoffpartikeln 269 3 Das BrazeCoat-Verfahren 270 3.1 Beschichten mit Lot- und Hartstoff-Matten (BrazeCoat M) 271 3.2 Beschichten mit Lot- und Hartstoff-Suspension (BrazeCoat S) 273 4 Zusammenfassung 274 5 Literatur 275 Einsatz von Beschichtungsverfahren in der Löttechnik
277
K. Möhwald, U. Holländer, A. Laarmann 1 Einleitung 277 2 Lotapplikation mittels thermischen Spritzens 278 3 Lotapplikation mittels galvanisch/chemischer Verfahren 282 4 Lotapplikation mittels PVD-Verfahren 284 5 Zusammenfassung und Ausblick 286 6 Literatur 286 Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
287
A. Gebert, B. Bouaifi 1 Einleitung 287 2 Verfahrensvarianten 288 3 Charakterisierung auftraggeschweißter Beschichtungen 4 Auftragschweißverfahren 292
289
XIII
XIV
Inhaltsverzeichnis
4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.5 4.6 5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 6 7
Unterscheidungsmerkmale 292 Werkstattverfahren (E-Hand, Gasflamme) 294 Verfahren mit Schlackeabdeckung 295 Elektroschlacke Auftragschweißen (RES) 295 Unterpulver-Auftragschweißen 296 Schutzgasschweißverfahren 296 Wolfram-Inertgas Auftragschweißen (WIG-Verfahren) Metall-Schutzgas-Verfahren 298 Plasma-Verfahren (PTA-Verfahren) 300 Plasma-MIG-Verfahren 304 Widerstands-Rollennaht-Verfahren 305 Laserauftragschweißen 305 Auftragschweißwerkstoffe 308 Korrosionsschutzwerkstoffe 308 Korrosionsbeständige Eisenbasiswerkstoffe 309 Nickellegierungen 310 Verschleißschutzwerkstoffe 310 Nickelhartlegierungen 312 Eisenhartlegierungen 313 Kobalthartlegierungen 317 Aluminium-Pseudolegierungen 319 Zusammenfassung und Ausblick 320 Literatur 321
Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
297
323
W. Reimche 1 Einleitung 323 2 Schichtsysteme 323 2.1 Herstellverfahren 323 2.2 Schichteigenschaften 324 2.3 Prüfplanung 325 3 Verfahren zur Ermittlung der Schichtdicke 325 3.1 Geometrische Bauteilvermessung 328 3.2 Differenzgewichtsbestimmung vor und nach der Beschichtung 328 3.3 Schichtdickenbestimmung nach dem Haftkraftverfahren 328 3.4 Schichtdickenbestimmung mit akustischen Verfahren 329 3.5 Schichtdickenbestimmung mit magnetinduktiven Messverfahren 331 3.6 Schichtdickenbestimmung nach dem Wirbelstromverfahren 332 3.7 Schichtdickenanalyse mit dem Röntgenfluoreszenzverfahren 336 3.8 Schichtdickenanalyse mit dem Beta-Rückstreuverfahren 336 4 Eigenspannungen in Schichtsystemen 337 5 Nachweis von Fehlstellen in der Beschichtung 339 5.1 Nachweis offener Fehler in Beschichtungen – Farbeindringverfahren 339
Inhaltsverzeichnis
5.2 5.3 5.4 5.5 6 7
Nachweis von Schichtablösungen/Delaminationen – Ultraschallverfahren 340 Nachweis von Schichtablösungen/Delaminationen – Lock-in-Thermographie 341 Nachweis innerer Schichtfehler – Wirbelstromprüfung 343 Bestimmung der Schichthaftung mit elektromagnetischen Prüfverfahren 345 Zusammenfassung und Ausblick 346 Literatur 346
Autorenregister Sachregister
349
351
XV
XVII
Autorenverzeichnis Dr. rer. nat. Ralf Anselmann Merck KgaA Pigments Optics Division Mainzer Straße 41 64579 Gernsheim
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Bleck RWTH Aachen Institut für Eisenhüttenkunde Intzestraße 1 52072 Aachen
Dr.-Ing. Zenon Babiak Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten
Dr.-Ing. Kirsten Bobzin RWTH Aachen Lehr- und Forschungsgebiet Werkstoffwissenschaften Augustinerbach 4–22 52062 Aachen
Prof. Dr.-Ing. Friedrich-Wilhelm Bach Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Schönebecker Allee 2 30823 Garbsen
Dr.-Ing. Belkacem Bouaifi VALCO Edelstahl und Schweisstechnik GmbH Heinrich-Sohnrey-Straße 15 37520 Osterrode
Dipl.-Ing. Joachim Beczkowiak Sales and Market Development Praxair Services GmbH & Co KG Am Mühlbach 13 87487 Wiggensbach Dipl.-Ing. Daniel Beste RWTH Aachen Institut für Eisenhüttenkunde Intzestraße 1 52072 Aachen
Dr.-Ing. Oliver Brandt Becon Technologies GmbH Feuerwerkerstrasse 39 3602 Thun Schweiz Dipl.-Ing. Dirk Breidt CemeCon AG Research & Development Adenauerstr. 20 B 1 52146 Würselen
XVIII
Autorenverzeichnis
Dr. rer. nat. Rainer Cremer CemeCon AG Research & Development Adenauerstr. 20 B 1 52146 Würselen Dipl.-Ing. Anja Erdle RWTH Aachen Lehr- und Forschungsgebiet Werkstoffwissenschaften Augustinerbach 4–22 52062 Aachen Martin Frank CemeCon AG Research & Development Adenauerstr. 20 B 1 52146 Würselen
Dr.-Ing. Harald Krappitz Innobraze GmbH Fritz-Müller-Straße 97 73730 Esslingen Dipl.-Ing. Werner Krömmer Linde AG Geschäftsbereich Linde Gas Carl-von-Linde-Straße 25 85716 Unterschleissheim Dr. rer. nat. Monika Kursawe Merck KgaA Pigments Optics Division Mainzer Straße 41 64579 Gernsheim
Dipl.-Ing. Andreas Gebert CeWOTec gGmbH Lassallestraße 14 09117 Chemnitz
Dipl.-Ing. Andreas Laarmann Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten
Dipl.-Ing. Peter Heinrich Linde AG Geschäftsbereich Linde Gas Carl-von-Linde-Straße 25 85716 Unterschleißheim
Dr.-Ing. Oliver Lemmer CemeCon AG Research & Development Adenauerstr. 20 B 1 52146 Würselen
Dr. rer. nat. Volker Hilarius Merck KgaA Pigments Optics Division Mainzer Straße 41 64579 Gernsheim
Prof. Dr. techn. Erich Lugscheider RWTH Aachen Lehr- und Forschungsgebiet Werkstoffwissenschaften Augustinerbach 4–22 52062 Aachen
Dr.-Ing. Hans-Michael Höhle Sulzer Metco Europe GmbH Am Eisernen Steg 18 65795 Hattersheim Dr. rer. nat. Ulrich Holländer Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten
Dipl.-Ing. Michael Maes RWTH Aachen Lehr- und Forschungsgebiet Werkstoffwissenschaften Augustinerbach 4–22 52062 Aachen
Autorenverzeichnis
Dr.-Ing. Kai Möhwald Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten Dr. rer. nat. Martin Nicolaus Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten Dr. rer. nat. Werner Olberding IGOS Institut für Galvanound Oberflächentechnik GmbH Grünewalder Str. 29–31 42657 Solingen Dr. rer. nat. Gerhard Pfaff Merck KgaA Pigments Optics Division Mainzer Straße 41 64579 Gernsheim Dipl.-Phys. Jens Prehm Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten Dr.-Ing. Wilfried Reimche Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Zerstörungsfreie Prüfverfahren Lise-Meitner-Straße 1 30823 Garbsen Dr. rer. nat. Melanie Schäpers Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten
Dr. rer. nat. Andreas Szabo CeWOTec gGmbH Lassallestraße 14 09117 Chemnitz Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Wolfgang Tillmann Universität Dortmund Lehrstuhl für Werkstofftechnologie Leonhard-Euler-Str. 2 44227 Dortmund Dr.-Ing. Evelina Vogli Universität Dortmund Lehrstuhl für Werkstofftechnologie Leonhard-Euler-Str. 2 44227 Dortmund Dipl.-Ing. Martina Wägner Bodycote Hardiff BV Paramariboweg 45 7333 PA Apeldoorn Niederlande Dipl.-Ing. Thomas Wenz Universität Hannover Institut für Werkstoffkunde Geschäftsbereich Fortis Stockumer Straße 28 58453 Witten Dr.-Ing. Harald Zimmermann Sulzer Metco AG (Switzerland) Rigackerstrasse 16 5610 Wohlen Schweiz
XIX
1
Auswahl von Oberflächenbehandlungsverfahren W. Tillmann, E. Vogli, Lehrstuhl für Werkstofftechnologie, Universität Dortmund
1
Einleitung
Moderne Verfahren der Oberflächentechnik sind als fester Bestandteil moderner Produktionsprozesse nicht mehr wegzudenken. Insbesondere führen gestiegene Anforderungen an technische Produkte dazu, dass Verfahren der Oberflächentechnik oftmals als der zentrale Motor zur Realisierung der Produktanforderungen angesehen werden. Für den Entwicklungsingenieur ergeben sich damit zwei essentielle Fragestellungen: Zum einen müssen Bauteilanforderungen in Eigenschaftsprofile von Werkstoffen und Oberflächen übersetzt werden. Zum anderen muss die gewählte werkstofftechnologische Lösung in eine entsprechende Produktionskette integriert werden. Dabei spielen neben den geforderten Bauteilanforderungen natürlich auch noch Produktionskosten sowie ökologische Aspekte eine maßgebliche Rolle. Die große Bedeutung der Oberflächentechnik leitet sich dabei nicht nur aus den Produktanforderungen, sondern auch aus volkswirtschaftlichen Kennzahlen ab. Betrachtet man die beiden wesentlichen Anforderungsfelder der Oberflächentechnik – Tribologie und Korrosion –, so gehen makroökonomische Schätzungen davon aus, dass tribologisch bedingte Schäden ein Volumen von ca. 1% des Bruttosozialprodukts der Bundesrepublik Deutschland ausmachen, korrosiv bedingte Schäden erreichen sogar ein volkswirtschaftliches Schadensvolumen von 3,5 – 4,2% des BSP. Im Jahr 1992 entsprach dies 100 Mrd DM. Allein vor diesem Hintergrund muss die Oberflächentechnik als eine der Schlüsseltechnologien der Produktionstechnik angesehen werden. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, eine mögliche Methodik zur Auswahl von Verfahren zur Oberflächenveredlung auf Basis bestehender Produktanforderungen vorzustellen und unterschiedliche Oberflächenbehandlungsverfahren hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten und verfahrensspezifischer Charakteristika gegeneinander abzugrenzen.
2
Auswahl von Oberflächenbehandlungsverfahren
2
Anforderungen an Bauteiloberflächen
Ausgangspunkt einer systematischen Auswahl von geeigneten Oberflächenbehandlungen ist die Erfassung aller Aufgaben einer Werkstückoberfläche vor dem Hintergrund des angestrebten Bauteileinsatzes. Nach Haefer [3] stellt die Oberfläche den Ort, der für alle Wechselwirkungen mechanischer, thermischer, chemischer und elektrochemischer Art eines Bauteils mit seiner Umgebung verantwortlich ist, dar. Daraus leiten sich die Hauptaufgaben einer technischen Oberfläche ab: · · · · · ·
Korrosionsschutz Verschleißschutz Definiertes tribologisches Verhalten Optisches Verhalten Dekoratives Verhalten Angepasstes Grenzflächenverhalten (z. B. zur Realisierung von Fügeaufgaben).
Hierzu kommen noch Sonderaufgaben, die insbesondere bei hochspezialisierten Produkten von Bedeutung sein können. So können beispielsweise von den Oberflächen mikrotechnischer Bauteile spezielle elektromagnetische Eigenschaften gefordert werden. Letztendlich werden die Aufgaben der Bauteiloberflächen durch das jeweilige Beanspruchungsprofil des fertigen Produkts bestimmt. Abb. 1 zeigt die wesentlichen Produktbeanspruchungen unterteilt nach Volumen- und Oberflächenbeanspruchung. Die wesentlichen Beanspruchungen, die seitens der Oberflächentechnik beherrscht werden müssen, sind im Bereich des Maschinenbaus der Verschleiß und
Kaltverschleiss
Abb. 1 Wesentliche Volumen- und Oberflächenbeanspruchung von Bauteilen
2 Anforderungen an Bauteiloberflächen
3
Verschleißmechanismen
Oberfla¨chenzerru¨ttung Spannungszyklen Mikrostruktura¨nderungen Rissbildung Detamination
Abrasion
Tribochemische Reaktionen
Adha¨sion
Mikrospanen Mikropflu¨gen Mikrobrechen
Physisorption Chemisorption Reaktionsschichtbildung
Adha¨sive Bindungen Materialu¨bertrag
Abb. 2 Verschleißerscheinungen
Abb. 3 Korrosionserscheinungen
die Korrosion. Falsche Werkstoffauswahl bzw. falsche oder fehlende Schutzschichten führen dann zu hinlänglichen Schadensbildern, von denen einige ausgewählte in den Abb. 2 und Abb. 3 exemplarisch wiedergegeben sind. In vielen Fällen kann durch eine geeignete Oberflächentechnik derartigen Schäden vorgebeugt werden bzw. ihr Erscheinen kann zumindest zeitlich verzögert werden. Grundvoraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Eigenschaften der Bauteiloberflächen auf das Beanspruchungsprofil angepasst werden.
4
Auswahl von Oberflächenbehandlungsverfahren
Ziel der Oberflächentechnik ist es, auf das jeweils vorliegende Beanspruchungsprofil adäquat zu reagieren. Hierzu werden Materialeigenschaften an der Bauteiloberfläche gezielt verändert oder erzeugt. Dies geschieht durch · einen Schichtauftrag auf ein Werkstück · die Modifizierung der Randzonen eines Werkstücks. Zu den erstgenannten Verfahren zählen Beschichtungsverfahren wie CVD, PVD, thermisches Spritzen, Auftraglöten und -schweißen oder Plattier- bzw. Tauchbeschichtungen. Demgegenüber zählen thermochemische Diffusionsverfahren, thermisches Randschichthärten, Implantationsverfahren oder auch mechanische Oberflächenverfestigungstechnologien zu den Verfahren der Randschichtmodifikation.
3
Auswahl von Beschichtungs- und Oberflächentechnologien
Die Auswahl einer geeigneten Oberflächenbehandlung vor dem Hintergrund eines vorliegenden Beanspruchungsprofils stellt eine außerordentlich anspruchsvolle Aufgabe dar. Dies rührt nicht nur daher, dass die exakte und umfassende Erfassung einer Bauteilbeanspruchung nicht immer einfach ist, sondern liegt auch in der Vielzahl unterschiedlicher Werkstoffe und werkstofftechnologischer Prozesse. Es wird davon ausgegangen, dass es in der Werkstoffwissenschaft 40 – 80 Werkstoffe gibt. Ebenso existieren mindestens 1000 unterschiedliche werkstofftechnologische Prozesse, zu denen auch die Verfahren der Oberflächentechnik zu zählen sind. Im Vergleich dazu umfasst der durchschnittliche Wortschatz eines Mitteleuropäers ca. 5000 Worte. Daraus lässt sich leicht ableiten, dass die Auswahl eines geeigneten Beschichtungswerkstoffs oder eines Oberflächenbehandlungsprozesses nur über eine systematische Vorgehensweise erfolgen kann. Dies setzt voraus, dass dieser Auswahlprozess bereits in einer frühen Phase der Produktentwicklung erfolgen muss. So ist es notwendig, dass sich der Entwickler bereits während der Konzeptphase, nachdem Kundenbedürfnis und Marktanforderung fixiert wurden, intensiv mit den Anforderungen an die Bauteiloberfläche auseinandersetzt. Hierzu bietet sich an, vier grundsätzliche Aspekte, ausgehend vom vorliegenden Beanspruchungsprofil, systematisch abzuklären [1, 6]. Dies betrifft die Fragen nach: 1) Funktion: – Was ist die Funktion der Bauteiloberfläche? – Welches Anforderungsprofil liegt vor? 2) Zielsetzung: – Was muss maximiert werden? – Was muss minimiert werden? 3) Einschränkungen: – Welche Randbedienungen müssen erfüllt werden? z. B.: – aus technischer Sicht – aus ökonomischer Sicht
3 Auswahl von Beschichtungs- und Oberflächentechnologien
Abb. 4 Muster einer Matrix zur Bewertung von Schichtwerkstoffen und/oder Beschichtungsverfahren vor dem Hintergrund eines angestrebten Eigenschaftsprofils
– vor dem Hintergrund von „Design to cost“-Konzepten – vor dem Hintergrund von „Design for environment“-Konzepten – vor dem Hintergrund von „Life cycle costs“ 4) Freiheitsgrade: – Welche Freiheitsgrade existieren? Im Anschluss an diese Systematik, die im Wesentlichen die aus dem Beanspruchungsprofil abgeleiteten Eckpunkte des Anforderungsprofils der Bauteiloberfläche repräsentieren, müssen einzelne Werkstoffe und Verfahren der Oberflächentechnik vor diesem Hintergrund analysiert und bewertet werden. Auch hier sollte die Suche und Bewertung mit einer geeigneten Systematik hinterlegt werden. Abb. 4 zeigt ein Beispiel für eine derartige Systematik. Einzelne Schichtwerkstoffe und Beschichtungsprozesse lassen sich damit hinsichtlich ausgewählter Eigenschaften im Hinblick auf die gegebenen Vorgaben und Restriktionen bewerten. Die Eigenschaftsauswahl in der Bewertungsmatrix sowie die zugehörigen Vorgaben und Restriktionen stammen aus dem zuvor erstellten Anforderungsprofil.
5
6
Auswahl von Oberflächenbehandlungsverfahren
Die dargestellte Vorgehensweise stellt eine Möglichkeit dar, ein Anforderungsprofil mit möglichen Oberflächentechnologien systematisch zu korrelieren. Allerdings kann sie zwangsläufig nur so gut sein wie das in Phase 1 ermittelte Anforderungsprofil. Ebenso erfordert die Methodik umfassende Kenntnisse hinsichtlich möglicher Werkstoffe und Verfahren, was oftmals aufgrund der oben bereits erwähnten Fülle unterschiedlicher Verfahren und Werkstoffe auch unter Zuhilfenahme von Datenbanken an Grenzen stößt.
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Verfahren zur Randschichtmodifikation und zum Schichtauftrag
Eine detaillierte Übersicht zu den unterschiedlichen Verfahren der Randschichtmodifikation und zum Schichtauftrag zu geben, sprengt den Rahmen des vorliegenden Beitrags. Es soll daher an dieser Stelle lediglich ein grober Überblick über die wesentlichen Verfahrensgruppen sowie ihrer Vor- und Nachteile gegeben werden. Verfahren zur Randzonenmodifizierung lassen sich gemäß Abb. 5 systematisieren. Ausgewählte Verfahren sind in Tab. 1 wiedergegeben bei gleichzeitiger Darstellung ihrer wesentlichen Vor- und Nachteile [5]. Im Unterschied zur Randschichtmodifikation erfolgt beim Beschichten das Aufbringen einer fest haftenden Schicht aus einem formlosen Stoff auf ein Werkstück. Abb. 6 gibt eine mögliche Systematik hierzu wieder. Primär entscheidend für die Qualität einer Beschichtung ist ihre Haftfestigkeit auf dem beschichten Werkstück. Diese makroskopische Eigenschaft hängt ab von: · · · ·
den Partnern des Werkstoffverbunds dem Typ der Kontaktzone der Mikrostruktur und den Herstellungsbedingungen der Art und Vorbehandlung des Substrates.
Abb. 5 Verfahrenssystematik – Randzonenmodifikation
+ hohe Härte
+ guter Widerstand gegen Adhäsionsverschleiß + kann oxidiert werden zum Korrosionsschutz
+ wenig Verzug + hohe Warmhärte
+ im Vergleich zu Härten, Aufkohlen weniger Verzug
– Verzug (hohe Prozesstemperatur) – spröde – geringer Korrosionswiderstand
– dünne beeinflusste Randzone
Nitrocarburierung – Nitrierung Borieren · Bor-Diffusion zur Bildung von Boriden · anwendbar auch bei Co, N, Ti-Legierungen
– langsamer Prozess
– langsamer Prozess
– Verzug – Abkühlrisse
– Beschränkung auf Stähle Co, 3–0,6% – Gefahr des Verzugs
Nachteile
Nitrierung · N-Diffusion, Bildung von Nitriden an Oberfläche
Carbonitrierung · s. o., zusätzlich Stickstoff · Durchführung bei niedrigeren Temperaturen
Aufkohlen · Eindiffusion von C (bis 0,8%) mit Härteprozess · verschiedene C-Trägermedien
Härten mittels Induktion Flamme Laser, E-Strahl WIG
+ kostengünstig + selektive Behandlung möglich + Tiefe 1–10 mm
+ Anwendbar auf viele Stähle + Einstellung von speziellen Schichteigenschaften
Verfahren
Vorteile
Tab. 1 Ausgewählte Verfahren zur Randschichtmodifikation
4 Verfahren zur Randschichtmodifikation und zum Schichtauftrag 7
Festwalzen vergleichbar Kugelstrahlen Metallisierung (z. B. Cr, V, Nb, Si-haltige Diffusionsschichten) diverse Verfahrensvarianten
s. o.
+ hohe Oberflächenhärten möglich + guter Verschleiß- und Korrosionsschutz
Kugelstrahlen zur plastischen Verformung der Bauteilrandschicht
– hohe Prozesstemperaturen (Verzug)
– teuer
– geringer Tiefeneffekt – geringe Härtesteigerung
– kein Verschleißschutz
Sheradisieren · Zn-Diffusion mit anschließender Chromatierung
+ kostengünstig
+ guter Korrosionsschutz + Steigerung der Dauerschwingfestigkeit + Steigerung der Beständigkeit gegen Spannungsund Schwingungsrisskorrosion
Nachteile
Verfahren
Vorteile
Tab. 1 (Fortsetzung)
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Auswahl von Oberflächenbehandlungsverfahren
Ökonomische Bewertung von Oberflächenbehandlungsverfahren
1)
1)
Bei thermischen Beschichtungsverfahren ko¨nnen die Partikel gro¨ßer sein
Abb. 6 Verfahrenssystematik – Beschichtungsverfahren
Ideal ist eine starke Atom-Atom-Bindung in der Kontaktzone ohne allzu starke innere Spannungen in der Schicht und ohne eine Langzeit-Degradation im SchichtSubstrat-Verbund. Abhängig vom jeweiligen Beschichtungsprozess und dem erzeugten Werkstoffverbund kommt es zu einer mechanischen Verankerung, zu einer chemischen Bindung, zu einem Diffusionsübergang oder einer Schichtanlagerung infolge von elektrostatischen Effekten. Vor diesem Hintergrund ist es auch leicht ersichtlich, dass über die Vorbehandlung des zu beschichtenden Werkstücks entscheidend Einfluss auf die Schichthaftung genommen werden kann. Neben der eigentlichen Reinigung leistet die Vorbehandlung noch einen wichtigen Beitrag zur Aktivierung der Substratoberfläche. Diese ist notwendig, um eine verbesserte Anbindung der Schicht an das Substrat zu gewährleisten. Dies kann durch verschiedene Mechanismen wie: · Erzeugung von Fehlstellen im Substrat · Erhöhung der Oberflächenenergie · Entfernung von Oxidschichten o. ä. erfolgen. Abschließend sind in Tab. 2 verschiedene technisch wichtige Beschichtungsverfahren beispielgebend zusammengefasst und hinsichtlich ihrer wesentlichen Eigenschaften bewertet [4, 6]. 5
Ökonomische Bewertung von Oberflächenbehandlungsverfahren
Begleitend zur technologischen Schichtauswahl muss die Bewertung eines Oberflächenbehandlungsverfahrens aus Sicht der Kostenrechnung erfolgen. Hierzu sind im Sinne einer Teilkosten-Rechnung alle relevanten Kostenarten abhängig von den betroffenen Prozessschritten zu erfassen. Analog Abb. 7 ergeben sich so die jeweiligen Stückkosten, die eine wesentliche Größe zum Vergleich verschiedener Oberflächenbehandlungsverfahren untereinander darstellen. Daneben kann es durchaus notwendig sein, auch den Kundennutzen einer Oberflächentechnologie mit in die ökonomische Bewertung einzubeziehen [2]. Zwangsläufig gestaltet sich dies ungleich schwieriger als die reine Kostenbetrachtung, da die Quantifizierung des Kundennutzens aufwendig sein kann.
9
CVD-Abscheidung Gasphasenabscheidung bei hohen Temperaturen
+ große Werkstoffvielfalt + gute Haftung + Eigenschaften über Werkstoff und Verfahren gezielt einstellbar
Thermische Spritzverfahren
PVD-Abscheidung + dichte Schichten mit hoher Haftung – Verdampfung + niedrige Beschichtungstemperatur – Kathodenzerstäubung + Element, Verbindung und Legierungen abscheidbar
+ sehr hohe Härte + gute Adhäsion
+ Niedrigtemperaturprozess + sehr guter Korrosionsschutz + anwendbar auf den meisten Metallen und vielen Isolatoren + gleichmäßige Schichtdicke auch bei komplexen Geometrien
Chemische (stromlose) Abscheidung aus Salzlösung (z. B. NiB, NiP)
Elektrochem. Abscheidung (z. B. Cr) bis 0,5 mm Schichtdicke
+ hohe Härte
+ guter Korrosionswiderstand + gutes Reibverhalten gegen Stahl
Verfahren
Vorteile
Tab. 2 Ausgewählte Beschichtungssverfahren
– Restporosität – Spritzwirkungsgrad (Overspray)
– niedrige Schichtraten – teurer Vakuumprozess – Einschränkungen bezügl. Bauteilgeometrie
– Verzug – Scharfkantige Geometrien sind schwierig zu beschichten – Entsorgung aggressiver Restgase
– teuer – zusätzliche Wärmebehandlung notwendig
– Schwierigkeiten bei Abscheidung auf komplexer Geometrie – Gefahr der Wasserstoffversprödung – Umweltprobleme
Nachteile
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Auswahl von Oberflächenbehandlungsverfahren
+ sehr gute Haftung + Beschichtung komplexer Geometrien
+ sehr gute Haftung + Beschichtung von Großteilen + kostengünstig
Vorteile
Tab. 2 (Fortsetzung)
Auftraglöten Kunststoffgebundene Hartstoff-Lot-Pulver Schutzgasprozess
Auftragschweißen
Verfahren
– Einschränkungen bezügl. Schichtwerkstoffe
– Einschränkung bezügl. Schichtwerkstoffe – Grundwerkstoffbeeinflussung
Nachteile
Ökonomische Bewertung von Oberflächenbehandlungsverfahren 11
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Auswahl von Oberflächenbehandlungsverfahren
Abb. 7 Schemata zur Ermittlung von Stückkosten und Kundennutzen für Prozesse der Oberflächentechnik
Grundgedanke hierbei ist der quantifizierte Vergleich eines Ausgangszustands mit einem durch die Oberflächenbehandlung optimierten Zustands. Gelingt es auf diese Art und Weise unterschiedliche Oberflächenbehandlungsverfahren mit einem quantifizierten Nutzen zu belegen, steht damit ein weiteres ökonomisches Bewertungskriterium zur Verfügung, dass die Verfahrens- und Werkstoffauswahl neben einer technischen und ökonomischen Betrachtung steuern kann. Letzteres stellt ein interessantes Werkzeug dar, nicht zuletzt auch um Markteintrittsbarrieren bei der Einführung neuer Oberflächenbehandlungsverfahren zu reduzieren.
6
Zusammenfassung und Ausblick
Die Auswahl eines geeigneten Verfahrens zur gezielten Einstellung von Oberflächeneigenschaften ist ein ausgesprochen komplexer Prozess. Grundvoraussetzung hierfür ist die systematische Korrelation von Anforderungsprofil mit erzielbaren Oberflächeneigenschaften. In der Regel fließen in diese Auswahl noch ökonomische und ökologische Aspekte ein, die in den Auswahlprozess zu integrieren sind. Die Bedeutung der Oberflächentechnologie als integraler Bestandteil einer Fertigungskette wird zukünftig noch zunehmen. Während heute Oberflächenbehandlungsverfahren oft als nachgelagerte oder separate Fertigungsprozesse ausgeführt werden, ist zukünftig mit einer stärkeren Integration in die Prozesskette zu rechnen. Gründe hierfür liegen in dem Bestreben, Prozesszeiten zu verkürzen aber auch in zusätzlichen Funktionen, die von der Bauteiloberfläche übernommen werden. So kann beispielsweise eine Beschichtung auf einem Blech dazu genutzt werden, als „Treiber“ für die elektromagnetische Umformung des schlecht leitenden Blechwerkstoffs zu dienen. Ebenso kann aufgrund verbesserter Prozesskontrolle im Beschichtungsprozess erreicht werden, dass mit der Beschichtung eine
7 Literatur
endkonturgenaue Einstellung der gewünschten Geometrie erfolgt. Die Beispiele zeigen, dass neben der Weiterentwicklung von Beschichtungsverfahren und -werkstoffen vor allem der Integration der Oberflächenbehandlungsverfahren in die Fertigungsprozessketten eine zunehmend größere Bedeutung zukommt.
7
Literatur 1 Charles, J. A., Crane, F. A. A.: Selection
and use of engineering materials, Weldher Verlag, Butterworth, London, Boston, Singapore, Sydney, Toronto, Wellington, 1989 2 Grundmann, G., Blau, W.: Modellrechnungen anhand von Fallbeispielen, Schriftenreihe Wissenstransfer Oberflächentechnik, VDI-TZ, Düsseldorf, 2002 3 Haefer, R.: Oberflächen- und Dünnschicht-Technologie, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, 1987
4 Kienel et. al.: Vakuumbeschichtung 2–5,
VDI-Verlag, Düsseldorf, 1994 5 Kohtz, D.: Wärmebehandlung metalli-
scher Werkstoffe, VDI-Verlag, Düsseldorf, 1994 6 Tillmann, W.: Anforderungen an heutige Bauteiloberflächen, DGM-Fortbildungsseminar, Witten, Sept. 2003
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Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung M. Wägner, Bodycote Hardiff BV, Apeldoorn
1
Einleitung
Überall im Alltag begegnen uns Anwendungen, die ohne nichtrostende Stähle nicht zu realisieren wären. Beispiele hierfür sind in der Lebensmittelabfüllung, Medizintechnik, Elektroindustrie und Automobilindustrie zu finden. Die hochkorrosionsbeständigen austenitischen Stähle, die den Hauptteil dieser Stahlgruppe darstellen, weisen jedoch eine niedrige Härte und ein insgesamt ungünstiges Verschleißverhalten auf. Die ideale Kombination ist ein Verschleißschutz an der Oberfläche bei gleichzeitiger Beibehaltung der Korrosionsbeständigkeit des Grundwerkstoffs. Der folgende Beitrag zeigt Lösungen zur Verbesserung des Verschleißverhaltens der austenitischen Stähle durch eine Randschichthärtung mittels Diffusionsverfahren, dem so genannten Kolsterisieren, und eine Neuentwicklung, die Kombination dieses Diffusionsverfahrens mit der PVD-Technik. 2
Grundlagen 2.1
Wärmebehandlung
Zur Erhöhung der Festigkeit von metallischen Werkstoffen stehen verschiedene Härtemechanismen zur Auswahl [1]: · · · · · ·
Verformungshärtung Feinkornhärtung Mischkristallhärtung Ausscheidungshärtung Dispersionshärtung Martensitische Härtung.
Die Härtung zielt darauf ab, durch Erschwerung der Versetzungsbewegung die zur Verformung nötige Spannung zu erhöhen. Die Wärmebehandlung stellt das
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Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
Abb. 1 Schematische Einteilung der Wärmebehandlungsverfahren [1]
wichtigste Verfahren dar, durch eine gezielte Abfolge von Erwärmen – Halten – Abkühlen in definierten Atmosphären, die Eigenschaften von metallischen Werkstoffen kontrolliert zu verändern. Der Begriff Wärmebehandlung wird wie folgt erklärt [2]: „Wärmebehandlung ist die Sammelbezeichnung für Fertigungsverfahren oder die Verbindung mehrerer Fertigungsverfahren zur Behandlung metallischer Werkstoffe im festen Zustand durch thermische, thermo-chemische oder thermo-mechanische Einwirkung zur Verbesserung oder Erreichung bestimmter Verarbeitungs- und/oder Gebrauchseigenschaften durch Stoffeigenschaftsänderung.“ Bei der Wärmebehandlung steht entweder die Verbesserung der Verarbeitungseigenschaften, wie Zerspanbarkeit oder Umformbarkeit, oder die Verbesserung der Gebrauchseigenschaften wie Härte, Zähigkeit, Festigkeit oder Verschleißfestigkeit im Vordergrund. Bei der Klassifizierung der Wärmebehandlungsverfahren unterscheidet man · Thermische Verfahren · Thermo-chemische Verfahren · Thermo-mechanische Verfahren.
2 Grundlagen
Randschichthärteverfahren Kostengünstige Lösungen und die gezielte Verbesserung der Randschichteigenschaften von Werkstoffen bietet die Verfahrensgruppe der Randschichthärteverfahren, die seit Jahren zunehmend größere Bedeutung innerhalb der Wärmebehandlung gewinnt. Als Randschichteigenschaften stehen meist Verschleißfestigkeit und statische/dynamische Dauerfestigkeit im Vordergrund, aber auch Korrosionsbeständigkeit oder optische Aspekte. Insbesondere die Kombination mehrerer Verfahren, z. B. Plasmanitrieren – PVD-Beschichtung, hat sich durchgesetzt und einen festen Platz in vielen Industriezweigen erobert. Ziel der thermo-chemischen Verfahren ist es, durch thermische und chemische Einwirkung, die chemische Zusammensetzung und das Gefüge vorzugsweise in der Randschicht zu verändern. Grundsätzlich greifen die Randschichthärteverfahren auf die gleichen Prozesse zurück, jedoch gab es in den letzten Jahren viele Innovationen und rasante Entwicklungen im Bereich der Prozessführung. Als Beispiele sind hier die Entwicklung der Laserwärmebehandlung anstelle des Flammhärtens, das Niederdruckaufkohlen anstatt Gasaufkohlen (oder Pulveraufkohlen) oder das Plasmanitrieren anstelle des Salzbadnitrierens zu nennen. 2.2.1
Nichtmetall-Diffusionsverfahren Der Schwerpunkt der Randschichthärteverfahren liegt bei den Nichtmetall-Diffusionsverfahren. Bei den Diffusionsverfahren wird gezielt in der Randschicht eines Bauteils der Gehalt an z. B. Kohlenstoff und/oder Stickstoff erhöht. Zu den wichtigsten Verfahren zählen hier das Aufkohlen, bzw. Einsatzhärten und das Nitrieren, bzw. Nitrocarburieren. Durch den Mechanismus der martensitischen Härtung beim Einsatzhärten, bzw. Mischkristall- und Ausscheidungshärten beim Nitrieren, erfolgt eine Härtesteigerung in der Randschicht. Wichtig für den Ablauf der thermo-chemischen Verfahren sind neben Temperatur, Druck, Zeit, die Aktivitäten der Reaktionskomponenten. Die Gesamtreaktion lässt sich zerlegen in die Teilschritte
· Transport der Reaktionskomponenten in der Atmosphäre · Phasengrenzreaktion Atmosphäre – Werkstoff · Diffusion der Komponente ins Werkstoffinnere. Meistens ist der Prozess der Diffusion von Fremdatomen im Werkstoff der geschwindigkeitsbestimmende Vorgang [2]. Auch das in diesem Beitrag vorgestellte Verfahren Kolsterisieren zum Randschichthärten von austenitischen Stählen beruht auf den Gesetzen der Diffusion von Kohlenstoff bei niedrigen Temperaturen. Diffusion [3] Unter Diffusion versteht man im Allgemeinen einen makroskopischen Massentransport, der durch Wanderung von einzelnen Atomen, um Wege, die größer sind als ein Atomabstand, hervorgerufen wird. Eine Ursache für die Diffusion ist das Vorhandensein örtlicher Konzentrationsunterschiede bzw. Konzentrationsgradienten. Durch Diffusion, d. h. Wanderung von Atomen über Gitterplätze oder
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18
Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
Zwischengitterplätze (dies ist der Fall beim Aufkohlen, Nitrieren) wird ein Konzentrationsausgleich angestrebt. Die Kinetik der Diffusion wird in den Fick’schen Gesetzen beschrieben @c 1. Fick’sches Gesetz: j D cm 2 s 1 @x Der Diffusionsstrom j ist die Zahl der Atome, die in einem Zeitintervall dt durch eine senkrecht zum Diffusionsstrom stehende Fläche A diffundiert. Der Diffusionsstrom ist proportional zum Konzentrationsgradienten D. Der Diffusionskoeffizient ist eine temperaturabhängige Werkstoffkonstante der Einheit [cm2/s]. Diffusionskoeffizient: D D0 exp
Q=R T Das 2. Fick’sche Gesetz beschreibt die Veränderung der Konzentration an einer bestimmten Stelle als Funktion der Zeit 2 @c @ c 2. Ficksches Gesetz: D @t @x2 Die Diffusionstiefe x lässt sich durch ein parabolisches Zeitgesetz näherungsweise beschreiben: x % (D · t) –1/2, , D = temperaturabhängiger Diffusionskoeffizient In diesem Beitrag steht das Nichtmetall-Diffusionsverfahren Kolsterisieren® zum Randschichthärten von austenitischen nichtrostenden Stählen im Vordergrund. 2.2
Die Werkstoffgruppe der nichtrostenden Stähle
Voraussetzung für die Korrosionsbeständigkeit dieser Stahlgruppe ist ein Legierungsgehalt von >12 Gew.% Chrom als Legierungsbestandteil, gelöst als Substitutionselement in der Eisenmatrix. Der Chromgehalt bewirkt die spontane Bildung einer äußerst stabilen und chemisch beständigen Chromoxidschicht, die im Allgemeinen als Passivschicht bezeichnet wird und den Stählen die chemische Beständigkeit verleiht. Im Jahre 1912 wurde von der Firma Krupp der erste nichtrostende Stahl des Typs 18/8 CrNi patentiert, im allgemeinen Sprachgebrauch auch als V2A Stahl bekannt.
Einteilung der nichtrostenden Stähle Heute gibt es eine Vielzahl nichtrostender Stähle, die in der Norm EN 10088 [4] spezifiziert sind. Je nach Legierungszusammensetzung, deren bedeutendste Elemente Chrom und Nickel sind, unterscheiden sich die nichtrostenden Stähle in ihrem Gefügeaufbau und dadurch beeinflusst in den Gebrauchs- und Verarbeitungseigenschaften. 2.1.1
2 Grundlagen
Bei der Einteilung der nichtrostenden Stähle bezeichnet man die verschiedenen Stahlgruppen nach ihren Gefügemerkmalen als: · · · ·
Ferritische Stähle Martensitische Stähle Austenitische Stähle Ferritisch-Austenitische Stähle (Duplex Stähle)
Der Gefügeaufbau ist abhängig von der Legierungszusammensetzung an Ferrit – und Austenitbildnern [5]. Ferritstabilisierende Legierungselemente: Chrom – Molybdän – Silizium – Vanadium – Wolfram – Titan – Niob – Aluminium Das wichtigste Legierungselement, Chrom, unterstützt als Ferritbildner die ferritische Gefügeausbildung. In Stählen mit 13 – 30 Gew.% Chrom und 0,1 Gew.% Kohlenstoff, liegt bei Raumtemperatur ein ferritisches Gefüge vor. Die karbidund nitridstabilisierenden Elemente (V, W, Ti, Nb) unterstützen den Ferritmischkristall als Ferritbildner und entziehen der Matrix die austenitstabilisierenden Elemente Kohlenstoff und Stickstoff, durch Bildung von Ausscheidungen. Austenitstabilisierende Legierungselemente Nickel – Kohlenstoff – Stickstoff – Mangan Nickel erweist sich als starker Austenitbildner. Bei genügend hohen Gehalten an Austenitbildnern, v. a. Nickel zwischen 8–30 Gew.%, wird das Austenitgebiet so stark aufgeweitet. Die A3-Umwandlungslinie wird zu tieferen Temperaturen verschoben, dass selbst bei Raumtemperatur ein austenitisches Gefüge vorliegt. Das bekannteste Gefügeschaubild für diese Stähle ist das Diagramm von Schäffler. Aufgestellt für das Schweißgut von Chrom-Nickel-Stählen, beschreibt es den Gefügezustand nach der Abkühlung von sehr hohen Temperaturen. Die Legierungselemente sind in Chrom- bzw. Nickeläquivalenten zusammengefasst und bestimmen die Anteile der Gefügebestandteile. Beispiele nichtrostender Stähle Tab. 1 siehe S. 20.
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1.4319 1.4310 1.4449 1.4439 1.4420 1.4523 1.4583 1.4505 1.4506 1.4577 1.4465 1.4427
< 0,07 < 0,12 < 0,07 < 0,04 < 0,07 < 0,10 < 0,10 < 0,07 < 0,07 < 0,07 < 0,03 < 0,12
< 0,10 < 0,05
< 0,08 < 0,10 0,17 bis 0,25 bis 0,33 bis 0,85 bis 0,95 bis 0,22 0,35 0,43 0,95 1,20
< 2,0 < 2,0 < 2,0 < 2,0 < 2,0 < 2,0 < 2,0 < 2,0 < 2,0 < 2,0 < 2,0 < 2,0
< 2,0 < 2,0
< 1,0 < 1,0 < 1,0 < 1,0 < 1,0 < 1,0 < 1,0 bis bis bis bis bis bis bis
12,5 18,5 14,0 14,0 17,5 19,0 18,0
16,0 16,0 16,0 16,5 16,5 16,5 16,5 16,5 16,5 24,0 24,0 16,5
bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis
18,0 18,0 18,0 18,5 18,5 18,5 18,5 18,5 18,5 26,0 26,0 18,5
26,0 bis 28,0 24,0 bis 26,0
10,5 16,5 12,0 12,0 15,5 17,0 16,0
% Cr
bis 1,3 bis 1,3 bis 0,8
bis 2,0 bis 1,3
– – 4,0 4,0 1,2 2,5 2,5 2,0 2,0 2,0 2,0 2,0
bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis
5,0 5,0 1,7 3,0 9,0 2,5 2,5 2,5 2,5 2,5
1,3 bis 2,0 1,3 bis 2,0
– 1,5 0,9 – 0,9 0,9 0,4
% Mo
7,0 7,0 12,5 12,5 9,0 12,0 12,0 19,0 19,0 24,0 22,0 10,5
bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis bis
8,0 9,0 14,5 14,5 12,0 14,5 14,5 21,0 21,0 26,0 25,0 13,5
4,0 bis 5,0 6,5 bis 7,5
< 0,5 < 1,0 < 1,0 < 1,0 < 1,0 – –
% Ni
– – – N 0,10 bis 0,20 – >5´% C Ti > 8 ´ % C 2) Nb > B ´ % C 2) Cu 1,8 bis 2,2; Nb >7´% C Cu 1,8 bis 2,20; Ti > 10 ´ % C Ti N 0,08 bis 0,16 < 0,06; S 0,15 bis 0,95 P
– > 10 ´ % C 2) Nb
> 6´% C Ti >7´% C Ti – – – V 0,07 bis 0,12 –
% Sonstige 1)
1) Soweit nichts anderes angegeben ist, darf der Siliciumgehalt höchstens 1,0%, der Phosphorgehalt höchstens 0,045% und der Schwefelgehalt höchstens 0,030% betragen. 2) Ein Teil des Niobs kann durch die doppelte Menge Tantal ersetzt werden.
Austenitische Stähle X 5 CrNi 18 7 X 12 CrNi 17 7 X 5 CrNiMo 17 13 X 3 CrNiMoN 17 13 5 X 5 CrNiMo 18 11 X 10 CrNiMoTi 18 12 X 10 CrNiMoNb 18 12 X 5 NiCrMoCuNb 20 18 X 5 NiCrMoCuTi 20 18 X 5 CrNiMoTi 25 25 X 2 CrNiMoN 25 25 X 12 CrNiMoS 18 11
Austentisch-ferritische Stähle X 8 CrNiMo 27 5 1.4460 X 4 Cr NiIdnNb 25 7 1.4582
Ferritische und martensilische Stähle X 5 CrTi 12 1.4512 X B CrMoTi 19 1.4523 X 20 CrMo 13 1.4120 X 30 Cr 13 1.4028 X 35 CrMo 17 1.4122 X 90 CrMoV 18 1.4112 X 105 CrMo 17 1.4125
% Idn
%C
Kurzname
Werkstoffnummer
Chemische Zusammensetzung
Stahlsorte
Tab. 1 Für die chemische Zusammensetzung (Schmelzenanalyse) der Stähle gewährleistete Werte (gültig für die Schmelzenanalyse) 20
Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
2 Grundlagen
Nichtrostende austenitische Stähle Chrom-Nickel-Stähle mit austenitischem Grundgefüge haben mengenmäßig den größten Anteil am Verbrauch der nichtrostenden Stähle und sind in allen Bereichen der modernen Technik, bsp. Lebensmitteltechnik, Medizin, nicht mehr wegzudenken. Mit Stählen vom Grundtyp X5 CrNi 18 10 bis hin zu X1 NiCrMoCu 25 20, sind diese Stähle bei vielen korrosionschemischen Beanspruchungen resistent. Durch das Legierungselement Molybdän wird die Lochfraßbeständigkeit insbesondere in chloridhaltigen wässrigen Lösungen verbessert. 2.1.2
Kennzeichen der austenitischen Stähle: · Hohe Korrosionsbeständigkeit · Hohe Zähigkeit mit Bruchdehnungswerten ca. 50% · Gute Tieftemperaturzähigkeit (Kerbschlagzähigkeit) · Paramagnetisch · Niedrige Rp0,2-Grenze von 200–300 N/mm2 · Geringe Verschleißfestigkeit/Geringe Oberflächenhärte 200–300 HV 0,05 · Hohe Adhäsionsneigung (Kaltverschweißen/Fressen) Korrosionsbeständigkeit der austenitischen nichtrostenden Stähle Die Korrosionsbeständigkeit ist keine absolute Größe. Vielmehr sind die Randbedingungen, d. h. chemische Zusammensetzung, Werkstoffzustand, Einsatzbedingungen für das Korrosionsverhalten von Bedeutung. Voraussetzung für die Korrosionsbeständigkeit ist das Vorliegen einer stabilen Passivschicht auf der Oberfläche. Unter reduzierenden Bedingungen, z. B. in Angriffsmedien, wie Salzsäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure, kann der Aufbau der Passivschicht erschwert oder verhindert werden, wodurch die Oberfläche gleichmäßig angegriffen wird. Dabei sind Temperaturen und Konzentration der angreifenden Lösung bestimmende Einflussgrößen. Bei Gewichtsverlusten von weniger als 0,3 g/m2h gilt ein Stahl als praktisch beständig. Als weitere Einflussgröße sind die chemische Zusammensetzung des Stahls und sein Gefügezustand zu nennen. Abb. 2 zeigt die Korrosionsbeständigkeit in Schwefelsäure bei unterschiedlichen Legierungszusammensetzungen. Die Sensibilisierung des Stahls, hervorgerufen z. B. durch Ausscheidungen von Chromkarbiden und daraus resultierender Chromverarmung in der Matrix, Belegungen auf den Korngrenzen, Bestandteile von Deltaferrit im Gefüge und Umformmartensit, stellen alle potenzielle Schwachstellen für einen korrosiven Angriff dar. Durch geeignete Werkstoffwahl und Wärmebehandlung können diese Einflüsse minimiert werden. Bei einem chemischen Angriff ist zwischen einem gleichmäßigen Flächenangriff und einem örtlich begrenzten Angriff zu differenzieren. Gegenüber dem kontrollierbaren und kalkulierbaren gleichmäßigen Flächenangriff bedeuten örtlich auftretende Korrosionserscheinungen eingeschränkte Haltbarkeit sowie oft ein schwer vorhersehbares Lebensdauerverhalten. Ein selektiver Korrosionsangriff, wie der Lochfraß oder die Spaltkorrosion, hervorgerufen durch z. B. chloridhaltige wässrige Lösungen, bewirkt eine Zerstörung der lokalen Passivschicht und es
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Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
Abb. 2 Korrosionsbeständigkeit in Schwefelsäure [5]
kommt unter Lokalelementbildung zu anodischer Auflösung des aktiven Bereichs. Bei einer zusätzlichen Zugbelastung des Bauteils kann es auch zur Spannungsrisskorrosion kommen. Abb. 3 zeigt eine Übersicht der häufigsten Korrosionsarten. Wärmebehandlung der austenitischen nichtrostenden Stähle Die austenitischen, nichtrostenden Stähle weisen keine allotrope Gefügeumwandlung auf und sind im klassischen Sinne nicht härtbar, d. h. es erfolgt keine martensitische Gefügeumwandlung durch Abschrecken. Eine Wärmebehandlung kommt nach dem Umformen, z. B. bei Vorliegen von Umformmartensit durch mechanische Bearbeitung oder bei einer Sensibilisierung des Stahls, z. B. durch Chromausscheidungen auf den Korngrenzen zur Anwendung. Die austenitischen Stähle werden im Allgemeinen im lösungsgeglühten und abgeschreckten Zustand eingesetzt. Das Ziel des Lösungsglühens ist die Vermeidung der Sensibilisierung des Stahls durch mögliche Ausscheidungen/Chromverarmung der Matrix und ein Abbau an Verformungsspannung/Umformmartensit. Die Lösungsglühtemperatur liegt je nach Legierungszusammensetzung zwischen 1000 und 1150 8C. Bei den Temperaturen kommt es zu Lösungsvorgängen
3 Verfahren zur Randschichthärtung von austenitischen nichtrostenden Stählen
Abb. 3 Schema der häufigsten Korrosionsarten [5]
von Ausscheidungen (Chromcarbide) in der Matrix. Das anschließende Abschrecken auf Raumtemperatur unterbindet eine erneute Ausscheidungen von Karbiden oder intermetallischen Phasen, welche die Korrosionsbeständigkeit vermindern und Versprödung hervorrufen können. In der Regel liegt bei Raumtemperatur ein austenitisches Gefüge vor. Ein Glühen im Temperaturbereich von 500–900 8C (abhängig von der Legierungszusammensetzung) ist zu vermeiden, da es zu Ausscheidungen von Chromkarbiden oder intermetallischen Phasen (z. B. tetragonale r-Phase) kommt, die eine Verminderung der Korrosionsbeständigkeit und Versprödung des Werkstoffs zur Folge haben.
3
Verfahren zur Randschichthärtung von austenitischen nichtrostenden Stählen
Konventionelle Verfahren zur Randschichthärtung durch Hinzufügen von Kohlenstoff und/oder Stickstoff lassen sich bei den nichtrostenden Stählen nicht durchführen, wenn ein Erhalt der Korrosionsbeständigkeit gefordert ist. Bei den üblichen Prozesstemperaturen des Nitrierens kommt es zu Chromausscheidungen und damit zu einer Chromverarmung in der Matrix. Der Verlust der Korrosionsbeständigkeit ist die Folge.
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Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
Abb. 4 Härteverlauf HV 0,05 einer kolsterisierten Schicht
3.1
Kolsterisieren
Das Kolsterisieren®, benannt nach seinem Erfinder Prof. Kolster, ist ein Randschichthärteverfahren für die nichtrostenden, austenitischen und ferritisch-austenitischen Stähle und wird seit Ende der 80er-Jahre industriell eingesetzt. Ziele des Verfahrens [6]: · Oberflächenhärte: 1 000 bis 1 200 HV 0,05 · Erhalt der Korrosionsbeständigkeit des Grundwerkstoffs · Verbesserung der Verschleißeigenschaften, insbesondere Adhäsion (Kaltverschweißen) · Keine Form-, Maß- oder Farbänderungen · Gleichmäßige Härteaufnahme, auch in Bohrungen und Spalten. Das Verfahren dient dem Aufkohlen der Randschicht bei Temperaturen < 500 8C. Durch die niedrigen Prozesstemperaturen bleibt der Kohlenstoff auf den Zwischengitterplätzen der Matrix gelöst. Es bilden sich keine Ausscheidungen von Chromcarbid. Dies ist die Voraussetzung für den Erhalt der Korrosionsbeständigkeit. Die Lösung von Kohlenstoff im kfz-Gitter bewirkt die Bildung von Druckeigenspannungen im Werkstoff, was die Härte auf 1200 HV ansteigen lässt. Die erzielte Diffusionstiefe von Kohlenstoff ist abhängig von der Prozesszeit. Industriell werden Diffusionstiefen zwischen 20 und 40 lm angeboten. Abb. 4 zeigt die Diffusionszone als Funktion der Härte HV 0,05. Die hier vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf den Werkstoff 1.4435 im lösungsgeglühten Zustand, kolsterisiert mit einer Schichttiefe von 35 lm. Einfluss auf das Gefüge Abb. 5 zeigt die rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer polierten Oberfläche vor und nach dem Kolsterisieren® [6]. Die Zwangslösung von Kohlenstoff im Gitter und die daraus resultierenden Druckeigenspannungen bewirken eine örtliche Aktivierung von Gleitsystemen zum Spannungsabbau. Diese Mikroverformungen sind an den Gleitlinien an der Oberfläche zu erkennen. Der Einfluss des Verfahrens auf die Rauhigkeit ist in Abb. 5 dargestellt. Die Praxis zeigt, dass es bei einem Ra-Wert > 0,2 zu keiner signifikanten Zunahme der Rauhigkeit kommt. 3.1.1
3 Verfahren zur Randschichthärtung von austenitischen nichtrostenden Stählen
Abb. 5 Rasterelektronenmikroskopische Darstellung der Oberfläche eines austenitischen CrNiMo-Stahles vor und nach dem Kolsterisieren. a) 1.4435, poliert mit Al2O3. b) 1.4435, poliert mit Al2O3, kolsterisiert
Abb. 6 Lichtmikroskopische Gefügeabbildung in der Randzone eines kolsterisierten austenitischen CrNiMo-Stahles
Die lichtmikroskopische Aufnahme in Abb. 6 zeigt die aufgekohlte Randschicht als weißen Saum mit einer Schichtdicke von ca. 35 lm, die auch als S-Phase bezeichnet wird [7]. Auch hier wird deutlich, dass es sich bei dem Oberflächenhärtungsverfahren um einen Diffusionsvorgang handeln muss, denn die Gefügeausbildung in der Randzone wird nicht verändert, man kann sogar die Korngrenzenverläufe in der gehärteten Schicht verfolgen, wobei die Anätzbarkeit dieser Schicht gegenüber dem Grundmaterial deutlich verringert wird. Die Gefügeausbildung lässt erkennen, dass im gehärteten Randbereich eine homogene ausscheidungsfreie Zusammensetzung vorliegt. Eine röntgenographische Untersuchung der kolsterisierten Schicht und ein Vergleich zur unbehandelten Oberfläche zeigt, dass kein anderer Phasenbestandteil als Austenit vorliegt, wobei aber eine Gitterverzerrung nachweislich vorliegt. Die Druckeigenspannungen, ermittelt nach der sin2w-Methode, erreichen –1390 Mpa.
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Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
Einfluss auf die chemische Zusammensetzung Abb. 7 zeigt die Auger-Analyse einer kolsterisierten Probe. Die Punktanalyse in Abb. 7 b zeigt, dass die qualitative Zusammensetzung des Stahls nicht verändert wurde. Lediglich der quantitative Anteil an Kohlenstoff (Abb. 7 c) ist in der Randzone im Vergleich zum Grundwerkstoff deutlich erhöht. Die Tatsache, dass kein artfremdes Legierungselement hinzugefügt wird, ist vor allem für den Einsatz in der Lebensmitteltechnik, Medizin und Pharmazie von Bedeutung. 3.1.2
Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften Die Untersuchung der mechanischen Eigenschaften wie Zugfestigkeit und Kerbschlagzähigkeit zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen behandelten und unbehandelten Proben. Die Dauerfestigkeit von austenitischem rostfreien Stahl kann durch die Oberflächenhärtung deutlich gesteigert werden. Dies ist auf die Druckeigenspannungen in der Randschicht zurückzuführen (Abb. 8). 3.1.3
Verschleißbeständigkeit Die Oberflächenhärtung hat in der Regel eine Verbesserung der Verschleißbeständigkeit zum Ziel, insbesondere das gefürchtete „Fressen“ bei der Werkstoffkombination austenitischer Stahl/austenitischer Stahl soll ausgeschlossen werden. Der Einfluss des Kolsterisierens auf den Reibwert, bzw. den Massenverlust der Reibpartner, wurde mit dem Stift-Scheibe-Test untersucht. Bei dieser Prüfung wird ein Stift mit einer bestimmten Normalkraft auf eine rotierende Scheibe gepresst. Während des Versuchs wird die Reibkraft gemessen und nach einer bestimmten Laufzeit der Massenverlust, d. h. der Verschleißbetrag sowohl am Stift als auch an der Scheibe ermittelt [9]. Der Versuch wurde mit Trockenreibung und einer 0,9%igen physiologischen Kochsalzlösung durchgeführt. Die Ergebnisse, dargestellt in Abb. 9, zeigen eine deutliche Verringerung des Massenverlustes, wenn die Reibpartner oberflächengehärtet werden. Bei einer gleichzeitigen korrosiven Beanspruchung (0,9%ige NaCl Lösung) tritt dieser Effekt besonders hervor. Vereinfacht ausgedrückt ergibt sich aus dem Versuch eine 80fache Verbesserung der Verschleißbeständigkeit bei Trockenreibung und eine Verbesserung um das 180fache in einer 0,9%igen Kochsalzlösung. 3.1.4
Einfluss auf die Korrosionsbeständigkeit Der Einfluss der Randschichthärtung auf die Korrosionsbeständigkeit des austenitischen rostfreien Stahls ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Einsetzbarkeit des Verfahrens bei einer Vielzahl von Anwendungen, z. B. in der Lebensmitteltechnik und Medizin. Die Untersuchung der Lochfraßbeständigkeit nach ASTM G48 in einer 10%igen FeCl3-Lösung zeigt in Abb. 10 den Einfluss des Kolsterisierens mit unter3.1.5
3 Verfahren zur Randschichthärtung von austenitischen nichtrostenden Stählen
Abb. 7 Auger-Analyse der kolsterisierten Randschicht
schiedlichen Diffusionstiefen auf die kritische Lochfraßtemperatur. Dabei lässt sich feststellen, dass es durch die Behandlung zu keiner Verschlechterung der kritischen Lochfraßtemperatur kommt. Es lässt sich sogar eine leichte Verbesserung erkennen. An den Kanten, die normalerweise bei dieser Prüfung bevorzugt angegriffen werden, lässt sich ebenfalls eine Verbesserung feststellen. Auch die Untersuchung der Anfälligkeit für Spannungsrisskorrosion – bei 10%iger FeCl3-Lösung und Zugbelastung der Proben in Höhe von 80% Rp0,2 – zeigen deutliche Verbesserungen gegenüber der unbehandelten Probe [10].
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Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
Abb. 8 Einfluss der Randschichtbehandlung auf die Dauerfestigkeit
Abb. 9 Einfluss des Kolsterisierens auf das Verschleißverhalten im Stift-auf-Scheibe-Versuch. Belastung 10 N, Umdrehungsgeschwindigkeit 46 UPM, Scheibendurchmesser 33 mm, Zeit 2,5 h
Neben der Verbesserung in chloridhaltigen Medien, zeigte sich auch ein positives Ergebnis in weiteren Medien wie z. B. NaOH oder H2SO4. Jedoch gilt festzustellen, dass eine Anwendung des Kolsterisierens nur bei einem Einsatz im stabilen passiven Bereich sinnvoll ist, d. h. unter bestimmten Bedingungen kann es auch zu einer Verschlechterung der Korrosionsbeständigkeit kommen. Untersuchungen in siedender Essigsäure (30–50%) zeigten einen deutlichen Korrosionsangriff durch Zerstörung der Passivschicht und Abtrag der kolsterisierten Schicht. Auch beim Grundwerkstoff ist darauf zu achten, mögliche Schwachstellen, welche die Korrosionsbeständigkeit reduzieren z. B. Deltaferrit, Umformmartensit, zu vermeiden, da dies einen negativen Einfluss ausübt.
3 Verfahren zur Randschichthärtung von austenitischen nichtrostenden Stählen
a
b Abb. 10 a) Gefügeaufnahme nach dem Korrosionstest. b) Einfluss
des Kolsterisierens auf die kritische Lochfraßtemperatur eines austenitischen CrNiMo-Stahles in 10%iger FeCl3 – Test nach ASTM –
3.2
Kolsterisieren + PVD-Beschichtung
Der Ausgangspunkt für eine Kombination von Diffusionsverfahren + Hartstoffbeschichtung ist die seit Jahren erfolgreiche Kombination des Plasmanitrierens + CrN-Beschichtung bei z. B. Umformwerkzeugen. Durch das Plasmanitrieren bildet sich eine Diffusionszone mit Druckeigenspannungen und bildet für die darauf abgeschiedene CrN-Schicht eine Stützschicht, sodass mechanische Kennwerte, wie die Haftfestigkeit deutlich verbessert werden. Dies diente als Grundlage für die Verknüpfung des Kolsterisierens mit reibarmen Schichten, erzeugt mit PVD-Technik (unbalanced magnetron sputtering), für die Anwendung im schmierstofffreien Bereich, wo es auf minimale Reibung ankommt und/oder höhere Verschleißbeständigkeit gefordert ist [12]. Als Grundwerkstoff dient 1.4404 im lösungsgeglühten Zustand, mit definierten Rauhigkeiten von Ra = 0,15 lm, Rz = 0,82 lm. Bei den Untersuchungen wurden verglichen · · · ·
Grundwerkstoff Grundwerkstoff Grundwerkstoff Grundwerkstoff
unbehandelt kolsterisiert W-C:H + a-C:H beschichtet (DLC-Schicht) kolsterisiert + W-C:H + a-C:H beschichtet (DLC-Schicht)
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Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
Abb. 11 Härteverlauf einer kolsterisierten + DLC beschichteten Probe
Nach der Duplex Behandlung besteht die Randschicht aus der 3 lm dicken DLCSchicht mit einer gemessenen Oberflächenhärte von 3000 HV 0,05, gefolgt von einer ca. 25 lm breiten Diffusionszone. Im Übergang DLC/Diffusionszone fällt der Härtewert auf ca. 1000 HV 0,05 ab, im weiteren Verlauf der Diffusionszone sinkt der Härtewert graduell bis auf die Ausgangshärte von 280 HV 0,05 (Abb. 11).
Schichthaftung Der Scratch-Test diente zur Beurteilung der Haftung der DLC-Schicht im Vergleich der Duplex behandelten Probe mit der nur DLC beschichteten Probe. Hier wurde ein Hartmetall-Stift auf der Oberfläche mit unterschiedlichen Lasten gefahren, gemessen wurde die Eindringtiefe in die Oberfläche. Abb. 12 zeigt die Verbesserung der Schichthaftung durch die Duplex-Behandlung um den Faktor 40. Dies ist auf die Stützwirkung durch die Diffusionszone zurückzuführen [12]. 3.2.1
Verschleißbeständigkeit Zur Überprüfung der Verschleißbeständigkeit wurde der Pin-on-Disk-Versuch gewählt. Um reale Bedingungen zu simulieren wurde der Pin-on-Disk-Versuch mit einer Kugel aus 100Cr6 (AISI 52100), Æ = 6 mm, mit einer Belastung von 5 N Normalkraft, Geschwindigkeit 0,1 m/s und ohne zusätzliche Schmierung durchgeführt. Die DLC-beschichteten und Duplex-behandelten Varianten zeigten einen deutlich reduzierten Reibungskoeffizienten von nur l = 0,12 auf, im Vergleich zu l = 0,75 des unbehandelten Materials. Abb. 13 zeigt den Verschleißkoeffizient, ermittelt für Scheibe und Ball nach dem Versuch. 3.2.2
3 Verfahren zur Randschichthärtung von austenitischen nichtrostenden Stählen
Abb. 12 Scratch-Test – Messen der Schichthaftung
Abb. 13 Pin-on-Disk-Test: Messen der Verschleißfestigkeit
Alle drei Behandlungsvarianten zeigten eine klare Verbesserung gegenüber dem unbehandelten Grundwerkstoff. Am besten verhält sich die Duplex-Variante mit einem 5000fach kleineren Verschleißkoeffizienten an der Scheibe. Diese Variante zeigt auch einen deutlich geringeren Verschleiß am Gegenkörper, ungefähr 350fach geringer [12].
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32
Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
Abb. 14 Ermüdungsversuch: Aufnahme der Oberflächen nach dem Dauertest
Ermüdungsfestigkeit Bei der Untersuchung des Ermüdungsverhaltens wurden die Proben DLC und Duplex durch eine Hartmetallkugel (Æ = 5 mm) mit einer Kraft von 100 N, 1 Mio.mal bei einer Frequenz von 50 Hz belastet. Hier zeigt sich am deutlichsten der Vorteil einer Duplex-Behandlung. Die nur DLC-behandelten Proben in Abb. 14 zeigen einen deutlichen Abdruck der Hartmetallkugel von über 500 lm auf der Oberfläche. Innerhalb des Abdrucks sind konzentrische Risse in der Schicht erkennbar. Die Duplex-behandelten Proben zeigen einen deutlich verkleinerten Abdruck der Kugel von nur 250 lm. Hier haben sich keine Risse in der Schicht gebildet. Die Schicht ist rissfrei. Die vorgestellten Ergebnisse sind nur beschränkt übertragbar, da sowohl der Verschleiß- als auch der Korrosionskennwert typische Systemeigenschaften darstellen, jedoch im Labor unter den beschriebenen Bedingungen simuliert wurden und nicht allgemein gültig auf reelle Tribo-Systeme übertragbar sind [12]. 3.2.3
4
Anwendungen
Zahlreiche Anwendungen nutzen die Kombination von erhöhter Verschleißbeständigkeit und Dauerfestigkeit unter Beibehaltung der Korrosionsbeständigkeit (Abb. 15).
5 Ausblick
Abb. 15 Anwendungsbeispiele
Die Anwendungen kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Industrie. Einer der wichtigsten Industriezweige ist die Pumpenindustrie. Durch den Einsatz kolsterisierter Komponenten konnte die Standzeit von Dosierpumpen in der Lebensmittelindustrie um ein vielfaches erhöht werden. Ein zusätzlicher Vorteil entstand durch den Wegfall der Weichdichtung, da ein direkter metallischer Kontakt der Pumpenteile nicht mehr zum Fressen führt und ein gegeneinander bewegen der metallischen Teile im direkten Kontakt möglich ist. Hygiene und Wartungsaufwand konnten so verbessert werden. Eine der ersten Anwendungen waren Schneidringe für Rohrverschraubungen. Zum sicheren Halt dringen Schneidringe beim Anziehen von Überwurfmuttern von Rohrverbindungen bis zu 0,1 mm tief mit ihren Schneidkanten in die Edelstahlrohre ein. Die Härte des Schneidrings muss härter sein als das Rohr, gleichzeitig muss die Korrosionsbeständigkeit erhalten bleiben. Anwendungsgrenzen Die Anwendungsgrenzen des Kolsterisieren® liegen in der verfügbaren Anlagengröße, die auf einen Nutzraum von Æ = 480 mm · Höhe 560 mm beschränkt ist. Der Grundwerkstoff beeinflusst das Ergebnis der Randschichthärtung, so führen Anteile von Deltaferrit oder Umformmartensit zu einer Beeinträchtigung des Ergebnisses, dies kann aber durch eine geeignete Bearbeitung der Oberfläche oder Wärmebehandlung vor dem Kolsterisieren® minimiert werden.
5
Ausblick
Der Markt für nichtrostende Stähle wächst seit Jahren kontinuierlich. Die Kombination der hervorragenden Eigenschaften der nichtrostenden austenitischen Stähle eröffnet in Kombination mit dem Kolsterisieren® neue Anwendungsmöglichkeiten. Wo bisher aufgrund mangelnder Verschleißbeständigkeit und/oder der
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Nichtrostende austenitische Stähle – Steigerung der Verschleißfestigkeit durch Randschichthärtung
Neigung zum Kaltverschweißen Kompromisse mit anderen Werkstoffen oder Konstruktionen gesucht werden mussten, kann jetzt der austenitische Stahl, der eine höhere Korrosionsbeständigkeit aufweist, mit der kolsterisierten Randschicht eingesetzt werden. Zusätzlich bietet die Kombination des Randschichthärteverfahrens mit der PVD-Technik neue Bauteileigenschaften, dessen Anwendungspotenzial noch untersucht, aber bereits jetzt als sehr vielversprechend eingestuft wird.
6
Literatur 1
2
3
4 5
6
7
Vollertsen F., Vogler S. Werkstoffeigenschaften und Mikrostruktur. Hanser Verlag, München 1989 Eckstein H. J. Technologie der Wärmebehandlung von Stahl. VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 1977 Böhm H. Einführung in die Metallkunde. BI Wissenschaftsverlag, Mannheim, 1987 EU Norm EN 10088 Jäniche W. u. a. Werkstoffkunde Stahl, Band 2 Anwendungen, Kapitel D13 Nichtrostende Stähle. Verein der Eisenhüttenleute, Springer Verlag, Berlin, 1985 Gümpel P. u. a. Nichtrostende Stähle, Expert Verlag, Kontakt & Studium, Band 493, 1996 Gümpel P., Waegner M. Randschichthärten von austenitischen und ferritisch
8 9
10
12
– austenitischen Stählen. Stahl, Dezember 2002, Heft 6, S. 28–32 Bell T. Surface hardening of austenitic stainless steel Gümpel P., v. d. Jagt R. Kolsterizing: A Novel Surface Hardening Treatment for Austenitic and Duplex Stainless Steels Proceedings, 4. ASM Heat Treatment and Surface Engineering Conference , Vol. 3. 19.–21. October 1998, Florence, Italy Rey O., Jacquot P. Kolsterising: the hardening of austenitic stainless steel. Proceedings, 4th European Stainless Steel Conference, Seite 251–253, Paris 2002 Hurkmans T. u. a. Duplex treatment of austenitic stainless steel for improved corrosion and wear resistance ASM Conference on Surface Technology, San Diego, April 2004
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie M. Nicolaus, M. Schäpers, Institut für Werkstoffkunde, Universität Hannover
1
Einleitung
Die moderne Oberflächen- und Dünnschichttechnologie ist mit ihren vielen Anwendungen nicht mehr aus dem heutigen Leben wegzudenken. Produkte wie Compact Discs, Solarzellen, Wärmeschutzgläser oder auch moderne Produktionsanlagen, beispielsweise in der spanenden Fertigung, wären ohne sie nicht möglich. Bei der industriellen Herstellung funktionaler dünner Schichten sind trotz der aufwändigen Anlagentechnik physikalische Vakuum-Beschichtungsverfahren von großer Bedeutung. Sie gestatten es, hochwertige Schichten anwendungsspezifisch auf den unterschiedlichsten Oberflächen abzuscheiden.
2
Einteilung der Dünnschichtverfahren
Beschichtungstechnologien unterscheidet man im Allgemeinen anhand der Schichtdicken. Dabei spricht man bei Beschichtungen bis 10 lm üblicherweise von Dünnschichttechnologie, wobei der wesentliche Unterschied eigentlich darin besteht, dass dünne Schichten, u. a. wegen ihrer modifizierten Mikrostruktur im Vergleich zum Grundmaterial und Dickschichten, deutlich andere Eigenschaften haben können. Im Bereich der Dünnschichttechnologie haben sich im Verlauf der letzten Jahre die PVD- und CVD-Technologie sowie die chemische und elektrochemische Abscheidung als gängige Verfahren etabliert (Abb. 1). Ein gemeinsames Merkmal fast aller Verfahren ist es, dass der Schichtwerkstoff in atomarer Skalierung, als einzelne Atome oder Ionen bzw. Cluster oder Moleküle dem Grundwerkstoff zugeführt wird. PVD- und CVD-Technologie realisieren dabei die Abscheidung bzw. Bildung des Schichtwerkstoffes über die Dampfphase, während die chemisch/ elektrochemischen Verfahren in flüssigen Medien arbeiten.
36
Grundlagen der Dünnschichttechnologie
Abb. 1 Einteilung der Dünnschichtverfahren
3
Allgemeine Merkmale der Beschichtungsverfahren aus der Dampfphase 3.1
PVD – physical vapour deposition
Die Bezeichnung Physical Vapour Deposition, kurz PVD, bezeichnet die physikalische Abscheidung aus der Dampfphase. Mit dieser in den sechziger Jahren entwickelten Technologie können eine Vielzahl metalloider und keramischer Werkstoffe in dünner Form auf praktisch allen technisch relevanten Substratwerkstoffen abgeschieden werden. Neben Substraten, wie Metalle, Legierungen, Keramiken und Gläsern, werden heutzutage auch Kunststoffe, die mit Hilfe gepulster Verfahren auf die geforderten niedrigen Prozesstemperaturen gebracht werden können, standardmäßig mittels PVD-Verfahren beschichtet. Die Anwendungsmöglichkeiten von PVD-Schichten sind vielfältig. Neben klassischen Verschleißschutzschichten werden sie auch zu dekorativen Zwecken oder als Wärmedämmschichten sowie als optische Schichten z. B. in der Mikroelektronik eingesetzt. PVD-Verfahren sind in der Regel Hochvakuumprozesse, die sich in drei Verfahrensvarianten einteilen lassen: Bedampfen, Ionenplattieren und Sputtern (Abb. 2). Bedampfen Beim Bedampfen wird der Beschichtungswerkstoff in einem beispielsweise widerstandsbeheizten Tiegel so lange erhitzt, bis er in die Dampfphase übergeht. Bei einem ausreichend hohen Vakuum (10–3 bis 10–6 Pa), weisen die Dampfatome eine so hohe mittlere freie Weglänge auf, dass sie nicht in Wechselwirkung miteinander treten und nahezu geradlinig auf das Substrat treffen, um sich dort und auf den Oberflächen schichtbildend zu kondensieren.
3 Allgemeine Merkmale der Beschichtungsverfahren aus der Dampfphase
Abb. 2 Grundtypen des PVD-Verfahrens
Abb. 3 Skizze einer Anlage für die Molekularstrahlepitaxie, sowie eine transmissionelektronenmikroskopische Aufnahme eines Querschliffs eines Si/SiGe-Superlattice
Hauptmerkmal des Vakuumaufdampfens ist, dass bei relativ hoher Aufdampfrate (z. B. 10–3 g/cm2s) gleichmäßig dicke Schichten mit ausreichender Haftung erzeugt werden können. Dabei ist die Streufähigkeit, d. h. die Fähigkeit komplexer geformte Teile gleichmäßig zu beschichten (geradliniger Teilchenflug), verfahrensbedingt relativ schlecht. Eines der wichtigsten Bedampfungsverfahren zur Herstellung definierter, dünner Schichten, ist die Molekularstrahlepitaxie (MBE, Molecular Beam Epitaxy). Darunter versteht man das orientierte Wachstum einer Schicht auf die kristalline Oberfläche eines Substrats. Man verwendet dieses Verfahren speziell im Bereich der Halbleitertechnologie zur Herstellung qualitativ hochwertiger Schichtstrukturen (Abb. 3 [1]). Dabei ist die Tatsache, dass mit dem MBE-Prozess besonders scharfe Grenzflächen zwischen den Schichten realisiert werden können, von Vorteil.
37
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie
Sputtern Im Unterschied zum Verdampfen im Hochvakuum benötigt man zum Sputtern oder Zerstäuben ein inertes Prozessgas wie z. B. Argon und eine Hochspannungsquelle. Bei einem Druck zwischen 0,1 und 1 Pa weisen die Argon-Gasteilchen eine mittlere freie Weglänge von einigen Millimetern auf. Bei der Gleichstromzerstäubung (DC-Sputtern) wird an das zu sputternde Schichtmaterial eine Spannung zwischen –1 und –5 kV angelegt und ein Glimmentladungsplasma gezündet, sodass das Schichtmaterial Ziel eines steten Bombardements von ionisierten Gasteilchen hoher kinetischer Energie wird. Deshalb bezeichnet man diese Ziele auch als Sputtertargets oder kurz Targets. Das Plasma brennt zwischen dem Target als Kathode und dem an der Masse liegenden Substrat bzw. der Wand der Hochvakuumkammer (Rezipient), die als Anode geschaltet ist. Da die Schichtwerkstoffe im Gegensatz zum Bedampfen nicht thermisch, sondern durch Impulsübertrag aus dem Target gelöst werden, sind die Einsatzmöglichkeiten des Sputterns hinsichtlich unterschiedlicher Schichtwerkstoffe deutlich vielseitiger, da man hier unabhängig vom Dampfdruck des Schichtwerkstoffes arbeitet. Mit dem Sputterverfahren können bei vergleichsweise niedrigen Aufdampfraten (< 10–4 g/cm2s) Schichten von guter Haftfestigkeit mit verhältnismäßig unregelmäßiger Schichtdicke erzeugt werden. Aufgrund des höheren Prozessdruckes kommt es zu größeren Wechselwirkungen der Dampfteilchen untereinander sowie mit dem Prozessgas, was zu einer deutlich verbesserten Streufähigkeit führt. Als Weiterentwicklung des DC-Sputterns findet die Hochfrequenzzerstäubung (RF-Sputtern) zunehmend Anwendung. Ein HF-Generator erzeugt eine Hochfrequenz, und da die hochbeweglichen Elektronen freie Oberflächen schneller erreichen als die deutlich langsameren Ionen des Plasmas, lädt sich jede Oberfläche gegenüber dem Plasma negativ auf und eine Eigenvorspannung (self bias) stellt sich ein. Zwischen den Kathoden und Anoden enstehen nun „Schichten“ von Ladungen, die bestimmten Kapazitäten zugeordnet werden können. Beim weit verbreiteten Magnetron-Sputtern werden üblicherweise Permanentmagnete so angeordnet, dass die Feldlinien das Target senkrecht durchdringen (Abb. 4). Durch die Überlagerung eines elektrischen und eines magnetischen Feldes, werden die Elektronen auf spiralförmige Bahnen vor der Kathode gezwungen. Dies führt aufgrund der erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Teilchen zu einer verstärkten Ionisation und Zerstäubungsrate.
Ionenplattieren Ionenplattieren bedeutet ein gezieltes Verändern der Eigenschaften in dünnen Oberflächenschichten durch Einbringen von Ionen. Durch zusätzliche im Gasentladungsraum angeordnete Anoden sowie elektromagnetische Felder vor dem Substrat und hinter dem Verdampfer (Dauermagnete) wird erreicht, dass Substrat und Schicht vor und während des Aufwachens einem steten Strom hochenergetischer Teilchen ausgesetzt sind, der dazu führt, dass Haftfestigkeit und Struktur der Schicht positiv beeinflusst werden. Zudem erzielt man mit dem Ionenplattieren
3 Allgemeine Merkmale der Beschichtungsverfahren aus der Dampfphase
Abb. 4 Schema einer Magnetronkathode mit symmetrischem Feldlinienverlauf (balanced magnetron). (a) Verlauf der Magnetfeldlinien in der Aufsicht. (b) Verlauf der Feldlinien zwischen den Polen im Querschnitt
Tab. 1 Zusammenfassung der typischen Vertreter des PVD-Verfahrens
Verfahren
Aufwachsraten [lm s–1]
Bedampfen 0,05–25 Sputtern 0,0001–0,7 Ionenplattieren 0,01–25
Druck [Pa]
Teilchenenergie [eV]
Prozesstemperatur
Haftung
10–3 10–1–1 10–1–1
<2 10–100 80–500
T nach Bedarf < T nach Bedarf T nach Bedarf
+ ++ +++
sehr hohe Depositionsraten (Schichtwachstumsgeschwindigkeiten) bei vergleichsweise niedrigen Substrattemperaturen (T < 300 8C). Beim Ionenplattieren können gut bis sehr gut haftende Schichten mit einer hohen Aufdampfrate von bis zu 10–2 g/cm2s erzielt werden, deren Schichtdicke jedoch eher ungleichmäßig ist. In Gegenwart eines reaktiven Gases, wie beispielsweise Stickstoff (N2) oder Acetylen (C2H2), können mit den beschriebenen PVD-Verfahren unter Hochvakuumbedingungen Hartstoffschichten wie Nitride, Carbide oder Carbonitride abgeschieden werden. Viele der heute eingesetzten PVD-Schichten, insbesondere im Bereich der Verschleißschutzschichten, werden mit Hilfe des reaktiven Ionenplattierns abgeschieden, das sich im Wesentlichen durch die Art der Verdampfung der metallischen Komponente der Hartstoffschicht unterscheidet. Die Verdampfung kann dabei durch einen Elektronenstrahl (anodische Materialquelle), einen Lichtbogen (Arc-Verdampfer) oder einen Magnetron-Sputterprozess erfolgen. In Tab. 1 sind die Kennzeichen der typischen Vertreter des PVD-Verfahrens noch einmal zusammengefasst.
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie Tab. 2 Typen unterschiedlicher CVD-Beschichtungsverfahren
Abkürzung
Bezeichnung
Atmospheric Pressure Chemical Vapour Deposition Low Pressure Chemical Vapour Deposition Metal-Organic Chemical Vapour Deposition Plasma Assisted Chemical Vapour Deposition oder Plasma Enhanced Chemical Vapour Deposition Laser Chemical Vapour Deposition Photochemical Vapour Deposition Chemical Vapour Infiltration Chemical Beam Epitaxy
APCVD LPCVD MOCVD PACVD oder PECVD LCVD PCVD CVI CBE
3.2
CVD – Chemical Vapour Deposition
Die chemische Dampfabscheidung oder Chemical Vapour Deposition unterscheidet sich vom herkömmlichen PVD-Verfahren dadurch, dass der Beschichtungswerkstoff erst während des Prozesses durch eine chemische Reaktion erzeugt wird. Dazu wird ein reaktives Gas (Precursor), oft zusammen mit einem inerten Trägergas, in den Rezipienten geleitet. Um die für die chemische Reaktion notwendige Energie aufzubringen, sind hohe Temperaturen von bis zu 2000 8C erforderlich. Abhänging von der Art des Prozesses und den Prozessparametern durchlaufen die Precursorgase möglicherweise schon vor dem Erreichen der Substratoberfläche eine chemische Reaktion. In der Nähe des Substrates findet dann, häufig unter katalytischer Wirkung der Substratoberfläche, die eigentliche Reaktion statt, an dessen Ende sich Teile der Reaktionsprodukte schichtbildend auf dem Substrat abscheiden, während andere als gasförmige Nebenprodukte aus dem Rezipienten entfernt werden. Neben der katalytischen Wirkung der Substratoberfläche und der thermischen Aktivierung werden auch Plasmen oder Photonen zur Initiierung und Aufrechterhaltung der chemischen Reaktion eingesetzt (vgl. Tab. 2), was wesentlich geringere Prozesstemperaturen (³ 400 8C) als bei einer thermischen Anregung (³ 700 8C) ermöglicht. Das CVD-Verfahren hängt von einem komplexen Zusammenspiel zahlreicher Diffusions- und Konvektionsprozesse sowie den ablaufenden chemischen Reaktionen ab und kann im Gegensatz zum PVD-Verfahren sowohl unter Niederdruckbedingungen als auch unter Atmosphärendruck betrieben werden. Als typische Reaktionen innerhalb des CVD-Prozesses kennt man die Chemosynthese, die Pyrolyse und die Disproportionierung. Als typische Precursorgase kommen beispielsweise Metallhalogenide (TiCl4, TaCl5), Metallhydride (SiH4, GeH4) oder metallorganische Verbindungen wie Carbonyle (Ni(CO)4) oder Dialylamide (Ti(NMe2)4) in Frage. Aufgrund des ungerichteten Stofftransportes können auch Bauteile komplexerer Geometrie gleichmäßig beschichtet werden. CVD-Schichten zeichnen sich durch einen sehr dichten Schichtaufbau mit guter Haftfestigkeit bei gleichzeitig gleich-
4 Eigenschaften eines Plasmas
Abb. 5 Schema einer CVD-Anlage und prinzipielle Darstellung der Transportvorgänge
mäßiger Schichtdickenverteilung aus. Der prinzipielle Aufbau einer CVD-Anlage ist in Abb. 5 dargestellt. 4
Eigenschaften eines Plasmas
PVD-Prozesse mittels Sputtern oder Ionenplattieren sowie das Ionenätzen basieren auf den besonderen Eigenschaften des Plasmas. Ein Plasma kann als ein Gemisch von Neutralteilchen, Radikalen, Ionen und Elektronen beschrieben werden, das sich nach außen hin elektrisch neutral verhält, da die Anzahl der positiven und negativen Ladungen je Volumeneinheit identisch ist [2]. Diese Quasineutralität wird durch starke elektrische Felder aufrechterhalten. Durch die Existenz freier Ladungsträger im Plasma wird jedoch eine relativ hohe elektrische Leitfähigkeit erzeugt, die die von Metallen erreicht bzw. diese in seltenen Fällen auch übersteigen kann. Ein Plasma wird auch als der 4. Aggregatzustand bezeichnet. 4.1
Niederdruckplasmen
Man unterscheidet zwei Plasmentypen: Die Gleichgewichts- oder thermischen Plasmen, auch „heiße Plasmen“ genannt und die Ungleichgewichts- oder Niederdruckplasmen, die man auch als „kalte Plasmen“ bezeichnet und die von beson-
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie
Abb. 6 Elektronentemperatur Te und Gastem-
peratur Tn in Abhängigkeit vom Druck bei konstantem Strom in einer elektrischen Entladung in Luft
derem technischen Interesse sind. Es handelt sich dabei um stromschwache Gasentladungen (i < 1 mA) bei Drücken von p < 100 Pa [3], die durch die Ionisation der Gase mittels Elektronenstöße erzeugt werden. Aufgrund des niedrigen Drucks ist die typische mittlere freie Weglänge der Gasteilchen so groß, dass Stoßprozesse selten sind. Aus diesem Grund sind die unterschiedlichen Teilchen (Elektronen, Schwerteilchen) nicht im thermischen Gleichgewicht. So kann über eine selektive Heizung der Elektronen, z. B. mittels elektrischer Felder, Elektronentemperaturen von mehreren 10000 K erreicht werden, während die Temperatur des Neutralgases wenig oberhalb der Zimmertemperatur liegt (Abb. 6 [4]). Aus diesem Grund können auch thermisch sensible Materialien wie Kunststoffe im Niederdruckplasma bearbeitet werden [5, 6]. Die im Plasma vorhandenen freien Elektronen werden zur Anregung, Ionisation und Dissoziation der Gaspartikel genutzt und führen beim Auftreffen auf der Substratoberfläche hauptsächlich zum Aufheizen des Substrats. Im Gegensatz dazu können hochenergetische Ionen durch Wechselwirkung mit Festkörperoberflächen diese zerstäuben und aktivieren. Dieser Vorgang wird beim Magnetronsputtern gezielt zur Oberflächenpräparation oder -aktivierung der zu beschichtenden Substrate durch Ionenätzen eingesetzt.
5
Aufbau der Schichten 5.1
Schichtstruktur
Treffen Atome auf eine Festkörperoberfläche, werden sie entweder innerhalb von ein bis zwei Gitterschwingungen (10–13 s) reflektiert, oder sie geben ausreichend Energie an das Gitter ab und werden als so genannte Adatome lose gebunden. Als Adatome diffundieren sie über die Oberfläche, bis sie entweder wieder desorbieren oder zusammen mit weiteren stabilen Keimen kondensieren. Dabei ist die Oberflächenbeweglichkeit der Adatome durch die Substrattemperatur, ihre kinetische Energie beim Auftreffen und die Stärke der Wechselwirkungen zwischen Adund Substratatomen gegeben. Während der beginnenden Schichtbildung sind die Prozesse Desorption, Kondensation und Oberflächendiffusion am bedeutensten, wobei sich Struktur, Ober-
5 Aufbau der Schichten
Abb. 7 Strukturzonenmodell nach Movchan und Demchishin für Aufdampfschichten; erweiteretes Strukturzonenmodell nach Thornton für Sputterschichten und das Strukturzonenmodell nach Messier
flächenbeschaffenheit und Zusammensetzung der Schichten stark durch die Abscheidetemperatur beeinflussen lassen (gilt besonders für die PVD-Verfahren) [7]. Movchan und Demchishin [8] waren die Ersten, die den Einfluss der Abscheidetemperatur auf die sich ausbildende Schichtstruktur von Aufdampfschichten untersucht haben. Ihre Ergebnisse wurden in einem Strukturzonenmodell zusammengefasst, welches später von Thornton [9] noch erweitert wurde (Abb. 7). In Abhängigkeit von Temperatur und Prozessgasdruck (Argon) erreicht man jeweils einen unterschiedlichen Schichtaufbau. Da die Beschichtungsmaterialteilchen i. a. aus einer Vorzugsrichtung einfallen, kommt es – bedingt durch die Oberflächenrauhheit – zu Abschattungseffekten. Bei niedrigen Temperaturen findet keine Diffusion an der Oberfläche statt, die Abschattungseffekte können nicht ausgeglichen werden und man bekommt eine offene, poröse Schichtstruktur, wie sie in Thorntons Zone 1 beschrieben wird. Durch eine negative Biasspannung am Substrat, relativ zum Plasma, kann die Entstehung der offenen Struktur der Zone 1 bei niedrigen Temperaturen vermieden werden, da der intensive Ionenbeschuss der aufwachsenden Schicht mit Prozessgasionen die Keimbildung auf der Substratoberfläche fördert. Für das Ionenplattieren entwickelte Messier [10] ein Modell (Abb. 7), das den Schichtaufbau in Abhängigkeit von Temperatur und Ionenenergie entsprechend der angelegten Biasspannung beschreibt. Mit zunehmender Ionenenergie verbreitert sich demnach die häufig erwünschte Übergangszone T hin zu niedrigeren Beschichtungstemperaturen. Da die Schichteigenschaften von den Aufwachsmechanismen und der sich einstellenden Schichtstruktur abhängig sind, können sie durch Veränderung der Prozessparameter beeinflusst werden. Dabei wird die Aufwachsrate durch die eingestellte Verdampferleistung und die Schichtdicke über die Prozessdauer gesteuert. Zur Beeinflussung der Schichtstruktur werden die Substrattemperatur, Prozessgaszusammensetzung und -druck, der Ionisierungsgrad sowie die Teilchenenergie
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie
(Bias-Spannung) variiert. Um Abschattungseffekte während des Beschichtungsprozesses zu verhindern, ist durch Schleifen und ggf. polieren der Proben deren Oberflächenrauheit zu minimieren.
6
Galvanische und außenstromlose Abscheidungsverfahren 6.1
Einleitung
Die Galvanotechnik beschäftigt sich mit dem Abscheiden von Metallen und Legierungen auf einem Substrat aus wässrigen und nichtwässrigen Elektrolytlösungen. Metall- und Legierungsabscheidungen besitzen einen großen Anwendungsbereich. Hierzu zählen z. B. das dekorative Verchromen von Sanitärarmaturen und optisch anspruchsvollen Fahrzeugkomponenten im Fahrzeugbau sowie die Erhöhung der Verschleißfestigkeit von Werkzeugen. Von großer technischer Bedeutung ist das Beschichten von Metallen, die anfällig gegenüber Sauerstoffkorrosion sind. Dabei wird das zu schützende Metall entweder mit einem edleren Metallüberzug geschützt (z. B. Vergolden, Versilbern, Verkupfern oder Vernickeln von Eisen), oder mit einem unedleren aber passivierenden Metall beschichtet (Verzinken von Eisen). Ein weiteres Einsatzgebiet findet sich in der Elektronikindustrie zur Herstellung von Edelmetallüberzügen für Bondverbindungen und Steckkontakten sowie Kupferüberzügen in der Leiterplattenindustrie. Bei den beschriebenen Anwendungen geht es also im Wesentlichen darum, einer Metall- oder Nichtmetalloberfläche Eigenschaften zu verleihen, die das Substrat selbst nicht aufweisen kann. Dies beinhaltet, dass an die abgeschiedenen Überzüge einige Anforderungen gestellt werden. Hierzu zählt die Haftfestigkeit, da sich die Beschichtung zum einen nicht von dem entsprechenden Substrat lösen darf und zum anderen auch mechanisch belastbar sein sollte. Zwecks Korrosionsschutz und Abriebfestigkeit ist eine gewisse Schichtdicke erforderlich. Weiterhin sollte die Beschichtung möglichst homogen sein. Die Elektrochemie liefert dabei die Grundlagen, um entsprechende Überzüge herzustellen [11–13]. 6.2
Grundbegriffe Der Elektrolyt Ein Elektrolyt ist im Allgemeinen eine chemische Verbindung, die im festen, flüssigen oder gelösten Zustand in Ionen dissoziiert. In der Galvanotechnik sind vor allen Dingen wässrige Elektrolytlösungen von Bedeutung, in denen Metallsalze in Wasser gelöst sind. Man unterscheidet dabei zwischen zwei Arten: Starke und schwache Elektrolyte. Bei den starken Elektrolyten sind die gelösten Salze vollständig dissoziiert (Bsp. NaCl-Lösung), während bei den schwachen Elektrolyten (Bsp. Essigsäurelösung) die gelösten Substanzen nur teilweise dissoziiert sind 6.2.1
6 Galvanische und außenstromlose Abscheidungsverfahren
und einen Dissoziationsgrad (dissoziierter Anteil/Gesamtmenge des in Lösung gebrachten Elektrolyten) aufweisen, der wesentlich kleiner als eins ist. Hier ist der Dissoziationsgrad auch bei sehr hohen Verdünnungen sehr klein und geht erst bei unendlicher Verdünnung gegen eins. Elektrolyt bzw. Elektrolytlösungen lassen sich durch ihre spezifische elektrische Leitfähigkeit charakterisieren. Die spezifische elektrische Leitfähigkeit ist ein Maß dafür, wie der elektrische Strom in einem Elektrolyten geleitet wird. Im Gegensatz zu Metallen, bei denen der Ladungstransport durch Elektronen erfolgt, besitzen Elektrolyte eine wesentlich geringere Leitfähigkeit. Sie ist dabei von der Konzentration, der Wertigkeit, der Beweglichkeit der gelösten Ionen und der Temperatur abhängig.
Elektrode, Elektrodenreaktion, Elektrodenpotenzial Unter einer Elektrode versteht man das Hintereinanderschalten mehrerer Phasen, wobei die Endphase ein Elektronenleiter (Metall, Graphit etc.) oder ein Halbleiter ist. Findet an einer Elektrode eine Oxidation statt, so handelt es um die Anode. Die Elektrode, an der die Reduktion stattfindet, heißt Kathode. Ein Beispiel für eine Elektrode ist die Kupferelektrode, in der ein Kupferblech in eine Kupfersulfatlösung taucht. Allgemein wird an der Phasengrenze Metall/Metallsalzlösung folgende Gleichgewichtsreaktion beschrieben: 6.2.2
M (Phase I) > Mz+ (Phase II) + ze–
(1)
Ist gemäß Gleichung 1 die Oxidation, d. h. die Metallauflösung in positiv geladene Kationen bevorzugt (Hinreaktion), werden sich Elektronen an der Elektrodenoberfläche anreichern und die Elektrode negativ aufladen. Ist die Rückreaktion bevorzugt, wird die Elektrodenoberfläche an Elektronen verarmen und sich positiv aufladen. Bei positiv aufgeladener Elektrodenoberfläche werden entsprechend hydratisierte Anionen angezogen und es bildete sich eine so genannte elektrolytische Doppelschicht aus (Abb. 8), die als Helmholtz’sche starre elektrolytische Doppelschicht
Abb. 8 Starre (Helmholtz) und diffuse (GouyChapman) elektrolytische Doppelschicht
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie
bezeichnet wird. Aufgrund der Wärmebewegung der Moleküle geht die starre Doppelschicht mit zunehmendem Abstand von der Elektrodenoberfläche in einen Bereich diffuser Ladungsverteilung über. Nach dem Modell von Gouy und Chapman handelt es sich hier um die diffuse Doppelschicht. Die entstandene elektrische Potenzialdifferenz zwischen Elektrode und Elektrolyt hat einen Einfluss auf die Gleichgewichtseinstellung und muss beim Aufstellen einer Gleichgewichtsbedingung mit berücksichtigt werden. Bringt man ein Ion i mit der Ladung zi e aus dem Unendlichen in das Innere einer Mischphase mit dem elektrischen Potenzial ', so muss zusätzlich zum chemischen Potenzial – der partiellen molaren Freien Enthalpie – die Arbeit zi e ', bzw. zi F ' (bezogen auf ein Mol von i) aufgebracht werden. Diese Größe wird als elektrochemisches Potenzial bezeichnet: i li zi e NA ' li zi F ' l i : l li : zi: e: F: ':
2
elektrochemisches Potenzial von i chemisches Potenzial von i Ladungszahl von i Elementarladung Faradaykonstante elektrisches Potenzial
Die aufzustellende Gleichgewichtsbedingung besagt, dass jede Teilchenart in jeder Phase dasselbe elektrochemische Potenzial aufweisen muss. Unter Berücksichtigung der stöchiometrischen Koeffizienten der Reaktanten und Produkte ergibt sich für die Phasengrenze Metall/Metallionen: M l Mz z le l
3
Aus dieser Betrachtung erhält man letztendlich die so genannte GleichgewichtsGalvanispannung: D' '
II '
a : R: T: aMz+:
I '0
RT ln aMz zF
4
Galvanipotenzial der Phase a allgemeine Gaskonstante absolute Temperatur Metallionenaktivität
Dieser Ausdruck besagt, dass mit einer Erhöhung der Metallionenaktivität, z. B. durch eine Konzentrationserhöhung der Metallionen, die Potenzialdifferenz der Metallelektrode zunimmt und somit die Metallelektrode positiver gegenüber der Lösung geladen ist. Da das Potenzial an der Phasengrenze Metall/Metallionen (Galvanipotenzial) experimentell nicht bestimmbar ist, muss ein entsprechender Bezugspunkt festgelegt werden. Als Referenzelektrode dient die Standardwasserstoffelektrode (NWE), deren Potenzial willkürlich auf null gesetzt wird. Bei der NWE handelt es
6 Galvanische und außenstromlose Abscheidungsverfahren Tab. 3 Standardelektrodenpotenziale einiger Metalle bei 25 8C [14]
Elektrodenreaktion
EMK/V
Elektrodenreaktion
EMK/V
Na+ + e– ? Na Mg2+ + 2e– ? Mg Al3+ + 3e– ? Al Ti2+ + 2e– ? Ti V2+ + 2e– ? V Cr2+ + 2e– ? Cr Zn2+ + 2e– ? Zn Cr3+ + 3e– ? Cr Fe2+ + 2e– ? Fe In3+ + 3e– ? In Ni2+ + 2e– ? Ni 2 H+ + 2e– ? H2
–2,71 –2,36 –1,66 –1,63 –1,19 –0,91 –0,76 –0,74 –0,44 –0,34 –0,23 ±0,00
Cu2+ + 2e– ? Cu Cu+ + e– ? Cu Ag+ + e– ? Ag Hg2+ + 2e– ? Hg Pt2+ + 2e– ? Pt Au2+ + 2e– ? Au Au3+ + 3e– ? Au
+0,34 +0,52 +0,80 +0,80 +1,20 +1,36 +1,69
sich um ein platiniertes Platinblech in saurer, wässriger Lösung mit der H+-Ionenaktivität von 1, das mit Wasserstoff von 1013,25 mbar (Standarddruck) umspült wird. Somit erhält man für das Gleichgewichtspotenzial einer Metallelektrode die Nernst-Gleichung: e e0
RT ln aMz zF
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e bzw: e0 : Elektroden-, bzw. Standardelektrodenpotenzial der Metallelektrode Mit der NWE als Bezugselektrode und Fixpunkt lassen sich die verschiedenen Elektrodensysteme miteinander vergleichen. Dieses Tabellenwerk [14] wird als elektrochemische Spannungsreihe (Tab. 3) bezeichnet.
Elektrolyse und Faraday’sche Gesetze Unter einer Elektrolyse versteht man das elektrochemische Zersetzen einer Substanz durch außen zugeführten Gleichstrom, wodurch das Gleichgewicht an der Phasengrenze Metall/Metallionen gestört wird. In einer Elektrolysezelle wandern die Anionen zur positiv geschalteten Anode (Oxidation) und die Kationen entsprechend zur negativ geschalteten Kathode (Reduktion). Grundlage der Elektrolyse bilden dabei die von Michael Faraday 1833 entdeckten Gesetzmäßigkeiten. Das Faraday’sche Gesetz beschreibt dabei den Zusammenhang zwischen der geflossenen Ladungsmenge durch den Elektrolyten und des Stoffumsatzes. Für die Stoffmengenänderung pro Zeit und Flächeneinheit gilt: 6.2.3
1 dni 1 dQ 1 j A dt zi F A dt zi F
6
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie
Für die umgesetzte Masse ergibt sich: 1 dmi 1 dQ 1 Mi Mi j A dt zi F A dt zi F
7
Eine weitere, besonders für die Metallabscheidung, relevante Größe ist die Abscheidungsrate. Unter Berücksichtigung der Dichte des abgeschiedenen Metalls erhält man folgenden Ausdruck: dx 1 dmi 1 dt A dt qi
8
A: Oberfläche der Elektroden ni: Stoffmenge des Stoffes i zi: Ladungszahl von i F: Faradaykonstante Q: geflossene Ladung j: Stromdichte mi: Masse von i Mi: molare Masse von i qi : Dichte von i x: Schichtdicke Das Faraday’sche Gesetz bezieht sich jedoch nur auf den so genannten Faradaystrom, der durch die direkte Elektrodenreaktion verursacht wird. Kapazitive Ströme (nicht Faraday’sche Ströme), die durch die Aufladung der Doppelschicht der Elektrode verursacht werden, sind in den oben aufgestellten Gleichungen nicht berücksichtigt. In diesem Zusammenhang wird eine weitere Größe eingeführt, die als Stromausbeute bezeichnet wird. f
mobs: Mtheor:
9
Sie beschreibt das Verhältnis der nach dem Faraday’schen Gesetz zu erwartenden und der tatsächlich erhaltenen Stoffumsetzung. Im Allgemeinen ist die Stromausbeute kleiner als eins, was bedeutet, dass weitere Reaktionen, wie z. B. die kathodische Wasserstoffabscheidung stattfinden.
Überspannung Die Abweichung des Elektrodenpotenzials vom Gleichgewichtspotenzial beim Anlegen eines Stromes wird als Überspannung g bezeichnet. Bei kleinen Stromdichten resultiert die Änderung des Elektrodenpotenzials aus der endlichen Geschwindigkeit des Ladungsdurchtritts durch die Phasengrenze Elektrode/Elektrolyt. Diese Art der Überspannung wird als Durchtrittsüberspannung gT bezeichnet. Dabei hängt die Durchtrittsüberspannung von der an der Durchtrittsreaktion beteiligten Spezies, von dem Elektrolyten und der Elektrodenart ab. Zu der Durchtrittshem6.2.4
6 Galvanische und außenstromlose Abscheidungsverfahren
mung kommen in der Regel Hemmungen durch zu langsamen Stofftransport von der Elektrodenoberfläche zum Elektrolyten und umgekehrt hinzu (Diffusionshemmung). Diese Art der Überspannung wird entsprechend als Diffusionsüberspannung gD bezeichnet. Weiterhin tragen nicht ausreichende Geschwindigkeiten von gekoppelten Reaktionen, wie Adsorptions- und Desorptionsvorgänge, vor- und nachgelagerte Reaktionen zur so genannten Reaktionsüberspannung gR bei. 6.3
Außenstromlose Metallabscheidung
Bei der außenstromlosen oder chemischen Metallabscheidung erfolgt die Metallabscheidung ohne äußere Stromquelle. Die in der Elektrolytlösung vorkommenden Metallionen werden reduziert und das Werkstück wird metallisch beschichtet. In der Regel werden bei dieser Art der Beschichtung Schichtdicken von bis zu 10 lm erzielt. Die Reduktion der Metallionen kann auf zwei Wegen erfolgen. Besitzt das abzuscheidende Metall ein positiveres Standardelektrodenpotenzial als das zu beschichtende Werkstück, so findet eine freiwillig ablaufende Redoxreaktion statt. Betrachtet man die Reaktion Fe
s Cu2
l ! Fe2
l Cu
s so lauten die entsprechenden Teilreaktionen und die dazugehörigen Standardelektrodenpotenziale: I Cu2+ + 2e– ? Cu II Fe2+ + 2e– ? Fe
e0 = +0,34 V e0 = –0,44 V
Für die hier betrachtete Reaktion ergibt sich hier eine Gesamt-EMK von De = 0,78 V. Der Zusammenhang von freier Reaktionsenthalpie und EMK lautet: Dr G
z F De
10
Somit ergibt sich eine freie Reaktionsenthalpie von –151 kJ/mol. Die Reaktion läuft also freiwillig in der hier aufgestellten Richtung ab. Die zweite Möglichkeit zur außenstromlosen Metallabscheidung besteht darin, dass durch Zugabe eines Reduktionsmittels die Metallisierung ermöglicht wird. Hierbei handelt es sich in der Regel um katalytische Reaktionen. Dabei wirkt das zu beschichtende Bauteil selbst als Katalysator, wenn es metallisch ist. Bei nichtmetallischen Bauteilen muss die Oberfläche des Bauteils mit einem entsprechenden Katalysator aktiviert werden. Die Oberflächenaktivierung erfolgt dabei in mehreren Schritten: 1) 2) 3) 4) 5)
Reinigen der Oberflächen (Bürsten, Sandstrahlen, Entfetten) Ätzen (sauer oder alkalisch) neutralisieren Aufbringen des Katalysators (bei nichtmetallischen Werkstücken) Einsatz von Beschleunigerlösungen
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie
Abb. 9 Prinzip der außenstromlosen Metallabscheidung auf elektrisch nicht leitenden Substraten
Das Ätzen dient – neben dem Reinigen – dazu, die Oberfläche des Bauteils aufzurauen, damit es entsprechende „Verankerungsmöglichkeiten“ für das abzuscheidende Metall gibt. Als Katalysator wird im Wesentlichen Palladium verwendet. Dabei wird eine Lösung aus PdCl2 und SnCl2 eingesetzt, wodurch sich kolloidales Palladium bildet und an überschüssigem Zinn(II)-chlorid gebunden in der Lösung vorliegt: 2
0
Pd Cl2 SnCl2 ! Pd SnCl2 weitere Zinn(IV)-Komplexe Um das an das Palladium gebundene Zinn(II)-chlorid und die weiteren Zinn(IV)-Komplexe zu entfernen, werden so genannte Beschleunigerlösungen, wie z. B. Zitronensäure, Salzsäure, Oxalsäure oder Fluoroborsäure verwendet. Nach Entfernen des Zinn(II)-chlorids kommt es zu einer Belegung der Werkstücksoberfläche mit Palladium, die als Keime für die Metallisierung dienen (Abb. 9).
6 Galvanische und außenstromlose Abscheidungsverfahren
Abb. 10 Prinzip der galvanischen
Metallabscheidung (lösliche Anode)
6.4
Galvanische Metallabscheidung
Unter der galvanischen Metallabscheidung bezeichnet man das Aufbringen eines Metalls oder einer Legierung auf ein Substrat mittels einer äußeren Gleichstromquelle. Das abzuscheidende Metall liegt dabei als Metallionen in einer Elektrolytlösung vor. Das zu beschichtende Substrat wird dabei als Kathode (neg. Pol) geschaltet, an dem die Metallionen aus dem Elektrolyten reduziert werden und elementar an der Oberfläche abgeschieden werden. An der Anode (pos. Pol) findet dem Ladungsfluss entsprechend eine Oxidation statt. Es kommen zwei Typen von Anoden zum Einsatz: 1) Die lösliche Anode Hier wird als Anodenmaterial das abzuscheidende Metall verwendet, sodass die Elektrolytlösung mit den entsprechenden Metallionen nicht verarmt (Abb. 10). Dies hat allerdings zur Folge, dass verbrauchte Anoden von Zeit zu Zeit ersetzt werden müssen. 2) Die unlösliche (inerte) Anode Die inerten Anoden bestehen entweder aus einer Bleilegierung oder aus mit Edelmetall beschichteten Titanplatten. Bei Benutzung dieser Anoden muss die Elektrolytlösung kontrolliert werden, damit die verbrauchten Metallionen von außen zugeführt werden. Vorraussetzung für die galvanische Metallabscheidung ist, dass der zu beschichtende Werkstoff selbst elektrisch leitend sein muss. Bei nicht leitenden Werkstof-
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie
fen, wie Kunststoffen, muss die Oberfläche des zu beschichtenden Materials mit einer dünnen leitenden Schicht versehen werden. Dazu wird die Oberfläche zuerst aktiviert und anschließend eine metallische Schicht entweder mittels chemischer Abscheidung, mit PVD-Technik oder mittels CVD-Technik aufgetragen. Mit der so vorbehandelten Oberfläche kann nun eine galvanische Metallisierung erfolgen. In wässrigen Elektrolyten ist die galvanische Metallabscheidung jedoch durch das Standardelektrodenpotenzial (s. o.) des abzuscheidenden Metalls festgelegt. Unter Standardbedingungen ist thermodynamisch nur eine Abscheidung möglich, wenn das Standardelektrodenpotenzial des Metalls positiver als das der Standard-Wasserstoffelektrode ist. Wie die Praxis aber zeigt, lassen sich auch Metalle, wie Nickel, Chrom oder Indium aus wässrigen Elektrolyten abscheiden, obwohl sie ein negativeres Standardelektrodenpotenzial als die NWE besitzen (Tab. 3). Dies ist möglich, da die Bildung von Wasserstoff in solchen Systemen kinetisch gehemmt ist und das Abscheidungspotenzial sich gegenüber dem Gleichgewichtspotenzial in kathodischer Richtung verschiebt. 6.5
Galvanische Metallabscheidung aus nichtwässrigen Lösungsmitteln
Bei technisch interessanten Metallen wie Magnesium, Aluminium, Titan, Vanadium und Wolfram sowie den Alkali- und Erdalkalimetallen ist das Abscheidungspotenzial stark negativ, sodass in wässrigen Elektrolyten nur Wasserstoff gebildet wird. Aus diesem Grund können derartige Metalle nur aus nichtwässrigen Elektrolytlösungen abgeschieden werden. Das bekannteste Beispiel ist die Aluminiumherstellung durch die Elektrolyse einer flüssigen Mischung aus Aluminiumoxid und Kryolith (Al2O3/NaAlF4). Aufgrund der hohen Betriebstemperaturen (900 – 1000 8C) bildet sich flüssiges Aluminium, sodass dieses Verfahren nicht für das Galvanisieren von Bauteilen und für die Galvanoplastik geeignet ist. Erste Versuche zur elektrolytischen Aluminiumabscheidung wurden mit einer Aluminium-(III)-chlorid/ Natriumchlorid-Salzschmelze von Bunsen 1854 durchgeführt. Das erste Patent zur Abscheidung von Aluminium aus einer Fluoridsalzschmelze wurde 1924 erteilt. Grundlage bei allen verwendeten anorganischen Salzschmelzen ist eine Mischung aus Aluminium-(III)-chlorid und Alkalimetallhalogeniden. Der Vorteil bei diesen geschmolzenen Salzmischungen ist die hohe spezifische Leitfähigkeit, die auf die vollständige Dissoziation der Alkalimetallhalogenide zurückzuführen ist und zwischen 5 und 10 X–1cm–1 liegt. Weiter kommt hinzu, dass sich Metallhalogenide, wie AlCl3 gut in flüssigen Alkalimetallhalogeniden lösen [15]. Bei diesen Verfahren sind als Nachteil jedoch die hohen Betriebstemperaturen (> 350 8C) und Korrosivität der eingesetzten Chemikalien sowie die Empfindlichkeit der Salze gegenüber Luftfeuchtigkeit zu nennen [16]. Aktuelle Forschungsaktivitäten befassen sich daher mit dem Einsatz von komplexen Fluoroaluminaten als Elektrolyten, welche auf ihrer günstigen chemischen Eigenschaften (hydrolyseunempfindlich, geringere Korrosivität) ein hohes Anwendungspotenzial aufweisen (Abb. 11) [17]. Weitere Metalle, die aus anorganischen Salzen abgeschieden wurden, sind Titan, Chrom, Molybdän, Wolfram, Niob und Tantal. Bei diesen Salzschmelzen handelt es sich im Wesentli-
6 Galvanische und außenstromlose Abscheidungsverfahren
Abb. 11 Galvanisch abgeschiedenes
Aluminium
Abb. 12 Das System 1-Ethyl-3-Methylimidazoniumchlorid/Aluminiumchlorid
chen um eine KX-LiX (X = Cl, F)-Mischung, in denen das abzuscheidende Metall als komplexiertes Anion vorliegt, wie z. B. Kaliumheptafluorotantalat (K2TaF7) [18, 19] bei der Tantalabscheidung. 1948 setzten Hurley und Wier erstmals organische, ionische Lösungsmittel zur Herstellung nichtwässriger Elektrolyten bei der Aluminiumabscheidung ein. Hierbei handelte es sich um eine Mischung aus N-Ethylpyridiniumchlorid/Aluminium(III)-chlorid bzw. um eine N-Ethylpyridiniumbromid/Aluminium-(III)-chlorid-Mischung [20, 21]. Unter ionischen Flüssigkeiten, auch RTMS (Room Temperature Molten Salts) genannt, bezeichnet man Salzschmelzen, die einen Schmelzpunkt von unter 100 8C besitzen und eine neue Klasse von Flüssigkeiten mit nichtmolekularem, ionischem Charakter darstellen. Im Allgemeinen versteht man hierunter organische Salze, die ein organisches Kation und ein anorganisches Anion besitzen, das wesentlich kleiner als das Kation ist [22]. Hierin ist auch die geringere spezifische Leitfähigkeit (ca. 10–1 X–1cm–1) solcher Systeme gegenüber anorganischen Salzschmelzen begründet, da die Beweglichkeit der Ionen gering ist [23]. Das bekannteste Beispiel für eine solche ionische Flüssigkeit ist das System 1-Ethyl-3-Methylimidazoniumchlorid/Aluminiumchlorid (EMICl/AlCl3) (Abb. 12 und 13). Im betrachteten Elektrolytsystem können sich die Komplexe [AlCl4]– (1:1 Zusammensetzung) und [Al2Cl7]– (AlCl3-reiche Seite) bilden. Die kathodische Abscheidung des Aluminiums kommt durch die Reduktion des [Al2Cl7]–-Komplexes zustande [24, 25]:
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Grundlagen der Dünnschichttechnologie
Abb. 13 Liquiduslinie des Systems EMICl/AlCl3
4A2 Cl7 3e ! Al 7AlCl4 Versuche ergaben, dass eine Aluminiumabscheidung auf der AlCl3-armen Seite bis hin zur 1 : 1 Zusammensetzung nicht möglich ist, da das organische Kation leichter zu reduzieren ist als der [AlCl4]–-Komplex. Nachteil bei diesem Verfahren sind die luft- und wasserempfindlichen Aluminiumelektrolyte, weswegen eine spezielle Anlagen- und Verfahrenstechnik entwickelt werden muss. Hierzu zählen luftdichte Behälter, Schleusensysteme etc. Die Betriebskosten solcher Anlagen sind dementsprechend höher als die Kosten für die konventionelle Galvanotechnik. 6.6
Zusammenfassung und Ausblick
Die Galvanotechnik findet ihren Ursprung in der von Michael Faraday 1833 und Walter Nernst 1898 entdeckten Gesetzmäßigkeiten. Seitdem ist eine kontinuierliche Entwicklung der Metall- und Legierungsabscheidung zu verzeichnen. Anwendung findet die Galvanotechnik zur Herstellung dekorativer Schichten, zur Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit von Materialen sowie in der Elektronikund Leiterplattenindustrie. Die dabei verwendeten Elektrolytbäder unterliegen dabei ständiger Weiterentwicklung und Optimierung, um die steigenden Anforderungen der Industrie zu erfüllen. Hierzu ist es erforderlich, elektrochemische Messungen, wie Stromdichte-Potenzial-Messungen, durchzuführen. Mit den erhaltenen Messwerten kann man auf mögliche Reaktionsmechanismen der Metallabscheidung schließen, womit sich eine Optimierung der Elektrolytzusammensetzung erzielen lässt.
7 Literatur
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Innovation in der PVD-Technologie für Hochleistungsanwendungen E. Lugscheider, K. Bobzin, M. Maes, A. Erdle Lehr- und Forschungsgebiet Werkstoffwissenschaften der RWTH Aachen
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Einleitung
Die Oberflächen- und Dünnschichttechnologie gewinnt in zunehmendem Maße an Bedeutung in der industriellen Anwendung. Die Anwendungsgebiete dünner Schichten liegen darin begründet, dass eine Vielzahl von Materialeigenschaften stark mit dem Oberflächenzustand verbunden sind. Bedeutende Industriezweige in Deutschland wie die Automobilindustrie, die Luftfahrt oder die Energietechnik sind daher heutzutage auf moderne Verfahren der Oberflächentechnik angewiesen. Ebenso hätten jüngere Industriezweige wie die Medizintechnik, Mikrosystemtechnik und Mirkoelektronik ohne die Verfahren der Oberflächentechnik nicht so stark wachsen können. Um einige Beispiele zu nennen: In der Optik werden dünne Schichten zur Reflexionsminderung, -erhöhung oder zur Lichtabsorption bzw. -filterung eingesetzt. In der Elektrotechnik und Mikroelektronik werden Kontakte, Widerstände und Kondensatoren in Form von dünnen Schichten eingesetzt. In der chemischen Verfahrenstechnik und im Maschinenbau werden dünne Schichten zur Verschleißminderung und definierten Einstellung von Reibzahlen, als Korrosionsschutz, als Hochtemperaturschutz und nicht zuletzt zu dekorativen Zwecken eingesetzt. Die Veredelung von Oberflächen, z. B. durch Werkzeugbeschichtungen mit abriebfesten Materialen oder biokompatible Implantatbeschichtungen für medizinische Zwecke sind weitere Beispiele der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Die Möglichkeiten der Oberflächentechnik, Grundwerkstoff- und Oberflächeneigenschaften getrennt voneinander zu optimieren, hat sich in vielen Bereichen der Ingenieurwissenschaften als ebenso nützlich wie notwendig erwiesen, um den Anforderungen moderner Spitzentechnologie gerecht zu werden. Die Möglichkeit der gezielten Einstellung der tribologisch besonders wichtigen Oberfläche, deren chemische Zusammensetzung und deren physikalische und mechanische Kennwerte wird vor allem durch die modernen Verfahren der PVD(Physical Vapour Deposition)- und CVD(Chemical Vapour Deposition)-Technologien gewährleistet.
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Innovation in der PVD-Technologie für Hochleistungsanwendungen
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Marktsituation
Aus einer Programmevaluation des ifo-Institutes (Institut für Wirtschaftsforschung) im Auftrag des BMBF von 1993 geht hervor, dass bereits 1990 enorme Wachstumszahlen auch für den Markt von Dünnschichtanlagen weltweit prognostiziert wurden. Je nach Industriezweig wird von 5–20% Wachstum pro Jahr ausgegangen (Abb. 1). Eine Untersuchung zur Marktsituation in der Oberflächentechnik des VDMA im Auftrag des BMBF im Jahre 2001 ergab, dass diese Prognosen erfüllt wurden. Die im VDMA organisierten Anbieter von Erzeugnissen der industriellen Plasmaoberflächentechnik verzeichneten durchschnittliche Auftragszuwächse von 10%, von denen mehr als 60% aus dem Inland kamen. Bei den Inlandsaufträgen dominierte die Nachfrage nach Dienstleistungen. Der Schwerpunkt des Auslandgeschäftes liegt im Gegensatz dazu auf dem Verkauf von Anlagentechnik. Das beachtliche Wachstum dieses Marktes wird auf die ständige Ausweitung der Anwendungsgebiete zurückgeführt. Das in Deutschland in den letzten 15 Jahren erarbeitete, enorme Know-how im Bereich Oberflächentechnik wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 1988 gefördert. Bis 1993 wurden im Rahmen des Förderschwerpunktes „Dünnschichttechnologien (DT)“ des BMBF rund 150 Millionen DM für Forschungsvorhaben der Industrie und Wissenschaft bereitgestellt.
Abb. 1 Durchschnittliche Wachstumsprognosen pro Jahr und Marktvolumina für Dünnschichtanlagen [Quelle: ifo Institut für Wirtschaftsforschung 1993]
3 Anwendungsbeispiele
Anschließend hat das BMBF diese Förderung mit dem Schwerpunkt „Oberflächen- und Schichttechnologien (OSTec)“ von 1993 bis 1997 weitergeführt. Will man die in den OSTec liegenden Potenziale und die derzeit herausragende Position Deutschlands im internationalen Vergleich optimal nutzen, sind konkrete Aktivitäten erforderlich. Im Rahmen einer Evaluation der OSTec-Förderung durch das Münchener ifo-Institut wurden Wissensdefizite und unzureichende Maßnahmen zur Normung sowie Aus- und Weiterbildung als wesentliche Hemmnisse für die Verbreitung der Technologien identifiziert. In der 2001 durchgeführten Untersuchung des VDMA wurden die teilweise erheblichen Qualifizierungsdefizite in der potenziellen Anwenderbranche aus den gleichen Gründen bemängelt. Aufgrund dieser Qualifizierungsdefizite und an dem Fehlen von Kapazitäten zur Behebung dieser sei bis zu diesem Zeitpunkt eine höhere Marktdurchdringung verhindert worden. Im Bericht des ifo-Institutes zur OSTec-Förderung von 1993 heißt es u. a.: „Die Bedeutung des Faktors Personal und Qualifikation hat sich in den Interviews mit Anlagenherstellern und Lohnbetrieben bestätigt. So wiesen zahlreiche Experten darauf hin, dass es bei potenziellen Anwendern teilweise bereits am generellen Wissen über die Leistungsfähigkeit und die Möglichkeiten der Oberflächentechniken, insbesondere im Bereich dünner Schichten, mangelt. [...] Noch schwerer wiegt offenbar, dass in vielen Betrieben kein OSTec-spezifisches Produkt- und Prozesswissen vorhanden ist. Den Anbietern fehlen in solchen Fällen kompetente Gesprächspartner...“ 3
Anwendungsbeispiele
Ziel einer Oberflächenveredelung ist die Wertsteigerung von Bauteilen und Werkzeugen. Häufig geht es dabei um die Steigerung der Lebensdauer oder der Leistungsfähigkeit gegenüber steigenden Anforderungen. Allerdings kann die Wertsteigerung auch durch den Einsatz preiswerterer Grundwerkstoffe erfolgen oder aus rein dekorativen Gründen geschehen. Die Entwicklung beschichteter Bauteile ist dabei immer eine Systementwicklung, bei der sich das System aus Grundund Schichtwerkstoff und den Grenzflächen zwischen diesen und der Umgebung zusammensetzt. Das System muss bei der Entwicklung als Einheit betrachtet werden und funktionsfähig gegenüber den äußeren Beanspruchungen sein. Die moderne Oberflächentechnologie hat in vielen Bereichen der Fertigungstechnologie zu enormen Leistungssteigerungen und Standzeitverbesserungen geführt. Gerade im Bereich der Zerspanung sind beschichtete Werkzeuge für Dreh-, Fräs- und Bohroperationen heute nicht mehr wegzudenken. Die durch PVD-Verfahren herstellbaren Schichten reichen von einfachen binären Hartstoffen wie TiN mit Härten von etwa 2200 HV bis zu kristallinem Diamant, dem härtesten, natürlich vorkommenden Material. So genannte Hart-/Weich Kombinationsschichten verbinden niedrige Reibkoeffizienten mit hoher Verschleißbeständigkeit. Durch die Weiterentwicklung der Prozesse können heutzutage auch temperaturempfindliche Bauteile aus niedriglegiertem Stahl oder Kunststoff beschichtet werden, wodurch sich neue Anwendungsgebiete erschließen.
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Innovation in der PVD-Technologie für Hochleistungsanwendungen
3.1
Werkzeugbeschichtung für die Zerspanung
Die erste industriell für die Stahlbearbeitung erfolgreich verwendete Schicht war TiN. Titannitrid ist seit Jahrzehnten ein etabliertes Schichtsystem in den verschiedensten tribologischen Anwendungen. Seine hohe Härte und seine chemische Beständigkeit gegenüber verschiedensten Medien, die im tribologischen Kontakt auftreten, sind bekannt. Diese Schicht konnte allerdings in vielen Bereichen den wachsenden Anforderungen der Zerspanungstechnik nicht mehr genügen. In der Folge diente sie als Basis für die Entwicklung anderer Schichtsysteme, wie z. B. der Ti(C,N)- oder (Ti,Al)N-Schicht. Auf Grund der höheren Oxidationsbeständigkeit, Warmfestigkeit und Verschleißbeständigkeit der (Ti,Al)N-Schicht konnten höhere Schnittgeschwindigkeiten erzielt werden, mit denen die Produktionsanforderungen der modernen Zerspanungsindustrie erfüllt wurden. Um den unterschiedlichsten Anforderungsprofilen gerecht zu werden, wurden im Bereich der Beschichtungstechnik verschiedene Schichtsysteme entwickelt. Harte, mehrlagige und nanostrukturierte Verschleißschutzschichten mit und ohne integrierte, reibmindernde, Festschmierstoffschichten, komplexe, oxidationsbeständige Schichten, sowie metastabile Systeme mit und ohne Festschmierstoffauflage, z. B. TiAlN + MoS2, TiAlN + Al2O3, TiAlN + WC/C, . . ., zählen zu diesen Entwicklungen [4]. Ziel dieser Systeme ist es, die Eigenschaften harter und verschleißfester Oberflächen mit weichen und reibungsreduzierenden Eigenschaften zu verbinden. Insbesondere in der Trockenbearbeitung haben diese Schichtsysteme sehr gute Ergebnisse erzielen können. Eine weitere Kombinationsmöglichkeit besteht in der abwechselnden Abscheidung von Hartstoffschichten, so genannte Superlattice-Strukturen. Die sehr dünnen Lagen (2–40 nm) dieser Schichtsysteme begrenzen die Versetzungsbewegungen und bewirken dadurch extreme mechanische Eigenschaften, wie z. B. eine hohe Härte der Schicht. Der Entwicklungsbedarf für moderne Zerspanoperationen geht deutlich in Richtung komplexer Schichten (Abb. 2). Neben Superlattice-Strukturen zeigen auch Nanocomposites, bei denen harte Phasen in einer amorphen Matrix vorliegen, sehr gute Potenziale. Hierbei werden zwei unterschiedliche Materialien, die kristalline und die amorphe Phase, gleichzeitig abgeschieden und die Nanocomposite-Struktur wird durch eine Phasentrennung erzeugt. Im Gegensatz zu den Multilagenstrukturen, in denen beliebige Werkstoffkombinationen abgeschieden werden, können Nanocomposites nur für bestimmte Werkstoffkombinationen erzeugt werden. Die thermische Beständigkeit der Schichten ist für die Lebensdauer der Werkzeuge bei Hochtemperaturanwendungen sehr entscheidend. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass zweiphasige Nanocomposites eine sehr hohe thermische Stabilität und Temperaturbeständigkeit aufweisen [6, 19, 20]. Wenn nicht die Anforderung an eine hohe Schichthärte gegeben ist, sondern die Schicht als Schmierstoff in der Trockenbearbeitung oder bei der Zerspanung von zur Adhäsion neigenden Werkstoffen (wie z. B. Austenite, Nickel-Basis-Legierungen und vor allem Aluminiumlegierungen) dienen soll, hat sich die Kombination von innovativen Schichtwerkstoffen wie z. B. gradiertes ZrC, und der Einsatz
3 Anwendungsbeispiele
Abb. 2 Schematische und bildliche Darstellung von Schichtstrukturen komplexer Schichtsysteme
der MMS-Technik (Minimal-Mengen-Schmierung) in vielen Zerspanoperationen als dienlich erwiesen [9]. Gute Ergebnisse hinsichtlich des Adhäsionswiderstandes zeigt auch kristallines Al2O3. Aktuelle Entwicklungstendenzen liegen derzeit im Bereich der hochwarmfesten und oxidationsstabilen Werkstoffsysteme, sowie in der Entwicklung neuer Multilayer- und Kombinationsschichtsysteme [10, 11]. Auch finden oxidische Festschmierstoffsysteme, deren Wirkung auf die Bildung unterstöchiometrischer Verbindungen und einer damit einhergehenden kristallografischen Formation (so genannte Magnéli-Phasen) beruhen, ein verstärktes wissenschaftliches wie technologisches Interesse [1, 8, 14]. Neue Prozesstechnologien ermöglichen die Abscheidung von Nanocomposites und elektrisch nicht leitender Schichtsysteme wie z. B. c-Al2O3. 3.2
Werkzeugbeschichtung für das Urformen
PVD-Beschichtungen werden auch immer häufiger zum Oberflächenschutz von Urformwerkzeugen eingesetzt. Neben Werkzeugen für den Kunststoffspritzguss werden verstärkt Werkzeuge für Druckguss und Thixoforming oberflächenmodifiziert. Bei diesen Formgebungsverfahren treten starke mechanische und thermische Beanspruchungen der Formwerkzeuge auf. Neben der korrosiven Wirkung des zu verarbeitenden Werkstoffes treten zusätzlich Belastungskombinatio-
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Abb. 3 Thixoformwerkzeug für die Stahlformgebung
nen von Erosion, Temperaturwechselbeanspruchungen mit Rissbildung und Anklebungen auf. Abb. 3 zeigt ein typisches Formwerkzeug für den Aluminiumdruckguss. Im Bereich des Thixoformings wird auch die Formgebung von Stählen angestrebt, was mit einer weiteren deutlichen Erhöhung der Prozesstemperaturen (1 200–1 400 8C) einhergehen wird. Für derart hochbeanspruchte Formwerkzeuge sind hochwarmfeste, oxidationsstabile und thermowechselbeständige Beschichtungen notwendig. Durch die Entwicklung Cr-basierter Schichten wurde der Einsatz von PVDSchichten auch in korrosiven Medien ermöglicht [3, 5, 23]. Diese Schichtsysteme haben den Vorteil der Bildung einer stabilen, dünnen Oxidschicht an der Oberfläche und einer dichteren Schichtstruktur. Durch die im Vergleich zu Ti-BasisSchichten niedrigere Oberflächenenergie, konnte durch Cr-Basis-Schichten der Adhäsionswiderstand deutlich verbessert werden [3]. Durch den Einsatz dieser Schichtsysteme konnte daher auch der Trennmittelbedarf reduziert werden. Eine Weiterentwicklung der CrN-Schicht stellt die prozesstechnisch anspruchsvolle (Cr,Al)N-Schicht dar. Dieses Schichtsystem weist durch eine Mischkristallbildung eine höhere Härte als CrN auf. Durch die hohen inneren Druckspannungen der PVD-Schichten wird im Einsatz von Urformwerkzeugen weiterhin die Bildung von Brandrissen verringert, was sich in einer glatteren Oberfläche der Gussteile bemerkbar macht [12]. Die CrAlN-Beschichtung vereint für den Bereich Aluminium-Druckguss und Thixoforming die hohen Anforderungen hinsichtlich Korrosionsbeständigkeit gegenüber dem Trennmittel sowie der Aluminiumschmelze
3 Anwendungsbeispiele
Abb. 4 REM-Aufnahmen von mittels MSIP-Puls-Technologie abgeschiedenen ZrO2- (links) und
Al2O3-Schichten (rechts)
[5, 7]. Für die Stahlformgebung zeigen oxidkeramische Schichten aufgrund ihrer mechanischen und thermischen Eigenschaften, wie z. B. chemische Inertheit und hohe mechanische Stabilität ein hohes Potenzial. Die in einem reaktiven MSIPPuls-Prozess hergestellten Al2O3- und ZrO2-Schichten (Abb. 4) zeigten bisher gute Ergebnisse für das Stahl-Thixoforming [7, 13, 18]. Für die erfolgreiche Abscheidung isolierender Schichten aus metallischen Targets ist die Vermeidung der Targetvergiftung erforderlich. Die „Vergiftung“ des Targets oder auch die Reaktionsschichtbildung am Ausgangsmaterial, führt zu einer Senkung der Leistungsdichte im Plasma. Grund hierfür ist die dielektrische Schichtbildung. Puls-Sputterprozesse sind entwickelt worden, um reaktive Sputterprozesse zu stabilisieren. Bei der reaktive Abscheidung von Oxidschichten in Sputterprozessen schaltet die Puls-Versorgung bei bipolaren Pulsprozessen regelmäßig die Polarität des Targets für kurze Zeit von negativ zu positiv um. Während des positiven Impulses kommt es zu einer Entladung der Oxidschicht, da die Elektronen zur positiven Oberfläche gezogen werden. Im Gegensatz dazu wird bei einem unipolaren Pulsprozess die Energiequelle mit einer niedrigen Leistung betrieben und nur während kurzer Phasen mit einem stärkeren Puls beaufschlagt. Dies verursacht eine erhebliche Steigerung der momentanen Plasmadichte, ohne die Wärmebelastung des Targets zu erhöhen [22]. In der Kunststoffverarbeitung werden PVD-Schutzschichten ebenfalls erfolgreich eingesetzt. Die Schichten müssen dabei vor Korrosion, Abrasion und Adhäsion, je nach Zusammensetzung der zu verarbeitenden Kunststoffe und eventuell vorhandenen Füllstoffen, schützen. Bei der Elastomerverarbeitung kann es bei den Vernetzungsreaktionen durch die ausgasenden Flüchte zur Bildung von starken Säuren kommen, die korrosiv auf die Bauteile und/oder Schichten wirken. Bei der Verarbeitung von partikelverstärkten Kunststoffen überwiegt im Gegensatz dazu der Abrasionsangriff. Bei den zu beschichtenden Bauteilen handelt es sich
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Innovation in der PVD-Technologie für Hochleistungsanwendungen
überwiegend um Bauteile der Plastifiziereinheiten wie z. B. Extruderschnecken und Kavitäten. Extruderschnecken können dabei eine Länge von mehreren Metern erreichen, was wiederum eine besondere Herausforderung an die Vakuumanlagentechnik darstellt.
3.3
Bauteilbeschichtung – Kunststoffe
Der Markt für Kunststoffe zeigt seit Jahrzehnten hohe Wachstumsraten. Durch die Weiterentwicklung der modernen Kunststoffe werden immer neue Märkte erschlossen. Der Werkstoff Kunststoff stellt heutzutage in vielen Bereichen eine Alternative zu Glas und Keramiken dar. Auch als Leichtbauwerkstoff ist er für die Automobilindustrie (Abb. 5) und allg. Verkehrstechnik ein zunehmend interessanter Werkstoff. Ein wichtiger Punkt bei der Beschichtung von Kunststoffen ist die maximale Temperaturbelastung des Substrats. Seit etwa 15 Jahren sind Kunststoffe im Einsatz, die mechanisch stabiler sind und auch in Temperaturbereichen um 200 8C eingesetzt werden können (PEEK, PPS etc.). PVD-Beschichtungsverfahren können bei geeigneter Prozessführung diese maximalen Temperaturen unterschreiten [2, 15]. Beschichtungen auf Kunststoffen dienten am Anfang überwiegend als Kratzschutz oder dekorativen Zwecken. Mittlerweile liegt der größte Markt für PVD-Beschichtungen auf Kunststoffen im Bereich der optischen Anwendungen, sowie in der Verpackungsindustrie. Dabei werden diverse optische Eigenschaften wie z. B. Sonnenschutz und Entspiegelung sowie Permeationssperrschichten verwirklicht.
Abb. 5 Beschichtete Kunststoffbauteile für die Automobilindustrie heute und morgen [Quelle: Adam Opel AG]
3 Anwendungsbeispiele
3.4
Bauteilbeschichtung – Maschinenelemente
Verschleißschutz und Reibungsreduktion besitzen eine herausragende Bedeutung für Bauteile und Maschinenkomponenten, da sie eine Verlängerung der Lebensdauer und/oder der Wartungsintervalle ganzer Anlagen ermöglichen. Auch hier stellt die Temperaturempfindlichkeit des Grundwerkstoffes die wesentliche Herausforderung bei der Abscheidung von Verschleißschutzschichten dar. Der Durchbruch der Dünnschichttechnologie bei Bauteilen wurde durch die Entwicklung moderner Dieselmotoren gefördert. Durch die extremen Einsatzbedingungen bei modernen Dieselmotoren wurden neue Werkstoffkonzepte erforderlich. Um die spezifischen Leistungen zu erhöhen, laufen die Motoren bei hohen Einspritz- und Zünddrücken (> 2 000 bar). Die dadurch erreichte hohe Leistungsdichte zieht eine niedrige Schadstoffemission und einen niedrigen Kraftstoffverbrauch nach sich. Zusätzlich werden längere Wartungsintervalle gefordert und die Verwendung von Leichtbauwerkstoffen, z. B. Aluminium für das Kurbelgehäuse, angestrebt. Die erste erfolgreiche Großserienfertigung bei Bauteilen für die PVD-Technologie war das Gleitlager für den Kipphebel in der Pumpe-DüseEinheit moderner Dieselmotoren (Abb. 6). Heute werden pro Jahr ca. 3,5 Mio Sets beschichtet und man erwartet einen Anstieg auf ca. 6 Mio. Sets pro Jahr bis 2006. Der wirtschaftliche Einsatz der PVD-Technik ist heutzutage bei allen Bauteilen gegeben, die eine einfache, gut beschichtbare Geometrie aufweisen. Für Ventile, Pumpensysteme und Gleitlager bietet sich ein großes Potenzial. Eine deutlich größere Herausforderung stellen Tribosysteme mit hohen Hertz’schen Pressungen dar, die häufig noch durch Schub- und Bohrbewegungen überlagert werden. Hinzu kommt die Aufgabe, die Beschichtungsprozesse an die komplexen Geometrien der Bauteile anzupassen. Die Handlingfrage der Bauteile steht dabei oft im Vordergrund. Erfolgreiche Ergebnisse zeigten beschichtete Axiallager in einem genormten Wälzlagerschmierstoff-Prüfgerät FE8 der Firma FAG Kugelfischer, wo Hertz’sche
Abb. 6 Kipphebel-Gleitlager für Pumpe-Düse-Einheit in modernen Dieselmotoren
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Innovation in der PVD-Technologie für Hochleistungsanwendungen
Abb. 7 Spindellager, Innenring beschichtet mit CrAlN und CrAlN+C
Pressungen bis zu 1 900 N/mm2 auftreten und durch metallhaltige Kohlenstoffschichten der Summenverschleiß auf ein Zehntel gesenkt werden konnte. In diesen Anwendungsbereichen stehen neben verbesserten Reibwerten und Standzeiten die Notlaufeigenschaften sowie der Einsatz dieser Komponenten unter anspruchsvollen Umweltbedingungen im Zentrum des Interesses [3, 16]. Eine besondere Herausforderung für die Beschichtungstechnologie stellt das Spindellager dar (Abb. 7). Die Verbesserung der Schneidstoffe, z. B. durch Beschichtungen, lassen stark gesteigerte Schnittgeschwindigkeiten bei Zerspanoperationen zu. Dies hat zur Folge, dass die Anforderungen an Werkzeugmaschinenspindeln steigen. Um die Vorteile zu erhalten, können nur Spindellager-Systeme genutzt werden, die für höchste Drehzahlen geeignet sind. Neben der Optimierung der Schmierstoffzusammensetzung und -zufuhr stellt die Kombination neuer Materialien für Laufbahnen und Wälzkörper einen viel versprechenden Ansatz zur Einhaltung hoher Drehzahlen dar [17]. Verschiedene Forschungsvorhaben beschäftigen sich mit der Beschichtung von Hybridlagern, bei denen Keramikwälzkörper gegen einen beschichteten Lagerring laufen. Sie sollen zukünftig eine Alternative zu Vollkeramiklagern bieten, die zur Zeit bei trocken laufenden Lagern eingesetzt werden. Wegen des hohen Preises der Vollkeramiklager und der Montageproblematik wird hier nach Alternativen gesucht. Beschichtete Stahllagerringe können durch bessere Gleitreibwerte gleichzeitig auch Schub- und Zugspannungen an der Oberfläche verringern. Durch den Einsatz von Hybridlagern (Stahllagern mit Keramikkugeln) lässt sich eine Drehzahlerhöhung von 15–30% gegenüber herkömmlichen Lagern erzielen. Erfahrungsgemäß beträgt die Lebensdauer der Hybridlager mindestens das zweifache der Stahllager [21]. Mit dem Einsatz von beschichteten Lagerringen können weitere Verbesserungen erreicht werden.
3 Anwendungsbeispiele
3.5
Bauteilbeschichtung für Hochtemperaturanwendungen
Auch die Bereitstellung von Strom unter ökologisch und ökonomisch sinnvollen Randbedingungen erfordert ein Höchstmaß an Einsatz fortschrittlicher Technologien. Dazu gehören unter anderem auch Gasturbinen- und Kombinationskraftwerke aus Gas- und Dampfturbinen. Um einen möglichst großen Nutzen aus der eingesetzten Energie, meistens fossile Brennstoffe, ziehen zu können, ist eine möglichst hohe Brenngastemperatur in der Gasturbine notwendig (Abb. 8). Die Komponenten, die den extremen Bedingungen in der Gasturbine direkt ausgesetzt sind, müssen durch eine ausgeklügelte Kombination von Beschichtungswerkstoffen und -technologien geschützt werden. Die Belastungen, die die Materialien ertragen müssen, sind sehr vielfältig und reichen von Korrosion über Oxidation bis hin zu thermischer Materialermüdung. Eine sehr wirksame Maßnahme des Bauteilschutzes und hier speziell des Schutzes der metallischen Gasturbinenschaufel ist die Beschichtung mit einer wärmedämmenden, keramischen Schicht. Das Dioxid des Zirkonium (ZrO2) weist eine ideale Palette von Werkstoffkennwerten auf. So hat es neben der zur Wärmedämmung erforderlichen niedrigen Wärmeleitfähigkeit ein elastisches Verhalten, das dem der metallischen Schaufel, trotz der keramischen Struktur, sehr ähnlich ist. Weiterentwicklungen der Wärmedämmschichten beschäftigen sich auch mit Polychlorverbindungen. Dabei stellt sich Lanthanzirkonat als aussichtsreicher Werkstoff heraus, durch den die Sinterneigung der Wärmedämmschicht hin zu noch höheren Brenngastemperaturen verschoben werden kann. Das EB(Electron Beam)-PVD-Verfahren hat sich heutzutage, vor allem wegen der sehr hohen Schichtrate sowie der guten Temperierbarkeit der komplexen Substratgeometrien mittels des Elektronenstrahls, für diese
Abb. 8 Leistungssteigerung von Turbinen durch EB-PVD-beschichtete Schaufeln [Quelle: Turbinenschaufel – MTU, Diagramm – Rolls Royce]
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Innovation in der PVD-Technologie für Hochleistungsanwendungen
Abb. 9 Dehnungstolerante EB-PVD-Schichten als Wärmedämmschutz für Turbinenschaufeln
Anwendung durchsetzten können. Die Schichtdicken können bei dieser Anwendung 250 lm und mehr betragen. Charakteristisch für Wärmedämmschichten, die mittels EB-PVD aufgebracht werden, ist die stängelige, kristalline Struktur, die für eine sehr hohe Dehnungstoleranz sorgt (Abb. 9). Durch eine entsprechende Prozessführung ist es auch möglich, Zickzack-Strukturen der EB-PVD-Schichten herzustellen. Durch solche so genannten Fishbone-Strukturen erhofft man, die Wärmeleitfähigkeit der Schicht zusätzlich herabsetzen zu können. 4
Zusammenfassung
Die Oberflächen- und Dünnschichttechnologie hat in zunehmendem Maße an Bedeutung in der industriellen Anwendung gewonnen. Ziel ist hierbei die Oberflächenveredelung von Werkstoffen für die Wertsteigerung von Bauteilen und Werkzeugen. Der wirtschaftliche Einsatz der PVD-Technik ist heutzutage bei allen Bauteilen gegeben, die eine einfache, gut beschichtbare Geometrie aufweisen. Die durch PVD-Verfahren herstellbaren Schichten reichen von einfachen binären Hartstoffen wie TiN bis zu kristallinem Diamant. Harte, mehrlagige und nanostrukturierte Verschleißschutzschichten mit und ohne integrierte, reibmindernde, Festschmierstoffschichten, komplexe, oxidationsbeständige Schichten, sowie metastabile Systeme mit und ohne Festschmierstoffauflage, sind heute im Bereich der Zerspanung Stand der Technik. Reaktiv hergestellte Al2O3- und ZrO2-PVD-Schichten zeigen ein hohes Potenzial im Bereich der Stahlformgebung und wären ohne die Entwicklungen im Bereich der Pulstechnologie wirtschaftlich nicht möglich gewesen. Der Entwicklungsbedarf für neue Werkstoffsysteme in der Bauteilbeschichtung geht heutzutage deutlich in Richtung komplexer Schichten, die durch die stetige Verbesserung der Anlagen- und Prozesstechnologie möglich geworden sind.
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung A. Szabo, CeWOTec gGmbH, Chemnitz
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Einleitung
Die chemischen Reaktionen, die zur Abscheidung von Materialien aus der Gasoder Dampfphase führen, werden allgemein CVD (Chemical Vapour Deposition) genannt. Das abgeschiedene Produkt ist stets ein Ergebnis chemischer Umwandlung von primären Spenderstoff-Materialien, welche zu Produkten reagieren. Die thermische Energie bei erhöhten Temperaturen liefert die Aktivierungsenergie der chemischen Reaktionen. Die Temperaturen können bei wenigen 100 8C bis deutlich über 1000 8C liegen. Die HT-CVD(Hochtemperatur-CVD)-Hartstoffbeschichtung wurde während der letzten 4–5 Jahrzehnte nach anwendungsorientierten Gesichtspunkten überwiegend empirisch entwickelt. Die Entwicklungstendenzen zeigen sowohl am Beispiel der Anlagen als auch der Materialien den Bedarf industrieller Anwendungen, wie auch die pragmatische Vorgehensweise. Die thermische CVD-Beschichtungstechnik ist eine für unterschiedliche Zwecke industriell verwendbare Technik geworden. Manche Nachteile der Anwendung von hohen Temperaturen konnten bei mäßig reduzierten Temperaturen durch begrenzte Modifizierung der chemischen Reaktionen und Auswahl der verwendbaren Reaktionspartner vorteilhaft eliminiert werden. Die MT-CVD(Moderate Temperatur-CVD)-Technik ist jedoch weitgehend auf die Abscheidung von Karbonitriden des Titans begrenzt geblieben. In einigen bestimmten Fällen kann die erforderliche Aktivierungsenergie den Molekülen und Atomen durch ein Niederdruck-Glimmentladungsplasma zugeführt werden. Die PA-CVD(Plasma Activated-CVD) ermöglicht in begrenztem Maße die Abscheidungen bei niedrigen Temperaturen zwischen Raumtemperatur und wenigen 100 8C auszuführen. Diese Übersicht fasst die Geschichte und die gängigen Varianten der industriellen CVD-Hartstoffbeschichtungen zusammen. Eine Analyse und vergleichende Bewertung der Eigenschaften können den interessierten Lesern und den Anwendern als Orientierungshilfe dienen.
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
2
Die Anfänge der CVD-Hartstoffbeschichtung
Die Hochtemperatur HT-CVD-Technik für Hartstoffbeschichtung auf Titanbasis resultiert aus einer empirischen Zufallsentdeckung in den 1950er Jahren. Durch thermochemische Reduktion von Titantetrachlorid (TiCl4), in einer wasserstoff- und stickstoffhaltigen Atmosphäre entstand ein gelbes hartes Material, das Titannitrid, TiN, das auf Oberflächen einen harten Überzug als Schicht gebildet hat [40]. Auf den Oberflächen von kohlenstoffhaltigen Stählen in stickstofffreien Atmosphären bildete sich das Titankarbid (TiC), eine silbergraue, noch härtere Schicht. Dieses Hartstoffmaterial (TiC) kann aus TiCl4 auch in einer kohlenstoffhaltigen Atmosphäre erzeugt werden [41]. Die Abscheidungsvarianten und die Eigenschaften des Titannitrids und die des Titankarbids sind gründlich untersucht worden [39, 42, 62]. Zum besseren Verständnis der Bildungsmechanismen und zur Analyse der Kinetik der chemischen Vorgänge bei der Entstehung von TiN und TiC sind jedoch relativ wenige Beiträge veröffentlicht worden [14, 49, 62]. Theoretische Überlegungen und prozessanalytische Gedanken wurden ebenfalls angestellt [23, 36, 54, 59].
3
Grundlagen des Abscheidungsprozesses 3.1
Chemischer Mechanismus
Die chemische Reaktion der Hartstoffschichtbildung aus Titantetrachlorid, TiCl4 wird thermisch aktiviert. Die Chloratome werden in mehrstufigen Reaktionen reduktiv als HCl (Chlorwasserstoff) entfernt, die restlichen titanhaltigen Intermediären reagieren im Übergangszustand mit möglichen Reaktionspartnern wie Stickstoff bzw. aktiviertem Kohlenstoff aus Methan zu Nitrid bzw. Karbid. Wenn sowohl stickstoff- als auch kohlenstoffspendende Reaktionspartner vorhanden sind, dann bildet sich auch Karbonitrid mit wechselndem C : N-Verhältnis in Abhängigkeit vom C : N-Angebot. Die Bildung der resultierenden Hartstoffe kann in den folgenden Brutto Reaktionsgleichungen zusammengefasst werden: TiCl4 + H2 + N2 ? TiN + HCl TiCl4 + H2 + CH4 ? TiC + HCl TiCl4 + H2 + N2 + CH4 ? TiCN + HCl (Auf die Angabe der stöchiometrischen Koeffizienten wird bewusst verzichtet, da die Reaktionen nicht vollständig ablaufen, bzw. zu weiteren Nebenprodukten führen.) Die Schichtkombinationen sind vorwiegend auf Titanbasis (TiN und TiC) beschränkt geblieben, weil der Metall-Spenderstoff TiCl4 als relativ leicht verdampf-
3 Grundlagen des Abscheidungsprozesses
bare, einfach zugängliche Flüssigkeit stets preiswert zur Verfügung stand. Obwohl ein Mol TiCl4 in der Regel bis zu den vierfachen molaren Mengen von Chlorwasserstoff erzeugen kann, muß die Reaktion im Sinne des Massenwirkungsgesetzes mit hohem Wasserstoffüberschuss zugunsten der Abscheidungsreaktion geführt werden. Die weiteren Details von chemischen Reaktionen, Elementarvorgängen und Nebenprodukten werden hier nicht abgehandelt. 3.2
Interdisziplinäre Grundlagen
Die hohe Kunst der CVD-Hartstoffbeschichtung ist ein interdisziplinäres Fachgebiet geworden. Diese besteht im Wesentlichen aus der optimalen Zusammenwirkung von Chemie und Physik, Materialwissenschaft der Hartstoffe, Anlagentechnik, Stahlwissen und Wärmebehandlung, sowie Verständnis für Funktionen im Werkzeug- und Maschinenbau. Der resultierende Zustand beschichteter Teile ist von vielen Parametern abhängig, auf welche hier nicht weiter eingegangen wird [15, 44]. Zum besseren Verständnis der Prozesse, vor allem den entscheidend wichtigen chemischen und physikalischen Vorgängen als theoretische Grundlage wurde großes Interesse zuteil, wie umfangreiche Arbeiten es belegen [9, 10, 11, 35, 48]. Die Resultate der Forschung und Entwicklung, sowie das bessere analytische Verständnis der Elementarvorgänge haben schon zu frühen Zeiten zu bedeutenden Erkenntnissen geführt, die jedoch in der industriellen Praxis weitgehend unbeachtet geblieben sind [46]. 3.3
CVD-Anlagen- und Reaktortechnik
Während der ersten Entwicklungsphase wurden die CVD-Anlagen mit bewegten Retorten für Schachtofentyp, wie anfangs bei der Metallgesellschaft in Frankfurt, gebaut und verwendet. Solche CVD-Beschichtungsanlagen prägten die Pionierzeit in Deutschland und fanden in anderen Industrieländern mehrere Nachahmer (Abb. 1). Im Laufe der Jahre wurden sowohl die Abscheidungsprozesse als auch die Anlagentechnik stets empirisch verbessert. In späteren Jahren wurden auch stehende Retorten vom Typ Haubenreaktor entwickelt und betrieben. Diese Anlagentechnik wurde vor allem von der Firma Bernex in der Schweiz vorangetrieben (Abb. 2). Da die chemischen Entstehungsreaktionen, die Abscheidungsmechanismen und daher die Wachstumscharakteristiken dieser beiden Schichtmaterialien TiN und TiC unterschiedlich sind, werden für die Abscheidung verschiedener Materialien auch unterschiedliche Parameter gewählt [2, 10]. Infolge des Verbrauchs des TiCl4 tritt die Verarmung und damit sinkende Konzentration von TiCl4 innerhalb des Reaktors in Strömungsrichtung auf. Als Folge des nachlassenden Angebots von Titan nimmt die Abscheidungsrate stetig ab. Daher war es immer problematisch, die Gleichmäßigkeit der Schichtabscheidung,
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
Abb. 1 CVD-Anlage Schachtofentyp (Dörrenberg)
Abb. 2 CVD-Anlage, Tandem, Haubenreaktor (IonBond)
d. h. die Schichtstärken in größeren bzw. längeren Reaktoren in tolerierbaren Grenzen zu halten [21, 36]. Es gab diverse apparative Vorschläge, um bessere Gleichmäßigkeiten der Schichtabscheidung in größeren Reaktorvolumina zu erzielen. Die dazu erforderlichen Parametersätze variierten stark. Es war stets aufwendig, alle wesentlichen Parameter aufeinander abzustimmen, und diese unter industriellen Produktions-
3 Grundlagen des Abscheidungsprozesses
bedingungen konstant zu halten. Die Industrie braucht einfache und robuste Techniken [60]. Eine der Möglichkeiten war, die abnehmenden Abscheidungsraten infolge Verarmung des Spendermaterials TiCl4 durch Erhöhung der Abscheidungstemperatur und damit der Abscheidungsrate auszugleichen. Für diesen Zweck sind Heizöfen mit mehreren Heizzonen gebaut worden, die mit bis zu 6 einzeln geregelten Heizzonen ausgestattet wurden. Diese Methode funktioniert jedoch nur bei routinemäßiger Abscheidung von Monoschichten mit ausreichender Zuverlässigkeit [1]. Bei Kombinationen verschiedener Materialien sind unterschiedliche Parametersätze und damit auch verschiedene Temperaturgradienten für die jeweiligen Schichtmaterialien erforderlich. Diese sind zusätzlich auch noch von den jeweiligen Druck- und Mischungsverhältnissen abhängig. Derartige Lösungen sind nur für einfache Standardprozesse als industrielle Routine geblieben. Solche Prozesse sind zum Teil aufwendig automatisiert worden [24, 38]. In verschiedentlich konzipierten CVD-Anlagen wurden unterschiedliche Gasströmungen realisiert. Es gibt solche mit fallender, aber auch solche mit steigender Strömungsrichtung [55]. Eine durchaus wirksame Möglichkeit bietet die Methode, die Strömungsrichtung der reaktiven Gase im Reaktor auch während des Prozesses alternierend fallend und/oder steigend umkehren zu lassen und damit einen Ausgleich zu schaffen [6, 45]. Eine weitere Einflussnahme auf die bessere Gleichmäßigkeit durch kontrollierte Gasströmung ist die Technik der radialen Gasströmung. Diese kann beispielsweise durch ein mit seitlichen Bohrungen versehenes Mittelrohr erreicht werden, das auch rotierend betrieben werden kann [2, 21]. Diese Technik hat sich vor allem bei der serienmäßigen Beschichtung von Hartmetall Wendeschneidplatten bewährt. Eine in der ehemaligen DDR entwickelte CVD-Anlagetechnik für industrielle Produktion arbeitet nach dem Karussellprinzip. In diesem interessanten Komplex sind alle Stufen des Prozesses integriert, der Wechsel findet unter Schutzgasatmosphäre statt [9]. Der Wunsch nach CVD-Beschichtung von Teilen in immer größeren Maßen hat zur Folge, großvolumige Reaktoren zu verwenden. Von anfänglichen Durchmessern der Reaktoren um 20–30 cm gibt es bereits solche mit 75 cm. Die Erweiterung der Reaktormaße erfordert jedoch die stetige Anpassung der Abscheidungsparameter, die wiederum chemischen und physikalischen Einschränkungen unterliegen (Abb. 3). Die Entwicklungen von Detaillösungen fanden überwiegend experimentell auf empirischer Basis statt [1, 51, 53, 64]. Wegen des rapide steigenden Interesses wurde am Ende der 1970er Jahre ein Entwicklungsprojekt über die Herstellung und Wechselwirkung von Kombinationen der beiden Hartstoffe TiC und TiN bearbeitet. Über die Kombinationen dieser beiden wichtigsten Hartstoffe TiN und TiC, in variablen funktionellen Schichtsystemen, wurde von Paterok ausführlich berichtet [45, 46]. Die dort analysierten Ergebnisse und beschriebenen Erkenntnisse wurden
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
Abb. 3 Großvolumige CVD-Anlage, Tandem (Dörrenberg)
in der industriellen Praxis jedoch nicht in dem Maße berücksichtigt, wie sie es verdient hätten. Dieser Artikel würdigt im nachhinein die Bedeutung jenes frühen Standes der Erkenntnisse, aufgrund dessen schon damals die zurzeit optimale Schichtkombination empfohlen wurde. Die dort als optimal beschriebene Schichtkombination Stahl – TiN – TiCN – TiC konnte mit der damals praktizierten thermischen CVD-Technik nur mühsam und aufwendig hergestellt werden.
4
Kombinationsschichten
Zunächst konkurrierten die zwei Hartstoffschichten TiN und TiC miteinander. Die Entstehungsmechanismen und manche Eigenschaften dieser zwei Hartstoffe sind etwas unterschiedlich [42]. Daher ergänzen sich die beiden Hartstoffe TiN und TiC, je nach Ziel und Zweck der Anwendungen. Erst in den siebziger Jahren wurden Kombinationsschichten bestehend aus mehreren Hartstoffen vorgeschlagen und diese auch für industrielle Anwendungen eingeführt [4, 22, 23, 43, 47]. Weil für die Abscheidung nach Paterok mit optimal gradiertem Verlauf der Schichtkombination Stahl – TiN – TiCN – TiC höherer technischer Aufwand erforderlich war, hatten die industriellen Beschichterfirmen aus pragmatischen Gründen den einfacheren Weg gewählt und die auf kohlenstoffhaltigen Stählen spontan wachsende, leicht herstellbare Schichtkombination Stahl – TiC – TiCN – TiN propagiert. Diese ist unter dem Namen „TiC-TiN“ bzw. „Sandwich“-Schicht ein vielseitig verwendbares Industrieprodukt geworden, welches allgemein für vielerlei Applikationen bis heute ausreichend gute Gesamtleistung erbringt. In der
4 Kombinationsschichten
Abb. 4 Wachstumscharakteristik von TiN
Praxis, besonders bei extrem hohen Belastungen, zeigen sie jedoch einige Unzulänglichkeiten [17, 27–30, 33] (Abb. 4 und 5). Die mechanischen und physikalischen Eigenschaften der beschichteten Stähle tragen wesentlich zum Gesamtergebnis des Schichtsystems bei. Auf der Stahloberfläche im Übergangsbereich bildet sich durch Legierung eine Mischkarbid-Zone aus, die u. a. auch von dem hartstoffbildenden Metall (Ti, Cr, V und andere), abhängig ist [11]. Sehr gute Erfolge wurden mit dem Schichtsystem CrC-TiC erzielt, dessen Herstellung jedoch wesentlich aufwendiger ist als die von TiC-TiN [16]. Der Sinn dieser Kombination Stahl-CrC-TiC ist im Grunde gleich, wie der von TiN-TiC, ein spannungsarmes, in sich harmonisches Schichtsystem herzustellen. Titankarbid (TiC) entsteht in einer chemischen Reaktion aus dem thermisch aktivierten, mit Hilfe von Wasserstoff reduziertem Titan und aktivem Kohlenstoff. Während Titan über die Gasphase der Oberfläche zugeführt wird, kann Kohlenstoff auch aus der Gasphase bei Zersetzung von organischen Molekülen stammen, wie typischerweise Methan, CH4 aber auch aus den Stählen, die Kohlenstoff enthalten. Daher folgt die Abscheidungsgeschwindigkeit, bzw. Wachstumsrate von Titankarbid mit CVD-Technik einer nichtlinearen Charakteristik. Die Abscheidung von TiC ist ein von der Kohlenstoffdiffusion abhängiger Prozess. Bei der TiC-Beschichtung von Stahlteilen ist die Entkohlung weniger kritisch, weil eine Nachdiffusion des Kohlenstoffs und damit ein Ausgleich der Kohlenstoffverarmung im Oberflächenbereich stattfindet [47, 59]. In der Praxis ist es jedoch in jedem Fall ratsam, die kontrollierte Zufuhr von Kohlenstoff aus der Gasphase zu sichern.
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
Abb. 5 Wachstumscharakteristik von TiC
Titannitrid (TiN) bildet sich in einer heterogenen chemischen Reaktion auf der Oberfläche, wo die schichtbildenden Komponenten aus der Gasphase zugeführt werden. Es kristallisiert auf der Oberfläche und bildet einen rundum gleichmäßigen Überzug. Die Wachstumsgeschwindigkeit bzw. Abscheidungsrate ist mit der Zeit linear proportional. Eine Titannitrid(TiN)-Schicht verhindert die Diffusion von Kohlenstoff aus dem Trägermaterial in die Schichtregion. TiN funktioniert daher als Diffusionssperre. Deswegen kann unter üblichen Bedingungen eine TiC-Schicht zwar auf kohlenstoffhaltigen Stählen direkt aufwachsen, jedoch nicht in ausreichendem Maße auf TiN oder ähnlichen Materialien ohne zusätzliche Kohlenstoffzufuhr. Aufgrund dieser Eigenschaft kann das TiN bei der CVD-Beschichtung als Sperrschicht für Kohlenstoffdiffusion genutzt werden. Somit wird bei der CVD-Beschichtung von Hartmetallen die Versprödung infolge Entkohlung der Karbide, die Bildung einer (eta) g-Phase im Anbindungsbereich unter der Schicht verhindert [4, 47, 56, 58] (Abb. 6). Die ersten Erfolge wurden mit der Beschichtung von Hartmetallwerkzeugen bzw. Hartmetall-Wendeschneidplatten für Zerspanung erreicht. Hartmetall (Wolframkarbid mit Kobaltbinder) bedarf nach der Beschichtung bei hohen Temperaturen – im Gegensatz zu Werkzeugstählen – anschließend keiner besonderen Wärmebehandlung mehr. Die meisten Hartmetallwerke bieten hochwertige beschichtete Wendeschneidplatten aus eigener Produktion an (Abb. 7).
4 Kombinationsschichten
Abb. 6 TiN-Sperrschicht gegen Entkohlung/Kohlenstoffdiffusion (IonBond)
Abb. 7 Hartmetall-Wendeschneidplatten. CVD-beschichtet
Die thermische CVD-Technik eröffnet die Möglichkeiten der Abscheidung weiterer Hartstoffe und Materialien auf analogem Wege durch Zersetzung von Metallhalogeniden und verwandten flüchtigen Verbindungen. Die weiteren alternativen Hartstoffe außer Titan, vor allem Karbide und Nitride von Zirkonium, Chrom, Wolfram, Vanadium, Tantal sowie die der weiteren Refraktärmetalle wurden auch gesucht, hergestellt und untersucht. Da die leistungsfähigen Werkzeugstähle überwiegend chromlegiert sind und die thermische Ausdehnung von Chromkarbid praktisch etwa gleich wie die der Stähle ist, wurde dem Chromkarbid (CrC) besondere Aufmerksamkeit gewidmet [8, 12, 13].
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
5
Material- und Schichteigenschaften
Im erweiterten Sinne sind die Nitride und Karbide auch keramische Materialien [50]. Diese Materialien sind naturgemäß als hart und spröde bekannt. Das bei hohen Temperaturen abgeschiedene keramische Schichtmaterial stabilisiert sich beim Abkühlen durch Mikrorisse, die zur mäßigen Entspannung des Schichtmaterials führen. Solche Schichten stehen in der Regel unter Druckspannung. Die Hartstoffschichten sind jedoch relativ elastisch und biegsam, wenn sie nur dünn genug sind. Solche dünne CVD-Schichten folgen den elastischen Bewegungen des Stahls unter Belastung zunächst ohne Bruch. Die praktische Bruchgrenze ist durch die plastische Deformation des Stahls gegeben. Erst danach können bleibende Risse entstehen, welche dann allmählich die größeren Schichtablösungen einleiten. Eine relativierte Prüfmethode der Haftfestigkeit dünner Schichten beruht auf dieser Basis. Der durch eine Rockwell Härtemessung entstehende Eindruck, ist gleichzeitig eine definierte Deformation des Stahls. Die abgeschiedene Hartstoffschicht folgt mehr oder weniger dieser Deformation, die Schicht reißt auf und Teile können dabei partiell abplatzen. Das Maß der Abplatzungen dient als empirischer Wert für die Haftfestigkeit der Schicht auf dem Stahlträger. Diese Meßmethode wurde für die Bestimmung der Haftfestigkeit von PVD-technisch abgeschiedenen dünnen Schichten normiert [7] (Abb. 8).
Abb. 8 DIN-Prüfmethode. Haftfestigkeit dünner Schichten
5 Material- und Schichteigenschaften
In der Praxis ist diese Prüfmethode zumindest zur Orientierung auch für CVDSchichten geeignet. Die bei hohen Temperaturen abgeschiedenen CVD-Schichten ergeben naturgemäß eine deutlich höhere Haftfestigkeit und damit bessere Eigenschaften. 5.1
Physikalische Eigenschaften der Schichtmaterialien
Vor allem zwei Parameter der Hartstoffe nehmen einen entscheidenden Einfluss auf die Gesamteigenschaften der Kombination von Trägerstählen mit Hartstoffschichten. Das sind einerseits die Eigenspannungen [34, 63], welche durch die thermischen Ausdehnungen der beteiligten Materialien zustande kommen und andererseits die Eigenhärten der jeweiligen schichtbildenden Materialien [5, 20, 32]. 5.2
Vergleich der Schichtkombinationen TiC-TiN klassisch Der Hartstoff Titankarbid (TiC) wächst naturgemäß auf kohlenstoffhaltigen Stählen. Die Kinetik und der chemische Mechanismus der Abscheidung von TiC ist gründlich untersucht worden. Vor allem die Rolle des Kohlenstoffs wurde geklärt [11]. Die Wachstumscharakteristik zeigt, dass der wesentliche Anteil des Kohlenstoffs durch Diffusion aus der festen Phase, aus dem Stahl kommt [36, 49, 59]. Die Wachstumsgeschwindigkeit des TiC ist anfangs relativ hoch, mit zunehmender Schichtstärke infolge der sich verlangsamenden Nachdiffusion des Kohlenstoffs durch die wachsende Schicht, nimmt sie stetig ab. Der weitere Anteil von Kohlenstoff wird aus der Gasphase durch thermische Zersetzung von Methan (CH4) zusätzlich zur Verfügung gestellt. In der Übergangszone für die Herstellung der Mischphase Titan-Karbonitrid (TiCN) werden sowohl Stickstoff als auch Methan gleichzeitig angeboten. Das jeweilige C : N-Verhältnis in dem Übergangsbereich ist weitgehend proportional zu dem Verhältnis der Aktivitäten von C und N in den relevanten chemischen Reaktionen während der Abscheidung. Durch Zugabe von Stickstoff als N2 oder aus der Zersetzung von NH3 wird die Bildung des Titannitrids gefördert [22]. Das Wachstum von TiN folgt auch in der Praxis einer linearen Charakteristik, da die gesamte Menge des aktiven Stickstoffs aus der Gasphase kommt. Mit Abnahme des Kohlenstoffspenders Methan ändert sich das C/N-Verhältnis im Karbonitrid. Ohne Methanzusatz bildet sich dann ausschließlich das reine Titannitrid TiN. Die Reihenfolge in diesem Schichtsystem ist: Stahl – TiC – TiCN – TiN (Abb. 9). 5.2.1
TiN-TiC harmonisch Das Hartstoffschichtsystem Stahl-TiN-TiCN-TiC ist ein in sich harmonisches System. Die physikalischen Eigenschaften, wie thermische Ausdehnung und Eigenhärte, sind in einem Gradienten steigend aufeinander folgend verteilt. 5.2.2
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
Abb. 9 Schichtkombination: Stahl-TiC-TiCN-TiN, klassisch
Abb. 10 Schichtkombination: Stahl-TiN-TiCN-TiC, harmonisch
TiN kann auf alle Stähle oder auf andere Träger abgeschieden werden, weil alle die zur Schichtbildung erforderlichen Bestandteile aus der Gasphase zugeführt werden. Da das Titannitrid die Diffusion von Kohlenstoff aus dem Stahl verhindert, fungiert das TiN in diesem Schichtsystem als Sperrschicht. Auf einer TiNSchicht kann TiC nur dann aufgebaut werden, wenn die gesamte erforderliche Kohlenstoffmenge aus einer geeigneten Quelle durch die Gasphase gleichmäßig zugeführt wird. Um zwischen den TiN- und TiC-Schichten einen spannungsarmen und elastischen Übergang zu sichern, wird hier auch eine gradierte TiCN-Zwischenschicht mit gegenläufigen C- und N-Angebot abgeschieden. In der Praxis wird die Gaszusammensetzung stetig verändert. Mit kontinuierlicher Abnahme des Stickstoffanteils geht dann die TiCN-Zwischenschicht allmählich in TiC über. Der weitere Aufbau der TiC-Schicht erfolgt allein durch den Kohlenstoff, der aus der Gasphase kommt. Dies muss durch geeignete Kohlenstoffspender im gesamten Reaktorvolumen gleichmäßig gesichert sein. Darin besteht eine der Besonderheiten dieses Prozesses. Die Reihenfolge in diesem Schichtsystem ist: Stahl – TiN – TiCN – TiC (Abb. 10).
5 Material- und Schichteigenschaften
5.3
Auswirkung der thermischen Dilatation
Das Schichtsystem Stahl – TiC – TiCN – TiN hat die größte Spannung im Bereich der Schichtanbindung auf dem Stahl zu TiC (vgl. Tab. 2. links). Die größte Differenz der Dilatation erzeugt hier die größte Zugspannung in der Stahloberfläche und auch die entsprechende Druckspannung in der TiC-Schicht. Darüber hinaus entsteht Zugspannung in der aufliegenden TiN-Schicht. Bei extremer Belastung können sich hier zusätzlich wirkende Kräfte soweit addieren, dass die Schicht abplatzt [27–30]. Die aus den Differenzen der thermischen Ausdehnungen resultierende Schubkraft ist hier auch am größten. Dieser Effekt führt zu erhöhter Wulstbildung an Ecken und Kanten [28]. Das harmonische Schichtsystem Stahl – TiN – TiCN – TiC weist in den Übergangsbereichen lediglich etwa die Hälfte der Spannungsdifferenzen der aufeinander folgenden Schichten auf (vgl. Tab. 2 rechts). Die Spannungen und damit die Kräfte sind stets geringer, und zudem bauen sie sich in einem Gradienten in dem gesamten Schichtsystem kontinuierlich ab. 5.4
Auswirkung der Härten
Das Schichtsystem Stahl – TiC – TiCN – TiN weist auf der äußeren Funktionsfläche eine Härte des TiN von ca. 2500 HV auf (vgl. Tab. 3 links). Dieser Wert repräsentiert die eigentliche Funktionshärte der Oberfläche nach außen. Das härteste Material (TiC) ist darunter im mittleren Bereich verdeckt. Die Funktion des TiC kommt – wenn überhaupt – erst nach längerer Betriebszeit, zu einer viel späteren Zeit, eigentlich erst in der letzten Phase der Abnutzung zum tragen. Das Schichtsystem Stahl – TiN – TiCN – TiC hat auf der Funktionsfläche vom Anfang an die größte Härte von ca. 3600 HV, und damit die beste Voraussetzung für die Funktion als Verschleißwiderstand (vgl. Tab. 3 rechts). Nach Abnutzung der TiC-Schicht erscheint allmählich die lila-gelbe Farbe der TiCN/TiN-Zwischenschicht. Dadurch wird die Funktion noch lange nicht geschmälert oder beeinträchtigt. Von hier an reicht noch die gesamte TiN-Schicht weiter in voller Funktion als Verschleißschutzreserve. Dem Anwender wird durch die Farbe die Abnutzung jedoch rechtzeitig signalisiert, bevor die Schicht gänzlich verschleißt und der Trägerstahl erreicht und evtl. beschädigt werden könnte. Eine Vorsorge, wie Entschichtung und Wiederbeschichtung, kann daher rechtzeitig geplant werden. Die Anwendung eines solchen Schichtsystems reduziert daher die möglichen Risiken noch weiter. Ein harmonisch abgestimmtes, intelligentes Schichtsystem trägt mit höherer Sicherheit zur Leistungssteigerung bei.
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung Tab. 1 Einflussnehmende und bestimmende Materialeigenschaften (Werte gerundet)
Material: Stahl gehärtet Therm. Ausdehnung, 12 Dilatation (´ 10–6/8K): Eigenhärte: (HV Vickers) 800 (64 HRC)
TiN
TiCN
TiC
9
8–7
6
2500
3000
3600
Aus dem unterschiedlichen Aufbau der genannten Schichtsysteme ergeben sich beim Vergleich die folgenden Differenzen: Tab. 2 Effekt durch Differenzen der thermischen Dilatationen
Schichttyp Reihenfolge Werte Differenzen
TiC-TiN Stahl TiC 12 6 geht über Minimum +6 –3
TiN 9
TiN-TiC Stahl TiN TiC 12 9 6 harmonischer Übergang +3 +3
(+ = Druckspannung, – = Zugspannung, jeweils in der aufliegenden Schicht.)
Diese Unterschiede erzeugen die jeweiligen Spannungen zwischen den Schichten in den Übergangsbereichen: Tab. 3 Effekt durch Differenzen der Eigenhärten
Schichttyp Reihenfolge Werte Differenzen
TiC-TiN Stahl TiC 800 3600 geht über Maximum + 2800 – 1100
TiN 2500
TiN-TiC Stahl TiN TiC 800 2500 3600 harmonischer Übergang + 1700 + 1100
Die äußere Schicht ist entscheidend für die Funktion vom Anfang an.
6
Leistung der Hartstoffschicht, Anwendungen
Die Grenze der mechanischen Belastbarkeit beschichteter Stähle ist mit Hilfe der neu erarbeiteten Kombinationsschicht „TiN-TiC“ erweitert. Diese Art der harmonischen Schichtkombination auf Werkzeugstählen wurde für industrielle Anwendungen entwickelt und seit Anfang 1997 in Deutschland angeboten und eingeführt [18]. Die Domäne der industriellen Anwendungen solcher Beschichtungen ist die Umformtechnik. Ein Vergleich der erreichten Standzeiten zum Beispiel beim Tiefziehen von Stahlblechen mit hoher Festigkeiten zeigt, dass die kombinierte Hartstoffschicht TiN-TiCN-TiC vor allem unter extremer Belastung durch großen Druck und erhöhter Reibung einen gesteigerten Verschleißwiderstand bietet. Da-
6 Leistung der Hartstoffschicht, Anwendungen
mit ist eine weitere produktionsrelevante Erhöhung der Leistung (Standmengen) erreicht worden. Diese Schichtkombination erweitert die Palette der optimalen CVD-Hartstoffschichten, und bietet eine besondere Alternative vor allem für Hochleistungswerkzeuge und mechanisch abrasiv stark belastete Teile. Im industriellen Einsatz beschichteter Umformwerkzeuge, welche extremen Belastungen ausgesetzt werden, hat sich ein deutlicher Vorsprung des TiN-TiC-Systems gezeigt. Es sind praktisch keine nennenswerten Schichtabplatzungen beobachtet worden. Bei dem klassischen TiC-TiN-System, vor allem an hochbelasteten Ecken und Kanten, wo die Funktionen sind, sind größere Schichtausbrüche festgestellt worden. Diese traten überwiegend im Anbindungsbereich zwischen Stahl und TiCSchicht auf, in selteneren Fällen platzt die Schicht im Übergangsbereich TiCN auf [28]. Dieser Vergleich erlaubt die Feststellung, dass das harmonische, entspannte Schichtsystem Stahl-TiN-TiCN-TiC durchaus höher belastbar ist und in der Praxis besseren Widerstand leistet. Das Ergebnis resultiert in einer Leistungssteigerung der intelligent beschichteten Teile und Werkzeuge (Abb. 11 und 12). Bei solchen Applikationen, wo das Problem Abrasion infolge der Belastung durch Reibung auftritt, entscheidet vor allem die Eigenhärte der funktionellen Oberfläche bzw. auch die chemische Beständigkeit über die Widerstandsfähigkeit der Schicht [25]. Es sind viele weitere Anwendungsbeispiele aus diversen Branchen bekannt [24]. In der Kunststoffindustrie sind viele kritische Fälle als Verschleiß erkannt worden, wo die Kombination von Abrasion und/oder Korrosion miteinander zu beträchtlichen Schäden führt [3]. Glasfaserverstärkte oder auch mineralisch gefüllte Kunststoffe verursachen Abrasion und/oder Korrosion der Stahloberflächen von Maschinenteilen wie z. B. im Extruder, bis hin zu Oberflächen von Formwerkzeugen beim Spritzgießen. Mit solchen harten, keramischen Schutzschichten, die vorwiegend mit CVD-Technik
Abb. 11 Ziehring, Funktionsschicht TiC (Dörrenberg)
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
Abb. 12 Segmentiertes Großwerkzeug (Dörrenberg)
aufgetragen werden und exzellent fest haften, können solche Schäden weitgehend verhindert werden. Die Standzeiten der CVD TiN-TiCN-TiC-beschichteten Teile werden dadurch um ein Vielfaches erhöht [19]. Im Vergleich leisten die CVDHartstoffschichten deutlich mehr Widerstand gegen abrasiven Verschleiß, als die vergleichbaren PVD-Hartstoffschichten. 6.1
Der Verschleißwiderstand
Aus dem tribologischen Grundsatz, dass die härteren Materialien weniger verschleißen, resultiert die Regel, wonach die Hartstoffschichten die Schutzfunktion gegen Verschleiß tragen. Darüber hinaus wird die Leistung des gesamten Systems durch den Härtezustand bzw. die Festigkeit des Stahles als Träger und Stütze des Hartstoffschichtsystems mitbestimmt. Die spezifischen Eigenschaften der Stähle, vorwiegend der Kohlenstoffgehalt und die Legierungselemente nehmen einen entscheidenden Einfluss durch die Härtbarkeit auf das Ergebnis [15]. Da diese Hartstoffe inert und von keramischer Natur sind, wird die typische Wechselwirkung zwischen Metallen, wie die metallische Kaltaufschweißung, die beispielsweise beim Umformen auftritt, weitgehend ausgeschlossen. Auf einer glatten, keramischen Oberfläche sind und bleiben die Reibwerte dementsprechend relativ niedrig [52]. Im Sinne der Tribologie hat die Schmierung als Funktion auch die „hydraulische“ Trennung der bewegten, sich berührenden Oberflächen. Wenn die Reibung zwischen ungleichen Materialien erfolgt, dann reagieren sie deutlich weniger miteinander. So schützt die keramische harte Schicht sowohl vor Kaltaufschweißung als auch vor abrasivem Verschleiß. Daher kann die unter üblichen Umständen wie ohne Beschichtung erforderliche Menge der Schmiermittel wesentlich reduziert werden.
7 CVD Beschichtungen bei niedrigen Temperaturen
Ein Mindestmaß der Schmierung soll jedoch gewährleistet sein. Daher reicht für die Schmierung einer hartstoffbeschichteten Oberfläche in vielen Fällen eine geringe Menge Schmiermittel aus. In bestimmten besonderen, jedoch seltenen Fällen, kann wässrige Emulsion oder sogar nur Wasser verwendet werden. 6.2
Maßhaltige Wärmebehandlung
Das größte Problem und Nachteil der Stahlbeschichtung mit CVD-Technik bereitet die erforderliche hohe Temperatur von ca. 850 8C bis über 1000 8C, die in jedem Fall über den Anlasstemperaturen der Stähle liegt. Daher ist in den meisten Fällen eine nachträgliche Wärmebehandlung der beschichteten Stahlteile oder Werkzeuge erforderlich. Die Wärmebehandlung ist stets mit der Gefahr von Maßänderungen und Verzug verbunden. Dieser Nachteil schränkt manche Anwendungen der thermischen CVD-Beschichtungen bis heute ein. Sowohl die Stahlqualität, als auch die Ausführung der Wärmebehandlung beeinträchtigen das Verzugsverhalten. Bei bestimmten Stahlqualitäten können jedoch Korrekturen erfolgreich vorgenommen werden, daher ist die Qualität der verwendeten Stähle von elementarer Bedeutung. Trotz mancher technisch bedingter Nachteile stehen die Eigenschaften, vor allem Verschleißwiderstand und Anbindung der CVD-Schichten im Vergleich deutlich über die der PVD technisch abgeschiedenen Hartstoffschichten. Während der letzten Jahre ist der Problematik der Maßeinhaltung bei der Wärmebehandlung von Stählen deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet worden [15, 26, 31]. Durch optimale Auswahl der Stahlqualität, in Kombination mit der geeigneten CVD-Beschichtungstechnik und der darauf folgenden sorgfältigen Wärmebehandlung, ist es heute bereits möglich geworden, eng tolerierte Teile und Werkzeuge durch CVD-Beschichtung zu behandeln und diese auch kontrollierbar maßgenau zu härten.
7
CVD-Beschichtungen bei niedrigen Temperaturen 7.1
Moderate Temperatur, MT-CVD
Die wesentlichen Nachteile und negativen Folgen des klassischen HT-CVD-Prozesses resultieren aus den für die Prozessführung erforderlichen hohen Temperaturen. Es sind vor allem die Bildung von g-Phasen im Hartmetall, sowie der Verzug und Maßänderung von Stahlkörpern. Für die Aktivierung von H2 sowie N2 und CH4 erforderliche Energie in dem klassischen thermischen HT-CVD-Prozess wird bei Temperaturen um 1000 8C erreicht. Der Wunsch nach Hartstoffbeschichtung bei reduzierten Temperaturen führte zur Entwicklung der MT(Moderate Temperatur-)-CVD-Technik. Durch die Verwendung solcher Reaktanden, welche weniger Aktivierungsenergie bedürfen, kann
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
der CVD-Prozess bereits bei niedrigeren Temperaturen ablaufen. Die begrenzte Auswahl geeigneter Reaktionspartner als Spender von Stickstoff und/oder Kohlenstoff schränkt die Möglichkeiten der MT-CVD-Technik ein. In der Praxis haben sich organische Nitrilverbindungen (R-CN) bewährt [37]. Die thermische Reaktion von TiCl4 mit organischen Nitrilverbindungen führt jedoch immer zur Bildung von Karbonitriden. Das Verhältnis von Kohlenstoff und Stickstoff im Karbonitrid kann in begrenztem Maße durch Variation von Parametern beeinflusst werden. TiCl4 + H2 + R-CN ? TiCN + HCl + RH/RCl (Auf die Angabe der stöchiometrischen Koeffizienten wird bewusst verzichtet, da die Reaktion nicht vollständig abläuft, bzw. zu weiteren Nebenprodukten führt.) Der MT-CVD-Prozess wird zwischen 800 bis 900 8C ausgeführt. Bei diesen Temperaturen entsteht keine (eta) g-Phase in Hartmetallen, ferner tritt weniger Spannung zwischen der TiCN-Schicht und dem Trägermaterial auf, es ist auch weniger Verzug von Stahlteilen zu erwarten (Abb. 13). Darüber hinaus ist die Wachstumsrate der TiCN-Schicht aus organischen Nitrilverbindungen deutlich höher, somit können auch höhere Schichtstärken in angemessen kürzerer Zeit erreicht werden. Die HT- und MT-CVD-Prozesse können miteinander kombiniert werden, um die jeweiligen Vorteile in einem Schichtsystem nutzen und in einem Prozessgang ausführen zu können (Abb. 14).
Abb. 13 Kante einer Hartmetall-Wendeschneidplatte, MT-CVD-be-
schichtet. Frei von (eta) g-Phase (IonBond)
7 CVD Beschichtungen bei niedrigen Temperaturen
Abb. 14 Schichtkombination von MT- und HT-
CVD-Schichten (Bernex)
7.2
Plasmaunterstützte PA-CVD
Die für CVD-Prozesse erforderliche Aktivierung der reaktiven Komponenten kann auch durch stille elektrische Entladung erfolgen. In kalten Entladungsplasmen ist die Energie in den aktiven Spezies, wie Ionen, Radikalen und angeregten Zuständen vorhanden. Die jeweiligen Energieinhalte solcher angeregten Spezies können bis zu einigen 1000 8C Temperatur entsprechen. Die makroskopische Temperatur solcher elektrischen Niederdruck-Entladungsplasmen bleibt jedoch niedrig, stets unterhalb von wenigen 100 8C. Manche Entwickler versuchten, den thermischen CVD-Prozess mit TiCl4 durch Plasmaentladung zu aktivieren. Solche Annahmen und analoge Ansätze scheiterten naturgemäß an Mangel der chemischen und physikalischen Prozesskenntnisse. Sinnvoll dagegen haben sich einige plasmaunterstützte Abscheidungsprozesse erwiesen, die aufgrund atomarer Elementarprozesse entweder amorph oder mikro- bis nanokristallin strukturiertes Material erzeugen. Das typische Beispiel dafür sind die Kohlenstoffschichten, die bereits seit Ende der 1970er Jahre fortentwickelt werden [57, 61]. Der aktuelle Stand der Technik wird an dem DLC (Diamond Like Carbon), als hochgradig vernetzte amorphe Kohlenstoffschicht gemessen. Bedauerlicherweise werden viele Kohlenstoffmaterialien als DLC bezeichnet, obwohl nur wenige die grundsätzlichen Kriterien erfüllen. Eine Klassifizierung wird zur Zeit erarbeitet.
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Entwicklung und Stand der thermischen CVD-Hartstoffbeschichtung
Die amorphen Schichten auf Kohlenstoffbasis zeichnen sich besonders durch sehr niedrige Reibungskoeffizienten, hohe Inertheit und besonders geringe Adhäsion aus. Daher finden solche Beschichtungen ihre Applikationen dort, wo geringe Reibung ohne Schmiermittel gefordert wird, oder die Anhaftung von fremden Materialien in höchstem Maße unerwünscht ist. Dazu gehören Gleitflächen, sowie Formflächen für die Fertigung von Teilen aus Kunststoffen, Elastomeren, Aluminium, Kupfer und manche speziellen Anwendungen. Die Entwicklung solcher Schichten und Materialien geht stetig voran. Auf Projektebene im Laboratoriumsmaßstab sind bereits manche Ergebnisse erzielt worden, welche deutlich verbesserte Eigenschaften solcher, mit Hilfe von Plasmen abscheidbaren Schichten, vorweisen. Hierzu gehören die besonders gut haftenden und hochtemperaturbeständigen amorphen Schichten, wie auch die mit echter Diamantstruktur abscheidbaren mikro- bis nanokristallinen Diamantschichten. Solche Materialien können bereits als relativ dicke Schichten erzeugt werden.
8
Zusammenfassung und Ausblick
Auf dem Gebiet der thermischen CVD-Technik sind in den nächsten Jahren weitere Entwicklungen zu erwarten. Das Potenzial der thermischen CVD-Technik ist noch lange nicht erschöpft. Die technologische Entwicklung wurde während der vergangenen 10 bis 20 Jahre vernachlässigt. Die Anlagentechnik kann noch weiter entwickelt und optimiert werden, um größere Kapazitäten durch größere Reaktorvolumina und beschleunigte Wachstumsraten zu erreichen. In Kenntnis der bestimmenden Elementarreaktionen können die Abscheidungsreaktionen entscheidend beschleunigt und positiv beeinflusst werden. Die möglich gewordene Abscheidung von neuen Materialien bzw. Schichtkombinationen aus weiteren Refraktärmetallen – außer und zusätzlich zu Titan – eröffnet neue Perspektiven für bestimmte Applikationen besser geeignete Hartstoffe einzusetzen, neuere Anwendungsgebiete zu erschließen und bestehende Probleme besser zu lösen. Mit neueren, sich in Entwicklung befindenden Technologien wird die thermisch bedingte Verzugsgefahr von Stahlmaterialien noch geringer, mit Erweiterung der Schichtmaterialien werden besser angepasste und noch leistungsfähigere Schichten zugänglich. Mittelfristig ist mit einer deutlichen Verbesserung der CVD-Technik und mit einer deutlichen Steigerung ihrer sowieso hohen Leistungsfähigkeit zu rechnen. Die thermische CVD-Technik kann mit relativ einfachen Mitteln realisiert werden. Der Prozess ist „gutmütig“ und technisch relativ einfach stabil zu halten. Die thermisch (HT- und/oder MT-) abgeschiedenen CVD Schichten weisen längere Lebensdauer und höhere Stärken, sowie Leistung und Festigkeit, als die vergleichbaren PVD technisch hergestellten Schichten auf. Daher ist das Preis-/Leis-
9 Literatur
tung-Verhältnis stets günstiger, die auf das Produkt bezogenen Kosten sind meistens deutlich niedriger. Dieses Verhältnis mit Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten wird die Wettbewerbsfähigkeit der CVD-Technik weiterhin verbessern. 9
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CVD-Diamant-Dünnschichten nach dem Hot-Filament-Verfahren O. Lemmer, R. Cremer, D. Breidt, M. Frank, CemeCon AG, Würselen
1
Einleitung
Die stetig wachsenden Anforderungen an das Leistungsverhalten von Zerspanwerkzeugen, speziell im Hinblick auf die Hochgeschwindigkeits-, Hart- und Trockenbearbeitung von schwer zerspanbaren, stark abrasiven oder zur Bildung von Aufbauschneiden neigenden Legierungen oder Verbundwerkstoffen führen einerseits zur Entwicklung neuer, an die Anforderungen des Marktes angepasster Schutzschichten, andererseits auch zur verstärkten integralen Betrachtung des gesamten Zerspanprozesses und zur optimalen Anpassung des Systems Werkzeug und Schutzschicht an das System Werkstück und Maschine [16]. Die Behandlung dieser Problematik unter Einbeziehung des Substrates und des späteren Anwendungsfalls wird am Beispiel der Abscheidung von CVD-Diamant-Dünnschichten auf Hartmetallwerkzeugen nach dem Hot-Filament-Verfahren beschrieben. Seit etwa 15 Jahren kann Diamant mittels CVD-Verfahren wirtschaftlich abgeschieden werden. Dieses Material ist auf Grund seiner herausragenden Eigenschaften (Tab. 1) für die unterschiedlichsten Anwendungen interessant. An erster Stelle sind für Aufgaben in der Zerspanung die extreme Härte und die sehr guten Gleiteigenschaften von Diamant zu nennen, wodurch im Vergleich zu konventionellen Beschichtungen die Realisierung von Standzeitverlängerungen um eine Zehnerpotenz, eine Reduktion der Zerspankräfte und die Trockenbearbeitung von Werkstücken ermöglicht werden. Viele Materialien, z. B. Al-Si-Legierungen, Graphit, Hartmetall- und Keramikgrünlinge [9–11] sowie faserverstärkte Verbundund Sandwichmaterialien, könnten ohne den Einsatz diamantbeschichteter Werkzeuge teilweise gar nicht oder nur sehr unwirtschaftlich bearbeitet werden.
2
Abgrenzung der verschiedenen Diamantwerkzeuge
Der Schneidstoff Diamant ist zur Zeit in verschiedenen Ausführungsformen für Hartmetall-Wendeschneidplatten erhältlich: als gesintertes Material (PKD), als CVD-Diamant-Dickschicht oder als CVD-Diamant-Dünnschicht. Die beiden massi-
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CVD-Diamant-Dünnschichten nach dem Hot-Filament-Verfahren Tab. 1 Eigenschaften von CVD-Diamantschichten [14]
Eigenschaft
Wert
Einheit
Bemerkung
Vergleichswert
Härte
8000–10 000
HV0,05
texturabhängig, wie c-BN 4500 natürlicher Diamant
thermische Wärmeleitfähigkeit
500–2000
Wm–1K–1
je nach Dichte der Korngrenzen
E-Modul
ca. 1.000
Cu 400
GPa
extrem hoch
thermischer Ausdeh- 1,1 nungskoeffizient
10–6K–1
bei 0–100 8C, steigt mit der Temperatur
Reibungskoeffizient 0,02–0,1
–
je nach Tribopartner Teflon 0,05 und Einlaufzeit div. Literatur
Poisson-Zahl
0,1–0,2
–
Rauheit Ra
0,1–0,4
lm
TiN 9,6
je nach Struktur und Dicke der Schicht
ven Diamantwerkzeugtypen PKD und CVD-Diamant-Dickschicht erreichen zwar hohe Zerspanungsleistungen, sind aber nicht formbar, falls z. B. Spanleitstufen in der Schneide gefordert werden [18]. Hier liegt der Vorteil der CVD-DiamantDünnschicht, die auch auf komplex geformte Substrate, z. B. Bohrer oder Fräser, aufgebracht werden kann [1, 5, 7].
3
Substratvorbehandlung
Neben der reinen Beschichtung ist heute eine Vor- und in vielen Fällen auch eine Nachbehandlung der Schichten und Werkzeuge notwendig. Verschiedene Reinigungs-, Strahl- und Polierverfahren zur Bearbeitung der Werkzeugoberflächen oder Schneidkanten haben einen erheblichen Einfluss auf das Verhalten des Gesamtsystems. Dies gilt ebenso für die CVD-Beschichtung von Hartmetall. Die heute im Handel erhältlichen diamantbeschichteten Werkzeuge bestehen in der Regel aus Hartmetall, d. h. aus gesintertem Wolframcarbid in einer Matrix mit unterschiedlichen Gehalten an Cobalt, da dieses Grundmaterial die harte Diamantschicht gut abstützt. Der bei diesen Substraten verwendete Cobaltbinder wirkt aber während des Abscheideprozesses als Katalysator für eine unerwünschte Graphitbildung. Diese muss auf jeden Fall zu Beginn des Beschichtungsprozesses vermieden werden, da sonst eine ausreichende Haftung der Diamantschicht nicht gewährleistet werden kann. Die Entfernung des Cobalts geschieht in aufwändigen Verfahren, die an jede Hartmetallsorte angepasst werden müssen [13, 15]. Eine Möglichkeit, die Graphitbildung zwischen Substratoberfläche und Diamantschicht zu verhindern, ist der Einsatz einer Diffusionsbarriere. Dieses Verfahren ist aber in der Werkzeugbeschichtung wegen des damit verbundenen Aufwandes wenig gebräuchlich. Die gängigsten Verfahren sind chemische oder thermische Behandlungen zur Entfer-
3 Substratvorbehandlung
Abb. 1 Vorbehandlung von Hartmetallen [3]
Abb. 2 Morphologie einer geätzten Hartmetalloberfläche [3]
nung oder Inaktivierung [4] des Cobalts in den oberflächennahen Bereichen des Substrates. Die Vorgehensweise bei der chemischen Ätzung des Cobalts und die nachfolgenden Schritte der Vorbehandlung verdeutlicht Abb. 1. Die Art der Vorbehandlung hat einen wesentlichen Einfluss auf die Ausprägung des Interfaces hinsichtlich Haftung und Rauheit, aber auch auf die Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit des Beschichtungsprozesses. Abb. 2 zeigt beispielhaft die Oberfläche eines durch Ätzen behandelten Hartmetallsubstrates vor der CVD-Diamantbeschichtung. Eine rauhe Oberfläche sorgt für eine mechanische „Verklam-
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CVD-Diamant-Dünnschichten nach dem Hot-Filament-Verfahren
Abb. 3 Diamantbeschichtete Schneidkante eines optimal vorbehandelten Feinstkorn-Hartmetallsubstrates [3]
merung“ der Diamantschicht und ist wegen der extremen Unterschiede zwischen Schicht- und Substratmaterial (E-Modul, Härte) für die Haftfestigkeit von außerordentlicher Bedeutung. Wird gleichzeitig ein Beschichtungsverfahren gewählt, das zu Beginn des Prozesses das Einwachsen von reinem, kristallinen Diamant in die rauhe Oberfläche gewährleistet, so können auch für dicke Schichten (> 20 lm) sehr hohe Haftfestigkeiten realisiert werden. Zudem vergrößert eine rauhe Substratoberfläche das Interface und erschwert die Rissausbreitung in diesem kritischen Bereich. Die Verwendung grobkörniger Hartmetallsorten ist sicherlich die wirtschaftlichste Lösung, es können aber auch feinkörnige Sorten vorbehandelt werden. Abb. 3 zeigt ein diamantbeschichtetes Hartmetall im Bereich der Schneidecke, die im späteren Einsatz besonders beansprucht wird und eine optimale Vorbehandlung erfordert.
4
Herstellung von CVD-Diamant
Bei der Niederdrucksynthese von CVD-Diamant haben sich mehrere Verfahren für die kommerzielle Nutzung etabliert. Die wichtigsten sind das Flamm-, Mikrowellenplasma-, DC-Arc-Jet- und das Heißdraht-Verfahren. Allen Verfahren gemein ist neben dem Arbeitsdruck die Zersetzung kohlenstoffhaltiger Gase, wie z. B. Methan, Acetylen oder Kohlenmonoxid, mit nachfolgender Abscheidung des Kohlenstoffes auf der Substratoberfläche. Hierbei muss die Bildung des unerwünschten Graphits durch die Wahl geeigneter Prozeßparameter vermieden bzw. der Graphit
5 Das Hot-Filament-Verfahren
durch Ätzen mit Wasserstoff entfernt werden. Daher spielt der atomare Wasserstoff eine besondere Rolle bei der Keimbildung und dem Wachstum von Diamantschichten. Allerdings weisen die genannten Verfahren zum Teil erhebliche Unterschiede in der Beschichtbarkeit komplex geformter Körper auf. Zur Beschichtung geometrisch komplexer Werkzeuge, wie z. B. Bohrer und Fräser, wird in erster Linie das Hot-Filament-Verfahren eingesetzt.
5
Das Hot-Filament-Verfahren
Die bekannteste und zur Werkzeugbeschichtung mit CVD-Diamant-Dünnschichten am besten geeignete Verfahrensvariante ist das Heißdraht- oder Hot-FilamentVerfahren. Bei diesem Verfahren wird der für den Prozess erforderliche atomare Wasserstoff an elektrisch beheizten Glühdrähten aus Refraktärmetallen (Ta, W oder Re) erzeugt. Diese lassen sich räumlich so anordnen, dass eine gleichmäßige Verteilung der notwendigen Spezies auch bei komplexen Substratgeometrien gewährleistet ist. Daher ist eine leichte Übertragbarkeit dieses Prozesses auf andere Losgrößen gegeben und die wirtschaftliche Beschichtung von Werkzeugen mit CVD-Diamant möglich [12]. Das Prinzip dieses Verfahrens zeigt Abb. 4. Der in der Aktivierungszone (Abb. 4.1) gebildete atomare Wasserstoff diffundiert durch den Rezipienten, rekombiniert mit CH4 und bildet das Methylradikal CH3, das die eigentliche Wachstumsspezies (Abb. 4.2) für die Abscheidung von
Abb. 4 Prinzip des Hot-Filament-Verfahrens zur Abscheidung von CVD-Diamantschichten [19]
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CVD-Diamant-Dünnschichten nach dem Hot-Filament-Verfahren
Abb. 5 Schematische Darstellung mikro- und nanokristalliner CVD-Diamantschichten [17]
CVD-Diamant darstellt. Weitere Rekombination von atomarem Wasserstoff an der Substratoberfläche (Abb. 4.3) bildet freie Plätze an der Wachstumsfront (Abb. 4.4) und überführt sp2-hybridisierten (graphitischen) Kohlenstoff wieder in die Gasphase. Das eigentliche Aufwachsen der Diamantschicht erfolgt zunächst durch die Kristallisation an Keimen und führt über das Zusammenwachsen kleiner „Inseln“ schließlich zur geschlossenen Schicht (Abb. 4, 5, 6). Liegen die Ausgangskristalle in einer günstigen Orientierung zur Oberfläche, so können sie benachbarte Kristalle nach und nach überwachsen. Daher bildet sich bei konventioneller Abscheidung von CVD-Diamant-Dünnschichten die bekannte säulenartige Struktur mit rauher Oberfläche aus (Abb. 5, links).
6
Beeinflussung der Eigenschaften von CVD-Diamant
Für die wirtschaftliche und zuverlässige Beschichtung komplexer Geometrien von Hochleistungswerkzeugen ist es unerlässlich, auch weitere Eigenschaften, wie z. B. die Schichtmorphologie gezielt einstellen zu können. So ist es bei Einhaltung bestimmter Randbedingungen möglich, auch glatte Diamantschichten zu erzeugen. Im Gegensatz zum konventionellen Verfahren wird hier durch eine Variation der Prozessparameter die ständige Renukleation (Neubildung von Keimen) gefördert (Abb. 5, rechts). Die auf diesem Wege erhaltenen nanokristallinen Diamantschichten können sogar Unebenheiten des Substrates ausgleichen und sind auf Grund ihrer glatten Oberfläche besonders für die Bearbeitung weicher NE-Metalle geeignet, da sie der Bildung von Aufbauschneiden entgegenwirken. Die Struktur konventioneller mikro- und glatter nanokristalliner Diamantschichten ist zum Vergleich nebeneinander dargestellt (Abb. 6). Die positiven Eigenschaften von mikro- und nanokristallinen Diamantschichten können auch in Multilayerstrukturen günstig kombiniert werden (Abb. 7). Durch dieses Konzept wird die Bruchzähigkeit des Gesamtsystems erhöht und die Ausbreitung von Rissen vermieden, sodass diese nicht mehr so leicht das Interface zwischen der ersten Diamantschicht und dem Substrat erreichen und – ausgehend von diesem Fehler – ein Versagen der gesamten Schicht herbeiführen
6 Beeinflussung der Eigenschaften von CVD-Diamant
können. Hierbei ist das Auftreten von Druckspannungen auf Grund unterschiedlicher Wärmeausdehnungskoeffizienten von Schicht und Substrat sowie von mikround nanokristallinem Diamant von Vorteil, da diese quer verlaufende Risse an den Grenzflächen der Multilayer parallel ablenken [8].
Abb. 6 Oberflächenstruktur von mikro- und nanokristallinen CVD-Diamantschichten auf Hartmetallsubstraten [3]
Abb. 7 Multilayer aus mikro- und nanokristallinen CVD-Diamantschichten auf einem Hartmetallsubstrat [3]
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CVD-Diamant-Dünnschichten nach dem Hot-Filament-Verfahren
Abb. 8 CVD-Diamantbeschichtungsanlagen vom Typ CC 800 D, die auf dem HotFilament-Verfahren basieren [3]
7
Industrielle Abscheidung von CVD-Diamant
Die industrielle Abscheidung von CVD-Diamant-Dünnschichten erfolgt bei CemeCon auf dem Prinzip des Hot-Filament-Verfahrens auf vollautomatischen Beschichtungsanlagen des Typs CC 800 D (Abb. 8). Die Erfassung, Dokumentation und Regelung aller relevanten Prozessparameter sichert hierbei die Reproduzierbarkeit der CVD-Prozesse und garantiert die gleichmäßige und homogene Beschichtung einer großen Anzahl von Werkzeugen und Bauteilen.
8
Nachbehandlung von CVD-Diamant
Die Beschichtung eines Hartmetallsubstrates mit CVD-Diamant führt im Bereich der Schneidkante immer zu einer Verrundung, welche durch die aufgebrachte Schichtdicke, die Korngröße der Diamantbeschichtung sowie das Interface beeinflusst wird. Ist für einen speziellen Einsatzfall eine besonders hohe Oberflächenqualität des Werkstückes oder eine Absenkung der Zerspankräfte gefordert, so kann eine Nachbearbeitung zum Schärfen der Werkzeugschneide erfolgen. In Zusammenarbeit der Firmen GfD (Ulm), CemeCon und WMtech (Ulm) konnte ein Schärfprozess entwickelt werden, der es gestattet, Schneidkantenradien von beschichteten Werkzeugen auf Werte bis unter 0,5 lm zu reduzieren [6]. Dabei ist die erkennbare Abweichung der real (Abb. 9, rechts) zur ideal geschärften Klinge durchaus erwünscht, da sie die Schneidkantenstabilität erhöht. Derart geschärfte Schneiden eignen sich für die Feinstzerspanung abrasiver und zur Aufbauschneidenbildung neigender Legierungen sowie die Bearbeitung von Holz und faserverstärkten Materialien, bei denen die Fasern sauber zertrennt werden müssen.
9 Anwendungsgebiete diamantbeschichteter Werkzeuge
Abb. 9 Mittels Plasmaschärfens nachgearbeite Schneidkante einer nanokristallinen CVD-Diamant-schicht auf einem Hartmetallsubstrat [6]
9
Anwendungsgebiete diamantbeschichteter Werkzeuge
Es gibt einige typische Anwendungsgebiete, in denen bereits mit Erfolg konventionelle Diamantwerkzeuge eingesetzt werden (Abb. 10). Diese Werkzeuge (PKD und CVD-Diamant-Dickschicht) werden bevorzugt bei der Zerspanung stark abrasiver Werkstoffe, z. B. von Al-Si-Legierungen oder MMC (Metal Matrix Composites), eingesetzt. Bei sehr hohen Anforderungen an die Oberflächenqualität der Werkstücke wird PKD auch zur Bearbeitung von NE-Metallen eingesetzt und steht in direkter Konkurrenz zu den herkömmlichen unbeschichteten bzw. mittels PVD oder CVD-beschichteten Hartmetall-Zerspanwerkzeugen. Da die Eigenschaften von CVD-Diamant-Dünnschichten in einem weiten Bereich an die Bearbeitungsaufgabe angepasst werden können, wird ein Potenzial für den verstärkten Einsatz von CVD-Diamant-Dünnschichten erwartet. Nachfolgend werden erfolgreiche Anwendungsbeispiele vorgestellt. Das erste Beispiel beschreibt eine kristalline Diamantbeschichtung (CCDia®08) zur spanenden Bearbeitung von Graphit, Hartmetall- und Keramikgrünlingen. Diese Schicht ist extrem abrasionsbeständig. Sie besitzt ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis, ist aber wegen der rauhen Oberfläche nur für Materialien mit geringer Klebneigung geeignet. Beim Fräsen von Graphit mit einer Schnittgeschwindigkeit von 600 m/min wird gegenüber einem unbeschichteten Werkzeug eine Standzeiterhöhung um den Faktor 13 ermöglicht (Abb. 11). Die nächste Anwendung stellt wiederum eine kristalline Diamantbeschichtung (CCDia®HiCo) zur spanenden Bearbeitung von Graphit, Hartmetall- und Keramikgrünlingen vor, allerdings ist sie für Werkzeuge mit einem hohen Cobalt-Gehalt optimiert. Ebenso wie CCDia®08 ist sie nur für Materialien mit geringer Klebneigung geeignet. Die Wirtschaftlichkeit der Anwendung beruht auf einer Reduktion der Lagerhaltung durch die Beschichtbarkeit vieler Hartmetallsorten. Beim HSC-Fräsen von Graphit mit einer Schnittgeschwindigkeit von 1800 m/min wird gegenüber dem unbeschichteten Werkzeug eine Standzeiterhöhung um Faktor 19 erreicht (Abb. 12).
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CVD-Diamant-Dünnschichten nach dem Hot-Filament-Verfahren
Abb. 10
Anwendungsgebiete für diamantbeschichtete Zerspanwerkzeuge [3]
Abb. 11
Anwendungsbeispiel: Fräsen von Graphit (V1466) mit CCDia®08 [2]
Das dritte Beispiel zeigt eine Multilayer-Diamantbeschichtung (CCDia®FiberSpeed) mit nanokristalliner äußerer Schicht zur Bearbeitung von faserverstärkten Kunststoffen sowie Verbund- und Sandwichmaterialien wie Al-Ti und Ti-CFK. Diese Schicht ist auf Grund des Mehrlagenkonzeptes extrem abrasionsbeständig bei hoher Zähigkeit. Sie besitzt eine sehr gute Haftung auf fast allen Hartmetallsorten mit einem mittleren Cobalt-Gehalt und ist als glatte Schicht auch für Materialien mit hoher Klebneigung geeignet. Beim Fräsen von kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) mit einer Schnittgeschwindigkeit von 600 m/min werden, vergli-
9 Anwendungsgebiete diamantbeschichteter Werkzeuge
Abb. 12
Anwendungsbeispiel: Fräsen von Graphit (EK 85) mit CCDia®HiCo [2]
Anwendungsbeispiel: Fräsen von kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) mit CCDia®FiberSpeed [2] Abb. 13
chen mit einem unbeschichteten Werkzeug, um 1000% höhere Standzeiten und im Vergleich zu einer TiAlN-Schicht immerhin noch 680% gemessen (Abb. 13). Dieselbe Diamantbeschichtung (CCDia®FiberSpeed) bewährt sich auch beim Fräsen eines Verbundwerkstoffes (Al-Ti-CFK) mit einer Schnittgeschwindigkeit von 250 m/min. Bei diesem Anwendungsbeispiel wurde eine 900% höhere Standzeit erreicht (Abb. 14). Für die schwierigsten Anwendungsfälle wird eine dicke Multilayer-Diamantbeschichtung (CCDia®Tiger) empfohlen, die alle zuvor genannten Anwendungen mit einschließt. Diese Schicht ist extrem abrasionsbeständig bei hoher Zähigkeit und weist wegen der intensiven Verankerung im Hartmetall eine extrem hohe Haftung auf. Sie ist hervorragend für die Bearbeitung von Materialien mit hoher
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CVD-Diamant-Dünnschichten nach dem Hot-Filament-Verfahren
Abb. 14
Anwendungsbeispiel: Fräsen von Verbundwerkstoffen (Al-Ti-CFK) mit CCDia®FiberSpeed [2]
Abb. 15
Anwendungsbeispiel: Fräsen von AlSi17Mg mit CCDia®Tiger [2]
Klebneigung geeignet und besticht durch ihre hohe Leistungsfähigkeit. Es werden beim Fräsen von abrasivem AlSi17Mg mit einer Schnittgeschwindigkeit von 750 m/min um 1100% höhere Standzeit im Vergleich zu einem TiAlN-beschichteten Werkzeug möglich, beim unbeschichteten sogar 1300% (Abb. 15). Dieselbe Diamant-Multilayer (CCDia®Tiger) zeigt auch beim Fräsen von MMC mit 30% SiC-Anteil als weit überlegen. Bei einer Schnittgeschwindigkeit von 450 m/min wurde eine minimale Standzeiterhöhung um den Faktor 20 nachgewiesen (Abb. 16). Als letztes Anwendungsbeispiel wird die geschärfte Diamantbeschichtung vorgestellt. Hierbei handelt es sich um eine Spezialbeschichtung für die Feinzerspanung von Al-Si- und Ti-Al-Legierungen, MMC-Materialien sowie mineralgefüllten Kunststoffen. Der Schärfprozess liefert extrem scharfe Schneiden und ist für alle
10 Zusammenfassung und Ausblick
Abb. 16
Anwendungsbeispiel: Fräsen von MMC mit CCDia®Tiger [2]
Abb. 17
Anwendungsbeispiel: Schneiden von Plastikfolie mit geschärfter Diamantbeschichtung [2]
planaren Geometrien geeignet. Beim Schneiden von Plastikfolie mit einem eingelagerten abrasiven Farbstoff (Titanoxid) ergab der Einsatz keramischer Klingen lediglich 133% Standzeiterhöhung. Die geschärfte Diamantbeschichtung erbrachte eine um 667% höhere Standzeit (Abb. 17).
10
Zusammenfassung und Ausblick
Die Entwicklung von Hartmetallwerkzeugen mit CVD-Diamant-Dünnschichten bedingt einen systematischen Ansatz, bei dem alle Komponenten, d. h. der Grundwerkstoff des Werkzeuges, die Schutzschicht, das Werkstück und die Maschine aufeinander angepasst werden müssen. Dieser Optimierungsprozess ist zusam-
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CVD-Diamant-Dünnschichten nach dem Hot-Filament-Verfahren
men mit den beschriebenen Möglichkeiten der gezielten Einstellung maßgeschneiderter Schichteigenschaften die Voraussetzung zur erfolgreichen Produktion und Markteinführung neuer Produkte. Während dieses Entwicklungsprozesses müssen Werkzeughersteller, Beschichter und Endanwender engen zusammenarbeiten. An Hand von Anwendungsbeispielen wurde aufgezeigt, dass gerade für den extremen Schichtwerkstoff „CVD-Diamant“ eine besonders sorgfältige Vorgehensweise angezeigt ist, um das hohe Potenzial dieses Materials auszuschöpfen. Anspruchsvolle Anwendungen können durch eine optimale Vorbehandlung des Substrates, Anpassung der Schichtdicke, Beeinflussung der Schichtmorphologie, die Verwendung von Mehrlagenschichten und nicht zuletzt durch das Schärfen der Werkzeugschneiden erfüllt werden. Speziell für die schwer zerspanbaren neuen High-Tech-Werkstoffe sind CVD-Diamant-Dünnschichten sehr gut geeignet. Im Gegensatz zu PKD- und CVD-Diamant-Dickschicht-Werkzeugen sind sie preiswerter und lassen sich in jeder gewünschten Geometrie herstellen. Diamantbeschichtete Zerspanwerkzeuge werden in vielfältigen Anwendungsgebieten erfolgreich eingesetzt und bieten ein großes Potenzial zur geschäftlichen Umsetzung. Mit wachsendem Know-how seitens der Beschichter und Werkzeughersteller kann eine starke Zunahme der Anwendungen und damit eine Expansion des Marktes für CVD-Diamant-Dünnschichten erwartet werden.
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Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren W. Olberding, Institut für Galvano- und Oberflächentechnik Solingen GmbH, Solingen
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Einleitung
Geschichtlich gesehen stellt die Galvanotechnik eine der ältesten industriell angewandten Beschichtungsverfahren dar. Die Grundlagen wurden bereits Anfang des neunzehnten Jahrhunderts entwickelt und angewandt. Allerdings musste der für die elektrochemische Umsetzung der gelösten Metalle benötigte Strom aus Batterien bezogen werden und stand damit nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Daher konnte der großtechnische Einsatz der Galvanotechnik erst erfolgen, als mit der Erfindung der Dynamomaschine Mitte des 19. Jahrhunderts genügend Strom zur Verfügung stand, um elektrochemische Abscheidungen aus Elektrolyten durchführen zu können (siehe z. B. [3] und die dort genannten Literaturstellen). Seither ist es eines der gebräuchlichsten Verfahren, um die verschiedensten Materialien aus ästhetischen oder aus technischen Beweggründen mit einem Überzug zu versehen.
2
Die Grundlagen der Galvanotechnik am Beispiel der Nickelabscheidung
Die Grundlagen der Galvanotechnik sind einfach am Beispiel des Nickels zu erklären. Grundsätzlich lassen sich die meisten der hier beschriebenen Mechanismen auch auf andere Systeme übertragen. Eine ausführliche Beschreibung der galvanischen Abscheidung von Nickel ist bei Brugger nachzulesen [1]. Hier soll daher nur insoweit auf die Mechanismen und Elektrodenvorgänge eingegangen werden, als es für das grundlegende Verständnis der galvanotechnischen Vorgänge notwendig ist. Nickel kann als Salz sehr gut in Wasser gelöst werden, wobei das Nickel als zweiwertiges Ion in der Lösung vorliegt. Wird durch diese Lösung ein Gleichstrom geleitet, so können die Elektronen nicht einfach durch die Lösung fließen. Vielmehr müssen die Elektronen an der einen Elektrode auf eine Spezies übertragen und an der anderen Elektrode wieder abgegeben werden. Der Transport von Elektronen durch eine Lösung ist immer an eine chemische Reaktion gekoppelt. Die Elektrode, an der ein Elektronenüberschuss herrscht, also die negativ gelade-
112
Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
ne Elektrode, wird „Kathode“, und die Elektrode, an der ein Elektronenmangel herrscht, wird „Anode“ genannt. Bei der Nickelelektrolyse erfolgt die Abgabe der Elektronen an der Kathode dadurch, dass das positiv geladene Nickelion zwei Elektronen aufnimmt und zum metallischen Nickel umgesetzt wird: Ni2 2e ! Ni0
1
Das jetzt metallische Nickel wir auf der Oberfläche der Elektrode, von der die Elektronen stammen, abgeschieden und bildet hier einen Überzug aus. Als Anode wird bei der Nickelelektrolyse im Allgemeinen metallisches Nickel eingesetzt. Diesem Nickel werden jeweils zwei Elektronen entnommen, wodurch das feste, metallische Nickel aus dem Metallverbund herausgelöst wird und als zweiwertiges Ion in Lösung geht: Ni0 ! Ni2 2e
2
Da bei diesem Vorgang Elektronen über die externen Leitungen von der einen Seite zur anderen fließen, würde der gesamte Vorgang in der oben beschriebenen Form eine Ladungstrennung darstellen. Folglich müsste die Spannung an den Elektroden kontinuierlich erhöht werden, um auch nach einiger Zeit noch einen weiteren Elektronenfluss zu ermöglichen. Wird hingegen ein Ionenfluss von der einen Elektrode zur anderen Elektrode ermöglicht, so kann die Ladungstrennung über diese Ionen ausgeglichen werden. Dies kann entweder über eine Membran geschehen, bei welchem der eine Elektrolytraum von dem anderen Elektrolytraum über eine ionendurchlässige Wand getrennt ist, oder indem einfach beide Elektroden in dieselbe Lösung eingebracht werden. Bei der galvanischen Nickelabscheidung werden Anode und Kathode im Allgemeinen in die gleiche Lösung eingebracht. Schematisch ist eine galvanische Zelle zur Nickelabscheidung in Abb. 1 dargestellt. Da im Idealfall für jedes Ion, welches aus der Lösung entfernt wird, auch ein neues Ion wieder in die Lösung eingebracht wird, ändert sich die Zusammensetzung der Lösung, die auch „Elektrolyt“ genannt wird, nicht. Weiterhin können alle Nickelionen in der Lösung als identische Spezies angesehen werden und das gesamte Sys-
Abb. 1 Schematische Darstellung einer Elektrolysezelle. Der anodische und der kathodische Elektrolytraum sind im Normalfall nicht voneinander getrennt
2 Die Grundlagen der Galvanotechnik am Beispiel der Nickelabscheidung
tem vereinfacht so dargestellt werden, dass an der einen Elektrode Nickel aufgelöst wird, welches dann an der anderen Elektrode wieder abgeschieden wird. Leider hat es uns die Natur nicht so einfach gemacht. Neben der Nickelabscheidung laufen an den Elektroden auch andere Reaktionen ab, die so genannten Nebenreaktionen, die bei allen chemischen Prozessen beobachtet werden. Im vorliegenden Fall wird an der Kathode auch Wasser zersetzt: 2H2 O
H3 O OH 2
H3 O 2e ! H2 2H2 O
3
An der Kathode wird neben der Abscheidung von Nickel auch eine Wasserstoffentwicklung beobachtet. In Abhängigkeit von dem angewandten Elektrolyseverfahren beträgt der Anteil des Stromes, der für die Wasserstoffentwicklung verloren geht, normalerweise etwa 2 bis 6% bezogen auf die gesamte Strommenge und kann bei bestimmten Verfahren Werte von bis zu 95% annehmen. An der Anode hingegen ist der Strom, der für Nebenreaktionen verloren geht, kleiner als 1%. Dieses hat für das Verfahren die offensichtliche Auswirkung, dass die Konzentration an Nickelionen im Elektrolyten ansteigt, sodass der Elektrolyt unter idealen Verhältnissen in regelmäßigen Zeitabständen verdünnt werden muss. In der realen Praxis geht immer eine gewisse Teilmenge des Elektrolyten beim Betrieb verloren, und der Verlust wird mit voll entsalztem Wasser wieder ausgeglichen, sodass das Einbringen von Nickel aufgrund der unterschiedlichen Stromausbeuten sogar vorteilhaft sein kann. Weiterhin steigt der pH-Wert des Elektrolyten, der ja nichts anderes als ein reziprokes Maß für die H3O+-Konzentration ist, infolge des Verlustes an H3O+-Ionen an der Kathode an. Folglich sind dem Elektrolyten diese Ionen in Form einer Säure wieder zuzusetzen. Darüber hinaus setzt sich der gebildete, gasförmige Wasserstoff auf die Oberfläche des zu beschichtenden Materials ab und verursacht Beschichtungsfehler. Dort, wo sich eine Gasblase befindet, wirkt diese als Isolator und es kann an dieser Stelle kein Nickel abgeschieden werden. Die Folge ist eine Pore in der Schicht (Abb. 2). Die Folgen dieser Poren können verheerend sein. Wenn beispielsweise die Nickelschicht als Korrosionsschutz auf Stahl eingesetzt wird, so bildet sich an dieser Stelle verstärkt Korrosion und das gefertigte Produkt ist aller Voraussicht nach zu verwerfen. Daneben führt der Verbrauch an H3O+-Ionen zu einer Anhebung des pH-Wertes in unmittelbarer Nähe der Elektrode. Die Anhebung führt aber zur Bildung von Nickelhydroxid, welches dann direkt auf der Elektrodenoberfläche aus der Lösung ausfällt: Ni2 2
OH ! Ni
OH2
4
Die Folge ist ein matter und unansehnlicher Niederschlag. Um dieses zu vermeiden, ist in dem Elektrolyten zusätzlich ein „Puffer“ enthalten, der bei einer Abnahme des pH-Wertes Protonen bindet und bei einer Zunahme des pH-Wertes Protonen freisetzt. In der elektrolytischen Nickelabscheidung wird gerne Borsäure verwendet, um die Nickelhydroxid-Fällung zu unterdrücken.
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114
Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
Abb. 2 Galvanisch vernickeltes Stahlblech mit einer Auflage von mehreren hundert Mikrometern. Deutlich sind die durch Wasserstoffblasen hervorgerufenen Vertiefungen auf der beschichteten Fläche zu erkennen. Die erhöhten Stromdichten im Rand- und Kantenbereich führen zu einem erhöhten „Kantenaufbau“ und zu einem matten Erscheinungsbild aufgrund einer Überschreitung des Arbeitsbereiches des Elektrolyten
Um lokale Positionen mit unzureichenden Mengen und Anreicherungen an Ionen zu vermeiden, ist es erforderlich, für einen hinreichenden Elektrolytaustausch auf der Oberfläche zu sorgen. Dies geschieht durch eine kontinuierliche Umwälzung des Elektrolyten über Pumpen oder durch Lufteinblasung. Darüber hinaus wird im Allgemeinen die Ware im Elektrolyten bewegt, sodass eine Relativbewegung zwischen dem Elektrolyten und der Ware sichergestellt ist. Letztlich ist noch für eine gute Leitfähigkeit des Elektrolyten zu sorgen. Hierzu werden dem Elektrolyten zusätzliche Ionen zugesetzt, welche den elektrischen Strom gut leiten. Im Falle des Nickels werden z. B. Chloridionen in den Elektrolyten mit eingebracht. Um nun den Ionenaustausch noch weiter zu erleichtern, wird die Temperatur des Elektrolyten angepasst und, um die Benetzung der zu beschichtenden Ware sicherzustellen, ein Netzmittel zum Elektrolyten gegeben. 2.1
Die Struktur galvanischer Nickelschichten
Die Struktur der abgeschiedenen Nickelschichten kann durch eine Veränderung der Elektrolytzusammensetzung beeinflusst werden. Bei Zusatz von bestimmten organischen Substanzen wird das Kristallwachstum in bestimmte Richtungen behindert. Dies führt dazu, dass das Kristallwachstum nicht in Richtung der Feldlinien des elektrischen Feldes erfolgt, woraus ein kolumnarer Schichtaufbau resultieren würde, sondern dass die Kristalle bevorzugt senkrecht zu dieser Richtung wachsen, woraus eine lamellare Struktur resultiert (Abb. 3). Dadurch ergibt sich eine gleichmäßigere Oberfläche, wodurch ein glänzendes Erscheinungsbild erreicht wird. Diese Zusätze werden auch „Glanzzusätze“ und die Elektrolyte „Glanzelektrolyte“ genannt.
2 Die Grundlagen der Galvanotechnik am Beispiel der Nickelabscheidung
Abb. 3 Darstellung des komplexen Schichtaufbaus einer Autozierleiste. Deutlich ist der lammellare Aufbau der Glanznickelschicht zu erkennen
Eine weitere Variante um das Erscheinungsbild der Beschichtungen zu beeinflussen, besteht darin, zu dem Elektrolyten andere organische Zusätze hinzuzugeben, die zu einer Einebnung der rauhen Oberfläche führen. Bei diesen Zusätzen wird der Mechanismus so erklärt, dass die Oberfläche in der Richtung des angelegten elektrischen Feldes mit organischen Materialien belegt wird, wodurch ein Wachstum der Schicht in diese Richtung behindert wird. Das Ergebnis ist eine wesentlich glattere Oberfläche. Die dem Elektrolyten zugesetzten organischen Substanzen werden an den Elektroden zersetzt und die Abbauprodukte der Substanzen teilweise mit in die Schicht eingebaut. Je nach zugesetzter Substanz, angelegter Stromdichte, Temperatur und pHWert werden unterschiedliche Mengen an Kohlenstoff und Schwefel mit in die Schicht eingebaut. Die Menge an eingebautem Schwefel beträgt je nach verwendeten Abscheideparametern und Elektrolyttyp ungefähr 300 bis 500 ppm. Die Menge an Kohlenstoff ist im Allgemeinen geringer und beträgt etwa 150 bis 300 ppm (jeweils bezogen auf die Masse). Je nach dem Kohlenstoffgehalt und insbesondere dem Schwefelgehalt kann sich das Korrosionsverhalten der Schichten vollständig verändern. So sind Schichten mit höherem Schwefelgehalt im Allgemeinen wesentlich unedler als Schichten mit niedrigerem Schwefelgehalt. Durch Kombination von verschiedenen Nickelschichten, die sich im Schwefelgehalt unterscheiden, kann die Korrosionsrichtung (flächige Korrosion oder Lochfraß) gezielt gesteuert werden. Typische Bezeichnungen für derartige Schichtkombinationen sind z. B. Duplex- und Triplenickelbeschichtungen. 2.2
Der Abscheidemechanismus
Zum Verständnis einer weiteren Möglichkeit, das Beschichtungsergebnis mit Nickel zu beeinflussen, soll im Folgenden auf den Abscheidemechanismus eingegangen werden: Bei der Abscheidung wird in einem ersten Schritt das Nickelion entladen und als noch nicht fest gebundenes Metallatom auf der Oberfläche abgeschieden. Erst
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Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
Abb. 4 Schematische Darstellung der Nickelabscheidung: Das Nickelion wird in einem ersten Schritt auf der Oberfläche entladen (links) und diffundiert im zweiten Schritt zu seiner endgültigen Position (rechts)
im zweiten Schritt sucht sich dieses Metallatom dann seinen festen Platz auf der Oberfläche (Abb. 4). Das allererste auf dem Substrat aufgebrachte Atom muss einen vollständig neuen Nickelkeim bilden, da noch keine Keime auf der Oberfläche vorhanden sind (Keimbildung). Das zweite, in unmittelbarer Nähe des ersten Atoms abgeschiedene Nickelatom hingegen hat bereits die Möglichkeit, entweder einen weiteren Keim zu bilden oder sich an den ersten Keim anzulagern und diesen zu vergrößern (Keimwachstum). Über die Beeinflussung der relativen Geschwindigkeiten von Keimbildung und Keimwachstum können Schichten mit vollständig unterschiedlichen Eigenschaften erhalten werden. Während eine hohe Keimwachstumsgeschwindigkeit kombiniert mit einer niedrigen Keimbildungsgeschwindigkeit zu wenigen, großen Kristalliten führt, führt eine hohe Keimbildungsgeschwindigkeit kombiniert mit einer niedrigen Keimwachstumsgeschwindigkeit zu vielen kleinen Kristallen. Bei der Erzeugung einer Schicht, die aus vielen kleinen anstatt aus einigen wenigen großen Kristalliten besteht, ist naturgemäß die Porigkeit wesentlich geringer, woraus ein verbesserter Korrosionsschutz resultiert. Die Schicht ist besser umformbar und verfügt über einen höheren Glanzgrad. Das Verhältnis zwischen der Keimbildungsgeschwindigkeit und dem Kristallwachstum lässt sich zum Beispiel über die Form des für die Abscheidung benutzten Stromes beeinflussen. Wird ein konstanter Gleichstrom angelegt, so neigen die neu abgeschiedenen Atome dazu, sich an die aktiven Kristallflächen der bereits vorhandenen Kristallite anzulagern. Wird der Strom jedoch kontinuierlich unterbrochen (bis zu einige hundert Mal pro Sekunde) so werden an willkürlichen Stellen immer wieder neue Kristalle gebildet und es werden wesentlich mehr und kleinere Kristalle erzeugt. Wird der Strom zusätzlich zu den Unterbrechungen auch noch kontinuierlich umgepolt, so werden aufgebaute „Spitzen“ der Beschichtung wieder aufgelöst, wodurch die Abscheidung wiederum gleichmäßiger erfolgt und Vertiefungen besser ausgefüllt werden. Dieses Verfahren wird insbesondere für die Kupferabscheidung auf Leiterplatten eingesetzt. Durch entsprechende Pulsformen ist es möglich, die Abscheidung so zu steuern, dass Bohrungen in den Leiterplatten von weniger als einem Millimeter Durchmesser vollständig mit Kupfer aufgefüllt und so die beiden Oberflächen leitend miteinander verbunden werden.
2 Die Grundlagen der Galvanotechnik am Beispiel der Nickelabscheidung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass schon bei der Nickelbeschichtung, welche als relativ einfach angesehen werden kann, das Beschichtungsergebnis durch die grundsätzliche Wahl des Elektrolyten, das heißt, ob ein saurer, ein alkalischer oder ein Elektrolyt auf Sulfamatbasis eingesetzt wird, durch die Auswahl der Zusätze zu den Grundelektrolyten und durch die Auswahl der Stromform drastisch beeinflusst werden kann. Ähnliche Verfahrensvarianten werden auch bei der Abscheidung anderer Schichtelemente eingesetzt. Teilweise existieren hier sogar noch weitere Möglichkeiten wie beispielsweise Sudabscheidungen oder Zementationen. Hierauf näher einzugehen würde diesen Beitrag bei Weitem sprengen. Über die entsprechenden Schichtsysteme sind jeweils eigene Bücher geschrieben worden, auf die an dieser Stelle verwiesen wird. 2.3
Die Stromdichteverteilung
Ein wesentliches Kriterium für das Beschichtungsergebnis ist die Auflagenstärke. Die Menge an abgeschiedenem Nickel lässt sich sehr einfach berechnen: Bei einem Stromfluss von zwei Elektronen wird jeweils ein Nickelatom abgeschieden. Über das Faraday’sche Gesetz lässt sich sehr einfach das Abscheideäquivalent für Nickel ausrechnen. Dieses besagt, dass pro Amperestunde (Ah), welche auf das zu beschichtende Substrat aufgebracht wurde, eine Menge von 1,0947 Gramm Nickel abgeschieden wird. Dies gilt nur für den Fall, dass der gesamte aufgebrachte Strom zur Abscheidung von Nickel verwendet wird. Wie oben erläutert, geht aber ein Teil des Stroms für Nebenreaktionen wie z. B. der Zersetzung von Wasser verloren, so dass noch ein entsprechender Korrekturfaktor in die Gleichung mit eingebracht werden muss. Bei der Betrachtung der insgesamt abgeschiedenen Menge an Metall auf dem Substrat ist diese Berechnung zutreffend. Wird aber die praktisch erzielte Auflage gemessen, die ja proportional zur Menge an abgeschiedenem Metall ist, so werden oft sehr große Abweichungen zwischen der theoretisch berechneten und dem praktisch erzielten Wert festgestellt. Diese sind im Allgemeinen auf drastische Abweichungen in Bezug auf die Gleichmäßigkeit des Stromflusses an den verschiedenen Positionen zurückzuführen. An den Ecken und an den Kanten eines Werkstückes sind die Stromdichten, das heißt die Mengen an Elektronen, die pro Flächeneinheit fließen, um ein vielfaches höher als beispielsweise in der Mitte einer ebenen Oberfläche. Dementsprechend wird auf den Ecken und den Kanten des Substrats auch eine wesentlich größere Menge an Metall abgeschieden als in der Mitte einer planen Fläche (siehe Abb. 2). Ein unterschiedlicher Abstand der Kathode von der Anode, wie er z. B. bei ungleichmäßig geformten Werkstücken beobachtet wird, hat einen direkten Einfluss auf die Stromdichte an der betreffenden Position. Der Elektrolyt wirkt wie ein Widerstand und ein doppelt so großer Abstand der Elektroden voneinander führt dementsprechend bei gleicher angelegter Spannung zu einer Halbierung des Stromes. Dieser in der Praxis unerwünschte Effekt kann genutzt werden, um die Einstellung eines Elektrolyten zu überprüfen: Eine Kathode wird schräg zu einer Anode
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Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
eingespannt, so dass sich über die Breite des Bleches ein Stromdichtegefälle ergibt. Mit einer einzigen Abscheidung in einer so genannten „Hull-Zelle“ lässt sich das Beschichtungsergebnis aus einem Elektrolyten über einen weiten Stromdichtebereich überprüfen und anhand der Ergebnisse kann der Fachmann Rückschlüsse über eventuelle Über- oder Falschdosierungen in dem Elektrolyten ziehen und das Bad neu einstellen bzw. das Prozessfenster festlegen und die Produktionsbedingungen den geänderten Elektrolyt-Eigenschaften anpassen. 2.4
Die Außenstromlose Beschichtung am Beispiel des Nickels
Während bei den bisher beschriebenen Verfahren jeweils die Elektronen zur Reduktion der Metallionen von einem von außen angelegten Strom geliefert werden, stammen bei den „außenstromlosen“ Verfahren, wie der Name schon sagt, die Elektronen aus dem System selber. Dieses Verfahren wird daher auch „Autokatalytische Beschichtung“ oder „chemische Beschichtung“ genannt [6] Da bei diesem Verfahren kein Strom angelegt wird, können sich auch keine Feldlinien ausbilden. Die Folge davon ist, dass die Beschichtungsstärke im Gegensatz zu den oben beschriebenen Verfahren überall gleich groß ist und keine Kanteneffekte beobachtet werden (Abb. 5). In den Elektrolyten wird eine chemische Substanz mit eingebracht, welche in der Lage ist, Elektronen abzugeben und damit die in der Lösung befindlichen Metallionen zu reduzieren. Im Falle des Nickels wird zum Beispiel gerne auf das Hypophosphit zurückgegriffen: 3 Na
H2 PO2 3 H2 O Ni
SO4 ! 3 NaH2 PO3 Ni 2 H2
5
Abb. 5 Schematische Gegenüberstellung der Auflagenverteilung von chemisch abgeschiedenen Schichten (links) und elektrolytisch abgeschiedenen Schichten (rechts); entnommen aus [5]
2 Die Grundlagen der Galvanotechnik am Beispiel der Nickelabscheidung
Abb. 6 Schematische Darstellung des Reaktionsmechanismus der chemischen Nickelabscheidung mit Hypophosphit. Der Elektronentransfer vom Hypophosphit auf das Nickel verläuft über die Oberfläche des zu beschichtenden Substrates. Daher wird das Nickel auch auf das Substrat abgeschieden und fällt nicht in der Lösung aus
Die Abscheidung gelingt nur deshalb, weil die Elektronen nicht direkt an das Nickel abgegeben werden, sondern über die metallische Oberfläche des zu beschichtenden Werkstückes an das Nickel abgegeben werden (Abb. 6). Wäre dieses nicht der Fall, so würden die beiden Substanzen direkt in der Lösung miteinander reagieren und ein feines Nickelpulver entstehen. In einer Nebenreaktion zerfällt ein Teil des eingesetzten Hypophosphits zu Phosphoriger Säure und Phosphor: 3 Na
H2 PO2 ! NaH2 PO3 H2 O 2 NaOH 2 P
6
Gemäß der Reaktionsgleichung (6) wird neben elementarem Nickel auch elementarer Phosphor gebildet. Der Phosphor wird mit in die Nickelschicht eingebaut, und die Phosphormenge in der Schicht kann je nach pH-Wert, Temperatur und Zusammensetzung des Elektrolyten Werte zwischen 1 und etwa 14 Masseprozent annehmen. Dementsprechend haben autokatalytisch abgeschiedene Nickelschichten auch ganz andere Eigenschaften als die mit Strom abgeschiedenen Schichten. Bei einem Phosphorgehalt zum Beispiel von 14% ist die Schicht nicht mehr metallisch, sondern nimmt teilweise keramische Eigenschaften an. Der Ferromagnetismus des metallischen Nickels geht verloren. Aber auch andere physikalische Eigenschaften ändern sich dramatisch. So beträgt die Härte nach Vickers (HV) der zusatzfrei mit Strom abgeschiedenen Nickelschichten etwa 260 HV, die mit Strom und mit organischen Zusätzen erzeugten Schichten besitzen Härten von etwa 400 bis 500 HV und die außenstromlos abgeschiedenen Schichten Härten von ungefähr 600 bis 800 HV. Darüber hinaus wird das im Kristallgitter gelöst vorliegende Phosphor bei einer Temperaturbehandlung von etwa 1 Stunde bei etwa 400 8C als Nickelphosphid ausgeschieden, was zu einer weiteren Steigerung der Schichthärte führt [5]. Auf diesem Wege sind Härten von bis zu 1100 HV erreichbar, was etwa der Härte des so genannten „Hartchroms“ entspricht (Abb. 7). Auch die Schmelzpunkterniedrigung der Nickelschicht aufgrund des eingebauten Phosphors bringt Vorteile mit sich. Nickelschichten mit einem Phosphoranteil von 11% schmilzen schon bei 875 8C (Schmelzpunkt von reinem Nickel: 1453 8C), was ein Hartlöten der beschichteten Materialien erlaubt. Auf diesem Wege werden industriell Wärmetauscher hergestellt, um nur ein technisches Beispiel zu nennen.
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Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
Abb. 7 Darstellung der Härteänderung von Nickelschichten bei Temperaturbehandlung, entnommen aus [5]
3
Überblick über die Anlagentechnik
Im Wesentlichen sind derzeit drei verschiedene Verfahren im Einsatz, deren Unterschiede im folgenden Kapitel erklärt werden sollen: Die Gestelltechnik, das Trommelverfahren und die Bandgalvanik. Die beiden „exotischen“ Verfahren des Tampongalvanisierens und des „Glockenverfahrens“ sollen nur kurz erläutert werden. 3.1
Das Trommelgalvanisieren
Bei dem Trommelverfahren wird das zu beschichtende Material einfach als Schüttgut in eine Trommel eingebracht. Die Öffnung der Trommel wird mit einem Deckel verschlossen. Die Oberflächen der Trommeln sind mit Bohrungen oder Schlitzen versehen. Seitlich werden die Trommeln über ein Zahnradgetriebe angetrieben und gedreht. Die Trommeln werden an ein Gestell angebracht, mit welchem sie entweder automatisch mit einem Fahrwagen oder manuell mit der Hand oder einem Flaschenzug in die verschiedenen Behandlungslösungen eingebracht werden. Der elektrische Kontakt des Schüttgutes erfolgt entweder durch Kontaktstellen, die im Inneren der Trommel auf der Oberfläche angebracht sind, oder durch ein isoliertes Kabel, welches durch eine seitliche Öffnung in das Innere der Trommel
3 Überblick über die Anlagentechnik
Abb. 8 Kleine Galvanisiertrommel für Laborversuche. Auf der linken Seite ist das Zahnradgetriebe für den Antrieb zu erkennen. Im Inneren ist der elektrische Kontakt zu sehen
führt (Abb. 8). Das Schüttgut, das etwa ein Drittel der Trommel ausfüllen sollte, ist bei diesem Verfahren selber elektrisch leitfähig und leitet den Strom in der Trommel weiter. Die Gegenelektroden befinden sich normalerweise außerhalb der Trommeln. Die elektrischen Feldlinien dringen durch die Bohrungen bzw. durch die Schlitze in das Innere der Trommel ein. Dies führt dazu, dass lediglich die äußeren etwa 2 bis 3 cm des Schüttgutes mit Strom beaufschlagt werden. Die weiter innen im Schüttgut liegenden Werkstücke werden von den äußeren Werkstücken abgeschirmt und nicht mit Strom beaufschlagt. Auch bei einigen Sonderanfertigungen, bei denen die Anoden innerhalb der Trommel angebracht sind, werden nicht alle Werkstücke in der Trommel gleichzeitig dem elektrischen Strom ausgesetzt. Dies kann schlimmstenfalls zur Passivierung der nicht sofort dem Strom ausgesetzten Teile führen. Damit alle Teile im Mittel gleichmäßig beschichtet werden und ein Elektrolytaustausch innerhalb der Trommel gewährleistet ist, wird die Trommel in den Behandlungslösungen gedreht. Hierdurch werden die Werkstücke in der Trommel kontinuierlich umgewälzt, so dass alle Werkstücke einmal unten und einmal oben liegen und gleichmäßig mit Strom beaufschlagt werden. Durch diese Behandlung werden aber Relativbewegungen und Schläge der Werkstücke untereinander hervorgerufen, welche einen negativen Einfluss auf die Oberflächenqualität haben. Daher werden in der Trommel auch nur Werkstücke galvanisiert, die entweder so klein und leicht sind, dass die ausgeübten Schläge die Oberfläche nicht beeinflussen (z. B. Knöpfe), oder die im Hinblick auf die
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Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
Oberfläche als weniger kritisch einzustufen sind (z. B. Schrauben und elektrische Kontakte). Das Trommelgalvanisieren erlaubt aber das kostengünstige Beschichten von so genannten „Massenwaren“. 3.2
Das Gestellgalvanisieren
Bei Oberflächen, deren Erscheinungsbild als sehr kritisch anzusehen ist, wie zum Beispiel bei Zierleisten, Wasserhähnen oder Duschbrausen, wird auf die so genannte Gestelltechnik zurückgegriffen. Bei diesem Verfahren werden die Werkstücke auf Gestelle aufgebracht und dann zusammen mit den Gestellen in die Behandlungslösungen eingebracht. Die Gestelle werden nach dem Eintauchen in den Prozessbädern als Ganzes unter Strom gesetzt. Um aber eine Beschichtung nur auf den Waren und nicht auf den Gestellen zu ermöglichen, sind die Gestelle entsprechend chemikalienbeständig und nicht leitend beschichtet. Lediglich die Kontakte, an die die Werkstücke aufgehängt werden, sind nicht isoliert und gewährleisten damit den Übergang des Stroms auf die zu beschichtenden Werkstücke (Abb. 9). Die Gestelle und die Ware werden bei diesem Verfahren in den Elektrolytlösungen bewegt, um sicherzustellen, dass auf den Oberflächen ein ausreichender Elektrolytaustausch herrscht. Der Anordnung der zu beschichtenden Werkstücke zueinander auf dem Gestell kommt hier eine enorme Bedeutung zu: In einem idealisierten Zustand kann das gesamte Gestell als eine Fläche gesehen werden, die entsprechend den sich ausbildenden Feldlinien beschichtet wird. Dementsprechend ist die Auflage der Wa-
Abb. 9 Technikumsgalvanik der IGOS-GmbH mit Gestell
3 Überblick über die Anlagentechnik
ren, die sich an den Seiten befinden, höher als die der Werkstücke, die sich im inneren Bereich des Warenträgers befinden. Eine Möglichkeit dieser Problematik zu begegnen ist, die Fläche in den Außenbereichen zu verringern, z. B. indem in den Außenbereichen weniger Werkstücke aufgehängt werden als im Innenbereich des Warenträgers. Dadurch können die Abweichungen zwar verringert, aber nicht endgültig ausgeglichen werden. Um das gesamte System noch weiter zu komplizieren, handelt es sich bei den zu beschichtenden Werkstücken im Normalfall nicht um eine Komponente mit einer planen Fläche, sondern um ein dreidimensionales Gebilde. Dieses besitzt nicht nur Flächen, die planparallel zur Gegenelektrode stehen, sondern auch Flächen, die senkrecht dazu stehen, die der Gegenelektrode abgewandt oder gar durch andere Teile des zu beschichtenden Werkstückes abgeschirmt sind. Bei abgeschirmten Flächen hilft im Allgemeinen nur der Einsatz von so genannten Hilfselektroden, die in unmittelbare Nähe des Werkstückes angebracht werden und die Stromdichte in bestimmten Regionen gezielt erhöhen oder Abblendungen einzusetzen, die die Stromdichte gezielt in bestimmten Regionen reduzieren. Beide Verfahren verteuern das Produkt naturgemäß erheblich. Es ist grundsätzlich zu überlegen, welche Flächen für das beschichtete Endprodukt relevant bzw. absolut irrelevant sind und dementsprechend die Gestelle derart zu bauen, das bevorzugt auf diesen Flächen ein optimales Beschichtungsergebnis erzielt wird. Idealerweise sollte bereits bei der Entwicklung des Endproduktes die Beschichtung berücksichtigt werden. Durch kleine Änderungen in der Konstruktion, wie z. B. der Verlängerung von Abdeckungen um einige Millimeter und dem Vermeiden von Sacklöchern, können große Probleme beim Galvanisieren drastisch reduziert werden.
3.3
Das Bandgalvanisieren
Das Bandgalvanisieren ist streng genommen eine Sonderform des Gestellgalvanisierens, welche aufgrund einiger Besonderheiten als eigenes Verfahren kurz vorgestellt werden soll. Anstatt die zu beschichtenden Materialien auf ein Gestell zu hängen und einzeln zu beschichten wird bei diesem Verfahren das zu beschichtende Substrat als „Band“ durch die Anlage gezogen und direkt beschichtet (Abb. 10). Dabei durchläuft es mehrere nacheinander geschaltete Tanks mit verschiedenen Behandlungslösungen. Als Folge daraus kann das Material in einzelnen Lösungen nicht länger verweilen als in anderen, da alle Behälter mit der gleichen Geschwindigkeit durchfahren werden. Dementsprechend kann die Behandlungsdauer bei den einzelnen Prozessstufen nur über die Behälterlänge bzw. über die Anzahl an nacheinander geschalteten Behältern eingestellt werden. Die Anzahl an Behandlungstanks kann über 50 betragen. Damit das Substrat nicht jedes Mal neu in die Anlage eingefädelt werden muss, wird das neue Material direkt an das vorhergehende Band angeklebt oder ange-
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Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
Abb. 10 Bandgalvanik der Hille & Müller GmbH, Corus Special Strip, Düsseldorf
schweißt und die Schweiß- bzw. Klebestelle anschließend aus dem beschichteten Material herausgeschnitten und verworfen. Eine logische Folge der Anpassung der gesamten Anlagenauslegung an das Substrat und an das Produkt ist, dass ein Wechsel zu einem neuen Produkt im Allgemeinen mit einem vollständigen Umbau der Anlage einhergeht. Ein Vorteil dieser Technik ist, dass sehr hohe Bandbreiten und damit sehr große Flächen mit konstanter Qualität beschichtet werden können. Wenn es sich um plane Bänder handelt, kann der Kathoden-Anodenabstand sehr gering gehalten werden, wodurch ein relativ konstantes Beschichtungsergebnis über die Breite erreicht wird. Da alle Stellen des Materials in Bezug auf die Bandlänge mit gleicher Geschwindigkeit und Verweildauer die gleichen Positionen in der Anlage durchlaufen, ist das Beschichtungsergebnis sehr reproduzierbar und konstant. Bei der Bandbeschichtung sind darüber hinaus extrem hohe Durchsatzmengen erzielbar. Dies senkt die Preise für die Beschichtung um ein Vielfaches gegenüber der Beschichtung eines Einzelteils. Aufgrund der wesentlich besseren Auflagenverteilung ist es darüber hinaus möglich, mit wesentlich weniger Schichtmaterial ein zur Stückveredelung äquivalentes Ergebnis zu erzielen. Bei entsprechender Anlagentechnik oder wenn das Band entsprechend in der Anlage geführt wird, ist es zusätzlich möglich, z. B. durch lediglich halbes Eintauchen des Substrates in die Behandlungslösungen eine partielle Beschichtung preisgünstig durchzuführen. Dieses Verfahren wird beispielsweise bei dem Vergolden von Steckkontakten großtechnisch eingesetzt. Die Kontakte werden aus einem Band vorgestanzt, aber nicht vollständig getrennt, sodass diese noch als „Band“ durch die Anlage gezogen werden können.
3 Überblick über die Anlagentechnik
Als Basismaterialien kommen alle als „Band“ zur Verfügung stehenden Materialien in Frage, egal ob es sich um metallische Substrate, wie Stahl, Kupfer oder Aluminium handelt oder um eine Kunststofffolie wie zum Beispiel Polyanilin. Ein nicht unbedeutender Nachteil der Bandgalvanik, der dieses Beschichtungsverfahren für viele Anwendungen verbietet, ist, dass kein Endkunde Interesse an einem beschichteten Coil mit Gewichten von teilweise mehr als 10 Tonnen und einer Länge von über 700 Metern hat. Das Material wird ausschließlich als Vormaterial für eine weitergehende Verarbeitung eingesetzt, bevor es als Haube für einen Toaster, als Heizplatte für eine Kaffeemaschine, als elektrischer Kontakt, als Bierdose, als Ziffernblatt für eine Uhr oder als Motorhaube eines Automobils an den Endkunden vertrieben wird. Die notwendigen Bearbeitungsschritte, um zu diesem Endprodukt zu gelangen, sind mit einer Materialtrennung verbunden. Diese Schnittkanten sind naturgemäß nicht beschichtet und einem möglichen Korrosionsangriff ungeschützt ausgesetzt, weshalb der Einsatz von vorbeschichtetem Material für viele Anwendungen nicht möglich ist. 3.4
Das Tampongalvanisieren
Technisch gesehen ist das Tampongalvanisieren ein sehr wichtiges Verfahren, welches aber in Bezug auf die Menge gegenüber den vorher genannten Verfahren zu vernachlässigen ist. Es ist daher wesentlich weniger bekannt. Beim Tampongalvanisieren wird ein Schwamm mit den Behandlungslösungen getränkt und dann auf die zu beschichtende Stelle gedrückt. Für den eigentlichen Beschichtungsprozess wird auf der Rückseite des Schwammes eine Gegenelektrode aufgebracht und Strom an das zu beschichtende Werkstück und an die Gegenelektrode angelegt. Wenn die Lösung im Schwamm verbraucht ist, so ist sie entweder durch Umpumpen oder durch erneutes Eintauchen des Schwammes in die Behandlungslösung zu erneuern. Dieses Verfahren ist sehr aufwendig. Es können keine großen Stückzahlen produziert werden. Es ist ideal geeignet, um bei großen und nicht zu transportierenden Maschinenteilen Reparaturarbeiten durchzuführen, da die Elektrolysezellen zum Substrat gebracht werden und nicht das Substrat zu den benötigten Elektrolysezellen. 3.5
Das Glockengalvanisieren
Der Name ist relativ unbekannt, aber das Verfahren erfreut sich derzeit bei bestimmten Produkten steigender Beliebtheit. Abgesehen vom Tampongalvanisieren wird bei allen vorher genannten Verfahren das zu beschichtende Substrat von einem Elektrolytbehälter zum nächsten transportiert und dort entsprechend behandelt. Bei dem Glockengalvanisieren wird das Substrat in einen Behälter eingebracht, und die entsprechenden Behandlungslösungen nacheinander in diesen Behälter gepumpt.
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Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
Dieses Verfahren lässt sich bei einem produktionsintegrierten Beschichtungsverfahren mit großer Stückzahl einsetzen, wie z. B. dem Hartverchromen von Ventilen. 4
Überblick über die einzelnen Verfahrensschritte des Galvanisierens
Während bisher nur der Abscheidungsmechanismus und die Anlagentechnik diskutiert wurden, soll im folgenden Kapitel nun das Gesamtverfahren diskutiert werden. Unabhängig von der eingesetzten Technik ist die Behandlungsabfolge für definierte Substrate und Schichtsysteme vergleichbar. 4.1
Entfetten
Im Normalfall sind alle zu beschichteten Werkstücke in irgendeiner Form vorbehandelt und dementsprechend die Oberflächen mit Schmierfetten, Ziehölen, Walzölen oder einfach nur mit Korrosionsschutzölen verunreinigt, die entsprechend zu entfernen sind. Hier werden, wenn nicht ein Spezialverfahren für spezielle Öle eingesetzt wird, grundsätzlich zwei Verfahren eingesetzt: Das Entfernen mit einer heißen, alkalischen Lösung, einer so genannten „Abkochentfettung“ und das Entfetten mit einer alkalischen Lösung mit Stromunterstützung, der so genannten „Elektrolytischen Entfettung“. Häufig werden die Verfahren auch nacheinander eingesetzt. Bei der Abkochentfettung erfolgt das Ablösen des Öls einfach durch Lösen in der Entfettung bei hohen Temperaturen mit Tensiden wie beim normalen Abwaschen in der Küche. Allerdings fehlt hier meist die mechanische Unterstützung, also die Bürste. Hier hilft die elektrolytische Entfettung: Durch den Strom wird Wasser zersetzt und an dem anodisch oder kathodisch geschalteten Werkstück entsteht Sauerstoff oder Wasserstoff. Die so entstehenden Blasen „sprengen“ die Schmutzpartikel von der Oberfläche des Substrates ab. Danach können sie von den in der Lösung vorhandenen Tensiden umschlossen und von der Oberfläche wegtransportiert werden. 4.2
Die Aktivierung oder Dekapierung
Im nächsten Schritt sind eventuell auf der Oberfläche noch vorhandene Oxide und anorganische Bestandteile zu entfernen. Dies geschieht durch Beizen in einer auf das Basismaterial abgestimmten Säure. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass das Zeitfenster bei diesem Prozess nicht überschritten wird, da sonst das Basismaterial angegriffen wird. Es darf aber auch nicht unterschritten werden, da sonst die Oxidschicht nicht vollständig entfernt wird, was zu einer unzureichenden Haftung des Schichtmaterials auf dem Substrat führt. Der Angriff des Basismaterials kann durch so genannte „Sparbeizzusätze“ oder „Inhibitoren“ reduziert werden. Das sind Zusätze, die den Angriff der Beize auf
4 Überblick über die einzelnen Verfahrensschritte des Galvanisierens
die Oxide nicht behindern, aber die metallischen Oberflächen passivieren und vor einem weiteren Angriff schützen. 4.3
Die „Verschleppung“
An dieser Stelle soll ein kurzer Einschub in die Problematik der „Verschleppung“ erfolgen, die für die gesamte Prozesskette immer wieder eine große Herausforderung an die Prozessführung darstellt: Typischerweise handelt es sich bei Entfettungen um alkalische Lösungen während Aktivierungen im Allgemeinen sauer sind. Wird nun das zu beschichtende Material aus der Entfettung heraus in die Lösung zur Aktivierung eingebracht, so befinden sich immer noch Reste aus dem vorhergehenden Behandlungsschritt auf der Oberfläche des zu beschichtenden Werkstückes und ein Teil der Lösung aus der Entfettung wird in die Aktivierung „verschleppt“. Im schlimmsten Fall werden schöpfende Gegenstände wie z. B. Hohlkörper, die an einer Seite geschlossen sind (Dosen, Deckel oder Kappen), beschichtet. Es ist praktisch unmöglich, die Lösungen aus diesen Gegenständen vollständig zu entfernen. Als Folge wird immer ein Teil der jeweiligen Behandlungslösung in die nachfolgende Lösung verschleppt. Darum wird bei der Planung einer Galvanisieranlage zwischen den einzelnen Prozessstufen immer mindestens eine Spüle eingeplant. Idealerweise werden dann Volumenverluste aus den Behandlungslösungen aufgrund von „Verdampfen“ aus dieser Spüle aufgefüllt, wodurch ein Teil der ausgeschleppten Aktivsubstanz in den Prozessschritt zurückgeführt wird. 4.4
Beschichten von passiven Materialien wie Edelstahl und Aluminium
Nach der Aktivierung müssen, um eine ausreichende Haftung zu gewährleisten, alle Oxide von der Oberfläche entfernt sein. In der Praxis ist es oft notwendig, Materialien zu beschichten, die sich noch vor dem nächsten Behandlungsschritt durch bloßes Eintauchen in Wasser sofort mit einer neuen Oxidschicht überziehen. Als Beispiele hierfür sind das Aluminium, das Magnesium und Cr/Ni-Edelstähle zu nennen. Hier ist eine spezielle Aktivierung notwendig Zum Beschichten von Edelstahl wird ein spezielles Nickelbad benutzt, das einen extrem niedrigen pH-Wert und eine sehr hohe Chloridkonzentration aufweist, der so genannte „Woods-Elektrolyt“, der häufig auch nur „Strike-Nickel“ oder „Anschlagnickel“ genannt wird. Die Chloridkonzentration in diesem Elektrolyten ist derart hoch, dass die Passivschicht des Edelstahls zerstört wird. Dort, wo die Passivschicht zerstört ist, wird eine dünne Nickelschicht abgeschieden, auf der weiter beschichtet wird. Die Stromausbeute dieses Elektrolyten liegt lediglich in einer Größenordnung von etwa 5%. Die verbleibenden 95% des Stromes werden dazu verwendet, Wasserstoff zu produzieren. Um Strom zu sparen, wird nur eine sehr geringe Auflage aus dem „NickelStrike“, abgeschieden, und mit einem Standard-Elektrolyten weiter beschichtet.
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Einführung in die galvanotechnischen Beschichtungsverfahren
Bei dem Beschichten von Aluminium wird eine ähnliche Technik angewandt. Allerdings wird dort auf eine „Zinkatbeize“ zurückgegriffen, die die Aluminiumoxidschicht angreift und zerstört. Auf dem Aluminium-Basismaterial „zementiert“ sofort eine dünne Zinkschicht, die das Basismaterial schützt und auf die das weitere Schichtsystem aufgebaut wird. 4.5
Zusammenfassung zur Vorbehandlung
Im Anschluss an die Vorbehandlung, die aus dem Reinigen und dem Konditionieren der Materialien besteht, findet die eigentliche Abscheidung der galvanisch aufzubringenden Schichten statt. Wird die Vorbehandlung nicht ordnungsgemäß durchgeführt, so sind Beschichtungsfehler vorprogrammiert. Reste von nicht leitenden Materialien auf der Oberfläche führen an den betreffenden Positionen unweigerlich zu Löchern in der Schicht, da hier keine Schicht abgeschieden wird. Unzureichend entfernte Oxidschichten leiten den elektrischen Strom zwar unter Umständen, aber die Haftung der Beschichtung ist unzureichend. Viele Beschichtungsfehler liegen ursächlich in einer unzureichenden Vorbehandlung begründet, weshalb dieser Verfahrensschritt in der gesamten Prozesskette entsprechend beachtet werden sollte.
5
Mikrostrukturierung und Galvanoforming
Obwohl sich diese beiden Verfahren verselbstständigt haben, beruhen beide auf ähnlichen Verfahren: Im Falle des „Galvanoforming“ wird ein Basismaterial, z. B. ein in Leitsilber getauchter Wachskörper, kontaktiert und zum Beispiel mit einer Schicht aus Gold überzogen. Danach kann der Wachskörper aus dem Werkstück herausgeschmolzen werden. Dadurch entsteht ein exaktes Abbild des aus Wachs geformten Körpers. Auf diesem Wege werden beispielsweise Schmuckstücke aus Gold hergestellt. Alternativ ist es möglich, den entstandenen Hohlkörper aufzuschneiden und als Form zur Herstellung weiterer Abdrücke zu benutzen, die absolut identisch mit dem ursprünglichen Wachskern sind. Ein vollständig anderer Weg zur Herstellung kleiner Strukturen ist die so genannte LIGA-Technologie. Bei dieser Technik wird ein leitfähiges Substrat mit einem fotosensitiven Film lackiert. Durch eine Schablone wird im nächsten Schritt der lichtempfindliche Film belichtet. Die belichteten Bereiche des Films können in einem entsprechenden Lösemittel aufgelöst werden, während die anderen Bereiche nicht angegriffen werden. Im darauf folgenden Schritt wird auf den freigelegten Bereichen Kupfer oder Nickel abgeschieden. Wird nun der verbliebene Lack in einem anderen Lösungsmittel entfernt, so wird eine Geometrie erhalten, die von der Kontur her exakt dem Abbild auf der Schablone entspricht.
7 Literatur
Durch Ablösen des hergestellten Werkstücks vom Basismaterial wird anschließend ein galvanisch hergestelltes Werkstück im Mikrometerbereich erhalten.
6
Zusammenfassung
Die in diesem Beitrag beschriebenen Grundlagen der Galvanotechnik können lediglich einen ersten Einblick in die grundlegenden Techniken vermitteln. Vom Grundsatz her sind alle „Galvanotechnischen Verfahren“ ähnlich aufgebaut, aber es gibt eine Vielzahl an Besonderheiten, auf die hier nicht im einzelnen eingegangen werden kann und für die auf die einschlägige Literatur verwiesen wird. Ein besonderer Aspekt der Galvanotechnik, der in nächster Zukunft vermutlich das Anwendungsfeld dieser Beschichtungstechnik weiter ausweiten wird, ist die Möglichkeit, dem Elektrolyten bestimmte Partikel oder Substanzen beizumengen, die entweder das Erscheinungsbild und die Haptik der abgeschiedenen Schichten dramatisch beeinflussen (Perlglanznickel; Alu-Look), oder die die Schichteigenschaften wie zum Beispiel das Abriebverhalten vollständig verändern. Ob die galvanotechnische Abscheidung von Aluminium und anderen unedlen Metallen, die aus aprotischen, organischen Lösungsmitteln abgeschieden werden, sich im Vergleich zu den physikalischen Verfahren durchsetzen werden, wird die Zukunft zeigen. Grundsätzlich ist es jedenfalls auch möglich, unedle Substanzen wie z. B. das Lithium galvanisch als Beschichtung aufzubringen. Die Mikrostrukturierung ist in einer Zeit, wo der Trend hin zur Miniaturisierung sämtlicher Bauteile unübersehbar ist, eine Möglichkeit der kostengünstigen Herstellung kleinster Maschinen- und Bauteilkomponenten. Daher ist die Bezeichnung eines „modernen Beschichtungsverfahrens“ auch heute noch für die über 150 Jahre alte Technik des Galvanisierens durchaus richtig.
7
Literatur 1 Brugger, R. Die galvanische Vernicklung, 2
3
4 5
Leuze Verlag, Saulgau, (1984) Gaida, B.; Aßmann, K.: Technologie der Galvanotechnik, Leuze Verlag. Saulgau, 1. Auflage 1996 Gebauer, K.: Über einige Entwicklungslinien der angewandten Galvanotechnik in Deutschland, in: Galvanotechnik Jg. 68, 1977, S. 5–22 Jelinek, T. W.: Praktische Galvanotechnik, Leuze Verlag. Saulgau,5. Auflage 1997 Parkinson, R.: Properties and applications of elektroless nickel, Nickel Development
Institute, NiDI Techical Series No. 10 081, London, 1997 6 Riedel, W.: Funktionelle chemische Vernickelung, Leuze Verlag, Saulgau, 1989 7 Strauch, A. et. al.: Galvanotechnisches Fachwissen, VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, 3. Auflage 1990 8 Suchentrunk, R. et. al.: Kunststoff Metallisierung – Handbuch für Theorie und Praxis, Leuze Verlag. Saulgau, 1. Auflage 1991
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Grundlagen der thermischen Spritztechnik, Flammund Lichtbogenspritzen Z. Babiak, T. Wenz, Institut für Werkstoffkunde, Universität Hannover
1
Einleitung
In der modernen Oberflächentechnik nimmt die thermische Spritztechnik laut einer empirischen Erhebung des Instituts für Wissenschaftstransfer und wissenschaftliche Weiterbildung (IfW) im Jahr 2000 den vierten Rang hinter Galvano-, Lackiertechnik und Diffusionsverfahren zur Wärmebehandlung ein und liegt damit vor PVD-/CVD- und Auftragschweißverfahren [1]. Diese Platzierung ist Ausdruck eines starken Wachstums der thermischen Spritztechnik bei kleineren und mittleren Unternehmen in Deutschland. Dies ist sicherlich auch darin begründet, dass die thermischen Spritzverfahren die vornehmliche Zielsetzung der oberflächentechnischen Behandlung laut Studie, nämlich Korrosions- und Verschleißschutz, bedienen. Nach den Ergebnissen der Erhebung werden in Unternehmen hauptsächlich Flammspritzverfahren angewendet (30%), gefolgt von Plasma- und Lichtbogenspritzen (je 20%) und dem Hochgeschwindigkeitsflammspritzen mit 15%. Das Potenzial thermischer Spritzverfahren neue Märkte zu erschließen wird in der Studie als hoch eingeschätzt, da nach Meinung der Unternehmen diese Technik auf Rang drei der künftig neu einzusetzenden Verfahren platziert ist.
2
Grundlagen der thermischen Spritztechnik
Die thermische Spritztechnik bietet Verfahren zum Beschichten von Bauteilen mit verschiedensten Werkstoffen zum Schutz gegen Verschleiß, Korrosion, zur Wärmedämmung, zum Erzielen von elektrischen oder magnetischen Eigenschaften u.v.m. Das zu Grunde liegende Prinzip sowie die Definition des thermischen Spritzens wird in der DIN EN 657 festgelegt [2]. Der Spritzwerkstoff, in Pulver, Draht- oder Stabform, wird einer energiereichen Wärmequelle innerhalb oder außerhalb eines Spritzgerätes zugeführt und darin an-, auf-, abgeschmolzen oder für eine geeignete Plastifizierung nur aufgeheizt. Durch einen Gasstrom werden die Partikel in Richtung auf das Substrat beschleunigt, auf dem sie sich schichtbildend niederschlagen (Abb. 1). Das Substrat unterliegt während des Beschich-
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Grundlagen der thermischen Spritztechnik, Flamm- und Lichtbogenspritzen
Abb. 1 Prinzip des thermischen Spritzens
tungsprozesses in der Regel nur einer geringen thermischen Belastung und wird nicht aufgeschmolzen. Die Verfahren des thermischen Spritzens können, in Anlehnung an die DIN EN 657, nach der Art der Wärmequelle eingeteilt werden, wie in Abb. 2 dargestellt. Die am weitesten verbreiteten Verfahren sind das Flammspritzen, das Hochgeschwindigkeitsflammspritzen, das Lichtbogenspritzen und das Plasmaspritzen. Das Kaltgasspritzen ist das aktuellste Verfahren, das derzeit an der Schwelle zum Stand der Technik steht. Als wesentliche Vorteile der thermischen Spritzverfahren sind zu nennen: · es sind Schichten aus nahezu allen Werkstoffen herstellbar (Metalle, Keramik, Cermets, Kunststoffe) · geringe thermische Belastung des Bauteils · lokale sowie verstärkte Beschichtungen sind möglich · Verfahren sind auch auf der Baustelle einsetzbar · es können nahezu alle Werkstoffe beschichtet werden · hohe Auftragsraten (Schichtdicke 20 lm – mehrere mm) 2.1
Aufbau thermisch gespritzter Schichten
Die Eigenschaften einer Spritzschicht werden maßgeblich von den Spritzbedingungen und vom verwendeten Spritzwerkstoff beeinflusst. Der Schichtaufbau und die Schichtstruktur der gespritzten Schicht bestimmen den Charakter und die Eigenschaften des Systems Schicht-Substrat. Die Spritzschicht baut sich durch den Aufprall von einzelnen Spritzpartikeln auf, die sich fladenförmig auf der Substratoberfläche verformen bzw. ausbreiten und durch Wärmeabgabe an das Werkstück erstarren (Abb. 3). Thermisch gespritzte Schichten weisen meist eine lamellare Schichtstruktur auf und sind je nach eingesetztem Spritzverfahren und -werkstoff mehr oder weniger porös, mikrorissig, heterogen und anisotrop. Darüber hinaus enthalten sie nicht vollkom-
2 Grundlagen der thermischen Spritztechnik
Abb. 2 Einteilung der Verfahren des thermischen Spritzens nach Art der Energiequelle
men aufgeschmolzene oder vor dem Auftreffen auf die Substratoberfläche wieder erkaltete sowie mit Umgebungsgasen reagierte Partikel. Aufgrund der konzentrierten Wärmeinbringung in das Partikel und der Flugphase durch die umgebende Atmosphäre kann es durch folgende Reaktionen zu einer Veränderung der Zusammensetzung und der Struktur der gespritzten Schicht kommen [3]: · selektives Verdampfen einer Komponente · Reaktionen von Metallverbindungen (z. B. Zersetzung von Hartstoffen in Anwesenheit von O2) · Bildung nicht flüchtiger Metallverbindungen wie Oxide, Nitride und Hydride in Anwesenheit von O2, N2, H2 (insbesondere bei reaktiven Metallen) Von besonderer Bedeutung ist die oberflächliche Oxidation metallischer Spritzpartikel während ihrer Flugphase. Die sich bildenden Oxide sind mitverantwortlich für die Lamellenbildung der Spritzschicht. Hierdurch kann es z. T. zu einem Anwachsen der Schichthärte sowie der Verschleißbeständigkeit der Schicht kommen. Durch Verlegen des Spritzprozesses in eine Inertgasatmosphäre, z. B. Stickstoff oder Argon (abhängig vom Spritzwerkstoff), lässt sich, wie bereits angedeutet, insbesondere das Bilden von Metalloxiden verhindern. Die Eigenschaft der Substratoberfläche als ein wesentlicher Einflussfaktor auf die resultierende Schichthaftfestigkeit kann durch ein sorgfältiges Oberflächenvorbehandeln eingestellt werden. Die Substratvorbereitung geschieht entsprechend der DIN EN 13507 und setzt sich in der Regel aus den drei Arbeitsschritten Vor-
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Grundlagen der thermischen Spritztechnik, Flamm- und Lichtbogenspritzen
Abb. 3 Entstehen einer thermisch gespritzten Schicht
reinigen, Strahlen und Nachreinigen zusammen. Das Vorreinigen dient in erster Linie dem Entfernen von Öl und Fett sowie gegebenenfalls Farbresten auf der Oberfläche. Das Strahlen mittels Korund oder Hartgusskies (auch Stahldrahtschrot oder Siliziumkarbid) aktiviert, dekontaminiert und rauht die zu beschichtende Oberfläche effektiv auf, um die für das Wirken der beschriebenen Haftungsmechanismen notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Ein Aufrauhen der Substratoberfläche bedingt ein Erhöhen der freien Oberflächenenergie durch Zunahme der Leerstellenkonzentration, der Versetzungsdichte und der Häufigkeit der Stapelfehler infolge plastischer Verformungen in den oberflächennahen Zonen. Die Oberfläche wird außerdem vergrößert und bietet den auftreffenden Spritzteilchen die Möglichkeit der mechanischen Verklammerung [5]. Ein Nachreinigen z. B. durch ultraschallgestütztes Reinigen in Alkohol, entfernt auf der Oberfläche verbliebene Rückstände aus der Strahlbehandlung [6, 7]. 2.2
Haftung thermisch gespritzter Schichten
Die wesentlichen Kenngrößen für die Qualität einer thermisch gespritzten Schicht sind ihre Haftzugfestigkeit und ihre Kohäsion, d. h. auf der einen Seite
2 Grundlagen der thermischen Spritztechnik Tab. 1 Richtwerte für die Haftung thermisch gespritzter Schichten nach Spritzverfahren in MPa [11]
Verfahren
Spritzwerkstoff Eisenmetalle Nichteisenmetalle Selbstfließende Legierungen Keramiken Cermets
Drahtflamm- Pulverflamm- Lichtbogenspritzen spritzen spritzen (WFS) (PFS) (AS)
Plasma- Hochgeschwindigspritzen keitsflammspritzen (PS) (HVOF)
14 21 –
41 > 41 –
> 34 > 34 –
– –
> 21 55–69
– –
28 21 > 69 14–34 34–48
62 70 62 – > 83
die Anbindung der Schicht zum Substrat und auf der anderen Seite der Schichtzusammenhalt. Die Haftzugfestigkeit und die Kohäsion thermisch gespritzter Schichten können auf folgenden Phänomenen basieren: mechanische Verklammerung, Adhäsion, Ausnutzen der Oberflächenenergie, Diffusion und elektrostatische Kräfte [8–10] und adiabater Scherbandbildung bei modernen Hochgeschwindigkeitsverfahren, bei denen die Partikel im festen Zustand auf das Substrat auftreffen, wie dem Kaltgasspritzen [12]. Grundsätzlich treten diese Mechanismen immer kombiniert auf. Ihre Gewichtung ist einerseits stark abhängig von den Eigenschaften der Partikel, im Wesentlichen der Partikelgeschwindigkeit und der Partikeltemperatur und andererseits von den Substrateigenschaften (Werkstoff, Rauheit, Temperatur, usw.). Haftungswerte von thermisch gespritzten Schichten lassen sich aus diesem Grund nur als Richtwert angeben. Die tatsächlichen Haftungswerte sind von den jeweiligen Beschichtungsbedingungen abhängig. Tab. 1 zeigt eine Übersicht über generelle, mindestens erreichbare Haftungswerte für verschiedene Spritzverfahren und -werkstoffe [11]. Ein Überprüfen der Schichthaftung auf einem Substrat kann mittels Haftzugfestigkeitsprüfungen gemäß DIN EN 582 erfolgen. Dieser Versuch dient zum Ermitteln der Haftzugfestigkeit thermisch gespritzter Schichten bei Zugbeanspruchung senkrecht zur Haftfläche. Der Stirnzugversuch wird angewendet, um den Einfluss des Grundwerkstoffes und des Spritzwerkstoffes, der Vorbehandlung der Werkstückoberfläche und der Spritzbedingungen auf die Haftzugfestigkeit der Spritzschichten zu beurteilen oder um Metallspritzarbeiten zu überwachen [8, 14, 15].
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Grundlagen der thermischen Spritztechnik, Flamm- und Lichtbogenspritzen
3
Flammspritzen
Als Erfinder des Metallspritzverfahrens gilt Schoop, dem es 1912 in Zusammenarbeit mit Herkenrath gelang, mit einer Spritzpistole haftende metallische Schichten herzustellen [16]. Von den seinerzeit von Schoop entwickelten Geräten sind nur die Grundmerkmale erhalten geblieben. Moderne Spritzgeräte sind durch einen hohen Mechanisierungs- und Automatisierungsgrad gekennzeichnet und finden im Rahmen aktueller Fertigungsabläufe Anwendung. 3.1
Verfahren des Flammspritzens
Bei den Verfahren des Flammspritzens wird der Spritzwerkstoff durch eine Brenngas-Sauerstoffflamme aufgeschmolzen. Die verschiedenen Verfahrensvarianten ergeben sich aus der Art des verwendeten Spritzwerkstoffs. Beim Drahtflammspritzen (WFS) wird ein mit Hilfe eines regelbaren Vorschubs zugeführter Draht durch eine ihn konzentrisch umgebende Brenngas-SauerstoffFlamme abgeschmolzen. Mit Hilfe der expandierenden Verbrennungsgase und zusätzlicher Druckluft erfolgt das Aufschleudern des Spritzwerkstoffes in Form von geschmolzenen Partikeln auf die vorbehandelte Oberfläche des Grundwerkstoffs (Abb. 4). Als Brenngas dient hauptsächlich Acetylen, in vielen Fällen auch Propan oder Wasserstoff. Die Acetylen-Sauerstoff-Flamme erreicht eine Temperatur von 3160 8C, die Propan-Sauerstoff-Flamme 2850 8C und die Wasserstoff-SauerstoffFlamme 2660 8C. Das Substrat bleibt relativ kalt, da es der Flammenkegel bei gewöhnlichen Spritzabständen (Düsenvorderkante bis Werkstück), i. d. R. 100 und 200 mm, nicht erreicht. Eine zusätzliche Kühlung ermöglicht das Einstellen der Substrattemperatur zwischen Raumtemperatur und 250 8C. Als Spritzwerkstoffe kommen beim Drahtflammspritzen Massivdrähte, Fülldrähte oder Schnüre zum Einsatz [13, 17].
Abb. 4 Prinzip des Draht-, bzw. Stabflammspritzens
3 Flammspritzen
Abb. 5 Prinzip des Pulverflammspritzens
Das Stabflammspritzen weist prinzipiell das gleiche Funktionsprinzip wie das Drahtflammspritzen auf (Abb. 4). Es arbeitet jedoch mit stabförmigen, vorwiegend keramischen Spritzwerkstoffen. Auch dieses Verfahren bietet den Vorteil eines vollständig aufgeschmolzenen Spritzwerkstoffs. Partikel, die sich vom Stabende ablösen, befinden sich im flüssigen Aggregatzustand und sind i.d.R. nur gering überhitzt. Das Pulverflammspritzen ist ein Beschichtungsverfahren, bei dem der pulverförmige Spritzwerkstoff in einer Brenngas-Sauerstoff-Flamme geschmolzen und durch das Brenngas bzw. mit Unterstützung eines zusätzlichen Zerstäubergases auf die Werkstückoberfläche geschleudert wird (Abb. 5). Dieses Verfahren nimmt im Bereich des Flammspritzens den höchsten Stellenwert ein. Die Verwendung von pulverförmigem Spritzwerkstoff macht das Verfahren vielseitig und flexibel. Die häufigste Anwendung im Bereich des Pulverflammspritzens ist das Beschichten mit selbstfließenden Legierungen, die in einem ein- oder auch in einem zweistufigen Prozess aufgespritzt und umgeschmolzen werden. Im Bereich der Brennerentwicklung ist auch für Drahtflammpistolen ein Trend zu höheren Gas- und Partikelgeschwindigkeiten zu verzeichnen. Die so genannten Hochgeschwindigkeits-Drahtflammpistolen, wie die W 1000 der Firma Metatherm oder der Typ 216-Brenner der Firma Praxair, erreichen Partikelgeschwindigkeiten von mehr als 250 m/s. Sie unterscheiden sich hinsichtlich des Aufbaus grundsätzlich von HVOF-Brennern und dürfen mit deren Leistungsfähigkeit nicht verglichen werden. 3.2
Werkstoffe und Anwendungen
Die Spritzwerkstoffe werden bei den Flammspritzverfahren in Form von Massivdrähten, Fülldrähten, Schnüren (Flexdrähten), Stäben oder Pulver eingesetzt. Beim Drahtflammspritzen können folgende Werkstoffe eingesetzt werden: unlegierte-, niedriglegierte- und hochlegierte Stähle, Aluminium und Al-Legierungen, Kupfer und Cu-Legierungen, Zinn und Sn-Legierungen, Blei und Pb-Legierungen, Nickel und Ni-Legierungen, Zink und Molybdän. Drahtförmige Spritzwerkstoffe bieten den Vorteil der besseren Handhabung. Die Palette der in Drahtform herstellbaren Werkstoffe wird jedoch durch deren Sprödig-
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Grundlagen der thermischen Spritztechnik, Flamm- und Lichtbogenspritzen
Abb. 6 Querschliff von Fülldrähten: a) NiCrBSi-Falzdraht, b) NiAl-Röhrchendraht
keit begrenzt. Die Einführung der Fülldrähte eröffnet die Möglichkeit, z. B. auch Hartstoffe durch Flammspritzen zu verarbeiten. Ein Fülldraht besteht aus einem metallischen Mantel mit einer entsprechenden Pulverfüllung. Dabei muss zwischen Röhrchendraht, der durch Ziehen eines Metallröhrchens entsteht, und Falzdraht, dessen Herstellung durch Walzen eines Metallbandes erfolgt, unterschieden werden (Abb. 6). Bei der spritztechnischen Verarbeitung bietet der Röhrchendraht aufgrund seiner größeren mechanischen Stabilität Vorteile. Mit Hilfe des Fülldrahtspritzens lassen sich z. B. folgende Werkstoffkombinationen (Mantel/Füllung) verarbeiten: Metall/Metall, Legierungen (Ni/NiCrB), intermetallische Verbindungen (Al/Ti), Metall/Karbid (Co/WC), Metall/Borid (Al/B4C), Metall/Oxid (Al/Al2O3), Metall/Oxid/ Karbid (Al/Al2O3/Cr3C2), und Metall/Kurzfasern (Al/C-Kurzfaser) [18, 19]. Ähnliche Möglichkeiten wie die Fülldrähte bieten die für das Flammspritzen als Spritzwerkstoff erhältlichen Schnüre. Diese bestehen aus einem während des Spritzens verbrennenden Kunststoffschlauch, in dem sich das mit einem Kleber gebundene Spritzpulver befindet [13]. Mit dem Pulverflammspritzen lassen sich reine Metalle (Al, Cu, Ni, Zn, . . .), Legierungen (Stähle, NiCr, SnAl, . . .), Oxide (Al2O3, Cr2O3, Al2O3 + TiO2, . . .) umhüllte sowie gemischte und agglomerierte Karbide (WC/Co, Cr3C2/NiCr, TiC/Ni, . . .), und gemischte Pulver (NiCrBSi+WC/Co, . . .) verarbeiten [20–23]. Mit dem Stabflammspritzen lassen sich z. B. folgende Werkstoffe verarbeiten [13]: Legierungen: NiCr, NiCrBSi, CoCrB Oxide: Al2O3, Al2O3+TiO2, Cr2O3, ZrO220CaO, ZrO27Y2O3 Karbide: WC-Co, WC-NiCrBSi Beim Stabflammspritzen können Stäbe mit einem Durchmesser von 4,8 mm (3/16'') bis 7,9 mm (5/16'') zur Anwendung gelangen. Die Anwendungsziele flammgespritzter Schichten sowohl für Neuteile als auch für Reparaturen lassen sich wie folgt einteilen: Korrosionsschutz, Verschleißschutz, Wärmedämmung, Sonderanwendungen wie z. B. Haftschichten, Schichten für medizinische Implantate, dekorative Schichten, Verbundschichten, Schutzschichten gegen Röntgenstrahlung und Gießformen [24–26].
3 Flammspritzen
Abb. 7 Querschliffe von flammgespritzten Schutzschichten: a) Zinkschicht (Korrosionsschutz), b) Aluminiumschicht (Korrosionsschutz), c) Molybdänschicht (Verschleißschutz)
Tab. 2 Vergleich Lebensdauer – Kosten von Zn-Spritzschichten mit Lackschichten zum Korrosionsschutz
Nr.
BeschichtungsSystem
Mittlere Lebensdauer [ Jahre]
Mittlere Kosten [Dollar/m2]
Kosten [Dollar/m2 Jahr]
1 2 3
Metallspritzen Lack System 1 Lack System 2
27,5 8,9 6,8
47,9 31,1 27,6
1,74 3,49 4,06
Stähle und Gusseisenwerkstoffe können durch flammgespritzte Schichten aus Zink oder Aluminium korrosionsschützend beschichtet werden. Im pH-Bereich von 7 bis 12,5 verfügt Zink aufgrund der Bildung stabiler Oxidschichten über eine verhältnismäßig gute Beständigkeit. In korrosiven Medien mit einem pH-Wert < 7 (beispielsweise saure Gewässer) löst sich Zink unter Salzbildung sowie in solchen mit einem pH-Wert > 12,5 (alkalische Lösungen) unter Bildung von Zinkaten [24]. Auch Aluminium bildet eine stabile, oxidische Deckschicht. Es ist daher im pHBereich von 5 bis 8,5 verhältnismäßig beständig. In korrosiven Medien mit einem pH-Wert < 5 (nichtoxidierende Säuren) löst sich Aluminium unter Salzbildung und in Lösungen mit einem pH-Wert über 9 unter Bildung von Aluminaten [24]. Abb. 7 zeigt Querschliffe für flammgespritzte Korrosionsschutzschichten: eine Zinkschicht (a) und eine Aluminiumschicht (b). Die Hauptanwendungen der Flammspritzverfahren zum Korrosionsschutz liegen im Brückenbau, Metallbau und im Off-shore-Bereich. Die Legierung AlMg5 dient z. B. der Beschichtung von Ölbohr-Plattformen. Metallspritzschichten sind zwar im Vergleich zu Lackschichten teurer, durch ihre höhere Lebensdauer ergibt sich jedoch eine höhere Wirtschaftlichkeit (Tab. 2) [25]. Mit Hilfe des Drahtflammspritzens wurden anfänglich nur Molybdän (Abb. 7 c), Kohlenstoff- und legierte Stähle für Verschleißschutzschichten verspritzt. Die Ein-
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Grundlagen der thermischen Spritztechnik, Flamm- und Lichtbogenspritzen
führung der Fülldrähte und der Pulverflammspritzverfahren ermöglichte auch das Verarbeiten von Hartstoffen sowie von metallkeramischen Spritzwerkstoffen und erweiterte somit die Einsatzmöglichkeiten des Verfahrens. Als Hauptanwendungsgebiete der Flammspritzverfahren im Bereich des Verschleißschutzes sind zu nennen: Walzen, Wellen, Wellenschutzhülsen, Lagersitze, Glasformen, Plunger und Gleitlagerbeschichtungen [26].
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Lichtbogenspritzen
Das Lichtbogenspritzen wurde erstmalig im Jahre 1915 vom Schweizer M. U. Schoop beschrieben [27]. Anfängliche Prozessinstabilitäten konnten mit der Entwicklung geeigneter Stromquellen beseitigt werden [28]. Maßgeblich für die industrielle Einsetzbarkeit war das Erforschen der wissenschaftlichen Grundlagen dieses thermischen Spritzprozesses in den 50er und 60er Jahren [8, 29]. Trotz der Einführung neuer Hochenergieverfahren, wie Plasma-, Detonations- und Hochgeschwindigkeitsflammspritzen, hat sich das Lichtbogenspritzen in vielen Anwendungsbereichen aufgrund der ausgezeichneten Wirtschaftlichkeit des Verfahrens durchgesetzt. Durch die zur Verfügung stehende Anlagenvielfalt und deren Mobilität, durch Weiterentwicklung der Anlagentechnik und durch ein erweitertes Angebot an geeigneten Spritzwerkstoffen weist es ein breites Einsatzspektrum auf [30, 35–37, 46]. 4.1
Verfahren des Lichtbogenspritzens
Beim Lichtbogenspritzen werden in der Regel zwei metallische Drähte gleicher oder unterschiedlicher Art (Pseudo-Legierung) mit geregelter Drahtvorschubgeschwindigkeit in die Spritzpistole bewegt. Die Stromübertragung erfolgt über meist kupferne, kontaktgebende Drahtführungen, die in einem Winkel von etwa 308 zueinander angeordnet sind. Nach Einschalten des Drahtvorschubes laufen die beiden Spritzdrähte durch die Führungen bis zur Berührung aufeinander zu (Abb. 8). An dieser Stelle liegt von allen Teilwiderständen im Stromkreis der geringste Ohm’sche Widerstand vor. Infolge des hohen Kurzschlussstromes tritt eine starke Erwärmung auf, wodurch Metall verdampft und sich der Lichtbogen entzündet. Die Spannung in der Stromquelle fällt zunächst i.a. auf einen geringeren Wert ab, während der Strom kurzfristig auf den so genannten Kurzschlussstrom ansteigt. Die im Lichtbogen erreichbaren Temperaturen erreichen bis zu 6500 8C. Der Werkstoff wird abgeschmolzen und ein aus einer Düse austretender Gasstrom (i.d.R. Druckluft) zerstäubt das Schmelzgut, beschleunigt die Partikel und schleudert sie auf die zu beschichtende Oberfläche. Das Verfahren ist in gleicher Weise auch mit drei bzw. vier Drähten als Mehrdrahtlichtbogenspritzen anwendbar [38]. Durch die hohen Temperaturen an den Drahtenden kann es zu einem Abbrand von Legierungselementen im Spritzwerkstoff kommen. Dies kann für Elemente,
4 Lichtbogenspritzen
Abb. 8 Prinzip des Lichtbogenspritzens
Abb. 9 Innere Regelung beim Lichtbogenspritzen
wie Silizium oder Mangan, bis zu 40% betragen aber auch bis auf 60% ansteigen, bsw. für Kohlenstoff [48]. Zum konventionellen Lichtbogenspritzen werden aus der Schweißtechnik bekannte Gleichstromquellen mit Konstantspannungscharakteristik eingesetzt, die ohne Regelung der Drahtvorschubgeschwindigkeit ein kontinuierliches Brennen des Lichtbogens, wie aus der Schweißtechnik bekannt, und somit einen stabilen Prozess ermöglichen [28]. Dies gewährleistet die so genannte „innere Regelung“ der Stromquelle, wie sie in Abb. 9 illustriert ist. Auf Basis der statischen Kennlinie der Stromquelle führen Störungen, wie beispielsweise eine ungleichmäßige Förderung, bei der Lichtbogenspannung und der -länge zu kleinen Abweichungen vom Arbeitspunkt (A). Wird der Abstand zwischen den Drahtenden größer und damit die Lichtbogenspannung höher (Fall 1), hat das ein Sinken der Stromstärke auf den Wert I1 zur Folge. Die Abschmelzleistung wird geringer, sodass die Drahtenden wieder, unter kontinuierlicher Erhöhung der Stromstärke, auf den Abstand des Arbeitspunktes zusammenrücken. Im zweiten, umgekehrten Fall, bei dem
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sich der Abstand der Drähte verringert, steigt die Spannung, der Lichtbogen verkürzt sich und die Stromstärke erhöht sich auf den Wert I2. Dies führt zu einer höheren Abschmelzleistung und zum Wiedereinstellen des Arbeitspunktes. Der Lichtbogen selbst unterliegt im Spritzprozess vielen Störungen und stellt gegenüber dem Lichtbogen in der Schweißtechnik einen diskontinuierlich brennenden Gleichstromlichtbogen dar. Die Störungen, die ein ungleichmäßiges Brennen und somit ein ständiges Neueinpendeln bewirken, entstehen durch den Druckluftstrahl, elastische Vorgänge am Draht (Spannungsrelaxation) sowie durch das Abschmelzen der Drahtenden und die dabei entstehenden Spritzpartikel. Lösen sich diese ab, so verringern sich Ansatzfläche, Durchmesser und Länge des Lichtbogens auf den Spritzdrahtenden. Die verwendeten Spannungen liegen je nach Spritzwerkstoff im Bereich zwischen 18 und 40 V. Dabei sollte der Spritzwerkstoff immer mit der kleinstmöglichen Spannung verarbeitet werden (s.o.). Es besteht die Möglichkeit, den Strom in Abhängigkeit von der geforderten Auftragsrate, dem Werkstoff, dem Spritzdrahtdurchmesser und der zur Verfügung stehenden Lichtbogenspritzanlage bei Standardanwendungen zwischen etwa 50 und 350 A (mit Hilfe von Sonderanlagen bis 2000 A) einzustellen. Der Drahtvorschub erfolgt über ziehende oder schiebende Antriebssysteme. Insbesondere für das Verspritzen weicher Drähte oder von Fülldrähten werden deren Kombinationen („Push/Pull-Systeme“) eingesetzt, um eine Beeinflussung der Drahtgeometrie durch die Drahtklemmung (Quetschen oder Durchrutschen) und daraus resultierende Prozessstörungen zu minimieren. Wesentlich für das optimale Zerstäuben und Beschleunigen des aufgeschmolzenen Materials ist neben der Strom- und Drahtversorgung sowie der günstigen Wahl der Spritzparameter das eingesetzte Düsensystem. Es existieren eine Reihe von Düsenkonzepten, bei deren Entwicklung auf der einen Seite ein großes Gewicht auf eine starke Partikel-Zerstäubung (z. B. Typ OSU LD/U) und/oder auf der anderen Seite auf das Erzielen einer sehr schnellen und nahezu laminaren Gasströmung (z. B. Typ Sulzer-Metco SmartArc) gelegt wurde. Mit Hilfe dieser Düsenentwicklungen ist es möglich, enge Partikelgrößenverteilungen und/oder hohe Partikelgeschwindigkeiten als Voraussetzung für eine hohe Schichtqualität zu erzielen. Durch den Einsatz eines Sekundärgasstromes, wie beispielsweise bei der Tafa 9000 TWEA, können höhere Gas- und Partikelgeschwindigkeiten realisiert bzw. der Spritzstrahl vor der Umgebungsluft geschützt werden [39]. Praktisch alle modernen Lichtbogenspritzanlagen besitzen Wechseldüsen zur entsprechenden Beeinflussung des Spritzstrahls. Die erreichbaren Gasgeschwindigkeiten liegen im Bereich der Schallgeschwindigkeit. Als Partikelgeschwindigkeit wurden für im Bereich konventioneller Spritzabstände haftfähige Partikelgrößen Werte zwischen etwa 50 und 150 m/s ermittelt [29, 40, 41]. Eine wesentliche Verbesserung hinsichtlich des Zerstäubens der Schmelze brachte die Entwicklung eines so genannten geschlossenen Zerstäubergassystems. Dabei kann die Spritzpistole durch einen einfachen Umbausatz vom „offenen“ Düsensystem auf ein „geschlossenes“ umgerüstet werden (Abb. 10). Diese beiden Düsensysteme unterscheiden sich in ihrer technischen Ausführung dahingehend, dass beim
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Abb. 10 Offenes (oben) und ge-
schlossenes (unten) Düsensystem einer Lichtbogenspritzpistole, Fa. OSU, Typ LD/U2 (Querschnitte Draufsicht; Vorderansichten)
geschlossenen System zusätzlich eine Düsenscheibe (1) über den Drahtelektroden sitzt, vor der sich eine Radialdüse (2) befindet. Durch den Abstand (A2) der Radialdüse zur Düsenscheibe wird das Maß eines zusätzlich radial wirkenden Zerstäubergasstromes festgelegt, der für feinere Spritzteilchen und einen besser fokussierten Spritzteilchenstrahl sorgt [42]. Dies führt in erster Linie zu einem feineren Zerstäuben der Schmelze, was in einer feineren Spritzschichtstruktur mit jedoch höherem Oxidanteil resultiert [43]. Die Oxidation der metallischen Spritzpartikel beim Lichtbogenspritzen auf dem Weg zum Substrat verläuft dabei exotherm [44]. Die Teilchenbildung und das kinetische Verhalten der Spritzpartikel auf ihrem Flugweg hängen von einer Vielzahl spezifischer Eigenschaften des Zerstäubergases und des metallischen Spritzwerkstoffes ab, hauptsächlich jedoch von Prozessparametern wie der verwendeten Spritzanlage, dem Düsensystem, dem Zerstäubergasdruck p, der Spannung U, der Stromstärke I und dem Spritzabstand s. Das Spektrum der Teilchengrößen ist sehr breit und liegt zwischen 2 und 200 lm [29]. Eine neue Entwicklung im Bereich der Lichtbogentechnik stellt das Spritzsystem VISU ARC 350 der Firma OSU dar. Dieses Lichtbogenspritzsystem ist ausgestattet mit einer neuartigen elektronischen Stromquelle, die einen Regelkreis aufweist, der eine stabilere Spritzspannung im Vergleich zu den bislang verwendeten konventionellen Trafo-Gleichrichter-Drossel-Systemen erlaubt. Daraus resultiert eine stabilere Ausbildung des Lichtbogens und eine stärkere Bündelung des Spritzstrahls. Einen Nachteil des Lichtbogenspritzens stellt die Beschränkung des Spritzwerkstoffes auf elektrisch leitende Drähte dar. Darüber hinaus sind aufgrund der entstehenden Spritzstäube, der großen Schallemission (110 dB) sowie der hohen ultravioletten und infraroten Strahlung spezielle Arbeitssicherheitsmaßnahmen erforderlich [45].
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Die technischen Vorzüge des Lichtbogenspritzens liegen in der hohen Auftragsrate, der Herstellmöglichkeit mehrerer Millimeter dicker Schichten, der relativ einfachen Handhabung und der im Vergleich zu den anderen Spritzverfahren (mit Ausnahme des Draht- und Pulverflammspritzens) geringeren Anlagenkosten – sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb. Ein weiterer Vorteil ergibt sich im Hinblick auf die Sicherheit aus der Verwendung nicht brennbarer Gase. Schließlich ist das Lichtbogenspritzen das wirtschaftlichste Verfahren hinsichtlich der Energieausnutzung zum Aufschmelzen des Werkstoffs in der thermischen Spritztechnik [26, 48].
4.2
Sonderverfahren des Lichtbogenspritzens
Neben den vielseitigen industriellen Einsatzgebieten, bietet das Lichtbogenspritzverfahren, nicht zuletzt aufgrund seiner relativ einfachen Technik, ein Potenzial für Weiterentwicklungen mit dem Ziel, die Schichtqualitäten zu verbessern. Es existiert eine Reihe von Sonderverfahren des Lichtbogenspritzens. Die wichtigste Gruppe bilden Prozesse, die in Kammern, d. h. die in kontrollierten Atmosphären, laufen. Eine weitere, nennenswerte Variante ist das Eindraht-Lichtbogenspritzen. Prozesse in kontrollierten Atmosphären sind das Schutzgas-Lichtbogenspritzen (SAS = engl. shrouded arc spraying), das bei nahezu atmosphärischem Druck arbeitet und das Vakuum-Lichtbogenspritzen (VAS = engl. vacuum arc spraying), welches unter Niederdruckbedingungen betrieben wird. Das Schutzgas-Lichtbogenspritzen führt zu verbesserten Schichtqualitäten insbesondere hinsichtlich der Oxidation des Spritzwerkstoffs. Diese Vorgehensweise erlaubt die Verarbeitung von reaktiven Werkstoffen durch das Lichtbogenspritzen [31, 32] bei gleichzeitig einfacher Handhabung des Prozesses durch den nahezu atmosphärischem Druck. Beim VAS-Prozesses sind die Einflüsse etwaiger Verunreinigungen in den Prozessgasen weiter auszuschließen. Die höhere Reinheit der Schicht geht auf Kosten einer verringerten Dichte der Schicht. Ursache hierfür ist die Energiedichte des Lichtbogens bei niedrigen Drücken, d. h. die im Lichtbogen zur Verfügung gestellte Energie zum Aufschmelzen des Drahtes befindet sich bei niedrigem Kammerdruck auf einem niedrigeren Niveau als bei höheren Kammerdrücken. Höhere Kammerdrücke ermöglichen einen besseren Ladungsträgeraustausch pro Zeit, d. h. der Widerstand im Lichtbogen nimmt ab und die Abschmelzleistung nimmt trotz konstant gehaltener Spannung und Drahtvorschubgeschwindigkeit zu. Aus dieser Tatsache folgt dann wiederum eine Temperaturerhöhung der Spritzteilchen bei höheren Drücken, was sich in einer niedrigeren Schichtporosität widerspiegelt. Zudem muss der stark unterschiedliche Abbrand der beiden Spritzdrähte in Abhängigkeit vom Kammerdruck und vom Werkstoff berücksichtigt und durch geeignete, untereinander entkoppelte Drahtvorschubmotoren kompensiert werden. Das Eindraht-Vakuum-Lichtbogenspritzen (SWVAS = engl. single wire vacuum arc spraying) weist gegenüber dem Zweidrahtverfahren einen um etwa den Faktor 5 verringerten Gasverbrauch auf. Aufgrund der symmetrischen Gasströmung und
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der zentralen Anordnung des Drahtes ist eine sehr feine Zerstäubung des Spritzgutes erzielbar, sofern eine Polung des Drahtes als Anode gegeben ist [33, 34]. 4.3
Werkstoffe und Anwendungen
Als klassische Werkstoffe beim Lichtbogenspritzen stellen sich in Form von schmelz- oder pulvermetallurgisch hergestellten Massivdrähten Kohlenstoffstähle, Chrom- und hochlegierte Stähle, Lagerbronzen und Nichteisenmetalle wie Aluminium, Nickelbasislegierungen oder Zink dar. Verfahrenstypische Anwendungen sind der Korrosionsschutz im Off-shore-Bereich und im Stahlbau, die Herstellung von Verschleißschutzschichten (z. B. an Walzenachsen, Formenoberflächen im Formenbau) sowie deren Reparatur nach Verschleißschäden und die Metallisierung von Kunststoffgehäusen. Auftragsleistungen betragen für Al bis 8 kg, für Zink bis 40 kg. Aber auch das Aufbringen von Haftgrundschichten (NiCr, NiAl etc.) für nachfolgend aufzubringende Keramikschichten sowie das Beschichten von Teilen im Automobilbau sind Beispiele aus den vielfältigen Anwendungsgebieten lichtbogengespritzter Schichten. Mit Hilfe hochentwickelter Anlagentechnik und durch reproduzierbare (i.d.R. automatisierte) Fertigung können bisher plasmagespritzte Metallschichten in vergleichbarer Qualität lichtbogengespritzt werden. Durch Lichtbogenspritzen lassen sich folgende Metalle und Legierungen verarbeiten: · Al, AlMg zur Reparatur von Al-Teilen, auf Auspufftöpfen (Massenproduktion), Wärmetauschern, Off-shore-Technik: Rohrleitungen und Ölbohrplattformen, Kessel, Brammenmarkierung, auch in Lebensmittelindustrie (Fleischereimaschinen) · Cu Widerstände, Kondensatoren, Leiterbahnen auf Kunststoff- und Keramiksubstraten, Stranggießkokillen · CuAl Lagersitze, Armaturen · Mo Haftschicht auf Stahl, Verschleißschutzschichten · NiCr, NiAl, NiCrMo Abschirmung (Röntgenstrahlen), Haftschicht für Plasmaspritzschichten, Oxidationssperrschicht unter plasmagespritzten Keramikschichten · NiCuMn Schiebergehäuse, Armaturenteile, Pumpenwellen · Sn-Leg. Gleitlager, Kondensatoren · Stahl Verschleißschutz- und Reparaturschichten: Plunger, Getriebegehäuse, Aluminiumteile (Pkw-Ventile)
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· Zn Brücken und Stahlkonstruktionen, Kessel, Tore, Großrohre (Pipelines), Gießformen, Karosserienähte Der Einsatz von Fülldrähten ermöglicht es, in der Lichtbogenspritztechnik neben den o.g. Werkstoffen auch Hartstoffe (Oxide, Nitride, Carbide, Boride Carbonitride und Carboxinitride) zu verarbeiten. Aus den vielfältigen denkbaren Kombinationsmöglichkeiten ergibt sich ein großes Entwicklungspotenzial für neue Werkstoffkombinationen und Anwendungen. Bereits industriell eingesetzt werden eine Reihe von Fülldrähten auf Ni- und Fe-Basis zum Schutz von Bauteilen in der chemischen Industrie und in Kraftwerken, die einem komplexen Beanspruchungskollektiv (z. B. chemischer und thermischer Angriff sowie Erosion) unterliegen [46]. Der Zerstäubergasdruck stellt eine der wesentlichen Einflussgrößen auf die Partikelgröße und die sich einstellende Schichtstruktur dar. Mit zunehmendem Zerstäubergasdruck entstehen kleinere und schnellere Partikel, was zu einem homogeneren Schichtaufbau führt [47]. Abb. 11 veranschaulicht die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Struktur lichtbogengespritzter Stahlschichten durch entsprechende Parameterauswahl. Jüngere anlagentechnische Entwicklungen zum Verbessern der Schichtstruktur zielen auf eine Maximierung der Gasgeschwindigkeit ab. Durch das Verwenden von so genannten Hochgeschwindigkeitsdüsen sind sehr dichte Lichtbogenspritzschichten herstellbar (Abb. 12).
Abb. 11 Querschliffe lichtbogen-
a)
b)
gespritzter Stahlschichten (X46Cr13): a) OSU-LD/U2, offenes Düsensystem (3 bar, 300 A, 30 V): grobe Partikellamellen, niedriger Oxidanteil, b) OSU-LD/U2, geschlossenes Düsensystem (4,5 bar, 200 A, 25 V): feine Partikellamellen, hoher Oxidanteil
Abb. 12 Querschliffe lichtbogen-
a)
b)
gespritzter Schichten: a) Stahl (1% C-Stahl), geäzt (Miller/Praxair BP 400, HV-Düse), b) Zink (SulzerMetco Smart Arc, HV-Düse)
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Das Lichtbogenspritzen hat sich trotz der Einführung neuer Hochenergieverfahren im Bereich des thermischen Spritzens in vielen Anwendungsbereichen aufgrund seiner ausgezeichneten Wirtschaftlichkeit durchgesetzt. Durch die Verwendung moderner Lichtbogenspritzanlagen sind hochwertige Schichten herstellbar, deren Qualität teilweise den Ersatz von teuren plasmagespritzten Schichten erlaubt [49].
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Zusammenfassung und Ausblick
Die Verfahren der thermischen Spritztechnik nehmen in der Oberflächentechnik einen festen Platz ein und werden ihre Marktanteile zunehmend ausbauen. Die aktuelle, kontinuierliche Weiterentwicklung der Anlagentechnik, flankiert durch diagnostische Untersuchungen und Simulationsarbeiten, der Automatisierung und Prozessregelung sowie das Erschließen neuer Technologien, wie dem Kaltgasspritzen oder der Nanotechnologie, für das thermische Spritzen sind Garanten für den stetigen Gewinn an Bedeutung dieser Technik und werden eine nachhaltige Auswirkung auf die Verbrauchsgüterindustrie haben [50]. Das Flamm- und das Lichtbogenspritzen zählen zu den ältesten Verfahren der thermischen Spritztechnik. Sie bekamen große Konkurrenz durch neuere Spritzverfahren, wie Plasma- oder Hochgeschwindigkeitsflammspritzen, finden aber dennoch aufgrund ihrer Vielseitigkeit und Flexibilität viele Anwendungen. Neue Entwicklungen im Bereich der Verfahrensentwicklung sowie der angepassten Werkstoffentwicklung für die Verfahren eröffnen neue Anwendungsmöglichkeiten und machen ihren Einsatz wieder attraktiver.
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Spritzzusatzwerkstoffe J. Beczkowiak, Praxair Services, Wiggensbach
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Einleitung
Im Bereich der Oberflächentechnik zählt das thermische Spritzen zu den Beschichtungsverfahren, die eine hohe Anpassungsfähigkeit an die Anforderungen der zu beschichtenden Bauteile aufweisen. Diese Eigenschaft ist in erster Linie darin begründet, dass sich das thermische Spritzen vor allem in den letzten drei Jahrzehnten sowohl bzgl. der einsetzbaren Spritzverfahren als auch bzgl. der verarbeitbaren Werkstoffe immer wieder den Herausforderungen der modernen Technik gestellt hat und durch Innovationen selbst anspruchsvollste Technologiebereiche gewinnen konnte. Bei den verarbeitbaren Werkstoffen hat diese Entwicklung zu einer Vielzahl von Varianten geführt, die nur durch eine fachgerechte Auswahl zur optimalen werkstofftechnischen Lösung der Beschichtungsaufgabe führen. Dieser Beitrag soll deshalb dazu dienen, diese Auswahl durch eine Beschreibung von Werkstoffen, Herstellverfahren und Anwendungen zu erleichtern.
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Herstellungsbedingte Eigenschaften von Spritzwerkstoffen
Grundsätzlich unterscheidet man bei Werkstoffen zum thermischen Spritzen zur industriellen Anwendung zwischen Zusätzen in Draht- oder Stabform oder in Form von Pulver. Wie aus Abb. 1 erkennbar ist, weisen sowohl die Gruppe der Drähte als auch die Gruppe der Pulver sowohl Vor- als auch Nachteile für die Werkstoffauswahl und damit für den Anwender auf. Größter Vorteil bei den Drähten ist die im Vergleich zu den Pulvern einfache Handhabung bei allerdings eingeschränkter Werkstoffauswahl. Letztendlich entscheidend für die Auswahl der Form des Spritzwerkstoffes sind jedoch neben der Verfügbarkeit des Spritzzusatzes die Verfügbarkeit der zur Verarbeitung benötigten Spritzanlage und die geforderten Eigenschaften der Spritzschicht. Insbesondere bei den Pulvern werden die Verarbeitungseigenschaften wesentlich durch den Pulverherstellprozess bestimmt. Im Folgenden soll deshalb den am häufigsten eingesetzten Herstellungsverfahren besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
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Spritzzusatzwerkstoffe
Abb. 1 Form der Spritzzusätze und ihre Vor- und Nachteile
Abb. 2 Pulverherstellverfahren (Praxair Services)
2.1
Pulverherstellverfahren
Die Gruppe der Pulverherstellverfahren kann (optional), wie in Abb. 2 dargestellt, in verschiedene Prozesse unterteilt werden: In Abb. 3 ist der Verdüsungsvorgang in einer Schutzgasverdüsungsanlage schematisch dargestellt. Hierbei ist zu beachten, dass das Erschmelzen der Ausgangsstoffe unter Schutzgas oder auch an Luft erfolgen kann – je nach dem gewünschten Sauerstoffgehalt des zu erzeugenden Spritzpulvers. Ferner kann das Zerstäuben der Schmelze sowohl mit Gas (Argon, Stickstoff etc.) oder mit Wasser erfolgen, was sich sowohl auf den jeweiligen Gasgehalt als auch auf die Kornform des Pulvers auswirkt. Abb. 4 zeigt Eigenschaften von verdüsten Pulvern in Abhängigkeit vom Verdüsungsverfahren im Hinblick auf die Verarbeitungseigenschaften und nennt Werk-
2 Herstellungsbedingte Eigenschaften von Spritzwerkstoffen Schmelzkammer
Abb. 3 Verdüsungsvorgang
Abb. 4 Eigenschaften verdüster Spritzpulver (Praxair Services)
stoffbeispiele. Die Kornverteilung (KV) des Pulvers bestimmt die Fließfähigkeit und auch sein Schmelzverhalten. Im Herstellprozeß „Sintern“ – dargestellt in Abb. 5 und 6 – werden in erster Linie Verbund-Werkstoffe aus Karbiden und Metallen oder Legierungen oder Oxide hergestellt, wobei die Gruppe der Oxide mehr und mehr an Bedeutung zugunsten der geschmolzenen Werkstoffe verliert. Bei gesinterten Spritzpulvern ist das Auftreten splittriger Körner infolge der Zerkleinerung durch Brechen und Mahlen möglichst zu vermeiden, da diese
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Spritzzusatzwerkstoffe
Abb. 5 Pulverherstellung durch Sintern
Abb. 6 Eigenschaften gesinterter Spritzpulver (Praxair Services)
splittrigen Pulverpartikel die erwünschte Gleichmäßigkeit des Pulverflusses in die Spritzflamme erheblich behindern können. Geeignete Aufbereitungsverfahren ermöglichen jedoch auch hier eine Reduzierung des Splitteranteils bis auf ein Minimum. Die Herstellung von geschmolzen, gebrochenen Spritzpulvern ist aus der Produktion von Schleifmitteln (Korund) abgeleitet. Hierbei sind Losgrößen aus einer Schmelze von 8–10 to keine Seltenheit. Abb. 7 und 8 zeigen schematisch den Vorgang des Schmelzens im Lichtbogenofen mit anschließender Zerkleinerung.
2 Herstellungsbedingte Eigenschaften von Spritzwerkstoffen
Abb. 7 Pulverherstellung durch Schmelzen und Brechen
Abb. 8 Eigenschaften geschmolzener, gebrochener Spritzwerkstoffe (Praxair Services)
Eines der modernsten Herstellverfahren für Spritzpulver ist das Agglomerieren, welches auch als Sprühtrocknen bezeichnet wird. Diesem Herstellprozess wird heute in der Regel eine Pulververfestigung und -verdichtung durch Sintern oder Sphäroidisieren nachgeschaltet, um dem Zerstören des agglomerierten Pulvers bei der Pulverförderung oder in der Flamme entgegenzuwirken. Abb. 9 und 10 zeigen schematisch diesen Herstellprozess. Neben der Verbundpulvertechnik Agglomerieren wird auch das Umhüllen von so genannten Primärkörnern durch ein feines Sekundärkorn unter Verwendung organischer Kleber durchgeführt. Ferner werden relativ grobe Primärkörner auch galvanisch mit einer Nickel- oder Kobalthülle versehen. Ein typischer Vertreter
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Spritzzusatzwerkstoffe
Abb. 9 Pulverherstellung durch Agglomerieren und Nachbehandeln
Abb. 10 Eigenschaften agglomerierter Spritzpulver
dieser Werkstoffgruppe ist der Nickel-Graphit, wobei der Graphit den Kern des Pulverteilchens darstellt und beim Verspritzen durch die Nickelhülle vor Abbrand geschützt wird. Auf den Pulverherstellprozess durch Vermischen von Pulvern soll hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden.
3 Werkstoffauswahl in Bezug auf die Anwendung der Beschichtung
3
Werkstoffauswahl in Bezug auf die Anwendung der Beschichtung
Bei der Auswahl eines Spritzwerkstoffes ist grundsätzlich zu beachten, dass die in der Spritzschicht erzielbaren Eigenschaften sich erheblich von den Eigenschaften eines gegossenen, geschmiedeten massiven Bauteils unterscheiden können. So sind in der Regel die Dichte bzw. Porosität der Schicht, aber auch Eigenspannungen und Oxidgehalt von Spritzschichten abweichend vom beispielsweise gegossenen Massivmaterial. Für die Werkstoffauswahl ist es empfehlenswert, die einschlägige Literatur der Pulverhersteller und -anbieter – wie z. B. Praxair, Sulzer-Metco und H.C. Starck – zu nutzen, da sich für viele Anwendungsgebiete seit geraumer Zeit Standardlösungen bewährt haben. 3.1
Werkstoffe für den Verschleißschutz
Verschleißbeständigkeit ist eine Systemeigenschaft, die außer von der Werkstoffpaarung der beteiligten Bauteile von einer Vielzahl von anderen Komponenten bestimmt wird. Diese sind: Relativbewegung, Belastung, Rauheit, Atmosphäre, Temperatur etc.. Man unterscheidet zwischen den folgenden Verschleißarten, die in manchen Anwendungsfällen auch überlagert sein können. Adhäsionsverschleiß: Zur Vermeidung von Adhäsionsverschleiß gilt es zu verhindern, dass zwischen den Reibpartnern metallurgische Wechselwirkungen stattfinden, die ein Mikroverschweißen begünstigen. Dieses wird z. B. im Motorenbau bei Kolbenringen dadurch verhindert, dass Spritzschichten so hergestellt werden, dass ihre Porosität eine Aufnahme von Schmiermitteln ermöglicht (bspw. plasmagespritztes Molybdän in Mischung mit NiCrBSi). Abrasionsverschleiß: Bei abrasiv wirkenden Gegenkörpern ist es erforderlich, dass die Spritzschicht eine möglichst hohe und gleichförmige Härte aufweist. Feinste und dichteste Schichtstrukturen sind hierfür zwingend erforderlich. Das moderne Hochgeschwindigkeitsflammspritzverfahren (HVOF) bietet hier die besten Möglichkeiten, um derartige Spritzschichten zu erzeugen. Typische Werkstoffe sind: WC-Co und NiCrBSi+WC-Co-Mischungen. Ermüdung: Bei einer Ermüdung von Schichten sind häufig Fehlstellen in der Schichtstruktur, wie z. B. Poren, Risse, Oxidlamellen und andere Fehlstellen der Ausgangspunkt des Versagens. Dichte Schichten, die unter Schutzgas, im Vakuum oder mittels HVOF aus metallischen Legierungen hergestellt werden, sind hier eine Lösungsmöglichkeit. Korrosiver Verschleiß: Hartlegierungen auf Co- oder Ni-Basis oder aber auch versiegelte oxidkeramische Schichten aus Cr2O3 und Al2O3 stellen hier Lösungsmöglichkeiten dar, die sich häufig bewährt haben.
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Spritzzusatzwerkstoffe
3.2
Werkstoffe zum Korrosionsschutz
Beim kathodischen Korrosionsschutz übernimmt das Bauteil die Funktion der Kathode, während die in der Regel drahtgespritzte Schicht aus Zink oder Aluminium sich als Anode im galvanischen Stromkreis verzehrt. Beim anodischen Schutz wirken Substrat und Schicht genau umgekehrt, so dass es zu verhindern gilt, dass sich ein elektrochemischer Stromkreis aufbauen kann. Dieses ist nur durch dichte, metallische Schichten auf Ni-, Fe- oder Co-Basis oder durch versiegelte keramische Schichten möglich, die häufig auch noch durch einen dichten Haftgrund aus NiCr oder NiAl vom Substrat „abgedichtet“ werden. Korrosionsschutz bei erhöhten und höheren Temperaturen wird durch metallische Legierungen nur noch durch recht komplexe Systeme gewährleistet, die im Betrieb die Bildung von Oberflächenschichten aus Al2O3, SiO2 oder Cr2O3 ermöglichen. Diese Legierungselemente müssen demnach in der Legierung in ausreichendem Maße vorhanden sein und ggf. eine oxidische Schutzschicht mehrfach aufbauen können. Die so genannten „MCrAlY-Legierungen“ sind Spritzwerkstoffe, die speziell für den Einsatz als heißgaskorrosionsbeständige Schichten für den Turbinenbau entwickelt wurden. Sie basieren auf einer Eisen-, Nickel- oder Kobaltbasis, die durch Zugabe einer Vielzahl unterschiedlicher Legierungselemente auf den jeweiligen Anwendungsfall optimiert wird. Diese Werkstoffe werden außerdem als Hochtemperatur-Korrosionsschutz und Haftgrund bei höchsten Temperaturen um 1000 8C in Verbindung mit keramischen Deckschichten eingesetzt. 3.3
Werkstoffe für die Bio-Technologie
Zu den jüngsten Anwendungen für das thermische Spritzen zählt die Biomedizin. Hier werden u.a. metallische Schichten aus Titan und seinen Legierungen im Vakuum auf metallische Prothesen aufgespritzt, um eine inerte Oberfläche mit ausreichender Rauheit zu erzeugen, die ein Verklammern der Knochensubstanz ermöglicht. Die bessere Wahl sind jedoch Schichten aus Hydroxyl-(HA)- oder Fluorapatit, die eine knochenähnliche Phosphatstruktur aufweisen und so eine Neubildung des Knochens an der Prothese ohne störende Zwischenschicht erlauben. 3.4
Werkstoffe für Sonderanwendungen
Einlaufschichten aus Ni-Graphit – auch als mechanische Dichtungen bezeichnet – werden im Turbinen- und Motorenbau seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt. Beim Anfahren eingeschliffen, verhindern diese Schichten bei Betriebstemperatur Leistungsverluste durch Reibung der sich ausdehnenden Komponenten gegen die Gehäusewand einer Turbine. Bei höchsten Temperaturen über 1000 8C werden hier heute auch keramische Werkstoffe auf Zirkonoxidbasis eingesetzt.
3 Werkstoffauswahl in Bezug auf die Anwendung der Beschichtung
Sonderanwendungen für thermisch gespritzte Schichten sind ferner elektrische Isolation durch Al2O3, Supraleitung durch YBaCu-Oxid mit perowskitähnlicher Struktur, Sauerstoffionen-Leitung in Brennstoffzellen, Schichten für die Hochvakuum-Technik aus Molybdän und Wolfram oder auch auf Haushaltsgeräten und zu Dekorzwecken, wobei hier häufig Al2O3-TiO2-Schichten Anwendung finden. Die Vielzahl der heute zur Verfügung stehenden Anwendungen der Spritzwerkstoffe ist nahezu unerschöpflich und im Rahmen dieser Veröffentlichung nicht zu beschreiben. Zusätzliche Hinweise geben das demnächst im DVS-Verlag erscheinende „Handbuch des Thermischen Spritzens“ sowie die Tagungsbände der Spritzkonferenzen der TS- und UTSC-Reihe aus den vergangenen Jahren, die ebenfalls über den DVS-Verlag, Düsseldorf erhältlich sind.
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Hochgeschwindigkeitsflammspritzen Oliver Brandt, Becon Technologies GmbH, Thun (CH)
1
Einleitung
Nach nunmehr einem viertel Jahrhundert hat sich das Hochgeschwindigkeitsflammspritzen (HVOF – High Velocity Oygen Fuel Flame Spraying) neben den klassischen Spritzverfahren, wie dem Flammspritzen, dem Plasmaspritzen oder dem Lichtbogenspritzen als industrielles Verfahren etabliert. Gegenüber den anderen Verfahren zeichnet sich das HVOF-Verfahren durch eine geringere Erwärmung des Beschichtungsmaterials aus. Zudem ist dabei die Auftreffgeschwindigkeit der Spritzpartikel auf dem Substrat wesentlich höher als bei anderen Spritzverfahren. Die so erzeugten Schichten weisen dadurch im Allgemeinen eine höhere Haftfestigkeit und kompaktere Struktur mit geringerer Porosität auf. Ferner können durch die geringere Erwärmung des Werkstoffes deren thermisch aktivierte Umwandlungsprozesse besser unterdrückt werden [1]. HVOF-Spritzen ist eine der jüngsten Verfahrensvarianten der thermischen Spritzverfahren und wurde zu Beginn der achtziger Jahre eingeführt. Die Grundidee für das HVOF-Spritzen lieferte das intermittierend arbeitende Detonationsoder D-Gun-Spritzen. Beim D-Gun-Prozess werden als Reaktionsgase Acetylen und Sauerstoff zusammen mit Stickstoff als Fördergas und dem Beschichtungswerkstoff vermischt und mittels Zündung zur Detonation gebracht. Die Pulverpartikel erreichen dabei eine Geschwindigkeit von bis zu 750 m/s. Der Abstand zwischen Werkstückoberflächen und Düsenaustritt beträgt 100–120 mm. Das Brenngas erreicht eine Temperatur von maximal 4000 8C. Nach jedem Explosionsvorgang wird die Brennkammer mit Stickstoff gespült. Die durchschnittliche Arbeitsfrequenz beträgt 4–8 Zündungen pro Sekunde [2]. Der Vorteil des D-Gun-Verfahrens gegenüber den anderen Spritzverfahren ist die deutlich höhere Partikelgeschwindigkeit und die dadurch bedingte geringere Schichtporosität und höhere Haftfestigkeit, die zu besseren Gebrauchseigenschaften führen. Ziel der Entwicklung der HVOF-Verfahren war, eine mit dem D-Gun-Verfahren vergleichbare Schichtqualität in einem kontinuierlichen Prozess zu erreichen. Als Pionier auf diesem Gebiet ist der amerikanische Ingenieur James A. Browning zu nennen. Die erste Verfahrensvariante ist das 1982 eingeführte Jet-Kote-System.
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Hochgeschwindigkeitsflammspritzen
Bei diesem Verfahren wird in der Brennkammer ein Brenngas (meistens Propan, Propylen oder Wasserstoff) mit Sauerstoff unter hohem Druck verbrannt. Der Verbrennungsdruck pulsiert mit einer Frequenz zwischen 500 und 1000 Hz. Die Verbrennungsgase erreichen dabei Temperaturen bis ca. 3000 8C und werden nach dem Verlassen der Brennkammer in einer zylindrischen Düse entspannt und beschleunigt. Hinter der Düse erreicht das verbrannte Gemisch unter einer Geräuschentwicklung von ca. 120 dBA eine durchschnittliche Flammstrahlgeschwindigkeit von etwa 1800 m/s. Innerhalb der Expansionsdüse wird der pulverförmige Spritzzusatz mittels eines Trägergases, meistens Stickstoff, zentral in die Flamme injiziert. Die Pulverpartikel werden hierbei an- und aufgeschmolzen und auf Geschwindigkeiten von bis zu 500 m/s beim Austritt aus der Expansionsdüse beschleunigt. Brennkammer, Mischkopf und Expansionsdüse bilden den wassergekühlten Innenteil des Brenners und sind aus einer Kupferlegierung gefertigt. Das Zünden der Hauptflamme erfolgt über eine Stütz- oder Pilotflamme, die mit Wasserstoff und Sauerstoff gebildet wird [3, 4]. Die an- und aufgeschmolzenen Pulverpartikel treffen mit hoher kinetischer Energie auf die zu beschichtende Fläche auf, zerplatzen aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit und breiten sich sternförmig aus. Durch mehrfaches Überfahren entsteht eine neue Oberfläche aus nebeneinander liegender Streifen und übereinander liegender Lagen mit neuen Werkstoffeigenschaften. Typische Schichtdicken für das HVOF-Verfahren sind 0,01 bis 0,5 mm. Generell finden HVOFSchichten überall dort Anwendung, wo extrem dichte und gut haftende Schichten mit geringer Porosität gefordert sind. Für die Verarbeitung von pulverförmigen Spritzwerkstoffen existieren gegenwärtig etwa 10 verschiedene Systeme, die mit Brennstoffen wie Propan, Propylen, Wasserstoff, Ethen oder Kerosin betrieben werden können. In den 80-iger und 90-iger Jahren konzentrierte sich die Entwicklung zunächst auf die Gestaltung der Brenner und Spritzpistolen zur Verarbeitung der damals verfügbaren Spritzpulver. Seitens der Zusatzwerkstoffe wurden zu der Zeit speziell für das HVOF-Verfahren Pulver hinsichtlich Kornfraktion und Morphologie konzipiert und erprobt, die heute als Stand der Technik gelten. Das gegenwärtige Interesse neuer Entwicklungen konzentriert sich auf moderne Anlagensteuerungen und Regelungen sowie die Integration in automatisierte Fertigungsprozesse und Qualitätssicherungskonzepte [5].
2
Charakteristische Merkmale 2.1
HVOF-Brenner
Typisch für einen HVOF-Brenner gegenüber einem konventionellen Flammspritzbrenner ist die deutlich verlängerte Expansionsdüse. Die erzielbaren Gasgeschwindigkeiten hängen von der jeweiligen Bauform und Konstruktion des Brenners
2 Charakteristische Merkmale
Abb. 1 Bauformen und Einteilung der HVOF-Verfahren [7]
und der Düsengeometrie sowie der Art des Energieträgers ab. Nebst der Einteilung der Verfahrensvarianten nach dem Jahr der Vorstellung im Markt hat sich eine Unterteilung nach der Bauform der Brenner bewährt, vergl. Abb. 1. Komponenten wie die Steuereinheiten oder die Pulverförderer bleiben dabei unberücksichtigt. Die Brenner werden dabei nach der Art und Anordnung der Brennkammer, der Pulverinjektion und der Kühlung unterschieden. Die so genannten „offenen Brenner“ verfügen über keine separat ausgeführte Brennkammer und sind sowohl mit Luft- als auch mit Wasserkühlung im Einsatz.
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Hochgeschwindigkeitsflammspritzen
Die Brenner mit geschlossener Brennkammer verfügen über eine nachgeschaltete Expansionsdüse. Die Partikelgeschwindigkeit ist dabei höher als bei den offenen Systemen, birgt aber die Gefahr des „Anbackens“ von angeschmolzenen Partikeln in der Expansionsdüse oder gar des vollständigen Verstopfens. 2.2
Brennstoffe und Prozessparameter
Eigenschaften und Struktur des Gefüges der Spritzschichten werden durch die thermische und kinetische Energie der Spritzpartikel bestimmt. Wesentlich kann diese durch die Bauform des jeweiligen Brenners beeinflusst werden. Eine weitere Möglichkeit zur Variation der übertragbaren Wärme und Beschleunigung auf das Spritzpulver ist in der Wahl des Brennstoffes gegeben. Neben dem Brennstoff selbst ist das Mischungsverhältnis mit dem zur Verbrennung notwendigen Sauerstoff der wesentliche Parameter. Die maximal erreichbare Flammentemperatur ergibt sich aus der Art des Brennstoffes, die Leistung eines Systems aus der Menge des zugeführten Brennstoffes und dessen unterem Heizwert. Mit der Variation des Verhältnisses der Massenströme von Brennstoff und Sauerstoff kann zudem die Flammentemperatur in gewissen Grenzen verändert werden. In der Regel werden die HVOF-Systeme mit so genannten überstöchiometrischen Flammeneinstellungen betrieben um eine vollständige Verbrennung des Brennstoffes zu erreichen. Ferner führen überstöchiometrische Flammeneinstellungen zu einer reduzierten Flammentemperatur bei gleichzeitig erhöhter Gas bzw. Partikelgeschwindigkeit. Eine Reduktion der maximalen Flammentemperatur ist häufig zur Minimierung der thermisch induzierten Phasenumwandlung in karbidischen Pulvern erwünscht. Einige Systeme verfügen sogar über die Möglichkeit ein Kühlgas wie z. B. Druckluft oder Stickstoff in die Flamme einzuleiten um eben die Flammentemperatur zu senken. Die wichtigsten und gebräuchlichsten Brennstoffe/-gase sind in Tab. 1 zusammengestellt [1].
Tab. 1 Eigenschaften typischer Brennstoffe für das Hochgeschwindigkeitsflammspritzen [1]
Brenngas Brennstoff
Propan Propylen Wasserstoff Ethen Acetylen Kerosin
Maximale Flammentemperatur (8C)
Heizwert (MJ/m3)
2828 2896 2856 2924 3160 ca.2900
93,2 87,6 10,8 59,5 56,4 37,3MJ/l
* Massenmischungsverhältnis Sauerstoff-Kerosin
Sauerstoff-Brenngasverhältnis für Maximale Flächentemperatur
Stöchiometrie
HVOFAnwendungen
4,5 3,7 0,42 2,4 1,5 1,9 *
5,0 4,5 0,5 3,0 2,5 3,4 *
3–8 3,5–7 0,3–0,6 2–5 1,3–4 2,8–4,8 *
2 Charakteristische Merkmale
2.3
Zusatzwerkstoffe
Die Hauptanwendung des HVOF-Spritzens ist der Verschleißschutz mit KarbidMetall-Schichten. Als Karbide werden überwiegend Wolframkarbid (WC) und Chromkarbid (Cr3C2) verwendet. Die Bindematrix kann aus Kobalt (Co), Nickel (Ni) oder Kombinationen wie NiCr und CoCr bestehen. Hartmetalle wie TiC, ZrC, HfC, SiC oder TaC werden praktisch nicht spritztechnisch verarbeitet. Ziel jüngerer Entwicklungen war auch die Verarbeitung von WB, CrB, MoB mit Co oder Ni als Bindematrix mittels HVOF-Spritzen. In den letzten 20 Jahren haben sich für das HVOF-Spritzen von Karbid-Metallschichten, unabhängig von der Spritzanlage, Ausgangspulver mit einem maximalen Korndurchmesser von 45 lm bewährt. Die untere Korngrenze variiert je nach Pulver- und oder Anlagenanbieter. Untere Siebabmessungen mit Durchmessern von 37, 22,5, 15, 10 und 5,6 lm sind üblich. Bei einer Kornfraktion wird immer die obere (z. B. –45 lm) und untere (z. B. +15 lm) Maschenweite der verwendeten Siebe angegeben. Alle Pulverpartikel mit einem größeren Durchmesser verbleiben auf dem groben Sieb und die mit dem kleineren Durchmesser fallen durch das feinste Sieb hindurch. Die Fraktion beinhaltet dann alle Partikel innerhalb dieser Siebgrenzen. In handelsüblichen Fraktionierungen wird ein gewisser Anteil außerhalb der Siebgrenzen, also zu großer und zu feiner Partikel, toleriert. Die untere Korngrenze ist für die Fließfähigkeit des Pulvers ausschlaggebend. Pulver mit größerem Feinanteil erfordern genauere Pulverförderer und neigen eher zum Anbacken beim Durchgang durch die Expansionsdüse. Ein engeres Kornband ist für den Spritzprozess von Vorteil, ist aber bedingt durch den Mehraufwand beim Sieben oder Sichten teurer. Die heute üblicherweise eingesetzten Hartmetallpulverwerkstoffe sind fast ausschließlich agglomeriert gesintert hergestellt und haben eine kugelige Kornform (Abb. 2). Die Karbidkorngröße beträgt bei diesen Pulvern nach Herstellerangaben ca. 3–5 lm, was eine für die HVOF-Spritztechnik marktgängige Größe ist [6, 7]. Die schlussendliche Härte und Verschleißfestigkeit der HVOF-gespritzten WC-Schichten hängt nicht nur von der Zusammensetzung der Spritzpulver, sondern auch von den Spritzparametern ab. Ziel aktueller Forschungsarbeiten ist die Herstellung und spritztechnologische Verarbeitung von Pulvern mit feineren Karbiden bis hin in die Nanometer-Skala. Ferner werden andere Matrixwerkstoffe auf der Basis hochkorrosionsbeständiger Nicklegierungen vorgestellt [7]. Aus der Gruppe der Metalle und Legierungen sind die so genannten MCrALYSchichten für den Hochtemperaturoxidationschutz zur Reparatur von Turbinenschaufeln zu nennen. Weiterhin werden Materialien wie rostfreier Stahl Typ 316L oder Nickelbasislegierungen vom Typ Hastelloy oder Inconel mit HVOF-Verfahren verarbeitet. Dies begründet sich in der erzielbaren kompakten und porenarmen Struktur bei nur sehr geringer Sauerstoffaufnahme bzw. Oxidation des Spritzwerkstoffes. Bekannt ist, dass mit Schichten, die im HVOF-Verfahren hergestellt, und nachträglich wärmebehandelt wurden, Eigenschaften erzielt werden, die mit gleichwertigen geschmiedeten Materialien durchaus vergleichbar sind [8].
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Hochgeschwindigkeitsflammspritzen
Abb. 2 Durchführung von HVOF-Beschichtungen auf einer Antriebswelle mit dem Jet-Kote-System (erstes kommerzielle HVOFSystem), Werksfoto Stellba Schweisstechnik AG, Birrhard CH
3
Technische Randbedingungen
Generell zählt das HVOF-Spritzen zu den hochenergetischen Verfahrensvarianten des thermischen Spritzens. Die heute verfügbaren Systeme arbeiten in einem nominellen Leistungsbereich von ca. 50–250 kW, wobei sich die Leistung aus dem Energiegehalt des zugeführten Brennstoffes pro Zeit ergibt. Durch diese hohen Leistungen ist auch die Verarbeitung großer Pulvermengen von bis zu 9 kg/h (abhängig vom jeweiligen Werkstoff [9, 10]) möglich, was für die Beschichtung von Großbauteilen von Vorteil ist. Demgegenüber besteht bei kleineren Bauteilen die Gefahr der Überhitzung des Grundwerkstoffes. Neben der verarbeitbaren Pulvermenge ist für eine wirtschaftliche Beschichtung auch die Prozess- bzw. Auftragseffizienz von Bedeutung. Diese hängt erheblich vom jeweiligen Verfahren und Werkstoff ab und beträgt z. B. für die Verarbeitung von Metallkarbiden 50–85% [9, 10]. Die Umsetzung dieser hohen Energien in einem HVOF-Brenner verursacht einen Geräuschpegel von bis zu ca. 135 dB [A]. Zudem erfahren die Brenner durch die ausströmenden Brenngase einen nicht zu vernachlässigenden Rückstoß. Neben den normalen Staub- und Wärmeentwicklungen sind dies weitere Gründe, warum sich für den Betrieb von HVOF-Anlagen größtenteils Roboterführungen bewährt haben. Bei Vorortbeschichtungen ist jedoch der Einsatz von Handpistolen möglich, bedingen aber die notwendigen Arbeitsplatz- und Schutzmaßnahmen, Abb. 3 [11, 12]. Die hohen Brennerleistungen und großen Pulvermengen führen zu einem nicht unerheblichen Wärmeeintrag in die zu beschichtende Fläche. Kleinere Bauteile, oder solche mit geringen Wandstärken müssen daher gekühlt werden. Häufig ist dafür das Anblasen mit Druckluft ausreichend. In speziellen Anwendungen, z. B. auf Grundwerkstoffen mit relativ großem Wärmeausdehnungskoeffi-
4 Anwendungen
Abb. 3 Morphologie eines typischen Wolframkarbid-Pulvers, aufgenommen im Rasterelektronenmikroskop als Sekundärelektronenbild mit 1000facher Vergrößerung
zient wie Al oder Cu, ist eine Kühlung durch flüssiges CO2 notwendig [12]. Ferner kann mit intensiven Kühlungen der Bauteilverzug nach der Beschichtung unterdrückt werden, wobei sich maximale Bauteiltemperaturen von ca. 60–100 8C als durchschnittliche Richtwerte herausgestellt haben. Die hohe kinetische Energie der Spritzteilchen führt im Vergleich zum konventionellen Flamm- oder Plasmaspritzen zu sehr glatten Oberflächen mit deutlich geringerer Rauheit. Dadurch kann das notwendige Übermaß zur Nachbearbeitung der Schichten minimiert werden, was insbesondere für die sehr harten Karbidschichten von Bedeutung ist, da sich diese nur noch mit Diamantwerkzeugen und durch Schleifen bearbeiten lassen. Für Innenbeschichtungen gilt der typische Spritzabstand von ca. 1C = 200–350 mm als begrenzender Faktor, bietet dafür aber die Möglichkeit verdeckte oder ungünstig zugängliche Flächen zu beschichten. Dies wird durch die Tatsache begünstigt, dass HVOF-Schichten auch unter einem Winkel von bis zu 30 8 ohne Einbußen bei der Qualität aufgetragen werden können.
4
Anwendungen
An aus publizierten Anwendungen ableitbaren Einsatzgebieten und Beschichtungsbeispielen nimmt der allgemeine Maschinenbau den größten Teil ein. Dabei werden hauptsächlich Verschleißschutzanwendungen für abrasive Beanspruchungen, teilweise mit überlagerter Korrosion, vorgestellt. Für diese Art von Anwendungen, bei Einsatztemperaturen bis ca. 500 8C, haben sich WC-Co-, WC-Co-Crund NiCrBSi-WC-Schichten gut bewährt. Zunehmend werden die HVOF-Schich-
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Hochgeschwindigkeitsflammspritzen
Abb. 4 Typische Beschichtung einer Walze mit dem Kerosinbetrieben GTV K I – System, Systemführung mit axialer Vorschubeinheit und rotierender Walze, Werksfoto Buser Oberflächentechnik AG, Wiler CH
Abb. 5 Einrichten zum Beschichten einer Dichtfläche mit dem GTV – K II-System, einem der mordernsten HVOF-Systeme, Werksfoto Stellba Schweisstechnik AG, Birrhard CH
ten für den Flüssigkeitserosions- und Kavitationsschutz eingesetzt (Abb. 5). Als typische Beispiele wurden: · · · ·
Kugel- und Plattenventile, Komponenten für Kunststoffextruder, Rotoren und Kolben für Kompressoren und Pumpen, Laufflächen von Großmotoren,
4 Anwendungen
· · · · · · · ·
Drahtziehrollen, Brennerdüsen, Mantel- und Führungsflächen von Hydraulikzylindern, Walzen für die Papier- und Folienherstellung, Siebe in der Salzindustrie, Gleitflächen von Eisenbauweichen, Schaufelflächen von Wasserturbinen und Großventilatoren und verschiedenste Wellen
genannt [13]. Aus dem Bereich der Luftfahrtindustrie werden hauptsächlich Beispiele von Verschleißschutzschichten auf den Gleitflächen von Hydraulikzylindern für Fahrwerkskomponenten oder diverse Flügelverstelleinrichtungen präsentiert. Auch hierbei dominieren die Hartmetalle WC-Co und WC-Co-Cr. Als wichtigstes Auswahlkriterium werden die günstigen Eigenspannungszustände nach dem Beschichten und die hervorragende Ermüdungsfestigkeit genannt. Dies begünstigt auch den Einsatz auf verschiedenen Schaufelflächen der Flugturbinen. Andere Kriterien für den Einsatz in der Luftfahrt sind die Möglichkeiten derartige Schichten nach einer bestimmten Einsatzdauer zu entfernen und wieder aufzubauen [13]. Der Apparatebau für die Petrochemie und Gasindustrie stellt ein weiteres großes Anwendungsfeld von thermisch gespritzten Schichten dar. Erfahrungen mit HVOFSchichten liegen mit Boilern, Wärmetauschern, Rohren, Ventilen, Schiebern und ähnlichen Komponenten der Verbrennungstechnik vor. Als Werkstoffe werden vorzugsweise Cr3C2-NiCr und NiCrBSi aufgeführt, die WC-haltigen Schichten werden teilweise für niedrige Einsatztemperaturen genannt. Die hauptsächliche Beanspruchung ist die Gaserosion mit überlagerter Korrosion und Oxidation [13]. Ein weiteres Einsatzfeld sind Hochtemperatur-Oxidationsschutzschichten auf den Schaufeln von stationären Gas- und Dampfturbinen. Hier werden so genannte MCrAlY-Schichten (M = Fe, Ni oder Co) neben dem Oxidationsschutz auch als Haftschichten für keramische Wärmedämmschichten üblicherweise durch Vakuumplasmaspritzen (VPS) aufgetragen. Gegenstand der publizierten Anwendungsbeispiele und Untersuchungen ist ein Vergleich zwischen den VPS- und HVOFSchichten im Hinblick auf die Eigenschaften und Kosten. Dabei zeichnet sich ein Vorteil der VPS-Schichten für die Neuteilebeschichtung und der HVOF-Schichten für Reparaturzwecke ab. Im Automobilbau wird derzeit über verschiedene Einsatzgebiete, wie z. B. Beschichtung von Bremsscheiben, berichtet. Zur Zeit liegen einige Erfahrungen aus Langzeitbauteilversuchen in realen Fahrzeugen vor, aber konkrete Serienanwendungen sind noch nicht publiziert [13]. Verschiedene Hydraulikzylinder für die Ruderverstellung von Schiffen konnten erfolgreich durch eine HVOF-Schicht repariert werden. Dies gilt gleichermaßen für die Zylinderlaufflächen, die Kolben und Kolbenringe von Schiffsdieselmotoren sowie verschiedene Lagersitze von Antriebswellen [13]. Herausragend ist die Verwendung einer metallischen Stahl 316L- oder Inconel 718-Schicht als tragende Mantelstruktur für eine Brennkammer eines Hyperschall-
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Hochgeschwindigkeitsflammspritzen
triebwerkes. Bei dieser Entwicklung waren die maßgeblichen Gründe für den Einsatz der HVOF-Technologie der geringe Sauerstoffgehalt der Schicht bei gleichzeitig vernachlässigbarer Porosität. Beide Kriterien sind die Voraussetzung für die nachträgliche Glühbehandlung der Schicht, welche dann mechanische Eigenschaften aufweist, die vergleichbar dem entsprechenden Bulkmaterial sind [13].
5
Prozessüberwachung- und Steuerung
Grundsätzlich besteht durch den Einsatz speicherprogrammierbarer Steuerungen (SPS) eine hohes Potenzial, die Systemtechnik der HVOF-Anlagen in moderne Fertigungsketten zu integrieren. Gegenwärtig stehen jedoch die Spritzsysteme in vielen Fällen noch als so genannte Insellösungen in den Fertigungsprozessen und die Möglichkeiten der Verknüpfung zur Prozessoptimierung-, überwachung oder des Datenaustausches zur Qualitätskontrolle werden nur unzulänglich genutzt (Abb. 6). Die Ausstattung moderner Spritzsysteme mit Mess- und Regelsystemen ermöglicht es unabhängig von den Umgebungsbedingungen reproduzierbare Prozessparameter zu gewährleisten. Daneben kommt der Prozessvisualisierung eine stetig steigende Bedeutung zu. Damit soll der Anwender eventuelle Abweichungen vom eingestellten Rezeptsatz frühzeitig erkennen und als Fehlermeldung zur Verfügung gestellt bekommen. Dazu sind gegenwärtig verschiedene Diagnosesysteme verfügbar, deren Anschaffungskosten jedoch einer breiten Akzeptanz bei den Beschichtungsanwendern noch entgegensteht. Da aber in der modernen Fertigungskette un-
Abb. 6 Prinzip der Integration einer Online-Prozesskontrolle als Anlagensteuerung, Werksfoto GTV mbH, Luckenbach
6 Entwicklungstrends
Abb. 7 Aufbau des GTV K II-Brenners mit Diagnosesystems, Werksfoto GTV mbH, Luckenbach
ter der Forderung einer exakten Reproduzierbarkeit der Schichtqualitäten eine immer größere Bedeutung zukommt, ist mit einer breiten Einführung von Prozessüberwachungs- und Regelsystemen schon sehr bald zu rechnen (Abb. 7) [5].
6
Entwicklungstrends
Die aufgezählten bzw. publizierten Anwendungsbeispiele zeigen in eindrucksvoller Weise die wirtschaftliche Bedeutung der Hochgeschwindigkeitsflammspritztechnologie, welche heute einen Marktanteil von ca. 25% des thermischen Spritzens erreicht [15]. Dies ist nicht nur in den rasanten Fortschritten in der Verfahrens- und Prozessentwicklung begründet, sondern vielmehr auch in den industriell gestellten Anforderungen an technologische Beschichtungen. Unter dem stetigen Druck steigender Qualitätsanforderungen sowie verbesserter Wirtschaftlichkeit werden kontinuierlich neue Entwicklungen aufgenommen und mit Zielen zur Schichtoptimierung oder Prozesskostenreduktion verfolgt. Zudem wird akribisch nach neuen Anwendungsfeldern für die HVOF-Technologie gesucht, was zu einem gewissen Konkurrenzkampf mit beispielsweise galvanischen Beschichtungsverfahren oder dem Auftragsschweißen führt. 6.1
Anwendungstechnik
Einen nicht unerheblichen Marktanteil haben sich die HVOF-Schichten als Ersatz für galvanische Hartchromschichten erkämpft. Der Hauptimpuls dafür ging von der Environmental Protection Agency (EPA) in den USA aus, welche die Chrom-
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Hochgeschwindigkeitsflammspritzen
VI-Verbindungen, wie sie beim Hartverchromen auftreten können, als hochgiftig und krebserzeugend einstuften. Die damit verbundene Steigerung der Kosten, z. B. für die Abwasserentsorgung, führte in verschiedenen Industriebereichen wie der Luftfahrt oder der Rüstungsindustrie zu einer Suche nach möglichen Alternativen. Im Bereich des thermischen Spritzens konzentrierte sich diese Suche im Wesentlichen auf die HVOF-Technologie. Verschiedene Entwicklungsarbeiten haben dabei gezeigt, dass die HVOF-Schichten den Hartchromschichten hinsichtlich Verschleißfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit überlegen sein können. Unter wirtschaftlichen Betrachtungen zeigen sich aber auch gewisse Grenzen, wenn HVOF-Schichten als Hartchromalternativen betrachtet werden, besonders wenn die Bauteilgeometrie bzw. die Schichtdicke eine herausragende Rolle bei der Auswahl spielt. Ferner stellt die Bearbeitbarkeit einer Hartmetallschicht, welche nur mit Diamantwerkzeugen möglich ist, einen begrenzenden Faktor dar. Diese und andere Aspekte stehen bei verschiedenen Gruppen im Vordergrund laufender Entwicklungsarbeiten zur Verbesserung der Schichtqualität und Wirtschaftlichkeit zur Erschließung neuer Anwendungen und Märkte für die HVOF-Technologie [16, 17]. Ein typisches Beispiel für eine Chromersatzschicht stellt eine Karbidschicht auf einer Kalanderwalze für die Papierindustrie dar. 6.2
Schichtwerkstoffe
Untersuchungen haben gezeigt, dass sich bei der Verwendung von Pulver mit feineren Karbideinlagerungen die Verschleißfestigkeit der Schichten noch steigern lässt. Daher richtet sich das Augenmerk laufender Untersuchungen auf Spritzpulver mit Karbidkorngrößen, die nun in den Bereich der Nanometerskala hinabreichen [18]. Ein weiterer Vorteil der feineren Pulver liegt in der geringeren Oberflächenrauhigkeit der gespritzten Schicht im unbearbeiteten Zustand. Dadurch kann das zur Nachbearbeitung nötige Übermaß reduziert werden, was wiederum die Beschichtungskosten senkt. Ein weiterer Gesichtspunkt aktueller Grundlagenentwicklungen ist die Verarbeitung verschiedener Kunststoffe, welche in reiner Form oder mit Einlagerungen durch Fasern oder Partikel verspritzt werden. Dies gilt gleichermaßen für Projekte, bei denen metallische Pulver durch Siliziumkarbidpartikel zur Steigerung der Verschleißfestigkeit mittels HVOF-Verfahren als Schichten hergestellt und mit konventionellen Karbidschichten verglichen werden. Derartige Arbeit sind jedoch grundlagenorientiert und können in der Zukunft das Anwendungsfeld der HVOFTechnologie erweitern [19]. Von besonderem Interesse sind Kombinationsschichten, bei denen eine HVOFgespritzte Hartmetallschicht durch einen Kunststoff nachträglich versiegelt wird. Damit kann z. B. die hohe Abriebbeständigkeit einer Wolframkarbidschicht mit den ausgezeichneten Antihafteigenschaften einer PTFE-Schicht kombiniert werden. Derartigen Kombinationen sind im Hinblick auf die Werkstoffvielfalt kaum Grenzen gesetzt. Ferner kann durch eine Kunststoffversiegelung die Korrosionsbeständigkeit einer HVOF-Schicht noch erheblich gesteigert werden [20].
7 Zusammenfassung
6.3
Prozesstechnik
Bei der Weiterentwicklung der verfügbaren Prozesstechnik steht das Spritzen mit reduzierten Flammentemperaturen zur Vermeidung von Phasenumwandlungen und Oxidationen des Spritzmaterials im Vordergrund. Dies kann durch die Verwendung von Umgebungsluft anstelle des Sauerstoffes zur Verbrennung erreicht werden. Werden Hartmetalle auf diese Art verarbeitet, so kann die Schlagzähigkeit der Schichten gesteigert werden. Eine weitere Möglichkeit zur Reduktion der Spritzpartikeltemperatur stellt die Verwendung wesentlich höherer Brennkammerdrücke dar, womit dann auch gröbere Pulver verarbeitet werden können. Es wird davon ausgegangen, dass mit derartigen Systemen die Qualität der Schichten im Hinblick auf deren Härte, Dichte, Haftung und Zähigkeit deutlich verbessert werden kann [1]. 6.4
Verfahrenstechnik
Als wesentliche Neuheit der HVOF-Technologie ist das Hochgeschwindigkeitsdrahtflammspritzen zu nennen, welches zur Zeit zur Verarbeitung von Werkstoffen wie Aluminium, Kupfer, Molybdän oder verschiedenen Stahllegierungen untersucht wird. Die Porosität der Schichten und auch deren Oxidationsneigung ist deutlich geringer als beim konventionellen Drahtflammspritzen. Diese Verfahrensvariante setzt jedoch die Verfügbarkeit des Ausgangswerkstoffes in Drahtform voraus, wodurch die verarbeitbare Werkstoffpalette gegenüber den Pulvervarianten eingeschränkt wird. Hartphaseneinlagerung zur Steigerung der Härte, beispielsweise durch Karbide, können nur durch die Verwendung von Fülldrähten in der Schicht eingelagert werden [21].
7
Zusammenfassung
Der autogene HVOF-Prozess stellt heute ein etabliertes Verfahren zur Herstellung von Schutzschichten dar, deren Hauptanwendung überwiegend im präventiven Schutz technischer Oberflächen vor Verschleiß zu finden ist. Im Vordergrund stehen dabei die Karbidschichten aus dem hochverschleißfesten Wolframkarbid mit Härten von ca. 1000–1400 HV0,3 für Anwendungstemperaturen bis zu ca. 540 8C und die Chromkarbidschichten mit Härten von ca. 750–900 HV0,3 für Einsatztemperaturen bis zu ca. 900 8C. Daneben existiert eine Vielzahl von Applikationen, die metallische Schichtwerkstoffe kombinieren, was auf die vergleichsweise hohe Partikelgeschwindigkeit bei moderater Temperatur des HVOF-Prozesses zurückzuführen ist. Beides sind Vorraussetzungen für eine dichte und gut haftende Schicht mit geringer Porosität.
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Hochgeschwindigkeitsflammspritzen
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Literatur 1
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Triplex II – Die Entwicklung eines wirtschaftlichen Hochleistungsplasmaspritzsystems für höchste Qualitätsansprüche selbst unter extremen Produktionsbedingungen H. Zimmermann, Sulzer Metco AG (Switzerland), Wohlen, Schweiz H.-M. Höhle, Sulzer Metco Europe GmbH, Hattersheim, Deutschland
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Einleitung
In nahezu allen Bereichen der Technik hat sich mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass man den steigenden Anforderungen an moderne Konstruktionselemente am besten dadurch gerecht wird, dass man eine funktionale Trennung zwischen dem eigentlichen Grundkörper eines Bauteils und seiner Oberfläche vornimmt. Dabei werden durch den Grundkörper z. B. Form, Dimensionierung, Haltpunkte und Kontaktstellen zum Gegenkörper vorgeben, während die Oberfläche für Kontaktbedingungen und Bauteilschutz verantwortlich ist. Sowohl für den Grundkörper als auch für die Oberfläche spielt die richtige Auswahl eines geeigneten Werkstoffes in Verbindung mit dem optimalen Herstellungsprozess eine entscheidende Rolle. Zur Gestaltung funktionsoptimierter Bauteiloberflächen bieten die modernen Verfahren der Beschichtungstechnologie zahlreiche wirtschaftlich sinnvolle und technisch in vielfacher Hinsicht interessante Alternativen an. In Kombination mit einer hochwertigen Beschichtung können selbst aus einfachen, preiswerten Grundwerkstoffen moderne, beanspruchungsangepasste Werkstoffverbunde hergestellt werden. Das betriebswirtschaftliche, technologische und ökologische Potenzial, das in beschichtungstechnisch hergestellten Werkstoffverbunden steckt, ist bei weitem noch nicht ausgereizt und hat dennoch schon heute dazu geführt, dass die Beschichtungstechnologie zu einer Schlüsseltechnologie avanciert ist, die auch in Zukunft noch für viele Anwendungsgebiete neue Perspektiven eröffnen wird. Dabei stellt die Vielzahl der heute schon existierenden Angebote rund um die Beschichtungstechnologie eher ein Hindernis bei ihrer Verbreitung dar. Die Auswahl einer Beschichtung und eines Verfahrens für eine bestimmte Anwendung erfordert oft großes Fachwissen und damit eine intensive Beratung durch Experten. Diese können auch bei der Kosten/Nutzen-Analyse helfen und Entscheidungshilfen liefern, ob man eine Beschichtungstechnologie in die eigene Fertigung integrieren sollte oder ob man besser auf eine Beschichtungsdienstleistung zurückgreifen sollte. Die Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Beschichtungstechnologie sind breit gestreut. Sie umfassen die Erschließung neuer Anwendungsfelder sowie die Neu- und Weiterentwicklung von Beschichtungsverfahren und -anlagen. Abb. 1
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Triplex II
Abb. 1 Schichtdicken und Beschichtungstemperaturen verschiedener Beschichtungsverfahren
zeigt eine Auswahl derzeit gängiger Oberflächenbeschichtungsverfahren und ihre Abgrenzung untereinander im Hinblick auf erzielbare Schichtdicken und thermische Belastung des Trägerwerkstoffes (Substrat). Hinsichtlich der Beschichtungswerkstoffe arbeitet man sowohl an der gezielten Erweiterung der Angebotspalette als auch an der besseren Anpassung der Schicht-Grundwerkstoffverbunde an die jeweiligen Anwendungsfälle. Die Möglichkeiten hierzu erscheinen nahezu unbegrenzt, da neben einer rein stofflichen Veränderung der Schichtmaterialien auch Eigenschaftsänderungen über die Prozessparameter oder durch einen mehrlagigen oder gradierten Schichtaufbau realisiert werden können. Daneben kommt der wirtschaftlichen Herstellung und optimalen Ausnutzung der oft teueren Werkstoffe eine besondere Bedeutung zu. Dies trifft sowohl auf die Pulver- und Drahtwerkstoffe des thermischen Spritzens zu als auch auf die Targetmaterialien für PVD-Prozesse. So entstanden die TiN-TiAlN-Mehrlagenschichten vorrangig deshalb, weil ein Titantarget weitaus billiger war als ein Titan-Aluminiumtarget. Aus Abb. 1 wird ersichtlich, dass das thermische Spritzen das Beschichtungsverfahren ist, das den weitesten Schichtdickenbereich abdeckt. Nicht zuletzt deshalb ist diese Verfahrenstechnologie weit verbreitet und allgemein akzeptiert. Weitere Vorteile des thermischen Spritzens liegen in der nahezu unbegrenzten Werkstoffauswahl, der niedrigen thermischen Beeinflussung des Grundwerkstoffes, der trotz Sichtliniencharakteristik weitgehenden Unabhängigkeit von der Substratgeometrie und den verhältnismäßig geringen spezifischen Kosten. DIN EN 657 definiert das thermische Spritzen als „das Aufbringen von Schichten mittels besonderen Geräten/Anlagen durch Auf- oder Anschmelzen, Zerstäuben und Auftragen eines Spritzwerkstoffes mit hoher Geschwindigkeit auf eine gereinigte und vorbehandelte Bauteiloberfläche“. Dieselbe Norm liefert auch eine Unterteilung der thermischen Spritzverfahren in solche, die zum Aufschmelzen des Beschichtungs-
2 Grundlagen des Plasmaspritzens
werkstoffes, der in Pulverform oder als Draht vorliegen kann, eine Gasflamme nutzen und solche, die elektrische Energie verwenden. Zu Letzteren gehört das Plasmaspritzen, auf das an dieser Stelle näher eingegangen werden soll. Nach einer kurzen allgemeinen Darstellung des Plasmaspritzprozesses und seiner Varianten, wird eine technische Innovation beschrieben, der Dreikathodenplasmabrenner, der für das atmosphärische Plasmaspritzen einen Quantensprung in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bedeutet.
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Grundlagen des Plasmaspritzens
Im Jahr 1939 gelang es zum ersten Mal mit einem Lichtbogenplasma als Wärmequelle Beschichtungen zu erzeugen. Seither wurde die Plasmaspritztechnik kontinuierlich weiterentwickelt und ist heute das Spritzverfahren mit dem größten Anwendungsspektrum. Ein Grund hiefür ist die umfangreiche Auswahl an möglichen Beschichtungswerkstoffen, die Metalle, Legierungen, Oxide, Carbide sowie deren Mischungen umfasst. Die Beschichtungswerkstoffe können bei ausreichender Kühlung auf fast jeden Grundwerkstoff appliziert werden. Hinsichtlich der zu beschichtenden Bauteilgeometrie gibt es beim Plasmaspritzen kaum Einschränkungen, da es auch für Bohrungen bis hinunter zu einem Durchmesser von 40 mm geeignete Plasmabrenner gibt. Das Plasmaspritzen hat zahlreiche Verfahrensvarianten, die für spezielle Anwendungen entwickelt wurden und sich hier durch entsprechende Vorteile auszeichnen. Im Folgenden werden einige der Verfahrenvarianten mit ihren typischen Abkürzungen aufgeführt und charakterisiert: · APS: atmosphärisches Plasmaspritzen · VPS: Vakuumplasmaspritzen – Eigentlich handelt es sich hier meist um ein Inertgasplasmaspritzen (IPS), das in einer evakuierten und dann mit einem Inertgas gefluteten Vakuumkammer stattfindet, um Reaktionen des Schichtwerkstoffes mit dem Luftsauerstoff zu verhindern. Sulzer Metco bevorzugt die Bezeichnung CAPS (Controlled Atmosphere Plasma Spray), das auch LPPS (Low Pressure Plasma Spray) und LVPS beinhaltet. · UPS: Unterwasserplasmaspritzen · SPS: Shrouded Plasma Spray, bei dem der Partikelstrahl von einem Schutzgas ummantelt wird. · RPS: Reactive Plasma Spray, bei dem der Schichtwerkstoff mit einem Reaktivgas reagiert und neue Werkstoffkombinationen entstehen. RPS findet meist in einer mit Reaktivgas gefluteten Vakuumkammer statt. Allen Verfahrensvarianten des Plasmaspritzens gemeinsam ist die Möglichkeit, die prozessrelevanten Parameter mit Rechnern zu erfassen und zu regeln und so einen hohen Automatisierungsgrad bei der Fertigung beschichteter Bauteile zu erreichen. Das wiederum garantiert gleichbleibend hohe Qualität der erzeugten Schichten. Die Schichten werden für vielfältigste Anwendungen eingesetzt, z. B. als Reparaturbeschichtungen oder zum Verschleiß-, Oxidations- oder Korrosions-
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Lichtbogen und Plasma (Nur 5–10% des Gases sind ionisiert. Der Rest konzentriert die Plasmaflamme und schu¨tzt die Du¨seninnenwand vor Verschleiss.)
Abb. 2 Funktionsprinzip des Plasmaspritzens
schutz. Auch die Einstellung spezieller thermischer, elektrischer oder tribologischer Eigenschaften wird durch die Beschichtungen möglich. Die Schichtdicke von Plasmaspritzschichten liegt meist zwischen 50 und 500 lm. Die Obergrenze der Schichtdicke wird vom Werkstoff, der Verfahrensvariante und der Anwendung bestimmt. Für spezielle Anwendungen, wie dicke Wärmedämmschichten, Einlaufschichten oder Reparaturschichten, sind Schichtdicken bis zu 2 mm möglich. Das Funktionsprinzip des Plasmaspritzens ist in Abb. 2 dargestellt. Mit Hilfe eines Hochspannungsimpulses wird ein Lichtbogen gezündet, der dann zwischen einer fingerförmigen, thoriumdotierten Wolframkathode und einer zur Düse ausgebildeten Kupferanode brennt. Beide Elektroden sind wassergekühlt. Das Arbeitsgas, bei dem es sich auch um ein Gasgemisch aus Primär- und Sekundärgas handeln kann, wird über einen Gasverteilungsring in die Düse eingeleitet und strömt zwischen den Elektroden hindurch. Dabei wird es durch den Lichtbogen in den Plasmazustand überführt, d. h. die von der Kathode emittierten und durch das Potenzial beschleunigten Elektronen stoßen mit den Atomen des Arbeitsgases zusammen und ionisieren diese teilweise. Molekülgase werden durch die Energie des Lichtbogens zunächst dissoziiert, d. h. in Atome aufgespaltet und dann erst ionisiert. Demnach stellt ein thermisches Plasma ein heißes Gas dar, das einen merklichen Anteil an ionisierten Atomen oder Molekülen aufweist. Merklich heißt, dass sich ein solches Plasma in seinem Verhalten wesentlich vom normalen Gas unterscheidet, da die Ladungen nicht mehr an Atome gebunden sind, sondern sich in Form von freien Elektronen und Ionen im Gas bewegen und es elektrisch leitfähig machen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass das erzeugte Plasma nach außen hin ungeladen erscheint, dass es sich also um ein „kaltes
2 Grundlagen des Plasmaspritzens
Abb. 3 Enthalpie in Abhängigkeit der Plasmatemperatur für Ar, He, N2 und H2 [1]
Plasma“ handelt. Der Begriff „heißes Plasma“ beschreibt demgegenüber ein Plasma, das einen Überschuss an positiven bzw. negativen Ladungsträgern aufweist. Abb. 3 zeigt, welche Temperaturen notwendig sind, um die typischen Plasmagase Argon, Helium, Stickstoff und Wasserstoff durch einfaches Aufheizen zu ionisieren bzw. zu dissoziieren und zu ionisieren. Man erkennt, dass durch die Dissoziation (Aufspaltung der Atome) bzw. die Ionisation (Abspalten von Elektronen) der Energieinhalt der Gase stark zunimmt, obwohl die eingebrachte thermische Energie nur wenig gesteigert werden muss. Aus Abb. 3 lassen sich verschiedene Rückschlüsse für den Plasmaspritzprozess ziehen. Bei gleicher zugeführter elektrischer Leistung führt die Verwendung von Argon als Plasmagas wegen der vergleichsweise niedrigen Enthalpie zu hohen Plasmatemperaturen. Dies bedingt über die thermische Expansion und den dadurch steigenden Druck eine hohe Plasmageschwindigkeit. Durch Zumischung von Helium kann die Plasmageschwindigkeit noch weiter erhöht werden. Molekülgase sind demgegenüber in der Lage, schon bei niedrigen Temperaturen große Energieinhalte zu speichern. Wegen den niedrigen Temperaturen sind auch die temperaturbedingten Wärmeverluste gering, sodass der Plasmafreistrahl eines Molekülgases weitaus langsamer abkühlt als der eines Edelgases und seine Wärme besser auf das in den Plasmafreistrahl injizierte Spritzpulver übertragen kann. Demnach bezeichnet man ein Argon/Helium-Plasma oft auch als kalt und schnell (hohe Temperatur, niedrige Enthalpie), während man bei Stickstoff/Wasserstoff von einen langsamen und heißen Plasma spricht. Nach Verlassen des Lichtbogens, meist unmittelbar an der Austrittsmündung der Düse, rekombinieren die Ionen und Elektronen des Plasmas wieder zu Atomen und Molekülen und setzen ihre Energie in Form von Wärme frei. Diese Re-
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Triplex II
kombinationswärme ist dafür verantwortlich, dass im Kern des entstehenden Plasmafreistrahls Temperaturen bis zu 20 000 K erreicht werden können. Als Plasmafreistrahl definiert man das von der Düse abströmende, stromfreie Plasma. Der Plasmafreistrahl wird bei Eintritt in die umgebende Atmosphäre abgebremst. Es entstehen Verwirbelungen und er gibt seine Wärme ab. Die Ausbildung des Plasmafreistrahls kann maßgeblich durch die Einleitung des Plasmagases in die Düse beeinflusst werden. Üblicherweise strömt das Plasmagas koaxial zur Kathode ein und wird mit Hilfe eines Gasverteilungsringes, der schräg stehende Bohrungen hat, verdrallt. Es hat sich gezeigt, dass drallförmig zugeführtes Plasmagas zusammen mit den elektromagnetischen Effekten das Umlaufen/Rotieren des anodischen Lichtbogenfusspunktes verstärkt und damit eine lokale Überhitzung der Anode oder punktueller, erosiver Verschleiss vermieden werden können. Andererseits begünstigt ein rotierender Plasmafreistrahl die Turbulenzen und damit die Auskühlung des Plasmas. Der pulverförmige Spritzwerkstoff wird durch einen entsprechend positionierten Injektor mit Hilfe eines Trägergasstromes meist in die energiereichste Zone des Plasmafreistrahles eingeblasen, um einen möglichst hohen Aufschmelzungsgrad sicherzustellen. Nach der Injektion werden die Pulverpartikel vom Plasmagasstrom mitgerissen und beschleunigt. Gleichzeitig werden sie aufgeschmolzen, indem das rekombinierte Plasmagas seine Energie auf die Partikel überträgt. Je länger sich die Partikel im Freistrahl befinden, umso mehr Energie können sie aufnehmen. Die axiale Geschwindigkeit der Pulverpartikel wird durch die Geschwindigkeit des Plasmafreistrahls bestimmt. Je höher die Durchflussmenge des Plasmagases und seine Temperatur sind, umso höher sind Druck und Gasgeschwindigkeit. Die Partikelgeschwindigkeit ist am Ort der Injektion nahezu Null und steigt dann in Strömungsrichtung zunächst rasch an. Je nach Gaszusammensetzung, Partikelgröße usw. können am Ende der Beschleunigungsphase beim atmosphärischen Plasmaspritzen Partikelgeschwindigkeiten bis zu 400 m/s erreicht werden. Die hohe Partikelgeschwindigkeit hat zur Folge, dass die Flugphase der Pulverpartikel bis zum Aufprall auf die Substratoberfläche nur wenige Millisekunden dauert [2]. Um ein Bauteil mit einer Schicht zu versehen, wird der Plasmafreistrahl mit dem darin transportierten, aufgeschmolzenen Spritzpulver über die zu beschichtende Oberfläche geführt. Die Schichtdicke wird durch die Menge des zugeführten Pulvers pro Zeiteinheit, die Verfahrgeschwindigkeit des Plasmabrenners und die Anzahl der Übergänge bestimmt. Das Verhalten der Pulverpartikel beim Aufprall auf das Substrat ist abhängig von der Geschwindigkeit und der Viskosität der aufgeschmolzenen Pulverteilchen. Nur ein vollständig aufgeschmolzenes Partikel kann sich beim Aufprall flach ausbreiten und an die Oberflächentopographie anschmiegen. Durch die An- und Überlagerung vieler Spritzteilchen bildet sich eine dichte und deckende Schicht aus. Auch Teilchen, die beim Auftreffen nicht völlig aufgeschmolzen sind, werden in die Schicht eingelagert. Da sie sich der Oberflächenkontur nur ungenügend anpassen, entstehen Poren. Einige der ungeschmolzenen Teilchen prallen auch wieder von der Oberfläche ab, wodurch sich die Pulverausbeute verschlechtert. Der so genannte Auftragswirkungsgrad, das
3 Aufbau konventioneller Plasmabrenner
Verhältnis von verspritzter Pulvermasse zu Schichtmasse auf dem Bauteil, ist ein Charakteristikum für das verwendete Spritzpulver und den Spritzprozess. Der dominierende Haftungsmechanismus einer thermischen Spritzschicht ist die mechanische Verklammerung der auftreffenden Teilchen mit der aufgerauten Substratoberfläche (Adhäsion) sowie der Verbindung der Teilchen untereinander (Kohäsion). Metallurgische Wechselwirkungen, Diffusionsvorgänge, Mikroverschweissungen o. ä. spielen für die Schichthaftung nur eine untergeordnete Rolle.
3
Aufbau konventioneller Plasmabrenner
Das Kernelement einer Plasmaspritzanlage ist der Plasmabrenner. Weitere Bestandteile sind Kontrolleinheit, Gas-, Strom-, Wasser- und Druckluftversorgung, Wärmetauscher und Pulverförderer. Außerdem gehören zu einer Beschichtungsanlage Brenner- und Bauteilhandlingsysteme sowie periphere Einrichtungen wie Schallschutzkabine und Filter. An dieser Stelle sollen vor allem der Brenner und die Möglichkeiten zu seiner Optimierung behandelt werden. Der Brenner setzt die eingebrachte elektrische Energie in Wärme um, wobei jedoch nicht die komplette Leistung für Dissoziation, Ionisation und Temperaturerhöhung des Plasmagasgemisches verwendet wird, sondern ein Teil auch über die Wasserkühlung des Brenners sowie durch Gehäusekonvektion und Strahlung abgeführt wird. Zur Zündung des eigentlichen Lichtbogens wird zunächst durch einen Hochspannungs- oder Hochfrequenzzündimpuls ein ionisierter Entladungskanal in einer Plasmagasströmung zwischen den Elektroden erzeugt. Durch eine Gleichspannung, die zwischen der Kathode und der Anode anliegt, kann nun ein Gleichstromlichtbogen gebildet werden, der den ursprünglichen dünnen Entladungskanal stark aufweitet. Der Fußpunkt des Lichtbogens wird durch die Gasströmung des nachfolgenden Plasmagases zur Düsenmündung hingetrieben, wodurch ein stabiler Zustand entsteht. Nach der Zündung des Plasmabrenners können die Gasdurchflussmenge und die Stromstärke erhöht und an den Bedarf angepasst werden. Ebenso kann dem ersten Plasmagas (Primärgas, meist Argon oder Stickstoff) ein zweites Gas beigemischt werden (Sekundärgas, meist Helium oder Wasserstoff), um so die für den Beschichtungsprozess erforderliche Temperatur, Enthalpie und Geschwindigkeit des Plasmastrahls zu erreichen. Die sich einstellende Plasmacharakteristik beeinflusst das Aufschmelzverhalten der Pulverpartikel und bestimmt somit die Schichteigenschaften. Die Leistung eines Plasmabrenners wird also von folgenden Faktoren bestimmt: · · · ·
Art des Plasmagases oder der Gasmischung Stromstärke zwischen den Elektroden Brennergeometrie Wärmeabfuhr durch die Brennerkühlung
Der Aufbau eines Plasmabrenners ist in Abb. 2 zu sehen. Erkennbar sind drei Versorgungsanschlüsse innerhalb des Systems. Die Gasversorgung sorgt für die
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Triplex II
Zufuhr mit Plasmagas. Beim Durchströmen des Lichtbogens zwischen den Elektroden wird das Gas erhitzt, dehnt sich aus und tritt mit hoher Geschwindigkeit aus der Düse aus. Hier wird nun das aufzuschmelzende Pulver mit Hilfe eines Trägergasstromes injiziert, von der schnellen Plasmaströmung erfasst, beschleunigt und aufgeschmolzen. Einen entscheidenden Einfluss auf das Aufschmelzverhalten der Pulverteilchen hat die Art der Pulverinjektion. Im Allgemeinen soll die Pulverinjektion so ausgelegt sein, dass das Pulver in das Zentrum des Plasmastrahls gelangt. Während des Beschichtungsvorganges kommt es zu einer Überlagerung der radialen Injektionsgeschwindigkeit mit der axialen Plasmagasgeschwindigkeit. Dies führt in Verbindung mit unterschiedlichen Eigenschaften der Spritzpulver, wie z. B. Korngrößenverteilung und Dichte, zu verschiedenen Flugbahnen durch das Plasma. Da das Temperaturfeld des Plasmafreistrahls durch extreme Temperaturgradienten gekennzeichnet ist, kommt es auch zu verschiedenen Aufschmelzgraden der Pulverpartikel. Die Überlagerung der einzelnen Geschwindigkeitskomponenten führt dazu, dass es zu einer Abweichung der Symmetrieachsen von Plasma- und Pulverkegel um den Winkel a kommt. Der Winkel a ist dabei eine Funktion der Pulvereigenschaften und der Injektionsgeschwindigkeit. Die Art der Pulverinjektion kann man zunächst einmal in axiale Injektion koaxial zum Plasmastrahl und in radiale Injektion senkrecht zum Plasmastrahl einteilen. Die axiale Injektion ist kaum verbreitet, da sie mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist. So kann man z. B. in der als Anode geschalteten Düse kaum ein Pulverinjektorrohr nahe genug an das Zentrum der Plasmaflamme heranführen, da es kein Material gibt, das den dort herrschenden Temperaturen widerstehen könnte. Ferner werden sehr hohe Anforderungen an das zu spritzende Pulver gestellt (sehr enge Kornfraktion), um ein Verdampfen des Pulvers innerhalb des Brenners bzw. ein Zusetzen der Düsen zu verhindern. Der einzige am Markt erhältliche Brenner mit axialer Pulverinjektion ist ein Drei-Kathoden-/Drei-Anoden-Brenner, d. h. in seinem Inneren werden drei unabhängige Lichtbögen erzeugt, deren Plasmen zunächst über eine spezielle erste Düse im divergierenden Teil einer zweiten Düse zusammengeführt werden. Hier wird auch das Pulver injiziert. Danach erfolgt die Expansion des erzeugten Plasma-Pulvergemisches in der zweiten Düse. Der komplizierte Aufbau des Brenners mit den damit verbundenen hohen Wartungs- und Ersatzteilkosten sowie die speziellen Anforderungen an das zu verwendende Pulver haben einen breiten Einsatz dieser Technologie bisher verhindert. Bei der radialen Pulverinjektion unterscheidet man zwischen einer internen Pulverinjektion innerhalb der Düse (Anode) und einer externen Injektion außerhalb der Düse. Sulzer Metco verwendet die interne Pulverinjektion bei Brennern für das Vakuumspritzen (z. B. F4-VB oder O3CP), um den Einfluss des Vakuums auf das Injektionsverhalten zu minimieren. Aufgrund der besseren Zugänglichkeit wird beim APS allgemein die externe Injektion bevorzugt. Des Weiteren unterscheidet man zwischen positiven, negativen und neutralen Pulverinjektionswinkeln. Abhängig vom Schmelzpunkt bzw. Schmelzbereich des Pulvers kann der Injektionswinkel in die Plasmaflamme variiert werden. Bei der Verarbeitung von hochschmelzenden Keramiken findet die Injektion gegen die in Richtung des
3 Aufbau konventioneller Plasmabrenner
Abb. 4 Schematische Darstellung des 3APG-II-Plasmabrenners (Advanced Plasma Gun) mit beweglicher Kathode
Plasmastrahles statt (positiver Injektionswinkel), um den Aufenthalt der Partikel im Bereich höherer Plasmatemperaturen zu verlängern. Im Gegensatz dazu werden niedrigschmelzende Metalle oder Kunststoffe in Richtung des Plasmastromes injiziert (negativer Injektionswinkel), um die Verweilzeiten im Plasma zu minimieren. Bei der gleichzeitigen Verarbeitung mehrerer Werkstoffe ist es möglich, die Lage der Injektionsorte in die Plasmaströmung so anzupassen, dass den unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der verschiedenen Werkstoffe Rechnung getragen wird, und diese während des Beschichtungsvorganges nicht entmischt werden, sondern ort- und zeitgleich in einem Punkt auf dem Substrat auftreffen. Die Variantenvielfalt hinsichtlich der verfügbaren Brennertypen ergibt sich daraus, dass man bis heute für jede Anwendung, jede Substratgeometrie und jeden Leistungsbereich (notwendige elektrische Leistung zum Aufschmelzen eines Pulverwerkstoffes) einen eigenen Brenner entwickelt. Das Brenner-Engineering ist noch weit weg von einer Standardisierung. Gemeinsam ist allen Geräten, dass sie aus einer Anoden-Kathoden-Anordnung bestehen, deren Konfiguration die Ausbildung des Lichtbogens bestimmt. Je länger ein Lichtbogen, umso höher die Ionisation im Plasma und umso höher die Plasmaleistung. Diese Erkenntnis hat zu verschiedensten Entwicklungen zur Verlängerung und Stabilisierung des Lichtbogens geführt, wie z. B. einem Brenner mit beweglicher Kathode von Metco-Perkin-Elmer, der in Abb. 4 schematisch dargestellt ist. Auch dieser Brenner hat sich am Markt nicht durchgesetzt. Seit der Einführung des Plasmaspritzens 1955 hat es zahlreiche Brennerkonstruktionen mit dem Ziel der Verbesserung des Lichtbogenlaufverhaltens gegeben, z. B. Veränderungen der Düsengeometrie, Aufprägung von Magnetfeldern usw.. Sie sind in Abb. 5 zusammenfassend dargestellt. Grundsätzlich erkennt man, dass es sich um Einkathoden-Plasmaspritzbrenner mit einteiliger anodisch gepolter Düse und um Einkathoden-Plasmaspritzbrenner mit kaskadierter Düse und Anodenring handelt. Die erstgenannte Bauform hat dabei die industriell weitaus größte Bedeutung erlangt. Das Konstruktionsprinzip erlaubt den Bau von Brennern mit elektrischen Leistungen von wenigen Kilowatt bis über 200 kW. Die Spitze der Kathode ist bei diesen Plasmaspritzbrennern stabförmig, kegelförmig oder abgestumpft ausgebildet. Sie besteht aus Wolfram, das mit 1 bis 2% Thorium do-
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Triplex II
Abb. 5 Düsengestaltung bei Einkathoden-Plasmaspritzbrennern. a) Einteilig anodisch gepolte Düse, b) kaskadierte Düse mit Anodenring
tiert ist, und ist zur Wärmeableitung in einen Träger aus Kupfer eingelassen. Die Kathode ist auf die Achse der rotationssymmetrischen Düse ausgerichtet. Um ein gleichmäßiges Abnutzungsverhalten zu gewährleisten, kommt der exakten Zentrierung (Toleranz unter 0,1 mm) eine wichtige Bedeutung zu. Während der Lichtbogen mit seinem kathodischen Fußpunkt an der Spitze der fingerförmigen Kathode fixiert ist, kann er mit seinem anodischen Bogenpunkt über die gesamte Innenwandung der als Anode dienenden Düse wandern. Die Wanderungen des anodischen Bogenfußpunktes können in axiale und azimutale (radial umlaufende) Fußpunktbewegungen unterteilt werden. Besonders die axialen Bewegungen, die mit einer Längenänderung des Bogens verbunden sind, wirken sich merklich auf die Spannungsaufnahme des Brenners aus und führen zu einer Reihe von Nachteilen. Im Folgenden ist noch einmal stichpunktartig aufgelistet, welche Beweggründe hinter der Überarbeitung des Konzepts konventioneller Plasmabrenner stecken: · · · ·
Lichtbogenfusspunkt bewegt sich zufällig auf der Anode (axial und tangential) Schwankungen in Spannung und Leistungsaufnahme alternierende Plasmafluktuationen (zeitabhängig) Schwankungen in der Effektivität sowie der Erwärmung und der Beschleunigung des am Düsenaustritt injizierten Pulvers · inhomogene Schichten
4 Entwicklung des Hochleistungs-Dreikathodenplasmabrenners Triplex
Abb. 6 Leistungseintrag beim Sulzer-Metco-F4-Plasmabrenner in Abhängigkeit der Plasmagaszusammensetzung [4]
· Steigerung des Leistungseintrages reduziert Lebensdauer der Kathoden-Anodenkombination wesentlich · limitierter Plasmaquerschnitt · Steigerung der Plasmaenthalpie nur mit molekularen Gasen (N2, H2) möglich · hohe Geräuschemissionen In Abb. 6 ist der Einfluss der Plasmagaszusammensetzung auf die Ausbildung des Lichtbogens und damit auf die Leistungsaufnahme eines konventionellen Plasmabrenners dargestellt. Bei Verwendung eines Inertgases als Plasmagas bildet sich ein weitschweifender Lichtbogen mit ausgedehntem anodischen Lichtbogenfusspunkt aus, der die Anode wenig thermisch belastet. Der entstehende Plasmastrahl ist stabil und homogen, aber seine Enthalpie reicht nicht aus, um keramische Pulver bei wirtschaftlichen Pulverförderraten aufzuschmelzen. Um die Enthalpie zu steigern, verwendet man meist Plasmagasgemische aus inerten und molekularen Gasen. Dies bewirkt allerdings auch, dass der Lichtbogen eingeschnürt wird und sein anodischer Fußpunkt sich schnell kreuz und quer über die Düseninnenwand bewegt. Leistungsschwankungen sind die Folge [3].
4
Entwicklung des Hochleistungs-Dreikathodenplasmabrenners Triplex
Die in Kapitel 3 beschriebenen Nachteile konventioneller Plasmabrenner veranlassten Sulzer Metco Mitte der 90er Jahre in Zusammenarbeit mit der Universität der Bundeswehr in München ein neues Konzept eines Plasmabrenners zu entwickeln. Hierbei handelte es sich um einen Dreikathoden-Plasmaspritzbrenner
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Triplex II
Abb. 7 Triplex-Brenner mit kaskadierter Düse und Anodenendring [5]
mit kaskadierter Düse und Anodenendring, den Triplex-Brenner. Der Brenner war sowohl für den Einsatz unter atmosphärischen Bedingungen als auch im Vakuum vorgesehen. Der konstruktive Aufbau dieses Brenners ist in Abb. 7 dargestellt. Die drei stabförmigen Kathoden sind in einem Kathodenhalter aus isolierendem Bornitrid im Kreis um eine zentrale Achse verteilt angeordnet. Die aktiven Enden ragen aus dem Kathodenhalter einige mm hervor. Die Kathodenstäbe können durch einen Ringspalt zu dem Kathodenhalter mit Plasmagas angeströmt werden. Der Durchmesser der drei Kathoden wird abhängig von der Strombelastung gewählt. Von den Kathoden bis zum Anodenendring erstreckt sich der Plasmaführungskanal, der von einem Stapel ringförmiger, voneinander elektrisch isolierter Neutroden gebildet wird. Die den Kathoden am nächsten liegende Neutrode bildet den Einlaufbereich, durch den das Plasmagas zugeführt wird. Nach dem Einlaufbereich folgt eine Engstelle der Düsenkontur. Anschließend erweitert sich die Düse wieder zu einem zylinderförmigen Plasmaführungskanal, der mit dem Anodenendring abgeschlossen wird. In Abb. 8 ist das Prinzip der drei Kathoden und der kaskadierten Düse mit Anodenring noch einmal in anderer Form dargestellt. In der Abb. oben rechts erkennt man, dass auf den drei Kathodenspitzen drei diskrete Teillichtbögen beginnen, die separat auf dem Anodenendring enden. Wenn die Düsenengstelle zu klein gemacht würde, käme es zu einer Vereinigung der Teillichtbögen zu einem einzigen Bogen mit dann auch nur einem anodischen Bogenfußpunkt. Dieser Einzellichtbogen würde mit seinem Fußpunkt durch den überhöhten Wärmeeintrag die Anode lokal aufschmelzen und zerstören. Anodenseitig ist die Position der Lichtbogenfußpunkte ebenfalls festgelegt. In axialer Richtung besteht durch die Länge des Anodenringes kaum noch Bewegungsfreiheit. In azimutaler Richtung greift das so genannte Energieminimalprinzip, die Tatsache, dass der Lichtbogen den kürzesten Weg von der Kathodenspitze zur Anode wählt, da der mit der minimalen Leistungsaufnahme des Lichtbogens
4 Entwicklung des Hochleistungs-Dreikathodenplasmabrenners Triplex
Abb. 8 Prinzip des Dreikathodenplasmabrenners mit kaskadierter Düse
einhergeht. Beim Einkathodenbrenner ist, wegen der zentriert auf der Brennerachse angeordneten Elektrode, jeder Punkt F1, F2, . . . , Fi auf dem inneren Radius des Anodenrings gleich weit von der Elektrodenspitze entfernt. Anders ist das bei den Elektroden des Dreikathodenbrenners, die außerzentrisch auf einem Kreis um die Brennerachse positioniert sind. In diesem Fall gibt es eindeutig einen kürzesten Weg von einer Elektrodenspitze S1 zu einem bestimmten Punkt F1 auf dem Anodenring, den der Lichtbogen wählt, um das energetisch günstige Leistungsminimum zu erreichen. Dieser Stabilisierungseffekt ist wesentlich für das Funktionsprinzip des Triplex-Brenners und wurde durch Messungen bestätigt [6]. Die drei stabilen Teillichtbögen und die dazugehörigen anodischen Bogenfußpunkte führen zu einem Plasmafreistrahl mit einer Dreifachsymmetrie, die besonders deutlich bei Unterdruckparametern ausgeprägt ist. Auf die Zündung der Lichtbögen soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Allgemein gibt es für Plasmabrenner verschiedene mögliche Zündverfahren, wie Berührungszündung, Zünddrahtverfahren oder Überschlagszündung. Für den Triplex bietet sich ein inkrementales Zündverfahren oder das elektrische Pilotbogenzündverfahren an. Der Triplex-Brenner zeichnet sich durch extrem lange Standzeiten aus. Er kann ohne Erosionserscheinungen der Anode über einen langen Zeitraum betrieben werden. Dabei hat sich gezeigt, dass reines Argon als Plasmagas zu bevorzugen ist, andere Plasmagase aber möglich sind. Die lange Haltbarkeit der Triplex-Anode
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lässt sich durch die veränderte Wärmeeinbringung in die Anodenwand erklären. Die lokale thermische Belastung ist gegenüber konventionellen Plasmabrennern deutlich reduziert, da sich der Gesamtstrom auf drei Teillichtbögen aufteilt. Damit verringern sich die maximal abzuführenden Wärmestromdichten auf ein Neuntel und eine Aufschmelzung der Anodenwand wird vermieden. In konventionellen Plasmabrennern wird das Plasmagas mit einem Drall in die Düse eingeleitet, um die Wanderungsgeschwindigkeit des anodischen Bogenfußpunktes zu erhöhen. Auch beim Triplex wird das Plasmagas über einen Gasverteilerring mit Bohrungen schräg zur Brennerachse zugeführt, um es mit einem Drall zu versehen. Abhängig von der Stromstärke und des Plasmagasflusses werden die Lichtbögen dadurch helixförmig verdrallt und stabilisiert. Zusätzlich bewirkt der Drall eine verbesserte Aufheizung des Plasmas. Grundsätzlich könnte das Plasmagas beim Triplex allerdings auch ohne Drall eingeleitet werden. Die radiale Pulvereingabe beim Triplex-Brenner kann unter verschiedenen Winkeln, an verschiedenen Positionen innerhalb und außerhalb der Düse und mit unterschiedlicher Anzahl von Injektoren erfolgen. Um von der Dreifachsymmetrie der Lichtbögen optimal zu profitieren, ist es allerdings sinnvoll, drei Injektoren zu wählen, die so angeordnet sind, dass die drei Lichtbögen energetisch für die Aufschmelzung und Beschleunigung des Pulvers voll ausgenutzt werden. Damit können bei diesem Brennertyp durch geeignete Pulverzugabe die drei Teillichtbögen gezielt und stationär genutzt werden. Seit Beginn der Entwicklung des Triplex-Brenners wurden zahlreiche Weiterentwicklungen vorgenommen. Sie hatten folgende Zielsetzungen: · · · · · · · · · ·
Ersatz veralteter Plasmaspritztechnologie Verbesserung der Zuverlässigkeit und Erhöhung der Verfügbarkeit Senkung der Material- und Arbeitskosten Steigerung der Produktionskapazitäten Reduktion der Prozess- und Durchlaufzeiten Kosteneinsparungen durch höhere Effektivität beim Spritzen Garantie gleich bleibender Qualität bei höherer Produktivität (höhere DE) Erhöhung der Prozessstabilität (extrem stabile Lichtbögen) Sicherstellung gleich bleibender Schichtqualität über lange Zeiträume Erhöhung der Schichtqualität (kein Elektroden- bzw. Düsenabbrand in der Schicht)
Sie bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklung des Triplex II, der sich gegenüber dem Triplex durch folgende Merkmale auszeichnet: · gleiches Grundprinzip wie Triplex I (Leistungsmerkmale Triplex I: 24 kW, YSZ: Förderrate 100 g/min, DE = 60%) · verbesserte Brennergestaltung und Kühlung, um höheres Leistungsniveau zu erreichen (bis zu 55 kW) · vergrößerte Anodenringe, um Spannungen über 100 V zu erlauben · zwei Düsendurchmesser verfügbar, um unterschiedliche Gasgeschwindigkeiten zu realisieren
5 Triplex II – eine neue Ära in der Plasmaspritztechnologie
– 9 mm für dichte Schichten (z. B. Cr2O3) – 11 mm für poröse Schichten (z. B. TBC) Heute bietet man die Triplex II als „Sealed Gun“ mit einem Servicevertrag an, um sicherzustellen, dass das System fachgerecht gewartet wird. So können Betriebszeiten bis zu 200 Stunden mit unveränderten Leistungsdaten garantiert werden.
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Triplex II – eine neue Ära in der Plasmaspritztechnologie
1998 kam mit dem Triplex II eine neue, revolutionäre Plasmaspritztechnologie auf den Markt. Seither wurden in Europa, den Vereinigten Staaten und Japan mehr als 25 Triplex-II-Systeme in Betrieb genommen. Rückmeldungen aus der Industrie zeigen, dass sich aufgrund der geringeren Ausfallzeiten, der hohen Verfügbarkeit, der hohen Effizienz des Beschichtungsvorgangs und der damit verbundenen gesteigerten Produktivität erhebliche Kostenvorteile realisieren lassen. Die Triplex-II-Plasmaspritztechnologie ist darauf ausgerichtet, die Lebensdauer von Verbrauchsteilen zu erhöhen, die Porosität der Beschichtung, dort wo es erforderlich ist, zu verringern und die Produktionsrate erheblich zu steigern. Ferner wird die Geräuschentwicklung auf unter 90 dB(A) gesenkt und damit die Lärmbelastung der Mitarbeiter deutlich reduziert. Im Gegensatz zu konventionellen Plasmabrennern bleiben die Lichtbogenfußpunkte stationär. So werden Plasmafluktuationen und damit Turbulenzen im Plasmastrahl vermieden. Diese Turbulenzen führen normalerweise dazu, dass das eingeblasene Pulver ungleichmäßig aufgeschmolzen und verarbeitet wird, was sich ebenso negativ auf die Eigenschaften der Schicht wie auch auf die Effizienz des Beschichtungsprozesses auswirkt. Wenn man im Gegensatz dazu die Schwankungen der Lichtbögen minimiert, lassen sich die Stabilität des Plasmastrahls, der Schmelzvorgang und letztlich auch die Qualität der aufgetragenen Schicht erheblich verbessern. In Abb. 9 ist der Querschnitt des neuen Triplex-II-Plasmabrenners dargestellt. Sein überarbeitetes Funktionsprinzip trägt den Forderungen nach mehr Plasmastabilität und hoher Leistungsfähigkeit mit einer Reihe von Verbesserungen Rechnung. Wie auch beim Triplex, wird der eingespeiste Gleichstrom aufgespaltet und an drei wassergekühlte Wolframkathoden weitergeleitet. Sie sind gegenüber dem Triplex I größer dimensioniert. Für den Triplex II stehen zwei Düsenpakete zur Verfügung. Sie bestehen jeweils aus einer Neutrode, die den Einlaufbereich bildet, sieben mit Bornitridringen gegeneinander isolierten Neutrodenringen und einem Anodenring mit Wolframbüchse und unterscheiden sich im Durchmesser der Engstelle. Durch die unterschiedlichen Durchmesser soll die Geschwindigkeit der Plasmaströmung beeinflusst werden. Für dichte Schichten, z. B. Chromoxidschichten (Cr2O3) für Anilox-Walzen, soll die Plasmageschwindigkeit möglichst groß sein, sodass das Düsenpaket mit 9 mm Durchmesser zum Einsatz kommt. Für hochporöse thermische Barriereschichten aus yttriumstabilisierten Zirkonoxid (ZrO 8Y2O3) wählt man den 11 mm Düsendurchmesser, um die Plasmageschwindigkeit zu verlangsamen. Neben den Düsendurchmessern spielen natürlich auch
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Triplex II
Abb. 9 Querschnitt des neuen Triplex-II-Plasmabrenners
die übrigen Beschichtungsparameter, wie Stromstärke, Gasfluss, Pulverförderrate, Spritzabstand und Überfahrgeschwindigkeit eine wesentliche Rolle. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die Art der Pulverinjektion, für die es beim Triplex II zwei verschiedene Injektorenhalter gibt. Beide können jeweils drei um 1208 zueinander versetzte Injektoren aufnehmen und unterscheiden sich im Injektionswinkel. Es gibt einen 908- und einen 1058-Injektor. Beide Injektoren sind wassergekühlt, da es sonst aufgrund der Hitze der Plasmaflamme zu Pulveranbackungen kommen könnte. Die gegenüber dem Triplex verlängerte Düse des Triplex II vergrößert die Distanz zwischen Kathoden und Anode, die von den Lichtbögen überwunden werden muss. Dadurch erzeugt der Triplex II einen Plasmastrahl mit höherer Enthalpie. Das System arbeitet in der Regel mit einer Gesamtstromstärke zwischen 250 und 600 A. Auch hier bewirkt die Aufspaltung des Stroms auf drei verschiedene Lichtbögen eine Verringerung der Stromdichte und sorgt damit für eine Verlängerung der Lebensdauer von Anode und Kathoden. Die ausschließliche Verwendung der edlen Plasmagase Argon und Helium, die auch beim Triplex II über einen Gasverteilerring mit schrägen Bohrungen in die Düse eingeleitet werden, wirkt sich ebenfalls positiv auf die Standzeit der entsprechenden Verbrauchsteile aus. Die hohe Produktivität des Triplex II beruht auf der möglichen hohen Pulverförderrate, dem guten Auftragwirkungsgrad sowie der damit einhergehenden hohen Auftragsrate. Je nach industrieller Anwendung stehen beim Triplex II zwei Betriebsarten zur Verfügung. Zur Bearbeitung großer Mengen kleiner Teile wird empfohlen, nur einen einzigen Pulverinjektor zu verwenden, um eine optimale Zielgenauigkeit zu erreichen. Auch für die Applikation von metallischen Haftschichten reicht ein Injektor oft aus. Für die Beschichtung großer Teile sollten dagegen alle drei Injektoren zum Einsatz kommen, um eine hohe Förderrate zu erzielen und den Spritzfleck möglichst groß zu machen, sodass die Bearbeitungsfläche maximal wird. Abb. 10 zeigt einen Vergleich der produktivitätsrelevanten Parameter zwischen einem konventionellen Plasmabrenner und dem Triplex II.
5 Triplex II – eine neue Ära in der Plasmaspritztechnologie
Abb. 10 Triplex II – Halbierung der Beschichtungszeiten durch Stei-
gerung der Pulverförderrate und des Auftragwirkungsgrades (DE – Deposition Efficiency) gegenüber konventionellen Plasmabrennern
Abb. 11 Komponenten des Triplex-II-Plasmaspritzsystems (Controller und Pulverförderer können
ausgewählt werden)
Man erkennt die Überlegenheit des Triplex II. Die Spritzzeit kann gegenüber konventionellen Brennern in der Regel halbiert werden, je nach Anwendung benötigt man sogar nur noch 20 bis 30% der bisher mit konventioneller Technologie notwendigen Spritzzeit. Das sind außergewöhnliche Möglichkeiten zur Kosteneinsparung bei gleichbleibender hoher Qualität. In Abb. 11 ist das Triplex-II-Plasmaspritzsystem zu sehen, wie es seit 2003 angeboten wird. Es beinhaltet Brenner, Controller, JAM Box, Stromquelle, Pulverförderer, Wärmetauscher und Kühler. Controller und Pulverförderer sind entsprechend den Bedürfnissen frei wählbar. Neben den dargestellten Grundkomponen-
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Triplex II
ten eines Plasmaspritzsystems bietet Sulzer Metco auch individuell zugeschnittene Handlingssysteme sowohl für den Brenner als auch für die zu beschichtenden Bauteile an.
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Erfolgsmeldungen aus der industriellen Praxis Chromoxidbeschichtung von Anilox-Walzen für die Druckindustrie In der Druckindustrie haben die verschärften Umweltauflagen dazu geführt, dass mehr und mehr wasserlösliche Farben eingesetzt werden und dass auf den Einsatz schnell trocknender Lösungsmittel auch zur Reinigung verzichtet werden muss. Dadurch ergeben sich neue Anforderungen an die Druckwerke, die trotz aller Einschränkungen immer schneller qualitativ immer hochwertigere Druckerzeugnisse herstellen müssen. Moderne Flexodruckwerke können diesen Ansprüchen gerecht werden. Ihr Kernelement sind die so genannten Anilox-Walzen, die Farbe aus einem unter Druck stehenden Behälter aufnehmen und exakt dosiert auf den Druckzylinder übertragen. Damit die Farbe optimal aufgenommen werden kann, haben die Anilox-Walzen eine strukturierte Oberfläche mit vielen kleinen Vertiefungen, den Farbzellen. Die Zellen sind zeilenförmig auf den Walzen aufgebracht. Da jede Zelle beim Druck einem Farbpunkt entspricht, wird das gedruckte Bild umso schärfer, je mehr Zeilen pro Zoll (lines per inch = lpi) eine Walze aufweist. Da die Zeilenzahl bei verchromten, mechanisch gerändelten Anilox-Walzen auf etwa 500 lpi beschränkt ist, steigt man mehr und mehr auf keramisch beschichtete und mit Laser gravierte Walzen um. Eine plasmagespritzte und anschließend geschliffene und lasergravierte Chromoxidbeschichtung kann über bis zu 1200 lpi verfügen. Außerdem sind die plasmagespritzten Chromoxidschichten verschleiß- und korrosionsbeständiger als galvanisch aufgetragene Chromschichten und haben ein optimales Benetzungsverhalten, was die Menge der zum Druck notwendigen Farbe auf ein Minimum beschränkt. Weniger Farbe bedeutet schnellere Trockenzeiten. Eine erfolgreiche Lasergravur setzt eine extrem dichte Schicht voraus, da eine Farbzelle nur einen Durchmesser von ca. 70 lm aufweist. Des Weiteren muss die Schicht absolut rein sein, da jede metallische Verunreinigung zu einer Streuung des Laserstrahls und damit zu Zerstörung der Zelle führt und die Walze letztlich unbrauchbar macht. Um die Wirtschaftlichkeit der Chromoxidbeschichtung von Anilox-Walzen zu steigern, hat Sulzer Metco verschiedenste Entwicklungen vorgenommen. Diese betreffen zum einen ein neuartiges Chromoxid-Spritzpulver mit optimiertem Pulverfluss, höherer Dichte und verbessertem Auftragswirkungsgrad. Zum anderen wurden für den Triplex II entsprechende Spritzparameter entwickelt, die eine Leistungssteigerung um den Faktor drei bei der Herstellung von thermisch gespritzten Anilox-Walzen gegenüber einem konventionellen Plasmabrenner erlauben und dabei auch noch geringere Kosten pro Einheit ergeben. Abb. 12 zeigt den Querschliff einer mit dem Triplex II gespritzten Schicht für Anilox-Walzen mit
6 Erfolgsmeldungen aus der industriellen Praxis
Abb. 12 Querschliff einer typischen thermisch gespritzten
Anilox-Walzenbeschichtung mit NiCr-Haftschicht und Cr2O3-Deckschicht
ihrem typischen Aufbau aus einer ca. 80 lm dicken NiCr-Haftschicht (Metco 43F-NS) und einer ca. 300 lm dicken Cr2O3-Schicht (AMDRY 6417). Die gezeigte Chromoxidschicht hat eine Porosität unter 2% und eine Härte von 1300 HV 0,3. Nach dem Schleifen hatte die Schicht eine Oberflächenrauheit Ra = 0,09 lm. Einlaufschichten Einlaufschichten, so genannte „Abradable Coatings“, werden als Dichtungen in stationären Gastrubinen und in Strahltriebwerken von Flugzeugen eingesetzt, indem sie den Abstand zwischen den Schaufelspitzen und den beschichteten Kompressor- und Turbinengehäusen auf ein Minimum reduzieren. Normalerweise werden die Gehäuseinnenseiten mit relativ weichen Einlaufwerkstoffen beschichtet, während die Schaufelspitzen mit abrasiven Werkstoffen versehen werden. Wenn die Turbine das erste Mal anläuft, graben die Schaufeln, die sich aufgrund von Temperatur und Fliehkraft ausdehnen, Dichtspalte in die Beschichtung. Während des Betriebs bleiben diese minimalen Dichtspalte bestehen und vermindern die Strömungsverluste. Sie ermöglichen kontrollierte Leckagen der strömenden Gase in der Turbine und halten Drücke und Temperaturen auf einem optimalen Niveau. Die Einlaufschichten bieten entscheidende Vorteile, wie z. B. einen verbesserten Wirkungsgrad und geringeren Brennstoffverbrauch. Werkstoffe für Einlaufschichten, die bei niedrigen (350 8C) bis mittleren (600 8C) Temperaturen eingesetzt werden, bestehen üblicherweise aus drei Komponenten, einer metallischen Matrix, einem Festschmierstoff und Polyester. Die metallische Matrix verleiht der Schicht ihre Oxidations- und Korrosionsbeständigkeit und bestimmt die Grenzen der Einsatztemperatur. Der Polyester wird als Mittel zur kontrollierten Einstellung der Porosität eingesetzt. Größe und Anteil der in die Schicht eingelagerten Kunststoffpartikel bestimmen Abrasions- und Erosions-
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Triplex II
Injektion Abradablepulver
Abb. 13 Ausbildung von drei Plasmaflammen und quasi-axiale Pulver-
injektion beim Triplex II
widerstand. Das Abrasionsverhalten verbessert sich mit zunehmendem Polyesterbzw. Porenanteil, während der Erosionswiderstand sinkt. Graphit oder hexagonales Bornitrid, oft auch als weißer Graphit bezeichnet, werden als Festschmierstoffe in die Schicht eingelagert und unterstützen den Prozess, bei dem sich die Schaufelspitze in die Schicht eingräbt. Es ist wichtig, dass bei diesem Prozess nicht zu große Partikel aus der Schicht herausgerissen werden, da diese zu Beschädigungen der Turbine führen könnten. Da die typischen Einlaufschichtenwerkstoffe aus Komponenten mit unterschiedlichen Dichten und Korngrößen bestehen, kann es beim Spritzen zu Entmischungen und zu so genannter Layer-Bildung innerhalb der Schicht kommen. Große und schwere Partikel werden dabei durch die Plasmaflamme hindurch geschossen, während kleine und leichte gar nicht erst in das Plasma eindringen. Die Folge ist eine Trennung der Werkstoffkomponenten durch die Plasmaflamme, die abhängig von der Brennerbewegung dann zeitlich versetzt auf die Bauteiloberfläche auftreffen und bei einem Brennerüberlauf mehrere Schichten bilden. Dieses Problem kann durch den Einsatz des Triplex II vermieden werden. Man geht davon aus, dass die drei Lichtbögen zunächst drei unabhängige Plasmaflammen bilden, die sich erst in einem gewissen Abstand nach Austritt aus dem Brenner zu einer einzigen Flamme vereinigen. Der Abstand wird durch den Drall der Gasströmung und die Stromstärke bestimmt. Normalerweise sollte der Spritzwerkstoff direkt in die Pasmaflamme injiziert werden, doch bei den Einlaufwerkstoffen bietet es sich an, den Werkstoff zwischen die Flammen zu injizieren, um so zu gewährleisten, dass alle Werkstoffkomponenten gleichmäßig ins Plasma eindringen und durch den Drall der Gasströmung zusätzlich noch miteinander vermischt werden. So kann man mit dem Triplex II eine quasi-axiale Injektion darstellen, wie es in Abb. 13 gezeigt ist.
6 Erfolgsmeldungen aus der industriellen Praxis
Wärmedämmschichten/thermische Barrieren Keramische Wärmedämmschichten mit einer extrem geringen Wärmeleitfähigkeit unter 1 W/mK verringern die thermische Belastung von metallischen Basiswerkstoffen. Bisher werden solche Schichten überwiegend im Turbinenbau als wärmedämmende Auskleidungen für Brennkammern und zum Schutz von Leit- und Laufschaufeln eingesetzt. Sie verhindern, dass der Basiswerkstoff unmittelbar in Kontakt mit dem bis zu 1500 8C heißen Brenngas kommt. Typischerweise besteht ein Wärmedämmschichtsystem aus der eigentlichen Wärmedämmschicht und einer Heisgaskorrosions- und Oxidationsschutzschicht. Außerdem sind thermisch gewachsene Oxidschichten und Diffusionsbarriereschichten möglich. Als Werkstoff für thermisch gespritzte Wärmedämmschichten wird meist teilstabilisiertes Zikonoxid eingesetzt, d. h. dem in der Hochtemperaturmodifikation vorliegenden, tetragonalen Zirkonoxid wird ein Stabilisator zugesetzt, der weitgehend verhindert, dass das Zrikonoxid beim Abkühlen unter 1170 8C in die volumenmäßig größere monokline Phase umwandelt. Ein typischer Stabilisator ist Yttriumoxid (Y2O3), von dem 7% zur Teilstabilisierung ausreichen, 20% stabilisieren die Hochtemperaturphase vollständig. Abhängig von der Schichtdicke und der Porosität der Wärmedämmschicht kann die Wärmebelastung eines Bauteils um bis zu 400 8C gesenkt werden, vorausgesetzt die Bauteilkühlung funktioniert. Hinsichtlich der Porosität gilt, je höher je besser. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass das Spritzen hochporöser Schichten im Bereich 15–20% mit erheblichen Einbussen im Auftragwirkungsgrad des Pulvers einhergeht (40–50%). Dichte Zirkonoxidschichten hingegen lassen ich mit einem Pulverauftragwirkungsgrad bis zu 70% spritzen. Ein Leistungsvergleich zwischen konventionellem Brenner und Triplex II für teilstabilisiertes Zirkonoxid ist in Abb. 10 aufgeführt. Abb. 14 zeigt den Querschnitt einer mit dem Triplex II und Metco 204C-NS Pulver gespritzten ther-
Abb. 14 Thermische Barriereschicht gespritzt mit dem Triplex II
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Triplex II
mischen Barriereschicht mit den entsprechenden Spritzparametern und Schichtund Prozesskenngrößen. Weitere Anwendungen Sulzer Metco verfügt über eine Anwendungsentwicklung, in der in Zusammenarbeit mit den Kunden immer wieder neue Anwendungsmöglichkeiten für den Triplex II entwickelt werden.
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Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag beschreibt die Entwicklung eines wirtschaftlichen Hochleistungsplasmaspritzsystems für höchste Qualitätsansprüche selbst unter extremen Produktionsbedingungen. Zunächst werden die Grundlagen des Plasmaspritzens erklärt. Danach wird der Aufbau konventioneller Plasmabrenner dargestellt, um daraus die Forderungen für die Entwicklung eines Dreikathodenplasmabrenners abzuleiten. Die Entwicklungsschritte hin zum heutigen Stand der Technik mit der Triplex-II-Brennertechnologie werden beschrieben. Anwendungsbeispiele aus der industriellen Praxis für den Triplex II belegen die Überlegenheit der neuen Technologie.
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Literatur 1 H. S. Ingham, A. P. Shepard: Flame Spray
Handbook, Volume III, Plasma Flame Process, published by Metco Inc., Westbury, Long Island, New York, 1965 2 E. Lugscheider: Beschichtungstechnik, Vorlesungsumdruck für die Vertieferrichtung Werkstofftechnik im Studiengang Maschinenbau an der RWTH Aachen, 1994 3 J.-F. Coudert, M.-P. Planche, O. Betoule, P. Fauchais: Study of the influence of the arc root fluctuations on a DC plasma spray torch, ISPC11, edited by J. Harry, 1993 4 G. Barbezat, J. Zierhut, K. D. Landes: Triplex – a high performance plasma torch,
United Thermal Spray Conference and Exposition, UTSC99, Düsseldorf, March 17–19, 1999, Conference Proceedings, Editors: E. Lugscheider, P. A. Kramer, DVS Verlag, Düsseldorf, 1999, 271–274 5 P. Haselbeck: Entwicklung eines Dreikathoden-Plasmabrenners unter Anwendung adaptiver plasmadiagnostischer Methoden, Dissertation an der Universität der Bundeswehr, München, 1995 6 K. D. Landes, G. Forster, J. Zierhut, M. Dzulko, D. Hawley: Computer Tomography of Plasma Jets – Applied on a Triplex II Torch, to be published on ITSC 2004, Osaka, Japan, May 10–12, 2004
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Anlagentechnik, Gasversorgung und mögliche Anwendungen beim Kaltgasspritzen Werner Krömmer, Peter Heinrich, Linde AG Geschäftsbereich Linde Gas
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Einführung
Durch erste Applikationen hat sich Kaltgasspritzen als eine neue, zukunftsweisende Technik etabliert. Mit den Möglichkeiten dichte, oxidfreie Schichten herzustellen, öffnen sich Bereiche, Industrien und Anwendungen die bis jetzt durch thermisches Spritzen weder erschlossen noch realisierbar waren. Mit den Partnern CGT Cold Gas Technology GmbH, Universität der Bundeswehr Hamburg Prof. Kreye und der Linde AG Geschäftsbereich Linde Gas hat sich eine Kompetenzgruppe gebildet, die auf der Basis prozessorientierter Forschung und Entwicklung ein hochentwickeltes System aufgebaut hat. Zusammen wird praxisnah Forschung betrieben, die es ermöglicht Weiterentwicklungen problemlos in Applikationen einzubinden, um diese immer effizient und anwendungsorientiert auf dem neuesten Stand zu halten.
2
Anlagentechnik Aufbau 2.1
Druckkammer mit Düse
Die größten Fortschritte wurden hier in der Optimierung der Düse [6], dem Herzstück des Verfahrens gemacht. Die Lavaldüse (Abb. 1) wurde in ihrer Geometrie optimiert und gleichzeitig aus einem neuen Werkstoff gefertigt. Die aufwendige Herstellung als zweiteilige Düse ist somit nicht mehr notwendig und die Lebensdauer wurde um 200 % erhöht. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass die neuen Düsen mit höheren Temperaturen zu fahren sind, ohne dadurch ein Anbacken von Pulverpartikeln zu bekommen. Durch die höhere Temperatur und die dadurch gesteigerte Gas und Partikelgeschwindigkeit wird der Austragswirkungsgrad um bis zu 20 % erhöht, bei Kupfer ist dies eine Steigerung von 65 auf 85 %. Über einen Schnellverschluss wird die Düse an der Druckkammer befestigt, an der die wichtigsten Werte wie Druck und Temperatur erfasst und an die Kontrolleinheit weitergegeben werden, um einen stabilen Prozess zu gewährleisten.
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Anlagentechnik, Gasversorgung und mögliche Anwendungen beim Kaltgasspritzen
Abb. 1 Lavaldüse
Abb. 2 Original Kaltgaspistole mit Gaszuführung, Drucksensor und Temperaturmessung
2.2
Steuerschrank
Der Steuerschrank (Abb. 3) ist in zwei getrennte Bereiche geteilt. Alle elektrischen Komponenten sind in der linken Hälfte. In der rechten Seite sind alle Regler, Ventile und Sicherheitseinrichtungen für die Gase. Das Herz der Anlage [3] ist eine SPS (Siemens Simatic S7-300) mit allen notwendigen Steuerkomponenten. Mit Hilfe eines eingebauten TS-Adapters ist eine Ferndiagnose bzw. Fernprogrammierung und Fernparametrierung über ISDN-Leitung oder Modem mit Telefonanschluss möglich. Durch diese Technik kann jedem Anwender sofort Unterstützung zuteil werden. So ist es beispielsweise
Abb. 3 Steuerschrank gesamte
Ansicht
2 Anlagentechnik Aufbau
möglich, im externen Labor entwickelte Spritzparameter per Datenleitung direkt dem Anwender zur Verfügung zu stellen. Die Anlage, die hier gezeigt wird, ist ausgerüstet für den N2- oder He-Betrieb und um frei wählbare Mischungen aus diesen Gasen zu verarbeiten. 2.3
Touch Screen
Zur Bedienung dient ein Simatic Multipanel mit einem 12-Zoll-Farbdisplay (Abb. 4). Dieser Touchscreen verfügt über 5 integrierte Schnittstellen. Dies sind Kommunikationswege zu externen PC’s, einem Netzwerk, oder Druckeranschlüssen.
Abb. 4 Hauptbild Touchscreen
Abb. 5 Pulverförderer
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Anlagentechnik, Gasversorgung und mögliche Anwendungen beim Kaltgasspritzen
Im Grundbild ist ein Anlagenschema mit allen relevanten Komponenten der Anlage und den dazugehörigen Messwerten dargestellt. In weiteren Masken können die Parameter von sämtlichen angeschlossenen Aggregaten eingegeben werden. Parameter der Hauptmaske: Temperatur der Heizschlange Gastemperatur Ausgang Heizer Gastemperatur an der Düse Druck Ausgang Heizer Druck an der Düse Ventile (offen oder geschlossen in untersch. Farben) Gas Verbrauch N2-Hauptgas He-Hauptgas Trägergas Transformator-Leistung
Um die Parameter bei der Verarbeitung verschiedener Werkstoffe einfach umstellen zu können, ist es möglich die materialspezifischen Parameter unter einer Programmnummer abzuspeichern und zu archivieren. Diese funktionstüchtigen Programme können jederzeit aufgerufen und abgearbeitet werden, wodurch ein reproduzierbarer Spritzprozess gewährleistet wird (Abb. 6).
Abb. 6 Parameterrezept
2.4
Gaserhitzer LINSPRAY®
Mit der Erfahrung aus anderen Bereichen der Gasetechnik wurde ein Gaserhitzer entwickelt, der es erlaubt Gasmengen von 90 m3 unter 2 Minuten auf eine Be-
2 Anlagentechnik Aufbau
Abb. 7 Einstellwerte
triebstemperatur von 700 8C zu bringen (Abb. 8). Als Heizwendel wurde ein hochtemperaturbeständiger CrNi-Stahl ausgewählt. Durch den Einsatz einer hochwertigen Isolierung werden Wärmeverluste verhindert (Abb. 9). Durch entsprechende Sicherheitstechnik wird ein Überhitzen der Heizwendel verhindert. Ein sicherer Betrieb ist somit jederzeit gewährleistet. Umfangreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass nach mehr als 1000 Betriebsstunden noch keine Materialermüdung erkennbar war. 2.5
Gasversorgung zum Kaltgasspritzen
Neben dem Aufbau des Heizers ist auch die Gasversorgung für das System eine der Hauptaufgaben innerhalb der Kompetenzgruppe. Stickstoff, Helium oder Ge-
Abb. 8 LINSPRAY®Gaserhitzer
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Anlagentechnik, Gasversorgung und mögliche Anwendungen beim Kaltgasspritzen
Abb. 9 Glühende Heizspirale
800 8C
Abb. 10 Kaltgasgespritzte
Kupferschicht
mische aus diesen Gasen sind beim Kaltgasspritzen die meist eingesetzten Prozessgase. Bei der Verwendung von Stickstoff, einem Druck von 28 bar und einer Temperatur von 420 8C lassen sich bereits absolut dichte Schichten aus Cu mit einem Auftragswirkungsgrad > 85% erzielen. Die dazu bei uns im Hause mit LDA gemessenen Partikelgeschwindigkeiten [5] liegen in einem Bereich von 500–700 m/s. Bei einem Einsatz von Helium lassen sich die Partikelgeschwindigkeiten auf Werte von 600–1200 m/s bei einem Auftragswirkungsgrad (DE) von 95% steigern (Abb. 10). Eine Anlage zum Kaltgasspritzen ist bis 35 bar ausgelegt, sodass man hier auch bei der Versorgung auf ein paar Besonderheiten achten muss. Um diesen Druck aus einer Tankversorgung zu bekommen, gibt es zwei Möglichkeiten: Eine Installation mit Hochdrucktank zusammen mit einem Hochdruckverdampfer. Die Alternative dazu ist ein Niederdrucktank in Verbindung mit einer Druckerhöhung und einem Hochdruckverdampfer.
2 Anlagentechnik Aufbau
Abb. 11 DESYTM (Druckerhöhung)
Die Druckerhöhung (Abb. 11), die außen neben dem Tank installiert wird, funktioniert über hydraulische Hubkolben. Durch diese Technik ist es möglich selbst hochreines Produkt mit einem Druck von bis zu 300 bar zur Verfügung zu stellen. Im Gegensatz zu Kryopumpen entfallen hier hochdruckseitig Speicherbehälter, da die Druckerhöhung nur arbeitet, wenn N2 benötigt wird.
2.6
Heliumrückgewinnung
Die Verwendung von Helium [1] beim Kaltgasspritzen bringt bei Werkstoffen, die eine höhere Partikelgeschwindigkeit erfordern, die Möglichkeit diese sonst kritischen Materialien zu verarbeiten. Um aber beim Einsatz von Helium Ressourcen zu schonen und den Preis für eine Beschichtung in einem finanziellen Rahmen zu halten, hat die Linde AG eine Heliumrückgewinnung, wie sie schon bei anderen Anwendungen eingesetzt wird, für das Kaltgasspritzen modifiziert. Hier sollte, um unnötige Verunreinigungen zu vermeiden, der Prozess gekapselt sein (Abb. 12). Das Abgas geht dann wie immer durch einen Partikelfilter und wird, wenn nötig, gekühlt. Über einen Kompressor kommt das Gas dann zum Herzstück der Anlage, einer sehr aufwendigen Membrantechnik, die das Helium mit 99% Reinheit wieder an einen Pufferbehälter abgibt. Neues Helium wird nur benötigt, um Verluste zu ersetzen. Für die komplette Anlagentechnik reicht ein 20'' Container, in dem diese funktionsfertig montiert ist. Da die Kosten für Helium und Rückgewinnungsanlage sehr hoch sind, sollte man jede Anwendung genau kalkulieren. Großen Einfluss haben hier Verluste, die von der Art und Größe der Bauteile sowie von Wechselintervallen abhängig sind.
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Anlagentechnik, Gasversorgung und mögliche Anwendungen beim Kaltgasspritzen
Abb. 12 Gasversorgung für Kaltgasspritzen
3
Applikationen
Eine große Anzahl von Anfragen beim Kaltgasspritzen geht Richtung elektrischer Leitfähigkeit aber auch Wärmeleitfähigkeit (Abb. 13 und 14). Hier hat man durch die sehr guten Eigenschaften, die eine mit Kaltgasspritzen aufgebrachte Kupferschicht (Abb. 8) mit sich bringt, ideale Voraussetzungen.
Abb. 13 Cu als Kontaktfläche
3 Applikationen
Abb. 14 Cu als Wärmeleiter
Eine Cu-Beschichtung mit ihrer Oxidfreiheit, die man sonst nur aus VPS-Qualitäten kennt, und ihrer porenfreien Struktur, erreicht eine elektrische Leitfähigkeit von 95% der von gewalztem Kupfer. Auch die Wärmeleitfähigkeit dieser Schichten ist ähnlich und kommt bereits bei ersten Anwendungen zum Einsatz. Bei Anwendungen auf einem Aluminiumgrundkörper kommt der Vorteil hinzu, dass man ein aufwendiges Vorbereiten durch Strahlen einsparen kann. Die Partikel verklammern sich perfekt mit der Oberfläche, so dass die Schicht ideal mit dem Grundwerkstoff verbunden ist. Ebenso sind Beschichtungen für Korrosionsschutz gefragt. Zum einen Zink (Abb. 15) im aktiven Korrosionsschutz aber auch Nickel (Abb. 16) oder Edelstähle
Abb. 15 Zink
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Anlagentechnik, Gasversorgung und mögliche Anwendungen beim Kaltgasspritzen
Abb. 16 Nickel
für passiven Schutz. Bei beiden Varianten zählen wieder die Oxidfreiheit wie auch die geringe Porosität zu den Vorteilen. Auch die Kombination von unterschiedlichen thermisch hespritzten Schichten ist realisierbar. In Abb. 17 wird die Kombination einer plasmagespritzen Al2O3-Oxidkeramik als Isolator und darauf eine kaltgasgespritzte Kupferschicht, die elektrisch leiten soll, gezeigt. Ein weiteres Plus vom Kaltgasspritzen ist der fokussierte Strahl, der oft eine Maskierung überflüssig macht. Beispiele sind hier der Schutz von Schnittkanten, Laserschweißnähten oder wie hier gezeigt (Abb. 18) einer Reihe von Punktschweißnähten auf einem verzinkten Blech. Mit 15 lm Zink wird hier nachträglich die Oberfläche wieder versiegelt um Korrosion zu vermeiden.
Abb. 17 Geschützte Schweißnaht
5 Literatur
Abb. 18 Al2O3 mit Cu
4
Zusammenfassung
Eine ausgereifte Anlagentechnik ist eine gute Basis für Forschung aber auch für die Industrie. Bei der Einführung der ersten Applikationen hat sich zudem gezeigt, dass der Transfer von Know-how und Anwendung reibungslos und ohne Probleme möglich war, so dass die ersten Serienbeschichtungen in der Automobil- und Elektrotechnik ihre geforderten Eigenschaften aber auch die Serientauglichkeit der Anlage unter Beweis stellten. Aufbau und Struktur der mit Kaltgas hergestellten Schichten zeigen Eigenschaften, die bisher durch thermisches Spritzen nicht möglich waren, und erschließen damit neue Applikationen im Bereich der Oberflächentechnik. Die Kompetenzgruppe, die in der Einführung beschrieben ist, zusammen mit den Lohnbeschichtern, sind bestrebt weiterhin Forschung und Entwicklung zu betreiben, um das Feld der Anwendungen und der Werkstoffe, die durch dieses Verfahren denkbar sind, zu erweitern sowie diese auch für die Industrie interessant zu machen.
5
Literatur 1 Werner Krömmer, Peter Heinrich, Lin-
de Gas AG Unterschleissheim. What influence does the purity of industrial gases have on the quality of thermal spraying? ITSC Singapore 2001 2 Carina Rickfält, Werner Krömmer, Peter Heinrich, Linde Gas AG Unter-
schleißheim. Moderne Gasversorgung für das Thermische Spritzen ITSC 2002 Essen 3 P. Richter, D. Ampfing, W. Krömmer, P. Heinrich, Unterschleissheim. ITSC 2002 Essen Equipment Engineering and Process Control for Cold Spraying/Anlagentechnik und Prozesssteuerung beim Kaltgasspritzen.
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Anlagentechnik, Gasversorgung und mögliche Anwendungen beim Kaltgasspritzen 4 J. Voyer, T. Stoltenhoff, Prof. Kreye
Universität der Bundeswehr Hamburg. Development of Cold Gas Sprayed Coatings 5 Dipl. Ing. Alfred Reusch. Die Entwicklung eines Laser-Doppler-Meßsystems und seine Anwendung bei Verfahren des Thermischen Spritzens
6 Thorsten Stoltenhoff. Kaltgasspritzen
von Kupfer. Eine strömungsmechanische und werkstoffkundliche Analyse und Optimierung des Spritzprozesses
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Diagnostik an thermischen Beschichtungsverfahren J. Prehm, Institut für Werkstoffkunde, Universität Hannover
1
Einleitung
Die Eigenschaften thermisch gespritzter Schichten sind in erster Linie eine Funktion der thermischen und kinetischen Energie der Spritzpartikel. Gelingt es, diese Größen zu detektieren und gezielt zu beeinflussen, so können die Schichteigenschaften für den jeweiligen Anwendungsfall optimal ausgelegt werden. Zu diesem Zweck sind in den letzten Jahren diverse Diagnosevorrichtungen entwickelt worden, welche es gestatten, Partikelgeschwindigkeit, -größe, und -temperatur zu messen. Darüber hinaus sind auch die in diversen thermischen Spritzprozessen die Partikel beeinflussenden Größen Heißgasgeschwindigkeit und -temperatur von Interesse. Neben der Prozessoptimierung gewinnt die Online-Prozesskontrolle im Hinblick auf konstante Schichtqualität immer mehr an Bedeutung.
2
Einteilung der Diagnoseverfahren
Da im Rahmen dieses Beitrags nicht alle diagnostischen Verfahren näher erläutert werden können, gibt die nachfolgende tabellarische Auflistung (Tab. 1) einen Überblick über die verschiedenen Messmethoden und ihre Zielgrößen.
3
Methoden zur Partikeldiagnostik 3.1
Laser-Doppler-Anemometrie (LDA)
Die Laser-Doppler-Anemometrie beruht auf der Gegebenheit, dass kohärente Lichtwellen, die von bewegten Grenzflächen gestreut werden, eine Doppler-Verschiebung aufweisen und somit Geschwindigkeitsinformationen erhalten.
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Diagnostik an thermischen Beschichtungsverfahren Tab. 1 Diagnoseverfahren
Plasma/Heißgas Zielgrößen Enthalpie Temperatur Geschwindigkeit Viskosität
Verfahren/Methoden Enthalpiesonde Thermographie Schlierentechnik Laser-2-Fokus Verfahren Emissionsspektroskopie Pyrometrie Laser-Doppler-Anenometrie
Partikel
Substrat
Temperatur Geschwindigkeit Trajektorien Partikeldichte Aufschmelzverhalten Form
Oberflächentemperatur Bauteiltemperatur Temperaturverteilung
Laser-zwei-Fokus DPV 2000 LDA Particle-Image-Velocimetry Particle-Shape-Imaging Phasen Doppler Anemometrie
Pyrometrie Thermoelemente Thermographie
Bei der Laser-Doppler-Anemometrie erfolgt ein Aufspalten des Lichtstrahls eines Lasers durch eine geeignete Strahlteilungsoptik in zwei Partialstrahlen. Eine Konvexlinse fokussiert die beiden Partialstrahlen. Der Schnittpunkt im Brennpunkt der Linse wird als Messvolumen bezeichnet. In diesem Messvolumen überlagern sich die Laserstrahlen und bilden Interferenzstreifen, deren Abstand x eine Funktion des Überlagerungshalbwinkels a und der Lichtwellenlänge k darstellt. Ein Teilchen, das sich in der Strömung mitbewegt, reflektiert bzw. streut die Interferenzstreifen im Messvolumen. Ein Detektor im Raum empfängt diese Frequenzen, die der Geschwindigkeitskomponente des Teilchens senkrecht zum Interferenzstreifenmuster entsprechen. Liegt der Halbwinkel (a) der sich überkreuzenden Laserstrahlen und die Wellenlänge des Laserlichtes (k) fest, so kann sehr einfach der Frequenzbereich in 1/s angegeben oder durch Messen der Signalfrequenz (fDoppler) die Geschwindigkeit direkt bestimmt werden (Abb. 1, 2). Für die Partikelgeschwindigkeit folgt: vx
fDoppler d
1
mit :
2
fDoppler
d
1 TD
k
2 sina
3
4
3 Methoden zur Partikeldiagnostik
Abb. 1 Interferenzstreifen-
modell
Abb. 2 LDA-Signal
Die Dopplerfrequenz hängt nicht davon ab, in welcher Richtung ein Teilchen das Messvolumen durchquert. Richtungsumkehrungen, wie sie in turbulenten Strömungen häufig auftreten, können deshalb nicht erfasst werden. Teilchen, die sich parallel zum Streifenmuster durch das Messvolumen bewegen, ergeben ebenfalls kein auswertbares Signal. Das Einbauen eines akustooptischen Modulators (Braggzelle), der ein Verschieben der Frequenz des Laserlichtes in einem der beiden Teilstrahlen um den Betrag fb bewirkt, ermöglicht das Erkennen der Bewegungsrichtung. Die unterschiedliche Frequenz der beiden Laserstrahlen führt zu einer Bewegung des Interferenzstreifenmusters im Messvolumen. Teilchen, die mit der Bewegungsrichtung des Interferenzstreifenmusters das Messvolumen durchqueren, erzeugen eine niedrigere Signalfrequenz f = fB–fDoppler, während Teilchen, die sich entgegen dieser Richtung bewegen, eine höhere Signalfrequenz f = fB+fDoppler hervorrufen. Die lineare Proportionalität zwischen der Geschwindigkeitsreferenzgröße, der Frequenz und der Geschwindigkeit erhöht die Transparenz des LDA-Verfahrens im Vergleich zu anderen Messverfahren und erweist sich in der Praxis als äußerst vorteilhaft [1, 2]. Ein LDA-System (Abb. 3) besteht aus den Komponenten Laser, optisches System, Detektoreinheit (Photomultiplier) und einer Signalverarbeitungs- und Auswerteeinheit. Einer der wichtigsten Faktoren bei der Auswahl des Diagnosesystems und der Leistung des Lasers stellt die Strahlung, die vom Prozess selbst ausgeht, dar. Das
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Diagnostik an thermischen Beschichtungsverfahren
Abb. 3 LDA-Messaufbau
Detektieren des Streulichtes durch die Empfangsoptik erfordert es, darauf zu achten, dass die Hintergrundstrahlung dieses nicht zu sehr überlagert. In den meisten Fällen muss ein sehr schmalbandiger, an die Laserwellenlänge angepasster Filter benutzt werden, um verwertbare Ergebnisse zu erzielen. Der Einsatz eines solchen Filters ist bei allen laseroptischen Verfahren, die mit Streulicht arbeiten, zu empfehlen und in den meisten Fällen unumgänglich. 3.2
Phasen-Doppler-Anemometrie (PDA)
Über viele Jahre hinweg wurde versucht, Geräte zum gleichzeitigen Erfassen von Partikelgröße und Geschwindigkeit zu entwickeln. Der Großteil dieser Entwicklungen basierte auf einer erweiterten Interpretation der empfangenen Signale (bursts) bei der Laser-Doppler-Anemometrie. Erst vor kurzem erfolgte die Einführung eines PDA (Phasen-Doppler-Anemometer), das eine bedeutende Verbesserung in der Qualität und Zuverlässigkeit gewährleistet. Im Vergleich zu früheren Partikelmesstechniken bietet das PDA eine Reihe von Vorteilen: einen sehr großen dynamischen Bereich von der Mikrometer- bis zur Millimetergröße der Partikel, eine hohe Genauigkeit und eine große Unempfindlichkeit gegenüber optischen Störungen. Ein entscheidender Nachteil des Verfahrens liegt darin, dass zur Größenbestimmung die Partikel eine sphärische Gestalt besitzen müssen. Die Phasen-Doppler-Anemometrie basiert auf dem klassischen Laser-DopplerAnemometrie-Messprinzip und nutzt die zusätzliche, in der Phasenlage des Streulichtes enthaltene Information über die Partikelgröße aus. Nicht transparente Teilchen reflektieren das Laserlicht an ihrer Oberfläche. Das Streulicht wird zuerst am Detektor B und dann am Detektor A empfangen. Hieraus resultiert ein Phasenversatz ' der Streulichtsignale. Diese Phasenverschiebung stellt ein zuverlässiges Maß für die Größe der Teilchen im Messvolumen dar (Abb. 4). Das PDA-Messprinzip ist noch nicht als diagnostisches Verfahren in der thermischen Spritztechnologie etabliert. Die Voraussetzungen, die dieses Verfahren mit sich bringt, sphärische Partikel, Kenntnis des Brechungsindizes u.ä., verhin-
3 Methoden zur Partikeldiagnostik
Abb. 4 Reflexion am Teilchen – Phasenverschiebung
derten bislang seine weitere Verbreitung in der Beschichtungstechnologie. In anderen Gebieten der Verfahrenstechnik, so z. B. beim Sprühkompaktieren wird die PDA erfolgreich eingesetzt [3]. 3.3
Laser-zwei-Focus-Verfahren (L2F)
Bei dem Laser-zwei-Focus-Verfahren werden zwei Laserstrahlen mit einem RochonPrisma erzeugt und an verschiedenen Punkten fokussiert. Diese Fokuspunkte bilden somit eine Art Lichtschranke in der Strömung. Zwei Photomultiplier detektieren das von den Partikeln, die diese Messpunkte durchqueren, zurückgestreute Licht. Ein Partikel, welches die beiden Messvolumina durchquert, generiert ein Start- und ein Stoppsignal, das, verstärkt und elektronisch aufbereitet, ein Berechnen der Zeitdifferenz zwischen den beiden Signalen ermöglicht [4, 5]. Das Laser-zwei-Focus-Verfahren bietet gegenüber der Laser-Doppler-Anemometrie entscheidende Vorteile: · besonders gute Unterdrückung von Falschlicht · Messvolumen entscheidend kleiner als beim LDA, deshalb starke Rückstreuung bei extrem kleinen Teilchen · durch das kleine Messvolumen reicht eine geringere Laserleistung aus · unempfindlich gegenüber Störungen auf den Messfenstern · geringerer Wandabstand erreichbar · größerer Geschwindigkeitsmessbereich [1 mm/s–2000 m/s] Das folgende Prinzipbild verdeutlicht den Versuchsaufbau zum Messen von Geschwindigkeiten mit einem L2F-System (Abb. 5). 3.4
Particle-Image-Velocimetry (PIV)
Die Particle-image-velocimetry zeichnet sich im Gegensatz zu den anderen oben erwähnten Verfahren dadurch aus, dass sie ein Messfenster im Quadratzentimeterbereich aufweist, während das der anderen punktuell ist. Somit besitzt die
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Diagnostik an thermischen Beschichtungsverfahren
Abb. 5 Optischer Aufbau eines Laser-zwei-Focus-Systems
Abb. 6 Grundprinzip der PIV-Technik
PIV einen visualisierenden Charakter, da sie gestattet, z. B. Turbulenzen im Strahl zu detektieren [6, 7]. Das Prinzip der Particle-Image-Velocimetry liegt darin, dass die fliegenden Partikel von zwei schnell aufeinander folgenden Laserblitzen beleuchtet werden. Das von den Partikeln zurückgestreute Licht wird anschließend mit einer Digitalkamera aufgenommen. Es existieren zwei Möglichkeiten zur Bildaufnahme. Zum einen können zwei getrennte Aufnahmen, d. h. jeweils eine pro Laserblitz getätigt werden (Kreuzkorrelation), zum anderen kann eine Doppelbelichtung erfolgen (Autokorrelation). Der wesentliche Unterschied zwischen Auto- und Kreuzkorrelation besteht darin, dass bei der Autokorrelation zwar der Betrag und die Richtung der Geschwindigkeit ermittelt werden können, nicht aber die Orientierung. Diese Information liefert jedoch die Kreuzkorrelation. Da hier aber zwei Aufnahmen für eine Messung erforderlich sind, verdoppelt sich dementsprechend das erforderliche Datenvolumen, ebenso steigen die technischen Anforderungen an die Aufnahmekamera. Die Orientierung des Partikelfreistrahls ist beim thermischen Spritzen bekannt, sodass aufgrund der oben erläuterten Gründe meist das Autokorrelationsverfahren für derartige Messungen zur Anwendung kommt [8]. In beiden Fällen wird das reale Partikel in Form eines Partikelpaares abgebildet. Mittels des ausmessbaren Abstands der Partner des Partikelpaares und durch die bekannte Zeitdifferenz zwischen der Zündung der beiden Laserblitze, lässt sich der Betrag der Geschwindigkeit und, bei bekannter Flugrichtung, der Geschwindigkeitsvektor ermitteln (siehe Abb. 6).
3 Methoden zur Partikeldiagnostik
Abb. 7 Particle-Image-Velocimetry beim Lichtbogenspritzen (Sulzer Metco SmartArc, U = 26V, I = 200A, pz = 2 bar)
Abb. 8 PIV-Messaufbau
Abb. 7 zeigt eine PIV-Aufnahme beim Lichtbogenspritzen. Die Aufnahme erfolgte mittels Autokorrelation, sodass Partikelpaare auf dem Bild zu erkennen sind [9, 10]. Ein typischer PIV-Messaufbau besteht aus zwei Lasern. Das Laserlicht wird über Lichtwellenleiter in eine prismatische Optik, dem Flat-Beam-Illuminator (FBI), eingekoppelt, der die punktförmigen Lichtquellen in Lichtflächen auffächert, die das zu untersuchende Strömungsfeld ausleuchten. In der Optik der Digitalkamera befindet sich ein Bandpassfilter, der auf die Wellenlänge der Laser abgestimmt ist, sodass Fremdbelichtungen, z. B. durch Verbrennungsprozesse, weitestgehend vermieden werden. Die Synchronisation zwischen den Laserblitzen und der Aufnahmeeinheit sowie die Bilderfassung ist computergesteuert (siehe Abb. 8).
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Diagnostik an thermischen Beschichtungsverfahren
Abb. 9 Messprinzip DPV-2000
3.5
In-flight-Partikeldiagnostik
Eine der charakteristischen Größen beim thermischen Spritzen ist die Temperatur der Partikel. Diese messtechnisch mit ausreichender Genauigkeit zu erfassen, ist mit den traditionellen diagnostischen Möglichkeiten nur unzureichend realisierbar. Einerseits ergeben sich Probleme durch eine zu hohe Hintergrundstrahlung von dem heißen Gasstrahl. Andererseits ist ein Trennen des Partikelstrahls zur Aufnahme von Einzelpartikeln, die sich mit hoher Geschwindigkeit bewegen, aufnahme- und auswertetechnisch sehr kompliziert. Das System DPV2000 der Fa. Tecnar kann pro Sekunde bis zu 200 einzelne Partikel an einem Punkt im Spritzstrahl simultan auf ihre Oberflächentemperatur, Geschwindigkeit und Größe hin vermessen. Die Oberflächentemperaturbestimmung erfolgt mittels einer Zweiwellenlängenpyrometrie bei 995±26 lm und 787±25 lm. Dabei werden die Partikel als graue Strahler angenommen, und das System ist somit in der Lage, Oberflächentemperaturen zwischen 1350 8C und 4000 8C zu detektieren. Über die vom Partikel abgestrahlte absolute Energie erfolgt eine Abschätzung der Partikelgröße, welche nach unten auf 10 lm und nach oben auf ca. 300 lm beschränkt ist. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgt analog dem des L2F-Verfahrens nach dem Lichtschrankenprinzip [11]. In der Abb. 9 ist das Messprinzip der In-flight-Partikeldiagnostik abgebildet.
4 Methoden zur Plasma /Heißgasdiagnostik
4
Methoden zur Plasma/Heißgasdiagnostik 4.1
Enthalpiesondenverfahren
Mit Hilfe des Enthalpiesondenverfahrens lässt sich der Heißgasstrahl in Bezug auf Enthalpie, Temperatur und Geschwindigkeit charakterisieren. Das Prinzip der Enthalpiesondenmessung beruht auf einer zweistufigen Energiebilanz des Kühlwassersystems der Enthalpiesonde. In Folge des Einführens der Sonde in den Gasstrahl erwärmt sich das Kühlwasser, sowohl durch den Wärmeübergang aus dem angesaugten Probengasvolumen, als auch durch den Wärmeübertrag aus dem Gasstrahl, welcher die Sonde umströmt. Aus diesem Grund erfolgt zuerst eine Referenzmessung mit geschlossener Sonde (nicht fließend – Index nf). Anschließend findet eine Messung mit offener Sonde (fließend – Index f), d. h. mit Entnahme von Gas, statt. Bei beiden Messungen wird die Temperaturerhöhung des Kühlwassers aufgenommen und bei der Messung mit der Entnahme des Probengasstroms zusätzlich die Temperatur dieses Gasstroms nach dem Verlassen der Sonde (Ts). Aus der Differenz der Temperturerhöhungen des Kühlwasserstroms kann die spezifische Enthalpie des Gasstrahls mit Hilfe der folgenden Gleichungen berechnet werden. hp hs
_ w DTf Cpw
m
_ w DTnf
m
5
_g m
mit : hs cps Ts _w m Cpw Cps Ts DTnf DTf _g m
= = = = =
Kühlwasserdurchfluss Spezifische Wärmekapazität des Wassers Spezifische Wärmekapazität des Gases Temperatur der Gasprobe nach Verlassen der Sonde Temperaturerhöhung des Kühlwassers während der Messung ohne Gaseinsaugung (no-flow regime) = Temperaturerhöhung des Kühlwassers während der Messung mit Gaseinsaugung (flow regime) = Gasflussrate während der Messung
6 [kg/s] [kJ/kg 8C] [kJ/kg 8C] [8C] [8C] [8C] [kg/s]
Beruhend auf dem berechneten Enthalpiewert und der Kenntnis der Zusammensetzung des Gases kann somit, falls erforderlich, die Temperatur des Gases bestimmt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Geschwindigkeit des Gasstrahls am Ort der Messung über den Staudruck zu berechnen. s 2
Pnf Ps v qg
7
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Diagnostik an thermischen Beschichtungsverfahren
Pnf Ps qg
= absoluter Druck, gemessen durch die Sonde mit geschlossenem Gaseinsaugventil [Pa] = statischer Druck in der Messkammer [Pa] = Dichte des Gases an der Sondenspitze [kg/m3]
Bei Überschallströmungen nimmt Gl. 7 eine andere Form an. Auch im Falle des Plasmaspritzens liefert die Enthalpiesonde verlässliche Angaben über die Temperatur im Gasstrahl an Orten, an denen ein soweit abgefallener Ionisationsgrad auftritt, dass spektroskopische Methoden keine oder nur sehr ungenaue Aussagen über die Temperaturverteilung erbringen. Zugleich ermöglicht die Enthalpiesonde ein Überprüfen der Ergebnisse aus spektroskopischen Methoden im Temperaturbereich bis 10 000 8C und damit eine Aussage über den Gleichgewichtszustand des Plasmas [12, 13].
5
Methoden zur Online-Prozesskontrolle
Bisherige Qualitätssicherungsmethoden thermisch gespitzter Schichten bestehen in der zeit- und kostenintensiven zerstörenden Prüftechnik derartiger Schichtsysteme. Im Rahmen der Kostenreduzierung und der gestiegenen Qualitätsanforderungen hat sich die Online-Prozesskontrolle in den letzten Jahren auf dem Gebiet der thermischen Spritztechnik etabliert. So sind mittlerweile diverse kommerziell erhältliche Systeme im industriellen Einsatz. Exemplarisch wird im folgenden Abschnitt das Prozesskontrollsystem ParticleFlux-Imaging (PFI) dargestellt. 5.1
Particle-Flux-Imaging (PFI)
Particle-Flux-Imaging eignet sich sowohl zur Online-Prozesskontrolle von Plasmaspritzprozessen als auch von Hochgeschwindigkeitsflammspritzprozessen. Die folgende Darstellung bezieht sich auf die Prozesskontrolle eines atmosphärischen Plasmaspritzprozesses. Eine ortsfeste Kamera (vgl. Abb. 10) erfasst den Bereich vom Brennerausgang bis zur Substratoberfläche. Die Aufnahme des Plasmas und des Partikelstrahls erfolgt über den gesamten Spektralbereich. Aufgrund der relativ langen Belichtungszeit von ca. 1000 ms werden Plasma- und Partikelstrahl als diffus leuchtende Helligkeitsbereiche abgebildet. Einzelne Teilchenbahnen sowie kurzzeitige Schwankungen des Plasmas bzw. des Plasmastrahls sind nicht erkennbar. Zwei Neutralfilter mit unterschiedlichen Transmissionswerten s1 und s2 ermöglichen dem Kamerasystem die gleichzeitige Aufnahme des leuchtintensiven Plasmastrahls und des schwächer leuchtenden Partikelstrahls. Auf diese Weise erhält man ein zweigeteiltes Abbild des Beschichtungsprozesses, das alle prozessrelevanten Informationen beinhaltet (vgl. Abb. 11).
5 Methoden zur Online-Prozesskontrolle
Abb. 10 PFI-Kamerasystem
Abb. 11 Prinzip der Bildaufnahme
Ein patentierter Auswertealgorithmus erlaubt die getrennte Analyse von Plasmastrahl und Partikelstrahl wodurch sowohl der Zustand des Plasmabrenners als auch die Eigenschaften des schichtbildenden Partikelstrahls unabhängig voneinander analysiert werden können. In den aufgezeichneten Bildern befindet sich der Plasmastrahl auf der linken Bildhälfte, der Partikelstrahl auf der rechten Bildhälfte (vgl. Abb. 12). Der Auswertealgorithmus beginnt mit der Markierung von Linien konstanter Intensität des Plasmastrahls und des Partikelstrahls (Konturerkennung). Anschließend werden in diese Konturen Ellipsen eingepasst. Da bereits eine Plasmastrahlellipse und eine Partikelstrahlellipse den Prozess sehr exakt beschreiben, müssen für die weitere Auswertung nur noch zwei Ellipsen, herangezogen werden. Jede Ellipse ist durch fünf Kenngrößen charakterisiert: · Koordinaten sx (x) und sy (y) des Ellipsenmittelpunktes · Länge der größeren Halbachse a
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Diagnostik an thermischen Beschichtungsverfahren
Abb. 12 Prinzip der Bildauswertung des
PFI-Verfahrens
· Länge der kleineren Halbachse b · Winkel } (phi) zwischen der Halbachse a und der x-Achse Für den gewünschten Prozess werden zum Zeitpunkt des optimalen Betriebszustands zwei geeignete Ellipsen (= Referenzellipsen) berechnet und abgespeichert. Die eigentliche Prozessüberwachung erfolgt durch Vergleichen von laufend neu berechneten Ellipsen mit den Referenzellipsen. Über- bzw. unterschreiten die Ellipsenkenngrößen vorher definierte Grenzwerte bedeutet dies eine Abweichung des aktuellen Prozesses von dem gewünschten Prozess und damit einen Fehler – ein Alarm wird ausgegeben. Da die meisten Prozessfehler ein charakteristisches Ellipsenabweichungsmuster aufweisen, kann zusätzlich zum Alarm die Fehlerursache eingegrenzt werden [14, 15].
6
Zusammenfassung und Ausblick
Die Diagnostik bietet die Option, durch vertiefte Kenntnis der prozessbestimmenden Eigenschaften und dem Bestimmen des energetischen Zustandes der Partikel, ein Optimieren des gesamten thermischen Spritzprozesses durchzuführen. Darüber hinaus kann ein Verbessern der Schichtqualität und ein Erhöhen der Prozesssicherheit erzielt werden. Die anzuwendenden Methoden sind zum Teil seit vielen Jahren bekannt und etabliert. In jüngster Zeit eröffnete die Entwicklung neuer Online-Prozesskontrollsysteme eine kostengünstige Alternative zur Qualitätssicherung thermisch gespritzter Schichten.
7 Literatur
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Literatur 1 2
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Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse M. Kursawe, V. Hilarius, G. Pfaff Merck KGaA, Darmstadt
1
Einleitung
Die Sol-Gel Technik ist ein Verfahren zur Herstellung nichtmetallischer, anorganischer Materialien. Im Gegensatz zu den bekannten Mixed-Oxide Verfahren wird bei dieser Art der Synthese das anorganische Material über eine flüssige bzw. galertartige Zwischenstufe (Sol bzw. Gel) erhalten. Man nutzt hierbei die Eigenschaft von entsprechend ausgewählten Edukten, unter gewissen Reaktionsbedingungen Vernetzungsreaktionen in Lösung einzugehen, ähnlich wie man es bei der Herstellung von organischen Polymeren kennt. Im Unterschied zu den organischen Polymeren erfolgt die Vernetzung bei der Sol-Gel Technik im Allgemeinen durch Hydrolyse löslicher Edukte und nachfolgende Kondensation. Geeignete Edukte für diese Reaktionen sind beispielsweise Alkoxide oder Halogenide des gewünschten anorganischen Materials, die in Alkohol oder anderen Lösemitteln löslich sind (z. B. Si(OEt)4 für die Herstellung von SiO2). Eine klare Lösung dieser Edukte in Alkohol oder anderen Lösemitteln wird nach Start der Hydrolyse- und Kondensationsreaktionen über ein kolloides „Sol“ in ein amorphes „Gel“ überführt. Der Sol-Gel Übergang ist hier definitionsgemäß der Punkt, an dem sich die ursprüngliche Flüssigkeit verfestigt hat. Die Umwandlung des Gels in das reine oxidische Material erfolgt im Anschluss und wird üblicherweise über Trocknen, Glühen bzw. Sintern erzielt. 1.1
Hintergrund und Ursprung der Sol-Gel Chemie
Die erste in der Literatur beschriebene Sol-Gel Reaktion wird Ebelmen (1846) zugeschrieben. Ebelmen versuchte ein Metallalkoxid, Si(OEt)4, durch Umsetzung von SiCl4 mit Ethanol zu synthetisieren. Dabei bemerkte er, dass sich seine vormals klaren Reaktionslösungen spontan in eine gallertartige Masse umwandelten [1]. Was war passiert? Sowohl das Si(OEt)4 als auch das SiCl4 sind hervorragende Edukte für Sol-Gel Synthesen. Sie gehen mit Wasser spontan Hydrolysereaktionen ein, hierzu reicht das Wasser der Luftfeuchte aus. Die gebildeten Hydroxide rea-
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Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse
gieren sofort in Kondensationsreaktionen weiter, was zur Ausbildung eines Si-O-SiNetzwerkes führt, welches von einer Gefäßwand zur anderen reicht. Die Lösung ist fest geworden. Um 1930 wurden erste Produkte aus Sol-Gel Synthesen vorgestellt. Diese Produkte waren im Wesentlichen teilkondensierte Alkoxysilane und dienten der Preservation von Steingut. Ab 1960 werden Sol-Gel Techniken vermehrt zur Herstellung kolloidaler und partikulärer Keramik-Precursoren und Zusatzstoffe genutzt. Kolloidale Sole finden auch in Beschichtungsverfahren vermehrt Einsatz. 1.2
Möglichkeiten zur Materialherstellung über Sol-Gel Techniken
Die Möglichkeiten zur Materialherstellung über die Sol-Gel Technik sind vielfältig. Dadurch, dass bei der Synthese ein flüssiger Zustand durchlaufen wird, sind verschiedenste Formgebungsverfahren möglich (vgl. Abb. 1). Das Sol kann beispielsweise durch Trocknen zum Gelzustand und anschließendes Glühen in eine dichte Keramik umgewandelt werden. Spezielle Trocknungsmethoden wie über- oder unter-kritische Trocknung führen zu hochporösen Festkörpern, den Aerogelen. Durch Sprühtrocknungsmethoden können Nano-Partikel erhalten werden. Schließlich können auch Substrate mit dem Sol beschichtet werden. Solche Beschichtungen stellen derzeit die hauptsächlichen Anwendungen der Sol-Gel Technik dar. So vielfältig die möglichen Formgebungsverfahren bei der Verarbeitung von Solen sind, so vielfältig sind auch die Eigenschaften des schlussendlich erhaltenen oxidischen Materials. Einzig die stoffliche Zusammensetzung des Oxids ist durch die Komposition des Sols bereits festgelegt. Hierbei sind sowohl reine Oxide zugänglich
Abb. 1 Möglichkeiten der Formgebungsverfahren in der Sol-Gel Technik. Darstellung nach Iler, aus Brinker/Scherer, Sol-Gel Science, 1990
2 Schichtausbildung über Sol-Gel am Beispiel SiO2
(z. B. SiO2 aus Si(OEt)4-Solen, TiO2 aus Ti(OEt)4-Solen) als auch Mischoxide bis hin zu komplexen Zusammensetzungen (Beispiel: 8-Komponenten Glas aus Si(OMe)4+Al(OsecBu)3+P2O5+LiOEt+Mg(OMe)2+NaOMe+Ti(OBu)4+Zr(OPr)4 [2, 3]. Die physikalischen Eigenschaften des Materials wie Dichte, Porosität, Härte etc. werden maßgeblich durch die Bedingungen während der Sol-Gel Synthese bestimmt. Im Sol bestimmt vor allem der pH-Wert, in welcher Form sich die Nano-Partikel ausbilden. Diese bedingen unterschiedlich ausgebildete Netzwerke, wenn das Sol zum Festkörper übergeht. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Synthese von SiO2-Solen für dichte und poröse Beschichtungen, die sich im Wesentlichen nur durch den pH-Wert des Sols unterscheiden. Ein weiteres Beispiel für die Auswirkung unterschiedlicher Synthesebedingungen auf das erhaltene Material ist die Herstellung hochporöser Aerogele und dichter Oxide. Entscheidend für die Ausbildung des einen oder anderen Materialtyps sind Temperatur und Druck während der Gel-Trocknung. Im Folgenden werden die mechanistischen Vorgänge bei der Herstellung von Schichten über die Sol-Gel Technik näher betrachtet. Stofflich werden sich die Ausführungen auf SiO2 beschränken, dem am häufigsten verwendeten System in der Sol-Gel Chemie. Es ist zu beachten, dass die mechanistischen Vorgänge im SiO2-System nicht grundsätzlich auf andere Systeme übertragbar sind. Häufig werden für Sol-Gel Synthesen Übergangsmetalle wie Titan, Zirkonium, Aluminium oder auch Schwermetalle wie Blei eingesetzt. Übergangsmetalle haben im Vergleich zum Silizium eine niedrigere Elektronegativität. Dies bedeutet, dass Hydrolyse- und Kondensationsreaktionen an Übergangsmetall-Alkoxiden sehr viel schneller ablaufen und damit viel schwieriger kontrollierbar sind als dies bei Silizium-Alkoxiden der Fall ist. Hinzu kommt, dass Übergangsmetalle die Möglichkeit haben, ihre Koordinationssphäre zu erweitern; Silizium hat immer die Koordinationszahl vier. Eine erweiterte Koordinationssphäre ermöglicht es dem Übergangsmetall, aquo- und oxo-Komplexe zu bilden, was das Silizium nicht kann. Für die komplexen Sol-Gel Reaktionen der Übergangsmetalle sei an dieser Stelle auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen [9 a, b]. 2
Schichtausbildung über Sol-Gel am Beispiel SiO2 2.1
Schichten über SiO2-Sole aus Salzen der Kieselsäure
Die einfachste Möglichkeit, ein SiO2-Sol herzustellen, ist die Hydrolyse eines Salzes der Kieselsäure, zum Beispiel Wasserglas. Eine Wasserglas-Lösung ergibt ein stabiles, kolloidales Sol. Die Nano-Partikel in diesem Sol haben sich über folgende Kondensationsreaktion ausgebildet:
wobei R = OH, ONaOK ist.
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Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse
Die Analyse der Nano-Partikel in einem solchen Sol kann über spektroskopische Methoden gut erfolgen (z. B. Si-NMR). So ist beispielsweise bekannt, dass 80% der Nano-Partikel einer 0.5 M Lösung von K2O-SiO2 folgende Moleküle sind [4]:
(jede Ecke stellt ein tetraedrisch koordiniertes Silizium dar). Mit einem so hergestellten Sol kann eine Beschichtung über die gängigen Techniken durchgeführt werden (z. B.: Tauchbeschichtung, Spin-on-Beschichtung, Roller-coating, Slit-coating, Meniskus-coating, Rakel-Techniken). Die Ausbildung einer festen Schicht aus dem Sol erfolgt, weil beim Beschichtungsvorgang, egal welcher Natur, die Oberfläche des Sols zum Volumen stark vergrößert wird. Das führt zu spontanen Vernetzungsreaktionen der Nano-Partikel. Die Kondensation kann durch Temperaturbeaufschlagung beschleunigt werden. Resulat ist die Bildung einer Gelschicht auf dem Substrat. Die Gelschicht wird üblicherweise durch eine weitere Temperaturbeaufschlagung gehärtet, d. h. das Gel wird durch Austreiben restlicher Wasseranteile zur reinen, dichten SiO2-Schicht umgewandelt. Obschon die Variationsbreite bei diesem einfachen System noch überschaubar ist, sind die physikalischen Parameter der erhaltenen dichten SiO2-Schicht abhängig von den Prozessparametern. Schlüsselfunktion hat der pH-Wert der kolloidalen Lösung. Die genaue Einstellung der Parameter ist jedoch im Einzelfall im Prozess selbst abzustimmen. 2.2
Schichten über SiO2-Sole aus Si-Alkoxiden
Das gängigste Edukt für Sol-Gel Reaktionen ist das Tetraethoxysilan (TEOS bzw. Si(OEt)4). Die Herstellung eines SiO2-Sols aus TEOS wird üblicherweise in Ethanol durchgeführt, wobei TEOS in Ethanol vorgelegt und durch Zugabe von Wasser die Hydrolyse und Kondensation gestartet wird. Die Analyse der ablaufenden Einzelreaktionen und der sich ausbildenden NanoPartikel ist sehr viel komplexer als im Beispiel des Wasserglases. Grund ist, dass bei der Umsetzung von TEOS (oder anderen Alkoxiden) drei Reaktionen parallel ablaufen:
EtOH
EtOH
H2O
wobei R = -H, -OEt, -O-Si-R3 ist.
2 Schichtausbildung über Sol-Gel am Beispiel SiO2
Abb. 2 Grafische Darstellung der simulierten Strukturen von verschiedenen Modellrechnungen, nach Schaefer und Maekin [10, 11]. Die D-Werte beschreiben die fraktale Dimension der Strukturen
Alle drei Reaktionen sind Gleichgewichtsreaktionen, können also auch rückwärts ablaufen. Die Identifikation der Nano-Partikel, die bei der Hydrolyse/Kondensation von TEOS oder anderen Si-Alkoxiden entstehen, ist sehr schwierig. Auch mit spektroskopischen Methoden sind die gebildeten Moleküle hier nicht zu identifizieren [5–9]. Aus diesem Grund ist eine exakte chemische Beschreibung der gebildeten Nano-Partikel nicht möglich. Über Modellrechnungen wurde versucht, eine Vorstellung von den Strukturen zu bekommen, die sich bei der Umsetzung von Si-Alkoxiden bilden. In diese Modellrechnungen fließt beispielsweise ein, ob die Kondensationsreaktionen eher diffusionskontrolliert oder eher Reaktionsraten-kontrolliert ablaufen [10, 11]. Abb. 2 zeigt das Ergebnis solcher Modellrechnungen. Deutlich zu erkennen ist, dass die gebildeten Nano-Partikel sehr unterschiedliche Strukturen aufweisen können. Tatsächlich kann man diese Strukturen in SiAlkoxid Solen mit Streulichtexperimenten nachweisen. Durch Prozessparameter wie Temperatur, Dosierraten, Rührgeschwindigkeit, besonders aber durch den pHWert können diese Strukturen gezielt angesteuert werden. Im basischen Milieu werden bevorzugt dichte, diskrete Nano-Partikel im Sol gebildet. Die Kondensationsreaktionen verlaufen Reaktionsraten-kontrolliert über ein sog. „Monomer-Cluster-Wachstum“, d. h. ein sich bildender Cluster wächst durch Kondensation mit Monomeren weiter.
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Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse
Im sauren Milieu bilden sich sehr offene, verzweigte Nano-Partikel im Sol aus. Die Kondensationsreaktionen verlaufen hier diffusionskontrolliert über das „Cluster-Cluster-Wachstum“, d. h. aus den Monomeren bildet sich zunächst ein „See“ aus kleinen Clustern, die dann miteinander kondensieren. Was bedeuten diese sehr verschiedenen Nano-Partikel im Sol für eine nachfolgende Beschichtung? Zunächst einmal kann mit jedem dieser Sole über die gängigen Beschichtungsmethoden eine SiO2-Schicht erhalten werden. Die physikalischen Eigenschaften der erhaltenen Schicht sind jedoch abhängig von der Struktur der Nano-Partikel im Sol. Im Allgemeinen gilt, dass diskrete, dichte Nano-Partikel im Sol zu poröseren Schichten führen, da sich beim Beschichten Zwischenräume zwischen den Nano-Partikeln ausbilden können. Verzweigte, offen strukturierte Nano-Partikel ergeben dichtere Schichten. Diese Nano-Partikel können sich beim Beschichtungsvorgang ohne Bildung von Zwischenräumen eng miteinander vernetzen. Unterschiedliche Porosität der erhaltenen Schicht bedeutet nicht nur eine unterschiedliche Härte, sondern auch Unterschiede in der Brechzahl der Schicht. Die Möglichkeit zum gezielten Einstellen der gewünschten Brechzahl macht diese Schicht interessant für optische Anwendungen. Ein Beispiel einer solchen Anwendung ist im nächsten Abschnitt beschrieben.
3
Anwendungsbeispiele 3.1
Von der Idee zum Produkt: Entwicklung einer Antireflexbeschichtung für Glas
Die Entwicklung einer Antireflexbeschichtung auf Glas ist ein schönes Beispiel dafür, wie durch Nutzen der Besonderheiten der Sol-Gel Technik ein neuartiges Produkt zugänglich gemacht werden kann. Hintergrund dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass an jedem transparenten Material wie Glas oder Kunststoff Reflexionen von Licht auftreten. Solche Reflexionen entstehen, weil das Licht beim Eintritt in das transparente Material einer veränderten Brechzahl ausgesetzt ist. Dasselbe passiert beim Austritt des Lichtes aus dem Material. Die Reflexionsverluste kann man über optische Gesetze berechnen. Sie betragen für ein Weißglas etwa 8% der Lichtintensität. Lichtreflexionen werden sehr unangenehm, wenn durch Spiegelungen am Glas die Durchsicht beeinträchtigt wird, beispielsweise auf Displays. Unerwünscht sind die Lichtreflexionen auch dort, wo die gesamte Energie des Sonnenlichtes genutzt werden soll. Das gilt für Sonnenkollektoren und Photovoltaik Module. Eine effektive Verminderung der Reflexionen kann erreicht werden, wenn auf das Glas eine Schicht mit geeigneter Brechzahl aufgebracht wird. Diese optimale Brechzahl kann berechnet werden, sie beträgt für Weißglas nD = 1,22. Wird die Dicke der Schicht auf k/4 eingestellt, gehen die Reflexionen von Licht der Wellenlänge k auf Null zurück.
3 Anwendungsbeispiele
Abb. 3 Prinzip einer Antireflex-Beschichtung auf Glas. Beim Durchtritt durch unbeschichtetes Glas (links) gehen 8% der Lichtintensität durch Reflexion verloren. Mit einer Beschichtung mit der Brechzahl nD = 1,22 (rechts) kann die Reflexion für eine Wellenlänge auf Null reduziert werden.
Abb. 4 Links: Schema einer Synthese für ein Sol für Antireflex-Beschichtungen. Rechts: REMAufnahme der monodispersen Partikel, vor Modifikation und Stabilisierung zum Beschichtungssol
Das Prinzip einer solchen Antireflex-Beschichtung ist in Abb. 3 dargestellt. Das Problem ist, dass es kein dichtes, stabiles Material mit einer Brechzahl von nD = 1,22 gibt. Das Fluorid MgF2 mit nD = 1,38 kommt der benötigten Brechzahl noch am nächsten. MgF2 wird daher häufig zur Entspiegelung von Brillengläsern verwendet. Wie in dem vorherigen Kapitel beschrieben, können über das Sol-Gel Verfahren nano-poröse Beschichtungen hergestellt werden. Poröse Beschichtungen haben eine sehr niedrige Brechzahl – bei einer Porosität von 57% in dem Oxid SiO2 kann beispielsweise die geforderte Brechzahl für eine Antireflex-Beschichtung nD = 1,22 erreicht werden. Zur Herstellung von nano-porösen SiO2-Schichten über das Sol-Gel Verfahren wird zunächst eine entsprechende SiO2-Beschichtungslösung auf chemischem Weg hergestellt. Entsprechend den Ausführungen in Kapitel 2 wird hierzu ein Al-
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Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse Weißglas (untere Linie) Antireflex beschichtet (obere Linie)
Abb. 5 Transmissionsspektrum einer Antireflex-Beschichtung. Die rote Linie zeigt die unbeschichtete Referenz, die blaue Linie das Antireflex-beschichtete Glas. Messung: FraunhoferInstitut ISE
solares Spektrum (AM 1.5) Antrireflex u¨ber Multilayer (mittlere Linie) Antrireflex u¨ber poro¨ses SiO2 (obere Linie)
Abb. 6 Vergleich der Antireflex-Beschichtungen mit porösem SiO2 (blau) und einem MultilayerSystem (alternierend hoch- und niedrigbrechende Substanzen, grün). Die AR-Beschichtung aus porösem SiO2 erstreckt sich über den gesamten solaren Bereich, während die Beschichtung durch Multilayer nur im sichtbaren Bereich des Sonnenlichtes wirksam ist. Messung: FraunhoferInstitut ISE
koxy-Silan im basischen Milieu hydrolysiert und kondensiert. Abb. 4 zeigt die hierzu verwendete Synthese. Durch die Syntheseschritte „Modifikation“ und „Stabilisierung“, die sich an die Hydrolyse und Kondensation der Silane anschließen, erreicht man eine ausreichende Haltbarkeit des hergestellten Sols, was für eine kommerzielle Nutzung unabdingbar ist. Die Herausforderung bei dieser Synthese ist die Kontrolle der Prozessparameter Temperatur, Durchmischung und Dosierraten. Die genaue Kenntnis der Einflüsse dieser Parameter auf das Produkt ist wesentlich für ein erfolgreiches scale-up der Synthese.
3 Anwendungsbeispiele
Abb. 7 Darstellung der Anwendung von hochtransmissivem Antireflex-
Glas in der solaren Energiegewinnung. Foto: Flebeg Solarglas GmbH
Bei der Merck KGaA wird ein solches Beschichtungssol im industriellen Maßstab hergestellt, aufbauend auf eine gemeinsame Entwicklung mit Flabeg Solarglas GmbH und den Fraunhofer-Instituten ISC und ISE. Es wird zur Herstellung von hochtransmissivem Float-Glas für solare Energiegewinnung (Sonnenkollektoren und Photovoltaik-Module) verwendet [9 e]. Die Beschichtung selbst wird als Tauchbeschichtung durchgeführt, kann aber auch über andere Beschichtungsmethoden erfolgen. Bei der Tauchbeschichtung wird das zu beschichtende Float-Glas in eine Küvette mit Beschichtungssol ge-
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Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse
taucht und mit definierter Geschwindigkeit wieder herausgezogen. Der Sol-Film auf der Glasoberfläche trocknet zum Gel. Über die eingestellte Ziehgeschwindigkeit lässt sich die Schichtdicke sehr genau kontrollieren. Nach erfolgter Trocknung wird die Beschichtung bei Temperaturen nahe an TG vom Glas gehärtet. Abb. 5 zeigt ein typisches Spektrum einer so beschichteten Glasscheibe. Die resultierende poröse SiO2-Schicht hat eine Brechzahl um 1,25 und kommt dem Zielwert von 1,22 sehr nahe. Der Antireflex-Effekt erstreckt sich über das gesamte solare Spektrum, was für Anwendungen in der solaren Energiegewinnung eine wesentliche Voraussetzung ist. In Abb. 6 ist die Antireflex-Beschichtung durch poröses SiO2 einer Beschichtung mit alternierend hoch- und niedrigbrechenden Schichten gegenübergestellt. Solche Multilayersysteme werden oft zur Entspiegelung von Gläsern, beispielsweise Linsen, herangezogen. Für eine weitere Erhöhung der Porosität und damit Verminderung der Brechzahl muss die mechanische Stabilität der SiO2-Schicht mit in Betracht gezogen werden. Diese nimmt mit zunehmender Porosität der Schicht naturgemäß ab. In dem Fall der beschriebenen SiO2-Schicht ist die Abriebstabilität für Anwendungen als hochtransmissive Abdeckscheiben für Sonnenkollektoren oder PhotovoltaikModule ausreichend gut (Test nach DIN EN 1096-2). Sie ist jedoch sicher nicht für jede Anwendung ausreichend (beispielsweise als Front- oder Seitenscheibe im Automobil). Abb. 7 zeigt die hochtransmissiven Antireflex-Gläser in der Anwendung als Abdeckscheiben für Sonnenkollektoren oder Photovoltaik-Module. Die zusätzlich nutzbare Energie des Sonnenlichtes beträgt 5% – dieser Wert entspricht der integrierten, normierten Transmissionserhöhung über den gesamten solaren Bereich. Für thermische Sonnenkollektoren bedeutet dies bis zu 10% mehr Bruttojahreswärmeertrag, wobei dieser Wert auch von der Auslegung des Kollektors abhängt. Im Fall der Photovoltaik-Module bringt das hochtransmissive Antireflex-Glas eine Erhöhung der Energieausbeute um etwa 3,5%. Hier spielt die geografische Lage und das Klima des Standortes eine zusätzliche Rolle. 3.2
Anwendung nasschemischer Beschichtungstechniken für eine vielfach genutzte Produktgruppe: Perlglanzpigmente
Das Beispiel Perlglanzpigmente der Merck KGaA zeigt die Nutzung von nasschemischen Beschichtungsmethoden für eine vielfach verwendete und bekannte Produktgruppe. Materialien mit Perlglanzpigmenten findet man heute überall im täglichem Leben. Sie begegnen uns in Lackierungen, beispielsweise von Automobilen, als Drucke auf Verpackungsmaterialien, Tapeten oder Textilien, in Kunststoffen, in kosmetischen Artikeln oder in vielen anderen Dingen, mit denen wir täglich umgehen. Bevor jedoch auf die Herstellung der Perlglanzpigmente eingegangen wird, sollen die Phänomene der Interferenzfarben und des Glanzes kurz dargestellt werden.
3 Anwendungsbeispiele
Glanz und Farbe Warum erscheint uns ein Gegenstand in einer bestimmten Farbe? Trifft sichtbares Licht auf einen blauen Körper, so absorbiert dieser einen Teil des Lichtes (nämlich den roten, grünen und gelben Bereich des Spektrums) und das Restlicht wird remittiert. Das Auge sieht entsprechend Blau. Manche Farberscheinungen lassen sich nicht über Absorption und Remission erklären, zum Beispiel die schillernden Farben eines dünnen Ölfilms auf Wasser. Solche Effekte treten an Grenzflächen von Schichten auf, deren Dicke im Bereich der Lichtwellenlänge liegt. Ein Teil des Lichtes wird an der ersten Grenzfläche des Films reflektiert (und erfährt außerdem eine Phasenverschiebung um 1808). Der andere Teil des Lichtes durchdringt den Film und wird an der zweiten Grenzfläche des Films reflektiert. Die beiden reflektierten Lichtstrahlen treten in Wechselwirkung miteinander, sie interferieren. Bei verschiedenen Dicken des Films können sich die Intensitäten verstärken oder auslöschen. Dies hat zur Folge, dass abhängig von der Dicke des Films ein Teil des sichtbaren Lichtes abgeschwächt wird, während ein anderer Teil verstärkt reflektiert wird. Das Schillern des dünnen Ölfilms auf Wasser wird demnach durch Schwankungen in der Filmdicke verursacht. Das Phänomen des Glanzes bzw. die Reflektion des Lichtes in eine Vorzugsrichtung ist eine wesentliche Voraussetzung für das Auftreten von Interferenzfarben. Glanz ist aber nicht gleich Glanz. Das Auge unterschiedet hier die feinsten Nuancen, vom weichen Perlglanz-Schimmern bis zum Glitzern und Funkeln. Grundsätzlich entsteht ein Glanz immer dann, wenn Licht an einer glatten Fläche reflektiert wird. Raue Flächen streuen das Licht diffus. Der weiche Glanz einer natürlichen Perle kommt dadurch zustande, dass sich in einer Perle Schichten aus lichtdurchlässigem Protein und halb-spiegelndem Calciumcarbonat abwechseln. Die Reflexionen an den Oberflächen der CaCO3-Schichten kommen daher in der Tat aus der Tiefe des Materials. 3.2.1
Herstellung von Perlglanzpigmenten mit Interferenzfarben Zur Herstellung eines Pigments, welches wie eine Perle glänzt und eine Interferenzfarbe hat, benötigt man dünne Schichten eines lichtechten, hochbrechenden Materials, beispielsweise TiO2, die in einem niedrigbrechenden Medium wie z. B. Lack mehr oder weniger planparallel ausgerichtet sind (Abb. 8). Alternativ kann die hochbrechende Schicht auch auf ein transparentes, laminares Trägermaterial aufgebracht sein. Ein monokristallines, plättchenförmiges Titandioxid ist bislang noch nicht zugänglich. Das Herstellen einer dünnen TiO2-Schicht auf laminaren Substraten ist dagegen möglich. Ein geeignetes Substrat hierfür ist natürlicher Glimmer – dieses Mineral kommt in der Natur in großen Mengen vor, ist in dünne Plättchen spaltbar, transparent, chemisch inert und temperaturstabil. Die Verwendung von Glimmer als Substrat für Metalloxidschichten brachte den entscheidenden Durchbruch für die Perlglanzpigmente. Abb. 9 zeigt das Mineral sowie eine REM-Aufnahme von Glimmerplättchen. 3.2.2
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Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse
Abb. 8 Prinzip eines Perlglanzpigments mit Interferenzfarbe (links): Schichten von TiO2 in Lack.
Alternativ kann das TiO2 auch auf einen laminaren Träger aufgebracht werden (rechts)
Abb. 9 Photo und REM-Aufnahme von natürlichem Glimmer
Bei der Merck KGaA erfolgt die Beschichtung zum Perlglanzpigment nasschemisch durch Hydrolyse von Titansalzlösungen in einer Glimmersuspension. Folgendes Verfahren wird dabei angewendet [9 c]: Eine wässrige, stark saure Ti(O)Cl2-Lösung wird kontinuierlich zu einer Glimmersuspension dosiert. Bei einem bestimmten pH-Wert erfolgt die Abscheidung von TiO2 · xH2O auf dem Glimmer. Diese Reaktion wird solange fortgeführt, bis die gewünschte Schichtdicke erreicht ist. Wird die Reaktion wie beschrieben durchgeführt, beobachtet man, wie die vormals unscheinbare Glimmersuspension anfängt matt zu glänzen. Bei fortschreitender Reaktion wird der Glanz intensiver. Bricht man die Beschichtung jetzt ab und bereitet die Suspension durch Filtrieren, Waschen und Glühen auf, erhält man ein silberweiß glänzendes Effektpigment. Die Titandioxidschicht ist 40–60 lm dick. Diese sog. silberweißen Pigmente stellen die größte Gruppe bei den Perlglanzpigmenten dar. Der Glanz kann dabei je nach Teilchengrößenverteilung des eingesetzten Glimmers seidenmatt, brillant oder glitzernd sein. Ein verblüffendes Phänomen kann man beobachten, wenn die Beschichtung des Glimmers mit Titandioxid nicht bei Erreichen des Silberglanzes gestoppt, sondern weiter geführt wird. Die Suspension mit den Glimmerteilchen beginnt goldgelb zu glänzen. Bei Weiterführung der Beschichtungsreaktion verschwindet die goldgelbe Farbe wieder und die Suspension erscheint kupferrot, geht dann über Lila in ein glänzendes Blau über. Dem Blau folgt Türkis und schließlich Grün. Bei weiterer Belegung beginnt dieses Farbenspiel wieder von neuem. Die Erklärung für dieses Phänomen ist einfach: Die Titanoxidschichten haben jeweils eine Dicke erreicht, bei der die beobachteten Interferenzfarben auftreten (Abb. 10).
3 Anwendungsbeispiele
Abb. 10 Die Schichtdicke des Titanoxids bestimmt die Interferenzfarbe (oben). REM-Aufnahme
einer TiO2-Schicht auf Glimmer (links)
Die wasserfreie, kristalline Modifikation der Oxidschicht bildet sich durch nachfolgendes Trocknen bzw. Glühen des beschichteten Glimmers aus. Das Titandioxid auf den Glimmerplättchen kann sowohl in Rutil als auch in Anatas auskristallisieren. Erwünscht ist häufig die Rutilmodifikation, da sie eine höhere Brechzahl hat und sehr lichtstabil ist. Auf Glimmer entsteht allerdings auch unter Bedingungen, unter denen sich normalerweise Rutil ausbilden würde, Anatas. Durch eine Vorbeschichtung des Glimmers mit Zinndioxid, die ebenfalls nasschemisch durchgeführt wird, kann die Kristallisation des TiO2 in Richtung Rutil gelenkt werden. Ebenso wie mit Titandioxid kann der Glimmer auch mit anderen Metalloxiden beschichtet werden. Eisenoxid in der Modifikation des Hämatits hat eine sehr hohe Brechzahl und ist somit ein geeignetes Material. In diesem Fall wird eine Eisensalzlösung in einer Glimmersuspension hydrolysiert und eine Eisenhydratschicht auf dem Glimmer gebildet, die anschließend beim Glühen dehydratisiert wird. Der Effekt und die Farbe dieser Perlglanzpigmente beruhen durch die rotbraune Absorptionsfarbe des Hämatits sowohl auf Absorptions- als auch auf Interferenzeffekten. Man erhält Bronze-, Kupfer- und Rot-Töne mit dieser Technik.
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Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse
Abb. 11 REM-Aufnahme eines Glimmerteilchens mit einer
TiO2/SiO2/TiO2-Beschichtung
Eine Möglichkeit, einzigartige Farbeffekte zu erzeugen, ist die Herstellung von Mehrfachschichten auf Glimmer. Ein solches Pigment kann einen so genannten Farbflop zeigen, das heißt, je nach Betrachtungswinkel sieht der Beobachter entweder die eine oder eine andere Farbe. Die Herstellverfahren sind komplexer, beruhen aber auf dem selben Prinzip der oben beschriebenen nasschemischen Beschichtungsverfahren. Abb. 11 zeigt eine REM-Aufnahme eines Glimmerteilchens mit einer TiO2/SiO2/TiO2-Beschichtung. 3.3
Effektpigmente auf SiO2-Flakes
Eine völlig neue Klasse der Effektpigmente ist zugänglich, wenn neben der oxidischen Beschichtung auch das Substratmaterial eines Pigmentes optisch aktiv ist. In diesem Fall muss das Substrat eine genau einzustellende, gleichbleibende Dicke aufweisen. Bei Merck KGaA kann ein solches Substrat aus SiO2 durch Sol-Gel Beschichtungen hergestellt werden. Abb. 12 zeigt das Prinzip. Über einen Si-Precursor wird auf ein umlaufendes Band eine SiO2-Sol-Beschichtung aufgebracht. Diese Sol-Schicht wird durch Trocknung in das Gel überführt. Danach wird die feste Gelschicht von dem Band abgelöst. Man erhält SiO2-Gelflakes mit konstanter Schichtdicke. Die Schichtdicke selbst kann durch Steuerung des Beschichtungsprozesses kontrolliert werden. Nach Glühen der Gel-Flakes erhält man rein oxidische SiO2-Flakes (vgl. REM Aufnahme Abb. 13). Werden diese SiO2-Plättchen mit der in 3.2.2 beschriebenen Methode mit Titandioxid beschichtet, erhält man Effektpigmente, bei dem die Farbe stark von dem Betrachtungswinkel abhängt. Ursache ist, dass sowohl das Substrat als auch die
3 Anwendungsbeispiele
Abb. 12 Herstellung von künstlichen SiO2-Flakes durch Sol-Gel Beschichtung (Web-coating Technik)
Abb. 13 REM-Aufnahme von SiO2-Flakes, hergestellt über ein Sol-Gel Beschichtungsverfahren.
Links: SiO2-Flakes, rechts: SiO2-Flake mit TiO2 beschichte.
Abb. 14 Modell mit Effektpigmentlackierung. Das Modell erscheint blau, grün oder lila je nach
Betrachtungswinkel
Schicht Interferenzfarben erzeugen können. Abb. 14 zeigt das Resultat: dargestellt ist ein lackiertes Modell, welches aus drei verschiedenen Winkeln abfotografiert wurde. Das Modell erscheint blau, grün oder lila je nach Betrachtungswinkel. 3.4
Beschichtung von SiO2-Spheres für kosmetische Formulierungen
Die in 3.2.2 beschriebenen Methoden zur nasschemischen Beschichtung von Teilchen können auch für andere Anwendungsgebiete genutzt werden. Ein Beispiel hierzu ist die Herstellung von polydispersen SiO2-Nanospheres als Zusatz für kosmetische Formulierungen [9 d].
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Beschichtungen über Sol-Gel Prozesse
Abb. 15 Prinzip des anti-wrinkle-Effektes durch beschichtete, polydisperse SiO2-Spheres (links); REM-Aufnahme der eingesetzten SiO2-Spheres
Zusätze von anorganischen Partikeln in kosmetische Formulierungen sind seit langem üblich, sie dienen u. a. als Füller oder zum Einstellen der Rheologie. Mit Partikeln in einer speziellen Größenverteilung, die zudem in geeigneter Weise beschichtet sind, können jedoch besondere Effekte erreicht werden. Polydisperse SiO2-Spheres, die mit TiO2/Fe2O3 beschichtet sind, sorgen für einen so genannten „anti-wrinkle“-Effekt. In kosmetische Formulierungen eingebracht, wird durch diese speziellen SiO2-Spheres das eingestrahlte Licht diffus reflektiert. Ein Hautfältchen, das durch Schatteneffekte des Lichtes deutlich sichtbar ist, erscheint nun durch die gestreuten Reflexionen deutlich aufgehellt und somit weniger sichtbar. Abb. 15 veranschaulicht das anti-wrinkle-Prinzip. Eine REM-Aufnahme zeigt die eingesetzten polydispersen SiO2-Spheres. Die TiO2/Fe2O3-Beschichtungen verlaufen dabei nach denselben chemischen Prinzipien wie die in 3.2.2 beschriebenen Beschichtungen auf Glimmer.
4
Ausblick
Die Beispiele „Antireflexbeschichtung für Glas“, „nasschemische Beschichtungstechniken für Perlglanzpigmente und Effekt-Pigmente“ und „Beschichtung von SiO2-Spheres für kosmetische Formulierungen“ zeigen, in welch breitem Spektrum Sol-Gel Beschichten Anwendung finden können. Mit der absehbar zunehmenden Nachfrage an Veredelungen oder Funktionalisierung von Oberflächen aller Art wird die Bedeutung von Beschichtungstechnologien in Zukunft zunehmen. Die Sol-Gel Beschichtungstechniken werden immer dann eine Rolle spielen, wenn physikalische Beschichtungsmethoden nicht machbar oder nicht wirtschaftlich sind. Insbesondere beim Beschichtungen von kleinen Partikeln, bei der Forderung nach porösen Schichten und bei der Notwendigkeit von Beschichtungen bei Raumtemperatur ist die Sol-Gel Technik in der Regel die Methode der Wahl.
5 Literatur
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Literatur 1 2 3
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M. Ebelmen, Ann. Chim. Phys. 16, 1846, 129. H. Dislich, Angew. Chemie Int. Ed. Engl. 10, 1971, 363. H. Dislich in Transformation of Organometallics into Common and Exotic Materials, ed. R. Laine, NATO ASI Series E, 141, pp. 236–249. C. J. Brinker, G. W. Scherer, Sol-Gel Science, Academic Press 1990, 101. L. W. Kelts, N. J. Armstrong in Better Ceramics Through Chemistry III, eds. C. J. Brinker, D. E. Clark, D. R. Ulrich, Mat. Res. Soc., Pittsburg, Pa., 1988, 519. W. G. Klemperer, S. D. Ramamurthi in Better Ceramics Through Chemistry III, eds. C. J. Brinker, D. E. Clark, D. R. Ulrich, Mat. Res. Soc., Pittsburg, Pa., 1988, 1. C. C. Lin, J. D. Basil in Better Ceramics Through Chemistry II, eds. C. J. Brinker, D. E. Clark, D. R. Ulrich, Mat. Res. Soc., Pittsburg, Pa., 1986, 585. C. A. Mulder, A. A. J. M. Damen, J. NonCryst. Solids 93, 1987, 169. C. J. Brinker, G. W. Scherer, Sol-Gel Science, Academic Press 1990, 160–191.
(a) C. J. Brinker, G. W. Scherer, Sol-Gel Science, Academic Press 1990, Chapter 2. (b) J. Livage, M. Henry, C. Sanchez, “Sol-Gel Chemistry of Transition Metal Oxides” in Progress in Solid State Chemistry 18, 1988, 259–342. (c) R. Glausch, M. Kieser, R. Maisch, G. Pfaff, J. Weitzel, Die Technologie des Beschichtens; Hrsg. V. Zorll, Hannover: Vincentz 1995. (d) R. Anselmann, Journal of Nanoparticle Research 3, 2001, 329–336. (e) M. Kursawe, Th. Hofmann, “Antireflective Coating on Float Glass for Solar Collectors”, Session 32 Glass Processing Days, 18–21 June 2001, www.glassfiles.com. 10 D. W. Schaefer, MRS Bulletin 8, 1988, 22 or cited in: C. J. Brinker, G. W. Scherer, Sol-Gel Science, Academic Press 1990, 193–206. 11 P. Maekin in On Growth and Form, eds. H. E. Stanley, N. Ostrowsky, MartinusNijhoff, Boston 1986, 111 or cited in: C. J. Brinker, G. W. Scherer, Sol-Gel Science, Academic Press 1990, 193–206.
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Schmelztauchüberzüge W. Bleck, D. Beste, Institut für Eisenhüttenkunde der RWTH Aachen
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Korrosionsschutzmechanismen
Das Element Eisen hat die Neigung, Elektronen an die Umgebung abzugeben und damit in einen energetisch stabileren Zustand überzugehen. Dies geschieht beispielsweise in wässrigen Lösungen durch die Bildung von Eisenoxiden oder Eisenhydroxiden. Das Ergebnis dieser Vorgänge sind unter anderem die aus dem Alltag vor allem bei alten Kraftfahrzeugen bekannten Korrosionsschäden (Abb. 1). Bei einem lackierten Stahlblech kann es nach einer Lackbeschädigung zur Bildung von Rotrost kommen, der aufgrund seines größeren Volumens den Lack abhebt und zur Lackunterwanderung neigt. In Abb. 2 ist ein vorverzinktes lackiertes Blech abgebildet. Kommt es hier in Folge einer begrenzten Lackschichtbeschädigung zu einem Medienzutritt, bleibt die Stahloberfläche kathodisch geschützt [1]. Es findet anodische Auflösung der Zinkschicht unter Bildung von Weißrost – einem porösen, voluminösen Korrosionsprodukt, das die Oberfläche vor weiterem Korrosionsangriff schützt – statt. Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten, einen Korrosionsvorgang zu unterdrücken: 1. Die Abgabe von Elektronen wird erschwert. Anschaulich wird dies im Potentialtopfmodell (Abb. 3). Das ursprünglich niedrigere Fe2+-Niveau wird derart angehoben, dass es größer als das Fe-Potential wird. Dieser Vorgang wird als aktiver Korrosionsschutz bezeichnet. 2. Die Aktivierungsenergie für die Elektronenabgabe wird erhöht, indem der Ladungsaustausch bei der elektrochemischen Korrosion durch nichtleitende Schichten erschwert wird. Diesen Vorgang bezeichnet man als passiven Korrosionsschutz. Bei der Korrosion in wässrigen Medien können die anodische (Gl. 1) und kathodische Teilreaktion (Gl. 2 oder 3) unterschieden werden: Fe Fe2 2 e
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2 H 2 e H2
2
2 H2 O
O2
4e
4 OH
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Schmelztauchüberzüge
Abb. 1 Korrosionsschäden an einem pulverbeschichteten unverzinkten Stahlblech nach 4-tägiger Salzsprühnebelprüfung
Abb. 2 Schematische Darstellung der Korrosion an einem vorverzinkten und lackierten Stahlblech, das lokal beschädigt wurde
Abb. 3 Schematische Darstellung der prinzipiellen Möglichkeiten des Korrosionsschutzes im Potenzialmodell: 1.) aktiver Korrosionsschutz, 2.) passiver Korrosionsschutz
1 Korrosionsschutzmechanismen
Die kathodische Teilreaktion in Säuren findet unter Wasserstoffentwicklung gemäß (Gl. 2) statt; in belüftetem Wasser verläuft die Reaktion gemäß (Gl. 3) unter Sauerstoffreduktion. Die Gesamtreaktion lautet dann: 2 Fe 2 H2 O O2 2 Fe2 4
OH
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Beim aktiven Korrosionsschutz wird Eisen durch ein Opfermetall zur Kathode gemacht und dadurch vor der freiwilligen Abgabe von Elektronen geschützt. Als Opfermetall kommen alle Elemente in Frage, die in der elektrochemischen Spannungsreihe unedler als Eisen sind, wie beispielsweise Zink. Die Oxidationsformel für Zink lautet: 2 Zn O2 2 H2 O 2 Zn2 4
OH
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Das Reaktionsprodukt dieser Gleichung ist ein weißer Niederschlag aus Zinkhydroxid und das unter Wasserabspaltung daraus entstehende Zinkoxid. Die aus dem Niederschlag gebildete Deckschicht verzögert den Sauerstoffdurchtritt an die Eisenoberfläche. Die Deckschicht löst sich sowohl in Säuren nach Zn
OH2 2 H Zn2 2 H2 O
6
als auch in Laugen nach Zn
OH2 OH Zn
OH3 :
7
Die Korrosionsgeschwindigkeit von Zink wird im Wesentlichen durch die Geschwindigkeit der Auflösung der Deckschicht bestimmt. Sie nimmt deshalb sowohl mit fallendem pH-Wert als auch mit steigendem pH-Wert deutlich zu. Beim passiven Korrosionsschutz wird eine Elektronenabgabe des Eisens, beispielsweise durch eine Kunststoffbeschichtung oder aber durch dichte Al2O3- oder Cr2O3-Schichten verhindert. Dichte Al2O3-Überzüge können durch Schmelztauchen erzeugt werden, z. B. feueraluminierte Überzüge oder Galvalume-Überzüge. Dichte Chromoxidschichten werden in situ durch eine Chromlegierung von mindestens 13% hervorgerufen. Allgemein können als Maßnahmen zum Korrosionsschutz auf Stahloberflächen folgende Maßnahmen ergriffen werden: · Ausnutzung der Passivierung durch legierungstechnische Maßnahmen (z. B. 13% Chromzugabe) · Bilden von schützenden Deckschichten, die zumeist in Kombination mit organischen Schichten (Lacken) genutzt werden. Solche schützenden Deckschichten können durch Brünieren in einer Salzschmelze bei etwa 145 8C, durch Phosphatieren oder durch Anstriche erzeugt werden. · Bildung von nichtmetallischen Überzügen, z. B. aus Glas (Email). · Bildung von metallischen Überzügen mit kathodischer Schutzwirkung, z. B. beim Verzinken.
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Schmelztauchüberzüge
· Bildung von metallischen Überzügen mit Barrierewirkung, z. B. beim Feueraluminieren oder Walzplattieren.
2
Zustandsdiagramme Fe-Zn, Fe-Al, Al-Zn und Fe-Al-Zn
Metallische Überzüge auf Stahlband finden ihre Verwendung in der Haushaltsgeräteindustrie, in der Bauindustrie und seit einigen Jahren mit stark zunehmender Tendenz auch in der Automobilindustrie. Die verschiedenen Anwendungsgebiete und die sich hieraus ergebenden Anforderungen an die beschichteten Werkstoffe haben zu einer Vielzahl von für den jeweiligen Verwendungszweck optimierten Schichtsystemen geführt. Die wichtigsten Schichtsysteme beruhen auf der Verwendung von zink- und aluminiumhaltigen Überzügen, die durch Eintauchen eines Stahlbandes in eine Schmelze innerhalb von Sekunden gebildet werden. Das Zustandsschaubild Eisen-Zink [2] ist vor allem auf der zinkreichen Seite von Interesse (Abb. 4). Es weist drei peritektische Phasenumwandlungen auf: S + a ? C, S + C ? d und S + d ? f. Daneben gibt es die peritektoide Umwandlung C + d ? C1. Die wichtigsten Phasen im Zustandsdiagramm Eisen-Zink werden in Tab. 1 mit ihrer Kristallstruktur und einigen Charakteristika beschrieben.
Abb. 4 Zustandsschaubild Fe-Zn
2 Zustandsdiagramme Fe-Zn, Fe-Al, Al-Zn und Fe-Al-Zn Tab. 1 Phasen im Zustandsdiagramm Fe-Zn
Phase
Eta g Zeta f Delta d Gamma C1 Gamma C
Raumgitter Formel
hexagonal monoklin hexagonal kfz krz
Zn FeZn13 FeZn7 Fe5Zn21 Fe3Zn10
Fe Massen-%
Atom-%
0 5–6,2 7–10 15,8–23,5 20,2–31
0 6,7–7,2 8,5–13,5 18,5–23,5 23,2–31
Mikrohärte
Charakteristika
52 208 358 505 326
sehr zäh zäh spröde hart und spröde spröde
Abb. 5 Zustandsschaubild
Al-Fe
Reines Zink wird als g-Phase bezeichnet, die intermetallischen Phasen f, d, C1 und C werden in Abhängigkeit von Temperaturzyklus während und nach der Schmelztauchbeschichtung gebildet. Es werden im Interesse einer guten Umformbarkeit möglichst dünne intermetallische Schichten angestrebt. Das Zustandsschaubild Eisen-Aluminium [2] ist ebenfalls durch eine Reihe von intermetallischen Verbindungen gekennzeichnet (Abb. 5), von denen vor allem die Phase Al5Fe2 für die Haftung von Zinküberzügen von Bedeutung ist. Da viele Aluminiumschmelzen zunächst mit ca. 10% Silizium legiert werden, bilden sich an der Grenzschicht zu Stahl FeO, Al2O3-Spinelle oder (AlSi)2O5. Silizium unterdrückt eine zu starke Bildung der sehr spröden Fe2Al5-Phase. Aufgrund der höheren Schmelztemperatur von Aluminium im Vergleich zu Zink sind Aluminiumüberzüge auch dort einsetzbar, wo eine bestimmte Temperaturbeständigkeit gefordert wird (z. B. Bleche im motornahen Bereich eines Pkw). Das Zustandsdiagramm Al-Zn [2] in Abb. 6 weist ein Eutektikum bei 5% Aluminium auf. Die eutektische Zusammensetzung wird als GALFAN-Legierung be-
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248
Schmelztauchüberzüge
Abb. 6 Zustandsschaubild Al-Zn
Abb. 7 Dreistoffsystem Fe-Al-Zn bei einer Temperatur von 450 8C
3 Metallische Überzüge
zeichnet; bei Raumtemperatur besteht diese Legierung aus den Phasen Zink und Eutektikum in lamellarer Anordnung von g-Zink und c-Kristallen (Al-Zn-Kristalle mit ca. 20% Zink). Das Dreistoffsystem Eisen-Zink-Aluminium [3] wird mit seinen wichtigen Phasen in Abb. 7 dargestellt. Eine Legierung mit 55 Massen-% Al, 43,5 Massen-% Zn und 1,5 Massen-% Si wird als GALVALUME bezeichnet.
3
Metallische Überzüge
Die wichtigsten metallischen Überzüge für die Schmelztauchbeschichtung von Stahlband sind in Tab. 2 zusammengestellt. Die mengenmäßig bedeutendsten Überzüge sind feuerverzinkt, GALFAN, GALVALUME und feueraluminiert Typ 1.
Tab. 2 Übersicht über die wichtigsten Schmelztauchbeschichtungen [4]
Produkt
Abk.
Schichtaufbau
Zusammensetzung
Typische Auflage in (g/m2)
feuerverzinkt
Z
Zn-Stahl
100% Zn ca. 0,2% Al
100–600, normal 275
GALVANNEALED ZF
GALFAN
ZA
GALVALUME
AZ
feueraluminiert 1
AS
feueraluminiert 2 feuerverbleit TE
A
Innen- und Außenteile der Pkw-Karosserie Dach- und Wandelemente im Bauwesen Ummantelungen, Halterungen und Trageelemente im Anlagenbau Vormaterial für organische Beschichtungen Klimatechnik Hausgeräte wie Außenhautteile Automobil feuerverzinkt Steinschlagbereich
ZnFe-Stahl 90% Zn 10% Fe ca. 0,12% Al ZnAl-Stahl 95% Zn 95–255 5% Al AlZn-Stahl 55% Al 85–160 43,5% Zn 1,5% Si
AlSi-Stahl
90% Al 10% Si Al-Stahl 100% Al PbSn-Stahl 8–11% Sn 1–3% Sb Rest Pb
Anwendungsfälle
50–250 200–300 75–150
Dach- und Wandelemente schwierige Ziehteile Dach- und Wandelemente Konstruktionsteile, die einer besonderen Korrosionsbelastung im sauren Bereich unterliegen Auslass-Systeme Hausgeräte Dach- und Wandelemente Kraftstoffbehälter
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250
Schmelztauchüberzüge
Tab. 3 Vergleich der Korrosionsschutzwirkung, der Lackierbarkeit und Phosphatierbarkeit unterschiedlicher Schmelztauchbeschichtungen
Kriterium
Z
ZF
ZA
AZ
AS
Kaltfeinblech
Korrosionsbeständigkeit, unlackiert Lackierbarkeit (KTL) Korrosionsbeständigkeit, lackiert (KTL) Phosphatierbarkeit Kraftstoffbeständigkeit
gut
–
verbessert
hervorragend
hervorragend
–
gut
gut
–
–
hervorragend
gut
zufriedenstellend hervorragend
gut
–
–
noch gut
gut
hervorragend
–
–
hervorragend
zufriedenstellend
–
zufriedenstellend zufriedenstellend
–
hervorragend
unzureichend
Die Beschichtungssysteme feueraluminiert Typ 2 und feuerverbleit sind in Europa mittlerweile von untergeordneter Bedeutung. Zink auf Stahl stellt in zweifacher Hinsicht einen guten Korrosionsschutz dar: · Die Zinkschicht bildet einen fest haftenden Schutzmantel, der den Stahl vor Verwitterung schützt (Barrierewirkung). · An den Schnittkanten oder dort, wo die Zinkschicht mechanisch verletzt wird, kommt es zur kathodischen Schutzwirkung. Der Begriff GALVANNEALED steht für einen Überzug aus Fe-Zn-Phasen mit ca. 10% Fe, der durch Glühen eines feuerverzinkten Überzugs hergestellt wird. Bei GALFAN und GALVALUME wird durch das Aluminium im Überzug die Korrosionsbeständigkeit verbessert, so dass bei gleichem Korrosionsschutz mit geringeren Auflagen gearbeitet werden kann. Der besondere Vorteil dieser Überzüge liegt in einer Kombination der kathodischen Schutzwirkung des Zinks mit der passivierenden Wirkung des Aluminiums. Ein Vergleich der Korrosionsschutzwirkung der zuvor genannten Schmelztauchüberzüge im Vergleich zu Kaltfeinblech unter verschiedenen Randbedingungen ermöglicht Tab. 3. Selbstverständlich müssen bei der Auswahl des Überzugs für einen bestimmten Einsatzfall neben der Korrosionsbeständigkeit auch noch die Verarbeitbarkeit (Umformverhalten, Reibbeiwerte, Abrasionsverhalten, Schweißbarkeit) und die Kosten berücksichtigt werden. Der schematisch wiedergegebene, typische mikroskopische Aufbau der Zinkschicht eines feuerverzinkten Feinbleches nach Baumgartl in Abb. 8 verdeutlicht die Koexistenz verschiedener Phasen. Auf der Substratoberfläche vermittelt zunächst die ca. 0,02 lm dicke Fe2Al5-Phase den Haftverbund. Daran schließt sich die < 1 lm dicke Delta-Phase und hierauf die Zinkschicht an, in der einige Bleipartikel eingeschlossen sein können. Das Blei stammt aus bleihaltigen Zinkbädern. Die äußerste Oberflächenschicht besteht aus Al2O3 und ZnO.
4 Anlagentechnik
Abb. 8 Schema des Querschnitts der Zinkschicht eines feuerverzinkten Stahlblechs
Bei der Herstellung von GALVANNEALED-Feinblech wird diese Zinkschicht durch eine Wärmebehandlung (ca. 550 8C/10 s) in eine Eisen-Zink-Schicht überführt. In verschiedenen Zwischenstufen entsteht so ein zweistufiger Aufbau mit der C1/C-Phase als Zwischenschicht und der d-Phase als Hauptschicht. Der Eisenanteil in der GALVANNEALED-Auflage beträgt ca. 10 Massen-%. 4
Anlagentechnik 4.1
Aufbau einer Feuerbeschichtungsanlage
Die industrielle Feuerbeschichtung kann chargenweise durch Tauchen von Bauteilen in Metallbäder oder kontinuierlich durch eine Behandlung von Stahlband in so genannten Feuerverzinkungsanlagen oder Feuerbeschichtungsanlagen erfolgen. Der Aufbau einer Feuerbeschichtungsanlage in Abb. 9 verdeutlicht [5], dass in einer derartigen kontinuierlichen Bandanlage verschiedene Behandlungsstationen hintereinander geschaltet sind. Ausgehend von zwei Abhaspeln wird in einer Schweißmaschine ein endloses Band erzeugt, das zunächst einen Bandspeicher durchläuft. Dieser Bandspeicher ist erforderlich, um die diskontinuierliche Arbeitsweise der Schweißmaschine im Einlaufteil und gegebenenfalls der Schere im Auslaufteil von dem kontinuierlichen Bandbehandlungsteil zu trennen, der nach Möglichkeit mit konstanter Bandgeschwindigkeit betrieben werden soll. In einer Vorbehandlung wird das Band durch mechanisches Bürsten, durch elektrochemische Entfettung und in einigen modernen Anlagen auch durch Beizen gereinigt. Hierdurch werden Walzemulsionsreste und Eisenabrieb von der Stahlbandoberfläche entfernt. Es können dann keine Verschmutzungen oder Aufwachsungen auf den Rollen entstehen, welche die Bandoberfläche beschädigen würden.
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Schmelztauchüberzüge
Abb. 9 Schmelztauchbeschichtungsanlage zur Erzeugung von oberflächenveredeltem Stahlband (Feuerverzinkungsanlage 2 der voestalpine – Division Stahl)
Es folgt eine Glühanlage, in der je nach Stahlgüte zwischen 700 8C und 850 8C rekristallisierend geglüht wird. Die Glühung erfolgt in Schutzgasgemischen aus Stickstoff mit 2% bis 7% H2. Daran schließt sich ebenfalls unter Schutzgas eine Kühlzone an, in der das Band auf die Bandeinlauftemperatur von etwa 20 K oberhalb der Zinkbandtemperatur gekühlt wird. Das Band wird direkt aus dem Schutzgasraum durch einen Tauchrüssel in das flüssige Metallbad geführt (Abb. 10). In diesem so genannten Zinkpott befindet sich eine Umlenkrolle sowie eine oder mehrere Stabilitätsrollen, die den Bandlauf vergleichmäßigen. Das Band verlässt mit einem flüssigen Überzug das Schmelzbad, durchläuft ein Paar Abstreifdüsen, die mittels Pressluft die Zinkschichtdicke regulieren, und erstarrt in dem Auslaufturm vor dem nächsten Rollenkontakt. Innerhalb der kurzen Tauchzeit von ca. 1–3 s kommt es zu einer Reaktion zwischen dem Stahl und der Zinkschmelze, wobei eine intermetallische Zwischenschicht aus Fe2Al5 als Haftungsverbund entsteht. Beim Verlassen des Bades reißt das Band flüssiges Zink mit heraus; die Zinkschichtdicke wird dann durch die Abstreifdüsen aber auch durch die Bandeinlauf- und Schmelzbadtemperatur geregelt. Im Auslaufturm kann eine kontinuierliche Glühzone für die GALVANNEALING-Behandlung vorgesehen sein. Im Auslauf der Schmelztauchbeschichtungsanlage kann eine Oberflächennachbehandlung des verzinkten Stahlbandes beispielsweise durch Phosphatierung oder Chromatierung erfolgen; zumeist ist auch eine Inspektion in Linie vorgesehen, bevor das Band nach Durchlaufen einer Besäum- oder Scherenlinie aufgewickelt oder getafelt wird.
4 Anlagentechnik
Abb. 10 Detailskizze des Bandverlaufs im Zinkpott und
der anschließenden Senkrechtstrecke mit GALVANEALINGEinheit
Einige charakteristische Kenndaten und Besonderheiten einer Feuerbeschichtungsanlage werden wie nachfolgend aufgeführt zusammengestellt und beziehen sich auf die in Abb. 9 dargestellte Anlage: · Jahreskapazität ca. 400 000 t, durchschnittlich 54 t/h · Bandabmessungen: Breite 750–1600 mm, Dicke 0,4–1,5 mm, Bundgewicht max. 30 t · Bandgeschwindigkeiten: Ein-/Auslauf max. 190 m/min, Behandlung max. 150 m/min · Speicherinhalt: Ein-/Auslauf: 234 m · Glühofen: Vertikalofen · Stahlsorten: niedrig legierte Stähle, Tiefziehstähle, Bake-Hardening-Stähle, hochfeste Mehrphasenstähle · Glühzyklen: bis 860 8C · Verzinkung: 1 Pott mit 180 t · Abstreifsystem: 0–1000 mbar (Luft oder N2) · Schichtauflagen: 50–275 g/m2 · Kühlturm: einfahrbare ZF-Einheit (2 MW/100 kHz), umschaltbare Heiz-/Kühlzone · Dressiergerüst: Quarto-Gerüst (Ø 440–500 mm), entkoppelter Biegestreckrichter Auf dieser Anlage können Z- und ZF-Überzüge in unterschiedlichen Oberflächenqualitäten aufgebracht werden, das Stahlband kann anschließend phosphatiert, chemisch passiviert oder geölt werden. 4.2
Reaktionspartner in der Zinkschmelze
Die Blumengröße, d. h. die sichtbare Größe der Zinkkristalle, wird hauptsächlich über Blei- oder auch Antimonzusätze im Zinkbad und die Erstarrungsgeschwindigkeit der Zinkschicht gesteuert. Eine deutlich sichtbare ausgeprägte Zinkblume wird heute noch bei einzelnen traditionellen Anwendern als wesentliches Qualitätsmerkmal angesehen. Die gestiegenen Ansprüche an das Oberflächenaussehen haben die
253
254
Schmelztauchüberzüge
Stahlhersteller veranlasst, durch eine Reihe von gezielten Maßnahmen eine deutlich verringerte Blumengröße und eine blumenfreie Oberflächenausführung zu erzielen. Kleine Blumen werden vielfach durch Erhöhung der Keimzahl für die Kristallisation der Zinkschicht erzielt, indem auf die noch nicht erstarrte Metallauflage unterschiedliche Keime in Form von Wasser, Wasserdampf, wasserlöslichen Salzen oder Zinkstaub aufgeblasen wird. Um eine vollkommen blumenfreie Zinkoberfläche zu erreichen, müssen bleifreie Zinkbäder eingesetzt werden. Bei der Produktion von feuerverzinktem Feinblech wird der Zinkschmelze üblicherweise zwischen 0,18 und 0,20 Massen-% Al zulegiert. Bei GALVANNEALED liegt die Al-Konzentration deutlich niedriger zwischen 0,10 und 0,14 Massen-%. Kommt es in der Zinkschmelze zu einem Anstieg der Fe-Konzentration und zu einem Überschreiten der Löslichkeitsgrenze, die bei Zinkbad-Temperaturen von ca. 460 8C im Bereich von nur 0,002 Massen-% Fe liegt, so reagiert Fe zuerst mit dem Al und bildet FexAly-Phasen in fester Form aus. Die Dichte dieser zu Partikelgröße herangewachsenen Phasen ist allerdings niedriger als die des flüssigen Zinks, so dass es zum Aufschwimmen der Partikel kommt. Diese mit Oberschlacke bezeichnete Masse kann relativ leicht ohne wesentliche Beeinflussung der Bandqualität von der Zinkoberfläche abgezogen werden. Dieser Mechanismus läuft unproblematisch bei hohen Al-Konzentrationen, wie bei der Erzeugung von feuerverzinktem Feinblech, ab. Bei der Produktion von GALVANNEALED-Feinblech steht für die oben beschriebene Reaktion nicht genügend Al zur Verfügung, so dass es beim Anstieg von Fe in der Zinkschmelze überwiegend zu einer Reaktion mit dem Zink kommt. Hier bilden sich gemäß Zweistoffsystem Fe-Zn unterschiedliche Phasen aus, die zu großen Partikeln heranwachsen. Die Dichte dieser Partikel ist größer als die der Zinkschmelze. Es setzen sich feste Bestandteile am Boden des Zinkpottes ab. Diese Menge wächst mit der Zeit immer weiter an und beeinträchtigt die Produktqualität signifikant. Dieser Vorgang wird mit Bodenschlackebildung bezeichnet. Die Bodenschlacke kann während der Produktion nur durch verstärkte Al-Zugaben aufgelöst und an die Zinkbadoberfläche gebracht werden. Bei der Erzeugung von feuerverzinktem Feinblech (Z) hat das Al im Schmelzbad zwei sehr wichtige Aufgaben für die spätere Produktqualität zu erfüllen: · Beim Eintritt des Stahlbandes in die Zinkschmelze die Bildung einer haftvermittelnden bzw. durch die Zinkschmelze benetzende Zwischenschicht für den späteren Verbund zwischen der Stahloberfläche und der Zinkschicht, d. h. Sicherstellung des Haftungsverbundes ganzheitlich. · Bildung einer ausgeprägten Sperrschicht für eine bei Z unerwünschte Fe-ZnReaktion, zur Sicherstellung des metallisch blanken Produktaussehens, und teilweise zur Verbesserung des Umformverhaltens. Bei der Produktion von ZF (GALVANNEALED) ist wie bei Z im ersten Schritt auch die haftvermittelnde bzw. benetzende Wirkung des Aluminiums wesentlich und erforderlich. Danach aber sollte die Al-Konzentration nur so hoch eingestellt sein, dass es durch nachfolgende Wärmezufuhr im GALVANNEALED-Ofen möglichst schnell zum Start des Diffusionsvorganges zwischen Fe und Zn
4 Anlagentechnik
Abb. 11 Optimierung des
Umformverhaltens bei GALVANNEALED [6]
kommt. Weiterhin sollte die Al-Konzentration in der Zinkschmelze immer noch hoch sein, dass es nicht bereits in der Zinkschmelze zu einer Fe-Zn-Reaktion kommt. Dieses würde den Abstreifvorgang hinsichtlich der Darstellung dünnerer Überzüge negativ beeinflussen. Darüber hinaus bewirkt die Al-Konzentration auch die Ausprägung der Oberflächenrauheit des ZF-Überzuges. Der zerklüftete Überzug tritt speziell bei Stählen auf, die ein „trägeres“ Legierungsverhalten wie z. B. vakuumentkohlter Stahl (VAC) im Vergleich zu einem titanlegierten IF-Stahl (Ti-IF-Stahl) aufweisen. Um bei diesen Stählen den geschlossenen Überzug zu produzieren, sind sehr niedrige Al-Konzentrationen erforderlich. Die Haftung des ZF-Überzuges insbesondere bei Verformungen kann durch Zulegieren von Si (ca. 0,06–0,08 Massen-%) in den Stahl verbessert werden. Durch Si wird bei der Fe-Zn-Diffusion auch eine Legierungsbildung entlang der Stahlkorngrenzen in den ersten Kornlagen gefördert. Dies ist bei einer späteren Verformung günstig, da hierdurch die bevorzugte Rissbildung senkrecht zur Oberfläche gefördert und eine nachteilige Rissbildung parallel zur Oberfläche vermieden wird (Abb. 11). 4.3
Oberflächennachbehandlung
Schmelztauchveredeltes Band und Blech kann mit verschiedenen Oberflächenbehandlungen werkseitig geliefert werden, die im Folgenden mir ihrer Kennziffer aufgelistet sind: C O CO S P
chemisch passiviert geölt chemisch passiviert und geölt versiegelt phosphatiert
Als Oberflächennachbehandlung kommen heute zumeist eine Phosphatierung oder eine Chromatierung in Betracht. Die Zinkphosphatierung besteht aus zwei Behandlungsstufen:
255
256
Schmelztauchüberzüge
1. Oberflächenaktivieren durch Beizen und Bürsten gemäß der Reaktion Zn + 2 H 2 Ox = Zn2 + 2 HOx
8
wobei mit Ox das Oxidationsmittel NO–2, ClO–3 oder H2O2 verstanden wird. 2. Bildung einer sehr dünnen Phosphatschicht gemäß der Formel 3 Zn2 2 H2 PO4 4 H2 O Zn3
PO4 2 4 H2 O 4 H
9
wobei die Phase Zn3PO4 mit Hopeid bezeichnet wird (tertiäres Zinkphosphat). Diese Phosphatschichten bieten einen Korrosionsschutz bei der Lagerung; sie dienen als Schmiermittel bei der Kaltumformung und als Haftvermittler vor dem Lackieren. Beim Chromatieren erfolgt als erster Teilschritt ebenfalls eine Oberflächenaktivierung durch Beizen und Bürsten. Die Schichtbildung erfolgt gemäß der Reaktion Zn2 CrO3 H2 O ZnCrO4 2 H
10
Im Anschluss hieran erfolgt ein Spülen und Trocknen. Hierbei wird ein Korrosionsschutz und eine verbesserte Lackhaftung erzielt. Dekorative farbige Überzüge sind möglich. Zur weiteren Erhöhung des Korrosionsschutzes und/oder aus optischen und dekorativen Gründen können auf das schmelztauchveredelte Band und Blech organische Beschichtungen aufgebracht werden.
5
Qualitätssicherung 5.1
Prüfung der mechanischen Eigenschaften
Wichtige Prüfkriterien für den Oberflächenüberzug sind neben der fehlstellenfreien Beschichtung und dem gleichmäßigen Aussehen die Haftung des Überzuges, die etwa durch Kugelschlagprüfungen, Biegetests oder so genannte Lap-Shear-Tests überprüft wird. Weitere Kriterien sind die tribologischen Eigenschaften, das Abriebverhalten (Powdering, Flaking), die Schweißbarkeit und die Weiterverarbeitbarkeit. 5.2
Prüfung der Korrosionseigenschaften
Zinküberzüge sind beständig gegen eine Vielzahl von Chemikalien; insbesondere gegen eine Vielzahl von Kohlenwasserstoffen weisen sie eine hohe Beständigkeit auf. In Wässern und anderen Flüssigkeiten hängt die Frage der Korrosionsbeständigkeit von Zinküberzügen sehr stark vom pH-Wert dieser Flüssigkeiten ab. Zink-
5 Qualitätssicherung
Abb. 12 Korrosionsverhalten von Zinküberzügen
in Abhängigkeit vom pH-Wert (schematisch)
überzüge sind üblicherweise sehr gut beständig im alkalischen Bereich (hohe pHWerte). In sauren Medien lässt ihre Beständigkeit jedoch nach. Üblicherweise liegt eine gute Beständigkeit von Zink in Flüssigkeiten vor, wenn deren pH-Wert zwischen etwa 5 und 13 liegt; außerhalb dieses Bereiches muss mit einer erhöhten Korrosion des Zinks gerechnet werden (Abb. 12). Aufgrund vorliegender Untersuchungen wurden Korrosionskategorien abgeleitet, die zumindest eine sehr grobe Abschätzung der in einer Region vorliegenden atmosphärischen Belastungen ermöglichen. Eine Übersicht über die Korrosivitätskategorien, ihre Gliederung und ihre Auswirkung auf den durchschnittlichen Zinkabtrag liefert Tab. 4. Zur Prüfung von Bauteilen hinsichtlich ihrer Korrosionsbeständigkeit können sowohl Naturprüfungen, sog. Freibewitterungsversuche, als auch Kurzzeitprüfungen angewendet werden. Bei letzteren werden, neben potentiostatischen bzw. potentiodynamischen Verfahren, häufig Auslagerungsversuche in Klimakammern durchgeführt. Problematisch sind diese Kurzzeitbewitterungen dahingehend, dass der Aussagewert der Ergebnisse durch eine Intensivierung der korrosiven Bedingungen beeinflusst wird. In Klimakammern können unterschiedliche klimatische und atmosphärische Bedingungen simuliert werden: · Stadtatmosphäre mit SO2 und NOx · Industrieatmosphäre mit SO2 · Meeresatmosphäre mit Cl und SO2. Häufig angewandte Prüfverfahren sind · die Salzsprühnebelprüfung nach DIN 50021 zur Simulation küstennaher Gebiete mit einer 5%igen NaCl-Lösung bei 35 8C · die Kondenswasserklimaprüfung nach DIN 50017 zur Simulation hoher Luftfeuchtigkeit (Tropenklima) mit einem Wasserdampf-Luft-Gemisch (100% rel. Luftfeuchte) bei 40 8C
257
258
Schmelztauchüberzüge
Tab. 4 Korrosivitätskategorien und Korrosionsraten von Zinküberzügen für verschiedene Atmosphärentypen (DIN EN ISO 12944)
KorrosivitätsKategorie
Typische Umgebung Innen
C1
C2
C3
C4
C5-I
C5-M
Geheizte Gebäude mit neutralen Atmosphären, z. B. Büros, Läden, Schulen, Hotels Ungeheizte Gebäude, in denen Kondensation auftreten kann, z. B. Lager, Sporthallen Produktionsräume mit hoher Feuchte und etwas Luftreinigung, z. B. Anlagen zur Lebensmittelherstellung, Wäschereien, Brauereien, Molkereien Chemieanlagen, Schwimmbäder, Bootsschuppen über Meerwasser Gebäude oder Bereiche mit nahezu ständiger Kondensation und mit starker Verunreinigung Gebäude oder Bereiche mit nahezu ständiger Kondensation und mit starker Verunreinigung
KorrosionsBelastung
Durchschnittlicher Zink-Abtrag
unbedeutend
< 0,1 lm/a
außen
Atmosphären mit geringer Verunreinigung. Meistens ländliche Bereiche
gering
0,1 bis 0,7 lm/a
Stadt- und Industrieatmosphäre, mäßige Verunreinigungen durch Schwefeldioxid. Küstenbereich mit geringer Salzbelastung
mäßig
0,7 bis 2,1 lm/a
Industrielle Bereiche und Küstenbereiche mit mäßiger Salzbelastung
stark
2,1 bis 4,2 lm/a
Industrielle Bereiche mit hoher Feuchte und aggressiver Atmosphäre
sehr stark (Industrie)
4,2 bis 8,4 lm/a
Küsten- und Offshore Bereiche mit hoher Salzbelastung
sehr stark (Meer)
> 4,2 bis 8,4 lm/a
· der VDA-Wechseltest. Ein Testzyklus zur Simulation der Freibewitterung dauert eine Woche und umfasst 24 h Salznebel, 72 h Kondenswasserklimaprüfung und 48 h normales Klima. 6
Zusammenfassung und Ausblick
Das kontinuierliche Schmelztauchbeschichten ist aufgrund der Integration mehrerer Verarbeitungsschritte (Reinigung, Rekristallisationsglühung, Verzinkung und
6 Zusammenfassung und Ausblick
weiterer Veredlungsschritte) in einer Anlage ein kostengünstiger Prozess, mit dem Stahlband in großen Mengen und in höchster Oberflächenqualität beschichtet werden kann. Die meisten der in den letzten Jahren errichteten Verzinkungslinien sind die auf Tadeusz Sendzimir zurückgehenden Schmelztauchanlagen; elektrolytische Beschichtungsanlagen werden nicht so oft errichtet. Der größte Teil des in Deutschland hergestellten Stahlfeinblechs wird von den Stahlherstellern mittlerweile oberflächenveredelt ausgeliefert. Hiervon wiederum ist der größte Teil feuerverzinkt, wobei es sich i. d. R. um niedriglegierte Stahlsorten handelt. Die gestiegenen Anforderungen an die im Fahrzeugbau eingesetzten Werkstoffe führen zum Einsatz moderner hochfester Stähle wie z. B. Dualphasen- oder TRIPStähle. So können durch die Verwendung dünner Bleche mit hohen Festigkeiten die aktuellen und zukünftigen technischen und sicherheitsrelevanten Standards eingehalten und gleichzeitig ein geringes Karosseriegewicht erzielt werden. Metallische Überzüge aus Zink und Zinklegierungen sind ein wirkungsvoller Korrosionsschutz und gewährleisten die Lebensdauer der entsprechenden Bauteile. Die Legierungskonzepte dieser hochfesten Stahlsorten sehen häufig hohe Gehalte an Legierungselementen und ein mehrphasiges Gefüge vor, was bei der der Beschichtung vorausgehenden Wärmebehandlung zu einer Belegung der Oberfläche mit Oxiden der Legierungselemente führt. Während des Schmelztauchbeschichtens resultiert daraus eine veränderte Reaktionskinetik, eine veränderte Benetzbarkeit der Stahloberfläche und damit insgesamt ein verändertes Beschichtungsverhalten. Die Qualität der so erzeugten Überzüge ist häufig unzureichend. Die aktuelle Forschungs- und Entwicklungsarbeit zielt also darauf, auch diese Stahlsorten durch das Schmelztauchbeschichten verzinken zu können. Dazu werden einige unterschiedliche Ansätze verfolgt, von denen insbesondere die Anpassung der Stahlzusammensetzung oder die Variation der Glühatmosphäre zu einer für die Beschichtung günstigeren Oberflächenzusammensetzung dieser Stähle führen soll [7]. Bei der Legierung der Stähle können beispielsweise die kritischen Elemente Silizium, Mangan und Chrom teilweise durch das unkritische Molybdän ersetzt werden. Durch einen Oxidations-Reduktions-Glühzyklus wird das Stahlband in einem ersten Schritt oxidiert, wobei die Legierungselemente noch innerhalb des Stahls Oxide bilden sollen und an der Oberfläche reines Eisenoxid vorliegt, das in einem zweiten Schritt reduziert wird. Dem Zinkbad soll so eine Oberfläche angeboten werden, die oxidfrei ist, aus reinem Eisen besteht und somit unproblematisch zu beschichten ist. Der Einsatz hochfester Stahlsorten als Karosseriewerkstoff der zukünftigen Automobilgenerationen hängt somit auch von der Entwicklung der Beschichtungstechnik ab.
259
260
Schmelztauchüberzüge
7
Literatur 1 Béranger, G.; Henry, G.; Sanz, G.: The
Book of Steel, Intercept LTD, Hampshire U.K., 1996 2 Massalski, Th. B.: Binary Alloy Phase Diagrams, American Soc. for Metals, Metals Park, Ohio, 1986 3 Perrot, P.; Tissier, J.-Ch.; Dauphin, J.-Y.: Stable and Metastable Equilibria in the FeZn-Al System at 450 8C, Zeitschrift für Metallkunde, Jg. 83, 1992, Heft 11, Seiten 786–790 4 Stahl-Informations-Zentrum: Charakteristische Merkmale 095, Schmelztauchveredeltes Band und Blech, Düsseldorf, 2001
5 voestalpine Stahl GmbH, Anlagenprospekt
der Feuerverzinkungsanlage 2 6 Brisberger, R.; Berndsen, H.; Etzold,
U.; Maid, O.; Warnecke, W.: Laboratory investigations on the morphology of the coating and forming behaviour of galvannealed steel sheet, Galvatech ’95 – 3rd International Conference on Zinc and Zinc Alloy Coated Steels, Proceedings, Association for Iron & Steel, 2004, 553–759 th 7 Galvatech ’04–6 International Conference on Zinc and Zinc Alloy Coated Sheet Steels, Proceedings, Association for Iron & Steel, 2004
261
Auftraggelötete Verschleißschutzschichten H. Krappitz, Innobraze GmbH, Esslingen
1
Einleitung
Ist vom Löten die Rede, so denken viele zunächst an das Kontaktieren elektrischer Schaltungen. Tatsächlich ist diese als Weichlöten bekannte Fügetechnik eine der wichtigsten Anwendungen des Lötens überhaupt und stellt gleichzeitig, gemessen an der Anzahl hergestellter Verbindungen, das wohl am häufigsten eingesetzte Fügeverfahren schlechthin dar. Weit weniger bekannt ist im Allgemeinen das Hartlöten bzw. das Hochtemperaturlöten als Fügetechnik zur Herstellung hochbelastbarer Verbindungen, die Grundwerkstoff-Festigkeit erreichen können. Auch mag man sich zunächst fragen, weshalb in Zusammenhang mit modernen Beschichtungsverfahren ein löttechnisches Thema vorgestellt wird. Dies soll im Folgenden deutlich gemacht werden, indem die beschichtungstechnischen Möglichkeiten des Lötens aufgezeigt werden sollen und hierfür typische Anwendungsbeispiele dargestellt werden. Zuvor soll jedoch noch kurz auf die kennzeichnenden Merkmale des Lötens eingegangen werden.
2
Löten 2.1
Grundlagen
In Anlehnung an die Definition der Norm DIN 8505 [1] ist Löten ein thermisches Verfahren zum stoffschlüssigen Fügen und Beschichten von Werkstoffen, wobei eine flüssige Phase durch Schmelzen eines Lotes entsteht. Die Solidustemperatur der Grundwerkstoffe wird nicht erreicht. Insbesondere hierdurch unterscheidet sich das Löten wesentlich von den schweißtechnischen Füge- und Beschichtungsverfahren. Vom Weichlöten wird dann gesprochen, wenn die Liquidustemperatur der Lote unterhalb 450 8C liegt. Ist sie größer als 450 8C, so kennzeichnet dies den Bereich
262
Auftraggelötete Verschleißschutzschichten
Abb. 1 Lotgruppen für das Hart- und Hochtemperaturlöten
des Hartlötens. Kommt als weitere Bedingung hinzu, dass die Liquidustemperatur der Lote oberhalb von 900 8C liegt und die Lote flussmittelfrei unter Luftabschluß verarbeitet werden, so ist hierdurch der Bereich des Hochtemperaturlötens umrissen. Im Folgenden soll nur noch der Bereich des Hart- und Hochtemperaturlötens betrachtet werden; auf das Weichlöten wird hier nicht mehr näher eingegangen. Die Lote, die für das Hart- und Hochtemperaturlöten eingesetzt werden, zählen überwiegend zu den Gruppen der Silberhartlote sowie der Kupferbasislote, einschließlich der Messing- und Bronzelote. Für höhere Betriebstemperaturen werden Nickelbasislote und Edelmetall-Lote auf Gold-, Paladium- oder Platinbasis eingesetzt. Abb. 1 stellt die gebräuchlichen Lotgruppen für das Hart- und Hochtemperaturlöten dar und ordnet diesen Loten die in der Praxis üblichen Löttemperaturen zu. Für die Massenfertigung durch Ofenlöten unter Schutzgas oder Vakuum werden hauptsächlich die Lote aus den Gruppen der Al-Lote, der Cu-Lote sowie der Ni-Lote eingesetzt. Aluminiumlote werden dabei nur zum Löten von Aluminium und Aluminiumlegierungen verwendet, mit Stählen und NE-Metallen würden diese Lote unerwünschte metallurgische Reaktionen hervorrufen, welche die Gebrauchseignung der Lötung negativ beeinflussen würden. Die Werkstoffkosten der Lote der Gruppen untereinander sind sehr unterschiedlich, insbesondere bezüglich der edelmetallhaltigen Lote. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtung der Lotkosten muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Silberbasislote bereits bei relativ niedrigen Temperaturen schmelzen und deshalb für das Löten an Luft, z. B. das manuelle Flammlöten, weite Verbreitung gefunden haben.
2 Löten
Abb. 2 Zersetzung der Oxide auf den Oberflächen unter Schutzgas
Abb. 3 Der Benetzungsvorgang beim
Löten
Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass das aufgeschmolzene Lot am Grundwerkstoff benetzen kann, ist, dass die beiden Komponenten in unmittelbaren metallischen Kontakt zueinander geraten. Oxidschichten und Oberflächenbelegungen, wie sie sich auf allen technischen Metalloberflächen mehr oder weniger stark ausgeprägt befinden, müssen deshalb zunächst entfernt werden. Beim Löten im Ofen werden sie entweder durch geeignete Schutzgase (z. B. Argon, Wasserstoff, Stickstoff-Wasserstoffgemisch) (Abb. 2) [2] oder unter Vakuum in einem Druckbereich zwischen 10–2 und 10–5 mbar zersetzt. Die eigentliche Benetzung erfolgt durch eine Legierungsbildung zwischen Lot und Grundwerkstoff, die zunächst in der Fügeebene im Bereich weniger Atomlagen erfolgt. Durch anschließende Diffusionsvorgänge wird eine metallurgische Bindung zwischen Lot und Grundwerkstoff erreicht, mit der grundwerkstoffähnliche Festigkeitswerte erzielt werden können (Abb. 3).
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264
Auftraggelötete Verschleißschutzschichten
2.2
Reparaturlöten
Eine wichtige Anwendung des Beschichtens durch Löten findet sich dort, wo Bauteile aus Hochleistungswerkstoffen instand gesetzt werden. Die Leit- und Laufschaufeln von Turbinen, sowohl in Flugtriebwerken als auch in stationären Gasturbinen, unterliegen im Betrieb hoher mechanischer, thermischer und gleichzeitig korrosiver Beanspruchung. Um den auftretenden Betriebsbedingungen standzuhalten, werden Werkstoffe mit gezielt eingestelltem Gefüge eingesetzt, z. B. gerichtet erstarrte oder dispersionsverfestigte Werkstoffe. Nach einer bestimmten Betriebsdauer bilden sich durch Verschleiß bedingte Schäden, wie Materialabtrag und Grübchenbildung, auf der Bauteiloberfläche aus (Abb. 4 a). Im Zuge der Überholung solcher Komponenten muss der Materialabtrag wieder aufgebaut werden, um die wertvollen Bauteile wirtschaftlich und ressourcenschonend wieder einsetzen zu können. Würde hierbei durch Lichtbogenschweißen artgleiches Material aufgetragen, so würde der Grundwerkstoff aufgeschmolzen, und die eingestellten Gefügeeigenschaften des Grundwerkstoffes gingen verloren. Das Bauteil wäre somit für den vorgesehenen Einsatz nicht mehr zu verwenden. Das Auftraglöten bietet für diese Aufgabe eine ideale Lösung, da laut Definition des Lötens der Grundwerkstoff nicht aufgeschmolzen wird. Die Reparatur durch Auftraglöten wird durchgeführt, indem Gemische aus Grundwerkstoffpulver und speziellen Lotpulvern eingesetzt werden. Hieraus werden entweder in einem ersten Arbeitsschritt vorgesinterte Formteile (PSP = presintered preforms) hergestellt und diese anschließend durch Auftraglöten auf das Bauteil aufgebracht, oder es
a
b
Abb. 4 (a) Reparaturlöten von Turbinenschaufeln, geschädigte Schaufel. (b) Reparaturlöten von Turbinenschaufeln, auftraggelötete Schaufel
2 Löten
wird direkt in einem einzigen Arbeitsschritt mit kunststoffgebundenen Grundwerkstoff/Lotgemischen (Tapes) oder Pasten der entsprechenden Pulvergemische gearbeitet. Das Ergebnis nach dem Lötprozess im Vakuumofen ist ein wiederhergestelltes Bauteil, dessen Eigenschaften nach abschließender mechanischer Bearbeitung annähernd diejenigen eines Neuteils erreichen (Abb. 4 b). 2.3
Beschichten durch Auflöten von Sinterhartmetall
Sinterhartmetalle werden aufgrund ihrer hohen Härte und Verschleißbeständigkeit dort eingesetzt, wo höchste Verschleißbeanspruchung auf ein Bauteil einwirkt. Die aus Wolframcarbid und einer Kobaltbindephase sintertechnisch hergestellten Hartmetallformkörper können nicht durch Schmelzschweißen auf ein Bauteil aufgebracht werden, ohne das Gefüge und somit die Eigenschaften des Hartmetalls zu zerstören. Auch hier bietet das Löten eine fügetechnische Möglichkeit zur Herstellung hochfester, thermisch belastbarer Verbindungen. Abb. 5 zeigt eine Auswahl von Bauteilen, auf die Hartmetallformkörper aufgelötet wurden. Die Hartmetalle sind insgesamt schwer benetzbar und werden deshalb mit Spezialloten auf Basis von Silber oder Kupfer gelötet, die Mangan sowie Nickel oder Kobalt enthalten. Abhängig vom Kobaltgehalt des Hartmetalles können mit diesen Loten Scherfestigkeiten erreicht werden, die 300 N/mm2 übersteigen. Die Wärmeausdehnungskoeffizienten von Hartmetallen und Trägerstählen verhalten sich etwa wie 1 : 2. Dies bedeutet für gelötete Hartmetall-Stahlverbindun-
Abb. 5 Auflöten von Hartmetallschneiden auf Werkzeuge
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Auftraggelötete Verschleißschutzschichten
Abb. 6 Spannungsabbau in Hartmetall/Stahl-Verbindungen
gen, dass nach dem Erstarren des Lotes die unterschiedliche Schrumpfung der Fügepartner beim Abkühlen der Lötverbindung zu inneren Spannungen im Verbund führt. Hierdurch sind die zu beschichtenden Flächen in ihren maximalen Abmessungen begrenzt, da ansonsten Verzug im Bauteil oder Risse im Hartmetall aufgrund der auftretenden Spannungen entstehen können. Abhilfe bietet hierbei das Segmentieren der zu beschichtenden Fläche sowie der Einsatz so genannter Schichtlote. Die Wirkungsweise dieser Schichtlote zum Spannungsabbau wird in Abb. 6 beschrieben [3]. Durch plastische Verformung von Lot und eventuell einer zusätzlichen Zwischenschicht werden die thermischen Ausdehnungsunterschiede der beiden Werkstoffe kompensiert. Neben den Eigenschaften des Lotes haben natürlich auch die Werkstoffdaten des Trägerstahls und des Hartmetalls erheblichen Einfluss auf die mechanische Belastbarkeit der Verbindung. Eine biegesteife Unterkonstruktion und eine hohe Streckgrenze des Stahls führen zu den günstigsten Festigkeitswerten. In der Praxis werden unlegierte oder niedriglegierte Werkzeugstähle mit Kohlenstoffgehalten von 0,5–0,7% und Zugfestigkeiten zwischen 700 und 1000 N/mm2 eingesetzt. Anwendungsschwerpunkte für den Einsatz von Hartmetallbeschichtungen finden sich in den Bereichen der Werkzeugindustrie, der Tiefbohrtechnik, des Bergbaus, der Holzgewinnung und -verarbeitung sowie in der Verarbeitung mineralischer Stoffe.
2 Löten
2.4
Löten von Keramik
Extreme Anforderungen an Härte und Verschleißbeständigkeit, häufig in Kombination mit korrosiver Beanspruchung, führten zum Einsatz keramischer Werkstoffe für diese Anwendungsfälle. Besondere Bedeutung im Verschleißschutz haben die Keramiktypen Aluminiumoxid, Zirkonoxid, Siliziumcarbid und Siliziumnitrid erlangt. Abb. 7 zeigt ein Anwendungsbeispiel aus dem Bereich des Motorenbaus [4]. Ein keramisches Gleitstück aus Siliziumnitrid wird auf die Lauffläche eines Kipphebels aufgelötet, um den Verschleiß von Nockenwelle und Kipphebel gering zu halten. Für das Fügen von Keramik/Metall-Verbindungen stellt das Löten die dominierende Fügetechnik dar. Problematisch hierbei erscheint zunächst das unterschiedliche thermische Ausdehnungsverhalten von keramischen und metallischen Werkstoffen, wie dies bereits für Hartmetalle beschrieben wurde. Man hilft sich hier durch die Auswahl von speziellen Metallen mit angepasstem thermischen Ausdehnungskoeffizienten sowie durch den Einsatz besonders duktiler Lote. Eine zweite Besonderheit beim Fügen von Keramik besteht in der äußerst schwierigen Benetzbarkeit dieser Werkstoffgruppe. Da es sich definitionsgemäß um nichtmetallische Werkstoffe handelt, kommt der für das Löten übliche Bindemechanismus nicht zum Tragen. Statt dessen werden Speziallote eingesetzt, die durch Legierungszusätze von Titan, Zirkon oder Hafnium in der Lage sind, mit der Keramik zu reagieren und durch Bildung überwiegend keramischer Phasen eine Benetzung zu erreichen. In Tab. 1 sind so genannte Aktivlote für das Löten von Keramik und Keramik/Metall-Verbindungen vorgestellt, die in der industriellen Praxis angewendet werden. Neben den bereits genannten keramischen Werkstoffen werden zum Verschleißschutz weiterhin so genannte ,superharte Werkstoffe‘, wie z. B. natürlicher Diamant, synthetischer Diamant oder kubisches Bornitrid eingesetzt. Auch diese
Abb. 7 Mit Keramik bestückter Kipp-
hebel
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Auftraggelötete Verschleißschutzschichten
Tab. 1 Aktivlote für das Löten von Keramik
Zusammensetzung (Gew.-%) Cu
In
Andere
Schmelzbereich (8C)
Degussa CB 1 75 Degussa CB 2 100
20 –
5 –
– –
730–760 970
850–950 a) 1000–1050 b)
Degussa CB 4
72,5
27,5
–
–
780–805
850–950 a)
Degussa CB 5 Degussa CB 6 Degussa CS 1
65 99 10,5
35 – –
– 1 –
– – 89,5 Sn
770–810 948–959 221–300
850–950 b) 1000–1050 b) 850–950 b)
–
4
96 Pb
320–325
850–950 b)
Ag
Degussa CS 2 –
aktiviert mit Titan
Lot
Löttemperatur (8C)
Grundwerkstoffe
Keramiken, Keramik-Verbindungen, Grafit und Diamant – Siliciumnitrid Keramiken, Grafit, Glas
a Eine Löttemperatur von 850 8C ist möglich, höhere Löttemperaturen verbessern das Benetzungsverhalten. b Aufgrund des relativ hohen Dampfdruckes von Silber sollte eine Löttemperatur von 1000 8C beim Löten im Vakuum nicht überschritten werden. Unter Argon ist eine Löttemperatur von 1050 8C möglich.
Abb. 8 Bohrer mit eingelöteter Diamantschneide
Werkstoffe werden vorwiegend durch Löten aufgebracht. Anwendungsschwerpunkte hierfür sind Zerspanungswerkzeuge, Komponenten der Tiefbohrtechnik, Trennscheiben für die Gesteinsbearbeitung sowie Verschleißflächen an Messwerkzeugen und Linealen. Nähere Informationen hierüber sind [5] zu entnehmen. Zum Bohren stark abrasiv wirkender Verbundwerkstoffe werden Bohrer benötigt,
2 Löten
die in der Serienfertigung wirtschaftliche Standzeiten erreichen. In Abb. 8 ist ein solcher Bohrer dargestellt. In einen Schaft aus Sinterhartmetall wurde eine Schneide aus polykristallinem Diamant eingelötet. Die Festigkeit gelöteter Keramik/Keramik- und Keramik/Metall-Verbindungen wird üblicherweise im Vier-Punkt-Biegeversuch geprüft. Hier können, abhängig von Werkstoffkombination, Bauteilgeometrie und Prozessparametern, Festigkeitswerte erreicht werden, die oberhalb von 200 N/mm2 liegen. 2.5
Auflöten von Hartstoffpartikeln
Während bisher das Auflöten verschleißbeständiger Werkstoffe in Form eines Plattierens besprochen wurde, soll im Folgenden nun eine weitere Variante vorgestellt werden. Hierbei werden Partikel eines Hartstoffes durch Löten in eine metallische Matrix eingebettet und auf die Oberfläche von Werkstücken aufgebracht. Die Oberflächenstruktur ist bei diesem Verfahren in weiten Grenzen variabel und hängt u. a. von Kornform und Korngröße der Hartstoffpartikel ab. So kann z. B. bei Einsatz eines groben Wolframcarbid-Splits eine sehr raue Oberfläche erzeugt werden, die sich mit Material des schleißenden Gutes zusetzt. Hierdurch übernimmt das schleißende Medium selber einen Teil der Verschleißschutzfunktion der Schicht. Eine Oberflächenstruktur aus grobkörnigen und scharfkantigen Hartstoffpartikeln wird auch für Abrasivwerkzeuge eingesetzt. Abb. 9 zeigt als Anwendungsbeispiel einen Fräser, der zur Bearbeitung von Hartgummi eingesetzt wird.
Abb. 9 Fräswerkzeug mit aufgelötetem Hartmetallsplitt
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Auftraggelötete Verschleißschutzschichten
Abb. 10 Seilsägesegmente mit aufgelöteter Diamantkörnung
Neben den metallischen Hartstoffen, die sich mit konventionellen Loten, wie z. B. CuNiZn (Neusilberloten) oder Nickelbasisloten aufbringen lassen, können für ähnlich aufgebaute Schichten aus keramischen Hartstoffen wiederum spezielle Lote eingesetzt werden. Keramische Hartstoffkörnungen erreichen höchste Härtewerte und werden deshalb zum Bearbeiten besonders abrasiver Grundwerkstoffe eingesetzt. Das Trennen großer Felsblöcke erfolgt z. B. häufig mit Seilsägen. Hierbei werden diamantbeschichtete Stahlpellets zusammen mit federnden Abstandhaltern auf ein Stahlseil aufgefädelt, das in einer Bandsäge eingesetzt wird. Neben der Natursteinbearbeitung werden solche Seilsägen auch zum exakten Trennen ganzer Gebäude eingesetzt. Abb. 10 zeigt Pellets mit aufgelöteter Diamantkörnung.
3
Das BrazeCoat-Verfahren
Das Auflöten von Hartstoffkörnung in der bisher vorgestellten Weise erzeugt eine mehr oder minder raue Oberfläche, bei der das Lot die Funktion übernimmt, die Hartstoffpartikel einzubetten und mit dem Substrat zu verbinden. Mit abnehmender Korngröße der Hartstoffpartikel gelangt man in einen Bereich, in dem die aufgebrachte Schicht makroskopisch homogen aussieht. Man kann dann von einem Hartstoff-Hartlegierungs-Verbundwerkstoff sprechen. Diese Überlegung war
3 Das BrazeCoat-Verfahren
Ausgangspunkt für die Entwicklung des so genannten BrazeCoat-Verfahrens [6]. Hierbei werden polymergebundene Lot- und Hartstoffpulver eingesetzt, die nach zwei unterschiedlichen Methoden verarbeitet werden. Schichten von mehreren mm Dicke werden nach einem Verfahren erzeugt, das mit flexiblen Lot- und Hartstoffmatten arbeitet (BrazeCoat M-Verfahren), während dünnere Beschichtungen bis zu einer Dicke von 0,5 mm erzeugt werden, indem vor dem Lötprozess eine Suspension aus Carbidpulver, Lot und Binder aufgetragen wird. 3.1
Beschichten mit Lot- und Hartstoff-Matten (BrazeCoat M)
Das BrazeCoat M-Verfahren ermöglicht die Herstellung verschleißfester Beschichtungen zum Schutz der Oberflächen hoch beanspruchter Komponenten im Maschinen- und Anlagenbau. Dabei werden kunststoffgebundene Hartstoffpulver zu Vliesen verarbeitet, aus denen sich durch simples Schneiden oder Stanzen Zuschnitte bzw. Formteile in der gewünschten Größe und Geometrie in einer Dicke zwischen 0,7 und einigen mm herstellen lassen. Diese werden auf die zu schützenden Oberflächen aufgelegt. Auf die erste Schicht eines Hartstoff-Vlieses wird deckungsgleich eine weitere Lage eines ebenfalls kunststoffgebundenen Nickelbasislotpulvers aufgetragen. Als Hartstoffe werden Pulver z. B. aus WC, Cr3C2 oder Mischungen hieraus eingesetzt, die Lote gehören der Gruppe der NiCrBSiLegierungen an. Die vorbereitete Beschichtung wird anschließend bei ca. 1100 8C in einem Ofenprozess unter Wasserstoffatmosphäre erzeugt, indem die aufgetragene Carbidschicht durch die aufgeschmolzene Nickelhartlegierung infiltriert und im gleichen Zuge auf den Grundwerkstoff aufgelötet wird. Die technischen Daten dieser Beschichtung sind in tabellarischer Form dargestellt (Tab. 2). Stähle zeigen im Vergleich zu den Schichtwerkstoffen je nach Beschichtungssystem deutlich andere Eigenschaften. Insbesondere der mittlere lineare thermische Ausdehnungskoeffizient ist im Hinblick auf mögliche Abkühlspannungen von Bedeutung. Die Werkstoffkombination WC/NiCrBSi (W/1002) hat einen niedrigen Wert, wodurch ähnliche Spannungsprobleme an größeren Bauteilen erwartet werden müssen, wie dies bereits bei den Hartmetallverbindungen erläutert wurde. Der Verbund Cr3C2/L-Ni2 hingegen zeigt ein dem Baustahl sehr ähnliches Ausdehnungsverhalten, wodurch deutlich geringere Spannungen im Bauteil zu erwarten sind.
Tab. 2 Eigenschaften von Schichten, hergestellt nach dem BrazeCoat-Verfahren
BrazeCoat
Makrohärte (HV10/HRA)
Dichte (g/cm3)
a-thermisch (10–6/K)
W/1002 C/1002 CW/1002 W/21–80
1240/88 1150/86 1180/87 –/64
13,0 7,0 9,9 13,1
8,1 11,4 9,5 9,6
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Auftraggelötete Verschleißschutzschichten
Abb. 11 Schliffbild einer BrazeCoat-Beschichtung
Die entstandene Verbundschicht erreicht einen hohen Verschleißwiderstand und ermöglicht auf diese Weise eine deutliche Verlängerung der Lebensdauer der beschichteten Komponenten. Typische Anwendungen auftraggelöteter BrazeCoat-Schichten finden sich in Bereichen, wo starker abrasiver Verschleiß oder auch eine Kombination aus abrasivem und korrosivem Verschleiß auftritt. An Bauteilen wie z. B. Gehäusen von Pumpen, Mischern oder Extrudern, Mischerschaufeln, Prallplatten und Rohrbögen konnten anwendungsabhängig mehrfach höhere Standzeiten erreicht werden. Die Bindung der Schicht zum Substrat ist stoffschlüssig und erreicht somit eine hohe Haftfestigkeit. Der hohe Hartstoffanteil der Schicht (ca. 70 Vol.%) bewirkt, dass sich die Carbidpartikel aufeinander abstützen und ein stabiles Gerüst bilden. Ein Absetzen der schweren Carbidpartikel in der schmelzflüssigen Matrix wird so verhindert und man erreicht einen homogenen Schichtaufbau (Abb. 11). Besondere Vorteile bietet das BrazeCoat-Verfahren aufgrund der Möglichkeit, konturgenaue und kantenscharfe Schichten endabmessungsnah fertigen zu können. Dies ermöglicht eine hohe Wirtschaftlichkeit des Verfahrens, da Hartbearbeitungsaufwand, der stets mit hohen Kosten verbunden ist, auf ein Minimum reduziert oder gänzlich eingespart werden kann. Auch an komplizierte Geometrien und gekrümmte Oberflächen kann die Schicht einfach angepasst werden. Eine Anwendung, die sich unter Fertigungsbedingungen gut bewährt hat, sind Mischerschaufeln (Abb. 12) chemischer Reaktionsgefäße, in denen keramische Massen bei 400 8C in korrodierender Atmosphäre verarbeitet werden. Diese sind mit einer 3 mm starken Cr3C2/L-Ni2 Verschleißschutzschicht versehen und wiesen nach 750 Betriebsstunden einen Schichtverlust von nur einigen zehntel Millimetern auf. Eine mit einer Auftragschweißschicht aus CoCrWC versehene Schau-
3 Das BrazeCoat-Verfahren
Abb. 12 Mischerschaufeln, beschichtet nach dem BrazeCoat-Verfahren
fel früherer Bauart war nach dieser Betriebsdauer bereits bis auf den Stumpf abgetragen. Die nach dem BrazeCoatverfahren beschichtete Schaufel ermöglichte 3000 Betriebsstunden unter gleichen Einsatzbedingungen. 3.2
Beschichten mit Lot- und Hartstoff-Suspension (BrazeCoat S)
Mit dem BrazeCoat S-Verfahren werden Beschichtungen in einer Dicke zwischen 0,05 und 0,3 mm erzeugt, indem eine Hartstoff-/Hartlegierungs-Suspension aufgetragen und anschließend in einem Ofenprozess aufgeschmolzen wird. Die Suspension ist mit einfachen Applikationstechniken wie z. B. Tauchen, Pinseln oder Spritzen auch auf schwierige Geometrien aufzutragen. In der anschließenden Wärmebehandlung bei 1040 8C gehen die Hartstoffe mit der aufgeschmolzenen Nickellegierung einen Verbund ein, und gleichzeitig wird der Grundwerkstoff benetzt. Es entsteht eine Hartstoff-/Hartlegierungsschicht, die stoffschlüssig mit dem Substrat verbunden ist. Die erzeugten Schichten sind dicht, glatt und nahezu porenfrei (< 1%). Auf eine mechanische Nachbearbeitung kann für die meisten Anwendungsfälle verzichtet werden. Aufgrund des hohen Hartstoffanteils, der oberhalb von 60 Vo.l-% liegt, werden hohe Härtewerte von ca. 65 HRC erreicht. Verschleißuntersuchungen, sowohl im Labortest als auch am Bauteil unter Betriebsbedingungen, zeigten im Vergleich zu nitrierten, borierten oder thermisch gespritzten Schichten einen deutlich höheren Verschleißwiderstand. Bei der Feinvermahlung von Stoffen, wie z. B. Graphit für Toner, werden Prallmühlen eingesetzt, deren Mahlbahn eine Riffelstruktur aufweist. Das Mahlgut prallt
273
274
Auftraggelötete Verschleißschutzschichten
Abb. 13 Riffelbleche einer Mahlbahn, beschichtet nach dem BrazeCoat-Verfahren
immer wieder gegen Rotor und Stator der Mühle und wird hierdurch zu feinen Partikeln zertrümmert. Die Mahlwerkzeuge selber sind dabei hohem Verschleiß ausgesetzt. Durch das BrazeCoat-S-Verfahren kann auch auf eine solche, für eine Beschichtung geometrisch ungünstige Struktur eine konturgenaue und haftfeste Beschichtung aufgetragen werden. Abb. 13 zeigt ein Segment einer solchen Mahlbahn, das mit einer 0,2 mm starken Schicht nach dem BrazeSkin-Verfahren geschützt wurde. Die Anwendung hat sich seit vielen Jahren bewährt, um den Verschleiß in der Massenfertigung (Mehl, Graphit) in wirtschaftlich vertretbaren Grenzen zu halten, oder um hochreine Werkstoffe zu vermahlen. Aufgrund des geringen Abriebes der Mahlbahn können so bei der Fertigung von Elektronikwerkstoffen hohe Reinheiten des Mahlgutes erhalten werden. Weitere Anwendungen, in denen sich das BrazeSkin-Verfahren bisher in der Praxis bewährt hat, betreffen das Beschichten von Gehäusen, Rotoren oder Rohrbögen, in denen abrasiv wirkende Feststoffpartikel pneumatisch oder in einem Flüssigkeitsstrom gefördert werden (z. B. Gebläse, Pumpen, Schleusen, Schleuderräder). Hier können durch die Möglichkeit, auch schlanke Rohre und Rohrbögen von innen zu beschichten, neue technische Lösungen erreicht werden.
4
Zusammenfassung
Es wurde deutlich, dass neben den etablierten Beschichtungsverfahren wie etwa dem Auftragschweißen, dem thermischen Spritzen oder den galvanischen und thermochemischen Verfahren das Beschichten durch Löten durchaus eine Alter-
5 Literatur
native bei der Auswahl eines geeigneten Beschichtungsverfahrens bietet. Wenngleich in der Beschichtungstechnik weniger bekannt, so werden doch durch das Auftraglöten Lösungen spezieller Beschichtungsaufgaben geboten, die kaum durch ein anderes Beschichtungsverfahren erzielt werden können.
5
Literatur 1 DIN 8505, Teil 1: Löten; Allgemeines; Be-
griffe, Beuth Verlag, Berlin, 1979 2 D. Reardon und S. L. Feldbauer: Stainless steel brazing in continuous belt furnaces Paper presented at the International Brazing and Soldering Conference IBSC 2003, AWS/ASM, San Diego, 2003 3 Mahler, W. und K.-F. Zimmermann: Löten von Hartmetallen, Technik die verbindet, Heft 30, Degussa AG, Hanau, 1985 4 Krappitz, H., K.H. Thiemann und W. Weise: Herstellung und Betriebsverhalten gelöteter Keramik-Metall-Verbunde für den
Ventiltrieb von Verbrennungskraftmaschinen, DVS-Berichte, Band 125, DVS-Verlag Düsseldorf, 1989 5 Kübler-Tesch, G.: Polykristalliner Diamant für Verschleißanwendungen, Diamant-Information Nr. 43/Verschleißtechnik, De Beers Industriediamanten GmbH, Düsseldorf 6 Lugscheider, E., H. Schmoor und H. Krappitz: Verschleißschutz durch Auftraglöten, DVS-Berichte, Band 166, DVSVerlag Düsseldorf, 1995
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277
Einsatz von Beschichtungsverfahren in der Löttechnik K. Möhwald, U. Holländer, A. Laarmann, Institut für Werkstoffkunde Universität Hannover, Hannover
1
Einleitung
Zur Herstellung komplexer Bauteile – insbesondere im Werkstoffverbund mit nicht artgleichen Werkstoffen – hat sich das Löten in den vergangenen Jahrzehnten zu einer leistungsfähigen und wirtschaftlichen Alternative zu anderen Fügetechniken, wie beispielsweise dem Schweißen, Kleben oder Nieten, entwickelt. Häufig ist hier das Löten die einzige Möglichkeit, stoffschlüssige und damit mechanisch und thermisch belastbare Verbindungen zwischen den Fügepartnern zu realisieren. Für die löttechnische Massenproduktion komplexer Bauteile werden üblicherweise Ofenlötprozesse eingesetzt, wobei – in Abhängigkeit der zu fügenden Werkstoffe und eingesetzten Lote – entweder im (reduzierenden) Schutzgas mit bzw. ohne Flussmitteleinsatz oder flussmittelfrei unter Hochvakuumbedingungen gelötet wird. Hinsichtlich der Lotapplikationsverfahren werden – wo immer möglich – automatisierte Verfahren eingesetzt. Mit Ausnahme der Walzplattierung von Aluminiumblechen mit AlSi-Loten ist eine beschichtungstechnische Vorbelotung der Halbzeuge, die anschließend zur Herstellung von zu lötenden Bauteilkomponenten (z. B. Wärmetauscher) eingesetzt werden können, bislang unüblich. Vielmehr erfolgt bei nahezu allen Anwendungen die Belotung direkt am Bauteil, wobei in der Regel Lotpasten durch Siebdruckverfahren appliziert oder Lotsuspensionen aufgesprüht werden. Die arbeits- und zeitintensive manuelle Belotung mit Lotpasten, Drähten oder Folien verliert aus Kostengründen immer mehr an Bedeutung und wird nur noch dort eingesetzt, wo – bedingt durch die Bauteil- und Fügegeometrie – kein automatisierbares Verfahren möglich ist. Die Nachteile der konventionellen automatisierbaren Lotapplikationsverfahren sind offensichtlich: 1. Mit Lotsuspensionen oder -pasten vorbelotete Bauteile müssen vor dem Zusammenbau und Chargieren in einem zeitintensiven Prozess getrocknet werden. 2. Die Bepastung bzw. Besprühung muss unmittelbar vor dem Lötprozess erfolgen. Eine längere Lagerung der vorbeloteten Komponenten insbesondere an feuchter Luft führt – aufgrund der Binderzusätze und des offenporigen Lotauftrags – zu einer korrosionsbedingten Qualitätsverschlechterung des aufgebrachten Lotmaterials.
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Einsatz von Beschichtungsverfahren in der Löttechnik
3. Trotz Verwendung von Binderzusätzen zu den Suspensionen/Pasten ist die mechanische Stabilität der Vorbelotung (Kohäsion bzw. Adhäsion des Lotauftrags) gering, so dass ein Transport oder gar eine spanende bzw. umformende Bearbeitung der vorbeloteten Komponenten nicht oder nur eingeschränkt möglich ist. Folglich eignen sich diese Verfahren nicht zur Vorbelotung von Halbzeugen. 4. Die eingesetzten Binder zersetzen sich im Lötprozess unter Bildung gasförmiger Produkte. Dies führt insbesondere bei flächigen Lötverbindungen oder innenliegenden Fügezonen häufig zu Fehlern in Form von Poren in den Fügezonen. Vor dem Hintergrund der genannten Nachteile konventioneller Lotapplikationstechniken bietet der Einsatz von Beschichtungsverfahren zur Vorbelotung eine Reihe von Vorteilen, die insbesondere durch die Tatsache, dass derartige Schichten aus reinen Lotwerkstoffen bestehen und verfahrensbedingt vergleichsweise hohe Haftfestigkeiten und geringe bzw. keine Porositäten aufweisen, bedingt sind. Weiterhin zeichnen sich moderne Beschichtungsverfahren durch eine hohe Automatisierbarkeit und Reproduzierbarkeit hinsichtlich Schichtdicke und -gleichmäßigkeit aus, so dass hierdurch genau dosierbare Lotmengen einstellbar werden. Allerdings ist nicht jedes Beschichtungsverfahren gleichermaßen geeignet, jedes gewünschte Lotsystem zu applizieren. Im Folgenden werden die Verfahren Thermisches Spritzen, Galvanik und PVD-Technik hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit und Grenzen für die Vorbelotung von Bauteilen und Halbzeugen diskutiert und deren Tauglichkeit anhand von praxisrelevanten Lotanwendungen illustriert.
2
Lotapplikation mittels thermischen Spritzens
Die thermischen Spritzverfahren sind – wie an anderen Stellen dieses Buches bereits mehrfach diskutiert – grundsätzlich geeignet, nahezu alle metallischen Legierungssysteme abzuscheiden. Bei der Auswahl des für ein konkretes Lotsystem geeignetes Spritzverfahren und der Festlegung der Prozessparameter gilt für eine Lotapplikation im besonderen Maße, eine partielle Oxidation des Lotwerkstoffes während des Spritzprozesses zu vermeiden, da oxidische Phasen in der Lotbeschichtung die Benetzungs- und Fließfähigkeit der Lote unter Umständen drastisch verschlechtern [1–3]. Oxidationsempfindliche Lotwerkstoffe sollten daher bevorzugt mit Hochgeschwindigkeitsverfahren (HVOF, DGS, CGS) bei denen die thermische Belastung und die Expositionszeit in der Atmosphäre gering sind, gespritzt werden. Optimal sind hierfür natürlich auch Verfahren, bei denen ein Kontakt der Spritzpartikel mit Luftsauerstoff ausgeschlossen ist (SPS, VPS, UPS etc.). Allerdings sind letztgenannte Verfahren aufwendig und somit teuer. Zu den Lotwerkstoffen, die bei geeigneter Prozessführung bereits durch die besonders wirtschaftlichen atmosphärischen Spritzverfahren verarbeitet werden können, zählt die große Gruppe der Nickelbasislote, die in ihrer Zusammensetzung den selbstfließenden Spritzlegierungen ähnlich sind. Diese Lotsysteme wer-
2 Lotapplikation mittels thermischen Spritzens Tab. 1 Getestete Nickelbasislote
Bezeichnung (ISO 3677)
Kurzzeichen
Ni
Cr
Si
B
Fe
P
B-Ni74CrFeSiB-980/1070 B-Ni82CrSiBFe-970/1000 B-Ni71CrSi-1080/1135 B-Ni89P-875 B-Ni76CrP-890
NI1A1 NI102 NI105 NI106 NI107
73,9 82,4 71,0 89,0 76,0
14,0 7,0 19,0 – 14,0
4,5 4,5 10,0 – –
3,1 3,1 – – –
4,5 3,0 – – –
– – – 11,0 10,0
den insbesondere in der Massenfertigung von Bauteilen aus Edelstahl und Superlegierungen eingesetzt (Wärmetauscher, Abgaskühler etc.) und besitzen unter den Hochtemperaturloten (Lotsysteme mit Löttemperaturen größer als 950 8C) – neben den Kupferloten – den weitaus größten Marktanteil. Exemplarisch für die Gruppe der Nickelbasislote wurden bereits die in Tab. 1 aufgelisteten Lotsysteme unter Verwendung der Verfahren APS, 3K-APS und HVOF getestet. Die experimentellen Untersuchungen umfassten eine Reihe von Parametern innerhalb der Verfahrensschritte Oberflächenvorbehandlung, Vorbelotung durch thermisches Spritzen und Lötprozess, die hinsichtlich folgender Aspekte zu bewerten waren: 1. Optimale Oberflächenvorbehandlung in Abhängigkeit des Substrat- und Lotwerkstoffes 2. Lotwerkstoffabhängige Wahl des geeigneten Spritzverfahrens und der optimalen Spritzparameter hinsichtlich einer löttechnischen Anwendung der Spritzschicht (Lotpulverfraktionierung, Schichtdicke, Porosität, Oxidgehalt etc.) 3. Lotwerkstoffabhängige Wahl der optimalen Lötprozesse und -parameter 4. Mechanisch-technologische Eigenschaften der sich bildenden Lötverbindungen 5. Anpassung der TS-Belotungsverfahren an geometrische Besonderheiten der Halbzeuge/Bauteile 6. Wirtschaftlichkeit der TS-Belotung, gemessen an konventionellen Lotapplikationsverfahren. Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Optimierung der Prozesse, die zunächst an einfachen Probengeometrien durchgeführt wurde, zeigt Abb. 1. Wesentliche Beurteilungskriterien der erzeugten Lotbeschichtungen sind die Zusammensetzung und das Gefüge der Schichten, die Anbindung zum Substrat sowie deren Porosität. Ähnlich wie bei den Anforderungen an herkömmlichen metallischen Spritzschichten sollten die Lotbeschichtungen möglichst oxidfrei sowie ohne Anbindungsfehler zum Substrat sein, während das Auftreten von Poren bei einer Lotbeschichtung eine untergeordnete Rolle spielt, da diese gewöhnlich beim Umschmelzen im Lötprozess weitestgehend verschwinden. Ebenso wurden die resultierenden Lötverbindungen aus den vorbeloteten Proben untersucht. Gute Lötverbindungen müssen durch fehlerfreie metallurgische
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Einsatz von Beschichtungsverfahren in der Löttechnik
Abb. 1 Experimentelle Vorgehensweise
Anbindung zum Substrat sowie einem oxid- und weitestgehend porenfreien Lotgefüge gekennzeichnet sein. Bei den hier getesteten Ni-Basisloten konnten nach Prozessoptimierung sowohl für die eingesetzten Plasmaspritzverfahren (1K-APS, 3K-APS) als auch bei Verwendung von HVOF zur Vorbelotung Lötergebnisse erzielt werden, die qualitativ vergleichbar mit konventionell vorbeloteten und gelöteten Bauteilen sind. Eine Umsetzung der Technologie von einfachen Probengeometrien auf praxisrelevante Bauteile, die in der Regel hinsichtlich der Fügegeometrien wesentlich komplexer sind, erfordert weitere bauteilspezifische Untersuchungen. Insbesondere sind hierbei folgende Fragestellungen, die auch konstruktive Aspekte berühren, für jede Anwendung zu klären: 1. Was ist hinsichtlich der einzustellenden Lötspaltbreite die optimale Fügegeometrie? 2. Wie dick muss die aufgebrachte Lotbeschichtung sein, um eine ausreichende Menge Lot für die vorliegende Fügeaufgabe sicherzustellen? 3. Ist es notwendig, alle Fügepartner zu beschichten, oder reicht es aus, ausgewählte Bereiche oder Komponenten zu beloten? 4. Kann das lotbeschichtete Bauteil ggf. noch mechanisch bearbeitet werden (Fräsen, Bohren, Umformen)? 5. Erfüllen die gelöteten Bauteile die benötigten Anforderungen, wie Dichtheit, Festigkeit oder Korrosionsbeständigkeit? Sowohl anhand von einfachen Demonstratoren, wie sie in Abb. 2 dargestellt sind, als auch an industriell gefertigten Bauteilen in Form unterschiedlicher Wärmetauscher aus Edelstahl wurden diese Fragestellungen bereits eingehend untersucht und bauteilspezifisch die optimalen Beschichtungs- und Lötstrategien gefunden, um den technischen Anforderungen für eine industrielle Umsetzung gerecht zu werden. Neben den hier eingehender dargestellten Anwendungen für Nickelbasislote ist die beschriebene Technologie auch für andere Lotsysteme attraktiv. So werden be-
2 Lotapplikation mittels thermischen Spritzens
Abb. 2 Mit Nickelbasisloten beschichtete und gelötete Demonstratorbauteile aus Edelstahl
Tab. 2 Wirtschaftlichkeit von Lotapplikationsverfahren
Kosteneinflüsse
Investition Prozess Arbeitsaufwand Material Output Prozesssicherheit
Belotungsverfahren Manuelle Bepastung
Melt-Spin Folien
Lotsuspensionen
Siebdrucktechniken
Thermisches Spritzen
keine keine hoch gering gering gering
keine keine hoch hoch gering gering
gering gering mittel gering mittel mittel
mittel gering gering gering mittel mittel
hoch mittel gering gering hoch hoch
reits thermisch gespritzte AlSi-Lotbeschichtungen für die Fertigung von Aluminiumbauteilen erfolgreich eingesetzt, welche nach dem Nocolok-Verfahren gelötet werden können. Gegenwärtig steht die Wirtschaftlichkeit der Lotapplikation mittels Thermischen Spritzens für eine Reihe von Anwendungen auf dem Prüfstand. Obwohl sich derartige Wirschaftlichkeitsbetrachtungen nicht pauschal durchführen lassen, sondern spezifisch auf die konkrete Anwendung abzustimmen sind, lassen sich die einzelnen Kostenfaktoren für die konventionellen Lotapplikationsverfahren und den Einsatz von thermischer Spritztechnik für die Vorbelotung gemäß der in Tab. 2 durchgeführten qualitativen Klassifizierungen einordnen. In diesem Sinne ist der Einsatz von thermischer Spritztechnik zur Lotapplikation immer dort wirtschaftlich, wo die Vorteile dieses Beschichtungsverfahrens in Form von geringem Personalaufwand, hoher Automatisierbarkeit und Prozesssicherheit sowie hohen Beschichtungsgeschwindigkeiten („Output“) besonders zum Tragen kommen, nämlich in der Massenfertigung von Bauteilen mit der Notwendigkeit einer großflächigen Vorbelotung, ohne diese zeit- oder ortsnah Löten zu müssen.
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Einsatz von Beschichtungsverfahren in der Löttechnik
3
Lotapplikation mittels galvanisch/chemischer Verfahren
Wie an anderer Stelle dieses Buches schon ausgeführt, werden galvanische und chemische Beschichtungsverfahren eingesetzt, um eine ganze Reihe von metallischen Funktionsschichten auf den unterschiedlichsten Substraten abzuscheiden [4]. Ein wesentliches Kennzeichen der galvanisch-chemischen Verfahren ist die Herstellbarkeit genau einstellbarer, dünner Schichten mit hoher Reproduzierbarkeit und Reinheit. Die Schichten zeichnen sich – bei geeigneter Substratvorbereitung – durch eine benetzungsähnliche Anbindung zu metallischen Substraten und damit einer entsprechend hohen Haftfestigkeit aus. Einen Überblick über die Verfahren und die abscheidbaren metallischen Schichtwerkstoffe gibt Abb. 3. Der Überblick verdeutlicht, dass ein Großteil der genannten Metalle typische Lotkomponenten sowohl für Weichlote als auch für Hart- und Hochtemperaturlote sind. So stellen die Edelmetalle Kupfer, Silber und Gold schon unlegiert etablierte Lote dar, von denen insbesondere das Kupfer als Hochtemperaturlot für Stähle aller Art von außerordentlich hoher wirtschaftlicher Relevanz ist. Unter den direkt als Legierung abscheidbaren Schichten ist das aus hypophosphithaltigen Elektrolyten applizierte „chemisch Nickel“, das prozessbedingt i. d. R. etwa 10 bis 11 Gewichtsprozent Phosphor enthält [5], in der Zusammensetzung identisch mit dem Nickelbasislot B-Ni89P-875 (NI107) und kann daher ebenfalls direkt als Lotbeschichtung eingesetzt werden. Die Darstellung weiterer Lotlegierungen mit konventioneller Zusammensetzung mittels galvanisch-chemischer Verfahren kann über die Erzeugung von Mehr-
Abb. 3 Überblick galvanisch-chemische Verfahren
3 Lotapplikation mittels galvanisch/chemischer Verfahren
Abb. 4 Chemisch-galvanisch hergestellte Lotbeschichtung aus B-Ni76CrP-890
Abb. 5 Lotbeschichtetes und gekantetes Edelstahlblech
schichtsystemen aus den maßgeblichen Metallkomponenten realisiert werden, welche „in situ“ im Lötprozess durch Kontaktreaktionen zwischen den einzelnen Schichten die eigentliche Lotlegierung bilden. Als Beispiel sei hierfür die Lotlegierung B-Ni76CrP-890 genannt. Um eine zusammensetzungsadequate Lotbeschichtung zu generieren, wurde ein Dreischichtsystem aus zwei NiP11-Schichten mit einer galvanischen Chrom-Zwischenschicht generiert, siehe Abb. 4, wobei die Dicken der Einzelschichten so gewählt wurden, dass im Lötprozess die genannte Lotlegierung (76% Ni, 14%Cr, 10%P) entstand. Derartig beschichtete Edelstahlwerkstoffe lassen sich aufgrund der bereits vorhandenen Anbindung zwischen Lotwerkstoff und Substrat hervorragend löten und können bereits als Halbzeuge eingesetzt werden, da die Beschichtung nahezu jede Umformung und mechanische Bearbeitung schadensfrei übersteht, Abb. 5. Die Perspektiven über den Einsatz galvanisch-chemischer Verfahren gehen über die Beschichtung von Halbzeugen und Bauteilkomponenten hinaus. Ebenso können diese Verfahren genutzt werden, um beispielsweise großflächige Lotfolien oder Lotdrähte herzustellen, was insbesondere bei den Ni-Basislegierungen, die bedingt durch ihre mangelnde Duktilität weder zu Lotfolien gewalzt noch zu Lotdrähten gezogen werden können, von großem Interesse ist. Aktuelle Forschungsvorhaben beschäftigen sich zur Zeit mit dieser Thematik.
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Einsatz von Beschichtungsverfahren in der Löttechnik
4
Lotapplikation mittels PVD-Verfahren
Die zu den modernen Dünnschichtverfahren zugehörige PVD-Technik bietet aufgrund der mittlerweile verfügbaren Verfahrensvarianten (siehe entsprechende Textbeiträge in diesem Buch) ein breites Spektrum an applizierbaren Metallbeschichtungen, die zum Löten eingesetzt werden können. Hierbei sind sowohl Lotlegierungen abscheidbar als auch Metallisierungen als Benetzungsoberflächen sowie reaktive Zwischenschichten herstellbar, die für auf konventionellem Weg nur schwer lötbare Werkstoffe eingesetzt werden können (siehe unten). Metallische PVD-Schichten zeichnen sich durch eine extrem hohe Reinheit aus und garantieren somit qualitativ hochwertige Lotbeschichtungen und Metallisierungen mit guter Haftung zum Grundwerkstoff. Bezüglich der abscheidbaren Metalle und Legierungen bestehen nur wenige Einschränkungen. Sehr niedrig schmelzende Metalle (Zinn, Indium) sind nur bei sorgfältig gewählten Prozessparametern verdampfbar, da eine zu hohe Zerstäubungsleistung trotz Kühlung zum Schmelzen des Targets führen kann. Ebenso sind Metalle mit hohem Dampfdruck (Zn, Mg) in einem PVD-Prozess nur schwierig zu verarbeiten und scheiden als applizierbare Lotwerkstoffe aus. Weiterhin ist zu beachten, dass ferromagnetische Metalle und Legierungen, zu denen das Nickel gehört, nicht mit dem Magnetron-Sputter-Verfahren verdampft werden können und daher auf andere PVD-Verfahren (Arc-PVD, EB-PVD etc.) zurückgegriffen werden muss. Mit Hilfe der PVD-Technik können besondere fügetechnische Aufgabenstellungen gelöst werden. Als Beispiel sei im Folgenden die Realisierung hochfester Verbindungen aus nicht artgleichen Fügepartnern diskutiert [6]: Arc-PVD-Schichtsysteme – bestehend aus einer reaktiven Haftschicht der Elemente Ti, Zr, Hf oder Cr und einer Deckschicht aus Ni – eignen sich als Metallisierung zum Weich- sowie Hart- und Hochtemperaturlöten vor allem für diejenigen metallischen und keramischen Werkstoffe, bei denen eine Benetzung mit konventionellen Loten nicht, oder nur mit großem Aufwand, möglich ist. Dazu lassen sich durch die Kombination und den Aufbau der Überzüge die Schichtsysteme so auf die Grundwerkstoffe abstimmen, dass beim Löten ein Diffusionsbarriere-Effekt erzielt wird, durch den eine gegenseitige Eindiffusion von Fremdelementen verhindert werden kann. Beim Abkühlen aus dem Lötprozess erstarrt das Lötgut dann vergleichsweise sprödphasenarm. Durch dieses Verfahren lassen sich somit vor allem nicht artgleiche metallische und metall-keramische Lötverbindungen mit hohen Festigkeiten realisieren, die konventionell bisher nicht herstellbar waren oder nur geringe, i.d.R. technisch nicht relevante Festigkeiten aufwiesen. Für das Löten nicht artgleicher Fügepartner, wie z. B. Titan/Stahl-Verbindungen, lassen sich somit geeignete Lotsysteme gezielt entwickeln, die vergleichsweise mit konventioneller Löttechnik nicht zur Verfügung stehen. Für TiAl6V4/ X5CrNi18 10-Lötverbindungen wurde dabei mit ionenplattierten (Arc-PVD) CrNiCuMehrschichtloten die Streckgrenze des X5CrNi18 10 als Zugfestigkeit erzielt. Als isotherm erstarrendes Mehrschichtlot weist es zudem eine höhere Wiederaufschmelz-
4 Lotapplikation mittels PVD-Verfahren
Abb. 6 Ionenplattierte Mehrschicht-Lotsysteme
Abb. 7 Temperaturmessungen im Glimmentladungsplasma bei unterschiedlichen Generatorleistungen und BIAS-Spannungen in einer Magnetronsputteranlage (Kathodenmaterial Cu, Thermoelementspitze mittig im Abstand von 65 mm vor der Kathode); durchgezogene Messdaten: Hochfrequenz-Plasma; gestrichelte Messdaten: Gleichspannungsplasma mit zugeschalteter Kathode
temperatur als Löttemperatur auf und erzeugt daher ein Lötgut mit vergleichsweise hoher Warmfestigkeit, Abb. 6. Zukünftige Anwendungen von PVD-Verfahren in der Fügetechnik werden in der Verwendung von Hybridprozessen liegen, die die Prozessschritte Beloten und Löten in einem PVD-Rezipienten ermöglichen. Aktuelle Forschungsarbeiten zu diesem Thema belegen, dass filigrane Bauteile in einem PVD-Prozess nicht nur belotet werden können, sondern dass die in PVD-Prozessen genutzten Glimmentladungsplasmen zur Bauteilreinigung („Ionenätzen“) und beim Ionenplattieren auch als Wärmequelle für anschließende Lötprozesse genutzt werden können, Abb. 7. Auf diese Weise wurden bereits erfolgreich Mikrolötverbindungen hergestellt.
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Einsatz von Beschichtungsverfahren in der Löttechnik
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Zusammenfassung und Ausblick
Vor dem Hintergrund des stetig steigenden Kostendruckes für die metallverarbeitende Industrie stehen auch die Lötverfahren auf dem Prüfstand. Neue Technologien müssen entwickelt werden, die eine weitere Minimierung der Werkstoff- und Verfahrenskosten bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung ermöglichen. Anhand der Verfahren Thermisches Spritzen, Galvanik und PVD-Technik konnte gezeigt werden, das der Einsatz von modernen Beschichtungsverfahren für die Applikation von Loten hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten kann, wenn die bislang für das verschleiß- und korrosionsschützende Beschichten eingesetzten Technologien auf die speziellen Anforderungen an Lotbeschichtungen angepasst werden. Große wirtschaftliche und technologische Perspektiven werden in der Entwicklung hartlotbeschichteter Edelstahlbleche gesehen, für die – ähnlich der mit Hartloten walzplattierten Aluminiumbleche – eine enorme Nachfrage beispielsweise in der Fertigung von Wärmetauschern bestände. Aber auch eine flexibel an die Bauteilgeometrien anpassbare automatisierbare Vorbelotung – beispielsweise mittels an Robotern adaptierten thermische Spritzgeräten – besitzt für eine Reihe von Anwendungen ein großes Marktpotential.
6
Literatur 1 Bach, Fr.-W.; Möhwald, K., Bach, C.;
Holländer, U.: Thermally sprayed filler metal coatings for high temperature brazing, in: Conference Proceedings, ITSC 2004 – International Thermal Spray Conference & Exposition, Osaka, Japan May 10–12, 2004: Thermal Spray Solutions – Advances in Technology and Application, DVS-Verlag, Düsseldorf, 2004 2 Bach, Fr.-W.; Möhwald, K., Demmler, A.; Bach, C.: Neue Lotapplikationstechniken mittels Thermischer Spritzverfahren, in: Hart- und Hochtemperaturlöten und Diffusionsschweißen, Tagungsband zur Löt 2004 vom 15. bis 17. 06. 2004 in Aachen, DVS-Berichte Band 231, DVS-Verlag, Düsseldorf, 2004 3 Füssel, U.; Eckhart, G., Knepper, P. und Scheffler, O.: Eignung thermisch gespritzter Schichten aus Nickel-Basislegie-
rungen zum Hartlöten von Chrom-NickelStählen in Abhängigkeit vom Spritzverfahren und den gewählten Spritzparametern, DVS-Berichte Bd. 166, Deutscher Verlag für Schweißtechnik, Düsseldorf, 1995, S. 40–45 4 Lawrence J. Durney: Elektrochemical and Chemical Deposition Ullmann’s encyclopedia of industrial chemistry Vol. A9, p. 125–181 5 Burkhardt, W: Über galvanisch und chemisch-reduktiv abgeschiedene Schichten für funktionelle Anwendungen. Teil 6: Chemisch-reduktive Abscheidungsverfahren für Ni-P und Ni-B-Schichten, Galvanotechnik, Bd. 85 (1994) Heft 1, S. 82–88 6 Möhwald, K.: Einsatz des Ionenplattierens beim Löten, Dissertation, Universität Dortmund, 1996
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Oberflächenschutz durch Auftragschweißen A. Gebert, CeWOTec gGmbH, Chemnitz, B. Bouaifi, Valco GmbH, Düsseldorf
1
Einleitung
Unter Auftragschweißen versteht man die Aufbringung einer Beschichtung über den teilweisen oder vollständig schmelzflüssigen Zustand. Werden sowohl Substrat als auch Zusatzwerkstoff aufgeschmolzen, wird ein metallurgischer Verbund zwischen Schicht und Trägerbauteil erreicht. Beim Auftraglöten als Sonderform wird nur ein Partner teilweise oder vollständig aufgeschmolzen, so dass Diffusionsprozesse eine wichtige Rolle bei der Haftung spielen. Die Übergänge sind allerdings fließend, so dass beide Verfahrensvarianten im allgemeinen Sprachgebrauch als Auftragschweißen bezeichnet werden. Gegenüber anderen Beschichtungen grenzen sich auftraggeschweißte Schichten durch die größere Schichtdicke und/oder die höhere Haftfestigkeit ab. Prinzipiell sind alle Schweißverfahren zum Auftragschweißen geeignet (Tab. 1). Im Laufe der historischen Entwicklung der Schweißtechnik wurden deshalb auch alle Schweißverfahren zum Auftragschweißen genutzt. Auf Grund der verfahrensbedingten Besonderheiten haben sich aber heutzutage eine Reihe von Schweißverfahren oder -verfahrensvarianten herauskristallisiert, die bevorzugt angewendet werden. Maßstäbe sind die erreichbare Qualität der Beschichtungen, die erzielbaren Eigenschaftssprünge zum Trägerwerkstoff und die Auftragsleistung. Schutzschichten können großflächig oder nur partiell auftraggeschweißt werden. Wie bei anderen Beschichtungsverfahren kann der Beschichtungswerkstoff optimal auf den Oberflächenangriff durch Korrosion, Verschleiß oder kombinierte Belastung durch Korrosion und Verschleiß abgestimmt werden. Den Festigkeitsanforderungen, die an das Bauteil gestellt werden, wird durch die Werkstoffwahl des Grundkörpers und eine eventuelle Wärmebehandlung des Bauteils vor dem Auftragschweißen entsprochen. Auf diese Weise lassen sich Beschichtungswerkstoffe einsetzen, die für Massivbauteile aus Festigkeits- oder Sprödigkeitsgründen nicht anwendbar sind.
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Oberflächenschutz durch Auftragschweißen Tab. 1 Einteilung der Schweißverfahren
2
Verfahrensvarianten
Nach DIN 1910 wird anwendungsorientiert das Auftragschweißen in folgende Verfahren eingeteilt: Panzern: Erhöhung der Verschleißbeständigkeit Plattieren: Erhöhung der Korrosionsbeständigkeit Puffern: Erzielung beanspruchungsgerechter Bindeverhältnisse bei nicht artgleichen Werkstoffen Zum Panzern werden hartphasenhaltige Legierungen oder Pseudolegierungen (Mischungen aus einem Matrixwerkstoff und Hartphasen) verwendet. Eine in-situ-Bildung der Hartphasen während des Auftragschweißprozesses aus geeigneten Vorlegierungen ist ebenfalls möglich. Der Beschichtungswerkstoff wird hinsichtlich seiner Legierungszusammensetzung und der Gefügemorphologie (Matrixhärte, Anordnung, Größe und Menge der Hartphasen) auf die im Einsatz entstehende Verschleißpaarung abgestimmt. Beim Plattieren werden hochkorrosionsbeständige Metalle oder Legierungen verwendet. Man unterscheidet zwischen atmosphärischer Korrosion bei Raumtemperatur oder Korrosion durch den Angriff von chemisch aktiven Agenzien, wobei auch erhöhte Arbeitstemperaturen in Betracht zu ziehen sind.
3 Charakterisierung auftraggeschweißter Beschichtungen
Die industrielle Praxis erfordert oftmals eine Kombination beider Verfahren. Allerdings werden höchste Korrosionsbeständigkeiten nur bei einphasigen Werkstoffen erreicht, so dass hartphasenhaltige Legierungen oder Pseudolegierungen nur eingeschränkt korrosionsbeständig sein können. Das Puffern ist eine Sonderform, die zu mehrlagigen Schichten mit Eigenschaftsgradienten führt. Die Notwendigkeit ergibt sich, wenn der Substratwerkstoff und der Beschichtungswerkstoff untereinander spröde Phasen bilden, die zu Haftfestigkeitsproblemen bis zum Abplatzen der Beschichtung führen können. Eine zweite Notwendigkeit ergibt sich aus den beim Auftragschweißen durch partielle Erwärmung und nachfolgende Schrumpfung entstehenden hohen Eigenspannungen in der Schicht, die bei artfremden Zusatzwerkstoffen durch unterschiedliche thermische Ausdehnungskoeffizienten noch verstärkt werden. Vielfach können die dabei entstehenden Heiß- oder Schrumpfungsrisse toleriert werden. Ist das nicht der Fall, müssen plastisch verformbare Zwischenschichten die Eigenspannungen abbauen und eine Rissbildung vermeiden. Pufferschichten sollten nur dort eingesetzt werden, wo es unvermeidlich ist. Vorrang ist legierungs- bzw. verfahrensseitigen Maßnahmen zur Erzielung einer ausreichenden Schichthaftung zu geben, da es bei hohen Kraftwirkungen, insbesondere im Verschleißschutzbereich, zum „Schwimmen“ der Funktionsbeschichtung auf der Pufferlage und damit zu Geometrieveränderungen kommen kann, wodurch die Funktionalität des Bauteils beeinträchtigt wird. 3
Charakterisierung auftraggeschweißter Beschichtungen
Durch den teilweisen oder vollständigen schmelzmetallurgischen Verbund erreichen auftraggeschweißte Beschichtungen generell eine höhere Haftfestigkeit als mit anderen Verfahren aufgebrachte Beschichtungen. Sofern nicht spröde Phasen bei ungeeigneten Schicht-Substratwerkstoffkombinationen die Haftung beeinträchtigen, wird die Bindezone zwischen Schicht und Substrat niemals die Schwachstelle im Verbundbauteil darstellen. Damit sind die Schichten insbesondere für Einsatzfälle mit schweren Verschleißbeanspruchungen geeignet. Außerdem sind sie dadurch kantenbelastbar. Der Schichtaufbau bei Korrosionsschutzschichten ist einphasig oder nur durch wenige Phasen gekennzeichnet, da Phasengrenzen Angriffspunkte für Korrosion sein können. Verschleißschutzbeschichtungen besitzen einen mehrphasigen Aufbau aus einem Matrixwerkstoff und unterschiedlichen Hartphasen. Die Gefügeausbildung und insbesondere die Ausbildung der Hartphasen erfolgt nach schmelzmetallurgischen Gesetzmäßigkeiten. Nur wenn höherschmelzende Phasen, bei Verschleißschutzwerkstoffen in der Regel die Karbide, beim Auftragschweißen nicht aufgeschmolzen werden, ist die Möglichkeit gegeben, durch die Konstitution des eingesetzten Zusatzwerkstoffes die Schichtmorphologie (Karbidkorngröße) zu beeinflussen. Die Größe und Form der Hartphasen muss auf das angreifende Beanspruchungskollektiv abgestimmt werden. Harte eutektische Netzwerke bieten den Vorteil, das Auswaschen des Matrixwerkstoffes durch den angreifenden Abrasivstoff
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Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
zu verhindern, führen aber gleichzeitig zur Versprödung des Schichtwerkstoffes. Die Kenntnis von Zwei- und Mehrstoffsystemen sowie die Temperaturabhängigkeit der Phasenausbildung sind deshalb wesentliche Voraussetzungen zur Entwicklung und Anwendung von Beschichtungswerkstoffen. Auftraggeschweißte Schichten sind je nach verwendetem Auftragschweißverfahren zwischen 1 und 6 mm dick. Bei mehrlagigem Arbeiten können auch größere Schichtdicken erreicht werden. Eine Sonderform ist das formgebende Auftragschweißen. Durch mehrlagiges Auftragschweißen können auf einer Grundplatte spezielle 3D-Geometrien auftraggeschweißt werden, so dass komplizierte Spanungsvorgänge verringert werden können. Begrenzt wird die Schichtdicke durch die Eigenspannungen, die natürlich mit steigender Schichtdicke, aber insbesondere mit steigender Lagenzahl bei mehrlagigem Arbeiten auf Grund der mehrfachen Erwärmungs- und Abkühlungsvorgänge größer werden und im Extremfall zum Abreißen der Schicht führen können (Abb. 1). Die Schichten sind auf Grund der genannten Schichtdicken selbsttragend. Für den Trägerwerkstoff können deshalb Werkstoffe eingesetzt werden, die lediglich eine genügende Grundfestigkeit besitzen. Vielfach sind Baustähle dafür ausreichend. Bei extremen Kraftwirkungen sind natürlich auch höherfeste Vergütungsaber auch Werkzeugstähle einsetzbar. Selbst thermisch empfindliche oder niedrig schmelzende Werkstoffe wie Magnesium können mittels Auftragschweißverfahren beschichtet werden. Korrosionsschutzbeschichtungen können auf Grund der vorhandenen Duktilität und der festen Haftung gemeinsam mit dem Bauteil verformt werden. Bei Verschleißschutzschichten ist das, von Ausnahmen abgesehen, wegen der mit dem Hartstoffgehalt steigenden Sprödigkeit nicht möglich. Der schmelzmetallurgische Verbund führt immer zu einer Aufmischung mit dem Substratwerkstoff. Der als Kenngröße verwendete Aufmischungsgrad ist das Verhältnis zwischen aufgeschmolzenem Grund- und umgeschmolzenem Gesamtvolumen. A%
Vgrund 100 Vgesamt
1
Die praktische Bestimmung des Aufmischungsgrades erfolgt über planimetrische Verfahren am Querschliff oder spektrometrische Analysen von Grundwerkstoff und Zusatzmaterial. Zur Verbesserung der Genauigkeit der spektrometri-
Abb. 1 Spannungsriss beim Auftragschweißen der 4. Lage beim formgebenden Auftragschweißen
3 Charakterisierung auftraggeschweißter Beschichtungen
schen Berechnung verwendet man das Legierungselement, das die höchste Differenz zwischen beiden Werkstoffen aufweist: qS mS 1 qgrund mSA 100
2 A% qS mS 1 1 q mSA grund
qS qgrund mS mSA
– – – –
Dichte des Zusatzwerkstoffes Dichte des Grundwerkstoffes Masseanteil des Legierungselementes im Zusatzwerkstoff Masseanteil des Legierungselementes in der aufgemischten Schicht
Wenn die Dichteunterschiede zwischen Grund- und Zusatzwerkstoff vernachlässigbar sind, kann die Aufmischung näherungsweise durch eine vereinfachte Formel bestimmt werden: mSA A% 1 100
3 mS Durch die Aufmischung wird der Schichtwerkstoff „verdünnt“ und in seinen Eigenschaften verändert. Die Höhe der Aufmischung ist ein Charakteristikum des angewendeten Auftragschweißverfahrens und der gewählten Auftragschweißparameter. Die geringste Aufmischung wird mit Verfahren, die eine hohe Energiedichte im Wirkstrahl haben, erreicht. Neben den Strahlverfahren ist es vor allem das Plasma-Pulver-Auftragschweißverfahren, das demzufolge besonders für das Auftragschweißen geeignet ist. Bei Verfahren mit höheren Aufmischungen muss die zu erwartende Aufmischung des Beschichtungswerkstoffes bereits bei der Zusammensetzung des Zusatzwerkstoffes durch Überlegieren berücksichtigt werden. Entsprechend der geometrischen und qualitativen Anforderungen der Beschichtung kann aus der Vielzahl der Schweißverfahren das geeignete ausgewählt werden. Einfache Handschweißverfahren erfordern eine hohe Fachkenntnis des Schweißers um qualitativ ausreichende Schichtqualitäten zu erzielen. Für Reparaturzwecke wird das aber vielfach angewendet. Mechanisierte oder automatisierte Schweißverfahren sichern eine hohe Qualität und Reproduzierbarkeit der Beschichtung.
Abb. 2 Querschliff durch ein mittels Plasma-Pulver-Verfahren auftraggeschweißtes Maschinenmesser
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Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Für geometrisch geringe Anforderungen an das Bauteil kann die Schmelzgeometrie der Auftragschweißungen ohne Nachbearbeitung angewendet werden. Für definierte Geometrien, wie sie z. B. auftraggeschweißte Maschinenmesser (Abb. 2) besitzen, ist eine mechanische Nachbearbeitung der Beschichtung notwendig. Neben Schleifverfahren haben sich bei hochverschleißbeständigen Beschichtungen Erodierverfahren oder zum Abtrennen die Strahlverfahren (Wasserstrahl, Laserstrahl) bewährt. 4
Auftragschweißverfahren 4.1
Unterscheidungsmerkmale
Auf Grund der Brennerabmessungen und der Arbeitsweise ergeben sich für die einzelnen Schweißverfahren bevorzugte Anwendungsgebiete, obwohl die Abhängigkeit von der Bauteilgeometrie bei den Auftragschweißverfahren geringer als bei anderen Beschichtungsverfahren ist. Die Auftragschweißverfahren lassen sich nach den Wirkmedien, der Arbeitsweise, der Abdeckung der Schmelze gegen Sauerstoffzutritt, der Abschmelzleistung und den spezifischen Anwendungsgebieten unterscheiden (Tab. 2). Die Verfahren werden nachfolgend mit ihren Spezifika beschrieben. Die Auswahl des Auftragschweißverfahrens muss in Abhängigkeit von den Eigenschaftsforderungen, die an das Bauteil und die Beschichtung gestellt werden, erfolgen. Auswahlkriterien sind: · · · · ·
Schichtqualität Schichtdicke Aufmischungsgrad Schichtformierung Reproduzierbarkeit und Homogenität der Eigenschaften über dem Schichtquerschnitt · Verfügbarkeit der Anlagentechnik · Wirtschaftlichkeit (Verfahrenskosten, Auftragsleistung). Insbesondere die Auftragschweißkosten haben dazu geführt, dass auch einfache Schweißverfahren trotz schlechter Reproduzierbarkeit der Schichtgeometrie und der Schichteigenschaften angewendet werden. Man kann die Schweißverfahren zusätzlich nach dem Schutz der heißen Auftragschweißzone in offene Verfahren (Gasflamme), Verfahren mit Abdeckung der Schmelze (E-Hand, RES, UP) und Schutzgasverfahren (MIG, WIG, Plasma) unterteilen. Dieses Kriterium ist vor allem bei Zusatzwerkstoffen zu beachten, die bei Sauerstoffzutritt zur heißen Schmelze zu Zersetzungserscheinungen der Hartstoffe neigen. Für hochqualitative Beschichtungen sollte die Schmelze im heißen Zustand zur Porenvermeidung generell abgedeckt oder durch Schutzgasbeaufschlagung gegen Sauerstoffzutritt geschützt werden.
4–8 mm
hoch, 15–25%
erhöht kleine bis große Flächen, Neufertigung, Reparatur
Draht/Fülldraht manuell, mechanisiert, automatisiert 8–9 kg/h
MIG/MAG
1) nach Wahl (Fachtagung Auftragschweißen, 4.–5. 6. 1996, Halle/Saale)
Schichtdicke (einlagig)
1,6–5 mm 1
gering kleine bis mittlere Flächen, Kanten, Reparatur, Neufertigung 10–30%
gering kleine Flächen, Kanten, Reparatur
schwer beherrschbar, 15–30% 2–4 mm 1
2 kg/h 1
1 kg/h 1
Abschmelzleistung, real Anlagenkosten Anwendung
Aufmischungsgrad
Stab/Draht manuell, mechanisiert
Elektrode/Stab manuell
Zusatzwerkstoff Arbeitsweise
WIG
E-Hand, Gas
Schweißverfahren
Tab. 2 Charakterisierung der Auftragschweißverfahren
5–8 mm
hoch, 13–40%
erhöht große Teile, Neufertigung
10–40 kg/h
Band/Draht mechanisiert, automatisiert
UP
1–6 mm
gering, 5–20%
erhöht kleine bis große Flächen, Neufertigung, Reparatur
Pulver (Draht) (manuell), mechanisiert, automatisiert 2–30 kg/h
Plasma
0,1–2 mm
gering
hoch kleinste bis kleine Flächen, Neufertigung, Reparatur
1–2 kg/h
Pulver (manuell) automatisiert
Strahl
4–5 mm
hoch 10–15%
erhöht große Teile, Neufertigung
18 kg/h
Band/Draht mechanisiert, automatisiert
RES
4 Auftragschweißverfahren 293
294
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Beim Beschichtungswerkstoff ist zu beachten, dass vor allem hochverschleißbeständige Zusatzwerkstoffe oftmals nur in Pulverform vorliegen. Verfahren, die den Zusatzwerkstoff in Draht- oder Bandform benötigen, können für diese Werkstoffe nur bedingt über das Hilfsmittel Fülldrähte oder Sinterbänder angewendet werden. Der Hartstoffgehalt ist dabei auf Grund des technisch bedingten maximalen Füllungsgrades begrenzt. 4.2
Werkstattverfahren (E-Hand, Gasflamme)
Die einfachen Handverfahren mittels Auftragschweißelektrode oder stabförmigen Zusatzwerkstoff zum Schweißbrenner haben vor allem im Reparatursektor ihre Bedeutung behalten, da sie auf Baustellen ohne komplizierte Anlagentechnik und ohne Spezialkenntnisse angewendet werden können. Die Beschichtungsqualität wird von den Erfahrungen und dem handwerklichen Geschick des Schweißers bestimmt. Der Aufmischungsgrad ist kaum reproduzierbar zu beherrschen. Die Auftragsleistung ist gering. Verarbeitbar sind nur Werkstoffe, die in Stabform vorliegen, wobei durch komplizierte Herstellungsverfahren auch karbidhaltige Werkstoffe realisierbar sind. Bei den E-Handverfahren kann durch Schlackebildner in der abschmelzenden Elektrode ein Schutz der heißen Schmelze gegen Sauerstoffzutritt und damit gegen Entkohlungs- oder Oxidationserscheinungen erreicht werden. Eine Sonderform ist das Flammspritzen mit nachfolgendem Einschmelzen. Dazu wird ein Schweißbrenner mit interner Pulverzuführung verwendet (Abb. 3). Durch die kinetische Energie des Gasstrahls wird der pulverförmige Zusatzwerkstoff mitgerissen und gleichzeitig durch die Flamme erwärmt. Das erfolgt ähnlich
Abb. 3 Brenner für das Flammspritzen und Einschmelzen (Werkfoto Fa. Castolin GmbH)
4 Auftragschweißverfahren
wie bei den verschiedenen Metallspritzverfahren. Auf der Werkstoffoberfläche wird der Zusatzwerkstoff durch die Gasflamme so weit erwärmt, bis ein Schmelzverbund entsteht. Als Werkstoffe werden selbstfließende Legierungen verwendet, deren Schmelzpunkte deutlich unter dem des Substratwerkstoffes liegen. Es kann einstufig oder mit Vordeponieren des Werkstoffes und nachfolgendem Einschmelzen mittels Hochleistungsbrenner gearbeitet werden. Die erzielbaren Schichtdicken liegen unterhalb von 1 mm. Die erforderlichen Handfertigkeiten des Schweißers sind hoch, um akzeptable Schichtqualitäten zu erreichen. 4.3
Verfahren mit Schlackeabdeckung Elektroschlacke Auftragschweißen (RES) Das Verfahrenschema zeigt Abb. 4. Es wird grundsätzlich mechanisiert durchgeführt, da das Schweißbad einer direkten Beobachtung nicht zugänglich ist. Die Erwärmung erfolgt durch Widerstandserwärmung über die flüssige Schlacke, in die das kontinuierlich zugeführte Band eintaucht und dabei abgeschmolzen wird. Die Schweißströme können bis 3000 A betragen. Die Anlagentechnik ist robust und unkompliziert. Als Schlackewerkstoff hat sich eine Mischung aus Calciumfluorid (50–90%) und Aluminiumoxid (10–40%) bewährt. Verfahrensbedingt wird eine hohe Abschmelzleistung mit gleichzeitig hohem Wärmeeintrag in das Bauteil erreicht, so dass nur großvolumige Bauteile beschichtet werden können. Bedeutung haben bandförmige Zusatzwerkstoffe mit Breiten bis 180 mm erlangt. Das Verfahren wird vor allem für Plattierungen eingesetzt, wobei Ni bzw. Ni-Legierungen als Zusatzwerkstoffe dominieren. Wegen der starken Aufmischung muss oftmals in Mehrlagentechnik gearbeitet werden. Über neuentwickelte Sinterbänder mit Hartstoffanteil versucht man, das Verfahren auch für Verschleißschutzbeschichtungen anzuwenden. 4.3.1
Abb. 4 Schematischer Aufbau beim RES-Verfahren
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296
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Unterpulver-Auftragschweißen Das Verfahren arbeitet, ähnlich wie das RES-Verfahren, ebenfalls mit einer Schlackeabdeckung der Auftragschweißung. Die Werkstofferwärmung erfolgt über einen Lichtbogen, der zwischen der kontinuierlich zugeführten abschmelzenden Elektrode und dem Werkstück gezündet wird. Der Lichtbogen brennt in einer aus teilweise geschmolzener Schlacke gebildeten Kaverne, die durch entstehende Gase aufrecht erhalten wird. Der flüssige Schlackeanteil deckt die Schmelze ab und muss nach dem Erkalten entfernt werden. Im Idealfall platzt die Schlacke von selbst ab. Der nicht geschmolzene Schlackeanteil kann weiter verwendet werden. Die Schweißpulvervarianten unterscheiden sich hinsichtlich der Zusammensetzung, der Körnung und der Herstellungsart. Die aktiven Schlackeanteile üben einen Einfluss auf den Schweißprozess und die Schichteigenschaften aus. Als Elektrodenmaterial kommen Drähte, Bänder und Breitbänder (> 200 mm) in Betracht. Bei Breitbändern wird das gleichmäßige Abschmelzen durch eine magnetische Lichtbogenbewegung entlang der Bandkante unterstützt. Je nach Verfahrensvariante können auch mehrere Elektroden verwendet werden (Tab. 3). Angewendet wird das Verfahren vorzugsweise zum Plattieren mit Ni-Werkstoffen, wobei auf Grund der hohen Aufmischung meist erst nach der dritten Lage eine hohe Korrosionsbeständigkeit erreicht wird. Kleinere Aufmischungen (< 10%) führen verfahrensbedingt schnell zu Poren. Verschleißschutzbeschichtungen sind mit Sinterbändern oder Fülldrähten möglich, wobei die relativ hohen Aufmischungen störend wirken. Das mehrlagige Arbeiten mit größeren Schichtdicken macht das Verfahren, vor allem wenn teure Zusatzwerkstoffe verarbeitet werden, kostenintensiv. Verfahrenstypisch ist auch ein hoher Abbrand von Legierungselementen bzw. ein Zubrand aus der Schlacke. Das Erreichen einer hohen Korrosionsbeständigkeit wird vor allem durch einen Si-Zubrand aus der Schlacke erschwert. Auf Grund der hohen Wärmeeinbringung durch den Zusatzwerkstoff und die Schlacke ist das Verfahren ebenfalls nur für großvolumige Bauteile geeignet. 4.3.2
4.4
Schutzgasschweißverfahren
Während sich bei den Verfahren mit Schlackeabdeckung eine Schutzgasabdeckung aus der Schlacke heraus bildet, wird bei den Schutzgasverfahren das Gas, in der Regel Argon, über den Brenner zugeführt. Zur Formierung der Schweißraupe kann das Schutzgas auch geringe Mengen aktive Bestandteile, wie Kohlendioxid oder Sauerstoff enthalten. Bei extrem empfindlichen Zusatz- oder auch Grundwerkstoffen (z. B. Titan) müssen Sondermaßnahmen zur sicheren Schutzgasabdeckung getroffen werden. Neben Schleppdüsen, die im Nachlauf zum Schweißbrenner bis zu einer genügenden Abkühlung der Auftragschweißraupe eine Abdeckung sichern, kann auch der Einsatz von Schutzgaskammern notwendig sein.
4 Auftragschweißverfahren Tab. 3 Varianten des UP-Verfahrens
Variante
Schema
Merkmale
Eindrahtschweißen
· eine Drahtelektrode · eine Stromquelle · eine Regelung
Doppeldrahtschweißen
· zwei Drahtelektroden · eine Stromquelle · eine Regelung
Tandemschweißen
· zwei Drahtelektroden · zwei Stromquellen · zwei Regelungen
Serienlichtbogenschweißen
· zwei Drahtelektroden · eine Stromquelle · Lichtbogen zwischen Elektroden
UP-Schweißen mit Eisenpulver oder Drahtkorn
· eine Elektrode · eine Pulver- bzw. Drahtkornzuführung · eine Stromquelle · eine Regelung
UP-Schweißen mit Bandelektrode
· Bandelektroden bis ca. 200 mm Breite · eine Stromquelle
Wolfram-Inertgas Auftragschweißen (WIG-Verfahren) Beim WIG-Verfahren brennt der Lichtbogen zwischen einer nicht abschmelzenden negativ gepolten Wolframelektrode und dem Werkstück. Eine konzentrische Gasdüse sichert eine stets vorhandene Schutzgasglocke (Abb. 5). Durch die positive Werkstückpolung wird eine Intensivierung des Wärmeeintrages in das Bauteil 4.4.1
297
298
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Abb. 5 Schematische Darstellung des WIG-Verfahrens
erreicht. Die Erwärmung des Zusatzwerkstoffes erfolgt getrennt von der Werkstückerwärmung durch Drahtvorschubregelung oder Verschiebung des Eintauchpunktes des Drahtes in das Schmelzbad, so dass eine große Variationsbreite in der Wärmeführung vorhanden ist. Auf diese Weise lassen sich auch thermisch empfindliche Beschichtungswerkstoffe verarbeiten. Der Zusatzwerkstoff wird in Form eines Schweißstabes oder -drahtes von Hand oder bei größeren Flächen auch mechanisiert zugegeben. Übliche Drahtdurchmesser liegen bei 0,8 und 1,2 mm. Eine Vorwärmung des Drahtes durch eine Heißdrahtstromquelle erhöht die Abschmelzleistung bis zum Dreifachen (bis 3 kg/h). Das Kontaktrohr zur Erwärmung des Drahtes kann dabei zur Vermeidung der Drahtoxidation zusätzlich mit Schutzgas beaufschlagt werden. Auf Grund der kleinen Brennerbauweise und der guten Beobachtbarkeit des Schweißbades kann der Prozess durch einen erfahrenen Schweißer sehr gut beherrscht werden. Ein mechanisiertes Arbeiten ist prinzipiell möglich, wird auf Grund der geringen Auftragsleistung allerdings nur in Sonderfällen angewandt. Für das Auftragschweißen von Leichtmetallen kann mit einer Wechselstromvariante der kathodische Reinigungseffekt genutzt werden, um die bei Leichtmetallen stets vorhandene Oxidschicht zu beseitigen. Die kurzzeitige Umschaltung der Polarität verhindert eine Überhitzung, die bei genereller Umpolung den WIG-Brenner thermisch zerstören würde.
Metall-Schutzgas-Verfahren Das Metall-Schutzgasschweißen (MSG) arbeitet mit einer drahtförmigen abschmelzenden Elektrode, die den Beschichtungswerkstoff darstellt (Abb. 6). Die Elektrode ist positiv gepolt, um eine ausreichende Drahtabschmelzung zu erreichen. Der Zusatzwerkstoff wird durch eine Drahtfördereinheit von einer Spule 4.4.2
4 Auftragschweißverfahren
Abb. 6 Schematische Darstellung des MSG-Verfahrens
über das Schlauchpaket in den Brenner geschoben. Empfindliche Werkstoffe mit geringer Festigkeit oder auch Fülldrähte benötigen teilweise eine zusätzliche Fördereinheit am Brenner (push-pull-Einrichtung). Die Stromzufuhr erfolgt über ein Kontaktrohr. Der zwischen Draht und Elektrode brennende Lichtbogen erwärmt das Werkstück und schmilzt den Draht ab. Werden inerte Gase als Schutzgas verwendet (vorzugsweise Ar) spricht man vom Metall-Inertgas-Schweißen (MIG). Besitzen die inerten Gase aktive Zusätze zur Schichtformierung, z. B. CO2, O2 oder N2, spricht man vom Metall-Aktivgasschweißen (MAG). Enthält der verwendete Fülldraht gasbildene Elemente kann eine zusätzliche Schutzgaszufuhr entfallen (Open-Arc-Verfahren). Die Schichtbildung erfolgt durch Strichraupen oder Brennerpendelung quer zur Vorschubrichtung, mit mechanisiertem Vorschub. Ein Arbeiten von Hand ist ebenfalls möglich, führt aber vielfach nicht zu der gewünschten Schichtqualität. Den hohen Einbrand des Verfahrens, der bis 30% betragen kann, versucht man durch spezielle Brennerstellungen (Lichtbogenfußpunkt auf der vorhergehenden Schweißraupe [1]) und eine zusätzliche Kaltdrahtzufuhr zu begrenzen. Damit kann die Aufmischung bis auf minimal 5% gesenkt werden. Zur Einbringung pulverförmiger Zusatzwerkstoffe werden ebenfalls Untersuchungen durchgeführt. Eine aktuelle Variante ist das MSG-Impuls-Schweißen. Einem niedrigen Grundstrom werden Impulse hoher Stromstärke überlagert. Das verbessert die Schmelztropfenablösung von der Elektrode und verringert Aufmischung und Spritzerbildung. Moderne Schweißstromquellen sind als Inverterstromquellen ausgebildet und mit einer Programmsteuerung ausgerüstet, so dass für Standardarbeiten die Para-
299
300
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Abb. 7 Moderne Stromquelle für das MSG-Verfahren mit aufgesetzter Drahtfördereinheit (Werkfoto Fa. Rehm Schweißtechnik GmbH)
metersätze gespeichert werden können und jederzeit abrufbar sind. Beispielhaft ist in Abb. 7 eine industrielle Stromquelle dargestellt.
Plasma-Verfahren (PTA-Verfahren) Das Plasma-Verfahren führt auf Grund seiner Spezifika zu den qualitativ hochwertigsten Beschichtungen und wird aus diesem Grund detaillierter dargestellt. Das Auftragschweißen mittels Plasmastrahl unterscheidet sich vom Plasmaspritzen dadurch, dass ein Lichtbogen zwischen Brenner und Werkstück brennt (übertragener Lichtbogen) und direkt zur Erwärmung des Werkstückes beiträgt (Abb. 8). Durch ein strömendes Plasmagas (Argon) in Verbindung mit einer Plasmadüse wird im Unterschied zum WIG-Verfahren der Lichtbogen eingeschnürt und besitzt nur eine geringe Aufweitung bis zum Werkstück. Der Brennerabstand kann dadurch in gewissen Grenzen variieren, ohne dass die Wärmeeinbringung in das Werkstück verändert wird. Nach DIN 1910 werden zwei Verfahrensvarianten unterschieden: 4.4.3
Plasmalichtbogenschweißen (WPL-Verfahren) Der eingeschnürte Lichtbogen (Hauptlichtbogen) übernimmt die Bildung des Ar-Plasmas und erwärmt gleichzeitig das Werkstück Plasmastrahl-Plasmalichtbogenschweißen (WPSL-Verfahren) Zusätzlich zum Hauptlichtbogen wird die Plasmabildung durch einen zwischen Elektrode und Düse im Inneren des Brenners existierenden Pilotlichtbogen unterstützt. Beide Verfahrensvarianten liefern einen Wirkstrahl mit hohem Energieinhalt. Diese, bei den konventionellen Schweißverfahren höchste Leistungsdichte (Abb. 9), führt
4 Auftragschweißverfahren
Abb. 8 Verfahrensschema PTA-Schweißen
Abb. 9 Vergleich der Leistungsdichte verschiedener Schweißverfahren
zu einem konzentrierten Wärmeeintrag in das Werkstück. Es lassen sich dadurch bei Stahl Aufmischungsgrade kleiner 10% realisieren. Selbst Werkstoffe mit hoher Wärmeleitfähigkeit wie Kupfer oder Aluminium können mittels Plasmastrahl partiell aufgeschmolzen und damit beschichtet werden. Das anlagen- und steuerungsseitig aufwendigere Zweilichtbogenverfahren hat nur im Bereich geringer Schweißströme (< 80 A) eine Bedeutung, wo die Wärme des Hauptlichtbogens für eine kontinuierliche Plasmabildung nicht ausreicht. Im üblichen Arbeitsbereich zwischen 100 A und 500 (600) A kann ohne Pilotlichtbogen gearbeitet werden. Der Zusatzwerkstoff wird in Pulverform über eine Dosiereinrichtung (Pulverförderer) zugegeben. Aus diesem Grund existiert neben dem Plasma- und dem
301
302
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Abb. 10 Schematische Darstellung eines PTA-Auftragschweißbrenners
mit eingeschnürtem Plasmalichtbogen
Abb. 11 Schematische Darstellung des Plasma-Verfahrens mit Zusatzdraht
Schutzgas noch eine dritte Gasströmung, das Pulver-Fördergas. Die getrennte Zuführung zweier Pulver (Matrixwerkstoff und Hartstoff) bis in den Plasmastrahl ist ebenfalls möglich und kann im Einzelfall Vorteile bringen. Es werden dementsprechend kompliziert aufgebaute Plasmabrenner benötigt (Abb. 10), deren konstruktive Details unmittelbar das Auftragschweißergebnis beeinflussen. Um eine Überhitzung der Brenner zu vermeiden, sind diese grundsätzlich wassergekühlt. Entwickelt wurden auch Kombiverfahren, die als Zusatzwerkstoff einen Kaltoder Heißdraht benutzen (Abb. 11). Die Verwendung pulverförmiger Zusatzwerkstoffe führt zu einer großen Variabilität bei den verwendbaren Zusatzwerkstoffen. Insbesondere hochkarbidhaltige
4 Auftragschweißverfahren
Abb. 12 PTA-Wechselpolungs-Stromquelle
(Werkfoto Fa. Castolin GmbH)
Abb. 13 PTA-Beschichtung auf einer Schleißscheibe (Werkfoto Fa. Valco
Edelstahl und Schweißtechnik GmbH)
Zusatzwerkstoffe, die als Draht oder Band nicht herstellbar bzw. über Fülldrähte oder Füllbänder nur mit begrenztem Karbidgehalt realisierbar sind, lassen sich nur mittels Plasmaverfahren verarbeiten. Die positive Polung des Werkstückes beim Plasmaverfahren, die zu der genannten intensiven Wärmeeinbringung in das Werkstück führt, ist insbesondere für Leichtmetall nachteilig, da der kathodische Reinigungseffekt des Lichtbogens fehlt. Die auf Leichtmetallen stets vorhandene hochschmelzende Oxidschicht wird dadurch nicht beseitigt. Aus diesem Grund wurde die Plasma-Wechselpolungstechnik entwickelt. Als Weiterentwicklung zu der von anderen Schweißverfahren bekannten
303
304
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Wechselstromtechnik, sind die Phasenanteile asymmetrisch verschiebbar, so dass zusätzliche Freiheitsgrade zur Optimierung der Auftragschweißparameter zur Verfügung stehen. Abb. 12 zeigt ein Ausführungsbeispiel einer Plasma-Wechselpolungs-Stromquelle und Abb. 13 eine typische PTA-Beschichtung.
Plasma-MIG-Verfahren Das Plasma-MIG-Verfahren ist eine Weiterentwicklung des Plasmaverfahrens, das die Vorteile des Plasmaverfahrens mit den Vorteilen des MIG-Verfahrens verbindet (Abb. 14). Ein Lichtbogen an einem abschmelzenden Draht wird von einem konzentrischen Plasmalichtbogen umgeben. Der abschmelzende Draht ist positiv gepolt. Die Plasmaanode ist ringförmig ausgebildet und kann dadurch gut gekühlt werden. Das wirkt sich günstig auf die Strombelastbarkeit des Brenners aus. Die Anlagentechnik ist kompliziert, da zwei Stromquellen mit verschiedener Regelcharakteristik kombiniert werden müssen. Für den Plasmaprozess wird eine Stromkonstanthaltung benötigt. Der MIG-Prozess arbeitet mit Spannungskonstanthaltung. Zusätzlich werden bis zu 3 Prozessgase verwendet. Durch die positive Polung des Brenners ergibt sich ein kathodischer Reinigungseffekt, der für Leichtmetalle wichtig ist. Der Kombiprozess führt gleichzeitig zu einer Wärmekonzentration auf dem Werkstück. Der Schmelzprozess kann damit auch bei hoch wärmeleitfähigen Werkstoffen (Leichtmetalle, Kupfer) gut beherrscht werden. Die getrennte Steuerung der beiden Lichtbögen ermöglicht eine gezielte Wärmeführung und vermeidet ein Überhitzen des Zusatzwerkstoffes. Es ergeben sich folgende Vorteile: 4.4.4
Prozesssichere kathodische Reinigung Abschmelzleistung und Energieeintrag getrennt steuerbar Raupengeometrie gut beeinflussbar Geringe Spritzerneigung trotz hoher Abschmelzleistung
Abb. 14 Schematische Darstellung des
Plasma-MIG-Verfahrens
4 Auftragschweißverfahren
Abb. 15 Schematische Darstellung
des Widerstandsrollennaht-Auftragschweißens nach [2]
Der Plasma-MIG-Prozess ist seit vielen Jahren bekannt, aber entwicklungsseitig wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt, weil die Verarbeitung von Leichtmetallen mittels schweißtechnischer Verfahren im Zuge der Massereduzierung ein aktuelles Erfordernis nicht nur im Fahrzeugbau ist. Für das Auftragschweißen ist eine Anwendung zu erwarten. 4.5
Widerstands-Rollennaht-Verfahren
Als eine Übergangstechnik zwischen Metallspritzbeschichtungen und Auftragschweißen kann das Rollennaht-Auftragschweißen mit pulverförmigem Zusatzwerkstoff angesehen werden (Abb. 15). Der Beschichtungswerkstoff wird über eine Dosiereinrichtung vor die Elektrodenrollen geschüttet und mittels Widerstandserwärmung eingeschmolzen. Gleichzeitig verdichten die Elektrodenrollen die Schicht, so dass ein Hochtemperatur-Sinterverbund mit Schmelzverbundanteilen entsteht. Die Schichtdicken liegen mit maximal 0,5 mm [2] für auftraggeschweißte Beschichtungen extrem niedrig. Verglichen mit Metallspritzbeschichtungen werden höhere Haftfestigkeiten erreicht. Das Verfahren kann für rotationssymmetrische und ebene Bauteile angewendet werden. 4.6
Laserauftragschweißen
Der Laser als Energiequelle gewinnt zunehmend an Bedeutung für das Auftragschweißen. Der energiereiche Strahl führt zu einer intensiven Erwärmung, so dass mit geringen Aufmischungen gearbeitet werden kann. Der Wärmeeintrag in das Bauteil wird minimiert und der Verzug bleibt niedrig.
305
306
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Als Laser stehen zur Verfügung: Gaslaser (CO2) mit einer Wellenlänge von 10,6 lm Nd:YAG-Festkörperlaser mit einer Wellenlänge von 1064 nm Diodenlaser mit einer Wellenlänge von 808 und/oder 940 nm Laser eignen sich wegen des kleinen Strahlfokus und der möglichen Präzision bei der Strahlführung besonders für kleinvolumige und kleinformatige Präzisionsauftragschweißungen, da trotz hoher Vorschubgeschwindigkeiten die Auftragsleistung, verglichen mit konventionellen Schweißverfahren, gering ist. Der Laserstrahl wird mittels gekapselter Strahlführungssyteme (CO2-Laser) oder Lichtleitkabel und Fokussieroptik an die Schweißstelle geleitet (Abb. 16). Oftmals muss wegen der hohen Leistungsdichte mit defokussiertem Strahl gearbeitet werden, um die Legierungselemente des Beschichtungswerkstoffes nicht zu überhitzen. Während der CO2-Laser im Dauerstrichbetrieb gefahren werden kann, arbeiten Festkörper- und Diodenlaser im Impulsbetrieb. Der Zusatzwerkstoff kann in Draht-/Fülldraht-Form oder als Pulver über eine Pulverfördereinrichtung (Abb. 17) zugegeben werden. Auch ein zweistufiger Prozess mit Vordeponieren des Pulvers wird angewendet. Eine externe oder interne Schutzgasführung, die gleichzeitig die Laseroptik gegen Verschmutzung schützt, ist notwendig, um die heiße Schmelze gegen Sauerstoffzutritt abzudecken. Um eine gute Strahleinkopplung zu erreichen, muss bei der CO2-Laserstrahlung die Oberfläche geschwärzt werden. Festkörper und Diodenlaser erfordern diese Technik nur bei hochreflexiven Werkstoffen wie z. B. Aluminium oder Kupfer. Die Schichtdicken können bis 2 mm betragen. Aktuelle Entwicklungen auf dem Laserbeschichtungssektor sind handgeführte Laserbearbeitungsköpfe (Abb. 18) [4], die es z. B. gestatten, feinste Verschleißmarken an Umform- oder Schneidwerkzeugen ohne starke Materialüberhöhung wieder aufzubauen. Die Systeme können selbstregelnd sein, so dass die ungleichmäßige Vorschubbewegung bei Handführung ausgeglichen wird [5].
Abb. 16 Prinzip des Laserlegierens
(CO2-Laser) mit vordeponiertem Beschichtungswerkstoff nach [3] am Beispiel Titanwerkstoff
4 Auftragschweißverfahren
Abb. 17 Aufbau eines Laserschweißkopfes
mit Pulverförderer und Schutzgaskammer zur Beschichtung von Magnesiumwerkstoffen
Abb. 18 Gekapselter Laser zum
Handauftragschweißen [4]
Da auf dem Lasergebiet eine Vielzahl von Entwicklungsaktivitäten laufen ist mit einer ständigen Weiterentwicklung der lasergestützten Auftragschweißprozesse zu rechnen. Die hohen Anlagenkosten einer Laseranlage begrenzen die Anwendung derzeit auf Spezialaufgaben, wie kleine Volumina mit minimaler Nacharbeit, und/oder Spezialwerkstoffe, die mit konventionellen Verfahren nur schwierig auftraggeschweißt werden können.
307
308
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
5
Auftragschweißwerkstoffe
Man kann die Beschichtungswerkstoffe entsprechend der vorgesehenen Anwendungsgebiete in 4 Gruppen einteilen: Werkstoffe mit hoher Korrosionsbeständigkeit Werkstoffe mit hoher Verschleißbeständigkeit Werkstoffe mit hoher Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit Werkstoffe für Sonderfunktionen Ein metallischer Matrixwerkstoff muss stets verwendet werden, um den metallurgischen Schmelzverbund zu erreichen und weitere, überwiegend Hartphasen, die beim Auftragschweißprozess nicht unbedingt aufgeschmolzen werden müssen bzw. wegen einer thermischen Zersetzungsgefahr nicht aufgeschmolzen werden dürfen, einzubetten. Zur Formierung der Schweißraupe ist es notwendig Legierungselemente zuzugeben, die das Fließ- und Benetzungsverhalten des Zusatzwerkstoffes verbessern. Schlackebildende Elemente binden Restverunreinigungen und transportieren sie an die Schweißraupenoberfläche. Auf diese Weise können Poren und Verunreinigungen in der Beschichtung niedrig gehalten werden. Bei Verfahren ohne Schutzgasführung deckt die Schlacke die flüssige Schmelze komplett ab und verhindert eine Oxidation durch Sauerstoffzutritt. Während beim E-Hand-Schweißen und teilweise beim MIG-Fülldrahtschweißen die schlackebildenden Elemente in den Zusatzwerkstoff integriert sind, wird die Schlacke bei den UP- und RES-Verfahren als Pulver im Vorlauf aufgeschüttet und im Auftragschweißprozess mit geschmolzen.
5.1
Korrosionsschutzwerkstoffe
Die Korrosionsbeständigkeit spielt vor allem im chemischen Apparatebau, der Verfahrens- und Umwelttechnik und der Offshore-Industrie (Einsatz unter Meerwasserbedingungen) eine dominierende Rolle. Aus wirtschaftlichen und fertigungstechnischen Gründen werden vielfach plattierte Baustahlqualitäten eingesetzt. Die Plattierungen können durch Walzen oder durch Auftragschweißen (Abb. 19), hergestellt werden. Letzteres vor allem für komplizierte Geometrien, die nicht aus plattierten Blechen gefertigt werden können. Die Plattierungswerkstoffe müssen den angreifenden Agenzien widerstehen, die zu unterschiedlichen Korrosionsarten führen. Es wurde demzufolge eine Vielzahl von Spezialwerkstoffen entwickelt, die auch auftraggeschweißt werden können. Lediglich die Aufmischung mit dem Substratwerkstoff muss durch Überlegieren der Zusatzwerkstoffe kompensiert werden. Ein wichtiges Anwendungsgebiet sind Nachplattierungen von geschweißten Bauteilen, z. B. Großrohren oder Behältern, im Bereich der Schweißnaht. Dazu
5 Auftragschweißwerkstoffe
Abb. 19 RES-Bandplattieren [7]
werden die gleichen Werkstoffe wie für die Walzplattierungen verwendet oder höherlegierte Qualitäten, die trotz Aufmischung mit dem Trägerwerkstoff eine ausreichende Korrosionsbeständigkeit besitzen. Aus Sicherheitserwägungen heraus werden vielfach zum Nachplattieren von Fe-Plattierungen Ni-Werkstoffe eingesetzt. Man kann die Auftragwerkstoffe nach dem Basismetall in Nickel- und Eisenwerkstoffe einteilen. Als Korrosionsschutzwerkstoffe werden hauptsächlich folgende Werkstoffgruppen angewendet: FeNiCr-Legierungen NiCr-Legierungen
Korrosionsbeständige Eisenbasiswerkstoffe Die bekannten austenitischen Stähle mit ³ 18% Chrom und ³ 8% Nickel (1.4301 oder 1.4306) sind die Ausgangslegierungen korrosionsbeständiger Eisenwerkstoffe. Sie neigen beim Auftragschweißen zu Chromkarbidausscheidungen, so dass Ansätze für Lochkorrosion entstehen können. Durch Absenkung des Kohlenstoffgehaltes bis £ 0,03% [7] kann dies weitestgehend vermieden werden. Da beim Auftragschweißen immer die Gefahr besteht, durch Aufmischung aus dem Grundwerkstoff zusätzlichen Kohlenstoff in die Schicht zu bekommen, werden für Auftragschweißungen Ti- oder Mo-stabilisierte Werkstoffvarianten verwendet (1.4541 oder 1.4571). 5.1.1
309
310
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Für stärkere Korrosionsangriffe müssen höhere Legierungsgehalte gewählt werden, wobei auch Niob zulegiert wird. Die Legierungsgehalte haben nach [7] folgende spezifische Wirkungen: Mo:
Erhöhung der Lochfraß- und Spaltkorrosionsbeständigkeit sowie der Erosionsbeständigkeit Ni: Erhöhung der Spannungsrisskorrosionsbeständigkeit N 2: Verzögerung der Ausscheidung von Sigma-Phase, Festigkeitssteigerung Ti, Nb: Erhöhung der interkristallinen Korrosionsbeständigkeit C: Absenkung verbessert die interkristalline Korrosionsbeständigkeit Eine zweite wichtige Gruppe sind die Austenit-Ferrit-Stähle (Duplexstähle, z. B. 1.4462), die neben einer hohen Korrosionsbeständigkeit bessere Festigkeitseigenschaften besitzen.
Nickellegierungen Wenn korrosionsbeständige Stähle den Anforderungen nicht mehr genügen, werden Ni-Basislegierungen eingesetzt. Reinnickelwerkstoffe genügen oftmals den hohen Anforderungen nicht. Aus diesem Grund werden Cr- und/oder Mo-legierte Nickellegierungen verwendet, die höher korrosionsbeständig sind. Chrom verbessert zusätzlich die Hitzebeständigkeit [8]. Beim Auftragschweißen von Nickelwerkstoffen muss auf Stickstoff und Schwefel geachtet werden, die zu Porigkeit oder Korngrenzenkorrosion führen können [8]. Tab. 4 zeigt am Beispiel einer Nachplattierung von Großrohren die typischen Walzplattierungswerkstoffe und die geeigneten Nachplattierungswerkstoffe für das Abdecken der Schweißnähte. 5.1.2
5.2
Verschleißschutzwerkstoffe
Das größere Anwendungsgebiet von Auftragschweißungen sind Verschleißschutzbeschichtungen. Es werden hartphasenhaltige Legierungen oder Pseudolegierungen mit zugemischten Karbiden verwendet. Durch geeignete Legierungszusammensetzungen können diese Werkstoffe zusätzlich korrosionsbeständig und/oder warmfest sein. Es werden vier Gruppen unterschieden: Nickelhartlegierungen Eisenhartlegierungen Kobalthartlegierungen (Stellite) Aluminium-Pseudolegierungen.
12
61
Alloy 316 L 17 1.4435 X2CrNiMo 18 143
22
23
22
Alloy 625 2.4856 NiCr22Mo9Nb
Alloy 59 2.4605 NiCr23Mo16A
Alloy 825 2.4858 NiCr21Mo
40
59
Ni
Cr
3,5
16
9
2,4
Mo
0,2 Ti, 2 Cu, 31 Fe
0,3 Al, 1 Fe
3,8 Nb, 3 Fe
0,03 N Rest: Fe
Sonstige
Alloy 625 2.4856 NiCr22Mo9Nb
0,01
0,015
0,015
Alloy 59 2.4607 NiCr23Mo16 Alloy 59 2.4607 NiCr23Mo16
0,01
C
0,5
0,1
0,1
0,2
Si
0,85
0,15
0,15
1,8
Mn
Chem Zusammensetzung (Richtwerte) (%)
Alloy 21 13 3L Bandelektrode
Leg.-Typ W.-Nr.: DIN/EN-Bez.
Leg.-Typ. W.-Nr.: DIN/EN-Bez.
Chem. Zusammensetzung (Richtwerte) (%)
Nachplattierung
Plattierung
Tab. 4 Beispiele für Walzplattierungs- und Nachplattierungswerkstoffe nach [6]
21,5
23,5
23,5
20,5
Cr
Rest
Rest
Rest
13,5
Ni
8,9
16
16
2,9
Mo
3,8 Nb
0,45 Fe
0,45 Fe
0,08 N
Sonstige
Plasma
RES
RES
RES
Schweißverfahren
5 Auftragschweißwerkstoffe 311
312
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Nickelhartlegierungen Typische Ni-Verschleißschutzwerkstoffe sind selbstfließend, d. h. sie haben durch Zulegieren von Bor einen auf 10008C bis 11008C abgesenkten Schmelzpunkt. Bei exakter Abstimmung der Parameter kann auf Stahl nahezu aufmischungsfrei auftraggelötet werden. Neben Bor enthalten diese Werkstoffe Chrom als Hartphasenbildner sowie Silizium zur Verbesserung der Schweißbarkeit. Der Kohlenstoffgehalt wird auf die Menge an Karbidbildnern abgestimmt. Die makroskopische Härte der Werkstoffvarianten und damit die Verschleißbeständigkeit werden durch den Anteil an Chromkarbid und anderer silizidischer oder boridischer Hartphasen bestimmt. Chromkarbid wird beim Auftragschweißen weitestgehend gelöst und scheidet sich beim Abkühlen in Form von Nadeln oder Platten aus (Abb. 20). Mit steigendem Karbidgehalt werden die Werkstoffe anfällig gegen Spannungsrisse. Durch Vorwärmen und verzögerte Abkühlung kann die Rissbildung weitestgehend vermieden werden. Tab. 5 zeigt beispielhaft die Zusammensetzung von Werkstoffen mit unterschiedlicher Härte. Die Werkstoffe besitzen eine hohe Korrosionsbeständigkeit, sind aber durch den heterogenen Phasenaufbau nicht absolut beständig. Zur weiteren Erhöhung der Verschleißbeständigkeit wird Wolframkarbid zugemischt. In der Schweißtechnik wird dazu ein spezielles feinfiedriges Wolframschmelzkarbid (WSC), bestehend aus Wolframmonokarbid und Diwolframkarbid (Eutektikum), verwendet (Abb. 21). Die Festigkeitseigenschaften und insbesondere die Duktilität sind besser als beim Monokarbid. Die hohe Dichte von Wolframkarbid (12 bis 17 g/cm3, je nach Konfiguration) führt zu starken Schwerkraftseigerungen beim Auftragschweißen, so dass nur Zumischungen von mindestens 50% WSC zu homogenen Schichteigenschaften über den gesamten Querschnitt führen. Eine neuentwickelte Variante mit sphärischen Karbiden (Abb. 22), die durch eine spezielle Nachbehandlung der Karbide im Herstellungsprozeß entsteht 5.2.1
Abb. 20 Grobdendritische Chromkarbidausscheidungen
(Fe-Cr-C-Legierung, überhitzt)
5 Auftragschweißwerkstoffe Tab. 5 Richtanalysen von selbstfließenden NiCrBSi-Legierungen sowie einer chromfreien Variante
Werkstoff
NiCrBSi 1 NiCrBSi 2 NiCrBSi 3 NiBSi
Sollhärte Legierungsgehalt (Richtanalyse) (%) [HRC] C Cr B Si
Al
Fe
Ni
30 42 58 k. A.
1,0 – – –
< 2,0 < 2,0 < 3,0 < 3,0
Rest Rest Rest Rest
0,20 0,4 0,7 0,03
4,0 10,0 16,0 –
1,0 1,8 3,3 3,0
2,5 2,7 4,2 3,0
Abb. 21 Feinfiedrige Struktur von Wolframschmelzkarbid im Schliff-
bild
und eine höhere Härte besitzt, verspricht weitere Vorteile im Verschleißverhalten ebenso wie der Einsatz von makrokristallinem Wolframkarbid (Abb. 23). Da Wolframkarbid thermisch empfindlich ist und beim Auftragschweißen durch Überhitzung zu Zersetzungserscheinungen (Sprödphasenbildung) neigt, kann als Hartstoff Vanadiumkarbid angewendet werden [8]. Es führt zu vergleichbaren Eigenschaften, ist aber nicht überhitzungsempfindlich und scheidet sich, wenn es beim Auftragschweißen aufgeschmolzen wurde, dendritisch als Monokarbid wieder aus (Abb. 24). Zu den Eigenschaften von Vanadiumkarbid werden im Abschnitt Eisenwerkstoffe weitere Aussagen getroffen. 5.2.2
Eisenhartlegierungen
Alle härtbaren Stähle, die durch martensitische Gefüge und Karbidanteile eine hohe Verschleißbeständigkeit erreichen, können grundsätzlich auch auftraggeschweißt werden. Die Gefügeausbildung erfolgt nach schmelzmetallurgischen Gesetzmäßig-
313
314
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Abb. 22 Verschleißschutzbeschichtung mit 60% WSC mit sphäri-
schen (kugelförmigen) Karbiden (Schliffbild)
Abb. 23 Makrokristallines Wolframkarbid
keiten, d. h. es werden sich Gussstruktur ähnliche eutektische oder eutektoide Gefügenetzwerke ausbilden, die insbesondere bei hohen Karbidanteilen spröder als die entsprechenden gewalzten oder geschmiedeten Werkstoffe sind. Die Anwendung ist nur unter dem Gesichtspunkt einer Herstellung von Verbundbauteilen mit speziellen Eigenschaftsanforderungen sinnvoll. Insbesondere bei großvolumigen Bauteilen kann das kostengünstiger als die Verarbeitung von Massivwerkstoffen sein. Wichtiger sind Verschleißschutzwerkstoffe, die durch höhere Karbidgehalte bessere Verschleißeigenschaften als Stahl besitzen oder Eigenschaftskombinationen aufweisen, die auf anderem Wege nicht realisierbar sind.
5 Auftragschweißwerkstoffe
Abb. 24 VC-Karbide in NiBSi (60% VC, Schliffbild)
Die allgemein angewendeten Verschleißschutzwerkstoffe sind Fe-Cr-Legierungen, die Cr-Gehalte bis ca. 30% besitzen. Teilweise wird Niob zur Härtesteigerung zulegiert. Je nach Kohlenstoffgehalt können Makrohärtewerte zwischen 30 und 56 HRC erreicht werden. Durch Chrompassivierungsschichten sind die Werkstoffe gegen Korrosion auch bei höheren Temperaturen gut geschützt. Bei höheren Chromanteilen sind die Schichten nicht rissfrei. Eine typische Anwendung sind Verschleißschutzbleche, die durch vollautomatisches Auftragschweißen von Blechtafeln und nachträgliches Ausbrennen der Formteile hergestellt werden. Eine weitere Steigerung der Verschleißbeständigkeit ist durch Zulegieren von Vanadium möglich. Als Neuentwicklung auf dem Sektor der Verschleißschutzwerkstoffe existiert eine ganze Gruppe von Werkstoffvarianten mit unterschiedlichen Verschleiß- und Korrosionseigenschaften. Der Vorteil dieser Werkstoffe ist die Herstellbarkeit von Zusatzwerkstoffen bis ca. 30 Vol.-% Vanadiumkarbid (VC) über Erschmelzung und Verdüsung. Im Gegensatz zu Pseudolegierungen mit zugemischten Karbiden wird eine feinkörnige Karbidausbildung erreicht (Abb. 25). Die durch exakte Kohlenstoffabstimmung erreichte hohe Arbeitshärte dieser Werkstoffe führt zu schneidhaltigen Beschichtungen. Eine typische Anwendung sind deshalb Maschinenmesserschneiden (siehe Abb. 2). Die Verschleißbeständigkeit ist gegenüber höchstlegierten Stählen deutlich höher und kann durch Zumischen weiterer Karbidanteile gesteigert werden. Der Karbidgehalt kann bis 70 Vol.-% bei ausreichender Schichtformierung erhöht werden. Die Verschleißbeständigkeit wird vom Vanadiumkarbidgehalt bestimmt, (Abb. 26). Die Rissgefahr ist deutlich geringer als bei hochchromhaltigen Schichtwerkstoffen. Die Matrixlegierung besteht aus einem Kaltarbeitsstahl mit 5% Chrom und ca. 2% Mo. Bei Abkühlung aus der Schweißwärme entstehen martensitische Gefüge mit Restaustenitanteilen und Ledeburitausscheidungen, die aber keine versprödenden
315
316
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Abb. 25 FeV18Cr5Mo2C-Legierung mit ca. 30 Vol.% VC
Abb. 26 Verschleißintensität (Masseverlust im Schleifpapiertest)
in Abhängigkeit vom VC-Gehalt für legierte Zusatzwerkstoffe und Pseudolegierungen mit VC-Zumischung [10]
Netzwerke bilden. Durch Zulegieren weiterer Legierungselemente entstehen folgende Werkstoffvarianten: Cr: korrosionsbeständige Werkstoffe (chrommartensitische Gefüge) Cr und Ni: korrosionsbeständige Werkstoffe (austenitische Gefüge) W und Co: Erhöhung der Warmfestigkeit (Schnellarbeitsstahl ähnliche Gefüge) Die Verschleißbeständigkeit aller Werkstoffvarianten ist deutlich höher im Vergleich zu gehärteten Werkzeug- und Schnellarbeitsstählen (Abb. 27).
5 Auftragschweißwerkstoffe
Abb. 27 Verschleißwiderstand von ausgewählten VC-Legierungsvarianten mit unterschiedlichen
VC-Gehalten und unterschiedlichen Matrixgefügen im Vergleich zu Stahl und Hartmetall
5.2.3
Kobalthartlegierungen
Kobaltbasiswerkstoffe (Stellite) enthalten die Hauptlegierungselemente Chrom, Wolfram und Kohlenstoff und teilweise auch Nickel, Molybdän und Niob. Sie werden allgemein in Anlehnung an das amerikanische Ursprungsgebiet nummeriert (Tab. 6). Der Eisengehalt muss zur Sicherung der hohen Korrosionsbeständigkeit bei Werten kleiner 2 bis 3% liegen. In Sonderfällen kann Fe bis 20% zur Erzielung spezieller Eigenschaften zulegiert werden. Mit Bor und Silizium als Legierungselemente entstehen selbstfließende Varianten, deren Schmelzbereich deutlich unterhalb von Stahl liegt. Damit kann ein Auftraglöten mit minimaler Aufmischung durchgeführt werden.
317
318
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Tab. 6 Richtanalysen ausgewählter Stellite (Werksangaben Fa. Deloro Stellite GmbH)
Bezeichnung
Stellit Stellit Stellit Stellit Stellit Stellit Stellit Stellit
1 SF 1 6 SF 6 12 SF 12 20 21
Richtzusammensetzung (%) Cr
W
C
Ni
B
Si
Sonstige
Co
33 19 26 19 29 19 33 27
13 13 5 8 9 9 18 –
2,5 1,3 1 0,7 1,8 0,9 2,5 0,25
– 13 – 13 – 13 – 2,8
– 2,5 – 2,5 – 1,8 – –
– 3 – 3 – 2,5 – 2
– – – – – – – 5,5 Mo
Rest Rest Rest Rest Rest Rest Rest Rest
Härte (HRC)
Schmelzpunkt (8C)
51–58 54–58 39–43 43–46 47–51 48–50 55–59 28
1255–1290 1069–1180 1285–1395 1085–1150 1280–1315 1061–1104 1260–1265 –
Abb. 28 Unterschiedliche Hartphasen in einem Spezialstellit für Maschi-
nenmesser (ähnlich Stellit SF 6)
Die Kobaltmatrix führt zu hervorragenden Korrosions- und Warmfestigkeitseigenschaften. Die Verschleißbeständigkeit gegen Erosion und Abrasion entsteht durch intermetallische Hartphasen (Varianten mit geringem C-Gehalt) oder karbidische Hartphasen (Abb. 28). Bei Kraftangriff kommt es zusätzlich zu Verfestigungseffekten in der unmittelbaren Oberflächenzone, wodurch das Verschleißverhalten auch bei relativ geringen Härtewerten noch gut ist. Entsprechend des breit gefächerten Anwendungsgebietes steht eine Vielzahl von Legierungsvarianten zur Verfügung. Haupteinsatzgebiet sind warmfeste Anwendungen (Gasturbinenschaufeln, Strangpressmatrizen, Ventile, Warmscherenmesser usw.). Stellite werden auch im Bereich von Kaltverschleißanwendungen mit höchsten Anforderungen hinsichtlich Korrosionsbeständigkeit eingesetzt (Messer, Scheren).
5 Auftragschweißwerkstoffe
Stellite hoher Härte lassen sich nur durch hohe Vorwärmtemperaturen und verlangsamte Abkühlung rissfrei auftragschweißen. Bei Überhitzung können große Gasporen entstehen. Die Verarbeitung mittels Handschweißbrenner ist deshalb schwierig und erfordert umfangreiche Handfertigkeiten und Erfahrungen des Schweißers. Vielfach muss bei der Anwendung von Stelliten ein Kompromiss zwischen den guten Verschleißeigenschaften und der mechanischen Nachbearbeitbarkeit der Schichten getroffen werden. Die komplizierten eingesenkten Geometrien von Umformgesenken können z. B. nur durch Fräsen kostengünstig hergestellt werden. Trotz Entwicklung von beschichteten Spezialhartmetallsorten kann eine wirtschaftliche Bearbeitung nur bei mittleren Arbeitshärten bis maximal 40 HRC durchgeführt werden. Stellit 1 und Stellit 6 können damit nicht oder nur in Sonderfällen, in denen Schleifverfahren angewendet werden können, eingesetzt werden.
Aluminium-Pseudolegierungen Im Bereich hoher Verschleißbeanspruchungen konnten Leichtmetalle nur über aufwendige Verbundkonstruktionen mit Stahl eingesetzt werden. Aktuelle Entwicklungsarbeiten befassen sich aus diesem Grund mit auftraggeschweißten Beschichtungen auf Al- oder Mg-Substratwerkstoffen [9, 10]. Zur örtlichen Erwärmung von Aluminium muss eine hohe Leistungsdichte im Wirkstrahl vorliegen, um die schnelle Wärmeableitung zu kompensieren. Es ist zusätzlich zu beachten, dass die stets vorhandene hochschmelzende Oxidschicht das Benetzungsverhalten empfindlich stört. Es können deshalb nur Schweißverfahren, die neben einer hohen Leistungsdichte einen kathodischen Reinigungseffekt bewirken (MIG- oder PTA-Wechselpolung), eingesetzt werden. Eine weitere Besonderheit ist zu beachten. Die bekannten Auftragschweißwerkstoffe, inklusive der zugemischten Hartphasen, besitzen alle eine spezifische Dichte, die deutlich über der Dichte der Leichtmetall-Trägerwerkstoffe liegt. Durch Beschichten würde es zu einer starken Masseerhöhung kommen, wodurch der Gewichtsvorteil zum großen Teil rückgängig gemacht wird. Die Haftfestigkeit wird außerdem in vielen Fällen durch Sprödphasenbildung (z. B. Fe-Al) negativ beeinflusst. Der Einsatz von Aluminiummatrix-Beschichtungswerkstoffen (AlSi oder AlMgMn) mit Zumischungen von Karbiden angepasster Dichte (B4C, SiC, mit Einschränkung auch TiC) führt zu einer starken Erhöhung der Verschleißbeständigkeit (Abb. 29). Im Abrasivverschleißtest werden die Werte gehärteter Werkzeugstähle erreicht. Die Karbide sind gut eingebunden (Abb. 30). Für SiC, das eine heteropolare Bindung besitzt, kann eine gute Einbindung der Karbide durch Si-Zusatz erreicht werden. Insgesamt ist bei Leichtmetallen noch Entwicklungsbedarf vorhanden, um sichere Beschichtungstechnologien zu entwickeln. Zur Verbesserung der Matrixfestigkeit werden z. Z. Untersuchungen zum Einsatz aushärtbarer Werkstoffvarianten durchgeführt. 5.2.4
319
320
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen
Abb. 29 Verschleißintensität (Volumenabtrag) von AlSi-SiC-
Beschichtungen im Vergleich mit Stahl
Abb. 30 Verschleißbeanspruchte Oberfläche einer AlSi-B4C-Beschichtung mit hervorstehenden fest eingebundenen Karbiden
6
Zusammenfassung und Ausblick
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen ist vor allem dann unumgänglich, wenn schwere Verschleißbeanspruchung oder Kantenbelastung vorliegt, da sich Auftragschweißungen durch eine hohe Haftfestigkeit im Vergleich mit anderen Beschichtungen auszeichnen und selbsttragend sind. In vielen Fällen werden deshalb keine hochfesten Trägerwerkstoffe benötigt.
7 Literatur
Aus der Vielzahl der Schweißverfahren werden für den Korrosionsschutz das RES- und das UP-Auftragschweißen, neuerdings wegen der hohen Schichtqualitäten auch das Plasma-Pulver-Auftragschweißen angewendet. Für Verschleißschutzbeschichtungen werden vom einfachen E-Hand-Verfahren bis zum Plasma-MIG-Verfahren nahezu alle Verfahren angewendet. Neben Kostengesichtspunkten sind es vor allem die geforderte Schichtqualität und die Herstellbarkeit der Zusatzwerkstoffe in Draht/Band- oder Pulverform, die bei der Verfahrensauswahl eine Rolle spielen. Als Querschnittstechnologie wird das Auftragschweißen in nahezu allen Industriezweigen direkt oder indirekt über beschichtete Bauteile angewendet. Höchste Anforderungen an die Beschichtung existieren z. B. bei Industrieanlagen unter chemischen oder Meerwasser-Bedingungen. Aber auch die Lebensmittelverarbeitung hat spezielle Forderungen an die Beschichtungsqualität und die Beschichtungswerkstoffe. Analog zu den vielfältigen Einsatzgebieten von beschichteten Bauteilen ist die Palette der Beschichtungswerkstoffe groß, so dass im Rahmen dieses Artikels nur die wichtigsten Werkstoffe dargestellt werden konnten. Die Aktivitäten zur Weiterentwicklung von Schweißverfahren, Schweißtechnologie und Zusatzwerkstoffen werden in Deutschland im Rahmen des Deutschen Verbandes für Schweißen und verwandte Verfahren (DVS) gebündelt, in dem Entwickler und Anwender eng zusammenarbeiten. Das Auftragschweißen ist keine statische Technologie, sondern durch ein hohes Innovationspotential bei Verfahrensweiterentwicklungen und neuen Zusatzwerkstoffen gekennzeichnet.
7
Literatur Herrmann, J.; T. Ott: Untersuchungen zum MSG-Auftragschweißen mit Flachdrahtelektroden. 5. Fachtagung „Verschleißschutz von Bauteilen durch Auftragschweißen“, Halle/Saale, 14. bis 15. Juni 2004 2 Müller, S.; K. Balter: Fortschritte beim Widerstandsrollennaht-Auftragschweißen. 4. Fachtagung „Verschleißschutz von Bauteilen durch Auftragschweißen“, Halle/Saale, 28.–29. 5. 2002 3 Matthes, K.-J.; G. Kolbe, B. Wielage, A. Wank, H. Podlesak: Laserstrahldispergieren zur Herstellung boridverstärkter verschleißfester Oberflächen an Titanlegierungen. Schweißen und Schneiden, Heft 11 (2003), S. 610–615 4 Vollrath, K.: Laserstrahl hoffähig für die Instandsetzung von Werkzeugen. 1
Reportage in „Der Praktiker“ Heft 9 (2003), S. 276–281 5 Kimme, T.; E. Tuband: Laserauftragschweißen – Dienstleisterbericht zu Technik, Ergebnissen und Anwendungsbeispielen. 2. Fachtagung „Verschleißschutz von Bauteilen durch Auftragschweißen“. Halle/Saale, 13.–14. 5. 1998 6 Wende, U.; B. Bouaifi, A. Bock: Metallurgische und korrosionschemische Eigenschaften von Nickelbasis-Anschlussbzw. -Nachplattierungen. DVS-Berichte Nr. 216, S. 355–364 7 Reichmann, B.; B. Bouaifi, P. Deppe: Einsatz der Sinterbandelektrode COROSINT 625 für das Einlagen-RES-Auftragschweißen in Behältern der Ölindustrie. 5. Fachtagung „Verschleißschutz von Bauteilen durch Auftragschweißen“. Halle/Saale, 14.–15. Juni 2004
321
322
Oberflächenschutz durch Auftragschweißen Strassburg: Eigenschaften von hochlegierten Stählen und Nickelbasislegierungen. Veröffentlichung Nickel Developement Institute (Deutschland) 1997 9 Kabatnik, L.: Plasma-Pulver-Schweißen verschleißbeständiger Schichten auf Aluminiumwerkstoffe. Deutsche Dissertation, Aachen (2002), Shaker Verlag, S. 1–114 10 Gebert, A.; U. Duitsch, T. Schubert, U. Müller: Zum Verschleißschutz komplizierter ebener Konturen. Praktiker 51 (1999) 1, S. 24–28 11 Heinze, H.; A. Gebert, B. Bouaifi, A. Ait-Mekideche: Korrosionsbeständige Auftragschweißschichten auf Eisenbasis 8
mit hoher Verschleißbeständigkeit. Schweißen und Schneiden 51 (1999) Heft 9, S. 550–555 12 Bouaifi, B.; A. Ait-Mekideche, A. Gebert, D. Wocilka: Nutzung von stickstoffhaltigen Hochtemperaturplasmen zum reaktiven Beschichten mittels Plasma-Auftragschweißen. Schweißen und Schneiden 53 (2001) Heft 8, S. 478–482 13 Gebert, A.; H. Heinze, B. Bouaifi, E. Teupke, B. Reichmann: Festigkeit hochverschleißbeständiger Schichten optimiert. Der Praktiker 55 (2003) 2, S. 52–54
323
Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen W. Reimche, R. Duhm, Institut für Werkstoffkunde, Zerstörungsfreie Prüfverfahren, Universität Hannover
1
Einleitung
Im Rahmen des Qualitätsmanagements von Beschichtungstechniken und -prozessen, das mit enger werdenden Märkten und wachsendem Wettbewerb zunehmend Wichtigkeit erlangt, ist die Realisierung und Standardisierung zerstörender sowie in immer höherem Maße zerstörungsfreier Prüfverfahren zur Charakterisierung von Eigenschaften thermisch gespritzter Schichten notwendig. Dieser Beitrag soll eine Einführung und Übersicht über gebräuchliche Schichtsysteme, typische Schichtdickenbereiche und -eigenschaften geben, um basierend darauf verschiedene geeignete Prüfverfahren vorzustellen und zu diskutieren. Dabei wird auf die Eignung für einzelne Schicht-Substrat-Kombinationen ebenso eingegangen wie auf die verfahrenstypischen Besonderheiten und erzielbaren Prüfgenauigkeiten.
2
Schichtsysteme 2.1
Herstellverfahren
Oberflächenbeschichtungen lassen sich nach der Art der Erzeugung in verschiedene Klassen einteilen. Der Schichtwerkstoff wird dabei aus dem Gas- oder Dampfzustand einer flüssigen oder festen Phase oder aus einer Lösung heraus auf dem Substrat abgeschieden. Zu den Beschichtungsverfahren, die den Schichtwerkstoff aus der Dampf- oder Gasphase abscheiden, zählen z. B. das CVD- und das PVD-Verfahren. Unter Verfahren, bei denen Schichten aus Lösungen abgeschieden werden, lassen sich u. A. chemische und galvanische Verfahren einordnen. Zu den Beschichtungsverfahren aus teigigem oder flüssigem Schichtwerkstoff zählen das Tauchbeschichten, das thermische Spritzen sowie das Auftraglöten und -schweißen. Wird mittels Kaltspritzen oder Plattieren beschichtet, so liegt der Schichtwerkstoff ursprünglich in fester Form vor.
324
Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
Als Grundmaterial (Substrat) werden neben Keramiken und Kunststoffen vorwiegend metallische Werkstoffe, wie z. B. Gusseisen, Stähle, Titan, Nickelwerkstoffe oder Leichtmetalle, eingesetzt. Schichtverbundwerkstoffe werden mit dem Ziel entwickelt, eine Aufgabentrennung zwischen Grundwerkstoff und Beschichtung zu realisieren. Auf Grund ihrer geringen Schichtdicke sind thermisch gespritzte Schichten im Allgemeinen nicht selbsttragend, sondern übernehmen als Funktionsflächen den Schutz des Bauteils gegen Korrosion, Verschleiß oder thermische Belastung, während die Last tragende Struktur, das Substrat des Bauteils, aus einem preisgünstigeren geeigneten Standardwerkstoff gefertigt sein kann [1, 2].
2.2
Schichteigenschaften
Bei der Bewertung von Schichtzuständen und -eigenschaften im Rahmen einer Qualitätsbewertung gewinnt die zerstörungsfreie Prüfung zunehmend an Bedeutung. Man unterscheidet grundsätzlich die Bestimmung und Charakterisierung von Schichteigenschaften einerseits sowie die Prüfung von Beschichtungen auf Fehlstellen innerhalb der Schicht und zwischen Schicht und Substrat andererseits. Schichten im Schichtdickenbereich von 0,001 bis 0,1 mm werden im Allgemeinen aus der Gas- bzw. Dampfphase abgeschieden, z. B. unter Anwendung des PVD- oder CVD-Verfahrens (Physical bzw. Chemical Vapour Deposition), wobei CVD-Schichten mit 0,01 bis 0,1 mm im Mittel etwas dicker sind als PVD-Schichten. Galvanisch hergestellte Schichten, oftmals auf Nickel-, Titan- oder Chrombasis, z. B. Neutronenabsorber mit Ni-B4C-Beschichtungen auf Reaktorstählen, findet man vorwiegend im Schichtdickenbereich von 0,01 bis 5 mm, thermisch gespritzte Schichten liegen im Schichtdickenbereich von 0,1 bis 1 mm. Größere Schichtdicken werden mit dem Walzplattieren sowie mit dem Auftraglöten und -schweißen erzielt, hier liegen die mittleren Schichtdicken etwa im Bereich von 2 bis 20 mm. Zunächst wird eine grobe Einteilung hinsichtlich der Typisierung von Eigenschaften gegeben, diese unterscheidet mechanische, elektromagnetische und chemische Schichteigenschaften (Tab. 1). Tab. 1 Typisierung relevanter Schichteigenschaften
Mechanische Eigenschaften
Physikalische Eigenschaften
Chemische Eigenschaften
Haftfestigkeit Härteeigenschaften Schichtdicke, Schichtgewicht Eigenspannungszustand Gefügestruktur Tribologische Eigenschaften Abriebfestigkeit Duktilität Porosität
Wärmeleitfähigkeit elektrische Leitfähigkeit magnetische Eigenschaften akustische Eigenschaften
chemische Zusammensetzung Korrosionsverhalten Brandverhalten Erosions-Standzeit
3 Verfahren zur Ermittlung der Schichtdicke
2.3
Prüfplanung
Oxidkeramikschichten verhalten sich wie elektrische Isolatoren. Der spezifische elektrische Widerstand von Oxidkeramik liegt bei Raumtemperatur im Allgemeinen im Bereich von 107 bis 1015 Xm und nimmt zu hohen Temperaturen hin stark ab. Der spezifische elektrische Widerstand metallischer Werkstoffe hingegen liegt im Bereich von 10–5 bis 10–7 Xm und bei einer nur geringen Temperaturabhängigkeit in einer ganz anderen Größenordnung. Daher lassen sich insbesondere Prüfverfahren einsetzen, die Schichteigenschaften anhand der unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften von Schicht und Substrat sowie von Schichtfehler und Substratfehler ermitteln. Die zerstörungsfreie Bestimmung charakteristischer Schichteigenschaften greift auf eine breite Palette von Prüfverfahren zu, die je nach gesuchter Eigenschaft aufgrund ihrer verfahrensspezifischen Vorteile zum Einsatz kommen können. Gemäß den Vereinbarungen der VDI-Richtlinie 3824, Blatt 2, 3 und 4, unterscheidet man folgende Prüfzeitpunkte [3]: · Die Eingangsprüfung vermeidet das Einschleusen nicht beschichtungsbereiter Halbzeuge in den Beschichtungsprozess (nach VDI-Richtlinie 3824, Blatt 2). · Durch Zwischenprüfungen in der Produktionslinie wird eine frühe Erkennung von Qualitätsmängeln und somit die Weiterverarbeitung nur fehlerfreier Teile sichergestellt (nach VDI-Richtlinie 3824, Blatt 3). · Mit der Endprüfung fertiger Produkte ist gewährleistet, dass nur als fehlerfrei eingestufte Bauteile den Beschichtungsprozess verlassen und zum Einsatz kommen (nach VDI-Richtlinie 3824, Blatt 4). Zu Beginn jedes Prüfzeitpunktes steht meist eine Sichtprüfung der Halbzeuge bzw. Bauteile mit bloßem Auge oder mit optischen Hilfsmitteln (z. B. Lichtmikroskop). Bei dieser Prüfung, die im Allgemeinen als Stichprobenuntersuchung, seltener als 100%-Prüfung erfolgt, wird vorrangig auf Fehlstellen und auf Beschädigungen im Funktionsbereich zwischen Werkzeug und Halbzeug/Bauteil geachtet, insbesondere auf: · beschichtungsgerechten Zustand · Beschädigungen der Schicht, ungenügende Reinigung · unbeschichtete Stellen, Abplatzungen, ungleichmäßige Schichtfarbe.
3
Verfahren zur Ermittlung der Schichtdicke
Schichtdicken in Ein- oder Mehrschichtsystemen lassen sich auf vielfältige Art und Weise ermitteln. Die Normen DIN EN ISO 2064, ISO 1463 und ISO 3882 enthalten allgemeine Festlegungen hierzu [4–6]. Eine Zusammenstellung der gebräuchlichsten Verfahren mit einer Abschätzung der jeweiligen Vor- und Nachteile wird im nächsten Abschnitt aufgezeigt (siehe hierzu auch Tab. 2).
325
Schichtdickenmessung Schichtdickenmessung Schichtdickenmessung Schichtdickenmessung Schichtdickenmessung Delaminationen/ Schichtablösungen
Schichtdickenmessung Schichtdickenmessung Schichtdickenmessung
Schichtdickenmessung Eigenspannungen
Geometrische Bauteilvermessung Gravimetrie
Schallemissionsanalyse Ultraschall-ImpulsEcho-Verfahren Ultraschall-ImpulsEcho-Verfahren
magnetinduktive Messverfahren Wirbelstromverfahren Röntgenfluoreszenzverfahren
Beta-Rückstreuverfahren Röntgendiffraktometrie
N, E, F
N, E, F N, E, F
N, E, F N, E, F
N, E, F; Differenz der Ordnungszahlen mindestens 20% N, E, F N, E, F
F
N, E
N, E, F; Differenz der Schallgeschwindigkeiten mindestens 20% N, E, F N, E, F
N, E, F
F
N, E, F
N, E, F N, E
N, E, F
Substrat
N, E, F
Schicht
N – nicht metallisch, E – elektrisch leitfähig, F – ferromagnetisch
Haftkraftverfahren
Anwendung
Verfahren
Tab. 2 Verfahrensvergleich zur Schichtbewertung mit zerstörungsfreien Prüfverfahren
DIN 50981, DIN EN ISO 2178 DIN 50984, DIN EN ISO 2360 DIN 50987, DIN EN ISO 3497 DIN 50977 DIN 50983, DIN EN ISO 3543
DIN 50988-2, ISO 4524-1 DIN 50981, DIN EN ISO 2178
Norm
1% . . . 10%
im Mittel 3%
0,1 . . . 200 lm
0,2 . . . 800 lm Eigenspannungen in Schichten ab ca. 2 lm Dicke
5.2
Ablösungsdurchmesser ab ca. 2 mm 10% des Messwertes lm-Bereich
Schichtdicken von 100 lm bis einige mm 2 lm . . . mehrere cm 1 lm . . . ca. 5 mm
4.
3.8
3.7
3.6
3.5
3.4
3.4
3.3
3.2
3.1
Kap.
> 0,5 mm
<10% zwischen 20 . . . 70 lm ca. 100 lm
1 lm
ab etwa 1 lm nicht geeignet f. dünne Schichten
Genauigkeit
Messbereich
326
Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
Oberflächenfehler
Delaminationen/ Schichtablösungen
oberflächennahe Schichtfehler Schichthaftung
Farbeindringverfahren
Impuls- bzw. Lockin-Thermographie
Wirbelstromverfahren Wirbelstromverfahren
N, E, F; (r ´ lrel) N, E, F; (r ´ lrel)
N, E, F
N, E, F
Substrat
Verhältnis der Produkte > 1,5 Verhältnis der Produkte > 1,5
N, E, F bei geschlossenporiger oder glatter Ofl. N, E, F
Schicht
N – nichtmetallisch, E – elektrisch leitfähig, F – ferromagnetisch
Anwendung
Verfahren
Tab. 2 (Fortsetzung)
DIN EN ISO 21968 DIN EN ISO 21968
DIN EN571-1
Norm
Fehlertiefen bis ca. 5 mm Trennungen rechtwinklig zur Ausbreitungsrichtung der Wirbelströme
Schichtdicken bis einige mm
Fehler mit Oberflächenkontakt
Messbereich
Ablösungsdurchmesser ab ca. 50 lm 2% der Schichtdicke, mind. 5 lm Trennungen im lm-Durchmesserbereich
Fehlerbreiten ab ca. 0,1 mm
Genauigkeit
5.5
5.4.2
5.3
5.1
Kap.
3 Verfahren zur Ermittlung der Schichtdicke 327
328
Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
3.1
Geometrische Bauteilvermessung
Ein einfaches mechanisches Messverfahren zur Schichtdickenmessung stellt die geometrische Bauteilvermessung dar. Auf ein geometrisch bekanntes Substrat wird in Teilschritten eine Beschichtung aufgebracht. Nach jedem Teilschritt wird das Gesamtbauteil erneut vermessen und die lokale oder mittlere Gesamtschichtdicke durch Subtraktion ermittelt. Von Nachteil ist hier die Unterbrechung des Beschichtungsprozesses nach jeder Teilbeschichtung, die mit unproduktiven Ausfallzeiten verbunden ist, sowie die thermische Ausdehnung des Bauteils unter Prozessbedingungen, welche bei der Schichtvermessung zu berücksichtigen ist. Eine weitere Variante der geometrischen Bauteilvermessung ist die ein- bzw. beidseitige, berührungslose optische geometrische Vermessung mittels laserbasierter Messverfahren. Diese sind allerdings durch variierende Oberflächenrauheiten, Vibrationen von Bauteil und Sensorbefestigung, Bauteilunrundheiten bzw. -unebenheiten, Unwuchten auf Grund ungenügender Einspannung oder Zentrierung sowie durch temperaturbedingte Bauteilausdehnung in der Praxis in ihrer OnlineAnwendbarkeit stark eingeschränkt. 3.2
Differenzgewichtsbestimmung vor und nach der Beschichtung
Bei den gravimetrischen Verfahren (DIN 50988-2, ISO 4524 Teil 1) wird von einer Probe der Schichtwerkstoff auf einer definierten Fläche vom Grundwerkstoff abgelöst und die entstehende Massendifferenz durch Wägen der Probe vor und nach der Ablösung bestimmt [7, 8]. Aus der Gewichtsdifferenz und der Fläche des Ablösebereiches wird mit Hilfe der Dichte die mittlere Schichtdicke berechnet. Eine weitere Möglichkeit ist das Ermitteln des Bauteilgewichts vor und nach dem Beschichten. Durch Bestimmung der Gewichtsdifferenz erhält man das Schichtgewicht und über deren mittlere Dichte die mittlere Schichtdicke. Die bestimmbare Schichtdicke und ihre Genauigkeit hängen von der abgelösten Masse, der Genauigkeit der Flächenbestimmung und der Genauigkeit der Wägung ab. Da gravimetrisch nur relativ große Massen mit genügender Genauigkeit bestimmt werden können, eignet sich das Verfahren nicht zur exakten Schichtdickenbestimmung von dünnen Beschichtungen auf schweren Bauteilen. 3.3
Schichtdickenbestimmung nach dem Haftkraftverfahren
Zur zerstörungsfreien Schichtdickenmessung, z. B. an keramischen Beschichtungen auf ferromagnetischen Substraten, wird die Haftkraftprüfung nach DIN 50981/DIN EN ISO 2178 eingesetzt. Dabei wird eine Federwaage mit einem daran befestigten Dauermagneten oder ein Waagebalken verwendet, der an einem
3 Verfahren zur Ermittlung der Schichtdicke
Abb. 1 Schichtdickenbestimmung mit dem Haftkraftverfahren
Balkenende einen Permanentmagneten trägt [9]. Der Magnet lagert jeweils auf der Oberfläche des beschichteten Prüfteils. Aus der benötigten Abreißkraft für das beschichtete und unbeschichtete Bauteil wird die Schichtdicke ermittelt. Das Verfahren ist in Abhängigkeit von der Werkstoffkombination Schicht/Substrat zu kalibrieren (Abb. 1). Das Haftkraftverfahren besitzt eine hohe Empfindlichkeit und erreicht bei Schichtdicken zwischen 20 lm und 70 lm Genauigkeiten von < 10%. Für dünne Schichten unterhalb von 15 lm Dicke wird eine konstante Messunsicherheit von 1,5 lm angenommen. Daher ist es zur Messung von dünnen Schichten auf ferromagnetischen Substraten gut geeignet, die Dicke der Diffusionszone ist mit diesem Verfahren hingegen nicht bestimmbar [10]. 3.4
Schichtdickenbestimmung mit akustischen Verfahren
Die akustischen Verfahren, zu denen die Ultraschallprüfung und auch die Schallemissionsanalyse zählen, sind prinzipiell als für die Schichtdickenmessung geeignete Verfahren anzusehen. Die Schallemissionsanalyse mit aktiver Bauteilanregung durch eine Stahlkugel wurde bereits von [11] offline an durch thermisches Spritzen beschichteten metallischen Bauteilen durchgeführt. Dabei werden die nach Aufprall einer Prüfkugel am Bauteil registrierten Schwingungssignale in den Frequenzbereich überführt und nach ihren Hauptamplituden im betrachteten Spektralbereich (ca. 1 bis 10 kHz) ausgewertet. Aus der Frequenzlage und der Amplitude des Impulses mit der niedrigsten auftretenden Frequenz im untersuchten Spektralbereich wird auf die lokale Schichtdicke geschlossen. Im Offline-Einsatz wird mit diesem Verfahren bislang eine Messgenauigkeit von etwa 100 lm erreicht [11].
329
330
Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
Ein geeignetes Ultraschallverfahren zur Vermessung dicker Schichten ist das Impuls-Echo-Verfahren (Abb. 2). Dabei wird der physikalische Effekt ausgenutzt, dass Ultraschallsignale an Materialgrenzen z. T. reflektiert werden. Genau dies geschieht an der Grenzfläche zur Schicht sowie zwischen Schicht und Substrat. Anhand der Laufzeiten, welche zwischen den Echos an den Grenzflächen (GE) und an der Bauteilrückwand (RE) messbar sind, lässt sich mit Hilfe der (bekannten) Schallgeschwindigkeit die Schichtdicke errechnen (Abb. 2, 3). Zur Dickenbestim-
Abb. 2 Ultraschall-Impuls-Echo-Verfahren – Messprinzip
Abb. 3 Schichtdickenbestimmung mit dem Ultraschall-Impuls-Echo-Verfahren
3 Verfahren zur Ermittlung der Schichtdicke
mung an thermisch gespritzten Schichten sind dem Verfahren jedoch Grenzen gesetzt. Die Schichtdicken im Bereich von 100 lm erfordern sehr hochfrequente Ultraschallsignale. Diese unterliegen einer starken Dämpfung und werden in porösen und z. T. inhomogenen Materialien wie den Spritzschichten stark gestreut. Darüber hinaus ist eine Ankopplung der Ultraschallsensoren über ein Koppelmedium wie Öl oder Wasser erforderlich. Dieses kann bei Schichtnachbehandlungen, z. B. beim Versiegeln, oder beim Auftragen weiterer Schichten von Nachteil sein. Das Impuls-Echo-Verfahren lässt unter optimalen Randbedingungen – geringe Oberflächenrauheit und Porosität – eine Schichtdickenmessung ab einer Dicke von 0,5 . . . 1 mm zu. 3.5
Schichtdickenbestimmung mit magnetinduktiven Messverfahren
Bei der magnetinduktiven Schichtdickenmessung nach DIN 50981/DIN EN ISO 2178 wird mit Hilfe eines Joches und des zu prüfenden Bauteils ein magnetischer Kreis aufgebaut [9]. Der magnetische Fluss kann dabei durch einen Permanent- oder einen Elektromagneten erzeugt werden. Er verläuft ungehemmt im magnetischen Kreis, bestehend aus einem ferromagnetischen Joch und dem ebenfalls ferromagnetischen Substratwerkstoff. Beim Vorhandensein einer nicht ferromagnetischen Deckschicht ist der ferromagnetische Kreis im Bereich der Schicht unterbrochen und der magnetische Fluss wird entsprechend der Schichtdicke stark geschwächt. Der magnetische Widerstand einer solchen Anordnung kann näherungsweise bestimmt werden durch die Addition der magnetischen Einzelwiderstände des Joches, des Substratwerkstoffes und der Deckschicht, entsprechend dem Ohmschen Gesetz für den Magnetismus. Messtechnisch besonders geeignet zur Bestimmung von Änderungen des magnetischen Flusses durch ein Joch ist wiederum die Änderung der Induktivität einer Spule. Bei der technischen Realisierung der Messsonden wird ein magnetischer Kreis nach dem transformatorischen Prinzip aufgebaut. Eine Primärwicklung induziert einen niederfrequenten magnetischen Fluss im Joch, welcher durch eine Sekundärwicklung geführt wird. Die Induktionsänderung der Sekundärspule ist mittels Brückenschaltungen oder über die Verstimmung von Schwingkreisen mit hoher Empfindlichkeit messbar. Die verwendeten Prüffrequenzen betragen zwischen 10 bis 100 Hz, um frequenzabhängig auftretende Wirbelstromverluste zu minimieren. Auf diese Weise lassen sich Schichtdicken von 2 lm bis zu mehreren cm mit einer Genauigkeit von im Mittel 10% des Messwertes bestimmen. Einen möglichen Sonderfall stellt nach DIN EN ISO 2178 die Schichtdickenbestimmung von Nickelschichten auf Stahlsubstraten dar, wenn sich die magnetischen Permeabilitäten von Schicht- und Grundwerkstoff hinreichend unterscheiden und innerhalb der zu prüfenden Charge nicht zu stark ändern (Abb. 4).
331
332
Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
Abb. 4 Schichtdickenbestimmung mit magnetinduktiven Messverfahren
3.6
Schichtdickenbestimmung nach dem Wirbelstromverfahren
Zu den elektromagnetischen Prüfverfahren zählt neben dem magnetinduktiven Prüfverfahren auch das Wirbelstromprüfverfahren nach DIN 50984/DIN EN ISO 2360. Die Wirbelstromprüfung basiert auf dem Nachweis von Änderungen der physikalischen Werkstoffeigenschaften mit Hilfe eines magnetischen Wechselfeldes [12]. Dieses wird durch eine von einem Wechselstrom durchflossene Spule generiert, in deren Wirkbereich sich der zu prüfende Werkstoff bzw. der Prüfkörper befindet. Vorteilhaft ist hierbei, dass dieser Prüfkörper nicht ferromagnetisch sein muss, sondern eine elektrische Leitfähigkeit des Substrates oder der Beschichtung bereits hinreichend ist. Abhängig von der magnetischen Permeabilität lrel, der elektrischen Leitfähigkeit und der Geometrie des Werkstücks sowie der Spulenanordnung am Werkstück bilden sich Wirbelströme aus und werden Magnetisierungsvorgänge im Material generiert, die zur Entstehung eines magnetischen Sekundärfeldes führen, das dem Primärfeld entgegen gerichtet ist. Dabei kann die Verstimmung der Spule auf Grund der Änderung der komplexen Induktivität durch das Werkstück direkt an der Senderspule gemessen werden. Üblicherweise wird jedoch eine von der Erregerspule getrennte Empfängerspule genutzt, um größere Feldstärken einerseits und empfindlichere Messsignale andererseits zu realisieren (Abb. 5). Es sind bei der Anwendung elektromagnetischer Prüfverfahren zur Schichtanalyse an beschichteten Bauteilen drei grundlegende Fälle zu unterscheiden:
3 Verfahren zur Ermittlung der Schichtdicke
leitfa¨higes Substrat
Sekunda¨rfeld
Abb. 5 Schichtdickenbestimmung mit dem Wirbelstromverfahren
· elektrisch nicht leitfähige Schicht auf elektrisch leitfähigem Substrat · elektrisch leitfähige Schicht auf elektrisch nicht leitfähigem Substrat · elektrisch leitfähige Schicht auf elektrisch leitfähigem Substrat Bei der Messung elektrisch nicht leitender Schichten auf elektrisch leitendem Substrat mittels Wirbelstromprüfung wird die Größe des resultierenden magnetischen Flusses durch eine Spule im Wesentlichen bestimmt vom Abstand zwischen der Spule und der Werkstückoberfläche (Abstands- oder Lift-off-Effekt). Die Veränderung der Induktivität der Spule bei der Annäherung an das Werkstück führt zu einer Änderung des Arbeitspunktes in der Impedanzebene und kann anhand dieser Änderung beschrieben werden (Abb. 5). Wird eine elektrisch leitfähige Schicht auf einem nicht leitenden Substrat untersucht, so zeigt sich aufgrund des mit der Schichtdicke ansteigenden Wechselwirkvolumens ein Anstieg der Amplitude des Wirbelstromsignals. Dieser Effekt kann nach erfolgter Kalibrierung des Messsystems zur quantitativen Schichtdickenbestimmung herangezogen werden. Eine weitere Einflussgröße bei der Bestimmung von Schichteigenschaften ist gegeben, wenn Schicht und/oder Substrat eine magnetische Permeabilität, d. h. ferromagnetische Eigenschaften aufweisen. Bei einer elektrisch leitfähigen und magnetisch permeablen Schicht auf einem elektrisch leitfähigen und magnetisch
333
334
Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
Abb. 6 Bewertung von Beschichtungen mit der Harmonischen Analyse von Wirbelstromsignalen
permeablen Grundwerkstoff erfahren die Wirbelstromfelder aufgrund der unterschiedlichen Leitfähigkeiten und Permeabilitäten der Werkstoffe einen deutlichen Phasenunterschied bei der Induktion im Werkstoff (vgl. die Abstandsortskurven von St-Werkstoffen in Abb. 5). Daher ordnet man die Schichtdicke der unterschiedlichen Phasenlage der einzelnen Abstandsortskurven zu, sofern sich die Leitfähigkeiten und Permeabilitäten beider Werkstoffe ausreichend unterscheiden. Im Fall mehrlagiger Schichtsysteme lassen sich die Feldverhältnisse unterhalb der Spule jedoch nicht vereinfacht beschreiben. Insbesondere beim Vorhandensein unterschiedlicher elektrischer Leitfähigkeiten und Permeabilitätszahlen in den Schichten und dem Substratwerkstoff weicht die Verteilung der Wirbelströme erheblich von denen in elektromagnetisch homogenen Werkstoffen ab. Eine moderne Variante dieses Verfahrens zur Erfassung und Analyse von elektrischen Leitfähigkeiten und magnetischen Permeabilitäten ist die HarmonischenAnalyse von Wirbelstromsignalen. Sie bietet in Mehrparameteranwendung Möglichkeiten zur Analyse und Bewertung von Vielschichtsystemen in Abhängigkeit der Eindringtiefe und damit der Schichtdicke (Abb. 6). In der praktischen Anwendung können mit diesem Verfahren zum einen nicht metallische, zum anderen metallische Beschichtungen auf metallischen Substraten vermessen werden (Abb. 7). Bei der Beurteilung von Korrosionsschutzschichten auf Turbinenschaufeln von Flugzeugtriebwerken ermöglicht der Einsatz dieses
3 Verfahren zur Ermittlung der Schichtdicke
Abb. 7 Schichtdickenbestimmung leitfähiger Schichten auf leitfähigem Grundwerkstoff mit Wirbelstromtechniken
Abb. 8 Analyse und Bewertung von Beschichtungen auf Turbinenschaufeln
Verfahrens sowohl eine Aussage über die Qualität einer Neubeschichtung zu treffen als auch den Schichtzustand der Schaufeloberfläche nach dem Einsatz zu überwachen. Hierzu wird über die unterschiedlichen elektrischen Leitfähigkeiten ortsabhängig die Dicke von Aufbau- und Diffusionsschicht vermessen. Dabei erreicht das Verfahren eine Messgenauigkeit im lm-Bereich (Abb. 8).
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Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
Abb. 9 Schichtanalyse mit dem Röntgenfluoreszenzverfahren
3.7
Schichtdickenanalyse mit dem Röntgenfluoreszenzverfahren
Beim Röntgenfluoreszenz-Verfahren nach DIN 50987/ISO 3497 wird das zu prüfende Teil mit Röntgenstrahlen bestrahlt, wobei eine Fluoreszenzstrahlung mit einem Linienspektrum entsteht, das in seinen Energien eine Funktion der Ordnungszahlen der Elemente ist [13, 14]. Die Intensität der Fluoreszenzstrahlung hängt von der Messfläche, der Intensität und Energie der anregenden Strahlung, den Ordnungszahlen des Schicht- und des Grundwerkstoffes, der Dichte des Schichtwerkstoffes und der Schichtdicke ab. Die Intensität ist ein Maß für die flächenbezogene Masse und, bei bekannter Dichte, für die Schichtdicke. Zum Messen der Fluoreszenzstrahlung werden Messeinrichtungen eingesetzt, die selektiv beide oder eine der beiden Strahlungen (Schicht- oder Grundwerkstoff) empfangen können (Abb. 9). Die Dickenmessung kann dabei nach dem Emissionsverfahren, dem Absorptionsverfahren oder kombiniert nach dem Intensitätsverhältnis durchgeführt werden. Bei geeigneter Messsignalanalyse können Ein-, Zwei- oder Dreifachschichten sowie binäre und ternäre Legierungsschichten gemessen werden. Die Messunsicherheit liegt im Allgemeinen zwischen 1% und 10%. Je nach Werkstoffkombination können Schichten von 0,1 bis etwa 200 lm gemessen werden. Für berührungslose und kontinuierliche Messungen gilt DIN 50977 [15]. 3.8
Schichtdickenanalyse mit dem Beta-Rückstreuverfahren
Das Beta-Rückstreuverfahren dient zur zerstörungsfreien Messung von metallischen und nicht metallischen Schichten auf Metallen und Nichtmetallen, sofern
4 Eigenspannungen in Schichtsystemen
Abb. 10 Schichtanalyse mit dem Beta-Rückstreuverfahren – Arbeitsprinzip
der Ordnungszahlunterschied zwischen Schicht und Substrat hinreichend groß ist, d. h. mindestens in der Größenordnung von 20% liegt. Dieses Verfahren ist nach DIN EN ISO 3543 (ehemals nach DIN 50983) genormt [16], dort findet sich auch eine Tabelle mit typischen Ordnungszahlen häufig verwendeter Substrat- und Schichtwerkstoffe. Aus einer radioaktiven Quelle wird Elektronenstrahlung (Beta-Strahlung) auf die zu prüfende Oberfläche gerichtet. Anhand der Intensität des von dem Bauteil zurückgestreuten Elektronenanteils, der mit einem Teilchendetektor erfassten Rückstreurate, ergibt sich ein Maß für die flächenbezogene Masse der Schicht und somit für die Schichtdicke des Bauteils, sofern die genaue Zusammensetzung sowie die Dichte von Schicht und Substrat bekannt sind (Abb. 10). Das Verfahren benötigt eine wenige mm2 große, ebene Schichtoberfläche, bei ausschließlich gekrümmten oder schlecht von außen zugänglichen Schichtoberflächen ist es nur eingeschränkt einsetzbar. Es lassen sich Schichtdicken von 0,2 lm bis ca. 800 lm bei einer mittleren Genauigkeit von etwa 3% bestimmen. In der praktischen Anwendung werden ausschließlich Einschichtsysteme untersucht [13, 17]. 4
Eigenspannungen in Schichtsystemen
Eigenspannungen sind mehrachsige elastische Spannungen, die ohne äußere Kräfte und Momente existieren und sich im mechanischen Gleichgewicht befinden [13]. Sie können makroskopische, mikroskopische oder submikroskopische Ausdehnung annehmen und werden danach in die Klassen I (homogen über größere Werkstoffbereiche), II (homogen über Kornbereiche bzw. ein Korn) oder III (homogen über Atomabstände) eingeteilt. Röntgenographische Bestimmung von Eigenspannungen – Röntgendiffraktometrie Bei diesem Analyseverfahren wird eine Schichtoberfläche mit Röntgenstrahlung bestrahlt, die in die Schicht eindringt und vom Schichtwerkstoff gestreut und teil-
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Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
Abb. 11 Ermittlung von Eigenspannungen in Schichtsystemen mit dem Röntgenbeugungsverfahren
Abb. 12 Vierkreis-Diffraktometer
weise wieder abgestrahlt wird. Dabei kommt es je nach Bestrahlungs- und Detektorwinkel zur Ausbildung von Interferenzen durch die aus verschiedenen Schichttiefen abgestrahlte Streustrahlung, mit Hilfe der Röntgendiffraktometrie wird die elastische Gitterdehnung entlang des Beugungsvektors gemessen (Abb. 11). Aus der Auswertung der Interferenzlinienmuster lässt sich ein vereinfachter zweiachsiger Spannungszustand berechnen, der über die vorhandene Schichtdicke bis zur Eindringtiefe der Primärstrahlung als konstant angenommen wird. Sind in Tiefenrichtung Spannungsgradienten vorhanden, kann man anhand der Primärstrahlungsintensität die Eindringtiefe variieren oder durch schrittweisen Schichtabtrag die analysierte Spannung über die jeweilige Eindringtiefe ermitteln. Da zur Eigenspannungsermittlung Einstrahlwinkel und Detektionswinkel variiert werden, wird in der Röntgenbeugungsanalyse eine mehrachsige Drehkippvor-
5 Nachweis von Fehlstellen in der Beschichtung
richtung verwendet, das Vierkreis-Diffraktometer (Abb. 12). Damit ist die Probe in der Richtung der genannten Winkel schwenkbar, so dass die Hauptspannungsrichtungen über Variation dieser Winkel ermittelt werden können.
5
Nachweis von Fehlstellen in der Beschichtung
In der Klassifikation von Schichtfehlern werden Oberflächenfehler, oberflächennahe und Innenfehler unterschieden. Neben diesen Schichtfehlern im engeren Sinne und einer ungleichmäßigen Ausbildung der Schichtdicke (siehe Kap. 3) kommt es bei der Schichtherstellung und -bearbeitung zu fehlerhaften Anbindungen der Schicht an das Substrat oder zu ungleichmäßigen Verteilungen verschiedener Schichtbestandteile innerhalb der Schicht. 5.1
Nachweis offener Fehler in Beschichtungen – Farbeindringverfahren
Mit dem Farbeindringverfahren können nur Oberflächenfehler, wie offene Risse, Poren, Falten, Überlappungen und offene Bindefehler in Beschichtungen, detektiert werden. Der Anwendungsbereich hinsichtlich der Fehlerart entspricht damit dem einer visuellen Prüfung, die mögliche Fehlerauflösung ist jedoch erheblich größer. Außerdem können die Befunde photographisch dokumentiert werden. Es können grundsätzlich alle Arten von Beschichtungen geprüft werden, jedoch beschränkt sich die praktische Anwendung des Verfahrens auf nicht poröse Oberflächen. Die beiden Grundvoraussetzungen für die Anwendbarkeit des Farbeindringverfahrens sind: · Der Fehler muss von der Oberfläche ausgehen und frei von Rückständen sein. · Der Beschichtungswerkstoff muss mit dem Prüfmittel verträglich sein. Das Prinzip der Farbeindringprüfung lässt sich anschaulich an Hand des Prüfvorganges beschreiben. Dieser läuft in folgenden Stufen ab: 1. Reinigung der Schichtoberfläche und Trocknung 2. Aufbringen und Eindringen des kontrastreichen Eindringmittels in Oberflächenfehler (Kapillarwirkung) 3. Zwischenreinigung der Schichtoberfläche von überschüssigem Eindringmittel 4. Trocknungsvorgang 5. Aufbringen des Entwicklers, Entwicklungsvorgang 6. Inspektion der Schichtoberfläche, Fehlerdetektion 7. Nachreinigung im Falle der Reparatur/weiteren Verwendung Das Verfahren ist recht zeitaufwändig, es lassen sich Fehler mit Oberflächenkontakt detektieren, die mit unbewaffnetem Auge nicht sichtbar sind. Die Prüfmittelsysteme sind nach DIN EN 571-1 genormt [18].
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Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
5.2
Nachweis von Schichtablösungen/Delaminationen – Ultraschallverfahren
Eine wichtige Anforderung an Beschichtungen ist die feste Verbindung der Schicht mit dem Grundwerkstoff. Dabei ist eine ausreichende Haftfestigkeit zu gewährleisten und sind Schichtablösungen zu vermeiden. Unzulänglichkeiten im Beschichtungsprozess, z. B. durch verschmutzte oder nicht aktivierte Oberflächen sind in der Regel auszuschließen, können aber beim Auftreten zu einer verminderten Haftung oder Nichthaftung der Schicht auf dem Grundwerkstoff führen. Bei hochwertigen, hochbelasteten Bauteilen wird daher im Rahmen der Qualitätssicherung eine zerstörungsfreie Prüfung der Schicht auf Haftung bzw. Verbindung zum Grundwerkstoff gefordert. Die zerstörungsfreie Prüftechnik hat dabei basierend auf einem eindeutigen Messeffekt eine Aussage über Haftung oder Nichthaftung zu liefern [19]. Aufgrund einer veränderten Schallschwächung oder Schallreflexion an der Trennfläche zwischen Schicht und Substrat können diese Schichtablösungen zuverlässig mit Hilfe der Ultraschalltechnik nachgewiesen werden, sofern die Ablösungen nicht mit Flächen kleiner als 1 mm2 auftreten. Abb. 13 zeigt die Detektion von Ablösungen einer etwa 1 mm dicken galvanisch aufgetragenen Nickelschicht mit eingelagerten Borkarbidpartikeln auf einer austenitischen Grundplatte (Werkstoff Nr. 1.4301) für eine Anwendung in der Nukleartechnik. Sicher erfasst wurden Ablösungen im Durchmesserbereich von 2 bis 20 mm. An dünnen Schichten kommt vorzugsweise ein Hochfrequenz- (HF-) Prüfkopf mit Vorlaufstrecke, Prüffrequenz 20 bis 50 kHz, oder ein HF-Stabprüfkopf mit balliger Vorlaufstrecke zum Einsatz. In dem in Abb. 14 dargestellten Anwen-
Abb. 13 Nachweis lokaler Schichtablösungen mit dem Ultraschall-Impuls-Echo-Verfahren
5 Nachweis von Fehlstellen in der Beschichtung
Abb. 14 Nachweis von Schichtablösungen in dünnen Schichten mit dem Ultraschall-Impuls-
Echo-Verfahren
dungsbeispiel wurden Ablösungen einer 200 lm dicken Nickelschicht auf Zylinder-Grundkörpern aus dem Werkstoff Nr. 1.0254 (St 37) detektiert. 5.3
Nachweis von Schichtablösungen/Delaminationen – Lock-in-Thermographie
Eine weitere Möglichkeit zum Nachweis von Defekten, wie z. B. Delaminationen, Fehlstellen und Schichtdickenänderungen von Beschichtungen, bietet die Thermographie aufgrund eines sich ändernden Wärmeflusses. Bisher wurde für thermographische Untersuchungen oft die Anregung mit Lichtpulsen verwendet. Die Einbringung von Wärme in Form eines kurzen Impulses kann allerdings zu hohen Temperaturen an der Bauteiloberfläche führen. Einen Ausweg bietet die modulierte Bauteilanregung mittels Lock-in-Thermographie. Dabei wird die Energiezufuhr über einen längeren Zeitraum verteilt und so die thermische Belastung der Bauteiloberfläche verringert. Das Prinzip der Lock-in-Thermographie basiert auf der Erfassung einer Temperaturmodulation, die · entweder auf der Probenoberfläche erzeugt wird und sich von dort als thermische Welle ausbreitet · oder die direkt in der Probe erzeugt wird (innere Anregung z. B. durch Ultraschall-Sonotrode, Mikrowellen oder elektrische Erwärmung) (Abb. 15). Durch äußere Anregung lassen sich Grenzflächen finden, an denen die thermische Welle reflektiert wird. Diese Verfahren reagieren also auf alle Änderungen
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Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
Abb. 15 Nachweis von Schichtdefekten mit thermographischen Verfahren
der thermischen Eigenschaften der Probe [20]. Die innere Anregung reagiert hingegen defektselektiv, d. h. die thermische Welle wird an den Defektstellen selbst erzeugt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Dunkelfeldmethode, die sehr empfindlich auf Bereiche mit erhöhtem mechanischen Verlustwinkel anspricht. Die so induzierte Wärme breitet sich als Welle, die das Raum-Zeit-Verhalten der Temperaturmodulation beschreibt, bis an die Oberfläche des zu untersuchenden Bauteils aus. Als sehr empfindliches Auswerteverfahren hat sich die Bestimmung der Phasenverschiebung zwischen Energiequelle und dem gemessenen thermischen Antwortsignal erwiesen. Erfasst man die Temperaturverteilung während der modulierten Wärmeeinbringung in Form von Pixelgrafiken bildhaft, so ergibt eine bildpunktweise Fourieranalyse die Amplitude und die Phasenverschiebung der thermischen Antwort des Bauteils. Mit diesen beiden Messgrößen kann man unterschiedliche Aussagen treffen: Das Amplitudenbild ist von Inhomogenitäten der optischen Absorption, der infraroten Emission sowie der Verteilung und Anregung abhängig, im Phasenbild haben diese Effekte keinen Einfluss auf das Ergebnis. Zudem erlaubt das Phasenbild Rückschlüsse auf die Defekttiefe, da der Phasenwinkel vom Laufweg der thermischen Welle abhängt. Bei ausreichend hoher Energie-Einkopplung erzielt man eine gute Detektierbarkeit von Schichtablösungen und inneren Kavitäten der Größenordnung 50 lm (Abb. 16).
5 Nachweis von Fehlstellen in der Beschichtung
Abb. 16 Nachweis von Delaminationen der Korrosionsschutzschicht auf Turbinenschaufeln mit
Thermographie
5.4
Nachweis innerer Schichtfehler – Wirbelstromprüfung
Ein wichtiges Einsatzfeld für die Wirbelstromprüfung ist neben der Materialcharakterisierung, hier insbesondere der Schichtdickenanalyse (siehe Kap. 3.6), die Detektion von Oberflächen- und Innenfehlern (z. B. verdeckte Risse, Poren, Delaminationen) in elektrisch leitfähigen, nicht oder leicht ferromagnetischen Beschichtungen auf metallischen und nicht metallischen Substraten. Das Prüfverfahren basiert auf dem Entwurf für eine Standardisierung nach DIN EN ISO 21968 (Normentwurf August 2003, [21]). Auf diesem Gebiet der Fehlerprüfung wird vorzugsweise ein so genannter Differenzsensor eingesetzt, der zwei gegeneinander verschaltete Messspulen besitzt und so einerseits unempfindlich gegenüber Abhebeeffekten ist, andererseits eine hohe Empfindlichkeit gegenüber den genannten Fehlertypen aufweist (Abb. 17). In der DIN EN ISO 21968 ist eine Randbedingung für die Anwendbarkeit des Wirbelstromverfahrens genannt: Gefordert wird dort ein Mindestwert für das Verhältnis der Produkte aus Leitfähigkeit und Permeabilität von Substrat und Schichtwerkstoff, dieser wird in der Norm mit q(r ´ lrel)min = 1,5 angegeben. Für nicht ferromagnetische Werkstoffe gilt dabei lrel = 1, hier ist allein die elektrische Leitfähigkeit von Bedeutung. Ändert sich die elektrische Leitfähigkeit auf Grund einer Werkstofftrennung, so wird damit auch die Wirbelstromausbildung im Bauteil beeinflusst, d. h. die Wirbelstromdichte wird an der Fehlstelle lokal geschwächt. In der Folge ändert sich das resultierende Magnetfeld und damit die komplexe Impedanz der Messspule, was am Prüfgerät durch eine Messwertänderung angezeigt wird (Abb. 17).
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Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
Abb. 17 Nachweis von Fehlstellen in elektrisch leitfähigen Beschichtungen mit Wirbelstromverfahren
Ändern sich die Materialeigenschaften nur schwach, so kann mit der Absolutspule über den Lift-Off-Effekt z. B. eine Materialinhomogenität in der Oberfläche bzw. dicht darunter detektiert werden. Mit einer Differenzspule wird ein Lift-OffEffekt nicht detektiert, da er beide Messspulen gleichermaßen beeinflusst, sich die Effekte mithin aufheben. Allgemein lässt sich die maximal messbare Schichtdicke mit 80% des Wertes für die nach DIN EN ISO 21968 festgelegte Standardeindringtiefe angeben. Für dünne Schichten unterhalb einer Schichtdicke von dgrenz = 25 lm wird in der Norm bei einer einzelnen Messung eine konstante Messunsicherheit von umin = 0,5 lm angegeben [20]. Oberhalb von dgrenz stellt die Messunsicherheit einen Bruchteil von ca. 2% der Schichtdicke dar. Zu Verfälschungen des Messergebnisses kommt es beim Auftreten unbeabsichtigter Abhebe- oder Kanteneffekte im Verlauf der Messung, gleiches gilt analog für Rauigkeiten und Krümmungen in der Schichtoberfläche und/oder an der Grenzfläche Schicht - Substrat. Zwischenschichten sind untersuchbar, wenn Wirbelstromprüfgeräte mit mehreren Frequenzen arbeiten. Oberhalb der Mindestdicke dmin ist eine Zwischenschicht wie ein Substrat zu behandeln. Eine Fehlerprüfung von dicken leitfähigen Schichten sowie des Grundwerkstoffes erfordert größere Eindringtiefen. Hier kommen niederfrequente Wirbelstrom-, Fernfeld-Wirbelstrom- oder Impuls-Wirbelstromtechniken zum Einsatz.
5 Nachweis von Fehlstellen in der Beschichtung
Abb. 18 Fehlernachweis mit Farbeindringverfahren und Wirbelstromprüfung
Im Ergebnisvergleich von Farbeindring- und Wirbelstromprüfung wird die mit dem Wirbelstromverfahren mögliche Detektion verdeckter Schichtschäden, die bei der Farbeindringprüfung verborgen bleiben, deutlich (Abb. 18). 5.5
Bestimmung der Schichthaftung mit elektromagnetischen Prüfverfahren
Elektromagnetische Prüftechniken basieren auf dem schon beschriebenen Messprinzip. Der Prüfkörper, in diesem Fall eine ferromagnetische Nickel-Schicht auf dem ferromagnetischen Grundkörper, wird von einem Prüfsensor mit einem elektromagnetischen Wechselfeld (Primärfeld) beaufschlagt. In Abhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit und magnetischen Permeabilität des Prüfkörpers werden Ummagnetisierungsvorgänge und Wirbelstromverteilungen im Prüfkörper generiert, die über das sich ausbildende Sekundärfeld von einer Messspule erfasst werden. Im vorliegenden Fall ist das Messsignal in Abhängigkeit der ferromagnetischen und elektrischen Eigenschaften der Beschichtung und des Grundkörpers zu betrachten. Eine Trennung von Beschichtung und Grundkörper und der dadurch entstehende Spalt kann zu einer Störung der Wirbelstromverteilung im Prüfkörper und damit zu einer Veränderung des Messsignals führen. Dabei ist es wesentlich, dass der Verlauf der Wirbelströme sich möglichst senkrecht zur Trennfläche ausbildet, was eine spezielle Sensorentwicklung erfordert. Die Grundlagen der Haftungsprüfung mit elektromagnetischen Verfahren werden weiter oben im Kapitel 5.4 beschrieben und sind in wesentlichen Teilen im Normentwurf DIN EN ISO 21968 festgelegt [21].
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Zerstörungsfreie Prüfung und Bewertung von Beschichtungen
6
Zusammenfassung und Ausblick
Zu den bedeutendsten Eigenschaften einer keramischen Bauteilbeschichtung zählen die Schichtdicke, die Einhaltung einer geforderten maximal zulässigen Porosität, das Nichtvorhandensein von Oberflächen- und inneren Rissen oder Poren sowie die Fähigkeit einer Schicht, auf der darunter liegenden Schicht oder dem Substrat zu haften und keine Ablösungen aufzuweisen. Weitere wichtige Kenngrößen zur Qualifizierung einer Beschichtung sind neben den mechanisch-technologischen Materialeigenschaften der Schicht und des Substrates die physikalischen Eigenschaften, wie die elektrische Leitfähigkeit und die magnetische Permeabilität, sowie die thermischen und chemischen Eigenschaften, über die Fehlstellen und Schichteigenschaften indirekt ermittelt werden können. Moderne Verfahren, wie die Impuls- oder die Lock-in-Thermographie, die elektromagnetischen Prüftechniken und Strahlungsverfahren oder auch die akustischen Verfahren, bieten heute ein breites Spektrum an Möglichkeiten, um die genannten Eigenschaften beschichteter Bauteile in ihrer ganzen Bandbreite mit einer ausreichend hohen Prüfschärfe und Aussagesicherheit bei verhältnismäßig geringem Zeit- und Kostenaufwand zerstörungsfrei zu erfassen und somit zu einer Qualitätsbewertung zu kommen. Unter Anwendung dieser Prüftechniken lassen sich mit entsprechendem Prüfaufwand auch Serienprüfungen von einer Stichprobenprüfung bis hin zur 100%-Prüfung beschichteter Bauteile durchführen. Die Steigerung der Effizienz und Genauigkeit der beschriebenen Prüfverfahren bietet nach wie vor ein hohes Entwicklungspotenzial.
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ISO 1463, Metall- und Oxidschichten – Schichtdickenmessung – Mikroskopisches Verfahren 6 DIN EN ISO 3882, Ausgabe: 2003-10 Metallische und andere anorganische Überzüge – Übersicht über Verfahren zur Schichtdickenmessung 7 DIN 50988-2, Ausgabe:1988-04 Messung von Schichtdicken; Bestimmung der flächenbezogenen Masse von Zink- und Zinnschichten auf Eisenwerkstoffen durch Ablösen des Schichtwerkstoffes; Maßanalytische Verfahren 8 ISO 4524-1, Ausgabe: 1985-03 Metallische Überzüge; Prüfmethoden für elektrolytische Überzüge aus Gold und Goldlegie5
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rungen; Teil 1: Bestimmung der Überzugsdicke DIN 50981/DIN EN ISO 2178, Ausgabe: 1995-04 Nichtmagnetische Überzüge auf magnetischen Grundmetallen – Messen der Schichtdicke – Magnetverfahren Tutzschky, G. et al.: Zerstörungsfreie Schichtdickenmessung auf der Grundlage des Haftkraftverfahrens. Neue Hütte 29 (1984), Heft 12, Seite 468–471 Zhidong, X.: Untersuchung thermisch gespritzter Beschichtungen unter Anwendung der akustischen Schlag-Methode, in: Insight, Bd. 41 (1999), Heft 8, S. 517–519, ISSN 0007-1137, 1999 DIN 50984/DIN EN ISO 2360, Ausgabe: 2004-04 Nichtleitende Überzüge auf nichtmagnetischen metallischen Grundwerkstoffen – Messen der Schichtdicke – Wirbelstromverfahren Charakterisierung dünner Schichten, DIN-Fachbericht 39, 1. Auflage 1993, ISSN 0179-275X, Beuth-Verlag Berlin DIN 50987/DIN EN ISO 3497, Ausgabe: 2001-12 Metallische Schichten – Schichtdickenmessung – RöntgenfluoreszenzVerfahren DIN 50977, Ausgabe: 1993-09 Messung von Schichtdicken; Berührungslose Messung der Dicke von Schichten am kontinuierlich bewegten Meßgut
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DIN 50983/DIN EN ISO 3543, Ausgabe: 2001-12 Metallische und nichtmetallische Schichten – Dickenmessung – Betarückstreu-Verfahren Internetauftritt des Fachbereiches Physik der Universität München unter http://www.physik.uni-muenchen.de/ DIN EN 571-1, Ausgabe: 1997-03 Zerstörungsfreie Prüfung – Eindringprüfung – Teil 1: Allgemeine Grundlagen Zerstörungsfreie Prüfungen zur Charakterisierung von NiBSorb-Beschichtungen auf Grundplatten, Arbeitsbericht 12/11/2001 des IW-ZfP, Universität Hannover Dvorak, M.; Rupp, A.; Florin, C.: Zerstörungsfreie Prüfung von thermisch gespritzten Schichten durch Puls-Thermographie, Konferenz-Einzelbericht „2nd United Spray Conference“, 17.–19. 03. 1999, S. 345–349, ISBN 3-87155-653-X, Verlag für Schweißen und verwandte Verfahren, DVS-Verlag, Düsseldorf, 1999 DIN EN ISO 21968 (Normentwurf August 2003), Ausgabe: 2003-08 Nichtmagnetische metallische Überzüge auf metallischen und nichtmetallischen Grundwerkstoffen – Messung der Schichtdicke – Wirbelstromphasenwechselverfahren
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Autorenregister Anselmann, R. 225 Babiak, Z. 131 Beczkowiak, J. 151 Beste, D. 243 Bleck, W. 243 Bobzin, K. 57 Bouaifi, B. 287 Brandt, O. 161 Breidt, D. 95 Cremer, R. 95 Erdle, A. 57 Frank, M. 95 Gebert, A. 287 Heinrich, P. 199 Hilarius, V. 225 Höhle, H.-M. 177 Holländer, U. 277 Krappitz, H. 261 Krömmer, W. 199
Kursawe, M. 225 Laarmann, A. 277 Lemmer, O. 95 Lugschneider, E. 57 Maex, M. 57 Möhwald, K. 277 Nicolaus, M. 35 Olberding, W. 111 Pfaff, G. 225 Prehm, J. 211 Reimche, W. 323 Schäpers, M. 35 Szabo, A. 71 Tillmann W. 1 Vogli, E. 1 Wägner, M. 15 Wenz, T. 131 Zimmermann, H. 177
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Sachregister a Abscheidemechanismus 115 Abscheidungsverfahren 44 Akustisches Verfahren 329 Aluminium-Pseudolegierungen 319 Anlagentechnik 199 Antireflexbeschichtung 230 Auftragschweißen 287 Auftragschweißverfahren 292 Auftragschweißwerkstoffe 308 Außenstromlose Beschichtung 118 Außenstromlose Metallabscheidung 49 b Bandgalvanisieren 123 Bauteilbeschichtung 64 Bauteiloberflächen 2 Beschichtungstechnologien 4 Beschichtungsverfahren 277 Beta-Rückstreuverfahren 336 Bewertung 323 Bio-Technologie 158 Brazecoat-Verfahren 270 Brennstoffe 164 c Chemical Vapour Deposition 40, 57 CVD-Anlagen 73 CVD-Anlagentechnik 73 CVD-Diamant 98, 100 CVD-Diamant-Dünnschichten 95
d Dekapierung 126 Delaminationen 341 Diagnoseverfahren 211 Diagnostik 211 Diamantbeschichtete Werkzeuge 103 Diamantwerkzeuge 95 Differenzgewichtsbestimmung Druckindustrie 194 Druckkammer 199 Dünnschichttechnologie 35 Dünnschichtverfahren 35
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e Effektpigmente 238 Eigenspannungen 337 Einlaufschichten 195 Eisenbasiswerkstoffe 309 Eisenhartlegierungen 313 Elektrode 45 Elektrodenpotenzial 45 Elektrodenreaktion 45 Elektrolyse 47 Elektromagnetisches Prüfverfahren 345 Elektroschlacke Auftragschweißen (RES) 295 Entfetten 126 Enthalpiesondenverfahren 219 Ermittlung der Schichtdicke 325 Ermüdungsfestigkeit 32
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Sachregister
f Faradaysche Gesetze 47 Farbeindringverfahren 339 Fehlstellen 339 Feuerbeschichtungsanlage 251 Flammspritzen 136 g Galvanische Metallabscheidung 51 Galvanoforming 128 Galvanotechnische Beschichtungsverfahren 111 Gasversorgung 199, 203 Geometrische Bauteilvermessung 328 Gestellgalvanisieren 122 Glockengalvanisieren 125 h Haftkraftverfahren 328 Hartlöten 261 Hartstoffbeschichtung 71 Heliumrückgewinnung 205 Hochgeschwindigkeitsflammspritzen 161 Hochleistungsanwendungen 57 Hochleistungs-Dreikathodenplasmabrenner 187 Hochleistungsplasmaspritzsysteme 177 Hochtemperaturanwendungen 67 Hochtemperatur-CVD 71 Hot-Filament-Verfahren 95, 99 HVOF-Brenner 162 i In-flight-Partikeldiagnostik Interferenzfarben 235 Ionenplattieren 38
218
k Kaltgasspritzen 199, 203 Kobalthartlegierungen 317 Kolsterisieren 24 Kombinationsschichten 76 Korrosionsbeständigkeit 21, 26 Korrosionsraten 258
Korrosionsschutz 158 Korrosionsschutzmechanismen 243 Korrosionsschutzwerkstoffe 308 Korrosivitätskategorien 258 Kosmetische Formulierungen 239 l Laserauftragschweißen 305 Laser-Doppler-Anemometrie (LDA) Laser-zwei-Focus-Verfahren 215 Lichtbogenspritzen 131, 140 Lock-in-Thermographie 341 Lotapplikation 278 Lotapplikationsverfahren 281 Löten von Keramik 267 Löten 261 Löttechnik 277
211
m Magnetinduktive Messverfahren 331 Marktsituation 58 Metallische Überzüge 249 Metall-Schutzgas-Verfahren 298 Mikrostrukturierung 128 Moderate TemperaturCVD-Technik 87 n Nichtmetall-Diffusionsverfahren 17 Nichtrostende austenitische Stähle 15 Nickelabscheidung 111 Nickelhartlegierungen 312 Nickellegierungen 310 Niederdruckplasmen 41 o Oberflächenbeanspruchung 2 Oberflächenbehandlungsverfahren 1 Oberflächennachbehandlung 255 Oberflächenschutz 287 Ökonomische Bewertung 9 Online-Prozesskontrolle 220 p Particle-Flux-Imaging (PFI) 220 Particle-Image-Velocimetry 215
Sachregister
Partikeldiagnostik 211 Perlglanzpigmente 234 Phasen-Doppler-Anemometrie (PDA) 214 Physical Vapour Deposition 36 Physical Vapour Deposition 57 Pin-on-Disk-Test 31 Plasma Activated-CVD 71 Plasma/Heißgasdiagnostik 219 Plasmabrenner 183 Plasma-MIG-Verfahren 304 Plasmaspritzen 179 Plasmaunterstützte PA-CVD 89 Plasma-Verfahren (PTA-Verfahren) 300 Prozessparameter 164 Prüfplanung 325 Pulverherstellverfahren 152 PVD-Beschichtung 29 PVD-Verfahren 284 q Qualitätssicherung
256
r Randschichthärteverfahren 17 Randschichthärtung 15 Randschichtmodifikation 6 Reparaturlöten 264 Röntgendiffraktometrie 337 Röntgenfluoreszenzverfahren 336 s Schichtauftrag 6 Schichteigenschaften 324 Schichthaftung 30 Schichtstruktur 42 Schichtsysteme 323 Schichtwerkstoffe 172 Schmelztauchüberzüge 243 Schutzgasschweißverfahren 296 Scratch-Test 31 Si-Alkoxiden 228 Sinterhartmetall 265 SiO2-Flakes 238 Sol-Gel Chemie 225
Sol-Gel Prozesse 225 Spritzwerkstoffe 151 Spritzzusatzwerkstoffe 151 Sputtern 38 Stromdichteverteilung 117 Stückkosten 12 t Tampongalvanisieren 125 Thermische Spritztechnik 131 Triplex II 177, 191 Triplex 187 Trommelgalvanisieren 120 u Überspannnung 48 Ultraschallverfahren 340 Unterpulver-Auftragschweißen Urformen 61
296
v Verschleißbeständigkeit 26, 30 Verschleißfestigkeit 15 Verschleißschutz 157 Verschleißschutzschichten 261 Verschleißschutzwerkstoffe 310 Verschleißwiderstand 86 w Wärmebehandlung 15 Wärmedämmschichten 197 Weichlöten 261 Werkstattverfahren 294 Werkstoffauswahl 157 Werkzeugbeschichtung 60 Widerstands-RollennahtVerfahren 305 Wirbelstromprüfung 343 Wirbelstromverfahren 332 Wolfram-Inertgas Auftragschweißen 297 z Zerspanung 60 Zerstörungsfreie Prüfung 323 Zinkschmelze 253 Zustandsdiagramme 246
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